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olgsl-2007-09-12-1-u-67606-210
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
1 U 676/06 - 210
2007-09-12
2019-01-07 09:38:42
2019-02-12 12:12:45
Urteil
## Tenor\n\n**I.** Die Berufung des Klagers gegen das am 6.11.2006 verkundete Urteil des\nLandgerichts Saarbrucken - Az.: 9 O 422/05 - wird zuruckgewiesen.\n\n**II.** Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Klager auferlegt.\n\n**III.** Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Dem Klager wird nachgelassen,\ndie Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Hohe von 115% des\nvollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung die\nBeklagten in entsprechender Hohe Sicherheit leisten.\n\n**IV.** Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n**A.**\n\nWegen des Sach- und Streitstandes wird zunachst auf die tatsachlichen\nFeststellungen des Urteils des Landgerichts vom 6.11.2006 Bezug genommen.\nDurch dieses Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begrundung\nhat es im Wesentlichen ausgefuhrt:\n\nDie Klage sei zulassig, aber unbegrundet. Es konne nicht davon ausgegangen\nwerden, dass der Klager mit der Beklagten zu 3) einen Rechtsanwaltsvertrag\nuber die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit dem Erwerb der\nGrundstucke in K. geschlossen habe. In der Vollmachtserteilung konne eine\nsolche Mandatierung nicht gesehen werden. Eine Vollmacht sei zwar regelmaßig\nein starkes Indiz fur ein zu Grunde liegendes Mandatsverhaltnis; fur die\ngegenteilige Behauptung der Beklagten sprachen allerdings ebenfalls gewichtige\nIndizien. Aber selbst wenn man insoweit eine andere Meinung vertreten und\neinen Gebuhrenanspruch des Klagers gemaß der Rechnung vom 5.11.2004 annehmen\nwollte, konne der Klager diese Gebuhren nicht einfordern, da er sie als\nSchadensersatz sogleich wieder zu erstatten habe. Gemaß § 49b Abs. 5 BRAO sei\nein Rechtsanwalt verpflichtet, seinen Mandanten darauf hinzuweisen, dass sich\ndie zu erhebenden Gebuhren nach dem Gegenstandswert richten. Gerade im\nHinblick auf das im Vorjahr erteilte Mandat sei der Klager gehalten gewesen,\ndarauf hinzuweisen, dass anstelle der fruheren Kosten in Hohe von 3.134,90 EUR\nnunmehr ein Honorar von uber 150.000,00 EUR anfallen werde. Da er diese\nPflicht verletzt habe, habe sich der Klager schadensersatzpflichtig gemacht.\nDie Beklagten hatten auch unwidersprochen dargelegt, dass sie bei Kenntnis\neiner Abrechnung nach einem Gegenstandswert von ca. 17 Millionen EUR sofort\nvon einer Beauftragung abgesehen und eine andere Kanzlei mandatiert hatten,\ndie die Leistung auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung mit Stundensatz\nerbracht hatte. Der Schadensersatzanspruch stehe gemaß § 242 BGB der Forderung\ndes Klagers entgegen.\n\nDem Klager stehe auch kein Anspruch auf ein Stundenhonorar zu. Diesen Anspruch\nhabe der Klager nicht gemaß § 10 RVG berechnet und den Zeitaufwand auch nicht\nsubstantiiert dargetan.\n\nGegen dieses ihm am 14.11.2006 zugestellte Urteil hat der Klager am 13.12.\n2006 Berufung eingelegt und diese mit einem am 11.1.2007 eingegangenen\nSchriftsatz begrundet.\n\nEr tragt vor:\n\nDas Landgericht habe pflichtwidrig eine gebotene Beweiserhebung uber\nentscheidungserhebliche Tatsachen unterlassen; es habe namlich nicht auf den\nBeweisantritt des Klagers auf Vernehmung des Zeugen K., der zu den naheren\nUmstanden hinsichtlich der Vollmachtserteilung benannt worden war, erkannt.\nHierdurch habe es das Landgericht unterlassen, die naheren Umstande der\nVollmachtserteilung aufzuklaren. Durch die Vollmachtserteilung sei zudem der\nvon dem Beklagten zu 2) an den Klager erteilte Auftrag von den Beklagten zu 1)\nund 3) genehmigt worden.\n\nSchadensersatzanspruche der Beklagten kamen nicht in Betracht.\n\nEs sei zwar richtig, dass ein Rechtsanwalt bei Mandatserteilung gemaß § 49 b\nAbs. 5 BRAO verpflichtet sei, seinen Mandanten darauf hinzuweisen, dass sich\ndie zu erhebenden Gebuhren nach dem Gegenstandswert richten. Zu weitergehenden\nHinweisen sei der Anwalt jedoch nicht verpflichtet; er musse insbesondere\nnicht die Hohe des Gegenstandswertes angegeben oder dem kunftigen Mandanten\ndie hieraus resultierende Vergutung berechnen. Zudem habe der Beklagte zu 2)\nzuletzt am 3.11.2004 telefonisch eine Abrechnung auf Basis der gesetzlichen\nGebuhren von mindestens 80.000,00 EUR gegenuber dem Klager angefordert. Es\nwerde zudem bestritten, dass den Beklagten durch die Inanspruchnahme des\nKlagers ein Schaden in Hohe der Klageforderung entstanden sein solle. Die\nBeklagten hatten die Hohe des Schadens weder beziffert noch entsprechenden\nBeweis hierzu angeboten.\n\nMit Schriftsatz vom 21.8.2007 hat der Klager hilfsweise ein Stundenhonorar in\nHohe von 6.164,20 EUR geltend gemacht.\n\nDer Klager beantragt,\n\n> > unter Abanderung des am 6.11.2006 verkundeten Urteils des Landgerichts\n> Saarbrucken, Az.: 9 O 422/05, die Beklagten zu 1) - 3) gesamtschuldnerisch\n> zu verurteilen, an den Klager 50.000,00 EUR nebst Zinsen in Hohe von 5\n> Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit dem 12.8.2005 zu zahlen.\n\nDie Beklagten beantragen,\n\n> > die Berufung zuruckzuweisen.\n\nSie verteidigen das angefochtene Urteil.\n\nWegen des Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die im\nBerufungsrechtszug gewechselten Schriftsatze Bezug genommen.\n\n**B.**\n\nDie Berufung des Klagers ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im\nubrigen zulassig gemaß §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO; sie ist jedoch nicht\nbegrundet. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen; insoweit wird\nzunachst zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden\nAusfuhrungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen (entsprechend § 540\nAbs. 1 Nr. 1 ZPO). Die mit der Berufung hiergegen vorgebrachten Einwendungen\ngreifen nicht durch:\n\nDer Klager beanstandet in der Berufung, das Landgericht habe zu Unrecht die\nnaheren Umstande der Vollmachtserteilung nicht aufgeklart und es insbesondere\npflichtwidrig unterlassen, den Zeugen K. hierzu zu vernehmen. Dem kann nicht\ngefolgt werden.\n\nEs kann vorliegend dahinstehen, aus welchen Grunden und auf welche Weise es\nvorliegend zur Unterzeichnung der Vollmacht (Bl. 47 d. A.) gekommen ist; denn\nallein das Vorhandensein der Vollmacht belegt nicht mit hinreichender\nSicherheit die Begrundung eines - neuen - Mandatsverhaltnisses zwischen dem\nKlager und den Beklagten. Wie das Landgericht zu Recht ausgefuhrt hat, dient\neine Vollmachtsurkunde zum Nachweis der Vertretungsmacht gegenuber Dritten;\nsie begrundet nicht das eigentliche Rechtsverhaltnis zwischen Vollmachtgeber\nund Bevollmachtigtem, sondern betrifft vielmehr das Außenverhaltnis. Dabei\nwird auch seitens des Senats nicht verkannt, dass regelmaßig eine\nVollmachtserteilung ein gewichtiges Indiz fur das Vorliegen eines\nMandatsverhaltnisses darstellt (vgl. dazu BGH NJW-RR 1997, 1285). Das\nLandgericht hat jedoch zu Recht dieses Indiz sowie den Umstand, dass seitens\ndes hiesigen Beklagten zu 1) in dem Verfahren 10 O 359/05 vor dem Landgericht\nBonn die Beauftragung des Klagers durch die Beklagte zu 3) vorgetragen worden\nist, nicht als ausreichend angesehen, um vorliegend eine Mandatserteilung\ndurch samtliche Beklagte anzunehmen. Auch insoweit wird auf die\ndiesbezuglichen Ausfuhrungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen, die\nsich der Senat vollinhaltlich zu Eigen macht.\n\nAber selbst wenn man von der seitens des Klagers behaupteten Mandatierung\nausgehen wollte, hatte der Klager mit der vorliegenden Klage keinen Erfolg.\nAuch wenn der Vortrag des Klagers insoweit zutrafe und mangels anderweitiger\nHonorarvereinbarung ein Anspruch des Klagers auf die gesetzlichen Gebuhren in\nBetracht kame, ware ein derartiger Anspruch des Klagers gegen die Beklagten\nletztlich zu verneinen. Den Beklagten stunde namlich in diesem Fall, auch dies\nhat das Landgericht zu Recht ausgefuhrt, ein Gegenanspruch in entsprechender\nHohe gegen den Klager zu, der ihn an der Durchsetzung seiner\nHonorarforderungen hindern wurde. Der Klager hat namlich eine ihm obliegende\nHinweispflicht verletzt.\n\nGemaß § 49b Abs. 5 BRAO ist ein Rechtsanwalt verpflichtet, seinen Mandanten\ndarauf hinzuweisen, dass sich die zu erhebenden Gebuhren nach dem\nGegenstandswert richten. Dabei kann dahinstehen, ob nach dieser Vorschrift der\nAnwalt neben dem Hinweis auf die Entstehung gesetzlicher Gebuhren auch\ngehalten ist, Angaben uber deren Hohe zu machen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom\n24.5.2007, IX ZR 89/06). Ebenso unerheblich ist, ob die Beklagten bzw. der\nBeklagte zu 2) bereits von einer Mandatierung abgesehen hatten, ware ihnen -\nganz allgemein - mitgeteilt worden, dass sich die Gebuhren nach dem\nGegenstandswert bemessen. Dies bedarf vorliegend letztlich keiner\nEntscheidung; denn der Klager war schon aus allgemeinen Erwagungen aufgrund\nder Umstande des Einzelfalls vorliegend gehalten, Auskunft zumindest uber die\nGroßenordnung der zu erwartenden Gebuhren zu erteilen.\n\nEs kann sich namlich aus besonderen Umstanden des Einzelfalles nach Treu und\nGlauben eine Pflicht des Rechtsanwalts ergeben, auch ohne Frage des\nAuftraggebers diesen uber die voraussichtliche Hohe seiner Vergutung zu\nbelehren; eine solche anwaltliche Pflicht hangt entscheidend davon ab, ob der\nRechtsanwalt nach diesen konkreten Umstanden ein entsprechendes\nAufklarungsbedurfnis des Mandanten erkennen konnte und musste (vgl. BGH aaO).\nDass hier ein derartiges Aufklarungsbedurfnis - des Beklagten zu 2), der\nunstreitig der unmittelbare Ansprechpartner des Klagers war - bestand, kann\nkeinem vernunftigen Zweifel unterliegen. Gegenstand des Mandates waren\nderselbe Lebenssachverhalt und vergleichbare Tatigkeiten des Klagers wie im\nJahr zuvor. Wenn nun anstelle der fruheren Kosten in Hohe von 3.134,90 EUR ein\nHonorar in Hohe von uber 150.000,00 EUR, also rund das 50(!)- fache der\nfruheren Gebuhren, entstehen sollte, war der Klager ohne Frage gehalten, dies\nseinem (bzw. seinen) Vertragspartner(n) vor Augen zu fuhren.\n\nDer Klager kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, es habe einer Belehrung\nuber die voraussichtliche Hohe der Gebuhren nicht bedurft und aus diesem Grund\neine Belehrungspflicht auch nicht bestanden, da der Beklagte zu 2) insoweit\nbereits informiert gewesen sei. Aus dem Fax des Beklagten zu 2), eingegangen\nbeim Klager am 26.10.2004 (Anlage A 10 = Bl. 124 d. A.), kann der Klager\ninsoweit nichts fur sich herleiten. Die dort gemachten Angaben betreffen die\nVorbereitung der Geltendmachung von Schadensersatzanspruchen gegenuber einem\nDritten und lassen daher noch nicht ohne weiteres Ruckschlusse auf das\nVertragsverhaltnis zwischen Klager und Beklagtem zu 2) - bzw. allen Beklagten\n- zu. Vor allem aber wurde dieses Telefax eine geraume Zeit nach\nVertragsschluss, der nach dem Vortrag des Klagers Anfang Oktober 2004 erfolgt\nsein soll, versandt. Sein Inhalt lasst damit keine hinreichend sicheren\nRuckschlusse auf den Kenntnisstand des Beklagten zu 2) zum Zeitpunkt des\nVertragsabschlusses zu und ist daher zur Darlegung von Umstanden, die eine\nBelehrungspflicht des Klagers hatten entfallen lassen, nicht geeignet.\nGleiches gilt fur das von dem Klager behauptete Telefonat vom 3.11.2004, indem\nder Beklagte zu 2) eine Abrechnung auf der Basis der gesetzlichen Gebuhren in\nHohe von mindestens 80.000,00 EUR gefordert haben soll. Der Klager ist somit\ndem Vorbringen der Beklagten, wonach zum maßgeblichen Zeitpunkt eine\nBelehrungspflicht bestanden hat, nicht wirksam entgegengetreten; somit ist von\neinem Unterlassen des Klagers im Hinblick auf die vorbezeichnete Pflicht\nauszugehen. Dieses Unterlassen stellt eine vertragliche Pflichtverletzung dar,\ndie den Klager, dessen Verschulden gemaß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet wird,\nbei Vorliegen der ubrigen Voraussetzungen zum Schadensersatz verpflichtet (§\n280 Abs. 1 S. 1 BGB).\n\nDie erforderliche Kausalitat zwischen der Pflichtverletzung und dem\nentstandenen Schaden ist gegeben. Die Beklagten haben, worauf das Landgericht\nebenfalls zutreffend hingewiesen hat, erstinstanzlich dargelegt, dass sie bei\nKenntnis einer Abrechnung nach einem Gegenstandswert von ca. 17 Mio EUR von\neiner Beauftragung abgesehen und eine andere Kanzlei mandatiert hatten, welche\n- wie die Prozessbevollmachtigten der Beklagten - die Leistung auf der\nGrundlage einer Honorarvereinbarung mit Stundensatz erbracht hatte (vgl.\nSchriftsatz vom 15. 2.2006, Seite 16 = Bl. 238 d. A.). Hiermit haben die\nBeklagten die erforderliche Kausalitat dargelegt. Soweit der Klager in der\nBerufung geltend macht, die Beklagten hatten insoweit ihrer Darlegungslast\nnicht genugt, es fehle an einem hinreichend konkreten Vortrag, kann dem nicht\ngefolgt werden. Die Anforderungen an die Darlegungslast bemessen sich nicht\nallein nach objektiven Kriterien, sondern sind auch abhangig vom Verhalten des\nProzessgegners. Hier waren die Beklagten nicht gehalten, von sich aus den oben\ndargestellten Vortrag naher zu konkretisieren. Der Klager war diesem\nVorbringen namlich erstinstanzlich nicht entgegengetreten; aus diesem Grunde\nhatten die Beklagten - zunachst - der ihnen obliegenden Darlegungslast genugt.\nSofern der Klager nunmehr zweitinstanzlich das Vorbringen der Beklagten\nbestreiten will, stellt dies neues Vorbringen in der Berufungsinstanz dar, fur\ndas die Zulassigkeitsvoraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO weder vorgetragen\nnoch sonstwie ersichtlich sind.\n\nHiernach steht den Beklagten, sofern diese ein - im Jahre 2004 neues -\nMandatsverhaltnis zu dem Klager eingegangen sind, gegen den Klager, da der\nSchaden in diesem Fall in der Belastung mit einer Verbindlichkeit, namlich der\nPflicht, Anwaltshonorar auf gesetzlicher Grundlage zu zahlen, besteht (vgl.\ndazu Palandt-Heinrichs, BGB, 63. Aufl., Rdnr. 46 vor § 249 m. w. N.), ein\nAnspruch auf Befreiung von dieser Verbindlichkeit zu. Hierdurch ist der\nKlager, worauf das Landgericht ebenfalls zutreffend hinweist, gemaß § 242 BGB\nan der Durchsetzung seiner eventuellen Honoraranspruche gehindert.\n\nDass jedenfalls in erster Instanz die Voraussetzungen einer Anrechnung einer\nVorteilsausgleichung nicht vorlagen, hat das Landgericht ebenfalls zu Recht\nausgefuhrt.\n\nDas Vorbringen des Klagers im Schriftsatz vom 21.8.2007 (Bl. 560 ff. d. A.)\nbietet zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass. Mit diesem Schriftsatz\nmacht der Klager hilfsweise Anspruche auf Ausgleich von Stundenhonorar gelten.\nDa er sich damit auf einen anderen Anspruchsgrund stutzt, liegt hierin eine\nKlageanderung gemaß § 263 ZPO, deren Zulassigkeit sich nach der Regelung des §\n533 ZPO bemisst. Es kann vorliegend dahinstehen, ob - eine Einwilligung der\nBeklagten ist erkennbar nicht gegeben - Sachdienlichkeit dieser Klageanderung\ngemaß § 533 Nr. 1 ZPO bejaht werden konnte; die Zulassigkeit einer solchen\nKlageanderung scheitert namlich jedenfalls an der Regelung des § 533 Nr. 2\nZPO. Hiernach ist eine Klageanderung in der Berufungsinstanz nur dann\nzulassig, wenn diese auf Tatsachen gestutzt werden kann, die das\nBerufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung uber die Berufung ohnehin\nnach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Dies ist vorliegend nicht der Fall.\n\nDer Klager tragt in dem genannten Schriftsatz - erstmals - vor, welche Stunden\ner nach seiner Darstellung zur Erfullung des streitigen Mandats aufgewendet\nhat. Hierbei handelt es sich um in der Berufungsinstanz neuen Sachvortrag, der\nnur zuzulassen ware, wenn die Voraussetzungen der §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531\nAbs. 2 ZPO vorlagen. Diese sind indes hier nicht gegeben. Der Klager hat auch\nnicht einmal ansatzweise vorgetragen, aus welchem Grunde er an dem\ndiesbezuglichen Vortrag in der ersten Instanz gehindert gewesen sein sollte\noder welche sonstigen Umstande einem fruheren Vorbringen entgegengestanden\nhaben konnten.\n\nDer Vortrag zu den aufgewendeten Stunden war auch nicht etwa deshalb\nzuzulassen, weil er unstreitig ware; dieser von der Rechtsprechung zugelassene\nAusnahmefall (vgl. dazu BGH FamRZ 2005, 1555) ist namlich vorliegend nicht\ngegeben. Die Beklagten zu 1) und 3) hatten bereits mit Schriftsatz vom\n12.9.2006 vorgetragen, der Zeitaufwand des Klagers im Jahre 2004 habe unter\nden 14,5 Stunden aus dem Jahr 2003 gelegen (vgl. Seite 9 = Bl. 198 d. A.).\nDiesen Vortrag hat sich der Beklagte zu 2) mit Schriftsatz vom 18.9.2006 (Bl.\n199a d. A.) ausdrucklich zu eigen gemacht. In der Berufung haben sich die\nBeklagten auf ihren erstinstanzlichen Vortrag bezogen (vgl. Seite 9 der\nBerufungsschrift = Bl. 519 d. A.). Damit ist das Vorbringen des Klagers im\nSchriftsatz vom 21.8.2007 uber die angeblich geleisteten Stunden zwischen den\nParteien streitig und folglich als neues Verteidigungsvorbringen in der\nBerufungsinstanz unzulassig gemaß § 531 Abs. 2 ZPO. Die\nZulassigkeitsvoraussetzungen des § 533 Nr. 2 ZPO fur eine Klageanderung in der\nBerufung sind damit nicht gegeben.\n\nSofern man in dem vorbezeichneten Vortrag des Klagers eine Darlegung unter dem\nGesichtspunkt der Vorteilsausgleichung sehen wollte, ware dieses Vorbringen\nmangels der Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO ebenfalls unzulassig.\n\nHiernach war die Berufung des Klagers zuruckzuweisen.\n\n**C.**\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.\n\nMangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen war die Revision nicht\nzuzulassen.\n\n
132,406
vg-freiburg-2004-02-02-2-k-4804
157
Verwaltungsgericht Freiburg
vg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 K 48/04
2004-02-02
2019-01-07 10:15:26
2019-01-17 11:52:17
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag wird zuruckgewiesen.\n\nDer Antragsteller tragt die Kosten des Verfahrens.\n\nDer Streitwert wird auf 2.000,-- Euro festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden\nWirkung seines Widerspruchs vom 08.01.2004 gegen den Bescheid des\nLandratsamtes vom 3.12.2003, mit welchem ihm unter Anordnung der sofortigen\nVollziehung die Fahrerlaubnis der Klasse 3 entzogen und unter Androhung der\nWegnahme durch die Polizei aufgegeben wurde, seinen Fuhrerschein bis zum\n09.01.2004 abzugeben, ist gemaß § 80 Abs. 5 VwGO zulassig, hat aber in der\nSache keinen Erfolg. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist nicht zu beanstanden. Das\nprivate Interesse des Antragstellers, von seiner Fahrerlaubnis vorlaufig\nweiteren Gebrauch zu machen, muss hinter dem entgegenstehenden offentlichen\nInteresse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfugung\nzurucktreten. Dabei ist davon auszugehen, dass die sofortige Vollziehung der\nEntziehung der Fahrerlaubnis schon dann im uberwiegenden offentlichen\nInteresse liegt, wenn nur der dringende Verdacht besteht, dass der\nFahrerlaubnisinhaber i.S.v. § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 4 StVG und § 46 Abs. 1\nund 4 der Verordnung uber die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr\n(Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV) vom 18.08.1998 (BGBl. I S. 2214) zum Fuhren\nvon Kraftfahrzeugen ungeeignet oder nicht befahigt ist (vgl. VGH Bad.-Wurtt.,\nBeschluss vom 13.10.1980, VBlBW 1982, 21). Im Falle des Antragstellers besteht\nnach der im Verfahren des vorlaufigen Rechtsschutzes allein moglichen\nsummarischen Prufung der Sach- und Rechtslage der dringende Verdacht, dass er\nzum Fuhren von Kraftfahrzeugen nicht geeignet ist. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 und § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StVG i.V.m. § 46 Abs.\n1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehorde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis\ndiese zu entziehen, wenn er sich als ungeeignet zum Fuhren von Kraftfahrzeugen\nerweist. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mangel nach der Anlage\n4 vorliegen und dadurch die Eignung zum Fuhren von Kraftfahrzeugen\nausgeschlossen ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen durfte das\nLandratsamt zu Recht angenommen haben. Nach Nr. 9.1 u. Nr. 9.3 der Anlage 4\nzur Fahrerlaubnis-Verordnung ist ein Kraftfahrer, der Betaubungsmittel im\nSinne des Betaubungsmittelgesetzes einnimmt oder bei dem eine Abhangigkeit von\nBetaubungsmitteln im Sinne des Betaubungsmittelgesetzes besteht, im Regelfall\nals ungeeignet zum Fuhren von Kraftfahrzeugen anzusehen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Antragsteller ist aller Voraussicht nach heroinabhangig. Dies folgt aus\ndem Umstand, dass er ausweislich des vorgelegten arztlichen Attests vom\n24.10.2003 seit Juni 2001 mit Subutex (Buprenorphin) therapiert wird.\nBuprenorphin wird zur Opioidsubstitutionsbehandlung eingesetzt. Es handelt\nsich um ein halbsynthetisches Opioid, das eine hohe Bindung zum Opiatrezeptor\nhat und dort erfolgreich mit gleichzeitig oder nachtraglich verabreichtem\nHeroin um die Bindung konkurriert. Damit wird die euphorisierende\n(„Kick"-)Wirkung des Heroins reduziert bzw. bei hoherer Dosierung\nunterbrochen, weil die Substanz nicht mehr an den Wirkort gelangt. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Ein Kraftfahrer, der Betaubungsmittel i.S.d. Betaubungsmittelgesetzes\nkonsumiert hat, ist gemaß § 3 Abs. 1 Satz 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StVG,\n§ 46 Abs. 1 FeV i.V.m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung im\nRegelfall als ungeeignet zum Fuhren von Kraftfahrzeugen anzusehen. Dies gilt\nauch dann, wenn bei ihm bislang nur einmal der Konsum von Betaubungsmitteln\nfestgestellt worden ist (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschlusse vom 28.05.2002 - 10\nS 2213/01 -, VBlBW 2003, 25; und vom 24.05.2002 - 10 S 835/02 -; ebenso OVG\nRheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.11.2000, - 7 B 11967/00 -, DAR 2001, 183;\na.A. HessVGH, Beschluss vom 14.01.2002 - 2 TG 3008/01 -, Juris). Ausnahmen von\ndieser Regel werden grundsatzlich nur dann anzuerkennen sein, wenn in der\nPerson des Betaubungsmittelkonsumenten Besonderheiten bestehen, die darauf\nschließen lassen, dass seine Fahigkeit, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr\nsicher, umsichtig und verkehrsgerecht zu fuhren, sowie sein Vermogen, zwischen\ndem Konsum von Betaubungsmitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr\nzuverlassig zu trennen, nicht erheblich herabgesetzt sind. In Betracht kommen\nhier Kompensationen der Wirkungen des Betaubungsmittelkonsums durch besondere\nmenschliche Veranlagung, durch Gewohnung, durch besondere Einstellung oder\ndurch besondere Verhaltenssteuerungen und -umstellungen (vgl. Vorbemerkung Nr.\n3 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung). Im\nFahrerlaubnisentziehungsverfahren obliegt es grundsatzlich dem\nFahrerlaubnisinhaber, das in seiner Person gegebene Bestehen solcher\natypischen Umstande substantiiert darzulegen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Wiedererlangung der Kraftfahreignung setzt eine nachhaltige Entgiftung\nund Entwohnung vom Betaubungsmittelkonsum voraus. Im\nFahrerlaubnisentziehungsverfahren wird hier regelmaßig der Nachweis mindestens\neinjahriger Betaubungsmittelabstinenz zu fordern sein (vgl. Nr. 9.5 der Anlage\n4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung). Eine kurzere Dauer der Abstinenz wird fur die\nWiedererlangung der Kraftfahreignung nur dann als ausreichend anzusehen sein,\nwenn besondere Umstande in der Person des Betroffenen gegeben sind, die es\nnahe legen, dass er vom Betaubungsmittelkonsum bereits hinreichend entgiftet\nund entwohnt ist. Auch hier ist es Sache des betroffenen\nFahrerlaubnisinhabers, die Atypik seines Falles substantiiert darzulegen. Die\nbloße Ankundigung des Betroffenen, kunftig auf den Konsum von\nBetaubungsmitteln verzichten zu wollen, genugt hier nicht. \n--- \n| 7 \n--- \n| Gemessen daran durfte derzeit (noch) nicht davon auszugehen sein, dass der\nAntragsteller seine Kraftfahreignung wiedererlangt hat. Den Nachweis\nmindestens einjahriger Betaubungsmittelabstinenz hat der Antragsteller bislang\nnicht erbracht. Besondere Umstande in seiner Person, aus denen sich ergibt,\ndass er bereits derzeit in hinreichendem Maße von Betaubungsmitteln entgiftet\nund entwohnt ist, hat er nicht substantiiert dargelegt. Allein aufgrund der\nbei dem Antragsteller seit uber 2 Jahren durchgefuhrten\nSubstitutionsbehandlung mit Buprenorphin ist die Befurchtung nicht ausgeraumt,\ndass dieser noch immer heroinabhangig ist oder dies erneut wird. Die\nBehandlung mit Buprenorphin fuhrt nicht unmittelbar zur\nRauschmittelentwohnung, denn es handelt sich hierbei selbst um ein Opioid.\nSein Gebrauch kann lediglich eine Heroinentwohnung erleichtern, weil es uber\neine langere Zeit den Drang des Abhangigen nach der Droge vermindert. Wahrend\nder Substitutionsbehandlung ist jedoch weder der Gebrauch anderer Drogen noch\nein erneuter Heroinkonsum (d.h. ein sogenannter Beikonsum) auszuschließen. Der\nAntragsteller hat bisher nicht durch geeignete, regelmaßige, zufallige\nKontrollen (z.B. Urin, Haar) nachgewiesen, dass er seit mindestens einem Jahr\nneben dem Buprenorphin keine anderen psychoaktiven Substanzen (namentlich\nHeroin) zu sich nimmt. Bei der polizeilichen Kontrolle am 31.07.2003 sind bei\ndem Antragsteller zwar keine Betaubungsmittel festgestellt worden. Bei den bei\nihm aufgefundenen Substanzen handelte es sich um ein Gemisch der Wirkstoffe\nCoffein und Paracetamol ohne nachweisbare Beimengungen von Stoffen im Sinne\ndes Betaubungsmittelgesetzes. Der Vorfall hat jedoch gezeigt, dass der\nAntragsteller noch Kontakte zu anderen Drogenkonsumenten hat. Dies legt die\nVermutung nahe, dass er auch kunftig derartige Kontakte pflegen und damit der\nVersuchung ausgesetzt sein wird, selbst Drogen zu konsumieren. In die gleiche\nRichtung deuten auch seine Äußerungen hin, dass er das Subutex mit Wasser und\nAscorbin-Saure „aufkoche", um es sodann in den Oberarm zu spritzen. Mit diesen\nin der Tat wenig nachvollziehbaren Angaben wollte er offenkundig den Besitz\nvon Utensilien bzw. von Umstanden, die bei ihm auf einen Heroinkonsum\nhindeuten, erklaren. \n--- \n| 8 \n--- \n| Auf die von dem Prozessbevollmachtigten des Antragstellers aufgeworfene\nFrage, ob allein der Umstand, dass der Antragsteller mit Buprenorphin\n(Subutex) substituiert, als solcher seine Fahreignung ausschließen kann, kommt\nes demnach hier nicht an. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Ablieferungspflicht des Fuhrerscheins folgt aus § 47 FeV und ist in\nrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Androhung der Wegnahme des Fuhrerscheins als besondere Form des\nunmittelbaren Zwangs nach § 28 LVwVG begegnet ebenfalls keinen rechtlichen\nBedenken, die Voraussetzungen der §§ 2, 18, 19 20 und 26 LVwVG sind erfullt.\nInsoweit entfallt die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen schon kraft\nGesetzes (§ 12 LVwVG). \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 13 Abs. 1 S. 2 GKG (vgl.\n„Streitwertkatalog fur die Verwaltungsgerichtsbarkeit", DVBl. 1996, 605 unter\n45.2). Im Hinblick auf die Besonderheiten des auf vorlaufigen Rechtsschutz\ngerichteten Verfahrens halt die Kammer die Halfte des dort vorgeschlagenen\nAuffangwertes fur angemessen. \n---\n\n
132,559
vghbw-2006-01-18-11-s-145505
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
11 S 1455/05
2006-01-18
2019-01-07 10:16:34
2019-01-17 11:52:27
Beschluss
## Tenor\n\nDie Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts\nFreiburg vom 24. Juni 2005 - 6 K 1307/05 - werden zuruckgewiesen.\n\nDie Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.\n\nDer Streitwert fur das Beschwerdeverfahren wird auf 12.500.- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des\nVerwaltungsgerichts Freiburg vom 24.06.2005, mit dem ihre Antrage auf\nAussetzung ihrer Abschiebung abgelehnt wurden, sind zwar fristgerecht\neingelegt (§ 147 Abs. 1 VwGO) und fristgerecht begrundet (§ 146 Abs. 4 Satz 1\nVwGO) worden. Sie sind aber gleichwohl unzulassig. Der Zulassigkeit der\nBeschwerde des Antragstellers zu 1. steht die fehlende Angabe einer\nladungsfahigen Anschrift entgegen (dazu 1.), der Zulassigkeit der Beschwerden\nder ubrigen Antragsteller jedenfalls eine unzulassige Änderung der Antrage\ngegenuber den in der ersten Instanz verfolgten Begehren (dazu 2.). \n--- \n| 2 \n--- \n| 1\\. Der Antragsteller zu 1. erfullt nicht die fur die Zulassigkeit seiner\nBeschwerde erforderliche Mindestvoraussetzung einer ladungsfahigen Anschrift\nim Sinne des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Prozessbevollmachtigte der\nAntragsteller hat die Beschwerdeschrift auch nicht innerhalb der ihm gemaß §\n82 Abs. 2 Satz 2 VwGO gesetzten Ausschlussfrist erganzt. Nach dem im Verfahren\ndes vorlaufigen Rechtsschutzes analog anzuwendenden § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO\n(vgl. Senatsbeschluss vom 25.10.2004 - 11 S 1992/04 -, VBlBW 2005, 151 m.w.N.)\nist notwendiger Inhalt der Klageschrift die Bezeichnung des Klagers, des\nBeklagten und des Gegenstands des Klagebegehrens. Zur Bezeichnung des Klagers\ngehort außer der Angabe des Namens grundsatzlich auch die Benennung einer\nladungsfahigen Wohnungsanschrift und ihrer eventuellen Änderung (vgl. § 173\nVwGO i.V.m. § 130 Nr. 1 ZPO). Die Pflicht zur Angabe dieser Wohnungsanschrift\nentfallt nicht allein deswegen, weil ein Klager anwaltlich vertreten ist,\nsondern - unter Berucksichtigung des Verhaltnismaßigkeitsgrundsatzes und des\naus Art. 19 Abs. 4 GG abzuleitenden Gebots, den Zugang zu den Gerichten nicht\nunnotig zu erschweren - erst dann, wenn ihre Erfullung unmoglich oder\nunzumutbar ist. \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Antragsteller zu 1. hat eine ladungsfahige Wohnanschrift in diesem Sinn\nnicht benannt. Er halt sich - auch nach Angaben seines Bevollmachtigten -\nnicht mehr unter der beim Verwaltungsgericht angegebenen Wohnanschrift auf.\nDem Prozessbevollmachtigten der Antragsteller ist eine andere Wohnadresse\nnicht bekannt (vgl. Schriftsatz vom 15.09.2005). Besondere Umstande, die es\nausnahmsweise gestatten wurden, von einer Angabe der Wohnungsanschrift\nabzusehen, weil dies dem Antragsteller zu 1. unmoglich oder unzumutbar ware,\nsind weder geltend gemacht noch ersichtlich. \n--- \n| 4 \n--- \n| 2\\. Ob dieses Zulassigkeitshindernis auch den Beschwerden der ubrigen\nAntragsteller entgegensteht, kann dahinstehen. Denn ihre Beschwerden sind auf\nGrund einer Änderung der in der ersten Instanz verfolgten Antrage unzulassig.\nIn der ersten Instanz hatten sie beantragt, den Antragsgegner im Wege der\neinstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihre am selben Tag beabsichtigten\nAbschiebungen auszusetzen. Nach ihrer wenige Stunden nach Bekanntgabe der\nerstinstanzlichen Entscheidung erfolgten Abschiebung begehren sie mit der\nBeschwerde nunmehr, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur\nAufhebung der Vollziehung der Abschiebung vom 24.06.2005 zu verpflichten. \n--- \n| 5 \n--- \n| Zwar ist das Rechtsschutzinteresse fur ihre ursprunglichen Antrage auf\nAussetzung der Abschiebung nach deren Vollzug entfallen, da das mit diesen\nAntragen verfolgte Rechtsschutzziel nicht mehr erreichbar ist (vgl. Beschlusse\ndes Senats vom 07.10.2005 - 11 S 2011/05 -, vom 27.01.2004 - 11 S 2686/03 -\nund vom 26.11.2001 - 11 S 2215/01 -). Die Antragsteller zu 2. bis 5. waren\nauch gehindert, ihren Antrag auf die einstweilige Feststellung umzustellen,\ndass die Abschiebung am 24.06.2005 zu Unrecht erfolgt ist. Denn ein\nFortsetzungsfeststellungsantrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog scheidet\nim Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nach § 123 VwGO grundsatzlich aus\n(vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.01.1995 - 7 VR 16/94 -, NVwZ 1995, 586 = DÖV\n1995, 515; Beschluss des Senats vom 13.04.2005 - 11 S 709/05 -). Vor diesem\nHintergrund erscheint die von den Antragstellern zu 2. bis 5. gewahlte\nAntragsanderung im Sinne des § 91 VwGO durchaus verstandlich. \n--- \n| 6 \n--- \n| Sollten die Antrage „die Aufhebung der Vollziehung anzuordnen", wortlich im\nSinne von § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO gemeint sein, waren die geanderten Antrage\nunzulassig. Die Anwendung dieser Bestimmung kommt in Verfahren nach § 123 VwGO\nweder unmittelbar noch entsprechend in Betracht, da ein § 80 Abs. 5 Satz 3\nVwGO entsprechender Antragsinhalt, die Ruckgangigmachung der Vollziehung,\ndurch einen unmittelbar darauf gerichteten Anordnungsantrag - etwa auf\nRuckabwicklung der Vollziehung - erreicht werden kann (vgl. Beschluss des\nSenats vom 07.09.2005 - 11 S 1244/05 - m.w.N.). Das kann aber dahinstehen.\nDenn auch dann, wenn die geanderten Antrage dahin auszulegen sind, die\nAbschiebung ruckabzuwickeln, ist bereits die Antragsanderung im vorliegenden\nBeschwerdeverfahren unzulassig. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:\nNachdem mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung\nund anderer Gesetze (vom 01.11.1996, BGBl. I S. 1626) zur Entlastung der\nOberverwaltungsgerichte unter anderem die Zulassungsbeschwerde gegen\nBeschlusse in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eingefuhrt worden war\n(§ 146 Abs. 4 bis 6 VwGO a.F.), beabsichtigte die Bundesregierung im Jahr\n2001, das Zulassungserfordernis fur Beschwerden dieser Art (wieder) ersatzlos\nentfallen zu lassen (vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur\nBereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess, BT-Drs. 14/6393, S.\n2, 7. u. 14). Dieser Vorschlag stieß auf den Widerstand des Bundesrates (vgl.\nBT-Drs. 14/7744, S. 1 f.) und konnte sich nicht durchsetzen. Letztlich wurde\nder Vermittlungsausschuss angerufen, auf dessen Beschlussempfehlung die\nheutige Fassung des § 146 Abs. 4 VwGO beruht (zur Gesetzgebungsgeschichte vgl.\nBader in: Bader u.a., Komm. z. VwGO, 2. Aufl., § 146 Rn. 16). Nach diesem im\nVermittlungsausschluss gefundenen Kompromiss ist zwar das\nZulassungserfordernis abgeschafft worden. Allerdings wird seither eine\nEntlastung der Oberverwaltungsgerichte gegenuber einer herkommlichen\nBeschwerde durch § 146 Abs. 4 Satz 3 und Satz 6 VwGO n.F. erzielt. \n--- \n| 7 \n--- \n| Danach muss sich die Beschwerdebegrundung mit der erstinstanzlichen\nEntscheidung auseinander setzen und hat der Verwaltungsgerichtshof nur die\ndargelegten Grunde zu prufen. Mit dieser der Entlastung der\nOberverwaltungsgerichte dienenden Qualifizierung der Beschwerdebegrundung\neinerseits und der Beschrankung des Prufungsumfangs andererseits in Verfahren\ndes einstweiligen Rechtsschutzes ist eine Antragsanderung in der\nBeschwerdeinstanz - zumal schon bei Erhebung der Beschwerde - regelmaßig nicht\nvereinbar (so - jedenfalls im Ergebnis - auch OVG Saarl., Beschluss vom\n10.11.2004 - 1 W 37/04 - <juris>; OVG Hamburg, Beschluss vom 02.10.2002 - 4 BS\n257/02 -, NVwZ 2003, 1529, Beschluss vom 22.08.2003 - 4 Bs 278/03 -, NwZ-RR\n2004, 621; OVG Nordr .-Westf., Beschluss vom 25.07.2002 - 18 B 1136/02 -,\nNVwZ-RR 2003, 72; Meyer-Ladewig/Rudisile in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,\nKomm. z. VwGO, § 146 Rn. 13 c; ebenso fur den Fall einer Antragserweiterung\nVGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 01.09.2004 - 12 S 1750/04 -, VBlBW 2004, 483).\nDas gilt insbesondere dann, wenn mit der Antragsanderung auch eine wesentliche\nÄnderung der zu prufenden rechtlichen Gesichtspunkte einhergeht, was hier der\nFall ist. Denn die Antragsteller zu 2. bis 5. machen mit ihren\nBeschwerdeantragen Folgenbeseitigungsanspruche geltend. Diese Anspruche\nerfordern zwar - wie die in der Vorinstanz verfolgten Anspruche auf Aussetzung\nder Abschiebung -, dass die Abschiebung fehlerhaft war. Sie haben aber\nweitergehende Voraussetzungen. So knupfen sie nicht nur an die\nRechtswidrigkeit des Eingriffs (der Abschiebung) an, sondern verlangen daruber\nhinaus, dass der durch den Eingriffsakt geschaffene Zustand rechtswidrig ist\n(vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 23.05.1989 - 7 C 2.87 -, BVerwGE 82, 76 = NJW\n1989, 2272; VG Stuttgart, Beschluss vom 01.07.2003 - 11 K 2173/03 -, NVwZ\n2004, Beil I Nr. 3, S. 23). \n--- \n| 8 \n--- \n| Ungeachtet dessen durfte eine Antragsanderung allerdings dann ausnahmsweise\nzulassig sein, wenn nur so effektiver Rechtsschutz gewahrt werden kann (vgl.\netwa OVG Saarl., Beschluss vom 24.01.2003 - 9 W 50/02 - <juris> bei\nAntragsanderung nach Anhangigkeit der Beschwerde; OVG Hamburg, a.a.O.). Das\nist hier indessen nicht der Fall. Die Antragsteller zu 2. bis 5. hatten ihr\nBegehren von vorneherein mit einem Antrag beim Regierungsprasidium und in der\nersten Instanz verfolgen konnen und konnen dies auch weiterhin, ohne dass\nihnen unzumutbare Rechtsnachteile entstehen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 159 Satz 1 VwGO i.V.m. §\n100 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 63 Abs. 2\nSatz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 1 Nr. 1, 52 Abs. 2 u. 1 und 39 Abs. 1 GKG. \n--- \n| 10 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n
133,820
vghbw-2004-02-03-pb-15-s-218003
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
PB 15 S 2180/03
2004-02-03
2019-01-07 10:34:46
2019-01-17 11:53:47
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts\nSigmaringen - Fachkammer fur Personalvertretungssachen - vom 28. Juli 2003 - P\n11 K 3/03 - geandert. Der Antrag wird abgelehnt.\n\nDie Rechtsbeschwerde wird zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten daruber, ob die Soldatenvertreter, die durch die\nPersonalratswahl im Mai 2000 in den Personalrat des damals noch kombinierten\nStabes Wehrbereichskommando V/10. Panzerdivision (im Folgenden: WBK V/10.\nPzDiv) gewahlt worden sind, dem Personalrat noch angehoren. \n--- \n| 2 \n--- \n| Im Zuge der von der Bundesregierung im Juni 2000 gebilligten\nBundeswehrreform wurde aufgrund von Befehlen des Heeresfuhrungskommandos der\nStab WBK V/10. PzDiv mit Wirkung vom 01.07.2001 defusioniert. Der\nDivisionsanteil wurde in Stab der 10. Panzerdivision (im Folgenden: Stab 10.\nPzDiv) umbenannt und unmittelbar dem Heeresfuhrungskommando unterstellt.\nZugleich erfolgte die Unterstellung der Wehrbereichskommandos unter das neu\ngebildete Streitkrafteunterstutzungskommando. Mit Erlassen u. a. vom 24.09.\nund 10.12.2002 teilte das Bundesministerium der Verteidigung dem\nHeeresfuhrungskommando seine Auffassung mit, ein Divisionsstab sei fur\nSoldaten nicht personalratsfahig; fur die in den Personalrat gewahlten\nSoldaten habe die Umgliederung die Wirkung der Auflosung einer\npersonalratsfahigen Dienststelle, womit sie ihr Mandat verloren; im\nDivisionsstab wahlten Soldaten Vertrauenspersonen. Daraufhin leitete der Chef\ndes Stabes der 10. Panzerdivision unter dem 03.06.2003 durch Bestellung des\nWahlvorstands die Wahl der Vertrauenspersonen der Offiziere des Stabes ein. \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 07.06.2003 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Sigmaringen das\npersonalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet und die\nFeststellung beantragt, dass der Stab der 10. Panzerdivision einschließlich\nder unterstutzenden Einheiten weiterhin eine Dienststelle nach § 49\nSoldatenbeteiligungsgesetz - SBG - sei und die gewahlten Soldatenvertreter\nweiterhin seine Mitglieder seien. Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, die\nDefusionierung habe in personalvertretungsrechtlicher Hinsicht keine\nAuswirkungen, und sich auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Dresden\nvom 28.03.2003 sowie auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom\n23.01.2002 - 6 P 2.01 - berufen. Das Bundesverwaltungsgericht habe\ngrundsatzlich ausgefuhrt, im Bereich der militarischen Stabe sei eine\nPersonalratslosung umso eher geboten, je hoher der Stab in der Hierarchie\nstehe. Dem gemaß habe es die Anwendung des § 49 SBG auf die dem\nBundesministerium der Verteidigung unmittelbar nachgeordneten Stabe wie das\nHeeresfuhrungskommando gebilligt und zugleich auch oberhalb der\nBataillonsebene die Stabe der Großverbande grundsatzlich dem § 2 Abs. 1 Nr. 3\nSBG zugeordnet. Ausgenommen habe es jedoch die zweite und die dritte Ebene der\nTerritorialverteidigung (Wehrbereichskommandos,\nWehrbereichskommandos/Divisionen, Verteidigungsbezirkskommandos) sowie, als\nden Korps entsprechende Dienststellen im Sinne von § 49 Abs. 1 Satz 2 SBG, im\nBereich der reinen Einsatzstabe die Stabe der obersten Großverbande, woraus es\ngefolgert habe, der wesentliche Unterschied zwischen Korps und Division liege\ndarin, dass die Korps, nicht dagegen die Divisionen dem Heeresfuhrungskommando\nunmittelbar unterstunden. Dabei habe es den Aspekt der Rechtssicherheit betont\nund alle Beispielsfalle des § 49 Abs. 1 Satz 2 SBG mit Definitionen versehen.\nDas VG Dresden habe zutreffend erkannt, dass die Dienststellen mit der\nDefusionierung wegen der gleichzeitigen unmittelbaren Unterstellung unter das\nHeeresfuhrungskommando nunmehr "Stabe der obersten Großverbande" geworden und\ndaher im Anwendungsbereich des § 49 Abs. 1 SBG geblieben seien. \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Beteiligte hat beantragt, den Antrag abzulehnen, und im Wesentlichen\nausgefuhrt: Das Bundesverwaltungsgericht habe in der Entscheidung vom\n23.01.2002 festgestellt, dass auch Divisionen oder Brigaden als Großverbande\nVerbande i. S. von § 2 Abs. 1 Nr. 3 SBG seien und Soldaten in deren Staben\nVertrauenspersonen und nicht Personalvertretungen wahlten. Entscheidendes\nKriterium sei nicht die Hierarchieebene, sondern die Pragung der Dienststelle\ndurch einen stationaren, administrativen oder durch einen mobilen, also einen\nEinsatzcharakter. Letzterer sei bei den Divisionsstaben eindeutig zu bejahen.\nDies werde in Zeiten zunehmender Auslandseinsatze dadurch deutlich, dass die\nDivisionen als "Leitverbande" turnusmaßig wechselten und dann jeweils mit\neinem großen Teil des Divisionsstabes im Auslandseinsatz stunden. Auch\naufgrund der sonstigen Aufgaben, z.B. als mobilmachungsfahiger Großverband in\nder Fuhrung der unterstellten Truppenteile oder der Gefechtsfuhrung der\nverbundenen Waffen im Einsatz hatten die Divisionsstabe mobile, dem Einsatz\nbzw. Kampfauftrag dienende Aufgaben. Dass die 10. Panzerdivision nunmehr unter\nWegfall der Fuhrung durch das II. Korps direkt dem Heeresfuhrungskommando\nunterstellt sei, bedeute keinen Aufstieg der Division auf die Korpsebene und\ndamit in die Personalratsfahigkeit. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Beschluss vom 28.07.2003 hat das Verwaltungsgericht dem\nFeststellungsantrag stattgegeben. In den Grunden heißt es, der Stab der 10.\nPanzerdivision sei eine entsprechende Dienststelle im Sinne von § 49 Abs. 1\nSatz 2 SBG. Dass das Bundesverwaltungsgericht unter "entsprechenden\nDienststellen" insbesondere solche der anderen Teilstreitkrafte genannt habe,\nschließe nicht aus, dass auch Dienststellen des Heeres erfasst werden konnten,\ndie etwa durch eine andere Aufgabenstellung und Befehlsstruktur eine andere\nBedeutung erhalten hatten, so dass nicht jeder Umorganisation eine Anpassung\ndes Soldatenbeteiligungsgesetzes folgen musse. Zwar habe das\nBundesverwaltungsgericht festgestellt, dass die Divisionen Verbande im Sinne\nvon § 2 Abs. 1 Nr. 3 SBG seien, jedoch sei wegen der zwischenzeitlichen\nVeranderung von Kommandostruktur und Aufgabenstellung eine einschrankende\nBetrachtung dieser auf die Verhaltnisse des Jahres 2000 abhebenden\nFeststellung erforderlich. Durch die Unterstellung unter das\nHeeresfuhrungskommando zum 01.07.2001 befanden sich Korps und Divisionen\nnunmehr auf derselben Fuhrungsebene, so dass es keinen Grund fur eine\nunterschiedliche Behandlung gebe, zumal die Korps das Kommando uber die\nDivisionen als eine ihrer wesentlichen Aufgaben verloren hatten. Solange der\nGesetzgeber auf die veranderte Argumentation nicht reagiert habe, sei es\nAufgabe der Gerichte, die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale unter\nBerucksichtigung der Veranderungen auszulegen, was dazu fuhre, dass unter\n"entsprechenden Dienststellen" auch solche des Heeres verstanden werden\ndurften. Zudem habe der Antragsteller unwidersprochen dargelegt, dass die\nTatigkeit der Division zur Vorbereitung von Einsatzen vergleichbar der des\nKorps administrativer Natur sei. Die Division und damit auch ihr Stab als\nsolcher gehe nicht in den Einsatz, sondern habe als Truppensteller ein\nEinsatzkontingent einschließlich Kontingentstab zur Verfugung zu stellen. Da\nsie zahlreiche Leistungen nicht selbst erbringen konne, musse sie\nadministrativ fur die Bereitstellung aus anderen Bereichen sorgen. In den\nEinsatz gehe nur ein geringer Teil der Division und der Stabsangehorigen, was\nden Divisionsstab nicht vom Korpsstab unterscheide. \n--- \n| 6 \n--- \n| Gegen diesen ihm am 28.08.2003 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte am\n25.09.2003 Beschwerde eingelegt und sie zugleich begrundet. Er betont\ninsbesondere den Einsatzcharakter der Divisionen nach der Strukturreform des\nHeeres als Teil der grundlegenden Reform der Bundeswehr aus dem Jahre 2001 mit\ndem Ziel des Wandels von der Friedensarmee zur Einsatzarmee. Kern der Reform\nsei die Ausrichtung der Bundeswehr auf rasche Reaktionen und Einsatz im\nAusland im Rahmen der NATO und der internationalen Krisenbewaltigung. Fur das\nHeer bedeute dies vor allem die Straffung von Fuhrungsstrukturen sowie die\nAusrichtung und Gliederung der Truppenteile mit dem Ziel rascher und flexibler\nEinsatzfahigkeit. Das Heer verfuge, um ein dem gesamten Aufgabenspektrum\ngewachsenes Kontinuum an Kraften bereitzuhalten, u.a. uber funf mechanisierte\nDivisionen, darunter die 10. Panzerdivision. Sie seien Teil einer Struktur,\ndie lagebezogen und modular in Zusammenarbeit mit anderen Teilen der\nStreitkrafte einsatzoptimierte Pakete zur Verfugung stellen und kunftig\nschnell und flexibel eine Vielzahl verschiedener Aufgaben bewaltigen konne.\nDie Einsatze erfolgten im Kontingentprinzip mit sechsmonatiger Einsatzdauer,\nwobei durch das Rotationsprinzip ebenso eine angemessene Durchhaltefahigkeit\nwie eine Aufrechterhaltung der Regenerationsfahigkeit gewahrleistet sei. Die\nDivisionen stellten daher den Dreh- und Angelpunkt fur die Einsatze im\ngesamten Aufgabenspektrum des Heeres dar, sie seien nicht lediglich\nTruppensteller, sondern Kernbestandteil der neuen Heeresstruktur zur Schaffung\nflexibler und schneller militarischer Einsatzbereitschaft. Vor diesem\nHintergrund sei die 10. Panzerdivision schon heute in großen Teilen ein\nGroßverband, der von der alleinigen Ausrichtung auf die Landesverteidigung zu\neinem Krisenreaktionsverband ubergegangen sei. Bei funktionaler Betrachtung\nzeige sich daher, dass der Stab der 10. Panzerdivision nicht verwaltende,\nsondern mobile, den Kampfauftrag betreffende und ihm dienende Aufgaben\nwahrnehme und damit vorrangig militarischen Einsatzcharakter und nicht\ntruppendienstlichen Fuhrungscharakter habe; letztere Aufgaben wurden nunmehr\nunmittelbar vom Heeresfuhrungskommando erfullt. \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Beteiligte beantragt, \n--- \n| 8 \n--- \n| den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen - Fachkammer fur\nPersonalvertretungssachen - vom 28.07.2003 - P 11 K 3/03 - zu andern und den\nAntrag abzulehnen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Antragsteller beantragt, \n--- \n| 10 \n--- \n| die Beschwerde zuruckzuweisen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Er vertritt die Auffassung, dass es sich beim Stab einer Division um einen\nDienststellentyp handele, der zwar nicht mit einem Wehrbereichskommando oder\neinem Wehrbereichskommando/Division vergleichbar sei, aber infolge Änderung\nder Sachlage seit Juli 2001 eine dem Stab eines Korps entsprechende\nDienststelle im Sinne von § 49 Abs. 1 Satz 2 SBG bilde, da die seither\nstrukturell und ausnahmslos dem Heeresfuhrungskommando direkt unterstehenden\nDivisionsstabe nunmehr zur Kategorie der Stabe der obersten Großverbande im\nSinne der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.01.2002 gehorten.\nErganzend verweise er auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom\n29.10.2002 - 6 P 5.02 - (PersR 2003, 71), wo hervorgehoben werde, dass eine\nBegunstigung des Vertrauenspersonenmodells gegenuber dem Personalratsmodell\nder gesetzgeberischen Tendenz widerspreche, die beteiligungsrechtliche\nBenachteiligung insbesondere der Zeit- und Berufssoldaten gegenuber den\nBeschaftigten des offentlichen Dienstes zu verringern. Das Vorbringen des\nBeteiligten begrunde keine Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen\nEntscheidung. Das Bundesverwaltungsgericht habe keineswegs ausgeschlossen,\ndass auch Heeresdienststellen einem Korps entsprechende Dienststellen sein\nkonnten. Die besondere Qualitat der Korps habe es darin gesehen, dass sie der\noberste Großverband und keinem anderen nachgeordnet seien; diese unmittelbar\ndem Heeresfuhrungskommando nachgeordnete zweite Ebene der Einsatzkrafte bilde\nnunmehr die Division. Es stelle auch nicht auf den Kampfauftrag o. Ä. ab,\nsondern im Bereich der Stabe allein auf deren Stellung in der militarischen\nHierarchie, wobei seine Grundwertung "je hoher, desto eher das\nPersonalratsmodell" gleichfalls fur den Antragsteller spreche. Weder vor\nAufnahme der Korpsstabe in § 49 Abs. 1 Satz 2 SBG im Jahre 1997 noch seither\nhatten sie administrative Aufgaben oder Anteile gehabt, sondern seien seit\n1956 Stabe mit reinen Einsatzaufgaben und Truppenfuhrungsaufgaben und ohne\nAuftrag im Bereich der Territorialverteidigung gewesen, so dass es nicht\nmoglich sei, Unterschiede zu den Divisionsstaben zu konstruieren. Die\nBeschwerde setze sich auch mit der heutigen Heeresstruktur rechtlich\nunzutreffend auseinander. Die Division sei wegen der Abgabe zahlreicher\nEinheiten und Verbande zum Gefecht der verbundenen Waffen nicht mehr fahig.\nIhr Stab habe als Truppensteller das fur ein Einsatzkontingent benotigte\nPersonal auszubilden, gegebenenfalls auszurusten, dem Einsatzfuhrungskommando\nin Potsdam zu ubergeben und das Kontingent vom Inland aus zu unterstutzen,\nwozu auch gehore, Personal des eigenen wie der unterstellten Stabe fur einen\nStab auf Brigadeebene abzustellen, der dem deutschen Kontingentfuhrer im\nEinsatzland zuarbeite. Daher sahen die Organisationsbefehle fur ISAF, KFOR und\nSFOR vor, dass die truppendienstliche Verantwortung der Leitdivision am\nAbflughafen ende. Sie gehe also gerade nicht selbst in den Einsatz. Die\nBeschwerde verkenne, dass laut Bundesverwaltungsgericht zwar einerseits Stabe,\ndie Einheiten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SBG fuhrten, regelmaßig als Stabe der\nVerbande im Sinne der Nr. 3 dem beteiligungsrechtlichen Schicksal der\nunterstellten Einheiten folgten, dass aber diese Regel nicht nur fur die\nTerritorialverteidigung, sondern auch fur die oberen Hierarchieebenen der\nEinsatzverbande durchbrochen und begrenzt werde. Sie verkenne weiter das mit\nder Formel "und entsprechenden Dienststellen" in § 2 Abs. 1 wie in § 49 Abs. 1\nSBG verfolgte Anliegen des Gesetzgebers, dem nicht die Absicht unterschoben\nwerden konne, statische und nicht zukunftsoffene Normen zu schaffen. Daher\nhabe er einen Beispielskatalog aufgestellt, den das Bundesverwaltungsgericht\nzutreffend umgesetzt habe, indem es aus den Begriffen und Beispielen beider\nNormen funktional definierte Dienststellentypen abstrahiert habe und so den\nBereich der Großverbande differenziert habe beurteilen konnen. Dazu habe es\ndie Gruppen "Großverbande mit territorialen Aufgaben (-anteilen)", "oberste\nGroßverbande" und "diesen unterstellte Großverbande" entwickelt, von denen nur\ndie dritte Gruppe unter § 2 SBG falle. Nach alledem gebe es keine sachlichen\nUnterschiede von einem Gewicht, das eine personalvertretungsrechtliche\nBenachteiligung der Soldaten in Divisionsstaben gegenuber denen in Korpsstaben\nnach gegenwartigem Stand rechtfertigen konnte. \n--- \n| 12 \n--- \n| Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts vor. Hierauf sowie auf\ndie gewechselten Schriftsatze nebst Anlagen und die zum Gegenstand der\nmundlichen Anhorung gemachten Unterlagen wird erganzend verwiesen. \n--- \nII. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beschwerde des Beteiligten ist nach § 83 Abs. 2\nBundespersonalvertretungsgesetz - BPersVG - i. V. mit § 87 Abs. 1\nArbeitsgerichtsgesetz - ArbGG - statthaft. Sie ist auch sonst zulassig.\nInsbesondere ist sie in der nach § 89 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG vorgeschriebenen\nForm und nach §§ 87 Abs. 2 Satz 1 und 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG fristgerecht\nerhoben und begrundet worden; der Beteiligte ist im Hinblick auf die bis Mai\n2004 laufende Amtszeit des Antragstellers (§ 26 BPersVG) durch die\nangegriffene Entscheidung noch immer beschwert. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Beschwerde ist auch begrundet, denn das Verwaltungsgericht hatte den\nAntrag ablehnen mussen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beteiligten streiten uber die beteiligungsrechtliche Einordnung des aus\nder Defusionierung des Stabes WBK V/10. PzDiv hervorgegangenen Stabes der 10.\nPanzerdivision, und betreiben das Verfahren ubereinstimmend unter der\nPramisse, dass der Antragsteller unbeschadet der Umorganisation der\nDienststelle, fur die er im Jahre 2000 gewahlt worden ist, von Rechts wegen\nweiter besteht; von Letzterem geht daher auch der beschließende Senat aus (zur\nSachwidrigkeit einer "ungefragten" gerichtlichen Fehlersuche, die das\nRechtsschutzbegehren des Klagers aus dem Auge verliert: BVerwG, Urteil vom\n17.04.2002, BVerwGE 116, 188, 196 f.). \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Stab 10. PzDiv ist keine Dienststelle, in der nach § 49 Abs. 1 Satz 1\nund Satz 2 SBG eine Personalvertretung gewahlt wird, insbesondere keine\n"entsprechende Dienststelle" i. S. von Satz 2 dieser Vorschrift, sondern er\nist der Stab eines Verbandes i. S. von § 2 Abs. 1 Nr. 3 SBG mit der Folge,\ndass die ihm angehorenden Soldaten Vertrauenspersonen wahlen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 SBG (in der hier anzuwendenden Fassung der\nBekanntmachung vom 15.04.1997, BGBl. I S. 766) gehoren zu den Wahlbereichen,\ndie Vertrauenspersonen wahlen, die Stabe der Verbande sowie vergleichbarer\nDienststellen und Einrichtungen; nach § 49 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SBG sind\nhiervon allerdings die Stabe der Verteidigungsbezirkskommandos, der\nWehrbereichskommandos, der Wehrbereichskommandos/Divisionen und regelmaßig der\nKorps sowie entsprechende Dienststellen ausgenommen, die Personalvertretungen\nwahlen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Mit der umstrittenen Frage hat sich das Bundesverwaltungsgericht in seinem\nals Grundsatzentscheidung (vgl. §§ 83 Abs. 2 BPersVG, 92 Abs. 1 Satz 2, 72\nAbs. 2 Nr. 1 ArbGG) ausgestalteten und von den Beteiligten ihrer Argumentation\nzugrunde gelegten Beschluss vom 23.01.2002 (Buchholz 252 § 2 SBG Nr. 3) fur\ndie Rechtslage nach dem Soldatenbeteiligungsgesetz in der auch hier\nanwendbaren Fassung 1997, jedoch noch fur die alte Heeresstruktur vor der\nReform von 2001 in dem Sinne beantwortet, dass Divisionen als Großverbande und\ndamit zugleich als Verbande im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 SBG zu qualifizieren\nwaren. Bei systematischer Auslegung folge dies zum einen aus § 2 Abs. 2 SBG,\nweil er die Geltung von § 2 Abs. 1 Nr. 3 SBG fur Verbande und Großverbande\ngleichermaßen voraussetze, und zum anderen aus § 49 Abs. 1 Satz 2 SBG. Nach §\n49 Abs. 1 Satz 2 SBG gebe es drei personalratsfahige Bereiche; Divisionen und\nBrigaden gehorten zu keinem von ihnen. Der erste Bereich umfasse - wegen deren\nAufgabenstellung - die Kommandobehorden der territorialen Wehrorganisation;\naus dem Umstand, dass dazu auch die Stabe der Wehrbereichskommandos/Divisionen\nzahlten, folge, dass Divisionen ausschließlich dann personalratsfahig seien,\nwenn sie mit einem Wehrbereichskommando fusioniert seien; der Stab einer\nDivision als solcher und erst recht der einer Brigade gehore nicht dazu. Den\nzweiten Bereich bildeten - wegen ihrer Stellung im obersten Bereich der\nmilitarischen Hierarchie und daher wegen ihrer Vergleichbarkeit mit zivilen\nDienststellen - "regelmaßig" die Korpsstabe. Da die Korps als oberste\nGroßverbande des Heeres neben den Ebenen der territorialen Wehrorganisation\nausschließlich genannt seien, werde der Wille des Gesetzgebers erkennbar, die\nden Korps nachgeordneten Großverbande, also die Divisionen und Brigaden, von\nder Personalratslosung auszuschließen. Die Einschrankung "regelmaßig" lasse\nsich mit Blick auf § 2 Abs. 1 Nr. 5 SBG erklaren, wonach Soldaten in\nmultinationalen Dienststellen "regelmaßig" Vertrauenspersonen wahlten. Damit\nwolle der Gesetzgeber berechtigten Belangen der Bundnispartner Rechnung tragen\n(vgl. die Begrundung des Änderungsgesetzes 1997 in BT-Drs. 13/5740 S. 16). Der\ndritte Bereich seien die "entsprechenden Dienststellen". Da die genannten\nmilitarischen Dienststellen ausschließlich solche des Heeres seien, seien\nunter "entsprechenden Dienststellen" insbesondere solche der ubrigen\nTeilstreitkrafte zu verstehen, die nach Fuhrungsebene und Bedeutung ihrer\nAufgaben vergleichbar seien, etwa das Luftwaffen- und das Flottenkommando.\nDieses Ergebnis sieht das Bundesverwaltungsgericht bei einer Auslegung nach\nder Entstehungsgeschichte bestatigt. Danach habe der Gesetzgeber vor der hier\nanzuwendenden Neufassung des Soldatenbeteiligungsgesetzes im Jahre 1997 ein\nRegelwerk vorgefunden, nach welchem die Soldaten auch in den Staben der\nGroßverbande - Brigaden, Divisionen, Korps - Vertrauenspersonen und nicht\nPersonalrate wahlten. An dieser Rechtslage habe er, wie in der\nGesetzesbegrundung unmissverstandlich zum Ausdruck komme, mit Ausnahme des\nFlottenkommandos und der Korps, die neu geregelt worden seien, nichts andern\nwollen (BT-Drs. 13/5740 S. 22); bei den beiden Großverbanden niedrigerer\nOrdnung - Brigaden und Divisionen - habe es daher beim seitherigen\nRechtszustand verbleiben sollen. Die Erwahnung des Flottenkommandos bestatige\nzudem, dass mit "entsprechenden Dienststellen" vor allem solche der anderen\nTeilstreitkrafte gemeint seien. \n--- \n| 19 \n--- \n| Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanz und des Antragstellers ist\ndiese Beurteilung, der der beschließende Senat folgt, auch unter den\nveranderten Verhaltnissen nach der Heeresstrukturreform 2001\naufrechtzuerhalten, die den Korps eine neue militarische Rolle zugewiesen, die\nDivisionen unmittelbar dem Heeresfuhrungskommando (einer Dienststelle, bei der\nein Bezirkspersonalrat gebildet wird, siehe § 53 Abs. 2 SBG i. V. m. § 1 Nr.\n11 der Verordnung uber die Bildung von Bezirkspersonalraten bei militarischen\nDienststellen in der Fassung von Art. 1 der Verordnung vom 15.03.1994, BGBl. I\nS. 567) unterstellt und zugleich ihre Unterstellung unter die Korps aufgehoben\nhat, denn die Divisionsstabe sind dadurch nicht gleichsam an die Stelle der\nKorpsstabe getreten und zu "entsprechenden Dienststellen" i. S. von § 49 Abs.\n1 Satz 2 SBG aufgeruckt. Bei der Auslegung dieses Gesetzesbegriffs stellt der\nUmstand, dass sich die tatsachlichen Verhaltnisse - nicht die Gesetzeslage,\ndenn die Heeresstrukturreform 2001 beruht nicht auf einem Akt des\nGesetzgebers, sondern auf einer Exekutiventscheidung des Bundesministers der\nVerteidigung - gewandelt haben, kein prinzipielles Rechtsproblem dar, denn ein\nGesetz ist ungeachtet dessen anzuwenden, ob der geregelte Sachbereich noch dem\nbei Erlass des Gesetzes gleicht. Tauchen im Anwendungsbereich eines Gesetzes\nneue, nicht vorausgesehene Tatbestande auf, kann dies eine (Weiter-)\nEntwicklung von Rechtsbegriffen auslosen (vgl. etwa Zippelius, Juristische\nMethodenlehre, 8. Aufl., § 4 III unter Bezugnahme auf BVerfG, Urteil vom\n01.07.1953, BVerfGE 2, 380, 401; s. auch Larenz, Methodenlehre der\nRechtswissenschaft, 4. Aufl., S. 305: "normativer Sinn des Gesetzes"). In\neinem solchen Fall ist das Gesetz mit den anerkannten Auslegungsmethoden ggf.\nneu zu interpretieren. Insoweit kann der Begriff der "entsprechenden\nDienststellen" als Auffangtatbestand fur die Beurteilung der neuen Sachlage\ndienen. Die Argumentation von Fachkammer und Antragsteller, die Divisionsstabe\nseien schon wegen der nunmehr eingenommenen Position an oberster Stelle der\nmilitarischen Hierarchie "entsprechende Dienststellen" geworden, greift\nindessen zu kurz. \n--- \n| 20 \n--- \n| Der beschließende Senat vermag die Ansicht nicht zu teilen, in der\nEntscheidung vom 23.01.2002 entnehme das Bundesverwaltungsgericht dem Gesetz\nden Grundsatz, oberste militarische Dienststellen seien bereits als solche\n"entsprechende Dienststellen". Die einschlagige Aussage bezieht sich allein\nauf die Korpsstabe und enthalt lediglich eine Annahme uber den Beweggrund des\nGesetzgebers, nur diesen, nicht aber den Staben der ubrigen Großverbande\nDivision und Brigade die Personalratsfahigkeit zu verleihen (BVerwG, a. a. O.\nS. 13, 17); die Entwurfsbegrundung des Änderungsgesetzes (BT-Drs. 13/5740)\nenthalt namlich insoweit nichts Erhellendes. Auch wenn dem formalen Aspekt der\nHierarchieebene eine Bedeutung nicht abzusprechen ist (vgl. BVerwG, a. a. O.\nS. 21: je hoher in der Hierarchie, desto eher § 49 Abs. Satz 1 SBG), mussen\n"entsprechende Dienststellen" zusatzlichen, sachlichen Anforderungen genugen:\nIn Betracht kommen nur solche Dienststellen, die den in § 49 Abs. 1 Satz 2 SBG\nausdrucklich genannten nach Fuhrungsebene und Aufgabenstellung bzw. Bedeutung\nder zu erfullenden Aufgaben vergleichbar sind (BVerwG, a. a. O. S. 14). Nur\neine solche materielle Betrachtungsweise ist geeignet, die Gesetzesanwendung\nanhand der das Soldatenbeteiligungsrecht beherrschenden Abgrenzung nach der\ndurch Einsatz- und Kampforientierung bedingten Mobilitat einerseits und dem\nadministrativen und daher stationaren Charakter andererseits, also zwischen\ndem in § 2 Abs. 1 Nr. 3 SBG angesprochenen typisch soldatischen Bereich und\ndem davon grundsatzlich verschiedenen, von § 49 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SBG\nerfassten Verwaltungsbereich andererseits vorzunehmen (vgl. BVerwG, a. a. O.\nS. 19, 20, 23 f.). Die Prufung anhand dieser Merkmale erweist, dass\nDivisionsstabe nicht als den Korpsstaben alter Pragung entsprechende\nDienststellen anzusehen sind. Dies ergibt sich auf der Grundlage der von den\nBeteiligten vorgelegten und zum Gegenstand der mundlichen Anhorung gemachten\nUnterlagen aus folgenden Tatsachen und Überlegungen: \n--- \n| 21 \n--- \n| Den Korps waren bis zur Heeresstrukturreform 2001 zwei bis drei Divisionen\n(BVerwG, a.a.O. S. 13) sowie eine unterschiedliche Anzahl von\nBrigaden/Regimentern als Korpstruppen unterstellt (Stellungnahme des\nFuhrungsstabes des Heeres vom 16.01.2004, VGH-Akte S. 221). Das war bereits\nfur sich genommen ein substantiell großerer Verantwortungsbereich, als ihn die\neinzelne Division seit 2001 hat, denn er bedingte allein schon wegen der\nmehrfachen Große des Unterstellungsbereichs einen erheblich hoheren Planungs-,\nKoordinierungs- und Administrationsaufwand, der typischerweise\nverwaltungsformig erledigt zu werden pflegt, was den Gesetzgeber, wie erwahnt,\nzur Verleihung der Personalratsfahigkeit an die Korpsstabe durch das\nÄnderungsgesetz 1997 motiviert hat. Der Divisionsstab dagegen fuhrt nach wie\nvor gleichsam nur sich selbst, namlich nur die der Division unterstellten\nVerbande und Einheiten. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die der Division nachgeordneten Hierarchieebenen sind unverandert\ngeblieben. Die Entlastung der Korpsstabe von der truppendienstlichen\nFuhrungsverantwortung - mit Ausnahme von Fuhrungsunterstutzungskraften sind\nihnen keine Truppenteile mehr unterstellt - und die Übertragung anderer\nFunktionen, zu deren Erfullung Unterstellungen nur noch auftragsbezogen\n("tailored to mission") erfolgen (Naheres s. Stellungnahme vom 16.01.2004,\nVGH-Akte S. 223), dienen der Straffung der Fuhrungshierarchie (vgl. etwa\nOerding, Soldat und Technik, Marz 2001 S. 23, VGH-Akte S. 69) durch den\nWegfall der Fuhrungsebene der Korps, womit ein "Aufrucken" der Divisionen\nschwerlich zu vereinbaren ware. Die Unvergleichbarkeit zeigt sich auch bei der\nNeuverteilung der seitherigen Korpsaufgaben. Deren vormalige\ntruppendienstliche Aufgaben sind, soweit sie nicht zu einem kleinen Teil auf\ndie neu zugeschnittenen Wehrbereichskommandos ubergegangen sind, nur zu einem\nbeschrankten Teil den Divisionen ubertragen worden, namentlich solche, die die\nGestellung der und die Leitfunktion fur die Kontingente fur Auslandseinsatze\nbetreffen. Den weitaus großten Teil des Aufgabenspektrums hat dagegen das -\nbereits zuvor in der Fuhrungshierarchie vorhandene - Heeresfuhrungskommando\nubernommen. Dies ergibt sich aus dem Grundsatzbefehl des\nHeeresfuhrungskommandos fur die Umgliederung des Kommandobereichs\nHeeresfuhrungskommando vom 15.03.2001 (VGH-Akte S. 61 bis 63). Der Zuschnitt\nder Fuhrungsebenen und die Unterstellungshierarchie haben sich damit in einer\nWeise qualitativ verandert, die die Annahme eines hierarchischen Sprungs der\nDivisionsstabe in dem vom Verwaltungsgericht und vom Antragsteller vertretenen\nSinn nicht erlaubt. \n--- \n| 23 \n--- \n| Auch Gliederung und Aufgaben der Division haben sich in ihrem wesentlichen\nKern durch die Heeresstrukturreform 2001 nicht in Richtung auf die der\nvormaligen Korps verschoben. Die Gliederung in Divisionen, Brigaden und\nBataillone bleibt erhalten, da sie gewachsenem Fuhrungsverstandnis und\nVorgaben der NATO entspricht (Oerding, a.a.O.). Die neuen, mechanisierten\nDivisionen haben sogar eine deutlich geringere Personalausstattung als zuvor,\nnamlich nur noch ca. 9.700, in einer der funf Divisionen ca. 13.400 Mann\n(Oerding, a.a.O. S. 24, VGH-Akte S. 70). Der Umfang der Divisionstruppen, d.\nh. der dem Divisionskommandeur unmittelbar und ohne Zwischenschaltung eines\nihm nachgeordneten militarischen Fuhrers unterstellten Einheiten und Verbande,\nwurde verringert und im Heerestruppenkommando zusammengefasst. Andere Aufgaben\nwerden zentral und teilstreitkraft-ubergreifend von der Streitkraftebasis\nwahrgenommen, z.B. Fuhrungsunterstutzung, Nachrichtengewinnung, Aufklarung und\nLogistik (s. militarischer Fachaufsatz in VGH-Akte S. 90). \n--- \n| 24 \n--- \n| Die mechanisierten Divisionen mussen (auch) kunftig ein breites Spektrum an\nEinsatzaufgaben bewaltigen konnen, das vom Einsatz bei Friedensmissionen bis\nhin - entgegen dem Vortrag des Antragstellers - zum Gefecht der verbundenen\nWaffen reicht (s. militarischer Fachaufsatz in VGH-Akte S. 93; Stellungnahme\nvom 16.01.2004, VGH-Akte S. 227). Hiermit ubereinstimmend fuhren die\nDivisionen nach Darstellung des Fuhrungsstabs des Heeres ausschließlich\nEinsatzkrafte (Stellungnahme vom 16.01.2004, VGH-Akte S. 223). Unstreitig ist,\ndass jedenfalls die der Division unterstellten Brigaden Trager des Gefechts\nmit verbundenen Waffen bleiben, womit sie bereits im Frieden in erster Linie\nnach den Erfordernissen der kollektiven Verteidigung ausgerichtet sind\n(Oerding, S. 24). \n--- \n| 25 \n--- \n| Das Verwaltungsgericht und der Antragsteller haben zutreffend darauf\nhingewiesen, dass der Divisionsstab die Aufgabe hat, die Stellung von Truppen\nfur den Auslandseinsatz zu organisieren. Damit ist jedoch sein\nAufgabenspektrum keineswegs erschopfend erfasst. Es darf namlich nicht aus dem\nBlickfeld geraten, dass die Bundeswehr nicht lediglich zum Einsatz außerhalb\nDeutschlands im Rahmen von Konfliktverhutungs- und Krisenbewaltigungsmaßnahmen\nbefahigt sein muss, sondern auch weiterhin den Auftrag der Landesverteidigung\nund der kollektiven Verteidigung im Rahmen des nordatlantischen Bundnisses\nhat. Dass der Divisionsstab zudem Einheiten fuhrt, die fur den Einsatz\nbestimmt sind, liefert einen wichtigen Beleg dafur, dass er auch selbst zu den\nmobilen, einsatzorientierten Dienststellen zu rechnen ist, denn es gilt der\nGrundsatz, dass in beteiligungsrechtlicher Hinsicht der Verband den ihn\nbildenden Einheiten folgt und der Stab das beteiligungsrechtliche Schicksal\ndes Verbandes teilt, den er fuhrt (BVerwG, a. a. O. S. 11). Bei der hier\ngebotenen Anwendung dieses Grundsatzes ist es unerheblich, wenn das\nVerwaltungsgericht und der Antragsteller darauf verweisen, dass der\nDivisionsstab als solcher nicht selbst in den Auslandseinsatz geht. \n--- \n| 26 \n--- \n| Gegenuber dem gefundenen Ergebnis nicht uberzeugend ist der Hinweis des\nAntragstellers auf die Aussage des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom\n29.10.2002 (PersR 2003, 71), eine Begunstigung des Vertrauenspersonenmodells\ngegenuber dem Personalratsmodell widerspreche der gesetzgeberischen Tendenz,\ndie beteiligungsrechtliche Benachteiligung insbesondere der Berufs- und\nZeitsoldaten gegenuber den Beschaftigten des offentlichen Dienstes spurbar zu\nverringern. Damit wird die dem Änderungsgesetz 1997 zum\nSoldatenbeteiligungsgesetz zugrunde liegende Motivation des Gesetzgebers\nbeschrieben. Der Aussage kann jedoch keine allgemeine Auslegungsregel etwa des\nInhalts entnommen werden, dass die gesetzlichen Regelungen stets\npersonalratsfreundlich zu interpretieren seien. Dies wurde dem\nVertrauenspersonenmodell von vornherein den Stempel der Minderwertigkeit\naufdrucken, was nicht als Wille des Gesetzgebers unterstellt werden kann, der\ndas Vertrauenspersonenmodell als die dem typischen, vom Kampfauftrag gepragten\nsoldatischen Bereich angemessene Beteiligungsform dem Personalratsmodell an\ndie Seite stellt. Der die Argumentation des Antragstellers stutzenden\nAuffassung im Beschluss des VG Dresden vom 28.03.2003 - PB 8 K 843/03 - kann\ndaher nicht gefolgt werden. \n--- \n| 27 \n--- \n| Das Bundesverwaltungsgericht hat, insbesondere unter dem Aspekt des Art. 3\nAbs. 1 GG, verfassungsrechtliche Bedenken gegen das im Beschluss vom\n23.01.2002 gefundene Ergebnis ausgeschlossen. Mit Blick auf die erheblichen\nUnterschiede von Bundesgrenzschutz und Streitkraften hat es eine\nGleichbehandlung von Polizeivollzugsbeamten beim BGS und den Berufs- und\nZeitsoldaten nicht fur geboten erachtet. Es hat dabei auch festgehalten, dass\nes fur einen erheblichen Teil der Mitbestimmungstatbestande gleichgultig sei,\nob Soldaten Vertrauenspersonen oder Personalrate wahlten. Im wichtigen Bereich\nder Personalangelegenheiten trete das Anhorungsrecht nach § 23 SBG stets an\ndie Stelle der Mitbestimmungsrechte nach § 75 Abs. 1 bzw. nach § 76 Abs. 1\nBPersVG. Im Übrigen enthalte das Soldatenbeteiligungsgesetz eine Reihe von\nMitbestimmungstatbestanden, die solchen nach dem\nBundespersonalvertretungsgesetz entsprachen. Die noch verbleibende\nUngleichbehandlung derjenigen Soldaten, die Vertrauenspersonen wahlten,\nrechtfertige sich daraus, dass die entsprechenden Einheiten und Verbande durch\ndas dem besonderen Auftrag der Streitkrafte entsprechende Merkmal der\nMobilitat des militarischen Einsatzes gekennzeichnet seien (BVerwG, a. a. O.\nS. 25 f.). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an.\nVerfassungsrechtliche Bedenken gegen die von ihm vertretene Auslegung des\nBegriffs der entsprechenden Dienststellen i. S. von § 49 Abs. 1 Satz 2 SBG\nergeben sich aus ihr nicht. \n--- \n| 28 \n--- \n| Ist der Stab 10. PzDiv sonach der Stab eines Verbandes i. S. von § 2 Abs. 1\nNr. 3 SBG und wahlen die ihm angehorenden Soldaten daher Vertrauenspersonen,\nfolgt daraus, dass diejenigen Soldaten, die bei den Personalratswahlen 2000 in\nden damals noch personalratsfahigen Stab WBK V/10. PzDiv (§ 49 Abs. 1 Satz 2\nSBG) gewahlt worden sind, wegen und seit der am 01.07.2001 wirksam gewordenen\norganisatorischen Änderung des kombinierten Stabes in einen reinen\nDivisionsstab Angehorige eines Wahlbereichs nach §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1\nSBG geworden sind und somit ihrerseits die Wahlberechtigung zur Wahl von\nVertrauenspersonen erhalten haben; diese Wahlberechtigung schließt nach § 49\nAbs. 1 Satz 1 SBG die Wahlberechtigung zu Personalvertretungen aus. Da die\nWahlbarkeit zu einem Personalrat an die Wahlberechtigung zu ihm anknupft (§ 14\nBPersVG), ist nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 BPersVG gleichzeitig die Mitgliedschaft\nder Soldatenvertreter im antragstellenden Personalrat, sei es als\nRechtsnachfolger des Stabs WBK V/10. PzDiv, sei es als lediglich mit anderer\nBezeichnung weiterbestehendes Gremium, unbeschadet der nicht zu entscheidenden\nFrage nach dessen Fortexistenz erloschen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, weil die Frage nach der\nbeteiligungsrechtlichen Zuordnung der Divisionsstabe nach der Heeresreform\n2001, die sich auch bei den anstehenden Personalratswahlen stellen wird,\ngrundsatzliche Bedeutung hat (vgl. §§ 83 Abs. 2 BPersVG, 92 Abs. 1 Satz 2, 72\nAbs. 2 Nr. 1 ArbGG). \n---\n\n
133,848
olgkarl-2004-02-11-7-u-16702
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
7 U 167/02
2004-02-11
2019-01-07 10:34:59
2019-02-12 12:16:54
Urteil
## Tenor\n\nI. Die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung der Klagerin gegen das\nUrteil des LG Karlsruhe vom 15.8.2002 - 8 O 552/01 - werden zuruckgewiesen.\n\nII. Von den Kosten des Berufungsrechtszugs tragen der Beklagte 2/3 und die\nKlagerin 1/3.\n\nIII. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDie Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des\nvollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der\nVollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages\nleistet.\n\nIV. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Sowohl die zulassige Berufung des Beklagten, mit der er sein\nKlagabweisungsbegehren weiterverfolgt, als auch die zulassige\nAnschlussberufung der Klagerin, mit der sie eine Reduzierung ihres\nMitverschuldensanteils auf 25 % bzw. eine Haftung des Beklagten i.H.v. 75 %\ndes Schadens anstrebt, bleiben ohne Erfolg. Rechtsfehler des landgerichtlichen\nUrteils, auf das wegen des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug und der\ngetroffenen Feststellungen verwiesen wird, liegen nicht vor (§ 513 ZPO), die\nnach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere\nEntscheidung und konkrete Anhaltspunkte fur Zweifel an der Richtigkeit und\nVollstandigkeit der tatsachlichen Feststellungen werden nicht aufgezeigt. \n--- \n| 2 \n--- \n| I. Berufung des Klagers: \n--- \n| 3 \n--- \n| 1\\. Eine Haftung des Beklagten nach den Grundsatzen der sog.\nSachwalterhaftung scheidet nicht schon deshalb aus, weil der Beklagte weder\nVertreter noch Verhandlungsgehilfe i.S.v. §§ 54, 59 HGB des in Aussicht\ngenommenen Vertragspartners, der Fa. H. GmbH, oder des von dieser eingesetzten\nVermittlers, der Fa.F., war. Maßgebend fur die Haftung ist allein, ob der in\nAnspruch genommene Dritte sich auf Seiten eines Vertragspartners an dem\nzustande gekommenen Vertrag beteiligt und dabei uber das bei der Anbahnung von\nGeschaftsbeziehungen immer vorauszusetzende normale Verhandlungsvertrauen\nhinaus in besonderem Maße Vertrauen fur sich personlich in Anspruch genommen\nund auf diese Weise dem anderen Verhandlungspartner eine zusatzliche von ihm\npersonlich ausgehende Gewahr fur die Seriositat und die Erfullung des\nGeschafts oder fur die Richtigkeit und Vollstandigkeit der Erklarungen, die\nfur den Willensentschluss des anderen Teils bedeutsam waren, vermittelt hat,\nohne dass es darauf ankommt, ob er als Vertreter auftritt (vgl.\nzusammenfassend BGH, Urt. v. 29.1.1997 - VIII ZR 356/95, MDR 1997, 455 [456] =\nNJW 1997, 1233 [1234]). Dementsprechend hat der BGH bereits in einer fruhen\nEntscheidung (BGH, Urt. v. 5.4.1971, BGHZ 56, 81 [83, 85]) in einem Fall, in\ndem der in Anspruch Genommene nicht Vertreter war, ausgefuhrt, es sei nicht\neinzusehen, warum nach den Grundsatzen der Sachwalterhaftung lediglich der\nhaften solle, der das von der Rechtsprechung geforderte besondere Vertrauen\ndes Verhandlungspartners dadurch in Anspruch nehme, dass er bei den\nVerhandlungen als Vertreter des einen Teils auftrete. Er hat deshalb eine\nMitwirkung des Dritten (der nicht Vertreter war), die den Entschluss des\nanderen Teils entscheidend beeinflusst hat, ausreichen lassen, da es ein mit\nTreu und Glauben nicht zu vereinbarendes Ergebnis sei, wenn sich ein an einem\nVertragsschluss beteiligter Dritter, dem, wie er weiß oder wissen muss, von\nden Verhandlungspartnern besonderes Vertrauen entgegengebracht wird, sich\nseiner daraus folgenden Verantwortung einfach dadurch entziehen konnte, dass\ner nicht als Vertreter seines Auftraggebers auftritt (BGH, Urt. v. 5.4.1971,\nBGHZ 56, 81 [85, 86]). Maßgebend ist nicht (jedenfalls nicht allein) die\nrechtliche Stellung des in Anspruch Genommenen, sondern die tatsachliche\nBeteiligung an den Vertragsverhandlungen unter Inanspruchnahme eines\nbesonderen personlichen Vertrauens (vgl. BGH, Urt. v. 7.12.1992 - II ZR\n179/91, MDR 1993, 620 = NJW-RR 1993, 342 [344]; der BGH spricht dort von der\nEigenhaftung des Verhandelnden, der nicht Vertreter der spateren\nVertragspartner war). Entscheidend ist allein, dass der besondere\nVertrauenstatbestand von dem Dritten selbst oder in ihm zurechenbarer Weise\ngeschaffen worden ist und das Verhalten des anderen Vertragspartners\nmaßgeblich beeinflusst hat (BGH, Urt. v. 29.1.1997 - VIII ZR 356/95, MDR 1997,\n455 [456] = NJW 1997, 1233 [1234]; in diesem Fall war der als Sachwalter in\nAnspruch Genommene noch nicht einmal unmittelbar in die Beziehungen zu den\neigentlichen Vertragspartnern einbezogen gewesen). \n--- \n| 4 \n--- \n| 2\\. Danach haftet der Beklagte, wenngleich er zu Recht darauf hinweist,\ndass die vom LG festgestellten Tatsachen die Annahme einer Sachwalterhaftung\nunter dem Gesichtspunkt eines besonderen wirtschaftlichen Interesses des\nBeklagten am Abschluss des Vertrages nicht rechtfertigen wurden. \n--- \n| 5 \n--- \n| Allerdings ist nicht zu beanstanden, dass sich das LG aufgrund der Aussagen\nder Zeugen R. G und G. K. davon uberzeugt hat, dass der Beklagte Provision fur\nseine Mitwirkung am Vertragsschluss erhalten hat. Diese Beweiswurdigung ist\nnur darauf zu uberprufen, ob die Wurdigung des Prozessstoffes und\nBeweisergebnisses vollstandig und rechtlich moglich ist und nicht gegen Denk-\noder Naturgesetze oder Erfahrungssatze verstoßt (§ 513 ZPO; BGH v. 14.1.1993 -\nIX ZR 238/91, MDR 1993, 1239 = NJW 1993, 935 [937]; v. 30.11.1998 - II ZR\n238/97, NJW-RR 1999, 573; v. 16.12.1999 - VII ZR 15/98, NJW-RR 2000, 686).\nSolche Fehler zeigt der Beklagte nicht auf. Er meint lediglich, das\nunmittelbare eigene Interesse des Zeugen G. am Ausgang des Rechtsstreits, das\ndas LG berucksichtigt und gewurdigt hat, in Verbindung mit dem Umstand, dass\nder Zeuge K. als weiterer „Geschadigter" ein mittelbares Interesse am Ausgang\ndes Rechtsstreits hat (fur ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches\nInteresse sind keine Anhaltspunkte erkennbar), wurden es ausschließen, dass\nsich das LG aufgrund dieser Angaben davon uberzeugen konnte, er habe eine\nProvision erhalten. Dem ist aber nicht so. Es gibt keinen allgemeinen\nErfahrungssatz, dass derjenige, der ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits\nhat, grundsatzlich unzuverlassig und unglaubwurdig ist und deshalb seine\nAussage grundsatzlich unbrauchbar ist (BGH v. 3.11.1987 - VI ZR 95/87, MDR\n1988, 207 = NJW 1988, 566; v. 18.1.1995 - VIII ZR 23/94, MDR 1995, 629 = NJW\n1995, 955 [956]). Es trifft auch nicht zu, dass beide Zeugen sich lediglich\nzum Kern des Geschehens, der Äußerung des Beklagten, er habe eine Provision\nvon 1.000 DM erhalten, geaußert haben. Beide Zeugen haben viel mehr\ndetailreich und in sich stimmig eine Situation geschildert, in deren Verlauf\neine entsprechende Äußerung des Beklagten gefallen ist. Außerdem hat das LG zu\nRecht in die Beweiswurdigung einbezogen, dass der Beklagte nach der\nZeugenvernehmung im Rahmen seiner zweiten informatorischen Anhorung Umstande\neingeraumt hat (vgl. das Protokoll v. 11.7.2002, S. 9 f., I 247 f.), die er\nzunachst ausdrucklich bestritten und zum Teil als frei erfunden\n(Klagerwiderung S. 4, I 41) bezeichnet hat. So musste der Beklagte u.a.\neinraumen, dass er durchaus geaußert habe, es sei klar, dass die Wohnung im\nWert steige (Protokoll vom 11.7.2002, S. 9, I 247), und hat sich wegen anderer\nVorgange nur noch auf fehlende Erinnerung berufen (Protokoll vom 11.7.2002, S.\n10, I 249). \n--- \n| 6 \n--- \n| Das Interesse an der Erlangung einer Provision ist aber nicht ausreichend,\num eine Eigenhaftung des Handelnden zu begrunden (BGH, Urt. v. 4.7.1983 - II\nZR 220/82, BGHZ 88, 67 [70] = MDR 1983, 909; Urt. v. 17.6.1991 - II ZR 171/90,\nMDR 1992, 232 = NJW-RR 1991, 1241 [1242]; Urt. v. 29.1.1992 - VIII ZR 80/91,\nMDR 1992, 939 = NJW-RR 1992, 605). Sonstige Umstande, die es rechtfertigen\nwurden, den Beklagten als wirtschaftlichen Herrn des Geschafts anzusehen, hat\ndas LG nicht festgestellt. \n--- \n| 7 \n--- \n| 3\\. Der Beklagte haftet jedoch, wie das LG zu Recht festgestellt hat, weil\ner in besonderem Maße Vertrauen fur sich personlich in Anspruch genommen und\nauf diese Weise der Klagerin (und auch ihrem Ehemann) eine zusatzliche, gerade\nvon ihm personlich ausgehende Gewahr fur die Richtigkeit und Vollstandigkeit\nder Erklarungen, die fur den Willensentschluss bedeutsam gewesen waren,\ngeboten hat (BGH, Urt. v. 17.6.1991 - II ZR 171/90, MDR 1992, 232 = NJW-RR\n1991, 1241; Urt. v. 29.1.1997 - VIII ZR 356/95, MDR 1997, 455 [456] = NJW\n1997, 1233 [1234]). Das LG hat gerade nicht, wie die Berufungsbegrundung\ndarzulegen versucht, diese Haftung allein aus dem Umstand hergeleitet, dass\nzwischen dem Zeugen G. und dem Beklagten eine besondere berufliche und\npersonliche Nahe bestanden habe (Berufungsbegrundung S. 7, II 31), und auch\nnicht allein daraus, dass er sinngemaß gesagt habe, die von Herrn S.\nvorgelegten Zahlen wurden schon stimmen. Dies ware in der Tat nicht\nausreichend gewesen. Das LG hat vielmehr daruber hinaus festgestellt, dass die\nZweifel des Ehemanns der Klagerin an der Wirtschaftlichkeit des Geschafts erst\ndurch die positive Beurteilung des Beklagten ausgeraumt worden seien und dass\ndies zum Vertragsschluss gefuhrt habe. Es hat in diesem Zusammenhang maßgebend\nauf die Hinweise des Beklagten auf den Wert der Wohnung in D. und ihre\nWertsteigerung abgestellt, die der Beklagte auch einraumt (Protokoll vom\n11.7.2002, S. 9, I 247). Diese Feststellungen finden eine ausreichende\nGrundlage in den Angaben des Zeugen G., der ausgesagt hat, dass der Beklagte,\nmit seinen Zweifeln daran, dass sich die Sache wirtschaftlich rechne,\nkonfrontiert, einen gewinnbringenden Verkauf der Wohnung als sicher in\nAussicht gestellt und konkrete Angaben zu der Wertsteigerung gemacht habe\n(Protokoll vom 11.7.2002, S. 3, I 235). Daruber hinaus hat der Beklagte - uber\ndiese sachbezogenen Angaben hinaus - geaußert, er wolle ihm (dem Zeugen) ja in\nzehn Jahren noch in die Augen schauen (Protokoll vom 11.7.2002, S. 3, I 235).\nGerade mit der letzten Äußerung, die der Beklagte nicht in Abrede stellt, im\nGrunde sogar einraumt (vgl. Protokoll vom 11.7.2002, S. 9, I 247: Es konne\nschon sein, dass er ihm dies gesagt habe), hat er die sachliche Ebene\nverlassen und nicht nur sachbezogene Angaben des Zeugen S. wiederholt (was er\nim Übrigen noch nicht einmal ausdrucklich behauptet). Er hat vielmehr daruber\nhinausgehend seine personliche Glaubwurdigkeit und das ihm von dem Zeugen\nentgegengebrachte Vertrauen als Argument fur den Abschluss des letztendlich\nbindenden notariellen Vertrages angefuhrt und den Zeugen aufgefordert, ihm\npersonlich die Richtigkeit und Vollstandigkeit der Angaben zu glauben. Mit\ndiesem Appell an seine personliche Glaubwurdigkeit hat er in besonderem und\nfur den Vertragsschluss entscheidendem Maße personliches Vertrauen in Anspruch\ngenommen, die Zweifel beseitigt und dadurch letztlich den Abschluss des\nVertrags entscheidend (mit-)bewirkt. Diese Umstande rechtfertigen seine\nHaftung und sie werden in ihrem Gewicht nicht dadurch relativiert, dass diese\nAnforderung von Vertrauen durch den Beklagten nur aufgrund der beruflichen und\npersonlichen Nahe moglich war, die ein gewisses Grundvertrauen zwischen den\nBeteiligten begrundete. Ohne Bedeutung ist auch, dass er - wie er behauptet -\nmit der Vermittlung von Eigentumswohnungen nicht befasst ist und den\nWohnungsmarkt in D. nicht kannte. Dies beweist nur, dass der Beklagte ohne\nsachliches Fundament seine personliche Glaubwurdigkeit zugunsten des\nVertragsschlusses in die Waagschale geworfen hat. \n--- \n| 8 \n--- \n| Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen außert der Beklagte nicht.\nSolche Umstande sind auch nicht erkennbar. Die Richtigkeit der Angaben des\nZeugen G. wird gestutzt durch die Äußerung des Beklagten bei seiner zweiten\ninformatorischen Anhorung, der eingeraumt hat, es konne schon sein, dass er\ngesagt habe, er wolle ihm noch in die Augen schauen konnen, und weiter\nbestatigt hat, dass er gesagt habe, die Wohnung steige im Wert (Protokoll vom\n11.7.2002, S. 9, I 247). Die Angaben des Zeugen werden weiter dadurch\ngestutzt, dass der Beklagte auch das Angebot zur Hilfeleistung in Steuerfragen\nbestatigt hat (Protokoll vom 11.7.2002, S. 9, I 247) und dass es sein konne,\ndass er einen ausgefullten Lebensversicherungsvertrag vorbeigebracht habe\n(Protokoll vom 11.7.2002, S. 10, I 249). \n--- \n| 9 \n--- \n| Im Übrigen beschrankte sich die Mitwirkung des Beklagten am Zustandekommen\ndes Vertrages keineswegs auf die Herstellung des bloßen Kontaktes zwischen dem\nVermittler, dem verstorbenen Zeugen S., und der Klagerin, wobei die Initiative\nzur Anbahnung dieses Kontakts allein von ihm ausging, er hat darum gebeten, zu\neinem Gesprach daruber vorbeikommen zu durfen. Er hat, wie der Zeuge G.\nausgesagt und er selbst bei seiner informatorischen Anhorung am 11.7.2000\nbestatigt hat, angeboten, bei der Steuererklarung Beistand zu leisten und\njemanden zu besorgen, der dabei helfen konne. Er hat weiter zugegeben, es\nkonne sein, dass er den zur Finanzierung des Erwerbs vorgesehenen\nLebensversicherungsvertrag von seinem Freund (teil-)ausgefullt erhalten und\nbei der Klagerin und ihrem Ehemann vorbeigebracht habe (Protokoll vom\n11.7.2002, S. 10, I 249). Außerdem hat er eingeraumt, nach dem Gesprach mit\nden Zeugen S. ein weiteres Gesprach mit dem Zeugen G. gefuhrt und dabei\nAngaben zur Wertsteigerung der Wohnung gemacht zu haben. Schließlich hat der\nBeklagte nach den unwidersprochenen Feststellungen des LG die Klagerin und\nihren Ehemann zum Vertragsschluss (dem Notarstermin) gefahren und anschließend\nzum Essen eingeladen. Und er hat, wie der Zeuge G. ausgesagt und der Beklagte\nbei seiner anschließenden Anhorung nicht bestritten hat, auf einen baldigen\nNotartermin gedrangt. All diese Umstande zeigen, dass der Beklagte uber die\nbloße Vermittlung eines Kontakts hinaus auf Seiten der Vermittlerin aktiv an\nden Verhandlungen mitgewirkt und auf einen Vertragsabschluss hingewirkt hat. \n--- \n| 10 \n--- \n| II. Die Erwagungen des LG, mit denen es die Annahme eines halftigen\nMitverschuldens der Klagerin begrundet hat, lassen Rechtsfehler nicht erkennen\n(§ 513 ZPO). Die vom LG im Einzelnen angefuhrten Gesichtspunkte offenbaren\neine Nachlassigkeit in eigenen Angelegenheiten, die die Annahme einer\nMitverschuldensquote von 50 % (§ 254 Abs. 1 BGB) rechtfertigen. Weshalb die\nEinholung von Erkundigungen uber die Werthaltigkeit der Wohnung und die\nWirtschaftlichkeit des Vorhabens „nicht gerade einfach" gewesen sein soll,\nerschließt sich aus dem Berufungsvorbringen nicht. Die Lage der Wohnung in D.\nhinderte dies nicht. Auch von P. aus ist es ohne weiteres moglich,\nErkundigungen uber den Wohnungsmarkt in D. einzuholen. Bei allem Vertrauen in\nden Beklagten konnte es der Klagerin und ihrem Ehemann nicht verborgen\nbleiben, dass eine besondere Sachkunde beim Beklagten eher unwahrscheinlich\nwar und die Äußerungen des Beklagten zu der Lage der Wohnung, jedenfalls\nsoweit sie im Verfahren mitgeteilt wurden, doch eher allgemeiner Art waren und\nnicht ausreichten, den Wert eines kleinen 1-Zimmer-Appartements zuverlassig zu\nbestimmen. Vor diesem Hintergrund konnte es der Klagerin und ihrem Ehemann\nauch nicht verborgen bleiben, dass die darauf gestutzten konkreteren Angaben\nzum Wert der Wohnung und zur Wertsteigerung kaum ausreichend fundiert sein\nkonnten. \n--- \n| 11 \n--- \n| In der Abwagung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeitrage\n(die Unvollstandigkeit der in die Abwagung einzustellenden Umstande legt die\nKlagerin nicht dar) erscheint es auch dem Senat angemessen, eine halftige\nSchadensteilung vorzunehmen, zumal sowohl der Pflichtverletzung des Beklagten\nals auch dessen Verschulden kein besonderes Gewicht zukommt. \n--- \n| 12 \n--- \n| III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Revision wird nicht zugelassen, da Zulassungsgrunde nach § 543 Abs. 2\nZPO nicht vorliegen. \n---\n\n
134,019
olgstut-2006-02-01-3-u-10605
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
3 U 106/05
2006-02-01
2019-01-07 10:36:37
2019-02-12 12:17:03
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung des Klagers wird das Urteil der Einzelrichterin des\nLandgerichts Ulm vom 22.04.2005 (Az.: 2 O 410/04)\n\n> > > > > a b g e a n d e r t:\n\n> (1) Die Beklagte wird verurteilt, an den Klager 7.482,29 Euro nebst Zinsen\n> in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit 28.06.2003, Zug um\n> Zug gegen Herausgabe und Ruckubereignung des Kraftfahrzeugs O…C… 1.4\n> Comfort, Fahrgestell-Nr. ….., zu bezahlen.\n\n> (2) Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rucknahme des\n> vorgenannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.\n\n> (3) Im ubrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n2\\. Die weitergehende Berufung wird zuruckgewiesen.\n\n3\\. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Klager 17%\nund die Beklagte 83%.\n\n4\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen,\ndie Vollstreckung des Gegners durch Sicherheitsleistung in Hohe von 110 % des\njeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende\nPartei ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Hohe leistet.\n\n4\\. Die Revision wird zugelassen.\n\nStreitwert des Berufungsverfahrens: bis 9.000,-- Euro\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager verlangt aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau die Ruckabwicklung\neines Kaufvertrages uber einen Pkw O… C…. \n--- \n| 2 \n--- \n| Zu den Einzelheiten wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils\nBezug genommen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Das Landgericht hat der Klage nur teilweise stattgegeben und lediglich einen\nMinderungsanspruch des Klagers, in Hohe des vom Sachverstandigen E… in dessen\nGutachten vom 29.06.2004 (Bl. 61/71 d. A.) ermittelten Betrages, zuerkannt,\nwahrend weitergehende Schadensersatzanspruche abgelehnt wurden. \n--- \n| 4 \n--- \n| Dagegen richtet sich die Berufung des Klagers, der seine erstinstanzlichen\nAntrage weiter verfolgt. \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klager macht geltend, beim landgerichtlichen Urteil handle es sich um\neine Überraschungsentscheidung, da die erkennende Richterin eine andere\nRechtsauffassung vertreten habe, als ihre Referatsvorgangerin, ohne darauf\nhinzuweisen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Rechtsauffassung des Landgerichts sei fehlerhaft. Dem Kaufer sei es nach\nneuem Kaufrecht grundsatzlich moglich, in Analogie zur Vorschrift des § 325\nBGB von einer erklarten Minderung nach § 441 BGB auf einen\nSchadensersatzanspruch gemaß §§ 437 Ziff. 3, 280, 281 BGB umzuschwenken. Dies\ngelte insbesondere dann, wenn der Kaufer erst nach Erklarung der Minderung\nerfahre, dass der Kaufgegenstand fur ihn unverwertbar sei. Dann liege es nahe,\nihn ebenso wie im Falle des Rucktritts nicht an seiner Minderungserklarung\nfestzuhalten. Selbst bei einer volligen Wertlosigkeit, die zu einer Minderung\nauf Null fuhre, konne sich die Unverwertbarkeit des Kaufgegenstandes aus den\npersonlichen Verhaltnissen des Minderungsberechtigten ergeben. In diesen\nFallen sei es sachgerecht, dem Kaufer weiterhin eine flexible Reaktion zu\nermoglichen. Unter Bezugnahme auf eine von _Derleder_ (in: NJW 2003, 998,\n1002) vertretene Rechtsauffassung halt sich der Klager demnach fur berechtigt,\nauch nach ursprunglich gewahlter Minderung noch im Wege einer elektiven\nKonkurrenz gem. § 325 BGB analog auf den großen oder kleinen\nSchadensersatzanspruch umzustellen und dadurch die Ruckabwicklung des\nKaufvertrages zu erreichen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Nachdem die Beklagte eine falsche Zusicherung uber die Neuwageneigenschaft\ndes Fahrzeuges gegeben habe, lagen die Voraussetzungen eines\nSchadensersatzanspruches auch vor. Nach den vorgelegten Unterlagen sei\nnachgewiesen, dass zwischen Herstellungsdatum des Fahrzeuges und Abschluss des\nKaufvertrages mehr als 12 Monate lagen. Dies hatte der Beklagten nach den\nAngaben im Fahrzeugschein, insbesondere aufgrund der Fahrzeug-Ident.-Nummer im\nUnterschied zum Klager bzw. seiner Ehefrau beim Abschluss des Kaufvertrages\nbekannt sein mussen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das vom Klager seit dem\n02.02.2005 stillgelegte Fahrzeug einen Kilometerstand von 20.600 aufweist. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 10 \n--- \n| 1\\. das am 22. April 2005 verkundete Urteil der Einzelrichterin der 2.\nZivilkammer des Landgerichts Ulm - Az.: 2 O 410/04 - teilweise abzuandern und\nwie folgt neu zu fassen: \n--- \n| 11 \n--- \n| a) Die Beklagte wird verurteilt, an den Klager Euro 8.700,00 nebst Zinsen\nhieraus in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz nach § 247 BGB\nseit dem 28. Juni 2003 Zug-um-Zug gegen Ruckubereignung des Kraftfahrzeugs\nO…C… 1.4. Comfort, Fahrgestell-Nr.: …. zu zahlen; \n--- \n| 12 \n--- \n| b) festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rucknahme des vorgenannten\nFahrzeugs in Annahmeverzug befindet. \n--- \n| 13 \n--- \n| 2\\. hilfsweise, das am 22. April 2005 verkundete Urteil der Einzelrichterin\nder 2. Zivilkammer des Landgerichts Ulm - Az.: 2 O 410/04 - aufzuheben und den\nRechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung in die I. Instanz\nzuruckzuverweisen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 15 \n--- \n| kostenpflichtige Zuruckweisung der Berufung. \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Beklagte verteidigt das Urteil gegen die Angriffe der Berufung. Nach\nihrer Rechtsauffassung ist das Wahlrecht des Klagers durch die erklarte\nMinderung erloschen. Im Übrigen habe der Klager von Anfang an durch\nEinsichtnahme in den Kfz-Brief samtliche Fahrzeugdaten uberprufen konnen.\nBereits nach Durchfuhrung der Reparatur wegen des Ölverlustes im Mai 2003 und\ndamit vor der mit Schreiben vom 12.06.2003 beanspruchten Kaufpreisminderung,\nhabe der Klager erfahren, dass es sich bei dem Fahrzeug um keinen Neuwagen\ngehandelt habe. \n--- \n| 17 \n--- \n| Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf\ndie gewechselten Schriftsatze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom\n12.10.2005 (Bl. 252/253) Bezug genommen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Senat hat durch Beschluss vom 21.12.2005 mit Zustimmung der Parteien die\nEntscheidung des Rechtsstreits im schriftlichen Verfahren, mit der\nMoglichkeit, Schriftsatze bis zum 20.01.2006 einzureichen, angeordnet. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 19 \n--- \n| Die in zulassiger Weise eingelegte Berufung des Klagers ist weitgehend\nbegrundet. Der Klager hat Anspruch auf Ruckabwicklung des Kaufvertrages im\nWege des sog. großen Schadensersatzes nach den §§ 437 Nr. 3, 281 Abs. 1 S. 3,\n346 BGB. Allerdings hat er sich die von ihm gezogenen Gebrauchsvorteile\nanrechnen zu lassen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| 1\\. Der Klager ist in analoger Anwendung des § 325 BGB berechtigt, von der\nvon ihm zunachst erklarten Minderung des Kaufpreises auf die Geltendmachung\nvon Schadensersatz statt der ganzen Leistung (sog. großer Schadensersatz)\numzuschwenken. \n--- \n| 21 \n--- \n| a) Das Landgericht hat mit zutreffender Begrundung festgestellt, dass der\nvon der Beklagten verkaufte PKW eine vereinbarte Beschaffenheit nicht aufwies,\nda die zugesicherte Werksgarantie nicht vorlag. Ein Mangel i.S.d. § 437 BGB\nist damit gegeben, welchen die Beklagte nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu\nvertreten hat. Dieser Mangel ist auch erheblich, so dass der Klager gem. § 281\nAbs. 1 S. 3 BGB die Ruckgangigmachung des Kaufvertrages im Wege des großen\nSchadensersatzes verlangen kann. Eine Fristsetzung zur Nacherfullung ist\nentbehrlich, nachdem die Werksgarantie nachtraglich nicht mehr erteilt werden\nkann und im ubrigen eine endgultige und ernsthafte Erfullungsverweigerung der\nBeklagten vorliegt. \n--- \n| 22 \n--- \n| b) Der Klager ist berechtigt, trotz der von ihm zunachst erklarten\nKaufpreisminderung gem. § 325 BGB analog Schadensersatz geltend zu machen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Nach der gesetzlichen Regelung in § 325 BGB wird das Recht, bei einem\ngegenseitigen Vertrag Schadensersatz zu verlangen, durch den Rucktritt nicht\nausgeschlossen. Soweit sich der Kaufer fur die Minderung entscheidet und an\ndieser Wahl festhalt, werden dadurch Schadensersatzanspruche wegen\nzusatzlicher, nicht schon durch die Herabsetzung des Kaufpreises\nausgeglichener Nachteile ebenfalls nicht ausgeschlossen, wohl aber, soweit es\nsich um Schadensersatz statt der Leistung handelt (vgl. Palandt/Putzo, BGB,\n65. Aufl., § 437 Rnr. 31; § 441 Rnr. 19; Bamberger/Roth, BGB, Stand Januar\n2005, § 437 Rnr. 164; MuKomm/BGB-Westermann, 4. Aufl., § 437 Rnr. 18). Ebenso\nwie beim Rucktritt handelt es sich bei der Minderung um eine Gestaltungsrecht,\nwelches mit seiner Ausubung grundsatzlich unwiderruflich wird (vgl.\nPalandt/Putzo, § 441 Rnr. 10; Bamberger/Roth, § 441 Rnr. 162). Mit Einfuhrung\ndes Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes wurde allerdings durch die neue\nRegelung des § 325 BGB dem Glaubiger das Recht eingeraumt, trotz erklarten\nRucktritts vom Vertrag weiterhin Schadensersatz statt der Leistung verlangen\nzu konnen (vgl. Palandt/Gruneberg, § 325 Rnr. 1 f.). Inwieweit der Glaubiger\nsich in entsprechender Anwendung des § 325 BGB von der erklarten Minderung\nwieder losen und ebenfalls - wie beim Rucktritt - Schadensersatz statt der\nganzen Leistung verlangen darf, ist bisher ungeklart, obergerichtliche\nRechtsprechung hierzu liegt - soweit ersichtlich - noch nicht vor. In dem von\nder Berufung zitierten Aufsatz von _Derleder_ (NJW 2003, 998, 1002) wird die\nAuffassung vertreten, dass der minderungsberechtigte Kaufer trotz ausgeubten\nGestaltungsrechts in bestimmten Fallen weiterhin das Recht haben sollte, in\nAnalogie zu § 325 BGB auf die Geltendmachung von Schadensersatz - auch in Form\ndes sog. "großen" Schadensersatzes - umzuschwenken. Dies sei insbesondere in\nsolchen Fallen geboten, wenn der Kaufer zunachst "voreilig" gemindert habe,\nsich spater dann aber herausstelle, dass der Kaufgegenstand fur ihn\nunverwertbar sei. _Derleder_ selbst weist darauf hin, dass die methodischen\nVoraussetzungen fur eine derartige Analogie zweifelhaft sein konnten, da es\nhierfur einer planwidrigen Unvollstandigkeit bei Novellierung des neuen\nLeistungsstorungsrechtes bedurfe. Im Ergebnis halt er aber eine analoge\nAnwendung des § 325 BGB fur eine sachgerechte Fortschreibung des in dieser\nNorm enthaltenen Programms. Danach behalte zwar die Wahl zwischen Rucktritt\nund Minderung weiterhin ihre Gestaltungswirkung. Der Kaufer konne aber nach\ngewahlter Minderung ebenso wie nach gewahltem Rucktritt weiterhin zum kleinen\noder großen Schadensersatzanspruch umschwenken (ebenso Palandt/Putzo, § 437\nRnr. 31; MuKomm/BGB-Westermann, § 437 Rnr. 3; Erman/Grunewald, BGB, § 437 Rnr.\n13.). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an, da keine sachlichen Grunde\nerkennbar sind, einen Glaubiger, der sich zunachst fur sein Recht auf\nMinderung entscheidet, aber spater den großen Schadensersatz geltend machen\nmochte, anders zu behandeln, als einen Glaubiger, der sich zunachst fur den\nRucktritt vom Vertrag entschieden hat, aber uber § 325 BGB dennoch seine\nSchadensersatzanspruche weiter verfolgen kann. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| c) Der Klager kann daher von der Beklagten die Ruckabwicklung des\nKaufvertrages verlangen. Allerdings hat sich der Klager nach der sinngemaß\nheranzuziehenden Vorschrift des § 346 BGB die von ihm gezogenen Nutzungen\nanrechnen zu lassen. Nachdem das Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 1.900\nverkauft wurde und zwischenzeitlich einen solchen von 20.600 aufweist, hat der\nKlager der Beklagten die von ihm gefahrenen 18.700 km zu verguten. Der Senat\nschatzt den Wert der gezogenen Nutzungen gem. § 287 ZPO auf 1.309,00 Euro.\nDabei wurde eine Gesamtlaufleistung des PKW von 150.000 km zugrunde gelegt, so\ndass sich eine Restfahrleistung von 129.400 km ergibt. Im Verhaltnis zum\nKaufpreis von 8.700,00 Euro entspricht die Nutzungsvergutung pro Kilometer\ndamit einem Betrag von rd. 7 Cent. Fur die zu vergutenden 18.700 km ergibt\ndies einen Betrag von 1.309,00 Euro (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8.\nAufl., Rnr. 1554 ff.). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| 2\\. Weiterhin hat der Klager Anspruch auf Ersatz der entstandenen\nReparaturkosten in Hohe von 91,29 Euro, wie im landgerichtlichen Urteil\nausgefuhrt. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| 3\\. Die Beklagte befindet sich in Annahmeverzug, da sie sich weigert, den\nvom Klager angebotenen PKW zuruckzunehmen. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| 4\\. Hinsichtlich des dem Klager zu ersetzenden Verzugsschadens kann auf die\nAusfuhrungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen werden. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| 5\\. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Entscheidung zur vorlaufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.\n10, 711 ZPO. \n--- \n| 30 \n--- \n| 6\\. Die Revision ist zuzulassen, weil die Sache zur Klarung des\nVerhaltnisses der Rechte des Kaufers aus § 437 BGB grundsatzliche Bedeutung\nhat und deshalb auch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des\nRevisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). \n--- \n---\n\n
135,216
olgkarl-2003-05-06-12-u-2603
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
12 U 26/03
2003-05-06
2019-01-07 11:08:38
2019-02-12 12:17:59
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom\n20.01.2003 - 23 O 62/01 - wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des\nBerufungsverfahrens.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Berufung der Beklagten ist zulassig, in der Sache hat sie keinen\nErfolg. \n--- \n| 2 \n--- \n| I. (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Klagerin verlangt von den Beklagten Ruckzahlung der geleisteten\nVergutung von EUR 8.825,19 fur zwei von der Beklagten zu 1 (kunftig: Beklagte)\ngelieferten Industriehochdruckschlauchen (Durchmesser 150/250 mm; Lange\njeweils 8 m). \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Beklagte bestellte am 18.08.2000 bei der Beklagten zwei Schlauche mit\nbesonderem Pruf- und Platzdruck fur ein Erdgasprojekt in Danemark. Die\nParteien hatten die Direktversendung der Schlauche "frei Haus" an die Kundin\nder Klagerin in W. (Auftragsbestatigung der Beklagten vom 14.09.2000, Anlage K\n11) vereinbart. Die Schlauche, die nur gerade liegend befordert und nicht mit\nGabelstaplern be- und entladen werden durften, wurden auf der Versendung an\ndie danische Kundin durch die von der Beklagten beauftragte Spedition mehrfach\ngeknickt. Dabei kam es zumindest zu Abschurfungen der außeren Gummilage, wobei\ndie innere Gewebelage sichtbar wurde. Die Kundin der Klagerin hat deswegen die\nAbnahme der Schlauche abgelehnt. Die Beklagte teilte der Klagerin mit, dass es\nsich lediglich um oberflachliche Beschadigungen handele, die die\nFunktionstuchtigkeit der Schlauche nicht beeintrachtigten (Anl. B 6, I 50).\nDie Klagerin vertrat demgegenuber die Auffassung, dass eine Neufertigung der\nSchlauche erforderlich sei; sie lehnte eine Reparatur der beschadigten\nSchlauche ab. Die Beklagte versah das Gewebe der Schlauche mit neuen\nGummilagen und vulkanisierte sie. Sie versandte die Schlauche am 20.11.2000\nerneut an die Kundin der Klagerin, die sie wiederum zuruckwies. \n--- \n| 5 \n--- \n| Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverstandigengutachtens durch\nden Sachverstandigen M. mit Urteil vom 20.01.2003, auf das wegen der weiteren\ntatsachlichen Feststellungen Bezug genommen wird, der Klage auf Ruckzahlung\nder Vergutung in vollem Umfang stattgegeben und ausgefuhrt, dass mit der\nÜbergabe der Schlauche an die Spedition durch die Beklagten kein\nGefahrubergang eingetreten sei und die Schlauche unbehebbare Transportmangel\naufgewiesen hatten, weshalb die Klagerin zur Wandlung des Werkvertrages\nberechtigt gewesen ware. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung begehren die Beklagten weiterhin\ndie Klage abzuweisen. Sie fuhren aus, die Klausel "Fracht frei" bzw. "frei\nHaus" beziehe sich nur auf die Frachtkosten und nicht die Gefahrtragung. Die\nSchlauche seien durch Herausnahme und Überprufung der Gewebeeinlage, die\nkeinerlei Beschadigungen aufgewiesen habe, neu hergestellt worden. Die\nKlagerin ihrerseits habe die neu angelieferten Schlauche weder untersucht noch\nkonkrete Mangel gerugt. Das Gutachten des Sachverstandigen Mathes sei\nunzureichend, weil der Sachverstandige nur einen Schlauch untersucht und beide\nSchlauche keiner Druckprufung unterzogen habe. \n--- \n| 7 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die\nSchriftsatze verwiesen. \n--- \n| 8 \n--- \n| II. (§ 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Klagerin kann Ruckzahlung der geleisteten Vergutung fur zwei\nIndustrieschlauche in Hohe von EUR 8.825,19 beanspruchen. Der Senat folgt nach\nÜberprufung den Ausfuhrungen des Landgerichts. Was die Beklagten mit ihrer\nBerufung hiergegen vorbringen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. \n--- \nA. \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Anspruch auf Wandlung des Werklieferungsvertrages (Herstellung nicht\nvertretbarer Sachen) ergibt sich im Hinblick auf die Mangelhaftigkeit der\nbeiden Schlauche aus §§ 651 Abs. 1 Satz 2, 634 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. Ist das\nWerk - wie auszufuhren sein wird - mangelhaft, und befindet sich der\nUnternehmer aus diesem Grund mit seiner Leistungspflicht in Verzug, weil er\ndie Erbringung eines mangelfreien Werkes schuldet, so kann der Besteller dem\nUnternehmer die in § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. und § 634 Abs. 1 Satz 1 BGB\na.F. vorgesehene Frist mit Ablehnungsandrohung setzen oder - wenn eine solche\nwie hier entbehrlich ist (§ 634 Abs. 2 BGB) - sogleich die Wandlung des\nVertrages verlangen. Der Besteller kann unter Verzicht auf den\nErfullungsanspruch seine Anspruche bereits vor Abnahme ausschließlich auf §§\n634, 635 BGB a.F. beschranken (BGH NJW 1999, 2046, OLG Dusseldorf VersR 1998,\n1296, MuKo, 3. Auflage, § 634 Rn. 2; Staudinger, BGB, 13. Auflage, 634 Rn. 2).\nIm vorliegenden Fall kann die Klagerin somit vor der Abnahme der Werkleistung\nWandlung des Werklieferungsvertrages gemaß § 634 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.\nverlangen, wovon auch das Landgericht zutreffend ausgegangen ist. \n--- \n| 11 \n--- \n| 1\\. Mit der Übergabe der Schlauche durch die Beklagte an die Spedition D.\nist entgegen §§ 644 Abs. 2, 447 BGB kein Gefahrubergang eingetreten. \n--- \n| 12 \n--- \n| Zwar sehen die AGB der Beklagten als Erfullungsort (§ 269 BGB) den Sitz der\nBeklagten vor. Die Parteien haben hier jedoch Lieferung "frei Haus" mit\nBestimmungsort des Kunden der Klagerin in W./Danemark (Anlage K 11) vereinbart\nund damit eine dem Inhalt dieser Vereinbarung entgegenstehende Regelung in den\nAGB abbedungen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Klausel "frei Haus" mit Bestimmungsort kommt im Handelsrecht kein\ntypischer und damit eindeutiger Inhalt zu. Sie wird allerdings in der\nLiteratur uberwiegend und mit zunehmender Tendenz nicht nur als Kosten-,\nsondern auch als Gefahrtragungsklausel ausgelegt (OLG Karlsruhe NJW RR 1993,\n1317 mit den einschlagigen Literaturnachweisen). Die Klausel bezieht sich\njedenfalls auf die Transportkosten (sogenannte Spesenklausel). Sie kann\ndaruber hinaus auch die Bedeutung der Gefahrtragung des Verkaufers bis zum\ngenannten Ort haben. \n--- \n| 14 \n--- \n| Nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien war die Beklagte\nverpflichtet, die beiden Schlauche auf eigene Gefahr an den Sitz der Kundin\nder Klagerin in W. anzuliefern. Hierfur spricht, dass sich die Klagerin nicht\num die Transportversicherung kummern musste, sondern die Beauftragung der\nSpedition mit Abschluss einer Versicherung durch die Beklagte erfolgte. Die\nBeklagte hat sich deshalb nach der Beschadigung der Schlauche auf dem\nTransport auch mit der Spedition auseinandergesetzt und eine\nEntschadigungsleistung von mindestens 8.000,00 DM erhalten (II 89). Die\nSpedition hat daruber hinaus eine Regelung gegenuber der Klagerin ausdrucklich\nabgelehnt und mit Schreiben vom 01.03.2001 (Anlage K 8) darauf hingewiesen,\ndass nur der Absender und damit die Beklagte anspruchsberechtigt sei. \n--- \n| 15 \n--- \n| Dass auch die Beklagte die Klausel "frei Haus" nicht nur als\nKostentragungsklausel, sondern auch als Gefahrtragungsregelung gesehen hat,\nfolgt insbesondere auch daraus, dass die Beklagte sich zur Rucknahme der\nbeschadigten Schlauche bereit erklart, diese uberpruft und ihrem eigenen\nVortrag zufolge "neu hergestellt" und sodann erneut an die Abnehmerin der\nKlagerin ubersandt hat. \n--- \n| 16 \n--- \n| Soweit sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auf die Incotermes (dort\nZiff. 7 CPT) beruft, fuhrt dies schon deshalb zu keiner anderen Beurteilung,\nweil diese nicht Vertragsinhalt des Werklieferungsvertrags der Parteien\ngeworden sind. Ihrer Rechtsnatur nach sind Incotermes nicht generell\nHandelsbrauche, auch wenn sie teilweise aus solchen hervorgegangen sind und\nsich teilweise zu solchen entwickelt haben (MuKo, HGB, § 346 Rn. 112). Sie\nsind Geschaftsbedingungen und gelten nur kraft Vereinbarung, an der es - wie\nausgefuhrt - vorliegend fehlt. \n--- \n| 17 \n--- \n| 2\\. Die Schlauche sind trotz der von der Beklagten nach Ruckgabe der\nSchlauche nach der ersten Anlieferung durchgefuhrten Überarbeitung mangelhaft\nim Sinne von § 634 Abs. 1 BGB. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Schlauche sind auf dem Transport durch die Spedition D. derart geknickt\nworden, dass diese bei Ankunft in W. fur die vorgesehene Verlegung im Rahmen\neines Erdgasprojektes unbrauchbar waren. Hiervon ist das Landgericht aufgrund\ndes ubereinstimmenden Vortrags der Parteien ausgegangen. An die tatsachlichen\nFeststellungen ist der Senat gebunden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Beklagte\nhat die Schlauche nicht neu hergestellt, sondern ihrem eigenen Vortrag zufolge\ndie alten Gewebeeinlagen wiederverwendet und nur die Schlauchummantelungen\nerneuert. Dies stellt eine bloße Reparatur der Schlauche dar. Die von der\nBeklagten durchgefuhrte Reparaturmaßnahme war - wie auszufuhren sein wird - im\nHinblick auf den Vertragsinhalt keine hinreichende Nachbesserung. \n--- \n| 19 \n--- \n| Mangelbeseitigung bedeutet bei naturlicher Betrachtungsweise nichts\nanderes, als dass mangelhafte Leistungen durch mangelfreie ersetzt werden\nmussen, soweit das erforderlich ist, um insgesamt ein mangelfreies Werk\nentstehen zu lassen (BGHZ 96, 111; BGH NJW 1998, 233). Das Recht des\nUnternehmers, einer Vertragsaufsage durch Nachreichen einer mangelfreien\nLeistung zu begegnen, bedeutet nicht, dass der Hersteller neuwertiger Sachen\nim Falle von deren Beschadigung vor Gefahrubergang diese auch immer durch eine\nReparatur wieder instandsetzen darf (vgl. auch BGH NJW 1980, 2127). Bei der\nNachbesserung kann der Unternehmer auch auf eine Neuherstellung verwiesen\nsein, wenn nur auf diese Weise die Mangel vollstandig und zuverlassig behoben\nwerden konnen. Im Rahmen dessen, was als sachlich und wirtschaftlich\nvernunftige Mangelbeseitigung in Betracht kommt, ist darauf abzustellen, was\nein vernunftiger, wirtschaftlich denkender hier Besteller aufgrund\nsachkundiger Beratung oder Feststellung aufwenden konnte oder musste; wobei es\nsich um eine vertretbare Maßnahme der Schadensbeseitigung handeln muss. Dabei\nkann von mehreren Methoden grundsatzlich der sichersten der Vorzug gegeben\nwerden, selbst wenn sie nicht unwesentlich teurer ist als andere (OLG Koln\nNJW-RR 1993, 533). \n--- \n| 20 \n--- \n| Vieles spricht dafur, dass unter Berucksichtigung dieser zuvor genannten\nKriterien angesichts des hohen Gefahrenpotentials beim Verwendungszweck der\nSchlauche hier nur eine Neuherstellung der geknickten und deshalb fur die\nVerlegung von Erdgasleitungen unbrauchbaren Schlauchen als sicherste Maßnahme\nin Betracht kam. Insoweit ist festzuhalten, dass die reparierten Schlauche\nsich von neuhergestellten dadurch unterscheiden, dass sie und damit auch ihre\nGewebeeinlagen beim Transport mechanischen Einwirkungen ausgesetzt waren, die\nnach den Herstelleranweisungen in jedem Fall vermieden werden mussten. Allein\nschon durch die damit verbundenen latenten Gefahren im Rahmen einer\nDauerbeanspruchung unterscheiden sie sich von neuhergestellten Schlauchen so\nerheblich, dass sie als - fur den vertragsmaßigen Zweck eines Weiterverkaufs\nan Dritte als neuwertig - geeignetes Objekt wohl ausscheiden. In Entsprechung\nhierzu sei beispielsweise darauf verwiesen, dass selbst die beste\nRunderneuerung aus einem runderneuerten Reifen keinen fabrikneuen Reifen\nmacht. \n--- \n| 21 \n--- \n| Letztlich kann die Frage einer Beschrankung der Nachbesserung auf eine\nNeuherstellung aber offen bleiben. Eine Reparatur der beschadigten Schlauche\nunter Weiterverwendung der alten Gewebeeinlagen stellt nur dann eine geeignete\nNachbesserungsmaßnahme dar, wenn dem Besteller - hier der Klagerin - die\nGewahr mitgegeben wird, dass die Schlauche fur den konkreten Zweck und damit\nhier als Schlauchleitungen fur Erdgas bei einem Betriebsdruck von 50 bar bzw.\n80 bar wie neuhergestellte verwendet werden konnten. Fur die Überprufung und\nBeurteilung der Eignung der vorgeschadigten Schlauche ist erforderlich, dass\nder Besteller die Gewissheit haben kann, dass die Schlauche im Rahmen der\nNachbesserung durch den Unternehmer so uberpruft und uberarbeitet worden sind,\ndass mangelhafte Teile durch mangelfreie ersetzt worden sind, dh. eine\nNachbesserung im großtmoglichen und notwendigen Umfang erfolgt ist und der\nErfolg, d.h. die Herstellung der tatsachlichen Gleichwertigkeit gegenuber\neiner neuhergestellten Sache, durch umfassende Prufung dokumentiert ist.\nHierzu muss der Unternehmer seine Nachbesserungsmaßnahmen bei der vorliegenden\nFallkonstellation, insbesondere wenn er der Auffassung ist, eine\nNeuherstellung sei nicht erforderlich, (mindestens) durch Zertifikate belegen,\ndie es dem Besteller im Zeitpunkt der Übergabe der reparierten Gegenstande\nermoglichen, die Nachbesserungsmaßnahmen daraufhin zu uberprufen, ob die\nMangel samtlich und zuverlassig behoben worden sind. \n--- \n| 22 \n--- \n| Derartige Prufbescheinigungen wurden der Klagerin nicht vorgelegt. Die\nBeklagte hat ihrem eigenen Vortrag zufolge die geknickten Schlauche auch nur\neiner sogenannten Druckprufung unterzogen. Letzteres stellt kein geeignetes\nMittel dar, um zu belegen, dass die bei der Erstanlieferung - nach den eigenen\nVorgaben der Beklagten gefahrlichen - mechanischen Einwirkungen ausgesetzten\nSchlauche keine Schaden insbesondere an den Gewebeeinlagen mehr aufweisen. Den\ninsoweit einleuchtenden und uberzeugenden Ausfuhrungen des Sachverstandigen\nMathes zufolge ist eine bloße, von der Beklagten vorgenommene und belegte\nDruckprufung fur die Feststellung der Beschadigungen an den\nSchlauchgewebeeinlagen nicht ausreichend, weil eine solche nur eine\nKurzzeitprufung (Dauer 10 Minuten) beinhaltet. Aus der von der Beklagten vor\nder zweiten Auslieferung erfolgten Druckprufung kann somit nicht hinreichend\nauf die Schadensfreiheit der Schlauche geschlossen werden. Die Druckprufung\nstellt daher keine ausreichende und fur eine Wiederverwendung der Schlauche\nfur den konkreten Verwendungszweck geeignete Kontrolle der\nNachbesserungsmaßnahme dar, weil letzteres nicht gewahrleistet, dass kleinste,\naber potentiell auf Dauer nachteilige Fasereinrisse tatsachlich auch ohne\nweiteres und mit der dafur erforderlichen Sicherheit entdeckt werden konnen.\nDie Druckprufung kann deshalb weitergehende Untersuchungen insbesondere des\nmechanisch beanspruchten Gewebes, die hinreichend sicheren Aufschluss uber die\ngefahrlose Verwendung der durch den Transport geknickten Schlauche geben,\nnicht ersetzen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Prufzeugnisse sind in einem solchen Fall zusammen mit der reparierten\nSache dem Besteller zu ubermitteln. Nur so ware in einer Konstellation wie der\nvorliegenden die Nachbesserung vollstandig. Keinesfalls kann dem Besteller\nzugemutet werden, die bloße Behauptung ordnungsgemaßer Schadensbeseitigung\nakzeptieren zu mussen oder mit erheblichen Kostenrisiko eine Klarung im\nProzesswege herbeizufuhren. \n--- \n| 24 \n--- \n| Ob die vom Sachverstandigen untersuchte Eindellung mit Beschadigung des\nGewebes erst im Rahmen der Einlagerung durch die Klagerin nach der zweiten\nAuslieferung an deren Kundin entstanden ist, ist nach alledem unerheblich.\nDenn die von der Beklagten vorgenommene Reparatur mit anschließender\nDruckprufung stellt - wie ausgefuhrt - keine hinreichende\nNachbesserungsmaßnahme dar. Einer Erganzung des Sachverstandigengutachtens\noder der Einholung eines weiteren Sachverstandigengutachtens bedarf es deshalb\nebenfalls nicht. Darauf, ob die Schlauche tatsachlich noch durch den ersten\nTransport verursachte Beschadigungen aufweisen, kommt es nicht an. \n--- \n| 25 \n--- \n| 3\\. Einer Untersuchung des zweiten Schlauchs (250 mm) auf Beschadigungen\nbedarf es nicht. Auch dieser Schlauch wurde unstreitig wie der andere durch\nden Transport geknickt und damit so beschadigt, dass auch er unbrauchbar\ngewesen ist. Unabhangig hiervon ist davon auszugehen, dass die beiden\nSchlauche, die fur ein Projekt bestimmt waren, als zusammengehorende Sache\nhergestellt worden sind und eine Trennung der Schlauche nicht ohne Nachteile\nfur die Klagerin erfolgen konnte, so dass - wie das Landgericht zutreffend\nausgefuhrt hat - eine Gesamtwandlung gerechtfertigt ist (§§ 634 Abs. 4, 469\nBGB). \n--- \n| 26 \n--- \n| 4\\. Die Klagerin war auch nicht gehalten, gem. § 634 Abs. 2 BGB eine Frist\nzur Nachbesserung im oben genannten Sinn zu setzen. Die Beklagte hat von\nAnfang an und durchgehend abgelehnt, mehr zu unternehmen als die Schlauche zu\nvulkanisieren und einer Druckprufung zu unterziehen. \n--- \n| 27 \n--- \n| 5\\. Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass die\nKlagerin die Mangel der nachgebesserten Schlauche nicht wiederum sogleich\nunverzuglich gerugt und deshalb ihre Gewahrleistungsrechte verloren hatte (§\n377, 381 Abs. 2 HGB). Die Klagerin hat mit Schreiben vom 30.11.2000 eindeutig\nerklart, dass sie keine reparierten Schlauche abnimmt. Die Klagerin musste\ndeshalb keine erneute Ruge aussprechen. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Klagerin kann nach alledem die geleistete Vergutung in Hohe von EUR\n8.825,19 zzgl. der zuerkannten Zinsen beanspruchen. \n--- \nB. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Entscheidung uber die Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die\nEntscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10,\n713 ZPO. \n--- \n| 30 \n--- \n| Grunde fur eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht\nvor. \n---\n\n
135,238
olgstut-2003-05-14-20-u-3102
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
20 U 31/02
2003-05-14
2019-01-07 11:08:56
2019-02-12 12:18:01
Urteil
## Tenor\n\nI. Auf die Berufung der Klagerin wird das Urteil der Kammer fur Handelssachen\ndes Landgerichts Hechingen vom 27. September 2002 - 5 O 74/01 KfH -\nabgeandert:\n\n1\\. Es wird festgestellt, dass der Jahrsabschluss der Beklagten zum 31.\nDezember 2000 nichtig ist.\n\n2\\. Es wird festgestellt, dass der Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung\nder Beklagten vom 12.06.2001 uber die Verwendung des Bilanzgewinns fur das\nGeschaftsjahr 2000 (Punkt 3 der Tagesordnung) nichtig ist.\n\n3\\. Der Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom\n12.06.2001 uber die Entlastung des personlich haftenden Gesellschafters fur\ndas Geschaftsjahr 2000 (Punkt 4 der Tagesordnung) wird fur nichtig erklart.\n\n4\\. Der Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom\n12.06.2001 uber die Entlastung des Aufsichtsrats fur das Geschaftsjahr 2000\n(Punkt 5 der Tagesordnung) wird fur nichtig erklart.\n\n5\\. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, zu dem\nVerkaufsvertrag, mit dem sie zum 01.04.2000 ihren Geschaftsbereich\nSicherheitstechnik (Alarmanlagen, Brandmeldeanlagen, Zutrittskontrollsysteme,\nZeiterfassungssysteme) an die C plc, London, verkauft hat, die Zustimmung der\nHauptversammlung mit der Mehrheit einzuholen, die fur eine entsprechende\nMaßnahme bei ihr erforderlich ist.\n\nII. Die Beklagte tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\nIII. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die\nVollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe von 110 % des auf Grund des\nUrteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die Klagerin nicht vor der\nVollstreckung Sicherheit in Hohe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden\nBetrages leistet.\n\nIV. Die Revision gegen die Verurteilung zu I.5. wird zugelassen.\n\nStreitwert: Klageantrag 1.1. (jetzt 2.1.) | 20.000,00 EUR \n---|--- \nKlageantrag 1.2. (jetzt 2.2.) | 10.000,00 EUR \nKlageantrag 1.3. (jetzt 2.3.) | 10.000,00 EUR \nKlageantrag 1.4. (jetzt 2.4.) | 10.000,00 EUR \nKlageantrag 2 (jetzt 3.) | 10.000,00 EUR \n\\------------------------------ | \\------------ \nSumme | 60.000,00 EUR \n \n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Parteien streiten um die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlussen\nund um die Notwendigkeit einer Zustimmung der Hauptversammlung zur Veraußerung\neines unselbstandigen Betriebsteils. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Beklagte ist eine borsennotierte Kommanditgesellschaft auf Aktien mit\neinem Grundkapital der Gesellschaft von 6.400.000 EUR, das in 2.500.000\nStuckaktien eingeteilt ist, und einem Kapitalanteil des personlich haftenden\nGesellschafters von ursprunglich 10.225.837,62 EUR. Personlich haftende\nGesellschafterin ist die E GmbH & Co. Holding KG (im folgenden entsprechend\nder Satzung und den Jahresabschlussen der Beklagten: personlich haftender\nGesellschafter). Sie ist seit 01.02.2000 eine 100%ige Tochtergesellschaft der\nA Deutschland GmbH, einer 100%igen Tochtergesellschaft der A AB mit Sitz in\nStockholm. Die A Deutschland GmbH halt mittelbar auch die Mehrheit der Aktien\nder Beklagten. \n--- \n| 3 \n--- \n| Gegenstand der Beklagten ist nach § 2 Abs. 1 der Satzung die Herstellung\nund der Vertrieb von elektromechanischen, elektronischen und sonstigen\nGeraten, Werkzeugen und Einrichtungsgegenstanden aller Art. Im Jahr 2000\nveraußerte sie ihren Betriebsteil "elektronische Sicherheitstechnik"\n(Alarmanlagen, Brandmeldeanlagen, Zutrittskontrollsysteme,\nZeiterfassungssysteme) an die C plc, London fur rund 350.000.000 DM. Dieser\nBetriebsteil brachte 1999 etwa 62 % ihrer Umsatzerlose. Die Mehrheit der\nMitarbeiter war in ihm tatig. Der weitere Betriebsteil "elektromechanische\nSicherheitstechnik" (Turoffnersysteme) verblieb bei der Beklagten. \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Aufsichtsrat der Beklagten stimmte der Veraußerung am 23.03.2000 zu.\nNach § 11 Abs. 2 der Satzung ist das Widerspruchsrecht der Kommanditaktionare\nausgeschlossen, die Veraußerung von Unternehmensteilen bedarf jedoch der\nZustimmung des Aufsichtsrats, wenn auf sie im letzten Geschaftsjahr vor der\nVeraußerung mehr als 20 % des Umsatzes und/oder der Beschaftigen aller\nUnternehmen, an denen die Gesellschaft mehrheitlich beteiligt ist, entfallen\nsind. Im Lagebericht der Beklagten fur das Jahr 1999 heißt es unter "Vorgange\nnach Schluß des Geschaftsjahres": \n--- \n| 5 \n--- \n| "Vor dem Hintergrund der Konzentration auf die Kernkompetenzen des\nschwedischen Mutterkonzerns hat E eine Vereinbarung mit der C PLC, London,\nuber den Verkauf des Geschaftsbereichs Alarm zum 1. April 2000 unterzeichnet.\nDurch diese Transaktion werden sich sowohl in der E KGaA als auch in der E\nGruppe die Umsatze sowie die anteiligen Kosten verandern. Wir erwarten jedoch\naus dem Verkaufserlos einen hohen außerordentlichen Ertrag sowie aus der\nAnlage der Finanzmittel ein deutlich gesteigertes Finanzergebnis." \n--- \n| 6 \n--- \n| Durch ein Intercompany-Darlehen vom 28.12.2000 stellte die Beklagte der A\nDeutschland GmbH ein jederzeit ruckzahlbares Darlehen von 250.000.000 DM zu\neinem Zinssatz von 6,10 % zur Verfugung. Als Sicherheiten gab die A\nDeutschland GmbH ihre samtlichen bestehenden und zukunftigen Forderungen\ngegenuber Dritten und ihr gesamtes Anlagevermogen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Hauptversammlung der Beklagten vom 12.06.2001 stellte den\nJahresabschluss auf Vorschlag des personlich haftenden Gesellschafters und des\nAufsichtsrats fur das Geschaftsjahr 2000 wie folgt fest: \n--- \n| 8 \n--- \n| \n--- \nJahresuberschuss | | 224.170.147,00 DM \n--- \nGewinnvortrag | | 219.861,73 DM \n--- \nGewinnanteil des personlich | \nhaftenden Gesellschafters | | 164.105.561,43 DM \n--- \nEinstellung in andere Gewinnrucklagen | | \\- 57.000.000,00 DM \n--- \nBilanzgewinn | | 3.284.447,30 DM \n--- \n \n \n| 9 \n--- \n| Nach § 21 Abs. 4 der Satzung der Beklagten beschließt die Hauptversammlung\nuber die Feststellung des Jahresabschlusses. Dabei ist, soweit rechtlich\nzulassig, der von dem personlich haftenden Gesellschafter vorgesehene Betrag,\nhochstens jedoch die Halfte des nach Abzug des Gewinnanteils des personlich\nhaftenden Gesellschafters verbleibenden Jahresuberschusses in andere\nGewinnrucklagen einzustellen. Nach § 21 Abs. 5 kann die Hauptversammlung im\nBeschluss uber die Verwendung des Bilanzgewinns mit Zustimmung des personlich\nhaftenden Gesellschafters weitere Betrage in andere Gewinnrucklagen einstellen\noder als Gewinn vortragen; im Übrigen wird der Bilanzgewinn an die\nKommanditaktionare ausgeschuttet. Die Hauptversammlung beschloss auf Vorschlag\ndes personlich haftenden Gesellschafters und des Aufsichtsrats, von dem\nBilanzgewinn von 3.284.447,30 DM einen Betrag von 3.000.000,00 DM an die\nAktionare auszuschutten (1,20 DM pro Aktie) und 283.447,30 DM auf neue\nRechnung vorzutragen. Anschließend wurde die Entlastung des personlich\nhaftenden Gesellschafters und des Aufsichtsrats beschlossen. Die Klagerin\nerklarte gegen diese Beschlusse zur Niederschrift des amtierenden Notars\nWiderspruch. \n--- \n| 10 \n--- \n| Sie forderte auf der Hauptversammlung den personlich haftenden\nGesellschafter auf, den Verkauf des Geschaftsbereichs Sicherheitstechnik der\nZustimmung der Hauptversammlung zu unterwerfen. Der personlich haftende\nGesellschafter lehnte dies ab. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Klagerin hat vorgetragen, der Jahresabschluss sei nichtig, weil mehr\nals die Halfte des Jahresuberschusses in andere Gewinnrucklagen eingestellt\nsei. Er sei außerdem nach § 243 Abs. 2 AktG anfechtbar, weil die ubermaßige\nBildung von Rucklagen durch die Mehrheitsaktionarin nur vorgeschlagen worden\nsei, um die durch den Verkauf der elektronischen Sicherheitstechnik erhaltenen\nMittel an eine andere Konzerngesellschaft ausleihen zu konnen. Daran habe ein\ndringendes Interesse bestanden, weil sich diese durch den Erwerb der\nMehrheitsbeteiligung an der Beklagten nicht unerheblich verschuldet habe. In\nder Ausleihung liege auch ein Satzungsverstoß, weil die Beklagte mit fast 2/3\nihres bilanzierten Gesamtvermogens nur noch dazu diene, Kapital an den\nMehrheitsaktionar auszuleihen. Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses habe die\nNichtigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses zur Folge. Die Entlastung des\npersonlich haftenden Gesellschafters und des Aufsichtsrats, seien anfechtbar,\nweil diese einen nichtigen Jahresabschluss und einen nichtigen\nGewinnverwendungsbeschluss vorgeschlagen hatten. Außerdem habe die Beklagte\nkeinen Konzernabschluss vorgelegt, der den Anforderungen des § 291 HGB genuge.\nDer Abhangigkeitsbericht sei durch den Aufsichtsrat nicht gepruft worden und\nes fehle an einer Berichterstattung uber eine solche Prufung durch den\nAufsichtsrat an die Hauptversammlung. \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Verkauf der elektronischen Sicherheitstechnik sei ein\nGrundlagengeschaft, dem die Hauptversammlung zustimmen musse. Dadurch sei der\nGeschaftsgegenstand der Beklagten faktisch durchbrochen worden und die\nBeklagte zu einem Finanzdienstleister der Mehrheitsaktionarin geworden. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Klagerin hat beantragt, die genannten Beschlusse fur nichtig zu\nerklaren und festzustellen, dass die Beklagte zum Verkaufsvertrag mit der C\nplc die Zustimmung der Hauptversammlung einholen muss. Zu den weiteren\nEinzelheiten des Antrags und des Vortrags wird auf die Feststellungen im\nUrteil des Landgerichts verwiesen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Beklagte hat vorgetragen, der Jahresabschluss stehe in Einklang mit\nSatzung und Gesetz. Unter Jahresuberschuss sei der Betrag zu verstehen, der\nsich ergebe, bevor die Gewinnanteile des personlich haftenden Gesellschafters\nabgezogen worden sind. Die Gewahrung des Darlehens sei kein Sondervorteil nach\n§ 243 Abs. 2 AktG, weil der Zinssatz uber marktublichen Konditionen liege. Fur\neine Anfechtung des Gewinnverwendungsbeschlusses, der danach nicht nichtig\nsei, nach § 254 AktG fehle der Klagerin mit 5.000 Stuckaktien die\nAnfechtungsbefugnis. Die Entlastungsbeschlusse seien nicht anfechtbar. Der\nJahresabschluss enthalte alle erforderlichen Angaben. Außerdem fehle es an der\nKausalitat einer Pflichtverletzung. Die Hauptversammlung habe im\nGewinnverwendungsbeschluss uber die Hohe der anderen Gewinnrucklagen frei\nbeschließen konnen. Ein Konzernabschluss der A AB Stockholm in englischer\nSprache genuge. Der Abhangigkeitsbericht sei erstellt worden und vom\nAufsichtsrat gepruft worden. Das Testat der Abschlussprufer ergebe, dass der\nAbhangigkeitsbericht durch den Abschlussprufer gepruft worden sei. \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Feststellungsantrag sei unzulassig, weil der Verkauf der elektronischen\nSicherheitstechnik erfolgt sei, bevor die Klagerin Aktionarin der Beklagten\ngeworden sei. Fur eine Zustimmung sei die Hauptversammlung des Jahres 2000\nzustandig gewesen. Eine Zustimmung sei aber nicht erforderlich gewesen. Der\nSatzungszweck werde weiter erfullt. Die Beklagte stelle nach wie vor\nZutrittskontrollsysteme, elektronische Schlosser, elektronische Steuerungen\nfur Turoffnerprodukte und Motorenschlosser, Fluchtsysteme,\nRettungswegverriegelungen sowie Feststellanlagen fur Feuerschutzabschlusse\nher. Alle diese Systeme benotigten elektronische und elektromechanische\nKomponenten. In der Satzung der Beklagten sei die Zustimmung zu\nGrundlagengeschaften dem Aufsichtsrat ubertragen worden. Durch die Veraußerung\nder elektronischen Sicherheitstechnik sei weder die Unternehmensstruktur der\nBeklagten verandert worden noch der Kernbereich der Geschaftstatigkeit\nbetroffen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen legte die Klagerin\nBerufung ein, mit der sie ihren Vortrag wiederholt. \n--- \n| 17 \n--- \n| Sie beantragt, \n--- \n| 18 \n--- \n| das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 27.09.2002 abzuandern, \n--- \n| 19 \n--- \n| die Beschlusse der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom\n12.06.2001 zu den Punkten 2. bis 5. der Tagesordnung, die zur Beschlussfassung\nangekundigt waren wie folgt: \n--- \n| 20 \n--- \n| 2.1. der Punkt 2. der Tagesordnung: \n--- \n| 21 \n--- \n| "2. Beschlussfassung uber die Feststellung des Jahresabschlusses der E GmbH\n& Co. KG auf Aktien zum 31. Dezember 2000. \n--- \n| 22 \n--- \n| Der personlich haftende Gesellschafter und der Aufsichtsrat schlagen vor,\nden Jahresabschluss zum 31. Dezember 2000 in der vorgelegten Fassung\nfestzustellen." \n--- \n| 23 \n--- \n| 2.2. der Punkt 3. der Tagesordnung: \n--- \n| 24 \n--- \n| "3. Beschlussfassung uber die Verwendung des Bilanzgewinns fur das\nGeschaftsjahr 2000. \n--- \n| 25 \n--- \n| Der personlich haftende Gesellschafter und der Aufsichtsrat schlagen vor,\nden im Jahresabschluss zum 31.12.2000 ausgewiesenen Bilanzgewinn von DM\n3.284.447,30 DM wie folgt zu verwenden: \n--- \n| 26 \n--- \n| \n--- \nAusschuttung einer Dividende von DM 1,20 je Stuckaktie auf das \ndividendenberechtigte Grundkapital \n| DM 3.000.000,00 \n--- \nVortrag auf neue Rechnung DM 284.447,30 \n| \\--------------- \n--- \n| DM 3.284.447,30 \n--- \n \n \n| 27 \n--- \n| Die Dividende ist am 13.06.2001 zahlbar. \n--- \n| 28 \n--- \n| Einschließlich Steuergutschrift erhalten anrechnungsberechtigte\nKommanditaktionare DM 1,71 je Aktie." 2.3. der Punkt 4. der Tagesordnung: \n--- \n| 29 \n--- \n| "4. Beschlussfassung uber die Entlastung des personlich haftenden\nGesellschafters fur das Geschaftsjahr 2000. \n--- \n| 30 \n--- \n| Der personlich haftende Gesellschafter und der Aufsichtsrat schlagen\nEntlastung vor." \n--- \n| 31 \n--- \n| 2.4. der Punkt 5. der Tagesordnung: \n--- \n| 32 \n--- \n| "5. Beschlussfassung uber die Entlastung des Aufsichtsrats fur das\nGeschaftsjahr 2000. \n--- \n| 33 \n--- \n| Der personlich haftende Gesellschafter und der Aufsichtsrat schlagen\nEntlastung vor." \n--- \n| 34 \n--- \n| und die samtlich von der Hauptversammlung mit den Stimmen des\nMehrheitsaktionars beschlossen wurden, \n--- \n| 35 \n--- \n| fur nichtig zu erklaren. \n--- \n| 36 \n--- \n| 3\\. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, zu dem\nVerkaufsvertrag, mit dem sie zum 01.04.2000 ihren Geschaftsbereich\nSicherheitstechnik (Alarmanlagen, Brandmeldeanlagen, Zutrittskontrollsysteme,\nZeiterfassungssysteme) an die C plc, London, verkauft hat, die Zustimmung der\nHauptversammlung mit der Mehrheit einzuholen, die fur eine entsprechende\nMaßnahme bei ihr erforderlich ist. \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Beklagte wiederholt ebenfalls ihren erstinstanzlichen Vortrag und\nbeantragt, \n--- \n| 38 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 39 \n--- \n| Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten\nSchriftsatze verwiesen. \n--- \nII. \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Berufung hat Erfolg. \n--- \n| 41 \n--- \n| 1\\. Der Jahresabschluss der Beklagten fur das Jahr 2000 ist nichtig. \n--- \n| 42 \n--- \n| a) Der festgestellte Jahresabschluss ist nach § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG\nnichtig, weil er die Bestimmungen der Satzung der Beklagten uber die\nEinstellung von Betragen in die Gewinnrucklagen verletzt. Nach § 21 Abs. 4\nSatz 3 der Satzung ist bei der Feststellung des Jahresabschlusses hochstens\ndie Halfte des nach Abzug des Gewinnanteils des personlich haftenden\nGesellschafters verbleibenden Jahresuberschusses in andere Gewinnrucklagen\neinzustellen. Die Hauptversammlung hat mit 57.000.000,00 DM mehr als die\nHalfte des verbleibenden Jahresuberschusses in andere Gewinnrucklagen\neingestellt. Nach Abzug des Gewinnanteils des personlich haftenden\nGesellschafters von 164.105.561,43 DM vom gesamten Jahresuberschuss von\n224.170.147,00 DM und dem Gewinnvortrag aus dem Vorjahr von 219.861,73 DM\nverblieben 60.284.447,30 DM. Die Halfte davon, die nach der Satzung hochstens\nin andere Gewinnrucklagen einstellbar war, sind 30.142.223,65 DM. \n--- \n| 43 \n--- \n| b) Die Beklagte konnte nicht wegen Nichtigkeit ihrer Satzungsbestimmung\neinen hoheren Betrag in andere Gewinnrucklagen einstellen. \n--- \n| 44 \n--- \n| aa) Ob die Bestimmung in § 21 Abs. 4 Satz 3 der Satzung wirksam ist, kann\nschon deshalb dahinstehen, weil die Frist des § 242 Abs. 2 AktG verstrichen\nist. Die Nichtigkeit einer Satzungsregelung kann nicht mehr geltend gemacht\nwerden, wenn die Satzung in das Handelsregister eingetragen worden ist und\nseitdem drei Jahre vergangen sind (BGH NJW 2000, 2819). Da die\nSatzungsregelung seit 18.10.1995 im Handelsregister des Amtsgerichts Albstadt\neingetragen ist, konnte ihre Nichtigkeit in der Hauptversammlung vom\n12.06.2001 nicht mehr geltend gemacht werden. \n--- \n| 45 \n--- \n| bb) Selbst wenn eine Nichtigkeit der Satzungsregelung noch geltend gemacht\nwerden konnte, ware der Jahresabschluss nichtig. Er verstieße entweder gegen\neine wirksame Satzungsbestimmung oder, wenn diese unwirksam ware, gegen die\ngesetzliche Regelung. \n--- \n| 46 \n--- \n| Wenn fur die Einstellung von Betragen in andere Gewinnrucklagen § 58 Abs. 1\nAktG galte und dahin zu modifizieren ware, dass die Satzung zu\nRucklagenbildung in unbegrenzter oder sogar unbestimmter Hohe ermachtigen kann\n(so Mertens in Kolner Komm. AktG, § 286 Rn. 5 m.w.N.), ware die\nSatzungsbestimmung, nach der die Hauptversammlung auf Vorschlag des\nKomplementars maximal die Halfte des verbleibenden Jahresuberschusses in\nGewinnrucklagen einstellen kann, wirksam. \n--- \n| 47 \n--- \n| Wenn § 58 Abs. 2 AktG entsprechend anwendbar ware (so Assmann/Sethe in\nGroßkomm. AktG, 4. Aufl., § 286 Rn. 26; Semler/Perlitt in MunchKomm. AktG, 2.\nAufl., § 286 Rn. 54), verstieße die Satzungsbestimmung gegen das Aktiengesetz.\nNach § 58 Abs. 2 AktG in der Fassung des Art. 1 Nr. 10 Buchst. a des Gesetzes\nv. 2.8.1994 (BGBl I 1961) und des Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes v. 27.4.1998 (BGBl\nI 786) konnte die Satzung bei borsennotierten Gesellschaften wie der Beklagten\nnur eine Einstellung von mehr als 50 % des Jahresuberschusses in Rucklagen\nvorsehen. Nach der Satzung der Beklagten kann nur ein Betrag bis zur Halfte in\nandere Gewinnrucklagen eingestellt werden. Wenn die Satzungsbestimmung nichtig\nware, galte jedoch § 58 Abs. 2 Satz 1 AktG, der Gewinnruckstellungen von bis\nzu 50 % des Jahresuberschusses erlaubt. Danach konnten ebenfalls nicht mehr\nals 50 % des Jahresuberschusses in Rucklagen eingestellt werden. \n--- \n| 48 \n--- \n| Jahresuberschuss im Sinn des § 58 AktG ist, was nach Abzug des\nGewinnanteils des personlich haftenden Gesellschafters bleibt. Die\nKompetenzzuweisung zur Bildung anderer Gewinnrucklagen aus dem\nJahresuberschuss betrifft nicht den auf den Komplementar entfallenden\nGewinnanteil. Das ergibt sich auch aus den Bilanzierungsvorschriften fur die\nKommanditgesellschaft auf Aktien. Der in der Gewinn- und Verlustrechnung\nausgewiesene Jahresuberschuss ist bereits um den Gewinnanteil des\nKomplementars bereinigt. Der Gewinnanteil des Komplementars ist nicht als\nsolcher auszuweisen, sondern unter Aufwendungen zu erfassen, § 286 Abs. 3 AktG\n(Forschle/Kofahl in Beck\'scher Bilanz-Kommentar, § 272 Rn. 130). Da der auf\nden Komplementar entfallende Gewinn bereits im Jahresabschluss als Aufwand der\nGesellschaft berucksichtigt ist, kann die Hauptversammlung nur uber die\nVerwendung des Jahresuberschusses nach Abzug des Gewinns des Komplementars\nentscheiden. Nur das nach Abzug der Gewinnanteile der Komplementare\nverbleibende Ergebnis ist der Jahresuberschuss oder -fehlbetrag (Winnefeld,\nBilanzhandbuch, 3. Aufl., L Rn. 1280). \n--- \n| 49 \n--- \n| c) Der Hauptversammlungsbeschluss ist nicht deshalb wirksam, weil die\nHauptversammlung der Beklagten unbegrenzt uber die Verwendung des\nBilanzgewinns beschließen und auf diesem Weg den Bilanzgewinn vollstandig in\nGewinnrucklagen einstellen konnte. Nach § 21 Abs. 5 der Satzung kann die\nHauptversammlung im Beschluss uber die Verwendung des Bilanzgewinns mit\nZustimmung des personlich haftenden Gesellschafters weitere Betrage in andere\nGewinnrucklagen einstellen. Das ist nicht mit der Rucklagenbildung im\nJahresabschluss gleichzusetzen. Zwischen der Einstellung in andere\nGewinnrucklagen im Jahresabschluss und einer Einstellung durch den\nGewinnverwendungsbeschluss ist zu unterscheiden. Die in § 158 Abs. 1 Nr. 4\nAktG vorgeschriebenen Erganzungen der Gewinn- und Verlustrechnung um\nEinstellung in Gewinnrucklagen erfasst nur die Einstellungen, die bei\nFeststellung des Jahresabschlusses erfolgen (Huffer, AktG, 5. Aufl., § 158 Rn.\n5). Nach § 152 Abs. 3 AktG sind die Betrage, die aus dem Jahresuberschuss des\nGeschaftsjahres in die Gewinnrucklagen eingestellt werden, gesondert\nauszuweisen gegenuber den Betragen, die die Hauptversammlung aus dem\nBilanzgewinn des Vorjahres in Gewinnrucklagen eingestellt hat. Der\nGewinnverwendungsbeschluss fuhrt, wenn er eine Einstellung in Rucklagen\nvorsieht, nach § 174 Abs. 3 AktG nicht zu einer Änderung des festgestellten\nJahresabschlusses, weil die Gewinnrucklage aufgrund eines\nGewinnverwendungsbeschlusses erst in der Bilanz des Folgejahres zu verbuchen\nist (Huffer, AktG, 5. Aufl., § 174 Rn. 8). \n--- \n| 50 \n--- \n| d) Auf die Anfechtungsklage hin ist die Nichtigkeit des Jahresabschlusses\nfestzustellen. \n--- \n| 51 \n--- \n| aa) Festzustellen ist, dass der Jahresabschlusses selbst und nicht der\nBeschlusses uber den Jahresabschluss nichtig ist. Zwar konnen nur die\nrechtsgeschaftlichen Grundlagen des Jahresabschlusses und nicht der\nJahresabschluss als Zahlen- oder Wortbericht nichtig sein (Huffer in\nMunchKomm. AktG, 2. Aufl., § 256 Rn. 9). Da § 256 Abs. 7 AktG aber auch fur\nden Fall der Feststellung durch die Hauptversammlung die Klage auf\nFeststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses vorsieht, ist die\nVerurteilung entsprechend zu fassen (vgl. Hoffmann-Becking in Munchner\nHandbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4 Aktiengesellschaft, 2. Aufl., § 47\nRn. 3). Eine auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses gerichtete Klage\nist umzudeuten. Sie ist nicht neben einer Klage auf Feststellung der\nNichtigkeit des Jahresabschlusses moglich. Nach dem Sinn des Gesetzes umfasst\ndie Nichtigkeitsfolge das gesamte zur Feststellung des Jahresabschlusses\nfuhrende korporationsrechtliche Rechtsgeschaft. Die in § 256 AktG getroffene\nRegelung hat abschließenden Charakter, so dass eine Nichtigkeit nach anderen\nVorschriften entfallt (BGHZ 124, 111). \n--- \n| 52 \n--- \n| bb) Die Nichtigkeit des Jahrsabschlusses ist festzustellen, obwohl die\nKlagerin eine Anfechtungsklage gegen den Feststellungsbeschluss erhoben hat.\nDer Streitgegenstand der Nichtigkeits- und der Anfechtungsklage ist identisch\n(BGH NJW 2002, 3465). Es ist eine vom Gericht zu beantwortende Rechtsfrage, ob\ndie Vorschrift des § 248 AktG oder die des § 249 AktG Anwendung findet (BGH\nNJW 1997, 1510), unabhangig davon, ob die Feststellung der Nichtigkeit oder\ndie Nichtigerklarung eines Beschlusses beantragt wird. Da hier an die Stelle\nder Feststellung der Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses nach § 249\nAktG die Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 Abs. 7\nAktG tritt, ist auf den Antrag auf Nichterklarung des Beschlusses zur\nFeststellung des Jahresabschlusses der Jahresabschluss fur nichtig zu\nerklaren. \n--- \n| 53 \n--- \n| Damit ist auch die Nichtigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses\nfestzustellen. Der Gewinnverwendungsbeschluss ist nichtig, weil der zugrunde\nliegende Jahresabschluss nichtig ist, § 253 Abs. 1 AktG. Die Nichtigkeit des\nJahrsabschlusses ist aus den dargelegten Grunden auch hier aufgrund der\nerhobenen Anfechtungsklage festzustellen. Die allgemeine Anfechtungsklage\ngegen den Gewinnverwendungsbeschluss ist moglich. § 254 Abs. 1 AktG stellt\nausdrucklich klar, dass die Anfechtungsmoglichkeit nach § 254 AktG eine\nAnfechtung des Gewinnverwendungsbeschlusses nach § 243 AktG nicht ausschließt. \n--- \n| 54 \n--- \n| Der Beschluss uber die Entlastung des personlich haftenden Gesellschafters\nist fur nichtig zu erklaren. Die Hauptversammlung hatte uber die Entlastung\ndes personlich haftenden Gesellschafters zu beschließen. Bei einer\nAktiengesellschaft hat sie nach § 120 AktG uber die Entlastung des Vorstandes\nzu befinden. An die Stelle des Vorstands tritt bei der Kommanditgesellschaft\nauf Aktien der Komplementar, §§ 278 Abs. 3, 283 AktG. \n--- \n| 55 \n--- \n| a) Der Vorschlag des personlich haftenden Gesellschafters, einen nichtigen\nJahresabschluss zu beschließen, macht den Entlastungsbeschluss anfechtbar. \n--- \n| 56 \n--- \n| Der Satzungsverstoß bei der Aufstellung des Jahresabschlusses und die\nEmpfehlung, den nichtigen Jahresabschluss zu beschließen, fuhrt zur\nAnfechtbarkeit des Beschlusses uber die Entlastung des personlich haftenden\nGesellschafters. Ein Entlastungsbeschluss ist anfechtbar, wenn Gegenstand der\nEntlastung ein Verhalten ist, das eindeutig einen schwerwiegenden Gesetzes-\noder Satzungsverstoß darstellt (BGH NJW 2003, 1032). \n--- \n| 57 \n--- \n| Mit der Aufstellung und Empfehlung des nichtigen Jahresabschlusses verstieß\nder personlich haftende Gesellschafter eindeutig gegen die Satzung. Es handelt\nsich nicht um ein Verhalten, das allein der Hauptversammlung zuzurechnen ist,\nweil diese nach § 21 Abs. 4 der Satzung uber die Feststellung des\nJahresabschlusses allein zu entscheiden hat. Der personlich haftende\nGesellschafter muss sich bei der Aufstellung des Jahresabschlusses an die\nVorschriften der Satzung uber die Einstellung in andere Gewinnrucklagen\nhalten. Die Aufstellung des Jahresabschlusses ist nach § 21 Abs. 1 der Satzung\nseine Aufgabe. Sein Verhalten wirkt sich unmittelbar auf die Feststellung des\nJahresabschlusses durch die Hauptversammlung aus. Die Einstellung in andere\nGewinnrucklagen ist nicht in das Belieben der Hauptversammlung gestellt. Er\nkann bei der Aufstellung des Jahresabschlusses im Rahmen der gesetzlichen\nVorschriften Einstellungen vorsehen. Der von ihm vorgesehene Betrag ist,\nsoweit gesetzlich zulassig, von der Hauptversammlung einzustellen, § 21 Abs. 4\nder Satzung. \n--- \n| 58 \n--- \n| Der Verstoß gegen die Satzung war eindeutig. Die Satzung begrenzt den in\nandere Gewinnrucklagen einzustellenden Betrag unmissverstandlich. Alle\nverwendeten Begriffe, insbesondere der als Bemessungsgrundlage dienende\nJahresuberschuss, sind eindeutig definiert. Der Verstoß war auch\nschwerwiegend, weil er die Entscheidungsfreiheit der Hauptversammlung uber die\nVerwendung des Bilanzgewinns erheblich beeintrachtigte. Mit der Einstellung\nvon 57.000.000 DM in die anderen Gewinnrucklagen, einem Betrag, der etwa 90 %\nuber dem Zulassigen lag, wurden rund 27.000.000 DM der Entscheidung der\nKommanditaktionare uber die Verwendung des Jahresgewinns entzogen. Diese\nhatten statt dessen nur noch uber einen Bilanzgewinn von rund 3.000.000 DM zu\nentscheiden. \n--- \n| 59 \n--- \n| b) Der Entlastungsbeschluss ist auch anfechtbar, weil ein Konzernabschluss\nfehlte. \n--- \n| 60 \n--- \n| aa) Die Entlastung des personlich haftenden Gesellschafters verstieß gegen\neine gesetzliche Regel, weil sie ohne Vorliegen eines Konzernabschlusses\nerfolgte. Die Beklagte hatte Tochterunternehmen, so dass sie nach dem auf den\nJahresabschluss des Geschaftsjahres 2000 gemaß § 13 EGAktG noch anzuwendenden\n§ 337 Abs. 3 AktG einen Konzernabschluss auszulegen und der Hauptversammlung\nvorzulegen hatte. \n--- \n| 61 \n--- \n| Die Beklagte konnte auf einen eigenen Konzernabschluss nicht verzichten,\nweil ein Konzernabschluss der A AB Stockholm vorlag. Nach § 291 Abs. 1 HGB\nbraucht eine Konzernmutter, die zugleich Tochterunternehmen eines\nMutterunternehmens mit Sitz in einem Mitgliedsstaat der Europaischen Union\nist, einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht nur dann nicht\naufzustellen, wenn ein den Anforderungen des § 291 Abs. 2 HGB entsprechender\nKonzernabschluss und Konzernlagebericht des Mutterunternehmens einschließlich\ndes Bestatigungsvermerks nach den fur den entfallenden Konzernabschluss und\nKonzernlagebericht maßgeblichen Vorschriften in deutscher Sprache offengelegt\nwird. Der Konzernabschluss der A AB Stockholm lag jedoch nur in englischer\nSprache vor. Die Beklagte ist Tochterunternehmen der A AB Stockholm, weil\ndiese uber die A Deutschland GmbH sowohl uber die Mehrheit der Stimmen in der\nHauptversammlung verfugt als auch Mutterunternehmen der Komplementar-\nGesellschaft als alleiniger Komplementarin der Kommanditgesellschaft auf\nAktien ist. \n--- \n| 62 \n--- \n| bb) Die unterlassene Information war fur den Entlastungsbeschluss relevant.\nDie Vorlagepflicht und die Berichterstattung nach § 337 AktG haben Bedeutung\nfur die Willensbildung in der Muttergesellschaft. Daher ist grundsatzlich von\nder Relevanz eines fehlenden Konzernabschlusses fur die\nEntlastungsentscheidung auszugehen (LG Frankfurt AG 1999, 96; Huffer, AktG, 5.\nAufl., § 337 Rn. 12; einschrankend OLG Koln AG 2000, 134). Das Fehlen eines\ndeutschen Konzernabschlusses ist hier nicht deshalb ohne Relevanz, weil ein\nKonzernabschluss der Muttergesellschaft in englischer Sprache vorhanden war.\nDabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob eine englischsprachige\nInformation fur Aktionare verstandlich ist. Entscheidend ist, dass der\nAktionar vor der Hauptversammlung mit der Auslegung eines eigenen\nTeilkonzernabschlusses rechnen konnte und nicht davon ausgehen musste, ein\nsolcher solle durch einen englischsprachigen Abschluss der Konzernmutter\nersetzt werden. Deshalb bestand fur ihn keine Veranlassung, sich mit einem\nenglischsprachigen Abschluss der Mutter zu befassen. \n--- \n| 63 \n--- \n| c) Der Entlastungsbeschluss ist auch anfechtbar, weil die Schlusserklarung\ndes personlich haftenden Gesellschafters zum Abhangigkeitsbericht im\nLagebericht der Beklagten fehlt. \n--- \n| 64 \n--- \n| Der personlich haftende Gesellschafter hat die Schlusserklarung zum\nAbhangigkeitsbericht nach § 312 AktG nicht in den Lagebericht aufgenommen.\nDazu war er nach § 312 Abs. 3 Satz 3 AktG verpflichtet. Nach § 312 Abs. 1 AktG\nhat der Vorstand einer Aktiengesellschaft den Abhangigkeitsbericht zu\nerstellen. Davon wird auch die abhangige Kommanditgesellschaft auf Aktien\nerfasst, wie sich aus ihrer Erwahnung in § 311 AktG ergibt (Huffer, AktG, 5.\nAufl., § 312 Rn. 5). An die Stelle des Vorstandes tritt bei ihr der\nKomplementar. Ein Abhangigkeitsbericht des personlich haftenden\nGesellschafters fur die Beklagte liegt (Anlage B 4) vor. Er enthalt auch eine\nSchlusserklarung. Diese Schlusserklarung fehlt aber im Lagebericht der\nBeklagten. Dass der Lagebericht ein Prufertestat nach § 313 Abs. 3 AktG\nenthalt, macht die Schlusserklarung des personlich haftenden Gesellschafters\nnicht uberflussig. Beides ist nebeneinander vorgesehen. \n--- \n| 65 \n--- \n| Das Fehlen der Schlusserklarung im Lagebericht fuhrt zur Anfechtbarkeit der\nEntlastung des personlich haftenden Gesellschafters, obwohl der\nAbhangigkeitsbericht erstellt ist. Aus § 120 Abs. 3 AktG ergibt sich, dass der\nLagebericht vor der Entlastung vorzulegen ist. Wenn mit der Schlusserklarung\nein Teil des Lageberichts fehlt, macht dieses gesetzeswidrige Verhalten die\nEntlastung anfechtbar (vgl. BGHZ 62, 193; OLG Dusseldorf NZG 2000, 314). Es\nhandelt sich um einen eindeutigen und schwerwiegenden Gesetzesverstoß. Der\nKommanditaktionar erfahrt von der Existenz eines Abhangigkeitsberichts nur\ndurch die Schlusserklarung. Der Bericht selbst wird den Aktionaren nicht\nzuganglich gemacht. Das Fehlen einer Schlusserklarung macht auch den\nJahresabschluss, den die Hauptversammlung feststellt, anfechtbar, weil der\nLagebericht den Aktionaren eine fur ihre Entscheidung wesentliche Information\nvorenthalt (Kropff in MunchKomm. AktG, 2. Aufl., § 312 Rn. 74; Habersack in\nEmmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 2. Aufl., § 312 Rn. 20).\nOhne die Schlusserklarung im Lagebericht muss der Aktionar davon ausgehen,\ndass kein Abhangigkeitsbericht erstellt wurde. Das Fehlen der Schlusserklarung\nsteht fur ihn dem Fehlen des Abhangigkeitsberichts gleich. Das Vorenthalten\ndieser wesentlichen Information durch den personlich haftenden Gesellschafter\nmacht als Gesetzesverstoß auch seine Entlastung anfechtbar. \n--- \n| 66 \n--- \n| Auch der Beschluss uber die Entlastung des Aufsichtsrats ist fur nichtig zu\nerklaren. \n--- \n| 67 \n--- \n| a) Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses fuhrt zur Anfechtbarkeit der\nEntlastung des Aufsichtsrats. Der vom personlich haftenden Gesellschafter\nvorgelegte Jahresabschluss war vom Aufsichtsrat zu prufen. Nach § 21 Abs. 3\nder Satzung, aber auch nach §§ 111 Abs. 1, 278 Abs. 3 AktG, hat der\nAufsichtsrat den Jahresabschluss und den Gewinnverwendungsvorschlag zu prufen\n(Semler/Perlitt in MunchKomm. AktG, 2. Aufl., § 286 Rn. 57). Da der\nvorgeschlagene Jahresabschluss und der Gewinnverwendungsbeschluss nichtig\nwaren, erfolgte die Prufung nicht gesetzes- bzw. satzungsgemaß. Dieser\neindeutige und schwerwiegende Verstoß hat die Anfechtbarkeit der Entlastung\nzur Folge. \n--- \n| 68 \n--- \n| b) Der Beschluss uber die Entlastung des Aufsichtsrats ist auch anfechtbar,\nweil der Prufbericht des Aufsichtsrats sich nicht mit dem Abhangigkeitsbericht\nbefasst. Der Aufsichtsrat hatte nach § 314 Abs. 2 Satz 1 AktG den\nAbhangigkeitsbericht zu prufen und daruber in seinem Bericht an die\nHauptversammlung nach §§ 171 Abs. 2, 278 Abs. 3 AktG schriftlich zu berichten.\nDer Abhangigkeitsbericht ist im Prufbericht des Aufsichtsrats im\nJahresabschluss nicht erwahnt. Das fuhrt zur Anfechtbarkeit seiner Entlastung\n(vgl. BGH NJW 2003, 1032). \n--- \n| 69 \n--- \n| Der Antrag festzustellen, dass zu dem Vertrag der Beklagten uber die\nVeraußerung des unselbstandigen Betriebsteils elektronische Sicherheitstechnik\nan die C plc in London die Zustimmung der Hauptversammlung der Beklagten\nerforderlich ist, ist zulassig und begrundet. \n--- \n| 70 \n--- \n| a) Die Feststellungsklage ist zulassig. § 256 ZPO verlangt, dass sie auf\ndie Feststellung eines Rechtsverhaltnisses gerichtet ist und der Klager ein\nrechtliches Interesse an seiner alsbaldigen Feststellung hat. \n--- \n| 71 \n--- \n| aa) Die Klage ist auf die Feststellung des Bestehens eines\nRechtsverhaltnisses gerichtet. Mit ihr soll festgestellt werden, dass die\nBeklagte, die durch den Komplementar handelt, einen bestimmten Vertrag nur mit\nZustimmung der Kommanditaktionare abschließen darf. Damit ist das Verhaltnis\nder Beklagten zu ihren Kommanditaktionaren angesprochen und die Klage auf die\nFeststellung eines Rechtsverhaltnisses gerichtet. \n--- \n| 72 \n--- \n| Die Feststellungsklage mit dem Antrag, die Zustimmungsbedurftigkeit zum\nVertrag feststellen zu lasen, ist danach nicht schon deshalb zulassig, weil\nsie als Minus in der zulassigen (BGHZ 83, 122, 132) Feststellungsklage\nenthalten ist, die Unwirksamkeit des Vertrages feststellen zu lassen (so aber\nOLG Celle ZIP 2001, 613). Wahrend sich diese auf das Rechtsverhaltnis der\nGesellschaft zu einem Dritten, dem Erwerber, bezieht, beschrankt sich die\nKlage auf Feststellung der Zustimmungsbedurftigkeit gegen die Gesellschaft auf\ndas Verhaltnis zu dieser und betrifft damit ein anderes Rechtsverhaltnis. \n--- \n| 73 \n--- \n| bb) Die Klagerin hat ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen\nFeststellung dieses Rechtsverhaltnisses. Das Rechtsschutzbedurfnis besteht,\nwenn eine gegenwartige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass ein der\nKlagerin zustehendes Recht bestritten wird und das erstrebte Urteil geeignet\nist, diese Gefahr zu beseitigen. Die Klagerin macht mit dem Anspruch, dass\neine bestimmte Maßnahme der Geschaftsfuhrung der Zustimmung der\nKommanditaktionare bedarf, ein aus ihrer Mitgliedschaft folgendes Recht\ngeltend. Dieses behauptete Recht wird von der Beklagten bestritten. Die\nBeklagte behauptet, dass die Veraußerung des Bereichs "elektronische\nSicherheitstechnik" nicht der Zustimmung der Hauptversammlung unterliegt. \n--- \n| 74 \n--- \n| cc) Das erstrebte Feststellungsurteil ist geeignet, die Unsicherheit uber\ndie Zustimmungsbedurftigkeit endgultig zu beseitigen. Das\nRechtsschutzbedurfnis fehlt nicht deshalb, weil eine Klage auf Leistung\nmoglich ist und im Interesse der endgultigen Klarung des Streitstoffs die\nFeststellungsklage hinter die Leistungsklage zurucktreten muss. \n--- \n| 75 \n--- \n| Grundsatzlich ist eine Leistungsklage moglich. Wenn ein\nGeschaftsfuhrungsorgan wie der Vorstand einer Aktiengesellschaft aufgrund\nseiner Vertretungsbefugnis eigenmachtig nach außen tatig wird, ohne die\nHauptversammlung, wie es seine Pflicht ware, intern zu beteiligen, kann der\nAktionar gegen die Gesellschaft auf Unterlassung oder Wiederherstellung des\nfruheren Zustands klagen (BGHZ 83, 122, 134 fur die AG). Fur die\nKommanditgesellschaft auf Aktien gilt nichts anderes. Bei ihr richtet sich\nzwar das Verhaltnis der Kommanditaktionare zum Komplementar gemaß § 278 Abs. 2\nAktG nach den Vorschriften des HGB uber die Kommanditgesellschaft. Auch in der\nKommanditgesellschaft stehen aber den anderen Gesellschaftern diese\nRechtsbehelfe zur Verfugung. Wenn der Komplementar eine Maßnahme trifft, ohne\ndass eine erforderliche Zustimmung des Kommanditisten vorliegt, kann der\nKommanditist Unterlassung oder Ruckgangigmachung der Maßnahme verlangen. Die\nKommanditisten sind nicht darauf verwiesen, spater Schadensersatzanspruche\ngeltend zu machen, sondern konnen vorbeugend Unterlassungsklage erheben (OLG\nKoblenz GmbHR 1991, 264; Baumbach/Hopt, HGB, 30. Aufl., § 116 Rn. 4; Grunewald\nin MunchKomm. HGB, § 164 Rn. 12). An die Stelle des Kommanditisten tritt in\nder Kommanditgesellschaft auf Aktien die Gesamtheit der Kommanditaktionare.\nWie bei der Aktiengesellschaft muss dann auch der einzelne Kommanditaktionar\nden Anspruch geltend machen konnen, wenn Zustimmungsrechte der Gesamtheit der\nGesellschafter verletzt werden. Insoweit verweist § 278 Abs. 3 AktG auf die\nVorschriften uber die Aktiengesellschaft. \n--- \n| 76 \n--- \n| Obwohl die Klagerin danach grundsatzlich auch eine Leistungsklage auf\nUnterlassung der Vollziehung des Verkaufs oder Ruckgangigmachung des Verkaufs\nerheben konnte, ist auch die Feststellungsklage zulassig, die sich auf den\nAntrag beschrankt, die Zustimmungsbedurftigkeit festzustellen. Die\nFeststellungsklage ist hier ebenso gut geeignet, den Streit zwischen den\nParteien endgultig beizulegen, wie eine mogliche Leistungsklage. \n--- \n| 77 \n--- \n| Wenn die Klage abgewiesen wird, steht damit fest, dass die\nGeschaftsfuhrungsmaßnahme ohne Zustimmung der Gesellschafter moglich ist. Eine\nAntrag auf Unterlassung oder Ruckgangigmachung der Maßnahme kann nicht mehr\ngestellt werden. Wenn der Klage stattgegeben wird, ist es zwar denkbar, dass\ndie Geschaftsfuhrungsmaßnahme dennoch erfolgt oder nicht ruckgangig gemacht\nwird und deshalb noch eine Leistungsklage erforderlich wird. Eine solche\nweitere streitige Auseinandersetzung ist aber auch bei einem Erfolg der\nLeistungsklage nicht ausgeschlossen. Bei einer Klage auf Unterlassung oder\nRuckgangigmachung der Maßnahme kann der Anspruch dadurch beseitigt werden,\ndass die Zustimmung der Gesellschafter eingeholt wird (BGHZ 83, 122, 135).\nDaraus konnen auch nach einer Verurteilung weitere Auseinandersetzungen,\nbeispielsweise um die Zustimmung oder um Zustimmungspflichten, entstehen. \n--- \n| 78 \n--- \n| Tatsachlich wird das Verhalten des geschaftsfuhrenden Organs der\nGesellschaft in aller Regel bei einem Erfolg der Leistungsklage nicht anders\nsein als bei einem Erfolg der Feststellungsklage. Nach einer Verurteilung zu\nUnterlassung oder Ruckgangigmachung wird sich das Geschaftsfuhrungsorgan\nzunachst um die Zustimmung der Gesellschafter bemuhen, um so die Vollstreckung\ndes Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruchs abzuwenden. Wenn es diese\nZustimmung nicht erhalt, wird es wegen des drohenden Schadensersatzanspruches\nder Gesellschafter selbst darauf bedacht sein, die Maßnahme zu unterlassen\noder, soweit moglich, ruckgangig zu machen. \n--- \n| 79 \n--- \n| Gegen eine Subsidiaritat der Feststellungsklage spricht hier auch, dass die\nLeistungsklage ein anderes Ziel als die Feststellungsklage verfolgt. Mit dem\nVerweis auf ein Unterlassungs- oder Beseitigungsverlangen wird der\nGesellschafter gezwungen, mehr zu verlangen, als er unter Umstanden erreichen\nwill. Mit dem Begehren festzustellen, dass eine Maßnahme seiner Zustimmung\nbedarf, macht ein Klager nur geltend, dass seine Mitwirkungsrechte verletzt\nsind. Fur den Anspruch auf Unterlassung oder Beseitigung muss er daruber\nhinaus aber fordern, dass die Maßnahme selbst unterbleiben oder ruckgangig\ngemacht werden soll. Wenn dem Gesellschafter die Einzelheiten - wie hier der\nVerkauf des Betriebsteils "elektronische Sicherheitstechnik" - nicht bekannt\ngemacht worden sind, weil seine Mitwirkung nicht fur erforderlich gehalten\nwurde, kann er aber noch gar nicht beurteilen, ob er dem Geschaft nicht\nvielleicht zustimmen und es verwirklicht sehen will. \n--- \n| 80 \n--- \n| Schließlich spricht fur die Zulassung der Feststellungsklage, dass der\nGesellschafter den richtigen Leistungsantrag ohne genaue Kenntnis der Maßnahme\ngar nicht stellen kann. Auf Unterlassung kann nur geklagt werden, solange die\nMaßnahme noch nicht vollzogen ist. Wenn vollzogen ist, kommt nur noch die\nKlage auf Wiederherstellung des fruheren Zustands in Betracht. Der\nGesellschafter kennt ohne Information durch das geschaftsfuhrende Organ den\nStand der Abwicklung eines Geschafts nicht. Er ist dann nicht in der Lage, den\nrichtigen Leistungsantrag zu stellen. So war es auch hier. Da die Beklagte den\nVerkauf des Betriebsteils "elektronische Sicherheitstechnik" nicht fur\nzustimmungsbedurftig halt, hat sie uber die Mitteilung des Verkaufs hinaus den\nKommanditaktionaren keine weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarung\nmitgeteilt. Die Zulassung der Feststellungsklage ermoglicht es schließlich\nauch dem geschaftsfuhrenden Organ, die Auseinandersetzung uber die Frage der\nZustimmungsbedurftigkeit von der Erorterung von Einzelheiten der getroffenen\nRegelung freizuhalten und entlastet damit auch das gerichtliche Verfahren. \n--- \n| 81 \n--- \n| b) Die Feststellungsklage ist auch begrundet. Die Zustimmung der\nHauptversammlung der Beklagten ist erforderlich, weil es sich um ein\nGrundlagengeschaft handelte. Die Kommanditaktionare in ihrer Gesamtheit mussen\nGrundlagengeschaften der Beklagten zustimmen. \n--- \n| 82 \n--- \n| aa) Die Zustimmung der Kommanditaktionare ist nicht schon nach § 164 HGB\nerforderlich, weil es sich um ein außergewohnliches Geschaft handelt. \n--- \n| 83 \n--- \n| Grundsatzlich nimmt die Hauptversammlung der Kommanditgesellschaft auf\nAktien die Rechte des Kommanditisten einer KG wahr, §§ 278 Abs. 2, 285 Abs. 2\nSatz 1 AktG. Damit muss sie außergewohnlichen Geschaften zustimmen, § 164 HGB.\nDieses Widerspruchsrecht der Kommanditaktionare ist bei der Beklagten aber\nnach § 11 Abs. 2 der Satzung ausgeschlossen. Dieser Ausschluss ist wirksam,\nweil darin Geschafte, die uber den gewohnlichen Geschaftsbetrieb der\nGesellschaft hinausgehen, der Zustimmung des Aufsichtsrats unterworfen sind. \n--- \n| 84 \n--- \n| Der Ausschluss des Widerspruchsrechts der Kommanditisten ist bei einer\nPublikums-KG aA jedenfalls dann wirksam moglich, wenn dieses Recht auf den\nAufsichtsrat ubertragen ist. Wahrend die der Hauptversammlung nach § 278 Abs.\n3 AktG zukommenden aktienrechtlichen Kompetenzen den Beschrankungen des § 23\nAbs. 5 AktG unterliegen, gilt das fur die personengesellschaftlichen, den\nAktionaren als Kommanditisten zustehenden Kompetenzen nach § 278 Abs. 2 AktG\nnicht. Sie konnen daher grundsatzlich in den Grenzen, wie dies auch bei einer\nKG moglich ist, durch die Satzung beschrankt werden (Assmann/Sethe in\nGroßkomm. AktG, 4. Aufl., § 285 Rn. 21). Das ist in § 11 Abs. 2 der Satzung\ngeschehen. Darin ist das Widerspruchsrecht der Kommanditaktionare nach § 164\nHGB ausgeschlossen und sind einzelne Rechtsgeschafte der Zustimmung des\nAufsichtsrats unterworfen, darunter die Veraußerung von Unternehmensteilen.\nBei der KG kann das Widerspruchsrecht nach § 164 HGB fur außergewohnliche\nGeschafte ganz ausgeschlossen oder auf ein anderes Gremium ubertragen werden\n(BGHZ 132, 263). \n--- \n| 85 \n--- \n| Eine Satzungsregelung, die fur außergewohnliche Geschaftsfuhrungsmaßnahmen\ndas Widerspruchsrecht der Kommanditaktionare ausschließt, es aber auf den\nAufsichtsrat ubertragt, ist wirksam (Assmann/Sethe in Großkomm. AktG, 4.\nAufl., § 285 Rn. 78; § 278 Rn. 115; Semler/Perlitt in MunchKomm. AktG, 2.\nAufl., § 278 Rn. 368). Der ganzliche Ausschluss des Widerspruchsrechts nach §\n164 HGB bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, bei der personlich\nhaftender Gesellschafter wiederum eine Kapitalgesellschaft ist, begegnet zwar\nBedenken. Über die starke Stellung des Komplementars und die nach dem\nAktiengesetz in der Kommanditgesellschaft auf Aktien gegenuber der\nAktiengesellschaft eingeschrankten Befugnisse des Aufsichtsrats besteht die\nGefahr einer rechtlich unzulassigen Minderheitenherrschaft. Dem ist unter\nUmstanden durch eine Beschrankung der moglichen Satzungsgestaltungen gegenuber\nder KG Rechnung zu tragen (vgl. BGHZ 134, 392). Diese Bedenken gegen eine\nunzulassige Minderheitenherrschaft werden aber ausgeraumt, wenn die Funktion\nder Hauptversammlung bei der Zustimmung zu außergewohnlichen Geschaften dem\nAufsichtsrat zugewiesen wird. Er wird durch die Hauptversammlung ohne die\nMitwirkung des personlich haftenden Gesellschafters nach § 285 Abs. 1 Nr. 1\nAktG gewahlt und ist auch sonst das nach § 287 AktG zur Vertretung der\nKommanditaktionare gegenuber dem personlich haftenden Gesellschafter berufene\nOrgan. \n--- \n| 86 \n--- \n| bb) Der Zustimmung der Hauptversammlung und nicht nur des Aufsichtsrats\nbedurfen bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien Grundlagengeschafte aber\nauch dann, wenn die Zustimmung nach § 164 HGB auf den Aufsichtsrat ubertragen\nist. \n--- \n| 87 \n--- \n| Der Kernbereich der Mitgliedschaft ist auch bei der Kommanditgesellschaft\nauf Aktien unantastbar und unverzichtbar. Wie bei der KG ist zwischen\naußergewohnlichen Geschaften und Grundlagengeschaften, die den Kernbereich der\nMitgliedschaft und damit wesentliche gesellschaftsvertragliche Rechte\nberuhren, zu unterscheiden (Assmann/Sethe in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 285\nRn. 54 und 78; Semler/Perlitt in MunchKomm. AktG, 2. Aufl., § 285 Rn. 43). Zu\nden Grundlagengeschafte zahlen strukturandernde Maßnahmen, die eine Änderung\ndes Gesellschaftsvertrags erfordern oder aber, ohne die Notwendigkeit einer\nformellen Änderung, wesentliche gesellschaftsvertragliche Rechte beruhren,\nalso strukturverandernde Maßnahmen, wie sie der Holzmuller-Entscheidung des\nBundesgerichtshofs (BGHZ 83, 122) zugrunde lagen (Assmann/Sethe in Großkomm.\nAktG, 4. Aufl., § 285 Rn. 17; vor § 278 Rn. 102; § 278 Rn. 123; vgl. auch\nSemler/Perlitt in MunchKomm. AktG, 2. Aufl., § 278 Rn. 180). \n--- \n| 88 \n--- \n| Dieses Zustimmungserfordernis ist in der Satzung der Beklagten nicht auf\nden Aufsichtsrat ubertragen worden. Eine Zustimmung zu Grundlagengeschaften\nmag zwar grundsatzlich aufgrund der Satzungsautonomie im Bereich des § 278\nAbs. 2 AktG bereits durch die Satzung erteilt und die Befassung der\nHauptversammlung damit vermieden werden konnen (vgl. Assmann/Sethe in\nGroßkomm. AktG, 4. Aufl., § 285 Rn. 79; vor § 278 Rn. 102; § 278 Rn. 124;\nSemler/Perlitt in MunchKomm. AktG, 2. Aufl., vor § 278 Rn. 34). Die\nantizipierte Zustimmung setzt aber eine Satzungsbestimmung voraus, die im Fall\neiner Vermogensubertragung auch deren Voraussetzungen eindeutig regelt\n(Assmann/Sethe in Großkomm. AktG, 4. Aufl., vor § 278 Rn. 102). Eine solche\nRegelung enthalt die Satzung der Beklagten nicht. In § 11 Abs. 2 der Satzung\nist nur das Zustimmungserfordernis der Kommanditaktionare zu außergewohnlichen\nGeschaften geregelt. Dort wird das Widerspruchsrecht der Kommanditaktionare\nnach § 164 HGB ausgeschlossen und statt dessen fur außergewohnliche Geschafte,\nunter denen auch die Veraußerung von Betriebsteilen aufgelistet ist, die\nZustimmung des Aufsichtsrats verlangt. Zur Veraußerung des Betriebsteils\n"elektronische Sicherheitstechnik" verhalt sich die Satzung nicht. \n--- \n| 89 \n--- \n| c) Der Verkauf des Unternehmensbereichs "elektronische Sicherheitstechnik"\nbedurfte als Grundlagengeschaft der Zustimmung der Hauptversammlung der\nBeklagten. \n--- \n| 90 \n--- \n| aa) Ein Grundlagengeschaft war die Veraußerung schon deshalb, weil seither\nder Unternehmensgegenstand nicht mehr ausgeschopft wird. Im Verkauf lag damit\neine versteckte Satzungsanderung. \n--- \n| 91 \n--- \n| Eine Geschaftsfuhrungsmaßnahme ist ein Grundlagengeschaft, wenn dabei die\nSatzung verandert wird. Die Änderung der Satzung einer Kommanditgesellschaft\nauf Aktien erfordert einen Beschluss auch der Hauptversammlung. Sie ist nach\n§§ 285 Abs. 2, 278 Abs. 2 AktG in Verbindung mit §§ 164, 116 HGB nur mit\nZustimmung aller Gesellschaftergruppen moglich. Die Satzung der Beklagten\nerlaubt in § 17 dem Aufsichtsrat nur eine Änderung der Fassung einer\nSatzungsbestimmung, keine inhaltliche Änderung. Wenn fur eine Maßnahme als\nSatzungsanderung die Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich ware, kann\ndies nicht dadurch umgangen werden, dass der personlich haftende\nGesellschafter kraft seiner Kompetenz zur Geschaftsfuhrung alleine, ohne die\nandere Gesellschaftergruppe handelt. \n--- \n| 92 \n--- \n| Eine solche versteckte Satzungsanderung kann auch in der Unterschreitung\ndes Unternehmensgegenstandes liegen. Fur den notwendigen Inhalt der Satzung\nverweist § 281 Abs. 1 AktG auf § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG. Wie bei der\nAktiengesellschaft kommt der Bestimmung des Unternehmensgegenstandes bei der\nKommanditgesellschaft auf Aktien neben der Information außenstehender Dritter\nuber den Tatigkeitsbereich aus den dargelegten Grunden auch die Funktion einer\nGrenze der Geschaftsfuhrungsbefugnis des personlich haftenden Gesellschafters\nzu, auch wenn sich die Geschaftsfuhrungsbefugnis und die Vertretung durch den\npersonlich haftenden Gesellschafter nach § 278 Abs. 2 AktG nach den\nVorschriften des HGB uber die Kommanditgesellschaft richten und § 82 Abs. 2\nAktG, der die Geschaftsfuhrungsbefugnis des Vorstands einer Aktiengesellschaft\nauf den Unternehmensgegenstand begrenzt, nicht unmittelbar gilt. Der\npersonlich haftende Gesellschafter darf daher durch Geschaftsfuhrungsmaßnahmen\nden Unternehmensgegenstand nicht ohne Zustimmung der Kommanditaktionare\nerweitern. Er darf ihn aber auch nicht unterschreiten, wenn die Satzung dies\nnicht zulasst. Die Bestimmung des Unternehmensgegenstandes in der Satzung\nbedeutet in der Regel auch, dass der genannte Tatigkeitsbereich auch\nausgefullt werden muss, so dass die dauerhafte Aufgabe eines in der Satzung\ngenannten Produktionszweiges von der Zustimmung der Hauptversammlung abhangt\n(Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 179 Rn. 60; Habersack in\nEmmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 2. Aufl., vor § 311 Rn. 11;\na.A. Huffer, AktG, 5. Aufl., § 179 Rn. 9a). § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG verlangt,\ndass bei Industrie- und Handelsunternehmen die Art der Erzeugnisse und Waren,\ndie hergestellt und gehandelt werden sollen, naher und damit prazise angegeben\nwerden. Die genaue Angabe des Schwerpunkts der Geschaftstatigkeit schutzt\nnicht nur das Informationsinteresse außenstehender Dritter (Huffer, AktG, 5.\nAufl., § 179 Rn. 9a), sondern durch die Prazisierung der\nGeschaftsfuhrungsbefugnis auch den Aktionar und die Gesellschaft. Wenn es dem\nBelieben des personlich haftenden Gesellschafter uberlassen ware, den\nUnternehmensgegenstand auszufullen, konnte er sich unter Missachtung des\ngrundlegenden Rechts der Kommanditaktionare, uber den Unternehmensgegenstand\nmitzubestimmen, dauerhaft auf ihm genehme Bereiche beschranken. \n--- \n| 93 \n--- \n| Mit der Aufgabe der "elektronischen Sicherheitstechnik" durch den Verkauf\ndieses gesamten Betriebsteils wurde der satzungsgemaße Unternehmensgegenstand\nder Beklagten unterschritten. Unternehmensgegenstand der Beklagten war nach §\n2 Abs. 1 die Herstellung und der Vertrieb von elektromechanischen,\nelektronischen und sonstigen Geraten, Werkzeugen und Einrichtungsgegenstanden\naller Art. Nach dem Verkauf der "elektronischen Sicherheitstechnik" stellt die\nBeklagte keine elektronischen Gerate, Werkzeuge und Einrichtungsgegenstande\nmehr her und vertreibt sie nicht mehr. Unter "elektronischen Geraten,\nWerkzeugen und Einrichtungsgegenstanden" in der Satzung der Beklagten ist der\nBereich der elektronischen Sicherheitstechnik zu verstehen. Die Bestimmungen\nder Satzung uber den Unternehmensgegenstand sind nach einem objektiven\nVerstandnis, aber in ihrer geschichtlichen Pragung (BGHZ 83, 122, 130)\nauszulegen. Das Attribut "elektronisch" bezieht sich danach auf den Bereich\nder Sicherheitstechnik. Die Beklagte unterschied in der Vergangenheit zwischen\ndem elektromechanischem Bereich der Turoffnersysteme und dem elektronischen\nBereich der Sicherheitstechnik. Sie hat zunachst Turoffner produziert und\nvertrieben. Seit 1970 wurde die Alarmtechnik oder elektronische\nSicherheitstechnik mit Brandmeldeanlagen, Fluchttursystemen,\nZutrittskontrollsystemen und Alarmanlagen aufgebaut. Die Beklagte verstand\ndies als eigenen Geschaftsbereich elektronische Sicherheitstechnik neben der\nelektromechanischen Sparte Turoffner. Die Fertigung war ebenso in die beiden\nBereiche Elektronik und Mechanik aufgeteilt. Auch der Lagebericht fur 1999\nenthalt eine Zweiteilung in "elektromechanische" und "elektronische"\nSicherheitstechnik als Beschreibung der beiden Felder Turoffner und\nAlarmtechnik. Im Geschaftsbericht fur das Jahr 2000 wird ausgefuhrt, man\nkonzentriere sich nach dem Verkauf auf elektromechanische Turoffner und\nTursteuerungssysteme. Dieser Bereich blieb bei der Beklagten. Dass dafur auch\nelektronische Bauteile verwendet werden, genugt nach diesem herkommlichen\nVerstandnis des Begriffs "elektronische Gerate" durch die Beklagte nicht, um\ndadurch diesen Teil des Unternehmensgegenstands noch auszufullen. \n--- \n| 94 \n--- \n| Die Satzung der Beklagten erlaubt eine dauerhafte Unterschreitung des\nUnternehmensgegenstandes nicht. Eine ausdruckliche Regelung fehlt. Die\nMoglichkeit einer Unterschreitung ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und\nZweck der Satzungsbestimmungen. Dass auch sonstige Gerate, Werkzeuge und\nEinrichtungsgegenstande und solche "aller Art" vertrieben oder hergestellt\nwerden durfen, erweitert den Unternehmensgegenstand um ungenaue Angaben.\nDaraus kann aber nicht geschlossen werden, dass die Herstellung und der\nVertrieb von elektromechanischen und elektronischen Geraten, die als\nUnternehmensgegenstand genauer abgrenzt sind, aufgegeben werden kann. Auch aus\n§ 2 Abs. 2 der Satzung lasst sich nicht entnehmen, dass eine Reduzierung des\nsachlichen Unternehmensgegenstandes erlaubt ist. Danach kann die Beklagte den\nUnternehmensgegenstand ganz oder teilweise mittelbar verwirklichen und sich\ndazu auf die Verwaltung der Beteiligung an anderen Unternehmen gleicher oder\nverwandter Art beschranken. Das betrifft lediglich die Art und Weise, in der\ndie Beklagte ihren Unternehmensgegenstand verwirklichen kann, und nicht seinen\nUmfang. \n--- \n| 95 \n--- \n| Da nach dem Klageantrag das Zustimmungserfordernis zum Verkauf des\nUnternehmensbereichs "elektronische Sicherheitstechnik" in Rede steht, kommt\nes nicht darauf an, ob die langer andauernde Weitergabe des Verkaufserloses\nals Darlehen an die Mehrheitsaktionarin und Alleingesellschafterin des\npersonlich haftenden Gesellschafters, die A Deutschland GmbH, ihrerseits vom\nUnternehmensgegenstand gedeckt ist. \n--- \n| 96 \n--- \n| bb) Der Verkauf des Betriebsteils "elektronische Sicherheitstechnik"\nerforderte auch die Zustimmung der Hauptversammlung, weil er als bedeutende\nStrukturmaßnahme ein Grundlagengeschaft war. \n--- \n| 97 \n--- \n| Die Veraußerung unselbstandiger Unternehmensbereiche kann als bedeutende\nStrukturmaßnahme ein Grundlagengeschaft sein. Solche Strukturmaßnahmen sind\nnicht nur auf Konzernierungssachverhalte beschrankt. Auch außerhalb einer\nSatzungsdurchbrechung kann durch eine Veraußerung wesentlicher\nUnternehmensteile der mitgliedschaftliche Bereich der Aktionare beruhrt sein,\nweil auch der Veraußerung strukturandernde Qualitat zukommen kann\n(Lutter/Leinekugel ZIP 1998, 225 und 805; LG Duisburg NZG 2002, 643 zur\nBeteiligungsveraußerung; a.A. Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und\nGmbH-Konzernrecht, 2. Aufl., vor § 311 Rn. 20; Joost ZHR 163 (1999), 164,\n185). Zwar existiert mit § 179a AktG eine Norm, die die Veraußerung des\ngesamten Vermogens von der Zustimmung der Hauptversammlung abhangig macht. §\n179a AktG ist auch fur die Kommanditgesellschaft auf Aktien anzuwenden\n(Huffer, AktG. 5. Aufl., § 179a Rn. 22; Assmann/Sethe in Großkomm. AktG, 4.\nAufl., § 278 Rn. 6). Daraus folgt zwar, dass unterhalb der Schwelle des § 179a\nAktG nicht schon jede Veraußerung als Strukturmaßnahme zustimmungsbedurftig\nist. Es schließt aber nicht aus, dass dann, wenn die Voraussetzungen des §\n179a AktG nicht erfullt sind, Veraußerungen von Betriebsteilen nicht dennoch\nzustimmungsbedurftige Strukturmaßnahmen sein konnen. \n--- \n| 98 \n--- \n| Voraussetzung dafur ist eine Beeintrachtigung der Mitgliedsrechte oder des\nAnteilseigentums durch die Veraußerung. Wahrend bei der Ausgliederung die\nMitgliedsrechte tangiert sein konnen, weil wichtige, der Hauptversammlung\nvorbehaltene Rechte in der ausgegliederten Gesellschaft dem Vorstand der\nMuttergesellschaft zufallen und auch Gewinne leichter thesauriert werden\nkonnen, statt an Aktionare ausgeschuttet zu werden, fallen entsprechende\nEinschrankungen bei der Veraußerung nicht an. In den veraußerten\nBetriebsteilen hat die Altgesellschaft keinen Einfluss mehr. Über die\nEinnahmen aus der Veraußerung hat, soweit sie nicht wieder ausgegeben werden,\ndie Hauptversammlung mitzubestimmen, so dass eine ubermaßige Thesaurierung\nohne ihre Mitwirkung nicht moglich ist. Dennoch konnen auch durch eine\nVeraußerung Grundlagen der unternehmerischen Tatigkeit betroffen sein und\nMitgliedsrechte der Gesellschafter beruhrt sein. Mitgliedsrechte und das\nAnteilseigentum konnen auch tatsachlich durch eine Veranderung der\nunternehmerischen Struktur der Gesellschaft beeintrachtigt werden. Sie sind\nberuhrt, wenn die Grundlagen der Tatigkeit der Gesellschaft verandert werden.\nEine Einstellung des Gewerbebetriebs betrifft die Grundlagen der\nunternehmerischen Tatigkeit der Gesellschaft. Wird ein Betriebsteil verkauft,\nkann dies der Teileinstellung des Gewerbebetriebs gleichkommen und damit die\nGrundlagen der Tatigkeit der Gesellschaft umformen. \n--- \n| 99 \n--- \n| Der Verkauf des Betriebsteils elektronische Sicherheitstechnik war eine\nsolche grundlegende strukturverandernde Maßnahme fur die Beklagte. Dabei kann\nnicht allein auf die Beteiligungs- oder Umsatzwertschwelle abgestellt werden.\nEntscheidend ist, ob die Veraußerung die Unternehmensstruktur von Grund auf\nandert. Der Umsatzanteil und die Mitarbeiterzahl des veraußerten Betriebsteils\nbieten dafur aber einen Anhaltspunkt. Wenn dem Unternehmen mehr als die Halfte\nder Umsatzerlose und der Mitarbeiter genommen werden, spricht dies fur eine\nwesentliche Änderung der Unternehmensstruktur. Danach legt schon die Bedeutung\ndes Bereichs elektronische Sicherheitstechnik eine strukturverandernde\nMaßnahme nahe. Im letzten, dem Verkauf vorangehenden Geschaftsjahr 1999\nerzielte der Bereich Turoffnersysteme etwa 38 % (90.457.000 DM) der\nUmsatzerlose (232.474.000 DM), der Bereich elektronische Sicherheit aber 62 %\n(142.017.000 DM). Das ergibt sich aus dem Jahresabschluss 1999 (S. 28 des\nAnhangs), den der Senat in der mundlichen Verhandlung mit den Parteien\nerortert hat. Auch auf den gesamten Konzern der Beklagten bezogen lagen die\nUmsatzerlose der Sicherheitstechnik uber denen der Turoffnersysteme. Ferner\nwar die Mehrzahl der Mitarbeiter, wie der Geschaftsfuhrer des Komplementars\nder Beklagten vor dem Senat angegeben hat, im Bereich Sicherheitstechnik\nbeschaftigt. \n--- \n| 100 \n--- \n| Hinzu treten weitere Gesichtspunkte. Mit dem Verkauf der elektronischen\nSicherheitstechnik verlor die Beklagte einen organisatorisch bedeutenden\nGeschaftsteil und einen ganzen Geschaftszweig. Die Bedeutung fur die Beklagte\nentspricht der Einstellung eines erheblichen Teils des Gewerbebetriebs. Der\nBereich der elektronischen Sicherheitstechnik war eines von zwei\nwirtschaftlichen Standbeinen der Beklagten. Die Bereiche Turoffnersysteme und\nelektronische Sicherheitstechnik waren strukturell getrennt. Sie hatten\nverschiedene Bereichsleiter, auch die Fertigung war, sogar raumlich, geteilt.\nDie Synergien bestanden hauptsachlich bei der Zulieferung und der Verwaltung,\nin der gemeinsamen Buchhaltung und dem gemeinsamen Personalwesen. Das\nGeschaftsfeld der elektronischen Sicherheitstechnik unterschied sich auch\nqualitativ vom verbliebenen Geschaftsfeld der Turoffnersysteme. Es forderte\neine hohere Forschungs- und Entwicklungstatigkeit und war damit innovativer\nals der verbliebene Bereich. Insgesamt war der Verkauf damit nicht mehr nur\nein außergewohnliches Geschaft der Beklagten, sondern eine Änderung der\nGrundlagen der unternehmerischen Tatigkeit der Beklagten, bei der die\nGesellschafter nicht ubergangen werden konnen. \n--- \n| 101 \n--- \n| d) Die Klage ist auch nicht verspatet erhoben. \n--- \n| 102 \n--- \n| aa) Der Anspruch des Kommanditaktionars, mit dem er eine Verletzung seiner\nmitgliedschaftlichen Rechte beanstandet, kann zeitlich nicht unbeschrankt\ngeltend gemacht werden. Hat die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft\neiner Maßnahme des Vorstands zugestimmt und ist der Beschluss gesetz- oder\nsatzungswidrig oder auf Erlangung unzulassiger Sondervorteile gerichtet, so\nkann ihn ein Aktionar nur innerhalb der Monatsfrist des § 246 AktG anfechten.\nDazu darf die Zeit nicht außer Verhaltnis stehen, die ein Aktionar bis zur\nKlageerhebung verstreichen lasst, wenn er sich durch Handlungen des Vorstands\nin seiner Mitgliedsstellung verletzt oder gefahrdet sieht, zu denen die\nHauptversammlung keinen Beschluss gefasst hat (BGHZ 83, 122, 136). Da fur die\nAnfechtung von Hauptversammlungsbeschlussen in der Kommanditgesellschaft auf\nAktien nach § 278 Abs. 3 AktG die Vorschriften der §§ 243 ff. AktG gelten,\nkann auch fur eine Klage des Kommanditaktionars, mit der er eine Gefahrdung\nseiner Mitgliedsstellung gegenuber dem personlich haftenden Gesellschafter\ngeltend macht, nichts anderes gelten. \n--- \n| 103 \n--- \n| Dabei ist die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG nicht anzuwenden (Karsten\nSchmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 241 Rn. 6). Es fehlt schon an einem\nAnknupfungspunkt fur den Fristbeginn. Bei der Anfechtungsklage kann und muss\nsich der Aktionar uberlegen, ob er einen Beschluss, der in der Regel in seiner\nGegenwart gefasst worden ist, anfechten will oder nicht. Die Beeintrachtigung\nder mitgliedschaftlichen Rechte lasst sich haufig nicht an einem konkreten\nZeitpunkt festmachen. Der Aktionar erfahrt unter Umstanden davon nicht vor der\nDurchfuhrung des Geschafts. Erfahrt er davon, kann er nicht wissen, ob die\nZustimmung der Hauptversammlung noch eingeholt werden soll, weil etwa ein\nRucktrittsvorbehalt o.a. vereinbart ist. Aus diesen Grunden kann auch nicht\ndarauf abgestellt werden, in welcher Hauptversammlung die Zustimmung hatte\neingeholt werden mussen, zumal je nach Vertragsgestaltung und Dringlichkeit\nneben der vorsorglichen Einholung einer Einwilligung oder der nachtraglichen\nGenehmigung in ordentlichen Hauptversammlungen auch in Betracht kommt, eine\naußerordentliche Hauptversammlung einzuberufen. \n--- \n| 104 \n--- \n| Da der Aktionar sein Klagerecht nicht missbrauchlich unter Verletzung der\nRucksichtnahme, die der Aktionar seinerseits der Gesellschaft schuldet,\nausuben darf, hangt die Frist zur Klageerhebung nicht allein von der\nverstrichenen Zeit ab, sondern auch von den konkreten Umstanden des einzelnen\nFalles. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, welche Informationen die\nGesellschaft den Aktionaren uber die beabsichtigte Maßnahme gegeben hat. \n--- \n| 105 \n--- \n| bb) Die im Juli 2001 erhobene Klage ist noch nicht verspatet. Zwischen dem\nvon der Beklagten behaupteten tatsachlichen Vollzug des Verkaufs am 01.04.2000\nund der Klageeinreichung im Juli 2001 ist zwar erhebliche Zeit verstrichen.\nDie weiteren Umstande, insbesondere die zuruckhaltende Information der\nAktionare der Beklagten, lassen die Klage aber noch nicht rechtsmissbrauchlich\nerscheinen. Aus der Ad-hoc-Mitteilung vom 06.03.2000 (B 13) ergab sich nicht,\ndass ein großerer Betriebsteil veraußert werden sollte. Ein Aktionar konnte\nihr entnehmen, dass die Beklagte sich entschieden habe, den Geschaftsbereich\nAlarm zu verkaufen. Der Bereich der elektronischen Sicherheitstechnik erfasst\nneben Alarmanlagen auch Brandmeldeanlagen, Fluchttursysteme und\nZutrittskontrollsysteme. Er wurde zwar bei der Beklagten auch als\nGeschaftsbereich Alarmtechnik bezeichnet. Ein Aktionar konnte aber auch\nannehmen, nur ein Teilbereich davon, namlich der Alarmanlagen, solle verkauft\nwerden. Außerdem konnte ein Aktionar der Ad-hoc-Mitteilung nichts zum Stand\nder Verkaufsverhandlungen entnehmen und nicht erkennen, ob die Beklagte die\nZustimmung der Aktionare einholen wurde. Die Pressemitteilung vom selben Tag\nging zwar insoweit weiter. Es ist aber unbekannt, ob Aktionare davon erfuhren.\nDass der Klagerin der Umfang des Verkaufs bekannt war, ist nicht behauptet und\nerkennbar. \n--- \n| 106 \n--- \n| Aus dem Lagebericht zum Jahresabschluss 1999 konnte ein Aktionar vor der\nHauptversammlung 2000 entnehmen, dass eine Vereinbarung uber den Verkauf des\nGeschaftsbereiches Alarm zum 01.04.2000 unterzeichnet worden sei. Der Umfang\nder Transaktion war wiederum nicht eindeutig erkennbar, weil nur der\nGeschaftsbereich Alarm genannt wurde. Auch der Stand der Verhandlungen war dem\nLagebericht nicht sicher zu entnehmen. Insbesondere war hinzugefugt, dass aus\ndem Verkaufserlos ein hoher außerordentlicher Ertrag erwartet werde. Das ließ\nsich auch dahin verstehen, dass die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen\nwaren. Tatsachlich gab es Nachverhandlungen bis Herbst 2000, die noch zu einer\nAusgleichszahlung der Beklagten fuhrten. Weitere konkrete Erlauterungen zum\nVerkauf auf der Hauptversammlung im Jahr 2000 sind nicht behauptet. Dass ein\nerheblicher Geschaftsbereich der Beklagten veraußert worden war, konnte ein\nAktionar daher mit Gewissheit erst dem Jahresabschluss 2000 entnehmen. Dass\ndie Beklagte ihr Zustimmungsrecht missachtete, musste sich der Klagerin daher\nerst aufdrangen, als die Beklagte auch auf der Hauptversammlung am 23.06.2001\nnicht um die Zustimmung der Kommanditaktionare bat. \n--- \n| 107 \n--- \n| cc) Darauf, ob die Klagerin bereits beim tatsachlichen Vollzug des Verkaufs\nAktionarin war, kommt es nicht an. Der Kommanditaktionar hat einen\nUnterlassungsanspruch und spater einen Beseitigungsanspruch, wenn der\npersonlich haftende Gesellschafter eine zustimmungspflichtige\nGeschaftsfuhrungsmaßnahme ohne Zustimmung ausfuhrt. Er muss zu dem Zeitpunkt,\nzu dem er diesen Unterlassungsanspruch geltend macht, Aktionar sein. Ein\nBedurfnis fur eine weitere Einschrankung besteht nicht. Sie wurde nur zu\nAbgrenzungsschwierigkeiten fuhren. Mit der Aktie erwirbt der Aktionar das\nMitgliedschaftsrecht und damit auch einen Unterlassungs- oder\nBeseitigungsanspruch seines Vorgangers. Wenn sich das geschaftsfuhrende Organ\nrechtmaßig verhalt, kann es eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen,\nsich die Zustimmung vorab auf einer ordentlichen Hauptversammlung geben lassen\noder den Vertrag von der Genehmigung der (nachsten) Hauptversammlung abhangig\nmachen. Stimmberechtigt ist dann jeweils jeder, der zu diesem Zeitpunkt\nAktionar ist. Umgekehrt verliert mit einem zustimmenden Beschluss der\nHauptversammlung auch jeder, der danach eine Aktie erwirbt, die Moglichkeit,\neine Beeintrachtigung seines Mitgliedsrechts geltend zu machen. Da der Vollzug\nder Geschaftsfuhrungsmaßnahme allein den Anspruch nicht entfallen lasst, hat\ner auch keinen Bezug zur materiellen Berechtigung des Anspruchs und ist\nallenfalls fur die Prufung der Frist, binnen derer die Klage zu erheben ist,\nvon Bedeutung. \n--- \n| 108 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. \n--- \n| 109 \n--- \n| Der Senat lasst die Revision nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu, soweit\nfestgestellt wird, dass der Verkauf der elektronischen Sicherheitstechnik der\nZustimmung der Hauptversammlung bedarf (Verurteilung I.5.). Die Beschrankung\nder Zulassung ist moglich, weil ein eigener Streitgegenstand vorliegt. Die\nNotwendigkeit einer Zustimmung der Aktionare zur Veraußerung eines\nunselbstandigen Betriebsteils bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien ist\nbislang noch nicht hochstrichterlich geklart. \n---\n\n
135,255
arbg-heilbronn-2004-02-25-7-ca-2504
118
Arbeitsgericht Heilbronn
arbg-heilbronn
Heilbronn
Baden-Württemberg
Arbeitsgerichtsbarkeit
7 Ca 25/04
2004-02-25
2019-01-07 11:09:09
2019-01-17 11:55:15
Beschluss
## Tenor\n\n> Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gegeben.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \nI. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Parteien streiten uber Schadensersatzanspruche wegen Mobbings. Die\nBeklagte hat die Zustandigkeit des Arbeitsgerichts gerugt. Etwaige\nAmtshaftungsanspruche fielen in die Zustandigkeit der Zivilgerichtsbarkeit. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Verfugung vom 26.01.2004 erhielten die Parteien Gelegenheit zur\nStellungnahme. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| \n--- \n1. | | Im Hinblick auf die erhobene Ruge der sachlichen Zustandigkeit des Arbeitsgerichts war hieruber gemaß § 17a Absatz 3 Satz 2 GVG i.V.m. § 48 Absatz 1 ArbGG vorab zu entscheiden. \n--- \n2. \n--- \n| 4 \n--- \n| \n--- \na) | | Fur die vorliegend in Frage kommenden Anspruchsgrundlagen sind zwei verschiedene Rechtswege gegeben: \n| 5 \n--- \n| Fur Schadensersatzanspruche wegen Amtspflichtverletzung sind gemaß Artikel\n34 Satz 3 Grundgesetz die ordentlichen Gerichte zustandig, fur\nSchadensersatzanspruche wegen Verletzung der arbeitsrechtlichen\nFursorgepflicht die Arbeitsgerichte gemaß § 2 Absatz 1 Nr. 3 ArbGG. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Es ist streitig, ob in Fallen wie dem vorliegenden eine ausschließliche\nZustandigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben ist. Nach Matthes (Germelmann\nu.a., Arbeitsgerichtsgesetz 4. Auflage 2002, § 2 Rdnr. 187a) fallt der\nRechtsstreit im Ganzen in die Zustandigkeit der ordentlichen Gericht, die dann\nuber den Klageanspruch auch unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten zu\nentscheiden haben. Nach anderer Ansicht fuhrt § 17 II 2 GVG lediglich dahin,\ndass die umfassende Prufungskompetenz gemaß § 17 II 1 GVG in den Fallen, in\ndenen Anspruche gemaß Artikel 34 Satz 3 Grundgesetz geltend gemacht werden,\nnicht besteht (LAG Nurnberg, Beschluss vom 17.02.1998 - 2 (6) Sa 640/95 -\nm.w.N.; BAG, Beschluss vom 14.12.1998 - 5 AS 8/98 m.w.N., Zoller/Gummer, ZPO\n23. Auflage 2002, § 14 GVG Rdnr. 9; vgl. auch v. Munch, GG-Kommentar, 2.\nAuflage 1983, Artikel 34 Rdnr. 79). \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| \n--- \nb) | | Das erkennende Gericht schließt sich letztgenannter Ansicht an. Der Ansicht von Matthes (a.a.O.), dass aus der Vorschrift von § 17a Absatz 2 Satz 2 GVG (gemeint ist wohl § 17 Absatz 2 Satz 2 GVG) folge, dass der Rechtsstreit im Ganzen in die Zustandigkeit der ordentlichen Gerichte falle, ist nicht zu folgen. Der Wortlaut von § 17 Absatz 2 Satz 1 und 2 GVG spricht weder zwingend fur noch gegen die eine oder andere Auslegung. Systematische Grunde sprechen aber gegen die Ansicht von Matthes. Der Zusammenhang zwischen § 17 und 17a GVG spricht dafur, § 17 Absatz 2 Satz 2 lediglich als Einschrankung von § 17 Absatz 2 Satz 1 GVG zu sehen mit der Folge, dass das Arbeitsgericht den Rechtsstreit unter allen erdenklichen Gesichtspunkten mit Ausnahme von Amtshaftungsanspruchen zu prufen hat. Denn gemaß § 17a Absatz 2 Satz 2 GVG hat der Klager ein Wahlrecht, wenn mehrere Gerichte zustandig sind. Entscheidend ist demnach, fur welches Gericht sich der Klager entscheidet, das heißt vor welchem Gericht er seine Anspruche geltend macht. Dass dieses Wahlrecht in den Fallen von Amtshaftungsanspruchen ausgeschlossen sein konnte, ist nicht ersichtlich. § 17a Absatz 2 Satz 2 GVG enthalt keine Ausnahmeregelung zu Artikel 34 Satz 3 Grundgesetz. Dass dies ein redaktionelles Versehen sein konnte, ist nicht erkennbar (anderer Ansicht Ganser-Hillgruber, Anmerkung zu BAG, Beschluss vom 14.12.1998, 5 AS 8/98, AP Nr. 38 zu § 17a GVG). \n--- \n| 8 \n--- \n| Die von Verfassungs wegen garantierte Sonderzuweisung von\nAmtshaftungsstreitigkeiten an die ordentlichen Gerichte wird durch die\nvorliegende Entscheidung nicht unterlaufen. Denn eine Prufung von\nAmtshaftungsanspruchen durch das Arbeitsgericht erfolgt wegen § 17 Absatz 2\nSatz 2 GVG nicht. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Gegen dieses Ergebnis sprechen weder Telos noch Geschichte des Artikel 34\nSatz 3 Grundgesetz. In die Zuordnung von Amtshaftungsanspruchen an die\nordentliche Gerichtsbarkeit ist rein historisch bedingt. Widersprechende\nUrteile konnen durch sie nicht verhindert werden (v. Munch, Grundgesetz-\nKommentar, 2. Auflage 1983, Artikel 34 Rdnr. 81 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| \n--- \n3. | | Dieser Beschluss konnte außerhalb der mundlichen Verhandlung durch die Kammer ergehen, § 48 Absatz 1 Nr. 2 ArbGG, 17a Absatz 4 GVG. \n---\n\n
135,523
vghbw-2006-03-07-13-s-15506
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
13 S 155/06
2006-03-07
2019-01-07 11:12:11
2019-01-17 11:55:34
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des\nVerwaltungsgerichts Stuttgart vom 27. Oktober 2005 - 6 K 4873/04 - wird\nabgelehnt.\n\nDer Beklagte tragt die Kosten des Zulassungsverfahrens.\n\nDer Streitwert fur das Zulassungsverfahren wird auf 5.787,67 EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der zulassige, insbesondere innerhalb der Antragsfrist (§ 124a Abs. 4 Satz\n1 VwGO) gestellte und begrundete (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Antrag auf\nZulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom\n27.10.2005 hat sachlich keinen Erfolg; soweit uberhaupt ein Zulassungsgrund\ndargelegt wird, ist dieser Zulassungsgrund im Sinn des § 124a Abs. 5 Satz 2\nVwGO nicht „gegeben". \n--- \n| 2 \n--- \n| In dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht auf die Klage eines\nserbisch-montenegrinischen Staatsangehorigen den gegen diesen ergangenen\nHaftungsbescheid nach § 82 AuslG aufgehoben; das Regierungsprasidium Stuttgart\nhat gegen den Klager wegen eines Abschiebungsversuchs und wegen Abschiebehaft\ninsgesamt 5.787,67 EUR als Abschiebungskosten festgesetzt. Das\nVerwaltungsgericht hat diesen Bescheid mit der Begrundung aufgehoben,\nunabhangig von der Frage, ob auch fur geplante Abschiebungen Kosten verlangt\nwerden durften, sei der Leistungsbescheid deswegen rechtswidrig, weil die\nBehorde die Kosten in Rechnung gestellt habe, ohne die Frage der\nVerhaltnismaßigkeit in ihre Überlegungen einzubeziehen. Die zustandige Stelle\nsei bei derartigen Kostenbescheiden nach der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts jedenfalls in atypischen Fallen verpflichtet, die\nindividuelle Leistungsfahigkeit des Einzelnen im Rahmen einer\nErmessensentscheidung zu berucksichtigen. Solche Besonderheiten seien bereits\nbei der Geltendmachung der Forderung von rechtlicher Bedeutung und kamen nicht\nerst im vollstreckungsrechtlichen Verfahren (z.B. durch Stundung,\nNiederschlagung oder Erlass) zum Tragen. Da die Behorde den Klager im\nvorliegenden Fall vor Erlass des Leistungsbescheides nicht angehort habe, habe\nsie nicht berucksichtigt, dass der Klager Arbeitslosengeld beziehe und mit\nEhefrau und Kind in angespannten finanziellen Verhaltnissen lebe. Auch sei die\nErstattung nahezu sechseinhalb Jahre nach der damaligen (verspateten)\nFreilassung des Klagers aus der Abschiebehaft erfolgt. Diese Besonderheiten\ndes Einzelfalls hatten im Ermessensweg berucksichtigt werden mussen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Soweit der Beklagte hiergegen den Zulassungsgrund der grundsatzlichen\nBedeutung (§ 124 Abs. 3 VwGO) und der besonderen rechtlichen oder\ntatsachlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) geltend macht, fehlt\nes bereits an einer ausreichenden „Darlegung" dieser Zulassungsgrunde im Sinn\ndes § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Der Beklagte bezeichnet keine konkrete\nGrundsatzfrage, deren Klarungsbedurftigkeit und Verallgemeinerungsfahigkeit im\neinzelnen dargelegt wird (zu den Anforderungen an die Darlegung einer\nGrundsatzfrage siehe z.B. Marx, AsylVfG, 2005, Rn 55 f. m.w.z.N. sowie\nKopp/Schenke, VwGO, 2005, Rn 54 zu § 124a m.w.N.). In diesem Zusammenhang\nhatte es außerdem der naheren Darlegung bedurft, aus welchen Grunden die vom\nVerwaltungsgericht angenommene Erforderlichkeit einer Ermessensentscheidung im\nRahmen des Haftungsbescheides nach § 82 Abs. 1 AuslG uberhaupt noch\nklarungsbedurftig ist (siehe dazu im einzelnen unten). Ebenso fehlt es an der\nDarlegung des Zulassungsgrundes besonderer rechtlicher oder tatsachlicher\nSchwierigkeiten; auch zu diesem Zulassungsgrund tragt der Beklagte nichts vor\n(zu den Anforderungen siehe Kopp/ Schenke, a.a.O., Rn 53 zu § 124a). \n--- \n| 4 \n--- \n| Soweit der Beklagte die Richtigkeit der Entscheidung des\nVerwaltungsgerichts angreift, macht er der Sache nach den Zulassungsgrund des\n§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend. Der Beklagte fuhrt in diesem Zusammenhang\nzunachst aus, der Kostenschuldner in den Fallen des § 82 AuslG werde durch\neine fehlende Ermessensentscheidung nicht in seinen Rechten verletzt. Die\nVerpflichtung der Behorde zur vollstandigen Heranziehung des Auslanders\nbestehe namlich nicht im Interesse des einzelnen Auslanders als Adressat des\nLeistungsbescheids, sondern ausschließlich im offentlichen Interesse an der\nvollen Ausschopfung des Haftungsumfangs. Außerdem konne in den hier streitigen\nFallen des Erlasses eines Haftungsbescheides nach § 28 Abs. 2 Nr. 5 LVwVG von\nder Anhorung abgesehen werden, weil es sich um eine Maßnahme der\nVerwaltungsvollstreckung handle. Einzig im vollstreckungsrechtlichen oder\nBeitreibungsverfahren - nach wirksamer Begrundung des Erstattungsanspruchs\ndurch den Leistungsbescheid - konne eine pflichtgemaße Ermessensentscheidung\ndaruber getroffen werden, ob infolge der wirtschaftlichen Verhaltnisse einer\nStundung, Teilzahlung, Niederschlagung oder einem Erlass der Forderung naher\nzu treten sei. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit diesem Vortrag hat der Beklagte zwar der Darlegungspflicht des § 124a\nAbs. 4 Satz 4 VwGO genugt, da er einen tragenden Grundsatz der angefochtenen\nEntscheidung (Erforderlichkeit einer Ermessensausubung) mit Gegenargumenten in\nFrage gestellt hat; gleichwohl hat der Zulassungsantrag mit dieser Begrundung\nauch nicht aus dem Zulassungsgrund ernstlicher rechtlicher Zweifel (s. § 124\nAbs. 2 Nr.1 VwGO) Erfolg. Auch unter Berucksichtigung des Vortrags im\nZulassungsverfahren ist namlich der Erfolg des Rechtsmittels nicht mindestens\nebenso wahrscheinlich wie sein Misserfolg (zu den Kriterien siehe BVerfG,\nBeschluss vom 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, juris, und vom 23.6.2000 - 1 BvR\n830/00 -, DVBl. 2000, 1458, und BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 - 7 AV 4/03 -,\nDVBl. 2004, 838 f.). Das Verwaltungsgericht hat sich namlich mit der Annahme\nder Erforderlichkeit einer Ermessensausubung bereits im Festsetzungs- und\nnicht erst im Beitreibungsverfahren an die bereits vorliegende\nobergerichtliche Rechtsprechung gehalten, zu der sich der Beklagte im\nZulassungsantrag nicht geaußert hat. Die von ihm vorgetragenen Gegengrunde\nuberzeugen nicht. \n--- \n| 6 \n--- \n| Das Verwaltungsgericht hat bei seiner Entscheidung zur Erforderlichkeit\neiner Ermessensausubung (jedenfalls in atypischen Fallen) auf die\nRechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 24.11.1998 - 1 C\n33/97 -, NVwZ 1999, 779) Bezug genommen; diese Entscheidung leitet ihr\nErgebnis nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes (§ 84 AuslG, insoweit gleich\nlautend mit der hier einschlagigen Vorschrift des § 82 AuslG), sondern aus\nallgemeinen Rechtsgrundsatzen des Kostenrechts, insbesondere aus dem Prinzip\nder Gesetzmaßigkeit der Verwaltung, den Grundsatzen der Wirtschaftlichkeit und\nSparsamkeit, aber auch dem Grundsatz der Gerechtigkeit und der\nVerhaltnismaßigkeit ab (BVerwG, a.a.O. S. 782/783) und belegt die\nErforderlichkeit von Ermessensentscheidungen in atypischen Fallen bereits im\nFestsetzungsstadium anhand zahlreicher Vorschriften aus anderen\nRechtsgebieten. Der Zulassungsantrag legt demgegenuber nicht dar, dass (und\naus welchen Grunden) fur die Heranziehung von Auslandern nach § 82 AuslG\ninsofern andere Grundsatze gelten sollen als fur Erstattungsfalle nach § 84\nAuslG. Dass auch die zuletzt genannte Vorschrift grundsatzlich im offentlichen\nInteresse und nicht dem des Auslanders ergangen ist, liegt auf der Hand und\nbegrundet fur die hier interessierende Frage keinen Unterschied. \n--- \n| 7 \n--- \n| Im ubrigen ist in der Rechtsprechung der Obergerichte im wesentlichen\nanerkannt, dass die in der genannten Entscheidung des\nBundesverwaltungsgerichts zu § 84 AuslG entwickelten Grundsatze auch fur\nKostenfalle des § 82 AuslG heranzuziehen sind; sowohl der\nVerwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg (Beschluss vom 25.2.2002 - 11 S\n2443/01 -, AuAS 02, 111) als auch andere Oberverwaltungsgerichte (Bayerischer\nVerwaltungsgerichtshof, Urteil vom 15.12.2003 - 24 B 03.1049 -, InfAuslR 2004,\n252; OVG Munster, Urteil vom 20.2.2001 - 18 A 1520/92 -, DVBl. 2001, 1012-LS)\nhalten jedenfalls in atypischen Fallen eine Ermessensentscheidung bereits im\nHeranziehungsverfahren fur erforderlich. Auch die Literatur hat sich dem zum\nTeil angeschlossen (siehe Hailbronner, AuslR, § 66 AufenthG, Rn 2; Funke-\nKaiser in GK-AufenthG, Rdnr. 33 zu § 66), und gegenteilige Entscheidungen sind\njedenfalls nach der zu § 84 AuslG ergangenen Entscheidung des\nBundesverwaltungsgerichts bisher nicht bekannt geworden (offengelassen bei VG\nBraunschweig, Urteil vom 5.10.2005 - 5 A 248.05 -, juris und vom VGH\nBad.-Wurtt., Urteil vom 19.10.2005 - 11 S 646/04 -). Der Beklagte fuhrt auch\nkeine Gesichtspunkte an, aus denen nach seiner Auffassung abzuleiten ware,\ndass ein atypischer Fall hier gerade nicht gegeben ist; die Nachprufung dieser\nFrage ist dem Senat im Zulassungsverfahren damit verwehrt (zu den Kriterien\nsiehe BVerwG, Urteil vom 24.11.1998, a.a.O. S. 783). \n--- \n| 8 \n--- \n| Soweit der Beklagte darauf hinweist, der vom Verwaltungsgericht vermissten\nAnhorung habe es aus vollstreckungsrechtlichen Grunden (§ 28 Abs. 2 Nr. 5\nLVwVfG) nicht bedurft, stellt dieser Hinweis die Richtigkeit der angefochtenen\nEntscheidung schon deswegen nicht in Frage, weil das Verwaltungsgericht nicht\nentscheidungstragend auf eine unterbliebene Anhorung abgestellt hat; es hat\nlediglich ausgefuhrt, infolge der fehlenden Anhorung des Klagers habe die\nBehorde die wirtschaftlichen Verhaltnisse des Klagers und die in seinem Fall\nvorliegende besondere Situation nicht gepruft. Unabhangig davon ist der\nAuffassung des Beklagten zur Anhorungspflicht aber auch aus anderen Grunden\nnicht zu folgen. Bei dem Erlass eines Haftungsbescheids nach § 82 AuslG\nhandelt es sich namlich nicht um eine Maßnahme, die „in der\nVerwaltungsvollstreckung getroffen" wird und bei der daher von der Anhorung\nnach § 28 Abs. 2 Nr. 5 LVwVfG abgesehen werden kann. Anforderungen von\nAbschiebungskosten sind keine Maßnahmen (mehr) „in" der\nVerwaltungsvollstreckung, sondern sie folgen der abgeschlossenen\nVollstreckungsmaßnahme erst nach. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass in\nsolchen Fallen auch keine sofortige Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 Satz 2\nVwGO besteht (vgl. dazu VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 25.2.2002 a.a.O.; siehe\nauch Hess. VGH, Beschluss vom 25.2.1998 - 10 Tz 69/98 -, AuAS 1998, 135 und\nBay. VGH, Beschluss vom 6.9.2000 - 10 Cs 99.2280 -, DVBl. 2001, 55 sowie VG\nChemnitz, Beschluss vom 29.11.2000 - 4 K 2137/00 -, AuAS 2001, 100). Insofern\ngilt nichts anderes als bei der Anforderung von Kosten im Weg der\nErsatzvornahme, die gleichfalls nicht mehr „in" der Verwaltungsvollstreckung\nerfolgt (siehe dazu VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 5.2.1996 - 5 S 334/96 -,\nVBlBW 1996, S. 262). \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des\nStreitwerts ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG. \n--- \n| 10 \n--- \n| Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). \n---\n\n
136,774
fg-baden-wurttemberg-2004-04-02-8-k-3400
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
8 K 34/00
2004-04-02
2019-01-07 12:02:25
2019-01-17 11:56:55
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| (Überlassen von Datev) \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klager (Kl.) sind Eheleute, die im Streitjahr 1998 gemeinsam zur\nEinkommensteuer veranlagt worden sind. Der Kl. zu 2 war damals als Diplom-\nIngenieur im ... tatig. Die Kl. zu 1 arbeitete zunachst halbtags als Ärztin\n(Anasthesistin) im Kreiskrankenhaus ... befand sich aber wegen der Geburt\nihres zweiten Kindes am 01. Oktober 1998 von Mitte August 1998 an in\nMutterschutz und danach bis Ende 1999 im Erziehungsurlaub. Die Eheleute, die\nbis dahin in der ... in ... wohnten, erwarben am 20. September 1998 eine\nDoppelhaushalfte im ... in ... und verkauften am 30. September 1998 ihre\nEigentumswohnung in ... Beide Wohnungen haben eine ungefahr gleiche\nWohnflache. Mitte Dezember zogen die Klager nach ... um. Die Entfernung zur\nArbeitsstatte des Kl. zu 2 verlangerte sich hierdurch von 20 auf 32 Kilometer,\nwahrend sich die Entfernung zur Arbeitsstatte der seit Anfang 2000 wieder in\nihrer bisherigen Stelle berufstatigen Kl. zu 1 von 18 auf 2 Kilometer\nverkurzte. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklarung machten die Kl. Umzugskosten in\nHohe von 10.622 DM und - unter Hinweis darauf, dass die Kl. zu 1 ihre\nErwerbstatigkeit vorubergehend nicht ausube - Kosten fur ein zu\nFortbildungszwecken genutztes hausliches Arbeitszimmer als (vorweggenommene)\nWerbungskosten der Kl. zu 1 geltend. Mit dem Umzug ergebe sich eine erhebliche\nVerkurzung der Fahrzeit um eine Stunde oder mehr. Davor habe die Fahrzeit vom\nVerlassen der Wohnung bis zur Ankunft auf dem Parkplatz des Arbeitgebers und\numgekehrt 50 bis 70 Minuten betragen, wahrend die Kl. zu 1 nach dem Umzug von\nder Wohnung zum Parkplatz und umgekehrt maximal 10 Minuten benotige. Außerdem\nsei die Arbeitsstatte nunmehr zu Fuß erreichbar. Zudem lagen wesentlich\ngunstigere Verkehrsverhaltnisse vor. Die bisherige Strecke sei bei schlechten\nWitterungsverhaltnissen, zumal bei Dunkelheit, schwierig zu befahren gewesen.\nJetzt mussten nur zwei Kilometer ohne Beruhrung des Stadtkerns zuruckgelegt\nwerden. Erganzend wiesen die Kl. mit Schriftsatz vom 10. April 1999 darauf\nhin, dass sich die Fahrzeit zwischen mindestens 40 und mindestens 60 Minuten\nverkurze und die Verkurzung somit zeitweise mehr als eine Stunde betrage. In\nAusnahmefallen (Schnee und Eis, Sperrung von Straßen wegen Sturmschaden) sei\ndie Verkurzung sogar deutlich großer. Aus beruflichen Grunden musse bei Nacht-\nBereitschaftsdiensten nach normaler Halbtagstatigkeit der Weg zwischen Wohnung\nund Arbeitsstatte mehrmals am Tag zuruckgelegt werden. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Einkommensteuerbescheid vom 28. Mai 1999 setzte der Beklagte (Bekl.)\ndie Einkommensteuer der Kl. fur 1998 auf 19.132 DM fest. Die Umzugskosten\nwurden dabei nicht als Werbungskosten anerkannt. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Kl. erhoben hiergegen am 11. Juni 1999 Einspruch. Zur Begrundung\nwiederholten sie im Wesentlichen ihren oben dargestellten Vortrag. Außerdem\nwurden fur die Arbeitszimmer hohere Werbungskosten geltend gemacht als der\nBekl. angesetzt hatte. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Bekl. verringerte die festgesetzte Einkommensteuer mit seinem auf der\nGrundlage des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) ergangenen\nÄnderungsbescheid vom 29. Juni 1999 auf 18.883 DM und half damit dem\nEinspruch, soweit er die Werbungskosten fur die Arbeitszimmer betraf, ab. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Einspruchsentscheidung vom 19. Januar 2000 wies der Bekl. den Einspruch\ngegen den Bescheid vom 28. Juni 1999 als unbegrundet zuruck. Im Streitfall\nhabe die Kl. zu 1 den Mittelpunkt ihrer beruflichen Arbeit im hauslichen\nArbeitszimmer gehabt. Somit gehe die Frage nach einer Verkurzung der\nFahrstrecke und der Verbesserung der Arbeitsbedingungen ins Leere, die\nVoraussetzungen fur den Werbungskostenabzug der Umzugskosten lagen somit nicht\nvor. Die Absicht der Kl. zu 1, nach Beendigung des Erziehungsurlaubs ihre\nTatigkeit im Kreiskrankenhaus ... wieder aufzunehmen, konne auch nicht zu\neiner Berucksichtigung der Umzugskosten als vorweggenommene Werbungskosten\nfuhren, weil die Verkurzung der Fahrstrecke um 16 Kilometer keine erhebliche\nFahrzeitverkurzung im Sinne des Abschnitts 41 Abs. 1 Nr. 1 der\nLohnsteuerrichtlinien sei. Gelegentliche mehrfache Fahrten an einem Arbeitstag\nwegen gleichzeitiger Nachtbereitschaft fielen im Hinblick auf den\nZeitausgleich an anderen Tagen nicht ins Gewicht. Nach den Gesamtumstanden des\nEinzelfalls stehe die Veranderung der familiaren Situation fur die Verlegung\ndes Familienwohnsitzes im Vordergrund. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit ihrer am 21. Februar 2000 beim Finanzgericht eingegangenen Klage\nbeantragen die Kl., \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| den Einkommensteuerbescheid vom 29. Juni 1999 und die\nEinspruchsentscheidung vom 19. Januar 2000 so abzuandern, dass Umzugskosten\ni.H. von 10.722,30 DM als zusatzliche Werbungskosten bei den Einkunften der\nKlagerin aus nichtselbstandiger Arbeit zugrunde gelegt werden. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Kl. zu 1 sei von 7:30 bis 14:00 Uhr im Krankenhaus ... tatig, musse\naber mehrmals monatlich Bereitschaftsdienst leisten, der von 16:00 Uhr bis zum\nfolgenden Morgen dauere. Die bisherige Strecke ..., fur die keine offentlichen\nVerkehrsverbindungen existierten, habe die Kl. taglich und an Tagen mit\nBereitschaftsdienst oder bei Notfallen mehrmals fahren mussen. Ein\nZeitausgleich an anderen Tagen sei dabei nicht erfolgt. Die Fahrtzeit habe\ndabei zwischen 30 Minuten und uber einer Stunde je einfache Fahrt gelegen. Die\nStrecke fuhre uber Landstraßen, die insbesondere bei schlechter Witterung und\nim Winterhalbjahr kein besonders hohes Tempo erlaubten. Außerdem liege eine\nReihe kleinerer Ortschaften auf der Strecke, in denen teilweise\nTempobegrenzungen bis 30 Stundenkilometer galten. Der Umzug sei einzig\ndeswegen erfolgt, weil die Kl. ihre Tatigkeit nach Beendigung des\nMutterschaftsurlaubs wieder habe aufnehmen wollen. Seit Anfang des Jahres 2000\narbeite sie dementsprechend wieder im Krankenhaus ... Die neue, zwei Kilometer\nvom Krankenhaus entfernte Wohnung ermogliche es der Kl., ihren Arbeitsplatz zu\nFuß in ca. 15 Minuten oder mit offentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Da\ndie einfache Fahrzeit mit dem Pkw nunmehr maximal zehn Minuten betrage, habe\nsich diese um mindestens 50 Minuten, vielfach aber mehr als eine Stunde\ntaglich verkurzt. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Entgegen den Ausfuhrungen des Bekl. sei die Frage, welche Veranderungen\nsich fur die Fahrstrecke des Kl. zu 2 ergeben, nach der Rechtsprechung des\nBundesfinanzhofs (BFH) unerheblich. Dass sich die Kl. zu 1 im Zeitpunkt des\nUmzugs im Erziehungsurlaub befunden habe, schließe den Werbungskostenabzug\nnicht aus, weil der Umzug ausschließlich im Hinblick auf die Wiederaufnahme\ndes Dienstes im Krankenhaus erfolgt sei. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Soweit der BFH darauf abstelle, ob sich die Arbeitsbedingungen hierdurch\nwesentlich verbesserten, sei die Fahrzeitverkurzung lediglich ein Kriterium\nunter Vielen. Selbst wenn diese geringer als eine Stunde taglich sei, musse\nnach den gesamten Umstanden beurteilt werden, ob eine berufliche Veranlassung\nvorliege. Der BFH und verschiedene Finanzgerichte hatten deswegen auch in\nsolchen Fallen aus anderen Grunden die berufliche Veranlassung bejaht. Dies\ngelte insbesondere, wenn - wie bei der Kl. zu 1 - der Weg zur Arbeitsstatte\nzum Teil mehrmals taglich habe zuruck gelegt werden mussen und diese nach dem\nUmzug zu Fuß oder mit anderen Verkehrsmitteln erreicht werden konne. Zudem\nhabe die Kl. zu 1 zwei kleinere Kinder zu betreuen, so dass es insoweit fur\nsie von besonderer Wichtigkeit sei, im Notfall rasch bei ihren Kindern zu\nHause zu sein. Dies wirke sich ebenso positiv auf die Arbeitsleistung aus wie\nder Umstand, dass die Kl. nun mehr Zeit zur Erholung habe. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 02. Mai 2000 wird erganzend ausgefuhrt, dass die Kl. zu\n1 drei- bis viermal im Monat neben dem regularen Dienst am Vormittag\nBereitschaftsdienst zu leisten habe. Zudem habe die Kl. - auch wenn sie\nprinzipiell keine Rufbereitschaften leisten musse - in den vergangenen Jahren\nhin und wieder auch außerhalb ihrer Dienstzeiten wegen eines Notfalls im\nKrankenhaus erscheinen mussen. An all diesen Tagen habe diese den Weg zur\nArbeitsstatte mehrfach zurucklegen mussen, wofur Beweis durch Parteivernehmung\nder Kl. angeboten werde. Die Erreichbarkeit des Krankenhauses zu Fuß oder mit\noffentlichen Verkehrsmitteln stelle auch deshalb eine wesentliche Verbesserung\nder Arbeitsbedingungen uber den Gesichtspunkt der Zeitersparnis hinaus dar,\nweil die Kl. zu 1 etwa bei einer Autopanne weitere Moglichkeiten habe, ihre\nArbeitsstatte zu erreichen. Dies entspreche einem wesentlichen Interesse des\nArbeitgebers. Soweit der Bekl. meine, im Hinblick auf die zu betreuenden\nKinder eine private Veranlassung des Umzugs dartun zu konnen, sei\nfestzustellen, dass diese tagsuber von einer Tagesmutter betreut wurden. Eine\nentsprechende Regelung habe auch schon vor dem Umzug bestanden. Die damalige\nTagesmutter hatte auch das zweite Kind betreut. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Mit weiterem Schriftsatz vom 20. Januar 2004 wird ausgefuhrt, dass die Kl.\nzu 1 an drei Tagen wochentlich von 7:30 bis 14:00 Uhr ihren normalen Dienst\nverrichte und außerdem in vollem Umfang am Bereitschaftsdienst teilnehme, der\nwerktags um 16:00 Uhr beginne und am nachsten Tag um 7:30 Uhr ende. An den\nBereitschaftsdienst schließe sich eine Übergabe an, die eine halbe bis uber\neine Stunde dauern konne. Dienstschluss sei somit in aller Regel erst zwischen\n8:00 und 8:30 Uhr, in einzelnen Fallen sogar noch spater. An Samstagen und\nSonntagen begannen die Bereitschaftsdienste um 8:00 und dauerten 24 Stunden\nzuzuglich der Übergabezeit. Die Bereitschaftsdienste von Sonntag bis\nDonnerstag wurden mit Freizeit im direkten Anschluss an den\nBereitschaftsdienst ausgeglichen. Bei den Bereitschaftsdiensten an Freitagen\nund Samstagen falle der Dienstschluss auf einen arbeitsfreien Tag. An den\nBereitschaftsdienst schließe sich somit kein normaler Tagesdienst an. Die Kl.\nzu 1 gehe danach nach Hause. Da sich an Werktagen der Bereitschaftsdienst\nnicht unmittelbar an den normalen Tagesdienst anschließe, (Ende Tagesdienst:\n14:00 Uhr, Beginn Bereitschaftsdienst: 16:00 Uhr) gehe die Kl. nach Beendigung\ndes normalen Tagesdienstes in der Regel erst einmal nach Hause. Zusatzliche\nNotfalldienste fielen bei der derzeitigen Regelung nicht an. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Schließlich weisen die Kl. mit Schriftsatz vom 26. Marz 2003 darauf hin,\ndass die Kl. zu 1 ihren normalen Dienst am Montag, Donnerstag und Freitag\nverrichte. Aus dem vorgelegten Dienstplan fur April 2000 gehe hervor, dass\ndamals von der Kl. an einem Dienstag, einem Samstag und einem Sonntag, also\nTagen, an denen sie keinen normalen Dienst hatte, Bereitschaftsdienste zu\nleisten waren. In der Regel beginne der Bereitschaftsdienst an einem Tag, an\ndem die Kl. zu 1 keinen normalen Dienst verrichte. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Bekl. beantragt, \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Zur Begrundung verweist er auf die Einspruchsentscheidung und fuhrt\nerganzend aus: Durch die Verkurzung der Fahrstrecke um 16 Kilometer ergebe\nsich fur die Kl. zu 1 eine tagliche Fahrzeitersparnis von hochstens 40\nMinuten. Der Umstand, dass diese nun das Krankenhaus auch zu Fuß oder mit\noffentlichen Verkehrsmitteln erreichen konne, gehore zur Frage der taglichen\nArbeitszeitersparnis. Ein Wohnungswechsel sei nicht generell deshalb beruflich\nbedingt, weil sich die Arbeitsstelle nachher zu Fuß oder mit offentlichen\nVerkehrsmitteln erreichen lasse. Zudem wurden fur den Fußweg (hin und zuruck)\nimmerhin 30 Minuten benotigt. Dass die Kl. zu 1 zwei kleinere Kinder zu\nbetreuen habe und es fur sie von besonderer Bedeutung sei, im Notfall rasch\nbei diesen zu sein, spreche fur die private Veranlassung des Umzugs. Die Kl.\nsei nach Aktenlage seit mindestens 1994 im Kreiskrankenhaus ... tatig. Der\nUmzug sei jedoch in zeitlichem Zusammenhang mit der Geburt des zweiten Kindes\nerfolgt. Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2004 hat der Bekl. darauf\nhingewiesen, dass dem Vortrag der Kl. nicht entnommen werden konne, ob und\ngegebenenfalls wie oft die Kl. zu 1 im Jahre 1998 Mehrfachfahrten an einem Tag\ndurchgefuhrt habe. Eine gelegentliche Zwischenheimfahrt sei fur die\nBeurteilung der beruflichen Veranlassung des Umzugs nicht Ausschlag gebend.\nEntscheidend sei, ob die Fahrzeit regelmaßig mindestens eine Stunde verkurzt\nwerde. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Im Erorterungstermin am 02. Dezember 2003 hat der Berichterstatter mit den\nBeteiligten die Sach- und Rechtslage erortert. Dabei wies der Berichterstatter\ndie Beteiligten-Vertreter darauf hin, dass nach dem "Falk-Routenplaner" durch\nden Umzug eine Zeitersparnis von 46 Minuten bei normalem Fahrtverlauf eintrete\nund er davon ausgehe, dass bei schlechten Straßenverhaltnissen beispielsweise\nim Winter die Zeitersparnis im Einzelfall auch eine Stunde oder mehr erreichen\nkonne. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Senat hat am 08. Marz 2004 beschlossen, zu den Dienstzeiten und\nDienstablaufen der Kl. zu 1 und insbesondere zu der Frage, wie oft die Kl. zu\n1 im Jahre 2000 und spater Bereitschaftsdienst zu leisten hatte und wie oft\nsie außerhalb ihrer eigentlichen Dienstzeit wegen eines Notfalls im\nKrankenhaus erscheinen musste sowie dazu, in welcher Zeit die Klagerin\ndienstrechtlich im Krankenhaus erscheinen muss, durch Vernehmung des\nChefarztes fur Anasthesie und Intensivmedizin und arztlichen Direktors des\nKreiskrankenhauses ... Beweis zu erheben. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung am 02. April 2004 wurde mit den Beteiligten\ndie Sach- und Rechtslage erortert. Die Kl. zu 1 erklarte auf Nachfrage, dass\ndie sich durch den Umzug ergebende arbeitstagliche Fahrzeitersparnis bei\nnormalem Fahrtverlauf weniger als eine Stunde betrage. Der\nProzessbevollmachtigte der Kl. wies erganzend darauf hin, dass insbesondere im\nWinter bei schlechtem Wetter die Fahrzeitersparnis mehr als eine Stunde\nbetrage und der Arbeitgeber der Kl. zu 1 Wert darauf lege, dass diese flexibel\nsei und moglichst nahe am Krankenhaus wohne. Auf Frage des Vorsitzenden\nerklarte der Kl. zu 2, dass die Kl. vor dem Umzug in einer "Eigentumswohnung\nin Reihenhausbauweise" gewohnt hatten und die Raumaufteilung sowie die Zahl\nder Zimmer der der neuen Wohnung entspreche. Der Senat hat außerdem den Zeugen\n... als Zeugen vernommen. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsatze, die\nEinkommensteuerakte 1998 und die Niederschriften des Erorterungstermins am 02.\nDezember 2003 sowie der mundlichen Verhandlung am 02. April 2004 Bezug\ngenommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 23 \n--- \n| Die zulassige Klage ist begrundet. Der angegriffene Einkommensteuerbescheid\nist, soweit dort die geltend gemachten Umzugskosten in Hohe von 10.722,30 DM\nnicht als zusatzliche vorweggenommene Werbungskosten der Kl. zu 1 bei ihren\nEinkunften aus nichtselbstandiger Arbeit berucksichtigt worden sind,\nrechtswidrig und verletzt die Kl. deshalb in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1\nder Finanzgerichtsordnung - FGO-). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Werbungskosten sind alle Aufwendungen, die durch den Beruf des\nSteuerpflichtigen veranlasst sind. Dazu konnen auch Umzugskosten gehoren.\nVoraussetzung dafur ist, dass der Umzug nahezu ausschließlich beruflich\nveranlasst ist, private Grunde also eine allenfalls ganz untergeordnete Rolle\nspielen. Kosten fur einen Umzug ohne Arbeitsplatzwechsel konnen beruflich\nveranlasst sein, wenn der Weg zur Arbeitsstatte wesentlich verkurzt wird oder\nsich die Arbeitsbedingungen in sonstiger Weise wesentlich verbessern (vgl.\nBFH, Urt. v. 23. Marz 2001 -VI R 189/97-, Bundessteuerblatt -BStBl.- II 2002,\n56 (57); Beschl. v. 02. Februar 2000 -X B 80/99-, Sammlung der Entscheidungen\ndes BFH -BFH/NV- 2000, 945 und Urt. v. 22. November 1991 -VI R 77/89-, BStBl.\nII 1992, 494 (494)). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Allerdings kann nicht schon allein\naufgrund der taglichen Fahrzeitersparnis davon ausgegangen werden, dass der\nUmzug nahezu ausschließlich berufliche Grunde hatte. Eine wesentliche\nVerkurzung der Fahrzeit nimmt der BFH, dessen Rechtsprechung der Senat folgt,\nin neuerer Zeit an, wenn sich die Zeit fur den Weg vor der Wohnung zur\nArbeitsstatte und zuruck um mindestens eine Stunde taglich verringert (vgl.\nBFH, Beschl. v. 26. Mai 2003 -VI B 28/03-, BFH/NV 2003, 118, Urt. v. 23. Marz\n2001 a.a.O. und d. Urt. v. selben Tage -VI R 175/99-, BStBl. II 2001, 585,\njeweils m.w.N.; vgl. aber auch BFH, Urt. v. 06. November 1986 -VI R 106/85-,\nBStBl. II 1987, 81 und Urt. v. 22. November 1991, a.a.O., wonach eine\nZeitersparnis von taglich bis zu einer Stunde genugt und der Hinweis H 41 des\nAmtlichen Lohnsteuerhandbuchs, nach dem es unter Hinweis u.A. auf die gerade\ngenannte BFH-Entscheidung genugen soll, wenn sich die Dauer der taglichen Hin-\nund Ruckfahrt insgesamt wenigstens zeitweise um mindestens eine Stunde\nverringert). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die arbeitstagliche Zeitersparnis der Kl. zu 1 betragt hier im Regelfall\nunstreitig weniger als eine Stunde. Dies wird durch den im Internet unter\nwww.falk.de allgemein zuganglichen Routenplaner bestatigt, nach dem mit den\nKraftfahrzeug auf der schnellsten Strecke bei mittlerer Geschwindigkeit 27\nMinuten fur die Fahrt zwischen der fruheren Wohnung und der Arbeitsstatte der\nKl. zu 1 benotigt werden, wahrend von der neuen Wohnung aus hierfur nur mehr 4\nMinuten erforderlich sind, so dass sich danach - worauf die Beteiligten schon\nim Erorterungstermin vom Berichterstatter hingewiesen worden sind -bei einer\nHin- und Ruckfahrt eine Zeitersparnis von 46 Minuten taglich bei normalem\nFahrtverlauf ergibt. Der Senat ist angesichts der - wie sich aus dem insoweit\nunbestrittenen und fur das Gericht glaubhaften Vortrag der Kl. ergibt -\nteilweise schwierigen Straßenverhaltnisse auf der Strecke ...\n(Ortsdurchfahrten und Tempo-30-Zonen) uberzeugt davon, dass die nach dem oben\ngenannten Routenplaner ermittelte Zeitersparnis bei normalem Fahrtverlauf in\netwa den tatsachlichen Verhaltnissen entspricht. Dem steht nicht entgegen,\ndass bei schneller Fahrweise und guten außeren Bedingungen die Strecke auch in\nkurzerer Zeit bewaltigt werden kann. Vor diesem Hintergrund fuhrt auch der\nVortrag des Bekl. im Erorterungstermin, wonach ein in ... wohnender Kollege\nerklart habe, dass die Strecke nach ... in 20 Minuten gefahren werden konne,\nzu keiner anderen Beurteilung. Andererseits andert hieran auch der Umstand\nnichts, dass nach dem das Gericht uberzeugenden Vortrag der Kl. eine\nFahrzeitersparnis von einer Stunde oder mehr bei schlechten\nStraßenverhaltnissen oder sonst erschwerenden Umstanden sowie bei mehrfacher\nHin- und Ruckfahrt eintreten kann. Die drei- bis viermal im Monat geleisteten\nBereitschaftsdienste der Kl. zu 1 sowie die seltenen Falle, in denen sich die\nKl. zu 1 auf Grund von Notfallen zusatzlich zu ihren normalen Diensten in das\nKrankenhaus begeben muss, betreffen besondere Situationen und spielen schon\ndeshalb fur die Verkurzung der normalen Fahrzeit keine Rolle. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Jedoch ergibt sich die nahezu ausschließlich berufliche Veranlassung des\nUmzugs aus einer sonstigen wesentlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen\nder Kl. zu 1. Denn auch dann, wenn der Umzug nicht wegen eines\nArbeitsplatzwechsels erfolgt und die hierdurch erreichte Zeitersparnis\ngeringer als eine Stunde taglich ist, kann nicht ausnahmslos der\nWerbungskostenabzug versagt werden. Vielmehr muss in diesen Fallen unter\nBerucksichtigung der Gesamtumstande des Einzelfalls gepruft werden, ob der\nUmzug (nahezu) ausschließlich beruflich bedingt ist. So hangt die Beantwortung\nder Frage, ob in Ausnahmefallen die Erreichbarkeit der Arbeitsstatte mit\noffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuß zu einer solch wesentlichen sonstigen\nÄnderung fuhrt, dass auch eine weniger als eine Stunde betragende\nZeitersparnis fur die Annahme einer beruflichen Veranlassung der Umzugskosten\nausreicht, von der Wurdigung der tatsachlichen Umstande im Einzelfall ab (vgl.\nBFH, Urt. v. 02. Februar 2000, a.a.O.; Finanzgericht - FG- Rheinland-Pfalz,\nUrt. v. 21. Juni 1995 - 1 K 2702/92-, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG-\n1995, 1048; FG Baden-Wurttemberg, Urt. v. 06. April 1990 -IX K 365/85-, EFG\n1990, 627 sowie Drenseck in: Schmidt, EStG, 22. Aufl. 2003, § 19 Rn. 60\nStichwort "Umzugskosten" und v. Bornhaupt in: Kirchhof/Sohn, EStG, § 9 Rn: B\n600 (Stand: Mai 2000)). Eine wesentliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen\nkann auch vorliegen, wenn der Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstatte auf\nVeranlassung des Arbeitgebers haufig (vgl. BFH, Urt. v. 10. September 1982 -VI\nR 192/79-, BStBl. II 1983, 16 (17)) oder gelegentlich (vgl. BFH, Urt. v. 06.\nNovember 1986 a.a.O.) mehrmals taglich zuruckgelegt werden muss. Gleiches\ngilt, wenn ein frei praktizierender Arzt, der Belegbetten in einem Krankenhaus\nhat und deshalb auch außerhalb der Praxiszeit erreichbar sein muss, in die\nNahe des Krankenhauses umzieht (vgl. BFH, Urt. v. Urt. v. 28. April 1988 -IV R\n42/86-, BStBl. II 1988, 777). Ist eine Fahrzeitverkurzung von mindestens einer\nStunde oder eine sonstige allgemeine erhebliche Verbesserung der\nArbeitsbedingungen gegeben, so ist es unerheblich, aus welchen Grunden der\nSteuerpflichtige gerade in diese neue Wohnung gezogen ist (vgl. BFH, Urt. v.\n22. November 1991 a.a.O.). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| In Anwendung dieser Grundsatze sieht der Senat den Umzug als beruflich\nveranlasst an. Vorliegend ist der Umzug nach Überzeugung des Senats bei\nBerucksichtigung der Gesamtumstande nahezu ausschließlich berufsbedingt\nerfolgt. Schon die Fahrzeitverkurzung um etwa 46 Minuten arbeitstaglich bei\nnormalem Fahrtverlauf ist - wenngleich sie - wie bereits ausgefuhrt - allein\neine berufliche Veranlassung des Umzugs nicht zu begrunden vermag, eine\nmerkliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Eine solche merkliche\nVerbesserung wurde sogar dann vorliegen, wenn die arbeitstagliche\nFahrzeitersparnis - wovon wohl der Bekl. ausgeht - nur etwa eine halbe Stunde\nbetragen wurde. Hinzu kommt, dass die Kl. zu 1 nach dem insoweit\nunbestrittenen Vortrag der Kl., an dessen Richtigkeit der Senat keine Zweifel\nhat, ihren Arbeitsplatz nunmehr anders als vor dem Umzug zu Fuß oder mit\noffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann. Unabhangig davon, ob diese\nUmstande fur sich genommen ausreichen, um eine wesentliche Erleichterung der\nArbeitsbedingungen i.S.d. oben dargestellten Rechtsprechung des BFH zu\nbegrunden, ergibt sich jedenfalls im vorliegenden Einzelfall hieraus in\nVerbindung mit dem besonderen Arbeitsbedingungen der Kl. zu 1 als Facharztin\nfur Anasthesie und Intensivmedizin am Kreiskrankenhaus ... die berufliche\nVeranlassung des Umzugs. Der Chefarzt der Abteilung fur Anasthesie und\nIntensivmedizin ... hat als Zeuge ausgesagt, dass die jederzeitige\nVerfugbarkeit der Kl. zu 1 fur ihn von entscheidender Bedeutung fur deren\nEinstellung und Weiterbeschaftigung gewesen sei, diese jederzeit fur\nBereitschaftsdienste (43 in 2001) zur Verfugung gestanden habe und aufgrund\nihrer umfangreichen Erfahrung auch fur den Hintergrunddienst, der sonst nur\nvon Oberarzten ausgeubt werde, vorgesehen sei. Er hat weiter ausgesagt, dass\ndie Kl. zu 1, wenngleich sie diesen Hintergrunddienst nur selten (vielleicht\nein bis zwei mal im Jahr) ausube, haufiger unvorhergesehen einspringen musse,\nwenn in der Abteilung etwa Krankheitsausfalle zu uberbrucken seien. Der Senat\nhalt die widerspruchsfreie sowie von Sachlichkeit und Zuruckhaltung gepragten\nAussage des Zeugen fur wahrheitsgemaß. Danach ergibt sich aus dem Umzug\nunabhangig davon, inwieweit die Bereitschaftsdienste mit Freizeit ausgeglichen\nwerden und auch dann, wenn der Kl. zu 1 bei den Bereitschaftsdiensten vielfach\nkeine zusatzlichen Fahrten entstehen mogen, eine wesentliche Erleichterung\nihrer Arbeitsbedingungen, weil ihre aus Sicht des zustandigen Chefarztes\nwichtige Verfugbarkeit fur das Krankenhaus insbesondere in Notfallen und in\nden - allerdings seltenen - Fallen, in denen sie sogenannten Hintergrunddienst\nverrichten muss, durch den Umzug unzweifelhaft deutlich erhoht wird. Anderes\nlasst sich entgegen der Auffassung des Bekl. auch nicht daraus herleiten, dass\ndie Kl. zu 1 bereits vor dem Umzug einige Jahre in ... gewohnt und ihren\nDienst im Krankenhaus ... vernichtet hat. Denn der Umstand, dass der\nArbeitnehmer seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag auch unter\nBeibehaltung der bisherigen der bisherigen Wohnung erfullen kann, schließt die\nAnerkennung von Umzugskosten als Werbungskosten nicht aus (vgl. BFH, Urt. v.\n21. Juli 1989 -VI R 129/86-, BStBl. II 1989, 917 (918)). Dass sich mit der\nwesentlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Kl. zu 1 zugleich deren\nBerufstatigkeit besser mit familiaren Belangen vereinbaren lassen mag, andert\nan der beruflichen Veranlassung des Umzugs nichts. Eine Verkurzung der\nFahrzeit fuhrt regelmaßig zu einem Zuwachs an Freizeit des Steuerpflichtigen,\nohne dass dies fur sich genommen zur Folge hat, dass der Werbungskostenabzug\nder Umzugskosten schon aus diesem Grund ausgeschlossen ist (vgl. BFH, Urt. v.\n06. November 1986, a.a.O., und v. Bornhaupt, a.a.O., § 9 Rn. B 601). Andere\naußerberufliche Motive fur den Umzug sind nicht ersichtlich. So bewohnten die\nKl. nach ihren glaubhaften und vom Bekl. nicht bestrittenen Angaben vor dem\nUmzug eine in ihrem Eigentum stehende "Eigentumswohnung in\nReihenhausbauweise", die die gleiche Anzahl an Zimmern, die gleiche Wohnflache\nund eine vergleichbare Raumaufteilung wie die nunmehr bezogene\nDoppelhaushalfte aufwies, so dass eine Verbesserung der Wohnsituation etwa im\nHinblick auf das im Jahre 1998 geborene Kind als Motiv fur den Umzug ebenso\nwenig in Betracht kommt wie der (erstmalige) Erwerb von Wohneigentum. Sonstige\nfamiliaren Grunde fur den Umzug sind ebenfalls nicht erkennbar, zumal die Kl.\nmit Schriftsatz vom 02. Mai 2000 unwidersprochen und nachvollziehbar\nvorgetragen haben, dass fur die Betreuung auch des zweiten Kindes wahrend der\nArbeitszeit der Kl. zu 1 sowohl an dem fruheren als auch am neuen Wohnort eine\nTagesmutter verfugbar war. Eine weitere Sachaufklarung drangt sich dem Senat\nvor diesem Hintergrund nicht auf. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Der beruflichen Veranlassung des Umzugs im Hinblick auf die wesentliche\nVerbesserung der Arbeitsbedingungen der Kl. zu 1 steht auch nicht entgegen,\ndass sich die Fahrstrecke des Kl. zu 2 zu seiner damaligen Arbeitsstatte in\n... von 20 auf 32 Kilometer verlangert hat. Denn die Frage, ob ein Aufwand -\nwie regelmaßig die Kosten einer Wohnung - zu den Aufwendungen fur die\nLebensfuhrung i.S.d. § 12 Nr. 1 EStG gehort oder i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1\nEStG nahezu ausschließlich beruflich veranlasst ist, ist fur jeden\nArbeitnehmer getrennt zu entscheiden. Dies gilt auch fur zusammenveranlagte\nEhegatten. Dementsprechend hat der BFH (Urt. v. 27. Juli 1995, a.a.O.) mit\ndieser Begrundung eine Gesamtwurdigung in der Weise, dass den Ehegatten\nwechselseitig die jeweils in der Person des anderen Ehegatten vorliegenden und\ndort ebenfalls nicht ausreichenden Grunde fur eine berufliche Veranlassung\neines Umzugs in der Weise zugerechnet werden, dass die Grunde in ihrer Summe\nausreichen, abgelehnt und eine Fahrzeitersparnis zweier Ehegatten von\narbeitstaglich jeweils einer halben Stunde als nicht ausreichend angesehen.\nDer Senat schließt sich dem an. Ist die Frage, ob ein Umzug beruflich\nveranlasst ist, fur jeden Ehegatten demnach getrennt zu beurteilen, kann bei\nVorliegen einer wesentlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen eines\nEhegatten aber konsequenterweise die berufliche Veranlassung des Umzugs nicht\ndeshalb entfallen, weil sich die Arbeitsbedingungen des anderen Ehegatten\nverschlechtern (vgl. FG Koln, Urt. v. 28. Februar 2002 - 15 K 4557/99 -, EFG\n2002, 965 - in dieser Sache ist ein Revisionsverfahren unter dem Az. VI R\n56/02 beim BFH anhangig; Drenseck in Schmidt, a.a.O., § 19 Rn. 60 Stichwort\n"Umzugskosten"; MIT, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst -DStRE- 2001,\n1023). Deshalb andert die Verlangerung des Arbeitsweges des Kl. zu 2 nichts\ndaran, dass der Umzug nahezu ausschließlich beruflich veranlasst ist. Im\nÜbrigen hat der Kl. zu 2 in der mundlichen Verhandlung uberzeugend ausgefuhrt,\ndass er sich bereits in den Jahren 1998 und 1999 intensiv um andere Stellen\nbeworben habe und seit dem Februar 2000 in ... tatig sei, so dass sich die\nFahrzeit fur ihn durch den Umzug ohnehin nur vorubergehend wesentlich erhoht\nhat. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Werbungskosten sind auch in der mit dem Klagantrag geltend gemachten\nHohe zu berucksichtigen. Welche Kosten im Zusammenhang mit einem beruflich\nbedingten Umzug abziehbar sind, hangt davon ab, ob sie ihrerseits - jeweils\nfur sich betrachtet - nahezu ausschließlich beruflich veranlasst sind. In\ndiesem Sinne hat die Rechtsprechung des BFH etwa die Beforderungskosten, die\nKosten der Wohnungsbeschaffung und pauschale Umzugsnebenkosten als\nWerbungskosten anerkannt (vgl. das Urt. d. BFH v. 17. Dezember 2002, a.a.O.,\nm.w.N.). In Anwendung dieser Grundsatze ist die Hohe der geltend gemachten\nUmzugskosten, die sich ganz uberwiegend aus der in Kopie vorgelegten Rechnung\nder Umzugsfirma vom 17. Dezember 1998 und den zulassigerweise geltend\ngemachten Pauschalen ergibt, nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit die\nKl. ohne Belege Kosten fur die zusatzliche Verpflegung der Mobelpacker geltend\ngemacht haben, weil allgemeinbekannt ist, dass derartige Zusatzkosten\nregelmaßig bei Umzugen anfallen und die Hohe dem Pauschbetrag nach § 4 Abs. 5\nNr. 5 a EStG entspricht (vgl. hierzu auch die Lohnsteuerrichtlinie R 41 Abs.\n2). Der Senat sieht auch insoweit keinen Anlass zu weiteren\nSachverhaltsermittlungen, zumal der Bekl. die Hohe der Umzugskosten nicht in\nZweifel gezogen hat. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Der Senat ist weiter davon uberzeugt, dass die geltend gemachten\nUmzugskosten der Kl. zu 1 entstanden sind und somit kein Drittaufwand etwa\nihres Ehemannes vorliegt. Dem Vortrag, dass der Kl. zu 1 diese Umzugskosten\nentstanden sind (S. 5 der Klagschrift), ist der Bekl. - der nach dem Verlauf\ndes Erorterungstermins nicht ohne weiteres davon ausgehen konnte, dass die\nKlage schon mangels beruflicher Veranlassung des Umzugs abgewiesen wurde -\nnicht entgegengetreten. Aus der an die "Familie ... und ..." gerichteten und\nmit der Klagschrift in Kopie vorgelegten Rechnung der Umzugsfirma ergibt sich\nzudem, dass die Kl. zu 1 aus dem fur den Umzug abgeschlossenen Vertrag\nverpflichtet worden ist. Der Senat sieht vor diesem Hintergrund keinen Anlass,\ndaran zu zweifeln, dass die Kl. zu 1 diese Kosten getragen hat. Damit kann die\nKl. zu 1 die vollen - und nicht etwa nur die halftigen - Umzugskosten als\nWerbungskosten geltend machen (vgl. Froschl, Hochstrichterliche\nFinanzrechtsprechung - HFR- 2001, 966 (967)). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Der Klage ist deshalb mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO\nstattzugeben. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Da die Ermittlung des festzusetzenden Betrages der Einkommensteuer fur das\nGericht einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert, sieht der Senat nach §\n100 Abs. 2 Satz 2 FGO davon ab, die Einkommensteuer fur das Streitjahr selbst\nfestzusetzen (vgl. v. Groll in Graber, FGO, 5. Aufl. 2002, § 100 Rn. 30 ff.). \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Revision wird zugelassen. Die Frage, ob der Umstand, dass eine\nwesentliche Erleichterung des Arbeitswegs eines Ehegatten mit einer\nErschwernis der Arbeitsbedingungen des anderen Ehegatten einhergeht, die sonst\ngegebene berufliche Veranlassung eines Umzugs entfallen lasst, hat\ngrundsatzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Diese Frage ist\ntrotz des Umstands, dass der BFH - wie bereits ausgefuhrt - in seinem Urteil\nvom 27. Juli 1995 (a.a.O.) eine fur jeden Ehegatten getrennte\nBetrachtungsweise fur erforderlich halt, klarungsbedurftig, weil die konkrete\nRechtsfrage, ob eine teilweise Kompensation der Erleichterung der\nArbeitsbedingungen eines Ehegatten durch erschwerte Arbeitsbedingungen des\nanderen Ehegatten zu berucksichtigen ist, noch nicht vom BFH entschieden\nworden ist (vgl. zudem die Ausfuhrungen in dem Urteil des BFH vom 23. Marz\n2001 -VI R 189/97-, BStBl. II 2002, 56 (58), wonach wegen des zeitgleich mit\ndem Umzug angetretenen Mutterschaftsurlaubs die spatere Verlangerung des Wegs\ndes anderen Ehegatten zu seiner Arbeitsstatte fur die Entscheidung nicht\nerheblich sei). Außerdem wird in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und in\nder Literatur teilweise die Ansicht vertreten, dass eine Verrechnung der\nFahrzeitverkurzung eines Ehegatten mit der Fahrzeitverlangerung des anderen\nEhegatten vorzunehmen ist (so etwa das Urt. des Finanzgerichts - FG-\nRheinland-Pfalz vom 16. August 2001 - 4 K 1267/00 -, DStRE 2001, 1327 (1329),\ngegen das beim BFH unter dem Aktenzeichen VI R 128/01 Revision eingelegt ist;\nFroschl., a.a.O. und Thurmer in Blumich, EStG, § 9 Rn. 600 Stichwort\n"Umzugskosten" (Stand: Februar 2003)). \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 23 \n--- \n| Die zulassige Klage ist begrundet. Der angegriffene Einkommensteuerbescheid\nist, soweit dort die geltend gemachten Umzugskosten in Hohe von 10.722,30 DM\nnicht als zusatzliche vorweggenommene Werbungskosten der Kl. zu 1 bei ihren\nEinkunften aus nichtselbstandiger Arbeit berucksichtigt worden sind,\nrechtswidrig und verletzt die Kl. deshalb in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1\nder Finanzgerichtsordnung - FGO-). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Werbungskosten sind alle Aufwendungen, die durch den Beruf des\nSteuerpflichtigen veranlasst sind. Dazu konnen auch Umzugskosten gehoren.\nVoraussetzung dafur ist, dass der Umzug nahezu ausschließlich beruflich\nveranlasst ist, private Grunde also eine allenfalls ganz untergeordnete Rolle\nspielen. Kosten fur einen Umzug ohne Arbeitsplatzwechsel konnen beruflich\nveranlasst sein, wenn der Weg zur Arbeitsstatte wesentlich verkurzt wird oder\nsich die Arbeitsbedingungen in sonstiger Weise wesentlich verbessern (vgl.\nBFH, Urt. v. 23. Marz 2001 -VI R 189/97-, Bundessteuerblatt -BStBl.- II 2002,\n56 (57); Beschl. v. 02. Februar 2000 -X B 80/99-, Sammlung der Entscheidungen\ndes BFH -BFH/NV- 2000, 945 und Urt. v. 22. November 1991 -VI R 77/89-, BStBl.\nII 1992, 494 (494)). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Allerdings kann nicht schon allein\naufgrund der taglichen Fahrzeitersparnis davon ausgegangen werden, dass der\nUmzug nahezu ausschließlich berufliche Grunde hatte. Eine wesentliche\nVerkurzung der Fahrzeit nimmt der BFH, dessen Rechtsprechung der Senat folgt,\nin neuerer Zeit an, wenn sich die Zeit fur den Weg vor der Wohnung zur\nArbeitsstatte und zuruck um mindestens eine Stunde taglich verringert (vgl.\nBFH, Beschl. v. 26. Mai 2003 -VI B 28/03-, BFH/NV 2003, 118, Urt. v. 23. Marz\n2001 a.a.O. und d. Urt. v. selben Tage -VI R 175/99-, BStBl. II 2001, 585,\njeweils m.w.N.; vgl. aber auch BFH, Urt. v. 06. November 1986 -VI R 106/85-,\nBStBl. II 1987, 81 und Urt. v. 22. November 1991, a.a.O., wonach eine\nZeitersparnis von taglich bis zu einer Stunde genugt und der Hinweis H 41 des\nAmtlichen Lohnsteuerhandbuchs, nach dem es unter Hinweis u.A. auf die gerade\ngenannte BFH-Entscheidung genugen soll, wenn sich die Dauer der taglichen Hin-\nund Ruckfahrt insgesamt wenigstens zeitweise um mindestens eine Stunde\nverringert). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die arbeitstagliche Zeitersparnis der Kl. zu 1 betragt hier im Regelfall\nunstreitig weniger als eine Stunde. Dies wird durch den im Internet unter\nwww.falk.de allgemein zuganglichen Routenplaner bestatigt, nach dem mit den\nKraftfahrzeug auf der schnellsten Strecke bei mittlerer Geschwindigkeit 27\nMinuten fur die Fahrt zwischen der fruheren Wohnung und der Arbeitsstatte der\nKl. zu 1 benotigt werden, wahrend von der neuen Wohnung aus hierfur nur mehr 4\nMinuten erforderlich sind, so dass sich danach - worauf die Beteiligten schon\nim Erorterungstermin vom Berichterstatter hingewiesen worden sind -bei einer\nHin- und Ruckfahrt eine Zeitersparnis von 46 Minuten taglich bei normalem\nFahrtverlauf ergibt. Der Senat ist angesichts der - wie sich aus dem insoweit\nunbestrittenen und fur das Gericht glaubhaften Vortrag der Kl. ergibt -\nteilweise schwierigen Straßenverhaltnisse auf der Strecke ...\n(Ortsdurchfahrten und Tempo-30-Zonen) uberzeugt davon, dass die nach dem oben\ngenannten Routenplaner ermittelte Zeitersparnis bei normalem Fahrtverlauf in\netwa den tatsachlichen Verhaltnissen entspricht. Dem steht nicht entgegen,\ndass bei schneller Fahrweise und guten außeren Bedingungen die Strecke auch in\nkurzerer Zeit bewaltigt werden kann. Vor diesem Hintergrund fuhrt auch der\nVortrag des Bekl. im Erorterungstermin, wonach ein in ... wohnender Kollege\nerklart habe, dass die Strecke nach ... in 20 Minuten gefahren werden konne,\nzu keiner anderen Beurteilung. Andererseits andert hieran auch der Umstand\nnichts, dass nach dem das Gericht uberzeugenden Vortrag der Kl. eine\nFahrzeitersparnis von einer Stunde oder mehr bei schlechten\nStraßenverhaltnissen oder sonst erschwerenden Umstanden sowie bei mehrfacher\nHin- und Ruckfahrt eintreten kann. Die drei- bis viermal im Monat geleisteten\nBereitschaftsdienste der Kl. zu 1 sowie die seltenen Falle, in denen sich die\nKl. zu 1 auf Grund von Notfallen zusatzlich zu ihren normalen Diensten in das\nKrankenhaus begeben muss, betreffen besondere Situationen und spielen schon\ndeshalb fur die Verkurzung der normalen Fahrzeit keine Rolle. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Jedoch ergibt sich die nahezu ausschließlich berufliche Veranlassung des\nUmzugs aus einer sonstigen wesentlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen\nder Kl. zu 1. Denn auch dann, wenn der Umzug nicht wegen eines\nArbeitsplatzwechsels erfolgt und die hierdurch erreichte Zeitersparnis\ngeringer als eine Stunde taglich ist, kann nicht ausnahmslos der\nWerbungskostenabzug versagt werden. Vielmehr muss in diesen Fallen unter\nBerucksichtigung der Gesamtumstande des Einzelfalls gepruft werden, ob der\nUmzug (nahezu) ausschließlich beruflich bedingt ist. So hangt die Beantwortung\nder Frage, ob in Ausnahmefallen die Erreichbarkeit der Arbeitsstatte mit\noffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuß zu einer solch wesentlichen sonstigen\nÄnderung fuhrt, dass auch eine weniger als eine Stunde betragende\nZeitersparnis fur die Annahme einer beruflichen Veranlassung der Umzugskosten\nausreicht, von der Wurdigung der tatsachlichen Umstande im Einzelfall ab (vgl.\nBFH, Urt. v. 02. Februar 2000, a.a.O.; Finanzgericht - FG- Rheinland-Pfalz,\nUrt. v. 21. Juni 1995 - 1 K 2702/92-, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG-\n1995, 1048; FG Baden-Wurttemberg, Urt. v. 06. April 1990 -IX K 365/85-, EFG\n1990, 627 sowie Drenseck in: Schmidt, EStG, 22. Aufl. 2003, § 19 Rn. 60\nStichwort "Umzugskosten" und v. Bornhaupt in: Kirchhof/Sohn, EStG, § 9 Rn: B\n600 (Stand: Mai 2000)). Eine wesentliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen\nkann auch vorliegen, wenn der Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstatte auf\nVeranlassung des Arbeitgebers haufig (vgl. BFH, Urt. v. 10. September 1982 -VI\nR 192/79-, BStBl. II 1983, 16 (17)) oder gelegentlich (vgl. BFH, Urt. v. 06.\nNovember 1986 a.a.O.) mehrmals taglich zuruckgelegt werden muss. Gleiches\ngilt, wenn ein frei praktizierender Arzt, der Belegbetten in einem Krankenhaus\nhat und deshalb auch außerhalb der Praxiszeit erreichbar sein muss, in die\nNahe des Krankenhauses umzieht (vgl. BFH, Urt. v. Urt. v. 28. April 1988 -IV R\n42/86-, BStBl. II 1988, 777). Ist eine Fahrzeitverkurzung von mindestens einer\nStunde oder eine sonstige allgemeine erhebliche Verbesserung der\nArbeitsbedingungen gegeben, so ist es unerheblich, aus welchen Grunden der\nSteuerpflichtige gerade in diese neue Wohnung gezogen ist (vgl. BFH, Urt. v.\n22. November 1991 a.a.O.). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| In Anwendung dieser Grundsatze sieht der Senat den Umzug als beruflich\nveranlasst an. Vorliegend ist der Umzug nach Überzeugung des Senats bei\nBerucksichtigung der Gesamtumstande nahezu ausschließlich berufsbedingt\nerfolgt. Schon die Fahrzeitverkurzung um etwa 46 Minuten arbeitstaglich bei\nnormalem Fahrtverlauf ist - wenngleich sie - wie bereits ausgefuhrt - allein\neine berufliche Veranlassung des Umzugs nicht zu begrunden vermag, eine\nmerkliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Eine solche merkliche\nVerbesserung wurde sogar dann vorliegen, wenn die arbeitstagliche\nFahrzeitersparnis - wovon wohl der Bekl. ausgeht - nur etwa eine halbe Stunde\nbetragen wurde. Hinzu kommt, dass die Kl. zu 1 nach dem insoweit\nunbestrittenen Vortrag der Kl., an dessen Richtigkeit der Senat keine Zweifel\nhat, ihren Arbeitsplatz nunmehr anders als vor dem Umzug zu Fuß oder mit\noffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann. Unabhangig davon, ob diese\nUmstande fur sich genommen ausreichen, um eine wesentliche Erleichterung der\nArbeitsbedingungen i.S.d. oben dargestellten Rechtsprechung des BFH zu\nbegrunden, ergibt sich jedenfalls im vorliegenden Einzelfall hieraus in\nVerbindung mit dem besonderen Arbeitsbedingungen der Kl. zu 1 als Facharztin\nfur Anasthesie und Intensivmedizin am Kreiskrankenhaus ... die berufliche\nVeranlassung des Umzugs. Der Chefarzt der Abteilung fur Anasthesie und\nIntensivmedizin ... hat als Zeuge ausgesagt, dass die jederzeitige\nVerfugbarkeit der Kl. zu 1 fur ihn von entscheidender Bedeutung fur deren\nEinstellung und Weiterbeschaftigung gewesen sei, diese jederzeit fur\nBereitschaftsdienste (43 in 2001) zur Verfugung gestanden habe und aufgrund\nihrer umfangreichen Erfahrung auch fur den Hintergrunddienst, der sonst nur\nvon Oberarzten ausgeubt werde, vorgesehen sei. Er hat weiter ausgesagt, dass\ndie Kl. zu 1, wenngleich sie diesen Hintergrunddienst nur selten (vielleicht\nein bis zwei mal im Jahr) ausube, haufiger unvorhergesehen einspringen musse,\nwenn in der Abteilung etwa Krankheitsausfalle zu uberbrucken seien. Der Senat\nhalt die widerspruchsfreie sowie von Sachlichkeit und Zuruckhaltung gepragten\nAussage des Zeugen fur wahrheitsgemaß. Danach ergibt sich aus dem Umzug\nunabhangig davon, inwieweit die Bereitschaftsdienste mit Freizeit ausgeglichen\nwerden und auch dann, wenn der Kl. zu 1 bei den Bereitschaftsdiensten vielfach\nkeine zusatzlichen Fahrten entstehen mogen, eine wesentliche Erleichterung\nihrer Arbeitsbedingungen, weil ihre aus Sicht des zustandigen Chefarztes\nwichtige Verfugbarkeit fur das Krankenhaus insbesondere in Notfallen und in\nden - allerdings seltenen - Fallen, in denen sie sogenannten Hintergrunddienst\nverrichten muss, durch den Umzug unzweifelhaft deutlich erhoht wird. Anderes\nlasst sich entgegen der Auffassung des Bekl. auch nicht daraus herleiten, dass\ndie Kl. zu 1 bereits vor dem Umzug einige Jahre in ... gewohnt und ihren\nDienst im Krankenhaus ... vernichtet hat. Denn der Umstand, dass der\nArbeitnehmer seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag auch unter\nBeibehaltung der bisherigen der bisherigen Wohnung erfullen kann, schließt die\nAnerkennung von Umzugskosten als Werbungskosten nicht aus (vgl. BFH, Urt. v.\n21. Juli 1989 -VI R 129/86-, BStBl. II 1989, 917 (918)). Dass sich mit der\nwesentlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Kl. zu 1 zugleich deren\nBerufstatigkeit besser mit familiaren Belangen vereinbaren lassen mag, andert\nan der beruflichen Veranlassung des Umzugs nichts. Eine Verkurzung der\nFahrzeit fuhrt regelmaßig zu einem Zuwachs an Freizeit des Steuerpflichtigen,\nohne dass dies fur sich genommen zur Folge hat, dass der Werbungskostenabzug\nder Umzugskosten schon aus diesem Grund ausgeschlossen ist (vgl. BFH, Urt. v.\n06. November 1986, a.a.O., und v. Bornhaupt, a.a.O., § 9 Rn. B 601). Andere\naußerberufliche Motive fur den Umzug sind nicht ersichtlich. So bewohnten die\nKl. nach ihren glaubhaften und vom Bekl. nicht bestrittenen Angaben vor dem\nUmzug eine in ihrem Eigentum stehende "Eigentumswohnung in\nReihenhausbauweise", die die gleiche Anzahl an Zimmern, die gleiche Wohnflache\nund eine vergleichbare Raumaufteilung wie die nunmehr bezogene\nDoppelhaushalfte aufwies, so dass eine Verbesserung der Wohnsituation etwa im\nHinblick auf das im Jahre 1998 geborene Kind als Motiv fur den Umzug ebenso\nwenig in Betracht kommt wie der (erstmalige) Erwerb von Wohneigentum. Sonstige\nfamiliaren Grunde fur den Umzug sind ebenfalls nicht erkennbar, zumal die Kl.\nmit Schriftsatz vom 02. Mai 2000 unwidersprochen und nachvollziehbar\nvorgetragen haben, dass fur die Betreuung auch des zweiten Kindes wahrend der\nArbeitszeit der Kl. zu 1 sowohl an dem fruheren als auch am neuen Wohnort eine\nTagesmutter verfugbar war. Eine weitere Sachaufklarung drangt sich dem Senat\nvor diesem Hintergrund nicht auf. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Der beruflichen Veranlassung des Umzugs im Hinblick auf die wesentliche\nVerbesserung der Arbeitsbedingungen der Kl. zu 1 steht auch nicht entgegen,\ndass sich die Fahrstrecke des Kl. zu 2 zu seiner damaligen Arbeitsstatte in\n... von 20 auf 32 Kilometer verlangert hat. Denn die Frage, ob ein Aufwand -\nwie regelmaßig die Kosten einer Wohnung - zu den Aufwendungen fur die\nLebensfuhrung i.S.d. § 12 Nr. 1 EStG gehort oder i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1\nEStG nahezu ausschließlich beruflich veranlasst ist, ist fur jeden\nArbeitnehmer getrennt zu entscheiden. Dies gilt auch fur zusammenveranlagte\nEhegatten. Dementsprechend hat der BFH (Urt. v. 27. Juli 1995, a.a.O.) mit\ndieser Begrundung eine Gesamtwurdigung in der Weise, dass den Ehegatten\nwechselseitig die jeweils in der Person des anderen Ehegatten vorliegenden und\ndort ebenfalls nicht ausreichenden Grunde fur eine berufliche Veranlassung\neines Umzugs in der Weise zugerechnet werden, dass die Grunde in ihrer Summe\nausreichen, abgelehnt und eine Fahrzeitersparnis zweier Ehegatten von\narbeitstaglich jeweils einer halben Stunde als nicht ausreichend angesehen.\nDer Senat schließt sich dem an. Ist die Frage, ob ein Umzug beruflich\nveranlasst ist, fur jeden Ehegatten demnach getrennt zu beurteilen, kann bei\nVorliegen einer wesentlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen eines\nEhegatten aber konsequenterweise die berufliche Veranlassung des Umzugs nicht\ndeshalb entfallen, weil sich die Arbeitsbedingungen des anderen Ehegatten\nverschlechtern (vgl. FG Koln, Urt. v. 28. Februar 2002 - 15 K 4557/99 -, EFG\n2002, 965 - in dieser Sache ist ein Revisionsverfahren unter dem Az. VI R\n56/02 beim BFH anhangig; Drenseck in Schmidt, a.a.O., § 19 Rn. 60 Stichwort\n"Umzugskosten"; MIT, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst -DStRE- 2001,\n1023). Deshalb andert die Verlangerung des Arbeitsweges des Kl. zu 2 nichts\ndaran, dass der Umzug nahezu ausschließlich beruflich veranlasst ist. Im\nÜbrigen hat der Kl. zu 2 in der mundlichen Verhandlung uberzeugend ausgefuhrt,\ndass er sich bereits in den Jahren 1998 und 1999 intensiv um andere Stellen\nbeworben habe und seit dem Februar 2000 in ... tatig sei, so dass sich die\nFahrzeit fur ihn durch den Umzug ohnehin nur vorubergehend wesentlich erhoht\nhat. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Werbungskosten sind auch in der mit dem Klagantrag geltend gemachten\nHohe zu berucksichtigen. Welche Kosten im Zusammenhang mit einem beruflich\nbedingten Umzug abziehbar sind, hangt davon ab, ob sie ihrerseits - jeweils\nfur sich betrachtet - nahezu ausschließlich beruflich veranlasst sind. In\ndiesem Sinne hat die Rechtsprechung des BFH etwa die Beforderungskosten, die\nKosten der Wohnungsbeschaffung und pauschale Umzugsnebenkosten als\nWerbungskosten anerkannt (vgl. das Urt. d. BFH v. 17. Dezember 2002, a.a.O.,\nm.w.N.). In Anwendung dieser Grundsatze ist die Hohe der geltend gemachten\nUmzugskosten, die sich ganz uberwiegend aus der in Kopie vorgelegten Rechnung\nder Umzugsfirma vom 17. Dezember 1998 und den zulassigerweise geltend\ngemachten Pauschalen ergibt, nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit die\nKl. ohne Belege Kosten fur die zusatzliche Verpflegung der Mobelpacker geltend\ngemacht haben, weil allgemeinbekannt ist, dass derartige Zusatzkosten\nregelmaßig bei Umzugen anfallen und die Hohe dem Pauschbetrag nach § 4 Abs. 5\nNr. 5 a EStG entspricht (vgl. hierzu auch die Lohnsteuerrichtlinie R 41 Abs.\n2). Der Senat sieht auch insoweit keinen Anlass zu weiteren\nSachverhaltsermittlungen, zumal der Bekl. die Hohe der Umzugskosten nicht in\nZweifel gezogen hat. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Der Senat ist weiter davon uberzeugt, dass die geltend gemachten\nUmzugskosten der Kl. zu 1 entstanden sind und somit kein Drittaufwand etwa\nihres Ehemannes vorliegt. Dem Vortrag, dass der Kl. zu 1 diese Umzugskosten\nentstanden sind (S. 5 der Klagschrift), ist der Bekl. - der nach dem Verlauf\ndes Erorterungstermins nicht ohne weiteres davon ausgehen konnte, dass die\nKlage schon mangels beruflicher Veranlassung des Umzugs abgewiesen wurde -\nnicht entgegengetreten. Aus der an die "Familie ... und ..." gerichteten und\nmit der Klagschrift in Kopie vorgelegten Rechnung der Umzugsfirma ergibt sich\nzudem, dass die Kl. zu 1 aus dem fur den Umzug abgeschlossenen Vertrag\nverpflichtet worden ist. Der Senat sieht vor diesem Hintergrund keinen Anlass,\ndaran zu zweifeln, dass die Kl. zu 1 diese Kosten getragen hat. Damit kann die\nKl. zu 1 die vollen - und nicht etwa nur die halftigen - Umzugskosten als\nWerbungskosten geltend machen (vgl. Froschl, Hochstrichterliche\nFinanzrechtsprechung - HFR- 2001, 966 (967)). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Der Klage ist deshalb mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO\nstattzugeben. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Da die Ermittlung des festzusetzenden Betrages der Einkommensteuer fur das\nGericht einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert, sieht der Senat nach §\n100 Abs. 2 Satz 2 FGO davon ab, die Einkommensteuer fur das Streitjahr selbst\nfestzusetzen (vgl. v. Groll in Graber, FGO, 5. Aufl. 2002, § 100 Rn. 30 ff.). \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Revision wird zugelassen. Die Frage, ob der Umstand, dass eine\nwesentliche Erleichterung des Arbeitswegs eines Ehegatten mit einer\nErschwernis der Arbeitsbedingungen des anderen Ehegatten einhergeht, die sonst\ngegebene berufliche Veranlassung eines Umzugs entfallen lasst, hat\ngrundsatzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Diese Frage ist\ntrotz des Umstands, dass der BFH - wie bereits ausgefuhrt - in seinem Urteil\nvom 27. Juli 1995 (a.a.O.) eine fur jeden Ehegatten getrennte\nBetrachtungsweise fur erforderlich halt, klarungsbedurftig, weil die konkrete\nRechtsfrage, ob eine teilweise Kompensation der Erleichterung der\nArbeitsbedingungen eines Ehegatten durch erschwerte Arbeitsbedingungen des\nanderen Ehegatten zu berucksichtigen ist, noch nicht vom BFH entschieden\nworden ist (vgl. zudem die Ausfuhrungen in dem Urteil des BFH vom 23. Marz\n2001 -VI R 189/97-, BStBl. II 2002, 56 (58), wonach wegen des zeitgleich mit\ndem Umzug angetretenen Mutterschaftsurlaubs die spatere Verlangerung des Wegs\ndes anderen Ehegatten zu seiner Arbeitsstatte fur die Entscheidung nicht\nerheblich sei). Außerdem wird in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und in\nder Literatur teilweise die Ansicht vertreten, dass eine Verrechnung der\nFahrzeitverkurzung eines Ehegatten mit der Fahrzeitverlangerung des anderen\nEhegatten vorzunehmen ist (so etwa das Urt. des Finanzgerichts - FG-\nRheinland-Pfalz vom 16. August 2001 - 4 K 1267/00 -, DStRE 2001, 1327 (1329),\ngegen das beim BFH unter dem Aktenzeichen VI R 128/01 Revision eingelegt ist;\nFroschl., a.a.O. und Thurmer in Blumich, EStG, § 9 Rn. 600 Stichwort\n"Umzugskosten" (Stand: Februar 2003)). \n--- \n---\n\n
136,783
fg-baden-wurttemberg-2004-04-06-4-k-12396
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
4 K 123/96
2004-04-06
2019-01-07 12:02:32
2019-01-17 11:56:55
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| (Überlassen von Datev) \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Streitig ist nur noch die Anwendung des § 34 Abs. 1 des\nEinkommensteuergesetzes (EStG) in der fur das Streitjahr 1990 geltenden\nFassung auf eine im Zusammenhang mit der einvernehmlichen Beendigung eines\nDienstvertrags vereinbarten Entschadigung. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit rechtskraftigem, als Zwischenurteil wirkenden Gerichtsbescheid vom\n22.2.1999, auf den Bezug genommen wird, entschied der erkennende Senat unter\nanderem, dass das in dem vor dem Landgericht Munchen I im Verfahren 5 HKO\n21048/89 (Klager gegen ...) geschlossenen Prozessvergleich vom 13.11.1990\nunter Ziffer IV. vereinbarte "Schmerzensgeld" in Hohe von 1 Mio. DM bei den\nEinkunften des Klagers aus nichtselbstandiger Tatigkeit (§ 19 EStG) zu\nerfassen ist. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Unter den Beteiligten ist weiterhin streitig, ob dieses "Schmerzensgeld"\nzusammen mit der unter Ziffer III. des Prozessvergleichs vereinbarten\n"Abfindung" in Hohe von 400.000 DM steuerlich eine einheitliche Entschadigung\nim Sinne des § 24 Nr. 1 a EStG bildet. Ware dies zu bejahen - wie das\nFinanzamt meint -, so kame die Tarifermaßigung des § 34 Abs. 1 EStG unstreitig\nmangels zusammengeballten Zuflusses nicht in Betracht. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Klager stehen allerdings auf dem Standpunkt, im Streitfall sei keine\neinheitliche Entschadigung anzunehmen. Entgegen der Auffassung des Finanzamts\nberuhe die Vereinbarung und Zahlung der Abfindung gemaß der Ziffer III. des\nProzessvergleichs und die Vereinbarung und Zahlung des Schmerzensgeldes gemaß\nder Ziffer IV. des Prozessvergleichs auf unterschiedlichen tatsachlichen und\nrechtlichen Grundlagen. Nach dem ubereinstimmenden Willen der Vertragsparteien\nsei das Schmerzensgeld als Wiedergutmachung fur den von der ... vorsatzlich\nherbeigefuhrten Rufmord bestimmt gewesen und habe insoweit auf besonderen\nFursorgeerwagungen der Arbeitgeberin beruht. Das Schmerzensgeld habe auch als\nein nach außen gerichtetes Zeichen den in seiner Wurde und Ehre verletzten\nKlager rehabilitieren sollen. Der Klager habe es ursprunglich uberhaupt nicht\nauf die Zahlung eines Schmerzensgeldes abgesehen gehabt, vielmehr habe er von\n... Eignern eine offentliche Ehrenerklarung in der ... Zeitung verlangt. Dies\nsei von den ... Eignern jedoch rigoros abgelehnt worden. Statt dessen sei die\nZahlung eines Schmerzensgeldes angeboten worden. Zu diesem "Entgegenkommen"\nhatten sich die ... Eigner allerdings nur deshalb bereit gefunden, weil ihnen\ninsbesondere der ... Zeuge eindringlich klar gemacht habe, dass die\nEhrverletzung nach deutschem Recht als Verleumdung sogar unter Strafe stehe.\nDas Angebot der ... sei jedoch auch der Hohe nach nicht verhandelbar gewesen;\nder Klager sei daher faktisch gezwungen gewesen, entweder anzunehmen oder aber\nGefahr zu laufen, angesichts der moglichen und in den Handen der ... Eigner\nliegenden Insolvenz der ... vollig leer auszugehen. Daher habe ihm sein Anwalt\nebenfalls geraten, das Angebot anzunehmen. Angesichts der vollkommen\nunterschiedlichen und voneinander unabhangigen selbststandigen\nEntschadigungstatbestande verbiete sich eine Zusammenfassung der "Abfindung"\nund des "Schmerzensgeldes" zu einer einheitlichen Abfindung im Sinne des § 24\nNr. la EStG. Dies sei auch die Auffassung der Finanzverwaltung selbst, wie\nsich insbesondere aus der Tz. 5 des BMF-Schreibens vom 18.12.2002 (BStBl I\n1998, 1512) ergebe, und der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs\n(Entscheidungen vom 4. Februar 1998 XI B 108/97 , BFH/NV 1998, 1082 und vom\n24. Januar 2002 XI R 43/99 , BFH/NV 2002, 717). \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Abfindung in Hohe von 400.000 DM sei dem Klager noch im Jahre 1990 in\neinem Betrag mit der ersten im Prozessvergleich vom 13.11.1990 vereinbarten\nRate in Hohe von 600.000 DM uberwiesen worden. Obwohl der Vergleich keine\nexplizite Aussage daruber enthalte, ob der noch im Jahre 1990 geschuldete\nTeilbetrag die Abfindung einschließe, so hatten sich die Vertragspartner\ngleichwohl vor der Protokollierung des Vergleichs entsprechend geeinigt\ngehabt. Dies ergebe sich insbesondere aus der handschriftlichen Notiz des\nHerrn ..., in der die Ergebnisse der Einigung festgehalten worden seien und\nauf welcher der Prozessvergleich aufbaue. Die im Sinne des § 366 BGB\nverbindliche Festlegung der Tilgungsreihenfolge ergebe sich im Übrigen auch\naus dem Aufbau des Prozessvergleichs und insbesondere dem Wortlaut der Ziffer\nIV. Dort heiße es namlich: "Die Beklagte bezahlt weiter an den Klager...". \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Klager stellen daher den Antrag aus dem Schriftsatz vom 24.2.2004. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Behorde beantragt dagegen, \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Nach Auffassung der Finanzbehorde ist das Schmerzensgeld in die Abfindung\neinzubeziehen; dies ergebe sich unter anderem aus dem BFH-Urteil vom 21. Marz\n1996 XI R 51/95 (BStBl II 1996, 416). Es liege folglich kein zusammengeballter\nZufluss vor. Außerdem sei selbst die "Abfindung" in Hohe von 400.000 DM nicht\nin vollem Umfang im Jahre 1990 zugeflossen, sondern nur in Hohe einer\nverhaltnismaßigen Quote. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Behorde hat uberdies eine eventuell vorzunehmende Saldierung\n("Seapower") geltend gemacht. Insoweit wird auf die schriftsatzlichen\nAusfuhrungen der Beteiligten Bezug genommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 12 \n--- \n| Die Klage ist nicht begrundet. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Nach der standigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist eine aus Anlass\nder Auflosung oder Beendigung eines Arbeitsverhaltnisses als Ersatz fur\nentgehende Einnahmen gemaß § 24 Nr. 1 a EStG gewahrte Entschadigung\ngrundsatzlich einheitlich zu beurteilen (vgl. z.B. das Urteil vom 21. Marz\n1996 XI R 51/95, BStBl II 1996, 416). An dieser Auffassung hat der\nBundesfinanzhof insbesondere in dem von den Klagern angefuhrten Urteil vom 24.\nJanuar 2002 XI R 43/99 (BFH/NV 2002, 717) ausdrucklich festgehalten. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Nahert man sich dem Entschadigungsbegriff des § 24 Nr. 1a EStG in den\nFallen der Auflosung oder Beendigung eines Arbeitsverhaltnisses uber die in\nden §§ 9 und 10 des Kundigungsschutzgesetzes geregelte\nAbfindungsentschadigung, so ist ebenfalls deren umfassende Ausgleichsfunktion\nwegen Verlustes des Arbeitsplatzes hervorzuheben (vgl. z.B. Schwerdtner im\nMunchener Kommentar zum BGB, 3. Auflage, § 622 Anhang 482 ff; Schaub,\nArbeitsrechts-Handbuch, 8. Auflage, S. 1248). \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Davon ist auch im Streitfall auszugehen. Dies ergibt sich aus folgenden\nErwagungen: \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die von den Klagern insbesondere im Schriftsatz vom 26.5.2003 vorgebrachten\nArgumente vermogen die Auffassung des Senats, steuerrechtlich konne keine\nBindung an die im Vergleich vom 13.11.1990 verbal gewahlte Anspruchsgrundlage\n"Schmerzensgeld" (§ 823 Abs. 1 BGB, Art. 1, 2 GG, § 847 BGB) bestehen, nicht\nzu erschuttern. Ware dies anders, so hatten es die Steuerpflichtigen namlich\nin der Hand, durch schlichte Wortwahl (Bezeichnung der Anspruchsgrundlage) auf\ndie Steuerbarkeit von Einnahmen Einfluss zu nehmen. Wie im\nZwischengerichtsbescheid vom 22.2.1999 ausfuhrlicher dargestellt, orientiert\nsich das Einkommensteuerrecht indes an der wirtschaftlichen Bedeutung des\nLebenssachverhalts. Dabei wird nicht verkannt, dass es aufgrund ihrer\nMentalitat moglicherweise gerade der Aspekt der strafbaren Ehrverletzung war,\nder die ... Eigner der ... bewog, im wirtschaftlichen Ergebnis wenigstens\neinen Teil der dem Klager nach der deutschen Rechtsordnung zustehenden\nmateriellen Anspruche auszugleichen. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass\nnach Auffassung des erkennenden Senats im Streitfall trotz der schweren\nEhrverletzung des Klagers durch die ... Eigner der ... nach der deutschen\nRechtsordnung, wie im Zwischengerichtsbescheid dargelegt, ein Anspruch auf\nErsatz des Schadens, der nicht Vermogensschaden ist (Schmerzensgeld), nicht\nbestand. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Jedenfalls waren mit der Erfullung des Vergleichs vom 13.11.1990 samtliche\nAnspruche des Klagers aus dem Dienstvertrag vom 3.5./1.9.1988 und seiner\nBeendigung "abgegolten und erledigt". Wie der Senat in dem als Urteil\nwirkenden und rechtskraftigen Zwischengerichtsbescheid entschieden hat,\nhandelte es sich bei dem unter der Ziffer IV. des Vergleichs ausbedungenen\n"Schmerzensgeld" - ungeachtet seiner Bezeichnung - daher gleichfalls um Ersatz\nvon Arbeitslohn im Sinne des § 24 Nr. la EStG. Angesichts des in § 5 des\nDienstvertrags vom 3.5./1.9.1988 vereinbarten (Mindest-) Jahresgehalts in Hohe\nvon ca. 480.000 DM entspricht die unter der Ziffer III. des Vergleichs vom\n13.11.1990 vereinbarte Abfindung (400.000 DM) der Großenordnung nach gerade\nmal den bis zum Abschluss des Vergleichs aufgelaufenen Bezugen des Klagers. Da\nder Dienstvertrag des Klagers jedoch fur funf Jahre, also bis Dienstvertrag\ndes Klagers jedoch fur funf Jahre, also bis zum 31.12.1993 "fest geschlossen"\nwar (§ 12 Abs. 1 Satz 1 des Dienstvertrags), liegt es auf der Hand, dass der\nunter der Ziffer IV. vereinbarte Betrag (1 Mio. DM) auch die Bereitschaft des\nKlagers honorierte, bereits nach knapp zwei Jahren Vertragslaufzeit einer\nAufhebung des Vertrags zuzustimmen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Daraus folgt aber, dass der unter de Ziffer IV. des Vergleichs vereinbarte\nBetrag (1 Mio. DM) jedenfalls zu einem erheblichen Teil Bestandteile enthalt,\ndie als Entschadigung wegen Aufhebung des Dienstvertrags und damit als Ersatz\nfur entgehende Einnahmen zu qualifizieren sind. Da diese Teile der Abfindung\ndem Klager jedoch nicht mehr im Jahre 1990, sondern spater zugeflossen sind,\nfehlt es an der erforderlichen Zusammenballung . Die Tarifermaßigung des § 34\nAbs. 1 EStG kann den Klagern daher nicht gewahrt werden. Aus diesem Grunde\nkann auch dahingestellt bleiben, ob der unter der Ziffer IV. vereinbarte\nBetrag moglicherweise zum Teil auf besonderen Fursorgeerwagungen der\nArbeitgeberin im Sinne der von den Klagern zitierten Entscheidungen des\nBundesfinanzhofs beruht. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Klage war daher abzuweisen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Kostenentscheidung des Schlussurteils beruht auf §§ 135 Abs. 1, 136\nAbs. 2 FGO. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Revision war gemaß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsatzlicher\nBedeutung der Rechtssache zuzulassen. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 12 \n--- \n| Die Klage ist nicht begrundet. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Nach der standigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist eine aus Anlass\nder Auflosung oder Beendigung eines Arbeitsverhaltnisses als Ersatz fur\nentgehende Einnahmen gemaß § 24 Nr. 1 a EStG gewahrte Entschadigung\ngrundsatzlich einheitlich zu beurteilen (vgl. z.B. das Urteil vom 21. Marz\n1996 XI R 51/95, BStBl II 1996, 416). An dieser Auffassung hat der\nBundesfinanzhof insbesondere in dem von den Klagern angefuhrten Urteil vom 24.\nJanuar 2002 XI R 43/99 (BFH/NV 2002, 717) ausdrucklich festgehalten. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Nahert man sich dem Entschadigungsbegriff des § 24 Nr. 1a EStG in den\nFallen der Auflosung oder Beendigung eines Arbeitsverhaltnisses uber die in\nden §§ 9 und 10 des Kundigungsschutzgesetzes geregelte\nAbfindungsentschadigung, so ist ebenfalls deren umfassende Ausgleichsfunktion\nwegen Verlustes des Arbeitsplatzes hervorzuheben (vgl. z.B. Schwerdtner im\nMunchener Kommentar zum BGB, 3. Auflage, § 622 Anhang 482 ff; Schaub,\nArbeitsrechts-Handbuch, 8. Auflage, S. 1248). \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Davon ist auch im Streitfall auszugehen. Dies ergibt sich aus folgenden\nErwagungen: \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die von den Klagern insbesondere im Schriftsatz vom 26.5.2003 vorgebrachten\nArgumente vermogen die Auffassung des Senats, steuerrechtlich konne keine\nBindung an die im Vergleich vom 13.11.1990 verbal gewahlte Anspruchsgrundlage\n"Schmerzensgeld" (§ 823 Abs. 1 BGB, Art. 1, 2 GG, § 847 BGB) bestehen, nicht\nzu erschuttern. Ware dies anders, so hatten es die Steuerpflichtigen namlich\nin der Hand, durch schlichte Wortwahl (Bezeichnung der Anspruchsgrundlage) auf\ndie Steuerbarkeit von Einnahmen Einfluss zu nehmen. Wie im\nZwischengerichtsbescheid vom 22.2.1999 ausfuhrlicher dargestellt, orientiert\nsich das Einkommensteuerrecht indes an der wirtschaftlichen Bedeutung des\nLebenssachverhalts. Dabei wird nicht verkannt, dass es aufgrund ihrer\nMentalitat moglicherweise gerade der Aspekt der strafbaren Ehrverletzung war,\nder die ... Eigner der ... bewog, im wirtschaftlichen Ergebnis wenigstens\neinen Teil der dem Klager nach der deutschen Rechtsordnung zustehenden\nmateriellen Anspruche auszugleichen. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass\nnach Auffassung des erkennenden Senats im Streitfall trotz der schweren\nEhrverletzung des Klagers durch die ... Eigner der ... nach der deutschen\nRechtsordnung, wie im Zwischengerichtsbescheid dargelegt, ein Anspruch auf\nErsatz des Schadens, der nicht Vermogensschaden ist (Schmerzensgeld), nicht\nbestand. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Jedenfalls waren mit der Erfullung des Vergleichs vom 13.11.1990 samtliche\nAnspruche des Klagers aus dem Dienstvertrag vom 3.5./1.9.1988 und seiner\nBeendigung "abgegolten und erledigt". Wie der Senat in dem als Urteil\nwirkenden und rechtskraftigen Zwischengerichtsbescheid entschieden hat,\nhandelte es sich bei dem unter der Ziffer IV. des Vergleichs ausbedungenen\n"Schmerzensgeld" - ungeachtet seiner Bezeichnung - daher gleichfalls um Ersatz\nvon Arbeitslohn im Sinne des § 24 Nr. la EStG. Angesichts des in § 5 des\nDienstvertrags vom 3.5./1.9.1988 vereinbarten (Mindest-) Jahresgehalts in Hohe\nvon ca. 480.000 DM entspricht die unter der Ziffer III. des Vergleichs vom\n13.11.1990 vereinbarte Abfindung (400.000 DM) der Großenordnung nach gerade\nmal den bis zum Abschluss des Vergleichs aufgelaufenen Bezugen des Klagers. Da\nder Dienstvertrag des Klagers jedoch fur funf Jahre, also bis Dienstvertrag\ndes Klagers jedoch fur funf Jahre, also bis zum 31.12.1993 "fest geschlossen"\nwar (§ 12 Abs. 1 Satz 1 des Dienstvertrags), liegt es auf der Hand, dass der\nunter der Ziffer IV. vereinbarte Betrag (1 Mio. DM) auch die Bereitschaft des\nKlagers honorierte, bereits nach knapp zwei Jahren Vertragslaufzeit einer\nAufhebung des Vertrags zuzustimmen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Daraus folgt aber, dass der unter de Ziffer IV. des Vergleichs vereinbarte\nBetrag (1 Mio. DM) jedenfalls zu einem erheblichen Teil Bestandteile enthalt,\ndie als Entschadigung wegen Aufhebung des Dienstvertrags und damit als Ersatz\nfur entgehende Einnahmen zu qualifizieren sind. Da diese Teile der Abfindung\ndem Klager jedoch nicht mehr im Jahre 1990, sondern spater zugeflossen sind,\nfehlt es an der erforderlichen Zusammenballung . Die Tarifermaßigung des § 34\nAbs. 1 EStG kann den Klagern daher nicht gewahrt werden. Aus diesem Grunde\nkann auch dahingestellt bleiben, ob der unter der Ziffer IV. vereinbarte\nBetrag moglicherweise zum Teil auf besonderen Fursorgeerwagungen der\nArbeitgeberin im Sinne der von den Klagern zitierten Entscheidungen des\nBundesfinanzhofs beruht. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Klage war daher abzuweisen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Kostenentscheidung des Schlussurteils beruht auf §§ 135 Abs. 1, 136\nAbs. 2 FGO. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Revision war gemaß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsatzlicher\nBedeutung der Rechtssache zuzulassen. \n--- \n---\n\n
136,933
olgstut-2006-03-16-2-u-22605
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
2 U 226/05
2006-03-16
2019-01-07 12:04:09
2019-02-12 12:39:09
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung des Antragstellers wird das Urteil des Vorsitzenden der\n37. Kammer fur Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 16.11.2005\n\n> > > > > g e a n d e r t .\n\n2\\. Die Antragsgegnerin wird bei Meidung eines fur jeden Fall der\nZuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR,\nersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu\nvollziehen an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern in der Antragsgegnerin,\nim Wege der einstweiligen Verfugung verurteilt, es zu unterlassen, im\ngeschaftlichen Verkehr fur das Mittel „Z." zu werben:\n\n„Die Orotsaure\n\n\\- fordert das Zellwachstum\n\n\\- unterstutzt den Schutz der Leberzellen vor Giftstoffen".\n\n3\\. Die Antragsgegnerin tragt die Kosten des Rechtsstreits in beiden\nRechtszugen.\n\nGegenstandswert des Berufungsverfahrens: 10.000,00 EUR\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Berufung des Antragstellers ist zulassig, der Sache nach von Erfolg. \n--- \n**A.** \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Antragsgegnerin hat in „D. A.zeitung" vom 29.09.2005 fur ein Praparat,\nbezuglich dessen sie uber die Zulassung verfugt: \n--- \n| 3 \n--- \n| Behandlung von Zinkmangelzustanden \n--- \n| 4 \n--- \n| fur den maßgeblichen Wirkstoff dahin geworben: \n--- \n| 5 \n--- \n| „Die Orotsaure \n--- \n| 6 \n--- \n| \\- fordert das Zellwachstum \n--- \n| 7 \n--- \n| \\- unterstutzt den Schutz der Leberzellen vor Giftstoffen". \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Antragsteller hat darin einen Verstoß gegen § 3 a HWG gesehen, da damit\nWerbung außerhalb des zugelassenen Anwendungsbereichs betrieben werde, und\nspater - wie allerdings schon in der Abmahnung - seinen Verfugungsanspruch\nauch darauf gestutzt, dass § 3 Nr. 1 HWG verletzt sei, weil damit eine\nwissenschaftlich nicht fundierte Wirkungsaussage getroffen werde. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Antragsgegnerin sah § 3 a HWG schon nicht als erfullt an, da die\nangegriffene Werbung keinen Anwendungsbereich anspreche; eine Irrefuhrung sei\nnicht gegeben, da der Antragsgegnerin umfangliche wissenschaftliche Belege fur\ndie Richtigkeit der Angaben zu Gebote stunden. \n--- \n| 10 \n--- \n| Das **Landgericht** wies den Verfugungsantrag zuruck, da diese Werbung keine\nAnwendungsbereiche beanspruche, sondern nur pharmakologische Wirkungsaussagen\ntrafe. Der nur angesprochene fachkundige Verkehr, die Apothekerschaft, kenne\ndie Wirkungsweise der angegebenen Bestandteile; im Übrigen sei der\nAntragsteller die Glaubhaftmachung schuldig geblieben, dass die von der\nAntragsgegnerin vorgelegten Belege unzutreffend seien. \n--- \n| 11 \n--- \n| Dagegen wendet sich die **Berufung des Antragstellers** , \n--- \n| 12 \n--- \n| die ein falsches Verstandnis des ohnehin auf jedes Publikum bezogenen § 3 a\nHWG annimmt; denn verboten sei Werbung außerhalb des Anwendungsgebietes. Im\nÜbrigen habe das Landgericht auch die Glaubhaftmachungslast im Rahmen des § 3\nHWG verkannt. Der Antragsteller habe die wissenschaftliche Fragwurdigkeit der\nAussage glaubhaft zu machen, was dem Erkenntnisstand zu entnehmen sei, welchen\nder Senat im zwischen den Parteien mit Rechtskraftwirkung im Jahre 1990\ngefuhrten Prozess erhoben habe, woran sich, wie erganzend vorgelegte\nUnterlagen ergaben, nichts geandert habe. \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Antragsteller beantragt \n--- \n| 14 \n--- \n| \\- wie erkannt -. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Antragsgegnerin beantragt, \n--- \n| 16 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung als richtig und verweist\ndarauf, dass Rechtskraftwirkung schon deshalb nicht bestehe, weil auf\nBeklagtenseite vormals eine zwar namensahnliche, aber nicht identische Partei\nProzessbeteiligte gewesen sei. \n--- \n| 18 \n--- \n| Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsatze sowie\ndie Verhandlungsniederschriften verwiesen (§ 313 Abs. 2 S. 2 ZPO). \n--- \n**B.** \n--- \n| 19 \n--- \n| 1\\. § 3 a S. 2 HWG ist nicht erfullt. \n--- \n| 20 \n--- \n| a) aa) Dieser in das abstrakte Gefahrdungsdelikt des § 3 a HWG (vgl. hierzu\nReinhart in Fezer, UWG [2005], § 4-S4, 399; Bulow GRUR 2005, 482, 484) neu\naufgenommene zweite Satz, wonach das Werbeverbot des Satzes 1 auch gelte, wenn\nsich die Werbung auf Anwendungsgebiete oder Darreichungsformen beziehe, die\nnicht von der Zulassung erfasst sind, sollte nach der Gesetzesbegrundung (BT-\nDrucks. 15/5728 S. 84 zu Art. 2 Nr. 1 a [§ 3 a HWG]) klarstellen, „dass das\nVerbot der Werbung fur nicht zugelassene Arzneimittel in dem in den Satzen 1\nund 2 beschriebenen Umfang gilt. Damit wird inhaltlich auch einem Vorschlag\ndes Bundesrates zu § 12 entsprochen, nach dem sich die Werbung nur auf den\n"eigentlichen Indikationszweck" beziehen darf. Auf die Beantwortung der Frage,\nob das Arzneimittel tatsachlich in dem Anwendungsgebiet oder in der\nDarreichungsform auch außerhalb der Zulassung wirksam ist oder nicht, kommt es\nbei der Beurteilung eines Verstoßes gegen § 3 a HWG nicht an. Selbst eine\nlangjahrig nachgewiesene Wirksamkeit andert nichts an dem Verbot einer\nentsprechenden Bewerbung. Die Verbotsvorschrift des § 3 a HWG knupft an dem\nformalen Kriterium der Erfassung in der Zulassung an. Ist das Anwendungsgebiet\nvon der Zulassung umfasst, kann dafur geworben werden, wenn nicht, scheidet\neine Werbung aus (Kieser, A&R 2006, 3, 4). Damit ist ersichtlich nur das\nGesetz geworden, was bislang schon in Rechtsprechung und Literatur vertreten\nworden ist. Denn nach der Rechtsprechung und Teilen der Literatur stellte auch\ndie Werbung fur ein zugelassenes Arzneimittel bezuglich weitergehender, vom\narzneimittelrechtlichen Zulassungsstatus nicht abgedeckter Indikationen einen\nAnwendungsfall des § 3 a HWG dar, obwohl dies nicht aus dem Wortlaut der\nVorschrift hervorging. Begrundet wurde diese Ausdehnung des Anwendungsbereichs\nder Vorschrift damit, dass es im Bereich nicht zugelassener Indikationen an\nder medizinisch-pharmakologischen Überprufung durch die Zulassungsbehorde\nfehle (Reinhart a.a.O. § 4-S4, 400 m.umfangl.N.). Danach wendet sich die\nVorschriftenerganzung gegen eine Ausweitung der Angabe des Anwendungsgebietes\nuber den Zulassungsbereich hinaus, schreibt aber nicht vor - wie der\nAntragsteller augenscheinlich meint -, Arzneimittelwerbung beschranke sich\neinzig auf die reine Angabe des zugelassenen Anwendungsgebietes. Ansonsten\nware auch fur die Anwendung des § 3 Nr. 1 HWG im Bereich der Arzneimittel kein\nRaum. \n--- \n| 21 \n--- \n| bb) Das Gesetz versteht unter „Anwendungsgebiet" die Indikation, den\nmedizinischen Zweck, fur den das Arzneimittel anzuwenden ist (Bulow in\nBulow/Ring, HWG, 2. Aufl., § 4, 58). Er ist gleichbedeutend mit dem in der\nmedizinischen Wissenschaft gebrauchlichen Begriff der Indikation (Doepner,\nHWG, 2. Aufl., § 4, 36; Kloesel/Cyran, AMG, § 11 [79. Erg.-Lief.], Rdn. 27;\nRehmann, AMG, 2. Aufl., § 11, 6; vgl. auch Reinhart a.a.O. 400). Er bezeichnet\ndie dem Arzneimittel gegebene Zweckbestimmung, insbesondere die korperlichen\nund seelischen Zustande, die durch das betreffende Arzneimittel beeinflusst\nwerden sollen (Doepner a.a.O. 36; Kloesel/Cyran a.a.O. 27). Es sind demgemaß\ndie Krankheiten, Leiden, Korperschaden oder krankhaften Beschwerden gemeint,\ndie das Heilmittel heilen, verhindern, lindern oder erkennen lassen soll\n(Bulow a.a.O. 58; Kloesel/Cyran a.a.O. 27). \n--- \n| 22 \n--- \n| b) Vorliegend bezeichnet die angegriffene Werbung keine Anwendungsgebiete\ndes Arzneimittels, also keine Indikationen oder Krankheitsbilder, vielmehr nur\nWirkungsaussagen. Die Deutung des Antragstellers, es gehe um die Krankheit der\nTrunksucht (Leberschaden, Bl. 36, 46), ist abwegig. \n--- \n| 23 \n--- \n| 2\\. § 3 Nr. 1 HWG ist jedoch erfullt. \n--- \n| 24 \n--- \n| a) Dass dem Hauptbestandteil des Praparats und damit diesem selbst eine\ntherapeutische Wirksamkeit und Wirkung beigelegt wird, stellt auch die\nAntragsgegnerin selbst nicht in Abrede. Sie verteidigt die Wirkungsaussagen\nnur dahin, dass das Arzneimittel sie habe. Tatsachlich entnimmt der\ninformierte und aufmerksame Adressat (vgl. hierzu BGH Teil-U. v. 21.07.2005 -\nI ZR 94/02 - _Ginseng-Pr aparat_ ; Reinhart a.a.O. 380) diesen Aussagen die\nkonkreten Wirkungsangaben hinsichtlich Zellwachstum und Leberzellenschutz vor\nGiftstoffen. Dies kann der Senat, obgleich seine Mitglieder nicht zu den\nangesprochenen Verkehrskreisen gehoren, auch selbst feststellen, weil es\nvorliegend nur um die rein sprachliche Aufnahme des Aussagegehaltes geht, fur\nwelches Fachwissen nicht Voraussetzung ist (vgl. hierzu BGH GRUR 2006, 79, 81\n[Rz. 27] - _Jeans_ ; OLG Hamburg MD 1999, 969, 972). \n--- \n| 25 \n--- \n| b) Zwar trifft im Rahmen des § 3 Nr. 1 HWG den Klager grundsatzlich die\nBeweislast (OLG Hamburg MD 2002, 164, 166; Reinhart a.a.O. 381; Bulow a.a.O. §\n3, 38; inzident BGH a.a.O. [II 1 b] - _Ginseng-Pr aparat_ ), den Antragsteller\nmithin die Glaubhaftmachungslast. Nur wenn eine in der Gesundheitswerbung\nverwendete Aussage wissenschaftlich umstritten ist, hat derjenige, der sie\nsich zu Eigen macht, den Nachweis zu fuhren, dass sie stimmt, wenn er darauf\nverzichtet, auf die Umstrittenheit hinzuweisen (OLG Hamburg a.a.O. 166; OLG\nFrankfurt GRUR-RR 2003, 295; Bulow a.a.O. 39; krit. zur dogmatischen\nHerleitung, im Ergebnis aber ebenso: Doepner a.a.O. § 3 HWG, 34 und 35;\nReinhart a.a.O. 381). Um „wissenschaftlich" anerkannt zu sein, mussen\nBeurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und an\nanderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen\nmedizinischen Fachrichtung tatig sind. Um „allgemein" anerkannt zu sein, muss\ndie Therapieform zwar nicht ausnahmslos, aber doch uberwiegend in den\nfachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschatzt werden. Somit\nist eine Behandlungsmethode dann „wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt",\nwenn eine Einschatzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der\njeweiligen medizinischen Fachrichtung tatigen Wissenschaftler nicht vorliegt\noder wenn die uberwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten\nWissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls\ngering beurteilt (BVerwG NJW 1996, 801, 802; vgl. auch Pelchen in\nErbs/Kohlhaas, Strafrechtliche NebenGe , HWG [2004], § 3, 12), es sei denn,\ndass die Werbung selbst zu erkennen gibt, dass etwa eine homoopathische\nWirkung in Anspruch genommen wird; dann gilt nur der Erfahrungsmaßstab dieser\nmedizinischen Richtung (vgl. OLG Hamburg MD 1999, 969, 973; Doepner a.a.O. 72;\nReinhart a.a.O. 382). Tragt der Klager, dem zunachst die Beweislast obliegt,\ndas Fehlen einer wissenschaftlichen Grundlage einer gesundheitsbezogenen\nWerbeaussage substanziiert vor, so ist es die Aufgabe des Beklagten, die\nwissenschaftliche Absicherung seiner Werbeangabe zu beweisen. Nur wenn der\nKlager seiner Pflicht zur Substanziierung und zum Nachweis wissenschaftlicher\nZweifel an der angegriffenen Werbeaussage nachgekommen ist, kann sich dieser\nauf die Beweiserleichterung berufen (OLG Hamburg a.a.O. 166; OLG Frankfurt\na.a.O. 295/296; OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 173, 175; Reinhart a.a.O. 381). Zur\nSubstanziierung des klagerischen \n--- \n| 26 \n--- \n| Vorbringens genugt beispielsweise die Vorlage einer substanzbezogenen\nMonographie im Sinne des § 25 Abs. 7 AMG, wenn diese die umstrittenen\nWirkungen nicht abdeckt (OLG Frankfurt a.a.O. 296; Reinhart a.a.O. 381;\nDoepner a.a.O. 72; vgl. auch Senat MD 1993, 160, 169). \n--- \n| 27 \n--- \n| c) Der Antragsteller ist seiner - hier - Glaubhaftmachungslast dadurch\ngerecht geworden, dass er - losgelost von Rechtskraftfragen - unter Bezugnahme\nauf die Entscheidung des Senates vom 27.11.1992 - 2 U 236/00 (veroffentlicht\nin MD 1993, 160 f) belegt hat, dass im dortigen Hauptsacheverfahren unter\nEinschaltung eines Sachverstandigen Prof. Dr. F. und der Einholung einer\nAuskunft des Bundesgesundheitsamtes die dortige Beweisaufnahme ergeben hatte,\ndass therapeutische Wirkungen, wobei „ von besonderem Interesse ... hierbei\n[die unten angefuhrten] zwei Eigenschaften der Orotsaure" waren (Senat a. a.\nO. 161), „als nicht hinreichend belegt beurteilt" werden mussten (Senat a.a.O.\n169), womit die Aussagen zu Eigenschaften der Orotsaure: \n--- \n| 28 \n--- \n| -Ihr Wachstumssteigerungseffekt \n--- \n| 29 \n--- \n| -Ihr Einfluss auf den Leberstoffwechsel \n--- \n| 30 \n--- \n| betroffen waren (Senat a.a.O. i.V.m. Antrag b, dort S. 164). Danach sind in\njenem Erkenntnisverfahren nicht - wie die Antragsgegnerin in der mundlichen\nVerhandlung vor dem Senat glauben machen wollte - (nur) therapeutische\nWirkungen, also pharmakologische Wirkungen fur klinische Anwendungsgebiete,\nStreitgegenstand gewesen, sondern eben inhaltsgleiche werbliche\nWirkungsbeanspruchungen. Durch die Vorlage der Abhandlungen A 5 = Bl. 37 bis\n40 und A 6 = Bl. 41 bis 45 ist zudem dargetan, dass auch der weitere\nwissenschaftliche Fortschritt insoweit keine durchgreifenden Erkenntnisse im\nSinne der Wirkungsberuhmungen der Antragsgegnerin erbracht hat. \n--- \n| 31 \n--- \n| d) Danach war es an der Antragsgegnerin, die Glaubhaftmachung zu erbringen,\ndass ihre Wirkungsaussagen wissenschaftlich - eine alternativmedizinische\nWirkungsbeanspruchung liegt nicht vor - gesichert ist. Dies ist ihr nicht\ngelungen. In Englisch gehaltene Dokumentationen (AG 4 = Bl. 91 bis 112) sind\nnicht verwertbar (vgl. § 184 GVG). Darauf hat bereits schon der Antragsteller\nzutreffend hingewiesen. Soweit die Antragsgegnerin diese Handhabung damit\nbekampft, dass danach die in diesen Publikationen angeblich verkorperten\nNiederlegungen des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes „einfach mit dem\nEinwand beiseite gewischt werde, man sei der englischen Sprache nicht\nhinreichend machtig", so entspricht diese zugespitzte Schlussfolgerung aber\ngerade der gesetzgeberischen Wertung. Denn das Gericht muss nicht jeder und\nauch nicht jeder gangigen Fremdsprache machtig sein. Die wenigen restlichen in\nDeutsch gehaltenen Publikationen sind schon hinsichtlich der Stellung des\nAutors innerhalb der Fachwelt offen, im Übrigen als einzelne Stimme nicht\ntauglich, eine gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis zu belegen (vgl.\ninsoweit Pelchen a.a.O. § 3 HWG, 12). Eine andere Wertung ist auch nicht im\nHinblick auf die mit Schriftsatz vom 22.02.2006 und weiter in der mundlichen\nVerhandlung vorgelegten erganzenden Äußerungen und Erlauterungen geboten. Zum\nTeil gilt insoweit, worauf der Senat in der mundlichen Verhandlung hingewiesen\nhat, dass auch sie nur in englischer Sprache abgefasst sind. Zudem besagt der\nUmstand, dass sich eine Publikation „Lexikon" nennt, aus sich heraus noch\nnichts uber deren wissenschaftlichen Stellenwert. Das Privatgutachten Prof.\nDr. S., wurde es die ihm zugeschriebene wissenschaftliche Wertung enthalten,\nstellte dann ohnehin nur eine Stimme innerhalb eines dann zumindest als offen\nzu behandelnden wissenschaftlichen Streites dar, was angesichts der\naufgezeigten Glaubhaftmachungsregeln noch nicht zu Gunsten der Antragsgegnerin\nausschluge. Professor S. beruft sich jedoch nahezu durchgangig nur auf\nVeroffentlichungen aus den 50er und 60er Jahren, vereinzelt auf solche der\n70er Jahre, und nur noch auf eine aus dem Jahre 1981 und eine von 1990, welche\nden aktuellsten Beleg darstellt. Die Aufgabe des Gutachters und des\nangeschriebenen Bundesgesundheitsamtes im Falle des Senatsurteils von 1992 war\naber gerade, unter Einschluss des damaligen wissenschaftlichen\nErkenntnisstandes eine Aussage uber das wissenschaftliche Gesichertsein der\ninhaltsgleichen Wirkungsberuhmungen zu treffen. Unter Berucksichtigung dieses\nErkenntnisstandes gelangten beide jedoch zum Ergebnis, dass die beanspruchten\nWirkungen wissenschaftlich nicht hinreichend belegt seien. Im Übrigen\nerschopft sich das Privatgutachten Prof. S. hinsichtlich der ersten\nWirkungsaussage, wie auch der andere vorgelegte Aufsatz, einzig in der bloßen\nBehauptung, dass die Orotsaure eine Wirkung besitze. Bezuglich der zweiten\nAussage verliert sich diese Stellungnahme in der Äußerung, dass die\nbeigefugten Arbeiten „eindeutig auf eine klinische Relevanz der Unterstutzung\nder Leberfunktion" hinwiesen, womit die konkrete Wirkungsaussage aber nur\nannahernd erreicht wird. Zudem kann nicht ubersehen werden, dass der\nPrivatgutachter in Bezug auf das uberlieferte Quellenmaterial selbst\nzusammenfassend feststellt, dass auf Grund der Fulle der Aufsatze und der\nKurze der Zeit, welche zur Ausarbeitung des Privatgutachtens zur Verfugung\ngestanden habe, „eine detaillierte Bewertung noch nicht moglich" gewesen sei.\nDamit offenbart das Privatgutachten neben seinen veralteten Quellen selbst,\ndass es nur sehr kursorisch sei, was ihm allemal nimmt,\nGlaubhaftmachungsmittel von einem Gewicht zu sein, dass die\nAusgangsglaubhaftmachung des Antragstellers als die Wiedergabe eines nicht\n(mehr) maßgeblichen wissenschaftlichen Standpunktes angesehen werden muss.\nDamit ist die Antragsgegnerin ihrer (Gegen-)Glaubhaftmachungslast nicht\ngerecht geworden. \n--- \n| 32 \n--- \n| 3\\. § 3 HWG ist nicht nur auf Wirkungsaussagen gegenuber Laien beschrankt\n(Reinhart a.a.O. § 4-S4, 371 und 380; vgl. auch Bulow a.a.O. § 3, 19). Dass\ndie angesprochenen Fachkreise die Wirkungsaussagen unschwer als falsch oder\nungesichert erkennen konnten, behauptet die Antragsgegnerin, welche sie\nvielmehr als zutreffend verteidigt, selbst nicht. \n--- \n| 33 \n--- \n| 4\\. Ein Verstoß gegen die Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes, die auch\ndazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu\nregeln (§ 4 Nr. 11 UWG), ist grundsatzlich geeignet, den Wettbewerb zum\nNachteil der Mitbewerber und der Verbraucher nicht nur unerheblich zu\nbeeintrachtigen (§ 3 UWG; BGH Teil-U. v. 21.07.2005 - I ZR 94/02 [II 2] -\n_Ginseng-Pr aparat_ ). \n--- \n**II.** \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 542 Abs. 2 i.V.m. § 3 ZPO. \n--- \n| 35 \n--- \n| Dass sich der Verstoß letztlich nur aus § 3 Nr. 1 HWG herleiten lasst und\nnicht auch - wie vom Antragsteller geltend gemacht - aus § 3 a HWG, stellt ein\nTeilunterliegen nicht dar, da damit einem einheitlichen gleichgerichteten\nVerbotsantrag nur unterschiedliche rechtliche Begrundungen unterlegt waren,\nnicht jedoch war jede behauptete Verletzung der Norm zum eigenstandigen\nStreitgegenstand erhoben worden. \n---\n\n
136,952
lsgbw-2006-03-20-l-8-as-36906-er-b
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 8 AS 369/06 ER-B
2006-03-20
2019-01-07 12:04:25
2019-01-17 11:57:05
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts\nHeilbronn vom 12. Dezember 2005 abgeandert und die aufschiebende Wirkung des\nWiderspruchs gegen den Bescheid vom 11. Oktober 2005 angeordnet, soweit darin\nder Antragsteller zur Erstattung von 799,- EUR verpflichtet wird. Im Übrigen\nwird die Beschwerde zuruckgewiesen.\n\nVon den außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Antrags- und\nBeschwerdeverfahren tragt die Antragsgegnerin die Halfte.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Mit Bescheid vom 11.10.2005 hob die Antragsgegnerin eine fruhere\nEntscheidung uber die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des\nLebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - (SGB II) fur die\nZeit ab 01.01.2005 auf und forderte vom Antragsteller die fur Januar 2005\nbereits erbrachten Leistungen in Hohe von 799,00 EUR zuruck. Der Antragsteller\nerstrebt nun die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines gegen diesen\nBescheid eingelegten Widerspruchs. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der 2005 geborene, ledige Antragsteller - von Beruf Grafikdesigner - bezog\nzuletzt bis 05.07.2003 Arbeitslosengeld. Er ist als Schwerbehinderter mit\neinem Grad der Behinderung (GdB) von 100 anerkannt. Am 22.12.2004 beantragte\ner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Im\nAntragsformular mit der Überschrift „Zusatzblatt 3 zur Feststellung des zu\nberucksichtigenden Vermogens" machte er auch Angaben zu den drei\nLebensversicherungen, die er bei zwei Versicherungsgesellschaften\nabgeschlossen hatte. Bei allen drei Versicherungen gab er mit Stand Juli 2003\nden Auszahlungsbetrag bei Ruckkauf an und bei zwei Versicherungen machte er\nauch Angaben zu den bisher eingezahlten Beitragen und zur Hohe der\nVersicherungssumme. Mit Schreiben vom 27.12.2004 teilte die Antragsgegnerin\ndem Antragsteller mit, uber seinen Antrag konne noch nicht entschieden werden,\nweil noch Unterlagen fehlten. Wortlich hieß es in dem Schreiben: „Bitte\nschicken Sie uns eine Kopie ihrer Lebensversicherung mit aktuellem\nRuckkaufswert. Bitte reichen Sie uns die noch erforderlichen Unterlagen bis\nzum 31.12.2004 nach. Bitte schicken Sie die Unterlagen mit der Post." Der\nAntragsteller kam dieser Aufforderung mit Schreiben vom 30.12.2004 nach. Er\nlegte Mitteilungen der D Versicherungen und der Schweizerischen Rentenanstalt\nSwiss Life vor, nach denen sich die Ruckkaufswerte der zwei\nLebensversicherungen einschließlich Überschussguthaben bei der D zum\n01.01.2005 auf 7.164,19 EUR bzw. 16.085,47 EUR und der Ruckkaufswert der\nLebensversicherung bei der schweizerischen Rentenanstalt S einschließlich\nÜberschussguthaben und Schlussdividenden zum 31.12.2004 auf 16.507,62 EUR\nbeliefen. Anschließend bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit\nBescheid vom 18.01.2005 fur die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 Leistungen\nzur Sicherung des Lebensunterhalts in Hohe von monatlich 799,00 EUR. In dem\nBescheid wurde der Antragsteller aufgefordert, komplett fur alle drei\nLebensversicherungen den bisher einbezahlten Betrag vorzulegen. Außerdem fehle\nder Ruckkaufswert einer Lebensversicherung bei der D. \n--- \n| 3 \n--- \n| Daraufhin legte der Antragsteller weitere Mitteilungen seiner\nVersicherungen vor, aus denen sich ergibt, dass sich die eingezahlten Beitrage\nbei der S zum 03.02.2005 auf 10.787,10 EUR und bei den D-Versicherungen zum\n01.01.2005 auf 11.985,40 EUR und 4.273,92 EUR beliefen. Nach Eingang dieser\nMitteilungen stellte die Antragsgegnerin die Zahlung der mit Bescheid vom\n18.01.2005 bewilligten Leistungen ab Februar 2005 ein; der dem Antragsteller\nfur den Monat Januar 2005 zuerkannte Betrag von 799,- EUR war bereits zur\nAuszahlung gelangt. \n--- \n| 4 \n--- \n| Am 09.05.2005 horte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur\nbeabsichtigten Rucknahme der Bewilligung ab 01.01.2005 und zur Ruckforderung\nder fur Januar 2005 erbrachten Leistungen in Hohe von 799,00 EUR an. Er habe\naufgrund eines Fehlers Arbeitslosengeld II in Hohe von 799,00 EUR erhalten,\nobwohl ihm keine Leistungen zustunden. Die Ruckkaufswerte der\nLebensversicherungen hatten ihnen nicht vorgelegen, sodass sie nicht hatten\nerkennen konnen, dass der Auszahlbetrag von 17.123,71 EUR als Vermogen zu\nbewerten sei. Der Antragsteller habe die Überzahlung zwar nicht verursacht,\nhatte jedoch erkennen konnen, dass die Voraussetzungen fur die Leistung nicht\nvorgelegen hatten. Der Antragsteller brachte hierzu vor, ihm stunden\nLeistungen nach dem SGB II zu. Überdies habe er nicht erkennen konnen, dass er\nangeblich nicht berechtigt gewesen sei, Leistungen zu erhalten. Außerdem\nverfuge er uber keine Einnahmen, sodass er den verlangten Betrag nicht\nerstatten konne. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Bescheid vom 11.10.2005 hob die Antragsgegnerin die Bewilligung der\nLeistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II fur die Zeit ab\n01.01.2005 in Hohe von monatlich 799,00 EUR ganz auf. Der Antragsteller\nverfuge uber Vermogenswerte in Hohe von 17.123,71 EUR, sodass er nicht\nhilfebedurftig sei. Aufgrund der bei Antragstellung nur teilweise\neingereichten Unterlagen und unter Zuhilfenahme des ihm ausgehandigten\nMerkblatts hatte er erkennen konnen, dass ihm die Leistungen nicht zugestanden\nhatten. \n--- \n| 6 \n--- \n| Dagegen legte der Antragsteller am 18.10.2005 Widerspruch ein. Mit einem\nweiteren Schreiben vom 20.10.2005 bat er um Mitteilung, ob die Antragsgegnerin\nvom Einzug der Forderung bis zum rechtskraftigen Abschluss des Verfahrens\nAbstand nehme. Dies lehnte die Antragsgegnerin ab. \n--- \n| 7 \n--- \n| Am 28.11.2005 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Heilbronn\n(SG) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den\nRucknahmebescheid vom 11.10.2005. Unter Hinweis auf die Zahlungsaufforderung\nvom 12.10.2005 machte er geltend, der hier streitige Erstattungsanspruch falle\nnicht unter die Regelung des § 39 SGB II, wonach Widerspruch und\nAnfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der uber Leistungen der\nGrundsicherung fur Arbeitsuchende entscheide, keine aufschiebende Wirkung\nhaben. \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit Beschluss vom 12.12.2005 lehnte das SG den Antrag auf Anordnung der\naufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid\nvom 11.10.2005 ab. Der Widerspruch habe keine aufschiebende Wirkung. Die von\nder Antragsgegnerin durch Verwaltungsakt getroffene Regelung, nach der der\nAntragsteller die uberzahlte Leistung zu erstatten habe, werde von § 39 Ziff.\n1 SGB II erfasst. Unter einem Verwaltungsakt, der „uber Leistungen der\nGrundsicherung .." entscheide, sei auch ein Rucknahme- und Erstattungsbescheid\nzu verstehen. Die Vorschrift sehe keine Differenzierungen nach der zeitlichen\nWirkung, der Leistungsart oder nach der Eingriffsgrundlage vor. Ob im\nvorliegenden Fall die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen ist,\nbestimme sich daher nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Es\nbestunden jedoch keine ernstliche Zweifel an der Rechtmaßigkeit des\nangefochtenen Bescheides, sodass der Antrag unbegrundet sei. Es sei fur den\nAntragsteller erkennbar gewesen, dass die mit Bescheid vom 18.01.2005 zu\nUnrecht erfolgte Bewilligung von Alg II darauf beruht habe, dass die\nvorgelegten Unterlagen nicht vollstandig gewesen seien, sodass fur die\nAntragsgegnerin nicht ersichtlich gewesen sei, dass dem Antragsteller die\nVerwertung der Lebensversicherungen zumindest teilweise wirtschaftlich\nzumutbar gewesen sei. Im Bescheid vom 18.01.2005 sei der Antragsteller namlich\naufgefordert worden, hinsichtlich der drei Versicherungen die Hohe seiner\nbisherigen Einzahlungen nachzuweisen. Er habe damit nicht darauf vertrauen\nkonnen, dass ihm die bewilligte Leistung ungeachtet des Inhalts der\nangeforderten Unterlagen zustehen wurde. Ob der Antragsteller auch die\nRechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung hatte erkennen mussen, konne\ndahingestellt bleiben. Hierfur sprachen allerdings die Ausfuhrungen im\nMerkblatt „Grundsicherung fur Arbeitsuchende" zum zu berucksichtigenden\nVermogen. Der Beschluss wurde dem Prozessbevollmachtigten des Antragstellers\nam 14.12.2005 zugestellt. \n--- \n| 9 \n--- \n| Am 13.01.2006 hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt, der das SG nicht\nabgeholfen hat. Er nimmt Bezug auf sein bisheriges Vorbringen und macht unter\nHinweis auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Magdeburg (Beschluss vom\n27.10.2005 - S 28 AS 543/05 ER) geltend, grundsatzlich hatten Widerspruch und\nAnfechtungsklage gemaß § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung, weshalb die\nAusnahmevorschrift des § 39 SGB II eng auszulegen sei. Ferner teilt der\nAntragsteller mit, er habe am 20.02.2006 - der Widerspruchsbescheid sei am\n01.02.2006 ergangen - Klage beim SG erhoben. \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Antragsteller beantragt, \n--- \n| 11 \n--- \n| die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der\nAntragsgegnerin vom 11. Oktober 2005 anzuordnen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Antragsgegnerin beantragt, \n--- \n| 13 \n--- \n| die Beschwerde zuruckzuweisen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Sie halt den angefochtenen Beschluss fur zutreffend. \n--- \n| 15 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf die Akten erster und zweiter Instanz einschließlich der\nAkten S 8 AS 2354/05 und die Akten der Antragsgegnerin Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 16 \n--- \n| Die gemaß den §§ 172 Abs. 1, 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte\nBeschwerde des Antragstellers ist zulassig und teilweise begrundet. Die\nVoraussetzungen fur eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs\ngegen den Bescheid vom 11.10.2005 sind erfullt, soweit der Antragsteller in\ndiesem Bescheid verpflichtet wird, die fur den Monat Januar 2005 erhaltene\nLeistung in Hohe von 799,- EUR zu erstatten. Der Anordnung der aufschiebenden\nWirkung auch der (zwischenzeitlich erhobenen) Klage bedarf es nicht. Die\nWirkung der gerichtlich angeordneten aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs\ntritt ruckwirkend ab Erlass des mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheides\nein und endet in den Fallen, in denen Klage erhoben wird, erst mit Eintritt\nder Unanfechtbarkeit der Hauptsacheentscheidung (Keller in Meyer-\nLadewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 8. Aufl. 2005 § 86b RdNr. 19;\nKopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003 § 80 RdNr. 171). \n--- \n| 17 \n--- \n| Gemaß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf\nAntrag in den Fallen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine\naufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise\nanordnen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Senat ist ebenso wie das SG der Ansicht, dass der Widerspruch des\nAntragstellers gegen den Bescheid vom 11.10.2005 nicht bereits kraft Gesetzes\naufschiebende Wirkung hat. Zwar haben nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG Widerspruch\nund Klage grundsatzlich aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung\nentfallt jedoch in den durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fallen (§ 86a Abs.\n2 Nr. 4 SGG). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Nach § 39 Nr. 1 SGB II haben\nWiderspruch und Klage gegen einen Verwaltungsakt, der uber Leistungen der\nGrundsicherung fur Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Da\nWiderspruch und Klage nur aufschiebende Wirkung besitzen konnen, wenn\nEntscheidungen der Leistungstrager mit einem bloßen Anfechtungsbegehren\nangegangen werden, kommen lediglich Aufhebungsentscheidungen nach den §§ 45ff\nSGB X i.V.m. § 40 SGB II und Entscheidungen uber die Absenkung und den Wegfall\nvon bereits bewilligtem Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld gemaß den §§ 31,\n32 SGB II in Betracht (Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 39 RdNr. 12). \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs aufgrund von §\n86b Abs. 1 Nr. 2 SGG ist anhand einer Interessenabwagung zu beurteilen. Die\noffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts und die\nprivaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander\nabzuwagen (Krodel, Der sozialgerichtliche Rechtsschutz in Anfechtungssachen,\nNZS 2001, 449, 453). Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss\nder aufschiebenden Wirkung in § 39 SGB II dem offentlichen Interesse an der\nsofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse\ndes Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einraumt (kritisch hierzu\nEicher aaO § 39 RdNr. 3). Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen\nausgestaltete Interessenabwagung (Eicher aaO RdNr. 2) kann aber im Einzelfall\nauch zu Gunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander\nabzuwagenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten\nErfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem konkreten\nVollziehungsinteresse und der fur die Dauer einer moglichen aufschiebenden\nWirkung drohenden Rechtsbeeintrachtigung (Krodel, Das sozialgerichtliche\nEilverfahren, 1. Aufl. 2005, RdNr. 195). Bei offenem Ausgang des\nHauptsacheverfahrens sind die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur\neinstweiligen Anordnung entwickelten Grundsatze anzuwenden (Krodel aaO RdNr.\n205). Danach sind die Folgen, die eintreten wurden, wenn die Eilentscheidung\nzu Gunsten des Antragstellers nicht erginge, die Klage spater aber Erfolg\nhatte, gegenuber den Nachteilen abzuwagen, die entstunden, wenn die begehrte\nEilentscheidung erlassen wurde, der Klage aber der Erfolg zu versagen ware\n(st. Rspr des BVerfG; vgl. BVerfG NJW 2003, 2598, 2599 m.w.N.). Besondere\nAnforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich zudem aus\nArt 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewahrung vorlaufigen\nRechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare\nBeeintrachtigungen entstehen konnen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht\nmehr zu beseitigen waren. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es -\nwie hier - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des\nverfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums wahrend eines gerichtlichen\nHauptsacheverfahrens geht. Ist wahrend des Hauptsacheverfahrens das\nExistenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeintrachtigung nachtraglich nicht\nmehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren\nerstrittenen Leistungen ruckwirkend gewahrt werden (BVerfG 12.05.2005 NVwZ\n2005, 927, 928) \n--- \n| 20 \n--- \n| Im vorliegenden Fall ergibt die nach den oben dargestellten Grundsatzen\nvorzunehmende Abwagung, dass das Interesse des Antragstellers an der Anordnung\nder aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom\n11.10.2005 uberwiegt, soweit der Antragsteller durch diesen Bescheid zur\nRuckzahlung der fur den Monat Januar erfolgten Leistung in Hohe von 799,- EUR\nverpflichtet wird. Im Übrigen uberwiegt das Interesse der Antragsgegnerin an\nder Vollziehung des Bescheides, d.h. das Interesse daran, die fur die Monate\nFebruar und Marz 2005 bereits bewilligten Leistungen vorlaufig nicht\nausbezahlen zu mussen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Klage gegen den Bescheid vom 11.10.2005 hat nach summarischer Prufung\ndes aktenkundigen Sachverhalts eine gewisse Aussicht auf Erfolg. Als\nRechtsgrundlage des angegriffenen Rucknahmebescheides kommt § 45 Abs. 2 Satz 3\nNr. 2 und 3, Abs. 4 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 2 SGB\nIII in Betracht. Danach ist ein rechtswidriger begunstigender Verwaltungsakt\nmit Wirkung fur die Vergangenheit zuruckzunehmen, soweit der Verwaltungsakt\nauf Angaben beruht, die der Begunstigte vorsatzlich oder grob fahrlassig in\nwesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollstandig gemacht hat (§ 45 Abs. 2\nSatz 3 Nr. 2 SGB X) oder der Begunstigte die Rechtswidrigkeit des\nVerwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlassigkeit nicht kannte; grobe\nFahrlassigkeit liegt vor, wenn der Begunstigte die erforderliche Sorgfalt in\nbesonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). \n--- \n| 22 \n--- \n| Dem Antragsteller kann nicht vorgeworfen werden, unrichtige oder\nunvollstandige Angaben gemacht zu haben. Zwar hat er im Antragsformular die\nFrage nach den eingezahlten Beitragen bei einer der drei Lebensversicherungen\nnicht beantwortet. Nachdem die Antragsgegnerin ihn aber mit Schreiben vom\n27.12.2004 nur noch zu den aktuellen Ruckkaufswerten befragt und er diese\nAnfrage vollstandig beantwortet hat, kann dem Antragsteller nicht mehr\nvorgehalten werden, in wesentlicher Beziehung vorsatzlich oder grob fahrlassig\nunrichtige Angaben gemacht zu haben. Aus dem Schreiben vom 27.12.2004 lasst\nsich vielmehr der Schluss ziehen, dass fur die Entscheidung uber den Antrag\nnur noch die angeforderten - und vom Antragsteller auch vorgelegten -\nUnterlagen benotigt werden. \n--- \n| 23 \n--- \n| Dafur, dass der Antragsteller die Rechtswidrigkeit des\nBewilligungsbescheides vom 18.01.2005 gekannt hat, gibt es keine\nAnhaltspunkte. Auch im angefochtenen Bescheid wird nicht von einer positiven\nKenntnis des Antragstellers ausgegangen. Dem Antragsteller kann nach Lage der\nDinge aber auch nicht vorgeworfen werden, er habe infolge grober\nFahrlassigkeit die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides nicht gekannt. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon\neinfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht\nbeachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss ( BSGE 42, 184 , 187 =\nSozR 4100 § 152 Nr 3; BSGE 62, 32 , 35 = SozR 4100 § 71 Nr. 2); dabei ist das\nMaß der Fahrlassigkeit insbesondere nach der personlichen Urteils- und\nKritikfahigkeit, dem Einsichtsvermogen des Beteiligten sowie den besonderen\nUmstande des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlassigkeitsbegriff: BSGE\n35, 108 , 112; 44, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr 20). Bezugspunkt fur das\ngrobfahrlassige Nichtwissen ist schon nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 3\nNr. 3 SGB X die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes - also das Ergebnis der\nTatsachenfeststellung und Rechtsanwendung durch die Behorde. Allerdings konnen\n"Fehler im Bereich der Tatsachenermittlung oder im Bereich der\nRechtsanwendung", auch wenn sie nicht Bezugspunkt des grobfahrlassigen\nNichtwissens sind (BVerwG Buchholz 436.36 § 20 BAfoG Nr 24; vgl auch BSGE 62,\n103 , 106 = SozR 1300 § 48 Nr 39), Anhaltspunkt fur den Begunstigten sein, die\nRechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes selbst zu erkennen. Voraussetzung dafur\nist aber, dass sich die tatsachlichen oder rechtlichen Mangel aus dem\nBewilligungsbescheid oder anderen Umstanden ergeben und fur das\nEinsichtsvermogen des Betroffenen ohne weiteres erkennbar sind (BSG SozR\n3-1300 § 45 Nr. 45). Zwar besteht eine Obliegenheit, Bewilligungsbescheide zu\nlesen und zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn sie nicht ausdrucklich gesetzlich\ngeregelt ist. Allerdings ist ein Antragsteller, der zutreffende Angaben\ngemacht hat, im Allgemeinen nicht zu Gunsten der Fachbehorde gehalten,\nBewilligungsbescheide des Naheren auf ihre Richtigkeit zu uberprufen. Der\nAntragsteller darf davon ausgehen, dass eine Fachbehorde nach den fur die\nLeistung erheblichen Tatsachen fragt und seine wahrheitsgemaßen Angaben\nzutreffend umsetzt (vgl BVerwGE 92, 81, 84). Das gilt auch, soweit\nAntragsteller uber ihre Rechte und Pflichten durch Merkblatter aufgeklart\nwerden, die abstrakte Erlauterungen uber Voraussetzungen von Anspruchen und\nderen Bemessung enthalten. Andernfalls wurde Begunstigten durch Merkblatter\ndas Risiko fur die sachgerechte Berucksichtigung von eindeutigen Tatsachen\ndurch eine Fachbehorde aufgeburdet. Auch bei der Berucksichtigung der Vielfalt\nvon Aufgaben und der Vielzahl der zu bearbeitenden Vorgange ist es aber gerade\ndie Aufgabe der Fachbehorde, wahrheitsgemaße tatsachliche Angaben von\nAntragstellern rechtlich einwandfrei umzusetzen (vgl. BSG SozR 3-1300 § 45 Nr.\n45). \n--- \n| 25 \n--- \n| Der Antragsteller hat - wie dargelegt - wahrheitsgemaße Angaben gemacht und\ndurfte daher grundsatzlich auf eine korrekte Umsetzung seiner Angaben\nvertrauen. Hinzu kommt, dass die Frage der Verwertbarkeit von\nLebensversicherungen als Vermogen im Gesetz nicht gesondert geregelt und auch\nnicht durch einfachste und ganz nahe liegende Überlegungen zu beantworten ist.\nVielmehr ist zu klaren, ob es sich um geldwerte Anspruche handelt, die der\nAltersvorsorge dienen (§ 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II) oder um Rechte, deren\nVerwertung moglicherweise offensichtlich unwirtschaftlich ist oder fur den\nBetroffenen eine besondere Harte bedeuten wurde (§ 11 Abs. 3 Nr. 6 SGB II).\nGegen eine grob fahrlassige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des\nBewilligungsbescheides spricht ferner, dass die Antragsgegnerin den\nAntragsteller nach der am 22.12.2004 erfolgten Antragstellung mit Schreiben\nvom 27.12.2004 lediglich um die Übersendung einer Kopie seiner\nLebensversicherung mit aktuellem Ruckkaufswert (und nicht auch einschließlich\nEinzahlbetrag) gebeten hat. Nachdem der Antragsteller dem durch Übersendung\nentsprechender Mitteilungen der Versicherungsunternehmen hinsichtlich aller\ndrei Lebensversicherungen nachgekommen war, erließ die Antragsgegnerin den\nBewilligungsbescheid fur die Zeit vom 01.01. bis 31.03.2005, obwohl die Hohe\nder eingezahlten Betrage und damit die Frage der Zumutbarkeit der Verwertung\nder Versicherungen noch nicht geklart war. Die Antragsgegnerin traf also\n„voreilig" eine Bewilligungsentscheidung, die aus Sicht des Antragstellers\nnicht „augenfallig" rechtswidrig war. Dass er im Bewilligungsbescheid darum\ngebeten wurde, die bisherigen Einzahlungsbetrage hinsichtlich aller drei\nLebensversicherungen vorzulegen, konnte der Antragsteller nach dem bisherigen\nVerlauf lediglich als ein Verlangen der Antragsgegnerin um erganzende Angaben\nbzw. Unterlagen verstehen, von denen aber die Berechtigung der beantragten\nLeistungen nicht mehr abhangig war. Der Antragsteller konnte nicht davon\nausgehen, dass ihm die Antragsgegnerin Leistungen bewilligt, ohne das\nvollstandige Vorliegen der Voraussetzungen fur die bewilligte Leistung gepruft\nzu haben. Dass der Antragsteller die erforderliche Sorgfalt in besonders\nschwerem Maße verletzt hat, durfte bei diesem Verfahrensablauf jedenfalls kaum\ngesagt werden konnen. Die Ausfuhrungen im entsprechenden Merkblatt zur\nBerucksichtigung von Vermogen sind angesichts des konkretisierenden Schreibens\nder Antragsgegnerin vom 27.12.2004 und des konkreten Inhalts des\nBewilligungsbescheides nicht geeignet, die Unkenntnis des Antragstellers von\nder Rechtswidrigkeit dieses Bescheides als grob fahrlassig zu qualifizieren. \n--- \n| 26 \n--- \n| Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass eine weitere Aufklarung des\nSachverhalts zu einer anderen Beurteilung der Erfolgsaussichten des\nHauptsacheverfahrens fuhrt. Daher halt der Senat es fur sachgerecht, die\naufschiebende Wirkung des Widerspruchs nur teilweise anzuordnen. So fallt auf,\ndass der Antragsteller nach seinen eigenen Angaben bei der Antragstellung im\nDezember 2004 nur bis 05.07.2003 Arbeitslosengeld bezogen hat. Es ist nicht\nersichtlich, ob er anschließend wieder gearbeitet hat oder ob er andere\nLeistungen bezogen hat. Denkbar ist aber auch, dass er Arbeitslosenhilfe nur\ndeshalb nicht erhalten hat, weil er wegen seiner Lebensversicherungen nicht\nbedurftig war. Sollte dies der Fall sein, konnte die Frage, ob er die\nRechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides grob fahrlassig nicht erkannt hat,\nmoglicherweise anders zu beurteilen sein. \n--- \n| 27 \n--- \n| Das Interesse des Antragstellers an der Auszahlung der Leistungen fur die\nMonate Februar und Marz 2005 ist trotz der Erfolgsaussichten im\nHauptsacheverfahren geringer zu bewerten als das offentliche Interesse an der\nVollziehung des Aufhebungsbescheides. Insoweit ist zu berucksichtigen, dass im\nRahmen des einstweiligen Rechtschutzverfahrens in erster Linie auf eine\naktuelle und nicht auf eine in der Vergangenheit vorhandene Bedurftigkeit\nabzustellen ist. Dem Antragsteller kann daher zugemutet werden, die\nEntscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten. Auch hat sich der\nAntragsteller mit seinem einstweiligen Rechtsschutzbegehren vornehmlich gegen\ndie Einziehung des fur Januar 2005 bereits ausbezahlten Betrages gewandt. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193\nSGG. Dabei wurde berucksichtigt, dass die aufschiebende Wirkung des\nWiderspruchs nur teilweise angeordnet wurde. \n--- \n| 29 \n--- \n| Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG). \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 16 \n--- \n| Die gemaß den §§ 172 Abs. 1, 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte\nBeschwerde des Antragstellers ist zulassig und teilweise begrundet. Die\nVoraussetzungen fur eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs\ngegen den Bescheid vom 11.10.2005 sind erfullt, soweit der Antragsteller in\ndiesem Bescheid verpflichtet wird, die fur den Monat Januar 2005 erhaltene\nLeistung in Hohe von 799,- EUR zu erstatten. Der Anordnung der aufschiebenden\nWirkung auch der (zwischenzeitlich erhobenen) Klage bedarf es nicht. Die\nWirkung der gerichtlich angeordneten aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs\ntritt ruckwirkend ab Erlass des mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheides\nein und endet in den Fallen, in denen Klage erhoben wird, erst mit Eintritt\nder Unanfechtbarkeit der Hauptsacheentscheidung (Keller in Meyer-\nLadewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 8. Aufl. 2005 § 86b RdNr. 19;\nKopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003 § 80 RdNr. 171). \n--- \n| 17 \n--- \n| Gemaß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf\nAntrag in den Fallen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine\naufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise\nanordnen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Senat ist ebenso wie das SG der Ansicht, dass der Widerspruch des\nAntragstellers gegen den Bescheid vom 11.10.2005 nicht bereits kraft Gesetzes\naufschiebende Wirkung hat. Zwar haben nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG Widerspruch\nund Klage grundsatzlich aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung\nentfallt jedoch in den durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fallen (§ 86a Abs.\n2 Nr. 4 SGG). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Nach § 39 Nr. 1 SGB II haben\nWiderspruch und Klage gegen einen Verwaltungsakt, der uber Leistungen der\nGrundsicherung fur Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Da\nWiderspruch und Klage nur aufschiebende Wirkung besitzen konnen, wenn\nEntscheidungen der Leistungstrager mit einem bloßen Anfechtungsbegehren\nangegangen werden, kommen lediglich Aufhebungsentscheidungen nach den §§ 45ff\nSGB X i.V.m. § 40 SGB II und Entscheidungen uber die Absenkung und den Wegfall\nvon bereits bewilligtem Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld gemaß den §§ 31,\n32 SGB II in Betracht (Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 39 RdNr. 12). \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs aufgrund von §\n86b Abs. 1 Nr. 2 SGG ist anhand einer Interessenabwagung zu beurteilen. Die\noffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts und die\nprivaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander\nabzuwagen (Krodel, Der sozialgerichtliche Rechtsschutz in Anfechtungssachen,\nNZS 2001, 449, 453). Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss\nder aufschiebenden Wirkung in § 39 SGB II dem offentlichen Interesse an der\nsofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse\ndes Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einraumt (kritisch hierzu\nEicher aaO § 39 RdNr. 3). Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen\nausgestaltete Interessenabwagung (Eicher aaO RdNr. 2) kann aber im Einzelfall\nauch zu Gunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander\nabzuwagenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten\nErfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem konkreten\nVollziehungsinteresse und der fur die Dauer einer moglichen aufschiebenden\nWirkung drohenden Rechtsbeeintrachtigung (Krodel, Das sozialgerichtliche\nEilverfahren, 1. Aufl. 2005, RdNr. 195). Bei offenem Ausgang des\nHauptsacheverfahrens sind die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur\neinstweiligen Anordnung entwickelten Grundsatze anzuwenden (Krodel aaO RdNr.\n205). Danach sind die Folgen, die eintreten wurden, wenn die Eilentscheidung\nzu Gunsten des Antragstellers nicht erginge, die Klage spater aber Erfolg\nhatte, gegenuber den Nachteilen abzuwagen, die entstunden, wenn die begehrte\nEilentscheidung erlassen wurde, der Klage aber der Erfolg zu versagen ware\n(st. Rspr des BVerfG; vgl. BVerfG NJW 2003, 2598, 2599 m.w.N.). Besondere\nAnforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich zudem aus\nArt 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewahrung vorlaufigen\nRechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare\nBeeintrachtigungen entstehen konnen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht\nmehr zu beseitigen waren. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es -\nwie hier - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des\nverfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums wahrend eines gerichtlichen\nHauptsacheverfahrens geht. Ist wahrend des Hauptsacheverfahrens das\nExistenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeintrachtigung nachtraglich nicht\nmehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren\nerstrittenen Leistungen ruckwirkend gewahrt werden (BVerfG 12.05.2005 NVwZ\n2005, 927, 928) \n--- \n| 20 \n--- \n| Im vorliegenden Fall ergibt die nach den oben dargestellten Grundsatzen\nvorzunehmende Abwagung, dass das Interesse des Antragstellers an der Anordnung\nder aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom\n11.10.2005 uberwiegt, soweit der Antragsteller durch diesen Bescheid zur\nRuckzahlung der fur den Monat Januar erfolgten Leistung in Hohe von 799,- EUR\nverpflichtet wird. Im Übrigen uberwiegt das Interesse der Antragsgegnerin an\nder Vollziehung des Bescheides, d.h. das Interesse daran, die fur die Monate\nFebruar und Marz 2005 bereits bewilligten Leistungen vorlaufig nicht\nausbezahlen zu mussen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Klage gegen den Bescheid vom 11.10.2005 hat nach summarischer Prufung\ndes aktenkundigen Sachverhalts eine gewisse Aussicht auf Erfolg. Als\nRechtsgrundlage des angegriffenen Rucknahmebescheides kommt § 45 Abs. 2 Satz 3\nNr. 2 und 3, Abs. 4 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 2 SGB\nIII in Betracht. Danach ist ein rechtswidriger begunstigender Verwaltungsakt\nmit Wirkung fur die Vergangenheit zuruckzunehmen, soweit der Verwaltungsakt\nauf Angaben beruht, die der Begunstigte vorsatzlich oder grob fahrlassig in\nwesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollstandig gemacht hat (§ 45 Abs. 2\nSatz 3 Nr. 2 SGB X) oder der Begunstigte die Rechtswidrigkeit des\nVerwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlassigkeit nicht kannte; grobe\nFahrlassigkeit liegt vor, wenn der Begunstigte die erforderliche Sorgfalt in\nbesonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). \n--- \n| 22 \n--- \n| Dem Antragsteller kann nicht vorgeworfen werden, unrichtige oder\nunvollstandige Angaben gemacht zu haben. Zwar hat er im Antragsformular die\nFrage nach den eingezahlten Beitragen bei einer der drei Lebensversicherungen\nnicht beantwortet. Nachdem die Antragsgegnerin ihn aber mit Schreiben vom\n27.12.2004 nur noch zu den aktuellen Ruckkaufswerten befragt und er diese\nAnfrage vollstandig beantwortet hat, kann dem Antragsteller nicht mehr\nvorgehalten werden, in wesentlicher Beziehung vorsatzlich oder grob fahrlassig\nunrichtige Angaben gemacht zu haben. Aus dem Schreiben vom 27.12.2004 lasst\nsich vielmehr der Schluss ziehen, dass fur die Entscheidung uber den Antrag\nnur noch die angeforderten - und vom Antragsteller auch vorgelegten -\nUnterlagen benotigt werden. \n--- \n| 23 \n--- \n| Dafur, dass der Antragsteller die Rechtswidrigkeit des\nBewilligungsbescheides vom 18.01.2005 gekannt hat, gibt es keine\nAnhaltspunkte. Auch im angefochtenen Bescheid wird nicht von einer positiven\nKenntnis des Antragstellers ausgegangen. Dem Antragsteller kann nach Lage der\nDinge aber auch nicht vorgeworfen werden, er habe infolge grober\nFahrlassigkeit die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides nicht gekannt. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon\neinfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht\nbeachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss ( BSGE 42, 184 , 187 =\nSozR 4100 § 152 Nr 3; BSGE 62, 32 , 35 = SozR 4100 § 71 Nr. 2); dabei ist das\nMaß der Fahrlassigkeit insbesondere nach der personlichen Urteils- und\nKritikfahigkeit, dem Einsichtsvermogen des Beteiligten sowie den besonderen\nUmstande des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlassigkeitsbegriff: BSGE\n35, 108 , 112; 44, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr 20). Bezugspunkt fur das\ngrobfahrlassige Nichtwissen ist schon nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 3\nNr. 3 SGB X die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes - also das Ergebnis der\nTatsachenfeststellung und Rechtsanwendung durch die Behorde. Allerdings konnen\n"Fehler im Bereich der Tatsachenermittlung oder im Bereich der\nRechtsanwendung", auch wenn sie nicht Bezugspunkt des grobfahrlassigen\nNichtwissens sind (BVerwG Buchholz 436.36 § 20 BAfoG Nr 24; vgl auch BSGE 62,\n103 , 106 = SozR 1300 § 48 Nr 39), Anhaltspunkt fur den Begunstigten sein, die\nRechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes selbst zu erkennen. Voraussetzung dafur\nist aber, dass sich die tatsachlichen oder rechtlichen Mangel aus dem\nBewilligungsbescheid oder anderen Umstanden ergeben und fur das\nEinsichtsvermogen des Betroffenen ohne weiteres erkennbar sind (BSG SozR\n3-1300 § 45 Nr. 45). Zwar besteht eine Obliegenheit, Bewilligungsbescheide zu\nlesen und zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn sie nicht ausdrucklich gesetzlich\ngeregelt ist. Allerdings ist ein Antragsteller, der zutreffende Angaben\ngemacht hat, im Allgemeinen nicht zu Gunsten der Fachbehorde gehalten,\nBewilligungsbescheide des Naheren auf ihre Richtigkeit zu uberprufen. Der\nAntragsteller darf davon ausgehen, dass eine Fachbehorde nach den fur die\nLeistung erheblichen Tatsachen fragt und seine wahrheitsgemaßen Angaben\nzutreffend umsetzt (vgl BVerwGE 92, 81, 84). Das gilt auch, soweit\nAntragsteller uber ihre Rechte und Pflichten durch Merkblatter aufgeklart\nwerden, die abstrakte Erlauterungen uber Voraussetzungen von Anspruchen und\nderen Bemessung enthalten. Andernfalls wurde Begunstigten durch Merkblatter\ndas Risiko fur die sachgerechte Berucksichtigung von eindeutigen Tatsachen\ndurch eine Fachbehorde aufgeburdet. Auch bei der Berucksichtigung der Vielfalt\nvon Aufgaben und der Vielzahl der zu bearbeitenden Vorgange ist es aber gerade\ndie Aufgabe der Fachbehorde, wahrheitsgemaße tatsachliche Angaben von\nAntragstellern rechtlich einwandfrei umzusetzen (vgl. BSG SozR 3-1300 § 45 Nr.\n45). \n--- \n| 25 \n--- \n| Der Antragsteller hat - wie dargelegt - wahrheitsgemaße Angaben gemacht und\ndurfte daher grundsatzlich auf eine korrekte Umsetzung seiner Angaben\nvertrauen. Hinzu kommt, dass die Frage der Verwertbarkeit von\nLebensversicherungen als Vermogen im Gesetz nicht gesondert geregelt und auch\nnicht durch einfachste und ganz nahe liegende Überlegungen zu beantworten ist.\nVielmehr ist zu klaren, ob es sich um geldwerte Anspruche handelt, die der\nAltersvorsorge dienen (§ 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II) oder um Rechte, deren\nVerwertung moglicherweise offensichtlich unwirtschaftlich ist oder fur den\nBetroffenen eine besondere Harte bedeuten wurde (§ 11 Abs. 3 Nr. 6 SGB II).\nGegen eine grob fahrlassige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des\nBewilligungsbescheides spricht ferner, dass die Antragsgegnerin den\nAntragsteller nach der am 22.12.2004 erfolgten Antragstellung mit Schreiben\nvom 27.12.2004 lediglich um die Übersendung einer Kopie seiner\nLebensversicherung mit aktuellem Ruckkaufswert (und nicht auch einschließlich\nEinzahlbetrag) gebeten hat. Nachdem der Antragsteller dem durch Übersendung\nentsprechender Mitteilungen der Versicherungsunternehmen hinsichtlich aller\ndrei Lebensversicherungen nachgekommen war, erließ die Antragsgegnerin den\nBewilligungsbescheid fur die Zeit vom 01.01. bis 31.03.2005, obwohl die Hohe\nder eingezahlten Betrage und damit die Frage der Zumutbarkeit der Verwertung\nder Versicherungen noch nicht geklart war. Die Antragsgegnerin traf also\n„voreilig" eine Bewilligungsentscheidung, die aus Sicht des Antragstellers\nnicht „augenfallig" rechtswidrig war. Dass er im Bewilligungsbescheid darum\ngebeten wurde, die bisherigen Einzahlungsbetrage hinsichtlich aller drei\nLebensversicherungen vorzulegen, konnte der Antragsteller nach dem bisherigen\nVerlauf lediglich als ein Verlangen der Antragsgegnerin um erganzende Angaben\nbzw. Unterlagen verstehen, von denen aber die Berechtigung der beantragten\nLeistungen nicht mehr abhangig war. Der Antragsteller konnte nicht davon\nausgehen, dass ihm die Antragsgegnerin Leistungen bewilligt, ohne das\nvollstandige Vorliegen der Voraussetzungen fur die bewilligte Leistung gepruft\nzu haben. Dass der Antragsteller die erforderliche Sorgfalt in besonders\nschwerem Maße verletzt hat, durfte bei diesem Verfahrensablauf jedenfalls kaum\ngesagt werden konnen. Die Ausfuhrungen im entsprechenden Merkblatt zur\nBerucksichtigung von Vermogen sind angesichts des konkretisierenden Schreibens\nder Antragsgegnerin vom 27.12.2004 und des konkreten Inhalts des\nBewilligungsbescheides nicht geeignet, die Unkenntnis des Antragstellers von\nder Rechtswidrigkeit dieses Bescheides als grob fahrlassig zu qualifizieren. \n--- \n| 26 \n--- \n| Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass eine weitere Aufklarung des\nSachverhalts zu einer anderen Beurteilung der Erfolgsaussichten des\nHauptsacheverfahrens fuhrt. Daher halt der Senat es fur sachgerecht, die\naufschiebende Wirkung des Widerspruchs nur teilweise anzuordnen. So fallt auf,\ndass der Antragsteller nach seinen eigenen Angaben bei der Antragstellung im\nDezember 2004 nur bis 05.07.2003 Arbeitslosengeld bezogen hat. Es ist nicht\nersichtlich, ob er anschließend wieder gearbeitet hat oder ob er andere\nLeistungen bezogen hat. Denkbar ist aber auch, dass er Arbeitslosenhilfe nur\ndeshalb nicht erhalten hat, weil er wegen seiner Lebensversicherungen nicht\nbedurftig war. Sollte dies der Fall sein, konnte die Frage, ob er die\nRechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides grob fahrlassig nicht erkannt hat,\nmoglicherweise anders zu beurteilen sein. \n--- \n| 27 \n--- \n| Das Interesse des Antragstellers an der Auszahlung der Leistungen fur die\nMonate Februar und Marz 2005 ist trotz der Erfolgsaussichten im\nHauptsacheverfahren geringer zu bewerten als das offentliche Interesse an der\nVollziehung des Aufhebungsbescheides. Insoweit ist zu berucksichtigen, dass im\nRahmen des einstweiligen Rechtschutzverfahrens in erster Linie auf eine\naktuelle und nicht auf eine in der Vergangenheit vorhandene Bedurftigkeit\nabzustellen ist. Dem Antragsteller kann daher zugemutet werden, die\nEntscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten. Auch hat sich der\nAntragsteller mit seinem einstweiligen Rechtsschutzbegehren vornehmlich gegen\ndie Einziehung des fur Januar 2005 bereits ausbezahlten Betrages gewandt. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193\nSGG. Dabei wurde berucksichtigt, dass die aufschiebende Wirkung des\nWiderspruchs nur teilweise angeordnet wurde. \n--- \n| 29 \n--- \n| Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG). \n---\n\n
138,258
arbg-lorrach-2005-03-24-2-ca-47004
120
Arbeitsgericht Lörrach
arbg-lorrach
Lörrach
Baden-Württemberg
Arbeitsgerichtsbarkeit
2 Ca 470/04
2005-03-24
2019-01-07 13:59:47
2019-01-17 11:58:27
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Klage wird abgewiesen.\n\n2\\. Der Klager tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n3\\. Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf EUR 4.608,--.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kundigung. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der 1964 geborene Klager ist seit dem 18.08.2000 bei der Beklagten als\nBauhelfer tatig. Er erzielte zuletzt einen Monatslohn von EUR 1536.-- brutto.\nBei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen fur den Tief- und\nStraßenbau, das in der Form einer GmbH betrieben wird, die sich mittlerweile\nin Liquidation befindet. Sie beschaftigt jedenfalls weit mehr als 10\nArbeitnehmer. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Schreiben vom 28.10.2004, dem Klager am gleichen Tag zugegangen,\nkundigte die Beklagte das Arbeitsverhaltnis zum 31.12.2004. Die Kundigung wird\nvon der Beklagten damit begrundet, dass der Betrieb stillgelegt werden musse,\nda die wirtschaftliche und finanzielle Situation eine Fortfuhrung des\nUnternehmens nicht gestatte. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Klager halt die ihm gegenuber ausgesprochene Kundigung fur unwirksam.\nEs werde bestritten, dass die Beklagte die Stilllegung und Liquidation wie\nbehauptet zum 31.05.2005 beschlossen habe. Erganzend werde bestritten, dass\ndie Beklagte uberhaupt eine Betriebsstilllegung plane. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Weiterhin werde gerugt, dass die Beklagte die ihr obliegende\nMitteilungspflicht gegenuber der Bundesanstalt fur Arbeit gem. § 17 KSchG bei\nMassenentlassungen nicht vorgenommen habe. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der ** Klager beantragt daher ** \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhaltnis durch die ordentliche\nKundigung vom 28.10.2004, zugegangen am gleichen Tag, zum 31.12.2004 nicht\naufgelost worden ist, sondern uber den 31.12.2004 fortbesteht. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die ** Beklagte beantragt ** \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Klagabweisung. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Sie halt die angegriffene Kundigung fur wirksam. Ein Stilllegungsbeschluss\nder Beklagten lage vor. Insgesamt habe es zwei Gesellschafterversammlungen der\nErbengemeinschaft des verstorbenen Gesellschafters der Beklagten, Herrn B.,\ngegeben. Am 15.10.2004 habe eine außerordentliche Gesellschafterversammlung\nstattgefunden, in welcher die sofortige Stilllegung der Beklagten beschlossen\nworden sei. Konkret sei beschlossen worden, dass die Beklagte ab sofort keine\nneuen Auftrage mehr annehme und nicht mehr an weiteren Ausschreibungen\nteilnehmen werde. Weiterhin sei am 15.10.2004 beschlossen worden, dass nach\nBeendigung des operativen Tiefbaugeschaftes das bewegliche Anlagevermogen\nveraußert werde. Eine weitere Gesellschafterversammlung habe am 20.10.2004\nstattgefunden, in welcher die Liquidation der Beklagten mit Wirkung zum Ablauf\ndes 31.05.2005, die Abberufung des Herrn B. als Geschaftsfuhrer der Beklagten\nund die gleichzeitige Bestellung zum alleinigen Liquidator der Beklagten\nbeschlossen worden sei. Die von der Rechtsprechung geforderten greifbaren\nFormen im Rahmen der Stilllegung eines Betriebes lagen ebenfalls vor. Diese\nseien in den erwahnten Beschlussen, in der ersten Massenentlassungsanzeige vom\n29.10.2004 an die Agentur fur Arbeit L. sowie in der Einstellung der werbenden\nund akquisitorischen Tatigkeit ab dem Zeitpunkt der Beschlussfassungen zu\nsehen. Hinzu kamen die Kundigung von Mietvertragen, die Kundigung von Handy-\nund Telefonvertragen, die Kundigung von Wartungsvertragen sowie von Vertragen\nzum Bezug von Zeitschriften. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Hintergrund der Betriebsschließung sei, dass die Beklagte in der\nVergangenheit seit Jahren große Verluste erwirtschaftet habe. In rechtlicher\nHinsicht sei auszufuhren, dass der Stilllegungsbeschluss eine\nUnternehmerentscheidung darstelle, die von den Gerichten nicht auf ihre\nZweckmaßigkeit zu uberprufen sei. Es musse einem Unternehmer freigestellt\nbleiben, seinen Betrieb einzustellen. Weitere kundigungsrechtliche\nGesichtspunkte, die der Wirksamkeit der Kundigung entgegenstehen konnten,\nseien nicht ersichtlich. Bei Betriebsschließungen sei fur eine Sozialauswahl\nschon begrifflich kein Raum, andere Weiterbeschaftigungsmoglichkeiten\nbestunden naturgemaß nicht. Mangels Bestehen eines Betriebsrats konne die\nKundigung auch nicht an betriebsverfassungsrechtlichen Erfordernissen\nscheitern. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Massenentlassungsanzeigen seien ordnungsgemaß erfolgt. Ein anderes\nErgebnis konne sich auch nicht aus europarechtlichen Gesichtspunkten ergeben.\nDies folge schon daraus, dass die §§ 17 und 18 KSchG nicht europarechtskonform\nausgelegt werden konnten in dem Sinne, dass mit "Entlassung" die Kundigung\ngemeint sei. Dies deshalb, weil das Kundigungsschutzgesetz eindeutig zwischen\nKundigung und Entlassung unterscheide. Folge hiervon sei, dass nach nationalem\nRecht eine Massenentlassungsanzeige nicht vor Ausspruch der Kundigung, sondern\nerst vor der tatsachlichen Beendigung des Arbeitsverhaltnisses zu erfolgen\nhabe. Zudem seien Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes zu beachten. Die\nBeklagte habe sich genau so verhalten, wie es das nationale Recht und die\nbisherige nationale Anschauung verlangten. Es konne nicht sein, dass ein am\n27.01.2005 durch den EuGH ergangenes Urteil nunmehr zu Lasten der Beklagten\nangewendet werde. Im Übrigen hatte dieses angesprochene Urteil keine\nAuswirkungen auf die nationale Rechtslage. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Bezuglich der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf deren\nSchriftsatze sowie auf die Verhandlungsprotokolle vom 06.12.2004 sowie vom\n02.03.2005 verwiesen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Die zulassige Klage ist unbegrundet. Die streitgegenstandliche Kundigung ist\nwirksam. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| **I.** \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Kundigung ist wegen dringender betrieblicher Erfordernisse - hier\naufgrund Betriebsstilllegung - sozial gerechtfertigt, § 1 Abs. 2 KSchG. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| 1\\. Dringende betriebliche Erfordernisse, die eine Kundigung gem. § 1 Abs. 2\nKSchG sozial rechtfertigen, konnen sich aus der unternehmerischen Entscheidung\nergeben, den gesamten Betrieb stillzulegen. Eine solche\nUnternehmerentscheidung ist nicht auf ihre Zweckmaßigkeit zu uberprufen.\nErforderlich ist der ernstliche und endgultige Entschluss des Unternehmers,\ndie Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und\nArbeitnehmern fur einen seiner Dauer nach unbestimmten, wirtschaftlich nicht\nunerheblichen Zeitraum aufzuheben. Eine aus diesem Grund erklarte ordentliche\nKundigung ist dann sozial gerechtfertigt, wenn die auf eine\nBetriebsstilllegung gerichtete unternehmerische Entscheidung zum Zeitpunkt des\nZugangs der Kundigung bereits greifbare Formen angenommen hat und eine\nvernunftige betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt,\ndass bis zum Auslaufen der Kundigungsfrist der Arbeitnehmer entbehrt werden\nkann (vgl. statt vieler: BAG Urt. v. 18.01.2001, Az 2 AZR 514/99, BAGE 97,\n10). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| 2\\. Nach Durchfuhrung der Kammerverhandlung hatte das Gericht keine Zweifel\nmehr daran, dass diese Voraussetzungen vorliegend erfullt sind. Von\nKlagerseite wurde im Termin nicht mehr ernsthaft bestritten, dass die Beklagte\nam 15.10.2004 beschlossen hat, die Gesellschaft aufzulosen. Anhaltspunkte\ndafur, dass es sich hier nicht um einen ernstlichen und endgultigen Entschluss\ndes Unternehmers handelt, liegen nicht vor. Die Beklagte hat den\nStilllegungsbeschluss konkret dargelegt sowie durch Vorlage der entsprechenden\nAktennotizen/Gesellschafterbeschlusse nachgewiesen. Diese unternehmerische\nEntscheidung hat auch greifbare Formen, welche die Grunde fur die\nStilllegungsabsicht oder auch ihre Durchfuhrungsformen betreffen konnen (BAG\nUrt. v. 19.06.1991, Az 2 AZR 127/91), angenommen. Die Beklagte hat zahlreiche\ndiesbezugliche Maßnahmen, etwa die Schreiben an Auftraggeber oder die\nKundigung von diversen Vertragen, dargelegt und nachgewiesen. Aufgrund dieser\nUmstande war auch die Prognose gerechtfertigt, dass bis zum Auslaufen der\nKundigungsfrist der Klager entbehrt werden kann. Die von Klagerseite\nvorgebrachten Einwande halt das Gericht hingegen fur nicht stichhaltig. Das\nGericht kann dem Klagervortrag keinerlei Tatsachen entnehmen, die gegen das\nVorliegen einer Stilllegungsentscheidung und einer tatsachlichen\nBetriebsstilllegung sprechen. Entsprechende Äußerungen wurden auch von den\nanderen beim Kammertermin anwesenden Arbeitnehmern nicht getatigt. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| **II.** \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Kundigung ist auch nicht wegen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 KSchG unter\nBerucksichtigung der Richtlinie 98/59/EG unwirksam. Nach der gefestigten\nRechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts fuhrt ein Verstoß des Arbeitgebers\ngegen seine Anzeigepflicht nach § 17 KSchG nicht zur Unwirksamkeit der\nKundigung ( BAGUrt. v. 18.09.2003, Az 2 AZR 79/02). Hieran andert auch die\nerwahnte Richtlinie in der durch den EuGH erfolgten Auslegung (Urt. v.\n27.01.2005, RSC 188/03 Junk/Kuhnel) nichts. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| 1\\. Die Artikel 2-4 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20.07.1998 zur\nAngleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten uber\nMassenentlassungen sind nach dem EuGH dahin auszulegen, dass die\nKundigungserklarung des Arbeitgebers das Ereignis ist, das als Entlassung\ngilt. Dies bedeutet, dass das europaische Recht verlangt, dass der Arbeitgeber\nbei Massenentlassungen die diesbezugliche Anzeige bei den zustandigen Behorden\nbereits vor Ausspruch der Kundigung zu tatigen hat. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| 2\\. Diese "europaische" Rechtslage hat im konkreten Fall allerdings\nkeinerlei Auswirkungen auf das nationale Recht. Insofern verbleibt es bei der\nbisherigen nationalen Rechtslage, dass die Massenentlassungsanzeige auch nach\nAusspruch der Kundigung erfolgen kann und ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht\nnicht zur Unwirksamkeit der Kundigung fuhrt (siehe BAG Urt. v. 24.10.1996, Az\n2 AZR 895/95; BAGE 84, 267; Urt. v. 11.03.1999, Az 2 AZR 461/98, BAGE 91, 107;\nUrt. v. 13.04.2000, Az 2 AZR 215/99). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| a) Eine direkte Anwendung der Richtlinie 98/59/EG scheidet im vorliegenden\nFall aus. Gem. Art. 249 EG-Vertrag treten die Regelungen einer Richtlinie\nnicht automatisch an die Stelle der nationalen Rechtsvorschrift, sondern die\nMitgliedsstaaten werden verpflichtet, ihr innerstaatliches Recht an die\nGemeinschaftsbestimmungen anzupassen. Zur Wirksamkeit einer Richtlinie im\nVerhaltnis zu einem Einzelnen bedarf es demnach eines Umsetzungsaktes durch\ndie Mitgliedsstaaten. Grundsatzlich werden danach erst durch die Umsetzung in\ninnerstaatliches Recht Einzelne berechtigt und verpflichtet. Auch die hiervon\neingefuhrte Ausnahme durch die Rechtsprechung des EuGH (siehe z.B. Rechtssache\n41/74 Van Duyn/Home-Office, Sammlung 1974, 1337; Rechtssache 8/81\nBecker/Finanzamt Munster-Innenstadt, EuGHE I. 1982, 53), dass Richtlinien dann\nentgegen dem Grundsatz direkt anzuwenden sind, wenn der betreffende\nMitgliedsstaat einer Umsetzungspflicht nicht oder nur unzulanglich nachkommt,\nkommt vorliegend nicht zum Tragen. Die unmittelbare Anwendbarkeit von\nRichtlinien beschrankt sich im Sinne dieser Rechtsprechung auf das Verhaltnis\nStaat / Burger ("vertikale unmittelbare Wirkung"). Soweit es -wie hier- um das\nVerhaltnis zweier Privatrechtssubjekte geht, lehnt der Europaische Gerichtshof\nin standiger Rechtsprechung eine unmittelbare Anwendbarkeit ab (keine\n"horizontale unmittelbare Wirkung"; vgl. bspw. Urt. v. 07.03.1996, Rechtssache\nC 192/94 El Corte Ingles SA, EuGHE I. 1996, 1281). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| b) Eine danach verbleibende und gebotene richtlinienkonforme Auslegung der\nnationalen Vorschrift des § 17 KSchG ist angesichts dessen klaren\nRegelungsgehalts nicht moglich (siehe zum Erfordernis der richtlinienkonformen\nAuslegung durch staatliche Organe bspw. EuGH, Urt. v. 05.05.1994, Rechtssache\nC 421/92 Gabriele Habermann-Beltermann/Arbeiterwohlfahrt, EuGHE I. 1994, 1657\n- Scherzberg, JURA 1993, 225). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| aa)Unter welchen Voraussetzungen eine richtlinienkonforme Auslegung moglich\nist und welchen Grenzen sie unterliegt, ergibt sich aus nationalem Recht. Das\neuropaische Recht verlangt allerdings, dass das innerstaatliche Gericht das\nnationale Gesetz "unter voller Ausschopfung des Beurteilungsspielraums, den\nihm das nationale Recht einraumt" bzw. soweit wie moglich "richtlinienkonform\nauszulegen hat" (siehe BAG Urt. v. 18.09.2003, Az 2 AZR 79/02 mit weiteren\nNachweisen). Danach werden die Grenzen einer gemeinschaftskonformen Auslegung\ndurch die allgemeinen Auslegungsregeln bestimmt (naher hierzu: BAG a.a.O.). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| bb)Unter Beachtung der allgemeinen Auslegungsregeln ist eine\nrichtlinienkonforme Auslegung der §§ 17 ff. KSchG dahingehend, dass eine\nMassenentlassungsanzeige bereits vor Ausspruch der Kundigung getatigt werden\nmuss, nicht moglich. Das Kundigungsschutzgesetz unterscheidet in seiner\nSystematik eindeutig zwischen Kundigung und Entlassung. Insofern ist es nach\ndem nationalen Recht nicht moglich, als Entlassung bereits die Kundigung\nanzusehen (ebenso BAG a.a.O.; Bauer/Krieger/Powietzka, Der Betrieb 2005, 445,\n446). Der Gesetzgeber wollte in den §§ 17 ff. KSchG den Begriff der Entlassung\nersichtlich im Sinne der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhaltnisses\nverstanden wissen. Insofern ist es auch Aufgabe des Gesetzgebers, fur einen\neuroparechtskonformen Zustand des nationalen Rechts zu sorgen; eine\nHerstellung eines europarechtskonformen nationalen Rechtszustandes durch die\nRechtsprechung ist mangels eines vorhandenen Auslegungsrahmens nicht moglich. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| cc) Selbst wenn man eine richtlinienkonforme Auslegung in einem ersten\nSchritt fur moglich halten sollte, scheitert diese letztlich an\nGesichtspunkten des Vertrauensschutzes. Die Kammer mochte hierbei nicht\nunerwahnt lassen, dass sie eine europarechtskonforme Auslegung zwar nicht fur\nmoglich halt, diese Ansicht aber durchaus als vertretbar ansieht. Dafur\nspricht zum einen, dass nach dem allgemeinen Sprachgebrauch das Wort\n"Entlassung" durchaus auch als Kundigungsausspruch aufgefasst werden kann.\nZudem geht die Kammer davon aus, dass der deutsche Gesetzgeber bei der\nNormierung der §§ 17 ff. KSchG nicht hinter den europarechtlichen Regelungen\nzuruckbleiben wollte. Letztlich scheitert eine derartige Auslegung jedoch an\nGrundsatzen des Vertrauensschutzes. Es ist anerkannt, dass die Prinzipien der\nRechtssicherheit und des Vertrauensschutzes im Rahmen der\neuroparechtskonformen Auslegung von nationalen Gesetzen Anwendung finden\nmussen (Streinz, Europarecht, 6. Aufl. 2003, Rdnr. 403 ff., Ress, DÖV 1994,\n489, 491). Durfte eine Partei danach mit der Fortgeltung der bisherigen\nRechtslage rechnen und verdient dieses Interesse bei einer Abwagung mit den\nBelangen der anderen Partei und den Anliegen der Allgemeinheit den Vorzug, ist\neine Ruckwirkung unzulassig (Bauer/Krieger/Powietzka, Der Betrieb 2005, 445,\n449). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Berucksichtigt man, dass bisher in den Merkblattern der Bundesagentur fur\nArbeit sowie in den Formularen zur Erstattung von Massenentlassungsanzeigen\nder Arbeitgeber ausdrucklich darauf hingewiesen wird, dass es nicht auf den\nZeitpunkt des Ausspruchs der Kundigung ankomme, sondern auf die Beendigung des\nArbeitsverhaltnisses (letzter Arbeitstag), scheint es kaum vertretbar, dem\nArbeitgeber nunmehr anzulasten, dass die von ihm ausgesprochene Kundigung\nwegen Verstoßes gegen Anzeigepflichten unwirksam sein soll. Der\nVertrauensschutz ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil das\nArbeitsgericht Berlin mit Beschluss vom 30.04.2003 die Frage der Auslegung der\nRichtlinie 98/59/EG dem EuGH zur Entscheidung vorlegte. Von einem\n"gewohnlichen" Arbeitgeber kann nicht erwartet werden, dass er uber Kenntnisse\nverfugt, die noch nicht einmal - wie das vorliegende Masseverfahren zeigt -\nFachanwalte fur Arbeitsrecht aufweisen konnen. Schließlich spricht nach\nAuffassung der Kammer ein weiterer Gesichtspunkt fur die Gewahrung von\nVertrauensschutz. Nach einhelliger Meinung scheidet eine horizontale\nDirektwirkung von Richtlinien aus, weil sich diese zu Lasten eines Privaten\nauswirken konnte. Zieht man in Betracht, dass die Grenzen zwischen\nunmittelbarer Anwendung einer Richtlinie und richtlinienkonformer Auslegung\nhaufig fließend sind und zu identischen Ergebnissen fuhren konnen, scheint bei\nder richtlinienkonformen Auslegung zu Lasten einzelner Vorsicht geboten. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| **III.** \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Weitere Gesichtspunkte, die der Wirksamkeit der Kundigung entgegenstehen\nkonnten, sind nicht ersichtlich. Aufgrund der Betriebsstilllegung sind\ninsbesondere die Fragen einer moglichen Weiterbeschaftigungsmoglichkeit fur\nden Klager sowie der ordnungsgemaßen Sozialauswahl nicht zu stellen. Die\nBeklagte war nicht gehalten, eine soziale Auswahl dergestalt einzuhalten, dass\nsie samtlichen Arbeitnehmern auf den beabsichtigten Stilllegungstermin\n-31.05.2005- hatte kundigen mussen. Vielmehr ist es zulassig, die Kundigung\nunter Wahrung der jeweiligen Kundigungsfrist auszusprechen (BAG Urteil vom\n07.03.2002, NZA 2002, Seite 1111), wonach es einer Sozialauswahl nicht bedarf,\nwenn der Arbeitgeber die werbende Tatigkeit mit sofortiger Wirkung einstellt,\nallen Arbeitnehmern wegen der Betriebsstellung gleichzeitig kundigt und den\nArbeitnehmern mit den langsten Kundigungsfristen die Durchfuhrung der\nRestarbeiten ubertragt, gegebenenfalls unter Einbeziehung von Subunternehmern.\nDenn hierbei handelt es sich nach dem Bundesarbeitsgericht a.a.O. nicht um\neine etappenweise Betriebsstillegung bei der die Kundigungen dem zeit- und\nabschnittsweisen Abbau der betrieblichen Funktionen angepasst werden, vielmehr\nbeabsichtigt in einem solchen Fall der Arbeitgeber die schnellstmogliche\nStilllegung und kann diesen Entschluss nur auf diese Weise vertragsgerecht\numsetzen. Betriebsverfassungsrechtliche Fragen sind mangels Bestehen eines\nBetriebsrats bei der Beklagten ebenfalls nicht zu erortern. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| **IV.** \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die\nStreitwertfestsetzung hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 2 ff. ZPO, 42 Abs. 4\nGKG. \n--- \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| gez. Dr. G.,..... gez. G.,..... gez. G.,..... \n--- \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Die zulassige Klage ist unbegrundet. Die streitgegenstandliche Kundigung ist\nwirksam. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| **I.** \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Kundigung ist wegen dringender betrieblicher Erfordernisse - hier\naufgrund Betriebsstilllegung - sozial gerechtfertigt, § 1 Abs. 2 KSchG. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| 1\\. Dringende betriebliche Erfordernisse, die eine Kundigung gem. § 1 Abs. 2\nKSchG sozial rechtfertigen, konnen sich aus der unternehmerischen Entscheidung\nergeben, den gesamten Betrieb stillzulegen. Eine solche\nUnternehmerentscheidung ist nicht auf ihre Zweckmaßigkeit zu uberprufen.\nErforderlich ist der ernstliche und endgultige Entschluss des Unternehmers,\ndie Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und\nArbeitnehmern fur einen seiner Dauer nach unbestimmten, wirtschaftlich nicht\nunerheblichen Zeitraum aufzuheben. Eine aus diesem Grund erklarte ordentliche\nKundigung ist dann sozial gerechtfertigt, wenn die auf eine\nBetriebsstilllegung gerichtete unternehmerische Entscheidung zum Zeitpunkt des\nZugangs der Kundigung bereits greifbare Formen angenommen hat und eine\nvernunftige betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt,\ndass bis zum Auslaufen der Kundigungsfrist der Arbeitnehmer entbehrt werden\nkann (vgl. statt vieler: BAG Urt. v. 18.01.2001, Az 2 AZR 514/99, BAGE 97,\n10). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| 2\\. Nach Durchfuhrung der Kammerverhandlung hatte das Gericht keine Zweifel\nmehr daran, dass diese Voraussetzungen vorliegend erfullt sind. Von\nKlagerseite wurde im Termin nicht mehr ernsthaft bestritten, dass die Beklagte\nam 15.10.2004 beschlossen hat, die Gesellschaft aufzulosen. Anhaltspunkte\ndafur, dass es sich hier nicht um einen ernstlichen und endgultigen Entschluss\ndes Unternehmers handelt, liegen nicht vor. Die Beklagte hat den\nStilllegungsbeschluss konkret dargelegt sowie durch Vorlage der entsprechenden\nAktennotizen/Gesellschafterbeschlusse nachgewiesen. Diese unternehmerische\nEntscheidung hat auch greifbare Formen, welche die Grunde fur die\nStilllegungsabsicht oder auch ihre Durchfuhrungsformen betreffen konnen (BAG\nUrt. v. 19.06.1991, Az 2 AZR 127/91), angenommen. Die Beklagte hat zahlreiche\ndiesbezugliche Maßnahmen, etwa die Schreiben an Auftraggeber oder die\nKundigung von diversen Vertragen, dargelegt und nachgewiesen. Aufgrund dieser\nUmstande war auch die Prognose gerechtfertigt, dass bis zum Auslaufen der\nKundigungsfrist der Klager entbehrt werden kann. Die von Klagerseite\nvorgebrachten Einwande halt das Gericht hingegen fur nicht stichhaltig. Das\nGericht kann dem Klagervortrag keinerlei Tatsachen entnehmen, die gegen das\nVorliegen einer Stilllegungsentscheidung und einer tatsachlichen\nBetriebsstilllegung sprechen. Entsprechende Äußerungen wurden auch von den\nanderen beim Kammertermin anwesenden Arbeitnehmern nicht getatigt. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| **II.** \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Kundigung ist auch nicht wegen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 KSchG unter\nBerucksichtigung der Richtlinie 98/59/EG unwirksam. Nach der gefestigten\nRechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts fuhrt ein Verstoß des Arbeitgebers\ngegen seine Anzeigepflicht nach § 17 KSchG nicht zur Unwirksamkeit der\nKundigung ( BAGUrt. v. 18.09.2003, Az 2 AZR 79/02). Hieran andert auch die\nerwahnte Richtlinie in der durch den EuGH erfolgten Auslegung (Urt. v.\n27.01.2005, RSC 188/03 Junk/Kuhnel) nichts. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| 1\\. Die Artikel 2-4 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20.07.1998 zur\nAngleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten uber\nMassenentlassungen sind nach dem EuGH dahin auszulegen, dass die\nKundigungserklarung des Arbeitgebers das Ereignis ist, das als Entlassung\ngilt. Dies bedeutet, dass das europaische Recht verlangt, dass der Arbeitgeber\nbei Massenentlassungen die diesbezugliche Anzeige bei den zustandigen Behorden\nbereits vor Ausspruch der Kundigung zu tatigen hat. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| 2\\. Diese "europaische" Rechtslage hat im konkreten Fall allerdings\nkeinerlei Auswirkungen auf das nationale Recht. Insofern verbleibt es bei der\nbisherigen nationalen Rechtslage, dass die Massenentlassungsanzeige auch nach\nAusspruch der Kundigung erfolgen kann und ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht\nnicht zur Unwirksamkeit der Kundigung fuhrt (siehe BAG Urt. v. 24.10.1996, Az\n2 AZR 895/95; BAGE 84, 267; Urt. v. 11.03.1999, Az 2 AZR 461/98, BAGE 91, 107;\nUrt. v. 13.04.2000, Az 2 AZR 215/99). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| a) Eine direkte Anwendung der Richtlinie 98/59/EG scheidet im vorliegenden\nFall aus. Gem. Art. 249 EG-Vertrag treten die Regelungen einer Richtlinie\nnicht automatisch an die Stelle der nationalen Rechtsvorschrift, sondern die\nMitgliedsstaaten werden verpflichtet, ihr innerstaatliches Recht an die\nGemeinschaftsbestimmungen anzupassen. Zur Wirksamkeit einer Richtlinie im\nVerhaltnis zu einem Einzelnen bedarf es demnach eines Umsetzungsaktes durch\ndie Mitgliedsstaaten. Grundsatzlich werden danach erst durch die Umsetzung in\ninnerstaatliches Recht Einzelne berechtigt und verpflichtet. Auch die hiervon\neingefuhrte Ausnahme durch die Rechtsprechung des EuGH (siehe z.B. Rechtssache\n41/74 Van Duyn/Home-Office, Sammlung 1974, 1337; Rechtssache 8/81\nBecker/Finanzamt Munster-Innenstadt, EuGHE I. 1982, 53), dass Richtlinien dann\nentgegen dem Grundsatz direkt anzuwenden sind, wenn der betreffende\nMitgliedsstaat einer Umsetzungspflicht nicht oder nur unzulanglich nachkommt,\nkommt vorliegend nicht zum Tragen. Die unmittelbare Anwendbarkeit von\nRichtlinien beschrankt sich im Sinne dieser Rechtsprechung auf das Verhaltnis\nStaat / Burger ("vertikale unmittelbare Wirkung"). Soweit es -wie hier- um das\nVerhaltnis zweier Privatrechtssubjekte geht, lehnt der Europaische Gerichtshof\nin standiger Rechtsprechung eine unmittelbare Anwendbarkeit ab (keine\n"horizontale unmittelbare Wirkung"; vgl. bspw. Urt. v. 07.03.1996, Rechtssache\nC 192/94 El Corte Ingles SA, EuGHE I. 1996, 1281). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| b) Eine danach verbleibende und gebotene richtlinienkonforme Auslegung der\nnationalen Vorschrift des § 17 KSchG ist angesichts dessen klaren\nRegelungsgehalts nicht moglich (siehe zum Erfordernis der richtlinienkonformen\nAuslegung durch staatliche Organe bspw. EuGH, Urt. v. 05.05.1994, Rechtssache\nC 421/92 Gabriele Habermann-Beltermann/Arbeiterwohlfahrt, EuGHE I. 1994, 1657\n- Scherzberg, JURA 1993, 225). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| aa)Unter welchen Voraussetzungen eine richtlinienkonforme Auslegung moglich\nist und welchen Grenzen sie unterliegt, ergibt sich aus nationalem Recht. Das\neuropaische Recht verlangt allerdings, dass das innerstaatliche Gericht das\nnationale Gesetz "unter voller Ausschopfung des Beurteilungsspielraums, den\nihm das nationale Recht einraumt" bzw. soweit wie moglich "richtlinienkonform\nauszulegen hat" (siehe BAG Urt. v. 18.09.2003, Az 2 AZR 79/02 mit weiteren\nNachweisen). Danach werden die Grenzen einer gemeinschaftskonformen Auslegung\ndurch die allgemeinen Auslegungsregeln bestimmt (naher hierzu: BAG a.a.O.). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| bb)Unter Beachtung der allgemeinen Auslegungsregeln ist eine\nrichtlinienkonforme Auslegung der §§ 17 ff. KSchG dahingehend, dass eine\nMassenentlassungsanzeige bereits vor Ausspruch der Kundigung getatigt werden\nmuss, nicht moglich. Das Kundigungsschutzgesetz unterscheidet in seiner\nSystematik eindeutig zwischen Kundigung und Entlassung. Insofern ist es nach\ndem nationalen Recht nicht moglich, als Entlassung bereits die Kundigung\nanzusehen (ebenso BAG a.a.O.; Bauer/Krieger/Powietzka, Der Betrieb 2005, 445,\n446). Der Gesetzgeber wollte in den §§ 17 ff. KSchG den Begriff der Entlassung\nersichtlich im Sinne der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhaltnisses\nverstanden wissen. Insofern ist es auch Aufgabe des Gesetzgebers, fur einen\neuroparechtskonformen Zustand des nationalen Rechts zu sorgen; eine\nHerstellung eines europarechtskonformen nationalen Rechtszustandes durch die\nRechtsprechung ist mangels eines vorhandenen Auslegungsrahmens nicht moglich. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| cc) Selbst wenn man eine richtlinienkonforme Auslegung in einem ersten\nSchritt fur moglich halten sollte, scheitert diese letztlich an\nGesichtspunkten des Vertrauensschutzes. Die Kammer mochte hierbei nicht\nunerwahnt lassen, dass sie eine europarechtskonforme Auslegung zwar nicht fur\nmoglich halt, diese Ansicht aber durchaus als vertretbar ansieht. Dafur\nspricht zum einen, dass nach dem allgemeinen Sprachgebrauch das Wort\n"Entlassung" durchaus auch als Kundigungsausspruch aufgefasst werden kann.\nZudem geht die Kammer davon aus, dass der deutsche Gesetzgeber bei der\nNormierung der §§ 17 ff. KSchG nicht hinter den europarechtlichen Regelungen\nzuruckbleiben wollte. Letztlich scheitert eine derartige Auslegung jedoch an\nGrundsatzen des Vertrauensschutzes. Es ist anerkannt, dass die Prinzipien der\nRechtssicherheit und des Vertrauensschutzes im Rahmen der\neuroparechtskonformen Auslegung von nationalen Gesetzen Anwendung finden\nmussen (Streinz, Europarecht, 6. Aufl. 2003, Rdnr. 403 ff., Ress, DÖV 1994,\n489, 491). Durfte eine Partei danach mit der Fortgeltung der bisherigen\nRechtslage rechnen und verdient dieses Interesse bei einer Abwagung mit den\nBelangen der anderen Partei und den Anliegen der Allgemeinheit den Vorzug, ist\neine Ruckwirkung unzulassig (Bauer/Krieger/Powietzka, Der Betrieb 2005, 445,\n449). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Berucksichtigt man, dass bisher in den Merkblattern der Bundesagentur fur\nArbeit sowie in den Formularen zur Erstattung von Massenentlassungsanzeigen\nder Arbeitgeber ausdrucklich darauf hingewiesen wird, dass es nicht auf den\nZeitpunkt des Ausspruchs der Kundigung ankomme, sondern auf die Beendigung des\nArbeitsverhaltnisses (letzter Arbeitstag), scheint es kaum vertretbar, dem\nArbeitgeber nunmehr anzulasten, dass die von ihm ausgesprochene Kundigung\nwegen Verstoßes gegen Anzeigepflichten unwirksam sein soll. Der\nVertrauensschutz ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil das\nArbeitsgericht Berlin mit Beschluss vom 30.04.2003 die Frage der Auslegung der\nRichtlinie 98/59/EG dem EuGH zur Entscheidung vorlegte. Von einem\n"gewohnlichen" Arbeitgeber kann nicht erwartet werden, dass er uber Kenntnisse\nverfugt, die noch nicht einmal - wie das vorliegende Masseverfahren zeigt -\nFachanwalte fur Arbeitsrecht aufweisen konnen. Schließlich spricht nach\nAuffassung der Kammer ein weiterer Gesichtspunkt fur die Gewahrung von\nVertrauensschutz. Nach einhelliger Meinung scheidet eine horizontale\nDirektwirkung von Richtlinien aus, weil sich diese zu Lasten eines Privaten\nauswirken konnte. Zieht man in Betracht, dass die Grenzen zwischen\nunmittelbarer Anwendung einer Richtlinie und richtlinienkonformer Auslegung\nhaufig fließend sind und zu identischen Ergebnissen fuhren konnen, scheint bei\nder richtlinienkonformen Auslegung zu Lasten einzelner Vorsicht geboten. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| **III.** \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Weitere Gesichtspunkte, die der Wirksamkeit der Kundigung entgegenstehen\nkonnten, sind nicht ersichtlich. Aufgrund der Betriebsstilllegung sind\ninsbesondere die Fragen einer moglichen Weiterbeschaftigungsmoglichkeit fur\nden Klager sowie der ordnungsgemaßen Sozialauswahl nicht zu stellen. Die\nBeklagte war nicht gehalten, eine soziale Auswahl dergestalt einzuhalten, dass\nsie samtlichen Arbeitnehmern auf den beabsichtigten Stilllegungstermin\n-31.05.2005- hatte kundigen mussen. Vielmehr ist es zulassig, die Kundigung\nunter Wahrung der jeweiligen Kundigungsfrist auszusprechen (BAG Urteil vom\n07.03.2002, NZA 2002, Seite 1111), wonach es einer Sozialauswahl nicht bedarf,\nwenn der Arbeitgeber die werbende Tatigkeit mit sofortiger Wirkung einstellt,\nallen Arbeitnehmern wegen der Betriebsstellung gleichzeitig kundigt und den\nArbeitnehmern mit den langsten Kundigungsfristen die Durchfuhrung der\nRestarbeiten ubertragt, gegebenenfalls unter Einbeziehung von Subunternehmern.\nDenn hierbei handelt es sich nach dem Bundesarbeitsgericht a.a.O. nicht um\neine etappenweise Betriebsstillegung bei der die Kundigungen dem zeit- und\nabschnittsweisen Abbau der betrieblichen Funktionen angepasst werden, vielmehr\nbeabsichtigt in einem solchen Fall der Arbeitgeber die schnellstmogliche\nStilllegung und kann diesen Entschluss nur auf diese Weise vertragsgerecht\numsetzen. Betriebsverfassungsrechtliche Fragen sind mangels Bestehen eines\nBetriebsrats bei der Beklagten ebenfalls nicht zu erortern. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| **IV.** \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die\nStreitwertfestsetzung hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 2 ff. ZPO, 42 Abs. 4\nGKG. \n--- \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| gez. Dr. G.,..... gez. G.,..... gez. G.,..... \n--- \n--- \n---\n\n
138,446
vg-karlsruhe-2007-04-26-5-k-208706
158
Verwaltungsgericht Karlsruhe
vg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
5 K 2087/06
2007-04-26
2019-01-07 14:01:46
2019-01-17 11:58:38
Urteil
## Tenor\n\nDie Klagen werden abgewiesen.\n\nDie Klagerinnen tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der\naußergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Halfte.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerinnen wenden sich gegen einen den Beigeladenen erteilten\nBauvorbescheid zur Nutzungsanderung der ehemaligen ... Muhle, ... (Flurstuck\nNr. ...) in ... in eine Freizeit-, Sport- und Saunaeinrichtung mit der\nMoglichkeit, gegen Vergutung Vertrage uber sexuelle Dienstleistungen\nabzuschließen. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die ab ca. 1850 errichtete ... Muhle ist ein Kulturdenkmal und wurde als\nGetreidemuhle, Holzmehlmuhle und Getreidespeicher genutzt. Das Silo ist seit\n1982 nicht mehr in Betrieb. Die ubrige gewerbliche Tatigkeit der Muhle wurde\nbereits zu einem davor liegenden Zeitpunkt eingestellt. Lediglich die\nehemalige Fabrikantenvilla wird auf niederem Wohnniveau noch bewohnt. Die\nGebaude finden sich mit Ausnahme der Villa in einem sehr schlechten\nAllgemeinzustand, einzelne Gebaudeteile sind bereits eingesturzt, die noch\nvorhandenen durch Einsturz gefahrdet. Seit 1990 wurden fur das Areal\nverschiedene Genehmigungen erteilt, die eine Wohn- oder gewerbliche Nutzung\nvorsahen. Diese wurden jedoch nicht realisiert. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Das Vorhabengrundstuck liegt - durch die ... getrennt - an der ... ...Straße\n(L ... / B ... alt), die derzeit ein Verkehrsaufkommen von ca. 12.000 bis\n18.000 Kraftfahrzeuge pro Tag hat. Die Zufahrt erfolgt bislang uber den\n...weg, der jedoch nicht geeignet ist, großeres Verkehrsaufkommen aufzunehmen\noder mit schweren Fahrzeugen befahren zu werden. Das Landratsamt ... erteilte\neine wasser- und baurechtliche Genehmigung zuletzt am 21.06.1995 in der\nFassung vom 04.10.1995 zur Erschließung des Vorhabengrundstucks durch eine\nBrucke uber die .... Nach dem Genehmigungsbescheid wurde die wasserrechtliche\nGenehmigung auf die Dauer von 30 Jahren erteilt; die Geltungsdauer der\nbaurechtlichen Genehmigung ist zwischenzeitlich abgelaufen. Ein weiterer\nAntrag vom 30.03.2000 fur ein Bruckenbauwerk ist nicht verbeschieden worden. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Westlich an das Vorhabengrundstuck grenzt die Firma Metallbau ..., ein\nSchlossereibetrieb. Der Betrieb liegt auf dem Flurstuck Nr. ... (...weg ...)\nund nutzt auch das unbebaute Flurstuck Nr. ... das unmittelbar an der ...\nliegt. An das letztgenannte Flurstuck grenzt in westlicher Richtung das\nGrundstuck der Klagerin Ziff. 1 an (Flurstuck Nr. ..., ...weg .../...).\nAusgehend von der Schlosserei setzt sich entlang des ...Wegs Wohnbebauung bis\nzur ...kirche fort. Oberhalb des ...Wegs schließt sich entlang des ...Wegs ein\ngroßes Grundstuck an (Flurstuck Nr. ...), das als Friedhof genutzt wird. Auf\ndem Vorhabengrundstuck und auf dem unmittelbar ostlich angrenzenden Flurstuck\nNr. ..., das ursprunglich mit zu dem Muhlenareal gehorte, wird ein\nWasserkraftwerk mit einer Leistung von rund 100 kW betrieben. Der Ausgang des\nWasserkraftwerks in die ... erfolgt im Bereich des Vorhabengrundstucks.\nSudlich und sudostlich wird das Baugrundstuck von einem bewaldeten und\ngartnerisch genutzten Hang begrenzt, der im Landschaftsschutzgebiet liegt.\nWeiter ostlich ist ebenfalls ein bewaldetes Gebiet vorhanden. Auf der dem\nVorhabengrundstuck gegenuber liegenden Seite der ...Straße befinden sich in\nwestlicher Richtung Wohnbebauung und auch gewerbliche Nutzungen. Die\nGrundstucke der Klagerin Ziff. 2, d.h. das mit einem Wohnhaus bebaute\nFlurstuck Nr. ...(...Straße ...) und das als Parkplatz genutzte Flurstuck Nr.\n... sind in etwa 50 bis 60 m Luftlinie vom Vorhabengrundstuck entfernt. Das\nBaugrundstuck ist ebenso wie die Grundstucke der Klagerinnen im\nFlachennutzungsplan der Beklagten aus dem Jahre 2004 als Wohnbauflache (W)\ndargestellt. Weitere planerische Festsetzungen fur das Vorhabengrundstuck und\ndie Grundstucke der Klagerinnen bestehen nicht. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Schreiben ihres Prozessbevollmachtigten vom 20.01.2004 stellten die\nBeigeladenen unter Beifugung von Planen einen Antrag auf Erteilung eines\nBauvorbescheids. Danach dient die Bauvoranfrage im Wesentlichen der\nbaurechtlichen Überprufung des geplanten Vorhabens, insbesondere des\nvorgesehenen Nutzungszweckes. Im Antrag werden das Vorhaben und der Betrieb\nwie folgt erlautert: \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| „ (…) Das Areal der ... Muhle soll ausschließlich durch eine Brucke uber die\n... erschlossen und durch bauliche Maßnahmen sowie durch Bepflanzung von der\nUmgebung abgegrenzt werden. Die bestehenden Gebaudlichkeiten sollen mit\nAusnahme der denkmalgeschutzten Villa und des denkmalgeschutzten Turmes sowie\nder Turbinenhalle im Erdgeschoss vollstandig abgerissen werden. Die Villa und\nder Siloturm werden saniert und erhalten. Über der Turbinenhalle entsteht ein\nneues modernes Gebaude mit angrenzender kleiner Schwimmhalle. Die Villa wird\nin die geplante Nutzung einbezogen. Der Siloturm wird saniert und versiegelt,\njedoch zunachst nicht genutzt. Im Einfahrtsbereich werden etwa 15 bis 20\nParkplatze angelegt und im hinteren Bereich der entstehenden Freiflachen durch\nein zweigeschossiges Parkdeck etwa 60 Parkplatze, so dass insgesamt etwa 80\nParkplatze zur Verfugung gestellt werden konnen. Im Anschluss an die Villa\nsoll uber dem Turbinengebaude ein modernes dreigeschossiges Gebaude errichtet\nwerden. Die Planung sieht vor, das Turbinengebaude durch eine\nStutzkonstruktion auf Pfahlen zu uberbauen, so dass die ursprunglichen\nFundamente der Turbinenhalle erhalten bleiben. Das Niveau der Freiflache im\numbauten Bereich soll angehoben werden, so dass sich der geplante\nWellnessbereich im 1. OG des Neubaues hohengleich an die Freiflache\nanschließt. Zwischen dem Neubau und dem Siloturm soll eine eingeschossige\nSauna und Badelandschaft geschaffen werden, die allerdings ausschließlich aus\ndem Neubau zuganglich ist. Im hinteren Bereich zwischen dem Siloturm und der\nParkanlage soll ein kleines Außengebaude errichtet werden, so dass bereits\ndurch die bauliche Gestaltung ein vollstandiger Sichtschutz von außen\ngewahrleistet ist. (….) Das Objekt selbst hat keine auf den Betriebsgegenstand\nhin deutende Außenwirkung. Der Zufahrtsbereich wird vollkommen neutral\ngestaltet. Dennoch ist durch die Eingangskontrolle bereits im Bruckenbereich\nsichergestellt, dass ausschließlich volljahrige und mit dem Betriebsgegenstand\nvertraute Personen Zutritt erhalten. (….) Die Raumlichkeiten sollen unter\nEinschluss von Solarium, Whirlpool, kleinem Schwimmbad, Sauna und Dampfbad\nsowie Massage betrieben werden und dienen der allgemeinen korperlichen und\nseelischen Entspannung. (….) Der Zugang der Einrichtung befindet sich im\nbereits vorhandenen Eingang der Villa. Der Besucher erhalt im Eingangsbereich\nzunachst Informationen uber den Betriebsablauf. Insoweit ist eine einmalige\nZahlung eines Eintritts vorgesehen, die es dem Besucher erlaubt, samtliche\nEinrichtungen zeitlich unbefristet zu nutzen und alkoholfreie Getranke zu\nkonsumieren. Ein Ausschank alkoholischer Getranke findet nicht statt. Im\nubrigen ist die Betriebsgesellschaft nicht an den vertraglichen Beziehungen\nder Besucher untereinander beteiligt. Nach dem Empfang befinden sich auf der\nlinken Seite die Umkleideraume fur Herren und auf der rechten Seite die\nUmkleideraume fur Damen. Über eine in der Villa neu zu schaffende Treppe\ngelangt der Besucher in den 1. Stock der Villa und das neu aufzubauende\nGebaude. In dem neu zu errichtenden Gebaude befinden sich im 1. Obergeschoss\ndie wesentlichen betrieblichen Einrichtungen. Hierbei handelt es sich um\nSitznischen, eine Buhne, Sauna, Whirlpool, Dampfbad und sanitare\nEinrichtungen. Notausgange befinden sich sowohl am Anfang wie auch am Ende des\nneu zu schaffenden Gebaudes. In den beiden neu herzustellenden Stockwerken\nuber der Betriebsstatte im 1. Obergeschoss befinden sich insgesamt 20\nRuheraume. Im 2. Obergeschoss der Villa sollen insgesamt 6 Appartements\nentstehen. Das Dachgeschoss der Villa dient ausschließlich als Lager oder\nbleibt ungenutzt. Im 1. Obergeschoss der Villa soll eine Hausmeisterwohnung\nerrichtet und die Verwaltung untergebracht werden. In den Raumlichkeiten des\nObjekts halten sich mannliche Personen auf, die in den gediegener Atmosphare\ngegen Entgelt dem sexuellen Erlebnis nachgehen konnen und weibliche Personen,\ndie gegen entsprechende Vergutung sexuelle Dienstleistungen anbieten. Insoweit\nsind die durch die Anlage von Ruheraumen im 2. und 3. Obergeschoss des Neubaus\nerforderlichen Ruckzugsmoglichkeiten gegeben. Die nach außen deutlich\nabgeschirmte Freiflache kann im Übrigen in das Nutzungskonzept einbezogen\nwerden. Das vorgesehene Unternehmen wird voraussichtlich etwa 20 Personen fest\nanstellen. Es handelt sich im Wesentlichen um Techniker, Service- und\nReinigungspersonal sowie Mitarbeiter in der Verwaltung." \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| In den beigefugten Planen ist die verbale Beschreibung zeichnerisch\nverdeutlicht. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit Schreiben vom 12.02.2004 teilte die Beklagte der Beigeladenen mit, bei\neinem Bauvorbescheid konnten nur einzelne Fragen geklart werden. Es werde\ndaher gebeten, konkrete Fragen zu stellen, die dann im Bauvorbescheid\nbeantwortet wurden. Ferner wurden die Namen und Adressen der Personen der\nvorgesehenen Betriebsgesellschaft angefordert. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Schreiben vom 25.02.2004 gab die Beigeladene an, die Bauvoranfrage solle\nzunachst auf die baurechtliche Zulassigkeit der Nutzung des Vorhabens\nbeschrankt werden. Es werde deshalb die baurechtliche Frage der zulassigen\nUmnutzung des bestehenden Anwesens in eine Vergnugungsstatte mit der\nMoglichkeit, gegen Vergutung Vertrage uber sexuelle Dienstleistungen\nabzuschließen, gestellt. Wegen der in diesem Zusammenhang vorgesehenen\nbaulichen Voraussetzungen und der Erhaltung der denkmalgeschutzten Gebaude\nwerde auf die vorliegende Planung sowie die Betriebsbeschreibung vom 20.\nJanuar 2004 Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Mit Schreiben vom 01.03.2004 benachrichtigte die Beklagte die Klagerinnen\nals Angrenzer im Baugenehmigungsverfahren. Die Zustellung mit Belehrung nach §\n55 Abs. 2 Landesbauordnung an die Klagerin Ziff. 1 erfolgte am 02.03.2004, die\nentsprechende Zustellung an die Klagerin Ziff. 2 am 03.03.2004. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Am 09.03.2004 erhob die Klagerin Ziff. 1 folgende Einwendung: \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| „Bezugnehmend auf die Benachrichtigung im Baugenehmigungsverfahren mochte\nich Ihnen hiermit meine Ablehnung zum Bauvorhaben Nutzungsanderung der\nehemaligen ... Muhle mitteilen. Als bekennende Christin mochte ich keine\nsolche Freizeiteinrichtung (Vergnugungsstatte) fur mich, meine Familie, meine\nNachbarn und meine Stadt". \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Klagerin Ziff. 2 machte mit Schreiben vom 14.03.2004 im Rahmen ihrer\nEinwendung geltend, der geplante Umbau der ... Muhle zu einem Bordellbetrieb\nbetrachtlicher Dimension (lt. Bauvorlagen seien 40 Ruheraume sowie 6\nWohnappartements fur die Damen vorgesehen und insgesamt 80 Stellplatze) fuhre\nzu einer erheblichen Beeintrachtigung des Wohnens in der naheren Umgebung. Bei\nder vorliegenden Großenordnung sei mit einer betrachtlichen Erhohung des Zu-\nund Abgangsverkehrs zu rechnen. Es wurden nicht nur die Damen des Gewerbes zu-\nund abfahren, sondern auch die Kundschaft. Bei 80 Stellplatzen konne von einem\nerheblichen Aufkommen ausgegangen werden. Die damit verbundene zusatzliche\nLarm- und Emissionsbelastigung stelle insbesondere nachts eine erhebliche\nStorung dar. Auch sei davon auszugehen, dass mit dem Bordellbetrieb eine\nsonstige milieubedingte Unruhe verbunden sei, die sich in die Umgebung nicht\neinfuge. Zwar liege in unmittelbarer Nachbarschaft ebenfalls ein\nGewerbebetrieb, ansonsten handle es sich jedoch uberwiegend um eine\nWohnbebauung, in die sich ein solcher Bordellbetrieb dieser Großenordnung\nkeinesfalls einfuge. Gerade die hermetische Abriegelung nach außen erfordere\nnicht nur in erheblichem Umfang „Wachpersonal", welches ebenfalls aus dem\neinschlagigen Milieu rekrutiert werde. Es sei auch die Entstehung einer\numfangreichen Folgekriminalitat zu befurchten. In einem Mischgebiet mit\neinigen wenigen Gewerbebetrieben und ansonsten ausschließlicher Wohnbebauung\nund einer Kirche in direkter Nachbarschaft passe sich ein derartig\ndimensionierter Bordellbetrieb mit Sicherheit nicht ein und fuhre zu einer\nerheblichen Beeintrachtigung der Wohnqualitat der Anwohner und zu einer\nWertminderung der Grundstucke. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Mit Bescheid vom 21.04.2004 stellte die Beklagte unter Anordnung der\nsofortigen Vollziehung die Entscheidung uber die Bauvoranfrage nach § 15 BauGB\nfur ein Jahr zuruck. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe stellte mit Beschluss\nvom 07.12.2004 - 4 K 1500/04 - die aufschiebende Wirkung der hiergegen\nerhobenen Klage der Beigeladenen wieder her. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Mit Schreiben vom 23.02.2005 erklarten die Beigeladenen, dass die Plane\nnicht Bestandteil eines Bescheids uber die Bauvoranfrage werden sollten. Die\nBauvoranfrage umfasse lediglich die Art der Nutzung und die Anzahl der\nParkplatze. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Mit Bescheid vom 11.04.2005 erließ die Beklagte den Bauvorbescheid. Hierin\nfuhrte sie aus, dass es sich bei der geplanten Nutzung um einen bordellartigen\nBetrieb handle. Das Vorhaben beurteile sich nach § 34 Abs. 1 BauGB. Die\nvorhandene bauliche Situation entlang des ...Wegs und der ... ...Straße stelle\nsich uneinheitlich dar. Insbesondere unter Berucksichtigung des vorhandenen\nBetriebs der Firma Metallbau ... als storender Gewerbebetrieb sei das Vorhaben\njedoch zulassig. Die Zulassung eines bordellartigen Betriebes habe Nachteile\nund Belastigungen zur Folge, vor allem wegen des abends und nachts zu\nerwartenden Zu- und Abgangsverkehrs. Die Bewohner mussten grundsatzlich die\nublicherweise in bestimmten Gebieten zulassigen typischen Storungen, mithin\nein Mehr an Beeintrachtigungen der Wohnruhe hinnehmen. Ob die Nutzung durch\nden zusatzlichen Verkehr fur die angrenzende Wohnbebauung noch zulassig sei,\nmusse im Baugenehmigungsverfahren in einem Larmgutachten mit der\nentsprechenden Verkehrsprognose unter Berucksichtigung der Vorbelastung\ngepruft werden. In Anlehnung an die Verwaltungsvorschrift des\nWirtschaftsministeriums Baden-Wurttemberg uber die Herstellung notwendiger\nStellplatze seien fur samtliche Flachen der betrieblichen Freizeit-, Sport-\nund Saunaeinrichtung mit Ausnahme der Umkleide- und Sanitarbereiche und der\nweiter unten genannten Flachen pro 11 qm Nutzflachen ein Stellplatz\nnachzuweisen. Ferner sei ein Stellplatz pro Ruheraum oder Appartement\nnachzuweisen. Pro 35 qm Buronutzflache sei ebenfalls ein Stellplatz\nnachzuweisen, ebenso pro Wohnung (z. B. Hausmeister). Im Zuge der\nBauvoranfragen seien nicht nur die direkten Angrenzer des Anwesens der ...\nMuhle gehort worden. Auch Anwohner der gegenuberliegenden Seite an der ...\n...Straße seien benachrichtigt worden, da die ursprungliche Planung in\nVerlangerung der westlichen Grundstucksgrenze eine Brucke uber die ... zur ...\n...Straße vorgesehen habe. Es sei daher anzunehmen gewesen, dass die Bewohner\nin der ... ...Straße gegenuber der geplanten Brucke durch zusatzliches\nVerkehrsaufkommen beeintrachtigt werden konnten. Die Brucke bzw. die\nErschließung sei nun nicht mehr Bestandteil der Bauvoranfrage, so dass daruber\njetzt nicht habe entschieden werden konnen. Ob die Storungen durch den\nzusatzlichen Verkehr fur die angrenzende Wohnbebauung noch zulassig seien,\nmusse im Baugenehmigungsverfahren mit einem Larmgutachten gepruft werden. Den\nEinwendungen sei daher insoweit entsprochen worden, als im Zuge des\nBauantrages ein Larmgutachten vorzulegen sei, aus dem hervorgehe, dass die\nnegativen Auswirkungen fur die Wohnbebauung noch zumutbar seien. Durch die\ngeforderten Stellplatze sei sichergestellt, dass die umliegenden Straßen nicht\ndurch Parkplatzsuchverkehr belastigt wurden. Es sei zu erwarten, dass die\nGesamtheit der negativen Auswirkungen nicht rucksichtslos sein werden, wobei\ndies konkret erst in einem Baugenehmigungsverfahren gepruft werden konne. Die\nBehauptung, einzelne Grundstucke seien aufgrund einer Wertminderung nicht mehr\nveraußerbar, sei kein nachbarschutzender Belang und daher nicht zu\nberucksichtigen. Befurchtete Folgewirkungen wie ein Anstieg der Kriminalitat\noder ein mogliches anstoßiges Verhalten von Besuchern seien\nbauplanungsrechtlich nicht relevant. Milieubedingter Unruhe konne in der\nBaugenehmigung durch entsprechende Auflagen entgegengewirkt werden. Im Übrigen\nseien die Anwohner prakludiert, die aus sozialen oder moralischen Grunden\nEinwendungen gegen das Vorhaben erhoben hatten. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die von den Klagerinnen am 28.04.2005 erhobenen Widerspruche wies das\nRegierungsprasidium Karlsruhe mit Bescheid vom 17.07.2006 zuruck. Zur\nBegrundung fuhrte das Regierungsprasidium im Wesentlichen aus: Das Vorhaben\nverstoße nicht gegen das in § 34 BauGB verankerte Gebot der Rucksichtnahme.\nBauplanungsrechtlich beurteile sich das Vorhaben nach § 34 Abs. 1 BauGB, denn\nes liege weder im Außenbereich noch im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes.\nDie Gebaude der ehemaligen ... Muhle seien Teil eines Bebauungszusammenhangs,\nder entlang des ...Wegs beginne. Das Vorhaben fuge sich der Art der baulichen\nNutzung nach in die nahere Umgebung ein. Bei der geplanten Nutzungsanderung\nhandle es sich um einen bordellartigen Betrieb, der an der geplanten Stelle\nzulassig sei. Durch das Vorhaben werde nicht gegen das Rucksichtnahmegebot\nverstoßen. Zu berucksichtigen sei insbesondere, dass die Wohnbebauung beim\nGrundstuck ...weg ... (Flurstuck Nr. ...) ende und die daran anschließende\nBebauung dem Gebiet einen gewerblichen Charakter verleihe. Es sei klargestellt\nworden, dass der ...weg fur die geplante Nutzungsanderung nicht als\nErschließungsstraße genutzt werden konne. Demzufolge konne die Erschließung\nnur von Norden her und uber eine noch zu errichtende Brucke erfolgen. Ob der\nmit der Nutzungsanderung verbundene Zu- und Abfahrtsverkehr den Anwohnern\nzuzumuten sei, bleibe der Prufung im Baugenehmigungsverfahren uberlassen. Bei\nder Prufung der baurechtlichen Zulassigkeit seien moralische oder ethische\nBedenken oder christliche Überzeugungen nicht berucksichtigungsfahig. Insoweit\nhabe auch die Klagerin Ziff. 1 in ihrem Schreiben vom 09.03.2004 keine\nbaurechtlich relevanten Einwendungen erhoben; sie sei daher mit allen\naußerhalb der 2-Wochen-Frist des § 55 Abs. 2 LBO vorgetragenen weiteren\nEinwendungen prakludiert. Im Hinblick auf die durch die Klagerin Ziff. 2\nangesprochene Wertminderung komme ein Abwehranspruch nur dann in Betracht,\nwenn die Wertminderung die Folge einer dem Betroffenen nach Maßgabe des\nRucksichtnahmegebotes unzumutbaren Beeintrachtigung der Nutzungsmoglichkeiten\nseines Grundstuckes sei. Eine solche unzumutbare Beeintrachtigung sei nicht\nfestzustellen. Der Bescheid wurde am 24.07.2006 zugestellt. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Am 23.08.2006 haben die Klagerinnen Klage erhoben. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Sie beantragen, \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| den Bauvorbescheid der Beklagten vom 11.04.2005 und den Widerspruchsbescheid\ndes Regierungsprasidiums Karlsruhe vom 17.07.2006 aufzuheben. \n--- \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Zur Begrundung tragen sie unter Vertiefung ihres im Widerspruchsverfahren\nerfolgten Vorbringens insbesondere vor: Die Klagerin Ziff. 1 sei schon deshalb\nnicht prakludiert, weil die Bauvorlagen unklar seien und insbesondere nicht\neindeutig sei, von welchem Vorhaben auszugehen sei. Daruber hinaus sei die\nKlagerin Ziff. 1 juristischer Laie. Sie habe in ihrer Einwendung hinreichend\nsubstantiiert zum Ausdruck gebracht, dass sie die Vergnugungsstatte ablehne.\nMehr konne von ihr nicht verlangt werden. Sie habe sich mit ihrer Einwendung\ndagegen gewandt, dass sich die ...kirche und das von der Beigeladenen geplante\nVorhaben in einem Bebauungszusammenhang, mithin in Geschlossenheit und\nZusammengehorigkeit, wiederfanden. Die Klagerin Ziff. 1 sei Kirchenalteste in\nder ...gemeinde. Sie nehme im Rahmen ihrer Einwendung insoweit auch die damit\nverbundenen kirchlichen Interessen wahr. Der Bauvorbescheid sei inhaltlich\nnicht hinreichend bestimmt, denn fur einen Drittbetroffenen sei nicht\nerkennbar, welcher Regelungsgehalt dieser habe. Er fuhre einerseits aus, dass\ndie Umnutzung des bestehenden Anwesens in eine Freizeit-, Sport- und\nSaunaeinrichtung mit der Moglichkeit, gegen Vergutung Vertrage uber sexuelle\nDienstleistungen abzuschließen, bauplanungsrechtlich zulassig sei, klammere\naber andererseits die hierfur wesentliche Frage, ob der bordellartige Betrieb\nfur die nahere Umgebung insbesondere wegen des zu erwartenden larmintensiven\nAn- und Abfahrtsverkehrs rucksichtslos sei, aus. Die Beklagte stutze die\nbauplanungsrechtliche Zulassigkeit des Vorhabens auf § 34 BauGB, lasse aber\ngleichzeitig wesentliche Voraussetzungen fur die Anwendbarkeit jener Norm, wie\ndie Frage des Erschlossenseins des zur Bebauung vorgesehenen Grundstuckes und\ndie Rucksichtnahme und die Zumutbarkeit gegenuber Anliegern bewusst außen vor.\nDie Zulassigkeit nach § 34 BauGB konne aber nur einheitlich und unter\nEinbeziehung samtlicher maßgeblicher gesetzlicher Voraussetzungen entschieden\nwerden. Die bauplanungsrechtliche Zulassigkeit eines Vorhabens nach § 34 BauGB\nerfordere eine umfassende Prufung auch im Rahmen einer Bauvoranfrage, wobei\ndas mit dem Bauprojekt zwangslaufig verbundene Storpotenzial und dessen\nAuswirkungen mit zu uberprufen seien und die Baugenehmigungsbehorde die\nPrufung nicht von sich aus auf Teilaspekte des zur Entscheidung gestellten\nkonkreten Vorhabens beschranken durfe. Die Beklagte gehe davon aus, dass die\nnahere Umgebung des Vorhabens als Gewerbegebiet einzustufen sei, ubersehe\njedoch dabei, dass ein Gebiet ohne sichere Erschließung nicht als\nGewerbegebiet klassifizierbar sei. Fur das Vorhaben fehle es an der\nErschließung. Gehe man davon aus, dass das Vorhaben im unbeplanten\nInnenbereich liege, so musse es sich mit der Erschließungssituation abfinden,\ndie es antreffe. Im Bauvorbescheid sei aber festgehalten worden, dass der\n...weg als Erschließungsstraße nicht genutzt werden konne. Damit sei klar,\ndass mangels Erschließung das Vorhaben nach § 34 BauGB unzulassig sei. Eine\nAbtrennung der Erschließungsfrage von den sonstigen\nZulassigkeitsvoraussetzungen des § 34 BauGB im Rahmen des\nVorbescheidsverfahrens sei aus rechtlichen Grunden undenkbar. Die\nErschließungsfrage wirke sich nicht lediglich auf die unmittelbaren\nGrundstucksangrenzer aus; die hier problematische Verkehrserschließung wirke\nsich hier auch auf nach Immissionsrecht geschutzte weitere Betroffene aus, die\nim Rahmen der Überprufung, ob das Rucksichtnahmegebot eingehalten sei, ihre\nAbwehrrechte geltend machen konnten. Davon abgesehen habe die Beklagte\nverkannt, dass es sich bei dem Vorhabengrundstuck um ein\nAußenbereichsgrundstuck handle. Das Muhlengrundstuck sei kein Bestandteil des\nden ...weg umgebenden Bebauungszusammenhangs. Der hohe Siloturm sei ein\nSolitar, der erkennbar die Harmonie der Wohnungsumgebung store. Jedenfalls\nhabe die Beklagte verkannt, dass sie 1994 eine Umnutzung des Muhlengrundstucks\nzu Wohnzwecken mit 150 Wohneinheiten genehmigt habe. Diese genehmigte\nWohnnutzung wirke als planungsrechtliche Vorbelastung und stehe der Annahme\neiner gewerblichen Vorpragung des Gebietes entgegen. Hinzu komme, dass\nzwischen dem Vorhabengrundstuck und der Wohnbebauung des ...Wegs eine Mauer\nerrichtet werden solle. Damit werde der Bebauungszusammenhang - sofern man\neinen solchen uberhaupt annehmen wollte - aufgehoben. Durch die Mauer werde\nauch das Erschlossensein des Muhlengrundstucks unterbunden. Ein\nBebauungszusammenhang zwischen der ...kirche und dem Muhlengrundstuck bestehe\nnicht, es fehle am Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehorigkeit. Die\nfur die Gebietstypik heranzuziehende nahere Umgebung sei falsch abgegrenzt.\nDie Beklagte habe in weiterer Entfernung (500 m) vom Muhlenareal in Richtung\n... vorhandene Grundstucksnutzungen herangezogen, die nicht mehr zum\nBebauungszusammenhang gehorten. Die Auffassung der Beklagten, dass die nahere\nUmgebung des zur Bebauung vorgesehenen Grundstucks von gewerblicher Nutzung\ngepragt sei, sei fehlerhaft. Die Schlosserei sei ein „Ausreißer", dem keine\nmaßstabsbildende Kraft fur die nahere Umgebung zukomme. Jedenfalls sei dieser\nBetrieb nicht mit storenden Immissionen verbunden und fuge sich in das\nvorhandene (allgemeine) Wohngebiet ein. Der Muhlenanlage komme ebenfalls kein\npragender Charakter zu, denn Siloturm und Muhle wurden seit langem nicht mehr\ngewerblich genutzt und der Bestandsschutz sei entfallen. Auch das Wasserwerk\nhabe keine maßstabsbildende Kraft. Bei diesem handle es sich lediglich um im\nErd- und Untergeschoss betriebene Turbinen, die die Wohnnutzung nicht\nbeeintrachtigten; sie seien nicht nach außen sichtbar. Die Turbinenanlage\nliege 6 m unter der Wasseroberflache. Wurde man das Areal als Gewerbegebiet\nqualifizieren, so wurde eine faktische Umnutzung des bisher zu Wohnzwecken\ngenehmigten Areals erfolgen, da Wohnen im Gewerbegebiet grundsatzlich\nunzulassig sei. Dies widerspreche der Intension des § 34 BauGB. Jedenfalls\nwurde eine Genehmigung zur gewerblichen Nutzung des Muhlenareals dazu fuhren,\ndass neben reiner Wohnnutzung im Bereich des ...Weges eine gewerbliche Nutzung\nentstehe. Dies widerspreche dem planungsrechtlichen und\nimmissionsschutzrechtlichen Trennungsgrundsatz und samtlichen\nplanungsrechtlichen Abwagungsgrundsatzen. Ausgehend von der Schlosserei gebe\nes noch freie bebaubare Flachen, womit es durch die Hintertur zu einem neuen\nGewerbegebiet und damit zu weiteren negativen Folgen kommen konne. Das\nVorhaben verletze das Gebot der Rucksichtnahme. Es erzeuge bodenrechtliche\nSpannungen, die nur im Rahmen einer Bauleitplanung bewaltigt werden konnten.\nDas Außerachtlassen der kirchlichen Belange der ...kirche bei der Bewertung\nder Gebietspragung und Gebietsvertraglichkeit sei rechtswidrig (vgl. auch § 1\nAbs. 6 Nr. 6 BauGB). Ein (allgemeines) Wohngebiet solle in erster Linie\nstorungsfreies Wohnen gewahrleisten. Dies sei bei einer gewerblichen\nProstitutionsausubung mit der Folge milieubedingter Unruhe nicht mehr moglich.\nDurch den Zu- und Abgangsverkehr und die Anzahl und Anordnung der Parkplatze\nentstehe eine neuartige Belastungssituation, die ihnen nicht zumutbar sei.\nDurch die ... ...Straße sei keine relevante Vorbelastung mehr vorhanden.\nGerade in den Abendstunden gebe es kaum Verkehr. Hingegen werde der\nvorhabenbedingte Zu- und Abgangsverkehr mit den einhergehenden\nGerauschimmissionen wie zuschlagende Autoturen, Anlassen der Motoren und\nUnterhaltung der Besucher fur eine besondere Belastung sorgen. Durch die neu\nzu errichtende Brucke und die erforderliche Aufweitung der ... ...Straße, uber\ndie das Muhlenareal erschlossen und der Zu- und Abgangsverkehr bewaltigt\nwerden solle, seien die Klagerinnen erheblichen zusatzlichen\nVerkehrsimmissionen ausgesetzt. Die geplanten Nutzungsanderungen wurden das\nimmissionsschutzrechtliche Verbesserungsgebot, das auch im Baurecht zu\nbeachten sei, verletzen. Die Polizeidirektion ... habe im Rahmen des\nVerwaltungsverfahrens darauf hingewiesen, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit\nzu Ermittlungs- und Strafverfahren und polizeilichen Einsatzen bezuglich des\nVorhabens kommen werde. Dies sei fur sie nicht hinnehmbar und stelle einen die\nWohnruhe wesentlich beeintrachtigenden Faktor dar. Im konkreten Falle gehe es\nnicht nur um die Verletzung nachbarschutzender Vorschriften des Baurechts,\nsondern auch um Aspekte der Immissionsbelastung und der Altlastenproblematik,\ndie ihnen gesonderten Drittschutz vermittelten, und die nicht gepruft seien. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Zur Begrundung nimmt sie auf die angefochtenen Bescheide Bezug und tragt\nerganzend vor: Die Klagerin Ziff. 1 sei mit ihren Einwendungen im\nWiderspruchs- und Klageverfahren prakludiert. Ihre Einwendung im Rahmen der\nNachbaranhorung habe in keiner Hinsicht nachbarschutzende Belange enthalten,\ndie im Genehmigungsverfahren hatten berucksichtigt werden konnen. Im Rahmen\nder Nachbaranhorung sei im Formblatt der Baurechtsbehorde ausdrucklich auf die\nPraklusionswirkung hingewiesen worden. Hinsichtlich der Klagerin Ziff. 2 sei\nnicht ersichtlich, dass sie sich auf eine Verletzung nachbarschutzender\nVorschriften durch das Vorhaben berufen konne. Sie liege in deutlichem Abstand\nvom Bauvorhaben entfernt und durch die Talaue sowie die ... und die Landstraße\nL ... in bedeutender Form vom Vorhaben getrennt. Jedenfalls verletze das\nVorhaben, das sich nach der vorhandenen baulichen Situation nach § 34 Abs. 1\nBauGB beurteile, nicht das Rucksichtnahmegebot. Die Art des Vorhabens sei so\nkonzipiert, dass ein Verstoß gegen das Rucksichtnahmegebot uberhaupt nicht\nvorliegen konne - dies gelte unabhangig davon, ob man den Betrieb als\nbordellahnlichen Betrieb oder als - ggf. kerngebietstypische -\nVergnugungsstatte einstufe. Beeintrachtigungen der Anwohner durch den Zu- und\nAbfahrtsverkehr konnten ausgeschlossen werden. Das Muhlengrundstuck werde\ndurch eine massive hohe Mauer gegenuber dem ...weg abgegrenzt und verfuge uber\nausreichend interne Parkmoglichkeiten. Daruber hinaus sei das Gebiet durch den\nbereits stattfindenden Straßenverkehr und die auf der Ruckseite der Muhle\nbefindliche Eisenbahnlinie in den ... vorbelastet. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Beigeladene beantragt, \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Sie begrundet dies im Wesentlichen wie folgt: Ob sich das Vorhaben in jeder\nHinsicht im Sinne des § 34 BauGB einfuge, konne dahingestellt bleiben. Die fur\ndie Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzungen maßgebliche\nZumutbarkeitsgrenze sei in Bezug auf die Klagerinnen eingehalten. Die\ngegenwartig bestehenden baulichen Anlagen auf dem Grundstuck wichen erheblich\nvon den Ausmaßen und den baulichen Anordnungen der Umgebungsbebauung ab. Nach\neiner aktuellen Betrachtung fugten sich die Bauten des gesamten Grundstucks\nnicht in die Umgebung ein. Selbst nach einem Abbruch der ehemaligen\nVerwaltungsgebaude gelte dies fur die denkmalgeschutzte Villa und den Siloturm\nweiter. Die Rechtsfrage des Einfugens des Vorhabens richte sich dem\nentsprechend nach der bereits vorhandenen Bebauung. Dabei komme es nicht auf\ndie Kubatur der Gebaude in der naheren und weiteren Umgebung an. Die\nUmgebungsbebauung sei wegen der vorhandenen, dem Objekt und der Umgebung das\nGeprage gebenden Bebauung zu vernachlassigen. Die Ersatzbebauung fur den\nTeilabriss fuge sich hinsichtlich der uberbauten Flache und der Hohe\nharmonisch in die denkmalgeschutzte Substanz, die erhalten bliebe, ein. Bei\ndem Vorhaben handle es sich bauplanungsrechtlich um einen Gewerbebetrieb. Bei\nder Beurteilung der baurechtlich relevanten Rucksichtnahme sei zunachst auf\ndie unterschiedliche Bebauung innerhalb des Muhlengrundstucks und außerhalb,\neinerseits getrennt durch die ... ...Straße und durch die Art der Bebauung zum\n...weg abzustellen. Die Bebauungssituation bewirke, dass die angrenzende\nBebauung an der ... ...Straße und dem ...Weg aufgrund anderweitiger Bebauung\nnicht in die nahere Umgebung i. S. d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einbezogen\nwerden konne. Allein der erwartete Ziel- und Quellverkehr wirke sich auf der\n... ...Straße aus und konne als Reflex der vorgesehenen Nutzung baurechtlich\nzu berucksichtigen sein. Die Klagerinnen hatten keinen Anspruch, die\nWiederbebauung und Wiederbelebung einer gewerblichen Nutzung auf dem\nGrundstuck zu verhindern. Dabei begrunde ein zwischenzeitliches\nPlanungsvorhaben einer Wohnnutzung keinen Vertrauenstatbestand zugunsten der\nKlagerinnen. Wegen der auf dem streitgegenstandlichen Grundstuck\nvorzuhaltenden Pkw-Stellplatze und der damit verbundenen\nLarmbeeintrachtigungen trete im Wesentlichen keine von der fruheren\nBaugenehmigung abweichende Nachbarsituation ein. Aus dem Umstand, dass die\nKlagerinnen gegen das fruhere Bebauungsvorhaben keine Einwendungen erhoben\nhatten, werde deutlich, dass sie selbst nicht von der Verletzung subjektiv\ngeschutzter Nachbarinteressen im Rahmen des Rucksichtnahmegebotes ausgingen,\nsondern sich allein am Nutzungszweck des aktuellen Vorhabens storten. Das\nGrundstuck werde uber eine notwendigerweise neu zu errichtende Brucke uber die\n... erschlossen. Die Baugenehmigung fur die Brucke sei erteilt. Die Zu- und\nAbfahrt oder sonstige Zugangsmoglichkeiten uber den ...weg wurden\nunterbrochen, so dass die Besucher weder an der Kirche noch an den sonstigen\nWohn- und Gewerbeobjekten vorbeifahren oder -laufen wurden. Jedenfalls\nbeurteile sich die maßgebliche Umgebung als Gewerbegebiet. Das Vorhaben sei\nzutreffend anhand der objektiven Kriterien auf der Grundlage des\nBeurteilungskonzepts der Beigeladenen als gebietskonform qualifiziert worden.\nDabei habe die Frage des effektiven Stellplatzbedarfs nach Festlegung der\nBemessungskriterien und die Beurteilung der Verkehrsprognose durch ein\nLarmgutachten im Bauvorbescheid vorbehalten bleiben konnen. Entgegen der\nAuffassung der Klagerinnen sei der Bauvorbescheid nicht unbestimmt. Fur die\nKlagerinnen sei die kunftige Nutzung unter dem Vorbehalt der Einhaltung des\nRucksichtnahmegebotes eindeutig und unzweifelhaft erkennbar. Das Vorhaben sei\nweder gebietsunvertraglich noch erreichten die nicht einmal ansatzweise\ndargelegten und nur vermuteten milieubedingten Unruhen eine baurechtlich\nallgemein zu berucksichtigende nachbarschutzende Hohe. Das Vorhaben werde\nserios und nach wirtschaftlichen Grundsatzen gefuhrt. Es gebe auch keinen\nallgemeinen Grundsatz dahingehend, dass die befurchtete Wertminderung des\neigenen Grundstuckes geschutzt sei. Es lagen auch keine allgemeinen\nbodenrechtlichen Spannungen vor. Die Klagerinnen hatten in der Vergangenheit\nim Wesentlichen moralische Bedenken geltend gemacht. Bei dem Vorhaben seien\njedoch die Wertungen des Gesetzgebers, die besonders Niederschlag im\nProstitutionsgesetz vom 20.12.2001 gefunden hatten, zu berucksichtigen. Bei\ndem Vorhaben handle es sich um eine Einrichtung, in der in rechtlich\nzulassiger und einwandfreier Form ein Gewerbe ausgeubt werde. Im Übrigen fehle\nes dem Unternehmen vollstandig und umfassend an jeglichem physischem\nÖffentlichkeitsbezug. Die Zufahrt zum Betrieb sei nur isoliert uber eine\nBrucke moglich. Der Betrieb werde mit Sichtschutz ausgestattet. Es gebe keine\n„werbliche Außenwirkung" und es finde eine personliche Zugangskontrolle statt. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Der Landtag von Baden-Wurttemberg hat in seiner Sitzung vom 02.02.2006 einer\nPetition des Bundnis fur ... gegen das Vorhaben der Beigeladenen nicht\nabgeholfen (Petition Nr. .../..., Landtagsdrucksache .../...). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Das Gericht hat in der mundlichen Verhandlung vom 26.04.2007 die\nÖrtlichkeiten in Augenschein genommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der\nBeweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift einschließlich der\nLichtbilder verwiesen. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Wegen des weiteren Vortrages und Sachverhaltes wird auf den Inhalt der\ngewechselten Schriftsatze und der Akten verwiesen. Dem Gericht liegen die\nAkten der Beklagten (6 Bande), die Akte des Regierungsprasidiums Karlsruhe (1\nBand), die Akte des Verwaltungsgerichts Karlsruhe im Verfahren 4 K 1500/04 und\nder Flachennutzungsplan der Stadt ... vom 31.12.2004 vor. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Klagen gegen den Bauvorbescheid der Beklagten vom 11.04.2005 und den\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Karlsruhe vom 17.07.2006 sind\nzulassig (zum Regelungsgegenstand des Bauvorbescheids siehe unten I.). Die\nKlage der Klagerin Ziff. 1 hat jedoch schon deshalb keinen Erfolg, weil sie im\nRahmen der Angrenzerbenachrichtigung keine baurechtlich beachtlichen\nEinwendungen erhoben hat und sie mit ihrem weiteren Vorbringen im Widerspruch-\nund Klageverfahren materiell prakludiert ist (II.). Die Klage der Klagerin\nZiff. 2 ist unbegrundet, weil der streitgegenstandliche Bauvorbescheid sie\nnicht in ihren nachbarschutzenden Rechte verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO\n(III.). Dies wurde im Übrigen auch fur die Klagerin Ziff. 1 gelten, wenn man\ndas Vorliegen einer Praklusion verneinen wurde (IV.). \n--- \n--- \nI.) \n--- \n| 32 \n--- \n| Nach § 57 Abs. 1 LBO kann auf schriftlichen Antrag des Bauherrn ein\nschriftlicher Bescheid zu einzelnen Fragen eines Vorhabens erteilt werden\n(Bauvorbescheid). Auf seine Erteilung hat der Bauherr trotz des Wortlauts in §\n57 Abs. 1 LBO („kann erteilt werden") einen Rechtsanspruch, wenn offentlich-\nrechtliche Vorschriften den zur Klarung gestellten Fragen nicht\nentgegenstehen; dies folgt aus dem Verweis in § 57 Abs. 2 LBO auf § 58 Abs. 1\nLBO. Regelungsgegenstand des Bauvorbescheids vom 11.04.2005 ist die Frage, ob\ndie Nutzungsanderung der ehemaligen ... Muhle in eine Freizeit-, Sport- und\nSaunaeinrichtung mit der Moglichkeit, gegen Vergutung Vertrage uber sexuelle\nDienstleistungen abzuschließen, der Art nach bauplanungsrechtlich auf dem\nVorhabengrundstuck zulassig ist und wie viele Stellplatze hierfur benotigt\nwerden. Dieser Entscheidungsgegenstand entspricht den zuletzt gestellten und\ninsoweit maßgeblichen Fragen der Beigeladenen. Wahrend der ursprungliche -\nohne konkrete Fragen gestellte - Antrag vom 20.01.2004 zunachst mit Schreiben\nder Beigeladenen vom 25.02.2004 dahingehend prazisiert worden war, dass unter\nVerweis auf die vorgelegten Plane die „baurechtliche Frage der zulassigen\nUmnutzung des bestehenden Anwesens in eine Vergnugungsstatte mit der\nMoglichkeit gegen Vergutung Vertrage uber sexuelle Dienstleistungen\nabzuschließen gestellt werde", grenzte die Bauherrin ihre Anfrage mit\nSchreiben vom 23.02.2005 sodann dahin gehend ein, dass die Plane nicht mehr\nBestandteil eines Bescheids uber die Bauvoranfrage werden sollten und ihre\nAnfrage nunmehr lediglich die Art der Nutzung und die Anzahl der Parkplatze\numfasse. Andere als die zuletzt gestellten Fragen standen somit nicht zur\nEntscheidung und sind auch nicht von der Beklagten mit Bindungswirkung fur ein\neventuell nachfolgendes Baugenehmigungsverfahren entschieden worden. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Insbesondere ist die Frage der Erschließung nicht Gegenstand des\nBauvorbescheids. Sowohl fur Vorhaben im unbeplanten Innenbereich nach § 34\nBauGB als auch fur Vorhaben im Außenbereich nach § 35 BauGB gilt, dass die\nFrage der bauplanungsrechtlichen Zulassigkeit des Vorhabens hinsichtlich der\nbeabsichtigten Art der baulichen Nutzung und die Frage der Erschließung schon\nnach dem Wortlaut der Vorschriften selbststandige Tatbestandsmerkmale einer\nNorm sind, die einer isolierten Beurteilung unterworfen werden konnen (vgl.\nauch Sauter, Landesbauordnung, 3. Aufl., § 57 Rn 6). Der vorliegende Fall\nweist auch keine Besonderheiten auf, die es gebieten wurden, dass abweichend\nvon diesem Grundsatz uber beide Frage gemeinsam entschieden werden musste.\nDeshalb ist es insoweit rechtlich nicht zu beanstanden, dass der\nBauvorbescheid vom 11.04.2005 den Hinweis enthalt, dass die Erschließung nicht\nGegenstand des Bauvorbescheids ist und uber die Zumutbarkeit des zu\nerwartenden Zu- und Abgangsverkehrs uber die Brucke oder eine andere\nErschließung erst im Baugenehmigungsverfahren nach Vorlage eines Gutachtens\nentschieden werden konne. Im Übrigen betrifft der Umstand des Fehlens eines\nLarmgutachtens bzw. dessen Vorbehalt fur das Baugenehmigungsverfahren nicht\ndie Frage des Regelungsgegenstands des Bauvorbescheids, sondern die Frage, ob\nim Bauvorbescheid die nachbarlichen Rechte mit der Folge einer\nRechtsverletzung der Klagerinnen fehlerhaft gewurdigt worden sind. \n--- \n--- \nII.) \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Klage der Klagerin Ziff. 1 ist unbegrundet, denn sie ist materiell\nprakludiert. Entgegen § 55 Abs. 2 Satz 1 LBO hat sie nicht fristgerecht im\nRahmen der Angrenzerbenachrichtigung baurechtlich beachtliche Einwendungen\ngegen das Vorhaben der Beigeladenen erhoben. Deshalb ist sie nach § 55 Abs. 2\nSatz 2 LBO mit allen Einwendungen ausgeschlossen, die im Rahmen der\nBeteiligung nicht fristgemaß geltend gemacht worden sind. Bei einer\nmateriellen Praklusion (zur Einordnung des § 55 Abs. 2 Satz 2 LBO als -\nentsprechend dem Gesetzeswortlaut - materielle Praklusionsvorschrift siehe VGH\nBad.-Wurtt., Beschl. v. 04.03.1998 - 5 S 3180/97 -; Sauter, aaO, § 55 Rn 28a\nff.; Durr, Baurecht Baden-Wurttemberg, 11. Aufl., 2004, Rn 232) ist das\nGericht an der inhaltlichen Prufung gehindert, ob durch den Verwaltungsakt\nsubjektive Rechte der Klagerin verletzt werden. Der Anspruch auf Aufhebung des\nVerwaltungsakts nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist ausgeschlossen (Durr, aaO,\nRn 306; siehe allgemein zur Einordnung der Praklusion als Aspekt der\nBegrundetheitsprufung BVerwG Urt. v. 24.05.1996 - 4 A 38/95 -, NVwZ 1997, 489;\nVGH Bad.-Wurtt. Urt. v. 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, DVBl 1992, 438;\nEyermann/Schmidt, VwGO 12. Aufl., 2006, § 113 Rn 4; Spannowsky, in:\nSodan/Ziekow, VwGO, § 113 Rn 34 f., Brandt, Praklusion im\nVerwaltungsverfahren, NVwZ 1997, 233, 235). Grunde dafur, dass der\nEinwendungsausschluss nicht greift und die von der Klagerin Ziff. 1 im\nWiderspruchs- und Klageverfahren vorgebrachten Einwendungen deshalb durch das\nGericht zu prufen waren, liegen nicht vor. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Anlasslich der Angrenzerbenachrichtigung nach § 57 Abs. 2 i.V.m. § 55 LBO\nmit Schreiben der Beklagten vom 01.03.2004 hat die Klagerin Ziff. 1 mit ihrem\ninnerhalb der 2-Wochen-Frist bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom\n09.03.2004 die Nutzungsanderung der ehemaligen ... Muhle abgelehnt und weiter\nausgefuhrt, dass sie als bekennende Christin keine solche Freizeiteinrichtung\n(Vergnugungsstatte) fur sich, ihre Familie, ihre Nachbarn und ihre Stadt haben\nwolle. Die Klagerin Ziff. 1 ist der Ansicht, sie habe mit dieser Einwendung\nzwangslaufig zu befurchtende bodenrechtliche Spannungen und eine\nGebietsunvertraglichkeit geltend gemacht. Der Wortlaut des Schreibens lasst\neinen solchen Einwand allerdings nicht erkennen. Entgegen ihrer Auffassung\nergibt sich dies auch nicht im Wege der weiteren Auslegung. Fur die Auslegung\ndes Schreibens kommt es dabei nicht darauf an, welchen subjektiven\nErklarungsinhalt die Klagerin Ziff. 1 ihren Formulierungen beimessen wollte.\nMaßgebend ist vielmehr entsprechend §§ 133, 157 BGB der objektive\nErklarungswert, d.h. wie die Beklagte den Inhalt des Schreibens nach Treu und\nGlauben verstehen musste und durfte (siehe allgemein zur Auslegung offentlich-\nrechtlicher Willenserklarungen Knack, VwVfG, 8. Aufl., § 9 Rn 25 mwN). Nach\ndem objektivierbaren Erklarungswert enthalt das Schreiben keine baurechtlich\nrelevante Einwendung. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Grunde der Klagerin Ziff. 1 fur die im ersten Satz ihres Schreibens vom\n09.03.2004 erklarte Ablehnung des Vorhabens der Beigeladenen ergeben sich aus\ndem damit im unmittelbaren Zusammenhang stehenden folgenden Satz. Danach\nerfolgt ihre Ablehnung, die sie nicht nur fur sich selbst, sondern fur die\nStandortgemeinde insgesamt erklart, aus ihrer christlichen Überzeugung.\nInsoweit kann die Formulierung des ersten Satzes nicht losgelost von dem\nbetrachtet werden, was sie weiter ausfuhrt. Die Klagerin Ziff. 1 wendet sich\nausschließlich aus religiosen und damit privaten Motiven gegen das Vorhaben.\nRechtserheblich sind jedoch nur offentlich-rechtliche Einwendungen (Sauter,\naaO, Rn 27c). Soweit die Klagerin Ziff. 1 des weiteren geltend macht, sie habe\nihre Einwendungen auch als Kirchenalteste der ...gemeinde im Interesse der\n...kirche formuliert und damit insbesondere zum Ausdruck gebracht, aus\nbaulicher Sicht durfe das Vorhaben nicht in der Nachbarschaft der Kirche\nentstehen, fuhrt dies ebenfalls nicht zur Annahme einer rechtserheblichen\nEinwendung. Abgesehen davon, dass eine solche Intension dem Wortlaut ihres\nSchreibens vom 09.03.2004 schon nicht entnommen werden kann, kann die Klagerin\nZiff. 1 als Eigentumerin des Grundstucks Flurstuck Nr. 12/1 nur eigene Rechte\nund Belange geltend machen, nicht aber solche der Kirchengemeinde. Schließlich\nbesteht auch kein Anlass unter Berucksichtigung des der Beklagten erkennbaren\nVerfahrensziels der Klagerin Ziff. 1, namlich der Verhinderung des Vorhabens\nder Beigeladenen, ihr Schreiben vom 09.03.2004 in einer Art\n„Meistbegunstigung" unter weitgehender Außerachtlassung seines Wortlauts\ndahingehend auszulegen, dass bei der generellen Ablehnung des Vorhabens in\nGestalt eines bordellartigen Betriebs sich etwa aufdrangende bauliche\nErwagungen im Sinne befurchteter bodenrechtlicher Spannungen und einer\nGebietsunvertraglichkeit geltend gemacht wurden. Abgesehen davon, dass aus\neiner Ablehnung des Vorhabens nicht zwangslaufig mit hinreichender Sicherheit\nauf die aus Sicht des Nachbarn jeweils hierfur einschlagigen baurechtlichen\nGrunde geschlossen werden kann, wurde dies auch Wortlaut und Zweck des § 55\nAbs. 2 LBO widersprechen. Eine grundsatzliche Ablehnung eines Vorhabens reicht\ngerade nicht aus, um zu verhindern, dass ein Nachbar gemaß § 55 Abs. 2 Satz 2\nLBO mit seinen nicht fristgerecht erhobenen Einwendungen ausgeschlossen wird.\nVielmehr muss sein Vorbringen erkennen lassen, in welcher Hinsicht aus seiner\nSicht Bedenken gegen das Bauvorhaben bestehen. Dies erfordert die Bezeichnung\ndes verletzten Rechtsguts und eine zumindest grobe Darstellung der im\neinzelnen befurchteten Beeintrachtigungen (VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom\n01.04.1998 - 8 S 722/98 -, NVwZ 1998, 986; Beschluss vom 14.07.1999 - 3 S\n1358/99 -, VBlBW 2000, 115; vgl. auch Beschluss vom 26.04.2002 - 5 S 629/02 -,\nVBlBW 2002, 445; Sauter, aaO, § 55 Rn 27b; Durr, aaO, Rn 232). Auch von einem\njuristischen Laien ist daher entgegen der Auffassung der Klagerin Ziff. 1 zu\nverlangen, dass er seine baurechtlichen Einwendungen dem Grunde nach\nkonkretisiert. Hieran fehlt es jedoch. Hinsichtlich der nicht fristgerecht\nerhobenen Einwendung kommt auch keine Wiedereinsetzung der Klagerin Ziff. 1 in\nden vorigen Stand gemaß § 32 LVwVfG in Betracht. Die Voraussetzung hierfur\nliegen schon deshalb nicht vor, weil ein solcher Antrag nicht innerhalb der\n2-Wochen-Frist des § 32 Abs. 2 LVwVfG gestellt worden ist. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Der Eintritt der Praklusionswirkung ist auch nicht aufgrund von\nVerfahrensfehlern ausgeschlossen. Die Angrenzerbenachrichtigung vom 01.03.2004\nist der Klagerin Ziff.1 am 02.03.2004 zugestellt worden und hat auch die nach\n§ 55 Abs. 2 Satz 3 LBO erforderliche Belehrung enthalten, dass Einwendungen\ngegen das Bauvorhaben innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieser\nBenachrichtigung schriftlich oder mundlich zur Niederschrift bei der Beklagten\nvorzubringen sind und dass sie mit allen Einwendungen ausgeschlossen wird, die\nim Rahmen der Beteiligung nicht fristgemaß geltend gemacht werden. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Der Annahme der Praklusion stehen ferner auch keine anderweitigen Mangel\nentgegen. Eine Angrenzerbenachrichtigung kann ihre Anstoßwirkung nicht\nerreichen, wenn aus der gewahlten Bezeichnung des Vorhabens auch bei Anwendung\nder dem Angrenzer obliegenden Sorgfalt nicht ersichtlich ist, welches Vorhaben\ntatsachlich zu erwarten steht. Eine Praklusion kann auch dann nicht eintreten,\nwenn die Bauvorlagen unvollstandig oder unverstandlich sind und diese eine\nmogliche Betroffenheit des Angrenzers nicht hinreichend deutlich erkennen\nlassen. Schließlich wird eine solche Rechtswirkung nicht ausgelost, wenn die\nspatere Genehmigung nicht mit dem Bauantrag und den Bauvorlagen, in die der\nNachbar Einsicht genommen hat, ubereinstimmt und insoweit etwas anderes\ngenehmigt wird (naher Sauter, aaO, § 55 Rn 28e). Derartige Mangel, die zum\nAusschluss der Praklusion fuhren wurden, sind im vorliegenden Fall jedoch\nnicht gegeben. In der Angrenzerbenachrichtigung ist der Bauort angegeben und\ndas Vorhaben mit „Bauvoranfrage: Nutzungsanderung der ehemaligen ... Muhle in\neine Freizeiteinrichtung (Vergnugungsstatte) mit der Moglichkeit - gegen\nVergutung - Vertrage uber sexuelle Dienstleistungen abzuschließen" bezeichnet\nworden. Dies lasst unzweifelhaft den bordellartigen Charakter der\nbeabsichtigten Nutzung in der Nahe des Anwesens der Klagerin Ziff. 1 erkennen. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Ein die Annahme der Praklusion ausschließender Fehler liegt auch nicht\ndeshalb vor, weil die Plane, die nach dem ursprunglichen Antrag vom 20.01.2004\n- und damit wahrend der Angrenzerbeteiligung im Marz 2004 - Gegenstand der\nBauvoranfrage waren, spater aufgrund der Erklarung der Beigeladenen vom\n23.02.2005 nicht mehr Teil der Bauvoranfrage und damit des Bauvorbescheids\ngeworden sind. Die nach § 52 Abs. 1 LBO vorzulegenden Bauvorlagen\nkonkretisieren den Bauantrag und damit das Vorhaben; sie bestimmen auch Inhalt\nund Umfang der Baugenehmigung (Sauter, aaO, § 52 Rn 19). § 57 Abs. 2 LBO\nerklart im Rahmen des Bauvorbescheids § 52 LBO jedoch (nur) fur entsprechend\nanwendbar. Dies tragt dem Umstand Rechnung, dass der Bauvorbescheid - anders\nals die Baugenehmigung - eine auf einzelne Fragen des Vorhabens beschrankte\nFeststellung enthalt. Plane sind daher nur insoweit einzureichen, als sie fur\ndie Beurteilung der zu klarenden Frage erforderlich sind (vgl. auch Sauter,\naaO, § 57 Rn 13). Gegenstand der Bauvoranfrage ist nach dem Antrag der\nBeigeladenen vom 20.01.2004 in der Fassung ihres Schreibens vom 23.02.2005\nausschließlich die Frage, ob das von ihnen geplante Vorhaben nach Art der\nbaulichen Nutzung bauplanungsrechtlich zulassig ist und wie viele Stellplatze\nfur das Vorhaben erforderlich sind. Zur Prufung dieser Fragen ist jedoch die\nim Antragsschreiben vom 20.01.2004 enthaltene ausfuhrliche schriftliche\nErlauterung des Vorhabens ausreichend. Hierin ist im einzelnen dargelegt, dass\nauf dem Areal der ... Muhle (Flurstuck Nr. ...) unter Sanierung und Erhaltung\nvon Villa, Siloturm und Turbinenhalle eine Einrichtung mit Solarium,\nWhirlpool, kleinem Schwimmbad, Sauna, Dampfbad und Massage zur allgemeinen\nseelischen und korperlichen Entspannung von Erwachsenen geschaffen werden\nsoll, die auch die Moglichkeit gewahrt, dass mannliche Personen gegen Entgelt\ndem sexuellen Erlebnis nachgehen konnen und hierfur weibliche Personen gegen\nVergutung sexuelle Dienstleistungen anbieten. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Ausklammerung der Plane aus der Bauvoranfrage und die damit verbundene\nBegrenzung der Reichweite der Feststellungswirkung des Bescheids fuhrt auch zu\nkeiner - weitergehenden - Beeintrachtigung der nachbarlichen Interessen. Die -\ninsoweit den Planen entsprechenden - Charakteristika des Vorhabens\nhinsichtlich der Art der baulichen Nutzung sind im Antrag vom 20.01.2004\nverbal im einzelnen aufgefuhrt. Auch unter dem Gesichtspunkt der Anzahl der\nStellplatze enthalten die Plane keinen zusatzlichen die nachbarlichen\nInteressen beruhrenden Gehalt. Im Übrigen ist die nach Abschluss der\nAngrenzerbeteiligung mit Schreiben vom 23.02.2005 erfolgte ausdruckliche\nBegrenzung der Bauvoranfrage deshalb rechtlich unbedenklich, weil sie - in der\nWirkung zu Gunsten der Nachbarn - die Bindungswirkung des Bauvorbescheids\neinschrankt. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Schließlich ist das dem Bauvorbescheid vom 11.04.2005 zugrunde liegende\nVerwaltungsverfahren entgegen der Auffassung der Klagerinnen nicht durch die\nBeklagte zu ihren Lasten unter Verstoß gegen den Grundsatz der\nVerfahrensfairness gefuhrt worden. Aus den umfangreichen Behordenakten ergeben\nsich keine Hinweise darauf, dass die Beklagte die ihr gegenuber der\nBeigeladenen obliegende Hinweis- und Beratungspflicht (vgl. etwa §§ 57 Abs. 2\ni.V.m. § 54 Abs. 1 und 2 LBO, § 25 LVwVfG) uberschritten oder gar - zu Lasten\nnachbarlicher Interessen - ein kollusives Zusammenwirken zwischen der\nBeklagten und den Beigeladenen vorgelegen hatte. \n--- \n--- \nIII.) \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Klage der Klagerin Ziff. 2 ist unbegrundet, denn durch den\nBauvorbescheid der Beklagten vom 11.04.2005 und den Widerspruchsbescheid des\nRegierungsprasidiums Karlsruhe vom 17.07.2006 werden ihre nachbarlichen Rechte\nnicht verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Maßgeblich fur die Begrundetheitsprufung der Anfechtungsklage eines Nachbarn\ngegen einen erteilten Bauvorbescheid ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt\nder Zustellung der letzten Behordenentscheidung, hier des\nWiderspruchsbescheids vom 17.07.2006 (Sauter, aaO, § 55 Rn 77; Durr, aaO, Rn\n305). Die erst am 20.04.2007 in Kraft getretene Verordnung des\nRegierungsprasidiums Karlsruhe uber das Verbot der Prostitution auf dem Gebiet\nder Stadt ... vom ... (GBl. ..., S. ...) ist - als eine zu Lasten der Bauherrn\ndanach eingetretene Änderung - jedenfalls fur den vorliegenden Rechtsstreit\nnicht relevant. Die Klage der Klagerin Ziff. 2 gegen den\nstreitgegenstandlichen Bauvorbescheid bleibt erfolglos, weil Vorschriften, die\nihrem Schutz als Nachbarin dienen, nicht verletzt sind. Dies gilt fur jede\ndenkbare planungsrechtliche Einordnung des Vorhabens. Fur den Erfolg einer\nNachbarklage genugt es hingegen nicht, dass ein Bauvorbescheid objektiv\nrechtsfehlerhaft ware. Insoweit kann daher auch dahingestellt bleiben, ob der\nangegriffene Bauvorbescheid in jeder rechtlichen Hinsicht beanstandungsfrei\nware. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Sollte der Bauvorbescheid vom 11.04.2005 einen Widerspruch hinsichtlich\nseines Feststellungsumfangs aufweisen (1.), begrundet dieser jedenfalls keine\nRechtsverletzung der Klagerin (2.). \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| 1.) Ein Bauvorbescheid enthalt eine verbindliche, aber nach § 57 Abs. 1 Satz\n2 LBO befristete Feststellung, dass dem Bauvorhaben hinsichtlich den zur\nEntscheidung gestellten Einzelfragen keine Hindernisse nach dem im Zeitpunkt\nder Entscheidung geltenden offentlich-rechtlichen Bestimmungen entgegenstehen.\nAusgehend hiervon mussen Entscheidungsgegenstand und Reichweite der\nBindungswirkung - auch gegenuber den vom Vorhaben betroffenen Nachbarn -\neindeutig sein. Der Bauvorbescheid vom 11.04.2005 stellt einerseits in seinem\nTenor fest, dass fur das Bauvorhaben der Beigeladenen der Bauvorbescheid\nerteilt wird. Damit ist entsprechend der dem Bescheid zugrunde liegenden\nFragestellungen impliziert, dass das Vorhaben nach der Art der baulichen\nNutzung bauplanungsrechtlich zulassig ist. Andererseits ist in den Grunden des\nBescheids unter der Überschrift „Rucksichtnahmegebot gegenuber Angrenzern"\nwortlich ausgefuhrt, dass „die Zulassung des Bordells oder bordellartigen\nBetriebes Nachteile und Belastigungen zur Folge hat, vor allem aufgrund des\nabends und nachts zu erwartenden Zu- und Abgangsverkehrs. Ob die damit\nverbundenen Storungen durch den zusatzlichen Verkehr fur die angrenzende\nWohnbebauung noch zulassig sind, muss in einem Larmgutachten mit der\nentsprechenden Verkehrsprognose unter Berucksichtigung der Vorbelastung\ngepruft werden" (so S. 6 des Bescheids unter Punkt 8; vgl. auch Bescheid Punkt\n6 c und 6 d auf S. 4 des Bescheids). \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Eine Aufspaltung der Feststellung der bauplanungsrechtlichen Zulassigkeit\ndes Vorhabens hinsichtlich der Art der Nutzung in eine objektiv-rechtliche\nKomponente und eine solche des Nachbarschutzes ist rechtlich aber nicht\nmoglich, weil andernfalls keine verbindliche, feststellungsfahige Aussage\ngetroffen werden kann. Erst recht kann die Prufung im Rahmen der Verletzung\nnachbarschutzender Rechte nicht in die Fragen, ob durch den bordellartigen\nBetrieb an sich oder durch dessen Verkehrsaufkommen nachbarliche Rechte\nverletzt werden, unterteilt werden. Insoweit ist die Frage der Bebaubarkeit\ndes streitgegenstandlichen Grundstucks mit der von der Beigeladenen\nbeabsichtigten Art des Vorhaben nicht mehr weiter differenzierbar. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Der Wortlaut des Bauvorbescheids liefert zwar einen Anhalt dafur, dass\nentgegen diesen Erwagungen die Frage, ob das dem Vorhaben zuzurechnende\nVerkehrsaufkommen Rechte der Nachbarn verletzt, nicht abschließend gepruft\nworden und der Bescheid daher in sich fehlerhaft sein konnte. Allerdings\nspricht bei der gebotenen umfassenden Auslegung insbesondere des nach § 79\nAbs. 1 Nr. 1 LVwVfG maßgebenden Widerspruchsbescheids vom 17.07.2006 viel\ndafur, dass der Gesichtspunkt, ob das Vorhaben einschließlich seines Zu- und\nAbfahrtsverkehrs Rechte der Klagerin Ziff. 2 verletzt, ungeachtet des fur das\nggfs. nachfolgende Baugenehmigungsverfahren vorbehaltenen Larmgutachtens\ntatsachlich gewurdigt und verneint wurde. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Das Regierungsprasidium hat im Widerspruchsbescheid vom 17.07.2006\nausgefuhrt, dass das Vorhaben nach der Art der Nutzung bauplanungsrechtlich\nzulassig sei und nicht gegen das Gebot der Rucksichtnahme verstoße;\ninsbesondere konne - da der ...Weg nicht als Erschließungsstraße genutzt\nwerden durfe und die Erschließung nur uber die ... ...Straße und eine noch\nuber die ... zu errichtende Brucke erfolgen konne - im Hinblick auf die\ngestellten Fragen zur baurechtlichen Zulassigkeit im Rahmen des\nBauvorbescheids kein Verstoß gegen das Rucksichtnahmegebot gesehen werden.\nSoweit der Widerspruchsbescheid auch die weitere Aussage enthalt, das es der\nPrufung im Baugenehmigungsverfahren vorbehalten bleibe, ob der mit der\nNutzungsanderung verbundene Zu- und Abfahrtsverkehr den Anwohnern zuzumuten\nsei, durfte dies vor dem Hintergrund zu sehen sein, dass die Frage der\nErschließung nicht Gegenstand der Bauvoranfrage und der Regelungswirkung des\nBauvorbescheids ist. Mit dem Vorbehalt eines Larmgutachtens sollte wohl -\nungeachtet der Frage, ob der Erschließungsproblematik uberhaupt eine\ndrittschutzende Dimension zukame - Vorsorge getroffen werden, dass nur eine\nErschließung gewahlt wird, die sich insgesamt in einem fur die Anwohner\nzumutbaren Rahmen bewegt und daruber hinaus die Annahmen im Rahmen des\nBauvorbescheidsverfahrens nochmals verifiziert werden. Diese Auslegung durften\nauch die Äußerungen des Prozessbevollmachtigten der Beigeladenen und des\nVertreters der Beklagten in der mundlichen Verhandlung nahelegen. Denn nach\nderen Verstandnis sollte durch die Vorlage eines Larmgutachtens sichergestellt\nwerden, dass das Vorhaben unter Beachtung nachbarlicher Rechte weiter geplant\nund realisiert wird. Fur einen in diesem Sinne lediglich deklaratorischen\nCharakter des Vorbehalts des Larmgutachtens im Interesse der Absicherung der\nPlanung und der Akzeptanzvermittlung spricht schließlich auch der Umstand,\ndass dieser einer Maßgabe entspricht, die der Landtag von Baden-Wurttemberg\nanlasslich der Zuruckweisung der Petition des Bundnis fur ... gegen das\nVorhaben vorgesehen hat. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| 2.) Ware jedoch von der Widerspruchlichkeit des Bauvorbescheids auszugehen,\nweil die Frage der Verletzung nachbarlicher Rechte insbesondere durch den\nvorhabenbedingten Verkehr noch keiner hinreichenden Prufung und Wurdigung\nunterzogen worden ware, fuhrt dies nicht zur Annahme einer Verletzung\nnachbarschutzender Rechte der Klagerin Ziff. 2, ohne die die Aufhebung des\nBescheids nicht in Betracht kommt. Denn aufgrund der Erkenntnisse aus der\nmundlichen Verhandlung steht fest, dass die Klagerin Ziff. 2 weder durch das\nVorhaben an sich noch durch den zu erwartenden Zu- und Abfahrtsverkehr in\nihren Rechten verletzt ist; fur diese Feststellung bedarf es aufgrund der\ntatsachlich vorhandenen Situation auch nicht der Erhebung eines\nSachverstandigengutachtens. Das Vorhaben verletzt weder den\nGebietserhaltungsanspruch der Klagerin Ziff. 2 (a.) noch ware es ihr gegenuber\nrucksichtslos oder in sonstiger Weise rechtsverletzend (b.). Dies gilt im\nÜbrigen fur alle denkbaren planungsrechtlichen Einordnungen des Vorhabens\n(c.). \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| a.) Das Gebiet, in dem die Grundstucke der Klagerin Ziff. 2 liegen, hat nach\n§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO den Charakter eines Mischgebiets. Das\nVorhaben der Beigeladenen verletzt nicht den Gebietserhaltungsanspruch der\nKlagerin Ziff. 2, denn es gehort einem anderen Baugebiet an. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Nach § 34 Abs. 2 BauGB beurteilt sich die Zulassigkeit des Vorhabens nach\nseiner Art allein nach der Baunutzungsverordnung, sofern die Eigenart der\nnaheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht. §\n34 Abs. 2 BauGB hat grundsatzlich nachbarschutzenden Charakter (BVerwG, Urt.\nv. 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151; Durr, in: Brugelmann, BauGB § 34\nRn 157 f). Der Nachbar hat in einem Plangebiet, aber in entsprechender\nAnwendung auch in einem Gebiet, auf das § 34 Abs. 2 BauGB Anwendung findet,\ndurch die Gebietsfestsetzung der Baunutzungsverordnung einen Schutzanspruch\nauf die Bewahrung der Gebietsart. Der Abwehranspruch des Nachbarn wird\ngrundsatzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsart\nunvereinbaren Vorhabens ausgelost, weil hierbei das nachbarliche\nAustauschverhaltnis gestort und eine Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird\n(Rieger, in: Schrodter, BauGB, 7. Aufl., 2006, § 34 Rn 104). Der\nSchutzanspruch aus der Baunutzungsverordnung - und damit auch jener nach § 34\nAbs. 2 BauGB - geht weiter als der Schutz des Rucksichtnahmegebots, der\nvoraussetzt, das der Nachbar in unzumutbarer Weise konkret in schutzwurdigen\nInteressen betroffen wird. Auf die Bewahrung der Gebietsart hat der Nachbar\nnamlich auch dann einen Anspruch, wenn das baugebietswidrige Vorhaben im\njeweiligen Einzelfall noch nicht zu einer tatsachlich spurbaren und\nnachweisbaren Beeintrachtigung fuhrt (BVerwG, Beschl. v. 02.02.2000 - 4 B\n87.99 -, NVwZ 2000, 679). \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Nach den Feststellungen, die das Gericht anlasslich der Einnahme des\nAugenscheins getroffen hat, beginnt das Gebiet, in dem die Grundstucke der\nKlagerin Ziff. 2 liegen, mit dem an der Ecke ... Hauptstraße / ... ...Straße\ngelegenen Anwesen ... ...Straße ..., in dem sich eine großere Gaststatte\nbefindet. Die Bebauung setzt sich sodann entlang der ... ...Straße bis zum\nGrundstuck Haus Nr. ... fort, danach beginnt der Außenbereich. Innerhalb\ndieses Bebauungszusammenhangs sind zu einem großen Teil Wohnbebauung, jedoch\nauch in einem nicht unbedeutenden Umfang gewerbliche Nutzungen vorhanden. So\nbefinden sich in dem Anwesen ... ...Straße N. ... ein Ausstellungsraum\n„Atelier fur kunstlerische Arbeiten" und im Anwesen mit der Hausnummer ... ein\nGroßhandel mit Futtermitteln. Neben dem Haus der Klagerin Ziff. 2 hat eine\nHeißmangel und Wascherei in Gestalt eines „Ein-Mann-Betriebs" ihren Standort,\nauf dem Grundstuck der Klagerin Ziff. 2 (... ...Straße ... ) befindet sich\nauch ihr ... Buro. Insgesamt wird dieser Bereich durch das fur ein Mischgebiet\ntypische gleichberechtigte Nebeneinander von Wohnnutzung und nicht wesentlich\nstorender gewerblicher Nutzung gepragt. Gegen die Qualifizierung des Gebiets\nals allgemeines Wohngebiet nach § 4 BauNVO sprechen vor allem der Großhandel\nmit Futtermitteln und die Gaststatte, die nach ihrer Große nicht mehr nur der\nVersorgung des Gebiets dient. Diese Anlagen sind namlich in einem allgemeinen\nWohngebiet nicht generell zulassig. Die Einstufung des Gebiets als Mischgebiet\nentspricht im Übrigen auch der Auffassung der Klagerin Ziff. 2 zum\nmaßgeblichen Gebietscharakter in ihrem Einwendungsschreiben vom 14.03.2004.\nDort fuhrte sie ausdrucklich aus, dass die vorhandene Bebauung ein Mischgebiet\ndarstelle. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Die Bebauung entlang des ...Wegs und damit das Vorhabengrundstuck sind\njedoch aufgrund der topographischen Gegebenheiten nicht mehr Teil dieses\nBebauungszusammenhangs, in dem sich die Grundstucke der Klagerin Ziff. 2\nbefinden. Denn die Geschlossenheit und Zusammengehorigkeit der Bebauung\nentlang der ... ...Straße enden auch dort. Entsprechendes wurde im Übrigen\nauch dann gelten, wenn man ungeachtet der vorstehenden Ausfuhrungen zum\nGebietscharakter - insoweit dem Klagevortrag folgend - von einem allgemeinen\nWohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m § 4 BauNVO ausginge. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Bei der ... ...Straße handelt es sich um eine stark befahrene Landstraße,\ndie der Verbindung zwischen der Stadt ... und im ... liegender Gemeinden\ndient. Auf der den Grundstucken der Klagerin Ziff. 2 gegenuber liegenden Seite\nbefindet sich entlang der ... ...Straße ein Gelander, das deren Fuß\\- und\nRadweg von der Boschung und dem anschließenden Gewasser trennt. Die ... -\neingegrenzt und großzugig umfasst von ihren beidseitigen und eher breiten\nBoschungen - verlauft unterhalb des Niveaus der Landstraße. Die ostlich des\nAnwesens der Klagerin Ziff. 1 vorhandenen und durch einen Metallbaubetrieb\ngenutzten Flurstucke und das an diese Grundstucke angrenzende\nVorhabengrundstuck sind entlang der ... ...Straße und der ... stark\neingewachsen. Etwa beginnend mit dem Anwesen der Klagerin Ziff. 1 grenzt die\nBoschung auf der in Fließrichtung linken Seite der ... an eine mit Pflanzen\nstark bewachsene Mauer, die etwa in Hohe der ...kirche von einem großeren\nBaumbestand abgelost wird. Von der Mauer und dem ...weg wiederum\nzuruckversetzt beginnt dann die dortige Bebauung. Diese bauliche Situation\nlasst sich insbesondere anhand der drei nachfolgenden wahrend der Einnahme des\nAugenscheins gefertigten Lichtbilder verdeutlichen (vgl. Seiten 24 und 32 der\nAnlage zur Niederschrift): \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| Aufgrund der Wirkung der insgesamt zu betrachtenden raumlichen und\ntopographischen Gegebenheiten handelt es sich bei der Bebauung entlang des\n...Wegs und derjenigen entlang der ... ...Straße um zwei unterschiedliche\nBebauungszusammenhange und damit um zwei Baugebiete. Die trennende Wirkung der\nTopographie wird auch nicht durch eine - verbindende - Brucke beseitigt. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Zwischen den Anwesen in der ... ...Straße und denjenigen des ...Wegs besteht\neine Verbindung uber den Kreuzungsbereich an der ... ...Straße / ...kirche\n**.** Eine Brucke, die den ...weg und die ... ...Straße unmittelbar verbinden\nwurde, existiert tatsachlich nicht. Selbst wenn man ungeachtet der Tatsache,\ndass im Rahmen des § 34 BauGB vor allem die tatsachliche Situation maßgeblich\nist, auf die genehmigungsrechtliche Grundlage eines Bruckbauwerks abstellen\nwollte, ergibt sich nichts anderes. Die zuletzt 1995 erteilte Genehmigung fur\neine Brucke kann schon deshalb heute nicht mehr unmittelbar umgesetzt werden,\nweil deren baurechtliche Geltungsdauer bereits abgelaufen ist. Soweit aufgrund\nder Festlegungen des Bauvorbescheids eine Brucke zu erwarten steht, dient\ndiese nach Funktion und Wirkung nur der Erschließung des Vorhabengrundstucks,\nnicht aber der Herstellung eines Bebauungszusammenhangs. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Selbst wenn man ungeachtet der vorstehenden Ausfuhrungen der Auffassung\nware, dass die topographischen Gegebenheiten nicht zu einer Verneinung des\nBebauungszusammenhang zwischen den Grundstucken am ...weg und denjenigen\nentlang der ... ...Straße fuhren wurden, so waren die bereits dargestellten\ntrennenden Wirkungen der ... ...Straße und des Gewassers jedenfalls insoweit\nbeachtlich, als sie dazu fuhren, dass das Vorhabengrundstuck nicht mehr Teil\nder naheren Umgebung der Grundstucke der Klagerin Ziff. 2 ist. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| Der Nachbarschutz auf Bewahrung der Gebietsart reicht raumlich nicht uber\ndie auch in § 34 Abs. 2 BauGB maßgebliche nahere Umgebung hinaus (BVerwG,\nBeschl. v. 20.08.1998 - 4 B 79/98 -, NVwZ-RR 1999, 105; Hofherr, in: Berliner\nKommentar zum BauGB, § 34 Rn 88, 67). Berucksichtigt werden muss die Umgebung\neines beabsichtigten Vorhabens einmal insoweit, als sich die Ausfuhrung des\nVorhabens auf sie auswirken kann, und zweitens insoweit, als die Umgebung\nihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstucks pragt oder doch\nbeeinflusst (BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.77 - BVerwGE 55,\n369, 380). Daraus folgt, dass der die Erhaltung der Gebietsart betreffende\nNachbarschutz durch die wechselseitige Pragung der benachbarten Grundstucke\nbegrenzt ist und keineswegs notwendig alle Grundstucke in der Umgebung\numfassen muss, die zu derselben Baugebietskategorie gehoren. Wieweit die\nwechselseitige Pragung reicht, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles.\nDabei konnen auch topographische Gegebenheiten wie Gelandehindernisse,\nErhebungen oder Einschnitte (Damme, Boschungen, Flusse und dergleichen) eine\nRolle spielen. \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Die Grundstucke der Klagerin Ziff. 2 liegen vom Vorhabengrundstuck etwa 50 m\nentfernt. Aufgrund des im einzelnen bereits oben beschriebenen Verlaufs der\n... ...Straße quasi parallel zur ... mit ihren beidseitigen Boschungen sowie\nBepflanzungen fehlt es an der wechselseitigen Pragung der Grundstucke der\nKlagerin und des Vorhabengrundstucks. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| Das Vorhaben der Beigeladenen beruhrt aufgrund seiner Lage daher nicht den\nAnspruch der Klagerin Ziff. 2 auf Bewahrung ihrer eigenen Gebietsart. Einen\nAnspruch auf Abwehr einer Bebauung in einem fremden Gebiet vermittelt § 34\nAbs. 2 BauGB nicht (BVerwG, Beschl. v. 02.02.2000, aaO, VGH Munchen, Urt. v.\n14.07.2006 - 1 BV 03.2179 -, UPR 2007, 152) \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| b) Selbst wenn man entgegen den Ausfuhrungen unter a) davon ausginge, dass\ndie topographischen Gegebenheiten keine trennende Wirkung zwischen der\nBebauung entlang der ... ...Straße und derjenigen entlang des ...Wegs unter\nEinschluss des Vorhabengrundstucks entfalten wurden, sondern das vorhandene\nGebiet vielmehr einheitlich zu beurteilen ware, so ware die Klagerin Ziff. 2\nebenfalls nicht in ihren Nachbarrechten verletzt. Das Vorhaben ware dann nach\n§ 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen und ließe eine Verletzung des\nRucksichtnahmegebots nicht erkennen. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| Die Bebauung entlang des ...Wegs und der ... ...Straße kann als gemeinsam\nbetrachtetes Gebiet nicht eindeutig einem Gebietstyp nach der\nBaunutzungsverordnung zugeordnet werden. Die vorhandene bauliche Situation\nstellt sich uneinheitlich dar. Einerseits sind zu einem bedeutenden Teil\nWohnbebauung und entlang der ... ...Straße - wie bereits oben dargestellt -\nauch nicht storende gewerbliche Nutzungen vorhanden. Einer Qualifizierung als\nMischgebiet (§ 6 BauNVO) oder gar als allgemeines Wohngebiet (§ 4 BauNVO)\nsteht jedoch der nach seiner Große beachtliche Schlossereibetrieb der Firma\nMetallbau ... entgegen. Das Betriebsgebaude steht auf dem Grundstuck Flurstuck\nNr. .../..., auch das Flurstuck Nr. .../... wird gewerblich von diesem Betrieb\ngenutzt (Abstellung von Betriebsfahrzeugen und -material). Eine Schlosserei\nist im allgemeinen ein storender Handwerksbetrieb, da mit dem Betrieb sowie\ndem Be- und Entladen der Materialien typischer Weise Larm, Staub und\nGeruchsentwicklungen verbunden sind (Fickert/Fiesler, BauNVO, 10. Aufl., 2002,\n§ 4 Rn 4.4; § 2 Rn 20 f). Die storende Wirkung des Betriebs auch im konkreten\nFall ist wahrend der Einnahme des Augenscheins deutlich geworden. Auf der der\nSchlosserei gegenuber liegenden Seite der ... ...Straße war wahrend der\nBetriebszeit das Hammern der Schlosserei trotz des bestandigen gerauschvollen\nStraßenverkehrs deutlich zu horen. Die Anlage ist auch nicht als singulare\nAnlage innerhalb einer sie sonst umgebenden homogenen Bebauung als Fremdkorper\nunbeachtlich (vgl. hierzu auch BVerwG, Urt. v. 07.12.2006 - 4 C 11/05 -, NVwZ\n2007, 585). Nach dem Eindruck, den die Kammer anlasslich der Einnahme des\nAugenscheins gewonnen hat, beherrscht die Schlosserei aufgrund ihrer Große und\nBauweise - neben der vorhandenen Bebauung des Vorhabengrundstucks - die\nbauliche Situation entlang des ...Wegs. Selbst wenn man die noch vorhandene\ngewerbliche Nutzung auf dem Vorhabengrundstuck durch das Wasserkraftwerk, die\nallerdings nicht mit storenden Wirkungen einhergeht, ebenfalls mit in die\nBetrachtung einstellt, scheidet eine einheitliche Qualifizierung des Gebiets\nals Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO jedoch aufgrund des hohen Anteils von\nWohnbebauung aus. \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| Kann kein eindeutiger Gebietstyp nach der Baunutzungsverordnung bestimmt\nwerden, beurteilt sich die Zulassigkeit des Vorhabens der Beigeladenen nach §\n34 Abs. 1 BauGB. Hiervon sind im Übrigen auch die Baurechtsbehorden und der\nLandtag von Baden-Wurttemberg (Petition .../ ..., Drs. .../...) ausgegangen. §\n34 Abs. 1 BauGB kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts\n(BVerwG, Beschl. v. 28.07.1999 - 4 B 38.99 -, Buchholz 406.19 Nr. 160,\nSchrodter, aaO, § 34 Rn 102) jedoch keine allgemeine nachbarschutzende Wirkung\nzu, da es an einer mit §§ 30, 34 Abs. 2 BauGB vergleichbaren Ausgangslage\nfehlt (vgl. zur Gegenmeinung Durr, in: Brugelmann, aaO, § 34 Rn 154). § 34\nAbs. 1 BauGB ist nur insoweit nachbarschutzend, als dem Gebot der\nRucksichtnahme, das im Tatbestandsmerkmal des Einfugens in § 34 Abs. 1 BauGB\nvorhanden ist, Nachbarschutz zukommt (BVerwG, Beschl. v. 11.01.1999 - 4 B\n128.98 -, Buchholz 406.19 Nr. 159; Hofherr, aaO, § 34 Rn 87 mwN). Das\nRucksichtnahmegebot ist keine allgemeine Harteklausel, die uber den speziellen\nVorschriften des Stadtebaurechts oder gar des gesamten Baurechts steht,\nsondern Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des Baurechts (BVerwG,\naaO). Nachbarschutz uber § 34 Abs. 1 BauGB kommt also nur in Betracht, wenn\nein Vorhaben - obwohl es den durch die nahere Umgebung gesetzten Rahmen\neinhalt, aber auch, wenn es diesen nicht einhalt -, sich nicht einfugt, weil\nes die gebotene Rucksicht auf die sonstige, vor allem auf die in seiner\nunmittelbaren Nahe vorhandene Bebauung fehlen lasst (BVerwG Urteil vom\n27.05.1978 - 4 C 9.77 -, BVerwGE 55, 369). Liegt eine Verletzung des\nRucksichtnahmegebots im objektivrechtlichen Sinne vor, kommt es fur den\nDrittschutz weiter darauf an, inwieweit in qualifizierter und zugleich\nindividualisierter Weise auf schutzwurdige Interessen eines erkennbar\nabgegrenzten Kreises Dritter Rucksicht zu nehmen ist (subjektivrechtliche\nSeite des Rucksichtnahmegebots). Die gilt fur diejenigen Falle, in denen -\nerstens - die tatsachlichen Umstande handgreiflich ergeben, auf wen Rucksicht\nzu nehmen ist und - zweitens eine besondere Schutzwurdigkeit des Betroffenen\nanzuerkennen ist; die Schutzwurdigkeit, die Intensitat der Beeintrachtigung,\ndie Interessen des Bauherrn und das, was fur beide Seiten billigerweise\nzumutbar oder unzumutbar ist, sind dann gegeneinander abzuwagen (st. Rspr.\nseit BVerwG, Urt. v. 25.02.1977 - 4 C 22.75 -,NJW 1978, 62; vgl. auch Durr,\nBrugelmann, aaO, § 34 Rn 151). Gemessen hieran ist weder das Vorhaben an sich\nwegen seines bordellartigen Charakters noch in Anbetracht des vorhabenbedingt\nzu erwartenden Zu- und Abfahrtsverkehrs gegenuber der Klagerin Ziff. 2\nrucksichtslos, denn es ist ihr jedenfalls nicht unzumutbar. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| Es kann dabei hier dahingestellt bleiben, ob die von den Beigeladenen\nkonzipierte Freizeit-, Sport- und Saunaeinrichtung mit der Moglichkeit, gegen\nVergutung Vertrage uber sexuelle Dienstleistungen abzuschließen, entsprechend\nder Auffassung der Beklagten und der Beigeladenen wegen ihres bordellartigen\nCharakters baurechtlich als ein reiner Gewerbebetrieb einzustufen ist oder ob\nvorliegend eine - ggfs. kerngebietstypische - Vergnugungsstatte anzunehmen ist\n(vgl. naher Stuhler, Prostitution und Baurecht, NVwZ 2000, 990, 993). Denn\nmaßgebend fur die Frage, ob eine solche Einrichtung der Klagerin Ziff. 2 im\nErgebnis zugemutet werden kann, sind namlich in erster Linie die von dieser\nausgehenden tatsachlichen Wirkungen, nicht dagegen deren abstrakt-rechtliche\nEinordnung. \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| Das Vorhaben ist nicht deshalb fur die Klagerin Ziff. 2 unzumutbar, weil es\nProstituierten die Moglichkeit eroffnet, dort ihrer Tatigkeit nachzugehen.\nDies folgt allerdings nicht schon unmittelbar aus dem Gesetz zur Regelung der\nRechtsverhaltnisse der Prostituierten vom 20.12.2001 (BGBl. 2001, 3983), denn\ndieses hat keine Auswirkungen auf hier heranzuziehenden baurechtlichen\nBestimmungen. Insbesondere fuhrt es nicht zu einer planungsrechtlichen\nGleichstellung derartiger Einrichtungen mit anderen legalen Gewerbeausubungen\n(Stuhler, Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes auf das Bau-, Gaststatten-\nund Gewerberecht, GewArch 2005, 129, 132; ders., Zur Zulassigkeit von\nbordellartigen Betrieben (Terminwohnungen) und Wohnungsprostitution in\nMischgebieten, GewArch 2006, 26, 27 mwN). Maßgebend ist im Rahmen der Prufung\ndes Rucksichtnahmegebots vielmehr nach wie vor eine Einzelfallbetrachtung. Der\nvorliegende Fall bietet jedoch keinen Anlass zur Feststellung, die Tatigkeit\nder Prostituierten ware fur die Klagerin Ziff. 2 beeintrachtigend. Nach der\nBetriebskonzeption bestehen keine Anhaltspunkte dafur, dass mit dem Betrieb\ndes Vorhabens strafbare Handlungen einhergingen. Zwischen dem Betreiber des\nVorhabens und den Prostituierten bestehen keine vertraglichen Beziehungen.\nAuch sonst lasst sich nicht erkennen, dass dort durch die Prostitution gegen\nStrafvorschriften (wie etwa in Gestalt der Ausbeutung von Prostituierten nach\n§ 180a StGB) verstoßen wurde. Auch der Aspekt der Folgekriminalitat steht dem\nVorhaben nicht entgegen. Selbst wenn man davon ausginge, dass Kriminalitat als\nnicht ausschließbare Begleiterscheinung eines Bordellbetriebs stadtebauliche\nRelevanz hatte (siehe hierzu auch BVerwG, Urt. v. 25.01.2007 - 4 C 1.06 -),\nfuhrt dies jedoch nicht dazu, das Vorhaben der Beigeladenen als rucksichtslos\neinzustufen. Außer einer unspezifischen Besorgnis der Klagerin Ziff. 2\nbestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafur, dass der Betrieb und sein Umfeld\nsich zu einem Platz fur Straftaten entwickeln konnte. Es sind keine\nsubstantiierten Anhaltspunkte ersichtlich oder vorgetragen worden, dass dem\nVorhaben insoweit ein besonderes Gefahrdungspotential innewohnen konnte. Nach\nder Betriebskonzeption findet dort kein Alkoholausschank statt. Durch die\nEingangskontrolle des Betreibers ist sichergestellt, dass ausschließlich\nvolljahrige und mit dem Betriebsgegenstand vertraute Personen Zugang erhalten.\nInsgesamt zielt die Einrichtung dem Antrag zufolge auf eine „allgemeine\nkorperliche und seelische Entspannung in gediegener Atmosphare" mit der\nMoglichkeit, gegen „entsprechende Vergutung sexuelle Dienstleistungen"\nabzurufen. Konkrete Anhaltspunkte fur dem Vorhaben zuzurechnende\nFolgekriminalitat ergeben sich auch nicht aus der Stellungnahme der\nPolizeidirektion ... vom 09.03.2004, denn diese befasst sich vor allem mit der\nSituation vergleichbarer „Luxusbordelle" in ... und den in ... bereits\nvorhandenen Bordellen bzw. Wohnungsprostitutionen. \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| Auch ist auch nicht erkennbar, dass die Grundstucke der Klagerin Ziff. 2\nsonstigen unzumutbaren milieubedingten Spannungen ausgesetzt wurden oder der\nvon ihr befurchtete „trading down effekt" eintreten konnte. \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| Das Vorhaben liegt am Ortsrand von ... in beginnender Hanglage und grenzt\nostlich und sudlich unmittelbar an den Außenbereich an. Innerhalb des\nbetrachteten Gebiets stehen weitere Flachen fur eine Grundstucksnutzung in\neiner dem Vorhaben vergleichbaren Art nicht zur Verfugung. Fur die Befurchtung\nder Klagerin Ziff. 2, dass das Vorhaben insoweit eine allgemeine negative\nbauliche Entwicklung des Gebiets einleiten wurde, existieren daher keine\ngreifbaren Anhaltspunkte. \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| Auch fur sonstige unzumutbare Wirkungen oder milieubedingte Spannungen gibt\nes keine Hinweise. Das Vorhabengrundstuck ist von den Grundstucken der\nKlagerin Ziff. 2 etwa 50 m entfernt. Es tritt aufgrund seines starken\nBewuchses, abgesehen von dem markanten Siloturm, gegenuber der Klagerin Ziff.\n2 kaum in Erscheinung. Wie sich insoweit aus der von der Bindungswirkung des\nBauvorbescheids umfassten Vorhabenbeschreibung der Beigeladenen vom 20.01.2004\nergibt, ist auch bei dem durch die Beigeladene beabsichtigten Vorhaben durch\nBepflanzungen und bauliche Maßnahmen sichergestellt, dass das Areal gegenuber\nder Klagerin Ziff. 2 nicht in einer seine Nutzung erkennbar werdenden Weise in\nErscheinung tritt. Dies gilt sowohl fur die Raumlichkeiten als auch fur die\nFreiflache, die nach außen deutlich abgeschirmt werden. Die Grundstucke der\nKlagerin Ziff. 2 sind aufgrund der Entfernung und der (baulichen)\nAbschirmungen insbesondere nicht zwangslaufig der standigen Wahrnehmbarkeit\nphysikalischer Emissionen optischer oder akustischer Art, die jeweils\nbetriebsbedingt auf dem Vorhabengrundstuck ausgelost werden konnen,\nausgesetzt. Auch umgekehrt kann vom Vorhabengrundstuck nicht auf die\nGrundstucke der Klagerin Ziff. 2 Einblick genommen werden. Daruber hinaus wird\ndas Objekt selbst keine auf seinen Betriebsgegenstand hindeutende Außenwirkung\nhaben, und auch der Zufahrtsbereich wird neutral gestaltet. Ein „Auf- und\nAblaufen" von Prostituierten auf der Straße oder eine von den Grundstucken der\nKlagerin Ziff. 2 aus erkennbare Kontaktaufnahme zwischen Prostituierten und\n„Kunden" wird ebenfalls nicht erfolgen und auch sonstige denkbare unerwunschte\nsoziale „Außenwirkungen" eines Bordellbetriebs, wie etwa anstoßiges Verhalten\nvon Besuchern oder Belastigung von Passanten bei der Suche des\nBordellbetriebs, werden nach Lage des Vorhabens und der konkreten\nBetriebskonzeption vermieden. Schließlich stellt die von der Klagerin Ziff. 2\nin der mundlichen Verhandlung geaußerte Befurchtung, dass Freier ihr Auto in\neiniger Entfernung vom Vorhaben parken und dann an den Hausern der ...\n...Straße entlang liefen, ihr gegenuber keine Beeintrachtigung dar. Es\nbestehen schon keine Anhaltspunkte dafur, dass diese Personen optisch von\nsonstigen Fußgangern entlang der ... ...Straße zu unterscheiden waren. Daruber\nhinaus steht auch ein solches Verhalten nicht zu erwarten, denn es gibt fur\nublicher Weise auf Diskretion Wert legende Benutzer objektiv keinen Anlass,\nFahrzeuge außerhalb des Vorhabengrundstucks abzustellen. Die Beklagte hat den\nStellplatzbedarf entsprechend der Betriebskonzeption ermittelt. Dass dieser -\nzu Lasten der Klagerin Ziff. 2 - fehldimensioniert ware, hat diese nicht\ngeltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. Auch aufgrund der sonstigen\nGegebenheiten, insbesondere des zu erwartenden Zu- und Abgangsverkehrs, sind\nkeine fur die die Klagerin unzumutbaren Belastungen zu erwarten. \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| Es ist hierbei insbesondere zu berucksichtigen, dass die Situation der\nGrundstucke der Klagerin Ziff. 2 bereits durch gewerbliche Betatigungen in der\nUmgebung gepragt ist. Gerade durch die typischen betriebsbedingten\nLarmbelastungen der Schlosserei, die im Bereich der Grundstucke der Klagerin\nZiff. 2 außen deutlich vernehmbar sind und die erheblichen Gerausche, die der\nVerkehr auf der ... ...Straße verursacht, sind deren Grundstucke, die zudem im\nruckwartigen Einwirkungsbereich einer großen Straßenkreuzung an der Brucke im\nBereich der ... liegen, schon heute Unruhen ausgesetzt. Die ... ...Straße\nweist selbst wahrend der Zeiten, in denen der ursprunglich zu ihrer Entlastung\nkonzipierte „...tunnel" nicht geschlossen ist, aufgrund der allgemeinen\nVerkehrssteigerung eine tagliche Verkehrsbelastung in einer Großenordnung von\netwa 12.000 bis 18.000 Fahrzeugen auf. Diesen Angaben des Vertreters der\nBeklagten in der mundlichen Verhandlung ist die Klagerin Ziff. 2, an deren\nGrundstucke dieser Verkehr entlang fuhrt, nicht entgegen getreten. Bei dieser\nVorbelastung ist nicht zu erkennen, dass es durch den Betrieb des Vorhabens zu\nrelevanten Beeintrachtigungen der Klagerin Ziff. 2 kommen konnte. Insbesondere\nfallt der vorhabenbedingte Verkehr nicht zusatzlich ins Gewicht. Dies gilt\nauch unter Berucksichtigung dessen, dass die Verkehrsbelastung auf der ...\n...Straße nicht gleichmaßig uber den Tag verteilt ist, sondern\nverkehrsimmanent Spitzenbelastungen und Zeiten mit wenig Verkehr (insbesondere\nin den Abend- und Nachtstunden) vorhanden sind. Nach der Betriebskonzeption,\ndie sich nicht auf die typische Prostitution beschrankt, sondern aufgrund\neines umfassenden Zusatzangebots insbesondere im Bereich Wellnesseinrichtungen\nauf eine langere Verweildauer der Kunden angelegt ist, ist nicht mit einem\nstandig kurzzeitig wechselnden Personenaufkommen zu rechnen. Die Kammer geht\naufgrund dieser Betriebskonzeption davon aus, dass sich der Zu- und\nAbfahrtsverkehr einschließlich des Personals und Zubringerdienste in einer\nGroßenordnung von taglich wenigen hundert Fahrzeugen bewegen wird. Hierfur\ndient auch die von den Beigeladenen vorlaufig genannte Zahl von 80\nStellplatzen als Anhalt. Dieser vorhabenbedingte zusatzliche Verkehr ist der\nKlagerin Ziff. 2 angesichts der Vorbelastung ihrer Grundstucke nicht\nunzumutbar. Nur erganzend weist die Kammer darauf hin, dass einem von der\nKlagerin Ziff. 2 befurchteten Ruckstau im Bereich ihrer Grundstucke - sofern\ner uberhaupt vorhabenbedingt ware - durch die konkrete Wahl der Erschließung\nbzw. durch straßenverkehrliche Maßnahmen entgegengewirkt werden konnte. \n--- \n--- \n| 70 \n--- \n| Nach alledem lasst das Vorhaben nicht die gebotene Rucksichtnahme auf die\nGrundstucke der Klagerin Ziff. 2 vermissen. Auch aus anderen Grunden verletzt\ndas Vorhaben die Klagerin Ziff. 2 nicht in ihren Rechten. Die von ihr geltend\ngemachte Wertminderung ihrer Grundstucke ist - wie das Regierungsprasidium\nbereits dargelegt hat - schon deshalb nicht beachtlich, weil ihr gegenuber das\nVorhaben nicht rucksichtslos ist und das Grundrecht auf Eigentum nach Art. 14\nGG insoweit keine weitergehenden Rechte vermittelt. Auch selbststandige\nimmissionsschutzrechtliche Abwehranspruche stehen ihr nicht zu; dies gilt\nschon deshalb, weil das beabsichtigte Vorhaben nicht in den Anwendungsbereich\ndes Immissionsschutzrechts fallt. \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| c.) Selbst wenn man entgegen den unter oben a) und b) gemachten Ausfuhrungen\ndavon ausginge, das Vorhabengrundstuck sei aufgrund seiner Große und Wirkung\nnicht Teil eines Baugebiets entlang des ...Wegs bzw. Teil eines gemeinsamen\nGebiets entlang der ... ...Straße und des ...weg, sondern musse eigenstandig\ngewurdigt werden, fuhrt dies im Ergebnis fur die Klagerin Ziff. 2 nicht zu\neinem anderen Verfahrensausgang. Ginge man hinsichtlich des Baugelandes von\neinem selbststandigen im Zusammenhang bebauten Ortsteil aus, so wurde das\nVorhaben entweder in Anwendung des § 34 Abs. 2 BauGB den\nGebietserhaltungsanspruch der Klagerin Ziff. 2 nicht verletzen oder ware\njedenfalls im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB ihr gegenuber nicht rucksichtslos.\nSelbst wenn das Vorhaben nach Maßgabe des § 35 BauGB zu beurteilen ware, so\nwurde Nachbarschutz ebenfalls nur uber das Rucksichtnahmegebot gewahrt (Durr,\nin: Brugelmann, aaO, § 35 Rn 189 f. mwN). Das Vorhaben ware dann entsprechend\nden oben bereits dargelegten Erwagungen gegenuber der Klagerin Ziff. 2 nicht\nals rucksichtslos zu beurteilen. \n--- \n--- \nIV.) \n--- \n| 72 \n--- \n| Auch die Klage der Klagerin Ziff. 1 ware - wenn man die - hier bejahte -\nPraklusion (oben unter II.) verneinen wurde - jedenfalls deshalb unbegrundet,\nweil das Vorhaben ihr gegenuber ebenfalls nicht rucksichtslos ware. \n--- \n--- \n| 73 \n--- \n| Aufgrund der im Rahmen des Wasserkraftwerks noch erfolgenden gewerblichen\nNutzung des Vorhabengrundstucks und der Belastung der Umgebung durch die\nSchlosserei ... kann - wie bereits oben dargelegt - die Bebauung entlang des\n...Wegs nicht nach § 34 Abs. 2 BauGB einem Gebietstypus nach der BauNVO\nzugeordnet werden, sondern sie beurteilt sich nach § 34 Abs. 1 BauGB. Nach den\nAusfuhrungen oben unter III 2 b.) ware das Vorhaben jedoch auch gegenuber der\nKlagerin Ziff. 1 nicht rucksichtslos. Erganzend ist auf Folgendes hinzuweisen:\nZwar liegt ihr Grundstuck auf der gleichen Seite der ... wie das Vorhaben.\nIhre Grundstuckssituation ist jedoch durch den - zwischen ihrem Anwesen und\ndem Vorhabengrundstuck riegelartig liegenden - Metallbaubetrieb ... bereits in\nerheblichem Maße durch die Auswirkungen einer gewerblichen Nutzung\nvorbelastet. Es ist auch nicht erkennbar, dass sie angesichts der geplanten\nbaulichen Maßnahmen der Beigeladenen, die der Abgrenzung des Vorhabens\ngegenuber der Umgebung dienen, in besonderem Maße negativ betroffen werden\nkonnte. Vielmehr bezwecken diese Maßnahmen gerade, typische unerwunschte\nsoziale Kontakte zwischen den unterschiedlichen baulichen Nutzungen zu\nverhindern. Auch unter dem Aspekt des vorhabenbedingten Zu- und\nAbfahrtsverkehrs, der entsprechend den Festlegungen im Bauvorbescheid nicht\nuber den bestehenden ...weg abgewickelt werden darf, und der\nStellplatzbemessung sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die das Vorhaben als\nfur die Klagerin Ziff.1 unzumutbar erscheinen ließen. Im Übrigen gelten auch\nhier die Ausfuhrungen unter III 2 c.) entsprechend. \n--- \n--- \n| 74 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO. \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| Die Kammer sieht gemaß § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, das Urteil wegen der\nKosten fur vorlaufig vollstreckbar zu erklaren. Ein Grund fur die Zulassung\nder Berufung nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO\nliegt nicht vor. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Klagen gegen den Bauvorbescheid der Beklagten vom 11.04.2005 und den\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Karlsruhe vom 17.07.2006 sind\nzulassig (zum Regelungsgegenstand des Bauvorbescheids siehe unten I.). Die\nKlage der Klagerin Ziff. 1 hat jedoch schon deshalb keinen Erfolg, weil sie im\nRahmen der Angrenzerbenachrichtigung keine baurechtlich beachtlichen\nEinwendungen erhoben hat und sie mit ihrem weiteren Vorbringen im Widerspruch-\nund Klageverfahren materiell prakludiert ist (II.). Die Klage der Klagerin\nZiff. 2 ist unbegrundet, weil der streitgegenstandliche Bauvorbescheid sie\nnicht in ihren nachbarschutzenden Rechte verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO\n(III.). Dies wurde im Übrigen auch fur die Klagerin Ziff. 1 gelten, wenn man\ndas Vorliegen einer Praklusion verneinen wurde (IV.). \n--- \n--- \nI.) \n--- \n| 32 \n--- \n| Nach § 57 Abs. 1 LBO kann auf schriftlichen Antrag des Bauherrn ein\nschriftlicher Bescheid zu einzelnen Fragen eines Vorhabens erteilt werden\n(Bauvorbescheid). Auf seine Erteilung hat der Bauherr trotz des Wortlauts in §\n57 Abs. 1 LBO („kann erteilt werden") einen Rechtsanspruch, wenn offentlich-\nrechtliche Vorschriften den zur Klarung gestellten Fragen nicht\nentgegenstehen; dies folgt aus dem Verweis in § 57 Abs. 2 LBO auf § 58 Abs. 1\nLBO. Regelungsgegenstand des Bauvorbescheids vom 11.04.2005 ist die Frage, ob\ndie Nutzungsanderung der ehemaligen ... Muhle in eine Freizeit-, Sport- und\nSaunaeinrichtung mit der Moglichkeit, gegen Vergutung Vertrage uber sexuelle\nDienstleistungen abzuschließen, der Art nach bauplanungsrechtlich auf dem\nVorhabengrundstuck zulassig ist und wie viele Stellplatze hierfur benotigt\nwerden. Dieser Entscheidungsgegenstand entspricht den zuletzt gestellten und\ninsoweit maßgeblichen Fragen der Beigeladenen. Wahrend der ursprungliche -\nohne konkrete Fragen gestellte - Antrag vom 20.01.2004 zunachst mit Schreiben\nder Beigeladenen vom 25.02.2004 dahingehend prazisiert worden war, dass unter\nVerweis auf die vorgelegten Plane die „baurechtliche Frage der zulassigen\nUmnutzung des bestehenden Anwesens in eine Vergnugungsstatte mit der\nMoglichkeit gegen Vergutung Vertrage uber sexuelle Dienstleistungen\nabzuschließen gestellt werde", grenzte die Bauherrin ihre Anfrage mit\nSchreiben vom 23.02.2005 sodann dahin gehend ein, dass die Plane nicht mehr\nBestandteil eines Bescheids uber die Bauvoranfrage werden sollten und ihre\nAnfrage nunmehr lediglich die Art der Nutzung und die Anzahl der Parkplatze\numfasse. Andere als die zuletzt gestellten Fragen standen somit nicht zur\nEntscheidung und sind auch nicht von der Beklagten mit Bindungswirkung fur ein\neventuell nachfolgendes Baugenehmigungsverfahren entschieden worden. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Insbesondere ist die Frage der Erschließung nicht Gegenstand des\nBauvorbescheids. Sowohl fur Vorhaben im unbeplanten Innenbereich nach § 34\nBauGB als auch fur Vorhaben im Außenbereich nach § 35 BauGB gilt, dass die\nFrage der bauplanungsrechtlichen Zulassigkeit des Vorhabens hinsichtlich der\nbeabsichtigten Art der baulichen Nutzung und die Frage der Erschließung schon\nnach dem Wortlaut der Vorschriften selbststandige Tatbestandsmerkmale einer\nNorm sind, die einer isolierten Beurteilung unterworfen werden konnen (vgl.\nauch Sauter, Landesbauordnung, 3. Aufl., § 57 Rn 6). Der vorliegende Fall\nweist auch keine Besonderheiten auf, die es gebieten wurden, dass abweichend\nvon diesem Grundsatz uber beide Frage gemeinsam entschieden werden musste.\nDeshalb ist es insoweit rechtlich nicht zu beanstanden, dass der\nBauvorbescheid vom 11.04.2005 den Hinweis enthalt, dass die Erschließung nicht\nGegenstand des Bauvorbescheids ist und uber die Zumutbarkeit des zu\nerwartenden Zu- und Abgangsverkehrs uber die Brucke oder eine andere\nErschließung erst im Baugenehmigungsverfahren nach Vorlage eines Gutachtens\nentschieden werden konne. Im Übrigen betrifft der Umstand des Fehlens eines\nLarmgutachtens bzw. dessen Vorbehalt fur das Baugenehmigungsverfahren nicht\ndie Frage des Regelungsgegenstands des Bauvorbescheids, sondern die Frage, ob\nim Bauvorbescheid die nachbarlichen Rechte mit der Folge einer\nRechtsverletzung der Klagerinnen fehlerhaft gewurdigt worden sind. \n--- \n--- \nII.) \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Klage der Klagerin Ziff. 1 ist unbegrundet, denn sie ist materiell\nprakludiert. Entgegen § 55 Abs. 2 Satz 1 LBO hat sie nicht fristgerecht im\nRahmen der Angrenzerbenachrichtigung baurechtlich beachtliche Einwendungen\ngegen das Vorhaben der Beigeladenen erhoben. Deshalb ist sie nach § 55 Abs. 2\nSatz 2 LBO mit allen Einwendungen ausgeschlossen, die im Rahmen der\nBeteiligung nicht fristgemaß geltend gemacht worden sind. Bei einer\nmateriellen Praklusion (zur Einordnung des § 55 Abs. 2 Satz 2 LBO als -\nentsprechend dem Gesetzeswortlaut - materielle Praklusionsvorschrift siehe VGH\nBad.-Wurtt., Beschl. v. 04.03.1998 - 5 S 3180/97 -; Sauter, aaO, § 55 Rn 28a\nff.; Durr, Baurecht Baden-Wurttemberg, 11. Aufl., 2004, Rn 232) ist das\nGericht an der inhaltlichen Prufung gehindert, ob durch den Verwaltungsakt\nsubjektive Rechte der Klagerin verletzt werden. Der Anspruch auf Aufhebung des\nVerwaltungsakts nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist ausgeschlossen (Durr, aaO,\nRn 306; siehe allgemein zur Einordnung der Praklusion als Aspekt der\nBegrundetheitsprufung BVerwG Urt. v. 24.05.1996 - 4 A 38/95 -, NVwZ 1997, 489;\nVGH Bad.-Wurtt. Urt. v. 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, DVBl 1992, 438;\nEyermann/Schmidt, VwGO 12. Aufl., 2006, § 113 Rn 4; Spannowsky, in:\nSodan/Ziekow, VwGO, § 113 Rn 34 f., Brandt, Praklusion im\nVerwaltungsverfahren, NVwZ 1997, 233, 235). Grunde dafur, dass der\nEinwendungsausschluss nicht greift und die von der Klagerin Ziff. 1 im\nWiderspruchs- und Klageverfahren vorgebrachten Einwendungen deshalb durch das\nGericht zu prufen waren, liegen nicht vor. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Anlasslich der Angrenzerbenachrichtigung nach § 57 Abs. 2 i.V.m. § 55 LBO\nmit Schreiben der Beklagten vom 01.03.2004 hat die Klagerin Ziff. 1 mit ihrem\ninnerhalb der 2-Wochen-Frist bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom\n09.03.2004 die Nutzungsanderung der ehemaligen ... Muhle abgelehnt und weiter\nausgefuhrt, dass sie als bekennende Christin keine solche Freizeiteinrichtung\n(Vergnugungsstatte) fur sich, ihre Familie, ihre Nachbarn und ihre Stadt haben\nwolle. Die Klagerin Ziff. 1 ist der Ansicht, sie habe mit dieser Einwendung\nzwangslaufig zu befurchtende bodenrechtliche Spannungen und eine\nGebietsunvertraglichkeit geltend gemacht. Der Wortlaut des Schreibens lasst\neinen solchen Einwand allerdings nicht erkennen. Entgegen ihrer Auffassung\nergibt sich dies auch nicht im Wege der weiteren Auslegung. Fur die Auslegung\ndes Schreibens kommt es dabei nicht darauf an, welchen subjektiven\nErklarungsinhalt die Klagerin Ziff. 1 ihren Formulierungen beimessen wollte.\nMaßgebend ist vielmehr entsprechend §§ 133, 157 BGB der objektive\nErklarungswert, d.h. wie die Beklagte den Inhalt des Schreibens nach Treu und\nGlauben verstehen musste und durfte (siehe allgemein zur Auslegung offentlich-\nrechtlicher Willenserklarungen Knack, VwVfG, 8. Aufl., § 9 Rn 25 mwN). Nach\ndem objektivierbaren Erklarungswert enthalt das Schreiben keine baurechtlich\nrelevante Einwendung. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Grunde der Klagerin Ziff. 1 fur die im ersten Satz ihres Schreibens vom\n09.03.2004 erklarte Ablehnung des Vorhabens der Beigeladenen ergeben sich aus\ndem damit im unmittelbaren Zusammenhang stehenden folgenden Satz. Danach\nerfolgt ihre Ablehnung, die sie nicht nur fur sich selbst, sondern fur die\nStandortgemeinde insgesamt erklart, aus ihrer christlichen Überzeugung.\nInsoweit kann die Formulierung des ersten Satzes nicht losgelost von dem\nbetrachtet werden, was sie weiter ausfuhrt. Die Klagerin Ziff. 1 wendet sich\nausschließlich aus religiosen und damit privaten Motiven gegen das Vorhaben.\nRechtserheblich sind jedoch nur offentlich-rechtliche Einwendungen (Sauter,\naaO, Rn 27c). Soweit die Klagerin Ziff. 1 des weiteren geltend macht, sie habe\nihre Einwendungen auch als Kirchenalteste der ...gemeinde im Interesse der\n...kirche formuliert und damit insbesondere zum Ausdruck gebracht, aus\nbaulicher Sicht durfe das Vorhaben nicht in der Nachbarschaft der Kirche\nentstehen, fuhrt dies ebenfalls nicht zur Annahme einer rechtserheblichen\nEinwendung. Abgesehen davon, dass eine solche Intension dem Wortlaut ihres\nSchreibens vom 09.03.2004 schon nicht entnommen werden kann, kann die Klagerin\nZiff. 1 als Eigentumerin des Grundstucks Flurstuck Nr. 12/1 nur eigene Rechte\nund Belange geltend machen, nicht aber solche der Kirchengemeinde. Schließlich\nbesteht auch kein Anlass unter Berucksichtigung des der Beklagten erkennbaren\nVerfahrensziels der Klagerin Ziff. 1, namlich der Verhinderung des Vorhabens\nder Beigeladenen, ihr Schreiben vom 09.03.2004 in einer Art\n„Meistbegunstigung" unter weitgehender Außerachtlassung seines Wortlauts\ndahingehend auszulegen, dass bei der generellen Ablehnung des Vorhabens in\nGestalt eines bordellartigen Betriebs sich etwa aufdrangende bauliche\nErwagungen im Sinne befurchteter bodenrechtlicher Spannungen und einer\nGebietsunvertraglichkeit geltend gemacht wurden. Abgesehen davon, dass aus\neiner Ablehnung des Vorhabens nicht zwangslaufig mit hinreichender Sicherheit\nauf die aus Sicht des Nachbarn jeweils hierfur einschlagigen baurechtlichen\nGrunde geschlossen werden kann, wurde dies auch Wortlaut und Zweck des § 55\nAbs. 2 LBO widersprechen. Eine grundsatzliche Ablehnung eines Vorhabens reicht\ngerade nicht aus, um zu verhindern, dass ein Nachbar gemaß § 55 Abs. 2 Satz 2\nLBO mit seinen nicht fristgerecht erhobenen Einwendungen ausgeschlossen wird.\nVielmehr muss sein Vorbringen erkennen lassen, in welcher Hinsicht aus seiner\nSicht Bedenken gegen das Bauvorhaben bestehen. Dies erfordert die Bezeichnung\ndes verletzten Rechtsguts und eine zumindest grobe Darstellung der im\neinzelnen befurchteten Beeintrachtigungen (VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom\n01.04.1998 - 8 S 722/98 -, NVwZ 1998, 986; Beschluss vom 14.07.1999 - 3 S\n1358/99 -, VBlBW 2000, 115; vgl. auch Beschluss vom 26.04.2002 - 5 S 629/02 -,\nVBlBW 2002, 445; Sauter, aaO, § 55 Rn 27b; Durr, aaO, Rn 232). Auch von einem\njuristischen Laien ist daher entgegen der Auffassung der Klagerin Ziff. 1 zu\nverlangen, dass er seine baurechtlichen Einwendungen dem Grunde nach\nkonkretisiert. Hieran fehlt es jedoch. Hinsichtlich der nicht fristgerecht\nerhobenen Einwendung kommt auch keine Wiedereinsetzung der Klagerin Ziff. 1 in\nden vorigen Stand gemaß § 32 LVwVfG in Betracht. Die Voraussetzung hierfur\nliegen schon deshalb nicht vor, weil ein solcher Antrag nicht innerhalb der\n2-Wochen-Frist des § 32 Abs. 2 LVwVfG gestellt worden ist. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Der Eintritt der Praklusionswirkung ist auch nicht aufgrund von\nVerfahrensfehlern ausgeschlossen. Die Angrenzerbenachrichtigung vom 01.03.2004\nist der Klagerin Ziff.1 am 02.03.2004 zugestellt worden und hat auch die nach\n§ 55 Abs. 2 Satz 3 LBO erforderliche Belehrung enthalten, dass Einwendungen\ngegen das Bauvorhaben innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieser\nBenachrichtigung schriftlich oder mundlich zur Niederschrift bei der Beklagten\nvorzubringen sind und dass sie mit allen Einwendungen ausgeschlossen wird, die\nim Rahmen der Beteiligung nicht fristgemaß geltend gemacht werden. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Der Annahme der Praklusion stehen ferner auch keine anderweitigen Mangel\nentgegen. Eine Angrenzerbenachrichtigung kann ihre Anstoßwirkung nicht\nerreichen, wenn aus der gewahlten Bezeichnung des Vorhabens auch bei Anwendung\nder dem Angrenzer obliegenden Sorgfalt nicht ersichtlich ist, welches Vorhaben\ntatsachlich zu erwarten steht. Eine Praklusion kann auch dann nicht eintreten,\nwenn die Bauvorlagen unvollstandig oder unverstandlich sind und diese eine\nmogliche Betroffenheit des Angrenzers nicht hinreichend deutlich erkennen\nlassen. Schließlich wird eine solche Rechtswirkung nicht ausgelost, wenn die\nspatere Genehmigung nicht mit dem Bauantrag und den Bauvorlagen, in die der\nNachbar Einsicht genommen hat, ubereinstimmt und insoweit etwas anderes\ngenehmigt wird (naher Sauter, aaO, § 55 Rn 28e). Derartige Mangel, die zum\nAusschluss der Praklusion fuhren wurden, sind im vorliegenden Fall jedoch\nnicht gegeben. In der Angrenzerbenachrichtigung ist der Bauort angegeben und\ndas Vorhaben mit „Bauvoranfrage: Nutzungsanderung der ehemaligen ... Muhle in\neine Freizeiteinrichtung (Vergnugungsstatte) mit der Moglichkeit - gegen\nVergutung - Vertrage uber sexuelle Dienstleistungen abzuschließen" bezeichnet\nworden. Dies lasst unzweifelhaft den bordellartigen Charakter der\nbeabsichtigten Nutzung in der Nahe des Anwesens der Klagerin Ziff. 1 erkennen. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Ein die Annahme der Praklusion ausschließender Fehler liegt auch nicht\ndeshalb vor, weil die Plane, die nach dem ursprunglichen Antrag vom 20.01.2004\n- und damit wahrend der Angrenzerbeteiligung im Marz 2004 - Gegenstand der\nBauvoranfrage waren, spater aufgrund der Erklarung der Beigeladenen vom\n23.02.2005 nicht mehr Teil der Bauvoranfrage und damit des Bauvorbescheids\ngeworden sind. Die nach § 52 Abs. 1 LBO vorzulegenden Bauvorlagen\nkonkretisieren den Bauantrag und damit das Vorhaben; sie bestimmen auch Inhalt\nund Umfang der Baugenehmigung (Sauter, aaO, § 52 Rn 19). § 57 Abs. 2 LBO\nerklart im Rahmen des Bauvorbescheids § 52 LBO jedoch (nur) fur entsprechend\nanwendbar. Dies tragt dem Umstand Rechnung, dass der Bauvorbescheid - anders\nals die Baugenehmigung - eine auf einzelne Fragen des Vorhabens beschrankte\nFeststellung enthalt. Plane sind daher nur insoweit einzureichen, als sie fur\ndie Beurteilung der zu klarenden Frage erforderlich sind (vgl. auch Sauter,\naaO, § 57 Rn 13). Gegenstand der Bauvoranfrage ist nach dem Antrag der\nBeigeladenen vom 20.01.2004 in der Fassung ihres Schreibens vom 23.02.2005\nausschließlich die Frage, ob das von ihnen geplante Vorhaben nach Art der\nbaulichen Nutzung bauplanungsrechtlich zulassig ist und wie viele Stellplatze\nfur das Vorhaben erforderlich sind. Zur Prufung dieser Fragen ist jedoch die\nim Antragsschreiben vom 20.01.2004 enthaltene ausfuhrliche schriftliche\nErlauterung des Vorhabens ausreichend. Hierin ist im einzelnen dargelegt, dass\nauf dem Areal der ... Muhle (Flurstuck Nr. ...) unter Sanierung und Erhaltung\nvon Villa, Siloturm und Turbinenhalle eine Einrichtung mit Solarium,\nWhirlpool, kleinem Schwimmbad, Sauna, Dampfbad und Massage zur allgemeinen\nseelischen und korperlichen Entspannung von Erwachsenen geschaffen werden\nsoll, die auch die Moglichkeit gewahrt, dass mannliche Personen gegen Entgelt\ndem sexuellen Erlebnis nachgehen konnen und hierfur weibliche Personen gegen\nVergutung sexuelle Dienstleistungen anbieten. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Ausklammerung der Plane aus der Bauvoranfrage und die damit verbundene\nBegrenzung der Reichweite der Feststellungswirkung des Bescheids fuhrt auch zu\nkeiner - weitergehenden - Beeintrachtigung der nachbarlichen Interessen. Die -\ninsoweit den Planen entsprechenden - Charakteristika des Vorhabens\nhinsichtlich der Art der baulichen Nutzung sind im Antrag vom 20.01.2004\nverbal im einzelnen aufgefuhrt. Auch unter dem Gesichtspunkt der Anzahl der\nStellplatze enthalten die Plane keinen zusatzlichen die nachbarlichen\nInteressen beruhrenden Gehalt. Im Übrigen ist die nach Abschluss der\nAngrenzerbeteiligung mit Schreiben vom 23.02.2005 erfolgte ausdruckliche\nBegrenzung der Bauvoranfrage deshalb rechtlich unbedenklich, weil sie - in der\nWirkung zu Gunsten der Nachbarn - die Bindungswirkung des Bauvorbescheids\neinschrankt. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Schließlich ist das dem Bauvorbescheid vom 11.04.2005 zugrunde liegende\nVerwaltungsverfahren entgegen der Auffassung der Klagerinnen nicht durch die\nBeklagte zu ihren Lasten unter Verstoß gegen den Grundsatz der\nVerfahrensfairness gefuhrt worden. Aus den umfangreichen Behordenakten ergeben\nsich keine Hinweise darauf, dass die Beklagte die ihr gegenuber der\nBeigeladenen obliegende Hinweis- und Beratungspflicht (vgl. etwa §§ 57 Abs. 2\ni.V.m. § 54 Abs. 1 und 2 LBO, § 25 LVwVfG) uberschritten oder gar - zu Lasten\nnachbarlicher Interessen - ein kollusives Zusammenwirken zwischen der\nBeklagten und den Beigeladenen vorgelegen hatte. \n--- \n--- \nIII.) \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Klage der Klagerin Ziff. 2 ist unbegrundet, denn durch den\nBauvorbescheid der Beklagten vom 11.04.2005 und den Widerspruchsbescheid des\nRegierungsprasidiums Karlsruhe vom 17.07.2006 werden ihre nachbarlichen Rechte\nnicht verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Maßgeblich fur die Begrundetheitsprufung der Anfechtungsklage eines Nachbarn\ngegen einen erteilten Bauvorbescheid ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt\nder Zustellung der letzten Behordenentscheidung, hier des\nWiderspruchsbescheids vom 17.07.2006 (Sauter, aaO, § 55 Rn 77; Durr, aaO, Rn\n305). Die erst am 20.04.2007 in Kraft getretene Verordnung des\nRegierungsprasidiums Karlsruhe uber das Verbot der Prostitution auf dem Gebiet\nder Stadt ... vom ... (GBl. ..., S. ...) ist - als eine zu Lasten der Bauherrn\ndanach eingetretene Änderung - jedenfalls fur den vorliegenden Rechtsstreit\nnicht relevant. Die Klage der Klagerin Ziff. 2 gegen den\nstreitgegenstandlichen Bauvorbescheid bleibt erfolglos, weil Vorschriften, die\nihrem Schutz als Nachbarin dienen, nicht verletzt sind. Dies gilt fur jede\ndenkbare planungsrechtliche Einordnung des Vorhabens. Fur den Erfolg einer\nNachbarklage genugt es hingegen nicht, dass ein Bauvorbescheid objektiv\nrechtsfehlerhaft ware. Insoweit kann daher auch dahingestellt bleiben, ob der\nangegriffene Bauvorbescheid in jeder rechtlichen Hinsicht beanstandungsfrei\nware. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Sollte der Bauvorbescheid vom 11.04.2005 einen Widerspruch hinsichtlich\nseines Feststellungsumfangs aufweisen (1.), begrundet dieser jedenfalls keine\nRechtsverletzung der Klagerin (2.). \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| 1.) Ein Bauvorbescheid enthalt eine verbindliche, aber nach § 57 Abs. 1 Satz\n2 LBO befristete Feststellung, dass dem Bauvorhaben hinsichtlich den zur\nEntscheidung gestellten Einzelfragen keine Hindernisse nach dem im Zeitpunkt\nder Entscheidung geltenden offentlich-rechtlichen Bestimmungen entgegenstehen.\nAusgehend hiervon mussen Entscheidungsgegenstand und Reichweite der\nBindungswirkung - auch gegenuber den vom Vorhaben betroffenen Nachbarn -\neindeutig sein. Der Bauvorbescheid vom 11.04.2005 stellt einerseits in seinem\nTenor fest, dass fur das Bauvorhaben der Beigeladenen der Bauvorbescheid\nerteilt wird. Damit ist entsprechend der dem Bescheid zugrunde liegenden\nFragestellungen impliziert, dass das Vorhaben nach der Art der baulichen\nNutzung bauplanungsrechtlich zulassig ist. Andererseits ist in den Grunden des\nBescheids unter der Überschrift „Rucksichtnahmegebot gegenuber Angrenzern"\nwortlich ausgefuhrt, dass „die Zulassung des Bordells oder bordellartigen\nBetriebes Nachteile und Belastigungen zur Folge hat, vor allem aufgrund des\nabends und nachts zu erwartenden Zu- und Abgangsverkehrs. Ob die damit\nverbundenen Storungen durch den zusatzlichen Verkehr fur die angrenzende\nWohnbebauung noch zulassig sind, muss in einem Larmgutachten mit der\nentsprechenden Verkehrsprognose unter Berucksichtigung der Vorbelastung\ngepruft werden" (so S. 6 des Bescheids unter Punkt 8; vgl. auch Bescheid Punkt\n6 c und 6 d auf S. 4 des Bescheids). \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Eine Aufspaltung der Feststellung der bauplanungsrechtlichen Zulassigkeit\ndes Vorhabens hinsichtlich der Art der Nutzung in eine objektiv-rechtliche\nKomponente und eine solche des Nachbarschutzes ist rechtlich aber nicht\nmoglich, weil andernfalls keine verbindliche, feststellungsfahige Aussage\ngetroffen werden kann. Erst recht kann die Prufung im Rahmen der Verletzung\nnachbarschutzender Rechte nicht in die Fragen, ob durch den bordellartigen\nBetrieb an sich oder durch dessen Verkehrsaufkommen nachbarliche Rechte\nverletzt werden, unterteilt werden. Insoweit ist die Frage der Bebaubarkeit\ndes streitgegenstandlichen Grundstucks mit der von der Beigeladenen\nbeabsichtigten Art des Vorhaben nicht mehr weiter differenzierbar. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Der Wortlaut des Bauvorbescheids liefert zwar einen Anhalt dafur, dass\nentgegen diesen Erwagungen die Frage, ob das dem Vorhaben zuzurechnende\nVerkehrsaufkommen Rechte der Nachbarn verletzt, nicht abschließend gepruft\nworden und der Bescheid daher in sich fehlerhaft sein konnte. Allerdings\nspricht bei der gebotenen umfassenden Auslegung insbesondere des nach § 79\nAbs. 1 Nr. 1 LVwVfG maßgebenden Widerspruchsbescheids vom 17.07.2006 viel\ndafur, dass der Gesichtspunkt, ob das Vorhaben einschließlich seines Zu- und\nAbfahrtsverkehrs Rechte der Klagerin Ziff. 2 verletzt, ungeachtet des fur das\nggfs. nachfolgende Baugenehmigungsverfahren vorbehaltenen Larmgutachtens\ntatsachlich gewurdigt und verneint wurde. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Das Regierungsprasidium hat im Widerspruchsbescheid vom 17.07.2006\nausgefuhrt, dass das Vorhaben nach der Art der Nutzung bauplanungsrechtlich\nzulassig sei und nicht gegen das Gebot der Rucksichtnahme verstoße;\ninsbesondere konne - da der ...Weg nicht als Erschließungsstraße genutzt\nwerden durfe und die Erschließung nur uber die ... ...Straße und eine noch\nuber die ... zu errichtende Brucke erfolgen konne - im Hinblick auf die\ngestellten Fragen zur baurechtlichen Zulassigkeit im Rahmen des\nBauvorbescheids kein Verstoß gegen das Rucksichtnahmegebot gesehen werden.\nSoweit der Widerspruchsbescheid auch die weitere Aussage enthalt, das es der\nPrufung im Baugenehmigungsverfahren vorbehalten bleibe, ob der mit der\nNutzungsanderung verbundene Zu- und Abfahrtsverkehr den Anwohnern zuzumuten\nsei, durfte dies vor dem Hintergrund zu sehen sein, dass die Frage der\nErschließung nicht Gegenstand der Bauvoranfrage und der Regelungswirkung des\nBauvorbescheids ist. Mit dem Vorbehalt eines Larmgutachtens sollte wohl -\nungeachtet der Frage, ob der Erschließungsproblematik uberhaupt eine\ndrittschutzende Dimension zukame - Vorsorge getroffen werden, dass nur eine\nErschließung gewahlt wird, die sich insgesamt in einem fur die Anwohner\nzumutbaren Rahmen bewegt und daruber hinaus die Annahmen im Rahmen des\nBauvorbescheidsverfahrens nochmals verifiziert werden. Diese Auslegung durften\nauch die Äußerungen des Prozessbevollmachtigten der Beigeladenen und des\nVertreters der Beklagten in der mundlichen Verhandlung nahelegen. Denn nach\nderen Verstandnis sollte durch die Vorlage eines Larmgutachtens sichergestellt\nwerden, dass das Vorhaben unter Beachtung nachbarlicher Rechte weiter geplant\nund realisiert wird. Fur einen in diesem Sinne lediglich deklaratorischen\nCharakter des Vorbehalts des Larmgutachtens im Interesse der Absicherung der\nPlanung und der Akzeptanzvermittlung spricht schließlich auch der Umstand,\ndass dieser einer Maßgabe entspricht, die der Landtag von Baden-Wurttemberg\nanlasslich der Zuruckweisung der Petition des Bundnis fur ... gegen das\nVorhaben vorgesehen hat. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| 2.) Ware jedoch von der Widerspruchlichkeit des Bauvorbescheids auszugehen,\nweil die Frage der Verletzung nachbarlicher Rechte insbesondere durch den\nvorhabenbedingten Verkehr noch keiner hinreichenden Prufung und Wurdigung\nunterzogen worden ware, fuhrt dies nicht zur Annahme einer Verletzung\nnachbarschutzender Rechte der Klagerin Ziff. 2, ohne die die Aufhebung des\nBescheids nicht in Betracht kommt. Denn aufgrund der Erkenntnisse aus der\nmundlichen Verhandlung steht fest, dass die Klagerin Ziff. 2 weder durch das\nVorhaben an sich noch durch den zu erwartenden Zu- und Abfahrtsverkehr in\nihren Rechten verletzt ist; fur diese Feststellung bedarf es aufgrund der\ntatsachlich vorhandenen Situation auch nicht der Erhebung eines\nSachverstandigengutachtens. Das Vorhaben verletzt weder den\nGebietserhaltungsanspruch der Klagerin Ziff. 2 (a.) noch ware es ihr gegenuber\nrucksichtslos oder in sonstiger Weise rechtsverletzend (b.). Dies gilt im\nÜbrigen fur alle denkbaren planungsrechtlichen Einordnungen des Vorhabens\n(c.). \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| a.) Das Gebiet, in dem die Grundstucke der Klagerin Ziff. 2 liegen, hat nach\n§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO den Charakter eines Mischgebiets. Das\nVorhaben der Beigeladenen verletzt nicht den Gebietserhaltungsanspruch der\nKlagerin Ziff. 2, denn es gehort einem anderen Baugebiet an. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Nach § 34 Abs. 2 BauGB beurteilt sich die Zulassigkeit des Vorhabens nach\nseiner Art allein nach der Baunutzungsverordnung, sofern die Eigenart der\nnaheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht. §\n34 Abs. 2 BauGB hat grundsatzlich nachbarschutzenden Charakter (BVerwG, Urt.\nv. 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151; Durr, in: Brugelmann, BauGB § 34\nRn 157 f). Der Nachbar hat in einem Plangebiet, aber in entsprechender\nAnwendung auch in einem Gebiet, auf das § 34 Abs. 2 BauGB Anwendung findet,\ndurch die Gebietsfestsetzung der Baunutzungsverordnung einen Schutzanspruch\nauf die Bewahrung der Gebietsart. Der Abwehranspruch des Nachbarn wird\ngrundsatzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsart\nunvereinbaren Vorhabens ausgelost, weil hierbei das nachbarliche\nAustauschverhaltnis gestort und eine Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird\n(Rieger, in: Schrodter, BauGB, 7. Aufl., 2006, § 34 Rn 104). Der\nSchutzanspruch aus der Baunutzungsverordnung - und damit auch jener nach § 34\nAbs. 2 BauGB - geht weiter als der Schutz des Rucksichtnahmegebots, der\nvoraussetzt, das der Nachbar in unzumutbarer Weise konkret in schutzwurdigen\nInteressen betroffen wird. Auf die Bewahrung der Gebietsart hat der Nachbar\nnamlich auch dann einen Anspruch, wenn das baugebietswidrige Vorhaben im\njeweiligen Einzelfall noch nicht zu einer tatsachlich spurbaren und\nnachweisbaren Beeintrachtigung fuhrt (BVerwG, Beschl. v. 02.02.2000 - 4 B\n87.99 -, NVwZ 2000, 679). \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Nach den Feststellungen, die das Gericht anlasslich der Einnahme des\nAugenscheins getroffen hat, beginnt das Gebiet, in dem die Grundstucke der\nKlagerin Ziff. 2 liegen, mit dem an der Ecke ... Hauptstraße / ... ...Straße\ngelegenen Anwesen ... ...Straße ..., in dem sich eine großere Gaststatte\nbefindet. Die Bebauung setzt sich sodann entlang der ... ...Straße bis zum\nGrundstuck Haus Nr. ... fort, danach beginnt der Außenbereich. Innerhalb\ndieses Bebauungszusammenhangs sind zu einem großen Teil Wohnbebauung, jedoch\nauch in einem nicht unbedeutenden Umfang gewerbliche Nutzungen vorhanden. So\nbefinden sich in dem Anwesen ... ...Straße N. ... ein Ausstellungsraum\n„Atelier fur kunstlerische Arbeiten" und im Anwesen mit der Hausnummer ... ein\nGroßhandel mit Futtermitteln. Neben dem Haus der Klagerin Ziff. 2 hat eine\nHeißmangel und Wascherei in Gestalt eines „Ein-Mann-Betriebs" ihren Standort,\nauf dem Grundstuck der Klagerin Ziff. 2 (... ...Straße ... ) befindet sich\nauch ihr ... Buro. Insgesamt wird dieser Bereich durch das fur ein Mischgebiet\ntypische gleichberechtigte Nebeneinander von Wohnnutzung und nicht wesentlich\nstorender gewerblicher Nutzung gepragt. Gegen die Qualifizierung des Gebiets\nals allgemeines Wohngebiet nach § 4 BauNVO sprechen vor allem der Großhandel\nmit Futtermitteln und die Gaststatte, die nach ihrer Große nicht mehr nur der\nVersorgung des Gebiets dient. Diese Anlagen sind namlich in einem allgemeinen\nWohngebiet nicht generell zulassig. Die Einstufung des Gebiets als Mischgebiet\nentspricht im Übrigen auch der Auffassung der Klagerin Ziff. 2 zum\nmaßgeblichen Gebietscharakter in ihrem Einwendungsschreiben vom 14.03.2004.\nDort fuhrte sie ausdrucklich aus, dass die vorhandene Bebauung ein Mischgebiet\ndarstelle. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Die Bebauung entlang des ...Wegs und damit das Vorhabengrundstuck sind\njedoch aufgrund der topographischen Gegebenheiten nicht mehr Teil dieses\nBebauungszusammenhangs, in dem sich die Grundstucke der Klagerin Ziff. 2\nbefinden. Denn die Geschlossenheit und Zusammengehorigkeit der Bebauung\nentlang der ... ...Straße enden auch dort. Entsprechendes wurde im Übrigen\nauch dann gelten, wenn man ungeachtet der vorstehenden Ausfuhrungen zum\nGebietscharakter - insoweit dem Klagevortrag folgend - von einem allgemeinen\nWohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m § 4 BauNVO ausginge. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Bei der ... ...Straße handelt es sich um eine stark befahrene Landstraße,\ndie der Verbindung zwischen der Stadt ... und im ... liegender Gemeinden\ndient. Auf der den Grundstucken der Klagerin Ziff. 2 gegenuber liegenden Seite\nbefindet sich entlang der ... ...Straße ein Gelander, das deren Fuß\\- und\nRadweg von der Boschung und dem anschließenden Gewasser trennt. Die ... -\neingegrenzt und großzugig umfasst von ihren beidseitigen und eher breiten\nBoschungen - verlauft unterhalb des Niveaus der Landstraße. Die ostlich des\nAnwesens der Klagerin Ziff. 1 vorhandenen und durch einen Metallbaubetrieb\ngenutzten Flurstucke und das an diese Grundstucke angrenzende\nVorhabengrundstuck sind entlang der ... ...Straße und der ... stark\neingewachsen. Etwa beginnend mit dem Anwesen der Klagerin Ziff. 1 grenzt die\nBoschung auf der in Fließrichtung linken Seite der ... an eine mit Pflanzen\nstark bewachsene Mauer, die etwa in Hohe der ...kirche von einem großeren\nBaumbestand abgelost wird. Von der Mauer und dem ...weg wiederum\nzuruckversetzt beginnt dann die dortige Bebauung. Diese bauliche Situation\nlasst sich insbesondere anhand der drei nachfolgenden wahrend der Einnahme des\nAugenscheins gefertigten Lichtbilder verdeutlichen (vgl. Seiten 24 und 32 der\nAnlage zur Niederschrift): \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| Aufgrund der Wirkung der insgesamt zu betrachtenden raumlichen und\ntopographischen Gegebenheiten handelt es sich bei der Bebauung entlang des\n...Wegs und derjenigen entlang der ... ...Straße um zwei unterschiedliche\nBebauungszusammenhange und damit um zwei Baugebiete. Die trennende Wirkung der\nTopographie wird auch nicht durch eine - verbindende - Brucke beseitigt. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Zwischen den Anwesen in der ... ...Straße und denjenigen des ...Wegs besteht\neine Verbindung uber den Kreuzungsbereich an der ... ...Straße / ...kirche\n**.** Eine Brucke, die den ...weg und die ... ...Straße unmittelbar verbinden\nwurde, existiert tatsachlich nicht. Selbst wenn man ungeachtet der Tatsache,\ndass im Rahmen des § 34 BauGB vor allem die tatsachliche Situation maßgeblich\nist, auf die genehmigungsrechtliche Grundlage eines Bruckbauwerks abstellen\nwollte, ergibt sich nichts anderes. Die zuletzt 1995 erteilte Genehmigung fur\neine Brucke kann schon deshalb heute nicht mehr unmittelbar umgesetzt werden,\nweil deren baurechtliche Geltungsdauer bereits abgelaufen ist. Soweit aufgrund\nder Festlegungen des Bauvorbescheids eine Brucke zu erwarten steht, dient\ndiese nach Funktion und Wirkung nur der Erschließung des Vorhabengrundstucks,\nnicht aber der Herstellung eines Bebauungszusammenhangs. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Selbst wenn man ungeachtet der vorstehenden Ausfuhrungen der Auffassung\nware, dass die topographischen Gegebenheiten nicht zu einer Verneinung des\nBebauungszusammenhang zwischen den Grundstucken am ...weg und denjenigen\nentlang der ... ...Straße fuhren wurden, so waren die bereits dargestellten\ntrennenden Wirkungen der ... ...Straße und des Gewassers jedenfalls insoweit\nbeachtlich, als sie dazu fuhren, dass das Vorhabengrundstuck nicht mehr Teil\nder naheren Umgebung der Grundstucke der Klagerin Ziff. 2 ist. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| Der Nachbarschutz auf Bewahrung der Gebietsart reicht raumlich nicht uber\ndie auch in § 34 Abs. 2 BauGB maßgebliche nahere Umgebung hinaus (BVerwG,\nBeschl. v. 20.08.1998 - 4 B 79/98 -, NVwZ-RR 1999, 105; Hofherr, in: Berliner\nKommentar zum BauGB, § 34 Rn 88, 67). Berucksichtigt werden muss die Umgebung\neines beabsichtigten Vorhabens einmal insoweit, als sich die Ausfuhrung des\nVorhabens auf sie auswirken kann, und zweitens insoweit, als die Umgebung\nihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstucks pragt oder doch\nbeeinflusst (BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.77 - BVerwGE 55,\n369, 380). Daraus folgt, dass der die Erhaltung der Gebietsart betreffende\nNachbarschutz durch die wechselseitige Pragung der benachbarten Grundstucke\nbegrenzt ist und keineswegs notwendig alle Grundstucke in der Umgebung\numfassen muss, die zu derselben Baugebietskategorie gehoren. Wieweit die\nwechselseitige Pragung reicht, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles.\nDabei konnen auch topographische Gegebenheiten wie Gelandehindernisse,\nErhebungen oder Einschnitte (Damme, Boschungen, Flusse und dergleichen) eine\nRolle spielen. \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Die Grundstucke der Klagerin Ziff. 2 liegen vom Vorhabengrundstuck etwa 50 m\nentfernt. Aufgrund des im einzelnen bereits oben beschriebenen Verlaufs der\n... ...Straße quasi parallel zur ... mit ihren beidseitigen Boschungen sowie\nBepflanzungen fehlt es an der wechselseitigen Pragung der Grundstucke der\nKlagerin und des Vorhabengrundstucks. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| Das Vorhaben der Beigeladenen beruhrt aufgrund seiner Lage daher nicht den\nAnspruch der Klagerin Ziff. 2 auf Bewahrung ihrer eigenen Gebietsart. Einen\nAnspruch auf Abwehr einer Bebauung in einem fremden Gebiet vermittelt § 34\nAbs. 2 BauGB nicht (BVerwG, Beschl. v. 02.02.2000, aaO, VGH Munchen, Urt. v.\n14.07.2006 - 1 BV 03.2179 -, UPR 2007, 152) \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| b) Selbst wenn man entgegen den Ausfuhrungen unter a) davon ausginge, dass\ndie topographischen Gegebenheiten keine trennende Wirkung zwischen der\nBebauung entlang der ... ...Straße und derjenigen entlang des ...Wegs unter\nEinschluss des Vorhabengrundstucks entfalten wurden, sondern das vorhandene\nGebiet vielmehr einheitlich zu beurteilen ware, so ware die Klagerin Ziff. 2\nebenfalls nicht in ihren Nachbarrechten verletzt. Das Vorhaben ware dann nach\n§ 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen und ließe eine Verletzung des\nRucksichtnahmegebots nicht erkennen. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| Die Bebauung entlang des ...Wegs und der ... ...Straße kann als gemeinsam\nbetrachtetes Gebiet nicht eindeutig einem Gebietstyp nach der\nBaunutzungsverordnung zugeordnet werden. Die vorhandene bauliche Situation\nstellt sich uneinheitlich dar. Einerseits sind zu einem bedeutenden Teil\nWohnbebauung und entlang der ... ...Straße - wie bereits oben dargestellt -\nauch nicht storende gewerbliche Nutzungen vorhanden. Einer Qualifizierung als\nMischgebiet (§ 6 BauNVO) oder gar als allgemeines Wohngebiet (§ 4 BauNVO)\nsteht jedoch der nach seiner Große beachtliche Schlossereibetrieb der Firma\nMetallbau ... entgegen. Das Betriebsgebaude steht auf dem Grundstuck Flurstuck\nNr. .../..., auch das Flurstuck Nr. .../... wird gewerblich von diesem Betrieb\ngenutzt (Abstellung von Betriebsfahrzeugen und -material). Eine Schlosserei\nist im allgemeinen ein storender Handwerksbetrieb, da mit dem Betrieb sowie\ndem Be- und Entladen der Materialien typischer Weise Larm, Staub und\nGeruchsentwicklungen verbunden sind (Fickert/Fiesler, BauNVO, 10. Aufl., 2002,\n§ 4 Rn 4.4; § 2 Rn 20 f). Die storende Wirkung des Betriebs auch im konkreten\nFall ist wahrend der Einnahme des Augenscheins deutlich geworden. Auf der der\nSchlosserei gegenuber liegenden Seite der ... ...Straße war wahrend der\nBetriebszeit das Hammern der Schlosserei trotz des bestandigen gerauschvollen\nStraßenverkehrs deutlich zu horen. Die Anlage ist auch nicht als singulare\nAnlage innerhalb einer sie sonst umgebenden homogenen Bebauung als Fremdkorper\nunbeachtlich (vgl. hierzu auch BVerwG, Urt. v. 07.12.2006 - 4 C 11/05 -, NVwZ\n2007, 585). Nach dem Eindruck, den die Kammer anlasslich der Einnahme des\nAugenscheins gewonnen hat, beherrscht die Schlosserei aufgrund ihrer Große und\nBauweise - neben der vorhandenen Bebauung des Vorhabengrundstucks - die\nbauliche Situation entlang des ...Wegs. Selbst wenn man die noch vorhandene\ngewerbliche Nutzung auf dem Vorhabengrundstuck durch das Wasserkraftwerk, die\nallerdings nicht mit storenden Wirkungen einhergeht, ebenfalls mit in die\nBetrachtung einstellt, scheidet eine einheitliche Qualifizierung des Gebiets\nals Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO jedoch aufgrund des hohen Anteils von\nWohnbebauung aus. \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| Kann kein eindeutiger Gebietstyp nach der Baunutzungsverordnung bestimmt\nwerden, beurteilt sich die Zulassigkeit des Vorhabens der Beigeladenen nach §\n34 Abs. 1 BauGB. Hiervon sind im Übrigen auch die Baurechtsbehorden und der\nLandtag von Baden-Wurttemberg (Petition .../ ..., Drs. .../...) ausgegangen. §\n34 Abs. 1 BauGB kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts\n(BVerwG, Beschl. v. 28.07.1999 - 4 B 38.99 -, Buchholz 406.19 Nr. 160,\nSchrodter, aaO, § 34 Rn 102) jedoch keine allgemeine nachbarschutzende Wirkung\nzu, da es an einer mit §§ 30, 34 Abs. 2 BauGB vergleichbaren Ausgangslage\nfehlt (vgl. zur Gegenmeinung Durr, in: Brugelmann, aaO, § 34 Rn 154). § 34\nAbs. 1 BauGB ist nur insoweit nachbarschutzend, als dem Gebot der\nRucksichtnahme, das im Tatbestandsmerkmal des Einfugens in § 34 Abs. 1 BauGB\nvorhanden ist, Nachbarschutz zukommt (BVerwG, Beschl. v. 11.01.1999 - 4 B\n128.98 -, Buchholz 406.19 Nr. 159; Hofherr, aaO, § 34 Rn 87 mwN). Das\nRucksichtnahmegebot ist keine allgemeine Harteklausel, die uber den speziellen\nVorschriften des Stadtebaurechts oder gar des gesamten Baurechts steht,\nsondern Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des Baurechts (BVerwG,\naaO). Nachbarschutz uber § 34 Abs. 1 BauGB kommt also nur in Betracht, wenn\nein Vorhaben - obwohl es den durch die nahere Umgebung gesetzten Rahmen\neinhalt, aber auch, wenn es diesen nicht einhalt -, sich nicht einfugt, weil\nes die gebotene Rucksicht auf die sonstige, vor allem auf die in seiner\nunmittelbaren Nahe vorhandene Bebauung fehlen lasst (BVerwG Urteil vom\n27.05.1978 - 4 C 9.77 -, BVerwGE 55, 369). Liegt eine Verletzung des\nRucksichtnahmegebots im objektivrechtlichen Sinne vor, kommt es fur den\nDrittschutz weiter darauf an, inwieweit in qualifizierter und zugleich\nindividualisierter Weise auf schutzwurdige Interessen eines erkennbar\nabgegrenzten Kreises Dritter Rucksicht zu nehmen ist (subjektivrechtliche\nSeite des Rucksichtnahmegebots). Die gilt fur diejenigen Falle, in denen -\nerstens - die tatsachlichen Umstande handgreiflich ergeben, auf wen Rucksicht\nzu nehmen ist und - zweitens eine besondere Schutzwurdigkeit des Betroffenen\nanzuerkennen ist; die Schutzwurdigkeit, die Intensitat der Beeintrachtigung,\ndie Interessen des Bauherrn und das, was fur beide Seiten billigerweise\nzumutbar oder unzumutbar ist, sind dann gegeneinander abzuwagen (st. Rspr.\nseit BVerwG, Urt. v. 25.02.1977 - 4 C 22.75 -,NJW 1978, 62; vgl. auch Durr,\nBrugelmann, aaO, § 34 Rn 151). Gemessen hieran ist weder das Vorhaben an sich\nwegen seines bordellartigen Charakters noch in Anbetracht des vorhabenbedingt\nzu erwartenden Zu- und Abfahrtsverkehrs gegenuber der Klagerin Ziff. 2\nrucksichtslos, denn es ist ihr jedenfalls nicht unzumutbar. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| Es kann dabei hier dahingestellt bleiben, ob die von den Beigeladenen\nkonzipierte Freizeit-, Sport- und Saunaeinrichtung mit der Moglichkeit, gegen\nVergutung Vertrage uber sexuelle Dienstleistungen abzuschließen, entsprechend\nder Auffassung der Beklagten und der Beigeladenen wegen ihres bordellartigen\nCharakters baurechtlich als ein reiner Gewerbebetrieb einzustufen ist oder ob\nvorliegend eine - ggfs. kerngebietstypische - Vergnugungsstatte anzunehmen ist\n(vgl. naher Stuhler, Prostitution und Baurecht, NVwZ 2000, 990, 993). Denn\nmaßgebend fur die Frage, ob eine solche Einrichtung der Klagerin Ziff. 2 im\nErgebnis zugemutet werden kann, sind namlich in erster Linie die von dieser\nausgehenden tatsachlichen Wirkungen, nicht dagegen deren abstrakt-rechtliche\nEinordnung. \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| Das Vorhaben ist nicht deshalb fur die Klagerin Ziff. 2 unzumutbar, weil es\nProstituierten die Moglichkeit eroffnet, dort ihrer Tatigkeit nachzugehen.\nDies folgt allerdings nicht schon unmittelbar aus dem Gesetz zur Regelung der\nRechtsverhaltnisse der Prostituierten vom 20.12.2001 (BGBl. 2001, 3983), denn\ndieses hat keine Auswirkungen auf hier heranzuziehenden baurechtlichen\nBestimmungen. Insbesondere fuhrt es nicht zu einer planungsrechtlichen\nGleichstellung derartiger Einrichtungen mit anderen legalen Gewerbeausubungen\n(Stuhler, Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes auf das Bau-, Gaststatten-\nund Gewerberecht, GewArch 2005, 129, 132; ders., Zur Zulassigkeit von\nbordellartigen Betrieben (Terminwohnungen) und Wohnungsprostitution in\nMischgebieten, GewArch 2006, 26, 27 mwN). Maßgebend ist im Rahmen der Prufung\ndes Rucksichtnahmegebots vielmehr nach wie vor eine Einzelfallbetrachtung. Der\nvorliegende Fall bietet jedoch keinen Anlass zur Feststellung, die Tatigkeit\nder Prostituierten ware fur die Klagerin Ziff. 2 beeintrachtigend. Nach der\nBetriebskonzeption bestehen keine Anhaltspunkte dafur, dass mit dem Betrieb\ndes Vorhabens strafbare Handlungen einhergingen. Zwischen dem Betreiber des\nVorhabens und den Prostituierten bestehen keine vertraglichen Beziehungen.\nAuch sonst lasst sich nicht erkennen, dass dort durch die Prostitution gegen\nStrafvorschriften (wie etwa in Gestalt der Ausbeutung von Prostituierten nach\n§ 180a StGB) verstoßen wurde. Auch der Aspekt der Folgekriminalitat steht dem\nVorhaben nicht entgegen. Selbst wenn man davon ausginge, dass Kriminalitat als\nnicht ausschließbare Begleiterscheinung eines Bordellbetriebs stadtebauliche\nRelevanz hatte (siehe hierzu auch BVerwG, Urt. v. 25.01.2007 - 4 C 1.06 -),\nfuhrt dies jedoch nicht dazu, das Vorhaben der Beigeladenen als rucksichtslos\neinzustufen. Außer einer unspezifischen Besorgnis der Klagerin Ziff. 2\nbestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafur, dass der Betrieb und sein Umfeld\nsich zu einem Platz fur Straftaten entwickeln konnte. Es sind keine\nsubstantiierten Anhaltspunkte ersichtlich oder vorgetragen worden, dass dem\nVorhaben insoweit ein besonderes Gefahrdungspotential innewohnen konnte. Nach\nder Betriebskonzeption findet dort kein Alkoholausschank statt. Durch die\nEingangskontrolle des Betreibers ist sichergestellt, dass ausschließlich\nvolljahrige und mit dem Betriebsgegenstand vertraute Personen Zugang erhalten.\nInsgesamt zielt die Einrichtung dem Antrag zufolge auf eine „allgemeine\nkorperliche und seelische Entspannung in gediegener Atmosphare" mit der\nMoglichkeit, gegen „entsprechende Vergutung sexuelle Dienstleistungen"\nabzurufen. Konkrete Anhaltspunkte fur dem Vorhaben zuzurechnende\nFolgekriminalitat ergeben sich auch nicht aus der Stellungnahme der\nPolizeidirektion ... vom 09.03.2004, denn diese befasst sich vor allem mit der\nSituation vergleichbarer „Luxusbordelle" in ... und den in ... bereits\nvorhandenen Bordellen bzw. Wohnungsprostitutionen. \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| Auch ist auch nicht erkennbar, dass die Grundstucke der Klagerin Ziff. 2\nsonstigen unzumutbaren milieubedingten Spannungen ausgesetzt wurden oder der\nvon ihr befurchtete „trading down effekt" eintreten konnte. \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| Das Vorhaben liegt am Ortsrand von ... in beginnender Hanglage und grenzt\nostlich und sudlich unmittelbar an den Außenbereich an. Innerhalb des\nbetrachteten Gebiets stehen weitere Flachen fur eine Grundstucksnutzung in\neiner dem Vorhaben vergleichbaren Art nicht zur Verfugung. Fur die Befurchtung\nder Klagerin Ziff. 2, dass das Vorhaben insoweit eine allgemeine negative\nbauliche Entwicklung des Gebiets einleiten wurde, existieren daher keine\ngreifbaren Anhaltspunkte. \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| Auch fur sonstige unzumutbare Wirkungen oder milieubedingte Spannungen gibt\nes keine Hinweise. Das Vorhabengrundstuck ist von den Grundstucken der\nKlagerin Ziff. 2 etwa 50 m entfernt. Es tritt aufgrund seines starken\nBewuchses, abgesehen von dem markanten Siloturm, gegenuber der Klagerin Ziff.\n2 kaum in Erscheinung. Wie sich insoweit aus der von der Bindungswirkung des\nBauvorbescheids umfassten Vorhabenbeschreibung der Beigeladenen vom 20.01.2004\nergibt, ist auch bei dem durch die Beigeladene beabsichtigten Vorhaben durch\nBepflanzungen und bauliche Maßnahmen sichergestellt, dass das Areal gegenuber\nder Klagerin Ziff. 2 nicht in einer seine Nutzung erkennbar werdenden Weise in\nErscheinung tritt. Dies gilt sowohl fur die Raumlichkeiten als auch fur die\nFreiflache, die nach außen deutlich abgeschirmt werden. Die Grundstucke der\nKlagerin Ziff. 2 sind aufgrund der Entfernung und der (baulichen)\nAbschirmungen insbesondere nicht zwangslaufig der standigen Wahrnehmbarkeit\nphysikalischer Emissionen optischer oder akustischer Art, die jeweils\nbetriebsbedingt auf dem Vorhabengrundstuck ausgelost werden konnen,\nausgesetzt. Auch umgekehrt kann vom Vorhabengrundstuck nicht auf die\nGrundstucke der Klagerin Ziff. 2 Einblick genommen werden. Daruber hinaus wird\ndas Objekt selbst keine auf seinen Betriebsgegenstand hindeutende Außenwirkung\nhaben, und auch der Zufahrtsbereich wird neutral gestaltet. Ein „Auf- und\nAblaufen" von Prostituierten auf der Straße oder eine von den Grundstucken der\nKlagerin Ziff. 2 aus erkennbare Kontaktaufnahme zwischen Prostituierten und\n„Kunden" wird ebenfalls nicht erfolgen und auch sonstige denkbare unerwunschte\nsoziale „Außenwirkungen" eines Bordellbetriebs, wie etwa anstoßiges Verhalten\nvon Besuchern oder Belastigung von Passanten bei der Suche des\nBordellbetriebs, werden nach Lage des Vorhabens und der konkreten\nBetriebskonzeption vermieden. Schließlich stellt die von der Klagerin Ziff. 2\nin der mundlichen Verhandlung geaußerte Befurchtung, dass Freier ihr Auto in\neiniger Entfernung vom Vorhaben parken und dann an den Hausern der ...\n...Straße entlang liefen, ihr gegenuber keine Beeintrachtigung dar. Es\nbestehen schon keine Anhaltspunkte dafur, dass diese Personen optisch von\nsonstigen Fußgangern entlang der ... ...Straße zu unterscheiden waren. Daruber\nhinaus steht auch ein solches Verhalten nicht zu erwarten, denn es gibt fur\nublicher Weise auf Diskretion Wert legende Benutzer objektiv keinen Anlass,\nFahrzeuge außerhalb des Vorhabengrundstucks abzustellen. Die Beklagte hat den\nStellplatzbedarf entsprechend der Betriebskonzeption ermittelt. Dass dieser -\nzu Lasten der Klagerin Ziff. 2 - fehldimensioniert ware, hat diese nicht\ngeltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. Auch aufgrund der sonstigen\nGegebenheiten, insbesondere des zu erwartenden Zu- und Abgangsverkehrs, sind\nkeine fur die die Klagerin unzumutbaren Belastungen zu erwarten. \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| Es ist hierbei insbesondere zu berucksichtigen, dass die Situation der\nGrundstucke der Klagerin Ziff. 2 bereits durch gewerbliche Betatigungen in der\nUmgebung gepragt ist. Gerade durch die typischen betriebsbedingten\nLarmbelastungen der Schlosserei, die im Bereich der Grundstucke der Klagerin\nZiff. 2 außen deutlich vernehmbar sind und die erheblichen Gerausche, die der\nVerkehr auf der ... ...Straße verursacht, sind deren Grundstucke, die zudem im\nruckwartigen Einwirkungsbereich einer großen Straßenkreuzung an der Brucke im\nBereich der ... liegen, schon heute Unruhen ausgesetzt. Die ... ...Straße\nweist selbst wahrend der Zeiten, in denen der ursprunglich zu ihrer Entlastung\nkonzipierte „...tunnel" nicht geschlossen ist, aufgrund der allgemeinen\nVerkehrssteigerung eine tagliche Verkehrsbelastung in einer Großenordnung von\netwa 12.000 bis 18.000 Fahrzeugen auf. Diesen Angaben des Vertreters der\nBeklagten in der mundlichen Verhandlung ist die Klagerin Ziff. 2, an deren\nGrundstucke dieser Verkehr entlang fuhrt, nicht entgegen getreten. Bei dieser\nVorbelastung ist nicht zu erkennen, dass es durch den Betrieb des Vorhabens zu\nrelevanten Beeintrachtigungen der Klagerin Ziff. 2 kommen konnte. Insbesondere\nfallt der vorhabenbedingte Verkehr nicht zusatzlich ins Gewicht. Dies gilt\nauch unter Berucksichtigung dessen, dass die Verkehrsbelastung auf der ...\n...Straße nicht gleichmaßig uber den Tag verteilt ist, sondern\nverkehrsimmanent Spitzenbelastungen und Zeiten mit wenig Verkehr (insbesondere\nin den Abend- und Nachtstunden) vorhanden sind. Nach der Betriebskonzeption,\ndie sich nicht auf die typische Prostitution beschrankt, sondern aufgrund\neines umfassenden Zusatzangebots insbesondere im Bereich Wellnesseinrichtungen\nauf eine langere Verweildauer der Kunden angelegt ist, ist nicht mit einem\nstandig kurzzeitig wechselnden Personenaufkommen zu rechnen. Die Kammer geht\naufgrund dieser Betriebskonzeption davon aus, dass sich der Zu- und\nAbfahrtsverkehr einschließlich des Personals und Zubringerdienste in einer\nGroßenordnung von taglich wenigen hundert Fahrzeugen bewegen wird. Hierfur\ndient auch die von den Beigeladenen vorlaufig genannte Zahl von 80\nStellplatzen als Anhalt. Dieser vorhabenbedingte zusatzliche Verkehr ist der\nKlagerin Ziff. 2 angesichts der Vorbelastung ihrer Grundstucke nicht\nunzumutbar. Nur erganzend weist die Kammer darauf hin, dass einem von der\nKlagerin Ziff. 2 befurchteten Ruckstau im Bereich ihrer Grundstucke - sofern\ner uberhaupt vorhabenbedingt ware - durch die konkrete Wahl der Erschließung\nbzw. durch straßenverkehrliche Maßnahmen entgegengewirkt werden konnte. \n--- \n--- \n| 70 \n--- \n| Nach alledem lasst das Vorhaben nicht die gebotene Rucksichtnahme auf die\nGrundstucke der Klagerin Ziff. 2 vermissen. Auch aus anderen Grunden verletzt\ndas Vorhaben die Klagerin Ziff. 2 nicht in ihren Rechten. Die von ihr geltend\ngemachte Wertminderung ihrer Grundstucke ist - wie das Regierungsprasidium\nbereits dargelegt hat - schon deshalb nicht beachtlich, weil ihr gegenuber das\nVorhaben nicht rucksichtslos ist und das Grundrecht auf Eigentum nach Art. 14\nGG insoweit keine weitergehenden Rechte vermittelt. Auch selbststandige\nimmissionsschutzrechtliche Abwehranspruche stehen ihr nicht zu; dies gilt\nschon deshalb, weil das beabsichtigte Vorhaben nicht in den Anwendungsbereich\ndes Immissionsschutzrechts fallt. \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| c.) Selbst wenn man entgegen den unter oben a) und b) gemachten Ausfuhrungen\ndavon ausginge, das Vorhabengrundstuck sei aufgrund seiner Große und Wirkung\nnicht Teil eines Baugebiets entlang des ...Wegs bzw. Teil eines gemeinsamen\nGebiets entlang der ... ...Straße und des ...weg, sondern musse eigenstandig\ngewurdigt werden, fuhrt dies im Ergebnis fur die Klagerin Ziff. 2 nicht zu\neinem anderen Verfahrensausgang. Ginge man hinsichtlich des Baugelandes von\neinem selbststandigen im Zusammenhang bebauten Ortsteil aus, so wurde das\nVorhaben entweder in Anwendung des § 34 Abs. 2 BauGB den\nGebietserhaltungsanspruch der Klagerin Ziff. 2 nicht verletzen oder ware\njedenfalls im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB ihr gegenuber nicht rucksichtslos.\nSelbst wenn das Vorhaben nach Maßgabe des § 35 BauGB zu beurteilen ware, so\nwurde Nachbarschutz ebenfalls nur uber das Rucksichtnahmegebot gewahrt (Durr,\nin: Brugelmann, aaO, § 35 Rn 189 f. mwN). Das Vorhaben ware dann entsprechend\nden oben bereits dargelegten Erwagungen gegenuber der Klagerin Ziff. 2 nicht\nals rucksichtslos zu beurteilen. \n--- \n--- \nIV.) \n--- \n| 72 \n--- \n| Auch die Klage der Klagerin Ziff. 1 ware - wenn man die - hier bejahte -\nPraklusion (oben unter II.) verneinen wurde - jedenfalls deshalb unbegrundet,\nweil das Vorhaben ihr gegenuber ebenfalls nicht rucksichtslos ware. \n--- \n--- \n| 73 \n--- \n| Aufgrund der im Rahmen des Wasserkraftwerks noch erfolgenden gewerblichen\nNutzung des Vorhabengrundstucks und der Belastung der Umgebung durch die\nSchlosserei ... kann - wie bereits oben dargelegt - die Bebauung entlang des\n...Wegs nicht nach § 34 Abs. 2 BauGB einem Gebietstypus nach der BauNVO\nzugeordnet werden, sondern sie beurteilt sich nach § 34 Abs. 1 BauGB. Nach den\nAusfuhrungen oben unter III 2 b.) ware das Vorhaben jedoch auch gegenuber der\nKlagerin Ziff. 1 nicht rucksichtslos. Erganzend ist auf Folgendes hinzuweisen:\nZwar liegt ihr Grundstuck auf der gleichen Seite der ... wie das Vorhaben.\nIhre Grundstuckssituation ist jedoch durch den - zwischen ihrem Anwesen und\ndem Vorhabengrundstuck riegelartig liegenden - Metallbaubetrieb ... bereits in\nerheblichem Maße durch die Auswirkungen einer gewerblichen Nutzung\nvorbelastet. Es ist auch nicht erkennbar, dass sie angesichts der geplanten\nbaulichen Maßnahmen der Beigeladenen, die der Abgrenzung des Vorhabens\ngegenuber der Umgebung dienen, in besonderem Maße negativ betroffen werden\nkonnte. Vielmehr bezwecken diese Maßnahmen gerade, typische unerwunschte\nsoziale Kontakte zwischen den unterschiedlichen baulichen Nutzungen zu\nverhindern. Auch unter dem Aspekt des vorhabenbedingten Zu- und\nAbfahrtsverkehrs, der entsprechend den Festlegungen im Bauvorbescheid nicht\nuber den bestehenden ...weg abgewickelt werden darf, und der\nStellplatzbemessung sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die das Vorhaben als\nfur die Klagerin Ziff.1 unzumutbar erscheinen ließen. Im Übrigen gelten auch\nhier die Ausfuhrungen unter III 2 c.) entsprechend. \n--- \n--- \n| 74 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO. \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| Die Kammer sieht gemaß § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, das Urteil wegen der\nKosten fur vorlaufig vollstreckbar zu erklaren. Ein Grund fur die Zulassung\nder Berufung nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO\nliegt nicht vor. \n---\n\n
139,607
lg-karlsruhe-2003-11-14-6-s-9802
135
Landgericht Karlsruhe
lg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
6 S 98/02
2003-11-14
2019-01-07 14:41:28
2019-01-17 11:59:48
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung der Klagerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom\n19.04.2002, Az.: 2 C 709/01, wird mit der Maßgabe zuruckgewiesen, dass die\nWirkungslosigkeit dieses Urteils wegen Klagerucknahme festgestellt wird,\nsoweit es die Abweisung des im Tatbestand dieses Urteils unter Ziffer 1\naufgefuhrten Klageantrags angeht.\n\n2\\. Die Klagerin tragt die Kosten der Berufung.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch\nSicherheitsleistung in Hohe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren\nBetrages abgewendet werden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung\nSicherheit in Hohe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.\n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Klagerin hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das\nAmtsgericht die Klage abgewiesen. Allerdings war die Wirkungslosigkeit des\nklageabweisenden amtsgerichtlichen Urteils festzustellen, soweit es den\nerstinstanzlich zuruckgenommenen Klageantrag Ziff. 1 angeht. \n--- \nI. \n--- \n| 2 \n--- \n| Das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe ist wirkungslos, soweit es den im\ndortigen Tatbestand aufgefuhrten Klageantrag Ziff. 1 angeht. Denn der\nKlageantrag Ziff. 1 war bereits mit Schriftsatz vom 21.03.2002 (I, 127)\nwirksam einseitig zuruckgenommen worden, da die erste mundliche Verhandlung\ndes Amtsgerichts erst am 28.03.2002 stattfand (vgl. I, 133). Aufgrund der\nwirksamen Klagerucknahme ist das ergangene Urteil insoweit wirkungslos\n(Musielak, ZPO, 3.Auflage, 2002, § 269 Rnr. 10). Nach dem Grundsatz der\nMeistbegunstigung konnte das Urteil insoweit mit der Berufung angegriffen\nwerden. Das Gericht konnte die Wirkungslosigkeit des Urteils insoweit\nfeststellen (vgl. LG Itzehoe, Beschluss vom 07.09.1993, NJW-RR 1994, 1216). \n--- \nII. \n--- \n| 3 \n--- \n| Hinsichtlich des in zweiter Instanz allein weiterverfolgten Ziels der\nZuerkennung eines Gesamtbeschaftigungsquotienten von 100 % wurde die Klage zu\nRecht vom Amtsgericht abgewiesen. \n--- \n| 4 \n--- \n| 1\\. § 43a Abs. 5, Satz 4 in Verbindung mit § 41 Abs. 4 VBLS a. F., die sich\nmit der Hohe des Mindestruhegehaltes bei Teilzeitbeschaftigten befassen, sind\nnicht wegen Verstoßes gegen Artikel 3 GG verfassungswidrig, soweit die\nRegelung nicht in vollem Umfang die Regeln des Beamtenversorgungsgesetzes\nubernimmt. Denn mit der von der Beklagten nach der alten Fassung zur Verfugung\ngestellten Versorgung sollte zwar eine Annaherung an die Beamtenversorgung\nerreicht werden. Dies bedeutet aber nicht, dass das Versorgungssystem der\nBeklagten vollig und in allen Punkten mit der Beamtenversorgung ubereinstimmen\nmuss (OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.07.2000, 12 U 22/00, ZTR 2001, 131-133). Im\nÜbrigen ist auch darauf hinzuweisen, dass auch im Beamtenversorgungsrecht\nnicht alle teilzeitbeschaftigten Beamten eine Vollversorgung erreichen konnen. \n--- \n| 5 \n--- \n| 2\\. Unmaßgeblich ist, ob sich die Klagerin dadurch, dass sie in den Jahren\n1973 bis 1975 einer Teilzeitbeschaftigung nachgegangen ist, im Hinblick auf\ndie ihr zustehende Gesamtversorgung schlechter gestellt hat, als wenn sie in\ndieser Zeit uberhaupt nicht gearbeitet hatte. \n--- \n| 6 \n--- \n| a) Denn moglicherweise verringerte sich aufgrund dieser zusatzlichen\nDienstzeiten der Gesamtbeschaftigungsquotient der Klagerin. Allerdings erhohen\nsich aufgrund dieser zusatzlichen Dienstzeiten die Umlagemonate der Klagerin,\nwas im Falle der Beanspruchung einer Versicherungsrente von erheblichem\nVorteil gewesen ware. Ferner erhohte sich die Anwartschaft aus der\ngesetzlichen Rentenversicherung. Somit erhohten sich die Anspruche der\nKlagerin, die auf einer eigenen Leistung beruhen und daher hoheren\neigentumsrechtlichen Schutz im Vergleich zu den aus rein sozialpolitischen\nGrunden gewahrten Anwartschaftsteile genießen. \n--- \n| 7 \n--- \n| b) Bei der Errechnung der Gesamtversorgung sorgte die Beklagte bereits in\nausreichendem Umfang fur die Berucksichtigung der Besonderheiten der\nTeilzeitbeschaftigung. \n--- \n| 8 \n--- \n| Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es alleiniger Sinn und Zweck der\nSondervorschrift des § 41 Abs. 4 VBLS a. F. war, Schwankungen des\nArbeitsentgelts in dem gemaß § 43 Abs. 1, Satz 1 VBLS a. F. maßgeblichen Drei-\nJahres-Zeitraum auszugleichen (vgl. Gilbert/Hesse, die Versorgung der\nAngestellten und Arbeiter des offentlichen Dienstes, B § 41, B 151b, Stand:\n01.08.2002). \n--- \n| 9 \n--- \n| Ferner darf nicht ubersehen werden, dass auch die gesamte Regelung des mit\nder 18. Satzungsanderung eingefuhrten § 43a VBLS a.F. fur Teilzeitbeschaftigte\ngerade dann erhebliche Entlastungen mit sich gebracht hat, wenn sie wie die\nKlagerin vor dem gemaß § 43 I 1 VBLS a.F. maßgeblichen Drei-Jahres-Zeitraum\nauch in erheblichem Umfang vollzeitbeschaftigt waren. Das OLG Karlsruhe\n(a.a.O.) spricht insoweit davon, dass die Teilzeitbeschaftigten gegenuber\nVollzeitbeschaftigten vom Ansatz her deshalb besser gestellt sind, weil bei\nihnen nicht auf das durchschnittliche monatliche versorgungspflichtige Entgelt\nwahrend der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt des Versicherungsfalls\nabgestellt, sondern von einem hochgerechneten Entgelt ausgegangen wird \n--- \n| 10 \n--- \n| Zu weiteren Sonderregelungen innerhalb der Ausnahmevorschriften des § 41 IV\nVBLS a.F. bzw. § 43a V 4 VBLS a.F. etwa dahingehend, dass innerhalb der Gruppe\nderjenigen, die von der Ausnahmevorschrift profitieren, individuelle\nUnterscheidungen nach dem Zeitpunkt der Teilzeitbeschaftigung getroffen\nwerden, ist die Beklagte nicht verpflichtet. Die weitere Verkomplizierung des\nSatzungsrechts der Beklagten stoßt namlich auch auf verfassungsrechtliche\nGrenzen (Vgl. BVerfG, Beschluss v. 22.03.2000, NJW 2000, 3341; LG Karlsruhe,\nUrt. v. 27.06.2003, Az. 6 = 326/02, S. 50/51). \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Beklagte sorgte daher schon in einem ausreichenden Umfange dafur, dass\nGehaltsschwankungen sich nicht als Harte auswirken. Ein Anspruch auf\nBerechnung der Zusatzversorgung nach einer Methode, die die Klagerin am\nmeisten begunstigt, besteht nicht. \n--- \n| 12 \n--- \n| c) Ein Anspruch darauf, dass das Erwerbsleben der Klagerin ganzlich\nunberucksichtigt bleibt, sondern allein nur noch auf fiktive Zahlen abgestellt\nwird, besteht ebenso wenig (vgl. LG Karlsruhe, Urt. v. 13.10.2000, Az. 6 S\n6/00). Nach Auffassung der Kammer ist es nicht moglich, aus der\nLebensbiographie einer bei der Beklagten Versicherten willkurlich Teile\n„herauszuschneiden" und so zu errechnen, was geschehen ware, wenn die\njeweilige Versicherte der Beklagten eine andere Lebensbiographie gehabt hatte. \n--- \n| 13 \n--- \n| Eine solche Fiktion berucksichtigt nicht, dass sich die Lebens- und\nVersichertenbiographie moglicherweise auch ganz anders gestaltet hatte, wenn\ndie Klagerin beispielsweise in den Zeiten, in denen sie mit einem\nBeschaftigungsquotient von weniger als 1,0 gearbeitet hatte, nicht gearbeitet\nhatte. Dabei ist zum einen zu berucksichtigen, dass die Beklagte, falls sie in\neiner bestimmten Zeit nicht gearbeitet hatte und aus irgendwelchen Grunden ein\nVersicherungsfall eingetreten ware, allenfalls noch Anspruch auf eine\nVersicherungsrente, nicht aber auf eine Versorgungsrente gegenuber der\nBeklagten gehabt hatte. Zum anderen ist auch zu berucksichtigen, dass der\nberufliche Werdegang einer Person, die zeitweise aus dem Dienstverhaltnis\nausscheidet, durchaus anders sein kann als der berufliche Werdegang einer\nPerson die durchgangig, wenngleich zeitweise „nur" als Teilzeitkraft,\nbeschaftigt ist. \n--- \n| 14 \n--- \n| Im Rahmen der Beurteilung der Lebensbiographie mussen die Jahre, die die\nKlagerin nunmehr „entfernt" haben mochte, bleiben. Mit ihnen waren nicht nur\nder Vorteil der faktischen Berufstatigkeit und der fortlaufenden Versicherung,\nsondern auch die Chancen auf Gehaltserhohung, Beforderungschancen, die\nMoglichkeit, Fahigkeiten wahrend der Arbeit fortzuentwickeln, und vieles mehr\nverbunden. Die Klagerin musste gerade nicht die Schwierigkeiten eines\nberuflichen Wiedereinstiges auf sich nehmen, die jemand hatte oder gehabt\nhatte, wenn er einen Versicherungsverlauf wie die Klagerin ohne die Zeiten der\nTeilzeitbeschaftigung gehabt hatte. \n--- \n| 15 \n--- \n| 3\\. Die Regelung des § 43a Abs. 5, Satz 4 VBLS a. F. verstoßt auch nicht\ngegen Artikel 141 des EG-Vertrages (vgl. LG Karlsruhe, Urt. v. 29.09.2000, Az.\n6 S 8/00). Durch diese Satzungsbestimmung kommt es nicht zu einer\nrechtswidrigen Ungleichbehandlung von Frauen gegenuber Mannern allein aufgrund\nihres Geschlechts. Es ist zwar anerkannt, dass auch rechtlich selbstandige\nPensionskassen wie die Beklagte im Sinne des Art. 141 EG-Vertrages als\nArbeitgeber angesehen werden konnen (BAG, Urt. v. 19.11.2002, Az. 3 AZR\n631/97, NZA 2003, 380-383). Zutreffend ist auch, dass sogenannte „mittelbare\nDiskriminierungen" unter das Verbot des Artikel 141 EG-Vertrag fallen (vgl.\nGrabitz/Hilf, Das Recht der Europaischen Union, Band II, Artikel 141 EGV, Rnr.\n28 f.). Ferner ist auch anzuerkennen, dass es gerade im Bereich der\nTeilzeitbeschaftigung zu verdeckten Diskriminierungen kommen kann. \n--- \n| 16 \n--- \n| Andererseits ergibt sich jedoch daraus, dass Teilzeitbeschaftigte nur eine\ngeringere Anzahl von Arbeitsstunden ableisten konnen, eine geringere\nIntensitat der Betriebstreue der Teilzeitbeschaftigten. Der Europaische\nGerichtshof hat ausdrucklich anerkannt, dass die Dauer der\nBetriebszugehorigkeit eine objektive Rechtfertigung fur eine mittelbare\nDiskriminierung darstellen kann (EuGH, Rechtsprechungssammlung 1997, I - 5253,\n5287, Rdz. 42; Grabitz/Hilf a.a.O., Rnr. 36). Durch die Ermittlung des\nGesamtbeschaftigungsquotienten wird die von der Beklagten sicherzustellende\nGesamtversorgung in ein direkt proportionales Verhaltnis zum Maß der\nBeschaftigung gesetzt. Hierdurch wird die Gleichheit des Arbeitsentgelts fur\neine nach Zeit bezahlte Arbeit gewahrleistet (LG Karlsruhe, Urt. v.\n29.09.2000, Az. 6 S 8/00). Selbst wenn der Klagerin der Nachweis einer\nmittelbaren Diskriminierung gelungen ware, lage jedenfalls eine objektive\nRechtfertigung fur diese vor. \n--- \nIII. \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Entscheidung uber die Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf der\nentsprechenden Anwendung der §§ 708 Nr., 711 ZPO. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1,\nAbs. 2 ZPO nicht vorliegen. \n---\n\n
139,722
vghbw-2004-05-12-13-s-42204
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
13 S 422/04
2004-05-12
2019-01-07 14:44:24
2019-01-17 11:59:54
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart\nvom 9. Juli 2003 - 16 K 200/03 - wird zuruckgewiesen.\n\nDie Beklagte tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klager begehren die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die am 23.9.1998 in der Bundesrepublik Deutschland geborene Klagerin und\nder am 14.12.2000 ebenfalls hier geborene Klager sind ghanaische\nStaatsangehorige. Ihr Vater, ein ghanaischer Staatsangehoriger, reiste im Juni\n1991 nach Deutschland ein und stellte Asylantrag. Nach der Heirat mit einer\ndeutschen Staatsangehorigen erteilte ihm die Beklagte auf seinen Antrag vom\n2.11.1993 am 16.12.1993 eine bis zum 15.12.1996 befristete und am 9.12.1996\neine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Die Mutter der Klager, ebenfalls eine\nghanaische Staatsangehorige, reiste am 20.4.1989 aus Frankreich kommend und\ndort als Fluchtling anerkannt in die Bundesrepublik ein. Hierbei benutzte sie\neinen falschen Namen und eine entsprechend gefalschte franzosische\nIdentitatskarte und beantragte am 28.4.1994 beim Auslanderamt der Beklagten\nunter Benutzung der falschen Papiere die Erteilung einer unbefristeten\nAufenthaltserlaubnis der Europaischen Gemeinschaft, die sie - mit ihrem Bild\nversehen - am 5.5.1994 erhielt. Nachdem das Amtsgericht Stuttgart sie am\n14.9.1999 unter anderem wegen Verstoßes gegen das Auslandergesetz zu einer\nGesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten, deren Vollstreckung zur Bewahrung\nausgesetzt wurde, verurteilt hatte, wies die Beklagten sie mit Verfugung vom\n28.6.2001 aus und drohte ihr die Abschiebung nach Ghana oder Frankreich an. Im\nweiteren Verlauf des Verfahrens hob die Beklagte die zunachst angeordnete\nsofortige Vollziehung der Ausweisung auf. Mit Beschluss vom 11.2.2002 - 1 K\n3187/01 - ordnete das Verwaltungsgericht Stuttgart die aufschiebende Wirkung\ndes Widerspruchs gegen die in dieser Verfugung enthaltene\nAbschiebungsandrohung an. Über den gegen diese Verfugung eingelegten\nWiderspruch wurde noch nicht entschieden. Der Antrag der Mutter auf Erteilung\neiner Aufenthaltsgenehmigung wurde mit Bescheid der Beklagten vom 28.11.2001\nabgelehnt; uber den hiergegen erhobenen Widerspruch ist ebenfalls noch nicht\nentschieden. Nach den Scheidungen von ihren bisherigen Ehepartnern heirateten\ndie Eltern der Klager am 1.6.2001. Der Vater der Klager hat die Vaterschaft\nanerkannt. Die Eltern besitzen das gemeinsame Sorgerecht uber die Klager und\nleben in familiarer Lebensgemeinschaft. \n--- \n| 3 \n--- \n| Bereits am 11.11.1998 ließ die Klagerin bei der Beklagten einen Antrag auf\nErteilung einer Aufenthaltserlaubnis stellen, auch vom Klager wurde am\n22.3.2001 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt (Bl. 8 der\nAuslanderakten des Klagers). Der Anspruch auf Erteilung einer\nAufenthaltserlaubnis wurde auf § 21 Abs. 1 AuslG gestutzt; es wurde geltend\ngemacht: Die Vorschrift sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass\neinem Kind, das im Bundesgebiet geboren sei, auch dann von Amts wegen eine\nAufenthaltserlaubnis zu erteilen sei, wenn der Vater eine Aufenthaltserlaubnis\nbesitze. Daruber hinaus bestehe auch ein Anspruch auf Erteilung einer\nAufenthaltserlaubnis nach § 20 Abs. 4 AuslG. \n--- \n| 4 \n--- \n| Am 16.1.2003 haben die Klager beim Verwaltungsgericht Stuttgart\nUntatigkeitsklage erhoben und beantragt, die Beklage zu verpflichten, ihnen\neine Aufenthaltsgenehmigung in der Form der Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.\nErganzend fuhren sie aus: Ihnen sei die begehrte Aufenthaltserlaubnis\nzumindest nach § 20 Abs. 4 und 5 AuslG zu erteilen. Das Ermessen der Beklagten\nsei auf Null reduziert, da zwischen ihnen und ihrem Vater eine gelebte\nfamiliare Beistandsgemeinschaft bestehe, kein Ausweisungsgrund vorliege und\ngewahrleistet sei, dass sie sich in die hiesigen Verhaltnisse einlebten. Eine\nAufenthaltsversagung und Abschiebung nach Ghana wurde nicht nur die Beendigung\nder familiaren Beistandsgemeinschaft mit ihrem Vater bedeuten, sondern sie\nwegen der dort herrschenden Infektionskrankheiten einer schwerwiegenden\nGesundheitsgefahr aussetzen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Urteil vom 9.7.2003, der Beklagten zugestellt am 24.7.2003, hat das\nVerwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, den Klagern eine\nAufenthaltserlaubnis zu erteilen und zur Begrundung im wesentlichen folgendes\nausgefuhrt: Zwar lasse sich der Anspruch der Klager auf Erteilung einer\nAufenthaltserlaubnis nicht aus § 21 Abs. 1 Satz 1 AuslG herleiten, da deren\nMutter bei der Geburt der Klager keine Aufenthaltserlaubnis oder\nAufenthaltsberechtigung besessen habe. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift\nreiche es nicht aus, dass der Vater des Kindes im Besitz einer\nAufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung sei. Zwar spreche viel\ndafur, dass die Schlechterstellung des Vater-Kind-Verhaltnisses in § 21 Abs. 1\nSatz 1 AuslG gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 GG verstoße. Eine Vorlage\nan das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG komme jedoch nicht in\nBetracht, da dem Begehren der Klager auf Verpflichtung der Beklagten zur\nErteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 20 Abs. 4 Nr. 2 i.V.m. § 17 Abs. 2\nAuslG zu entsprechen gewesen sei. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei\nim Falle der Klager zur Vermeidung einer besonderen Harte erforderlich. Ihr\nVater halte sich nunmehr seit zwolf Jahren in Deutschland auf und sei seit\n9.12.1996 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Die Klager\nlebten seit ihrer Geburt im Bundesgebiet mit ihren Eltern in familiarer\nLebensgemeinschaft. Rechtsgrunde, welche der Erteilung der\nAufenthaltserlaubnis entgegenstunden, seien nicht ersichtlich. Der Familie\nstehe ausreichender Wohnraum zur Verfugung. Der Unterhalt der Klager sei durch\ndas Einkommen der Eltern gesichert. Das der Beklagten eingeraumte Ermessen sei\nauf Null reduziert. \n--- \n| 6 \n--- \n| Gegen das ihr am 24.7.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21.8.2003\ndie Zulassung der Berufung beantragt. Mit Beschluss vom 5.2.2004 hat der Senat\ndie Berufung zugelassen. Mit am 23.2.2004 beim Verwaltungsgerichtshof\neingegangenem Schriftsatz beantragte die Beklagte, \n--- \n| 7 \n--- \n| das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9.7.2003 - 16 K 200/03 -\naufzuheben und die Klage abzuweisen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Zur Begrundung fuhrte die Beklagte aus: Die Klager hatten keinen Anspruch\nauf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 20 Abs. 4 Nr. 2 AuslG. Diese\nBestimmung finde nur Anwendung auf Kinder, die vom Ausland aus einen\nKindernachzug begehrten und nicht im Bundesgebiet geboren seien. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Klager beantragen, \n--- \n| 10 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Sie verteidigen ihre Auffassung, dass § 21 Abs. 1 Satz 1 AuslG\nverfassungskonform dahingehend auszulegen sei, dass unter dem Begriff „Mutter"\nheute auch der Vater zahle, wenn zwischen ihm und seinem Kind ein familiares\nBand bestehe. Erganzend stellen sie darauf ab, dass § 20 Abs. 4 Nr. 2 AuslG\nauch auf Kinder auslandischer Eltern Anwendung finde, die im Bundesgebiet\ngeboren wurden. \n--- \n| 12 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die\ngewechselten Schriftsatze der Beteiligten, die Akten des Verwaltungsgerichts\nStuttgart im Klageverfahren - 16 K 200/03 - und im Verfahren der Mutter auf\nGewahrung einstweiligen Rechtsschutzes - 1 K 3187/01 sowie die Auslanderakten\nder Beklagten, betreffend die Klager und deren Eltern, welche dem Senat\nvorlagen, verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 13 \n--- \n| Die Berufung der Beklagten ist nach ihrer Zulassung durch den Senat\nstatthaft und zulassig. Die Beklagte hat die Berufung insbesondere innerhalb\neines Monats nach der Zustellung des Beschlusses uber ihre Zulassung\nausreichend begrundet und einen bestimmten Antrag gestellt (124a Abs. 6 Satz 1\nund Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO). Sachlich kann die Berufung allerdings\nkeinen Erfolg haben: Das Verwaltungsgericht hat den Klagen im Ergebnis zu\nRecht stattgegeben und die Beklagte zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse\nverpflichtet. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Klage ist als Untatigkeitsklage (§ 75 VwGO) zulassig. Danach ist\nabweichend von § 68 VwGO die Klage zulassig, wenn die Behorde uber einen\nAntrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund sachlich\nnicht entschieden hat. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit\nder Einlegung des Widerspruchs erhoben werden, außer wenn wegen besonderer\nUmstande des Falles eine kurzere Frist geboten ist (§ 75 Satz 2 VwGO). Die\nAntrage der Klager auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse sind bereits am\n11.11.1998 bzw. am 22.3.2001 gestellt worden. Untatigkeitsklage ist am\n16.1.2003 erhoben worden. Zureichende Grunde, aus denen die Beklagte uber die\nvon den Klagern gestellte Antrage nicht entschieden hat, hat sie nicht\ngenannt; auch sind solche fur den Senat nicht ersichtlich. \n--- \n| 15 \n--- \n| Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass den\nKlagern ein Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zusteht. \n--- \n| 16 \n--- \n| Rechtsgrundlage des klagerischen Anspruchs ist § 21 Abs. 1 Satz 1 AuslG.\nDanach ist einem Kind, das - wie die Klager - im Bundesgebiet geboren wird,\nvon Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn die Mutter eine\nAufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung besitzt. Dies war hier der\nFall. Denn der Mutter der Klager war von der Beklagten am 5.5.1994 eine\nunbefristete Aufenthaltserlaubnis der Europaischen Gemeinschaft erteilt\nworden. Diese war auch noch im Zeitpunkt der Geburt der Klager gultig. Erst\ndie unter dem 28.6.2001 verfugte Ausweisung, deren Wirksamkeit auch durch die\nEinlegung des Widerspruchs nicht beruhrt wird (§ 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG),\nhatte zur Folge, dass die Aufenthaltserlaubnis mit Bekanntgabe der\nAusweisungsverfugung erlosch (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG). \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Aufenthaltserlaubnis ist zwar rechtswidrig erteilt worden, da die\nMutter der Klager nicht die gem. § 1 Abs. 1 AufenthG/EWG erforderliche\nStaatsangehorigkeit eines Mitgliedsstaates der Europaischen Union besaß. Dies\nhat jedoch lediglich zur Folge, dass die Aufenthaltserlaubnis unter den\nVoraussetzungen des § 48 LVwVfG rucknehmbar ist. Sie war jedoch nicht von\nvornherein unwirksam. Auf die Wirksamkeit der Aufenthaltserlaubnis hatte im\nvorliegenden Fall der Umstand, dass deren Erteilung durch Angabe eines\nfalschen Namens und unter Vorlage einer entsprechend gefalschten franzosischen\nIdentitatskarte erwirkt worden war, keinen Einfluss. Eine Bestimmung - wie\nz.B. § 11 Nr. 1 PassG -, dass eine auf einen falschen Namen lautende\nAufenthaltserlaubnis unwirksam ist, findet sich weder im Auslandergesetz noch\nim AufenthG/EWG. Die der Mutter der Klager erteilte Aufenthaltserlaubnis war\nauch nicht nichtig. Weder liegt einer der in § 44 Abs. 2 LVwVfG genannten\nNichtigkeitsgrunde vor noch ist die erteilte Aufenthaltserlaubnis deswegen\nnichtig, weil ein besonders schwerwiegender und offenkundiger Fehler i.S.d. §\n44 Abs. 1 LVwVfG gegeben ware. Als besonders schwerwiegend werden nur solche\nRechtsfehler erfasst, die deshalb mit der Rechtsordnung unter keinen Umstanden\nvereinbar sein konnen, weil sie tragenden Verfassungsprinzipien oder den der\nRechtsordnung immanenten Wertvorstellungen widersprechen (BVerwG, Urteil vom\n22.2.1985, BayVBl. 1985, 410; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 44 RN\n8.), etwa bei volliger Unbestimmtheit oder Unverstandlichkeit des\nVerwaltungsakts. Nichtig sind allerdings auch solche Verwaltungsakte, deren\nSubjekt oder Objekt nicht oder nicht mehr existiert (Kopp/Ramsauer, a.a.O. RN\n9, 26 f.). Dies war jedoch bei der auf einen falschem Namen der Mutter\nlautenden Aufenthaltserlaubnis nicht der Fall. Zwar werden in der\nAufenthaltserlaubnis falsche Personalien genannt. Dies bedeutet jedoch nicht,\ndass sie sich auf eine fiktive und nicht bestimmbare Person bezieht. Da in der\nAufenthaltserlaubnis ein Passfoto der Mutter der Klager enthalten ist, ist\neine eindeutige Zuordnung zu der Person, welche die Aufenthaltserlaubnis\nbetrifft, moglich. Zwar existiert eine Person des von der Mutter der Klager\nangegebenen Namens mit den angegebenen Personalien in Wirklichkeit nicht, wie\nim Verwaltungsverfahren ermittelt wurde, dies andert aber nichts daran, dass\ndie Aufenthaltserlaubnis hier einer konkret existenten Person, die nur unter\nfalschem Namen angesprochen wird, erteilt worden ist. In solchen Fallen liegt\nkeine Nichtigkeit vor (vgl. hierzu auch: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 6. Aufl.\n2001, § 44 Anm. 109; BVerwG, Urteil vom 8.3.1977, NJW 1977, 1603). Hieran\nandert nichts, dass die Aufenthaltserlaubnis EG in der Rechtsprechung des\nEuropaischen Gerichtshofs als (lediglich) deklaratorisch bezeichnet wird\n(Urteil vom 25.7.2002, AuAS 2003, 38). Hieraus folgt namlich nur, dass ein\nUnionsburger unabhangig von einer behordlichen Entscheidung im Besitz einer\nsolchen Aufenthaltserlaubnis ist, wenn die erforderlichen Voraussetzungen\nvorliegen, nicht aber, dass eine von der Auslanderbehorde erteilte\nAufenthaltserlaubnis gegenstandslos ist, wenn die Erteilungsvoraussetzungen\nnicht vorliegen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Aufenthaltserlaubnis der Mutter ist auch nicht von der Beklagten\nzuruckgenommen worden. Zwar hat die Beklagte die Rucknahme angekundigt; in den\nAuslanderakten der Mutter befindet sich auch ein Schreiben der Beklagten vom\n26.11.1999 an die Prozessbevollmachtigte der Mutter (die zugleich\nProzessbevollmachtigte der Klager ist), wonach eine Mehrfertigung der\nRucknahmeverfugung der Aufenthaltsgenehmigung ubersandt werde. Allerdings ist\nin der Auslanderakte weder eine Rucknahmeverfugung enthalten noch befindet\nsich darin eine Bestatigung uber deren Erhalt. Sowohl die Vertreterin der\nBeklagten als auch der Klager haben in der mundlichen Verhandlung angegeben,\ndass ihnen von einer Rucknahmeverfugung nichts bekannt sei. \n--- \n| 19 \n--- \n| Aufgrund der Aufenthaltserlaubnis der Mutter war den Klagern von Amts wegen\neine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Deren Geltungsdauer ist allerdings an\ndie Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis der Mutter geknupft (vgl. § 21 Abs.\n1 Satz 2 AuslG). \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO i.V.m. § 100 ZPO. \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132\nAbs. 2 VwGO gegeben sind. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 13 \n--- \n| Die Berufung der Beklagten ist nach ihrer Zulassung durch den Senat\nstatthaft und zulassig. Die Beklagte hat die Berufung insbesondere innerhalb\neines Monats nach der Zustellung des Beschlusses uber ihre Zulassung\nausreichend begrundet und einen bestimmten Antrag gestellt (124a Abs. 6 Satz 1\nund Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO). Sachlich kann die Berufung allerdings\nkeinen Erfolg haben: Das Verwaltungsgericht hat den Klagen im Ergebnis zu\nRecht stattgegeben und die Beklagte zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse\nverpflichtet. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Klage ist als Untatigkeitsklage (§ 75 VwGO) zulassig. Danach ist\nabweichend von § 68 VwGO die Klage zulassig, wenn die Behorde uber einen\nAntrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund sachlich\nnicht entschieden hat. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit\nder Einlegung des Widerspruchs erhoben werden, außer wenn wegen besonderer\nUmstande des Falles eine kurzere Frist geboten ist (§ 75 Satz 2 VwGO). Die\nAntrage der Klager auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse sind bereits am\n11.11.1998 bzw. am 22.3.2001 gestellt worden. Untatigkeitsklage ist am\n16.1.2003 erhoben worden. Zureichende Grunde, aus denen die Beklagte uber die\nvon den Klagern gestellte Antrage nicht entschieden hat, hat sie nicht\ngenannt; auch sind solche fur den Senat nicht ersichtlich. \n--- \n| 15 \n--- \n| Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass den\nKlagern ein Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zusteht. \n--- \n| 16 \n--- \n| Rechtsgrundlage des klagerischen Anspruchs ist § 21 Abs. 1 Satz 1 AuslG.\nDanach ist einem Kind, das - wie die Klager - im Bundesgebiet geboren wird,\nvon Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn die Mutter eine\nAufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung besitzt. Dies war hier der\nFall. Denn der Mutter der Klager war von der Beklagten am 5.5.1994 eine\nunbefristete Aufenthaltserlaubnis der Europaischen Gemeinschaft erteilt\nworden. Diese war auch noch im Zeitpunkt der Geburt der Klager gultig. Erst\ndie unter dem 28.6.2001 verfugte Ausweisung, deren Wirksamkeit auch durch die\nEinlegung des Widerspruchs nicht beruhrt wird (§ 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG),\nhatte zur Folge, dass die Aufenthaltserlaubnis mit Bekanntgabe der\nAusweisungsverfugung erlosch (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG). \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Aufenthaltserlaubnis ist zwar rechtswidrig erteilt worden, da die\nMutter der Klager nicht die gem. § 1 Abs. 1 AufenthG/EWG erforderliche\nStaatsangehorigkeit eines Mitgliedsstaates der Europaischen Union besaß. Dies\nhat jedoch lediglich zur Folge, dass die Aufenthaltserlaubnis unter den\nVoraussetzungen des § 48 LVwVfG rucknehmbar ist. Sie war jedoch nicht von\nvornherein unwirksam. Auf die Wirksamkeit der Aufenthaltserlaubnis hatte im\nvorliegenden Fall der Umstand, dass deren Erteilung durch Angabe eines\nfalschen Namens und unter Vorlage einer entsprechend gefalschten franzosischen\nIdentitatskarte erwirkt worden war, keinen Einfluss. Eine Bestimmung - wie\nz.B. § 11 Nr. 1 PassG -, dass eine auf einen falschen Namen lautende\nAufenthaltserlaubnis unwirksam ist, findet sich weder im Auslandergesetz noch\nim AufenthG/EWG. Die der Mutter der Klager erteilte Aufenthaltserlaubnis war\nauch nicht nichtig. Weder liegt einer der in § 44 Abs. 2 LVwVfG genannten\nNichtigkeitsgrunde vor noch ist die erteilte Aufenthaltserlaubnis deswegen\nnichtig, weil ein besonders schwerwiegender und offenkundiger Fehler i.S.d. §\n44 Abs. 1 LVwVfG gegeben ware. Als besonders schwerwiegend werden nur solche\nRechtsfehler erfasst, die deshalb mit der Rechtsordnung unter keinen Umstanden\nvereinbar sein konnen, weil sie tragenden Verfassungsprinzipien oder den der\nRechtsordnung immanenten Wertvorstellungen widersprechen (BVerwG, Urteil vom\n22.2.1985, BayVBl. 1985, 410; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 44 RN\n8.), etwa bei volliger Unbestimmtheit oder Unverstandlichkeit des\nVerwaltungsakts. Nichtig sind allerdings auch solche Verwaltungsakte, deren\nSubjekt oder Objekt nicht oder nicht mehr existiert (Kopp/Ramsauer, a.a.O. RN\n9, 26 f.). Dies war jedoch bei der auf einen falschem Namen der Mutter\nlautenden Aufenthaltserlaubnis nicht der Fall. Zwar werden in der\nAufenthaltserlaubnis falsche Personalien genannt. Dies bedeutet jedoch nicht,\ndass sie sich auf eine fiktive und nicht bestimmbare Person bezieht. Da in der\nAufenthaltserlaubnis ein Passfoto der Mutter der Klager enthalten ist, ist\neine eindeutige Zuordnung zu der Person, welche die Aufenthaltserlaubnis\nbetrifft, moglich. Zwar existiert eine Person des von der Mutter der Klager\nangegebenen Namens mit den angegebenen Personalien in Wirklichkeit nicht, wie\nim Verwaltungsverfahren ermittelt wurde, dies andert aber nichts daran, dass\ndie Aufenthaltserlaubnis hier einer konkret existenten Person, die nur unter\nfalschem Namen angesprochen wird, erteilt worden ist. In solchen Fallen liegt\nkeine Nichtigkeit vor (vgl. hierzu auch: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 6. Aufl.\n2001, § 44 Anm. 109; BVerwG, Urteil vom 8.3.1977, NJW 1977, 1603). Hieran\nandert nichts, dass die Aufenthaltserlaubnis EG in der Rechtsprechung des\nEuropaischen Gerichtshofs als (lediglich) deklaratorisch bezeichnet wird\n(Urteil vom 25.7.2002, AuAS 2003, 38). Hieraus folgt namlich nur, dass ein\nUnionsburger unabhangig von einer behordlichen Entscheidung im Besitz einer\nsolchen Aufenthaltserlaubnis ist, wenn die erforderlichen Voraussetzungen\nvorliegen, nicht aber, dass eine von der Auslanderbehorde erteilte\nAufenthaltserlaubnis gegenstandslos ist, wenn die Erteilungsvoraussetzungen\nnicht vorliegen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Aufenthaltserlaubnis der Mutter ist auch nicht von der Beklagten\nzuruckgenommen worden. Zwar hat die Beklagte die Rucknahme angekundigt; in den\nAuslanderakten der Mutter befindet sich auch ein Schreiben der Beklagten vom\n26.11.1999 an die Prozessbevollmachtigte der Mutter (die zugleich\nProzessbevollmachtigte der Klager ist), wonach eine Mehrfertigung der\nRucknahmeverfugung der Aufenthaltsgenehmigung ubersandt werde. Allerdings ist\nin der Auslanderakte weder eine Rucknahmeverfugung enthalten noch befindet\nsich darin eine Bestatigung uber deren Erhalt. Sowohl die Vertreterin der\nBeklagten als auch der Klager haben in der mundlichen Verhandlung angegeben,\ndass ihnen von einer Rucknahmeverfugung nichts bekannt sei. \n--- \n| 19 \n--- \n| Aufgrund der Aufenthaltserlaubnis der Mutter war den Klagern von Amts wegen\neine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Deren Geltungsdauer ist allerdings an\ndie Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis der Mutter geknupft (vgl. § 21 Abs.\n1 Satz 2 AuslG). \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO i.V.m. § 100 ZPO. \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132\nAbs. 2 VwGO gegeben sind. \n---\n\n
139,812
lsgbw-2004-06-02-l-13-al-108704
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 13 AL 1087/04
2004-06-02
2019-01-07 14:44:58
2019-01-17 11:59:59
Urteil
## Tenor\n\nAuf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom\n4. Februar 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.\n\nAußergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszugen nicht zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten uber das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld\n(Alg) wegen des Eintritts einer dreiwochigen Sperrzeit. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der 1949 geborene Klager war in der Zeit vom 1. Juni 2001 bis 31. Marz 2002\nals Vertriebsbeauftragter bei der Firma in Sch. (G.) beschaftigt. Am 1. Marz\n2003 nahm er eine gemaß Zeitarbeitsvertrag vom 16. Marz 2003 bis 30. Juni 2003\nbefristete Beschaftigung beim Sportverein 1886 e. V. (H.) auf. Nach § 1 des\nArbeitsvertrages umfasste das Aufgabengebiet des Klagers die Abwicklung der\nSpielbetriebsgesellschaft H. mbH, den Neuaufbau einer Handballabteilung,\nMarketing und Öffentlichkeitsarbeit. Er verpflichtete sich daruber hinaus, im\nBedarfsfall auch andere ihm zumutbare Tatigkeiten zu ubernehmen. Die\nArbeitsvertragsparteien losten das Beschaftigungsverhaltnis mit Vereinbarung\nvom 13. Mai 2003 zum 31. Mai 2003 vorzeitig auf. \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 14. Mai 2003 meldete sich der Klager beim Arbeitsamt M., Geschaftsstelle\nSchw. (ArbA) mit Wirkung zum 1. Juni 2003 arbeitslos und beantragte die\nBewilligung von Alg. Nach Vorlage von Arbeitsbescheinigungen der Firma G. und\ndes H. erklarte der Klager in dem Fragebogen zur Beendigung des\nBeschaftigungsverhaltnisses bei Kundigung durch den Arbeitnehmer oder\nAbschluss eines Aufhebungs-/Auflosungsvertrages vom 16. Mai 2003, er habe die\nArbeiten fur den Verein bereits vorzeitig beendet. Der Neuaufbau einer\nHandballabteilung sei bereits zum 31. Mai 2003 abgeschlossen gewesen. Deshalb\nhabe man sich auf eine vorzeitige Losung des Vertrages zu diesem Zeitpunkt\ngeeinigt. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Bescheid vom 19. Mai 2003 stellte das ArbA den Eintritt einer\ndreiwochigen Sperrzeit (1. Juni 2003 bis 21. Juni 2003) fest. Zur Begrundung\nfuhrte es aus, der Klager habe das Beschaftigungsverhaltnis beim H. durch\nAbschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelost. Fur dieses Verhalten habe\ner keinen wichtigen Grund gehabt. Das Arbeitsverhaltnis habe nach den\nvertraglichen Regelungen nicht mit Erledigung der ubertragenen Aufgaben,\nsondern mit Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit geendet. Außerdem habe\nder Klager sich gegenuber dem Arbeitgeber verpflichtet, auch andere ihm\nzumutbare Beschaftigungen zu ubernehmen. Mit Bescheid vom 22. Mai 2003\nbewilligte das ArbA dem Klager Alg ab 22. Juni 2003 in Hohe von wochentlich\n335,23 EUR (wochentliches Bemessungsentgelt gerundet 880, Leistungsgruppe C,\nKindermerkmal 0). Gegen den Bescheid vom 19. Mai 2003 erhob der Klager am 10.\nJuni 2003 Widerspruch. Er trug vor, der Arbeitsvertrag habe eine feste\nAufgabenstellung beinhaltet. Nach Erfullung dieser Aufgaben sei man an ihn\nherangetreten und habe um eine einvernehmliche Vertragsaufhebung gebeten.\nGleichzeitig sei ihm zum Jahresende ein fester Arbeitsplatz in Aussicht\ngestellt worden. Bei dieser Sachlage habe fur ihn keine ernsthafte Moglichkeit\nbestanden, der Bitte des H. nicht zu entsprechen. Mit Widerspruchsbescheid vom\n24. Oktober 2003 wies die Widerspruchsstelle des ArbA den Widerspruch zuruck.\nWeder die vorzeitige Erledigung der vertraglich geschuldeten Arbeit, noch die\nvage Aussicht auf eine Festanstellung zu einem noch nicht absehbaren Zeitpunkt\nkonne als wichtiger Grund fur die Losung des Beschaftigungsverhaltnisses\nanerkannt werden. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit der am 31. Oktober 2003 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen\nKlage hat der Klager sein Begehren weiterverfolgt. Die vertragliche Festlegung\nder Dauer des Beschaftigungsverhaltnisses sei unter seiner Mitwirkung erfolgt.\nDie ursprungliche Prognose habe sich jedoch als unrichtig erwiesen, er sei in\nder Lage gewesen, die ihm gestellten Aufgaben zugiger zu erledigen. Er habe\ndeshalb keinen Grund gesehen, den H. langer mit einer Gehaltszahlung zu\nbelasten, ohne hierfur eine Gegenleistung erbringen zu konnen. Mit seiner\nZustimmung zur vorzeitigen Vertragsauflosung habe er ein der\nArbeitsplatzsituation angepasstes Verhalten gezeigt, das nicht sanktioniert\nwerden durfe. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Das SG hat in der\nmundlichen Verhandlung am 4. Februar 2004 den Klager personlich angehort und\nden ersten Vorsitzenden des H., M., als Zeugen vernommen. Dieser hat\nausgesagt, der Klager habe die ihm ubertragenen Aufgaben zur vollsten\nZufriedenheit in kurzester Zeit erledigt. Die finanzielle Situation des\nVereins sei aber nach wie vor sehr schwierig gewesen, es habe letztlich die\nInsolvenz gedroht. Deshalb habe man nach Abschluss der dem Klager ubertragenen\nAufgaben auf eine vorzeitige Beendigung des Beschaftigungsverhaltnisses\ngedrangt. Die finanziellen Probleme seien auch ursachlich dafur, dass die\nzunachst in Aussicht genommene Festanstellung des Klagers in der\nGeschaftsstelle des Vereins noch nicht habe realisiert werden konnen. Mit\nUrteil vom 4. Februar 2004 hat das SG den Bescheid vom 19. Mai 2003 in der\nGestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2003 aufgehoben. Der Klager\nhabe durch seine Zustimmung zur vorzeitigen Vertragsauflosung das\nBeschaftigungsverhaltnis beim H. zwar gelost, hierfur habe er jedoch einen\nwichtigen Grund gehabt. Der Eintritt einer Sperrzeit sei deshalb\nausgeschlossen. Die rechtliche Ausgestaltung des Beschaftigungsverhaltnisses\nsei den Interessen der Vertragsparteien nicht gerecht geworden. Diesem Umstand\nmusse auch bei der Beurteilung, ob ein wichtiger Grund vorliege, Rechnung\ngetragen werden. Eine unzweckmaßige Vertragsgestaltung solle durch den\nSperrzeittatbestand namlich nicht sanktioniert werden. Außerdem mussten die\nsozialen Grunde, gegenuber den Mitgliedern eines gemeinnutzigen Vereins nicht\nauf einer Vertragserfullung zu bestehen, berucksichtigt werden. \n--- \n| 6 \n--- \n| Gegen das ihr gemaß Empfangsbekenntnis am 16. Februar 2004 zugestellte\nUrteil hat die Beklagte am 16. Marz 2004 schriftlich beim Landessozialgericht\nBerufung eingelegt. Sie tragt vor, der Klager habe entgegen den Ausfuhrungen\ndes SG keinen wichtigen Grund fur die Losung des Beschaftigungsverhaltnisses\ngehabt. Ein solcher konne nur anerkannt werden, wenn dem Arbeitnehmer unter\nBerucksichtigung aller Umstande des Einzelfalls und unter Abwagung seiner\nInteressen mit denjenigen der Versichertengemeinschaft oder der Allgemeinheit\nein anderes Verhalten nicht zugemutet werden konne. Die Wahrung der\nwirtschaftlichen Interessen des H. stelle keinen wichtigen Grund in diesem\nSinne dar. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 8 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 4. Februar 2004 aufzuheben und\ndie Klage abzuweisen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 10 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Er halt die rechtliche Wurdigung des SG fur zutreffend. Die Aussage des\nZeugen M. habe deutlich gemacht, dass der gesamte Verein in seiner Existenz\ngefahrdet gewesen sei. In einer solchen Situation konne dem Interesse der\nVersichertengemeinschaft an einer Aufrechterhaltung des\nBeschaftigungsverhaltnisses nicht der Vorrang eingeraumt werden. \n--- \n| 12 \n--- \n| Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene\nVerwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG (S 9 AL 3138/03) und die\nBerufungsakte des Senats (L 13 AL 1087/04) Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 13 \n--- \n| Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Sie ist statthaft, da der Wert des\nBeschwerdegegenstandes 500 EUR ubersteigt (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1\nSozialgerichtsgesetz (SGG)) und zulassig, da sie unter Beachtung der\nmaßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt wurde. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Berufung ist auch begrundet, das SG hat der Klage zu Unrecht\nstattgegeben. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist\nneben dem fur den Zeitraum vom 1. Juni 2003 bis 21. Juni 2003 das Ruhen des\nAnspruchs auf Alg feststellenden Bescheid vom 19. Mai 2003 auch der\nBewilligungsbescheid vom 22. Mai 2003, mit dem die Beklagte Alg ab 22. Juni\n2003 gewahrt hat. Der Klager begehrt die Bewilligung von Alg bereits ab 1.\nJuni 2003, dieses Prozessziel kann er mit einer isolierten Anfechtung des\nBescheides vom 19. Mai 2003 allein nicht erreichen. Die Beklagte hat jedoch zu\nRecht den Eintritt einer dreiwochigen Sperrzeit festgestellt. Der Bescheid vom\n19. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2003\nerweist sich deshalb als rechtmaßig und verletzt den Klager nicht in seinen\nRechten. Dementsprechend hat die Beklagte mit Bescheid vom 22. Mai 2003\nzutreffend Alg erst ab 22. Juni 2003 bewilligt, der Klager hat keinen Anspruch\nauf Alg bereits ab 1. Juni 2003. \n--- \n| 15 \n--- \n| Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der hier\nanzuwendenden Fassung des Ersten Gesetzes fur moderne Dienstleistungen am\nArbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4607) tritt eine Sperrzeit\nunter anderem dann ein, wenn der Arbeitslose das Beschaftigungsverhaltnis\ngelost und dadurch vorsatzlich oder grob fahrlassig die Arbeitslosigkeit\nherbeigefuhrt hat, ohne fur sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Die\nSperrzeit beginnt mit dem Tage nach dem Ereignis, das sie begrundet; wahrend\nder Sperrzeit ruht der Anspruch auf Alg (§ 144 Abs. 2 Satze 1 und 2 SGB III).\nDie Dauer der Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe betragt zwolf Wochen (§ 144 Abs.\n3 Satz 1 SGB III), sie verkurzt sich auf drei Wochen, wenn das\nArbeitsverhaltnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die\nSperrzeit begrundet, ohne eine Sperrzeit geendet hatte (§ 144 Abs. 3 Satz 2\nNr. 1 SGB III). \n--- \n| 16 \n--- \n| Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Grundgedanke der Sperrzeitregelung\nist, dass sich die Versichertengemeinschaft gegen vom Versicherten zu\nvertretende Risikofalle wehren muss (vgl. eingehend Bundessozialgericht (BSG)\nSozR 3-4100 § 119 Nr. 15 und 17). Es kommt darauf an, ob der Arbeitslose die\nwesentliche Ursache fur den Eintritt - oder nach einer Zwischenbeschaftigung\ndie Fortdauer - der Arbeitslosigkeit gesetzt hat (vgl. BSG SozR 4100 § 119 Nr.\n24; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 6). Vorliegend hat der Klager hat durch die\nZustimmung zur einvernehmlichen und vorzeitigen Vertragsauflosung sein\nBeschaftigungsverhaltnis gelost und damit seine erneute Arbeitslosigkeit\nzumindest grob fahrlassig herbeigefuhrt. Zutreffend hat das SG darauf\nhingewiesen, dass der Klager aufgrund der ohnehin bestehenden Befristung des\nArbeitsvertrages lediglich dazu beigetragen hat, 30 Tage fruher arbeitslos zu\nwerden, diesem Umstand wird jedoch durch die Regelung des § 144 Abs. 3 Nr. 1\nSGB III bereits Rechnung getragen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Einen wichtigen Grund fur sein Verhalten hatte der Klager nicht. Ein\nsolcher ist nur gegeben, wenn dem Arbeitslosen unter Berucksichtigung aller\nUmstande des Einzelfalls und unter Abwagung seiner Interessen mit denen der\nVersichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht hatte zugemutet werden\nkonnen (vgl. BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 14 und 15). Maßgeblicher Gesichtspunkt\nfur die Anerkennung eines wichtigen Grundes ist letztlich die\nSchutzbedurftigkeit des Arbeitslosen in seiner konkreten Situation (vgl.\nNiesel, SGB III, § 144 Rdnr. 77 m.w.N.). Nur wenn Umstande vorliegen, die nach\nverstandigem Ermessen dem Arbeitslosen eine Fortsetzung des\nBeschaftigungsverhaltnisses insgesamt nicht mehr zumutbar erscheinen lassen,\nweil sonst seine Interessen in unbilliger Weise geschadigt wurden, ist ein\nwichtiger Grund anzunehmen (BSG SozR 4100 § 119 Nr. 17). Solche Umstande sind\nim Falle des Klagers nicht ersichtlich und wurden von diesem auch nicht\nvorgetragen. Der Klager hat nicht behauptet, dass eine Fortsetzung des\nBeschaftigungsverhaltnisses fur ihn unzumutbar gewesen und deshalb seinen\neigenen Interessen zuwidergelaufen ware. Er hat vielmehr Grunde vorgebracht,\ndie aus Sicht des Arbeitgebers eine vorzeitige Vertragsauflosung unter\nwirtschaftlichen Gesichtspunkten als geboten erscheinen lassen. Dessen\nInteressen zu schutzen ist jedoch nicht Schutzzweck des den Eintritt einer\nSperrzeit bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ausschließenden\nAusnahmetatbestandes. Deshalb sind bei der vorzunehmenden Abwagung nicht die\nInteressen des Arbeitgebers, sondern diejenigen des Arbeitslosen dem Interesse\nder Versichertengemeinschaft gegenuberzustellen. Gerade hinter Aufhebungs- und\nAbwicklungsvereinbarungen stehen in aller Regel gewichtige wirtschaftliche\nNotwendigkeiten auf Seiten des Arbeitgebers, ohne dass dies die Annahme eines\nwichtigen Grundes fur die Losung des Beschaftigungsverhaltnisses durch den\nArbeitgeber rechtfertigt. Etwas anderes mag gelten, wenn der Arbeitnehmer\ndurch seine Zustimmung zu einer einvernehmlichen Vertragsauflosung einer\nbereits feststehenden oder konkret drohenden Kundigung durch den Arbeitgeber\nzuvorkommt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. Oktober 2002 - B 7 AL 92/01 R -\nveroffentlicht in Juris). Eine derartige Sachlage war vorliegend jedoch nicht\ngegeben. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die vage Aussicht, in der Geschaftsstelle des Vereins moglicherweise eine\nFestanstellung zu erhalten, ist nicht als wichtiger Grund im Sinne des § 144\nAbs. 1 SGB III anzuerkennen. Im Interesse der Versichertengemeinschaft kommt\nein solcher nur dann in Betracht, wenn eine konkrete und ernst zu nehmende\nAussicht auf einen solchen Arbeitsplatz besteht (vgl. Niesel, SGB III, § 144\nRdnr. 25). Angesichts der schwierigen Finanzsituation des Vereins war zum\nZeitpunkt der Beendigung des Beschaftigungsverhaltnisses aber in keiner Weise\nabsehbar, ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Festanstellung des\nKlagers finanzierbar werden wurde. Damit verbleibt als in den Abwagungsprozess\neinzustellendes Interesse des Klagers allein die von ihm vorgetragene soziale\nVerpflichtung gegenuber den Mitgliedern des Vereins, in deren Interesse nicht\nauf einer Vertragserfullung zu bestehen. Dieser Beweggrund vermag nach\nÜberzeugung des Senats die Losung des Beschaftigungsverhaltnisses und damit\ndie Herbeifuhrung der eigenen Arbeitslosigkeit zu Lasten der\nVersichertengemeinschaft ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Es ist\ngrundsatzlich Sache des Arbeitgebers, durch geeignete Vertragsgestaltung\nbestehende Beschaftigungsverhaltnisse den eigenen betrieblichen Erfordernissen\nanzupassen. Unterbleibt dies - aus welchen Grunden auch immer - soll sich der\nArbeitgeber nicht auf Kosten der Allgemeinheit von seinen Verpflichtungen\nbefreien konnen. Gerade diesem Zweck dient auch der Sperrzeittatbestand des §\n144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 13 \n--- \n| Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Sie ist statthaft, da der Wert des\nBeschwerdegegenstandes 500 EUR ubersteigt (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1\nSozialgerichtsgesetz (SGG)) und zulassig, da sie unter Beachtung der\nmaßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt wurde. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Berufung ist auch begrundet, das SG hat der Klage zu Unrecht\nstattgegeben. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist\nneben dem fur den Zeitraum vom 1. Juni 2003 bis 21. Juni 2003 das Ruhen des\nAnspruchs auf Alg feststellenden Bescheid vom 19. Mai 2003 auch der\nBewilligungsbescheid vom 22. Mai 2003, mit dem die Beklagte Alg ab 22. Juni\n2003 gewahrt hat. Der Klager begehrt die Bewilligung von Alg bereits ab 1.\nJuni 2003, dieses Prozessziel kann er mit einer isolierten Anfechtung des\nBescheides vom 19. Mai 2003 allein nicht erreichen. Die Beklagte hat jedoch zu\nRecht den Eintritt einer dreiwochigen Sperrzeit festgestellt. Der Bescheid vom\n19. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2003\nerweist sich deshalb als rechtmaßig und verletzt den Klager nicht in seinen\nRechten. Dementsprechend hat die Beklagte mit Bescheid vom 22. Mai 2003\nzutreffend Alg erst ab 22. Juni 2003 bewilligt, der Klager hat keinen Anspruch\nauf Alg bereits ab 1. Juni 2003. \n--- \n| 15 \n--- \n| Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der hier\nanzuwendenden Fassung des Ersten Gesetzes fur moderne Dienstleistungen am\nArbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4607) tritt eine Sperrzeit\nunter anderem dann ein, wenn der Arbeitslose das Beschaftigungsverhaltnis\ngelost und dadurch vorsatzlich oder grob fahrlassig die Arbeitslosigkeit\nherbeigefuhrt hat, ohne fur sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Die\nSperrzeit beginnt mit dem Tage nach dem Ereignis, das sie begrundet; wahrend\nder Sperrzeit ruht der Anspruch auf Alg (§ 144 Abs. 2 Satze 1 und 2 SGB III).\nDie Dauer der Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe betragt zwolf Wochen (§ 144 Abs.\n3 Satz 1 SGB III), sie verkurzt sich auf drei Wochen, wenn das\nArbeitsverhaltnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die\nSperrzeit begrundet, ohne eine Sperrzeit geendet hatte (§ 144 Abs. 3 Satz 2\nNr. 1 SGB III). \n--- \n| 16 \n--- \n| Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Grundgedanke der Sperrzeitregelung\nist, dass sich die Versichertengemeinschaft gegen vom Versicherten zu\nvertretende Risikofalle wehren muss (vgl. eingehend Bundessozialgericht (BSG)\nSozR 3-4100 § 119 Nr. 15 und 17). Es kommt darauf an, ob der Arbeitslose die\nwesentliche Ursache fur den Eintritt - oder nach einer Zwischenbeschaftigung\ndie Fortdauer - der Arbeitslosigkeit gesetzt hat (vgl. BSG SozR 4100 § 119 Nr.\n24; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 6). Vorliegend hat der Klager hat durch die\nZustimmung zur einvernehmlichen und vorzeitigen Vertragsauflosung sein\nBeschaftigungsverhaltnis gelost und damit seine erneute Arbeitslosigkeit\nzumindest grob fahrlassig herbeigefuhrt. Zutreffend hat das SG darauf\nhingewiesen, dass der Klager aufgrund der ohnehin bestehenden Befristung des\nArbeitsvertrages lediglich dazu beigetragen hat, 30 Tage fruher arbeitslos zu\nwerden, diesem Umstand wird jedoch durch die Regelung des § 144 Abs. 3 Nr. 1\nSGB III bereits Rechnung getragen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Einen wichtigen Grund fur sein Verhalten hatte der Klager nicht. Ein\nsolcher ist nur gegeben, wenn dem Arbeitslosen unter Berucksichtigung aller\nUmstande des Einzelfalls und unter Abwagung seiner Interessen mit denen der\nVersichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht hatte zugemutet werden\nkonnen (vgl. BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 14 und 15). Maßgeblicher Gesichtspunkt\nfur die Anerkennung eines wichtigen Grundes ist letztlich die\nSchutzbedurftigkeit des Arbeitslosen in seiner konkreten Situation (vgl.\nNiesel, SGB III, § 144 Rdnr. 77 m.w.N.). Nur wenn Umstande vorliegen, die nach\nverstandigem Ermessen dem Arbeitslosen eine Fortsetzung des\nBeschaftigungsverhaltnisses insgesamt nicht mehr zumutbar erscheinen lassen,\nweil sonst seine Interessen in unbilliger Weise geschadigt wurden, ist ein\nwichtiger Grund anzunehmen (BSG SozR 4100 § 119 Nr. 17). Solche Umstande sind\nim Falle des Klagers nicht ersichtlich und wurden von diesem auch nicht\nvorgetragen. Der Klager hat nicht behauptet, dass eine Fortsetzung des\nBeschaftigungsverhaltnisses fur ihn unzumutbar gewesen und deshalb seinen\neigenen Interessen zuwidergelaufen ware. Er hat vielmehr Grunde vorgebracht,\ndie aus Sicht des Arbeitgebers eine vorzeitige Vertragsauflosung unter\nwirtschaftlichen Gesichtspunkten als geboten erscheinen lassen. Dessen\nInteressen zu schutzen ist jedoch nicht Schutzzweck des den Eintritt einer\nSperrzeit bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ausschließenden\nAusnahmetatbestandes. Deshalb sind bei der vorzunehmenden Abwagung nicht die\nInteressen des Arbeitgebers, sondern diejenigen des Arbeitslosen dem Interesse\nder Versichertengemeinschaft gegenuberzustellen. Gerade hinter Aufhebungs- und\nAbwicklungsvereinbarungen stehen in aller Regel gewichtige wirtschaftliche\nNotwendigkeiten auf Seiten des Arbeitgebers, ohne dass dies die Annahme eines\nwichtigen Grundes fur die Losung des Beschaftigungsverhaltnisses durch den\nArbeitgeber rechtfertigt. Etwas anderes mag gelten, wenn der Arbeitnehmer\ndurch seine Zustimmung zu einer einvernehmlichen Vertragsauflosung einer\nbereits feststehenden oder konkret drohenden Kundigung durch den Arbeitgeber\nzuvorkommt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. Oktober 2002 - B 7 AL 92/01 R -\nveroffentlicht in Juris). Eine derartige Sachlage war vorliegend jedoch nicht\ngegeben. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die vage Aussicht, in der Geschaftsstelle des Vereins moglicherweise eine\nFestanstellung zu erhalten, ist nicht als wichtiger Grund im Sinne des § 144\nAbs. 1 SGB III anzuerkennen. Im Interesse der Versichertengemeinschaft kommt\nein solcher nur dann in Betracht, wenn eine konkrete und ernst zu nehmende\nAussicht auf einen solchen Arbeitsplatz besteht (vgl. Niesel, SGB III, § 144\nRdnr. 25). Angesichts der schwierigen Finanzsituation des Vereins war zum\nZeitpunkt der Beendigung des Beschaftigungsverhaltnisses aber in keiner Weise\nabsehbar, ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Festanstellung des\nKlagers finanzierbar werden wurde. Damit verbleibt als in den Abwagungsprozess\neinzustellendes Interesse des Klagers allein die von ihm vorgetragene soziale\nVerpflichtung gegenuber den Mitgliedern des Vereins, in deren Interesse nicht\nauf einer Vertragserfullung zu bestehen. Dieser Beweggrund vermag nach\nÜberzeugung des Senats die Losung des Beschaftigungsverhaltnisses und damit\ndie Herbeifuhrung der eigenen Arbeitslosigkeit zu Lasten der\nVersichertengemeinschaft ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Es ist\ngrundsatzlich Sache des Arbeitgebers, durch geeignete Vertragsgestaltung\nbestehende Beschaftigungsverhaltnisse den eigenen betrieblichen Erfordernissen\nanzupassen. Unterbleibt dies - aus welchen Grunden auch immer - soll sich der\nArbeitgeber nicht auf Kosten der Allgemeinheit von seinen Verpflichtungen\nbefreien konnen. Gerade diesem Zweck dient auch der Sperrzeittatbestand des §\n144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n---\n\n
139,847
lg-heilbronn-2004-06-10-3-t-504-ii
134
Landgericht Heilbronn
lg-heilbronn
Heilbronn
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
3 T 5/04 II
2004-06-10
2019-01-07 14:45:14
2019-01-17 12:00:01
Beschluss
## Tenor\n\nDie sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 18.02.2004 gegen des Beschluss\ndes Amtsgerichts Heilbronn vom 12.02.2004 - 4 C 346/04 - wird zuruckgewiesen.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| I. Die Beschwerde ist zulassig. Zwar ist nach Auffassung des Gerichts die\nausschließliche Zustandigkeit des Familiengerichts gegeben, da eine\nFamiliensache vorliegt. Gem. § 621 Abs.1 Nr.5 ZPO sind hierunter auch\nNebenanspruche und insbesondere Auskunftsanspruche zu rechnen, sofern sie der\nDurchsetzung von Anspruchen dienen, der selbst Familiensache sind (Zoller,\nZPO, Rn.5 zu § 621). Vorliegend geht es um die Durchsetzung eines Anspruch aus\n§ 1607 Abs.3 BGB, den das Gericht im Anschluss an OLG Koblenz FamRZ 1999, 658\nund OLG Frankfurt FamRZ 2003, 1301 als Familiensache einordnet. Allerdings\ndarf das Gericht nach der zutreffenden Auffassung des Klagervertreters nach §§\n513 II ZPO keine Überprufung der Zustandigkeit vornehmen, da nach dem\nRegelungszweck des § 513 II ZPO vermieden werden soll, dass die in erster\nInstanz ergangene Sachentscheidung wegen fehlender Zustandigkeit hinfallig\nwird (Thomas/ Putzo, ZPO, Rn. 3 zu § 513; Zimmermann, ZPO, Rn.2 zu § 513). \n--- \n| 2 \n--- \n| II. Die damit sachlich zu prufende Beschwerde ist unbegrundet. Zu recht hat\ndas Amtsgericht den Antrag auf Gewahrung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die\nRechtsverfolgung des Klagers bietet keine Aussicht auf Erfolg. Dem Klager\nsteht kein Auskunftsanspruch gegen seine geschiedene Ehefrau hinsichtlich des\nwahren Erzeugers des ehedem fur das seinige gehaltenen Kindes zu. Ein solcher\nAnspruch ergibt sich weder aus familienrechtlichen Vorschriften, noch aus §\n242 BGB bzw. aufgrund eines auf den Antragsteller ubergegangenen\nAuskunftsrechts des Kindes oder aus deliktsrechtlichen Vorschriften. \n--- \n| 3 \n--- \n| 1\\. Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 1353 BGB. Die Norm gilt\nausschließlich fur die Rechte und Pflichten der Eheleute wahrend der Dauer der\nEhe. Nacheheliche Pflichten hingegen sind in § 1580 BGB geregelt. Die\nVorschrift des § 1580 BGB aber gewahrt einen Auskunftsanspruch lediglich\nhinsichtlich des Vermogens. \n--- \n| 4 \n--- \n| 2\\. Auch § 1607 Abs. 3 BGB verleiht dem Scheinvater keinen\nAuskunftsanspruch gegen die Mutter, auch nicht aus ubergegangenem Recht gem.\n§§ 1607 Abs.3, 412, 401 BGB. Die Vorschrift ordnet lediglich den Übergang des\nUnterhaltsanspruchs des Kindes gegen den wahren Vater auf den Scheinvater an.\nZwar hat nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung das nichteheliche Kind\ngegenuber der Mutter ein Recht auf Auskunft uber die Person seines leiblichen\nVaters ( BVerfG, NJW 1988, 3010). Dieser Anspruch geht aber nicht auf den\nScheinvater uber, da nach Auffassung des Gerichts die Vorschrift des § 401 BGB\nsich nur auf solche Hilfs- und Nebenrechte bezieht, welche die Durchsetzung\nder Hauptforderung betreffen, also die auf den Scheinvater ubergegangenen\nUnterhaltsrechte des Kindes, nicht das hiervon unabhangige, selbstandige\nAuskunftsrecht des Kindes gegenuber der Mutter. \n--- \n| 5 \n--- \n| 3\\. Aus § 242 BGB lasst sich ebenfalls kein Anspruch auf die Benennung des\nwahren Vaters herleiten. Es kann dahinstehen, ob der Auskunftsanspruch schon\ndeshalb nicht besteht, weil er einen ungerechtfertigten Eingriff in die\nverfassungsrechtlich geschutzte Intimsphare der Mutter darstellen konnte (LG\nAnsbach, NJW-RR 1993, 135). Denn anders als in dem dort entschiedenen Fall, in\ndem es zumindest besteht hier keine Rechtsbeziehung im Sinne einer\nSonderbeziehung zwischen den Parteien, die Voraussetzung einer\nAuskunftspflicht nach § 242 BGB ist (OLG Oldenburg, FamRZ 1994, 651).\nZutreffend hat das Amtsgericht das Bestehen der eine Auskunftspflicht\nvoraussetzenden Sonderbeziehung verneint. Es genugt fur die Annahme einer\nsolchen Sonderbeziehung zwischen den Parteien nicht, dass die Antragsgegnerin\nmoglicherweise Kenntnis uber einen Sachverhalt hat, der fur den Antragsteller\nvon Bedeutung ist. Die Sonderbeziehung im Sinne des § 242 BGB wird vorliegend\ndurch den Hauptanspruch bestimmt. Schuldner des Hauptanspruchs in Gestalt des\nZahlungsanspruchs ist hier aber nicht die Mutter des Kindes, sondern ggfs. der\nwahre Kindsvater. \n--- \n| 6 \n--- \n| 4\\. Schließlich stellt die Weigerung der Beklagten sich auch nicht als\nsittenwidrig und gem. § 826 BGB nicht hinnehmbar dar. Lediglich unter diesen\nVoraussetzungen ware die Verpflichtung zur Auskunftserteilung denkbar, da das\nFamilienrecht ansonsten die allgemeinen Deliktsanspruche verdrangt (BGH, FamRZ\n1990, 369 und OLG Oldenburg, FamRZ 1994, 653). Ein fur die Bejahung des\nAnspruchs zumindest bedingt vorsatzliches und dabei sittenwidrig schadigendes\nVerhalten ist aber seither nicht dargelegt. Es liegt nach Auffassung des\nGerichts nicht allein in dem Umstand, dass die Antragsgegnerin den Ehebruch\nverschwiegen hat und das Kind wohl allgemein als ehelich und (auch) leiblich\nvom Antragsteller abstammend behandelt wurde. Denn anderenfalls musste das\nGericht eine schadensrechtlich sanktionierte Pflicht zur Offenbarung der\naußerehelichen Erzeugung eines Kindes annehmen. Auch geht der Vortrag des\nAntragstellers seither nicht dahin, die Antragsgegnerin habe Handlungen\nzielgerichtete vorgenommen, um beim Antragsteller die irrige Annahme der\nVaterschaft hervorzurufen oder zu bestarken. \n---\n\n
139,976
lg-karlsruhe-2004-07-13-2-o-104
135
Landgericht Karlsruhe
lg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
2 O 1/04
2004-07-13
2019-01-07 14:47:05
2019-01-17 12:00:09
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Klager 650,00 EUR nebst Zinsen\nhieraus in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit 16.02.2004 zu\nbezahlen.\n\n2\\. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n3\\. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Klager 96 %, das beklagte Land\n4 %.\n\n4\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar, fur das beklagte Land jedoch nur\ngegen Sicherheitsleistung in Hohe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages.\nDie Vollstreckung durch den Klager kann vom beklagten Land durch\nSicherheitsleistung in Hohe von 120 % des auf Grund des Urteils zu\nvollstreckenden Betrages abgewendet werden, wenn nicht der Klager vor der\nVollstreckung Sicherheit in Hohe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden\nBetrages leistet.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager macht als Amtshaftungsanspruch ein Schmerzensgeld wegen\nmenschenunwurdiger Haftbedingungen geltend. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager befand sich auf Grund eines Haftbefehls des Amtsgerichts K. von\n18.12.2002 bis 06.06.2003 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt\n(JVA) K. Zuvor hatte er sich bereits etwa drei Monate in Untersuchungshaft in\nder JVA N. befunden. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Schreiben vom 14.02.2003 (AS.179), bei der JVA eingegangen an demselben\nTag, beantragte der Verteidiger des Klagers \n--- \n| 4 \n--- \n| „die Unterbringung in einer Einzelzelle, hilfsweise Unterbringung zusammen\nmit dem Untersuchungsgefangenen M. in einer Zweimannzelle." \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Schreiben vom 17.02.2003 antwortete die JVA: \n--- \n| 6 \n--- \n| „Eine Einzelunterbringung ist derzeit aufgrund der Belegungssituation nicht\nmoglich. \n--- \n| 7 \n--- \n| Falls sich die Belegungssituation andern sollte, wird Ihrem Mandanten\nunverzuglich ein Einzelhaftraum zugewiesen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Eine Zusammenlegung mit dem Untersuchungsgefangenen M. wird abgelehnt, da\nes sich bei diesem um den Mittater ... handelt und dieser auf einem\nEinzelhaftraum besteht." \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Klager behauptet, er sei in dem gesamten Zeitraum 18.12.2002 bis\n06.06.2003 zusammen mit einem weiteren Gefangenen in einer Zelle mit einer\nGrundflache von lediglich 8,2 qm und einem Rauminhalt von ca. 20 m3\nuntergebracht worden, namlich zunachst in Zelle Nr. 153, dann in Zelle Nr.\n136. Beide Haftraume seien jeweils mit einem Etagenbett (ca. 2 x 1 m), zwei\nStuhlen, zwei Arbeitstischen (0,5 x 0,35 m) und einem Schrank (ca. 0,35 x 1,2\nm) ausgestattet gewesen, ferner mit einer lediglich durch einen Vorhang\nabgetrennten und nicht gesondert zu entluftenden Toilette und einem\nWaschbecken. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die raumliche Enge im Haftraum sei dadurch gesteigert worden, dass er in\nder Zelle habe arbeiten mussen, um in den Genuss von Taschengeld zu kommen und\nhierzu die Arbeitsmaterialien (Kartons mit 5 bis 8 m³) in der Zelle hatten\ngelagert werden mussen. Eine Beschaftigung außerhalb der Zelle habe er\nbeantragt, die JVA habe ihm eine solche Tatigkeit jedoch nicht ermoglichen\nkonnen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Klager behauptet, er habe nicht nur schriftlich uber seinen Anwalt am\n14.2.2003, sondern auch selbst schriftlich und mundlich um Einzelunterbringung\nnachgesucht. \n--- \n| 12 \n--- \n| Den Haftraum habe er lediglich zu dem taglichen einstundigen Hofgang\nverlassen konnen. Sonstige Freizeitangebote habe es nicht gegeben, jedenfalls\nseien sie ihm nicht zur Kenntnis gebracht worden, obwohl er mehrfach, sogar\nschriftlich, um die Moglichkeit nach Freizeitbetatigungen nachgesucht habe. \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Klager behauptet, er leide noch heute unter gesundheitlichen\nBeeintrachtigungen psychischer und psychischer Art, insbesondere unter\nchronischer Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Ekel und Übelkeitsgefuhlen,\nRucken- und Nackenschmerzen, Hustenreiz, Nervositat, Alptraumen und panischen\nAngstzustanden. \n--- \n| 14 \n--- \n| Nachdem die Kammer dem Klager (lediglich) in dieser Hohe Prozesskostenhilfe\ngewahrt hat, beantragt der Klager, \n--- \n| 15 \n--- \n| das beklagte Land zu verurteilen, an den Klager 17.100 EUR nebst Zinsen in\nHohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit Rechtshangigkeit zu\nbezahlen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Das beklagte Land beantragt, \n--- \n| 17 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Das beklagte Land tragt vor, der Klager sei vom 18.12.2002 bis 20.3.2003 in\nHaftraum 152 und vom 20.3.2003 bis zur Entlassung am 06.06.2003 in Haftraum\n156 untergebracht gewesen. Die beiden Haftraume hatten jeweils eine\nGrundflache von 8,89 qm und einen Rauminhalt von 25 m. \n--- \n| 19 \n--- \n| In der Zeit vom 23.5. bis 06.06.2003 sei der Klager allerdings allein im\nHaftraum 136 untergebracht gewesen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Neben dem Hofgang habe die Moglichkeit bestanden, die Zelle zu zahlreichen\nFreizeitangeboten zu verlassen. Die aus einem Freizeitplan (Anl. B 1)\nersichtlichen Angebote habe der Klager jedoch nicht wahrgenommen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Wahrend der Dauer der Inhaftierung des Klagers sei in der benachbarten JVA\nB. einer von vier Flugeln renoviert worden. Wegen des damit verbundenen\nvorubergehenden Wegfalls von rund 100 Platzen habe die\nUntersuchungshaftabteilung der JVA Bruchsal fur Strafhaft genutzt werden\nmussen. Die Untersuchungshaftzustandigkeit der JVA B. sei daher vorubergehend\nauf die JVA K. ubertragen worden mit der Folge, dass Einzelunterbringung nur\nin Ausnahmefallen moglich gewesen sei. Voraussetzung hierfur sei zwingend\ngewesen, dass der betreffende Gefangene deutlich auf eine Einzelunterbringung\nhinwirkte. So sei der Mitbeschuldigte des Klagers - unstreitig - bereits funf\nTage nach seiner Zufuhrung in die JVA K. fur die gesamte Dauer seiner\nUntersuchungshaft in einem Haftraum einzeln untergebracht worden. In anderen\nFallen seien Gefangene, welche nachdrucklich auf eine Einzelunterbringung\nhinwirkten, auf die Moglichkeit einer Verlegung in eine andere JVA hingewiesen\nund gegebenenfalls verlegt worden. Der Klager habe sich jedoch zu keinem\nZeitpunkt wirklich um eine Einzelunterbringung bemuht und einen entsprechenden\nWunsch geaußert oder einen Antrag gestellt. Lediglich ein einziges Mal habe er\nuber seinen Anwalt mit Schreiben vom 14.2.2003 die Unterbringung in einer\nEinzelzelle, hilfsweise Unterbringung mit seinem Mitbeschuldigten beantragt.\nDieses Schreiben sei lediglich als Versuch gewertet worden, eine\nZusammenlegung mit seinem Mitbeschuldigten zu erreichen - einem Versuch, dem\nnicht habe entsprochen werden konnen. Aus dem Schreiben ergebe sich auch, dass\nder Klager trotz der raumlichen Verhaltnisse der Zellen mit einer\nDoppelbelegung einverstanden gewesen sei. Da der Klager selbst zu keinem\nZeitpunkt aktiv geworden sei, sei der in dem Anwaltsschreiben enthaltene\nHalbsatz mit dem Wunsch auf Einzelunterbringung „als anwaltlicher\nRoutineantrag" interpretiert worden. \n--- \n| 22 \n--- \n| Das beklagte Land bestreitet, dass der Klager wegen seiner\nHaftunterbringung unter gesundheitlichen Beeintrachtigungen psychischer und\nphysischer Art gelitten habe oder leide. Er habe sich weder beim Anstaltsarzt\ngemeldet noch den psychologischen Dienst der Anstalt in Anspruch genommen.\nAuch bei verschiedenen Kontakten mit dem zustandigen Sozialarbeiter habe er\nsich nicht ansatzweise uber die Art der Unterbringung beschwert, sondern einen\nzufriedenen Eindruck gemacht. \n--- \n| 23 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die\ngewechselten Schriftsatze und das Sitzungsprotokoll vom 13.07.2004 verwiesen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Es wurde Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Regierungsdirektor X,\nLeiter der JVA K. Wegen des Beweisergebnisses wird ebenfalls auf das\nSitzungsprotokoll verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 25 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, aber nur teilweise begrundet. \n--- \n| 26 \n--- \n| Der Klager hat nach § 839 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art 1 Abs. 1, 2\nAbs. 1, 34 GG Anspruch auf Schmerzensgeld in Hohe von 650,00 EUR. \n--- \n| 27 \n--- \n| 1\\. Rechts- und Amtspflichtwidrigkeit \n--- \n| 28 \n--- \n| Der Klager war unstreitig vom 18.12.2002 bis 23.05.2003 gemeinschaftlich\nmit jeweils einem weiteren Gefangenen untergebracht. Seine weiter gehende\nBehauptung, diese Art der Haftunterbringung habe bis zu seiner Entlassung am\n06.06.2003 angedauert, hat er dagegen nicht unter Beweis gestellt. Nach der\nAussage des als Zeugen vernommenen Anstaltsleiters Regierungsdirektor X war er\nin diesem restlichen Zeitraum vielmehr einzeln untergebracht. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Rechts- und Amtspflichtwidrigkeit der Haftunterbringung des Klagers bis\nzum 23.05.2003 ergibt sich bereits aus § 119 Abs. 2 StPO. Danach darf ein\nUntersuchungsgefangener mit anderen Untersuchungsgefangenen in demselben Raum\nnur untergebracht werden, wenn er es ausdrucklich schriftlich beantragt. Ein\nsolcher ausdrucklicher schriftlicher Antrag lag nicht vor. Auch die in § 119\nAbs. 2 Satz 3 StPO vorgesehene Ausnahme einer Unterbringung mit anderen\nGefangenen in demselben Raum, wenn der korperliche geistige Zustand des\nGefangenen es erfordert, lag im vorliegenden Fall ersichtlich nicht vor. \n--- \n| 30 \n--- \n| 2\\. Verletztes Rechtsgut \n--- \n| 31 \n--- \n| a. Die Haftunterbringung des Klagers im Zeitraum vom 18.12.2002 bis\n23.05.2003 erfolgte unter Bedingungen, die die durch Art. 1 Abs. 1 GG\ngeschutzte Menschenwurde und damit auch das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschutzte\nPersonlichkeitsrecht verletzten, dessen Verletzung Voraussetzung fur die\nZuerkennung eines Schmerzensgeldes ist. \n--- \n| 32 \n--- \n| Dieses verfassungsmaßig geschutzte Recht garantiert dem Einzelnen einen\nKernbereich privater Lebensgestaltung („Intimsphare"), in den er sich ohne\nZutrittsmoglichkeit der Umwelt zuruckziehen kann. Der Schutz dieser\nPrivatsphare umfasst auch einen raumlichen Ruckzugsbereich, in dem der\nBetroffene er selbst sein kann und eine vom Öffentlichkeitsdruck verursachte\nSelbstkontrolle ablegen kann, weil er nicht damit rechnen muss, dass andere\nihn beobachten (BVerfGE 101, 361, 382 ff.; NJW 2000, 2189; Di Fabio in:\nMaunz/Durig, Kommentar zum GG, Art. 2 Abs. 1 Rdn. 149, 158 m.w.N.). \n--- \n| 33 \n--- \n| b. Die Unterbringung des Antragstellers zusammen mit einem weiteren\nStrafgefangenen in einem Haftraum mit einer Grundflache von 8,89 qm muss\ndemnach als rechtswidrige Verletzung seiner Menschenwurde (Art. 1 Abs. 1 GG)\nangesehen werden. \n--- \n| 34 \n--- \n| Das Bundesverfassungsgericht (3. Kammer des Zweiten Senats, NJW 2002, 2700)\nhat ausgefuhrt: \n--- \n| 35 \n--- \n| "In der gerichtlichen Rechtsprechung ist bereits darauf hingewiesen worden,\ndass der Unterbringung in kleinen Haftraumen durch die Menschenwurde der\nbetroffenen Strafgefangenen Grenzen gesetzt sind (vgl. OLG Frankfurt a.M., StV\n1986, 27 m. Anm. Lesting). Das Recht auf Achtung seiner Wurde kann auch dem\nStraftater nicht abgesprochen werden, mag er sich in noch so schwerer und\nunertraglicher Weise gegen die Werteordnung der Verfassung vergangen haben\n(vgl. BVerfGE 72, 105, 115)." \n--- \n| 36 \n--- \n| Mit Blick hierauf hielt es die Annahme, die gemeinsame Unterbringung von\nzwei Strafgefangenen in einem Einzelhaftraum von rund 8 qm Flache,\nausgestattet mit einem Etagenbett, zwei Stuhlen, einem Tisch und einem Schrank\nund - ohne raumliche Abtrennung - einem Waschbecken und einem Klosett, wirke\nnicht diskriminierend, fur jedenfalls erlauterungsbedurftig. \n--- \n| 37 \n--- \n| Zur Feststellung einer Verletzung der Menschenwurde erscheint es nicht\nerforderlich, das Problem zu entscheiden, ob bereits ein Verstoß gegen den\nGrundsatz der Einzelunterbringung fur sich allein eine Verletzung des\nallgemeinen Personlichkeitsrechts darstellt. Ob die Missachtung des\nGrundsatzes der Einzelunterbringung fur sich allein wegen Verstoßes gegen Art.\n1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG schlechthin verfassungswidrig ist, ist streitig. Wahrend\nUllenbruch (NStZ 1999, 430) dies unter Hinweis darauf bejaht, dass sie dem\nGefangenen die einzige Nutzungsmoglichkeit nimmt, die es ihm erlaubt, als\nIndividuum ungestort zu sein, halt das OLG Frankfurt/M. (NStZ-RR 2001, 28, 29)\ndie Gemeinschaftsunterbringung in einer ausreichend großen Zelle mit\nabgetrennter Toilette zwar fur untunlich und rechtspolitisch kritikwurdig,\naber jedenfalls fur Sicherungsverwahrte auch gegen deren Willen nicht fur\nverfassungsrechtlich schlechthin verboten, da sich dem verfassungsrechtlichen\nGrundsatz der Menschenwurde nur Auslegungskriterien und Mindestgrundsatze\nentnehmen lassen. \n--- \n| 38 \n--- \n| Auch ist es fur die Entscheidung des Falles nicht erforderlich, Grenzwerte\nfur die einem Gefangenen zur Wahrung der Menschenwurde zur Verfugung zu\nstellende Mindestraumgroße festzulegen. Immerhin ist festzuhalten, dass nach\nden von der Rechtsprechung hierfur angelegten Maßstaben durchaus Bedenken\nangezeigt sind, ob die Mindestraumgroße nicht unterschritten wurde. So wurde\nbei einer Raumgroße von 7,6 qm (uber die Ausstattung ist Weiteres nicht\nbekannt) eine Verletzung der Menschenwurde bejaht vom OLG Celle (NJW 2003,\n2463); das OLG Frankfurt/M. (NJW 2003, 2844) sieht die gemeinsame\nUnterbringung zweier Strafgefangener in einem Haftraum von ca. 7,5 qm mit\nnicht abgetrennter und nicht gesondert entlufteter Toilette als geeignet zur\nVerletzung der Menschenwurde an; eine Verletzung der Menschenwurde wurde auch\nvom OLG Celle (StV 2004, 84) bei einer Gemeinschaftsunterbringung von funf\nStrafgefangenen auf 16 qm mit einer nur durch eine Stellwand abgetrennten\nToilette bejaht. \n--- \n| 39 \n--- \n| Insoweit genugt jedoch die Feststellung, dass eine Unterbringung von zwei\nPersonen auf 8,89 qm - wovon nach Abzug der Grundflache des Mobiliars und der\nToilette wenig mehr als die Halfte als Lebensraum verbleibt - jedenfalls als\naußerst beengt angesehen werden muss. Das unfreiwillige nahezu ganztagige\nZusammenleben mit einer weiteren Person unter diesen beengten raumlichen\nVerhaltnissen lasst dem Gefangenen bereits praktisch keine Intimsphare, keinen\nraumlichen Ruckzugsbereich, in den er sich zuruckziehen und in dem er -\nwenigstens zeitweise - sich unbeobachtet fuhlen kann. \n--- \n| 40 \n--- \n| Die weitere Beengung durch die Arbeitsmaterialien kommt erschwerend hinzu.\nAuch wenn fur den Klager keine Arbeitspflicht bestand, wurde ihm dadurch, dass\nihm lediglich Zellenarbeit ermoglicht wurde, lediglich die Wahl zwischen zwei\nÜbeln gelassen, namlich entweder die damit verbundene zusatzliche raumliche\nBehinderung in Kauf zunehmen oder auf Arbeit - und damit auf die einzige\nMoglichkeit, die Haftzeit halbwegs sinnvoll zu verbringen und sich ein\nTaschengeld zu verdienen - zu verzichten. Auf das genaue Ausmaß der zur Arbeit\nerforderlichen Materialien kommt es hierbei nicht an. \n--- \n| 41 \n--- \n| Denn entscheidend gepragt wird die Unterbringung dadurch, dass zu der\nraumlichen Enge der Umstand hinzukommt, dass die Toilette nur durch einen\nVorhang abgetrennt ist, der lediglich einen Sichtschutz, jedoch keine\nGeruchssperre und keine akustische Sperre bildet und daher auch zu den\nintimsten Verrichtungen keinen Ruckzugsbereich schafft. \n--- \n| 42 \n--- \n| An dem Fehlen eines raumlichen Ruckzugsbereichs vermogen auch\nFreizeitmoglichkeiten wie die in Anl. B 1 aufgefuhrten nichts zu andern; denn\ndiese sind gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie in Gemeinschaft\nwahrgenommen werden konnen. \n--- \n| 43 \n--- \n| c. Ein Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung des allgemeinen\nPersonlichkeitsrechts wird von der Rechtsprechung (BGHZ 143, 214, 218; 128, 1,\n15) unmittelbar aus § 823 BGB i. V. m. Art. 1, 2 Abs. 1 GG abgeleitet. Eine\namtspflichtwidrige rechtswidrige und schuldhafte Verletzung des allgemeinen\nPersonlichkeitsrechts kann daher einen Schmerzensgeldanspruch begrunden. \n--- \n| 44 \n--- \n| d. Auf eine rechtswidrige Verletzung der Freiheit, die einen\nSchmerzensgeldanspruch nach §§ 839 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB begrunden konnte,\nkann der Anspruch nicht gestutzt werden, da die Freiheitsentziehung an sich\ndurch den gerichtlichen Haftbefehl gerechtfertigt war. Die Haftbedingungen\nmachen die Freiheitsentziehung nicht insgesamt rechtswidrig. \n--- \n| 45 \n--- \n| e. Eine Gesundheitsverletzung hat der Klager jedenfalls nicht nachgewiesen.\nDen angekundigten Beweis durch Vorlage arztlicher Atteste hat er nicht\nangetreten. \n--- \n| 46 \n--- \n| 3\\. Verschulden \n--- \n| 47 \n--- \n| Ein Verschulden der Bediensteten des beklagten Landes ist zu bejahen.\nSpatestens seit dem Beschluss des BVerfG vom 27.02.2002 musste ihnen bekannt\nsein, dass das Ermessen hinsichtlich der Ausgestaltung und Belegung von\nHaftraumen durch die Achtung der Menschenwurde der Gefangenen begrenzt ist\n(vgl. LG Hannover StV 2003, 569). Das beklagte Land kann sich auch nicht\ndarauf berufen, seit Bekanntwerden dieser Entscheidung sei zu deren Umsetzung\nund zur Schaffung geeigneter Haftplatze nicht ausreichend Zeit gewesen. Denn\nbereits der Beschluss des OLG Celle vom 05.11.1998 hatte in der\nFachoffentlichkeit Aufsehen erregt (vgl. Ullenbruch NStZ 1999, 429 m.w.N.;\nferner Lesting, StV 2003, 570). Wenn im Hinblick auf das hierdurch geweckte\nProblembewusstsein der zustandigen Stellen bereits eine entsprechende\nUnterbringung von Strafgefangenen als unvertretbar anzusehen war (Lesting\na.a.O.), so galt dies angesichts der im Vergleich zu § 18 StVollzG viel\nklareren und eindeutigeren Regelung in § 119 StPO erst recht fur den Vollzug\nder Untersuchungshaft. \n--- \n| 48 \n--- \n| 4\\. Einwilligung des Klagers \n--- \n| 49 \n--- \n| a. Eine die Rechtswidrigkeit ausschließende Einwilligung des Klagers liegt\nnicht vor. Nach der klaren Regelung des § 119 Abs. 2 StPO hatte sie\nausdrucklich und schriftlich erfolgen mussen. \n--- \n| 50 \n--- \n| b. Allerdings konnte auch eine konkludente Zustimmung des Klagers\njedenfalls die Verletzung der Menschenwurde und damit des allgemeinen\nPersonlichkeitsrechts ausschließen. Dies ergibt sich aus folgenden\nÜberlegungen: \n--- \n| 51 \n--- \n| Die Voraussetzung der ausdrucklichen schriftlichen Zustimmung in § 119 Abs.\n2 StPO stellt lediglich eine Formvorschrift dar. Materiell kann die Wahrung\nder Menschenwurde und des Personlichkeitsrechts nicht von der Einhaltung\ndieser Form abhangen. \n--- \n| 52 \n--- \n| Das subjektive Empfinden der Beeintrachtigungen durch die\nFreiheitsentziehung sowie die in Frage stehenden Umstande der Unterbringung\nkann individuell sehr unterschiedlich ausfallen: Mag es der Eine als\nunertraglich empfinden, mit einer anderen Person auf engem Raum\n"zusammengeschlossen" zu sein, so wird es der Andere als noch schlimmer\nempfinden, von anderen "weggesperrt" sein. Die Freiheitsentziehung als solche\nschneidet einen Gefangenen bereits weitgehend von Kontakten zur Außenwelt ab\nund beschrankt stark seine Kommunikationsmoglichkeiten. Dies wird durch eine\nEinzelunterbringung noch erheblich gesteigert, denn diese nimmt wahrend des\nAufenthalts im Haftraum (abgesehen von einer bekanntlich nicht unublichen,\naber schwierigen Verstandigung durch Klopfzeichen und Rufe durch das\nZellenfenster) praktisch fast jede Moglichkeit zwischenmenschlicher\nKommunikation. Diese - unter den Bedingungen der Einzelunterbringung nicht\nvermeidbare - Vereinsamung kann je nach individueller Veranlagung als so\nbeeintrachtigend empfunden werden, dass der Betroffene eher bereit ist,\nstattdessen die Unzutraglichkeiten einer Gemeinschaftszelle in Kauf zu nehmen.\nDies wird auch dadurch bestatigt, dass - und zwar sowohl fur die\nUntersuchungshaft in § 119 Abs. 2 StPO als auch fur den Strafvollzug in § 18\nStVollzG - die Moglichkeit der Gemeinschaftsunterbringung gesetzlich bei\nZustimmung eroffnet ist. \n--- \n| 53 \n--- \n| c. Fur die Annahme einer konkludenten Zustimmung des Klagers fehlt es\njedoch an hinreichenden Anhaltspunkten. Soweit das beklagte Land darauf\nverweist, der Klager habe sich zu keiner Zeit uber die Unterbringung\nbeschwert, so steht dem das Anwaltsschreiben vom 14.02.2003 entgegen, mit dem\ndie Unterbringung in einer Einzelzelle, hilfsweise die Unterbringung mit\nseinem Mitbeschuldigten beantragt wurde. Auch darin, dass der Klager\nZellenarbeit akzeptiert hat, ergibt sich keine Zustimmung zur Art seiner\nUnterbringung. Unstreitig war die Arbeitswilligkeit Voraussetzung fur die\nGewahrung von Taschengeld. Unstreitig hat sich der Klager auch erst dann mit\nder Zellenarbeit einverstanden erklart, nachdem ihm die in erster Linie\nangestrebte Zuweisung von Hausarbeit nicht ermoglicht wurde. \n--- \n| 54 \n--- \n| 5\\. Billigkeit \n--- \n| 55 \n--- \n| Eine Geldentschadigung wegen Verletzung des allgemeinen\nPersonlichkeitsrechts kommt nur dann in Betracht, wenn es sich um einen\nschwerwiegenden Eingriff handeln und die Beeintrachtigung nicht in anderer\nWeise ausgeglichen werden kann. Das OLG Celle (StV 2004, 84) hat unter diesem\nGesichtspunkt wegen der kurzen Dauer von zwei Tagen und unter Berucksichtigung\ndes Umstands, dass der Klager "hafterfahren" war, und im Hinblick auf die\nprekare Haushaltslage in Niedersachsen einen Anspruch abgelehnt. Auch vom\nHanseatischen OLG Hamburg (zitiert nach Juris KORE707342002 ) ist ein\nSchmerzensgeldanspruch unter diesem Gesichtspunkt bei einer vorubergehenden\nDoppelbelegung eines Einzelhaftraums abgelehnt worden, da diese auf eine akute\nMangellage an Haftraumen zuruckzufuhren sei und der Vollzugsbehorde nicht\nvorgeworfen werden konne, dass sie eine nachhaltige Beseitigung der Mangellage\nschuldhaft versaumt habe. \n--- \n| 56 \n--- \n| Im vorliegenden Fall liegt allerdings weder eine vergleichbar kurze Dauer\nvor, noch handelt es sich um eine lediglich vorubergehende akute Mangellage,\nauch nicht unter Berucksichtigung des Vortrags der Beklagten, dass infolge der\nBaumaßnahmen in der JVA Bruchsal von dort zusatzlich Untersuchungsgefangene\naufgenommen werden mussten. Denn die hierdurch besonders angespannte Situation\ndauerte nach den Angeben des Zeugen Regierungsdirektor X wahrend der gesamten\nDauer der Haftunterbringung des Klagers an. In Baden-Wurttemberg standen im\nJahre 2003 fur 8604 Gefangene (im Jahresdurchschnitt) zum Jahresanfang 8188,\nzum Jahresende 8368 Haftplatze zur Verfugung (Pressemitteilung des\nJustizministeriums Baden-Wurttemberg vom 19. Marz 2004: "Um den jungsten\nAnforderungen des BVerfG an eine rechtmaßige Unterbringung im Vollzug gerecht\nwerden zu konnen, sind deshalb mindestens 1200 zusatzliche Haftplatze im Land\nnotwendig"). \n--- \n| 57 \n--- \n| Der Umstand, dass der Klager sich - abgesehen von dem durch seinen\nVerteidiger gestellten Antrag vom 14.02.2003 - nach den glaubhaften Angaben\ndes Zeugen X nicht uber die Umstande seiner Unterbringung beschwert und\nunauffallig gefuhrt hat, spricht zwar dafur, dass er diese nicht als\nunertraglich empfunden hat. Andererseits lasst sich nicht ausschließen, dass\ndie Ursache fur seine Zuruckhaltung darin zu suchen ist, dass er die\nErfolgsaussichten von Beschwerden im Vergleich zu den Vorteilen eines\nunauffalligen Verhaltens als gering eingeschatzt und sich nur deshalb gefugt\nhat. Da es um ein zentrales Recht des Klagers und die wesentliche\nVerpflichtung aller staatlichen Gewalt zu Achtung und Schutz der Menschenwurde\ngeht, lasst sich nach Auffassung der Kammer ein schwerwiegender Eingriff in\ndas Personlichkeitsrecht nicht verneinen (vgl. Lesting StV 2003, 571). \n--- \n| 58 \n--- \n| 6\\. Ausschluss nach § 839 Abs. 3 BGB: \n--- \n| 59 \n--- \n| Der Anspruch des Klagers ist jedoch teilweise nach § 839 Abs. 3 BGB\nausgeschlossen, da der Klager es vorsatzlich oder fahrlassig unterlassen hat,\nden Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. \n--- \n| 60 \n--- \n| a. Als Rechtsmittel i.S. dieser Bestimmung sind alle Rechtsbehelfe im\nweitesten Sinne anzusehen, die sich gegen die pflichtwidrige Amtshandlung\nrichten und die Beseitigung oder Berichtigung der Anordnung und zugleich die\nAbwendung des Schadens bezwecken und ermoglichen. Selbst Einwendungen gegen\neine fehlerhafte Auskunft, Hinweise, Dienstaufsichtsbeschwerden und\nGegenvorstellung fallen hierunter, allerdings nicht selbststandige Verfahren,\ndie nicht der Überprufung der beanstandeten Amtshandlung oder dem Tatigwerden\nder Behorden dienen, wie etwa der Antrag auf einstweilige Einstellung der\nZwangsvollstreckung (Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl., § 839 Rdnr. 73). Bedient\nsich der Geschadigte der Tatigkeit von Hilfspersonen, etwa eines Anwalts, so\nmuss er sich deren Verschulden entsprechend §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB\nzurechnen lassen (RGZ 138, 114, 117; OLG Dusseldorf NJW-RR 1992, 1245;\nMK/Papier, BGB, 4. Aufl., § 839 Rdn. 335). \n--- \n| 61 \n--- \n| b. Als zulassige Rechtsbehelfe kamen vorliegend ein bei der Anstaltsleitung\nzu stellender Antrag auf Einzelunterbringung und/oder vor allem die Anrufung\ndes nach § 119 Abs. 6 Satz 1 StPO hierfur zustandigen Haftrichters (vgl. OLG\nStuttgart NStZ-RR 2003, 191) in Frage. \n--- \n| 62 \n--- \n| c. Der Klager hat derartige Rechtsbehelfe (zunachst) bis zum 14.02.2003\nnicht ergriffen. Nach den glaubhaften Angaben des Zeugen Regierungsdirektor X\nenthalt die Gefangenenpersonalakte des Klagers (außer dem Anwaltsschreiben vom\n14.02.2003) keinen auf eine Einzelunterbringung abzielenden Antrag. Der Klager\nhat auch - bis auf seine damit als widerlegt anzusehende in der mundlichen\nVerhandlung vorgebrachte Behauptung, im Januar 2003 einen schriftlichen Antrag\neingereicht zu haben - Antrage auf Einzelunterbringung nicht konkret\ndargelegt. \n--- \n| 63 \n--- \n| d. Diese Untatigkeit ist als schuldhaft im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB\nanzusehen. Das OLG Celle (StV 2004,84) sah zwar ein derartiges Unterlassen als\nnicht schuldhaft an mit der Begrundung, angesichts der unstreitigen\nchronischen Überbelegung der JVA habe ein Antrag auf Einzelunterbringung von\nvornherein als aussichtslos angesehen werden mussen. Hier kann aber nicht von\nvornherein von Aussichtslosigkeit ausgegangen werden, da unstreitig der\ngleichzeitig mit dem Klager in die JVA K. zugefuhrte Mitbeschuldigte auf\nseinen entsprechenden Antrag bereits nach funf Tagen in eine Einzelzelle\nverlegt wurde. Auch dem Klager kann nicht verborgen geblieben sein, dass ein\nTeil der anderen Gefangenen in der JVA nicht gemeinschaftlich untergebracht\nwaren, diese Moglichkeit also nicht ausgeschlossen war. \n--- \n| 64 \n--- \n| e. Hatte der Klager bei seiner Zufuhrung in die JVA K. eine\nEinzelunterbringung beantragt oder sich sogleich gegen die gemeinschaftliche\nUnterbringung - etwa beim zustandigen Haftrichter - beschwert, hatte dies nach\nspatestens einer Woche zum Erfolg gefuhrt. Hiervon ist die Kammer aufgrund der\nZeugenaussage des Anstaltsleiters uberzeugt. Dieser hat angegeben, derartigen\nAntragen, die nur in geringer Zahl gestellt worden seien, habe trotz der im\nfraglichen Zeitraum schwierigen Belegungssituation (im Februar 2003 180\nGefangene bei einer Belegungsfahigkeit von 111) unter Ausnutzung der hohen\nFluktuation in kurzer Zeit entsprochen werden konnen; eine entsprechende\nAnordnung des Haftrichters ware innerhalb weniger Tage, notfalls durch eine\nVerlegung in die Außenstelle der JVA in Rastatt oder in eine andere JVA,\nbefolgt worden. Die Kammer halt dies fur glaubhaft, zumal der Mitbeschuldigte\ndes Klagers, der gleichzeitig mit dem Klager in die JVA K. zugefuhrt wurde und\nseine Einzelunterbringung verlangte, nach funf Tagen einzeln untergebracht\nwurde. Dass dem Antrag des Klagers vom 14.02.2003, obwohl er von einem\nRechtsanwalt gestellt wurde, keine Folge gegeben wurde, ist demgegenuber nach\nden Angaben des Zeugen damit zu erklaren, dass die Zielrichtung dieses Antrags\n- zumal sich der Klager bis dahin und auch weiterhin vollig unauffallig\nverhalten hatte - so eingeschatzt wurde, dass er in erster Linie mit seinem\nMitbeschuldigten zusammengelegt werden wollte, und der Antrag auf\nEinzelunterbringung deshalb nicht ernst genommen wurde. Auch wenn die Kammer\ndiese Einschatzung des Antrags vom 14.02.2003 nach dessen eindeutigem Wortlaut\nnicht teilen kann, erscheint die Erlauterung des Zeugen nachvollziehbar. \n--- \n| 65 \n--- \n| f. Erst mit Schreiben seines Rechtsanwalts vom 14.02.2003 hat der Klager\neine Einzelunterbringung beantragt. Auch wenn entgegen der Ansicht des\nbeklagten Landes dieser Antrag nicht als unbeachtlich angesehen werden kann\n(und zwar auch dann nicht, wenn er als "anwaltlicher Routineantrag" anzusehen\nware), ist es dem Klager bzw. seinem Anwalt, dessen Verschulden er nach § 278\nBGB zu vertreten hat, als Versaumnis anzulasten, nachdem dem Antrag vom\n14.2.2003 keine Folge gegeben wurde, ebenfalls weiter nichts unternommen zu\nhaben. Bereits bei Lekture des Gesetzestextes (§ 119 Abs. 1, 2, 6 StPO) hatte\nauffallen mussen, dass - da die einzige gesetzliche Ausnahme nach § 119 Abs. 2\nS. 3 StPO) nicht vorlag und die Belegungssituation unerheblich ist - eine\ngemeinschaftliche Unterbringung unzulassig war und die JVA selbst im Übrigen\nnach § 119 Abs. 6 StPO jedenfalls fur eine abschlagige Verbescheidung eines\nAntrags auf Einzelunterbringung gar nicht zustandig war. Naheliegenderweise\nhatte daher wenige Tage nach Zugang des Antwortschreibens der JVA vom\n17.02.2003 der Haftrichter angerufen werden mussen. \n--- \n| 66 \n--- \n| g. An dieser Einschatzung vermag der Umstand nichts zu andern, dass die JVA\nden Antrag vom 14.02.2003 wohl von sich aus an den nach § 119 Abs. 6 StPO\nzustandigen Haftrichter hatte weiterleiten mussen. Denn aus der vertrostenden\nMitteilung, bei Änderung der Belegungssituation werde der Klager unverzuglich\neinzeln untergebracht werden, war zu entnehmen, dass eine Vorlage an den\nHaftrichter nicht beabsichtigt war. Auch die Vertrostung auf eine Änderung der\nBelegungssituation selbst lasst die Untatigkeit des Rechtsanwalts nicht als\nunverschuldet erscheinen. Denn weder war klar zu erkennen, was konkret mit\neiner „Änderung der Belegungssituation" gemeint war, noch ob mit einer solchen\nin absehbarer Zeit zu rechnen war. \n--- \n| 67 \n--- \n| h. Eine Anrufung des Haftrichters hatte spatestens bis zum 28.02.2003 die\nEinzelunterbringung des Klagers bewirkt. Bei der klaren Gesetzeslage hatte der\nHaftrichter zweifellos unverzuglich die Einzelunterbringung angeordnet. Eine\nsolche richterliche Anordnung hatte die JVA nach der Zeugenaussage des\nAnstaltsleiters auch so schnell wie irgend moglich befolgt, sodass auch bei\nschwieriger Belegungssituation innerhalb weniger Tage eine Einzelunterbringung\nerfolgt ware. \n--- \n| 68 \n--- \n| i. Es verbleibt daher lediglich eine Haftung des beklagten Landes fur die\nerste Woche der Haft des Klagers in der JVA K. und zwei weitere Wochen ab\n14.02.2003. \n--- \n| 69 \n--- \n| 7\\. Hohe des Anspruchs: \n--- \n| 70 \n--- \n| Die Kammer halt ein Schmerzensgeld in Hohe von 650,00 EUR fur angemessen. \n--- \n| 71 \n--- \n| Die Hohe des Schmerzensgeldes soll zwar dem hohen Stellenwert der\nMenschenwurde und dem verfassungsrechtlich geschutzten Personlichkeitsrecht\ngerecht werden. Andererseits erscheint es angezeigt, durch eine zuruckhaltende\nBemessung des Schmerzensgeldes deutlich zu machen, dass der Klager nicht fur\ndie Unbill des Gefangnisaufenthaltes insgesamt zu entschadigen ist, sondern\nlediglich fur die Umstande, die den Unterschied zwischen einer\nmenschenunwurdigen und einer (gerade noch) menschenwurdigen Haftunterbringung\nausmachen. \n--- \n| 72 \n--- \n| Unter dem Gesichtspunkt der Ausgleichsfunktion kann auch die weitgehende\nPassivitat des Klagers nicht unberucksichtigt bleiben, da sie Zweifel daran\nerweckt, dass er seine Unterbringung als vollig unertraglich empfunden hat. \n--- \n| 73 \n--- \n| Unter dem Gesichtspunkt der Genugtuungsfunktion kann berucksichtigt werden,\ndass bereits das Schmerzensgeldbegehren des Klagers als erstes einer Reihe von\nzahlreichen gleichartigen oder ahnlichen Begehren mit Zutun des Klagers in den\nMedien ein erstaunliches Echo gefunden und mit dazu beigetragen hat, die\npolitische Diskussion uber die Herstellung menschenwurdiger Haftbedingungen zu\nbeleben. \n--- \n| 74 \n--- \n| Unter dem Gesichtspunkt der Genugtuungsfunktion mag es auch genugen, wenn\ndie Rechtswidrigkeit der Unterbringung durch eine eher symbolische\nEntschadigung deutlich gemacht wird. So hat das OLG Celle (StV 2004, 84), das\neinen Schmerzensgeldanspruch wegen der kurzen Dauer und unter Berucksichtigung\ndes Umstands, dass der dortige Klager "hafterfahren" war, bereits mehrfach\ngemeinsam mit anderen Gefangenen in vergleichbaren Haftraumen untergebracht\nwar und im Hinblick auf die prekare Haushaltslage in Niedersachsen abgewiesen\nhat, in einer Hilfserwagung ausgefuhrt, dass allenfalls eine Entschadigung in\nHohe von 50 EUR " - quasi als symbolische Wiedergutmachung -" in Betracht\nkomme. Allerdings konnen sich auch Tagessatze von 50 EUR nach Auffassung der\nKammer zu mehr als symbolischen Betragen summieren. \n--- \n| 75 \n--- \n| Unter dem Gesichtspunkt der Praventivfunktion ist zu berucksichtigen, dass\ndie zustandigen Behorden einschließlich der politischen Entscheidungstrager in\njungster Zeit - wenn auch offenbar erst unter dem Eindruck der Entscheidungen\ndes BVerfG und der nachfolgend ergangenen gerichtlichen Entscheidungen und mit\nerheblicher Verzogerung - fur die Problematik der menschenwurdigen\nHaftunterbringung sensibel geworden sind und nun mit Nachdruck eine deutliche\nSteigerung der Haftplatze durch Neubauten vorantreiben (vgl. Justiz-intern\n1/04; Pressemitteilung des Justizministeriums Baden-Wurttemberg v.\n19.03.2004). \n--- \n| 76 \n--- \n| Es erscheint im Hinblick darauf, dass die vorliegende Klage die erste einer\nReihe von zahlreichen gleichartigen oder ahnlichen Begehren darstellt, auch\nnicht fern liegend, insoweit den Gedanken zu berucksichtigen, dass durch\nzahlreiche Schmerzensgeldanspruche in erheblicher Hohe dem Land die\nnotwendigen Mittel zur Schaffung zusatzlicher Haftplatze entzogen werden\nkonnten. \n--- \n| 77 \n--- \n| An vergleichbaren Fallen aus der Rechtsprechung sind lediglich die des LG\nHannover (StV 2003, 569: 200 EUR fur zwei Tage) und die abandernde\nBerufungsentscheidung des OLG Celle (a.a.O.) ersichtlich. Nicht vergleichbar\nerscheinen dagegen Entscheidungen, bei denen der Ausgleich fur rechtswidrige\nFreiheitsentziehung im Vordergrund stand (LG Bonn NJW-RR 1995, 1492: 15.000 DM\nfur viereinhalb Monate unrechtmaßiger Untersuchungshaft infolge einer\nleichtfertigen Strafanzeige; OLG Munchen zitiert nach Juris KORE570279200 :\n2000 DM fur vier Tage unrechtmaßige Beugehaft; Court of Appeal London zitiert\nnach Juris KORE541489500 : 350 Pfund fur eine 15-jahrigen Jugendlichen wegen\nacht Stunden unrechtmaßigen Polizeigewahrsams mit der Folge andauernder\npsychischer Beeintrachtigungen; LG Munchen NJW-RR 1997, 279: 50 DM fur\nrechtlich nicht notwendigen Polizeigewahrsam - "Munchner Kessel"-). Nicht zum\nVergleich herangezogen werden kann ferner der nach § 5 des allgemeinen\nKriegsfolgengesetzes von der Bundesrepublik zu erfullende\nSchmerzensgeldanspruch fur KZ-Haft bis zu 150 DM monatlich und das nach § 7\nAbs. 3 StrEG zu leistende Schmerzensgeld fur Freiheitsentziehungen von 11 EUR\nje Tag. Es ist anerkannt, dass diese Betrage fur Anspruche aufgrund anderer\nAnspruchsgrundlagen, insbesondere aufgrund § 839 BGB, nicht maßgebend ist\n(vgl. BGH NJW 1963, 1549). \n--- \n| 78 \n--- \n| Der Kammer erscheint eine Bemessung des Schmerzensgeldes nach vollen Wochen\nvorzugswurdig gegenuber einer tageweisen Bemessung. Denn so kann eher dem\nUmstand Rechnung getragen werden, dass nur kurzfristige, vorubergehende\nBeeintrachtigungen nicht schmerzensgeldwurdig erscheinen (vgl. OLG Celle\na.a.O.). Auch erscheint es angemessen, durch eine leichte Staffelung einem bei\nlangerer Dauer eintretenden Gewohnungs- und Abstumpfungseffekt Rechnung zu\ntragen. \n--- \n| 79 \n--- \n| Unter Berucksichtigung aller dieser Umstande erscheint es angemessen, fur\ndie erste Woche 250,00 EUR und fur die spateren Zeiten 200,00 EUR je Woche,\ninsgesamt also 650,00 EUR zuzusprechen. \n--- \n| 80 \n--- \n| 8\\. Art. 5 Abs. 5 MRK i.V.m. § 253 Abs. 1 BGB \n--- \n| 81 \n--- \n| Der Klager hat keinen weiter gehenden Anspruch aufgrund Art. 5 Abs. 5 der\nEuropaischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten\n(MRK). \n--- \n| 82 \n--- \n| a. Art. 5 der MRK lautet: \n--- \n| 83 \n--- \n| (1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit\ndarf nur in den folgenden Fallen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene\nWeise entzogen werden: \n--- \n| 84 \n--- \n| a) rechtmaßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zustandiges\nGericht; \n--- \n| 85 \n--- \n| c) rechtmaßige Festnahme oder Freiheitsentziehung zur Vorfuhrung vor die\nzustandige Gerichtsbehorde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die\nbetreffende Person eine Straftat begangen hat oder wenn begrundeter Anlass zu\nder Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat\noder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern; \n--- \n| 86 \n--- \n| (2) Jeder festgenommenen Person muss unverzuglich in einer ihr\nverstandlichen Sprache mitgeteilt werden, welches die Grunde fur ihre\nFestnahme sind, und welche Beschuldigungen gegen sie erhoben werden. \n--- \n| 87 \n--- \n| (3) Jede Person, die nach Absatz 1 Buchstabe c) von Festnahme oder\nFreiheitsentziehung betroffen ist, muss unverzuglich einem Richter...\nvorgefuhrt werden; sie hat Anspruch auf ein Urteil innerhalb angemessener\nFrist oder auf Entlassung wahrend des Verfahrens... \n--- \n| 88 \n--- \n| (4) Jede Person, die festgenommen oder der die Freiheit entzogen ist, hat\ndas Recht zu beantragen, dass ein Gericht innerhalb kurzer Frist uber die\nRechtmaßigkeit der Freiheitsentziehung entscheidet... \n--- \n| 89 \n--- \n| (5) Jede Person, die unter Verletzung dieses Artikels von Festnahme oder\nFreiheitsentziehung betroffen ist, hat Anspruch auf Schadensersatz. \n--- \n| 90 \n--- \n| b. Die Vorschrift ist innerstaatlich geltendes Recht im Range eines\neinfachen Gesetzes. Art. 5 Abs. 5 MRK gewahrt dem Betroffenen einen\nunmittelbaren Schadensersatzanspruch, wenn seine Freiheit entgegen Art. 1 Abs.\n1 MRK beschrankt wurde (BGHZ 45, 46; 122, 268). Dieser Anspruch umfasst auch\nden Ersatz immateriellen Schadens, da es sich bei Art. 5 MRK um ein Gesetz im\nSinne von § 253 Abs. 1 BGB handelt (BGHZ 122, 268). Der Anspruch ist\nunabhangig von den Voraussetzungen des § 839 BGB, insbesondere\nverschuldensunabhangig (BGH a. a. O.). \n--- \n| 91 \n--- \n| c. Die Garantien des Art. 5 MRK beziehen sich allerdings nur auf die\nFreiheitsentziehung als solche, nicht auf die Modalitaten des Vollzuges der\nUntersuchungs- oder Strafhaft (BGHZ 122, 268). Daher ergeben sich aus ihr\nkeine Rechte von verhafteten Personen in Bezug auf ihre Behandlung in der\nHaft. Die Umstande des Vollzuges konnen aber die Rechtmaßigkeit der Haft in\nFrage stellen. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BGH (a. a. O.) jedenfalls\nin Fallen, in denen die im Vollzug zur Verfugung stehenden Fursorgemittel\nnicht ausreichen, um von der Haft ausgehende Gesundheitsbeeintrachtigungen\nabzuwenden; da damit die Vollzugstauglichkeit zur Voraussetzung fur die\nRechtmaßigkeit der Haft wird, hat der BGH (a. a. O.) bei Mangel der\nVollzugstauglichkeit den Vollzug insgesamt als rechtswidrig angesehen und\neinen Anspruch nach Art. 5 Abs. 5 MRK bejaht. \n--- \n| 92 \n--- \n| Im vorliegenden Fall erscheinen jedoch lediglich die Modalitaten der\nHaftunterbringung rechtswidrig, nicht die Haft als solche. Denn der Klager\nstellt nicht in Frage, dass er auf Grund eines in rechtmaßigem Verfahren\nergangenen Haftbefehls inhaftiert wurde. Die Umstande seiner\nHaftunterbringung, die diese als rechtswidrig und menschenunwurdig erscheinen\nlassen, waren durch einfache Maßnahmen behebbar: durch die Verlegung des\nKlagers in eine Einzelzelle oder die seines Mitgefangenen in einen anderen\nHaftraum ware die Rechtswidrigkeit, durch die Verlegung beider in einen\ngeraumigeren Haftraum mit abgetrennter Toilette wohl zumindest die Verletzung\nder Menschenwurde entfallen. Die zu beanstandenden Umstande konnen daher -\nanders als bei Missachtung einer Vollzugsuntauglichkeit - nicht dazu fuhren,\ndie Haft als von vornherein rechtswidrig anzusehen. \n--- \n| 93 \n--- \n| Ob § 839 Abs. 3 BGB oder § 254 BGB - der ebenfalls gebieten kann, einen\nbelastenden hoheitlichen Akt durch geeignete Rechtsbehelfe abzuwehren (BGHZ\n90, 17,31) - auf einen Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 MRK anwendbar sind (offen\ngelassen in BGHZ 122, 268), muss daher nicht entschieden werden. \n--- \n| 94 \n--- \n| 9\\. Art. 3 MRK \n--- \n| 95 \n--- \n| Auch auf Art. 3 MRK kann ein weiter gehender Anspruch nicht gestutzt\nwerden. \n--- \n| 96 \n--- \n| a. Art. 3 MRK lautet: \n--- \n| 97 \n--- \n| Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder\nBehandlung unterworfen werden. \n--- \n| 98 \n--- \n| b. Über die in dieser Vorschrift enthaltene Unterlassungspflicht hinaus\nerwachsen dem Staat aus ihr auch Gewahrleistungspflichten: er muss\ninnerstaatlich sicherstellen, dass alle seine Organe das Verbot der Folter und\nder unmenschlichen Behandlung beachten. Dies erfordert vor allem einen\nausreichenden Strafrechtsschutz, laufende Kontrollen der staatlichen Organe\nund tatkraftiges Einschreiten gegen bekannt gewordene Verstoße sowie effektive\nRechtsbehelfe fur Betroffene; dazu wird auch die Verpflichtung gezahlt, im\ninnerstaatlichen Recht einen Anspruch auf Entschadigung vorzusehen (Gollwitzer\nin: Lowe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., MRK Art. 3 Rdnr. 11). \n--- \n| 99 \n--- \n| c. Im Gegensatz zu Art. 5 MRK, der in seinem Abs. 5 selbst einen\nEntschadigungsanspruch gewahrt, ergibt sich ein solcher demnach nicht\nunmittelbar aus Art. 3 MRK. Die Vorschrift enthalt daher selbst keine\nAnspruchsgrundlage. \n--- \n| 100 \n--- \n| d. Mit dem Anspruch aus §§ 839, 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG enthalt\ndas deutsche Recht jedoch eine Anspruchsgrundlage fur einen\nEntschadigungsanspruch. Dass eine Einschrankung des Entschadigungsanspruchs\nbei schuldhafter Versaumung eines Rechtsmittels (§ 839 Abs.3 BGB) bei einem\nVerstoß gegen Art. 3 MRK unzulassig ware, lasst sich der Vorschrift nicht\nentnehmen. \n--- \n| 101 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch uber die\nVollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 25 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, aber nur teilweise begrundet. \n--- \n| 26 \n--- \n| Der Klager hat nach § 839 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art 1 Abs. 1, 2\nAbs. 1, 34 GG Anspruch auf Schmerzensgeld in Hohe von 650,00 EUR. \n--- \n| 27 \n--- \n| 1\\. Rechts- und Amtspflichtwidrigkeit \n--- \n| 28 \n--- \n| Der Klager war unstreitig vom 18.12.2002 bis 23.05.2003 gemeinschaftlich\nmit jeweils einem weiteren Gefangenen untergebracht. Seine weiter gehende\nBehauptung, diese Art der Haftunterbringung habe bis zu seiner Entlassung am\n06.06.2003 angedauert, hat er dagegen nicht unter Beweis gestellt. Nach der\nAussage des als Zeugen vernommenen Anstaltsleiters Regierungsdirektor X war er\nin diesem restlichen Zeitraum vielmehr einzeln untergebracht. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Rechts- und Amtspflichtwidrigkeit der Haftunterbringung des Klagers bis\nzum 23.05.2003 ergibt sich bereits aus § 119 Abs. 2 StPO. Danach darf ein\nUntersuchungsgefangener mit anderen Untersuchungsgefangenen in demselben Raum\nnur untergebracht werden, wenn er es ausdrucklich schriftlich beantragt. Ein\nsolcher ausdrucklicher schriftlicher Antrag lag nicht vor. Auch die in § 119\nAbs. 2 Satz 3 StPO vorgesehene Ausnahme einer Unterbringung mit anderen\nGefangenen in demselben Raum, wenn der korperliche geistige Zustand des\nGefangenen es erfordert, lag im vorliegenden Fall ersichtlich nicht vor. \n--- \n| 30 \n--- \n| 2\\. Verletztes Rechtsgut \n--- \n| 31 \n--- \n| a. Die Haftunterbringung des Klagers im Zeitraum vom 18.12.2002 bis\n23.05.2003 erfolgte unter Bedingungen, die die durch Art. 1 Abs. 1 GG\ngeschutzte Menschenwurde und damit auch das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschutzte\nPersonlichkeitsrecht verletzten, dessen Verletzung Voraussetzung fur die\nZuerkennung eines Schmerzensgeldes ist. \n--- \n| 32 \n--- \n| Dieses verfassungsmaßig geschutzte Recht garantiert dem Einzelnen einen\nKernbereich privater Lebensgestaltung („Intimsphare"), in den er sich ohne\nZutrittsmoglichkeit der Umwelt zuruckziehen kann. Der Schutz dieser\nPrivatsphare umfasst auch einen raumlichen Ruckzugsbereich, in dem der\nBetroffene er selbst sein kann und eine vom Öffentlichkeitsdruck verursachte\nSelbstkontrolle ablegen kann, weil er nicht damit rechnen muss, dass andere\nihn beobachten (BVerfGE 101, 361, 382 ff.; NJW 2000, 2189; Di Fabio in:\nMaunz/Durig, Kommentar zum GG, Art. 2 Abs. 1 Rdn. 149, 158 m.w.N.). \n--- \n| 33 \n--- \n| b. Die Unterbringung des Antragstellers zusammen mit einem weiteren\nStrafgefangenen in einem Haftraum mit einer Grundflache von 8,89 qm muss\ndemnach als rechtswidrige Verletzung seiner Menschenwurde (Art. 1 Abs. 1 GG)\nangesehen werden. \n--- \n| 34 \n--- \n| Das Bundesverfassungsgericht (3. Kammer des Zweiten Senats, NJW 2002, 2700)\nhat ausgefuhrt: \n--- \n| 35 \n--- \n| "In der gerichtlichen Rechtsprechung ist bereits darauf hingewiesen worden,\ndass der Unterbringung in kleinen Haftraumen durch die Menschenwurde der\nbetroffenen Strafgefangenen Grenzen gesetzt sind (vgl. OLG Frankfurt a.M., StV\n1986, 27 m. Anm. Lesting). Das Recht auf Achtung seiner Wurde kann auch dem\nStraftater nicht abgesprochen werden, mag er sich in noch so schwerer und\nunertraglicher Weise gegen die Werteordnung der Verfassung vergangen haben\n(vgl. BVerfGE 72, 105, 115)." \n--- \n| 36 \n--- \n| Mit Blick hierauf hielt es die Annahme, die gemeinsame Unterbringung von\nzwei Strafgefangenen in einem Einzelhaftraum von rund 8 qm Flache,\nausgestattet mit einem Etagenbett, zwei Stuhlen, einem Tisch und einem Schrank\nund - ohne raumliche Abtrennung - einem Waschbecken und einem Klosett, wirke\nnicht diskriminierend, fur jedenfalls erlauterungsbedurftig. \n--- \n| 37 \n--- \n| Zur Feststellung einer Verletzung der Menschenwurde erscheint es nicht\nerforderlich, das Problem zu entscheiden, ob bereits ein Verstoß gegen den\nGrundsatz der Einzelunterbringung fur sich allein eine Verletzung des\nallgemeinen Personlichkeitsrechts darstellt. Ob die Missachtung des\nGrundsatzes der Einzelunterbringung fur sich allein wegen Verstoßes gegen Art.\n1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG schlechthin verfassungswidrig ist, ist streitig. Wahrend\nUllenbruch (NStZ 1999, 430) dies unter Hinweis darauf bejaht, dass sie dem\nGefangenen die einzige Nutzungsmoglichkeit nimmt, die es ihm erlaubt, als\nIndividuum ungestort zu sein, halt das OLG Frankfurt/M. (NStZ-RR 2001, 28, 29)\ndie Gemeinschaftsunterbringung in einer ausreichend großen Zelle mit\nabgetrennter Toilette zwar fur untunlich und rechtspolitisch kritikwurdig,\naber jedenfalls fur Sicherungsverwahrte auch gegen deren Willen nicht fur\nverfassungsrechtlich schlechthin verboten, da sich dem verfassungsrechtlichen\nGrundsatz der Menschenwurde nur Auslegungskriterien und Mindestgrundsatze\nentnehmen lassen. \n--- \n| 38 \n--- \n| Auch ist es fur die Entscheidung des Falles nicht erforderlich, Grenzwerte\nfur die einem Gefangenen zur Wahrung der Menschenwurde zur Verfugung zu\nstellende Mindestraumgroße festzulegen. Immerhin ist festzuhalten, dass nach\nden von der Rechtsprechung hierfur angelegten Maßstaben durchaus Bedenken\nangezeigt sind, ob die Mindestraumgroße nicht unterschritten wurde. So wurde\nbei einer Raumgroße von 7,6 qm (uber die Ausstattung ist Weiteres nicht\nbekannt) eine Verletzung der Menschenwurde bejaht vom OLG Celle (NJW 2003,\n2463); das OLG Frankfurt/M. (NJW 2003, 2844) sieht die gemeinsame\nUnterbringung zweier Strafgefangener in einem Haftraum von ca. 7,5 qm mit\nnicht abgetrennter und nicht gesondert entlufteter Toilette als geeignet zur\nVerletzung der Menschenwurde an; eine Verletzung der Menschenwurde wurde auch\nvom OLG Celle (StV 2004, 84) bei einer Gemeinschaftsunterbringung von funf\nStrafgefangenen auf 16 qm mit einer nur durch eine Stellwand abgetrennten\nToilette bejaht. \n--- \n| 39 \n--- \n| Insoweit genugt jedoch die Feststellung, dass eine Unterbringung von zwei\nPersonen auf 8,89 qm - wovon nach Abzug der Grundflache des Mobiliars und der\nToilette wenig mehr als die Halfte als Lebensraum verbleibt - jedenfalls als\naußerst beengt angesehen werden muss. Das unfreiwillige nahezu ganztagige\nZusammenleben mit einer weiteren Person unter diesen beengten raumlichen\nVerhaltnissen lasst dem Gefangenen bereits praktisch keine Intimsphare, keinen\nraumlichen Ruckzugsbereich, in den er sich zuruckziehen und in dem er -\nwenigstens zeitweise - sich unbeobachtet fuhlen kann. \n--- \n| 40 \n--- \n| Die weitere Beengung durch die Arbeitsmaterialien kommt erschwerend hinzu.\nAuch wenn fur den Klager keine Arbeitspflicht bestand, wurde ihm dadurch, dass\nihm lediglich Zellenarbeit ermoglicht wurde, lediglich die Wahl zwischen zwei\nÜbeln gelassen, namlich entweder die damit verbundene zusatzliche raumliche\nBehinderung in Kauf zunehmen oder auf Arbeit - und damit auf die einzige\nMoglichkeit, die Haftzeit halbwegs sinnvoll zu verbringen und sich ein\nTaschengeld zu verdienen - zu verzichten. Auf das genaue Ausmaß der zur Arbeit\nerforderlichen Materialien kommt es hierbei nicht an. \n--- \n| 41 \n--- \n| Denn entscheidend gepragt wird die Unterbringung dadurch, dass zu der\nraumlichen Enge der Umstand hinzukommt, dass die Toilette nur durch einen\nVorhang abgetrennt ist, der lediglich einen Sichtschutz, jedoch keine\nGeruchssperre und keine akustische Sperre bildet und daher auch zu den\nintimsten Verrichtungen keinen Ruckzugsbereich schafft. \n--- \n| 42 \n--- \n| An dem Fehlen eines raumlichen Ruckzugsbereichs vermogen auch\nFreizeitmoglichkeiten wie die in Anl. B 1 aufgefuhrten nichts zu andern; denn\ndiese sind gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie in Gemeinschaft\nwahrgenommen werden konnen. \n--- \n| 43 \n--- \n| c. Ein Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung des allgemeinen\nPersonlichkeitsrechts wird von der Rechtsprechung (BGHZ 143, 214, 218; 128, 1,\n15) unmittelbar aus § 823 BGB i. V. m. Art. 1, 2 Abs. 1 GG abgeleitet. Eine\namtspflichtwidrige rechtswidrige und schuldhafte Verletzung des allgemeinen\nPersonlichkeitsrechts kann daher einen Schmerzensgeldanspruch begrunden. \n--- \n| 44 \n--- \n| d. Auf eine rechtswidrige Verletzung der Freiheit, die einen\nSchmerzensgeldanspruch nach §§ 839 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB begrunden konnte,\nkann der Anspruch nicht gestutzt werden, da die Freiheitsentziehung an sich\ndurch den gerichtlichen Haftbefehl gerechtfertigt war. Die Haftbedingungen\nmachen die Freiheitsentziehung nicht insgesamt rechtswidrig. \n--- \n| 45 \n--- \n| e. Eine Gesundheitsverletzung hat der Klager jedenfalls nicht nachgewiesen.\nDen angekundigten Beweis durch Vorlage arztlicher Atteste hat er nicht\nangetreten. \n--- \n| 46 \n--- \n| 3\\. Verschulden \n--- \n| 47 \n--- \n| Ein Verschulden der Bediensteten des beklagten Landes ist zu bejahen.\nSpatestens seit dem Beschluss des BVerfG vom 27.02.2002 musste ihnen bekannt\nsein, dass das Ermessen hinsichtlich der Ausgestaltung und Belegung von\nHaftraumen durch die Achtung der Menschenwurde der Gefangenen begrenzt ist\n(vgl. LG Hannover StV 2003, 569). Das beklagte Land kann sich auch nicht\ndarauf berufen, seit Bekanntwerden dieser Entscheidung sei zu deren Umsetzung\nund zur Schaffung geeigneter Haftplatze nicht ausreichend Zeit gewesen. Denn\nbereits der Beschluss des OLG Celle vom 05.11.1998 hatte in der\nFachoffentlichkeit Aufsehen erregt (vgl. Ullenbruch NStZ 1999, 429 m.w.N.;\nferner Lesting, StV 2003, 570). Wenn im Hinblick auf das hierdurch geweckte\nProblembewusstsein der zustandigen Stellen bereits eine entsprechende\nUnterbringung von Strafgefangenen als unvertretbar anzusehen war (Lesting\na.a.O.), so galt dies angesichts der im Vergleich zu § 18 StVollzG viel\nklareren und eindeutigeren Regelung in § 119 StPO erst recht fur den Vollzug\nder Untersuchungshaft. \n--- \n| 48 \n--- \n| 4\\. Einwilligung des Klagers \n--- \n| 49 \n--- \n| a. Eine die Rechtswidrigkeit ausschließende Einwilligung des Klagers liegt\nnicht vor. Nach der klaren Regelung des § 119 Abs. 2 StPO hatte sie\nausdrucklich und schriftlich erfolgen mussen. \n--- \n| 50 \n--- \n| b. Allerdings konnte auch eine konkludente Zustimmung des Klagers\njedenfalls die Verletzung der Menschenwurde und damit des allgemeinen\nPersonlichkeitsrechts ausschließen. Dies ergibt sich aus folgenden\nÜberlegungen: \n--- \n| 51 \n--- \n| Die Voraussetzung der ausdrucklichen schriftlichen Zustimmung in § 119 Abs.\n2 StPO stellt lediglich eine Formvorschrift dar. Materiell kann die Wahrung\nder Menschenwurde und des Personlichkeitsrechts nicht von der Einhaltung\ndieser Form abhangen. \n--- \n| 52 \n--- \n| Das subjektive Empfinden der Beeintrachtigungen durch die\nFreiheitsentziehung sowie die in Frage stehenden Umstande der Unterbringung\nkann individuell sehr unterschiedlich ausfallen: Mag es der Eine als\nunertraglich empfinden, mit einer anderen Person auf engem Raum\n"zusammengeschlossen" zu sein, so wird es der Andere als noch schlimmer\nempfinden, von anderen "weggesperrt" sein. Die Freiheitsentziehung als solche\nschneidet einen Gefangenen bereits weitgehend von Kontakten zur Außenwelt ab\nund beschrankt stark seine Kommunikationsmoglichkeiten. Dies wird durch eine\nEinzelunterbringung noch erheblich gesteigert, denn diese nimmt wahrend des\nAufenthalts im Haftraum (abgesehen von einer bekanntlich nicht unublichen,\naber schwierigen Verstandigung durch Klopfzeichen und Rufe durch das\nZellenfenster) praktisch fast jede Moglichkeit zwischenmenschlicher\nKommunikation. Diese - unter den Bedingungen der Einzelunterbringung nicht\nvermeidbare - Vereinsamung kann je nach individueller Veranlagung als so\nbeeintrachtigend empfunden werden, dass der Betroffene eher bereit ist,\nstattdessen die Unzutraglichkeiten einer Gemeinschaftszelle in Kauf zu nehmen.\nDies wird auch dadurch bestatigt, dass - und zwar sowohl fur die\nUntersuchungshaft in § 119 Abs. 2 StPO als auch fur den Strafvollzug in § 18\nStVollzG - die Moglichkeit der Gemeinschaftsunterbringung gesetzlich bei\nZustimmung eroffnet ist. \n--- \n| 53 \n--- \n| c. Fur die Annahme einer konkludenten Zustimmung des Klagers fehlt es\njedoch an hinreichenden Anhaltspunkten. Soweit das beklagte Land darauf\nverweist, der Klager habe sich zu keiner Zeit uber die Unterbringung\nbeschwert, so steht dem das Anwaltsschreiben vom 14.02.2003 entgegen, mit dem\ndie Unterbringung in einer Einzelzelle, hilfsweise die Unterbringung mit\nseinem Mitbeschuldigten beantragt wurde. Auch darin, dass der Klager\nZellenarbeit akzeptiert hat, ergibt sich keine Zustimmung zur Art seiner\nUnterbringung. Unstreitig war die Arbeitswilligkeit Voraussetzung fur die\nGewahrung von Taschengeld. Unstreitig hat sich der Klager auch erst dann mit\nder Zellenarbeit einverstanden erklart, nachdem ihm die in erster Linie\nangestrebte Zuweisung von Hausarbeit nicht ermoglicht wurde. \n--- \n| 54 \n--- \n| 5\\. Billigkeit \n--- \n| 55 \n--- \n| Eine Geldentschadigung wegen Verletzung des allgemeinen\nPersonlichkeitsrechts kommt nur dann in Betracht, wenn es sich um einen\nschwerwiegenden Eingriff handeln und die Beeintrachtigung nicht in anderer\nWeise ausgeglichen werden kann. Das OLG Celle (StV 2004, 84) hat unter diesem\nGesichtspunkt wegen der kurzen Dauer von zwei Tagen und unter Berucksichtigung\ndes Umstands, dass der Klager "hafterfahren" war, und im Hinblick auf die\nprekare Haushaltslage in Niedersachsen einen Anspruch abgelehnt. Auch vom\nHanseatischen OLG Hamburg (zitiert nach Juris KORE707342002 ) ist ein\nSchmerzensgeldanspruch unter diesem Gesichtspunkt bei einer vorubergehenden\nDoppelbelegung eines Einzelhaftraums abgelehnt worden, da diese auf eine akute\nMangellage an Haftraumen zuruckzufuhren sei und der Vollzugsbehorde nicht\nvorgeworfen werden konne, dass sie eine nachhaltige Beseitigung der Mangellage\nschuldhaft versaumt habe. \n--- \n| 56 \n--- \n| Im vorliegenden Fall liegt allerdings weder eine vergleichbar kurze Dauer\nvor, noch handelt es sich um eine lediglich vorubergehende akute Mangellage,\nauch nicht unter Berucksichtigung des Vortrags der Beklagten, dass infolge der\nBaumaßnahmen in der JVA Bruchsal von dort zusatzlich Untersuchungsgefangene\naufgenommen werden mussten. Denn die hierdurch besonders angespannte Situation\ndauerte nach den Angeben des Zeugen Regierungsdirektor X wahrend der gesamten\nDauer der Haftunterbringung des Klagers an. In Baden-Wurttemberg standen im\nJahre 2003 fur 8604 Gefangene (im Jahresdurchschnitt) zum Jahresanfang 8188,\nzum Jahresende 8368 Haftplatze zur Verfugung (Pressemitteilung des\nJustizministeriums Baden-Wurttemberg vom 19. Marz 2004: "Um den jungsten\nAnforderungen des BVerfG an eine rechtmaßige Unterbringung im Vollzug gerecht\nwerden zu konnen, sind deshalb mindestens 1200 zusatzliche Haftplatze im Land\nnotwendig"). \n--- \n| 57 \n--- \n| Der Umstand, dass der Klager sich - abgesehen von dem durch seinen\nVerteidiger gestellten Antrag vom 14.02.2003 - nach den glaubhaften Angaben\ndes Zeugen X nicht uber die Umstande seiner Unterbringung beschwert und\nunauffallig gefuhrt hat, spricht zwar dafur, dass er diese nicht als\nunertraglich empfunden hat. Andererseits lasst sich nicht ausschließen, dass\ndie Ursache fur seine Zuruckhaltung darin zu suchen ist, dass er die\nErfolgsaussichten von Beschwerden im Vergleich zu den Vorteilen eines\nunauffalligen Verhaltens als gering eingeschatzt und sich nur deshalb gefugt\nhat. Da es um ein zentrales Recht des Klagers und die wesentliche\nVerpflichtung aller staatlichen Gewalt zu Achtung und Schutz der Menschenwurde\ngeht, lasst sich nach Auffassung der Kammer ein schwerwiegender Eingriff in\ndas Personlichkeitsrecht nicht verneinen (vgl. Lesting StV 2003, 571). \n--- \n| 58 \n--- \n| 6\\. Ausschluss nach § 839 Abs. 3 BGB: \n--- \n| 59 \n--- \n| Der Anspruch des Klagers ist jedoch teilweise nach § 839 Abs. 3 BGB\nausgeschlossen, da der Klager es vorsatzlich oder fahrlassig unterlassen hat,\nden Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. \n--- \n| 60 \n--- \n| a. Als Rechtsmittel i.S. dieser Bestimmung sind alle Rechtsbehelfe im\nweitesten Sinne anzusehen, die sich gegen die pflichtwidrige Amtshandlung\nrichten und die Beseitigung oder Berichtigung der Anordnung und zugleich die\nAbwendung des Schadens bezwecken und ermoglichen. Selbst Einwendungen gegen\neine fehlerhafte Auskunft, Hinweise, Dienstaufsichtsbeschwerden und\nGegenvorstellung fallen hierunter, allerdings nicht selbststandige Verfahren,\ndie nicht der Überprufung der beanstandeten Amtshandlung oder dem Tatigwerden\nder Behorden dienen, wie etwa der Antrag auf einstweilige Einstellung der\nZwangsvollstreckung (Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl., § 839 Rdnr. 73). Bedient\nsich der Geschadigte der Tatigkeit von Hilfspersonen, etwa eines Anwalts, so\nmuss er sich deren Verschulden entsprechend §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB\nzurechnen lassen (RGZ 138, 114, 117; OLG Dusseldorf NJW-RR 1992, 1245;\nMK/Papier, BGB, 4. Aufl., § 839 Rdn. 335). \n--- \n| 61 \n--- \n| b. Als zulassige Rechtsbehelfe kamen vorliegend ein bei der Anstaltsleitung\nzu stellender Antrag auf Einzelunterbringung und/oder vor allem die Anrufung\ndes nach § 119 Abs. 6 Satz 1 StPO hierfur zustandigen Haftrichters (vgl. OLG\nStuttgart NStZ-RR 2003, 191) in Frage. \n--- \n| 62 \n--- \n| c. Der Klager hat derartige Rechtsbehelfe (zunachst) bis zum 14.02.2003\nnicht ergriffen. Nach den glaubhaften Angaben des Zeugen Regierungsdirektor X\nenthalt die Gefangenenpersonalakte des Klagers (außer dem Anwaltsschreiben vom\n14.02.2003) keinen auf eine Einzelunterbringung abzielenden Antrag. Der Klager\nhat auch - bis auf seine damit als widerlegt anzusehende in der mundlichen\nVerhandlung vorgebrachte Behauptung, im Januar 2003 einen schriftlichen Antrag\neingereicht zu haben - Antrage auf Einzelunterbringung nicht konkret\ndargelegt. \n--- \n| 63 \n--- \n| d. Diese Untatigkeit ist als schuldhaft im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB\nanzusehen. Das OLG Celle (StV 2004,84) sah zwar ein derartiges Unterlassen als\nnicht schuldhaft an mit der Begrundung, angesichts der unstreitigen\nchronischen Überbelegung der JVA habe ein Antrag auf Einzelunterbringung von\nvornherein als aussichtslos angesehen werden mussen. Hier kann aber nicht von\nvornherein von Aussichtslosigkeit ausgegangen werden, da unstreitig der\ngleichzeitig mit dem Klager in die JVA K. zugefuhrte Mitbeschuldigte auf\nseinen entsprechenden Antrag bereits nach funf Tagen in eine Einzelzelle\nverlegt wurde. Auch dem Klager kann nicht verborgen geblieben sein, dass ein\nTeil der anderen Gefangenen in der JVA nicht gemeinschaftlich untergebracht\nwaren, diese Moglichkeit also nicht ausgeschlossen war. \n--- \n| 64 \n--- \n| e. Hatte der Klager bei seiner Zufuhrung in die JVA K. eine\nEinzelunterbringung beantragt oder sich sogleich gegen die gemeinschaftliche\nUnterbringung - etwa beim zustandigen Haftrichter - beschwert, hatte dies nach\nspatestens einer Woche zum Erfolg gefuhrt. Hiervon ist die Kammer aufgrund der\nZeugenaussage des Anstaltsleiters uberzeugt. Dieser hat angegeben, derartigen\nAntragen, die nur in geringer Zahl gestellt worden seien, habe trotz der im\nfraglichen Zeitraum schwierigen Belegungssituation (im Februar 2003 180\nGefangene bei einer Belegungsfahigkeit von 111) unter Ausnutzung der hohen\nFluktuation in kurzer Zeit entsprochen werden konnen; eine entsprechende\nAnordnung des Haftrichters ware innerhalb weniger Tage, notfalls durch eine\nVerlegung in die Außenstelle der JVA in Rastatt oder in eine andere JVA,\nbefolgt worden. Die Kammer halt dies fur glaubhaft, zumal der Mitbeschuldigte\ndes Klagers, der gleichzeitig mit dem Klager in die JVA K. zugefuhrt wurde und\nseine Einzelunterbringung verlangte, nach funf Tagen einzeln untergebracht\nwurde. Dass dem Antrag des Klagers vom 14.02.2003, obwohl er von einem\nRechtsanwalt gestellt wurde, keine Folge gegeben wurde, ist demgegenuber nach\nden Angaben des Zeugen damit zu erklaren, dass die Zielrichtung dieses Antrags\n- zumal sich der Klager bis dahin und auch weiterhin vollig unauffallig\nverhalten hatte - so eingeschatzt wurde, dass er in erster Linie mit seinem\nMitbeschuldigten zusammengelegt werden wollte, und der Antrag auf\nEinzelunterbringung deshalb nicht ernst genommen wurde. Auch wenn die Kammer\ndiese Einschatzung des Antrags vom 14.02.2003 nach dessen eindeutigem Wortlaut\nnicht teilen kann, erscheint die Erlauterung des Zeugen nachvollziehbar. \n--- \n| 65 \n--- \n| f. Erst mit Schreiben seines Rechtsanwalts vom 14.02.2003 hat der Klager\neine Einzelunterbringung beantragt. Auch wenn entgegen der Ansicht des\nbeklagten Landes dieser Antrag nicht als unbeachtlich angesehen werden kann\n(und zwar auch dann nicht, wenn er als "anwaltlicher Routineantrag" anzusehen\nware), ist es dem Klager bzw. seinem Anwalt, dessen Verschulden er nach § 278\nBGB zu vertreten hat, als Versaumnis anzulasten, nachdem dem Antrag vom\n14.2.2003 keine Folge gegeben wurde, ebenfalls weiter nichts unternommen zu\nhaben. Bereits bei Lekture des Gesetzestextes (§ 119 Abs. 1, 2, 6 StPO) hatte\nauffallen mussen, dass - da die einzige gesetzliche Ausnahme nach § 119 Abs. 2\nS. 3 StPO) nicht vorlag und die Belegungssituation unerheblich ist - eine\ngemeinschaftliche Unterbringung unzulassig war und die JVA selbst im Übrigen\nnach § 119 Abs. 6 StPO jedenfalls fur eine abschlagige Verbescheidung eines\nAntrags auf Einzelunterbringung gar nicht zustandig war. Naheliegenderweise\nhatte daher wenige Tage nach Zugang des Antwortschreibens der JVA vom\n17.02.2003 der Haftrichter angerufen werden mussen. \n--- \n| 66 \n--- \n| g. An dieser Einschatzung vermag der Umstand nichts zu andern, dass die JVA\nden Antrag vom 14.02.2003 wohl von sich aus an den nach § 119 Abs. 6 StPO\nzustandigen Haftrichter hatte weiterleiten mussen. Denn aus der vertrostenden\nMitteilung, bei Änderung der Belegungssituation werde der Klager unverzuglich\neinzeln untergebracht werden, war zu entnehmen, dass eine Vorlage an den\nHaftrichter nicht beabsichtigt war. Auch die Vertrostung auf eine Änderung der\nBelegungssituation selbst lasst die Untatigkeit des Rechtsanwalts nicht als\nunverschuldet erscheinen. Denn weder war klar zu erkennen, was konkret mit\neiner „Änderung der Belegungssituation" gemeint war, noch ob mit einer solchen\nin absehbarer Zeit zu rechnen war. \n--- \n| 67 \n--- \n| h. Eine Anrufung des Haftrichters hatte spatestens bis zum 28.02.2003 die\nEinzelunterbringung des Klagers bewirkt. Bei der klaren Gesetzeslage hatte der\nHaftrichter zweifellos unverzuglich die Einzelunterbringung angeordnet. Eine\nsolche richterliche Anordnung hatte die JVA nach der Zeugenaussage des\nAnstaltsleiters auch so schnell wie irgend moglich befolgt, sodass auch bei\nschwieriger Belegungssituation innerhalb weniger Tage eine Einzelunterbringung\nerfolgt ware. \n--- \n| 68 \n--- \n| i. Es verbleibt daher lediglich eine Haftung des beklagten Landes fur die\nerste Woche der Haft des Klagers in der JVA K. und zwei weitere Wochen ab\n14.02.2003. \n--- \n| 69 \n--- \n| 7\\. Hohe des Anspruchs: \n--- \n| 70 \n--- \n| Die Kammer halt ein Schmerzensgeld in Hohe von 650,00 EUR fur angemessen. \n--- \n| 71 \n--- \n| Die Hohe des Schmerzensgeldes soll zwar dem hohen Stellenwert der\nMenschenwurde und dem verfassungsrechtlich geschutzten Personlichkeitsrecht\ngerecht werden. Andererseits erscheint es angezeigt, durch eine zuruckhaltende\nBemessung des Schmerzensgeldes deutlich zu machen, dass der Klager nicht fur\ndie Unbill des Gefangnisaufenthaltes insgesamt zu entschadigen ist, sondern\nlediglich fur die Umstande, die den Unterschied zwischen einer\nmenschenunwurdigen und einer (gerade noch) menschenwurdigen Haftunterbringung\nausmachen. \n--- \n| 72 \n--- \n| Unter dem Gesichtspunkt der Ausgleichsfunktion kann auch die weitgehende\nPassivitat des Klagers nicht unberucksichtigt bleiben, da sie Zweifel daran\nerweckt, dass er seine Unterbringung als vollig unertraglich empfunden hat. \n--- \n| 73 \n--- \n| Unter dem Gesichtspunkt der Genugtuungsfunktion kann berucksichtigt werden,\ndass bereits das Schmerzensgeldbegehren des Klagers als erstes einer Reihe von\nzahlreichen gleichartigen oder ahnlichen Begehren mit Zutun des Klagers in den\nMedien ein erstaunliches Echo gefunden und mit dazu beigetragen hat, die\npolitische Diskussion uber die Herstellung menschenwurdiger Haftbedingungen zu\nbeleben. \n--- \n| 74 \n--- \n| Unter dem Gesichtspunkt der Genugtuungsfunktion mag es auch genugen, wenn\ndie Rechtswidrigkeit der Unterbringung durch eine eher symbolische\nEntschadigung deutlich gemacht wird. So hat das OLG Celle (StV 2004, 84), das\neinen Schmerzensgeldanspruch wegen der kurzen Dauer und unter Berucksichtigung\ndes Umstands, dass der dortige Klager "hafterfahren" war, bereits mehrfach\ngemeinsam mit anderen Gefangenen in vergleichbaren Haftraumen untergebracht\nwar und im Hinblick auf die prekare Haushaltslage in Niedersachsen abgewiesen\nhat, in einer Hilfserwagung ausgefuhrt, dass allenfalls eine Entschadigung in\nHohe von 50 EUR " - quasi als symbolische Wiedergutmachung -" in Betracht\nkomme. Allerdings konnen sich auch Tagessatze von 50 EUR nach Auffassung der\nKammer zu mehr als symbolischen Betragen summieren. \n--- \n| 75 \n--- \n| Unter dem Gesichtspunkt der Praventivfunktion ist zu berucksichtigen, dass\ndie zustandigen Behorden einschließlich der politischen Entscheidungstrager in\njungster Zeit - wenn auch offenbar erst unter dem Eindruck der Entscheidungen\ndes BVerfG und der nachfolgend ergangenen gerichtlichen Entscheidungen und mit\nerheblicher Verzogerung - fur die Problematik der menschenwurdigen\nHaftunterbringung sensibel geworden sind und nun mit Nachdruck eine deutliche\nSteigerung der Haftplatze durch Neubauten vorantreiben (vgl. Justiz-intern\n1/04; Pressemitteilung des Justizministeriums Baden-Wurttemberg v.\n19.03.2004). \n--- \n| 76 \n--- \n| Es erscheint im Hinblick darauf, dass die vorliegende Klage die erste einer\nReihe von zahlreichen gleichartigen oder ahnlichen Begehren darstellt, auch\nnicht fern liegend, insoweit den Gedanken zu berucksichtigen, dass durch\nzahlreiche Schmerzensgeldanspruche in erheblicher Hohe dem Land die\nnotwendigen Mittel zur Schaffung zusatzlicher Haftplatze entzogen werden\nkonnten. \n--- \n| 77 \n--- \n| An vergleichbaren Fallen aus der Rechtsprechung sind lediglich die des LG\nHannover (StV 2003, 569: 200 EUR fur zwei Tage) und die abandernde\nBerufungsentscheidung des OLG Celle (a.a.O.) ersichtlich. Nicht vergleichbar\nerscheinen dagegen Entscheidungen, bei denen der Ausgleich fur rechtswidrige\nFreiheitsentziehung im Vordergrund stand (LG Bonn NJW-RR 1995, 1492: 15.000 DM\nfur viereinhalb Monate unrechtmaßiger Untersuchungshaft infolge einer\nleichtfertigen Strafanzeige; OLG Munchen zitiert nach Juris KORE570279200 :\n2000 DM fur vier Tage unrechtmaßige Beugehaft; Court of Appeal London zitiert\nnach Juris KORE541489500 : 350 Pfund fur eine 15-jahrigen Jugendlichen wegen\nacht Stunden unrechtmaßigen Polizeigewahrsams mit der Folge andauernder\npsychischer Beeintrachtigungen; LG Munchen NJW-RR 1997, 279: 50 DM fur\nrechtlich nicht notwendigen Polizeigewahrsam - "Munchner Kessel"-). Nicht zum\nVergleich herangezogen werden kann ferner der nach § 5 des allgemeinen\nKriegsfolgengesetzes von der Bundesrepublik zu erfullende\nSchmerzensgeldanspruch fur KZ-Haft bis zu 150 DM monatlich und das nach § 7\nAbs. 3 StrEG zu leistende Schmerzensgeld fur Freiheitsentziehungen von 11 EUR\nje Tag. Es ist anerkannt, dass diese Betrage fur Anspruche aufgrund anderer\nAnspruchsgrundlagen, insbesondere aufgrund § 839 BGB, nicht maßgebend ist\n(vgl. BGH NJW 1963, 1549). \n--- \n| 78 \n--- \n| Der Kammer erscheint eine Bemessung des Schmerzensgeldes nach vollen Wochen\nvorzugswurdig gegenuber einer tageweisen Bemessung. Denn so kann eher dem\nUmstand Rechnung getragen werden, dass nur kurzfristige, vorubergehende\nBeeintrachtigungen nicht schmerzensgeldwurdig erscheinen (vgl. OLG Celle\na.a.O.). Auch erscheint es angemessen, durch eine leichte Staffelung einem bei\nlangerer Dauer eintretenden Gewohnungs- und Abstumpfungseffekt Rechnung zu\ntragen. \n--- \n| 79 \n--- \n| Unter Berucksichtigung aller dieser Umstande erscheint es angemessen, fur\ndie erste Woche 250,00 EUR und fur die spateren Zeiten 200,00 EUR je Woche,\ninsgesamt also 650,00 EUR zuzusprechen. \n--- \n| 80 \n--- \n| 8\\. Art. 5 Abs. 5 MRK i.V.m. § 253 Abs. 1 BGB \n--- \n| 81 \n--- \n| Der Klager hat keinen weiter gehenden Anspruch aufgrund Art. 5 Abs. 5 der\nEuropaischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten\n(MRK). \n--- \n| 82 \n--- \n| a. Art. 5 der MRK lautet: \n--- \n| 83 \n--- \n| (1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit\ndarf nur in den folgenden Fallen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene\nWeise entzogen werden: \n--- \n| 84 \n--- \n| a) rechtmaßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zustandiges\nGericht; \n--- \n| 85 \n--- \n| c) rechtmaßige Festnahme oder Freiheitsentziehung zur Vorfuhrung vor die\nzustandige Gerichtsbehorde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die\nbetreffende Person eine Straftat begangen hat oder wenn begrundeter Anlass zu\nder Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat\noder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern; \n--- \n| 86 \n--- \n| (2) Jeder festgenommenen Person muss unverzuglich in einer ihr\nverstandlichen Sprache mitgeteilt werden, welches die Grunde fur ihre\nFestnahme sind, und welche Beschuldigungen gegen sie erhoben werden. \n--- \n| 87 \n--- \n| (3) Jede Person, die nach Absatz 1 Buchstabe c) von Festnahme oder\nFreiheitsentziehung betroffen ist, muss unverzuglich einem Richter...\nvorgefuhrt werden; sie hat Anspruch auf ein Urteil innerhalb angemessener\nFrist oder auf Entlassung wahrend des Verfahrens... \n--- \n| 88 \n--- \n| (4) Jede Person, die festgenommen oder der die Freiheit entzogen ist, hat\ndas Recht zu beantragen, dass ein Gericht innerhalb kurzer Frist uber die\nRechtmaßigkeit der Freiheitsentziehung entscheidet... \n--- \n| 89 \n--- \n| (5) Jede Person, die unter Verletzung dieses Artikels von Festnahme oder\nFreiheitsentziehung betroffen ist, hat Anspruch auf Schadensersatz. \n--- \n| 90 \n--- \n| b. Die Vorschrift ist innerstaatlich geltendes Recht im Range eines\neinfachen Gesetzes. Art. 5 Abs. 5 MRK gewahrt dem Betroffenen einen\nunmittelbaren Schadensersatzanspruch, wenn seine Freiheit entgegen Art. 1 Abs.\n1 MRK beschrankt wurde (BGHZ 45, 46; 122, 268). Dieser Anspruch umfasst auch\nden Ersatz immateriellen Schadens, da es sich bei Art. 5 MRK um ein Gesetz im\nSinne von § 253 Abs. 1 BGB handelt (BGHZ 122, 268). Der Anspruch ist\nunabhangig von den Voraussetzungen des § 839 BGB, insbesondere\nverschuldensunabhangig (BGH a. a. O.). \n--- \n| 91 \n--- \n| c. Die Garantien des Art. 5 MRK beziehen sich allerdings nur auf die\nFreiheitsentziehung als solche, nicht auf die Modalitaten des Vollzuges der\nUntersuchungs- oder Strafhaft (BGHZ 122, 268). Daher ergeben sich aus ihr\nkeine Rechte von verhafteten Personen in Bezug auf ihre Behandlung in der\nHaft. Die Umstande des Vollzuges konnen aber die Rechtmaßigkeit der Haft in\nFrage stellen. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BGH (a. a. O.) jedenfalls\nin Fallen, in denen die im Vollzug zur Verfugung stehenden Fursorgemittel\nnicht ausreichen, um von der Haft ausgehende Gesundheitsbeeintrachtigungen\nabzuwenden; da damit die Vollzugstauglichkeit zur Voraussetzung fur die\nRechtmaßigkeit der Haft wird, hat der BGH (a. a. O.) bei Mangel der\nVollzugstauglichkeit den Vollzug insgesamt als rechtswidrig angesehen und\neinen Anspruch nach Art. 5 Abs. 5 MRK bejaht. \n--- \n| 92 \n--- \n| Im vorliegenden Fall erscheinen jedoch lediglich die Modalitaten der\nHaftunterbringung rechtswidrig, nicht die Haft als solche. Denn der Klager\nstellt nicht in Frage, dass er auf Grund eines in rechtmaßigem Verfahren\nergangenen Haftbefehls inhaftiert wurde. Die Umstande seiner\nHaftunterbringung, die diese als rechtswidrig und menschenunwurdig erscheinen\nlassen, waren durch einfache Maßnahmen behebbar: durch die Verlegung des\nKlagers in eine Einzelzelle oder die seines Mitgefangenen in einen anderen\nHaftraum ware die Rechtswidrigkeit, durch die Verlegung beider in einen\ngeraumigeren Haftraum mit abgetrennter Toilette wohl zumindest die Verletzung\nder Menschenwurde entfallen. Die zu beanstandenden Umstande konnen daher -\nanders als bei Missachtung einer Vollzugsuntauglichkeit - nicht dazu fuhren,\ndie Haft als von vornherein rechtswidrig anzusehen. \n--- \n| 93 \n--- \n| Ob § 839 Abs. 3 BGB oder § 254 BGB - der ebenfalls gebieten kann, einen\nbelastenden hoheitlichen Akt durch geeignete Rechtsbehelfe abzuwehren (BGHZ\n90, 17,31) - auf einen Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 MRK anwendbar sind (offen\ngelassen in BGHZ 122, 268), muss daher nicht entschieden werden. \n--- \n| 94 \n--- \n| 9\\. Art. 3 MRK \n--- \n| 95 \n--- \n| Auch auf Art. 3 MRK kann ein weiter gehender Anspruch nicht gestutzt\nwerden. \n--- \n| 96 \n--- \n| a. Art. 3 MRK lautet: \n--- \n| 97 \n--- \n| Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder\nBehandlung unterworfen werden. \n--- \n| 98 \n--- \n| b. Über die in dieser Vorschrift enthaltene Unterlassungspflicht hinaus\nerwachsen dem Staat aus ihr auch Gewahrleistungspflichten: er muss\ninnerstaatlich sicherstellen, dass alle seine Organe das Verbot der Folter und\nder unmenschlichen Behandlung beachten. Dies erfordert vor allem einen\nausreichenden Strafrechtsschutz, laufende Kontrollen der staatlichen Organe\nund tatkraftiges Einschreiten gegen bekannt gewordene Verstoße sowie effektive\nRechtsbehelfe fur Betroffene; dazu wird auch die Verpflichtung gezahlt, im\ninnerstaatlichen Recht einen Anspruch auf Entschadigung vorzusehen (Gollwitzer\nin: Lowe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., MRK Art. 3 Rdnr. 11). \n--- \n| 99 \n--- \n| c. Im Gegensatz zu Art. 5 MRK, der in seinem Abs. 5 selbst einen\nEntschadigungsanspruch gewahrt, ergibt sich ein solcher demnach nicht\nunmittelbar aus Art. 3 MRK. Die Vorschrift enthalt daher selbst keine\nAnspruchsgrundlage. \n--- \n| 100 \n--- \n| d. Mit dem Anspruch aus §§ 839, 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG enthalt\ndas deutsche Recht jedoch eine Anspruchsgrundlage fur einen\nEntschadigungsanspruch. Dass eine Einschrankung des Entschadigungsanspruchs\nbei schuldhafter Versaumung eines Rechtsmittels (§ 839 Abs.3 BGB) bei einem\nVerstoß gegen Art. 3 MRK unzulassig ware, lasst sich der Vorschrift nicht\nentnehmen. \n--- \n| 101 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch uber die\nVollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO. \n---\n\n
140,034
lg-freiburg-2004-07-22-10-t-504
131
Landgericht Freiburg
lg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
10 T 5/04
2004-07-22
2019-01-07 14:47:35
2019-01-17 12:00:13
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts -\nRegistergerichts - Freiburg vom 15.04.2004 dahin geandert, dass nach\n\n> > „Die Gesellschaft hat einen alleinvertretungsberechtigten Geschaftsfuhrer\n> (Director)"\n\neinzutragen ist:\n\n> > „Er ist von den Beschrankungen des § 181 BGB befreit"\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Antragstellerin ist eine beschrankt haftende Kapitalgesellschaft\nenglischen Rechts (Limited), die mit der deutschen GmbH vergleichbar ist. Sie\nwurde am 2.10.2003 gegrundet und am gleichen Tag in das Handelsregister in\nCardiff eingetragen. Mit Gesellschafterbeschluss vom 29.11.2003 hat die\nAntragstellerin ihren alleinigen Geschaftsfuhrer von den Beschrankungen des §\n181 BGB befreit. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Antragstellerin hat in S./Baden eine Zweigniederlassung gegrundet und\ndiese zur Eintragung ins Handelsregister angemeldet. Das Registergericht hat\ndurch die angefochtene Entscheidung die Eintragung der Zweigniederlassung\nverfugt, jedoch den Eintrag der Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens\nabgelehnt und - nach Einlegung der Beschwerde der Antragstellerin - die\nAblehnung durch den Nichtabhilfebeschluss vom 25.5.2004 bekraftigt. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Das Amtsgericht hat zur Begrundung vor allem ausgefuhrt, das englische\nRecht kenne das Verbot des Selbstkontrahierens nicht, demgemaß auch nicht die\nBefreiung von diesem Verbot. Im Register der Zweitniederlassung wurden daher -\nim Falle der Eintragung - Tatsachen verlautbart, die nicht im Register der\nHauptniederlassung aufgefuhrt sind. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat Erfolg. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Kammer vermag der Argumentation des Amtsgerichts nicht zu folgen: \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Dass eine im EG-Ausland formgultig gegrundete Gesellschaft inlandische\nZweigniederlassungen grunden kann, ist inzwischen anerkannten Rechts (EuGH NJW\n2002, 3614 ff; BGH NJW 2003,1461; Kogel, Rechtspfleger 2004, 325 ff.; Ulmer,\nNJW 2004, 1201 ff., Wachter, MDR 2004, 611; Graf von Bernstorff, RIW 2004, 498\nff). \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Nach der hierfur maßgeblichen Bestimmung des § 13 e HGB sind gemaß Abs. 2\nZiff. 3 u.a. die Vertretungsverhaltnisse in das Handelsregister am Sitz der\nZweigniederlassung einzutragen, wobei allerdings hervorzuheben ist, dass die\nRegistereintragung der Zweigniederlassung einer auslandischen Gesellschaft\nnicht konstitutiv wirkt, sondern nur eine - auf den Errichtungsvorgang im\nAusland hinweisende - deklaratorische Bedeutung hat (OLG Dusseldorf,\nRechtspfleger, 1999, 101; KG FGPrax 2004, 45; Ensthaler/Achilles, § 13 d HGB\nRdn. 5). \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Zu den eintragungspflichtigen Angaben uber die Vertretungsverhaltnisse\ngehort nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofes in BGHZ 87,\n59 ff, 63 auch die Gestattung der Insichgeschafte. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Vertretungsverhaltnisse einer auslandischen Gesellschaft bestimmen sich\n- auch hinsichtlich der inlandischen Niederlassung - nach deren\nPersonalstatut. Das Personalstatut regelt, welche Organe die auslandische\njuristische Person hat und welche Befugnisse diesen nach innen und außen\nzukommen (BayObLG 1985, 272, 277; Ensthaler/Achilles, § 13 d HGB Rdn.6). Es\ngilt insoweit der alte germanische Rechtsgrundsatz „leges ossibus inhaerent"\n(„die Gesetze haften in den Knochen"), der letztlich besagt, dass sich die\nPersonenrechte, vornehmlich die Rechte der naturlichen Personen (bedeutsam vor\nallem im Familien- und Erbrecht), aber auch - wie vorliegend - die Rechte\njuristischer Personen nach ihrem Geburtsrecht bzw. Grundungsrecht richten. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Zum - vom inlandischen Registergericht zu beachtenden - Personalstatut der\nAntragstellerin gehort auch das fur diese insoweit maßgebliche englische\nRecht, das eine Selbstkontrahierung nicht verbietet mit der Folge, dass dem\nalleinigen Geschaftsfuhrer einer Limited, auch ohne eine entsprechende\nSatzungsbestimmung, das Selbstkontrahieren erlaubt ist. Dies ergibt sich\nbereits aus dem Gesetz selbst, sodass es nach Auffassung der Kammer dafur\neiner Bestimmung der Gesellschaft gar nicht bedarf. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Der gegen die Zulassigkeit der begehrten Eintragung erhobene Einwand des\nRegistergerichts, eine Eintragung der Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot\nins inlandische Handelsregister wurde etwas verlautbaren, was im Register der\nHauptniederlassung nicht aufgefuhrt worden sei, greift nicht durch. Dass eine\nsolche Befreiung im Register der Hauptniederlassung nicht eingetragen ist,\nfolgt daraus, dass es nach dem maßgeblichen Recht des Personalstatuts der\nAntragstellerin kein Verbot der Selbstkontrahierung gibt und demgemaß auch\nkein Raum ist fur die Eintragung einer Befreiung von einem solchen Verbot in\ndas Register der Hauptniederlassung. Daraus lasst sich aber nicht folgern,\ndass der begehrte Eintrag im inlandischen Handelsregister unzulassig ist, Im\nGegenteil. Wenn das inlandische Handelsregister die Vertretungsverhaltnisse\nauszuweisen hat, zu denen - wie bereits oben dargelegt - die Frage der\nZulassigkeit der Selbstkontraktion gehort, so gehort der Hinweis auf die\nZulassigkeit der Selbstkontraktion zum notwendigen Inhalt des inlandischen\nHandelsregisters. Dieses weist damit nichts aus, was uber dasjenige\nhinausgeht, was nach dem maßgeblichen Personalstatut der Antragstellerin auch\nohne Eintragung ins Register der Hauptniederlassung ohnehin Geltung hat. Ein\nsolcher Eintrag hat daher der Sache nach keine konstitutive Wirkung, sondern\nist nur ein deklaratorischer Hinweis gegebene Rechtslage. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Soweit ersichtlich, ist die Frage Zulassigkeit der hier streitigen\nEintragung bislang nirgendwo erortert worden. Wachter, geht in seinem\numfangreichen Aufsatz uber die „Handelsregisteranmeldung der inlandischen\nZweigniederlassung einer englischen Private Limited Company" (MDR 2004, 611,\n613) ersichtlich mit Selbstverstandlichkeit davon aus, dass fur die\ninlandische Handelsregisteranmeldung auch „die Befreiung von § 181 BGB oder\neiner vergleichbaren Vorschrift des auslandischen Rechts" anzugeben ist. Und\nin der Rechtswirklichkeit wird - wie eine uber das Internet vorgenommene\nstichprobenweise Prufung von neueren Eintragen uber Zweigniederlassungen von\nLimiteds in deutschen Handelsregistern ergeben hat - ersichtlich ohne weiteres\nvon der Zulassigkeit solcher Eintragungen ausgegangen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Dies ist auch interessengerecht. Das nach deutschem Recht in § 181 BGB\nformulierte Verbot der Selbstkontrahierung schutzt nicht nur die Interessen\nder Gesellschaft, sondern auch den Rechtsverkehr und damit zugleich die\nGlaubiger der Gesellschaft. Die Eintragung der Befreiung vom Verbot der\nSelbstkontrahierung im Handelsregister hat demgemaß auch eine Warnfunktion fur\nden Rechtsverkehr. Sie soll auf die Gefahr hinweisen, dass Vermogen zwischen\nGesellschaft und Gesellschafter verlagert und die rechtliche Zuordnung bewusst\nunklar gehalten werden kann (BGHZ 87, 58, 62). \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Dass der Eintrag im inlandischen Handelsregister in der Form der Befreiung\nvom Verbot des § 181 BGB gefasst ist, entbehrt zwar nicht einer gewissen\nUnlogik, weil mangels eines Verbots eine Befreiung von diesem an sich nicht\nmoglich ist, ist aber sachgerecht, weil es fur den vom inlandischen\nRechtsverstandnis gepragten Rechtsverkehr die rechtliche Situation mit den\nublichen Worten am besten umschreibt. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Nach allem konnte die angefochtene Entscheidung daher keinen Bestand haben. \n--- \n---\n\n
140,056
olgstut-2004-07-28-20-u-504
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
20 U 5/04
2004-07-28
2019-01-07 14:47:46
2019-02-12 12:19:40
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Kammer fur\nHandelssachen des Landgerichts Heilbronn (23 O 75/03 KfH) vom 5. Februar 2004\nabgeandert:\n\nDie Klage wird insgesamt abgewiesen.\n\n2\\. Der Klager tragt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszugen.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Der Klager kann die vorlaufige\nVollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Hohe von 110 % des\ninsgesamt vollstreckbaren Betrages, es sei denn, die Beklagte leistet vor\nVollstreckung Sicherheit in Hohe von 110 % des jeweils beizutreibenden\nBetrages.\n\nStreitwert der Berufung: 50.000,- EUR\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Parteien streiten um die Anfechtung bzw. Feststellung der Nichtigkeit\neines Hauptversammlungsbeschlusses. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Beklagte ist eine KGaA, die zu Beginn des Rechtsstreits als G.\nfirmierte; der Klager ist einer der Kommanditaktionare. In der\nHauptversammlung der Beklagten vom 16. April 2003 wurden unter Punkt 7\nSatzungsanderungen zu den §§ 7 bis 10 beschlossen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Gegen diese Änderungen wendet sich der Klager mit seiner am 16. Mai 2003\nbeim Landgericht Heilbronn per Telefax eingegangenen Klage; in der\nKlageschrift ist bei keinem der benannten Aufsichtsratsmitglieder eine\nvollstandige Anschrift angegeben. Die Klage wurde dem personlich haftenden\nGesellschafter am 7. Juni 2003 zugestellt. Nachdem der Klager die Anschrift\neines Mitglieds des Aufsichtsrats mit Schriftsatz vom 31. Juli 2003\nnachgereicht hatte, wurde die Klageschrift diesem am 25. Oktober 2003\nzugestellt. \n--- \n| 4 \n--- \n| § 8 der Satzung regelt die Vergutung der personlich haftenden\nGesellschafterin. In Absatz 2 der Neuregelung - nur dieser Teil der\nSatzungsanderung ist Gegenstand des Berufungsverfahrens - heißt es: \n--- \n| 5 \n--- \n| „Ein Abschlag auf diese Vergutung wird zum Anfang des Geschaftsjahres in\nHohe von 80 % des voraussichtlichen Vergutungsanspruches zur Auszahlung\nfallig. Die Restvergutung wird mit der Feststellung des Jahresabschlusses\neines jeden Geschaftsjahres fallig". \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Klager halt die Neuregelung des § 8 Abs. 2 der Satzung fur unzulassig,\nda die Abschlagsregelung rechtlich gesehen eine Kreditgewahrung sei, uber die\nder Aufsichtsrat und nicht die Hauptversammlung zu entscheiden habe. Es\nhandele sich formal um eine Kompetenzuberschreitung und inhaltlich um einen\ndurch nichts zu rechtfertigenden ungesicherten Kredit. \n--- \n| 7 \n--- \n| Im ersten Rechtszug hat der Klager beantragt, \n--- \n| 8 \n--- \n| den Beschluss der Hauptversammlung der G. KGaA vom 16. April 2003 zum\nTagesordnungspunkt 7, betreffend den Wechsel des Komplementars und\nSatzungsanderung, fur nichtig zu erklaren, bzw. die Nichtigkeit festzustellen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Beklagte hat beantragt, \n--- \n| 10 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Das Landgericht hat der Klage, soweit sie Gegenstand des\nBerufungsverfahrens ist, stattgegeben und die Nichtigkeit der Satzungsanderung\nin § 8 Abs. 2 festgestellt. Auf die tatsachlichen Feststellungen in dem\nangefochtenen Urteil wird Bezug genommen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, die sie im Wesentlichen\ndarauf stutzt, dass es sich nicht um eine Kompetenzuberschreitung handele und\ndass die Regelung durch die Hauptversammlung das Strukturbild einer KGaA nicht\nverletze. Es handele sich auch nicht um eine Kreditgewahrung, sondern um die\nFestlegung des Falligkeitszeitpunktes. In der Branche der Beklagten sei es\ndaruber hinaus ublich, dass die Vergutung im Voraus bezahlt werde. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 14 \n--- \n| unter Abanderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 16 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Klager begrundet seinen Antrag auf Zuruckweisung der Berufung im\nWesentlichen mit den Argumenten aus dem ersten Rechtszug. \n--- \n| 18 \n--- \n| Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die vorgelegten\nSchriftsatze nebst Anlagen Bezug genommen. \n--- \nII. \n--- \n| 19 \n--- \n| A. Die form- und fristgerecht eingelegte und mit einer Begrundung versehene\nBerufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Der Beschluss der\nHauptversammlung der Beklagten zur Änderung der Satzung in § 8 Abs. 2 kann vom\nKlager aus formellen Grunden nicht mit der Anfechtungsklage angegriffen\nwerden, weil diese in der richtigen Form zu spat erhoben wurde. Die\nordnungsgemaß erhobene Nichtigkeitsklage bleibt dagegen in der Sache ohne\nErfolg. \n--- \n| 20 \n--- \n| 1\\. Die Klage, mit welcher der Klager den Beschluss der Hauptversammlung\nzur Überprufung stellt, ohne sich darauf festzulegen, ob er die Feststellung\nder Nichtigkeit gem. §§ 278 Abs. 3, 241 AktG oder die Anfechtung des\nBeschlusses gem. §§ 278 Abs. 3, 243 AktG anstrebt, ist zulassig. Das Gericht\nhat Nichtigkeits- und Anfechtungsgrunde wegen Identitat der Rechtsschutzziele\ngleichermaßen zu prufen (BGHZ 134, 364; BGH ZIP 1999, 580; Huffer Kommentar\nzum AktG, 6. Auflage, § 246 Rn 12 ff.). \n--- \n| 21 \n--- \n| 2\\. Die Anfechtungsklage scheitert, wie das Landgericht im klagabweisenden\nTeil seiner Entscheidung zu Recht festgestellt hat, daran, dass der Klager die\nAusschlussfrist des § 246 AktG nicht eingehalten hat. Die Klageerhebung i.S.d.\n§ 246 Abs. 1 AktG setzt die Zustellung der Klage gem. § 253 Abs. 1 ZPO voraus\n(ganz h.M. vgl. nur Huffer Kommentar zum AktG, 6. Auflage, § 246 Rn 23). Der\nKlager hat zwar die Klage am 16. Mai 2003, gem. §§ 187, 188 BGB dem letzten\nTag der Frist, per Telefax beim Gericht eingereicht, hat aber nicht die\nAdresse wenigstens eines der Aufsichtsratsmitglieder angegeben; das ware wegen\nder Doppelvertretung nach § 246 Abs. 2 Satz 2 AktG zwingend erforderlich\ngewesen. Eine alsbaldige Zustellung i.S.d. § 167 ZPO fand nicht statt, sie\nscheiterte an dem Versaumnis des Klagers. \n--- \n| 22 \n--- \n| Auf die vom Klager problematisierte Frage, ob sich die Beklagte auf die\nFristversaumung berufen durfe, wenn sie die Anschriften nicht bekannt gebe,\nkommt es in diesem Rechtsstreit deswegen nicht an, weil der Klager die\nAnschrift zumindest eines Aufsichtsratsmitglieds, welche fur die Zustellung\ngereicht hatte, auf Nachfrage des Gerichts mitgeteilt hat. Er tragt zwar vor,\ndass er die Anschrift wegen des Verhaltens der Beklagten selbst habe ermitteln\nmussen, was nicht ganz leicht gewesen sei. Er tragt aber nicht vor, dass und\nggf. warum es ihm wahrend des Laufes der Klagefrist nicht moglich gewesen sei,\ndie Anschrift zu ermitteln und mitzuteilen. Offenbar hat sich der Klager\nuberhaupt erst nach Klagerhebung und Hinweis um die Anschrift bemuht. Daher\nfehlt es am Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen unterlassener Mitwirkung\nder Beklagten und dem spaten Vortrag des Klagers. \n--- \n| 23 \n--- \n| 3\\. Die nicht an die Monatsfrist gebundene, rechtzeitig erhobene\nNichtigkeitsklage bleibt in der Sache ohne Erfolg. \n--- \n| 24 \n--- \n| Einer der in § 241 Satz 1, Satz 2 Nr. 1, 2 und 4 AktG aufgezahlten\nNichtigkeitsgrunde liegt nicht vor. \n--- \n| 25 \n--- \n| Nichtig ist die Satzungsanderung auch nicht gem. § 241 Satz 2 Nr. 3 AktG.\nDiese Vorschrift ist nicht einschlagig, weil der Beschluss der\nHauptversammlung keinen Kredit i.S.d. § 89 AktG gewahrt und damit auch nicht\ndie Kompetenz des Aufsichtsrats verletzt. Die zwischen den Parteien\numstrittene Frage, ob eine Kompetenzuberschreitung unter § 241 Satz 2 Nr. 3\nAktG zu subsumieren ware, kann daher hier dahingestellt bleiben. \n--- \n| 26 \n--- \n| a) Vieles spricht dafur, dass eine Kompetenzuberschreitung der\nHauptversammlung unter § 241 Satz 2 Nr. 3 AktG zu subsumieren ware. Die ganz\nh.M. in der Literatur bejaht bei einer Kompetenzuberschreitung, welche die im\noffentlichen Interesse vorgegebene Struktur einer Gesellschaft verletzt, die\nNichtigkeit (Huffer in Munchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage, § 241 Rn 62;\nZollner in Kolner Kommentar zum AktG § 241 Rn 117; Henn, Handbuch des\nAktienrechts, Rn 967; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, 3. Auflage, §\n16 Rn 134). Der Bundesgerichtshof hat die Frage der Nichtigkeit wegen\nKompetenzuberschreitung wiederholt ausdrucklich offengelassen, weil sie\njeweils nicht entscheidungsrelevant war (BGHZ 99, 211; BGH NJW 1988, 260).\nEntscheidungsrelevant ist sie auch hier nicht. \n--- \n| 27 \n--- \n| b) Eine Kompetenzuberschreitung liegt deswegen nicht vor, weil die Satzung\nin § 8 Abs. 2 selbst keine Kreditgewahrung vornimmt. Bei der angegriffenen\nSatzungsanderung in § 8 Abs. 2 handelt es sich um eine Regelung, die eine\nKreditgewahrung i.S.d. § 89 AktG ermoglicht, eine solche aber nicht selbst zum\nInhalt hat. \n--- \n| 28 \n--- \n| aa) Rechtsprechung und Literatur sind sich daruber einig, dass § 89 AktG\nweit auszulegen ist und nicht nur Darlehen im Sinne des § 488 BGB unter diese\nVorschrift zu subsumieren sind (BGH AG 1991, 398; Huffer Kommentar zum AktG,\n6. Auflage, § 89 Rn 2; Hefermehl/Spindler in Munchener Kommentar zum AktG, 2.\nAuflage, § 89 Rn 8 f.). Der Schutzzweck der Norm gebietet die weite Auslegung.\nDer Aufsichtsrat soll alle Zahlungen kontrollieren, auf die der personlich\nhaftende Gesellschafter zum Zeitpunkt der Auszahlung keinen Anspruch hat. Zur\nErreichung dieses Schutzzwecks macht es keinen Unterschied, ob die Leistung\nspater zuruckzuzahlen oder unter bestimmten Bedingungen zu verrechnen ist. \n--- \n| 29 \n--- \n| bb) Die Hauptversammlung hat die Kompetenz, eine Vergutung fest oder\nerfolgsabhangig auszugestalten; sie hat die Kompetenz, die Hohe der Vergutung\nund den Zeitpunkt der Falligkeit generell festzulegen. Diese Festsetzungen\ndurch Beschluss der Hauptversammlung stellen - entgegen der Rechtsansicht des\nKlagers - auch dann keine Kreditgewahrung i.S.d. § 89 AktG dar, wenn sie zu\neiner Vorleistung der Gesellschaft fuhren. Eine solche Vorleistung kann\nmoglicherweise die Anfechtbarkeit des Beschlusses begrunden; diese ist hier\naber aus den oben dargestellten formalen Grunden nicht zu prufen. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Frage, ob die Festsetzung der Hohe einer Vergutung ausnahmsweise auch\ndie Nichtigkeit des Beschlusses begrunden kann, ist hier nicht zu beantworten.\nEine ungewohnlich und zugleich unzulassig hohe Vergutung ist nicht ersichtlich\nund wird auch vom Klager nicht behauptet. \n--- \n| 31 \n--- \n| cc) Die Hauptversammlung hat ihre Kompetenzen mit der angegriffenen\nRegelung des § 8 Abs. 2 der Satzung nicht uberschritten. Auch die Prufung der\nKompetenz setzt eine gewisse Inhaltsprufung des Beschlusses voraus (vgl.\nZollner in Kolner Kommentar zum AktG, § 241 Rn 117). Gepruft wird zwar nicht,\nob die Entscheidung in der Sache zulassig ist, zu prufen ist aber, ob die\nHauptversammlung die Kompetenz hatte, gerade eine solche Entscheidung zu\ntreffen. Fur die Frage der Kompetenz kommt es darauf an, ob die zu\nuberprufende Regelung eine Einzelfallentscheidung uber einen Kredit oder eine\ngenerelle Regelung uber den Falligkeitszeitpunkt einer Zahlung zum Inhalt hat. \n--- \n| 32 \n--- \n| (1) Unproblematisch ware der hier nicht zu entscheidende Fall, dass der\npersonlich haftende Gesellschafter eine feste Vergutung erhielte. Mit der\nFestsetzung von Hohe und Zeitpunkt der Falligkeit der Vergutung erwirbt der\npersonlich haftende Gesellschafter einen nach Grund und Hohe feststehenden\nAnspruch zu einem festgelegten Zeitpunkt. Unabhangig davon, ob die\nGesellschaft mit der Zahlung oder der personlich haftende Gesellschafter mit\nder Tatigkeit vorzuleisten hat, besteht jedenfalls ein falliger\nZahlungsanspruch zu einem festgelegten Termin. Das hat mit einem Kredit i.S.d.\n§ 89 AktG nichts zu tun. Die Kompetenz fur eine derartige Festlegung hat die\nHauptversammlung. \n--- \n| 33 \n--- \n| (2) Unproblematisch - mit dem umgekehrten Ergebnis - ware auch die\nRechtslage bei einer AG, bei der sich der Falligkeitszeitpunkt der Vergutung\ndes Vorstandes aus dem Anstellungsvertrag ergibt. Eine Vorverlegung der\nFalligkeit geschieht dort entweder durch Änderung des Anstellungsvertrages\noder durch Kreditgewahrung. Unabhangig davon, ob ein Kredit im Einzelfall oder\nfur alle zukunftigen Jahre gewahrt wird, muss daruber der Aufsichtsrat\nentscheiden. Eine Satzungsanderung durch die Hauptversammlung wurde daran\nnichts andern. \n--- \n| 34 \n--- \n| (3) Die hier relevante Besonderheit der KGaA besteht darin, dass es bei\ndieser keinen Vorstand mit Anstellungsvertrag gibt. Rechtsgrundlage fur die\nVergutung des personlich haftenden Gesellschafters ist unmittelbar die\nSatzung. Verlegt die Hauptversammlung durch Satzungsanderung den Zeitpunkt der\nFalligkeit einer festen Vergutung vor, handelt es sich auch in diesem Fall\nnicht um eine Kreditgewahrung i.S.d. § 89 AktG, weil der personlich haftende\nGesellschafter einen Anspruch auf die Vergutung zum festgesetzten Zeitpunkt\nerhalt. Die Vorverlegung des Falligkeitszeitpunktes, zu dem der personlich\nhaftende Gesellschafter eine variable Vergutung erhalten soll, ist indes nicht\nohne weiteres moglich. Die Vergutung, von welcher der personlich haftende\nGesellschafter nach § 8 Abs. 2 einen Teil schon zu Beginn jedes\nGeschaftsjahres bekommen soll, errechnet sich nach § 8 Abs. 1 als Bruchteil\n„des Eigenkapitals der Gesellschaft am Ende des Geschaftsjahres". Weil das\nEigenkapital i.S.d. §§ 266 Abs. 3, 272 HGB erst am Ende des Geschaftsjahres in\nder Bilanz festgestellt wird, entsteht auch der Vergutungsanspruch erst mit\nder Feststellung der Bilanz; vorher kann er nicht fallig sein. Wird eine\nLeistungspflicht vor Entstehen der Forderung und damit vor Falligkeit\nvereinbart, handelt es sich um eine Vorausleistung (vgl. Hefermehl/Spindler\naaO Rn 14). \n--- \n| 35 \n--- \n| Ohne eine Festlegung in der Satzung ist die Vergutung erst dann fallig,\nwenn der Anspruch nicht nur dem Grunde nach besteht, sondern sich auch der\nHohe nach konkretisiert hat, weil ein Anspruch nicht fallig sein kann, solange\nseine Hohe nicht feststeht. Auch im Falle einer vereinbarten\nLeistungsbestimmung nach § 315 BGB wird der Zahlungsanspruch des Glaubigers\nerst dann fallig, wenn die Leistungsbestimmung erfolgt ist (BGH NJW 1996,\n1054). Solange der zu zahlende Betrag nicht feststeht, weiß weder der\nGlaubiger, was er zu fordern, noch der Schuldner, was er zu leisten hat. \n--- \n| 36 \n--- \n| dd) Weil die Falligkeit nicht vorverlagert werden kann, solange der\nAnspruch nicht nach Grund und Hohe entstanden ist, ist der angegriffene\nBeschluss der Hauptversammlung nicht als generelle Festlegung des\nFalligkeitszeitpunktes zu qualifizieren. Das bedeutet jedoch nicht, dass die\nHauptversammlung dem personlich haftenden Gesellschafter nicht neben dem\nspater entstehenden, zunachst der Hohe nach noch offenen Anspruch einen\nzweiten Vergutungsanspruch zubilligen kann, der spater mit dem variablen zu\nverrechnen ist. \n--- \n| 37 \n--- \n| Unproblematisch ware die Gewahrung der zweiten (Abschlags-)Vergutung aber\nwiederum nur dann, wenn diese auch der Hohe nach von der Hauptversammlung\nfestgesetzt wurde. Bekommt namlich der personlich haftende Gesellschafter am\nAnfang des Jahres einen festen Betrag, der mit der spater feststehenden\nVergutung zu verrechnen ist, kann zwar der Fall eintreten, dass der personlich\nhaftende Gesellschafter einen Teil des Abschlags zuruckzahlen muss. Es handelt\nsich dann aber nicht um einen Kredit i.S.d. § 89 AktG, weil der personlich\nhaftende Gesellschafter einen Anspruch auf den Festbetrag bereits zu Beginn\ndes Jahres hatte. Die Kompetenz der Hauptversammlung fur eine solche Regelung\nbesteht, ohne dass § 89 AktG tangiert ware. Umgekehrt hatte der Aufsichtsrat\nkeine Kompetenz, eine solche Regelung zu beschließen. \n--- \n| 38 \n--- \n| Nicht abschließend geregelt ist die Gewahrung einer Abschlagszahlung durch\nSatzungsanderung jedoch dann, wenn die Abschlagszahlung der Hohe nach von der\nHauptversammlung nicht festgesetzt wird. In diesem Fall besteht erneut das\nProblem, dass ein Anspruch zu einem bestimmten Zeitpunkt fallig sein soll,\nobwohl er der Hohe nach nicht feststeht. Die angegriffene Satzungsanderung der\nBeklagten lasst offen, auf welche Vergutung der personlich haftende\nGesellschafter zu Beginn des Jahres einen Anspruch haben soll. \n--- \n| 39 \n--- \n| ee) Die Bestimmung eines Anspruchs in der Satzung nur dem Grunde nach\nbringt es mit sich, dass der Anspruch in einem zweiaktigen Vorgang\nfestzusetzen ist. Die Hauptversammlung legt generell fest, dass der personlich\nhaftende Gesellschafter einen Anspruch auf Abschlag in Hohe von 80 % zu Beginn\ndes Jahres erhalt. Dazu kommen muss aber jedes Jahr eine\nEinzelfallentscheidung anhand einer Prognose, wie hoch der Betrag\nvoraussichtlich sein wird. Diese Prognoseentscheidung kann in zwei Richtungen\nfehlerhaft sein. Schatzt sie zu niedrig, hat der personlich haftende\nGesellschafter zunachst zu wenig erhalten und bekommt spater eine weitere\nZahlung; dieser Fall ist im Hinblick auf § 89 AktG unproblematisch. Schatzt\nsie dagegen zu hoch, hat der personlich haftende Gesellschafter wenigstens\nzunachst zu viel erhalten. Er muss die Differenz zuruckzahlen. In diesem Fall\nhat er einen Kredit erhalten, weil er zu Beginn des Jahres eine Zahlung\nerhielt, welche er spater zuruckzahlen muss. Die Ruckzahlungsverpflichtung ist\nkeine „Sanktion" fur die Fehlprognose, sondern nur die rechtliche Konsequenz\neiner Auszahlung, welcher der Rechtsgrund des Behaltendurfens fehlt. \n--- \n| 40 \n--- \n| ff) In der Satzung ist offen gelassen, wer jedes Jahr die\nPrognoseentscheidung treffen soll, weil die Hauptversammlung dazu gerade keine\nFestlegung getroffen hat. Mit dem Schutzzweck des § 89 AktG ware es nicht zu\nvereinbaren, diese Entscheidung dem personlich haftenden Gesellschafter (oder\nbei der AG dem Vorstand) selbst zu uberlassen, weil es sich insoweit um eine\nEntscheidung handelt, welche zwar nicht zwangslaufig eine Kreditgewahrung\nbeinhaltet, aber eine solche, wie oben dargelegt, beinhalten kann.\nEntscheidungen uber die Kreditgewahrung hat aber nach § 89 AktG immer der\nAufsichtsrat zu treffen. \n--- \n| 41 \n--- \n| Die Kompetenz zur Kreditgewahrung liegt nicht nur in der AG, sondern auch\nund in gleicher Weise in der KGaA beim Aufsichtsrat. § 283 Nr. 5 AktG erklart\n§ 89 AktG auf Kredite an den personlich haftenden Gesellschafter fur\nentsprechend anwendbar, ohne eine ausdruckliche Regelung uber die Kompetenzen\nvon Aufsichtsrat und Hauptversammlung zu enthalten. Auch § 288 AktG, der\nzusatzliche Regeln uber die Kreditgewahrung an die personlich haftenden\nGesellschafter der KGaA enthalt, regelt nur die Voraussetzungen einer\nzulassigen Kreditgewahrung, nicht aber die Entscheidungskompetenz bei der\nKGaA. Daher liegt auch bei der KGaA die Kompetenz zur Kreditgewahrung an den\npersonlich haftenden Gesellschafter beim Aufsichtsrat (so Semler in\nGeßler/Hefermehl Kommentar zum AktG, § 283 Rn 12, § 287 Rn 5; Semler/Perlitt\nin Munchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage, § 283 Rn 24; Huffer Kommentar zum\nAktG, 6. Auflage, § 283 Rn 2; a.A. Kallmeyer ZGR 1983, 57, 74). \n--- \n| 42 \n--- \n| Will man dem Sinn und Zweck der Kontrolle durch den Aufsichtsrat Rechnung\ntragen und Umgehungsregelungen ausschließen, muss die Entscheidung uber die\nAuszahlung an den personlich haftenden Gesellschafter immer dann der\nAufsichtsrat treffen, wenn auch nur die Moglichkeit besteht, dass es sich um\neine Kreditgewahrung handelt. \n--- \n| 43 \n--- \n| gg) Deswegen ist die zu uberprufende Satzungsklausel nur dann unbedenklich,\nwenn sie nicht verhindert, dass die Abschlagszahlung in Hohe von 80 % der\nvoraussichtlichen Vergutung zu Beginn eines Jahres anhand einer\nPrognoseentscheidung des Aufsichtsrats ermittelt wird. Unzulassig ware dagegen\neine Klausel, welche die Kompetenz des Aufsichtsrats verletzte, indem sie die\nPrognose dem personlich haftenden Gesellschafter selbst uberließe (vgl.\nHefermehl/Spindler in Munchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage, § 89 Rn 6). \n--- \n| 44 \n--- \n| Die Satzungsklausel in § 8 Abs. 2 regelt nicht, wer die\nPrognoseentscheidung vorzunehmen hat. Damit belasst sie es in zulassiger Weise\nbei der gesetzlichen Regelung des § 89 AktG, wonach diese Entscheidung der\nAufsichtsrat trifft. Eine Verletzung der Kompetenz des Aufsichtsrates ist\ndamit nicht verbunden. \n--- \n| 45 \n--- \n| B. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO. Die Entscheidung uber\ndie vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. \n--- \n| 46 \n--- \n| Die Revision wird nicht zugelassen; ein Grund, die Revision gemaß § 543\nAbs. 2 ZPO zuzulassen, besteht nicht, da die Rechtssache weder grundsatzliche\nBedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer\neinheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts\nerfordern. Dass die in dieser Rechtssache relevanten Rechtsfragen wegen eines\ntypischen Lebenssachverhalts fur eine großere Zahl von anderen Rechtssachen\nentscheidungserheblich sein konnten, ist nicht ersichtlich. \n---\n\n
140,182
olgkarl-2004-09-02-16-wf-10604
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
16 WF 106/04
2004-09-02
2019-01-07 14:52:53
2019-02-12 12:19:48
Beschluss
## Tenor\n\nDie sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des\nAmtsgerichts - Familiengericht - Heidelberg vom 02. Juli 2004 wird verworfen.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Das Amtsgericht Mannheim hat mit Beschluss vom 13. November 2003 - 2B F\n304/03 - den Ehescheidungsantrag des Antragstellers nach dessen Zustellung an\ndie Antragsgegnerin und Anhorung der Parteien auf Antrag des Antragstellers an\ndas Amtsgericht Heidelberg verwiesen. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das\nAmtsgericht Heidelberg es abgelehnt, die Sache an das Amtsgericht Mannheim\nzuruckzuverweisen, formlich beschlossen: „Das Amtsgericht Heidelberg erklart\nsich fur ortlich zustandig". \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde der\nAntragsgegnerin ist unzulassig. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| § 281 Abs. 2 S. 2 ZPO bestimmt, dass ein Beschluss, mit dem ein Gericht\nseine ortliche oder sachliche Zustandigkeit ausspricht und den Rechtsstreit an\ndas zustandige Gericht verweist, unanfechtbar ist. In der Vergangenheit wurde\nindessen verbreitet die Anfechtbarkeit unter den eng beschriebenen\nVoraussetzungen bejaht, unter denen die Verweisung fur das aufnehmende Gericht\nnicht bindend ist; vertreten wurde jedoch auch, Anfechtbarkeit durch eine\nPartei und Bindung fur das aufnehmende Gericht getrennt zu sehen und unter eng\nbeschriebenen Voraussetzungen lediglich die Bindungswirkung zu verneinen und\ndas Verfahren nach § 36 Nr. 6 ZPO zu eroffnen (vgl. Nachweise bei\nZoller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 281 Rn. 14). Das Bedurfnis fur eine\nAnfechtung unanfechtbarer Entscheidungen ist jedoch mit der Einfuhrung des\nAbhilfeverfahrens nach § 321 a ZPO entfallen (vgl. BGH, NJW 2002, 1577;\nBeschluss vom 02. Oktober 2002 - XII ZB 19/02 -; OLG Celle, NJW 2002, 3715;\nSenatsbeschluss vom 23. Juni 2003 - 16 WF 85/03 -). Ob damit eine\nGegenvorstellung gegen einen Verweisungsbeschluss eroffnet werden muss oder ob\ndie Korrektur nur im Verfahren nach § 36 Nr. 6 ZPO erfolgen kann, die Partei\nalso darauf angewiesen ware, bei dem aufnehmenden Gericht zu beantragen, dass\ndieses sich ebenfalls fur unzustandig erklart, kann dahinstehen. Denn im\nvorliegenden Fall hat das aufnehmende Gericht, das Amtsgericht Heidelberg, es\nabgelehnt, sich rechtskraftig fur unzustandig zu erklaren. Damit sind die\nMoglichkeiten der Antragsgegnerin, eine Verweisung nach Heidelberg zu\nverhindern, erschopft. Dies wirkt sich auch auf die Zulassigkeit einer\nBeschwerde gegen den hier angegriffenen Beschluss aus, welche folgerichtig zu\nverneinen ist. \n--- \n---\n\n
140,183
olgkarl-2004-09-02-19-u-13704
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
19 U 137/04
2004-09-02
2019-01-07 14:52:54
2019-02-12 12:19:48
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung der Klager wird das Urteil des Landgerichts Offenburg vom\n25.06.2004 - 3 O 93/04 - abgeandert und festgestellt, dass die Beklagte\nverpflichtet ist, den Klagern im Verfahren 2 O 273/02 vor dem Landgericht\nOffenburg Kostendeckung zu gewahren.\n\n2\\. Die Kosten erster und zweiter Instanz tragt die Beklagte.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die\nVollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Hohe des aufgrund dieses Urteils\nvollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Klager vor Vollstreckung\nSicherheit in Hohe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.\n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| 1 \n--- \n| Von der Darstellung des Tatbestands wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313 a\nAbs. 1 Satz 1 ZPO). \n--- \n| 2 \n--- \n| Die zulassige Berufung ist begrundet. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Zu Unrecht hat das Landgericht ein Eingreifen der Risikoausschlussklausel\ndes § 4 Abs. 1 k ARB 75 bejaht. Danach bezieht sich der Versicherungsschutz\nnicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen, die in unmittelbarem\nZusammenhang mit der Planung, Errichtung oder genehmigungspflichtigen\nbaulichen Veranderung eines im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers\nbefindlichen oder von diesem zu erwerbenden Grundstucks, Gebaudes oder\nGebaudeteiles stehen. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Allgemeine Versicherungsbedingungen wie der Risikoausschluss des § 4 Abs. 1\nk ARB 75 sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer\nsie bei verstandiger Wurdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berucksichtigung\ndes erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die\nVerstandnismoglichkeit eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche\nSpezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. § 4 Abs. 1 k ARB\n75 verfolgt den auch fur den durchschnittlichen Versicherungsnehmer\nerkennbaren Zweck, die erfahrungsgemaß besonders kostentrachtigen und im\nKostenrisiko schwer uberschaubaren und kaum kalkulierbaren rechtlichen\nStreitigkeiten um Baumaßnahmen aller Art und die sie unmittelbar begleitenden\nVorgange von der Versicherung auszunehmen, weil nur fur einen verhaltnismaßig\nkleinen Teil der in der Risikogemeinschaft zusammengeschlossenen\nVersicherungsnehmer ein solches Risiko entstehen kann. Die Klausel stellt\ndafur auf den unmittelbaren Zusammenhang mit der Planung und Errichtung eines\nGebaudes ab. Maßgebend ist, ob die vom Versicherungsnehmer angestrebte\nRechtsverfolgung der Planung und Errichtung eines Gebaudes zuzuordnen ist. Der\ngeforderte Zusammenhang muss dabei nicht nur zeitlich bestehen, sondern es\nmuss daruber hinaus auch ein innerer sachlicher Bezug gegeben sein. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Klausel erfasst das Baurisiko, fur das Auseinandersetzungen typisch\nsind, die uber die anlasslich eines Bauvorhabens erbrachten Leistungen gefuhrt\nwerden. Es geht um die Wahrung der rechtlichen Interessen, die der Bauherr an\nder Planung und Errichtung eines mangelfreien Gebaudes hat. Deckungsschutz\nbesteht demgegenuber fur die Durchsetzung von Anspruchen, die zu dem\nBauvorhaben selbst in keinem unmittelbaren Bezug stehen, etwa weil sie sich\naus dem Erwerb eines zur Bebauung vorgesehenen Grundstuckes oder dem Erwerb\nvon Anteilen an einem Immobilienfonds ergeben und demnach nicht das Baurisiko,\nsondern das sog. Erwerbsrisiko betreffen, nicht (BGH VersR 2003, 454; OLG\nKarlsruhe VersR 2004, 777; OLG Karlsruhe NJW-RR 2004, 602). \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der Klager im Vorprozess steht\nnicht in unmittelbarem Zusammenhang zur baulichen Veranderung ihres Betriebes,\nsoweit dieser vom Festmistverfahren auf das Flussigmistverfahren umgestellt\nwurde, wozu der Stallboden durch einen Vollspaltenboden ersetzt und\nGullekanale eingebaut wurden, eine Unterdruckbeluftungsanlage installiert\nwurde, alle Stalle mit einem Abluftsammelkanal verbunden wurden und die Abluft\nuber 2 Kamine nach außen abgefuhrt wurde. Selbst wenn man unterstellt, dass\ndiese ohne bauordnungsrechtliche Genehmigung durchgefuhrten baulichen\nVeranderungen zu einer erhohten Gerausch- und Geruchsemission insbesondere auf\ndas der Klagerin des Vorprozesses gehorende Grundstuck fuhrten, fehlt der\nunmittelbare, wenn auch zeitlich vorhandene Zusammenhang der Umbaumaßnahme zur\nRechtsverteidigung gegen die im Vorprozess angestrengten Klage. Diese richtet\nsich ersichtlich gegen die entstandenen Gerausch- und Geruchsbelastigungen,\nwas auch in den einzelnen, teilweise fur erledigt erklarten Klageantragen zum\nAusdruck kommt. Bereits diese zunachst bestimmte Maßnahmen zur Verringerung\nder Gerausch- und Geruchsemissionen in Übereinstimmung mit den Auflagen des\nLandratsamtes Ortenaukreis -Baurechtsamt- vom 02.05.2002 beinhaltenden Antrage\nhatten auch das eigentliche Rechtsschutzziel, wie dies im spateren geanderten\nAntrag allgemein formuliert wurde, die Gerausch- und Geruchsemissionen\neinzudammen bzw. zu verhindern, zum Gegenstand. Ursache des Vorprozesses ist\nalso nicht die eigentliche Baumaßnahme, sondern deren spatere (ubermaßige)\nlandwirtschaftliche Nutzung. Diese begleitet die Baumaßnahme nicht unmittelbar\nund steht mit dieser nicht im geforderten qualifizierten Zusammenhang.\nVielmehr ist die Nutzung der ausgefuhrten Baumaßnahme lediglich eine\nmittelbare, auf einer selbstandigen weiteren Willensentschließung der Klager\nberuhende Folge der baulichen Veranderung. Der geforderte innere sachliche\nBezug besteht namlich nur dann, wenn sich das Baurisiko realisiert, fur das\nAuseinandersetzungen typisch sind, die uber die anlasslich eines Bauvorhabens\nerbrachten Leistungen gefuhrt werden. Es geht also um die Wahrung der\nrechtlichen Interessen, die der Bauherr an der Planung und Errichtung eines\nmangelfreien Gebaudes hat. Nur das offenbart sich auch dem verstandigen\nVersicherungsnehmer bei unbefangener Lekture der streitbefangenen Klausel (BGH\na.a.O.). Im Vorprozess ist jedoch Gegenstand des Rechtsschutzbegehrens der\ndortigen Klagerin nicht die Frage der mangelfreien Planung, Errichtung oder\nVeranderung des bestehenden Gebaudes und die daraus sich ergebenden Folgen.\nVielmehr liegt die eigentliche Ursache der rechtlichen Auseinandersetzung in\nder Nutzung des veranderten Gebaudes durch den Bauherrn als Landwirt, ohne\ndass es im Verhaltnis der Parteien des Vorprozesses streitentscheidend auf\neventuelle Baumangel oder eine fehlerhafte Bauplanung ankommt. Dann aber\nerschließt sich fur den vorliegenden Fall einem durchschnittlichen\nVersicherungsnehmer bei verstandiger Lekture ein Risikoausschluss gemaß § 4\nAbs. 1 k ARB 75 nicht. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Da die Beklagte im Übrigen keine Einwendungen gegen die Deckungspflicht\nerhebt, ist der Klage in vollem Umfange stattzugeben. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit wurde gemaß den §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO\ngetroffen. Anlass, gemaß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, bestand\nnicht. \n--- \n---\n\n
140,235
lsgbw-2004-09-14-l-11-kr-97904
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 11 KR 979/04
2004-09-14
2019-01-07 14:53:17
2019-01-17 12:00:25
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung der Klagerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts\nKarlsruhe vom 27. Februar 2004 wird zuruckgewiesen.\n\nDie Klagerin tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klagerin als Entleiherin von\nArbeitnehmern fur ruckstandige Gesamtsozialversicherungsbeitrage (GSB) in Hohe\nvon 2.474,22 EUR haftet. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin entlieh von der Firma O. P. L. GmbH die Arbeitnehmer M. C.\n(02.07. bis 26.07.2002) und V. C. (24.06. bis 01.07.2002, 02.07. bis\n25.07.2002) sowie P. M. (08.04. bis 23.07.2002). In der Zeit vom 01.05. bis\n26.07.2002 fuhrte die Firma O. P. L. GmbH fur diese und weitere Arbeitnehmer\nkeine Sozialversicherungsbeitrage ab. Mit Schreiben vom 27.06., 29.07., 29.08.\nund 18.09.2002 mahnte die Beklagte Gesamtsozialversicherungsbeitrage in Hohe\nvon zuletzt 73.686,59 EUR an (April 2002 bis Juli 2002). Außerdem beantragte\nsie beim Landesarbeitsamt am 25.07.2002 den Widerruf der fur die Firma O. P.\nL. GmbH erteilte Erlaubnis zur gewerbsmaßigen Arbeitnehmeruberlassung.\nAktenkundig sind ferner Vollstreckungsersuchen der Beklagten beim Hauptzollamt\nK. Aufgrund eines beim Amtsgericht R. erwirkten Pfandungs- und\nÜberweisungsbeschlusses vom 20.08.2002 wurden ihr von der Deutschen Bank S.\n14.817,83 EUR uberwiesen. Am 10.10.2002 wurde die Eroffnung des\nInsolvenzverfahrens uber das Vermogen der genannten Firma mangels einer die\nKosten deckenden Masse abgelehnt. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Bescheid vom 11.03.2002, geandert durch Bescheid vom 21.03.2003,\nforderte die Beklagte fur die Zeit vom 02.07. bis 26.07.2002 von der Klagerin\ndie Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeitragen in Hohe von 862,97 EUR fur\ndie Arbeitnehmer M. und V. C. mit der Begrundung, nach § 28 e SGB IV hafte bei\neinem wirksamen Vertrag der Entleiher fur die Erfullung der Zahlungspflicht\ndes Arbeitgebers (Verleiher) wie ein selbstschuldnerischer Burge, soweit ihm\nArbeitnehmer gegen Vergutung zur Arbeitsleistung uberlassen worden seien.\nWegen der bestehenden Beitragsruckstande sei die Firma O. P. L. GmbH\nordnungsgemaß gemahnt worden, Zahlungen seien nicht mehr erfolgt. Insoweit\nseien die Voraussetzungen hinsichtlich der Inanspruchnahme des Entleihers nach\n§ 28 e Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch 4. Buch (SGB IV) erfullt. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit gleicher Begrundung forderte die Beklagte von der Klagerin mit weiterem\nBescheid vom 21.03.2003 fur die Zeit vom 01.05. bis 23.07.2002 die Zahlung von\nGesamtsozialversicherungsbeitragen in Hohe von 1.611,25 EUR fur die\nArbeitnehmer P. M. und V. C. \n--- \n| 5 \n--- \n| Gegen beide Bescheide legte die Klagerin ohne nahere Begrundung\nWiderspruche ein, die mit Widerspruchsbescheiden vom 23.07.2003 zuruckgewiesen\nwurden: Bei gewerbsmaßiger Arbeitnehmeruberlassung habe zwar der Verleiher den\nGesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu entrichten,\nallerdings hafte fur die Erfullung der Zahlungspflicht des Verleihers der\nEntleiher nach § 28 e Abs. 2 Satz 1 SGB IV wie ein selbstschuldnerischer\nBurge. Beide hafteten insoweit gesamtschuldnerisch fur die Beitrage. Der\nEntleiher konne die Zahlung nur verweigern, solange die Einzugsstelle den\nVerleiher nicht mit einer Fristsetzung gemahnt habe und die Frist nicht\nverstrichen sei. § 28 e Abs. 2 SGB IV sei keine Vorschrift zum Schutz des\nEntleihers, die Vorschrift sichere vielmehr die Anspruche der\nSozialversicherungstrager innerhalb eines besonderen Rechtsverhaltnisses.\nBasis fur die Festsetzung der Forderung sei das von der\nBundesversicherungsanstalt fur Angestellte im Rahmen der Betriebsprufung vom\n25.02.2003 aufgezeigte Arbeitsentgelt. \n--- \n| 6 \n--- \n| Deswegen erhob die Klagerin Klagen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG), die\nmit Beschluss vom 24.09.2003 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung\nverbunden wurden. Die Klagerin machte geltend, die Voraussetzungen fur die\nInanspruchnahme als Burgin lagen nicht vor. \n--- \n| 7 \n--- \n| Das SG zog von der Beklagten die Mahn- und Vollstreckungsunterlagen und das\nPrufergebnis der BfA vom 25.02.2003 uber die Betriebsprufung nach § 28 p SGB\nIV bei. \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit Gerichtsbescheid vom 27.02.2004, an die Prozessbevollmachtigten der\nKlagerin zugestellt am 02.03.2004, wies das SG die Klage ab. Das SG folgte der\nBegrundung der angefochtenen Bescheide und des Widerspruchsbescheides. \n--- \n| 9 \n--- \n| Hiergegen richtet sich die am 09.03.2004 eingelegte Berufung der Klagerin.\nZur Begrundung tragt sie vor, die Vorschrift des § 28 e Abs. 2 SGB IV, mit der\neine selbstschuldnerische Haftung auf den Entleiher begrundet werden solle,\nsei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Insoweit werde unzulassig in\ngrundgesetzlich geschutzte Rechte des Entleihers eingegriffen. Die Fassung des\nGesetzes verletze, sofern die Anspruche der Beklagten darauf gestutzt wurden,\ndie Eigentumsgarantie. Es bedeute eine unzulassige Ausweitung der\nHaftungstatbestande, wenn der Gesetzgeber der Entleiherfirma letztlich das\nRisiko der Nichtabfuhrung von Sozialversicherungsbeitragen aufburde. Der\nGesetzgeber hatte durch entsprechende Vorkehrungen dafur Sorge tragen mussen,\ndass Teile des als Arbeitnehmerentgelt bezahlten Betrages direkt auf eines zur\nZahlung eingerichteten Kontos uberstellt werden. Mangels einer entsprechenden\nRegelung konne deswegen der Entleiher fur nicht abgefuhrte Beitrage des\nVerleihers nicht haftbar gemacht werden. \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Klager beantragt - teilweise sinngemaß -, \n--- \n| 11 \n--- \n| den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Februar 2004\nsowie die Bescheide vom 21. Marz 2003 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide\nvom 23. Juli 2003 aufzuheben, hilfsweise das Verfahren zur Vorlage an das\nBundesverfassungsgericht auszusetzen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 13 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Sie verweist auf ein Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24.02.2004 - S 81\nKR 594/03 - und auf einen richterlichen Hinweis des Sozialgerichts Hannover. \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Senat hat die Vorgange bezuglich der Mahnung und Zwangsvollstreckung\nder Verleiherin beigezogen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mundliche\nVerhandlung einverstanden erklart. \n--- \n| 17 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten\nbeider Rechtszuge Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 18 \n--- \n| Die nach den §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht\neingelegte Berufung ist zulassig und insbesondere nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG\nstatthaft, da ein Haftungsbetrag von 2.474,22 EUR im Streit ist. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Berufung ist jedoch nicht begrundet. Das SG hat die Klage zu Recht\nabgewiesen, da die Voraussetzungen des § 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV gegeben sind\nund verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift nicht bestehen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Bei - wie hier - rechtmaßiger Arbeitnehmeruberlassung ist fur die\nLeiharbeitnehmer der Verleiher der Arbeitgeber. Ihn treffen die ublichen\nArbeitgeberpflichten, er hat deshalb gemaß § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV auch den\nGesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen. Um jedoch die\nBeitragszahlung sicherzustellen, bestimmt Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift,\ndass bei einem wirksamen Vertrag der Entleiher fur die Erfullung der\nZahlungspflicht des Arbeitgebers wie ein selbstschuldnerischer Burger haftet,\nsoweit ihm Arbeitnehmer gegen Vergutung zur Arbeitsleistung uberlassen worden\nsind. Dies bedeutet, dass er gegenuber der Einzugsstelle die einem Burgen\nsonst zustehende Einrede der Vorausklage gegen den Hauptschuldner nicht\ngeltend machen kann (§ 773 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 771 BGB). Somit kann er nicht\nverlangen, dass die Einzugsstelle zunachst die Zwangsvollstreckung gegen den\nVerleiher als Hauptschuldner betreibt. Der Entleiher hat allerdings nach § 28e\nAbs. 2 Satz 2 SGB IV das Recht, die Zahlung zu verweigern, solange die\nEinzugsstelle den Verleiher als Arbeitgeber nicht durch Fristsetzung gemahnt\nhat und die Mahnfrist nicht verstrichen ist. \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur eine Haftung der Klagerin sind vorliegend erfullt,\ndenn die Verleiherin wurde von der Beklagten mehrfach unter Fristsetzung\ngemahnt, daruber hinaus wurde Zwangsvollstreckung beantragt. Insoweit ist\nnicht ersichtlich, dass die Beklagte im Hinblick auf die Haftungsregelungen\ndes § 28e Abs. 2 SGB IV nachlassig gehandelt hat. Die Hohe der Forderung\nbasiert auf dem Ergebnis der Betriebsprufung durch die BfA vom 25.02.2003.\nFehler der Berechnung des Haftungsbetrages sind nicht erkennbar und werden von\nder Klagerin auch nicht geltend gemacht. \n--- \n| 22 \n--- \n| Dem Einwand der Klagerin, § 28e Abs. 2 SGB IV sei mit dem Grundgesetz (GG)\nnicht vereinbar, kann nicht gefolgt werden. Ungeachtet dessen, dass\nstichhaltige Grunde fur eine Grundrechtsverletzung von der Klagerin nicht\nvorgebracht werden, ist darauf hinzuweisen, dass die Haftungsregelungen fur\nruckstandige Gesamtsozialversicherungsbeitrage von Leiharbeitnehmern gegenuber\ndem Entleiher nicht neu, sondern bereits in den bis 31.12.1988 geltenden\nVorschriften (§ 393 RVO, § 118 AVG und fur die illegale\nArbeitnehmeruberlassung § 10 Abs. 3 AÜG) verankert waren. Bisher wurden\ninsoweit weder in der Literatur (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar zum\nSozialversicherungsrecht, Kommentierung zu § 28e SGB IV; Hauck/Haines,\nSozialgesetzbuch Viertes Buch, Kommentierung zu § 28e; Wannagat,\nSozialgesetzbuch, SGB IV § 28e RdNr. 26; Verbandskommentar, § 28e SGB IV\nRdNrn. 8, 9) noch in der Rechtsprechung (hierzu Urteil des\nLandessozialgerichts Baden-Wurttemberg vom 25.02.2000 - L 4 KR 3688/99 - und\nnachfolgend BSG vom 29.06.2000 - B 12 KR 10/00 B -) verfassungsrechtliche\nBedenken geaußert. Eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG scheidet schon aus,\nweil § 28e Abs. 2 SGB IV nicht in den Bestand des Eigentums eingreift. Art. 14\nGG schutzt nicht das Vermogen als solches und insbesondere nicht vor der\nAuferlegung offentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten (vgl.\nJarass/Pieroth, GG, 5. Aufl., RdNr. 15 zu Art. 14). Ein Verstoß gegen Art. 12\nGG ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Eine willkurliche Ungleichbehandlung\n(Art. 3 GG) wird auch von der Klagerin nicht behauptet. Abschließend ist\ndarauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber im Sozialrecht, insbesondere im\nSozialversicherungsrecht, einen weiten Spielraum hat, etwa bei der\nFinanzierung sozialer Sicherungssysteme (vgl. Jarass/Pieroth a.a.O., Art. 3\nRdNr. 53 f.). Die Regelung des § 28e Abs. 2 SGB IV soll in dem arbeits- und\nsozialrechtlich problematischen Bereich der Arbeitnehmeruberlassung die\nZahlung der Beitrage sicherstellen, wobei fur die Arbeitnehmeruberlassung die\nTrennung vom Arbeitnehmeruberlassungsvertrag zwischen Verleiher und Entleiher\neinerseits und dem sozialversicherungsrechtlichen Beschaftigungsverhaltnis\nzwischen dem Verleiher und Leiharbeitnehmer andererseits typisch ist (vgl.\nBaier in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 28e SGB IV RdNr. 10).\nGerade der Bereich der Arbeitnehmeruberlassung ist fur Missbrauche anfallig\nund mit einem besonderen Zahlungsrisiko belastet, so dass es einer Sicherung\nder Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags bedarf. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Berufung konnte hiernach keinen Erfolg haben. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a SGG i.V.m. § 154\nVerwaltungsgerichtsordnung (VwGO). \n--- \n| 25 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 18 \n--- \n| Die nach den §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht\neingelegte Berufung ist zulassig und insbesondere nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG\nstatthaft, da ein Haftungsbetrag von 2.474,22 EUR im Streit ist. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Berufung ist jedoch nicht begrundet. Das SG hat die Klage zu Recht\nabgewiesen, da die Voraussetzungen des § 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV gegeben sind\nund verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift nicht bestehen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Bei - wie hier - rechtmaßiger Arbeitnehmeruberlassung ist fur die\nLeiharbeitnehmer der Verleiher der Arbeitgeber. Ihn treffen die ublichen\nArbeitgeberpflichten, er hat deshalb gemaß § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV auch den\nGesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen. Um jedoch die\nBeitragszahlung sicherzustellen, bestimmt Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift,\ndass bei einem wirksamen Vertrag der Entleiher fur die Erfullung der\nZahlungspflicht des Arbeitgebers wie ein selbstschuldnerischer Burger haftet,\nsoweit ihm Arbeitnehmer gegen Vergutung zur Arbeitsleistung uberlassen worden\nsind. Dies bedeutet, dass er gegenuber der Einzugsstelle die einem Burgen\nsonst zustehende Einrede der Vorausklage gegen den Hauptschuldner nicht\ngeltend machen kann (§ 773 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 771 BGB). Somit kann er nicht\nverlangen, dass die Einzugsstelle zunachst die Zwangsvollstreckung gegen den\nVerleiher als Hauptschuldner betreibt. Der Entleiher hat allerdings nach § 28e\nAbs. 2 Satz 2 SGB IV das Recht, die Zahlung zu verweigern, solange die\nEinzugsstelle den Verleiher als Arbeitgeber nicht durch Fristsetzung gemahnt\nhat und die Mahnfrist nicht verstrichen ist. \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur eine Haftung der Klagerin sind vorliegend erfullt,\ndenn die Verleiherin wurde von der Beklagten mehrfach unter Fristsetzung\ngemahnt, daruber hinaus wurde Zwangsvollstreckung beantragt. Insoweit ist\nnicht ersichtlich, dass die Beklagte im Hinblick auf die Haftungsregelungen\ndes § 28e Abs. 2 SGB IV nachlassig gehandelt hat. Die Hohe der Forderung\nbasiert auf dem Ergebnis der Betriebsprufung durch die BfA vom 25.02.2003.\nFehler der Berechnung des Haftungsbetrages sind nicht erkennbar und werden von\nder Klagerin auch nicht geltend gemacht. \n--- \n| 22 \n--- \n| Dem Einwand der Klagerin, § 28e Abs. 2 SGB IV sei mit dem Grundgesetz (GG)\nnicht vereinbar, kann nicht gefolgt werden. Ungeachtet dessen, dass\nstichhaltige Grunde fur eine Grundrechtsverletzung von der Klagerin nicht\nvorgebracht werden, ist darauf hinzuweisen, dass die Haftungsregelungen fur\nruckstandige Gesamtsozialversicherungsbeitrage von Leiharbeitnehmern gegenuber\ndem Entleiher nicht neu, sondern bereits in den bis 31.12.1988 geltenden\nVorschriften (§ 393 RVO, § 118 AVG und fur die illegale\nArbeitnehmeruberlassung § 10 Abs. 3 AÜG) verankert waren. Bisher wurden\ninsoweit weder in der Literatur (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar zum\nSozialversicherungsrecht, Kommentierung zu § 28e SGB IV; Hauck/Haines,\nSozialgesetzbuch Viertes Buch, Kommentierung zu § 28e; Wannagat,\nSozialgesetzbuch, SGB IV § 28e RdNr. 26; Verbandskommentar, § 28e SGB IV\nRdNrn. 8, 9) noch in der Rechtsprechung (hierzu Urteil des\nLandessozialgerichts Baden-Wurttemberg vom 25.02.2000 - L 4 KR 3688/99 - und\nnachfolgend BSG vom 29.06.2000 - B 12 KR 10/00 B -) verfassungsrechtliche\nBedenken geaußert. Eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG scheidet schon aus,\nweil § 28e Abs. 2 SGB IV nicht in den Bestand des Eigentums eingreift. Art. 14\nGG schutzt nicht das Vermogen als solches und insbesondere nicht vor der\nAuferlegung offentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten (vgl.\nJarass/Pieroth, GG, 5. Aufl., RdNr. 15 zu Art. 14). Ein Verstoß gegen Art. 12\nGG ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Eine willkurliche Ungleichbehandlung\n(Art. 3 GG) wird auch von der Klagerin nicht behauptet. Abschließend ist\ndarauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber im Sozialrecht, insbesondere im\nSozialversicherungsrecht, einen weiten Spielraum hat, etwa bei der\nFinanzierung sozialer Sicherungssysteme (vgl. Jarass/Pieroth a.a.O., Art. 3\nRdNr. 53 f.). Die Regelung des § 28e Abs. 2 SGB IV soll in dem arbeits- und\nsozialrechtlich problematischen Bereich der Arbeitnehmeruberlassung die\nZahlung der Beitrage sicherstellen, wobei fur die Arbeitnehmeruberlassung die\nTrennung vom Arbeitnehmeruberlassungsvertrag zwischen Verleiher und Entleiher\neinerseits und dem sozialversicherungsrechtlichen Beschaftigungsverhaltnis\nzwischen dem Verleiher und Leiharbeitnehmer andererseits typisch ist (vgl.\nBaier in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 28e SGB IV RdNr. 10).\nGerade der Bereich der Arbeitnehmeruberlassung ist fur Missbrauche anfallig\nund mit einem besonderen Zahlungsrisiko belastet, so dass es einer Sicherung\nder Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags bedarf. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Berufung konnte hiernach keinen Erfolg haben. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a SGG i.V.m. § 154\nVerwaltungsgerichtsordnung (VwGO). \n--- \n| 25 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. \n---\n\n
140,310
lsgbw-2004-10-05-l-11-kr-523903
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 11 KR 5239/03
2004-10-05
2019-01-07 15:11:20
2019-01-17 12:00:29
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung des Klagers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts\nMannheim vom 27. November 2003 wird zuruckgewiesen.\n\nAußergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten daruber, ob die Beklagte dritte Personen\n(Unfallverursacher bzw. Schadiger) fur Behandlungen des Klagers wegen der\nFolgen eines Auffahrunfalls (14.01.1997) und eines Überfalls (16.07.2001) auch\nbezuglich der dem Klager entstandenen Zuzahlungskosten in Regress zu nehmen\nund den Klager von der Selbstbeteiligung freizustellen hat sowie ob sie\nverpflichtet ist, dem Klager die Zuzahlungen fur Heilmittel (Massagen,\nHeißluft, Krankengymnastik) und Arzneimittel zu erstatten. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er ist\nRentner und bezog eine Bruttorente in Hohe von 1.880,22 DM vom 01.07.1997 bis\n30.06.1998, von 1.888,54 DM vom 01.07.1998 bis 30.06.1999, von 1.913,85 DM vom\n01.07.1999 bis 30.06.2000, von 1.925,40 DM vom 01.07.2000 bis 30.06.2001, von\n1.962,26 DM im ubrigen Jahr 2001 und von uber 1.000 EUR im Jahr 2002. \n--- \n| 3 \n--- \n| Nachdem der Klager am 14.01.1997 einen Auffahrunfall erlitten hatte, wandte\ner sich ab dem 16.01.1997 mehrfach an die Beklagte, dass er eine dauerhafte\nBehandlung und nicht nur die vom Arzt verschriebenen 5 Behandlungen benotige.\nNachdem ihm die Beklagte mitgeteilt hatte, dass medizinisch notwendige\nAufwendungen bei arztlicher Verordnung ubernommen wurden, wandte der Klager\nein, wegen der zu entrichtenden Zuzahlung konne er arztlich verordnete\nHeilmittel nicht in Anspruch nehmen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Bescheid vom 02.09.1997 wies die Beklagte den Klager daraufhin, dass\neine Kostenubernahme des Zuzahlungsbetrages grundsatzlich nicht moglich sei,\nim Rahmen der Hartefallregelung jedoch die Moglichkeit der "teilweisen" oder\n"vollstandigen" Befreiung bestehe. Ein entsprechender Antrag sei beigefugt. \n--- \n| 5 \n--- \n| In der Folgezeit (Schreiben vom 27.11., 04.12.1997 und 18.04.1998) machte\nder Klager geltend, die von ihm zu entrichtenden Zuzahlungen bei der\nInanspruchnahme von arztlich verordneten Heilmitteln mussten von der\nUnfallgegnerin bzw. deren Versicherung eingefordert werden; außerdem erbat er\ndie aktuellen Zuzahlungsbefreiungsgrenzen (Schreiben vom 23.07.1998). \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Bescheid vom 30.07.1998 teilte die Beklagte dem Klager mit, dass sein\nEinkommen den Grenzwert fur 1998 (1.736,- DM) uberschreite. \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Klager machte daraufhin ab dem 01.08.1998 geltend, er falle unter die\nsogenannte Hartefallregelung und habe allein deshalb keine Zuzahlungen bei\nVerordnungen von Heilmitteln zu tragen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit Bescheiden vom 04.01.2000 und 08.03.2000 lehnte die Beklagte es erneut\nab, den Klager von den Zuzahlungen vollstandig zu befreien, weil seine\nmonatlichen Bruttoeinnahmen hoher seien als die Einkommensgrenzen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Klager argumentierte daraufhin wiederum, dass er die Zuzahlungen\ngesetzlich nicht selbst zu tragen habe, vielmehr sei die Beklagte\nverpflichtet, die gesamten Kosten vom Verursacher zu holen (Schreiben vom\n31.03.2000). \n--- \n| 10 \n--- \n| Mit Bescheiden vom 28.04. und 07.06.2000 erlauterte die Beklagte u. a.\nnochmals, dass bei der Befreiung von der Zuzahlung von den Bruttoeinnahmen\nauszugehen sei und diese jeweils die Einkommensgrenzen uberstiegen hatten.\nAußerdem wies die Beklagte daraufhin, dass die ihr wegen des Auffahrunfalls am\n14.01.1997 entstandenen Kosten nach den ublichen Regelungen bei der vom Klager\ngenannten Versicherung geltend gemacht worden seien. Hiervon unabhangig sei\nder Klager nach den Vorschriften den SGB V in bestimmten Fallen zur Zuzahlung\nverpflichtet. Eine Befreiung sei nur moglich, wenn die Voraussetzungen der\nHartefallregelung vorlagen. Die Leistungspflicht der Beklagten sei nicht davon\nabhangig, ob die Notwendigkeit der Massagen auf einen fremdverschuldeten\nUnfall zuruckzufuhren sei. Den Zuzahlungsanteil musse der Klager\ngegebenenfalls selbst als Schadensersatz gegenuber dem Unfallgegner\nprivatrechtlich durchsetzen. Erganzend unterrichtete die Beklagte den Klager\nmit Schreiben vom 17.06.2000, dass mit der Versicherung des Unfallverursachers\n- wie zum Teil auch mit anderen Versicherungen - ein sog. Teilungsabkommen\nabgeschlossen worden sei. Nach diesem Teilungsabkommen wurden die Kosten\nunabhangig vom Verschulden der Beteiligten im Einzelfall nach Pauschalen\nabgerechnet. Auf der Grundlage des Abkommens sei fur den Klager eine Pauschale\nfur die arztliche ambulante Behandlung und eine Pauschale fur Heilmittel\ngeltend gemacht worden. \n--- \n| 11 \n--- \n| Samtliche Bescheide der Beklagten enthielten keine Rechtsmittelbelehrung. \n--- \n| 12 \n--- \n| Am 16.07.2001 wurde der Klager seinen Angaben zufolge uberfallen. Wegen der\ndiesbezuglich erforderlichen Behandlungen und Arzneimittel argumentierte der\nKlager ebenso wie bisher, dass die Beklagte die anfallende Selbstbeteiligung\nihm nicht abverlangen durfe, sondern vielmehr den Schadiger in Regress nehmen\nmusse. \n--- \n| 13 \n--- \n| Am 01.07.2003 erhob der Klager Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) wegen\nBetruges der Beklagten zu seinem Nachteil und auch an der ganzen\nVersichertengemeinschaft. Die Beklagte habe ihre Mitwirkungspflicht verletzt,\nindem sie von der Versicherung der Verursacherin nichts abverlangt habe. Es\nsei gar moglich, dass die Beklagte die Selbstbeteiligung zweimal einstreiche.\nDas gleiche gelte bezuglich des Überfalls am 16.07.2001. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Beklagte wertete die Klage als Widerspruch gegen die ergangenen\nBescheide und erteilte unter dem 26.09.2003 einen Widerspruchsbescheid: Eine\nvollstandige Befreiung von der Zuzahlung gemaß § 61 SGB V komme im Falle des\nKlagers nicht in Betracht, da seine monatlichen Bruttoeinnahmen die\nmaßgebliche Grenze regelmaßig uberstiegen hatten. Auch lagen keine\nAnhaltspunkte dafur vor, dass eine teilweise Befreiung von der Zuzahlung gemaß\n§ 62 SGB V in Betracht komme, denn unter Berucksichtigung der durchgefuhrten\nBehandlungen ergebe sich durch die Zuzahlung bei den Heilmitteln eine\nBelastung von maximal ca. 50 DM jahrlich. Gegenuber einem Schadiger bzw.\ndessen Haftpflichtversicherung konne die Krankenkasse nur Anspruche geltend\nmachen, soweit sie selbst zur Leistung gegenuber dem Versicherten verpflichtet\nsei. Zuzahlungen, die der Versicherte zu erbringen habe, blieben insoweit\nunberucksichtigt. Der Versicherte musse die ihm aus den Zuzahlungen\nentstehenden Belastungen gegebenenfalls selbst beim Schadiger geltend machen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Mit Gerichtsbescheid vom 27.11.2003 wies das SG die Klage ab. In den\nEntscheidungsgrunden fuhrte es im Wesentlichen aus, der Klager habe weder\neinen Anspruch gegenuber der Beklagten darauf, dass sie einen Regress\ngegenuber dritten Personen hinsichtlich der ihm entstanden Zuzahlungskosten\ngeltend mache, noch konne der Klager eine Befreiung der Zuzahlungspflicht bei\nInanspruchnahme von Heilmitteln verlangen. Bereits aus dem Wortlaut des § 116\nAbs. 1 SGB X gehe hervor, dass es sich um einen gesetzlichen Anspruchsubergang\nzu Gunsten der Beklagten handle fur die Kosten, die ihr selbst entstanden\nseien. Eine entsprechende Vorschrift fur die Geltendmachung eines fur den\nKlager entstandenen Schadens existiere nicht. Einen ihm gegebenenfalls\nentstandenen Schaden musse der Klager selbst zivilrechtlich gegenuber dem\nVerkehrsunfallgegner bzw. der Person geltend machen, die ihn uberfallen habe.\nWas die Befreiung von Zuzahlungen angehe, seien samtliche\nBefreiungsvorschriften fur den Klager nicht einschlagig, da seine\nBruttoaltersrente in den Jahren 1997 bis 2002 uber der geltenden\nBelastungsgrenze gelegen habe. Ein Übersteigen der maßgeblichen\nBelastungsgrenze von 2 Prozent bzw. 1 Prozent der jahrlichen Bruttoeinnahmen\nzum Lebensunterhalt habe der Klager nicht nachweisen konnen. Aufgrund der in\nAnspruch genommenen Heilmittel habe die Belastungsgrenze auch nicht\nuberstiegen werden konnen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Hiergegen richtet sich die am 22.12.2003 eingelegte Berufung des Klagers,\nmit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begrundung tragt er vor, er sei\nvor der Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht ordnungsgemaß angehort\nworden, denn er habe den entsprechenden Brief des SG erst am 26.11.2003\nerhalten. Die Beklagte habe die Abrechnungsvorgange mit den Schadigern\nvorzulegen, damit er sehen konne, ob er betrogen worden sei. \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Klager beantragt - sinngemaß -, \n--- \n| 18 \n--- \n| den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27. November 2003\naufzuheben und die Beklagte unter Abanderung der Bescheide vom 2. September\n1997, 30. Juli 1999, 4. Januar, 8. Marz, 28. April und 7. Juni 2000 in der\nGestalt des Widerspruchbescheides vom 26. September 2003 zu verurteilen, die\nihm entstandenen Zuzahlungskosten gegenuber dem Unfallverursacher vom 14.\nJanuar 1997 bzw. dem Schadiger vom 16. Juli 2001 geltend zu machen, ihn von\nZuzahlungen fur die unfall- bzw. schadigungsbedingten Heilmittel und\nArzneimittel zu befreien und die von ihm insoweit erbrachten Zuzahlungen zu\nerstatten. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 20 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Sie erachtet den angefochtenen Gerichtsbescheid fur zutreffend. \n--- \n| 22 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der\nBeklagten sowie den der Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug\ngenommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 23 \n--- \n| Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und\nfristgerecht eingelegte Berufung ist zulassig und insbesondere statthaft, da\nes sich vorliegend bei den streitigen Zuzahlungen um wiederkehrende Leistungen\nfur mehr als ein Jahr handelt (§ 144 Abs.1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist\njedoch nicht begrundet. \n--- \n| 24 \n--- \n| Zwar ist die Ruge des Klagers, er sei vor Erlass des Gerichtsbescheides\nnicht ordnungsgemaß angehort worden, berechtigt. § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG\nschreibt die Anhorung der Beteiligten zwingend vor. Sie gewahrleistet den\nGrundsatz auf rechtliches Gehor (§ 62 SGG). Eine Frist fur die Anhorung sieht\ndas Gesetz nicht vor. Sie muss indessen angemessen sein und sollte 14 Tage\nnicht unterschreiten (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 105 RdNr. 12),\nwobei die Postlaufzeit zum Klager zusatzlich zu berucksichtigen ist.\nVorliegend ist die Anhorungsmitteilung erst am 26.11.2003 und damit einen Tag\nvor Erlass des Gerichtsbescheides dem Klager zugegangen, was einen\nwesentlichen Verfahrensfehler darstellt. Dies hat jedoch nicht zwingend die\nZuruckverweisung der Sache an das SG nach § 159 SGG zur Folge; nach dieser\nVorschrift steht eine solche vielmehr im Ermessen des Senats, wobei die\nZuruckverweisung die Ausnahme sein sollte (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O. § 159\nRdNr. 5). Es ist abzuwagen zwischen den Interessen der Beteiligten an einer\nraschen Sachentscheidung und dem Grundsatz der Prozessokonomie einerseits\nsowie dem Verlust einer Instanz andererseits. Unter Beachtung der Tatsache,\ndass die Sache entscheidungsreif ist und keine Ermittlungen mehr durchzufuhren\nsind, uberwiegt hier das Interesse an einer Entscheidung durch den Senat, so\ndass von einer Zuruckverweisung der Sache an das SG nach § 159 SGG abgesehen\nwurde. \n--- \n| 25 \n--- \n| Das SG, dem sich der Senat in vollem Umfang anschließt, hat unter\nzutreffender Wurdigung der fur die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs\nrelevanten tatsachlichen und rechtlichen Gegebenheiten ausfuhrlich dargelegt,\ndass der Klager keinen Anspruch auf Befreiung von Zuzahlungen bei der\nInanspruchnahme von Heil- und Arzneimitteln hatte. Der Senat sieht insoweit\ngemaß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgrunde\nab und nimmt auf die zutreffenden Ausfuhrungen im angefochtenen\nGerichtsbescheid Bezug. \n--- \n| 26 \n--- \n| Erganzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass die Beklagte in Hohe der\ngesetzlich festgelegten Zuzahlungen keinen Ersatzanspruch gegen die Schadiger\nbzw. die Versicherung hat. Soweit eine Zuzahlungspflicht zu den Leistungen des\nKrankenversicherungstragers gegeben ist, besteht die regressfahige\nSozialleistung im Sinne des § 116 Abs. 1 SGB X nur in dem vom\nKrankenversicherungstrager endgultig zu erbringenden Aufwand, also nicht auch\nin dem vom Versicherten zu zahlenden Betrag. Nur in diesem Umfang geht der\nErsatzanspruch auf den Krankenversicherungstrager uber. Dies bedeutet, dass\ndie Beklagte in Hohe der Zuzahlungen keinen Ersatzanspruch gegenuber den\nSchadigern bzw. deren Versicherungen hat, vielmehr verbleibt insoweit der\nAnspruch bei dem Verletzten, d. h. beim Klager (vgl. Kater in: Kasseler\nKommentar Sozialversicherungsrecht, § 116 SGB X RdNr. 108, 113). Angesichts\ndessen besteht vorliegend auch kein Rechtsschutzinteresse des Klagers fur eine\nEinsichtnahme in die Abrechnungsvorgange der Beklagten. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Berufung des Klagers konnte hiernach keinen Erfolg haben. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 29 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 23 \n--- \n| Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und\nfristgerecht eingelegte Berufung ist zulassig und insbesondere statthaft, da\nes sich vorliegend bei den streitigen Zuzahlungen um wiederkehrende Leistungen\nfur mehr als ein Jahr handelt (§ 144 Abs.1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist\njedoch nicht begrundet. \n--- \n| 24 \n--- \n| Zwar ist die Ruge des Klagers, er sei vor Erlass des Gerichtsbescheides\nnicht ordnungsgemaß angehort worden, berechtigt. § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG\nschreibt die Anhorung der Beteiligten zwingend vor. Sie gewahrleistet den\nGrundsatz auf rechtliches Gehor (§ 62 SGG). Eine Frist fur die Anhorung sieht\ndas Gesetz nicht vor. Sie muss indessen angemessen sein und sollte 14 Tage\nnicht unterschreiten (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 105 RdNr. 12),\nwobei die Postlaufzeit zum Klager zusatzlich zu berucksichtigen ist.\nVorliegend ist die Anhorungsmitteilung erst am 26.11.2003 und damit einen Tag\nvor Erlass des Gerichtsbescheides dem Klager zugegangen, was einen\nwesentlichen Verfahrensfehler darstellt. Dies hat jedoch nicht zwingend die\nZuruckverweisung der Sache an das SG nach § 159 SGG zur Folge; nach dieser\nVorschrift steht eine solche vielmehr im Ermessen des Senats, wobei die\nZuruckverweisung die Ausnahme sein sollte (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O. § 159\nRdNr. 5). Es ist abzuwagen zwischen den Interessen der Beteiligten an einer\nraschen Sachentscheidung und dem Grundsatz der Prozessokonomie einerseits\nsowie dem Verlust einer Instanz andererseits. Unter Beachtung der Tatsache,\ndass die Sache entscheidungsreif ist und keine Ermittlungen mehr durchzufuhren\nsind, uberwiegt hier das Interesse an einer Entscheidung durch den Senat, so\ndass von einer Zuruckverweisung der Sache an das SG nach § 159 SGG abgesehen\nwurde. \n--- \n| 25 \n--- \n| Das SG, dem sich der Senat in vollem Umfang anschließt, hat unter\nzutreffender Wurdigung der fur die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs\nrelevanten tatsachlichen und rechtlichen Gegebenheiten ausfuhrlich dargelegt,\ndass der Klager keinen Anspruch auf Befreiung von Zuzahlungen bei der\nInanspruchnahme von Heil- und Arzneimitteln hatte. Der Senat sieht insoweit\ngemaß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgrunde\nab und nimmt auf die zutreffenden Ausfuhrungen im angefochtenen\nGerichtsbescheid Bezug. \n--- \n| 26 \n--- \n| Erganzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass die Beklagte in Hohe der\ngesetzlich festgelegten Zuzahlungen keinen Ersatzanspruch gegen die Schadiger\nbzw. die Versicherung hat. Soweit eine Zuzahlungspflicht zu den Leistungen des\nKrankenversicherungstragers gegeben ist, besteht die regressfahige\nSozialleistung im Sinne des § 116 Abs. 1 SGB X nur in dem vom\nKrankenversicherungstrager endgultig zu erbringenden Aufwand, also nicht auch\nin dem vom Versicherten zu zahlenden Betrag. Nur in diesem Umfang geht der\nErsatzanspruch auf den Krankenversicherungstrager uber. Dies bedeutet, dass\ndie Beklagte in Hohe der Zuzahlungen keinen Ersatzanspruch gegenuber den\nSchadigern bzw. deren Versicherungen hat, vielmehr verbleibt insoweit der\nAnspruch bei dem Verletzten, d. h. beim Klager (vgl. Kater in: Kasseler\nKommentar Sozialversicherungsrecht, § 116 SGB X RdNr. 108, 113). Angesichts\ndessen besteht vorliegend auch kein Rechtsschutzinteresse des Klagers fur eine\nEinsichtnahme in die Abrechnungsvorgange der Beklagten. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Berufung des Klagers konnte hiernach keinen Erfolg haben. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 29 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor. \n---\n\n
140,340
vg-stuttgart-2004-10-12-a-17-k-1320503
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
A 17 K 13205/03
2004-10-12
2019-01-07 15:11:51
2019-01-17 12:00:31
Urteil
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDie Klager tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens mit Ausnahme\nder außergerichtlichen Kosten des Beteiligten, die dieser selbst tragt.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klager sind Staatsangehorige von Serbien und Montenegro und gehoren zu\nden Albanern aus dem Kosovo. \n--- \n| 2 \n--- \n| Das Bundesamt fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge lehnte mit\nBescheid vom 17.01.1994 ihre Asylantrage ab, stellte fest, dass die\nVoraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53\nAuslG nicht vorliegen, und drohte die Abschiebung an. Mit Urteil vom\n15.11.1994 (A 9 K 11414/94) verpflichtete das erkennende Gericht die Beklagte,\ndie Klager als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass bei den\nKlagern die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und des § 53 AuslG\nvorliegen, und hob den genannten Bescheid des Bundesamtes fur die Anerkennung\nauslandischer Fluchtlinge auf. Zur Begrundung fuhrte es insbesondere aus, der\nEhemann bzw. Vater, ...., sei von der Polizei gesucht worden, weil er\nproalbanische Parolen geschrieben haben solle, und sei Mitglied der LDK\ngewesen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Bescheid vom 13.03.1995 erkannte das Bundesamt fur die Anerkennung\nauslandischer Fluchtlinge daraufhin die Klager als Asylberechtigte an und\nstellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und\nAbschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 4 AuslG, jeweils hinsichtlich der\nBundesrepublik Jugoslawien, vorliegen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Im Rahmen der Anhorung zum Widerruf dieser Entscheidung beriefen sich die\nKlager auf folgende Grunde: Die Familie sei in Deutschland integriert und\nwolle in Deutschland bleiben. Der Ehemann bzw. Vater arbeite. Die Kinder seien\nnoch in der Schule. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Bescheid vom 13.10.2003 \\- abgeschickt mit Einschreiben am 15.10.2003\n\\- widerrief das Bundesamt fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge die\nAnerkennung der Klager als Asylberechtigte und die Feststellungen, dass die\nVoraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und ein Abschiebungshindernis nach § 53\nAbs. 4 AuslG vorliegen. Zur Begrundung fuhrte es aus, Es bestehe keine Gefahr\npolitischer oder anderer Verfolgung mehr. \n--- \n| 6 \n--- \n| Am 23.10.2003 haben die Klager Klage erhoben. Sie berufen sich zusatzlich\ndarauf, an den Widerruf der Asylberechtigung seien hohere Anforderungen zu\nstellen als an die Asylgewahrung. Die Eigenschaft als Fluchtling durfe nur bei\nhinreichend stabilen Veranderungen im Herkunftsland entzogen werden. Diese\nVoraussetzungen seien vorliegend nicht gegeben. Das UN-Protektorat sei\nweiterhin notig. UNMIK und KFOR ubten weiterhin ihr Mandat aus. Minderheiten\nund zum Teil auch Albaner wurden unterdruckt. Die Voraussetzungen der "Wegfall\nder Umstande"-Klausel lagen nicht vor. Die Umstande seien im Kosovo noch nicht\nstabil. Schließlich beriefen sie sich auf die Leitlinien des Exekutivkomitees\ndes UNHCR. \n--- \n| 7 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung haben die Klager außerdem vorgetragen, nach\ndem Urteil des erkennenden Gerichts vom 15.11.1994 beruhe die Verpflichtung\nder Klager zur Anerkennung als Asylberechtigte auf den Voraussetzungen des\nFamilienasyls. Deswegen konne ein Widerruf erst erfolgen, wenn der Widerruf\nder Anerkennung als Asylberechtigter und der Voraussetzungen des § 51 AuslG\ngegenuber dem stammberechtigten Ehemann bzw. Vater rechtskraftig geworden sei. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Klager beantragen, \n--- \n| 9 \n--- \n| den Bescheid des Bundesamtes fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge\nvom 13.10.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass\ndie Voraussetzungen des § 53 AuslG vorliegen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 11 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Der beteiligte Bundesbeauftragte fur Asylangelegenheiten hat keinen Antrag\ngestellt. \n--- \n| 13 \n--- \n| Mit Beschluss vom 09.06.2004 ist der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur\nEntscheidung ubertragen worden. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die im Sitzungsprotokoll genannten Erkenntnisquellen und Entscheidungen\nsind zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden. \n--- \n| 15 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen\nBehordenakten verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 16 \n--- \n| Das Gericht hat trotz Ausbleibens von Beteiligten uber die Sache verhandeln\nund entscheiden konnen, da sie ordnungsgemaß geladen und in der Ladung auf\ndiese Moglichkeit hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 17 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nicht begrundet. Fur die Beurteilung ist maßgebend\nder Zeitpunkt der letzten mundlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG). \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigte nach § 73 Abs. 1 S. 2\nAsylVfG ist rechtmaßig. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Anerkennung des Asylberechtigten, von dem die Anerkennung abgeleitet\nwurde, der Ehemann bzw. Vater ...., wurde durch Bescheid des Bundesamtes fur\ndie Anerkennung auslandischer Fluchtlinge vom 13.10.2003 widerrufen. Nicht\nVoraussetzung fur die Zulassigkeit des Widerrufs des Familienasyls ist, dass\nder Widerruf der Anerkennung des Stammberechtigten bestandskraftig ist.\nHierfur spricht schon der Wortlaut des § 73 Abs. 1 S. 2 AsylVfG, der den\nWiderruf des Familienasyls schon dann vorschreibt, wenn die Anerkennung des\nStammberechtigten "widerrufen…wird". Damit ist klargestellt, dass der Widerruf\nder Asylanerkennung des Stammberechtigten und des Familienasyls gleichzeitig\nzu erfolgen haben. Sonst hatte die Formulierung nahe gelegen:\n"(bestandskraftig) widerrufen ... ist". Hierfur spricht auch der akzessorische\nRechtscharakter des Familienasyls. Danach hangt Beginn und Beendigung des\nFamilienasyls vom (jeweiligen) Fortbestand der originaren Asylberechtigung\nzusammen (vgl. Marx, Kommentar zum Asylverfahrensgesetz, 4. Aufl. [1999], § 73\nRdNr. 55). Hiervon geht ersichtlich auch das OVG Rheinland Pfalz (Beschluss\nvom 20.01.2000, InfAuslR 2000, 468) aus. Offen bleiben kann, ob in Verfahren\nder vorliegenden Art die Rechtmaßigkeit des Widerrufs der Asylberechtigung des\nStammberechtigten gepruft werden muss (vgl. hierzu VGH Bad.-Wurtt., Urt. vom\n10.08.2000 - 12 S 129/00 - <juris>). Denn sie ist jedenfalls im vorliegenden\nFall gegeben (Urt. der erkennenden Kammer vom 11.10.2004 - A 17 K 13204/03 -). \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Klager sind auch nicht aus anderen Grunden als Asylberechtigte\nanzuerkennen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Nach Art. 16 a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Eine\nVerfolgung ist dann politisch, wenn sie dem Einzelnen in Anknupfung an seine\npolitische Überzeugung, seine religiose Grundentscheidung oder an fur ihn\nunverfugbare Merkmale, die sein Anderssein pragen, gezielt Rechtsverletzungen\nzufugt, die ihn ihrer Intensitat nach aus der ubergreifenden Friedensordnung\nder staatlichen Einheit ausgrenzen. Nachteile aufgrund der allgemeinen\nZustande im Heimatstaat, z.B. Hunger, Naturkatastrophen oder allgemeine\nAuswirkungen von Unruhen u. Ä. genugen nicht (BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989,\nBVerfGE 80, 315). Die politische Verfolgung muss dem Asylsuchenden mit\nbeachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen, sodass es ihm nicht zumutbar ist, im\nHeimatstaat - oder einem sicheren Teil davon (vgl. BVerfG, Beschl. v.\n10.7.1989, aaO) - zu bleiben oder dorthin zuruckzukehren (BVerwG, Urt. v.\n29.11.1977, BVerwGE 55, 82, und v. 16.4.1985, DVBl. 1985, 956; vgl. auch\nBVerfG, Beschl. v. 1.7.1987, BVerfGE 76, 143). Bei Vorverfolgung gilt ein\nherabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab. \n--- \n| 22 \n--- \n| Nach Verlassen des Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffene\nNachfluchttatbestande fuhren grundsatzlich nur zu einer Anerkennung als\nAsylberechtigte(r), wenn dieser Entschluss einer festen, bereits im\nHerkunftsland erkennbar betatigten Überzeugung entspricht (§ 28 AsylVfG).\nSoweit die Verfolgungsfurcht auf Vorgangen in der Bundesrepublik Deutschland\nberuht, muss hierfur der volle Nachweis erbracht werden, im Übrigen genugt die\nGlaubhaftmachung, die zur vollen richterlichen Überzeugung im Sinne des § 108\nVwGO vom Vorliegen der behaupteten Umstande und von einer beachtlichen\nWahrscheinlichkeit fur die Gefahr politischer Verfolgung fuhren muss (vgl.\nBVerwG, Urt. v. 8.11.1983, BVerwGE 68, 171, und v. 16.4.1985, Buchholz 402.25\n§ 1 AsylVfG Nr. 16). Der Vortrag muss schlussig und unter Angabe genauer\nEinzelheiten erfolgen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.1983, Buchholz 402.24 § 28\nAuslG Nr. 44). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| In Serbien und Montenegro besteht derzeit hinreichende Sicherheit vor\npolitischer Verfolgung. Das ist unabhangig davon der fall, ob vorliegend der\nerleichterte Prognosemaßstab fur Vorverfolgte gilt, wonach eine Wiederholung\nder Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen\nsein muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1992, Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG 1992\nNr. 1, und Beschl. v. 21.01.2000 - 9 B 533/99 - <juris>). Das erkennende\nGericht schließt sich dabei der - inzwischen standigen - Rechtsprechung des\nVGH Baden-Wurttemberg an, wonach albanische Volkszugehorige nicht nur in der\nProvinz Kosovo, sondern auf dem gesamten Staatsgebiet von Serbien und\nMontenegro gegenwartig und auf absehbare Zeit vor politischer Verfolgung\nhinreichend sicher sind (Beschl. vom 16.03.2004 - A 6 S 219/04 - m.w.N.). Dies\nwird auch durch die neuesten Erkenntnismittel, die dem Gericht vorliegen,\nnicht in Frage gestellt. Die Sachlage hat sich infolge des Endes der\nkriegerischen Auseinandersetzungen im Kosovo, des Abzugs der serbischen\nbewaffneten Verbande aus dem Kosovo und des Regimewechsels in Belgrad nach dem\nSturz von Milosevic wesentlich und grundlegend verandert. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Es kann offen bleiben, ob der Widerruf unverzuglich im Sinne von § 73 Abs.\n1 AsylVfG erfolgte und ob die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG eingehalten\nwurde. Die Pflicht zum unverzuglichen Widerruf dient nicht dem Interesse des\nAsylberechtigten, sondern ausschließlich dem offentlichen Interesse an der\nalsbaldigen Beendigung einer nicht mehr zustehenden Rechtsposition (vgl. VGH\nBad.-Wurtt., Urt. v. 19.09.2002 - A 14 S 457/02 - m.w.N.). Eine erganzende\nAnwendung des § 48 Abs. 4 VwVfG im Rahmen des § 73 Abs. AsylVfG ist\nausgeschlossen (VGH Bad.-Wurtt., Beschl. vom 12.08.2003 - A 6 S 820/03 -\nm.w.N.). \n--- \n| 25 \n--- \n| § 73 Abs. 1 AsylVfG verstoßt weder gegen Art. 1 C Ziffer 5 der Genfer\nFluchtlingskonvention noch erweist er sich als nicht verfassungskonform (vgl.\nausfuhrlich: VGH Bad.-Wurtt., Beschl. vom 16.03.2004 - A 6 S 219/04 -). Danach\nist auch die oben vorgenommene Beurteilung der heutigen Lage in Serbien und\nMontenegro nicht zu beanstanden. \n--- \n| 26 \n--- \n| Auch der Widerruf der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1\nAuslG ist rechtmaßig. Rechtsgrundlage hierfur ist allerdings ausschließlich §\n73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG, da sich die Regelung des § 73 Abs. 1 S. 2 AsylVfG auf\ndie Anerkennung als Asylberechtigter nach § 26 AsylVfG beschrankt. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Im vorliegenden Fall beruhte die mit Urteil vom 15.11.1994 (a.a.O.)\nausgesprochene Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung, dass die\nVoraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, und dementsprechend die\nFeststellung im Bescheid des Bundesamtes fur die Anerkennung auslandischer\nFluchtlinge vom 13.03.1995 auf der Regelung des § 51 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AuslG,\nwonach die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bei Asylberechtigten\nvorliegen. Denn die Klager erhielten uber das Familienasyl eine\nuneingeschrankte Asylberechtigung (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.06.1991,\nInfAuslR 1991, 313). Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AuslG sind\naber nunmehr entfallen, da die Anerkennung der Klager als Asylberechtigte\nwiderrufen wurde. \n--- \n| 28 \n--- \n| Weiter sind keine zwingenden, auf fruheren Verfolgungen beruhenden Grunde\ngeltend gemacht, die Ruckkehr nach Serbien und Montenegro abzulehnen (§ 73\nAbs. 1 S. 3 AsylVfG). Die im Verfahren des Ehemannes bzw. Vaters ....\nvorgelegten Zeitungsausschnitte und sonstigen Unterlagen rechtfertigen keine\nandere Einschatzung. \n--- \n| 29 \n--- \n| Schließlich ist der Widerruf der Feststellung, dass ein\nAbschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG vorliegt, nach § 73 Abs. 3\nAsylVfG rechtmaßig. \n--- \n| 30 \n--- \n| Es besteht derzeit keine konkrete Gefahr, dass die Klager einer\nunmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (Art. 3 EMRK) - von Seiten des\nStaates - unterworfen werden. In Serbien und Montenegro einschließlich des\nKosovo drohen keine dem jugoslawischen Staat zurechenbaren Gefahren im Sinne\ndes § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG. Die Ausfuhrungen oben zur Sicherheit vor\npolitischer Verfolgung auf Grund der vollstandig geanderten Lage in Serbien\nund Montenegro gelten hier entsprechend. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 53 AuslG Abs. 6 ist\nnicht gegeben. Denn dessen Voraussetzungen liegen nicht vor. \n--- \n| 32 \n--- \n| Fur die allgemeine Lage im Kosovo bzw. in Serbien und Montenegro insgesamt\nist die Anwendbarkeit des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG gesperrt, weil die damit in\nVerbindung stehenden Probleme bzw. Gefahren zugleich einer Vielzahl weiterer\nPersonen im Abschiebezielstaat drohen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.1998,\nNVwZ 1998, 973; Urteil vom 12.07.2001, NVwZ 2002, 101). Diese Gefahren konnen\nnur im Rahmen des § 54 AuslG berucksichtigt werden. In diesen Fallen wird\nAbschiebungsschutz grundsatzlich nur durch eine generelle Regelung nach § 54\nAuslG gewahrt (BVerwG, Urteil vom 04.06.1996, InfAuslR 1996, 289). Eine solche\nAnordnung existiert aber derzeit nicht mehr. \n--- \n| 33 \n--- \n| Anhaltspunkte dafur, dass bei einer Ruckkehr nach Serbien und Montenegro\neine extreme Gefahrenlage der Gestalt besteht, dass im Falle der Abschiebung\ndorthin der Auslander gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder\nschwersten Verletzungen ausgeliefert ware, sind nicht ersichtlich. Aber nur\ndann geboten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, trotz\nFehlens einer Ermessensentscheidung nach §§ 53 Abs. 6 S. 2, 54 AuslG\nAbschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG zu gewahren (BVerwG, Urteil vom\n12.07.2001 a.a.O. m.w.N.). Die drohenden Gefahren mussten dann nach Art,\nAusmaß und Intensitat von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei\nobjektiver Betrachtung die begrundete Furcht ableiten lasst, in erheblicher\nWeise Opfer der extremen Gefahrenlage zu werden (BVerwG, Urteil vom 19.11.1996\n- 1 C 6.95 -). Von einer solchen extremen allgemeinen Gefahrenlage ist nach\nAuskunftslage nicht auszugehen. \n--- \n| 34 \n--- \n| Gefahren, die aus individuellen Grunden drohten, sind nicht geltend\ngemacht. \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 und § 162 Abs. 3\nVwGO entsprechend, § 83 b Abs. 1 AsylVfG, ggf. § 159 S. 1 VwGO i.V.m. § 100\nAbs. 1 ZPO. Es besteht keine Veranlassung, die außergerichtlichen Kosten des\nbeteiligten Bundesbeauftragten fur Asylangelegenheiten fur erstattungsfahig zu\nerklaren. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 16 \n--- \n| Das Gericht hat trotz Ausbleibens von Beteiligten uber die Sache verhandeln\nund entscheiden konnen, da sie ordnungsgemaß geladen und in der Ladung auf\ndiese Moglichkeit hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 17 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nicht begrundet. Fur die Beurteilung ist maßgebend\nder Zeitpunkt der letzten mundlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG). \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigte nach § 73 Abs. 1 S. 2\nAsylVfG ist rechtmaßig. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Anerkennung des Asylberechtigten, von dem die Anerkennung abgeleitet\nwurde, der Ehemann bzw. Vater ...., wurde durch Bescheid des Bundesamtes fur\ndie Anerkennung auslandischer Fluchtlinge vom 13.10.2003 widerrufen. Nicht\nVoraussetzung fur die Zulassigkeit des Widerrufs des Familienasyls ist, dass\nder Widerruf der Anerkennung des Stammberechtigten bestandskraftig ist.\nHierfur spricht schon der Wortlaut des § 73 Abs. 1 S. 2 AsylVfG, der den\nWiderruf des Familienasyls schon dann vorschreibt, wenn die Anerkennung des\nStammberechtigten "widerrufen…wird". Damit ist klargestellt, dass der Widerruf\nder Asylanerkennung des Stammberechtigten und des Familienasyls gleichzeitig\nzu erfolgen haben. Sonst hatte die Formulierung nahe gelegen:\n"(bestandskraftig) widerrufen ... ist". Hierfur spricht auch der akzessorische\nRechtscharakter des Familienasyls. Danach hangt Beginn und Beendigung des\nFamilienasyls vom (jeweiligen) Fortbestand der originaren Asylberechtigung\nzusammen (vgl. Marx, Kommentar zum Asylverfahrensgesetz, 4. Aufl. [1999], § 73\nRdNr. 55). Hiervon geht ersichtlich auch das OVG Rheinland Pfalz (Beschluss\nvom 20.01.2000, InfAuslR 2000, 468) aus. Offen bleiben kann, ob in Verfahren\nder vorliegenden Art die Rechtmaßigkeit des Widerrufs der Asylberechtigung des\nStammberechtigten gepruft werden muss (vgl. hierzu VGH Bad.-Wurtt., Urt. vom\n10.08.2000 - 12 S 129/00 - <juris>). Denn sie ist jedenfalls im vorliegenden\nFall gegeben (Urt. der erkennenden Kammer vom 11.10.2004 - A 17 K 13204/03 -). \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Klager sind auch nicht aus anderen Grunden als Asylberechtigte\nanzuerkennen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Nach Art. 16 a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Eine\nVerfolgung ist dann politisch, wenn sie dem Einzelnen in Anknupfung an seine\npolitische Überzeugung, seine religiose Grundentscheidung oder an fur ihn\nunverfugbare Merkmale, die sein Anderssein pragen, gezielt Rechtsverletzungen\nzufugt, die ihn ihrer Intensitat nach aus der ubergreifenden Friedensordnung\nder staatlichen Einheit ausgrenzen. Nachteile aufgrund der allgemeinen\nZustande im Heimatstaat, z.B. Hunger, Naturkatastrophen oder allgemeine\nAuswirkungen von Unruhen u. Ä. genugen nicht (BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989,\nBVerfGE 80, 315). Die politische Verfolgung muss dem Asylsuchenden mit\nbeachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen, sodass es ihm nicht zumutbar ist, im\nHeimatstaat - oder einem sicheren Teil davon (vgl. BVerfG, Beschl. v.\n10.7.1989, aaO) - zu bleiben oder dorthin zuruckzukehren (BVerwG, Urt. v.\n29.11.1977, BVerwGE 55, 82, und v. 16.4.1985, DVBl. 1985, 956; vgl. auch\nBVerfG, Beschl. v. 1.7.1987, BVerfGE 76, 143). Bei Vorverfolgung gilt ein\nherabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab. \n--- \n| 22 \n--- \n| Nach Verlassen des Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffene\nNachfluchttatbestande fuhren grundsatzlich nur zu einer Anerkennung als\nAsylberechtigte(r), wenn dieser Entschluss einer festen, bereits im\nHerkunftsland erkennbar betatigten Überzeugung entspricht (§ 28 AsylVfG).\nSoweit die Verfolgungsfurcht auf Vorgangen in der Bundesrepublik Deutschland\nberuht, muss hierfur der volle Nachweis erbracht werden, im Übrigen genugt die\nGlaubhaftmachung, die zur vollen richterlichen Überzeugung im Sinne des § 108\nVwGO vom Vorliegen der behaupteten Umstande und von einer beachtlichen\nWahrscheinlichkeit fur die Gefahr politischer Verfolgung fuhren muss (vgl.\nBVerwG, Urt. v. 8.11.1983, BVerwGE 68, 171, und v. 16.4.1985, Buchholz 402.25\n§ 1 AsylVfG Nr. 16). Der Vortrag muss schlussig und unter Angabe genauer\nEinzelheiten erfolgen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.1983, Buchholz 402.24 § 28\nAuslG Nr. 44). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| In Serbien und Montenegro besteht derzeit hinreichende Sicherheit vor\npolitischer Verfolgung. Das ist unabhangig davon der fall, ob vorliegend der\nerleichterte Prognosemaßstab fur Vorverfolgte gilt, wonach eine Wiederholung\nder Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen\nsein muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1992, Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG 1992\nNr. 1, und Beschl. v. 21.01.2000 - 9 B 533/99 - <juris>). Das erkennende\nGericht schließt sich dabei der - inzwischen standigen - Rechtsprechung des\nVGH Baden-Wurttemberg an, wonach albanische Volkszugehorige nicht nur in der\nProvinz Kosovo, sondern auf dem gesamten Staatsgebiet von Serbien und\nMontenegro gegenwartig und auf absehbare Zeit vor politischer Verfolgung\nhinreichend sicher sind (Beschl. vom 16.03.2004 - A 6 S 219/04 - m.w.N.). Dies\nwird auch durch die neuesten Erkenntnismittel, die dem Gericht vorliegen,\nnicht in Frage gestellt. Die Sachlage hat sich infolge des Endes der\nkriegerischen Auseinandersetzungen im Kosovo, des Abzugs der serbischen\nbewaffneten Verbande aus dem Kosovo und des Regimewechsels in Belgrad nach dem\nSturz von Milosevic wesentlich und grundlegend verandert. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Es kann offen bleiben, ob der Widerruf unverzuglich im Sinne von § 73 Abs.\n1 AsylVfG erfolgte und ob die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG eingehalten\nwurde. Die Pflicht zum unverzuglichen Widerruf dient nicht dem Interesse des\nAsylberechtigten, sondern ausschließlich dem offentlichen Interesse an der\nalsbaldigen Beendigung einer nicht mehr zustehenden Rechtsposition (vgl. VGH\nBad.-Wurtt., Urt. v. 19.09.2002 - A 14 S 457/02 - m.w.N.). Eine erganzende\nAnwendung des § 48 Abs. 4 VwVfG im Rahmen des § 73 Abs. AsylVfG ist\nausgeschlossen (VGH Bad.-Wurtt., Beschl. vom 12.08.2003 - A 6 S 820/03 -\nm.w.N.). \n--- \n| 25 \n--- \n| § 73 Abs. 1 AsylVfG verstoßt weder gegen Art. 1 C Ziffer 5 der Genfer\nFluchtlingskonvention noch erweist er sich als nicht verfassungskonform (vgl.\nausfuhrlich: VGH Bad.-Wurtt., Beschl. vom 16.03.2004 - A 6 S 219/04 -). Danach\nist auch die oben vorgenommene Beurteilung der heutigen Lage in Serbien und\nMontenegro nicht zu beanstanden. \n--- \n| 26 \n--- \n| Auch der Widerruf der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1\nAuslG ist rechtmaßig. Rechtsgrundlage hierfur ist allerdings ausschließlich §\n73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG, da sich die Regelung des § 73 Abs. 1 S. 2 AsylVfG auf\ndie Anerkennung als Asylberechtigter nach § 26 AsylVfG beschrankt. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Im vorliegenden Fall beruhte die mit Urteil vom 15.11.1994 (a.a.O.)\nausgesprochene Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung, dass die\nVoraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, und dementsprechend die\nFeststellung im Bescheid des Bundesamtes fur die Anerkennung auslandischer\nFluchtlinge vom 13.03.1995 auf der Regelung des § 51 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AuslG,\nwonach die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bei Asylberechtigten\nvorliegen. Denn die Klager erhielten uber das Familienasyl eine\nuneingeschrankte Asylberechtigung (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.06.1991,\nInfAuslR 1991, 313). Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AuslG sind\naber nunmehr entfallen, da die Anerkennung der Klager als Asylberechtigte\nwiderrufen wurde. \n--- \n| 28 \n--- \n| Weiter sind keine zwingenden, auf fruheren Verfolgungen beruhenden Grunde\ngeltend gemacht, die Ruckkehr nach Serbien und Montenegro abzulehnen (§ 73\nAbs. 1 S. 3 AsylVfG). Die im Verfahren des Ehemannes bzw. Vaters ....\nvorgelegten Zeitungsausschnitte und sonstigen Unterlagen rechtfertigen keine\nandere Einschatzung. \n--- \n| 29 \n--- \n| Schließlich ist der Widerruf der Feststellung, dass ein\nAbschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG vorliegt, nach § 73 Abs. 3\nAsylVfG rechtmaßig. \n--- \n| 30 \n--- \n| Es besteht derzeit keine konkrete Gefahr, dass die Klager einer\nunmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (Art. 3 EMRK) - von Seiten des\nStaates - unterworfen werden. In Serbien und Montenegro einschließlich des\nKosovo drohen keine dem jugoslawischen Staat zurechenbaren Gefahren im Sinne\ndes § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG. Die Ausfuhrungen oben zur Sicherheit vor\npolitischer Verfolgung auf Grund der vollstandig geanderten Lage in Serbien\nund Montenegro gelten hier entsprechend. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 53 AuslG Abs. 6 ist\nnicht gegeben. Denn dessen Voraussetzungen liegen nicht vor. \n--- \n| 32 \n--- \n| Fur die allgemeine Lage im Kosovo bzw. in Serbien und Montenegro insgesamt\nist die Anwendbarkeit des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG gesperrt, weil die damit in\nVerbindung stehenden Probleme bzw. Gefahren zugleich einer Vielzahl weiterer\nPersonen im Abschiebezielstaat drohen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.1998,\nNVwZ 1998, 973; Urteil vom 12.07.2001, NVwZ 2002, 101). Diese Gefahren konnen\nnur im Rahmen des § 54 AuslG berucksichtigt werden. In diesen Fallen wird\nAbschiebungsschutz grundsatzlich nur durch eine generelle Regelung nach § 54\nAuslG gewahrt (BVerwG, Urteil vom 04.06.1996, InfAuslR 1996, 289). Eine solche\nAnordnung existiert aber derzeit nicht mehr. \n--- \n| 33 \n--- \n| Anhaltspunkte dafur, dass bei einer Ruckkehr nach Serbien und Montenegro\neine extreme Gefahrenlage der Gestalt besteht, dass im Falle der Abschiebung\ndorthin der Auslander gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder\nschwersten Verletzungen ausgeliefert ware, sind nicht ersichtlich. Aber nur\ndann geboten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, trotz\nFehlens einer Ermessensentscheidung nach §§ 53 Abs. 6 S. 2, 54 AuslG\nAbschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG zu gewahren (BVerwG, Urteil vom\n12.07.2001 a.a.O. m.w.N.). Die drohenden Gefahren mussten dann nach Art,\nAusmaß und Intensitat von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei\nobjektiver Betrachtung die begrundete Furcht ableiten lasst, in erheblicher\nWeise Opfer der extremen Gefahrenlage zu werden (BVerwG, Urteil vom 19.11.1996\n- 1 C 6.95 -). Von einer solchen extremen allgemeinen Gefahrenlage ist nach\nAuskunftslage nicht auszugehen. \n--- \n| 34 \n--- \n| Gefahren, die aus individuellen Grunden drohten, sind nicht geltend\ngemacht. \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 und § 162 Abs. 3\nVwGO entsprechend, § 83 b Abs. 1 AsylVfG, ggf. § 159 S. 1 VwGO i.V.m. § 100\nAbs. 1 ZPO. Es besteht keine Veranlassung, die außergerichtlichen Kosten des\nbeteiligten Bundesbeauftragten fur Asylangelegenheiten fur erstattungsfahig zu\nerklaren. \n---\n\n
140,346
lsgbw-2004-10-13-l-5-ka-475603
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 5 KA 4756/03
2004-10-13
2019-01-07 15:11:57
2019-01-17 12:00:31
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung der Klagerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts\nStuttgart vom 29. Oktober 2003 wird zuruckgewiesen.\n\nDie Klagerin tragt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin wendet sich im Berufungsverfahren nur noch gegen eine\nRuckforderung in Hohe von DM 2.407,73 (= EUR 1.231,05) auf Grund einer\nBerichtigung der Gesamtabrechnung des Quartals 2/01. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin ist seit Beginn des Quartals 2/00 als Ärztin fur Psychiatrie\nund Psychotherapie zur vertragsarztlichen Versorgung zugelassen. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Nach den Bestimmungen des in den zunachst streitig gewesenen Quartalen\n4/00, 2/01 und 4/01 geltenden Honorarverteilungsmaßstabes der Beklagten (HVM)\nbestand fur die nicht den Praxis- und Zusatzbudgets unterliegenden Leistungen\nder budgetierten Arztgruppen (als "roter Bereich" oder "Freie Leistungen"\nbezeichnet; - Nr. 2.4 der Anlage 1 zum HVM) ein eigenes Honorarkontingent.\nEinen Antrag der Klagerin auf Erhohung ihres Individualbudgets vom 24. Juli\n2000 lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 4. September 2000). Dass die\nFachgruppe der Nervenarzte, der auch die Klagerin auf Grund ihrer Zulassung\nangehore, derart inhomogen sei, dass der Durchschnittswert des\nIndividualbudgets fur die Klagerin nicht reprasentativ sein konne, sei nicht\nzutreffend. Nach den vorliegenden Unterlagen hatten im Quartal 1/00 von den\n185 Praxen der Fachgruppe 160 Praxen (86,5%) die GNR. 822 EBM und 149 Praxen\n(80,5%) die GNR. 823 EBM abgerechnet. Auf Grund dieser Zahlen sei\ngrundsatzlich eine Vergleichbarkeit mit der Fachgruppe gegeben. Allein die\nTatsache, dass die Klagerin bei 201 von 229 Fallen die GNR. 823 EBM auch neben\nder GNR. 822 EBM abrechne, rechtfertige keine Erhohung des Individualbudgets.\nDie Klagerin behauptet, gegen diesen Bescheid mit Schreiben vom 18. September\n2000 Widerspruch eingelegt zu haben. Sie hat im Klageverfahren S 5 KA 2712/01\n(Berufungsverfahren L 5 KA 4383/03) betreffend das Quartal 3/00 eine Kopie\ndieses Schreibens vorgelegt. Die Beklagte behauptet, dieses Schreiben sei bei\nihr nicht eingegangen. Klage und Berufung hinsichtlich der Erhohung der\nFallpunktzahl fur das Honorarkontingent der sogenannten Freien Leistungen im\nQuartal 3/00 blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Stuttgart (SG) vom\n30. September 2003 - S 5 KA 2712/01 -; Beschluss des erkennenden Senats vom 3.\nAugust 2004 - L 5 KA 4384/03 -). \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Beklagte setzte die Vergutung der Klagerin fur das Quartal 4/00 auf DM\n73.066,84 (Gesamthonorarabrechnungsbescheid vom 9. April 2001), fur das\nQuartal 2/01 auf DM 74.509,63 (Gesamthonorarabrechnungsbescheid vom 11.\nOktober 2001) und fur das Quartal 4/01 auf EUR 35.608,08\n(Gesamthonorarabrechnungsbescheid vom 11. April 2002) fest. Der Berechnung der\nVergutungen legte die Beklagte unter anderem die individuelle Fallpunktzahl\nfur Freien Leistungen von 89,5 zu Grunde, was fur die Freien Leistungen\nfolgende Vergutungen ergab: \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| \n--- \n| Quartal \n--- \n| budgetrelevante Fallzahl \n--- \n| Budget \n--- \n| angeforderte Punktzahl \n--- \n| vergutete Punktzahl \n--- \n| 4/00 \n--- \n| 370 \n--- \n| 33.115 \n--- \n| 290.300 \n--- \n| 33.115 \n--- \n| 2/01 \n--- \n| 402 \n--- \n| 35.979 \n--- \n| 274.150 \n--- \n| 35.979 \n--- \n| 4/01 \n--- \n| 413 \n--- \n| 36.963,5 \n--- \n| 274.400 \n--- \n| 36.963,5 \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Gegen die Gesamthonorarabrechnungsbescheide erhob die Klagerin jeweils\nWiderspruch, bezuglich des Quartals 2/01 am 7. November 2001. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Im Rahmen eines internen Controllings stellte die Beklagte bei der\nAbrechnung des Quartals 2/01 einen Fehler bei der Anwendung des\nEinzelleistungskorrekturfaktors innerhalb der jeweiligen Fachgruppentopfe\nfest, sodass im Ergebnis ein zu hoher Punktwert fur die "roten Leistungen" und\nein uberwiegend zu niedriger Punktwert fur die "grun/gelben Leistungen" zur\nAuszahlung kam. Dies teilte die Beklagte ihren Mitgliedern mit Schreiben vom\n8. November 2001 mit und kundigte abgeanderte Honorarbescheide an. Unter\nBezugnahme auf das Schreiben vom 8. November 2001 teilte die Beklagte der\nKlagerin mit dem "Berichtigungsbescheid zur GKV-Honorarabrechnung des 2.\nQuartals 2001" vom 26. November 2001 mit, fur ihre Praxis ergebe sich eine\nRuckforderung von DM 2.407,73. Der Bescheid enthalt den Hinweis: "Dieser\nBescheid andert die Gesamthonorarabrechnung vom 11.10.2001 ab". Auch gegen\ndiesen Berichtigungsbescheid erhob die Klagerin Widerspruch. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Widerspruche der Klagerin wies der Vorstand der Beklagten zuruck\n(Widerspruchsbescheid vom 30. Dezember 2002). \n--- \n| 9 \n--- \n| Hinsichtlich des allein noch streitigen Berichtigungsbescheids verwies er\nzur Begrundung auf das Rundschreiben vom 8. November 2001 und fuhrte erganzend\naus, weil auf Grund der zwischenzeitlich mit den Krankenkassen getroffenen\nVereinbarungen die Verteilung der Einzelleistungen auf die Haus- und Facharzte\nim Jahr 2001 anders als noch in den Jahren 1996 bis 1999 aussehe, sei bei der\nAbrechnung des Quartals 2/01 festgestellt worden, dass die vom Gesetzgeber in\n§ 85 Abs. 4a des Funften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche\nKrankenversicherung - (SGB V) vorgesehene Berechnung der budgetierten\nGesamtvergutung in einen hausarztlichen und facharztlichen Anteil in der Form,\nwie sie der Beschluss des Bewertungsausschusses vom 16. Februar 2000\n(Deutsches Ärzteblatt vom 3. Marz 2000, Seite A-556) vorgesehen habe, in ihrem\n(der Beklagten) Bereich nicht mehr zu sachgerechten Ergebnissen gefuhrt habe,\nsodass dieser Beschluss auf der Grundlage des Interpretationsbeschlusses Nr.\n58 des Arbeitsausschusses des Bewertungsausschusses vom 13. November 2001\n(Deutsches Ärzteblatt vom 7. Dezember 2001, Seite A-3316) an die tatsachliche\nEntwicklung anzupassen gewesen sei. Die konsequente Umsetzung des\nInterpretationsbeschlusses auf die Honorargruppen innerhalb der Haus- und\nFacharzte ("Feinkorrektur") sei mit der Abrechnung des Quartals 2/01 sowohl\nfur dieses Quartal als auch - da die auszugleichenden Differenzen hatten\nermittelt werden mussen - fur das Quartal 1/01 erfolgt. Dabei sei ein\nsystematischer Fehler aufgetreten. Die im Honorarverteilungsmaßstab fur die\nvon Praxis- und Zusatzbudgets betroffenen Arztgruppen vorgesehene Bildung von\n"Topfen" fur die Praxis- und Zusatzbudgetleistungen ("grun/gelbe" Leistungen)\neinerseits und eines "Topfes" fur die Freien Leistungen ("rote" Leistungen)\nandererseits bedinge, dass der jeweilige Einzelleistungsanteil auch bei der\nAnpassung dieser "Topfe" berucksichtigt werden musse. Dies sei unterblieben.\nDieser Fehler sei mit der Berichtigung der Abrechnung (Bescheid vom 26.\nNovember 2001) erhoben worden. Der Rechtmaßigkeit des Bescheides vom 26.\nNovember 2001 stehe nicht entgegen, dass die Klagerin vor Erlass nicht\nangehort worden sei. Der Mangel sei geheilt, weil ihr Gelegenheit gegeben\nworden sei, sich im Widerspruchsverfahren entsprechend zu außern. Die\nRechtsgrundlage des Ruckforderungsbegehrens stelle § 45 Abs. 2 Satz 1 des\nBundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 Abs. 4 des\nBundesmantelvertrages-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä) dar. Dem ursprunglichen\nHonorarbescheid messe das BSG den Charakter eines vorlaufigen Verwaltungsaktes\nbei. Sie (die Beklagte) sei auch auf Grund der bei der Anpassung des\nEinzelleistungskorrekturfaktors im Quartal 2/01 entstandenen Fehlers\nberechtigt, eine sachlich-rechnerische Berichtigung der Honorarforderung\nvorzunehmen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Klagerin hat am 3. Februar 2003 (Montag) Klage beim SG erhoben, die sie\nnicht begrundet hat. Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 29.\nOktober 2003). Es bestunden bereits Zweifel an der Zulassigkeit der Klage.\nDenn die Klagerin habe schon nicht dargelegt, durch welche Regelungen der in\nder Klageschrift bezeichneten Bescheide sie sich beschwert fuhle und was sie\nmit der Klage erstrebe. Gehe man von einer gleichwohl zulassigen Klage aus,\nsei diese jedenfalls unbegrundet, denn die angefochtenen Bescheide seien\nrechtmaßig und verletzten die Klagerin nicht in ihren Rechten. Sie habe weder\nAnspruch auf Aufhebung des Berichtigungsbescheids vom 26. November 2001 noch\neinen Anspruch auf Neubescheidung ihrer Honoraranspruche fur die Quartale\n4/00, 2/01 und 4/01. Da die Klagerin keine Einwande gegen die Begrundung\ninsbesondere des angefochtenen Widerspruchsbescheids vom 30. Dezember 2002\nvorgebracht habe, nehme es (das SG) auf die Ausfuhrungen im\nWiderspruchsbescheid vollinhaltlich Bezug. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Gegen das ihren Prozessbevollmachtigten am 31. Oktober 2003 zugestellte\nUrteil hat die Klagerin am 26. November 2003 Berufung eingelegt. Die Berufung\nhat sie hinsichtlich der Hohe der Vergutung fur die Freien Leistungen im\nTermin zur mundlichen Verhandlung vor dem Senat wieder zuruckgenommen. Sie\nhalt jedoch die Honorarminderung, die ausschließlich Folge von fehlerhaften\nBerechnungen der Beklagten sei, unverandert fur rechtswidrig. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Oktober 2003\nabzuandern und den Berichtigungsbescheid vom 26. November 2001 in der Gestalt\ndes Widerspruchsbescheids vom 30. Dezember 2002 aufzuheben. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Sie halt den angefochtenen Gerichtsbescheid fur zutreffend. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der\nBeklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 18 \n--- \n| I. Gegenstand des Rechtsstreits ist noch der Berichtigungsbescheid vom 26.\nNovember 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Dezember 2002.\nDa die Klagerin gegen den ursprunglichen Gesamthonorarabrechnungsbescheid vom\n11. Oktober 2001 am 7. November 2001 Widerspruch erhoben hatte und die\nBeklagte nach Einlegung des Widerspruchs mit dem Berichtigungsbescheid vom 26.\nNovember 2001 den Gesamthonorarabrechnungsbescheid vom 11. Oktober 2001\nabanderte, wurde der Berichtigungsbescheid vom 26. November 2001 nach § 86\nAbs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kraft Gesetzes Gegenstand des\nanhangigen Widerspruchsverfahren. Damit musste einheitlich fur die gesamte\nAbrechnung des Quartals 2/01 der Widerspruch der Klagerin beschieden werden.\nDies erfolgte mit dem Widerspruchsbescheid vom 30. Dezember 2002. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| II. Die Berufung der Klagerin ist zulassig. Sie ist insbesondere statthaft.\nEin Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG ist nicht gegeben. Der\nBeschwerdewert von EUR 500,00 ist bereits durch die hier noch streitige\nRuckforderung von DM 2.407,73 (= EUR 1.231,05) uberschritten. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| III. Die zulassige Berufung der Klagerin ist nicht begrundet. Das SG hat\ndie Klage zu Recht abgewiesen. Die nachtragliche Berichtigung der Abrechnung\ndes Quartals 2/01 ist nicht zu beanstanden. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Berichtigungsbescheid vom 26. November 2001 ist nicht wegen fehlender\noder unzureichender Anhorung (formell) rechtswidrig. Die nach § 24 Abs. 1 des\nZehnten Buchs Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und\nSozialdatenschutz - (SGB X) erforderliche Anhorung erfolgte mit dem Schreiben\nder Beklagten vom 8. November 2001. In diesem Schreiben unterrichtete die\nBeklagte ihre Mitglieder, auch die Klagerin, uber den Fehler in der\nHonorarverteilung des Quartals 2/01 und kundigte auch neue Honorarbescheide\nan. Aus dem Schreiben war zwar fur die Klagerin nicht ersichtlich, ob sie mit\neiner Honorarruckforderung zu rechnen hat. Sie musste dies aber gleichwohl in\nBetracht ziehen. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Sollte man das Schreiben vom 8. November 2001 nicht als ordnungsgemaße\nAnhorung ansehen, ware dieser Verfahrensfehler durch das Widerspruchsverfahren\ngemaß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt (zu den Voraussetzungen hierzu vgl. BSG\nSozR 3-1300 § 24 Nr. 4; SozR 3-4100 § 117 Nr. 11). Denn in dem Bescheid vom\n26. November 2001 teilte die Beklagte der Klagerin durch die Bezugnahme auf\ndas Schreiben vom 8. November 2001 die fur die Entscheidung erheblichen\nTatsachen mit. Hierauf war der Klagerin im Widerspruchsverfahren eine\nsachgerechte Äußerung moglich. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Rechtsgrundlage des Berichtigungsbescheids vom 26. November 2001 sind §§ 45\nAbs. 2 Satz 1 BMV-Ä und § 34 Abs. 4 Satze 1 und 2 EKV-Ä. Die Vorschrift des §\n45 SGB X uber die Rucknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts wird durch\ndie Bestimmungen uber die Befugnis der Kassenarztlichen Vereinigungen\nverdrangt, vertragsarztliche Honoraranforderungen und -bescheide wegen\nsachlich-rechnerischer Fehler nachtraglich zu korrigieren (vgl. u.a. BSG SozR\n3-2500 § 85 Nr. 42; zuletzt Urteil vom 30. Juni 2004 - B 6 KA 34/03 R -). Das\nBSG hat im Urteil vom 31. Oktober 2001 (SozR 3-2500 § 85 Nr. 42) u.a.\nausgefuhrt: \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| "Die auf der Grundlage der genannten Regelungen bestehende Befugnis der\nKassenarztlichen Vereinigungen zur Berichtigung, d.h. zur Rucknahme\nrechtswidriger Honorarbescheide ist jedoch nicht auf Konstellationen\nbeschrankt, in denen die Rechtswidrigkeit der Bescheide auf Fehlern aus der\nSphare des Vertragsarztes beruht, auch wenn diese Fallgestaltungen deren\nvorrangiges Anwendungsfeld darstellen. Die Vorschriften berechtigen die\nKassenarztlichen Vereinigungen vielmehr generell zur Rucknahme unrichtiger und\nrechtswidriger Honorarbescheide; denn einzige tatbestandliche Voraussetzung\nfur das Berichtigungsrecht der Kassenarztlichen Vereinigungen gemaß § 45 Abs.\n2 Satz 1 BMV-Ä, § 34 Abs. 4 Satze 1 und 2 EKV-Ä ist schon nach dem Wortlaut\nder Vorschriften die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit des\nHonorarbescheides. Die Vorschriften differenzieren nicht danach, in wessen\nVerantwortungsbereich die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit fallt. Sie\nerfassen alle Unrichtigkeiten der Honorarbescheide und berechtigen zur\nRucknahme von Honorarbescheiden, soweit diese dadurch rechtswidrig waren. Ein\nFehler der sachlich-rechnerischen Richtigkeit des Honorarbescheides und damit\nseine Unrichtigkeit im Sinne der Vorschriften ist daher auch gegeben, wenn\ndiese auf Grunden beruht, die nicht dem Verantwortungsbereich des\nVertragsarztes zuzurechnen sind. Die Einraumung dieser umfassenden\nBerichtigungsbefugnis der Kassenarztlichen Vereinigungen, die - .. - den\nBesonderheiten und Erfordernissen der Honorarverteilung Rechnung tragt,\nerweist sich als rechtmaßig. Sie ist allerdings im Hinblick auf den gebotenen\nVertrauensschutz der Vertragsarzte zu begrenzen. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Befugnis der Kassenarztlichen Vereinigungen, auf der Rechtsgrundlage\nder § 45 Abs 2 BMV-Ä, § 34 Abs 4 EKV-Ä unrichtige Honorarbescheide, soweit sie\nrechtswidrig sind, auch bei in ihren Verantwortungsbereich fallenden Fehlern\nzuruckzunehmen, besteht allerdings nicht uneingeschrankt. Die Interessen des\neinzelnen Vertragsarztes an der Kalkulierbarkeit seiner Einnahmen aus\nvertragsarztlicher Tatigkeit einerseits und die Angewiesenheit der\nKassenarztlichen Vereinigung auf die Weitergabe von nachtraglichen Änderungen\nder rechtlichen Grundlagen der Honorarverteilung an alle Vertragsarzte\nandererseits mussen, wie dargelegt, zu einem Ausgleich gebracht werden. Das\nschließt zunachst aus, dass die Kassenarztliche Vereinigung ohne konkreten\nAnlass generell Honorarbescheide unter einen pauschalen Berichtigungsvorbehalt\nfur den Fall stellt, dass die insgesamt in einem Quartal zu honorierende\nPunktemenge sich gegenuber den Annahmen, die der ursprunglichen\nHonorarverteilung zugrunde liegen, nachtraglich z.B. infolge gerichtlicher\nEntscheidungen andert. Ein solcher genereller Berichtigungsvorbehalt nahme dem\nHonorarbescheid nahezu vollstandig den Regelungscharakter. Um einen\nsachgerechten Ausgleich der widerstreitenden Interessen zu erreichen, ist\nzunachst in formeller Hinsicht erforderlich, dass aufgrund entsprechender\nHinweise der KÄV hinreichend deutlich ist oder sich zumindest aus den dem\nVertragsarzt bekannten Gesamtumstanden hinreichend deutlich ergibt, unter\nwelchen konkreten Voraussetzungen und in welchem ungefahren Umfang sie sich\nauf eine Vorlaufigkeit des Bescheides berufen und ihn ggf. nachtraglich\nkorrigieren will. Weiterhin darf sich die Vorlaufigkeit des Honorarbescheides\nihrem Gegenstand nach nur auf begrenzte Teile des Honorarbescheides bzw. \n--- \n| 26 \n--- \n| \\- wirtschaftlich betrachtet - kleinere Anteile der Honorarforderung des\nVertragsarztes beziehen. Eine Vorlaufigkeit, die es ermoglichen wurde, das\nvertragsarztliche Honorar fur ein bestimmtes Quartal auf die Halfte des\nBetrages zu reduzieren, der sich aus dem Honorarbescheid zunachst ergibt,\nnahme diesem Bescheid den Charakter als Regelung des Honoraranspruchs des\nVertragsarztes fur ein Kalendervierteljahr, weil dem Arzt in der Sache\nlediglich eine Abschlagszahlung zugebilligt wurde. \n--- \n| 27 \n--- \n| Es bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung, in welchem Umfang und\nunter welchen Einschrankungen die KÄV Honorarbescheide auf der Grundlage des §\n45 Abs. 2 BMV-Ä bzw. 34 Abs 4 EKV-Ä korrigieren kann, wenn sich nachtraglich\nherausstellt, dass die vertragsarztlichen Leistungen technisch nicht richtig\nerfasst oder dass die alle Ärzte betreffenden Berechnungen generell\nunzutreffend durchgefuhrt worden sind, ohne dass dies fur die Kassenarztliche\nVereinigung vorab erkennbar war. . Wegen der fehlenden Erkennbarkeit kann das\noben naher beschriebene Rechtsinstitut der Vorlaufigkeit von Honorarbescheiden\nnicht zur Anwendung kommen. Gleichwohl kann die Kassenarztliche Vereinigung\nauch in dieser Konstellation nicht generell auf die Moglichkeit einer\nBescheidkorrektur ohne Beachtung individueller Vertrauensschutzaspekte\nverzichten. Soweit Berechnungsfehler der Kassenarztlichen Vereinigung dazu\ngefuhrt haben, dass alle oder zumindest zahlreiche Honorarbescheide unrichtig\nund demgemaß auch Nachzahlungen zu leisten sind, die nicht uber\nSchadensersatzanspruche gegen Dritte - etwa die Lieferanten fehlerhafter\nAbrechnungssoftware - ausgeglichen werden konnen, kann auf den Ruckgriff gegen\ndie durch den Berechnungsfehler begunstigten Ärzte nicht von vornherein\nverzichtet werden. Die Eigengesetzlichkeit eines auf das einzelne Quartal\nausgerichteten Gesamtvergutungssystems und die Notwendigkeit, den Ausgleich\nvon Über- und Nachzahlungen aus einem Quartal moglichst allein unter den in\ndiesem Quartal tatigen Ärzten und aus der fur dieses Quartal zur Verfugung\nstehenden Gesamtvergutung vorzunehmen, steht einem entsprechenden generellen\nVerzicht entgegen. Der naheliegende Einwand der zu Ruckzahlungen\nverpflichteten Ärzte, allein die Kassenarztliche Vereinigung sei fur die\nFehler verantwortlich, ist verstandlich, aber nicht durchgreifend. Bei\nwirtschaftlicher Betrachtung ist die Kassenarztliche Vereinigung nichts\nanderes als die Gesamtheit ihrer Mitglieder, und Nachzahlungen fur vergangene\nZeitraume kann sie nur aus Rucklagen oder aus den ihr aktuell zufließenden\nGesamtvergutungen leisten. Soweit sich die Kassenarztliche Vereinigung aus\nGerechtigkeitserwagungen entschließt, zur Finanzierung von Nachzahlungen nicht\nauf Rucklagen oder auf die laufende Gesamtvergutung zuruckzugreifen, oder dies\nwegen des Nachzahlungsvolumens nicht moglich ist, konnen die Belange der von\neiner Korrektur der ursprunglichen Honorarbescheide betroffenen Ärzte durch\neine zeitliche Streckung etwaiger Ruckzahlungen und durch Sonderregelungen fur\nHartefalle ausreichend gewahrt werden." \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Von dieser Rechtsprechung ist weiterhin auszugehen. Aus der Entscheidung\ndes BSG vom 30. Juni 2004 - B 6 KA 34/03 R ergibt sich nichts anderes. Dieses\nUrteil entwickelt die Rechtsprechung des BSG weiter bezuglich der Frage, unter\nwelchen Voraussetzungen individuell fehlerhafte Rechtsanwendungen in\nHonorarbescheiden ruckwirkend von einer KÄV korrigiert werden durfen.\nVorliegend handelt es sich aber nicht um einen individuell gerade bei der\nHonorarabrechnung der Klagerin aufgetretenen Fehler, sondern um eine alle\nÄrzte betreffende fehlerhafte Verteilung der Gesamtvergutung als Folge neu\nabgeschlossener Einzelleistungsvereinbarungen zwischen der Beklagten und den\nKrankenkassen. Bezuglich der Korrektur von Honorarbescheiden, bei denen die\nÜberzahlung darauf beruht, dass die vertragsarztlichen Leistungen technisch\nnicht richtig erfasst oder dass die alle Ärzte betreffenden Berechnungen\ngenerell unzutreffend durchgefuhrt worden sind, ohne dass dies fur die KÄV\nvorab erkennbar war, wurde in diesem Urteil jedoch ausdrucklich an der\nbisherigen - oben dargestellten - Rechtsprechung festgehalten. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die nachtragliche Berichtigung des Gesamthonorarabrechnungsbescheids des\nQuartals 2/01 vom 11. Oktober 2001 setzt mithin voraus, dass dieser Bescheid\nrechtswidrig war und Vertrauensschutzerwagungen nicht entgegenstehen. \n--- \n| 30 \n--- \n| Der Gesamthonorarabrechnungsbescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2001 war\nrechtswidrig. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid im Einzelnen dargelegt hat, wurde\nder jeweilige Einzelleistungsanteil bei der Anpassung der "Topfe" fur die\nPraxis- und Zusatzbudgetleistungen ("grun/gelbe" Leistungen) einerseits und\nfur die Freien Leistungen ("rote" Leistungen) andererseits nicht\nberucksichtigt. Dass es notwendig ist, den jeweiligen Einzelleistungsanteil zu\nberucksichtigen, um zu vermeiden, dass die selbe Leistung sowohl uber die\nbegrenzte Gesamtvergutung als auch uber die Einzelleistungsvergutung bezahlt\nwird, hat die Beklagte ebenfalls zutreffend im Widerspruchsbescheid dargelegt.\nDies ist von der Klagerin nicht weiter bestritten worden. Der Senat nimmt\ndeshalb insoweit auf die Ausfuhrungen auf Seite 4 und 5 des\nWiderspruchsbescheids vom 30. Dezember 2002 Bezug. Unbestritten ist auch die\nrechnerische Hohe des Erstattungsbetrags. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Vertrauensschutzerwagungen stehen der nachtraglichen Berichtigung der\nAbrechnung des Quartals 2/01 nicht entgegen. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Ob und in welcher Weise Vertrauensschutzerwagungen bei einer nachtraglichen\nHonorarberichtigung Berucksichtigung finden mussen, hangt zunachst davon ab,\nob die Fehlerhaftigkeit des ursprunglichen Honorarbescheides auf Fehlern aus\nder Sphare des Vertragsarztes, auf Fehlern bei den generellen Grundlagen der\nHonorarverteilung beruht oder sich nachtraglich herausstellt, dass die\nvertragsarztlichen Leistungen rechtlich nicht richtig erfasst oder dass die\nalle Ärzte betreffenden Berechnungen generell unzutreffend durchgefuhrt worden\nsind, ohne dass dies fur die Kassenarztliche Vereinigung vorab erkennbar war\n(vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 30. Juni 2004 - B 6 KA 34/03 R -). Im\nvorliegenden Fall kommt nur letzteres in Betracht. Denn die Abrechnung des\nQuartals 2/01 war gegenuber allen Vertragsarzten, die uber die Beklagte in\ndiesem Quartal abrechneten, wegen des Fehlers bei der Anpassung der\nHonorartopfe fehlerhaft. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| In den bislang vom BSG entschiedenen Fallen lag eine solche\nFallkonstellation nicht vor, weshalb es bei der jeweiligen Entscheidung\nhierauf nicht ankam (SozR 3-2500 § 85 Nr. 42; Urteil vom 30. Juni 2004 - B 6\nKA 34/03 R -). Zwar fuhrte das BSG aus (siehe oben Seite 13), in derartigen\nSituationen konne die Kassenarztliche Vereinigung nicht generell auf die\nMoglichkeit einer Bescheidkorrektur ohne Beachtung individueller\nVertrauensschutzaspekte verzichten. Allerdings ergibt sich aus den\nAusfuhrungen auch, dass die Kassenarztliche Vereinigung sich aus\nGerechtigkeitserwagungen dazu entschließen kann, zur Finanzierung von\nNachzahlungen nicht auf Rucklagen oder auf die laufende Gesamtvergutung\nzuruckzugreifen. Auf Grund der besonderen Umstande ist der Senat der\nAuffassung, dass im vorliegenden Fall sich die Beklagte zu Recht dazu\nentschloss, die Abrechnung vollkommen neu zu berechnen und\nVertrauensschutzerwagungen einer Ruckforderung nach der Neuberechnung nicht\nentgegenstehen. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Der bei der Erstellung der Abrechnung des Quartals 2/01 unterlaufene Fehler\nhatte zur Folge, dass ein Teil der Vertragsarzte (wie etwa die Klagerin) eine\nhohere Vergutung und ein anderer Teil der Vertragsarzte eine geringere\nVergutung erhielten, als ihnen eigentlich zustand. Denjenigen Vertragsarzten,\ndie wegen der fehlerhaften Berechnung eine zu geringe Vergutung erhalten\nhatten, hatte die Beklagten die richtig berechnete Vergutung auszahlen mussen.\nDa mit der Abrechnung die fur das Quartal 2/01 vorgesehene Gesamtvergutung\nverteilt worden war und - da die Beklagte zunachst von der Richtigkeit der\nerstellten Abrechnung ausging - Ruckstellungen insoweit nicht vorhanden waren,\nhatten die fur die Nachzahlungen anfallenden finanziellen Mittel aus der fur\ndas nachfolgende Quartal vorgesehenen Gesamtvergutung entnommen werden mussen,\nmit der Folge, dass fur das nachfolgende Quartal von vornherein ein geringerer\nBetrag fur die Verteilung zur Verfugung gestanden hatte. Hatte die Beklagte\nzudem nur Nachzahlungen an diejenigen Vertragsarzte, die auf Grund der\nfehlerhaften Berechnung eine zu geringe Vergutung erhielten, vorgenommen und\nauf jegliche Ruckforderung bei den Vertragsarzten, die auf Grund der\nfehlerhaften Berechnung eine zu hohe Vergutung erhielten, verzichtet, hatten\nletztere von dem Berechnungsfehler zu Lasten der anderen Vertragsarzte\nprofitiert. \n--- \n| 36 \n--- \n| Hinzukommt, dass der Berechnungsfehler sich nur auf einen Teil der\nHonorarverteilung beschrankte, namlich die Punktwerte fur die "grunen/gelben"\nund "roten" Leistungen. Deswegen stand bei der richtigen Berechnung fur die\n"grunen/gelben" Leistungen mehr Geld zur Verfugung, so dass der Punktwert fur\ndiese Leistungen nach der Neuberechnung hoher gelegen haben muss, was auch der\nKlagerin rechnerisch zu Gute gekommen ist. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Zuletzt kann auch nicht unbeachtet bleiben, dass der Erstattungsbetrag das\nGesamteinkommen der Klagerin nur geringfugig vermindert hat. Der\nErstattungsbetrag umfasste nicht mehr als 3 % des Gesamthonorars fur das\nQuartal 2/01 von 74.509,63 DM, bezogen auf das Jahreshonorar von knapp 300.000\nDM bleibt er deutlich unter 1%. Kurzungen in dieser Großenordnung sind nicht\ngeeignet, die finanziellen Dispositionen der Klagerin nennenswert zu\nbeeintrachtigen. Ein konkreter Vertrauensschaden wird bei typisierender\nBetrachtungsweise durch Kurzungen in dieser Großenordnung regelmaßig\nausgeschlossen sein und ist hier konkret auch nicht geltend gemacht worden.\nNach Auffassung des Senats kommt daher dem Interesse der KÄV an der Korrektur\nder fehlerhaften Bescheide Vorrang zu vor dem Vertrauen der Klagerin darauf,\ndas einmal uberwiesene Honorar dauerhaft behalten zu durfen. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154\nAbs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Grunde, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 18 \n--- \n| I. Gegenstand des Rechtsstreits ist noch der Berichtigungsbescheid vom 26.\nNovember 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Dezember 2002.\nDa die Klagerin gegen den ursprunglichen Gesamthonorarabrechnungsbescheid vom\n11. Oktober 2001 am 7. November 2001 Widerspruch erhoben hatte und die\nBeklagte nach Einlegung des Widerspruchs mit dem Berichtigungsbescheid vom 26.\nNovember 2001 den Gesamthonorarabrechnungsbescheid vom 11. Oktober 2001\nabanderte, wurde der Berichtigungsbescheid vom 26. November 2001 nach § 86\nAbs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kraft Gesetzes Gegenstand des\nanhangigen Widerspruchsverfahren. Damit musste einheitlich fur die gesamte\nAbrechnung des Quartals 2/01 der Widerspruch der Klagerin beschieden werden.\nDies erfolgte mit dem Widerspruchsbescheid vom 30. Dezember 2002. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| II. Die Berufung der Klagerin ist zulassig. Sie ist insbesondere statthaft.\nEin Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG ist nicht gegeben. Der\nBeschwerdewert von EUR 500,00 ist bereits durch die hier noch streitige\nRuckforderung von DM 2.407,73 (= EUR 1.231,05) uberschritten. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| III. Die zulassige Berufung der Klagerin ist nicht begrundet. Das SG hat\ndie Klage zu Recht abgewiesen. Die nachtragliche Berichtigung der Abrechnung\ndes Quartals 2/01 ist nicht zu beanstanden. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Berichtigungsbescheid vom 26. November 2001 ist nicht wegen fehlender\noder unzureichender Anhorung (formell) rechtswidrig. Die nach § 24 Abs. 1 des\nZehnten Buchs Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und\nSozialdatenschutz - (SGB X) erforderliche Anhorung erfolgte mit dem Schreiben\nder Beklagten vom 8. November 2001. In diesem Schreiben unterrichtete die\nBeklagte ihre Mitglieder, auch die Klagerin, uber den Fehler in der\nHonorarverteilung des Quartals 2/01 und kundigte auch neue Honorarbescheide\nan. Aus dem Schreiben war zwar fur die Klagerin nicht ersichtlich, ob sie mit\neiner Honorarruckforderung zu rechnen hat. Sie musste dies aber gleichwohl in\nBetracht ziehen. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Sollte man das Schreiben vom 8. November 2001 nicht als ordnungsgemaße\nAnhorung ansehen, ware dieser Verfahrensfehler durch das Widerspruchsverfahren\ngemaß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt (zu den Voraussetzungen hierzu vgl. BSG\nSozR 3-1300 § 24 Nr. 4; SozR 3-4100 § 117 Nr. 11). Denn in dem Bescheid vom\n26. November 2001 teilte die Beklagte der Klagerin durch die Bezugnahme auf\ndas Schreiben vom 8. November 2001 die fur die Entscheidung erheblichen\nTatsachen mit. Hierauf war der Klagerin im Widerspruchsverfahren eine\nsachgerechte Äußerung moglich. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Rechtsgrundlage des Berichtigungsbescheids vom 26. November 2001 sind §§ 45\nAbs. 2 Satz 1 BMV-Ä und § 34 Abs. 4 Satze 1 und 2 EKV-Ä. Die Vorschrift des §\n45 SGB X uber die Rucknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts wird durch\ndie Bestimmungen uber die Befugnis der Kassenarztlichen Vereinigungen\nverdrangt, vertragsarztliche Honoraranforderungen und -bescheide wegen\nsachlich-rechnerischer Fehler nachtraglich zu korrigieren (vgl. u.a. BSG SozR\n3-2500 § 85 Nr. 42; zuletzt Urteil vom 30. Juni 2004 - B 6 KA 34/03 R -). Das\nBSG hat im Urteil vom 31. Oktober 2001 (SozR 3-2500 § 85 Nr. 42) u.a.\nausgefuhrt: \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| "Die auf der Grundlage der genannten Regelungen bestehende Befugnis der\nKassenarztlichen Vereinigungen zur Berichtigung, d.h. zur Rucknahme\nrechtswidriger Honorarbescheide ist jedoch nicht auf Konstellationen\nbeschrankt, in denen die Rechtswidrigkeit der Bescheide auf Fehlern aus der\nSphare des Vertragsarztes beruht, auch wenn diese Fallgestaltungen deren\nvorrangiges Anwendungsfeld darstellen. Die Vorschriften berechtigen die\nKassenarztlichen Vereinigungen vielmehr generell zur Rucknahme unrichtiger und\nrechtswidriger Honorarbescheide; denn einzige tatbestandliche Voraussetzung\nfur das Berichtigungsrecht der Kassenarztlichen Vereinigungen gemaß § 45 Abs.\n2 Satz 1 BMV-Ä, § 34 Abs. 4 Satze 1 und 2 EKV-Ä ist schon nach dem Wortlaut\nder Vorschriften die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit des\nHonorarbescheides. Die Vorschriften differenzieren nicht danach, in wessen\nVerantwortungsbereich die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit fallt. Sie\nerfassen alle Unrichtigkeiten der Honorarbescheide und berechtigen zur\nRucknahme von Honorarbescheiden, soweit diese dadurch rechtswidrig waren. Ein\nFehler der sachlich-rechnerischen Richtigkeit des Honorarbescheides und damit\nseine Unrichtigkeit im Sinne der Vorschriften ist daher auch gegeben, wenn\ndiese auf Grunden beruht, die nicht dem Verantwortungsbereich des\nVertragsarztes zuzurechnen sind. Die Einraumung dieser umfassenden\nBerichtigungsbefugnis der Kassenarztlichen Vereinigungen, die - .. - den\nBesonderheiten und Erfordernissen der Honorarverteilung Rechnung tragt,\nerweist sich als rechtmaßig. Sie ist allerdings im Hinblick auf den gebotenen\nVertrauensschutz der Vertragsarzte zu begrenzen. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Befugnis der Kassenarztlichen Vereinigungen, auf der Rechtsgrundlage\nder § 45 Abs 2 BMV-Ä, § 34 Abs 4 EKV-Ä unrichtige Honorarbescheide, soweit sie\nrechtswidrig sind, auch bei in ihren Verantwortungsbereich fallenden Fehlern\nzuruckzunehmen, besteht allerdings nicht uneingeschrankt. Die Interessen des\neinzelnen Vertragsarztes an der Kalkulierbarkeit seiner Einnahmen aus\nvertragsarztlicher Tatigkeit einerseits und die Angewiesenheit der\nKassenarztlichen Vereinigung auf die Weitergabe von nachtraglichen Änderungen\nder rechtlichen Grundlagen der Honorarverteilung an alle Vertragsarzte\nandererseits mussen, wie dargelegt, zu einem Ausgleich gebracht werden. Das\nschließt zunachst aus, dass die Kassenarztliche Vereinigung ohne konkreten\nAnlass generell Honorarbescheide unter einen pauschalen Berichtigungsvorbehalt\nfur den Fall stellt, dass die insgesamt in einem Quartal zu honorierende\nPunktemenge sich gegenuber den Annahmen, die der ursprunglichen\nHonorarverteilung zugrunde liegen, nachtraglich z.B. infolge gerichtlicher\nEntscheidungen andert. Ein solcher genereller Berichtigungsvorbehalt nahme dem\nHonorarbescheid nahezu vollstandig den Regelungscharakter. Um einen\nsachgerechten Ausgleich der widerstreitenden Interessen zu erreichen, ist\nzunachst in formeller Hinsicht erforderlich, dass aufgrund entsprechender\nHinweise der KÄV hinreichend deutlich ist oder sich zumindest aus den dem\nVertragsarzt bekannten Gesamtumstanden hinreichend deutlich ergibt, unter\nwelchen konkreten Voraussetzungen und in welchem ungefahren Umfang sie sich\nauf eine Vorlaufigkeit des Bescheides berufen und ihn ggf. nachtraglich\nkorrigieren will. Weiterhin darf sich die Vorlaufigkeit des Honorarbescheides\nihrem Gegenstand nach nur auf begrenzte Teile des Honorarbescheides bzw. \n--- \n| 26 \n--- \n| \\- wirtschaftlich betrachtet - kleinere Anteile der Honorarforderung des\nVertragsarztes beziehen. Eine Vorlaufigkeit, die es ermoglichen wurde, das\nvertragsarztliche Honorar fur ein bestimmtes Quartal auf die Halfte des\nBetrages zu reduzieren, der sich aus dem Honorarbescheid zunachst ergibt,\nnahme diesem Bescheid den Charakter als Regelung des Honoraranspruchs des\nVertragsarztes fur ein Kalendervierteljahr, weil dem Arzt in der Sache\nlediglich eine Abschlagszahlung zugebilligt wurde. \n--- \n| 27 \n--- \n| Es bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung, in welchem Umfang und\nunter welchen Einschrankungen die KÄV Honorarbescheide auf der Grundlage des §\n45 Abs. 2 BMV-Ä bzw. 34 Abs 4 EKV-Ä korrigieren kann, wenn sich nachtraglich\nherausstellt, dass die vertragsarztlichen Leistungen technisch nicht richtig\nerfasst oder dass die alle Ärzte betreffenden Berechnungen generell\nunzutreffend durchgefuhrt worden sind, ohne dass dies fur die Kassenarztliche\nVereinigung vorab erkennbar war. . Wegen der fehlenden Erkennbarkeit kann das\noben naher beschriebene Rechtsinstitut der Vorlaufigkeit von Honorarbescheiden\nnicht zur Anwendung kommen. Gleichwohl kann die Kassenarztliche Vereinigung\nauch in dieser Konstellation nicht generell auf die Moglichkeit einer\nBescheidkorrektur ohne Beachtung individueller Vertrauensschutzaspekte\nverzichten. Soweit Berechnungsfehler der Kassenarztlichen Vereinigung dazu\ngefuhrt haben, dass alle oder zumindest zahlreiche Honorarbescheide unrichtig\nund demgemaß auch Nachzahlungen zu leisten sind, die nicht uber\nSchadensersatzanspruche gegen Dritte - etwa die Lieferanten fehlerhafter\nAbrechnungssoftware - ausgeglichen werden konnen, kann auf den Ruckgriff gegen\ndie durch den Berechnungsfehler begunstigten Ärzte nicht von vornherein\nverzichtet werden. Die Eigengesetzlichkeit eines auf das einzelne Quartal\nausgerichteten Gesamtvergutungssystems und die Notwendigkeit, den Ausgleich\nvon Über- und Nachzahlungen aus einem Quartal moglichst allein unter den in\ndiesem Quartal tatigen Ärzten und aus der fur dieses Quartal zur Verfugung\nstehenden Gesamtvergutung vorzunehmen, steht einem entsprechenden generellen\nVerzicht entgegen. Der naheliegende Einwand der zu Ruckzahlungen\nverpflichteten Ärzte, allein die Kassenarztliche Vereinigung sei fur die\nFehler verantwortlich, ist verstandlich, aber nicht durchgreifend. Bei\nwirtschaftlicher Betrachtung ist die Kassenarztliche Vereinigung nichts\nanderes als die Gesamtheit ihrer Mitglieder, und Nachzahlungen fur vergangene\nZeitraume kann sie nur aus Rucklagen oder aus den ihr aktuell zufließenden\nGesamtvergutungen leisten. Soweit sich die Kassenarztliche Vereinigung aus\nGerechtigkeitserwagungen entschließt, zur Finanzierung von Nachzahlungen nicht\nauf Rucklagen oder auf die laufende Gesamtvergutung zuruckzugreifen, oder dies\nwegen des Nachzahlungsvolumens nicht moglich ist, konnen die Belange der von\neiner Korrektur der ursprunglichen Honorarbescheide betroffenen Ärzte durch\neine zeitliche Streckung etwaiger Ruckzahlungen und durch Sonderregelungen fur\nHartefalle ausreichend gewahrt werden." \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Von dieser Rechtsprechung ist weiterhin auszugehen. Aus der Entscheidung\ndes BSG vom 30. Juni 2004 - B 6 KA 34/03 R ergibt sich nichts anderes. Dieses\nUrteil entwickelt die Rechtsprechung des BSG weiter bezuglich der Frage, unter\nwelchen Voraussetzungen individuell fehlerhafte Rechtsanwendungen in\nHonorarbescheiden ruckwirkend von einer KÄV korrigiert werden durfen.\nVorliegend handelt es sich aber nicht um einen individuell gerade bei der\nHonorarabrechnung der Klagerin aufgetretenen Fehler, sondern um eine alle\nÄrzte betreffende fehlerhafte Verteilung der Gesamtvergutung als Folge neu\nabgeschlossener Einzelleistungsvereinbarungen zwischen der Beklagten und den\nKrankenkassen. Bezuglich der Korrektur von Honorarbescheiden, bei denen die\nÜberzahlung darauf beruht, dass die vertragsarztlichen Leistungen technisch\nnicht richtig erfasst oder dass die alle Ärzte betreffenden Berechnungen\ngenerell unzutreffend durchgefuhrt worden sind, ohne dass dies fur die KÄV\nvorab erkennbar war, wurde in diesem Urteil jedoch ausdrucklich an der\nbisherigen - oben dargestellten - Rechtsprechung festgehalten. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die nachtragliche Berichtigung des Gesamthonorarabrechnungsbescheids des\nQuartals 2/01 vom 11. Oktober 2001 setzt mithin voraus, dass dieser Bescheid\nrechtswidrig war und Vertrauensschutzerwagungen nicht entgegenstehen. \n--- \n| 30 \n--- \n| Der Gesamthonorarabrechnungsbescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2001 war\nrechtswidrig. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid im Einzelnen dargelegt hat, wurde\nder jeweilige Einzelleistungsanteil bei der Anpassung der "Topfe" fur die\nPraxis- und Zusatzbudgetleistungen ("grun/gelbe" Leistungen) einerseits und\nfur die Freien Leistungen ("rote" Leistungen) andererseits nicht\nberucksichtigt. Dass es notwendig ist, den jeweiligen Einzelleistungsanteil zu\nberucksichtigen, um zu vermeiden, dass die selbe Leistung sowohl uber die\nbegrenzte Gesamtvergutung als auch uber die Einzelleistungsvergutung bezahlt\nwird, hat die Beklagte ebenfalls zutreffend im Widerspruchsbescheid dargelegt.\nDies ist von der Klagerin nicht weiter bestritten worden. Der Senat nimmt\ndeshalb insoweit auf die Ausfuhrungen auf Seite 4 und 5 des\nWiderspruchsbescheids vom 30. Dezember 2002 Bezug. Unbestritten ist auch die\nrechnerische Hohe des Erstattungsbetrags. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Vertrauensschutzerwagungen stehen der nachtraglichen Berichtigung der\nAbrechnung des Quartals 2/01 nicht entgegen. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Ob und in welcher Weise Vertrauensschutzerwagungen bei einer nachtraglichen\nHonorarberichtigung Berucksichtigung finden mussen, hangt zunachst davon ab,\nob die Fehlerhaftigkeit des ursprunglichen Honorarbescheides auf Fehlern aus\nder Sphare des Vertragsarztes, auf Fehlern bei den generellen Grundlagen der\nHonorarverteilung beruht oder sich nachtraglich herausstellt, dass die\nvertragsarztlichen Leistungen rechtlich nicht richtig erfasst oder dass die\nalle Ärzte betreffenden Berechnungen generell unzutreffend durchgefuhrt worden\nsind, ohne dass dies fur die Kassenarztliche Vereinigung vorab erkennbar war\n(vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 30. Juni 2004 - B 6 KA 34/03 R -). Im\nvorliegenden Fall kommt nur letzteres in Betracht. Denn die Abrechnung des\nQuartals 2/01 war gegenuber allen Vertragsarzten, die uber die Beklagte in\ndiesem Quartal abrechneten, wegen des Fehlers bei der Anpassung der\nHonorartopfe fehlerhaft. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| In den bislang vom BSG entschiedenen Fallen lag eine solche\nFallkonstellation nicht vor, weshalb es bei der jeweiligen Entscheidung\nhierauf nicht ankam (SozR 3-2500 § 85 Nr. 42; Urteil vom 30. Juni 2004 - B 6\nKA 34/03 R -). Zwar fuhrte das BSG aus (siehe oben Seite 13), in derartigen\nSituationen konne die Kassenarztliche Vereinigung nicht generell auf die\nMoglichkeit einer Bescheidkorrektur ohne Beachtung individueller\nVertrauensschutzaspekte verzichten. Allerdings ergibt sich aus den\nAusfuhrungen auch, dass die Kassenarztliche Vereinigung sich aus\nGerechtigkeitserwagungen dazu entschließen kann, zur Finanzierung von\nNachzahlungen nicht auf Rucklagen oder auf die laufende Gesamtvergutung\nzuruckzugreifen. Auf Grund der besonderen Umstande ist der Senat der\nAuffassung, dass im vorliegenden Fall sich die Beklagte zu Recht dazu\nentschloss, die Abrechnung vollkommen neu zu berechnen und\nVertrauensschutzerwagungen einer Ruckforderung nach der Neuberechnung nicht\nentgegenstehen. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Der bei der Erstellung der Abrechnung des Quartals 2/01 unterlaufene Fehler\nhatte zur Folge, dass ein Teil der Vertragsarzte (wie etwa die Klagerin) eine\nhohere Vergutung und ein anderer Teil der Vertragsarzte eine geringere\nVergutung erhielten, als ihnen eigentlich zustand. Denjenigen Vertragsarzten,\ndie wegen der fehlerhaften Berechnung eine zu geringe Vergutung erhalten\nhatten, hatte die Beklagten die richtig berechnete Vergutung auszahlen mussen.\nDa mit der Abrechnung die fur das Quartal 2/01 vorgesehene Gesamtvergutung\nverteilt worden war und - da die Beklagte zunachst von der Richtigkeit der\nerstellten Abrechnung ausging - Ruckstellungen insoweit nicht vorhanden waren,\nhatten die fur die Nachzahlungen anfallenden finanziellen Mittel aus der fur\ndas nachfolgende Quartal vorgesehenen Gesamtvergutung entnommen werden mussen,\nmit der Folge, dass fur das nachfolgende Quartal von vornherein ein geringerer\nBetrag fur die Verteilung zur Verfugung gestanden hatte. Hatte die Beklagte\nzudem nur Nachzahlungen an diejenigen Vertragsarzte, die auf Grund der\nfehlerhaften Berechnung eine zu geringe Vergutung erhielten, vorgenommen und\nauf jegliche Ruckforderung bei den Vertragsarzten, die auf Grund der\nfehlerhaften Berechnung eine zu hohe Vergutung erhielten, verzichtet, hatten\nletztere von dem Berechnungsfehler zu Lasten der anderen Vertragsarzte\nprofitiert. \n--- \n| 36 \n--- \n| Hinzukommt, dass der Berechnungsfehler sich nur auf einen Teil der\nHonorarverteilung beschrankte, namlich die Punktwerte fur die "grunen/gelben"\nund "roten" Leistungen. Deswegen stand bei der richtigen Berechnung fur die\n"grunen/gelben" Leistungen mehr Geld zur Verfugung, so dass der Punktwert fur\ndiese Leistungen nach der Neuberechnung hoher gelegen haben muss, was auch der\nKlagerin rechnerisch zu Gute gekommen ist. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Zuletzt kann auch nicht unbeachtet bleiben, dass der Erstattungsbetrag das\nGesamteinkommen der Klagerin nur geringfugig vermindert hat. Der\nErstattungsbetrag umfasste nicht mehr als 3 % des Gesamthonorars fur das\nQuartal 2/01 von 74.509,63 DM, bezogen auf das Jahreshonorar von knapp 300.000\nDM bleibt er deutlich unter 1%. Kurzungen in dieser Großenordnung sind nicht\ngeeignet, die finanziellen Dispositionen der Klagerin nennenswert zu\nbeeintrachtigen. Ein konkreter Vertrauensschaden wird bei typisierender\nBetrachtungsweise durch Kurzungen in dieser Großenordnung regelmaßig\nausgeschlossen sein und ist hier konkret auch nicht geltend gemacht worden.\nNach Auffassung des Senats kommt daher dem Interesse der KÄV an der Korrektur\nder fehlerhaften Bescheide Vorrang zu vor dem Vertrauen der Klagerin darauf,\ndas einmal uberwiesene Honorar dauerhaft behalten zu durfen. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154\nAbs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Grunde, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. \n--- \n---\n\n
140,731
vg-stuttgart-2005-04-13-a-11-k-1326804
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
A 11 K 13268/04
2005-04-13
2019-01-08 15:51:54
2019-01-17 12:00:54
Beschluss
## Tenor\n\nDie aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im\nBescheid des Bundesamts fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge vom\n1.10.2004 wird angeordnet.\n\nDie Antragsgegnerin tragt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der zulassige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der\ngleichzeitig am 12.10.2004 erhobenen Klage (A 11 K 13267/04) bezieht sich auf\ndie Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts vom 1.10.2004, als\nEinschreiben aufgegeben am 4.10.2004, mit der Ausreisefrist von einer Woche\nals Folge der Ablehnung des Antrags auf Durchfuhrung eines weiteren\nAsylverfahrens (§ 80 Abs. 5 und Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO, §§ 75, 71 Abs. 1 und\n4, 34, 36 Abs. 1 und 3 AsylVfG). Er ist begrundet mit der Folge, dass die\nAusreisefrist nicht schon nach einer Woche endet (§ 36 Abs. 1 AsylVfG),\nsondern erst einen Monat nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens\n(§ 37 Abs. 2 AsylVfG). Dabei ist unerheblich, dass es nach § 71 Abs. 5 AsylVfG\nkeiner weiteren Abschiebungsandrohung bedarf (so generell seit 1.1.2005, Art.\n3 Nr. 44 c, Art. 15 Abs. 3 Zuwanderungsgesetz, BGBl. I 2004 S. 1950). Es\nbestehen aber ernstliche Zweifel an der Rechtmaßigkeit des angegriffenen\nVerwaltungsakts (§ 36 Abs. 4 S. 1 AsylVfG), da die Voraussetzungen des § 51\nAbs. 1 bis 3 VwVfG fur die Durchfuhrung eines weiteren Asylverfahrens\nvorliegen durften (§ 71 Abs. 1 S. 1 AsylVfG). Hierzu wird auf die Darlegungen\nim Beschluss vom 8.4.2005 Bezug genommen, mit dem der Einzelrichter den\nRechtsstreit wegen grundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache auf die Kammer\nubertragen hat. \n--- \n| 2 \n--- \n| § 28 AsylVfG steht dem vorlaufigen Rechtsschutz nicht entgegen. Hiernach\nwird ein Auslander in der Regel nicht als Asylberechtigter anerkannt, wenn die\nGefahr politischer Verfolgung auf Umstanden beruht, die er nach Verlassen\nseines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, es sei denn\ndieser Entschluss entspricht einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar\nbetatigten Überzeugung. Fur Folgeantrage ist ab 1.1.2005 als Abs. 2 eingefugt\nworden, dass auch die Feststellung nach § 60 Abs. 1 AufenthG nicht mehr\ngetroffen werden kann, wenn das Vorbringen auf Umstande im Sinne des Absatzes\n1, die nach Rucknahme oder unanfechtbarer Ablehnung des fruheren Antrags\nenthalten sind, gestutzt wird (Art. 3 Nr. 18, Art. 15 Abs. 3\nZuwanderungsgesetz). Auch wenn diese neue Rechtslage maßgebend ist (§ 77 Abs.\n1 AsylVfG), bestehen ernstliche Zweifel daran, dass sie sich in der Hauptsache\nauswirkt. \n--- \n| 3 \n--- \n| § 60 Abs. 1 AufenthG enthalt ausdrucklich „in Anwendung des Abkommens vom\n28. Juli 1951 uber die Rechtsstellung der Fluchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559)"\n\\- GFK - die Umsetzung des dortigen „Artikel 33. Verbot der Ausweisung und\nZuruckweisung". § 28 Abs. 2 AsylVfG zielt darauf ab, die Feststellung des § 60\nAbs. 1 AufenthG fur die Auslanderbehorde verbindlich zu verneinen (§ 4 S. 1\nAsylVfG). Dies widersprache aber der Verpflichtung nach Art. 33 Abs. 1 GFK: \n--- \n| 4 \n--- \n| Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Fluchtling auf irgendeine\nWeise uber die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zuruckweisen, in denen sein\nLeben oder seine Freiheit wegen seiner ... politischen Überzeugung bedroht\nsein wurde. \n--- \n| 5 \n--- \n| „Fluchtling" im Sinne dieses Abkommens ist namlich „jede Person", die\n...aus der begrundeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer ... politischen\nÜberzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehorigkeit sie\nbesitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen\ndieser Befurchtungen nicht in Anspruch nehmen will... \n--- \n| 6 \n--- \n| Eine Einschrankung fur Nachfluchtgrunde wie in § 28 AsylVfG findet sich\ndort nicht; auch die Nachfluchtentscheidung des Bundesverfassungsgerichts\n(Beschl. v. 26.11.1986, BVerfGE 74, 66), auf die § 28 AsylVfG zuruckgeht,\nweist besonders auf den verbleibenden „Schutz nach Maßgabe von Art. 33" GFK\nhin und enthalt am Ende die - eigentlich tragende - Erwagung, das\nOberverwaltungsgericht sei willkurfrei davon ausgegangen, dass dem\nBeschwerdefuhrer politische Verfolgung nicht drohe. Ebenso heißt es in Art. 5\nAbs. 3 der Richtlinie 2004/83/EG vom 29.4.2004 (Amtsblatt der Europaischen\nUnion L 304/12) einschrankend: \n--- \n| 7 \n--- \n| Unbeschadet der Genfer Fluchtlingskonvention konnen die Mitgliedstaaten\nfestlegen, dass ein Antragsteller, der einen Folgeantrag stellt, in der Regel\nnicht als Fluchtling anerkannt wird, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umstanden\nberuht, die der Antragsteller nach Verlassen des Herkunftslandes selbst\ngeschaffen hat. \n--- \n| 8 \n--- \n| Demgemaß hat die UNHCR-Vertretung Deutschland zur Umsetzung des § 28\nAsylVfG n.F. am 23.12.2004 angeregt: \n--- \n| 9 \n--- \n| Um einen volkervertragswidrigen Ausschluss vom Fluchtlingsschutz zu\nvermeiden, sollte in den Auslegungshinweisen zu dieser Vorschrift ... klar\ngestellt werden, dass bei festgestellter Verfolgungsgefahr eine Ausnahme von\nder Regelvermutung fur die fehlende Verfolgungsgefahr vorliegt und eine\nFluchtlingsanerkennung moglich bleibt. \n--- \n| 10 \n--- \n| In der Begrundung zu § 28 Abs. 2 AsylVfG (BT-Drucksache 15/538 zu Art. 3\nNr. 18) ist zwar ausgefuhrt, dass durch die Versagung auch des „Kleinen Asyls"\nnach § 60 Abs. 1 AufenthG keine Schutzlucke entstehe, weil es noch andere\nRechtsgrundlagen fur Schutz vor Abschiebungen bei konkreten Gefahren gebe und\ndie Genfer Fluchtlingskonvention „lediglich - bei Vorliegen der\nVoraussetzungen des Artikels 33 Abs. 1 GFK - einen Abschiebungsschutz fur die\nDauer der Bedrohung garantiert". Dabei wird aber ubergangen, dass Art. 33 Abs.\n1 GFK gerade durch § 60 Abs. 1 AufenthG umgesetzt werden soll, nicht etwa\ndurch § 60 Abs. 7 AufenthG, der nicht einmal ein striktes Abschiebungsverbot\nenthalt. \n--- \n| 11 \n--- \n| Sollte also § 28 Abs. 2 AsylVfG bewirken, dass § 60 Abs. 1 AufenthG einer\nAbschiebung nicht entgegensteht, obwohl Art. 33 Abs. 1 GFK entgegensteht,\nwidersprache sich das Zuwanderungsgesetz selbst, da es § 60 Abs. 1 AufenthG\nund § 28 Abs. 2 AsylVfG gleichzeitig in Kraft gesetzt hat. Dieser Widerspruch\nließe sich dadurch ausraumen, dass bei einem Verstoß gegen Art. 33 Abs. 1 GFK\neine Ausnahme von der Regel des § 28 Abs. 2 AsylVfG gemacht wird. Dadurch\nwurde zwar die Ausnahme zur Regel, denn der Anwendungsbereich des § 28 Abs. 2\nAsylVfG bliebe auf etwaige Falle beschrankt, in denen der Abschiebungsschutz\ndes § 60 Abs. 1 AufenthG uber Art. 33 Abs. 1 GFK hinausgeht. Das durfte aber\nnicht schwer wiegen, denn § 28 Abs. 2 AsylVfG konnte ohnehin kaum die\nErwartung des Gesetzgebers erfullen, dass der „bislang bestehende Anreiz"\nentfallt, durch Folgeverfahren mit neu geschaffenen Nachfluchtgrunden zu einem\ndauerhaften Aufenthalt zu gelangen (BTDrucks.15/538 a.a.O.). Auch bei Gefahren\nim Sinne des § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG, die nicht unter Art. 33 Abs. 1\nGFK fallen, soll namlich eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, die\nschließlich zur Niederlassungserlaubnis fuhren kann (§§ 25 Abs. 3 S. 1, 26\nAbs. 4 AufenthG). \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG). \n---\n\n
140,839
vg-stuttgart-2005-05-12-6-k-33304
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
6 K 333/04
2005-05-12
2019-01-08 15:52:48
2019-01-17 12:01:01
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Klage wird abgewiesen.\n\n2\\. Der Klager tragt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der\naußergerichtlichen Kosten des Beigeladenen Ziffer 2, die dieser selbst tragt.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer\nBaugenehmigung fur die Errichtung von zwei Windkraftanlagen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Baugesuch vom 20.10.2000 und Änderungsbaugesuch vom 30.01.2001\nbeantragte der Klager beim Landratsamt ... die Erteilung einer Baugenehmigung\nfur die Errichtung von zwei Windkraftanlagen des Typs "Enercon E-66/18.70"\n(Nabenhohe 98 m, Gesamthohe 133,0 m, Leistung 1800 kW) auf den\nAußenbereichsgrundstucken Flst.Nr. 113 und 108, Gemeinde und Gemarkung .... Im\nNordosten in ca. 850 m bzw. 800 m Entfernung liegt die Gemeinde ..., im Osten\nca. 500 m vom Grundstuck Flst. Nr. 113 und ca. 750 m vom Grundstuck Flst. Nr.\n108 entfernt befinden sich der Aussiedlerhof F-hof und im Westen ca. 1000 m\nvom Grundstuck Flst.Nr. 113 und ca. 750 m vom Grundstuck Flst.Nr. 108 entfernt\nder Ortsteil .... \n--- \n| 3 \n--- \n| Die angehorten Trager offentlicher Belange stimmten uberwiegend dem\nVorhaben unter Auflagen zu. U.a. wies das Gewerbeaufsichtsamt ... in seinen\nabschließenden Stellungnahmen vom 28.11.2000 und 22.02.2001 darauf hin, dass\ndie Immissionsrichtwerte sogar fur ein reines Wohngebiet eingehalten waren. In\nseinen Stellungnahmen vom 04.12.2000 und 15.02.2001 wies der Regionalverband\n... darauf hin, dass die geplanten Flachen fur die Errichtung der\nWindkraftanlagen in einem schutzwurdigen Bereich fur Landwirtschaft und\nBodenkultur nach Plansatz 3.2.2.2 des rechtskraftigen Regionalplanes 2...\nliegen wurden. Eine Beeintrachtigung der o.g. Schutzguter konne jedoch so gut\nwie ausgeschlossen werden. Der Kreisnaturschutzbeauftragte lehnte die\nBauvorhaben hingegen in seinen Stellungnahmen vom 10.11.2000 und 19.02.2001 ab\nund begrundete dies im Wesentlichen wie folgt: \n--- \n| 4 \n--- \n| „Im vorliegenden Fall kommt das Vorhaben auf einer Hochflache zur\nAusfuhrung, das weit in die Landschaft ausstrahlt. Eine Hohe von 133 m in\ndieser freien Landschaft ist ein Monstrum, das dort nicht verkraftet werden\nkann. Das Landschaftsbild wird erheblich beeintrachtigt. Gegen das Vorhaben in\ndiesem Ausmaß werden erhebliche Bedenken geltend gemacht".... \n--- \n| 5 \n--- \n| Die an diesem Standort erstellte Anlage wurde in einem sehr weiten Umkreis\nersichtlich sein. Nach Bayern zur Stadt ..., Schw. ..., die Kaiserberge und\nden Albtrauf. Auch das Gerausch der Rotoren darf nicht außer acht gelassen\nwerden, es konnte zu einer standigen Belastigung fuhren (Aussage eines\nAnwohners in Unterriffingen)". \n--- \n| 6 \n--- \n| Nach Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens durch die Beigeladene\nZiffer 1 in ihren Sitzungen vom 15.12.2000 und 14.02.2001 lehnte das\nLandratsamt ... mit Bescheiden vom 28.02.2001 die Erteilung der beantragten\nBaugenehmigungen ab. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die dagegen eingelegten Widerspruche wies das Regierungsprasidium Stuttgart\nunter Hinweis auf das fehlende gemeindliche Einvernehmen mit\nWiderspruchsbescheiden vom 24.04.2001 zuruck. \n--- \n| 8 \n--- \n| Dagegen hat der Klager am 28.05.2001 Klage erhoben, zunachst gerichtet auf\ndie Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der Baugenehmigungen. Zur\nBegrundung macht der Klager geltend: Wie insbesondere den Stellungnahmen des\nStaatlichen Gewerbeaufsichtsamtes zu entnehmen sei, seien die\nstreitgegenstandlichen Anlagen aus immissionsschutzfachlicher Sicht vollig\nunproblematisch. Auch sei diesen Stellungnahmen zu entnehmen, dass\nhinsichtlich des von den Anlagen ausgehenden Schattenwurfs keine unzumutbaren\nBelastigungen zu befurchten seien. Soweit von Seiten des Naturschutzes\nerhebliche Bedenken gegen die streitgegenstandlichen Vorhaben geltend gemacht\nworden seien, werde ausgefuhrt, dass Windenergieanlagen naturgemaß nicht in\nTalern, sondern auf Hochflachen errichtet werden konnten, nur dort gebe es\nausreichend Wind. Es werde nicht bestritten, dass von den Vorhaben gewisse\nWirkungen auf die Landschaft bzw. die umliegende Gegend ausgehen wurden.\nAllerdings sei zu bedenken, dass es sich bei Windenergieanlagen um\nprivilegierte Anlagen handele, bloße Beeintrachtigungen von offentlichen\nBelangen durften nicht zur Verweigerung der Baugenehmigungen herangezogen\nwerden. Dass es sich bei der Landschaft, in der die streitgegenstandlichen\nAnlagen errichtet werden sollten, um eine herausragende, geradezu einmalige\nhandele, konne realistischerweise nicht angenommen werden und sei auch den\nStellungnahmen des Naturschutzbeauftragten nicht zu entnehmen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Am 22.03.2002 wurde die Teilfortschreibung des Regionalplanes 2...\nOstwurttemberg Kapitel 3.2.7 Windenergie als Satzung beschlossen und durch das\nWirtschaftsministerium mit Urkunde vom 13.06.2002 genehmigt. Ausweislich des\nPlansatzes 3.2.7.1 (Z.) liegen die geplanten Standorte nicht innerhalb des\nGebiets, das dort als „vorsorglich freizuhaltende Bereiche fur die Nutzung der\nWindenergie" definiert ist und außerhalb dessen der Bau und Betrieb von\nraumbedeutsamen Windkraftanlagen ausgeschlossen ist (Plansatz 3.2.7.2 (Z.)).\nDie Teilfortschreibung ist mit Ablauf der offentlichen Auslegung am 16.08.2002\nin Kraft getreten. \n--- \n| 10 \n--- \n| Am 20.08.2002 hat das Gericht durch den damaligen Berichterstatter einen\nAugenschein auf den Baugrundstucken eingenommen und dabei u.a. festgestellt: \n--- \n| 11 \n--- \n| Die geplanten Standorte der Windkraftanlagen befinden sich auf einer\nlandwirtschaftlich genutzten Hochebene. Nach Norden (Richtung ...) fallt das\nGelande steil ab. Auch die weitere Umgebung ist durch flache Tafelberge\ngekennzeichnet, die sich ca. 100 m aus den tief eingeschnittenen Fluss- und\nBachtalern erheben. Besonders schutzwurdige Landschaftsteile sind nicht\nersichtlich und werden auch von den Anwesenden nicht geltend gemacht. \n--- \n| 12 \n--- \n| Nachdem eine außergerichtliche Einigung zwischen den Beteiligten\nscheiterte, wurde das in der Zwischenzeit ruhende Verfahren wieder angerufen.\nZur Begrundung seiner Klage tragt der Klager weiter vor: Auch nach der\nTeilfortschreibung des Regionalplanes habe er Anspruch auf Erteilung der\nBaugenehmigungen, denn der Verbandsversammlung des Beigeladenen Ziffer 2 musse\nder Vorwurf der unzulassigen Verhinderungsplanung gemacht werden. Zunachst\nverstoße Plansatz 3.2.7.1 der Teilfortschreibung des Regionalplanes 2...\nOstwurttemberg gegen das Raumordnungsgesetz des Bundes - ROG - und das\nLandesplanungsgesetz - LPlG. Gemaß § 7 Abs. 4 ROG kamen als mogliche\nFestlegungen Vorrang-, Vorbehalts- und Eignungsgebiete in Betracht. Das\nLandesplanungsgesetz enthalte in § 8 Abs. 7 ebenfalls die Regelung, dass der\nRegionalplan fur raumbedeutsame Windkraftanlagen Festlegungen in Form von\nVorrang-, Vorbehalts- und Ausschlussgebieten treffen konne. Die hingegen im\nPlansatz 3.2.7.1 der Teilfortschreibung des Regionalplanes 2... Ostwurttemberg\nverwendete Regelung „vorsorglich freizuhaltende Bereiche fur die Nutzung der\nWindenergie" sei im Gesetz nicht vorgesehen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Auch werde nicht deutlich, welches Gewicht der Windenergie gegenuber\nanderen Vorhaben zukomme. Zwar sei aufgrund des Satzes 2 innerhalb des\nPlansatzes 3.2.7.1. „Alle Vorhaben, die einer Windenergienutzung entgegen\nstehen, sind nicht zulassig" zu vermuten, dass der Windenergie im Rahmen der\nAbwagung besonderes Gewicht beigemessen werden solle. Es ergebe sich jedoch\nnicht, ob die besondere Bedeutung der Windenergie im Rahmen der Abwagung\nuberwunden werden konne. \n--- \n| 14 \n--- \n| Ferner seien dem Beigeladenen Ziffer 2 im Rahmen der Ermittlungen der\n„vorsorglich freizuhaltenden Bereiche fur die Nutzung der Windenergie"\nzahlreiche Fehler unterlaufen, die zur Unwirksamkeit des Planes fuhren wurden. \n--- \n| 15 \n--- \n| So seien in einem ersten Schritt angeblich alle Flachen mit sehr guten bis\nguten Windverhaltnissen ermittelt worden. Im Rahmen dieses Arbeitsschrittes\nseien die Windverhaltnisse in Ostwurttemberg sowohl unter dem Gesichtspunkt\nder zugrunde gelegten Hohe von 50 m, als auch unter dem Gesichtspunkt der\nWirtschaftlichkeit der Windenergienutzung fehlerhaft bewertet worden.\nZahlreiche Gebiete, die fur die Windenergienutzung hervorragend geeignet\nseien, seien von vornherein ausgeschlossen geblieben. Es sei nicht\nnachvollziehbar, aus welchen Grunden die Windgeschwindigkeit allein in einer\nHohe von 50 m, und nicht auch in einer Hohe von 80 - 130 m, bewertet worden\nsei, zumal derzeit Anlagen mit einer Nabenhohe von 80 - 100 m die Regel seien\nund die Windgeschwindigkeit mit zunehmender Hohe ansteige. Aus diesem Grund\nwerde im Solar- und Windenergieatlas der Landesanstalt fur Umweltschutz Baden-\nWurttemberg die mittlere Windgeschwindigkeit in den Hohen 50 m, 80 m und 130 m\nuber Grund dargestellt. \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Wirtschaftlichkeit der Windenergienutzung sei auch vollig falsch\neingeschatzt worden. So seien lediglich Flachen mit Windgeschwindigkeiten von\n4,7 - 4,9 m/s bzw. 5,0 m/s berucksichtigt worden. Die Windenergienutzung sei\naber bereits bei mittleren Windgeschwindigkeiten von etwa 4,5 m/s attraktiv,\nwie im Solar- und Windenergieatlas der Landesanstalt fur Umweltschutz (Anlage\n1) auf Seite 10 erwahnt sei. Zwar werde in der Teilfortschreibung pauschal\nausgefuhrt, dass auch Flachen mit Windgeschwindigkeiten von 4,7 m/s\nberucksichtigt worden seien, jedoch ergebe sich aus den Verfahrensunterlagen\nnicht, dass eine derartige Berucksichtigung von Flachen mit\nWindgeschwindigkeiten von 4,7 m/s tatsachlich stattgefunden habe. So ergebe\nsich z.B. aus einem Schreiben an Frau ... vom 23.08.2001 (Anlage 3), dass es\nnur darum gegangen sei, einige wenige Flachen zu finden und „den Eingriff so\ngering wie moglich zu gestalten", Windenergie damit also weitgehend zu\nverhindern. Auch habe das Standortkonzept Windenergie Ostwurttemberg (Anlage\n2) nur Bereiche mit Windhoffigkeit von 4,8 bis 4,9 m/s berucksichtigt. \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Unwirksamkeit der Teilfortschreibung des Regionalplanes Ostwurttemberg\nergebe sich des Weiteren aus der Heranziehung der Daten des Deutschen\nWetterdienstes. Diese Daten seien fur die Beurteilung der Windverhaltnisse\naber vollkommen ungeeignet. Zum einen wurden die Messungen lediglich in 10 m\nHohe durchgefuhrt, anhand eines Rechenmodells wurden diese Windverhaltnisse\ndann auf eine Hohe von 50 m hochgerechnet. Eine Berucksichtigung der\nbesonderen tatsachlichen Verhaltnisse konne unter diesen Umstanden nicht\nstattfinden. Daruber hinaus wurden die Messungen nicht im freien Gelande,\nsondern vielmehr in der Nahe von Bebauungen durchgefuhrt. Das verdeutliche\nauch das Beispiel von zwei Windenergieanlagen in .../... (Anlage 4). Diese\nStandorte seien fur die Windenenergienutzung als hervorragend geeignet\neingestuft und entsprechend auch genehmigt worden. Die Daten des Deutschen\nWetterdienstes hatten diese Standorte hingegen als nicht geeignet eingestuft.\n- Mit Schriftsatz vom 06.05.2005 nahm der Klager dabei Bezug auf einige, von\nihm durchgefuhrte konkrete Windmessungen im Raum Ostwurttemberg, wonach auf\neinigen Flachen hohere Windwerte erreicht wurden, als in der Karte des\nDeutschen Wetterdienstes ausgewiesen. Die Karte des DWD zu den\nWindhoffigkeiten wurden daher nicht den tatsachlichen Verhaltnissen\nentsprechen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Fehlerhaft sei auch die Teilfortschreibung des Regionalplanes\nOstwurttemberg vor dem Hintergrund, dass fur eine Positivausweisung nur\nFlachen weiter verfolgt worden seien, die auch hinsichtlich ihrer Große als\nregionalbedeutsam angesehen worden seien (ab ca. 20 ha bzw. Flachen fur\nmindestens 2-3 raumbedeutsame Windenergieanlagen). Es sei nicht\nnachvollziehbar, weshalb es sich bei den geeigneten Flachen um\nregionalbedeutsame Flachen handeln solle. Aufgrund der Absolutheit (die\nTeilfortschreibung sehe keine Ausnahmemoglichkeit fur Einzelanlagen vor)\nwiderspreche die Teilfortschreibung der Intention des Gesetzgebers, wonach\nselbstverstandlich auch die Errichtung einer einzelnen Anlage an einem\ngeeigneten Standort ermoglicht werden musse. \n--- \n| 19 \n--- \n| Auch der weitere Schritt zur Eingrenzung der geeigneten Flachen durch die\nErmittlung von weiteren Flachen mit „schutzbedurftigen Landschaftsfunktionen"\n(Seite 12 der Teilfortschreibung) sei fehlerhaft. Denn Natur- und\nLandschaftsschutzbelangen sei bereits durch die vorher herangezogenen\nAusschlusskriterien wie „Freizeit und Siedlungsgrun, Grunzasuren, Naturschutz\n(allgemein), (Grund-)Wasserschutz, besondere Waldfunktionen und\nLandschaftsschutzgebiete" ausreichend Rechnung getragen worden. Soweit der\nBeigeladene Ziffer 2 ausfuhre, man habe Flachen ohne Abwagung ausgeschlossen,\nwenn offentliche Belange mehrerer Bereiche entgegen gestanden hatten, und bei\nFlachen mit einer entgegen stehenden Landschaftsfunktion im Einzelfall\nabgewogen, sei auch das fehlerhaft. Zum einen sei nicht nachvollziehbar, was\nunter „erweiterter Natur- und Biotopschutz, erweiterter Landschaftsschutz" zu\nverstehen sei. Zum andern habe der Beigeladene Ziffer 2 nicht berucksichtigt,\ndass auch die Prufung, ob einem Vorhaben offentliche Belange entgegen stehen,\neine Abwagung erfordere, wobei es keine Rolle spiele, ob ein oder mehrere\noffentliche Belange beeintrachtigt seien. \n--- \n| 20 \n--- \n| Ebenso wenig rechtfertige der 6. Arbeitsschritt auf S. 16 der\nTeilfortschreibung eine weitere Eingrenzung der geeigneten Flachen, da die\nFestlegung von Flachen mit guten bis sehr guten Windverhaltnissen bereits\nGegenstand der ersten Eingrenzung sei. \n--- \n| 21 \n--- \n| Daruber hinaus sei Plansatz 3.2.7.2. nicht mit § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB\nvereinbar, wonach offentliche Belange einem Vorhaben (nur) in der Regel\nentgegen stunden. Denn der Plansatz sehe keine Ausnahmemoglichkeit vor. \n--- \n| 22 \n--- \n| Daneben sei auch die Begrenzung der Nabenhohe der Windenergieanlagen auf\n100 m (Seite 20 der Teilfortschreibung) unzulassig, denn das\nLandesplanungsgesetz ermachtige den Beigeladenen Ziffer 2 nicht, weitere\nEinschrankungen vorzunehmen als in § 8 LPLG durch Festlegung von bestimmten\nGebieten vorgesehen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Es fehle des weiteren an einem schlussigen, gesamtraumigen Planungskonzept.\nDurch die vom Gesetzgeber in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB getroffene Regelung\nwurden private Grundstuckseigentumer unmittelbar gebunden, er, der Klager,\nkonne seine privaten Belange in keinem der Raumordnung nachfolgenden\nPlanungsschritt mehr in eine Abwagung bringen. Diese Zielsetzung konne\nverfassungskonform nur in der Gestalt planerisch umgesetzt werden, wenn die\nAbwagung privater Belange bereits auf der jeweiligen Stufe der Planung\nerfolge. Den Verfahrensunterlagen sei aber nicht zu entnehmen, dass private\nBelange der Grundstuckseigentumer, die von der Ausschlusswirkung betroffen\nseien, vor allem Eigentumer von Grundstucken, die eine Windhoffigkeit von mehr\nals 4,5 m/s in 80 m bzw. 130 m Hohe aufweisen wurden, in die Abwagung\neinbezogen worden seien, ohne dass es dafur einen sachlichen Grund gebe. \n--- \n| 24 \n--- \n| Schließlich handele es sich bei der Teilfortschreibung um eine unzulassige\nVerhinderungsplanung. Nach der Teilfortschreibung kamen lediglich 356 ha fur\ndie Errichtung von Windenergieanlagen in Betracht. Dies entspreche einer Große\nvon etwa 0,16 % des gesamten Planungsraumes. Ein Zurucktreten der\nPrivilegierung in Teilen des Planungsgebiets lasse sich aber nur\nrechtfertigen, wenn der Planungstrager sicherstelle, dass sich die\nprivilegierten Vorhaben an anderer Stelle gegenuber konkurrierenden Nutzungen\ndurchsetzen wurden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe in seinem\nUrteil vom 08.12.2003 - 20 N 01.2612 die Änderung des Regionalplanes Oberpfalz\nNord, der einen raumlichen Ausschlussbereich fur Windenergieanlagen von 99,6 %\nvorgesehen habe, fur nichtig erklart. Ein Anhaltspunkt fur eine\nVerhinderungsplanung ergebe sich auch aus dem Serienbrief vom 18.05.2001 an\ndie betroffenen Gemeinden (Anlage 5), in welchem es u.a. heiße:„ Der\nRegionalverband Ostwurttemberg ware den Tragern offentlicher Belange,\ninsbesondere den Stadten und Gemeinden der Region sehr dankbar, wenn sie im\nRahmen dieser Beteiligung Vorschlage mitteilen konnten zu weiteren, fur die\nWindenergienutzung geeigneten Bereichen und Flachen...". Dieses Schreiben\nkonne nur dahingehend verstanden werden, dass der Beigeladene Ziffer 2 gerade\nnicht selbst alle geeigneten Flachen ermittelt habe. Ein weiterer Anhaltspunkt\nfur Verhinderungsplanung ergebe sich aus der Ermahnung bzw. Aufforderung von\nprivater Seite bzw. der Gemeinde ..., vorgeschlagene Standorte in das\nPlanungsverfahren erst einmal einzubeziehen (Anlagen 6 - 12). Auch das\nErgebnisprotokoll der offentlichen Sitzung der Verbandsversammlung vom\n22.03.2002, wonach der Landrat Pavel u.a. ausgefuhrt haben soll: „Beim\nStandort ... glaube er, dass dieser mit der nun vorgeschlagenen Flache mit\netwas uber 80 m und einer Begrenzung auf max. 8 Anlagen ausgewogen sei, damit\nsei er verantwortbar und dazu geeignet, den sozialen Frieden und die gute\npartnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden zu erhalten",\nverdeutliche, dass eine Selbstbindung an Wunsche von Gemeinden erfolgt sei,\nwas nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine korrekte Abwagung entspreche. \n--- \n| 25 \n--- \n| Fur den Fall, dass das Gericht die Auffassung vertrete, dass die\nTeilfortschreibung rechtmaßig sei und den Bauvorhaben entgegen stehe, werde\nhilfsweise die Umstellung der Verpflichtungsklage auf eine\nFortsetzungsfeststellungsklage begehrt. Er, der Klager, beabsichtige,\nAmtshaftungsanspruche geltend zu machen. Zum Zeitpunkt der Ablehnung der\nAntrage sei die Teilfortschreibung des Regionalplanes weder beschlossen noch\nrechtskraftig gewesen, so dass die Ablehnungsantrage nicht hatten auf diese\nBelange gestutzt werden konnen. Sonstige offentliche Belange i.S. des § 35\nAbs. 3 Satz 1 BauGB wurden den Vorhaben aber nicht entgegen stehen. \n--- \n| 26 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 27 \n--- \n| die Bescheide des Landratsamtes ... vom 28.02.2001 und die\nWiderspruchsbescheide des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 24.04.2001\naufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die beantragten Baugenehmigungen\nfur jeweils eine Windenergieanlage auf den Grundstucken Flst.Nr. 108 und 113,\nGemarkung ... nach Maßgabe der am 20.10.2000 bzw. 30.01.2001 gestellten\nBaugesuche zu erteilen, \n--- \n| 28 \n--- \n| hilfsweise festzustellen, dass die Versagung der Baugenehmigungen durch die\nBescheide des Landratsamtes ... vom 28.02.2001 und die Widerspruchsbescheide\ndes Regierungsprasidiums Stuttgart vom 24.04.2001 rechtswidrig und der\nBeklagte bis zum 16.08.2002 verpflichtet gewesen sei, dem Klager die\nbeantragten Baugenehmigungen zu erteilen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Der Beklagte \n--- \n| 30 \n--- \n| stellt keinen Antrag. \n--- \n| 31 \n--- \n| Zur Begrundung verweist er u.a. auf das fehlende gemeindliche Einvernehmen,\ndas der Erteilung der Baugenehmigungen entgegen gestanden habe. \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Beigeladene Ziff. 1 beantragt, \n--- \n| 33 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 34 \n--- \n| Zur Begrundung macht sie geltend, der Klager habe unter keinem rechtlich\ndenkbaren Gesichtspunkt Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigungen; die Klage\nsei sowohl mit ihrem Haupt- als auch ihrem Hilfsantrag unbegrundet. In der\nRechtsprechung sei anerkannt (zuletzt BVerwG, Urt. v. 27.01.2005 - 4 C 5/04),\ndass einer Windkraftanlage auch ein in Aufstellung befindliches Ziel der\nRaumordnung als unbenannter offentlicher Belang i.S. des § 35 Abs. 3 Satz 1\nBauGB entgegen stehen konne. Das Bundesverwaltungsgericht stutze diese Annahme\nauf § 4 Abs. 4 Satz 1 ROG, wonach die Erfordernisse der Raumordnung bei\nGenehmigungen uber die Zulassigkeit raumbedeutsamer Maßnahmen nach Maßgabe der\nfur diese Entscheidungen geltenden Vorschriften zu berucksichtigen seien. Zu\nden sonstigen Erfordernissen der Raumordnung wurden nach § 3 Nr. 4 ROG nicht\nzuletzt in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung zahlen. Diese\nVoraussetzungen seien erfullt. Aufgrund einer Vielzahl von Antragen habe der\nRegionalverband ab Mitte 2000 intensive Voruberlegungen hinsichtlich moglicher\nWindkraft-Standorte angestellt. Aus den Voruberlegungen des Regionalverbandes\n..., insbesondere aber der Vorlage fur die Verbandsversammlung vom 27. April\n2001, seien die Ziele des Standortkonzeptes fur die Teilfortschreibung des\nRegionalplanes 2... Ostwurttemberg fur den Bereich Windenergie hervorgegangen.\nDiese Planung habe Anfang April 2001 vorgelegen. Die Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts verlange fur die „Qualitat" als unbenanntem\noffentlichen Belang i.S. des § 35 Abs. 1 Satz 1 BauGB ein Mindestmaß\ninhaltlicher Konkretisierung. Dieses sei gegeben. Aus der Anlage zum\nStandortkonzept Windenergie Ostwurttemberg (Anhorungsentwurf nach § 9.2 LplG,\nApril/Mai 2001, dort Karte 3) ergebe sich, dass \n--- \n| 35 \n--- \n| \\- die hier interessierenden Flurstucke Nr. 113 und 108 außerhalb der\npotentiellen Windenergiestandorte lagen und zu dem Bereich der so genannten\n„Tabuflachen" gehorten, \n--- \n| 36 \n--- \n| \\- auch die weitere Voraussetzung, namlich ein genugendes Maß an\nVerlasslichkeit im Hinblick auf die beabsichtigten Standorte, vorliege. Ein\nVergleich der Karte 3 des Standortkonzeptes mit der Erganzung zur\nRaumnutzungskarte „F.-hof" verdeutliche, dass die vorsorglich frei zu\nhaltenden Bereiche fur die Nutzung der Windenergie flachenmaßig deutlich\nverringert worden und dabei von den hier streitigen Standorten abgeruckt\nseien. Dabei habe keine Verschiebung, sondern ausschließlich eine\nVerkleinerung der Flachen stattgefunden. Fur die hier interessierenden\nGrundstucke sei das ursprungliche Konzept - wenn auch negativ - verlasslich\ngewesen. \n--- \n| 37 \n--- \n| Ferner stehe der Zulassigkeit des Vorhabens auch die fehlende Erschließung\nentgegen. Beide Grundstucke wurden durch ein und denselben Feldweg\nerschlossen, der fur die notwendigen Bau- und Wartungsfahrzeuge weder uber die\nnotwendige Breite, noch uber den fur solch schwere Fahrzeuge notwendigen\nUnterbau verfuge. Die Erschließung sei lediglich fur landwirtschaftliche\nNutzung moglich. Der Klager habe auch keinen Anspruch auf Erschließung (§ 123\nAbs. 3 BauGB). Die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen, in\ndenen „gegen" den Wortlaut des § 123 Abs. 3 BauGB ein Anspruch auf\nErschließung gegeben sei, lagen nicht vor. Die Sonderregelung des § 124 Abs. 3\nSatz 2 BauGB gelte nur fur den Fall, dass das fragliche Gebiet in einem\nBebauungsplan ausgewiesen sei. Auf die Bereitschaft des Klagers, mit der\nGemeinde einen Erschließungsvertrag abzuschließen, komme es nicht an. \n--- \n| 38 \n--- \n| Ferner hatten die beiden Windkraftanlagen auch wegen Verunstaltung des\nLandschaftsbildes nicht genehmigt werden konnen. Selbst wenn man davon\nausgehe, dass eine Verunstaltung nur in Ausnahmefallen anzunehmen sei, namlich\nwenn es sich um eine wegen ihrer Schonheit und Funktion besonders\nschutzwurdige Umgebung oder um einen besonders groben Eingriff in das\nLandschaftsbild handele, seien diese Voraussetzungen hier gegeben. Es handele\nsich um eine wegen ihrer Schonheit und Funktion besonders schutzwurdige\nUmgebung, was auch durch das vorliegende Schattengutachten Windpark ... ...\nvon Dr. ... vom Mai 2001 belegt sei. Die Verunstaltung sei insbesondere darin\nzu sehen, dass die Anlagen auf der gesamten Hochflache, aber auch in weiten\nTeilen des Tales um ... eingesehen werden konnten (vgl. Schattengutachten,\ndort die Sichtbarkeitsflachen fur die Windkraftanlagen WKA 5 und 6,\nAbbildungen 9 und 10, Anlagen). Der Vergleich der beiden hier eingeklagten\nStandorte mit der im Regionalplan ausgewiesenen Flache verdeutliche, dass der\nBereich zwischen den Ortsteilen ... und ... in besonderem Maße eine\nschutzwurdige Umgebung darstelle, so dass die Bebauung dieser beiden\nGrundstucke mit Windkraftanlagen einen besonders groben Eingriff in das\nLandschaftsbild darstelle. \n--- \n| 39 \n--- \n| Der Beigeladene Ziffer 2 \n--- \n| 40 \n--- \n| stellt keinen Antrag. \n--- \n| 41 \n--- \n| Zur Begrundung tragt er im Wesentlichen vor: Die von der\nVerbandsversammlung des Regionalverbands ... am 22.03.2002 beschlossene\nSatzung uber die Teilfortschreibung des Regionalplanes um das Kapital 3.2.7\nWindenergie sei rechtmaßig. \n--- \n| 42 \n--- \n| Soweit der Klager vortrage, die Regionalplanung beruhe auf einem\nsystematischen Fehler, weil dieser nur die Windhoffigkeit in 50 m uber Grund,\nnicht hingegen in 10 m uber Grund berucksichtigt habe, sei dies nicht\nsubstantiiert. Bei den Winddaten des Deutschen Wetterdienstes in der neuesten\nVersion (Statistisches Windfeldmodell des DWD von 1999), die die mittlere\njahrliche Windgeschwindigkeit in 50 m uber Grund bei einem feinmaschigen 200 m\n- Raster darstellen wurden, sei ausgeschlossen, dass topographische\nBesonderheiten oder die Rauigkeit der Erdoberflache Auswirkungen auf die\ntatsachlichen Windverhaltnisse hatten. Es seien auch nicht nur Standorte mit\nstarken Windverhaltnissen untersucht worden. Der Klager konne keinen Standort\nmit starker Windhoffigkeit benennen, den der Regionalverband nicht\nberucksichtigt habe. Sollten Gebiete mit hoher mittlerer Windgeschwindigkeit\nals Standort ausgeschlossen worden sein, sei dies aus entgegenstehenden\noffentlichen Belangen geschehen. \n--- \n| 43 \n--- \n| Bei der Teilfortschreibung hatten mehrere hunderttausend Einzelflachen an\nHand von ca. 55 verschiedenen Kriterien nachvollziehbar Berucksichtigung\ngefunden. Der Regionalplan kennzeichne Bereiche, die hinsichtlich ihrer Große\nund ihrer besonderen Eignung regionale Bedeutung aufwiesen und wurde Bereiche\nfur den Bau von raumbedeutsamen Anlagen erfassen, wobei sich die\nRaumbedeutsamkeit aus der Hohe der Anlagen, dem vorgesehenen Standort und den\nAuswirkungen auf planerisch als Ziel gesicherte Raumfunktionen ergebe,\nstandortunabhangig nur Windenergieanlagen ab einer Nabenhohe von 50 m sowie\nWindparks erfasse, was der Beschlusslage der Landesregierung Baden-Wurttemberg\nvom 11.12.2001 entspreche. \n--- \n| 44 \n--- \n| Soweit der Klager einen Verstoß gegen das ROG und LPlG geltend mache, sei\ndarauf hinzuweisen, dass das LPlG Baden-Wurttemberg in seiner heutigen Fassung\nvom 08.05.2003 zum Zeitpunkt der Teilfortschreibung noch nicht in Kraft\ngetreten sei. Das LPlG in der bis dahin geltenden Fassung habe in seinem § 8\nAbs. 2 Satz 8 aber die Formulierung enthalten „vorsorglich freizuhaltende\nBereiche fur Trassen und Infrastrukturvorhaben". Dieser Formulierung\nentspreche Plansatz 3.2.7.1 der Teilfortschreibung. Ferner werde in der\nFormulierung in Plansatz 3.2.7.1 Satz 2 „Alle Vorhaben, die einer\nWindenergienutzung entgegen stehen, sind nicht zulassig" der Vorrang der\nWindenergienutzung hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Die Neufassung\ndes LPlG vom 08.05.2003 lose keine Anpassungspflicht fur bereits beschlossene\nRegionalplane aus (vgl. Gesetzesbegrundung zu Art 7). Auch aus dem ROG ergebe\nsich diesbezuglich nichts. § 22 ROG verpflichte zwar die Landesgesetzgeber zur\nAnpassung des Landesrechts an das ROG innerhalb einer bestimmten Frist. Fur\nden Fall des Verstreichens der Frist ordne das ROG aber gerade nicht die\nunmittelbare Geltung seiner Vorschriften in den Landern an. \n--- \n| 45 \n--- \n| Zum Einwand, nicht nachvollziehbar sei die Bewertung der\nWindgeschwindigkeit erst ab einer Hohe von 50 m, erwidert der Beigeladene\nZiffer 2: Bei der Teilfortschreibung seien mittels flachendeckender Daten des\nDeutschen Wetterdienstes Flachen mit sehr guten bis guten Windverhaltnissen\nermittelt worden, wobei fur die Ermittlung der Flachen die Angabe von 50 m\noder 80 m uber Grund nicht unmittelbar ausschlaggebend sei. Die Abgrenzung der\nFlachen mit sehr guten und guten Windverhaltnissen sei an Hand von\nInformationen der Windenergieanlagenhersteller und Betreiber und in Anlehnung\nan Aussagen des Wirtschaftsministeriums Baden-Wurttemberg bzw. der\nLandesanstalt fur Umweltschutz erfolgt. Demnach seien fur einen\nwirtschaftlichen Betrieb mindestens 5,0 m/s in 50 m Hohe bzw. 5,5, besser 6,0\nm/s in Nabenhohe von 80 - 100 m notwendig. Werte von 5,0 m/s (in 50 m Hohe\nuber Grund) wurden auf 129,3 km 2 der Region Ostwurttemberg erreicht, dies\nentspreche 6 % der Gesamtregion von 2.138 km 2 . In der Planung seien jedoch\nauch angrenzende Flachen mit einer Windgeschwindigkeit von 4,7 bis 4,9 m/s\nberucksichtigt worden. Diese Werte wurden auf weiteren 272,0 km 2 in\nOstwurttemberg erreicht, so dass in der Planung insgesamt 401,3 km 2 , also\n18,78 % der Gesamtflache, fur die Windenergie geeignet bzw. als Flachen mit\nsehr guten bis guten Windverhaltnissen eingestuft worden seien. Auch die\ngeplanten Standorte des Klagers in ... und ... seien danach als Flachen mit\nguten bis sehr guten Windverhaltnissen zunachst berucksichtigt worden. \n--- \n| 46 \n--- \n| Beim Einwand, im Solar- und Windenergieatlas der Landesanstalt fur\nUmweltschutz Baden-Wurttemberg auf Seite 10 werde eine wirtschaftliche Nutzung\nder Windenergie bereits ab 4,5 m/s angenommen, sei vergessen worden zu\nerwahnen, dass sich diese Aussage auf eine Windhoffigkeit bei 10 m uber Grund\nbeziehe. Im allgemeinen sei davon auszugehen, dass ein Standort, der in 10 m\nuber Grund einen Wert von 4,5 m/s aufweise, in 50 m uber Grund deutlich uber\n5,0 m/s liege. \n--- \n| 47 \n--- \n| Soweit der Klager bezweifle, dass auch Flachen mit 4,7 m/s bis 4,9 m/s\nWindhoffigkeit in 50 m uber Grund in der Teilfortschreibung Berucksichtigung\ngefunden hatten, werde auf die Tabelle mit den vorsorglich freizuhaltenden\nBereichen fur die Nutzung der Windenergie an den Standorten F-hof, Stiethof,\nWaldhausen, Weilermerkingen (Bl. 261 der Gerichtsakte) verwiesen. Das zitierte\nSchreiben von Frau ... vom 23.08.2001 beziehe sich hingegen auf die erste\nAnhorung zur Ausarbeitung der Teilfortschreibung, in der zunachst in der Regel\nnur windhoffige Flachen ab 5,0 m/s Berucksichtigung gefunden hatten. Eine\nAbweichung von dieser Regel sei bereits in der ersten Planung gemacht worden,\nindem bei Standortbereichen außerhalb der Albhochflache auch angrenzende\nBereiche mit 4,8 und 4,9 m/s berucksichtigt worden seien (vgl. Standortkonzept\nStand April 2001). Weiter gebe die zitierte Abbildung (Karte der\nWindhoffigkeit) in Klassen (bis 4,0 m/s / 4,1 - 4,7 m/s / 4,8 - 4,9 m/s / 5,0\nm/s und daruber) einen Überblick uber die Verteilung der regionalen\nWindverhaltnisse wieder und nicht die planerische Methodik. \n--- \n| 48 \n--- \n| Die in der Planung fur die Teilfortschreibung Kapitel 3.2.7 verwendeten\nDaten des Deutschen Wetterdienstes (Statistisches Windfeldmodell, Marz 1999,\nDaten in 50 m uber Grund, Auflosung 0,1 m/s, Raster 200 m) seien fur die\nraumliche Planung allgemein anerkannt und wurden auch bei Einzelgutachten\n(z.B. in dem vom Klager zitierten Standortgutachten) berucksichtigt. Fruhere\nWindfeldmodelle mit Daten in 10 m uber Grund seien hingegen oftmals\nhinsichtlich einer Planung mit flachendeckendem Ausschluss hinterfragt worden.\nDas statistische Windfeldmodell des Deutschen Wetterdienstes vom Marz 1999\n(SWM) berucksichtige erstmals die Windgeschwindigkeit in Abhangigkeit von\nverschiedenen Einflussfaktoren, wie z.B. der Hohe uber NN, der geografischen\nLage, der Gelandeform und der Landnutzung. Das SWM liege nur in 50 m Hohe vor,\nBerechnungen fur 80 bzw. 100 m Nabenhohe wurden ausschließlich auf Grundlage\ndieser 50 m - Daten erfolgen. Eine bessere Planungsgrundlage existiere nicht.\nIn ihren Planungen seien Flachen bereits ab 4,7 m/sec in 50 m Hohe als Flachen\nmit sehr guten bis guten Windverhaltnissen festgelegt worden. Im Vergleich zu\nden fur die Windenergie geeigneten Flachen im gesamten Bundesgebiet liege\ndieser Wert deutlich uber dem Durchschnitt. Einen guten Vergleich gebe das\nvorgelegte Kurzgutachten fur die Bundesregierung, erstellt im Rahmen der\nNovellierung des EEG/Teil Windenergie von der Deutschen WindGuard, nach dem im\nBundesgebiet die durchschnittliche Standortqualitat aller von 2004 bis 2006\ngeplanten Windparks bei 5,0 m/s in 30 m uber Grund liege. Weiter werde darauf\nhingewiesen, dass auch die vom Klager zitierten Standorte in .../... auch nach\nden ihnen vorliegenden Daten mit 4,7 bis 4,8 m/s in 50 m uber Grund potentiell\nals Flachen mit „sehr guten bis guten Windverhaltnissen" in der\nTeilfortschreibung berucksichtigt worden seien. Diese Flachen seien dann aber\nan Hand der Ausschlusskriterien ausgeschieden worden. Beispielsweise lagen die\nStandorte mit ca. 230 m bzw. 380 m zu nah an dem Weiler ... (vgl. die\nTeilfortschreibung, Ausschlusskriterium 1) Konflikte mit bestehenden\nSiedlungen, Seite 8). \n--- \n| 49 \n--- \n| Zum Einwand, dass die Teilfortschreibung keine Ausnahmemoglichkeit fur\nEinzelanlagen vorsehe, wird erwidert, dies rechtfertige sich mit der\nangestrebten dezentralen Konzentration von Windenergieanlagen. Weiter bleibe\ndie parzellenscharfe Ausformung der Bauleitplanung uberlassen. \n--- \n| 50 \n--- \n| Die weitere Eingrenzung der geeigneten Flachen durch die Ermittlungen von\nweiteren Flachen mit schutzwurdigen Landschaftsfunktionen (Seite 12 der\nTeilfortschreibung) sei nur dann erfolgt, wenn offentliche Belange mehrerer\nBereiche (Bereiche: Erweiterter Natur- und Biotopschutz, Erweiterter\nLandschaftsschutz, Ruhige Erholung und Natur erleben sowie Waldflachen mit\nbesonderer Bedeutung fur den Boden, das Klima und die Luft) einer\nWindenergienutzung kumulativ entgegen gestanden hatten. Flachen mit entgegen\nstehenden Landschaftsfunktionen nur eines Bereiches seien hingegen im\nEinzelfall abgewogen worden. \n--- \n| 51 \n--- \n| Im zitierten Arbeitsschritt 6 habe eine weitere Einengung der geeigneten\nFlachen nur durch die Berucksichtigung entgegen stehender Belange, welche die\nTrager offentlicher Belange im Anhorungsverfahren eingebracht hatten und die\ndem Regionalverband ... bei der Planung auf regionaler Ebene nicht bekannt\ngewesen seien, nach Überprufung durch den Verband stattgefunden. \n--- \n| 52 \n--- \n| Soweit die Festlegung der Nabenhohe von 100 m in der Begrundung moniert\nwerde, werde darauf hingewiesen, dass die Begrundung nicht an der\nVerbindlichkeit teilnehme (siehe Genehmigung der Teilfortschreibung). \n--- \n| 53 \n--- \n| Obwohl das Landesplanungsgesetz Baden-Wurttemberg in seiner damaligen\nFassung keine Abwagung von privaten Belangen explizit vorgesehen habe, habe\nder Regionalverband bereits im Vorgriff auf die Umsetzung des\nRaumordnungsgesetzes private Einwendungen zugelassen (vgl. Veroffentlichung im\nStaatsanzeiger Nr. 27 vom 15. Juli 2002) und in die Abwagung eingestellt (vgl.\nAnlage 2: Teilfortschreibung Regionalplan 2... fur die Nutzung von Windenergie\nin Ostwurttemberg, Anhorung nach § 9.3 Landesplanungsgesetz, hier:\nStellungnahme der Trager offentlicher Belange). Auch die Anregungen des\nKlagers seien dargestellt (Seite 8) und abgewogen. \n--- \n| 54 \n--- \n| Zum Einwand der unzulassigen Negativplanung sei festzustellen, dass auf den\n„vorsorglich freizuhaltenden Bereichen fur die Nutzung der Windenergie" im\nUmfang von 356 ha neben den bereits genehmigten Windenergieanlagen in\nOstwurttemberg 45 raumbedeutsame Windenergieanlagen (z.B. der 2\nMegawattklasse) zulassig seien. Nach Herstellerangaben sei fur\nWindenergieanlagen der 2 Megawattklasse bei einer Windgeschwindigkeit von 6\nm/s in Nabenhohe ein Ertrag von 3,5 bis 4,0 Mio. Kilowattstunden jahrlich zu\nerwarten. Der Jahresverbrauch eines durchschnittlichen Haushalts in der Region\nOstwurttemberg liege nach den Angaben der Energiewirtschaft bei ca. 3.400 bis\n4.000 KWh jahrlich. Demnach konnten allein auf den vom Regionalverband\nausgewiesenen „vorsorglich freizuhaltenden Bereiche(n) fur die Nutzung der\nWindenergie" rechnerisch uber 20 % der ca. 200.000 Haushalte der Region mit\nStrom aus Windenergie versorgt werden. Dieser Wert liege deutlich uber den\nForderungen von Bund und Land hinsichtlich eines zukunftigen Anteils\nregenerativer Energien am Stromverbrauch. \n--- \n| 55 \n--- \n| Der zitierte Serienbrief vom 18.05.2001 sei im Rahmen der ersten Anhorung\nzur Ausarbeitung der Planung gem. § 9 Abs. 2 LPlG erfolgt. Das Planungskonzept\nhabe sich jedoch nach Auswertung der Anhorung der Trager offentlicher Belange\nim Rahmen der 1. Anhorung grundlegend geandert. Die zitierten Schreiben von\nPrivatpersonen und der Gemeinde Essingen seien im Rahmen der Abwagung gepruft,\nin offentlicher Sitzung beraten und in der Synopse (vgl. Anlage 2) offentlich\ngemacht worden. (Personliche) Meinungen von Verbandsmitgliedern zur Begrundung\nihres Abwagungs- und Abstimmungsverhaltens konnten vom Regionalverband nicht\nkommentiert werden. \n--- \n| 56 \n--- \n| Das Gericht hat die Grundstucke des Klagers in Augenschein genommen.\nHinsichtlich des Ergebnisses wird auf das Protokoll der mundlichen Verhandlung\nvom 12. Mai 2005 Bezug genommen. \n--- \n| 57 \n--- \n| Dem Gericht lagen die Ausgangsakten des Beklagten sowie die\nPlanungsunterlagen zur Teilfortschreibung des Regionalplanes 2...\nOstwurttemberg Kapitel 3.2.7 Windenergie vor. Hinsichtlich des weiteren\nVorbringens wird auf die Behordenakten und die Ausfuhrungen der Beteiligten im\ngerichtlichen Verfahren Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 58 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nicht begrundet. Der Beklagte ist nicht\nverpflichtet, gemaß § 58 Abs. 1 LBO dem Klager die beantragten\nBaugenehmigungen fur jeweils eine Windenergieanlage auf den Grundstucken\nFlst.Nr. 108 und 113, Gemarkung ... nach Maßgabe der am 20.10.2000 bzw.\n30.01.2001 gestellten Baugesuche zu erteilen (I). Es kann auch nicht\nfestgestellt werden, dass die Versagung der Baugenehmigungen durch die\nBescheide des Landratsamtes ... vom 28.02.2001 und die Widerspruchsbescheide\ndes Regierungsprasidiums Stuttgart vom 24.04.2001 rechtswidrig und der\nBeklagte bis zum 16.08.2002 verpflichtet gewesen ist, die beantragten\nBaugenehmigungen zu erteilen (II). \n--- \n| 59 \n--- \n| I. Die bauplanungsrechtliche Zulassigkeit von Windkraftanlagen beurteilt\nsich nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB. Danach ist ein Vorhaben, das - wie hier -\nder Nutzung der Windenergie dient, im Außenbereich bevorrechtigt zulassig. Ein\nsolches Vorhaben, das vom Gesetzgeber dem Außenbereich im Grundsatz\n„planungsahnlich" zugewiesen ist (BVerwG, Urt. v. 25.10.1967 - 4 C 86.66 -\nBVerwGE 28, 148, 151), kann aber gleichwohl nicht zugelassen werden, wenn ihm\noffentliche Belange i.S. des § 35 Abs. 3 BauGB entgegenstehen oder die\nausreichende Erschließung nicht gesichert ist. Den Bauvorhaben des Klagers\nstehen im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offentliche\nBelange entgegen. Nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ist dies bei Vorhaben nach §\n35 Abs. 1 Nr. 2 - 6 BauGB in der Regel der Fall, soweit hierfur durch\nDarstellungen im Flachennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine\nAusweisung an anderer Stelle erfolgt ist (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB). Zweck\ndieser Regelung ist es, den Gemeinden bzw. Landesplanungsbehorden ein\nSteuerungsinstrument gegenuber den nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 - 6 BauGB\ngrundsatzlich in den Außenbereich gehorenden privilegierten Vorhaben zu\nvermitteln, um eine geordnete regionale bzw. uberregionale Entwicklung im Raum\nzu ermoglichen. \n--- \n| 60 \n--- \n| Mit der Teilfortschreibung des Regionalplanes 2... Ostwurttemberg Kapitel\n3.2.7 ist eine solche positive Standortzuweisung mit Ausschlusswirkung fur\nalle anderen Standorte wirksam erfolgt. Danach sind die in den Erganzungen zur\nRaumordnungskarte dargestellten „vorsorglich freizuhaltenden Bereiche fur die\nNutzung der Windenergie" fur den Bau und Betrieb von raumbedeutsamen\nWindenergieanlagen geeignet und somit freizuhalten. Alle Vorhaben, die einer\nWindenergienutzung entgegenstehen, sind nicht zulassig (Plansatz 3.2.7.1 (Z)).\nAußerhalb der „vorsorglich freizuhaltenden Bereiche fur die Nutzung der\nWindenergie" ist der Bau und Betrieb von raumbedeutsamen Windenergieanlagen\nausgeschlossen (Plansatz 3.2.7.2 (Z)). Sowohl die positiven als auch die\nnegativen Elemente solcher planerischen Aussagen weisen die Merkmale von\nZielen der Raumordnung auf (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.03.2003 - BVerwG 4 C 4/02,\nNVwZ 2003, 738). Die Standorte des Klagers liegen aber nicht in einem\n„vorsorglich freizuhaltenden Bereich fur die Nutzung der Windenergie". \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| Bei den Vorhaben des Klagers handelt es sich auch um sog. raumbedeutsame\nVorhaben. Raumbedeutsam kann ein einzelnes Bauvorhaben nur dann sein, wenn es\nerhebliche Auswirkungen auf den „Raum" hat. Voraussetzung ist, dass von ihm\ninfolge Große oder der von ihm ausgehenden Emissionen Auswirkungen zu erwarten\nsind, die uber den unmittelbaren Nahbereich hinausgehen. Nur dann kann von\neiner „Raumwirkung" gesprochen werden, wohingegen Belastungen, die sich nur\nauf umliegende Grundstucke oder Teile eines Baugebiets erstrecken, dem Bereich\ndes Gebots der Rucksichtnahme zuzuordnen sind und deshalb unterhalb der\nSchwelle des großere Zusammenhange erfassenden Rechts der Raumordnung und\nLandesplanung verbleiben (vgl. dazu VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 24.07.2001 - 8\nS 1306/01 -). Hiervon ausgehend hat die Rechtsprechung eine Raumbedeutsamkeit\neiner Windkraftanlage mit einer Nabenhohe von 70 m und einem Rotordurchmesser\nvon 29 m (OVG Koblenz, Urt. v. 20.02.2003 - 1 A 114606/01, NVwZ-RR, 2003, 619)\noder bei einer Windkraftanlage mit einer Nabenhohe von 70,5 m und einem\nRotordurchmesser von 54 m (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.03.2003 - 4 C 4/02, NVwZ\n2003, 738) auf Grund der jeweiligen Dimensionen dieser Anlagen und der damit\nverbundenen Auswirkungen auf den Raum und die Landschaft angenommen. Bei der\ngegebenen Hohe der Anlagen des Klagers (Nabenhohe 98 m) sowie dem\nRotordurchmesser von 70 m ist damit ohne weiteres eine Raumbedeutsamkeit\nanzunehmen, zumal die Vorhaben auf einer Hochflache zur Ausfuhrung kommen\nsollen und damit in der freien Landschaft weithin wahrnehmbar sein werden. \n--- \n| 62 \n--- \n| Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob die diesbezugliche Regelung in\nder Teilfortschreibung des Regionalplanes 2... Ostwurttemberg Kapitel 3.2.7\nWindenergie Plansatz 3.2.7.3 (Z) in seinem Satz 2, wonach eine\nWindenergieanlage unabhangig vom Standort ab einer Nabenhohe von 50 m als\nraumbedeutsam angesehen wird, zulassig ist. Denn das Merkmal der\nRaumbedeutsamkeit ist eine Frage der Wurdigung des Einzelfalles, welche sich\nnicht mit einer bestimmten Meterangabe beantworten lasst (vgl. dazu auch\nBVerwG, Beschl. v. 02.08.2002 - 4 B 36/02 -). Allerdings hat der Vertreter des\nBeigeladenen Ziffer 2 dazu ausgefuhrt, dass diese Regelung konkret bezogen sei\nauf den Raum Ostwurttemberg, in anderen Regionen konnten sich hingegen ganz\nandere Referenzwerte ergeben. Die Region Ostwurttemberg sei dabei besonders\ndurch die weiten Hochflachen der ostlichen Schwabischen Alb, das ruhige\nAlbvorland, die Weiten des Schwabischen Waldes und die Keuperhohen um\nEllwangen gepragt. Die in Ostwurttemberg vorzufindende Schichtstufenlandschaft\nsei dabei gekennzeichnet durch wenige, steil nach Suden ansteigende\nStufenhange und die darauf folgenden, leicht (nach Sudost) abfallenden flachen\nStufenflachen, wobei die Stufenflachen durch ihre flache Auspragung weit\neinsehbar seien. Diese Sichtbeziehungen wurden erst nach dem Aufstieg der\nfolgenden Schichtstufe (z.B. der Alb oder des Keupers) enden. Zur Definition\nder Raumbedeutsamkeit ab einer Nabenhohe der Windkraftanlage von 50 m sei der\nRegionalverband erst nach umfangreichen Sichtbarkeitsberechnungen gekommen,\nwobei nach diesen Berechnungen die visuellen Wirkzonen einer Windenergieanlage\nmit einer Nabenhohe von 50 m (entspricht ca. einer Gesamthohe von 70 bis 80 m)\nin Ostwurttemberg noch bis zu einer Entfernung von 5 km erheblich seien. Bei\nder Festlegung fur regionalbedeutsame Windkraftanlagen sind insoweit die\nBesonderheiten der Region Ostwurttemberg herangezogen und in die abschließende\nAbwagung entsprechend ihrem Gewicht eingeflossen. Die Festsetzung ist deshalb\nnicht zu beanstanden. \n--- \n| 63 \n--- \n| Verfahrensfehler im Hinblick auf den Erlass der Teilfortschreibung werden\nnicht geltend gemacht und konnten nach Ablauf der Jahresfrist des - zum\nZeitpunkt der Bekanntmachung noch geltenden - § 11 LPlG (i.d.F. v. 08.04.1992\n(GBl. S. 229) - im Folgenden : a. F. ) auch nicht mehr zur Ungultigkeit der\nSatzung fuhren. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| Die in der Teilfortschreibung des Regionalplanes 2... Ostwurttemberg\nKapitel 3.2.7 Windenergie in Plansatz 3.2.7.1. enthaltene Formulierung\n„vorsorglich freizuhaltende Bereiche fur die Nutzung der Windenergie"\nentspricht inhaltlich und begrifflich dem zum Zeitpunkt des\nSatzungsbeschlusses geltenden § 8 Abs. 2 Ziffer 8 LPlG a.F. (vorsorglich\nfreizuhaltende Bereiche fur Trassen und Infrastrukturvorhaben). Diese\nBegriffsbestimmung ist auch nicht unbestimmt. Denn bereits aus dem Begriff\n„vorsorglich freizuhalten" ergibt sich ein Vorrang der Windenergie. Im Übrigen\nwird durch die Regelung in Plansatz 3.2.7.1 Satz 2 der Vorrang der\nWindenergienutzung hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Inhaltlich ist\nder Landesplanungstrager dabei den Vorgaben in § 7 Abs. 4 Satz 1 Ziffer 1 und\nSatz 2 ROG 1998 gefolgt, wonach die Festsetzung von sog. Vorranggebieten mit\nsog. Eignungsgebieten, d.h. mit Ausschlusswirkung fur andere Stellen im\nPlanungsraum, verbunden werden kann. Dass diese rahmenrechtlichen Vorschriften\ndes Raumordnungsgesetzes 1998 bei der Teilfortschreibung des genannten\nRegionalplanes noch nicht in das Landesplanungsrecht umgesetzt waren (vgl. zur\nUmsetzungsfrist § 22 ROG) - die bodenrechtliche Vorschrift des § 35 Abs. 3\nSatz 3 BauGB vermag die erforderliche raumordnungsrechtliche Ermachtigung zur\nFestlegung von Konzentrationsflachen nicht zu ersetzen - fuhrt nicht zur\nUnwirksamkeit der Teilfortschreibung. Denn eine spezielle landesrechtliche\nErmachtigung zur Festlegung von Konzentrationsflachen ist nicht erforderlich,\nwenn sich aus dem ubrigen Landesplanungsrecht hinreichend bestimmt ableiten\nlasst, dass der Landesgesetzgeber auch Konzentrationsentscheidungen i.S. von §\n35 Abs. 3 Satz 3 BauGB hat zulassen wollen (so ausdrucklich BVerwG, Urt. v.\n13.03.2003 - 4 C 4/02, NVwZ 2003, 738). Das Gericht sieht dies in der Bindung\ndes Landesplanungsrechts an die Grundsatze und Ziele des Raumordnungsrechts\n(§§ 3 Abs. 1 Satz 2, 8 Abs. 1 LPlG). Fur den Fall des Verstreichens der\nUmsetzungsfrist des § 22 ROG ordnet das Gesetz aber gerade nicht die\nunmittelbare Geltung seiner Vorschriften in den Landern an, so dass eine\nFestsetzung entsprechend der Formulierung des § 8 Abs. 2 Ziffer 8 LPlG a.F.\ngrundsatzlich zulassig ist und nicht wegen falscher Begriffsbestimmung gegen\nhoherrangiges Recht verstoßt. \n--- \n| 65 \n--- \n| Die vom Klager gerugten Abwagungsfehler liegen nicht vor. Fur die auf der\nEbene des Regionalplans vorzunehmende Abwagung der von der Standortausweisung\nberuhrten offentlichen und privaten Belange gelten die fur\nAbwagungsentscheidungen im Bauplanungs- und Fachplanungsrecht entwickelten\nallgemeinen Regeln. Die vom Beigeladenen Ziffer 2 getroffene Entscheidung ist\ndemnach gerichtlich nur eingeschrankt darauf uberprufbar, ob eine Abwagung\nuberhaupt stattgefunden hat, ob in sie an Belangen eingestellt worden ist, was\nnach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste, ob die Bedeutung der von\nder Planung beruhrten offentlichen und privaten Belange richtig erkannt worden\nist und ob der Ausgleich zwischen den betroffenen offentlichen und privaten\nBelangen in einer Weise vorgenommen worden ist, die zu ihrer objektiven\nGewichtigkeit in einem angemessenen Verhaltnis steht (grundlegend BVerwG, Urt.\nv. 05.07.1974 - 4 C 50.72, BVerwGE 45, 309). Bei der uberortlichen\nRegionalplanung sind nur die Belange in der Abwagung zu berucksichtigen, die\nauf der Ebene der Raumordnung erkennbar und von Bedeutung sind. Das Maß der\nAbwagung und der Umfang des in die Abwagung einzustellenden Materials richten\nsich daher nach dem Grad der Konkretheit der raumordnungsrechtlichen\nZielbestimmungen. \n--- \n| 66 \n--- \n| Die Entscheidung, fur bestimmte, umfassend und abschließend abgewogene\nEinzelflachen der Region den Vorrang der Windenergienutzung zu begrunden\n(Plansatz 3.2.7.1 (Z.)) und gleichzeitig diese Ausweisung von sog.\nPositivstandorten mit einer Negativwirkung (Ausschluss aller anderen Gebiete\nals Standorte fur regionalbedeutsame Windkraftanlagen - Plansatz 3.2.7.2 (Z))\nzu verbinden, wird vom Beigeladenen Ziffer 2 in der Begrundung der\nTeilfortschreibung wie folgt gerechtfertigt: \n--- \n| 67 \n--- \n| (Seite 20) „In der Region Ostwurttemberg wird der Nutzung der Windenergie\nzur Stromerzeugung eine besondere Bedeutung beigemessen. Die anhaltende\nNachfrage nach Standorten fur Windenergieanlagen sowie § 35 BauGB\nrechtfertigen eine regionale Standortvorsorgeplanung fur Windenergieanlagen.\nEine raumliche Konzentration von Windenergieanlagen in raumordnerisch und fur\ndie Gewinnung von Windenergie gut geeigneten Teilraumen wird aus Grunden der\nRaum- und Umweltvertraglichkeit angestrebt. Deshalb kennzeichnet der\nRegionalplan nur solche Bereiche, die hinsichtlich ihrer Große und ihrer\nbesonderen Eignung regionale Bedeutung aufweisen. ... \n--- \n| 68 \n--- \n| (Seite 21) „ Durch die Ausweisung von geeigneten Bereichen fur die\nWindenergienutzung und dem regelmaßigen Ausschluss außerhalb dieser Gebiete\nsoll eine dezentrale Konzentration von Windenergieanlagen auf geeignete\nStandorte erreicht werden. Eine flachendeckende Untersuchung der gesamten\nRegionsflache fuhrte zu diesem Ausschluss. Außerhalb der „vorsorglich\nfreizuhaltenden Bereiche fur die Nutzung der Windenergie" mussen u.a. den\noffentlichen Belangen wie die Unberuhrtheit der Landschaft, ihrer geringen\noder nicht vorhandenen Vorbelastung und ihrer weiten Einsehbarkeit Vorrang vor\neiner Windenergienutzung durch raumbedeutsame Windenergieanlagen eingeraumt\nwerden. Die Eignung als Standorte fur Windenergieanlagen ist insbesondere auch\nim Hinblick auf die meist zu geringe Windhoffigkeit nicht gegeben...". \n--- \n| 69 \n--- \n| Diese Zielsetzung der Regionalplanung entspricht den gesetzlichen Vorgaben.\nZwar ist mit § 35 Abs. 1 Ziff. 6 BauGB (nunmehr Ziffer 5) eine Privilegierung\nder Windkraftnutzung eingefuhrt worden. Mit der Neuregelung des § 35 Abs. 3\nSatz 3 BauGB hat der Gesetzgeber aber einen sog. „Planvorbehalt" fur Vorhaben\ngem. § 35 Abs. 1 Nr. 2 - 6 BauGB quasi als Korrektiv eingefuhrt, um den\n„Wildwuchs von Windenergieanlagen" in geschutzten Außenbereichen zu\nverhindern. Mit der Neuregelung des § 8 Absatz 4 ROG 1998 wurde den Landern\ndabei die Moglichkeit eroffnet, raumbedeutsame Maßnahmen (Vorhaben) im\nbauplanungsrechtlichen Außenbereich auch durch einen „innergebietlichen"\nVorrang verbunden mit einem regelmaßigen „außergebietlichen" Ausschluss zu\nsteuern. Diese Vorgaben sind mittlerweile auch in das Landesplanungsgesetz vom\n10.07.2003 (GBl. S. 385) - im Folgenden: n.F.) in § 11 Absatz 7 Satz 1 LPlG\nubernommen worden. \n--- \n| 70 \n--- \n| Ausweislich der dem Gericht vorgelegten Unterlagen des Beigeladenen Ziffer\n2 erfolgte die Festsetzung der „vorsorglich freizuhaltenden Bereiche"\n(Plansatz 3.2.7.1 (Z)) dabei in mehreren Schritten. In einem ersten\nPlanungsschritt wurden alle Flachen mit sehr guten bis guten Windverhaltnissen\n(die eine Windhoffigkeit von 5,0 m/s in 50 m Hohe und mehr aufweisen) anhand\nder vorliegenden Datengrundlagen des Deutschen Wetterdienstes, Statistisches\nWindfeldmodell Marz 1999 ermittelt und daruber hinaus auch hieran angrenzende\nFlachen mit Windgeschwindigkeiten von 4,7 bis 4,9 m/s berucksichtigt. In einem\nzweiten Schritt wurden dann mogliche Nutzungskonflikte mit der\nWindenergienutzung ermittelt (u.a. mit bestehenden Siedlungen,\nSiedlungsentwicklung, Freizeit- und Siedlungsgrun, Infrastruktureinrichtungen,\nNaturschutz, Wasserschutz, etc.), und durch Überlagerung von Flachen mit guten\nbis sehr guten Windverhaltnissen mit den ermittelten ersten Ausschlussgebieten\nwurde die Einteilung der Region in mogliche Positivstandorte fur die\nWindenergienutzung vorgenommen. Fur die Positivausweisung wurden dabei nur\nFlachen berucksichtigt, die hinsichtlich ihrer Große als regionalbedeutsam\nangesehen werden (ab ca. 20 h Flache fur mindestens 2 bis 3 raumbedeutsame\nWindenergieanlagen). In weiteren Teilschritten erfolgte dann eine weitere\nBegrenzung der Positivstandorte durch Überlagerung der verbleibenden Flachen\nmit weiteren schutzbedurftigen Landschaftsfunktionen bzw. weiteren\nNutzungskonkurrenzen (wie erweiterter Biotop- und Landschaftsschutz,\nWaldflachen mit besonderer Bedeutung fur den Boden, das Klima und die Luft\netc.), mit Bereichen fur den Schutz von Verteidigungsanlagen, der\nFlugsicherheit und dem Richtfunk und schließlich durch Ermittlung von\nAusschlussgebieten um Windkraftanlagen, um einer Überlastung der Landschaft\nbzw. der Naturraume entgegen zu wirken (vgl. dazu Teilfortschreibung des\nRegionalplanes 2... Ostwurttemberg, Kapitel 3.2.7 Windenergie - IV Methodik\nder Untersuchung mit Darstellung der regionalplanerischen Abwagung). \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| Diese Methodik der Untersuchung mit Darstellung der regionalplanerischen\nAbwagung ist ordnungsgemaß und entspricht den Zielen der Raumordnung und\nLandesplanung. Es ist weder vorgetragen noch aus den vorliegenden Unterlagen\nersichtlich, dass der Beigeladene Ziffer 2 bei seiner Abwagung Gesichtspunkte\nberucksichtigt hatte, die einen Ausschluss der Windenergienutzung nicht zu\nrechtfertigen vermogen. So werden z.B. im Ausschussbericht des Deutschen\nBundestages zur Novelle des § 35 Abs. 3 BauGB (BT-Dr 13/4978 S. 6) als\nBelange, die der Windenergienutzung vorgehen konnen, beispielhaft der\nFremdenverkehr, der Naturschutz und der Landschaftsschutz, der Schutz von\nRohstoffvorkommen und militarischen Einrichtungen oder anderen technischen\nSystemen genannt. Auch halt das Gericht es fur sachgerecht, dass der\nBeigeladene Ziffer 2 mit der Vorgabe einer bestimmten Windhoffigkeit und damit\neines bestimmten betriebswirtschaftlichen Nutzens den potentiellen Bereich der\nVorrangflachen von vornherein begrenzt hat. Je geeigneter eine Flache fur die\nWindkraft ist, umso so eher wird ihr auch bei Abwagung mit anderen Belangen\nVorrang einzuraumen sein, wahrend umgekehrt bei weniger geeigneten Flachen die\nNutzbarkeit fur die Windkraft nicht zwangslaufig den Ausschlag fur die\nFestsetzung als Vorrangflache geben wird. \n--- \n| 72 \n--- \n| Soweit der Klager konkret rugt, es sei nicht nachvollziehbar, dass die\nWindhoffigkeit nur in einer Hohe von 50 m und nicht in einer Hohe von 80 oder\n100 m ermittelt worden sei und er in diesem Zusammenhang auch die Heranziehung\ndes Datenmaterials des Deutschen Wetterdiensts als ungeeignet kritisiert,\nsieht das Gericht darin keinen Abwagungsfehler. Der Beigeladene Ziffer 2 hat\ninsoweit zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass die verwendeten Daten\ndes Deutschen Wetterdienstes (Statistisches Windfeldmodell, Marz 1999, Daten\nin 50 m uber Grund, Auflosung 0,1 m/s, Raster 200 m - i.F.: SWM) fur die\nraumliche Planung allgemein anerkannt und heute im gesamten Bundesgebiet das\nfur die Raumordnung eingesetzte Windfeldmodell bei flachendeckenden Planungen\nsind. Dieses Modell berucksichtigt erstmals die Windgeschwindigkeit in\nAbhangigkeit von verschiedenen Einflussfaktoren, wie z.B. der Hohe uber NN,\nder geografischen Lage, der Gelandeform und der Landnutzung. Grundlage der DWD\n- Daten ist dabei das sog. statistische Windfeldmodell (SWU) in der neuesten\nVersion vom Marz 1999, das anhand von 218 Windmessstationen des DWD\n(Bezugszeitraum 1981 - 1990) die raumliche Verteilung des Jahresmittels der\nWindgeschwindigkeit in Abhangigkeit von verschiedenen Einflussfaktoren (Hohe\nuber NN, geographische Lage, Gelandeform und Landnutzung) mittels\nstatistischer Verfahren bestimmt (vgl. dazu die Teilfortschreibung des\nRegionalplanes 2... Ostwurttemberg Kapitel 3.2.7 Windenergie Abschnitt III\nSeite 5ff). Die vom Klager-Vertreter selbst vorgenommenen Messungen an\neinzelnen Standorten belegen hingegen nicht die Ungeeignetheit dieser\nDatengrundlage. Fur das Gericht besteht deshalb nach pflichtgemaßem Ermessen\nkein Anlass fur eine weitere Aufklarung durch Einholung eines\nSachverstandigengutachtens. Soweit die Klager-Vertreterin in ihrem Schriftsatz\nvom 04.05.2005 Bezug nimmt auf eigene Messungen an einzelnen Standorten in 10\nm Hohe und dazu vortragt, diese Messungen hatten dort hohere Windhoffigkeiten\nergeben, als vom DWD in seinem Windfeldmodell dargestellt, hat der Beigeladene\nZiffer 2 bereits darauf hingewiesen, dass fruhere Windfeldmodelle auf Daten in\n10 m Hohe uber Grund oftmals hinsichtlich einer Planung mit flachendeckendem\nAusschluss hinterfragt und nicht mehr verwendet worden seien, weil diese nicht\nsichergestellt hatten, dass topographische Besonderheiten oder die Rauhigkeit\nder Erdoberflache keine Auswirkungen auf das verwendete Material gehabt\nhatten. Soweit der Klager-Vertreter hingegen auf konkrete Messungen an\neinzelnen Standorten in 50 m Hohe Bezug nimmt, wobei sich ebenfalls\nAbweichungen vom Windfeldmodell des DWD ergeben sollen, sind diese vom Klager\nvorgenommenen (meist Jahres-)Messungen aber kaum vergleichbar mit den uber\nJahre hinweg ermittelten Messergebnissen, die in das statistische\nWindfeldmodell eingeflossen sind. Im Übrigen beruht das statistische\nWindfeldmodell auf einer Hochrechnung der flachendeckend, und gerade nicht fur\njedes Grundstuck ermittelten Messwerte mittels statistischer Verfahren, so\ndass mogliche geringfugige Abweichungen bei konkreten Messungen an einzelnen\nStandorten nicht geeignet sind, die generelle Eignung dieses Modells fur die\nErmittlung der Windhoffigkeit in der Region Ostwurttemberg in Frage zu\nstellen. \n--- \n| 73 \n--- \n| Hinsichtlich der angeblich fehlenden Ermittlung der Windhoffigkeit auch in\n80 m Hohe und mehr ist anzumerken, dass die Ermittlung der Windhoffigkeit in\n50 m oder 80 m Hohe fur die Beurteilung nicht unmittelbar ausschlaggebend ist.\nZwar wird die Windhoffigkeit mit zunehmender Hohe im Regelfall zunehmen.\nAllerdings wird man fur das - weiter herangezogene Kriterium - der\nWirtschaftlichkeit der Anlage auch die Windhoffigkeit, die eine Anlage in 80\noder 100 m Hohe erbringen muss, erhohen mussen. Entscheidend ist insoweit\nvielmehr ein Vergleich der Standorte auf gleicher Grundlage. Fur die\nBeurteilung der Flachen nach den Windverhaltnissen wurden insoweit vom\nBeigeladenen Ziffer 2 die Angaben der Windenergieanlagenhersteller und\nBetreiber und Aussagen des Wirtschaftsministeriums Baden-Wurttemberg bzw. der\nLandesanstalt fur Umweltschutz verwertet. Demnach soll fur einen\nwirtschaftlichen Betrieb eine Windhoffigkeit in 50 m Hohe mindestens 5,0 m/s\nnotwendig sein. Dass dieser Wert keinesfalls zu Lasten der Betreiber bzw.\nGrundstuckseigentumer zu gering angesetzt worden ist, zeigt auch das vom\nBeigeladenen Ziffer 2 vorgelegte Kurzgutachten, erstellt im Rahmen der\nNovellierung des EEG/Teil Windenergie von der Deutschen WindGuard (Dr. Knud\nRehfeld), wonach die durchschnittliche Standortqualitat von Windparks (ab drei\nAnlagen) _in 30 m H ohe_ bei 5,0 m/s liegen soll. Der Beigeladene Ziffer 2 hat\nden Belangen der Betreiber von Windkraftanlagen und Grundstuckseigentumern im\nPlanungsgebiet dabei sogar besonders Rechnung getragen, als er nicht diesen\nWert von 5,0 m/s in 50 m Hohe als absolutes Ausschlusskriterium fur die\nErmittlung der grundsatzlich geeigneten Standorte herangezogen, sondern\ndaruber hinaus hieran angrenzende Flachen mit Windgeschwindigkeiten von 4,7\nbis 4,9 m/s ebenfalls berucksichtigt hat (vgl. Teilfortschreibung des\nRegionalplanes 2... Ostwurttemberg Kapitel 3.2.7 Windenergie, Abschnitt IV\nMethodik, Seite 7). \n--- \n| 74 \n--- \n| Soweit der Klager im Arbeitsschritt 3 (Seite 12 der Teilfortschreibung) die\ndort vorgenommene Begrenzung auf lediglich raumbedeutsame Flachen von 20 ha\nFlache fur mindestens 2 bis 3 raumbedeutsame Windenergieanlagen rugt, halt das\nGericht auch diese Eingrenzung fur sachgerecht. Denn das (zulassige)\nPlanungsziel, einer „Verspargelung" der Landschaft durch Windkraftnutzung\nentgegen zu wirken und diese Anlagen auf besonders geeignete Standorte zu\nkonzentrieren, ist nur durch Ausweisung von (raum)bedeutsamen Flachen fur die\nWindkraftnutzung zu erreichen. Dass insoweit das Ziel der Teilfortschreibung\ndarauf gerichtet ist, nicht jede - fur die Windkraftnutzung gut geeignete -\nkleine Flache in die Vorrangflache aufzunehmen, ist nicht zu beanstanden.\nImmerhin ist die Landesplanungsbehorde mit der Berucksichtigung von Flachen ab\n20 ha und fur 2 bis 3 raumbedeutsame Windenergieanlagen im Unterschied zum\nursprunglichen Planungskonzept (vgl. Entwurf fur die Teilfortschreibung des\nRegionalplanes 2... der Region Ostwurttemberg Stand April 2001 Seite 11 - dort\n30 ha) den Interessen der Windkraftnutzung weitgehend entgegen gekommen, was\nim Übrigen auch verdeutlicht, dass es ihr nicht um die generelle Verhinderung\nder Windkraftnutzung gegangen ist. \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| Entgegen der Auffassung des Klagers wurden bei der Ermittlung auch nicht\nAusschlusskriterien mehrfach berucksichtigt. Der Beigeladenen-Vertreter Ziffer\n2 hat darauf hingewiesen, dass die weitere Eingrenzung der geeigneten Flachen\ndurch die Ermittlung von weiteren Flachen mit schutzwurdigen\nLandschaftsfunktionen (Arbeitsschritt 4 auf Seite 12 der Teilfortschreibung)\nnur dann erfolgt sei, wenn offentliche Belange mehrerer Bereiche (erweiterter\nNatur- und Biotopschutz, erweiterter Landschaftsschutz, ruhige Erholung und\nNatur erleben sowie Waldflachen mit besonderer Bedeutung fur den Boden, das\nKlima und die Luft) einer Windenergienutzung kumulativ entgegen gestanden\nhatten, wohingegen Flachen mit entgegen stehenden Landschaftsfunktionen nur\neines Bereiches im Einzelfall abgewogen worden seien. Dem vorherigen\nArbeitsschritt 2 (Seite 7 ff) lag hingegen lediglich die Ermittlung von\nNutzungskonflikten im Hinblick auf den Naturschutz in Form von bestehenden\noder geplanten Naturschutzgebieten, mit geschutzten Wasserschutzzonen oder\nGewassern, mit geschutzten Waldern und Landschaftsschutzgebieten etc.\nzugrunde. Gerade bei Konflikten mit entgegenstehenden Landschaftsfunktionen\nmehrerer Bereiche steht einer Windenergienutzung aber ein besonders hohes\nKonfliktpotential entgegen, was es rechtfertigt, diese Bereiche auch ohne\nweitere Abwagung von der Windkraftnutzung auszuschließen. \n--- \n| 76 \n--- \n| Im vom Klager als nicht gerechtfertigt kritisierten Arbeitsschritt 6 (vgl.\nTeilfortschreibung Seite 16) ist nach Auskunft des Beigeladenen Ziffer 2 eine\nweitere Einengung der geeigneten Flachen durch die Berucksichtigung entgegen\nstehender Belange, welche die Trager offentlicher Belange im\nAnhorungsverfahren eingebracht hatten und die dem Regionalverband\nOstwurttemberg bei der Planung auf Regionaler Ebene nicht bekannt gewesen\nseien, nach Überprufung durch den Verband erfolgt. Ohne substantiierten\nHinweis, dass es sich dabei um unsachliche und einer Windenergienutzung nicht\nentgegen stehende Aspekte handelt, vermag das Gericht nicht festzustellen,\ndass dies fehlerhaft ist. \n--- \n--- \n| 77 \n--- \n| Was hingegen den vom Klager vorgebrachten Einwand betrifft, durch diese\nPlanung werde im Ergebnis eine nicht ausreichend ins Gewicht fallende\nNutzungsmoglichkeit geschaffen, weil die Vorrangflache „Windenergie" im\nVerhaltnis zur Gesamtflache des Regionalplanes zu gering sei, fuhrt auch das\nnicht zur Unwirksamkeit der Planung. Nach der Teilfortschreibung des\nRegionalplanes 2... Ostwurttemberg Kapitel 3.2.7 Windenergie und dem Ergebnis\nder Ermittlung von Positivstandorten kommen zwar lediglich 356 ha fur die\nErrichtung von Windenergieanlagen in Betracht. Dies entspricht einer Große von\netwa 0,16 % des gesamten Planungsraumes. Insoweit gibt es aber keine\nverbindlichen Vorgaben, auch nicht aufgrund europarechtlicher Richtwerte (vgl.\ninsoweit BVerwG, Urt. v. 13.03.2003 - 4 C 4/02, NVwZ 2003, 738 (740f)), fur\ndas Verhaltnis von Vorrangflachen zur Gesamtflache des Regionalplanes. Auch\ndie vom Gesetzgeber mit der Einfuhrung des Privilegierungstatbestandes in § 35\nAbs. 1 Ziffer 6 BauGB (nunmehr Ziffer 5) geplante Forderung der\nWindkraftnutzung vermag einen solchen Anspruch nicht zu begrunden. Im\nUnterschied zur Regelung des § 35 Abs. 1 BauGB, in welchem die beispielhaft\naufgezahlten Anlagen eine besondere Vorzugsstellung gegenuber offentlichen\nBelangen erhalten („entgegenstehen"), sieht der Gesetzgeber die Vorschrift des\n§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB als Instrument, durch das Gemeinden bzw.\nLandesplanungsbehorden in die Lage versetzt werden, die bauliche oder\nraumliche Entwicklung zu steuern. Der Gesetzgeber bringt mit der\nPrivilegierung einzelner Anlagen zwar einerseits zum Ausdruck, dass es sich um\nNutzungen handelt, die dem Außenbereich adaquat sind. Er verschließt sich\nandererseits nicht der Einsicht, dass er sich vielfach mit Massenphanomenen\nkonfrontiert sieht, die ohne Planung nicht zu bewaltigen sind. Mit der\nRegelung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB sowie den entsprechenden Regelungen im\nROG und LPlG erhalten Gemeinden bzw. Planungsbehorden ein Instrument an die\nHand, das es ihnen ermoglicht, durch eine Kanalisierung der in § 35 Abs. 1 Nr.\n2 bis 6 BauGB aufgefuhrten Vorhaben die stadtebauliche Entwicklung oder die\nEntwicklung des Raumes in geordnete Bahnen zu lenken. Der Gesetzgeber\ngestattet es dabei sogar, das durch § 35 Abs. 1 Nr. 2 - 6 BauGB rechtlich\ngeschutzte Nutzungsinteresse in der Konkurrenz mit anderen Abwagungsbelangen\ngegebenenfalls zuruckzustellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 - 4 C 15/01,\nNVwZ 2003, 733ff zur Ausweisung in einem Flachennutzungsplan). Ein solches\n„Wegwagen" ist indes rechtfertigungsbedurftig. Ist die Planung nicht durch\nAbwagungsoffenheit gekennzeichnet, sondern in einer bestimmten Richtung\nvorgepragt, so sind Abwagungsdefizite vorprogrammiert. Wo die Grenze zur\nVerhinderungsplanung verlauft, lasst sich nicht abstrakt bestimmen. Selbst bei\nAusweisung einer einzigen Konzentrationszone ist dies fur sich genommen noch\nkein Indiz fur einen fehlerhaften Gebrauch der Planungsermachtigung. Auch\nGroßenangaben sind, isoliert betrachtet, als Kriterium ungeeignet. Die\nausgewiesene Flache ist nicht nur in Relation zu setzen zur Große des\nPlangebiets, sondern auch zur Große der Teile der Region, die fur eine\nWindenergienutzung, aus welchen Grunden auch immer, nicht in Betracht kommen.\nEignet sich nur ein geringer Teil des Gebiets fur eine Windenergienutzung, so\nlasst sich eine im Vergleich zur Gesamtgroße kleine Konzentrationsflache schon\naus diesem Grund nicht als Indikator fur eine missbilligenswerte\nVerhinderungsplanung werten (so ausdrucklich BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 - 4 C\n15/01 a.a.O.). Soweit in der Rechtsprechung dabei Festsetzungen von\nVorranggebieten als zu gering beanstandet wurden (z.B. 8,4 ha entspr. einem\nAnteil von ½ Promille der Gesamtflache des beurteilten Gebiets - so BVerwG,\nUrt. v. 21.10.2004 - BVerwG 4 C 2.04 in einem Flachennutzungsplan; oder\nNieders. OVG, Beschl. v. 17.01.2002 - 1 L 2504/00, BauR 2002, 895), beruhen\ndiese Erkenntnisse ersichtlich auf den Feststellungen, dass es fur eine so\ngeringe Vorrangflache keine besonderen ortlichen Gegebenheiten gab oder es\nuberhaupt an Unterlagen uber ein nachvollziehbares Planungskonzept fehlte. \n--- \n| 78 \n--- \n| Die vorliegenden Unterlagen bieten aber keinerlei Anhaltspunkte dafur, dass\ndie Teilfortschreibung des Regionalplanes 2... Ostwurttemberg Kapitel 3.2.7\nWindenergie die Merkmale einer verschleierten Verhinderungsplanung aufweist. \n--- \n--- \n| 79 \n--- \n| Die hier ausgewiesene Flache von 0,16 % des Planungsgebiets ist insoweit an\ndem Umstand zu messen, dass der Raum Ostwurttemberg nach dem uberzeugenden\nVortrag des Beigeladenen Ziffer 2 kein fur die Windkraftnutzung ausgesprochen\ngunstiges Gebiet ist. Die Standortanalyse (und damit der erste Schritt der\nErmittlung) hat ergeben, dass bereits die erforderlichen Windgeschwindigkeiten\nvon 5,0 m/s (in 50 m Hohe uber Grund) nur auf 129,3 km 2 der Region\nOstwurttemberg (entspricht ca. 6 % der Gesamtregion von 2.138 km 2 )und\nWindgeschwindigkeiten von 4,7 bis 4,9 m/s lediglich auf weiteren 272,0 km 2\n(entspricht ca. 12 % der Gesamtregion von 2.138 km 2 ) erreicht werden, so\ndass in der Planung insgesamt nur 401,3 km 2 , also 18,78 % der Gesamtflache,\nuberhaupt fur die Windenergie geeignet bzw. als Flachen mit sehr guten bis\nguten Windverhaltnissen eingestuft werden konnten (siehe dazu\nTeilfortschreibung des Regionalplanes 2... Ostwurttemberg Kapitel 3.2.7\nWindenergie, Ziffer III und die vom Beigeladenen Ziffer 2 vorgelegte Tabelle\nzur Verteilung der Windhoffigkeit nach der Flache in Ostwurttemberg). Die\nFestsetzung der Vorrangflachen erfolgte dabei in mehreren Schritten an Hand\neiner Fulle von Abwagungskriterien. Insoweit ist auch zu berucksichtigen, dass\nder Regionalplan bei der Ermittlung von einer bestimmten,\nbetriebswirtschaftlich rentablen Windhoffigkeit ausgeht und nur Bereiche\nkennzeichnet, die hinsichtlich ihrer Große und Eignung regionale Bedeutung\naufweisen. Insoweit deutet auch der Umstand, dass es im Plangebiet weitere fur\ndie Windkraftnutzung geeignete Flachen gibt, nicht schon als solcher auf eine\nbeanstandenswerte restriktive Tendenz der Planung hin. Die Feststellung, dass\nsich diese oder jene Flache fur Zwecke der Windenergienutzung eignet, ist ein\nGesichtspunkt, der bei der planerischen Abwagung gebuhrend zu berucksichtigen\nist, bei der Standortwahl aber nicht zwangslaufig den Ausschlag geben muss\n(dazu auch BVerwG, Urt. v.17.12.2002 - 4 C 15/01 a.a.O). \n--- \n| 80 \n--- \n| Dem vom Klager vorgelegten, im Rahmen der ersten Anhorung den Tragern\noffentlicher Belange ubermittelten Serienbrief vom 18.05.2001, in welchem es\nu.a. heißt: „ Der Regionalverband Ostwurttemberg ware den Tragern offentlicher\nBelange, insbesondere den Stadten und Gemeinden der Region sehr dankbar, wenn\nsie im Rahmen dieser Beteiligung Vorschlage mitteilen konnten zu weiteren fur\ndie Windenergienutzung geeigneten Bereichen und Flachen...", lasst sich\nhingegen nicht entnehmen, dass der Beigeladene Ziffer 2 seine Planung\ntatsachlich nicht anhand der in der Teilfortschreibung unter IV (Methodik der\nUntersuchung) dargestellten Abwagungsschritte durchgefuhrt hat. Gleiches gilt,\nsoweit einzelne Gemeinden, z.B. die Gemeinde ..., oder betroffene\nPrivatpersonen den Planungsverband aufgefordert haben, vorgeschlagene\nStandorte in das Planungsverfahren einzubeziehen oder herauszunehmen bzw.\nsoweit ein Teilnehmer der offentlichen Sitzung der Verbandsversammlung vom\n22.03.2002 die Auffassung vertreten hat, das gefundene Ergebnis sei\n„verantwortbar und dazu geeignet, den sozialen Frieden und die gute\npartnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden zu erhalten". Der\nBeigeladene Ziffer 2 hat dazu ausgefuhrt, dass man im Vorgriff auf die\nUmsetzung des Raumordnungsgesetzes private Einwendungen zugelassen habe. Es\nist insoweit aber nicht belegt, dass sich der Planungstrager bei der\nErmittlung des Vorranggebietes von den im Satzungsbeschluss aufgelisteten\nAbwagungsschritten gelost hat und die Festsetzung der Vorrangflache\nwillkurlich erfolgt ist. \n--- \n| 81 \n--- \n| Halt sich die Teilfortschreibung des Regionalplanes 2... Ostwurttemberg\nKapitel 3.2.7 Windenergie damit an die Vorgaben, die das Landesplanungsrecht\nund das Raumordnungsgesetz macht, und ist sie mit § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zu\nvereinbaren, ist auch eine Verletzung von Art. 14 GG nicht anzunehmen (vgl.\ndazu auch BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 - 4 C 15/01 a.a.O. mit weiterer\nBegrundung). \n--- \n| 82 \n--- \n| Gemaß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB stehen die in einem Regionalplan enthaltenen\nZiele der Raumordnung einem Vorhaben nach Absatz 1 Nr. 2 - 6 in der Regel\nentgegen; das heißt, das Vorhaben ist bereits wegen der Festsetzungen in der\nTeilfortschreibung des Regionalplanes 2... Ostwurttemberg Kapitel 3.2.7\nWindenergie nicht genehmigungsfahig, wenn nicht ein Sonderfall vorliegt.\nNachdem sich diese Wirkung bereits aus dem Gesetz ergibt, war eine\nentsprechende Regelung in der Teilfortschreibung selbst nicht erforderlich.\nDabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber mit der Regel-Ausnahme-Formel (im\nUnterschied zum Tatbestandsmerkmal „Entgegenstehen" in seinem Absatz 1) zum\nAusdruck bringt, dass außerhalb der Konzentrationsflachen dem\nFreihalteinteresse grundsatzlich der Vorrang gebuhrt. Diese Wertung darf nicht\nim Zulassungsverfahren konterkariert werden. Eine Atypik kann sich z.B. daraus\nergeben, dass die Windkraftanlage wegen ihrer Große oder wegen ihrer Funktion\nals einem anderen privilegierten Vorhaben zugeordnete Nebenanlage besondere\nMerkmale aufweist, die sie aus dem Kreis der Anlagen heraushebt, deren\nZulassung der Planungstrager damit hat steuern wollen. Auch\nBestandsschutzgesichtspunkte konnen von Bedeutung sein. Ist in der Nahe des\nvorgesehenen Standortes bereits eine zulassigerweise errichtete\nWindenergieanlage vorhanden, so kann dies bei der Interessenbewertung\nebenfalls zum Vorteil des Antragstellers ausschlagen. Auch die kleinraumlichen\nVerhaltnisse konnen es rechtfertigen, von der auf den gesamten Planungsraum\nbezogenen Beurteilung des Planungstragers abzuweichen. Ist auf Grund\ntopographischer oder sonstiger Besonderheiten eine Beeintrachtigung der als\nstorempfindlich und schutzwurdig eingestuften Funktionen des betreffenden\nLandschaftsraumes nicht zu besorgen, so widerspricht es der Zielrichtung des\nPlanvorbehalts nicht, das Vorhaben zuzulassen (dazu Durr in Brugelmann,\nKommentar zum BauGB, § 35 Rdnr. 107 a; BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 - NVwZ 2003,\n733 (738)). Solche Gesichtspunkte sind hier aber nicht vorgetragen und vom\nGericht auch nicht zu erkennen. \n--- \n| 83 \n--- \n| II. Die Klage hat auch mit dem hilfsweise gestellten\nFortsetzungsfeststellungsantrag gemaß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog keinen\nErfolg. Der Antrag ist zwar zulassig. Durch Wirksamwerden der\nTeilfortschreibung des Regionalplanes 2... Ostwurttemberg Kapitel 3.2.7\nWindenergie am 16.08.2002 ist eine Erledigung des ursprunglichen\nVerpflichtungsbegehrens des Klagers eingetreten bzw. eine Situation\nentstanden, die dieser gleichzustellen ist. Denn dadurch wurde die bisher den\nGegenstand des Verfahrens bildende Rechtsgrundlage verdrangt und dem\nursprunglichen Begehren des Klagers der Boden entzogen. Der Klager hat seinen\nFeststellungsantrag mit der Absicht begrundet, Amtshaftungsanspruche gegen die\nbeigeladene Gemeinde und Entschadigungsanspruche wegen enteignungsgleichen\nEingriffs gegen das beklagte Land geltend zu machen und damit auch ein\nentsprechendes Feststellungsinteresse geltend gemacht. \n--- \n| 84 \n--- \n| Die Klage ist aber nicht begrundet. Die Versagung der Baugenehmigungen\ndurch die Bescheide des Landratsamtes ... vom 28.02.2001 und die\nWiderspruchsbescheide des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 24.04.2001 war\nrechtmaßig und der Beklagte bis zum 16.08.2002 nicht verpflichtet, dem Klager\ndie beantragten Baugenehmigungen zu erteilen. Denn die Vorhaben des Klagers\nscheiterten zum Zeitpunkt der letzten behordlichen Entscheidung daran, dass\nihnen ein im Entwurf der Teilfortschreibung des Regionalplanes 2...\nOstwurttemberg Kapitel 3.2.7 Windenergie aufgenommenes, in Aufstellung\nbefindliches Ziel der Raumordnung entgegen stand. \n--- \n--- \n| 85 \n--- \n| So ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass Zielvorgaben\ni.S. v. § 3 Nr. 2 ROG - hier die Festsetzung in Plansatz 3.2.7.1 (Z) und\n3.2.7.2 (Z) der Teilfortschreibung des Regionalplanes 2... Ostwurttemberg\nKapital 3.2.7. Windenergie - rechtliche Wirkung bereits entfalten konnen,\nbevor sie die Qualitat verbindlicher Zielvorgaben im Sinne des § 3 Nr. 2 ROG\nerlangt haben. In Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung konnen als\nnicht benannter offentlicher Belang im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB auch\nim Rahmen des § 35 BauGB von rechtlicher Bedeutung sein, wenn den Gegenstand\ndes Genehmigungsverfahrens eine raumbedeutsame Maßnahme im Sinne des § 3 Nr. 6\nROG bildet (vgl. dazu mit ausfuhrlicher Begrundung BVerwG, Urt. v. 13.03.2003\n- 4 C 3.02, NVwZ 2003, 1261 und Urt. v. 27.01.2005 - 4 C 5/04, BRS 2005, S.\n8ff). Allerdings muss ein in Aufstellung befindliches Ziel der Raumordnung\nbestimmten Anforderungen genugen, um im Zulassungsregime des § 35 BauGB\nrelevant zu sein. Erforderlich ist zunachst ein Mindestmaß an inhaltlicher\nKonkretisierung; das kunftige Ziel muss bereits so eindeutig bezeichnet sein,\ndass es moglich ist, das Bauvorhaben an ihm zu messen und zu beurteilen, ob es\nmit ihm vereinbar ware. Die insoweit erforderliche Detailscharfe weist es erst\nauf, wenn es zeichnerisch oder verbal so fest umrissen ist, dass es anderen\nBehorden und der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden kann, wobei\ndieses Stadium regelmaßig erreicht ist, wenn es im Rahmen eines\nBeteiligungsverfahrens zum Gegenstand der Erorterung gemacht werden kann.\nFerner muss die Planung ein genugendes Maß an Verlasslichkeit bieten, um auf\nder Genehmigungsebene als Versagungsgrund zu dienen. Diesem Erfordernis ist\nerst genugt, wenn ein Planungsstand erreicht ist, der die Prognose nahe legt,\ndass die ins Auge gefasste planerische Aussage Eingang in die endgultige\nFassung des Raumordnungsplanes finden wird. Gerade bei Planen, die auf der\nGrundlage des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB aufgestellt werden und positive\nAusweisungen mit einer Ausschlusswirkung an anderer Stelle kombinieren, muss\ndazu der Abwagungsprozess weit fortgeschritten sein, bevor sich hinreichend\nsicher abschatzen lasst, welcher der beiden Gebietskategorien ein im\nPlanungsraum gelegenes einzelnes Grundstuck zuzuordnen ist. Das bedeutet\nallerdings nicht zwangslaufig, dass die zukunftige Ausschlusswirkung eines in\nAufstellung befindlichen Ziels einem Außenbereichsvorhaben erst dann entgegen\ngehalten werden kann, wenn der Planungstrager die abschließende\nAbwagungsentscheidung getroffen hat und es nur noch von der Genehmigung und\nder Bekanntmachung abhangt, dass eine Zielfestlegung entsteht, die die in § 35\nAbs. 3 Satz 3 BauGB genannten Merkmale aufweist. Lasst sich bereits zu einem\nfruheren Zeitpunkt absehen, dass die Windkraftanlage auf einem Grundstuck\nerrichtet werden soll, das in einem Raum liegt, der fur eine\nWindenergienutzung von vornherein tabu ist oder aus sonstigen Grunden\nerkennbar nicht in Betracht kommt, so ist das insoweit in Aufstellung\nbefindliche Ziel der Raumordnung schon in dieser Planungsphase im\nBaugenehmigungsverfahren berucksichtigungsfahig (vgl. dazu BVerwG, Urt. v.\n27.01.2005 - 4 C 5/04 a.a.O.). So aber liegen die Dinge hier. \n--- \n| 86 \n--- \n| Der Beigeladenen Ziffer 1 ist insoweit beizupflichten, dass spatestens mit\nder Vorlage des Standortkonzeptes Windenergie Ostwurttemberg - Entwurf fur die\nTeilfortschreibung - Anfang April 2001, eine solchermaßen konkrete Zielsetzung\nerfolgt ist. Denn bereits dieser Vorlage, der im ubrigen eine lange\nVorbereitungsphase vorausging, lasst sich der Abwagungsprozess, der\nschließlich in die endgultige Teilfortschreibung einmundete, hinreichend\nsicher entnehmen und feststellen, welches Grundstuck im Planungsraum welcher\nGebietskategorie zugeordnet werden soll. Hingegen ist, wie ausgefuhrt, nicht\nerforderlich, dass der Planungstrager bereits eine abschließende Entscheidung\ngetroffen hat. Bereits in dem vorliegenden Entwurf vom April 2001 wurden\nnamlich mehrere hunderttausend Einzelflachen beurteilt. Auch hier wurden in\neinem ersten Planungsschritt alle Flachen mit sehr guten bis guten\nWindverhaltnissen (die in 50 m Hohe eine Windhoffigkeit von 5,0 m/s und mehr\naufweisen) anhand der vorliegenden Datengrundlagen des Deutschen\nWetterdienstes, Statistisches Windfeldmodell Marz 1999 ermittelt und daruber\nhinaus auch hieran angrenzende Flachen mit niedrigeren Windgeschwindigkeiten,\nhier allerdings nur von 4,8 bis 4,9 m/s, berucksichtigt. In weiteren Schritten\nwurden dann mogliche Nutzungskonflikte mit der Windenergienutzung ermittelt,\nwobei fur die Positivausweisung nur Flachen berucksichtigt wurden, die\nhinsichtlich ihrer Große als regionalbedeutsam angesehen wurden (ab ca. 30 ha\nFlache). Auch wurden weitere Ausschlussgebiete, z.B. um Windkraftanlagen,\ndefiniert, um einer Überlastung der Landschaft bzw. der Naturraume entgegen zu\nwirken. Die Vorhabensgrundstucke des Klagers lagen nach diesem Entwurf in\neinem Bereich, der wegen seiner Nahe zu einer geplanten Vorrangflache als\n„geplante Tabuflache um Windenergiestandorte (eine Änderung der\nWindenergiestandorte ergibt auch eine Änderung dieser Tabuflachen)"\nausgewiesen war (vgl. Standortkonzept Windenergie Ostwurttemberg - Entwurf fur\ndie Teilfortschreibung, Stand April 2001, Karte 3). Nach den Ausfuhrungen des\nBeigeladenen-Vertreters Ziffer 2 in der mundlichen Verhandlung wurden die\nVorhabensgrundstucke des Klagers daruber hinaus auch deshalb ausgeschlossen,\nweil sie den geforderten Gesamtmindestabstand zu Wohnbauflachen von 1000 m\n(vgl. den Teilfortschreibungsentwurf Ziffer 5, 1) Konflikte mit bestehenden\nSiedlungen, Seite 10) nicht einhielten. An dieser Einschatzung hat sich auch\nin der endgultigen Teilfortschreibung nichts verandert; das Abwagungskonzept\nzur Ermittlung von Vorrang- und Ausschlussgebieten wurde im Wesentlichen\nbeibehalten und nur in einzelnen Punkten, z.B. hinsichtlich der Definition der\nRaumbedeutsamkeit einer Flache bzw. hinsichtlich der Berucksichtigung von\nFlachen mit einer Windhoffigkeit von 4,7 m/s, modifiziert, und das\nVorranggebiet wurde verkleinert. Nach wie vor sind die Vorhabensgrundstucke\ndabei wegen ihrer Nahe (3.000 m) zu vorsorglich freizuhaltenden Bereichen fur\ndie Nutzung der Windenergie und weil sie den geforderten Gesamtmindestabstand\nzu bestehenden Siedlungen nicht einhalten, als Ausschlussgebiete definiert\n(vgl. Teilfortschreibung des Regionalplanes 2... Ostwurttemberg, Kapitel 3.2.7\nWindenergie, Arbeitsschritt 2 Ziffer 1) Konflikte mit Siedlungen Seite 8 und\nArbeitsschritt 7 mit Erganzung zur Raumnutzungskarte 1 „F-hof"). \n--- \n| 87 \n--- \n| Der hilfsweise gestellte Beweisantrag war hingegen abzulehnen. Denn die\nErschließung der Bauvorhaben, ebenso wie im Übrigen die Frage der\nVerunstaltung der Landschaft, sind fur die Entscheidung nicht relevant. \n--- \n| 88 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154, 162 Abs. 3 VwGO. Der Beigeladene\nZiffer 2 hat keinen Antrag gestellt und tragt somit seine außergerichtlichen\nKosten selbst. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 58 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nicht begrundet. Der Beklagte ist nicht\nverpflichtet, gemaß § 58 Abs. 1 LBO dem Klager die beantragten\nBaugenehmigungen fur jeweils eine Windenergieanlage auf den Grundstucken\nFlst.Nr. 108 und 113, Gemarkung ... nach Maßgabe der am 20.10.2000 bzw.\n30.01.2001 gestellten Baugesuche zu erteilen (I). Es kann auch nicht\nfestgestellt werden, dass die Versagung der Baugenehmigungen durch die\nBescheide des Landratsamtes ... vom 28.02.2001 und die Widerspruchsbescheide\ndes Regierungsprasidiums Stuttgart vom 24.04.2001 rechtswidrig und der\nBeklagte bis zum 16.08.2002 verpflichtet gewesen ist, die beantragten\nBaugenehmigungen zu erteilen (II). \n--- \n| 59 \n--- \n| I. Die bauplanungsrechtliche Zulassigkeit von Windkraftanlagen beurteilt\nsich nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB. Danach ist ein Vorhaben, das - wie hier -\nder Nutzung der Windenergie dient, im Außenbereich bevorrechtigt zulassig. Ein\nsolches Vorhaben, das vom Gesetzgeber dem Außenbereich im Grundsatz\n„planungsahnlich" zugewiesen ist (BVerwG, Urt. v. 25.10.1967 - 4 C 86.66 -\nBVerwGE 28, 148, 151), kann aber gleichwohl nicht zugelassen werden, wenn ihm\noffentliche Belange i.S. des § 35 Abs. 3 BauGB entgegenstehen oder die\nausreichende Erschließung nicht gesichert ist. Den Bauvorhaben des Klagers\nstehen im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offentliche\nBelange entgegen. Nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ist dies bei Vorhaben nach §\n35 Abs. 1 Nr. 2 - 6 BauGB in der Regel der Fall, soweit hierfur durch\nDarstellungen im Flachennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine\nAusweisung an anderer Stelle erfolgt ist (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB). Zweck\ndieser Regelung ist es, den Gemeinden bzw. Landesplanungsbehorden ein\nSteuerungsinstrument gegenuber den nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 - 6 BauGB\ngrundsatzlich in den Außenbereich gehorenden privilegierten Vorhaben zu\nvermitteln, um eine geordnete regionale bzw. uberregionale Entwicklung im Raum\nzu ermoglichen. \n--- \n| 60 \n--- \n| Mit der Teilfortschreibung des Regionalplanes 2... Ostwurttemberg Kapitel\n3.2.7 ist eine solche positive Standortzuweisung mit Ausschlusswirkung fur\nalle anderen Standorte wirksam erfolgt. Danach sind die in den Erganzungen zur\nRaumordnungskarte dargestellten „vorsorglich freizuhaltenden Bereiche fur die\nNutzung der Windenergie" fur den Bau und Betrieb von raumbedeutsamen\nWindenergieanlagen geeignet und somit freizuhalten. Alle Vorhaben, die einer\nWindenergienutzung entgegenstehen, sind nicht zulassig (Plansatz 3.2.7.1 (Z)).\nAußerhalb der „vorsorglich freizuhaltenden Bereiche fur die Nutzung der\nWindenergie" ist der Bau und Betrieb von raumbedeutsamen Windenergieanlagen\nausgeschlossen (Plansatz 3.2.7.2 (Z)). Sowohl die positiven als auch die\nnegativen Elemente solcher planerischen Aussagen weisen die Merkmale von\nZielen der Raumordnung auf (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.03.2003 - BVerwG 4 C 4/02,\nNVwZ 2003, 738). Die Standorte des Klagers liegen aber nicht in einem\n„vorsorglich freizuhaltenden Bereich fur die Nutzung der Windenergie". \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| Bei den Vorhaben des Klagers handelt es sich auch um sog. raumbedeutsame\nVorhaben. Raumbedeutsam kann ein einzelnes Bauvorhaben nur dann sein, wenn es\nerhebliche Auswirkungen auf den „Raum" hat. Voraussetzung ist, dass von ihm\ninfolge Große oder der von ihm ausgehenden Emissionen Auswirkungen zu erwarten\nsind, die uber den unmittelbaren Nahbereich hinausgehen. Nur dann kann von\neiner „Raumwirkung" gesprochen werden, wohingegen Belastungen, die sich nur\nauf umliegende Grundstucke oder Teile eines Baugebiets erstrecken, dem Bereich\ndes Gebots der Rucksichtnahme zuzuordnen sind und deshalb unterhalb der\nSchwelle des großere Zusammenhange erfassenden Rechts der Raumordnung und\nLandesplanung verbleiben (vgl. dazu VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 24.07.2001 - 8\nS 1306/01 -). Hiervon ausgehend hat die Rechtsprechung eine Raumbedeutsamkeit\neiner Windkraftanlage mit einer Nabenhohe von 70 m und einem Rotordurchmesser\nvon 29 m (OVG Koblenz, Urt. v. 20.02.2003 - 1 A 114606/01, NVwZ-RR, 2003, 619)\noder bei einer Windkraftanlage mit einer Nabenhohe von 70,5 m und einem\nRotordurchmesser von 54 m (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.03.2003 - 4 C 4/02, NVwZ\n2003, 738) auf Grund der jeweiligen Dimensionen dieser Anlagen und der damit\nverbundenen Auswirkungen auf den Raum und die Landschaft angenommen. Bei der\ngegebenen Hohe der Anlagen des Klagers (Nabenhohe 98 m) sowie dem\nRotordurchmesser von 70 m ist damit ohne weiteres eine Raumbedeutsamkeit\nanzunehmen, zumal die Vorhaben auf einer Hochflache zur Ausfuhrung kommen\nsollen und damit in der freien Landschaft weithin wahrnehmbar sein werden. \n--- \n| 62 \n--- \n| Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob die diesbezugliche Regelung in\nder Teilfortschreibung des Regionalplanes 2... Ostwurttemberg Kapitel 3.2.7\nWindenergie Plansatz 3.2.7.3 (Z) in seinem Satz 2, wonach eine\nWindenergieanlage unabhangig vom Standort ab einer Nabenhohe von 50 m als\nraumbedeutsam angesehen wird, zulassig ist. Denn das Merkmal der\nRaumbedeutsamkeit ist eine Frage der Wurdigung des Einzelfalles, welche sich\nnicht mit einer bestimmten Meterangabe beantworten lasst (vgl. dazu auch\nBVerwG, Beschl. v. 02.08.2002 - 4 B 36/02 -). Allerdings hat der Vertreter des\nBeigeladenen Ziffer 2 dazu ausgefuhrt, dass diese Regelung konkret bezogen sei\nauf den Raum Ostwurttemberg, in anderen Regionen konnten sich hingegen ganz\nandere Referenzwerte ergeben. Die Region Ostwurttemberg sei dabei besonders\ndurch die weiten Hochflachen der ostlichen Schwabischen Alb, das ruhige\nAlbvorland, die Weiten des Schwabischen Waldes und die Keuperhohen um\nEllwangen gepragt. Die in Ostwurttemberg vorzufindende Schichtstufenlandschaft\nsei dabei gekennzeichnet durch wenige, steil nach Suden ansteigende\nStufenhange und die darauf folgenden, leicht (nach Sudost) abfallenden flachen\nStufenflachen, wobei die Stufenflachen durch ihre flache Auspragung weit\neinsehbar seien. Diese Sichtbeziehungen wurden erst nach dem Aufstieg der\nfolgenden Schichtstufe (z.B. der Alb oder des Keupers) enden. Zur Definition\nder Raumbedeutsamkeit ab einer Nabenhohe der Windkraftanlage von 50 m sei der\nRegionalverband erst nach umfangreichen Sichtbarkeitsberechnungen gekommen,\nwobei nach diesen Berechnungen die visuellen Wirkzonen einer Windenergieanlage\nmit einer Nabenhohe von 50 m (entspricht ca. einer Gesamthohe von 70 bis 80 m)\nin Ostwurttemberg noch bis zu einer Entfernung von 5 km erheblich seien. Bei\nder Festlegung fur regionalbedeutsame Windkraftanlagen sind insoweit die\nBesonderheiten der Region Ostwurttemberg herangezogen und in die abschließende\nAbwagung entsprechend ihrem Gewicht eingeflossen. Die Festsetzung ist deshalb\nnicht zu beanstanden. \n--- \n| 63 \n--- \n| Verfahrensfehler im Hinblick auf den Erlass der Teilfortschreibung werden\nnicht geltend gemacht und konnten nach Ablauf der Jahresfrist des - zum\nZeitpunkt der Bekanntmachung noch geltenden - § 11 LPlG (i.d.F. v. 08.04.1992\n(GBl. S. 229) - im Folgenden : a. F. ) auch nicht mehr zur Ungultigkeit der\nSatzung fuhren. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| Die in der Teilfortschreibung des Regionalplanes 2... Ostwurttemberg\nKapitel 3.2.7 Windenergie in Plansatz 3.2.7.1. enthaltene Formulierung\n„vorsorglich freizuhaltende Bereiche fur die Nutzung der Windenergie"\nentspricht inhaltlich und begrifflich dem zum Zeitpunkt des\nSatzungsbeschlusses geltenden § 8 Abs. 2 Ziffer 8 LPlG a.F. (vorsorglich\nfreizuhaltende Bereiche fur Trassen und Infrastrukturvorhaben). Diese\nBegriffsbestimmung ist auch nicht unbestimmt. Denn bereits aus dem Begriff\n„vorsorglich freizuhalten" ergibt sich ein Vorrang der Windenergie. Im Übrigen\nwird durch die Regelung in Plansatz 3.2.7.1 Satz 2 der Vorrang der\nWindenergienutzung hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Inhaltlich ist\nder Landesplanungstrager dabei den Vorgaben in § 7 Abs. 4 Satz 1 Ziffer 1 und\nSatz 2 ROG 1998 gefolgt, wonach die Festsetzung von sog. Vorranggebieten mit\nsog. Eignungsgebieten, d.h. mit Ausschlusswirkung fur andere Stellen im\nPlanungsraum, verbunden werden kann. Dass diese rahmenrechtlichen Vorschriften\ndes Raumordnungsgesetzes 1998 bei der Teilfortschreibung des genannten\nRegionalplanes noch nicht in das Landesplanungsrecht umgesetzt waren (vgl. zur\nUmsetzungsfrist § 22 ROG) - die bodenrechtliche Vorschrift des § 35 Abs. 3\nSatz 3 BauGB vermag die erforderliche raumordnungsrechtliche Ermachtigung zur\nFestlegung von Konzentrationsflachen nicht zu ersetzen - fuhrt nicht zur\nUnwirksamkeit der Teilfortschreibung. Denn eine spezielle landesrechtliche\nErmachtigung zur Festlegung von Konzentrationsflachen ist nicht erforderlich,\nwenn sich aus dem ubrigen Landesplanungsrecht hinreichend bestimmt ableiten\nlasst, dass der Landesgesetzgeber auch Konzentrationsentscheidungen i.S. von §\n35 Abs. 3 Satz 3 BauGB hat zulassen wollen (so ausdrucklich BVerwG, Urt. v.\n13.03.2003 - 4 C 4/02, NVwZ 2003, 738). Das Gericht sieht dies in der Bindung\ndes Landesplanungsrechts an die Grundsatze und Ziele des Raumordnungsrechts\n(§§ 3 Abs. 1 Satz 2, 8 Abs. 1 LPlG). Fur den Fall des Verstreichens der\nUmsetzungsfrist des § 22 ROG ordnet das Gesetz aber gerade nicht die\nunmittelbare Geltung seiner Vorschriften in den Landern an, so dass eine\nFestsetzung entsprechend der Formulierung des § 8 Abs. 2 Ziffer 8 LPlG a.F.\ngrundsatzlich zulassig ist und nicht wegen falscher Begriffsbestimmung gegen\nhoherrangiges Recht verstoßt. \n--- \n| 65 \n--- \n| Die vom Klager gerugten Abwagungsfehler liegen nicht vor. Fur die auf der\nEbene des Regionalplans vorzunehmende Abwagung der von der Standortausweisung\nberuhrten offentlichen und privaten Belange gelten die fur\nAbwagungsentscheidungen im Bauplanungs- und Fachplanungsrecht entwickelten\nallgemeinen Regeln. Die vom Beigeladenen Ziffer 2 getroffene Entscheidung ist\ndemnach gerichtlich nur eingeschrankt darauf uberprufbar, ob eine Abwagung\nuberhaupt stattgefunden hat, ob in sie an Belangen eingestellt worden ist, was\nnach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste, ob die Bedeutung der von\nder Planung beruhrten offentlichen und privaten Belange richtig erkannt worden\nist und ob der Ausgleich zwischen den betroffenen offentlichen und privaten\nBelangen in einer Weise vorgenommen worden ist, die zu ihrer objektiven\nGewichtigkeit in einem angemessenen Verhaltnis steht (grundlegend BVerwG, Urt.\nv. 05.07.1974 - 4 C 50.72, BVerwGE 45, 309). Bei der uberortlichen\nRegionalplanung sind nur die Belange in der Abwagung zu berucksichtigen, die\nauf der Ebene der Raumordnung erkennbar und von Bedeutung sind. Das Maß der\nAbwagung und der Umfang des in die Abwagung einzustellenden Materials richten\nsich daher nach dem Grad der Konkretheit der raumordnungsrechtlichen\nZielbestimmungen. \n--- \n| 66 \n--- \n| Die Entscheidung, fur bestimmte, umfassend und abschließend abgewogene\nEinzelflachen der Region den Vorrang der Windenergienutzung zu begrunden\n(Plansatz 3.2.7.1 (Z.)) und gleichzeitig diese Ausweisung von sog.\nPositivstandorten mit einer Negativwirkung (Ausschluss aller anderen Gebiete\nals Standorte fur regionalbedeutsame Windkraftanlagen - Plansatz 3.2.7.2 (Z))\nzu verbinden, wird vom Beigeladenen Ziffer 2 in der Begrundung der\nTeilfortschreibung wie folgt gerechtfertigt: \n--- \n| 67 \n--- \n| (Seite 20) „In der Region Ostwurttemberg wird der Nutzung der Windenergie\nzur Stromerzeugung eine besondere Bedeutung beigemessen. Die anhaltende\nNachfrage nach Standorten fur Windenergieanlagen sowie § 35 BauGB\nrechtfertigen eine regionale Standortvorsorgeplanung fur Windenergieanlagen.\nEine raumliche Konzentration von Windenergieanlagen in raumordnerisch und fur\ndie Gewinnung von Windenergie gut geeigneten Teilraumen wird aus Grunden der\nRaum- und Umweltvertraglichkeit angestrebt. Deshalb kennzeichnet der\nRegionalplan nur solche Bereiche, die hinsichtlich ihrer Große und ihrer\nbesonderen Eignung regionale Bedeutung aufweisen. ... \n--- \n| 68 \n--- \n| (Seite 21) „ Durch die Ausweisung von geeigneten Bereichen fur die\nWindenergienutzung und dem regelmaßigen Ausschluss außerhalb dieser Gebiete\nsoll eine dezentrale Konzentration von Windenergieanlagen auf geeignete\nStandorte erreicht werden. Eine flachendeckende Untersuchung der gesamten\nRegionsflache fuhrte zu diesem Ausschluss. Außerhalb der „vorsorglich\nfreizuhaltenden Bereiche fur die Nutzung der Windenergie" mussen u.a. den\noffentlichen Belangen wie die Unberuhrtheit der Landschaft, ihrer geringen\noder nicht vorhandenen Vorbelastung und ihrer weiten Einsehbarkeit Vorrang vor\neiner Windenergienutzung durch raumbedeutsame Windenergieanlagen eingeraumt\nwerden. Die Eignung als Standorte fur Windenergieanlagen ist insbesondere auch\nim Hinblick auf die meist zu geringe Windhoffigkeit nicht gegeben...". \n--- \n| 69 \n--- \n| Diese Zielsetzung der Regionalplanung entspricht den gesetzlichen Vorgaben.\nZwar ist mit § 35 Abs. 1 Ziff. 6 BauGB (nunmehr Ziffer 5) eine Privilegierung\nder Windkraftnutzung eingefuhrt worden. Mit der Neuregelung des § 35 Abs. 3\nSatz 3 BauGB hat der Gesetzgeber aber einen sog. „Planvorbehalt" fur Vorhaben\ngem. § 35 Abs. 1 Nr. 2 - 6 BauGB quasi als Korrektiv eingefuhrt, um den\n„Wildwuchs von Windenergieanlagen" in geschutzten Außenbereichen zu\nverhindern. Mit der Neuregelung des § 8 Absatz 4 ROG 1998 wurde den Landern\ndabei die Moglichkeit eroffnet, raumbedeutsame Maßnahmen (Vorhaben) im\nbauplanungsrechtlichen Außenbereich auch durch einen „innergebietlichen"\nVorrang verbunden mit einem regelmaßigen „außergebietlichen" Ausschluss zu\nsteuern. Diese Vorgaben sind mittlerweile auch in das Landesplanungsgesetz vom\n10.07.2003 (GBl. S. 385) - im Folgenden: n.F.) in § 11 Absatz 7 Satz 1 LPlG\nubernommen worden. \n--- \n| 70 \n--- \n| Ausweislich der dem Gericht vorgelegten Unterlagen des Beigeladenen Ziffer\n2 erfolgte die Festsetzung der „vorsorglich freizuhaltenden Bereiche"\n(Plansatz 3.2.7.1 (Z)) dabei in mehreren Schritten. In einem ersten\nPlanungsschritt wurden alle Flachen mit sehr guten bis guten Windverhaltnissen\n(die eine Windhoffigkeit von 5,0 m/s in 50 m Hohe und mehr aufweisen) anhand\nder vorliegenden Datengrundlagen des Deutschen Wetterdienstes, Statistisches\nWindfeldmodell Marz 1999 ermittelt und daruber hinaus auch hieran angrenzende\nFlachen mit Windgeschwindigkeiten von 4,7 bis 4,9 m/s berucksichtigt. In einem\nzweiten Schritt wurden dann mogliche Nutzungskonflikte mit der\nWindenergienutzung ermittelt (u.a. mit bestehenden Siedlungen,\nSiedlungsentwicklung, Freizeit- und Siedlungsgrun, Infrastruktureinrichtungen,\nNaturschutz, Wasserschutz, etc.), und durch Überlagerung von Flachen mit guten\nbis sehr guten Windverhaltnissen mit den ermittelten ersten Ausschlussgebieten\nwurde die Einteilung der Region in mogliche Positivstandorte fur die\nWindenergienutzung vorgenommen. Fur die Positivausweisung wurden dabei nur\nFlachen berucksichtigt, die hinsichtlich ihrer Große als regionalbedeutsam\nangesehen werden (ab ca. 20 h Flache fur mindestens 2 bis 3 raumbedeutsame\nWindenergieanlagen). In weiteren Teilschritten erfolgte dann eine weitere\nBegrenzung der Positivstandorte durch Überlagerung der verbleibenden Flachen\nmit weiteren schutzbedurftigen Landschaftsfunktionen bzw. weiteren\nNutzungskonkurrenzen (wie erweiterter Biotop- und Landschaftsschutz,\nWaldflachen mit besonderer Bedeutung fur den Boden, das Klima und die Luft\netc.), mit Bereichen fur den Schutz von Verteidigungsanlagen, der\nFlugsicherheit und dem Richtfunk und schließlich durch Ermittlung von\nAusschlussgebieten um Windkraftanlagen, um einer Überlastung der Landschaft\nbzw. der Naturraume entgegen zu wirken (vgl. dazu Teilfortschreibung des\nRegionalplanes 2... Ostwurttemberg, Kapitel 3.2.7 Windenergie - IV Methodik\nder Untersuchung mit Darstellung der regionalplanerischen Abwagung). \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| Diese Methodik der Untersuchung mit Darstellung der regionalplanerischen\nAbwagung ist ordnungsgemaß und entspricht den Zielen der Raumordnung und\nLandesplanung. Es ist weder vorgetragen noch aus den vorliegenden Unterlagen\nersichtlich, dass der Beigeladene Ziffer 2 bei seiner Abwagung Gesichtspunkte\nberucksichtigt hatte, die einen Ausschluss der Windenergienutzung nicht zu\nrechtfertigen vermogen. So werden z.B. im Ausschussbericht des Deutschen\nBundestages zur Novelle des § 35 Abs. 3 BauGB (BT-Dr 13/4978 S. 6) als\nBelange, die der Windenergienutzung vorgehen konnen, beispielhaft der\nFremdenverkehr, der Naturschutz und der Landschaftsschutz, der Schutz von\nRohstoffvorkommen und militarischen Einrichtungen oder anderen technischen\nSystemen genannt. Auch halt das Gericht es fur sachgerecht, dass der\nBeigeladene Ziffer 2 mit der Vorgabe einer bestimmten Windhoffigkeit und damit\neines bestimmten betriebswirtschaftlichen Nutzens den potentiellen Bereich der\nVorrangflachen von vornherein begrenzt hat. Je geeigneter eine Flache fur die\nWindkraft ist, umso so eher wird ihr auch bei Abwagung mit anderen Belangen\nVorrang einzuraumen sein, wahrend umgekehrt bei weniger geeigneten Flachen die\nNutzbarkeit fur die Windkraft nicht zwangslaufig den Ausschlag fur die\nFestsetzung als Vorrangflache geben wird. \n--- \n| 72 \n--- \n| Soweit der Klager konkret rugt, es sei nicht nachvollziehbar, dass die\nWindhoffigkeit nur in einer Hohe von 50 m und nicht in einer Hohe von 80 oder\n100 m ermittelt worden sei und er in diesem Zusammenhang auch die Heranziehung\ndes Datenmaterials des Deutschen Wetterdiensts als ungeeignet kritisiert,\nsieht das Gericht darin keinen Abwagungsfehler. Der Beigeladene Ziffer 2 hat\ninsoweit zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass die verwendeten Daten\ndes Deutschen Wetterdienstes (Statistisches Windfeldmodell, Marz 1999, Daten\nin 50 m uber Grund, Auflosung 0,1 m/s, Raster 200 m - i.F.: SWM) fur die\nraumliche Planung allgemein anerkannt und heute im gesamten Bundesgebiet das\nfur die Raumordnung eingesetzte Windfeldmodell bei flachendeckenden Planungen\nsind. Dieses Modell berucksichtigt erstmals die Windgeschwindigkeit in\nAbhangigkeit von verschiedenen Einflussfaktoren, wie z.B. der Hohe uber NN,\nder geografischen Lage, der Gelandeform und der Landnutzung. Grundlage der DWD\n- Daten ist dabei das sog. statistische Windfeldmodell (SWU) in der neuesten\nVersion vom Marz 1999, das anhand von 218 Windmessstationen des DWD\n(Bezugszeitraum 1981 - 1990) die raumliche Verteilung des Jahresmittels der\nWindgeschwindigkeit in Abhangigkeit von verschiedenen Einflussfaktoren (Hohe\nuber NN, geographische Lage, Gelandeform und Landnutzung) mittels\nstatistischer Verfahren bestimmt (vgl. dazu die Teilfortschreibung des\nRegionalplanes 2... Ostwurttemberg Kapitel 3.2.7 Windenergie Abschnitt III\nSeite 5ff). Die vom Klager-Vertreter selbst vorgenommenen Messungen an\neinzelnen Standorten belegen hingegen nicht die Ungeeignetheit dieser\nDatengrundlage. Fur das Gericht besteht deshalb nach pflichtgemaßem Ermessen\nkein Anlass fur eine weitere Aufklarung durch Einholung eines\nSachverstandigengutachtens. Soweit die Klager-Vertreterin in ihrem Schriftsatz\nvom 04.05.2005 Bezug nimmt auf eigene Messungen an einzelnen Standorten in 10\nm Hohe und dazu vortragt, diese Messungen hatten dort hohere Windhoffigkeiten\nergeben, als vom DWD in seinem Windfeldmodell dargestellt, hat der Beigeladene\nZiffer 2 bereits darauf hingewiesen, dass fruhere Windfeldmodelle auf Daten in\n10 m Hohe uber Grund oftmals hinsichtlich einer Planung mit flachendeckendem\nAusschluss hinterfragt und nicht mehr verwendet worden seien, weil diese nicht\nsichergestellt hatten, dass topographische Besonderheiten oder die Rauhigkeit\nder Erdoberflache keine Auswirkungen auf das verwendete Material gehabt\nhatten. Soweit der Klager-Vertreter hingegen auf konkrete Messungen an\neinzelnen Standorten in 50 m Hohe Bezug nimmt, wobei sich ebenfalls\nAbweichungen vom Windfeldmodell des DWD ergeben sollen, sind diese vom Klager\nvorgenommenen (meist Jahres-)Messungen aber kaum vergleichbar mit den uber\nJahre hinweg ermittelten Messergebnissen, die in das statistische\nWindfeldmodell eingeflossen sind. Im Übrigen beruht das statistische\nWindfeldmodell auf einer Hochrechnung der flachendeckend, und gerade nicht fur\njedes Grundstuck ermittelten Messwerte mittels statistischer Verfahren, so\ndass mogliche geringfugige Abweichungen bei konkreten Messungen an einzelnen\nStandorten nicht geeignet sind, die generelle Eignung dieses Modells fur die\nErmittlung der Windhoffigkeit in der Region Ostwurttemberg in Frage zu\nstellen. \n--- \n| 73 \n--- \n| Hinsichtlich der angeblich fehlenden Ermittlung der Windhoffigkeit auch in\n80 m Hohe und mehr ist anzumerken, dass die Ermittlung der Windhoffigkeit in\n50 m oder 80 m Hohe fur die Beurteilung nicht unmittelbar ausschlaggebend ist.\nZwar wird die Windhoffigkeit mit zunehmender Hohe im Regelfall zunehmen.\nAllerdings wird man fur das - weiter herangezogene Kriterium - der\nWirtschaftlichkeit der Anlage auch die Windhoffigkeit, die eine Anlage in 80\noder 100 m Hohe erbringen muss, erhohen mussen. Entscheidend ist insoweit\nvielmehr ein Vergleich der Standorte auf gleicher Grundlage. Fur die\nBeurteilung der Flachen nach den Windverhaltnissen wurden insoweit vom\nBeigeladenen Ziffer 2 die Angaben der Windenergieanlagenhersteller und\nBetreiber und Aussagen des Wirtschaftsministeriums Baden-Wurttemberg bzw. der\nLandesanstalt fur Umweltschutz verwertet. Demnach soll fur einen\nwirtschaftlichen Betrieb eine Windhoffigkeit in 50 m Hohe mindestens 5,0 m/s\nnotwendig sein. Dass dieser Wert keinesfalls zu Lasten der Betreiber bzw.\nGrundstuckseigentumer zu gering angesetzt worden ist, zeigt auch das vom\nBeigeladenen Ziffer 2 vorgelegte Kurzgutachten, erstellt im Rahmen der\nNovellierung des EEG/Teil Windenergie von der Deutschen WindGuard (Dr. Knud\nRehfeld), wonach die durchschnittliche Standortqualitat von Windparks (ab drei\nAnlagen) _in 30 m H ohe_ bei 5,0 m/s liegen soll. Der Beigeladene Ziffer 2 hat\nden Belangen der Betreiber von Windkraftanlagen und Grundstuckseigentumern im\nPlanungsgebiet dabei sogar besonders Rechnung getragen, als er nicht diesen\nWert von 5,0 m/s in 50 m Hohe als absolutes Ausschlusskriterium fur die\nErmittlung der grundsatzlich geeigneten Standorte herangezogen, sondern\ndaruber hinaus hieran angrenzende Flachen mit Windgeschwindigkeiten von 4,7\nbis 4,9 m/s ebenfalls berucksichtigt hat (vgl. Teilfortschreibung des\nRegionalplanes 2... Ostwurttemberg Kapitel 3.2.7 Windenergie, Abschnitt IV\nMethodik, Seite 7). \n--- \n| 74 \n--- \n| Soweit der Klager im Arbeitsschritt 3 (Seite 12 der Teilfortschreibung) die\ndort vorgenommene Begrenzung auf lediglich raumbedeutsame Flachen von 20 ha\nFlache fur mindestens 2 bis 3 raumbedeutsame Windenergieanlagen rugt, halt das\nGericht auch diese Eingrenzung fur sachgerecht. Denn das (zulassige)\nPlanungsziel, einer „Verspargelung" der Landschaft durch Windkraftnutzung\nentgegen zu wirken und diese Anlagen auf besonders geeignete Standorte zu\nkonzentrieren, ist nur durch Ausweisung von (raum)bedeutsamen Flachen fur die\nWindkraftnutzung zu erreichen. Dass insoweit das Ziel der Teilfortschreibung\ndarauf gerichtet ist, nicht jede - fur die Windkraftnutzung gut geeignete -\nkleine Flache in die Vorrangflache aufzunehmen, ist nicht zu beanstanden.\nImmerhin ist die Landesplanungsbehorde mit der Berucksichtigung von Flachen ab\n20 ha und fur 2 bis 3 raumbedeutsame Windenergieanlagen im Unterschied zum\nursprunglichen Planungskonzept (vgl. Entwurf fur die Teilfortschreibung des\nRegionalplanes 2... der Region Ostwurttemberg Stand April 2001 Seite 11 - dort\n30 ha) den Interessen der Windkraftnutzung weitgehend entgegen gekommen, was\nim Übrigen auch verdeutlicht, dass es ihr nicht um die generelle Verhinderung\nder Windkraftnutzung gegangen ist. \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| Entgegen der Auffassung des Klagers wurden bei der Ermittlung auch nicht\nAusschlusskriterien mehrfach berucksichtigt. Der Beigeladenen-Vertreter Ziffer\n2 hat darauf hingewiesen, dass die weitere Eingrenzung der geeigneten Flachen\ndurch die Ermittlung von weiteren Flachen mit schutzwurdigen\nLandschaftsfunktionen (Arbeitsschritt 4 auf Seite 12 der Teilfortschreibung)\nnur dann erfolgt sei, wenn offentliche Belange mehrerer Bereiche (erweiterter\nNatur- und Biotopschutz, erweiterter Landschaftsschutz, ruhige Erholung und\nNatur erleben sowie Waldflachen mit besonderer Bedeutung fur den Boden, das\nKlima und die Luft) einer Windenergienutzung kumulativ entgegen gestanden\nhatten, wohingegen Flachen mit entgegen stehenden Landschaftsfunktionen nur\neines Bereiches im Einzelfall abgewogen worden seien. Dem vorherigen\nArbeitsschritt 2 (Seite 7 ff) lag hingegen lediglich die Ermittlung von\nNutzungskonflikten im Hinblick auf den Naturschutz in Form von bestehenden\noder geplanten Naturschutzgebieten, mit geschutzten Wasserschutzzonen oder\nGewassern, mit geschutzten Waldern und Landschaftsschutzgebieten etc.\nzugrunde. Gerade bei Konflikten mit entgegenstehenden Landschaftsfunktionen\nmehrerer Bereiche steht einer Windenergienutzung aber ein besonders hohes\nKonfliktpotential entgegen, was es rechtfertigt, diese Bereiche auch ohne\nweitere Abwagung von der Windkraftnutzung auszuschließen. \n--- \n| 76 \n--- \n| Im vom Klager als nicht gerechtfertigt kritisierten Arbeitsschritt 6 (vgl.\nTeilfortschreibung Seite 16) ist nach Auskunft des Beigeladenen Ziffer 2 eine\nweitere Einengung der geeigneten Flachen durch die Berucksichtigung entgegen\nstehender Belange, welche die Trager offentlicher Belange im\nAnhorungsverfahren eingebracht hatten und die dem Regionalverband\nOstwurttemberg bei der Planung auf Regionaler Ebene nicht bekannt gewesen\nseien, nach Überprufung durch den Verband erfolgt. Ohne substantiierten\nHinweis, dass es sich dabei um unsachliche und einer Windenergienutzung nicht\nentgegen stehende Aspekte handelt, vermag das Gericht nicht festzustellen,\ndass dies fehlerhaft ist. \n--- \n--- \n| 77 \n--- \n| Was hingegen den vom Klager vorgebrachten Einwand betrifft, durch diese\nPlanung werde im Ergebnis eine nicht ausreichend ins Gewicht fallende\nNutzungsmoglichkeit geschaffen, weil die Vorrangflache „Windenergie" im\nVerhaltnis zur Gesamtflache des Regionalplanes zu gering sei, fuhrt auch das\nnicht zur Unwirksamkeit der Planung. Nach der Teilfortschreibung des\nRegionalplanes 2... Ostwurttemberg Kapitel 3.2.7 Windenergie und dem Ergebnis\nder Ermittlung von Positivstandorten kommen zwar lediglich 356 ha fur die\nErrichtung von Windenergieanlagen in Betracht. Dies entspricht einer Große von\netwa 0,16 % des gesamten Planungsraumes. Insoweit gibt es aber keine\nverbindlichen Vorgaben, auch nicht aufgrund europarechtlicher Richtwerte (vgl.\ninsoweit BVerwG, Urt. v. 13.03.2003 - 4 C 4/02, NVwZ 2003, 738 (740f)), fur\ndas Verhaltnis von Vorrangflachen zur Gesamtflache des Regionalplanes. Auch\ndie vom Gesetzgeber mit der Einfuhrung des Privilegierungstatbestandes in § 35\nAbs. 1 Ziffer 6 BauGB (nunmehr Ziffer 5) geplante Forderung der\nWindkraftnutzung vermag einen solchen Anspruch nicht zu begrunden. Im\nUnterschied zur Regelung des § 35 Abs. 1 BauGB, in welchem die beispielhaft\naufgezahlten Anlagen eine besondere Vorzugsstellung gegenuber offentlichen\nBelangen erhalten („entgegenstehen"), sieht der Gesetzgeber die Vorschrift des\n§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB als Instrument, durch das Gemeinden bzw.\nLandesplanungsbehorden in die Lage versetzt werden, die bauliche oder\nraumliche Entwicklung zu steuern. Der Gesetzgeber bringt mit der\nPrivilegierung einzelner Anlagen zwar einerseits zum Ausdruck, dass es sich um\nNutzungen handelt, die dem Außenbereich adaquat sind. Er verschließt sich\nandererseits nicht der Einsicht, dass er sich vielfach mit Massenphanomenen\nkonfrontiert sieht, die ohne Planung nicht zu bewaltigen sind. Mit der\nRegelung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB sowie den entsprechenden Regelungen im\nROG und LPlG erhalten Gemeinden bzw. Planungsbehorden ein Instrument an die\nHand, das es ihnen ermoglicht, durch eine Kanalisierung der in § 35 Abs. 1 Nr.\n2 bis 6 BauGB aufgefuhrten Vorhaben die stadtebauliche Entwicklung oder die\nEntwicklung des Raumes in geordnete Bahnen zu lenken. Der Gesetzgeber\ngestattet es dabei sogar, das durch § 35 Abs. 1 Nr. 2 - 6 BauGB rechtlich\ngeschutzte Nutzungsinteresse in der Konkurrenz mit anderen Abwagungsbelangen\ngegebenenfalls zuruckzustellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 - 4 C 15/01,\nNVwZ 2003, 733ff zur Ausweisung in einem Flachennutzungsplan). Ein solches\n„Wegwagen" ist indes rechtfertigungsbedurftig. Ist die Planung nicht durch\nAbwagungsoffenheit gekennzeichnet, sondern in einer bestimmten Richtung\nvorgepragt, so sind Abwagungsdefizite vorprogrammiert. Wo die Grenze zur\nVerhinderungsplanung verlauft, lasst sich nicht abstrakt bestimmen. Selbst bei\nAusweisung einer einzigen Konzentrationszone ist dies fur sich genommen noch\nkein Indiz fur einen fehlerhaften Gebrauch der Planungsermachtigung. Auch\nGroßenangaben sind, isoliert betrachtet, als Kriterium ungeeignet. Die\nausgewiesene Flache ist nicht nur in Relation zu setzen zur Große des\nPlangebiets, sondern auch zur Große der Teile der Region, die fur eine\nWindenergienutzung, aus welchen Grunden auch immer, nicht in Betracht kommen.\nEignet sich nur ein geringer Teil des Gebiets fur eine Windenergienutzung, so\nlasst sich eine im Vergleich zur Gesamtgroße kleine Konzentrationsflache schon\naus diesem Grund nicht als Indikator fur eine missbilligenswerte\nVerhinderungsplanung werten (so ausdrucklich BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 - 4 C\n15/01 a.a.O.). Soweit in der Rechtsprechung dabei Festsetzungen von\nVorranggebieten als zu gering beanstandet wurden (z.B. 8,4 ha entspr. einem\nAnteil von ½ Promille der Gesamtflache des beurteilten Gebiets - so BVerwG,\nUrt. v. 21.10.2004 - BVerwG 4 C 2.04 in einem Flachennutzungsplan; oder\nNieders. OVG, Beschl. v. 17.01.2002 - 1 L 2504/00, BauR 2002, 895), beruhen\ndiese Erkenntnisse ersichtlich auf den Feststellungen, dass es fur eine so\ngeringe Vorrangflache keine besonderen ortlichen Gegebenheiten gab oder es\nuberhaupt an Unterlagen uber ein nachvollziehbares Planungskonzept fehlte. \n--- \n| 78 \n--- \n| Die vorliegenden Unterlagen bieten aber keinerlei Anhaltspunkte dafur, dass\ndie Teilfortschreibung des Regionalplanes 2... Ostwurttemberg Kapitel 3.2.7\nWindenergie die Merkmale einer verschleierten Verhinderungsplanung aufweist. \n--- \n--- \n| 79 \n--- \n| Die hier ausgewiesene Flache von 0,16 % des Planungsgebiets ist insoweit an\ndem Umstand zu messen, dass der Raum Ostwurttemberg nach dem uberzeugenden\nVortrag des Beigeladenen Ziffer 2 kein fur die Windkraftnutzung ausgesprochen\ngunstiges Gebiet ist. Die Standortanalyse (und damit der erste Schritt der\nErmittlung) hat ergeben, dass bereits die erforderlichen Windgeschwindigkeiten\nvon 5,0 m/s (in 50 m Hohe uber Grund) nur auf 129,3 km 2 der Region\nOstwurttemberg (entspricht ca. 6 % der Gesamtregion von 2.138 km 2 )und\nWindgeschwindigkeiten von 4,7 bis 4,9 m/s lediglich auf weiteren 272,0 km 2\n(entspricht ca. 12 % der Gesamtregion von 2.138 km 2 ) erreicht werden, so\ndass in der Planung insgesamt nur 401,3 km 2 , also 18,78 % der Gesamtflache,\nuberhaupt fur die Windenergie geeignet bzw. als Flachen mit sehr guten bis\nguten Windverhaltnissen eingestuft werden konnten (siehe dazu\nTeilfortschreibung des Regionalplanes 2... Ostwurttemberg Kapitel 3.2.7\nWindenergie, Ziffer III und die vom Beigeladenen Ziffer 2 vorgelegte Tabelle\nzur Verteilung der Windhoffigkeit nach der Flache in Ostwurttemberg). Die\nFestsetzung der Vorrangflachen erfolgte dabei in mehreren Schritten an Hand\neiner Fulle von Abwagungskriterien. Insoweit ist auch zu berucksichtigen, dass\nder Regionalplan bei der Ermittlung von einer bestimmten,\nbetriebswirtschaftlich rentablen Windhoffigkeit ausgeht und nur Bereiche\nkennzeichnet, die hinsichtlich ihrer Große und Eignung regionale Bedeutung\naufweisen. Insoweit deutet auch der Umstand, dass es im Plangebiet weitere fur\ndie Windkraftnutzung geeignete Flachen gibt, nicht schon als solcher auf eine\nbeanstandenswerte restriktive Tendenz der Planung hin. Die Feststellung, dass\nsich diese oder jene Flache fur Zwecke der Windenergienutzung eignet, ist ein\nGesichtspunkt, der bei der planerischen Abwagung gebuhrend zu berucksichtigen\nist, bei der Standortwahl aber nicht zwangslaufig den Ausschlag geben muss\n(dazu auch BVerwG, Urt. v.17.12.2002 - 4 C 15/01 a.a.O). \n--- \n| 80 \n--- \n| Dem vom Klager vorgelegten, im Rahmen der ersten Anhorung den Tragern\noffentlicher Belange ubermittelten Serienbrief vom 18.05.2001, in welchem es\nu.a. heißt: „ Der Regionalverband Ostwurttemberg ware den Tragern offentlicher\nBelange, insbesondere den Stadten und Gemeinden der Region sehr dankbar, wenn\nsie im Rahmen dieser Beteiligung Vorschlage mitteilen konnten zu weiteren fur\ndie Windenergienutzung geeigneten Bereichen und Flachen...", lasst sich\nhingegen nicht entnehmen, dass der Beigeladene Ziffer 2 seine Planung\ntatsachlich nicht anhand der in der Teilfortschreibung unter IV (Methodik der\nUntersuchung) dargestellten Abwagungsschritte durchgefuhrt hat. Gleiches gilt,\nsoweit einzelne Gemeinden, z.B. die Gemeinde ..., oder betroffene\nPrivatpersonen den Planungsverband aufgefordert haben, vorgeschlagene\nStandorte in das Planungsverfahren einzubeziehen oder herauszunehmen bzw.\nsoweit ein Teilnehmer der offentlichen Sitzung der Verbandsversammlung vom\n22.03.2002 die Auffassung vertreten hat, das gefundene Ergebnis sei\n„verantwortbar und dazu geeignet, den sozialen Frieden und die gute\npartnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden zu erhalten". Der\nBeigeladene Ziffer 2 hat dazu ausgefuhrt, dass man im Vorgriff auf die\nUmsetzung des Raumordnungsgesetzes private Einwendungen zugelassen habe. Es\nist insoweit aber nicht belegt, dass sich der Planungstrager bei der\nErmittlung des Vorranggebietes von den im Satzungsbeschluss aufgelisteten\nAbwagungsschritten gelost hat und die Festsetzung der Vorrangflache\nwillkurlich erfolgt ist. \n--- \n| 81 \n--- \n| Halt sich die Teilfortschreibung des Regionalplanes 2... Ostwurttemberg\nKapitel 3.2.7 Windenergie damit an die Vorgaben, die das Landesplanungsrecht\nund das Raumordnungsgesetz macht, und ist sie mit § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zu\nvereinbaren, ist auch eine Verletzung von Art. 14 GG nicht anzunehmen (vgl.\ndazu auch BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 - 4 C 15/01 a.a.O. mit weiterer\nBegrundung). \n--- \n| 82 \n--- \n| Gemaß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB stehen die in einem Regionalplan enthaltenen\nZiele der Raumordnung einem Vorhaben nach Absatz 1 Nr. 2 - 6 in der Regel\nentgegen; das heißt, das Vorhaben ist bereits wegen der Festsetzungen in der\nTeilfortschreibung des Regionalplanes 2... Ostwurttemberg Kapitel 3.2.7\nWindenergie nicht genehmigungsfahig, wenn nicht ein Sonderfall vorliegt.\nNachdem sich diese Wirkung bereits aus dem Gesetz ergibt, war eine\nentsprechende Regelung in der Teilfortschreibung selbst nicht erforderlich.\nDabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber mit der Regel-Ausnahme-Formel (im\nUnterschied zum Tatbestandsmerkmal „Entgegenstehen" in seinem Absatz 1) zum\nAusdruck bringt, dass außerhalb der Konzentrationsflachen dem\nFreihalteinteresse grundsatzlich der Vorrang gebuhrt. Diese Wertung darf nicht\nim Zulassungsverfahren konterkariert werden. Eine Atypik kann sich z.B. daraus\nergeben, dass die Windkraftanlage wegen ihrer Große oder wegen ihrer Funktion\nals einem anderen privilegierten Vorhaben zugeordnete Nebenanlage besondere\nMerkmale aufweist, die sie aus dem Kreis der Anlagen heraushebt, deren\nZulassung der Planungstrager damit hat steuern wollen. Auch\nBestandsschutzgesichtspunkte konnen von Bedeutung sein. Ist in der Nahe des\nvorgesehenen Standortes bereits eine zulassigerweise errichtete\nWindenergieanlage vorhanden, so kann dies bei der Interessenbewertung\nebenfalls zum Vorteil des Antragstellers ausschlagen. Auch die kleinraumlichen\nVerhaltnisse konnen es rechtfertigen, von der auf den gesamten Planungsraum\nbezogenen Beurteilung des Planungstragers abzuweichen. Ist auf Grund\ntopographischer oder sonstiger Besonderheiten eine Beeintrachtigung der als\nstorempfindlich und schutzwurdig eingestuften Funktionen des betreffenden\nLandschaftsraumes nicht zu besorgen, so widerspricht es der Zielrichtung des\nPlanvorbehalts nicht, das Vorhaben zuzulassen (dazu Durr in Brugelmann,\nKommentar zum BauGB, § 35 Rdnr. 107 a; BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 - NVwZ 2003,\n733 (738)). Solche Gesichtspunkte sind hier aber nicht vorgetragen und vom\nGericht auch nicht zu erkennen. \n--- \n| 83 \n--- \n| II. Die Klage hat auch mit dem hilfsweise gestellten\nFortsetzungsfeststellungsantrag gemaß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog keinen\nErfolg. Der Antrag ist zwar zulassig. Durch Wirksamwerden der\nTeilfortschreibung des Regionalplanes 2... Ostwurttemberg Kapitel 3.2.7\nWindenergie am 16.08.2002 ist eine Erledigung des ursprunglichen\nVerpflichtungsbegehrens des Klagers eingetreten bzw. eine Situation\nentstanden, die dieser gleichzustellen ist. Denn dadurch wurde die bisher den\nGegenstand des Verfahrens bildende Rechtsgrundlage verdrangt und dem\nursprunglichen Begehren des Klagers der Boden entzogen. Der Klager hat seinen\nFeststellungsantrag mit der Absicht begrundet, Amtshaftungsanspruche gegen die\nbeigeladene Gemeinde und Entschadigungsanspruche wegen enteignungsgleichen\nEingriffs gegen das beklagte Land geltend zu machen und damit auch ein\nentsprechendes Feststellungsinteresse geltend gemacht. \n--- \n| 84 \n--- \n| Die Klage ist aber nicht begrundet. Die Versagung der Baugenehmigungen\ndurch die Bescheide des Landratsamtes ... vom 28.02.2001 und die\nWiderspruchsbescheide des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 24.04.2001 war\nrechtmaßig und der Beklagte bis zum 16.08.2002 nicht verpflichtet, dem Klager\ndie beantragten Baugenehmigungen zu erteilen. Denn die Vorhaben des Klagers\nscheiterten zum Zeitpunkt der letzten behordlichen Entscheidung daran, dass\nihnen ein im Entwurf der Teilfortschreibung des Regionalplanes 2...\nOstwurttemberg Kapitel 3.2.7 Windenergie aufgenommenes, in Aufstellung\nbefindliches Ziel der Raumordnung entgegen stand. \n--- \n--- \n| 85 \n--- \n| So ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass Zielvorgaben\ni.S. v. § 3 Nr. 2 ROG - hier die Festsetzung in Plansatz 3.2.7.1 (Z) und\n3.2.7.2 (Z) der Teilfortschreibung des Regionalplanes 2... Ostwurttemberg\nKapital 3.2.7. Windenergie - rechtliche Wirkung bereits entfalten konnen,\nbevor sie die Qualitat verbindlicher Zielvorgaben im Sinne des § 3 Nr. 2 ROG\nerlangt haben. In Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung konnen als\nnicht benannter offentlicher Belang im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB auch\nim Rahmen des § 35 BauGB von rechtlicher Bedeutung sein, wenn den Gegenstand\ndes Genehmigungsverfahrens eine raumbedeutsame Maßnahme im Sinne des § 3 Nr. 6\nROG bildet (vgl. dazu mit ausfuhrlicher Begrundung BVerwG, Urt. v. 13.03.2003\n- 4 C 3.02, NVwZ 2003, 1261 und Urt. v. 27.01.2005 - 4 C 5/04, BRS 2005, S.\n8ff). Allerdings muss ein in Aufstellung befindliches Ziel der Raumordnung\nbestimmten Anforderungen genugen, um im Zulassungsregime des § 35 BauGB\nrelevant zu sein. Erforderlich ist zunachst ein Mindestmaß an inhaltlicher\nKonkretisierung; das kunftige Ziel muss bereits so eindeutig bezeichnet sein,\ndass es moglich ist, das Bauvorhaben an ihm zu messen und zu beurteilen, ob es\nmit ihm vereinbar ware. Die insoweit erforderliche Detailscharfe weist es erst\nauf, wenn es zeichnerisch oder verbal so fest umrissen ist, dass es anderen\nBehorden und der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden kann, wobei\ndieses Stadium regelmaßig erreicht ist, wenn es im Rahmen eines\nBeteiligungsverfahrens zum Gegenstand der Erorterung gemacht werden kann.\nFerner muss die Planung ein genugendes Maß an Verlasslichkeit bieten, um auf\nder Genehmigungsebene als Versagungsgrund zu dienen. Diesem Erfordernis ist\nerst genugt, wenn ein Planungsstand erreicht ist, der die Prognose nahe legt,\ndass die ins Auge gefasste planerische Aussage Eingang in die endgultige\nFassung des Raumordnungsplanes finden wird. Gerade bei Planen, die auf der\nGrundlage des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB aufgestellt werden und positive\nAusweisungen mit einer Ausschlusswirkung an anderer Stelle kombinieren, muss\ndazu der Abwagungsprozess weit fortgeschritten sein, bevor sich hinreichend\nsicher abschatzen lasst, welcher der beiden Gebietskategorien ein im\nPlanungsraum gelegenes einzelnes Grundstuck zuzuordnen ist. Das bedeutet\nallerdings nicht zwangslaufig, dass die zukunftige Ausschlusswirkung eines in\nAufstellung befindlichen Ziels einem Außenbereichsvorhaben erst dann entgegen\ngehalten werden kann, wenn der Planungstrager die abschließende\nAbwagungsentscheidung getroffen hat und es nur noch von der Genehmigung und\nder Bekanntmachung abhangt, dass eine Zielfestlegung entsteht, die die in § 35\nAbs. 3 Satz 3 BauGB genannten Merkmale aufweist. Lasst sich bereits zu einem\nfruheren Zeitpunkt absehen, dass die Windkraftanlage auf einem Grundstuck\nerrichtet werden soll, das in einem Raum liegt, der fur eine\nWindenergienutzung von vornherein tabu ist oder aus sonstigen Grunden\nerkennbar nicht in Betracht kommt, so ist das insoweit in Aufstellung\nbefindliche Ziel der Raumordnung schon in dieser Planungsphase im\nBaugenehmigungsverfahren berucksichtigungsfahig (vgl. dazu BVerwG, Urt. v.\n27.01.2005 - 4 C 5/04 a.a.O.). So aber liegen die Dinge hier. \n--- \n| 86 \n--- \n| Der Beigeladenen Ziffer 1 ist insoweit beizupflichten, dass spatestens mit\nder Vorlage des Standortkonzeptes Windenergie Ostwurttemberg - Entwurf fur die\nTeilfortschreibung - Anfang April 2001, eine solchermaßen konkrete Zielsetzung\nerfolgt ist. Denn bereits dieser Vorlage, der im ubrigen eine lange\nVorbereitungsphase vorausging, lasst sich der Abwagungsprozess, der\nschließlich in die endgultige Teilfortschreibung einmundete, hinreichend\nsicher entnehmen und feststellen, welches Grundstuck im Planungsraum welcher\nGebietskategorie zugeordnet werden soll. Hingegen ist, wie ausgefuhrt, nicht\nerforderlich, dass der Planungstrager bereits eine abschließende Entscheidung\ngetroffen hat. Bereits in dem vorliegenden Entwurf vom April 2001 wurden\nnamlich mehrere hunderttausend Einzelflachen beurteilt. Auch hier wurden in\neinem ersten Planungsschritt alle Flachen mit sehr guten bis guten\nWindverhaltnissen (die in 50 m Hohe eine Windhoffigkeit von 5,0 m/s und mehr\naufweisen) anhand der vorliegenden Datengrundlagen des Deutschen\nWetterdienstes, Statistisches Windfeldmodell Marz 1999 ermittelt und daruber\nhinaus auch hieran angrenzende Flachen mit niedrigeren Windgeschwindigkeiten,\nhier allerdings nur von 4,8 bis 4,9 m/s, berucksichtigt. In weiteren Schritten\nwurden dann mogliche Nutzungskonflikte mit der Windenergienutzung ermittelt,\nwobei fur die Positivausweisung nur Flachen berucksichtigt wurden, die\nhinsichtlich ihrer Große als regionalbedeutsam angesehen wurden (ab ca. 30 ha\nFlache). Auch wurden weitere Ausschlussgebiete, z.B. um Windkraftanlagen,\ndefiniert, um einer Überlastung der Landschaft bzw. der Naturraume entgegen zu\nwirken. Die Vorhabensgrundstucke des Klagers lagen nach diesem Entwurf in\neinem Bereich, der wegen seiner Nahe zu einer geplanten Vorrangflache als\n„geplante Tabuflache um Windenergiestandorte (eine Änderung der\nWindenergiestandorte ergibt auch eine Änderung dieser Tabuflachen)"\nausgewiesen war (vgl. Standortkonzept Windenergie Ostwurttemberg - Entwurf fur\ndie Teilfortschreibung, Stand April 2001, Karte 3). Nach den Ausfuhrungen des\nBeigeladenen-Vertreters Ziffer 2 in der mundlichen Verhandlung wurden die\nVorhabensgrundstucke des Klagers daruber hinaus auch deshalb ausgeschlossen,\nweil sie den geforderten Gesamtmindestabstand zu Wohnbauflachen von 1000 m\n(vgl. den Teilfortschreibungsentwurf Ziffer 5, 1) Konflikte mit bestehenden\nSiedlungen, Seite 10) nicht einhielten. An dieser Einschatzung hat sich auch\nin der endgultigen Teilfortschreibung nichts verandert; das Abwagungskonzept\nzur Ermittlung von Vorrang- und Ausschlussgebieten wurde im Wesentlichen\nbeibehalten und nur in einzelnen Punkten, z.B. hinsichtlich der Definition der\nRaumbedeutsamkeit einer Flache bzw. hinsichtlich der Berucksichtigung von\nFlachen mit einer Windhoffigkeit von 4,7 m/s, modifiziert, und das\nVorranggebiet wurde verkleinert. Nach wie vor sind die Vorhabensgrundstucke\ndabei wegen ihrer Nahe (3.000 m) zu vorsorglich freizuhaltenden Bereichen fur\ndie Nutzung der Windenergie und weil sie den geforderten Gesamtmindestabstand\nzu bestehenden Siedlungen nicht einhalten, als Ausschlussgebiete definiert\n(vgl. Teilfortschreibung des Regionalplanes 2... Ostwurttemberg, Kapitel 3.2.7\nWindenergie, Arbeitsschritt 2 Ziffer 1) Konflikte mit Siedlungen Seite 8 und\nArbeitsschritt 7 mit Erganzung zur Raumnutzungskarte 1 „F-hof"). \n--- \n| 87 \n--- \n| Der hilfsweise gestellte Beweisantrag war hingegen abzulehnen. Denn die\nErschließung der Bauvorhaben, ebenso wie im Übrigen die Frage der\nVerunstaltung der Landschaft, sind fur die Entscheidung nicht relevant. \n--- \n| 88 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154, 162 Abs. 3 VwGO. Der Beigeladene\nZiffer 2 hat keinen Antrag gestellt und tragt somit seine außergerichtlichen\nKosten selbst. \n---\n\n
140,876
vg-sigmaringen-2005-05-25-9-k-44005
159
Verwaltungsgericht Sigmaringen
vg-sigmaringen
Sigmaringen
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
9 K 440/05
2005-05-25
2019-01-08 15:53:09
2019-01-17 12:01:03
Beschluss
## Tenor\n\nDas Verfahren wird betreffend die Ziffern 1 und 2 des Bescheides des\nAntragsgegners vom 25.02.2005 eingestellt, nachdem die Beteiligten es insoweit\nfur erledigt erklart haben.\n\nIm Übrigen wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers\ngegen den Bescheid wiederhergestellt.\n\nDer Antragsteller tragt 2/5, der Antragsgegner 3/5 der Kosten des Verfahrens.\n\nDer Streitwert wird auf 10.500 Euro festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten haben den Rechtsstreit hinsichtlich des jagdrechtlichen\nTeils des Bescheides des Landratsamts vom 25.02.2005 (dort die Ziffern 1 u. 2)\nubereinstimmend fur erledigt erklart. Insoweit ist das Verfahren entsprechend\n§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Im Übrigen begehrt der Antragsteller im Wege des einstweiligen\nRechtsschutzes die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines\nWiderspruchs gegen den erwahnten Bescheid, soweit er noch Verfahrensgegenstand\nist. Im Wesentlichen geht es dabei um den fur sofort vollziehbar erklarten\nWiderruf der vom Landratsamt ausgestellten beiden Waffenbesitzkarten Nummer\n... und Nummer ..., auf die insgesamt funf Waffen, welche im Bescheid\naufgefuhrt sind, eingetragen sind, sowie um das ebenfalls fur sofort\nvollziehbar erklarte Gebot, die im Besitz des Antragstellers befindlichen\nWaffen und die Munition bis zum 31.03.2005 einem Berechtigten zu uberlassen\noder aber dauerhaft unbrauchbar machen zu lassen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Der in diesem Umfang verbliebene Antrag ist nach § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 5\nVwGO zulassig und auch begrundet. \n--- \n| 4 \n--- \n| Zwar ist diesbezuglich die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit formell\nordnungsgemaß ergangen (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3, Satz 1 VwGO).\nInsbesondere ist der Sofortvollzug besonders verfugt und auch ausreichend\nschriftlich begrundet worden. Das Landratsamt fuhrt in dem Bescheid aus, beim\nWaffenrecht handle es sich um einen Bereich, in dem aufgrund des hohen\nGefahrenpotentials sichergestellt werden musse, dass nur demjenigen Waffen\nuberlassen wurden, der in jeder Hinsicht die Gewahr dafur biete, dass er\nsorgsam damit umgehe. Dies rechtfertige ein Zuruckstehen der personlichen\nInteressen des Antragstellers, bis zur Bestandskraft des Bescheides von dessen\nVollzug verschont zu bleiben. Mit diesen Ausfuhrungen ist ein besonderes\nVollzugsinteresse - unabhangig von der Frage, ob die Begrundung tragt -\nhinreichend dargelegt. \n--- \n| 5 \n--- \n| Ist die Anordnung des Sofortvollzugs formell nicht zu beanstanden, so hat\ndas Gericht im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene\nErmessensentscheidung zu treffen. Bei dieser Ermessensentscheidung ist das\noffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das\nIndividualinteresse des Antragstellers, zunachst von den Rechtsfolgen der\ndurch den Bescheid getroffenen Regelungen verschont zu bleiben, abzuwagen.\nDabei sind die Erfolgsaussichten des Widerspruchs, dessen aufschiebende\nWirkung hier wiederhergestellt werden soll, ein wesentliches Kriterium.\nErweist sich der Widerspruch bei der im vorliegenden Eilverfahren allein\nmoglichen summarischen Prufung der Sach- und Rechtslage als wahrscheinlich\nerfolgreich, so ist in aller Regel auch dem Antrag auf vorlaufigen\nRechtsschutz zu entsprechen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Nach diesen Grundsatzen ist dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz,\nsoweit er noch zur Entscheidung ansteht, stattzugeben, da insoweit der vom\nAntragsteller erhobene Widerspruch aller Wahrscheinlichkeit nach Erfolg haben\nwird. Denn es bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmaßigkeit des Widerrufs\nder Waffenbesitzkarten und der getroffenen Maßnahme nach § 46 Abs. 2 WaffG.\nInfolge dessen durfte auch kein besonderes Vollzugsinteresse fur die sofortige\nVollziehbarkeit des verbliebenen waffenrechtlichen Teils des Bescheides\nbestehen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Nach § 45 Abs. 2 WaffG ist eine Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachtraglich\nTatsachen eintreten, die zu ihrer Versagung hatten fuhren mussen. Der Umgang\nmit Waffen oder Munition im Sinne von § 2 Abs. 2 WaffG ist erlaubnispflichtig.\nUmgang mit einer Waffe oder mit Munition hat u. a., wer diese erwirbt oder\nbesitzt (vgl. § 1 Abs. 3 WaffG). Die Erlaubnis zum Erwerb oder Besitz von\nWaffen wird durch eine Waffenbesitzkarte oder durch eine Eintragung in eine\nbereits vorhandene Waffenbesitzkarte erteilt (§ 10 Abs. 1 Satz 1 WaffG). Jede\nErlaubnis zum Umgang mit Waffen oder mit Munition setzt u. a. die\nerforderliche Zuverlassigkeit des Erlaubnisinhabers voraus (vgl. § 4 Abs. 1\nNr. 2 WaffG). \n--- \n| 8 \n--- \n| Im Fall des Antragstellers, der mit rechtskraftigem Strafbefehl des\nAmtsgerichts R. vom 19.08.2004 aufgrund eines Jagdunfalls vom 06.12.2003 wegen\nfahrlassiger Korperverletzung mit einer Geldstrafe in Hohe von 30 Tagessatzen\nzu je 20 EUR belangt wurde, kann § 5 Abs. 2 WaffG, der die so genannte Regel-\nUnzuverlassigkeit regelt, tatbestandlich nicht zum Zuge kommen. Dies wurde im\nBescheid erkannt. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners durfte jedoch die\nVorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 2 b WaffG hier ebenfalls nicht zu Lasten des\nAntragstellers in Betracht kommen. Danach besitzt eine Person die\nerforderliche Zuverlassigkeit nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen,\ndass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemaß umgehen oder\ndiese Gegenstande nicht sorgfaltig verwahren wird. Dem Antragsteller kann\ndemgegenuber wegen des Jagdunfalls, bei dem er durch einen Schuss auf eine\netwa 150 m entfernte Wildsau einen bei diesem Tier im Unterholz stehenden\nJagdteilnehmer, der unstreitig die Sicherheitsvorschriften grob missachtet\nhatte, getroffen hatte, wohl allenfalls ein unvorsichtiges oder unsachgemaßes\nFuhren der Jagdwaffe bzw. ein derartiges Schießen vorgeworfen werden. Soweit\nbekannt, stellt dieses Ereignis ein einmaliges Fehlverhalten des\nAntragstellers, der seit vielen Jahren Jager ist, dar. Die naheren\nHintergrunde des Jagdunfalls konnten nicht eindeutig aufgeklart werden (vgl.\nden Bericht der Polizeidirektion T. zur Tatortsbefundsaufnahme und\nSpurensicherung vom 07.12.2003 sowie deren Ermittlungsbericht vom 02.02.2004).\nDer Antragsteller durfte bei der veranstalteten Druckjagd davon ausgehen, dass\ndas Jagdgebiet abgesperrt und nur fur eingewiesene Jager zuganglich war, die\nmit den Unfallverhutungsvorschriften vertraut gemacht wurden. Er durfte sich\nandererseits aber auch nicht blind darauf verlassen, dass sich samtliche\nJagdteilnehmer vorschriftsmaßig verhalten, und daher entsprechend § 3 Abs. 4\nder Unfallverhutungsvorschrift Jagd vom 01.01.2000 einen Schuss erst abgeben,\nwenn er sich vergewissert hat, dass niemand gefahrdet wird. Das Fehlverhalten,\ndas im Kern darauf zuruckzufuhren ist, dass sich der Antragsteller beim Schuss\nallein auf den begrenzten Sichtbereich des Zielfernrohrs verließ, durfte auch\nder Hintergrund fur den Strafbefehl gewesen sein. \n--- \n| 9 \n--- \n| Von wesentlichem Gewicht ist hier jedoch wohl, dass eine derartige\nJagdsituation nicht Gegenstand der Zuverlassigkeitsprufung fur eine\nWaffenbesitzkarte sein kann. Das relativ geringe Fehlverhalten des\nAntragstellers, welches zu dem Jagdunfall am 06.12.2003 fuhrte, lasst aus\ngegenwartiger Sicht nicht den Schluss zu, davon auszugehen, dass der\nAntragsteller beim Erwerb oder Besitz von Waffen oder Munition unvorsichtig\nsein wird oder mit diesen Gegenstanden nicht sachgemaß umgehen wird.\nHinsichtlich der Waffenbesitzkarten, nach denen der erlaubte Umgang mit Waffen\nund Munition auf den Erwerb und den Besitz eingeschrankt ist (vgl. § 10 Abs. 1\nWaffG), ist daher aller Voraussicht nach eine Unzuverlassigkeit des\nAntragstellers nicht festzustellen. Der Antragsteller kann daher die im\nBescheid aufgefuhrten Waffen vorlaufig weiter auch im Hinblick darauf\nbehalten, dass nicht ausgeschlossen erscheint, dass er kunftig wieder Jager\nsein kann. Sofern der Antragsteller seine Waffen und die Munition einem\nBerechtigten uberlassen hat, sind diese an ihn wieder zuruckzugeben. \n--- \n| 10 \n--- \n| Aus den obigen Ausfuhrungen ergibt sich zugleich, dass im Hinblick auf die\nWaffenbesitzkarten keine akute, einen Sofortvollzug rechtfertigende Gefahr zu\nbesorgen ist, wenn der Antragsteller vorlaufig seine Waffen behalten darf. Ein\nbesonderes Vollzugsinteresse fehlt daher aus gegenwartiger Sicht. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 2, 154 Abs. 1 VwGO.\nHinsichtlich des fur erledigt erklarten jagdrechtlichen Teils des Bescheides\nentspricht es billigem Ermessen, die diesbezuglichen Kosten dem Antragsteller\naufzuerlegen, da dieser bei Einreichung des Eilantrags am 05.03.2005, der erst\nam 05.04.2005 begrundet wurde, mit der Erledigung des jagdrechtlichen Teils\nwegen des nur noch bis zum 31.03.2005 befristeten Jagdscheins rechnen musste\nund bis Ende Marz 2005 keine Sachentscheidung mehr erwarten durfte. Die\nFestsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG\ni.V.m. § 5 ZPO. In Anlehnung an den Streitwertkatalog fur die\nVerwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NVwZ 2004, 1327) wird der jagdrechtliche Teil\nmit 8.000 EUR bewertet. Das Verfahren betreffend die Waffenbesitzkarten wird\nmit 10.000 EUR zuzuglich 3.000 EUR fur vier weitere Waffen veranschlagt. Die\nGesamtsumme von 21.000 EUR wird wegen des Eilverfahrens halbiert. \n---\n\n
140,882
vghbw-2005-05-30-13-s-212503
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
13 S 2125/03
2005-05-30
2019-01-08 15:53:15
2019-01-17 12:01:03
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung der Klagerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg\nvom 25. September 2002 - 4 K 1421/00 - wird zuruckgewiesen.\n\nDie Klagerin tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\nDie Revision wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin wurde am 25.02.1932 in Cluj Napoca, Rumanien, als Tochter der\nrumanischen Staatsangehorigen M. und I. V. geboren. Im Alter von 55 Jahren\nwurde sie laut Adoptionsurkunde des Volksrats in Cluj Napoca vom 22.09.1987\nvon Frau Magdalena M. als Kind angenommen. Am 07.07.1988 reiste die Klagerin\nzusammen mit ihrer damals 74jahrigen Adoptivmutter zu Besuchszwecken in die\nBundesrepublik Deutschland ein; beide blieben jedoch in der Folgezeit im\nBundesgebiet. Die Mutter der Klagerin wurde von der Beklagten mit Bescheid vom\n14.06.1989 aufgrund ihrer deutschen Abstammung mutterlicherseits als\nVertriebene anerkannt. Am 29.07.1988 hatte die Klagerin die Anerkennung als\nVertriebene (Ausweis A) beantragt und sich auf die deutsche Volkszugehorigkeit\nihrer Adoptivmutter berufen. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom\n26.06.1990 mit der Begrundung ab, dass die Klagerin nicht deutsche\nVolkszugehorige sei. Die hiergegen und gegen den Widerspruchsbescheid des\nRegierungsprasidiums Freiburg erhobene Klage wurde mit Urteil des\nVerwaltungsgerichts Freiburg vom 02.06.1992 - 4 K 82/92 - abgewiesen. Die\nBerufung hiergegen wurde vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg mit\nBeschluss vom 14.12.1992 - 6 S 1683/92 -zuruckgewiesen; dieser Beschluss ist\nseit dem 23.01.1993 rechtskraftig. Zur Durchfuhrung des\nVertriebenenausweisverfahrens erhielt die Klagerin erstmals am 14.07.1988 eine\nDuldung. Aufgrund der Pflegebedurftigkeit ihrer Adoptivmutter wurde ihr am\n22.05.1990 von der Beklagten eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, die zuletzt\nbis zum 02.07.2002 verlangert wurde. \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Schreiben vom 08.10.1999 beantragte die Klagerin bei der Beklagten die\nErteilung eines Staatsangehorigkeitsausweises gemaß § 40 a StAG. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Bescheid vom 12.01.2000 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab und fuhrte\nzur Begrundung im Wesentlichen folgendes aus: Fur den Erwerb der deutschen\nStaatsangehorigkeit nach § 40 a StAG musse die Klagerin Statusdeutsche im\nSinne von Art. 116 Abs. 1 GG sein. Danach sei Statusdeutscher eine Person, die\nals Fluchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehorigkeit oder als dessen\nEhegatte oder Abkommling in Deutschland Aufnahme gefunden habe. Nach\nrechtskraftigem Abschluss des Vertriebenenverfahrens stehe fest, dass die\nKlagerin nicht deutsche Volkszugehorige sei. Somit komme fur sie nur die\nEigenschaft als Abkommling einer Statusdeutschen in Betracht, da ihre\nAdoptivmutter deutsche Volkszugehorige und als Vertriebene anerkannt sei. Die\nKlagerin konne jedoch nicht als Abkommling im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG\nbehandelt werden, da sie erst als Volljahrige adoptiert worden sei. Im\nVertriebenenrecht konnten Adoptivkinder nach § 7 Abs. 2 BVFG nur dann als\nAbkommlinge behandelt werden, wenn der Annahmeantrag vor Vollendung des 18.\nLebensjahres gestellt worden sei. Diese Grundsatze mussten auch bei der\nBeurteilung der Eigenschaft als Abkommling im Sinne von Art. 116 GG gelten. \n--- \n| 4 \n--- \n| Gegen diesen Bescheid erhob die Klagerin fristgerecht am 14.02.2000\nWiderspruch, der mit Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Freiburg\nvom 15.05.2000, der Klagerin zugestellt am 19.05.2000, zuruckgewiesen wurde. \n--- \n| 5 \n--- \n| Am 19.06.2000 hat die Klagerin beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage mit\ndem Antrag erhoben, den Bescheid der Beklagten vom 12.01.2000 und den\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Freiburg vom 15.05.2000\naufzuheben und festzustellen, dass sie deutsche Staatsangehorige sei. Zur\nBegrundung hat sie ausgefuhrt: Sie sei als Abkommling einer Vertriebenen\ndeutscher Volkszugehorigkeit aufgenommen worden. Zu den Abkommlingen zahlten\nauch Adoptivkinder. Nachdem sie mit ihrer Mutter in Deutschland in familiarer\nLebensgemeinschaft gelebt habe, mit dieser auch gerade wegen deren\nHilfebedurftigkeit eingereist sei und hier Aufnahme gefunden habe, sei sie\nDeutsche im Sinne des Grundgesetzes geworden. Sie sei daher am 01.08.1999\ndeutsche Staatsangehorige geworden. \n--- \n| 6 \n--- \n| Nach dem Tod ihrer Adoptivmutter ist die Klagerin nach Rumanien\nzuruckgekehrt und tragt weiter vor: Sie habe Deutschland nicht freiwillig,\nsondern gezwungenermaßen aus Angst vor aufenthaltsbeendenden Maßnahmen\nverlassen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Urteil vom 25.09.2002 hat das Verwaltungsgericht Freiburg die Klage\nabgewiesen und zur Begrundung im Wesentlichen ausgefuhrt: Die Voraussetzungen\ndes § 40a Satz 1 StAG lagen in der Person der Klagerin nicht vor, denn sie sei\nam Stichtag des 01.08.1999 nicht Deutsche im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG\ngewesen. Sie habe nach der fur sie nur in Betracht kommenden zweiten\nAlternative des Art. 116 Abs. 1 GG nicht die Eigenschaft einer so genannten\nStatusdeutschen erlangt. Als Fluchtling oder Vertriebene deutscher\nVolkszugehorigkeit in diesem Sinne habe sie keine Aufnahme gefunden. Diese\nEigenschaft musse in einem Verfahren uber die Ausstellung eines\nVertriebenenausweises festgestellt werden. Der Klagerin sei die Erteilung\neines solchen Ausweises mit bestandskraftigem Bescheid, an dessen Feststellung\nalle Behorden gemaß § 15 Abs. 5 BVFG gebunden seien, versagt worden. Die\nKlagerin sei am 01.08.1999 auch nicht Abkommling einer Vertriebenen deutscher\nVolkszugehorigkeit im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG gewesen. Grundsatzlich\nkonnten auch Adoptivkinder Abkommlinge in diesem Sinne sein, jedoch nur, wenn\ndas Adoptivkind im Zeitpunkt der Stellung des Annahmeantrags noch minderjahrig\ngewesen sei. Zwar enthalte das Grundgesetz keine ausdruckliche Regelung, ob\nbei der Auslegung des Begriffs „Abkommling" in Art. 116 Abs. 1 GG zwischen\nminderjahrig Adoptierten und volljahrig Adoptierten zu differenzieren sei.\nDoch folge eine solche Differenzierung aus einer entsprechenden Anwendung von\n§ 6 StAG. Hiernach erwerbe das Kind, das im Zeitpunkt des Annahmeantrags das\n18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, mit der nach deutschen Gesetzen\nwirksamen Annahme als Kind durch einen Deutschen die deutsche\nStaatsangehorigkeit. Im Umkehrschluss heiße das, dass im Zeitpunkt der\nAntragstellung volljahrige Adoptivkinder von dieser Rechtsfolge ausgeschlossen\nseien. Ob § 6 StAG nur den Fall regle, in dem der Annehmende die deutsche\nStaatsangehorigkeit besitze, oder ob er zumindest in entsprechender Anwendung\nallgemein fur Adoptivkinder aller Deutschen im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG,\nalso auch fur Statusdeutsche, gelte, konne dahin gestellt bleiben. Denn die\nKlagerin konne hieraus in keinem Fall einen rechtlichen Vorteil ableiten, weil\nnur im Zeitpunkt des Adoptionsantrags minderjahrige Adoptivkinder kraft dieser\nVorschrift die deutsche Staatsangehorigkeit erwurben, Volljahrige jedoch\nnicht. In der Regelung des § 6 StAG (und der Vorgangervorschrift des § 6\nRuStAG), nach der im Staatsangehorigkeitsrecht zwischen der Adoption\nMinderjahriger und Volljahriger zu unterscheiden sei, komme ein allgemeiner\nGrundsatz zum Ausdruck, der sich auch aus der Entstehungsgeschichte der\nVorschrift ergebe. Dieser allgemeine Grundsatz gelte erst recht fur Falle wie\nden vorliegenden; solche Falle seien dadurch gekennzeichnet, dass die Adoption\nzu einem Zeitpunkt erfolgt sei, in dem der annehmende Volksdeutsche das\nVertreibungsgebiet noch nicht verlassen habe und deshalb mangels Aufnahme im\nBundesgebiet noch nicht Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG geworden\nsei. Hintergrund der gesetzlichen Unterscheidung in § 6 StAG zwischen der\nAdoption Minderjahriger und Volljahriger sei, dass es bei Minderjahrigen\naufgrund des Sorgerechtsverhaltnisses und des tatsachlichen\nAbhangigkeitsverhaltnisses, das zwischen ihnen und den Adoptiveltern bestehe\nund das in aller Regel zu einer kulturellen Pragung der Kinder durch die\nEltern fuhre, sachgerecht erscheine, sie in Fragen der Staatsangehorigkeit den\nEltern zuzuordnen. Daruber hinaus solle der bei der Adoption Volljahriger\nbestehenden großeren Missbrauchsgefahr begegnet und gerade bei Volljahrigen\neine doppelte Staatsangehorigkeit moglichst vermieden werden. Es spreche\nnichts dafur, die volljahrig Adoptierten auch in staatsburgerlicher Hinsicht\nden Adoptiveltern zuzuordnen. Daher verstoße die in § 6 StAG enthaltene\nDifferenzierung auch nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot. Diese\nÜberlegungen trafen im Rahmen der Anwendung von Art. 116 Abs. 1 GG auch auf\nAdoptivkinder von Vertriebenen zu. Das gelte namentlich fur die in diesen\nFallen gleichermaßen bestehenden Missbrauchsgefahren. Daruber hinaus spreche\nauch die ratio von Art. 116 Abs. 1 GG eher fur als gegen eine entsprechende\nAnwendung des in § 6 niedergelegten Grundsatzes. Auch wenn es einerseits\nanerkannt sei, dass die Abkommlinge von Vertriebenen deutscher\nVolkszugehorigkeit vor allem deshalb ebenfalls als Statusdeutsche behandelt\nwurden, weil sie ebenfalls dem Vertreibungsdruck im Ausland ausgesetzt gewesen\nseien, sei vor diesem Hintergrund zwischen minderjahrig Adoptierten und\nvolljahrig Adoptierten zu unterscheiden. Denn die in der Familie der\nAdoptiveltern erfahrene kulturelle Pragung im Sinne deutscher\nVolkszugehorigkeit fuhre bei minderjahrig Adoptierten in viel starkerem Maß\ndazu, dass sie das Schicksal des Vertreibungsdrucks mit den Adoptiveltern\nteilten. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmachtigten der Klagerin am\n29.10.2002 zugestellt. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Klagerin hat mit beim Verwaltungsgericht am 28.11.2002 eingegangenen\nSchriftsatz Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Diesen Antrag hat sie\nsowohl darauf gestutzt, dass die Rechtssache grundsatzliche Bedeutung habe,\nals auch darauf, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils\nvorlagen und ihn wie folgt begrundet: Die Differenzierung zwischen\nvolljahrigen und nicht volljahrigen Abkommlingen verstoße gegen Art. 3 GG und\ngegen den eindeutigen Wortlaut des Art. 116 Abs. 1 GG. Nachdem es sich um\nVertriebenenrecht handle, sei nicht auf § 6 StAG, sondern auf § 4 Abs. 3 BVFG\nabzustellen, denn nur diese Vorschrift entspreche in ihrem Wesensgehalt sowie\nnach ihrem Zweck der Vorschrift des Art. 116 Abs. 1 GG. § 6 StAG komme nur zum\nTragen, nachdem im Zeitpunkt der Adoption entweder die deutsche\nStaatsangehorigkeit oder der Status nach Art. 116 Abs. 1 GG bereits erworben\nworden sei. Vorher konne jedoch schon deshalb nicht zwischen Minderjahrigen\nund Volljahrigen entschieden werden, weil der Vertriebene deutscher\nVolkszugehorigkeit, der Kinder auch als Volljahrige adoptiert gehabt habe,\nnicht habe entscheiden konnen, wann er vertrieben werde. Sinn und Zweck des\nArt. 116 Abs. 1 GG sei es jedoch, den Ehegatten und nicht volksdeutschen\nKindern von Vertriebenen, die vor der Vertreibung geboren worden seien, den\nStatus als Deutsche im Sinne des Grundgesetzes zur Forderung ihrer Integration\nund zu ihrem Schutz zu gewahren. Dies ergebe sich aus § 8 BVFG, der den Erwerb\ndes Status als Vertriebener durch Heirat oder Annahme als Kind „nach der\nVertreibung" ausschließe. Sie sei als Abkommling eines Vertriebenen deutscher\nVolkszugehorigkeit aufgenommen worden. Da sie vor Inkrafttreten des\nKriegsfolgenbereinigungsgesetzes eingereist sei, genuge es, dass sie den\nstandigen Aufenthalt im Bundesgebiet erstrebe und aufgrund eines Tatigwerdens\noder sonstigen Verhaltens der Behorde der Schluss berechtigt sei, dass ihr die\nAufnahme nicht verweigert werde. Das Verwaltungsgericht sei auch von dieser\nAufnahme ausgegangen, denn sie sei mit ihrer hilfsbedurftigen Mutter\neingereist und habe nur deshalb Aufnahme gefunden, weil sie ihre Mutter, mit\nder sie in familiarer Lebens- und Beistandsgemeinschaft gelebt habe, bis zu\nihrem Tode gepflegt habe. Sie sei daher als Abkommling eines Vertriebenen\ndeutscher Volkszugehorigkeit aufgenommen worden. Sinn und Zweck dieser\nAufnahme sei nicht die Verleihung einer deutschen Staatsangehorigkeit an\nminderjahrige oder volljahrige Adoptivkinder, sondern die Gleichstellung der\nFamilienangehorigen von Vertriebenen. Dem habe die Erkenntnis des Gesetzgebers\nzugrunde gelegen, dass durch die Vertreibung des volksdeutschen Elternteils\ndie Familieneinheit gefahrdet werde und aufgrund dieses Umstands die\nnichtdeutschen Familienangehorigen durch das Vertreibungsschicksal mittelbar\nebenfalls betroffen seien. Ausgehend von diesem Sinn und Zweck der Regelung\nsei die Argumentation des Verwaltungsgerichts nicht haltbar. \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Senat hat mit Beschluss vom 15.09.2003 die Berufung wegen\ngrundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Der Beschluss wurde dem\nProzessbevollmachtigten der Klagerin am 26.09.2003 zugestellt. \n--- \n| 10 \n--- \n| Mit am Montag, den 27.10.2003 eingegangenen Schriftsatz beantragt die\nKlagerin, \n--- \n| 11 \n--- \n| das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25.09.2002 abzuandern und\nunter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 12.01.2000 und des\nWiderspruchsbescheids des Regierungsprasidiums Freiburg vom 15.05.2000\nfestzustellen, dass die Klagerin deutsche Staatsangehorige ist. \n--- \n| 12 \n--- \n| Zur Begrundung verweist sie auf die Klagebegrundung, die Schriftsatze im\nKlage- und Verwaltungsverfahren sowie auf ihren Schriftsatz zum Antrag auf\nZulassung der Berufung und fuhrt weiter aus: Sie sei als Abkommling eines\nVertriebenen deutscher Volkszugehorigkeit in der Bundesrepublik Deutschland\naufgenommen worden; Adoptivkinder seien den leiblichen Kindern gleichgestellt. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 14 \n--- \n| die Berufung zu verwerfen, \n--- \n| 15 \n--- \n| hilfsweise, die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Zur Begrundung fuhrt sie im wesentlichen folgendes aus: Die Berufung sei\nunzulassig und somit nach § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu verwerfen. Die\nBerufungsbegrundung entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben des § 124a Abs.\n3 S. 4 VwGO, denn es fehle an einer ordnungsgemaßen Darlegung der\nBerufungsgrunde. Indem die Klagerin in der Berufungsbegrundung pauschal auf\nihren bisherigen Vortrag sowohl im Verwaltungs- als auch im Klageverfahren\nverweise, habe sie sich nicht - wie erforderlich - mit den Urteilsgrunden der\nersten Instanz auseinandergesetzt. Die daruber hinausgehende pauschale\nBehauptung, sie sei als Abkommling einer Vertriebenen deutscher\nVolkszugehorigkeit in der Bundesrepublik aufgenommen worden, genuge nicht dem\nBegrundungserfordernis, da die Behauptung ohne Bezug zu den\nEntscheidungsgrunden des angefochtenen Urteils stehe, so dass nicht erkannt\nwerden konne, welche Erwagung des Verwaltungsgerichts angegriffen werde. Auch\ndie banale Feststellung, Adoptivkinder seien den leiblichen Kindern\ngleichgestellt, beinhalte keine Berufungsbegrundung. Die Klagerin lasse offen,\nwelche konkreten Entscheidungsgrunde ihrer Ansicht nach unrichtig seien. Die\nBerufungsbegrundung konne auch nicht durch die Begrundung des\nZulassungsantrags vom 27.12.2002 ersetzt werden. Zwar sei eine Bezugnahme auf\nden Zulassungsantrag grundsatzlich zulassig, dann musse dieser jedoch selbst\nden Begrundungserfordernissen fur eine Berufungsbegrundung entsprechen. Die\nKlagerin habe eine pauschale Bezugnahme in der Berufungsbegrundung auf\nsamtlichen bisherigen Parteivortrag im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren\ngewahlt. Dies sei nicht geeignet, den Anforderungen einer Berufungsbegrundung\nzu entsprechen, da die einzelnen Angriffslinien nicht konkretisiert wurden.\nAbgesehen davon sei die Berufung unbegrundet. Das Verwaltungsgericht habe\nerschopfend ausgefuhrt, dass die Klagerin keine deutsche Staatsangehorige sei. \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Beteiligten haben auf mundliche Verhandlung verzichtet. \n--- \n| 18 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die\ngewechselten Schriftsatze der Beteiligten, die Akte des\nVerwaltungsgerichtshofes Baden-Wurttemberg im Berufungsverfahren 6 S 1683/92,\ndie Akten des Verwaltungsgerichts Freiburg in den Klageverfahren 4 K 82/92 und\n4 K 1421/00, die Akte der Beklagten (Az.: 32.63.12 Nr.: 6/99) und die\nWiderspruchsakte des Regierungsprasidiums Freiburg, die dem Senat vorlagen,\nverwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 19 \n--- \n| Die Berufung der Klagerin ist nach ihrer Zulassung durch den Senat, der im\nEinverstandnis der Beteiligten durch Urteil ohne mundliche Verhandlung\nentscheidet (§ 101 Abs. 2 VwGO), statthaft und auch sonst zulassig. Die\nKlagerin hat die Berufung insbesondere innerhalb eines Monats nach der\nZustellung des Beschlusses uber ihre Zulassung ausreichend begrundet und einen\nbestimmten Antrag gestellt (124a Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 4\nVwGO). Zwar hat der Prozessbevollmachtigte der Klagerin in seiner\nBerufungsbegrundung lediglich pauschal auf sein Vorbringen (u.a.) im\nZulassungsverfahren Bezug genommen; dies ist jedoch nach der Rechtsprechung\ndes Bundesverwaltungsgerichtes, der der Senat folgt, grundsatzlich ausreichend\n(vgl. BVerwG, Urt. v. 30.06.1998 - 9 C 6.98 -, E 107, 117 = NVwZ 1998, 1311;\nBeschl. v. 23.09.1999 - 9 B 372.99 -, NVwZ 2000, 67; Beschl. v. 15.10.1999 - 9\nB 499.99 -, NVwZ 2000, 315; Urt. v. 23.04.2001 - 1 C 33.00 -, E 114, 155 =\nNVwZ 2001, 1029; a.A. BayVGH, Beschl. v. 06.09.2000 - 11 B 97.32121 -, NVwZ-RR\n2001, 545). Insbesondere hat die Klagerin bereits im Zulassungsverfahren den\nZulassungsgrund der grundsatzlichen Bedeutung substantiiert geltend gemacht,\nworaufhin die Berufung durch den Senat zugelassen worden ist; sie hat bereits\ndort ausreichend dargelegt, aus welchen Grunden sie das erstinstanzliche\nUrteil i.S.d. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO anficht. \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Berufung ist jedoch nicht begrundet. Das Verwaltungsgericht hat die\nzulassige Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 12.01.2000\nin Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungsprasidiums Freiburg vom\n15.05.2000 ist rechtmaßig und verletzt die Klagerin nicht in ihren Rechten (§\n113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie hat keinen Anspruch auf die begehrte\nFeststellung, dass sie deutsche Staatsangehorige sei (§ 43 Abs. 1 VwGO). \n--- \n| 21 \n--- \n| Bezuglich der Zulassigkeit des Feststellungs- und des isolierten\nAnfechtungsantrages verweist der Senat auf die zutreffenden Ausfuhrungen in\nder angefochtenen Entscheidung (§ 130 b Satz 2 VwGO). \n--- \n| 22 \n--- \n| Das Verwaltungsgericht hat auch in der Sache uberzeugend dargelegt, dass\ndie Klagerin keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung hat und die\nangegriffenen Bescheide deshalb rechtmaßig sind. Im Einzelnen: \n--- \n| 23 \n--- \n| Der Staatsangehorigkeitserwerb nach § 40 a Satz 1 StAG setzt voraus, dass\ndie betreffende Person am 01.08.1999 Deutscher i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG war,\nohne die deutsche Staatsangehorigkeit zu besitzen. Nach Art. 116 Abs. 1 GG ist\nu.a. Deutscher im Sinne des Grundgesetzes, wer als _Abk ommling_ eines\nVertriebenen deutscher Volkszugehorigkeit Aufnahme (im Bundesgebiet) gefunden\nhat. Die Klagerin ist - trotz ihrer in Rumanien im Jahre 1987 erfolgten\nAdoption durch Frau Magdalena M., die ihrerseits im Jahre 1989 als Vertriebene\nanerkannt worden ist - _kein_ _Abk ommling_ eines Vertriebenen deutscher\nVolkszugehorigkeit i.S.d. Art. 116 Satz 1 GG. Der Senat teilt die Auffassung\ndes Verwaltungsgerichts, dass die noch in Rumanien erfolgte Adoption der\ndamals 55 Jahre alten Klagerin diese Rechtsstellung nicht vermitteln kann. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die grammatische Auslegung des Begriffes „Abkommling" in Art. 116 Abs. 1 GG\ndeutet zunachst darauf hin, hierunter nur leibliche Kinder (und Enkel etc.) zu\nverstehen (so die fruher h.M., vgl. Makarov/v. Mangoldt, Deutsches\nStaatsangehorigkeitsrecht, 2. Aufl., Art. 116 Rn. 251; Maßfeller, Deutsches\nStaatsangehorigkeitsrecht, 2. Aufl., Art. 116 Rn. 89). Um als Abkommlinge auch\nangenommene Kinder aufzufassen, ist die Existenz eines entsprechenden -\neinfach-gesetzlichen - Adoptionsrechts notwendig. Dies zeigt bereits, dass die\nAuslegung des Abkommlingsbegriffs nicht vollig losgelost vom einfachen Recht\nauf rein verfassungsrechtlicher Ebene erfolgen kann. \n--- \n| 25 \n--- \n| In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist die Frage, ob eine\nErwachsenenadoption im Vertreibungsgebiet die Abkommlingseigenschaft i.S.d.\nArt. 116 Abs. 1 GG vermittelt, soweit ersichtlich noch nicht entschieden\n(schon das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil zutreffend\ndarauf hingewiesen, dass es in denjenigen obergerichtlichen Entscheidungen,\ndie sich mit dem Abkommlingsbegriff i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG befassen, nicht\num das Problem der Adoption, geschweige denn der Erwachsenenadoption geht,\nvgl. BVerwG, Urt. v. 02.05.2001 - 1 C 18.99 -, DVBl. 2002, 47; Urt. v.\n11.01.1994 - 1 C 35.93 -, NJW 1994, 2167; Urt. v. 12.05.1992 - 1 C 54.89 -, E\n90, 173 = NJW 1993, 2004). In der neueren Kommentarliteratur zu Art. 116 GG\nwird diese Frage ebenfalls nicht erortert. Soweit sich Ausfuhrungen dazu\nfinden, ob eine Adoption dazu fuhren kann, dass der Adoptierte „Abkommling"\nwird, wird nicht zwischen Minderjahrigen- und Erwachsenenadoption\nunterschieden, sondern im Hinblick auf die durch Art. 12 des Gesetzes vom\n02.07.1976 (BGBl. I S. 1749) erfolgte Änderung des Adoptionsrechtes und der\nRechtsstellung adoptierter Personen (wobei es insbesondere um Änderung der\nVorschriften im Burgerlichen Gesetzbuch und von § 6 RuStAG ging) die\nEinbeziehung von „Adoptivkindern" bzw. „adoptierten Kindern" in den Kreis der\nAbkommlinge bejaht (vgl. Kokott, in: Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 116 Rn. 9;\nRennert, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 116 Rn. 25; Masing, in: v.\nMangoldt/u.a., GG, 4. Aufl., Art. 116 Abs. 1 Rn. 130; Makarov/v. Mangoldt,\nDeutsches Staatsangehorigkeitsrecht, Art. 116 Rn. 44, Hailbronner/Renner,\nStaatsangehorigkeitsrecht, 4 Aufl., Art. 116 Rn. 67). Die Verwendung des\nBegriffes „Kind" deutet allerdings bereits eher auf einen Minderjahrigen als\nauf einen Erwachsenen hin. \n--- \n| 26 \n--- \n| Wie das Verwaltungsgericht ist der Senat der Überzeugung, dass aus\nsystematischen und teleologischen Gesichtspunkten auch bei der\nAbkommlingseigenschaft i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG zwischen der Minderjahrigen-\nund der Erwachsenenadoption differenziert werden muss. Die Unterscheidung\nzwischen der Minderjahrigen- und der Erwachsenenadoption und die\nunterschiedliche Behandlung beider Institute ist in der deutschen\nRechtsordnung verbreitet. Schon im Burgerlichen Gesetzbuch ist die Adoption\neines Erwachsenen nur unter besonderen Voraussetzungen moglich (§ 1767 BGB)\nund vermittelt grundsatzlich nicht dieselben Wirkungen wie bei einer\nMinderjahrigenadoption (§ 1770 BGB). Im Auslanderrecht entfaltet die\nErwachsenenadoption aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen nicht prinzipiell,\nsondern nur im besonderen Falle einer Beistandsgemeinschaft zwischen dem\nErwachsenen und seinen Adoptiveltern (vgl. Beschluss des Senates vom\n25.07.2002 - 13 S 673/02 -, VBlBW 2002, 495 m.w.N.). Im\nStaatsangehorigkeitsrecht differenziert die Vorschrift des § 6 StAG zwischen\nder Minderjahrigen- und der Erwachsenenadoption; allein die Adoption eines\nMinderjahrigen durch einen deutschen Staatsangehorigen fuhrt danach bei dem\nAdoptivkind zum Erwerb der deutschen Staatsangehorigkeit. Das\nVerwaltungsgericht hat ausfuhrlich die Entstehungsgeschichte und\ngesetzgeberischen Motive dieser Vorschrift dargestellt; der Senat kann gemaß §\n130 b Satz 2 VwGO hierauf Bezug nehmen. Es besteht keine Veranlassung, an der\nVerfassungsmaßigkeit dieser Vorschrift zu zweifeln; insbesondere liegt kein\nVerstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor (dazu ausfuhrlich BVerwG, Urt. v.\n18.12.1998 - 1 C 2.98 - E 108, 216 = NJW 1999, 1347; Beschl. v. 10.03.1998 - 1\nB 249.97 -, InfAuslR 1998, 401; bestatigend BVerwG, Urt. v. 14.10.2003, E 119,\n11 = NJW 2004, 1401). Offenbar war es dem Gesetzgeber ein Anliegen, jeden\nAnreiz fur einen Missbrauch der Erwachsenenadoption zu vermeiden (vgl.\nBegrundung der Bundesregierung, BT-Drs. 7/3061, S. 65). Gerade diese\nZweckrichtung spricht gegen eine generelle Zuerkennung der\nAbkommlingseigenschaft i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG im Weg einer\nErwachsenenadoption. Anderenfalls hatte es ein Vertriebener deutscher\nVolkszugehorigkeit in der Hand, einem volljahrigen auslandischen\nStaatsangehorigen (ohne deutsche Volkszugehorigkeit), mit dem er z.B.\nbefreundet ist, nicht nur ein dauerndes Aufenthaltsrecht in Deutschland,\nsondern letztlich sogar die deutsche Staatsburgerschaft zu verschaffen, indem\ner ihn adoptiert, kurz bevor er selbst das Vertreibungsgebiet in Richtung\nDeutschland verlasst. Demgegenuber hatte dieselbe befreundete auslandische\nPerson ohne die Adoption grundsatzlich keinerlei auslanderrechtliche Aussicht\nauf einen - anderen als Besuchszwecken dienenden - Aufenthalt in Deutschland.\nWenn in der Literatur zur Begrundung der Anwendbarkeit des Begriffes\n„Abkommling" auf „adoptierte Kinder" mit Blick auf § 6 StAG argumentiert wird,\nes konne keinen Unterschied machen, ob die Adoption kurz vor der Aufnahme im\nBundesgebiet oder kurz danach erfolge, dann liegt dem ersichtlich die\nVorstellung einer Minderjahrigenadoption zugrunde (Makarov/v. Mangoldt, aaO.,\nArt. 116 Rn. 44). Im ubrigen hatte gerade diese Gleichbehandlung auch zur\nFolge, dass bei einer Erwachsenenadoption, bei der § 6 StAG nicht zur\nAnwendung kommen kann, auch der Abkommlingsbegriff ausscheiden musste.\nAbgesehen davon wurde die Anwendung des Abkommlingsbegriff im Falle der\nErwachsenenadoption zu einer zumindest fragwurdigen Ungleichbehandlung\nzwischen statusdeutschen Adoptiveltern und Adoptiveltern mit deutscher\nStaatsangehorigkeit fuhren. § 6 StAG unterscheidet namlich nicht danach, ob\ndie Adoption im Inland oder im Ausland erfolgt. Wenn Eltern mit deutscher\nStaatsangehorigkeit im Ausland einen Erwachsenen adoptieren, hat dies fur den\nAdoptierten mithin keinen Erwerb der deutschen Staatsangehorigkeit zur Folge.\nEs kann nicht angenommen werden, dass die Statusdeutscheneigenschaft eine\nstarkere staatsangehorigkeitsrechtliche Wirkung entfaltet als die deutsche\nStaatsburgerschaft. Da der Zweck der Einbeziehung der Abkommlinge in Art. 116\nAbs. 1 GG gerade darin liegt, dass sie ebenfalls dem Vertreibungsdruck im\nAusland ausgesetzt waren (vgl. Masing, aaO., Art. 116 Rn. 1 ff., 71), wird man\nmindestens verlangen mussen, dass der Adoptierte, wie auch das\nVerwaltungsgericht zutreffend meint, schon vor seiner Adoption seine\nkulturelle Pragung durch die volksdeutsche Familie erfahren hat, und daruber\nhinaus auch im Vertreibungsgebiet als Teil dieser Familie angesehen und\ndeshalb wie ein deutscher Volkszugehoriger behandelt wurde. Davon kann im\nFalle der Klagerin nicht ausgegangen werden. Nach den Feststellungen im\nVertriebenenausweisverfahren handelt es sich bei der Klagerin um eine\nrumanische Volkszugehorige, die sich bis zum 17. Lebensjahr uberwiegend bei\nihrer rumanischen Familie aufhielt und dann einen rumanischen\nStaatsangehorigen heiratete. Die Adoption im Alter von 55 Jahren - weniger als\nein Jahr vor der Ausreise nach Deutschland - lasst die Annahme nicht fern\nliegend erscheinen, dass sie auch zu dem Zweck erfolgt sein mag, die\nEinbeziehung der Klagerin ins Vertriebenenausweisverfahren zu ermoglichen.\nWenn das Grundgesetz allein die familiare Nahe als ausreichend fur die\nStatusdeutscheneigenschaft hatte ansehen wollen, ware im Übrigen die\nVorschrift des § 6 StAG schwer verstandlich, der vollig unabhangig von jeder\nnoch so großen familiaren Nahe bei der Erwachsenenadoption unterschiedliche\nStaatsangehorigkeiten zulasst. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Klagerin hat die Statusdeutscheneigenschaft schließlich auch nicht\nderivativ erworben. Zwar wird in der Literatur - in Anlehnung an Nr. 6.1.3 der\nAllgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehorigkeitsrecht vom 13.12.2000\n(BAnz. 2001, 1418) - die Auffassung vertreten, § 6 StAG gelte analog fur\nStatusdeutsche (vgl. Hailbronner/Renner, aaO., § 6 Rn. 14 m.w.N.), doch wurde\nauch eine analoge Anwendung von § 6 StAG gerade im Falle der Klagerin nicht\nzum derivativen Erwerb dieser Rechtsstellung fuhren, da sie bei der Adoption\nbereits 55 Jahre alt war. \n--- \n| 28 \n--- \n| Da die Klagerin bereits aus diesem Grunde nicht als Deutsche i.S.d Art. 116\nAbs. 1 GG angesehen werden kann, kann der Senat dahin stehen lassen, ob die\nKlagerin zudem als Abkommling in Deutschland _Aufnahme gefunden_ hat. Dagegen\nkonnte bereits sprechen, dass der Klagerin nach ihrem erfolglosen\nVertriebenenausweisverfahren, wahrend dessen Dauer sie geduldet wurde, der\nAufenthalt allein auf auslanderrechtlicher Grundlage erlaubt wurde, wenngleich\nvor dem Hintergrund, dass sie ihre Adoptivmutter pflegte. Ob diese rein\nauslanderrechtliche Entscheidung ausreicht, um „als Abkommling Aufnahme zu\nfinden", bedarf keiner Entscheidung. Allerdings ist anzumerken, dass es\ninsoweit nicht entscheidend darauf ankommen durfte, ob die Beklagte die\nKlagerin nicht als „Abkommling" i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG angesehen hat und\nsie deshalb auch nicht _als Abk ommling_ aufnehmen _wollte_ ; maßgeblich ware\nwohl, ob das damalige Verhalten der Behorde, fur den Fall einer positive\ngerichtlichen Klarung der Abkommlingseigenschaft, „ruckwirkend" als\nAufnahmehandlung angesehen werden konnte. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Revision war zuzulassen, denn die Frage, ob § 40 a Satz 1 StAG i.V.m.\nArt. 116 Abs. 1 GG auf Personen ohne deutsche Volkszugehorigkeit, die als\nVolljahrige von einem Vertriebenen deutscher Volkszugehorigkeit vor dem\nVerlassen des Vertreibungsgebiets adoptiert wurden, Anwendung findet, hat\ngrundsatzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Diese fur das Urteil des\nSenats entscheidungserhebliche Frage ist in der obergerichtlichen\nRechtsprechung und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht\ngeklart. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 19 \n--- \n| Die Berufung der Klagerin ist nach ihrer Zulassung durch den Senat, der im\nEinverstandnis der Beteiligten durch Urteil ohne mundliche Verhandlung\nentscheidet (§ 101 Abs. 2 VwGO), statthaft und auch sonst zulassig. Die\nKlagerin hat die Berufung insbesondere innerhalb eines Monats nach der\nZustellung des Beschlusses uber ihre Zulassung ausreichend begrundet und einen\nbestimmten Antrag gestellt (124a Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 4\nVwGO). Zwar hat der Prozessbevollmachtigte der Klagerin in seiner\nBerufungsbegrundung lediglich pauschal auf sein Vorbringen (u.a.) im\nZulassungsverfahren Bezug genommen; dies ist jedoch nach der Rechtsprechung\ndes Bundesverwaltungsgerichtes, der der Senat folgt, grundsatzlich ausreichend\n(vgl. BVerwG, Urt. v. 30.06.1998 - 9 C 6.98 -, E 107, 117 = NVwZ 1998, 1311;\nBeschl. v. 23.09.1999 - 9 B 372.99 -, NVwZ 2000, 67; Beschl. v. 15.10.1999 - 9\nB 499.99 -, NVwZ 2000, 315; Urt. v. 23.04.2001 - 1 C 33.00 -, E 114, 155 =\nNVwZ 2001, 1029; a.A. BayVGH, Beschl. v. 06.09.2000 - 11 B 97.32121 -, NVwZ-RR\n2001, 545). Insbesondere hat die Klagerin bereits im Zulassungsverfahren den\nZulassungsgrund der grundsatzlichen Bedeutung substantiiert geltend gemacht,\nworaufhin die Berufung durch den Senat zugelassen worden ist; sie hat bereits\ndort ausreichend dargelegt, aus welchen Grunden sie das erstinstanzliche\nUrteil i.S.d. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO anficht. \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Berufung ist jedoch nicht begrundet. Das Verwaltungsgericht hat die\nzulassige Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 12.01.2000\nin Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungsprasidiums Freiburg vom\n15.05.2000 ist rechtmaßig und verletzt die Klagerin nicht in ihren Rechten (§\n113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie hat keinen Anspruch auf die begehrte\nFeststellung, dass sie deutsche Staatsangehorige sei (§ 43 Abs. 1 VwGO). \n--- \n| 21 \n--- \n| Bezuglich der Zulassigkeit des Feststellungs- und des isolierten\nAnfechtungsantrages verweist der Senat auf die zutreffenden Ausfuhrungen in\nder angefochtenen Entscheidung (§ 130 b Satz 2 VwGO). \n--- \n| 22 \n--- \n| Das Verwaltungsgericht hat auch in der Sache uberzeugend dargelegt, dass\ndie Klagerin keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung hat und die\nangegriffenen Bescheide deshalb rechtmaßig sind. Im Einzelnen: \n--- \n| 23 \n--- \n| Der Staatsangehorigkeitserwerb nach § 40 a Satz 1 StAG setzt voraus, dass\ndie betreffende Person am 01.08.1999 Deutscher i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG war,\nohne die deutsche Staatsangehorigkeit zu besitzen. Nach Art. 116 Abs. 1 GG ist\nu.a. Deutscher im Sinne des Grundgesetzes, wer als _Abk ommling_ eines\nVertriebenen deutscher Volkszugehorigkeit Aufnahme (im Bundesgebiet) gefunden\nhat. Die Klagerin ist - trotz ihrer in Rumanien im Jahre 1987 erfolgten\nAdoption durch Frau Magdalena M., die ihrerseits im Jahre 1989 als Vertriebene\nanerkannt worden ist - _kein_ _Abk ommling_ eines Vertriebenen deutscher\nVolkszugehorigkeit i.S.d. Art. 116 Satz 1 GG. Der Senat teilt die Auffassung\ndes Verwaltungsgerichts, dass die noch in Rumanien erfolgte Adoption der\ndamals 55 Jahre alten Klagerin diese Rechtsstellung nicht vermitteln kann. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die grammatische Auslegung des Begriffes „Abkommling" in Art. 116 Abs. 1 GG\ndeutet zunachst darauf hin, hierunter nur leibliche Kinder (und Enkel etc.) zu\nverstehen (so die fruher h.M., vgl. Makarov/v. Mangoldt, Deutsches\nStaatsangehorigkeitsrecht, 2. Aufl., Art. 116 Rn. 251; Maßfeller, Deutsches\nStaatsangehorigkeitsrecht, 2. Aufl., Art. 116 Rn. 89). Um als Abkommlinge auch\nangenommene Kinder aufzufassen, ist die Existenz eines entsprechenden -\neinfach-gesetzlichen - Adoptionsrechts notwendig. Dies zeigt bereits, dass die\nAuslegung des Abkommlingsbegriffs nicht vollig losgelost vom einfachen Recht\nauf rein verfassungsrechtlicher Ebene erfolgen kann. \n--- \n| 25 \n--- \n| In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist die Frage, ob eine\nErwachsenenadoption im Vertreibungsgebiet die Abkommlingseigenschaft i.S.d.\nArt. 116 Abs. 1 GG vermittelt, soweit ersichtlich noch nicht entschieden\n(schon das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil zutreffend\ndarauf hingewiesen, dass es in denjenigen obergerichtlichen Entscheidungen,\ndie sich mit dem Abkommlingsbegriff i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG befassen, nicht\num das Problem der Adoption, geschweige denn der Erwachsenenadoption geht,\nvgl. BVerwG, Urt. v. 02.05.2001 - 1 C 18.99 -, DVBl. 2002, 47; Urt. v.\n11.01.1994 - 1 C 35.93 -, NJW 1994, 2167; Urt. v. 12.05.1992 - 1 C 54.89 -, E\n90, 173 = NJW 1993, 2004). In der neueren Kommentarliteratur zu Art. 116 GG\nwird diese Frage ebenfalls nicht erortert. Soweit sich Ausfuhrungen dazu\nfinden, ob eine Adoption dazu fuhren kann, dass der Adoptierte „Abkommling"\nwird, wird nicht zwischen Minderjahrigen- und Erwachsenenadoption\nunterschieden, sondern im Hinblick auf die durch Art. 12 des Gesetzes vom\n02.07.1976 (BGBl. I S. 1749) erfolgte Änderung des Adoptionsrechtes und der\nRechtsstellung adoptierter Personen (wobei es insbesondere um Änderung der\nVorschriften im Burgerlichen Gesetzbuch und von § 6 RuStAG ging) die\nEinbeziehung von „Adoptivkindern" bzw. „adoptierten Kindern" in den Kreis der\nAbkommlinge bejaht (vgl. Kokott, in: Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 116 Rn. 9;\nRennert, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 116 Rn. 25; Masing, in: v.\nMangoldt/u.a., GG, 4. Aufl., Art. 116 Abs. 1 Rn. 130; Makarov/v. Mangoldt,\nDeutsches Staatsangehorigkeitsrecht, Art. 116 Rn. 44, Hailbronner/Renner,\nStaatsangehorigkeitsrecht, 4 Aufl., Art. 116 Rn. 67). Die Verwendung des\nBegriffes „Kind" deutet allerdings bereits eher auf einen Minderjahrigen als\nauf einen Erwachsenen hin. \n--- \n| 26 \n--- \n| Wie das Verwaltungsgericht ist der Senat der Überzeugung, dass aus\nsystematischen und teleologischen Gesichtspunkten auch bei der\nAbkommlingseigenschaft i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG zwischen der Minderjahrigen-\nund der Erwachsenenadoption differenziert werden muss. Die Unterscheidung\nzwischen der Minderjahrigen- und der Erwachsenenadoption und die\nunterschiedliche Behandlung beider Institute ist in der deutschen\nRechtsordnung verbreitet. Schon im Burgerlichen Gesetzbuch ist die Adoption\neines Erwachsenen nur unter besonderen Voraussetzungen moglich (§ 1767 BGB)\nund vermittelt grundsatzlich nicht dieselben Wirkungen wie bei einer\nMinderjahrigenadoption (§ 1770 BGB). Im Auslanderrecht entfaltet die\nErwachsenenadoption aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen nicht prinzipiell,\nsondern nur im besonderen Falle einer Beistandsgemeinschaft zwischen dem\nErwachsenen und seinen Adoptiveltern (vgl. Beschluss des Senates vom\n25.07.2002 - 13 S 673/02 -, VBlBW 2002, 495 m.w.N.). Im\nStaatsangehorigkeitsrecht differenziert die Vorschrift des § 6 StAG zwischen\nder Minderjahrigen- und der Erwachsenenadoption; allein die Adoption eines\nMinderjahrigen durch einen deutschen Staatsangehorigen fuhrt danach bei dem\nAdoptivkind zum Erwerb der deutschen Staatsangehorigkeit. Das\nVerwaltungsgericht hat ausfuhrlich die Entstehungsgeschichte und\ngesetzgeberischen Motive dieser Vorschrift dargestellt; der Senat kann gemaß §\n130 b Satz 2 VwGO hierauf Bezug nehmen. Es besteht keine Veranlassung, an der\nVerfassungsmaßigkeit dieser Vorschrift zu zweifeln; insbesondere liegt kein\nVerstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor (dazu ausfuhrlich BVerwG, Urt. v.\n18.12.1998 - 1 C 2.98 - E 108, 216 = NJW 1999, 1347; Beschl. v. 10.03.1998 - 1\nB 249.97 -, InfAuslR 1998, 401; bestatigend BVerwG, Urt. v. 14.10.2003, E 119,\n11 = NJW 2004, 1401). Offenbar war es dem Gesetzgeber ein Anliegen, jeden\nAnreiz fur einen Missbrauch der Erwachsenenadoption zu vermeiden (vgl.\nBegrundung der Bundesregierung, BT-Drs. 7/3061, S. 65). Gerade diese\nZweckrichtung spricht gegen eine generelle Zuerkennung der\nAbkommlingseigenschaft i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG im Weg einer\nErwachsenenadoption. Anderenfalls hatte es ein Vertriebener deutscher\nVolkszugehorigkeit in der Hand, einem volljahrigen auslandischen\nStaatsangehorigen (ohne deutsche Volkszugehorigkeit), mit dem er z.B.\nbefreundet ist, nicht nur ein dauerndes Aufenthaltsrecht in Deutschland,\nsondern letztlich sogar die deutsche Staatsburgerschaft zu verschaffen, indem\ner ihn adoptiert, kurz bevor er selbst das Vertreibungsgebiet in Richtung\nDeutschland verlasst. Demgegenuber hatte dieselbe befreundete auslandische\nPerson ohne die Adoption grundsatzlich keinerlei auslanderrechtliche Aussicht\nauf einen - anderen als Besuchszwecken dienenden - Aufenthalt in Deutschland.\nWenn in der Literatur zur Begrundung der Anwendbarkeit des Begriffes\n„Abkommling" auf „adoptierte Kinder" mit Blick auf § 6 StAG argumentiert wird,\nes konne keinen Unterschied machen, ob die Adoption kurz vor der Aufnahme im\nBundesgebiet oder kurz danach erfolge, dann liegt dem ersichtlich die\nVorstellung einer Minderjahrigenadoption zugrunde (Makarov/v. Mangoldt, aaO.,\nArt. 116 Rn. 44). Im ubrigen hatte gerade diese Gleichbehandlung auch zur\nFolge, dass bei einer Erwachsenenadoption, bei der § 6 StAG nicht zur\nAnwendung kommen kann, auch der Abkommlingsbegriff ausscheiden musste.\nAbgesehen davon wurde die Anwendung des Abkommlingsbegriff im Falle der\nErwachsenenadoption zu einer zumindest fragwurdigen Ungleichbehandlung\nzwischen statusdeutschen Adoptiveltern und Adoptiveltern mit deutscher\nStaatsangehorigkeit fuhren. § 6 StAG unterscheidet namlich nicht danach, ob\ndie Adoption im Inland oder im Ausland erfolgt. Wenn Eltern mit deutscher\nStaatsangehorigkeit im Ausland einen Erwachsenen adoptieren, hat dies fur den\nAdoptierten mithin keinen Erwerb der deutschen Staatsangehorigkeit zur Folge.\nEs kann nicht angenommen werden, dass die Statusdeutscheneigenschaft eine\nstarkere staatsangehorigkeitsrechtliche Wirkung entfaltet als die deutsche\nStaatsburgerschaft. Da der Zweck der Einbeziehung der Abkommlinge in Art. 116\nAbs. 1 GG gerade darin liegt, dass sie ebenfalls dem Vertreibungsdruck im\nAusland ausgesetzt waren (vgl. Masing, aaO., Art. 116 Rn. 1 ff., 71), wird man\nmindestens verlangen mussen, dass der Adoptierte, wie auch das\nVerwaltungsgericht zutreffend meint, schon vor seiner Adoption seine\nkulturelle Pragung durch die volksdeutsche Familie erfahren hat, und daruber\nhinaus auch im Vertreibungsgebiet als Teil dieser Familie angesehen und\ndeshalb wie ein deutscher Volkszugehoriger behandelt wurde. Davon kann im\nFalle der Klagerin nicht ausgegangen werden. Nach den Feststellungen im\nVertriebenenausweisverfahren handelt es sich bei der Klagerin um eine\nrumanische Volkszugehorige, die sich bis zum 17. Lebensjahr uberwiegend bei\nihrer rumanischen Familie aufhielt und dann einen rumanischen\nStaatsangehorigen heiratete. Die Adoption im Alter von 55 Jahren - weniger als\nein Jahr vor der Ausreise nach Deutschland - lasst die Annahme nicht fern\nliegend erscheinen, dass sie auch zu dem Zweck erfolgt sein mag, die\nEinbeziehung der Klagerin ins Vertriebenenausweisverfahren zu ermoglichen.\nWenn das Grundgesetz allein die familiare Nahe als ausreichend fur die\nStatusdeutscheneigenschaft hatte ansehen wollen, ware im Übrigen die\nVorschrift des § 6 StAG schwer verstandlich, der vollig unabhangig von jeder\nnoch so großen familiaren Nahe bei der Erwachsenenadoption unterschiedliche\nStaatsangehorigkeiten zulasst. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Klagerin hat die Statusdeutscheneigenschaft schließlich auch nicht\nderivativ erworben. Zwar wird in der Literatur - in Anlehnung an Nr. 6.1.3 der\nAllgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehorigkeitsrecht vom 13.12.2000\n(BAnz. 2001, 1418) - die Auffassung vertreten, § 6 StAG gelte analog fur\nStatusdeutsche (vgl. Hailbronner/Renner, aaO., § 6 Rn. 14 m.w.N.), doch wurde\nauch eine analoge Anwendung von § 6 StAG gerade im Falle der Klagerin nicht\nzum derivativen Erwerb dieser Rechtsstellung fuhren, da sie bei der Adoption\nbereits 55 Jahre alt war. \n--- \n| 28 \n--- \n| Da die Klagerin bereits aus diesem Grunde nicht als Deutsche i.S.d Art. 116\nAbs. 1 GG angesehen werden kann, kann der Senat dahin stehen lassen, ob die\nKlagerin zudem als Abkommling in Deutschland _Aufnahme gefunden_ hat. Dagegen\nkonnte bereits sprechen, dass der Klagerin nach ihrem erfolglosen\nVertriebenenausweisverfahren, wahrend dessen Dauer sie geduldet wurde, der\nAufenthalt allein auf auslanderrechtlicher Grundlage erlaubt wurde, wenngleich\nvor dem Hintergrund, dass sie ihre Adoptivmutter pflegte. Ob diese rein\nauslanderrechtliche Entscheidung ausreicht, um „als Abkommling Aufnahme zu\nfinden", bedarf keiner Entscheidung. Allerdings ist anzumerken, dass es\ninsoweit nicht entscheidend darauf ankommen durfte, ob die Beklagte die\nKlagerin nicht als „Abkommling" i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG angesehen hat und\nsie deshalb auch nicht _als Abk ommling_ aufnehmen _wollte_ ; maßgeblich ware\nwohl, ob das damalige Verhalten der Behorde, fur den Fall einer positive\ngerichtlichen Klarung der Abkommlingseigenschaft, „ruckwirkend" als\nAufnahmehandlung angesehen werden konnte. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Revision war zuzulassen, denn die Frage, ob § 40 a Satz 1 StAG i.V.m.\nArt. 116 Abs. 1 GG auf Personen ohne deutsche Volkszugehorigkeit, die als\nVolljahrige von einem Vertriebenen deutscher Volkszugehorigkeit vor dem\nVerlassen des Vertreibungsgebiets adoptiert wurden, Anwendung findet, hat\ngrundsatzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Diese fur das Urteil des\nSenats entscheidungserhebliche Frage ist in der obergerichtlichen\nRechtsprechung und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht\ngeklart. \n--- \n \n## Sonstige Literatur\n\n| \n---|--- \n| 31 \n--- \n| Rechtsmittelbelehrung \n--- \n| 32 \n--- \n| Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision an das\nBundesverwaltungsgericht zu. \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Revision ist bei dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg,\nSchubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim,\ninnerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils schriftlich einzulegen.\nDie Revisionsfrist ist auch gewahrt, wenn die Revision innerhalb der Frist bei\ndem Bundesverwaltungsgericht eingelegt wird. \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Revision muss das angefochtene Urteil bezeichnen. \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils\nzu begrunden. Die Begrundung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz\n1, 04107 Leipzig, einzureichen. \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Begrundung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte\nRechtsnorm und, soweit Verfahrensmangel gerugt werden, die Tatsachen angeben,\ndie den Mangel ergeben. \n--- \n| 37 \n--- \n| Fur das Revisionsverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch fur die\nEinlegung der Revision und fur die Revisionsbegrundung. Danach muss sich jeder\nBeteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen\nRechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des\nHochschulrahmengesetzes mit Befahigung zum Richteramt als Bevollmachtigten\nvertreten lassen. Juristische Personen des offentlichen Rechts und Behorden\nkonnen sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befahigung zum Richteramt\nsowie Diplomjuristen im hoheren Dienst, Gebietskorperschaften auch durch\nBeamte oder Angestellte mit Befahigung zum Richteramt der zustandigen\nAufsichtsbehorde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes,\ndem sie als Mitglied zugehoren, vertreten lassen. \n--- \n| 38 \n--- \n| Beschluss \n--- \n| 39 \n--- \n| Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird nach §§ 13 Abs. 1 S. 2, 25 Abs.\n2 S. 1 GKG a.F. auf 4.000,-- EUR festgesetzt. \n--- \n| 40 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 2 S. 3 GKG a.F.). \n---\n\n
140,911
vg-stuttgart-2005-06-07-10-k-48504
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
10 K 485/04
2005-06-07
2019-01-08 16:52:56
2019-01-17 12:01:05
Urteil
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDie Kosten des Verfahrens tragt der Klager.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager begehrt die Anerkennung seiner franzosischen Fahrerlaubnis, um\ndavon auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch machen zu konnen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Dem Klager war durch Strafbefehl des Amtsgerichts Goppingen vom 12.06.1992\ndie Fahrerlaubnis entzogen worden. Die Sperrfrist fur die Wiedererteilung der\nFahrerlaubnis wurde mit sieben Monaten bemessen. Der Klager hatte mit einer\nBlutalkoholkonzentration von 1,85 ‰ ein Kraftfahrzeug im Verkehr gefuhrt. Ein\nunter dem 28.12.1992 erstelltes medizinisch-psychologisches Gutachten kam zu\ndem Ergebnis, dass beim Klager psychophysische Leistungsmangel bestanden und\neine ausreichende Auseinandersetzung mit der Alkoholproblematik fehlte. Es\nwurde die Ablegung einer Fahrprobe und gegebenenfalls die Teilnahme am\nNachschulungskurs nach dem Modell Leer empfohlen. Aufgrund einer weiteren\nTrunkenheitsfahrt am 30.12.1992 (BAK 1,84 ‰) wurde der Klager mit Urteil des\nAmtsgerichts Goppingen zu einer Bewahrungsstrafe von zwei Monaten verurteilt;\nes wurde eine erneute Sperrfrist fur die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von\n9 Monaten festgesetzt. \n--- \n| 3 \n--- \n| Unter dem 27.05.1994 beantragte der Klager die Wiedererteilung einer\nFahrerlaubnis. Er wurde mit Schreiben des Beklagten vom 14.07.1994 zur Vorlage\neines erneuten medizinisch-psychologischen Gutachtens aufgefordert. Da der\nKlager dieser Aufforderung nicht nachgekommen war, wurde sein Antrag mit\nBescheid vom 20.02.1995 abgelehnt. \n--- \n| 4 \n--- \n| Am 14.03.1995 erwarb der Klager eine franzosische Fahrerlaubnis. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Urteil des Amtsgerichts Goppingen vom 09.02.1996 wurde der Klager wegen\nFahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fallen zu einer Geldstrafe verurteilt. Die\nBerufung wurde mit Urteil des Landgerichts Ulm vom 15.05.1996 verworfen. In\nden Entscheidungsgrunden wurde ausgefuhrt, dass der Klager aufgrund der\nfranzosischen Fahrerlaubnis nicht berechtigt sei, in der Bundesrepublik\nKraftfahrzeuge zu fuhren, da er in der Zeit vom September 1994 bis zum Marz\n1995 nicht seinen standigen Aufenthalt in Frankreich genommen, sondern in der\nBundesrepublik beibehalten habe. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Schreiben seiner damaligen Verfahrensbevollmachtigten vom 01.09.1997\nließ der Klager der Fahrerlaubnisbehorde des Beklagten mitteilen, dass er seit\ndem 01.09.1994 seinen Wohnsitz in Frankreich genommen und am 05.08.1997 ein\nHaus im Elsass gekauft habe und fragte an, ob er seine franzosische\nFahrerlaubnis nach den zum 01.07.1997 in Kraft getretenen neuen\nFahrerlaubnisbestimmungen hier nunmehr ohne weiteres benutzen durfe. \n--- \n| 7 \n--- \n| Unter dem 24.10.1997 beantwortete der Beklagte diese Anfrage dahingehend,\ndass der Klager weiterhin nicht berechtigt sei, in der Bundesrepublik\nKraftfahrzeuge zu fuhren. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Landgerichts Ulm\nvom 15.05.1996 wurde ausgefuhrt, dass die franzosische Fahrerlaubnis zwar\ngultig, aber rechtswidrig sei, da der Klager zum Zeitpunkt der Erteilung\nseinen uberwiegenden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt habe. \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmachtigten vom 11.04.2001 ließ\nder Klager anfragen, ob ihm nunmehr eine deutsche Fahrerlaubnis wiedererteilt\nwerden konne und ob dafur eine Zustandigkeit des Beklagten bestehe. Er habe\nseinen Wohnsitz in Frankreich genommen und halte sich nur vorubergehend und\nbesuchsweise zur Unterstutzung seiner Ehefrau in Deutschland auf. \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Beklagte teilte den Prozessbevollmachtigten des Klagers unter dem 08.06\n2001 mit, dass die Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis nicht in Betracht\nkomme, da der Klager nunmehr in Frankreich seinen Wohnsitz genommen habe, nach\n§ 7 FeV aber fur die Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis ein Wohnsitz im\nInland erforderlich sei. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Prozessbevollmachtigten des Klagers beantragten am 12.12.2002, dem\nKlager nach § 28 Abs. 5 FeV das Recht zu erteilen, von seiner franzosischen\nFahrerlaubnis in der Bundesrepublik Gebrauch zu machen. Die in der\nstrafgerichtlichen Entscheidung vom 29.07.1993 verhangte Sperrfrist von neun\nMonaten sei langst abgelaufen. Nachdem den Bevollmachtigten des Klagers unter\ndem 28.01.2003 mitgeteilt worden war, dass eine Anerkennung der franzosischen\nFahrerlaubnis nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 IntVO nicht erfolgen konne, da der Klager\nzum Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis seinen Wohnsitz im Inland gehabt\nhabe, ließ der Klager mit Schreiben seiner Prozessbevollmachtigten vom\n21.02.2003 erneut mitteilen, dass er die Erteilung des Rechts, von seiner\nfranzosischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu\nmachen, begehre. Nach Ablauf der Fahrerlaubnissperre bestunden keine Grunde\nmehr fur eine Vorenthaltung der deutschen Fahrerlaubnis bzw. fur die\nAnerkennung der franzosischen Fahrerlaubnis. Die deutsche Fahrerlaubnisbehorde\nsei nicht berechtigt, der franzosische Behorde vorzuwerfen, dass die von ihr\nerteilte Fahrerlaubnis rechtswidrig sei. Grunde fur eine Entziehung der\nFahrerlaubnis seien nicht ersichtlich. Es wurde um die Erteilung eines\nrechtsmittelfahigen Bescheides gebeten. \n--- \n| 11 \n--- \n| Mit Bescheid vom 28.03.2003 lehnte der Beklagte den Antrag des Klagers auf\nAnerkennung seiner franzosischen Fahrerlaubnis ab. Zur Begrundung wurde\nausgefuhrt, nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 der IntVO seien Inhaber einer auslandischen\nFahrerlaubnis nicht berechtigt, hiervon im Inland Gebrauch zu machen, wenn sie\nzum Zeitpunkt der Erteilung der auslandischen Fahrerlaubnis ihren ordentlichen\nWohnsitz im Inland gehabt hatten. Im Urteil des Landgerichts Ulm sei eingehend\ngepruft worden, wo sich der Klager zum Zeitpunkt des Erwerbs der franzosischen\nFahrerlaubnis uberwiegend aufgehalten habe. Das Gericht sei zu dem Ergebnis\ngekommen, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klagers in der\nBundesrepublik Deutschland geblieben sei. \n--- \n| 12 \n--- \n| Dagegen legte der Klager am 22.04.2003 Widerspruch ein. Er ließ zur\nBegrundung vortragen, die Auffassung des Landgerichts Ulm, der Klager habe\nseinerzeit eine Deckadresse in Frankreich dazu verwendet, sich die\nfranzosische Fahrerlaubnis zu erschleichen, sei unzutreffend. Um zu ermitteln,\nob dies uberhaupt moglich sei, habe man die diplomatischen Behorden\neingeschaltet. Der Klager legte hierzu ein Schreiben des Generalkonsulats der\nBundesrepublik Deutschland aus Straßburg vom 05.11.2002 vor. Der Klager ließ\nweiter vortragen, dass amtliche Dokumente wie Fahrerlaubnisse innerhalb der\nEuropaischen Union anzuerkennen seien. So sei auch ein erneutes Strafverfahren\nwegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eingestellt worden, ohne dass man dem Klager\nvorgeworfen habe, dass seine franzosische Fahrerlaubnis hier keine Gultigkeit\nbesitze. Wenn der Beklagte in der angefochtenen Verfugung davon ausgehe, der\nKlager habe beim Erwerb der franzosischen Fahrerlaubnis seinen Wohnsitz im\nInland gehabt, so sei dies nicht zutreffend. Der Klager wolle seinen Wohnsitz\nauch nicht nach Deutschland zuruckverlegen. Ihm gehe es jetzt auch nicht um\neine Wiedererteilung der Fahrerlaubnis, sondern lediglich um die Erteilung des\nRechts, von seiner auslandischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch machen zu\ndurfen. Hinderungsgrunde seien nicht ersichtlich. \n--- \n| 13 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 30.12.2003, zugestellt am 07.01.2004, wies das\nRegierungsprasidium Stuttgart den Widerspruch zuruck. Zur Begrundung wurde im\nWesentlichen ausgefuhrt, nach § 28 Abs. 5 FeV werde das Recht, von einer EU-\nFahrerlaubnis nach einer der in § 28 Abs. 4 Nr. 3 und 4 FeV genannten\nEntscheidungen wieder Gebrauch zu machen, auf Antrag erteilt, wenn die Grunde\nfur eine Entziehung oder die Sperre nicht mehr bestehen. Unabhangig von der\nWohnsitzfrage bestehe das Recht, von der franzosischen Fahrerlaubnis im\nBundesgebiet Gebrauch zu machen, bereits nach § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV nicht. Dem\nKlager sei die Fahrerlaubnis rechtskraftig von einem Gericht entzogen worden.\nDie Neuerteilung sei abgelehnt worden. Aus diesem Grund bestehe das Recht zum\nGebrauchmachen von der franzosischen Fahrerlaubnis nicht. Dies ergebe sich\nauch aus § 4 Abs. 3 Ziff. 3 der Verordnung uber den internationalen\nKraftverkehr (IntVO). Auf diesen Umstand habe auch das Generalkonsulat der\nBundesrepublik Deutschland in Straßburg im Schreiben vom 05.11.2002\nausdrucklich hingewiesen. Der Klager sei weiterhin ungeeignet zum Fuhren von\nKraftfahrzeugen. Ein medizinisch-psychologisches Gutachten sei nach wie vor zu\nfordern. Der Klager habe aber auch im vorliegenden Verfahren keine\nBereitschaft erkennen lassen, diesen Nachweis seiner Fahreignung zu erbringen\nund musse diese fehlende Mitwirkung gegen sich gelten lassen. Im Übrigen gehe\nauch das Regierungsprasidium davon aus, dass der Klager, wie in dem\nrechtskraftigen Urteil des Landgerichts Ulm ausgefuhrt, zum Zeitpunkt des\nErwerbs der franzosischen Fahrerlaubnis seinen standigen Aufenthalt noch in\nGoppingen gehabt habe. \n--- \n| 14 \n--- \n| Am 06.02.2004 hat der Klager Klage erhoben. Er wiederholt und vertieft sein\nVorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und lasst erganzend vortragen, dass\neine auslandische Fahrerlaubnis fur den Bereich der Bundesrepublik Deutschland\nnur aberkannt werden konne, wenn sich der Inhaber dieser Fahrerlaubnis als\nungeeignet zum Fuhren von Kraftfahrzeugen erwiesen habe. Der Klager sei aber\nbezuglich der franzosischen Fahrerlaubnis nicht als ungeeignet aufgefallen.\nDie gerichtliche Sperrfrist sei abgelaufen gewesen, als ihm die franzosische\nFahrerlaubnis erteilt worden sei. In der Gerichtsentscheidung sei auch keine\nBestimmung enthalten gewesen, dass dem Klager nach Ablauf der Sperrfrist keine\nFahrerlaubnis erteilt werden durfe. Die Fahrerlaubnis sei nur zeitlich\nbeschrankt entzogen worden. Nach Ablauf der Sperrfrist habe dem Klager\njederzeit wieder eine Fahrerlaubnis erteilt werden konne, wie dies von der\nfranzosischen Behorde geschehen sei. Es handele sich dabei um eine formell\nneue Ausfertigung, die nach allgemeinen Rechtsgrundsatzen nicht an zusatzliche\nBedingungen gebunden werden konne, die in den Gerichtsurteilen nicht\nvorgesehen seien und uber die Gerichtsurteile hinausgingen. Der Klager berief\nsich zur Begrundung seiner Klage zudem auf die Entscheidung des EuGH vom\n29.04.2004, wonach es auf die Wohnsitzverhaltnisse des Klagers zum Zeitpunkt\nder Erteilung der franzosischen Fahrerlaubnis nicht ankomme. Vielmehr sei nach\ndieser Entscheidung eine von einem Mitgliedstaat ausgestellte Fahrerlaubnis in\nallen Mitgliedstaaten ohne Einschrankung anzuerkennen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 16 \n--- \n| den Beklagten zu verpflichten, ihm das Recht zu erteilen, von seiner\nfranzosischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen und den Bescheid des\nLandratsamtes Goppingen vom 28.03.2003 und den Widerspruchsbescheid des\nRegierungsprasidiums Stuttgart vom 30.12.2003 aufzuheben. \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 18 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 19 \n--- \n| Zur Begrundung wurde ausgefuhrt, der Klager sei nach § 4 Abs. 3 Nr. 2\nIntkfzVO nicht berechtigt, von seiner franzosischen Fahrerlaubnis im Inland\nGebrauch zu machen, da er zum Zeitpunkt der Erteilung der franzosischen\nFahrerlaubnis seinen Wohnsitz nicht in Frankreich, sondern im Inland gehabt\nhabe. Dies sei vom Landgericht Ulm rechtskraftig festgestellt worden.\nNachtragliche Sachverhaltsermittlungen hierzu mussten deshalb außer Betracht\nbleiben. \n--- \n| 20 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die zur Sache\ngehorenden Behordenakten Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 21 \n--- \n| Das Gericht konnte im Einverstandnis der Beteiligten durch die\nBerichterstatterin anstelle der Kammer entscheiden (§§ 87 a Abs. 2 und 3\nVwGO). \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, aber nicht begrundet. \n--- \n| 23 \n--- \n| Der angefochtene Bescheid des Landratsamts Goppingen vom 28.03.2003 und der\nWiderspruchsbescheid sind rechtmaßig und verletzen den Klager nicht in seinen\nRechten. Der Klager hat keinen Anspruch auf Erteilung des Rechts, von seiner\nfranzosischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu\nmachen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Nach § 4 Abs. 4 der Verordnung uber den internationalen\nKraftfahrzeugverkehr (IntVO) wird das Recht, von einer auslandischen\nFahrerlaubnis nach einer in Abs. 3 Nr. 3 und 4 genannten Entscheidungen im\nInland Gebrauch zu machen, auf Antrag erteilt, wenn die Grunde fur die\nEntziehung nicht mehr bestehen. § 4 Abs. 4 IntVO kommt nach § 4 Abs. 1 Satz 1\nIntVO zur Anwendung, da der Klager keinen Wohnsitz im Inland, sondern in\nFrankreich hat. Aus demselben Grund ist die Vorschrift des § 28 Abs. 5 FeV\nnicht maßgeblich, weil diese nach § 28 Abs. 1 FeV fur Inhaber einer EU-\nFahrerlaubnis gilt, die ihren ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik\nDeutschland haben. Eine Entscheidung nach § 4 Abs. 3 Nr. 3 IntVO liegt mit dem\nStrafbefehl des Amtsgerichts Goppingen vom 12.06.1992 vor, da dem Klager mit\ndieser Entscheidung die Fahrerlaubnis nach § 69 StGB entzogen worden war.\nDiese Entscheidung ist auch noch verwertbar, so dass die Berechtigung des\nKlagers zum Gebrauchmachen von seiner franzosischen Fahrerlaubnis nicht\nbereits aus § 4 Abs. 1 Satz 1 IntVO folgt, sondern von einer positiven\nEntscheidung im Antragsverfahren des § 4 Abs. 4 IntVO abhangt. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die strafgerichtliche Entscheidung vom 12.06.1992 unterliegt nicht dem\nVerwertungsverbot des § 29 Abs. 8 Satz 1 StVG, wonach eine gerichtliche\nEntscheidung und die ihr zugrunde liegende Tat dem Betroffenen fur die Zwecke\ndes § 28 Abs. 2 StVG nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil\nverwendet werden durfen, wenn die Eintragung daruber im\nVerkehrszentralregister getilgt ist. Die Frage der Verwertbarkeit von\nEintragungen in das Verkehrszentralregister, die - wie hier - vor dem\n01.01.1999 erfolgt sind, richtet sich nach § 65 Abs. 9 Satz 1 HS. 2 StVG,\nwonach die Entscheidungen nach § 52 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes\nin der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung verwertet werden durfen,\njedoch langstens bis zu dem Tag, der einer zehnjahrigen Tilgungsfrist\nentspricht. Diese Regelung dient der Gleichstellung der Verwertbarkeit der vor\ndem 01.01.1999 eingetragenen Altfalle mit den nach dem 31.12.1998\neingetragenen Neufallen (vgl. Gesetzesbegrundung in Drucksache 14/4304 vom\n12.10.2000; vgl. auch VGH Baden-Wurttemberg, U.v. 29.07.2003 - 10 S 2316/02\n-), fur die nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. Nr. 3 StVG eine zehnjahrige\nTilgungsfrist gilt, wenn es sich um strafgerichtliche Entscheidungen handelt,\nin denen eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach den §§ 69 und 69 b StGB oder\neine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB angeordnet worden ist. Diese\nzehnjahrige Frist beginnt nach § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG aber erst mit der\nErteilung oder Neuerteilung der Fahrerlaubnis, spatestens jedoch funf Jahre\nnach der beschwerenden Entscheidung zu laufen. Diese Fristenregelung findet\nnach der Übergangsvorschrift des § 65 Abs. 9 Satz 1 HS. 2 auch auf die hier\nvor dem 01.01.1999 erfolgte Eintragung Anwendung, da die Berechnung einer\nzehnjahrigen Tilgungsfrist „entspricht" (vgl. OVG des Saarlandes, U.v.\n24.05.2004 - 1 R 25/03, zitiert nach juris). Die zehnjahrige Tilgungsfrist\nbegann somit am 12.06.1997 und ist derzeit noch nicht abgelaufen. \n--- \n| 26 \n--- \n| Offen bleiben kann, ob dem Antrag des Klagers nach § 4 Abs. 4 IntVO bereits\nentgegen gehalten werden, dass er nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 IntVO nicht zum Fuhren\nvon Kraftfahrzeugen berechtigt ist, weil er - worauf der Beklagte im\nVerwaltungsverfahren abgestellt hat - zum Zeitpunkt des Erwerbs der\nfranzosischen Fahrerlaubnis seinen standigen Aufenthalt nicht Frankreich,\nsondern weiterhin in Goppingen hatte. Die fehlende Erfullung des\nWohnsitzerfordernisses darf nach der Entscheidung des EuGH vom 29.04.2004 (-\nC-476/01- Kapper, NJW 2004, S. 1725) der Anerkennung einer EU-Fahrerlaubnis\nvon den inlandischen Fahrerlaubnisbehorden nicht entgegen gehalten werden, da\ndie Richtlinie 91/439/EWG dem Ausstellungsmitgliedstaat die ausschließliche\nZustandigkeit zur Prufung der Wohnsitzvoraussetzung verleiht. Nach der\nEntscheidung des EuGH darf die Anerkennung nicht deshalb versagt werden, weil\nnach den der inlandischen Fahrerlaubnisbehorde vorliegenden Informationen der\nFuhrerscheininhaber zum Zeitpunkt der Ausstellung des Fuhrerscheins seinen\nordentlichen Wohnsitz im Inland und nicht im Hoheitsgebiet des\nAusstellungsstaates hatte. Hat die inlandische Fahrerlaubnisbehorde ernsthafte\nGrunde, die Ordnungsmaßigkeit eines in einem anderen Mitgliedstaat\nausgestellten Fuhrerscheins zu bezweifeln, so hat sie dies dem anderen\nMitgliedstaat mitzuteilen, der die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen hat. Ob\ndiese Vorgehensweise auch dann einzuhalten ist, wenn - wie hier durch das\nUrteil des Landgerichts Ulm vom 15.05.1996 - die Wohnsitzfrage rechtkraftig\ndurch ein inlandisches Gericht entschieden wurde, kann offen bleiben. Denn die\nGrunde fur die Entziehung der Fahrerlaubnis sind nicht im Sinne von § 4 Abs. 4\nIntVO entfallen. \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Klager hat seine deutsche Fahrerlaubnis aufgrund der Entziehung durch\nStrafbefehl des Amtsgerichts Goppingen vom 12.06.1992 verloren. Der Grund fur\ndiese Entziehung nach § 69 StGB war eine Trunkenheitsfahrt des Klagers, der\nmit einer Blutalkoholkonzentration von 1,85 ‰ ein Kraftfahrzeug im\nStraßenverkehr gefuhrt hatte. Nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB liegt damit ein\nRegelfall der Ungeeignetheit zum Fuhren von Kraftfahrzeugen vor. Einen\nNachweis, dass er die Fahreignung wieder erlangt hat, hat der Klager zu keinem\nZeitpunkt erbracht. Ein noch im Jahr 1992 vorgelegtes medizinisch-\npsychologisches Gutachten hat sowohl Mangel im psychophysischen\nLeistungsbereich festgestellt als auch eine unzureichende Aufarbeitung der\nAlkholproblematik beanstandet und eine Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von\nder Ablegung einer Fahrprobe und einer erfolgreichen Teilnahme an einem\nNachschulungskurs nach dem Modell Leer abhangig gemacht. Soweit der Klager\nvorgetragen hat, es habe lediglich die Fahrprobe gefehlt, ist dies zum einen\nnicht zutreffend, denn es war auch der genannte Nachschulungskurs gefordert\nworden, zum anderen hat der Klager eine Fahrprobe bis heute nicht abgelegt.\nEiner Aufforderung des Beklagten zur Vorlage eines weiteren medizinisch-\npsychologischen Gutachtens im Juli 1994 ist der Klager nicht nachgekommen, so\ndass sein damaliger Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis am 20.02.1995\nabgelehnt wurde. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die vom Klager im Jahr 1992 begangenen Trunkenheitsfahrten begrunden auch\nnoch gegenwartig Zweifel an seiner Fahreignung. Der Klager hat am 12.05.1992\nmit einer Blutalkoholkonzentration von 1,85 ‰ ein Fahrzeug im Straßenverkehr\ngefuhrt und am 30.12.1992 eine weitere Trunkenheitsfahrt begangen\n(Blutalkoholkonzentration von 1,85 ‰). Damit liegen Eignungszweifel im Sinne\nvon § 13 Nr. 2 Buchstabe b) und c) FeV vor, die die Beibringung eines\nmedizinisch-psychologischen Gutachtens erfordern. Diese Taten sind auch noch\nnach § 29 Abs. 5 FeV verwertbar. Insoweit wird auf die oben gemachten\nAusfuhrungen zur Frage der Verwertbarkeit der Entscheidung des Amtsgerichts\nGoppingen vom 12.06.1992 Bezug genommen, die fur die Verurteilung vom\n29.07.1993 in gleicher Weise gelten. \n--- \n| 29 \n--- \n| Der Erforderlichkeit eines Nachweises fur die Wiedererlangung der\nFahreignung steht auch nicht die Entscheidung des EuGH vom 29.04.2004 (a.a.O.)\nentgegen. Zwar hat der EuGH entschieden, dass ein Mitgliedstaat die\nAnerkennung der Gultigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten\nFuhrerscheins nicht deshalb ablehnen darf, weil im Hoheitsgebiet des\nerstgenannten Mitgliedstaats auf den Inhaber des Fuhrerscheins eine Maßnahme\ndes Entzugs oder der Aufhebung einer von diesem Staat erteilten Fahrerlaubnis\nangewendet wurde, wenn die zusammen mit dieser Maßnahme angeordnete Sperrfrist\nfur die Neuerteilung der Fahrerlaubnis in diesem Mitgliedstaat abgelaufen war,\nbevor der Fuhrerschein von dem anderen Mitgliedstaat ausgestellt worden ist.\nDie gegen den Klager zuletzt in der Entscheidung des Amtsgerichts Goppingen\nvom 29.07.1993 verhangte Sperrfrist von 9 Monaten war zum Zeitpunkt des\nErwerbs der franzosischen Fahrerlaubnis am 14.03.1995 zwar abgelaufen. Dies\nfuhrt aber nicht dazu, dass diese ohne weitere Nachprufung, ob die Grunde fur\ndie zuvor erfolgte Entziehung nicht mehr bestehen (§ 28 Abs. 5 FeV, § 4 Abs. 4\nIntVO), den Klager zum Fuhren von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik\nDeutschland berechtigt. Insoweit trifft die vom Klager-Vertreter geltend\ngemachte Auffassung, dass eine Fahrerlaubnis nach Ablauf einer\nstrafgerichtlichen Sperrfrist lediglich formell auszufertigen ist und diese\nAusfertigung nicht an zusatzliche Bedingungen gebunden werden darf, nicht zu.\nDie Grunde fur die Entziehung der Fahrerlaubnis bestehen nur dann nicht mehr\nim Sinne von § 28 Abs. 5 FeV, § 4 Abs. 4 IntVO, wenn der Betroffene - wieder -\nzum Fuhren von Kraftfahrzeugen geeignet ist, mithin die Voraussetzungen fur\ndie Neuerteilung einer Fahrerlaubnis vorliegen, was in § 28 Abs. 5 Satz 2 FeV\nklargestellt ist. Die Voraussetzungen fur die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis\nsind in § 20 FeV geregelt und entsprechen denen fur eine Ersterteilung, wobei\nin Abs. 3 zur weiteren Klarstellung insbesondere auf die Anwendbarkeit der\nRegelung uber die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens\nnach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV hingewiesen wird. Das bedeutet, dass der\nKlager nach Ablauf der strafgerichtlichen Sperrfrist fur den Erwerb einer\ndeutschen Fahrerlaubnis in jedem Fall durch Vorlage eines medizinisch-\npsychologischen Gutachtens hatte nachweisen mussen, dass er die Fahreignung\nwiedererlangt hat. Die Anordnung, ein solches Gutachten beizubringen, steht\nnicht im Ermessen der Behorde (VGH Baden-Wurttemberg, B.v. 24.09.2001 - 10 S\n182/01 -) und war im Übrigen hier insbesondere deshalb geboten, weil im\nmedizinisch-psychologischen Gutachten vom 28.12.1992 psycho-physische\nLeistungsmangel festgestellt worden waren. Dem entsprechend war der Klager in\nseinem im Jahr 1994 durchgefuhrten Wiedererteilungsverfahren zur Vorlage eines\nsolchen Gutachtens aufgefordert worden. Den gleichen Nachweis hat der Klager\ngemaß § 4 Abs. 4 IntVO vor der Erteilung des Rechts, von seiner franzosischen\nFahrerlaubnis im Inland Gebrauch machen zu konnen, zu erbringen. Der\nEntscheidung des EuGH ist nicht zu entnehmen, dass das in § 4 Abs. 4 IntVO\nverankerte Erfordernis einer innerstaatlichen Entscheidung uber die weitere\nBerechtigung zum Fuhren von Kraftfahrzeugen im Inland nach Ansicht der\nGerichtshofes mit Art. 8 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 91/439/EWG nicht in\nEinklang steht, wonach es ein Mitgliedstaat ablehnen kann, die Gultigkeit\neines Fuhrerscheins anzuerkennen, der von einem anderen Mitgliedstaat einer\nPerson ausgestellt wurde, auf die in seinem Hoheitsgebet eine Maßnahme des\nEntzugs oder der Aufhebung der Fahrerlaubnis angewendet wurde, nicht in\nEinklang steht. Vielmehr gebietet es gerade der auch dieser Richtlinie zugrund\nliegende Aspekt der Verbesserung der Verkehrssicherheit, dass eine nach\nvorheriger Entziehung der Fahrerlaubnis in einem anderen Mitgliedstaat der\nEuropaischen Union erworbene Fahrerlaubnis nicht ohne weiteres im anderen\nMitgliedstaat gilt, sondern eine auf die ursprunglich festgestellten Mangel\nausgerichtete Prufung vorgesehen ist. Denn nach dem derzeitigen Stand des\nGemeinschaftsrechts ist nicht sichergestellt - etwa durch eine obligatorische\nNachfrage bei einem gemeinschaftsweiten Fahrerlaubnisregister -, dass die\nBehorden anderer Mitgliedsstaaten uber die Grunde einer in einem anderen\nMitgliedstaat erfolgten Fahrerlaubnisentziehung Kenntnis erhalten (vgl. VGH\nBaden-Wurttemberg, U.v. 12.10.2004 - 10 S 1346/04 -). \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur eine Zulassung der Berufung durch das\nVerwaltungsgericht gemaß § 124 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegen nicht vor. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 21 \n--- \n| Das Gericht konnte im Einverstandnis der Beteiligten durch die\nBerichterstatterin anstelle der Kammer entscheiden (§§ 87 a Abs. 2 und 3\nVwGO). \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, aber nicht begrundet. \n--- \n| 23 \n--- \n| Der angefochtene Bescheid des Landratsamts Goppingen vom 28.03.2003 und der\nWiderspruchsbescheid sind rechtmaßig und verletzen den Klager nicht in seinen\nRechten. Der Klager hat keinen Anspruch auf Erteilung des Rechts, von seiner\nfranzosischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu\nmachen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Nach § 4 Abs. 4 der Verordnung uber den internationalen\nKraftfahrzeugverkehr (IntVO) wird das Recht, von einer auslandischen\nFahrerlaubnis nach einer in Abs. 3 Nr. 3 und 4 genannten Entscheidungen im\nInland Gebrauch zu machen, auf Antrag erteilt, wenn die Grunde fur die\nEntziehung nicht mehr bestehen. § 4 Abs. 4 IntVO kommt nach § 4 Abs. 1 Satz 1\nIntVO zur Anwendung, da der Klager keinen Wohnsitz im Inland, sondern in\nFrankreich hat. Aus demselben Grund ist die Vorschrift des § 28 Abs. 5 FeV\nnicht maßgeblich, weil diese nach § 28 Abs. 1 FeV fur Inhaber einer EU-\nFahrerlaubnis gilt, die ihren ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik\nDeutschland haben. Eine Entscheidung nach § 4 Abs. 3 Nr. 3 IntVO liegt mit dem\nStrafbefehl des Amtsgerichts Goppingen vom 12.06.1992 vor, da dem Klager mit\ndieser Entscheidung die Fahrerlaubnis nach § 69 StGB entzogen worden war.\nDiese Entscheidung ist auch noch verwertbar, so dass die Berechtigung des\nKlagers zum Gebrauchmachen von seiner franzosischen Fahrerlaubnis nicht\nbereits aus § 4 Abs. 1 Satz 1 IntVO folgt, sondern von einer positiven\nEntscheidung im Antragsverfahren des § 4 Abs. 4 IntVO abhangt. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die strafgerichtliche Entscheidung vom 12.06.1992 unterliegt nicht dem\nVerwertungsverbot des § 29 Abs. 8 Satz 1 StVG, wonach eine gerichtliche\nEntscheidung und die ihr zugrunde liegende Tat dem Betroffenen fur die Zwecke\ndes § 28 Abs. 2 StVG nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil\nverwendet werden durfen, wenn die Eintragung daruber im\nVerkehrszentralregister getilgt ist. Die Frage der Verwertbarkeit von\nEintragungen in das Verkehrszentralregister, die - wie hier - vor dem\n01.01.1999 erfolgt sind, richtet sich nach § 65 Abs. 9 Satz 1 HS. 2 StVG,\nwonach die Entscheidungen nach § 52 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes\nin der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung verwertet werden durfen,\njedoch langstens bis zu dem Tag, der einer zehnjahrigen Tilgungsfrist\nentspricht. Diese Regelung dient der Gleichstellung der Verwertbarkeit der vor\ndem 01.01.1999 eingetragenen Altfalle mit den nach dem 31.12.1998\neingetragenen Neufallen (vgl. Gesetzesbegrundung in Drucksache 14/4304 vom\n12.10.2000; vgl. auch VGH Baden-Wurttemberg, U.v. 29.07.2003 - 10 S 2316/02\n-), fur die nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. Nr. 3 StVG eine zehnjahrige\nTilgungsfrist gilt, wenn es sich um strafgerichtliche Entscheidungen handelt,\nin denen eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach den §§ 69 und 69 b StGB oder\neine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB angeordnet worden ist. Diese\nzehnjahrige Frist beginnt nach § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG aber erst mit der\nErteilung oder Neuerteilung der Fahrerlaubnis, spatestens jedoch funf Jahre\nnach der beschwerenden Entscheidung zu laufen. Diese Fristenregelung findet\nnach der Übergangsvorschrift des § 65 Abs. 9 Satz 1 HS. 2 auch auf die hier\nvor dem 01.01.1999 erfolgte Eintragung Anwendung, da die Berechnung einer\nzehnjahrigen Tilgungsfrist „entspricht" (vgl. OVG des Saarlandes, U.v.\n24.05.2004 - 1 R 25/03, zitiert nach juris). Die zehnjahrige Tilgungsfrist\nbegann somit am 12.06.1997 und ist derzeit noch nicht abgelaufen. \n--- \n| 26 \n--- \n| Offen bleiben kann, ob dem Antrag des Klagers nach § 4 Abs. 4 IntVO bereits\nentgegen gehalten werden, dass er nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 IntVO nicht zum Fuhren\nvon Kraftfahrzeugen berechtigt ist, weil er - worauf der Beklagte im\nVerwaltungsverfahren abgestellt hat - zum Zeitpunkt des Erwerbs der\nfranzosischen Fahrerlaubnis seinen standigen Aufenthalt nicht Frankreich,\nsondern weiterhin in Goppingen hatte. Die fehlende Erfullung des\nWohnsitzerfordernisses darf nach der Entscheidung des EuGH vom 29.04.2004 (-\nC-476/01- Kapper, NJW 2004, S. 1725) der Anerkennung einer EU-Fahrerlaubnis\nvon den inlandischen Fahrerlaubnisbehorden nicht entgegen gehalten werden, da\ndie Richtlinie 91/439/EWG dem Ausstellungsmitgliedstaat die ausschließliche\nZustandigkeit zur Prufung der Wohnsitzvoraussetzung verleiht. Nach der\nEntscheidung des EuGH darf die Anerkennung nicht deshalb versagt werden, weil\nnach den der inlandischen Fahrerlaubnisbehorde vorliegenden Informationen der\nFuhrerscheininhaber zum Zeitpunkt der Ausstellung des Fuhrerscheins seinen\nordentlichen Wohnsitz im Inland und nicht im Hoheitsgebiet des\nAusstellungsstaates hatte. Hat die inlandische Fahrerlaubnisbehorde ernsthafte\nGrunde, die Ordnungsmaßigkeit eines in einem anderen Mitgliedstaat\nausgestellten Fuhrerscheins zu bezweifeln, so hat sie dies dem anderen\nMitgliedstaat mitzuteilen, der die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen hat. Ob\ndiese Vorgehensweise auch dann einzuhalten ist, wenn - wie hier durch das\nUrteil des Landgerichts Ulm vom 15.05.1996 - die Wohnsitzfrage rechtkraftig\ndurch ein inlandisches Gericht entschieden wurde, kann offen bleiben. Denn die\nGrunde fur die Entziehung der Fahrerlaubnis sind nicht im Sinne von § 4 Abs. 4\nIntVO entfallen. \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Klager hat seine deutsche Fahrerlaubnis aufgrund der Entziehung durch\nStrafbefehl des Amtsgerichts Goppingen vom 12.06.1992 verloren. Der Grund fur\ndiese Entziehung nach § 69 StGB war eine Trunkenheitsfahrt des Klagers, der\nmit einer Blutalkoholkonzentration von 1,85 ‰ ein Kraftfahrzeug im\nStraßenverkehr gefuhrt hatte. Nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB liegt damit ein\nRegelfall der Ungeeignetheit zum Fuhren von Kraftfahrzeugen vor. Einen\nNachweis, dass er die Fahreignung wieder erlangt hat, hat der Klager zu keinem\nZeitpunkt erbracht. Ein noch im Jahr 1992 vorgelegtes medizinisch-\npsychologisches Gutachten hat sowohl Mangel im psychophysischen\nLeistungsbereich festgestellt als auch eine unzureichende Aufarbeitung der\nAlkholproblematik beanstandet und eine Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von\nder Ablegung einer Fahrprobe und einer erfolgreichen Teilnahme an einem\nNachschulungskurs nach dem Modell Leer abhangig gemacht. Soweit der Klager\nvorgetragen hat, es habe lediglich die Fahrprobe gefehlt, ist dies zum einen\nnicht zutreffend, denn es war auch der genannte Nachschulungskurs gefordert\nworden, zum anderen hat der Klager eine Fahrprobe bis heute nicht abgelegt.\nEiner Aufforderung des Beklagten zur Vorlage eines weiteren medizinisch-\npsychologischen Gutachtens im Juli 1994 ist der Klager nicht nachgekommen, so\ndass sein damaliger Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis am 20.02.1995\nabgelehnt wurde. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die vom Klager im Jahr 1992 begangenen Trunkenheitsfahrten begrunden auch\nnoch gegenwartig Zweifel an seiner Fahreignung. Der Klager hat am 12.05.1992\nmit einer Blutalkoholkonzentration von 1,85 ‰ ein Fahrzeug im Straßenverkehr\ngefuhrt und am 30.12.1992 eine weitere Trunkenheitsfahrt begangen\n(Blutalkoholkonzentration von 1,85 ‰). Damit liegen Eignungszweifel im Sinne\nvon § 13 Nr. 2 Buchstabe b) und c) FeV vor, die die Beibringung eines\nmedizinisch-psychologischen Gutachtens erfordern. Diese Taten sind auch noch\nnach § 29 Abs. 5 FeV verwertbar. Insoweit wird auf die oben gemachten\nAusfuhrungen zur Frage der Verwertbarkeit der Entscheidung des Amtsgerichts\nGoppingen vom 12.06.1992 Bezug genommen, die fur die Verurteilung vom\n29.07.1993 in gleicher Weise gelten. \n--- \n| 29 \n--- \n| Der Erforderlichkeit eines Nachweises fur die Wiedererlangung der\nFahreignung steht auch nicht die Entscheidung des EuGH vom 29.04.2004 (a.a.O.)\nentgegen. Zwar hat der EuGH entschieden, dass ein Mitgliedstaat die\nAnerkennung der Gultigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten\nFuhrerscheins nicht deshalb ablehnen darf, weil im Hoheitsgebiet des\nerstgenannten Mitgliedstaats auf den Inhaber des Fuhrerscheins eine Maßnahme\ndes Entzugs oder der Aufhebung einer von diesem Staat erteilten Fahrerlaubnis\nangewendet wurde, wenn die zusammen mit dieser Maßnahme angeordnete Sperrfrist\nfur die Neuerteilung der Fahrerlaubnis in diesem Mitgliedstaat abgelaufen war,\nbevor der Fuhrerschein von dem anderen Mitgliedstaat ausgestellt worden ist.\nDie gegen den Klager zuletzt in der Entscheidung des Amtsgerichts Goppingen\nvom 29.07.1993 verhangte Sperrfrist von 9 Monaten war zum Zeitpunkt des\nErwerbs der franzosischen Fahrerlaubnis am 14.03.1995 zwar abgelaufen. Dies\nfuhrt aber nicht dazu, dass diese ohne weitere Nachprufung, ob die Grunde fur\ndie zuvor erfolgte Entziehung nicht mehr bestehen (§ 28 Abs. 5 FeV, § 4 Abs. 4\nIntVO), den Klager zum Fuhren von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik\nDeutschland berechtigt. Insoweit trifft die vom Klager-Vertreter geltend\ngemachte Auffassung, dass eine Fahrerlaubnis nach Ablauf einer\nstrafgerichtlichen Sperrfrist lediglich formell auszufertigen ist und diese\nAusfertigung nicht an zusatzliche Bedingungen gebunden werden darf, nicht zu.\nDie Grunde fur die Entziehung der Fahrerlaubnis bestehen nur dann nicht mehr\nim Sinne von § 28 Abs. 5 FeV, § 4 Abs. 4 IntVO, wenn der Betroffene - wieder -\nzum Fuhren von Kraftfahrzeugen geeignet ist, mithin die Voraussetzungen fur\ndie Neuerteilung einer Fahrerlaubnis vorliegen, was in § 28 Abs. 5 Satz 2 FeV\nklargestellt ist. Die Voraussetzungen fur die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis\nsind in § 20 FeV geregelt und entsprechen denen fur eine Ersterteilung, wobei\nin Abs. 3 zur weiteren Klarstellung insbesondere auf die Anwendbarkeit der\nRegelung uber die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens\nnach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV hingewiesen wird. Das bedeutet, dass der\nKlager nach Ablauf der strafgerichtlichen Sperrfrist fur den Erwerb einer\ndeutschen Fahrerlaubnis in jedem Fall durch Vorlage eines medizinisch-\npsychologischen Gutachtens hatte nachweisen mussen, dass er die Fahreignung\nwiedererlangt hat. Die Anordnung, ein solches Gutachten beizubringen, steht\nnicht im Ermessen der Behorde (VGH Baden-Wurttemberg, B.v. 24.09.2001 - 10 S\n182/01 -) und war im Übrigen hier insbesondere deshalb geboten, weil im\nmedizinisch-psychologischen Gutachten vom 28.12.1992 psycho-physische\nLeistungsmangel festgestellt worden waren. Dem entsprechend war der Klager in\nseinem im Jahr 1994 durchgefuhrten Wiedererteilungsverfahren zur Vorlage eines\nsolchen Gutachtens aufgefordert worden. Den gleichen Nachweis hat der Klager\ngemaß § 4 Abs. 4 IntVO vor der Erteilung des Rechts, von seiner franzosischen\nFahrerlaubnis im Inland Gebrauch machen zu konnen, zu erbringen. Der\nEntscheidung des EuGH ist nicht zu entnehmen, dass das in § 4 Abs. 4 IntVO\nverankerte Erfordernis einer innerstaatlichen Entscheidung uber die weitere\nBerechtigung zum Fuhren von Kraftfahrzeugen im Inland nach Ansicht der\nGerichtshofes mit Art. 8 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 91/439/EWG nicht in\nEinklang steht, wonach es ein Mitgliedstaat ablehnen kann, die Gultigkeit\neines Fuhrerscheins anzuerkennen, der von einem anderen Mitgliedstaat einer\nPerson ausgestellt wurde, auf die in seinem Hoheitsgebet eine Maßnahme des\nEntzugs oder der Aufhebung der Fahrerlaubnis angewendet wurde, nicht in\nEinklang steht. Vielmehr gebietet es gerade der auch dieser Richtlinie zugrund\nliegende Aspekt der Verbesserung der Verkehrssicherheit, dass eine nach\nvorheriger Entziehung der Fahrerlaubnis in einem anderen Mitgliedstaat der\nEuropaischen Union erworbene Fahrerlaubnis nicht ohne weiteres im anderen\nMitgliedstaat gilt, sondern eine auf die ursprunglich festgestellten Mangel\nausgerichtete Prufung vorgesehen ist. Denn nach dem derzeitigen Stand des\nGemeinschaftsrechts ist nicht sichergestellt - etwa durch eine obligatorische\nNachfrage bei einem gemeinschaftsweiten Fahrerlaubnisregister -, dass die\nBehorden anderer Mitgliedsstaaten uber die Grunde einer in einem anderen\nMitgliedstaat erfolgten Fahrerlaubnisentziehung Kenntnis erhalten (vgl. VGH\nBaden-Wurttemberg, U.v. 12.10.2004 - 10 S 1346/04 -). \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur eine Zulassung der Berufung durch das\nVerwaltungsgericht gemaß § 124 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegen nicht vor. \n---\n\n
140,984
ag-stuttgart-2005-06-22-14-c-298805
98
Amtsgericht Stuttgart
ag-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Amtsgericht
14 C 2988/05
2005-06-22
2019-01-08 16:53:41
2019-01-17 12:01:10
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Klage wird abgewiesen.\n\n2\\. Der Klager hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager tragt unter Darlegung von Einzelheiten vor, er habe gegenuber\nder Beklagten einen Anspruch auf Eroffnung eines Girokontos. Nachdem die\nBeklagte das diesbezugliche Begehren des Klagers ablehnt, hat er Klage erhoben\nmit folgendem Antrag: \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Beklagte zu verurteilen, dem Klager ein Konto fur Jedermann zu eroffnen\nund zu fuhren. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Sie ist der Ansicht, ein diesbezuglicher Anspruch des Klagers bestehe\nnicht. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die beiderseitigen\nSchriftsatze nebst Anlagen Bezug genommen. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Klage konnte keinen Erfolg haben. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Ein Anspruch des Klagers auf Einraumung eines Girokontos ist zu verneinen.\nGesetzliche Bestimmungen, aus denen sich ein Kontrahierungszwang ableiten\nließen, wie etwa §§ 8, 1 Nr. 3 Postgesetz haben heute keine Geltung mehr.\nNachfolgende, die Vertragsfreiheit einschrankende gesetzliche Regelungen sind\nnicht ersichtlich. Was die vom Klager herangezogenen Empfehlungen, hier die\nZKA-Empfehlung anbelangt, so begrundet eine solche Empfehlung noch keinen\nAnspruch und zwar schon im Hinblick darauf, dass fur eine Empfehlung der\nUnverbindlichkeitscharakter typisch ist. Auch eine etwaige freiwillige\nSelbstverpflichtungserklarung wurde daran nichts andern. In diesem\nZusammenhang weist die Beklagte begrundeter maßen darauf hin, dass es nicht\nnachvollziehbar ist, wie sich aus einer freiwilligen Selbstverpflichtung ein\ngerichtlich durchsetzbarer Anspruch des Einzelnen auf Eroffnung bzw. Fuhrung\neines Girokontos ergeben soll. Aus dem Zweck der Selbstverpflichtung kann\nentgegen der Meinung des Landgerichts Berlin in seinem Urteil vom 24.4.2003\n(21 S 1/03) noch nicht ein Individualanspruch konstruiert werden. Abgesehen\ndavon betrifft die Entscheidung des Landgerichts Berlin eine Sparkasse, bei\nder hinsichtlich des Kontrahierungszwangs andere Kriterien gelten als fur die\nBeklagte. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Eine Monopolstellung, die eventuell einen Kontrahierungszwang begrunden\nkonnte, hat die Beklagte nicht. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Nach alledem verbleibt es bei der Feststellung, dass hier die Beklagte\nangesichts des Grundsatzes der Vertragsfreiheit das Begehren des Klagers\nablehnen kann. Seine Klage musste deshalb mit der Kostenfolge des § 91 ZPO\nabgewiesen werden. Gem. §§ 708 Ziffer 11, 713 ZPO war das Urteil fur vorlaufig\nvollstreckbar zu erklaren. \n---\n\n
141,032
vghbw-2005-06-30-13-s-88105
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
13 S 881/05
2005-06-30
2019-01-08 16:54:11
2019-01-17 12:01:12
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des\nVerwaltungsgerichts Stuttgart vom 15. Marz 2005 - 11 K 74/05 - geandert; der\nAntrag der Antragsgegnerin auf Abanderung des Beschlusses des\nVerwaltungsgerichtshofs Baden-Wurttemberg vom 16.12.2004 - 13 S 2510/04 - wird\nabgelehnt.\n\nDie Antragsgegnerin tragt die Kosten des erstinstanzlichen und des\nBeschwerdeverfahrens.\n\nDer Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die zulassige, insbesondere fristgerecht erhobene (§ 147 Abs. 1 VwGO) und\nmit Grunden versehene (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) Beschwerde hat sachlich\nErfolg; die von dem Antragsteller nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ausreichend\nsubstantiiert dargelegten Bedenken gegen die Richtigkeit der angefochtenen\nEntscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart fuhren zu der von ihm bei\nsachgerechter Auslegung des Antragsziels (s. § 86 Abs. 3 VwGO) beantragten\nAbanderung. Das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der\naufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis\nund die gleichzeitig ergangene Abschiebungsandrohung (Verfugung der\nAntragsgegnerin vom 20.04.2004; Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums\nStuttgart vom 05.10.2004) uberwiegt - unabhangig von der am 11.10.2004\nvollzogenen Abschiebung des Antragstellers (s. dazu Hess. VGH, Beschluss vom\n20.01.2004 -12 TG 3204/03 -, EZAR 622 Nr. 42 und schon VGH Bad.-Wurtt.,\nBeschluss vom 02.06.1992 - 11 S 736/92 -, InfAuslR 1992, 342) - nach wie vor\ndas entgegenstehende Interesse der Antragsgegnerin, das darauf gerichtet ist,\nden Antragsteller auch wahrend des Klageverfahrens (weiterhin) vom\nBundesgebiet fernzuhalten. Auch unter Berucksichtigung der im\nAbanderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO vorgetragenen Bedenken rechtfertigt\ndie Erfolgsprognose im Hauptsacheverfahren nach wie vor die Anordnung der\naufschiebenden Wirkung der Klage; auch jetzt noch ist von einer ausreichend\npositiven Prognose fur das Hauptsacheverfahren auszugehen, so dass der\nAbanderungsantrag abzulehnen war. \n--- \n| 2 \n--- \n| 1\\. Entgegen der Auffassung der Beschwerdebegrundung ist der im\nAbanderungsverfahren ergangene verwaltungsgerichtliche Beschluss allerdings\nnicht bereits aus prozessualen Grunden - insbesondere wegen fehlender\nAbanderungskompetenz des Verwaltungsgerichts - zu beanstanden. \n--- \n| 3 \n--- \n| Das Verwaltungsgericht ist wegen der fortdauernden Anhangigkeit der Klage\nin erster Instanz nach wie vor „Gericht der Hauptsache" und kann daher auch im\nAbanderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO tatig werden. Auch das ab\n01.01.2005 neu geschaffene Institut der sog. Anhorungsruge (§ 152a VwGO und\nArt. 8 Nr. 3 sowie Art. 22 des Anhorungsrugengesetzes vom 09.12.2004 (BGBl. I\nS. 3220)) steht der Abanderungsbefugnis des Verwaltungsgerichts nicht\nentgegen. Die Anhorungsruge schließt zwar - insoweit folgt der Senat dem\nVerwaltungsgericht nicht - eine wegen Verletzung des rechtlichen Gehors\nbeantragte Abanderung nach § 80 Abs 7 VwGO grundsatzlich aus (1.1.); im\nvorliegenden Fall greift dieser Ausschluss aber aus Zeitgrunden (noch) nicht\n(1.2.). \n--- \n| 4 \n--- \n| 1.1. Zu Recht wendet die Beschwerde in grundsatzlicher Hinsicht ein, das\nInstitut der Anhorungsruge stehe einer (anderweitigen) Abanderungsbefugnis\nwegen Verletzung des rechtlichen Gehors (hier: Verfahren nach § 80 Abs. 7\nVwGO) entgegen. Die Anhorungsruge ist vom Gesetzgeber als Konsequenz der\nRechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bewusst geschaffen worden, um die\n- sonst prozessual in vielen Fallen unklare - Geltendmachung von\nAnhorungsmangeln bei solchen Gerichtsentscheidungen zu ermoglichen, gegen die\n(s. § 152a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VwGO) „ein Rechtsmittel oder ein anderer\nRechtsbehelf ... nicht gegeben ist" (s. Guckelberger NVwZ 2005, 11; VGH\nBad.-Wurtt., Beschluss vom 02.02.2005 - 3 S 83/05 -, VBlBW 2005, S. 153 und\nOVG Berlin, Beschluss vom 03.02.2005 - 2 B 14/04 -, NVwZ 2005, 470); es sollte\ndamit angesichts der Überlastung des Bundesverfassungsgerichts auch die fur\ndie Verfassungsbeschwerde erforderliche Ausschopfung des Rechtswegs neu\ngeregelt werden (Guckelberger a.a.O. Fn. 12). Dies begrundet den\nAusschlusscharakter der Anhorungsruge nicht nur gegenuber der Gegenvorstellung\n(s. dazu OVG Berlin und VGH Bad.-Wurtt. a.a.O.), sondern auch in Fallen wie\ndem hier zu beurteilenden. \n--- \n| 5 \n--- \n| Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Anhorungsruge grundsatzlich auch fur\nGerichtsbeschlusse gelten soll, die ein Eilverfahren unanfechtbar abschließen;\ndies gilt jedenfalls fur Beschlusse der Beschwerdeinstanz (s. § 152 VwGO und\nGuckelberger a.a.O.). Hieraus folgt, dass jedenfalls fur solche Beschlusse -\nund damit auch im vorliegenden Fall - § 152a VwGO als allein einschlagige\nRegelung anzusehen ist; ein parallel daneben moglicher oder gar § 152a VwGO\nausschließender weiterer Rechtsschutz ist nicht gegeben. Das gilt auch fur die\nvor Schaffung der Anhorungsruge in der Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichts entwickelte Verpflichtung des Antragstellers, vor\nErhebung der Verfassungsbeschwerde wegen Versagung des rechtlichen Gehors erst\nnoch eine Abanderung nach § 80 Abs. 7 VwGO zu beantragen (s. dazu die\nNachweise bei Bader u.a., VwGO, 2002, § 80 RdNr. 124 Fn. 397). Diese vom\nWortlaut der Vorschrift her gesehen nicht unbedingt nahe liegende\nRechtsschutzmoglichkeit beruhte auf den gleichen Erwagungen, die der\nGesetzgeber nunmehr zum Anlass dafur genommen hat, das Rechtsinstitut der\nAnhorungsruge zu schaffen (Kenntner DÖV 2005, 276; s. auch Bader a.a.O.).\nDamit ist fur die nach § 152 VwGO unanfechtbaren Beschlusse eine spezielle,\ndem Grundsatz der Rechtsmittelklarheit (s. dazu BVerfG, Beschluss vom\n30.04.2003 - 1 PBvU 1/02 -, DVBl 2003, 932, 938) entsprechende Neuregelung\ngetroffen worden, die das bisher durch die Rechtsprechung als zulassig\nentwickelte Abanderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO ersetzt; dies gilt\njedenfalls dann, wenn (und soweit) der Abanderungsantrag statt auf veranderte\nUmstande im eigentlichen Sinn des § 80 Abs. 7 VwGO auf eine Verletzung des\nrechtlichen Gehors als Abanderungsgrund gestutzt wird. Die unterschiedliche\nWirkung der Entscheidungen nach § 80 Abs. 7 VwGO einerseits und nach § 152a\nVwGO andererseits (s. dazu Guckelberger a.a.O. S. 12) steht dem nicht\nentgegen; im Gegenteil erscheint die durch § 152a VwGO nunmehr speziell zur\nNachholung des rechtlichen Gehors ermoglichte Fortfuhrung des Verfahrens beim\nsog. judex a quo nicht nur als klarere, sondern auch als sachgerechtere Losung\n(s. dazu BVerfG a.a.O.) gegenuber der schon vom Wortlaut her bei\nGehorsverletzungen nicht nahe liegenden Anwendung des § 80 Abs. 7 VwGO und der\ndamit verbundenen Durchfuhrung eines erneuten (inhaltlich unbeschrankten)\nGerichtsverfahrens vor dem jeweils nach dieser Vorschrift zustandigen Gericht\n(hier: das Verwaltungsgericht als Gericht der Hauptsache). Eine Parallelitat\nder Verfahren - die Zulassigkeit einer Anhorungsruge nach gehorsverletzenden\nBeschwerdeentscheidungen steht nach § 152a VwGO außer Frage - wurde nicht nur\nden Grundsatz der Rechtsmittelklarheit verletzen, sondern ware auch mit der\nvom Gesetzgeber ausdrucklich vorgesehenen Fristenregelung nicht vereinbar: Das\nAbanderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO ist gerade nicht fristgebunden,\nwahrend der Gesetzgeber die Ruge der Verletzung des rechtlichen Gehors nach\nAblauf der in § 152a Abs. 2 S. 1 VwGO genannten Frist als nicht mehr relevant\nansieht (zur Bedeutung der Frist s. auch Guckelberger a.a.O. S.14). \n--- \n| 6 \n--- \n| 1.2. Die Zulassigkeit eines Abanderungsverfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO\nwegen Verletzung des rechtlichen Gehors folgt im vorliegenden Fall jedoch\ndaraus, dass der von der Antragsgegnerin angegriffene Beschluss des Senats vom\n16.12.2004 noch vor Inkrafttreten der neu geschaffenen Regelung uber die\nAnhorungsruge bekannt gegeben worden ist (siehe S. 3 des Antragsschriftsatzes\nder Antragsgegnerin vom 05.01.2005). Der Grundsatz der Rechtsmittelklarheit\n(s. allgemein OVG Berlin und BVerfG, jeweils a.a.O.) verlangt es, dass\njedenfalls dann, wenn - wie hier - keine Übergangsregelung getroffen worden\nist, die Zulassigkeit von Rechtsmitteln in den sog. „Altfallen" trotz neuer\nRechtsmittelregelungen erhalten bleibt (siehe dazu und zum sog.\nintertemporalen Prozessrecht insbes. BVerfG, Beschluss vom 07.07.1992 - 2 BvR\n1631/90 -, NVwZ 1992, 1182). Andernfalls wurde die Fristenregelung des § 152a\nAbs. 2 Satz 1 VwGO leer laufen: Wenn das Gesetz fur bestimmte neu geschaffene\nVerfahren die Einhaltung einer Frist verlangt, so setzt dies naturgemaß\nvoraus, dass der Umstand, an den der Fristlauf anknupft (hier: Gehorsverstoß),\nbereits unter der Geltung des neuen Rechtsinstituts verwirklicht worden ist.\nAndernfalls hatte im vorliegenden Fall die Zweiwochenfrist bereits Ende\nDezember 2004 zu laufen begonnen, obwohl sie gesetzlich erst ab 01.01.2005\ngilt; der Rechtsschutz wurde damit unzulassig verkurzt. Andererseits kommt es\nauch nicht in Betracht, in derartigen Altfallen den Fristbeginn zu verschieben\nund z.B. am Inkrafttreten der Neuregelung zu orientieren; eine solche\nEntscheidung ware Sache einer gesetzlichen Übergangsregelung. \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Antragsgegnerin war damit aus Zeitgrunden der Weg zum\nAbanderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO (noch) eroffnet. Dass sie den\nAbanderungsantrag wegen Verletzung des rechtlichen Gehors erst am 07.01.2005\nund damit erst nach Inkrafttreten des § 152a VwGO gestellt hat, steht seiner\nZulassigkeit aus den genannten Grunden nicht entgegen. Auch sonst war der\nAbanderungsantrag zulassig: Die Antragsgegnerin war im vorangegangenen\nBeschwerdeverfahren dadurch in dem ihr zustehenden Recht auf rechtliches Gehor\nubergangen worden, dass der Senat wegen der schriftsatzlich am 10.12.2004\ngeltend gemachten besonderen Eilbedurftigkeit (bevorstehende Einberufung des\nAntragstellers) bereits am 16.12.2004 entschieden hat, obwohl die der\nAntragsgegnerin mit Verfugung vom 16.11.2004 eingeraumte Äußerungsfrist zu\ndiesem Zeitpunkt noch lief. \n--- \n| 8 \n--- \n| 2\\. Gleichwohl war der Beschwerde des Antragstellers gegen die\nAbanderungsentscheidung des Verwaltungsgerichts stattzugeben; seine materiell-\nrechtlichen Einwendungen sind begrundet, weil nach wie vor die auch in\nVerfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO gebotene Erfolgsaussichtsprufung (s. dazu auch\nBVerwG, Beschluss vom 17.05.2004 - 1 VR 1.04 -, InfAuslR 2005, 103) den\nFortbestand der aufschiebenden Wirkung rechtfertigt. Dass der Antragsteller\nnach seinem Vortrag bei einem weiteren Verbleib in der Turkei mit seiner\nbaldigen Einberufung und damit mit besonderen Erschwerungen der Wiedereinreise\nrechnen muss, ist bei einer erfolgsunabhangigen Interessenabwagung (s. BVerwG,\na.a.O.) ebenfalls zu berucksichtigen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Das Verwaltungsgericht hat in materiell-rechtlicher Sicht ausgefuhrt, dem\nAntragsteller komme auch dann keine Rechtsstellung nach Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80\nzu, wenn die Zeiten der Arbeitslosigkeit seines Vaters im Rahmen des Art. 7\nSatz 1 1. Spiegelstrich ARB 1/80 rechtlich unschadlich seien (siehe dazu\nBeschluss des Senats vom 16.12.2004 - 13 S 2510/04 - und neuerdings OVG\nKoblenz, Beschluss vom 14.01.2005 -10 A 11017/04 -, InfAuslR 2005, 238); es\nfehle namlich an weiteren Rechtsvoraussetzungen. Der Antragsteller konne sich\nbereits deswegen nicht auf Art. 7 Satz 1, 1. Spiegelstrich ARB 1/80 berufen,\nda dieses Recht lediglich als Zugangsrecht auf den Arbeitsmarkt zu verstehen\nsei; ein turkischer Staatsangehoriger, der uberhaupt nicht beabsichtige, eine\nErwerbstatigkeit aufzunehmen, oder diese auch nicht ausube, konne sich auf die\nassoziationsrechtliche Rechtsposition damit auch nicht berufen. Was den\nAntragsteller angehe, so ergebe sich hierzu aus den dem Verwaltungsgericht\nvorgelegten Unterlagen, dass er bis zum Ende seines rechtmaßigen Aufenthalts\n(Bekanntgabe der Verfugung vom 20.04.2004) keinerlei Interesse an einer\nErwerbstatigkeit gehabt habe. Ihm sei keine Arbeitserlaubnis erteilt worden,\nund er habe sich auch nicht auf entsprechende Absichten zur Begrundung eines\nAufenthaltsrechts berufen. Die von ihm vorgelegte Arbeitsbescheinigung\nbetreffe erst den Zeitpunkt ab dem 01.05.2004 und sei daruber hinaus\nverglichen mit Auskunften des Arbeitgebers, der AOK, der Agentur fur Arbeit\nund des Steuerberaters außerst widerspruchlich. Eine erst im Anschluss an den\nErlass der angegriffenen Verfugung vom 20.04.2004 kurzfristig aufgenommene\nTeilzeiterwerbstatigkeit - hier: bei einer Kebap-Firma - konne eine\nRechtsposition nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 nicht mehr begrunden, da nach dem\nErlass der angegriffenen Verfugung der rechtmaßige Aufenthalt des\nAntragstellers und damit auch sein ordnungsgemaßer Wohnsitz im Sinn von Art. 7\nSatz 1, 1. Spiegelstrich ARB 1/80 geendet habe. Hiervon abgesehen bestunden\nauch anhand der Auslanderakten des Vaters des Antragstellers Zweifel, ob\ndieser in ausreichendem Umfang selbst erwerbstatig gewesen sei; lediglich aus\ndem Bezug von Arbeitslosengeld ab 01.06.2002 bis zum 26.05.2003 lasse sich\nableiten, dass der Vater des Antragstellers davor eine anspruchsbegrundende\nsozialversicherungspflichtige Beschaftigung ausgeubt haben musse. Entscheidend\nkomme hinzu, dass der Vater des Antragstellers als Asylbewerber eingereist\nsei; er sei nicht „Stammberechtigter" im Sinn von Art. 7 Satz 1, 1.\nSpiegelstrich ARB 1/80, da hiermit nur solche Arbeitnehmer gemeint seien, die\nbereits als Wanderarbeitnehmer zwischen den Mitgliedsstaaten und der Turkei\ngewechselt seien. Die Rechtsstellung des Vaters ergebe sich allein aus der\nGenfer Konvention und nicht aus dem Assoziationsabkommen; sein\nAufenthaltsrecht sei ihm nicht unter dem Assoziationsgedanken und einer\nentstehenden Freizugigkeit fur turkische Arbeitnehmer gewahrt worden, sondern\nunter Berufung auf das Asylgrundrecht. Mindestens aus diesen Bedenken ergebe\nsich, dass das Interesse des Antragstellers an weiterer Anwesenheit im\nBundesgebiet zuruckzutreten habe. \n--- \n| 10 \n--- \n| Gegen diese Ausfuhrungen des Verwaltungsgerichts wendet der Antragsteller\nin der Beschwerdebegrundung ein, fur das Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 1\nARB 1/80 komme es auf die Absicht, eine Erwerbstatigkeit aufzunehmen, aus\nRechtsgrunden nicht an; unabhangig davon habe er sich aber auch schon vor dem\n01.05.2004 auf Arbeitssuche begeben. Dies gehe aus einem Schreiben der\n„Lernen-Fordern-Tragergesellschaft-gGmbH" vom 20.04.2005 hervor, wonach er\neinen entsprechenden Forderlehrgang zur beruflichen Vorbereitung und\nIntegration vom 01.09.2003 bis 01.04.2004 besucht habe; er habe diesen\nLehrgang auf eigenen Wunsch abgebrochen, da er damals ab sofort eine\nArbeitsstelle gesucht und dann auch gefunden habe. Was die Erwerbstatigkeit\nseines Vaters angehe, so konne er belegen (Zeugnis der „... GmbH" vom\n31.07.2002), dass dieser vom 01.04.2000 bis zum 31.07.2002\nversicherungspflichtig bei der genannten Gesellschaft beschaftigt gewesen sei;\nzuvor habe er bei der Personal Service Stuttgart von Juli 1999 bis Marz 2000\ngearbeitet, wie sich aus vorgelegten Kontoauszugen ergebe. Rechtlich\nunerheblich sei es schließlich, aus welchen Grunden sein Vater damals sein\nAufenthaltsrecht erworben habe; die Tatsache, dass er als Asylbewerber\neingereist sei, stehe dem Erwerb eines assoziationsrechtlichen\nAufenthaltsrechts und damit auch der Moglichkeit, ein solches Recht nach Art.\n7 ARB 1/80 zu vermitteln, nicht entgegen. Dies ergebe sich aus der\nRechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Antragsgegnerin ist diesen Einwendungen des Antragstellers mit dem\nVerweis auf die von ihm angegriffene gerichtliche Entscheidung und mit dem\nVortrag entgegen getreten, auch nach der Entscheidung des EuGH vom 11.11.2004\nim Fall Cetinkaya setze ein Recht aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 die Absicht der\nArbeitsaufnahme voraus (Hinweis auf OVG Munster, Beschluss vom 10.12.2004 - 18\nB 2599/04 -, InfAuslR 2005, 93), und der Antragsteller habe erst im\nvorliegenden Beschwerdeverfahren eine Bescheinigung der „Lernen-Fordern-\nTragergesellschaft-gGmbH" vorgelegt, wahrend fur die Zeit vorher\nentsprechender Vortrag fehle. Im ubrigen vertritt auch die Antragsgegnerin die\nAuffassung, dass das Recht aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 nur von\nWanderarbeitnehmern vermittelt werden konne, nicht aber von solchen turkischen\nStaatsangehorigen, die als Asylbewerber eingereist seien. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Wurdigung dieser jeweils gegensatzlichen Rechtspositionen durch den\nSenat ergibt, dass die mit der Beschwerde vorgetragenen und mit entsprechenden\nBescheinigungen belegten Einwendungen gegen die verwaltungsgerichtliche\nEntscheidung nach wie vor die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage\nund damit den Erfolg der Beschwerde rechtfertigen; es kann insbesondere nicht\ndavon ausgegangen werden, dass (in den Worten des Verwaltungsgerichts) „das zu\nerwartende Ergebnis des Hauptsacheverfahrens hier eindeutig" sei. Die gegen\nein assoziationsrechtliches Bleiberecht aus Art. 7 Satz 1 1. Spiegelstrich ARB\n1/80 vorgetragenen Ausschlussgrunde sind namlich im Beschwerdeverfahren\nnachhaltig erschuttert worden; teilweise hat sie der Antragsteller in\ntatsachlicher Hinsicht so substantiiert in Frage gestellt, dass dem mit\nmindestens offenem Verfahrensausgang im Einzelnen nachzugehen sein wird (im\nFolgenden 2.1. und 2.2.), und teilweise bestehen auch rechtliche Bedenken\ngegen die vom Verwaltungsgericht eingenommene Position (2.3.). \n--- \n| 13 \n--- \n| 2.1. Die Frage, inwieweit das assoziationsrechtliche Bleiberecht aus Art. 7\nSatz 1 1. Spiegelstrich ARB 1/80 die Absicht der Aufnahme einer\nErwerbstatigkeit oder die Ausubung einer Erwerbstatigkeit durch den\nFamilienangehorigen voraussetzt, war - soweit ersichtlich - bis jetzt zwar\nnoch nicht Gegenstand der hochstrichterlichen Rechtsprechung oder der\nRechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs. Sie wird allerdings von\nverschiedenen Obergerichten - darunter auch vom Verwaltungsgerichtshof Baden-\nWurttemberg - bejaht (s. dazu OVG Munster, Beschluss vom 10.12.2004 - 18 B\n2599/04 -, InfAuslR 2005, 390 m. abl. Anm. Gutmann; VGH Baden-Wurttemberg,\nUrteil vom 21.07.2004 - 11 S 1303/04 - juris und Beschluss vom 18.03.2002 - 13\nS 442/02 -, NVwZ-RR 2002, 779 sowie Urteil vom 17.08.2000 - 13 S 950/00 -,\nInfAuslR 2000, 476); bisher wird danach in der Rechtsprechung verlangt, dass\nsich der Familienangehorige zum Zweck der tatsachlichen Ausubung einer\nBeschaftigung oder (mindestens) zum ernsthaften Betreiben des Zugangs zum\nArbeitsmarkt im Bundesgebiet aufhalt (OVG Munster a.a.O.) bzw. dass er von den\nbeschaftigungsbezogenen Rechten „uberhaupt Gebrauch machen will" (VGH Baden-\nWurttemberg a.a.O.). Allerdings ist das supranationale Aufenthaltsrecht nicht\ndavon abhangig, dass es der Inhaber „sofort wahrnehmen will" (so jedenfalls\nOVG Koblenz, Beschluss vom 14.01.2005 a.a.O. S. 241), und an den Umfang der\nTatigkeit werden in der Rechtsprechung des EuGH keine uberhohten Anforderungen\ngestellt (s. dazu die Nachweise bei Gutmann, GK-AuslR, Art. 6 ARB 1/80 Rdnr.\n81). \n--- \n| 14 \n--- \n| Auch auf der Grundlage dieser Rechtsprechung (kritisch Gutmann a.a.O. und\nin GK-AuslR Art. 7 ARB 1/80 Rdnr. 86) lasst sich eine aufenthaltsrechtliche\nPosition des Antragstellers nicht von vornherein verneinen; nach den von ihm\njedenfalls im Beschwerdeverfahren vorgelegen Unterlagen spricht im Gegenteil\nÜberwiegendes dafur, dass sich der Antragsteller, der am 01.05.2004 eine\nArbeit aufgenommen hat, bereits vorher auf Arbeitssuche befunden hat. Nach der\nBescheinigung der „Lernen-Fordern-Tragergesellschaft-gGmbH" vom 20.4.2005 war\nder Antragsteller vom 01.09.2003 bis einschließlich 01.04.2004 in dem\n„Einjahrigen Forderlehrgang zur beruflichen Vorbereitung und Integration\nangemeldet"; er habe sich „auf eigenen Wunsch ... am 02.04.2004 abgemeldet"\nund als Grund angegeben, er wolle sofort eine Arbeitsstelle suchen. Es fallt\nzwar auf, dass der Antragsteller diese Bescheinigung noch nicht im\nverwaltungsgerichtlichen Abanderungsverfahren, sondern erst in der\nBeschwerdeinstanz vorgelegt hat, obwohl die Antragsgegnerin am 04.12.2004\nentsprechende Nachweise vom Antragsteller angefordert hat. Andererseits hat\nder Antragsteller jedoch im Abanderungsverfahren die - jedenfalls nicht\nabwegige - Rechtsauffassung vertreten, auf die Frage einer Erwerbstatigkeit\noder Arbeitssuche komme es aus Rechtsgrunden uberhaupt nicht an. Die Teilnahme\ndes Antragstellers an dem Forderlehrgang zur beruflichen Vorbereitung und\nIntegration - deren Umfang und tatsachliche Bedeutung im Hauptsacheverfahren\nnoch zu klaren sein wird - und die parallel dazu erteilte Arbeitserlaubnis bis\nzum 23.07.2004 - also uber den Zeitpunkt der Ablehnung der\nAufenthaltserlaubnis hinaus - sind durchaus geeignet, (wenigstens) eine\nentsprechende Arbeitssuche zu belegen. Im Hauptsacheverfahren kann auch\ngeklart werden, ob es sich bei der Auskunft des Inhabers der Firma S. uber die\nDauer der Beschaftigung des Antragstellers bis vor den Tag seiner Abschiebung\num eine bloße Gefalligkeitsbescheinigung handelt, wie die Antragsgegnerin\nvermutet. \n--- \n| 15 \n--- \n| Eine assoziationsrechtliche Rechtsposition des Antragstellers nach Art. 7\nSatz 1 ARB 1/80 scheitert schließlich auch nicht daran, dass die\nAntragsgegnerin mit der angegriffenen Verfugung vom 20.04.2004 den Antrag auf\nErteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt hat; der Antragsteller hat\ndurch diese Verfugung seinen ordnungsgemaßen Wohnsitz im Sinne der genannten\nVorschrift nicht verloren, weil es im vorliegenden Verfahren gerade um die\nRechtmaßigkeit dieser Verfugung geht, fur die mit dem Beschluss des Senats vom\n16.12.2004 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet worden ist. Wenn\nbereits aus der Existenz der Verfugung ihre Rechtmaßigkeit folgen wurde, hatte\nein im Verwaltungsverfahren erfolglos gebliebener Antragsteller niemals die\nChance, den Bestand eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts\ngerichtlich geltend zu machen. \n--- \n| 16 \n--- \n| 2.2. Im Klageverfahren wird auch - falls weiterhin streitig - zu klaren\nsein, ob der Vater des Antragstellers in dem von ihm behaupteten Umfang\nerwerbstatig war. Zu dem in dem angefochtenen Beschluss insofern geaußerten\nZweifel hat der Antragsteller im Beschwerdeverfahren weitere Unterlagen\nvorgelegt; aus dem Zeugnis der „...-GmbH" vom 31.07.2002 ergibt sich, dass der\nVater des Antragstellers vom 01.04.2000 bis zum 31.07.2002 in diesem\nUnternehmen als Arbeiter im Produktionsbereich beschaftigt war; die\ngleichzeitig vorgelegte Bescheinigung uber das Insolvenzverfahren betreffend\ndiese Firma belegt, dass der Vater durch den Insolvenzverwalter seit dem\n01.06.2002 - also zwei Monate fruher - von seiner Arbeitsverpflichtung\nfreigestellt worden war. Zuvor war er bei der Persona-Service Stuttgart\nbeschaftigt (Juli 1999 bis Marz 2000), wie die von dem Antragsteller\nvorgelegten Kontoauszuge ergeben. Diese Angaben werden von der Antragsgegnerin\nin ihrem Erwiderungsschriftsatz nicht mehr angegriffen, so dass jedenfalls fur\ndas Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes von entsprechender\nZugehorigkeit zum Arbeitsmarkt ausgegangen werden kann. Die Frage, welche\nBedeutung die Arbeitslosigkeit des Vaters von Mitte 2002 bis Oktober 2004 fur\ndie assoziationsrechtliche Rechtsstellung des Antragstellers hat, ist bereits\nim Beschluss des Senats vom 16.12.2004 behandelt worden, so dass hierauf\nverwiesen werden kann (vgl. auch OVG Koblenz, Beschluss vom 14.01.2005 a.a.O.\nund HessVGH, Beschluss vom 29.12.2004 - 12 TG 3649/04 -juris, auch zu der\nFrage, ob der Stammberechtigte des Art. 7 ARB 1/80 nicht seinerseits eine der\nRechtsstellungen des Art. 6 ARB 1/80 erworben haben muss). \n--- \n| 17 \n--- \n| 2.3. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts scheidet der Vater des\nAntragstellers nicht deswegen als „Vermittler" eines assoziationsrechtlichen\nAufenthaltsrechts fur den Antragsteller aus, weil er seinerseits als\nAsylsuchender (und nicht als sog. Wanderarbeitnehmer) in das Bundesgebiet\neingereist ist. Es trifft zwar zu, dass der Europaische Gerichtshof in seinen\nEntscheidungen im Wesentlichen den Begriff des „Wanderarbeitnehmers"\nverwendet, wenn er den Erwerb der assoziationsrechtlichen Rechtsstellung nach\nArt. 7 Satz 1 ARB 1/80 pruft (s. etwa EuGH vom 11.11.2004 - C 467/02 -,\nCetinkaya, InfAuslR 2005, 198, RdNr. 25 m.w.N.; s. auch Urteil vom 02.06.2005\n- C 136/03-, Dorr, RdNr. 66; ahnlich auch OVG Munster a.a.O.); das bedeutet -\nuber die Beschreibung des Regelfalls hinaus - aber nicht unbedingt, dass\nabweichend von der fruheren Rechtsprechung (Entscheidung des EuGH vom\n06.06.1995 - C 434/93 -, NVwZ 1995, 1093, 1094) die Einzelumstande der\nEinreise und des erstmaligen Aufenthalts von ausschlaggebender Bedeutung sind.\nIn der genannten Entscheidung hat der Europaische Gerichtshof vielmehr\nausgefuhrt, dem regularen Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates gehore bereits\nderjenige Arbeitnehmer an, dessen Arbeitsverhaltnis eine hinreichend enge\nAnknupfung an das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates aufweise, wobei es\ninsbesondere auf den Ort der Einstellung, das Gebiet der Tatigkeit und die im\nBereich des Arbeitsrechts und der sozialen Sicherheit ergangenen nationalen\nRechtsvorschriften ankomme. Auch fur die Ordnungsmaßigkeit einer wahrend eines\nbestimmten Zeitraums ausgeubten Beschaftigung genugt es, dass die nationalen\nRechtsvorschriften eingehalten sind, die die Voraussetzungen der Einreise und\nder Beschaftigungsausubung regeln (EuGH, Urteil vom 06.06.1995 a.a.O. RdNr. 27\nu. 28; s. auch Gutmann in GK-AufenthG, RdNr. 86 s. zu Art. 6 ARB 1/80; vgl.\nauch BVerwG, Beschluss vom 14.04.1993 - 1 C 14.92 -, InfAuslR 1993, 258 fur\nden Fall der Einreise zu Familiennachzugszwecken). Was die Einreise als\nAsylbewerber angeht, so hat das Bundesverwaltungsgericht fur das\nAssoziationsabkommen EG/Marokko (BVerwG, Urteil vom 01.07.2003 - 1 C 18.02 -\njuris,) ausgesprochen, dass die Einreise nicht bereits als Wanderarbeitnehmer\nerfolgen muss, sondern dass die Einreise als Asylbewerber ausreicht. \n--- \n| 18 \n--- \n| Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dabei gerade auch auf die\nRechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs zum ARB 1/80 (Rechtssache El-\nYassini, Urteil vom 02.03.1999 - C 416/96 -, NVwZ 1999, 1095, RdNr. 3 bis 6)\nbezogen. Auch fur den Assoziationsratsbeschluss (ARB) 3/80 ist entschieden,\ndass als Asylbewerber eingereiste Auslander Assoziationsrechte erwerben\nkonnen, und auch hier bezieht sich das Bundesverwaltungsgericht in der\nBegrundung auf den ARB 1/80. Es fuhrt aus (BVerwG, Urteil vom 06.12.2001 - 3 C\n25.01 -, NVwZ 2002, 864), nach der einschlagigen Rechtsprechung des\nEuropaischen Gerichtshofs zu Art. 6 ARB 1/80 sei es unbeachtlich, ob der\nturkische Staatsangehorige als „Arbeitnehmer" oder „Familienangehoriger eines\nArbeitnehmers" nach Deutschland eingereist sei oder diese Eigenschaft erst\nnach seiner Einreise begrundet habe. Dies leitet das Bundesverwaltungsgericht\naus mehreren Entscheidungen des Europaischen Gerichtshofs ab (Urteil des EuGH\nvom 04.05.1999 - C 262/96 -, InfAuslR 1999, 324; bestatigt mit Urteil vom\n14.03.2000 - C 102/98 - und - C 211/98 -, Slg. 2000 I 1287, 1311, 1326). Es\nhat dabei besonders betont, dass es bereits zum Zeitpunkt der genannten\nAssoziationsratsbeschlusse Fluchtlingsbewegungen großeren Ausmaßes aus der\nTurkei in die Mitgliedsstaaten gegeben und dass daher Anlass und Gelegenheit\nbestanden habe, diesen Beschlussen einen sog. „Fluchtlingsvorbehalt"\nbeizufugen. Dies sei jedoch „nicht einmal ansatzweise erfolgt" (BVerwG, Urteil\nvom 06.12.2001 a.a.O.), und es sei auch zu berucksichtigen, dass der\nEuropaische Gerichtshof in seiner spateren Rechtsprechung die rechtliche\nStellung von Fluchtlingen und Staatenlosen im Rahmen des Gemeinschaftsrechts\ngestarkt und deren Einbeziehung in Art. 51 EGV (nunmehr Art. 42) grundsatzlich\ngebilligt habe. Diese europarechtlich abgesicherte und auch inhaltlich\nuberzeugende Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht nicht zur Kenntnis\ngenommen. Seine Überlegung, ein Asylbewerber konne sich nicht auf Regelungen\nberufen, die sein Heimatstaat mit anderen Volkerrechtssubjekten ausgehandelt\nhabe, weil er durch den Asylantrag auf den Schutz seines Heimatstaates\nverzichtet habe, berucksichtigt nicht, dass es hier nicht um die\nRechtsstellung bei der Einreise oder nach der Asylanerkennung als solche geht,\nsondern darum, ob in der Folgezeit auf entsprechend ordnungsgemaßer\nauslanderrechtlicher Grundlage durch die Erfullung weiterer Voraussetzungen\nanderweitige (assoziationsrechtliche) Rechte erworben werden konnen. Auch der\nSenat ist mit dem Bundesverwaltungsgericht der Auffassung, dass eine\nausdruckliche Regelung im Assoziationsratsbeschluss selbst hatte erwartet\nwerden konnen, falls ein entsprechender Ausschluss von den Beteiligten gewollt\nwar. Hierfur spricht auch gerade die vom Verwaltungsgericht zur Unterstutzung\nseiner (gegenteiligen) Auffassung zitierte Entscheidung des\nBundesverwaltungsgerichts vom 10.07.1984 (- 1 C 30/80 -, InfAuslR 1984, 312,\n313): Danach gibt es keinen Rechtsgrundsatz dahingehend, dass sich\nAsylberechtigte nicht auf volkervertragliche Regelungen berufen konnen, die\nihr Heimatstaat mit einem anderen Volkerrechtssubjekt vereinbart hat. \n--- \n| 19 \n--- \n| 3\\. Da das Verwaltungsgericht aus den genannten Grunden dem Antrag der\nAntragsgegnerin in der Sache zu Unrecht stattgegeben hat, war der angefochtene\nBeschluss in dem im Tenor dargelegten Umfang zu andern. Die Kostenentscheidung\nergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Senat hat erwogen, ob auch der\nAntragsteller aus dem Rechtsgedanken des § 155 Abs. 5 VwGO an den Kosten zu\nbeteiligen war, weil er mehrere Nachweise erst im Beschwerdeverfahren\nvorgelegt hat (vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO, 2003, RdNr. 20 zu § 155); er hat\njedoch von einer solchen Kostenspaltung abgesehen, weil die Rechtsauffassung\nder Prozessbevollmachtigten des Antragstellers, es komme auf nahere\nDarlegungen und Nachweise - insbesondere zur Arbeitssuche des Antragstellers -\nnicht an, nicht von vornherein unvertretbar ist. \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 53\nAbs. 1 Nr. 1 GKG n.F.. \n--- \n| 21 \n--- \n| Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). \n---\n\n
141,065
vg-sigmaringen-2005-07-06-dl-10-k-1404
159
Verwaltungsgericht Sigmaringen
vg-sigmaringen
Sigmaringen
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
DL 10 K 14/04
2005-07-06
2019-01-08 16:54:27
2019-01-17 12:01:14
Urteil
## Tenor\n\nDie Disziplinarverfugung des Leiters der Polizeidirektion Y vom 15\\. September\n2004 und die Beschwerdeentscheidung der Landespolizeidirektion Tubingen vom\n19. November 2004 werden aufrecht erhalten.\n\nDer Beamte tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Sachverhalt - siehe letzte Seite \n--- \n**II.** \n--- \n| 2 \n--- \n| 1\\. Die Disziplinarkammer geht aufgrund des Ergebnisses der Hauptverhandlung\nvon dem folgenden Sachverhalt aus: Der Beamte war in dem Ermittlungsverfahren\ngegen T wegen Mordes als Haupt- und Endsachbearbeiter beteiligt. Zu seinen\nAufgaben gehorte die Fuhrung der Ermittlungsakte der Polizei und der an die\nStaatsanwaltschaft in zweifacher Fertigung zu ubergebenden Verfahrensakten. \n--- \n| 3 \n--- \n| a) Fur die Anfertigung des Verzeichnisses der Beweisstucke wurde ihm unter\nanderem eine Tageszeitung ubergeben, die von seinen Kollegen bei der\nDurchsuchung der Wohnung der T gefunden worden war. Diese wurde im\nDurchsuchungsbericht als beschlagnahmter Gegenstand Nr. 10 „eine Tageszeitung\nim Schuhkarton" aufgefuhrt. Aus dieser Zeitung schnitt der Beamte zwei Artikel\nheraus. Diese tragen die Überschriften: „Mordprozess: Die Familie ausgeloscht"\nund „Bluttat: Eigene Frau mit Hackebeil erschlagen". Die ausgeschnittenen\nBerichte klebte der Beamte auf ein DIN-A4-Blatt und brachte den folgenden\nVermerk an: „Ausschnitte aus der Z vom ... gefunden in einem Schuhkarton in\nder Wohnung der T, BS 7". In das Verzeichnis der Beweismittel erfolgte unter\n„BS 7" die Eintragung: „zwei Zeitungsausschnitte der Z. vom ..., Wohnung BS\n24.02.03". Der Durchsuchungsbericht und das Verzeichnis der Beweisstucke mit\nden aufgeklebten Zeitungsausschnitten fanden Eingang in die Verfahrensakten,\ndie der Staatsanwaltschaft ubergeben wurden. Der Rest der Zeitung verblieb in\nder Ermittlungsakte der Polizei. \n--- \n| 4 \n--- \n| b) Den ermittelnden Beamten war bekannt, dass die T kurz nach ihrer\nFestnahme von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatte. Im\nAuftrag des Beamten suchte KHK X die T in der JVA auf, um mit ihr uber den\nweiteren Verbleib ihres Kraftfahrzeuges, das von der Polizei zunachst\nsichergestellt worden war, zu sprechen. Dieses Gesprach nahm einen privaten\nCharakter an, nachdem KHK X und die T festgestellt hatten, dass sie gemeinsame\nBekannte hatten. Auf eine entsprechende Frage des KHK X gab die T eine\nAntwort, die als Gestandnis gewertet werden konnte. In seinem Fahrzeug machte\nsich KHK X von dem Gesprach Notizen. Nach seiner Ruckkehr aus der JVA\nberichtete KHK X dem Beamten davon. Dieser fragte ihn, ob er die T vor der\nFrage uber ihr Zeugnisverweigerungsrecht belehrt habe, was dieser verneinte.\nDer Beamte machte ihm deshalb Vorwurfe und hielt ihn davon ab, einen\nAktenvermerk zu schreiben. Spater warf KHK X seine Aufzeichnungen weg, nachdem\ner den Beamten gefragt hatte, ob die Sache erledigt sei. Einige Zeit spater\ntraf KHK X anlasslich eines Polizeieinsatzes im Staatgebiet von Y den\nVerteidiger der T, Rechtsanwalt R. Diesem berichtete er von dem Gesprach mit\nder T in der JVA. Rechtsanwalt R außerte sinngemaß, dass das Gesprach keine\nBedeutung habe, da es sich um ein privates Gesprach gehandelt habe.\nKriminaloberrat A der an dem gleichen Polizeieinsatz beteiligt war, bekam den\nInhalt des Gesprachs zwischen KHK X und Rechtsanwalt R mit. Er wies ihn auf\ndem Ruckweg in die Dienststelle an, einen Aktenvermerk uber das Gesprach mit\nder T in der JVA zu fertigen. Diesen Aktenvermerk ubergab er dem Beamten in\ndreifacher Fertigung. Er unterrichtete ihn nicht daruber, dass er den\nAktenvermerk auf Weisung des Kriminaloberrats A angefertigt hatte. Der Beamte\nerfuhr auch spater nichts von der Weisung. Der Beamte heftete den Aktenvermerk\nin dreifacher Fertigung in die Ermittlungsakte der Kriminalpolizei ab und\nleitete ihn nicht weiter, weil er davon ausging, dass er im Strafverfahren\nnicht verwertbar sei. Der Vater des Opfers der T, der Kriminalbeamter ist,\nstieß bei einer Akteneinsicht, die ihm von EKHK Z ermoglicht wurde, auf diesen\nAktenvermerk und machte EKHK Z darauf aufmerksam. EKHK Z brachte den\nAktenvermerk zum zustandigen Staatsanwalt und zur Berichterstatterin des\nVerfahrens beim Landgericht. Bei der Zeugenvernehmung des KHK X in der\nHauptverhandlung des Strafverfahrens kamen dessen Gesprach mit T in der JVA\nund der Aktenvermerk zur Sprache. Der Verteidiger der T widersprach sofort der\nVerwertung des Aktenvermerks, weil es sich um ein rechtswidrig erlangtes\nBeweismittel handele. \n--- \n| 5 \n--- \n| 2\\. Der festgestellte Sachverhalt ist unstreitig. Er beruht auf den Angaben\ndes Beamten, den Aussagen der Zeugen und den beigezogenen Akten der Polizei\nund der Staatsanwaltschaft aus dem Strafverfahren gegen T \n--- \n| 6 \n--- \n| 3\\. a) In Bezug auf die Behandlung der Zeitung, die in der Wohnung der T\ngefunden und beschlagnahmt wurde, liegt ein Verstoß gegen § 163 StPO und Nr.\n44 und 46 PDV 350 vor. Aus der Zusammenschau dieser fur den Beamten\nverbindlichen Vorschriften folgt, dass Beweismittel, die im Rahmen eines\nErmittlungsverfahrens gesichert werden, nicht verandert werden durfen. Ihre\nVeranderung birgt die Gefahr, dass sie einen neuen Aussagewert erhalten, der\nsich zugunsten wie zulasten eines Angeschuldigten auswirken und damit das\nweitere Verfahren unzulassig beeinflussen kann. Der Beamte hat hier ein\nBeweismittel dadurch verandert, dass er aus der aufgefundenen Zeitung zwei\nArtikel ausgeschnitten und diese auf ein Blatt Papier geklebt hat. Er hat\ndadurch, dass er bei den Zeitungsausschnitten nicht ausdrucklich vermerkt hat,\ndass er die Artikel ausgeschnitten hat und diese nicht als Ausschnitte in der\nWohnung der T gefunden wurden, die Gefahr geschaffen, dass diese falsch\nbewertet werden. Das hatte der Beamte auch erkennen konnen. Es liegt auf der\nHand, dass die fraglichen Zeitungsartikel im Zusammenhang mit der Tat der T\neine andere Bedeutung hatten, wenn sie von der T nicht als Teil einer\nvollstandigen Zeitungsausgabe, sondern als Ausschnitte aufbewahrt wurden. Wird\neine vollstandige Zeitung aufbewahrt, ist in Betracht zu ziehen, dass jeder\ndarin enthaltene Artikel der Grund dafur gewesen sein kann. Der Fehler, den\nder Beamte in Bezug auf die Zeitung gemacht hat, entfallt nicht deshalb, weil\nes moglich gewesen ware - davon ist die Disziplinarkammer uberzeugt -, aus dem\nInhalt der ubrigen Akten den Schluss zu ziehen, dass nicht\nZeitungsausschnitte, sondern eine vollstandige Zeitung gefunden wurde; dies\nließ sich aus dem Durchsuchungsbericht und den Daten der Zeitung entnehmen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Aber nicht jeder Fehler, der einem Beamten unterlauft, stellt eine\nahndungswurdige Pflichtverletzung dar. Eine Pflichtverletzung im Sinne des\nDisziplinarrechts liegt nur dann vor, wenn sie ein Mindestmaß an Gewicht hat\nund damit die Schwelle zur disziplinarrechtlichen Erheblichkeit uberschritten\nwird (vgl. auch von Alberti/Gayer/Roskamp, Landesdisziplinarordnung, Einl.\nRd.Nr. 6). Dies ist hier aus den folgenden Grunden nicht der Fall: Die\nDisziplinarkammer ist als Ergebnis der Verhandlung, in der sich der Eindruck\nnach Aktenlage bestatigt hat, der Überzeugung, dass der Beamte keine\nunlauteren Zwecke mit der Veranderung der aufgefundenen Zeitung verfolgt hat.\nSein ausschließliches Ziel war es, die Beweismittel ubersichtlich\ndarzustellen. Dazu kommt, dass es nicht zwingend war, dass sich die vom\nBeamten objektiv geschaffene Gefahr einer Fehlinterpretation verwirklichen\nwurde. Der Fehler war bei einem genauen Studium der Akten aufgrund\nverschiedener Umstande, auf die der Beamte hingewiesen hat, zu erkennen. Damit\nsoll nicht der Eindruck erweckt werden, als habe der Beamte alles richtig\ngemacht. In diesem Zusammenhang irritiert, dass der Beamte hartnackig versucht\nhat, die Schuld fur die vorgenommene Fehlinterpretation allein bei anderen zu\nsuchen. Damit soll nur gesagt werden, dass es auch in der Folge der\nAktenbearbeitung zu gewissen, vermeidbaren Fehlleistungen gekommen ist.\nZusammengefasst ist festzustellen, dass dem Beamten hier ein Fehler\nunterlaufen ist, wie er bei der Bearbeitung eines Vorgangs geschehen kann. Das\nDisziplinarrecht wurde uber sein Ziel hinausschießen, wurde es bei der Prufung\nder Frage, ob ein Pflichtenverstoß vorliegt, den optimalen, fehlerlosen\nBeamten voraussetzen. Fur die Beurteilung des einheitlichen Dienstvergehens\nist dieser Fehler damit nicht zu berucksichtigen (s.u.). \n--- \n| 8 \n--- \n| b) Beim Sachverhaltskomplex „Aktenvermerk" hat die Disziplinarkammer nur die\nFrage zu untersuchen, ob der Beamte durch die Nichtweitergabe des\nAktenvermerks des KHK X uber das Gesprach mit der T an die Staatsanwaltschaft\neinen Pflichtenverstoß begangen hat. Aus der Disziplinarverfugung wird nicht\nganz deutlich, ob mit ihr auch der darin anklingende Vorwurf, der Beamte habe\nden KHK X abgehalten, einen Aktenvermerk zu fertigen und zur Akte zu geben,\ngeahndet werden soll. Diese Frage kann aber letztendlich offen bleiben, da das\nDisziplinarverfahren durch den Stellvertreter des Leiters der Polizeidirektion\nY nur insoweit eingeleitet wurde, als dem Beamten die Nichtweitergabe des\nAktenvermerks vorgeworfen wurde. \n--- \n| 9 \n--- \n| Dem Beamten kann auch nicht angelastet werden, dass der Aktenvermerk in der\nHauptverhandlung vor dem Landgericht ... ein gewisses Aufsehen erregte. Denn\ndas Problem hierbei war nicht die unterlassene Weitergabe des Aktenvermerks\ndurch den Beamten, sondern der Umstand, dass die Strafkammer den Aktenvermerk\naufgrund des Einspruchs des Verteidigers der T wegen eines Verstoßes gegen die\nStrafprozessordnung nicht als zu Lasten der T verwertbar ansah. Diese\nAuffassung hatte der Beamte von Anfang an vertreten. \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Pflichtenverstoß des Beamten liegt darin begrundet, dass er glaubte, es\nliege in seiner Kompetenz, daruber zu entscheiden, ob so wichtige Vorgange wie\neinen Aktenvermerk uber ein Gesprach, das einem Gestandnis in einem\nMordprozess gleichkommt, aus dem weiteren Strafverfahren heraushalten zu\nkonnen und er deshalb dessen Weitergabe unterließ. Hierin liegt ein Verstoß\ngegen § 163 Abs. 2 Satz 1 StPO, der die Dienstpflichten des Beamten\nkonkretisiert. Danach ubersenden die Behorden und Beamten des Polizeidienstes\nihre Verhandlungen der Staatsanwaltschaft. Dies bedeutet, dass alle\nwesentlichen Vorgange zu ubersenden sind, damit die Staatsanwaltschaft als die\nHerrin des Ermittlungsverfahrens in die Lage versetzt wird, die richtigen\nEntscheidungen zu treffen. Ihr sind dabei aufgrund ihrer Ausbildung\ninsbesondere die Entscheidung uber die juristisch schwierigen Fragen\nvorbehalten. Hierzu gehoren die Fragen, ob der Verwertung von Beweismitteln\nein Verwertungsverbot entgegensteht. Dass der Beamte auch aufgrund seiner\nBerufserfahrung einen Teilaspekt dieses Problems letztendlich - in\nÜbereinstimmung mit dem Urteil des Landgerichts ... - richtig gelost hat,\nandert daran nicht. Zudem ging er nur zu Recht davon aus, dass der\nAktenvermerk nicht zu Lasten der T verwertbar sein wurde. Er hat damit aber\ndas Problem nur teilweise erfasst, wie den weiteren Überlegungen des\nLandgerichts ... zu entnehmen ist. Denn dieses prufte, ob der Aktenvermerk\nnicht zugunsten der T verwertet werden konne. Dieser Aspekt wirkte sich im\nVerfahren nur deshalb nicht entscheidend aus, weil die Strafkammer aufgrund\ndes Vorliegens zahlreicher Umstande von dem Gegenteil dessen ausgehen konnte,\nwas aus dem Aktenvermerk zu Gunsten der T hatte sprechen konnen. Zudem sah das\nLandgericht ... den Aktenvermerk nur deshalb nicht als verwertbar an, weil der\nVerteidiger seiner Verwertung rechtzeitig widersprochen hatte. \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Beamte hat die geschilderte Pflicht schuldhaft verletzt. Ein\nvorsatzliches Handeln ist ihm nicht vorzuwerfen. Es liegt aber eine\nfahrlassige Pflichtverletzung vor. Der Beamte hatte erkennen konnen, dass er\ndie Vorlage des Aktenvermerks nicht unterlassen durfte. Es hatte sich ihm\naufdrangen mussen, dass es nicht in seiner Kompetenz steht, einen Aktenvermerk\nuber Äußerungen einer Beschuldigten im einem Ermittlungsverfahren wegen\nMordes, die mehr oder weniger ein Gestandnis enthalten, in der Ermittlungsakte\nder Polizei zuruckzuhalten. Dies gilt auch dann, wenn das Gestandnis nicht zu\nLasten der Beschuldigten verwertet werden kann. Dass der Beamte fahrlassig\ngehandelt hat, zeigt sich insbesondere auch daran, dass er sich gar nicht\nwirklich im Klaren daruber war, welche Bedeutung die Äußerung der T in ihrem\nVerfahren habe konnte. Der Zeuge X hat hierzu bei seiner Vernehmung durch die\nDisziplinarkammer erklart, er habe mit dem Beamten daruber gesprochen, ob es\nsich um eine belastende oder entlastende Aussage handele oder ob sie keine\nBedeutung habe. Sie hatten sie schließlich fur bedeutungslos gehalten. Die\nAussage inhaltlich fur bedeutungslos zu halten, ist aber falsch. \n--- \n| 12 \n--- \n| 4\\. Es ist somit festzuhalten, dass der Beamte durch die Nichtweitergabe des\nAktenvermerks schuldhaft ein Dienstvergehen nach § 95 Abs. 1 LBG begangen hat.\nDa der Disziplinarvorgesetzte des Beamten mit der Erteilung eines Verweises\nauf der untersten Stufe der nach § 5 Abs. 1 LDO moglichen Disziplinarnahmen\ngeblieben ist, stellt sich die Frage ihrer Änderung zugunsten des Beamten\nnicht. Die Disziplinarkammer konnte wegen der fehlenden Zustimmung des\nRegierungsprasidiums Tubingen auch nicht nach § 33 Abs. 3 Satz 5 LDO\nverfahren. Die Disziplinarkammer konnte daher nur entscheiden, die\nDisziplinarmaßnahme aufrecht zu erhalten (vgl. § 33 Abs. 3 Satz 4 LDO). \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Umstand, dass der Beamte im angeschuldigten Sachverhaltskomplex\n„Zeitung" fur sich gesehen kein Dienstvergehen begangen hat, andert an der\nAufrechterhaltung der verhangten Disziplinarmaßnahme nichts. Das\nDisziplinarrecht wird vom Prinzip der Einheit des Dienstvergehens gepragt. Das\nbedeutet, dass alle Dienstpflichtverletzungen zusammen ein einheitliches\nDienstvergehen darstellen. Eine Aufhebung der Disziplinarverfugung ist somit\nnur dann moglich, wenn nach der mundlichen Verhandlung keine der vorgeworfenen\nDienstpflichtverletzungen bestatigt werden kann. Die Disziplinargerichte sind\nim Rahmen des Verfahrens nach § 33 LDO nicht darauf beschrankt, die\nErmessensausubung durch den Dienstvorgesetzten auf Rechtsfehler zu uberprufen,\nsondern berechtigt, eigene Erwagungen zur Zweckmaßigkeit der verhangten\nDisziplinarmaßnahme anzustellen. Eine Disziplinarmaßnahme kann daher auch dann\naufrechterhalten werden, wenn sich ein Teil der vorgeworfenen\nPflichtverletzungen nicht beweisen lasst oder diese Vorwurfe zu Unrecht\nbestehen, sofern das Disziplinargericht in Ausubung seines Ermessens zu der\nAnsicht kommt, dass -wie hier - auch die ubrigen Pflichtverletzungen die\nverhangte Disziplinarmaßnahme rechtfertigen (VGH Baden-Wurttemberg, Beschluss\nvom 23.04.1997 - D 17 S 2/97 -). \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 1 LDO. \n--- \n| 15 \n--- \n| ** _Zum Sachverhalt_** \n--- \n| 16 \n--- \n| _Der Beamte wendet sich gegen einen Verweis. Er an den Ermittlungen in\neiner Strafsache wegen Mordes als Haupt- und Endsachbearbeiter beteiligt. Zu\nseinen Aufgaben geh orte die Fuhrung der Ermittlungsakte der Polizei und der\nan die Staatsanwaltschaft zu ubergebenden Verfahrensakten. Dem Beamten wird\nvorgeworfen, dass ein vorgefundenes Beweismittel verandert habe, ohne dies\nkenntlich zu machen. Dieser Vorgang habe zu einer fehlerhaften Beweiswurdigung\ndurch die Staatsanwaltschaft gefuhrt. Des Weiteren wird ihm vorgeworfen einen\nAktenvermerk eines Kollegen uber ein Gesprach mit der Tatverdachtigen nicht an\ndie Staatsanwaltschaft weitergegeben zu haben. Dadurch habe er ein\nDienstvergehen begangen. Nach Einleitung und ordnungsgemaßer Durchfuhrung des\nDisziplinarverfahrens wurde dem Beamten durch den Leiter der Polizeidirektion\nwegen eines Dienstvergehens ein Verweis erteilt. Die Beschwerde des Beamten\nwurde von der Landespolizeidirektion Tubingen zuruckgewiesen. Der Beamte hat\ndagegen die Entscheidung der Disziplinarkammer beantragt._ \n---\n\n
141,366
fg-baden-wurttemberg-2005-10-20-8-k-31702
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
8 K 317/02
2005-10-20
2019-01-08 19:27:49
2019-01-17 12:01:32
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Streitig ist, ob die Voraussetzungen fur die Lohnsteuerpauschalierung gem.\n§ 40a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1998 fur geringfugig\nBeschaftigte im Kalenderjahr 1998 teilweise entfallen sind, weil der Klager\nals Arbeitgeber im Dezember 1998 zusatzlich zum vereinbarten Arbeitslohn ein\nfreiwilliges Weihnachtsgeld zahlte. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager war im Veranlagungszeitraum 1998 mit einem\nHolzverarbeitungsbetrieb gewerblich tatig und beschaftigte zahlreiche\nArbeitnehmer in Teilzeit. Der Klager als Arbeitgeber dieser\nTeilzeitbeschaftigten pauschalierte die Lohnsteuer gem. § 40a Abs. 2 EStG\n1998. Die Lohnsteuer wurde daher zunachst mit einem Pauschsteuersatz von 20\nvom Hundert erhoben. Im Anschluss an eine Lohnsteueraußenprufung am 25. April\n2002, die den Prufungszeitraum vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2001\numfasste, hat der Beklagte die Voraussetzungen fur die vom Klager\ndurchgefuhrte Pauschalierung der Lohnsteuer im Kalenderjahr 1998 bei einer\nReihe von teilzeitbeschaftigten Arbeitnehmern als nicht gegeben angesehen. Der\nmonatliche Arbeitslohn dieser teilzeitbeschaftigten Arbeitnehmer uberstieg den\ngesetzlichen Hochstbetrag fur eine Lohnsteuerpauschalierung in Hohe von\nmonatlich DM 620 in den Lohnzahlungszeitraumen Januar bis November 1998\nzunachst nicht. Der Klager gewahrte im Monat Dezember 1998 seinen\nArbeitnehmern ein freiwilliges Weihnachtsgeld, das der Beklagte nach der\nLohnsteueraußenprufung anteilig auf die monatlichen Lohnzahlungszeitraume\naufteilte. Dies hatte zur Folge, dass der Arbeitslohn einiger\nTeilzeitbeschaftigter den monatlichen Hochstbetrag fur die\nLohnsteuerpauschalierung uberstieg. Daruber hinaus wurden Aufwendungen fur\neinen mehrtagigen Betriebsausflug nach ... im Kalenderjahr 1999 nach der\nLohnsteueraußenprufung als steuerpflichtiger Arbeitslohn behandelt. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Feststellungen der Lohnsteueraußenprufung und die grundsatzliche\nHaftung des Klagers als Arbeitgeber fur die Lohnsteuer seiner Arbeitnehmer\nsind zwischen den Beteiligten im Ergebnis unstreitig. Bei funfzehn in Teilzeit\nbeschaftigten Arbeitnehmern wurde bei einer Gesamtsumme der Aushilfslohne in\nHohe von DM 63.251 die Pauschalierungsgrenze um insgesamt DM 1.235\nuberschritten. Der Betrag, der den fur die Lohnsteuerpauschalierung gesetzlich\nvorgesehenen Hochstbetrag von monatlich DM 620 uberstieg, betrug nach der\nanteiligen Berucksichtigung des Weihnachtsgelds je Kalendermonat bei dem\neinzelnen Arbeitnehmer mindestens DM 12 und hochstens DM 147 (Prozessakten Bl.\n17 - Auswertung der Lohnsteueraußenprufung -). Der Klager war laut\nAktenvermerk des Beklagten vom 7. Juni 2002 und 12. Juni 2002\n(Lohnsteuerakten) damit einverstanden, dass statt einer individuellen\nBesteuerung bei den betroffenen Arbeitnehmern ein Lohnsteuerhaftungsbescheid\nan ihn als Arbeitgeber ergeht. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Beklagte nahm aufgrund der Feststellungen der Lohnsteueraußenprufung\nmit Lohnsteuerhaftungs- und Lohnsteuernachforderungsbescheid vom 13. Juni 2002\nden Klager fur Lohnsteuer 1998 in Hohe von insgesamt EUR 11.286,56 nebst\nSolidaritatszuschlag sowie Kirchensteuer unter Anrechnung der bereits\nabgefuhrten Pauschalsteuer in Haftung und forderte Lohnsteuer fur die\nAufwendungen des mehrtagigen Betriebsausflugs 1999, deren Versteuerung mit\neinem Pauschsteuersatz in Hohe von 25 vom Hundert erfolgte, nach. Bei der\nBerechnung der Lohnsteuerhaftung wurde unter Berucksichtigung der\nindividuellen Besteuerungsmerkmale der betroffenen Arbeitnehmer ein\nNettosteuersatz von 34,9 vom Hundert zugrunde gelegt. Der Klager erhob am 15.\nJuli 2002 gegen den Lohnsteuerhaftungs- und Lohnsteuernachforderungsbescheid\nEinspruch, der vom Beklagten mit Einspruchsentscheidung vom 31. Oktober 2002\nals unbegrundet zuruckgewiesen wurde. Mit Schriftsatz vom 25. November 2002\nerhob der Klager Klage. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klager ist der Ansicht, dass er nach Treu und Glauben nicht im Wege der\nLohnsteuerhaftung in Anspruch genommen werden durfe. Er habe nicht gewusst,\ndass seine freiwillige Weihnachtsgeldzahlung zu einer Überschreitung der\nmonatlichen Pauschalierungsgrenzen fuhre. Es sei unverhaltnismaßig, wenn die\nPauschalierungsgrenze um insgesamt nur DM 1.235 uberschritten werde, die\nmonatliche Überschreitung hierbei maximal DM 147 und minimal DM 12 betrage, er\nals Arbeitgeber fur Lohnsteuer seiner Arbeitnehmer in vielfacher Hohe dessen\nin Haftung genommen werde. Die Zumutbarkeit sei hier erheblich uberschritten.\nEr sei ein ehrlicher, punktlicher und auch guter Steuerzahler, dem im\nStreitfall Gerechtigkeit zugute kommen musse. Es konne nicht im Sinne des\nGesetzes sein, in seinem Falle so zu verfahren, wie verfahren worden sei. Er\nglaube noch immer, dass es bei einem deutschen Gericht einen Richter geben\nmusse, der fur einen ehrlichen, guten und punktlichen Steuerzahler ein\ngerechtes Urteil falle. Der Klager ist der Auffassung, dass es an einem\nFinanzgericht jemanden geben solle, der ihm in dieser himmelschreienden\nUngerechtigkeit Recht gebe. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 7 \n--- \n| den Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 13. Juni 2002 in Gestalt der\nEinspruchsentscheidung vom 31. Oktober 2002 ersatzlos aufzuheben. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Beklagte beantragt unter Hinweis auf seine Einspruchsentscheidung, \n--- \n| 9 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der\nProzess-, und Lohnsteuerakten vollinhaltlich verwiesen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Mit dem Beteiligten wurde am 12. Mai 2005 ein Erorterungstermin\ndurchgefuhrt. Auf den Inhalt des Protokolls wird ebenfalls Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Senat hat am 11. Juli 2005 einen Gerichtsbescheid erlassen, der dem\nKlager am 22. Juli 2005 zugestellt wurde. Mit Schriftsatz vom 16. August 2005\nbeantragte der Klager mundliche Verhandlung. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 13 \n--- \n| 1\\. Die zulassige Klage ist unbegrundet. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 2 Satz 1 der\nFinanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht den angefochtenen Steuerbescheid\naufheben oder andern, soweit dieser rechtswidrig und der Klager dadurch in\nseinen Rechten verletzt ist. Der erkennende Senat kann den im Streitfall\nangefochtenen Lohnsteuerhaftungs- und Lohnsteuernachforderungsbescheid nicht\nals rechtswidrig beanstanden. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Klager haftet nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG 1998 fur die Lohnsteuer, die\ner einzubehalten und abzufuhren hat. Der Klager als Arbeitgeber hat es\nunterlassen, fur insgesamt funfzehn seiner Arbeitnehmer Lohnsteuer\neinzubehalten und abzufuhren. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Ein Arbeitgeber kann gem. § 40a Abs. 2 EStG 1998 statt die Lohnsteuer fur\nseine Arbeitnehmer individuell zu berechnen, einzubehalten und abzufuhren\nunter Verzicht auf die Vorlage einer Lohnsteuerkarte bei solchen\nArbeitnehmern, die nur in geringem Umfang und gegen geringen Arbeitslohn\nbeschaftigt werden, die Lohnsteuer im Kalenderjahr 1998 mit einem\nPauschsteuersatz von 20 vom Hundert des Arbeitslohns erheben. Eine\nBeschaftigung in geringem Umfang und gegen geringen Arbeitslohn liegt hierbei\nvor, wenn bei monatlicher Lohnzahlung die Beschaftigungsdauer 86 Stunden und\nder Arbeitslohn ein Siebtel der monatlichen Bezugsgroße im Sinne des § 18 Abs.\n1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch nicht ubersteigt. Diese monatliche\nBezugsgroße fur das Kalenderjahr 1998 betragt DM 620. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Dem Klager als Arbeitgeber steht im Streitfall ein steuerliches Wahlrecht\nnach § 40a Abs. 2 EStG 1998 jedoch nicht zu. Die monatliche Bezugsgroße von DM\n620 ist bei allen betroffenen funfzehn Arbeitnehmern uberschritten. Die\nfreiwillige Zahlung von Weihnachtsgeld im Dezember 1998 stellt nach § 8 Abs. 1\nEStG Einnahmen der teilzeitbeschaftigten Arbeitnehmer des Klagers bei ihren\nEinkunften aus nichtselbstandiger Arbeit gem. § 19 EStG dar. Diese Bezuge sind\ndem Grunde nach lohnsteuerpflichtig. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Bezuge, die nicht zum laufenden Arbeitslohn gehoren, sind fur die\nFeststellung, ob die Pauschalierungsgrenzen in den einzelnen\nLohnzahlungszeitraumen eingehalten sind, nach Auffassung der Finanzverwaltung\nrechnerisch gleichmaßig auf die Lohnzahlungs- oder Lohnabrechnungszeitraume zu\nverteilen, in denen die Arbeitsleistung erbracht wird, fur die sie eine\nBelohnung darstellen (vgl. R 128 Abs. 4 Satz 2 LStR 1996). Demnach sind\nUrlaubsgeld, Einmalbeitrage fur eine Direktversicherung und insbesondere - wie\nim Streitfall - Weihnachtsgeld auf die gesamte Beschaftigungszeit des\nKalenderjahrs zu verteilen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entspricht dieser von\nder Finanzverwaltung vertretenen Ansicht. Ob die Pauschalierungsgrenzen\neingehalten worden sind, kann sich nicht nach dem Zuflusszeitpunkt des\nArbeitslohns richten. Dieser Zuflusszeitpunkt ist zwar bedeutsam fur das\nEntstehen der pauschalen Lohnsteuer. Diese entsteht erst mit dem Zufluss des\nArbeitslohns. Fur die Beantwortung der Frage, welcher Lohn fur eine bestimmte\nArbeit gezahlt worden ist, kann aus dem Zahlungs- bzw. Zuflusszeitpunkt als\nsolchem nichts abgeleitet werden. Entscheidend fur die Einhaltung der\nPauschalierungsgrenzen ist daher allein, dass der Arbeitslohn, der in einem\nKalenderjahr fur eine bestimmte Arbeitsleistung gezahlt wird, die\nentsprechende Lohngrenze ubersteigt (BFH-Urteil vom 21. Juli 1989 VI R 157/87,\nSammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFHE) 157, 431,\nBundessteuerblatt (BStBl) II 1989, 1032). \n--- \n| 20 \n--- \n| Der erkennende Senat schließt sich im Streitfall dieser hochstrichterlichen\nRechtsprechung an. Demnach stellt die Zahlung des freiwilligen Weihnachtsgelds\ndurch den Klager eine Belohnung fur die in der gesamten Beschaftigungszeit\neines Kalenderjahres geleistete Arbeit dar. Dass diese Belohnung erst gegen\nEnde des Kalenderjahres und im Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest gezahlt\nwurde, macht sie nicht zum Arbeitslohn allein fur die Arbeitsleistung des\nMonats Dezember 1998. Es ist damit gerechtfertigt, das Weihnachtsgeld zur\nFeststellung, ob die monatlichen Pauschalierungsgrenzen im Kalenderjahr 1998\neingehalten sind, rechnerisch auf die einzelnen Kalendermonate zu verteilen,\nin denen die betroffenen funfzehn Arbeitnehmer beim Klager beschaftigt waren. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die rechnerische Verteilung des Weihnachtsgeldes auf die\nBeschaftigungsdauer - in der Regel auf die zwolf Kalendermonate eines\nKalenderjahres - hat zur Folge, dass regelmaßig erst am Ende eines\nKalenderjahres feststeht, in welchen Lohnzahlungszeitraumen die\nPauschalierungsgrenze eingehalten wurde und eine Lohnsteuerpauschalierung\nzulassig war. Eine unangemessene Verkomplizierung einer Vorschrift, die die\nLohnsteuererhebung bei Arbeitgebern erleichtern soll, die auf\nTeilzeitbeschaftigte angewiesen sind, kann der Senat nicht erkennen. Bei jeder\nZahlung von Weihnachtsgeld oder sonstigen Sonderzuwendungen hat der\nArbeitgeber zu prufen, ob die bisher vorgenommene Pauschalierung noch Bestand\nhat. Somit kann in diesen Fallen regelmaßig erst am Ende des Kalenderjahres\nfestgestellt werden, ob die Lohnsteuerpauschalierung der vorangegangenen\nmonatlichen Lohnzahlungszeitraume zu Recht erfolgt war. Hierauf hat sich der\nArbeitgeber einzustellen, wenn er z. B. in einem Kalenderjahr vom Beginn der\nBeschaftigung an die Pauschalierungsgrenzen stets voll ausschopfen will und\nstets ausgeschopft hat (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juli 1989 VI R 157/87, BFHE\n157, 431, BStBl II 1989, 1032). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Es verstoßt auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn\neinmalige Sonderzahlungen auf die monatlichen Lohnzahlungszeitraume des\nKalenderjahres der Beschaftigung verteilt werden. Entgegen der Ansicht des\nKlagers wurde weder durch das Gesetz noch durch eine Handlung des Beklagten\nein Vertrauenstatbestand geschaffen. Der Klager hatte in seiner Eigenschaft\nals Arbeitgeber vielmehr die gesetzlichen Bestimmungen der\nLohnsteuerpauschalierung zu beachten, wenn er sein steuerliches Wahlrecht -\nstatt des individuellen Lohnsteuerabzugs die Lohnsteuer seiner geringfugig\nbeschaftigten Arbeitnehmer zu pauschalieren - im Kalenderjahr 1998\nbeanspruchen wollte. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Ergibt sich bei der Verteilung des Weihnachtsgelds auf die\nLohnzahlungszeitraume des Kalenderjahrs wie im Streitfall, dass die fur einen\nLohnzahlungs- oder Lohnabrechnungszeitraum maßgebende Pauschalierungsgrenze in\nBezug auf die Hohe des Arbeitslohns uberschritten wurde, darf fur diesen\nZeitraum das Pauschalierungsverfahren nicht angewendet werden. Die\nZulassigkeit des Pauschalierungsverfahrens fur andere Zeitraume wird hiervon\nallerdings nicht beruhrt (vgl. R 128 Abs. 5 Satz 4 LStR 1996). Im Streitfall\nwurde diese Grenze bei funfzehn Arbeitnehmern in den betroffenen\nLohnzahlungszeitraumen des Kalenderjahres 1998 uberschritten. Die gesetzlichen\nTatbestandsvoraussetzungen einer Lohnsteuerpauschalierung liegen daher\ninsoweit nicht vor. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| 2\\. Die Revision war nicht zuzulassen, da im Streitfall Grunde im Sinne von\n§ 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 13 \n--- \n| 1\\. Die zulassige Klage ist unbegrundet. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 2 Satz 1 der\nFinanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht den angefochtenen Steuerbescheid\naufheben oder andern, soweit dieser rechtswidrig und der Klager dadurch in\nseinen Rechten verletzt ist. Der erkennende Senat kann den im Streitfall\nangefochtenen Lohnsteuerhaftungs- und Lohnsteuernachforderungsbescheid nicht\nals rechtswidrig beanstanden. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Klager haftet nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG 1998 fur die Lohnsteuer, die\ner einzubehalten und abzufuhren hat. Der Klager als Arbeitgeber hat es\nunterlassen, fur insgesamt funfzehn seiner Arbeitnehmer Lohnsteuer\neinzubehalten und abzufuhren. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Ein Arbeitgeber kann gem. § 40a Abs. 2 EStG 1998 statt die Lohnsteuer fur\nseine Arbeitnehmer individuell zu berechnen, einzubehalten und abzufuhren\nunter Verzicht auf die Vorlage einer Lohnsteuerkarte bei solchen\nArbeitnehmern, die nur in geringem Umfang und gegen geringen Arbeitslohn\nbeschaftigt werden, die Lohnsteuer im Kalenderjahr 1998 mit einem\nPauschsteuersatz von 20 vom Hundert des Arbeitslohns erheben. Eine\nBeschaftigung in geringem Umfang und gegen geringen Arbeitslohn liegt hierbei\nvor, wenn bei monatlicher Lohnzahlung die Beschaftigungsdauer 86 Stunden und\nder Arbeitslohn ein Siebtel der monatlichen Bezugsgroße im Sinne des § 18 Abs.\n1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch nicht ubersteigt. Diese monatliche\nBezugsgroße fur das Kalenderjahr 1998 betragt DM 620. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Dem Klager als Arbeitgeber steht im Streitfall ein steuerliches Wahlrecht\nnach § 40a Abs. 2 EStG 1998 jedoch nicht zu. Die monatliche Bezugsgroße von DM\n620 ist bei allen betroffenen funfzehn Arbeitnehmern uberschritten. Die\nfreiwillige Zahlung von Weihnachtsgeld im Dezember 1998 stellt nach § 8 Abs. 1\nEStG Einnahmen der teilzeitbeschaftigten Arbeitnehmer des Klagers bei ihren\nEinkunften aus nichtselbstandiger Arbeit gem. § 19 EStG dar. Diese Bezuge sind\ndem Grunde nach lohnsteuerpflichtig. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Bezuge, die nicht zum laufenden Arbeitslohn gehoren, sind fur die\nFeststellung, ob die Pauschalierungsgrenzen in den einzelnen\nLohnzahlungszeitraumen eingehalten sind, nach Auffassung der Finanzverwaltung\nrechnerisch gleichmaßig auf die Lohnzahlungs- oder Lohnabrechnungszeitraume zu\nverteilen, in denen die Arbeitsleistung erbracht wird, fur die sie eine\nBelohnung darstellen (vgl. R 128 Abs. 4 Satz 2 LStR 1996). Demnach sind\nUrlaubsgeld, Einmalbeitrage fur eine Direktversicherung und insbesondere - wie\nim Streitfall - Weihnachtsgeld auf die gesamte Beschaftigungszeit des\nKalenderjahrs zu verteilen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entspricht dieser von\nder Finanzverwaltung vertretenen Ansicht. Ob die Pauschalierungsgrenzen\neingehalten worden sind, kann sich nicht nach dem Zuflusszeitpunkt des\nArbeitslohns richten. Dieser Zuflusszeitpunkt ist zwar bedeutsam fur das\nEntstehen der pauschalen Lohnsteuer. Diese entsteht erst mit dem Zufluss des\nArbeitslohns. Fur die Beantwortung der Frage, welcher Lohn fur eine bestimmte\nArbeit gezahlt worden ist, kann aus dem Zahlungs- bzw. Zuflusszeitpunkt als\nsolchem nichts abgeleitet werden. Entscheidend fur die Einhaltung der\nPauschalierungsgrenzen ist daher allein, dass der Arbeitslohn, der in einem\nKalenderjahr fur eine bestimmte Arbeitsleistung gezahlt wird, die\nentsprechende Lohngrenze ubersteigt (BFH-Urteil vom 21. Juli 1989 VI R 157/87,\nSammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFHE) 157, 431,\nBundessteuerblatt (BStBl) II 1989, 1032). \n--- \n| 20 \n--- \n| Der erkennende Senat schließt sich im Streitfall dieser hochstrichterlichen\nRechtsprechung an. Demnach stellt die Zahlung des freiwilligen Weihnachtsgelds\ndurch den Klager eine Belohnung fur die in der gesamten Beschaftigungszeit\neines Kalenderjahres geleistete Arbeit dar. Dass diese Belohnung erst gegen\nEnde des Kalenderjahres und im Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest gezahlt\nwurde, macht sie nicht zum Arbeitslohn allein fur die Arbeitsleistung des\nMonats Dezember 1998. Es ist damit gerechtfertigt, das Weihnachtsgeld zur\nFeststellung, ob die monatlichen Pauschalierungsgrenzen im Kalenderjahr 1998\neingehalten sind, rechnerisch auf die einzelnen Kalendermonate zu verteilen,\nin denen die betroffenen funfzehn Arbeitnehmer beim Klager beschaftigt waren. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die rechnerische Verteilung des Weihnachtsgeldes auf die\nBeschaftigungsdauer - in der Regel auf die zwolf Kalendermonate eines\nKalenderjahres - hat zur Folge, dass regelmaßig erst am Ende eines\nKalenderjahres feststeht, in welchen Lohnzahlungszeitraumen die\nPauschalierungsgrenze eingehalten wurde und eine Lohnsteuerpauschalierung\nzulassig war. Eine unangemessene Verkomplizierung einer Vorschrift, die die\nLohnsteuererhebung bei Arbeitgebern erleichtern soll, die auf\nTeilzeitbeschaftigte angewiesen sind, kann der Senat nicht erkennen. Bei jeder\nZahlung von Weihnachtsgeld oder sonstigen Sonderzuwendungen hat der\nArbeitgeber zu prufen, ob die bisher vorgenommene Pauschalierung noch Bestand\nhat. Somit kann in diesen Fallen regelmaßig erst am Ende des Kalenderjahres\nfestgestellt werden, ob die Lohnsteuerpauschalierung der vorangegangenen\nmonatlichen Lohnzahlungszeitraume zu Recht erfolgt war. Hierauf hat sich der\nArbeitgeber einzustellen, wenn er z. B. in einem Kalenderjahr vom Beginn der\nBeschaftigung an die Pauschalierungsgrenzen stets voll ausschopfen will und\nstets ausgeschopft hat (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juli 1989 VI R 157/87, BFHE\n157, 431, BStBl II 1989, 1032). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Es verstoßt auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn\neinmalige Sonderzahlungen auf die monatlichen Lohnzahlungszeitraume des\nKalenderjahres der Beschaftigung verteilt werden. Entgegen der Ansicht des\nKlagers wurde weder durch das Gesetz noch durch eine Handlung des Beklagten\nein Vertrauenstatbestand geschaffen. Der Klager hatte in seiner Eigenschaft\nals Arbeitgeber vielmehr die gesetzlichen Bestimmungen der\nLohnsteuerpauschalierung zu beachten, wenn er sein steuerliches Wahlrecht -\nstatt des individuellen Lohnsteuerabzugs die Lohnsteuer seiner geringfugig\nbeschaftigten Arbeitnehmer zu pauschalieren - im Kalenderjahr 1998\nbeanspruchen wollte. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Ergibt sich bei der Verteilung des Weihnachtsgelds auf die\nLohnzahlungszeitraume des Kalenderjahrs wie im Streitfall, dass die fur einen\nLohnzahlungs- oder Lohnabrechnungszeitraum maßgebende Pauschalierungsgrenze in\nBezug auf die Hohe des Arbeitslohns uberschritten wurde, darf fur diesen\nZeitraum das Pauschalierungsverfahren nicht angewendet werden. Die\nZulassigkeit des Pauschalierungsverfahrens fur andere Zeitraume wird hiervon\nallerdings nicht beruhrt (vgl. R 128 Abs. 5 Satz 4 LStR 1996). Im Streitfall\nwurde diese Grenze bei funfzehn Arbeitnehmern in den betroffenen\nLohnzahlungszeitraumen des Kalenderjahres 1998 uberschritten. Die gesetzlichen\nTatbestandsvoraussetzungen einer Lohnsteuerpauschalierung liegen daher\ninsoweit nicht vor. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| 2\\. Die Revision war nicht zuzulassen, da im Streitfall Grunde im Sinne von\n§ 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. \n---\n\n
141,453
fg-baden-wurttemberg-2005-11-10-6-k-2604
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
6 K 26/04
2005-11-10
2019-01-08 19:28:46
2019-01-17 12:01:38
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Streitig ist, ob die von der Klagerin erbrachte Leistung umsatzsteuerfrei\nnach § 4 Nr. 8 Buchstabe a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ist. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin - in den Streitjahren in der Rechtsform der GmbH - ist ein\nFinanzdienstleistungsunternehmen und bot in den Streitjahren 1995 bis 1998\nu.a. ein Produkt mit der Bezeichnung "kreditfinanzierte Kombirente" an. Dieses\nProdukt umfasste folgende einzelnen Leistungen (Module): \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. Vermittlung einer sofort beginnenden Rentenversicherung gegen\nEinmalzahlung, aus der eine lebenslange Rentenzahlung ab Vertragsbeginn\nresultiert; \n--- \n| 2\\. Vermittlung eines Darlehens zur Finanzierung der Einmalzahlung, wobei\ndas Darlehen in jeder konvertiblen Wahrung aufgenommen werden kann; aus diesem\nund ggf. mit Eigenmitteln, sofern der Kunde uber Eigenmittel verfugt,\nEigenmittel verfugt, die eingesetzt werden sollen, wird der Einmalbetrag fur\ndie Rentenversicherung bestritten; Kreditgeber sind verschiedene\nGeschaftsbanken; \n--- \n| 3\\. Vermittlung eines Aktien-Investmentsparplan zur Ansparung der\nRuckzahlungsmittel fur das vermittelte Darlehen; den konkreten Vertragspartner\nkann der Kunde in Abstimmung mit dem Kreditgeber selbst wahlen; dieses Modul\nist aber nicht zwingend erforderlich; ggf. kann auf bereits bestehende\nSparplane zuruckgegriffen werden; \n--- \n| 4\\. Vermittlung einer Risikolebensversicherung zur Sicherung der\nfinanzierenden Bank; allerdings ist auch dieses Modul nicht zwingend\nerforderlich; sofern vorhanden kann auf bestehende frei verfugbare\nRisikolebensversicherungen zuruckgegriffen werden. \n--- \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den von der Klagerin vorgelegten\nProspekt (Bl. 48 ff. der FG-Akten) sowie Bl. 154 ff. der Betriebsprufungsakte\nBezug genommen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Ausweislich des Prospekts der Klagerin wird fur die Vermittlung und\nAbwicklung des Darlehens eine Kreditvermittlungsgebuhr in Hohe von 6 v.H.\nerhoben (vgl. Bl. 50 Ruckseite der FG-Akten). Sonstige Gebuhren sind in dem\nProspekt nicht erwahnt; ausweislich der vorgelegten Beispiele fur Computer-\nAnalysen werden weder ein Beratungshonorar noch Bankgebuhren noch sonstige\nGebuhren in Rechnung gestellt. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der typische Ablauf bei Abschluss einer kreditfinanzierten Kombirente\nstellt sich wie folgt dar: Der externe Vermittler - aus der Sicht der Klagerin\nein Untervermittler - fordert fur einen moglichen Interessenten bei der\nKlagerin ein Angebot mittels des "Anforderungscoupons fur Computer-Analyse"\nan. Die Klagerin fertigt sodann aufgrund der ermittelten Daten die\n"Computeranalyse", aus der sich u.a. ableiten lasst, ob der Interessent fur\ndie Kombirente zu denjenigen Personen gehort, fur die dieses Modell aufgrund\nihres Einkommens und der Steuerbelastung interessant sein kann (vgl. Seite 3\ndes Prospekts; Bl. 49 der FG-Akten); demnach kann Ergebnis der Computeranalyse\nauch sein, dass der Abschluss einer Kombi-Rente nicht angezeigt ist, weil z.B.\ndie erforderlichen Tilgungs- und Sparleistungen nicht mit hinreichender\nSicherheit erbracht werden konnen. Zu dieser Computeranalyse heißt es in dem\nProspekt: "Eine Kombirente kann erst nach erfolgter personlicher Computer-\nAnalyse gezeichnet werden: Diese ist folglich wesentlicher Bestandteil der\nVerkaufsunterlagen." (vgl. Bl. 55 Ruckseite). \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Untervermittler bespricht dann mit seinem Kunden das Angebot, sofern\ndie Computeranalyse den Abschluss des Modells grundsatzlich zulasst. Sagt es\ndem Kunden zu und erfullt der Kunde die von den in Frage kommenden\nfinanzierenden Banken vorgegebenen Kriterien (Zielgruppenvorgabe der Bank wie\nz.B. Mindesteinkommen, Berufsgruppenzugehorigkeit , Bonitat usw.), bereitet\nder Untervermittler die Zeichnungsunterlagen zusammen mit dem Kunden vor (vgl.\nAnlage zum Schriftsatz des Prozessbevollmachtigten der Klagerin vom 22. Juni\n2004). Zwingend erforderlich sind der Finanzierungsantrag und der Antrag auf\nRentenversicherung; nicht zwingend erforderlich sind die Antrage auf den\nInvestmentsparplan (z.B. weil der Kunde hier schon geeignete Vermogenswerte\nbesitzt) und die Risikolebensversicherung (z.B. weil der Kunde schon einen\ngeeigneten Vertrag besitzt, oder weil der Untervermittler diesen direkt mit\neiner anderen Lebensversicherungsgesellschaft als der ......................,\nmit der er in Vertragsbeziehungen steht, vermittelt). Ferner ist ein\nKreditvermittlungsantrag auszufullen, in dem der Kunde die Klagerin beauftragt\nmit dem Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Kreditvertrages oder der\nVermittlung eines Kreditvertrages. Fur den Nachweis der Gelegenheit zum\nAbschluss des Kreditvertrages oder der Vermittlung des Kreditbetrages erhalt\ndie Klagerin eine Vergutung i.H. von 6 v.H. des Darlehensbetrages;\nBankbearbeitungsgebuhren werden nicht erhoben. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| In dem Prospekt ist zwar der Abschluss des Kreditvertrages nicht zwingend\nvorgesehen, aber es werden die "Vorteile des Darlehens" in dem Prospekt fur\ndie kreditfinanzierte Kombirente (vgl. Bl. 51 der Akten) wie folgt\ndargestellt: \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| \n--- \nKreditfinanzierung ermoglicht eine hohe Sofortrente, ohne dass der \nAnleger freie Mittel fur die Zahlung des Einmalbetrages aufwenden muss. \nDie Kreditfinanzierung schont die Liquiditat des Anlegers. \nDer Anleger nutzt das Zinsgefalle (Zinsarbitrage) zwischen hoher \nGesamtverzinsung in der Rente und geringerem Darlehenszins. \nDie Darlehenskonzeption ermoglicht einen gleichbleibend hohen \nWerbungskostenabzug. \nDer Werbungskostenabzug aus dem Darlehen fuhrt zu einer steuerlichen \nEntlastung und mindert dadurch die Aufwendungen fur die \nAltersversorgung wahrend der Finanzierungsphase." \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Untervermittler reicht mit einem Formblatt "Begleitschreiben", das Teil\ndes Formularsatzes "Antrag Finanzierung" ist und zugleich eine Checkliste\ndarstellt, alle vom Kunden unterzeichneten Antrage nebst den von der Bank fur\ndie Finanzierungsprufung benotigten Unterlagen bei der Klagerin ein. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Klagerin kontrolliert sodann die Vollstandigkeit der Unterlagen und\nentscheidet, an welche Bank die Finanzierungsanfrage erfolgt, damit eine\nFinanzierungsubernahme mit großer Wahrscheinlichkeit erreicht wird, da die\nverschiedenen Banken uber unterschiedliche Konditionen verfugen. Zu dieser von\nder Klagerin zu treffenden Entscheidung liegen der Klagerin von den einzelnen\nzur Finanzierung bereiten Banken Übersichten uber die Konditionen vor. Diese\nsind freibleibend, d.h. ohne Anspruch auf Finanzierungsubernahme. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Entscheidung, ob eine Finanzierung zustande kommt, obliegt\nausschließlich der jeweiligen, von der Klagerin ausgesuchten Bank, bei der der\nAntrag des Kunden von der Klagerin eingereicht wird, und den dortigen\nKreditsachbearbeitern. Diese nehmen die Kreditwurdigkeitsprufung nach ihren\nbankinternen Vorgaben vor. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Kommt es zu einer negativen Finanzierungsentscheidung, so erhalt Klagerin\ndie Unterlagen des Kunden zuruck zur Ruckgabe an diesen; dies erfolgt dann\nuber den jeweiligen Untervermittler. Grundsatzlich versucht die Klagerin in\ndiesen Fallen, die Finanzierungsubernahme durch eine andere Bank zu\nrealisieren. Ist dies nicht moglich, wird der Antrag insgesamt an den\nUntervermittler und somit an den Kunden zuruckgereicht. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Sofern die finanzierende Bank zusatzliche Unterlagen benotigt, wird die\nKlagerin von der Bank entsprechend angeschrieben, und die Klagerin leitet\ndieses an den Untervermittler weiter, der wiederum den Kunden informiert, dort\ndie geforderten Unterlagen beschafft und diese an die Klagerin weiterleitet,\ndie sie ihrerseits bei der Bank einreicht. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Ist die Entscheidung uber den Kredit positiv, so erhalt der Kunde die\nKreditvertrage einschließlich der Begleitvereinbarungen (z.B. Abtretungs- und\nVerpfandungsantrage) direkt von der Bank zur Unterschrift zugesandt. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Klagerin wird in jedem Fall von der Bank uber die Kreditentscheidung\nals solche informiert, aus Datenschutzgrunden nicht jedoch uber deren Grunde;\ndiese Information ist fur die Klagerin insbesondere wichtig bei einer\nablehnenden Entscheidung. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| In Falle der positiven Entscheidung uber den Kreditantrag und nach Ruckgabe\naller vom Kunden unterzeichneten Kreditunterlagen an die Bank sowie Auszahlung\ndes Darlehens wird vom Kunden die Kreditvermittlungsgebuhr uber die\nfinanzierende Bank an die Klagerin uberwiesen. Nach Eingang der\nVermittlungsgebuhr erfolgt dann die Provisionsabrechnung von der Klagerin\ngegenuber dem Untervermittler. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Rechnungen der Klagerin haben dann folgenden Inhalt: "…auf Ihre\nZeichnung einer Kombi-Rente nehmen wir Bezug und erlauben uns, wie mit Ihnen\nvereinbart, unsere Gebuhren im Zusammenhang mit der Finanzierungsvermittlung\nwie folgt abzurechnen: Kreditvermittlung … DM. " \n--- \n| 19 \n--- \n| Rechnerisch wird dann - wie sich auch aus der Computer-Analyse ergibt -\neine Provision in Hohe von 6 v.H. des vermittelten Kreditbetrages ausgewiesen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| In der Zeit vom Februar 2001 bis Dezember 2002 fand bei der Klagerin eine\nAußenprufung statt, die sich u.a. auf die Umsatzsteuer der\nVeranlagungszeitraume 1995 bis 1998 erstreckte (vgl. Bericht uber die\nAußenprufung vom 20. Dezember 2002 - Bp-Bericht). Der Betriebsprufer vertrat\ndie Auffassung, dass die Gebuhren fur die Vermittlung der Darlehen nicht nach\n§ 4 Nr. 8a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der in den Streitjahren gultigen\nFassung steuerfrei sei (vgl. Tz. 7.0.2 des Bp-Berichts). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Im Streitjahr 1995 ergab sich im Einzelnen Folgendes: \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Es wurden mit folgenden Banken folgende Anzahl von Finanzierungen\nabgeschlossen: \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| \n--- \nBank | Anzahl der Finanzierungen \n............... | | .. \n--- \n..................... | | .. \n--- \n........................ | | .. \n--- \n....... | | .. \n--- \n...................... | | .. \n--- \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Mit den kreditgebenden Banken bestanden keine Provisionsvereinbarungen;\nd.h. die Klagerin hat nach ihren Angaben aus der Kreditvermittlung von den\nBanken keine Provisionen vereinnahmt. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Mit den nachfolgenden Versicherungsgesellschaften bestanden im Streitjahr\n1995 Provisionsvereinbarungen fur die Rentenvermittlung gegen Einmalbetrag: \n--- \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| \n--- \nVersicherungsgesellschaft | Abschlussprovision \n........... \n.......... \n......... \n............. \n......... \n--- \n| 27 \n--- \n| Von den 1995 erhaltenen Provisionen und Kreditvermittlungsgebuhren hat die\nKlagerin an die Untervermittler weitergeleitet: \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| \n--- \n| Vereinnahmte \n--- \n| Weitergeleitete \n--- \n| Kreditvermittlungsgebuhr: \n--- \n| Kreditvermittlungsgebuhr: \n--- \n| ............. DM \n--- \n| ........... DM \n--- \n| Vereinnahmte Provisionserlose \n--- \n| Weitergeleitete Provisionserlose \n--- \n| aus der Vermittlung von \n--- \n| aus der Vermittlung von \n--- \n| Rentenversicherungen: \n--- \n| Rentenversicherungen: \n--- \n| ........... DM \n--- \n| .......... DM \n--- \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Fur die Betreuung des Modells "kreditfinanzierte Kombirente" hat die\nKlagerin im Streitjahr 1995 ca. .......... DM fur EDV (inklusiv\nPersonalkosten) aufgewendet. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Klagerin hat im Streitjahr 1995 im Zusammenhang mit dem Modell keine\nRechtsstreitigkeiten gefuhrt. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Fur die Kontrolle, Überwachung und Aktualisierung der Ausfuhrungen in den\nProspekten usw. hat die Klagerin keine Zahlungen an Angehorige der\nsteuerberatenden Berufe i.S. von § 3 des Steuerberatungsgesetzes geleistet.\nSonstige dem Modell zuordenbare Aufwendungen wurden ebenfalls nicht getatigt. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die umsatzsteuerfreien Erlose betrugen im Streitjahr 1995 lt. Bp-\nBericht............... DM, die umsatzsteuerpflichtigen\nErlose.................. DM; hinzu kamen die Umsatzsteuer fur Kfz-Nutzung\n(........... DM). \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Das beklagte Finanzamt -FA- schloss sich der Rechtsauffassung des\nBetriebsprufers an und erließ mit Datum 7. Februar 2003 entsprechende, nach §\n164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geanderte Umsatzsteuerbescheide. Wahrend\nfur das Streitjahr 1995 ursprunglich eine Steuerfestsetzung mit 0,00 DM\nerfolgte, wird im geanderten Bescheid vom 7. Februar 2003 eine\nUmsatzsteuerschuld von........ DM (=.......... EUR) festgesetzt. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Gegen die geanderten Umsatzsteuerbescheide erhob die Klagerin mit\nSchriftsatz vom 27. Februar 2003, der am 28. Februar 2003 bei Gericht einging,\nSprungklage nach § 45 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Dem FA wurde die Klage\nam 21. Marz 2003 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 15. April 2003, der am\ngleichen Tag bei Gericht eingegangen ist, wurde der Sprungklage zugestimmt. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Mit Beschluss vom 3. Marz 2005 wurden die Verfahren betreffend Umsatzsteuer\n1996, 1997 und 1998 auf ubereinstimmenden Antrag der Beteiligten hin nach § 73\nAbs. 1 Satz 2 FGO abgetrennt und das Ruhen bis zum rechtskraftigen Abschluss\ndes vorliegenden Verfahrens angeordnet. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Klagerin tragt im Wesentlichen folgendes vor: Zu Unrecht gehe die\nFinanzverwaltung nicht von einer umsatzsteuerfreien Leistung aus; im\nVordergrund stehe die Kreditvermittlung; die Computerberechnung sei nicht\nSelbstzweck, sondern ein ubliches und erforderliches Beratungsmittel.\nUmsatzsteuerlich musse der Vorgang aus der Sicht des Leistenden beurteilt\nwerden. Aus der Sicht der Klagerin stelle die Kreditvermittlungsgebuhr\nausschließlich das Entgelt fur die Verschaffung der Finanzierung dar und\nenthalte keine sonstigen Entgeltsbestandteile. Soweit die Klagerin im\nZusammenhang der der Kreditvermittlung weitere Leistungen erbringen wurde,\nstanden diese in einem so engen Zusammenhang mit der Kreditvermittlung, dass\nauch sie von der Umsatzsteuerfreiheit erfasst wurden. Auch konne das Entgelt\nnicht unter dem Gesichtspunkt des § 42 AO aufgeteilt werden; denn alles, was\nder Leistende fur seine Leistung empfangen habe, gehore zur\numsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage. Im Übrigen sei nach der\nRechtsprechung des Bundesfinanzhofes -BFH- bei abgeschlossenen Vertragen nicht\nmaßgebend, ob sie dem Fremdvergleich stand halten wurden. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Die von der Klagerin insgesamt erbrachte Leistung sei umsatzsteuerfrei. \n--- \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, den geanderten Umsatzsteuerbescheid fur 1995\ndahingehend zu andern, dass die der Besteuerung unterworfenen\nKreditvermittlungsgebuhren als umsatzsteuerfrei behandelt werden, hilfsweise\nfur den Fall des Unterliegens Zulassung der Revision wegen grundsatzlicher\nBedeutung der Rechtssache. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Das FA beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise fur den Fall des\nUnterliegens Zulassung der Revision wegen grundsatzlicher Bedeutung der\nRechtssache. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung wird im wesentlichen\nweisungsgemaß aufgrund eines Beschlusses der Umsatzsteuerreferenten des Bundes\nund der Lander vorgetragen, dass Klagerin nicht die einzelnen Bestandteile der\nKombirente von der isoliert vermittelt werden wurden, sondern sie wurde ein\nSteuersparmodell vermitteln. Da die Klagerin in eigenem Interesse handele,\nliege hinsichtlich der Verschaffung des Steuervorteils eine einheitliche\nLeistung gegenuber dem jeweiligen Kunden vor, die nicht unter die\nSteuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 8a UStG in der in den Streitjahren\ngultigen Fassung falle und damit uneingeschrankt steuerpflichtig sei. Dies sei\ndie Hauptleistung der Klagerin, nicht die Vermittlung der einzelnen\nDienstleistungen im Rahmen der Kombirente. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsatze, die\nsich in der finanzgerichtlichen Akte befinden, die von der Klagerin\nvorgelegten Unterlagen, die vom FA vorgelegten Steuerakten sowie auf die\nNiederschriften uber den Erorterungstermin vom 17. Mai 2004 sowie uber die\nmundliche Verhandlung vom 31. Januar 2005 und vom 10. November 2005 Bezug\ngenommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 42 \n--- \n| Die Klage ist begrundet. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG in der in dem Streitjahr gultigen Fassung\nunterliegen der Umsatzsteuer die sonstigen Leistungen - Lieferungen kommen von\nder Sache im vorliegenden Streitfall nicht in Betracht -, die ein Unternehmer\nim Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausfuhrt. Von den unter\n§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden sonstigen Leistungen sind die sonstigen\nLeistungen steuerfrei, die unter den Katalog des § 4 UStG fallen. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass die einzelnen Leistungen der\nKlagerin, betrachtet man sie jeweils isoliert fur sich, nicht der\nUmsatzbesteuerung zu unterwerfen sind: \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| \n--- \na) Die Vermittlung einer Rentenversicherung gegen Einmalzahlung ist \nnach § 4 Nr. 11 UStG umsatzsteuerfrei (vgl. BFH-Urteil vom 9. \nJuli 1998 V R 62/97, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1999, 253). \nb) Die Vermittlung einer Risikolebensversicherung ist nach § 4 Nr. \n| 11 UStG umsatzsteuerfrei (BFH in BStBl II 1999, 253). \n--- \nc) Die Vermittlung eines Kredits ist nach § 4 Nr. 8 Buchstabe a) \nUStG umsatzsteuerfrei (BFH Urteil vom 9. Oktober 2003 V R 5/03, \nBStBl II 2003, 958; BFH Beschluss vom 9. Juli 2003 V B 200, \n| 201/02, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- \n--- \n| 2003, 1454; Europaischer Gerichtshof -EuGH- Urteil vom 13. \n--- \nDezember 2001 C-235/00, BFH/NV Beilage 2002, 35). \nd) Die Vermittlung eines Aktien-Investmentsparplan ist nach § 4 Nr. \n| 8 Buchstabe e) und f) UStG umsatzsteuerfrei (BFH Urteil vom 18. \n--- \nJuli 2002 V R 44/01, BStBl II 2003, 730; Abschnitt 64, 66 der \nUmsatzsteuer-Richtlinien -UStR-). \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Die Computeranalyse stellt nach Auffassung des erkennenden Senats keine\nselbstandige Leistung dar, sondern ist nur eine unselbststandige Nebenleistung\nzu der Vermittlungsleistung, weil sie fur den Leistungsempfanger keinen\neigenen Zweck hat, sondern das Mittel darstellt, um entscheiden zu konnen, ob\ner die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch\nnehmen kann (BFH vom 31. Mai 2001 V R 97/98, BStBl II 2001, 658; vom 11.\nNovember 2004 V R 30/04, BFH/NV 2005, 483; vom 18. August 2004 V R 20/03, noch\nnicht veroffentlicht; EuGH Urteil vom 25. Februar 1999 C-349/96, BFH/NV\nBeilage 2005, 289). Sie stellt sich als Teil der mit der Vermittlung\nverbundenen "Kaufberatung" durch den Leistenden dar. Kommt es nicht zum\nAbschluss eines Vertrages ist die Computeranalyse fur den Empfanger wertlos;\nsie ist demnach fur ihn nichts anderes als ein Prufkriterium, ob das Konzept\nsich fur ihn wirtschaftlich rechnet. Dafur spricht auch, dass es\ngerichtsbekannt ist, dass privatrechtliche und offentlich-rechtliche\nKreditinstitute vor Abschluss eines Kreditvertrages die Bonitat ihres Kunden\nuberprufen und im Rahmen einer Liquiditatsrechnung, z.B. bei einer\nHausfinanzierung die steuerlichen Auswirkungen der Zinsen ebenso\nberucksichtigen wie auch die Gewahrung der Eigenheimzulage. Ziel ist es, den\nKunden (Leistungsempfanger) zu beraten, ob er sich die Leistung des Leistenden\nwirtschaftlich leisten kann, ob sie fur ihn sinnvoll ist; gleichzeitig mochte\nsich das Kreditinstitut vor einem etwaigen Ausfall oder Regressanspruchen\nwegen unterlassener Beratung absichern (vgl. Bundesgerichtshof -BGH- Urteil\nvom 15. Oktober 2004 V ZR 233/03). Die beiden ehrenamtlichen Richter, die\nleitende Funktionen bei Kreditinstituten wahrnehmen bzw. wahrgenommen haben,\nhaben dies bestatigt. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Die vom FA vertretene Rechtsauffassung, dass es sich um eine insgesamt\neinheitliche Leistung handele, die auf die Verschaffung eines Steuervorteils\ngerichtet sei, ist unzutreffend: \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Auszugehen ist von dem Grundsatz, das jede Dienstleistung in der Regel als\neigene, selbstandige Leistung zu betrachten ist (BFH-Urteil vom 9. Juni 2005 V\nR 50/02, BFH/NV 2005, 1952). Andererseits darf eine wirtschaftlich\neinheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden\nMehrwertsteuersystems nicht kunstlich aufgespalten werden. Daher ist das Wesen\ndes fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Leistende dem\nLeistungsempfanger (Verbraucher) mehrere selbstandige Hauptleistungen oder\neine einheitliche Leistung erbringt. Dabei ist auf die Sicht des\nDurchschnittsverbrauchers abzustellen. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Fur die Annahme einer einheitlichen Leistung gelten im Wesentlichen folgende\n(gemeinschaftsrechtlich geklarte) Grundsatze (EuGH-Urteil vom 25. Februar 1999\nC-349/96, BFH/NV Beilage 2005, 289 Rdnr. 29 ff.; BFH-Urteil vom 31. Mai 2001 V\nR 97/98, BStBl II, 2001, 658; Urteil vom 24. Februar 2005 V R 26/03, BFH/NV\n2005, 1395): Eine einheitliche Leistung liegt insbesondere vor, wenn ein oder\nmehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile die\nNebenleistung sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen.\nEine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie\nfur die Leistungsempfanger keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt,\num die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu\nnehmen. Dem Umstand, dass ein Gesamtpreis in Rechnung gestellt wird, kommt\ndamit keine entscheidende Bedeutung zu. Freilich kann es fur das Vorliegen\neiner einheitlichen Leistung sprechen, wenn ein Leistender seinen Kunden eine\naus mehreren Teilen zusammengesetzte Dienstleistung gegen Zahlung eines\nGesamtpreises erbringt. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Bei der Entscheidung, ob ein "Leistungsbundel" bzw. das Gesamtentgelt dafur\nauf die einzelnen Leistungen aufzuteilen ist, um einem steuerbefreiten\nLeistungsteil Geltung zu verschaffen, ist auch der Eingangssatz des Art. 13\nTeil B der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur\nHarmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten uber die\nUmsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem - zu beachten: Er bestimmt,\ndass die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewahrleistung\neiner korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie\nzur Verhutung von Steuerhinterziehung und etwaigen Missbrauchen festsetzen,\ndie in der Bestimmung bezeichneten Umsatze von der Steuer befreien. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Deshalb konnen zusammengehorige Vorgange nicht bereits als einheitliche\nLeistung angesehen werden, weil sie einem einheitlichen wirtschaftlichen Ziel\ndienen. Dass die einzelnen Leistungen auf einem einheitlichen Vertrag beruhen\nund fur sie ein Gesamtentgelt entrichtet wird, reicht ebenfalls noch nicht\naus, sie umsatzsteuerrechtlich als Einheit zu behandeln. Entscheidend ist der\nwirtschaftliche Gehalt der erbrachten Leistungen. Wenn mehrere, untereinander\ngleich zu wertende Faktoren zur Erreichung dieses Ziels beitragen und aus\ndiesem Grund zusammengehoren, ist die Annahme einer einheitlichen Leistung nur\ngerechtfertigt, wenn die einzelnen Faktoren so ineinander greifen, dass sie\nbei naturlicher Betrachtung hinter dem Ganzen zurucktreten. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Diese Voraussetzungen werden im vorliegenden Streitfall nicht erfullt: \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Unstreitig fehlt es an einem einheitlichen Gesamtentgelt. Der\nLeistungsempfanger hat nur fur die Vermittlung des Kredits eine Entgelt zu\nentrichten; alle sonstigen von der Klagerin erbrachten Leistungen erfolgten\nnach den ausdrucklichen Vereinbarungen zwischen dem Leistenden und dem\nLeistungsempfanger unentgeltlich. Im Übrigen entspricht es den Gepflogenheiten\ndes Wirtschaftslebens, dass der Versicherungsnehmer kein Entgelt fur die\nVermittlung der Versicherung entrichtet; diese wird vielmehr von den\nVersicherungsgesellschaften an den Vermittler entrichtet (vgl. BGH Urteil vom\n14. April 2005 III ZR 287/01 unter 3. c) der Entscheidungsgrunde mit weiteren\nNachweisen). \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Der Leistungsempfanger kann, was auch nicht vom FA bestritten wird, aus dem\nLeistungsangebot auswahlen und seine ihm selbst zusagende Kombination\nauswahlen. Er ist nicht gezwungen, alle vier Module abzuschließen, sondern\nkann sich unter Berucksichtigung seiner eigenen Vermogenslage ohne Zwang durch\nden Leistenden frei entscheiden, welche Module er wahlt. Somit ist\nfestzustellen, dass die eingangs genannten vier Module zwar auf einander\nabgestimmt sind, dass sie aber nicht derart zwingend ineinander greifen, dass\nnur die Leistung aller vier Module aus der Sicht des Leistungsempfangers als\ndie Leistung des Leistenden anzusehen ist, wenn man auf die Sicht des\nDurchschnittsverbrauchers abstellt. Wie sich auch aus der Ertragssituation der\nKlagerin ergibt, war sie vorrangig an der Vermittlung der Rentenversicherung\ninteressiert. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| Wenn also der Leistungsempfanger aus dem Gesamtangebot frei auswahlen kann\nund bei dem einzelnen gewahlten Modul noch spezielle Spezifikationen wahlen\nkann (Bsp.: Bestreitung des Einmalbetrags fur die Rentenzahlung durch eine\nKombination aus Eigenmittel und Darlehen), so liegt nach Auffassung des\nerkennenden Senats kein einheitliches Leistungsbundel in der Weise vor, dass\nman es umsatzsteuerrechtlich als einheitliche Leistung qualifizieren konnte. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Weiter stehen nach Auffassung des Senats die einzelnen Leistungen auch nicht\nim Verhaltnis von Haupt- und Nebenleistung zu einander (vgl. auch BFH-Urteil\nvom 24. Februar 2005 V R 26/03, BFH/NV 2005, 1395; Beschluss vom 18. Januar\n2005 V R 61/03, BFH/NV 2005, 812): Wirtschaftlich betrachtet ist keines der\nvier Module in einer derartigen Abhangigkeit von einem anderen Modul, wie es\nder EuGH in seiner Rechtsprechung formuliert hat (EuGH in BFH/NV Beilage 2005,\n289). Denn wirtschaftlich betrachtet kann auch jedes einzelne Modul ohne die\nanderen Module fur sich einen Sinn fur den Leistungsempfanger besitzen. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Fur die Leistungsbeziehungen ist auf die Sicht des Leistungsempfangers\nabzustellen. Nach Auffassung des Senats ist bei der Sicht eines\nDurchschnittsverbrauchers die Rentenversicherung gegen Einmalzahlung\ndasjenige, was er vom Leistenden erwartet. Hierin unterscheidet sich das\nKombi-Renten-Modell vom klassischen Steuersparmodell vor Einfuhrung des § 2b\ndes Einkommensteuergesetzes, bei dem der Anleger nur investiert, um den\nSteuervorteil zu erlangen. Im vorliegenden Fall erhalt der Investierende eine\nGegenleistung und eine Verzinsung in Form der lebenslangen Rentenzahlungen. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| Die vom FA vertretene Auffassung, dass die Klagerin dem Leistungsempfanger\ngegen Entgelt einen Steuervorteil verschafft und dies Gegenstand der\nLeistungsbeziehung sei, ist aus mehreren Grunden unzutreffend: Die Klagerin\nist nicht in der Lage dem einzelnen Leistungsempfanger einen Steuervorteil zu\nverschaffen, weil uber die (ertrag-) steuerliche Qualifizierung der\nkreditfinanzierten lebenslangen Rentenversicherung gegen Einmalzahlung\nausschließlich das Finanzamt als staatliche Behorde im Rahmen der\nEinkommensteuer-Veranlagung entscheidet und in letzter Konsequenz die\nFinanzgerichte (vgl. die unterschiedliche Rechtsprechung der Finanzgerichte zu\ndiesem Themenkomplex: FG Koln Urteil vom 30. Juni 2004 8 K 6763/00,\nEntscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2004, 1762; FG Koln Urteil vom 17.\nFebruar 2004 8 K 6831/00, EFG 2004, 884; FG Dusseldorf Urteil vom 3. Juni 2003\n9 K 1783/01 E, EFG 2003, 1299; FG des Saarlandes Beschluss vom 6. Februar 2004\n1 V 335/03, Haufe Rechtsprechungsdatenbank Haufe-Index, 1121048; FG Dusseldorf\nUrteil vom 16. Oktober 2003 10 K 2634/99 E, Haufe Rechtsprechungsdatenbank\nHaufe-Index, 1328328; FG Koln Urteil vom 21. August 2002 5 K 613/02, EFG 2003,\n272; FG Munchen Urteil vom 24. Juli 2002 10 K 1726/00, EFG 2003, 31; FG\nDusseldorf Urteil vom 21. Februar 2002 10 K 5523/96 E, EFG 2002, 840; FG\nNurnberg Urteil vom 22. September 2000 VII 81/96, Haufe\nRechtsprechungsdatenbank Haufe-Index, 706347; FG Baden-Wurttemberg Urteil vom\n4. Mai 1999 4 K 212/98, Haufe Rechtsprechungsdatenbank Haufe-Index, 1111644;\nFG Baden-Wurttemberg Urteil vom 4. Mai 1999 4 K 198/98, EFG 2000, 924; FG Koln\nUrteil vom 19. November 1997 11 K 6482/94, Haufe Rechtsprechungsdatenbank\nHaufe-Index 981219; FG Munster Urteil vom 18. September 1997 14 K 5268/95 E,\nHaufe Rechtsprechungsdatenbank Haufe-Index 944861; FG Dusseldorf Urteil vom\n22. Dezember 1994 14 K 3009/94 E, Haufe Rechtsprechungsdatenbank Haufe-Index,\n853288) und der BFH (vgl. BFH Urteil vom 16. September 2004 X R 19/03, BFH/NV\n2005, 120; Urteil vom 30. Oktober 2001 VIII R 29/00, BFH/NV 2002, 268). Anders\nausgedruckt: Eine bestimmte steuerliche Behandlung durch das Finanzamt oder\ndurch das Finanzgericht kann mangels Verfugungsbefugnis des Leistenden nicht\nGegenstand eines Leistungsaustausches sein. Wenn uberhaupt - legt man die\nAuffassung des FA einmal zu Grunde - hatte Gegenstand des Leistungsaustausches\ndie unsichere Chance zur steuerlichen Anerkennung der Darlehenszahlungen als\nertragsteuerliche Werbungskosten sein konnen. \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Dem stimmt der Senat allerdings nicht zu; er sieht vielmehr bei einer\nwirtschaftlichen Gesamtschau die Chance, die Darlehenszinsen als\nWerbungskosten bei der Einkunften aus Kapitalvermogen im Rahmen der\nEinkommensteuer-Veranlagung anerkannt zu bekommen als Verkaufsargument und\nggf. als Nebenleistung i.S. der oben zitierten EuGH-Rechtsprechung, die das\nSchicksal der Hauptleistung - Vermittlung eines Darlehens, Vermittelung einer\nRentenversicherung - teilt. Dafur spricht auch die ertragsteuerliche\nGesamtbetrachtung, die zu einer steuerlichen Berucksichtigung der\nDarlehenszinsen als abzugsfahige Werbungskosten nur dann gelangen kann, wenn\nder Leistungsempfanger langfristig einen Überschuss der Ertragsanteile der\nRenten uber die Refinanzierungsaufwendungen erzielt; anderenfalls wurde es\nsich um ertragsteuerliche Liebhaberei handeln. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| Ferner ist aus der Sicht des erkennenden Senats auch zu berucksichtigen,\ndass ein Entgelt nur dann zu zahlen ist, wenn es tatsachlich zum Abschluss des\nKreditvertrages kommt. Geschieht dies nicht, so bleiben alle von der Klagerin\nerbrachten Leistungen - einschließlich der Computeranalyse - unvergutet. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| Die vorstehenden Ausfuhrungen bedeuten, dass das vom Leistungsempfanger\naufzuwendende Entgelt fur die Kreditvermittlung auch nur fur diese gezahlt\nwurde. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| Auch die Tatsache, dass fur die Kreditvermittlung ein Entgelt von 6 v.H. der\nvermittelten Kreditsumme vereinbart wurde fuhrt aus der Sicht des Senats zu\nkeinem anderen Ergebnis. Soweit der BFH in BFH/NV 2005, 120 unter Bezugnahme\nauf die Zivilrechtsprechung ausfuhrt, dass eine Provision von 6 v.H. als von\nder Zivilrechtsprechung in den achtziger Jahren als sittenwidrig uberhoht\nangesehen wurde, ist hierzu festzustellen, dass die Sittenwidrigkeit einer\ngetroffenen Vereinbarung und die daraus resultierende zivilrechtliche\nNichtigkeit steuerlich unbeachtlich ist, wenn die Beteiligten das Ergebnis des\nLeistungsaustausches gleichwohl - wie im Streitfall geschehen - bestehen\nlassen (vgl. § 40 AO). Im Übrigen hat der Senat an der Sittenwidrigkeit unter\nBerucksichtigung der neueren Rechtsprechung des BGH erhebliche Zweifel, wenn\nman davon ausgeht, dass die Kreditvermittlung im Interesse des Kreditnehmers\nlag, weil er nur so an den erwunschten steuerlichen Nebenzweck gelangt (vgl.\nBGH Urteil vom 3. Juni 2003 XI ZR 289/02 mit weiteren Nachweisen unter 2. der\nEntscheidungsgrunde). \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| Unter Berucksichtigung aller Umstande des Einzelfalls ist der erkennende\nSenat der Auffassung, dass im Streitfall von der Klagerin keine einheitliche\nLeistung, sondern einzelne Leistungen angeboten wurden und auch Gegenstand der\nLeistungsbeziehungen waren, und dass das Entgelt ausschließlich fur die\nKreditvermittlung entrichtet wurde; da die Kreditvermittlung unter § 4 Nr. 8\nBuchstabe a UStG fallt, ist der Umsatz steuerfrei. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| Die Entscheidung uber die Kosten folgt aus § 135 der Finanzgerichtsordnung\n(FGO). \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| Die Revision wird wegen grundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115\nAbs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 42 \n--- \n| Die Klage ist begrundet. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG in der in dem Streitjahr gultigen Fassung\nunterliegen der Umsatzsteuer die sonstigen Leistungen - Lieferungen kommen von\nder Sache im vorliegenden Streitfall nicht in Betracht -, die ein Unternehmer\nim Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausfuhrt. Von den unter\n§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden sonstigen Leistungen sind die sonstigen\nLeistungen steuerfrei, die unter den Katalog des § 4 UStG fallen. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass die einzelnen Leistungen der\nKlagerin, betrachtet man sie jeweils isoliert fur sich, nicht der\nUmsatzbesteuerung zu unterwerfen sind: \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| \n--- \na) Die Vermittlung einer Rentenversicherung gegen Einmalzahlung ist \nnach § 4 Nr. 11 UStG umsatzsteuerfrei (vgl. BFH-Urteil vom 9. \nJuli 1998 V R 62/97, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1999, 253). \nb) Die Vermittlung einer Risikolebensversicherung ist nach § 4 Nr. \n| 11 UStG umsatzsteuerfrei (BFH in BStBl II 1999, 253). \n--- \nc) Die Vermittlung eines Kredits ist nach § 4 Nr. 8 Buchstabe a) \nUStG umsatzsteuerfrei (BFH Urteil vom 9. Oktober 2003 V R 5/03, \nBStBl II 2003, 958; BFH Beschluss vom 9. Juli 2003 V B 200, \n| 201/02, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- \n--- \n| 2003, 1454; Europaischer Gerichtshof -EuGH- Urteil vom 13. \n--- \nDezember 2001 C-235/00, BFH/NV Beilage 2002, 35). \nd) Die Vermittlung eines Aktien-Investmentsparplan ist nach § 4 Nr. \n| 8 Buchstabe e) und f) UStG umsatzsteuerfrei (BFH Urteil vom 18. \n--- \nJuli 2002 V R 44/01, BStBl II 2003, 730; Abschnitt 64, 66 der \nUmsatzsteuer-Richtlinien -UStR-). \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Die Computeranalyse stellt nach Auffassung des erkennenden Senats keine\nselbstandige Leistung dar, sondern ist nur eine unselbststandige Nebenleistung\nzu der Vermittlungsleistung, weil sie fur den Leistungsempfanger keinen\neigenen Zweck hat, sondern das Mittel darstellt, um entscheiden zu konnen, ob\ner die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch\nnehmen kann (BFH vom 31. Mai 2001 V R 97/98, BStBl II 2001, 658; vom 11.\nNovember 2004 V R 30/04, BFH/NV 2005, 483; vom 18. August 2004 V R 20/03, noch\nnicht veroffentlicht; EuGH Urteil vom 25. Februar 1999 C-349/96, BFH/NV\nBeilage 2005, 289). Sie stellt sich als Teil der mit der Vermittlung\nverbundenen "Kaufberatung" durch den Leistenden dar. Kommt es nicht zum\nAbschluss eines Vertrages ist die Computeranalyse fur den Empfanger wertlos;\nsie ist demnach fur ihn nichts anderes als ein Prufkriterium, ob das Konzept\nsich fur ihn wirtschaftlich rechnet. Dafur spricht auch, dass es\ngerichtsbekannt ist, dass privatrechtliche und offentlich-rechtliche\nKreditinstitute vor Abschluss eines Kreditvertrages die Bonitat ihres Kunden\nuberprufen und im Rahmen einer Liquiditatsrechnung, z.B. bei einer\nHausfinanzierung die steuerlichen Auswirkungen der Zinsen ebenso\nberucksichtigen wie auch die Gewahrung der Eigenheimzulage. Ziel ist es, den\nKunden (Leistungsempfanger) zu beraten, ob er sich die Leistung des Leistenden\nwirtschaftlich leisten kann, ob sie fur ihn sinnvoll ist; gleichzeitig mochte\nsich das Kreditinstitut vor einem etwaigen Ausfall oder Regressanspruchen\nwegen unterlassener Beratung absichern (vgl. Bundesgerichtshof -BGH- Urteil\nvom 15. Oktober 2004 V ZR 233/03). Die beiden ehrenamtlichen Richter, die\nleitende Funktionen bei Kreditinstituten wahrnehmen bzw. wahrgenommen haben,\nhaben dies bestatigt. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Die vom FA vertretene Rechtsauffassung, dass es sich um eine insgesamt\neinheitliche Leistung handele, die auf die Verschaffung eines Steuervorteils\ngerichtet sei, ist unzutreffend: \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Auszugehen ist von dem Grundsatz, das jede Dienstleistung in der Regel als\neigene, selbstandige Leistung zu betrachten ist (BFH-Urteil vom 9. Juni 2005 V\nR 50/02, BFH/NV 2005, 1952). Andererseits darf eine wirtschaftlich\neinheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden\nMehrwertsteuersystems nicht kunstlich aufgespalten werden. Daher ist das Wesen\ndes fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Leistende dem\nLeistungsempfanger (Verbraucher) mehrere selbstandige Hauptleistungen oder\neine einheitliche Leistung erbringt. Dabei ist auf die Sicht des\nDurchschnittsverbrauchers abzustellen. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Fur die Annahme einer einheitlichen Leistung gelten im Wesentlichen folgende\n(gemeinschaftsrechtlich geklarte) Grundsatze (EuGH-Urteil vom 25. Februar 1999\nC-349/96, BFH/NV Beilage 2005, 289 Rdnr. 29 ff.; BFH-Urteil vom 31. Mai 2001 V\nR 97/98, BStBl II, 2001, 658; Urteil vom 24. Februar 2005 V R 26/03, BFH/NV\n2005, 1395): Eine einheitliche Leistung liegt insbesondere vor, wenn ein oder\nmehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile die\nNebenleistung sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen.\nEine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie\nfur die Leistungsempfanger keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt,\num die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu\nnehmen. Dem Umstand, dass ein Gesamtpreis in Rechnung gestellt wird, kommt\ndamit keine entscheidende Bedeutung zu. Freilich kann es fur das Vorliegen\neiner einheitlichen Leistung sprechen, wenn ein Leistender seinen Kunden eine\naus mehreren Teilen zusammengesetzte Dienstleistung gegen Zahlung eines\nGesamtpreises erbringt. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Bei der Entscheidung, ob ein "Leistungsbundel" bzw. das Gesamtentgelt dafur\nauf die einzelnen Leistungen aufzuteilen ist, um einem steuerbefreiten\nLeistungsteil Geltung zu verschaffen, ist auch der Eingangssatz des Art. 13\nTeil B der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur\nHarmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten uber die\nUmsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem - zu beachten: Er bestimmt,\ndass die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewahrleistung\neiner korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie\nzur Verhutung von Steuerhinterziehung und etwaigen Missbrauchen festsetzen,\ndie in der Bestimmung bezeichneten Umsatze von der Steuer befreien. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Deshalb konnen zusammengehorige Vorgange nicht bereits als einheitliche\nLeistung angesehen werden, weil sie einem einheitlichen wirtschaftlichen Ziel\ndienen. Dass die einzelnen Leistungen auf einem einheitlichen Vertrag beruhen\nund fur sie ein Gesamtentgelt entrichtet wird, reicht ebenfalls noch nicht\naus, sie umsatzsteuerrechtlich als Einheit zu behandeln. Entscheidend ist der\nwirtschaftliche Gehalt der erbrachten Leistungen. Wenn mehrere, untereinander\ngleich zu wertende Faktoren zur Erreichung dieses Ziels beitragen und aus\ndiesem Grund zusammengehoren, ist die Annahme einer einheitlichen Leistung nur\ngerechtfertigt, wenn die einzelnen Faktoren so ineinander greifen, dass sie\nbei naturlicher Betrachtung hinter dem Ganzen zurucktreten. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Diese Voraussetzungen werden im vorliegenden Streitfall nicht erfullt: \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Unstreitig fehlt es an einem einheitlichen Gesamtentgelt. Der\nLeistungsempfanger hat nur fur die Vermittlung des Kredits eine Entgelt zu\nentrichten; alle sonstigen von der Klagerin erbrachten Leistungen erfolgten\nnach den ausdrucklichen Vereinbarungen zwischen dem Leistenden und dem\nLeistungsempfanger unentgeltlich. Im Übrigen entspricht es den Gepflogenheiten\ndes Wirtschaftslebens, dass der Versicherungsnehmer kein Entgelt fur die\nVermittlung der Versicherung entrichtet; diese wird vielmehr von den\nVersicherungsgesellschaften an den Vermittler entrichtet (vgl. BGH Urteil vom\n14. April 2005 III ZR 287/01 unter 3. c) der Entscheidungsgrunde mit weiteren\nNachweisen). \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Der Leistungsempfanger kann, was auch nicht vom FA bestritten wird, aus dem\nLeistungsangebot auswahlen und seine ihm selbst zusagende Kombination\nauswahlen. Er ist nicht gezwungen, alle vier Module abzuschließen, sondern\nkann sich unter Berucksichtigung seiner eigenen Vermogenslage ohne Zwang durch\nden Leistenden frei entscheiden, welche Module er wahlt. Somit ist\nfestzustellen, dass die eingangs genannten vier Module zwar auf einander\nabgestimmt sind, dass sie aber nicht derart zwingend ineinander greifen, dass\nnur die Leistung aller vier Module aus der Sicht des Leistungsempfangers als\ndie Leistung des Leistenden anzusehen ist, wenn man auf die Sicht des\nDurchschnittsverbrauchers abstellt. Wie sich auch aus der Ertragssituation der\nKlagerin ergibt, war sie vorrangig an der Vermittlung der Rentenversicherung\ninteressiert. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| Wenn also der Leistungsempfanger aus dem Gesamtangebot frei auswahlen kann\nund bei dem einzelnen gewahlten Modul noch spezielle Spezifikationen wahlen\nkann (Bsp.: Bestreitung des Einmalbetrags fur die Rentenzahlung durch eine\nKombination aus Eigenmittel und Darlehen), so liegt nach Auffassung des\nerkennenden Senats kein einheitliches Leistungsbundel in der Weise vor, dass\nman es umsatzsteuerrechtlich als einheitliche Leistung qualifizieren konnte. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Weiter stehen nach Auffassung des Senats die einzelnen Leistungen auch nicht\nim Verhaltnis von Haupt- und Nebenleistung zu einander (vgl. auch BFH-Urteil\nvom 24. Februar 2005 V R 26/03, BFH/NV 2005, 1395; Beschluss vom 18. Januar\n2005 V R 61/03, BFH/NV 2005, 812): Wirtschaftlich betrachtet ist keines der\nvier Module in einer derartigen Abhangigkeit von einem anderen Modul, wie es\nder EuGH in seiner Rechtsprechung formuliert hat (EuGH in BFH/NV Beilage 2005,\n289). Denn wirtschaftlich betrachtet kann auch jedes einzelne Modul ohne die\nanderen Module fur sich einen Sinn fur den Leistungsempfanger besitzen. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Fur die Leistungsbeziehungen ist auf die Sicht des Leistungsempfangers\nabzustellen. Nach Auffassung des Senats ist bei der Sicht eines\nDurchschnittsverbrauchers die Rentenversicherung gegen Einmalzahlung\ndasjenige, was er vom Leistenden erwartet. Hierin unterscheidet sich das\nKombi-Renten-Modell vom klassischen Steuersparmodell vor Einfuhrung des § 2b\ndes Einkommensteuergesetzes, bei dem der Anleger nur investiert, um den\nSteuervorteil zu erlangen. Im vorliegenden Fall erhalt der Investierende eine\nGegenleistung und eine Verzinsung in Form der lebenslangen Rentenzahlungen. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| Die vom FA vertretene Auffassung, dass die Klagerin dem Leistungsempfanger\ngegen Entgelt einen Steuervorteil verschafft und dies Gegenstand der\nLeistungsbeziehung sei, ist aus mehreren Grunden unzutreffend: Die Klagerin\nist nicht in der Lage dem einzelnen Leistungsempfanger einen Steuervorteil zu\nverschaffen, weil uber die (ertrag-) steuerliche Qualifizierung der\nkreditfinanzierten lebenslangen Rentenversicherung gegen Einmalzahlung\nausschließlich das Finanzamt als staatliche Behorde im Rahmen der\nEinkommensteuer-Veranlagung entscheidet und in letzter Konsequenz die\nFinanzgerichte (vgl. die unterschiedliche Rechtsprechung der Finanzgerichte zu\ndiesem Themenkomplex: FG Koln Urteil vom 30. Juni 2004 8 K 6763/00,\nEntscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2004, 1762; FG Koln Urteil vom 17.\nFebruar 2004 8 K 6831/00, EFG 2004, 884; FG Dusseldorf Urteil vom 3. Juni 2003\n9 K 1783/01 E, EFG 2003, 1299; FG des Saarlandes Beschluss vom 6. Februar 2004\n1 V 335/03, Haufe Rechtsprechungsdatenbank Haufe-Index, 1121048; FG Dusseldorf\nUrteil vom 16. Oktober 2003 10 K 2634/99 E, Haufe Rechtsprechungsdatenbank\nHaufe-Index, 1328328; FG Koln Urteil vom 21. August 2002 5 K 613/02, EFG 2003,\n272; FG Munchen Urteil vom 24. Juli 2002 10 K 1726/00, EFG 2003, 31; FG\nDusseldorf Urteil vom 21. Februar 2002 10 K 5523/96 E, EFG 2002, 840; FG\nNurnberg Urteil vom 22. September 2000 VII 81/96, Haufe\nRechtsprechungsdatenbank Haufe-Index, 706347; FG Baden-Wurttemberg Urteil vom\n4. Mai 1999 4 K 212/98, Haufe Rechtsprechungsdatenbank Haufe-Index, 1111644;\nFG Baden-Wurttemberg Urteil vom 4. Mai 1999 4 K 198/98, EFG 2000, 924; FG Koln\nUrteil vom 19. November 1997 11 K 6482/94, Haufe Rechtsprechungsdatenbank\nHaufe-Index 981219; FG Munster Urteil vom 18. September 1997 14 K 5268/95 E,\nHaufe Rechtsprechungsdatenbank Haufe-Index 944861; FG Dusseldorf Urteil vom\n22. Dezember 1994 14 K 3009/94 E, Haufe Rechtsprechungsdatenbank Haufe-Index,\n853288) und der BFH (vgl. BFH Urteil vom 16. September 2004 X R 19/03, BFH/NV\n2005, 120; Urteil vom 30. Oktober 2001 VIII R 29/00, BFH/NV 2002, 268). Anders\nausgedruckt: Eine bestimmte steuerliche Behandlung durch das Finanzamt oder\ndurch das Finanzgericht kann mangels Verfugungsbefugnis des Leistenden nicht\nGegenstand eines Leistungsaustausches sein. Wenn uberhaupt - legt man die\nAuffassung des FA einmal zu Grunde - hatte Gegenstand des Leistungsaustausches\ndie unsichere Chance zur steuerlichen Anerkennung der Darlehenszahlungen als\nertragsteuerliche Werbungskosten sein konnen. \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Dem stimmt der Senat allerdings nicht zu; er sieht vielmehr bei einer\nwirtschaftlichen Gesamtschau die Chance, die Darlehenszinsen als\nWerbungskosten bei der Einkunften aus Kapitalvermogen im Rahmen der\nEinkommensteuer-Veranlagung anerkannt zu bekommen als Verkaufsargument und\nggf. als Nebenleistung i.S. der oben zitierten EuGH-Rechtsprechung, die das\nSchicksal der Hauptleistung - Vermittlung eines Darlehens, Vermittelung einer\nRentenversicherung - teilt. Dafur spricht auch die ertragsteuerliche\nGesamtbetrachtung, die zu einer steuerlichen Berucksichtigung der\nDarlehenszinsen als abzugsfahige Werbungskosten nur dann gelangen kann, wenn\nder Leistungsempfanger langfristig einen Überschuss der Ertragsanteile der\nRenten uber die Refinanzierungsaufwendungen erzielt; anderenfalls wurde es\nsich um ertragsteuerliche Liebhaberei handeln. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| Ferner ist aus der Sicht des erkennenden Senats auch zu berucksichtigen,\ndass ein Entgelt nur dann zu zahlen ist, wenn es tatsachlich zum Abschluss des\nKreditvertrages kommt. Geschieht dies nicht, so bleiben alle von der Klagerin\nerbrachten Leistungen - einschließlich der Computeranalyse - unvergutet. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| Die vorstehenden Ausfuhrungen bedeuten, dass das vom Leistungsempfanger\naufzuwendende Entgelt fur die Kreditvermittlung auch nur fur diese gezahlt\nwurde. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| Auch die Tatsache, dass fur die Kreditvermittlung ein Entgelt von 6 v.H. der\nvermittelten Kreditsumme vereinbart wurde fuhrt aus der Sicht des Senats zu\nkeinem anderen Ergebnis. Soweit der BFH in BFH/NV 2005, 120 unter Bezugnahme\nauf die Zivilrechtsprechung ausfuhrt, dass eine Provision von 6 v.H. als von\nder Zivilrechtsprechung in den achtziger Jahren als sittenwidrig uberhoht\nangesehen wurde, ist hierzu festzustellen, dass die Sittenwidrigkeit einer\ngetroffenen Vereinbarung und die daraus resultierende zivilrechtliche\nNichtigkeit steuerlich unbeachtlich ist, wenn die Beteiligten das Ergebnis des\nLeistungsaustausches gleichwohl - wie im Streitfall geschehen - bestehen\nlassen (vgl. § 40 AO). Im Übrigen hat der Senat an der Sittenwidrigkeit unter\nBerucksichtigung der neueren Rechtsprechung des BGH erhebliche Zweifel, wenn\nman davon ausgeht, dass die Kreditvermittlung im Interesse des Kreditnehmers\nlag, weil er nur so an den erwunschten steuerlichen Nebenzweck gelangt (vgl.\nBGH Urteil vom 3. Juni 2003 XI ZR 289/02 mit weiteren Nachweisen unter 2. der\nEntscheidungsgrunde). \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| Unter Berucksichtigung aller Umstande des Einzelfalls ist der erkennende\nSenat der Auffassung, dass im Streitfall von der Klagerin keine einheitliche\nLeistung, sondern einzelne Leistungen angeboten wurden und auch Gegenstand der\nLeistungsbeziehungen waren, und dass das Entgelt ausschließlich fur die\nKreditvermittlung entrichtet wurde; da die Kreditvermittlung unter § 4 Nr. 8\nBuchstabe a UStG fallt, ist der Umsatz steuerfrei. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| Die Entscheidung uber die Kosten folgt aus § 135 der Finanzgerichtsordnung\n(FGO). \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| Die Revision wird wegen grundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115\nAbs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. \n---\n\n
141,689
lg-baden-baden-2006-04-10-4-o-2706
129
Landgericht Baden-Baden
lg-baden-baden
Baden-Baden
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
4 O 27/06
2006-04-10
2019-01-08 22:21:10
2019-01-17 12:01:52
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Die Antragsgegnerin hat es ab sofort zu unterlassen, im geschaftlichen\nVerkehr fur die Zeitschrift "..." mit der Behauptung zu werben:\n\n> > "118.000 Exemplare werden per Post an in Deutschland niedergelassene Ärzte\n> verschickt und werden von ihnen in das Wartezimmer gelegt. Nimmt nur jeder\n> 10. von den durchschnittlich 75 Patienten pro Praxis an 20 Öffnungstagen das\n> Heft in die Hand, erreicht es pro Monat 16,5 Mio. Leserkontakte."\n\n2\\. Der Antragsgegnerin wird fur jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die\nUnterlassungsverpflichtung gem. Ziffer 1 ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00\nEuro, ersatzweise an ihrem Geschaftsfuhrer zu vollziehende Ordnungshaft oder\nOrdnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.\n\n3\\. Die Antragsgegnerin tragt die Kosten des einstweiligen\nVerfugungsverfahrens.\n\n4\\. Der Streitwert des einstweiligen Verfugungsverfahrens wird auf 20.000,00\nEuro festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| | 1. \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfugung\ngem. Antragschrift vom 13.03.2006 war zunachst durch Beschluss des\nLandgerichts Baden-Baden - 4 O 27/06 KfH - vom 16.03.2006 - vgl. zum Inhalt AS\n29 bis 39 - im Wesentlichen deshalb zuruckgewiesen worden, weil die\nAntragstellerin nicht glaubhaft gemacht hatte, dass in der beanstandeten\nWerbung der Antragsgegnerin unrichtige Tatsachenbehauptungen enthalten sind\nund damit irrefuhrende Werbung i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG vorliegt. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Antragstellerin hat im Rahmen ihrer gegen diesen landgerichtlichen\nBeschluss eingelegten sofortigen Beschwerde dann allerdings\nGlaubhaftmachungsmittel nachgeholt - vgl. insbesondere Anlagen Ast 6 und Ast 7\ni.V.m. den Schriftsatzen zur Beschwerdebegrundung vom 03. und 04.04.2006. \n--- \n--- \n2. \n--- \n| 3 \n--- \n| Aufgrund der nachgereichten Glaubhaftmachungsmittel, insbesondere der\nAnlage Ast 7, ist fur das vorliegende einstweilige Verfugungsverfahren seitens\nder Antragstellerin hinreichend glaubhaft gemacht, dass die durchschnittliche\nPatientenfrequenz pro Öffnungstag einer Arztpraxis lediglich ca. 20 und nicht\nwie von der Antragsgegnerin in ihrer beanstandeten Werbung zugrundegelegt 75\nPatienten pro Tag betragt. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Denn bei der Anlage Ast 7 handelt es sich um eine Auskunft der\nkassenarztlichen Bundesvereinigung mit entsprechendem Aussagegewicht, sodass\nan der Richtigkeit der hierin enthaltenen Angaben keine Zweifel bestehen. Aus\nder dort angegebenen Anzahl von Fallen je Praxis im Jahr 2004 laßt sich bei\ndurchschnittlich 20 geoffneten Praxistagen pro Monat schlussig die Zahl von\nca. 20 Patienten pro Tag ruckrechnen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Damit liegt aber dem beanstandeten Werbeschreiben der Antragsgegnerin -\nvgl. Anlage Ast 1 - eine entscheidend unrichtige Tatsachenbehauptung zugrunde,\nda dort statt richtigerweise 20 Patienten 75 Patienten angegeben sind, worauf\ndie gesamte dort abgeleitete Berechnung aufbaut. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Im Hinblick auf diese unrichtige Ausgangstatsache liegt in diesem\nWerbeschreiben somit zweifelsfrei eine irrefuhrende Werbung i.S.v. § 5 Abs. 2\nNr. 1 UWG, da der angesprochene Verbraucher nicht in der Lage ist, die\nUnrichtigkeit der Angabe von 75 Patienten pro Praxis zu erkennen, woraus sich\nder dann maßgebliche Tauschungscharakter des gesamten Werbeschreibens ergibt. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Insbesondere ist gerade diese Angabe eine eindeutige - wie glaubhaft\ngemacht - falsche Tatsachenbehauptung und nicht etwa von bloß hypothetischem\nCharakter. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Da sich aufgrund dieser unrichtigen Ausgangsaussage eine entsprechende\nIrrefuhrung der gesamten Werbeaussage der Antragsgegnerin ergibt, steht der\nzweifelsfrei klagebefugten Antragstellerin ein entsprechender\nUnterlassungsanspruch gegenuber der Antragsgegnerin gem. §§ 5 Abs. 1, Abs. 2\nZiffer 1, 3, 8 Abs. 1 UWG zu, sodass im Wege der einstweiligen Verfugung wie\naus dem Tenor ersichtlich zu erkennen war. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Dass die vorliegende Entscheidung erst nach Abhilfe der sofortigen\nBeschwerde gegen den zuvor ergangenen Beschluss vom 16.03.2006, verbunden mit\ndessen Aufhebung, erging, stand einem sofortigen Erlass der einstweiligen\nVerfugung im Beschlusswege nicht entgegen. Zwar ist im Regelfall bei einer\nAbhilfeentscheidung aufgrund einer eingelegten Beschwerde zunachst dem Gegner\nrechtliches Gehor zu gewahren (vgl. Baumbach/Lauterbach, ZPO, 64. Aufl., RN 1\nff zu § 572 ZPO). Dies gilt jedoch nicht fur das einstweilige\nVerfugungsverfahren, da im Hinblick auf den Eilcharakter dieses Verfahrens\nebenso wie beim sofortigen Erlass einer einstweiligen Verfugung auch bei der\nvorliegenden Konstellation im Fall der Erlassreife ohne vorheriges rechtliches\nGehor entschieden werden kann. Dieses wird namlich im Falle der\nWiderspruchseinlegung im Widerspruchsverfahren innerhalb der Instanz\nnachgeholt. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. \n--- \n---\n\n
142,034
vg-freiburg-2006-07-06-3-k-136204
157
Verwaltungsgericht Freiburg
vg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
3 K 1362/04
2006-07-06
2019-01-08 22:45:10
2019-01-17 12:02:15
Urteil
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDer Klager tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager wendet sich gegen die teilweise Kundigung einer\n„Berufungsvereinbarung", die er am 15.09.1997 mit dem Ministerium fur\nWissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Wurttemberg (MWK) schloss. Die\nVereinbarung lautet unter Nr. 1 wie folgt: \n--- \n| 2 \n--- \n| „Herr Privatdozent Dr. med. ... , zur Zeit Leitender Arzt an der Klinik fur\nUnfallchirurgie am ... , ubernimmt vorbehaltlich der Ernennung durch Herrn\nMinisterprasidenten ab diesem Zeitpunkt, fruhestens jedoch ab 1. Oktober 1997\neine Professur fur Unfallchirurgie an der Universitat ... mit der\nVerpflichtung, das Gebiet in Forschung und Lehre ordnungsgemaß zu vertreten.\nDie Professur beinhaltet die Leitung der Abteilung Unfallchirurgie an der\nChirurgischen Universitatsklinik. Die Einstellung erfolgt im Beamtenverhaltnis\nauf Lebenszeit". \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Urkunde vom 17.10.1997 wurde der Klager unter Berufung in das\nBeamtenverhaltnis auf Lebenszeit zum Universitatsprofessor ernannt. Mit\nVerfugung vom 24.10.1997 wies das MWK ihn mit Wirkung vom Tag der Ernennung in\neine Planstelle der Besoldungsgruppe C 4 ein und teilte ihm mit, dass er\nDienstbezuge nach Besoldungsgruppe C 4 der Bundesbesoldungsordnung gemaß\nseinem Besoldungsdienstalter erhalte. Im Übrigen gelte die mit ihm\nabgeschlossene Berufungsvereinbarung. Als Dienstaufgaben oblagen ihm die\nPflege von Forschung und Lehre im Fach Unfallchirurgie und die weiteren\nAufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 64 Universitatsgesetz (UG). Er sei\nbefugt, den Titel Ordinarius zu fuhren. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Verfugung vom 11.05.2000 leitete das MWK disziplinarrechtliche\nVorermittlungen gegen den Klager ein. Mit Verfugung vom 24.10.2000 enthob es\nihn vorlaufig des Dienstes wegen des Vorwurfs der schuldhaft fehlerhaften\nmedizinischen Behandlung mehrerer Patienten. Mit Verfugung vom 10.03.2001\nerweiterte es das bereits eingeleitete formliche Disziplinarverfahren um\nweitere Vorgange und behielt die Besoldungsbezuge, ausgenommen\nFamilienzuschlag, zur Halfte ein. Mit Beschluss vom 01.02.2002 - D 12 K 11/01\n- lehnte das Verwaltungsgericht Freiburg den Antrag des Klagers auf Aufhebung\nder vorlaufigen Dienstenthebung ab. Die dagegen vom Klager erhobene Beschwerde\nwies der VGH Bad.-Wurtt. mit Beschluss vom 12.04.2002 - DL 17 S 6/02 - zuruck.\nAuf den Antrag des Klagers hob das Verwaltungsgericht Freiburg die in der\nVerfugung des MWK vom 10.03.2001 ausgesprochene halftige Einbehaltung der\nBesoldungsbezuge auf (Beschluss vom 05.07.2002 - D 12 K 1/02 -). Die dagegen\nerhobene Beschwerde des MWK wies der VGH Bad.-Wurtt. mit Beschluss vom\n10.09.2002 - DL 17 S 16/02 - zuruck. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Urteil vom 18.02.2003 (Geschaftsnummer: 2 KLs 21 Js 20723/00 u.a. AK\n22/00) verurteilte das LG ... den Klager wegen vorsatzlicher Korperverletzung\nund wegen fahrlassiger Korperverletzung in drei Fallen zu einer\nGesamtgeldstrafe von 270 Tagessatzen. Wegen des Vorwurfs weiterer\nKorperverletzungen sprach es ihn frei. Von der Verhangung eines Berufsverbots\nsah es ab. Die Revisionen des Klagers und der Staatsanwaltschaft gegen das\nUrteil des LG ... verwarf der BGH mit Urteil vom 20.01.2004 - 1 StR 319/03 - . \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Schreiben vom 04.02.2004 kundigte das MWK Nr. 1 Satz 2 der\nBerufungsvereinbarung gem. § 62 Satz 2 LVwVfG i.V.m § 314 Abs. 1 BGB. Zur\nBegrundung fuhrte es aus, der Klager sei inzwischen rechtskraftig wegen\nvorsatzlicher Korperverletzung in einem Fall sowie wegen fahrlassiger\nKorperverletzung in drei Fallen verurteilt worden. Die im Urteil des LG ...\nfestgestellten Straftatbestande habe er im Zusammenhang mit der Ausubung\nseiner Tatigkeit als Leiter der Abteilung Unfallchirurgie des\nUniversitatsklinikums ... verwirklicht. Bei Abwagung aller Umstande\neinschließlich der Interessen aller Beteiligten und der staatlichen\nSchutzverpflichtung fur die Gesundheit und das Leben von (kunftigen) Patienten\nsei dem Beklagten ein Festhalten an der Übertragung der Leitungsfunktion nicht\nmehr zumutbar. Da das MWK fur das Vorliegen eines wichtigen Kundigungsgrundes\nbeweispflichtig sei, sei vor der Kundigung die rechtskraftige strafrechtliche\nVerurteilung abgewartet worden. \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Klager wandte sich mit Schreiben vom 18.03.2004 gegen die Kundigung mit\nder Begrundung, diese sei rechtlich ohne Relevanz. Seine Professur sei\nGegenstand eines Beamtenverhaltnisses auf Lebenszeit. Solange die Professur\nbestehe, obliege ihm auch die Leitung der Unfallchirurgischen Abteilung am\nUniversitatsklinikum .... Dass er diese derzeit nicht ausuben konne, sei Folge\nder vorlaufigen Dienstenthebung. Dem Disziplinarverfahren durfe nicht\nvorgegriffen werden. \n--- \n| 8 \n--- \n| Das MWK wertete das Schreiben vom 18.03.2004 als Widerspruch und wies\ndiesen mit Bescheid vom 27.05.2004 zuruck. Erganzend fuhrte es im Wesentlichen\naus, ein weiteres Festhalten an Nr. 1 Satz 2 der Berufsvereinbarung sei dem\nMWK bei Abwagung aller Umstande des Einzelfalls einschließlich der Interessen\naller Beteiligten nicht zumutbar. Dabei sei zu berucksichtigen, dass der\nBeklagte wegen der staatlichen Schutzpflichten fur die Gesundheit und das\nLeben von (kunftigen) Patienten eine optimale chirurgische Versorgung stets\nsicherstellen musse. Das Vertrauensverhaltnis zwischen dem Klager und dem\nDienstherrn sei hinsichtlich der Leitung der Abteilung Unfallchirurgie\ndauerhaft gestort, so dass auch eine vorherige schriftliche Abmahnung nicht\nerforderlich gewesen sei. Die Kundigung verstoße nicht gegen hergebrachte\nGrundsatze des Berufsbeamtentums. Art 33 Abs. 5 GG schutze den Beamten\nlediglich vor einer willkurlichen und damit rechtswidrigen Veranderung des\nDienstpostens. Lagen wichtige Grunde vor, die eine Kundigung nach § 314 BGB\nrechtfertigten, sei der Beamte vor einer Kundigung der Berufungsvereinbarung\nnicht geschutzt. Der Entscheidung im formlichen Disziplinarverfahren werde\ndurch die Kundigung nicht vorgegriffen. Ein beamtenrechtlicher Grundsatz, nach\ndem eine Verletzung von Dienstpflichten ausschließlich disziplinarrechtliche\nKonsequenzen nach sich ziehen durfte, existiere nicht und lasse sich auch\nnicht aus Art. 33 Abs. 5 GG herleiten. \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Klager hat am 23.06.2004 Klage erhoben. Er fuhrt im Wesentlichen aus,\ndie Kundigung konne nicht auf § 314 BGB gestutzt werden. Eine\nBerufungsvereinbarung sei nicht als Dauerschuldverhaltnis im Sinne der\nVorschrift anzusehen. Dies ergebe sich aus dem Text der Vereinbarung sowie\nseiner Funktion. Es gehe nicht um fur Dauerschuldverhaltnisse typische\nLeistungen im Wechselbezugsverhaltnis. In jedem Fall konne einer\nBerufungsvereinbarung keine Bedeutung mehr beigemessen werden, soweit die\ndarauf resultierenden Verpflichtungen seitens des offentlich-rechtlichen\nVertragspartners durch die Ernennung zum Beamten in nicht mehr ruckgangig zu\nmachender Weise erfullt worden seien. Der Ernennung konne durch eine spatere\nKundigung der Berufungsvereinbarung nicht mehr der Boden entzogen werden. An\ndie Stelle des offentlich-rechtlichen Vertragsrechts trete nach der Ernennung\ndas fur Hochschullehrer geltende Beamten- und Disziplinarrecht. Aus diesem\nGrund gehe hier die Kundigung der Berufungsvereinbarung weitgehend ins Leere.\nSchließlich sei sie beamtenrechtlich voll erfullt worden und enthalte keine\nfortbestehenden selbststandigen nennenswerten Zusatzvereinbarungen. Auch liege\nkeine Änderung der Verhaltnisse im Sinne von § 66 Abs. 8 UG vor. Vorsorglich\nwerde darauf hingewiesen, dass es an einem wichtigen Grund fehle, der den\nBeklagten zur Kundigung berechtige. Das Strafurteil mit der Verhangung einer\nGeldstrafe stelle keinen solchen Grund dar. Die strafrechtlichen\nVerurteilungen rechtfertigten nicht die Bewertung, dass bei einer Fortfuhrung\nder Tatigkeit des Klagers die Einhaltung der staatlichen Pflichten zum Schutz\nvon Gesundheit und Leben von (kunftigen) Patienten und die Sicherstellung\neiner optimalen chirurgischen Versorgung gefahrdet seien. Die Kundigung\nverstoße auch gegen hergebrachte Grundsatze des Berufsbeamtentums. Zwar\nbetreffe Nr. 1 Satz 2 der Berufungsvereinbarung nur das dem Klager zugewiesene\nkonkrete Amt im funktionalen Sinn. Der Beamte sei aber vor einer willkurlichen\nVeranderung des Dienstpostens geschutzt. Eine solche Veranderung liege hier\nvor, da kein wichtiger Grund im Sinne von § 314 BGB fur die Kundigung\nvorliege. Das Universitatsklinikum, die Universitat und der Beklagte\nversuchten durch massives eigenes Fehlverhalten einen „wichtigen" Grund zu\nschaffen. Dies konne nicht zu Lasten des Klagers gehen. Sein Fachbereich sei\nneu strukturiert und seine Stelle sei mit einem Nachfolger besetzt worden. \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 11 \n--- \n| den Widerspruchsbescheid des Ministeriums fur Wissenschaft, Forschung und\nKunst Baden-Wurttemberg vom 27.05.2004 aufzuheben und festzustellen, dass die\nmit Schreiben des Ministeriums vom 04.02.2004 erklarte Kundigung von Nr. 1\nSatz 2 der Berufungsvereinbarung vom 15.09.1997 unwirksam ist. \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 13 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Zur Begrundung fuhrt er im Wesentlichen aus, der Kundigung von Nr. 1 Satz 2\nder Berufungsvereinbarung stunden die hergebrachten Grundsatze des\nBerufsbeamtentums, des Disziplinarrechts, die Wissenschaftsfreiheit und der\nGrundsatz des Vertrauensschutzes nicht entgegen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsatze und die\nder Kammer vorliegenden Akten des MWK verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 16 \n--- \n| Die Klage ist zulassig (I.), aber nicht begrundet (II.) Die Kundigung von\nNr. 1 Satz 2 der Berufungsvereinbarung war wirksam. Der Widerspruchsbescheid\ndes MWK vom 27.05.2004 ist rechtmaßig und verletzt den Klager nicht in seinen\nRechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). \n--- \nI. \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Klage ist nach §§ 42, 43, 68 ff. VwGO zulassig. \n--- \n| 18 \n--- \n| 1\\. Soweit der Klager geltend macht, die Kundigung sei unwirksam, ist\nstatthafte Klageart die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO. Danach kann\ndie Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhaltnisses\noder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Klager ein\nberechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Der Klager wendet\nsich gegen die mit Schreiben des MWK vom 04.02.2004 erklarte Kundigung von Nr.\n1 Satz 2 der zwischen den Beteiligten geschlossenen „Berufungsvereinbarung"\nvom 15.09.1997. Dabei handelt es sich um einen offentlich-rechtlichen Vertrag\n(vgl. OVG Munster, Urt. vom 27.11.1996, NVwZ-RR 1997, 475; Thieme in\nHailbronner/Geis, Kommentar zum Hochschulrahmengesetz, § 43 Rn. 147;\noffengelassen von BVerfG, Urt. vom 08.02.1977, BVerfGE 43, 242 = NJW 1977,\n1049). Davon gehen die Beteiligten zu Recht aus. Es sind keine Umstande\nersichtlich, die gegen die Richtigkeit dieser Annahme sprechen konnten. \n--- \n| 19 \n--- \n| Beim Streit uber die Berechtigung zur Kundigung, deren Wirksamkeit und die\ndaraus folgende Auflosung des offentlich-rechtlichen Vertrages geht es um das\nBestehen eines Rechtsverhaltnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Da es sich\nbei der Kundigung eines offentlich-rechtlichen Vertrages - wie auch bei den\nauf Abschluss (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Auflage 2005, § 54 Rn. 20) oder\nAnpassung (vgl. BVerwG, Urt. vom 26.01.1995, BVerwGE 97, 331) eines\noffentlich-rechtlichen Vertrages gerichteten Erklarungen - nicht um einen\nVerwaltungsakt handelt, kann der Klager seine Rechte auch nicht durch\nAnfechtungsklage geltend machen. Der Subsidiaritatsgrundsatz (§ 43 Abs. 2 Satz\n1 VwVfG) steht der Feststellungsklage mithin nicht entgegen. \n--- \n| 20 \n--- \n| 2\\. Der Klager hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten\nFeststellung. Dem steht nicht entgegen, dass sich die in der\nBerufungsvereinbarung erfolgte Zusage der Leitungsfunktion auf die „Abteilung\nUnfallchirurgie an der Chirurgischen Universitatsklinik" bezieht, diese\nAbteilung aber inzwischen „formal aufgehoben" wurde und „in der Klinik fur\nTraumatologie aufgegangen" (vgl. Schreiben des Universitatsklinikums ... vom\n11.10.2000 an MWK) bzw. in das „Department fur Orthopadie und Traumatologie\nintegriert" ist (vgl. Schriftsatz des MWK v. 27.06.2006). Zwischen den\nBeteiligten steht nicht fest, dass Nr. 1 Satz 2 der Berufungsvereinbarung\naufgrund der Umorganisation des Universitatsklinikums nicht mehr geeignet\nware, Rechtswirkungen fur die Beteiligten zu entfalten. Diese gehen vielmehr -\nabgesehen von der Frage der Wirksamkeit der hier streitigen Kundigung - nicht\nvon der Hinfalligkeit der Vertragsklausel aus deren Anpassung nach § 60 LVwVfG\nwegen Änderung der Verhaltnisse im Zusammenhang mit der Umorganisation des\nUniversitatsklinikums denkbar erscheint. Der Beklagte (vgl. Schriftsatz vom\n27.06.2006) sieht den „Anspruch auf die Übertragung einer Leitungsfunktion fur\nden Bereich Unfallchirurgie" nach wie vor „grundsatzlich" als gegeben an. \n--- \n| 21 \n--- \n| 3\\. Das nach § 126 Abs. 3 BRRG erforderliche Vorverfahren wurde\ndurchgefuhrt. \n--- \nII. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Klage ist jedoch nicht begrundet. Die Kundigung vom 04.02.2004 ist\nwirksam. \n--- \n| 23 \n--- \n| 1\\. Rechtsgrundlage fur die Kundigung ist § 62 Satz 2 LVwVfG in Verbindung\nmit § 314 BGB. Offen bleiben kann, ob die Kundigung auch auf § 60 LVwVfG hatte\ngestutzt werden konnen. Denn diese Vorschrift schließt das Recht der\nBeteiligten auf Ausubung eines vereinbarten oder aus der entsprechenden\nAnwendung von Vorschriften des BGB sich ergebenden Kundigungsrechts\neinschließlich des Rechts zur Kundigung aus wichtigem Grund nach § 314 BGB n.\nF. nicht aus (vgl. Kopp/Ramsauer a.a.O. § 60 Rn. 3). \n--- \n| 24 \n--- \n| 2\\. Nach § 314 Abs.1 Satz 1 BGB kann jeder Vertragsteil\nDauerschuldverhaltnisse aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer\nKundigungsfrist kundigen. Was die unter Nr. 1 Satz 2 der Berufungsvereinbarung\nzum Inhalt der Professur gemachte Leitung der Abteilung Unfallchirurgie an der\nChirurgischen Universitatsklinik angeht, liegt ein Dauerschuldverhaltnis vor.\nWie die Berufungszusage an sich (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. vom 21.04.1999,\nNVwZ-RR 1999, 636) war auch die vom Beklagten ubernommene Verpflichtung, dass\nder Klager die Leitung der Abteilung Unfallchirurgie erhalt, auf Dauer\nberechnet. Sie sollte grundsatzlich fur die gesamte Zeit gelten, wahrend der\nder Klager die Professur inne hat, auf welche sich die Zusage bezieht. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Verpflichtung hat sich auch nicht - wie der Klager meint - gleichsam\ndurch die Ernennung zum Universitatsprofessor erledigt. Weder die Ernennung\nnoch die Einweisungsverfugung vom 24.10.1997 bezog sich auf die Leitung der\nAbteilung Unfallchirurgie. Auch mit der vom Universitatsklinikum vorgenommenen\nÜbertragung der Leitungsfunktion wurde die Zusage nicht hinfallig. Dem Klager\nsollte gerade in seinem Interesse ein rechtsverbindlicher Anspruch auf\nÜbertragung der Leitungsfunktion auf Dauer - vorbehaltlich geanderter\nVerhaltnisse (vgl. § 60 LVwVfG) - eingeraumt werden. Diesem Zweck widersprache\nes, wurde man der Zusage keine rechtliche Bedeutung mehr zumessen, nachdem dem\nKlager (erstmals) die zugesagte Leitungsfunktion eingeraumt wurde. \n--- \n| 26 \n--- \n| 3\\. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kundigenden Teil unter\nBerucksichtigung aller Umstande des Einzelfalls und unter Abwagung der\nbeiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhaltnisses bis zur\nvereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kundigungsfrist nicht\nzugemutet werden kann (§ 314 Abs. 1 Satz 2 BGB). Eine entsprechende Situation\nist hier aufgrund der vom Klager in Ausubung seines Dienstes als\nUniversitatsprofessor begangenen Straftaten, wegen derer er rechtskraftig zu\neiner Gesamtgeldstrafe von 270 Tagessatzen verurteilt wurde, gegeben. Wie sich\naus dem Urteil des LG ... vom 18.02.2003 ergibt, hat er sich in einem Fall\neiner vorsatzlichen Korperverletzung strafbar gemacht, da er die (zweite)\nOperation an der rechten Schulter eines Patienten ohne dessen rechtfertigende\nEinwilligung durchgefuhrt hatte. Gegenuber dem Patienten hatte er die\nvermeintliche Indikation zur Operation bewusst wahrheitswidrig vorgespiegelt.\nIn Wirklichkeit war es ihm darum gegangen, eine Bohrerspitze zu „bergen", die\nbei der ersten Operation abgebrochen war. Den Abbruch der Bohrerspitze hatte\ner bewusst verschwiegen. In weiteren drei Fallen machte sich der Klager der\nfahrlassigen Korperverletzung strafbar. \n--- \n| 27 \n--- \n| Aufgrund der begangenen Straftaten, aber auch gerade im Hinblick auf die\nnaheren Tatumstande kann dem Beklagten ein Festhalten an der\nBerufungsvereinbarung hinsichtlich des hier streitigen Teils nicht zugemutet\nwerden. In die Abwagung der widerstreitenden Interessen ist zwar einzustellen,\ndass bei der Durchfuhrung von Operationen jedem Arzt Fehler unterlaufen\nkonnen, die zu einer Bestrafung wegen fahrlassiger Korperverletzung fuhren\nkonnen. Andererseits ist aber zu berucksichtigen, dass gerade in dem Fall der\nvorsatzlichen Korperverletzung eine deutlich daruber hinausgehende\nPflichtverletzung festzustellen ist, die zugleich einen groben Missbrauch\nseiner Leitungsfunktion darstellt und als schwerwiegende Pflichtverletzung\nanzusehen ist (vgl. Revisionsentscheidung des BGH vom 20.01.2004, Seite 15 f.\ndes Urteilsabdrucks). Denn der Klager hat es unterlassen, den tatsachlichen\nOperationsverlauf einschließlich des Abbruchs des Bohrers zu dokumentieren,\nund daruber hinaus die mitoperierende Ärztin angewiesen, den Bohrerabbruch im\nOperationsprotokoll nicht zu erwahnen. Gerade die - wie es der BGH formuliert\nhat - „selbstherrliche Vorgehensweise des Chefarztes in dem Operationsteam,\ndie sich in der Verletzung der Dokumentationspflichten, der Beeinflussung des\nihm unterstellten Klinikpersonals und der Tauschung seiner Patienten\ndokumentierte", lasst die weitere Ausubung der Leitungsfunktion durch den\nKlager als fur den Beklagten unzumutbar erscheinen. Dabei fallt die besondere\nStellung des Klagers als Chefarzt ins Gewicht, die er insbesondere durch\nbewusst pflichtwidrige Weisungen an ihm untergebenes Personal missbraucht hat.\nBesonders vorwerfbar ist in diesem Zusammenhang, dass er nach der Operation,\nbei der es zum Abbruch des Bohrers gekommen war, den wirklichen Grund fur die\nweitere Operation dem Patienten bewusst verschwiegen und diese darauf hin\ndurchgefuhrt hat. Dabei handelt es sich nicht um einen - nicht\nauszuschließenden - Fehler wahrend einer Operation, sondern um eine\nSorgfaltspflichtverletzung durch planvolles Handeln, die das Vertrauen in die\nLeitung der Abteilung der Unfallchirurgie in besonderem Maße erschuttert. Zu\nberucksichtigen ist auch das hohe Maß an Sorgfaltspflichtwidrigkeit in einem\nFall der fahrlassigen Korperverletzung, weshalb sich das Landgericht\nveranlasst sah, von Leichtfertigkeit bzw. von grober Fahrlassigkeit zu\nsprechen ( Seite 62 des Urteilsabdrucks). \n--- \n| 28 \n--- \n| Angesichts der festgestellten Straftaten und der besonderen Tatumstande\nware es mit dem Ansehen des Universitatsklinikums und der Universitat, welches\ngerade vom Vertrauen der Öffentlichkeit bzw. der Patienten in die Kompetenz\nund Integritat der leitenden Ärzte abhangig ist, unvereinbar, den Klager\nweiterhin in seiner Position als Leiter der Abteilung Unfallchirurgie zu\nbelassen. Dass die genannten Pflichtverstoße moglicherweise weitere\ndisziplinarrechtliche Maßnahmen gegen den Klager rechtfertigen, stellt die\nAnnahme, dass ein wichtiger Grund fur die Kundigung der Berufungsvereinbarung\nhinsichtlich der Zusage der Leitung der Abteilung Unfallchirurgie vorliegt,\nnicht in Frage. Unerheblich ist auch, ob - wie der Klager-Vertreter in der\nmundlichen Verhandlung behauptet hat - arztliche „Kunstfehler" in der\nBundesrepublik Deutschland massenhaft vorkommen. Zum einen geht es hier nicht\nnur um Behandlungsfehler, die als fahrlassige Korperverletzung zu werten sind,\nsondern um einen Missbrauch gerade der Stellung als leitender Arzt. Zum\nanderen kann der Klager aus dem Umstand, dass „Kunstfehler" ungeahndet\nbleiben, keinen Anspruch darauf herleiten, dass auch in seinem Fall die\nPflichtverletzungen keine Auswirkungen auf seine Stellung als Chefarzt haben. \n--- \n| 29 \n--- \n| 4\\. Eine Abmahnung war nach § 314 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. § 323 Abs. 2 Nr.\n3 BGB nicht erforderlich. Denn das Vertrauensverhaltnis zwischen den\nBeteiligten war so schwerwiegend gestort, dass eine sofortige Kundigung\ngerechtfertigt erscheint (vgl. Palandt, BGB, 64. Aufl. 2005, § 314 Rn. 8). Der\nBeklagte hat auch innerhalb einer angemessenen Frist gekundigt, nachdem er vom\nKundigungsgrund Kenntnis erlangt hat (§ 314 Abs. 3 BGB). Die Kundigung vom\n04.04.2002 erfolgte unmittelbar, nachdem aufgrund der Revisionsentscheidung\ndes BGH vom 20.01.2004 das Urteil des Landgerichts rechtskraftig geworden war.\nErst nach Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils stand fest, dass und in\nwelchem Umfang sich der Klager der vorsatzlichen und fahrlassigen\nKorperverletzung strafbar gemacht hatte und welche naheren Tatumstande der\nVerurteilung zugrunde lagen. Dass der Beklagte nicht zuletzt aus Rucksicht auf\nden Klager keine Verdachtskundigung ausgesprochen hat, stellt die Wirksamkeit\nder Kundigung nicht in Frage. \n--- \n| 30 \n--- \n| 5\\. Die Kundigung stellt auch keinen (unzulassigen) Eingriff in das dem\nKlager verliehene Amt im statusrechtlichen Sinne dar, sondern betrifft nur den\nihm ubertragenen konkreten Aufgabenbereich. \n--- \n| 31 \n--- \n| Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom\n07.03.1968, DÖV 1970, 210) ist zwischen dem „Amt" eines Beamten und seiner\n„Amtsstelle" zu unterscheiden, d.h. zwischen dem durch Ernennung verliehenen\n„Amt im statusrechtlichen Sinne", das regelmaßig durch eine im\nBesoldungsgesetz oder durch Anordnung des Dienstherrn bestimmte\n„Amtsbezeichnung" gekennzeichnet wird und fur den Rechtsstand des Beamten,\nbesonders fur seine Dienstbezuge, maßgebend ist, und dem „Amt im funktionellen\nSinne", namlich dem durch Geschaftsverteilung, Zuweisung, Bestellung,\nBeauftragung oder dergl. dem Beamten ubertragenen dienstlichen Aufgabenbereich\n(Funktion, Amtsstelle, Dienstposten). Mit dem Entzug der Leitungsfunktion\nerfolgte lediglich eine organisatorische Änderung des Amtes des Klagers im\nkonkret-funktionellen Sinne, denn es wurde weder die Zugehorigkeit zur\nLaufbahn noch die Besoldungsgruppe noch die verliehene Amtsbezeichnung\nverandert. Dem Klager wurde auch nicht ein Aufgabenbereich entzogen, der zum\nKernbereich seines Amtes (Universitatsprofessor der Besoldungsgruppe C 4)\ngehort. Die in der Berufungsvereinbarung gesondert ubertragene Aufgabe des\nLeiters der Abteilung Unfallchirurgie ist - wie etwa die Aufgabe des\n„Ärztlichen Leiters eines Krankenhauses" (vgl. BVerfG, Beschluss vom\n07.11.1979, BVerfGE 52, 303 = NJW 1980, 1327), das Amt eines „Klinikdirektors"\n(vgl. BVerfG, Urteil vom 08.02.1977, BVerfGE 43, 242 = NJW 1977, 1049) oder\neines Leiters der Landesanstalt fur Bodennutzungsschutz (vgl. BVerwG, Urteil\nvom 07.03.1968 a.a.O.) - kein Amt im statusrechtlichen Sinne. Soweit von der\nFunktionsbeschreibung (vgl. § 64 Abs. 3 UG) der vom Klager besetzten Stelle\ndie Leitung der Abteilung Unfallchirurgie umfasst gewesen ist, handelte es\nsich lediglich um eine Bezeichnung der konkreten Pflichten. Beamtenrechtlich\nist damit das ubertragene Amt im konkreten Sinn, also der konkrete\nDienstposten betroffen (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 25.01.2001 - 4 S\n2062/98 - Juris). Die Übernahme der Leitung der Abteilung Unfallchirurgie lag\nder Ernennung des Klagers zum Universitatsprofessor nicht zu Grunde. Dies\nfolgt insbesondere aus der Einweisungsverfugung vom 24.10.1997, in der dem\nKlager als Dienstaufgaben „die Pflege von Forschung und Lehre im Fach\nUnfallchirurgie und die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des §\n64 UG" zugewiesen wurden, nicht aber die Leitung der Abteilung\nUnfallchirurgie. \n--- \n| 32 \n--- \n| 6\\. Die Entscheidung des Beklagten, Nr. 1 Satz 2 der Berufungsvereinbarung\nzu kundigen, ist auch nicht ermessensfehlerhaft. \n--- \n| 33 \n--- \n| Wahrend dem Beamten das Amt im statusrechtlichen Sinne ohne seine\nZustimmung nur nach Maßgabe bestimmter gesetzlicher Vorschriften, regelmaßig\nnur zugleich mit der - gesetzmaßigen - Beendigung des Beamtenverhaltnisses\noder im Disziplinarverfahren entzogen werden kann, ist dagegen die Änderung\noder Entziehung von dienstlichen Aufgaben des - hier betroffenen - „Amtes im\nfunktionellen Sinne" rechtlich in erheblich geringerem Umfang geschutzt; denn\nzu den hergebrachten Grundsatzen des Berufsbeamtentums gehort nicht das so\ngenannte „Recht am Amt", d.h. nicht ein Recht des Beamten auf unveranderte und\nungeschmalerte Ausubung der ihm ubertragenen dienstlichen Aufgaben (vgl.\nBVerwG, Urteil vom 07.03.1968; a.a.O; BVerfG, Beschluss vom 07.11.1979\na.a.O.). Soweit die Änderung oder Entziehung dienstlicher Aufgaben geeignet\nist, subjektive Rechte des Beamten zu beruhren, steht die Entscheidung\nhieruber grundsatzlich im Ermessen des Dienstherrn; der Beamte ist regelmaßig\nnur dagegen geschutzt, dass ihm dienstliche Aufgaben ermessensfehlerhaft\nentzogen werden. Der Ermessenspielraum des Dienstherrn kann dadurch eingeengt\nsein, dass dieser dem Beamten die Übertragung einer bestimmten Aufgabe\nzugesichert hat, dass zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten hieruber\nverbindliche Vereinbarungen getroffen wurden oder aus anderen Grunden ein\nschutzwurdiges Vertrauen auf Beibehaltung der Funktion besteht. Der\nErmessensspielraum des Dienstherrn ist auch dann eingeengt, wenn es sich - wie\nhier - um Leitungsaufgaben handelt, die zudem besondere fachliche\nAnforderungen stellen, und wenn der Beamte sich gerade um diesen leitenden\nPosten beworben hat und aufgrund seiner fachlichen Qualifikationen von dem\nDienstherrn ausdrucklich fur diesen Posten eingestellt worden ist. Noch\nstarker eingeengt ist schließlich der Ermessensspielraum, wenn die\nAufgabenubertragung fur die Dauer verbindlich zugesichert oder vereinbart\nworden ist; jedoch ist der Dienstherr selbst in einem solchen Falle befugt,\ndie Aufgabenzuweisung zu andern, wenn schwerwiegende Grunde des offentlichen\nInteresses dies erforderlich machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.03.1968\na.a.O.; BayVGH, Beschluss vom 24.07.2002 - 3 CE 02.1659 - Juris). \n--- \n| 34 \n--- \n| Gemessen hieran erfolgte die Kundigung ermessenfehlerfrei. Schwerwiegende\nGrunde des Gemeinwohls liegen aus den bereits dargelegten Grunden vor. Auch\nunter Berucksichtigung des Verhaltnismaßigkeitsgrundsatzes (vgl. BVerwG,\nUrteil vom 29.04.1982, NVwZ 1983, 546; VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 21.04.1999,\nNVwZ-RR 1999, 636) stellt sich die Kundigung der Berufungsvereinbarung und des\ndamit erfolgten Entzugs der Leitungsfunktion nicht als ermessensfehlerhaft\ndar. Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich. Mit dem Verlust der Leitung\nder Abteilung Unfallchirurgie ist auch nicht ein Entzug der Aufgaben in der\nKrankenversorgung verbunden, die zum statusrechtlichen Amt gehoren (vgl. VGH\nBad.-Wurtt, Beschl. v. 18.05.2004, VBlBW 2004, 420). Ein unzulassiger Eingriff\nin die grundrechtlich geschutzte Wissenschaftsfreiheit liegt ebenfalls nicht\nvor. Durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist der Kernbereich der Lehr- und\nForschungstatigkeit, wie er sich aus dem konkret ubertragenen Amt ergibt,\ngeschutzt (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 25.01.2001 a.a.O. und Beschluss\nvom 12.05.1999 - 4 S 660/99 - Juris). Dieser Bereich ist hier nicht betroffen.\nDurch den Entzug der Leitungsfunktion wird dem Klager nicht die Moglichkeit zu\nForschung und Lehre genommen. Ein Anspruch auf Teilnahme an der Leitung einer\nwissenschaftlichen Einrichtung folgt aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht (vgl.\nBVerfG, Beschluss vom 08.04.1981, BVerfGE 57, 70, = NJW 1981, 1995). \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 16 \n--- \n| Die Klage ist zulassig (I.), aber nicht begrundet (II.) Die Kundigung von\nNr. 1 Satz 2 der Berufungsvereinbarung war wirksam. Der Widerspruchsbescheid\ndes MWK vom 27.05.2004 ist rechtmaßig und verletzt den Klager nicht in seinen\nRechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). \n--- \nI. \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Klage ist nach §§ 42, 43, 68 ff. VwGO zulassig. \n--- \n| 18 \n--- \n| 1\\. Soweit der Klager geltend macht, die Kundigung sei unwirksam, ist\nstatthafte Klageart die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO. Danach kann\ndie Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhaltnisses\noder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Klager ein\nberechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Der Klager wendet\nsich gegen die mit Schreiben des MWK vom 04.02.2004 erklarte Kundigung von Nr.\n1 Satz 2 der zwischen den Beteiligten geschlossenen „Berufungsvereinbarung"\nvom 15.09.1997. Dabei handelt es sich um einen offentlich-rechtlichen Vertrag\n(vgl. OVG Munster, Urt. vom 27.11.1996, NVwZ-RR 1997, 475; Thieme in\nHailbronner/Geis, Kommentar zum Hochschulrahmengesetz, § 43 Rn. 147;\noffengelassen von BVerfG, Urt. vom 08.02.1977, BVerfGE 43, 242 = NJW 1977,\n1049). Davon gehen die Beteiligten zu Recht aus. Es sind keine Umstande\nersichtlich, die gegen die Richtigkeit dieser Annahme sprechen konnten. \n--- \n| 19 \n--- \n| Beim Streit uber die Berechtigung zur Kundigung, deren Wirksamkeit und die\ndaraus folgende Auflosung des offentlich-rechtlichen Vertrages geht es um das\nBestehen eines Rechtsverhaltnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Da es sich\nbei der Kundigung eines offentlich-rechtlichen Vertrages - wie auch bei den\nauf Abschluss (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Auflage 2005, § 54 Rn. 20) oder\nAnpassung (vgl. BVerwG, Urt. vom 26.01.1995, BVerwGE 97, 331) eines\noffentlich-rechtlichen Vertrages gerichteten Erklarungen - nicht um einen\nVerwaltungsakt handelt, kann der Klager seine Rechte auch nicht durch\nAnfechtungsklage geltend machen. Der Subsidiaritatsgrundsatz (§ 43 Abs. 2 Satz\n1 VwVfG) steht der Feststellungsklage mithin nicht entgegen. \n--- \n| 20 \n--- \n| 2\\. Der Klager hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten\nFeststellung. Dem steht nicht entgegen, dass sich die in der\nBerufungsvereinbarung erfolgte Zusage der Leitungsfunktion auf die „Abteilung\nUnfallchirurgie an der Chirurgischen Universitatsklinik" bezieht, diese\nAbteilung aber inzwischen „formal aufgehoben" wurde und „in der Klinik fur\nTraumatologie aufgegangen" (vgl. Schreiben des Universitatsklinikums ... vom\n11.10.2000 an MWK) bzw. in das „Department fur Orthopadie und Traumatologie\nintegriert" ist (vgl. Schriftsatz des MWK v. 27.06.2006). Zwischen den\nBeteiligten steht nicht fest, dass Nr. 1 Satz 2 der Berufungsvereinbarung\naufgrund der Umorganisation des Universitatsklinikums nicht mehr geeignet\nware, Rechtswirkungen fur die Beteiligten zu entfalten. Diese gehen vielmehr -\nabgesehen von der Frage der Wirksamkeit der hier streitigen Kundigung - nicht\nvon der Hinfalligkeit der Vertragsklausel aus deren Anpassung nach § 60 LVwVfG\nwegen Änderung der Verhaltnisse im Zusammenhang mit der Umorganisation des\nUniversitatsklinikums denkbar erscheint. Der Beklagte (vgl. Schriftsatz vom\n27.06.2006) sieht den „Anspruch auf die Übertragung einer Leitungsfunktion fur\nden Bereich Unfallchirurgie" nach wie vor „grundsatzlich" als gegeben an. \n--- \n| 21 \n--- \n| 3\\. Das nach § 126 Abs. 3 BRRG erforderliche Vorverfahren wurde\ndurchgefuhrt. \n--- \nII. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Klage ist jedoch nicht begrundet. Die Kundigung vom 04.02.2004 ist\nwirksam. \n--- \n| 23 \n--- \n| 1\\. Rechtsgrundlage fur die Kundigung ist § 62 Satz 2 LVwVfG in Verbindung\nmit § 314 BGB. Offen bleiben kann, ob die Kundigung auch auf § 60 LVwVfG hatte\ngestutzt werden konnen. Denn diese Vorschrift schließt das Recht der\nBeteiligten auf Ausubung eines vereinbarten oder aus der entsprechenden\nAnwendung von Vorschriften des BGB sich ergebenden Kundigungsrechts\neinschließlich des Rechts zur Kundigung aus wichtigem Grund nach § 314 BGB n.\nF. nicht aus (vgl. Kopp/Ramsauer a.a.O. § 60 Rn. 3). \n--- \n| 24 \n--- \n| 2\\. Nach § 314 Abs.1 Satz 1 BGB kann jeder Vertragsteil\nDauerschuldverhaltnisse aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer\nKundigungsfrist kundigen. Was die unter Nr. 1 Satz 2 der Berufungsvereinbarung\nzum Inhalt der Professur gemachte Leitung der Abteilung Unfallchirurgie an der\nChirurgischen Universitatsklinik angeht, liegt ein Dauerschuldverhaltnis vor.\nWie die Berufungszusage an sich (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. vom 21.04.1999,\nNVwZ-RR 1999, 636) war auch die vom Beklagten ubernommene Verpflichtung, dass\nder Klager die Leitung der Abteilung Unfallchirurgie erhalt, auf Dauer\nberechnet. Sie sollte grundsatzlich fur die gesamte Zeit gelten, wahrend der\nder Klager die Professur inne hat, auf welche sich die Zusage bezieht. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Verpflichtung hat sich auch nicht - wie der Klager meint - gleichsam\ndurch die Ernennung zum Universitatsprofessor erledigt. Weder die Ernennung\nnoch die Einweisungsverfugung vom 24.10.1997 bezog sich auf die Leitung der\nAbteilung Unfallchirurgie. Auch mit der vom Universitatsklinikum vorgenommenen\nÜbertragung der Leitungsfunktion wurde die Zusage nicht hinfallig. Dem Klager\nsollte gerade in seinem Interesse ein rechtsverbindlicher Anspruch auf\nÜbertragung der Leitungsfunktion auf Dauer - vorbehaltlich geanderter\nVerhaltnisse (vgl. § 60 LVwVfG) - eingeraumt werden. Diesem Zweck widersprache\nes, wurde man der Zusage keine rechtliche Bedeutung mehr zumessen, nachdem dem\nKlager (erstmals) die zugesagte Leitungsfunktion eingeraumt wurde. \n--- \n| 26 \n--- \n| 3\\. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kundigenden Teil unter\nBerucksichtigung aller Umstande des Einzelfalls und unter Abwagung der\nbeiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhaltnisses bis zur\nvereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kundigungsfrist nicht\nzugemutet werden kann (§ 314 Abs. 1 Satz 2 BGB). Eine entsprechende Situation\nist hier aufgrund der vom Klager in Ausubung seines Dienstes als\nUniversitatsprofessor begangenen Straftaten, wegen derer er rechtskraftig zu\neiner Gesamtgeldstrafe von 270 Tagessatzen verurteilt wurde, gegeben. Wie sich\naus dem Urteil des LG ... vom 18.02.2003 ergibt, hat er sich in einem Fall\neiner vorsatzlichen Korperverletzung strafbar gemacht, da er die (zweite)\nOperation an der rechten Schulter eines Patienten ohne dessen rechtfertigende\nEinwilligung durchgefuhrt hatte. Gegenuber dem Patienten hatte er die\nvermeintliche Indikation zur Operation bewusst wahrheitswidrig vorgespiegelt.\nIn Wirklichkeit war es ihm darum gegangen, eine Bohrerspitze zu „bergen", die\nbei der ersten Operation abgebrochen war. Den Abbruch der Bohrerspitze hatte\ner bewusst verschwiegen. In weiteren drei Fallen machte sich der Klager der\nfahrlassigen Korperverletzung strafbar. \n--- \n| 27 \n--- \n| Aufgrund der begangenen Straftaten, aber auch gerade im Hinblick auf die\nnaheren Tatumstande kann dem Beklagten ein Festhalten an der\nBerufungsvereinbarung hinsichtlich des hier streitigen Teils nicht zugemutet\nwerden. In die Abwagung der widerstreitenden Interessen ist zwar einzustellen,\ndass bei der Durchfuhrung von Operationen jedem Arzt Fehler unterlaufen\nkonnen, die zu einer Bestrafung wegen fahrlassiger Korperverletzung fuhren\nkonnen. Andererseits ist aber zu berucksichtigen, dass gerade in dem Fall der\nvorsatzlichen Korperverletzung eine deutlich daruber hinausgehende\nPflichtverletzung festzustellen ist, die zugleich einen groben Missbrauch\nseiner Leitungsfunktion darstellt und als schwerwiegende Pflichtverletzung\nanzusehen ist (vgl. Revisionsentscheidung des BGH vom 20.01.2004, Seite 15 f.\ndes Urteilsabdrucks). Denn der Klager hat es unterlassen, den tatsachlichen\nOperationsverlauf einschließlich des Abbruchs des Bohrers zu dokumentieren,\nund daruber hinaus die mitoperierende Ärztin angewiesen, den Bohrerabbruch im\nOperationsprotokoll nicht zu erwahnen. Gerade die - wie es der BGH formuliert\nhat - „selbstherrliche Vorgehensweise des Chefarztes in dem Operationsteam,\ndie sich in der Verletzung der Dokumentationspflichten, der Beeinflussung des\nihm unterstellten Klinikpersonals und der Tauschung seiner Patienten\ndokumentierte", lasst die weitere Ausubung der Leitungsfunktion durch den\nKlager als fur den Beklagten unzumutbar erscheinen. Dabei fallt die besondere\nStellung des Klagers als Chefarzt ins Gewicht, die er insbesondere durch\nbewusst pflichtwidrige Weisungen an ihm untergebenes Personal missbraucht hat.\nBesonders vorwerfbar ist in diesem Zusammenhang, dass er nach der Operation,\nbei der es zum Abbruch des Bohrers gekommen war, den wirklichen Grund fur die\nweitere Operation dem Patienten bewusst verschwiegen und diese darauf hin\ndurchgefuhrt hat. Dabei handelt es sich nicht um einen - nicht\nauszuschließenden - Fehler wahrend einer Operation, sondern um eine\nSorgfaltspflichtverletzung durch planvolles Handeln, die das Vertrauen in die\nLeitung der Abteilung der Unfallchirurgie in besonderem Maße erschuttert. Zu\nberucksichtigen ist auch das hohe Maß an Sorgfaltspflichtwidrigkeit in einem\nFall der fahrlassigen Korperverletzung, weshalb sich das Landgericht\nveranlasst sah, von Leichtfertigkeit bzw. von grober Fahrlassigkeit zu\nsprechen ( Seite 62 des Urteilsabdrucks). \n--- \n| 28 \n--- \n| Angesichts der festgestellten Straftaten und der besonderen Tatumstande\nware es mit dem Ansehen des Universitatsklinikums und der Universitat, welches\ngerade vom Vertrauen der Öffentlichkeit bzw. der Patienten in die Kompetenz\nund Integritat der leitenden Ärzte abhangig ist, unvereinbar, den Klager\nweiterhin in seiner Position als Leiter der Abteilung Unfallchirurgie zu\nbelassen. Dass die genannten Pflichtverstoße moglicherweise weitere\ndisziplinarrechtliche Maßnahmen gegen den Klager rechtfertigen, stellt die\nAnnahme, dass ein wichtiger Grund fur die Kundigung der Berufungsvereinbarung\nhinsichtlich der Zusage der Leitung der Abteilung Unfallchirurgie vorliegt,\nnicht in Frage. Unerheblich ist auch, ob - wie der Klager-Vertreter in der\nmundlichen Verhandlung behauptet hat - arztliche „Kunstfehler" in der\nBundesrepublik Deutschland massenhaft vorkommen. Zum einen geht es hier nicht\nnur um Behandlungsfehler, die als fahrlassige Korperverletzung zu werten sind,\nsondern um einen Missbrauch gerade der Stellung als leitender Arzt. Zum\nanderen kann der Klager aus dem Umstand, dass „Kunstfehler" ungeahndet\nbleiben, keinen Anspruch darauf herleiten, dass auch in seinem Fall die\nPflichtverletzungen keine Auswirkungen auf seine Stellung als Chefarzt haben. \n--- \n| 29 \n--- \n| 4\\. Eine Abmahnung war nach § 314 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. § 323 Abs. 2 Nr.\n3 BGB nicht erforderlich. Denn das Vertrauensverhaltnis zwischen den\nBeteiligten war so schwerwiegend gestort, dass eine sofortige Kundigung\ngerechtfertigt erscheint (vgl. Palandt, BGB, 64. Aufl. 2005, § 314 Rn. 8). Der\nBeklagte hat auch innerhalb einer angemessenen Frist gekundigt, nachdem er vom\nKundigungsgrund Kenntnis erlangt hat (§ 314 Abs. 3 BGB). Die Kundigung vom\n04.04.2002 erfolgte unmittelbar, nachdem aufgrund der Revisionsentscheidung\ndes BGH vom 20.01.2004 das Urteil des Landgerichts rechtskraftig geworden war.\nErst nach Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils stand fest, dass und in\nwelchem Umfang sich der Klager der vorsatzlichen und fahrlassigen\nKorperverletzung strafbar gemacht hatte und welche naheren Tatumstande der\nVerurteilung zugrunde lagen. Dass der Beklagte nicht zuletzt aus Rucksicht auf\nden Klager keine Verdachtskundigung ausgesprochen hat, stellt die Wirksamkeit\nder Kundigung nicht in Frage. \n--- \n| 30 \n--- \n| 5\\. Die Kundigung stellt auch keinen (unzulassigen) Eingriff in das dem\nKlager verliehene Amt im statusrechtlichen Sinne dar, sondern betrifft nur den\nihm ubertragenen konkreten Aufgabenbereich. \n--- \n| 31 \n--- \n| Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom\n07.03.1968, DÖV 1970, 210) ist zwischen dem „Amt" eines Beamten und seiner\n„Amtsstelle" zu unterscheiden, d.h. zwischen dem durch Ernennung verliehenen\n„Amt im statusrechtlichen Sinne", das regelmaßig durch eine im\nBesoldungsgesetz oder durch Anordnung des Dienstherrn bestimmte\n„Amtsbezeichnung" gekennzeichnet wird und fur den Rechtsstand des Beamten,\nbesonders fur seine Dienstbezuge, maßgebend ist, und dem „Amt im funktionellen\nSinne", namlich dem durch Geschaftsverteilung, Zuweisung, Bestellung,\nBeauftragung oder dergl. dem Beamten ubertragenen dienstlichen Aufgabenbereich\n(Funktion, Amtsstelle, Dienstposten). Mit dem Entzug der Leitungsfunktion\nerfolgte lediglich eine organisatorische Änderung des Amtes des Klagers im\nkonkret-funktionellen Sinne, denn es wurde weder die Zugehorigkeit zur\nLaufbahn noch die Besoldungsgruppe noch die verliehene Amtsbezeichnung\nverandert. Dem Klager wurde auch nicht ein Aufgabenbereich entzogen, der zum\nKernbereich seines Amtes (Universitatsprofessor der Besoldungsgruppe C 4)\ngehort. Die in der Berufungsvereinbarung gesondert ubertragene Aufgabe des\nLeiters der Abteilung Unfallchirurgie ist - wie etwa die Aufgabe des\n„Ärztlichen Leiters eines Krankenhauses" (vgl. BVerfG, Beschluss vom\n07.11.1979, BVerfGE 52, 303 = NJW 1980, 1327), das Amt eines „Klinikdirektors"\n(vgl. BVerfG, Urteil vom 08.02.1977, BVerfGE 43, 242 = NJW 1977, 1049) oder\neines Leiters der Landesanstalt fur Bodennutzungsschutz (vgl. BVerwG, Urteil\nvom 07.03.1968 a.a.O.) - kein Amt im statusrechtlichen Sinne. Soweit von der\nFunktionsbeschreibung (vgl. § 64 Abs. 3 UG) der vom Klager besetzten Stelle\ndie Leitung der Abteilung Unfallchirurgie umfasst gewesen ist, handelte es\nsich lediglich um eine Bezeichnung der konkreten Pflichten. Beamtenrechtlich\nist damit das ubertragene Amt im konkreten Sinn, also der konkrete\nDienstposten betroffen (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 25.01.2001 - 4 S\n2062/98 - Juris). Die Übernahme der Leitung der Abteilung Unfallchirurgie lag\nder Ernennung des Klagers zum Universitatsprofessor nicht zu Grunde. Dies\nfolgt insbesondere aus der Einweisungsverfugung vom 24.10.1997, in der dem\nKlager als Dienstaufgaben „die Pflege von Forschung und Lehre im Fach\nUnfallchirurgie und die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des §\n64 UG" zugewiesen wurden, nicht aber die Leitung der Abteilung\nUnfallchirurgie. \n--- \n| 32 \n--- \n| 6\\. Die Entscheidung des Beklagten, Nr. 1 Satz 2 der Berufungsvereinbarung\nzu kundigen, ist auch nicht ermessensfehlerhaft. \n--- \n| 33 \n--- \n| Wahrend dem Beamten das Amt im statusrechtlichen Sinne ohne seine\nZustimmung nur nach Maßgabe bestimmter gesetzlicher Vorschriften, regelmaßig\nnur zugleich mit der - gesetzmaßigen - Beendigung des Beamtenverhaltnisses\noder im Disziplinarverfahren entzogen werden kann, ist dagegen die Änderung\noder Entziehung von dienstlichen Aufgaben des - hier betroffenen - „Amtes im\nfunktionellen Sinne" rechtlich in erheblich geringerem Umfang geschutzt; denn\nzu den hergebrachten Grundsatzen des Berufsbeamtentums gehort nicht das so\ngenannte „Recht am Amt", d.h. nicht ein Recht des Beamten auf unveranderte und\nungeschmalerte Ausubung der ihm ubertragenen dienstlichen Aufgaben (vgl.\nBVerwG, Urteil vom 07.03.1968; a.a.O; BVerfG, Beschluss vom 07.11.1979\na.a.O.). Soweit die Änderung oder Entziehung dienstlicher Aufgaben geeignet\nist, subjektive Rechte des Beamten zu beruhren, steht die Entscheidung\nhieruber grundsatzlich im Ermessen des Dienstherrn; der Beamte ist regelmaßig\nnur dagegen geschutzt, dass ihm dienstliche Aufgaben ermessensfehlerhaft\nentzogen werden. Der Ermessenspielraum des Dienstherrn kann dadurch eingeengt\nsein, dass dieser dem Beamten die Übertragung einer bestimmten Aufgabe\nzugesichert hat, dass zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten hieruber\nverbindliche Vereinbarungen getroffen wurden oder aus anderen Grunden ein\nschutzwurdiges Vertrauen auf Beibehaltung der Funktion besteht. Der\nErmessensspielraum des Dienstherrn ist auch dann eingeengt, wenn es sich - wie\nhier - um Leitungsaufgaben handelt, die zudem besondere fachliche\nAnforderungen stellen, und wenn der Beamte sich gerade um diesen leitenden\nPosten beworben hat und aufgrund seiner fachlichen Qualifikationen von dem\nDienstherrn ausdrucklich fur diesen Posten eingestellt worden ist. Noch\nstarker eingeengt ist schließlich der Ermessensspielraum, wenn die\nAufgabenubertragung fur die Dauer verbindlich zugesichert oder vereinbart\nworden ist; jedoch ist der Dienstherr selbst in einem solchen Falle befugt,\ndie Aufgabenzuweisung zu andern, wenn schwerwiegende Grunde des offentlichen\nInteresses dies erforderlich machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.03.1968\na.a.O.; BayVGH, Beschluss vom 24.07.2002 - 3 CE 02.1659 - Juris). \n--- \n| 34 \n--- \n| Gemessen hieran erfolgte die Kundigung ermessenfehlerfrei. Schwerwiegende\nGrunde des Gemeinwohls liegen aus den bereits dargelegten Grunden vor. Auch\nunter Berucksichtigung des Verhaltnismaßigkeitsgrundsatzes (vgl. BVerwG,\nUrteil vom 29.04.1982, NVwZ 1983, 546; VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 21.04.1999,\nNVwZ-RR 1999, 636) stellt sich die Kundigung der Berufungsvereinbarung und des\ndamit erfolgten Entzugs der Leitungsfunktion nicht als ermessensfehlerhaft\ndar. Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich. Mit dem Verlust der Leitung\nder Abteilung Unfallchirurgie ist auch nicht ein Entzug der Aufgaben in der\nKrankenversorgung verbunden, die zum statusrechtlichen Amt gehoren (vgl. VGH\nBad.-Wurtt, Beschl. v. 18.05.2004, VBlBW 2004, 420). Ein unzulassiger Eingriff\nin die grundrechtlich geschutzte Wissenschaftsfreiheit liegt ebenfalls nicht\nvor. Durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist der Kernbereich der Lehr- und\nForschungstatigkeit, wie er sich aus dem konkret ubertragenen Amt ergibt,\ngeschutzt (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 25.01.2001 a.a.O. und Beschluss\nvom 12.05.1999 - 4 S 660/99 - Juris). Dieser Bereich ist hier nicht betroffen.\nDurch den Entzug der Leitungsfunktion wird dem Klager nicht die Moglichkeit zu\nForschung und Lehre genommen. Ein Anspruch auf Teilnahme an der Leitung einer\nwissenschaftlichen Einrichtung folgt aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht (vgl.\nBVerfG, Beschluss vom 08.04.1981, BVerfGE 57, 70, = NJW 1981, 1995). \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. \n---\n\n
142,050
fg-baden-wurttemberg-2006-07-10-3-v-3605
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
3 V 36/05
2006-07-10
2019-01-08 22:45:20
2019-01-17 12:02:15
Beschluss
## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 2 des\nGerichtskostengesetzes - GKG -. Fur seine Bemessung ist § 52 Abs. 2 i. V. m. §\n53 Abs. 3 Nr. 2 GKG maßgebend. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Da im vorliegenden Antragsverfahren nicht um einen ziffernmaßig\nbestimmbaren Betrag gestritten wird und auch im ubrigen keine genugenden\nAnhaltspunkte zur Bezifferung des Streitwertes vorliegen, ist vom\nAuffangstreitwert auszugehen (BFH Beschluss vom 30. Januar 1996 VIII E 1/96,\nSammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV -1996, 575 f.): \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Antragstellerin - Astin. - begehrte die Aussetzung der Vollziehung\neines Bescheides uber die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 180\nAbs. 2 AO fur Zwecke der Eigenheimzulage gemaß § 17 Eigenheimzulagegesetz \\-\nEigZulG -, in dem das Finanzamt - FA - feststellte, dass sie nicht die\nAnforderungen fur eine begunstigte Genossenschaft im Sinne des § 17 EigZulG\nerfullte. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Ein konkret im Streit befangener Steuerbetrag liegt danach nicht vor. Die\nBetrage, die von den Genossen wegen der Nichtanerkennung der Begunstigung der\nAstin. gemaß § 17 EigZulG zuruckzuzahlen waren, sind den vorliegenden Akten\nnicht zu entnehmen. Die von der Astin. diesbezuglich vorgenommene Schatzung\nist nicht verifizierbar. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mangels konkreter Anhaltspunkte zur Bezifferung des Streitwerts ist danach\nvom Auffangstreitwert auszugehen (vgl. FG Berlin Beschluss vom 27. Januar 2006\n2 B 2192/05, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2006, 558). Dieser\nbelauft sich gemaß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000 EUR. Zwar kann auch der\nAuffangstreitwert entsprechend der Grundregel des § 52 Abs. 1 GKG nach der\nBedeutung des Antrags entsprechend erhoht werden. Nach Auffassung des Senats\nist von einer Erhohung jedoch angesichts des summarischen Charakters des\nvorliegenden AdV-Verfahrens abzusehen und das Begehren der Astin. nach § 52\nAbs. 2 i. V. m. § 53 Abs. 3 Nr. 3 GKG selbstandig und unabhangig vom Ansatz im\nHauptverfahren pauschal mit dem Auffangstreitwert je Feststellungsjahr\nanzusetzen. Der Streitwert belauft sich danach auf insgesamt 25.000 EUR (2002\n- 2006 = 5 Jahre x 5.000 EUR = 25.000 EUR). \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Eine Kurzung auf 10 v. H. dieses Betrages - wie in den Fallen, in denen die\nAussetzung der Vollziehung hinsichtlich eines bestimmten Steuerbetrages\nbegehrt wird -, ist nach der hochstrichterlichen Rechtsprechung nicht\nzulassig. § 52 Abs. 2 GKG gebietet den Ansatz eines fiktiven Wertes, ohne\nBerucksichtigung der tatsachlichen, allerdings unbekannten Verhaltnisse.\nDieser Wert kann dann nicht gleichzeitig Grundlage sein fur die Ableitung des\nStreitwerts eines anderen Verfahrens, von dem ebenso wenig bekannt ist, welche\nfinanzielle Bedeutung ihm zukommt (BFH Beschluss vom 3. Oktober 1986 III R\n138/85, BFH/NV 1987, 114). \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Antrag, die Hinzuziehung des Bevollmachtigten im Vorverfahren fur\nnotwendig zu erklaren, wird abgelehnt. Das beim Finanzamt gefuhrte\nAussetzungsverfahren nach § 361 Abs. 2 AO ist kein Vorverfahren im Verhaltnis\nzum beim Finanzgericht gefuhrten Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung\ngemaß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO - (s. Beschluss des FG\nBaden-Wurttemberg Beschluss vom 4. Oktober 1993 6 Ko 11/93, Sammlung der\nEntscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1994, 262). \n---\n\n
142,091
olgstut-2006-07-18-12-u-23605
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
12 U 236/05
2006-07-18
2019-01-08 23:41:28
2019-02-12 13:10:32
Urteil
## Tenor\n\nI. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom\n22.11.2005 - 17 O 220/05 - wird mit der Maßgabe\n\n** zuruckgewiesen, **\n\ndass Ziff. 1 des Tenors wie folgt lautet:\n\n1\\. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von\nbis zu 250.000 EUR fur jeden Fall der Zuwiderhandlung, fur den Fall, dass\ndieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu\nsechs Monaten, zu unterlassen, wortlich oder sinngemaß in Bezug auf die\nKlagerin gegenuber Dritten die folgenden Behauptungen, auch als\nVerdachtsbehauptungen, aufzustellen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten\nzu lassen:\n\n„Weiterhin betone ich hiermit, dass ich nicht weiß, ob Herr J. Z. oder andere\nverantwortliche Personen vom Einkauf, Geld von Mitbewerbern wie D. oder A.\n(Fa. G.) erhalten haben.\n\nAllerdings kann der Verdacht naturlich durchaus nahe liegen, weil die\nKomponenten „T." Dichtmittel und Kompressor signifikant kostenintensiver durch\ndie verantwortlichen Personen beschafft wurden, bzw. bei gleicher\nQualitat/Spezifiktion die Wahl auf die teureren Komponenten fiel.\n\nWeiter halte ich das von Ihnen ausgesprochene Hausverbot fur den Versuch der\nVerdunkelung in dieser nicht zuletzt fur viele Aktionare interessanten\nAngelegenheit"\n\nund in Bezug hierauf den Begriff „Korruption" zu verwenden.\n\nII. Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\nIII. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorlaufig vollstreckbar. Die\nBeklagten konnen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus\ndem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klagerin vor der\nVollstreckung Sicherheit in Hohe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden\nBetrages leistet.\n\nStreitwert des Berufungsverfahrens: bis 60.000,00 EUR\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n**I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Parteien streiten daruber, ob die Beklagten verpflichtet sind, die im\nTenor genannten Erklarungen zu unterlassen. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| 1) Die Beklagte Ziff. 1 hat in der Zeit von 2001 bis Ende 2004\nReifendichtmittel und Kompressoren fur das Ersatzteilgeschaft der Klagerin,\neiner Autoherstellerin, geliefert. Die Beklagte Ziff. 2 ist deren\nKomplementarin, der Beklagte Ziff. 3 der Geschaftsfuhrer der Beklagten Ziff.\n2. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Im Verlauf des Jahres 2004 versuchte die Beklagte Ziff. 1 die\nLieferbeziehung zur Klagerin auszuweiten und Lieferantin auch fur die\nSerienfertigung zu werden. Die entsprechenden Verhandlungen fuhrten zu keinem\nfur die Beklagte Ziff. 1 positiven Ergebnis. Im Gegenteil teilte die Klagerin\nin einem Gesprach am 01.03.2004 dem Beklagten Ziff. 3 mit, dass die\nLieferbeziehungen zum Jahresende beenden werden und erlauterte diese\nEntscheidung mit Schreiben vom 04.03.2004 (Anl. K 1) und vom 20.10.2004 (Anl.\nK 2) naher. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Jedenfalls ab Anfang November 2004 stellten die Beklagten die Entscheidung\nder Klagerin unter Hinweis auf einen Korruptionsverdacht bezuglich einiger\nMitarbeiter der Einkaufsabteilung in Frage. In diesem Zusammenhang wandte sich\nder Beklagte Ziff. 3 u. a. wiederholt auch an Vorstandsmitglieder der\nKlagerin. Das gesamte Geschehen veranlasste die Klagerin, Strafanzeige und\nStrafantrag bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen den Beklagten Ziff. 3\nzu stellen (Anl. K 5), der im Ergebnis aber keine Folge gegeben wurde. \n--- \n| 5 \n--- \n| Im Schreiben vom 03.02.2005 (Anl. K 6) hat der Beklagte Ziff. 3 auf dem\nBriefpapier der Beklagten Ziff. 1 die im Tenor genannten Erklarungen\naufgestellt. Zusatzlich befindet sich auf dem Schreiben in der letzten Zeile\nfolgender Vermerk: \n--- \n| 6 \n--- \n| „cc: Herr B., Herr D.; Herr v. E., Verband der Kleinaktionare, Redaktion\nB.-Zeitung u.a.m.". \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Klagerin hat sich im Rahmen des Rechtsstreites darauf berufen, dass sie\nmit einem namhaften und bedeutenden Reifenlieferanten eine ganzheitliche\nLangzeitvereinbarung getroffen habe unter Einschluss der Lieferung des\nReifendichtmittels, woraus sich ein erhebliches Einsparpotential fur sie\nergeben habe, weshalb eine Verteuerung gegenuber den Angeboten der Beklagten\nZiff. 1 ausgeschlossen sei. Hinsichtlich des Reifenfullkompressors sei sie zum\neinen vertraglich gebunden gewesen und zum anderen habe sie mit einem\nKonkurrenten abgeschlossen, der deutlich gunstiger als die Beklagte Ziff. 1\nangeboten habe. \n--- \n| 8 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 08.11.2005 (Bl. 85) hat\nder Beklagtenvertreter erklart, dass seine Partei „uber die anderen\nKomponenten des ganzheitlichen Vertrags der Klagerin mit einem Anbieter,\ninnerhalb dessen auch Dichtmittel angeboten worden sind" und „zu den Preisen,\nmit denen mit der Fa. A. T. abgeschlossen worden ist" nichts sagen konne, sie\nbliebe allerdings dabei, „dass die Komponente Dichtmittel von ihr in dem\nVerhaltnis gunstiger angeboten worden" sei. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Klagerin hat behauptet, \n--- \n| 10 \n--- \n| dass sie bei gleicher Qualitat und Spezifikation unter Berucksichtigung der\nganzheitlichen Vereinbarung mit dem Reifenlieferanten nicht teurer eingekauft\nhabe, als die Beklagte Ziff. 1 angeboten habe. Das beanstandete Schreiben sei\nauch an Dritte gegangen. Soweit einer ihrer Mitarbeiter ein Stuck Rauchfleisch\nund eine Flasche Prosecco erhalten habe, sei dies nach ihren internen\nRichtlinien erlaubt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass es sich insgesamt\num unzutreffende und sie herabsetzende Tatsachenbehauptungen handele. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Klagerin hat beantragt, \n--- \n| 12 \n--- \n| wie Tenor Ziff. 1 des Urteils des Landgerichtes, \n--- \n| 13 \n--- \n| hilfsweise in Bezug auf Antrag 1.3 \n--- \n| 14 \n--- \n| „allerdings konne der Verdacht, J. Z. und andere verantwortliche Personen im\nEinkauf hatten Geld von Mitbewerbern erhalten, durchaus nahe liegen, weil die\nKomponenten ‚T.\' Dichtmittel und Kompressor signifikant kostenintensiver durch\ndie verantwortlichen Personen beschafft wurden bzw. bei gleicher\nQualitat/Spezifikation die Wahl auf die teureren Komponenten gefallen sei." \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beklagten haben beantragt, \n--- \n| 16 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Beklagten haben behauptet , \n--- \n| 18 \n--- \n| dass ihre Preise in Bezug auf die Mitbewerber, die ihnen bekannt seien,\nsignifikant niedriger gewesen seien. Dazuhin sei der Rucksack des Mitarbeiters\nR. der Klagerin bei der Fa. A. von Mitarbeitern dieser Firma mit Spirituosen\nverschiedenster Art und Rauchfleisch gefullt worden. Das beanstandete\nSchreiben hatten sie nicht an Dritte versandt. \n--- \n| 19 \n--- \n| Sie sind der Auffassung, dass die Äußerungen, die ihnen untersagt werden\nsollen, gerechtfertigt seien. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| 2) Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemaß verurteilt und zur\nBegrundung darauf abgestellt, dass es sich bei den beanstandeten Äußerungen um\neine Tatsachenbehauptung und nicht um eine Meinungsaußerung handele, was\ninsbesondere in Bezug auf den Begriff „signifikant" gelte. Die Beklagten\nhatten den ihnen obliegenden Nachweis dafur, dass ihre Behauptungen wahr\nseien, nicht gefuhrt, vielmehr in der mundlichen Verhandlung eingeraumt, dass\nsie zu den Erklarungen der Klagerin nichts sagen konnten. \n--- \n| 21 \n--- \n| Mit diesen Behauptungen werde die Geschaftsehre der Klagerin verletzt und\ndie Beklagten hatten deshalb die entsprechenden Äußerungen zu unterlassen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Fur die weitergehende Begrundung wird auf das Urteil vom 22.11.2005\nverwiesen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| 3) Gegen das den Beklagten am 24.11.2005 (Bl. 94 a) zugestellte Urteil haben\ndiese mit Schriftsatz vom 23.12.2005, eingegangen am selben Tag (Bl. 97),\nBerufung eingelegt und diese, nachdem die Begrundungsfrist bis 24.02.2006\nverlangert worden war (Bl. 106), mit Schriftsatz vom 24.02.2006, eingegangen\nam selben Tag (Bl. 112), begrundet. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Beklagten sind der Auffassung, \n--- \n| 25 \n--- \n| dass die ihnen untersagten Erklarungen Meinungsaußerungen und keine\nTatsachenbehauptungen darstellen, was insbesondere fur den Begriff\n„signifikant" gelte. Aus dem Satzzusammenhang des Schreibens ergebe sich, dass\nkein konkreter Vorwurf erhoben werde. \n--- \n| 26 \n--- \n| Jedenfalls aber sei das Schreiben in Wahrnehmung berechtigter Interessen\nerstellt worden, weil es Reaktion auf ein Telefongesprach sei, in dem\nangedroht worden sei, gegen den Beklagten Ziff. 3 Strafanzeige zu erstatten.\nDas Landgericht habe zudem den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten\nGesichtspunkt des „Laienprivilegs" nicht berucksichtigt. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Beklagten beantragen, \n--- \n| 28 \n--- \n| das Urteil des Landgerichtes abzuandern und die Klage abzuweisen (Bl. 112). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Klagerin beantragt zuletzt , \n--- \n| 30 \n--- \n| wie im Tenor Ziff. 1 dieses Urteils (Bl. 141/142). \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Klagerin ist der Auffassung, \n--- \n| 32 \n--- \n| dass es sich bei den untersagten Erklarungen im Wesentlichen um\nTatsachenbehauptungen handele, mogen diese auch wertend eingekleidet sein. Die\nBeklagten, die das beanstandete Schreiben auch an weitere Personen gesandt\nhatten, hatten auch nicht in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt.\nDie Einbeziehung Dritter als Adressaten konne von vornherein nicht Gegen-stand\neiner berechtigten Interessenwahrnehmung sein, da sie vorliegend weder\nerforderlich noch angemessen gewesen sei. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Im Übrigen wird fur den Parteivortrag auf die gewechselten Schriftsatze und\nprotokollierten Erklarungen der Parteien Bezug genommen. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 34 \n--- \n| 1) Die zulassige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begrundete\nBerufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die erfolgte Umstellung des Antrags\nder Klagerin - der in seiner jetzigen Fassung im Wesentlichen bereits als\nHilfsantrag angekundigt war - und die entsprechende Formulierung des Tenors\ntragt lediglich den Anforderungen der Rechtsprechung hinsichtlich der\nEinbeziehung der konkret beanstandeten Handlung Rechnung, stellt aber in der\nSache kein Unterliegen dar. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| 2) Der Anspruch der Klagerin ergibt sich aus §§ 823 II BGB, 186 StGB, i.V.m.\n§§ 1004, 31 BGB. \n--- \n| 36 \n--- \n| Die vom Beklagten Ziff. 3 in dem Schreiben vom 03.02.2005 erhobenen Vorwurfe\nrechtfertigen sowohl gegen diesen, wie auch gegen die Beklagten Ziff. 1 u. 2,\ndie fur das Verhalten des Beklagten Ziff. 3 gemaß § 31 BGB einstehen mussen,\neinen entsprechenden Unterlassungsanspruch, da hierin eine nicht erweislich\nwahre Tatsachenbehauptung zu sehen ist, die geeignet ist, die Klagerin in der\noffentlichen Meinung herabzuwurdigen. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Die beanstandete Formulierung stellt eine Mischung zwischen\nTatsachenbehauptung und Meinungsaußerung dar (vgl. hierzu Munchner Kommentar\nBGB, 4.A., Rz. 13 zu § 824 BGB), die in ihrem Kern als Tatsachenbehauptung mit\neiner hieraus resultierenden Schlussfolgerung zu werten ist. Tatsachenkern der\nAussage ist, dass die entsprechenden Einkaufer der Klagerin teurere\nKomponenten bei gleicher Qualitat bzw. Spezifikation eingekauft haben, obwohl\ndie Beklagte Ziff. 1 ein technisch vergleichbares und gunstigeres Angebot\nabgegeben habe. Hiermit wird der Vorwurf verbunden, dass diese Mitarbeiter\nGeld von Mitbewerbern erhalten haben und in diesem Zusammenhang - vgl. die\nEingangszeile des Schreibens - wird der Begriff „Korruption" gebraucht. Soweit\nder Beklagte Ziff. 3 diesen Vorwurf dahingehend relativiert hat, dass er\nformulierte „weiterhin betone ich hiermit, dass ich nicht weiß, ob ..." und\n„allerdings kann der Verdacht naturlich durchaus nahe liegen, weil ..." ist\ndies rechtlich unerheblich. Diese Formulierungen stellen nur rhetorische\nFloskeln dar, die im Zusammenhang mit der Kernaussage einem außen stehenden\nDritten, auf dessen Verstandnis es ankommt (vgl. Munchner Kommentar a.a.O.,\nRz. 15 zu § 824 BGB), gerade den Eindruck vermitteln, dass trotz dieser\nEinschrankungen der Vorwurf erhoben wird, dass die Einkaufer der Klagerin Geld\nvon Konkurrenten erhalten haben bzw. dass dieser Verdacht nahe liegend sei und\ndass es sich insoweit um Korruption handele (vgl. auch Munchner Kommentar\na.a.O. Rz. 28 zu § 824 BGB). \n--- \n| 38 \n--- \n| Dieser gegenuber den Mitarbeitern der Klagerin erhobene Vorwurf wird auf die\nKlagerin dadurch ubergeleitet, dass die Beklagten das unstreitig\nausgesprochene Hausverbot als „den Versuch der Verdunklung in dieser nicht\nzuletzt fur viele Aktionare interessanten Angelegenheit" werten, was dem Sinn\nnach bedeutet, dass die Beklagten der Klagerin vorwerfen, dass diese gegen\nbestechliche Mitarbeiter nichts unternimmt bzw. deren Verhalten nicht publik\nwerden lassen will. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Die in § 186 StGB geregelte Beweislast gilt auch fur die zivilrechtlichen\nAnspruche. Danach haben die Beklagten den Nachweis zu fuhren, dass ihre\nKernaussage, die Mitarbeiter des Einkaufs der Klagerin hatten zu Preisen\neingekauft, die uber den von ihr bei gleicher Qualitat bzw. Spezifikation\nangebotenen lagen, zutrifft. Diesen Nachweis haben sie nicht erbracht. Im\nGegenteil haben die Beklagten in der mundlichen Verhandlung vor dem\nLandgericht ausdrucklich eingeraumt, dass sie weder Kenntnis von dem\nGesamtpaket haben, das die Klagerin mit ihrem Reifenlieferanten unter\nEinbeziehung der Lieferung des Reifendichtungsmittel abgeschlossen hat, noch\ndass sie etwas zu den angebotenen Preisen der Firma A. T. sagen konnen, mit\nder die Klagerin den Liefervertrag uber den Kompressor geschlossen hat. Die\nzugleich vorgebrachte Einschrankung dahingehend, dass sie weiterhin meinen,\ndass sie die Komponente Dichtmittel gunstiger angeboten haben, ist\nunerheblich, da es fur die Frage, ob ein Vertragsschluss fur die Klagerin\nwirtschaftlich vorteilhaft ist, immer auf den Gesamtzusammenhang ankommt und\nnicht auf die Kosten einzelner Komponenten. Fur den von den Beklagten\ngeaußerten Korruptionsverdacht fehlt deshalb jede feststellbare tatsachliche\nGrundlage. \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Frage, ob der Begriff „signifikant" eine Wertung oder eine\nTatsachenbehauptung darstellt, kann deshalb dahinstehen. \n--- \n| 41 \n--- \n| Damit stellt sich die Gesamterklarung als nicht erweislich wahre Tatsache\ni.S.v. § 186 StGB dar und damit als eine Schutzrechtsverletzung i.S.v. § 823\nAbs. 2 BGB. Diese Behauptung ist auch geeignet, das Ansehen der Klagerin in\nder Öffentlichkeit herabzuwurdigen. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Obwohl das Schreiben an den Leiter der Rechtsabteilung der Klagerin\ngerichtet ist, der als Leitungs- oder Aufsichtsbefugter im betroffenen\nUnternehmen nicht Dritter i.S.v. § 186 StGB ist (vgl. hierzu\nHefermehl/Kohler/Baumkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., Rz. 8.18 zu § 4 UWG),\nliegt die fur einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungs-,\njedenfalls aber eine Erstbegehungsgefahr vor. \n--- \n| 43 \n--- \n| Bereits in dem Schreiben vom 03.02.2005 - findet sich in der Fußzeile der\nZusatz „cc: Herr B., Herr D.; ...". Dies lasst den Schluss darauf zu, dass\ndieses Schreiben auch dem dort ebenfalls aufgefuhrten Verband der\nKleinaktionare bzw. der Redaktion der B.-Zeitung zugesandt wurde. Hierfur\nspricht zudem die in der mundlichen Verhandlung vor dem Senat vorgebrachte\nunstreitige Behauptung der Klagerin, dass in einem Termin vor dem Landgericht\nStuttgart in dieser Sache eine Vertreterin der B.-Zeitung anwesend gewesen\nist. Damit liegt eine Verletzungshandlung vor, die eine - widerlegliche -\nVermutung fur die Wiederholungsgefahr begrundet. Zwar bestreiten die\nBeklagten, dieses Schreiben an die Genannten weitergeleitet zu haben, doch\nerscheint dies als wenig glaubhaft. \n--- \n| 44 \n--- \n| Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben, denn jedenfalls ergibt\nsich aus dieser Fußzeile eine Erstbegehungsgefahr, weil die Beklagten hiermit\nihre Auffassung zum Ausdruck gebracht haben, sie seien berechtigt, dieses\nSchreiben an außenstehende Dritte zu versenden und ein solches Verhalten auch\nangekundigt haben. Dies wird zusatzlich durch die entsprechenden Erklarungen\nim Schriftsatz der Beklagten vom 19.07.2005 (Bl. 53) verstarkt, in dem die\nAuffassung vertreten wird, dass eine „tatsachlich nicht stattgefundene\nVerbreitung des Verdachts in der Presse gerechtfertigt gewesen" ware.\nJedenfalls im Zusammenhang mit der zitierten Fußzeile kann mangels\nentsprechender Klarstellung nicht davon ausgegangen werden, dass diese\nErklarung allein im Zusammenhang mit einer effektiven Rechtsverfolgung\nabgegeben worden ist, was allein fur die Annahme einer drohenden Gefahr eines\nwiderrechtlichen Eingriffs nicht ausreichen wurde. \n--- \n| 45 \n--- \n| Diese somit zu bejahende Erstbegehungsgefahr ist von den Beklagten nicht\nbeseitigt worden. Auch wenn es hierfur nicht einer strafbewehrten\nUnterlassungserklarung bedarf (vgl. Hefermehl/Kohler/Baumkamm, a.a.O., Rz.\n1.26 zu § 8 UWG), so ist doch eine eindeutige klarstellende Erklarung der\nBeklagten erforderlich, dass sie auf ihrer bisher geaußerten entsprechenden\nAuffassung nicht beharren. Eine solche Klarstellung kann weder den\naußergerichtlichen Schreiben noch den im Rechtsstreit eingereichten\nSchriftsatzen entnommen werden. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Die Beklagten konnen sich auch nicht darauf berufen, dass sie in Wahrnehmung\nberechtigter Interessen gehandelt haben. Hiervon mag auszugehen sein, soweit\nsie ihren Verdacht in Bezug auf die Einkaufer gegenuber deren Vorgesetzten\nbzw. den leitenden Mitarbeitern und Vorstanden der Klagerin geaußert haben.\nDiese sind zum einen bereits nicht Dritte und zum anderen mussen nach\nAuffassung des Senates insoweit ahnliche Grundsatze gelten wie bei\nentsprechenden Erklarungen gegenuber den staatlichen Behorden. Auch dem nur\nvermeintlich Geschadigten bzw. Betroffenen muss das Recht zustehen, sich mit\nseinen Beschwerden an die hierfur verantwortlichen Personen seines\nVerhandlungspartners zu wenden. \n--- \n| 47 \n--- \n| Dies gilt aber nicht, soweit es die Verbreitung des entsprechenden\nVerdachtes auch an Dritte betrifft. Insoweit ist ein berechtigtes Interesse\nder Beklagten weder erkennbar noch von ihnen dargetan worden; im Gegenteil\nergibt sich aus ihren Erklarungen, wonach nicht einmal die tatsachliche\nGrundlage ihres Verdachtes Bestand haben kann, dass ein derartiges Interesse\noffenkundig ausscheidet. Insoweit ist insbesondere unerheblich, ob ein\nMitarbeiter der Klagerin in einem dem Schreiben vorausgegangenen Telefonat mit\neiner Strafanzeige „gedroht" hat. Da jedermann dazu berechtigt ist, sich an\ndie zustandigen Behorden zu wenden, kann dies nicht ein Verhalten\nrechtfertigen, mit dem die Beklagten die Klagerin gegenuber Dritten\nherabsetzen. \n--- \n| 48 \n--- \n| Die von den Beklagten vorgebrachten Grundsatze des „Laienprivilegs" (vgl.\nWenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5.A., Kapitel 12, Rz.\n136) greifen vorliegend nicht Platz. Es handelt sich gerade um\nTatsachenbehauptungen aus dem eigenen Erfahrungs- und Kontrollbereich,\njedenfalls behaupten die Beklagten dies. Sie konnen sich deshalb nicht auf\nGrundsatze berufen, die fur diejenigen gelten, die ihre Informationen aus\noffentlich zuganglichen Quellen erlangt und sich darauf verlassen haben. \n--- \n| 49 \n--- \n| Nachdem die Beklagten darauf beharren, dass sie die aufgestellten Vorwurfe\nweiterhin aufrechterhalten durfen, diese sich aber in ihrem tatsachlichen Kern\nnicht bestatigt haben, kann es fur die Zukunft grundsatzlich keinen\nRechtfertigungsgrund geben, diese Behauptungen weiterhin zu verbreiten (vgl.\nhierzu Munchner Kommentar, a.a.O., Rz. 55 zu § 824 BGB). \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Nach Auffassung des Senates war es allerdings geboten, den Tenor\nentsprechend dem zuletzt gestellten Antrag der Klagerin umzuformulieren, um\nzum einen die konkrete Verletzungshandlung hierin aufzunehmen und zum anderen\nklarzustellen, dass das Verbot nur gegenuber Dritten gilt. Ein teilweises\nUnterliegen der Klagerin kann hierin nicht gesehen werden. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Die nach dem Schluss der mundlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatze\nder Klagerin vom 11.7.2006 und der Beklagten vom 14.7.2006, die beide nicht\nnachgelassen waren, enthalten keinen fur die Entscheidung bedeutsamen neuen\nSachvortrag. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| 3) Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO, die Entscheidung uber\ndie vorlaufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. \n--- \n| 53 \n--- \n| Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Die Voraussetzungen von § 543 II ZPO fur die Zulassung einer Revision liegen\nnicht vor. \n---\n\n
142,123
lg-karlsruhe-2006-07-21-6-s-7605
135
Landgericht Karlsruhe
lg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
6 S 76/05
2006-07-21
2019-01-08 23:41:52
2019-01-17 12:02:19
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung der Klagerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom\n04.11.2005, Az.: 2 C 318/05, wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Klagerin tragt die Kosten der Berufung.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch\nSicherheitsleistung in Hohe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren\nBetrages abgewendet werden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung\nSicherheit in Hohe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.\n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Klagerin ist nicht begrundet. \n--- \n**I.** \n--- \n| 2 \n--- \n| (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) \n--- \n| 3 \n--- \n| Auf die tatsachlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug\ngenommen. Zum besseren Verstandnis wird insoweit wiederholend und erganzend\nausgefuhrt: \n--- \n| 4 \n--- \n| Die am ....1952 geborene Klagerin wendet sich mit ihrer Klage gegen die\nMitteilung der Beklagten vom 26.01.2005 (I 17 ff.) und begehrt die Berechnung\nseiner Betriebsrente einheitlich nach § 18 BetrAVG. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Klagerin war vom 01.09.1974 bis zum 30.06.1995 bei der Beklagten\naufgrund zweier aufeinander folgender Arbeitsverhaltnisse pflichtversichert,\nwobei das erste Arbeitsverhaltnis 9 ½ und das zweite Arbeitsverhaltnis 11 ¼\nJahre dauerte (vgl. I 21, I 69). Am 01.08.2004 trat bei der Klagerin der\nVersicherungsfall ein. In der Mitteilung vom 26.01.2005 (I 17) bezifferte die\nBeklagte die Startgutschrift der Klagerin zum 31.12.2001 auf EUR 159,41/brutto\n(= 39,85 Versorgungspunkte; I 45). Die errechnete Anwartschaft setzt sich aus\nzwei Teilbetragen zusammen (I 45): Die Beklagte legte fur die Zeit des ersten\nArbeitsverhaltnisses eine Versicherungsrente gemaß § 44 VBLS a.F. in Hohe von\nEUR 40,41 (I 37) und fur die Zeit des zweiten Arbeitsverhaltnisses eine\nZusatzrente nach § 18 BetrAVG n.F. in Hohe von EUR 119,00 (I 39/43) zugrunde. \n--- \n| 6 \n--- \n| Auf der Basis dieser Startgutschrift errechnete die Beklagte ab 01.08.2004\n(unter Berucksichtigung der vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente) eine\nmonatliche Betriebsrente in Hohe von zunachst EUR 141,18/brutto (I 27) bzw.\nEUR 119,14/netto (I 17/29). \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Klagerin begehrt eine Rentenberechnung nach § 18 BetrAVG auch fur den\nZeitraum des ersten Arbeitsverhaltnisses. \n--- \n| 8 \n--- \n| Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 04.11.2005 (I 93), auf das Bezug\ngenommen wird, die Klage abgewiesen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Hiergegen wendet sich die Klagerin mit ihrer Berufung. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Klagerin tragt vor, \n--- \n| 11 \n--- \n| die Neufassung des § 18 BetrAVG verpflichte die Beklagte, diese Vorschrift\nin der Weise auf die Klagerin anzuwenden, dass von der gesamten Zeit der\nPflichtversicherung bei der Beklagten auszugehen sei und nicht in\nunterschiedliche Arbeitsverhaltnisse aufgegliedert werden durfe. Wenn die\nBeklagte bei der Berechnung der Betriebsrente wegen der Aufspaltung der\nVersicherungszeiten in einzelne Arbeitsverhaltnisse nach ihren\nSatzungsbestimmungen eine geringere Rente errechne, dann beinhalte dies einen\nVerstoß gegen die Eigentumsrechte der Klagerin und gegen das\nGleichbehandlungsgebot. Im Übrigen verweise die jetzige Fassung des § 18\nBetrAVG auf (den Rechtsgrund des) § 1b BetrAVG, wonach hier unverfallbare\nAnwartschaften im Sinne des § 18 BetrAVG vorlagen, aus denen sich der\njeweilige Rentenbetrag nach § 18 BetrAVG errechne. Die Übergangsvorschrift des\n§ 30f BetrAVG sei auf die Arbeitnehmer des offentlichen Dienstes nicht\nanwendbar; fur diese treffe § 30d BetrAVG eine abschließende\nÜbergangsvorschrift. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Klagerin beantragt: \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Entscheidung des Amtsgerichts Karlsruhe abzuandern und wie folgt zu\nerkennen: \n--- \n| 14 \n--- \n| 1\\. Die Beklagte wird verurteilt an die Klagerin 706,55 EUR nebst Zinsen in\nHohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszins seit Rechtshangigkeit zu zahlen. \n--- \n| 15 \n--- \n| 2\\. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Bescheid\nuber die Versorgungsrente vom 26. Januar 2005 abzuandern und die\nVersorgungsrente unter Berucksichtigung eines Versorgungssatzes entsprechend\ndes § 18 Abs. 2 Nr. 1 Betriebsrentengesetz von mind. 46,86 vom Hundert neu zu\nberechnen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 17 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Beklagte tragt vor, \n--- \n| 19 \n--- \n| fur das erste Arbeitsverhaltnis lagen die Unverfallbarkeitsvoraussetzungen\ndes § 30 f BetrAVG nicht vor. Maßgeblich sei die Dauer der Zugehorigkeit zu\nein und demselben Arbeitgeber. Die Festsetzung der Rente durch die\nangegriffene Mitteilung sei nicht zu beanstanden. \n--- \n| 20 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die\nvorbereitenden Schriftsatze nebst Anlagen Bezug genommen. \n--- \n**II.** \n--- \n| 21 \n--- \n| (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) \n--- \n| 22 \n--- \n| Die zulassige Berufung ist nicht begrundet. \n--- \n| 23 \n--- \n| Zu Recht und unter Angabe von zutreffenden Grunden, auf die zur Vermeidung\nunnotiger Wiederholungen Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht eine\nVerpflichtung der Beklagten zur Errechnung der Betriebsrente der Klagerin gem.\n§ 18 BetrAVG unter Berucksichtigung auch der Zeiten vom 01.09.1974 bis\n31.03.1984 verneint (s.a. Kammerurteil vom 21.07.2006, Az. 6 S 75/05). \n--- \n| 24 \n--- \n| Ein weitergehender Anspruch unmittelbar aus § 18 BetrAVG kame fur die\nKlagerin nur dann in Betracht, wenn ihre Anwartschaften im Sinne dieses\nGesetzes unverfallbar geworden waren. Da der Klagerin die hier streitigen\nLeistungen der betrieblichen Altersversorgung vor dem 01.01.2001 zugesagt\nworden sind, ist auf sie die Übergangsvorschrift des § 30 f BetrAVG\nanzuwenden. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift fur die Unverfallbarkeit\nihrer Anwartschaften ist beim ersten Arbeitsverhaltnis nicht erfullt (vgl. die\nVersicherungsubersicht, I 21). \n--- \n| 25 \n--- \n| 1\\. Ein Anspruch auf Zusatzrente nach den Bestimmungen des Gesetzes zur\nVerbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) besteht bei\nBeendigung des Arbeitsverhaltnisses vor Eintritt des Versicherungsfalles nur\nbei eingetretener Unverfallbarkeit im Sinne der §§ 1b und 30f BetrAVG. Sowohl\n§ 1b BetrAVG als auch die Übergangsbestimmung des § 30f BetrAVG stellen\nhierbei jeweils auf das einzelne Arbeitsverhaltnis und dessen Dauer ab. Auch\nwenn der Klager in beiden streitgegenstandlichen Zeitraumen jeweils bei einem\nArbeitgeber des offentlichen Dienstes beschaftigt war, so handelte es sich\nhierbei eben doch um verschiedene Arbeitsverhaltnisse bei verschiedenen\nArbeitgebern (Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des\noffentlichen Dienstes, Stand: 01.08.2002, § 44a, Blatt B 183h;\nKiefer/Langenbrinck, Das Versorgungsrecht fur die Arbeitnehmer des\noffentlichen Dienstes, Stand: Juni 2002, § 44a, Blatt B 106.9; Blomeyer/Otto,\nGesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, 3. Auflage, 2004,\n§ 1b, Rn. 283 u. Rn. 317). \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Klagerin verkennt den Regelungsinhalt der § 30d und § 30f BetrAVG.\nAllein § 30f BetrAVG befasst sich mit der Frage, ob die mit der\nGesetzesneufassung eingefuhrten kurzeren Unverfallbarkeitsfristen auch fur\nAltfalle gelten. § 30d BetrAVG betrifft die Frage, welche Version der sich\nstandig andernden VBL-Satzung fur die Berechnungsdetails, auf die insbesondere\n§ 18 Abs. 2 BetrAVG nach wie vor verweist, gelten soll und stellt statt auf\nden Zeitpunkt des jeweiligen Ausscheidens generell auf den 31.12.2000 ab (s.\nBlomeyer/Otto, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, 3.\nAuflage, 2004, § 30d, Rn. 2). Den Anwendungsbereich des § 30f BetrAVG auf die\nPrivatwirtschaft beschranken zu wollen, rechtfertigt sich daher - entgegen der\nklagerischen Argumentation - nicht aus gesetzessystematischen Grunden und\ninsbesondere nicht wegen einer angeblich abschließenden Regelung in § 30d\nBetrAVG. \n--- \n| 27 \n--- \n| 2\\. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 12 GG ist nicht zu\nerkennen. Zum einen sind §§ 1b und 30f BetrAVG auf die Arbeitnehmer der\nPrivatwirtschaft ebenso anzuwenden wie auf die Arbeitnehmer des offentlichen\nDienstes (vgl. § 18 Abs. 1 am Ende BetrAVG); zum anderen stellt die\nBetriebszugehorigkeit (bezogen auf ein und denselben Arbeitgeber) einen\nsachlichen Rechtfertigungsgrund fur die unterschiedliche Behandlung dar. Mit\nder jeweiligen Versorgungszusage soll die Treue des Arbeitnehmers zum Betrieb\ndieses Arbeitgebers belohnt werden. Dabei wird nicht verkannt, dass im\nfruheren Zusatzrentensystem im offentlichen Dienst bei Pflichtversicherungen\nim Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles eine Versorgungsrente unter\nZusammenrechnung aller Umlagezeiten bei verschiedenen Arbeitgebern gewahrt\nwurde (vgl. § 46 ZVKS a. F.; vgl. § 55 VBLS a. F.). Das Ausscheiden aus dem\noffentlichen Dienst vor Eintritt des Versicherungsfalles stellt auch hier\neinen sachlichen Rechtfertigungsgrund fur die unterschiedliche Behandlung dar. \n--- \n| 28 \n--- \n| Eine Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) scheitert daran, dass\ndie Eigentumsgarantie nur den konkreten Bestand an vermogenswerten Rechten vor\nungerechtfertigten Eingriffen schutzt. Die Nicht-Anwendung des § 18 BetrAVG\nn.F. und die Anwendung des § 44 VBLS a.F. greifen nicht in erworbene Rechte\nder Klagerin ein. Weitergehende Anwartschaften bei Nichterreichung der\nUnverfallbarkeitsfristen, als sie durch die Satzung - hier: § 44 VBLS a.F. -\nbegrundet werden, standen der Klagerin zu keinem Zeitpunkt zu (vgl.\nKammerurteil vom 11.07.2006, AZ. 6 O 524/05, sub II.3.). \n--- \n| 29 \n--- \n| 3\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. \n--- \n| 30 \n--- \n| Der Ausspruch zur vorlaufigen Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage\nin §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Zulassung der Revision liegen angesichts des\nklaren Gesetzeswortlautes nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). \n---\n\n
142,470
sg-stuttgart-2006-09-27-s-15-so-631905
154
Sozialgericht Stuttgart
sg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
S 15 SO 6319/05
2006-09-27
2019-01-09 08:14:10
2019-01-17 12:02:37
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Beklagte wird unter Abanderung des Bescheides vom 26.04.2005 in\nGestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2005 und des Bescheides vom\n23.01.2006 verurteilt, dem Klager ab 01.05.2005 ein weiteres monatliches\nBetreuungsentgelt in Hohe von Euro 38,07 sowie fur die Zeit vom 01.01. bis\n31.12.2006 in Hohe von Euro 39,41 zu gewahren.\n\n2\\. Die Beklagte tragt die außergerichtlichen Kosten des Klagers.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welchem Umfang die Beklagte dem\nKlager die Kosten fur eine Betreuungs- und Notrufpauschale zu gewahren hat. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager bewohnte zunachst eine Wohnung, fur die eine Gesamtmiete\neinschließlich Nebenkosten in Hohe von EUR 460,16 monatlich aufzubringen war.\nDie Beklagte gewahrte dem Klager Grundsicherungsleistungen, wobei sie in ihrer\nBedarfsberechnung unter anderem Kosten der Unterkunft in Hohe von EUR 403,98\nsowie Heizkosten in Hohe von EUR 127,00 berucksichtigte. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Schreiben vom 22.10.2004 kundigte der ehemalige Vermieter das\nMietverhaltnis mit dem Klager wegen Eigenbedarfs zum 31.07.2005. Mit Schreiben\nvom 24.03.2005 unterbreitete die Stadt S/Amt fur Liegenschaften und Wohnen dem\nKlager ein Angebot uber eine zum 01.05.2005 zu beziehende Zwei-Zimmer-Wohnung\n(Wohnflache 43,05 m², Dusche/Zentralheizung/Aufzug) zu einer monatlichen Miete\nin Hohe von EUR 231,10 zuzuglich monatlicher Betriebskosten in Hohe von EUR\n70,00 und Heizkosten in Hohe von EUR 64,13 sowie eines Betreuungsentgeltes in\nHohe von EUR 137,77. Am 07.04.2005 sprach der Klager bei der Beklagten wegen\ndieser Wohnung vor. Im Rahmen dieses Gespraches wurde der Klager darauf\nhingewiesen, dass die in den Mietkosten enthaltene Betreuungs- und\nNotrufpauschale nicht vollstandig von der Beklagten ubernommen wurden. Mit\nSchreiben vom gleichen Tag erlauterte die Beklagte dem Klager, dass die Miete\nin voller Hohe als Kosten der Unterkunft anerkannt werden konne, die\nBetreuungskosten jedoch nur bis zur Hohe von maximal EUR 99,70. \n--- \n| 4 \n--- \n| Am 15.04.2005 unterschrieb der Klager einen Wohnungsmietvertrag mit der\nL.-Gesellschaft uber die genannte Wohnung ab 01.05.2005 zu den genannten\nKonditionen. Nach § 3 des Mietvertrages tragt der Mieter neben der Grundmiete\nalle Betriebskosten im Sinne der §§ 1 und 2 Betriebskostenverordnung, konkret\nneben den genannten Betragen fur die Grundmiete, Betriebskosten und Heizung\neinen monatlichen Zuschlag fur die Betreuung im Rahmen des Seniorenheimes von\nEUR 137,77; die Gesamtmiete belaufe sich somit auf EUR 508,00 monatlich. Nach\n§ 5 Ziff. 3 des Mietvertrages verpflichtet sich der Mieter, vor Beginn des\nMietverhaltnisses einen Betreuungsvertrag mit dem A. uber die Leistungen des\nbetreuten Wohnens abzuschließen. Fur die Leistungen aus dem Betreuungsvertrag\nist ein Entgelt an die L.-Gesellschaft zu entrichten, das neben den Zahlungen\naus diesem Mietvertrag zusatzlich an die L.-Gesellschaft zu entrichten ist, da\ndie Miete diese Leistungen nicht decke. Das Betreuungsentgelt sei in § 3 des\nMietvertrages aufgefuhrt und werde von der L.-Gesellschaft an den A.\nabgefuhrt. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Schreiben vom 16.04.2005 bat der Klager die Beklagte um Klarung, wer\ndie Differenz zwischen der Betreuungs- und Notrufpauschale und den von der\nBeklagten zugesagten EUR 99,70 zu tragen habe. Mit Schreiben vom 18.04.2005\nteilte die Beklagte nochmals mit, dass von ihrer Seite maximal EUR 99,70 der\nBetreuungskosten ubernommen werden konnten. \n--- \n| 6 \n--- \n| Am 25.04.2005 unterschrieb der Klager einen mit dem A. vereinbarten\nBetreuungsvertrag und verpflichtete sich zu einer monatlichen Zahlung in Hohe\nvon EUR 137,77. Nach § 1 des Betreuungsvertrages beinhalten die ambulanten\nsozialen Dienstleistungen technische, hauswirtschaftliche, pflegerische und\nsoziale Hilfeleistungen und sind in ein aufeinander abgestimmtes System von\nobligatorischem Grundservice und fakultativem Wahlservice aufgeteilt.\nDauerhafte Pflegebedurftigkeit konne im Rahmen „Betreuten Wohnens" nicht\nbewaltigt werden. Die ambulanten sozialen Dienstleistungen im Rahmen des\nGrundservice wurden ausschließlich durch den A. bereitgestellt. Der vom A.\nangebotene Grundservice sei nicht abwahlbar und musse vom Mieter jeder\nWohneinheit getragen werden. Die Leistungen des Wahlservice konnten vom A.\noder von anderen Anbietern ambulanter Hilfe in Anspruch genommen werden. Nach\n§ 2 I des Betreuungsvertrages umfasst der Grundservice den Personaleinsatz von\nFachpersonal, das von montags bis freitags wahrend der ublichen Arbeitszeit in\nder Wohnanlage tatig sei; soziale Dienste (Auskunfte und Beratung in Fragen\nsozialer Dienste, allgemeine Lebensberatung in sozialen Fragen des taglichen\nLebens; Hilfe in Behordenangelegenheiten; Informations- und\nKommunikationsangebote; Organisation von Therapieangeboten; Unterstutzung von\nSelbsthilfeaktivitaten; Hilfestellung bei der Entwicklung und Gestaltung der\nHausgemeinschaft; integrative Gemeinwesenarbeit im Wohnumfeld; Regelung der\nBewirtschaftung und Benutzung der Gemeinschaftsraume; Information, Beratung\nund Fortbildung fur pflegende Angehorige); Anschluss, Vorhaltung, Überwachung\nund Instandhaltung einer Hausnotrufanlage. \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Bescheid vom 26.04.2005 bewilligte die Beklagte fur die Zeit vom 01.05.\nbis 31.12.2005 Grundsicherungsleistungen in Hohe von monatlich EUR 744,42. Die\nBeklagte berucksichtigte dabei in ihrer Bedarfsberechnung unter anderem eine\nBetreuungspauschale in Hohe von EUR 99,70 sowie Kosten der Unterkunft in Hohe\nvon EUR 306,10 und Heizkosten in Hohe von EUR 64,13. \n--- \n| 8 \n--- \n| Der dagegen erhobene, auf Übernahme der gesamten Betreuungspauschale\ngerichtete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.2005 als\nunbegrundet zuruckgewiesen. Zur Begrundung wird unter anderem ausgefuhrt, die\nAufwendungen im Betreuten Seniorenwohnen, die nach § 3 des Betreuungsvertrages\nfur den Grundservice in Hohe von monatlich EUR 137,77 anfielen, konnten im\nRahmen des § 42 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII\n(abweichende Bemessung des Regelbedarfes) nur in Hohe von monatlich EUR 99,70\nberucksichtigt werden. Fur diesen Betreuungsaufwand werde in den\nSozialhilferichtlinien Baden-Wurttemberg (SHR) eine Regelung uber eine\nmogliche Kostenubernahme im Rahmen der Sozialhilfe getroffen. Diese seien\ndurch Gemeinderatsbeschluss fur die Stadt S als Trager der Sozialhilfe\nbindend. Rn. 30.04 SHR regele, dass zusatzliche Betreuungskosten einen Betrag\nvon EUR 46,00 monatlich nicht ubersteigen sollten. Dieser Betrag errechne sich\nauf der Basis der in Baden-Wurttemberg vereinbarten Standards fur das betreute\nSeniorenwohnen und sichere dadurch eine durchschnittliche, ubliche Betreuung\nab. Der Gemeinderat der Stadt S habe des Weiteren beschlossen, dass bei\nsozialhilfebedurftigen Bewohnern der zu berucksichtigende Betreuungsaufwand im\nBetreuten Seniorenwohnen abweichend von den landesweiten Vorgaben in den SHR\nbedarfsorientiert (nicht bedarfsdeckend) angemessen zu erhohen sei, maximal\nauf EUR 63,91. Zusatzlich werde bei offentlich gefordertem Wohnraum in S eine\nNotrufeinrichtung fur jede Wohnung als obligatorisch akzeptiert, unabhangig\ndavon ob Pflegebedurftigkeit vorliege; wenn keine Pflegebedurftigkeit\nvorliege, erfolge unter Berucksichtigung von Notrufkosten in Hohe von maximal\nEUR 35,97 eine Freiwilligkeitsleistung der Beklagten. Insgesamt kame daher nur\ndie Übernahme von Betreuungs- und Notrufbedarf in Hohe von EUR 99,70 in\nBetracht. \n--- \n| 9 \n--- \n| Hiergegen richtet sich die am 06.10.2005 beim Sozialgericht Stuttgart\nerhobene Klage. \n--- \n| 10 \n--- \n| Ab dem 01.01.2006 erhohte sich das Betreuungsentgelt um EUR 1,34 monatlich. \n--- \n| 11 \n--- \n| Mit Bescheid vom 23.01.2006 bewilligte die Beklagte dem Klager\nGrundsicherungsleistungen fur die Zeit vom 01.01. bis 31.12.2006, wobei\nwiederum die Betreuungskosten in der genannten Hohe angesetzt wurden. \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Klager beruft sich zur Begrundung der Klage auf die Ausfuhrungen des\nLSG Baden-Wurttemberg in dem zu diesem Sachverhalt durchgefuhrten\neinstweiligen Rechtsschutzverfahren (08.09.2005 - L 7 SO 2708/05 ER-B). Das\nLSG habe darin zutreffend ausgefuhrt, dass die Kosten fur das\nBetreuungsentgelt aufgrund der vertraglichen Gestaltung als Kosten der\nUnterkunft zu werten sei. Die Kosten der Unterkunft seien in tatsachlicher\nHohe zu berucksichtigen, da sie der Hohe nach angemessen seien. \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 14 \n--- \n| die Beklagte wird unter Abanderung des Bescheides vom 26.04.2005 in Gestalt\ndes Widerspruchsbescheides vom 22.09.2005 und des Bescheides vom 23.01.2006\nverurteilt, dem Klager ab 01.05.2005 ein weiteres monatliches\nBetreuungsentgelt in Hohe von Euro 38,07 sowie fur die Zeit vom 01.01. bis\n31.12.2006 in Hohe von Euro 39,41 zu gewahren. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 16 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Zur Begrundung verweist sie auf die angefochtenen Bescheide. Erganzend wird\nausgefuhrt, die Auffassung des LSG im genannten Beschluss werde nicht geteilt.\nDie vom LSG in Bezug genommene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zur\nÜbernahme von Kosten einer Kabelanschlussgebuhr konnten auf den vorliegenden\nSachverhalt nicht ubertragen werden. Dort seien Kosten, die dem Vermieter in\nRechnung gestellt werden, als Betriebskosten des Mieters sozialhilferechtlich\nden Unterkunftskosten zugeordnet. Nach der Vertragsgestaltung im Falle des\nKlagers hinsichtlich der Betreuungskosten seien diese lediglich vom Vermieter\neinzuziehen, stunden letztlich aber dem A. zu. Die Betreuungskosten stellten\nfur die L.-Gesellschaft somit nur einen durchlaufenden Posten dar, fur die ihr\nals Vermieterin keine Aufwendungen entstunden und daher trotz der Bezeichnung\nim Mietvertrag keine Betriebskosten laut § 1 der Betriebskostenverordnung\ndarstellten. Letztlich wurde sich auch die Frage stellen, ob die Koppelung von\nBetreuungs- und Mietvertragen zulassig sei. Nicht vom Vermieter auf den Mieter\nuberwalzbare Betriebskosten, die lediglich als solche deklariert werden, seien\nvom Sozialhilfetrager auch nicht als Kosten der Unterkunft zu akzeptieren,\nweil auch der Mieter Leistungen aufgrund unwirksamer Bestimmungen im\nMietvertrag nicht schulde (BGH 23.06.2004 - VIII ZR 361/03). Selbst wenn man\ndie Betreuungskosten den Unterkunftskosten zurechnen musste, sei § 29 Abs. 1\nSatz 5 SGB XII anwendbar. Die Beklagte habe der Übernahme der Kosten in vollem\nUmfange jedoch nicht zugestimmt. Im Übrigen seien die tatsachlichen\nAufwendungen fur die Unterkunft unter Einschluss des Betreuungsentgeltes auch\nnicht angemessen; die Ausfuhrungen des LSG im zugrunde liegenden Beschluss\nberucksichtigten insoweit die bei der fruheren Wohnung anerkannten Heizkosten;\nbei der Frage der Angemessenheit seien jedoch die Heizkosten und die\nUnterkunftskosten jeweils getrennt zu betrachten. Fur die Kaltmiete werde fur\ndie Beurteilung der Angemessenheit der Mietspiegel herangezogen, sodass\ndiesbezuglich von einer Angemessenheit ausgegangen werde. Fur die\nBetreuungskosten orientiere man sich am Gemeinderatsbeschluss der Stadt S,\nweshalb insgesamt EUR 99,70 berucksichtigt wurden. Auf Bl. 12/14 der\nGerichtsakte wird insoweit Bezug genommen. Des Weiteren hat die Beklagte\nUnterlagen zum genannten Gemeinderatsbeschluss der Stadt S vorgelegt (Bl.\n22/42) sowie eine Aufstellung der Seniorenwohnungen in S, teilweise mit\neinzelnen Angaben zum Quadratmeterpreis der jeweiligen Wohnungen und der Hohe\nder gegebenenfalls anfallenden Betreuungsentgelte; Bl. 43/77 der Gerichtsakte. \n--- \n| 18 \n--- \n| Das Gericht hat schriftliche Auskunfte von Einrichtungen Betreuten\nSeniorenwohnens und deren Trager im Bereich der Stadt S eingeholt. Die\neingegangenen 13 Antworten beziehen sich auf mindestens 20 Einrichtungen, bzw.\nWohnanlagen. In zweien werden Wohnungen angeboten, die bezogen auf den\nQuadratmeterpreis der Kaltmiete und der Kosten fur Betreuung und Notruf uber\n10 % unter den tatsachlichen Aufwendungen des Klagers hierfur liegen. 13 sind\nteurer, funf entsprechen in etwa den Aufwendungen des Klagers. Das W. Baden-\nWurttemberg hat hierzu ausgefuhrt, dass fur zwei der letztgenannten Kategorie\nangehorigen, von ihm getragenen Anlagen Wohnberechtigungsscheine notig sind;\naußerdem bestehe wegen des „relativ geringen Gesamtkostenniveaus" eine hohe\nNachfrage, die nicht kurzfristig befriedigt werden konne. Nach der\nuberwiegenden vertraglichen Gestaltung hat der Bewohner einer Seniorenwohnung\neine Betreuungspauschale fur eine Grundbetreuung zu entrichten, wobei der\nAbschluss eines Betreuungsvertrages mit einem entsprechenden\nLeistungserbringer zur Voraussetzung eines Mietvertrages gemacht wird, wenn\ndie Einrichtung die Betreuung nicht selbst erbringt. Mit einer Ausnahme kann\nsich der Bewohner bei den angefragten Einrichtungen und Tragern nicht der\nKosten fur eine Notrufeinrichtung entziehen, auch wenn er sie selbst nicht\nnutzt. Daruber hinaus besteht grundsatzlich die Moglichkeit, weitere\nPflegeleistungen individuell zu vereinbaren. Wegen des genauen Ergebnisses\ndieser Beweisaufnahme wird auf Bl. 93/105 und 111/148 der Gerichtsakte Bezug\ngenommen. \n--- \n| 19 \n--- \n| Das Gericht hat des Weiteren eine Auskunft des Vermieters des Klagers, der\nL.-Gesellschaft, eingeholt; auf Bl. 149/150 wird verwiesen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte der\nBeklagten, auf die Niederschrift uber die mundliche Verhandlung sowie auf die\nAkten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (S 12 SO 2960/05 ER; S 15 SO\n7706/05 ER und S 15 SO 4265/06 ER) Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 21 \n--- \n| Die form- und fristgerecht beim ortlich und sachlich zustandigen\nSozialgericht Stuttgart erhobene Klage ist zulassig und hat in der Sache\nErfolg. \n--- \n| 22 \n--- \n| Streitgegenstand ist das Begehren des Klagers, die Beklagte zur\nvollstandigen Übernahme der Kosten fur die Betreuungs- und Notrufpauschale zu\nverpflichten. Neben dem ursprunglich angefochtenen Bescheid vom 26.04.2005 in\nGestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2005 ist auch der weitere\nLeistungsbewilligungsbescheid vom 23.01.2006 fur die Zeitraume ab 01.01. und\n01.07.2006 Gegenstand des Verfahrens geworden. Wird nach Klageerhebung der\nVerwaltungsakt durch einen neuen abgeandert oder ersetzt, so wird auch der\nneue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 SGG). Diese\nRegelung findet vorliegend keine unmittelbare Anwendung, da der weitere\nLeistungsbescheid den ursprunglichen weder abandern noch ersetzen. Gemaß dem\nNormzweck der Prozessokonomie ist die Vorschrift jedoch entsprechend\nanzuwenden, wenn der neue Verwaltungsakt mit dem Streitstoff in tatsachlichem\noder rechtlichem Zusammenhang steht und der Grundgedanke des § 96 die\nEinbeziehung rechtfertigt. Bei Dauerrechtsverhaltnissen ist nach bisheriger\nRechtsprechung des BSG § 96 entsprechend anzuwenden, wenn der ursprunglich mit\nder Klage angefochtene Verwaltungsakt durch die wahrend des\nsozialgerichtlichen Verfahrens ergangene Verwaltungsentscheidung zwar nicht\nabgeandert oder ersetzt wird, der spatere Bescheid aber im Rahmen eines\nDauerrechtsverhaltnisses ergangen ist und ein streitiges Rechtsverhaltnis\nregelt, das sich an den von dem angefochtenen Verwaltungsakt erfassten\nZeitraum anschließt (BSG 14.12.1995 - 11 RAr 75/95 - BSGE 77, 175). Ob eine\nsolche Einbeziehung noch dem Normzweck der Prozessokonomie entspricht, ist\ninsbesondere im Hinblick auf die Regelungsgegenstande der Bescheide und die\nBesonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets zu beurteilen. Im vorliegenden\nVerfahren besteht mit der Grundsicherungsleistung ein Dauerrechtsverhaltnis im\ngenannten Sinne. Der einzubeziehende Bescheid regelt die Hohe der Leistung,\nwobei sie zwangslaufig die Frage der Berucksichtigung der Betreuungspauschale,\ndie Gegenstand der Anfechtung des ursprunglichen Bescheides ist, mit\nbehandeln. Da keine daruber hinausgehenden zusatzlichen Streitpunkte bestehen,\nist die Einbeziehung unter dem Gesichtspunkt der Prozessokonomie\ngerechtfertigt. Die Beteiligten haben sich mit einer Einbeziehung auch\nausdrucklich einverstanden erklart. Der weitere Leistungsbescheid vom\n22.06.06, der in seinem Regelungsgegenstand keinen Bezug zum hier streitigen\nBetreuungsentgelt hat, war demgegenuber nicht einzubeziehen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Klage hat in der Sache Erfolg. Der Klager hat Anspruch auf Übernahme\ndes monatlichen Betreuungsentgeltes in tatsachlicher Hohe. Soweit die\nangefochtenen Bescheide der Beklagten dahinter zuruckbleiben, sind sie\nrechtswidrig und verletzen den Klager in seinen Rechten. \n--- \n| 24 \n--- \n| Nach Auffassung der erkennenden Kammer ergibt sich der geltend gemachte\nAnspruch aus §§ 41, 42 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 29 Abs. 1 SGB XII.\nDass der Antragsteller die Voraussetzungen eines Anspruches auf Leistungen der\nGrundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 41 SGB XII dem Grunde\nnach erfullt, ist unstreitig. Ebenso unstreitig ist zwischen den Beteiligten,\ndass der Klager auf die Leistungen eines Betreuten Wohnens angewiesen ist. \n--- \n| 25 \n--- \n| Nach § 42 Satz 1 Nr. 2 umfassen die Leistungen der Grundsicherungen im\nAlter und bei Erwerbsminderung auch die angemessenen tatsachlichen\nAufwendungen fur Unterkunft und Heizung entsprechend § 29\\. Nach § 29 Abs. 1\nSGB XII werden Leistungen fur die Unterkunft in Hohe der tatsachlichen\nAufwendungen erbracht. Übersteigen die Aufwendungen fur die Unterkunft den der\nBesonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, sind sie insoweit als\nBedarf der Personen, deren Einkommen und Vermogen nach § 19 Abs. 1 zu\nberucksichtigen sind, anzuerkennen. Dies gilt so lange, als es diesen Personen\nnicht moglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten\noder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch\nlangstens fur sechs Monate. Vor Abschluss eines Vertrages uber eine neue\nUnterkunft haben Leistungsberechtigte den dort zustandigen Trager der\nSozialhilfe uber die nach den Satzen 2 und 3 maßgeblichen Umstande in Kenntnis\nzu setzen. Sind die Aufwendungen fur die neue Unterkunft unangemessen hoch,\nist der Trager der Sozialhilfe nur zur Übernahme angemessener Aufwendungen\nverpflichtet, es sei denn, er hat den daruber hinausgehenden Aufwendungen\nvorher zugestimmt. \n--- \n| 26 \n--- \n| Was unter den tatsachlichen Aufwendungen fur die Unterkunft im Einzelnen zu\nverstehen ist, ist im Gesetz nicht naher definiert. Aus dem offenen Wortlaut\nergibt sich keine Einschrankung auf bestimmte rechtliche Gestaltungen. Umfasst\nwerden unstreitig die typischen Formen Mieten und Eigentum. Die Leistungen\nsollen der Sicherung des elementaren Grundbedurfnisses Unterkunft bzw. Wohnen\ndienen. Dieser Bedarf wird vom Sozialhilfetrager nicht sachlich gedeckt,\nsondern durch die Übernahme der Kosten, die der Hilfebedurftige aufzuwenden\nhat, um die Bedarfsdeckung „auf dem Markt einzukaufen". Was unter die Kosten\nder Unterkunft zu zahlen ist, hat sich daher auch an den Verhaltnissen und\nAngeboten des jeweiligen Marktes zu orientieren. Danach und nach dem Wortlaut\nsind daher alle Aufwendungen erfasst, die dem Hilfebedurftigen zwangslaufig\nerwachsen, um die Unterkunft zu gewinnen oder zu erhalten. Dies gilt\nunabhangig davon, ob die so „erkaufte" Leistung des Vermieters dem Willen und\npersonlichem Bedurfnis des Hilfebedurftigen entspricht. Auch wenn die Leistung\nder Art nach personlichen Bedurfnissen dient, die eigentlich uber den\nRegelsatz abgegolten werden, sind zwangslaufige Aufwendungen, denen sich der\nHilfebedurftige bei der Wohnungserhaltung und -beschaffung nicht entziehen\nkann, Kosten der Unterkunft. Entscheidend ist daher nicht die Art des\nBedarfes, der durch die zwangslaufig mit der Unterkunft verbundenen,\n„zusatzlichen" Aufwendungen gedeckt wird, sondern allein die Unmoglichkeit,\ndie Unterkunft ohne diese Aufwendungen zu erhalten. Dies gilt fur die konkrete\nWohnung selbst dann, wenn bedarfsgerechte Unterkunftsalternativen ohne solche\nAufwendungen verfugbar sein sollten (BVerwG 28.11.2001 - 5 C 9/01 - BVerwGE\n115, 256; LSG Baden-Wurttemberg, 08.09.2005 - L 7 SO 27/05 ER-B; LSG Baden-\nWurttemberg 28.06.2006 - L 13 AS 2297/06 ER-B). \n--- \n| 27 \n--- \n| Unstreitig unterfallen den Kosten der Unterkunft hier die ublichen\nMietkosten, namlich Kaltmiete und Neben- bzw. Betriebskosten. \n--- \n| 28 \n--- \n| Diese Voraussetzungen sind aber auch hinsichtlich des Betreuungsentgeltes\nbeim Klager erfullt, da er sich diesem Kostenfaktor nicht entziehen kann. Der\nKlager ist nach § 5 Abs. 3 des Mietvertrages zum Abschluss eines\nBetreuungsvertrages mit dem Trager der Betreuung (A.) vor Beginn des\nMietverhaltnisses verpflichtet gewesen. Das im Betreuungsvertrag vereinbarte\nBetreuungsentgelt von EUR 137,70 ist nach § 3 des Mietvertrages Bestandteil\nder Miete. Der Klager ware somit selbst ohne Inanspruchnahme der Dienste\naufgrund der zugrunde liegenden vertraglichen Konstruktion zur Zahlung\nverpflichtet gewesen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Das Gericht vermag dem Einwand der Beklagten nicht zu folgen, das\nBetreuungsentgelt sei nicht den Kosten der Unterkunft zuzurechnen, da es fur\nden Vermieter lediglich einen durchlaufenden Posten darstelle, der letztlich\nan den Vertragspartner des Betreuungsvertrages, den A., weitergeleitet werde,\nsodass trotz der Einbeziehung in den Mietvertrag keine Betriebskosten nach § 1\nder Betriebskostenverordnung (2. Berechnungsverordnung) vorlagen. Nicht vom\nVermieter auf den Mieter uberwalzbare Betriebskosten, die lediglich als solche\ndeklariert wurden, seien vom Sozialhilfetrager auch nicht als Kosten der\nUnterkunft zu akzeptieren, weil auch der Mieter Leistungen aufgrund\nunwirksamer Bestimmungen im Mietvertrag nicht schulde. Das von der Beklagten\ninsoweit in Bezug genommene Urteil des BGH (23.06.2004 - VIII ZR 361/03 - MDR\n2004, 736) betrifft die Unwirksamkeit einer formularmaßigen\nRenovierungsklausel mit starren Fristen. Nach der dort anwendbaren Regelung\ndes § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG i. V. m. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB liege eine\nunangemessene Benachteiligung des Mieters vor, wenn eine Bestimmung mit dem\nwesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird,\nnicht zu vereinbaren ist (Verstoß gegen Treu und Glauben). Das Gericht sieht\neine Abweichung vom Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des Mietrechts nur\ndarin, dass entgegen dem Vertragstyp Mietvertrag Inhalt des geschlossenen\n„Mietvertrages" nicht nur die Überlassung der Mietsache, sondern eine daruber\nhinausgehende weitere Dienstleistung ist, die durch einen Dritten erfullt\nwird. Eine unangemessene Benachteiligung des „Mieters", der die betreute\nWohnung gerade wegen dieser zusatzlichen Leistung anmietet, vermag das Gericht\nnicht zu erkennen. Allenfalls fuhrt die Vertragskonstruktion dazu, dass man\nnicht mehr von einem typischen Mietvertrag im Sinne des BGB ausgehen kann,\nsondern einen Vertragstypus eigener Art anzunehmen hat. Gegen Treu und Glauben\nverstoßt eine solche Regelung nach Auffassung der Kammer aber unter keinem\nGesichtspunkt, so dass sie auch nicht als unwirksam angesehen werden kann. Des\nWeiteren ist auch die Qualifizierung einer - wirksamen - Regelung als\nmietvertragliche Vereinbarung im Sinne des BGB nach Auffassung der Kammer\nnicht zwingende Voraussetzung fur die Berucksichtigung der daraus erwachsenden\nAufwendungen als Kosten der Unterkunft. Die Ziele und Wertungen des\nzivilrechtlichen Mietrechts und der Leistungserbringung nach dem SGB XII sind\nnicht deckungsgleich. Fur Letztere ist - unabhangig von der zivilrechtlichen\nEinordnung - nur entscheidend, dass die Aufwendungen notig sind, um die\nUnterkunft zu erlangen oder zu erhalten. \n--- \n| 30 \n--- \n| Aufgrund der wirksamen rechtlichen Gestaltung kann sich der Klager\njedenfalls dem hier streitigen Betreuungsentgelt unter Einschluss des auf den\nNotruf entfallenden Teils nicht entziehen, ohne die konkrete Wohnung\naufzugeben. \n--- \n| 31 \n--- \n| Schließlich darf nach Ansicht des Gerichts der besondere Inhalt des\nBetreuten Wohnens bei dieser Betrachtung nicht außer acht gelassen werden.\nDieses soll gewahrleisten, dass bestimmte Betreuungsleistungen, deren der\nbetroffene Personenkreis bedarf, in der Einrichtung, also gerade im\nZusammenhang und in ortlicher Nahe der eigenen Unterkunft erbracht werden. Es\nbesteht somit eine untrennbare Anknupfung gerade an die jeweilige Wohnung. Die\nErhebungen des Gerichts im laufenden Verfahren haben ergeben, dass die\nPersonen, die auf solche Betreuung angewiesen sind, diese grundsatzlich nicht\ngleichsam neben der Unterkunft auf dem „Markt" erlangen konnen. Nach allen\nAuskunften der Einrichtungen und Trager im Verfahren war die Unterkunft\nuntrennbar mit den Betreuungsleistungen der Einrichtung selbst oder eines\nvorgegebenen Dritten verbunden, mit dem ein Rahmenvertrag besteht. Danach kann\ndas Gericht davon ausgehen, dass im Falle des Klagers, der unstreitig des\nBetreuten Wohnens bedarf, bedarfsgerechte Unterkunftsalternativen ohne\nBetreuungsentgelt gar nicht zur Verfugung stehen. Mangels\nAusweichmoglichkeiten kann sich der Klager dann erst recht nicht den Kosten\nentziehen. \n--- \n| 32 \n--- \n| Daran andert sich nach Auffassung des Gerichts auch nichts, wenn man die\n„nicht heimverbundenen" Seniorenwohnungen mit einbezieht. Zunachst erscheint\nfraglich, ob diese in gleichem Maße wie die „heimverbundenen" den\nErfordernissen eines Betreuten Wohnens, wie es der Klager bedarf, gerecht\nwerden. Dies kann aber offen bleiben. Nach der von der Beklagten vorgelegten\namtlichen Begrundung zum Gemeinderatsbeschluss der Stadt S (Bl. 26/35 der\nGerichtsakten) gab es in S 1998 einschließlich der in Planung oder Bau\nbefindlichen Projekte ca. 3000 Seniorenwohnungen, davon 1550 nicht\nheimverbundene und 1450 heimverbundene. Damit sei der Bedarf an\nSeniorenwohnungen rein rechnerisch nahezu gedeckt (Bl. 30). Bei einem\nGesamtbestand an Seniorenwohnungen, der gerade den Gesamtbedarf deckt, und\neinem Anteil daran von ca. 50% an heimverbundenen Wohnungen stellen solche\nWohnungen einen so relevanten Teil des „Marktes" dar, dass der Hilfebedurftige\nnicht auf eine Beschrankung auf nicht heimverbundene Wohnungen verwiesen\nwerden kann, um seinen Bedarf zu decken. Ohne Einbeziehung der heimverbunden\nWohnungen erscheint dem Gericht eine - auch zeitgerechte - Bedarfsdeckung\nnicht moglich. Da bei diesen die Betreuungsentgelte aber fest mit der\nUnterkunft selbst verknupft sind, sind diese bei der Bestimmung der\nUnterkunftskosten mit einzubeziehen. \n--- \n| 33 \n--- \n| Aus den Vorschriften des Heimgesetzes (HeimG) ergibt sich nichts anderes. \n--- \n| 34 \n--- \n| An der Beurteilung der Betreuungspauschale als Kosten der Unterkunft wurde\nsich durch die Anwendung des HeimG nichts andern (LSG Baden-Wurttemberg v.\n28.06.2006 a. a. O.). Die Angemessenheit der Entgelte und Entgeltbestandteile\nim Sinne des § 5 Abs. 7 Heimgesetz ist nicht zu prufen, da das Gesetz auf den\nvorliegenden Sachverhalt keine Anwendung findet. \n--- \n| 35 \n--- \n| Nach § 1 Abs. 1 gilt dieses Gesetz fur Heime. Heime im Sinne dieses\nGesetzes sind Einrichtungen, die dem Zweck dienen, altere Menschen oder\npflegebedurftige oder behinderte Volljahrige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu\nuberlassen sowie Betreuung und Verpflegung zur Verfugung zu stellen oder\nvorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohnerinnen\nund Bewohner unabhangig sind und entgeltlich betrieben werden. Die Tatsache,\ndass ein Vermieter von Wohnraum durch Vertrage mit Dritten oder auf andere\nWeise sicherstellt, dass den Mietern Betreuung und Verpflegung angeboten\nwerden, begrundet allein nicht die Anwendung des Heimgesetzes. Dies gilt auch\ndann, wenn die Mieter vertraglich verpflichtet sind, allgemeine\nBetreuungsleistungen wie Notrufdienste oder Vermittlung von Dienst- oder\nPflegeleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen und das Entgelt hierfur\nim Verhaltnis zur Miete von untergeordneter Bedeutung ist. Dieses Gesetz ist\nanzuwenden, wenn die Mieter vertraglich verpflichtet sind, Verpflegung und\nweitere Betreuungsleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen (Abs. 2). Im\nRahmen des mit dem A. abgeschlossenen Betreuungsvertrages, der Teil des\neinheitlichen Rechtsgeschaftes uber das Betreute Wohnen ist, erhalt der Klager\nden so genannten Grundservice, der auch nicht „abgewahlt" werden kann. Die\nVerpflegung des Klagers wird von diesem Grundservice nicht umfasst. Vielmehr\nist dies nach § 2 II des Betreuungsvertrages Teil des Wahlservice. Angebot und\nLeistungen des Wahlservice konnen im Bedarfsfall von den Bewohnern der\nWohnanlage auf freiwilliger Basis in Anspruch genommen werden; eine\nVerpflichtung zur Inanspruchnahme besteht nicht. Insoweit kann auch ambulante\nHilfe von anderen Anbietern in Anspruch genommen werden. Dauerhafte\nPflegebedurftigkeit kann im Rahmen des Betreuten Wohnens nicht gewahrleistet\nwerden (§ 1 I des Betreuungsvertrages). Der Wahlservice im Rahmen dieses\nBetreuungsvertrages wird vom Klager aktuell nicht in Anspruch genommen. Ein\nZur-Verfugung-Stellen von Verpflegung im Sinne des § 1 Abs. 1 HeimG liegt\nsomit nicht vor. In Betracht kame fur die Anwendung des HeimG daher nur die\nVariante des Vorhaltens von Betreuung und Verpflegung. Im\nGesetzgebungsverfahren zur Änderung des HeimG ist zum Ausdruck gebracht\nworden, allgemeine Betreuungsleistungen, die sich wie hier nur auf Beratung,\nHausnotrufdienste, hausmeisterliche Dienste, Hilfe bei der Beantragung von\nSozialleistungen oder Vermittlung von hauswirtschaftlichen Hilfe oder\nPflegeleistungen bezogen, seien fur Einrichtungen des Betreuten Wohnens\ntypisch und von einer „heimmaßigen" Betreuung, die fur die Anwendung des\nHeimgesetzes Voraussetzung sei, zu unterscheiden (BT-Drucksache 14/5399 S.\n18). Von einer genaueren Bestimmung des Anwendungsbereiches hat der\nGesetzgeber jedoch abgesehen und lediglich Auslegungsregeln in § 1 Abs. 2\nHeimG formuliert. Danach soll das HeimG jedenfalls dann nicht Anwendung\nfinden, wenn das Entgelt fur die allgemeinen Betreuungsleistungen im\nVerhaltnis zur Miete von untergeordneter Bedeutung ist; nach der amtlichen\nBegrundung (a. a. O. S. 19) wurde hier eine Grenze von 20 % des monatlichen\nEntgelts fur die Miete einschließlich der Betriebskosten gesehen. Diese Grenze\nwird im Falle des Klagers zwar eindeutig uberschritten (Miet- und Nebenkosten\nEUR 301,10 gegenuber dem Betreuungsentgelt von EUR 137,77). Daraus kann jedoch\nnoch nicht im Gegenschluss entnommen werden, dass das HeimG tatsachlich\nAnwendung findet. Vielmehr ist eine Gesamtbeurteilung anzustellen, ob der\nKlager „heimmaßig" aufgenommen wurde (BGH 21.04.2005 - III ZR 293/04 - NJW\n2005, 2008). Abzustellen ist dabei auf den heimmaßigen Aufenthalt des konkret\nBetroffenen (OLG Munchen, 13.04.2006 - 33 Wx 42/06 - Juris). Eine\n„Versorgungsgarantie", dass der Klager auch bei einer Verschlechterung des\nGesundheitszustandes mit der Folge der Pflegebedurftigkeit aufgenommen wurde,\nbesteht im Rahmen des Betreuten Wohnens nicht. Der Klager ist auch nicht\nverpflichtet, weitergehende, dem Wahlservice unterliegende Leistungen,\ninsbesondere hinsichtlich der Verpflegung, gerade vom Vertragspartner des\nBetreuungsvertrages im Rahmen des einheitlichen Rechtsgeschaftes zu beziehen.\nInsoweit kann er auf andere Anbieter zuruckgreifen, sodass eine ahnliche\nSituation wie bei einer hauslichen Unterbringung unter Verpflegung nach der\nArt „Essen auf Radern" vorliegt. Der Klager hat auch bislang keinen\nWahlservice in Anspruch genommen. Pflegeleistungen werden fur ihn nicht\nerbracht. Nach der konkreten Ausgestaltung geht das Gericht daher davon aus,\ndass der Anwendungsbereich des HeimG nicht eroffnet ist. \n--- \n| 36 \n--- \n| Auszugehen ist daher von einer wirksamen Vereinbarung des\nBetreuungsentgeltes in Hohe von EUR 137,77 monatlich, bzw. ab 01.01.2006 in\nHohe von EUR 139,11, das den Kosten der Unterkunft zuzuordnen ist. \n--- \n| 37 \n--- \n| Grundsatzlich sind nach § 29 Abs. 1 SGB XII Leistungen in Hohe der\ntatsachlichen Aufwendungen fur die Unterkunft zu erbringen, soweit diese\nangemessen sind. \n--- \n| 38 \n--- \n| Die (abstrakte) Angemessenheit bestimmt sich nach dem Bedarf des\nHilfebedurftigen; hierbei kommt es auf die Besonderheiten des Einzelfalles an,\nvor allem auf die Person des Hilfebedurftigen, die Art seines Bedarfes und die\nortlichen Verhaltnisse. Hinsichtlich der Lage und Ausstattung sind fur die\nBeurteilung grundsatzlich Wohnungen maßgeblich, die im unteren Bereich der am\nWohnort des Hilfebedurftigen marktublichen Wohnungsmieten liegen (Grube in\nGrube/Wahrendorf SGB XII § 29 Rn. 24). \n--- \n| 39 \n--- \n| Als Maßstab fur die Angemessenheit bieten sich im vorliegenden Fall drei\nMoglichkeiten an. Abgestellt werden konnte auf den „normalen" Mietspiegel der\nStadt S, auf die reinen Mietpreise von Betreuten Wohnungseinrichtungen oder\nauf deren Kosten unter Einschluss der fur die dort grundsatzlich erbrachte\nBetreuung (Grundservice) anfallenden Kosten (Betreuungsentgelt). \n--- \n| 40 \n--- \n| Gegen die Heranziehung des allgemeinen Mietspiegels spricht nach Ansicht\ndes Gerichts bereits die besondere Struktur des Betreuten Wohnens: So werden\nteilweise in den Einrichtungen zusatzlich zum Quadratmeterpreis fur die\nWohnung noch Zuschlage fur die Gemeinschaftsraume erhoben (so zum Beispiel\nAuskunft der S-Gesellschaft). Andererseits bestehen in vielen Fallen\nPreisbindungen aufgrund der ortlichen Forderung. Solche Einflusse werden im\nMietspiegel nicht ausreichend abgebildet. Des Weiteren wird darin auch nicht\nbesondere Inhalt des Betreuten Wohnens berucksichtigt. Dieser besteht zwar in\nerster Linie in den Dienstleistungen, ist aber, wie oben bereits ausgefuhrt,\ndem Wesen nach gerade auch auf die Unterkunft, also das Wohnen bezogen. Die\nAnforderungen an die Gestaltung der Wohnungen und der Gesamtanlage, in deren\nRahmen die weitere Betreuung zu erbringen ist, decken sich nicht mit einer\n„normalen" Wohnung. Das Gericht sieht auch keinen Anhaltspunkt, wie die Kosten\nfur diesen Bedarf im Betreuten Wohnen fur den einzelnen Hilfebedurftigen\nanhand abstrakter oder genereller Werte (z. B. Erhohung des Raumbedarfs,\nallgemeiner Zuschlag, Faktor fur den im Mietspiegel ausgewiesenen\nQuadratmeterpreis o. a.) bestimmt werden konnten, sodass sie den tatsachlichen\nVerhaltnissen auf dem Markt entsprachen. Der Mietspiegel gibt somit nach\nAuffassung des Gerichts kein verlassliches Bild uber die ortlichen\nVerhaltnisse gerade bezogen auf den konkreten Bedarf im Betreuten Wohnen.\nVielmehr sind die Erhebungen des Gerichts und die von der Beklagten\nuberlassenen Unterlagen besser geeignet, die ortlichen Verhaltnisse fur das\neigene „Segment" Betreutes Wohnen zu bewerten. \n--- \n| 41 \n--- \n| Dabei geht das Gericht davon aus, dass die Betreuungsentgelte\n(Grundservice) in den Vergleich mit einbezogen werden mussen. Dies ergibt sich\naus der Vorgabe, dass der Bedarf des einzelnen Hilfebedurftigen Ausgangspunkt\nfur die Angemessenheit ist; besteht dieser in einem Betreuten Wohnen, ist\ndieser Bedarf insoweit mit einzubeziehen, wie er unauslosbar mit der\nUnterkunft verknupft ist. Nach dem Ergebnis der gerichtlichen Ermittlungen\nbesteht keine ausreichende Moglichkeit, lediglich eine Wohnung in einem\nBetreuten Wohnen anzumieten und die Betreuungsleistung selbst „einzukaufen".\nVielmehr wird die Betreuung von der Einrichtung selbst erbracht oder von einem\nDritten, mit dem die Einrichtung einen Rahmenvertrag geschlossen hat, dessen\nsich der Hilfebedurftige in dieser Einrichtung also zu bedienen hat. Einzelne\nAusnahmen stehen dem nicht entgegen, da es fur die Frage der Angemessenheit\nauf die ublichen, also regelmaßigen Verhaltnisse ankommt. Die Wahl der\nUnterkunft legt somit beim Betreuten Wohnen in aller Regel sogleich den\nBetreuer und damit die Kosten fur die Betreuung fest. Ohne die vorgesehene\nBetreuung wiederum kann keine betreute Wohnung angemietet werden. Schließlich\nhangt das Betreuungsentgelt wiederum von der Große der Einrichtung ab (z. B.\nAuskunft des S.-Werks). Diese gegenseitige Anbindung, die auch aus den oben\ngenannten Grunden die Bewertung als Kosten der Unterkunft rechtfertigen, fuhrt\nauch dazu, dass als Vergleichsmaßstab die Gesamtkosten aus Miete, Nebenkosten\nund Betreuungsentgelt heranzuziehen sind. Bei Letzterem sind aus gleichem\nGrund die Kosten fur Notrufsysteme zu berucksichtigen, da diese nach dem\nErgebnis der gerichtlichen Ermittlungen in gleicher Weise ublich und nicht\nabwahlbar sind. \n--- \n| 42 \n--- \n| Ausgehend von diesem Maßstab sieht das Gericht die tatsachlichen\nAufwendungen des Klagers fur die Unterkunft unter Einschluss der\nBetreuungsentgelte als angemessen an. \n--- \n| 43 \n--- \n| Von den in die Auskunfte einbezogenen 20 Objekten waren nur zwei billiger\nals die Unterkunft des Klagers, funf lagen im selben Rahmen (bis zu 10 %\nAbweichung), 15 waren - auch erheblich - teurer. Von zusatzlichem Aussagewert\nerscheint dem Gericht dabei auch die Auskunft des W. Baden-Wurttemberg (Bl.\n140/143 d. Gerichtsakten). Danach ist fur die Hauser Nr. 93 und 95 des\nL.-Stifts, die der Preisklasse der Unterkunft des Klagers entsprechen, ein\nBerechtigungsschein erforderlich; daruber hinaus besteht aufgrund des „relativ\ngeringen Gesamtkostenniveaus" eine erhohte Nachfrage, die nicht kurzfristig\nbefriedigt werden kann. Aus den von der Beklagten vorgelegten Aufstellungen\nvon Einrichtungen in S ließen sich lediglich funf entnehmen, die deutlich\nbilliger waren. Die Aussagekraft ist insoweit aber eingeschrankt, als dort nur\ndie Quadratmeterpreise genannt werden, nicht aber die tatsachliche Große der\neinzelnen Unterkunft. Zur Vergleichsberechnung hat das Gericht die\ntatsachliche Wohnungsgroße des Klagers angesetzt. Sollten die dort genannten\nWohnungen tatsachlich großer sein, ergabe sich ein anderes Bild; es konnten\nalso weniger billigere Wohnungen vorliegen. Unberucksichtigt bleiben mussten\nmangels Angaben auch die jeweiligen Neben- oder Betriebskosten. Das Gericht\nhat daher zum Vergleich auch die Betriebskosten der Wohnung des Klagers\ninsoweit unberucksichtigt gelassen. Insgesamt erscheint dem Gericht daher der\nVergleich anhand der Auskunfte im Gerichtsverfahren aussagekraftiger. \n--- \n| 44 \n--- \n| Nach alldem geht das Gericht davon aus, dass die tatsachlichen Aufwendungen\ndes Klagers fur eine Unterkunft im unteren Preissegment notwendig und damit\nangemessen sind. \n--- \n| 45 \n--- \n| Da die tatsachlichen Aufwendungen des Klagers nach Auffassung des Gerichts\nbereits abstrakt angemessen sind, hatte es die Frage der konkreten\nAngemessenheit nicht zu klaren. Es kommt also nicht darauf an, ob abstrakt als\nunangemessen angesehene Aufwendungen mangels zu diesem Preis tatsachlich\nvorhandener Unterkunftsalternativen im Einzelfall (konkret) angemessen sind\n(dazu BVerwGE 101, 194). Die einschrankende Vorschrift des § 29 Abs. 1 Satz 5\nSGB XII findet ebenfalls keine Anwendung. Auch im Hinblick auf den erfolgten\nUmzug des Klagers in die hier streitige Wohnung sind die tatsachlichen\nAufwendungen zu erbringen, da sie abstrakt angemessen sind. \n--- \n| 46 \n--- \n| Der Klager hat somit Anspruch auf hohere Grundsicherungsleistungen unter\nBerucksichtigung der tatsachlichen Aufwendungen fur das Betreuungsentgelt. Die\nangefochtenen Bescheide waren entsprechend abzuandern. \n--- \n| 47 \n--- \n| Wollte man die Betreuungskosten nicht als Kosten der Unterkunft ansehen,\nware zu erwagen, ob die Beklagte dann nicht verpflichtet ware, den Regelsatz\ngem. § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII abweichend in der Art zu bestimmen, dass die\ntatsachlichen Betreuungskosten zugrunde zu legen waren, da der Klager sich\ndiesen aus o.g. Grunden nicht entziehen kann. Das Gericht lasst dies offen, da\nes sich seiner Auffassung nach um Kosten der Unterkunft handelt. \n--- \n| 48 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 21 \n--- \n| Die form- und fristgerecht beim ortlich und sachlich zustandigen\nSozialgericht Stuttgart erhobene Klage ist zulassig und hat in der Sache\nErfolg. \n--- \n| 22 \n--- \n| Streitgegenstand ist das Begehren des Klagers, die Beklagte zur\nvollstandigen Übernahme der Kosten fur die Betreuungs- und Notrufpauschale zu\nverpflichten. Neben dem ursprunglich angefochtenen Bescheid vom 26.04.2005 in\nGestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2005 ist auch der weitere\nLeistungsbewilligungsbescheid vom 23.01.2006 fur die Zeitraume ab 01.01. und\n01.07.2006 Gegenstand des Verfahrens geworden. Wird nach Klageerhebung der\nVerwaltungsakt durch einen neuen abgeandert oder ersetzt, so wird auch der\nneue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 SGG). Diese\nRegelung findet vorliegend keine unmittelbare Anwendung, da der weitere\nLeistungsbescheid den ursprunglichen weder abandern noch ersetzen. Gemaß dem\nNormzweck der Prozessokonomie ist die Vorschrift jedoch entsprechend\nanzuwenden, wenn der neue Verwaltungsakt mit dem Streitstoff in tatsachlichem\noder rechtlichem Zusammenhang steht und der Grundgedanke des § 96 die\nEinbeziehung rechtfertigt. Bei Dauerrechtsverhaltnissen ist nach bisheriger\nRechtsprechung des BSG § 96 entsprechend anzuwenden, wenn der ursprunglich mit\nder Klage angefochtene Verwaltungsakt durch die wahrend des\nsozialgerichtlichen Verfahrens ergangene Verwaltungsentscheidung zwar nicht\nabgeandert oder ersetzt wird, der spatere Bescheid aber im Rahmen eines\nDauerrechtsverhaltnisses ergangen ist und ein streitiges Rechtsverhaltnis\nregelt, das sich an den von dem angefochtenen Verwaltungsakt erfassten\nZeitraum anschließt (BSG 14.12.1995 - 11 RAr 75/95 - BSGE 77, 175). Ob eine\nsolche Einbeziehung noch dem Normzweck der Prozessokonomie entspricht, ist\ninsbesondere im Hinblick auf die Regelungsgegenstande der Bescheide und die\nBesonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets zu beurteilen. Im vorliegenden\nVerfahren besteht mit der Grundsicherungsleistung ein Dauerrechtsverhaltnis im\ngenannten Sinne. Der einzubeziehende Bescheid regelt die Hohe der Leistung,\nwobei sie zwangslaufig die Frage der Berucksichtigung der Betreuungspauschale,\ndie Gegenstand der Anfechtung des ursprunglichen Bescheides ist, mit\nbehandeln. Da keine daruber hinausgehenden zusatzlichen Streitpunkte bestehen,\nist die Einbeziehung unter dem Gesichtspunkt der Prozessokonomie\ngerechtfertigt. Die Beteiligten haben sich mit einer Einbeziehung auch\nausdrucklich einverstanden erklart. Der weitere Leistungsbescheid vom\n22.06.06, der in seinem Regelungsgegenstand keinen Bezug zum hier streitigen\nBetreuungsentgelt hat, war demgegenuber nicht einzubeziehen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Klage hat in der Sache Erfolg. Der Klager hat Anspruch auf Übernahme\ndes monatlichen Betreuungsentgeltes in tatsachlicher Hohe. Soweit die\nangefochtenen Bescheide der Beklagten dahinter zuruckbleiben, sind sie\nrechtswidrig und verletzen den Klager in seinen Rechten. \n--- \n| 24 \n--- \n| Nach Auffassung der erkennenden Kammer ergibt sich der geltend gemachte\nAnspruch aus §§ 41, 42 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 29 Abs. 1 SGB XII.\nDass der Antragsteller die Voraussetzungen eines Anspruches auf Leistungen der\nGrundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 41 SGB XII dem Grunde\nnach erfullt, ist unstreitig. Ebenso unstreitig ist zwischen den Beteiligten,\ndass der Klager auf die Leistungen eines Betreuten Wohnens angewiesen ist. \n--- \n| 25 \n--- \n| Nach § 42 Satz 1 Nr. 2 umfassen die Leistungen der Grundsicherungen im\nAlter und bei Erwerbsminderung auch die angemessenen tatsachlichen\nAufwendungen fur Unterkunft und Heizung entsprechend § 29\\. Nach § 29 Abs. 1\nSGB XII werden Leistungen fur die Unterkunft in Hohe der tatsachlichen\nAufwendungen erbracht. Übersteigen die Aufwendungen fur die Unterkunft den der\nBesonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, sind sie insoweit als\nBedarf der Personen, deren Einkommen und Vermogen nach § 19 Abs. 1 zu\nberucksichtigen sind, anzuerkennen. Dies gilt so lange, als es diesen Personen\nnicht moglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten\noder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch\nlangstens fur sechs Monate. Vor Abschluss eines Vertrages uber eine neue\nUnterkunft haben Leistungsberechtigte den dort zustandigen Trager der\nSozialhilfe uber die nach den Satzen 2 und 3 maßgeblichen Umstande in Kenntnis\nzu setzen. Sind die Aufwendungen fur die neue Unterkunft unangemessen hoch,\nist der Trager der Sozialhilfe nur zur Übernahme angemessener Aufwendungen\nverpflichtet, es sei denn, er hat den daruber hinausgehenden Aufwendungen\nvorher zugestimmt. \n--- \n| 26 \n--- \n| Was unter den tatsachlichen Aufwendungen fur die Unterkunft im Einzelnen zu\nverstehen ist, ist im Gesetz nicht naher definiert. Aus dem offenen Wortlaut\nergibt sich keine Einschrankung auf bestimmte rechtliche Gestaltungen. Umfasst\nwerden unstreitig die typischen Formen Mieten und Eigentum. Die Leistungen\nsollen der Sicherung des elementaren Grundbedurfnisses Unterkunft bzw. Wohnen\ndienen. Dieser Bedarf wird vom Sozialhilfetrager nicht sachlich gedeckt,\nsondern durch die Übernahme der Kosten, die der Hilfebedurftige aufzuwenden\nhat, um die Bedarfsdeckung „auf dem Markt einzukaufen". Was unter die Kosten\nder Unterkunft zu zahlen ist, hat sich daher auch an den Verhaltnissen und\nAngeboten des jeweiligen Marktes zu orientieren. Danach und nach dem Wortlaut\nsind daher alle Aufwendungen erfasst, die dem Hilfebedurftigen zwangslaufig\nerwachsen, um die Unterkunft zu gewinnen oder zu erhalten. Dies gilt\nunabhangig davon, ob die so „erkaufte" Leistung des Vermieters dem Willen und\npersonlichem Bedurfnis des Hilfebedurftigen entspricht. Auch wenn die Leistung\nder Art nach personlichen Bedurfnissen dient, die eigentlich uber den\nRegelsatz abgegolten werden, sind zwangslaufige Aufwendungen, denen sich der\nHilfebedurftige bei der Wohnungserhaltung und -beschaffung nicht entziehen\nkann, Kosten der Unterkunft. Entscheidend ist daher nicht die Art des\nBedarfes, der durch die zwangslaufig mit der Unterkunft verbundenen,\n„zusatzlichen" Aufwendungen gedeckt wird, sondern allein die Unmoglichkeit,\ndie Unterkunft ohne diese Aufwendungen zu erhalten. Dies gilt fur die konkrete\nWohnung selbst dann, wenn bedarfsgerechte Unterkunftsalternativen ohne solche\nAufwendungen verfugbar sein sollten (BVerwG 28.11.2001 - 5 C 9/01 - BVerwGE\n115, 256; LSG Baden-Wurttemberg, 08.09.2005 - L 7 SO 27/05 ER-B; LSG Baden-\nWurttemberg 28.06.2006 - L 13 AS 2297/06 ER-B). \n--- \n| 27 \n--- \n| Unstreitig unterfallen den Kosten der Unterkunft hier die ublichen\nMietkosten, namlich Kaltmiete und Neben- bzw. Betriebskosten. \n--- \n| 28 \n--- \n| Diese Voraussetzungen sind aber auch hinsichtlich des Betreuungsentgeltes\nbeim Klager erfullt, da er sich diesem Kostenfaktor nicht entziehen kann. Der\nKlager ist nach § 5 Abs. 3 des Mietvertrages zum Abschluss eines\nBetreuungsvertrages mit dem Trager der Betreuung (A.) vor Beginn des\nMietverhaltnisses verpflichtet gewesen. Das im Betreuungsvertrag vereinbarte\nBetreuungsentgelt von EUR 137,70 ist nach § 3 des Mietvertrages Bestandteil\nder Miete. Der Klager ware somit selbst ohne Inanspruchnahme der Dienste\naufgrund der zugrunde liegenden vertraglichen Konstruktion zur Zahlung\nverpflichtet gewesen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Das Gericht vermag dem Einwand der Beklagten nicht zu folgen, das\nBetreuungsentgelt sei nicht den Kosten der Unterkunft zuzurechnen, da es fur\nden Vermieter lediglich einen durchlaufenden Posten darstelle, der letztlich\nan den Vertragspartner des Betreuungsvertrages, den A., weitergeleitet werde,\nsodass trotz der Einbeziehung in den Mietvertrag keine Betriebskosten nach § 1\nder Betriebskostenverordnung (2. Berechnungsverordnung) vorlagen. Nicht vom\nVermieter auf den Mieter uberwalzbare Betriebskosten, die lediglich als solche\ndeklariert wurden, seien vom Sozialhilfetrager auch nicht als Kosten der\nUnterkunft zu akzeptieren, weil auch der Mieter Leistungen aufgrund\nunwirksamer Bestimmungen im Mietvertrag nicht schulde. Das von der Beklagten\ninsoweit in Bezug genommene Urteil des BGH (23.06.2004 - VIII ZR 361/03 - MDR\n2004, 736) betrifft die Unwirksamkeit einer formularmaßigen\nRenovierungsklausel mit starren Fristen. Nach der dort anwendbaren Regelung\ndes § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG i. V. m. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB liege eine\nunangemessene Benachteiligung des Mieters vor, wenn eine Bestimmung mit dem\nwesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird,\nnicht zu vereinbaren ist (Verstoß gegen Treu und Glauben). Das Gericht sieht\neine Abweichung vom Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des Mietrechts nur\ndarin, dass entgegen dem Vertragstyp Mietvertrag Inhalt des geschlossenen\n„Mietvertrages" nicht nur die Überlassung der Mietsache, sondern eine daruber\nhinausgehende weitere Dienstleistung ist, die durch einen Dritten erfullt\nwird. Eine unangemessene Benachteiligung des „Mieters", der die betreute\nWohnung gerade wegen dieser zusatzlichen Leistung anmietet, vermag das Gericht\nnicht zu erkennen. Allenfalls fuhrt die Vertragskonstruktion dazu, dass man\nnicht mehr von einem typischen Mietvertrag im Sinne des BGB ausgehen kann,\nsondern einen Vertragstypus eigener Art anzunehmen hat. Gegen Treu und Glauben\nverstoßt eine solche Regelung nach Auffassung der Kammer aber unter keinem\nGesichtspunkt, so dass sie auch nicht als unwirksam angesehen werden kann. Des\nWeiteren ist auch die Qualifizierung einer - wirksamen - Regelung als\nmietvertragliche Vereinbarung im Sinne des BGB nach Auffassung der Kammer\nnicht zwingende Voraussetzung fur die Berucksichtigung der daraus erwachsenden\nAufwendungen als Kosten der Unterkunft. Die Ziele und Wertungen des\nzivilrechtlichen Mietrechts und der Leistungserbringung nach dem SGB XII sind\nnicht deckungsgleich. Fur Letztere ist - unabhangig von der zivilrechtlichen\nEinordnung - nur entscheidend, dass die Aufwendungen notig sind, um die\nUnterkunft zu erlangen oder zu erhalten. \n--- \n| 30 \n--- \n| Aufgrund der wirksamen rechtlichen Gestaltung kann sich der Klager\njedenfalls dem hier streitigen Betreuungsentgelt unter Einschluss des auf den\nNotruf entfallenden Teils nicht entziehen, ohne die konkrete Wohnung\naufzugeben. \n--- \n| 31 \n--- \n| Schließlich darf nach Ansicht des Gerichts der besondere Inhalt des\nBetreuten Wohnens bei dieser Betrachtung nicht außer acht gelassen werden.\nDieses soll gewahrleisten, dass bestimmte Betreuungsleistungen, deren der\nbetroffene Personenkreis bedarf, in der Einrichtung, also gerade im\nZusammenhang und in ortlicher Nahe der eigenen Unterkunft erbracht werden. Es\nbesteht somit eine untrennbare Anknupfung gerade an die jeweilige Wohnung. Die\nErhebungen des Gerichts im laufenden Verfahren haben ergeben, dass die\nPersonen, die auf solche Betreuung angewiesen sind, diese grundsatzlich nicht\ngleichsam neben der Unterkunft auf dem „Markt" erlangen konnen. Nach allen\nAuskunften der Einrichtungen und Trager im Verfahren war die Unterkunft\nuntrennbar mit den Betreuungsleistungen der Einrichtung selbst oder eines\nvorgegebenen Dritten verbunden, mit dem ein Rahmenvertrag besteht. Danach kann\ndas Gericht davon ausgehen, dass im Falle des Klagers, der unstreitig des\nBetreuten Wohnens bedarf, bedarfsgerechte Unterkunftsalternativen ohne\nBetreuungsentgelt gar nicht zur Verfugung stehen. Mangels\nAusweichmoglichkeiten kann sich der Klager dann erst recht nicht den Kosten\nentziehen. \n--- \n| 32 \n--- \n| Daran andert sich nach Auffassung des Gerichts auch nichts, wenn man die\n„nicht heimverbundenen" Seniorenwohnungen mit einbezieht. Zunachst erscheint\nfraglich, ob diese in gleichem Maße wie die „heimverbundenen" den\nErfordernissen eines Betreuten Wohnens, wie es der Klager bedarf, gerecht\nwerden. Dies kann aber offen bleiben. Nach der von der Beklagten vorgelegten\namtlichen Begrundung zum Gemeinderatsbeschluss der Stadt S (Bl. 26/35 der\nGerichtsakten) gab es in S 1998 einschließlich der in Planung oder Bau\nbefindlichen Projekte ca. 3000 Seniorenwohnungen, davon 1550 nicht\nheimverbundene und 1450 heimverbundene. Damit sei der Bedarf an\nSeniorenwohnungen rein rechnerisch nahezu gedeckt (Bl. 30). Bei einem\nGesamtbestand an Seniorenwohnungen, der gerade den Gesamtbedarf deckt, und\neinem Anteil daran von ca. 50% an heimverbundenen Wohnungen stellen solche\nWohnungen einen so relevanten Teil des „Marktes" dar, dass der Hilfebedurftige\nnicht auf eine Beschrankung auf nicht heimverbundene Wohnungen verwiesen\nwerden kann, um seinen Bedarf zu decken. Ohne Einbeziehung der heimverbunden\nWohnungen erscheint dem Gericht eine - auch zeitgerechte - Bedarfsdeckung\nnicht moglich. Da bei diesen die Betreuungsentgelte aber fest mit der\nUnterkunft selbst verknupft sind, sind diese bei der Bestimmung der\nUnterkunftskosten mit einzubeziehen. \n--- \n| 33 \n--- \n| Aus den Vorschriften des Heimgesetzes (HeimG) ergibt sich nichts anderes. \n--- \n| 34 \n--- \n| An der Beurteilung der Betreuungspauschale als Kosten der Unterkunft wurde\nsich durch die Anwendung des HeimG nichts andern (LSG Baden-Wurttemberg v.\n28.06.2006 a. a. O.). Die Angemessenheit der Entgelte und Entgeltbestandteile\nim Sinne des § 5 Abs. 7 Heimgesetz ist nicht zu prufen, da das Gesetz auf den\nvorliegenden Sachverhalt keine Anwendung findet. \n--- \n| 35 \n--- \n| Nach § 1 Abs. 1 gilt dieses Gesetz fur Heime. Heime im Sinne dieses\nGesetzes sind Einrichtungen, die dem Zweck dienen, altere Menschen oder\npflegebedurftige oder behinderte Volljahrige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu\nuberlassen sowie Betreuung und Verpflegung zur Verfugung zu stellen oder\nvorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohnerinnen\nund Bewohner unabhangig sind und entgeltlich betrieben werden. Die Tatsache,\ndass ein Vermieter von Wohnraum durch Vertrage mit Dritten oder auf andere\nWeise sicherstellt, dass den Mietern Betreuung und Verpflegung angeboten\nwerden, begrundet allein nicht die Anwendung des Heimgesetzes. Dies gilt auch\ndann, wenn die Mieter vertraglich verpflichtet sind, allgemeine\nBetreuungsleistungen wie Notrufdienste oder Vermittlung von Dienst- oder\nPflegeleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen und das Entgelt hierfur\nim Verhaltnis zur Miete von untergeordneter Bedeutung ist. Dieses Gesetz ist\nanzuwenden, wenn die Mieter vertraglich verpflichtet sind, Verpflegung und\nweitere Betreuungsleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen (Abs. 2). Im\nRahmen des mit dem A. abgeschlossenen Betreuungsvertrages, der Teil des\neinheitlichen Rechtsgeschaftes uber das Betreute Wohnen ist, erhalt der Klager\nden so genannten Grundservice, der auch nicht „abgewahlt" werden kann. Die\nVerpflegung des Klagers wird von diesem Grundservice nicht umfasst. Vielmehr\nist dies nach § 2 II des Betreuungsvertrages Teil des Wahlservice. Angebot und\nLeistungen des Wahlservice konnen im Bedarfsfall von den Bewohnern der\nWohnanlage auf freiwilliger Basis in Anspruch genommen werden; eine\nVerpflichtung zur Inanspruchnahme besteht nicht. Insoweit kann auch ambulante\nHilfe von anderen Anbietern in Anspruch genommen werden. Dauerhafte\nPflegebedurftigkeit kann im Rahmen des Betreuten Wohnens nicht gewahrleistet\nwerden (§ 1 I des Betreuungsvertrages). Der Wahlservice im Rahmen dieses\nBetreuungsvertrages wird vom Klager aktuell nicht in Anspruch genommen. Ein\nZur-Verfugung-Stellen von Verpflegung im Sinne des § 1 Abs. 1 HeimG liegt\nsomit nicht vor. In Betracht kame fur die Anwendung des HeimG daher nur die\nVariante des Vorhaltens von Betreuung und Verpflegung. Im\nGesetzgebungsverfahren zur Änderung des HeimG ist zum Ausdruck gebracht\nworden, allgemeine Betreuungsleistungen, die sich wie hier nur auf Beratung,\nHausnotrufdienste, hausmeisterliche Dienste, Hilfe bei der Beantragung von\nSozialleistungen oder Vermittlung von hauswirtschaftlichen Hilfe oder\nPflegeleistungen bezogen, seien fur Einrichtungen des Betreuten Wohnens\ntypisch und von einer „heimmaßigen" Betreuung, die fur die Anwendung des\nHeimgesetzes Voraussetzung sei, zu unterscheiden (BT-Drucksache 14/5399 S.\n18). Von einer genaueren Bestimmung des Anwendungsbereiches hat der\nGesetzgeber jedoch abgesehen und lediglich Auslegungsregeln in § 1 Abs. 2\nHeimG formuliert. Danach soll das HeimG jedenfalls dann nicht Anwendung\nfinden, wenn das Entgelt fur die allgemeinen Betreuungsleistungen im\nVerhaltnis zur Miete von untergeordneter Bedeutung ist; nach der amtlichen\nBegrundung (a. a. O. S. 19) wurde hier eine Grenze von 20 % des monatlichen\nEntgelts fur die Miete einschließlich der Betriebskosten gesehen. Diese Grenze\nwird im Falle des Klagers zwar eindeutig uberschritten (Miet- und Nebenkosten\nEUR 301,10 gegenuber dem Betreuungsentgelt von EUR 137,77). Daraus kann jedoch\nnoch nicht im Gegenschluss entnommen werden, dass das HeimG tatsachlich\nAnwendung findet. Vielmehr ist eine Gesamtbeurteilung anzustellen, ob der\nKlager „heimmaßig" aufgenommen wurde (BGH 21.04.2005 - III ZR 293/04 - NJW\n2005, 2008). Abzustellen ist dabei auf den heimmaßigen Aufenthalt des konkret\nBetroffenen (OLG Munchen, 13.04.2006 - 33 Wx 42/06 - Juris). Eine\n„Versorgungsgarantie", dass der Klager auch bei einer Verschlechterung des\nGesundheitszustandes mit der Folge der Pflegebedurftigkeit aufgenommen wurde,\nbesteht im Rahmen des Betreuten Wohnens nicht. Der Klager ist auch nicht\nverpflichtet, weitergehende, dem Wahlservice unterliegende Leistungen,\ninsbesondere hinsichtlich der Verpflegung, gerade vom Vertragspartner des\nBetreuungsvertrages im Rahmen des einheitlichen Rechtsgeschaftes zu beziehen.\nInsoweit kann er auf andere Anbieter zuruckgreifen, sodass eine ahnliche\nSituation wie bei einer hauslichen Unterbringung unter Verpflegung nach der\nArt „Essen auf Radern" vorliegt. Der Klager hat auch bislang keinen\nWahlservice in Anspruch genommen. Pflegeleistungen werden fur ihn nicht\nerbracht. Nach der konkreten Ausgestaltung geht das Gericht daher davon aus,\ndass der Anwendungsbereich des HeimG nicht eroffnet ist. \n--- \n| 36 \n--- \n| Auszugehen ist daher von einer wirksamen Vereinbarung des\nBetreuungsentgeltes in Hohe von EUR 137,77 monatlich, bzw. ab 01.01.2006 in\nHohe von EUR 139,11, das den Kosten der Unterkunft zuzuordnen ist. \n--- \n| 37 \n--- \n| Grundsatzlich sind nach § 29 Abs. 1 SGB XII Leistungen in Hohe der\ntatsachlichen Aufwendungen fur die Unterkunft zu erbringen, soweit diese\nangemessen sind. \n--- \n| 38 \n--- \n| Die (abstrakte) Angemessenheit bestimmt sich nach dem Bedarf des\nHilfebedurftigen; hierbei kommt es auf die Besonderheiten des Einzelfalles an,\nvor allem auf die Person des Hilfebedurftigen, die Art seines Bedarfes und die\nortlichen Verhaltnisse. Hinsichtlich der Lage und Ausstattung sind fur die\nBeurteilung grundsatzlich Wohnungen maßgeblich, die im unteren Bereich der am\nWohnort des Hilfebedurftigen marktublichen Wohnungsmieten liegen (Grube in\nGrube/Wahrendorf SGB XII § 29 Rn. 24). \n--- \n| 39 \n--- \n| Als Maßstab fur die Angemessenheit bieten sich im vorliegenden Fall drei\nMoglichkeiten an. Abgestellt werden konnte auf den „normalen" Mietspiegel der\nStadt S, auf die reinen Mietpreise von Betreuten Wohnungseinrichtungen oder\nauf deren Kosten unter Einschluss der fur die dort grundsatzlich erbrachte\nBetreuung (Grundservice) anfallenden Kosten (Betreuungsentgelt). \n--- \n| 40 \n--- \n| Gegen die Heranziehung des allgemeinen Mietspiegels spricht nach Ansicht\ndes Gerichts bereits die besondere Struktur des Betreuten Wohnens: So werden\nteilweise in den Einrichtungen zusatzlich zum Quadratmeterpreis fur die\nWohnung noch Zuschlage fur die Gemeinschaftsraume erhoben (so zum Beispiel\nAuskunft der S-Gesellschaft). Andererseits bestehen in vielen Fallen\nPreisbindungen aufgrund der ortlichen Forderung. Solche Einflusse werden im\nMietspiegel nicht ausreichend abgebildet. Des Weiteren wird darin auch nicht\nbesondere Inhalt des Betreuten Wohnens berucksichtigt. Dieser besteht zwar in\nerster Linie in den Dienstleistungen, ist aber, wie oben bereits ausgefuhrt,\ndem Wesen nach gerade auch auf die Unterkunft, also das Wohnen bezogen. Die\nAnforderungen an die Gestaltung der Wohnungen und der Gesamtanlage, in deren\nRahmen die weitere Betreuung zu erbringen ist, decken sich nicht mit einer\n„normalen" Wohnung. Das Gericht sieht auch keinen Anhaltspunkt, wie die Kosten\nfur diesen Bedarf im Betreuten Wohnen fur den einzelnen Hilfebedurftigen\nanhand abstrakter oder genereller Werte (z. B. Erhohung des Raumbedarfs,\nallgemeiner Zuschlag, Faktor fur den im Mietspiegel ausgewiesenen\nQuadratmeterpreis o. a.) bestimmt werden konnten, sodass sie den tatsachlichen\nVerhaltnissen auf dem Markt entsprachen. Der Mietspiegel gibt somit nach\nAuffassung des Gerichts kein verlassliches Bild uber die ortlichen\nVerhaltnisse gerade bezogen auf den konkreten Bedarf im Betreuten Wohnen.\nVielmehr sind die Erhebungen des Gerichts und die von der Beklagten\nuberlassenen Unterlagen besser geeignet, die ortlichen Verhaltnisse fur das\neigene „Segment" Betreutes Wohnen zu bewerten. \n--- \n| 41 \n--- \n| Dabei geht das Gericht davon aus, dass die Betreuungsentgelte\n(Grundservice) in den Vergleich mit einbezogen werden mussen. Dies ergibt sich\naus der Vorgabe, dass der Bedarf des einzelnen Hilfebedurftigen Ausgangspunkt\nfur die Angemessenheit ist; besteht dieser in einem Betreuten Wohnen, ist\ndieser Bedarf insoweit mit einzubeziehen, wie er unauslosbar mit der\nUnterkunft verknupft ist. Nach dem Ergebnis der gerichtlichen Ermittlungen\nbesteht keine ausreichende Moglichkeit, lediglich eine Wohnung in einem\nBetreuten Wohnen anzumieten und die Betreuungsleistung selbst „einzukaufen".\nVielmehr wird die Betreuung von der Einrichtung selbst erbracht oder von einem\nDritten, mit dem die Einrichtung einen Rahmenvertrag geschlossen hat, dessen\nsich der Hilfebedurftige in dieser Einrichtung also zu bedienen hat. Einzelne\nAusnahmen stehen dem nicht entgegen, da es fur die Frage der Angemessenheit\nauf die ublichen, also regelmaßigen Verhaltnisse ankommt. Die Wahl der\nUnterkunft legt somit beim Betreuten Wohnen in aller Regel sogleich den\nBetreuer und damit die Kosten fur die Betreuung fest. Ohne die vorgesehene\nBetreuung wiederum kann keine betreute Wohnung angemietet werden. Schließlich\nhangt das Betreuungsentgelt wiederum von der Große der Einrichtung ab (z. B.\nAuskunft des S.-Werks). Diese gegenseitige Anbindung, die auch aus den oben\ngenannten Grunden die Bewertung als Kosten der Unterkunft rechtfertigen, fuhrt\nauch dazu, dass als Vergleichsmaßstab die Gesamtkosten aus Miete, Nebenkosten\nund Betreuungsentgelt heranzuziehen sind. Bei Letzterem sind aus gleichem\nGrund die Kosten fur Notrufsysteme zu berucksichtigen, da diese nach dem\nErgebnis der gerichtlichen Ermittlungen in gleicher Weise ublich und nicht\nabwahlbar sind. \n--- \n| 42 \n--- \n| Ausgehend von diesem Maßstab sieht das Gericht die tatsachlichen\nAufwendungen des Klagers fur die Unterkunft unter Einschluss der\nBetreuungsentgelte als angemessen an. \n--- \n| 43 \n--- \n| Von den in die Auskunfte einbezogenen 20 Objekten waren nur zwei billiger\nals die Unterkunft des Klagers, funf lagen im selben Rahmen (bis zu 10 %\nAbweichung), 15 waren - auch erheblich - teurer. Von zusatzlichem Aussagewert\nerscheint dem Gericht dabei auch die Auskunft des W. Baden-Wurttemberg (Bl.\n140/143 d. Gerichtsakten). Danach ist fur die Hauser Nr. 93 und 95 des\nL.-Stifts, die der Preisklasse der Unterkunft des Klagers entsprechen, ein\nBerechtigungsschein erforderlich; daruber hinaus besteht aufgrund des „relativ\ngeringen Gesamtkostenniveaus" eine erhohte Nachfrage, die nicht kurzfristig\nbefriedigt werden kann. Aus den von der Beklagten vorgelegten Aufstellungen\nvon Einrichtungen in S ließen sich lediglich funf entnehmen, die deutlich\nbilliger waren. Die Aussagekraft ist insoweit aber eingeschrankt, als dort nur\ndie Quadratmeterpreise genannt werden, nicht aber die tatsachliche Große der\neinzelnen Unterkunft. Zur Vergleichsberechnung hat das Gericht die\ntatsachliche Wohnungsgroße des Klagers angesetzt. Sollten die dort genannten\nWohnungen tatsachlich großer sein, ergabe sich ein anderes Bild; es konnten\nalso weniger billigere Wohnungen vorliegen. Unberucksichtigt bleiben mussten\nmangels Angaben auch die jeweiligen Neben- oder Betriebskosten. Das Gericht\nhat daher zum Vergleich auch die Betriebskosten der Wohnung des Klagers\ninsoweit unberucksichtigt gelassen. Insgesamt erscheint dem Gericht daher der\nVergleich anhand der Auskunfte im Gerichtsverfahren aussagekraftiger. \n--- \n| 44 \n--- \n| Nach alldem geht das Gericht davon aus, dass die tatsachlichen Aufwendungen\ndes Klagers fur eine Unterkunft im unteren Preissegment notwendig und damit\nangemessen sind. \n--- \n| 45 \n--- \n| Da die tatsachlichen Aufwendungen des Klagers nach Auffassung des Gerichts\nbereits abstrakt angemessen sind, hatte es die Frage der konkreten\nAngemessenheit nicht zu klaren. Es kommt also nicht darauf an, ob abstrakt als\nunangemessen angesehene Aufwendungen mangels zu diesem Preis tatsachlich\nvorhandener Unterkunftsalternativen im Einzelfall (konkret) angemessen sind\n(dazu BVerwGE 101, 194). Die einschrankende Vorschrift des § 29 Abs. 1 Satz 5\nSGB XII findet ebenfalls keine Anwendung. Auch im Hinblick auf den erfolgten\nUmzug des Klagers in die hier streitige Wohnung sind die tatsachlichen\nAufwendungen zu erbringen, da sie abstrakt angemessen sind. \n--- \n| 46 \n--- \n| Der Klager hat somit Anspruch auf hohere Grundsicherungsleistungen unter\nBerucksichtigung der tatsachlichen Aufwendungen fur das Betreuungsentgelt. Die\nangefochtenen Bescheide waren entsprechend abzuandern. \n--- \n| 47 \n--- \n| Wollte man die Betreuungskosten nicht als Kosten der Unterkunft ansehen,\nware zu erwagen, ob die Beklagte dann nicht verpflichtet ware, den Regelsatz\ngem. § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII abweichend in der Art zu bestimmen, dass die\ntatsachlichen Betreuungskosten zugrunde zu legen waren, da der Klager sich\ndiesen aus o.g. Grunden nicht entziehen kann. Das Gericht lasst dies offen, da\nes sich seiner Auffassung nach um Kosten der Unterkunft handelt. \n--- \n| 48 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n---\n\n
142,568
vghbw-2006-10-23-nc-9-s-8006
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
NC 9 S 80/06
2006-10-23
2019-01-09 09:14:23
2019-01-17 12:02:43
Beschluss
## Tenor\n\nDie Gegenvorstellung des Antragstellers gegen die Streitwertfestsetzung im\nBeschluss des Senats vom 27. September 2006 - NC 9 S 80/06 - wird\nzuruckgewiesen.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Gegenvorstellung des Antragstellers, mit der dieser dem Senat\nausdrucklich keine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehor vorwirft,\ngibt dem Senat keinen Anlass, die Streitwertfestsetzung im Beschluss vom\n27.09.2006 zu andern und den Streitwert niedriger festzusetzen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Dabei kann dahinstehen, ob neben der zum 01.01.2005 neu eingefuhrten\nAnhorungsruge des § 152a VwGO wegen der Verletzung des Anspruchs auf\nrechtliches Gehor bei der offensichtlichen Verletzung sonstiger\nverfassungsmaßiger Verfahrensrechte bzw. offenkundigem prozessualen Unrecht\nweiterhin die bisher in diesen Fallen zur Anwendung gekommenen\naußerordentlichen Rechtsbehelfe wie die außerordentliche Beschwerde oder die\nGegenvorstellung statthaft sind (vgl. dazu etwa BVerwG, Beschluss vom\n06.07.2005 - 3 B 77/05 -, NVwZ 2005, 1201; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. §\n152a Rdn. 17 ff.). Denn die Gegenvorstellung hat auch dann keinen Erfolg, wenn\nman ihre Statthaftigkeit unterstellt. \n--- \n| 3 \n--- \n| Das Vorbringen des Antragstellers gibt keinen Anlass, den Streitwert im\nvorliegenden Verfahren auf weniger als EUR 5.000,-- festzusetzen. Maßgebend\nfur die Hohe des im Beschwerdeverfahren festzusetzenden Streitwerts war der\nAntrag des Rechtsmittelfuhrers (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG), d.h. vorliegend\nder Antrag der Antragsgegnerin. Diese hatte gegen den Beschluss des\nVerwaltungsgerichts Karlsruhe vom 05.05.2006 am 22.05.2006 Beschwerde\neingelegt und beantragt, „unter Aufhebung des Beschlusses des\nVerwaltungsgerichts Karlsruhe vom 05. Mai 2006 den Antrag auf Erlass einer\neinstweiligen Anordnung kostenpflichtig abzuweisen". Eine Beschrankung der\nBeschwerde auf die im Beschluss des Verwaltungsgerichts enthaltene\nKostenentscheidung erfolgte nicht, sie ware nach § 158 Abs. 1 VwGO auch nicht\nzulassig gewesen. Ob sich der Rechtsstreit im Zeitpunkt der\nBeschwerdeeinlegung bereits tatsachlich erledigt hatte und ob - wie der\nAntragsteller meint - bereits zu diesem Zeitpunkt feststand, dass er den ihm\nzugeteilten Studienplatz nicht annehmen werde, ist fur die\nStreitwertfestsetzung unerheblich. \n--- \n| 4 \n--- \n| Zwar durfte es herrschender Meinung entsprechen, dass der Streitwert im\nBeschwerdeverfahren dann auf die Hohe der im erstinstanzlichen Verfahren\nangefallenen Kosten beschrankt wird, wenn die Beschwerde vom Antragsteller\nausschließlich zu dem Zwecke eingelegt wird, um den Rechtsstreit im\nBeschwerdeverfahren in der Hauptsache fur erledigt zu erklaren (vgl. BVerwG,\nBeschl. vom 03.07.2006 - 7B 18/06 -, juris, m.w.N.). Denn in diesem Fall\nbeschrankt sich das Interesse des Antragstellers ausschließlich auf sein\nKosteninteresse. Hingegen ist der volle Streitwert anzunehmen, wenn der\nAntragsteller im Beschwerdeverfahren - trotz tatsachlich eingetretener\nErledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache - sein ursprungliches Begehren\nweiter verfolgt und bei Einlegung der Beschwerde nicht zu erkennen gibt, dass\ndiese nur zum Zwecke der Abgabe einer Erledigungserklarung eingelegt wurde. \n--- \n| 5 \n--- \n| Da der in erster Instanz unterlegene Antragsgegner den Rechtsstreit in der\nHauptsache nicht einseitig fur erledigt erklaren kann, sondern die\nFeststellung der Erledigung durch das Gericht - ebenso wie die Einstellung des\nVerfahrens aufgrund beidseitiger Erledigungserklarung der Beteiligten - stets\n(auch) die Erledigungserklarung des Antragstellers voraussetzt, kann der\nAntragsgegner nur die Sachentscheidung des Verwaltungsgerichts mit der\nBeschwerde angreifen. Eine solche Beschwerde ist nach der Rechtsprechung des\nSenats (vgl. Beschluss vom 19.07.2001 - NC 9 S 2/01 -, DVBl. 2001, 1548, VBlBW\n2002, 163) auch nach tatsachlicher Erledigung des Rechtsstreits in\nentsprechender Anwendung der fur den Antragsteller geltenden Grundsatze\nzulassig. Mit der Beschwerde gibt der Antragsgegner dem Antragsteller die\nMoglichkeit, den Rechtsstreit in der Hauptsache fur erledigt zu erklaren. Gibt\ndieser die Erledigungserklarung im Beschwerdeverfahren trotz tatsachlich\neingetretener Erledigung des Rechtsstreits nicht ab, so ist sein Antrag auf\nErlass einer einstweiligen Anordnung mangels Rechtsschutzinteresses als\nunzulassig abzulehnen und der Beschluss des Verwaltungsgerichts entsprechend\nzu andern. In diesem Fall ist auch im Beschwerdeverfahren der volle Streitwert\nanzusetzen. Ob bei entsprechender Anwendung der fur den Antragsteller\ngeltenden Grundsatze der Streitwert bei einer vom Antragsgegner eingelegten\nBeschwerde dann auf den Kostenwert des erstinstanzlichen Verfahrens zu\nreduzieren ist, wenn der Antragsteller unmittelbar nach Einlegung der\nBeschwerde den Rechtsstreit in der Hauptsache fur erledigt erklart und damit\ndem Antragsgegner die Moglichkeit eroffnet, sich dieser Erledigungserklarung\nanzuschließen und sein Interesse an der Durchfuhrung des Beschwerdeverfahrens\nauf das reine Kosteninteresse zu beschranken, kann vorliegend dahingestellt\nbleiben. Denn der Antragsteller ist der am 22.05.2006 eingelegten und am\n12.06.2006 begrundeten Beschwerde der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom\n28.06.2006 entgegengetreten, ohne auf die Erledigung des Rechtsstreits\nhinzuweisen und eine Erledigungserklarung abzugeben. Eine solche\nErledigungserklarung erfolgte vielmehr erst mit Schriftsatz vom 11.08.2006\n(eingegangen am 14.08.2006), nachdem der Berichterstatter mit Verfugung vom\n27.07.2006 darauf hingewiesen hatte, dass kein Rechtsschutzinteresse mehr am\nErlass der einstweiligen Anordnung bestehen durfte. Fur eine Reduzierung des\nStreitwerts ab dem Zeitpunkt der Abgabe der Erledigungserklarung bestand keine\nVeranlassung. Denn die allgemeine Verfahrensgebuhr (Nr. 5240 der Anlage 1 zu §\n3 Abs. 2 GKG) aus dem Streitwert von EUR 5.000,-- war zu diesem Zeitpunkt\nbereits angefallen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 4 GKG). \n---\n\n
142,599
vg-sigmaringen-2006-10-27-1-k-133306
159
Verwaltungsgericht Sigmaringen
vg-sigmaringen
Sigmaringen
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 K 1333/06
2006-10-27
2019-01-09 09:14:52
2019-01-17 12:02:45
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag wird abgelehnt.\n\nDer Antragsteller tragt die Kosten des Verfahrens.\n\nDer Streitwert wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Antragsteller begehrt die aufschiebende Wirkung seiner Klage vom\n08.09.2006 gegen die Verfugung des Antragsgegners vom 24.08.2006\nwiederherzustellen bzw. anzuordnen. Hierin wurde dem Antragsteller unter\nAnordnung der sofortigen Vollziehung (Nr. 3 der Verfugung) untersagt, in\nBaden-Wurttemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfur zu\nwerben oder solche Tatigkeiten zu unterstutzen, sowie aufgegeben, die zur\nVeranstaltung oder Vermittlung solcher Glucksspiele vorgehaltenen Gerate aus\nden offentlich zuganglichen Raumen zu entfernen und die untersagten\nTatigkeiten unverzuglich einzustellen (Nrn. 1 und 2). Zugleich wurde ihm ein\nZwangsgeld in Hohe von 10.000,- EUR angedroht, falls er den Anordnungen nicht\ninnerhalb von 2 Wochen nachkommt (Nr. 4). \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Antrag ist statthaft (§§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 5 VwGO, 80 Abs. 2\nSatz 2 VwGO, 12 LVwVG) und auch im Übrigen zulassig, er hat jedoch in der\nSache keinen Erfolg. \n--- \n| 3 \n--- \n| Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotenen\nsummarischen Prufung der Sach- und Rechtslage vermag die Kammer keine\nernstlichen Zweifel an der Rechtmaßigkeit der Untersagungsverfugung zu\nerkennen. Bei der Interessenabwagung kommt daher, und weil auch sonst das\noffentliche Interesse uberwiegt, dem Interesse des Antragstellers, von der\nVollziehung der Verfugung vorlaufig bis zu einer Entscheidung in der\nHauptsache verschont zu werden, kein Vorrang gegenuber dem offentlichen\nInteresse an der sofortigen Einstellung der Wettvermittlungstatigkeit zu.\nSoweit der Antragsteller fur die Ausubung seiner gewerblichen Tatigkeit\nAufwendungen erbracht hat, die nun nutzlos werden, waren diese vor dem\nHintergrund einer unklaren Rechtslage erkennbar risikobehaftet und deshalb in\nihrer Schutzwurdigkeit gemindert. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit der angefochtenen Verfugung ist die erforderliche Maßnahme gegen\nunerlaubtes Glucksspiel im Sinne des § 12 Abs. 1 des Staatsvertrages zum\nLotteriewesen in Deutschland - LottStV - vom 18. Dezember 2003 getroffen\nworden, der nach § 1 des Landesgesetzes zu dem Staatsvertrag zum Lotteriewesen\nin Deutschland vom 9. Juni 2004 (GBl. S. 274) in Baden-Wurttemberg verbindlich\nist. Als offentliches Glucksspiel im Sinne des § Abs. 1 LottStV - dazu zahlen\nauch Sportwetten zu festen Gewinnquoten (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.03.2001 - 6 C\n2/01 -, BVerwGE 114, 92) - waren die hier in Rede stehenden Sportwetten und\nihre Vermittlung nur erlaubt, wenn dafur eine Konzession nach §§ 6 ff. LottStV\ni. V. m. § 1 Abs. 1 des Ausfuhrungsgesetzes zum Lotteriestaatsvertrag -\nAGLottStV - vom 28. Juli 2005 (GBl. S. 586) vorlage (1.) oder eine solche\nwegen hoher- bzw. vorrangigen Rechts nicht verlangt werden durfte (2.). \n--- \n| 5 \n--- \n| Diese Voraussetzungen sind nicht erfullt, so dass offen bleiben kann, ob\nein Einschreiten auch mit Rucksicht auf die Strafdrohung des § 284 StGB\nerfolgen konnte. Das Bundesverfassungsgericht hat im Urteil vom 28.03.2006 (-\n1 BvR 1054/01 -, NJW 2006, 1261) und im Kammerbeschluss vom 04.07.2006 (- 1\nBvR 138/05 -, WM 2006, 1644) zum Ausdruck gebracht, dass ein\nordnungsbehordliches Verbot der unerlaubten Vermittlung gewerblich\nveranstalteter Sportwetten wahrend der Übergangszeit, die es dem Gesetzgeber\nzur Neuregelung dieser Materie eingeraumt hat, unabhangig von einer\nStrafbarkeit ausgesprochen werden darf. \n--- \n| 6 \n--- \n| 1\\. Eine Konzession nach §§ 6 ff. LottStV i. V. m. § 1 Abs. 1 AGLottStV ist\nweder dem (EG-auslandischen) Wetthalter noch dem Antragsteller als\nWettvermittler erteilt. Es bestehen auch keine Aussichten, dass sie mit einem\ndiesbezuglichen Begehren Erfolg haben wurden. Denn die Veranstaltung\noffentlichen Glucksspiels ist im Interesse der Eindammung und Lenkung des\nSpieltriebs in Deutschland monopolisiert. Die Bundeslander haben nach § 5 Abs.\n1 LottStV die ordnungsrechtliche Aufgabe, ein ausreichendes Glucksspielangebot\nsicherzustellen. Gemaß § 5 Abs. 2 LottStV konnen sie diese Aufgabe selbst,\ndurch juristische Personen des offentlichen Rechts oder durch privatrechtliche\nGesellschaften erfullen, an denen juristische Personen des offentlichen Rechts\nunmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind. Angesichts der\nZweckbestimmung dieses Staatsvertrags ist dies ebenso wie die gleichlautenden\nBestimmungen der §§ 3 Abs.1 und 2 Abs. 4 Satz 3 des Gesetzes uber staatliche\nLotterien, Wetten und Ausspielungen (Staatslotteriegesetz - StLG) vom 14.\nDezember 2004 (GBl. S. 894) so zu verstehen, dass nur ein einziges Unternehmen\ndurch Erteilung einer Konzession mit dieser Aufgabenwahrnehmung betraut werden\ndarf, das damit - wie das Land selbst - in vollem Umfang der sich aus § 1\nLottStV ergebenden Zielfestlegung einer Lenkung und damit einer Begrenzung des\nSpieltriebs unterworfen ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 28.09.2006 -\n6 B 10895/06). Im Land Baden-Wurttemberg hat dem entsprechend das Land als\nVeranstalter von Sportwetten (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 StLG) die X. Y. mit der\nDurchfuhrung der ODDSET-TOP-Wette und der ODDSET-Kombi-Wette beauftragt (vgl.\nBekanntmachungen des Finanzministeriums vom 11. Mai 2006, GABl. S. 308 und\n314). Die in § 6 LottStV (fur alle Bundeslander) vorgesehene Moglichkeit,\naußerhalb des Anwendungsbereichs des § 5 Abs. 2 LottStV eine Erlaubnis fur die\nVeranstaltung einer offentlichen Lotterie zu erteilen, ist auf Sportwetten\nnicht ubertragbar. Dass im Land Baden-Wurttemberg an diesem Sportwettenmonopol\nzur Bekampfung von Wettsucht und zur Begrenzung der Wettleidenschaft\nfestgehalten werden soll, kann der Stellungnahme des Innenministeriums im\nEinvernehmen mit dem Finanzministerium vom 14.08.2006 auf einen Antrag eines\nLandtagsabgeordneten entnommen werden (LT-Drs.14/175). Wortlich heißt es\ndarin: „Die Regierungschefs der Lander haben im Zuge der\nMinisterprasidentenkonferenz am 22. Juni 2006 eine landeroffene Arbeitsgruppe\nbeauftragt, den Entwurf eines neuen Lotteriestaatsvertrages auszuarbeiten, der\ndie Veranstaltung von Sportwetten _im Rahmen des staatlichen Monopols_\nentsprechend den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts regelt." \n--- \n| 7 \n--- \n| 2\\. Dass eine Konzession nicht erteilt wird und die Vermittlung demgemaß\nunerlaubter offentlicher Glucksspiele untersagt wurde, begegnet bei\nsummarischer Prufung der Sach- und Rechtslage keinen Rechtmaßigkeitsbedenken.\nAuch wenn man das erwahnte Sportwettenmonopol derzeit (noch) als mit dem\nGrundrecht der freien Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) unvereinbar\nansieht, ist es zumindest einstweilen hinzunehmen (a). Das Gemeinschaftsrecht,\ndem Anwendungsvorrang zukommt, wird der Klage gegen die angefochtene Verfugung\nvoraussichtlich ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen (b). \n--- \n| 8 \n--- \n| a) Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 28. Marz 2006 (a.\na. O.) deutlich gemacht, es sei mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar, wenn das\nVeranstalten und Vermitteln von Sportwetten einem staatlichen Monopol\nvorbehalten werde, ohne dieses Monopol konsequent am Ziel der Begrenzung und\nBekampfung von Wettsucht und problematischem Spielverhalten auszurichten.\nObwohl dem Wettmonopol legitime Gemeinwohlziele (Bekampfung der Spiel- und\nWettsucht; Schutz der Spieler vor betrugerischen Machenschaften seitens der\nWettanbieter; Schutz vor irrefuhrender Werbung; Abwehr von Gefahren aus mit\ndem Wetten verbundener Folge- und Begleitkriminalitat) zugrunde lagen, werde\ndas Ziel der Bekampfung der Suchtgefahren allein durch ein staatliches\nWettmonopol noch nicht gesichert. Ein Monopol konne namlich auch fiskalischen\nInteressen des Staates dienen und damit in ein Spannungsverhaltnis zur\nZielsetzung geraten. Da die Veranstaltung der Sportwetten ODDSET erkennbar\nauch fiskalische Zwecke verfolge und der Vertrieb von ODDSET nicht aktiv an\neiner Bekampfung der Suchtgefahren ausgerichtet sei, fehle es an der\nVerfassungsmaßigkeit des Sportwettenmonopols. Der Gesetzgeber sei daher\nverfassungsrechtlich gehalten, den Bereich der Sportwetten bis zum 31.\nDezember 2007 neu zu regeln. Ein verfassungsmaßiger Zustand konne sowohl durch\neine konsequente Ausgestaltung des Wettmonopols erreicht werden, die\nsicherstellt, dass es wirklich der Suchtbekampfung dient, als auch durch eine\ngesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung gewerblicher Veranstaltungen\ndurch private Wettunternehmen. Neben der Feststellung der\nVerfassungswidrigkeit hat das Bundesverfassungsgericht zugleich festgelegt,\ndass wahrend der Übergangszeit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung die\nbisherige Rechtslage grundsatzlich anwendbar bleibt und dass das gewerbliche\nVeranstalten von Wetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von\nWetten außerhalb des Monopols unabhangig davon, ob eine Strafbarkeit nach §\n284 StGB vorliegt, weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich\nunterbunden werden darf, sofern unverzuglich Maßnahmen ergriffen werden, die\nder Bekampfung der Wettgefahren dienen. Diese Maßstabe sind auch auf die\nbaden-wurttembergische Rechtslage anwendbar (vgl. BVerfG, Beschl. v.\n04.07.2006, a. a. O., der zum baden-wurttembergischen Staatslotteriegesetz\nergangen ist). \n--- \n| 9 \n--- \n| Den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Anwendung des bisherigen\nRechts bis zu einer verfassungskonformen Neuregelung ist nach Auffassung der\nKammer in Baden-Wurttemberg genugt. Nach den Erklarungen der zustandigen\noffentlichen Stellen des Landes Baden-Wurttemberg werden die vom Land\nveranstalteten Sportwetten schon wahrend der Übergangszeit an den Zielen der\nBegrenzung der Wettleidenschaft und der Bekampfung der Spielsucht ausgerichtet\n(vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 04.07.2006, a. a. O.; Pressemitteilung des\nFinanzministerium vom 07.04.2006). Weitere Maßnahmen, die sich sowohl auf Art\nund Zuschnitt des Angebots wie auch auf den Vertrieb und das Marketing\nbeziehen, konnen der Stellungnahme des Finanzministeriums vom 14.07.2006 auf\neinen Antrag einer Landtagsabgeordneten (LT-Drs.14/43) und dem Vortrag des\nAntragsgegners in diesem Verfahren entnommen werden. Danach bleibt das zur\nVerfugung gestellte Angebot an ODDSET-Sportwetten auf die Kombi- und Topwette\nbeschrankt; die besonders missbrauchsanfalligen und anheizenden Live- und\nHalbzeitwetten werden nicht angeboten. Erste Vertriebsmaßnahmen sind umgesetzt\nworden, die den Vorgaben einer Beschrankung der Vermarktung entsprechen. Die\nTeilnahme an ODDSET-Spielwetten ist kunftig nur noch mit einer Kundenkarte\nzulassig. Die Registrierung wird mit einer Schufa-Abfrage mit\nAltersverifizierung verbunden. Hierdurch wird eine objektive\nVerfugbarkeitsbarriere aufgebaut und werden Maßnahmen zur Verhinderung der\nTeilnahme von Minderjahrigen an den Wetten ergriffen. Neben grundsatzlichen\nSpieleinsatzhochstgrenzen wird im Internet zudem auf die Moglichkeiten der\nindividuellen Einsatzhochstgrenze und der Veranlassung einer Selbstsperre\nhingewiesen. Mit der Einfuhrung eines geeigneten Kundenidentifizierungssystems\nzum Jahresende soll uberdies auch in den Verkaufsstellen die anonyme\nSpielteilnahme verhindert werden. Ein Vertrieb uber "SMS" bzw. "Mobile Gaming"\nwird im Gegensatz zum privaten Bereich nicht angeboten. Um die direkte\nAnsprache der fur das Produkt besonders offenen Kundengruppe der\nStadionbesucher einzuschranken, wird seit Juni 2006 auf die ODDSET-\nBandenwerbung in den Fußballstadien verzichtet; samtliche Werbevertrage, z. B.\nmit dem V. S. und dem S. F., sind gekundigt worden. Mit einer Prufung, ob die\nVerkaufsstellendichte der X. Y. den Anforderungen des\nBundesverfassungsgerichts entspreche, ist begonnen worden. Zur Verkleinerung\ndes Vertriebsnetzes sind bereits 30 Lotto-Verkaufsstellen geschlossen worden.\nUm die Einhaltung der Anforderungen der Einzelausgestaltung des Vertriebs am\nZiel der Suchtbekampfung sicherzustellen, hat die X. Y. zudem damit begonnen,\nregelmaßige Kontrollen durchzufuhren, bei denen die Einhaltung des\nJugendschutzes in den Lotto-Verkaufsstellen uberpruft wird. Im Zuge der den\nstaatlichen Anbietern auferlegten Pflicht, die Werbung fur die vertriebenen\nSportwetten auf eine Information und Aufklarung uber die Moglichkeit zum\nWetten zu beschranken, hat die X. Y. die Distribution seiner Werbung ganz\nerheblich eingeschrankt. Auf Fernseh-, Rundfunk- und Stadionwerbung wird\nvollstandig verzichtet. Um der Forderung des Bundesverfassungsgerichts zur\nVerwirklichung einer angebotsimmanenten Aufklarung uber die mit der Sportwette\nverbundenen Suchtgefahren nachzukommen, hat die X. Y. als Erstmaßnahme auf\nallen neuen Spielscheinen und Informationsbroschuren Hinweise zur\nSuchtpravention und Informationen zu Anlaufstellen fur Suchtgefahrdete\naufgebracht. Die Aufklarung uber Suchtgefahren hat die X. Y. uberdies in ihr\nSchulungskonzept fur Lotto-Verkaufsstellen integriert. Zur weiteren\nOrientierung des Vertriebs und des Marketings an den Zielen des Schutzes fur\nSpieler und Jugendliche wird in Zusammenarbeit mit der E. G. S. ein\numfassendes Sozialkonzept zum Spielerschutz und zur Suchtpravention\nerarbeitet. Damit durfte - jedenfalls nach den derzeitigen\nErkenntnismoglichkeiten und bei der im Eilverfahren gebotenen Tatsachenprufung\n- den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts fur die Übergangszeit Genuge\ngetan sein (ebenso VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 28.07.2006 - 6 S 1987/05;\nferner jeweils zur dortigen Sach- und Rechtslage: Hess. VGH, Beschl. v.\n25.07.2006 - 11 TG 1465/06 -; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 28.09.2006, a.\na. O.; OVG NRW, Beschl. v. 28.06.2006 - 4 B 961/06 -; a. A. VG Stuttgart,\nBeschl. v. 18.09.2006 - 4 K 2860/06 -; VG Karlsruhe, Beschl. v. 09.08.2006 - 2\nK 500/05 -). Das Bundesverfassungsgericht hat lediglich verlangt, dass der\nStaat „unverzuglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der\nBegrenzung der Wettleidenschaft und der Bekampfung der Wettsucht einerseits\nund der tatsachlichen Ausubung seines Monopols andererseits herzustellen hat".\nDieses Mindestmaß an Konsistenz verlangt kein vollstandiges Werbeverbot,\nsondern lasst in einem gewissen Umfang auch informative Werbung zu. In diesem\nRahmen darf weiterhin auf die hohen Gewinnmoglichkeiten und auf tatsachlich\nerzielte Gewinne einzelner Teilnehmer verwiesen werden. Im Übrigen ist im\nSystem des Übergangsrechts nicht ausgeschlossen, dass da und dort noch\nVerbesserungsbedarf besteht. \n--- \n| 10 \n--- \n| b) Auch dem Gemeinschaftsrecht sind durchgreifende Bedenken an der\nRechtmaßigkeit der angefochtenen Verfugung nicht zu entnehmen. Die Tatigkeit\neines Vermittlers von Wetten, die von EG-auslandischen Buchmachern\nveranstaltet werden, ist nicht schon aufgrund der diesen im EG-Ausland\nerteilten Buchmacherkonzessionen als erlaubt anzusehen (aa). Die summarische\nPrufung der Sach- und Rechtslage durch die Kammer fuhrt des Weiteren zu dem\nErgebnis, dass das fortbestehende Staatsmonopol fur ODDSET-Sportwetten zwar in\ndie Grundfreiheiten des Vertrages zur Grundung der Europaischen Gemeinschaft\n(konsolidierte Fassung) - EG - (ABl. Nr. C 325 vom 24.12.2002, S. 33)\neingreift, diese Beschrankung jedoch aus zwingenden Grunden des Allgemeinwohls\ngerechtfertigt werden kann (bb). \n--- \n| 11 \n--- \n| aa) Die Vermittlung von Wetten an und fur einen EG-auslandischen Buchmacher\nist in Deutschland nicht allein deshalb als erlaubt zu betrachten, weil diese\nBuchmacher uber eine Wettkonzession ihres jeweiligen Mitgliedstaats verfugen.\nDiese auslandischen Buchmacherkonzessionen haben schon ihrerseits keine\nGultigkeit in Deutschland, so dass offen bleiben kann, ob die Wettvermittlung\ngleichsam mittelbar von einer solchen Erlaubnis erfasst sein kann. Dass EG-\nauslandische Buchmacherkonzessionen nicht aufgrund des Gemeinschaftsrechts in\nDeutschland anerkannt werden mussen, ergibt sich aus der Rechtsprechung des\nEuGH und aus dem Umstand, dass dieser Rechtsbereich bislang nicht harmonisiert\nist. In der Rechtssache Zenatti (Urt. v. 21.10.1999 - C-67/98 -, GewArch 1999,\n476) hat der EuGH entschieden, es sei Sache der Mitgliedstaaten, das\nGlucksspielwesen im Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens zu regeln. Weiter\nheißt es in dieser Entscheidung, den nationalen Stellen obliege die\nBeurteilung, „ob es im Rahmen des verfolgten Ziels notwendig ist, Tatigkeiten\ndieser Art vollstandig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genugt, sie zu\nbeschranken und zu diesem Zweck bestimmte Kontrollen vorzusehen" (Rn 33). Auch\ndie Ausfuhrungen des EuGH in der Rechtssache Gambelli (Urt. v. 06.11.2003 -\nC-243/01 -, NJW 2004, 139) setzen gerade die Moglichkeit voraus, dass einzelne\nMitgliedstaaten die in anderen Mitgliedstaaten erteilten\nSportwettenerlaubnisse nicht anerkennen (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschl.\nv. 28.09.2006, a. a. O. m. w. N.). \n--- \n| 12 \n--- \n| Etwas hiervon Abweichendes kann auch den Schlussantragen des Generalanwalts\nColomer in den verbundenen Rechtssachen C- 338/04 , C-359/04 und C-360/04 -\nPlacanica u. a. - (www.curia.europa.eu) nicht entnommen werden, in denen es um\ndie Frage geht, ob die italienischen Beschrankungen EG-auslandischer\nBuchmacher aus Grunden der Betrugsbekampfung gerechtfertigt werden konnen\n(Rdnr.110). Aus der Auffassung des Generalanwalts, die britische Erlaubnis\neines Wettanbieters sei in Italien anzuerkennen, weil die britischen Behorden\nbesser als die italienischen in der Lage seien, die Integritat des im\nVereinigten Konigreich ansassigen Anbieters zu uberprufen (Rdnrn.130, 132),\nkonnen keine Ruckschlusse fur die vorliegende Problematik einer\nverhaltnismaßigen, aber effektiven Begrenzung der Wettleidenschaft gezogen\nwerden. \n--- \n| 13 \n--- \n| bb) Fur die Beurteilung der Frage, ob die angefochtene\nUntersagungsverfugung europarechtlichen Bedenken begegnet, ist nicht allein\nauf die - als verfassungswidrig erkannte - Gesetzeslage, sondern auf die vom\nBundesverfassungsgericht festgelegte Übergangsrechtslage abzustellen (vgl. VGH\nBad.-Wurtt., Beschl. v. 28.07.2006, a. a. O; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v.\n28.09.2006, a. a. O.). \n--- \n| 14 \n--- \n| Das hiernach fortbestehende, auf das geltende staatliche Sportwettenmonopol\ngestutzte Verbot der privaten Veranstaltung und Vermittlung von ODDSET-\nSportwetten greift zwar in die durch Art. 43 Abs. 1, 49 Abs. 1 und 55 EG -\njeweils in Verbindung mit Art. 48 EG - eingeraumte Niederlassungs- und\nDienstleistungsfreiheit des Unternehmens ein. Der EuGH hat wiederholt\nentschieden, dass Rechtsvorschriften des nationalen Rechts, die geeignet sind,\ndie Tatigkeiten des Veranstalters von Glucksspielen, der in einem anderen\nMitgliedstaat ansassig ist und diese Dienstleistungen dort rechtmaßig\nerbringt, zu unterbinden oder zu behindern, zu einer Beschrankung der\nDienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit dieses Dienstleistenden fuhren\nkonnen (vgl. Urteile v. 13.11.2003 - C-42/02 - <Lindman>, Rdrn.19, 20 und 25,\nv. 06.11.2003 <Gambelli>, a. a. O., Rdnrn.44 ff., vom 21.10.1999 <Zenatti>, a.\na. O., Rdnrn.14 ff. und v. 21.09.1999 - C-124/99 - <Laara>, Rdnrn.13 ff.). In\ndem vorerwahnten Urteil vom 06.11.2003 in der Rechtssache Gambelli (Rdnrn.54\nund 55) hat der EuGH auch die hier in Frage stehende Vermittlungstatigkeit fur\neinen in einem anderen Mitgliedstaat ansassigen Anbieter von Sportwetten in\nden Schutzbereich des Art. 49 EG einbezogen. Ein (strafbewehrtes) Verbot der\nTeilnahme an Wetten, die in anderen Mitgliedstaaten als dem organisiert\nwerden, in dessen Gebiet der Wettende ansassig ist, stelle eine Beschrankung\ndes freien Dienstleistungsverkehrs dar. Das Gleiche gelte fur das an\nVermittler gerichtete ebenfalls (strafbewehrte) Verbot, die Erbringung von\nWettdienstleistungen bei Sportereignissen, die von einem Leistungserbringer\nmit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat organisiert werden, zu erleichtern\n(Rdnr.58). Wenngleich der EuGH hierin eine „Beschrankung des Rechts des\nBuchmachers" erblickt und den Vermittler der Sportwetten nicht ausdrucklich in\nden personlichen Schutzbereich der Grundfreiheit einbezieht, ist auch dessen\nRecht auf freien Dienstleistungsverkehr tangiert. Zum einen enthalt der\nVermittlungsvertrag zwischen dem Sportwettenvermittler und dem EG-\nauslandischen Buchmacher wegen der provisionsabhangigen Weiterleitung der\nSportwette eine entgeltliche Leistung mit grenzuberschreitendem Bezug, die die\nVertriebsstellen bei einem (strafbewehrten) Vermittlungsverbot nicht mehr\nlegal erbringen durfen. Zum anderen kann sich auch der Vertragspartner des\nTragers der Dienstleistungsfreiheit wegen der „Parallelitat der\nRechtsstellung" auf diese berufen (vgl. Korte, NVwZ 2004, 1449, 1451). Auch\nder Antragsteller als Wettvermittler kann sich mithin auf den Schutz der\nGrundfreiheit berufen (a. A. wohl OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 28.09.2006,\na. a. O.). \n--- \n| 15 \n--- \n| Allerdings ist die Beschrankung der Grundfreiheiten aufgrund der\nMonopolisierung des offentlichen Glucksspiels in Deutschland aus zwingenden\nGrunden des Allgemeininteresses gerechtfertigt. \n--- \n| 16 \n--- \n| Als hinreichende Rechtfertigung fur eine Beschrankung von Grundfreiheiten\ndes EG-Vertrages hat der EuGH in der Rechtssache Gambelli (Urt. v. 06.11.2003,\na. a. O.) eine systematische und koharente Begrenzung der Wetttatigkeit\nangesehen (Rdnr.67). Nach dieser Rechtsprechung ist die Unterbindung der\nVermittlung von Sportwetten in andere Mitgliedsstaaten mit dem\nGemeinschaftsrecht nur vereinbar, wenn sie wirklich dem Ziel dient, die\nGelegenheiten zum Spiel zu vermindern, und die Finanzierung sozialer\nAktivitaten mit Hilfe einer Abgabe auf die Einnahmen aus genehmigten Spielen\nnur eine nutzliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der\nbetriebenen restriktiven Politik ist (Rdnr.62). Sie muss daruber hinaus\nverhaltnismaßig sein und darf nicht in diskriminierender Weise angewandt\nwerden (Rdnr.65). Dabei sei es - so der EuGH - Sache der hierzu berufenen\nnationalen Gerichte zu prufen, ob die Beschrankung diese Voraussetzungen\nerfullt (Rdnr.66) und ob die nationale Regelung angesichts ihrer konkreten\nAnwendungsmodalitaten tatsachlich den Zielen Rechnung tragt, die sie\nrechtfertigen konnten, und hierzu verhaltnismaßig ist (Rdnr.75). Nichts\nanderes folgt aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Lindman (Urt.\nv. 13.11.2003 - C-42/02 -, Slg. I 2003, 13519), die eine Rechtfertigung nicht\nvon Untersuchungen abhangig macht, die erweisen, dass private Wetten aus dem\nEG-Ausland „gefahrlicher" sind als inlandische Monopolwetten. Allerdings\nfindet sich der Hinweis (Rdnr.25), dass die Rechtfertigungsgrunde, die von\neinem Mitgliedstaat geltend gemacht werden konnen, von einer Untersuchung zur\nZweckmaßigkeit und zur Verhaltnismaßigkeit der von diesem Staat erlassenen\nbeschrankenden Maßnahme angesichts der Schwere der Gefahren, die mit dem\nBetreiben von Glucksspielen verbunden sind (Rn 26), begleitet werden mussen.\nEine solche Untersuchung ist vom Institut fur Psychologie und\nKognitionsforschung der Universitat Bremen im Mai 2005 veroffentlicht worden\n(abrufbar im Internet unter www.mags.nrw.de/Publikationen). Dem Einwand des\nAntragstellers, dass diese umfangreiche Studie von vornherein unbrauchbar sei,\nweil sie den an eine wissenschaftliche Untersuchung gestellten Anforderungen\nnicht gerecht werde und „mit großen Geldmitteln erkauft" worden sei, vermag\ndie Kammer angesichts der Pauschalitat der Behauptung und jeglichen Fehlens\neiner Substantiierung nicht naher zu treten. \n--- \n| 17 \n--- \n| Das in Baden-Wurttemberg bestehende Sportwettenmonopol wird diesen\nMaßstaben gerecht. Es ist nicht diskriminierend gegenuber Wettanbietern aus\nanderen Mitgliedstaaten, weil es inlandische wie auslandische Dienstleister\nohne Konzession in gleicher Weise vom Markt fernhalt. Die Aufrechterhaltung\ndes Monopols in seiner derzeitigen - oben im einzelnen ausgefuhrten -\nAnwendung erscheint auch verhaltnismaßig. Die Eignung dieser Beschrankung der\nDienstleistungsfreiheit zur Eindammung der Spielleidenschaft und zur\nBekampfung der Wettsucht ergibt sich aus dem Umstand der (kunftig) bis auf\nsachliche Information untersagten Werbung fur Sportwetten und dem begrenzten -\nweil monopolisierten - Angebot. Als milderes Mittel bietet sich die Zulassung\nprivater Wettanbieter unter Einschrankungen nicht an. Einerseits konnte die\nzur Kontrolle der Einhaltung dieser Einschrankungen erforderliche staatliche\nAufsicht nicht annahernd so effektiv sein wie die Überwachung eines\nMonopolbetriebes. Andererseits wurde eine mit der Zulassung privater\nWettanbieter einhergehende Vermehrung der Spiel- und Wettmoglichkeiten bereits\ndem Ziel der Eindammung der Wettleidenschaft zuwiderlaufen. Der bereits\ngenannten Untersuchung des Instituts fur Psychologie und Kognitionsforschung\nder Universitat Bremen kann entnommen werden, dass angesichts des\nvorherrschenden Konkurrenzkampfs der Sportwettenanbieter die Vermutung nahe\nliegt, dass das Spielbedurfnis uber die fortwahrende Einfuhrung neuer\nSpielanreize weiterhin stimuliert werde (S. 158 f.). Dieser Untersuchung\nzufolge (S. 35) besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der leichten\nVerfugbarkeit und einem verstarkten Nachfrageverhalten; eine Vergroßerung des\nGlucksspielangebots erhoht danach die Auftretenshaufigkeit problematischen\nSpielverhaltens bei einem entsprechend anfalligen Personenkreis. Die\nBeschrankungen der Wettvermittlung sind auch im Blick auf die mit Sportwetten\nverbundene Suchtgefahr verhaltnismaßig. Wie sich ebenfalls aus der erwahnten\nUntersuchung ergibt, wird das Gefahrdungspotenzial bei Sportwetten\nbeispielsweise durch die Moglichkeit gesteigert, uber die Berucksichtigung\nbestimmter Informationen oder die Aneignung spezifischer Kenntnisse die\nGewinnchance (minimal) gunstiger zu gestalten (S. 36). Mit der Überschatzung\nder eigenen Einflussnahme steige die Überzeugung, langfristig Gewinne zu\nverbuchen (S. 46). In Staaten mit einem mannigfaltigen legalen oder illegalen\nSportwettenangebot (wie in Großbritannien, Kanada, USA) machten Sportwetter\neinen hohen Anteil der Spieler in Suchtkranken-Versorgungseinrichtungen aus\n(S. 61). Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass bei Sportwetten nach\nfesten Quoten von einem gegenuber Lotterien gesteigerten Suchtpotential\nauszugehen ist (S. 45, 137 f., 158). Dabei werden ODDSET-Wetten und\nSportwetten in privaten Wettburos unter der Überschrift „Problemfeld\nFestquotenwette" (Punkt 10.1.6) und unter Punkt 11.3 zusammengefasst bewertet.\nDer Anteil der Problemspieler bei ODDSET und bei privaten Wettburos ist nach\ndieser Untersuchung ungefahr gleich groß (S. 158). Im Ergebnis tragt die\ngesetzliche Regelung „angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitaten\ntatsachlich den Zielen Rechnung tragt, die sie rechtfertigen konnten". \n--- \n| 18 \n--- \n| Ein Monopol zum Zwecke der Angebotsverringerung kann auch nicht deshalb\nunverhaltnismaßig sein, weil EG-auslandische Buchmacher uber Lizenzen ihrer\nMitgliedstaaten verfugen, deren Erteilung eine Überprufung der Integritat\ndieser Buchmacher vorausging. Denn die Aufrechterhaltung des\nSportwettenmonopols in Baden-Wurttemberg dient nicht in erster Linie der\nBetrugsbekampfung, sondern - wie erwahnt - vor allem dem Ziel, die\nGelegenheiten zum Spiel und damit Wettleidenschaft und insbesondere Wettsucht\nzu vermindern. Angesichts der durch die erwahnten Maßnahmen seit April 2006\neingeleiteten Umorientierung kann derzeit bei uberschlagiger Bewertung nicht\n(mehr) davon ausgegangen werden, das Sportwettenmonopol in Baden-Wurttemberg\nstehe im Widerspruch zu den Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts (ebenso\nVGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 28.07.2006, a. a. O.). Da die derzeitige\n(Übergangs-)Rechtslage somit auch nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstoßt,\nbedarf keiner Erorterung mehr, ob das im deutschen wie im europaischen\nGemeinschaftsrecht (vgl. Art. 231 Abs. 2 EG) geltende allgemeine Prinzip der\nRechtssicherheit moglicherweise gebieten kann, die Rechtsfolgen einer\nKollision mit hoherrangigem Recht zu beschranken, um unertragliche\nKonsequenzen einer sonst eintretenden Regelungslosigkeit zu vermeiden (vgl.\nhierzu OVG NRW, Beschl. v. 28.06.2006, a.a.O. sowie die vom Antragsteller\nvorgelegte gutachterliche Stellungnahme vom 14.08.2006). \n--- \n| 19 \n--- \n| 3\\. Schließlich besteht auch das notwendige besondere Interesse an der -\nvom Antragsgegner ausreichend begrundeten (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO) -\nsofortigen Vollziehung der Untersagungsverfugung. Dieses ergibt sich daraus,\ndass auch vorubergehend bis zum rechtskraftigen Abschluss des\nHauptsacheverfahrens die schadlichen Auswirkungen vermieden werden sollen, die\nden Gesetzgeber zur Einfuhrung des staatlichen Monopols im Lotteriewesen\nbewogen haben. Gegenuber diesem offentlichen Interesse muss das Interesse des\nAntragstellers zurucktreten, seine aus freien Stucken unter Inkaufnahme des\nRisikos rechtswidrigen Verhaltens begonnene Tatigkeit vorlaufig fortzusetzen\nund daraus Gewinn zu ziehen. Wenn die unerlaubte Vermittlung gewerblich\nveranstalteter Sportwetten danach gemaß den Vorgaben des\nBundesverfassungsgerichts in der Übergangszeit trotz der festgestellten\nUnvereinbarkeit des staatlichen Sportwettenmonopols mit Art. 12 Abs. 1 GG -\nund europaischem Gemeinschaftsrecht - als ordnungsrechtlich verboten angesehen\nwerden darf, ergibt sich aus diesem Verbot auch unabhangig von einer\nStrafbarkeit zugleich ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung\n(so ausdrucklich BVerfG, Beschl. v. 04.07.2006, a. a. O., abweichend vom am\n27.04.2005 ergangenen Kammerbeschluss - 1 BvR 223/05 -, NVwZ 2005, 1303).\nAngesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung des staatlichen\nGluckspielmonopols in § 2 StLG kann sich der Antragsteller auch nicht auf\neinen wie auch immer gearteten „Gedanken des Vertrauensschutzes" berufen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung, die kraft Gesetzes sofort vollziehbar\nist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 12 LVwVG), besteht kein Anlass zur\nAnordnung der aufschiebenden Wirkung. Diese entspricht den gesetzlichen\nAnforderungen (vgl. insbesondere §§ 2, 20, 23 LVwVfG). Die Hohe des\nangedrohten Zwangsgelds halt sich im gesetzlichen Rahmen und ist\nverhaltnismaßig. \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2,\n§ 52 Abs. 1, GKG. Hierbei legt die Kammer im Hinblick auf die Eigenart der dem\nAntragsteller untersagten Tatigkeit den Mindestbetrag fur die Untersagung\neines ausgeubten Gewerbes zugrunde; dieser ist im Hinblick auf den vorlaufigen\nCharakter des vorliegenden Rechtschutzverfahrens zu halbieren (vgl. VGH\nBad.-Wurtt., Beschl. v. 28.07.2006, a. a. O.). \n---\n\n
143,083
vg-freiburg-2007-06-20-1-k-227406
157
Verwaltungsgericht Freiburg
vg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 K 2274/06
2007-06-20
2019-01-09 15:01:35
2019-01-17 12:03:14
Urteil
## Tenor\n\nDie Klagen werden abgewiesen.\n\nDie Klager tragen die Kosten des Verfahrens zu je einem Viertel.\n\nDie Berufung wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klager wenden sich jeweils gegen einen Bescheid der Beklagten, durch\nden sie ab dem Sommersemester 2007 fur die Dauer ihres Studiums an dieser\nHochschule fur jedes Semester zu einer Studiengebuhr in Hohe von 500,-- EUR\nherangezogen werden. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager zu 1) erlangte im Jahr 1998 seine Allgemeine Hochschulreife und\nstudierte zunachst im Wintersemester 1998/99 und im Sommersemester 1999 an der\nUniversitat Stuttgart im Studiengang Bauingenieurwesen. Von November 1999 bis\nNovember 2000 leistete er einen 13monatigen, als Ersatz fur den Zivildienst\nanerkannten, freiwilligen Sozialdienst im Ausland ab. An diesen Dienst schloss\nsich eine einjahrige Lateinamerikareise an, von der der Klager zu 1) Ende\nDezember 2001 zuruckkehrte. Seit dem Sommersemester 2002 studiert der Klager\nzu 1) an der beklagten Universitat im Fach Rechtswissenschaft. \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Klager zu 2) erlangte seine Allgemeine Hochschulreife im Jahr 2000 und\nleistete von September 2000 bis August 2001 seinen Zivildienst ab. Von Oktober\n2001 bis Marz 2002 hielt sich der Klager zu 2) bei Verwandten in Chile auf.\nSeit dem Sommersemester 2002 studiert er an der beklagten Universitat im Fach\nRechtswissenschaft. \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Klager zu 3) erlangte seine Allgemeine Hochschulreife im Jahr 2000 und\nleistete von September 2000 bis August 2001 seinen Zivildienst ab. Von Oktober\n2001 bis Marz 2002 hielt sich der Klager zu 3) in Chile auf. Seit dem\nSommersemester 2002 studiert er an der beklagten Universitat im\nLehramtsstudium die Facher Deutsch und Englisch. \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klager zu 4) erlangte seine Allgemeine Hochschulreife im Jahr 2002 und\nleistete in der Zeit von September 2002 bis Ende Juni 2003 seinen Zivildienst\nab. Seit dem Wintersemester 2003 studiert er an der beklagten Universitat im\nStudiengang Rechtswissenschaften. \n--- \n| 6 \n--- \n| Am 15.12.2005 beschloss der Landtag von Baden-Wurttemberg das Gesetz zur\nÄnderung des Landeshochschulgebuhrengesetzes und anderer Gesetze. Durch Art. 1\ndieses Gesetzes wurde das Landeshochschulgebuhrengesetz dahin abgeandert, dass\nab dem Sommersemester 2007 (Art. 7 Abs. 2) an den staatlichen Hochschulen und\nden Berufsakademien fur das Lehrangebot in einem grundstandigen Studiengang\noder in einem konsekutiven Masterstudiengang - von bestimmten Ausnahmen und\nder Moglichkeit einer Befreiung in naher geregelten Situationen abgesehen -\nvon den Studierenden fur jedes Semester oder Studienhalbjahr eine\nStudiengebuhr in Hohe von 500 Euro erhoben wird. Eine besondere Übergangs-\noder Befreiungsregelung fur Studierende, die ihren Wehr- oder Ersatzdienst\ngeleistet haben, wurde nicht getroffen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Gebuhrenbescheiden vom 21.11.2006 verpflichtete die Beklagte die Klager\njeweils, fur die weitere Dauer ihres Studiums in einem grundstandigen\nStudiengang oder in einem konsekutiven Masterstudiengang an der Beklagten,\nbeginnend ab dem Sommersemester 2007, eine Studiengebuhr in Hohe von 500,--\nEUR je Semester zu zahlen (Ziffer 1). Die Studiengebuhren werden jeweils zum\nEnde der Ruckmeldefrist fallig (Ziff. 2). Nach Ziffer 3 der Bescheide werden\ndiese bei einer Exmatrikulation mit sofortiger Wirkung binnen eines Monats\nnach Beginn der Vorlesungszeit gegenstandslos. In Ziffer 4 der Bescheide sind\nverschiedene Tatbestande fur eine Ausnahme von der Gebuhrenpflicht aufgefuhrt\nwahrend Ziffer 5 der Bescheide darauf verweist, dass die Zahlungspflicht fur\ndie Semester entfallt, fur welche der Adressat des Bescheides von der\nGebuhrenpflicht befreit ist. \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Gebuhrenbescheid wurde den Klagern jeweils mit einfachem Brief\nubersandt. \n--- \n| 9 \n--- \n| Am 20.12.2006 haben die Klager beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage\nerhoben. \n--- \n| 10 \n--- \n| Sie tragen vor, ihre Heranziehung zu Studiengebuhren sei allein deshalb und\ninsoweit rechtswidrig, weil das Landeshochschulgebuhrengesetz nicht zu ihren\nGunsten berucksichtige, dass sie vor ihrem Studium nach Art. 12a GG\nZivildienst geleistet hatten. Ohne die hiermit gegebene Verzogerung hatten sie\nzwei Semester langer gebuhrenfrei studieren konnen, so dass sie insoweit\ngegenuber denjenigen, die keinen Wehr- oder Zivildienst leisten wurden, einer\nBenachteiligung ausgesetzt seien, die uber die ubliche Belastung durch den\nWehr- oder Ersatzdienst hinausgehe und deshalb nicht mehr durch die\nverfassungsimmanente Sonderregelung des Art. 12a GG gerechtfertigt sei,\nsondern im Rahmen des Landeshochschulgebuhrengesetzes etwa uber eine Befreiung\noder Ausnahmeregelung hatte ausgeglichen werden mussen. Dies werde umso\ndeutlicher, wenn berucksichtigt werde, dass in den vergangenen Jahren nur noch\nein Bruchteil der tauglichen und dienstbereiten Wehrpflichtigen einberufen\nworden sei und deshalb keine Wehrgerechtigkeit mehr bestehe. \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Klager beantragen, \n--- \n| 12 \n--- \n| den jeweils an sie gerichteten Studiengebuhrenbescheid der Beklagten vom\n21.11.2006 insoweit aufzuheben, als sie in diesem verpflichtet werden, fur das\nSommersemester 2007 und das Wintersemester 2007/2008 eine Studiengebuhr in\nHohe von je 500,-- EUR zu bezahlen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 14 \n--- \n| die Klagen abzuweisen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Zur Begrundung tragt sie vor, die Wehr- und Ersatzdienstleistenden wurden\ndurch die Belastung mit der Studiengebuhrenpflicht nicht in\nunverhaltnismaßiger Weise benachteiligt. Sie mussten ebenso wie alle anderen\nStudierenden ab dem Sommersemester 2007 fur ihr Studium Studiengebuhren\nbezahlen. Ein Anspruch auf eine Übergangsregelung, durch die der Umstand\nkompensiert wurde, dass sie aufgrund ihres Wehr- und Ersatzdienstes nicht\nhatten fruher mit dem Studium beginnen konnen, sei nicht begrundet. So lasse\nsich aus Art. 12a GG keine Gewahrleistung fur Wehr- oder Ersatzdienstleistende\nableiten, die uber die Alimentations-, Fursorge- und Versorgungsanspruche des\noffentlichen Dienstrechts hinausgingen. Auch erstrecke sich das Recht des\nEinzelnen auf Teilhabe am und Zulassung zum Hochschulstudium nicht auf die\nKostenfreiheit des Studiums. Aber auch dann, wenn eine relevante\nUngleichbehandlung zwischen der Gruppe der Wehr- und Ersatzdienstleistenden\neinerseits und der ubrigen Studierenden andererseits gegeben ware, ware der\nVerzicht auf eine kompensierende Übergangsregelung sachlich gerechtfertigt.\nDenn der Gesetzgeber habe ein berechtigtes Interesse daran, den mit der\nErhebung der Studiengebuhren verfolgten Zweck der Einnahmeerzielung, der\nVerbesserung der Studienbedingungen und der Verhaltenslenkung moglichst bald\nund umfassend zur Geltung zu bringen. Auch wurde die Einfuhrung einer\nSonderregelung fur Wehr- und Ersatzdienstleistende schwierige\nAbgrenzungsfragen aufwerfen, etwa zu der Frage der Einbeziehung auch des\nfreiwilligen sozialen oder okologischen Jahres oder anderer Umstande, die wie\ndie Pflege eines Angehorigen oder eine eigene Krankheit ohne Verschulden des\nStudienbewerbers die Aufnahme eines Studiums verzogern konnten. Letztlich\nwurden mehr Gerechtigkeitsfragen aufgeworfen als gelost. Auch musste an den\nHochschulen mit hohem Verwaltungsaufwand in einer Vielzahl von Fallen gepruft\nwerden, ob die Voraussetzungen fur eine Befreiung von der Gebuhrenpflicht\ngegeben seien. Dies werde dadurch erschwert, dass es neben dem Wehr- und\nErsatzdienst noch eine Reihe anderer Ursachen fur eine verspatete\nStudienaufnahme geben konne. So habe etwa der Klager zu 1) ohne seine Reise\ndurch Lateinamerika im Zeitpunkt der Einfuhrung der allgemeinen\nStudiengebuhren bereits zwolf Semester Zeit gehabt, sein Jurastudium\nabzuschließen. Der mit dem Verzicht auf eine Kompensation des spateren\nStudienbeginns der Wehr- und Ersatzdienstleistenden verbundene Nachteil sei\nden Betroffenen auch zumutbar. Dienstleistende mussten immer damit rechnen,\ndass sich wahrend der Zeit ihres Dienstes oder auch danach Rechtsvorschriften\nzu ihren Lasten anderten. Der Wehr- oder Ersatzdienstleistende habe keinen\nAnspruch darauf, immer nur den Belastungen ausgesetzt zu sein, die ein Jahr\nzuvor gegolten hatten. Insofern entspreche es gerade der\nverfassungsrechtlichen Grundentscheidung des Art. 12a GG, dass der\nDienstleistende grundsatzlich alle Nachteile hinzunehmen habe, die ihm\naufgrund der durch die Dienstleistung eingetretenen zeitlichen Verzogerung\nspaterer Lebensschritte entstunden. Sofern § 34 HRG bestimme, dass Bewerbern\num einen Studienplatz durch die Erfullung bestimmter gemeinnutziger Dienste\nkein Nachteil entstehen durfe, beziehe sich dieser Anspruch nur auf die\neigentliche Zulassung zum Studium, nicht jedoch auf die Ausgestaltung der\njeweiligen Studienbedingungen. Schließlich sei auch kein Verstoß gegen den\nGrundsatz der Wehrgerechtigkeit gegeben, weil dieser Grundsatz ausschließlich\nauf die Einberufungspraxis bezogen sei, jedoch keine Auswirkungen auf die\nFrage habe, ob und welche mit der Ableistung der Wehrpflicht verbundenen\nNachteile in anderen Regelungsbereichen ausgeglichen werden mussten. \n--- \n| 16 \n--- \n| Das Verfahren wurde ohne formliche Verbindung gemeinsam mit den Verfahren 1\nK 2324/06 und 1 K 121/07 verhandelt. \n--- \n| 17 \n--- \n| Auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsatze in der Gerichtsakte und die\nAngaben der Beteiligten in der mundlichen Verhandlung wird erganzend\nverwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 18 \n--- \n| Die Klage ist als Anfechtungsklage ohne Durchfuhrung eines Vorverfahrens\nzulassig (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, § 11 LHGebG), aber nicht begrundet. Die\njeweils angefochtenen Gebuhrenbescheide der Beklagten vom 21.11.2006 sind\nrechtmaßig und verletzen die Klager nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz\n1 VwGO). Die Beklagte hat die Gebuhrenbescheide rechtsfehlerfrei entsprechend\nden Bestimmungen des Landeshochschulgebuhrengesetzes - LHGebG - i.d.F. des\nGesetzes zur Änderung des LHGebG und anderer Gesetze v. 19.12.2005 (GBl. S.\n794, ber. 2006, S. 15) erlassen (dazu I.). Die maßgeblichen Bestimmungen\ndieses Gesetzes (§§ 3 ff. LHGebG) uber die Studiengebuhren stehen auch mit\nhoherrangigem Recht in Einklang; insbesondere war der Gesetzgeber nicht\nverpflichtet, einen Ausgleich fur die Verzogerung des Studienbeginns zu\nschaffen, die den Klagern aufgrund der Ableistung ihres Zivildienstes\nentstanden ist (dazu II.). \n--- \n**I.** \n--- \n| 19 \n--- \n| Gemaß § 3 Satz 1 LHGebG erheben die Staatlichen Hochschulen i.S.d. § 1 Abs.\n2 LHG und die Berufsakademien fur ihr Lehrangebot in einem grundstandigen\nStudiengang oder in einem konsekutiven Masterstudiengang von den Studierenden\nStudiengebuhren nach § 5 dieses Gesetzes. Die Studiengebuhr betragt fur jedes\nSemester 500,-- EUR. Studienhalbjahre stehen Semestern gleich (§ 5 Abs. 1\nSatze 1 u. 2 LHGebG). Nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Änderung des\nLandeshochschulgebuhrengesetzes und anderer Gesetze vom 19.12.2005 werden die\nStudiengebuhren nach § 3 i.V.m. § 5 LHGebG erstmals fur das Sommersemester\n2007 erhoben. \n--- \n| 20 \n--- \n| Nach diesen Bestimmungen sind die Klager, die bei der Beklagten in den\ngebuhrenpflichtigen (§ 3 Abs. 1 S. 1 LHGebG) Studiengangen Rechtswissenschaft\nund fur das Lehramt an Gymnasien mit den Fachern Englisch und Deutsch\nimmatrikuliert sind, verpflichtet, ab dem Sommersemester 2007 eine\nStudiengebuhr von 500,-- EUR je Semester zu zahlen. Diese Zahlungspflicht hat\ndie Beklagte in Nr. 1 ihrer angefochtenen Bescheiden vom 21.11.2006\nrechtsfehlerfrei konkretisiert und den Klagern durch einen Verwaltungsakt mit\nDauerwirkung eine Zahlungspflicht nicht nur fur das Sommersemester 2007,\nsondern fur alle folgenden Semester auferlegt, in denen sie in einem\ngebuhrenpflichtigen Studiengang bei der Beklagten studieren. Allerdings stand\nbei Erlass des Gebuhrenbescheides nicht fest, wie lange die Klager als\nStudierende bei der Beklagten der Gebuhrenpflicht unterliegen. Den Fall einer\nExmatrikulation nach Zugang des Gebuhrenbescheides regelt aber das Gesetz in §\n5 Abs. 3 LHGebG. Danach wird bei einer Exmatrikulation binnen eines Monats\nnach Beginn der Vorlesungszeit der Gebuhrenbescheid gegenstandslos. Eine\nbereits bezahlte Gebuhr ist zu erstatten. Auf diese gesetzliche Regelung\nweisen die angefochtenen Bescheide in Nr. 3 ausdrucklich hin. \n--- \n| 21 \n--- \n| Rechtliche Bedenken im Hinblick auf die Anforderungen an die hinreichende\nBestimmtheit eines Verwaltungsaktes bestehen gegen die in Nr. 1 der Bescheide\ngeregelte Zahlungsverpflichtung auch nicht deshalb, weil § 3 Satz 2 Nr. 1 - 3\nLHGebG mehrere gesetzliche Ausnahmen von der Gebuhrenpflicht normiert und bei\nErlass des Gebuhrenbescheides ebenfalls ungewiss war, ob und wann die Klager\nwahrend ihres Studiums bei der Beklagten einen dieser Ausnahmetatbestande\nerfullen; denn die Wirksamkeit der Zahlungsverpflichtung steht unter der\nauflosenden Bedingung, dass diese entfallt, sobald in der Person des\nStudierenden wahrend des Studiums bei der Beklagten ein Fall der gesetzlichen\nAusnahmen von der Gebuhrenpflicht eintritt. Das hat die Beklagte im\nangefochtenen Bescheid zwar nicht ausdrucklich so formuliert. Eine\nBeschrankung der Gebuhrenpflicht in diesem Sinne ergibt sich aber bereits\nunmittelbar aus der gesetzlichen Vorschrift in § 3 Satz 2 LHGebG (vgl. zu\nderartigen inhaltlichen Beschrankungen unmittelbar aus gesetzlichen\nVorschriften, Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 9. Aufl., § 36 Rdnr. 20). In\nNr. 4 des angefochtenen Bescheids wird auch ausdrucklich auf die\nAusnahmetatbestande des § 3 Satz 2 LHGebG hingewiesen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Schließlich steht auch die Bestimmung der Falligkeit der Studiengebuhr in\nNr. 2 des Bescheides mit dem Gesetz in Einklang. Nach § 5 Abs. 2 LHGebG ist\ndie Studiengebuhr mit Erlass des Gebuhrenbescheides fallig, sofern dieser die\nFalligkeit nicht abweichend bestimmt. Von dieser Moglichkeit hat die Beklagte\nGebrauch gemacht und bestimmt, dass die Studiengebuhr jeweils zum Ende der\nRuckmeldefrist fallig wird. Die Fristen fur die Ruckmeldung in ein kunftiges\nSemester werden von der Beklagten gegenuber den Studierenden bekannt gemacht. \n--- \n**II.** \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Vorschriften des Landeshochschulgebuhrengesetzes, durch die fur das\nStudium an staatlichen Hochschulen und an den Berufsakademien ab dem\nSommersemester 2007 eine Gebuhrenpflicht eingefuhrt wurde, sind mit\nhoherrangigem Recht vereinbar. \n--- \n| 24 \n--- \n| A. Entgegen der Auffassung der Klager verstoßt das\nLandeshochschulgebuhrengesetz nicht dadurch gegen hoherrangiges Recht, dass es\nab dem Sommersemester 2007 alle Studierenden unabhangig davon zu einer\nStudiengebuhr heranzieht, ob sie zuvor einen Wehr- oder Ersatzdienst\nabgeleistet haben oder nicht. Den Gesetzgeber trifft keine Rechtspflicht, die\nStudierenden, die vor dem Studium ihren Wehr- und Ersatzdienst abgeleistet\nhaben, besonders zu begunstigen und die jeweils neunmonatige Dauer des\nGrundwehrdienstes (vgl. § 5 Abs. 1a WPflG) oder des - im Fall der\nKriegsdienstverweigerung an seine Stelle tretenden - Zivildienstes (§ 24 Abs.\n2 ZDG) bei der Bestimmung der allgemeinen Studiengebuhrenpflicht ab dem\nSommersemester 2007 besonders zu berucksichtigen. Eine solche Verpflichtung\nergibt sich insbesondere nicht aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3\nAbs. 1 GG. \n--- \n| 25 \n--- \n| Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem\nGesetzgeber, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend\nverschieden zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede\nDifferenzierung untersagt. Ebenso wenig ist er gehalten, Ungleiches unter\nallen Umstanden ungleich zu behandeln. Der Gesetzgeber verletzt aber das\nGleichheitsgrundrecht, wenn er es unterlasst, tatsachliche Ungleichheiten des\nzu ordnenden Lebenssachverhalts zu berucksichtigen, die so bedeutsam sind,\ndass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise\nbeachtet werden mussen (BVerfG, Urt. v. 16.3.2004, BVerfGE 110, 141; Beschl.\nv. 15.7.1998, BVerfGE 98, 365). \n--- \n| 26 \n--- \n| Studierende, die vor Aufnahme ihres Studiums ihren Wehr- oder Ersatzdienst\nabgeleistet haben, unterscheiden sich gegenuber nicht zum Dienst herangezogen\nStudierenden dadurch, dass sie im Vergleich zu diesen erst ein Jahr spater mit\ndem Studium beginnen konnten. Unter diesem Gesichtspunkt bewirkt die fur beide\nGruppen ab dem Sommersemester 2007 eintretende Studiengebuhrenpflicht eine\nGleichbehandlung zweier sich unterscheidender Gruppen (zur Maßgeblichkeit der\nunmittelbaren Rechtswirkung eines Gesetzes: BVerfG, Urt. v. 10.1.1995, BVerfGE\n92, 26). \n--- \n| 27 \n--- \n| Diese Gleichbehandlung ist jedoch nicht zu beanstanden. Denn dieser Umstand\ndes verzogerten Studienbeginns ist im Hinblick auf die Studiengebuhrenpflicht\nfur die beiden streitigen Semester nicht so bedeutsam, dass seine\nNichtberucksichtigung nicht sachlich gerechtfertigt werden konnte: \n--- \n| 28 \n--- \n| So ist zunachst festzustellen, dass der Wehrdienst und der diesen ersetzende\nZivildienst nach Art. 12a Abs. 1 und Abs. 2 GG unmittelbar aus der Verfassung\nresultierende primare Dienstpflichten sind, denen es immanent ist, dass\ndiejenigen, die ihn erfullen, in ihrem kunftigen weiteren Leben stets mit\neiner entsprechenden Verzogerung ihrer Lebensplanung und sich moglicherweise\nandernden Rechtslagen konfrontiert sind. Aus diesem Grund ist der Gesetzgeber\nnicht grundsatzlich verpflichtet, die dienstpflichtigen Personen von allen\nNachteilen freistellen, die sich fur sie außerhalb des Wehr- und\nErsatzdienstes aus der zeitlichen Verzogerung spaterer Lebensabschnitte\nergeben; insofern kann es auch kein schutzwurdiges Vertrauen des\nDienstpflichtigen geben, dass sich eine zukunftige Rechtslage nie so andern\nwird, dass sich die Ableistung der Dienstpflicht als Nachteil darstellen kann.\nZu vermeiden sind deshalb im Rahmen einer spateren Rechtsanderung nur solche\nNachteile zu Lasten des Dienstpflichtigen, die diesem selbst angesichts eines\ntypischerweise „vorbelasteten" Vertrauenszustands gleichwohl unzumutbar sind\nbzw. schwerer wiegen als die Bedeutung der hoheitlichen Maßnahme fur das\nAllgemeinwohl (BVerfG, Beschl. v. 17.05.2004, NJW 2004, 2297). \n--- \n| 29 \n--- \n| Von einer solchen Unzumutbarkeit kann vorliegend nicht ausgegangen werden.\nDenn einerseits wird der Studierende, der in der Vergangenheit seinen Wehr-\noder Zivildienst geleistet hat, uber die ab dem Sommersemester 2007 auch fur\nihn geltende Studiengebuhrenpflicht in Bezug auf die Wahrnehmung seines\nGrundrechts auf freie Wahl der Ausbildungsstatte nach Art. 12 Abs. 1 GG\ngegenuber seinen nichtdienstpflichtigen Kommilitonen nicht wesentlich\nschlechter gestellt. Vielmehr beschrankt sich der durch den spateren\nStudienbeginn eintretende Nachteil darauf, dass er - bei sonst gleicher\nLebensplanung - ohne den Wehr- oder Ersatzdienst zwei Semester hatte fruher\nmit dem Studium beginnen konnen, ohne fur diesen Zeitraum Studiengebuhren in\nHohe von insgesamt 1.000 Euro aufbringen zu mussen. Versteht man die\nStudiengebuhren mit dem Gesetzgeber als eine angemessene Beteiligung des\nStudierenden an den Kosten der ihm uber das Hochschulstudium zur Verfugung\ngestellten Ausbildung, so stellt sich der Nachteil letztlich als Verlust einer\n- in der Bereitstellung eines kostenlosen Studienplatzes liegenden -\nweitergehenden staatlichen Subventionierung einer Hochschulausbildung dar. Die\nZugangsmoglichkeiten zu dem Studium als solchem haben sich fur den\nDienstpflichtigen durch den spateren Studienbeginn jedoch nicht\nverschlechtert, da die Studiengebuhren uber das Studiengebuhrendarlehen nach §\n7 LHGebG von jedem Studierenden aufgebracht werden konnen und erst zu einem\nspateren Zeitpunkt einer dann typischerweise gegebenen wirtschaftlichen\nLeistungsfahigkeit zuruckgezahlt werden mussen. Dies wird von den Klagern, die\nsich nicht darauf berufen, die Studiengebuhren nicht in zumutbarer Weise\naufbringen und sofort bezahlen zu konnen, auch nicht in Frage gestellt. \n--- \n| 30 \n--- \n| Dem hiernach insgesamt gegebenen Nachteil des wehr- oder\nzivildienstbedingten Entfallens der Moglichkeit, noch zwei Semester\nstudiengebuhrenfrei studieren zu konnen, stehen hinreichend gewichtige Grunde\ndes Gemeinwohls gegenuber, die die sofortige Einbeziehung der Gruppe der Wehr-\nund Ersatzdienstleistenden in die Studiengebuhrenpflicht bereits zum\nSommersemester 2007 bzw. den Verzicht des Gesetzgebers auf eine Kompensation\nfur das dienstbedingte Wegfallen der Moglichkeit eines (langeren) Studiums\nohne Gebuhrenpflicht rechtfertigen. Denn die Gruppe der\nWehrdienst-/Ersatzdienstleistenden, die aufgrund ihrer Dienstzeit auf die\nMoglichkeit verzichten mussten, jedenfalls teilweise noch gebuhrenfrei zu\nstudieren, ist so groß, dass die Kompensation der hierin liegenden\nBenachteiligung im Sommersemester 2007 und im Wintersemester 2007/2008 zu\nerheblichen Gebuhrenausfallen gefuhrt hatte. Auch wurde der mit der Erhebung\nder Studiengebuhren verfolgte Lenkungszweck, die Studierenden von Beginn ihres\nStudiums an zu einer moglichst zielstrebigen Studienplanung zu veranlassen,\njedenfalls insoweit abgeschwacht, als diese große Gruppe der Studierenden, zu\nder mindestens ein Drittel aller Studierenden in den genannten Semestern\ngehoren durften, diese beiden Semester noch ohne den Druck einer Kostenpflicht\nverplanen konnen. \n--- \n| 31 \n--- \n| Der hier dargelegten Zumutbarkeit des wehr- oder ersatzdienstbedingten\nVerlusts der Moglichkeit der Klager, zwei Semester langer studiengebuhrenfrei\nstudieren zu konnen, steht nicht der Umstand entgegen, dass - wie die Klager\ndarlegen - in den vergangen Jahren nur noch ein Bruchteil der dienstbereiten\nWehrpflichtigen einberufen worden sei. Denn die - moglicherweise gegebene -\ngleichheitswidrige Einziehungspraxis hat mit der Erhebung von Studiengebuhren\nnichts zu tun (zu dieser maßgeblichen Wirkungsbetrachtung: BVerfG, Beschl. v.\n9.8.1978 - 2 BvR 831/76 - BVerfGE 49, 148), und der Landesgesetzgeber ist\nnicht gehalten, Vollzugsdefizite auf Bundesebene zu berucksichtigen und etwa\nim Zusammenhang mit Belastungen in vollkommen anderen Lebensbereichen\nauszugleichen (vgl. (BVerfG, Beschl. v. 26.10.2005, BVerfGE 114, 371 sowie\nJarass, NJW 1997, S. 2545, 2550). \n--- \n| 32 \n--- \n| Soweit Wehr- und Ersatzdienstleistende - aber auch nahezu alle anderen\nStudierenden - schließlich nur in den Genuss der allgemeinen\nÜbergangsregelungen in Art. 7 Abs. 2 Satz 1 ÄndGLHGebG kommen, liegt zwar eine\nUngleichbehandlung gegenuber den in Satz 3 der Vorschrift privilegierten\nauslandischen Studierenden vor. Verfassungswidrig ist dies jedoch ebenfalls\nnicht. Art. 7 Abs. 2 Satz 3 ÄndGLHGebG bestimmt, dass zum Zeitpunkt des\nInkrafttretens dieses Gesetzes bereits immatrikulierte auslandische\nStudierende, die keinen Anspruch auf Darlehensgewahrung nach § 7 LHGebG haben,\nihr Studium innerhalb der Dauer der Regelstudienzeit zuzuglich vier weiterer\nHochschulsemester abschließen konnen, ohne der Gebuhrenpflicht nach §§ 3, 5\nLHGebG zu unterliegen. Es liegt auf der Hand, dass die darin angelegte\nDifferenzierung der Vermeidung eines Vertrauensschadens zu Lasten derjenigen,\ntypischerweise in ihrer wirtschaftlichen Situation schwacheren auslandischen\nStudenten Rechnung tragen soll, die keinen Anspruch auf Darlehensgewahrung\nhaben, weil sie nicht die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 LHGebG erfullen und\ndie sich uber den Zuzug aus dem Ausland in einem besonderen Maße auf ein\nbestehendes System des Hochschulstudiums eingestellt haben. \n--- \n| 33 \n--- \n| B. Die fur die Erhebung der Studiengebuhren maßgeblichen Normen des LHGebG\nstehen auch im Übrigen mit dem hoherrangigen Recht in Einklang. \n--- \n| 34 \n--- \n| Dies wird auch von den Klagern nicht naher bestritten. Die Kammer verweist\ndeshalb insoweit auf die hierzu angestellten Erwagungen in dem Urteil vom\n20.06.2007 in der Verwaltungsrechtssache 1 K 2324/06, die gemeinsam mit der\nVerwaltungsrechtssache der Klager verhandelt worden war. Im Einzelnen hat die\nKammer dort ausgefuhrt: \n--- \n| 35 \n--- \n| „1\\. Der Gesetzgeber des Landes Baden-Wurttemberg hat mit dem Erlass des\noben genannten Landeshochschulgebuhrengesetzes von der ihm gemaß Art. 70 Abs.\n1 GG zustehenden Kompetenz ohne Verletzung verfassungsrechtlicher Grundsatze\nfur die Wahrnehmung von Gesetzgebungsbefugnissen Gebrauch gemacht. \n--- \n| 36 \n--- \n| a) Nach Art. 70 Abs. 1 GG haben die Lander das Recht zur Gesetzgebung,\nsoweit das Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Diese\nVorschrift hat durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.08.2006\n(BGBl. I, 2034), mit dem die Foderalismusreform umgesetzt wurde, keine\nÄnderung erfahren. Die Auferlegung von Gebuhren fur das Studium an Hochschulen\ndes Landes Baden-Wurttemberg stellt eine Regelung im Bereich des\nHochschulrechts dar. Auf seine Fachkompetenz fur das Hochschulrecht konnte\nsich der Landesgesetzgeber bei der Einfuhrung der Studiengebuhr stutzen. Denn\ndie Kompetenz zur Regelung von Gebuhren folgt aus der Gesetzgebungskompetenz\nfur die jeweilige Sachmaterie (so bereits fur die Einfuhrung der\nLangzeitstudiengebuhren, VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 06.04.2000 - 2 S 1860/99 -,\nDVBl. 2000, 1782 = VBlBW 2000, 432). \n--- \n| 37 \n--- \n| Durch Rahmenvorschriften des Bundes (vgl. zur grundsatzlichen Fortgeltung\nder Bestimmungen des Hochschulrahmengesetzes trotz Aufhebung des Art. 75 GG,\nArt. 125b Abs. 1 GG) ist die Gesetzgebungskompetenz des Landes nicht\nbeschrankt; denn das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 26.01.2005\n(BVerfGE 112, 226 ff.) entschieden, dass Art. 1 Nr. 3, 6. HRGÄndG vom\n08.08.2002, durch den der Bundesgesetzgeber im Hochschulrahmengesetz die\nStudiengebuhrenfreiheit fur ein Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden\nAbschluss und fur ein Studium in einem konsekutiven Studiengang normiert hat,\nmit den Kompetenzverteilungsnormen des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig\nist. \n--- \n| 38 \n--- \n| b) Bedenken gegen die Landeskompetenz zur Einfuhrung der allgemeinen\nStudiengebuhr gem. §§ 3, 5 LHGebG bestehen auch nicht im Hinblick auf die\nFinanzverfassung (Art. 105 ff. GG). Bei dieser Gebuhr handelt es sich um eine\nherkommliche nicht steuerliche Abgabe. Sie wird gem. § 3 Satz 1 LHGebG von den\nStaatlichen Hochschulen und den Berufsakademien fur ihr Lehrangebot in einem\ngrundstandigen Studiengang oder in einem konsekutiven Masterstudiengang von\nden Studierenden erhoben. Mit dieser Gebuhr wird ein besonderer Vorteil\nabgegolten, der dem Abgabepflichtigen durch die Inanspruchnahme einer\noffentlichen Leistung oder jedenfalls durch die Moglichkeit dieser\nInanspruchnahme zukommt und der es rechtfertigt, ihn zur Tragung der Kosten\nder offentlichen Leistung heranzuziehen oder die durch die offentliche\nLeistung gewahrten Vorteile ganz oder teilweise abzuschopfen. Die Gebuhr gem.\n§ 3 LHGebG knupft mit anderen Worten an die individuelle Inanspruchnahme der\nHochschule als einer staatlichen Infrastruktureinrichtung durch den\nStudierenden an und ist insoweit nicht, wie eine Steuer, voraussetzungslos\ngeschuldet. Nach ihrer konkreten Ausgestaltung durch den Gesetzgeber stellt\nsie eine Vorzugslast in der Form einer Benutzungsgebuhr dar; denn sie wird nur\nvon Studierenden erhoben, die ihren Mitgliedschaft in der einzelnen Hochschule\ndurch Immatrikulation begrundet haben (§ 60 Abs. 1 Satz 1 LHG). Die\nImmatrikulation stellt gebuhrenrechtlich den Beginn der Benutzung der\nStaatlichen Einrichtung dar. Dies gilt unabhangig davon, ob der Studierende\neinzelne Lehrleistungen der Staatlichen Hochschule tatsachlich in Anspruch\nnimmt. Diese Einstufung als Benutzungsgebuhr haben die Kammer und der\nVerwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg bereits im Zusammenhang mit der\nfruheren Einfuhrung der Langzeitstudiengebuhr vorgenommen (vgl. etwa VGH\nBad.-Wurtt., Urt. v. 06.04.2000 - 2 S 1860/99 -, a.a.O.). Sie wurde auch vom\nBundesverwaltungsgericht in seinem Revisionsurteil vom 25.07.2001 (BVerwGE\n115, 32) nicht beanstandet. An dieser Einschatzung halt die Kammer auch fur\ndie allgemeine Studiengebuhr fest. \n--- \n| 39 \n--- \n| Nicht steuerliche Abgaben dieser Art unterliegen im Hinblick auf die Schutz-\nund Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung grundsatzlich keinen Bedenken. \n--- \n| 40 \n--- \n| Besonderheiten, die fur eine andere Beurteilung sprechen konnten, sind nicht\nersichtlich. Soweit die Klagerin unter Hinweis auf das Gutachten von\nKronthaler (ders., Gestaltungsmoglichkeiten und Grenzen bei der Einfuhrung von\nStudienbeitragen - verfassungsrechtlicher Rahmen und einfach-rechtliche\nSpielraume -, Wissenschaftsrecht Band 39, 2006, S. 276, 295 ff.) rugt, bei der\nStudiengebuhr handele es sich - zumindest teilweise - um eine\nverfassungsrechtlich unzulassige Sonderabgabe, folgt die Kammer dem nicht. Das\nerwahnte Gutachten bezieht sich auf das Studienbeitrags- und\nHochschulabgabengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen - StBAG NRW -. Nach § 17\nAbs. 3 Satz 3 StBAG NRW mussen die Hochschulen einen prozentualen Anteil ihres\njahrlichen Gesamtaufkommens an Studienbeitragen zur Finanzierung des\nAusfallsicherungsfonds abfuhren. Mit der Finanzierung des Ausfallfonds wurden\naber nach Auffassung dieses Gutachtens keine staatlich gewahrten Vorteile\nabgeschopft, weshalb es sich bezogen auf diesen Anteil des Studienbeitrags\nweder um eine Gebuhr noch um einen Beitrag handele. Vielmehr liege insoweit\neine verfassungsrechtlich unzulassige Sonderabgabe vor. \n--- \n| 41 \n--- \n| Das baden-wurttembergische Landeshochschulgebuhrengesetz enthalt bereits\nkeine dementsprechende Regelung, nach der ein bestimmter Prozentsatz des\nGebuhrenaufkommens von den Universitaten zur Finanzierung des Studienfonds (§\n9 LHGebG) abzufuhren ist. Es bestimmt vielmehr in § 4 Abs. 1 S. 1 LHGebG, dass\ndie Gebuhren jeder Hochschule und Berufsakademie, die sie eingenommen hat,\nzweckgebunden fur die Erfullung ihrer Aufgaben in Studium und Lehre zur\nVerfugung stehen. Unabhangig von dieser unterschiedlichen baden-\nwurttembergischen Regelung ist der Einwand aber bereits in der Sache verfehlt,\ndenn die rechtliche Einordnung einer Abgabe und daran anknupfend die\nBeurteilung ihrer rechtlichen Zulassigkeit bestimmt sich - unabhangig von der\nBezeichnung der Abgabe durch den Gesetzgeber - nach dem materiellen Gehalt des\nAbgabentatbestandes und nicht nach der Verwendung der eingenommenen Abgaben\n(so zutreffend Bosse, NVwZ 2007, 87; vgl. fur die Rechtslage in NRW auch VG\nMinden, Urt. v. 26.03.2007 - 9 K 3614/06 -; vgl. hierzu auch BVerfG, Urt. v.\n19.03.2003, BVerfGE 108, 1 ff zur Ruckmeldegebuhr). Nach dem\nGebuhrentatbestand in § 3 Satz 1 LHGebG wird die Studiengebuhr von den\nStudierenden jedoch ausschließlich fur das Lehrangebot in einem\ngebuhrenpflichtigen Studiengang an einer Universitat und nicht - auch nicht\nteilweise - zur Finanzierung des Studienfonds erhoben. Wofur das\nAbgabenaufkommen tatsachlich verwendet wird, ist fur die rechtliche Einordnung\ndagegen unerheblich. Das gilt auch dann, wenn der Gesetzgeber - wie im\nvorliegenden Fall durch § 4 Abs. 1 Satz 1 LHGebG - entgegen dem Grundsatz der\nGesamtdeckung (§ 8 LHO) eine Beschrankung auf bestimmte Zwecke vorsieht. Aus\ndiesem Grund kommt es auch nicht darauf an, ob - wie der Vertreter der\nKlagerin vortragt - die gesetzliche Zweckbindung des Studiengebuhrenaufkommens\nfur die Aufgaben der Hochschulen und Berufsakademien in Studium und Lehre in\nder Praxis der Hochschulen wirtschaftlich dadurch umgangen werden kann, dass\ndas Studiengebuhrenaufkommen zur Deckung der Finanzierungslocher verwendet\nwird, die unmittelbar zuvor durch eine hochschulinterne Umschichtung von\nallgemein aus dem Staatshaushalt zugewiesenen Finanzmitteln aus diesem Bereich\nin andere studienfremde Bereiche entstanden sind. \n--- \n| 42 \n--- \n| c) Das Land hat bei Erlass der Studiengebuhrenregelung auch nicht gegen die\nPflicht zu bundes- und landerfreundlichem Verhalten verstoßen. Zwar unterliegt\ndas Land bei Ausubung seiner Gesetzgebungskompetenz grundsatzlich auch der\nPflicht zur Rucksichtnahme auf den Bund oder die anderen Bundeslander.\nAllerdings liegt ein Verstoß gegen diese Verpflichtung nicht schon dann vor,\nwenn es im Rahmen der ihm durch das Grundgesetz eingeraumten Kompetenz eine\nRegelung erlasst, die zu Regelungen des Bundes oder anderer Lander gegenlaufig\nist; vielmehr muss die Gegenlaufigkeit so ausgepragt sein, dass durch die\nInanspruchnahme der eigenen Gesetzgebungskompetenz in missbrauchlicher Weise\nin verfassungsrechtlich verburgte Rechtspositionen des Bundes oder der anderen\nBundeslander eingegriffen wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05.12.2001, BVerfGE\n104, 238, 247). \n--- \n| 43 \n--- \n| Fur die Kammer ist kein Anhaltspunkt dafur gegeben, dass die Erhebung von\nStudiengebuhren fur ein Studium an einer staatlichen Hochschule oder\nBerufsakademie in Baden-Wurttemberg in verfassungsrechtlich verburgte\nRechtspositionen der Bundeslander eingreift, in denen ein Studium der\nHochschule nach wie vor gebuhrenfrei moglich ist. Insbesondere ist nicht\nersichtlich, dass der Gesetzgeber in Baden-Wurttemberg mit der Erhebung der\nStudiengebuhr die Zielsetzung verfolgt, Studierwillige oder Studierende zu\neinem Hochschulstudium außerhalb Baden-Wurttembergs zu veranlassen. Aber\nselbst wenn - wofur zur Zeit nichts spricht - die unterschiedliche\nKostenstruktur fur ein Hochschulstudium in verschiedenen Bundeslandern dazu\nfuhren wurde, dass die Nachfrage nach Studienplatzen in den Landern mit\ngebuhrenfreiem Studium zu Lasten der Nachfrage nach einem Studium in Baden-\nWurttemberg stiege, begrundete dieser mittelbare Effekt der Gebuhrenerhebung\nkein missbrauchliches Verhalten des Landes Baden-Wurttemberg. Denn die\nInteressen der Lander, die sich gegen die Einfuhrung der Studiengebuhren\nentschieden haben, blieben auch in diesem Fall dadurch gewahrt, dass sie ihre\nHochschulen - wie bislang auch - immer nur im Rahmen der vorhandenen\nKapazitaten bereitstellen mussen und nicht verpflichtet wurden, entsprechend\neiner hoheren Nachfrage auch neue Kapazitaten zu schaffen. Einen erheblichen\nVerdrangungseffekt in Bezug auf die soziale Herkunft der Studierenden halt die\nKammer fur unwahrscheinlich. Denn die Erhebung der Studiengebuhren wird in\nsozialer Hinsicht in Baden-Wurttemberg in - wie noch darzustellen sein wird -\nausreichendem Maße durch das Modell der darlehensgestutzten Vorfinanzierung\nerganzt, und die absolute Hohe der Studiengebuhren ist im Vergleich zu den\nsonstigen wirtschaftlichen Faktoren einer Studienortwahl wie den allgemeinen\nLebenshaltungskosten oder aber die Nahe zum Heimatwohnort nur von geringerem\nGewicht (vgl. BVerfG, Urt. v. 26.01.2005, a.a.O.). Sofern es dennoch zu\nWanderbewegungen von Studierenden kommen sollte, ware dies vor dem Hintergrund\ndes foderalen Systems der Bundesrepublik Deutschland und der den Bundeslandern\ngrundsatzlich gewahrten Kompetenz zur Regelung der Hochschulangelegenheiten\ngerechtfertigt. \n--- \n| 44 \n--- \n| Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Bundestreue ergibt sich auch nicht in\nHinblick auf den Beschluss der Ministerprasidenten vom 16.04.1970 uber die\nAbschaffung von Studiengebuhren oder den Staatsvertrag uber die Vergabe von\nStudienplatzen vom 20.10.1972. Denn der gemeinsame Beschluss der\nMinisterprasidenten steht dem spateren Erlass abweichender Rechtsvorschriften\nnicht entgegen (VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 06.04.2000 - 2 S 1860/99 -, a.a.O.)\nund das System der gemeinsamen landerubergreifenden Studienplatzvergabe kommt\ndurch die Einfuhrung der allgemeinen Studiengebuhr in Baden-Wurttemberg nicht\nin erheblicher Weise ins Wanken. Denn die Folge der unterschiedlichen\nRegelungen zur Studiengebuhrenpflicht konnte allein darin liegen, dass sich\ndie Zuteilungswunsche verstarkt auf Studienorte ohne Studiengebuhr\nkonzentrieren und dass Studierende mit diesem Aspekt ihres Zuteilungswunsches\nnur noch eingeschrankt Berucksichtigung finden konnen. Die gleichmaßige\nAuslastung der Hochschulen bleibt jedoch gesichert, so dass\nverfassungsrechtliche Positionen der Lander hier nicht angeruhrt werden. Da\ndie Studiengebuhrenpflicht uber das Studiendarlehen keine soziale Zugangshurde\nfur ein Studium darstellt und ihr im Zusammenhang mit der Studienortwahl -\nverglichen mit den unterschiedlichen Lebenshaltungskosten und den ubrigen\nÜberlegungen zur Studienortwahl - regelmaßig nur eine geringe eigenstandige\nwirtschaftliche Bedeutung zukommen durfte, kame einer bei\nNichtberucksichtigung seines Zuteilungswunsches an eine gebuhrenfreie\nHochschule unter Umstanden gegebene Betroffenheit eines Studierwilligen kein\nsolches Gewicht zu, dass diese - unter dem Gesichtspunkt der Verteilung der\nStudienplatzen in zulassungsbeschrankten Studiengangen im Rahmen des ZVS-\nSystems - nicht als Folge des foderalen Systems der Hochschulausbildung in der\nBundesrepublik Deutschland hinzunehmen ware. \n--- \n| 45 \n--- \n| Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Bundestreue ist mit der Erhebung von\nStudiengebuhren auch nicht deshalb verbunden, weil der Bund bedurftige\nStudierende uber die Regelungen des Bundesausbildungsforderungsgesetzes -\nBAfoG - fordert, um diesen ein Studium zu ermoglichen, das sie sonst nicht\noder nur uber eine erhebliche Erwerbstatigkeit neben dem Studium finanzieren\nkonnen. Denn mit der Erhebung von Studiengebuhren wird weder die\nZweckbestimmung der Fordermittel des Bundes noch der eigentliche Forderzweck\nder Ausbildungsforderung konterkariert. So ist die Ausbildungsforderung des\nBundes nach § 11 Abs. 1 BAfoG pauschaliert zur Deckung des auf den\nLebensunterhalt und die Ausbildung bezogenen Bedarfs eines Studierenden\nbestimmt, wobei die Kosten der Ausbildung allerdings nur die Aufwendungen fur\nLern- und Arbeitsmittel sowie fur Studien- und Familienheimfahrten, nicht\njedoch die Aufwendungen fur Studien- und Einschreibegebuhren umfassen. Dies\nergibt sich aus der Regelung des § 23 Abs. 5 BAfoG, nach der bei der\nBerechnung des zu berucksichtigenden Einkommens eines Auszubildenden zur\nVermeidung einer unbilligen Harte ein weiterer Teil des Einkommens\nanrechnungsfrei gestellt werden kann, soweit er zur Deckung besonderer Kosten\nder Ausbildung erforderlich ist, die nicht durch den Bedarfssatz gedeckt sind,\nwobei die Gesetzesbegrundung hierzu ausdrucklich die Ausgaben fur Schulgelder\noder Studiengebuhren als „besondere Kosten der Ausbildung" bezeichnet (BT-Drs.\n13/4246 S. 22 zu Nr. 19; OVG Berlin, Urt. v. 18.01.2001, NVwZ-RR 2002, 118,\n121). Daruber hinaus gewahrt das Land nach § 7 Abs. 1, 4 und 5 LHGebG jedem\nStudierenden fur die Dauer der Regelstudienzeit seines grundstandigen Studiums\nsowie eines konsekutiven Masterstudiengangs zuzuglich vier weiterer Semester\neinen Darlehensanspruch, uber den die Finanzierung der Studiengebuhren auch\nbei fehlender Leistungsfahigkeit sicherstellt ist, so dass nicht nur eine\nzweckentfremdende Inanspruchnahme der Forderleistungen nach dem BAfoG, sondern\nvor allem auch ausgeschlossen ist, dass die Erhebung von Studiengebuhren bei\ngeforderten Studierenden zu einer der Intention der BAfoG-Forderung\nzuwiderlaufenden zusatzlichen Erwerbstatigkeit des Studierenden oder gar zu\neinem Abbruch des Studiums fuhrt. \n--- \n| 46 \n--- \n| Soweit - wie der Vertreter der Klagerin darlegt - in den Sonderfallen etwa\nder Studienabschlussforderung nach § 15 Abs. 3a BAfoG die Situation eintreten\nkann, dass ein uber das BAfoG geforderter Studierender die Mittel fur die\nStudiengebuhren nicht mehr uber das Darlehen nach § 7 LHGebG vorfinanzieren\nkann, wurde der Zweck dieser BAfoG-Forderung, einen bedurftigen Studierenden\nin der Endphase seines Studiums nicht mit der Notwendigkeit einer den\nAbschluss hindernden Erwerbstatigkeit zu belasten, uber die Erhebung einer\nStudiengebuhr in Hohe von 500 EUR pro Semester ebenfalls nicht in\nmissbrauchlicher Weise konterkariert. Denn zum einen ist die Studiengebuhr\nnicht so hoch, dass sie nicht in zumutbarer Weise auch noch wahrend der\nStudienabschlussphase durch eigene Initiative des Studierenden aufgebracht\nwerden konnte; daruber hinaus kann der Studierende nach § 6 Abs. 3 und 4\nLHGebG einen Antrag Stundung oder Erlass der Gebuhrenforderung nach §§ 21 und\n22 LGebG stellen, wobei im Rahmen der dann zu treffenden Ermessensentscheidung\neine Unmoglichkeit oder Unzumutbarkeit der Mittelaufbringung in der\nStudienabschlussphase ebenso berucksichtigt werden kann und muss, wie die\nZielsetzung der dem Betroffenen gewahrten Studienabschlussforderung nach dem\nBAfoG. Schließlich ist zu berucksichtigen, dass der Bund im Zusammenhang mit\nder Errichtung eines Ausbildungsforderungssystems seinerseits nicht in der\nErwartung geschutzt ist, dass die Lander die Hochschulen stets unentgeltlich\nzur Verfugung stellen. \n--- \n| 47 \n--- \n| Aus dem letztgenannten Grund ist es auch nicht missbrauchlich, wenn der\nLandesgesetzgeber davon ausgeht, dass eine im Zeitpunkt der Studienaufnahme\nabschreckende Wirkung einer bei Beendigung des Studiums drohenden\nDarlehenslast aus dem Staatsdarlehen nach § 17 Abs. 2 BAfoG und dem\nStudiengebuhrendarlehen dann nicht gegeben ist, wenn diese den Betrag von\ninsgesamt 15.000,-- EUR nicht uberschreitet, wahrend sich der\nBundesgesetzgeber im Rahmen der Begrenzung der Ruckzahlungsverpflichtung fur\ndas Darlehen nach § 17 Abs. 2 BAfoG dafur entschieden hat, die maximale\nDarlehenslast mit 10.000,-- EUR zu beziffern. Vielmehr ist dies lediglich\nAusfluss des dem Land im Rahmen seiner Kompetenz eingeraumten\nEinschatzungsspielraums. \n--- \n| 48 \n--- \n| 2\\. Der Erhebung einer Studiengebuhr fur das Lehrangebot in einem\ngrundstandigen Studiengang oder in einem konsekutiven Masterstudiengang an\neiner staatlichen Hochschule und Berufsakademie des Landes verstoßt nicht\ngegen Art. 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 c) des Internationalen Pakt uber\nwirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) vom 19.12.1966 (im\nfolgenden: „Sozialpakt"), wonach die Signatarstaaten in Anerkennung des\n„Rechts eines jeden auf Bildung" dazu verpflichtet sind, „den\nHochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmahliche\nEinfuhrung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen\nFahigkeiten zuganglich zu machen". \n--- \n| 49 \n--- \n| Zwar enthalt diese Regelung einen auch fur den Landesgesetzgeber\nverbindlichen Normbefehl (a), doch ist dieser durch die Erhebung der\nStudiengebuhr in dem Landeshochschulgebuhrengesetz nicht verletzt (b). \n--- \n| 50 \n--- \n| a) Der Sozialpakt wurde nach dessen Unterzeichnung durch die Bundesrepublik\nam 9.10.1968 (BGBl.1973 II, S. 1569), der Zustimmung aller Bundeslander zum\nPaktbeitritt (BT-Drs 7/1093 v. 17.10.1973, S.4), der Verabschiedung des\nZustimmungsgesetzes vom 23.11.1973 (BGBl. 1973 II S.1569) und der\nvorbehaltslosen Ratifikation am 17.12.1973 (BGBl. 1973 II, S.1569) innerhalb\nder Bundesrepublik Deutschland zum 03.01.1976 (BGBl. 1976 II, S.428) im Range\neines Bundesgesetzes in nationales Recht umgesetzt. Da der Pakt in seinem\nArt.28 ausdrucklich auch seine einschrankungslose Geltung fur alle Teile eines\nBundesstaates regelt und mit der Zustimmung der Bundeslander Bundesgesetz\ngeworden ist (Art. 32 und Art. 59 Abs.2 GG i.V.m. Ziff.3 des Lindauer\nAbkommens vom 23./25. Oktober 1957 - 14. November 1957, - ZaÖRV, Bd 20, S 116\nff., Anm 102 = Maunz/Durig/Herzog, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 32 Rn. 45),\nkommt ihm der Rang eines nach Art. 31 GG dem Landesrecht vorgehenden\nBundesgesetzes auch insoweit zu, als der Pakt in der hier einschlagigen\nBestimmung des Art.13 Abs.2 c eine Regelung zur Ausgestaltung und\nEntgeltlichkeit des Hochschulzugangs und damit zu einer Materie enthalt, die\nnach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes den Landern zugewiesen ist. \n--- \n| 51 \n--- \n| Die Verpflichtung des Art. 13 Abs. 2 c), den Hochschulunterricht auf jede\ngeeignete Weise, insbesondere durch allmahliche Einfuhrung der\nUnentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fahigkeiten\nzuganglich zu machen, stellt keinen unverbindlichen Programmsatz im Sinne\neiner „Bemuhensverpflichtung" dar, sondern bindet den Landesgesetzgeber\nunmittelbar zumindest insoweit, als er kein Gesetz zur Einfuhrung von\nStudiengebuhren erlassen darf, das dieser Verpflichtung zuwider lauft. \n--- \n| 52 \n--- \n| So ist die Bestimmung klar und eindeutig als Normbefehl formuliert. Auch\nfordert ihre Beachtung insoweit keine weiteren Umsetzungs- oder\nPrazisierungsakte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Regelung in\nArt. 2 Abs. 1 des Sozialpaktes, nach welcher die Rechtsverwirklichung\nlediglich nach und nach erfolgen solle oder gar aus dem Vorbehalt des Art. 13\nAbs. 2 c), der lediglich die „allmahliche Einfuhrung der Unentgeltlichkeit"\nfordert. Denn diese Vorbehalte zielen ausschließlich auf eine Relativierung\nder Verpflichtung zur progressiven Verwirklichung der Paktrechte, die vor\nallem aus Grunden der fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfahigkeit einer\nVielzahl der Signatarstaaten erforderlich war und ist, wahrend insbesondere\nArt. 4 des Sozialpaktes die Frage regelt, unter welchen Voraussetzungen die\nSignatarstaaten berechtigt sind, einen einmal erreichten Zustand der\nGewahrleistung der Rechte des Sozialpaktes wieder einzuschranken. Neben dem\nWortlaut und der Systematik des Paktes spricht auch dessen\nEntstehungsgeschichte fur die rechtliche Verbindlichkeit der im Sozialpakt\ngewahrleisteten Rechte. Denn der Sozialpakt wurde ebenso wie der -\nzweifelsfrei als rechtsverbindlich anerkannte - Internationale Pakt uber die\nburgerlichen und politischen Rechte aus dem deklaratorischen\nMenschenrechtskatalog der Allgemeinen Erklarung der Menschenrechte vom\n10.12.1948 abgeleitet, in welcher die burgerlichen und politischen Rechte und\ndie wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte gleichberechtigt\nnebeneinander stehen. \n--- \n| 53 \n--- \n| Im Übrigen wird der verbindliche Rechtscharakter des Art. 13 Abs. 2 c) des\nSozialpaktes sowohl vom Land Baden-Wurttemberg als auch von der beklagten\nHochschulen unter Bezugnahme auf das Gutachten von Prof. Riedel vom 28.06.2005\n„Zur Volkerrechtswidrigkeit von Studiengebuhren" (dort S. 1- 8, 32, 33; vgl.\nauch ders./Sollner, JZ 2006, 270, 277) ebenso anerkannt wie in der\nuberwiegenden Literatur (hierzu Pieroth/Hartmann, NWVBl. 2007, 81, 82 m.w.N.;\nausfuhrlich auch Schneider, Die Justiziabilitat wirtschaftlicher, sozialer und\nkultureller Menschenrechte, 2004, S. 10, 32, 39 ff; a.A. etwa Haug, WissR\nBd.33, 2000, S. 1, 7) und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts\nund des Bundesverwaltungsgerichts, in der Art.13 Abs. 2 c) des Sozialpaktes\nohne weitere Problematisierung jeweils als verbindlicher Maßstab fur die\nRechtmaßigkeit der Einfuhrung von Studiengebuhren benannt ist (vgl. BVerfG,\nUrt. v. 26.01.2005, a.a.O.; BVerwG, Urt. v. 25.07.2001, a.a.O. und Urt. v.\n03.12.2003 - 6 C 13/03 -, Buchholz 421.2 HochSchR Nr.160; zustimmend auch VG\nMinden, Urt. v. 26.03.2007, - 9 K 3614/06 -, juris; a. A. VGH Bad.-Wurtt.,\nUrt. v. 06.04.2000 - 2 S 1860/99 -, a.a.O. zur Langzeitstudiengebuhr und\nSchweizerisches Bundesgericht, Urt. v. 11.02.1994 - BGE 120 Ia 1, Erwagung 5d\nzu Studiengebuhren). \n--- \n| 54 \n--- \n| b) Die Erhebung der Studiengebuhren auf der Grundlage des\nLandeshochschulgebuhrengesetzes lauft dem hier als verbindlich anerkannten\nNormbefehl des Art. 13 Abs. 2 c) des Sozialpaktes nicht zuwider. Denn diese\nRegelung verbietet nicht grundsatzlich jede Wiedereinfuhrung von\nStudiengebuhren, sondern steht einer hiermit verbundenen Entgeltlichkeit des\nZugangs zum Hochschulunterricht dann nicht entgegen, wenn das Paktziel der\nSicherung eines gleichen, insbesondere vermogensunabhangigen Zugangs zum\nHochschulunterricht uber begleitende Regelungen in gleicher Weise\ngewahrleistet wird wie im Fall der Unentgeltlichkeit (aa). Dies ist mit dem\ndarlehensfinanzierten Studiengebuhrenmodell des LHGebG sichergestellt (bb).\nDennoch gegebene Einschrankungen sind - soweit sie hier relevant sind - uber\nArt. 4 des Sozialpaktes gerechtfertigt (cc). \n--- \n| 55 \n--- \n| aa) Der normative Gehalt der Verpflichtung des Art. 13 Abs. 2 c) des\nSozialpakts ist nach Art. 31 der im Range eines Bundesgesetzes geltenden\nWiener Vertragsrechtskonvention -WVK - (Wiener Übereinkommen uber das Recht\nder Vertrage - vom 23. Mai 1969, - BGBl 1985 II S. 926 und BGBl 1987 II S.\n757) durch eine Auslegung nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der\ndieser Verpflichtung gewohnlich zukommenden Bedeutung und im Lichte des Zieles\nund Zweckes des Sozialpaktes zu bestimmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.12.2003 - 6\nC 13/03 -, juris = Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr 160). Dabei ist außer dem\nVertragswortlaut samt Praambel auch die anerkannte Übung bei der Anwendung des\nVertrags zu berucksichtigen. Insofern konnen insbesondere die Allgemeinen\nBemerkungen (General Comments) des Ausschusses fur wirtschaftliche, soziale\nund kulturelle Rechte - CESCR - (im Folgenden: „Paktausschuss") sowie seine\nindividuellen Stellungnahmen (Concluding Opinions) zu den von den\nSignatarstaaten periodisch vorzulegenden Staatenberichten zur Verwirklichung\nder wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte als Hilfsmittel der\nAuslegung herangezogen werden (Simma, in: FS f. Zacher, 1998, 867, 876; siehe\ndazu auch die Nachweise in VG Minden, Urt. v. 26.03.2007, UA. S. 17 f.).\nDasselbe gilt fur die Berichte, Kommentare und Stellungnahmen des\nSonderberichterstatters der Vereinten Nationen zum Recht auf Bildung.\nSchließlich kommt fur die Auslegung der Bestimmungen des Paktes auch den\nsogenannten „Limburger Prinzipien" (v. 2.-6.6.1986) und den „Maastricht-\nRichtlinien" (v. 22.-26.1.1997) Bedeutung zu, die von der Internationalen\nJuristenkommission dem Paktausschuss vorgelegt wurden (E/C.12/2000/13 - v.\n02.10.2000) und in denen die ubereinstimmende Rechtsauffassung einer großen\nZahl namhafter internationaler Volkerrechtsexperten zur Auslegung der\neinzelnen Bestimmungen des Paktes ihren Niederschlag gefunden hat. \n--- \n| 56 \n--- \n| Nach Maßgabe dieser Auslegungskriterien kommt die Kammer zu dem Ergebnis,\ndass die in Art. 13 Abs.2 c) des Sozialpaktes enthaltene Verpflichtung, „den\nHochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmahliche\nEinfuhrung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen\nFahigkeiten zuganglich zu machen", nicht auf die Unentgeltlichkeit des\nHochschulunterrichts als solche zielt (so aber Piepenstock, in: FS. f. Stein,\n2002, S. 377, 381 sowie Achelhover, Gutachten zur rechtlichen Zulassigkeit der\nEinfuhrung von Studiengebuhren, Nov. 2005, S. 45), sondern allein die\nSicherung des diskriminierungsfreien gleichen Zugangs zur Hochschulbildung fur\njedermann ohne Rucksicht auf seinen Vermogensstatus bezweckt (so ausdrucklich\nSchweizerisches Bundesgericht, Urt. v. 11.2.1994 - BGE 120 Ia 1, Erwagung 5d\n). Denn wahrend Art. 13 Abs. 2 a) des Sozialpakts die Unentgeltlichkeit fur\nden Grundschulunterricht kategorisch und ohne jeden Zusatz fordert, bezeichnet\nArt. 13 Abs. 2 c des Sozialpakts die „Einfuhrung der Unentgeltlichkeit" nur\nals ein besonders geeignetes Mittel, „durch" welches der\ndiskriminierungsfreie, gleiche Zugang fur jedermann zum Hochschulunterricht\nals der eigentlichen Gewahrleistung der Bestimmung zu ermoglichen ist. Dies\nwird auch dadurch bestatigt, dass der Paktausschuss in seinen Allgemeinen\nBemerkungen zu Art. 13 (E/C.12/1999/10, Dez. 1999, Ziff. 6 b) iii und 17) die\nwirtschaftliche Zuganglichkeit als den allgemeinen Gehalt dieses Paktrechts\nbezeichnet. \n--- \n| 57 \n--- \n| Ist die Einfuhrung (oder Aufrechterhaltung) der Unentgeltlichkeit des\nHochschulunterrichts somit nicht zwingend gefordert, ergibt sich jedoch aus\nder in Art. 2 des Sozialpaktes enthaltenen Verpflichtung der Signatarstaaten,\nnach und nach mit allen geeigneten Mitteln die volle Verwirklichung der in\ndiesem Pakt anerkannten Rechte zu erreichen und zu gewahrleisten, dass die in\ndiesem Pakt verburgten Rechte ohne Diskriminierung unter anderem hinsichtlich\nder sozialen Herkunft, des Vermogens, oder des sonstigen Status ausgeubt\nwerden, dass - außerhalb der in Art. 4 des Paktes geregelten Moglichkeiten\neiner Einschrankung der im Pakt gewahrleisteten Rechte - eine Regelung zur\nWiedereinfuhrung der Entgeltlichkeit des Hochschulunterrichts nur dann\nzulassig ist, wenn sichergestellt ist, dass die freie Zuganglichkeit des\nHochschulunterrichts fur alle ungeachtet ihrer Vermogens- und\nEinkommenssituation genau so wenig eingeschrankt, behindert oder gar reduziert\nwird wie zuvor (so auch Riedel, Gutachten zur Volkerrechtswidrigkeit von\nStudiengebuhren, S. 20 sowie Pieroth/Hartmann, NWVBl. 2007, 81, 82 und\nRiedel/Sollner, JZ 2006, 270, 273 jeweils m. w. N.; VG Minden, Urt. Urt. v.\n26.03.2007, UA. S. 23). Dabei ist den Signatarstaaten hinsichtlich der Frage,\nmit welchen Mitteln sie die notwendige sozialvertragliche Ausgestaltung der\nEntgeltlichkeit des Hochschulunterrichts umsetzen mochten, ein Beurteilungs-\nund Gestaltungsspielraum eingeraumt (vgl. Simma, in: FS f. Lerche, 1993, S.\n83, 87; vgl. auch Ziff.6 der Limburger Prinzipien „There is no single road to\ntheir full realization" und Ziff.8 der Maastrichter Richtlinien „States enjoy\na margin of discretion in selecting means for implementing their respective\nburdens"). \n--- \n| 58 \n--- \n| bb) Das dem Landeshochschulgebuhrengesetz zugrunde liegende Modell der\ndarlehensfinanzierten Studiengebuhren wird der Anforderung der Gewahrleistung\neines der Unentgeltlichkeit des Hochschulunterrichts entsprechenden\ndiskriminierungsfreien Zugangs zu den Hochschulen gerecht. \n--- \n| 59 \n--- \n| aaa) Soweit einem Studienbewerber oder einem Studierenden nach § 7 LHGebG\nein Anspruch gegen die Landeskreditbank Baden-Wurttemberg (L-Bank) auf\nGewahrung eines privatrechtlichen Darlehens zur Finanzierung der in Baden-\nWurttemberg nach dem LHGebG erhobenen Studiengebuhren eingeraumt ist, ist dem\nErfordernis der Sicherstellung eines - einer Unentgeltlichkeit des\nHochschulunterrichts entsprechenden - diskriminierungsfreien Zugangs zum\nHochschulunterricht genugt. Denn die Gewahrung des Darlehens erfolgt gemaß § 7\nAbs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 Nr. 3 LHGebG ausdrucklich ohne Bonitatsprufung und\nohne Erfordernis einer Sicherheit des Darlehensnehmers fur diesen Kredit, so\ndass jeder Studienbewerber oder Studierende die ihn treffende\nStudiengebuhrenpflicht ohne Rucksicht auf seine aktuelle wirtschaftliche\nLeistungsfahigkeit oder seinen sonstigen Besitzstand erfullen und so den\nZugang zum Hochschulunterricht ohne soziale Diskriminierung erreichen kann. \n--- \n| 60 \n--- \n| Der Umstand, dass die Studienbewerber und Studierenden, die aus Grunden der\naktuell bestehenden fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfahigkeit das\nStudiengebuhrendarlehen in Anspruch genommen haben, zu einem spateren\nZeitpunkt zur Ruckzahlung des Darlehens verpflichtet sind, ist in Bezug auf\ndie Gewahrleistung des diskriminierungsfreien Zugangs zum Hochschulunterricht\nunerheblich. Denn diese Ruckzahlungsverpflichtung entsteht nach der Regelung\ndes § 7 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 Nr. 6 LHGebG erst zwei Jahre nach Ablauf der\nDarlehensberechtigung und somit zu einem Zeitpunkt, zu dem das Land\ngrundsatzlich davon ausgehen kann, dass der Darlehensnehmer ein\nHochschulstudium abgeschlossen hat oder in zumutbarer Weise abschließen\nkonnte. Insofern kann der Gewahrleistung des diskriminierungsfreien Zugangs\nzum Hochschulunterricht in Art. 13 Abs. 2 c) des Sozialpakts - anders als dies\netwa zur Schulgeldfreiheit in der Hessischen Landesverfassung vertreten wird\n(vgl. dazu Schmehl, NVwZ 2006, 883, 887 f.) - nicht das Erfordernis entnommen\nwerden, dass der Studierende die Gebuhr stets aus im Zeitpunkt des\nHochschulzugangs prasenten eigenen Mitteln begleichen konnen muss. \n--- \n| 61 \n--- \n| Dem entspricht es, dass der Paktausschuss in seinen Bemerkungen zu\nverschiedenen Staatenberichten zur Wiedereinfuhrung von Studiengebuhren die\nVorfinanzierung dieser Gebuhren uber ein Darlehen als grundsatzlich geeignetes\nMittel zur Freihaltung des Zugangs zum Hochschulunterricht anempfiehlt bzw.\nakzeptiert hat. So enthalt die Bemerkung des Paktausschusses zum\nStaatenbericht Österreichs (E/C.12/AUT/CO/3 v. 25.01.2006) in den Ziffern 17\nund 31 die dringende Empfehlung mit „allen angemessenen Mitteln, insbesondere\ndurch ein umfassendes System adaquater Studienbeihilfen (study grants)" sicher\nzu stellen, dass die Bewerber aus Familien mit geringem Einkommen den gleichen\nZugang haben wie Bewerber aus Familien mit hohen Einkommen. In den Bemerkungen\nzum Staatenbericht Trinidad und Tobagos (E/1989/22 Ziff. 305, 306) wird die\nMoglichkeit als ausreichend angesehen, dass die Studierenden zur Begleichung\nder neu eingefuhrten Studiengebuhr (university tax) ein Bankdarlehen mit\nniedrigen Zinsen erhalten, das sie nach Abschluss ihrer Studien zuruckzahlen.\nEine grundsatzliche Anerkennung als geeignetes Mittel zur Kompensierung der in\nder Entgeltlichkeit liegenden Diskriminierung von Personen aus\neinkommensschwachen Schichten beim Hochschulzugang findet sich auch in den\nBemerkungen zu den Landerberichten zur Wiedereinfuhrung von Studiengebuhren in\nGroßbritannien (E/C.12/1/Add.79 v. 5.6.2002, Ziff. 22 und 41) und in Kanada\n(E/C.12/1/ Add.31 v. 4.12.1998 Ziff. 39 sowie E/C.12/CAN/CO/4 v. 22.5.2006 -\nZiff. 31 und 65). Dies beruht auf der zutreffenden Erwagung, dass eine\nnachgelagerte Ruckzahlungspflicht den Betroffenen erst dann trifft, wenn er\naufgrund der gewahrten Hochschulausbildung nicht mehr zu der\neinkommensschwachen Bevolkerungsgruppe gehort, deren Schutz das\nDiskriminierungsverbot in Art. 13 Abs. 2 c) des Sozialpaktes bezweckt. \n--- \n| 62 \n--- \n| Der Gesetzgeber geht - ohne dass das Gericht dies beanstanden konnte - zu\nRecht davon aus, dass die mit der darlehensgestutzten Vorfinanzierung der\nStudiengebuhr verbundene spatere Ruckzahlungsverpflichtung auch nicht geeignet\nist, (aktuell) wirtschaftlich nicht leistungsfahige Studienbewerber oder\nStudierende in relevanter Weise von der Aufnahme eines Studiums oder der\nFortsetzung desselben abzuhalten, so dass - verglichen mit der hier ersetzten\nfruheren Regelung der Unentgeltlichkeit - auch insoweit keine relevante\nVerschlechterung der Moglichkeiten des Hochschulzugangs gegeben ist. \n--- \n| 63 \n--- \n| Dies gilt auch unter Berucksichtigung, dass in Art. 13 Abs. 2 c) des\nSozialpaktes uber die Hervorhebung der progressiv einzufuhrenden\nUnentgeltlichkeit als eines der besonders geeigneten Mittel zur Beseitigung\nwirtschaftlicher Zugangsbarrieren eine widerlegliche Vermutung dafur begrundet\nist, dass die Wiedereinfuhrung der Entgeltlichkeit des Hochschulunterrichts\ngrundsatzlich eine wirtschaftliche Zugangshurde errichtet (hierzu und zur\nDarlegungspflicht vgl. Ziff.45 der Allgemeinen Bemerkungen des Paktausschusses\nzu Art.13, - E/C.12/1999/10, Dez.1999, zu Art.13 „burden to proof" sowie\nausfuhrlich Coonmans, in: Chapman/Russel (Hrsg.), Core Obligations: Building a\nFramework for Economic, Social and Cultural Rights, 2002, S. 217, 239 f). Denn\ndas Land hat - ungeachtet der ihm eingeraumten Freiheit bei der Wahl der\nMittel - seiner Darlegungspflicht genugt und in hinreichender und\nuberzeugender Weise unter Bezug auf die gesetzlichen Regelungen und die hierzu\nvorgesehene Verwaltungspraxis erlautert, warum auch das Entstehen einer\nDarlehensschuld zwei Jahre nach Auslaufen der Darlehensbezugsberechtigung in\nihrer konkreten Ausgestaltung nicht dazu fuhrt, dass fur wirtschaftlich nicht\nleistungsfahige Studienbewerber oder Studierende schlechtere\nZugangsmoglichkeiten zu den Hochschulen bestehen, als dies zu Zeiten der\nUnentgeltlichkeit des Hochschulunterrichts der Fall war. \n--- \n| 64 \n--- \n| Entgegen der Auffassung des Vertreters der Klagerin muss das Fehlen der\nAbschreckungswirkung nicht vorrangig uber statistische Erhebungen dazu\ndargelegt werden, dass sich die Gruppe der Studienbewerber und Studierenden\nohne wirtschaftliche Leistungsfahigkeit auch nach der Einfuhrung der\nStudiengebuhren nicht verkleinern wird bzw. verkleinert hat. Denn eine solche\nsozialwissenschaftliche Studie lasst sich im Vorfeld der Einfuhrung des\nStudiengebuhrenmodells kaum erstellen. Auch durften die ersten Zahlen zur\nEntwicklung der Zahl der Studierenden nach Einfuhrung der allgemeinen\nStudiengebuhrenpflicht - wie sie die Beklagte und die anderen in der\nmundlichen Verhandlung vertretenen Hochschulen dargelegt haben - regelmaßig\nnur wenig aussagekraftig sein. So haben die beteiligten Hochschulen in der\nmundlichen Verhandlung uberzeugend ausgefuhrt, dass es nicht nur aufgrund\neines moglichen Informationsdefizits, eines rechtlich unerheblichen\nBereinigungseffekts in Bezug auf nur pro forma eingeschriebene Studierende\noder aber einer angepassten Praxis zur Beurlaubung oder der Ruckmeldung auch\nfur das Examenssemester zu kurzfristigen untypischen Auswirkungen auf das\nImmatrikulations- und Ruckmeldeverhalten der Studierenden kommen kann, sondern\ndass auch die - von der Einfuhrung der Studiengebuhren unabhangige -\nUmstellung einer Vielzahl von Studien- und Prufungsordnungen auf Bachelor- und\nMasterabschlusse die Zahl der Erstimmatrikulationen im Sommersemester 2007\nerheblich beeinflusst hat. Dementsprechend hat auch die damalige UN-\nSonderberichterstatterin zum Recht auf Bildung in ihrem Bericht zu\nGroßbritannien (E/CN.4/2000/6/Add.2 v. 9.12.1999 - Ziff. 65 -69) betont, dass\nstatistische Zahlen, die in der ersten Zeit nach Einfuhrung der\nStudiengebuhren erhoben seien, nur vorlaufig sein konnten. \n--- \n| 65 \n--- \n| Die Frage des Bestehens oder Fehlens relevanter Abschreckungseffekte des\nDarlehensmodells ist vielmehr auf der Grundlage einer objektiven Analyse der\nRegelungen zur Darlehensgewahrung und zu den Modalitaten seiner Ruckzahlung zu\nbeantworten. Dabei ist auf den durchschnittlichen Studienbewerber oder\nStudierenden mit niedrigem oder fehlenden Einkommen abzustellen. Dies\nentspricht der zitierten Spruchpraxis des Paktausschuss zur Problematik von\nStudiengebuhren, wenn er etwa bei seiner Analyse der Situation in Sudkorea\n(E/C.12/1995/3 v. 7.6.1995, Ziff.13) in den Blick nimmt, ob eine „begrundete\nWahrscheinlichkeit (…)besteht", dass Gebuhren(erhohungen) Kinder aus\neinkommensschwachen Familien „gezwungenermaßen aus dem System der\nHochschulbildung drangen" und in Bezug auf Kanada (E/C.12/1/Add. 31 v.\n4.12.1998 Ziff. 39) darauf abhebt, ob es den wirtschaftlich bedurftigen\nStudierwilligen „sehr schwierig gemacht" werde, die Hochschule zu besuchen. \n--- \n| 66 \n--- \n| Bei der typisierenden Betrachtung ist einerseits in den Blick zu nehmen,\ndass der Studienbewerber oder Studierende aufgrund seiner Hochschulreife\ngrundsatzlich in der Lage ist, den Wert einer Hochschulbildung mit Blick auf\ndie dadurch im Regelfall verbesserten kunftigen Erwerbs- und Einkommenschancen\nund den Bildungszuwachs einzuschatzen (vgl. auch BVerfG, Beschl. v.\n14.10.1997, BVerfGE 96, 330 = NJW 1998, 973 zur verfassungsrechtlichen\nZulassigkeit der Umstellung des BAFoG auf Volldarlehen), andererseits darf\naber auch nicht vernachlassigt werden, dass dieser durch die Herkunft aus\neiner einkommensschwachen Schicht eine soziale Pragung erfahren haben kann,\ndie der Aufnahme eines Hochschulstudiums eher entgegen wirkt. In diesem Sinne\nhaben auch der Paktausschuss sowie der UN-Sonderberichterstatter zur Bildung\n(etwa in dessen Bericht zu Großbritannien - E/CN.4/2000/6/Add. 2 v. 9.12.1999\n- Ziff. 65 - 69) bei der Beurteilung der Wiedereinfuhrung von Studiengebuhren\nregelmaßig ein besonderes Augenmerk darauf gerichtet, ob - wie dies in\nDeutschland unzweifelhaft der Fall ist (vgl. im Einzelnen die 18.\nSozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, Juni 2007) - im Zusammenhang mit\ndem Hochschulzugang von Angehorigen aus einkommensschwachen Schichten eine\nsoziale Schieflage besteht, die keinesfalls weiter verfestigt werden durfe. \n--- \n| 67 \n--- \n| Der im Einzelfall moglicherweise schlecht informierte, ubervorsichtige oder\ngar generell zuruckhaltend angstliche bzw. pessimistische Studierwillige,\nhingegen, ist bei der Beurteilung des Abschreckungseffekts der uber die\ndarlehensgestutzte Vorfinanzierung der Studiengebuhren auflaufenden Schulden\nebenso wenig relevant, wie die Gruppe der Studierenden, die ihr\nHochschulstudium ohne Ziel eines (berufsqualifizierenden) Abschlusses aus\nwirtschaftlichen und sozialen Erwagungen heraus vorrangig zur Überbruckung\neiner in Bezug auf eine andere Lebensplanung gegebenen Wartezeit aufnehmen\noder fortfuhren. Dies entspricht dem Charakter des Art. 13 Abs. 2 c) als eines\nRechts, das vorrangig auf die Gewahrleistung der Erlangung einer beruflichen\nQualifikation bezogen ist und den Besuch des Hochschulunterrichts nicht als\nSelbstzweck verburgt (vgl. insoweit Ziff. 1 der Allgemeinen Bemerkung des\nPaktausschusses zu Art. 13 des Sozialpaktes, nach welcher die Bildung das\nHauptmittel darstellt, durch das sich wirtschaftlich und sozial\nUnterprivilegierte aus der Armut befreien und die fur die volle Teilnahme am\nGemeinschaftsleben erforderlichen Mittel erwerben konnen). \n--- \n| 68 \n--- \n| Die Kammer ist der Überzeugung, dass der nach dem Vorstehenden in den Blick\nzu nehmende durchschnittliche Studienbewerber oder Studierende ohne eigene\nfinanzielle Mittel, der ein Hochschulstudium mit dem Ziel aufnehmen oder\nfortfuhren mochte, einen berufsqualifizierenden Abschluss zu erlangen, auch\nunter Berucksichtigung hierbei moglicherweise bestehender sozialer Hemmnisse,\nnicht durch die mit der Vorfinanzierung der Studiengebuhren uber das\nStudiendarlehen notwendigerweise verbundene spatere Ruckzahlungslast von der\nAufnahme oder Fortfuhrung des Studiums abgeschreckt wird. Denn ein bedurftiger\nStudienbewerber oder Studierender kann zum einen bereits bei Aufnahme seines\nStudiums realistisch abschatzen, welche maximale Darlehenslast einschließlich\nanfallender Zinsen auf ihn zukommen kann. Zum anderen sind die\nDarlehensbedingungen so ausgestaltet, dass keine Belastung eintritt, die nicht\nim Rahmen eines Erwerbslebens sinnvoll und in angemessener Zeit abgetragen\nwerden kann und zu dem Wert des angestrebten akademischen Berufsabschlusses\naußer Verhaltnis steht. Auch besteht selbst im ungunstigsten Fall einer - auch\nim Anschluss an die Hochschulausbildung bestehenden - dauernden\nwirtschaftlichen Leistungsunfahigkeit keine Gefahr, aufgrund der\nDarlehensschuld oder der damit verbundenen Zinslast in einer Überschuldung zu\nenden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Studiengebuhrenschuld\neinschließlich der anfallenden Zinslasten den Betrag von wenigen\nMonatsgehaltern eines durchschnittlich verdienenden Akademikers nicht\nubersteigt. \n--- \n| 69 \n--- \n| Bei einer maximalen Bezugsdauer des Studiendarlehens fur ein Studium, das\nsowohl ein grundstandiges Studium als auch einen konsekutiven\nMasterstudiengang beinhaltet und neben der maximalen Regelstudienzeit fur ein\nsolches Studium von 10 Semestern (§ 29 Abs. 4 LHG) noch vier weitere Semester\nzur Abfederung von anderweitigen Studienverzogerungen umfasst, belauft sich\ndie Darlehensschuld auf 7.000 Euro. Bei einem Zinssatz von zur Zeit etwas mehr\nals 7 % ist bei Eintritt der Falligkeit zwei Jahre nach dem Auslaufen der\nBezugsdauer noch eine bis dahin aufgelaufene Zinsschuld von knapp 2.800 Euro\nhinzuzurechnen. Bei einer allein an der Regelstudienzeit von 10 Semestern\norientierten Studiendauer belauft sich die Darlehensschuld auf 5.000 Euro und\ndie bis zum Ablauf der Karenzzeit angefallene Zinsschuld auf ca. 1700 Euro.\nInsgesamt stellt sich die Gesamtschuld im Zeitpunkt der - dem Ablauf der\nKarenzzeit regelmaßig entsprechenden - ersten Festigung der Berufstatigkeit\ndes Studierenden mit einem Betrag in Hohe von maximal ca. 10.000 Euro, im\nRegelfall jedoch eher in Hohe von knapp 7.000 Euro als noch uberschaubar und\nvor allem auch innerhalb einer angemessenen Frist der Berufstatigkeit\nzuruckzahlbar dar. Insofern ergibt sich aus der von der Beklagten vorgelegten\nBerechnung, dass das Darlehen fur ein 14semestriges Studium bei einer der\nRegelung des § 7 Abs. 1 i.v.m. § 9 Abs. 2 Nr 5 LHGebG entsprechenden\nTilgungsrate von 100 Euro rechnerisch nach einer Zeit von 8 Jahren mit einem\nzusatzlichen Zinsaufwand wahrend der Tilgungsphase von ca. 2.500 Euro\nvollstandig zuruckbezahlt ist. Fur ein Darlehen bei 10semestriger Studiendauer\nergibt sich bei gleichen Umstanden eine Tilgungsdauer von 6 Jahren mit einer\nzusatzlichen Zinsschuld wahrend der Tilgungszeit in Hohe von ca. 1.400 Euro.\nDabei ist zu berucksichtigen, dass das Darlehen nach der Festlegung des § 7\nAbs. 1 i.V.m. 9 Abs. 2 Nr. 4 LHGebG jederzeit ganz oder teilweise auf Antrag\ninnerhalb einer Frist getilgt werden kann, so dass ein Darlehensschuldner bei\nentsprechend hoherer Leistungsfahigkeit die insgesamt zu begleichende Schuld\nuber die in diesem Fall reduzierte Zinsbelastung nochmals erheblich minimieren\nkann. So ergibt sich etwa bei einem 14semestrigen Studium bei einer Tilgung\nvon monatlich 150 Euro wahrend der dann auf 5 Jahre verkurzten Tilgungsphase\nnur noch eine zusatzliche Zinsbelastung von ca. 1.400 Euro und bei einem\n10semestrigen Studium unter gleichen Bedingungen eine solche von knapp 1.000\nEuro. Sofern bei einer Tilgungsrate von nur 50 Euro im Monat wahrend der dann\nbei einem 14semestrigen Studium auf 27 Jahre und bei einem 10semestrigen\nStudium auf 13 Jahre verlangerten Tilgungsphase deutlich hohere zusatzliche\nZinsbelastungen von ca. 9.000 Euro bzw. 2.800 Euro entstehen (insofern ist in\ndie von der Beklagten fur das 14semestrige Studium genannte Zahl von 24.000\nEuro - wohl versehentlich - eine 30jahrige Tilgungsaussetzung eingerechnet\nworden), ist die hierin liegende Mehrbelastung wirtschaftlich in der nur noch\nsehr geringen Monatsbelastung bzw. der langen Tilgungsphase begrundet. \n--- \n| 70 \n--- \n| Abgesehen von der reinen Entwicklung des Darlehens ist zur Bewertung der am\nEnde des Studiums aufgrund der Studiengebuhren auflaufenden Darlehensschuld\nals uberschaubar und angemessen vor allem aber in den Blick zu nehmen, dass\nein bedurftiger Studienbewerber oder Studierende regelmaßig wahrend seines\nStudiums auch uber die Leistungen nach dem Bundesausbildungsforderungsgesetz\ngefordert wird. Immerhin erhalten - nach Darlegung der Beklagten - ca. 25 %\naller Studierenden in Baden-Wurttemberg Forderleistungen nach dem BAfoG, wobei\nwiederum knapp 30 % der BAfoG-Empfanger in die Vollforderung fallen.\nDemgegenuber haben im Sommersemester 2007 nur 2,5 % der Studierenden das\nDarlehen in Anspruch genommen, so dass davon ausgegangen werden kann, dass der\nweitaus uberwiegende Teil der Darlehensempfanger sogar in die BAfoG-\nVollforderung fallt. Da BAfoG-Empfanger gemaß §§ 17 Abs. 2 BAfoG verpflichtet\nsind, die ihnen gewahrte Ausbildungsforderung zur Halfte bis zu einem\nGesamtbetrag von 10.000 Euro zuruckzuzahlen, stehen diese Studierenden\nzusatzlich zu ihrer Studiengebuhrenschuld nach Beendigung ihrer\nHochschulausbildung noch einer weiteren Darlehensschuld gegenuber, die im\nRahmen der Frage nach einem moglichen Abschreckungseffekt der auflaufenden\nDarlehensschuld zur Vorfinanzierung der Studiengebuhren als Faktum zu\nberucksichtigen ist. Allerdings hat der Gesetzgeber der Problematik dieser\nweiteren Darlehensschuld uber § 9 Abs. 4 und 6 LHGebG insoweit Rechnung\ngetragen, dass der Darlehensnehmer auf einen entsprechenden, binnen eines\nJahres nach Ablauf der Karenzzeit zu stellenden Antrag hin, einen Anspruch\ngegen den Studienfonds hat, dass ihm die Studiengebuhrenschuld zuzuglich der\nZinsen insoweit erlassen wird, als diese gemeinsam mit den bestehenden\nSchulden aus dem BAfoG-Darlehen den Gesamtbetrag von 15.000 Euro ubersteigt.\nDieser Anspruch beinhaltet, dass der Studienfonds seinerseits gegenuber der\ndas Darlehen gewahrenden Bank nach § 9 Abs. 5 Satz 3 LHGebG die hierfur\nnotwendige Abtretung gegen Bezahlung des entsprechenden Darlehensanteils\nverlangt, wobei der Gesetzgeber uber die Sanktionsregelung des § 9 Abs. 5 Satz\n4 LHGebG zum Verlust des Zinssicherungsanspruchs der Bank in hinreichender\nWeise auch sichergestellt hat, dass die Darlehensbank dem Abtretungsverlangen\ndes Studienfonds auch nachkommt. Da das Ministerium fur Wissenschaft,\nForschung und Kunst auch eindeutig erklart hat, dass die Kappungsregelung des\n§ 9 Abs. 4 und 6 LHGebG - und sei es uber entsprechende Weisungen im Wege der\nnach § 9 Abs. 7 Satz 4 eingeraumten Fachaufsicht - so anzuwenden ist, dass die\nnach § 9 Abs. 4 LHGebG zu berechnende Gesamtschuld den Betrag von 15.000 Euro\nauch nicht insoweit ubersteigt, als wahrend der Tilgungszeit Zinsen auflaufen,\nkann jeder Studierende, der wahrend seines Studiums Leistungen nach dem BAfoG\nempfangt und die Studiengebuhren uber ein Darlehen finanzieren muss, sicher\ndavon ausgehen, dass die ihn treffende Gesamtbelastung aus den beiden\nDarlehen, die sein Studium finanzieren, einschließlich der Zinsbelastung aus\ndem Studiengebuhrendarlehen den Betrag von 15.000 Euro nicht ubersteigt. Fur\nden Empfanger einer Vollforderung nach dem BAfoG hat dies zur Folge, dass\nseine eigentliche Studiengebuhrenschuld auf maximal 5.000 Euro begrenzt ist,\ner das Darlehen somit fur ein 10semestriges Studium faktisch zinslos erhalt. \n--- \n| 71 \n--- \n| Neben dieser - fur den weit uberwiegenden Teil der bedurftigen Studierenden\ngegebenen - absoluten Obergrenze der Darlehensbelastung, die im Zusammenhang\nmit der Aufnahme eines Studiums entstehen, ist weiter zu berucksichtigen, dass\ndie Bedingungen fur die Ruckzahlung des Studiengebuhrendarlehens im\nLandeshochschulgebuhrengesetz so ausgestaltet sind, dass kein Studienbewerber\noder Studierender befurchten muss, in dem Fall einer nach Abschluss der\nHochschulausbildung ausbleibenden oder nur gering verguteten Erwerbstatigkeit\nin Bezug auf das Studiengebuhrendarlehen in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu\ngeraten. Denn zunachst ist der Darlehensvertrag nach §§ 7 Abs. 1, 9 Abs. 2 Nr.\n7 LHGebG so ausgestaltet, dass er dem Darlehensnehmer die Moglichkeit einer\nzinslosen Stundung des Ruckzahlungsanspruchs gewahrt, wenn sein monatliches\nNettoeinkommen den in § 18a Abs. 1 Satz 1 bis 3 BAfoG festgelegten\nMindestbetrag fur die Verpflichtung zur Ruckzahlung des BAfoG-Darlehens (960\nEuro + 480 Euro fur einen Ehegatten + 435 Euro fur jedes Kind des\nDarlehensnehmers) zuzuglich weiterer 100 Euro nicht ubersteigt. Daruber hinaus\nsieht das Gesetz in § 9 Abs. 3 und 5 LHGebG vor, dass der Studienfonds bei\neinem langer dauernden Zahlungsverzug (mindestens sechs Monate mit zwei\nMahnungen), bei eintretender Zahlungsunfahigkeit oder aber bei einer mehr als\nein Jahr dauernden Stundung des Ruckzahlungsanspruchs auf Antrag des\nKreditinstituts die Darlehensforderung Zug um Zug gegen Abtretung der\nAnspruche gegen den Darlehensnehmer bezahlt. Über die Regelung des § 9 Abs. 6\nSatz 1 LHGebG in Verbindung mit § 59 Abs. 1 und 105 LHO hat er dann die\nMoglichkeit, in entsprechenden Hartefallen die Darlehensschuld ganz oder\nteilweise zu stunden, niederzuschlagen oder zu erlassen, wobei die\nentsprechende Praxis (auch) an den Anforderung zu messen ist, dass eine\nabschreckende Wirkung von einer sich aufbauenden Darlehenslast auf einen\ndurchschnittlichen bedurftigen Studienbewerber oder Studierenden nicht\nausgehen darf. \n--- \n| 72 \n--- \n| Über die hier dargestellte Kappungsregelung und die Moglichkeit der Stundung\nund des Erlasses nach § 9 Abs. 6 LHGebG i.V.m. §§ 59, 105 LHO ist die\nfestgestellte fehlende objektive Abschreckungswirkung des\nStudiengebuhrendarlehens und damit auch die Vereinbarkeit des LHGebG mit den\nAnforderungen des Art. 13 Abs. 2 c) des Sozialpakts auch fur den Fall sicher\ngestellt, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen etwa in Bezug auf\ndie Darlehenszinsen zu Ungunsten der Studierenden andern. Sollten sich die\ninsgesamt maßgeblichen Umstande daruber hinaus derart andern, dass das\nbestehende gesetzliche Instrumentarium nicht mehr ausreicht, den\ndiskriminierungsfreien Zugang zu den Hochschulen in der erforderlichen Weise\nzu gewahrleisten, ist das Land zur Vermeidung einer dann eintretenden\nRechtswidrigkeit seiner Regelungen gemaß Art. 13 Abs. 2 c) des Sozialpaktes\nzur Nachbesserung verpflichtet (vgl. VG Minden, a.a.O.). Der hiermit\nverbundenen und unmittelbar aus Art. 13 Abs. 2 c des Sozialpakts abgeleiteten\nVerpflichtung zur Sicherung dieser Gewahrleistung, auch in der Zukunft\nVorkehrungen und Mechanismen einzufuhren, wie etwa die Festlegung von\nIndikatoren oder Zielgroßen (benchmarks), mittels derer sich der Fortschritt\nder Verwirklichung des Rechts auf Bildung bzw. die Auswirkungen einer\ngetroffenen Regelung genau uberwachen lasst (vgl. Ziff. 52 S. 2 sowie Ziff. 37\nder Allgemeinen Bemerkungen des Paktausschusses zu Art.13; Riedel, Gutachten\nzur Volkerrechtswidrigkeit von Studiengebuhren, 28.06.2005, S. 21, 22; zur\nAnforderung statistischer Daten durch den Paktausschuss im Einzelfall\nE/C.212/1/Add.50 v. 1.9.2000 Ziff. 36; vgl. auch die allgemeine\nBerichtspflicht nach Art. 16 des Sozialpakts) ist das Land mit der Einrichtung\neines unabhangigen 17-kopfigen Monitoringbeirates zur Beobachtung der sozialen\nAuswirkungen der Wiedereinfuhrung der Studiengebuhren zum 07.06.2006 (siehe\nKlageerwiderung v.05.06.2007 - S. 10 f.) in ausreichendem Maße nachgekommen;\neiner speziellen Verankerung des Monitoringbeirats in der gesetzlichen\nRegelung des Landeshochschulgebuhrengesetzes bedurfte es nicht, da dem Land\nbei der Entscheidung, wie es seiner volkerrechtlichen Überwachungspflicht\nnachkommt, ein weiter organisatorischer Gestaltungsspielraum zukommt. \n--- \n| 73 \n--- \n| bbb) Sofern ein bedurftiger Studierender nach Ablauf der\nDarlehensbezugsdauer keinen Anspruch mehr hat, dass die ihn treffenden\nStudiengebuhren uber die L-Bank vorfinanziert werden, ist eine Benachteiligung\ngegenuber wirtschaftlich leistungsfahigen Studierenden gegeben, die im Verbund\nmit anderen Umstanden in extremen Ausnahmefallen sogar zur Beendigung des\nHochschulstudiums des bedurftigen Studierenden fuhren kann. \n--- \n| 74 \n--- \n| Dennoch ist dieses Ergebnis in Hinblick auf die Verpflichtung des Landes aus\nArt. 13 Abs. 2 c) des Sozialpaktes nicht zu beanstanden. \n--- \n| 75 \n--- \n| Denn in Baden-Wurttemberg wurden bereits seit dem Wintersemester 1998/99 auf\nder Grundlage des damaligen Landeshochschulgebuhrengesetzes vom 05.05.1997\n(GBl. S. 175) nach Ablauf einer gebuhrenfreien Regelstudienzeit zuzuglich vier\nweiterer Semester Langzeitstudiengebuhren erhoben, deren Bezahlung ebenfalls\nnicht durch einen gesetzlich gewahrten Darlehensanspruch gesichert war (zur\nRechtmaßigkeit dieser Beschrankung auch in Hinblick auf Art. 13 Abs. 2 c) des\nSozialpakts vgl. VG Freiburg, Urt. v. 24.03.1999 - 1 K 2488/98 -, WissR 1999,\n274 sowie - wenn auch mit jeweils anderer Begrundung VGH Bad.-Wurtt., Urt. v.\n06.04.2000, a.a.O. und BVerwG, Urt. v. 25.07.2001, a.a.O.), so dass in der\nBegrenzung des Darlehensanspruchs in § 7 Abs. 4 LHGebG auf den Zeitraum der\ndamaligen Gebuhrenfreiheit materiell keine Verschlechterung der Situation\nliegt, wie sie bereits seit 1998 fur Studierende in Baden-Wurttemberg gegeben\nwar. \n--- \n| 76 \n--- \n| Vor allem aber ist diese mit der Begrenzung des Darlehensanspruchs gegebene\nechte Einschrankung des Rechts aus Art. 13 Abs. 2 c) des Sozialpaktes nach\nArt. 4 des Sozialpaktes und unter Beachtung der Grenzen des Art. 5 des\nSozialpaktes gerechtfertigt (zu der Moglichkeit einer Einschrankung nach Art.\n4 des Sozialpaktes vgl. auch BVerwG, Urt. v. 25.07.2001, a.a.O. sowie Urt. v.\n03.12.2003, a.a.O.), da sie auf gesetzlicher Grundlage ergangen ist, zu einem\nzielstrebigen und straffen Studium anreizen soll und wegen der damit\nerreichbaren effizienteren Nutzung der Hochschulen der Forderung des\nAllgemeinwohls in einer demokratischen Gesellschaft dient. Da der Pakt nach\nseinem Sinn und Zweck einen Anspruch auf Zugang zur Hochschulbildung nicht um\nseiner selbst willen sichern will, sondern auf die Vermittlung der Moglichkeit\neiner akademisch gepragten Berufstatigkeit bezogen ist, ist die Begrenzung des\nDarlehensanspruchs auf die Dauer eines angemessenen Studiums auch mit der\nNatur des Rechts aus Art. 13 Abs. 2 c) des Sozialpaktes vereinbar. \n--- \n| 77 \n--- \n| Im Normalfall ist es jedem - nach § 7 Abs. 2 LHGebG anspruchsberechtigten -\nStudierenden moglich, sein Studium auch unter Berucksichtigung gegebenenfalls\neintretender Schwierigkeiten zu Ende zu fuhren. Denn die Dauer der\nDarlehensberechtigung erstreckt sich nicht nur auf die Regelstudienzeit des\ngewahlten Studiums, sondern umfasst noch den Zeitraum vier weiterer Semester\n(§ 6 Abs. 1 Nr. 1 und 3 LHGebG). Daruber hinaus fuhren die Erziehung eines\nKindes bis zum Alter von acht Jahren oder eine hinreichend schwere Behinderung\nzu einer Befreiung von der Gebuhrenpflicht. Auch werden Umstande, die nach §\n61 LHG eine Beurlaubung rechtfertigen, gemaß § 3 Satz 2 Nr. 1 LHGebG uber die\nAusnahme von der Gebuhrenpflicht wahrend eines rechtzeitig beantragten\nUrlaubssemesters berucksichtigt. Dabei fuhren Zeiten der Befreiung und der\nAusnahme von der Gebuhrenpflicht auch nicht zu einer Verkurzung der Dauer der\nBezugsberechtigung fur das Darlehen (§ 7 Abs. 4 Satz 3 LHGebG). \n--- \n| 78 \n--- \n| ccc) Dem atypischen Ausnahmefall, in dem die Zeitdauer der\nBezugsberechtigung fur ein Studiengebuhrendarlehen und die in § 6 Abs. 1\nLHGebG enthaltenen Befreiungsmoglichkeiten aufgrund außergewohnlicher, vom\nGesetzgeber so nicht in Rechnung gestellter Umstande, ausnahmsweise nicht\nausreichen, um einem bedurftigen Studierenden ein normales zielstrebiges\nStudium und einen akademischen Abschluss zu gewahrleisten, tragt das\nLandeshochschulgebuhrengesetz dadurch Rechnung, dass nach § 6 Abs. 3 Satz 1\nLHGebG i.V.m. §§ 21 und 22 des Landesgebuhrengesetzes allen Studierenden ein\nAnspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung daruber eingeraumt ist, ob die\nStudiengebuhr etwa in Hinblick auf eine gegebene wirtschaftliche\nLeistungsunfahigkeit und eine fehlende Darlehensberechtigung zu stunden oder\ngar zu erlassen ist. Dieser Anspruch kann sich aufgrund der volkerrechtlichen\nVerpflichtung aus Art. 13 Abs. 2 c des Sozialpaktes zur Gewahrleistung eines\ndiskriminierungsfreien Zugangs zu den Hochschulen auch zu einem Rechtsanspruch\nverdichten. \n--- \n| 79 \n--- \n| Dies konnte etwa im Fall der Klagerin dann zum Tragen kommen, wenn die in §\n6 Abs. 1 Nr. 1 LHGebG zugrunde gelegte Annahme, dass Kinder im Alter uber acht\nJahren der Betreuungsperson regelmaßig genugend Zeit lassen, sich in\nangemessener Weise einem Studium zu widmen, aufgrund außergewohnlicher\nUmstande nicht zum Tragen kommt und es deshalb der Klagerin trotz eines\nintensiven Studiums nicht moglich war, dieses noch wahrend des Laufs ihres\nDarlehensanspruchs zum Abschluss zu bringen. \n--- \n| 80 \n--- \n| Da im gegebenen Fall keine solche Konstellation gegeben ist, kann offen\ngelassen werden, ob uber die Regelung des § 6 Abs. 3 und der §§ 21, 22 LGebG\nzur Stundung oder dem Erlass der Studiengebuhr auch der Gruppe der\nStudienbewerber und Studierenden Rechnung getragen werden kann, die die\npersonlichen Voraussetzungen fur die Darlehensgewahrung nach § 7 Abs. 2 LHGebG\nnicht erfullen, deren diskriminierungsfreier Zugang zu den Hochschulen des\nLandes aber - wie bei den uber 40jahrigen oder den Asylberechtigten mit einer\nim Ausland erworbenen Hochschulreife (vgl. hierzu etwa die Stellungnahme des\nPaktausschusses zu Kanada, E/C.12/1Add.31 Ziff. 39) uber Art. 13 Abs. 2 c) des\nSozialpaktes ebenfalls grundsatzlich gewahrleistet ist. \n--- \n| 81 \n--- \n| 3\\. Der Erhebung einer Studiengebuhr fur die Dauer ihres Studiums an der\nbeklagten Hochschule verletzt die Klagerin auch nicht in ihrem Grundrecht aus\nArt. 12 Abs. 1 GG, nach welchem alle Deutschen das Recht haben, Beruf,\nArbeitsplatz und Ausbildungsstatte frei zu wahlen. \n--- \n| 82 \n--- \n| Auch wenn aus der Freiheit der Wahl auch der Ausbildungsstatte fur sich kein\nRecht auf die Bereitstellung eines kostenfreien Studienplatzes folgt, sondern\ndie Bereitstellung und Inanspruchnahme der staatlichen Hochschulen immer unter\ndem Vorbehalt dessen steht, was der Einzelne vernunftigerweise von der\nGesellschaft verlangen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.10.1996, BVerwGE 102,\n142; Urt. v. 25.07.2001, a.a.O.), so liegt in der Auferlegung von\nStudiengebuhren fur das Lehrangebot in einem grundstandigen Studiengang oder\neinem konsekutiven Masterstudiengang auf Studierende an den Hochschulen des\nLandes Baden-Wurttemberg nach §§ 1, 3, 5 LHGebG dennoch unter dem\nGesichtspunkt der ausbildungsbezogenen Belastung eine Beschrankung dieses\nGrundrechts. Denn die Erhebung dieser Gebuhr steht mit dem Besuch der\nHochschule im Hinblick auf die spatere Ausubung eines Berufs in einem engen\nZusammenhang und lasst objektiv auch eine berufsregelnde Tendenz deutlich\nerkennen. Immerhin werden die Studiengebuhren unmittelbar fur die\nBereitstellung des Lehrangebots in einem Studiengang erhoben. Auch ist die\nBezahlung der Gebuhr eine zwingende Voraussetzung fur die Aufnahme oder\nFortfuhrung des Studiums, da diese - von dem gleichwertigen Sonderfall des\nNachweises uber den bevorstehenden Abschluss eines Darlehensvertrages nach § 7\nff LHGebG abgesehen - nach § 60 Abs. 5 Nr. 2 LHG als Voraussetzung fur die\nImmatrikulation ausgestaltet ist bzw. bei bereits immatrikulierten\nStudierenden die Nichtbezahlung der Gebuhr trotz Mahnung, Androhung der\nExmatrikulation und Ablauf der Zahlungsfrist die zwangsweise Exmatrikulation\nzur Folge hat. Auch mochte der Gesetzgeber mit der Erhebung der\nStudiengebuhren (unter anderem) das Ausbildungsverhalten der Studierenden in\nRichtung eines zielgerichteten Studiums steuern (hierzu im Einzelnen BVerfG,\nNichtannahmebeschl. v. 31.3.2006 [bad.-wurtt. Langzeitstudiengebuhr] - 1 BvR\n1750/01 - Juris.). \n--- \n| 83 \n--- \n| Allerdings ist der hier mit der Auferlegung der Studiengebuhrenpflicht\nverbundene Eingriff in die uber Art. 12 Abs. 1 GG gewahrleistete Freiheit der\nKlagerin zur Wahl eines Hochschulstudiums nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG\nverfassungsrechtlich gerechtfertigt. Denn abgesehen davon, dass die\nStudiengebuhrenpflicht auf der Grundlage eines Gesetzes erhoben wird, liegen\nihrer Erhebung hinreichend gewichtige Zwecke zugrunde. \n--- \n| 84 \n--- \n| Die allgemeine Studiengebuhrenpflicht stellt formal eine sog. subjektive\nZulassungsschranke zur Wahl eines Hochschulstudiums dar, die grundsatzlich nur\ngerechtfertigt werden kann, wenn sie zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsguter\nnotwendig ist. Denn anders als die Langzeitstudiengebuhr gestaltet sie nicht\nnur die Bedingungen und Modalitaten einer grundsatzlich gebuhrenfreien\nAusbildung (hierzu BVerfG, Beschl. v. 31.03.2006, a.a.O.; BVerwG, Urt. v.\n25.07.2001, a.a.O.; anders aber VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 06.04.2000, a.a.O.;\nBayVGH, Urt. v. 28.03.2001, DVBl. 2001, 1548), sondern erfasst bereits die\nAufnahme eines Studiums als solches und zwar nicht nur mittelbar, sondern -\nuber die Ausgestaltung als Immatrikulationsvoraussetzung - als unmittelbare\nrechtliche Schranke fur die Wahl selbst. \n--- \n| 85 \n--- \n| Dieser formalen Einstufung der Gebuhrenpflichtigkeit als subjektive\nZulassungsschranke steht nicht entgegen, dass die Eingriffsintensitat uber das\nDarlehensmodell so abgefedert ist, dass das Zugangshindernis der Bezahlung der\nStudiengebuhr letztlich durch jeden ohne Hurde uberwunden werden kann und sich\ndie Belastung demnach materiell als Problem der finanziellen Gegenleistung fur\neine in Anspruch genommene staatliche Leistung und damit als Frage der\nAusgestaltung der Bedingungen und Modalitaten der Ausbildung darstellt. \n--- \n| 86 \n--- \n| Letztlich kann die Frage der Einstufung der mit der Erhebung der\nStudiengebuhren verbundenen Intensitat des Grundrechtseingriffs jedoch offen\ngelassen werden, weil die mit der Erhebung der Studiengebuhren verfolgten\noffentlichen Interessen auch solchen Gemeinschaftsgutern dienen, die gewichtig\ngenug sind, um auch einen Eingriff in die subjektive Ausbildungswahlfreiheit\nzu rechtfertigen. Denn die Erhebung der Studiengebuhren dient der Sicherung\nder Leistungsfahigkeit und der Effizienz der Lehre an den staatlichen\nHochschulen im Land und damit ohne weiteres wichtigen Gemeinschaftswerten. \n--- \n| 87 \n--- \n| So zielt die Erhebung der Studiengebuhr primar auf die Erzielung\nzusatzlicher Einnahmen und auf die Beteiligung der Nutzer an den Kosten der\nals offentliche Einrichtung zur Verfugung gestellten staatlichen Hochschulen.\nNeben der staatlichen Grundfinanzierung aus Steuermitteln sollen die\nStudierenden uber die Studiengebuhren an der Finanzierung der staatlichen\nHochschulen beteiligt werden (vgl. Landtagsdrucksache 13/4858 v. 22.11.2005,\nS. 1 u. 16). Neben dieser Finanzierungsfunktion sollen die Studiengebuhren das\nStudierverhalten dadurch positiv beeinflussen, dass die Studierenden zu\nuberlegten Entscheidungen, klaren Zielsetzungen und hohem Engagement\nveranlasst werden (Lenkungsfunktion). Schließlich soll die Gebuhrenpflicht des\nStudiums auch den Effekt haben, dass die Lehre sowohl aus der Sicht der\nStudierenden als auch aus der Sicht der Lehrenden einen neuen und hoheren\nStellenwert erhalt. Dies druckt der Gesetzgeber in der Begrundung zum\nGesetzentwurf dadurch aus, dass er - etwas uberhoht - den nunmehr fur das\nStudium bezahlenden Studierenden gegenuber den Hochschulen die Rolle von\n„zahlenden Nachfragern" zuschreibt. \n--- \n| 88 \n--- \n| Dabei ist die Erhebung der Studiengebuhren auch geeignet, um die hier\nbeschriebenen Zwecke zu erreichen. \n--- \n| 89 \n--- \n| Dies bedarf hinsichtlich des gewunschten Erfolgs der Mitfinanzierung der\nstaatlichen Hochschulen durch die Studierenden als deren Nutzer keiner\nweiteren Begrundung und wird insoweit auch von der Klagerin nicht in Frage\ngestellt. \n--- \n| 90 \n--- \n| Die Erhebung von Studiengebuhren ist aber auch geeignet, die Studierenden zu\neinem zielgerichteten und schnellen Studium anzuhalten und dem Studium sowohl\nbei den Lehrenden als auch bei den Studierenden einen hoheren Stellenwert\neinzuraumen. Denn es ist evident, dass die Kostenpflichtigkeit eines jeden\nSemesters im Normalfall der Studienplanung eines Studierenden zumindest als\nsteuerndes, wenn auch nicht immer entscheidendes Element wirkt und es besteht\n- was im Rahmen der Eignungsprognose ausreicht (BVerfG, Beschl. v. 20.04.1986,\nBVerfGE 67, 175) - jedenfalls die abstrakte Moglichkeit, dass die Tatsache der\nKostenpflichtigkeit des Studiums sowohl die Bereitschaft der Studierenden zu\nkonstruktiver Kritik an dem Lehrangebot in ihrem Studiengang als auch die\nSensibilitat der Lehrenden fur die Belange der Studierenden und den Wert ihrer\nLehrveranstaltungen steigert. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber uber\ndie Regelung des § 4 Abs. 1 LHGebG eine Zweckbindung des\nStudiengebuhrenaufkommens fur die Erfullung der Aufgaben der Hochschule in\nStudium und Lehre bestimmt und bei der Bestimmung der Verwendung der Mittel\naus dem Studiengebuhrenaufkommen eine Beteiligung der Studierenden verankert\nhat. \n--- \n| 91 \n--- \n| Ein im Hinblick auf die Erreichung der genannten Zwecke gleich wirksames,\naber weniger einschneidend in das Grundrecht der Berufsfreiheit wirkendes\nMittel ist nicht gegeben. Insbesondere stellt sich die Einschatzung des\nGesetzgebers nicht als evident fehlerhaft dar, dass die allgemeine\nStudiengebuhrenpflicht noch einmal in gesteigertem Maße zu einer Straffung und\nStrukturierung des Studiums fuhrt, als dies nach der bislang geltenden\nRegelung zur Erhebung von Langzeitstudiengebuhren der Fall war. Denn die\nErhebung der Langzeitstudiengebuhr stellte zwar einen Anreiz dar, das Studium\ninnerhalb des Zeitraums der Studiengebuhrenfreiheit zu absolvieren, ließ\njedoch eine Verzogerung des Studiums innerhalb dieses Zeitraums - von der\nVerringerung eines rechnerisch bestehenden Bildungsguthabens abgesehen - ohne\nAuswirkungen. Demgegenuber bildet die Erhebung der allgemeinen Studiengebuhr\neinen wirtschaftlichen Anreiz, das Studium von Anfang an moglichst\nzielgerichtet und straff zu organisieren und die Dauer des Studiums nicht an\ndem Umfang des - uber die Regelstudienzeit hinausgehenden - Bildungsguthabens\nfur ein gebuhrenfreies Studium zu orientieren. \n--- \n| 92 \n--- \n| Insgesamt stellt sich der mit der Erhebung der Studiengebuhren verbundene\nEingriff in die Berufs- bzw. Ausbildungsfreiheit der Studierenden auch als im\nengeren Sinne verhaltnismaßig dar. Denn die Nachteile, die den Studierenden\nuber die Erhebung der Studiengebuhren entstehen, stehen nicht außer Verhaltnis\nzu den mit der Erhebung verfolgten Zwecken. So ist es grundsatzlich nicht\nunbillig und unzumutbar, den Nutzer einer offentlichen Einrichtung in dem Fall\nan den Kosten derselben zu beteiligen, wenn - wie dies bei Studierenden in\nHinblick auf die Moglichkeit der Berufsausbildung der Fall ist - mit der\nNutzung ein besonderer Vorteil verbunden ist. Auch stehen die Gebuhren nach\nihrer Hohe nicht in einem Missverhaltnis zu dem Wert der mit der\nBereitstellung der Hochschulen den Studierenden gebotenen Leistung des\nStaates, denn es ist bereits aus den Verfahren zur Rechtmaßigkeit der\nLangzeitstudiengebuhren (BVerwG, Urt. v. 25.07.2001 - 6 C 8.00 -, a.a.O.; VGH\nBad.-Wurtt., Urt. v. 06.04.2000 - 2 S 1860/99 -, a.a.O., 874; VG Freiburg,\nUrt. v. 24.03.1999 - 1 K 2488/98 -, a.a.O.) bekannt, dass die Gebuhr von 500\nEuro je Semester weit unter den realen Kosten liegt, die das kostengunstigste\nStudium an einer staatlichen Hochschule wahrend eines Semesters verursacht.\nSchließlich ist entscheidend zu berucksichtigen, dass kein Studienbewerber\noder Studierender uber die Erhebung der Studiengebuhren an der Aufnahme oder\nFortfuhrung eines angemessenen Hochschulstudiums gehindert wird, weil\nzumindest fur den Zeitraum der Regeldauer eines Studiums zuzuglich vier\nweiterer Semester ein Anspruch des Studierenden auf eine Vorfinanzierung der\nStudiengebuhr durch die Landeskreditbank Baden-Wurttemberg besteht, wobei\nweder die auflaufende Darlehensschuld noch die - gesetzlich ausgestalteten -\nModalitaten der Ruckzahlung zu dem gewahrten Vorteil der Moglichkeit einer\nHochschulausbildung außer Verhaltnis stehen. \n--- \n| 93 \n--- \n| 4\\. Die Erhebung der Studiengebuhren nach dem Landeshochschulgebuhrengesetz\nverstoßt auch nicht gegen das aus den Grundrechten der Berufsfreiheit in Art.\n12 Abs. 1 GG und auf Gleichbehandlung in Art. 3 Abs. 1 GG sowie dem\nSozialstaatsprinzip abgeleitete verfassungsrechtliche Gebot, im Rahmen der\nvorhandenen Kapazitaten allen dazu Befahigten ein Studium zu ermoglichen, ohne\ndabei eine Sonderung der Studierenden nach den Besitz- und\nEinkommensverhaltnissen der Eltern vorzunehmen. \n--- \n| 94 \n--- \n| Insofern kann auf die Ausfuhrungen zu Art. 13 Abs. 2 c) des Sozialpakts\n(oben zu II. 2) verwiesen werden, die hier entsprechend zum Tragen kommen. \n--- \n| 95 \n--- \n| So reicht es auch im Rahmen des grundgesetzlich gewahrleisteten Anspruchs\nauf diskriminierungsfreie Teilhabe an den staatlichen Hochschulressourcen aus,\nwenn der diskriminierungsfreie Zugang fur Studienbewerber und Studierende ohne\neigene Mittel uber den im Landeshochschulgebuhrengesetz nach § 7 LHGebG\neingeraumten Anspruch gegen die Landeskreditbank Baden-Wurttemberg (L-Bank)\nauf eine darlehensgestutzte Vorfinanzierung der Studiengebuhren hergestellt\nwird. Auch steht es dem Anspruch auf diskriminierungsfreie Teilhabe nicht\nentgegen, wenn die betroffenen Darlehensnehmer zu einem spateren - regelmaßig\nnach Abschluss des Hochschulstudiums und dem Eintritt in ein Berufsleben\nliegenden - Zeitpunkt verpflichtet sind, das Darlehen einschließlich der\nangefallenen Zinsen zuruckzuzahlen, wenn - wie dies nach dem\nLandeshochschulgebuhrengesetz der Fall ist - die Gesamtbedingungen des\nStudiengebuhrendarlehens nicht die Folge haben, dass bedurftige\nStudienbewerber oder Studierende die Aufnahme eines solchen zur Ermoglichung\nihres Hochschulstudiums vernunftigerweise scheuen mussten oder wurden. \n--- \n| 96 \n--- \n| Sofern ein bedurftiger Studierender nach Ablauf der Darlehensbezugsdauer\nkeinen Anspruch mehr hat, dass die ihn treffenden Studiengebuhren uber die\nL-Bank vorfinanziert werden, ist zwar eine Benachteiligung gegenuber den\nwirtschaftlich leistungsfahigen Studierenden gegeben, die sogar zur Beendigung\ndes Hochschulstudiums des bedurftigen Studierenden fuhren kann, doch reicht es\nverfassungsrechtlich aus, dass der Gesetzgeber - wie hier - den\ndiskriminierungsfreien Zugang zu den Hochschulen fur ein angemessenes erstes\nStudium sichert. Einer daruber hinausgehenden und ubermaßigen Inanspruchnahme\nmuss er nicht mehr in gleicher Weise fordernd Rechnung tragen, wie dies zur\nGewahrleistung einer ersten und angemessenen Berufsausbildung an der\nHochschule der Fall ist. Denn auch wenn das aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art.\n3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip gewahrleistete Recht auf Teilhabe an\nstaatlichen Ausbildungsressourcen durch die Moglichkeit eines Abschlusses\ninnerhalb angemessener Zeit nicht ganzlich verbraucht ist, so ist die in der\nBegrenzung des Darlehensanspruchs liegende Schlechterstellung dadurch\ngerechtfertigt, dass die Studierenden, die den ihnen eingeraumten Rahmen eines\ndarlehensgeforderten Studienzugangs uberschritten haben, bereits in einem\nausreichenden Maße ihren Anteil an der nur begrenzt zur Verfugung stehenden\nAusbildungs- und Studienkreditressource hatten (vgl. hierzu auch BVerwG, Urt.\nv. 25.07.2001 - 6 C 9.00 - sowie BVerfG, Beschl. v. 31.03.2006 - 1 BvR 1771/01\n-, jeweils zur Gebuhrenpflichtigkeit eines Zweitstudiums). \n--- \n| 97 \n--- \n| Dabei ist zu berucksichtigen, dass der Anspruch auf ein Darlehen zur\nVorfinanzierung der Studiengebuhren nicht nur die Dauer eines grundstandigen\nStudiums umfasst, sondern auch den auf ein solches Studium bezogenen\nkonsekutiven Masterstudiengang und ein solches Zweitstudium fordert, dessen\nAbschluss zusatzlich zu dem Erststudium fur die Erlangung eines\nBerufsabschlusses gesetzlich vorgeschrieben ist (§ 7 Abs. 5 LHGebG). Im\nÜbrigen kann auch uber die Anwendung der Erlass und Stundungsregelungen in § 6\nAbs. 3 LHGebG, §§ 21, 22 LGebG sicher gestellt werden, dass - etwa in\natypischen Situationen oder in besonderen Hartefallen - die Unfahigkeit eines\nStudierenden zur Finanzierung der Studiengebuhr nicht zum Abbruch einer\nHochschulausbildung fuhrt. \n--- \n| 98 \n--- \n| 5\\. Die Erhebung der Studiengebuhren verstoßt auch nicht gegen den\nGleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser Grundsatz verbietet es\ndem Gesetzgeber, eine Gruppe in Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu\nbehandeln, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art\nund solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen\nkonnten. \n--- \n| 99 \n--- \n| Dabei ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen\nunterschiedliche Grenzen fur den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkurverbot bis\nzu einer strengen Bindung an Verhaltnismaßigkeitserfordernisse reichen. Die\nBindung ist um so enger, je mehr die Regelung an personenbezogenen Merkmalen\nanknupft, die denen in Art. 3 Abs. 3 GG entsprechen und je großer deshalb die\nGefahr ist, dass eine an sie anknupfende Ungleichbehandlung zur\nDiskriminierung einer Minderheit fuhrt. Zu berucksichtigen sind auch\nDifferenzierungen, die zwar nicht unmittelbar personenbezogen vorgenommen\nwerden, aber mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirken.\nHierbei bestehen bei lediglich verhaltensbezogenen Unterscheidungen umso\ngeringere Bindungen, je mehr die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr\nVerhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen\nunterschieden wird. Überdies sind dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers um\nso engere Grenzen gesetzt, je starker sich die Ungleichbehandlung von Personen\noder Sachverhalten auf die Ausubung grundrechtlich geschutzter Freiheiten\nnachteilig auswirken kann. \n--- \n| 100 \n--- \n| Der unterschiedlichen Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums\nentspricht eine abgestufte Kontrolldichte bei der verfassungsrechtlichen\nPrufung. Kommt als Maßstab nur das Willkurverbot in Betracht, so kann ein\nVerstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nur festgestellt werden, wenn die\nUnsachlichkeit bzw. Willkurlichkeit der Differenzierung evident ist. Dagegen\nist bei Regelungen, die Personengruppen verschieden behandeln oder sich auf\ndie Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken, im einzelnen\nnachzuprufen, ob fur die vorgesehene Differenzierung Grunde von solcher Art\nund solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen\nrechtfertigen konnen. Genauere Maßstabe lassen sich dabei nicht abstrakt und\nallgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen\nSach- und Regelungsbereiche bestimmen (BVerfG, Beschl. v. 11.1.2005, BVerfGE\n112, 164; Beschl. v. 26.1.1993, BVerfGE 88, 87). \n--- \n| 101 \n--- \n| a) Nach diesen Grundsatzen ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden,\ndass der Gesetzgeber den Darlehensanspruch der Studierenden nach §§ 7 und 9\nLHGebG so ausgestaltet hat, dass fur die Gewahrung des\nStudiengebuhrendarlehens ab dem Zeitpunkt der Auszahlung Zinsen erhoben werden\ndurfen. \n--- \n| 102 \n--- \n| Dabei kann offen gelassen werden, ob in der Erhebung der Zinsen fur das\nGebuhrendarlehen uberhaupt eine Ungleichbehandlung gegenuber den Studierenden\ngesehen werden kann, die ihre Studiengebuhren sofort aus eigenen Mitteln\nbegleichen. Denn selbst wenn die Ungleichbehandlung darin zu sehen ware, dass\nein bedurftiger Studierender als Darlehensnehmer aufgrund der Zinsbelastung in\nBezug auf die Kosten seines Hochschulzugangs mehr Mittel aufbringen muss, als\ndies bei dem Sofortzahler der Fall ist, so ist eine in der zusatzlichen\nZinsbelastung liegende „Ungleichbehandlung" des bedurftigen Darlehensnehmers\nsachlich dadurch gerechtfertigt, dass der Darlehensnehmer die fur die\nBegleichung der Studiengebuhren notwendigen Mittel nicht sofort aus dem\neigenen (bei bedurftigen Studierenden regelmaßig nicht vorhandenen) Vermogen,\nsondern erst spater zu einem Zeitpunkt aufbringen muss, zu dem bei ihm vom\nBestehen einer hinreichenden wirtschaftlichen Leistungsfahigkeit ausgegangen\nwerden kann. Da es bei der Abschopfung dieses wirtschaftlichen Vorteils nicht\nmehr darum geht, einem bedurftigen Studierenden den Zugang zu der Hochschule\nzu sichern, sondern darum, ob ein potentiell wirtschaftlich leistungsfahiger\nHochschulabsolvent auch an den Kosten der Vorfinanzierung seiner\nStudiengebuhren beteiligt oder ob ein in der spateren Zahlungspflicht\nliegender wirtschaftlicher Vorteil abgeschopft werden kann, ist die\nEntscheidung des Gesetzgebers, die Darlehensfinanzierung der Studiengebuhren\nnicht zinsfrei zu gewahren, sondern - uber die Begrenzung des Zinssatzes auf\ndie Geldbeschaffungs- und die Kreditverwaltungskosten der Darlehensbank (vgl.\n§ 9 Abs. 2 Nr. 8 LHGebG) und die Moglichkeit der Einbindung auch anderer\nBanken als der L-Bank - nur sicher zu stellen, dass diese Darlehen zu\nwirtschaftlich moglichst gunstigen Bedingungen gewahrt werden, sachlich\ngerechtfertigt. \n--- \n| 103 \n--- \n| Dies gilt umso mehr, als bei der Vielzahl der bedurftigen Studierenden, die\ngleichzeitig zur Inanspruchnahme des Studiengebuhrendarlehens auch uber Mittel\nnach dem BAfoG gefordert werden, uber die Kappungsregelung und das Eintreten\ndes Studienfonds in die Darlehensschuld des Studierenden nach § 9 Abs. 4 und 6\nLHGebG faktisch eine Subventionierung der Inanspruchnahme des Darlehens\nerfolgt, die bei einem Studierenden, dessen Darlehensschuld nach dem BAfoG\nzuzuglich der reinen Schuld fur die Studiengebuhren den Betrag von 15.000 Euro\nubersteigt, sogar zu einer faktischen Zinslosigkeit des\nStudiengebuhrendarlehens fuhrt. \n--- \n| 104 \n--- \n| Der hiernach bei der Vielzahl der bedurftigen Studierenden wegfallenden oder\njedenfalls deutlich reduzierten Zinsbelastung fur das Studiengebuhrendarlehen\nist zudem - unter dem Gesichtspunkt der ungleichen Belastung von (bedurftigen)\nDarlehensnehmern mit den Sofortzahlern - der wirtschaftliche Nachteil\ngegenuber zu stellen, der den Sofortzahlern dadurch entsteht, dass sie die\nMittel aus ihrem Vermogen nicht - wie der Darlehensnehmer - erst spater,\nsondern sofort aufbringen und dementsprechend diese Mittel nicht mehr\nanderweitig einsetzen konnen (a.A. insoweit Pieroth, Stellungnahme zur\noffentlichen Anhorung des Ausschusses fur Innovation, Wissenschaft, Forschung\nund Technologie des Landtags von Nordrhein-Westfalen vom 26.01.2006 sowie\nders./Hartmann, NWVBl. 2007, 81, 84: „nur Inflationsausgleich"). Auch wenn die\nKammer der insoweit vorgelegten Darstellung der Beklagten nicht folgt, dass\nder entgangene Gewinn des Sofortzahlers sogar mehr als 7 % p.a. betragt und\ndamit dem Zinssatz entspricht, der zur Zeit fur die Gewahrung eines\nStudiengebuhrendarlehens der L-Bank angesetzt wird, so kann doch davon\nausgegangen werden, dass auch bei einer - nicht spekulativen - Geldanlage eine\nRendite in Hohe von 4,5 % erwirtschaftet werden konnte, so dass von einer\ngravierenden Ungleichbelastung des bedurftigen Studierenden gegenuber dem\nSofortzahler in Bezug auf die insgesamt fur den Zugang zur Hochschule\naufzubringenden Finanzmittel nicht die Rede sein kann. \n--- \n| 105 \n--- \n| b) (…) c) (…) \n--- \n| 106 \n--- \n| 6\\. Die Studiengebuhrenpflicht verstoßt schließlich auch nicht gegen den in\nArt. 20 Abs. 3 GG verankerte Prinzip der Rechtssicherheit in der Form des\nVertrauensschutzes. \n--- \n| 107 \n--- \n| Weder die Einbeziehung der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der\nGebuhrenregelung zum Sommersemester 2007 bereits immatrikulierten Studierenden\nin die Gebuhrenpflicht noch die in § 7 Abs. 4 des LHGebG geregelte Kurzung der\nBezugsberechtigung fur ein Darlehen zur Vorfinanzierung der Studiengebuhren\nstellen Regelungen dar, die nachtraglich andernd in bereits abgeschlossene,\nder Vergangenheit angehorende Tatbestande eingreifen und denen somit eine -\nverfassungsrechtlich grundsatzlich unzulassige - „echte" Ruckwirkung zukommt;\nvielmehr wirkt das Landeshochschulgebuhrengesetz uber beide Regelungen nur auf\nden gegenwartigen Rechtszustand der Zahlungspflicht fur ein aktuelles Semester\nund der Bezugsberechtigung fur ein in diesem Zusammenhang begrenzt gewahrtes\nDarlehen ein. \n--- \n| 108 \n--- \n| Die hierin liegende unechte Ruckwirkung bzw. tatbestandliche Ruckanknupfung\nist verfassungsrechtlich grundsatzlich zulassig, solange nicht bei der\ngebotenen Abwagung zwischen dem Vertrauen des Einzelnen auf den Fortbestand\nder geanderten gesetzlichen Regelung und der Bedeutung der Neuregelung fur das\nallgemeine Wohl ausnahmsweise den Interessen des Betroffenen ein hoheres\nGewicht einzuraumen ist (BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 31.3.2006 a.a.O.; vgl.\nauch BVerfG, Beschl. v. 30.9.1987, BVerfGE 76, 256). Letzteres trifft hier\naber nicht zu. \n--- \n| 109 \n--- \n| Das Interesse des Gesetzgebers an einer Erhohung der Einnahmen der\nHochschulen, um die Studienbedingungen zu verbessern und die Qualitat der\nLehre sowie die Attraktivitat des Studiums und des Studienstandorts Baden-\nWurttemberg zu sichern, ist ebenso legitim wie die weitere Zwecksetzung, die\nStudierenden zu uberlegten Entscheidungen, klaren Zielsetzungen und hohem\nEngagement zu veranlassen und die Wertigkeit der Lehre fur die Beteiligten -\nStudierende und Lehrende - zu erhohen (vgl. amtl. Begrundung, LT-Drs. 13/4858,\nSeite 16). Diese Zielsetzungen wiegen schwerer als das Vertrauen Studierender\ndarauf, ihr bereits begonnenes Studium ohne Gebuhrenbelastung abschließen zu\ndurfen. Dabei kommt es fur die Frage, ob ein Studierender mit einer Änderung\nder Rechtslage rechnen musste, nicht auf seine subjektive Vorstellung und\nindividuelle Situation, sondern darauf an, ob die bisherige Regelung bei\nobjektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der Betroffenen auf ihren\nFortbestand zu begrunden. Ein solches besonderes Vertrauen war aber in der\nZeit vor dem Inkrafttreten der Studiengebuhrenregelung des\nLandeshochschulgebuhrengesetzes zu keinem Zeitpunkt gegeben. Denn abgesehen\ndavon, dass das bloße Vertrauen in den Fortbestand einer gunstigen\nGesetzeslage als solches nicht schutzwurdig ist, sondern nur dann, wenn auf\nder Seite des Betroffenen noch zusatzliche gewichtige Interessen beruhrt sind,\nmussten die Studierenden schon vor dem Hintergrund der Einfuhrung von\nVerwaltungskostenbeitragen, Ruckmeldegebuhren und Langzeitstudiengebuhren in\nden vergangenen Jahren damit rechnen, dass ihre Hochschulausbildung auch in\nder Zukunft nicht vollig umsonst zu haben sein wird. Dabei kann von einer\nfehlenden Vorhersehbarkeit der Einfuhrung von Studiengebuhren auch fur das\nnormale Erststudium nicht die Rede sein. Zwar hatten die Ministerprasidenten\nder Lander im Zuge der Hochschulreform am 16.4.1970 beschlossen, ab dem\nWintersemester 1970/71 an den Hochschulen der Bundesrepublik einheitlich auf\ndie Erhebung von Studiengebuhren zu verzichten. Auch vereinbarten die\nKultusminister der Lander noch am 25.5.2000, das Studium bis zum ersten\nberufsqualifizierenden Abschluss und bei konsekutiven Studiengangen bis zum\nzweiten berufsqualifizierenden Abschluss grundsatzlich gebuhrenfrei zu halten.\nZum Abschluss eines damals in Aussicht gestellten Staatsvertrags kam es dann\njedoch in der Folgezeit schon nicht mehr. Vielmehr fuhrte die Diskussion um\ndie Einfuhrung von allgemeinen Studiengebuhren mit dem Sechsten Gesetz zur\nÄnderung des Hochschulrahmengesetzes (6. HRGÄndG vom 8.8.2002, BGBl. I S.\n3138) zum Erlass eines entsprechenden bundesgesetzlichen Verbots derselben,\ndas wiederum sofort und letztlich mit Erfolg von einigen Bundeslandern vor dem\nBundesverfassungsgericht angegriffen wurde (BVerfG, Urt. v. 26.01.2005,\na.a.O.). \n--- \n| 110 \n--- \n| Im Übrigen hat der Gesetzgeber uber Art. 7 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur\nÄnderung des Landeshochschulgebuhrengesetzes und anderer Gesetze (vom\n19.12.2005, GBl. S. 794; berichtigt GBl. 2006 S. 15) bestimmt, dass\nStudiengebuhren nicht abrupt ab dem 01.01.2006, sondern erstmals fur das\nSommersemester 2007 erhoben werden. Die hierin liegende Übergangsregelung von\nzwei noch gebuhrenfreien Semestern (Sommersemester 2006 und Wintersemester\n2006/2007), reichte aus, damit sich die Studierenden auf die neue Rechtslage\neinstellen konnten, indem sie entweder das Studium abschließen oder aber sich\nauf eine kunftige Zahlungspflicht einrichten, die angesichts des - oben zu\nII.2.b.bb) dargestellten - sozialvertraglichen Darlehensmodells auch keine\nubermaßigen und unzumutbaren Belastungen des einzelnen Studierenden mit sich\nbringt. Hinsichtlich der Studierenden, die keinen\nDarlehensfinanzierungsanspruch mehr haben, ist zu berucksichtigen, dass sie\nauch nach der alten Rechtslage uber die Regelung zur\nLangzeitstudiengebuhrenpflicht regelmaßig im gleichen Maße fur ihr Studium\ngebuhrenpflichtig geworden waren, wie dies nun nach der Regelung zur\nallgemeinen Erhebung von Studiengebuhren der Fall ist. \n--- \n| 111 \n--- \n| Da im Übrigen in atypischen Hartefallen, in denen die Einfuhrung der\nallgemeinen Studiengebuhren etwa in unvorhergesehener Weise eine Situation\nverursacht, die aus wirtschaftlichen Grunden zu einer vorzeitigen Beendigung\ndes Studiums fuhrt, uber die Regelung des § 6 Abs. 3 LHGebG i.V.m. §§ 21, 22\nLGebG zur Stundung oder dem Erlass der Studiengebuhren reagiert werden kann\n(vgl. fur die baden-wurttembergische Langzeitstudiengebuhr: BVerwG, Urt. v.\n25.7.2001, a.a.O.), bedurfte es - abgesehen von den Fallen bereits\nimmatrikulierter auslandischer Studierender, die keinen Darlehensanspruch\nhaben (vgl. Art. 7 Abs. 2 Satz 3 ÄndGLHGebG) und der Bestimmung in Art. 7 Abs.\n2 Satz 2 ÄndGLHGebG, welche die (ohnehin bereits seit 2003\ngebuhrenpflichtigen) Studierenden der Popakademie Baden-Wurttemberg betrifft -\nkeiner weiteren speziellen Übergangsregelungen mehr." \n--- \n**III.** \n--- \n| 112 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO; § 100 Abs. 1 ZPO.\nDabei sieht die Kammer nach Ermessen davon ab, die Entscheidung hinsichtlich\nder Kosten fur vorlaufig vollstreckbar zu erklaren (§ 167 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 113 \n--- \n| Die Zulassung der Berufung findet ihre Grundlage in § 124a Abs. 1 i.V.m. §\n124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, da die Frage nach der Rechtmaßigkeit der Erhebung von\nStudiengebuhren nach dem Landeshochschulgebuhrengesetz angesichts der\nMassenhaftigkeit der Gebuhrenerhebung auch gegenuber Studierenden, die ihren\nWehr- und Zivildienst geleistet haben, grundsatzliche Bedeutung hat. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 18 \n--- \n| Die Klage ist als Anfechtungsklage ohne Durchfuhrung eines Vorverfahrens\nzulassig (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, § 11 LHGebG), aber nicht begrundet. Die\njeweils angefochtenen Gebuhrenbescheide der Beklagten vom 21.11.2006 sind\nrechtmaßig und verletzen die Klager nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz\n1 VwGO). Die Beklagte hat die Gebuhrenbescheide rechtsfehlerfrei entsprechend\nden Bestimmungen des Landeshochschulgebuhrengesetzes - LHGebG - i.d.F. des\nGesetzes zur Änderung des LHGebG und anderer Gesetze v. 19.12.2005 (GBl. S.\n794, ber. 2006, S. 15) erlassen (dazu I.). Die maßgeblichen Bestimmungen\ndieses Gesetzes (§§ 3 ff. LHGebG) uber die Studiengebuhren stehen auch mit\nhoherrangigem Recht in Einklang; insbesondere war der Gesetzgeber nicht\nverpflichtet, einen Ausgleich fur die Verzogerung des Studienbeginns zu\nschaffen, die den Klagern aufgrund der Ableistung ihres Zivildienstes\nentstanden ist (dazu II.). \n--- \n**I.** \n--- \n| 19 \n--- \n| Gemaß § 3 Satz 1 LHGebG erheben die Staatlichen Hochschulen i.S.d. § 1 Abs.\n2 LHG und die Berufsakademien fur ihr Lehrangebot in einem grundstandigen\nStudiengang oder in einem konsekutiven Masterstudiengang von den Studierenden\nStudiengebuhren nach § 5 dieses Gesetzes. Die Studiengebuhr betragt fur jedes\nSemester 500,-- EUR. Studienhalbjahre stehen Semestern gleich (§ 5 Abs. 1\nSatze 1 u. 2 LHGebG). Nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Änderung des\nLandeshochschulgebuhrengesetzes und anderer Gesetze vom 19.12.2005 werden die\nStudiengebuhren nach § 3 i.V.m. § 5 LHGebG erstmals fur das Sommersemester\n2007 erhoben. \n--- \n| 20 \n--- \n| Nach diesen Bestimmungen sind die Klager, die bei der Beklagten in den\ngebuhrenpflichtigen (§ 3 Abs. 1 S. 1 LHGebG) Studiengangen Rechtswissenschaft\nund fur das Lehramt an Gymnasien mit den Fachern Englisch und Deutsch\nimmatrikuliert sind, verpflichtet, ab dem Sommersemester 2007 eine\nStudiengebuhr von 500,-- EUR je Semester zu zahlen. Diese Zahlungspflicht hat\ndie Beklagte in Nr. 1 ihrer angefochtenen Bescheiden vom 21.11.2006\nrechtsfehlerfrei konkretisiert und den Klagern durch einen Verwaltungsakt mit\nDauerwirkung eine Zahlungspflicht nicht nur fur das Sommersemester 2007,\nsondern fur alle folgenden Semester auferlegt, in denen sie in einem\ngebuhrenpflichtigen Studiengang bei der Beklagten studieren. Allerdings stand\nbei Erlass des Gebuhrenbescheides nicht fest, wie lange die Klager als\nStudierende bei der Beklagten der Gebuhrenpflicht unterliegen. Den Fall einer\nExmatrikulation nach Zugang des Gebuhrenbescheides regelt aber das Gesetz in §\n5 Abs. 3 LHGebG. Danach wird bei einer Exmatrikulation binnen eines Monats\nnach Beginn der Vorlesungszeit der Gebuhrenbescheid gegenstandslos. Eine\nbereits bezahlte Gebuhr ist zu erstatten. Auf diese gesetzliche Regelung\nweisen die angefochtenen Bescheide in Nr. 3 ausdrucklich hin. \n--- \n| 21 \n--- \n| Rechtliche Bedenken im Hinblick auf die Anforderungen an die hinreichende\nBestimmtheit eines Verwaltungsaktes bestehen gegen die in Nr. 1 der Bescheide\ngeregelte Zahlungsverpflichtung auch nicht deshalb, weil § 3 Satz 2 Nr. 1 - 3\nLHGebG mehrere gesetzliche Ausnahmen von der Gebuhrenpflicht normiert und bei\nErlass des Gebuhrenbescheides ebenfalls ungewiss war, ob und wann die Klager\nwahrend ihres Studiums bei der Beklagten einen dieser Ausnahmetatbestande\nerfullen; denn die Wirksamkeit der Zahlungsverpflichtung steht unter der\nauflosenden Bedingung, dass diese entfallt, sobald in der Person des\nStudierenden wahrend des Studiums bei der Beklagten ein Fall der gesetzlichen\nAusnahmen von der Gebuhrenpflicht eintritt. Das hat die Beklagte im\nangefochtenen Bescheid zwar nicht ausdrucklich so formuliert. Eine\nBeschrankung der Gebuhrenpflicht in diesem Sinne ergibt sich aber bereits\nunmittelbar aus der gesetzlichen Vorschrift in § 3 Satz 2 LHGebG (vgl. zu\nderartigen inhaltlichen Beschrankungen unmittelbar aus gesetzlichen\nVorschriften, Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 9. Aufl., § 36 Rdnr. 20). In\nNr. 4 des angefochtenen Bescheids wird auch ausdrucklich auf die\nAusnahmetatbestande des § 3 Satz 2 LHGebG hingewiesen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Schließlich steht auch die Bestimmung der Falligkeit der Studiengebuhr in\nNr. 2 des Bescheides mit dem Gesetz in Einklang. Nach § 5 Abs. 2 LHGebG ist\ndie Studiengebuhr mit Erlass des Gebuhrenbescheides fallig, sofern dieser die\nFalligkeit nicht abweichend bestimmt. Von dieser Moglichkeit hat die Beklagte\nGebrauch gemacht und bestimmt, dass die Studiengebuhr jeweils zum Ende der\nRuckmeldefrist fallig wird. Die Fristen fur die Ruckmeldung in ein kunftiges\nSemester werden von der Beklagten gegenuber den Studierenden bekannt gemacht. \n--- \n**II.** \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Vorschriften des Landeshochschulgebuhrengesetzes, durch die fur das\nStudium an staatlichen Hochschulen und an den Berufsakademien ab dem\nSommersemester 2007 eine Gebuhrenpflicht eingefuhrt wurde, sind mit\nhoherrangigem Recht vereinbar. \n--- \n| 24 \n--- \n| A. Entgegen der Auffassung der Klager verstoßt das\nLandeshochschulgebuhrengesetz nicht dadurch gegen hoherrangiges Recht, dass es\nab dem Sommersemester 2007 alle Studierenden unabhangig davon zu einer\nStudiengebuhr heranzieht, ob sie zuvor einen Wehr- oder Ersatzdienst\nabgeleistet haben oder nicht. Den Gesetzgeber trifft keine Rechtspflicht, die\nStudierenden, die vor dem Studium ihren Wehr- und Ersatzdienst abgeleistet\nhaben, besonders zu begunstigen und die jeweils neunmonatige Dauer des\nGrundwehrdienstes (vgl. § 5 Abs. 1a WPflG) oder des - im Fall der\nKriegsdienstverweigerung an seine Stelle tretenden - Zivildienstes (§ 24 Abs.\n2 ZDG) bei der Bestimmung der allgemeinen Studiengebuhrenpflicht ab dem\nSommersemester 2007 besonders zu berucksichtigen. Eine solche Verpflichtung\nergibt sich insbesondere nicht aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3\nAbs. 1 GG. \n--- \n| 25 \n--- \n| Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem\nGesetzgeber, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend\nverschieden zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede\nDifferenzierung untersagt. Ebenso wenig ist er gehalten, Ungleiches unter\nallen Umstanden ungleich zu behandeln. Der Gesetzgeber verletzt aber das\nGleichheitsgrundrecht, wenn er es unterlasst, tatsachliche Ungleichheiten des\nzu ordnenden Lebenssachverhalts zu berucksichtigen, die so bedeutsam sind,\ndass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise\nbeachtet werden mussen (BVerfG, Urt. v. 16.3.2004, BVerfGE 110, 141; Beschl.\nv. 15.7.1998, BVerfGE 98, 365). \n--- \n| 26 \n--- \n| Studierende, die vor Aufnahme ihres Studiums ihren Wehr- oder Ersatzdienst\nabgeleistet haben, unterscheiden sich gegenuber nicht zum Dienst herangezogen\nStudierenden dadurch, dass sie im Vergleich zu diesen erst ein Jahr spater mit\ndem Studium beginnen konnten. Unter diesem Gesichtspunkt bewirkt die fur beide\nGruppen ab dem Sommersemester 2007 eintretende Studiengebuhrenpflicht eine\nGleichbehandlung zweier sich unterscheidender Gruppen (zur Maßgeblichkeit der\nunmittelbaren Rechtswirkung eines Gesetzes: BVerfG, Urt. v. 10.1.1995, BVerfGE\n92, 26). \n--- \n| 27 \n--- \n| Diese Gleichbehandlung ist jedoch nicht zu beanstanden. Denn dieser Umstand\ndes verzogerten Studienbeginns ist im Hinblick auf die Studiengebuhrenpflicht\nfur die beiden streitigen Semester nicht so bedeutsam, dass seine\nNichtberucksichtigung nicht sachlich gerechtfertigt werden konnte: \n--- \n| 28 \n--- \n| So ist zunachst festzustellen, dass der Wehrdienst und der diesen ersetzende\nZivildienst nach Art. 12a Abs. 1 und Abs. 2 GG unmittelbar aus der Verfassung\nresultierende primare Dienstpflichten sind, denen es immanent ist, dass\ndiejenigen, die ihn erfullen, in ihrem kunftigen weiteren Leben stets mit\neiner entsprechenden Verzogerung ihrer Lebensplanung und sich moglicherweise\nandernden Rechtslagen konfrontiert sind. Aus diesem Grund ist der Gesetzgeber\nnicht grundsatzlich verpflichtet, die dienstpflichtigen Personen von allen\nNachteilen freistellen, die sich fur sie außerhalb des Wehr- und\nErsatzdienstes aus der zeitlichen Verzogerung spaterer Lebensabschnitte\nergeben; insofern kann es auch kein schutzwurdiges Vertrauen des\nDienstpflichtigen geben, dass sich eine zukunftige Rechtslage nie so andern\nwird, dass sich die Ableistung der Dienstpflicht als Nachteil darstellen kann.\nZu vermeiden sind deshalb im Rahmen einer spateren Rechtsanderung nur solche\nNachteile zu Lasten des Dienstpflichtigen, die diesem selbst angesichts eines\ntypischerweise „vorbelasteten" Vertrauenszustands gleichwohl unzumutbar sind\nbzw. schwerer wiegen als die Bedeutung der hoheitlichen Maßnahme fur das\nAllgemeinwohl (BVerfG, Beschl. v. 17.05.2004, NJW 2004, 2297). \n--- \n| 29 \n--- \n| Von einer solchen Unzumutbarkeit kann vorliegend nicht ausgegangen werden.\nDenn einerseits wird der Studierende, der in der Vergangenheit seinen Wehr-\noder Zivildienst geleistet hat, uber die ab dem Sommersemester 2007 auch fur\nihn geltende Studiengebuhrenpflicht in Bezug auf die Wahrnehmung seines\nGrundrechts auf freie Wahl der Ausbildungsstatte nach Art. 12 Abs. 1 GG\ngegenuber seinen nichtdienstpflichtigen Kommilitonen nicht wesentlich\nschlechter gestellt. Vielmehr beschrankt sich der durch den spateren\nStudienbeginn eintretende Nachteil darauf, dass er - bei sonst gleicher\nLebensplanung - ohne den Wehr- oder Ersatzdienst zwei Semester hatte fruher\nmit dem Studium beginnen konnen, ohne fur diesen Zeitraum Studiengebuhren in\nHohe von insgesamt 1.000 Euro aufbringen zu mussen. Versteht man die\nStudiengebuhren mit dem Gesetzgeber als eine angemessene Beteiligung des\nStudierenden an den Kosten der ihm uber das Hochschulstudium zur Verfugung\ngestellten Ausbildung, so stellt sich der Nachteil letztlich als Verlust einer\n- in der Bereitstellung eines kostenlosen Studienplatzes liegenden -\nweitergehenden staatlichen Subventionierung einer Hochschulausbildung dar. Die\nZugangsmoglichkeiten zu dem Studium als solchem haben sich fur den\nDienstpflichtigen durch den spateren Studienbeginn jedoch nicht\nverschlechtert, da die Studiengebuhren uber das Studiengebuhrendarlehen nach §\n7 LHGebG von jedem Studierenden aufgebracht werden konnen und erst zu einem\nspateren Zeitpunkt einer dann typischerweise gegebenen wirtschaftlichen\nLeistungsfahigkeit zuruckgezahlt werden mussen. Dies wird von den Klagern, die\nsich nicht darauf berufen, die Studiengebuhren nicht in zumutbarer Weise\naufbringen und sofort bezahlen zu konnen, auch nicht in Frage gestellt. \n--- \n| 30 \n--- \n| Dem hiernach insgesamt gegebenen Nachteil des wehr- oder\nzivildienstbedingten Entfallens der Moglichkeit, noch zwei Semester\nstudiengebuhrenfrei studieren zu konnen, stehen hinreichend gewichtige Grunde\ndes Gemeinwohls gegenuber, die die sofortige Einbeziehung der Gruppe der Wehr-\nund Ersatzdienstleistenden in die Studiengebuhrenpflicht bereits zum\nSommersemester 2007 bzw. den Verzicht des Gesetzgebers auf eine Kompensation\nfur das dienstbedingte Wegfallen der Moglichkeit eines (langeren) Studiums\nohne Gebuhrenpflicht rechtfertigen. Denn die Gruppe der\nWehrdienst-/Ersatzdienstleistenden, die aufgrund ihrer Dienstzeit auf die\nMoglichkeit verzichten mussten, jedenfalls teilweise noch gebuhrenfrei zu\nstudieren, ist so groß, dass die Kompensation der hierin liegenden\nBenachteiligung im Sommersemester 2007 und im Wintersemester 2007/2008 zu\nerheblichen Gebuhrenausfallen gefuhrt hatte. Auch wurde der mit der Erhebung\nder Studiengebuhren verfolgte Lenkungszweck, die Studierenden von Beginn ihres\nStudiums an zu einer moglichst zielstrebigen Studienplanung zu veranlassen,\njedenfalls insoweit abgeschwacht, als diese große Gruppe der Studierenden, zu\nder mindestens ein Drittel aller Studierenden in den genannten Semestern\ngehoren durften, diese beiden Semester noch ohne den Druck einer Kostenpflicht\nverplanen konnen. \n--- \n| 31 \n--- \n| Der hier dargelegten Zumutbarkeit des wehr- oder ersatzdienstbedingten\nVerlusts der Moglichkeit der Klager, zwei Semester langer studiengebuhrenfrei\nstudieren zu konnen, steht nicht der Umstand entgegen, dass - wie die Klager\ndarlegen - in den vergangen Jahren nur noch ein Bruchteil der dienstbereiten\nWehrpflichtigen einberufen worden sei. Denn die - moglicherweise gegebene -\ngleichheitswidrige Einziehungspraxis hat mit der Erhebung von Studiengebuhren\nnichts zu tun (zu dieser maßgeblichen Wirkungsbetrachtung: BVerfG, Beschl. v.\n9.8.1978 - 2 BvR 831/76 - BVerfGE 49, 148), und der Landesgesetzgeber ist\nnicht gehalten, Vollzugsdefizite auf Bundesebene zu berucksichtigen und etwa\nim Zusammenhang mit Belastungen in vollkommen anderen Lebensbereichen\nauszugleichen (vgl. (BVerfG, Beschl. v. 26.10.2005, BVerfGE 114, 371 sowie\nJarass, NJW 1997, S. 2545, 2550). \n--- \n| 32 \n--- \n| Soweit Wehr- und Ersatzdienstleistende - aber auch nahezu alle anderen\nStudierenden - schließlich nur in den Genuss der allgemeinen\nÜbergangsregelungen in Art. 7 Abs. 2 Satz 1 ÄndGLHGebG kommen, liegt zwar eine\nUngleichbehandlung gegenuber den in Satz 3 der Vorschrift privilegierten\nauslandischen Studierenden vor. Verfassungswidrig ist dies jedoch ebenfalls\nnicht. Art. 7 Abs. 2 Satz 3 ÄndGLHGebG bestimmt, dass zum Zeitpunkt des\nInkrafttretens dieses Gesetzes bereits immatrikulierte auslandische\nStudierende, die keinen Anspruch auf Darlehensgewahrung nach § 7 LHGebG haben,\nihr Studium innerhalb der Dauer der Regelstudienzeit zuzuglich vier weiterer\nHochschulsemester abschließen konnen, ohne der Gebuhrenpflicht nach §§ 3, 5\nLHGebG zu unterliegen. Es liegt auf der Hand, dass die darin angelegte\nDifferenzierung der Vermeidung eines Vertrauensschadens zu Lasten derjenigen,\ntypischerweise in ihrer wirtschaftlichen Situation schwacheren auslandischen\nStudenten Rechnung tragen soll, die keinen Anspruch auf Darlehensgewahrung\nhaben, weil sie nicht die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 LHGebG erfullen und\ndie sich uber den Zuzug aus dem Ausland in einem besonderen Maße auf ein\nbestehendes System des Hochschulstudiums eingestellt haben. \n--- \n| 33 \n--- \n| B. Die fur die Erhebung der Studiengebuhren maßgeblichen Normen des LHGebG\nstehen auch im Übrigen mit dem hoherrangigen Recht in Einklang. \n--- \n| 34 \n--- \n| Dies wird auch von den Klagern nicht naher bestritten. Die Kammer verweist\ndeshalb insoweit auf die hierzu angestellten Erwagungen in dem Urteil vom\n20.06.2007 in der Verwaltungsrechtssache 1 K 2324/06, die gemeinsam mit der\nVerwaltungsrechtssache der Klager verhandelt worden war. Im Einzelnen hat die\nKammer dort ausgefuhrt: \n--- \n| 35 \n--- \n| „1\\. Der Gesetzgeber des Landes Baden-Wurttemberg hat mit dem Erlass des\noben genannten Landeshochschulgebuhrengesetzes von der ihm gemaß Art. 70 Abs.\n1 GG zustehenden Kompetenz ohne Verletzung verfassungsrechtlicher Grundsatze\nfur die Wahrnehmung von Gesetzgebungsbefugnissen Gebrauch gemacht. \n--- \n| 36 \n--- \n| a) Nach Art. 70 Abs. 1 GG haben die Lander das Recht zur Gesetzgebung,\nsoweit das Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Diese\nVorschrift hat durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.08.2006\n(BGBl. I, 2034), mit dem die Foderalismusreform umgesetzt wurde, keine\nÄnderung erfahren. Die Auferlegung von Gebuhren fur das Studium an Hochschulen\ndes Landes Baden-Wurttemberg stellt eine Regelung im Bereich des\nHochschulrechts dar. Auf seine Fachkompetenz fur das Hochschulrecht konnte\nsich der Landesgesetzgeber bei der Einfuhrung der Studiengebuhr stutzen. Denn\ndie Kompetenz zur Regelung von Gebuhren folgt aus der Gesetzgebungskompetenz\nfur die jeweilige Sachmaterie (so bereits fur die Einfuhrung der\nLangzeitstudiengebuhren, VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 06.04.2000 - 2 S 1860/99 -,\nDVBl. 2000, 1782 = VBlBW 2000, 432). \n--- \n| 37 \n--- \n| Durch Rahmenvorschriften des Bundes (vgl. zur grundsatzlichen Fortgeltung\nder Bestimmungen des Hochschulrahmengesetzes trotz Aufhebung des Art. 75 GG,\nArt. 125b Abs. 1 GG) ist die Gesetzgebungskompetenz des Landes nicht\nbeschrankt; denn das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 26.01.2005\n(BVerfGE 112, 226 ff.) entschieden, dass Art. 1 Nr. 3, 6. HRGÄndG vom\n08.08.2002, durch den der Bundesgesetzgeber im Hochschulrahmengesetz die\nStudiengebuhrenfreiheit fur ein Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden\nAbschluss und fur ein Studium in einem konsekutiven Studiengang normiert hat,\nmit den Kompetenzverteilungsnormen des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig\nist. \n--- \n| 38 \n--- \n| b) Bedenken gegen die Landeskompetenz zur Einfuhrung der allgemeinen\nStudiengebuhr gem. §§ 3, 5 LHGebG bestehen auch nicht im Hinblick auf die\nFinanzverfassung (Art. 105 ff. GG). Bei dieser Gebuhr handelt es sich um eine\nherkommliche nicht steuerliche Abgabe. Sie wird gem. § 3 Satz 1 LHGebG von den\nStaatlichen Hochschulen und den Berufsakademien fur ihr Lehrangebot in einem\ngrundstandigen Studiengang oder in einem konsekutiven Masterstudiengang von\nden Studierenden erhoben. Mit dieser Gebuhr wird ein besonderer Vorteil\nabgegolten, der dem Abgabepflichtigen durch die Inanspruchnahme einer\noffentlichen Leistung oder jedenfalls durch die Moglichkeit dieser\nInanspruchnahme zukommt und der es rechtfertigt, ihn zur Tragung der Kosten\nder offentlichen Leistung heranzuziehen oder die durch die offentliche\nLeistung gewahrten Vorteile ganz oder teilweise abzuschopfen. Die Gebuhr gem.\n§ 3 LHGebG knupft mit anderen Worten an die individuelle Inanspruchnahme der\nHochschule als einer staatlichen Infrastruktureinrichtung durch den\nStudierenden an und ist insoweit nicht, wie eine Steuer, voraussetzungslos\ngeschuldet. Nach ihrer konkreten Ausgestaltung durch den Gesetzgeber stellt\nsie eine Vorzugslast in der Form einer Benutzungsgebuhr dar; denn sie wird nur\nvon Studierenden erhoben, die ihren Mitgliedschaft in der einzelnen Hochschule\ndurch Immatrikulation begrundet haben (§ 60 Abs. 1 Satz 1 LHG). Die\nImmatrikulation stellt gebuhrenrechtlich den Beginn der Benutzung der\nStaatlichen Einrichtung dar. Dies gilt unabhangig davon, ob der Studierende\neinzelne Lehrleistungen der Staatlichen Hochschule tatsachlich in Anspruch\nnimmt. Diese Einstufung als Benutzungsgebuhr haben die Kammer und der\nVerwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg bereits im Zusammenhang mit der\nfruheren Einfuhrung der Langzeitstudiengebuhr vorgenommen (vgl. etwa VGH\nBad.-Wurtt., Urt. v. 06.04.2000 - 2 S 1860/99 -, a.a.O.). Sie wurde auch vom\nBundesverwaltungsgericht in seinem Revisionsurteil vom 25.07.2001 (BVerwGE\n115, 32) nicht beanstandet. An dieser Einschatzung halt die Kammer auch fur\ndie allgemeine Studiengebuhr fest. \n--- \n| 39 \n--- \n| Nicht steuerliche Abgaben dieser Art unterliegen im Hinblick auf die Schutz-\nund Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung grundsatzlich keinen Bedenken. \n--- \n| 40 \n--- \n| Besonderheiten, die fur eine andere Beurteilung sprechen konnten, sind nicht\nersichtlich. Soweit die Klagerin unter Hinweis auf das Gutachten von\nKronthaler (ders., Gestaltungsmoglichkeiten und Grenzen bei der Einfuhrung von\nStudienbeitragen - verfassungsrechtlicher Rahmen und einfach-rechtliche\nSpielraume -, Wissenschaftsrecht Band 39, 2006, S. 276, 295 ff.) rugt, bei der\nStudiengebuhr handele es sich - zumindest teilweise - um eine\nverfassungsrechtlich unzulassige Sonderabgabe, folgt die Kammer dem nicht. Das\nerwahnte Gutachten bezieht sich auf das Studienbeitrags- und\nHochschulabgabengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen - StBAG NRW -. Nach § 17\nAbs. 3 Satz 3 StBAG NRW mussen die Hochschulen einen prozentualen Anteil ihres\njahrlichen Gesamtaufkommens an Studienbeitragen zur Finanzierung des\nAusfallsicherungsfonds abfuhren. Mit der Finanzierung des Ausfallfonds wurden\naber nach Auffassung dieses Gutachtens keine staatlich gewahrten Vorteile\nabgeschopft, weshalb es sich bezogen auf diesen Anteil des Studienbeitrags\nweder um eine Gebuhr noch um einen Beitrag handele. Vielmehr liege insoweit\neine verfassungsrechtlich unzulassige Sonderabgabe vor. \n--- \n| 41 \n--- \n| Das baden-wurttembergische Landeshochschulgebuhrengesetz enthalt bereits\nkeine dementsprechende Regelung, nach der ein bestimmter Prozentsatz des\nGebuhrenaufkommens von den Universitaten zur Finanzierung des Studienfonds (§\n9 LHGebG) abzufuhren ist. Es bestimmt vielmehr in § 4 Abs. 1 S. 1 LHGebG, dass\ndie Gebuhren jeder Hochschule und Berufsakademie, die sie eingenommen hat,\nzweckgebunden fur die Erfullung ihrer Aufgaben in Studium und Lehre zur\nVerfugung stehen. Unabhangig von dieser unterschiedlichen baden-\nwurttembergischen Regelung ist der Einwand aber bereits in der Sache verfehlt,\ndenn die rechtliche Einordnung einer Abgabe und daran anknupfend die\nBeurteilung ihrer rechtlichen Zulassigkeit bestimmt sich - unabhangig von der\nBezeichnung der Abgabe durch den Gesetzgeber - nach dem materiellen Gehalt des\nAbgabentatbestandes und nicht nach der Verwendung der eingenommenen Abgaben\n(so zutreffend Bosse, NVwZ 2007, 87; vgl. fur die Rechtslage in NRW auch VG\nMinden, Urt. v. 26.03.2007 - 9 K 3614/06 -; vgl. hierzu auch BVerfG, Urt. v.\n19.03.2003, BVerfGE 108, 1 ff zur Ruckmeldegebuhr). Nach dem\nGebuhrentatbestand in § 3 Satz 1 LHGebG wird die Studiengebuhr von den\nStudierenden jedoch ausschließlich fur das Lehrangebot in einem\ngebuhrenpflichtigen Studiengang an einer Universitat und nicht - auch nicht\nteilweise - zur Finanzierung des Studienfonds erhoben. Wofur das\nAbgabenaufkommen tatsachlich verwendet wird, ist fur die rechtliche Einordnung\ndagegen unerheblich. Das gilt auch dann, wenn der Gesetzgeber - wie im\nvorliegenden Fall durch § 4 Abs. 1 Satz 1 LHGebG - entgegen dem Grundsatz der\nGesamtdeckung (§ 8 LHO) eine Beschrankung auf bestimmte Zwecke vorsieht. Aus\ndiesem Grund kommt es auch nicht darauf an, ob - wie der Vertreter der\nKlagerin vortragt - die gesetzliche Zweckbindung des Studiengebuhrenaufkommens\nfur die Aufgaben der Hochschulen und Berufsakademien in Studium und Lehre in\nder Praxis der Hochschulen wirtschaftlich dadurch umgangen werden kann, dass\ndas Studiengebuhrenaufkommen zur Deckung der Finanzierungslocher verwendet\nwird, die unmittelbar zuvor durch eine hochschulinterne Umschichtung von\nallgemein aus dem Staatshaushalt zugewiesenen Finanzmitteln aus diesem Bereich\nin andere studienfremde Bereiche entstanden sind. \n--- \n| 42 \n--- \n| c) Das Land hat bei Erlass der Studiengebuhrenregelung auch nicht gegen die\nPflicht zu bundes- und landerfreundlichem Verhalten verstoßen. Zwar unterliegt\ndas Land bei Ausubung seiner Gesetzgebungskompetenz grundsatzlich auch der\nPflicht zur Rucksichtnahme auf den Bund oder die anderen Bundeslander.\nAllerdings liegt ein Verstoß gegen diese Verpflichtung nicht schon dann vor,\nwenn es im Rahmen der ihm durch das Grundgesetz eingeraumten Kompetenz eine\nRegelung erlasst, die zu Regelungen des Bundes oder anderer Lander gegenlaufig\nist; vielmehr muss die Gegenlaufigkeit so ausgepragt sein, dass durch die\nInanspruchnahme der eigenen Gesetzgebungskompetenz in missbrauchlicher Weise\nin verfassungsrechtlich verburgte Rechtspositionen des Bundes oder der anderen\nBundeslander eingegriffen wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05.12.2001, BVerfGE\n104, 238, 247). \n--- \n| 43 \n--- \n| Fur die Kammer ist kein Anhaltspunkt dafur gegeben, dass die Erhebung von\nStudiengebuhren fur ein Studium an einer staatlichen Hochschule oder\nBerufsakademie in Baden-Wurttemberg in verfassungsrechtlich verburgte\nRechtspositionen der Bundeslander eingreift, in denen ein Studium der\nHochschule nach wie vor gebuhrenfrei moglich ist. Insbesondere ist nicht\nersichtlich, dass der Gesetzgeber in Baden-Wurttemberg mit der Erhebung der\nStudiengebuhr die Zielsetzung verfolgt, Studierwillige oder Studierende zu\neinem Hochschulstudium außerhalb Baden-Wurttembergs zu veranlassen. Aber\nselbst wenn - wofur zur Zeit nichts spricht - die unterschiedliche\nKostenstruktur fur ein Hochschulstudium in verschiedenen Bundeslandern dazu\nfuhren wurde, dass die Nachfrage nach Studienplatzen in den Landern mit\ngebuhrenfreiem Studium zu Lasten der Nachfrage nach einem Studium in Baden-\nWurttemberg stiege, begrundete dieser mittelbare Effekt der Gebuhrenerhebung\nkein missbrauchliches Verhalten des Landes Baden-Wurttemberg. Denn die\nInteressen der Lander, die sich gegen die Einfuhrung der Studiengebuhren\nentschieden haben, blieben auch in diesem Fall dadurch gewahrt, dass sie ihre\nHochschulen - wie bislang auch - immer nur im Rahmen der vorhandenen\nKapazitaten bereitstellen mussen und nicht verpflichtet wurden, entsprechend\neiner hoheren Nachfrage auch neue Kapazitaten zu schaffen. Einen erheblichen\nVerdrangungseffekt in Bezug auf die soziale Herkunft der Studierenden halt die\nKammer fur unwahrscheinlich. Denn die Erhebung der Studiengebuhren wird in\nsozialer Hinsicht in Baden-Wurttemberg in - wie noch darzustellen sein wird -\nausreichendem Maße durch das Modell der darlehensgestutzten Vorfinanzierung\nerganzt, und die absolute Hohe der Studiengebuhren ist im Vergleich zu den\nsonstigen wirtschaftlichen Faktoren einer Studienortwahl wie den allgemeinen\nLebenshaltungskosten oder aber die Nahe zum Heimatwohnort nur von geringerem\nGewicht (vgl. BVerfG, Urt. v. 26.01.2005, a.a.O.). Sofern es dennoch zu\nWanderbewegungen von Studierenden kommen sollte, ware dies vor dem Hintergrund\ndes foderalen Systems der Bundesrepublik Deutschland und der den Bundeslandern\ngrundsatzlich gewahrten Kompetenz zur Regelung der Hochschulangelegenheiten\ngerechtfertigt. \n--- \n| 44 \n--- \n| Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Bundestreue ergibt sich auch nicht in\nHinblick auf den Beschluss der Ministerprasidenten vom 16.04.1970 uber die\nAbschaffung von Studiengebuhren oder den Staatsvertrag uber die Vergabe von\nStudienplatzen vom 20.10.1972. Denn der gemeinsame Beschluss der\nMinisterprasidenten steht dem spateren Erlass abweichender Rechtsvorschriften\nnicht entgegen (VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 06.04.2000 - 2 S 1860/99 -, a.a.O.)\nund das System der gemeinsamen landerubergreifenden Studienplatzvergabe kommt\ndurch die Einfuhrung der allgemeinen Studiengebuhr in Baden-Wurttemberg nicht\nin erheblicher Weise ins Wanken. Denn die Folge der unterschiedlichen\nRegelungen zur Studiengebuhrenpflicht konnte allein darin liegen, dass sich\ndie Zuteilungswunsche verstarkt auf Studienorte ohne Studiengebuhr\nkonzentrieren und dass Studierende mit diesem Aspekt ihres Zuteilungswunsches\nnur noch eingeschrankt Berucksichtigung finden konnen. Die gleichmaßige\nAuslastung der Hochschulen bleibt jedoch gesichert, so dass\nverfassungsrechtliche Positionen der Lander hier nicht angeruhrt werden. Da\ndie Studiengebuhrenpflicht uber das Studiendarlehen keine soziale Zugangshurde\nfur ein Studium darstellt und ihr im Zusammenhang mit der Studienortwahl -\nverglichen mit den unterschiedlichen Lebenshaltungskosten und den ubrigen\nÜberlegungen zur Studienortwahl - regelmaßig nur eine geringe eigenstandige\nwirtschaftliche Bedeutung zukommen durfte, kame einer bei\nNichtberucksichtigung seines Zuteilungswunsches an eine gebuhrenfreie\nHochschule unter Umstanden gegebene Betroffenheit eines Studierwilligen kein\nsolches Gewicht zu, dass diese - unter dem Gesichtspunkt der Verteilung der\nStudienplatzen in zulassungsbeschrankten Studiengangen im Rahmen des ZVS-\nSystems - nicht als Folge des foderalen Systems der Hochschulausbildung in der\nBundesrepublik Deutschland hinzunehmen ware. \n--- \n| 45 \n--- \n| Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Bundestreue ist mit der Erhebung von\nStudiengebuhren auch nicht deshalb verbunden, weil der Bund bedurftige\nStudierende uber die Regelungen des Bundesausbildungsforderungsgesetzes -\nBAfoG - fordert, um diesen ein Studium zu ermoglichen, das sie sonst nicht\noder nur uber eine erhebliche Erwerbstatigkeit neben dem Studium finanzieren\nkonnen. Denn mit der Erhebung von Studiengebuhren wird weder die\nZweckbestimmung der Fordermittel des Bundes noch der eigentliche Forderzweck\nder Ausbildungsforderung konterkariert. So ist die Ausbildungsforderung des\nBundes nach § 11 Abs. 1 BAfoG pauschaliert zur Deckung des auf den\nLebensunterhalt und die Ausbildung bezogenen Bedarfs eines Studierenden\nbestimmt, wobei die Kosten der Ausbildung allerdings nur die Aufwendungen fur\nLern- und Arbeitsmittel sowie fur Studien- und Familienheimfahrten, nicht\njedoch die Aufwendungen fur Studien- und Einschreibegebuhren umfassen. Dies\nergibt sich aus der Regelung des § 23 Abs. 5 BAfoG, nach der bei der\nBerechnung des zu berucksichtigenden Einkommens eines Auszubildenden zur\nVermeidung einer unbilligen Harte ein weiterer Teil des Einkommens\nanrechnungsfrei gestellt werden kann, soweit er zur Deckung besonderer Kosten\nder Ausbildung erforderlich ist, die nicht durch den Bedarfssatz gedeckt sind,\nwobei die Gesetzesbegrundung hierzu ausdrucklich die Ausgaben fur Schulgelder\noder Studiengebuhren als „besondere Kosten der Ausbildung" bezeichnet (BT-Drs.\n13/4246 S. 22 zu Nr. 19; OVG Berlin, Urt. v. 18.01.2001, NVwZ-RR 2002, 118,\n121). Daruber hinaus gewahrt das Land nach § 7 Abs. 1, 4 und 5 LHGebG jedem\nStudierenden fur die Dauer der Regelstudienzeit seines grundstandigen Studiums\nsowie eines konsekutiven Masterstudiengangs zuzuglich vier weiterer Semester\neinen Darlehensanspruch, uber den die Finanzierung der Studiengebuhren auch\nbei fehlender Leistungsfahigkeit sicherstellt ist, so dass nicht nur eine\nzweckentfremdende Inanspruchnahme der Forderleistungen nach dem BAfoG, sondern\nvor allem auch ausgeschlossen ist, dass die Erhebung von Studiengebuhren bei\ngeforderten Studierenden zu einer der Intention der BAfoG-Forderung\nzuwiderlaufenden zusatzlichen Erwerbstatigkeit des Studierenden oder gar zu\neinem Abbruch des Studiums fuhrt. \n--- \n| 46 \n--- \n| Soweit - wie der Vertreter der Klagerin darlegt - in den Sonderfallen etwa\nder Studienabschlussforderung nach § 15 Abs. 3a BAfoG die Situation eintreten\nkann, dass ein uber das BAfoG geforderter Studierender die Mittel fur die\nStudiengebuhren nicht mehr uber das Darlehen nach § 7 LHGebG vorfinanzieren\nkann, wurde der Zweck dieser BAfoG-Forderung, einen bedurftigen Studierenden\nin der Endphase seines Studiums nicht mit der Notwendigkeit einer den\nAbschluss hindernden Erwerbstatigkeit zu belasten, uber die Erhebung einer\nStudiengebuhr in Hohe von 500 EUR pro Semester ebenfalls nicht in\nmissbrauchlicher Weise konterkariert. Denn zum einen ist die Studiengebuhr\nnicht so hoch, dass sie nicht in zumutbarer Weise auch noch wahrend der\nStudienabschlussphase durch eigene Initiative des Studierenden aufgebracht\nwerden konnte; daruber hinaus kann der Studierende nach § 6 Abs. 3 und 4\nLHGebG einen Antrag Stundung oder Erlass der Gebuhrenforderung nach §§ 21 und\n22 LGebG stellen, wobei im Rahmen der dann zu treffenden Ermessensentscheidung\neine Unmoglichkeit oder Unzumutbarkeit der Mittelaufbringung in der\nStudienabschlussphase ebenso berucksichtigt werden kann und muss, wie die\nZielsetzung der dem Betroffenen gewahrten Studienabschlussforderung nach dem\nBAfoG. Schließlich ist zu berucksichtigen, dass der Bund im Zusammenhang mit\nder Errichtung eines Ausbildungsforderungssystems seinerseits nicht in der\nErwartung geschutzt ist, dass die Lander die Hochschulen stets unentgeltlich\nzur Verfugung stellen. \n--- \n| 47 \n--- \n| Aus dem letztgenannten Grund ist es auch nicht missbrauchlich, wenn der\nLandesgesetzgeber davon ausgeht, dass eine im Zeitpunkt der Studienaufnahme\nabschreckende Wirkung einer bei Beendigung des Studiums drohenden\nDarlehenslast aus dem Staatsdarlehen nach § 17 Abs. 2 BAfoG und dem\nStudiengebuhrendarlehen dann nicht gegeben ist, wenn diese den Betrag von\ninsgesamt 15.000,-- EUR nicht uberschreitet, wahrend sich der\nBundesgesetzgeber im Rahmen der Begrenzung der Ruckzahlungsverpflichtung fur\ndas Darlehen nach § 17 Abs. 2 BAfoG dafur entschieden hat, die maximale\nDarlehenslast mit 10.000,-- EUR zu beziffern. Vielmehr ist dies lediglich\nAusfluss des dem Land im Rahmen seiner Kompetenz eingeraumten\nEinschatzungsspielraums. \n--- \n| 48 \n--- \n| 2\\. Der Erhebung einer Studiengebuhr fur das Lehrangebot in einem\ngrundstandigen Studiengang oder in einem konsekutiven Masterstudiengang an\neiner staatlichen Hochschule und Berufsakademie des Landes verstoßt nicht\ngegen Art. 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 c) des Internationalen Pakt uber\nwirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) vom 19.12.1966 (im\nfolgenden: „Sozialpakt"), wonach die Signatarstaaten in Anerkennung des\n„Rechts eines jeden auf Bildung" dazu verpflichtet sind, „den\nHochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmahliche\nEinfuhrung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen\nFahigkeiten zuganglich zu machen". \n--- \n| 49 \n--- \n| Zwar enthalt diese Regelung einen auch fur den Landesgesetzgeber\nverbindlichen Normbefehl (a), doch ist dieser durch die Erhebung der\nStudiengebuhr in dem Landeshochschulgebuhrengesetz nicht verletzt (b). \n--- \n| 50 \n--- \n| a) Der Sozialpakt wurde nach dessen Unterzeichnung durch die Bundesrepublik\nam 9.10.1968 (BGBl.1973 II, S. 1569), der Zustimmung aller Bundeslander zum\nPaktbeitritt (BT-Drs 7/1093 v. 17.10.1973, S.4), der Verabschiedung des\nZustimmungsgesetzes vom 23.11.1973 (BGBl. 1973 II S.1569) und der\nvorbehaltslosen Ratifikation am 17.12.1973 (BGBl. 1973 II, S.1569) innerhalb\nder Bundesrepublik Deutschland zum 03.01.1976 (BGBl. 1976 II, S.428) im Range\neines Bundesgesetzes in nationales Recht umgesetzt. Da der Pakt in seinem\nArt.28 ausdrucklich auch seine einschrankungslose Geltung fur alle Teile eines\nBundesstaates regelt und mit der Zustimmung der Bundeslander Bundesgesetz\ngeworden ist (Art. 32 und Art. 59 Abs.2 GG i.V.m. Ziff.3 des Lindauer\nAbkommens vom 23./25. Oktober 1957 - 14. November 1957, - ZaÖRV, Bd 20, S 116\nff., Anm 102 = Maunz/Durig/Herzog, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 32 Rn. 45),\nkommt ihm der Rang eines nach Art. 31 GG dem Landesrecht vorgehenden\nBundesgesetzes auch insoweit zu, als der Pakt in der hier einschlagigen\nBestimmung des Art.13 Abs.2 c eine Regelung zur Ausgestaltung und\nEntgeltlichkeit des Hochschulzugangs und damit zu einer Materie enthalt, die\nnach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes den Landern zugewiesen ist. \n--- \n| 51 \n--- \n| Die Verpflichtung des Art. 13 Abs. 2 c), den Hochschulunterricht auf jede\ngeeignete Weise, insbesondere durch allmahliche Einfuhrung der\nUnentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fahigkeiten\nzuganglich zu machen, stellt keinen unverbindlichen Programmsatz im Sinne\neiner „Bemuhensverpflichtung" dar, sondern bindet den Landesgesetzgeber\nunmittelbar zumindest insoweit, als er kein Gesetz zur Einfuhrung von\nStudiengebuhren erlassen darf, das dieser Verpflichtung zuwider lauft. \n--- \n| 52 \n--- \n| So ist die Bestimmung klar und eindeutig als Normbefehl formuliert. Auch\nfordert ihre Beachtung insoweit keine weiteren Umsetzungs- oder\nPrazisierungsakte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Regelung in\nArt. 2 Abs. 1 des Sozialpaktes, nach welcher die Rechtsverwirklichung\nlediglich nach und nach erfolgen solle oder gar aus dem Vorbehalt des Art. 13\nAbs. 2 c), der lediglich die „allmahliche Einfuhrung der Unentgeltlichkeit"\nfordert. Denn diese Vorbehalte zielen ausschließlich auf eine Relativierung\nder Verpflichtung zur progressiven Verwirklichung der Paktrechte, die vor\nallem aus Grunden der fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfahigkeit einer\nVielzahl der Signatarstaaten erforderlich war und ist, wahrend insbesondere\nArt. 4 des Sozialpaktes die Frage regelt, unter welchen Voraussetzungen die\nSignatarstaaten berechtigt sind, einen einmal erreichten Zustand der\nGewahrleistung der Rechte des Sozialpaktes wieder einzuschranken. Neben dem\nWortlaut und der Systematik des Paktes spricht auch dessen\nEntstehungsgeschichte fur die rechtliche Verbindlichkeit der im Sozialpakt\ngewahrleisteten Rechte. Denn der Sozialpakt wurde ebenso wie der -\nzweifelsfrei als rechtsverbindlich anerkannte - Internationale Pakt uber die\nburgerlichen und politischen Rechte aus dem deklaratorischen\nMenschenrechtskatalog der Allgemeinen Erklarung der Menschenrechte vom\n10.12.1948 abgeleitet, in welcher die burgerlichen und politischen Rechte und\ndie wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte gleichberechtigt\nnebeneinander stehen. \n--- \n| 53 \n--- \n| Im Übrigen wird der verbindliche Rechtscharakter des Art. 13 Abs. 2 c) des\nSozialpaktes sowohl vom Land Baden-Wurttemberg als auch von der beklagten\nHochschulen unter Bezugnahme auf das Gutachten von Prof. Riedel vom 28.06.2005\n„Zur Volkerrechtswidrigkeit von Studiengebuhren" (dort S. 1- 8, 32, 33; vgl.\nauch ders./Sollner, JZ 2006, 270, 277) ebenso anerkannt wie in der\nuberwiegenden Literatur (hierzu Pieroth/Hartmann, NWVBl. 2007, 81, 82 m.w.N.;\nausfuhrlich auch Schneider, Die Justiziabilitat wirtschaftlicher, sozialer und\nkultureller Menschenrechte, 2004, S. 10, 32, 39 ff; a.A. etwa Haug, WissR\nBd.33, 2000, S. 1, 7) und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts\nund des Bundesverwaltungsgerichts, in der Art.13 Abs. 2 c) des Sozialpaktes\nohne weitere Problematisierung jeweils als verbindlicher Maßstab fur die\nRechtmaßigkeit der Einfuhrung von Studiengebuhren benannt ist (vgl. BVerfG,\nUrt. v. 26.01.2005, a.a.O.; BVerwG, Urt. v. 25.07.2001, a.a.O. und Urt. v.\n03.12.2003 - 6 C 13/03 -, Buchholz 421.2 HochSchR Nr.160; zustimmend auch VG\nMinden, Urt. v. 26.03.2007, - 9 K 3614/06 -, juris; a. A. VGH Bad.-Wurtt.,\nUrt. v. 06.04.2000 - 2 S 1860/99 -, a.a.O. zur Langzeitstudiengebuhr und\nSchweizerisches Bundesgericht, Urt. v. 11.02.1994 - BGE 120 Ia 1, Erwagung 5d\nzu Studiengebuhren). \n--- \n| 54 \n--- \n| b) Die Erhebung der Studiengebuhren auf der Grundlage des\nLandeshochschulgebuhrengesetzes lauft dem hier als verbindlich anerkannten\nNormbefehl des Art. 13 Abs. 2 c) des Sozialpaktes nicht zuwider. Denn diese\nRegelung verbietet nicht grundsatzlich jede Wiedereinfuhrung von\nStudiengebuhren, sondern steht einer hiermit verbundenen Entgeltlichkeit des\nZugangs zum Hochschulunterricht dann nicht entgegen, wenn das Paktziel der\nSicherung eines gleichen, insbesondere vermogensunabhangigen Zugangs zum\nHochschulunterricht uber begleitende Regelungen in gleicher Weise\ngewahrleistet wird wie im Fall der Unentgeltlichkeit (aa). Dies ist mit dem\ndarlehensfinanzierten Studiengebuhrenmodell des LHGebG sichergestellt (bb).\nDennoch gegebene Einschrankungen sind - soweit sie hier relevant sind - uber\nArt. 4 des Sozialpaktes gerechtfertigt (cc). \n--- \n| 55 \n--- \n| aa) Der normative Gehalt der Verpflichtung des Art. 13 Abs. 2 c) des\nSozialpakts ist nach Art. 31 der im Range eines Bundesgesetzes geltenden\nWiener Vertragsrechtskonvention -WVK - (Wiener Übereinkommen uber das Recht\nder Vertrage - vom 23. Mai 1969, - BGBl 1985 II S. 926 und BGBl 1987 II S.\n757) durch eine Auslegung nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der\ndieser Verpflichtung gewohnlich zukommenden Bedeutung und im Lichte des Zieles\nund Zweckes des Sozialpaktes zu bestimmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.12.2003 - 6\nC 13/03 -, juris = Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr 160). Dabei ist außer dem\nVertragswortlaut samt Praambel auch die anerkannte Übung bei der Anwendung des\nVertrags zu berucksichtigen. Insofern konnen insbesondere die Allgemeinen\nBemerkungen (General Comments) des Ausschusses fur wirtschaftliche, soziale\nund kulturelle Rechte - CESCR - (im Folgenden: „Paktausschuss") sowie seine\nindividuellen Stellungnahmen (Concluding Opinions) zu den von den\nSignatarstaaten periodisch vorzulegenden Staatenberichten zur Verwirklichung\nder wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte als Hilfsmittel der\nAuslegung herangezogen werden (Simma, in: FS f. Zacher, 1998, 867, 876; siehe\ndazu auch die Nachweise in VG Minden, Urt. v. 26.03.2007, UA. S. 17 f.).\nDasselbe gilt fur die Berichte, Kommentare und Stellungnahmen des\nSonderberichterstatters der Vereinten Nationen zum Recht auf Bildung.\nSchließlich kommt fur die Auslegung der Bestimmungen des Paktes auch den\nsogenannten „Limburger Prinzipien" (v. 2.-6.6.1986) und den „Maastricht-\nRichtlinien" (v. 22.-26.1.1997) Bedeutung zu, die von der Internationalen\nJuristenkommission dem Paktausschuss vorgelegt wurden (E/C.12/2000/13 - v.\n02.10.2000) und in denen die ubereinstimmende Rechtsauffassung einer großen\nZahl namhafter internationaler Volkerrechtsexperten zur Auslegung der\neinzelnen Bestimmungen des Paktes ihren Niederschlag gefunden hat. \n--- \n| 56 \n--- \n| Nach Maßgabe dieser Auslegungskriterien kommt die Kammer zu dem Ergebnis,\ndass die in Art. 13 Abs.2 c) des Sozialpaktes enthaltene Verpflichtung, „den\nHochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmahliche\nEinfuhrung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen\nFahigkeiten zuganglich zu machen", nicht auf die Unentgeltlichkeit des\nHochschulunterrichts als solche zielt (so aber Piepenstock, in: FS. f. Stein,\n2002, S. 377, 381 sowie Achelhover, Gutachten zur rechtlichen Zulassigkeit der\nEinfuhrung von Studiengebuhren, Nov. 2005, S. 45), sondern allein die\nSicherung des diskriminierungsfreien gleichen Zugangs zur Hochschulbildung fur\njedermann ohne Rucksicht auf seinen Vermogensstatus bezweckt (so ausdrucklich\nSchweizerisches Bundesgericht, Urt. v. 11.2.1994 - BGE 120 Ia 1, Erwagung 5d\n). Denn wahrend Art. 13 Abs. 2 a) des Sozialpakts die Unentgeltlichkeit fur\nden Grundschulunterricht kategorisch und ohne jeden Zusatz fordert, bezeichnet\nArt. 13 Abs. 2 c des Sozialpakts die „Einfuhrung der Unentgeltlichkeit" nur\nals ein besonders geeignetes Mittel, „durch" welches der\ndiskriminierungsfreie, gleiche Zugang fur jedermann zum Hochschulunterricht\nals der eigentlichen Gewahrleistung der Bestimmung zu ermoglichen ist. Dies\nwird auch dadurch bestatigt, dass der Paktausschuss in seinen Allgemeinen\nBemerkungen zu Art. 13 (E/C.12/1999/10, Dez. 1999, Ziff. 6 b) iii und 17) die\nwirtschaftliche Zuganglichkeit als den allgemeinen Gehalt dieses Paktrechts\nbezeichnet. \n--- \n| 57 \n--- \n| Ist die Einfuhrung (oder Aufrechterhaltung) der Unentgeltlichkeit des\nHochschulunterrichts somit nicht zwingend gefordert, ergibt sich jedoch aus\nder in Art. 2 des Sozialpaktes enthaltenen Verpflichtung der Signatarstaaten,\nnach und nach mit allen geeigneten Mitteln die volle Verwirklichung der in\ndiesem Pakt anerkannten Rechte zu erreichen und zu gewahrleisten, dass die in\ndiesem Pakt verburgten Rechte ohne Diskriminierung unter anderem hinsichtlich\nder sozialen Herkunft, des Vermogens, oder des sonstigen Status ausgeubt\nwerden, dass - außerhalb der in Art. 4 des Paktes geregelten Moglichkeiten\neiner Einschrankung der im Pakt gewahrleisteten Rechte - eine Regelung zur\nWiedereinfuhrung der Entgeltlichkeit des Hochschulunterrichts nur dann\nzulassig ist, wenn sichergestellt ist, dass die freie Zuganglichkeit des\nHochschulunterrichts fur alle ungeachtet ihrer Vermogens- und\nEinkommenssituation genau so wenig eingeschrankt, behindert oder gar reduziert\nwird wie zuvor (so auch Riedel, Gutachten zur Volkerrechtswidrigkeit von\nStudiengebuhren, S. 20 sowie Pieroth/Hartmann, NWVBl. 2007, 81, 82 und\nRiedel/Sollner, JZ 2006, 270, 273 jeweils m. w. N.; VG Minden, Urt. Urt. v.\n26.03.2007, UA. S. 23). Dabei ist den Signatarstaaten hinsichtlich der Frage,\nmit welchen Mitteln sie die notwendige sozialvertragliche Ausgestaltung der\nEntgeltlichkeit des Hochschulunterrichts umsetzen mochten, ein Beurteilungs-\nund Gestaltungsspielraum eingeraumt (vgl. Simma, in: FS f. Lerche, 1993, S.\n83, 87; vgl. auch Ziff.6 der Limburger Prinzipien „There is no single road to\ntheir full realization" und Ziff.8 der Maastrichter Richtlinien „States enjoy\na margin of discretion in selecting means for implementing their respective\nburdens"). \n--- \n| 58 \n--- \n| bb) Das dem Landeshochschulgebuhrengesetz zugrunde liegende Modell der\ndarlehensfinanzierten Studiengebuhren wird der Anforderung der Gewahrleistung\neines der Unentgeltlichkeit des Hochschulunterrichts entsprechenden\ndiskriminierungsfreien Zugangs zu den Hochschulen gerecht. \n--- \n| 59 \n--- \n| aaa) Soweit einem Studienbewerber oder einem Studierenden nach § 7 LHGebG\nein Anspruch gegen die Landeskreditbank Baden-Wurttemberg (L-Bank) auf\nGewahrung eines privatrechtlichen Darlehens zur Finanzierung der in Baden-\nWurttemberg nach dem LHGebG erhobenen Studiengebuhren eingeraumt ist, ist dem\nErfordernis der Sicherstellung eines - einer Unentgeltlichkeit des\nHochschulunterrichts entsprechenden - diskriminierungsfreien Zugangs zum\nHochschulunterricht genugt. Denn die Gewahrung des Darlehens erfolgt gemaß § 7\nAbs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 Nr. 3 LHGebG ausdrucklich ohne Bonitatsprufung und\nohne Erfordernis einer Sicherheit des Darlehensnehmers fur diesen Kredit, so\ndass jeder Studienbewerber oder Studierende die ihn treffende\nStudiengebuhrenpflicht ohne Rucksicht auf seine aktuelle wirtschaftliche\nLeistungsfahigkeit oder seinen sonstigen Besitzstand erfullen und so den\nZugang zum Hochschulunterricht ohne soziale Diskriminierung erreichen kann. \n--- \n| 60 \n--- \n| Der Umstand, dass die Studienbewerber und Studierenden, die aus Grunden der\naktuell bestehenden fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfahigkeit das\nStudiengebuhrendarlehen in Anspruch genommen haben, zu einem spateren\nZeitpunkt zur Ruckzahlung des Darlehens verpflichtet sind, ist in Bezug auf\ndie Gewahrleistung des diskriminierungsfreien Zugangs zum Hochschulunterricht\nunerheblich. Denn diese Ruckzahlungsverpflichtung entsteht nach der Regelung\ndes § 7 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 Nr. 6 LHGebG erst zwei Jahre nach Ablauf der\nDarlehensberechtigung und somit zu einem Zeitpunkt, zu dem das Land\ngrundsatzlich davon ausgehen kann, dass der Darlehensnehmer ein\nHochschulstudium abgeschlossen hat oder in zumutbarer Weise abschließen\nkonnte. Insofern kann der Gewahrleistung des diskriminierungsfreien Zugangs\nzum Hochschulunterricht in Art. 13 Abs. 2 c) des Sozialpakts - anders als dies\netwa zur Schulgeldfreiheit in der Hessischen Landesverfassung vertreten wird\n(vgl. dazu Schmehl, NVwZ 2006, 883, 887 f.) - nicht das Erfordernis entnommen\nwerden, dass der Studierende die Gebuhr stets aus im Zeitpunkt des\nHochschulzugangs prasenten eigenen Mitteln begleichen konnen muss. \n--- \n| 61 \n--- \n| Dem entspricht es, dass der Paktausschuss in seinen Bemerkungen zu\nverschiedenen Staatenberichten zur Wiedereinfuhrung von Studiengebuhren die\nVorfinanzierung dieser Gebuhren uber ein Darlehen als grundsatzlich geeignetes\nMittel zur Freihaltung des Zugangs zum Hochschulunterricht anempfiehlt bzw.\nakzeptiert hat. So enthalt die Bemerkung des Paktausschusses zum\nStaatenbericht Österreichs (E/C.12/AUT/CO/3 v. 25.01.2006) in den Ziffern 17\nund 31 die dringende Empfehlung mit „allen angemessenen Mitteln, insbesondere\ndurch ein umfassendes System adaquater Studienbeihilfen (study grants)" sicher\nzu stellen, dass die Bewerber aus Familien mit geringem Einkommen den gleichen\nZugang haben wie Bewerber aus Familien mit hohen Einkommen. In den Bemerkungen\nzum Staatenbericht Trinidad und Tobagos (E/1989/22 Ziff. 305, 306) wird die\nMoglichkeit als ausreichend angesehen, dass die Studierenden zur Begleichung\nder neu eingefuhrten Studiengebuhr (university tax) ein Bankdarlehen mit\nniedrigen Zinsen erhalten, das sie nach Abschluss ihrer Studien zuruckzahlen.\nEine grundsatzliche Anerkennung als geeignetes Mittel zur Kompensierung der in\nder Entgeltlichkeit liegenden Diskriminierung von Personen aus\neinkommensschwachen Schichten beim Hochschulzugang findet sich auch in den\nBemerkungen zu den Landerberichten zur Wiedereinfuhrung von Studiengebuhren in\nGroßbritannien (E/C.12/1/Add.79 v. 5.6.2002, Ziff. 22 und 41) und in Kanada\n(E/C.12/1/ Add.31 v. 4.12.1998 Ziff. 39 sowie E/C.12/CAN/CO/4 v. 22.5.2006 -\nZiff. 31 und 65). Dies beruht auf der zutreffenden Erwagung, dass eine\nnachgelagerte Ruckzahlungspflicht den Betroffenen erst dann trifft, wenn er\naufgrund der gewahrten Hochschulausbildung nicht mehr zu der\neinkommensschwachen Bevolkerungsgruppe gehort, deren Schutz das\nDiskriminierungsverbot in Art. 13 Abs. 2 c) des Sozialpaktes bezweckt. \n--- \n| 62 \n--- \n| Der Gesetzgeber geht - ohne dass das Gericht dies beanstanden konnte - zu\nRecht davon aus, dass die mit der darlehensgestutzten Vorfinanzierung der\nStudiengebuhr verbundene spatere Ruckzahlungsverpflichtung auch nicht geeignet\nist, (aktuell) wirtschaftlich nicht leistungsfahige Studienbewerber oder\nStudierende in relevanter Weise von der Aufnahme eines Studiums oder der\nFortsetzung desselben abzuhalten, so dass - verglichen mit der hier ersetzten\nfruheren Regelung der Unentgeltlichkeit - auch insoweit keine relevante\nVerschlechterung der Moglichkeiten des Hochschulzugangs gegeben ist. \n--- \n| 63 \n--- \n| Dies gilt auch unter Berucksichtigung, dass in Art. 13 Abs. 2 c) des\nSozialpaktes uber die Hervorhebung der progressiv einzufuhrenden\nUnentgeltlichkeit als eines der besonders geeigneten Mittel zur Beseitigung\nwirtschaftlicher Zugangsbarrieren eine widerlegliche Vermutung dafur begrundet\nist, dass die Wiedereinfuhrung der Entgeltlichkeit des Hochschulunterrichts\ngrundsatzlich eine wirtschaftliche Zugangshurde errichtet (hierzu und zur\nDarlegungspflicht vgl. Ziff.45 der Allgemeinen Bemerkungen des Paktausschusses\nzu Art.13, - E/C.12/1999/10, Dez.1999, zu Art.13 „burden to proof" sowie\nausfuhrlich Coonmans, in: Chapman/Russel (Hrsg.), Core Obligations: Building a\nFramework for Economic, Social and Cultural Rights, 2002, S. 217, 239 f). Denn\ndas Land hat - ungeachtet der ihm eingeraumten Freiheit bei der Wahl der\nMittel - seiner Darlegungspflicht genugt und in hinreichender und\nuberzeugender Weise unter Bezug auf die gesetzlichen Regelungen und die hierzu\nvorgesehene Verwaltungspraxis erlautert, warum auch das Entstehen einer\nDarlehensschuld zwei Jahre nach Auslaufen der Darlehensbezugsberechtigung in\nihrer konkreten Ausgestaltung nicht dazu fuhrt, dass fur wirtschaftlich nicht\nleistungsfahige Studienbewerber oder Studierende schlechtere\nZugangsmoglichkeiten zu den Hochschulen bestehen, als dies zu Zeiten der\nUnentgeltlichkeit des Hochschulunterrichts der Fall war. \n--- \n| 64 \n--- \n| Entgegen der Auffassung des Vertreters der Klagerin muss das Fehlen der\nAbschreckungswirkung nicht vorrangig uber statistische Erhebungen dazu\ndargelegt werden, dass sich die Gruppe der Studienbewerber und Studierenden\nohne wirtschaftliche Leistungsfahigkeit auch nach der Einfuhrung der\nStudiengebuhren nicht verkleinern wird bzw. verkleinert hat. Denn eine solche\nsozialwissenschaftliche Studie lasst sich im Vorfeld der Einfuhrung des\nStudiengebuhrenmodells kaum erstellen. Auch durften die ersten Zahlen zur\nEntwicklung der Zahl der Studierenden nach Einfuhrung der allgemeinen\nStudiengebuhrenpflicht - wie sie die Beklagte und die anderen in der\nmundlichen Verhandlung vertretenen Hochschulen dargelegt haben - regelmaßig\nnur wenig aussagekraftig sein. So haben die beteiligten Hochschulen in der\nmundlichen Verhandlung uberzeugend ausgefuhrt, dass es nicht nur aufgrund\neines moglichen Informationsdefizits, eines rechtlich unerheblichen\nBereinigungseffekts in Bezug auf nur pro forma eingeschriebene Studierende\noder aber einer angepassten Praxis zur Beurlaubung oder der Ruckmeldung auch\nfur das Examenssemester zu kurzfristigen untypischen Auswirkungen auf das\nImmatrikulations- und Ruckmeldeverhalten der Studierenden kommen kann, sondern\ndass auch die - von der Einfuhrung der Studiengebuhren unabhangige -\nUmstellung einer Vielzahl von Studien- und Prufungsordnungen auf Bachelor- und\nMasterabschlusse die Zahl der Erstimmatrikulationen im Sommersemester 2007\nerheblich beeinflusst hat. Dementsprechend hat auch die damalige UN-\nSonderberichterstatterin zum Recht auf Bildung in ihrem Bericht zu\nGroßbritannien (E/CN.4/2000/6/Add.2 v. 9.12.1999 - Ziff. 65 -69) betont, dass\nstatistische Zahlen, die in der ersten Zeit nach Einfuhrung der\nStudiengebuhren erhoben seien, nur vorlaufig sein konnten. \n--- \n| 65 \n--- \n| Die Frage des Bestehens oder Fehlens relevanter Abschreckungseffekte des\nDarlehensmodells ist vielmehr auf der Grundlage einer objektiven Analyse der\nRegelungen zur Darlehensgewahrung und zu den Modalitaten seiner Ruckzahlung zu\nbeantworten. Dabei ist auf den durchschnittlichen Studienbewerber oder\nStudierenden mit niedrigem oder fehlenden Einkommen abzustellen. Dies\nentspricht der zitierten Spruchpraxis des Paktausschuss zur Problematik von\nStudiengebuhren, wenn er etwa bei seiner Analyse der Situation in Sudkorea\n(E/C.12/1995/3 v. 7.6.1995, Ziff.13) in den Blick nimmt, ob eine „begrundete\nWahrscheinlichkeit (…)besteht", dass Gebuhren(erhohungen) Kinder aus\neinkommensschwachen Familien „gezwungenermaßen aus dem System der\nHochschulbildung drangen" und in Bezug auf Kanada (E/C.12/1/Add. 31 v.\n4.12.1998 Ziff. 39) darauf abhebt, ob es den wirtschaftlich bedurftigen\nStudierwilligen „sehr schwierig gemacht" werde, die Hochschule zu besuchen. \n--- \n| 66 \n--- \n| Bei der typisierenden Betrachtung ist einerseits in den Blick zu nehmen,\ndass der Studienbewerber oder Studierende aufgrund seiner Hochschulreife\ngrundsatzlich in der Lage ist, den Wert einer Hochschulbildung mit Blick auf\ndie dadurch im Regelfall verbesserten kunftigen Erwerbs- und Einkommenschancen\nund den Bildungszuwachs einzuschatzen (vgl. auch BVerfG, Beschl. v.\n14.10.1997, BVerfGE 96, 330 = NJW 1998, 973 zur verfassungsrechtlichen\nZulassigkeit der Umstellung des BAFoG auf Volldarlehen), andererseits darf\naber auch nicht vernachlassigt werden, dass dieser durch die Herkunft aus\neiner einkommensschwachen Schicht eine soziale Pragung erfahren haben kann,\ndie der Aufnahme eines Hochschulstudiums eher entgegen wirkt. In diesem Sinne\nhaben auch der Paktausschuss sowie der UN-Sonderberichterstatter zur Bildung\n(etwa in dessen Bericht zu Großbritannien - E/CN.4/2000/6/Add. 2 v. 9.12.1999\n- Ziff. 65 - 69) bei der Beurteilung der Wiedereinfuhrung von Studiengebuhren\nregelmaßig ein besonderes Augenmerk darauf gerichtet, ob - wie dies in\nDeutschland unzweifelhaft der Fall ist (vgl. im Einzelnen die 18.\nSozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, Juni 2007) - im Zusammenhang mit\ndem Hochschulzugang von Angehorigen aus einkommensschwachen Schichten eine\nsoziale Schieflage besteht, die keinesfalls weiter verfestigt werden durfe. \n--- \n| 67 \n--- \n| Der im Einzelfall moglicherweise schlecht informierte, ubervorsichtige oder\ngar generell zuruckhaltend angstliche bzw. pessimistische Studierwillige,\nhingegen, ist bei der Beurteilung des Abschreckungseffekts der uber die\ndarlehensgestutzte Vorfinanzierung der Studiengebuhren auflaufenden Schulden\nebenso wenig relevant, wie die Gruppe der Studierenden, die ihr\nHochschulstudium ohne Ziel eines (berufsqualifizierenden) Abschlusses aus\nwirtschaftlichen und sozialen Erwagungen heraus vorrangig zur Überbruckung\neiner in Bezug auf eine andere Lebensplanung gegebenen Wartezeit aufnehmen\noder fortfuhren. Dies entspricht dem Charakter des Art. 13 Abs. 2 c) als eines\nRechts, das vorrangig auf die Gewahrleistung der Erlangung einer beruflichen\nQualifikation bezogen ist und den Besuch des Hochschulunterrichts nicht als\nSelbstzweck verburgt (vgl. insoweit Ziff. 1 der Allgemeinen Bemerkung des\nPaktausschusses zu Art. 13 des Sozialpaktes, nach welcher die Bildung das\nHauptmittel darstellt, durch das sich wirtschaftlich und sozial\nUnterprivilegierte aus der Armut befreien und die fur die volle Teilnahme am\nGemeinschaftsleben erforderlichen Mittel erwerben konnen). \n--- \n| 68 \n--- \n| Die Kammer ist der Überzeugung, dass der nach dem Vorstehenden in den Blick\nzu nehmende durchschnittliche Studienbewerber oder Studierende ohne eigene\nfinanzielle Mittel, der ein Hochschulstudium mit dem Ziel aufnehmen oder\nfortfuhren mochte, einen berufsqualifizierenden Abschluss zu erlangen, auch\nunter Berucksichtigung hierbei moglicherweise bestehender sozialer Hemmnisse,\nnicht durch die mit der Vorfinanzierung der Studiengebuhren uber das\nStudiendarlehen notwendigerweise verbundene spatere Ruckzahlungslast von der\nAufnahme oder Fortfuhrung des Studiums abgeschreckt wird. Denn ein bedurftiger\nStudienbewerber oder Studierender kann zum einen bereits bei Aufnahme seines\nStudiums realistisch abschatzen, welche maximale Darlehenslast einschließlich\nanfallender Zinsen auf ihn zukommen kann. Zum anderen sind die\nDarlehensbedingungen so ausgestaltet, dass keine Belastung eintritt, die nicht\nim Rahmen eines Erwerbslebens sinnvoll und in angemessener Zeit abgetragen\nwerden kann und zu dem Wert des angestrebten akademischen Berufsabschlusses\naußer Verhaltnis steht. Auch besteht selbst im ungunstigsten Fall einer - auch\nim Anschluss an die Hochschulausbildung bestehenden - dauernden\nwirtschaftlichen Leistungsunfahigkeit keine Gefahr, aufgrund der\nDarlehensschuld oder der damit verbundenen Zinslast in einer Überschuldung zu\nenden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Studiengebuhrenschuld\neinschließlich der anfallenden Zinslasten den Betrag von wenigen\nMonatsgehaltern eines durchschnittlich verdienenden Akademikers nicht\nubersteigt. \n--- \n| 69 \n--- \n| Bei einer maximalen Bezugsdauer des Studiendarlehens fur ein Studium, das\nsowohl ein grundstandiges Studium als auch einen konsekutiven\nMasterstudiengang beinhaltet und neben der maximalen Regelstudienzeit fur ein\nsolches Studium von 10 Semestern (§ 29 Abs. 4 LHG) noch vier weitere Semester\nzur Abfederung von anderweitigen Studienverzogerungen umfasst, belauft sich\ndie Darlehensschuld auf 7.000 Euro. Bei einem Zinssatz von zur Zeit etwas mehr\nals 7 % ist bei Eintritt der Falligkeit zwei Jahre nach dem Auslaufen der\nBezugsdauer noch eine bis dahin aufgelaufene Zinsschuld von knapp 2.800 Euro\nhinzuzurechnen. Bei einer allein an der Regelstudienzeit von 10 Semestern\norientierten Studiendauer belauft sich die Darlehensschuld auf 5.000 Euro und\ndie bis zum Ablauf der Karenzzeit angefallene Zinsschuld auf ca. 1700 Euro.\nInsgesamt stellt sich die Gesamtschuld im Zeitpunkt der - dem Ablauf der\nKarenzzeit regelmaßig entsprechenden - ersten Festigung der Berufstatigkeit\ndes Studierenden mit einem Betrag in Hohe von maximal ca. 10.000 Euro, im\nRegelfall jedoch eher in Hohe von knapp 7.000 Euro als noch uberschaubar und\nvor allem auch innerhalb einer angemessenen Frist der Berufstatigkeit\nzuruckzahlbar dar. Insofern ergibt sich aus der von der Beklagten vorgelegten\nBerechnung, dass das Darlehen fur ein 14semestriges Studium bei einer der\nRegelung des § 7 Abs. 1 i.v.m. § 9 Abs. 2 Nr 5 LHGebG entsprechenden\nTilgungsrate von 100 Euro rechnerisch nach einer Zeit von 8 Jahren mit einem\nzusatzlichen Zinsaufwand wahrend der Tilgungsphase von ca. 2.500 Euro\nvollstandig zuruckbezahlt ist. Fur ein Darlehen bei 10semestriger Studiendauer\nergibt sich bei gleichen Umstanden eine Tilgungsdauer von 6 Jahren mit einer\nzusatzlichen Zinsschuld wahrend der Tilgungszeit in Hohe von ca. 1.400 Euro.\nDabei ist zu berucksichtigen, dass das Darlehen nach der Festlegung des § 7\nAbs. 1 i.V.m. 9 Abs. 2 Nr. 4 LHGebG jederzeit ganz oder teilweise auf Antrag\ninnerhalb einer Frist getilgt werden kann, so dass ein Darlehensschuldner bei\nentsprechend hoherer Leistungsfahigkeit die insgesamt zu begleichende Schuld\nuber die in diesem Fall reduzierte Zinsbelastung nochmals erheblich minimieren\nkann. So ergibt sich etwa bei einem 14semestrigen Studium bei einer Tilgung\nvon monatlich 150 Euro wahrend der dann auf 5 Jahre verkurzten Tilgungsphase\nnur noch eine zusatzliche Zinsbelastung von ca. 1.400 Euro und bei einem\n10semestrigen Studium unter gleichen Bedingungen eine solche von knapp 1.000\nEuro. Sofern bei einer Tilgungsrate von nur 50 Euro im Monat wahrend der dann\nbei einem 14semestrigen Studium auf 27 Jahre und bei einem 10semestrigen\nStudium auf 13 Jahre verlangerten Tilgungsphase deutlich hohere zusatzliche\nZinsbelastungen von ca. 9.000 Euro bzw. 2.800 Euro entstehen (insofern ist in\ndie von der Beklagten fur das 14semestrige Studium genannte Zahl von 24.000\nEuro - wohl versehentlich - eine 30jahrige Tilgungsaussetzung eingerechnet\nworden), ist die hierin liegende Mehrbelastung wirtschaftlich in der nur noch\nsehr geringen Monatsbelastung bzw. der langen Tilgungsphase begrundet. \n--- \n| 70 \n--- \n| Abgesehen von der reinen Entwicklung des Darlehens ist zur Bewertung der am\nEnde des Studiums aufgrund der Studiengebuhren auflaufenden Darlehensschuld\nals uberschaubar und angemessen vor allem aber in den Blick zu nehmen, dass\nein bedurftiger Studienbewerber oder Studierende regelmaßig wahrend seines\nStudiums auch uber die Leistungen nach dem Bundesausbildungsforderungsgesetz\ngefordert wird. Immerhin erhalten - nach Darlegung der Beklagten - ca. 25 %\naller Studierenden in Baden-Wurttemberg Forderleistungen nach dem BAfoG, wobei\nwiederum knapp 30 % der BAfoG-Empfanger in die Vollforderung fallen.\nDemgegenuber haben im Sommersemester 2007 nur 2,5 % der Studierenden das\nDarlehen in Anspruch genommen, so dass davon ausgegangen werden kann, dass der\nweitaus uberwiegende Teil der Darlehensempfanger sogar in die BAfoG-\nVollforderung fallt. Da BAfoG-Empfanger gemaß §§ 17 Abs. 2 BAfoG verpflichtet\nsind, die ihnen gewahrte Ausbildungsforderung zur Halfte bis zu einem\nGesamtbetrag von 10.000 Euro zuruckzuzahlen, stehen diese Studierenden\nzusatzlich zu ihrer Studiengebuhrenschuld nach Beendigung ihrer\nHochschulausbildung noch einer weiteren Darlehensschuld gegenuber, die im\nRahmen der Frage nach einem moglichen Abschreckungseffekt der auflaufenden\nDarlehensschuld zur Vorfinanzierung der Studiengebuhren als Faktum zu\nberucksichtigen ist. Allerdings hat der Gesetzgeber der Problematik dieser\nweiteren Darlehensschuld uber § 9 Abs. 4 und 6 LHGebG insoweit Rechnung\ngetragen, dass der Darlehensnehmer auf einen entsprechenden, binnen eines\nJahres nach Ablauf der Karenzzeit zu stellenden Antrag hin, einen Anspruch\ngegen den Studienfonds hat, dass ihm die Studiengebuhrenschuld zuzuglich der\nZinsen insoweit erlassen wird, als diese gemeinsam mit den bestehenden\nSchulden aus dem BAfoG-Darlehen den Gesamtbetrag von 15.000 Euro ubersteigt.\nDieser Anspruch beinhaltet, dass der Studienfonds seinerseits gegenuber der\ndas Darlehen gewahrenden Bank nach § 9 Abs. 5 Satz 3 LHGebG die hierfur\nnotwendige Abtretung gegen Bezahlung des entsprechenden Darlehensanteils\nverlangt, wobei der Gesetzgeber uber die Sanktionsregelung des § 9 Abs. 5 Satz\n4 LHGebG zum Verlust des Zinssicherungsanspruchs der Bank in hinreichender\nWeise auch sichergestellt hat, dass die Darlehensbank dem Abtretungsverlangen\ndes Studienfonds auch nachkommt. Da das Ministerium fur Wissenschaft,\nForschung und Kunst auch eindeutig erklart hat, dass die Kappungsregelung des\n§ 9 Abs. 4 und 6 LHGebG - und sei es uber entsprechende Weisungen im Wege der\nnach § 9 Abs. 7 Satz 4 eingeraumten Fachaufsicht - so anzuwenden ist, dass die\nnach § 9 Abs. 4 LHGebG zu berechnende Gesamtschuld den Betrag von 15.000 Euro\nauch nicht insoweit ubersteigt, als wahrend der Tilgungszeit Zinsen auflaufen,\nkann jeder Studierende, der wahrend seines Studiums Leistungen nach dem BAfoG\nempfangt und die Studiengebuhren uber ein Darlehen finanzieren muss, sicher\ndavon ausgehen, dass die ihn treffende Gesamtbelastung aus den beiden\nDarlehen, die sein Studium finanzieren, einschließlich der Zinsbelastung aus\ndem Studiengebuhrendarlehen den Betrag von 15.000 Euro nicht ubersteigt. Fur\nden Empfanger einer Vollforderung nach dem BAfoG hat dies zur Folge, dass\nseine eigentliche Studiengebuhrenschuld auf maximal 5.000 Euro begrenzt ist,\ner das Darlehen somit fur ein 10semestriges Studium faktisch zinslos erhalt. \n--- \n| 71 \n--- \n| Neben dieser - fur den weit uberwiegenden Teil der bedurftigen Studierenden\ngegebenen - absoluten Obergrenze der Darlehensbelastung, die im Zusammenhang\nmit der Aufnahme eines Studiums entstehen, ist weiter zu berucksichtigen, dass\ndie Bedingungen fur die Ruckzahlung des Studiengebuhrendarlehens im\nLandeshochschulgebuhrengesetz so ausgestaltet sind, dass kein Studienbewerber\noder Studierender befurchten muss, in dem Fall einer nach Abschluss der\nHochschulausbildung ausbleibenden oder nur gering verguteten Erwerbstatigkeit\nin Bezug auf das Studiengebuhrendarlehen in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu\ngeraten. Denn zunachst ist der Darlehensvertrag nach §§ 7 Abs. 1, 9 Abs. 2 Nr.\n7 LHGebG so ausgestaltet, dass er dem Darlehensnehmer die Moglichkeit einer\nzinslosen Stundung des Ruckzahlungsanspruchs gewahrt, wenn sein monatliches\nNettoeinkommen den in § 18a Abs. 1 Satz 1 bis 3 BAfoG festgelegten\nMindestbetrag fur die Verpflichtung zur Ruckzahlung des BAfoG-Darlehens (960\nEuro + 480 Euro fur einen Ehegatten + 435 Euro fur jedes Kind des\nDarlehensnehmers) zuzuglich weiterer 100 Euro nicht ubersteigt. Daruber hinaus\nsieht das Gesetz in § 9 Abs. 3 und 5 LHGebG vor, dass der Studienfonds bei\neinem langer dauernden Zahlungsverzug (mindestens sechs Monate mit zwei\nMahnungen), bei eintretender Zahlungsunfahigkeit oder aber bei einer mehr als\nein Jahr dauernden Stundung des Ruckzahlungsanspruchs auf Antrag des\nKreditinstituts die Darlehensforderung Zug um Zug gegen Abtretung der\nAnspruche gegen den Darlehensnehmer bezahlt. Über die Regelung des § 9 Abs. 6\nSatz 1 LHGebG in Verbindung mit § 59 Abs. 1 und 105 LHO hat er dann die\nMoglichkeit, in entsprechenden Hartefallen die Darlehensschuld ganz oder\nteilweise zu stunden, niederzuschlagen oder zu erlassen, wobei die\nentsprechende Praxis (auch) an den Anforderung zu messen ist, dass eine\nabschreckende Wirkung von einer sich aufbauenden Darlehenslast auf einen\ndurchschnittlichen bedurftigen Studienbewerber oder Studierenden nicht\nausgehen darf. \n--- \n| 72 \n--- \n| Über die hier dargestellte Kappungsregelung und die Moglichkeit der Stundung\nund des Erlasses nach § 9 Abs. 6 LHGebG i.V.m. §§ 59, 105 LHO ist die\nfestgestellte fehlende objektive Abschreckungswirkung des\nStudiengebuhrendarlehens und damit auch die Vereinbarkeit des LHGebG mit den\nAnforderungen des Art. 13 Abs. 2 c) des Sozialpakts auch fur den Fall sicher\ngestellt, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen etwa in Bezug auf\ndie Darlehenszinsen zu Ungunsten der Studierenden andern. Sollten sich die\ninsgesamt maßgeblichen Umstande daruber hinaus derart andern, dass das\nbestehende gesetzliche Instrumentarium nicht mehr ausreicht, den\ndiskriminierungsfreien Zugang zu den Hochschulen in der erforderlichen Weise\nzu gewahrleisten, ist das Land zur Vermeidung einer dann eintretenden\nRechtswidrigkeit seiner Regelungen gemaß Art. 13 Abs. 2 c) des Sozialpaktes\nzur Nachbesserung verpflichtet (vgl. VG Minden, a.a.O.). Der hiermit\nverbundenen und unmittelbar aus Art. 13 Abs. 2 c des Sozialpakts abgeleiteten\nVerpflichtung zur Sicherung dieser Gewahrleistung, auch in der Zukunft\nVorkehrungen und Mechanismen einzufuhren, wie etwa die Festlegung von\nIndikatoren oder Zielgroßen (benchmarks), mittels derer sich der Fortschritt\nder Verwirklichung des Rechts auf Bildung bzw. die Auswirkungen einer\ngetroffenen Regelung genau uberwachen lasst (vgl. Ziff. 52 S. 2 sowie Ziff. 37\nder Allgemeinen Bemerkungen des Paktausschusses zu Art.13; Riedel, Gutachten\nzur Volkerrechtswidrigkeit von Studiengebuhren, 28.06.2005, S. 21, 22; zur\nAnforderung statistischer Daten durch den Paktausschuss im Einzelfall\nE/C.212/1/Add.50 v. 1.9.2000 Ziff. 36; vgl. auch die allgemeine\nBerichtspflicht nach Art. 16 des Sozialpakts) ist das Land mit der Einrichtung\neines unabhangigen 17-kopfigen Monitoringbeirates zur Beobachtung der sozialen\nAuswirkungen der Wiedereinfuhrung der Studiengebuhren zum 07.06.2006 (siehe\nKlageerwiderung v.05.06.2007 - S. 10 f.) in ausreichendem Maße nachgekommen;\neiner speziellen Verankerung des Monitoringbeirats in der gesetzlichen\nRegelung des Landeshochschulgebuhrengesetzes bedurfte es nicht, da dem Land\nbei der Entscheidung, wie es seiner volkerrechtlichen Überwachungspflicht\nnachkommt, ein weiter organisatorischer Gestaltungsspielraum zukommt. \n--- \n| 73 \n--- \n| bbb) Sofern ein bedurftiger Studierender nach Ablauf der\nDarlehensbezugsdauer keinen Anspruch mehr hat, dass die ihn treffenden\nStudiengebuhren uber die L-Bank vorfinanziert werden, ist eine Benachteiligung\ngegenuber wirtschaftlich leistungsfahigen Studierenden gegeben, die im Verbund\nmit anderen Umstanden in extremen Ausnahmefallen sogar zur Beendigung des\nHochschulstudiums des bedurftigen Studierenden fuhren kann. \n--- \n| 74 \n--- \n| Dennoch ist dieses Ergebnis in Hinblick auf die Verpflichtung des Landes aus\nArt. 13 Abs. 2 c) des Sozialpaktes nicht zu beanstanden. \n--- \n| 75 \n--- \n| Denn in Baden-Wurttemberg wurden bereits seit dem Wintersemester 1998/99 auf\nder Grundlage des damaligen Landeshochschulgebuhrengesetzes vom 05.05.1997\n(GBl. S. 175) nach Ablauf einer gebuhrenfreien Regelstudienzeit zuzuglich vier\nweiterer Semester Langzeitstudiengebuhren erhoben, deren Bezahlung ebenfalls\nnicht durch einen gesetzlich gewahrten Darlehensanspruch gesichert war (zur\nRechtmaßigkeit dieser Beschrankung auch in Hinblick auf Art. 13 Abs. 2 c) des\nSozialpakts vgl. VG Freiburg, Urt. v. 24.03.1999 - 1 K 2488/98 -, WissR 1999,\n274 sowie - wenn auch mit jeweils anderer Begrundung VGH Bad.-Wurtt., Urt. v.\n06.04.2000, a.a.O. und BVerwG, Urt. v. 25.07.2001, a.a.O.), so dass in der\nBegrenzung des Darlehensanspruchs in § 7 Abs. 4 LHGebG auf den Zeitraum der\ndamaligen Gebuhrenfreiheit materiell keine Verschlechterung der Situation\nliegt, wie sie bereits seit 1998 fur Studierende in Baden-Wurttemberg gegeben\nwar. \n--- \n| 76 \n--- \n| Vor allem aber ist diese mit der Begrenzung des Darlehensanspruchs gegebene\nechte Einschrankung des Rechts aus Art. 13 Abs. 2 c) des Sozialpaktes nach\nArt. 4 des Sozialpaktes und unter Beachtung der Grenzen des Art. 5 des\nSozialpaktes gerechtfertigt (zu der Moglichkeit einer Einschrankung nach Art.\n4 des Sozialpaktes vgl. auch BVerwG, Urt. v. 25.07.2001, a.a.O. sowie Urt. v.\n03.12.2003, a.a.O.), da sie auf gesetzlicher Grundlage ergangen ist, zu einem\nzielstrebigen und straffen Studium anreizen soll und wegen der damit\nerreichbaren effizienteren Nutzung der Hochschulen der Forderung des\nAllgemeinwohls in einer demokratischen Gesellschaft dient. Da der Pakt nach\nseinem Sinn und Zweck einen Anspruch auf Zugang zur Hochschulbildung nicht um\nseiner selbst willen sichern will, sondern auf die Vermittlung der Moglichkeit\neiner akademisch gepragten Berufstatigkeit bezogen ist, ist die Begrenzung des\nDarlehensanspruchs auf die Dauer eines angemessenen Studiums auch mit der\nNatur des Rechts aus Art. 13 Abs. 2 c) des Sozialpaktes vereinbar. \n--- \n| 77 \n--- \n| Im Normalfall ist es jedem - nach § 7 Abs. 2 LHGebG anspruchsberechtigten -\nStudierenden moglich, sein Studium auch unter Berucksichtigung gegebenenfalls\neintretender Schwierigkeiten zu Ende zu fuhren. Denn die Dauer der\nDarlehensberechtigung erstreckt sich nicht nur auf die Regelstudienzeit des\ngewahlten Studiums, sondern umfasst noch den Zeitraum vier weiterer Semester\n(§ 6 Abs. 1 Nr. 1 und 3 LHGebG). Daruber hinaus fuhren die Erziehung eines\nKindes bis zum Alter von acht Jahren oder eine hinreichend schwere Behinderung\nzu einer Befreiung von der Gebuhrenpflicht. Auch werden Umstande, die nach §\n61 LHG eine Beurlaubung rechtfertigen, gemaß § 3 Satz 2 Nr. 1 LHGebG uber die\nAusnahme von der Gebuhrenpflicht wahrend eines rechtzeitig beantragten\nUrlaubssemesters berucksichtigt. Dabei fuhren Zeiten der Befreiung und der\nAusnahme von der Gebuhrenpflicht auch nicht zu einer Verkurzung der Dauer der\nBezugsberechtigung fur das Darlehen (§ 7 Abs. 4 Satz 3 LHGebG). \n--- \n| 78 \n--- \n| ccc) Dem atypischen Ausnahmefall, in dem die Zeitdauer der\nBezugsberechtigung fur ein Studiengebuhrendarlehen und die in § 6 Abs. 1\nLHGebG enthaltenen Befreiungsmoglichkeiten aufgrund außergewohnlicher, vom\nGesetzgeber so nicht in Rechnung gestellter Umstande, ausnahmsweise nicht\nausreichen, um einem bedurftigen Studierenden ein normales zielstrebiges\nStudium und einen akademischen Abschluss zu gewahrleisten, tragt das\nLandeshochschulgebuhrengesetz dadurch Rechnung, dass nach § 6 Abs. 3 Satz 1\nLHGebG i.V.m. §§ 21 und 22 des Landesgebuhrengesetzes allen Studierenden ein\nAnspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung daruber eingeraumt ist, ob die\nStudiengebuhr etwa in Hinblick auf eine gegebene wirtschaftliche\nLeistungsunfahigkeit und eine fehlende Darlehensberechtigung zu stunden oder\ngar zu erlassen ist. Dieser Anspruch kann sich aufgrund der volkerrechtlichen\nVerpflichtung aus Art. 13 Abs. 2 c des Sozialpaktes zur Gewahrleistung eines\ndiskriminierungsfreien Zugangs zu den Hochschulen auch zu einem Rechtsanspruch\nverdichten. \n--- \n| 79 \n--- \n| Dies konnte etwa im Fall der Klagerin dann zum Tragen kommen, wenn die in §\n6 Abs. 1 Nr. 1 LHGebG zugrunde gelegte Annahme, dass Kinder im Alter uber acht\nJahren der Betreuungsperson regelmaßig genugend Zeit lassen, sich in\nangemessener Weise einem Studium zu widmen, aufgrund außergewohnlicher\nUmstande nicht zum Tragen kommt und es deshalb der Klagerin trotz eines\nintensiven Studiums nicht moglich war, dieses noch wahrend des Laufs ihres\nDarlehensanspruchs zum Abschluss zu bringen. \n--- \n| 80 \n--- \n| Da im gegebenen Fall keine solche Konstellation gegeben ist, kann offen\ngelassen werden, ob uber die Regelung des § 6 Abs. 3 und der §§ 21, 22 LGebG\nzur Stundung oder dem Erlass der Studiengebuhr auch der Gruppe der\nStudienbewerber und Studierenden Rechnung getragen werden kann, die die\npersonlichen Voraussetzungen fur die Darlehensgewahrung nach § 7 Abs. 2 LHGebG\nnicht erfullen, deren diskriminierungsfreier Zugang zu den Hochschulen des\nLandes aber - wie bei den uber 40jahrigen oder den Asylberechtigten mit einer\nim Ausland erworbenen Hochschulreife (vgl. hierzu etwa die Stellungnahme des\nPaktausschusses zu Kanada, E/C.12/1Add.31 Ziff. 39) uber Art. 13 Abs. 2 c) des\nSozialpaktes ebenfalls grundsatzlich gewahrleistet ist. \n--- \n| 81 \n--- \n| 3\\. Der Erhebung einer Studiengebuhr fur die Dauer ihres Studiums an der\nbeklagten Hochschule verletzt die Klagerin auch nicht in ihrem Grundrecht aus\nArt. 12 Abs. 1 GG, nach welchem alle Deutschen das Recht haben, Beruf,\nArbeitsplatz und Ausbildungsstatte frei zu wahlen. \n--- \n| 82 \n--- \n| Auch wenn aus der Freiheit der Wahl auch der Ausbildungsstatte fur sich kein\nRecht auf die Bereitstellung eines kostenfreien Studienplatzes folgt, sondern\ndie Bereitstellung und Inanspruchnahme der staatlichen Hochschulen immer unter\ndem Vorbehalt dessen steht, was der Einzelne vernunftigerweise von der\nGesellschaft verlangen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.10.1996, BVerwGE 102,\n142; Urt. v. 25.07.2001, a.a.O.), so liegt in der Auferlegung von\nStudiengebuhren fur das Lehrangebot in einem grundstandigen Studiengang oder\neinem konsekutiven Masterstudiengang auf Studierende an den Hochschulen des\nLandes Baden-Wurttemberg nach §§ 1, 3, 5 LHGebG dennoch unter dem\nGesichtspunkt der ausbildungsbezogenen Belastung eine Beschrankung dieses\nGrundrechts. Denn die Erhebung dieser Gebuhr steht mit dem Besuch der\nHochschule im Hinblick auf die spatere Ausubung eines Berufs in einem engen\nZusammenhang und lasst objektiv auch eine berufsregelnde Tendenz deutlich\nerkennen. Immerhin werden die Studiengebuhren unmittelbar fur die\nBereitstellung des Lehrangebots in einem Studiengang erhoben. Auch ist die\nBezahlung der Gebuhr eine zwingende Voraussetzung fur die Aufnahme oder\nFortfuhrung des Studiums, da diese - von dem gleichwertigen Sonderfall des\nNachweises uber den bevorstehenden Abschluss eines Darlehensvertrages nach § 7\nff LHGebG abgesehen - nach § 60 Abs. 5 Nr. 2 LHG als Voraussetzung fur die\nImmatrikulation ausgestaltet ist bzw. bei bereits immatrikulierten\nStudierenden die Nichtbezahlung der Gebuhr trotz Mahnung, Androhung der\nExmatrikulation und Ablauf der Zahlungsfrist die zwangsweise Exmatrikulation\nzur Folge hat. Auch mochte der Gesetzgeber mit der Erhebung der\nStudiengebuhren (unter anderem) das Ausbildungsverhalten der Studierenden in\nRichtung eines zielgerichteten Studiums steuern (hierzu im Einzelnen BVerfG,\nNichtannahmebeschl. v. 31.3.2006 [bad.-wurtt. Langzeitstudiengebuhr] - 1 BvR\n1750/01 - Juris.). \n--- \n| 83 \n--- \n| Allerdings ist der hier mit der Auferlegung der Studiengebuhrenpflicht\nverbundene Eingriff in die uber Art. 12 Abs. 1 GG gewahrleistete Freiheit der\nKlagerin zur Wahl eines Hochschulstudiums nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG\nverfassungsrechtlich gerechtfertigt. Denn abgesehen davon, dass die\nStudiengebuhrenpflicht auf der Grundlage eines Gesetzes erhoben wird, liegen\nihrer Erhebung hinreichend gewichtige Zwecke zugrunde. \n--- \n| 84 \n--- \n| Die allgemeine Studiengebuhrenpflicht stellt formal eine sog. subjektive\nZulassungsschranke zur Wahl eines Hochschulstudiums dar, die grundsatzlich nur\ngerechtfertigt werden kann, wenn sie zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsguter\nnotwendig ist. Denn anders als die Langzeitstudiengebuhr gestaltet sie nicht\nnur die Bedingungen und Modalitaten einer grundsatzlich gebuhrenfreien\nAusbildung (hierzu BVerfG, Beschl. v. 31.03.2006, a.a.O.; BVerwG, Urt. v.\n25.07.2001, a.a.O.; anders aber VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 06.04.2000, a.a.O.;\nBayVGH, Urt. v. 28.03.2001, DVBl. 2001, 1548), sondern erfasst bereits die\nAufnahme eines Studiums als solches und zwar nicht nur mittelbar, sondern -\nuber die Ausgestaltung als Immatrikulationsvoraussetzung - als unmittelbare\nrechtliche Schranke fur die Wahl selbst. \n--- \n| 85 \n--- \n| Dieser formalen Einstufung der Gebuhrenpflichtigkeit als subjektive\nZulassungsschranke steht nicht entgegen, dass die Eingriffsintensitat uber das\nDarlehensmodell so abgefedert ist, dass das Zugangshindernis der Bezahlung der\nStudiengebuhr letztlich durch jeden ohne Hurde uberwunden werden kann und sich\ndie Belastung demnach materiell als Problem der finanziellen Gegenleistung fur\neine in Anspruch genommene staatliche Leistung und damit als Frage der\nAusgestaltung der Bedingungen und Modalitaten der Ausbildung darstellt. \n--- \n| 86 \n--- \n| Letztlich kann die Frage der Einstufung der mit der Erhebung der\nStudiengebuhren verbundenen Intensitat des Grundrechtseingriffs jedoch offen\ngelassen werden, weil die mit der Erhebung der Studiengebuhren verfolgten\noffentlichen Interessen auch solchen Gemeinschaftsgutern dienen, die gewichtig\ngenug sind, um auch einen Eingriff in die subjektive Ausbildungswahlfreiheit\nzu rechtfertigen. Denn die Erhebung der Studiengebuhren dient der Sicherung\nder Leistungsfahigkeit und der Effizienz der Lehre an den staatlichen\nHochschulen im Land und damit ohne weiteres wichtigen Gemeinschaftswerten. \n--- \n| 87 \n--- \n| So zielt die Erhebung der Studiengebuhr primar auf die Erzielung\nzusatzlicher Einnahmen und auf die Beteiligung der Nutzer an den Kosten der\nals offentliche Einrichtung zur Verfugung gestellten staatlichen Hochschulen.\nNeben der staatlichen Grundfinanzierung aus Steuermitteln sollen die\nStudierenden uber die Studiengebuhren an der Finanzierung der staatlichen\nHochschulen beteiligt werden (vgl. Landtagsdrucksache 13/4858 v. 22.11.2005,\nS. 1 u. 16). Neben dieser Finanzierungsfunktion sollen die Studiengebuhren das\nStudierverhalten dadurch positiv beeinflussen, dass die Studierenden zu\nuberlegten Entscheidungen, klaren Zielsetzungen und hohem Engagement\nveranlasst werden (Lenkungsfunktion). Schließlich soll die Gebuhrenpflicht des\nStudiums auch den Effekt haben, dass die Lehre sowohl aus der Sicht der\nStudierenden als auch aus der Sicht der Lehrenden einen neuen und hoheren\nStellenwert erhalt. Dies druckt der Gesetzgeber in der Begrundung zum\nGesetzentwurf dadurch aus, dass er - etwas uberhoht - den nunmehr fur das\nStudium bezahlenden Studierenden gegenuber den Hochschulen die Rolle von\n„zahlenden Nachfragern" zuschreibt. \n--- \n| 88 \n--- \n| Dabei ist die Erhebung der Studiengebuhren auch geeignet, um die hier\nbeschriebenen Zwecke zu erreichen. \n--- \n| 89 \n--- \n| Dies bedarf hinsichtlich des gewunschten Erfolgs der Mitfinanzierung der\nstaatlichen Hochschulen durch die Studierenden als deren Nutzer keiner\nweiteren Begrundung und wird insoweit auch von der Klagerin nicht in Frage\ngestellt. \n--- \n| 90 \n--- \n| Die Erhebung von Studiengebuhren ist aber auch geeignet, die Studierenden zu\neinem zielgerichteten und schnellen Studium anzuhalten und dem Studium sowohl\nbei den Lehrenden als auch bei den Studierenden einen hoheren Stellenwert\neinzuraumen. Denn es ist evident, dass die Kostenpflichtigkeit eines jeden\nSemesters im Normalfall der Studienplanung eines Studierenden zumindest als\nsteuerndes, wenn auch nicht immer entscheidendes Element wirkt und es besteht\n- was im Rahmen der Eignungsprognose ausreicht (BVerfG, Beschl. v. 20.04.1986,\nBVerfGE 67, 175) - jedenfalls die abstrakte Moglichkeit, dass die Tatsache der\nKostenpflichtigkeit des Studiums sowohl die Bereitschaft der Studierenden zu\nkonstruktiver Kritik an dem Lehrangebot in ihrem Studiengang als auch die\nSensibilitat der Lehrenden fur die Belange der Studierenden und den Wert ihrer\nLehrveranstaltungen steigert. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber uber\ndie Regelung des § 4 Abs. 1 LHGebG eine Zweckbindung des\nStudiengebuhrenaufkommens fur die Erfullung der Aufgaben der Hochschule in\nStudium und Lehre bestimmt und bei der Bestimmung der Verwendung der Mittel\naus dem Studiengebuhrenaufkommen eine Beteiligung der Studierenden verankert\nhat. \n--- \n| 91 \n--- \n| Ein im Hinblick auf die Erreichung der genannten Zwecke gleich wirksames,\naber weniger einschneidend in das Grundrecht der Berufsfreiheit wirkendes\nMittel ist nicht gegeben. Insbesondere stellt sich die Einschatzung des\nGesetzgebers nicht als evident fehlerhaft dar, dass die allgemeine\nStudiengebuhrenpflicht noch einmal in gesteigertem Maße zu einer Straffung und\nStrukturierung des Studiums fuhrt, als dies nach der bislang geltenden\nRegelung zur Erhebung von Langzeitstudiengebuhren der Fall war. Denn die\nErhebung der Langzeitstudiengebuhr stellte zwar einen Anreiz dar, das Studium\ninnerhalb des Zeitraums der Studiengebuhrenfreiheit zu absolvieren, ließ\njedoch eine Verzogerung des Studiums innerhalb dieses Zeitraums - von der\nVerringerung eines rechnerisch bestehenden Bildungsguthabens abgesehen - ohne\nAuswirkungen. Demgegenuber bildet die Erhebung der allgemeinen Studiengebuhr\neinen wirtschaftlichen Anreiz, das Studium von Anfang an moglichst\nzielgerichtet und straff zu organisieren und die Dauer des Studiums nicht an\ndem Umfang des - uber die Regelstudienzeit hinausgehenden - Bildungsguthabens\nfur ein gebuhrenfreies Studium zu orientieren. \n--- \n| 92 \n--- \n| Insgesamt stellt sich der mit der Erhebung der Studiengebuhren verbundene\nEingriff in die Berufs- bzw. Ausbildungsfreiheit der Studierenden auch als im\nengeren Sinne verhaltnismaßig dar. Denn die Nachteile, die den Studierenden\nuber die Erhebung der Studiengebuhren entstehen, stehen nicht außer Verhaltnis\nzu den mit der Erhebung verfolgten Zwecken. So ist es grundsatzlich nicht\nunbillig und unzumutbar, den Nutzer einer offentlichen Einrichtung in dem Fall\nan den Kosten derselben zu beteiligen, wenn - wie dies bei Studierenden in\nHinblick auf die Moglichkeit der Berufsausbildung der Fall ist - mit der\nNutzung ein besonderer Vorteil verbunden ist. Auch stehen die Gebuhren nach\nihrer Hohe nicht in einem Missverhaltnis zu dem Wert der mit der\nBereitstellung der Hochschulen den Studierenden gebotenen Leistung des\nStaates, denn es ist bereits aus den Verfahren zur Rechtmaßigkeit der\nLangzeitstudiengebuhren (BVerwG, Urt. v. 25.07.2001 - 6 C 8.00 -, a.a.O.; VGH\nBad.-Wurtt., Urt. v. 06.04.2000 - 2 S 1860/99 -, a.a.O., 874; VG Freiburg,\nUrt. v. 24.03.1999 - 1 K 2488/98 -, a.a.O.) bekannt, dass die Gebuhr von 500\nEuro je Semester weit unter den realen Kosten liegt, die das kostengunstigste\nStudium an einer staatlichen Hochschule wahrend eines Semesters verursacht.\nSchließlich ist entscheidend zu berucksichtigen, dass kein Studienbewerber\noder Studierender uber die Erhebung der Studiengebuhren an der Aufnahme oder\nFortfuhrung eines angemessenen Hochschulstudiums gehindert wird, weil\nzumindest fur den Zeitraum der Regeldauer eines Studiums zuzuglich vier\nweiterer Semester ein Anspruch des Studierenden auf eine Vorfinanzierung der\nStudiengebuhr durch die Landeskreditbank Baden-Wurttemberg besteht, wobei\nweder die auflaufende Darlehensschuld noch die - gesetzlich ausgestalteten -\nModalitaten der Ruckzahlung zu dem gewahrten Vorteil der Moglichkeit einer\nHochschulausbildung außer Verhaltnis stehen. \n--- \n| 93 \n--- \n| 4\\. Die Erhebung der Studiengebuhren nach dem Landeshochschulgebuhrengesetz\nverstoßt auch nicht gegen das aus den Grundrechten der Berufsfreiheit in Art.\n12 Abs. 1 GG und auf Gleichbehandlung in Art. 3 Abs. 1 GG sowie dem\nSozialstaatsprinzip abgeleitete verfassungsrechtliche Gebot, im Rahmen der\nvorhandenen Kapazitaten allen dazu Befahigten ein Studium zu ermoglichen, ohne\ndabei eine Sonderung der Studierenden nach den Besitz- und\nEinkommensverhaltnissen der Eltern vorzunehmen. \n--- \n| 94 \n--- \n| Insofern kann auf die Ausfuhrungen zu Art. 13 Abs. 2 c) des Sozialpakts\n(oben zu II. 2) verwiesen werden, die hier entsprechend zum Tragen kommen. \n--- \n| 95 \n--- \n| So reicht es auch im Rahmen des grundgesetzlich gewahrleisteten Anspruchs\nauf diskriminierungsfreie Teilhabe an den staatlichen Hochschulressourcen aus,\nwenn der diskriminierungsfreie Zugang fur Studienbewerber und Studierende ohne\neigene Mittel uber den im Landeshochschulgebuhrengesetz nach § 7 LHGebG\neingeraumten Anspruch gegen die Landeskreditbank Baden-Wurttemberg (L-Bank)\nauf eine darlehensgestutzte Vorfinanzierung der Studiengebuhren hergestellt\nwird. Auch steht es dem Anspruch auf diskriminierungsfreie Teilhabe nicht\nentgegen, wenn die betroffenen Darlehensnehmer zu einem spateren - regelmaßig\nnach Abschluss des Hochschulstudiums und dem Eintritt in ein Berufsleben\nliegenden - Zeitpunkt verpflichtet sind, das Darlehen einschließlich der\nangefallenen Zinsen zuruckzuzahlen, wenn - wie dies nach dem\nLandeshochschulgebuhrengesetz der Fall ist - die Gesamtbedingungen des\nStudiengebuhrendarlehens nicht die Folge haben, dass bedurftige\nStudienbewerber oder Studierende die Aufnahme eines solchen zur Ermoglichung\nihres Hochschulstudiums vernunftigerweise scheuen mussten oder wurden. \n--- \n| 96 \n--- \n| Sofern ein bedurftiger Studierender nach Ablauf der Darlehensbezugsdauer\nkeinen Anspruch mehr hat, dass die ihn treffenden Studiengebuhren uber die\nL-Bank vorfinanziert werden, ist zwar eine Benachteiligung gegenuber den\nwirtschaftlich leistungsfahigen Studierenden gegeben, die sogar zur Beendigung\ndes Hochschulstudiums des bedurftigen Studierenden fuhren kann, doch reicht es\nverfassungsrechtlich aus, dass der Gesetzgeber - wie hier - den\ndiskriminierungsfreien Zugang zu den Hochschulen fur ein angemessenes erstes\nStudium sichert. Einer daruber hinausgehenden und ubermaßigen Inanspruchnahme\nmuss er nicht mehr in gleicher Weise fordernd Rechnung tragen, wie dies zur\nGewahrleistung einer ersten und angemessenen Berufsausbildung an der\nHochschule der Fall ist. Denn auch wenn das aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art.\n3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip gewahrleistete Recht auf Teilhabe an\nstaatlichen Ausbildungsressourcen durch die Moglichkeit eines Abschlusses\ninnerhalb angemessener Zeit nicht ganzlich verbraucht ist, so ist die in der\nBegrenzung des Darlehensanspruchs liegende Schlechterstellung dadurch\ngerechtfertigt, dass die Studierenden, die den ihnen eingeraumten Rahmen eines\ndarlehensgeforderten Studienzugangs uberschritten haben, bereits in einem\nausreichenden Maße ihren Anteil an der nur begrenzt zur Verfugung stehenden\nAusbildungs- und Studienkreditressource hatten (vgl. hierzu auch BVerwG, Urt.\nv. 25.07.2001 - 6 C 9.00 - sowie BVerfG, Beschl. v. 31.03.2006 - 1 BvR 1771/01\n-, jeweils zur Gebuhrenpflichtigkeit eines Zweitstudiums). \n--- \n| 97 \n--- \n| Dabei ist zu berucksichtigen, dass der Anspruch auf ein Darlehen zur\nVorfinanzierung der Studiengebuhren nicht nur die Dauer eines grundstandigen\nStudiums umfasst, sondern auch den auf ein solches Studium bezogenen\nkonsekutiven Masterstudiengang und ein solches Zweitstudium fordert, dessen\nAbschluss zusatzlich zu dem Erststudium fur die Erlangung eines\nBerufsabschlusses gesetzlich vorgeschrieben ist (§ 7 Abs. 5 LHGebG). Im\nÜbrigen kann auch uber die Anwendung der Erlass und Stundungsregelungen in § 6\nAbs. 3 LHGebG, §§ 21, 22 LGebG sicher gestellt werden, dass - etwa in\natypischen Situationen oder in besonderen Hartefallen - die Unfahigkeit eines\nStudierenden zur Finanzierung der Studiengebuhr nicht zum Abbruch einer\nHochschulausbildung fuhrt. \n--- \n| 98 \n--- \n| 5\\. Die Erhebung der Studiengebuhren verstoßt auch nicht gegen den\nGleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser Grundsatz verbietet es\ndem Gesetzgeber, eine Gruppe in Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu\nbehandeln, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art\nund solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen\nkonnten. \n--- \n| 99 \n--- \n| Dabei ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen\nunterschiedliche Grenzen fur den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkurverbot bis\nzu einer strengen Bindung an Verhaltnismaßigkeitserfordernisse reichen. Die\nBindung ist um so enger, je mehr die Regelung an personenbezogenen Merkmalen\nanknupft, die denen in Art. 3 Abs. 3 GG entsprechen und je großer deshalb die\nGefahr ist, dass eine an sie anknupfende Ungleichbehandlung zur\nDiskriminierung einer Minderheit fuhrt. Zu berucksichtigen sind auch\nDifferenzierungen, die zwar nicht unmittelbar personenbezogen vorgenommen\nwerden, aber mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirken.\nHierbei bestehen bei lediglich verhaltensbezogenen Unterscheidungen umso\ngeringere Bindungen, je mehr die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr\nVerhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen\nunterschieden wird. Überdies sind dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers um\nso engere Grenzen gesetzt, je starker sich die Ungleichbehandlung von Personen\noder Sachverhalten auf die Ausubung grundrechtlich geschutzter Freiheiten\nnachteilig auswirken kann. \n--- \n| 100 \n--- \n| Der unterschiedlichen Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums\nentspricht eine abgestufte Kontrolldichte bei der verfassungsrechtlichen\nPrufung. Kommt als Maßstab nur das Willkurverbot in Betracht, so kann ein\nVerstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nur festgestellt werden, wenn die\nUnsachlichkeit bzw. Willkurlichkeit der Differenzierung evident ist. Dagegen\nist bei Regelungen, die Personengruppen verschieden behandeln oder sich auf\ndie Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken, im einzelnen\nnachzuprufen, ob fur die vorgesehene Differenzierung Grunde von solcher Art\nund solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen\nrechtfertigen konnen. Genauere Maßstabe lassen sich dabei nicht abstrakt und\nallgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen\nSach- und Regelungsbereiche bestimmen (BVerfG, Beschl. v. 11.1.2005, BVerfGE\n112, 164; Beschl. v. 26.1.1993, BVerfGE 88, 87). \n--- \n| 101 \n--- \n| a) Nach diesen Grundsatzen ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden,\ndass der Gesetzgeber den Darlehensanspruch der Studierenden nach §§ 7 und 9\nLHGebG so ausgestaltet hat, dass fur die Gewahrung des\nStudiengebuhrendarlehens ab dem Zeitpunkt der Auszahlung Zinsen erhoben werden\ndurfen. \n--- \n| 102 \n--- \n| Dabei kann offen gelassen werden, ob in der Erhebung der Zinsen fur das\nGebuhrendarlehen uberhaupt eine Ungleichbehandlung gegenuber den Studierenden\ngesehen werden kann, die ihre Studiengebuhren sofort aus eigenen Mitteln\nbegleichen. Denn selbst wenn die Ungleichbehandlung darin zu sehen ware, dass\nein bedurftiger Studierender als Darlehensnehmer aufgrund der Zinsbelastung in\nBezug auf die Kosten seines Hochschulzugangs mehr Mittel aufbringen muss, als\ndies bei dem Sofortzahler der Fall ist, so ist eine in der zusatzlichen\nZinsbelastung liegende „Ungleichbehandlung" des bedurftigen Darlehensnehmers\nsachlich dadurch gerechtfertigt, dass der Darlehensnehmer die fur die\nBegleichung der Studiengebuhren notwendigen Mittel nicht sofort aus dem\neigenen (bei bedurftigen Studierenden regelmaßig nicht vorhandenen) Vermogen,\nsondern erst spater zu einem Zeitpunkt aufbringen muss, zu dem bei ihm vom\nBestehen einer hinreichenden wirtschaftlichen Leistungsfahigkeit ausgegangen\nwerden kann. Da es bei der Abschopfung dieses wirtschaftlichen Vorteils nicht\nmehr darum geht, einem bedurftigen Studierenden den Zugang zu der Hochschule\nzu sichern, sondern darum, ob ein potentiell wirtschaftlich leistungsfahiger\nHochschulabsolvent auch an den Kosten der Vorfinanzierung seiner\nStudiengebuhren beteiligt oder ob ein in der spateren Zahlungspflicht\nliegender wirtschaftlicher Vorteil abgeschopft werden kann, ist die\nEntscheidung des Gesetzgebers, die Darlehensfinanzierung der Studiengebuhren\nnicht zinsfrei zu gewahren, sondern - uber die Begrenzung des Zinssatzes auf\ndie Geldbeschaffungs- und die Kreditverwaltungskosten der Darlehensbank (vgl.\n§ 9 Abs. 2 Nr. 8 LHGebG) und die Moglichkeit der Einbindung auch anderer\nBanken als der L-Bank - nur sicher zu stellen, dass diese Darlehen zu\nwirtschaftlich moglichst gunstigen Bedingungen gewahrt werden, sachlich\ngerechtfertigt. \n--- \n| 103 \n--- \n| Dies gilt umso mehr, als bei der Vielzahl der bedurftigen Studierenden, die\ngleichzeitig zur Inanspruchnahme des Studiengebuhrendarlehens auch uber Mittel\nnach dem BAfoG gefordert werden, uber die Kappungsregelung und das Eintreten\ndes Studienfonds in die Darlehensschuld des Studierenden nach § 9 Abs. 4 und 6\nLHGebG faktisch eine Subventionierung der Inanspruchnahme des Darlehens\nerfolgt, die bei einem Studierenden, dessen Darlehensschuld nach dem BAfoG\nzuzuglich der reinen Schuld fur die Studiengebuhren den Betrag von 15.000 Euro\nubersteigt, sogar zu einer faktischen Zinslosigkeit des\nStudiengebuhrendarlehens fuhrt. \n--- \n| 104 \n--- \n| Der hiernach bei der Vielzahl der bedurftigen Studierenden wegfallenden oder\njedenfalls deutlich reduzierten Zinsbelastung fur das Studiengebuhrendarlehen\nist zudem - unter dem Gesichtspunkt der ungleichen Belastung von (bedurftigen)\nDarlehensnehmern mit den Sofortzahlern - der wirtschaftliche Nachteil\ngegenuber zu stellen, der den Sofortzahlern dadurch entsteht, dass sie die\nMittel aus ihrem Vermogen nicht - wie der Darlehensnehmer - erst spater,\nsondern sofort aufbringen und dementsprechend diese Mittel nicht mehr\nanderweitig einsetzen konnen (a.A. insoweit Pieroth, Stellungnahme zur\noffentlichen Anhorung des Ausschusses fur Innovation, Wissenschaft, Forschung\nund Technologie des Landtags von Nordrhein-Westfalen vom 26.01.2006 sowie\nders./Hartmann, NWVBl. 2007, 81, 84: „nur Inflationsausgleich"). Auch wenn die\nKammer der insoweit vorgelegten Darstellung der Beklagten nicht folgt, dass\nder entgangene Gewinn des Sofortzahlers sogar mehr als 7 % p.a. betragt und\ndamit dem Zinssatz entspricht, der zur Zeit fur die Gewahrung eines\nStudiengebuhrendarlehens der L-Bank angesetzt wird, so kann doch davon\nausgegangen werden, dass auch bei einer - nicht spekulativen - Geldanlage eine\nRendite in Hohe von 4,5 % erwirtschaftet werden konnte, so dass von einer\ngravierenden Ungleichbelastung des bedurftigen Studierenden gegenuber dem\nSofortzahler in Bezug auf die insgesamt fur den Zugang zur Hochschule\naufzubringenden Finanzmittel nicht die Rede sein kann. \n--- \n| 105 \n--- \n| b) (…) c) (…) \n--- \n| 106 \n--- \n| 6\\. Die Studiengebuhrenpflicht verstoßt schließlich auch nicht gegen den in\nArt. 20 Abs. 3 GG verankerte Prinzip der Rechtssicherheit in der Form des\nVertrauensschutzes. \n--- \n| 107 \n--- \n| Weder die Einbeziehung der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der\nGebuhrenregelung zum Sommersemester 2007 bereits immatrikulierten Studierenden\nin die Gebuhrenpflicht noch die in § 7 Abs. 4 des LHGebG geregelte Kurzung der\nBezugsberechtigung fur ein Darlehen zur Vorfinanzierung der Studiengebuhren\nstellen Regelungen dar, die nachtraglich andernd in bereits abgeschlossene,\nder Vergangenheit angehorende Tatbestande eingreifen und denen somit eine -\nverfassungsrechtlich grundsatzlich unzulassige - „echte" Ruckwirkung zukommt;\nvielmehr wirkt das Landeshochschulgebuhrengesetz uber beide Regelungen nur auf\nden gegenwartigen Rechtszustand der Zahlungspflicht fur ein aktuelles Semester\nund der Bezugsberechtigung fur ein in diesem Zusammenhang begrenzt gewahrtes\nDarlehen ein. \n--- \n| 108 \n--- \n| Die hierin liegende unechte Ruckwirkung bzw. tatbestandliche Ruckanknupfung\nist verfassungsrechtlich grundsatzlich zulassig, solange nicht bei der\ngebotenen Abwagung zwischen dem Vertrauen des Einzelnen auf den Fortbestand\nder geanderten gesetzlichen Regelung und der Bedeutung der Neuregelung fur das\nallgemeine Wohl ausnahmsweise den Interessen des Betroffenen ein hoheres\nGewicht einzuraumen ist (BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 31.3.2006 a.a.O.; vgl.\nauch BVerfG, Beschl. v. 30.9.1987, BVerfGE 76, 256). Letzteres trifft hier\naber nicht zu. \n--- \n| 109 \n--- \n| Das Interesse des Gesetzgebers an einer Erhohung der Einnahmen der\nHochschulen, um die Studienbedingungen zu verbessern und die Qualitat der\nLehre sowie die Attraktivitat des Studiums und des Studienstandorts Baden-\nWurttemberg zu sichern, ist ebenso legitim wie die weitere Zwecksetzung, die\nStudierenden zu uberlegten Entscheidungen, klaren Zielsetzungen und hohem\nEngagement zu veranlassen und die Wertigkeit der Lehre fur die Beteiligten -\nStudierende und Lehrende - zu erhohen (vgl. amtl. Begrundung, LT-Drs. 13/4858,\nSeite 16). Diese Zielsetzungen wiegen schwerer als das Vertrauen Studierender\ndarauf, ihr bereits begonnenes Studium ohne Gebuhrenbelastung abschließen zu\ndurfen. Dabei kommt es fur die Frage, ob ein Studierender mit einer Änderung\nder Rechtslage rechnen musste, nicht auf seine subjektive Vorstellung und\nindividuelle Situation, sondern darauf an, ob die bisherige Regelung bei\nobjektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der Betroffenen auf ihren\nFortbestand zu begrunden. Ein solches besonderes Vertrauen war aber in der\nZeit vor dem Inkrafttreten der Studiengebuhrenregelung des\nLandeshochschulgebuhrengesetzes zu keinem Zeitpunkt gegeben. Denn abgesehen\ndavon, dass das bloße Vertrauen in den Fortbestand einer gunstigen\nGesetzeslage als solches nicht schutzwurdig ist, sondern nur dann, wenn auf\nder Seite des Betroffenen noch zusatzliche gewichtige Interessen beruhrt sind,\nmussten die Studierenden schon vor dem Hintergrund der Einfuhrung von\nVerwaltungskostenbeitragen, Ruckmeldegebuhren und Langzeitstudiengebuhren in\nden vergangenen Jahren damit rechnen, dass ihre Hochschulausbildung auch in\nder Zukunft nicht vollig umsonst zu haben sein wird. Dabei kann von einer\nfehlenden Vorhersehbarkeit der Einfuhrung von Studiengebuhren auch fur das\nnormale Erststudium nicht die Rede sein. Zwar hatten die Ministerprasidenten\nder Lander im Zuge der Hochschulreform am 16.4.1970 beschlossen, ab dem\nWintersemester 1970/71 an den Hochschulen der Bundesrepublik einheitlich auf\ndie Erhebung von Studiengebuhren zu verzichten. Auch vereinbarten die\nKultusminister der Lander noch am 25.5.2000, das Studium bis zum ersten\nberufsqualifizierenden Abschluss und bei konsekutiven Studiengangen bis zum\nzweiten berufsqualifizierenden Abschluss grundsatzlich gebuhrenfrei zu halten.\nZum Abschluss eines damals in Aussicht gestellten Staatsvertrags kam es dann\njedoch in der Folgezeit schon nicht mehr. Vielmehr fuhrte die Diskussion um\ndie Einfuhrung von allgemeinen Studiengebuhren mit dem Sechsten Gesetz zur\nÄnderung des Hochschulrahmengesetzes (6. HRGÄndG vom 8.8.2002, BGBl. I S.\n3138) zum Erlass eines entsprechenden bundesgesetzlichen Verbots derselben,\ndas wiederum sofort und letztlich mit Erfolg von einigen Bundeslandern vor dem\nBundesverfassungsgericht angegriffen wurde (BVerfG, Urt. v. 26.01.2005,\na.a.O.). \n--- \n| 110 \n--- \n| Im Übrigen hat der Gesetzgeber uber Art. 7 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur\nÄnderung des Landeshochschulgebuhrengesetzes und anderer Gesetze (vom\n19.12.2005, GBl. S. 794; berichtigt GBl. 2006 S. 15) bestimmt, dass\nStudiengebuhren nicht abrupt ab dem 01.01.2006, sondern erstmals fur das\nSommersemester 2007 erhoben werden. Die hierin liegende Übergangsregelung von\nzwei noch gebuhrenfreien Semestern (Sommersemester 2006 und Wintersemester\n2006/2007), reichte aus, damit sich die Studierenden auf die neue Rechtslage\neinstellen konnten, indem sie entweder das Studium abschließen oder aber sich\nauf eine kunftige Zahlungspflicht einrichten, die angesichts des - oben zu\nII.2.b.bb) dargestellten - sozialvertraglichen Darlehensmodells auch keine\nubermaßigen und unzumutbaren Belastungen des einzelnen Studierenden mit sich\nbringt. Hinsichtlich der Studierenden, die keinen\nDarlehensfinanzierungsanspruch mehr haben, ist zu berucksichtigen, dass sie\nauch nach der alten Rechtslage uber die Regelung zur\nLangzeitstudiengebuhrenpflicht regelmaßig im gleichen Maße fur ihr Studium\ngebuhrenpflichtig geworden waren, wie dies nun nach der Regelung zur\nallgemeinen Erhebung von Studiengebuhren der Fall ist. \n--- \n| 111 \n--- \n| Da im Übrigen in atypischen Hartefallen, in denen die Einfuhrung der\nallgemeinen Studiengebuhren etwa in unvorhergesehener Weise eine Situation\nverursacht, die aus wirtschaftlichen Grunden zu einer vorzeitigen Beendigung\ndes Studiums fuhrt, uber die Regelung des § 6 Abs. 3 LHGebG i.V.m. §§ 21, 22\nLGebG zur Stundung oder dem Erlass der Studiengebuhren reagiert werden kann\n(vgl. fur die baden-wurttembergische Langzeitstudiengebuhr: BVerwG, Urt. v.\n25.7.2001, a.a.O.), bedurfte es - abgesehen von den Fallen bereits\nimmatrikulierter auslandischer Studierender, die keinen Darlehensanspruch\nhaben (vgl. Art. 7 Abs. 2 Satz 3 ÄndGLHGebG) und der Bestimmung in Art. 7 Abs.\n2 Satz 2 ÄndGLHGebG, welche die (ohnehin bereits seit 2003\ngebuhrenpflichtigen) Studierenden der Popakademie Baden-Wurttemberg betrifft -\nkeiner weiteren speziellen Übergangsregelungen mehr." \n--- \n**III.** \n--- \n| 112 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO; § 100 Abs. 1 ZPO.\nDabei sieht die Kammer nach Ermessen davon ab, die Entscheidung hinsichtlich\nder Kosten fur vorlaufig vollstreckbar zu erklaren (§ 167 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 113 \n--- \n| Die Zulassung der Berufung findet ihre Grundlage in § 124a Abs. 1 i.V.m. §\n124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, da die Frage nach der Rechtmaßigkeit der Erhebung von\nStudiengebuhren nach dem Landeshochschulgebuhrengesetz angesichts der\nMassenhaftigkeit der Gebuhrenerhebung auch gegenuber Studierenden, die ihren\nWehr- und Zivildienst geleistet haben, grundsatzliche Bedeutung hat. \n--- \n---\n\n
143,155
olgstut-2007-07-11-8-w-26507
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
8 W 265/07
2007-07-11
2019-01-09 15:02:21
2019-02-12 13:26:03
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der\nKostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Ulm vom 27.\nApril 2007, Az. 2 O 169/05, dahin\n\n> > > > **abge andert,**\n\n_dass von den Kl agern an die Beklagten uber den bereits festgesetzten Betrag\nvon 8.740,10 Euro hinaus an_ **_ weiteren _ ** _Kosten zu erstatten sind:_\n\n> > > > **_7.179,84 Euro _**\n\n_nebst Zinsen in H ohe von funf Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz nach §\n247 BGB aus 4.176 Euro seit 28. Februar 2007 und aus 3.003,84 Euro seit 2.\nMarz 2007._\n\n2\\. In Hohe von 2.384,88 Euro wird die sofortige Beschwerde der Beklagten\n\n> > > > **zur uckgewiesen.**\n\n3\\. Eine Gerichtsgebuhr wird nicht erhoben. Im ubrigen tragen von den\naußergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens die Klager 75% und die\nBeklagten 25%.\n\nBeschwerdewert: 9.564,72 Euro\n\n## Gründe\n\n| | **1.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klager machten in dem am 4. April 2005 beim Landgericht Ulm anhangig\ngewordenen Hauptsacheverfahren Pflichtteils- und\nPflichtteilserganzungsforderungen sowie Auskunftsanspruche gegen die Beklagten\nals Erben geltend. Sie beriefen sich in der Klagebegrundung auf ein Gutachten\nder Steuerberatungsgesellschaft ... + Kollegen GmbH vom 3. November 2004 uber\nden Unternehmenswert der Firma ...KG zum 31. Dezember 1992. Die hierdurch\nentstandenen Aufwendungen von 1.937,20 Euro (11 Stunden a 150 Euro) wurden im\nRahmen der Kostenfestsetzung fur die Klager zum Ausgleich gebracht und sind im\nvorliegenden Beschwerdeverfahren nicht im Streit. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Aufgrund Beweisbeschlusses vom 24. Marz 2006 wurde am 3. Juli 2006 ein\nschriftliches Gutachten des gerichtlichen Sachverstandigen ... eingeholt, der\nzu einem Unternehmenswert von 4.573.859 Euro kam und nicht zu einem solchen\nvon 6.906. 000 Euro wie der Privatgutachter der Klager. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Beklagten beauftragten hierauf am 4. September 2006 ihrerseits die\nSachverstandigen ... (Wirtschaftsprufer) und ... (Steuerberater) aus der\nWirtschaftsprufungsgesellschaft ...AG (...) damit, das Gutachten des\ngerichtlichen Sachverstandigen uber den Unternehmenswert der ... KG zum 31.\nDezember 1992 zu uberprufen und eine gutachterliche Stellungnahme abzugeben.\nIn dem erstellten schriftlichen Gutachten vom 9. Oktober 2006 wurde der\nUnternehmenswert mit 1.547.190 Euro ermittelt. \n--- \n| 4 \n--- \n| Am 7. November 2006 wurde der gerichtliche Sachverstandige ... durch das\nLandgericht aufgefordert, die Unternehmensbewertung auch fur einen weiteren\nStichtag, den Todeszeitpunkt des Erblassers (22. August 2002) vorzunehmen und\neine Stellungnahme abzugeben zu dem von den Beklagten eingeholten\nPrivatgutachten. Dies erfolgte schriftlich am 28. November 2006. Auch der\nPrivatgutachter der Beklagten nahm nochmals am 8. Januar 2007 Stellung zum\ngerichtlichen Erganzungsgutachten. \n--- \n| 5 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung vom 15. Februar 2007 wurde der\nSachverstandige ... zur Erlauterung seines schriftlichen Gutachtens vernommen\nund die Beklagten ließen durch ihren Privatgutachter ... Fragen an den\ngerichtlichen Sachverstandigen stellen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Nach dieser Beweisaufnahme schlossen die Parteien einen gerichtlich\nprotokollierten Vergleich, der innerhalb der eingeraumten Frist von den\nBeklagten nicht widerrufen wurde. In dem Vergleich ubernahmen die Klager 3/4\nund die Beklagten 1/4 der Kosten des Rechtsstreits. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren beantragten die Beklagten die\nBerucksichtigung der ihnen entstandenen Aufwendungen fur ihren Privatgutachter\nvon 7.424 Euro am 28. Februar 2007 und von weiteren 5.328,96 Euro am 2. Marz\n2007. Die Rechtspflegerin brachte diese Parteiauslagen in dem dem\nKostenfestsetzungsbeschluss vom 27. April 2007 zu Grunde liegenden\nKostenausgleich nicht in Ansatz mit der Begrundung, dass das Privatgutachten\nder Beklagten keinen Einfluss auf den Rechtsstreit und das Prozessergebnis\ngenommen habe. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Gegen die am 10. Mai 2007 zugestellte Entscheidung hat der\nBeklagtenvertreter vorab per Telefax am 23. Mai 2007 (Eingang der Urschrift am\n24. Mai 2007) Beschwerde eingelegt, der der Klagervertreter entgegengetreten\nist. Im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsatze Bezug genommen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Rechtspflegerin hat die Akten ohne Abhilfe dem Oberlandesgericht zur\nEntscheidung vorgelegt. \n--- \n--- \n**2.** \n--- \n| 10 \n--- \n| Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts\nUlm vom 27. April 2007 ist gemaß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO die sofortige\nBeschwerde statthaft. Sie ist zulassig (§§ 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 ff\nZPO, § 11 Abs. 1 RpflG) und in der Sache teilweise erfolgreich. Der in der\nangefochtenen Entscheidung festgesetzte Betrag von 8.740,10 Euro war um\n7.179,84 Euro zu erhohen. \n--- \n--- \n**a)** \n--- \n| 11 \n--- \n| Zwar sind Kosten eines prozessbegleitenden Privatgutachtens grundsatzlich\nnicht erstattungsfahig, weil es Sache des Gerichts ist, Beweiserhebungen durch\nEinholung von Sachverstandigengutachten durchzufuhren. Eine Ausnahme gilt\njedoch dann, wenn es darum geht, ein gerichtliches Sachverstandigengutachten\nzu uberprufen, zu widerlegen oder zumindest zu erschuttern (vgl. Senat BauR\n2002, 665 und Beschluss vom 15. November 2004, Az. 8 W 394/04; OLGR Bamberg\n2000, 268; OLG Koblenz AGS 2002, 117; OLG Frankfurt IBR 2003, 177; OLG Celle\nBauR 2003, 588; Herget in Zoller, ZPO, 26. Aufl., § 91 Rdnr. 13\n"Privatgutachten"; je m. w. N.), oder aber zur Wiederherstellung der\n"Waffengleichheit", wenn der Gegner seinerseits ein Privatgutachten eingeholt\nhat (OLGR Naumburg 2007, 421; Herget, a.a.O., m.w.N.). \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Daraus erwachst einer Partei aber kein Anspruch auf eine vollstandige\nsachverstandige Prozessbegleitung. Sie kann nur dasjenige ersetzt verlangen,\nwas aus der Sicht einer verstandigen Prozesspartei zur Überprufung und\nWiderlegung des gerichtlichen Sachverstandigengutachtens oder zur\nWiederherstellung der "Waffengleichheit" objektiv erforderlich und geeignet\n(OLG Stuttgart NJW-RR 1996, 255) und damit zur zweckentsprechenden\nRechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig ist (§ 91 Abs. 1 Satz 1\nZPO). \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Vorliegend ist es dem Grunde nach nicht zu beanstanden, dass die Beklagten\nsachverstandige Hilfe zur Überprufung und Widerlegung des eingeholten\ngerichtlichen Sachverstandigengutachtens eingeholt haben. Die\nUnternehmensbewertung bedarf einer besonderen Sachkunde, die bei den\nVerfahrensbeteiligten nicht vorausgesetzt werden kann. Zur zweckentsprechenden\nRechtsverfolgung bzw. -verteidigung durften sowohl die Klager als auch die\nBeklagten im Rahmen der "Waffengleichheit" Privatgutachten einholen - die\nBeklagten zusatzlich auch deshalb, weil sie nur auf diese Weise sich\ndetailliert mit dem gerichtlichen Gutachten auseinandersetzen und dies in\nZweifel ziehen konnten. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Auch der Umfang der Tatigkeit der Privatsachverstandigen ... und ... im\nAuftrag der Beklagten, der im ubrigen von den Klagern nicht in Frage gestellt\nwird, war unmittelbar prozessbezogen, so dass deren Kosten zum Rechtsstreit im\nSinn des § 91 Abs. 1 ZPO gehoren. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Privatsachverstandigen sind in ihrem zu den Akten gelangten\nschriftlichen Gutachten vom 9. Oktober 2006 zu einem anderen Ergebnis gekommen\nals der Sachverstandige .... Dies hat das Gericht u. a. veranlasst, eine\nerganzende Stellungnahme des Herrn ... einzuholen, mit der sich wiederum die\nPrivatgutachter der Beklagten auseinander gesetzt haben und schließlich\ndurften sie im Beweisaufnahmetermin Fragen an den gerichtlichen\nSachverstandigen richten. Das Landgericht hielt damit das Privatgutachten der\nSachverstandigen ... und ... als Einlassung der Beklagten fur\nentscheidungserheblich. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Damit war von dem eingeholten Gutachten zumindest eine Forderung des\nProzesses zu erwarten und der von der Rechtsprechung teilweise geforderte\nEinfluss auf den Rechtsstreit (Herget, a. a. O., m. w. N.; sowie die im\nSchriftsatz des Klagervertreters vom 14. Marz 2007 aufgefuhrten\nRechtsprechungszitate) ist entgegen der Auffassung der Rechtspflegerin zu\nbejahen. Dass das Gutachten den Rechtsstreit daruber hinaus fur den\nAuftraggeber positiv beeinflusst haben muss, ist nicht zu verlangen und\nletztlich im Festsetzungsverfahren nicht uberprufbar. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Im ubrigen braucht das Gutachten auch nicht auf seine inhaltliche\nRichtigkeit uberpruft zu werden. Die Erstattungsfahigkeit ist nur bei einem\nvollig unbrauchbaren und/oder einseitigen Gutachten zu verneinen (OLG\nStuttgart NJW-RR 1996, 255, m. w. N.). \n--- \n| 18 \n--- \n| Das ist vorliegend nicht der Fall, so dass von der grundsatzlichen\nErstattungsfahigkeit der Privatgutachterkosten der Beklagten dem Grunde nach\nund auch - bezuglich des Umfangs der Sachverstandigentatigkeit - der Hohe nach\nauszugehen ist. \n--- \n--- \n**b)** \n--- \n| 19 \n--- \n| Inwieweit die Erstattungsfahigkeit dieser Parteiauslagen daran scheitern\nsoll, dass die Beklagten keinen unabhangigen Gutachter beauftragt hatten, ist\nnicht ersichtlich. \n--- \n| 20 \n--- \n| Die in Bezug genommene Entscheidung des OLG Dresden (JurBuro 2003, 312)\nstellt darauf ab, dass es an der (außeren) Unabhangigkeit des Sachverstandigen\nfehlt, wenn er in derselben Sozietat wie der Prozessbevollmachtigte des\nAuftraggebers tatig ist. Hierfur gibt es vorliegend keinerlei Anhaltspunkte. \n--- \n--- \n**c)** \n--- \n| 21 \n--- \n| Im ubrigen richtet sich die Erstattungsfahigkeit der Gutachterkosten der\nHohe nach nicht nach den Vergutungssatzen des Justizvergutungs- und\n-entschadigungsgesetzes (JVEG) (BGH NJW 2007, 1532). \n--- \n| 22 \n--- \n| Soweit jedoch die Angemessenheit des vom Privatgutachter der Beklagten\nberechneten Stundensatzes von 200 Euro von den Klagern bestritten wird, ist in\nAnwendung von § 287 ZPO ein Stundensatz von 150 Euro zugrunde zulegen. Dabei\nwird ausgegangen von der Abrechnung des Privatgutachters der Klager, der\nseinerseits pro Stunde 150 Euro in Ansatz gebracht hat. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Danach reduziert sich die am 28. Februar 2007 eingereichte Rechnung der\nSachverstandigen von 7.424 Euro auf 5.568 Euro. Hiervon haben die Klager 3/4\nzu tragen, mithin 4.176 Euro. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die weitere am 2. Marz 2007 eingereichte Rechnung von 5.328,96 Euro\nreduziert sich auf 4.005,12 Euro, wobei aus den Auslagen von 78,12 Euro eine\nUmsatzsteuer nicht in Ansatz gebracht wurde, weil nicht erkennbar ist, ob\ndiese Auslagen der Umsatzsteuerpflicht unterliegen. Die Klager haben von dem\nerrechneten Betrag 3/4, also 3.003,84 Euro zu tragen, so dass sich ein\nweiterer Erstattungsbetrag zu den nach Durchfuhrung des Kostenausgleichs\nbereits festgesetzten 8.740,10 Euro von 7.179,84 Euro ergibt. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| In dieser Hohe hatte das Rechtsmittel der Beklagten in der Sache Erfolg,\nwahrend es in Hohe von 2.384,88 Euro als unbegrundet zuruckzuweisen war\n(2.384,88 Euro + 7.179,84 Euro = Beschwerdewert von 9.564,72 Euro = 3/4 der\nSumme der beiden Sachverstandigenrechnungen von insgesamt 12.752,96 Euro). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91, 92 ZPO. \n--- \n| 27 \n--- \n| Eine Anwendung von § 97 Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht, weil die\nwesentlichen Argumente zur Problematik der Erstattungsfahigkeit von\nPrivatgutachterkosten nicht erst in der Beschwerdeinstanz ausgetauscht wurden,\nsondern bereits im Kostenfestsetzungsverfahren. \n--- \n| 28 \n--- \n| Im ubrigen konnte im Hinblick auf das uberwiegende Obsiegen der Beklagten\nvon der Erhebung einer Gerichtsgebuhr gemaß Nr. 1812 GKG-KV abgesehen werden. \n--- \n---\n\n
143,160
fg-baden-wurttemberg-2007-07-12-1-k-31604
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
1 K 316/04
2007-07-12
2019-01-09 15:02:23
2019-01-17 12:03:19
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin (Kl.) begehrt die Gewahrung von Kindergeld ab Juni 2005 fur\nihre am 30. August 1977 geborene Tochter X (Kind). \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Bescheid vom 14. Juli 2004 bewilligte die Agentur fur Arbeit .... dem\nKind Übergangsgeld nach den §§ 97ff SGB III i.V.m. § 33 und den §§ 44ff. SGB\nIX fur den Zeitraum vom 01. Juli 2004 bis 25. Mai 2005. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Beklagte (Bekl.) hob mit Bescheid vom 21. Juli 2004 die\nKindergeldfestsetzung fur das Kind ab September 2004 nach § 70 Abs. 2 EStG mit\nder Begrundung auf, dass dieses im August 2004 das 27. Lebensjahr vollendet\nhabe. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Kl. erhob hiergegen Einspruch und legte in diesem Zusammenhang den\nSchwerbehindertenausweis ihrer Tochter in Kopie vor, aus dem sich ein Grad der\nBehinderung von 50 ergibt. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Einspruchsentscheidung vom 12. August 2004 wies die Bekl. den Einspruch\nals unbegrundet zuruck. Das Kind sei nicht auf Dauer außerstande, sich zu\nunterhalten. Die Tochter konne selbst fur ihren Lebensunterhalt sorgen. Sie\nhabe 1989 eine Ausbildung begonnen, diese aber abgebrochen. Im Moment nehme\nsie an einem Lehrgang fur eine Ausbildung zur Burokraft teil. Eine Forderung\ndurch Übergangsgeld ware sicher nicht erfolgt, wenn davon ausgegangen wurde,\ndass X ihren Lebensunterhalt nicht verdienen kann. Das Kind sei grundsatzlich\nunter Beachtung der Behinderungen fur eine Arbeit vermittelbar und deshalb\ntrotz seiner gegenwartigen Arbeitslosigkeit nicht auf Dauer gehindert, fur\nseinen Lebensunterhalt zu sorgen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Hiergegen hat die Kl. am 16. August 2004 Klage erhoben, mit der sie erneut\ndarauf hinweist, dass ihre Tochter behindert sei. Diese habe deshalb\nSchwierigkeiten bei der Arbeitssuche. Auf ihre vielen Bewerbungen bekomme sie\nimmer Absagen. Als man beim Vorstellungsgesprach erfahren habe, dass X einen\nSchwerbehindertenausweis habe, sei dieses beendet worden. Wegen ihrer\nkorperlichen Behinderung - ihre linke Seite sei gelahmt - konne die Tochter\nnicht korperlich arbeiten. \n--- \n| 7 \n--- \n| Nachdem die Bekl. mit Bescheid vom 30. Juni 2005 der Kl. fur den Zeitraum\nab September 2004 bis Mai 2005 der Kl. Kindergeld bewilligt hat, ist der\nRechtsstreit insoweit erledigt (vgl. den Beschluss vom 20. Oktober 2006 unter\ndem Aktenzeichen 1 K 255/06). \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit Bescheid vom 30. August 2006 hat die Bekl. den Antrag der Kl. vom 22.\nAugust 2005 auf Gewahrung von Kindergeld fur ihre Tochter ab Juni 2005 mit der\nBegrundung abgelehnt, dass das Kind nach Mitteilung der Arbeitsvermittlung\nsowie der Reha/SB-Stelle der zustandigen Agentur fur Arbeit in der Lage sei,\neine arbeitslosenversicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden umfassende\nTatigkeit unter den ublichen Bedingungen des in Betracht kommenden\nArbeitsmarktes auszuuben. Fur die Unfahigkeit zum Selbstunterhalt sei die Lage\nauf dem Arbeitsmarkt ursachlich. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Kl. beantragt nunmehr unter Aufhebung des Bescheids vom 30. August 2006\nKindergeld fur ihre Tochter X ab Juni 2005 festzusetzen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Bekl. beantragt, die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Auch wenn ein behindertes Kind uber das 27. Lebensjahr hinaus noch in\nAusbildung stehe, lasse sich nicht allein mit Rucksicht hieraus die\nUrsachlichkeit der Behinderung fur die Unfahigkeit des Kindes zum\nSelbstunterhalt ableiten. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Beteiligten haben sich mit Schriftsatzen vom 11. Januar 2006 und 16.\nJanuar 2006 mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den\nBerichterstatter einverstanden erklart. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Im Erorterungstermin am 19. Oktober 2006 wurde mit den Vertretern der\nBeteiligten die Sach- und Rechtslage erortert. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Nach der Sozialmedizinischen Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der\nAgentur fur Arbeit .... (Teil B des Gutachtens mit umfanglicher Untersuchung\nArztes fur Allgemeinmedizin und Arbeitsmedizin ....) vom 23. Marz 2007 ist die\nTochter der Kl. vollschichtig leistungsfahig fur Tatigkeiten des allgemeinen\nArbeitsmarktes unter Berucksichtigung einer Reihe von dort aufgefuhrten\nLeistungseinschrankungen. Weiter heißt es dort, Frau XY wolle sich wegen ihres\nkleinen Kindes zur Zeit jedoch nur 3 bis 4 Stunden pro Tag fur Tatigkeiten des\nallgemeinen Arbeitsmarktes zur Verfugung stellen. Ursachlich fur die\nUnfahigkeit zum Selbstunterhalt sei die Lage auf dem Arbeitsmarkt. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsatze samt\nAnlagen und die vorliegende Kindergeldakte sowie die Niederschriften des\nErorterungstermins vom 19. Oktober 2006 und der mundlichen Verhandlung vom 12.\nJuli 2007 Bezug genommen. \n--- \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 16 \n--- \n| Der Berichterstatter entscheidet mit Einverstandnis der Beteiligten den\nRechtsstreit nach § 79a Abs. 3 und 4 FGO an Stelle des Senats. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Klage ist zulassig. Insbesondere bedurfte es nach §§ 68 Abs. 1 Satz 2\nFGO i.V.m. § 44 Abs. 1 AO nicht der erneuten Durchfuhrung eines\nEinspruchsverfahrens. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Klage ist jedoch unbegrundet, weil die Kl. keinen Anspruch auf die\nbegehrte Festsetzung von Kindergeld ab Juni 2005 hat (vgl. § 101 FGO). \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Nachdem die Tochter der Kl. das 27. Lebensjahr vollendet hat, kommt als\nGrundlage fur die weitere Festsetzung von Kindergeld allein § 62 Abs. 1, § 63\nAbs. 1 Satze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG in Betracht. Danach\nbesteht fur ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf\nKindergeld, wenn es wegen korperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung\naußerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Die Frage, ob ein Kind wegen\nseiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, ist nach der\nRechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. etwa BFH-Urt. v. 26. August 2003,\nVIII R 58/99, BFH/NV 2004, 326) nach dem Gesamtbild der Verhaltnisse zu\nbeurteilen. Nach den Hinweisen zum Einkommensteuergesetz und der\nDienstanweisung zur Durchfuhrung des Familienleistungsausgleiches (DA-FamEStG)\nkann die Ursachlichkeit der Behinderung fur die Unfahigkeit des Kindes zum\nSelbstunterhalt grundsatzlich angenommen werden, wenn im\nSchwerbehindertenausweis oder im Feststellungsbescheid das Merkmal „H"\neingetragen ist oder der Grad der Behinderung 50 v.H. oder mehr betragt und\nbesondere Umstande hinzutreten, auf Grund derer eine Erwerbstatigkeit unter\nden ublichen Bedingungen des Arbeitsmarktes ausgeschlossen erscheint (H 32.9\nerster Querstrich des Amtlichen Einkommensteuerhandbuchs - EStH - 2006; DA-\nFamEStG 63.3.6.3.1 Abs. 2 Satz 1, BStBl I 2004, 742). Es handelt sich bei\ndiesen Regelungen um eine im Interesse der Rechtsanwendungsgleichheit\nvorgenommene Konkretisierung des zuvor beschriebenen Grundsatzes, dass die\nFrage, ob die Behinderung ursachlich fur das Außerstandesein des Kindes zum\nSelbstunterhalt ist, nach den Gesamtumstanden des Einzelfalls zu beurteilen\nist (vgl. BFH-Urt. v. 26. August 2003 a.a.O.). \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Danach kann nicht festgestellt werden, dass die Tochter der Kl. wegen ihrer\nBehinderung zum Selbstunterhalt außerstande war und ist. Im\nSchwerbehindertenausweis der Tochter ist das Merkmal „H" nicht eingetragen. Es\ntreten zu dem Grad der Behinderung von 50 auch keine besonderen Umstande\nhinzu, aufgrund derer eine Erwerbstatigkeit unter den Bedingungen des ublichen\nBedingungen des Arbeitsmarkts ausgeschlossen erscheint. Die Tochter leidet\nausweislich der auf der Grundlage einer symptombezogenen Untersuchung sowie\nder Berucksichtigung von vier Befundunterlagen aus dem Zeitraum vom 02.\nSeptember 2001 bis 27. Oktober 2006 erstellten sozialmedizinischen\nStellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Agentur fur Arbeit .... vom 28. Marz\n2007 zwar unter einer Minderbelastbarkeit bei eingeschrankter\nFunktionsfahigkeit des linken Armes und des linken Beines, was eine Reihe von\ndort aufgefuhrten qualitativen Leistungseinschrankungen zur Folge hat, ist\naber unter Berucksichtigung der genannten Leistungseinschrankungen\nvollschichtig leistungsfahig fur Tatigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.\nDas Gericht sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit der vorgenannten Befunde\nund der in dem Gutachten vom Arzt fur Allgemeinmedizin und Arbeitsmedizin\n............ hieraus abgeleiteten Beurteilung zu zweifeln und in weitere\nSachverhaltsermittlungen einzutreten, zumal die Tochter kein Einverstandnis\nmit der Übermittlung der der arztlichen Schweigepflicht unterliegenden ubrigen\narztlichen Unterlagen (insbesondere Teil A des Gutachtens) erklart hat. Das\nEinverstandnis des Klagervertreters reicht insoweit nicht aus, worauf die\nKlagerseite vorab hingewiesen worden ist. Soweit die Kl. vorgetragen hat, bei\nihrer Tochter sei die linke Seite gelahmt, widerspricht dies zudem nicht dem\no.g. gutachtlichen Befund. Die bloße Behauptung, die Tochter konne keine\nkorperliche Arbeit verrichten, gibt ebenfalls keinen Anlass, an der\nRichtigkeit des o.g. Gutachtens zu zweifeln, wonach die Tochter maximal\nstandig leichte korperliche Arbeiten unter Beachtung der qualitativen\nLeistungseinschrankungen verrichten kann. Soweit die Klagerseite vorgetragen\nhat, dass die Tochter wegen ihrer Behinderung Schwierigkeiten bei der\nArbeitssuche habe und Vorstellungsgesprache beendet worden seien, nachdem\nArbeitgeber erfahren hatten, dass die Tochter schwerbehindert sei, ist damit\nnicht substantiiert dargelegt worden, dass die Behinderung des Kindes unter\nHeranziehung des oben dargelegten Maßstabs ursachlich fur die Unfahigkeit zum\nSelbstunterhalt ist. Es reicht im Übrigen nach diesem Maßstab fur die\nUrsachlichkeit der Behinderung nicht aus, wenn einzelne Arbeitgeber trotz\nobjektiv bei dem behinderten Kind gegebener korperlicher und sonstiger\nVoraussetzungen fur die Erbringung der in einer Arbeitsstelle geforderten\nArbeitsleistung das Kind aus anderen Grunden nicht einstellen. Die sich\nhieraus ergebenden Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche sind vielmehr -\nwie in dem vorgelegten Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes zu Recht\nausgefuhrt wird - das Ergebnis der allgemeinen Lage auf dem Arbeitsmarkt. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 16 \n--- \n| Der Berichterstatter entscheidet mit Einverstandnis der Beteiligten den\nRechtsstreit nach § 79a Abs. 3 und 4 FGO an Stelle des Senats. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Klage ist zulassig. Insbesondere bedurfte es nach §§ 68 Abs. 1 Satz 2\nFGO i.V.m. § 44 Abs. 1 AO nicht der erneuten Durchfuhrung eines\nEinspruchsverfahrens. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Klage ist jedoch unbegrundet, weil die Kl. keinen Anspruch auf die\nbegehrte Festsetzung von Kindergeld ab Juni 2005 hat (vgl. § 101 FGO). \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Nachdem die Tochter der Kl. das 27. Lebensjahr vollendet hat, kommt als\nGrundlage fur die weitere Festsetzung von Kindergeld allein § 62 Abs. 1, § 63\nAbs. 1 Satze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG in Betracht. Danach\nbesteht fur ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf\nKindergeld, wenn es wegen korperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung\naußerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Die Frage, ob ein Kind wegen\nseiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, ist nach der\nRechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. etwa BFH-Urt. v. 26. August 2003,\nVIII R 58/99, BFH/NV 2004, 326) nach dem Gesamtbild der Verhaltnisse zu\nbeurteilen. Nach den Hinweisen zum Einkommensteuergesetz und der\nDienstanweisung zur Durchfuhrung des Familienleistungsausgleiches (DA-FamEStG)\nkann die Ursachlichkeit der Behinderung fur die Unfahigkeit des Kindes zum\nSelbstunterhalt grundsatzlich angenommen werden, wenn im\nSchwerbehindertenausweis oder im Feststellungsbescheid das Merkmal „H"\neingetragen ist oder der Grad der Behinderung 50 v.H. oder mehr betragt und\nbesondere Umstande hinzutreten, auf Grund derer eine Erwerbstatigkeit unter\nden ublichen Bedingungen des Arbeitsmarktes ausgeschlossen erscheint (H 32.9\nerster Querstrich des Amtlichen Einkommensteuerhandbuchs - EStH - 2006; DA-\nFamEStG 63.3.6.3.1 Abs. 2 Satz 1, BStBl I 2004, 742). Es handelt sich bei\ndiesen Regelungen um eine im Interesse der Rechtsanwendungsgleichheit\nvorgenommene Konkretisierung des zuvor beschriebenen Grundsatzes, dass die\nFrage, ob die Behinderung ursachlich fur das Außerstandesein des Kindes zum\nSelbstunterhalt ist, nach den Gesamtumstanden des Einzelfalls zu beurteilen\nist (vgl. BFH-Urt. v. 26. August 2003 a.a.O.). \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Danach kann nicht festgestellt werden, dass die Tochter der Kl. wegen ihrer\nBehinderung zum Selbstunterhalt außerstande war und ist. Im\nSchwerbehindertenausweis der Tochter ist das Merkmal „H" nicht eingetragen. Es\ntreten zu dem Grad der Behinderung von 50 auch keine besonderen Umstande\nhinzu, aufgrund derer eine Erwerbstatigkeit unter den Bedingungen des ublichen\nBedingungen des Arbeitsmarkts ausgeschlossen erscheint. Die Tochter leidet\nausweislich der auf der Grundlage einer symptombezogenen Untersuchung sowie\nder Berucksichtigung von vier Befundunterlagen aus dem Zeitraum vom 02.\nSeptember 2001 bis 27. Oktober 2006 erstellten sozialmedizinischen\nStellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Agentur fur Arbeit .... vom 28. Marz\n2007 zwar unter einer Minderbelastbarkeit bei eingeschrankter\nFunktionsfahigkeit des linken Armes und des linken Beines, was eine Reihe von\ndort aufgefuhrten qualitativen Leistungseinschrankungen zur Folge hat, ist\naber unter Berucksichtigung der genannten Leistungseinschrankungen\nvollschichtig leistungsfahig fur Tatigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.\nDas Gericht sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit der vorgenannten Befunde\nund der in dem Gutachten vom Arzt fur Allgemeinmedizin und Arbeitsmedizin\n............ hieraus abgeleiteten Beurteilung zu zweifeln und in weitere\nSachverhaltsermittlungen einzutreten, zumal die Tochter kein Einverstandnis\nmit der Übermittlung der der arztlichen Schweigepflicht unterliegenden ubrigen\narztlichen Unterlagen (insbesondere Teil A des Gutachtens) erklart hat. Das\nEinverstandnis des Klagervertreters reicht insoweit nicht aus, worauf die\nKlagerseite vorab hingewiesen worden ist. Soweit die Kl. vorgetragen hat, bei\nihrer Tochter sei die linke Seite gelahmt, widerspricht dies zudem nicht dem\no.g. gutachtlichen Befund. Die bloße Behauptung, die Tochter konne keine\nkorperliche Arbeit verrichten, gibt ebenfalls keinen Anlass, an der\nRichtigkeit des o.g. Gutachtens zu zweifeln, wonach die Tochter maximal\nstandig leichte korperliche Arbeiten unter Beachtung der qualitativen\nLeistungseinschrankungen verrichten kann. Soweit die Klagerseite vorgetragen\nhat, dass die Tochter wegen ihrer Behinderung Schwierigkeiten bei der\nArbeitssuche habe und Vorstellungsgesprache beendet worden seien, nachdem\nArbeitgeber erfahren hatten, dass die Tochter schwerbehindert sei, ist damit\nnicht substantiiert dargelegt worden, dass die Behinderung des Kindes unter\nHeranziehung des oben dargelegten Maßstabs ursachlich fur die Unfahigkeit zum\nSelbstunterhalt ist. Es reicht im Übrigen nach diesem Maßstab fur die\nUrsachlichkeit der Behinderung nicht aus, wenn einzelne Arbeitgeber trotz\nobjektiv bei dem behinderten Kind gegebener korperlicher und sonstiger\nVoraussetzungen fur die Erbringung der in einer Arbeitsstelle geforderten\nArbeitsleistung das Kind aus anderen Grunden nicht einstellen. Die sich\nhieraus ergebenden Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche sind vielmehr -\nwie in dem vorgelegten Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes zu Recht\nausgefuhrt wird - das Ergebnis der allgemeinen Lage auf dem Arbeitsmarkt. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen. \n---\n\n
149,171
olgkarl-2007-08-02-16-wf-13907
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
16 WF 139/07
2007-08-02
2019-01-09 18:34:38
2019-02-12 13:26:55
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird die\nRatenzahlungsanordnung im Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht\n-Heidelberg vom 10. Juli 2007 abgeandert. Die Monatsraten werden auf 95 Euro\nfestgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Das Amtsgericht hat dem Antragsgegner Prozesskostenhilfe bewilligt und ein\neinzusetzendes Einkommen von 537 Euro angenommen. Dies ergibt folgerichtig die\nfestgesetzten Monatsraten von 225 Euro. Der Antragsgegner halt nur Monatsraten\nvon 95 Euro fur geboten. Er macht geltend, dass er bereits mit Monatsraten von\n30 Euro aus Anlass eines weiteren Rechtsstreits belastet sei. Das Amtsgericht\nhat hier folgerichtig darauf hingewiesen, dass auch bei einem einzusetzenden\nEinkommen von nur 507 Euro Monatsraten von 225 Euro zu zahlen sind. Der\nAntragsgegner macht weiter geltend, bei den Wohnkosten sei eine Bausparrate\nvon monatlich 211 Euro abzusetzen, weil die anzusparende Bausparsumme in die\nFinanzierung der selbstbewohnten Eigentumswohnung eingebunden sei. Dem ist\nnach den vorgelegten Urkunden zu folgen. Die Eigentumswohnung ist u.a. mit\neinem Vorausdarlehen von rund 105.000 Euro finanziert. Das Vorausdarlehen\neiner Bausparkasse setzt voraus, dass der vorzufinanzierende Bausparvertrag\nabgeschlossen ist und die Bausparraten bezahlt werden. Die Bausparrate tritt\nan die Stelle der Tilgung. Unterließe der Antragsgegner die Zahlung der\nBausparraten, hatte dies die Kundigung des Vorausdarlehens ebenso zur Folge,\nwie wenn er die Tilgung eines gewohnlichen mit Zins und Tilgung zu bedienenden\nDarlehens einstellen wurde. Bei dem monatlichen Aufwand fur das Vorausdarlehen\nmacht der Antragsteller folgerichtig nur Zinsen geltend. Allerdings ist der\nAntragsgegner auch Inhaber eines Bausparvertrages mit einem Guthaben von 3.900\nEuro, den er als stillgelegt bezeichnet. Die Bausparsumme kann nach einem\nSchreiben der Bausparkasse vom 10. Juli 2007 jederzeit abgerechnet werden,\ngegebenenfalls gegen Verlust von Wohnungsbaupramie oder Arbeitnehmersparzulage\nund gegen Vorfalligkeitsentschadigung, wenn eine Kundigungsfrist von 6 Monaten\nnicht eingehalten wird. Beides ist grundsatzlich zumutbar (Senatsbeschluss vom\n13. Oktober 1987 - 16 WF 156/87 - FamRZ 1988, 858; Beschluss vom 3. Marz 2005\n-16 WF 179/04). Dass auch dieses Guthaben fur die Finanzierung benotigt wird,\nist nicht behauptet, ergibt sich auch nicht aus dem vorgenannten Schreiben. Es\nware auch nicht im Sinne der §§ 115 Abs. 3 ZPO; 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII zur\nalsbaldigen Beschaffung oder Erhaltung einer Eigentumswohnung fur behinderte\noder pflegebedurftige Menschen bestimmt. Die Verwertung des Guthabens ist\nindessen hier unzumutbar, weil der Antragsgegner die Prozesskosten ohnedies\ndurch Monatsraten von 95 Euro in voller Hohe aufbringt. Der Zahlung eines\nTeils der Prozesskosten aus einem unter erheblichen Verlusten flussig\ngemachten Vermogensposten stunde dann nur der Zinsgewinn der offentlichen Hand\ngegenuber. Dem Antragsgegner ist nicht zumutbar (§ 115 Abs. 3 ZPO), auch zu\ndessen Realisierung jene Verluste auf sich zu nehmen (vergl. Senat a.a.O.). \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Dasselbe wurde gelten fur den der Hohe nach nicht bezifferten Ruckkaufswert\neiner beitragsfrei gestellten Lebensversicherung, wenn dieser eine\nnennenswerte Hohe hatte. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Einzusetzendes Einkommen nach allem: 537 Euro -211 Euro -30 Euro = 296\nEuro. \n--- \n| 4 \n--- \n| Monatsraten: 95 Euro \n--- \n---\n\n
149,265
vghbw-2007-09-17-13-s-279406
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
13 S 2794/06
2007-09-17
2019-01-09 18:35:35
2019-01-17 12:04:27
Urteil
## Tenor\n\nAuf die Berufung des Klagers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart\nvom 25.9.2006 geandert. Die Verfugung der Landeshauptstadt Stuttgart vom\n31.8.2005 und der Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Stuttgart vom\n29.11.2005 werden aufgehoben.\n\nDie Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszugen.\n\nDie Revision wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager wendet sich gegen die Rucknahme seiner Einburgerung in den\ndeutschen Staatsverband. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager, ein am 10.2.1958 geborener ehemaliger libanesischer\nStaatsangehoriger, reiste im Sommer 1986 zusammen mit seiner Ehefrau in die\nBundesrepublik Deutschland ein, wo er sich als Asylsuchender meldete. Das\nBundesamt fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge (nunmehr: Bundesamt\nfur Migration und Fluchtlinge - Bundesamt -) lehnte den Asylantrag mit\nbestandskraftig gewordenem Bescheid vom 21.10.1987 ab. In der Folgezeit\nerhielt der Klager erstmalig am 19.9.1991 eine Aufenthaltsbefugnis, welche\nfortlaufend verlangert wurde; seit dem 21.6.2001 verfugte er uber eine\nunbefristete Aufenthaltserlaubnis. Am 9.2.2001 beantragte der Klager zusammen\nmit seiner Ehefrau und den in den Jahren 1987, 1989 und 1991 in Deutschland\ngeborenen gemeinsamen Kindern seine Einburgerung in den deutschen\nStaatsverband. Im Laufe des Einburgerungsverfahrens gab der Klager gegenuber\nder Landeshauptstadt Stuttgart eine Loyalitatserklarung ab, wonach er keine\nBestrebungen verfolge oder unterstutze oder verfolgt oder unterstutzt habe,\ndie durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen\nauswartige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefahrdeten. Am 22.5.2003\nwiederholte der Klager gegenuber der Beklagten diese Loyalitatserklarung. Vor\nBescheidung des Einburgerungsantrags stellte die Beklagte Ermittlungen an, ob\nder Einburgerung offentliche Belange entgegenstehen; sie richtete hierzu\nmehrere Anfragen an Sicherheitsbehorden. Hierauf teilte die\nLandespolizeidirektion Stuttgart II unter dem 4.4.2001 mit, dass gegen den\nKlager bzw. seine Ehefrau weder Ermittlungsverfahren anhangig seien noch sonst\nin polizeilicher Hinsicht nachteilige Erkenntnisse bestunden. Bereits mit\nSchreiben vom 3.4.2001 bat das Landeskriminalamt Baden-Wurttemberg die\nLandeshauptstadt Stuttgart um Übersendung der bei ihr uber den Klager\ngefuhrten Auslanderakten. Auf telefonische Nachfrage teilte das\nLandeskriminalamt - wie in einem Aktenvermerk festgehalten ist - mit, die\nAkten wurden aufgrund der vermuteten Zugehorigkeit des Klagers zu\nextremistischen Gruppen benotigt. Das Landesamt fur Verfassungsschutz Baden-\nWurttemberg erteilte auf die durchgefuhrte Sicherheitsanfrage im Falle des\nKlagers - anders als hinsichtlich seiner Familienangehorigen - am 17.2.2003\nlediglich eine Zwischennachricht dahingehend, dass die Überprufung noch nicht\nhabe abgeschlossen werden konnen. Mit Urkunde der Landeshauptstadt Stuttgart\nvom 20.5.2003, ausgehandigt am 22.5.2003, wurde der Klager zusammen mit seiner\nEhefrau und den drei minderjahrigen Kindern in den deutschen Staatsverband\neingeburgert. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Schreiben vom 19.4.2005 teilte das Innenministerium Baden-Wurttemberg\nder Landeshauptstadt Stuttgart mit, dass uber den Klager beim Landesamt fur\nVerfassungsschutz Erkenntnisse im Zusammenhang mit der „Hizb Allah" (Partei\nGottes) vorlagen. Danach habe der Klager von deutschem Boden aus diese\nOrganisation unterstutzt, welche einen islamischen Gottesstaats befurworte und\nderen Bestrebungen auf die Vorbereitung der Anwendung von Gewalt gegen Israel\ngerichtet seien. Die Beklagte horte den Klager daraufhin mit Schreiben vom\n9.5.2005 zu der beabsichtigten Rucknahme seiner Einburgerung an, worauf er\nsich nicht außerte. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Bescheid vom 31.8.2005 nahm die Landeshauptstadt Stuttgart die\nEinburgerung des Klagers vom 22.5.2003 mit Wirkung ab Aushandigung der\nEinburgerungsurkunde zuruck und forderte ihn zur Ruckgabe der\nEinburgerungsurkunde auf. Zur Begrundung der auf § 48 LVwVfG gestutzten\nRucknahme der Einburgerung fuhrte die Landeshauptstadt aus, der Klager habe\nseine Einburgerung in den deutschen Staatsverband durch arglistige Tauschung\nerwirkt, da er uber seine Aktivitaten fur extremistische Organisationen\ngetauscht habe. Auch habe der Klager vor Vollzug der Einburgerung eine falsche\nLoyalitatserklarung abgegeben, welche nicht von seiner inneren Überzeugung\ngetragen gewesen sei. Die Einburgerung des Klagers sei von Anfang an\nrechtswidrig gewesen, da ein Ausschlussgrund gemaß § 86 Nr. 2 AuslG bestanden\nhabe. Ausweislich einer Mitteilung des Innenministeriums Baden-Wurttemberg sei\nder Klager dem Landesamt fur Verfassungsschutz im Zusammenhang mit der\nverfassungsfeindlichen „Hizb Allah" bekannt geworden. So habe er in dem\nZeitraum vom 4. April 1999 bis zum 24. Mai 2003 an zahlreichen, in der\nVerfugung im Einzelnen aufgefuhrten, Veranstaltungen der „Hizb Allah"\nteilgenommen, auf welchen verfassungsfeindliche, vor allem gegen das\nExistenzrecht Israels gerichtete Reden gehalten worden seien. Auch sei der\nKlager auf einer Vollversammlung der islamischen Kulturgemeinschaft e.V. in\nLeonberg am 2.5.1999 als deren Schatzmeister in den Vorstand gewahlt worden,\nim Jahre 2001 habe man ihn in diesem Amt bestatigt. Bei der im Jahre 1982\ngegrundeten „Hizb Allah" handle es sich um eine islamistisch-schiitische\nOrganisation, welche im Libanon inzwischen eine herausragende politische Rolle\nspiele. Ihre Miliz habe sich im sudlichen Libanon als militarische Macht\netabliert, wobei zu ihren Aktivitaten auch die Entfuhrung israelischer\nSoldaten, Selbstmordattentate und Geiselnahmen gehorten. Durch eine bewusst\nmilitante Pragung ihrer mannlichen Anhanger schaffe sie sich ein\ngewaltbereites Potential, das vor allem gegen Israel zum Einsatz komme. Bei\nden Veranstaltungen der „Hizb Allah" in Deutschland stunden diese\nantiisraelischen und antijudischen Zielsetzungen sowie die finanzielle und\nmoralische Unterstutzung der Kampfer gegen Israel im Vordergrund. Die „Hizb\nAllah" vertrete das Konzept eines konstitutionellen Gottesstaates mit\nherrschendem schiitischem Klerus nach iranischem Vorbild und lehne die\nWertordnung des Grundgesetzes ab. An den inkriminierten Bestrebungen und\nAktivitaten der „Hizb Allah" nehme auch ein dieser Organisation nahestehender\nOrtsverein teil, was auch dann gelte, wenn dessen Tatigkeit nicht\nausschließlich darin bestehe, die Ziele der „Hizb Allah" mitzutragen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klager habe sich aktiv als Vorstandsmitglied in einem derartigen Verein\nbetatigt und uber einen langeren Zeitraum zustimmend oder jedenfalls ohne\nWiderspruch an entsprechenden Veranstaltungen teilgenommen. Dies stelle eine\nBestrebung dar, uber welche der Klager die Einburgerungsbehorde getauscht\nhabe. Die am 22.5.2003 erfolgte Einburgerung stelle einen rechtswidrigen\nVerwaltungsakt dar. Das offentliche Interesse an der Rucknahme der\nrechtswidrig erfolgten Einburgerung uberwiege das Interesse des Klagers am\nweiteren Fortbestand seiner deutschen Staatsangehorigkeit. In das Ermessen\nwerde dabei vor allem auch eingestellt, dass der Klager durch die Rucknahme\nder Einburgerung nicht staatenlos werde. Seine Einburgerung in den deutschen\nStaatsverband sei unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit erfolgt, weil die\nlibanesischen Behorden die Entlassung aus der libanesischen\nStaatsangehorigkeit regelmaßig verweigerten. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Klager legte hiergegen Widerspruch ein, welchen das Regierungsprasidium\nStuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2005 auf der Grundlage der\nRechtsauffassung des Ausgangsbescheids zuruckwies. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die am 6.12.2005 beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Klage, mit der\nder Klager beantragt hat, \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| den Bescheid der Landeshauptstadt Stuttgart vom 31.8.2005 und den\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 29.11.2005\naufzuheben, \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil des Einzelrichters (§ 6\nVwGO) vom 25.9.2006 abgewiesen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| In den Entscheidungsgrunden hat das Verwaltungsgericht ausgefuhrt, die\nangegriffene Rucknahme der Einburgerung finde ihre Rechtsgrundlage in § 48\nLVwVfG. Diese allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmung sei\nmangels einer abschließenden spezialgesetzlichen Regelung im\nStaatsangehorigkeitsgesetz im Falle einer von Anfang an rechtswidrigen\nEinburgerung jedenfalls dann anwendbar, wenn diese durch bewusste Tauschung\nerwirkt worden sei und die Rucknahme zeitnah erfolge. Der Rucknahme einer\ndurch bewusste Tauschung erlangten Einburgerung stehe weder das Verbot der\nEntziehung der deutschen Staatsangehorigkeit gemaß Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG\nnoch grundsatzlich das Verbot des Verlustes der Staatsangehorigkeit gegen den\nWillen des Betroffenen entgegen. Die auf § 85 AuslG a.F. gestutzte\nEinburgerung des Klagers stelle sich als von Anfang an rechtswidrig dar. Der\nKlager habe nicht, wie von § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG gefordert, ein von\ninnerer Überzeugung getragenes Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen\nGrundordnung abgegeben. An den in § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG normierten\nVoraussetzungen habe es bereits im Einburgerungszeitpunkt gefehlt, da der\nKlager entgegen der von ihm am 2.7.2001 und am 22.5.2003 abgegebenen\nLoyalitatserklarungen Bestrebungen unterstutzt habe, die durch Anwendung von\nGewalt oder hierauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswartige Belange der\nBundesrepublik Deutschland gefahrdet hatten. Die dem Klager in der\nangegriffenen Verfugung vorgehaltenen Veranstaltungsteilnahmen stellten\ninkriminierte Bestrebungen im Sinne von § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG dar, da\nsie die verfassungsfeindlichen Ziele der Bestrebung forderten und ihre\npotentielle Gefahrlichkeit erhohten. Der Klager habe uber Jahre hinweg zum\nUnterstutzungskreis der „Hizb Allah" gehort; er habe nach seinen eigenen\nAngaben in der mundlichen Verhandlung an der Grundung der islamischen\nKulturgemeinschaft in Stuttgart mitgewirkt und von 1999 bis zum Jahre 2004 dem\nVorstand dieses Vereins angehort. Die „Hizb Allah" habe die islamische\nKulturgemeinschaft Stuttgart dazu benutzt, ihre eigenen verfassungsfeindlichen\nZiele zu propagieren und durchzusetzen. Die islamische Kulturgemeinschaft e.V.\nStuttgart weise eine derartige Nahe zur „Hizb Allah" auf, dass der Verein als\nvon der „Hizb Allah" beeinflusst und gesteuert anzusehen und seine Aktivitaten\nals „Hizb Allah"-Aktivitaten zu qualifizieren seien. Auch verfolge die im\nJahre 1982 gegrundete „Hizb Allah" Bestrebungen, welche durch Anwendung von\nGewalt oder darauf gerichteten Vorbereitungshandlungen auswartige Belange der\nBundesrepublik Deutschland gefahrdeten. Die „Hizb Allah" gelte als\ngewaltbereite Terrororganisation mit dem erklarten Ziel der Vernichtung\nIsraels. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Klager habe auch vor seiner Einburgerung nicht glaubhaft gemacht, sich\nvon der Unterstutzung der Bestrebungen der „Hizb Allah" abgewandt zu haben.\nEin derartiges Abwenden habe er weder in seinen Erklarungen vom 2.7.2001 bzw.\n22.5.2003 noch in der mundlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts geltend\ngemacht. Da es somit an der gesetzlichen Einburgerungsvoraussetzung des § 85\nAbs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG gefehlt habe, hatte die Beklagte die begehrte\nEinburgerung zwingend ablehnen mussen. Der Klager habe seine von Anfang an\nrechtswidrige Einburgerung durch bewusste Tauschung erlangt. Er habe es in\nseinen Bekenntniserklarungen vom 2.7.2001 und 22.5.2003 bewusst unterlassen,\nAngaben uber seine Tatigkeit in der islamischen Kulturgemeinschaft e.V.\nStuttgart und seine weiteren Unterstutzungshandlungen fur die „Hizb Allah" zu\ntatigen. Er habe in seinen Loyalitatserklarungen bewusst wahrheitswidrig\nversichert, keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu unterstutzen. Als\nVorstandsmitglied der islamischen Kulturgemeinschaft e.V. und als Teilnehmer\nan zahlreichen Veranstaltungen habe ihm die Unterstutzung inkriminierter\nBestrebungen bewusst sein mussen. Daher leide die von der Landeshauptstadt\nStuttgart verfugte Rucknahme der rechtswidrigen Einburgerung nicht an einem\nErmessensfehler bzw. stelle sich nicht als unverhaltnismaßig dar. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Gegen das am 17.11.2006 zugestellte Urteil hat der Klager am 22.11.2006 die\nbereits vom Verwaltungsgericht im Tenor seiner Entscheidung zugelassene\nBerufung eingelegt; er hat innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof\nverlangerten Berufungsbegrundungsfrist beantragt, \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.9.2006 zu andern und\ndie Verfugung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 31.8.2005 i.d.F. des\nWiderspruchsbescheids des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 29.11.2005\naufzuheben. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Zur Begrundung der Berufung hat der Klager ausgefuhrt, entgegen der\nAuffassung des Verwaltungsgerichts stelle § 48 LVwVfG keine ausreichende\nErmachtigungsgrundlage fur die Rucknahme seiner Einburgerung dar. Das\nangegriffene Urteil gehe ohne ausreichende Begrundung falschlicherweise davon\naus, er habe eine rechtswidrige Einburgerung durch arglistige bzw. bewusste\nTauschung erwirkt. Die Voraussetzungen einer arglistigen Tauschung, namlich\neine rechtswidrige Tauschungshandlung zur Erregung oder Aufrechterhaltung\neines Irrtums, lagen nicht vor. Zutreffenderweise gehe die angegriffene\nVerfugung zwar davon aus, dass er als Schatzmeister der islamischen\nKulturgemeinschaft in Stuttgart tatig geworden sei. Dieser Umstand sei der\nBeklagten jedoch lange vor Verfugung der Einburgerung bekannt gewesen, da\nseine Bestellung zum Schatzmeister dem Amt fur offentliche Ordnung der\nLandeshauptstadt Stuttgart bereits am 2.6.1999 angezeigt worden sei. Im Laufe\ndes Einburgerungsverfahrens habe die Beklagte auch von den Bedenken des\nLandeskriminalamts hinsichtlich seiner vermuteten Zugehorigkeit zu\nextremistischen Gruppierungen Kenntnis erlangt. In Übereinstimmung hiermit\nhabe das Landesamt fur Verfassungsschutz auf die Anfrage der Beklagten vom\n17.2.2003 hin lediglich eine Zwischennachricht erteilt, wonach seine\nsicherheitsmaßige Überprufung nicht abgeschlossen sei. Samtliche fur die\nEinburgerung relevanten Erkenntnisse hatten sich im Zeitpunkt der Aushandigung\nder Einburgerungsurkunde in der Akte der Beklagten befunden und seien dieser\ndaher bewusst gewesen. Bereits aus diesem Grund konne nicht davon ausgegangen\nwerden, dass er einen Irrtum erregt oder aufrechterhalten habe, welcher fur\ndie Einburgerung kausal gewesen sei. Der Beklagten sei es verwehrt, die\nRucknahmeentscheidung auf diese Umstande zu stutzen, da sie die Einburgerung\nin Kenntnis des konkreten und bekannten Sachverhalts verfugt habe.\nUnzutreffenderweise setze das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts\nseine Tatigkeit als Kassierer bei der islamischen Kulturgemeinschaft mit einer\nUnterstutzung radikaler Ziele der „Hizb Allah" gleich. Es konne dahingestellt\nbleiben, ob es sich bei der „Hizb Allah" tatsachlich um eine Organisation\nhandle, welche durch Anwendung von Gewalt oder hierauf gerichteter\nVorbereitungshandlungen auswartige Belange der Bundesrepublik gefahrde.\nEntgegen der Annahme der Beklagten gebe es die „Hizb Allah" als solche nicht,\nvielmehr seien bei dieser Organisation verschiedene Flugel und Richtungen\nerkennbar. Die „Hizb Allah" sei im heutigen Libanon, dem wohl demokratischsten\nStaat im Nahen Osten, als großte Organisation der Muslime im Parlament\nvertreten. Zu keinem Zeitpunkt habe sie den Versuch unternommen, den Libanon\nin einen Gottesstaat nach iranischem Vorbild zu verwandeln, vielmehr erkenne\nsie das pluralistische System des Libanon ausdrucklich an. Im Übrigen verfolge\ndie „Hizb Allah" nicht ausschließlich politische Ziele, sondern unterhalte im\nLibanon sehr viele soziale Einrichtungen wie Schulen und Krankenhauser. Es sei\ndaher verfehlt, die „Hizb Allah" auf das angebliche Ziel der Vernichtung\nIsraels und der Verubung von Gewalttaten zu reduzieren. Jedenfalls gebe es\nkeinerlei Anhaltspunkte dafur, dass die „Hizb Allah" außerhalb des Libanon\noder gar in Deutschland antidemokratische und verfassungsfeindliche\nBestrebungen verfolge. Unabhangig hiervon stelle das angegriffene Urteil die\nihm unterstellte Verbindung als Schatzmeister der islamischen\nKulturgemeinschaft zum vermeintlich gewaltbereiten Teil der „Hizb Allah" nicht\ndar. Eine Verbindung zwischen dem Kulturverein und den Rednern, welche\nangeblich der „Hizb Allah" nahestunden, lasse in keiner Weise erkennen,\naufgrund welcher Tatsachen ihm verfassungsfeindliche Ziele unterstellt wurden.\nEr selbst habe die Teilnahme an den vorgehaltenen Veranstaltungen des\nislamischen Kulturvereins nie bestritten, diese sei jedoch lediglich in seiner\nFunktion als Kassierer erfolgt. Er habe an diesen Veranstaltungen\nteilgenommen, um Mitgliedsbeitrage von den Mitgliedern des Kulturvereins zu\nerheben, wofur man ihn als Kassierer gewahlt habe. Die gesammelten Gelder\nwurden benotigt, um den Verein und dessen kulturelle Veranstaltungen zu\nfinanzieren. Er selbst habe auf keiner einzigen Veranstaltung das Wort\nergriffen oder eine Meinung kundgetan, aus der auf eine verfassungswidrige\nHaltung geschlossen werden konne. Aus seiner bloßen Anwesenheit bei den in der\nangegriffenen Verfugung aufgefuhrten Veranstaltungen lasse sich in keiner\nWeise schließen, dass er den Inhalt der Reden geteilt und damit selbst\nverfassungswidrige Zielsetzungen unterstutzt habe. Lediglich hilfsweise sei zu\nbeachten, dass er sich durch die Widerspruchsbegrundung, die Klagebegrundung\nund die Ausfuhrungen in der mundlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts von\nihm unterstellten verfassungsfeindlichen Bestrebungen distanziert habe. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt, \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Sie hebt hervor, die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG stelle im Falle\neiner durch bewusste Tauschung erwirkten Einburgerung auch unter\nBerucksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine\nausreichende Ermachtigungsgrundlage dar. Das Verwaltungsgericht habe\nzutreffend ausgefuhrt, dass der Klager wahrheitswidrig eine Erklarung\nhinsichtlich seiner Verfassungstreue abgegeben habe. Sein Vortrag im\ngerichtlichen Verfahren, er habe die inhaltliche Ausrichtung und die Ziele der\nislamischen Kulturgemeinschaft nicht geteilt, sei als unglaubhaft und\nverfahrensangepasst zu bewerten. Gerade in Anbetracht seiner Funktion als\nSchatzmeister sei nicht nachzuvollziehen, dass er uber die Ausrichtung dieser\nVereinigung nicht in Kenntnis gewesen sei; dies gelte auch hinsichtlich der\nAusfuhrungen bezuglich einer Aufsplitterung der „Hizb Allah" in verschiedene\nmehr oder weniger gewaltbereite Flugel. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Dem Senat liegen die den Klager betreffenden Akten der Landeshauptstadt\nStuttgart vor. Auf diese Akten wird ebenso wie auf die Gerichtsakten des\nVerwaltungsgerichts verwiesen; diese Akten waren Gegenstand der Beratung. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Berufung des Klagers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart\nvom 25.9.2006 ist zulassig und hat auch in der Sache Erfolg. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht (§ 124 a Abs. 1 VwGO)\nrechtzeitig eingelegte Berufung (§ 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO), die den formellen\nAnforderungen entspricht (§ 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO) und innerhalb der vom\nSenat verlangerten Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1 und 3 VwGO rechtzeitig und\nformal ordnungsgemaß begrundet worden ist (§ 124a Abs. 3 Satz 2 und 4 VwGO),\nist zulassig. Der Verwaltungsgerichtshof ist dabei gemaß § 124a Abs. 1 Satz 2\nVwGO an die Zulassung der Berufung wegen grundsatzlicher Bedeutung der\nRechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO durch den Einzelrichter des\nVerwaltungsgerichts, auf welchen der Rechtsstreit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO\nubertragen worden war, gebunden. Die Bindungswirkung beschrankt sich nicht auf\ndie Falle der Berufungszulassung durch die Kammer, sondern erfasst auch die\nZulassung durch den Einzelrichter. Der Einzelrichter, dem der Rechtsstreit\nnach § 6 VwGO ubertragen worden ist, entscheidet als Verwaltungsgericht im\nSinne von § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.7.2004 - 5 C\n65.03 - NVwZ 2005, 98). Die Bindung an die Zulassung durch den Einzelrichter\nentfallt nicht deshalb, weil die Übertragung des Rechtsstreits auf ihn\nvoraussetzt, dass die Sache keine grundsatzliche Bedeutung hat (§ 6 Abs. 1\nSatz 1 Nr. 2 VwGO), die Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO\nhingegen die grundsatzliche Bedeutung der Rechtssache erfordert. Die\ngegenlaufigen Voraussetzungen rechtfertigen nicht die Annahme, der Gesetzgeber\nhabe die Zulassung der Berufung durch den Einzelrichter ausschließen wollen\n(vgl. ausfuhrlich BVerwG, Urteil vom 9.3.2005 - 6 C 8/04 -, NVwZ 2005, 821).\nDahingestellt kann bleiben, ob die Bindung an die Zulassung eines\nRechtsmittels durch den Einzelrichter dann entfallt, wenn sie im Einzelfall\nunter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters nach Art. 101\nAbs. 1 Satz 2 VwGO ergangen ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28.9.2004 - 1\nC 10.03 - juris). Denn Anhaltspunkte fur eine manipulative oder objektiv\nwillkurliche Missachtung der einschlagigen Vorschriften der\nVerwaltungsgerichtsordnung sind hier nicht ersichtlich. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hatte den\nBescheid der Beklagten vom 31.8.2005 und den hierzu ergangenen\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 29.11.2005\naufheben mussen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Sowohl die Rucknahme der Einburgerung des Klagers (1.) als auch die\nVerfugung, die Einburgerungsurkunde zuruckzugeben (2.), erweisen sich als\nrechtswidrig. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| 1\\. Fur die Rucknahme der im Jahre 2003 erfolgten Einburgerung fehlt es an\nder erforderlichen gesetzlichen Ermachtigungsgrundlage. Zwar kann\ngrundsatzlich die Rucknahme einer rechtswidrigen Einburgerung auf die\nallgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmung des § 48 Abs. 1 LVwVfG\ngestutzt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19.02 -, DVBl. 2004,\n116; BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6.03 -, DVBl. 2004, 322; Urteil des\nSenats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 -, DVBl. 2003, 1283). Die im\nStaatsangehorigkeitsrecht von jeher vorhandenen punktuellen Regelungen uber\nRucknahme und Verlust der Staatsangehorigkeit (vgl. heute z.B. §§ 17 ff. StAG)\nstellen kein abgeschlossenes Regelungssystem dar, durch das der Gesetzgeber zu\nerkennen gegeben hatte, dass es sich um eine umfassende und abschließende\nRegelung der Materie mit der Folge handeln soll, dass die allgemeinen\nRegelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes von vornherein nicht mehr zur\nAnwendung kommen. Das Staatsangehorigkeitsgesetz enthalt nur Regelungen uber\nden Verlust der Staatsangehorigkeit aufgrund von nach ihrem Erwerb\neingetretenen Umstanden, wahrend die Konsequenzen einer von Anfang an\nrechtswidrigen Einburgerung nicht spezialgesetzlich geregelt sind. Die\nBestimmungen der §§ 85 ff. AuslG a.F., auf deren Grundlage der Klager\neingeburgert wurde, enthalten ebenfalls keine spezialgesetzliche Regelung uber\ndie Rucknahme einer von Anfang an rechtswidrigen Einburgerung. Auch § 24\nStAngRegG ist nicht auf rechtswidrige Einburgerungen nach dem StAG bzw. nach §\n85 f. AuslG a.F. anwendbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.4.1989 - 1 B 54.89\n-, InfAuslR 1989, 276; BVerwG, Urteil vom 3.6.2003, a.a.O.). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG ist auf die Rucknahme von\nEinburgerungen jedoch nur anwendbar unter den Einschrankungen, die sich aus\nArt. 16 Abs. 1 GG ergeben (vgl. hierzu grundlegend BVerfG, Urteil vom\n24.5.2006 - 2 BvR 669/04 -, DVBl. 2006, 910; dem folgend auch Hess.VGH, Urteil\nvom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 -, AuAS 2007, 77; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil\nvom 19.10.2006 - 5 B 15.03 - juris; Urteil des Senats vom 9.8.2007 - 13 S\n2885/06 - zur Veroffentlichung vorgesehen -). Die Vorschrift bedarf insoweit\nverfassungskonformer Anwendung unter Berucksichtigung der grundrechtlichen\nGewahrleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG. Hieraus ergibt sich, dass die\nRucknahme einer Einburgerung nur zulassig ist, wenn sie zeitnah erfolgt und\ndie Einburgerung vom Betroffenen durch arglistige Tauschung oder auf\nvergleichbar vorwerfbare Weise erwirkt worden ist. Jedenfalls das zwingende\nErfordernis einer Erwirkung durch arglistige Tauschung oder durch vergleichbar\nvorwerfbares Verhalten liegt hier nicht vor. Hierzu im Einzelnen: \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Dahingestellt kann bleiben, ob die Einburgerung des Klagers vom 22.5.2003\ntatsachlich rechtswidrig war, insbesondere ob es sich - wie vom\nVerwaltungsgericht angenommen - bei den vom Klager am 2.7.2001 bzw. am\n22.5.2003 abgegebenen Loyalitatserklarungen lediglich um „Lippenbekenntnisse"\ngehandelt hat, die nicht von der erforderlichen inneren Überzeugung getragen\nwaren. In seinem Beschluss vom 12.12.2005 (- 13 S 2948/04 -, NVwZ 2006, 484)\nhat sich der Senat dazu geaußert, dass ein rein verbales Bekenntnis des\nEinburgerungsbewerbers zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung den\nAnforderungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG a. F. nicht genuge; das\nBekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung musse auch\ninhaltlich zutreffen und stelle mithin nicht nur eine rein formelle\nEinburgerungsvoraussetzung dar. Dies bedarf hier ebenso wenig weiterer Klarung\nwie die Frage, ob im vorliegenden Fall tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme\nrechtfertigen, dass der Klager die dort genannten inkriminierten Bestrebungen\nverfolgt oder unterstutzt bzw. verfolgt oder unterstutzt hat (vgl. § 86 Nr. 2\nAuslG a.F.). Dahingestellt kann insbesondere bleiben, ob der dem Klager in der\nangegriffenen Verfugung vorgeworfene Besuch von Veranstaltungen der „Hizb\nAllah" in dem Zeitraum von 1999 bis 2003 bzw. seine Tatigkeit als\nVorstandsmitglied der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. eine\ninkriminierte Bestrebung im Sinne des § 86 Nr. 2 AuslG a.F. darstellt. Denn\nauch eine rechtswidrige Einburgerung kann nach der neueren Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichts (Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.), der sich der Senat\nangeschlossen hat, auf der Grundlage des derzeit geltenden Rechts, d.h. nach\nder allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmung des § 48 LVwVfG,\nnur dann zuruckgenommen werden, wenn die Einburgerung durch arglistige\nTauschung oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkt worden ist und die\nRucknahme zeitnah vorgenommen wird (vgl. hierzu Hess.VGH, Urteil vom\n18.1.2007, a.a.O.), und es fehlt jedenfalls an der Erlangung der\nStaatsburgerschaft durch arglistige Tauschung oder ein vergleichbar\nvorwerfbares Verhalten des Klagers. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Dieser uberzeugenden neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts\nschließt sich der Senat in teilweiser Abkehr von seiner bisherigen\nRechtsprechung an. Die vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidende\nFallkonstellation war maßgeblich durch den Umstand gepragt, dass dort die\nEinburgerung nachweislich durch eine bewusste Tauschung des Eingeburgerten\nherbeigefuhrt worden ist und diese zeitnah zuruckgenommen wurde. Unter\nHervorhebung dieser Umstande haben die die Entscheidung tragenden Richter\nhervorgehoben, dass die Anwendung des allgemeinen\nVerwaltungsverfahrensgesetzes „in diesem Fall" mit dem Grundsatz des\nVorbehalts des Gesetzes gemaß Art. 20 Abs. 3 GG in Einklang stehe. Der\nUmstand, dass es sich um eine durch bewusste Tauschung erwirkte bzw.\n„erschlichene" Einburgerung handelte, wird mehrfach in der Entscheidung des\nBundesverfassungsgerichts ausdrucklich hervorgehoben (vgl. etwa Rn. 32, 56,\n60, 62, 70, 72, 76 des Mehrheitsvotums - zitiert nach dem Urteilsabdruck aus\njuris -). In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird auch mehrfach\nbetont, wenn der Betroffene selbst nachweislich durch Tauschung die\nEinburgerung herbeigefuhrt hat und diese zeitnah zuruckgenommen wurde, werde\nder grundrechtlich geforderten Rechtssicherheit und Normenklarheit Genuge\ngetan, da der Betroffene anhand einer allgemeinen gesetzlichen\nVerwaltungsverfahrensvorschrift die Folge der Rucknahme habe voraussehen\nkonnen (vgl. Rn. 76 des Urteils). Damit hatten die die Entscheidung tragenden\nRichter des Bundesverfassungsgerichts einen von ihnen selbst so bezeichneten\n„Regelfall der Wiederherstellung rechtmaßiger Zustande" vor Augen, der sich\nnach ihrer Auffassung unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit und des\nVertrauensschutzes sowie unter den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie\n(vgl. hierzu Urteil des Bundesverfassungsgerichts, a.a.O., Rn 85)\n„rechtsstaatlich wie demokratisch unbedenklich" (a.a.O, Rn. 86) durch\nAnwendung des § 48 LVwVfG losen ließ. Aus diesen Ausfuhrungen des\nBundesverfassungsgerichts folgt entgegen der Annahme der Beklagten, dass § 48\nLVwVfG fur die Rucknahme einer nicht durch arglistige Tauschung oder in\nvergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkten Einburgerung keine hinreichende\nErmachtigungsgrundlage darstellt. Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist\nnicht zu entnehmen, dass die Frage des Bestehens einer Ermachtigungsgrundlage\nfur die Rucknahme einer nicht in vorwerfbarer Weise erwirkten Einburgerung\noffen bleiben sollte. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit schon\naus der tragenden Erwagung des Bundesverfassungsgerichts, wonach § 48 LVwVfG\ngerade dann eine ausreichende gesetzliche Ermachtigungsgrundlage fur die\nRucknahme darstellt, wenn der Betroffene seine Einburgerung selbst\nnachweislich durch Tauschung erwirkt hat. Die gebotene Rechtssicherheit sieht\ndas Bundesverfassungsgericht nur bei der zeitnahen Rucknahme einer\nEinburgerung gewahrleistet, welche der Betroffene selbst nachweislich durch\nTauschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkt hat, wahrend in\nanderen Fallen die hergebrachten Grundsatze des § 48 LVwVfG nicht mehr den\nrechtsstaatlich zwingend gebotenen Bestimmtheitserfordernissen bzw. der\nVorhersehbarkeit genugen. Wie das Bundesverfassungsgericht ausdrucklich\nhervorhebt, kann der Betroffene nur im Fall einer „erschlichenen" Einburgerung\ndie spatere Rechtsfolge der Rucknahme auf der Ermachtigungsgrundlage des § 48\nAbs. 1 Satz 1 LVwVfG in Verbindung mit dem analog anwendbaren § 48 Abs. 2 Satz\n3 Nr. 1 LVwVfG sowie der vom Bundesverfassungsgericht fur anwendbar erklarten\ngefestigten Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte in Tauschungsfallen\nvorhersehen. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Fur diese im Hinblick auf § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 LVwVfG enge\nAuslegung sprechen im Übrigen auch systematische und teleologische Erwagungen.\nSo schutzt der rechtsstaatlich-subjektive Gehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG\ndas Interesse des einzelnen Staatsburgers daran, anhand der gesetzlichen Lage\nvorhersehen zu konnen, unter welchen Voraussetzungen er seinen durch die\nEinburgerung erlangten Status verlieren kann. Dieser vertrauensbildende Schutz\nist besonders wichtig, da der Staatsangehorigenstatus seiner Natur nach fur\nden Einzelnen von grundlegender Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Urteil vom\n24.5.2006, a.a.O.). Er bestimmt nicht nur die subjektiven staatsburgerlichen\nRechte und Pflichten des Einzelnen, vielmehr kommt der Staatsangehorigkeit als\nRechtsinstitut uber den subjektiven Gewahrleistungsgehalt hinaus zugleich\nrechtsstaatliche und demokratische Bedeutung zu. Mithin betrifft der mit der\nEinburgerung vermittelte burgerschaftliche Status die konstituierenden\nGrundlagen der Rechtsordnung und des Gemeinwesens und geht damit weit uber\neine individuelle schutzenswerte Rechtsposition des Eingeburgerten hinaus.\nGerade das damit in Art. 16 Abs. 1 GG verburgte Stabilitatsanliegen der\nGemeinschaft spricht dafur, dass das rechtsstaatliche Interesse an der\nruckwirkenden Wiederherstellung rechtmaßiger Zustande lediglich bei\narglistigem oder vergleichbar vorwerfbarem Handeln des Betroffenen uberwiegt. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Auch das die Bundesrepublik Deutschland bindende Volkerrecht, das der\nVerfassungsgeber bei Ausgestaltung des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG maßgeblich vor\nAugen hatte, stellt jedenfalls in dem Fall, dass der Betroffene durch die\nRucknahme der Einburgerung staatenlos wird, maßgeblich darauf ab, unter\nwelchen Umstanden die Einburgerung erlangt worden ist. Bereits das\nÜbereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30.8.1961 (BGBl. 1977\nII, S. 597 ff.), das auf eine Entschließung der Generalversammlung der\nVereinten Nationen aus dem Jahr 1954 zuruckgeht, verbietet zwar in Art. 8 Abs.\n1 grundsatzlich die Entziehung der Staatsangehorigkeit fur den Fall, dass der\nBetroffene dadurch staatenlos wird, lasst aber eine Ausnahme ausdrucklich fur\nden Fall zu, dass die Staatsangehorigkeit durch falsche Angaben oder\nbetrugerische Handlungen erworben wurde (vgl. Art. 8 Abs. 2 Buchstabe b des\nÜbereinkommens). Das im Rahmen des Europarats aufgelegte Europaische\nÜbereinkommen uber die Staatsangehorigkeit (BGBl. 2004 II, S. 578), das die\nBundesrepublik Deutschland am 11.5.2005 ratifiziert hat, gestattet in Art. 7\nAbs. 1 Buchstabe b einen Verlust der Staatsangehorigkeit eines Vertragsstaates\nu. a. fur den Fall, dass diese in einer dem Antragsteller zurechenbaren Weise\ndurch arglistiges Verhalten, falsche Angaben oder durch Verschleierung einer\nerheblichen Tatsache erworben wurde. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Der Klager hat seine Einburgerung nicht durch arglistige Tauschung oder\nvergleichbar vorwerfbares Verhalten im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1\nLVwVfG erwirkt. Das Tatbestandsmerkmal des „Erwirkens" setzt ein zweck- und\nzielgerichtetes Handeln voraus, das auf eine Rechtsfolge gerichtet ist (vgl.\ngrundlegend BVerwG, Urteil vom 28.10.1983 - 8 C 91/82 - BVerwGE 68, 159). Nach\nder vor allem in der mundlichen Verhandlung durch informatorische Befragung\ndes Klagers gewonnenen Überzeugung des Senats lasst sich nicht feststellen,\ndass dieser bei Abgabe der Loyalitatserklarungen am 2.7.2001 bzw. am 22.5.2003\nwissentlich und zweckgerichtet von ihm etwa unterstutzte verfassungsfeindliche\nBestrebungen verschwiegen hat, um seine Einburgerung in rechtswidriger Weise\nzu erreichen. Die von der Beklagten geforderte Erklarung, keine gegen die\nfreiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen zu verfolgen\noder zu unterstutzen, setzt von dem Einburgerungsbewerber eine Wertung in\nzweifacher Hinsicht voraus. Sie unterscheidet sich dabei wesentlich von ihrer\nStruktur nach einfachen Fragen, die etwa durch Ankreuzen bzw. mit „ja" oder\n„nein" zu beantworten sind, etwa Fragen nach anhangigen Ermittlungsverfahren,\nMitgliedschaften in konkret genannten Vereinigungen oder\nPersonenstandsverhaltnissen. Bei der standardisierten Loyalitatserklarung, die\ndie Beklagte dem Klager vorgelegt hat, muss der Einburgerungsbewerber zum\neinen selbst bewerten, ob er den ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlich-\ndemokratischen Grundordnung fur sich zustimmen kann und ob sein Verhalten,\netwa seine Aktivitat in Auslandervereinen, diesen Kriterien entspricht. Zum\nanderen muss der Einburgerungsbewerber einzuschatzen versuchen, wie seine\nAktivitaten mutmaßlich von der Einburgerungsbehorde eingestuft werden; er\ntragt insoweit ein mit der Abstraktheit der Fragestellung steigendes Risiko,\ndass ihm „unrichtige Angaben" i.S. von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG\nvorgeworfen werden. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Danach lag es fur den Klager nicht nahe, seine Aktivitaten bei der\nislamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V., die er selbst als in erster\nLinie religios bzw. kulturell motivierte Betatigung ansieht, ohne\nausdruckliche Frage der Einburgerungsbehorde nach einer Mitgliedschaft in\nislamistisch gepragten Vereinigungen als verfassungsfeindliche Betatigung\neinzuschatzen. Gerade weil der Klager seine Aktivitaten selbst lediglich als\nreligiose, nicht jedoch als politische Betatigung ansah, bestand fur ihn kein\nAnlass, die in erster Linie der Beklagten obliegende Bewertung des Verhaltens\nund dessen Subsumtion unter § 86 Nr. 2 AuslG bzw. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG\nselbst zugrunde zu legen. Anderes konnte lediglich dann gelten, wenn die\nStaatsangehorigkeitsbehorde dem Einburgerungsbewerber eine Liste mit von ihr\nals verfassungsfeindlich erkannten Organisationen vorgelegt oder unter Hinweis\nauf die Anforderungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG den\nEinburgerungsbewerber allgemein und umfassend nach Mitgliedschaften bzw.\nfruheren Mitgliedschaften in Vereinigungen und Vereinen befragt hatte. Denn\ndann hatte es dem Einburgerungsbewerber oblegen, seine Mitgliedschaft und\nVorstandstatigkeit bei der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. zu\noffenbaren, und die Staatsangehorigkeitsbehorde hatte vor der Einburgerung die\nMoglichkeit gehabt, nach entsprechender Erkundigung bei\nVerfassungsschutzbehorden eine eigene Bewertung dieser Mitgliedschaft\nvorzunehmen. Sein Schweigen hatte dann bei entsprechender Bewertung der\nverschwiegenen Aktivitaten ohne weiteres zur Annahme einer durch Tauschung\nerschlichenen Einburgerung fuhren konnen. Ohne weitere konkretisierende Fragen\nder Einburgerungsbehorde kann dagegen nicht festgestellt werden, dass der\nKlager wissentlich fur seine Einburgerung relevante Umstande verschwiegen hat,\num seine Einburgerung auf rechtswidrige Weise zu erreichen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Weiterhin erscheint zweifelhaft, ob ein etwaiges Verschweigen des Klagers\nseiner Mitgliedschaft uberhaupt fur die Aushandigung der Einburgerungsurkunde\nkausal war. Zwar durfte entgegen der Annahme des Klagers nicht davon\nauszugehen sein, dass der Einburgerungsbehorde die an das fur\nVereinsangelegenheiten zustandige Sachgebiet der Landeshauptstadt Stuttgart\ngerichtete Anzeige vom 2.6.1999 uber die Wahl des Klagers in den\nVereinsvorstand der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. bekannt war.\nWie die Sitzungsvertreterin der Beklagten in der mundlichen Verhandlung\nuberzeugend dargelegt hat, werden derartige Mitteilungen amtsintern bereits\naus Datenschutzgrunden nicht an die Einburgerungsbehorde weitergeleitet. Es\nspricht jedoch vieles dafur, dass die Beklagte vor Vollzug der Einburgerung\ndie Einburgerungsakte nicht hinreichend auf etwaige inkriminierte Bestrebungen\ndes Klagers ausgewertet hat. So bat das Landeskriminalamt Baden-Wurttemberg\nmit an die Einburgerungsstelle weitergeleitetem Schreiben vom 3.4.2001 um\nÜbersendung der uber den Klager gefuhrten Auslanderakten, wobei ausweislich\neines Aktenvermerks diese Anfrage wegen der vermuteten Zugehorigkeit des\nKlagers zu extremistischen Gruppierungen erfolgte. Auch erteilte das Landesamt\nfur Verfassungsschutz Baden-Wurttemberg im Falle des Klagers am 17.2.2003\nlediglich eine Zwischennachricht dahingehend, dass die Überprufungen in\nsicherheitsrechtlicher Hinsicht noch nicht habe abgeschlossen werden konnen.\nWie sich dem Bearbeitungsblatt entnehmen lasst, wurde das Nichtvorliegen der\nSicherheitsuberprufung im Falle des Klagers ubersehen und deshalb wohl\nlediglich aus Versehen seine Einburgerung in den deutschen Staatsverband\nverfugt. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Dass die Rucknahme einer Einburgerung uber die Falle von Tauschung oder\nvergleichbar vorwerfbarem Verhalten hinausgehend bei lediglich objektiv\nunrichtigen oder unvollstandigen Angaben des Betroffenen (siehe § 48 Abs. 2\nSatz 3 Nr. 2 LVwVfG) mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren\nist (vgl. so ausdrucklich noch Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01\n- InfAuslR 2003, 205; offen gelassen vom Bundesverwaltungsgericht in seinem\nnachfolgenden Revisionsurteil vom 9.9.2003, a.a.O.), wird nach dem oben\nGesagten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur\ndann anzunehmen sein, wenn jedenfalls eine den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2\nSatz 3 Nr. 1 LVwVfG angenaherte Fallkonstellation vorliegt. Denn nach § 48\nAbs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG fallt der Vertrauensschutz bereits dann weg, wenn\nder Verwaltungsakt durch objektiv in wesentlicher Beziehung unrichtige oder\nunvollstandige Angaben erwirkt worden ist. Nicht notwendig ist, dass die\nfehlerhaften Angaben schuldhaft gemacht worden sind (vgl. hierzu BVerwG,\nUrteil vom 20.10.1987 - 9 C 255.86 -, BVerwGE 78, 139). Der Tatbestand des §\n48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG erfordert daher nicht, dass der Betroffene die\nUnrichtigkeit seiner Angaben positiv kannte oder kennen musste. Erforderlich\nist lediglich, dass er erkannte oder erkennen musste, dass die entsprechende\nAngabe von ihm gefordert war (vgl. hierzu Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs,\nVwVfG, Kommentar, 6. Aufl., Rn. 164 zu § 48 VwVfG). Bei der Rucknahme einer\nEinburgerung allein wegen objektiv unrichtiger Angaben handelt es sich um eine\nVerlustzufugung, die aus Sicht des Betroffenen willkurlich erfolgt und die er\nnicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann. Dies begrundet nach der neueren\nRechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch einen Verstoß gegen das\nEntziehungsverbot des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Rucknahme der Einburgerung\nbei Ausschluss des Vertrauensschutzes lediglich durch § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2\nLVwVfG ist daher nur in atypischen Konstellationen moglich, in denen das\nVerhalten des Betroffenen in subjektiver Hinsicht den Voraussetzungen des § 48\nAbs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG angenahert ist. Eine derartig gesteigerte\nsubjektive Vorwerfbarkeit kann etwa angenommen werden, wenn der Betroffene das\nUnterstutzen einer offensichtlich verfassungsfeindlichen Bestrebung\nverschweigt bzw. eine konkrete Frage unzutreffend beantwortet. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Jedenfalls eine durch derartige besondere Umstande gepragte\nFallkonstellation des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG liegt hier nicht vor. Es\nlasst sich wohl nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass der\nKlager objektiv unrichtige Angaben uber verfassungsfeindliche Betatigungen\ngemacht hat und die Einburgerung deshalb auf dem Verschweigen von Umstanden\nberuht, die allein oder uberwiegend in seiner Sphare liegen. Auch hier ist\nmaßgeblich, dass vom Klager keine Angaben uber Betatigungen in Vereinen\nverlangt worden waren, sondern demgegenuber lediglich eine abstrakte\nErklarung, dass er keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterstutzt. Im\nÜbrigen fehlt es nach dem oben Gesagten auch insoweit an der erforderlichen\nKausalitat von etwaigen objektiven Falschangaben. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Dahingestellt kann bleiben, ob die mit Bescheid vom 31.8.2005 verfugte\nRucknahme der Einburgerung „zeitnah" im Sinne der Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichts, welcher sich der Senat angeschlossen hat (vgl.\nUrteil vom 9.8.2007, a.a.O.), erfolgt ist. Wo eine exakte zeitliche Grenze\nzwischen der zeitnahen und der nicht mehr zeitnahen Rucknahme der Einburgerung\nverlauft, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Es spricht freilich\neiniges dafur, dass es sich bei dem zwischen der Einburgerung des Klagers am\n22.5.2003 und dem Erlass der gegenstandlichen Rucknahmeverfugung am 31.8.2005\nverstrichenen Zeitraum von lediglich knapp uber zwei Jahren noch um eine\nzeitnahe Rucknahme im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts\nhandelt. Hierfur spricht etwa, dass gemaß der - nach dem oben Gesagten hier\nnicht anwendbaren - Bestimmung des § 24 des Gesetzes zur Regelung von Fragen\nder Staatsangehorigkeit - StAngRegG - die Unwirksamkeit einer auf dieser\nGrundlage erlangten Staatsangehorigkeit bis zum Ablauf von funf Jahren nach\nerfolgter Einburgerung festgestellt werden kann. Es spricht deshalb einiges\ndafur, dass bei einem zwischen Einburgerung und deren Rucknahme liegenden\nZeitraum von unter funf Jahren von einer zeitnahen Rucknahme auszugehen ist. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| 2\\. Der streitgegenstandliche Ausgangsbescheid sowie der\nWiderspruchsbescheid sind auch insoweit rechtswidrig, als der Klager zur\nRuckgabe der Einburgerungsurkunde aufgefordert wurde. Nachdem die Einburgerung\nnach dem oben Gesagten nicht zuruckgenommen werden durfte, ist auch die\nAufforderung zur Ruckgabe der hieraus resultierenden Dokumente rechtswidrig\n(vgl. § 52 Abs. 1 LVwVfG). \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| 3\\. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Revision war zuzulassen, da die Frage, ob und unter welchen Umstanden\ndie Rucknahme einer Einburgerung gemaß § 48 LVwVfG zulassig ist, in der neuren\nRechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere nach Ergehen des\nUrteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006, noch nicht geklart (vgl.\nhierzu § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO). \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| \n--- \n| **Beschluss** \n--- \n| **vom 17. September 2007** \n--- \n| Der Streitwert fur das Berufungsverfahren wird gemaß § 52 Abs. 1 GKG auf\n10.000,-- EUR festgesetzt. \n--- \n| In Anlehnung an Ziffer 42.1 des Streitwertkatalogs fur die\nVerwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung 2004 (abgedruckt in NVwZ 2004, 1331)\ngeht der Senat bei Streitigkeiten uber einen Einburgerungsanspruch vom\ndoppelten Auffangwert pro Person aus. \n--- \n| Diese Entscheidung ist gemaß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Berufung des Klagers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart\nvom 25.9.2006 ist zulassig und hat auch in der Sache Erfolg. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht (§ 124 a Abs. 1 VwGO)\nrechtzeitig eingelegte Berufung (§ 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO), die den formellen\nAnforderungen entspricht (§ 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO) und innerhalb der vom\nSenat verlangerten Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1 und 3 VwGO rechtzeitig und\nformal ordnungsgemaß begrundet worden ist (§ 124a Abs. 3 Satz 2 und 4 VwGO),\nist zulassig. Der Verwaltungsgerichtshof ist dabei gemaß § 124a Abs. 1 Satz 2\nVwGO an die Zulassung der Berufung wegen grundsatzlicher Bedeutung der\nRechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO durch den Einzelrichter des\nVerwaltungsgerichts, auf welchen der Rechtsstreit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO\nubertragen worden war, gebunden. Die Bindungswirkung beschrankt sich nicht auf\ndie Falle der Berufungszulassung durch die Kammer, sondern erfasst auch die\nZulassung durch den Einzelrichter. Der Einzelrichter, dem der Rechtsstreit\nnach § 6 VwGO ubertragen worden ist, entscheidet als Verwaltungsgericht im\nSinne von § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.7.2004 - 5 C\n65.03 - NVwZ 2005, 98). Die Bindung an die Zulassung durch den Einzelrichter\nentfallt nicht deshalb, weil die Übertragung des Rechtsstreits auf ihn\nvoraussetzt, dass die Sache keine grundsatzliche Bedeutung hat (§ 6 Abs. 1\nSatz 1 Nr. 2 VwGO), die Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO\nhingegen die grundsatzliche Bedeutung der Rechtssache erfordert. Die\ngegenlaufigen Voraussetzungen rechtfertigen nicht die Annahme, der Gesetzgeber\nhabe die Zulassung der Berufung durch den Einzelrichter ausschließen wollen\n(vgl. ausfuhrlich BVerwG, Urteil vom 9.3.2005 - 6 C 8/04 -, NVwZ 2005, 821).\nDahingestellt kann bleiben, ob die Bindung an die Zulassung eines\nRechtsmittels durch den Einzelrichter dann entfallt, wenn sie im Einzelfall\nunter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters nach Art. 101\nAbs. 1 Satz 2 VwGO ergangen ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28.9.2004 - 1\nC 10.03 - juris). Denn Anhaltspunkte fur eine manipulative oder objektiv\nwillkurliche Missachtung der einschlagigen Vorschriften der\nVerwaltungsgerichtsordnung sind hier nicht ersichtlich. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hatte den\nBescheid der Beklagten vom 31.8.2005 und den hierzu ergangenen\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 29.11.2005\naufheben mussen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Sowohl die Rucknahme der Einburgerung des Klagers (1.) als auch die\nVerfugung, die Einburgerungsurkunde zuruckzugeben (2.), erweisen sich als\nrechtswidrig. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| 1\\. Fur die Rucknahme der im Jahre 2003 erfolgten Einburgerung fehlt es an\nder erforderlichen gesetzlichen Ermachtigungsgrundlage. Zwar kann\ngrundsatzlich die Rucknahme einer rechtswidrigen Einburgerung auf die\nallgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmung des § 48 Abs. 1 LVwVfG\ngestutzt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19.02 -, DVBl. 2004,\n116; BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6.03 -, DVBl. 2004, 322; Urteil des\nSenats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 -, DVBl. 2003, 1283). Die im\nStaatsangehorigkeitsrecht von jeher vorhandenen punktuellen Regelungen uber\nRucknahme und Verlust der Staatsangehorigkeit (vgl. heute z.B. §§ 17 ff. StAG)\nstellen kein abgeschlossenes Regelungssystem dar, durch das der Gesetzgeber zu\nerkennen gegeben hatte, dass es sich um eine umfassende und abschließende\nRegelung der Materie mit der Folge handeln soll, dass die allgemeinen\nRegelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes von vornherein nicht mehr zur\nAnwendung kommen. Das Staatsangehorigkeitsgesetz enthalt nur Regelungen uber\nden Verlust der Staatsangehorigkeit aufgrund von nach ihrem Erwerb\neingetretenen Umstanden, wahrend die Konsequenzen einer von Anfang an\nrechtswidrigen Einburgerung nicht spezialgesetzlich geregelt sind. Die\nBestimmungen der §§ 85 ff. AuslG a.F., auf deren Grundlage der Klager\neingeburgert wurde, enthalten ebenfalls keine spezialgesetzliche Regelung uber\ndie Rucknahme einer von Anfang an rechtswidrigen Einburgerung. Auch § 24\nStAngRegG ist nicht auf rechtswidrige Einburgerungen nach dem StAG bzw. nach §\n85 f. AuslG a.F. anwendbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.4.1989 - 1 B 54.89\n-, InfAuslR 1989, 276; BVerwG, Urteil vom 3.6.2003, a.a.O.). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG ist auf die Rucknahme von\nEinburgerungen jedoch nur anwendbar unter den Einschrankungen, die sich aus\nArt. 16 Abs. 1 GG ergeben (vgl. hierzu grundlegend BVerfG, Urteil vom\n24.5.2006 - 2 BvR 669/04 -, DVBl. 2006, 910; dem folgend auch Hess.VGH, Urteil\nvom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 -, AuAS 2007, 77; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil\nvom 19.10.2006 - 5 B 15.03 - juris; Urteil des Senats vom 9.8.2007 - 13 S\n2885/06 - zur Veroffentlichung vorgesehen -). Die Vorschrift bedarf insoweit\nverfassungskonformer Anwendung unter Berucksichtigung der grundrechtlichen\nGewahrleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG. Hieraus ergibt sich, dass die\nRucknahme einer Einburgerung nur zulassig ist, wenn sie zeitnah erfolgt und\ndie Einburgerung vom Betroffenen durch arglistige Tauschung oder auf\nvergleichbar vorwerfbare Weise erwirkt worden ist. Jedenfalls das zwingende\nErfordernis einer Erwirkung durch arglistige Tauschung oder durch vergleichbar\nvorwerfbares Verhalten liegt hier nicht vor. Hierzu im Einzelnen: \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Dahingestellt kann bleiben, ob die Einburgerung des Klagers vom 22.5.2003\ntatsachlich rechtswidrig war, insbesondere ob es sich - wie vom\nVerwaltungsgericht angenommen - bei den vom Klager am 2.7.2001 bzw. am\n22.5.2003 abgegebenen Loyalitatserklarungen lediglich um „Lippenbekenntnisse"\ngehandelt hat, die nicht von der erforderlichen inneren Überzeugung getragen\nwaren. In seinem Beschluss vom 12.12.2005 (- 13 S 2948/04 -, NVwZ 2006, 484)\nhat sich der Senat dazu geaußert, dass ein rein verbales Bekenntnis des\nEinburgerungsbewerbers zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung den\nAnforderungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG a. F. nicht genuge; das\nBekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung musse auch\ninhaltlich zutreffen und stelle mithin nicht nur eine rein formelle\nEinburgerungsvoraussetzung dar. Dies bedarf hier ebenso wenig weiterer Klarung\nwie die Frage, ob im vorliegenden Fall tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme\nrechtfertigen, dass der Klager die dort genannten inkriminierten Bestrebungen\nverfolgt oder unterstutzt bzw. verfolgt oder unterstutzt hat (vgl. § 86 Nr. 2\nAuslG a.F.). Dahingestellt kann insbesondere bleiben, ob der dem Klager in der\nangegriffenen Verfugung vorgeworfene Besuch von Veranstaltungen der „Hizb\nAllah" in dem Zeitraum von 1999 bis 2003 bzw. seine Tatigkeit als\nVorstandsmitglied der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. eine\ninkriminierte Bestrebung im Sinne des § 86 Nr. 2 AuslG a.F. darstellt. Denn\nauch eine rechtswidrige Einburgerung kann nach der neueren Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichts (Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.), der sich der Senat\nangeschlossen hat, auf der Grundlage des derzeit geltenden Rechts, d.h. nach\nder allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmung des § 48 LVwVfG,\nnur dann zuruckgenommen werden, wenn die Einburgerung durch arglistige\nTauschung oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkt worden ist und die\nRucknahme zeitnah vorgenommen wird (vgl. hierzu Hess.VGH, Urteil vom\n18.1.2007, a.a.O.), und es fehlt jedenfalls an der Erlangung der\nStaatsburgerschaft durch arglistige Tauschung oder ein vergleichbar\nvorwerfbares Verhalten des Klagers. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Dieser uberzeugenden neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts\nschließt sich der Senat in teilweiser Abkehr von seiner bisherigen\nRechtsprechung an. Die vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidende\nFallkonstellation war maßgeblich durch den Umstand gepragt, dass dort die\nEinburgerung nachweislich durch eine bewusste Tauschung des Eingeburgerten\nherbeigefuhrt worden ist und diese zeitnah zuruckgenommen wurde. Unter\nHervorhebung dieser Umstande haben die die Entscheidung tragenden Richter\nhervorgehoben, dass die Anwendung des allgemeinen\nVerwaltungsverfahrensgesetzes „in diesem Fall" mit dem Grundsatz des\nVorbehalts des Gesetzes gemaß Art. 20 Abs. 3 GG in Einklang stehe. Der\nUmstand, dass es sich um eine durch bewusste Tauschung erwirkte bzw.\n„erschlichene" Einburgerung handelte, wird mehrfach in der Entscheidung des\nBundesverfassungsgerichts ausdrucklich hervorgehoben (vgl. etwa Rn. 32, 56,\n60, 62, 70, 72, 76 des Mehrheitsvotums - zitiert nach dem Urteilsabdruck aus\njuris -). In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird auch mehrfach\nbetont, wenn der Betroffene selbst nachweislich durch Tauschung die\nEinburgerung herbeigefuhrt hat und diese zeitnah zuruckgenommen wurde, werde\nder grundrechtlich geforderten Rechtssicherheit und Normenklarheit Genuge\ngetan, da der Betroffene anhand einer allgemeinen gesetzlichen\nVerwaltungsverfahrensvorschrift die Folge der Rucknahme habe voraussehen\nkonnen (vgl. Rn. 76 des Urteils). Damit hatten die die Entscheidung tragenden\nRichter des Bundesverfassungsgerichts einen von ihnen selbst so bezeichneten\n„Regelfall der Wiederherstellung rechtmaßiger Zustande" vor Augen, der sich\nnach ihrer Auffassung unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit und des\nVertrauensschutzes sowie unter den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie\n(vgl. hierzu Urteil des Bundesverfassungsgerichts, a.a.O., Rn 85)\n„rechtsstaatlich wie demokratisch unbedenklich" (a.a.O, Rn. 86) durch\nAnwendung des § 48 LVwVfG losen ließ. Aus diesen Ausfuhrungen des\nBundesverfassungsgerichts folgt entgegen der Annahme der Beklagten, dass § 48\nLVwVfG fur die Rucknahme einer nicht durch arglistige Tauschung oder in\nvergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkten Einburgerung keine hinreichende\nErmachtigungsgrundlage darstellt. Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist\nnicht zu entnehmen, dass die Frage des Bestehens einer Ermachtigungsgrundlage\nfur die Rucknahme einer nicht in vorwerfbarer Weise erwirkten Einburgerung\noffen bleiben sollte. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit schon\naus der tragenden Erwagung des Bundesverfassungsgerichts, wonach § 48 LVwVfG\ngerade dann eine ausreichende gesetzliche Ermachtigungsgrundlage fur die\nRucknahme darstellt, wenn der Betroffene seine Einburgerung selbst\nnachweislich durch Tauschung erwirkt hat. Die gebotene Rechtssicherheit sieht\ndas Bundesverfassungsgericht nur bei der zeitnahen Rucknahme einer\nEinburgerung gewahrleistet, welche der Betroffene selbst nachweislich durch\nTauschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkt hat, wahrend in\nanderen Fallen die hergebrachten Grundsatze des § 48 LVwVfG nicht mehr den\nrechtsstaatlich zwingend gebotenen Bestimmtheitserfordernissen bzw. der\nVorhersehbarkeit genugen. Wie das Bundesverfassungsgericht ausdrucklich\nhervorhebt, kann der Betroffene nur im Fall einer „erschlichenen" Einburgerung\ndie spatere Rechtsfolge der Rucknahme auf der Ermachtigungsgrundlage des § 48\nAbs. 1 Satz 1 LVwVfG in Verbindung mit dem analog anwendbaren § 48 Abs. 2 Satz\n3 Nr. 1 LVwVfG sowie der vom Bundesverfassungsgericht fur anwendbar erklarten\ngefestigten Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte in Tauschungsfallen\nvorhersehen. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Fur diese im Hinblick auf § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 LVwVfG enge\nAuslegung sprechen im Übrigen auch systematische und teleologische Erwagungen.\nSo schutzt der rechtsstaatlich-subjektive Gehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG\ndas Interesse des einzelnen Staatsburgers daran, anhand der gesetzlichen Lage\nvorhersehen zu konnen, unter welchen Voraussetzungen er seinen durch die\nEinburgerung erlangten Status verlieren kann. Dieser vertrauensbildende Schutz\nist besonders wichtig, da der Staatsangehorigenstatus seiner Natur nach fur\nden Einzelnen von grundlegender Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Urteil vom\n24.5.2006, a.a.O.). Er bestimmt nicht nur die subjektiven staatsburgerlichen\nRechte und Pflichten des Einzelnen, vielmehr kommt der Staatsangehorigkeit als\nRechtsinstitut uber den subjektiven Gewahrleistungsgehalt hinaus zugleich\nrechtsstaatliche und demokratische Bedeutung zu. Mithin betrifft der mit der\nEinburgerung vermittelte burgerschaftliche Status die konstituierenden\nGrundlagen der Rechtsordnung und des Gemeinwesens und geht damit weit uber\neine individuelle schutzenswerte Rechtsposition des Eingeburgerten hinaus.\nGerade das damit in Art. 16 Abs. 1 GG verburgte Stabilitatsanliegen der\nGemeinschaft spricht dafur, dass das rechtsstaatliche Interesse an der\nruckwirkenden Wiederherstellung rechtmaßiger Zustande lediglich bei\narglistigem oder vergleichbar vorwerfbarem Handeln des Betroffenen uberwiegt. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Auch das die Bundesrepublik Deutschland bindende Volkerrecht, das der\nVerfassungsgeber bei Ausgestaltung des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG maßgeblich vor\nAugen hatte, stellt jedenfalls in dem Fall, dass der Betroffene durch die\nRucknahme der Einburgerung staatenlos wird, maßgeblich darauf ab, unter\nwelchen Umstanden die Einburgerung erlangt worden ist. Bereits das\nÜbereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30.8.1961 (BGBl. 1977\nII, S. 597 ff.), das auf eine Entschließung der Generalversammlung der\nVereinten Nationen aus dem Jahr 1954 zuruckgeht, verbietet zwar in Art. 8 Abs.\n1 grundsatzlich die Entziehung der Staatsangehorigkeit fur den Fall, dass der\nBetroffene dadurch staatenlos wird, lasst aber eine Ausnahme ausdrucklich fur\nden Fall zu, dass die Staatsangehorigkeit durch falsche Angaben oder\nbetrugerische Handlungen erworben wurde (vgl. Art. 8 Abs. 2 Buchstabe b des\nÜbereinkommens). Das im Rahmen des Europarats aufgelegte Europaische\nÜbereinkommen uber die Staatsangehorigkeit (BGBl. 2004 II, S. 578), das die\nBundesrepublik Deutschland am 11.5.2005 ratifiziert hat, gestattet in Art. 7\nAbs. 1 Buchstabe b einen Verlust der Staatsangehorigkeit eines Vertragsstaates\nu. a. fur den Fall, dass diese in einer dem Antragsteller zurechenbaren Weise\ndurch arglistiges Verhalten, falsche Angaben oder durch Verschleierung einer\nerheblichen Tatsache erworben wurde. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Der Klager hat seine Einburgerung nicht durch arglistige Tauschung oder\nvergleichbar vorwerfbares Verhalten im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1\nLVwVfG erwirkt. Das Tatbestandsmerkmal des „Erwirkens" setzt ein zweck- und\nzielgerichtetes Handeln voraus, das auf eine Rechtsfolge gerichtet ist (vgl.\ngrundlegend BVerwG, Urteil vom 28.10.1983 - 8 C 91/82 - BVerwGE 68, 159). Nach\nder vor allem in der mundlichen Verhandlung durch informatorische Befragung\ndes Klagers gewonnenen Überzeugung des Senats lasst sich nicht feststellen,\ndass dieser bei Abgabe der Loyalitatserklarungen am 2.7.2001 bzw. am 22.5.2003\nwissentlich und zweckgerichtet von ihm etwa unterstutzte verfassungsfeindliche\nBestrebungen verschwiegen hat, um seine Einburgerung in rechtswidriger Weise\nzu erreichen. Die von der Beklagten geforderte Erklarung, keine gegen die\nfreiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen zu verfolgen\noder zu unterstutzen, setzt von dem Einburgerungsbewerber eine Wertung in\nzweifacher Hinsicht voraus. Sie unterscheidet sich dabei wesentlich von ihrer\nStruktur nach einfachen Fragen, die etwa durch Ankreuzen bzw. mit „ja" oder\n„nein" zu beantworten sind, etwa Fragen nach anhangigen Ermittlungsverfahren,\nMitgliedschaften in konkret genannten Vereinigungen oder\nPersonenstandsverhaltnissen. Bei der standardisierten Loyalitatserklarung, die\ndie Beklagte dem Klager vorgelegt hat, muss der Einburgerungsbewerber zum\neinen selbst bewerten, ob er den ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlich-\ndemokratischen Grundordnung fur sich zustimmen kann und ob sein Verhalten,\netwa seine Aktivitat in Auslandervereinen, diesen Kriterien entspricht. Zum\nanderen muss der Einburgerungsbewerber einzuschatzen versuchen, wie seine\nAktivitaten mutmaßlich von der Einburgerungsbehorde eingestuft werden; er\ntragt insoweit ein mit der Abstraktheit der Fragestellung steigendes Risiko,\ndass ihm „unrichtige Angaben" i.S. von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG\nvorgeworfen werden. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Danach lag es fur den Klager nicht nahe, seine Aktivitaten bei der\nislamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V., die er selbst als in erster\nLinie religios bzw. kulturell motivierte Betatigung ansieht, ohne\nausdruckliche Frage der Einburgerungsbehorde nach einer Mitgliedschaft in\nislamistisch gepragten Vereinigungen als verfassungsfeindliche Betatigung\neinzuschatzen. Gerade weil der Klager seine Aktivitaten selbst lediglich als\nreligiose, nicht jedoch als politische Betatigung ansah, bestand fur ihn kein\nAnlass, die in erster Linie der Beklagten obliegende Bewertung des Verhaltens\nund dessen Subsumtion unter § 86 Nr. 2 AuslG bzw. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG\nselbst zugrunde zu legen. Anderes konnte lediglich dann gelten, wenn die\nStaatsangehorigkeitsbehorde dem Einburgerungsbewerber eine Liste mit von ihr\nals verfassungsfeindlich erkannten Organisationen vorgelegt oder unter Hinweis\nauf die Anforderungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG den\nEinburgerungsbewerber allgemein und umfassend nach Mitgliedschaften bzw.\nfruheren Mitgliedschaften in Vereinigungen und Vereinen befragt hatte. Denn\ndann hatte es dem Einburgerungsbewerber oblegen, seine Mitgliedschaft und\nVorstandstatigkeit bei der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. zu\noffenbaren, und die Staatsangehorigkeitsbehorde hatte vor der Einburgerung die\nMoglichkeit gehabt, nach entsprechender Erkundigung bei\nVerfassungsschutzbehorden eine eigene Bewertung dieser Mitgliedschaft\nvorzunehmen. Sein Schweigen hatte dann bei entsprechender Bewertung der\nverschwiegenen Aktivitaten ohne weiteres zur Annahme einer durch Tauschung\nerschlichenen Einburgerung fuhren konnen. Ohne weitere konkretisierende Fragen\nder Einburgerungsbehorde kann dagegen nicht festgestellt werden, dass der\nKlager wissentlich fur seine Einburgerung relevante Umstande verschwiegen hat,\num seine Einburgerung auf rechtswidrige Weise zu erreichen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Weiterhin erscheint zweifelhaft, ob ein etwaiges Verschweigen des Klagers\nseiner Mitgliedschaft uberhaupt fur die Aushandigung der Einburgerungsurkunde\nkausal war. Zwar durfte entgegen der Annahme des Klagers nicht davon\nauszugehen sein, dass der Einburgerungsbehorde die an das fur\nVereinsangelegenheiten zustandige Sachgebiet der Landeshauptstadt Stuttgart\ngerichtete Anzeige vom 2.6.1999 uber die Wahl des Klagers in den\nVereinsvorstand der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. bekannt war.\nWie die Sitzungsvertreterin der Beklagten in der mundlichen Verhandlung\nuberzeugend dargelegt hat, werden derartige Mitteilungen amtsintern bereits\naus Datenschutzgrunden nicht an die Einburgerungsbehorde weitergeleitet. Es\nspricht jedoch vieles dafur, dass die Beklagte vor Vollzug der Einburgerung\ndie Einburgerungsakte nicht hinreichend auf etwaige inkriminierte Bestrebungen\ndes Klagers ausgewertet hat. So bat das Landeskriminalamt Baden-Wurttemberg\nmit an die Einburgerungsstelle weitergeleitetem Schreiben vom 3.4.2001 um\nÜbersendung der uber den Klager gefuhrten Auslanderakten, wobei ausweislich\neines Aktenvermerks diese Anfrage wegen der vermuteten Zugehorigkeit des\nKlagers zu extremistischen Gruppierungen erfolgte. Auch erteilte das Landesamt\nfur Verfassungsschutz Baden-Wurttemberg im Falle des Klagers am 17.2.2003\nlediglich eine Zwischennachricht dahingehend, dass die Überprufungen in\nsicherheitsrechtlicher Hinsicht noch nicht habe abgeschlossen werden konnen.\nWie sich dem Bearbeitungsblatt entnehmen lasst, wurde das Nichtvorliegen der\nSicherheitsuberprufung im Falle des Klagers ubersehen und deshalb wohl\nlediglich aus Versehen seine Einburgerung in den deutschen Staatsverband\nverfugt. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Dass die Rucknahme einer Einburgerung uber die Falle von Tauschung oder\nvergleichbar vorwerfbarem Verhalten hinausgehend bei lediglich objektiv\nunrichtigen oder unvollstandigen Angaben des Betroffenen (siehe § 48 Abs. 2\nSatz 3 Nr. 2 LVwVfG) mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren\nist (vgl. so ausdrucklich noch Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01\n- InfAuslR 2003, 205; offen gelassen vom Bundesverwaltungsgericht in seinem\nnachfolgenden Revisionsurteil vom 9.9.2003, a.a.O.), wird nach dem oben\nGesagten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur\ndann anzunehmen sein, wenn jedenfalls eine den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2\nSatz 3 Nr. 1 LVwVfG angenaherte Fallkonstellation vorliegt. Denn nach § 48\nAbs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG fallt der Vertrauensschutz bereits dann weg, wenn\nder Verwaltungsakt durch objektiv in wesentlicher Beziehung unrichtige oder\nunvollstandige Angaben erwirkt worden ist. Nicht notwendig ist, dass die\nfehlerhaften Angaben schuldhaft gemacht worden sind (vgl. hierzu BVerwG,\nUrteil vom 20.10.1987 - 9 C 255.86 -, BVerwGE 78, 139). Der Tatbestand des §\n48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG erfordert daher nicht, dass der Betroffene die\nUnrichtigkeit seiner Angaben positiv kannte oder kennen musste. Erforderlich\nist lediglich, dass er erkannte oder erkennen musste, dass die entsprechende\nAngabe von ihm gefordert war (vgl. hierzu Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs,\nVwVfG, Kommentar, 6. Aufl., Rn. 164 zu § 48 VwVfG). Bei der Rucknahme einer\nEinburgerung allein wegen objektiv unrichtiger Angaben handelt es sich um eine\nVerlustzufugung, die aus Sicht des Betroffenen willkurlich erfolgt und die er\nnicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann. Dies begrundet nach der neueren\nRechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch einen Verstoß gegen das\nEntziehungsverbot des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Rucknahme der Einburgerung\nbei Ausschluss des Vertrauensschutzes lediglich durch § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2\nLVwVfG ist daher nur in atypischen Konstellationen moglich, in denen das\nVerhalten des Betroffenen in subjektiver Hinsicht den Voraussetzungen des § 48\nAbs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG angenahert ist. Eine derartig gesteigerte\nsubjektive Vorwerfbarkeit kann etwa angenommen werden, wenn der Betroffene das\nUnterstutzen einer offensichtlich verfassungsfeindlichen Bestrebung\nverschweigt bzw. eine konkrete Frage unzutreffend beantwortet. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Jedenfalls eine durch derartige besondere Umstande gepragte\nFallkonstellation des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG liegt hier nicht vor. Es\nlasst sich wohl nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass der\nKlager objektiv unrichtige Angaben uber verfassungsfeindliche Betatigungen\ngemacht hat und die Einburgerung deshalb auf dem Verschweigen von Umstanden\nberuht, die allein oder uberwiegend in seiner Sphare liegen. Auch hier ist\nmaßgeblich, dass vom Klager keine Angaben uber Betatigungen in Vereinen\nverlangt worden waren, sondern demgegenuber lediglich eine abstrakte\nErklarung, dass er keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterstutzt. Im\nÜbrigen fehlt es nach dem oben Gesagten auch insoweit an der erforderlichen\nKausalitat von etwaigen objektiven Falschangaben. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Dahingestellt kann bleiben, ob die mit Bescheid vom 31.8.2005 verfugte\nRucknahme der Einburgerung „zeitnah" im Sinne der Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichts, welcher sich der Senat angeschlossen hat (vgl.\nUrteil vom 9.8.2007, a.a.O.), erfolgt ist. Wo eine exakte zeitliche Grenze\nzwischen der zeitnahen und der nicht mehr zeitnahen Rucknahme der Einburgerung\nverlauft, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Es spricht freilich\neiniges dafur, dass es sich bei dem zwischen der Einburgerung des Klagers am\n22.5.2003 und dem Erlass der gegenstandlichen Rucknahmeverfugung am 31.8.2005\nverstrichenen Zeitraum von lediglich knapp uber zwei Jahren noch um eine\nzeitnahe Rucknahme im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts\nhandelt. Hierfur spricht etwa, dass gemaß der - nach dem oben Gesagten hier\nnicht anwendbaren - Bestimmung des § 24 des Gesetzes zur Regelung von Fragen\nder Staatsangehorigkeit - StAngRegG - die Unwirksamkeit einer auf dieser\nGrundlage erlangten Staatsangehorigkeit bis zum Ablauf von funf Jahren nach\nerfolgter Einburgerung festgestellt werden kann. Es spricht deshalb einiges\ndafur, dass bei einem zwischen Einburgerung und deren Rucknahme liegenden\nZeitraum von unter funf Jahren von einer zeitnahen Rucknahme auszugehen ist. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| 2\\. Der streitgegenstandliche Ausgangsbescheid sowie der\nWiderspruchsbescheid sind auch insoweit rechtswidrig, als der Klager zur\nRuckgabe der Einburgerungsurkunde aufgefordert wurde. Nachdem die Einburgerung\nnach dem oben Gesagten nicht zuruckgenommen werden durfte, ist auch die\nAufforderung zur Ruckgabe der hieraus resultierenden Dokumente rechtswidrig\n(vgl. § 52 Abs. 1 LVwVfG). \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| 3\\. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Revision war zuzulassen, da die Frage, ob und unter welchen Umstanden\ndie Rucknahme einer Einburgerung gemaß § 48 LVwVfG zulassig ist, in der neuren\nRechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere nach Ergehen des\nUrteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006, noch nicht geklart (vgl.\nhierzu § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO). \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| \n--- \n| **Beschluss** \n--- \n| **vom 17. September 2007** \n--- \n| Der Streitwert fur das Berufungsverfahren wird gemaß § 52 Abs. 1 GKG auf\n10.000,-- EUR festgesetzt. \n--- \n| In Anlehnung an Ziffer 42.1 des Streitwertkatalogs fur die\nVerwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung 2004 (abgedruckt in NVwZ 2004, 1331)\ngeht der Senat bei Streitigkeiten uber einen Einburgerungsanspruch vom\ndoppelten Auffangwert pro Person aus. \n--- \n| Diese Entscheidung ist gemaß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. \n--- \n---\n\n
151,881
olgstut-2007-10-24-4-ss-26407
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
4 Ss 264/07
2007-10-24
2019-01-09 21:10:24
2019-02-12 13:27:07
Beschluss
## Tenor\n\nDie Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts\nHeilbronn vom 20. Februar 2007 wird als unbegrundet **v e r w o r f e n** .\n\nDer Beschwerdefuhrer tragt die Kosten seines Rechtsmittels.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Das Amtsgericht setzte gegen den Betroffenen „wegen eines fahrlassigen\nVerstoßes gegen § 41 Abs. 2 StVO - Überschreiten der zulassigen\nHochstgeschwindigkeit außerorts um 41 km/h" \\- eine Geldbuße von 100 EUR sowie\nein Fahrverbot von einem Monat fest. Nach den Feststellungen fuhr X. am 28.\nJuni 2006 auf der Bundesautobahn A 6 mit dem Pkw, amtliches Kennzeichen ...,\nvon M. in Richtung N. Um 10:26 Uhr uberschritt er bei Kilometer 668,1 die\nzulassige Hochstgeschwindigkeit von 120 km/h um 41 km/h. In Hohe von Kilometer\n666,0 und 666,7 befinden jeweils beidseitig der Fahrbahn Verkehrszeichen Nr.\n274 (§ 41 Abs. 2 Nr. 7 StVO; 120 km/h), weshalb der Betroffene um die\nGeschwindigkeitsbeschrankung hatte wissen konnen und mussen. Mit einem\ngeeichten Geschwindigkeitsmessgerat der Marke ESO Typ ES 1.0 wurde eine\nGeschwindigkeit von 167 km/h gemessen, wovon 3 % als Messfehlertoleranz\nabgezogen wurden. \n--- \n| 2 \n--- \n| Im Rahmen der Beweiswurdigung fuhrt das Amtsgericht aus, der Betroffene\nhabe uber seinen Verteidiger eingeraumt, gefahren zu sein. Daruber hinaus habe\ner „generelle Zweifel" an der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung\nvorgetragen, „die jedoch allesamt mit Hilfe des vernommenen Zeugen ausgeraumt\nwerden konnten". Die Feststellungen zur Sache beruhten neben den Angaben des\nBetroffenen auf der Aussage des vernommenen Zeugen, den verlesenen Urkunden\nund denen in Augenschein genommenen Lichtbildern, auf welche wegen der\nEinzelheiten gemaß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen werde. \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Betroffene hat gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt, die\ner mit der Verletzung formlichen und sachlichen Rechts begrundet. Insbesondere\nrugt er, dass die Beweiswurdigung im angefochtenen Urteil unvollstandig sei,\nda sich aus ihr nicht ergebe, aufgrund welcher Beweismittel das Amtsgericht\nwelche Tatsache festgestellt habe. Ferner habe das Gericht nicht ausgefuhrt,\nweshalb anstelle des Fahrverbots nicht eine Erhohung der Geldbuße ausreichend\nsei. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, dass Rechtsmittel gemaß § 349 Abs.\n2 StPO in Verbindung mit § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG als unbegrundet zu verwerfen.\nDie vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen wurden den Schuldspruch und den\nRechtsfolgenausspruch tragen. \n--- \nII. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Ausfuhrungen des Amtsgerichts zur Beweiswurdigung sind gerade noch\nausreichend. \n--- \n| 6 \n--- \n| Im Urteil wurde gemaß § 71 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO\nauf die bei den Akten befindlichen Lichtbilder Bezug genommen. In den hierin\neingeblendeten Daten, die zulassigerweise im Wege des Augenscheins in die\nHauptverhandlung eingefuhrt worden sind (vgl. BayObLG NStZ 2002, 388), ist\nauch die gemessene Geschwindigkeit enthalten. Ferner kann dem Zusammenhang der\nUrteilsgrunde entnommen werden, dass das Amtsgericht den Polizeibeamten Y. als\nZeugen gehort hat, welcher die Geschwindigkeitsmessung durchgefuhrt hat. Dies\nergibt sich aus der Feststellung (UA S. 4 oben), generelle Zweifel des\nBetroffenen an der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung seien mit Hilfe des\nvernommenen Zeugen ausgeraumt worden. Bei diesem kann es sich nur um den\nBeamten handeln, der die Messung durchgefuhrt hat. Deshalb liegt es nahe, dass\ndieser Zeuge zu den ortlichen Gegebenheiten (insbesondere zu den aufgestellten\nVerkehrszeichen) Angaben gemacht hat. \n--- \nIII. \n--- \n| 7 \n--- \n| Zur Geschwindigkeit enthalt das Urteil Feststellungen lediglich zum\nangewendeten Messgerat, der gemessenen Geschwindigkeit sowie zu der in Ansatz\ngebrachten Messtoleranz. Sie sind nur dann ausreichend, wenn es sich bei den\nvorliegend angewendeten Messverfahren um ein standardisiertes Messverfahren im\nSinne der Rechtssprechung des BGH (St 39, 291; 43, 277) handelt. Diese Frage\nist - soweit ersichtlich - obergerichtlich bislang noch nicht entschieden\nworden. Zwar handelt es sich bei der Messung der Geschwindigkeit mit dem Gerat\nESO ES 1.0 auch um eine Lichtschrankenmessung. Letztere ist seit langem von\nder Rechtsprechung als standardisiertes Messverfahren anerkannt (BGHSt 39, 291\n(302)). Jedoch haben die Technik und die Messwertbildung des Einseitensensors\nESO 1.0 mit normalen Lichtschrankenmessgeraten nichts gemein (Lohle/Beck,\nFehlerquellen bei polizeilichen Messverfahren, 8. Aufl., S. 78; Lohle ZfS\n2006, 137). Daher kann bei Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung ein\nMessverfahren mit diesem Gerat nicht als standardisiert angesehen werden. \n--- \n| 8 \n--- \n| Um diese Frage zu klaren, hat der Einzelrichter hat mit Beschluss vom 15.\nJuni 2006 die Sache auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern\nubertragen (§ 80 a Abs. 3 S. 1 OWiG; Fortbildung des Rechts). Mit Beschluss\nvom selben Tage hat der Senat die Einholung eines Sachverstandigengutachtens\nzu der Frage beschlossen, ob es sich bei dem genannten Messverfahren um ein\nstandardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtssprechung des BGH handelt.\nMit der Erstattung des Gutachtens wurde Herr Dipl. Ing. D. beauftragt. Das\nGutachten liegt nunmehr vor. \n--- \nIV. \n--- \n| 9 \n--- \n| Nach Darlegung des Sachverstandigen handelt es sich bei dem im vorliegenden\nFall verwendeten Geschwindigkeitsuberwachungsgerat um ein Weg-Zeit-Messgerat,\nwelches mit Lichtschranken als Messbasis arbeitet. Es besteht im Wesentlichen\naus einem Sensorkopf auf einem Stativ, einer Rechnereinheit, einem\nberuhrungsempfindlichen Bildschirm sowie einer funkgesteuerten Fotoeinrichtung\nmit entsprechendem Zubehor. Den Kern der Anlage bilden der Sensorkopf mit vier\noptischen Helligkeitssensoren. Drei dieser vier Sensoren uberwachen die\nFahrbahn rechtwinklig zu deren Verlauf. Der vierte Sensor, dessen optische\nAchse um ca. 2 Grad gegenuber der senkrechten schraggestellt ist, dient\nlediglich zur Messung des Abstandes zwischen dem Sensor und dem angemessenen\nFahrzeug. Bei der Durchfahrt eines Fahrzeuges wird in jedem der vier Sensoren\ndessen Helligkeitsprofil erfasst, digitalisiert und gespeichert. Dabei wird\nkein Lichtsender realisiert (was bedeutet, dass durch das Gerat kein Licht\ngebundelt ausgestrahlt wird - anders als bei solchen Lichtschrankenmessungen,\nbei denen quer zur Fahrbahn Lichtstrahlen gesendet werden, weshalb dort\nbeidseits der Fahrbahn Gerate aufgestellt werden mussen). Daher handelt es\nsich um ein „Messgerat in passiver Ausfuhrung". Die Gesamtlange der Messbasis\ndes Sensorkopfes betragt 50 cm. Die Teilstrecken zwischen den Sensoren (1 und\n2 einerseits und 2 und 3 andererseits) belaufen sich auf jeweils 25 cm. Diese\ndrei Sensoren dienen zur Ermittlung von zwei Geschwindigkeitsmesswerten. Fahrt\nein Fahrzeug an den Sensoren vorbei, wird die Geschwindigkeit durch das\nsogenannte Triggersignale vorbestimmt. Die vom Gerat aufgezeichneten\nHelligkeitsprofile werden rechnerisch mit Hilfe einer durch die Software\nbestimmten Korrelationsrechnung abgeglichen, um sodann die genauen\nZeitdifferenzen zwischen den einzelnen Helligkeitsprofilen zu bestimmen. Die\nGeschwindigkeit ergibt sich aus den zwei ermittelten Zeitdifferenzen und der\nanteiligen Messbasis von 25 cm. Der vierte Sensor dient lediglich zur\nErmittlung des Abstandes des Fahrzeuges vom Messgerat, um zu verhindern, dass\nFahrzeuge gemessen werden, die sich außerhalb des eingestellten Grenzwertes\n(zwischen dem Gerat und dem zu messenden Fahrzeug; maximal 18 m) befinden\n(etwa auf der Gegenfahrbahn). Wird eine Geschwindigkeit ermittelt, welche den\neingestellten Geschwindigkeitswert uberschreitet, wird dieser Messwert nebst\nweiteren Daten per Datenfunk der Fotoeinrichtung ubermittelt. \n--- \n| 10 \n--- \n| Das Gerat wird mit Hilfe einer Neigungswasserwaage aufgestellt. Es kann\nsowohl eine Quer- als auch eine Langsneigung der Straße auf den Sensorkopf\nubertragen. Dies ist insbesondere bei der Querneigung von besonderer\nBedeutung. Vor dem Betrieb laufen automatisch Testprogramme ab. Bei der\nAuswertung sind insbesondere die Falle problematisch, in denen sich zwei\nFahrzeuge nebeneinander in gleicher Fahrtrichtung am Sensorkopf vorbeibewegen.\nEin Messvorgang ist nur dann verwertbar, wenn sich schließlich ein Fahrzeug in\nFahrtrichtung auf oder hinter der Messlinie befindet. \n--- \n| 11 \n--- \n| Das Überwachungsgerat Typ ES 1.0 der Firma ESO ist von der physikalisch-\ntechnischen Bundesanstalt in Braunschweig zugelassen. Es erfullt deren\nAnforderungen an Geschwindigkeitsuberwachungsgerate. Es ist im Bundesgebiet\nweit verbreitet. Der Sachverstandige hat diverse Messvorgange mit diesem Gerat\nim Bezirk des Landgerichts Stuttgart begutachtet. Der Aufbau der Anlage\neinschließlich der hierbei zu beachtenden Besonderheiten ist im Einzelnen in\nder Gebrauchsanweisung beschrieben. Dies und die Bedienung der Anlage\neinschließlich der Auswertung sind nach kurzer Einweisung problemlos\ndurchzufuhren. Der Messbetrieb erfolgt automatisch. Das Messpersonal muss -\nanders als beim Laserhandmessgerat - nicht besonders geschult werden. Bei\nBeachtung der Gebrauchsanweisung des Herstellers und der Zulassungsbedingungen\nder physikalisch-technischen Bundesanstalt kann es problemlos bedient werden.\nDeshalb handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der\nRechtssprechung des BGH. \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Senat schließt sich den nachvollziehbaren und gut begrundeten\nAusfuhrungen des Sachverstandigen an. Mit ihm ist er der Ansicht, dass das\nGerat die Vorgaben der Rechtssprechung des BGH(St 39, 291; 43, 277) erfullt.\nDie Gebrauchsanweisung des Herstellers und die Zulassung durch die\nphysikalisch-technische Bundesanstalt bieten Gewahr fur seine zuverlassige\nAnwendung. Es ist einfach zu handhaben und hat sich nach den Erfahrungen des\nSachverstandigen in der Praxis bewahrt. \n--- \nV. \n--- \n| 13 \n--- \n| Zur Abfassung der Urteilsgrunde ist zu bemerken: \n--- \n| 14 \n--- \n| Unbeschadet des Umstandes, dass es sich um ein standardisiertes\nMessverfahren handelt, muss sich der Tatrichter im Einzelfall von der\nBeachtung der fur dieses Verfahren geltenden Bestimmungen uberzeugen. Liegen -\ndies wird die Regel sein - keine Anhaltspunkte fur eine Fehlmessung vor,\nbraucht im schriftlichen Urteil nur das angewendete Verfahren\n(Lichtschrankenmessung in passiver Ausfuhrung ohne Lichtsender), die\nfestgestellte Geschwindigkeit sowie der in Ansatz gebrachten Toleranzwert (bis\n100 km/h: 3 km/h; daruber 3 % des Messwertes; vgl. Lohle ZfS 2006, 137 (139))\nmitgeteilt zu werden, es sei denn, es liegt ein uneingeschranktes und\nglaubhaftes Gestandnis des Betroffenen vor; dann bedarf es nicht der Angabe\ndes Messverfahrens und des Toleranzwertes (BGHSt 39, 291 (303)). Nur wenn\nkonkrete Anhaltspunkte dafur vorliegen, dass die maßgebenden Bestimmungen\nnicht eingehalten wurden, sind im Urteil Ausfuhrungen zur Messung notwendig\n(vgl. OLG Dresden VRS 109, 196 (199) m.w.N). Allgemein geaußerten Zweifeln des\nBetroffenen, etwa dahin gehend, das Gerat habe nicht funktioniert oder dem\nanwendenden Beamten seien bei der Auswertung Fehler unterlaufen, braucht der\nRichter nicht nachzugehen. Unabhangig hiervon ist - in der gebotenen Kurze -\nim Urteil stets mitzuteilen, in welcher Weise sich der Betroffene eingelassen\nhat (OLG Karlsruhe NZV 2007, 256). \n--- \nVI. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Ausfuhrungen des Amtsgerichts zur Feststellung der Geschwindigkeit sind\ndeshalb genugend. \n---\n\n
151,951
vg-freiburg-2007-11-14-1-k-114607
157
Verwaltungsgericht Freiburg
vg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 K 1146/07
2007-11-14
2019-01-09 21:11:04
2019-01-17 12:04:39
Urteil
## Tenor\n\nDer Bescheid der Beklagten vom 23.04.2007 wird aufgehoben.\n\nDie Beklagte wird verpflichtet, uber den Antrag des Klagers auf Befreiung von\nder Studiengebuhrenpflicht fur das Sommersemester 2007 erneut zu entscheiden\nund dabei die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten.\n\nDie Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager begehrt von der beklagten Universitat seine Befreiung von der\nStudiengebuhrenpflicht. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| **1.** Der einschlagige Befreiungstatbestand ist in § 6 Abs.1 S.3 LHGebG\ngeregelt und lautet wortlich: „Studierende, die eine weit\nuberdurchschnittliche Begabung aufweisen oder im Studium herausragende\nLeistungen erbringen, konnen von der Studiengebuhr befreit werden". \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Diese Regelung wurde durch Art.1 des Gesetzes zur Änderung des LHGebG und\nanderer Gesetze v. 19.12.2005 (GBl. S.794 , berichtigte Fassung GBl. 2006,\nS.15) eingefuhrt, das in Art.7 Abs.2 S.1 eine Erhebung von Studiengebuhren\nerstmals zum Sommersemester 2007 vorsieht. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Nach Inkrafttreten dieses Änderungsgesetzes fasste das Rektorat der\nBeklagten in nichtoffentlicher Sitzung am 29.11.2006 den Beschluss, weit\nuberdurchschnittlich begabte Studierende von der Studiengebuhrenpflicht zu\nbefreien und fur das Vorliegen einer solchen Begabung den Nachweis einer\nAufnahme des Studierenden in ein Stipendienprogramm eines anerkannten\nBegabtenforderungswerks zu fordern, fur dessen Stipendienvergabe nicht\nvorwiegend soziale Komponenten, sondern zu einem Anteil von mindestens zwei\nDritteln die Leistungen des Studierenden das ausschlaggebende\nEntscheidungskriterium seien. Das sei verfahrensrechtlich auch gegenuber\nmoglichen Konkurrenten haltbar. Es liege im Interesse der sich im\nExzellenzwettbewerb befindenden Universitat Freiburg, die begabtesten\nStudierenden zu gewinnen. Anhand einer Aufstellung uber die existierenden\nBegabtenforderungswerke und deren Auswahlkriterien sowie weiterer eigener\nErmittlungen dazu stellte die Beklagte folgende Liste von\nBegabtenforderungswerken auf, deren Auswahlkriterien nach ihrer Einschatzung\nden oben genannten Kriterien entsprechen: \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| \n--- \n\\- Studienstiftung des deutschen Volkes \n\\- Cusanuswerk - Bischofliche Studienforderung \n\\- Evang.Studienwerk Villigst \n\\- Hans-Bockler-Stiftung \n\\- Stiftung der deutschen Wirtschaft - Studienforderwerk Klaus Murrmann, \n\\- Konrad-Adenauer-Stiftung \n\\- Heinrich-Boll-Stiftung \n\\- Friedrich-Ebert-Stiftung \n\\- Friedrich-Naumann-Stiftung \n\\- Rosa-Luxemburg-Stiftung, \n\\- Hanns Seidel -Stiftung \n--- \n| 6 \n--- \n| Auf ihrer Internet-Seite veroffentlichte die Beklagte anschließend diese\nzuletzt am 05.11.2007 aktualisierten Kriterien fur eine Befreiung (siehe\nwww.uni-freiburg.de/de/ studiengebuehren/ ausnahmen.html). Danach ist auch ein\nBegabungsnachweis durch Vorlage eines IQ-Tests mit 130 Punkten oder mehr\nmoglich.Auf der Internetseite der Beklagten findet sich zudem ein Formular fur\neinen entsprechenden Befreiungsantrag. \n--- \n| 7 \n--- \n| Ausweislich des in der Verwaltungspraxis der Beklagten verwendeten\nMustertextes ihrer Bescheide uber Befreiungsantrage weist sie die betroffenen\nStudierenden außerdem darauf hin, dass „Stipendiaten und Stipendiatinnen\nanderer Stiftungen von der Studiengebuhr befreit werden konnen, wenn\nnachgewiesen ist, dass diese Stipendien in Bezug auf Auswahlkriterien, das\nAuswahlverfahren und die Hohe der Forderung den Stipendien der genannten\nBegabtenforderungswerke entsprechen". \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| **2.** Der Klager legte seine Abiturprufung mit der Note 1,0 ab (720 von 740\nPunkten) und studierte seit dem Wintersemester 2001/02 bei der Beklagten in\neinem sogenannten unechten Doppelstudium in den Fachern Rechtswissenschaften\nund Politikwissenschaften (Staatsexamensstudiengang Rechtswissenschaften und\nMagisterstudiengang im Hauptfach Politikwissenschaften und Nebenfach\nÖffentliches und Burgerliches Recht). Im Jahr 2004 studierte er - von der\nBeklagten dazu beurlaubt - mit einem Stipendium des DAAD ein Jahr lang in\nAustralien an der University of Sydney. Am 09.01.2007 schloss er im\nsogenannten Freiversuch nach 8 Semestern das Studium der Rechtswissenschaften\nmit der ersten juristischen Staatsprufung mit der Note „vollbefriedigend" ab\n(11,27 Punkte; Platzziffer 18 von 329 Kandidaten). Sein\nrechtswissenschaftliches Studium wurde seit Marz 2002 von der Studienstiftung\ndes deutschen Volkes gefordert. Die Forderung endete Ende Marz 2007 mit der\nBeendigung des Studiums der Rechtswissenschaften. Der Klager promoviert\nderzeit im Fach Rechtswissenschaften an der Universitat Freiburg und studiert\nseit Sommersemester 2007 nur noch im Magisterstudiengang\nPolitikwissenschaften. Seit 10.10.2007 ist er nur noch als Promotionsstudent\nbei der Beklagten eingeschrieben, nachdem er zum Wintersemester 2007/08 auf\nseinen Antrag hin aus dem Magisterstudiengang Politikwissenschaft\nexmatrikuliert wurde, weil er dafur neben seiner Tatigkeit am Lehrstuhl und\nfur seine Promotion keine Zeit mehr fand. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Bescheid vom 06.12.2006 zog die Beklagte den Klager fur das\nSommersemester 2007 und die darauffolgenden Semester zur Zahlung von\nStudiengebuhren heran. Er hat sich ordnungsgemaß zum Sommersemester 2007\nzuruckgemeldet und die Gebuhr vorlaufig auch bezahlt. Seine gegen diesen\nBescheid erhobene Klage (1 K 410/07) ruht derzeit. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Seinen Formularantrag vom 10.02.2007 auf Befreiung von der\nStudiengebuhrenpflicht fur das Sommersemester 2007 wegen weit\nuberdurchschnittlicher Begabung lehnte die Beklagte mit dem hier angegriffenen\nBescheid vom 23.04.2007 mit der Begrundung ab, er habe zwar einen\nAbiturdurchschnitt von 1,0 und ein juristisches Staatexamen mit der Note\nvollbefriedigend sowie eine fruhere DAAD-Forderung vorzuweisen. Er habe aber\nkeinen Nachweis einer Begabtenforderung auch im Sommersemester 2007 und auch\nkeinen IQ-Test vorgelegt. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Gegen diesen Ablehnungsbescheid hat der Klager am 21.05.2007 Klage beim\nVerwaltungsgericht erhoben. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Zur Begrundung tragt er im Wesentlichen vor, die Klage sei entgegen der\nAnsicht der Beklagten zulassig. Dafur dass § 6 Abs.1 S.3 LHGebG nicht nur\neinen bloßen Rechtsreflex einer allein im offentlichen Interesse erlassenen\nNorm sondern ein subjektiv offentliches Recht (§ 42 Abs.2 VwGO) vermittle,\nspreche schon der Wortlaut der Norm, ihr Zweck, von der ansonsten falligen\nStudiengebuhr den einzelnen begabten Studierenden zu befreien (LT-Drs.13/4858\nS.23), und die Regelung in § 11 LHGebG, wonach gegen den Bescheid uber die\nBefreiung von der Gebuhrenpflicht kein Vorverfahren nach § 68 VwGO stattfinde.\nAus Art.12 und Art.3 GG ergebe sich ein subjektiv-offentliches Recht auf\nEinhaltung der Befreiungsvoraussetzungen. Wurde man der Beklagten folgen, so\nware mangels subjektiver Rechtsposition selbst eine vollig willkurliche\nVersagung einer Befreiung sogar im Falle des klaren Vorliegens der von der\nBeklagten selbst aufgestellten Befreiungsvoraussetzungen nicht mehr\ngerichtlich kontrollierbar. Das konne nicht sein. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Klage sei auch begrundet. Die Entscheidung uber die Festlegung von\nKriterien fur die Befreiungstatbestande habe schon nicht durch das Rektorat\ngetroffen werden durfen. Zustandig ware dafur vielmehr der Senat der Beklagten\ngewesen (§ 19 Abs.1 LHG). \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Beklagte habe die gesetzliche Befreiungsvorschrift im Lichte des Art.12\nGG anzuwenden und auszulegen. Selbst wenn ihr hinsichtlich der\nBefreiungsmerkmale „herausragende Studienleistungen" bzw. „weit\nuberdurchschnittliche Begabung" ein Beurteilungsspielraum zukomme, so habe sie\ndiesen mit dem generellen Ausschluss einer Befreiung bei „herausragenden\nStudienleistungen" und im Übrigen mit der ausschließlichen Moglichkeit eines\nNachweises uberdurchschnittlicher Begabung allein durch die Forderung eines\nBegabtenforderungswerkes bzw. durch einen IQ-Test uberschritten. Denn der\nGleichheitssatz, die Rechtsstaatsgarantie und die Rechtsweggarantie stunden\ndem entgegen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Niemand durfe faktisch gezwungen werden, eine Forderung durch eines der\npolitisch, religios oder weltanschaulich-sozial orientierten\nBegabtenforderungswerke zu beantragen, nur um so seine Begabung nachweisen und\nallein auf diese Weise in den Genuss der Studiengebuhrenbefreiung gelangen zu\nkonnen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Es sei schon nach der Selbstdarstellung dieser Forderungswerke zudem\nzweifelhaft, dass deren Stipendiatenauswahl allein anhand des Kriteriums\nuberdurchschnittlicher Begabung erfolge. Das sei bei den politischen oder\nkirchlichen Stiftungen offenkundig. Selbst die vermeintlich neutrale\nStudienstiftung des deutschen Volkes stelle zusatzlich auf kulturelles oder\nsoziales Engagement ab. Durch ein alleiniges Abstellen auf deren Forderung\nwurden ebenso begabte Studenten gleichheitswidrig benachteiligt, die keine\nsolche Forderung beantragt hatten oder die sonstigen Kriterien der\nForderungswerke nicht erfullten. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Beklagte hatte deshalb zumindest alternativ ein eigenstandiges\nBeurteilungsverfahren hinsichtlich des Vorliegens des Befreiungsmerkmals\nuberdurchschnittlicher Begabung vorsehen und nicht einfach aus\nBequemlichkeitsgrunden auf die Forderung durch Begabtenwerke verweisen durfen,\nderen Auswahlkriterien im ubrigen weder transparent noch justiziabel seien.\nEine solche Flucht ins Privatrecht verletze die Rechtsweggarantie. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Selbst wenn man auf eine solche Forderung durch eines der\nBegabtenforderungswerke mit der Beklagten abstellen wolle, habe diese in\nseinem Fall zu Unrecht außer Betracht gelassen, dass er ja bis Marz 2007\ntatsachlich Stipendiat der anerkannten Studienstiftung des deutschen Volkes\ngewesen sei und diese Forderung nicht etwa mittlerweile verloren habe, weil er\nnunmehr nicht mehr hochbegabt sei, sondern weil die Forderung schlichtweg\nwegen Beendigung des Jurastudiums ausgelaufen sei, das aber nur Teil eines\nunechten Doppelstudiums gewesen sei, welches er nun noch mit dem Fach\nPolitikwissenschaft fortfuhre, das sich also nicht als Zweitstudium darstelle,\nsondern Teil eines einheitlichen Studienprojekts sei. Zudem habe er sich\ndamals gegenuber der Studienstiftung entscheiden mussen, welches Studium aus\ndiesem einheitlichen Studienprojekt er gefordert haben wolle und habe die\nForderung fur das Jurastudium erhalten. Zu Unrecht habe die Beklagte aus dem\nFehlen einer aktuellen Forderung auf das Fehlen einer - bereits einmal von\neinem anerkannten Forderungswerk festgestellten - Hochbegabung geschlossen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| den Bescheid der Beklagten vom 23.04.2007 aufzuheben und die Beklagte zu\nverpflichten, uber seinen Antrag auf Befreiung von der Studiengebuhrenpflicht\nfur das Sommersemester 2007 erneut zu entscheiden und dabei die\nRechtsauffassung des Gerichts zu beachten . \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Sie tragt zu Begrundung vor, die Klage sei schon mangels Geltendmachung\neines subjektiv-offentlichen Rechts i.S.d. § 42 Abs.2 VwGO unzulassig. Denn\nbei § 6 Abs.1 S.3 LHGebG handle es sich lediglich um eine offentlich-\nrechtliche Befugnisnorm zugunsten der Beklagten, die allein im offentlichen\nInteresse eine Befreiung ermogliche. Das zeige auch der systematische Kontext\nder Vorschrift. Wahrend in Satz 1 davon die Rede sei, es „solle" befreit\nwerden und in Satz 2 sogar eine zwingende Befreiung geregelt sei, wodurch den\nStudierenden in diesen Fallen das Privileg und das Recht auf eine Befreiung\ngewahrt werde, spreche Satz 3 nur von „konnen", gewahre also gerade kein\nsolches Recht. Auch der Zweck der Vorschrift spreche dafur, dass der\nGesetzgeber allein im offentlichen Interesse den Hochschulen habe ein\nInstrument in die Hand geben wollen, das sie im Wettbewerb um die begabtesten\nStudenten nach ihrer eigenen Einschatzung einsetzen konnen sollen, ohne dazu\nrechtlich verpflichtet zu werden. Die Befreiung von der Gebuhr stelle dann fur\nden Studierenden keine Erfullung eines Rechtsanspruchs, sondern einen bloßen\nRechtsreflex dar. Durch den Nichterlass der begehrten Befreiungsregelung konne\ner daher auch nicht in eigenen Rechten im Sinne von § 113 Abs.5 VwGO verletzt\nsein. Im Übrigen sei bei einer anstehenden Gesetzesnovelle eine Klarstellung\ndahin geplant, dass auf eine Befreiung kein Anspruch bestehe. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Klage sei jedenfalls aber unbegrundet. Der Klager habe zwar bislang in\nseinem Studium unstreitig herausragende Leistungen erbracht, aber eben nicht\nden Nachweis einer Stipendienforderung durch eines der in ihren\nBefreiungskriterien genannten Forderungswerke oder einen IQ-Test mit 130\nPunkten oder besser beigebracht. Die Vorschrift des § 6 Abs.1 S.3 LHGebG\nstelle es in das Ermessen der Beklagten, entweder bei Vorliegen einer\nHochbegabung oder aber alternativ bei Vorliegen herausragender Leistungen oder\naber kumulativ in beiden Fallen von den Studiengebuhren zu befreien. Das\nErmessen erstrecke sich auch auf die Wahl, ob uberhaupt und falls ja aufgrund\nwelcher der beiden Tatbestandsalternativen befreit werde. Die Beklagte habe\nsich durch ihr Rektorat dafur entschieden, nur von der Moglichkeit einer\nBefreiung im Falle uberdurchschnittlicher Begabung Gebrauch zu machen,\nhingegen eine Befreiung im Fall herausragender Studienleistungen nicht zu\ngewahren, da dieses Merkmal angesichts der Vielfaltigkeit der verschiedenen\nFakultaten, Studiengange und Schwierigkeitsgrade der Studiengange unmoglich\nanhand gerechter Kriterien festzustellen sei, die allen unter Beachtung des\nGleichheitssatzes gleichermaßen gerecht wurden. Zudem ware ein unabsehbar\ngroßer, nicht zu leistender Verwaltungsaufwand notig, um eine solche\nFeststellung treffen zu konnen. In manchen Massenfachern gebe es wie z.B. im\nFach Rechtswissenschaften die Note sehr gut so gut wie gar nicht, in anderen\nFachern mit etwa nur 10 -20 Studierenden sei hingegen selbst der\nJahrgangsbeste womoglich nicht so qualifiziert wie ein sehr gut abschließender\nStudierender aus einem Kreis von 300 Juristen. Sie habe sich daher\nentschieden, bei Vorliegen einer Hochbegabung von der Gebuhr zu befreien,\nsofern diese durch Forderung eines der genannten Forderungswerke oder einen\nIQ-Test nachgewiesen werde. Davon hatten hinsichtlich des\nStipendiumsnachweises 516 Studierende Gebrauch gemacht, denen in 483 Fallen\neine Befreiung gewahrt worden sei. Einen Intelligenztest hatten 25 Studierende\nvorgelegt, denen in 20 Fallen eine Befreiung gewahrt worden sei. Das Abstellen\nauf die Stipendienvergabe eines Forderungswerkes sei sachgerecht, da die\nBeklagte davon ausgehe, dass ca. zwei Drittel der Auswahlentscheidung bei\nsolchen Forderungswerken auf der Studienleistung und der Begabung beruhten.\nDas habe sie anhand einer Erhebung bei diesen Werken festgestellt. Hier wurden\nbei der Stipendienvergabe hervorragende Studienleistungen oder aber eine\nuberdurchschnittliche Begabung als Auswahlkriterium zugrunde gelegt. Dadurch\nsei die Chancengleichheit gewahrt und der Verwaltungsaufwand in Grenzen\ngehalten. Die Kriterien habe die Beklagte klar und transparent fur alle\nStudierenden in gleicher Weise aufgestellt. Anders als andere Hochschulen im\nLande, die uberhaupt keine Befreiung gewahrten, habe sie eine gerechte, die\nInteressen der Studierenden berucksichtigende Regelung uber die Befreiung zu\nderen Gunsten getroffen. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behordenakte\n(1 Heft) sowie der Gerichtsakte verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 26 \n--- \n| **1.** Die Klage ist - ohne Durchfuhrung eines Vorverfahrens (§§ 68 Abs.1\nS.1 1.HS, Abs.2 VwGO, § 11 LHGebG) - als Verpflichtungsklage zulassig. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Der von der Beklagten erhobene Einwand, der Klager sei nicht klagebefugt,\nist unzutreffend. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Der Klager hat ausreichend geltend gemacht, durch die Ablehnung der\nbeantragten Befreiung in eigenen subjektiv-offentlichen Rechten verletzt zu\nsein (§ 42 Abs.2 VwGO). Es ist nicht offensichtlich ausgeschlossen, sondern\nmoglich, dass ihm ein Anspruch auf Befreiung von der Studiengebuhr zustehen\nkann. (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Urt. v. 26.07.1989 - 4 C 35/88 -,\nBVerwGE 82, 246 [249]). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Bei der Verpflichtungsklage ist das als verletzt gerugte Recht identisch\nmit dem materiellen Anspruch, den der Klager mit der Klage verfolgt. Der\neingeklagte Verpflichtungsanspruch ist das durch die (rechtswidrige) Ablehnung\ndes begehrten Verwaltungsakts verletzte subjektiv-offentliche Recht.\nGrundvoraussetzung eines Rechtsanspruchs ist ein die Verwaltung zu einem Tun,\nDulden oder Unterlassen verpflichtender Rechtssatz. Der subjektivrechtliche\nGehalt einer Verpflichtungsnorm (Anspruchsnorm) ist anschließend durch\nAuslegung zu ermitteln. Entscheidend fur die subjektive Berechtigung\n(Rechtsdurchsetzungsmacht) ist schließlich, dass der Klager zum Kreis der\nAnspruchsberechtigten zu zahlen ist, was nach seinem Vortrag zumindest moglich\nsein muss. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Hier hat der Gesetzgeber mit § 6 Abs.1 S.3 LHGebG der Beklagten die\nMoglichkeit eroffnet, bei Vorliegen bestimmter Tatbestandsvoraussetzungen\nStudierende von der Studiengebuhr zu befreien. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Diese Vorschrift besteht nicht nur im rein offentlichen Interesse,\nvermittelt fur den Studierenden also nicht nur einen bloßen Rechtsreflex (vgl.\nVGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 28.10.1997 - 4 S 596/95 -, VBlBW 1998, 108 und VG\nFreiburg, Beschl. v. 10.07.1986 - 4 K 71/86 - DVBl. 1986, 1168 zu Normen, die\nallein dem offentlichen Interesse dienen und daher keinen Anspruch auf\nfehlerfreie Ermessensausubung begrunden ). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Vielmehr dient die Vorschrift zumindest auch dem Individualinteresse, denn\nsie zielt in Anknupfung an personenbezogene individuelle Elemente (Begabung,\nLeistung) und insoweit zwischen den Studierenden differenzierend aus Grunden\nder Forderung der betreffenden Studierenden (vgl. LT-Drucks.13/4858, S.23) auf\nderen individuelle Befreiung von einer sie ansonsten unmittelbar und erheblich\nbelastenden gesetzlichen Studiengebuhrenpflicht, die ihr Grundrecht auf\nAusbildungsfreiheit (Art.12 Abs.1 GG) beruhrt. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Weil diese Ermessensnorm auch subjektiv-individuellen Interessen dient,\nkann der Klager auch rugen, die Beklagte verletze bei deren Anwendung den\nGleichbehandlungsgrundsatz aus Art.3 Abs.1 GG ( vgl. BVerwG, Beschl. v.\n07.01.1972 - IV C 49.68 -, NJW 1973, 724 = E 39, 235 [238 ff.] ). \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Da die Beklagte hier tatsachlich von der Befreiungsmoglichkeit des § 6\nAbs.1 S.3 LHGebG Gebrauch gemacht und Studierende von der Gebuhrenpflicht\nbefreit hat, hingegen dem Klager eine solche Befreiung versagt hat, kann sie\nbei einer gleichheitswidrigen Ermittlung seiner Begabung und Leistung sein\nGrundrecht auf Gleichbehandlung aus Art.3 Abs.1 GG verletzen. Ob dies der Fall\nist, muss gem. Art.19 Abs.4 GG zulassigerweise gerichtlich uberprufbar sein,\nweil andernfalls eine willkurliche Normanwendung moglich ware. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Zudem ergibt sich aus § 11 LHGebG, dass der Gesetzgeber selbst von der\nZulassigkeit einer gerichtlichen Anfechtbarkeit eines (ablehnenden) „Bescheids\nuber die Befreiung von der Gebuhrenpflicht nach § 6 LHGebG" ausgeht, denn er\nwill durch die Streichung des Erfordernisses eines der gerichtlichen\nEntscheidung vorgelagerten Vorverfahrens (§ 68 VwGO) erklartermaßen zu einer\n„schnelleren Klarung der Gebuhrenpflicht" beitragen (vgl. LT-Drucks. 13/4858,\nS.31). \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte ihrem ablehnenden Bescheid uber die\nVersagung der vom Klager beantragten Befreiung schließlich selbst zu Recht\neine Rechtsmittelbelehrung beigefugt, wonach dagegen die Klage beim\nVerwaltungsgericht zulassig ist. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| **2.** Die zulassige Klage ist begrundet. Der angegriffene\nAblehnungsbescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Klager in\nseinen Rechten. Die Beklagte ist verpflichtet, den Antrag des Klagers auf\nBefreiung von der Studiengebuhrenpflicht fur das Sommersemester 2007 erneut zu\nbescheiden und dabei die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten (§ 113\nAbs.1 S.1, Abs.5 S.2 VwGO). \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Ablehnung der beantragten Befreiung mit der Begrundung, der Klager habe\nkeine weit uberdurchschnittliche Begabung durch ein Stipendium eines\nanerkannten Forderungswerks oder einen IQ-Test nachgewiesen, ist rechtswidrig. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Die Rechtsauffassung der Beklagten erweist sich insoweit in zwei Punkten\nals rechtsirrig: **(a)** Zum einen eroffnet ihr § 6 Abs.3 S.1 LHGebG nicht im\nSinne einer reinen Befugnisnorm ein vollig freies, rein (hochschul-)\npolitisches und daher rechtlich vollig ungebundenes, gerichtlich nicht\nnachprufbares Entschließungsermessen dahin, eine Studiengebuhrenbefreiung nach\ndieser Vorschrift zu gewahren oder aber die Norm unangewendet zu lassen.\n**(b)** Zum anderen steht ihr auch keine Wahlfreiheit zwischen den beiden\ngesetzlichen Befreiungstatbestanden einer „weit uberdurchschnittlichen\nBegabung" und der „herausragenden Leistungen im Studium" zu. Vielmehr hat sie\nin Erfullung des Normbefehls jedenfalls im Grundsatz\nStudiengebuhrenbefreiungen zu gewahren, wenn „herausragende Leistungen im\nStudium" vorliegen oder - wenn zu Beginn des Studiums solche herausragenden\nLeistungen naturgemaß noch nicht feststellbar vorliegen konnen - bei Vorliegen\neiner „weit uberdurchschnittlichen Begabung" des Studierenden. **(c)** Sie hat\ndeshalb uber den Befreiungsantrag des Klagers erneut zu entscheiden und, weil\ndieser sich nicht mehr in der Anfangsphase seines Studiums befindet, die\nbislang rechtswidrig unterlassene Prufung anzustellen, ob er wegen\nherausragender Leistungen im Studium von der Studiengebuhr befreit werden\nkann. Dabei steht ihr hinsichtlich der Festlegung der Kriterien fur die\nErfullung dieses unbestimmten Tatbestandsmerkmals ein sehr weiter\nBeurteilungsspielraum zu, der seine Grenze allerdings in der Beachtung des\nGleichheitsgrundsatzes aus Art.3 Abs.1 GG findet. Es kann offenbleiben, ob der\nNachweis herausragender Leistungen im Studium durch Verweis auf die\nStipendiengewahrung eines anerkannten Forderungswerkes erbracht werden kann.\nJedenfalls wurde es den Gleichheitssatz verletzen, einzig einen solchen\nNachweis zuzulassen und damit Studierende von einer Studiengebuhrenbefreiung\nauszuschließen, die kein Stipendium vorweisen, aber anderweit ihre\nherausragenden Leistungen im Studium nachweisen konnen. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| **(a)** Der Wortlaut des § 6 Abs.3 S.1 LHGebG gibt mit dem Begriff „konnen"\nfur sich genommen weder etwas fur noch gegen die Ansicht der Beklagten her,\ndamit werde ihr als Teil der Exekutive ausschließlich im offentlichen\nInteresse an einer Forderung des Wettbewerbs der Hochschulen untereinander im\nWeg einer legislativen Ermachtigung ein freies, rechtlich ungebundenes\n(hochschul-)politisches Ermessen im Sinne einer reinen politischen\nGestaltungsfreiheit hinsichtlich der Gewahrung von Studiengebuhrenbefreiungen\neingeraumt, das sie befugt, davon nach eigenen hochschulpolitischen\nVorstellungen ohne jede rechtliche Kontrolle entweder zugunsten der\nStudierenden Gebrauch zu machen oder aber keinen Gebrauch zu machen. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Eine systematische Auslegung der Vorschrift des § 6 Abs.3 S.1 LHGebG ergibt\nhingegen, dass es fur diese Position der Beklagten keinen wirklich tragfahigen\nAnhaltspunkt gibt: Aus hoherrangigem Recht ergibt sich zwar keine\nVerpflichtung des Gesetzgebers, in Fallen der Hochbegabung oder herausragender\nStudienleistungen uberhaupt eine Studiengebuhrenbefreiung zu gewahren, da die\ngrundsatzliche Einfuhrung der Studiengebuhrenpflicht nicht gegen hoherrangiges\nRecht verstoßt und infolge der Finanzierbarkeit uber das Darlehensmodell des\nLHGebG fur den einzelnen Studierenden keine etwa nur mit Hilfe von\nBefreiungsmoglichkeiten uberwindbare Zugangshurde fur das Studium darstellt\n(vgl. die Grundsatzurteile des VG Freiburg, Urteile vom 20.06.2007 - 1 K\n2274/06 und 2324/06 -, NVwZ 2007, 1455 = juris), so dass eine solche Befreiung\nauch weder durch die Ausbildungs- und Berufsfreiheit (Art.12 GG) noch durch\nden Gleichheitssatz (Art.3 Abs.1 GG) oder sonstige Grundrechte (z.B. Art.6 GG)\noder etwa international verbindliche Volkerrechtsnormen wie den Pakt uber\nkulturelle und soziale Rechte geboten wird. Dass es dem Landesgesetzgeber von\ndaher freistunde, die Regelung des § 6 Abs.1 S.3 LHGebG auch wieder zu\nstreichen, besagt hingegen noch nichts fur die Position der Beklagten. Denn\nder Landesgesetzgeber hat insoweit im Rahmen seiner grundlegenden\nNormsetzungskompetenz und Normsetzungsfreiheit einen ungebundenen legislativen\npolitischen Handlungs- und Gestaltungsspielraum, der einer im Grundsatz\nlediglich mit der Aufgabe des Verwaltungsvollzugs betrauten, der Exekutive\nzuzurechnenden Verwaltungsbehorde wie hier der Beklagten trotz ihrer\nSelbstverwaltungsautonomie regelmaßig nicht eingeraumt ist. Dazu bedurfte es\nvielmehr typischerweise der gesetzlichen Gewahrung einer Satzungsautonomie\n(vgl. dazu Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd.1, 11.Aufl. 1999, § 25 X\n3, S. 361, Rdnr. 50 und § 31 I Rdnr.1,2, S.440 sowie a.a.O. § 31 V, S.467,\nRdnr.57 - 59 zur Verwaltung zwischen Bindung und Freiheit sowie zu den\nErscheinungsformen von Verwaltungsspielraumen; zur Abgrenzung der legislativen\nGestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bzw. Rechtsverordnungsgebers auf der\neinen und des Ermessens der Verwaltung auf der anderen Seite: Nierhaus in:\nBonner Kommentar zum Grundgesetz, Art.80 Abs.1, Rdnr. 330 - 375 insbesondere\nRdnr.334 ff und Rdnr.341 zur Entschließungsfreiheit und ihren Grenzen). Der\nLandesgesetzgeber hat hier den Hochschulen und damit der Beklagten durch das\nLHGebG aber gerade keine solche Satzungsautonomie hinsichtlich der Frage der\nStudiengebuhrenbefreiung eingeraumt, die sie ermachtigen wurde, nach eigenen\nhochschulpolitischen Vorstellungen in rechtlich vollig ungebundener, eben\nautonomer Weise, von einer damit verbundenen Normsetzungsbefugnis Gebrauch zu\nmachen oder aber eben keinen Gebrauch zu machen (zur grundsatzlichen\nSatzungsautonomie der Hochschulen in Baden-Wurttemberg siehe § 8 Abs.5 LHG).\nAnders als in anderen Bundeslandern, wie etwa Nordrhein-Westfalen, hat der\nLandesgesetzgeber in Baden-Wurttemberg die Erhebung von Studiengebuhren\nnamlich nicht durch eine entsprechende Satzungsermachtigung der politischen\nGestaltungsfreiheit der Hochschulen uberlassen (zur Rechtslage in Nordrhein-\nWestfalen vgl. VG Minden, Urt. v. 26.03.2007 - 9 K 3614/06-, NWVBl. 2007, 314\nund Urt. v. 01.06.2007 - 9 K 489/07 -, NWVBl.2007, 403), sondern in den §§ 3 -\n12 LHGebG die Erhebung solcher Gebuhren selbst gesetzlich geregelt und den\nHochschulen durch §§ 1 Abs.1, 2 Abs.1, 2 S.1 LHGebG eine Satzungsautonomie nur\nhinsichtlich der sonstigen Gebuhren, Verwaltungskostenbeitrage und Auslagen\nsowie Entgelte (siehe insoweit die §§ 13 ff. LHGebG) eingeraumt. Das macht\ndeutlich, dass der Landesgesetzgeber die eigentliche hochschulpolitische\nEntscheidung, namlich im Grundsatz unter zwei von ihm definierten\nTatbestandvoraussetzungen die Moglichkeit einer Studiengebuhrenbefreiung\neinzufuhren, nicht aus seiner Hand geben und den Hochschulen im Wege der\nSatzungsautonomie ubertragen wollte. Ansonsten hatte er das durchaus von ihm\ngesehene und an anderer Stelle auch gebrauchte gesetzliche Instrumentarium der\nEinfuhrung einer Satzungsermachtigung fur diesen Fall gewahlt oder hatte\nzumindest durch eine deutlichere Formulierung des Gesetzestextes zum Ausdruck\nbringen mussen, dass er den Hochschulen hier einen nicht rechtlich gebundenen\npolitischen Entscheidungsspielraum einraumen will, etwa durch die\nFormulierung, es stehe den Hochschulen frei, aus hochschulpolitischen Grunden\nin solchen Fallen auf eine Gebuhrenerhebung zu verzichten und einen\nRechtsanspruch der Studierenden darauf gebe es nicht. Stattdessen hat er die\nhier umstrittene Befreiung in dem zweiten Abschnitt des Gesetzes geregelt, der\ndie gesetzliche Pflicht der Hochschulen zur Erhebung der Studiengebuhren\nbetrifft und gerade nicht von der Satzungsautonomie erfasst wird, wie sie der\nGesetzgeber den Hochschulen hinsichtlich der Gebuhren nur in § 2 Abs.2 S.1\nLHGebG gewahrt hat. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Dass der Gesetzgeber den Hochschulen des Landes mit § 6 Abs.1 S.3 LHGebG\nauch nicht ein bloßes „Normangebot" gemacht hat, zeigt zudem die systematische\nStellung dieser Vorschrift. Sie steht im unmittelbaren Kontext zu anderen\nBefreiungs- und Erlassvorschriften, die als Ist-, Soll- oder Kann-Regelungen\nausgestaltet sind ( siehe § 6 Abs.1 S.1, S.2 , Abs.2 S.1 und Abs.2 S.2\nLHGebG), ohne dass hier Anhaltspunkte dafur bestehen, dass die Kann-\nVorschriften abweichend vom herkommlichen Verstandnis nicht als Einraumung\neines am Gesetzeszweck orientierten pflichtgemaßen Ermessens sondern hier\nausnahmsweise nur im Sinne eines bloßen Normangebots zu verstehen waren. Hatte\nder Gesetzgeber dies so regeln wollen, so hatte er eine solche gesetzliche\nBesonderheit nicht in diesem Kontext systemwidrig zusammen mit den anderen\nVorschriften, sondern an anderer Stelle eigenstandig geregelt und zum Ausdruck\ngebracht. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Fur diese Auslegung des § 6 Abs.1 S.3 LHGebG spricht auch der historische\nWille des Gesetzgebers wie er in den Materialien zur Entstehung der Vorschrift\nzum Ausdruck gekommen ist (siehe amtliche Begrundung des Gesetzentwurfs zur\nÄnderung des LHGebG in LT-Drucks. 13/4997). Nachdem der Gesetzgeber im\nursprunglichen Gesetzentwurf die Befreiungsmoglichkeit des § 6 Abs.1 S.3\nLHGebG fur Hochbegabte gar nicht vorgesehen hatte, hat er diese Vorschrift\neingefuhrt, weil der im Gesetzgebungsverfahren unter anderem angehorte\nDeutsche Gewerkschaftsbund (DGB) eingewandt hatte, die in § 6 Abs.1 S.2 LHGebG\nvorgesehene Befreiung von den Studiengebuhren fur das Studium mit der kurzeren\nRegelstudienzeit bei einem Parallelstudium „genuge (allein) nicht, um\nHochbegabte zu fordern" (LT-Drucks. 13/4858, S.46). Der Gesetzgeber fuhrte\ndazu aus (LT-Drucks. 13/4858, S.46), der Forderung des DGB werde insoweit\nentsprochen, als „in § 6 Abs.1 ein neuer Satz 3 eingefugt wurde, nach dem die\nHochschulen Studierende, die eine weit uberdurchschnittliche Begabung\naufweisen oder im Studium herausragende Leistungen erbringen, von der\nStudiengebuhr befreien konnen (Gebuhrenstipendium)". Der Gesetzgeber hat also\ndamit seinen Willen zum Ausdruck gebracht, dass solche Studierende gefordert\nwerden. Das ergibt sich auch aus der weiteren Begrundung des Gesetzentwurfs:\n„Zweck der Gebuhrenbefreiungen in den Satzen 2 und 3 ist die _F orderung_\nHochbegabter" (LT-Drucks. 13/4858, S. 23). Die Formulierung\n„Gebuhrenstipendium" konnte insoweit zwar darauf hindeuten, es handle sich bei\nder von der Hochschule nach § 6 Abs.1 S.3 gewahrten Studiengebuhrenbefreiung\num eine dem vollig freien politischen Gestaltungswillen der Hochschule\nuberlassene Subventionsgewahrung. Andererseits handelt es sich hier, wie die\nVerwendung dieses Begriffes in einem bloßen Klammerzusatz zeigt, nicht um\neinen gesetztechnischen Begriff, sondern um eine lediglich schlagwortartige\nBezeichnung, die zudem im maßgeblichen Normtext keinen Niederschlag gefunden\nhat. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| In der Gesetzesbegrundung findet sich zudem kein Anhaltspunkt fur die von\nder Beklagten vertretene Auffassung, diese Befreiungsregelung habe der\nGesetzgeber etwa allein im offentlichen Interesse daran erlassen, damit einen\nWettbewerb der Hochschulen untereinander um „die besten Kopfe" im Rahmen\nsogenannter „Exzellenzinitiativen" zu ermoglichen und damit insgesamt deren\nAnstrengungen um eine moglichst gute Lehre und Forschung im\nAllgemeinwohlinteresse des Landes zu fordern. Vielmehr finden solche\nInteressen des Allgemeinwohls ebenso wenig wie solche eigenen Interessen der\nHochschulen in der Gesetzesbegrundung eine Erwahnung. Nur im\nBefreiungstatbestand des § 6 Abs.2 S.2 LHGebG werden die eigenen\nhochschulpolitischen Interessen der Hochschule (an einer Zusammenarbeit mit\ndem Herkunftsland des auslandischen Studierenden) als Grund fur die\nBefreiungsmoglichkeit ausdrucklich erwahnt. Ansonsten wird eine Moglichkeit\neiner Hochschule, sich von anderen Hochschulen abzusetzen, vom Gesetzgeber nur\nin der Regelung des § 8 Abs.1 S.3 LHG uber die Einfuhrung reformorientierter\nHochschulmodelle unter anderem zum Zwecke der „Profilbildung" angesprochen.\nGegen die Auffassung der Beklagten, durch § 6 Abs.1 S.3 LHGebG habe ihr der\nGesetzgeber eine vollig ungebundene, allein in ihrem offentlichen Interesse\nliegende Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Gebuhrenbefreiung auch\ndahingehend einraumen wollen, eine danach mogliche Studiengebuhrenbefreiung\nvon vornherein ganz unterlassen zu konnen, spricht schließlich der Umstand,\ndass der Gesetzgeber durchweg die von den im Gesetzgebungsverfahren angehorten\nHochschulen gegenuber allen Befreiungsregelungen geltend gemachten Einwande\nausdrucklich abgelehnt hat, deren gesetzliche Einfuhrung sei soweit als\nmoglich bzw. sogar ganz generell zu unterlassen, denn sie verursachten einen\nnicht oder nur schwer zu leistenden Verwaltungsaufwand. Die Gesetzesbegrundung\nfuhrte dazu vielmehr in allen Fallen jeweils aus, aus den\nStudiengebuhreneinnahmen sei der mit der Prufung von Befreiungstatbestanden\nverbundene zusatzliche Verwaltungsaufwand zu finanzieren (LT-Drucks.13/4858 S.\n38, 39, 58). Das zeigt, dass der Gesetzgeber den Hochschulen gerade nicht die\nfreie Moglichkeit eines volligen Verzichts auf die Studiengebuhrenbefreiung\neinraumen wollte. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Sinn und Zweck des § 6 Abs.1 S.3 LHGebG ist also nach allem die Forderung\nbesonders begabter und herausragender Studierender durch landesweit alle\nHochschulen. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Bei der Kann-Befreiung in § 6 Abs.1 S.3 LHGebG handelt es sich demnach\nnicht um eine den einzelnen Hochschulen die Normanwendung anheimstellende\nBefugnisnorm, sondern um eine sogenannte Koppelungsvorschrift, die unbestimmte\nRechtsbegriffe auf der Tatbestandsseite, hinsichtlich deren den Hochschulen\nein weiter auch verwaltungs-"politischer" Beurteilungsspielraum eingeraumt\nwird (vgl. dazu Sachs, a.a.O., Rdnr.206 und 207 zu § 40 sowie Ziekow, VwVfG,\nRdnr. 54 zu § 40), mit einem sogenannten intendierten Ermessen auf der\nRechtsfolgenseite verknupft (vgl. dazu Ziekow, a.a.O., Rdnr.23 zu § 40 und\nHenneke, a.a.O., Rdnr. 35 zu § 40 und Sachs, a.a.O., Rdnr. 28, 29 zu § 40).\nDabei bedeutet das intendierte Ermessen hier, dass dann, wenn die\nTatbestandsmerkmale der Norm vorliegen, in aller Regel auch eine\nStudiengebuhrenbefreiung zu gewahren ist. Trotz des Vorliegens der\nTatbestandsmerkmale ermessensfehlerfrei keine Befreiung zu gewahren, bleibt\nden Hochschulen allerdings in Fallen moglich, in denen nach ihrem\npflichtgemaßen, am gesetzlichen Forderungszweck orientierten Ermessen\ngleichwohl eine Befreiung mangels Forderungswurdigkeit nicht gewahrt werden\nsoll, etwa in Fallen eines hochschulschadigenden oder sonst treuwidrigen\nVerhaltens des Studierenden oder z.B. hinsichtlich der Studiengebuhren fur ein\nZweitstudium. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| **(b)** Vor diesem Hintergrund stand der Beklagten auch keine Wahlfreiheit\nhinsichtlich der Anwendung der beiden Befreiungstatbestande des § 6 Abs.1 S.3\nLHGebG zu. Sie durfte nicht zu Lasten des Klagers den Befreiungstatbestand\nherausragender Leistungen im Studium von vornherein außer Betracht lassen und\nsich durch eine solche partielle Nichtanwendung der Vorschrift eine Art\nNormverwerfungskompetenz unter Hinweis darauf anmaßen, dieses unbestimmte\nTatbestandsmerkmal entziehe sich von vornherein einer Bestimmbarkeit und seine\nErfullung lasse sich uberhaupt nicht feststellen. Damit verkennt sie namlich\nden engen untrennbaren Zusammenhang zwischen dem Merkmal der Begabung fur ein\nStudium, also der Fahigkeit, in diesem Studium Leistungen zu erbringen, und\ndem Merkmal der dann tatsachlich infolge einer Umsetzung dieser Begabung im\nStudium erbrachten herausragenden Studienleistungen. Schon die eigene Praxis\nder Beklagten zeigt, dass die von ihr angenommene klare Trennung dieser beiden\nMerkmale nicht moglich ist, denn sie befreit zwar ausdrucklich nur in Fallen\neiner weit uberdurchschnittlichen Begabung, lasst aber zu deren Nachweis die\nStipendiengewahrung durch bestimmte Forderungswerke genugen, die bei genauem\nHinsehen durchaus auch von Leistungen im Studium abhangen kann. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Der durch § 6 Abs.1 S.3 LHGebG bezweckten Forderung hochbegabter\nStudierender wird deshalb nur eine Auslegung gerecht, welche die beiden\nalternativ („oder") genannten Tatbestandsmerkmale in Bezug zu dem jeweiligen\nStudienabschnitt setzt, in dem sich der betreffende eine Gebuhrenbefreiung\nbegehrende Studierende befindet. So gesehen stehen die beiden\nTatbestandsmerkmale nicht beliebig alternativ, sondern konsekutiv zeitlich\ngestaffelt nebeneinander . Unmittelbar zu Beginn eines Studiums, also in dem\noder den Anfangssemester/n kann der Studierende naturgemaß noch keine\n„Leistungen im Studium" erbracht haben und damit diesen zweiten\nBefreiungstatbestand erfullen. Vielmehr kann er in dieser Anfangsphase des\nStudiums nur das zuerst genannte Tatbestandsmerkmal einer „weit\nuberdurchschnittlichen Begabung" erfullen. Der Gesetzgeber selbst hat darauf\nausdrucklich hingewiesen und zu § 6 Abs.1 S.3 LHGebG wortlich ausgefuhrt: „Die\nerste Alternative zielt vor allem auf die Forderung von Studienanfangern, die\nan den Hochschulen und Berufsakademien noch keine Prufungen abgelegt und ihre\nhohe Begabung durch herausragende schulische Leistungen oder ein\nhervorragendes Abschneiden in einem Auswahl- oder\nEignungsfeststellungsverfahren oder einer Hochschuleingangsprufung unter\nBeweis gestellt haben" (LT-Drucks. 13/4858 S. 23). Daraus folgt umgekehrt,\ndass es fur die Befreiung, wenn sich der Studierende schon in einem uber die\nAnfangsphase hinausgehenden Abschnitt seines Studiums befindet, nicht mehr\ndarauf ankommen kann, ob er zu Beginn des Studiums eine uberdurchschnittliche\nBegabung fur das Studium aufgewiesen hat, sondern dass dann eine Befreiung nur\nnoch aufgrund des Befreiungstatbestandes herausragender Leistungen im Studium\nerfolgen kann, die nunmehr aufgrund der erbrachten Studienleistungen (Teil-,\nZwischenprufungen etc.) feststellbar sind. \n--- \n| 49 \n--- \n| Nur diese Auslegung der Vorschrift vermeidet das nach Sinn und Zweck der\nVorschrift sinnlose Ergebnis, dass ein Studierender durch eine\nStudiengebuhrenbefreiung auch noch in hoheren Semestern gefordert wurde, der\nzwar zu Beginn des Studiums etwa durch schulische oder sonstige Leistungen\noder eventuell auch einen IQ-Test eine weit uberdurchschnittliche Begabung\nvorweisen konnte, sich aber im Studium selbst als nicht forderungswurdiger\nStudienversager bzw. zumindest nicht als forderungswurdiger Studierender mit\nherausragenden Studienleistungen erwiesen hat, weil es ihm nicht gelungen ist,\nseine Begabung insoweit auch erfolgreich umzusetzen. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch nicht ersichtlich, dass die\nEntwicklung von Kriterien fur die Bestimmung des Befreiungstatbestands\n„herausragender Leistungen im Studium" und die Prufung seines Vorliegens von\nvornherein unmoglich, jedenfalls nicht in einer mit dem Gleichheitssatz\nkonformen Weise moglich oder zumindest im Einzelfall fur die Hochschulen der\nBefreiungstatbestand nur mit einem nicht leistbaren Verwaltungsaufwand\nfeststellbar sein sollte. Grundsatzlich kann einer Norm nicht die Anerkennung\nmit der Begrundung verweigert werden, die von ihr aufgestellten\nTatbestandsmerkmale seien nicht feststellbar bzw. die Norm verlange etwas\nUnmogliches. Vielmehr ist eine Auslegung und Anwendung der Norm zu ermitteln,\ndie ihr praktische Wirksamkeit verleiht. Der Gesetzgeber selbst hat zudem\nerklartermaßen den mit der Anwendung von Befreiungstatbestanden verbundenen\nVerwaltungsaufwand der Hochschulen fur leistbar, aus den\nStudiengebuhreneinnahmen finanzierbar und daher fur zumutbar gehalten. Dafur,\ndass die Frage nach herausragenden Leistungen in einem Studium durchaus\nbeantwortbar ist, spricht etwa auch die Regelung des § 18 b Abs.2 S.1 BAfoG,\ndie den Darlehenserlass daran anknupft, ob der Empfanger nach dem Ergebnis der\nAbschlussprufung seines Studiums zu den oberen 30 % aller Prufungsabsolventen\ndesselben Studienjahrgangs zahlt. Auch dass der Gleichheitssatz hinsichtlich\neines facherubergreifenden Vergleichs des Herausragens von Leistungen im\njeweiligen Studium Probleme aufwerfen mag, spricht nicht gegen die\nBestimmbarkeit dieses Merkmals. Denn unlosbar sind diese Probleme nicht. Das\nzeigt schon die Praxis der Forderungswerke, an deren Stipendienvergabe die\nBeklagte mit ihren Verwaltungsvorschriften zur Studiengebuhrenbefreiung selbst\nanknupft. Diese Forderungswerke vergeben ihre Stipendien namlich nicht nur in\nden Anfangssemestern allein aufgrund eines von Leistungen im Studium\nunabhangigen Nachweises einer Begabung, sondern vergeben ihre Stipendien\ndurchaus auch an Studierende in hoheren Semestern aufgrund ihrer\nhervorragenden Leistungen. Dabei fordern sie auch Studierende aus ganz\nunterschiedlichen Fachbereichen mit unterschiedlichen Leistungsanforderungen\nund Profilen (vgl. im Einzelnen zu den genauen Auswahlkriterien der in\nDeutschland aktiven Forderungswerke der Parteien, Kirchen und Gewerkschaften\nusw.: Bundesministerium fur Bildung und Forschung, Die Begabtenforderungswerke\nin der Bundesrepublik Deutschland, Stand Mai 2003, www.bmbf.de/pub/\nbegabtenfoerderungswerke_aundz.pdf; siehe auch die von der Beklagten\nvorgelegte Übersicht uber die Auswahlkriterien der Forderungswerke: Heinrich-\nBoll-Stiftung [herausragende Leistungen]; Studienstiftung des deutschen\nVolkes: [akademische Exzellenz]; Haus Villigst [herausragendes\nLeistungsvermogen]). \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| **(c)** Da sich der Klager schon in einem weit uber das Anfangsstadium\nhinaus fortgeschrittenen Stadium seines Studiums befindet, kommt es nach dem\noben Gesagten fur die begehrte Studiengebuhrenbefreiung nicht darauf an, ob er\nin den Anfangssemestern zu Beginn seines Studiums etwa aufgrund seiner\nAbiturnote zu den fur sein Studium „weit uberdurchschnittlich Begabten" zahlte\noder nicht. Vielmehr kann eine Befreiung fur den Klager nur nach dem von der\nBeklagten bislang rechtswidrig aus ihrem Prufprogramm ausgeklammerten\nBefreiungstatbestand „herausragender Leistungen im Studium" in Betracht\nkommen. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Die Beklagte muss deshalb im Rahmen der Neubescheidung des\nBefreiungsantrags prufen, inwieweit die Leistungen des Klagers im Studium der\nPolitikwissenschaften gemessen an den sonstigen Leistungen der Studierenden in\ndiesem Fach an ihrer Hochschule „herausragend" sind und somit einen\nBefreiungsanspruch begrunden. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Im Rahmen der Prufung der Befreiungsvoraussetzungen kommt ihr hinsichtlich\nder Frage, inwieweit die unbestimmten Tatbestandsmerkmale einer „weit\nuberdurchschnittliche Begabung" (fur das Studium) oder aber „herausragende\nLeistungen im Studium" vorliegen, ein sehr weiter vom Gericht nur sehr\neingeschrankt kontrollierbarer Beurteilungsspielraum zu. Hier ist der Ort der\nvon ihr fur sich reklamierten und vom Gericht anzuerkennenden administrativen\nEntscheidungsfreiheit, wie sie von der Rechtsprechung unter teilweiser\nZurucknahme der gerichtlichen Kontrolldichte insbesondere fur\nPrufungsentscheidungen oder sonstige Entscheidungen anerkannt ist, die auf\nWerturteilen besonders fachkundig zusammengesetzter Gremien beruhen (dazu\nErichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11.Aufl. 199, § 10 II 4 ff., Rdnr.23 -\n45 , insbesondere Rdnr.35, 37; Henneke, a.a.O. Rdnr. 18 ,19, 21; zur\nBeurteilungsermachtigung auch Sachs, a.a.O. Rdnr. 161 ff., 180, 188,196, 197\nund Wolff/Bachof/Stober, a.a.O. § 31 III 2, Rdnrn.14 ff., 20 - 21) oder fur\nEntscheidungen mit verwaltungs-"politischen" Wertungen angenommen wird (vgl.\ndazu Sachs, a.a.O., Rdnr.206 und 207 zu § 40 sowie Ziekow, VwVfG, Rdnr. 54 zu\n§ 40). \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Unter welchen Umstanden eine weit uber dem Durchschnitt ihrer\nStudienanfanger liegende Begabung fur ein Studium anzunehmen sein soll bzw.\nwelche Leistungen im Studium gemessen an der konkreten Studiensituation an der\nHochschule der Beklagten und des Leistungsniveaus der dort Studierenden als\nherausragend eingestuft werden sollen, stellt namlich eine Fragestellung dar,\ndie typischerweise eng verknupft ist mit der Prufung und Ermittlung von\nLeistungen sei es wahrend des Studiums oder aber im Rahmen von\nAufnahmeprufungen und Auswahlentscheidungen der Hochschule zu Studienbeginn\n(in diesem Sinne fur einen padagogischen Beurteilungsspielraum hinsichtlich\nder nach § 1 Abs.3 der Multilateralen Versetzungsordnung fur einen\nSchulwechsel maßgeblichen „Überdurchschnittlichkeit der Gesamtleistungen eines\nSchulers" VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 06.11.1984 - 9 S 2283/84 -, VENSA = SPE\n860 Nr.21). Zudem verfugt die Beklagte hinsichtlich dieser Fragen, die sie\nunter Einschaltung ihrer Studiendekane und Prufungsamter fur die einzelnen\nFakultaten beantworten muss, uber einen spezifischen Sachverstand, der sich\naus ihrem Organisationswissen um die Studienbedingungen,\nLeistungsanforderungen und typischen Leistungen ihrer Studierenden speist und\ndeshalb bei den Verwaltungsgerichten so nicht vorhanden ist. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| Im Rahmen dieser Beurteilungsermachtigung besteht die Moglichkeit der\nSelbstbindung, da die verfassungsrechtlichen Bindungen etwa des\nGleichheitssatzes auch hier gelten. Daraus ergibt sich die Moglichkeit,\nVerwaltungsvorschriften zur Konkretisierung und Ausgestaltung des\nBeurteilungsspielraums und zur Herbeifuhrung einer gleichmaßigen\nBeurteilungspraxis zu erlassen (vgl. dazu Sachs, a.a.O. Rdnr.218 ff.). Die\nAusfullung des Beurteilungsspielraums und die dazu erlassenen\nVerwaltungsvorschriften unterliegen ihrerseits aber den verfassungsrechtlichen\nAnforderungen des Gleichheitssatzes aus Art.3 Abs.1 GG. Die Verwaltungspraxis\nbei der Beurteilung und Ausfullung des unbestimmten Tatbestands darf also\nnicht etwa gleichgelagerte Sachverhalte willkurlich ungleich behandeln (Sachs,\na.a.O. Rdnr. 109, 110,; ders. a.a.O. Rdnr. 91-96 auch zur Bindung\nermessensleitender Verwaltungsvorschriften an Art.3 Abs.1 GG). Bei Aufstellung\nder Kriterien darf sie sich ganz generell auch nicht von sachwidrigen\nErwagungen leiten lassen, muss allgemeingultige Bewertungsmaßstabe beachten\nund unterliegt dabei der Willkurkontrolle (Sachs, a.a.O., Rdnr.233, 234).\nEntsprechende Verwaltungsvorschriften/-richtlinien durfen zudem nicht der\nGesetzesvorschrift zuwiderlaufen, deren Ausfullung sie dienen, und\ninsbesondere diese nicht etwa durch vollige oder partielle Nichtanwendung\nunterlaufen (zur Rechtswidrigkeit von Nichtanwendungserlassen Sachs, a.a.O.\nRdnr. 118). Bei Ausfullung des Beurteilungsspielraums durch Erlass einer die\nVoraussetzungen einer „weit uberdurchschnittlichen Begabung" bzw.\n„herausragender Leistungen im Studium" festlegenden Verwaltungsvorschrift hat\ndie Hochschule die zugrundeliegende Tatsachenbasis zudem zutreffend und\nvollstandig zu ermitteln und muss sich dazu ihrer entsprechend sachkundigen\nStellen wie der Prufungsamter und der Fakultaten bedienen. Da der Beklagten\nnach dem oben Gesagten keine grundsatzliche Freiheit zusteht, sich aus\nhochschulpolitischen Grunden im Sinne einer Konkurrenz zwischen den\nHochschulen um die „besten Kopfe" grundsatzlich fur oder gegen die Gewahrung\neiner Studiengebuhrenfreiheit nach § 6 Abs.1 S.3 LHGebG zu entscheiden,\nsondern da es lediglich im Rahmen des Verwaltungsvollzugs bei der\nGebuhrenerhebung um die Frage geht, welche Leistungen im Studium herausragend\nsind bzw. welche Begabung als uberdurchschnittlich anzusehen ist, musste eine\ndie Verwaltungspraxis der Beklagten entsprechend bindende\nVerwaltungsvorschrift wohl auch nicht zwingend vom Senat (vgl. § 19 LHG) als\neinem speziell zusammengesetzten, teils durch Wahlen legitimierten und daher\nfur solche hochschulpolitische Grundsatzentscheidungen speziell berufenen\nGremium getroffen werden, das eine Generalzustandigkeit nur fur die Forschung\nund Lehre sowie das Studium besitzt (§ 19 Abs.1 S.1 LHG), im Übrigen aber eine\nspezielle Zustandigkeit nur hinsichtlich der Beschlussfassungen uber solche\nGebuhrensatzungen besitzt (§ 19 Abs.1 S.2 Nr.10 LHG), deren Erlass vom\nGesetzgeber durch den hier nicht einschlagigen § 2 Abs.2 S.1 LHGebG\nausdrucklich in die Autonomie der Hochschule gestellt hat. Stattdessen durfte,\nweil die Hochschule durch eine Einheitsverwaltung entscheidet (§ 8 Abs.1 S.4\nLHG), fur eine solche die Beurteilungsermachtigung ausfullende\nVerwaltungsvorschrift ein Beschluss des Rektorats genugen, das speziell fur\nden Haushaltsvollzug aber auch sonst aufgrund einer Auffangzustandigkeit\ngenerell zustandig ist (§ 15 Abs.1 Nr.1 i.V.m. Abs.2 S.1, § 16 Abs.3 S.1 und\nS.2 Nr.6 LHG). Voraussetzung ist allerdings wegen der geforderten Sachkunde,\ndass dieser Beschluss selbst auf einer ausreichenden Ermittlung der Studien-\nund Leistungssituation unter Einschaltung der einzelnen Fakultaten und\nPrufungsamter beruht (vgl. dazu dass Verfahrensfehler bei der Ausfullung eines\nBeurteilungsspielraumes nur bei Entscheidungsrelevanz bedeutsam sind und dass\nes auch fur eine selbstbindende Ermessenpraxis nur auf die materielle\nRechtsmaßigkeit aber nicht auf die Frage der zustandigen Stelle ankommen soll:\nSachs, a.a.O. Rdnr. 117 und 226, 227). \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Bei der Festlegung der Vergleichskriterien und auch der Moglichkeiten eines\nNachweises solcher „herausragender" Leistungen wird die Beklagte daher\nFolgendes zu beachten haben: Der Umstand einer Stipendiengewahrung durch eines\nder von ihr bisher genannten Forderungswerke kann zwar fur sich genommen\npositiv den Nachweis solch herausragender Leistungen darstellen, wenn\neindeutig feststeht, dass diese Auswahlentscheidung der Forderungswerke\nungeachtet ihrer sonstigen Auswahlkriterien tatsachlich zumindest auch\nunabdingbar eine besonders gute, herausragende Studienleistung voraussetzt.\nUmgekehrt stellt es aber einen sachwidrigen, denkgesetzlich unzulassigen\nSchluss dar, aus dem bloßen Umstand einer fehlenden Forderung durch ein\nStipendienwerk auf das Fehlen herausragender Leistungen zu schließen. Denn ein\nStudierender kann ein Stipendium trotz seiner herausragenden Leistungen im\nStudium aus vielerlei personlichen Grunden gar nicht erst beantragt oder aber\nnicht gewahrt bekommen haben, ohne dass ihm dies die Beklagte wegen ihrer\nBindung an Art.3 Abs.3 GG entgegenhalten darf: Der Studierende kann etwa wegen\nfehlender Angewiesenheit auf ein Stipendium oder weil er eine personliche\nBindung durch das Stipendium eines sozial, religios oder politisch\norientiertes Forderwerks grundsatzlich ablehnt auf ein Stipendium verzichtet\nhaben oder ein solches nicht (mehr) erhalten haben, weil er die geforderten\nzusatzlichen Qualifikationen wie etwa soziales Engagement, kulturelle\nKompetenz, Beherrschung eines Musikinstruments oder dergleichen nicht\naufzuweisen hat oder weil ein bereits fur ein Parallelstudium gewahrtes\nStipendium mittlerweile ausgelaufen ist oder weil er schlichtweg nicht dem\nForderwerk vorgeschlagen wurde. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Die Beklagte muss daher aufgrund des Gleichheitssatzes (Art.3 Abs.1 GG) im\nFall des Klagers, der kein solches Stipendium vorzuweisen hat, unabhangig\ndavon eine eigenstandige Prufung des Vorliegens herausragender Leistungen im\nFach Politikwissenschaft vornehmen. Dass sie in der Klageerwiderung ausgefuhrt\nhat, es sei unstreitig, dass seine bisherigen Studienleistungen herausragend\nseien, bindet sie nicht, da sie diese Äußerung noch in der rechtsirrigen\nAnnahme der fehlenden Relevanz solcher Leistungen gemacht hat. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| Bei ihrer Prufung darf sie nicht auf Kriterien abstellen, die, wie etwa der\nIntelligenzquotient, nur fur die am Anfang des Studium maßgebliche Frage einer\nweit uberdurchschnittlichen Begabung relevant sein konnten, hingegen bezuglich\nder im fortgeschrittenen Studium maßgeblichen herausragenden Leistungen keine\nAussagekraft besitzen. \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.1 VwGO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 26 \n--- \n| **1.** Die Klage ist - ohne Durchfuhrung eines Vorverfahrens (§§ 68 Abs.1\nS.1 1.HS, Abs.2 VwGO, § 11 LHGebG) - als Verpflichtungsklage zulassig. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Der von der Beklagten erhobene Einwand, der Klager sei nicht klagebefugt,\nist unzutreffend. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Der Klager hat ausreichend geltend gemacht, durch die Ablehnung der\nbeantragten Befreiung in eigenen subjektiv-offentlichen Rechten verletzt zu\nsein (§ 42 Abs.2 VwGO). Es ist nicht offensichtlich ausgeschlossen, sondern\nmoglich, dass ihm ein Anspruch auf Befreiung von der Studiengebuhr zustehen\nkann. (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Urt. v. 26.07.1989 - 4 C 35/88 -,\nBVerwGE 82, 246 [249]). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Bei der Verpflichtungsklage ist das als verletzt gerugte Recht identisch\nmit dem materiellen Anspruch, den der Klager mit der Klage verfolgt. Der\neingeklagte Verpflichtungsanspruch ist das durch die (rechtswidrige) Ablehnung\ndes begehrten Verwaltungsakts verletzte subjektiv-offentliche Recht.\nGrundvoraussetzung eines Rechtsanspruchs ist ein die Verwaltung zu einem Tun,\nDulden oder Unterlassen verpflichtender Rechtssatz. Der subjektivrechtliche\nGehalt einer Verpflichtungsnorm (Anspruchsnorm) ist anschließend durch\nAuslegung zu ermitteln. Entscheidend fur die subjektive Berechtigung\n(Rechtsdurchsetzungsmacht) ist schließlich, dass der Klager zum Kreis der\nAnspruchsberechtigten zu zahlen ist, was nach seinem Vortrag zumindest moglich\nsein muss. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Hier hat der Gesetzgeber mit § 6 Abs.1 S.3 LHGebG der Beklagten die\nMoglichkeit eroffnet, bei Vorliegen bestimmter Tatbestandsvoraussetzungen\nStudierende von der Studiengebuhr zu befreien. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Diese Vorschrift besteht nicht nur im rein offentlichen Interesse,\nvermittelt fur den Studierenden also nicht nur einen bloßen Rechtsreflex (vgl.\nVGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 28.10.1997 - 4 S 596/95 -, VBlBW 1998, 108 und VG\nFreiburg, Beschl. v. 10.07.1986 - 4 K 71/86 - DVBl. 1986, 1168 zu Normen, die\nallein dem offentlichen Interesse dienen und daher keinen Anspruch auf\nfehlerfreie Ermessensausubung begrunden ). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Vielmehr dient die Vorschrift zumindest auch dem Individualinteresse, denn\nsie zielt in Anknupfung an personenbezogene individuelle Elemente (Begabung,\nLeistung) und insoweit zwischen den Studierenden differenzierend aus Grunden\nder Forderung der betreffenden Studierenden (vgl. LT-Drucks.13/4858, S.23) auf\nderen individuelle Befreiung von einer sie ansonsten unmittelbar und erheblich\nbelastenden gesetzlichen Studiengebuhrenpflicht, die ihr Grundrecht auf\nAusbildungsfreiheit (Art.12 Abs.1 GG) beruhrt. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Weil diese Ermessensnorm auch subjektiv-individuellen Interessen dient,\nkann der Klager auch rugen, die Beklagte verletze bei deren Anwendung den\nGleichbehandlungsgrundsatz aus Art.3 Abs.1 GG ( vgl. BVerwG, Beschl. v.\n07.01.1972 - IV C 49.68 -, NJW 1973, 724 = E 39, 235 [238 ff.] ). \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Da die Beklagte hier tatsachlich von der Befreiungsmoglichkeit des § 6\nAbs.1 S.3 LHGebG Gebrauch gemacht und Studierende von der Gebuhrenpflicht\nbefreit hat, hingegen dem Klager eine solche Befreiung versagt hat, kann sie\nbei einer gleichheitswidrigen Ermittlung seiner Begabung und Leistung sein\nGrundrecht auf Gleichbehandlung aus Art.3 Abs.1 GG verletzen. Ob dies der Fall\nist, muss gem. Art.19 Abs.4 GG zulassigerweise gerichtlich uberprufbar sein,\nweil andernfalls eine willkurliche Normanwendung moglich ware. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Zudem ergibt sich aus § 11 LHGebG, dass der Gesetzgeber selbst von der\nZulassigkeit einer gerichtlichen Anfechtbarkeit eines (ablehnenden) „Bescheids\nuber die Befreiung von der Gebuhrenpflicht nach § 6 LHGebG" ausgeht, denn er\nwill durch die Streichung des Erfordernisses eines der gerichtlichen\nEntscheidung vorgelagerten Vorverfahrens (§ 68 VwGO) erklartermaßen zu einer\n„schnelleren Klarung der Gebuhrenpflicht" beitragen (vgl. LT-Drucks. 13/4858,\nS.31). \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte ihrem ablehnenden Bescheid uber die\nVersagung der vom Klager beantragten Befreiung schließlich selbst zu Recht\neine Rechtsmittelbelehrung beigefugt, wonach dagegen die Klage beim\nVerwaltungsgericht zulassig ist. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| **2.** Die zulassige Klage ist begrundet. Der angegriffene\nAblehnungsbescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Klager in\nseinen Rechten. Die Beklagte ist verpflichtet, den Antrag des Klagers auf\nBefreiung von der Studiengebuhrenpflicht fur das Sommersemester 2007 erneut zu\nbescheiden und dabei die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten (§ 113\nAbs.1 S.1, Abs.5 S.2 VwGO). \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Ablehnung der beantragten Befreiung mit der Begrundung, der Klager habe\nkeine weit uberdurchschnittliche Begabung durch ein Stipendium eines\nanerkannten Forderungswerks oder einen IQ-Test nachgewiesen, ist rechtswidrig. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Die Rechtsauffassung der Beklagten erweist sich insoweit in zwei Punkten\nals rechtsirrig: **(a)** Zum einen eroffnet ihr § 6 Abs.3 S.1 LHGebG nicht im\nSinne einer reinen Befugnisnorm ein vollig freies, rein (hochschul-)\npolitisches und daher rechtlich vollig ungebundenes, gerichtlich nicht\nnachprufbares Entschließungsermessen dahin, eine Studiengebuhrenbefreiung nach\ndieser Vorschrift zu gewahren oder aber die Norm unangewendet zu lassen.\n**(b)** Zum anderen steht ihr auch keine Wahlfreiheit zwischen den beiden\ngesetzlichen Befreiungstatbestanden einer „weit uberdurchschnittlichen\nBegabung" und der „herausragenden Leistungen im Studium" zu. Vielmehr hat sie\nin Erfullung des Normbefehls jedenfalls im Grundsatz\nStudiengebuhrenbefreiungen zu gewahren, wenn „herausragende Leistungen im\nStudium" vorliegen oder - wenn zu Beginn des Studiums solche herausragenden\nLeistungen naturgemaß noch nicht feststellbar vorliegen konnen - bei Vorliegen\neiner „weit uberdurchschnittlichen Begabung" des Studierenden. **(c)** Sie hat\ndeshalb uber den Befreiungsantrag des Klagers erneut zu entscheiden und, weil\ndieser sich nicht mehr in der Anfangsphase seines Studiums befindet, die\nbislang rechtswidrig unterlassene Prufung anzustellen, ob er wegen\nherausragender Leistungen im Studium von der Studiengebuhr befreit werden\nkann. Dabei steht ihr hinsichtlich der Festlegung der Kriterien fur die\nErfullung dieses unbestimmten Tatbestandsmerkmals ein sehr weiter\nBeurteilungsspielraum zu, der seine Grenze allerdings in der Beachtung des\nGleichheitsgrundsatzes aus Art.3 Abs.1 GG findet. Es kann offenbleiben, ob der\nNachweis herausragender Leistungen im Studium durch Verweis auf die\nStipendiengewahrung eines anerkannten Forderungswerkes erbracht werden kann.\nJedenfalls wurde es den Gleichheitssatz verletzen, einzig einen solchen\nNachweis zuzulassen und damit Studierende von einer Studiengebuhrenbefreiung\nauszuschließen, die kein Stipendium vorweisen, aber anderweit ihre\nherausragenden Leistungen im Studium nachweisen konnen. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| **(a)** Der Wortlaut des § 6 Abs.3 S.1 LHGebG gibt mit dem Begriff „konnen"\nfur sich genommen weder etwas fur noch gegen die Ansicht der Beklagten her,\ndamit werde ihr als Teil der Exekutive ausschließlich im offentlichen\nInteresse an einer Forderung des Wettbewerbs der Hochschulen untereinander im\nWeg einer legislativen Ermachtigung ein freies, rechtlich ungebundenes\n(hochschul-)politisches Ermessen im Sinne einer reinen politischen\nGestaltungsfreiheit hinsichtlich der Gewahrung von Studiengebuhrenbefreiungen\neingeraumt, das sie befugt, davon nach eigenen hochschulpolitischen\nVorstellungen ohne jede rechtliche Kontrolle entweder zugunsten der\nStudierenden Gebrauch zu machen oder aber keinen Gebrauch zu machen. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Eine systematische Auslegung der Vorschrift des § 6 Abs.3 S.1 LHGebG ergibt\nhingegen, dass es fur diese Position der Beklagten keinen wirklich tragfahigen\nAnhaltspunkt gibt: Aus hoherrangigem Recht ergibt sich zwar keine\nVerpflichtung des Gesetzgebers, in Fallen der Hochbegabung oder herausragender\nStudienleistungen uberhaupt eine Studiengebuhrenbefreiung zu gewahren, da die\ngrundsatzliche Einfuhrung der Studiengebuhrenpflicht nicht gegen hoherrangiges\nRecht verstoßt und infolge der Finanzierbarkeit uber das Darlehensmodell des\nLHGebG fur den einzelnen Studierenden keine etwa nur mit Hilfe von\nBefreiungsmoglichkeiten uberwindbare Zugangshurde fur das Studium darstellt\n(vgl. die Grundsatzurteile des VG Freiburg, Urteile vom 20.06.2007 - 1 K\n2274/06 und 2324/06 -, NVwZ 2007, 1455 = juris), so dass eine solche Befreiung\nauch weder durch die Ausbildungs- und Berufsfreiheit (Art.12 GG) noch durch\nden Gleichheitssatz (Art.3 Abs.1 GG) oder sonstige Grundrechte (z.B. Art.6 GG)\noder etwa international verbindliche Volkerrechtsnormen wie den Pakt uber\nkulturelle und soziale Rechte geboten wird. Dass es dem Landesgesetzgeber von\ndaher freistunde, die Regelung des § 6 Abs.1 S.3 LHGebG auch wieder zu\nstreichen, besagt hingegen noch nichts fur die Position der Beklagten. Denn\nder Landesgesetzgeber hat insoweit im Rahmen seiner grundlegenden\nNormsetzungskompetenz und Normsetzungsfreiheit einen ungebundenen legislativen\npolitischen Handlungs- und Gestaltungsspielraum, der einer im Grundsatz\nlediglich mit der Aufgabe des Verwaltungsvollzugs betrauten, der Exekutive\nzuzurechnenden Verwaltungsbehorde wie hier der Beklagten trotz ihrer\nSelbstverwaltungsautonomie regelmaßig nicht eingeraumt ist. Dazu bedurfte es\nvielmehr typischerweise der gesetzlichen Gewahrung einer Satzungsautonomie\n(vgl. dazu Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd.1, 11.Aufl. 1999, § 25 X\n3, S. 361, Rdnr. 50 und § 31 I Rdnr.1,2, S.440 sowie a.a.O. § 31 V, S.467,\nRdnr.57 - 59 zur Verwaltung zwischen Bindung und Freiheit sowie zu den\nErscheinungsformen von Verwaltungsspielraumen; zur Abgrenzung der legislativen\nGestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bzw. Rechtsverordnungsgebers auf der\neinen und des Ermessens der Verwaltung auf der anderen Seite: Nierhaus in:\nBonner Kommentar zum Grundgesetz, Art.80 Abs.1, Rdnr. 330 - 375 insbesondere\nRdnr.334 ff und Rdnr.341 zur Entschließungsfreiheit und ihren Grenzen). Der\nLandesgesetzgeber hat hier den Hochschulen und damit der Beklagten durch das\nLHGebG aber gerade keine solche Satzungsautonomie hinsichtlich der Frage der\nStudiengebuhrenbefreiung eingeraumt, die sie ermachtigen wurde, nach eigenen\nhochschulpolitischen Vorstellungen in rechtlich vollig ungebundener, eben\nautonomer Weise, von einer damit verbundenen Normsetzungsbefugnis Gebrauch zu\nmachen oder aber eben keinen Gebrauch zu machen (zur grundsatzlichen\nSatzungsautonomie der Hochschulen in Baden-Wurttemberg siehe § 8 Abs.5 LHG).\nAnders als in anderen Bundeslandern, wie etwa Nordrhein-Westfalen, hat der\nLandesgesetzgeber in Baden-Wurttemberg die Erhebung von Studiengebuhren\nnamlich nicht durch eine entsprechende Satzungsermachtigung der politischen\nGestaltungsfreiheit der Hochschulen uberlassen (zur Rechtslage in Nordrhein-\nWestfalen vgl. VG Minden, Urt. v. 26.03.2007 - 9 K 3614/06-, NWVBl. 2007, 314\nund Urt. v. 01.06.2007 - 9 K 489/07 -, NWVBl.2007, 403), sondern in den §§ 3 -\n12 LHGebG die Erhebung solcher Gebuhren selbst gesetzlich geregelt und den\nHochschulen durch §§ 1 Abs.1, 2 Abs.1, 2 S.1 LHGebG eine Satzungsautonomie nur\nhinsichtlich der sonstigen Gebuhren, Verwaltungskostenbeitrage und Auslagen\nsowie Entgelte (siehe insoweit die §§ 13 ff. LHGebG) eingeraumt. Das macht\ndeutlich, dass der Landesgesetzgeber die eigentliche hochschulpolitische\nEntscheidung, namlich im Grundsatz unter zwei von ihm definierten\nTatbestandvoraussetzungen die Moglichkeit einer Studiengebuhrenbefreiung\neinzufuhren, nicht aus seiner Hand geben und den Hochschulen im Wege der\nSatzungsautonomie ubertragen wollte. Ansonsten hatte er das durchaus von ihm\ngesehene und an anderer Stelle auch gebrauchte gesetzliche Instrumentarium der\nEinfuhrung einer Satzungsermachtigung fur diesen Fall gewahlt oder hatte\nzumindest durch eine deutlichere Formulierung des Gesetzestextes zum Ausdruck\nbringen mussen, dass er den Hochschulen hier einen nicht rechtlich gebundenen\npolitischen Entscheidungsspielraum einraumen will, etwa durch die\nFormulierung, es stehe den Hochschulen frei, aus hochschulpolitischen Grunden\nin solchen Fallen auf eine Gebuhrenerhebung zu verzichten und einen\nRechtsanspruch der Studierenden darauf gebe es nicht. Stattdessen hat er die\nhier umstrittene Befreiung in dem zweiten Abschnitt des Gesetzes geregelt, der\ndie gesetzliche Pflicht der Hochschulen zur Erhebung der Studiengebuhren\nbetrifft und gerade nicht von der Satzungsautonomie erfasst wird, wie sie der\nGesetzgeber den Hochschulen hinsichtlich der Gebuhren nur in § 2 Abs.2 S.1\nLHGebG gewahrt hat. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Dass der Gesetzgeber den Hochschulen des Landes mit § 6 Abs.1 S.3 LHGebG\nauch nicht ein bloßes „Normangebot" gemacht hat, zeigt zudem die systematische\nStellung dieser Vorschrift. Sie steht im unmittelbaren Kontext zu anderen\nBefreiungs- und Erlassvorschriften, die als Ist-, Soll- oder Kann-Regelungen\nausgestaltet sind ( siehe § 6 Abs.1 S.1, S.2 , Abs.2 S.1 und Abs.2 S.2\nLHGebG), ohne dass hier Anhaltspunkte dafur bestehen, dass die Kann-\nVorschriften abweichend vom herkommlichen Verstandnis nicht als Einraumung\neines am Gesetzeszweck orientierten pflichtgemaßen Ermessens sondern hier\nausnahmsweise nur im Sinne eines bloßen Normangebots zu verstehen waren. Hatte\nder Gesetzgeber dies so regeln wollen, so hatte er eine solche gesetzliche\nBesonderheit nicht in diesem Kontext systemwidrig zusammen mit den anderen\nVorschriften, sondern an anderer Stelle eigenstandig geregelt und zum Ausdruck\ngebracht. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Fur diese Auslegung des § 6 Abs.1 S.3 LHGebG spricht auch der historische\nWille des Gesetzgebers wie er in den Materialien zur Entstehung der Vorschrift\nzum Ausdruck gekommen ist (siehe amtliche Begrundung des Gesetzentwurfs zur\nÄnderung des LHGebG in LT-Drucks. 13/4997). Nachdem der Gesetzgeber im\nursprunglichen Gesetzentwurf die Befreiungsmoglichkeit des § 6 Abs.1 S.3\nLHGebG fur Hochbegabte gar nicht vorgesehen hatte, hat er diese Vorschrift\neingefuhrt, weil der im Gesetzgebungsverfahren unter anderem angehorte\nDeutsche Gewerkschaftsbund (DGB) eingewandt hatte, die in § 6 Abs.1 S.2 LHGebG\nvorgesehene Befreiung von den Studiengebuhren fur das Studium mit der kurzeren\nRegelstudienzeit bei einem Parallelstudium „genuge (allein) nicht, um\nHochbegabte zu fordern" (LT-Drucks. 13/4858, S.46). Der Gesetzgeber fuhrte\ndazu aus (LT-Drucks. 13/4858, S.46), der Forderung des DGB werde insoweit\nentsprochen, als „in § 6 Abs.1 ein neuer Satz 3 eingefugt wurde, nach dem die\nHochschulen Studierende, die eine weit uberdurchschnittliche Begabung\naufweisen oder im Studium herausragende Leistungen erbringen, von der\nStudiengebuhr befreien konnen (Gebuhrenstipendium)". Der Gesetzgeber hat also\ndamit seinen Willen zum Ausdruck gebracht, dass solche Studierende gefordert\nwerden. Das ergibt sich auch aus der weiteren Begrundung des Gesetzentwurfs:\n„Zweck der Gebuhrenbefreiungen in den Satzen 2 und 3 ist die _F orderung_\nHochbegabter" (LT-Drucks. 13/4858, S. 23). Die Formulierung\n„Gebuhrenstipendium" konnte insoweit zwar darauf hindeuten, es handle sich bei\nder von der Hochschule nach § 6 Abs.1 S.3 gewahrten Studiengebuhrenbefreiung\num eine dem vollig freien politischen Gestaltungswillen der Hochschule\nuberlassene Subventionsgewahrung. Andererseits handelt es sich hier, wie die\nVerwendung dieses Begriffes in einem bloßen Klammerzusatz zeigt, nicht um\neinen gesetztechnischen Begriff, sondern um eine lediglich schlagwortartige\nBezeichnung, die zudem im maßgeblichen Normtext keinen Niederschlag gefunden\nhat. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| In der Gesetzesbegrundung findet sich zudem kein Anhaltspunkt fur die von\nder Beklagten vertretene Auffassung, diese Befreiungsregelung habe der\nGesetzgeber etwa allein im offentlichen Interesse daran erlassen, damit einen\nWettbewerb der Hochschulen untereinander um „die besten Kopfe" im Rahmen\nsogenannter „Exzellenzinitiativen" zu ermoglichen und damit insgesamt deren\nAnstrengungen um eine moglichst gute Lehre und Forschung im\nAllgemeinwohlinteresse des Landes zu fordern. Vielmehr finden solche\nInteressen des Allgemeinwohls ebenso wenig wie solche eigenen Interessen der\nHochschulen in der Gesetzesbegrundung eine Erwahnung. Nur im\nBefreiungstatbestand des § 6 Abs.2 S.2 LHGebG werden die eigenen\nhochschulpolitischen Interessen der Hochschule (an einer Zusammenarbeit mit\ndem Herkunftsland des auslandischen Studierenden) als Grund fur die\nBefreiungsmoglichkeit ausdrucklich erwahnt. Ansonsten wird eine Moglichkeit\neiner Hochschule, sich von anderen Hochschulen abzusetzen, vom Gesetzgeber nur\nin der Regelung des § 8 Abs.1 S.3 LHG uber die Einfuhrung reformorientierter\nHochschulmodelle unter anderem zum Zwecke der „Profilbildung" angesprochen.\nGegen die Auffassung der Beklagten, durch § 6 Abs.1 S.3 LHGebG habe ihr der\nGesetzgeber eine vollig ungebundene, allein in ihrem offentlichen Interesse\nliegende Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Gebuhrenbefreiung auch\ndahingehend einraumen wollen, eine danach mogliche Studiengebuhrenbefreiung\nvon vornherein ganz unterlassen zu konnen, spricht schließlich der Umstand,\ndass der Gesetzgeber durchweg die von den im Gesetzgebungsverfahren angehorten\nHochschulen gegenuber allen Befreiungsregelungen geltend gemachten Einwande\nausdrucklich abgelehnt hat, deren gesetzliche Einfuhrung sei soweit als\nmoglich bzw. sogar ganz generell zu unterlassen, denn sie verursachten einen\nnicht oder nur schwer zu leistenden Verwaltungsaufwand. Die Gesetzesbegrundung\nfuhrte dazu vielmehr in allen Fallen jeweils aus, aus den\nStudiengebuhreneinnahmen sei der mit der Prufung von Befreiungstatbestanden\nverbundene zusatzliche Verwaltungsaufwand zu finanzieren (LT-Drucks.13/4858 S.\n38, 39, 58). Das zeigt, dass der Gesetzgeber den Hochschulen gerade nicht die\nfreie Moglichkeit eines volligen Verzichts auf die Studiengebuhrenbefreiung\neinraumen wollte. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Sinn und Zweck des § 6 Abs.1 S.3 LHGebG ist also nach allem die Forderung\nbesonders begabter und herausragender Studierender durch landesweit alle\nHochschulen. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Bei der Kann-Befreiung in § 6 Abs.1 S.3 LHGebG handelt es sich demnach\nnicht um eine den einzelnen Hochschulen die Normanwendung anheimstellende\nBefugnisnorm, sondern um eine sogenannte Koppelungsvorschrift, die unbestimmte\nRechtsbegriffe auf der Tatbestandsseite, hinsichtlich deren den Hochschulen\nein weiter auch verwaltungs-"politischer" Beurteilungsspielraum eingeraumt\nwird (vgl. dazu Sachs, a.a.O., Rdnr.206 und 207 zu § 40 sowie Ziekow, VwVfG,\nRdnr. 54 zu § 40), mit einem sogenannten intendierten Ermessen auf der\nRechtsfolgenseite verknupft (vgl. dazu Ziekow, a.a.O., Rdnr.23 zu § 40 und\nHenneke, a.a.O., Rdnr. 35 zu § 40 und Sachs, a.a.O., Rdnr. 28, 29 zu § 40).\nDabei bedeutet das intendierte Ermessen hier, dass dann, wenn die\nTatbestandsmerkmale der Norm vorliegen, in aller Regel auch eine\nStudiengebuhrenbefreiung zu gewahren ist. Trotz des Vorliegens der\nTatbestandsmerkmale ermessensfehlerfrei keine Befreiung zu gewahren, bleibt\nden Hochschulen allerdings in Fallen moglich, in denen nach ihrem\npflichtgemaßen, am gesetzlichen Forderungszweck orientierten Ermessen\ngleichwohl eine Befreiung mangels Forderungswurdigkeit nicht gewahrt werden\nsoll, etwa in Fallen eines hochschulschadigenden oder sonst treuwidrigen\nVerhaltens des Studierenden oder z.B. hinsichtlich der Studiengebuhren fur ein\nZweitstudium. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| **(b)** Vor diesem Hintergrund stand der Beklagten auch keine Wahlfreiheit\nhinsichtlich der Anwendung der beiden Befreiungstatbestande des § 6 Abs.1 S.3\nLHGebG zu. Sie durfte nicht zu Lasten des Klagers den Befreiungstatbestand\nherausragender Leistungen im Studium von vornherein außer Betracht lassen und\nsich durch eine solche partielle Nichtanwendung der Vorschrift eine Art\nNormverwerfungskompetenz unter Hinweis darauf anmaßen, dieses unbestimmte\nTatbestandsmerkmal entziehe sich von vornherein einer Bestimmbarkeit und seine\nErfullung lasse sich uberhaupt nicht feststellen. Damit verkennt sie namlich\nden engen untrennbaren Zusammenhang zwischen dem Merkmal der Begabung fur ein\nStudium, also der Fahigkeit, in diesem Studium Leistungen zu erbringen, und\ndem Merkmal der dann tatsachlich infolge einer Umsetzung dieser Begabung im\nStudium erbrachten herausragenden Studienleistungen. Schon die eigene Praxis\nder Beklagten zeigt, dass die von ihr angenommene klare Trennung dieser beiden\nMerkmale nicht moglich ist, denn sie befreit zwar ausdrucklich nur in Fallen\neiner weit uberdurchschnittlichen Begabung, lasst aber zu deren Nachweis die\nStipendiengewahrung durch bestimmte Forderungswerke genugen, die bei genauem\nHinsehen durchaus auch von Leistungen im Studium abhangen kann. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Der durch § 6 Abs.1 S.3 LHGebG bezweckten Forderung hochbegabter\nStudierender wird deshalb nur eine Auslegung gerecht, welche die beiden\nalternativ („oder") genannten Tatbestandsmerkmale in Bezug zu dem jeweiligen\nStudienabschnitt setzt, in dem sich der betreffende eine Gebuhrenbefreiung\nbegehrende Studierende befindet. So gesehen stehen die beiden\nTatbestandsmerkmale nicht beliebig alternativ, sondern konsekutiv zeitlich\ngestaffelt nebeneinander . Unmittelbar zu Beginn eines Studiums, also in dem\noder den Anfangssemester/n kann der Studierende naturgemaß noch keine\n„Leistungen im Studium" erbracht haben und damit diesen zweiten\nBefreiungstatbestand erfullen. Vielmehr kann er in dieser Anfangsphase des\nStudiums nur das zuerst genannte Tatbestandsmerkmal einer „weit\nuberdurchschnittlichen Begabung" erfullen. Der Gesetzgeber selbst hat darauf\nausdrucklich hingewiesen und zu § 6 Abs.1 S.3 LHGebG wortlich ausgefuhrt: „Die\nerste Alternative zielt vor allem auf die Forderung von Studienanfangern, die\nan den Hochschulen und Berufsakademien noch keine Prufungen abgelegt und ihre\nhohe Begabung durch herausragende schulische Leistungen oder ein\nhervorragendes Abschneiden in einem Auswahl- oder\nEignungsfeststellungsverfahren oder einer Hochschuleingangsprufung unter\nBeweis gestellt haben" (LT-Drucks. 13/4858 S. 23). Daraus folgt umgekehrt,\ndass es fur die Befreiung, wenn sich der Studierende schon in einem uber die\nAnfangsphase hinausgehenden Abschnitt seines Studiums befindet, nicht mehr\ndarauf ankommen kann, ob er zu Beginn des Studiums eine uberdurchschnittliche\nBegabung fur das Studium aufgewiesen hat, sondern dass dann eine Befreiung nur\nnoch aufgrund des Befreiungstatbestandes herausragender Leistungen im Studium\nerfolgen kann, die nunmehr aufgrund der erbrachten Studienleistungen (Teil-,\nZwischenprufungen etc.) feststellbar sind. \n--- \n| 49 \n--- \n| Nur diese Auslegung der Vorschrift vermeidet das nach Sinn und Zweck der\nVorschrift sinnlose Ergebnis, dass ein Studierender durch eine\nStudiengebuhrenbefreiung auch noch in hoheren Semestern gefordert wurde, der\nzwar zu Beginn des Studiums etwa durch schulische oder sonstige Leistungen\noder eventuell auch einen IQ-Test eine weit uberdurchschnittliche Begabung\nvorweisen konnte, sich aber im Studium selbst als nicht forderungswurdiger\nStudienversager bzw. zumindest nicht als forderungswurdiger Studierender mit\nherausragenden Studienleistungen erwiesen hat, weil es ihm nicht gelungen ist,\nseine Begabung insoweit auch erfolgreich umzusetzen. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch nicht ersichtlich, dass die\nEntwicklung von Kriterien fur die Bestimmung des Befreiungstatbestands\n„herausragender Leistungen im Studium" und die Prufung seines Vorliegens von\nvornherein unmoglich, jedenfalls nicht in einer mit dem Gleichheitssatz\nkonformen Weise moglich oder zumindest im Einzelfall fur die Hochschulen der\nBefreiungstatbestand nur mit einem nicht leistbaren Verwaltungsaufwand\nfeststellbar sein sollte. Grundsatzlich kann einer Norm nicht die Anerkennung\nmit der Begrundung verweigert werden, die von ihr aufgestellten\nTatbestandsmerkmale seien nicht feststellbar bzw. die Norm verlange etwas\nUnmogliches. Vielmehr ist eine Auslegung und Anwendung der Norm zu ermitteln,\ndie ihr praktische Wirksamkeit verleiht. Der Gesetzgeber selbst hat zudem\nerklartermaßen den mit der Anwendung von Befreiungstatbestanden verbundenen\nVerwaltungsaufwand der Hochschulen fur leistbar, aus den\nStudiengebuhreneinnahmen finanzierbar und daher fur zumutbar gehalten. Dafur,\ndass die Frage nach herausragenden Leistungen in einem Studium durchaus\nbeantwortbar ist, spricht etwa auch die Regelung des § 18 b Abs.2 S.1 BAfoG,\ndie den Darlehenserlass daran anknupft, ob der Empfanger nach dem Ergebnis der\nAbschlussprufung seines Studiums zu den oberen 30 % aller Prufungsabsolventen\ndesselben Studienjahrgangs zahlt. Auch dass der Gleichheitssatz hinsichtlich\neines facherubergreifenden Vergleichs des Herausragens von Leistungen im\njeweiligen Studium Probleme aufwerfen mag, spricht nicht gegen die\nBestimmbarkeit dieses Merkmals. Denn unlosbar sind diese Probleme nicht. Das\nzeigt schon die Praxis der Forderungswerke, an deren Stipendienvergabe die\nBeklagte mit ihren Verwaltungsvorschriften zur Studiengebuhrenbefreiung selbst\nanknupft. Diese Forderungswerke vergeben ihre Stipendien namlich nicht nur in\nden Anfangssemestern allein aufgrund eines von Leistungen im Studium\nunabhangigen Nachweises einer Begabung, sondern vergeben ihre Stipendien\ndurchaus auch an Studierende in hoheren Semestern aufgrund ihrer\nhervorragenden Leistungen. Dabei fordern sie auch Studierende aus ganz\nunterschiedlichen Fachbereichen mit unterschiedlichen Leistungsanforderungen\nund Profilen (vgl. im Einzelnen zu den genauen Auswahlkriterien der in\nDeutschland aktiven Forderungswerke der Parteien, Kirchen und Gewerkschaften\nusw.: Bundesministerium fur Bildung und Forschung, Die Begabtenforderungswerke\nin der Bundesrepublik Deutschland, Stand Mai 2003, www.bmbf.de/pub/\nbegabtenfoerderungswerke_aundz.pdf; siehe auch die von der Beklagten\nvorgelegte Übersicht uber die Auswahlkriterien der Forderungswerke: Heinrich-\nBoll-Stiftung [herausragende Leistungen]; Studienstiftung des deutschen\nVolkes: [akademische Exzellenz]; Haus Villigst [herausragendes\nLeistungsvermogen]). \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| **(c)** Da sich der Klager schon in einem weit uber das Anfangsstadium\nhinaus fortgeschrittenen Stadium seines Studiums befindet, kommt es nach dem\noben Gesagten fur die begehrte Studiengebuhrenbefreiung nicht darauf an, ob er\nin den Anfangssemestern zu Beginn seines Studiums etwa aufgrund seiner\nAbiturnote zu den fur sein Studium „weit uberdurchschnittlich Begabten" zahlte\noder nicht. Vielmehr kann eine Befreiung fur den Klager nur nach dem von der\nBeklagten bislang rechtswidrig aus ihrem Prufprogramm ausgeklammerten\nBefreiungstatbestand „herausragender Leistungen im Studium" in Betracht\nkommen. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Die Beklagte muss deshalb im Rahmen der Neubescheidung des\nBefreiungsantrags prufen, inwieweit die Leistungen des Klagers im Studium der\nPolitikwissenschaften gemessen an den sonstigen Leistungen der Studierenden in\ndiesem Fach an ihrer Hochschule „herausragend" sind und somit einen\nBefreiungsanspruch begrunden. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Im Rahmen der Prufung der Befreiungsvoraussetzungen kommt ihr hinsichtlich\nder Frage, inwieweit die unbestimmten Tatbestandsmerkmale einer „weit\nuberdurchschnittliche Begabung" (fur das Studium) oder aber „herausragende\nLeistungen im Studium" vorliegen, ein sehr weiter vom Gericht nur sehr\neingeschrankt kontrollierbarer Beurteilungsspielraum zu. Hier ist der Ort der\nvon ihr fur sich reklamierten und vom Gericht anzuerkennenden administrativen\nEntscheidungsfreiheit, wie sie von der Rechtsprechung unter teilweiser\nZurucknahme der gerichtlichen Kontrolldichte insbesondere fur\nPrufungsentscheidungen oder sonstige Entscheidungen anerkannt ist, die auf\nWerturteilen besonders fachkundig zusammengesetzter Gremien beruhen (dazu\nErichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11.Aufl. 199, § 10 II 4 ff., Rdnr.23 -\n45 , insbesondere Rdnr.35, 37; Henneke, a.a.O. Rdnr. 18 ,19, 21; zur\nBeurteilungsermachtigung auch Sachs, a.a.O. Rdnr. 161 ff., 180, 188,196, 197\nund Wolff/Bachof/Stober, a.a.O. § 31 III 2, Rdnrn.14 ff., 20 - 21) oder fur\nEntscheidungen mit verwaltungs-"politischen" Wertungen angenommen wird (vgl.\ndazu Sachs, a.a.O., Rdnr.206 und 207 zu § 40 sowie Ziekow, VwVfG, Rdnr. 54 zu\n§ 40). \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Unter welchen Umstanden eine weit uber dem Durchschnitt ihrer\nStudienanfanger liegende Begabung fur ein Studium anzunehmen sein soll bzw.\nwelche Leistungen im Studium gemessen an der konkreten Studiensituation an der\nHochschule der Beklagten und des Leistungsniveaus der dort Studierenden als\nherausragend eingestuft werden sollen, stellt namlich eine Fragestellung dar,\ndie typischerweise eng verknupft ist mit der Prufung und Ermittlung von\nLeistungen sei es wahrend des Studiums oder aber im Rahmen von\nAufnahmeprufungen und Auswahlentscheidungen der Hochschule zu Studienbeginn\n(in diesem Sinne fur einen padagogischen Beurteilungsspielraum hinsichtlich\nder nach § 1 Abs.3 der Multilateralen Versetzungsordnung fur einen\nSchulwechsel maßgeblichen „Überdurchschnittlichkeit der Gesamtleistungen eines\nSchulers" VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 06.11.1984 - 9 S 2283/84 -, VENSA = SPE\n860 Nr.21). Zudem verfugt die Beklagte hinsichtlich dieser Fragen, die sie\nunter Einschaltung ihrer Studiendekane und Prufungsamter fur die einzelnen\nFakultaten beantworten muss, uber einen spezifischen Sachverstand, der sich\naus ihrem Organisationswissen um die Studienbedingungen,\nLeistungsanforderungen und typischen Leistungen ihrer Studierenden speist und\ndeshalb bei den Verwaltungsgerichten so nicht vorhanden ist. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| Im Rahmen dieser Beurteilungsermachtigung besteht die Moglichkeit der\nSelbstbindung, da die verfassungsrechtlichen Bindungen etwa des\nGleichheitssatzes auch hier gelten. Daraus ergibt sich die Moglichkeit,\nVerwaltungsvorschriften zur Konkretisierung und Ausgestaltung des\nBeurteilungsspielraums und zur Herbeifuhrung einer gleichmaßigen\nBeurteilungspraxis zu erlassen (vgl. dazu Sachs, a.a.O. Rdnr.218 ff.). Die\nAusfullung des Beurteilungsspielraums und die dazu erlassenen\nVerwaltungsvorschriften unterliegen ihrerseits aber den verfassungsrechtlichen\nAnforderungen des Gleichheitssatzes aus Art.3 Abs.1 GG. Die Verwaltungspraxis\nbei der Beurteilung und Ausfullung des unbestimmten Tatbestands darf also\nnicht etwa gleichgelagerte Sachverhalte willkurlich ungleich behandeln (Sachs,\na.a.O. Rdnr. 109, 110,; ders. a.a.O. Rdnr. 91-96 auch zur Bindung\nermessensleitender Verwaltungsvorschriften an Art.3 Abs.1 GG). Bei Aufstellung\nder Kriterien darf sie sich ganz generell auch nicht von sachwidrigen\nErwagungen leiten lassen, muss allgemeingultige Bewertungsmaßstabe beachten\nund unterliegt dabei der Willkurkontrolle (Sachs, a.a.O., Rdnr.233, 234).\nEntsprechende Verwaltungsvorschriften/-richtlinien durfen zudem nicht der\nGesetzesvorschrift zuwiderlaufen, deren Ausfullung sie dienen, und\ninsbesondere diese nicht etwa durch vollige oder partielle Nichtanwendung\nunterlaufen (zur Rechtswidrigkeit von Nichtanwendungserlassen Sachs, a.a.O.\nRdnr. 118). Bei Ausfullung des Beurteilungsspielraums durch Erlass einer die\nVoraussetzungen einer „weit uberdurchschnittlichen Begabung" bzw.\n„herausragender Leistungen im Studium" festlegenden Verwaltungsvorschrift hat\ndie Hochschule die zugrundeliegende Tatsachenbasis zudem zutreffend und\nvollstandig zu ermitteln und muss sich dazu ihrer entsprechend sachkundigen\nStellen wie der Prufungsamter und der Fakultaten bedienen. Da der Beklagten\nnach dem oben Gesagten keine grundsatzliche Freiheit zusteht, sich aus\nhochschulpolitischen Grunden im Sinne einer Konkurrenz zwischen den\nHochschulen um die „besten Kopfe" grundsatzlich fur oder gegen die Gewahrung\neiner Studiengebuhrenfreiheit nach § 6 Abs.1 S.3 LHGebG zu entscheiden,\nsondern da es lediglich im Rahmen des Verwaltungsvollzugs bei der\nGebuhrenerhebung um die Frage geht, welche Leistungen im Studium herausragend\nsind bzw. welche Begabung als uberdurchschnittlich anzusehen ist, musste eine\ndie Verwaltungspraxis der Beklagten entsprechend bindende\nVerwaltungsvorschrift wohl auch nicht zwingend vom Senat (vgl. § 19 LHG) als\neinem speziell zusammengesetzten, teils durch Wahlen legitimierten und daher\nfur solche hochschulpolitische Grundsatzentscheidungen speziell berufenen\nGremium getroffen werden, das eine Generalzustandigkeit nur fur die Forschung\nund Lehre sowie das Studium besitzt (§ 19 Abs.1 S.1 LHG), im Übrigen aber eine\nspezielle Zustandigkeit nur hinsichtlich der Beschlussfassungen uber solche\nGebuhrensatzungen besitzt (§ 19 Abs.1 S.2 Nr.10 LHG), deren Erlass vom\nGesetzgeber durch den hier nicht einschlagigen § 2 Abs.2 S.1 LHGebG\nausdrucklich in die Autonomie der Hochschule gestellt hat. Stattdessen durfte,\nweil die Hochschule durch eine Einheitsverwaltung entscheidet (§ 8 Abs.1 S.4\nLHG), fur eine solche die Beurteilungsermachtigung ausfullende\nVerwaltungsvorschrift ein Beschluss des Rektorats genugen, das speziell fur\nden Haushaltsvollzug aber auch sonst aufgrund einer Auffangzustandigkeit\ngenerell zustandig ist (§ 15 Abs.1 Nr.1 i.V.m. Abs.2 S.1, § 16 Abs.3 S.1 und\nS.2 Nr.6 LHG). Voraussetzung ist allerdings wegen der geforderten Sachkunde,\ndass dieser Beschluss selbst auf einer ausreichenden Ermittlung der Studien-\nund Leistungssituation unter Einschaltung der einzelnen Fakultaten und\nPrufungsamter beruht (vgl. dazu dass Verfahrensfehler bei der Ausfullung eines\nBeurteilungsspielraumes nur bei Entscheidungsrelevanz bedeutsam sind und dass\nes auch fur eine selbstbindende Ermessenpraxis nur auf die materielle\nRechtsmaßigkeit aber nicht auf die Frage der zustandigen Stelle ankommen soll:\nSachs, a.a.O. Rdnr. 117 und 226, 227). \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Bei der Festlegung der Vergleichskriterien und auch der Moglichkeiten eines\nNachweises solcher „herausragender" Leistungen wird die Beklagte daher\nFolgendes zu beachten haben: Der Umstand einer Stipendiengewahrung durch eines\nder von ihr bisher genannten Forderungswerke kann zwar fur sich genommen\npositiv den Nachweis solch herausragender Leistungen darstellen, wenn\neindeutig feststeht, dass diese Auswahlentscheidung der Forderungswerke\nungeachtet ihrer sonstigen Auswahlkriterien tatsachlich zumindest auch\nunabdingbar eine besonders gute, herausragende Studienleistung voraussetzt.\nUmgekehrt stellt es aber einen sachwidrigen, denkgesetzlich unzulassigen\nSchluss dar, aus dem bloßen Umstand einer fehlenden Forderung durch ein\nStipendienwerk auf das Fehlen herausragender Leistungen zu schließen. Denn ein\nStudierender kann ein Stipendium trotz seiner herausragenden Leistungen im\nStudium aus vielerlei personlichen Grunden gar nicht erst beantragt oder aber\nnicht gewahrt bekommen haben, ohne dass ihm dies die Beklagte wegen ihrer\nBindung an Art.3 Abs.3 GG entgegenhalten darf: Der Studierende kann etwa wegen\nfehlender Angewiesenheit auf ein Stipendium oder weil er eine personliche\nBindung durch das Stipendium eines sozial, religios oder politisch\norientiertes Forderwerks grundsatzlich ablehnt auf ein Stipendium verzichtet\nhaben oder ein solches nicht (mehr) erhalten haben, weil er die geforderten\nzusatzlichen Qualifikationen wie etwa soziales Engagement, kulturelle\nKompetenz, Beherrschung eines Musikinstruments oder dergleichen nicht\naufzuweisen hat oder weil ein bereits fur ein Parallelstudium gewahrtes\nStipendium mittlerweile ausgelaufen ist oder weil er schlichtweg nicht dem\nForderwerk vorgeschlagen wurde. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Die Beklagte muss daher aufgrund des Gleichheitssatzes (Art.3 Abs.1 GG) im\nFall des Klagers, der kein solches Stipendium vorzuweisen hat, unabhangig\ndavon eine eigenstandige Prufung des Vorliegens herausragender Leistungen im\nFach Politikwissenschaft vornehmen. Dass sie in der Klageerwiderung ausgefuhrt\nhat, es sei unstreitig, dass seine bisherigen Studienleistungen herausragend\nseien, bindet sie nicht, da sie diese Äußerung noch in der rechtsirrigen\nAnnahme der fehlenden Relevanz solcher Leistungen gemacht hat. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| Bei ihrer Prufung darf sie nicht auf Kriterien abstellen, die, wie etwa der\nIntelligenzquotient, nur fur die am Anfang des Studium maßgebliche Frage einer\nweit uberdurchschnittlichen Begabung relevant sein konnten, hingegen bezuglich\nder im fortgeschrittenen Studium maßgeblichen herausragenden Leistungen keine\nAussagekraft besitzen. \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.1 VwGO. \n---\n\n
161,130
vg-freiburg-2008-08-12-a-1-k-55308
157
Verwaltungsgericht Freiburg
vg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
A 1 K 553/08
2008-08-12
2019-01-10 12:12:17
2019-01-17 12:06:00
Urteil
## Tenor\n\nNr. 3 und, soweit dort die Abschiebung nach Nigeria angedroht wird, Nr. 4 des\nBundesamtsbescheids vom 13.3.2008 werden aufgehoben. Die Beklagte - Bundesamt\nfur Migration und Fluchtlinge - wird verpflichtet festzustellen, dass\nbetreffend Nigeria ein Abschiebungsverbot gemaß § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m.\nArtikel 15 b) der Richtlinie 2004/83/EG vorliegt. Im Übrigen wird die Klage\nabgewiesen.\n\nVon den Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen der Klager 2/3 und\ndie Beklagte 1/3.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager ist ein am … 1990 geborener nigerianischer Staatsangehoriger, der\nlaut seinen Angaben Nigeria im Marz 2007 verließ und am 12.4.2007 auf dem\nSeeweg nach Deutschland einreiste. Am 17.4.2007 beantragte er seine\nAnerkennung als Asylberechtigter. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Bei seiner Anhorung durch das Bundesamt am 19.4.2007 gab der Klager an, sein\nVater sei 1990, seine Mutter im Marz 2003 bei Kampfen gestorben. Nachdem seine\nSchwester mit einem Mann mitgegangen sei, habe er bei der Familie seines\nFreundes O. gelebt. Dieser Freund habe ihn 2005 in eine Gruppe namens „Red\nVultures" eingefuhrt, die Menschen bedroht und ausgeraubt habe. Die\nOperationen seien in kleineren Gruppen von drei bis vier Leuten durchgefuhrt\nworden Er selbst sei als Wache eingesetzt gewesen, habe aber keine Sachen\ngeraubt. Einige Monate spater habe man ihm den Umgang mit Waffen gelehrt,\naußerdem hatten sie in kleinen Teams Pipelines angezapft. Im Dezember 2006\nhabe ihr Fuhrer namens A. ihn, O. und drei weitere Mitglieder der Gruppe nach\nYenagoa geschickt, um dort eine Wahlkampfveranstaltung zu storen. Wegen der\ngroßen Zahl von Sicherheitskraften seien sie jedoch unverrichteter Dinge\nwieder ins Camp zuruckgekehrt und dort mit Prugeln bestraft worden. Etwa Ende\nJanuar 2007 habe A. dieselbe Gruppe erneut zwecks Storung einer Wahlkampagne\ngeschickt, diesmal nach Warri. Auch da seien zu viele Sicherheitskrafte\ngewesen, sodass 3 von ihnen, darunter er und O., aus Angst vor erneuter\nBestrafung durch ihren Anfuhrer beschlossen hatten, nicht mehr zur Gruppe\nzuruckzukehren. Die anderen zwei hatten jedoch nicht mitgemacht und zwei von\nihnen, darunter O., durch Schusse verletzt. O. sei schließlich im Busch\nverstorben, er, der Klager, sei nach Yenagoa gelangt, wo ihm ein Mann\nweitergeholfen und schließlich auf ein großes Schiff gebracht habe. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Bescheid des Bundesamts vom 13.3.2008, zugestellt am 17.3.2008, wurde\nder Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt und festgestellt,\ndass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und Abschiebungsverbote nach\n§ 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Schließlich wurde dem Klager\nbinnen Monatsfrist ab Unanfechtbarkeit die Abschiebung nach Nigeria angedroht. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Klager hat am 25.3.2008 Klage erhoben und beantragt, \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| die Nrn. 2 bis 4 des Bescheids des Bundesamts vom 13.03.2008 aufzuheben und\ndie Beklagte - Bundesamt fur Migration und Fluchtlinge - zu verpflichten, ihm\nunter gleichzeitiger Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1\nAufenthG vorliegen, die Fluchtlingseigenschaft zuzuerkennen; \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die\nVoraussetzungen fur die Aussetzung einer Abschiebung gemaß § 60 Abs. 2 bis 7\nAufenthG vorliegen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Dem Gericht liegt die Akte des Bundesamtes uber den Klager vor. Auf den\nInhalt dieser Akte wird erganzend ebenso Bezug genommen, wie auf die\nwechselseitigen Schriftsatze. Der Klager ist in der mundlichen Verhandlung\nangehort worden; wegen Einzelheiten seines Vortrags wird auf die\nSitzungsniederschrift verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 10 \n--- \n| Die zulassige Klage ist teilweise begrundet. Der Klager hat einen Anspruch\nauf Feststellung eines Abschiebungsverbots bzw. Gewahrung subsidiaren\ninternationalen Schutzes (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). \n--- \n--- \n**I.** \n--- \n| 11 \n--- \n| Der mit der Klage im **Hauptantrag** geltend gemachte Anspruch auf\n(deklaratorische) Feststellung der Voraussetzungen des **§ 60 Abs. 1\nAufenthG** und einer **Zuerkennung der Fl uchtlingseigenschaft** (§§ 3 Abs. 4\nAsylVfG, § 60 Abs. 1 Satz 6 AufenthG) steht dem Klager allerdings nicht zu.\nGemaß § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Auslander in Anwendung der Genfer\nFluchtlingskonvention (GFK - vgl. Art. 1A Nr. 2, 33 Nr. 1 GFK) nicht in einen\nStaat abgeschoben werden, in dem sein Leben - darunter fallt auch die\nkorperliche Unversehrtheit (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG) - oder seine\nFreiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehorigkeit seiner\nZugehorigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner\npolitischen Überzeugung bedroht ist. § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG bestimmt,\ndass fur die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, Art. 4\nAbs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG (sog. EU-\nQualifikationsrichtlinie, im folgenden: QRL) erganzend anzuwenden sind (vgl.\ndazu, dass dies zumindest missverstandlich ist, weil die QRL mit allen\nRegelungen Geltungsvorrang hat: Marx, Aufenthalts-, Asyl- und\nFluchtlingsrecht, 3. Aufl. 2007, § 10 Rdnr. 123). \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG zu Gunsten des Klagers scheitert zwar\nnicht schon daran, dass ihm Verfolgung durch eine kriminelle Bande droht. § 60\nAbs. 1 Satz 4 Buchst. c) AufenthG bestimmt namlich ausdrucklich, dass eine\nVerfolgung auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen kann. Selbst wenn man\neinen gewissen Organisationsgrad der privaten Akteure fordert (in diesem Sinn:\nWenger, in: Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Harms, Kommentar zum\nZuwanderungsrecht, 2. Aufl. 2008, § 60 Rdnr. 8; Zeitler, in: HTK-AuslR, § 60\nAufenthG/zu Abs. 1 - Verfolgungssubjekte 02/2005 Nr. 3.3, der beispielhaft von\nFamilien, Clans oder Stammen spricht), was allerdings wohl abzulehnen ist\n(vgl. BVerwG, Urt. v. 18.7.2006 - 1 C 15/05 - InfAuslR 2007, 33: § 60 Abs. 1\nSatz 4 Buchst. c) AufenthG erfasst „alle nichtstaatlichen Akteure ohne weitere\nEinschrankung, namentlich also auch Einzelpersonen"), so ware dies hier\nerfullt. Nach dem, was der Klager zu den „Red Vultures" angegeben hat, handelt\nes sich bei dieser Gruppe namlich um eine im Niger-Delta operierende,\norganisierte und durch einen despotischen Anfuhrer zusammengehaltene Bande,\ndie in verschiedenste kriminelle Machenschaften bis hin zu politischen\nMachtkampfen verstrickt ist. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Eine Verfolgung, die ihn zum Fluchtling nach der GFK macht, scheidet beim\nKlager jedoch deshalb aus, weil die ihm durch die „Red Vultures" wegen des\nVersagens bei zwei Aktionen sowie dem anschließenden eigenmachtigen Lossagen\nvon der Gruppe drohenden Verfolgungshandlungen nicht mit (fluchtlingsrechtlich\nrelevanten) Verfolgungsgrunden der Rasse, Religion, Staatsangehorigkeit,\npolitischen Überzeugung oder Zugehorigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe\nzusammenhangen. Diese auch in Art. 9 Abs. 3 QRL (i.V.m. Art. 2 c) QRL) betonte\nVerknupfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund wird durch\nkriminelle, nicht auf solche personlichen Merkmale abzielende Akte privater\nAkteure nicht erfullt. Die Vergeltungsabsichten der „Red Vultures" auslosende\nEntscheidung des Klagers, den Auftrag zu Jahresbeginn 2007 (Storung einer\nWahlkampagne in Warri) nicht auszufuhren und sich ferner von der Bande zu\nlosen, kann auch nicht als „politische Überzeugung" angesehen werden. Art. 10\nAbs. 1 e) QRL definiert diese als eine vom Schutzsuchenden vertretene Meinung,\nGrundhaltung oder Überzeugung in einer Angelegenheit, die die in Artikel 6 QRL\ngenannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren\nbetrifft. Damit ist ersichtlich nicht die Meinungsverschiedenheit unter\nKriminellen bzw. die Entzweiung von der Bande und einzelnen ihrer\nMitglieder/Mitlaufer gemeint. Schutz vor ungezielten oder zumindest\nwillkurlichen, allgemeinen Folgen (Kriminalitat, Gewalt, Hunger, Plunderungen)\nder Auflosung einer Staatsgewalt bzw. eines generellen Zustandes der Anarchie\noder eines (Burger-)Krieges oder sonstigen bewaffneten Konflikts bietet auch\nder neue § 60 Abs.1 AufenthG nicht. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 14 \n--- \n| Erfolgreich ist hingegen der **Hilfsantrag** des Klagers. In den Fallen, in\ndenen Fluchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausscheidet, kommt den\nVorschriften uber den **gemeinschaftsrechtlichen subsidi aren Schutz** (Art.\n15 QRL i.V.m. § 60 Abs. 2, 3, 7 Satz 2 AufenthG) und den **nationalen subsidi\naren Schutz** (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. EMRK, § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG)\nselbststandige Bedeutung zu (vgl. allgemein Marx, a.a.O., Rdnrn. 125 und 126;\nWenger, a.a.O., Rdnrn. 18 ff.; Armbruster, in: HTK-AuslR / § 60 AufenthG /\nSubsidiarer Schutz 04/2008 Nr. 1). \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Schutzanspruch des Klagers ergibt sich aus **§ 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m.\nArt. 15b) QRL** . Danach darf ein Auslander nicht in einen Staat abgeschoben\nwerden, in dem fur ihn die konkrete Gefahr besteht, einen ernsthaften Schaden\ndadurch zu erleiden, dass er Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender\nBehandlung oder Bestrafung unterworfen wird. Fur das Verfahren zur\nFeststellung der Voraussetzungen gelten gemaß § 60 Abs. 11 AufenthG die Art. 4\nAbs. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2 QRL und die Art. 6 bis 8 QRL. Wegen des\ngemeinschaftsrechtlichen Anwendungsvorrangs sowie den insoweit bei Antragen\nauf internationalen Schutz normierten Mindestnormen finden allerdings auch\nAbsatze 1 bis 3 und 5 des Art. 4 QRL Anwendung (Marx, a.a.O., Rdnr. 125). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| **1.)** Es besteht eine ausreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne eines\nernsthaften Risikos, dass der Klager einen ernsthaften Schaden erleidet.\nStichhaltige Grunde sprechen fur die Annahme, dass er bei einer Ruckkehr nach\nNigeria tatsachlich Gefahr lauft, Opfer von Folter oder unmenschlicher oder\nerniedrigender Behandlung oder Bestrafung zu werden (vgl. dazu, dass dieser\nPrognosemaßstab des Art. 4 Abs. 4 i.V.m. Art. 2 e) QRL dem Maßstab der\n„beachtlichen Wahrscheinlichkeit" entspreche: Hess. VGH, Beschl. v. 10.4.2008\n- 3 UE 455/06.A - juris [Rdnrn. 31 und 32]; OVG Schlesw.-Holst., Urt. v.\n21.11.2007 - 2 LB 38/07 -, juris a.a.O., [Rdnr. 21]; Armbruster, a.a.O., Nr.\n6). Diese Repressionen drohen ihm in Gestalt von mehrtagiger\nFreiheitsbeschrankung, Stockschlagen, mehrtagigem Nahrungsentzug sowie\nschließlich Bedrohung mit dem Tod. Eine solche Behandlung hatten der Klager\nund 4 weitere Bandenmitglieder bereits einmal im Dezember 2006 erlitten,\nnachdem sie den vom Anfuhrer A. erhaltenen Auftrag, eine Wahlkampagne in\nYenagoa gewaltsam zu storen, wegen massiver Prasenz von Sicherheitskraften\nnicht ausgefuhrt hatten. Diese Tatsache stellt uberdies zugleich gemaß Art. 4\nAbs. 4 QRL den ernsthaften Hinweis darauf dar, dass der Klager tatsachlich\nGefahr lauft, bei Ruckkehr einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Ihm kommt\nfolglich ein herabgestufter Prognosemaßstab (vgl. auch insoweit die zuvor\nzitierten obergerichtlichen Entscheidungen sowie Kommentarstelle) bzw. eine\nRegelvermutung fur Verfolgungswiederholung zugute. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Stichhaltige Grunde, die gegen eine erneute Bedrohung sprechen, gibt es\nnicht. Beim Anfuhrer der „Red Vultures" handelt es sich um eine gewalttatige\nund skrupellose Person, deren Anweisungen von den anderen Mitgliedern\ngrundsatzlich umgesetzt werden. Überdies spricht alles dafur, dass auch der\nAnfuhrer unter Erfolgsdruck stand. Er hatte namlich von Leuten Geld erhalten,\ndamit seine Bande politische Gegner der Geldgeber storen sollte. Es liegt auf\nder Hand, dass erfolglose Storungsbemuhungen kritische Nachfragen bzw.\nReaktionen der Geldgeber gegenuber dem Anfuhrer hervorrufen wurden. Nachdem\nbereits ein einmaliges Versagen im Dezember 2006 zu drakonischer Bestrafung\nder Operationsteilnehmer gefuhrt hatte, liegt ein entsprechendes Verhalten\nangesichts des erneuten Versagens im Anfang 2007 sowie insbesondere wegen der\neigenmachtigen Lossagung des Klagers von der Bande damit erst recht nahe.\nSogar schlimmere Repressionen bis hin zur Totung sind dann zu befurchten,\nwurde der Klager der Gruppe in die Hande fallen. Dafur spricht auch, dass zwei\nBandenmitglieder, die sich zusammen mit dem Klager zur Flucht entschlossen\nhatten, durch die beiden weiteren - offensichtlich weiterhin dem Anfuhrer A.\nloyal ergebenen - Teilnehmer der Operation zum Jahresbeginn 2007 (als die\nWahlkampagne in Warri gestort werden sollte) erschossen wurden. Es kann nicht\nzu Lasten des Klagers davon ausgegangen werden, dass sich im heutigen\nEntscheidungszeitpunkt bzw. bei seiner Ruckkehr nach Nigeria die Situation\ngeandert haben wird, etwa weil die Bande sich aufgelost hatte oder zerschlagen\nworden ware, oder weil zumindest der Anfuhrer A. einen Sinneswandel\ndurchgemacht hatte oder nicht mehr da ware. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| **2.)** Es gibt ferner auch keine weiteren stichhaltigen Grunde, die dagegen\nsprechen, dass dem Klager ein ernsthafter Schaden droht. Weder stand ihm bei\nAusreise, noch wird - worauf es entscheidend ankommt - ihm bei heutiger\nRuckkehr ein ausreichender Schutz zur Verfugung stehen. Das gilt sowohl im\nRahmen der Art. 6 und 7 QRL, was den Schutz durch den Staat gegenuber den\nnichtstaatlichen Akteuren angeht, als auch bei Anwendung des Art. 8 QRL unter\ndem Gesichtspunkt des internen Schutzes bzw. einer innerstaatlichen\nFluchtalternative. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| **a.)** Schutz durch den nigerianischen Staat konnte und kann der Klager\nnicht in einer Art. 6 c) und 7 QRL entsprechenden Weise erlangen. Das\ninsbesondere in Art. 7 Abs. 2 QRL genannte Erfordernis eines „Zugangs zum\nSchutz" macht deutlich, dass hier ein konkreter individueller Maßstab\nanzulegen ist. In den Blick zu nehmen ist hier insbesondere auch die\nZumutbarkeit des Schutzgesuchs. Unzumutbar kann die Anbringung eines\nSchutzgesuchs im Einzelfall etwa sein, wenn die Gefahr besteht, dass es\nseinerseits Repressalien, Notigungen, Schikanen oder Diskriminierungen durch\nstaatliche Stellen auslost. Gerade hiervon aber muss im Falle des Klagers\nausgegangen werden. Eine Nachsuche um Schutz, die schon aus Grunden der\nEffektivitat nur bei nigerianischen Polizeidienststellen in Betracht gekommen\nware, hatte vorausgesetzt, dass der Klager wesentliche Einzelheiten seiner\nMitwirkung bei den „Red Vultures" offenlegte, um sich als bedrohte Person zu\nerkennen zu geben. Damit aber hatte er zugleich heraufbeschworen, als Mitglied\neiner kriminellen, u.a. fur Raub und Anzapfen von Ölpipelines verantwortlichen\nBande festgenommen und - somit „vom Regen in die Traufe" geratend - unter den\nmenschenrechtswidrigen Haftbedingungen eines nigerianischen Gefangnisses \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| _\\- Ausw artiges Amt,_ Lagebericht vom 6.11.2007, Seite 22; sehr\nausfuhrlich ferner: _L anderbericht des britischen Innenministeriums_ vom\nNovember 2007, Seiten 54 bis 56 - \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| der hohen Gefahr fur Gesundheit oder gar Leben ausgesetzt zu werden.\nEntsprechendes gilt fur den Fall einer heutigen Ruckkehr, sodass vom\nnigerianischen Staat erwiesenermaßen kein Schutz zu erlangen war oder sein\nwird. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| **b.)** Der Klager bedarf schließlich des internationalen Schutzes auch\nheute weiterhin, weil ihm, obwohl „nur" Ziel der Bedrohung durch\nnichtstaatliche Akteure, gleichwohl in Nigeria kein interner Schutz i.S.v.\nArt. 8 QRL zur Verfugung steht. Fur die Ruckkehrprognose ist entscheidend, ob\nein Schutzsuchender internen Schutz finden kann. Die Anwendung der offenen\nUmsetzungsnorm des § 8 QRL (vgl. Abs. 1: „… _k onnen die Mitgliedstaaten\nfeststellen_ …") ist durch § 60 Abs. 11 AufenthG verbindlich bestimmt worden.\nNach Art. 8 Abs. 1 QRL benotigt ein Antragsteller dann keinen internationalen\nSchutz, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine tatsachliche Gefahr,\neinen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht, und von ihm vernunftigerweise\nerwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhalt. Gemaß Art. 8\nAbs. 2 QRL kommt es fur diese Prufung auf die am Ort des internen Schutzes\nbestehenden „allgemeinen Gegebenheiten" und zusatzlich auch auf die\n„personlichen Umstande" des Schutzsuchenden im Zeitpunkt der Entscheidung uber\nden Antrag an. Zur Interpretation des Begriffs der personlichen Umstande ist\nauf Art. 4 Abs. 3 c) QRL zuruckzugreifen, wonach die individuelle Lage und die\npersonlichen Umstande des Antragstellers einschließlich solcher Faktoren wie\nfamiliarer und sozialer Hintergrund, Geschlecht und Alter, bei der\nEntscheidung zugrunde zu legen sind. Zu fragen ist sodann auf der Grundlage\ndieses gemischt objektiv-individuellen Maßstabs, ob von einem Antragsteller\nvernunftigerweise erwartet werden kann, dass er sich am Ort der internen\nFluchtalternative aufhalt (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 25.10.2006 - A 3 S\n46/06 -, juris). Fur den Fall einer Ruckkehr des Klagers in seine\nHeimatgegend, das Niger-Delta bzw. die Region um Warri (Bundesstaat Delta) und\nYenagoa (Bundesstaat Bayelsa), liegt ein fehlender interner Schutz ganz\nbesonders auf der Hand. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte muss namlich davon\nausgegangen werden, dass die „Red Vultures" dort im wesentlichen unverandert\naktiv sind. Der Klager war fast zwei Jahre Mitglied dieser Bande, sodass\ngleichfalls nichts dafur spricht, man werde ihn bei einem (zufalligen)\nZusammentreffen nicht mehr wiedererkennen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Der Klager kann aber auch nicht darauf verwiesen werden, an einem anderen\nOrt innerhalb der Bundesstaaten Delta oder Bayelsa oder in einem anderen der\nubrigen 34 nigerianischen Bundesstaaten Zuflucht zu suchen. Es ist zwar\nuberaus unwahrscheinlich, dass er dort von den „Red Vultures", die nach seinen\nAngaben etwa 30 bis 40 Mitglieder umfassen, entdeckt werden konnte; es spricht\nnamlich nichts dafur, dass diese Gruppe auch außerhalb des Niger-Deltas aktiv\nist. Gleichwohl ist ein Aufenthalt auch in anderen Landesteilen dem Klager\nnicht zumutbar. Im Rahmen des Art. 8 Abs. 2 QRL sind nicht nur die allgemeinen\nGegebenheiten sondern auch die personlichen Umstande des Antragstellers zum\nZeitpunkt der Entscheidung zu berucksichtigen. Das Gericht ist der\nÜberzeugung, dass diese letztgenannte Umstande es dem Klager unmoglich machen,\nin Nigeria Fuß zu fassen. Auch wenn er die Schule besucht hat, so war es ihm\nin der Vergangenheit nicht moglich, seinen Lebensunterhalt durch eine legale\nTatigkeit zu bestreiten. Durch den fruhen Verlust seiner Eltern - der Vater\nwar bereits im Dezember 1990 verstorben, die fur ihn besonders wichtige Mutter\nkam im Marz 2003 bei gewaltsamen Unruhen im Niger-Delta ums Leben - und den\nWeggang seiner Schwester war er auf die Versorgung durch andere Menschen\nangewiesen (zunachst Familie des Freundes O., spater Brother S.) und hatte\nnicht gelernt, ein selbststandiges Leben zu fuhren. Der Klager war in einem\nwichtigen Entwicklungsabschnitt (zwischen dem 13. und 18.Lebensjahr) mehreren\nTraumata ausgesetzt, beginnend mit dem Tod der Mutter im Fruhjahr 2003 und dem\nanschließenden Weggang der alteren Schwester sowie sich spater fortsetzend im\nZwang, bei einer kriminellen Bande mitzuwirken, zu der er uber seinen Freund\nO. und seinen „Ersatzvater" Brother S. kam. Der Klager leidet hierdurch an\neiner mittelschweren PTBS (vgl. die ausfuhrliche Psychologische Stellungnahme\ndes Deutschen Roten Kreuzes vom 10.3.2008, GAS. 33 ff.), die seine\nSelbstbehauptungskrafte im heutigen Zeitpunkt zusatzlich schwacht und ihn\nbesonders anfallig dafur macht, auch kunftig in Nigeria in „falsche Hande" zu\ngeraten bzw. nicht auf zumutbare und legale Weise ein Existenzminimum fur sich\nerstreiten zu konnen. Der dem Klager fehlende soziale und familiare\nHintergrund zwang ihn, bei verschiedenen Menschen Anbindung und\nwirtschaftliche Versorgung zu suchen. Nachdem die Familie seines Schulfreundes\nO. ihn nicht mehr versorgen wollte, ferner nachdem er schließlich auch dem als\nweiteren Versorger aufgetretenen Brother S. eine zu große Last geworden war,\nsah er sich gezwungen, bei den „Red Vultures" mitzuwirken, zu denen O. und\nBrother S. bereits langer gehort, ihm dies aber erst spater offenbart hatten.\nDas beim Klager bereits bis 2007 hervorgerufene Gefuhl der Entfremdung und\nNichtzugehorigkeit wurde sich bei heutiger Ruckkehr noch psychoreaktiv - in\nGestalt einer Retraumatisierung - verstarken (vgl. Psychologische\nStellungnahme, Seite 5) und zu weitergehender Entscheidungs- und\nHandlungsunfahigkeit fuhren. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Dass diese allgemeinen Gegebenheiten und insbesondere personlichen Umstande\ndes Klagers so im wesentlichen auch am Herkunftsort bestunden, ist\nunerheblich. Art. 8 QRL mutet dem Antragsteller nur dann die Vorenthaltung\ninternationalen Schutzes zu, wenn vernunftigerweise erwartet werden kann, dass\ner sich in einem anderen Teil seines Herkunftslandes aufhalt, wo ihm (keine\nGefahr eines ernsthaften Schadens und) keine existenzielle Gefahrdung droht.\nFur die Gewahrung von internationalem Schutz unerheblich ist, ob diese\nGefahrdung an seinem Herkunftsort in gleicher Weise besteht (so jetzt\nausdrucklich BVerwG, Urteile vom 29.5.2008 - 10 C 10.07, 10 C 11.07 und 10 C\n12.07 - bislang nur Pressemeldung auf der Homepage des BVerwG). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| **3.)** Der den zuvor dargestellten rechtlichen Erwagungen zu Grunde gelegte\nSachverhalt ist das Ergebnis einer am Maßstab des Art. 4 QRL erfolgten\nindividuellen Prufung der Ereignisse und Umstande. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| **a.)** Soweit das Gericht dabei die eigenen Angaben des Klagers zugrunde\ngelegt hat, waren diese i.S.v. Art. 4 Abs. 5 QRL substantiiert, koharent und\nplausibel sowie ohne wesentliche Widerspruche; ferner bestehen an der\nGlaubwurdigkeit des Klagers keine Zweifel. Im Rahmen der ausfuhrlichen\nmundlichen Verhandlung konnte sich das Gericht davon uberzeugen, dass der\nKlager von wahren Erlebnissen berichtet hat. Obwohl mittlerweile 18 und\nsichtlich physisch erwachsen, macht er doch weiterhin den Eindruck eines\nschuchternen und verangstigten Jugendlichen bzw. stellenweise sogar Kindes.\nBesonders hervorzuheben ist dabei auch, dass es sich bei seinem geschilderten\nSchicksal um alles andere als eine „einfache" Kausalbeziehung zwischen\nbedrohlichen Ereignissen und anschließender Flucht handelt. Vielmehr haben\nsich die Umstande, die den Klager schließlich zum Verlassen Nigeria gezwungen\nhaben, uber mehrere Jahre hinweg entwickelt bzw. zugespitzt. Zentraler\nAusgangspunkt und zugleich ursprungliches Trauma ist dabei der Tod der fur den\nKlager so wichtigen Mutter bei gewaltsamen Ausschreitungen im Marz 2003 im\nNiger-Delta. Die altere Schwester ging anschließend mit einem Mann weg, ohne\nihn mitzunehmen. Trotz aller Erlebnisse in der Zeit bei den „Red Vultures" hat\nder Klager in der Therapie und in der mundlichen Verhandlung als fur ihn\nSchlimmstes hervorgehoben, dass er keine Eltern und keine Familie mehr hat. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Bewertung der Glaubhaftigkeit und Glaubwurdigkeit des Klagers legt das\nGericht auch seine ausfuhrlichen Angaben im Rahmen der therapeutischen\nBehandlung durch die Psychologische Psychotherapeutin des Deutschen Roten\nKreuzes, Frau S., zu Grunde (vgl. den im Rahmen einer „Narrative Exposure\nTherapy" - NET - erstellten ausfuhrlichen Lebenslauf, GAS. 95 bis 112). An der\nDiagnose einer PTBS hegt das Gericht keine Zweifel. Traumabedingte Storungen\neinschließlich posttraumatischer Belastungsstorungen konnen auch mit\njahrelanger Latenz auftreten (vgl. ausfuhrlich: VG Stuttgart, Urt. v.\n14.1.2008 - A 11 K 4941/07 -, juris), so dass die in der Stellungnahme von\nFrau S. vom 10.4.2008 (GAS. 33 ff.) erfolgte diagnostische Feststellung, der\nKlager habe bereits im Fruhjahr 2003 (Unruhen im Heimatdorf und Tod der\nMutter) ein Trauma erlitten, welches spater durch Erlebnisse in der\nkriminellen Gang reaktualisiert worden sei, keinen Bedenken begegnet. Das, was\nder Klager bei seiner Anhorung vor dem Bundesamt, im Rahmen der\ntherapeutischen Gesprache sowie schließlich gegenuber dem Gericht in der\nmundlichen Verhandlung angegeben hat, ist im wesentlichen konstant geblieben\nund hat stets die Kernerlebnisse erkennen lassen. Soweit im Rahmen der\nTherapie erhebliche Details hinzugekommen sind, stellt das keine schadliche\nSteigerung dar, sondern es erklart sich aus dem zeitlich und personlich\nweitaus intensiveren Ausmaß dieser Gesprache beim Deutschen Roten Kreuz. Auf\ndas Gericht hat der Klager in jedem Moment den Eindruck eines Menschen\ngemacht, der das, was er berichtet, auch erlebt hat. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| An dieser Wurdigung der individuellen Schilderung andert sich auch nichts\ndadurch, dass gewisse Widerspruche aufgetreten sind. Was die Unstimmigkeit von\nDaten angeht (Einstieg bei den „Red Vultures" im Jahr 2005 [Angabe beim\nBundesamt] oder im Dezember 2004 [Angabe in der Therapie]; Storungsaktion in\nWarri Ende Januar 2007 [Angaben beim Bundesamt und vor Gericht] oder Februar\n2007 [Angabe in der Therapie]), kann dies angesichts geringfugigem Abweichen,\nvor allem aber wegen der bei Datumsangaben nicht unublichen\nErinnerungsschwierigkeiten dem Klager nicht entgegengehalten werden. Aber auch\nder an sich erheblichste Widerspruch im Zusammenhang mit der Ausreise aus\nNigeria beeintrachtigt die Glaubhaftigkeit seiner Angaben oder gar die\ngenerelle Glaubwurdigkeit des Klagers nicht. Im Gegenteil reiht sich die\nuberaus detaillierte Darstellung, die er in der Therapie und dann vor dem\nGericht gegeben hat - anders als die Aussage beim Bundesamt, alles sei von\neinem unbekannten Helfer organisiert worden, ohne dass er (der Klager) etwas\nhabe zahlen mussen - plausibel in seine ubrigen Darstellungen ein. Danach traf\ner bei seiner Flucht im Raum Yenagoa auf Schlepper, die ihn nur gegen Geld\nHilfe beim Verlassen des Landes anboten. Geld aber - aufbewahrt bei einer\nBekannten - hatte der Klager aus der Zeit seiner Mitwirkung bei den „Red\nVultures". \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| **b.)** Das Schicksal des Klagers und die Ruckkehrprognose fugen sich\nschließlich auch plausibel in die mit Nigeria „verbundenen Tatsachen" (vgl.\nArt. 4 Abs. 3 a) QRL) ein. Soweit sich in diesen Quellen besondere\nÜbereinstimmungen mit den Angaben des Klagers finden lassen, sind diese\nzusatzlich fettgedruckt hervorgehoben: \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Das olreiche Niger-Delta ist seit mehreren Jahren und bis heute unverandert\neine uberaus konflikttrachtige Region. Dies belegt anschaulich eine Auswahl\nder in ecoi.net - European Country of Origin Information Network zu Nigeria\nunter > Themenpapier > Aktuelle Themen > Gewalt im Zusammenhang mit\nErdolgewinnung aufgefuhrten Erkenntnisquellen: \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| _Human Rights Watch vom 31.1.2008 - World report 2008 - Nigeria_ \n--- \n| 32 \n--- \n| In Nigerias olreichem Niger-Delta haben Militarisierung und Unsicherheit\nzugenommen. **Zahlreiche bewaffnete Gruppen** sind hervorgetreten. Viele davon\nbehaupten, fur mehr Einfluss zu kampfen, gleichzeitig betatigen sie sich auf\nverschiedenste Art und Weise durch kriminelle Aktivitaten. Viele Zivilisten\nwurden im Jahr 2007 von bewaffneten Gruppen und Sicherheitskraften getotet;\nmehr als 200 auslandische Öl-Arbeiter wurden entfuhrt. Viele Regionalpolitiker\nwaren in Finanzierung und Bewaffnung von Milizen involviert \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| _Amnesty international, Jahresbericht 2008_ \n--- \n| 34 \n--- \n| Im Niger-Delta nimmt die Aktivitat militanter Gruppen, u. a. gegen die\nÖlforderung gerichtet, zu. Im April 2007 dehnte sich die Gewalt aus, **weil\nPolitiker bewaffnete Banden einsetzen** , um ihre Gegner zu bekampfen. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| _11.03.2008 - Quelle: US Department of State - Country Report on Human\nRights Practices 2007_ \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Niger-Delta Region hatte die großte Ölindustrie Afrikas, aber seit 2006\nversuchen **militante Gruppen** durch Gewalt und Entfuhrungen mehr Kontrolle\nuber die Ressourcen der Region zu erhalten. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| _5.12.2007 - Quelle: International Crisis Group_ \n--- \n| 38 \n--- \n| Niger-Delta: Bericht uber Sicherheitslage; Angriffe gegen Öleinrichtungen\nund Entfuhrungen nehmen zu. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| _5.12.2007 - Quelle: ReliefWeb_ \n--- \n| 40 \n--- \n| Bericht des Small Arms Survey uber den Umlauf von Handfeuerwaffen in Nigeria\n(Grunde der Gewalt, Maßnahmen zur Entwaffnung, Reformen im Sicherheitssektor,\n**Profile bewaffneter Gruppen im Niger Delta** . \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| _11.08.2007 - Quelle: BBC News_ \n--- \n| 42 \n--- \n| 4 Menschen sterben bei Zusammenstoßen zwischen Banden in Ölregion; diese\nWoche 10 Tote. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| _23.05.2007 - Quelle: Amnesty International, Jahresbericht 2007_ \n--- \n| 44 \n--- \n| Niger-Delta: 2006 stiegen die Angriffe auf Erdolanlagen an. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| _12.3.2007 - Quelle: UN-Office of the High Commissioner for Human Rights_ \n--- \n| 46 \n--- \n| Steigende Gewalt im Niger Delta wegen hoffnungsloser Armut und\nMarginalisierung der Bevolkerung in der Region. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| _6.2.2007 - Quelle: Integrated Regional Information Network_ \n--- \n| 48 \n--- \n| Zahl der Geiselnahmen im Januar fast so hoch wie im gesamten Jahr 2006;\nAnalysten beschuldigen Kandidaten zur kommenden Wahl, Losegeld fur Wahlkampf\nzu verwenden. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| _Januar 2007 - Quelle: Human Rights Watch_ \n--- \n| 50 \n--- \n| **Lokale Politiker** fordern Gewalt ohne strafrechtliche Verfolgung. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| _21.9.2006 - Quelle: Internal Displacement Monitoring Centre_ \n--- \n| 52 \n--- \n| Bewaffnete Gruppen bedienten sich 2006 gewalttatigerer Mittel um großere\nKontrolle uber Öl-Reichtum zu gewinnen; viele wurden vertrieben. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| _23.5.2006 - Quelle: Amnesty International, Jahresbericht 2006_ \n--- \n| 54 \n--- \n| Im Niger-Delta toteten Angehorige der Sicherheitskrafte zahlreiche Menschen\nund zerstorten ganze Dorfer, ohne Bestrafung fur diese Taten furchten zu\nmussen. Die Übergriffe sollten vor allem verhindern, dass es zu einer Storung\nder Ölforderung kam, waren aber auch eine Reaktion auf Proteste der ortlichen\nBevolkerung. Die Exploration und Forderung von Öl fuhrte in der Region\nNigerdelta zur Verwustung ganzer Landstriche und hatte Unrecht und Gewalt zur\nFolge. Die **zunehmende Verbreitung von Kleinwaffen** und die unzureichenden\nEntwaffnungsprogramme der Regierung trugen zu einem Anstieg der Gewalt bei.\nBerichten zufolge wurde die Beschaffung der Waffen zum Teil aus Öldiebstahlen\nfinanziert. Die Sicherheitskrafte konnten ungestraft Dorfer zerstoren und\nMenschen toten. Ganze Dorfgemeinschaften wurden zur Zielscheibe solcher\nOperationen, weil sie angeblich die Ölforderung behinderten oder kriminellen\nBanden Unterschlupf boten. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| _25.5.2005 - Quelle: Amnesty International, Jahresbericht 2005_ \n--- \n| 56 \n--- \n| Die Gewalt im Nigerdelta ebbte 2004 nicht ab. Aus der Region trafen erneut\nMeldungen uber den exzessiven Einsatz von Gewalt durch die Sicherheitskrafte\nund Beamte mit Polizeibefugnissen ein. Im Berichtszeitraum wurden in den\nBundesstaaten Delta, Bayelsa und Rivers viele hundert Menschen getotet. Die\nwirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der Bewohner des Nigerdeltas\n- der großten Erdolforderregion des Landes - wurden weithin nicht respektiert,\nsodass es zunehmend zu Spannungen sowohl innerhalb als auch zwischen den dort\nlebenden Gemeinschaften kam. Verscharft wurde die Situation noch durch den\n**leichten Zugang zu Waffen in der Region** . \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Gerade auch das Jahr 2003 war durch gewalttatige Auseinandersetzungen\ngekennzeichnet, die in der Region von Warri stattfanden. Dort, im Dorf Y.,\nwohnten damals der Klager und seine Mutter. Dass diese bei solchen\nAuseinandersetzungen ums Leben kam, fugt sich in den Tatsachenhintergrund ohne\nweiteres ein. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| _Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24.3.2003_ \n--- \n| 59 \n--- \n| Bei anhaltenden Kampfen zwischen rivalisierenden Stammen und der Armee im\nSuden Nigerias sind bis zum Sonntag **Dutzende von Zivilisten** und den\nSoldaten getotet worden. Hunderte von Dorfbewohnern seien vor den\nAusschreitungen zwischen Angehorigen der Stamme der Ijaw und Itsekiri **s\nudlich der Hafenstadt Warri** geflohen. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| _Frankfurter Rundschau vom 20.3.2003_ \n--- \n| 61 \n--- \n| Regierung Nigerias hat Truppen **in die Stadt Warri** geschickt, um die seit\nfunf Tagen schwelenden Unruhen zu beenden. 12 Menschen kamen ums Leben. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| In den Jahren 2003 und 2004 war zunachst die Region um Warri verstarkt von\nGewalttatigkeiten heimgesucht worden. Die beiden großten militarischen\nGruppierungen, die Niger Delta People´s Voluteer Force und die Niger Delta\nVigilante konzentrierten ihre Aktivitaten spater auf die Region um Port\nHarcourt. Daneben gibt es aber auch viele weitere, kleinere militante Gruppen,\ndie Namen fuhren wie „Icelanders", „Greenlanders, „KKK" und „ **Vultures** ". \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| _Wikipedia, Conflict in the Niger Delta;_ aufrufbar unter\nhttp://en.wikipedia.org/wiki/Conflict_in_the_Niger_Delta. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| Kranke Menschen finden zwar in nigerianischen Großstadten grundsatzlich eine\nausreichende medizinische Versorgung vor. Mangels einer allgemeinen\nKrankenversicherung muss die Behandlung jedoch sowohl in privaten als auch in\nstaatlichen Behandlungseinrichtungen selbst bezahlt werden, setzt also mehr\nals das Vorhandensein ein bloßes Existenzminimum sichernder Mittel voraus.\nSpeziell bei psychischen Leiden ist die Versorgungssituation sogar durch noch\nschlechtere Rahmenbedingungen gekennzeichnet. So konnen **Personen, die einer\nTraumabehandlung bed urfen** , in Nigeria normalerweise keine qualifizierte\narztliche Hilfe in Anspruch nehmen. **PTSD** wird dort als Stigma angesehen\nund nicht als ein Krankheitsbild, das eine Behandlung erfordert. \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| _Ausw artiges Amt_ , Lagebericht am 6.11.2007, S. 33; vgl. m.w.N. _ACCORD_\n, Behandelbarkeit von PTSD in Nigeria, 26.9.2006; _Norwegian Country of Origin\nInformation Center_ , August 2006 - Report: Fact-finding trip to Nigeria,\nSeite 25 ff.; allgemein dazu, dass behinderte Menschen in Nigeria\nweitverbreiteter sozialer Ächtung, Diskriminierung und Ausbeutung ausgesetzt\nsind: _US-Department of State M arz 2008_ \\- Nigeria, Country Reports 2007. \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| Die wirtschaftliche und soziale Existenzsicherung basiert in Nigeria vor\nallem auf unterstutzenden Familiennetzwerken. Diese gewinnen gerade auch fur\nnigerianische Binnenfluchtlinge und Migranten eine besondere Bedeutung. **Wo\nein famili arer Ruckhalt fehlt** , konnen ersatzweise Beziehungen zu\nreligiosen oder politischen Vereinigungen aber auch zu Geheimgesellschaften in\nBetracht kommen. \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| _Norwegian Country of Origin Information Center,_ August 2006 - Report on\nFact-finding trip to Nigeria, Seite 9 \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| **4.)** Es liegen schließlich auch keine Grunde vor, die den Klager von der\nGewahrung von Abschiebungsschutz ausschließen wurden. Der Anspruch nach § 60\nAbs. 2 bis 7 AufenthG wird nicht vom Ausschlussgrund in § 60 Abs. 8 und 9\nAufenthG erfasst. Auch Art. 17 QRL steht der Feststellung von\nAbschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht entgegen. Art. 17\nAbs. 1 QRL ist vom Gesetzgeber nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt\nworden und gehort auch nicht zu den Vorschriften der Qualifikationsrichtlinie,\ndie nach § 60 Abs. 11 AufenthG auf die Feststellung von Abschiebungsverboten\nnach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG anwendbar sind. Eine unmittelbare\nAnwendbarkeit der Qualifikationsrichtlinie zu Lasten eines Schutzsuchenden ist\nnicht moglich (vgl. zum Vorstehenden: Armbruster, a.a.O., Nr. 8. m.w.N.). Im\nubrigen wurde der Klager aber auch keinen der Tatbestande des Art. 17 Abs. 1\nQRL erfullen. Die von ihm begangenen Straftaten lagen im Bereich von\nEigentums- und Vermogensdelikten. Im Übrigen darf auch nicht außer acht\ngelassen werden, dass der Klager in der maßgeblichen Zeit von 2005 bis 2007\nnoch minderjahrig und nach den gesamten Umstanden zur Mittaterschaft gezwungen\nwar. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n| 69 \n--- \n| In der Abschiebungsandrohung hatte Nigeria nach dem zuvor Dargelegten\nfolglich nicht als Zielstaat bestimmt werden durfen. Dies fuhrt nicht zur\nAufhebung der Abschiebungsandrohung als solcher, vielmehr ist nur die in ihr\nenthaltene Zielstaatsbezeichnung nach § 59 Abs. 3 AufenthG rechtswidrig und\ndeshalb auch nur diese aufzuheben (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.9.2007 - 10 C 8.07\n-, juris, nunmehr auch fur ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG;\nferner Armbruster, a.a.O., § 59 AufenthG - zu Abs. 3 12/2007). \n--- \n--- \n**IV.** \n--- \n| 70 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 83 b AsylVfG.\nSeit dem 1.1.2005 besteht aufgrund der Gleichbehandlung der\nAbschiebungsverbote des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (vgl. §§ 25 Abs. 3, § 59\nAbs. 3 AufenthG) zwar kein Rangverhaltnis mehr unter diesen (VG Stuttgart,\nUrt. v. 21.1.2008 - A 11 K 552/07 -, juris). Gegenuber der vom Klager\nerfolglos geltend gemachten Zuerkennung der Fluchtlingseigenschaft (zu deren\nkostenrechtlicher Bedeutung vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.12.2006 - 1 C 29/03 -\nNVwZ 2007, 469) uberwiegt dies gleichwohl jedoch nicht. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 10 \n--- \n| Die zulassige Klage ist teilweise begrundet. Der Klager hat einen Anspruch\nauf Feststellung eines Abschiebungsverbots bzw. Gewahrung subsidiaren\ninternationalen Schutzes (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). \n--- \n--- \n**I.** \n--- \n| 11 \n--- \n| Der mit der Klage im **Hauptantrag** geltend gemachte Anspruch auf\n(deklaratorische) Feststellung der Voraussetzungen des **§ 60 Abs. 1\nAufenthG** und einer **Zuerkennung der Fl uchtlingseigenschaft** (§§ 3 Abs. 4\nAsylVfG, § 60 Abs. 1 Satz 6 AufenthG) steht dem Klager allerdings nicht zu.\nGemaß § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Auslander in Anwendung der Genfer\nFluchtlingskonvention (GFK - vgl. Art. 1A Nr. 2, 33 Nr. 1 GFK) nicht in einen\nStaat abgeschoben werden, in dem sein Leben - darunter fallt auch die\nkorperliche Unversehrtheit (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG) - oder seine\nFreiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehorigkeit seiner\nZugehorigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner\npolitischen Überzeugung bedroht ist. § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG bestimmt,\ndass fur die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, Art. 4\nAbs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG (sog. EU-\nQualifikationsrichtlinie, im folgenden: QRL) erganzend anzuwenden sind (vgl.\ndazu, dass dies zumindest missverstandlich ist, weil die QRL mit allen\nRegelungen Geltungsvorrang hat: Marx, Aufenthalts-, Asyl- und\nFluchtlingsrecht, 3. Aufl. 2007, § 10 Rdnr. 123). \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG zu Gunsten des Klagers scheitert zwar\nnicht schon daran, dass ihm Verfolgung durch eine kriminelle Bande droht. § 60\nAbs. 1 Satz 4 Buchst. c) AufenthG bestimmt namlich ausdrucklich, dass eine\nVerfolgung auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen kann. Selbst wenn man\neinen gewissen Organisationsgrad der privaten Akteure fordert (in diesem Sinn:\nWenger, in: Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Harms, Kommentar zum\nZuwanderungsrecht, 2. Aufl. 2008, § 60 Rdnr. 8; Zeitler, in: HTK-AuslR, § 60\nAufenthG/zu Abs. 1 - Verfolgungssubjekte 02/2005 Nr. 3.3, der beispielhaft von\nFamilien, Clans oder Stammen spricht), was allerdings wohl abzulehnen ist\n(vgl. BVerwG, Urt. v. 18.7.2006 - 1 C 15/05 - InfAuslR 2007, 33: § 60 Abs. 1\nSatz 4 Buchst. c) AufenthG erfasst „alle nichtstaatlichen Akteure ohne weitere\nEinschrankung, namentlich also auch Einzelpersonen"), so ware dies hier\nerfullt. Nach dem, was der Klager zu den „Red Vultures" angegeben hat, handelt\nes sich bei dieser Gruppe namlich um eine im Niger-Delta operierende,\norganisierte und durch einen despotischen Anfuhrer zusammengehaltene Bande,\ndie in verschiedenste kriminelle Machenschaften bis hin zu politischen\nMachtkampfen verstrickt ist. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Eine Verfolgung, die ihn zum Fluchtling nach der GFK macht, scheidet beim\nKlager jedoch deshalb aus, weil die ihm durch die „Red Vultures" wegen des\nVersagens bei zwei Aktionen sowie dem anschließenden eigenmachtigen Lossagen\nvon der Gruppe drohenden Verfolgungshandlungen nicht mit (fluchtlingsrechtlich\nrelevanten) Verfolgungsgrunden der Rasse, Religion, Staatsangehorigkeit,\npolitischen Überzeugung oder Zugehorigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe\nzusammenhangen. Diese auch in Art. 9 Abs. 3 QRL (i.V.m. Art. 2 c) QRL) betonte\nVerknupfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund wird durch\nkriminelle, nicht auf solche personlichen Merkmale abzielende Akte privater\nAkteure nicht erfullt. Die Vergeltungsabsichten der „Red Vultures" auslosende\nEntscheidung des Klagers, den Auftrag zu Jahresbeginn 2007 (Storung einer\nWahlkampagne in Warri) nicht auszufuhren und sich ferner von der Bande zu\nlosen, kann auch nicht als „politische Überzeugung" angesehen werden. Art. 10\nAbs. 1 e) QRL definiert diese als eine vom Schutzsuchenden vertretene Meinung,\nGrundhaltung oder Überzeugung in einer Angelegenheit, die die in Artikel 6 QRL\ngenannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren\nbetrifft. Damit ist ersichtlich nicht die Meinungsverschiedenheit unter\nKriminellen bzw. die Entzweiung von der Bande und einzelnen ihrer\nMitglieder/Mitlaufer gemeint. Schutz vor ungezielten oder zumindest\nwillkurlichen, allgemeinen Folgen (Kriminalitat, Gewalt, Hunger, Plunderungen)\nder Auflosung einer Staatsgewalt bzw. eines generellen Zustandes der Anarchie\noder eines (Burger-)Krieges oder sonstigen bewaffneten Konflikts bietet auch\nder neue § 60 Abs.1 AufenthG nicht. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 14 \n--- \n| Erfolgreich ist hingegen der **Hilfsantrag** des Klagers. In den Fallen, in\ndenen Fluchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausscheidet, kommt den\nVorschriften uber den **gemeinschaftsrechtlichen subsidi aren Schutz** (Art.\n15 QRL i.V.m. § 60 Abs. 2, 3, 7 Satz 2 AufenthG) und den **nationalen subsidi\naren Schutz** (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. EMRK, § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG)\nselbststandige Bedeutung zu (vgl. allgemein Marx, a.a.O., Rdnrn. 125 und 126;\nWenger, a.a.O., Rdnrn. 18 ff.; Armbruster, in: HTK-AuslR / § 60 AufenthG /\nSubsidiarer Schutz 04/2008 Nr. 1). \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Schutzanspruch des Klagers ergibt sich aus **§ 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m.\nArt. 15b) QRL** . Danach darf ein Auslander nicht in einen Staat abgeschoben\nwerden, in dem fur ihn die konkrete Gefahr besteht, einen ernsthaften Schaden\ndadurch zu erleiden, dass er Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender\nBehandlung oder Bestrafung unterworfen wird. Fur das Verfahren zur\nFeststellung der Voraussetzungen gelten gemaß § 60 Abs. 11 AufenthG die Art. 4\nAbs. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2 QRL und die Art. 6 bis 8 QRL. Wegen des\ngemeinschaftsrechtlichen Anwendungsvorrangs sowie den insoweit bei Antragen\nauf internationalen Schutz normierten Mindestnormen finden allerdings auch\nAbsatze 1 bis 3 und 5 des Art. 4 QRL Anwendung (Marx, a.a.O., Rdnr. 125). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| **1.)** Es besteht eine ausreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne eines\nernsthaften Risikos, dass der Klager einen ernsthaften Schaden erleidet.\nStichhaltige Grunde sprechen fur die Annahme, dass er bei einer Ruckkehr nach\nNigeria tatsachlich Gefahr lauft, Opfer von Folter oder unmenschlicher oder\nerniedrigender Behandlung oder Bestrafung zu werden (vgl. dazu, dass dieser\nPrognosemaßstab des Art. 4 Abs. 4 i.V.m. Art. 2 e) QRL dem Maßstab der\n„beachtlichen Wahrscheinlichkeit" entspreche: Hess. VGH, Beschl. v. 10.4.2008\n- 3 UE 455/06.A - juris [Rdnrn. 31 und 32]; OVG Schlesw.-Holst., Urt. v.\n21.11.2007 - 2 LB 38/07 -, juris a.a.O., [Rdnr. 21]; Armbruster, a.a.O., Nr.\n6). Diese Repressionen drohen ihm in Gestalt von mehrtagiger\nFreiheitsbeschrankung, Stockschlagen, mehrtagigem Nahrungsentzug sowie\nschließlich Bedrohung mit dem Tod. Eine solche Behandlung hatten der Klager\nund 4 weitere Bandenmitglieder bereits einmal im Dezember 2006 erlitten,\nnachdem sie den vom Anfuhrer A. erhaltenen Auftrag, eine Wahlkampagne in\nYenagoa gewaltsam zu storen, wegen massiver Prasenz von Sicherheitskraften\nnicht ausgefuhrt hatten. Diese Tatsache stellt uberdies zugleich gemaß Art. 4\nAbs. 4 QRL den ernsthaften Hinweis darauf dar, dass der Klager tatsachlich\nGefahr lauft, bei Ruckkehr einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Ihm kommt\nfolglich ein herabgestufter Prognosemaßstab (vgl. auch insoweit die zuvor\nzitierten obergerichtlichen Entscheidungen sowie Kommentarstelle) bzw. eine\nRegelvermutung fur Verfolgungswiederholung zugute. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Stichhaltige Grunde, die gegen eine erneute Bedrohung sprechen, gibt es\nnicht. Beim Anfuhrer der „Red Vultures" handelt es sich um eine gewalttatige\nund skrupellose Person, deren Anweisungen von den anderen Mitgliedern\ngrundsatzlich umgesetzt werden. Überdies spricht alles dafur, dass auch der\nAnfuhrer unter Erfolgsdruck stand. Er hatte namlich von Leuten Geld erhalten,\ndamit seine Bande politische Gegner der Geldgeber storen sollte. Es liegt auf\nder Hand, dass erfolglose Storungsbemuhungen kritische Nachfragen bzw.\nReaktionen der Geldgeber gegenuber dem Anfuhrer hervorrufen wurden. Nachdem\nbereits ein einmaliges Versagen im Dezember 2006 zu drakonischer Bestrafung\nder Operationsteilnehmer gefuhrt hatte, liegt ein entsprechendes Verhalten\nangesichts des erneuten Versagens im Anfang 2007 sowie insbesondere wegen der\neigenmachtigen Lossagung des Klagers von der Bande damit erst recht nahe.\nSogar schlimmere Repressionen bis hin zur Totung sind dann zu befurchten,\nwurde der Klager der Gruppe in die Hande fallen. Dafur spricht auch, dass zwei\nBandenmitglieder, die sich zusammen mit dem Klager zur Flucht entschlossen\nhatten, durch die beiden weiteren - offensichtlich weiterhin dem Anfuhrer A.\nloyal ergebenen - Teilnehmer der Operation zum Jahresbeginn 2007 (als die\nWahlkampagne in Warri gestort werden sollte) erschossen wurden. Es kann nicht\nzu Lasten des Klagers davon ausgegangen werden, dass sich im heutigen\nEntscheidungszeitpunkt bzw. bei seiner Ruckkehr nach Nigeria die Situation\ngeandert haben wird, etwa weil die Bande sich aufgelost hatte oder zerschlagen\nworden ware, oder weil zumindest der Anfuhrer A. einen Sinneswandel\ndurchgemacht hatte oder nicht mehr da ware. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| **2.)** Es gibt ferner auch keine weiteren stichhaltigen Grunde, die dagegen\nsprechen, dass dem Klager ein ernsthafter Schaden droht. Weder stand ihm bei\nAusreise, noch wird - worauf es entscheidend ankommt - ihm bei heutiger\nRuckkehr ein ausreichender Schutz zur Verfugung stehen. Das gilt sowohl im\nRahmen der Art. 6 und 7 QRL, was den Schutz durch den Staat gegenuber den\nnichtstaatlichen Akteuren angeht, als auch bei Anwendung des Art. 8 QRL unter\ndem Gesichtspunkt des internen Schutzes bzw. einer innerstaatlichen\nFluchtalternative. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| **a.)** Schutz durch den nigerianischen Staat konnte und kann der Klager\nnicht in einer Art. 6 c) und 7 QRL entsprechenden Weise erlangen. Das\ninsbesondere in Art. 7 Abs. 2 QRL genannte Erfordernis eines „Zugangs zum\nSchutz" macht deutlich, dass hier ein konkreter individueller Maßstab\nanzulegen ist. In den Blick zu nehmen ist hier insbesondere auch die\nZumutbarkeit des Schutzgesuchs. Unzumutbar kann die Anbringung eines\nSchutzgesuchs im Einzelfall etwa sein, wenn die Gefahr besteht, dass es\nseinerseits Repressalien, Notigungen, Schikanen oder Diskriminierungen durch\nstaatliche Stellen auslost. Gerade hiervon aber muss im Falle des Klagers\nausgegangen werden. Eine Nachsuche um Schutz, die schon aus Grunden der\nEffektivitat nur bei nigerianischen Polizeidienststellen in Betracht gekommen\nware, hatte vorausgesetzt, dass der Klager wesentliche Einzelheiten seiner\nMitwirkung bei den „Red Vultures" offenlegte, um sich als bedrohte Person zu\nerkennen zu geben. Damit aber hatte er zugleich heraufbeschworen, als Mitglied\neiner kriminellen, u.a. fur Raub und Anzapfen von Ölpipelines verantwortlichen\nBande festgenommen und - somit „vom Regen in die Traufe" geratend - unter den\nmenschenrechtswidrigen Haftbedingungen eines nigerianischen Gefangnisses \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| _\\- Ausw artiges Amt,_ Lagebericht vom 6.11.2007, Seite 22; sehr\nausfuhrlich ferner: _L anderbericht des britischen Innenministeriums_ vom\nNovember 2007, Seiten 54 bis 56 - \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| der hohen Gefahr fur Gesundheit oder gar Leben ausgesetzt zu werden.\nEntsprechendes gilt fur den Fall einer heutigen Ruckkehr, sodass vom\nnigerianischen Staat erwiesenermaßen kein Schutz zu erlangen war oder sein\nwird. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| **b.)** Der Klager bedarf schließlich des internationalen Schutzes auch\nheute weiterhin, weil ihm, obwohl „nur" Ziel der Bedrohung durch\nnichtstaatliche Akteure, gleichwohl in Nigeria kein interner Schutz i.S.v.\nArt. 8 QRL zur Verfugung steht. Fur die Ruckkehrprognose ist entscheidend, ob\nein Schutzsuchender internen Schutz finden kann. Die Anwendung der offenen\nUmsetzungsnorm des § 8 QRL (vgl. Abs. 1: „… _k onnen die Mitgliedstaaten\nfeststellen_ …") ist durch § 60 Abs. 11 AufenthG verbindlich bestimmt worden.\nNach Art. 8 Abs. 1 QRL benotigt ein Antragsteller dann keinen internationalen\nSchutz, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine tatsachliche Gefahr,\neinen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht, und von ihm vernunftigerweise\nerwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhalt. Gemaß Art. 8\nAbs. 2 QRL kommt es fur diese Prufung auf die am Ort des internen Schutzes\nbestehenden „allgemeinen Gegebenheiten" und zusatzlich auch auf die\n„personlichen Umstande" des Schutzsuchenden im Zeitpunkt der Entscheidung uber\nden Antrag an. Zur Interpretation des Begriffs der personlichen Umstande ist\nauf Art. 4 Abs. 3 c) QRL zuruckzugreifen, wonach die individuelle Lage und die\npersonlichen Umstande des Antragstellers einschließlich solcher Faktoren wie\nfamiliarer und sozialer Hintergrund, Geschlecht und Alter, bei der\nEntscheidung zugrunde zu legen sind. Zu fragen ist sodann auf der Grundlage\ndieses gemischt objektiv-individuellen Maßstabs, ob von einem Antragsteller\nvernunftigerweise erwartet werden kann, dass er sich am Ort der internen\nFluchtalternative aufhalt (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 25.10.2006 - A 3 S\n46/06 -, juris). Fur den Fall einer Ruckkehr des Klagers in seine\nHeimatgegend, das Niger-Delta bzw. die Region um Warri (Bundesstaat Delta) und\nYenagoa (Bundesstaat Bayelsa), liegt ein fehlender interner Schutz ganz\nbesonders auf der Hand. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte muss namlich davon\nausgegangen werden, dass die „Red Vultures" dort im wesentlichen unverandert\naktiv sind. Der Klager war fast zwei Jahre Mitglied dieser Bande, sodass\ngleichfalls nichts dafur spricht, man werde ihn bei einem (zufalligen)\nZusammentreffen nicht mehr wiedererkennen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Der Klager kann aber auch nicht darauf verwiesen werden, an einem anderen\nOrt innerhalb der Bundesstaaten Delta oder Bayelsa oder in einem anderen der\nubrigen 34 nigerianischen Bundesstaaten Zuflucht zu suchen. Es ist zwar\nuberaus unwahrscheinlich, dass er dort von den „Red Vultures", die nach seinen\nAngaben etwa 30 bis 40 Mitglieder umfassen, entdeckt werden konnte; es spricht\nnamlich nichts dafur, dass diese Gruppe auch außerhalb des Niger-Deltas aktiv\nist. Gleichwohl ist ein Aufenthalt auch in anderen Landesteilen dem Klager\nnicht zumutbar. Im Rahmen des Art. 8 Abs. 2 QRL sind nicht nur die allgemeinen\nGegebenheiten sondern auch die personlichen Umstande des Antragstellers zum\nZeitpunkt der Entscheidung zu berucksichtigen. Das Gericht ist der\nÜberzeugung, dass diese letztgenannte Umstande es dem Klager unmoglich machen,\nin Nigeria Fuß zu fassen. Auch wenn er die Schule besucht hat, so war es ihm\nin der Vergangenheit nicht moglich, seinen Lebensunterhalt durch eine legale\nTatigkeit zu bestreiten. Durch den fruhen Verlust seiner Eltern - der Vater\nwar bereits im Dezember 1990 verstorben, die fur ihn besonders wichtige Mutter\nkam im Marz 2003 bei gewaltsamen Unruhen im Niger-Delta ums Leben - und den\nWeggang seiner Schwester war er auf die Versorgung durch andere Menschen\nangewiesen (zunachst Familie des Freundes O., spater Brother S.) und hatte\nnicht gelernt, ein selbststandiges Leben zu fuhren. Der Klager war in einem\nwichtigen Entwicklungsabschnitt (zwischen dem 13. und 18.Lebensjahr) mehreren\nTraumata ausgesetzt, beginnend mit dem Tod der Mutter im Fruhjahr 2003 und dem\nanschließenden Weggang der alteren Schwester sowie sich spater fortsetzend im\nZwang, bei einer kriminellen Bande mitzuwirken, zu der er uber seinen Freund\nO. und seinen „Ersatzvater" Brother S. kam. Der Klager leidet hierdurch an\neiner mittelschweren PTBS (vgl. die ausfuhrliche Psychologische Stellungnahme\ndes Deutschen Roten Kreuzes vom 10.3.2008, GAS. 33 ff.), die seine\nSelbstbehauptungskrafte im heutigen Zeitpunkt zusatzlich schwacht und ihn\nbesonders anfallig dafur macht, auch kunftig in Nigeria in „falsche Hande" zu\ngeraten bzw. nicht auf zumutbare und legale Weise ein Existenzminimum fur sich\nerstreiten zu konnen. Der dem Klager fehlende soziale und familiare\nHintergrund zwang ihn, bei verschiedenen Menschen Anbindung und\nwirtschaftliche Versorgung zu suchen. Nachdem die Familie seines Schulfreundes\nO. ihn nicht mehr versorgen wollte, ferner nachdem er schließlich auch dem als\nweiteren Versorger aufgetretenen Brother S. eine zu große Last geworden war,\nsah er sich gezwungen, bei den „Red Vultures" mitzuwirken, zu denen O. und\nBrother S. bereits langer gehort, ihm dies aber erst spater offenbart hatten.\nDas beim Klager bereits bis 2007 hervorgerufene Gefuhl der Entfremdung und\nNichtzugehorigkeit wurde sich bei heutiger Ruckkehr noch psychoreaktiv - in\nGestalt einer Retraumatisierung - verstarken (vgl. Psychologische\nStellungnahme, Seite 5) und zu weitergehender Entscheidungs- und\nHandlungsunfahigkeit fuhren. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Dass diese allgemeinen Gegebenheiten und insbesondere personlichen Umstande\ndes Klagers so im wesentlichen auch am Herkunftsort bestunden, ist\nunerheblich. Art. 8 QRL mutet dem Antragsteller nur dann die Vorenthaltung\ninternationalen Schutzes zu, wenn vernunftigerweise erwartet werden kann, dass\ner sich in einem anderen Teil seines Herkunftslandes aufhalt, wo ihm (keine\nGefahr eines ernsthaften Schadens und) keine existenzielle Gefahrdung droht.\nFur die Gewahrung von internationalem Schutz unerheblich ist, ob diese\nGefahrdung an seinem Herkunftsort in gleicher Weise besteht (so jetzt\nausdrucklich BVerwG, Urteile vom 29.5.2008 - 10 C 10.07, 10 C 11.07 und 10 C\n12.07 - bislang nur Pressemeldung auf der Homepage des BVerwG). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| **3.)** Der den zuvor dargestellten rechtlichen Erwagungen zu Grunde gelegte\nSachverhalt ist das Ergebnis einer am Maßstab des Art. 4 QRL erfolgten\nindividuellen Prufung der Ereignisse und Umstande. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| **a.)** Soweit das Gericht dabei die eigenen Angaben des Klagers zugrunde\ngelegt hat, waren diese i.S.v. Art. 4 Abs. 5 QRL substantiiert, koharent und\nplausibel sowie ohne wesentliche Widerspruche; ferner bestehen an der\nGlaubwurdigkeit des Klagers keine Zweifel. Im Rahmen der ausfuhrlichen\nmundlichen Verhandlung konnte sich das Gericht davon uberzeugen, dass der\nKlager von wahren Erlebnissen berichtet hat. Obwohl mittlerweile 18 und\nsichtlich physisch erwachsen, macht er doch weiterhin den Eindruck eines\nschuchternen und verangstigten Jugendlichen bzw. stellenweise sogar Kindes.\nBesonders hervorzuheben ist dabei auch, dass es sich bei seinem geschilderten\nSchicksal um alles andere als eine „einfache" Kausalbeziehung zwischen\nbedrohlichen Ereignissen und anschließender Flucht handelt. Vielmehr haben\nsich die Umstande, die den Klager schließlich zum Verlassen Nigeria gezwungen\nhaben, uber mehrere Jahre hinweg entwickelt bzw. zugespitzt. Zentraler\nAusgangspunkt und zugleich ursprungliches Trauma ist dabei der Tod der fur den\nKlager so wichtigen Mutter bei gewaltsamen Ausschreitungen im Marz 2003 im\nNiger-Delta. Die altere Schwester ging anschließend mit einem Mann weg, ohne\nihn mitzunehmen. Trotz aller Erlebnisse in der Zeit bei den „Red Vultures" hat\nder Klager in der Therapie und in der mundlichen Verhandlung als fur ihn\nSchlimmstes hervorgehoben, dass er keine Eltern und keine Familie mehr hat. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Bewertung der Glaubhaftigkeit und Glaubwurdigkeit des Klagers legt das\nGericht auch seine ausfuhrlichen Angaben im Rahmen der therapeutischen\nBehandlung durch die Psychologische Psychotherapeutin des Deutschen Roten\nKreuzes, Frau S., zu Grunde (vgl. den im Rahmen einer „Narrative Exposure\nTherapy" - NET - erstellten ausfuhrlichen Lebenslauf, GAS. 95 bis 112). An der\nDiagnose einer PTBS hegt das Gericht keine Zweifel. Traumabedingte Storungen\neinschließlich posttraumatischer Belastungsstorungen konnen auch mit\njahrelanger Latenz auftreten (vgl. ausfuhrlich: VG Stuttgart, Urt. v.\n14.1.2008 - A 11 K 4941/07 -, juris), so dass die in der Stellungnahme von\nFrau S. vom 10.4.2008 (GAS. 33 ff.) erfolgte diagnostische Feststellung, der\nKlager habe bereits im Fruhjahr 2003 (Unruhen im Heimatdorf und Tod der\nMutter) ein Trauma erlitten, welches spater durch Erlebnisse in der\nkriminellen Gang reaktualisiert worden sei, keinen Bedenken begegnet. Das, was\nder Klager bei seiner Anhorung vor dem Bundesamt, im Rahmen der\ntherapeutischen Gesprache sowie schließlich gegenuber dem Gericht in der\nmundlichen Verhandlung angegeben hat, ist im wesentlichen konstant geblieben\nund hat stets die Kernerlebnisse erkennen lassen. Soweit im Rahmen der\nTherapie erhebliche Details hinzugekommen sind, stellt das keine schadliche\nSteigerung dar, sondern es erklart sich aus dem zeitlich und personlich\nweitaus intensiveren Ausmaß dieser Gesprache beim Deutschen Roten Kreuz. Auf\ndas Gericht hat der Klager in jedem Moment den Eindruck eines Menschen\ngemacht, der das, was er berichtet, auch erlebt hat. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| An dieser Wurdigung der individuellen Schilderung andert sich auch nichts\ndadurch, dass gewisse Widerspruche aufgetreten sind. Was die Unstimmigkeit von\nDaten angeht (Einstieg bei den „Red Vultures" im Jahr 2005 [Angabe beim\nBundesamt] oder im Dezember 2004 [Angabe in der Therapie]; Storungsaktion in\nWarri Ende Januar 2007 [Angaben beim Bundesamt und vor Gericht] oder Februar\n2007 [Angabe in der Therapie]), kann dies angesichts geringfugigem Abweichen,\nvor allem aber wegen der bei Datumsangaben nicht unublichen\nErinnerungsschwierigkeiten dem Klager nicht entgegengehalten werden. Aber auch\nder an sich erheblichste Widerspruch im Zusammenhang mit der Ausreise aus\nNigeria beeintrachtigt die Glaubhaftigkeit seiner Angaben oder gar die\ngenerelle Glaubwurdigkeit des Klagers nicht. Im Gegenteil reiht sich die\nuberaus detaillierte Darstellung, die er in der Therapie und dann vor dem\nGericht gegeben hat - anders als die Aussage beim Bundesamt, alles sei von\neinem unbekannten Helfer organisiert worden, ohne dass er (der Klager) etwas\nhabe zahlen mussen - plausibel in seine ubrigen Darstellungen ein. Danach traf\ner bei seiner Flucht im Raum Yenagoa auf Schlepper, die ihn nur gegen Geld\nHilfe beim Verlassen des Landes anboten. Geld aber - aufbewahrt bei einer\nBekannten - hatte der Klager aus der Zeit seiner Mitwirkung bei den „Red\nVultures". \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| **b.)** Das Schicksal des Klagers und die Ruckkehrprognose fugen sich\nschließlich auch plausibel in die mit Nigeria „verbundenen Tatsachen" (vgl.\nArt. 4 Abs. 3 a) QRL) ein. Soweit sich in diesen Quellen besondere\nÜbereinstimmungen mit den Angaben des Klagers finden lassen, sind diese\nzusatzlich fettgedruckt hervorgehoben: \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Das olreiche Niger-Delta ist seit mehreren Jahren und bis heute unverandert\neine uberaus konflikttrachtige Region. Dies belegt anschaulich eine Auswahl\nder in ecoi.net - European Country of Origin Information Network zu Nigeria\nunter > Themenpapier > Aktuelle Themen > Gewalt im Zusammenhang mit\nErdolgewinnung aufgefuhrten Erkenntnisquellen: \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| _Human Rights Watch vom 31.1.2008 - World report 2008 - Nigeria_ \n--- \n| 32 \n--- \n| In Nigerias olreichem Niger-Delta haben Militarisierung und Unsicherheit\nzugenommen. **Zahlreiche bewaffnete Gruppen** sind hervorgetreten. Viele davon\nbehaupten, fur mehr Einfluss zu kampfen, gleichzeitig betatigen sie sich auf\nverschiedenste Art und Weise durch kriminelle Aktivitaten. Viele Zivilisten\nwurden im Jahr 2007 von bewaffneten Gruppen und Sicherheitskraften getotet;\nmehr als 200 auslandische Öl-Arbeiter wurden entfuhrt. Viele Regionalpolitiker\nwaren in Finanzierung und Bewaffnung von Milizen involviert \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| _Amnesty international, Jahresbericht 2008_ \n--- \n| 34 \n--- \n| Im Niger-Delta nimmt die Aktivitat militanter Gruppen, u. a. gegen die\nÖlforderung gerichtet, zu. Im April 2007 dehnte sich die Gewalt aus, **weil\nPolitiker bewaffnete Banden einsetzen** , um ihre Gegner zu bekampfen. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| _11.03.2008 - Quelle: US Department of State - Country Report on Human\nRights Practices 2007_ \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Niger-Delta Region hatte die großte Ölindustrie Afrikas, aber seit 2006\nversuchen **militante Gruppen** durch Gewalt und Entfuhrungen mehr Kontrolle\nuber die Ressourcen der Region zu erhalten. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| _5.12.2007 - Quelle: International Crisis Group_ \n--- \n| 38 \n--- \n| Niger-Delta: Bericht uber Sicherheitslage; Angriffe gegen Öleinrichtungen\nund Entfuhrungen nehmen zu. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| _5.12.2007 - Quelle: ReliefWeb_ \n--- \n| 40 \n--- \n| Bericht des Small Arms Survey uber den Umlauf von Handfeuerwaffen in Nigeria\n(Grunde der Gewalt, Maßnahmen zur Entwaffnung, Reformen im Sicherheitssektor,\n**Profile bewaffneter Gruppen im Niger Delta** . \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| _11.08.2007 - Quelle: BBC News_ \n--- \n| 42 \n--- \n| 4 Menschen sterben bei Zusammenstoßen zwischen Banden in Ölregion; diese\nWoche 10 Tote. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| _23.05.2007 - Quelle: Amnesty International, Jahresbericht 2007_ \n--- \n| 44 \n--- \n| Niger-Delta: 2006 stiegen die Angriffe auf Erdolanlagen an. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| _12.3.2007 - Quelle: UN-Office of the High Commissioner for Human Rights_ \n--- \n| 46 \n--- \n| Steigende Gewalt im Niger Delta wegen hoffnungsloser Armut und\nMarginalisierung der Bevolkerung in der Region. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| _6.2.2007 - Quelle: Integrated Regional Information Network_ \n--- \n| 48 \n--- \n| Zahl der Geiselnahmen im Januar fast so hoch wie im gesamten Jahr 2006;\nAnalysten beschuldigen Kandidaten zur kommenden Wahl, Losegeld fur Wahlkampf\nzu verwenden. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| _Januar 2007 - Quelle: Human Rights Watch_ \n--- \n| 50 \n--- \n| **Lokale Politiker** fordern Gewalt ohne strafrechtliche Verfolgung. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| _21.9.2006 - Quelle: Internal Displacement Monitoring Centre_ \n--- \n| 52 \n--- \n| Bewaffnete Gruppen bedienten sich 2006 gewalttatigerer Mittel um großere\nKontrolle uber Öl-Reichtum zu gewinnen; viele wurden vertrieben. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| _23.5.2006 - Quelle: Amnesty International, Jahresbericht 2006_ \n--- \n| 54 \n--- \n| Im Niger-Delta toteten Angehorige der Sicherheitskrafte zahlreiche Menschen\nund zerstorten ganze Dorfer, ohne Bestrafung fur diese Taten furchten zu\nmussen. Die Übergriffe sollten vor allem verhindern, dass es zu einer Storung\nder Ölforderung kam, waren aber auch eine Reaktion auf Proteste der ortlichen\nBevolkerung. Die Exploration und Forderung von Öl fuhrte in der Region\nNigerdelta zur Verwustung ganzer Landstriche und hatte Unrecht und Gewalt zur\nFolge. Die **zunehmende Verbreitung von Kleinwaffen** und die unzureichenden\nEntwaffnungsprogramme der Regierung trugen zu einem Anstieg der Gewalt bei.\nBerichten zufolge wurde die Beschaffung der Waffen zum Teil aus Öldiebstahlen\nfinanziert. Die Sicherheitskrafte konnten ungestraft Dorfer zerstoren und\nMenschen toten. Ganze Dorfgemeinschaften wurden zur Zielscheibe solcher\nOperationen, weil sie angeblich die Ölforderung behinderten oder kriminellen\nBanden Unterschlupf boten. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| _25.5.2005 - Quelle: Amnesty International, Jahresbericht 2005_ \n--- \n| 56 \n--- \n| Die Gewalt im Nigerdelta ebbte 2004 nicht ab. Aus der Region trafen erneut\nMeldungen uber den exzessiven Einsatz von Gewalt durch die Sicherheitskrafte\nund Beamte mit Polizeibefugnissen ein. Im Berichtszeitraum wurden in den\nBundesstaaten Delta, Bayelsa und Rivers viele hundert Menschen getotet. Die\nwirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der Bewohner des Nigerdeltas\n- der großten Erdolforderregion des Landes - wurden weithin nicht respektiert,\nsodass es zunehmend zu Spannungen sowohl innerhalb als auch zwischen den dort\nlebenden Gemeinschaften kam. Verscharft wurde die Situation noch durch den\n**leichten Zugang zu Waffen in der Region** . \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Gerade auch das Jahr 2003 war durch gewalttatige Auseinandersetzungen\ngekennzeichnet, die in der Region von Warri stattfanden. Dort, im Dorf Y.,\nwohnten damals der Klager und seine Mutter. Dass diese bei solchen\nAuseinandersetzungen ums Leben kam, fugt sich in den Tatsachenhintergrund ohne\nweiteres ein. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| _Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24.3.2003_ \n--- \n| 59 \n--- \n| Bei anhaltenden Kampfen zwischen rivalisierenden Stammen und der Armee im\nSuden Nigerias sind bis zum Sonntag **Dutzende von Zivilisten** und den\nSoldaten getotet worden. Hunderte von Dorfbewohnern seien vor den\nAusschreitungen zwischen Angehorigen der Stamme der Ijaw und Itsekiri **s\nudlich der Hafenstadt Warri** geflohen. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| _Frankfurter Rundschau vom 20.3.2003_ \n--- \n| 61 \n--- \n| Regierung Nigerias hat Truppen **in die Stadt Warri** geschickt, um die seit\nfunf Tagen schwelenden Unruhen zu beenden. 12 Menschen kamen ums Leben. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| In den Jahren 2003 und 2004 war zunachst die Region um Warri verstarkt von\nGewalttatigkeiten heimgesucht worden. Die beiden großten militarischen\nGruppierungen, die Niger Delta People´s Voluteer Force und die Niger Delta\nVigilante konzentrierten ihre Aktivitaten spater auf die Region um Port\nHarcourt. Daneben gibt es aber auch viele weitere, kleinere militante Gruppen,\ndie Namen fuhren wie „Icelanders", „Greenlanders, „KKK" und „ **Vultures** ". \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| _Wikipedia, Conflict in the Niger Delta;_ aufrufbar unter\nhttp://en.wikipedia.org/wiki/Conflict_in_the_Niger_Delta. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| Kranke Menschen finden zwar in nigerianischen Großstadten grundsatzlich eine\nausreichende medizinische Versorgung vor. Mangels einer allgemeinen\nKrankenversicherung muss die Behandlung jedoch sowohl in privaten als auch in\nstaatlichen Behandlungseinrichtungen selbst bezahlt werden, setzt also mehr\nals das Vorhandensein ein bloßes Existenzminimum sichernder Mittel voraus.\nSpeziell bei psychischen Leiden ist die Versorgungssituation sogar durch noch\nschlechtere Rahmenbedingungen gekennzeichnet. So konnen **Personen, die einer\nTraumabehandlung bed urfen** , in Nigeria normalerweise keine qualifizierte\narztliche Hilfe in Anspruch nehmen. **PTSD** wird dort als Stigma angesehen\nund nicht als ein Krankheitsbild, das eine Behandlung erfordert. \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| _Ausw artiges Amt_ , Lagebericht am 6.11.2007, S. 33; vgl. m.w.N. _ACCORD_\n, Behandelbarkeit von PTSD in Nigeria, 26.9.2006; _Norwegian Country of Origin\nInformation Center_ , August 2006 - Report: Fact-finding trip to Nigeria,\nSeite 25 ff.; allgemein dazu, dass behinderte Menschen in Nigeria\nweitverbreiteter sozialer Ächtung, Diskriminierung und Ausbeutung ausgesetzt\nsind: _US-Department of State M arz 2008_ \\- Nigeria, Country Reports 2007. \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| Die wirtschaftliche und soziale Existenzsicherung basiert in Nigeria vor\nallem auf unterstutzenden Familiennetzwerken. Diese gewinnen gerade auch fur\nnigerianische Binnenfluchtlinge und Migranten eine besondere Bedeutung. **Wo\nein famili arer Ruckhalt fehlt** , konnen ersatzweise Beziehungen zu\nreligiosen oder politischen Vereinigungen aber auch zu Geheimgesellschaften in\nBetracht kommen. \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| _Norwegian Country of Origin Information Center,_ August 2006 - Report on\nFact-finding trip to Nigeria, Seite 9 \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| **4.)** Es liegen schließlich auch keine Grunde vor, die den Klager von der\nGewahrung von Abschiebungsschutz ausschließen wurden. Der Anspruch nach § 60\nAbs. 2 bis 7 AufenthG wird nicht vom Ausschlussgrund in § 60 Abs. 8 und 9\nAufenthG erfasst. Auch Art. 17 QRL steht der Feststellung von\nAbschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht entgegen. Art. 17\nAbs. 1 QRL ist vom Gesetzgeber nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt\nworden und gehort auch nicht zu den Vorschriften der Qualifikationsrichtlinie,\ndie nach § 60 Abs. 11 AufenthG auf die Feststellung von Abschiebungsverboten\nnach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG anwendbar sind. Eine unmittelbare\nAnwendbarkeit der Qualifikationsrichtlinie zu Lasten eines Schutzsuchenden ist\nnicht moglich (vgl. zum Vorstehenden: Armbruster, a.a.O., Nr. 8. m.w.N.). Im\nubrigen wurde der Klager aber auch keinen der Tatbestande des Art. 17 Abs. 1\nQRL erfullen. Die von ihm begangenen Straftaten lagen im Bereich von\nEigentums- und Vermogensdelikten. Im Übrigen darf auch nicht außer acht\ngelassen werden, dass der Klager in der maßgeblichen Zeit von 2005 bis 2007\nnoch minderjahrig und nach den gesamten Umstanden zur Mittaterschaft gezwungen\nwar. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n| 69 \n--- \n| In der Abschiebungsandrohung hatte Nigeria nach dem zuvor Dargelegten\nfolglich nicht als Zielstaat bestimmt werden durfen. Dies fuhrt nicht zur\nAufhebung der Abschiebungsandrohung als solcher, vielmehr ist nur die in ihr\nenthaltene Zielstaatsbezeichnung nach § 59 Abs. 3 AufenthG rechtswidrig und\ndeshalb auch nur diese aufzuheben (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.9.2007 - 10 C 8.07\n-, juris, nunmehr auch fur ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG;\nferner Armbruster, a.a.O., § 59 AufenthG - zu Abs. 3 12/2007). \n--- \n--- \n**IV.** \n--- \n| 70 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 83 b AsylVfG.\nSeit dem 1.1.2005 besteht aufgrund der Gleichbehandlung der\nAbschiebungsverbote des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (vgl. §§ 25 Abs. 3, § 59\nAbs. 3 AufenthG) zwar kein Rangverhaltnis mehr unter diesen (VG Stuttgart,\nUrt. v. 21.1.2008 - A 11 K 552/07 -, juris). Gegenuber der vom Klager\nerfolglos geltend gemachten Zuerkennung der Fluchtlingseigenschaft (zu deren\nkostenrechtlicher Bedeutung vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.12.2006 - 1 C 29/03 -\nNVwZ 2007, 469) uberwiegt dies gleichwohl jedoch nicht. \n---\n\n
161,161
lsgbw-2008-08-25-l-1-u-58308
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 1 U 583/08
2008-08-25
2019-01-10 12:12:52
2019-01-17 12:06:02
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts\nFreiburg vom 17. Januar 2008 wird zuruckgewiesen.\n\nDie Beklagte tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\nDie Revision wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Im Streit steht die Rechtmaßigkeit der Beitragsberichtigungsbescheide fur\ndie Jahre 1999 bis 2002 bzw. die Beitragsfestsetzung fur das Jahr 2003 und die\ndamit verbundene Aufforderung zur Nachzahlung von 13.728,15 EUR fur die Jahre\n1999 bis 2002. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin betreibt ein Brauereigasthaus (Gewerbeanmeldung der Stadt F.\nvom 1. Juni 1990). In ihrer Anmeldung zur Beklagten hat die Klagerin als\nUnternehmensgegenstand die Errichtung und den Betrieb einer Hausbrauerei\nangegeben, auf die Frage nach dem Hauptbetrieb „Brauerei" mit einem\nFragezeichen versehen und darunter vermerkt „langfristig sicher Gaststatte"\nund die Frage nach weiteren Grundstucken verneint. Daneben hat die Klagerin\nvon April 1993 bis Mai 2000 das Speiserestaurant K. in F. betrieben. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Veranlagungsbescheid vom 24. Oktober 1989 veranlagte die Beklagte das\nGesamtunternehmen zur Gefahrklasse 2,9 (Gefahrtarifstelle 12) des ab 1. Januar\n1988 geltenden Gefahrtarifs („Herstellung von Erfrischungsgetranken,\nBrauereien, Bauereiniederlagen"). Die bei der Klagerin erzielten\nArbeitsentgelte wurden in den Beitragsbescheiden fur die Jahre 1989 bis 1998\ninsgesamt dem Unternehmensbereich Produktion (Gefahrklasse 2,9 bzw. ab 1993\nbei Gefahrtarifstelle 39 [Brauereien] Gefahrklasse 3,1) zugewiesen. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Bescheid uber die Veranlagung zu den Gefahrklassen vom 10. August 1999\nveranlagte die Beklagte das Gesamtunternehmen der Klagerin (Brauerei) ab 1.\nJanuar 1999 wie folgt: \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| \n--- \n| Gefahrtarifstelle \n--- \n| Unternehmensbereich \n--- \n| Gefahrklasse \n--- \n| 32 \n--- \n| Produktion \n--- \n| 4,00 \n--- \n| 33 \n--- \n| Buro/Verwaltung \n--- \n| 1,00 \n--- \n| 37 \n--- \n| Vertrieb/Verkauf/Lager/sonstige Tatigkeiten \n--- \n| 2,60 \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Weiter war ein „wichtiger Hinweis fur die Erstattung der Lohn- und\nBeschaftigungsnachweise" beigefugt. Die Klagerin wurde aufgefordert, um eine\nordnungsgemaße Beitragsberechnung und dadurch eine gerechte Beitragsverteilung\nzu gewahrleisten, im Lohn- und Beschaftigungsnachweis nicht nur die\nGesamtarbeitsstunden und das Gesamtarbeitsentgelt nachzuweisen, sondern auch\ndie Aufteilung auf die Unternehmensbereiche („Davon-Zahlen") exakt\nvorzunehmen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Bescheid vom 5. April 2000 setzte die Beklagte den Beitrag fur das Jahr\n1999 in Hohe von 25.302,94 DM fest, mit Bescheid vom 5. April 2001 den Beitrag\nfur das Jahr 2000 in Hohe von 15.924,84 DM, fur 2001 in Hohe von 8.288,11 EUR\n(Bescheid vom 11. April 2002), mit Bescheid vom 3. April 2003 den Beitrag fur\n2002 in Hohe von 10.169,54 EUR. Dabei wurden die Entgelte jeweils in der\nGewerbegruppe 93 (Brauerei) zur Tarifstelle 32, Gefahrklasse 4,0 (Produktion),\nder Gefahrtarifstelle 33 mit Gefahrklasse 1,0 (Buro/Verwaltung) und der\nTarifstelle 37 mit der Gefahrklasse 2,6 (Vertrieb/Verkauf/Lager/sonstige\nTatigkeiten) des Gefahrtarifs zugeordnet. In den der Beitragsberechnung\njeweils zugrunde liegenden Entgeltnachweisen hatte die Klagerin das\nGesamtbruttoarbeitsentgelt aufgeteilt nach den Bereichen Produktion,\nkaufmannische und verwaltende Tatigkeiten (Buro) sowie\nVertrieb/Verkauf/Lager/sonstige Tatigkeiten angegeben. Die jeweiligen\nBeitragsbescheide haben diese Aufteilung entsprechend in die Berechnung des\nBeitrags ubernommen und den jeweiligen Gefahrklassen zugeordnet. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Im Rahmen der am 2. Juni 2003 durchgefuhrten Betriebsprufung stellte die\nBeklagte fest, dass die wirtschaftliche Zielsetzung des Gesamtunternehmens der\nBetrieb einer Gaststatte sei. Die Brauerei verfolge keine eigenen\nwirtschaftlichen Ziele und ware in ihrer jetzigen Form ohne die Gaststatte\nwirtschaftlich nicht existenzfahig. Daher sei die Brauerei\nunfallversicherungsrechtlich als Hilfsunternehmen des Gastronomiebetriebs\neinzustufen. Die Veranlagung sei in die Tarifstelle 4 (Gaststatten und\nBeherbergungsgewerbe und deren Serviceunternehmen, Gewerbegruppe 16\nGefahrklasse 4,5 - wohl zutreffend: 3,8) zu andern. Auch sei das Service-\nPersonal zu Unrecht in den Lohnnachweisen unter „Vertrieb, Verkauf, sonstige\nTatigkeit" eingruppiert worden, wahrend es unter die zentrale Gefahrenklasse\n(Produktion) hatte gefasst werden mussen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Bescheiden vom 8. Marz 2004 setzte die Beklagte die Beitrage fur die\nJahre 1999 bis 2002 neu bzw. den Beitrag fur 2003 erstmalig und eine\nNachforderung in Hohe von 13.728,15 EUR fest. Dabei wurden in den jeweiligen\nBeitragsbescheiden die Lohnsummen aus den Bereichen Produktion sowie\nVertrieb/Verkauf/Lager/sonstige Tatigkeiten addiert und in Summe der (im\nVergleich zum Unternehmensbereich Vertrieb/Verkauf etc. hoheren) Gefahrklasse\nProduktion zugeordnet worden. Die Veranlagung als Brauerei wurde unverandert\nbelassen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Dagegen erhob die Klagerin Widerspruch und brachte vor, der Beklagten sei\nder Betriebstyp einer Gasthausbrauerei von Anfang an bekannt gewesen. Man\nbitte, die berichtigten Bescheide zuruck zu nehmen und kunftig die Bereiche\nBrauerei und Gastronomie getrennt zu veranlagen. Auch sei die Zuordnung des\nServicepersonals zum Bereich „Vertrieb" zutreffend erfolgt; die Beklagte habe\nim Übrigen das ihr nach § 168 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII)\nzustehende Ermessen nicht ausgeubt. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Am 27. Mai 2005 hat die Klagerin Untatigkeitsklage zum Sozialgericht\nFreiburg (SG) erhoben (Az.: S 10 U 2112/05) und zur Begrundung ausgefuhrt, die\nBehauptung der Beklagten, sie habe unrichtige Angaben in den Lohnnachweisen\ngemacht, die es rechtfertigen wurden, die Beitragsbescheide nach § 168 Abs. 2\nSGB VII ruckwirkend zu andern, sei unzutreffend. Vielmehr habe allein die\nBeklagte die unrichtige Zuordnung der richtigen Angaben zu vertreten. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2005 hat die Beklagte den Widerspruch\nder Klagerin zuruckgewiesen. Die Voraussetzungen fur eine Veranlagung des\nServicepersonals in der Gefahrtarifstelle 37, wie sie in Teil II Nr. 4 a und 4\nb des Gefahrtarifs aufgefuhrt seien, seien im klagerischen Unternehmen nicht\nerfullt. Die Beitragsbescheide hatten nach § 168 Abs. 2 SGB VII ruckwirkend\ngeandert werden konnen, da die Entgeltnachweise unrichtige Angaben enthalten\nhatten. § 168 Abs. 2 SGB VII verlange eine Ermessensausubung. Fur die\nRucknahme der Beitragsbescheide spreche das offentliche Interesse, das im\nWesentlichen aus der Einhaltung der Beitragsgerechtigkeit als Ausdruck des\nRechtsstaatsprinzips bestehe. Der Belastungsgleichheit aller Beitragszahler\nsei grundsatzlich Vorrang vor den Interessen Einzelner einzuraumen. Maßgeblich\nsei die tatsachliche objektive Unrichtigkeit; ein Verschulden sei unerheblich.\nWesentliche Grunde, die gegen eine Rucknahme sprechen wurden, z.B. eine\nUnzumutbarkeit aufgrund der gesamten wirtschaftlichen Verhaltnisse oder ein\nVerschulden der Beklagten, lagen nicht vor. Das grundsatzlich eingeraumte\nErmessen sei daher auf Null reduziert. Auch ein sozialrechtlicher\nHerstellungsanspruch greife nicht ein. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Daraufhin erklarten die Beteiligten die beim SG anhangige Untatigkeitsklage\nim Vergleichsweg fur erledigt. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Gegen die Beitragsberichtigungsbescheide vom 8. Marz 2004 in der Gestalt\ndes Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2005 hat die Klagerin am 22. Juli 2005\nKlage beim SG erhoben und verweist zur Begrundung im Wesentlichen auf ihr\nbisheriges Vorbringen. Daruber hinaus fuhrt sie aus, die Beklagte strebe mit\nden Nachforderungsbescheiden in Wahrheit eine Abanderung des bestandskraftigen\nVeranlagungsbescheids an, was rechtlich unzulassig sei. Zudem verkenne die\nBeklagte, dass das Unternehmen der Klagerin nicht als Brauerei anzusehen sei.\nMit den Korrekturbescheiden wurde damit nicht die unzutreffende Veranlagung\nkorrigiert, sondern die unzutreffende Veranlagung belassen und lediglich das\nArbeitsentgelt der weiterhin falschen Gefahrtarifstelle zugeordnet. Auch die\ndurchgefuhrten Erwagungen zur Ermessensausubung seien fehlerhaft, da sie keine\nAbwagung der jeweiligen Interessenlage im konkreten Fall erkennen lasse. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beklagte hat erwidert, sie habe keine Änderung der Veranlagung fur die\nVergangenheit durchgefuhrt. Daruber hinaus berechtige nicht die bloße\nMoglichkeit, Entgelte fur Vertrieb etc. getrennt nachzuweisen, automatisch\nauch zum entsprechenden Nachweis, wenn die Voraussetzungen nicht vorliegen\nwurden. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Das SG hat am 14. Marz 2006 einen Termin zur Erorterung der Sach- und\nRechtslage mit den Beteiligten durchgefuhrt. Auf den Inhalt der\nSitzungsniederschrift wird Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Mit Gerichtsbescheid vom 17. Januar 2008 hat das SG die angefochtenen\nBescheide aufgehoben und zur Begrundung ausgefuhrt, die angefochtenen\nBescheide seien mangels ordnungsgemaßer Ermessensausubung rechtswidrig und\ndaher aufzuheben. Die Beitragsberichtigungsbescheide vom 8. Marz 2004 seien\nreine Abrechnungsbescheide, Ermessenserwagungen nicht erkennbar. Der\nWiderspruchsbescheid habe diesen Mangel nicht geheilt. Insbesondere die von\nder Beklagten angenommene Ermessensreduzierung auf Null konne nicht\nnachvollzogen werden, da Argumente, die die eigentliche Ermessensentscheidung\nzu einer gebundenen hatten werden lassen, von der Beklagten nicht vorgebracht\nworden seien. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Gegen den ihr am 28. Januar 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die\nBeklagte am 6. Februar 2008 Berufung eingelegt. Zur Begrundung tragt sie vor,\nsie habe Ermessen ordnungsgemaß ausgeubt. Daruber hinaus sei in Literatur und\nRechtsprechung umstritten, ob § 168 Abs. 2 SGB VII uberhaupt eine\nErmessensnorm darstelle; jedenfalls durften an die Ermessensausubung keine\nubersteigerten Anforderungen gestellt werden. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Januar 2008\naufzuheben und die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Sie stutzt sich zur Begrundung im Wesentlichen auf den Inhalt der\nangefochtenen Entscheidung des SG und das eigene Vorbringen im Klageverfahren. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten\nbeider Instanzen verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 25 \n--- \n| Die gemaß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151\nSGG auch im Übrigen zulassige Berufung ist unbegrundet. Die Beklagte war nicht\nberechtigt, nach § 168 Abs. 2 SGB VII ruckwirkend Beitrage neu zu berechnen,\nda es bereits an unrichtigen Angaben der Klagerin in den Lohnnachweisen fehlt,\nsie jedenfalls aber das ihr in § 168 Abs. 2 SGB VII eingeraumte Ermessen nicht\nordnungsgemaß ausgeubt hat. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Gemaß § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB VII hat der Unternehmer zur Berechnung der\nUmlage innerhalb von sechs Wochen nach Ablauf eines Kalenderjahres die\nArbeitsentgelte der Versicherten und die geleisteten Arbeitsstunden in der vom\nUnfallversicherungstrager geforderten Aufteilung zu melden (Lohnnachweis). Der\nUnfallversicherungstrager teilt den Beitragspflichtigen den von ihnen zu\nzahlenden Beitrag schriftlich mit (§ 168 Abs. 1 SGB VII). Der Beitragsbescheid\ndarf mit Wirkung fur die Vergangenheit zuungunsten der Beitragspflichtigen nur\ndann aufgehoben werden, wenn der Lohnnachweis unrichtige Angaben enthalt oder\nsich die Schatzung als unrichtig erweist (§ 168 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Klagerin hat in den Nachweisen zur Beitragsberechnung ab dem Jahr 2000\ndas Gesamtarbeitsentgelt ihrer Beschaftigten auf die Unternehmensbereiche\nProduktion, kaufmannische und verwaltende Tatigkeiten sowie\nVertrieb/Verkauf/Lager/sonstige Tatigkeiten aufgeteilt, entsprechend der\nVeranlagung der Klagerin durch den Veranlagungsbescheid vom 10. August 1999. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Nach Teil II des ab 1. Januar 1999 geltenden Gefahrtarifs Ziff. 4 b ist der\nVertrieb selbst hergestellter Waren gesondert zu den unter den\nGefahrtarifstellen 34 bis 38 festgesetzten Gefahrklassen zu veranlagen, wenn\ner die Bedingungen des Buchstabens a erfullt und uberwiegend außerhalb des\nGrundstucks des Herstellungsunternehmens erfolgt; wird nicht an Ort und Stelle\nverzehrt, sondern geschieht der Vertrieb uber Ladengeschafte, genugt es, wenn\ndie Bedingungen des Buchstaben a erfullt sind. In Nr. 4 a ist bestimmt, dass\nfur den Fall, dass sich ein Unternehmen aus mehreren Unternehmensteilen\nzusammensetzt (Hauptunternehmen, Nebenunternehmen), jeder Unternehmensteil\ngesondert veranlagt wird, wenn er von den anderen raumlich getrennt ausgeubt\nwird, ein eigener Personalstamm fur ihn vorhanden ist und das Arbeitsentgelt\ngetrennt nachgewiesen werden kann. Unternehmensteile, bei denen eine dieser\nVoraussetzungen fehlt, werden nach der Gefahrklasse des Hauptunternehmens\nveranlagt. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Beklagte hat dazu ausgefuhrt, dass das Servicepersonal der Gaststatte\nschon deshalb nicht der Gefahrtarifstelle 37 zuzuordnen sei, weil die\nVoraussetzungen fur einen „Vertrieb" im Sinne der Gefahrtarifstelle 37 in\nVerbindung mit Teil II Ziff. 4 b des Gefahrtarifs nicht vorliegen wurden.\nDaher habe die Klagerin auch im Sinne des § 168 Abs. 2 SGB VII unrichtige\nAngaben gemacht. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Der Senat geht jedoch bei seiner Beurteilung davon aus, dass der\nVeranlagungsbescheid den Maßstab fur die Beurteilung bildet, was objektiv\nunrichtig ist oder nicht, auch wenn dieser moglicherweise seinerseits objektiv\nrechtswidrig, aber bestandskraftig ist, da Veranlagungs- und Beitragsbescheid\naufeinander aufbauen (vgl. insoweit BSG vom 5. Juli 2005 - SozR 4-2700 § 157\nNr. 2) und Teil II Ziff. 1 b des Gefahrtarifs deutlich macht, dass die\nfestgesetzten Gefahrklassen alle Tatigkeiten fur ein Unternehmen erfassen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Beklagte verkennt, dass die Gefahrtarifssatzung fur die\nBeitragserhebung keine unmittelbare Wirkung zeitigt, sondern der Umsetzung\ndurch den Veranlagungsbescheid bedarf. Der Veranlagungsbescheid ist die fur\nden Beitragspflichtigen verbindliche Festsetzung, nach welchem\nGefahrdungsrisiko das Unternehmen nach der gultigen Satzung eingestuft wird\n(standige Rechtsprechung, vgl. BSG SozR 2200 § 734 Nr. 4). Der\nVeranlagungsbescheid der Beklagten hat insoweit die bestandskraftige Regelung\ngetroffen, dass das Unternehmen mit drei Unternehmensbereichen zu drei\nunterschiedlichen Gefahrklassen als Ausdruck eines unterschiedlich\neinzuschatzenden Gefahrdungsrisikos zu behandeln ist. Die im\nVeranlagungsbescheid genannten Unternehmensbereiche sind nach der Satzung\neiner getrennten Veranlagung zur eigenen Gefahrtarifstelle auch zuganglich.\nDie Gefahrtarifstelle 37 erfasst nicht nur den Vertrieb von Waren, sondern\nauch den Verkauf, das Lager und sonstige Tatigkeiten. Eine Tatigkeit, die den\nAbsatz der Waren bezweckt, ist dem Gefahrdungsrisiko dieser Gefahrtarifstelle\nsowohl nach Sinn und Zweck wie auch nach dem Wortlaut der Satzungsregelung\nzuzuordnen. Damit entspricht die Aufteilung der Lohnnachweise auf die\nBrauereitatigkeit (Produktion), Verwaltung und das Servicepersonal der konkret\nvorgenommenen, verbindlichen Veranlagung der Klagerin. Eine andere Zuordnung\ndes Servicepersonal war nach dem Veranlagungsbescheid nicht moglich, auch wenn\ndas Betreiben einer Gaststatte im Gefahrtarif gesondert in der\nGefahrtarifstelle 16 (Gefahrtarif 1988) bzw. in der Gefahrtarifstelle 4\n(Gefahrtarif 1999) erfasst ist. Die - hier rechtswidrige - Zuordnung eines\nHilfs- oder Nebenunternehmens erlaubt nach der Satzung gerade die pauschale\nErfassung des Warenabsatzes, weshalb die Regelung des Veranlagungsbescheids zu\nder Gefahrtarifstelle 37 auch nicht ins Leere ging. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Insoweit ist aus Sicht des Empfangers des Veranlagungsbescheids, der\nverschiedene Tatigkeitsbereiche seines Unternehmens im Lohnnachweis\nentsprechend den vorgegebenen Gefahrtarifstellen nachzuweisen hat, eine\nZuordnung des Entgelts des Servicepersonals nach dem objektiven\nEmpfangerhorizont vorzunehmen. Die Klagerin hatte die Entgelte der\nMitarbeiter, die fur den Verkauf der in der Brauerei hergestellten Waren und\nder in der Gaststatte ansonsten angebotenen Speisen und Getranken zustandig\nsind, einer der von der Beklagten vorgegebenen Gefahrtarifstellen zuzuordnen.\nDa das Servicepersonal den Verkauf der Waren bewerkstelligt, war die Zuordnung\ndieser Entgelte zur Gefahrtarifstelle 37 nicht nur naheliegend, sondern auch\nobjektiv richtig, sei es unter Zugrundelegung einer engen Interpretation der\nServicekraft in einer Gaststatte als Verkaufspersonal oder in der Subsumtion\nunter „sonstige Tatigkeiten", die sich mit dem Vertrieb, Verkauf und\nLagertatigkeiten vergleichen lassen. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Schon deshalb ist der Senat der Auffassung, dass keine objektiv\n„unrichtigen" Angaben in den Lohnnachweisen enthalten sind, wenn das Entgelt\ndes Servicepersonals dem Unternehmensbereich Vertrieb/Verkauf/Lager/sonstige\nTatigkeiten zugeordnet wird. Ob die Voraussetzungen fur die Zuordnung des\nServicebereichs unter die Alternative „Vertrieb" unter Verweis auf Teil II\nZiff. 4 a i.V.m. Ziff. 4 b erfullt sind, ist deshalb unbeachtlich. Gleiches\ngilt fur die Frage, ob und inwieweit bei einer - insoweit zwischen den\nBeteiligten unstreitig - unrichtigen Veranlagung des Betriebs mit einer\nBrauerei als Hauptunternehmen die Gaststatte uberhaupt zutreffend als\nNebenunternehmen im Sinne des Teils II Ziff. 4 a i.V.m. 4 b hatte qualifiziert\nwerden konnen, was jedoch ebenfalls Voraussetzung dafur ware, „Vertrieb" im\nSinne der genannten Vorschriften anzunehmen. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Einwande der Beklagten vermogen dem gegenuber nicht zu uberzeugen. Sie\nhat zur Begrundung insoweit im Wesentlichen ausgefuhrt, allein die\n„Moglichkeit", Entgelte von Beschaftigten zur Gefahrtarifstelle 37 zu\nveranlagen, wie sie durch den Veranlagungsbescheid geschaffen worden sei,\nrechtfertige noch nicht die entsprechende Meldung, wenn die Voraussetzungen\nnicht vorliegen wurden. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass eine\nVeranlagung zur entsprechenden Gefahrtarifstelle nur erfolgen kann, wenn auch\ndie Voraussetzungen fur die Zuordnung erfullt sind. Genau dies ist jedoch der\nFall gewesen. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Daruber hinaus hat die Beklagte den Betrieb der Klagerin auch in den Jahren\n1999 bis 2003 als Brauerei gefuhrt. Der Betrieb der Brauereigaststatte war ihr\njedoch bekannt gewesen, auch im Jahr 1999, als die Klagerin neu veranlagt\nworden ist. Welcher Gefahrklasse das Servicepersonal in der Gaststatte hatte\nzugeordnet werden konnen, wenn nicht der Gefahrtarifstelle 37, hat die\nBeklagte nicht widerspruchsfrei dargelegt. Soweit sie dies in den\nangefochtenen Bescheiden versucht hat, uber die Gefahrtarifstelle 32\n„Produktion" zu losen, ist dieser Weg offensichtlich unrichtig. Denn das\nServicepersonal hat mit der Produktion der Lebensmittel, weder dem Bier,\nsonstiger Getranke noch den verkauften Speisen, etwas zu tun. Daruber hinaus\nkann dem vorliegenden Gefahrtarif Teil II auch nicht entnommen werden, dass\ndie fur den Bereich Produktion vergebene Gefahrklasse quasi als\n„Auffanggefahrklasse" zu verstehen ist. Damit fuhren die „korrigierten"\nBeitragsbescheide erst zu einer unrichtigen Zuordnung der einzelnen\nGeschaftsbereiche, wenn als Unternehmenszweck „Brauerei" beibehalten wird.\nDaher ist auch der Einwand der Klagerin, die Beklagte versuche, uber den Weg\nder Verschiebung von Lohnsummen zwischen den Gefahrklassen die unrichtige und\nfur die Vergangenheit nicht mehr zu andernde Veranlagung quasi durch die\nHintertur zu „korrigieren", durchaus nachvollziehbar. Jedenfalls hat die\nBeklagte nichts vorgetragen, was rechtfertigen konnte, fur den Fall, dass wie\nhier die engen Voraussetzungen fur die ruckwirkende Neuveranlagung des § 160\nSGB VII nicht vorliegen, eine Neuzuordnung der Lohnsummen im Rahmen des § 168\nAbs. 2 SGB VII vorzunehmen und dabei die unzutreffende Veranlagung des\nGesamtbetriebs, die auch der weiteren Zuordnung der Arbeitsentgelte ihr\nGeprage gibt, unverandert zu lassen. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Doch selbst wenn man davon ausgehen wurde, dass Maßstab fur die Bewertung\nder objektiven Unrichtigkeit nicht der - bestandskraftige -\nVeranlagungsbescheid, sondern die tatsachlichen Verhaltnisse sind und deshalb\ndie Klagerin objektiv unrichtige Angaben schon deshalb gemacht hatte, weil sie\nnicht als Brauerei zu veranlagen gewesen ware und ihr deshalb auch keine\nGefahrtarifstelle 37 zuzuordnen gewesen ware, war die Berufung zuruckzuweisen.\nDenn die Beklagte hat von dem ihr in § 168 Abs. 2 SGB VII eingeraumten\nErmessen nicht ordnungsgemaß Gebrauch gemacht. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Der Senat vertritt, wie das SG, die Auffassung, dass die Beklagte bei der\nEntscheidung uber die ruckwirkende Aufhebung der Bescheide Ermessen auszuuben\ngehabt hatte. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Fur die Notwendigkeit, eine Ermessensentscheidung zu treffen, spricht der\nWortlaut der Vorschrift „darf". Hatte der Gesetzgeber eine gebundene\nEntscheidung gewollt und die Berufsgenossenschaft verpflichten wollen, beim\nVorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 168 Abs. 2 SGB VII ruckwirkend\nhohere als die ursprunglich festgesetzten Beitrage zu erheben, ware die\nFormulierung „wird aufgehoben , wenn ..." oder „wird nur aufgehoben , wenn\n..." zu erwarten gewesen. Dies wird durch die Gesetzesbegrundung zu § 168 Abs.\n2 SGB VII bestatigt, in der es heißt: „Die Vorschrift zahlt die Falle auf, in\ndenen ein Beitragsbescheid mit Wirkung fur die Vergangenheit zu Ungunsten des\nUnternehmers aufgehoben werden kann; sie entspricht im Wesentlichen dem\ngeltenden Recht (§ 749 RVO). Im ubrigen richtet sich die Aufhebung von\nBeitragsbescheiden nach den §§ 44 ff. SGB X" (BT-Drucksache 13/2204). Auch\ndiese Formulierung „kann" und der Hinweis auf die §§ 44 ff SGB X sprechen\ndafur, dass § 168 Abs. 2 SGB VII Ermessen verlangt. Angesichts dessen schließt\nsich der Senat der neueren Rechtsprechung der Landessozialgerichte (LSG) an,\ndie § 168 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII als Ermessensvorschrift ansehen (LSG Baden-\nWurttemberg, Beschluss vom 10. Juli 2007 - L 7 U 2777/07 - ER-B und Urteil vom\n29. Januar 2008 - L 9 U 5354/05; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Marz\n2007 - L 2 U 46/03; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. Februar 2004 - L 2\nER 59/03 U; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Februar 2008 - 2 U 221/06)\nsowie der uberwiegend vertretenen Literaturmeinung (Platz in Lauterbach,\nUnfallversicherung, 4. Aufl., Stand April 2007, § 168 SGB VII RdNr. 4;\nFreischmidt in Hauck, SGG VII, Gesetzliche Unfallversicherung, § 168 RdNr. 11;\nBereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Januar 2008, §\n168 SGB VII RdNr. 4). Dagegen wurde die Notwendigkeit von Ermessen vom LSG\nNiedersachsen, Urteil vom 29.7.1997 - L 3 U 223/97 - in Breithaupt 1997 Seite\n939, 942 m.w.N. verneint. Aus dem Urteil des LSG Berlin vom 30.4.2002 - L 2 U\n55/00 - in JURIS lasst sich nicht entnehmen, dass das LSG Ermessen fur\nerforderlich gehalten hatte. Das Sozialgericht (SG) Dortmund, Urteil vom\n25.7.2002 - S 17 U 45/00 - halt die Berufsgenossenschaft nach § 749 Nr. 3 RVO\nfur verpflichtet, einen Änderungsbescheid zu erlassen. Ricke im Kassler\nKommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand September 2007, § 168 SGB VII RdNr.\n4 sowie Bigge in jurisPR SozR 22/07 Anm. 3 und in die BG 2008 S. 133 ff\nverneinen die Notwendigkeit von Ermessen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat\nsich mit der Frage von Ermessen bei § 749 RVO nicht auseinandergesetzt, ein\nsolches aber auch nicht gefordert (BSG, Urteile vom 12.12.1985 in SozR 2200 §\n734 Nr. 5 und 6). \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Das ihr eingeraumte Ermessen hat die Beklagte nicht rechtsfehlerfrei\nausgeubt, insbesondere sind die Voraussetzungen der von ihr (hilfsweise)\nangenommenen Ermessensreduzierung auf Null nicht gegeben. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Gemaß § 35 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) muss die\nBegrundung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen\nlassen, von denen die Behorde bei der Ausubung ihres Ermessens ausgegangen\nist. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| In den Ausgangsbescheiden vom 8. Marz 2004 hat die Beklagte keinerlei\nErmessen ausgeubt. Sie hat lediglich „Beitragsberichtigungsbescheide"\nerlassen. Im Widerspruchsbescheid hat die Beklagte ausgefuhrt, fur die\nRucknahme der Beitragsbescheide spreche das offentliche Interesse, das im\nWesentlichen aus der Einhaltung der Beitragsgerechtigkeit als Ausdruck des\nRechtsstaatsprinzips bestehe. Der Belastungsgleichheit aller Beitragszahler\nsei grundsatzlich Vorrang vor den Interessen Einzelner einzuraumen. Maßgeblich\nsei die tatsachliche objektive Unrichtigkeit; ein Verschulden sei unerheblich.\nWesentliche Grunde, die gegen eine Rucknahme sprechen wurden, z.B. eine\nUnzumutbarkeit aufgrund der gesamten wirtschaftlichen Verhaltnisse oder ein\nVerschulden der Beklagten, lagen nicht vor. Das grundsatzlich eingeraumte\nErmessen sei daher auf Null reduziert. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Diese Erwagungen reichen - selbst bei nicht uberzogenen Anspruchen an die\nBegrundung von Ermessenserwagungen - nicht aus, von einem ordnungsgemaß\nausgeubten Ermessen auszugehen. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Die Existenz des § 168 Abs. 2 SGB VII ist bereits Ausdruck der vom\nGesetzgeber grundsatzlich erstrebten Beitragsgerechtigkeit und\nBelastungsgleichheit der Beitragszahler. Das von der Beklagten als\nGesichtspunkt herangezogene Argument gibt daher lediglich den Normzweck des §\n168 Abs. 2 SGB VII wider, reicht aber nicht als Begrundung dafur aus, weshalb\nim vorliegenden Fall von dem eingeraumten Ermessen in der Art wie geschehen\nGebrauch gemacht worden ist. Weitere Erwagungen hat die Beklagte nicht in ihre\nEntscheidung eingestellt. Sie hat als Argumente, die aus ihrer Sicht\nmoglicherweise gegen eine ruckwirkende Aufhebung sprechen konnten, lediglich\nausgefuhrt, dass wesentliche Grunde, z.B. unzumutbare finanzielle Nachteile\nfur die Klagerin oder ein Verschulden der Beklagten, nicht vorliegen wurden.\nDabei hat sie in ihre Erwagungen nicht eingestellt, dass sie durch die\nunrichtige Veranlagung, die nicht ruckwirkend korrigiert werden kann, einen\nwesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, dass die Klagerin, wie geschehen, die\nLohnnachweise ausgefullt hat. Sie hat - wenn man nicht schon davon ausgeht,\ndass die Frage der objektiven Richtigkeit im Sinne des § 168 Abs. 2 SGB VII\nauf der Grundlage des Veranlagungsbescheids zu beurteilen ist - jedenfalls den\nRechtsschein gesetzt, dass der Betrieb einer Brauereigaststatte - mit von\nAnfang an zutreffenden Angaben der Klagerin zum Unternehmensgegenstand - die\nVeranlagung als Brauerei rechtfertigt und es zumindest aus Sicht des\nEmpfangers so verstanden werden kann, dass der Verkauf der in der Brauerei\nhergestellten Waren auch unter die Gefahrtarifstelle 37 gezogen und die in\ndiesem Bereich angefallenen Lohnsummen auch dazu gemeldet werden mussen. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Erst recht sind Gesichtspunkte dafur, dass das Ermessen auf Null reduziert\nsein konnte, nicht ersichtlich. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, warum nur\n- nach vorangegangener Abwagung der widerstreitenden Interessen - die\nEntscheidung, die angefochtenen Bescheide zuruckzunehmen, rechtmaßig sein soll\nund das Rucknahmeermessen daher auf Null reduziert war. Dies hat sich auch\nnicht nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB X (Begrundung wird nachtraglich\ngegeben) i.V.m. Abs. 2 bis zum Abschluss des Verfahrens vor dem erkennenden\nSenat nachgeholt. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Keine andere Beurteilung der Rechtsfrage ist dadurch geboten, dass der\nGesetzgeber am 26. Juni 2008 (Ausschussdrucksache 16 (11) 1055 ) § 168 Abs.2\nSGB VII geandert und das Wort „darf" durch das Wort „ist" ersetzt und die\nWorter „aufgehoben werden" durch „aufzuheben" ersetzt und zur Begrundung\nausgefuhrt hat, dass es sich bei der Änderung lediglich um eine Klarstellung\nhandle. Unabhangig davon, ob die Begrundung, die zur Änderung des § 168 Abs. 2\nSGB VII gegeben ist, uberzeugt, ist dem Willen des Gesetzgebers bei Einfuhrung\ndes § 168 Abs. 2 SGB VII (und nur darauf kommt es an) nicht zu entnehmen, dass\ner die im Bundestagsausschuss vertretene Auffassung ebenfalls geteilt hat. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, 154 Abs. 2,\n162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsatzlicher\nBedeutung zuzulassen, da eine Entscheidung des BSG uber die Frage des\nBewertungsmaßstabs in § 168 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII fur die Frage der objektiven\nUnrichtigkeit und den Charakter des § 168 Abs. 2 SGB VII als\nErmessensvorschrift noch nicht ergangen ist. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 25 \n--- \n| Die gemaß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151\nSGG auch im Übrigen zulassige Berufung ist unbegrundet. Die Beklagte war nicht\nberechtigt, nach § 168 Abs. 2 SGB VII ruckwirkend Beitrage neu zu berechnen,\nda es bereits an unrichtigen Angaben der Klagerin in den Lohnnachweisen fehlt,\nsie jedenfalls aber das ihr in § 168 Abs. 2 SGB VII eingeraumte Ermessen nicht\nordnungsgemaß ausgeubt hat. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Gemaß § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB VII hat der Unternehmer zur Berechnung der\nUmlage innerhalb von sechs Wochen nach Ablauf eines Kalenderjahres die\nArbeitsentgelte der Versicherten und die geleisteten Arbeitsstunden in der vom\nUnfallversicherungstrager geforderten Aufteilung zu melden (Lohnnachweis). Der\nUnfallversicherungstrager teilt den Beitragspflichtigen den von ihnen zu\nzahlenden Beitrag schriftlich mit (§ 168 Abs. 1 SGB VII). Der Beitragsbescheid\ndarf mit Wirkung fur die Vergangenheit zuungunsten der Beitragspflichtigen nur\ndann aufgehoben werden, wenn der Lohnnachweis unrichtige Angaben enthalt oder\nsich die Schatzung als unrichtig erweist (§ 168 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Klagerin hat in den Nachweisen zur Beitragsberechnung ab dem Jahr 2000\ndas Gesamtarbeitsentgelt ihrer Beschaftigten auf die Unternehmensbereiche\nProduktion, kaufmannische und verwaltende Tatigkeiten sowie\nVertrieb/Verkauf/Lager/sonstige Tatigkeiten aufgeteilt, entsprechend der\nVeranlagung der Klagerin durch den Veranlagungsbescheid vom 10. August 1999. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Nach Teil II des ab 1. Januar 1999 geltenden Gefahrtarifs Ziff. 4 b ist der\nVertrieb selbst hergestellter Waren gesondert zu den unter den\nGefahrtarifstellen 34 bis 38 festgesetzten Gefahrklassen zu veranlagen, wenn\ner die Bedingungen des Buchstabens a erfullt und uberwiegend außerhalb des\nGrundstucks des Herstellungsunternehmens erfolgt; wird nicht an Ort und Stelle\nverzehrt, sondern geschieht der Vertrieb uber Ladengeschafte, genugt es, wenn\ndie Bedingungen des Buchstaben a erfullt sind. In Nr. 4 a ist bestimmt, dass\nfur den Fall, dass sich ein Unternehmen aus mehreren Unternehmensteilen\nzusammensetzt (Hauptunternehmen, Nebenunternehmen), jeder Unternehmensteil\ngesondert veranlagt wird, wenn er von den anderen raumlich getrennt ausgeubt\nwird, ein eigener Personalstamm fur ihn vorhanden ist und das Arbeitsentgelt\ngetrennt nachgewiesen werden kann. Unternehmensteile, bei denen eine dieser\nVoraussetzungen fehlt, werden nach der Gefahrklasse des Hauptunternehmens\nveranlagt. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Beklagte hat dazu ausgefuhrt, dass das Servicepersonal der Gaststatte\nschon deshalb nicht der Gefahrtarifstelle 37 zuzuordnen sei, weil die\nVoraussetzungen fur einen „Vertrieb" im Sinne der Gefahrtarifstelle 37 in\nVerbindung mit Teil II Ziff. 4 b des Gefahrtarifs nicht vorliegen wurden.\nDaher habe die Klagerin auch im Sinne des § 168 Abs. 2 SGB VII unrichtige\nAngaben gemacht. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Der Senat geht jedoch bei seiner Beurteilung davon aus, dass der\nVeranlagungsbescheid den Maßstab fur die Beurteilung bildet, was objektiv\nunrichtig ist oder nicht, auch wenn dieser moglicherweise seinerseits objektiv\nrechtswidrig, aber bestandskraftig ist, da Veranlagungs- und Beitragsbescheid\naufeinander aufbauen (vgl. insoweit BSG vom 5. Juli 2005 - SozR 4-2700 § 157\nNr. 2) und Teil II Ziff. 1 b des Gefahrtarifs deutlich macht, dass die\nfestgesetzten Gefahrklassen alle Tatigkeiten fur ein Unternehmen erfassen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Beklagte verkennt, dass die Gefahrtarifssatzung fur die\nBeitragserhebung keine unmittelbare Wirkung zeitigt, sondern der Umsetzung\ndurch den Veranlagungsbescheid bedarf. Der Veranlagungsbescheid ist die fur\nden Beitragspflichtigen verbindliche Festsetzung, nach welchem\nGefahrdungsrisiko das Unternehmen nach der gultigen Satzung eingestuft wird\n(standige Rechtsprechung, vgl. BSG SozR 2200 § 734 Nr. 4). Der\nVeranlagungsbescheid der Beklagten hat insoweit die bestandskraftige Regelung\ngetroffen, dass das Unternehmen mit drei Unternehmensbereichen zu drei\nunterschiedlichen Gefahrklassen als Ausdruck eines unterschiedlich\neinzuschatzenden Gefahrdungsrisikos zu behandeln ist. Die im\nVeranlagungsbescheid genannten Unternehmensbereiche sind nach der Satzung\neiner getrennten Veranlagung zur eigenen Gefahrtarifstelle auch zuganglich.\nDie Gefahrtarifstelle 37 erfasst nicht nur den Vertrieb von Waren, sondern\nauch den Verkauf, das Lager und sonstige Tatigkeiten. Eine Tatigkeit, die den\nAbsatz der Waren bezweckt, ist dem Gefahrdungsrisiko dieser Gefahrtarifstelle\nsowohl nach Sinn und Zweck wie auch nach dem Wortlaut der Satzungsregelung\nzuzuordnen. Damit entspricht die Aufteilung der Lohnnachweise auf die\nBrauereitatigkeit (Produktion), Verwaltung und das Servicepersonal der konkret\nvorgenommenen, verbindlichen Veranlagung der Klagerin. Eine andere Zuordnung\ndes Servicepersonal war nach dem Veranlagungsbescheid nicht moglich, auch wenn\ndas Betreiben einer Gaststatte im Gefahrtarif gesondert in der\nGefahrtarifstelle 16 (Gefahrtarif 1988) bzw. in der Gefahrtarifstelle 4\n(Gefahrtarif 1999) erfasst ist. Die - hier rechtswidrige - Zuordnung eines\nHilfs- oder Nebenunternehmens erlaubt nach der Satzung gerade die pauschale\nErfassung des Warenabsatzes, weshalb die Regelung des Veranlagungsbescheids zu\nder Gefahrtarifstelle 37 auch nicht ins Leere ging. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Insoweit ist aus Sicht des Empfangers des Veranlagungsbescheids, der\nverschiedene Tatigkeitsbereiche seines Unternehmens im Lohnnachweis\nentsprechend den vorgegebenen Gefahrtarifstellen nachzuweisen hat, eine\nZuordnung des Entgelts des Servicepersonals nach dem objektiven\nEmpfangerhorizont vorzunehmen. Die Klagerin hatte die Entgelte der\nMitarbeiter, die fur den Verkauf der in der Brauerei hergestellten Waren und\nder in der Gaststatte ansonsten angebotenen Speisen und Getranken zustandig\nsind, einer der von der Beklagten vorgegebenen Gefahrtarifstellen zuzuordnen.\nDa das Servicepersonal den Verkauf der Waren bewerkstelligt, war die Zuordnung\ndieser Entgelte zur Gefahrtarifstelle 37 nicht nur naheliegend, sondern auch\nobjektiv richtig, sei es unter Zugrundelegung einer engen Interpretation der\nServicekraft in einer Gaststatte als Verkaufspersonal oder in der Subsumtion\nunter „sonstige Tatigkeiten", die sich mit dem Vertrieb, Verkauf und\nLagertatigkeiten vergleichen lassen. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Schon deshalb ist der Senat der Auffassung, dass keine objektiv\n„unrichtigen" Angaben in den Lohnnachweisen enthalten sind, wenn das Entgelt\ndes Servicepersonals dem Unternehmensbereich Vertrieb/Verkauf/Lager/sonstige\nTatigkeiten zugeordnet wird. Ob die Voraussetzungen fur die Zuordnung des\nServicebereichs unter die Alternative „Vertrieb" unter Verweis auf Teil II\nZiff. 4 a i.V.m. Ziff. 4 b erfullt sind, ist deshalb unbeachtlich. Gleiches\ngilt fur die Frage, ob und inwieweit bei einer - insoweit zwischen den\nBeteiligten unstreitig - unrichtigen Veranlagung des Betriebs mit einer\nBrauerei als Hauptunternehmen die Gaststatte uberhaupt zutreffend als\nNebenunternehmen im Sinne des Teils II Ziff. 4 a i.V.m. 4 b hatte qualifiziert\nwerden konnen, was jedoch ebenfalls Voraussetzung dafur ware, „Vertrieb" im\nSinne der genannten Vorschriften anzunehmen. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Einwande der Beklagten vermogen dem gegenuber nicht zu uberzeugen. Sie\nhat zur Begrundung insoweit im Wesentlichen ausgefuhrt, allein die\n„Moglichkeit", Entgelte von Beschaftigten zur Gefahrtarifstelle 37 zu\nveranlagen, wie sie durch den Veranlagungsbescheid geschaffen worden sei,\nrechtfertige noch nicht die entsprechende Meldung, wenn die Voraussetzungen\nnicht vorliegen wurden. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass eine\nVeranlagung zur entsprechenden Gefahrtarifstelle nur erfolgen kann, wenn auch\ndie Voraussetzungen fur die Zuordnung erfullt sind. Genau dies ist jedoch der\nFall gewesen. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Daruber hinaus hat die Beklagte den Betrieb der Klagerin auch in den Jahren\n1999 bis 2003 als Brauerei gefuhrt. Der Betrieb der Brauereigaststatte war ihr\njedoch bekannt gewesen, auch im Jahr 1999, als die Klagerin neu veranlagt\nworden ist. Welcher Gefahrklasse das Servicepersonal in der Gaststatte hatte\nzugeordnet werden konnen, wenn nicht der Gefahrtarifstelle 37, hat die\nBeklagte nicht widerspruchsfrei dargelegt. Soweit sie dies in den\nangefochtenen Bescheiden versucht hat, uber die Gefahrtarifstelle 32\n„Produktion" zu losen, ist dieser Weg offensichtlich unrichtig. Denn das\nServicepersonal hat mit der Produktion der Lebensmittel, weder dem Bier,\nsonstiger Getranke noch den verkauften Speisen, etwas zu tun. Daruber hinaus\nkann dem vorliegenden Gefahrtarif Teil II auch nicht entnommen werden, dass\ndie fur den Bereich Produktion vergebene Gefahrklasse quasi als\n„Auffanggefahrklasse" zu verstehen ist. Damit fuhren die „korrigierten"\nBeitragsbescheide erst zu einer unrichtigen Zuordnung der einzelnen\nGeschaftsbereiche, wenn als Unternehmenszweck „Brauerei" beibehalten wird.\nDaher ist auch der Einwand der Klagerin, die Beklagte versuche, uber den Weg\nder Verschiebung von Lohnsummen zwischen den Gefahrklassen die unrichtige und\nfur die Vergangenheit nicht mehr zu andernde Veranlagung quasi durch die\nHintertur zu „korrigieren", durchaus nachvollziehbar. Jedenfalls hat die\nBeklagte nichts vorgetragen, was rechtfertigen konnte, fur den Fall, dass wie\nhier die engen Voraussetzungen fur die ruckwirkende Neuveranlagung des § 160\nSGB VII nicht vorliegen, eine Neuzuordnung der Lohnsummen im Rahmen des § 168\nAbs. 2 SGB VII vorzunehmen und dabei die unzutreffende Veranlagung des\nGesamtbetriebs, die auch der weiteren Zuordnung der Arbeitsentgelte ihr\nGeprage gibt, unverandert zu lassen. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Doch selbst wenn man davon ausgehen wurde, dass Maßstab fur die Bewertung\nder objektiven Unrichtigkeit nicht der - bestandskraftige -\nVeranlagungsbescheid, sondern die tatsachlichen Verhaltnisse sind und deshalb\ndie Klagerin objektiv unrichtige Angaben schon deshalb gemacht hatte, weil sie\nnicht als Brauerei zu veranlagen gewesen ware und ihr deshalb auch keine\nGefahrtarifstelle 37 zuzuordnen gewesen ware, war die Berufung zuruckzuweisen.\nDenn die Beklagte hat von dem ihr in § 168 Abs. 2 SGB VII eingeraumten\nErmessen nicht ordnungsgemaß Gebrauch gemacht. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Der Senat vertritt, wie das SG, die Auffassung, dass die Beklagte bei der\nEntscheidung uber die ruckwirkende Aufhebung der Bescheide Ermessen auszuuben\ngehabt hatte. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Fur die Notwendigkeit, eine Ermessensentscheidung zu treffen, spricht der\nWortlaut der Vorschrift „darf". Hatte der Gesetzgeber eine gebundene\nEntscheidung gewollt und die Berufsgenossenschaft verpflichten wollen, beim\nVorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 168 Abs. 2 SGB VII ruckwirkend\nhohere als die ursprunglich festgesetzten Beitrage zu erheben, ware die\nFormulierung „wird aufgehoben , wenn ..." oder „wird nur aufgehoben , wenn\n..." zu erwarten gewesen. Dies wird durch die Gesetzesbegrundung zu § 168 Abs.\n2 SGB VII bestatigt, in der es heißt: „Die Vorschrift zahlt die Falle auf, in\ndenen ein Beitragsbescheid mit Wirkung fur die Vergangenheit zu Ungunsten des\nUnternehmers aufgehoben werden kann; sie entspricht im Wesentlichen dem\ngeltenden Recht (§ 749 RVO). Im ubrigen richtet sich die Aufhebung von\nBeitragsbescheiden nach den §§ 44 ff. SGB X" (BT-Drucksache 13/2204). Auch\ndiese Formulierung „kann" und der Hinweis auf die §§ 44 ff SGB X sprechen\ndafur, dass § 168 Abs. 2 SGB VII Ermessen verlangt. Angesichts dessen schließt\nsich der Senat der neueren Rechtsprechung der Landessozialgerichte (LSG) an,\ndie § 168 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII als Ermessensvorschrift ansehen (LSG Baden-\nWurttemberg, Beschluss vom 10. Juli 2007 - L 7 U 2777/07 - ER-B und Urteil vom\n29. Januar 2008 - L 9 U 5354/05; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Marz\n2007 - L 2 U 46/03; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. Februar 2004 - L 2\nER 59/03 U; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Februar 2008 - 2 U 221/06)\nsowie der uberwiegend vertretenen Literaturmeinung (Platz in Lauterbach,\nUnfallversicherung, 4. Aufl., Stand April 2007, § 168 SGB VII RdNr. 4;\nFreischmidt in Hauck, SGG VII, Gesetzliche Unfallversicherung, § 168 RdNr. 11;\nBereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Januar 2008, §\n168 SGB VII RdNr. 4). Dagegen wurde die Notwendigkeit von Ermessen vom LSG\nNiedersachsen, Urteil vom 29.7.1997 - L 3 U 223/97 - in Breithaupt 1997 Seite\n939, 942 m.w.N. verneint. Aus dem Urteil des LSG Berlin vom 30.4.2002 - L 2 U\n55/00 - in JURIS lasst sich nicht entnehmen, dass das LSG Ermessen fur\nerforderlich gehalten hatte. Das Sozialgericht (SG) Dortmund, Urteil vom\n25.7.2002 - S 17 U 45/00 - halt die Berufsgenossenschaft nach § 749 Nr. 3 RVO\nfur verpflichtet, einen Änderungsbescheid zu erlassen. Ricke im Kassler\nKommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand September 2007, § 168 SGB VII RdNr.\n4 sowie Bigge in jurisPR SozR 22/07 Anm. 3 und in die BG 2008 S. 133 ff\nverneinen die Notwendigkeit von Ermessen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat\nsich mit der Frage von Ermessen bei § 749 RVO nicht auseinandergesetzt, ein\nsolches aber auch nicht gefordert (BSG, Urteile vom 12.12.1985 in SozR 2200 §\n734 Nr. 5 und 6). \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Das ihr eingeraumte Ermessen hat die Beklagte nicht rechtsfehlerfrei\nausgeubt, insbesondere sind die Voraussetzungen der von ihr (hilfsweise)\nangenommenen Ermessensreduzierung auf Null nicht gegeben. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Gemaß § 35 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) muss die\nBegrundung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen\nlassen, von denen die Behorde bei der Ausubung ihres Ermessens ausgegangen\nist. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| In den Ausgangsbescheiden vom 8. Marz 2004 hat die Beklagte keinerlei\nErmessen ausgeubt. Sie hat lediglich „Beitragsberichtigungsbescheide"\nerlassen. Im Widerspruchsbescheid hat die Beklagte ausgefuhrt, fur die\nRucknahme der Beitragsbescheide spreche das offentliche Interesse, das im\nWesentlichen aus der Einhaltung der Beitragsgerechtigkeit als Ausdruck des\nRechtsstaatsprinzips bestehe. Der Belastungsgleichheit aller Beitragszahler\nsei grundsatzlich Vorrang vor den Interessen Einzelner einzuraumen. Maßgeblich\nsei die tatsachliche objektive Unrichtigkeit; ein Verschulden sei unerheblich.\nWesentliche Grunde, die gegen eine Rucknahme sprechen wurden, z.B. eine\nUnzumutbarkeit aufgrund der gesamten wirtschaftlichen Verhaltnisse oder ein\nVerschulden der Beklagten, lagen nicht vor. Das grundsatzlich eingeraumte\nErmessen sei daher auf Null reduziert. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Diese Erwagungen reichen - selbst bei nicht uberzogenen Anspruchen an die\nBegrundung von Ermessenserwagungen - nicht aus, von einem ordnungsgemaß\nausgeubten Ermessen auszugehen. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Die Existenz des § 168 Abs. 2 SGB VII ist bereits Ausdruck der vom\nGesetzgeber grundsatzlich erstrebten Beitragsgerechtigkeit und\nBelastungsgleichheit der Beitragszahler. Das von der Beklagten als\nGesichtspunkt herangezogene Argument gibt daher lediglich den Normzweck des §\n168 Abs. 2 SGB VII wider, reicht aber nicht als Begrundung dafur aus, weshalb\nim vorliegenden Fall von dem eingeraumten Ermessen in der Art wie geschehen\nGebrauch gemacht worden ist. Weitere Erwagungen hat die Beklagte nicht in ihre\nEntscheidung eingestellt. Sie hat als Argumente, die aus ihrer Sicht\nmoglicherweise gegen eine ruckwirkende Aufhebung sprechen konnten, lediglich\nausgefuhrt, dass wesentliche Grunde, z.B. unzumutbare finanzielle Nachteile\nfur die Klagerin oder ein Verschulden der Beklagten, nicht vorliegen wurden.\nDabei hat sie in ihre Erwagungen nicht eingestellt, dass sie durch die\nunrichtige Veranlagung, die nicht ruckwirkend korrigiert werden kann, einen\nwesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, dass die Klagerin, wie geschehen, die\nLohnnachweise ausgefullt hat. Sie hat - wenn man nicht schon davon ausgeht,\ndass die Frage der objektiven Richtigkeit im Sinne des § 168 Abs. 2 SGB VII\nauf der Grundlage des Veranlagungsbescheids zu beurteilen ist - jedenfalls den\nRechtsschein gesetzt, dass der Betrieb einer Brauereigaststatte - mit von\nAnfang an zutreffenden Angaben der Klagerin zum Unternehmensgegenstand - die\nVeranlagung als Brauerei rechtfertigt und es zumindest aus Sicht des\nEmpfangers so verstanden werden kann, dass der Verkauf der in der Brauerei\nhergestellten Waren auch unter die Gefahrtarifstelle 37 gezogen und die in\ndiesem Bereich angefallenen Lohnsummen auch dazu gemeldet werden mussen. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Erst recht sind Gesichtspunkte dafur, dass das Ermessen auf Null reduziert\nsein konnte, nicht ersichtlich. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, warum nur\n- nach vorangegangener Abwagung der widerstreitenden Interessen - die\nEntscheidung, die angefochtenen Bescheide zuruckzunehmen, rechtmaßig sein soll\nund das Rucknahmeermessen daher auf Null reduziert war. Dies hat sich auch\nnicht nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB X (Begrundung wird nachtraglich\ngegeben) i.V.m. Abs. 2 bis zum Abschluss des Verfahrens vor dem erkennenden\nSenat nachgeholt. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Keine andere Beurteilung der Rechtsfrage ist dadurch geboten, dass der\nGesetzgeber am 26. Juni 2008 (Ausschussdrucksache 16 (11) 1055 ) § 168 Abs.2\nSGB VII geandert und das Wort „darf" durch das Wort „ist" ersetzt und die\nWorter „aufgehoben werden" durch „aufzuheben" ersetzt und zur Begrundung\nausgefuhrt hat, dass es sich bei der Änderung lediglich um eine Klarstellung\nhandle. Unabhangig davon, ob die Begrundung, die zur Änderung des § 168 Abs. 2\nSGB VII gegeben ist, uberzeugt, ist dem Willen des Gesetzgebers bei Einfuhrung\ndes § 168 Abs. 2 SGB VII (und nur darauf kommt es an) nicht zu entnehmen, dass\ner die im Bundestagsausschuss vertretene Auffassung ebenfalls geteilt hat. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, 154 Abs. 2,\n162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsatzlicher\nBedeutung zuzulassen, da eine Entscheidung des BSG uber die Frage des\nBewertungsmaßstabs in § 168 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII fur die Frage der objektiven\nUnrichtigkeit und den Charakter des § 168 Abs. 2 SGB VII als\nErmessensvorschrift noch nicht ergangen ist. \n---\n\n
161,204
vg-karlsruhe-2008-09-12-1-k-259308
158
Verwaltungsgericht Karlsruhe
vg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 K 2593/08
2008-09-12
2019-01-16 06:39:38
2019-01-17 12:06:14
Beschluss
## Tenor\n\nDie aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die\nVerfugung der Antragsgegnerin vom 15.08.2008 wird wiederhergestellt.\n\nDie Antragsgegnerin tragt die Kosten des Verfahrens.\n\nDer Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n**I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Antragsteller, ein Burger der Antragsgegnerin, wendet sich gegen den\nSofortvollzug einer Polizeiverfugung, mit der fur knapp vier Tage in N.\ninnerorts das Mitfuhren und der Verzehr alkoholischer Getranke in der\nÖffentlichkeit untersagt wird. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Vom 13. bis zum 15. September 2008 findet in N. die jahrliche Straßenkerwe\nstatt. Um Ruhestorungen, Sachbeschadigungen und sonstigen Ausschreitungen\ndurch alkoholisierte Besucher des Festes vorzubeugen, untersagte die\nAntragsgegnerin durch offentlich bekanntgemachte Allgemeinverfugung vom\n15.08.2008 in der Zeit vom 13.09.2008 12.00 Uhr bis 16.09.2008 8.00 Uhr allen\nPersonen, die sich in einem bestimmten Bereich des Ortskerns von N. aufhalten,\nalkoholische Getranke in der Öffentlichkeit mitzufuhren oder zu verzehren. Bei\nZuwiderhandlungen konnten mit unmittelbarem Zwang mitgefuhrte Getranke\nbeschlagnahmt, Platzverweise erteilt oder Personen in Gewahrsam genommen\nwerden. Der Sofortvollzug der Verfugung wurde angeordnet. Der Antragsteller,\nder in der Nahe des so gesperrten Bereichs wohnt, erhob am 01.09.2008 gegen\ndie Verfugung Widerspruch. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 07.09.2008 hat der Antragsteller bei Gericht beantragt, \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Verfugung vom\n15.08.2008 wiederherzustellen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Er tragt vor, die Verfugung schranke ihn in unzumutbarer und\nunverhaltnismaßiger Weise in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit ein. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Antragsgegnerin tritt dem Antrag entgegen. Es handle sich bei der\nUntersagungsverfugung um eine praventive Maßnahme, um einen ungestorten\nVerlauf der Kerwe zu sichern. Damit sei kein erheblicher Eingriff in\nFreiheitsrechte verbunden. Jedermann konne auf dem eigentlichen Festplatz und\nan den konzessionierten Standen in geselliger Atmosphare auch Alkohol\ngenießen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die gewechselten\nSchriftsatze nebst Anlagen verwiesen, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird\nauf die vorgelegten Akten der Antragsgegnerin Bezug genommen. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft und auch sonst zulassig, da\nder Antragsteller als Bewohner von N., der sich auch in dem von der Verfugung\nbetroffenen Bereich aufhalten will, in seinen Rechten verletzt sein kann. Der\nAntrag hat auch in der Sache Erfolg. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die begehrte Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 VwGO\nerfordert eine Interessenabwagung zwischen dem offentlichen Interesse an der\nUmsetzung der beanstandeten Allgemeinverfugung auch gegenuber dem\nAntragsteller und seinem Interesse, von dem Verbot, vier Tage lang in N.\ninnerorts Alkohol mitzufuhren und in der Öffentlichkeit zu konsumieren,\nverschont zu werden. Im Rahmen dieser Abwagung sind die Erfolgsaussichten der\nRechtsmittel gegen die Verfugung zu berucksichtigen. Die Interessenabwagung\nfuhrt im vorliegenden Fall zu der begehrten Aussetzungsentscheidung, denn es\nbestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmaßigkeit der Verfugung vom\n15.08.2008. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Polizeigesetzes fur Baden-Wurttemberg in der\nFassung vom 13.01.1992 (GBl. S. 1) hat die Antragsgegnerin als Polizeibehorde\ndie Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch\ndie die offentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Storungen der\noffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen, soweit es im offentlichen\nInteresse geboten ist. Nach § 3 PolG sind dabei innerhalb der durch das Recht\ngesetzten Schranken zur Wahrnehmung der Aufgaben der Polizei diejenigen\nMaßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemaßem Ermessen erforderlich\nerscheinen. Nach § 5 Abs. 2 PolG darf eine polizeiliche Maßnahme keinen\nNachteil herbeifuhren, der erkennbar außer Verhaltnis zu dem beabsichtigten\nErfolg steht. Diese gesetzlichen Normen fordern beim Erlass von\nVerwaltungsakten, also auch bei einer Allgemeinverfugung, zumindest eine\nkonkrete Gefahr fur die offentliche Sicherheit und Ordnung. Diese besteht hier\nnach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prufung der Sachlage\naber nicht. Eine solche konkrete Gefahr setzt namlich eine Sachlage voraus,\ndie bei ungehindertem, nach Prognose der Polizei zu erwartendem\nGeschehensablauf in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu\neinem Schaden fuhrt. Schaden bedeutet, dass durch das Gesetz geschutzte Guter\nverletzt oder gemindert werden. Als geschutzte Guter kommen vorliegend in\nBetracht: Leib und Leben von Menschen und fremdes Eigentum, gegebenenfalls\nauch der ungehinderte Gemeingebrauch von Straßen, Parkanlagen oder des\nFestbereichs sowie ein Mindestmaß an Nachtruhe auch an den Festtagen. Es ist\njedoch keineswegs wahrscheinlich, dass alle Personen, die irgendwann zwischen\ndem 13. und 16.09.2008 alkoholische Getranke in den in der Verfugung genannten\ninnerortlichen Straßen und Platzen N.s mit sich fuhren, sich gesetzeswidrig\nverhalten wollen und im obigen Sinne als Storer auftreten werden. Ein solch\nallgemeiner Verdacht kann nicht als konkrete Gefahr allein damit begrundet\nwerden, dass die Antragsgegnerin in den zuruckliegenden Jahren wahrend der\nOrtsfeste verstarkt Ruhestorungen und Sachbeschadigungen in einer Parkanlage\nfestgestellt hat. Dies rechtfertigt es offenkundig nicht, auch den\nAntragsteller als unbescholtenen Burger wie einen mutmaßlichen Storer zu\nbehandeln, sollte er in den obengenannten Tagen im Ortskern von N. Alkohol\nerwerben und nach Hause bringen oder umgekehrt auf einer Parkbank eine\nmitgebrachte Flasche Bier austrinken. Die ubrigen Ausfuhrungen der\nAntragsgegnerin zur Problematik von Alkoholexzessen bei Großveranstaltungen\nund den damit verbundenen Folgeerscheinungen schildern lediglich eine\nabstrakte Gefahr, was auch dadurch deutlich wird, dass hier von der\nAntragsgegnerin lediglich die Begrundung der vom Rechtsamt des Rhein-Neckar-\nKreises empfohlenen Musterverfugung wiederholt wird. Es liegt nur eine\nabstrakte Gefahr vor, wenn nach den Erfahrungen des taglichen Lebens bei\nbestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zustanden mit hinreichender\nWahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall aufzutreten pflegt. Auf mehr kann\ndie Antragsgegnerin sich im Hinblick auf ihre Ortsfeste nicht berufen. Um den\nim Jahr 2007 verunreinigten Park zu schutzen, wurde es genugen, ihn zeitweise\nfur den Besucherverkehr zu sperren. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Insgesamt ist fur das Gericht nach Aktenlage hier keine konkrete Gefahr im\nSinne der §§ 1- 9 PolG feststellbar, die es rechtfertigen konnte, allen\nPersonen, die sich wahrend der Festtage im Ortskern von N. aufhalten, zu\nverbieten, Alkohol offentlich zu erwerben, zu besitzen und zu verzehren. Der\nbereits beschriebenen abstrakten Gefahr, die vom Gericht nicht geleugnet\nwerden soll, konnte durch weniger einschneidende und umfassende Maßnahmen\nbegegnet werden. Zu denken ware an eine Polizeiverordnung nach Freiburger\nMuster, die an bestimmten, besonders betroffenen offentlich zuganglichen\nStellen zu eingeschrankten Zeiten verbietet, alkoholische Getranke mit sich zu\nfuhren, wenn aufgrund der konkreten Umstande die Absicht erkennbar ist, diese\nin der Öffentlichkeit konsumieren zu wollen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des\nStreitwerts auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. \n---\n\n
161,239
vghbw-2008-09-26-2-s-150006
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 S 1500/06
2008-09-26
2019-01-16 06:39:55
2019-01-17 12:06:17
Urteil
## Tenor\n\nAuf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts\nKarlsruhe vom 15. November 2005 - 4 K 1552/04 - geandert. Die Klagen werden\nabgewiesen.\n\nDie Klager tragen die Kosten des Verfahrens beider Rechtszuge als\nGesamtschuldner.\n\nDas Urteil ist wegen der Kosten vorlaufig vollstreckbar. Die Klager durfen die\nVollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe des jeweils beizutreibenden\nBetrags zuzuglich 10 v.H. dieses Betrags anwenden, wenn nicht die Beklagte vor\nder Vollstreckung Sicherheit in gleicher Hohe leistet.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klager wenden sich gegen die Heranziehung zu Abfallgebuhren durch die\nBeklagte. \n--- \n| 2 \n--- \n| Rechtsgrundlage der Gebuhrenerhebung ist die Gebuhrensatzung der Beklagten\nfur die Verwertung und Entsorgung von Abfallen vom 29.6.2000 (im Folgenden:\nAbfallgebuhrensatzung). Die fur das vorliegende Verfahren wesentliche\nBestimmung der Abfallgebuhrensatzung lautet wie folgt: \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| \n--- \n| § 2 \n--- \n| Gebuhrenpflichtige \n--- \n| (1) Gebuhrenschuldner sind die Eigentumer der an die offentliche\nAbfallentsorgung angeschlossenen Grundstucke. Mehrere Eigentumer eines\nGrundstucks haften als Gesamtschuldner. Grundstuckseigentumer im Sinne der\nSatzung ist der im Grundbuch eingetragene Eigentumer; bei Wohnungseigentum die\nGemeinschaft der Wohnungseigentumer. \n--- \n| .... \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Klager sind Wohnungseigentumer (jeweils eine Wohnung) des Grundstucks\nW.-Straße 2a in Mannheim. Zu der Anlage gehoren - neben den Eigentumswohnungen\n- auch Gewerberaume, die als Gaststatte genutzt werden; vom 1.1.2001 bis Mitte\n2003 stand die Gewerbeflache im Sondereigentum von Frau F.. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Abfallgebuhren fur die einzelnen Eigentumswohnungen werden dem\nWohnungsverwalter in Rechnung gestellt und anschließend auf die jeweiligen\nWohnungseigentumer umgelegt. Zusatzlich war das Grundstuck W.-Straße 2a im\nZeitraum vom 1.11.2001 bis zum 30.11.2002 mit einem 0,77 m³-Restmullbehalter\nan die offentliche Abfallentsorgung angeschlossen. Diesen Behalter hatte Frau\nF. bei der Beklagten fur die von ihr betriebene Gaststatte beantragt; die\nAbfallgebuhren fur diese Restmulltonne wurden nicht der\nWohnungseigentumergemeinschaft, sondern unmittelbar Frau F. in Rechnung\ngestellt. \n--- \n| 6 \n--- \n| Da Frau F. die fur den Zeitraum vom 1.11.2001 bis 30.11.2002 unstreitig\nangefallenen Abfallgebuhren in Hohe von 1.134,83 EUR nicht entrichtete und\nauch Beitreibungsversuche der Beklagten erfolglos blieben, zog die Beklagte\ndie Klager mit jeweils getrennten Bescheiden vom 13.10.2003\ngesamtschuldnerisch zu Abfallgebuhren in der genannten Hohe heran. \n--- \n| 7 \n--- \n| Dagegen erhoben die Klager am 17.10.2003 jeweils Widerspruch, den die\nBeklagte mit Widerspruchsbescheiden (ohne Datum) zuruckwies. Die Klager seien\nGebuhrenschuldner gem. § 2 Abs. 1 Abfallgebuhrensatzung. Sie seien\nMiteigentumer des streitgegenstandlichen Grundstucks. Mehrere Eigentumer eines\nGrundstucks wurden als Gesamtschuldner haften. Sie sei auch nicht verpflichtet\ngewesen, die Klager uber die Zahlungsverweigerung der Miteigentumerin zu\ninformieren. Es habe auch keine Pflicht bestanden, den Mullbehalter\n„abzuziehen". Nach § 4 Abs. 1 der Satzung uber die Vermeidung, Verwertung und\nEntsorgung von Abfallen vom 27.7.1999 (im Folgenden: Abfallwirtschaftssatzung)\nseien Grundstucke an die offentliche Abfallentsorgung anzuschließen. Zahl und\nVolumen der aufzustellenden Behalter seien dabei so zu bemessen, dass der am\nStandplatz zwischen zwei Abholungen anfallende Abfall untergebracht werden\nkonne. Da speziell fur die Gaststatte ein 0,77 m³-Behalter aufgestellt und\nauch regelmaßig mit Abfall befullt worden sei, hatten die ubrigen auf dem\nGrundstuck aufgestellten, ebenfalls regelmaßig befullten Behaltern nicht\nausgereicht, um zusatzliche 0,77 m³ Restmull aufzunehmen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Widerspruchsbescheide wurden den Klagern zu 2 bis 5 am 10.5.2004, dem\nKlager zu 1 am 24.6.2004 zugestellt. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Klager haben am 4.6.2004 Klage erhoben und dazu darauf abgestellt, dass\ndie Gebuhrenbescheide an den falschen Adressaten gerichtet seien; die\nBescheide hatten nicht gegenuber den einzelnen Wohnungseigentumern erlassen\nwerden durfen, vielmehr hatte - so die Forderung uberhaupt bestehe - die\nWohnungseigentumergemeinschaft (vertreten durch den Verwalter) herangezogen\nwerden mussen. Ware ihnen im Übrigen die Forderung der Beklagten zeitnah\nbekanntgegeben worden, hatten sie die Moglichkeit gehabt, sich bei der\nfruheren Miteigentumerin im Rahmen der Zwangsversteigerung schadlos zu halten. \n--- \n| 10 \n--- \n| Dem Antrag der Klager, die Abfallgebuhrenbescheide der Beklagten vom\n13.10.2003 und die dazu ergangenen Widerspruchsbescheide (undatiert)\naufzuheben, ist die Beklagte entgegengetreten und hat erganzend vorgetragen:\nDurch Auslegung der Regelung in § 2 Abs. 1 S. 3 2. Hs. Abfallgebuhrensatzung\nlasse sich ohne weiteres ermitteln, dass mit der Bezeichnung\n„Wohnungseigentumergemeinschaft" nicht die Gemeinschaft als solche, die nicht\nTragerin eigener Rechte und Pflichten sein konne und die daher weder als\nGebuhrenschuldnerin noch als Adressatin eines Gebuhrenbescheids in Betracht\nkomme, gemeint sei, sondern die einzelnen Wohnungseigentumer. \n--- \n| 11 \n--- \n| Durch Urteil vom 15.11.2005 hat das Verwaltungsgericht die\nGebuhrenbescheide der Beklagten vom 13.10.2003 und die dazu ergangenen\nWiderspruchsbescheide (undatiert) aufgehoben. Die Klagen seien zulassig, dies\ngelte auch in Bezug auf den Klager zu 1, obwohl dieser bereits am 4.6.2004 und\ndamit vor Zustellung des Widerspruchsbescheids am 24.6.2004 Klage erhoben\nhabe. Da uber seinen Widerspruch vom 17.10.2003 auch nach Ablauf von drei\nMonaten noch nicht entschieden gewesen sei, hatten die Voraussetzungen fur\neine Untatigkeitsklage nach § 75 VwGO vorgelegen. Zudem sei seine Klage nach\nZustellung des Widerspruchsbescheids zulassig geworden. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Klagen seien auch begrundet. Selbst wenn § 2 Abs. 1 S. 3 2. Hs.\nAbfallgebuhrensatzung so auszulegen sei, dass mit der\nWohnungseigentumergemeinschaft jeder einzelne Wohnungseigentumer gemeint sei,\nkonnten die Klager jedoch deshalb nicht als gesamtschuldnerisch haftende\nMiteigentumer in Anspruch genommen werden, weil es an der willentlich\ngemeinsamen Inanspruchnahme der offentlichen Einrichtung durch alle\nMiteigentumer des Grundstucks fehle. Einen Antrag auf Aufstellung des 0,77 m³-\nRestmullbehalters hatten die Klager nicht gestellt, der Antrag sei allein von\nFrau F. gestellt worden. Allein der Umstand, dass sich der 0,77 m³-\nRestmullbehalter auf dem Grundstuck der Klager befunden habe, begrunde nach §\n2 Abs. 1 Abfallgebuhrensatzung gerade noch keine Gebuhrenpflicht. \n--- \n| 13 \n--- \n| Zur Begrundung der mit Beschluss vom 29.6.2006 zugelassenen Berufung macht\ndie Beklagte geltend: Die Abfallentsorgung sei eine grundstucksbezogene\nLeistung. Diese Grundstucksbezogenheit habe in gebuhrenrechtlicher Hinsicht\nzur Folge, dass fur ein Grundstuck im Miteigentum der Wohnungs-bzw.\nTeileigentumer nur eine einzige Gebuhr entstehe, fur die die\nWohnungseigentumer gesamtschuldnerisch einstehen mussten. Dass der 0,77 m³-\nRestmullbehalter nicht auf Antrag der Klager aufgestellt worden sei, sei\nunerheblich; fur eine Volumenanderung sei lediglich der Antrag eines (und\nnicht aller) dinglich Berechtigter am Grundstuck erforderlich. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 15 \n--- \n| das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.11.2005 zu andern und\ndie Klagen abzuweisen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Klager beantragen, \n--- \n| 17 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Sie berufen sich sinngemaß auf die Ausfuhrungen im Urteil des\nVerwaltungsgerichts. \n--- \n| 19 \n--- \n| Dem Senat liegen die einschlagigen Akten der Beklagten und des\nVerwaltungsgerichts Karlsruhe vor. Auf diese Unterlagen und die zwischen den\nBeteiligten gewechselten Schriftsatze wird wegen der weiteren Einzelheiten\nverwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 20 \n--- \n| Der Senat entscheidet im Einverstandnis mit den Beteiligten uber die\nBerufung ohne mundliche Verhandlung (vgl. §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Berufung der Beklagten ist begrundet. Das Verwaltungsgericht hat den\nKlagen zu Unrecht stattgegeben. Die angefochtenen Abfallgebuhrenbescheide der\nBeklagten vom 13.10.2003 und ihre dazu ergangenen Widerspruchsbescheide sind\nrechtmaßig und verletzen die Klager nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1\nVwGO). Die Beklagte durfte die Klager als Wohnungseigentumer\ngesamtschuldnerisch fur die Kosten der Entsorgung des gesamten auf dem\nGrundstuck W.-Straße 2a anfallenden Abfalls - und damit auch fur die Kosten\nder Entsorgung des streitgegenstandlichen 0,77 m³-Restmullbehalters (Abfalle\nder Gaststatte) - in Anspruch nehmen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Rechtsgrundlage fur die Gebuhrenbescheide ist die auf Grund von § 2 Abs. 1\nund § 9 KAG in der bis zum 30.3.2005 geltenden Fassung (im Folgenden: KAG\na.F.) und auf Grund von § 8 LAbfG in der bis zum 30.3.2005 geltenden Fassung\n(im Folgenden: LAbfG a.F.) erlassene Gebuhrensatzung der Beklagten fur die\nVerwertung und Entsorgung von Abfallen vom 29.6.2000 (im Folgenden:\nAbfallgebuhrensatzung). Nach § 1 Abfallgebuhrensatzung erhebt die Beklagte zur\nDeckung der Aufwendungen fur die offentliche Verwertung und Entsorgung von\nAbfallen Benutzungsgebuhren. Schuldner dieser Gebuhren sind nach § 2 Abs. 1 S.\n1 Abfallgebuhrensatzung (auch) die Eigentumer der an die offentliche\nAbfallentsorgung angeschlossenen Grundstucke. Mehrere Eigentumer eines\nGrundstucks haften als Gesamtschuldner (§ 2 Abs. 1 S. 2\nAbfallgebuhrensatzung). Grundstuckseigentumer im Sinne der Satzung ist der im\nGrundbuch eingetragene Eigentumer; bei Wohnungseigentum die Gemeinschaft der\nWohnungseigentumer (§ 2 Abs. 1 S. 3 Abfallgebuhrensatzung). \n--- \n| 23 \n--- \n| 1\\. In Anwendung dieser satzungsrechtlichen Vorgaben hat die Beklagte zu\nRecht die einzelnen Wohnungseigentumer und nicht die Gemeinschaft der\nWohnungseigentumer in Anspruch genommen. Dies ergibt sich aus folgenden\nÜberlegungen: Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung,\nTeileigentum das Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Raumen und\nzwar jeweils in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem\ngemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehort (§ 1 Abs. 2 und Abs. 3 WEG). Zu\ndem gemeinschaftlichen Eigentum gehort namentlich das Grundstuck, auf dem die\nRaume errichtet sind (§ 1 Abs. 5 WEG). Die einzelnen Wohnungs- bzw.\nTeileigentumer sind damit stets Miteigentumer des Grundstucks. Ohne dass es\neiner ausdrucklichen Klarstellung fur das Wohnungs-und Teileigentum bedarf,\nsind daher die Klager in ihrer Eigenschaft als Miteigentumer des Grundstucks\nGebuhrenschuldner nach § 2 Abs. 1 S. 1 Abfallgebuhrensatzung. \n--- \n| 24 \n--- \n| Zu einer abweichenden Auslegung zwingt auch nicht die - missverstandliche\n-Formulierung in § 2 Abs. 1 S. 3 Abfallgebuhrensatzung, wonach „bei\nWohnungseigentum die Gemeinschaft der Wohnungseigentumer Grundstuckseigentumer\nist". Der Satzungsgeber stellt damit in Anknupfung an die vorhergehenden\nBestimmungen in § 2 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Abfallgebuhrensatzung klar, dass die\ngesamtschuldnerische Haftung der Miteigentumer eines Grundstucks auch fur\nWohnungs- und Teileigentumer gilt; jeder der einzelnen Wohnungseigentumer soll\nfur die gesamten Gebuhren des Grundstucks haften und nicht lediglich\nentsprechend seinem Miteigentumsanteil. \n--- \n| 25 \n--- \n| Den Klagern ist zwar zuzugeben, dass der Wortlaut in § 2 Abs. 1 S. 3 2. Hs.\nAbfallgebuhrensatzung die Annahme nahelegt, die Wohnungseigentumergemeinschaft\nals solche sei Gebuhrenschuldnerin. Nach der Grundsatzentscheidung des\nBundesgerichtshofs (Beschluss vom 2.6.2005 - V ZB 32.05 -NJW 2005, 2061) ist\ndie Teilrechtsfahigkeit der Wohnungseigentumergemeinschaft anerkannt, so dass\neine Kommune in ihrer Abgabensatzung den teilrechtsfahigen Verband der\nEigentumergemeinschaft durchaus als Gebuhrenschuldner bestimmen darf. Denn die\nsatzungsrechtlichen Regelungsmoglichkeiten einer Gemeinde zur\nGebuhrenschuldnerschaft bei Personenmehrheiten knupfen an die vorgefundenen\nStrukturen des Zivilrechts an, weshalb diese bei der Auslegung mit in den\nBlick zu nehmen sind. Die hier auszulegende Bestimmung der\nAbfallgebuhrensatzung wurde von der Beklagten allerdings im Jahre 2000 und\ndamit funf Jahre vor Anerkennung der Teilrechtsfahigkeit der\nWohnungseigentumergemeinschaft durch den Bundesgerichtshof erlassen. Bei der\nFrage, wie die in Rede stehende Bestimmung zu verstehen ist, ist aber auf die\ntatsachlichen und rechtlichen Verhaltnissen zum Zeitpunkt des Erlasses der\nGebuhrensatzung abzustellen. Da zum Zeitpunkt des Erlasses der Gebuhrensatzung\nnoch allgemein davon ausgegangen wurde, dass die\nWohnungseigentumergemeinschaft als solche mangels Rechtsfahigkeit nicht als\nGebuhrenschuldnerin in Betracht komme (vgl. etwa Bay.VGH, Urteil vom 17.6.1993\n- 23 B 91.1350 - BayVBl. 1994, 150), wurde die von den Klagern geforderte\nAuslegung - aus damaliger Sicht - die Regelung „leerlaufen" lassen; eine\nsolche Auslegung ware - mit anderen Worten - zweckwidrig, weil im Wege der\nAuslegung grundsatzlich sicherzustellen ist, dass eine Vorschrift bzw.\nSatzungsbestimmung - soweit dies moglich ist - einen sinnvollen\nRegelungsgehalt behalt. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die nach Ergehen der Gebuhrensatzung erfolgte Anerkennung der\nTeilrechtsfahigkeit der Wohnungseigentumergemeinschaft durch den\nBundesgerichtshof zwingt auch nicht dazu, die Auslegung der streitigen\nSatzungsbestimmungen an die geanderte Rechtsprechung anzupassen und damit - im\nWege der erganzenden Auslegung - die Gebuhrenpflicht der\nWohnungseigentumergemeinschaft anstatt einer Haftung der Wohnungseigentumer\nanzunehmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom\n2.6.2005, aaO, Rdnr. 43) haftet zwar in erster Linie die Gemeinschaft der\nWohnungseigentumer, soweit sie bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen\nEigentums am Rechtsverkehr teilnimmt; allerdings komme eine akzessorische\ngesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentumer neben dem\nteilrechtsfahigen Verband der Wohnungseigentumergemeinschaft dann in Betracht,\nwenn diese sich neben dem Verband klar und eindeutig auch personlich\nverpflichtet hatten oder - was hier einschlagig ist - eine ausdruckliche\nAnordnung des Gesetzgebers vorliege. Eine solche ausdruckliche Anordnung des\nGesetzgebers lasst sich dem Regelungszusammenhang des Kommunalabgabengesetzes\nund damit dem kommunalen Gebuhrenrecht ohne weiteres fur Grundbesitzabgaben\nentnehmen. So hindert auch nach Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts\n(Beschluss vom 11.1.2005 - 10 B 65.05 - NJW 2006, 791) die\nTeilrechtssubjektivitat der Wohnungseigentumergemeinschaft die Geltung einer\nim kommunalen Abgabenrecht statuierten gesamtschuldnerischen Haftung der\nWohnungseigentumer fur Grundbesitzabgaben nicht. \n--- \n| 27 \n--- \n| 2\\. Es kann ferner nicht beanstandet werden, dass die Beklagte die\nWohnungseigentumer nicht entsprechend ihrem jeweiligen Miteigentumsanteil,\nsondern auf Grundlage von § 2 Abs. 1 S. 2 Abfallgebuhrensatzung als\nGesamtschuldner fur die noch streitigen Abfallgebuhren, die fur das Anwesen\nW.-Straße 2a durch die Benutzung der offentlichen Abfallentsorgungseinrichtung\nentstanden sind, in Anspruch genommen hat. \n--- \n| 28 \n--- \n| a) Die von der Beklagten erhobenen Abfallgebuhren sind als\ngrundstucksbezogene (d.h. Grundbesitz-)Abgaben zu qualifizieren. Dies ergibt\nsich einmal aus der Regelung uber die Gebuhrenpflicht in § 2\nAbfallgebuhrensatzung. Daruber hinaus hat die Beklagte die Benutzung der\nAbfallentsorgungseinrichtungen in ihrer Satzung uber die Vermeidung,\nVerwertung und Entsorgung von Abfallen vom 27.7.1999\n(Abfallwirtschaftssatzung) grundstucksbezogen geregelt. Nach § 4 Abs. 1\nAbfallwirtschaftssatzung sind in erster Linie die Grundstuckseigentumer und\ndie diesen gleichstehenden Erbbauberechtigten, Wohnungseigentumer,\nNießbraucher und sonstige andere dingliche Berechtigte berechtigt und\nverpflichtet, ihre Grundstucke an die offentliche Einrichtung Abfallentsorgung\nanzuschließen, diese zu benutzen und ihr die auf ihren Grundstucken\nanfallenden Abfalle zu uberlassen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Fur das Wohnungseigentum folgt aus der Grundstucksbezogenheit der\nAbfallentsorgung, dass nicht das Wohnungseigentum in seiner Auspragung als\nSondereigentum an einer Wohnung, sondern der Miteigentumsanteil des\nWohnungseigentumers am gemeinschaftlichen Eigentum am Grundstuck betroffen ist\n(Bay.VGH, Urteil vom 17.7.2003 - 4 B 99.501 - NVwZ-RR 2004, 145; VG Stuttgart,\nUrteil vom 20.6.2007 - 2 K 3733/07 - Juris, Rdnr. 29). Damit wird\nsichergestellt, dass die Überlassungspflicht den gesamten auf dem Grundstuck\nanfallenden Abfall erfasst und nicht nur den aus den einzelnen\nEigentumswohnungen. Gebuhrenrechtlich folgt aus der Grundstucksbezogenheit\nweiter, dass fur das Grundstuck im Miteigentum der Wohnungseigentumer nur eine\n(einzige) Gebuhr entsteht, fur die die Wohnungseigentumer gesamtschuldnerisch\neinstehen mussen (Bay.VGH, Urteil vom 17.7.2003, aaO; VG Stuttgart, Urteil vom\n20.6.2007, aaO). \n--- \n| 30 \n--- \n| b) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann die\ngesamtschuldnerische Haftung der Klager auch nicht mit der Begrundung verneint\nwerden, hinsichtlich des hier streitigen 0,77 m³-Restmullbehalters fehle es an\neiner willentlich gemeinsamen Inanspruchnahme durch die Klager. Mehrere\nMiteigentumer eines Grundstucks nehmen die gebotene grundstucksbezogene\nLeistung einer offentlichen Einrichtung regelmaßig willentlich gemeinsam in\nAnspruch und sind daher in diesem Fall auch regelmaßig Gesamtschuldner (VGH\nBad.-Wurtt., Urteil vom 4.10.2005 - 2 S 995/05 - ZMR 2006, 818 zur Erhebung\nvon Abwassergebuhren). \n--- \n| 31 \n--- \n| Dass die Aufstellung des streitigen 0,77 m³-Restmullbehalters allein von\nder Wohnungseigentumerin Frau F. und nicht von den Wohnungseigentumern\ngemeinsam beantragt wurde, ist rechtlich unerheblich. Die\nGrundstuckseigentumer bilden mit Blick auf die Gebuhrenschuld eine rechtliche\nZweckgemeinschaft, der Antrag eines Miteigentumers wird folglich den anderen\nMiteigentumern zugerechnet. Die Inanspruchnahme der grundstucksbezogenen\nLeistung der offentlichen Abfallentsorgung steht nicht zur Disposition der\nGrundstuckseigentumer bzw. einzelner Grundstuckseigentumer. Die Haftung fur\ndie Entsorgung des auf einem Grundstuck anfallenden Abfalls hangt - mit\nanderen Worten - nicht von der Zustimmung der Grundstuckseigentumer bzw.\neinzelner Grundstuckseigentumer ab. Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau der\nRegelungen uber den Anschluss- und Benutzungszwang. Aus der Anschlusspflicht\nin § 4 Abs. 1 Abfallwirtschaftssatzung folgt fur die Grundstuckseigentumer\nbzw. Wohnungseigentumer die Verpflichtung, samtliche auf ihrem Grundstuck\nanfallenden Abfalle der offentlichen Einrichtung zu uberlassen. Gemaß § 13\nAbs. 2 Abfallwirtschaftssatzung muss fur jedes anschlusspflichtige Grundstuck\nmindestens ein Restmullbehalter zur Verfugung stehen, soweit nicht nach Absatz\n6 gemeinsame Abfallbehalter zugelassen sind. Dabei ist das Volumen der\naufzustellenden Restmullbehalter nach § 13 Abs. 3 Abfallwirtschaftssatzung so\nzu bemessen, dass der an dem Standplatz zwischen zwei Abholungen anfallende\nAbfall untergebracht werden kann. Reicht das Volumen der Abfallbehalter fur\nden regelmaßig anfallenden Abfall nicht aus, so hat der Anschlusspflichtige\ndie erforderlichen Behalter gem. § 13 Abs. 5 S. 1 Abfallwirtschaftssatzung\nzusatzlich zu beantragen. \n--- \n| 32 \n--- \n| Dass das Aufstellen des streitigen 0,77 m³-Restmullbehalters zur Erfullung\nder dargelegten satzungsrechtlichen Verpflichtungen erforderlich war, wird\nauch von den Klagern nicht bestritten. Der Behalter wurde von der fruheren\nWohnungseigentumerin Frau F. durchgangig mit Abfallen aus ihrer Gaststatte\nbefullt; er war damit fur die ordnungsgemaße Abfallentsorgung des Grundstucks\n- W.-Straße 2a - erforderlich (§ 4 Abs. 1 Abfallwirtschaftssatzung). \n--- \n| 33 \n--- \n| c) Die nach alledem auf Grundlage von § 2 Abs. 1 S. 2 Abfallgebuhrensatzung\nvorgesehene gesamtschuldnerische Haftung (auch) der Wohnungseigentumer ware\nnur dann ausgeschlossen, wenn sich dem hoherrangigen Recht eine\nSonderbestimmung fur Wohn- bzw. Teileigentum entnehmen ließe. Wahrend § 10\nAbs. 5 KAG a.F. fur das Beitragsrecht bestimmte, dass der einzelne Wohnungs-\nund Teileigentumer nur entsprechend seinem Miteigentumsanteil\nBeitragsschuldner ist, enthielt § 9 KAG a.F. fur das Benutzungsgebuhrenrecht\nkeine entsprechende Sonderregelung. Auch die Neuregelungen zum\nBenutzungsgebuhrenrecht in den §§ 13 bis 19 KAG n.F. treffen keine derartige\nSonderregelung. \n--- \n| 34 \n--- \n| d) Eine gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungs- bzw. Teileigentumer fur\ndie Kosten der Abfallentsorgung ist auch nicht auf Grund des Beschlusses des\nBundesgerichtshofs vom 25.9.2003 (- V ZB 21/03 - BGHZ 156, 193)\nausgeschlossen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs gehoren die Kosten der\nWasserversorgung des Sondereigentums und die hieran gekoppelten Kosten der\nAbwasserentsorgung nicht zu den in § 16 Abs. 2 WEG geregelten Lasten und\nKosten des gemeinschaftlichen Eigentums. Der individuelle Wasserverbrauch\ndiene ausschließlich dem Gebrauch der jeweiligen Sondereigentumseinheit,\ndeshalb seien auch die hierdurch verursachten Kosten als solche des\nSondereigentums anzusehen. Ob der Auffassung des Bundesgerichtshofs zu folgen\nist, kann offen bleiben. Jedenfalls dient die offentliche Abfallentsorgung -\nwie dargelegt - nicht ausschließlich dem Gebrauch der jeweiligen\nSondereigentumseinheit, sondern dem Gebrauch des gesamten Grundstucks. \n--- \n| 35 \n--- \n| 3\\. Ohne Erfolg rugen die Klager schließlich, die Beklagte habe die\nGebuhrenforderung nicht „zeitnah" bekannt gegeben und dadurch verhindert, dass\nsie sich bei der fruheren Miteigentumerin Frau F. im Rahmen der\nZwangsversteigerung hatten schadlos halten konnen. Es kann nicht beanstandet\nwerden, dass die Beklagte zunachst versucht hat, die Abfallgebuhren bei der\nfruheren Wohnungseigentumerin Frau F. und damit bei der „Erzeugerin" der\nAbfalle beizutreiben, bevor sie die Klager selbst in Anspruch genommen hat.\nEine daruber hinausgehende Obliegenheit der Beklagten, die Gebuhrenforderung\ngegenuber den ubrigen Miteigentumern innerhalb einer bestimmten Frist mit\nBescheid festzusetzen, ist nicht ersichtlich. Die Klager haben auch nicht\ndargelegt, dass und warum es ihnen bei einer fruheren Inanspruchnahme - trotz\nder erfolglosen Beitreibungsversuche der Beklagten - moglich gewesen ware,\nsich im Rahmen der Zwangsversteigerung des Wohnungseigentums von Frau F.\nschadlos zu halten. \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 S. 2 VwGO, der\nAusspruch uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verb. mit §§\n708 Nr. 10, 711 ZPO. \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132\nAbs. 2 VwGO vorliegt. \n--- \n| 38 \n--- \n| **B e s c h l u s s vom 26. September 2008** \n--- \n| 39 \n--- \n| Der Streitwert fur das Berufungsverfahren wird auf 1.134,83 EUR\nfestgesetzt. \n--- \n| 40 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 20 \n--- \n| Der Senat entscheidet im Einverstandnis mit den Beteiligten uber die\nBerufung ohne mundliche Verhandlung (vgl. §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Berufung der Beklagten ist begrundet. Das Verwaltungsgericht hat den\nKlagen zu Unrecht stattgegeben. Die angefochtenen Abfallgebuhrenbescheide der\nBeklagten vom 13.10.2003 und ihre dazu ergangenen Widerspruchsbescheide sind\nrechtmaßig und verletzen die Klager nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1\nVwGO). Die Beklagte durfte die Klager als Wohnungseigentumer\ngesamtschuldnerisch fur die Kosten der Entsorgung des gesamten auf dem\nGrundstuck W.-Straße 2a anfallenden Abfalls - und damit auch fur die Kosten\nder Entsorgung des streitgegenstandlichen 0,77 m³-Restmullbehalters (Abfalle\nder Gaststatte) - in Anspruch nehmen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Rechtsgrundlage fur die Gebuhrenbescheide ist die auf Grund von § 2 Abs. 1\nund § 9 KAG in der bis zum 30.3.2005 geltenden Fassung (im Folgenden: KAG\na.F.) und auf Grund von § 8 LAbfG in der bis zum 30.3.2005 geltenden Fassung\n(im Folgenden: LAbfG a.F.) erlassene Gebuhrensatzung der Beklagten fur die\nVerwertung und Entsorgung von Abfallen vom 29.6.2000 (im Folgenden:\nAbfallgebuhrensatzung). Nach § 1 Abfallgebuhrensatzung erhebt die Beklagte zur\nDeckung der Aufwendungen fur die offentliche Verwertung und Entsorgung von\nAbfallen Benutzungsgebuhren. Schuldner dieser Gebuhren sind nach § 2 Abs. 1 S.\n1 Abfallgebuhrensatzung (auch) die Eigentumer der an die offentliche\nAbfallentsorgung angeschlossenen Grundstucke. Mehrere Eigentumer eines\nGrundstucks haften als Gesamtschuldner (§ 2 Abs. 1 S. 2\nAbfallgebuhrensatzung). Grundstuckseigentumer im Sinne der Satzung ist der im\nGrundbuch eingetragene Eigentumer; bei Wohnungseigentum die Gemeinschaft der\nWohnungseigentumer (§ 2 Abs. 1 S. 3 Abfallgebuhrensatzung). \n--- \n| 23 \n--- \n| 1\\. In Anwendung dieser satzungsrechtlichen Vorgaben hat die Beklagte zu\nRecht die einzelnen Wohnungseigentumer und nicht die Gemeinschaft der\nWohnungseigentumer in Anspruch genommen. Dies ergibt sich aus folgenden\nÜberlegungen: Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung,\nTeileigentum das Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Raumen und\nzwar jeweils in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem\ngemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehort (§ 1 Abs. 2 und Abs. 3 WEG). Zu\ndem gemeinschaftlichen Eigentum gehort namentlich das Grundstuck, auf dem die\nRaume errichtet sind (§ 1 Abs. 5 WEG). Die einzelnen Wohnungs- bzw.\nTeileigentumer sind damit stets Miteigentumer des Grundstucks. Ohne dass es\neiner ausdrucklichen Klarstellung fur das Wohnungs-und Teileigentum bedarf,\nsind daher die Klager in ihrer Eigenschaft als Miteigentumer des Grundstucks\nGebuhrenschuldner nach § 2 Abs. 1 S. 1 Abfallgebuhrensatzung. \n--- \n| 24 \n--- \n| Zu einer abweichenden Auslegung zwingt auch nicht die - missverstandliche\n-Formulierung in § 2 Abs. 1 S. 3 Abfallgebuhrensatzung, wonach „bei\nWohnungseigentum die Gemeinschaft der Wohnungseigentumer Grundstuckseigentumer\nist". Der Satzungsgeber stellt damit in Anknupfung an die vorhergehenden\nBestimmungen in § 2 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Abfallgebuhrensatzung klar, dass die\ngesamtschuldnerische Haftung der Miteigentumer eines Grundstucks auch fur\nWohnungs- und Teileigentumer gilt; jeder der einzelnen Wohnungseigentumer soll\nfur die gesamten Gebuhren des Grundstucks haften und nicht lediglich\nentsprechend seinem Miteigentumsanteil. \n--- \n| 25 \n--- \n| Den Klagern ist zwar zuzugeben, dass der Wortlaut in § 2 Abs. 1 S. 3 2. Hs.\nAbfallgebuhrensatzung die Annahme nahelegt, die Wohnungseigentumergemeinschaft\nals solche sei Gebuhrenschuldnerin. Nach der Grundsatzentscheidung des\nBundesgerichtshofs (Beschluss vom 2.6.2005 - V ZB 32.05 -NJW 2005, 2061) ist\ndie Teilrechtsfahigkeit der Wohnungseigentumergemeinschaft anerkannt, so dass\neine Kommune in ihrer Abgabensatzung den teilrechtsfahigen Verband der\nEigentumergemeinschaft durchaus als Gebuhrenschuldner bestimmen darf. Denn die\nsatzungsrechtlichen Regelungsmoglichkeiten einer Gemeinde zur\nGebuhrenschuldnerschaft bei Personenmehrheiten knupfen an die vorgefundenen\nStrukturen des Zivilrechts an, weshalb diese bei der Auslegung mit in den\nBlick zu nehmen sind. Die hier auszulegende Bestimmung der\nAbfallgebuhrensatzung wurde von der Beklagten allerdings im Jahre 2000 und\ndamit funf Jahre vor Anerkennung der Teilrechtsfahigkeit der\nWohnungseigentumergemeinschaft durch den Bundesgerichtshof erlassen. Bei der\nFrage, wie die in Rede stehende Bestimmung zu verstehen ist, ist aber auf die\ntatsachlichen und rechtlichen Verhaltnissen zum Zeitpunkt des Erlasses der\nGebuhrensatzung abzustellen. Da zum Zeitpunkt des Erlasses der Gebuhrensatzung\nnoch allgemein davon ausgegangen wurde, dass die\nWohnungseigentumergemeinschaft als solche mangels Rechtsfahigkeit nicht als\nGebuhrenschuldnerin in Betracht komme (vgl. etwa Bay.VGH, Urteil vom 17.6.1993\n- 23 B 91.1350 - BayVBl. 1994, 150), wurde die von den Klagern geforderte\nAuslegung - aus damaliger Sicht - die Regelung „leerlaufen" lassen; eine\nsolche Auslegung ware - mit anderen Worten - zweckwidrig, weil im Wege der\nAuslegung grundsatzlich sicherzustellen ist, dass eine Vorschrift bzw.\nSatzungsbestimmung - soweit dies moglich ist - einen sinnvollen\nRegelungsgehalt behalt. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die nach Ergehen der Gebuhrensatzung erfolgte Anerkennung der\nTeilrechtsfahigkeit der Wohnungseigentumergemeinschaft durch den\nBundesgerichtshof zwingt auch nicht dazu, die Auslegung der streitigen\nSatzungsbestimmungen an die geanderte Rechtsprechung anzupassen und damit - im\nWege der erganzenden Auslegung - die Gebuhrenpflicht der\nWohnungseigentumergemeinschaft anstatt einer Haftung der Wohnungseigentumer\nanzunehmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom\n2.6.2005, aaO, Rdnr. 43) haftet zwar in erster Linie die Gemeinschaft der\nWohnungseigentumer, soweit sie bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen\nEigentums am Rechtsverkehr teilnimmt; allerdings komme eine akzessorische\ngesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentumer neben dem\nteilrechtsfahigen Verband der Wohnungseigentumergemeinschaft dann in Betracht,\nwenn diese sich neben dem Verband klar und eindeutig auch personlich\nverpflichtet hatten oder - was hier einschlagig ist - eine ausdruckliche\nAnordnung des Gesetzgebers vorliege. Eine solche ausdruckliche Anordnung des\nGesetzgebers lasst sich dem Regelungszusammenhang des Kommunalabgabengesetzes\nund damit dem kommunalen Gebuhrenrecht ohne weiteres fur Grundbesitzabgaben\nentnehmen. So hindert auch nach Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts\n(Beschluss vom 11.1.2005 - 10 B 65.05 - NJW 2006, 791) die\nTeilrechtssubjektivitat der Wohnungseigentumergemeinschaft die Geltung einer\nim kommunalen Abgabenrecht statuierten gesamtschuldnerischen Haftung der\nWohnungseigentumer fur Grundbesitzabgaben nicht. \n--- \n| 27 \n--- \n| 2\\. Es kann ferner nicht beanstandet werden, dass die Beklagte die\nWohnungseigentumer nicht entsprechend ihrem jeweiligen Miteigentumsanteil,\nsondern auf Grundlage von § 2 Abs. 1 S. 2 Abfallgebuhrensatzung als\nGesamtschuldner fur die noch streitigen Abfallgebuhren, die fur das Anwesen\nW.-Straße 2a durch die Benutzung der offentlichen Abfallentsorgungseinrichtung\nentstanden sind, in Anspruch genommen hat. \n--- \n| 28 \n--- \n| a) Die von der Beklagten erhobenen Abfallgebuhren sind als\ngrundstucksbezogene (d.h. Grundbesitz-)Abgaben zu qualifizieren. Dies ergibt\nsich einmal aus der Regelung uber die Gebuhrenpflicht in § 2\nAbfallgebuhrensatzung. Daruber hinaus hat die Beklagte die Benutzung der\nAbfallentsorgungseinrichtungen in ihrer Satzung uber die Vermeidung,\nVerwertung und Entsorgung von Abfallen vom 27.7.1999\n(Abfallwirtschaftssatzung) grundstucksbezogen geregelt. Nach § 4 Abs. 1\nAbfallwirtschaftssatzung sind in erster Linie die Grundstuckseigentumer und\ndie diesen gleichstehenden Erbbauberechtigten, Wohnungseigentumer,\nNießbraucher und sonstige andere dingliche Berechtigte berechtigt und\nverpflichtet, ihre Grundstucke an die offentliche Einrichtung Abfallentsorgung\nanzuschließen, diese zu benutzen und ihr die auf ihren Grundstucken\nanfallenden Abfalle zu uberlassen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Fur das Wohnungseigentum folgt aus der Grundstucksbezogenheit der\nAbfallentsorgung, dass nicht das Wohnungseigentum in seiner Auspragung als\nSondereigentum an einer Wohnung, sondern der Miteigentumsanteil des\nWohnungseigentumers am gemeinschaftlichen Eigentum am Grundstuck betroffen ist\n(Bay.VGH, Urteil vom 17.7.2003 - 4 B 99.501 - NVwZ-RR 2004, 145; VG Stuttgart,\nUrteil vom 20.6.2007 - 2 K 3733/07 - Juris, Rdnr. 29). Damit wird\nsichergestellt, dass die Überlassungspflicht den gesamten auf dem Grundstuck\nanfallenden Abfall erfasst und nicht nur den aus den einzelnen\nEigentumswohnungen. Gebuhrenrechtlich folgt aus der Grundstucksbezogenheit\nweiter, dass fur das Grundstuck im Miteigentum der Wohnungseigentumer nur eine\n(einzige) Gebuhr entsteht, fur die die Wohnungseigentumer gesamtschuldnerisch\neinstehen mussen (Bay.VGH, Urteil vom 17.7.2003, aaO; VG Stuttgart, Urteil vom\n20.6.2007, aaO). \n--- \n| 30 \n--- \n| b) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann die\ngesamtschuldnerische Haftung der Klager auch nicht mit der Begrundung verneint\nwerden, hinsichtlich des hier streitigen 0,77 m³-Restmullbehalters fehle es an\neiner willentlich gemeinsamen Inanspruchnahme durch die Klager. Mehrere\nMiteigentumer eines Grundstucks nehmen die gebotene grundstucksbezogene\nLeistung einer offentlichen Einrichtung regelmaßig willentlich gemeinsam in\nAnspruch und sind daher in diesem Fall auch regelmaßig Gesamtschuldner (VGH\nBad.-Wurtt., Urteil vom 4.10.2005 - 2 S 995/05 - ZMR 2006, 818 zur Erhebung\nvon Abwassergebuhren). \n--- \n| 31 \n--- \n| Dass die Aufstellung des streitigen 0,77 m³-Restmullbehalters allein von\nder Wohnungseigentumerin Frau F. und nicht von den Wohnungseigentumern\ngemeinsam beantragt wurde, ist rechtlich unerheblich. Die\nGrundstuckseigentumer bilden mit Blick auf die Gebuhrenschuld eine rechtliche\nZweckgemeinschaft, der Antrag eines Miteigentumers wird folglich den anderen\nMiteigentumern zugerechnet. Die Inanspruchnahme der grundstucksbezogenen\nLeistung der offentlichen Abfallentsorgung steht nicht zur Disposition der\nGrundstuckseigentumer bzw. einzelner Grundstuckseigentumer. Die Haftung fur\ndie Entsorgung des auf einem Grundstuck anfallenden Abfalls hangt - mit\nanderen Worten - nicht von der Zustimmung der Grundstuckseigentumer bzw.\neinzelner Grundstuckseigentumer ab. Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau der\nRegelungen uber den Anschluss- und Benutzungszwang. Aus der Anschlusspflicht\nin § 4 Abs. 1 Abfallwirtschaftssatzung folgt fur die Grundstuckseigentumer\nbzw. Wohnungseigentumer die Verpflichtung, samtliche auf ihrem Grundstuck\nanfallenden Abfalle der offentlichen Einrichtung zu uberlassen. Gemaß § 13\nAbs. 2 Abfallwirtschaftssatzung muss fur jedes anschlusspflichtige Grundstuck\nmindestens ein Restmullbehalter zur Verfugung stehen, soweit nicht nach Absatz\n6 gemeinsame Abfallbehalter zugelassen sind. Dabei ist das Volumen der\naufzustellenden Restmullbehalter nach § 13 Abs. 3 Abfallwirtschaftssatzung so\nzu bemessen, dass der an dem Standplatz zwischen zwei Abholungen anfallende\nAbfall untergebracht werden kann. Reicht das Volumen der Abfallbehalter fur\nden regelmaßig anfallenden Abfall nicht aus, so hat der Anschlusspflichtige\ndie erforderlichen Behalter gem. § 13 Abs. 5 S. 1 Abfallwirtschaftssatzung\nzusatzlich zu beantragen. \n--- \n| 32 \n--- \n| Dass das Aufstellen des streitigen 0,77 m³-Restmullbehalters zur Erfullung\nder dargelegten satzungsrechtlichen Verpflichtungen erforderlich war, wird\nauch von den Klagern nicht bestritten. Der Behalter wurde von der fruheren\nWohnungseigentumerin Frau F. durchgangig mit Abfallen aus ihrer Gaststatte\nbefullt; er war damit fur die ordnungsgemaße Abfallentsorgung des Grundstucks\n- W.-Straße 2a - erforderlich (§ 4 Abs. 1 Abfallwirtschaftssatzung). \n--- \n| 33 \n--- \n| c) Die nach alledem auf Grundlage von § 2 Abs. 1 S. 2 Abfallgebuhrensatzung\nvorgesehene gesamtschuldnerische Haftung (auch) der Wohnungseigentumer ware\nnur dann ausgeschlossen, wenn sich dem hoherrangigen Recht eine\nSonderbestimmung fur Wohn- bzw. Teileigentum entnehmen ließe. Wahrend § 10\nAbs. 5 KAG a.F. fur das Beitragsrecht bestimmte, dass der einzelne Wohnungs-\nund Teileigentumer nur entsprechend seinem Miteigentumsanteil\nBeitragsschuldner ist, enthielt § 9 KAG a.F. fur das Benutzungsgebuhrenrecht\nkeine entsprechende Sonderregelung. Auch die Neuregelungen zum\nBenutzungsgebuhrenrecht in den §§ 13 bis 19 KAG n.F. treffen keine derartige\nSonderregelung. \n--- \n| 34 \n--- \n| d) Eine gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungs- bzw. Teileigentumer fur\ndie Kosten der Abfallentsorgung ist auch nicht auf Grund des Beschlusses des\nBundesgerichtshofs vom 25.9.2003 (- V ZB 21/03 - BGHZ 156, 193)\nausgeschlossen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs gehoren die Kosten der\nWasserversorgung des Sondereigentums und die hieran gekoppelten Kosten der\nAbwasserentsorgung nicht zu den in § 16 Abs. 2 WEG geregelten Lasten und\nKosten des gemeinschaftlichen Eigentums. Der individuelle Wasserverbrauch\ndiene ausschließlich dem Gebrauch der jeweiligen Sondereigentumseinheit,\ndeshalb seien auch die hierdurch verursachten Kosten als solche des\nSondereigentums anzusehen. Ob der Auffassung des Bundesgerichtshofs zu folgen\nist, kann offen bleiben. Jedenfalls dient die offentliche Abfallentsorgung -\nwie dargelegt - nicht ausschließlich dem Gebrauch der jeweiligen\nSondereigentumseinheit, sondern dem Gebrauch des gesamten Grundstucks. \n--- \n| 35 \n--- \n| 3\\. Ohne Erfolg rugen die Klager schließlich, die Beklagte habe die\nGebuhrenforderung nicht „zeitnah" bekannt gegeben und dadurch verhindert, dass\nsie sich bei der fruheren Miteigentumerin Frau F. im Rahmen der\nZwangsversteigerung hatten schadlos halten konnen. Es kann nicht beanstandet\nwerden, dass die Beklagte zunachst versucht hat, die Abfallgebuhren bei der\nfruheren Wohnungseigentumerin Frau F. und damit bei der „Erzeugerin" der\nAbfalle beizutreiben, bevor sie die Klager selbst in Anspruch genommen hat.\nEine daruber hinausgehende Obliegenheit der Beklagten, die Gebuhrenforderung\ngegenuber den ubrigen Miteigentumern innerhalb einer bestimmten Frist mit\nBescheid festzusetzen, ist nicht ersichtlich. Die Klager haben auch nicht\ndargelegt, dass und warum es ihnen bei einer fruheren Inanspruchnahme - trotz\nder erfolglosen Beitreibungsversuche der Beklagten - moglich gewesen ware,\nsich im Rahmen der Zwangsversteigerung des Wohnungseigentums von Frau F.\nschadlos zu halten. \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 S. 2 VwGO, der\nAusspruch uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verb. mit §§\n708 Nr. 10, 711 ZPO. \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132\nAbs. 2 VwGO vorliegt. \n--- \n| 38 \n--- \n| **B e s c h l u s s vom 26. September 2008** \n--- \n| 39 \n--- \n| Der Streitwert fur das Berufungsverfahren wird auf 1.134,83 EUR\nfestgesetzt. \n--- \n| 40 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n
193,594
lagrlp-2008-12-18-2-sa-37808
899
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
lagrlp
Rheinland-Pfalz
Arbeitsgerichtsbarkeit
2 Sa 378/08
2008-12-18
2019-02-12 09:23:38
2019-02-12 14:02:50
Urteil
ECLI:DE:LAGRLP:2008:1218.2SA378.08.0A
#### Tenor\n\n \n\n \n\n1\\. Die Berufung des Klagers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom\n28.05.2008 (4 Ca 1725/07) wird zuruckgewiesen.\n\n \n\n \n\n2\\. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil (4 Ca 1725/07) des\nArbeitsgerichts Trier vom 28.05.2008 wird zuruckgewiesen.\n\n \n\n \n\n3\\. Von den Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Klager 1/3, der\nBeklagten 2/3 auferlegt.\n\n \n\n \n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten um die Zahlung einer Karenzentschadigung sowie die von\nder Beklagten geltend gemachte Vertragsstrafe.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer Klager war bei der Beklagten beschaftigt, zuletzt als Produktionsmanager.\nDie Beklagte stellt Fenster und Turen her. Das Arbeitsverhaltnis endete am\n31.08.2003.\n\n \n\n3\n\n \n\nDie Parteien hatten unter dem 10.04.1996 ein Wettbewerbsverbot vereinbart. Das\nWettbewerbsverbot war in einer Vertragsurkunde enthalten, die von der\nBeklagten vorformulierte Vertragsbedingungen enthielt. Wegen der Einzelheiten\nder Wettbewerbsvereinbarung wird auf den Tatbestand des Urteils des\nArbeitsgerichts Trier vom 28.05.2008 verwiesen.\n\n \n\n4\n\n \n\nIm Wesentlichen hat sich der Klager verpflichtet, wahrend der Dauer von zwei\nJahren ab Beendigung des Anstellungsverhaltnisses nicht fur ein Unternehmen in\nDeutschland tatig zu sein, das zur Firma in Konkurrenz steht. Weiter ist\nausdrucklich vereinbart, was als Konkurrenzunternehmen gilt, namlich ein\nUnternehmen, das sich mit der Herstellung oder dem Vertrieb von Fenstern,\nTuren, Fensterladen, Isolier- und Funktionsglasern oder spezifischen EDV-\nProgrammen fur eine dieser Branchen befasst. Im Weiteren ist beschrieben,\nwelche Handlungen der Klager nicht ausfuhren darf, namlich ein festes\nAnstellungsverhaltnis oder freies Beratungs- oder Vertretungsverhaltnis bei\neinem solchen Unternehmen einzugehen, ein solches Unternehmen selbst zu\nerrichten oder zu erwerben oder sich an solchen Unternehmen mittelbar oder\nunmittelbar zu beteiligen oder dergleichen zu begunstigen.\n\n \n\n5\n\n \n\nWeiter ist vereinbart, dass fur jeden Fall der Falle wegen des\nWettbewerbsverbots der Mitarbeiter an die Firma eine Vertragsstrafe von\n100.000,00 DM zahlt, wobei die Geltendmachung hoheren Schadensersatzes\nunbenommen bleibt.\n\n \n\n6\n\n \n\nDer Klager war in der Zeit vom 01.09.2003 bis zum 28.02.2005 als selbstandiger\nHandelsvertreter fur die Firma F. GmbH tatig. Diese vertreibt Fenster und\nTuren, wobei allerdings ein Großteil der Produkte von der Beklagten bezogen\nwird. Der Klager erziele von September 2003 bis Dezember 2003\nÜberbruckungsgeld von monatlich 2.392,46 €, im Jahre 2004 verdiente er\n36.736,00 €, in den Monaten Januar 2005 bis Mai 2005 hatte er nur\ngeringfugiges Einkommen. Das Vorstandsmitglied M. der Beklagten bat mit\nSchreiben vom 09.11.2004, seine Konditionsvorstellung fur die Position eines\nVerkaufsleiters bei der Firma R. zu Handen seines Bruders K. hereinzugeben.\n\n \n\n7\n\n \n\nAb dem 01.06.2005 bis 31.08.2005 war der Klager dann bei der Firma R. GmbH\nbeschaftigt und verdiente dort monatlich 5.100,00 €. Diese Firma stellt\nebenfalls Fenster und Turen her. Nach der Behauptung des Klagers aber\nausschließlich fur die die Beklagte.\n\n \n\n8\n\n \n\nDer Klager hat geltend gemacht, bei der F. handele es sich nicht um eine\nKonkurrenzunternehmen, sondern um einen Kunden der Beklagten. Die Beklagte\nbefinde sich auf einer anderen Ebene der Verkaufskette, weil sie an den\nFachhandel verkaufe. Zu diesen Geschaften des Fachhandels wiederum gehore auch\ndie Firma F.. Deswegen stehe ihm die Karenzentschadigung zu.\n\n \n\n9\n\n \n\n**Der Kl ager hat beantragt,**\n\n10\n\n \n\n1\\. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 50.977,60 EUR nebst Zinsen in Hohe von\n8 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz zu zahlen (wegen der Zinsstaffelung\nwird auf den Schriftsatz vom 12.11.2007 Bezug genommen),\n\n \n\n11\n\n \n\n2\\. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 21.958,76 EUR nebst Zinsen in Hohe von\n8 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz zu zahlen (wegen der Zinsstaffelung im\nEinzelnen wird auf den Schriftsatz vom 18.01.2008, Bl. 79 d.A., Bezug\ngenommen).\n\n \n\n12\n\n \n\n**Die Beklagte hat beantragt,**\n\n13\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n \n\n14\n\n \n\nSie hat vorgetragen, die Firma F. GmbH vertreibe Fenster, Turen und Rollladen,\ninsbesondere auch Konkurrenzprodukte zu den Produkten des Klagers. Der Klager\nhabe durch seine Tatigkeit bei dieser Firma in zahlreichen Fallen gegen die\nWettbewerbsabrede verstoßen. Dies ergebe sich aus einzelnen vorgelegten\nAuftragen, welche ebenfalls im Tatbestand des angefochtenen Urteils\nwiedergegeben sind. Auch mit dem Abschluss eines Arbeitsvertrages bei der R.\nFenster habe der Klager gegen das Wettverbot verstoßen. Damit seien dem Klager\nWettbewerbsverstoße nachgewiesen, die jeweils eine Schadenersatzforderung von\n100.000,00 DM begrundeten.\n\n \n\n15\n\n \n\n**Wegen dieser Summe hat die Beklagte Widerklage erhoben und beantragt,**\n\n16\n\n \n\nden Klager zu verurteilen, 102.258,38 € nebst Zinsen in Hohe von 8\nProzentpunkten uber dem Basiszinssatz, seit dem 05.12.2007 aus 51.129,19 € und\nseit Zustellung der Erweiterung der Widerklage aus 51.129,19 € zu zahlen.\n\n \n\n17\n\n \n\n**Der Beklagte hat beantragt,**\n\n18\n\n \n\ndie Widerklage abzuweisen.\n\n \n\n19\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den\nTatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 28.05.2008 verwiesen.\n\n \n\n20\n\n \n\nDas Arbeitsgericht hat der Klage nur zum Teil entsprochen und dem Klager\nKarenzentschadigung fur die Zeit vom 01.03.2005 bis 31.05.2005 in Hohe von\n9.558,30 € zuerkannt. In diesem Zeitraum habe der Klager nicht gegen das\nWettbewerbsverbot verstoßen. Der Klager habe auch in diesem Zeitraum nicht fur\nein Konkurrenzunternehmen gearbeitet.\n\n \n\n21\n\n \n\nDie Karenzentschadigung belaufe sich auf dreimal 1.909,42 € mithin 5.728,26 €.\n\n \n\n22\n\n \n\nDer Klager konne auch Karenzentschadigung fur die Zeit des Wettbewerbsverbots\nnach dem 01.06.2005 verlangen. Die Beklagte konne sich nicht darauf berufen,\nder Klager habe eine Konkurrenztatigkeit bei der Firma R. aufgenommen. Dabei\nkonne dahinstehen, ob diese Tatigkeit wettbewerbswidrig sei oder nicht. Der\nBeklagten sei es nach Treu und Glauben verwehrt, sich hierauf zu berufen. Ihr\njetziges Verhalten widerspreche namlich ihrem Vorverhalten wie durch das\nSchreiben vom 09.11.2004 zum Ausdruck gekommen ist. Den Inhalt dieses\nSchreibens habe der Klager nur dahingehend verstehen durfen, dass er geradezu\naufgefordert wurde, sich bei der Firma R. um die Stelle der Verkaufsleitung zu\nbemuhen. Dieses Verhalten konne nur dahingehend verstanden werden, dass die\nBeklagte hierin keinen Wettbewerbsverstoß erblicke. Fur eine mogliche\nAufhebung des Wettbewerbsverbotes seien in diesem Schreiben keine\nAnhaltspunkte ersichtlich, insbesondere habe der Klager auch keine\nstillschweigende Erklarung dahin abgegeben, auf die Karenzentschadigung\nverzichten zu wollen. Wer aber jemand geradezu zum Vertragsbruch zum\nvermeintlichen eigenen Nachteil anhalte, konne sich hinterher darauf berufen,\nes lage ein Vertragsbruch vor und auch noch Schadensersatz verlangen. Dem\nKlager stehe deshalb die Karenzentschadigung zu.\n\n \n\n23\n\n \n\nNach Anrechnung des anderweitigen Einkommens hat das Arbeitsgericht fur die\nZeit vom Juni bis August 2005 weitere 5.728,26 € zugesprochen.\n\n \n\n24\n\n \n\nDas Arbeitsgericht hat die weitergehende Klage des Klagers abgewiesen. Der\nKlager habe gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen, somit seine Verpflichtung\naus den Vereinbarungen nicht erfullt. Die Firma F. vertreibe durch\nEigeneinbauten Fenster und Rollladen, dies liege auch im Marktsegment der\nBeklagten. Die Firma F. vertreibe auch Konkurrenzprodukte der Beklagten, so\nzum Beispiel Fenster der Firma I. GmbH. Damit uberschnitten sich Produktions-\nund Dienstleistungsangebote beider Unternehmen.\n\n \n\n25\n\n \n\nDie Widerklage sei unbegrundet. Es handele sich um vorformulierte\nVertragsbedingungen. Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB seien Bestimmungen in\nallgemeinen Geschaftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner\nentgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligten. Unangemessen sei jede\nBeeintrachtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die\nnicht durch begrundete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers\ngerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen werde. Eine\nunangemessene Benachteiligung konne sich auch daraus ergeben, dass die\nBestimmungen nicht klar und verstandlich sei. Die Vertragsstrafenabrede musse\nalso nicht nur klar und verstandlich sein, sie durfe als solche auch nicht\nungemessen benachteiligen. Diesen Grundsatzen entsprache die vereinbarte\nVertragsstrafenklausel nicht. Sie sei bereits hinsichtlich des\nTransparenzgebotes unwirksam. Nach dem Verstandnis der Beklagten sei jeder\nAuftrag, der den Klager als Handelsvertreter geschrieben habe, ein Verstoß\ngegen das Wettbewerbsverbot. Wenn er also an einem Tag mehrere Auftrage\nabschließe, musse er schon fur einen Tag mit einer Vertragsstrafe von mehreren\nhundert Tausend Euro rechnen. Zu Gunsten der Beklagten konnte die Klausel\nallenfalls noch dahingehend ausgelegt werden, dass mit jedem "Fall" die\nAufnahme einer Konkurrenztatigkeit gemeint sei. Denkbar ware auch, dass die\nVertragsstrafe fur jeden Monat der Vertragsverletzung zu gelten hatte. Damit\nwerde aber das Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verletzt. Die\ngetroffene Vertragsstrafenregelung enthalte auch keine Einschrankung des\nVertragstrafenanspruchs dahingehend, dass hochstens einmal pro Monat die\nVertragstrafe verwirkt werden konne. Der Wortlaut der Vertragsbestimmung sei\ninsoweit eindeutig. Damit liege aber ein unangemessene Benachteiligung vor.\nEine geltungserhaltende Reduktion der unwirksamen Vertragsstrafenklausel\nscheide aus. Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegrundung wird auf\ndie Entscheidung verwiesen.\n\n \n\n26\n\n \n\nDas Urteil wurde dem Klager am 16.06.2008, der Beklagten am 13.06.2008\nzugestellt.\n\n \n\n27\n\n \n\nDie Beklagte hat am 08.07.2008 Berufung eingelegt, der Klager hat am\n15.07.2008 Berufung eingelegt.\n\n \n\n28\n\n \n\nDie Beklagte hat ihre Berufung am 07.08.2008 begrundet, der Klager hat seine\nBerufung am 15.08.2008 begrundet.\n\n \n\n29\n\n \n\nDie Beklagte rugt die Feststellung des Arbeitsgerichts, der Klager habe in der\nZeit vom 01.03.2005 bis 31.05.2005 nicht gegen das Wettbewerbsverbot\nverstoßen. Er habe lediglich vorgetragen, in diesem Zeitraum nur ein geringes\nEinkommen bezogen zu haben, aber nicht vorgetragen oder unter Beweis gestellt,\ndass er in dem Zeitraum zum Einhalten des Wettbewerbsverbots zuruckgekehrt\nsei. Daher konne ihm fur diesen Zeitraum auch keine Entschadigung zustehen. Es\nsei nicht auszuschließen, dass der Klager nach den wettbewerbswidrigen\nTatigkeiten bei der Firma F. sein wettbewerbswidriges Handeln fortgesetzt\nhabe.\n\n \n\n30\n\n \n\nEr habe des Weiteren ab 01.06.2005 eine Konkurrenztatigkeit bei der Firma R.\naufgenommen. Auch wenn der Vorstand des Beklagten hierzu ermunterte, konne\ndaraus nicht der Schluss gezogen werden, dass die Beklagte durch die Aufnahme\nder Tatigkeit einen Wettbewerbsverstoß nicht sehe. Es ware vielmehr\nVerpflichtung des Klagers gewesen, vor Aufnahme der Tatigkeit bei der Firma R.\nmit dem Vorstand der Beklagten eine entsprechende Klarung herbeizufuhren. Dies\nhabe der Klager nicht gemacht.\n\n \n\n31\n\n \n\nDie Widerklage auf Vertragsstrafe sei begrundet, weil der Klager als\nHandelsvertreter gegen die vereinbarte Wettbewerbsvereinbarung verstoßen habe.\nAuch nach der Schuldrechtsreform komme nach § 75 c HGB als spezielle\nVorschrift fur Handelsvertreter nach wie vor uneingeschrankt zur Anwendung.\nDaher bestehe nach wie vor die gesetzliche Regelung auf Herabsetzung der\nVertragsstrafe, sofern das Gericht diese als zu hoch ansehe. Diese gesetzliche\nRegelung hatte das Arbeitsgericht berucksichtigen mussen.\n\n \n\n32\n\n \n\n**Die Beklagte** hat innerhalb der in Berufungs- und Berufungsbegrundungsfrist\neingegangenen Schriftsatzen lediglich **den Antrag** angekundigt,\n\n33\n\n \n\ndas Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 28.05.2008, 4 Ca 1725/07 abzuandern\nund die Klage abzuweisen.\n\n \n\n34\n\n \n\nDiesen Antrag stellte die Beklagte in der mundlichen Verhandlung.\n\n \n\n35\n\n \n\n**Sie beantragt weiter,**\n\n36\n\n \n\ndass der Klager gemaß den Schlussantragen erster Instanz zu der Widerklage\nverurteilt werden soll.\n\n \n\n37\n\n \n\n**Der Kl ager beantragt,**\n\n38\n\n \n\ndas Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 28.05.2008 zum Aktenzeichen 4 Ca\n1725/07, zugestellt am 16.06.2008, wird, soweit die Klage abgewiesen worden\nist, abgeandert und die Beklagte verurteilt, an den Klager uber den bereits\nausgeurteilten Betrag von 15.286,56 € brutto zzgl. Zinsen weitere 57.349,80 €\nzu zahlen nebst Zinsen in Hohe von funf Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz\n\n \n\n39\n\n \n--- \nseit dem 10.11.2003 aus 6.372,20 €, \nseit dem 11.12.2003 aus 3.186,10 €, \nseit dem 01.01.2004 aus 3.186,10 €, \nseit dem 01.02.2004 aus 3.186,10 €, \nseit dem 01.03.2004 aus 3.186,10 €, \nseit dem 01.04.2004 aus 3.186,10 €, \nseit dem 01.05.2004 aus 3.186,10 €, \nseit dem 01.06.2004 aus 3.186,10 €, \nseit dem 01.07.2004 aus 3.186,10 €, \nseit dem 01.08.2004 aus 3.186,10 €, \nseit dem 01.09.2004 aus 3.186,10 €, \nseit dem 01.10.2004 aus 3.186,10 €, \nseit dem 01.11.2004 aus 3.186,10 €, \nseit dem 01.12.2004 aus 3.186,10 €, \nseit dem 01.01.2005 aus 3.186,10 €, \nseit dem 01.02.2005 aus 3.186,10 € sowie \nseit dem 01.03.2005 aus 3.186,10 €. \n \n \n\n40\n\n \n\n**Er beantragt weiter,**\n\n41\n\n \n\ndie Berufung der Beklagten zuruckzuweisen.\n\n \n\n42\n\n \n\n**Die Beklagte wiederum beantragt,**\n\n43\n\n \n\ndie Berufung des Klagers zuruckzuweisen.\n\n \n\n44\n\n \n\nDer Klager tragt vor, er habe ca. um den 20.07.2003 den Vorstand A. M.\npersonlich daruber informiert, dass er fur die Firma F. im Verkauf von\nFenstern und Turen an Privatkunden tatig werde. Herr M. habe dies wohlwollend\nzur Kenntnis genommen und noch geaußert, dass sei das Beste was der Klager\nmachen konne. Infolge dessen habe er davon ausgehen mussen, dass die Beklagte\nin einer Tatigkeit des Klagers bei der Firma F. keinen Wettbewerbsverstoß\nerblicke. Angesichts dessen liege ein Verstoß gegen das Verbot\nwiderspruchlichen Verhaltens vor.\n\n \n\n45\n\n \n\nDas Arbeitsgericht habe weiter rechtsfehlerhaft verkannt, dass eine\nKonkurrenztatigkeit des Klagers bei der Firma F. nicht vorgelegen habe. Das\nWettbewerbsverbot sei unverbindlich, weil es nicht zum Schutz eines\nberechtigen geschaftlichen Interesses des Prinzipals diene. Daran fehle es\nwenn von vornherein mit dem Verbot kein legitimer geschaftlicher Zweck\nverfolgt werde. In diesem Sinne seien Wettbewerbsverbote auszulegen. Fehle es\nan einer klaren Auslegung musse das Verbot zu Lasten des Arbeitgebers\nausgelegt werden, zumindest dann, wenn dieser ein Vertragsformular benutze.\nEin berechtigtes Interesse liege dann nicht vor, wenn der ausgeschiedene\nMitarbeiter lediglich im Kampf um kunftige Kunden ausgeschaltet werden solle.\nWolle man das Wettbewerbsverbot so interpretieren, wie vom Arbeitsgericht,\nware dem Klager jedwede Tatigkeit in der bisherigen Branche d. h. jedwede\nTatigkeit, die mit dem Vertrieb von Fenstern und Turen zu tun habe, fur die\nDauer von zwei Jahren untersagt. Dies wurde bedeuten, dass er in der\nbetreffenden Branche zwei Jahre nicht arbeiten durfte, er ware fur die\nBetriebe die in Deutschland Fenster und Turen verkauften fur zwei Jahre\ngesperrt. Ein solches zweijahriges Tatigkeitsverbot hatte letztendlich zur\nFolge, dass der Klager in der betreffenden Branche uberhaupt nicht mehr Fuß\nfassen konne, sondern sich beruflich vollkommen anders orientieren musse.\nDamit verbunden waren erhebliche berufliche Risiken. Bei einer solchen weiten\nAuslegung des Wettbewerbverbotes ware eine Verbindlichkeit nur dann gegeben,\nwenn dem Arbeitnehmer die Zahlung der vollen Bezuge zugesagt worden ware. Ein\nverbindliches Wettbewerbsverbot bestehe nur im Hinblick auf solche\nWettbewerber, die den selben Kundenkreis bedienen. Dies sei im Falle der\nBeklagten und der Firma F. nicht der Fall. Letztere verkaufe ausschließlich an\nEndverbraucher, d. h. die privaten und gewerblichen Bauherren, sie sei wie ein\nEinzelhandler tatig, die Beklagte hingegen verkaufe ausschließlich an den\nFachhandel. Die Firma F. habe im Jahr hochstens eine Haustur hergestellt und\nauch nur dann wenn es sich um ein spezielles Produkt handele, dass bei der\nBeklagten nicht zu bekommen sei.\n\n \n\n46\n\n \n\nVerkaufe der Beklagten an Endverbraucher seien nur marginal und allenfalls an\nMitarbeiter im Rahmen von Sonderaktionen. Durch die Tatigkeit sei der\nBeklagten auch ein Schaden nicht entstanden. Ganz im Gegenteil hatten sich die\nUmsatze der Beklagten mit der Firma F. deutlich erhoht.\n\n \n\n47\n\n \n\nDie Beklagte wiederum verteidigt das angefochtene Urteil, der Klager habe\ngegen die Wettbewerbsvereinbarung verstoßen. Diese sei nicht unverbindlich, er\nhabe wie aus vorgelegten Unterlagen ergebe, fur die Firma F. gearbeitet, die\nauch Produkte von Konkurrenzfirmen vertreibe.\n\n \n\n48\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des umfangreichen Sach- und Streitstandes im\nBerufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsatze der\nParteien, die Gegenstand der mundlichen Verhandlung waren verwiesen. Weiter\nwird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 30.10.2008.\n\n \n\n49\n\n \n\nEin in dieser Sitzung abgeschlossener Vergleich wurde vom Klager rechtzeitig\nwiderrufen.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n \n\n \n\n**I.**\n\n50\n\n \n\nDie Berufung des Klagers ist form- und fristgerecht eingelegt und begrundet\nworden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. v. m. § 520 ZPO). Sie hat in der\nSache jedoch keinen Erfolg.\n\n \n\n51\n\n \n\nDem Klager stehen uber die vom Arbeitsgericht zugesprochenen Betrage der\nKarenzentschadigung keine weiteren Leistungsanspruche gegenuber der Beklagten\nzu. Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt kann der Klager fur die Zeit, fur\ndie er als Handelsvertreter fur die Firma F. gearbeitet hat, von der Beklagten\nKarenzentschadigung verlangen, weil er insoweit seine vertraglich benommene\nVerpflichtung, ein Wettbewerbsverbot einzuhalten, nicht erfullt hat. Der\nBeklagten steht daher die Einrede des nicht erfullten Vertrages (§ 320 BGB)\nzu.\n\n \n\n52\n\n \n\nDie umfangreichen Ausfuhrungen des Klagers im Berufungsverfahren zur\nUnverbindlichkeit des Wettbewerbverbots, insbesondere auch im Zusammenhang mit\neiner Auslegung der von der Beklagten vorgegebenen Vertragsformulierungen,\nergeben nicht den mit der Klage verfolgten Anspruch.\n\n \n\n53\n\n \n\nZutreffend ist der Ausgangspunkt des Klagers, dass ein nachvertragliches\nWettbewerbsverbot Bedenken unterliegen kann, wenn es nicht zum Schutz eines\nberechtigten geschaftlichen Interesses des Arbeitgebers dient und das\nberufliche Fortkommen des Handlungsgehilfen unbillig erschwert. Dies trifft\ninsbesondere dann zu, wenn der Arbeitgeber mit dem Wettbewerbsverbot das Ziel\nverfolgt, jede Starkung der Konkurrenz durch den Arbeitplatzwechsel zu\nverhindern, ohne dass die Gefahr der Weitergabe von Geschaftsgeheimnissen oder\ndes Einbruchs in den Kundenstamm zu besorgen ist (vgl. BAG Urteil vom\n01.08.1995, 9 AZR 884/93 in NZA 1996, 310). An dieser Stelle kann es offen\nbleiben, ob die Feststellung des Arbeitsgerichts zutreffend ist, dass allein\ndie Produktion einer einzigen Tur ausreicht, um von einer Konkurrenzsituation\nauszugehen.\n\n \n\n54\n\n \n\nUnerheblich fur die Entscheidung der Kammer war auch, ob es darauf ankommt,\ndass die Firma F. einen anderen Kundenkreis bedient als die Beklagte, namlich\nan Endverbraucher liefert, wahrend die Beklagte Fachhandler wie z. B. die\nFirma F. bedient.\n\n \n\n55\n\n \n\nRechtsfolge eines unverbindlichen Wettbewerbsverbotes ist namlich nicht die\nganzliche Unwirksamkeit dieses Wettbewerbsverbots, sondern lediglich wie von §\n74 a HGB normiert die Unverbindlichkeit. Damit wird dem Arbeitnehmer eine\nWahlrecht eingeraumt. Der Arbeitnehmer kann sich an die getroffene\nVereinbarung halten oder er kann sich von ihr lossagen. Das Recht zur\nLossagung wird allerdings insoweit begrenzt, als der Arbeitnehmer an der\nWettbewerbsabrede in einem gesetzlich zulassigem Umfang festgehalten wird.\nBeruft sich der Arbeitnehmer trotz Vorliegen eines\nUnverbindlichkeitstatbestandes auf die getroffenen Abreden, verlangt er also\nErfullung, steht ihm ein Anspruch auf Entschadigung in der vereinbarten Hohe\nzu. Nach der gesetzlichen Konzeption ist es Risiko und Sache des Arbeitnehmers\nsich auf das Vorliegen eines Unverbindlichkeitstatbestandes zu berufen und das\nWettbewerbsverbot nur in dem gesetzlich zulassigen Umfang zu erfullen. Die\nErklarung uber die partielle Nichteinhaltung des Verbots hat der Arbeitgeber\nzu Beginn der Geltung des nachvertraglichen Wettbewerbverbots abzugeben,\nmithin im Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhaltnisses (vgl.\nBAG Urteil vom 22.05.1990, 3 AZR 647/88 in NZA 1991, 263). Es erscheint daher\nin der Praxis sinnvoll eine allgemeine Feststellungsklage uber den Umfang des\nWettbewerbverbots zu erheben, wenn eine Unsicherheit uber das Vorliegen eines\nUnverbindlichkeitstatbestandes gegeben ist.\n\n \n\n56\n\n \n\nRechtsfolge der Unverbindlichkeit ist nicht etwa, dass der Klager sich an das\nWettbewerbsverbot nicht zu halten braucht, er aber gleichwohl die vereinbarte\nEntschadigung verlangen kann.\n\n \n\n57\n\n \n\nNichts anderes sagt auch das vom Klager zitierte Urteil des\nLandesarbeitsgericht Baden-Wurttemberg vom 30.01.2008 (10 Sa 60/07) wo\nausgefuhrt wird, dass die Frage der Sittenwidrigkeit des Verbotes bei\nUmstanden, die kraft der ausdrucklichen Sonderregelung des § 74 a Abs. 1 HGB\nberuhen, regelmaßig ausscheiden. Dies hatte fur den Arbeitnehmer den Vorteil,\ndass im Falle der Unverbindlichkeit einer Wettbewerbsabrede dem Arbeitnehmer\nein Wahlrecht zwischen Erfullung mit Karenzentschadigung verbleibt, was im\nFalle der Sittenwidrigkeit nicht moglich ware.\n\n \n\n58\n\n \n\nBedeutet somit die Unverbindlichkeit nicht Unwirksamkeit einer entsprechenden\nVerpflichtung, ist Voraussetzung fur einen Anspruch auf Zahlung der\nvereinbarten Karenzentschadigung, dass der Klager sich seinerseits an die von\nihm ubernommene Verpflichtung halt. Dies hat er wie vom Arbeitsgericht\nzutreffend herausgearbeitet, im Falle seiner Tatigkeit fur die Firma F. nicht\ngetan. Ihm steht daher die begehrte Karenzentschadigung nicht zu.\n\n \n\n59\n\n \n\nAuch aus den Bestimmungen uber Unwirksamkeit von Klauseln nach Grundsatzen der\nKlauselkontrolle wegen allgemeiner Geschaftsbedingungen ergibt sich nichts\nanderes.\n\n \n\n60\n\n \n\nDie Klausel ist zum einen nicht intransparent. Es ist dem Klager genauestens\nvorgegeben, welche Verpflichtungen er ubernommen haben im Rahmen der\nWettbewerbsabrede. Die Bestimmung ist eindeutig und beschreibt ausdrucklich,\nwelche Tatigkeiten und welche Unternehmen der Klager nicht ausuben darf, um\nsich an die Wettbewerbsabrede zu halten. Eine Unklarheit besteht insoweit\nnicht.\n\n \n\n61\n\n \n\nDas Problem der geltungserhaltenden Reduktion stellt sich ebenfalls nicht. Die\ngesetzliche Bestimmung besagt eindeutig, dass das Wettbewerbsverbot insoweit\nunverbindlich ist, als es nicht dem berechtigten Interessen des Arbeitgebers\ndient. Eine abweichende Vereinbarung in allgemeinen Geschaftsbedingungen wurde\nletztlich nur das Ergebnis haben, dass die gesetzliche Rechtsfolgenregelung\ngreift, diese ist wiederum dahin zu bestimmen, dass die Wettbewerbsabrede\nunverbindlich bleibt mit der Folge, dass der Klager nicht verpflichtet ist,\nsich an das Wettbewerbsverbot zu halten. Halt er sich nicht an das\nWettbewerbsverbot, weil es fur ihn unverbindlich ist, riskiert er zwar keine\nSchadensersatzverpflichtung oder eine Vertragsstrafe, er kann auch nicht auf\nUnterlassung in Anspruch genommen werden, andererseits erfullt er nicht die\nvon ihm vertraglich ubernommene Verpflichtung sich des Wettbewerbs insoweit zu\nenthalten, mit der Folge, dass ein Zahlungsanspruch auf Karenzentschadigung\nausscheidet.\n\n \n\n62\n\n \n\nDie Kammer hatte keine Veranlassung der Frage nachzugehen, ob die Bestimmungen\nder §§ 307 ff. BGB auf die Wettbewerbsabrede, jedenfalls soweit sie den Umfang\nbeinhaltet, uberhaupt Anwendung findet. Insbesondere bestehen Zweifel, ob es\nsich hierbei um eine der Inhaltskontrolle unterliegenden Klausel handelt. Nach\n§ 307 Abs. 3 BGB sind von der Inhaltskontrolle ausgenommen Abreden, die ihrer\nArt nach nicht der Regelung durch Gesetz oder anderen Vorschriften\nunterliegen, sondern von den Vertragspartnern festgelegt werden. Dies sind\nAbreden uber den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistungen und des dafur zu\nzahlenden Entgeltes.\n\n \n\n63\n\n \n\nDer vom Klager in der mundlichen Verhandlung mehrfach gegebene Hinweis, er\nhatte gar keine andere Wahl gehabt, als bei der Firma F. zu arbeiten, um sich\nseinen Standard im Bereich des Vertriebs von Fenster und Turen zu erhalten,\nuberzeugt nicht.\n\n \n\n64\n\n \n\nZum einen ist darauf hinzuweisen, dass der Klager ohne weiteres im nicht\nentfernt gelegenen Ausland hatte tatig werden konnen, er hatte seine\nvorhandenen Tatigkeiten auch bei Unternehmen einsetzen konnen, die nicht in\nder Fenster- oder Turen-Produktion und dem Vertrieb ihr Betatigungsfeld haben,\nohne dass ersichtlich ist, dass nachhaltige Beeintrachtigungen des beruflichen\nFortkommens fur die Zukunft zu erwarten gewesen waren. Wer im\nProduktionsbereich Fenster und Turen als Produktmanager erfolgreich ist, der\nkann gewiss auch andere Produkte erfolgreich vermarkten, ohne deswegen\ngleichzeitig im Segment der Beklagten tatig sein zu mussen, dies auch nur fur\neinen Zeitraum von 2 Jahren.\n\n \n\n65\n\n \n\nDer Klager hatte also durchaus die Moglichkeit gehabt sich ganzlich jeglicher\nTatigkeit zu enthalten, die durch das vertraglich ubernommene\nWettbewerbsverbot beschrieben ist und hatte dann die Zahlung der vereinbarten\nKarenzentschadigung fur sich beanspruchen konnen.\n\n \n\n66\n\n \n\nEs geht jedenfalls nicht an, dass der Klager sich nur die Vorteile\n(Rosinentheorie) aus der getroffenen Wettbewerbsabrede fur sich reklamiert,\nalso sich darauf beruft, dass er an sich nicht verpflichtet ist, sich an das\nWettbewerbsverbot zu halten, andererseits die Beklagte aber hierfur die\nvereinbarte Karenzentschadigung zu zahlen hatte.\n\n \n\n67\n\n \n\nDer im Berufungsverfahren vom Klager weiter gegebene Hinweis, er sei vom\nVorstand der Beklagten ermuntert worden, bei der Firma F. tatig zu werden,\nbesagt nichts anderes. Hierin liegt insbesondere keine Zusage, dass die\nBeklagte sich verpflichten wurde, an den Klager auch dann Karenzentschadigung\nzu zahlen, wenn der Klager bei der Firma F. tatig wird. Allenfalls kann\nhieraus hergeleitet werden, dass die Beklagte auf Anspruche, die sich insofern\naus einer eventuellen Verletzung eines Wettbewerbsverbotes ergeben wurde,\nverzichtet. Eine stillschweigende Aufhebung des Wettbewerbsverbots ist hierin\nnicht zu sehen, insbesondere wurde dies auch nicht dazu fuhren, dass der\nKlager Karenzentschadigung verlangen konnte, weil dann die vertragliche\nGrundlage zur Zahlung dieser Entschadigung entfallen ware.\n\n \n\n \n\n**II.**\n\n68\n\n \n\nDie Berufung der Beklagten hat im Ergebnis keinen Erfolg.\n\n \n\n69\n\n \n\nZunachst ist die Kammer nicht gehindert, uber den Antrag der Beklagten, der\nKlager moge an die Beklagte die geltend gemachte Widerklageforderung aus 1.\nInstanz zahlen, materiell zu entscheiden.\n\n \n\n70\n\n \n\nDie Beklagte hat die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil nicht auf die\nin der Berufungsschrift gestellten Antrage beschrankt. Daraus, dass die\nBeklagte in der Berufungsschrift nur den Antrag auf Klageabweisung gestellt\nhat, konnte nicht geschlossen werden, sie wollte das Rechtsmittel entsprechend\nbeschranken und ihnen Klageantrag zu 3) in der Berufungsinstanz nicht weiter\nverfolgen.\n\n \n\n71\n\n \n\nDies ergibt sich schon daraus, dass nach § 518 ZPO die Berufungsschriftantrage\nnoch nicht enthalten muss.\n\n \n\n72\n\n \n\nDaher kann nach allgemeiner Meinung der Ankundigung beschrankter Antrage in\nder Berufungsschrift eine entsprechende Beschrankung des Rechtsmittels\nregelmaßig nicht entnommen werden. Von einer Beschrankung kann nur dann\nausgegangen werden, wenn der klare und eindeutige Wille zum Ausdruck gebracht\nworden ist, dass das erstinstanzliche Urteil insoweit hingenommen und nicht\nangefochten werden soll (vgl. BAG Urteil vom 04.08.1993, 4 AZR 511/92).\n\n \n\n73\n\n \n\nAus der Berufungsschrift der Beklagten ergibt sich ein derartiger Wille nicht.\nDie Beklagte hat die Erklarung, dass sie gegen das erstinstanzliche Urteil\nBerufung einlegt, in dem Umfang nicht ausdrucklich beschrankt. Zwar konnten\nmoglicherweise Zweifel auftauchen, ob die Beklagte die erstinstanzliche\nabgewiesene Widerklage auch im Berufungsverfahren noch weiter verfolgt. Diese\nZweifel genugen aber nicht von Beschrankung des Rechtsmittels auszugehen.\n\n \n\n74\n\n \n\nDass die Beklagte in der Berufungsbegrundung ausdrucklich die Antrage auf\nVerurteilung nach der Widerklage nicht gestellt hat, ist ebenfalls nicht\nschadlich. Aus der Berufungsbegrundung ergibt sich eindeutig, dass die\nBeklagte das Urteil des Arbeitsgerichts insofern fur fehlerhaft halt, als es\ndie Widerklage unter Hinweis auf Rechtssprechung zu Inhaltskontrolle zu\nallgemeiner Geschaftsbedingungen abgewiesen hat. Die Berufungsbegrundung\numfasst sich auch ohne ausdruckliche Antragstellung daher mit der\nKlageabweisung des Arbeitsgerichts, soweit die Vertragsstrafe der Beklagten\nnicht zugesprochen wurde.\n\n \n\n75\n\n \n\nGegenstand und Umfang des Berufungsverfahrens sind damit klargestellt. Einer\nausdrucklichen Ankundigung eine Antrages, auch nach den Schlussantragen zur\nWiderklage in erster Instanz zu befinden, bedurfte es demgemaß innerhalb der\ngenannten Fristen nicht.\n\n \n\n76\n\n \n\nDie Berufung der Beklagten hat aber in der Sache keinen Erfolg.\n\n \n\n77\n\n \n\nSoweit die Beklagte weiterhin die Zahlung von Vertragsstrafe begehrt, ist das\nangefochtene Urteil zutreffend.\n\n \n\n78\n\n \n\nAuf dieses Urteil wird gemaß § 69 Abs. 2 ArbGG verwiesen.\n\n \n\n79\n\n \n\nIm Berufungsverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte\naufgetreten, die eine Abweichung von dem gefundenen Ergebnis rechtfertigen\nkonnten. Sofern die Beklagte auf die Bestimmungen zur Anpassung der\nVertragsstrafe hinweist, ist zum einen auf die Rechtssprechung Bezug zu\nnehmen, die auch vom Arbeitsgericht angesprochen wurde, dass eine\ngeltungserhaltende Reduktion nicht in Betracht kommt bei intransparenten\nKlauseln, um eine solche handelt es sich, wie vom Arbeitsgericht zutreffend\nherausgearbeitet, Zum Anderen verkennt die Beklagte, dass der Vertrag nicht\nnach den Modalitaten eines Handelvertretervertrages zu behandeln ist, sondern\ndie Vereinbarung zwischen den Parteien in einem bestehenden Arbeitsverhaltnis\ngetroffen wurde, der Klager also ein Wettbewerbsverbot als Handlungsgehilfe\naufgenommen hat. Desweiteren ist festzuhalten, dass auch im Bereich der\nVertragsstrafe im allgemeinen burgerlichen Recht eine Herabsetzung durch das\nGericht in Betracht kommt, allerdings die Bestimmungen uber die Unwirksamkeit\nvon vorformulierten Vertragsbestimmungen, die intransparent sind, diesen\nallgemeinen Regeln sowohl im burgerlichen Recht, als auch im Handelsrecht\nvorgehen.\n\n \n\n \n\n**III.**\n\n80\n\n \n\nSoweit die Beklagte geltend macht, dass Arbeitsgericht habe dem Klager\nKarenzentschadigung zu Unrecht zugesprochen, ist die Berufung zum Teil nicht\nhinreichend begrundet, zum Teil entspricht die Entscheidung des\nArbeitsgerichts materieller Rechtslage.\n\n \n\n81\n\n \n\nDer Klager hat namlich erstinstanzlich nicht lediglich vorgetragen, er habe in\nder Zeit vom 01.03.2005 bis zum 31.03.2005 nur ein geringes Einkommen bezogen,\ner hat, auch dies ist vom Arbeitsgericht bei seiner Entscheidungsfindung\nberucksichtigt worden, daruber hinaus unter Vorlage von Dokumenten\nvorgetragen, dass sein Rechtsverhaltnis zur Firma F. mit dem 28.02.2005\ngeendet hat. Anhaltspunkte dafur, dass der Klager nach diesem Zeitraum\nTatigkeiten ausgeubt hat, die mit dem vom ihm ubernommenen Wettbewerbsverbot\nnicht in Einklang zu bringen sind, hat die Beklagte nicht dargelegt. Es ist\ndaher wie vom Arbeitsgericht davon auszugehen, dass sich der Klager in der\nZeit vom 01.03.2005 bis 31.05.2005 an das Wettbewerbsverbot gehalten hat, mit\nder Folge, dass ihm die vertraglich zugesicherte Karenzentschadigung zusteht.\n\n \n\n82\n\n \n\nDass der Klager ab 01.06.2005 bei der Firma R. gearbeitet hat, steht der\nZahlung ebenfalls nicht entgegen. Insofern liegt eine hinreichende\nAuseinandersetzung mit den tragenden Grunden der angefochtenen Entscheidung\nnicht vor. Die Beklagte schreibt lediglich, wenn sie den Klager ermuntert\nhabe, eine Tatigkeit bei der Firma R. aufzunehmen, konne hieraus nicht der\nSchluss gezogen werden, dass die Beklagte einen Wettbewerbsverstoß nicht mehr\nsehe. Mit den ausfuhrlichen Begrundungen des arbeitsgerichtlichen Urteils, ob\nund inwieweit dieses Verhaltensmuster gegen Treu und Glauben verstoßt, setzt\nsich die Berufungsbegrundung nicht in hinreichend deutlicher Form auseinander,\ninsbesondere wird nicht dargelegt, weswegen die Auffassung des Arbeitsgerichts\nfehlerhaft sein soll. Eine Verpflichtung des Klagers vor Aufnahme der\nTatigkeit mit dem Vorstand eine entsprechende Klarung herbeizufuhren, wird\nhier zwar behauptet, allerdings nicht klargestellt, aus welchen Grunden\ndeswegen die Entscheidung falsch sein soll.\n\n \n\n83\n\n \n\nErweist sich somit insoweit die angefochtene Entscheidung des Arbeitsgerichts\nals zutreffend, musste auch die Berufung der Beklagten erfolglos bleiben.\n\n \n\n \n\n**IV.**\n\n84\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.\n\n \n\n85\n\n \n\nGrunde fur eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der Kriterien des §\n72 Abs. 2 ArbGG nicht.\n\n
193,686
lagrlp-2008-11-19-5-ta-16608
899
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
lagrlp
Rheinland-Pfalz
Arbeitsgerichtsbarkeit
5 Ta 166/08
2008-11-19
2019-02-12 09:26:22
2019-02-12 14:03:04
Beschluss
ECLI:DE:LAGRLP:2008:1119.5TA166.08.0A
#### Tenor\n\n \n\n \n\nDie sofortige Beschwerde des Beschwerdefuhrers gegen den Beschluss des\nArbeitsgerichts Koblenz vom 01.07.2008 - 10 Ca 558/07 - wird zuruckgewiesen.\n\n#### Grunde\n\n \n\n1\n\n \n\nMit dem Arbeitsgericht ist vorliegend davon auszugehen, dass die gesetzlichen\nVoraussetzungen des § 124 Nr. 3 ZPO fur die Aufhebung der\nProzesskostenhilfebewilligung gegeben sind. Insoweit wird zur Vermeidung von\nWiederholungen auf Seite 2 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 22 des\nProzesskostenhilfebeiheftes) Bezug genommen.\n\n \n\n2\n\n \n\nEs kann insoweit vorliegend dahinstehen, ob die Partei, der Prozesskostenhilfe\nbewilligt worden war, im Rahmen der Überprufung ihrer Vermogensverhaltnisse\nverpflichtet ist, eine neue Erklarung uber ihre personlichen und\nwirtschaftlichen Verhaltnisse vorzulegen; des Weiteren kann offen bleiben, ob\nsie zu ihren Gunsten abweichende oder fortbestehende Angaben durch\nentsprechende Belege untermauern muss. Zumindest muss aber die vorliegend\nbeschwerdefuhrende Partei behaupten, dass sich ihre Vermogensverhaltnisse\nnicht zu ihren Gunsten verandert haben, muss also auf entsprechende\nAufforderungsschreiben des Arbeitsgerichts reagieren und zu den insoweit\nmaßgeblichen Verhaltnissen Stellung nehmen.\n\n \n\n3\n\n \n\nDarin fehlt es vorliegend. Der Beschwerdeschriftsatz enthalt keinerlei\ninhaltliche Begrundung, sondern kundigt lediglich - die bislang immer noch\nnicht - erfolgte Vorlage einer neuen Erklarung uber die personlichen und\nwirtschaftlichen Verhaltnisse an. Auch ansonsten hat der Beschwerdefuhrer in\nbeiden Rechtszugen keinerlei konkrete tatsachliche Angaben uber seine\nVermogensverhaltnisse gemacht.\n\n \n\n4\n\n \n\nFolglich war die sofortige Beschwerde zuruckzuweisen.\n\n \n\n5\n\n \n\nGegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.\n\n
193,715
lagrlp-2008-11-05-1-ta-17108
899
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
lagrlp
Rheinland-Pfalz
Arbeitsgerichtsbarkeit
1 Ta 171/08
2008-11-05
2019-02-12 09:27:06
2019-02-12 14:03:09
Beschluss
ECLI:DE:LAGRLP:2008:1105.1TA171.08.0A
### ![weitere\nFundstellen einblenden](/jportal/cms/technik/media/img/prodjur/icon/plusRed.gif)weitere\nFundstellen ...\n\n#### Tenor\n\n \n\n \n\n1\\. Auf die Beschwerde des Beschwerdefuhrers wird der\nGegenstandswertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom\n05.08.2008 - 4 Ca 3/08 wie folgt abgeandert:\n\n \n\n \n\n_Der Gegenstandswert der anwaltlichen T atigkeit des Prozessbevollmachtigten\ndes Klagers wird_\n\n \n\n \n\n_f ur das Verfahren 4 Ca 500/08 auf 5.048,62 EUR,_\n\n \n\n_f ur das Verfahren 4 Ca 3/08 auf 5.048,62 EUR und_\n\n \n\n_f ur den Vergleich im Verfahren 4 Ca 3/08 auf 31.818,67 EUR_\n\n \n\n \n\n_festgesetzt._\n\n \n\n \n\n_Im Übrigen wird die Beschwerde zuruckgewiesen._\n\n \n\n \n\n2\\. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragt der Beschwerdefuhrer zu 79 %.\n\n \n\n \n\n3\\. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.\n\n#### Grunde\n\n \n\n \n\n**I.**\n\n1\n\n \n\nDer Beschwerdefuhrer begehrt die Festsetzung eines hoheren Gegenstandswertes\nim Zusammenhang mit der Verfolgung eines Anspruchs auf Entfernung mehrerer\nAbmahnungen.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer Klager war bei der Beklagten seit dem 02.01.1985 beschaftigt, zuletzt mit\neinem Bruttomonatsgehalt von 5.048,62 EUR. Mit Schreiben vom 14.11.2007 und\n04.01.2008 erteilte ihm die Beklagte mehrere Abmahnungen sowie eine Ruge,\nderen Rucknahme und Entfernung aus der Personalakte der Klager mit seiner\nKlage begehrte. Die Parteien beendeten das Verfahren durch den Abschluss eines\nVergleiches.\n\n \n\n3\n\n \n\nDarin vereinbarten sie u.a.\n\n \n\n4\n\n \n\n\\- unter Ziffer 1) die Beendigung des Arbeitsverhaltnisses zum 31.01.2009\nunter Einraumung eines Sonderbeendigungsrechts fur den Klager;\n\n \n\n5\n\n \n\n\\- unter Ziffer 3) die ordnungsgemaße Abgeltung von Urlaubsanspruchen fur die\nJahre 2007 bis ggf. 2009 in Hohe von insgesamt 54,5 Tagen, und zwar auch fur\nden Fall, dass die Arbeitsfahigkeit des Klagers zum 31.01.2009 nicht wieder\nhergestellt sei. Fur den Fall einer vorherigen Wiedererlangung seiner\nArbeitsfahigkeit werde dem Klager Urlaub bewilligt; sollte dieser vor dem\n31.01.2009 enden, erhalte der Klager auf Wunsch bis zu seinem Ausscheiden\nunbezahlten Urlaub;\n\n \n\n6\n\n \n\n\\- unter Ziffer 5) die Erteilung eines wohlwollenden qualifizierten\nEndzeugnisses sowie auf Verlangen des Klagers zudem eines wohlwollenden\nqualifizierten Zwischenzeugnisses;\n\n \n\n7\n\n \n\n\\- unter Ziffer 6) eine Informationspflicht der Beklagten uber die\nunverfallbaren Anspruche des Klagers auf betriebliche Altersversorgung, welche\nihm in dem zum Zeitpunkt seines Ausscheidens bestehenden Umfang erhalten\nblieben;\n\n \n\n8\n\n \n\n\\- unter Ziffer 7) die Ruckgabe diverser dem Klager uberlassener Gegenstande\nan die Beklagte sowie die Herausgabe personlicher Gegenstande des Klagers an\ndiesen;\n\n \n\n9\n\n \n\n\\- unter Ziffer 9) die Ruckzahlung eines von der Beklagten erhaltenen\nDarlehens in Hohe von 7.240,00 EUR zum Ausscheidenszeitpunkt;\n\n \n\n10\n\n \n\n\\- unter Ziffer 10) eine allgemeine Abgeltungsklausel, welche vom Klager\nerworbene Anspruche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung\nausnimmt;\n\n \n\n11\n\n \n\n\\- unter Ziffer 12) die Miterledigung des Rechtsstreits 4 Ca 500/08\n(Arbeitsgericht Koblenz).\n\n \n\n12\n\n \n\nAuf Antrag des Prozessbevollmachtigten des Klagers hat das Arbeitsgericht mit\nBeschluss vom 05.08.2008 den Gegenstandswert seiner anwaltlichen Tatigkeit fur\ndas Verfahren (sowie fur das miterledigte Verfahren 4 Ca 500/08 jeweils) auf\n5.048,62 EUR und fur den Vergleich auf 25.243,10 EUR festgesetzt. Als\nVergleichsmehrwert hat das Arbeitsgericht dabei fur Ziffer 1) des Vergleichs\ndrei Bruttomonatsgehalter (= 15.145,86 EUR) sowie fur Ziffer 12) des\nVergleichs ein Bruttomonatsgehalt (5.048,62 EUR) veranschlagt. Die in den\nZiffern 3), 5), 6), 7) und 9) des Vergleichs enthaltenen Regelungen hat es\nnicht gesondert bewertet mit der Begrundung, es handele sich insoweit\nlediglich um typische Regelungen zur Abwicklung eines Arbeitsverhaltnisses als\nunstreitige Konsequenz der vereinbarten Beendigung. Ziffer 10) hat es nicht\neigens bewertet, mit dem Hinweis, ein insoweit allein in Frage kommender\nSchadensersatzanspruch aus dem mit erledigten Verfahren 4 Ca 500/08 sei\nbereits durch die Bewertung von Ziffer 12) des Vergleichs erfasst.\n\n \n\n13\n\n \n\nGegen diesen Beschluss hat der Prozessbevollmachtigte des Klagers form- und\nfristgerecht **Beschwerde** eingelegt mit dem Ziel, den Gegenstandswert fur\nden Vergleich auf 56.145,16 EUR festzusetzen. Zur Begrundung fuhrt er im\nWesentlichen an, Ziffer 3) des Vergleichs sei mit dem vollen Wert, also 54,5\nUrlaubstagen (= 12.506,80 EUR) zu bewerten, da im Rahmen einer nicht\ndokumentierten telefonischen Diskussion die Parteien von der geltenden\nRechtslage gerade hatten abweichen wollen, nach welcher das Bestehen eines\nAbgeltungsanspruchs eine Arbeitsfahigkeit im Ausscheidenszeitpunkt\nvoraussetzt; ferner sei in Abweichung von den Regelungen des\nBundesurlaubsgesetzes fur den Fall eines vorzeitigen Ausscheidens in der\nzweiten Jahreshalfte 2008 nicht der gesamte, sondern nur anteiliger\nJahresurlaub abzugelten. Überdies sei dem Klager fur den Fall seiner\nWiedergenesung vor dem Beendigungszeitpunkt unbezahlter Urlaub bedingt\nbewilligt worden. Hinsichtlich der Ziffern 5), 6), 7) und 9) hatten die\nParteien eine zwischen ihnen bestehende Ungewissheit in Bezug auf die\njeweiligen Regelungsgegenstande beseitigt. Insoweit seien fur Ziffer 5)\n5.048,62 EUR, fur Ziffer 6) (36 x 100,00 EUR =) 3.600,00 EUR, fur Ziffer 7)\n100,00 EUR und fur Ziffer 9) 7.240,00 EUR festzusetzen. Ferner seien fur die\nunter Ziffer 10) vereinbarte Abgeltungsklausel 2.406,64 EUR zu veranschlagen,\nda die Beklagte dem Klager diesen Betrag im April 2008 von seinem Lohn wegen\nangeblicher Beschadigung eines Kompressors abgezogen habe. Ausweislich eines\nauch zu den Gerichtsakten gereichten Schreibens der Beklagten vom 21.05.2008\nsollte diese Forderung explizit durch die vergleichsweise Regelung miterledigt\nwerden.\n\n \n\n14\n\n \n\nDas Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem\nLandesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.\n\n \n\n \n\n**II.**\n\n15\n\n \n\nDie Beschwerde ist nach § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde insbesondere\nform- und fristgerecht eingelegt, ubersteigt den Wert des\nBeschwerdegegenstands von 200,00 EUR und ist auch sonst zulassig.\n\n \n\n16\n\n \n\nIn der Sache hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg.\n\n \n\n17\n\n \n\n1\\. Fur die unter Ziffer 3) des Vergleichs getroffene Regelung war vorliegend\nein eigenstandiger Wert anzusetzen. Die Parteien haben insoweit eine\nausdruckliche Abweichung von der Rechts- bzw. Gesetzeslage nach dem\nBundesurlaubsgesetz vereinbart. Zum einen sollte dem Klager fur den Fall\nseiner bei Beendigung des Arbeitsverhaltnisses fortbestehenden\nArbeitsunfahigkeit entgegen der geltenden Rechtsprechung des\nBundesarbeitsgerichts (vgl. nur BAG, Urteil vom 10.05.2005, NZA-RR 2006, 112\nm. w. N.) bzw. im Falle der Ausubung seines Sonderbeendigungsrechts in dem\ndann maßgeblichen Zeitpunkt ein voller Urlaubsabgeltungsanspruch zustehen.\nDies ware im Maximalfall die Abgeltung fur 54,5 Urlaubstage. Ferner wurde in\nAbweichung von § 5 Abs. 1 BUrlG vereinbart, dass dem Klager fur den Fall\nseines vorzeitigen Ausscheidens in der zweiten Jahreshalfte 2008 lediglich ein\nanteiliger Anspruch auf Urlaub bzw. Urlaubsabgeltung zustehen sollte. Insoweit\nhaben die Parteien nicht nur die objektive Rechtslage deklaratorisch\nfestgeschrieben, sondern hinreichend zum Ausdruck gebracht, von der geltenden\nRechtslage durch eine eigene Regelung abweichen zu wollen. Deswegen ist\nhierfur auch ein gesonderter Gegenstandswert zu veranschlagen. Da die\nVereinbarung aber lediglich eine ganz spezifische Konstellation betrifft,\nderen Eintritt fur beide Parteien im Vereinbarungszeitpunkt noch hochst\nungewiss war, scheidet eine Veranschlagung in voller Hohe, wie vom\nBeschwerdefuhrer begehrt, aus. Ob und mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad bei\nden Vergleichsverhandlungen im Juni 2008 mit einer Arbeitsunfahigkeit des\nKlagers am 31.01.2009 (auf dieses Datum kame es fur die vom Beschwerdefuhrer\ngeltend gemachte Maximalforderung an) gerechnet werden konnte, ist weder\nersichtlich noch vorgetragen. Insbesondere vor dem Hintergrund des dem Klager\neingeraumten Sonderbeendigungsrechts ist ungewiss, ob das Arbeitsverhaltnis\nuberhaupt bis zum 31.01.2009 fortbesteht. Bei einem vorzeitigen Ausscheiden\ndes Klagers wurden sich aber seine Urlaubsabgeltungsanspruche nach der von den\nParteien getroffenen Abgeltungsvereinbarung nur anteilig berechnen und damit\ngerade verringern. Daher ist in mehrerlei Hinsicht unklar, ob und inwieweit\nsich letztlich eine wirtschaftliche Bedeutung dieser Abgeltungsvereinbarung\nfur den Klager realisiert. Dementsprechend war wegen dieses bloß reduzierten\nwirtschaftlichen Interesses ein deutlicher Abschlag bei der Bewertung der\nUrlaubsabgeltungsregelung vorzunehmen, welchen die Kammer vorliegend mit 2/3\nbemisst.\n\n \n\n18\n\n \n\n2\\. Im Hinblick auf die Ziffern 5), 6), 7) und 9) hat das Arbeitsgericht zu\nRecht keinen Vergleichsmehrwert angenommen. Ein solcher setzt grundsatzlich\nvoraus, dass durch die vergleichsweise Regelung ein Streit oder eine\nUngewissheit der Parteien in Bezug auf den jeweiligen Regelungsgegenstand\nbeseitigt wird, wenngleich es hierfur keiner vorangegangenen gerichtlichen\nAuseinandersetzung bedarf (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20.12.2007 - 1\nTa 279/07; Beschluss vom 06.05.2008 - 1 Ta 66/08). Die bloß deklaratorische\nFestschreibung einer solch unstreitigen Regelung, ohne dass diese vorher\nGegenstand kontroverser Erorterungen oder unterschiedlicher Vorstellungen der\nParteien gewesen ware, genugt hingegen nicht. Zwar kann jede ausdrucklich\nvereinbarte Regelung eine ansonsten moglicherweise bestehende Ungewissheit\nbeseitigen. Dies rechtfertigt aber noch nicht die Festsetzung eines\nVergleichsmehrwertes und damit letztlich auch eine Erhohung der anwaltlichen\nVergutung. Die rein theoretische Moglichkeit, einen Rechtsstreit fur den Fall\nder Nichtregelung eines Punkts in die Wege zu leiten, reicht in diesem\nZusammenhang nicht aus, vielmehr kommt es entscheidend darauf an, ob und wie\ndie Parteien eine solche Moglichkeit umzusetzen beabsichtigen und sich daraus\nkonkrete Anhaltspunkte fur einen Streit oder eine Ungewissheit ableiten lassen\n(LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20.12.2007 - 1 Ta 279/07).\n\n \n\n19\n\n \n\nAuf die vorgenannten Grundsatze hat das Arbeitsgericht den Beschwerdefuhrer\nmit Schreiben vom 20.08.2008 zutreffend hingewiesen und ihm aufgegeben, seine\nBeschwerde im Einzelnen nachvollziehbar zu begrunden. Dem ist der\nBeschwerdefuhrer nicht nachgekommen. In seinem Schriftsatz vom 28.08.2008\nberuft er sich zunachst allgemein darauf, der zwischen den Parteien\ngeschlossene Vergleich dokumentiere nicht mit der notwendigen Ausfuhrlichkeit\nvorangegangene Auseinandersetzungen der Parteien uber die dort geregelten\narbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten. Zu Ziffer 5) des Vergleichs tragt\ner sodann lediglich vor, die Regelung habe eine zwischen den Parteien\nbestehende Ungewissheit uber die Art und grundlegende Tendenz des Zeugnisses\nbeseitigt. Konkreterer Sachvortrag, in welchen Punkten die Vorstellungen der\nParteien hier auseinander gegangen und deswegen zu befrieden gewesen sein\nsollten, bleibt aus. Gleiches gilt fur Ziffer 6) des Vergleichs. Auch hier\nfehlt jedwede Darlegung einer Ungewissheit oder eines Streits der Parteien\ndaruber, ob die Anspruche des Klagers auf betriebliche Altersversorgung von\nder unter Ziffer 10) des Vergleichs vereinbarten Ausgleichsklausel mit erfasst\nsein sollten oder nicht. Im Hinblick auf Ziffer 7) wird noch nicht einmal das\nBestehen einer Ungewissheit vorgetragen. Im Hinblick auf Ziffer 9) tragt der\nBeschwerdefuhrer sodann erneut vor, diese Regelung habe eine Ungewissheit uber\ndas Schicksal des Arbeitgeberdarlehens geklart, wobei auch diesbezuglich\nvollig unklar bleibt, was genau Gegenstand dieser Ungewissheit gewesen sein\nsoll bzw. inwieweit die Vorstellungen der Parteien uber eine Ruckzahlung des\nunstreitig gewahrten Darlehens auseinander gingen.\n\n \n\n20\n\n \n\nFur die vorgenannten Ziffern des Vergleichs war demgemaß kein gesonderter\nGegenstandswert festzusetzen.\n\n \n\n21\n\n \n\n3\\. Fur die unter Ziffer 10) des Vergleichs vereinbarte Abgeltungsklausel war\ndagegen der vom Beschwerdefuhrer geltend gemachte Betrag in Hohe von 2.406,64\nEUR anzusetzen. Zwar handelt es sich bei diesem Betrag um eine\nSchadensersatzforderung der Beklagten, die das behauptete schadensstiftende\nVerhalten des Klagers im durch den Vergleich miterledigten Verfahren 4 Ca\n500/08 abgemahnt hatte. Fur dieses Verfahren hat das Arbeitsgericht auch einen\neigenstandigen Gegenstandswert festgesetzt. Gleichwohl war der Wert der\nSchadensersatzforderung vorliegend gesondert zu berucksichtigen. In dem\nVerfahren 4 Ca 500/08 begehrte der Klager die Rucknahme der erteilten\nAbmahnung sowie deren Entfernung aus seiner Personalakte. Davon ist eine auf\ndas abgemahnte Fehlverhalten gestutzte Schadensersatzforderung der Beklagten\njedenfalls dann nicht mit erfasst, wenn diese - wie hier - den entsprechenden\nForderungsbetrag dem Klager bereits vom Lohn abgezogen und einbehalten hat.\nDamit hat sich die Schadensersatzforderung soweit konkretisiert, dass ihr uber\ndie Abmahnung hinaus ein eigenstandiger Wert beizumessen ist. Der\nBeschwerdefuhrer hat ein Schreiben der Beklagten vom 21.05.2008 zu den Akten\ngereicht, in welchem diese ausdrucklich den Standpunkt vertrat, eine\nRuckzahlung des einbehaltenen Betrages komme nicht in Betracht, vielmehr solle\ndieser Schadensposten Gegenstand der vergleichsweisen Regelung sein; uber die\nin dem Vergleich vereinbarte Abfindungszahlung hinausgehende Forderungen oder\nvermeintliche Ruckzahlungsanspruche lehne sie jedenfalls weiterhin ab. Damit\nhat der Beschwerdefuhrer einen Streit uber die Realisierung der\nSchadensersatzforderung wie auch ihre Miterledigung durch den im Verfahren 4\nCa 3/08 geschlossenen Vergleich hinreichend dokumentiert.\n\n \n\n22\n\n \n\n4\\. Im Übrigen ist der vom Arbeitsgericht festgesetzte Vergleichsmehrwert\n(drei Bruttomonatsgehalter fur die Beendigung des Arbeitsverhaltnisses sowie\nein Bruttomonatsgehalt fur die Miterledigung des Verfahrens 4 Ca 500/08) nicht\nzu beanstanden. Diese Bewertung wurde vom Beschwerdefuhrer auch nicht\nangegriffen.\n\n \n\n23\n\n \n\n5\\. Damit ergibt sich ein Vergleichsmehrwert in Hohe von 26.770,05 EUR\n(15.145,86 EUR fur Ziffer 1) des Vergleichs, 4.168,93 EUR fur Ziffer 3),\n2.406,64 EUR fur Ziffer 10) und 5.048,62 EUR fur Ziffer 12)), so dass der Wert\ndes Vergleichs insgesamt auf (26.770,05 EUR + 5.048,62 EUR =) 31.818,67 EUR\nfestzusetzen war.\n\n \n\n24\n\n \n\nDie Gerichtsgebuhr fur das Beschwerdeverfahren berechnet sich nach Nr. 8614\nder Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG\nist anders als das Verfahren nach § 33 Abs. 9 RVG nicht gebuhrenfrei.\n\n \n\n25\n\n \n\nDie Gerichtsgebuhr hat der Beschwerdefuhrer gem. § 92 Abs. 1 ZPO zu 79 % zu\ntragen.\n\n \n\n26\n\n \n\nEin Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG nicht\ngegeben.\n\n
193,783
lagrlp-2008-10-15-11-ta-15408
899
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
lagrlp
Rheinland-Pfalz
Arbeitsgerichtsbarkeit
11 Ta 154/08
2008-10-15
2019-02-12 09:29:06
2019-02-12 14:03:19
Beschluss
ECLI:DE:LAGRLP:2008:1015.11TA154.08.0A
\n\n#### Tenor\n\n \n\n \n\n1\\. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdefuhrerin vom 31.07.2008 wird\nder Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswartige Kammern\nPirmasens - vom 02.07.2008 abgeandert.\n\n \n\n_Es wird festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten f ur Arbeitssachen\neroffnet ist._\n\n \n\n \n\n2\\. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.\n\n#### Grunde\n\n \n\n \n\n**I.**\n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten uber Unterlassungs- und Zahlungsanspruche der Klagerin\ngegenuber der Beklagten. Die Klagerin ist Betriebsratsmitglied der Firma Y.,\nBezirk C-Stadt, die Beklagte ist Betriebsratsvorsitzende.\n\n2\n\n \n\nDie Beklagte richtete unter dem 07.12.2007 ein Schreiben an die\nGeschaftsleitung, verschiedene Mitarbeiter und den fur C-Stadt zustandigen\nBetriebsrat, das - auszugsweise - wie folgt lautet:\n\n \n\n3\n\n \n--- \n_"Sehr geehrter Herr Y._ \n_Vor ca. 4 Wochen haben zwei Betriebsratsmitglieder, Frau X. und Frau C. w\nahrend der Betriebsratssitzung private Erledigungen mit dem Einverstandnis der\nBezirksleitung Frau W. unternommen._ \n_Dies geschah mit dem Firmen PKW von Frau W. und ohne Abzug der Arbeitszeit._ \n_Des Weiteren wurden hier in den Filialen von Fr. X. und von Frau C. die\nStunden ersetzt die nicht f ur Betriebsratstatigkeit gebraucht wurden._ \n_Hier ist wahrscheinlich eine Manipulation mit dem Wissen der Bezirksleitung\nFrau W. in Erw agung zu ziehen._ \n_Der § 23 RN 2, 3 BetrVG kommt hier zur Geltung._ \n_Auch wurden Mehrstunden gew ahrt, die ihnen nicht zustanden._ \n_Denn auch bei Betriebsratsmitglieder hat hier keine Bevorzugung statt zu\nfinden im Gegenteil hier muss man sehr Objektiv und gerecht vor gehen da es\ngleich im Bezirk hei ßt das diese Betriebsratmitglieder nicht zum Wohl der\nBelegschaft sondern zum Vorteil des Arbeitgebers entscheiden, was mir in\nletzter Zeit auch vermehrt zugetragen wurde!_ \n_In unserem Bezirk werden uberall Stunden gestrichen aber hier lasst man es zu\ndas bei Privaterledigungen die Mehrstunden weiter laufen weil es sich um BR-\nMitglieder handelt, das kann es nicht sein …"._ \n \n \n\n4\n\n \n\nDie Klagerin machte mit am 20.02.2008 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern -\nAuswartige Kammern Pirmasens - erhobener Klage die Unterlassung der in dem\nSchreiben vom 07.12.2007 in Bezug sie getatigten Behauptungen geltend. Sie\nerweiterte die Klage mit Schriftsatz vom 13.03.2008 und begehrte von der\nBeklagten die Zahlung außergerichtlicher Anwaltskosten. Zuletzt kundigte sie\nfolgende Klageantrage an:\n\n \n\n5\n\n \n\n"1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, Schreiben an die\nGeschaftsleitung der Firma Y. V-Stadt, den Betriebsrat der Firma Y., Bezirk\nC-Stadt, sowie Mitarbeiter der Firma Y. zu richten und darin wortlich oder\nsinngemaß folgende Behauptungen aufzustellen:\n\n \n\n6\n\n \n--- \n\\- der Klagerin seien Stunden ersetzt worden, die nicht fur\nBetriebsratstatigkeit gebraucht worden seien; \n\\- dabei sei wahrscheinlich eine Manipulation mit dem Wissen der\nBezirksleitung Frau W. erfolgt; \n\\- es seien Mehrstunden gewahrt worden, die der Klagerin nicht zustanden;\ninsoweit liege ein Verstoß nach § 75 Abs. 1 BetrVG vor; \n\\- im Bezirk heiße es, dass die Klagerin nicht zum Wohle der Belegschaft,\nsondern zum Vorteil des Arbeitgebers entscheide; \n\\- man lasse es zu, dass bei Privaterledigungen der Klagerin Mehrstunden\nweiterlaufen, weil es sich bei ihr um ein Betriebsratsmitglied handele. \n \n \n\n7\n\n \n\n2\\. Der Beklagten wird fur jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die\nVerpflichtung aus Ziffer 1. ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR,\nersatzweise Ordnungshaft oder Ordnunghaft bis zu sechs Monaten angedroht.\n\n \n\n8\n\n \n\n3\\. Die Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n \n\n9\n\n \n\n4\\. Die Beklagte wird verurteilt, der Klagerin vorgerichtliche Anwaltskosten\nin Hohe von 461,13 EUR zzgl. Zinsen hieraus in Hohe von 5 Prozentpunkten uber\ndem Basiszinssatz seit 11.01.2008 zu erstatten."\n\n \n\n10\n\n \n\nDas Arbeitsgericht erklarte sich durch Beschluss vom 02.07.2008 fur\nunzustandig und verwies den Rechtsstreit an das Amtsgericht Pirmasens. Das\nGericht fuhrte zur Begrundung aus, fur das Klagebegehren sei die Zustandigkeit\nder Gerichte fur Arbeitssachen auch gemaß § 2 Abs. 1 Ziffer 9 ArbGG nicht\neroffnet. Eine unerlaubte Handlung sei nicht vorgetragen. Die Zahlungsklage\nstehe im Zusammenhang mit der Klage auf Unterlassung, sei allerdings abhangig\nvon dem Obsiegen bezuglich des Unterlassungsbegehrens. Ob ein solcher Anspruch\ngegeben sei, sei fraglich, so dass der Rechtsstreit an das zustandige\nAmtsgerichts Pirmasens zu verweisen sei.\n\n11\n\n \n\nEine Ausfertigung des Beschlusses wurde der Beklagten am 30.07.2008\nzugestellt, die mit am 04.08.2008 eingegangenem Schriftsatz **sofortige\nBeschwerde** eingelegt und beantragt hat,\n\n \n\n12\n\n \n\n**den Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Ausw artige Kammern\nPirmasens - vom 02.07.2008, AZ 4 Ca 129/08, aufzuheben.**\n\n \n\n13\n\n \n\nSie fuhrt zur Begrundung aus,\n\n14\n\n \n\nder Rechtsweg zu den Gerichten fur Arbeitssachen sei gemaß § 2 Abs. 1 Ziffer 9\nArbGG eroffnet. Die von der Klagerin geltend gemachten Anspruche konnten\nallenfalls aus unerlaubter Handlung herruhren. Die - angebliche - unerlaubte\nHandlung stehe auch im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhaltnis, da das\nSchreiben von der Beklagten in ihrer Eigenschaft als Betriebsratsvorsitzende\nversandt worden sei, sich die Mitteilung auf Geschehen beziehe, die einen\ndirekten Bezug zum Arbeitsverhaltnis der Parteien hatten und nach Auffassung\nder Beklagten ein Verstoß gegen § 75 BetrVG vorliege. Dies konne nicht mit der\nBegrundung verworfen werden, es konne derzeit nicht beurteilt werden, ob die\nvon der Klagerin verfolgten Klageantrage auf eine unerlaubte Handlung gestutzt\nwerden konnten. Wenn § 2 Abs. 1 Ziffer 9 ArbGG die arbeitsgerichtliche\nZustandigkeit fur Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern aus unerlaubter\nHandlung anordne, so bedeute dies nicht, dass tatsachlich eine unerlaubte\nHandlung vorliegen musse.\n\n \n\n15\n\n \n\n**Die Beklagte beantragt,**\n\n16\n\n \n\ndie sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts\nKaiserslautern - Auswartige Kammern Pirmasens - vom 02.07.2008 aus den\nzutreffenden Grunden der angefochtenen Entscheidung zuruckzuweisen.\n\n \n\n17\n\n \n\n**Die Kl agerin beantragt,**\n\n18\n\n \n\ndie sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den erstinstanzlichen Beschluss\ndes Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswartige Kammern Pirmasens - vom\n02.07.2008 aus den zutreffenden Grunden der angefochtenen Entscheidung\nzuruckzuweisen.\n\n \n\n19\n\n \n\nDas Arbeitsgericht Kaiserlautern - Auswartige Kammern Pirmasens - hat der\nsofortigen Beschwerde aus den Grunden des angefochtenen Beschlusses nicht\nabgeholfen (Bl. 55 d. A.).\n\n \n\n \n\n**II.**\n\n20\n\n \n\nDie sofortige Beschwerde ist statthaft, § 17 a Abs.4 Satz 3 GVG; sie wurde\nform- und fristgerecht eingelegt. Die sofortige Beschwerde ist gemaß § 569\nAbs.1 Satz 1 ZPO grundsatzlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen durch\nEinreichung eines Schriftsatzes (§ 569 Abs. 2 ZPO) einzulegen. Die Frist\nbeginnt gemaß § 569 Abs.1 Satz 2 ZPO mit der Zustellung der Entscheidung. Eine\nAusfertigung des Beschlusses wurde der Beklagten am 30.07.2008 zugestellt, die\nmit am 04.08.2008 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt\nhat.\n\n21\n\n \n\nDie sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Rechtsweg zu den\nGerichten fur Arbeitssachen ist eroffnet. Gemaß § 2 Abs. 1 Ziffer 9 ArbGG sind\ndie Gerichte fur Arbeitssachen ausschließlich zustandig fur burgerliche\nRechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern aus gemeinsamer Arbeit und aus\nunerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhaltnis in Zusammenhang\nstehen. Von § 2 Abs. 1 Ziffer 9 ArbGG erfasst werden auch deliktische\nUnterlassungsanspruche (Schwab/Weth - Walker, ArbGG § 2 Rz. 160). Erforderlich\nist eine innere Beziehung zwischen der unerlaubten Handlung und dem\nArbeitsverhaltnis, die sich daraus ergibt, dass die unerlaubte Handlung in der\nbesonderen Eigenart des Arbeitsverhaltnisses und den ihm eigentumlichen\nReibungs- und Beruhrungspunkten wurzelt (BGH vom 07.02.1958, VI ZR 49/57, AP\nNr. 48 zu § 2 ArbGG 1953, BGH vom 11.07.1995, 5 AS 13/95 ).Die innere\nBeziehung zum Arbeitsverhaltnis fehlt, wenn andere Umstande fur die unerlaubte\nHandlung maßgeblich sind (BGH vom 11.07.1995, 5 AS 13/95).\n\n22\n\n \n\nUnter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsatze steht fest, dass der Rechtsweg zu\nden Gerichten fur Arbeitssachen eroffnet ist. Das Verfahren stellt einen\nburgerlich-rechtlichen Streit zwischen Arbeitnehmern aus einer unerlaubten\nHandlung dar. Die Parteien sind beide Arbeitnehmer der Firma Y., die Klagerin\nist Betriebsratsmitglied, die Beklagte Betriebsratsvorsitzende. Die Beklagte\nwandte sich in dieser Funktion an die Geschaftsleitung, verschiedene\nMitarbeiter und den fur den Bezirk C-Stadt zustandigen Betriebsrat. Sie erhob\nin dem Schreiben vom 07.12.2007 auch in Bezug auf die Klagerin schwere\nVorwurfe. Die Klagerin habe wahrend einer Betriebsratssitzung private\nErledigungen mit einem Firmenfahrzeug unternommen, die Abwesenheitszeit sei\nnicht berucksichtigt worden. Es seien der Klagerin zu Unrecht Mehrstunden\ngewahrt worden. Die Klagerin verwahrt sich gegen diese Vorwurfe. Sie ist der\nAuffassung, die Beklagte habe sich in dem Schreiben vom 07.12.2007 unwahr,\nbeleidigend und verleumderisch geaußert. Damit beruhmt sie sich eines\ndeliktischen Unterlassungsanspruchs gegenuber der Beklagten. Andere\nAnspruchsgrundlagen sind nicht denkbar. Ob der Vortrag der Klagerin ausreicht,\num ihrem Begehren zum Erfolg zu verhelfen, ist eine Frage der Begrundetheit\nder Klage und nicht im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens uber die\nRechtswegzustandigkeit festzustellen.\n\n23\n\n \n\nDie nach der Rechtsprechung erforderliche innere Beziehung zwischen der\nunerlaubten Handlung und dem Arbeitsverhaltnis ist ebenfalls gegeben, da die\nBeklagte die streitbefangenen Behauptungen in ihrer Funktion als\nBetriebsratsvorsitzende machte und sich das Schreiben vom 07.12.2007\ninhaltlich auf Pflichtverletzungen der Klagerin als Arbeitnehmerin und\nBetriebsratsmitglied bezieht.\n\n24\n\n \n\nDer Zahlungsanspruch, gerichtet auf Erstattung der außergerichtlichen\nAnwaltskosten der Klagerin, steht im Zusammenhang mit der von der Klagerin\nbehaupteten unerlaubten Handlung. Die Anwaltskosten wurden fur die\naußergerichtliche Tatigkeit des Prozessbevollmachtigten der Klagerin erhoben,\nder die Beklagte vor Klageerhebung mit Schreiben vom 20.12.2007 zur\nUnterlassung der streitbefangenen Äußerungen aufforderte. Auch fur diesen\nAnspruch ist der Rechtsweg zu den Gerichten fur Arbeitssachen gem. § 2 Abs. 1\nZiffer 9 ArbGG eroffnet.\n\n25\n\n \n\nNach alledem steht fest, dass der Rechtsweg zu den Gerichten fur Arbeitssachen\neroffnet ist.\n\n26\n\n \n\nDie Zulassung der Rechtsbeschwerde war im Hinblick auf die gesetzlichen\nVoraussetzungen nicht veranlasst.\n\n
193,875
lagrlp-2008-09-04-2-sa-27208
899
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
lagrlp
Rheinland-Pfalz
Arbeitsgerichtsbarkeit
2 Sa 272/08
2008-09-04
2019-02-12 09:31:57
2019-02-12 14:03:34
Urteil
ECLI:DE:LAGRLP:2008:0904.2SA272.08.0A
#### Tenor\n\n \n\n \n\n1\\. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom\n11.03.2008 - 3 Ca 1588/07 - wird zuruckgewiesen.\n\n \n\n \n\n2\\. Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als\nGesamtschuldner.\n\n \n\n \n\n3\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten um Vergutungsanspruche. Die Beklagten zu 1. und 2., die\nauf Beklagtenseite allein noch Parteien des Berufungsverfahrens sind, haben\nzusammen mit Herrn Rechtsanwalt A., dem ehemaligen Beklagten zu 3. und Herrn\nRechtsanwalt C., dem ehemaligen Beklagten zu 4. eine Rechtsanwaltssozietat\ngebildet. Zum 15.10.2007 ist der ehemalige Beklagte zu 4. aus dieser Sozietat\nausgeschieden.\n\n \n\n2\n\n \n\nAb Januar 2004 war die Klagerin in den Raumen der Kanzlei als Juristin zuletzt\nmit einem Bruttoverdienst von 2.570,-- EUR beschaftigt. Auf den\nGehaltsabrechnungen und den Sozialversicherungsunterlagen sowie den\nLohnsteuerbescheinigungen waren als Arbeitgeber die Rechtsanwalte E. und\nKollegen ausgewiesen.\n\n \n\n3\n\n \n\nDie Klagerin erhielt von Juni bis Oktober 2007 keine Vergutung.\n\n \n\n4\n\n \n\nBereits im November 2006 war eine Kundigung des Arbeitsverhaltnisses initiiert\nworden, dies scheiterte aber daran, dass der fruhere Beklagte zu 3.,\nRechtsanwalt A. und der Beklagte zu 1. sich weigerten, die Kundigung zu\nunterschreiben.\n\n \n\n5\n\n \n\nMit der Klage machte die Klagerin die Zahlung der Vergutung von Juni bis\neinschließlich 15.10.2007 in Hohe von 4,5 x 2.570,-- EUR zzgl. des\nvereinbarten halben Gehaltes an Urlaubsgeld, insgesamt 12.850,-- EUR gegen die\nursprunglichen vier Mitglieder der Sozietat geltend. Weiter hat sie geltend\ngemacht die Bezahlung des halben Monats 16.10. - 31.10.2007 gegen die\nMitglieder der Sozietat mit Ausnahme des ausgeschiedenen Rechtsanwalts C.. Der\nBeklagte zu 3. (Rechtsanwalt A.) hat die Klageforderung anerkannt.\n\n \n\n6\n\n \n\nDie Klagerin hat vorgetragen, es handele sich um eine Gesellschaft des\nburgerlichen Rechts bei der Sozietat, fur die sie auch tatig gewesen sei. Auch\nandere Beschaftigte seien in der Kanzlei im Wesentlichen einem Rechtsanwalt\nzugeordnet worden. Wenn sie sich gegenuber Zuweisung weiterer Auftrage durch\nandere Anwalte als Rechtsanwalt A. zur Wehr gesetzt habe, habe dies mit ihrem\nArbeitsanfall zu tun gehabt. Die Beklagten hatten sie bei der Krankenkasse\nabgemeldet und keine Sozialversicherungsbeitrage abgefuhrt. Der Streit\ninnerhalb der Kanzlei, wer die Kosten fur die Klagerin zu tragen habe, konne\nnicht auf ihrem Rucken ausgetragen werden.\n\n \n\n7\n\n \n\n**Die Kl agerin hat beantragt,**\n\n8\n\n \n\n1\\. die Beklagten zu 1., 2. und 4. neben dem Beklagten zu 3. als\nGesamtschuldner zu verurteilen, an die Klagerin 12.850,-- EUR brutto zuzuglich\nZinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz aus 3.855,-- EUR\nbrutto seit 01.07.2007 sowie aus jeweils 2.570,-- EUR seit dem 01.08.2007,\n01.09.2007 und 01.10.2007 sowie aus 1.285,-- EUR brutto seit dem 01.11.2007 zu\nzahlen.\n\n \n\n9\n\n \n\n2\\. Die Beklagten zu 1. und 2. werden neben dem Beklagten zu 3. als\nGesamtschuldner verurteilt, an die Klagerin 1.2850,-- EUR brutto zuzuglich\nZinsen in Hohe von 5% uber dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2007 zu zahlen.\n\n \n\n10\n\n \n\nDie Beklagten zu 1. und 2. haben vorgetragen, die Klagerin habe sich\ngeweigert, fur andere als fur Rechtsanwalt A. zu arbeiten. Das\narbeitsrechtliche Direktionsrecht hatte daher nicht ausgeubt werden konnen. Es\nhabe keine personliche Abhangigkeit, wie sie fur ein Arbeitsverhaltnis\ncharakteristisch und pragend sei, zu anderen als zu Rechtsanwalt A. bestanden.\nDie Klagerin habe gearbeitet wie sie wolle und sei teilweise nicht erreichbar\ngewesen. Urlaub sei nicht mit den ubrigen Beklagten abgesprochen worden und\nauch Arbeitsunfahigkeiten nicht gegenuber den ubrigen Beklagten angezeigt\nworden.\n\n \n\n11\n\n \n\nNach dem Kundigungsversuch vom November 2006 habe die Klagerin sich geweigert,\nfur andere als fur Rechtsanwalt A. zu arbeiten. Spatestens ab November 2006\nsei daher das Arbeitsverhaltnis unter Aufhebung des Schriftformerfordernisses\nzu den ubrigen Rechtsanwalten beendet worden. Der Beklagte zu 2. hat außerdem\nhilfsweise die Anfechtung des Arbeitsverhaltnisses erklart, da er darauf\nvertraut habe, dass nach November 2006 die ubrigen Anwalte in der Sozietat\nnicht mehr in einem Arbeitsverhaltnis zu der Klagerin gestanden hatten. Die\ngesetzlichen Abgaben seien im Übrigen abgefuhrt worden.\n\n \n\n12\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz\nwird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 11.03.2008\nverwiesen.\n\n \n\n13\n\n \n\nDas Arbeitsgericht hat die Beklagten zu 1., 2. und 4. entsprechend dem\nKlageantrag verurteilt. Der Anspruch ergebe sich aus Arbeitsvertrag. Die Hohe\nder vereinbarten Vergutung sei nicht streitig. Die Klagerin konne von den\nBeklagten als Gesamtschuldnern die Arbeitsvergutung verlangen, denn eine\nSozietat aus Anwalten sei im Regelfall eine Gesellschaft des burgerlichen\nRechts. Die Klagerin sei nicht verpflichtet, nur die Gesellschaft des\nburgerlichen Rechts zu verklagen, eine personliche Haftung der einzelnen\nGesellschafter sei nicht entfallen, wenn auch die Gesellschaft des\nburgerlichen Rechts als parteifahig angesehen wird. Der Arbeitsvertrag sei im\nZweifel bei einer Anwaltssozietat mit allen Mitgliedern geschlossen worden.\nHierfur sprachen auch die Abrechnungen, die Anmeldung bei der\nSozialversicherung sowie der Kundigungsversuch, in dem es ausdrucklich heiße:\n"…wir kundigen ihnen das bestehende Arbeitsverhaltnis …".\n\n \n\n14\n\n \n\nHinzu komme noch, dass die verbliebenen Beklagten sich daruber beschwerten,\ndass die Klagerin ihren Anweisungen nicht nachgekommen sei. Wenn kein\nArbeitsverhaltnis mehr mit ihnen bestanden habe, sei nicht verstandlich, warum\nsie uberhaupt glaubten, ein Direktionsrecht ausuben zu konnen.\n\n \n\n15\n\n \n\nDas Arbeitsverhaltnis sei auch nicht durch formwirksame Erklarungen beendet\nworden. Selbst wenn die Klagerin erklart haben sollte, sie werde nur noch\nWeisungen vom Beklagten zu 3. entgegen nehmen, habe das Arbeitsverhaltnis\nnicht geendet, weil § 623 BGB auch fur die einvernehmliche Beendigung des\nArbeitsverhaltnisses gelte und als Wirksamkeitsvoraussetzung die Schriftform\nvorsehe. Die gesetzliche Formvorschrift konne auch nicht stillschweigend\nabbedungen werden. Im Übrigen habe die Klagerin auch nach der behaupteten\nstillschweigenden Beendigung des Arbeitsverhaltnisses den verbliebenen\nBeklagten das Gehalt weiterhin monatelang von den Rechtsanwalten E. und\nPartner bezogen. Die schließlich erklarte Anfechtung habe keinen Erfolg.\nEinmal sei unklar, welche Willenserklarung warum angefochten sei, falls dies\ndie Willenserklarung zum Abschluss eines formunwirksamen Aufhebungsvertrages\ngewesen sein sollte, bestehe das ursprungliche Arbeitsverhaltnis fort, soweit\nGegenstand der ursprungliche Abschluss des Arbeitsverhaltnisses sei, seien\nsamtliche Fristen abgelaufen. Im Übrigen wurden Anfechtungen erst fur die\nZukunft und nicht ruckwirkend gelten.\n\n \n\n16\n\n \n\nDie Behauptung der Beklagten, die Sozialversicherungsbeitrage seien abgefuhrt,\nsei inkonsequent, es mache keinen Sinn, die Beitrage abzufuhren und der\nKlagerin lediglich den Nettolohn vorzuenthalten, falls die\nSozialversicherungsbeitrage abgefuhrt worden sein sollten, werde der\nGerichtsvollzieher im Rahmen der Vollstreckung nach entsprechenden Nachweisen\ndiese Betrage nicht zusatzlich vollstrecken.\n\n \n\n17\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegrundung wird auf die\nvorbezeichnete Entscheidung verwiesen.\n\n \n\n18\n\n \n\nDas Urteil wurde den Beklagten am 14.04.2008 zugestellt.\n\n \n\n19\n\n \n\nDie Beklagten zu 1. und 2. haben am 14.05.2008 Berufung eingelegt und, nachdem\ndie Frist zur Begrundung bis 14.07.2008 verlangert worden war, mit an diesem\nTag eingegangenem Schriftsatz begrundet.\n\n \n\n20\n\n \n\nDie Beklagten rugen, das Arbeitsgericht setze sich nicht mit dem Vortrag\nauseinander, dass es nach erfolgter Unterredung ab dem 09.11.2006 zu einer\ntatsachlichen Einstellung der Arbeitstatigkeit der Klagerin fur andere Sozien\nals Herrn Rechtsanwalt A. gekommen sei. Dieser Abbruch der Tatigkeit sei fur\njeden weiteren Mitarbeiter erkennbar. Gleichzeitig hatten es die Beklagten zu\n1. und 2. zusammen mit dem beklagten Rechtsanwalt C. es auch damals abgelehnt,\ndie Klagerin weiter als Arbeitsnehmerin zu beschaftigen. Dies werde auch durch\ndie beabsichtigte Kundigung bestatigt, obwohl ein entsprechender\nMehrheitsbeschluss gefasst wurde, habe dieser allein auf dem Gedanken beruht,\ndie Klagerin uber den Zeitpunkt hinaus damals weiterhin als Mitarbeiterin\nallein des Beklagten zu 3. in der Kanzlei zu belassen.\n\n \n\n21\n\n \n\nDas Arbeitsverhaltnis zwischen der Klagerin und der Sozietat sei auch durch\ndie vorgetragene Erklarung beendet worden. Es habe nicht der gesetzlichen\nSchriftform bedurft. Die Klagerin selbst sei rechtskundig, so dass ein\nÜbereilungsschutz und die Beweisfunktion des § 623 BGB nicht die Einhaltung\nder Formvorschrift erfordere. Im Übrigen sei beschlossen worden, dass der\nBeklagte zu 3. (Rechtsanwalt A.) alleine fur die Kosten der Klagerin\naufzukommen habe. Mit der unmissverstandlichen Erklarung der Klagerin ihnen\ngegenuber als endgultigen Abbruch der Bereitschaft, fur sie zu arbeiten und\nder stillschweigenden Akzeptierung sei das Arbeitsverhaltnis einvernehmlich\nzwischen der Klagerin und den Beklagten zu 1. und 2. aufgehoben worden.\n\n \n\n22\n\n \n\nDen ursprunglich angekundigten Hilfsantrag, unter Abanderung der angefochtenen\nEntscheidung festzustellen, dass ein Arbeitsverhaltnis zwischen der Klagerin\nund den Beklagten seit dem 09.11.2006 nicht mehr bestanden hat, haben die\nBeklagten nicht aufrecht erhalten.\n\n \n\n23\n\n \n\n**Die Beklagten beantragen,**\n\n24\n\n \n\nunter Abanderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.\n\n \n\n25\n\n \n\n**Die Kl agerin beantragt,**\n\n26\n\n \n\ndie Berufung kostenpflichtig zuruckzuweisen.\n\n \n\n27\n\n \n\nSie verteidigt das angefochtene Urteil, bestreitet, nicht willig gewesen zu\nsein, sich ab November 2006 den Beklagten zu 1. und 2. zu unterstellen. Das\nGegenteil sei der Fall, hierzu legt die Klagerin exemplarisch\nGerichtsprotokolle vor. Außerdem werde bestritten, dass die Beklagten zu 1.\nund 2. es ab November 2006 abgelehnt hatten, sie als Arbeitnehmerin zu\nbeschaftigen.\n\n \n\n28\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im\nBerufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsatze der\nParteien, die Gegenstand der mundlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter\nwird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 04.09.2008. In\nder mundlichen Verhandlung hat die Klagerin erklart, aufgrund durchgefuhrter\nZwangsvollstreckungsmaßnahmen sei mittlerweile eine Zahlung der\nstreitgegenstandlichen Nettosumme erfolgt. Fruhere Zahlungen auf die\nForderungen seien nicht geflossen.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n \n\n \n\n**I.**\n\n29\n\n \n\nDie Berufung der Beklagten zu 1. und 2. ist zulassig, sie ist insbesondere\nform- und fristgerecht eingelegt und begrundet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1\nArbGG i. V. m. § 520 ZPO).\n\n \n\n \n\n**II.**\n\n30\n\n \n\nDas Rechtsmittel der Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das\nArbeitsgericht hat im Ergebnis und in der Begrundung vollkommen zutreffend der\nKlageforderung der Klagerin entsprochen.\n\n \n\n31\n\n \n\nIm Berufungsverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte\naufgetreten, die eine Abweichung von dem vom Arbeitsgericht gefundenen\nErgebnis rechtfertigen konnten. Die Berufungskammer nimmt daher vollinhaltlich\nBezug auf den begrundenden Teil des angefochtenen Urteils (§ 69 Abs. 2 ArbGG).\n\n \n\n32\n\n \n\nLediglich wegen der Angriffe im Berufungsverfahren seien die Beklagten kurz\nauf folgendes hinzuweisen:\n\n \n\n33\n\n \n\nDie Berechnung der Klageforderung ist im Berufungsverfahren nicht mehr\nStreitgegenstand. Die Kammer konnte es daher offen lassen, ob die Auffassung\ndes Arbeitsgerichts zutreffend ist, dass selbst bei Vorleistung der\nSozialversicherung und Steuern eine nochmalige Verurteilung erfolgen kann, die\ndann im Zwangsvollstreckungsverfahren Berucksichtigung findet.\n\n \n\n34\n\n \n\nDie von den Beklagten in dem Zentrum ihrer Ausfuhrungen gemachte Auffassung,\ndas Arbeitsverhaltnis sei einvernehmlich auf den fruheren Beklagten zu 3.\nkonkretisiert worden, ist nicht durchschlagend. Das Arbeitsgericht hat\nzutreffend darauf hingewiesen, dass eine einvernehmliche Vertragsbeendigung\nder Schriftform bedurft hatte. Das Arbeitsverhaltnis war ursprunglich mit der\nSozietat begrundet, dies stellen die Beklagten auch nicht mehr in Abrede. Eine\nformwirksame Beendigung dieses Arbeitsverhaltnisses ist dem streitigen Vortrag\nder Beklagten nicht zu entnehmen. Selbst wenn die Klagerin sich dergestalt\ngeaußert haben sollte, sie werde kunftig nur noch fur Herrn Rechtsanwalt A.\narbeiten, bedeutet dieses nichts anderes, als dass sie ihre Auffassung\nbekundet hat, welche Verpflichtungen aus dem mit der Sozietat bestehenden\nArbeitsverhaltnis bestehen. Es ware dann Sache der Beklagten gewesen, aus\ndieser Äußerung ihre Konsequenzen zu ziehen. Entsprach die gegenuber\nRechtsanwalt A. nachfolgend geleistete Arbeit nicht dem Inhalt des mit der\nSozietat geschuldeten Arbeitsvertrages, hatten entsprechende Mittel und Wege\neingeleitet werden mussen. Der Anspruch auf Arbeitsvergutung gegen die\nSozietat ist damit aber nicht entfallen. Die Klagerin hat, in dem sie den\nWeisungen des Herrn Rechtsanwalt A. nachkam, fur ihn auch im Rahmen der\nSozietat zu arbeiten, ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen erfullt und\ndaher Anspruch auf die vereinbarte Vergutung (§ 611 BGB). Ob und in wie weit\nim Innenverhaltnis Herr Rechtsanwalt A. allein die Kosten zu tragen hat,\nspielt fur das hier zu beurteilende Außenverhaltnis keine Rolle.\n\n \n\n35\n\n \n\nDas mit der Sozietat begrundete Arbeitsverhaltnis ist formwirksam nicht\naufgehoben worden. Dem steht § 623 BGB entgegen. Sowohl der Aufhebungsvertrag\nals auch eine Eigenkundigung hatten der Schriftform bedurft. Eine schriftliche\nErklarung liegt nicht vor. Unerheblich bleibt der Einwand, das\nSchriftformgebot greife im Falle der Klagerin nicht, weil sie rechtskundige\nPartei sei. Das Gesetz stellt in § 623 BGB nicht auf Kenntnisse und\nFertigkeiten der Vertragsparteien des Arbeitsverhaltnisses ab, um bei\nbesonderen Ausnahmesituationen vom Schriftformerfordernis Abstand zu nehmen.\n\n \n\n36\n\n \n\nSchließlich ist auch eine Erfullung der streitgegenstandlichen Forderung nicht\neingetreten. Die Beklagten haben zur Abwehr der Zwangsvollstreckung geleistet.\nDadurch ist die streitgegenstandliche Forderung nicht erloschen, eine\nanderweitige Erfullung der streitgegenstandlichen Forderungen haben die\nBeklagten zwar angedeutet, aber nicht durch konkreten Tatsachenvortrag\nuntermauert. Auch hat die Klagerin bestritten, auf die streitgegenstandlichen\nForderungen Leistungen von irgendwelcher Seite, sei es auch Herrn Rechtsanwalt\nA., erhalten zu haben.\n\n \n\n \n\n**III.**\n\n37\n\n \n\nNach allem war die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1\nZPO zuruckzuweisen. Die Kostenentscheidung betrifft auch den zuruckgenommenen\nTeil der Berufung, sofern er sich auf das Nichtbestehen eines\nArbeitsverhaltnisses bezogen hat. Hier erfolgt die Kostenentscheidung aus §\n516 Abs. 3 S. 1 ZPO.\n\n \n\n38\n\n \n\nGrunde fur eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der Kriterien des §\n72 Abs. 2 ArbGG nicht.\n\n
193,998
lagrlp-2008-07-21-1-ta-11608
899
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
lagrlp
Rheinland-Pfalz
Arbeitsgerichtsbarkeit
1 Ta 116/08
2008-07-21
2019-02-12 09:35:54
2019-02-12 14:03:54
Beschluss
ECLI:DE:LAGRLP:2008:0721.1TA116.08.0A
\n\n#### Tenor\n\n \n\n \n\n1\\. Auf die Beschwerde der Beschwerdefuhrerin wird der\nGegenstandswertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom\n30.05.2008 - 2 BV 42/07 - wie folgt abgeandert:\n\n \n\n \n\n_Der Gegenstandswert der anwaltlichen T atigkeit der\nVerfahrensbevollmachtigten des Antragsgegners wird auf 12.738,42 EUR\nfestgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zuruckgewiesen._\n\n \n\n \n\n2\\. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragt die Beschwerdefuhrerin zu ¾.\n\n \n\n \n\n3\\. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.\n\n \n\n#### Grunde\n\n \n\n \n\n**I.**\n\n1\n\n \n\nDie Beschwerdefuhrerin begehrt die Festsetzung eines niedrigeren\nGegenstandswertes im Zusammenhang mit einem Zustimmungsersetzungsverfahren\nbezuglich der Eingruppierung eines Arbeitnehmers.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer Antragsgegner und Beteiligte zu 2) ist der bei der Antragstellerin und\nBeteiligten zu 1) (im Folgenden: Arbeitgeberin) gebildete Betriebsrat (im\nFolgenden: Betriebsrat). Zum 01.08.2007 fuhrte die Arbeitgeberin das neu\nerstellte sogenannte Entgeltrahmenabkommen (ERA) fur die Metall- und\nElektroindustrie im Bereich Rheinland-Rheinhessen ein. In diesem\nEntgeltrahmenabkommen war u. a. eine vollig neuartige Vergutungsstruktur der\nArbeitnehmer vorgesehen, die es in den einzelnen Betrieben umzusetzen galt.\nDementsprechend war jeder Arbeitnehmer angesichts der von ihm auszuubenden\nTatigkeit in eine der neu geschaffenen Entgeltgruppen des\nEntgeltrahmenabkommens einzugruppieren. Gegenstand des der Beschwerde zugrunde\nliegenden Beschlussverfahrens war die von der Arbeitgeberin vorgenommene\nEingruppierung des Mitarbeiters K. S. in die Entgeltgruppe E9, welcher der\nBetriebsrat nicht zustimmte, da er bei diesem Arbeitnehmer eine Eingruppierung\nin die Entgeltgruppe E11 fur angezeigt hielt.\n\n \n\n3\n\n \n\nIn dem von ihr eingeleiteten Beschlussverfahren beantragte die Arbeitgeberin\nsinngemaß die Ersetzung der versagten Zustimmung des Betriebsrats zur\nEingruppierung des benannten Arbeitnehmers in die Entgeltgruppe E9, hilfsweise\nFeststellung der Unbeachtlichkeit der Zustimmungsverweigerung durch den\nBetriebsrat. Das Verfahren endete durch Beschluss (§84 ArbGG) des\nArbeitsgerichts vom 16.04.2008.\n\n \n\n4\n\n \n\nAuf Antrag der Verfahrensbevollmachtigten des Betriebsrats hat das\nArbeitsgericht letztlich mit Beschluss vom 30.05.2008 den Gegenstandswert der\nanwaltlichen Tatigkeit der Verfahrensbevollmachtigten des Betriebsrats auf\n15.286,11 EUR festgesetzt. Dabei hat es das 36-fache der Vergutungsdifferenz\nzwischen den Entgeltgruppen E9 und E11, welche fur den Klager unter\nZugrundelegung einer 39-Stunden-Woche monatlich 707,69 EUR betragt,\nveranschlagt und hiervon sodann einen Abschlag in Hohe von 40 % vorgenommen.\n\n \n\n5\n\n \n\nGegen diesen Beschluss hat die Arbeitgeberin mit Schriftsatz vom 16.06.2008\nform- und fristgerecht **Beschwerde** eingelegt mit dem Ziel, den\nGegenstandswert auf 4.000,00 EUR herabzusetzen. Zur Begrundung fuhrt sie im\nWesentlichen an, es handele sich vorliegend um eine nicht vermogensrechtliche\nStreitigkeit, weswegen der in § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG genannte Hilfswert in\nHohe von 4.000,00 EUR zu veranschlagen sei. Mit Schriftsatz vom 08.07.2008 hat\ndie Beschwerdefuhrerin hilfsweise sinngemaß beantragt, jedenfalls einen\nniedrigeren Gegenstandswert als das Arbeitsgericht festzusetzen.\n\n \n\n6\n\n \n\nDas Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem\nLandesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.\n\n \n\n \n\n**II.**\n\n7\n\n \n\nDie Beschwerde ist nach § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde insbesondere\nform- und fristgerecht eingelegt, ubersteigt den Wert des\nBeschwerdegegenstands von 200,00 Euro und ist auch sonst zulassig. Wegen der\nKostentragungspflicht aus § 40 BetrVG ist die Arbeitgeberin auch zur Einlegung\nder Beschwerde befugt, obgleich der Beschluss des Arbeitsgerichts den\nGegenstandswert fur die Tatigkeit der Verfahrensbevollmachtigten des\nBetriebsrats betrifft.\n\n \n\n8\n\n \n\nIn der Sache hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den\nGegenstandswert vorliegend zu hoch festgesetzt.\n\n \n\n9\n\n \n\n1\\. Der Gegenstandswert war gem. § 23 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz RVG zu\nbestimmen. Nach dieser Norm ist der Gegenstandswert, soweit er sich nicht aus\nden ubrigen Regelungen des § 23 RVG ergibt und auch sonst nicht feststeht,\nnach billigem Ermessen zu bestimmen; in Ermangelung genugender tatsachlicher\nAnhaltspunkte fur eine Schatzung und bei nicht vermogensrechtlichen\nGegenstanden ist der Gegenstandswert mit 4.000,00 EUR, nach Lage des Falles\nniedriger oder hoher, jedoch nicht uber 500.000,00 EUR anzunehmen. Die\nRegelung des § 23 Abs. 1 RVG findet hier schon deswegen keine Anwendung, weil\nim Beschlussverfahren nach § 2 Abs. 2 GKG i. V. m. §§ 2 a, 80 ff. ArbGG keine\nGerichtskosten erhoben werden. Auch die in § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG genannten\nGebuhrentatbestande der Kostenordnung finden im Beschlussverfahren keine, auch\nkeine entsprechende Anwendung (vgl. nur LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom\n17.07.2007 - 1 Ta 173/07). Der Gegenstandswert steht auch sonst nicht nach\nanderen Regelungen fest.\n\n \n\n10\n\n \n\nBei dem vorliegend gestellten Antrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG handelt es sich\num einen nicht vermogensrechtlichen Streitgegenstand (vgl. LAG Rheinland-\nPfalz, Beschluss vom 26.03.2008 - 1 Ta 35/08; Beschluss vom 15.10.2007 - 1 Ta\n232/07). Der Antrag beruht auf keiner vermogensrechtlichen Beziehung zwischen\nArbeitgeberin und Betriebsrat und ist auch weder auf Geld noch auf Geldeswert\ngerichtet. Damit ist der Gegenstandswert gemaß § 23 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz\nRVG grundsatzlich mit 4.000,00 EUR, nach Lage des Falls niedriger oder hoher,\njedoch nicht uber 500.000,00 EUR anzunehmen. Dabei stellt der Wert von\n4.000,00 EUR allerdings nach standiger Rechtsprechung des LAG Rheinland-Pfalz\n(vgl. die Beschlusse vom 15.10.2007 - 1 Ta 232/07 - und vom 04.04.2007 - 1 Ta\n46/07) keinen Regelwert dar, von dem nur unter bestimmten Umstanden abgewichen\nwerden kann, sondern einen Hilfswert, auf den nur dann zuruckzugreifen ist,\nwenn alle Moglichkeiten fur eine individuelle Bewertung ausgeschopft sind.\nSolche Anhaltspunkte ergeben sich aus der wirtschaftlichen Interessenlage der\nBeteiligten, inwieweit durch das Beschlussverfahren finanzielle Anspruche\neinzelner Arbeitnehmer beruhrt werden, aus der Bedeutung, dem Umfang und der\nSchwierigkeit einer Sache. Auch ist der objektive Arbeitsaufwand des\nRechtsanwalts im Einzelfall nicht ganz außer Acht zu lassen (zu alledem LAG\nRheinland-Pfalz, Beschluss vom 26.03.2008 - 1 Ta 35/08).\n\n \n\n11\n\n \n\nNach diesen Grundsatzen war hier nicht auf den Hilfswert von 4.000,00 EUR\nzuruckzugreifen, da vorliegend genugend tatsachliche Anhaltspunkte fur eine\nSchatzung des Gegenstandswertes gegeben sind. Wird die Ersetzung der\nZustimmung zu einer Ein- oder Umgruppierung begehrt, kann insoweit auf die\nRegelung des § 42 Abs. 4 Satz 2 GKG zuruckgegriffen werden (LAG Rheinland-\nPfalz, Beschluss vom 26.03.2008 - 1 Ta 35/08; LAG Hamm, Beschluss vom\n19.10.2006 - 13 Ta 549/06). Danach ist bei Rechtsstreitigkeiten uber\nEingruppierungen der Wert des dreijahrigen Unterschiedsbetrages zur begehrten\nVergutung maßgeblich, sofern nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistung\ngeringer ist. Dies waren hier die vom Arbeitsgericht zunachst zugrunde\ngelegten 25.476,84 EUR (36 x 707,69 EUR). Insoweit ist das Arbeitsgericht\nzutreffend nicht von der Vergutung fur die tariflich vorgesehene 35-Stunden-\nWoche ausgegangen, sondern von der nach diesen Maßgaben zu errechnenden und\nvon dem betroffenen Arbeitnehmer auch tatsachlich erhaltenen Vergutung fur die\nvon ihm vertragsgemaß geleistete 39-Stunden-Woche.\n\n \n\n12\n\n \n\n2\\. Der so errechnete Betrag ist jedoch mit einem Abschlag zu versehen\n(ebenso, wenngleich mit unterschiedlicher Begrundung, LAG Koln, Beschluss vom\n19.03.2008 - 10 Ta 43/08; LAG Hamm, Beschluss vom 16.07.2007 - 13 Ta 236/07;\nLAG Hamm, Beschluss vom 22.08.2005 - 10 TaBV 94/05; LAG Dusseldorf, Beschluss\nvom 14.09.2004 - 17 Ta 445/04). Dieser Abschlag rechtfertigt sich neben der\nverminderten Rechtskraftwirkung des gefuhrten Beschlussverfahrens vor allem\ndaraus, dass Gegenstand des Zustimmungsersetzungsverfahrens allein die\nbetriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrechte und -pflichten des\nBetriebsrats sind, durch das Verfahren aber keine unmittelbare Rechtsposition\ndes ein- bzw. umzugruppierenden Arbeitnehmers betroffen wird oder gar Rechte\ndes Arbeitnehmers begrundet werden. Der Betriebsrat nimmt bei der Frage der\nZustimmungserteilung bzw. -verweigerung dabei eine reine Rechtsprufung der\ntariflichen Eingruppierung des Arbeitnehmers vor. Die individualrechtliche\nStellung des Arbeitnehmers bleibt dagegen unberuhrt, ein etwaiger Beschluss\nentfaltet fur diesen keinerlei Bindungswirkung. Demgegenuber sind die\nRegelungen des § 42 Abs. 3 bzw. Abs. 4 Satz 2 GKG auf Falle\nindividualrechtlicher Klagen zugeschnitten, die unmittelbar eine\nRechtsposition begrunden und zu einer entsprechenden Zahlungsverpflichtung des\nArbeitgebers fuhren. Dies ist im Beschlussverfahren nicht der Fall, weswegen\nder Gegenstandswert hier deutlich niedriger als nach § 42 Abs. 3 bzw. Abs. 4\nSatz 2 GKG zu bemessen ist. Obgleich andere Landesarbeitsgerichte einen\nsolchen Abschlag mit 20 % (LAG Koln, Beschluss vom 19.03.2008 - 10 Ta 43/08),\nmit 25 % (LAG Dusseldorf, Beschluss vom 14.09.2004 - 17 Ta 445/04) oder mit 40\n% (LAG Hamm, Beschluss vom 16.07.2007 - 13 Ta 236/07; Beschluss vom 22.08.2005\n- 10 TaBV 94/05) bemessen, erscheint dem Beschwerdegericht angesichts der\naufgezeigten Unterschiede zwischen Individualklagen von Arbeitnehmern und der\ngesetzlichen Befugnisse des Betriebsrats bei der Beurteilung der\ntarifgerechten Eingruppierung die von den genannten Gerichten vorgenommenen\nAbschlage zu gering zu sein. Vielmehr scheint ein Abschlag in Hohe von 50 %\nerforderlich und angemessen. Dies entspricht im vorliegenden Fall einem Betrag\nvon 12.738,42 EUR.\n\n \n\n13\n\n \n\nHierin liegt auch kein Widerspruch zu den Entscheidungen der erkennenden\nKammer vom 15.10.2007 (1 Ta 232/07) und vom 26.03.2008 (1 Ta 35/08), in denen\ndas Beschwerdegericht den dreijahrigen Differenzbetrag auf jeweils eineinhalb\nMonatsgehalter gedeckelt hat. Im ersten Fall ging es um die Ersetzung der\nZustimmung des Betriebsrats zu einer Versetzung und der damit verbundenen\nHerabgruppierung eines Arbeitnehmers. Dort hat die erkennende Kammer die\nvorgenommene Deckelung fur erforderlich gehalten, da auch fur eine einseitige\nHerabgruppierung durch den Arbeitgeber im Wege der Änderungskundigung der\nGegenstandswert auf eineinhalb Bruttomonatsgehalter zu begrenzen gewesen ware\n(dazu LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25.07.2007 - 1 Ta 179/07). Eine\nsolche Herabgruppierung, die notfalls mittels Änderungskundigung durchgesetzt\nwerden konnte, stand bei dem Streitgegenstand des vorliegenden\nBeschlussverfahrens zu keinem Zeitpunkt zur Diskussion. Vielmehr ging es um\ndie Mitbeurteilung des Betriebsrats bei der erstmaligen Eingruppierung des\nbetroffenen Arbeitnehmers in die Strukturen eines vollig neuen\nVergutungssystems, welches durch das Entgeltrahmenabkommen geschaffen wurden\nund in den Betrieb der Arbeitgeberin neu einzufuhren war.\n\n \n\n14\n\n \n\nIn der zweiten Entscheidung hat die erkennende Kammer die Deckelungsgrenze von\neineinhalb Bruttomonatsgehaltern fur eine Fallkonstellation bejaht, in der es\num die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer Einstellung und der\ndamit einhergehenden Ersteingruppierung eines Arbeitnehmers ging. Auch die\ndiesbezuglich angestellten Erwagungen lassen sich auf den vorliegenden Fall\nnicht ubertragen. Zwar geht es auch hier um die erstmalige Eingruppierung\neines Arbeitnehmers in ein Vergutungssystem. Der wesentliche Unterschied liegt\njedoch darin, dass es sich in dem bereits entschiedenen Fall um einen neu\neingestellten Arbeitnehmer und damit um ein rechtlich noch vollkommen\nungesichertes Arbeitsverhaltnis handelte, wohingegen es vorliegend um ein\nlaufendes, langjahrig praktiziertes Arbeitsverhaltnis geht, das lediglich\neiner neuartigen Vergutungsstruktur unterworfen werden soll. Der Arbeitnehmer\nS. ist seit dem 01.01.1990 bei der Arbeitgeberin beschaftigt gewesen. Wenn in\neinem solchen Fall Veranderungen bei der Vergutungshohe streitig werden,\nerscheint es durchaus gerechtfertigt, wiederkehrende Leistungen im Sinne von §\n42 GKG anzunehmen. Demgegenuber ist bei einem neu eingestellten Arbeitnehmer,\ngerade auch angesichts der ublicherweise vereinbarten Probezeit, ungewiss, wie\nlange dieser im Betrieb beschaftigt bleiben wird. Sein Arbeitsverhaltnis\nunterliegt noch keinem besonderen Bestandsschutz und hat sich noch nicht\nsoweit rechtlich verfestigt, dass dieser Fall mit einer Konstellation wie der\nhier vorliegenden vergleichbar ware.\n\n \n\n15\n\n \n\nDaher war der Beschluss des Arbeitsgerichts teilweise abzuandern.\n\n \n\n16\n\n \n\nDie Gerichtsgebuhr fur das Beschwerdeverfahren berechnet sich nach Nr. 8614\nder Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG\nist anders als das Verfahren nach § 33 Abs. 9 RVG nicht gebuhrenfrei.\n\n \n\n17\n\n \n\nDies gilt auch im Beschlussverfahren (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom\n26.11.2007 - 1 Ta 256/07). Die in § 2 Abs. 2 GKG bestimmte Kostenfreiheit der\nGerichtsgebuhren des Beschlussverfahrens erfasst nicht das sich anschließende\nBeschwerdeverfahren wegen des festgesetzten Gegenstandswertes (LAG Rheinland-\nPfalz, Beschluss vom 26.11.2007 - 1 Ta 256/07; LAG Hamm, Beschluss vom\n19.03.2007, NZA-RR 2007, 491; a. A. LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom\n16.11.2000, NZA 2001, 1160).\n\n \n\n18\n\n \n\nDie Gerichtsgebuhr hat die Beschwerdefuhrerin gemaß § 92 Abs. 1 ZPO zu ¾ zu\ntragen.\n\n \n\n19\n\n \n\nEin Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG nicht\ngegeben.\n\n
81,512
bsg-2010-09-28-b-1-kr-410-r
8
Bundessozialgericht
bsg
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgerichtsbarkeit
Bundesgericht
B 1 KR 4/10 R
2010-09-28
2018-11-10 08:30:05
2019-01-17 15:47:21
Urteil
## Tenor\n\n \n\nDie Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom\n7. Januar 2010 wird zurückgewiesen.\n\n \n\n \n\nDie Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.\n\n \n\n \n\nDer Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 27 648,54 Euro festgesetzt.\n\n## Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDie Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für die\nKrankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem SGB XII, die nicht\nkrankenversichert sind.\n\n \n\n2\n\n \n\nDie klagende Krankenkasse (KK) stellte der beklagten Stadt als Trägerin der\nSozialhilfe die von der Klägerin im 3. Quartal 2004 erbrachten Aufwendungen\nfür die Krankenbehandlung von nicht krankenversicherten Personen in Rechnung,\ndie gegenüber der Beklagten sozialhilfeberechtigt waren. Die Beklagte brachte\nvon dem - der Höhe nach nicht streitigen - Rechnungsbetrag unter Hinweis auf §\n116 SGB X 27 648,54 Euro in Abzug (26 331,94 Euro für potenzielle\nErsatzansprüche gegenüber Drittschädigern zuzüglich 1316,60 Euro für die\nanteiligen Verwaltungskosten <5%>).\n\n \n\n3\n\n \n\nDas SG hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin auch diese 27 648,54 Euro\nzu zahlen: Unabhängig davon, ob realisierbare Regressansprüche gemäß § 116 SGB\nX bestünden, seien der Klägerin die Aufwendungen für die Krankenbehandlung\nnach § 264 Abs 7 Satz 1 SGB V entstanden. Sie habe Sozialleistungen für die\nBeklagte erbracht _(§ 91 Abs 1 Satz 1 SGB X)._ Die Erstattungspflicht sei\nnicht nach § 91 Abs 1 Satz 3 SGB X ausgeschlossen: Anhaltspunkte dafür, dass\ndie Klägerin im 3. Quartal 2004 Sozialleistungen zu Unrecht erbracht habe und\nsie hierfür ein Verschulden treffe, lägen nicht vor. Eine Rechtsgrundlage für\nein Zurückbehaltungs- oder Aufrechnungsrecht der Beklagten sei nicht\nersichtlich. Selbst wenn die Klägerin - wovon nicht ausgegangen werden könne -\nin erster Linie verpflichtet sei, Regressansprüche durchzusetzen, fehle es an\neiner Rechtsgrundlage für eine Zahlungsverweigerung der Beklagten bis zur\nDurchsetzung dieser Regressansprüche oder bis zum Nachweis der entsprechenden\nErfolglosigkeit. Insbesondere ergebe sich ein Anspruch der Beklagten gegen die\nKlägerin auf Verfolgung und Durchsetzung von Regressansprüchen nicht aus einem\nentsprechenden Weisungsrecht nach § 93 iVm § 89 Abs 5 SGB X. Denn nach diesen\nVorschriften sei der Auftraggeber lediglich berechtigt, im Rahmen des\ngesetzlichen Auftrags den Beauftragten an seine Auffassung zu binden. Gemäß §\n264 Abs 2 SGB V obliege der Klägerin jedoch nur die Krankenbehandlung von\nEmpfängern von Leistungen nach dem SGB XII, nicht aber auch die Verfolgung von\nRegressansprüchen. Der Einwand der Beklagten, sie selbst sei aus § 116 Abs 1\nSatz 1 SGB X nicht aktivlegitimiert, greife nicht durch; für den Übergang von\nSchadensersatzansprüchen auf den Träger der Sozialhilfe sei ausreichend, dass\ndieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen - hier die Übernahme\nder Kosten für durchgeführte Krankenbehandlung - zu erbringen habe _(Urteil\nvom 7.1.2010)._\n\n \n\n4\n\n \n\nMit ihrer Sprungrevision rügt die Beklagte die Verletzung von § 264 Abs 7 SGB\nV und § 116 SGB X. Der mit § 264 Abs 2 SGB V verbundene gesetzliche Auftrag\numfasse auch die Verfolgung der nach § 116 Abs 1 Satz 1 SGB X übergegangenen\nRegressansprüche durch die Klägerin. Nur die KK, nicht aber der\nSozialhilfeträger erwerbe die Schadensersatzansprüche des\nSozialhilfeempfängers. Die leistungsrechtliche Gleichstellung des in § 264 Abs\n2 SGB V genannten Personenkreises mit den Versicherten der gesetzlichen\nKrankenversicherung (GKV) bewirke, dass die Sozialhilfeempfänger ihre\nAnsprüche auf Hilfe bei Krankheit unmittelbar nur gegenüber der KK (nicht\ngegenüber dem Sozialhilfeträger) geltend machen könnten. Damit sei verbunden,\ndass nur die Klägerin, nicht aber die Beklagte auf Grund des\nSchadensereignisses Sozialleistungen iS des § 116 Abs 1 Satz 1 SGB X erbringe.\nDies werde dadurch bestätigt, dass die Kostenerstattung nach § 264 Abs 7 SGB V\nnach der Rechtsprechung des BSG keine Sozialleistung sei _(BSGE 102, 10 = SozR\n4-2500 § 264 Nr 2 RdNr 19 f)._ Auch das praktische Bedürfnis spreche für die\nDurchführung des Regresses durch die KK. Die KK sei organisatorisch und\nfachlich auf die Inanspruchnahme von Drittschädigern schon wegen ihrer eigenen\nMitglieder eingerichtet und erfahre frühzeitig von diesen Regressfällen durch\ndie Vorgangsbearbeitung und Gewährung von Krankenbehandlung.\n\n \n\n5\n\n \n\nDie Beklagte beantragt, \ndas Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 7. Januar 2010 aufzuheben und die\nKlage abzuweisen.\n\n \n\n6\n\n \n\nDie Klägerin beantragt, \ndie Revision zurückzuweisen.\n\n \n\n7\n\n \n\nSie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.\n\n \n\n \n\n## Entscheidungsgründe\n\n \n\n8\n\n \n\nDie zulässige Sprungrevision der als örtliche Trägerin der Sozialhilfe\nbeklagten Stadt ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Beklagte zur\nZahlung weiterer 27 648,54 Euro verurteilt, denn dieser Betrag steht der\nklagenden AOK für die Durchführung der Krankenbehandlung bei nicht\nkrankenversicherten Sozialhilfeempfängern im 3. Quartal 2004 zu. Der Klägerin\nsind Aufwendungen in der geltend gemachten Höhe entstanden _(dazu 1.)_. Der\nAnspruch ist nicht etwa durch Aufrechnung erloschen _(dazu 2.)_. Die Beklagte\nkann auch keine Einwendungen gegen den Anspruch geltend machen _(dazu 3.)_.\n\n \n\n9\n\n \n\n1\\. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung weiterer 27 648,54 Euro ist\nentstanden. Anspruchsgrundlage ist § 264 Abs 7 Satz 1 SGB V _(hier anzuwenden\nin der ab 1.1.2004 geltenden Fassung von Art 1 Nr 152\nGesundheitsmodernisierungsgesetz - GMG - vom 14.11.2003, - BGBl I 2190; mWv\n1.1.2005 geändert durch Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das\nSozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl I 3022)._ Nach dieser Vorschrift werden\nden KKn die Aufwendungen, die durch die Übernahme der Krankenbehandlung nach\nden Absätzen 2 bis 6 entstehen, von den für die Hilfe zuständigen\nSozialhilfeträgern vierteljährlich erstattet. Als angemessene\nVerwaltungskosten einschließlich Personalaufwand für den Personenkreis nach\nAbsatz 2 werden bis zu 5 vom Hundert der abgerechneten Leistungsaufwendungen\nfestgelegt _(§ 264 Abs 7 Satz 2 SGB V)._\n\n \n\n10\n\n \n\nDer Klägerin sind Aufwendungen in der geltend gemachten Höhe für die\nKrankenbehandlung von Personen, die von der Beklagten Sozialhilfe erhalten, im\n3. Quartal 2004 unter Einschluss der Verwaltungskosten entstanden _(zu dem\nBegriff der Aufwendungen vgl BSG Urteil vom 8.9.2009 - B 1 KR 9/09 R - zur\nVeröffentlichung in SozR 4-3250 § 14 Nr 10 vorgesehen)._ Die\nErstattungspflicht ist nicht nach § 91 Abs 1 Satz 2 SGB X ausgeschlossen:\nAnhaltspunkte dafür, dass die Klägerin im genannten Zeitraum Sozialleistungen\nzu Unrecht erbracht hat und sie ein Verschulden trifft, liegen nicht vor.\nBeides hat das SG für den Senat bindend festgestellt _(§ 163 SGG)_ und ist im\nÜbrigen zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.\n\n \n\n11\n\n \n\n2\\. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 27 648,54 Euro ist nicht analog\n§ 387 BGB durch Aufrechnung der Beklagten erloschen. Der Senat lässt offen, ob\nRechtsgrundlage der vermeintlichen Gegenforderung der Beklagten in dem\nzwischen der Klägerin und der Beklagten bestehenden gesetzlichen\nAuftragsverhältnis _(dazu a)_ ein Herausgabeanspruch analog § 667 BGB ist oder\nein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Beide Ansprüche\nsind auf die Herausgabe des von der Klägerin (auf Kosten der Beklagten)\nErlangten gerichtet und können jedenfalls nicht zum Erlöschen der\nHauptforderung der Klägerin durch Aufrechnung führen _(dazu b)._\n\n \n\n12\n\n \n\na) Wie der erkennende Senat bereits mit Urteil vom 17.6.2008 entschieden hat,\nerbringen die KKn die Krankenbehandlung von nicht in der GKV versicherten\nSozialhilfeempfängern nach § 264 SGB V auf Grund gesetzlichen Auftrags iS des\n§ 93 SGB X _(vgl ausführlich BSGE 101, 42 = SozR 4-2500 § 264 Nr 1; so auch:\nHuck in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Juni 2010, K § 264 RdNr 14; Krauskopf in\nWagner/Knittel, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Stand: Juni\n2010, § 264 RdNr 5; Marburger, WzS 2004, 289, 291; Peters in Kasseler\nKommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand 66. Ergänzungslieferung 2010, § 264\nSGB V RdNr 4; Wille in juris-PK SGB V, 2008, § 264 RdNr 32; aA Sunder,\nGutachten Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, NDV 2004,\n320, 323; H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl 2006,\n§ 48 SGB XII RdNr 10; Zink/Lippert in Mergler/Zink, Handbuch der\nGrundsicherung und Sozialhilfe, § 48 SGB XII RdNr 43 ff, Stand Januar 2010;\nwohl auch: Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl 2010, § 48 SGB XII\nRdNr 47; Zeitler, NDV 2004, 45, 46; offen lassend, ob ein gesetzlicher Auftrag\noder ein auftragsähnliches Verhältnis anzunehmen ist: BSGE 102, 10 = SozR\n4-2500 § 264 Nr 2 RdNr 23 <8\\. Senat>; wohl auch Schlette in Hauck/Noftz, SGB\nXII, Stand Juni 2010, K § 48 RdNr 5)._\n\n \n\n13\n\n \n\nDer Senat hält an seiner Rechtsprechung fest. § 264 SGB V überträgt den KKn in\nAbstimmung mit dem SGB XII die den Sozialhilfeträgern dem Grunde nach\nobliegende Aufgabe, die den Regelungen der GKV entsprechenden Leistungen zu\ngewähren _(vgl § 48 SGB XII idF durch Art 1 Gesetz vom 27.12.2003, BGBl I\n3022)_. Auf diese Weise wird nach § 264 Abs 2 SGB V die Krankenbehandlung der\nnicht versicherten Leistungsberechtigten nach dem SGB XII von der KK\n"übernommen" _(vgl zum Ganzen BSGE 101, 42 = SozR 4-2500 § 264 Nr 1)._\n\n \n\n14\n\n \n\nb) Es kann dahinstehen, ob die vermeintliche Gegenforderung der beklagten\nSozialhilfeträgerin gegen die klagende KK aus analoger Anwendung des § 667 BGB\noder aus den Grundsätzen über den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch\nfolgt. Eine zur Aufrechnung geeignete Gegenforderung kann der Klägerin\njedenfalls nicht entgegengesetzt werden.\n\n \n\n15\n\n \n\nSchulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach\ngleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des\nanderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und\ndie ihm obliegende Leistung bewirken kann _(§ 387 BGB)._ Rechtsgrundlage der\nvermeintlichen Gegenforderungen der Beklagten, mit denen sie gegen die\nHauptforderung aufrechnen könnte, kann zum einen ein Herausgabeanspruch analog\n§ 667 BGB sein. Hiernach hat der Auftraggeber einen Anspruch auf Herausgabe\nvon allem, was der Beauftragte aus der Geschäftsbesorgung erlangt _(vgl etwa\nzum Anspruch des_ _Rentenversicherungsträgers gegenüber der KK auf Herausgabe\ndes auf Beiträge entfallenden Zinsgewinns: BSGE 73, 106 = SozR 3-2200 § 1436\nNr 1)._ Als Rechtsgrundlage kommt auch ein öffentlich-rechtlicher\nErstattungsanspruch in Betracht, der dem Anspruchsinhaber ebenfalls ein Recht\nauf Herausgabe des Erlangten verschafft, wenn eine Leistung ohne Rechtsgrund\nerfolgte oder eine sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebung vorlag _(vgl\nnur_ _BSGE 102, 10 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2, RdNr 27 mwN)_. Unabhängig von der\nmaßgeblichen Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Gegenforderung der\nBeklagten geht ihre Aufrechnungserklärung gegen die Hauptforderung der\nKlägerin aber analog § 387 BGB ins Leere. In beiden Fällen kann die Beklagte\nnicht gegen die Hauptforderung der Klägerin analog § 387 BGB erfolgreich\naufrechnen.\n\n \n\n16\n\n \n\nDas Erfordernis der Gleichartigkeit von Haupt- und Gegenforderung bezieht sich\nauf den Gegenstand der Leistung und beschränkt die Aufrechnung im Wesentlichen\nauf beiderseitige Geldforderungen _(Grüneberg in Palandt, BGB, 69. Aufl 2010,\n§ 387 BGB RdNr 9)._ Deshalb könnten die auf Herausgabe des Erlangten\ngerichteten Ansprüche allenfalls dann mit der in einer Geldforderung\nbestehenden Hauptforderung gleichartig sein, wenn sie auf die Zahlung einer\nGeldsumme gerichtet wären _(vgl BGHZ 71, 380, 381 f; Grüneberg, aaO, § 387 BGB\nRdNr 8 mwN; Schlüter in Münchener Kommentar, 4. Aufl 2003, § 387 BGB RdNr\n30)._ Ein auf die Zahlung einer Geldsumme gerichteter Anspruch der Beklagten\nkann aber schon deshalb nicht entstanden sein, weil nach den für den Senat\nbindenden Feststellungen des SG _(§ 163 SGG)_ die Beklagte keine (herausgabe-\nbzw übertragungsfähigen) Zahlungen von Drittschädigern erhielt. Soweit die\nKlägerin hier allein in Betracht kommende Schadensersatzansprüche der\nLeistungsempfänger erlangt haben könnte, scheitert eine Aufrechnung mit dem\nHerausgabeanspruch an der fehlenden Gleichartigkeit von Haupt- und\nGegenforderung. Während nämlich die Hauptforderung auf die Zahlung einer\nGeldsumme gerichtet ist, zielt die Gegenforderung der Beklagten nicht\nunmittelbar auf Zahlung eines Geldbetrages, sondern auf etwas anderes, nämlich\ndas bloße Recht, Schadensersatzansprüche gegen einen Dritten geltend zu\nmachen, die diesem gegenüber - aus welchen Gründen auch immer - möglicherweise\ngar nicht realisierbar sind. Schon an der ungesicherten Realisierbarkeit der\nForderungen gegen Dritte wird deutlich, dass dieses Recht einer unbestrittenen\nGegenforderung des in Anspruch Genommenen gegen den Gläubiger der\nHauptforderung wirtschaftlich nicht gleichsteht _(in ähnlicher Weise die\nGleichartigkeit mit einer Geldforderung verneinend: BGH NJW 1978, 699 ; BGH WM\n1965, 479 )._\n\n \n\n17\n\n \n\n3\\. Der Beklagten stehen auch keine Einwendungen gegen den Aufwendungsersatz-\nbzw Erstattungsanspruch der Klägerin - insbesondere kein Zurückbehaltungsrecht\nhinsichtlich des offenen Betrages - zu. Selbst wenn die Klägerin selbst\nInhaberin der Schadensersatzforderungen geworden wäre, könnten sich solche\nEinwendungen nur aus ihrer Verpflichtung ergeben, diese Forderungen gegenüber\nden Drittschädigern geltend zu machen und durchzusetzen. Eine solche\nVerpflichtung folgt jedoch weder aus dem zwischen der Klägerin und der\nBeklagten gegebenen gesetzlichen Auftragsverhältnis _(dazu a)_ oder einem der\nBeklagten zustehenden Weisungsrecht _(dazu b)_ noch aus § 116 Abs 1 Satz 1 SGB\nX _(dazu c)._\n\n \n\n18\n\n \n\na) Der gesetzliche Auftrag des § 264 SGB V umfasst nicht die Verfolgung von\nErsatzansprüchen gegenüber Drittschädigern. Übertragen wird den KKn lediglich\ndie Aufgabe der Sozialhilfeträger nach dem SGB XII, die Leistungen zu\ngewähren, die denjenigen der GKV entsprechen. Dies folgt aus §§ 48, 52 SGB\nXII.\n\n \n\n19\n\n \n\n§ 48 SGB XII _(bzw § 37 Abs 1 BSHG in der bis zum 31.12.2004 geltenden\nFassung)_ bestimmt: "Um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre\nVerschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, werden\nLeistungen zur Krankenbehandlung entsprechend dem Dritten Kapitel Fünften\nAbschnitt Ersten Titel des Fünften Buches erbracht. Die Regelungen zur\nKrankenbehandlung nach § 264 des Fünften Buches gehen den Leistungen der Hilfe\nbei Krankheit nach Satz 1 vor." § 52 SGB XII _(bzw_ _§ 38 Abs 2 BSHG bis zum\n31.12.2004)_ regelt ua die Leistungserbringung: Die Hilfen nach § 48 SGB XII\n_(bzw_ _nach dem entsprechenden Unterabschnitt des BSHG bis zum 31.12.2004)_\nentsprechen den Leistungen der GKV _(Abs 1 Satz 1 bzw § 38 Abs 1 Satz 1 BSHG\nbis zum 31.12.2004)_ ; Leistungsberechtigte haben die freie Wahl unter den\nÄrzten und Zahnärzten sowie den Krankenhäusern entsprechend den Bestimmungen\nder GKV; Hilfen werden nur in dem durch Anwendung des § 65a SGB V erzielbaren\ngeringsten Umfang geleistet _(Abs 2 bzw § 38 Abs 2 BSHG bis zum 31.12.2004)._\nDiese leistungsrechtliche Gleichstellung bedeutet, dass die\nSozialhilfeempfänger ihre Ansprüche auf Hilfe bei Krankheit gegenüber der von\nihnen gewählten KK unmittelbar geltend machen können, nicht aber gegenüber dem\nSozialhilfeträger _(vgl BSGE 101, 42 = SozR 4-2500 § 264 Nr 1, RdNr 18;\nKostorz/Wahrendorf, ZfSH/SGB 2004, 387, 395; Marburger, WzS 2004, 289, 291;\nZeitler, NDV 2004, 45, 46; aA wohl Löcher, ZfS 2006, 78, 80; die Frage offen\nlassend Wendtland, ZSR 2007, 423 ff; Wille in juris-PK-SGB V, aaO, § 264 RdNr\n71)._ Das Gesetz macht hinsichtlich der Entscheidungsbefugnis über die\nLeistungsansprüche lediglich einen Vorbehalt: Soweit KKn in ihrer Satzung\nUmfang und Inhalt der Leistungen bestimmen können, entscheidet der Träger der\nSozialhilfe über Umfang und Inhalt der Hilfen nach pflichtgemäßem Ermessen\n_(vgl § 52 Abs 1 Satz 2 SGB XII bzw § 38 Abs 1 Satz 2 BSHG bis zum\n31.12.2004)._\n\n \n\n20\n\n \n\nAuch § 264 SGB V ist kein Auftrag der KKn zur Verfolgung von\nSchadensersatzansprüchen gegenüber Dritten zu entnehmen. § 264 Abs 2 bis 7 SGB\nV überträgt den KKn in Abstimmung mit dem BSHG und SGB XII lediglich die\nAufgabe, solche Leistungen zu gewähren, die denjenigen der GKV entsprechen\n_(vgl BSGE 101, 42 = SozR 4-2500 § 264, RdNr 13)._ Hierzu haben die nicht\nversicherten Leistungsberechtigten unverzüglich eine KK im Bereich des für die\nHilfe zuständigen Sozialhilfeträgers zu wählen, die ihre Krankenbehandlung\nübernimmt _(§ 264 Abs 3 SGB V)._ Für die Leistungsberechtigten gelten § 11 Abs\n1 SGB V sowie die §§ 61 und 62 SGB V entsprechend _(§ 264 Abs 4 SGB V)._ § 264\nSGB V sieht aber weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem Zweck, die\nVersorgung bei Krankheit für nicht gesetzlich krankenversicherte\nSozialhilfeempfänger ohne Verschaffung eines mitgliedschaftsrechtlichen Status\nsicherzustellen, einen Auftrag der KKn vor, anstelle von Sozialhilfeträgern\nSchadensersatzansprüche gegenüber Dritten geltend zu machen. Auch die\nGesetzesbegründung zu § 264 SGB V enthält keine Hinweise auf einen solchen\nAuftrag _(vgl Entwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN\neines GKV-Modernisierungsgesetzes-GMG, BT-Drucks 15/1525, S 140 f, zu Art 1 Nr\n152 - § 264)._\n\n \n\n21\n\n \n\nb) Eine Verpflichtung der KK zur Verfolgung von Ersatzansprüchen gegenüber\nDrittschädigern folgt ebenfalls nicht aus einem der Beklagten im Rahmen des\nAuftragsverhältnisses zustehenden Weisungsrecht. Zwar ist der Auftraggeber\nnach § 93 iVm § 89 Abs 5 SGB X berechtigt, den Beauftragten an seine\nAuffassung zu binden. Jedoch umfasst dieses Weisungsrecht lediglich die Art\nder Ausführung im Rahmen des gesetzlich vorgegebenen Auftragsrahmens. Die\nspezialgesetzlichen Regelungen des jeweiligen gesetzlichen\nAuftragsverhältnisses sind zu beachten _(Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7.\nAufl 2010, § 93 RdNr 6)._ Der in § 264 SGB V festgelegte Auftragsrahmen\nenthält aber - wie dargelegt - nicht die Verfolgung von Ersatzansprüchen\ngegenüber Dritten. Es ist Sache des Gesetzgebers, das gesetzliche\nAuftragsverhältnis im Einzelnen auszugestalten _(vgl auch § 30 Abs 2 SGB IV)._\n\n \n\n22\n\n \n\nc) Die Einwendung der beklagten Sozialhilfeträgerin, die klagende AOK müsse\ndie Schadensersatzforderungen gegenüber den Drittschädigern geltend machen und\ndurchsetzen, greift nicht durch. Da jedenfalls die Beklagte Inhaberin der\nSchadensersatzforderungen geworden ist _(dazu aa)_ , kann der Senat offen\nlassen, ob die Schadensersatzforderungen auch auf die Klägerin übergegangen\nsind. Die Beklagte könnte der Klägerin eine solche cessio legis nur\nentgegenhalten, wenn diese auch die Verpflichtung der Klägerin zur\nGeltendmachung von Schadensersatzforderungen umfassen würde. Eine solche\nVerpflichtung der Klägerin ergibt sich jedoch nicht aus § 116 Abs 1 Satz 1 SGB\nX _(dazu bb)_.\n\n \n\n23\n\n \n\naa) § 116 Abs 1 Satz 1 SGB X bestimmt: "Ein auf anderen gesetzlichen\nVorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den\nVersicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund\ndes Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung\neines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der\nvom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen." Angeordnet wird ein\ngesetzlicher Forderungsübergang für den Regelfall, in dem ein\nSozialleistungsträger auf Grund eines Schadensereignisses Sozialleistungen zu\nerbringen hat.\n\n \n\n24\n\n \n\nNach dem Wortlaut kann jeder Leistungsträger Zessionar sein, der auf Grund des\nSchadensereignisses die näher beschriebenen Sozialleistungen zu erbringen hat.\nUnmittelbar hatte die Klägerin Krankenbehandlung und damit Sozialleistungen\n_(vgl auch § 11 Satz 1 SGB I)_ nach Maßgabe des gesetzlichen Auftrags zu\nerbringen _(dazu oben II. 2. a)_. Auftraggeber der Klägerin war die Beklagte,\nso dass die Sozialleistungen im Zuständigkeitsgefüge des SGB dem\nAufgabenbereich der Beklagten zuzurechnen sind _._ Denn allein die Beklagte\nist - unabhängig davon, dass die Leistungen gegenüber den Berechtigten\nunmittelbar von den KKn im Rahmen des dargestellten Auftragsverhältnisses\nbewirkt werden - im Rechtssinne die für die Krankenbehandlung an nicht\nkrankenversicherte Sozialhilfeempfänger nach dem SGB XII zuständige Trägerin.\nEntgegen der Ansicht der Beklagten scheitert ein Forderungsübergang auf sie\nselbst also nicht daran, dass der Aufwendungsersatzanspruch einer KK nach §\n264 Abs 7 SGB V keine Sozialleistung ist _(in diesem Sinne BSGE 102, 10 = SozR\n4-2500 § 264 Nr 2, RdNr 19 f; aA_ _Zeitler, NDV 2004, 45, 46; Schlette in\nHauck/Noftz, aaO, K § 48 SGB XII RdNr 5)_ und dass die Beklagte selbst keine\nSozialleistungen erbracht hat _._ Maßgebliche Leistung ist insofern die\nmittelbar über die Klägerin zu erbringende (und erbrachte) Krankenbehandlung,\ndie auch die übrigen in § 116 Abs 1 Satz 1 SGB X genannten Anforderungen an\ndie Sozialleistung _("auf Grund des Schadensereignisses", zur "Behebung eines\nSchadens der gleichen Art", Bezug "auf denselben Zeitraum")_ erfüllt.\n\n \n\n25\n\n \n\nAuch die weiteren Voraussetzungen des Anspruchsübergangs auf die Beklagte sind\ngegeben. Der Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger geht kraft\nGesetzes, dh ohne weiteres Zutun des regressberechtigten\nSozialleistungsträgers, auf diesen über _(vgl BGHZ 155, 342 - juris RdNr 11\nff; Eichenhofer in Wannagat, SGB X, Stand: Mai 2002, § 116 RdNr 13; Kater in\nKasseler Kommentar, aaO, § 116 SGB X RdNr 141)._ Der Übergang auf einen\nSozialhilfeträger erfolgt dem Grunde nach jedenfalls bereits im Augenblick des\nschadenstiftenden Ereignisses, wenn die Leistungspflicht des Trägers gegenüber\ndem Verletzten - wie hier - keinen Anlass zu Zweifeln bietet _(für einen\nAnspruchsübergang erst zu einem Zeitpunkt, in dem eine Leistungspflicht\nzumindest nicht völlig unwahrscheinlich ist: BGHZ 48, 181, 186 ff; BGHZ 127,\n120, 125; BGH Urteil vom 17.4.1990 - VI ZR 276/89 - VersR 1990, 1028, 1029\nmwN; Bieresborn in von Wulffen, aaO, § 116 RdNr 2a; für einen\nAnspruchsübergang stets im Zeitpunkt des Schadensereignisses etwa Nehls in\nHauck/Noftz, SGB X, Stand: Lfg 1/2010, K § 116 RdNr 23 mwN)._\n\n \n\n26\n\n \n\nbb) Offen bleiben kann, ob neben der Beklagten auch die Klägerin\nSozialleistungen iS des § 116 Abs 1 Satz 1 SGB X zu erbringen hatte und der\nSchadensersatzanspruch auf sie ebenfalls übergangen ist _(vgl in Bezug auf das\nVerhältnis von KK und Versorgungsträger für einen zeitlich gestaffelten\nÜbergang der Schadensersatzforderung zunächst nur auf die KK und sodann auf\nden Versorgungsträger: BSG <8\\. Senat> SozR 3-3100 § 81a Nr 1 S 4 ff RdNr 10\nff) bzw für einen Übergang auf beide als Gesamtgläubiger: BGH NJW 1995, 2413\nRdNr 10 ff; vgl zum Übergang der Forderung nicht auf die KK, sondern nur auf\nden Unfallversicherungsträger im Falle eines Arbeitsunfalls: BGHZ 155, 342)_.\nSinn und Zweck der Vorschrift erfordern hier einen solchen Übergang zugleich\nauf die Klägerin nicht, weil jedenfalls die Beklagte mit dem schädigenden\nEreignis kraft Gesetzes anstelle des Geschädigten als Leistungsträger\nanspruchsberechtigter Zessionar gegenüber dem Schädiger geworden ist.\n\n \n\n27\n\n \n\nDie Vorschrift soll nämlich verhindern, dass der Schädiger durch die dem\nGeschädigten zufließenden Sozialleistungen haftungsfrei wird bzw der\nGeschädigte für ein und denselben Schaden doppelte Leistungen erhält oder\nanderweitig zum Nachteil des Sozialleistungsträgers über den\nSchadensersatzanspruch verfügt _(BGHZ 155, 342, RdNr 21 mwN; _ _Bieresborn,\naaO, § 116 RdNr 1a; Kater, aaO, § 116 SGB X RdNr 5 ff; Nehls in Hauck/Noftz,\naaO, K § 116 SGB X RdNr 1)._ Auch soll eine wirtschaftliche Entlastung der\nöffentlichen Kassen erzielt werden _(BGH NJW 2006, 3565 RdNr 14 f). _Dieser\nZweck erfordert aber nicht den Übergang auf zwei Leistungsträger; er wird\nvielmehr bereits durch den Übergang auf einen Leistungsträger - hier die\nBeklagte - erzielt _(so schon BSG SozR 3-3100 § 81a Nr 1 S 4 f; vgl auch BGHZ\n155, 342 RdNr 21)._ Schon beim Übergang auf einen Träger ist der Geschädigte\ngehindert, noch über den Schadensersatzanspruch zu verfügen und\nsichergestellt, dass die Schadensersatzleistungen demjenigen Träger zufließen,\nder aus Anlass des schädigenden Ereignisses gegenüber dem Geschädigten\neintreten muss. Da dem Auftraggeber - hier der Beklagten - die von dem\nBeauftragten - hier der Klägerin - erbrachten Sozialleistungen im Rechtssinne\nzuzurechnen sind, ist ein zusätzlicher Übergang der Schadensersatzansprüche\nauf die Klägerin nicht zwingend.\n\n \n\n28\n\n \n\nSelbst wenn aber die Klägerin neben der Beklagten Zessionar geworden wäre,\nkönnte aus § 116 Abs 1 Satz 1 SGB X nicht gefolgert werden, dass der\nAuftragnehmer verpflichtet wäre, erworbene Ansprüche neben dem Auftraggeber\nauch geltend zu machen. § 116 Abs 1 Satz 1 SGB X regelt einen gesetzlichen\nAnspruchsübergang; er enthält nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck jedoch keine\nBestimmungen über Inhalt und Umfang der Pflichten zweier Zessionare, die\nzueinander in einem Auftragsverhältnis stehen. Deren Pflichten ergeben sich\nallein aus dem Auftragsverhältnis, das - wie oben ausgeführt - die\nDurchsetzung von Regressansprüchen gegen Dritte hier bei der beklagten\nSozialhilfeträgerin belässt.\n\n \n\n \n\n \n\n \n\n \n\n29\n\n \n\n4\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1, Abs 3 SGG iVm § 154\nAbs 1 und 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts stützt sich auf § 197a Abs 1\nSatz 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 3, § 63 Abs 2 Satz 1 GKG. \n\n
81,536
bsg-2010-08-30-b-4-as-9709-r
8
Bundessozialgericht
bsg
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgerichtsbarkeit
Bundesgericht
B 4 AS 97/09 R
2010-08-30
2018-11-10 08:30:21
2019-01-17 15:48:02
Urteil
## Tenor\n\n \n\nAuf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts\nNordrhein-Westfalen vom 10. August 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur\nerneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht\nzurückverwiesen.\n\n## Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nStreitig ist der Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des\nLebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.8.2007 bis 31.1.2008 -\nüber Leistungen für Mehrbedarf wegen Alleinerziehung nach § 21 Abs 3 Nr 2 SGB\nII hinaus - während ihrer Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen\nAssistentin.\n\n \n\n2\n\n \n\nDie am 1956 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und lebt mit ihrer\n1990 geborenen Tochter in einer Bedarfsgemeinschaft. Die Klägerin absolvierte\nzwischen 1989 und 1995 ein Studium, das sie mit der Prüfung zur Diplom-\nIngenieurin im Bereich Architektur beendete. In den letzten Jahren vor dem\nhier streitigen Zeitraum arbeitete sie nicht mehr in diesem Beruf. Zwischen\n24.10.2005 und 31.3.2006 bezog sie erstmals Leistungen nach dem SGB II, damals\nnoch in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann. Durch Bescheid vom 31.3.2006\nhob die Beklagte die Bewilligung vom 19.1.2006 mit der Begründung auf, der\nBedarf der Familie sei durch Einkommen aus der selbstständigen\nErwerbstätigkeit des Ehemannes gedeckt.\n\n \n\n3\n\n \n\nAm 28.12.2006 beantragte die Klägerin erneut Leistungen nach dem SGB II,\nnachdem ihr Ehemann und sie sich getrennt hatten und dieser keinen Unterhalt\nmehr zahlte. Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 4.5.2007\nfür den Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2007 Leistungen für Mehrbedarf wegen\nAlleinerziehung nach § 21 Abs 3 Nr 2 SGB II und der Tochter Sozialgeld\neinschließlich der kopfteiligen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Für\ndie Zeit vom 28.12.2006 bis 31.1.2007 lehnte sie eine Leistungsgewährung mit\nder Begründung ab, der Bedarf der Klägerin und ihrer Tochter sei durch\nVermögen des Kindes gedeckt. Weitere Leistungen zur Sicherung des\nLebensunterhalts der Klägerin gewährte die Beklagte nicht, weil die Klägerin\nnach § 7 Abs 5 SGB II - mit Ausnahme der Leistungen für Mehrbedarf - von\nLeistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sei. Bei dieser Auffassung verblieb\nsie auch für den hier streitigen Zeitraum _(Bescheid vom 2.7.2007 in der\nGestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.1.2008)_. Die Klägerin hatte am\n1.9.2006 eine Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin an den\nH-Schulen in B begonnen. Die Ausbildung ist nach Auskunft der Bezirksregierung\nK und der Schulleitung nach § 2 BAföG förderfähig. Die schulische Ausbildung\nwar bis Ende August 2008 geplant. Danach sollte ein halbjähriges\nApothekenpraktikum (1.9.2008 bis 28.2.2009) folgen. Für diese\naußerbetriebliche Ausbildung stellte ihr die Bundesagentur für Arbeit -\nAgentur für Arbeit Bonn - am 21.6.2006 einen Bildungsgutschein gemäß § 77 Abs\n3 SGB III aus, mit Zusage der Übernahme der Lehrgangskosten bis zu 24 Monaten,\neinschließlich eines notwendigen Betriebspraktikums in Vollzeit sowie\nFahrtkosten.\n\n \n\n4\n\n \n\nDas SG Köln hat die Klage auf Alg II für die Klägerin abgewiesen\n_(Gerichtsbescheid vom 10.9.2008)_. Zur Begründung hat es ausgeführt, der\nWiderspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 2.7.2007 sei zwar entgegen der\nAuffassung der Beklagten nicht verspätet eingelegt worden. Die Klägerin habe\njedoch gleichwohl keinen Anspruch auf weitere SGB II-Leistungen. Sie habe eine\ndem Grunde nach, gemäß § 2 Abs 1 Nr 2 BAföG förderfähige Ausbildung\ndurchlaufen und sei daher nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II von Leistungen zur\nSicherung des Lebensunterhalts mit Ausnahme der Leistungen für Mehrbedarf\nausgeschlossen. Das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Klägerin\nhiergegen mit der gleichen Begründung zurückgewiesen _(Urteil vom 10.8.2009)_.\nErgänzend hat es ausgeführt, im Falle der Klägerin führten lediglich\nindividuelle Versagensgründe - hier die Überschreitung der maximalen\nAltersgrenze für Förderleistungen nach dem BAföG - zum Ausschluss von\nAusbildungsleistungen zur Lebensunterhaltssicherung. Die Gewährung von Alg II\nwürde mithin im Falle der Klägerin zu einer Ausbildungsförderung auf einer\nweiteren Ebene (neben BAföG/SGB III) führen, was dem reinen\nExistenzsicherungszweck der Leistungen nach dem SGB II zuwider laufe. Es sei\nhier auch nicht deswegen eine Ausnahme zu machen, weil die Maßnahme mit einem\nBildungsgutschein der BA nach § 77 SGB III gefördert worden sei. Unter\nHeranziehung von objektiven Kriterien zur Bestimmung des Charakters der\nMaßnahme im Sinne der Rechtsprechung des BSG zur Abgrenzung von Aus- und\nWeiterbildung _(SozR 4-4300 § 77 Nr 2; B 11a AL 23/05 R und B 7/7a AL 68/06\nR)_ handele es sich hier um Ausbildung und nicht um Weiterbildung. Die\nstaatlicher Regelung unterliegende Schulung ziele auf den Erwerb von\nKenntnissen in einem anerkannten Ausbildungsberuf ab. Sie setze zwar einen\nmittleren Berufsabschluss, jedoch keine berufliche Vorerfahrung oder\nQualifikation voraus. Insoweit seien die Entscheidungen des LSG Berlin-\nBrandenburg vom 16.8.2005 (L 5 B 52/05 AS ER) und des Schleswig-Holsteinischen\nLSG vom 4.7.2008 (L 3 AS 47/07) nicht übertragbar. Daher könne es auch\ndahinstehen, ob und ggf aus welchem Grund der Gesetzgeber von einem\nLeistungsausschluss nach dem SGB II im Falle von nach § 77 SGB III förderbaren\nMaßnahmen Abstand genommen habe.\n\n \n\n5\n\n \n\nMit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 7 Abs 5 SGB II.\nDiese Vorschrift sei im Falle einer beruflichen Weiterbildung nach ihrem\nWortlaut sowie Sinn und Zweck nicht anwendbar. Jede andere Handhabung würde\ndem Prinzip des Forderns und Förderns zuwider laufen, denn die Ablehnung von\nLeistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bedeute letztlich, dass sie die\nAusbildung abbrechen müsse, um ggf mit einer anderen Fördermaßnahme zu einer\nChance zu gelangen die Arbeitslosigkeit zu überwinden. Zudem könne es nicht\ndarauf ankommen, dass die Maßnahme nach Auffassung des LSG keine zur\nWeiterbildung sei, denn insoweit müsse ihr Vertrauensschutz iS des Vertrauens\nin die Richtigkeit der sie begünstigenden Entscheidung der BA zugestanden\nwerden.\n\n \n\n6\n\n \n\nDie Klägerin beantragt, \ndas Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 10.8.2009 und den Gerichtsbescheid\ndes SG Köln vom 10.9.2008 aufzuheben, den Bescheid vom 2.7.2007 in der Gestalt\ndes Widerspruchsbescheides vom 14.1.2008 zu ändern und die Beklagte zu\nverurteilen, ihr im Zeitraum vom 1.8.2007 bis 31.1.2008 Arbeitslosengeld II in\ngesetzlicher Höhe - über die Leistungen für Mehrbedarf für Alleinerziehung\nhinaus - als Zuschuss zu gewähren.\n\n \n\n7\n\n \n\nDie Beklagte beantragt, \ndie Revision zurückzuweisen.\n\n \n\n8\n\n \n\nSie verweist auf die Ausführungen des LSG und führt ergänzend aus, bereits die\nFörderfähigkeit der Ausbildung der Klägerin nach den Vorschriften des BAföG\nschließe eine Leistungsgewährung nach dem SGB II aus. Die Klägerin habe zudem\nnicht auf die Entscheidung der BA vertrauen können, denn die\nWeiterbildungsleistung sei unter der Bedingung bewilligt worden, dass die\nKlägerin ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln sicher stellen könne. Der\nKlägerin sei in einem Vermittlungsgespräch bei der Beklagten vor Antritt der\nMaßnahme auch bereits dargelegt worden, dass eine Förderung der Ausbildung zur\nPharmazeutisch-technischen Assistentin durch den SGB II-Leistungsträger nicht\nerfolgen könne. Leistungen in Darlehensform habe sie nicht begehrt.\n\n \n\n \n\n## Entscheidungsgründe\n\n \n\n9\n\n \n\nDie zulässige Revision ist im Sinne der Zurückverweisung an das LSG zur\nerneuten Verhandlung und Entscheidung begründet.\n\n \n\n10\n\n \n\nDer Senat vermochte nicht abschließend zu entscheiden, ob der Klägerin im\nZeitraum vom 1.8.2007 bis 31.1.2008 Alg II nach dem Gesetz über die\nGrundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) - über die bereits bewilligten\nLeistungen für Mehrbedarf wegen Alleinerziehung nach § 21 Abs 3 Nr 2 SGB II\nhinaus - zustehen.\n\n \n\n11\n\n \n\nStreitgegenstand ist der Bescheid vom 2.7.2007 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 14.1.2008, mit dem die Beklagte für den Zeitraum\nvom 1.8.2007 bis 31.1.2008 ua die Gewährung von Alg II an die Klägerin - über\nLeistungen für Mehrbedarf wegen Alleinerziehung nach § 21 Abs 3 Nr 2 SGB II\nhinaus - abgelehnt hat. Zwar betreffen auch die Bescheide vom 15.11.2007 und\n20.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.4.2008 und der\nÜberprüfungsbescheid nach § 44 SGB X vom 4.5.2007 Leistungen für die Klägerin\nim zuvor benannten Zeitraum. Die Beteiligten haben jedoch in der mündlichen\nVerhandlung vor dem LSG und schriftlich sowie zur Niederschrift der mündlichen\nVerhandlung gegenüber dem erkennenden Senat erklärt, sich insoweit der\nrechtskräftigen Entscheidung über den eingangs benannten Bescheid zu\nunterwerfen. Die Klägerin hat den Streitgegenstand durch ihren Antrag bereits\nim Klageverfahren auf Leistungen für sich und durch den Berufungsantrag auf\nden Zeitraum vom 1.8.2007 bis 31.1.2008 begrenzt. In der mündlichen\nVerhandlung vor dem BSG hat sie zudem auf ein Darlehen nach § 7 Abs 5 Satz 2\nSGB II verzichtet, sodass nur noch Zuschussleistungen im Streit stehen.\nBescheide für weitere Leistungszeiträume sind auch nicht nach § 96 SGG\nGegenstand des Rechtsstreits geworden. § 96 SGG greift in Angelegenheiten des\nSGB II nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht durch _(s nur BSG\nUrteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R, BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1;\nBSG Urteil vom 29.3.2007 - B 7b AS 4/06 R; BSG Urteil vom 25.6.2008 - B 11b AS\n45/06 R)_.\n\n \n\n12\n\n \n\nDer Anspruch der Klägerin auf die begehrten Leistungen scheitert nicht bereits\ndaran, dass der Bescheid vom 2.7.2007 bindend geworden wäre, weil sie den\nWiderspruch nicht innerhalb der Frist des § 84 Abs 1 Satz 1 SGG bei der\nBeklagten eingelegt hat. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des\nLSG hat die Klägerin innerhalb der Widerspruchsfrist Widerspruch bei der\nOberbürgermeisterin der Stadt B eingelegt. Damit hat sie fristgerecht\nWiderspruch erhoben, denn nach § 84 Abs 2 Satz 1 SGG gilt die Frist zur\nErhebung des Widerspruchs auch dann als gewahrt, wenn die Widerspruchsschrift\nbei einer anderen inländischen Behörde eingegangen ist. Die Ausführungen des\nLSG zur Fristwahrung dieser Handlung sind nicht zu beanstanden.\n\n \n\n13\n\n \n\nDie Klägerin ist auch grundsätzlich leistungsberechtigt nach dem SGB II. Aus\nden bindenden Feststellungen des LSG in Verbindung mit dem Akteninhalt folgt,\ndass sie, wie nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für\nModerne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt _(BGBl I 2003, 2954)_ erforderlich,\ndas 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat,\n2. erwerbsfähig und 3. hilfebedürftig ist sowie 4. ihren gewöhnlichen\nAufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat. Sie ist damit eine\nerwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne der zuvor benannten Norm.\n\n \n\n14\n\n \n\nAllerdings vermochte der Senat nicht abschließend zu entscheiden, ob dem\nAnspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der\nLeistungsausschluss des § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II entgegensteht. Insoweit gilt\nhier: Die nach den Feststellungen des LSG dem Grunde nach im Rahmen des BAföG\nförderungsfähige Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin an den\nH-Schulen bewirkt grundsätzlich einen Ausschluss von Leistungen nach dem SGB\nII. Unerheblich ist, dass die Klägerin gleichwohl keine Leistungen nach dem\nBAföG erhält, denn hierfür sind nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II unbeachtliche, in\nihrer Person liegende Gründe verantwortlich (1.). Unabhängig von der\ngrundsätzlichen Förderfähigkeit der Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen\nAssistentin nach dem BAföG könnte die Klägerin allerdings dann einen Anspruch\nauf die Regelleistung sowie Leistungen für Unterkunft und Heizung haben, wenn\nsie diese Ausbildung nicht als schulische Berufsausbildung, sondern im Rahmen\neiner beruflichen Weiterbildung iS des § 77 SGB III absolviert haben sollte.\nDie Förderung einer "Ausbildung" nach § 77 SGB III führt nicht zu einem\nLeistungsausschluss nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II. Ob es sich im konkreten Fall\num eine "Weiterbildungsmaßnahme" handelt, wird das LSG im wieder eröffneten\nBerufungsverfahren zu klären haben (2.).\n\n \n\n15\n\n \n\n1\\. Die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses sind im vorliegenden Fall\ngrundsätzlich erfüllt. Keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des\nLebensunterhalts haben nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II Auszubildende, deren\nAusbildung im Rahmen des BAföG oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach\nförderungsfähig ist. Sollte es sich bei der von der Klägerin am 1.9.2006\nbegonnenen Maßnahme um eine Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen\nAssistentin handeln, wäre diese dem Grunde nach förderungsfähig im Sinne\ndieser Vorschrift.\n\n \n\n16\n\n \n\nNach den bindenden Feststellungen des LSG befindet sich die Klägerin seit dem\n1.9.2006 in einer Bildungsmaßnahme zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin.\nAls Ausbildung ist die Maßnahme grundsätzlich nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BAföG\nförderfähig. Nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BAföG idF des 13. Gesetzes zur\nÄnderung des BAföG vom _20.12.1990 (BGBl I 2982_ _, mWv 1.8.1990)_ wird\nAusbildungsförderung geleistet für den Besuch von Berufsfachschulklassen und\nFachschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht\nvoraussetzt, sofern sie in einem zumindest zweijährigen Bildungsgang einen\nberufsqualifizierenden Abschluss vermitteln. Diesen Voraussetzungen entspricht\ndie Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin nach den vom LSG\nbeigezogenen Auskünften der Bezirksregierung K vom 11.10.2008 und der\nSchulleitung der H-Schulen vom 14.1.2008 dem Grunde nach. Die Klägerin wäre\ndamit grundsätzlich von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem\nSGB II ausgeschlossen.\n\n \n\n17\n\n \n\nUnerheblich ist insoweit, dass sie tatsächlich - aus den Gründen des § 10 Abs\n3 Satz 1 BAföG _(idF des BAföG vom 6.6.1983, BGBl I 645)_ \\- kein BAföG\nerhält. Nach § 10 Abs 3 Satz 1 BAföG wird Ausbildungsförderung nicht\ngeleistet, wenn der Auszubildende bei Beginn des Ausbildungsabschnitts, für\nden er Ausbildungsförderung beantragt, das 30. Lebensjahr vollendet hat. Das\nwar am 1.9.2006 - dem Beginn der Ausbildung - bei der am 21.4.1956 geborenen\nKlägerin der Fall. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme hiervon nach Satz 2\ndes Abs 3 dieser Vorschrift idF des 21. Gesetzes zur Änderung des BAföG _(_\n_vom 2.12.2004, BGBl I 3127_ _mWv 8.12.2004)_ erfüllt die Klägerin nicht. Das\nVorliegen individueller Versagensgründe steht dem Leistungsausschluss iS des §\n7 Abs 5 Satz 1 SGB II jedoch nicht entgegen. Entscheidend ist nicht die\ntatsächliche Förderung der betreffenden Person, sondern die Förderfähigkeit\nder Ausbildung selbst. Allein letztere zieht bereits die Folge des § 7 Abs 5\nSatz 1 SGB II nach sich (_BSG Urteil vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R, BSGE\n99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6; BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 28/07 R, SozR\n4-4200 § 7 Nr 9; s auch zum Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung für\nArbeitsuchende gemäß § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II eines Studenten, dessen\nHochschulstudium nach § 2 BAföG abstrakt förderungsfähig ist, der aber\nAusbildungsförderung nicht bezieht, ua weil er die Altersgrenze des § 10 Abs 3\nBAföG überschritten hat, BSG Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 67/08 R; vgl auch\nBrühl/Schoch in Münder, SGB II, 3. Aufl 2007, § 7 RdNr 114; S. Knickrehm in\nKreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2009, § 7 SGB II\nRdNr 36 auch im Hinblick auf die Altersgrenze; Spellbrink in\nEicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 7 RdNr 95; Valgolio in Hauck/Noftz,\nSGB II, Stand Feb IV/08, RdNr 87_). Eine der in § 7 Abs 6 SGB II geregelten\nAusnahmen liegt hier nicht vor _(vgl hierzu BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS\n28/07 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 9; BSG Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 61/08 R,\nzur Veröffentlichung vorgesehen_ _)_.\n\n \n\n18\n\n \n\n2\\. Die Klägerin könnte allerdings dann von der Wirkung des § 7 Abs 5 Satz 1\nSGB II ausgenommen sein, wenn die Ausbildungsförderung nach den Regeln der §§\n77 ff SGB III erfolgt ist. Denn Maßnahmen im Rahmen der beruflichen\nWeiterbildung begründen keinen Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des\nLebensunterhalts nach dem SGB II. Dieses gilt unabhängig von der\ngrundsätzlichen Förderfähigkeit der schulischen Ausbildung zur Pharmazeutisch-\ntechnischen Assistentin nach dem BAföG.\n\n \n\n19\n\n \n\nDie Ausnahme vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II bei\nWeiterbildungsmaßnahmen folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Es\nwerden dort ausdrücklich nur die Förderungen nach dem BAföG und der\nberuflichen Ausbildung nach §§ 60 bis 62 SGB III erwähnt _(vgl Brühl/Schoch in\nLPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 7 RdNr 119; Valgolio in Hauck/Noftz SGB II, Stand\nIV/2008, § 7 RdNr 90 ff)_. Als gesetzgeberisches Versehen kann dies nicht\ngewertet werden.\n\n \n\n20\n\n \n\nDie Gesetzesbegründung legt nahe, dass vom Leistungsausschluss nur diejenigen\nPersonen erfasst werden sollen, deren Ausbildung tatsächlich nach dem BAföG\noder den §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderfähig ist. In der\nGesetzesbegründung wird auf den Gleichklang des SGB II mit dem Referenzsystem\ndes SGB XII Bezug genommen _(Ausschussbericht BT-Drucks 15/1749, S 31)_. Auch\ndort wird heute _(§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB XII)_ ausschließlich auf die\nFörderfähigkeit der Ausbildung nach dem BAföG bzw den §§ 60 bis 62 SGB III\nabgestellt. Insoweit knüpft das SGB XII an die Regelungen des § 26 BSHG an.\nDoch nicht erst zu § 26 BSHG in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung, sondern\nbereits zu den Vorfassungen, in denen der Leistungsausschluss in Abhängigkeit\nzur Förderfähigkeit von "Ausbildung" im Rahmen des BAföG oder AFG stand, hat\ndas BVerwG in ständiger Rechtsprechung entschieden, die berufliche\nWeiterbildung sei nicht unter den Begriff der "Ausbildung" zu subsumieren _(so\nauch Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 25; Niewald\nin LPK-SGB XII, 8. Aufl 2008, § 22 RdNr 21)._ Zur Begründung führt es aus: Mit\ndem, mit Wirkung vom 1.1.1982 durch Art 21 Nr 8 und 10 2. HStruktG neu\neingefügten § 26 BSHG werde zwar das Ziel verfolgt, die Sozialhilfe\n(ursprünglich in der Gestalt der Ausbildungshilfe, später in der Gestalt der\nHilfe zum Lebensunterhalt) von Kosten zu befreien, die mit der Finanzierung\nvon Ausbildungen verbunden seien. Angesichts dessen hätte es jedoch einer\nausdrücklichen und eindeutigen gesetzlichen Verlautbarung bedurft, nach der\nauch Personen, die sich im Rahmen des AFG einer dem Grunde nach\nförderungsfähigen Umschulung unterziehen, im Regelfall von der Leistung von\nHilfe zum Lebensunterhalt ausgeschlossen sein sollten. Aus dem verwendeten\nWort "Ausbildung" lasse sich weder nach dessen Inhalt (Sinn), noch dem\nallgemeinen Sprachgebrauch herleiten, etwa eine Umschulung werde von § 26 Satz\n1 BSHG erfasst; denn der Ausschluss vom Anspruch auf die Hilfe zum\nLebensunterhalt solle nur für eine Ausbildung gelten, die entweder im Rahmen\ndes BAföG oder im Rahmen des AFG dem Grunde nach förderungsfähig sei. Daher\nmüsse der Begriff "Ausbildung" aus der Sicht des einen oder des anderen\nGesetzes interpretiert werden. Insbesondere das AFG differenziere jedoch\nzwischen "Ausbildung" und "Fort- bzw Weiterbildung". Sie unterschieden sich\nkonzeptionell, begrifflich und inhaltlich. Unter dem Begriff "Ausbildung im\nRahmen des AFG" in § 26 Satz 1 BSHG sei in Abgrenzung zur beruflichen\nFortbildung und zur beruflichen Umschulung allein die berufliche Ausbildung zu\nverstehen. Sie müsse als berufliche Ausbildung nach dem AFG dem Grunde nach\nförderungsfähig sein _(BVerwG Urteil vom 7.6.1989 - 5 C 3/86, BVerwGE 82, 125;\nBVerwG Urteil vom 14.10.1993 - 5 C 1/91, NZS 1994, 240; BVerwG Beschluss vom\n28.08.1998 - 5 B 53/98; s auch OVG Hamburg Beschluss vom 4.1.1995 - Bs IV\n245/94, FEVS 46, 167)_. Wenn der Gesetzgeber in Kenntnis dieser langjährigen\nRechtsprechung auf das Referenzsystem des SGB XII verweist, muss davon\nausgegangen werden, dass auch im SGB II zumindest die Förderung der heutigen\n"Weiterbildung" nach §§ 77 ff SGB III zu keinem Leistungsausschluss nach § 7\nAbs 5 Satz 1 SGB II führt.\n\n \n\n21\n\n \n\nDieses Ergebnis wird durch einen Blick auf die systematischen Zusammenhänge\ninnerhalb des SGB II bestätigt. Dabei ist nicht nur abzustellen auf den\nGrundsatz des Förderns und Forderns _(§ 1 Abs 1 SGB II)_ oder das Ziel des SGB\nII, die Leistungen auf die Überwindung oder Minderung der Hilfebedürftigkeit\nauszurichten _(§ 1 Abs 1 Satz 4 Nr 1 SGB II; vgl LSG Berlin-Brandenburg\nBeschluss vom 16.8.2005 - L 5 B 52/05 AS ER)_. Entscheidend ist das\nZusammenwirken dieser Grundsätze mit der konkreten Ausgestaltung der\nEingliederungsleistungen nach § 16 Abs 1 SGB II. Nach § 16 Abs 1 Satz 2 SGB II\nin der zum Zeitpunkt der Antragstellung der Klägerin geltenden Fassung _(Art\n1a Gesetz zur Anpassung des Dienstrechts der BA vom 19.7.2007 BGBl I 1457, mWv\n26.7.2007 u d Art 2 4. Gesetz zur Änderung des SGB III vom 10.10.2007 BGBl I\n2329, mWv 1.10.2007)_ kann der Grundsicherungsträger die Übrigen im Dritten\nKapitel, im Ersten bis Dritten und Sechsten Abschnitt des Vierten Kapitels, im\nFünften Kapitel, im Ersten, Fünften und Siebten Abschnitt des Sechsten\nKapitels und die in den §§ 417, 421f, 421g, 421i, 421k, 421m, 421n, 421o, 421p\nund 421q SGB III geregelten Leistungen erbringen. Er kann mithin auch\nLeistungen zur beruflichen Weiterbildung - anders als berufliche\nAusbildungsleistungen - als Eingliederungsmaßnahme gewähren _(6. Abschnitt 4.\nKapitel SGB III)_. Alsdann wäre es jedoch systemwidrig, die Teilnehmer an\nsolchen Maßnahmen zugleich von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts\n(durch Subsumtion unter § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II) auszuschließen. Denn auch die\nGewährung von Eingliederungsleistungen setzt im Regelfall voraus, dass\nHilfebedürftigkeit iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II vorliegt _(vgl\nausführlich BSG Urteil vom 13.7.2010 - B 8 SO 14/09 R)_. Dann sind Leistungen\nzur Sicherung des Lebensunterhalts in dem zur Bedarfsdeckung erforderlichen\nUmfang jedoch immer - gleichsam als "Annex" - mit den Eingliederungsleistungen\nverbunden.\n\n \n\n22\n\n \n\nDie Überprüfung der Rechtsqualität der von der Klägerin durchlaufenen Maßnahme\nist auch nicht deswegen überflüssig, weil die Ausbildung zur Pharmazeutisch-\ntechnischen Assistentin, wenn sie als "Regelausbildung" durchlaufen wird, dem\nGrunde nach nach dem BAföG förderfähig ist und damit grundsätzlich einen\nLeistungsausschluss nach dem § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II nach sich zieht. Erfüllt\ndie konkrete Maßnahme die Voraussetzungen der §§ 77 ff SGB III fällt sie - aus\nden oben benannten systematischen Gründen - aus dem Anwendungsbereich des § 7\nAbs 5 Satz 1 SGB II heraus _(vgl OVG Hamburg Beschluss vom 4.1.1995 - Bs IV\n245/94, FEVS 46, 167 und Beschluss vom 26.2.1993 -_ _Bs IV 1/93_ _, FEVS 44,\n337)_.\n\n \n\n23\n\n \n\nMit dem LSG geht der erkennende Senat jedoch davon aus, dass die\nLeistungsbewilligung nach §§ 77 ff SGB III durch die BA - für sich genommen -\nnicht ausreicht, um die Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin\nhier als Weiterbildungsmaßnahme zu qualifizieren. Auf Vertrauensschutz kann\nsich die Klägerin insoweit nicht berufen. Anderenfalls würde die gesetzlich\nnicht vorgesehene Möglichkeit eröffnet, dass die BA, die keine Leistungen zur\nSicherung des Lebensunterhalt für die Klägerin zu erbringen hatte, mit ihrer\nQualifizierung der Maßnahme als Weiterbildungsmaßnahme den\nGrundsicherungsträger im Hinblick auf die Gewährung von Alg II bindet.\nInsofern birgt die Bezeichnung der Maßnahme als "Ausbildung" zur\nPharmazeutisch-technischen Assistentin noch keine abschließende Aussage über\ndie Art der Maßnahme, denn im technischen Sinn stellt jede Maßnahme der\nberuflichen Bildung eine Form von Ausbildung dar, wenn man darunter die\nVermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten mit dem Ziel einer bestimmten\nberuflichen Befähigung versteht. Infolgedessen ist weder wegen der Bezeichnung\n"Ausbildung" allein, noch der Förderfähigkeit einer "Ausbildung" eine Aussage\nüber die Maßnahmeart möglich. Vielmehr kommt es auf die Abgrenzungsmerkmale im\nEinzelnen an _(vgl BSG Urteil vom 19.3.1974 - 7 RAr 9/73, BSGE 37, 163 = SozR\n4100 § 41 Nr 1)_. Nach der langjährigen Rechtsprechung des BSG ist die\nAbgrenzung zwischen Aus- und Weiterbildung ausschließlich unter\nBerücksichtigung des Charakters der Maßnahme nach objektiven Kriterien\nvorzunehmen _(vgl BSG Urteil vom 29.1.2008 - B 7/7a AL 68/06 R,_ _BSGE 100, 6\n= SozR 4-4300 § 60 Nr 1; s auch BSG Urteil vom 27.1.2005 - B 7a/7 AL 20/04 R,\nSozR 4-4300 § 77 Nr 2; BSG Urteil vom 17.11.2005 - B 11a AL 23/05 R_ _)_.\nEntscheidend für die Abgrenzung ist dabei nicht das Ziel der Maßnahme, sondern\nder Weg auf dem das Ziel erreicht werden soll _(vgl insoweit B. Schmid in\nEicher/Schlegel, SGB III, Stand VIII/09, Vor §§ 77 - 96 RdNr 2b)_. Die\nWeiterbildungsangebote sollen grundsätzlich auf dem bereits vorhandenen\nberuflichen Wissen aufbauen. Es handelt sich insoweit um die Fortsetzung oder\nWiederaufnahme organisierten Lernens nach dem Abschluss der ersten\nAusbildungsphase _(vgl insoweit B. Schmid in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand\nVIII/09, Vor §§ 77 - 96 RdNr 1)_ oder sonstiger beruflicher Betätigung ohne\nvorherigen Berufsabschluss _(Zur Bedeutung der Erstmaligkeit der\nBildungsmaßnahme vgl Eicher in Udsching/Rolfs , Jahrbuch des Sozialrechts der\nGegenwart, Band 27, S 363, 371 - § 77 Abs 2 SGB III)_, die deswegen vielfach\nmit einer verkürzten Ausbildungsdauer einhergeht _(§ 85 Abs 2 SGB III)_.\n\n \n\n24\n\n \n\nNach der Ausbildungsverordnung handelt es sich bei der Ausbildung zur\nPharmazeutisch-technischen Assistentin um eine bundesweit einheitlich\ngeregelte schulische Ausbildung, die einen mittleren Bildungsabschluss\nvoraussetzt _(vgl_ _www.berufsnet.arbeitsagentur.de_ _\\- Stichwort PTA -\nSteckbrief; Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Pharmazeutisch-technische\nAssistenten/Assistentinnen vom 23.9.1997, BGBl I 2352; § 2 Abs 1 Nr 4 Gesetz\nüber den Beruf des Pharmazeutisch-technischen Assistenten, BGBl I 1997,\n2350)_. Weitere Voraussetzungen sind nicht geregelt. Daraus schließt das LSG,\ndass die Ausbildung somit keine berufliche Vorerfahrungen oder andere\nberufliche Qualifikationen voraussetze _(vgl insoweit B. Schmid in\nEicher/Schlegel, SGB III, Stand VIII/09, Vor §§ 77 - 96 RdNr 2b)_ , sodass\neine Qualifizierung als Weiterbildungsmaßnahme ausscheide. Allein nach den\nVorschriften einer Ausbildungsverordnung ist jedoch nicht zu beurteilen, ob\nein bestimmtes Lernziel im Wege der Ausbildung oder der Weiterbildung erreicht\nwird. Es ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung der konkreten Maßnahme angezeigt,\ndie sowohl die einschlägigen Ausbildungsvorschriften als auch die\nAusbildungswirklichkeit in den Blick nimmt, insbesondere, ob Vorkenntnisse\neines Lernwilligen verwertbar sind _(vgl BSG Urteil vom 6.3.1991 - 9b RAr\n5/90, SozR 3-4100 § 47 Nr 2 zur Abgrenzung Fortbildung - Umschulung nach dem\nAFG)_ und die Ausgestaltung der konkreten Ausbildung mitbeeinflusst haben.\nHieran mangelt es vorliegend. Das LSG hat lediglich festgestellt, dass auch\ndie von der Klägerin absolvierte Maßnahme einen mittleren Bildungsabschluss\nvoraussetze. Zur Begründung verweist es jedoch nicht auf eine Auskunft über\ndie konkret von der Klägerin durchlaufene Maßnahme, sondern auf die\nAusführungen der BA im Internet zu der Ausbildung zur Pharmazeutisch-\ntechnischen Assistentin. Hieraus kann aber lediglich auf den Regelfall\ngeschlossen werden, nicht jedoch, ob das auch im konkreten Fall zutrifft. So\nfehlt es insbesondere an Feststellungen dazu, ob die Bildungsmaßnahme der\nKlägerin etwa auf einen kürzeren Zeitraum als nach der Ausbildungsverordnung\nvorgesehen angelegt war oder andere Veränderungen des Lehrstoffs auf Grund von\nberuflicher Vorbildung erfolgt sind. Diese Feststellungen wird das LSG im\nwieder eröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben.\n\n \n\n25\n\n \n\nDas Berufungsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu\nentscheiden haben. \n\n
94,586
vg-schwerin-2011-03-03-7-a-110009
490
Verwaltungsgericht Schwerin
vg-schwerin
Schwerin
Mecklenburg-Vorpommern
Verwaltungsgerichtsbarkeit
7 A 1100/09
2011-03-03
2018-11-15 13:30:09
2019-01-17 11:00:11
Urteil
#### Tenor\n\n \n\n \n\nDie Gebuhrenbescheide des Beklagten in der Gestalt der jeweiligen\nWiderspruchsbescheide werden insoweit aufgehoben, als im Gebuhrenbescheid Nr.\n… …1509 vom 21. April 2009 mehr als 124,50 €, im Gebuhrenbescheid Nr. … …1206\nvom 27. Marz 2009 mehr als 473,47 €, im Gebuhrenbescheid Nr. … …1168 vom 26.\nMarz 2009 mehr als 204,82 € und im Gebuhrenbescheid Nr. … …1167 vom 26. Marz\n2009 mehr als 307,66 € erhoben werden.\n\n \n\nIm Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n \n\nDer Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n \n\nDas Urteil ist wegen der Kosten vorlaufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die\nVollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in der Hohe des\nvollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Klager zuvor in gleicher\nHohe Sicherheit leistet.\n\n#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDer Klager, ein Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur, wendet sich gegen\nVerwaltungsgebuhrenfestsetzungen des Beklagten fur die Übernahme seiner\nKatasterfortfuhrungsvermessungen und meint, das ihm nachteilige falsche\nGebuhrenrecht sei angewandt worden.\n\n2\n\n \n\nDer Beklagte ist die gemeinsame untere Vermessungs- und Geoinformationsbehorde\n(fruher Vermessungs- und Katasterbehorde) fur den Landkreis … … … und die\nStadt … … … .\n\n3\n\n \n\nDer Klager uberreichte ihm viermal selbst erstellte Messungsschriften zwecks\nÜbernahme von Katasterfortfuhrungsvermessungen, und zwar [1.] am 17. Oktober\n2008 zu den Flurstucken 287/3, 288/3, 289/3 und 302/3 der Flur … von …, [2.]\nebenfalls am 17. Oktober 2008 zum Flurstuck 1/32 der Flur … von …, [3.] am 3.\nNovember 2008 zu den Flurstucken 75/1 und 74/13 der Flur … von … und [4.] am\n24. November 2008 zum Flurstuck 85 der Flur … von ….\n\n4\n\n \n\nDer Beklagte bestatigte ihm mit vier gesonderten Schreiben vom 20. Oktober, 5.\nund 24. November 2008 jeweils den Eingang und die Registrierung des\nÜbernahmeersuchens; die Schreiben enthalten jeweils den Passus: „Ich weise Sie\ndarauf hin, dass die Kostenerhebung fur die Übernahme nach der\nLandesverordnung uber Gebuhren der Vermessungs- und Katasterbehorden sowie\nanderer Vermessungsstellen (VermGebVO) vom 2. April 1993 (GVOBl. M-V S. 259),\nzuletzt geandert durch die Verordnung vom 10. [Dezember] 2001 (GVOBl. M-V S.\n526)[,] erfolgt."\n\n5\n\n \n\nDie vorgelegten Unterlagen prufte der Beklagte [2.] vom 5. bis 10. Marz 2009,\n[1.] vom 9. bis 13. Marz 2009, [3.] vom 11. bis 13. Marz 2009 und [4.] vom 17.\nMarz bis 8. April 2009 und erließ darauf Fortfuhrungsmitteilungen.\n\n6\n\n \n\nDem Klager stellte er nach der Kostenverordnung fur Amtshandlungen der\nVermessungs- und Katasterbehorden sowie anderer Vermessungsstellen\n(Vermessungskostenverordnung -- VermKostVO M-V) vom 15. Dezember 2008 (GVOBl.\nM-V S. 530) in Rechnung:\n\n \n\n7\n\n \n--- \n[4.] mit Gebuhrenbescheid Nr. 20091599 vom 21. April 2009 | 188 €, \n[3.] mit Gebuhrenbescheid Nr. 20091206 vom 27. Marz 2009 | 701,74 €, \n[1.] mit Gebuhrenbescheid Nr. 20091168 vom 26. Marz 2009 | 354,60 € und \n[2.] mit Gebuhrenbescheid Nr. 20091167 vom 26. Marz 2009 | 353,20 €. \n \n \n\n8\n\n \n\nDer Klager erhob hiergegen jeweils Widerspruch und machte geltend, bei einer\nkurzeren Bearbeitungsdauer hatte die Fortfuhrung des Liegenschaftskatasters\nkurzfristig erfolgen und noch die VermGebVO Anwendung finden konnen. Diese\nhabe mit ihrem Inkrafttreten am 31. Dezember 2008 zwar die VermKostVO M-V\naußer Kraft gesetzt (§ 8 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1), die\nÜbergangsvorschrift in § 7 Satz 1 VermKostVO M-V habe jedoch bestimmt:\n\n9\n\n \n\n„Fur Amtshandlungen, die vor dem Inkrafttreten beantragt worden sind, findet\ndie [VermGebVO] weiterhin Anwendung, wenn die beantragten Amtshandlungen\ninnerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttreten dieser Verordnung abgeschlossen\nworden sind und sich fur den Gebuhrenschuldner eine geringere Gebuhr ergibt."\n\n10\n\n \n\nDie Widerspruche wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 17. Juni\n(zugestellt am 26. Juni) und 7. Juli 2009 jeweils als unbegrundet zuruck.\n\n11\n\n \n\nMit seinen zunachst unter den Aktenzeichen 7 A 1100/09 [4.], 7 A 1101/09 [3.],\n7 A 1102/ 09 [1.] und 7 A 1103/09 [2.] anhangigen und von der Kammer mit\nBeschluss vom 19. November 2009 verbundenen Klagen vom 23. Juli 2009 verfolgt\nder Klager sein Anliegen weiter und macht geltend: Der Beklagte habe bei\nAntragseingang jeweils zugesichert, dass die Gebuhren nach altem Recht, also\nder VermGebVO, erhoben wurden. Der Verordnungsgeber habe die Zwei-Monats-Frist\nin § 7 Satz 1 VermKostVO M-V als ausreichend angesehen, um, jedenfalls bei\nnicht umfangreichen Vermessungsarbeiten, die bei der Rechtsanderung anhangigen\n„Altantrage" abzuarbeiten und hierfur noch nach altem Recht Gebuhren zu\nerheben, da eine Verzogerung der behordlichen Abarbeitung nicht zu Lasten der\nGebuhrenschuldner habe gehen sollen; dies konne -- auch vor dem Hintergrund\neines aktenkundigen E-Mail-Verkehrs mit dem Beklagten -- Herr … … vom\nInnenministerium bezeugen. Beim Beklagten sei es aus nicht nachvollziehbaren\nGrunden und im Gegensatz zu anderen Katasterbehorden nicht hierzu gekommen,\nobwohl die Zeit der tatsachlichen Bearbeitung jeweils verhaltnismaßig kurz\ngewesen sei. Der Beklagte habe die Gebuhrenvorschriften auch widerspruchlich\nangewendet, denn in einem anderen Fall habe er trotz spaterer Einreichung der\nVermessungsunterlagen noch nach der VermGebVO abgerechnet; uber die\nReihenfolge der Abarbeitung der Antrage habe er offenbar willkurlich und ohne\nBeachtung etwaiger Dringlichkeit entschieden. Der Klager hat bei Klageerhebung\nseine Mehrbelastung durch Anwendung des neuen Gebuhrenrechts [4.] auf 63,50 €\n(es seien nur 124,50 € zu erheben gewesen), [3.] auf 288,27 € (es seien nur\n473,47 € zu erheben gewesen), [1.] auf 103,78 € (es seien nur 204,82 € zu\nerheben gewesen) und [2.] auf 45,54 € (es seien nur 307,66 € zu erheben\ngewesen) beziffert. Er beantragt,\n\n12\n\n \n\ndie Gebuhrenbescheide des Beklagten in der Gestalt der jeweiligen\nWiderspruchsbescheide vom 7. Juli 2009 insoweit aufzuheben, als im\nGebuhrenbescheid Nr. … …1599 vom 21. April 2009 mehr als 124,50 €, im\nGebuhrenbescheid Nr. … …1206 vom 27. Marz 2009 mehr als 462,26 €, im\nGebuhrenbescheid Nr. … …1168 vom 26. Marz 2009 mehr als 204,82 € und im\nGebuhrenbescheid Nr. … …1167 vom 26. Marz 2009 mehr als 307,66 € erhoben\nwerden.\n\n13\n\n \n\nDer Beklagte beantragt\n\n14\n\n \n\nKlageabweisung\n\n15\n\n \n\nund verteidigt seine Bescheide, die in Anwendung des zwingenden Gebuhrenrechts\nergangen seien. Von 123 ab dem 7. Oktober 2008 bis zum Inkrafttreten der\nVermKostVO M-V eingegangenen Übernahmeantragen habe er innerhalb der\nÜbergangsfrist lediglich 13 abarbeiten konnen; sonst sei dies innerhalb der\nublichen Zeit erfolgt, die bei Inkrafttreten der VermKostVO M-V aufgrund der\npersonellen Situation bei ca. vier Monaten gelegen habe. Bei vorgetragener\nDringlichkeit seien Antrage auch bevorzugt abgearbeitet worden. Insgesamt\nhatten bei Inkrafttreten der VermKostVO M-V beim Beklagten 282 Antrage aus dem\nJahr 2008 vorgelegen, wovon 153 Antrage in den Monaten Januar und Februar 2009\nabschließend bearbeitet und nach altem Gebuhrenrecht abgerechnet worden seien;\ndie restlichen 129 Antrage, so auch die streitgegenstandlichen klagerischen,\nseien spater an die Reihe gekommen. Er, Beklagter, habe bis zum 19. Dezember\n2008 nur Kenntnis von einem Referentenentwurf der VermKostVO M-V gehabt, bei\ndem eine Übergangsvorschrift die Anwendbarkeit des „alten Rechts" lediglich an\nden Antragseingang vor der Rechtsanderung geknupft habe.\n\n16\n\n \n\nDas Innenministerium hat dem Gericht einen Abdruck des Vorblatts und der\nBegrundung zum Entwurf der VermKostVO M-V ubersandt.\n\n17\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift uber die mundliche\nVerhandlung, auf die gewechselten Schriftsatze nebst Anlagen sowie auf die vom\nBeklagten vorgelegten Verwaltungsvorgange (vier Heftungen) Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n \n\n18\n\n \n\nDie Klagen sind im Wesentlichen zulassig und insoweit auch begrundet. Dass der\nKlager auch die streitigen Gebuhrenbetrage als Auslagen von seinen Kunden, den\nAuftraggebern der Vermessungen, vereinnahmte, lasst das klagerische\nRechtsschutzinteresse unberuhrt, da die Auslagenerhebung nach glaubhaften\nklagerischen Angaben vorlaufig und unter dem Vorbehalt einer Ruckabwicklung\nder streitigen Gebuhrenerhebung durch den Beklagten erfolgte. Mit einer unten\nabzuhandelnden geringfugigen Ausnahme unterliegen die Gebuhrenbescheide des\nBeklagten der beantragten gerichtlichen Teil-Aufhebung gemaß § 113 Abs. 1 Satz\n1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -, da sie rechtswidrig sind und den\nKlager in seinen Rechten verletzen.\n\n19\n\n \n\nDies beruht -- woruber sich die Beteiligten in uberzeugender, gleiche\nBerechnungsergebnisse fur maßgeblich erachtender Weise einig sind --, soweit\nes auf die Hohe der angesetzten Gebuhren ankommt, allein auf der Anwendung des\nhoheren Gebuhrentarifs der VermKostO M-V statt desjenigen der VermGebVO.\n\n20\n\n \n\nMit dem Klager sieht die Kammer in den zitierten Satzen auf den\nEingangsbestatigungen des Beklagten jeweils eine der Form gemaß § 38 Abs. 1\nSatz 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG M-V - genugende und\nauch sonst keinen Wirksamkeitsbedenken begegnende Zusicherung, den kunftigen\nGebuhrenbescheid in bestimmter Weise zu erlassen, namlich unter -- seinerzeit\nunproblematisch moglicher -- Anwendung der VermGebVO; der Beklagte wies,\nersichtlich bewusst, die Veranlasser auf die Gebuhrenpflichtigkeit der\nveranlassten Amtshandlung und das anzuwendende Gebuhrenrecht hin. Er ware nach\n§ 38 Abs. 3 VwVfG M-V nur dann an die Zusicherungen nicht gebunden, wenn sich\nnach der Abgabe der Zusicherungen die Sach- oder Rechtslage derart geandert\nhatte, dass er bei Kenntnis hiervon die Zusicherung nicht gegeben hatte oder\naus rechtlichen Grunden nicht mehr hatte geben durfen. Rechtliche Grunde im\nSinne der zweiten Variante der Vorschrift lagen im Hinblick auf die VermKostVO\nM-V nicht vor, denn es stand dem Beklagten frei, bei gehoriger Anstrengung und\nggf. Verstarkung des befassten Personals die Übergangsfrist zu wahren. Ob er\nindessen im Sinne der ersten Variante die Zusicherung bei Kenntnis von der\nspater in Kraft gesetzten Fassung der VermKostVO M-V nicht gegeben hatte, ist\nunklar. Allerdings hatten jedenfalls einige der Übernahmeersuchen sogar mit\nder nach dem Vortrag des Beklagten ublichen viermonatigen Warte- und\nBearbeitungszeit noch innerhalb der Übergangsfrist „untergebracht" werden\nkonnen. Hieruber braucht die Kammer jedoch nicht zu entscheiden.\n\n21\n\n \n\nDenn auch ohne Verstoß gegen eine bindende Zusicherung sind die\nGebuhrenbescheide jedenfalls im zulassigerweise angefochtenen Umfang\nrechtswidrig. Dies ergibt sich jeweils aus mehreren, alternativ tragfahigen\nrechtlichen Bewertungen.\n\n22\n\n \n\nOb man, wie es im Vordergrund der Argumentation der Beteiligten stand, die vom\nBeklagten erbrachte, nach der jeweiligen Tarifstelle 14 des Gebuhrentarifs von\nVermGebVO und VermKostVO M-V gebuhrenpflichtige (weil bei systematischer\nAuslegung nicht unter § 2 Abs. 1 Buchst. a fallende) Amtshandlung, die\nFortfuhrung des Liegenschaftskatasters aufgrund der Vermessungsschriften gemaß\n§ 13 des damaligen Vermessungs- und Katastergesetzes - VermKatG -, fur\nantragsbedurftig im Sinne von § 22 Satz 2 Nr. 2 VwVfG M-V halt oder ob es sich\num eine von Amts wegen erfolgende Behordentatigkeit handelt, ist im Streitfall\nnamlich letztlich unerheblich.\n\n23\n\n \n\nFur die erstgenannte Betrachtungsweise spricht die Praxis der Beteiligten,\nwenn auch der Beklagte die vom Klager ausdrucklich gestellten „Antrage" auf\nÜbernahme seiner Vermessungsunterlagen in den zitierten Eingangsbestatigungen\nals „Bitten" quittierte. In diesem Falle waren allerdings gemaß § 11 Abs. 1\nVar. 1 des Landesverwaltungskostengesetzes - VwKostG M-V - die\nGebuhrenanspruche des Beklagten bereits mit dem Eingang des jeweiligen\nklagerischen Antrags entstanden; ihre Hohe bemaße sich nach der in jenen\nZeitpunkten geltenden VermGebVO. Lediglich in dieser Hohe hatte sie der\nBeklagte auch bei seinen Kostenentscheidungen gemaß § 14 VwKostG M-V ansetzen\ndurfen. Dies gilt entgegen seiner Auffassung unabhangig vom Zeitpunkt der\nBeendigung seiner Amtshandlung. § 7 Satz 1 VermKostVO M-V, der eine\nEinschrankung der Anwendung des zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden\nGebuhrenrechts enthalt, namlich in Gestalt des Nebensatzes „…, wenn die\nbeantragten Amtshandlungen innerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttreten\ndieser Verordnung abgeschlossen worden sind", ist insoweit teilweise\nunwirksam. Denn die Einschrankung setzt sich ohne ersichtliche Ermachtigung\ndes Verordnungsgebers in Widerspruch zu der hoherrangigen Gesetzesvorschrift\ndes § 11 Abs. 1 Var. 1 VwKostG M-V. Sie nahm zudem dadurch, dass sie das\nanwendbare Gebuhrenrecht in Abhangigkeit von dem mit dem Ablauf des Monats\nFebruar 2009 (zwei Monate nach Inkrafttreten der VermKostVO M-V am 31.\nDezember 2008, vgl. § 188 Abs. 3 des Burgerlichen Gesetzbuches) erreichten\nbehordlichen Bearbeitungsstand bestimmte, hinsichtlich zu diesem Zeitpunkt\nnicht abgearbeiteter Antrage einen ruckwirkenden Eingriff in bestehende\nGebuhrenrechtsverhaltnisse vor, da die einmal entstandene Gebuhr durch eine\nabweichend berechnete, hohere Gebuhr ersetzt werden sollte. Die hierfur\nerforderliche besondere Rechtfertigung (vgl. etwa die Nachweise im Beschluss\nder 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 3. September\n2009 - 1 BvR 2384/08 -, Neue Zeitschrift fur Verwaltungsrecht 2010, S. 313\n[314]) ist vorliegend nicht ersichtlich. Wenn es dem Verordnungsgeber beim\nErlass der VermKostVO M-V auch darum ging, durch die neuen Gebuhrentarife den\nbehordlichen Aufwand in Gestalt der seit der letzten Gebuhrentariferhohung mit\nVerordnung vom 21. November 1997 (GVOBl. M-V S. 723; die Änderung von 2001\nhabe lediglich der „Euro-Anpassung" gedient) erneut gestiegenen Personal- und\nSachkostensatze adaquat zu berucksichtigen (so Punkt 4. des vom\nInnenministerium ubersandten Vorblatts), so ist nicht erkennbar, wieso dies\nschon in Durchbrechung der durch § 11 Abs. 1 Var. 1 VwKostG M-V etwaigen\nAntragstellern gewahrten Vertrauensschutzposition hatte geschehen mussen, die\ndarin bestand, die durch die Antragstellung ausgelosten Verwaltungskosten im\nVorhinein beziffern zu konnen. Der vorgelegten schriftlichen Begrundung zu § 7\n(„Hier wird eine Übergangsregelung fur die Abrechnung von Gebuhren zur\nKlarstellung eingefugt") ist zu Beweggrunden hierfur nichts zu entnehmen; auch\nder Umstand, dass § 8 VermGebVO fur die 1993 eingetretene Rechtsanderung eine\ngleichlautende Übergangsvorschrift enthielt, stellt nicht die erforderliche\nRechtfertigung einer Ruckwirkung dar. Die klagerseits in das Wissen des\nbenannten Zeugen gestellten Vorstellungen, dass die vor Inkrafttreten der\nVermKostVO M-V beantragten „einfacheren" Amtshandlungen wie die\nstreitgegenstandlichen Übernahmen in das Liegenschaftskataster innerhalb des\nZweimonatszeitraums abgearbeitet sein wurden, konnen als tatsachliche Motive\ndes Verordnungsgebers unterstellt werden, allerdings nur mit dem Inhalt, dass\nes im Wesentlichen nicht zu der geregelten Ruckwirkung kommen wurde, nicht\njedoch einer Rechtfertigung fur diese. Ob -- ungeachtet des Problems der\ngesetzlichen Ermachtigung des Verordnungsgebers -- eine solche Rechtfertigung\nund damit einhergehende Relativierung des Vertrauensschutzes im Hinblick auf\nsich bei Antragstellung ersichtlich als langwierig oder nicht schnell\ndurchfuhrbar darstellende Amtshandlungen moglich ware (die Übergangsvorschrift\nzur schleswig-holsteinischen Landesverordnung uber Gebuhren der Vermessungs-\nund Katasterbehorden vom 7. Januar 2008 etwa stellte in § 7 Abs. 2 auf einen\nAbschluss der beantragten Arbeiten innerhalb von -- immerhin -- sechs Monaten\nab dem 1. Marz 2008, die Übergangsvorschrift zur nordrhein-westfalischen\nVermessungs- und Wertermittlungsgebuhrenverordnung vom 5. Juli 2010 in § 7\nAbs. 2 neben der Antragstellung auch noch auf die „Ausfuhrbarkeit" der\nAmtshandlung ab; in Hessen dagegen gilt der Grundsatz gemaß § 23 des\nHessischen Verwaltungskostengesetzes, wonach bei Einfuhrung neuer\nKostenvorschriften bei der Antragstellung geltende, im Einzelfall gunstigere\nTarife anzuwenden sind, unbeschrankt auch im Bereich der das Vermessungs- und\nKatasterwesen betreffenden 7. Hauptgruppe des Verwaltungskostenverzeichnisses\nzur Verwaltungskostenordnung fur den Geschaftsbereich des Ministeriums fur\nWirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 19. Marz 2004), ist vorliegend\nnicht zu entscheiden.\n\n24\n\n \n\nSofern man den Antrag, der nach Auffassung der Beteiligten fur die Übernahme\nder Vermessungsschriften ins Liegenschaftskataster erforderlich war, in einer\nAntragstellung der Auftraggeber der Vermessung sahe, also der\nGrundstuckseigentumer, die Kunden des Klagers waren, galte Gleiches. Die\nAntragstellung gegenuber dem Klager erfolgte sogar jeweils zu einem noch\nfruheren Zeitpunkt. Ob dieser dann ggf. die bei ihm -- bezogen auf die\nstreitgegenstandliche Amtshandlung -- gestellten (Teil-)Antrage weiterleitete\noder solche Antrage -- erstmals -- als Vertreter der Vermessungskunden beim\nBeklagten stellte, ist daher ebenso wenig entscheidungsrelevant wie die Frage,\nob nicht doch nur („fremdnutzige") Antragstellungen des Klagers selbst\nanzunehmen sind (zu den Problematiken derartiger Zurechnungen im Zusammenhang\nmit Gebuhren fur die Bereitstellung von Vermessungsunterlagen durch die\nKatasterbehorde s. das Urteil der Kammer vom 27. Mai 2008 - 7 A 1429/05 -, S.\n5 f. des Abdrucks). Sofern es um notwendige Antrage der Vermessungs-\nAuftraggeber ginge, waren aber auch diese als Gebuhrenschuldner in Anspruch zu\nnehmen (s. dazu noch nachfolgend).\n\n25\n\n \n\nWenn dagegen, wozu die Kammer tendiert, in der Fortfuhrung des\nLiegenschaftskatasters eine vom Beklagten von Amts wegen vorzunehmende\nAmtshandlung zu erblicken ist, kommt es auf § 7 Satz 1 VermKostVO M-V nicht\nan, da diese Vorschrift fur „beantragte" Amtshandlungen gilt. Weder das\nVermKatG, insbesondere in seinen §§ 11 oder 13, noch das mittlerweile an\ndessen Stelle getretene Geoinformations- und Vermessungsgesetz vom 16.\nDezember 2010 - GeoVermG M-V -, insbesondere in dessen §§ 22 ff. und 32,\nregeln die Initiative in diesem Zusammenhang, sondern sie ordnen lediglich an:\n„Das Liegenschaftskataster ist fortzufuhren …". Das Gesetz uber die\nBerufsordnung der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure im Land\nMecklenburg-Vorpommern - BO-ÖbVI M-V - gibt dem Klager ebenfalls nicht\nausdrucklich eine Antragstellung auf Übernahme seiner Vermessungsschriften bei\nder fur die Fortfuhrung des Liegenschaftskatasters zustandigen Stelle vor.\nGleiches gilt fur die von den Beteiligten hierfur angefuhrte Anweisung zur\nDurchfuhrung von Liegenschaftsvermessungen (LiVermA) des Innenministeriums,\ndie der Kammer in einer 1995 eingefuhrten Fassung vorliegt. Im Gegensatz zu\nÖffentlich bestellten Vermessungsingenieuren (§ 8 Abs. 1 BO-ÖbVI M-V) konnten\nund konnen die Vermessungs- und Katasterbehorden (bzw. unteren …\nGeoinformationsbehorden) wie der Beklagte nicht nur auf Antrag tatig werden\n(vgl. das Urteil des Oberverwaltungsgerichts fur das Land Mecklenburg-\nVorpommern vom 6. Oktober 2010 - 1 L 166/06 -, S. 8 f. des Abdrucks). Im\nVerhaltnis zwischen diesen Behorden und den ihnen „zuarbeitenden", mit ihrer\nrechtsverandernden Tatigkeit im Liegenschaftskataster berichtigend zu\nberucksichtigenden Vermessungsstellen wie den Öffentlich bestellten\nVermessungsingenieuren liegt u. a. deswegen eher die Annahme eines\nzwischenbehordlichen Mitteilungsverkehrs nahe. Wenn damit schon fraglich ist,\nob der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur als Antragsteller Beteiligter\ndes Fortfuhrungsverfahrens ist, so ist es erst recht seine Eigenschaft als\nKostenschuldner, fur die sich auch keine bereichsspezifische Regelung im\nVermessungskostenwesen findet. Eine Begunstigung im Sinne von § 13 Abs. 1 Var.\n2 VwKostG M-V durch die Fortfuhrung des Liegenschaftskatasters kann die Kammer\nin seiner Person nicht erkennen (anders als bei der im oben erwahnten\nKammerurteil behandelten Bereitstellung von Vermessungsunterlagen), denn mit\nder Aktualitat des amtlichen Verzeichnisses der Grundstucke nach der\nGrundbuchordnung und der maßgeblichen Beschreibungen der hierzu gehorenden\nFlurstucke durch das Katasterkarten- und -zahlenwerk (§ 11 Abs. 5 und 7\nVermKatG, § 23 GeoVermG M-V) ist allein den Interessen der als Auftraggeber\nder Vermessungsarbeiten fungierenden Grundstuckseigentumer gedient\n(insbesondere hinsichtlich der Dokumentation und Verkehrsfahigkeit ihres\nEigentums). Der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur ist fur seine\nAufgabenerfullung dagegen eher auf bisher erstellte Vermessungsschriften\nangewiesen; von der Fortfuhrung des Liegenschaftskatasters profitiert er\nallenfalls „reflexartig", jedenfalls nicht in einer Weise, dass man jene als\n„zu seinen Gunsten vorgenommen" im Sinne von § 13 Abs. 1 Var. 2 VwKostG M-V\nqualifizieren konnte.\n\n26\n\n \n\nBei dieser Betrachtungsweise waren die Gebuhren zwar -- im Sinne des Beklagten\n-- nach der VermKostVO M-V zu berechnen, weil sie gemaß § 11 Abs. 1 Var. 2\nVwKostG M-V erst mit der Beendigung der gebuhrenpflichtigen Amtshandlungen\nentstanden waren. Der Klager ware jedoch nicht als Kostenschuldner in Anspruch\nzu nehmen, weshalb die Gebuhrenbescheide aus diesem Grunde rechtswidrig waren.\nVorzugswurdig ware in diesem Falle die -- vom Beklagten nach seinen Angaben\nauch gegenuber anderen Öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren\npraktizierte -- Verfahrensweise, dass die Vermessungsauftraggeber durch zu\nHanden des Vermessungsingenieurs ergehende, jedoch (allein) sie als\nInhaltsadressaten betreffende Gebuhrenbescheide herangezogen wurden. Die\npersonlichen Daten der Festsetzungsadressaten konnte der Öffentlich bestellte\nVermessungsingenieur dem Beklagten bei Vorlage seiner Unterlagen ubermitteln;\nauch eine großere Anzahl von Auftraggebern konnte, da mehrere Kostenschuldner\ngesamtschuldnerisch haften (§ 13 Abs. 3 VwKostG M-V), vom Beklagten ohne\ngroßeren Aufwand zu den angefallenen Gebuhren herangezogen werden und hatte im\nInnenverhaltnis einen Ausgleich vorzunehmen. Da der Beklagte jedoch im\nStreitfall nicht so vorging, sind seine Gebuhrenbescheide auch nach diesem\nLosungsweg aufzuheben, soweit dies zulassigerweise beantragt ist.\n\n27\n\n \n\nFur -- ggf. im Wege von § 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG M-V umzusetzende --\nFolgenbeseitigungsanspruche gegen den Beklagten, die der\nstreitgegenstandlichen Gebuhrenerhebung entgegenstunden, sieht die Kammer\ndagegen schon angesichts dessen schlussig vorgetragener Abarbeitungsmaximen\nkeine Handhabe, wenn er auch nach Kenntnisnahme vom Inkrafttreten der\nVermKostVO M-V von einer Erhohung des Personaleinsatzes durch Verstarkung oder\nArbeitszeitausdehnung absah. Im Falle einer Antragsbedurftigkeit der\nKatasterfortfuhrungen waren die Gebuhren aber bereits nicht in den\nstreitgegenstandlichen Differenzbetragen entstanden, weshalb ihre\nNichterhebung ohnehin geboten ware.\n\n28\n\n \n\nUnzulassig und daher abzuweisen ist hingegen die Klage, soweit die Aufhebung\ndes Gebuhrenbescheids Nr. 20091206 nicht nur in dem Umfang begehrt wird, wie\ndie Gebuhrenfestsetzung 473,47 € ubersteigt, sondern bereits, soweit sie mehr\nals 462,26 € umfasst. Diese Antragstellung, die angesichts der klaren\nBezeichnung der klagerischen Beschwer in der Klageschrift als Klageerweiterung\num ein weitere 11,21 € der Festsetzung betreffendes Aufhebungsbegehren zu\nwerten ist, fuhrt, wenn es sich auch um eine Korrektur der klagerischen\nBerechnung in Einzelpositionen handelt, insoweit nicht zum Erfolg, da sie erst\nin der mundlichen Verhandlung erfolgt ist und der Gebuhrenbescheid, soweit er\nnicht zuvor angefochten gewesen ist, durch Ablauf der Klagefrist nach § 74\nAbs. 1 VwGO bestandskraftig geworden ist und nicht mehr gerichtlicher\nKontrolle unterliegt.\n\n29\n\n \n\nDie Kostenentscheidung ergeht jedoch zu Lasten des im Wesentlichen\nunterlegenen Beklagten gemaß § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.\n\n30\n\n \n\nDie Entscheidung zur vorlaufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11 und\n§ 711 der Zivilprozessordnung sowie § 167 VwGO.\n\n31\n\n \n\n**Beschluss**\n\n32\n\n \n\nDer Streitwert wird gemaß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 39 Abs. 1 und § 52 Abs. 3 des\nGerichtskostengesetzes auf 512,30 Euro festgesetzt.\n\n
100,031
fg-mecklenburg-vorpommern-2009-11-18-3-k-24209
475
Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern
fg-mecklenburg-vorpommern
Mecklenburg-Vorpommern
Mecklenburg-Vorpommern
Finanzgerichtsbarkeit
3 K 242/09
2009-11-18
2018-11-21 21:30:11
2019-02-14 04:47:26
Urteil
#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nZwischen den Beteiligten ist die Geltendmachung von\nVerpflegungsmehraufwendungen streitig.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer Kläger ist ledig. Er erzielte als Soldat auf Zeit im Streitjahr Einkünfte\naus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Einkommensteuergesetz - EStG -.\n\n \n\n \n\n3\n\n \n\nDer Kläger nahm im Streitjahr vom 18. bis zum 22. März an einem Lehrgang in S\n, vom 10. bis zum 13. April an einem Lehrgang in I und vom 06. bis zum 09.\nAugust 2007 an einem Lehrgang in B teil. Für die Lehrgänge in S und I erhielt\nder Kläger jeweils ein Tagegeld i. H. v. 13,68 € bei dessen Berechnung keine\nunentgeltlichen Mahlzeiten berücksichtigt wurden, für den Lehrgang in B ein\nTagegeld i. H. v. 16,98 €. Darüberhinaus erhielt der Kläger ein sog. gekürztes\nTrennungsgeld wegen geringerer Aufwendungen gemäß § 3 Trennungsgeldverordnung\ni. d. F. der Bekanntmachung vom 29. Juni 1999 (BGBl I 1999, 1533) i. H. v.\njeweils 13,68 € für die Lehrgänge in I und B sowie 20,52 € in S .\n\n \n\n4\n\n \n\nFür die Lehrgänge beantragte der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung\nVerpflegungsmehraufwendungen in Höhe von insgesamt 147,78 €, und zwar für die\nLehrgänge in B und I jeweils für zwei Tage mit mehr als 14 Stunden Abwesenheit\nje 12,00 € und für zwei Tage mit 24 Stunden Abwesenheit je 24,00 € sowie für\nden Lehrgang in S für zwei Tage mit mehr als 14 Stunden Abwesenheit je 12,00 €\nund für drei Tage mit 24 Stunden Abwesenheit je 24,00 €, abzüglich des\nsteuerfrei erhaltenen Tage- bzw. Trennungsgeld i. H. v. 92,22 €.\n\n \n\n5\n\n \n\nDurch Bescheid vom 17. Juli 2008 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2007\nauf 1.155,00 € fest. Dabei berücksichtigte er die vom Kläger geltend gemachten\nVerpflegungsmehraufwendungen nicht. Zur Begründung führte er aus, dass bei der\nZahlung von Tagegeld und Trennungsreisegeld, die sich nach den Beträgen des §\n4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 2 Bundesreisekostengesetz (BRKG) bei teilentgeltlicher\noder unentgeltlicher Verpflegung richten würden, ein Werbungskostenabzug\nausgeschlossen sei. Der Kläger legte am 31. Juli 2008 Einspruch ein, mit dem\ner die erklärungsgemäße Anerkennung der Verpflegungsmehraufwendungen begehrte.\nDer Beklagte erließ aus anderen Gründen am 13. Februar 2009 einen gemäß § 173\nAbs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid für das\nStreitjahr und setzte die Einkommensteuer auf 1.097,00 € fest. Der Bescheid\nwurde gemäß § 365 Abs. 3 AO zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens.\n\n \n\n6\n\n \n\nDurch Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 2009 wurde der Einspruch als\nunbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen\naus, Aufwendungen für Verpflegung seien grundsätzlich Kosten der privaten\nLebensführung und damit nicht als Werbungskosten abziehbar. Eine Ausnahme\nergebe sich nur aus § 4 Abs. 5 Nr. 5 EStG i. V. m. § 9 Abs. 5 EStG. Allerdings\nerfahre dieser Grundsatz eine Ausnahme in den Fällen, in denen unzweifelhaft\nfeststehe, dass der Steuerpflichtige keine Mehraufwendungen gehabt habe. Bei\nAuswärtstätigkeiten von Bundeswehrangehörigen würden bei unentgeltlicher oder\nteilentgeltlicher Verpflegung von der Bundeswehr Reisekostenerstattungen in\nForm von Tagegeld und Trennungsreise- bzw. Tagegeld für jedenfalls 14 Tage\ngezahlt.\n\n \n\n7\n\n \n\nDer Kläger hat am 14. Juli 2009 Klage erhoben. Mit seiner Klage begehrt er\nVerpflegungsmehraufwendungen für die genannten Lehrgänge in der beantragten\nHöhe. Für Verpflegungsmehraufwendungen würden gemäß § 9 Abs. 5 EStG die\ngesetzlichen Pauschalen nach § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 2 EStG gelten. Ein Abzug\nvon tatsächlichen Aufwendungen im Rahmen eines Einzelnachweises sei im EStG\nnicht mehr vorgesehen. Die Pauschbeträge seien auch dann anzusetzen, wenn der\nArbeitnehmer Mahlzeiten vom Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung von einem\nDritten unentgeltlich oder teilentgeltlich erhalten habe. Der Abzug sei\nunabhängig von der Höhe des tatsächlichen Aufwandes auch dann zu gewähren,\nwenn der Steuerpflichtige zum Beispiel an einer kostengünstigen\nGemeinschaftsverpflegung teilnehme. Für diese Fälle dürfe eine Kürzung der\nPauschbeträge nicht erfolgen, weil die Höhe der Pauschalen gesetzlich geregelt\nsei. Im Übrigen verweise er auf das BFH-Urteil vom 13. Dezember 2007 (VI R\n73/06, BFH/NV 2009, 936).\n\n \n\n8\n\n \n\nDer Kläger beantragt sinngemäß, abweichend von dem geänderten\nEinkommensteuerbescheid vom 13. Februar 2009 in Gestalt der\nEinspruchsentscheidung vom 18. Juni 2009 die Einkommensteuer 2007 unter\nBerücksichtigung von weiteren Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 147,78\n€ neu festzusetzen.\n\n \n\n9\n\n \n\nDer Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.\n\n \n\n10\n\n \n\nZur Begründung verweist er auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung\nund darauf, dass auch Urteile des Bundesfinanzhofs immer nur zwischen den\njeweiligen Prozessbeteiligten Wirkung entfalten würden.\n\n \n\n11\n\n \n\nDem Gericht lag ein Band Einkommensteuerakten des Beklagten vor.\n\n \n\n \n\n#### Entscheidungsgründe\n\n12\n\n \n\nDas Gericht konnte im Einvernehmen der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung\nentscheiden (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).\n\n13\n\n \n\nDie Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtswidrig und\nverletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte\nhat den Abzug der begehrten Verpflegungsmehraufwendungen zu Unrecht versagt.\n\n \n\n \n\na)\n\n14\n\n \n\nEntgegen der Rechtsauffassung des Beklagten ist dem Kläger der\nWerbungskostenabzug für Verpflegungsmehraufwendungen nicht deswegen zu\nversagen, weil dem Kläger wegen seiner Teilnahme an verbilligter\nGemeinschaftsverpflegung keine Aufwendungen entstanden sind.\n\n \n\n15\n\n \n\nNach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Sätze 1 ff. EStG, die für die Ermittlung der\nEinkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sinngemäß gelten (§ 9 Abs. 5 EStG),\nsind Mehraufwendungen für die Verpflegung eines Steuerpflichtigen dann als\nWerbungskosten abziehbar, wenn dieser vorübergehend von seiner Wohnung und dem\nTätigkeitsmittelpunkt entfernt beruflich, d. h. (kurz gesagt) auswärts tätig\nist. Hiervon ausgehend war, was zwischen den Beteiligten auch außer Streit\nist, der Kläger während der genannten Lehrgänge beruflich auswärts tätig.\nEntgegen der Auffassung des Beklagten besteht unter den Voraussetzungen des §\n4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Sätze 2 ff. EStG ein Rechtsanspruch auf Gewährung der\ngesetzlichen Pauschbeträge. Darauf, ob überhaupt ein Verpflegungsmehraufwand\nanfällt, kommt es ebenso wenig an wie auf die konkrete Verpflegungssituation\nam Einsatzort (vgl. zum Ganzen BFH in BFH/NV 2009, 936).\n\n \n\n \n\nb)\n\n16\n\n \n\nAuch die teilweise Einbehaltung von Trennungsreise- und Trennungstagegeld\nentsprechend § 12 Abs. 1 Satz 1 BRKG in der im Streitjahr geltenden Fassung\nund § 3 Abs. 3 Satz 3 der TGV steht dem Abzug des vom Kläger geltend gemachten\nVerpflegungsmehraufwands nicht entgegen.\n\n \n\n17\n\n \n\nReisekosten und Verpflegungsmehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer im\nZusammenhang mit einer Auswärtstätigkeit entstehen, gehören zu seinen\nWerbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Erhält der\nArbeitnehmer von seinem Arbeitgeber hierfür einen Ausgleich, so handelt es\nsich dabei grundsätzlich um zusätzlichen Arbeitslohn, dem die genannten\nWerbungskosten gegenübertreten. Steuerfrei sind dagegen nach § 3 Nr. 13 EStG\ndie aus öffentlichen Kassen gezahlten Reisekostenvergütungen,\nUmzugskostenvergütungen und Trennungsgelder. Vergütungen für\nVerpflegungsmehraufwendungen sind allerdings nur insoweit steuerfrei, als sie\ndie Pauschbeträge nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG nicht übersteigen.\nDie Steuerbefreiung des Reisekostenersatzes hat zur Folge, dass der\nArbeitnehmer nur diejenigen Aufwendungen als Werbungskosten geltend machen\nkann, die die Reisekostenentschädigung übersteigen. Dies folgt aus § 3 c Abs.\n1 EStG.\n\n \n\n18\n\n \n\nNach § 3 c Abs. 1 EStG dürfen Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen\nin unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als\nWerbungskosten abgezogen werden. Zwar schließen auch pauschal gewährte\nsteuerfreie Einnahmen den Abzug von Aufwendungen aus, zu deren Ausgleich sie\nbestimmt sind, selbst wenn sie unabhängig von dem tatsächlichen Anfall\nberuflicher Aufwendungen gezahlt werden. Steuerfreie Einnahmen i. S. des § 3 c\nAbs. 1 EStG sind jedoch, soweit es hier von Bedeutung ist, nur solche, die die\nVoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 8 Abs. 1 EStG erfüllen.\n\n \n\n19\n\n \n\nNach § 8 Abs. 1 EStG sind Einnahmen alle Güter, die in Geld oder Geldeswert\nbestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1\nSatz 1 Nr. 4 bis 7 EStG zufließen. Daraus folgt, dass Zufluss ein Merkmal des\nBegriffs der Einnahme ist. Voraussetzung des Zuflusses ist der Eintritt einer\nVermögensmehrung. Das ist nicht der Fall, soweit eine Reisekostenvergütung\nnicht an den Arbeitnehmer ausgezahlt wird. § 3 c Abs. 1 EStG kommt dann nicht\nzur Anwendung.\n\n \n\n20\n\n \n\nDer Kläger erhielt mit den Verpflegungsmehraufwendungen in Zusammenhang\nstehende steuerfreie Erstattungen i. H. v. 92,22 €, die er in Abzug gebracht\nhat.\n\n \n\n21\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.\n\n \n\n22\n\n \n\nDie Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151, 155 FGO i.\nV. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).\n\n \n\n23\n\n \n\nDie Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO\nnicht vorliegen.\n\n \n\n24\n\n \n\nDie Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 4 Gerichtskostengesetz (GKG).\n\n \n\n \n\n25\n\n \n\nRechtsmittelbelehrung:\n\n \n\n26\n\n \n\nDie Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.\n\n \n\n27\n\n \n\nDie Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen\nUrteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil\nbezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des\nUrteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Die\nBeschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen\nUrteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen.\nIn der Begründung muss dargelegt werden, dass die Rechtssache grundsätzliche\nBedeutung hat oder, dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer\neinheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert\noder dass ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem das\nUrteil des Finanzgerichts beruhen kann.\n\n \n\n28\n\n \n\nVor dem Bundesfinanzhof müssen sich die Beteiligten durch\nProzessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen,\ndurch die ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof eingeleitet wird. Als\nBevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte,\nWirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer sowie Gesellschaften im Sinne des § 3\nNr. 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch solche Personen handeln,\nzugelassen. Gesellschaften im Sinne des § 3 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes\nsind Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich Steuerberater,\nSteuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, niedergelassene europäische\nRechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer sind.\nGesellschaften im Sinne des § 3 Nr. 3 des Steuerberatungsgesetzes sind\nSteuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften,\nWirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften.\n\n \n\n29\n\n \n\nBehörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der\nvon ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten\nZusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum\nRichteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer\nBehörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der\nvon ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten\nZusammenschlüsse vertreten lassen.\n\n \n\n30\n\n \n\nRechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer,\nvereidigte Buchprüfer sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Nr. 2 und 3 des\nSteuerberatungsgesetzes, die durch solche Personen handeln, können sich selbst\nvertreten.\n\n \n\n31\n\n \n\nDer Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München,\nund die Hausanschrift: Ismaninger Straße 109, 81675 München, sowie den\nTelefax-Anschluss: 089/92 31-201.\n\n \n\n32\n\n \n\nWird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so\nwird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht\nder Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach § 116 Abs. 6 der\nFinanzgerichtsordnung aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den\nBeschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt\nfür den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen\nBeteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist.\n\n \n\n33\n\n \n\nDie Beschwerde und die Begründung der Beschwerde können bei dem\nBundesfinanzhof auch in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung der\nBundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim\nBundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl\nI S. 3091) eingereicht werden.\n\n
103,761
lagmv-2008-12-10-2-sa-18008
476
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
lagmv
Mecklenburg-Vorpommern
Arbeitsgerichtsbarkeit
2 Sa 180/08
2008-12-10
2018-11-23 16:30:08
2019-02-14 06:14:19
Urteil
#### Tenor\n\n \n\nI. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Schwerin\nvom 09.04.2008 - 3 Ca 105/08 - wie folgt abgeändert:\n\n \n\n1\\. Das beklagte Land wird verurteilt, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin unter\nBerücksichtigung der bisherigen Zeitguthaben\n\n \n\na) für das Schuljahr 2005/2006 insgesamt 130 Stunden\n\n \n\nb) für das Schuljahr 2006/2007 insgesamt 78 Stunden\n\n \n\ngutzuschreiben.\n\n \n\n2\\. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n \n\n3\\. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 1/3, dem beklagten\nLand zu 2/3 auferlegt.\n\n \n\nII. Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Erhöhung eines\nArbeitszeitguthabens.\n\n2\n\n \n\nDie Klägerin ist bei dem beklagten Land seit 1997 als vollbeschäftigte\nLehrkraft an der Beruflichen Schule des Landkreises Parchim beschäftigt. Auf\ndas Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst\nAnwendung.\n\n3\n\n \n\nHinsichtlich des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des klageabweisenden\nUrteils des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 09.04.2008 - 3 Ca 105/08 - Bezug\ngenommen.\n\n4\n\n \n\nDie Klägerin hatte erstinstanzlich zuletzt folgende Anträge gestellt:\n\n5\n\n \n\n1\\. Das beklagte Land zu verpflichten, für das Schuljahr 2004/2005 dem\nArbeitszeitkonto der Klägerin 104 Stunden gutzuschreiben.\n\n6\n\n \n\n2\\. Das beklagte Land zu verpflichten, für das Schuljahr 2005/2006 dem\nArbeitszeitkonto der Klägerin 130 Stunden gutzuschreiben und\n\n7\n\n \n\n3\\. das beklagte Land zu verpflichten, für das Schuljahr 2006/2007 dem\nArbeitszeitkonto der Klägerin 78 Stunden gutzuschreiben.\n\n8\n\n \n\nDie Klägerin beantragt für den Fall des Unterliegens mit dem Klagantrag zu 2\nhilfsweise,\n\n9\n\n \n\n4\\. das beklagte Land zu verpflichten, für das Schuljahr 2006/2007 dem\nArbeitszeitkonto der Klägerin weitere 130 Stunden gutzuschreiben.\n\n10\n\n \n\nIn den Entscheidungsgründen hat das Gericht ausgeführt, die Klage sei teils\nunzulässig, im Übrigen unbegründet.\n\n11\n\n \n\nFür einen Teil der begehrten Zeiten sei sie unbegründet, weil es an der\nVereinbarung eines Arbeitszeitkontos entsprechend dem Erlass fehle. Für einige\nZeiten sei die Berechnung durch das beklagte Land auch zutreffend. Im Übrigen\nhätten sich die Parteien auf die Ansetzung der konkret geleisteten Stunden\ngeeinigt. Sämtliche konkret geleisteten Stunden seien auch berücksichtigt\nworden, soweit sie nicht durch Freizeitausgleich bereits getilgt seien. Im\nÜbrigen wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.\n\n12\n\n \n\nDieses Urteil ist der Klägerin am 09.05.2008 zugestellt worden. Sie hat\ndagegen Berufung eingelegt, die am 05.06.2008 beim Landesarbeitsgericht\neingegangen ist. Nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf Grund eines\nfristgerecht eingegangenen Antrages bis zum 09.08.2008 verlängert worden ist,\nist die Berufungsbegründung am 08.08.2008 beim Landesarbeitsgericht\neingegangen.\n\n13\n\n \n\nDie Klägerin ist der Auffassung, auf Grund der vorangegangenen Vereinbarungen\nhabe auch im Schuljahr 2005/2006 ein Arbeitszeitkonto und damit die\nentsprechende Vereinbarung bestanden. Eine Regelung, dass über den vertraglich\ngeschuldeten Umfang hinaus bereits geleistete Unterrichtsstunden deshalb\ngekürzt werden können, weil zu einem späteren Zeitpunkt Unterrichtsstunden\nausfallen oder das Arbeitsvolumen sich aus organisatorischen Gründen\nverringere, enthalte die Vereinbarung nicht. Nachdem die Erhöhung der\nArbeitszeit abstrakt vereinbart worden sei, müsse eine Anrechnung auf das\nArbeitszeitkonto auch abstrakt erfolgen. Im Übrigen wird auf die\nBerufungsbegründung Bezug genommen.\n\n14\n\n \n\nDie Klägerin beantragt,\n\n15\n\n \n\n1\\. das beklagte Land unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichtes\nSchwerin vom 09.04.2008 zu verpflichten, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin\nunter Berücksichtigung der bisherigen Zeitguthaben,\n\n16\n\n \n\na) für das Schuljahr 2004/2005 insgesamt 104 Stunden, \nb) für das Schuljahr 2005/2006 insgesamt 130 Stunden, \nc) für das Schuljahr 2006/2007 insgesamt 78 Stunden\n\n17\n\n \n\ngutzuschreiben.\n\n18\n\n \n\n2\\. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 1 b):\n\n19\n\n \n\ndas beklagte Land zu verpflichten, für das Schuljahr 2006/2007 dem\nArbeitszeitkonto weitere 130 Stunden gutzuschreiben.\n\n20\n\n \n\nDarüber hinaus wird beantragt:\n\n21\n\n \n\n3\\. Festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, bei einer\nbefristeten Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung dem Arbeitszeitkonto der\nKlägerin die Stundenzahl gutzuschreiben, welche sich aus der Anzahl der\nUnterrichtsstunden ergibt, um welche das wöchentlich vereinbarte\nArbeitszeitvolumen erhöht werden soll, multipliziert mit 52, soweit sich die\nErhöhung auf das gesamte Schuljahr bezieht bzw. multipliziert mit 26, wenn das\nArbeitszeitvolumen bezogen auf ein Schulhalbjahr erhöht werden soll.\n\n22\n\n \n\nDas beklagte Land beantragt,\n\n23\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n24\n\n \n\nEs tritt der erstinstanzlichen Entscheidung bei.\n\n25\n\n \n\nHinsichtlich jedes weiteren Vorbringens wird auf die vorbereitenden\nSchriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n26\n\n \n\nDie zulässige Klage ist zum Teil begründet.\n\n27\n\n \n\n1\\. Soweit die Klägerin für das Schuljahr 2004/2005 eine Gutschrift auf dem\nArbeitszeitkonto von insgesamt 104 Stunden beantragt, ist die Klage\nunbegründet.\n\n28\n\n \n\nDie Klägerin hat in der Vereinbarung vom 30. Mai 2005 auf dieses Guthaben\nverzichtet. Dies hat auch das Arbeitsgericht Schwerin in seiner Entscheidung\nzutreffend ausgeführt. In dem Protokoll heißt es ausdrücklich, dass die\nKlägerin sich für die Variante entschieden habe, in der es heißt: "Nach dieser\nVariante ist davon auszugehen, dass das Arbeitszeitkonto im Schuljahr 2004/05\nohne Anrechnungsstunden abschließt."\n\n29\n\n \n\nDies kann nicht anders verstanden werden, als dass die Klägerin davon ausgeht,\ndass in diesem Zeitraum kein Zeitguthaben entstanden ist. Ein derartiger\nVerzicht war auch wirksam. In tarifliche Rechte der Klägerin ist dabei nicht\neingegriffen worden. Die Klägerin hat mit dieser Vereinbarung nicht auf ein\nZeitguthaben verzichtet, sondern sich mit der Betrachtungsweise einverstanden\nerklärt hat, dass das Zeitguthaben durch spätere Unterrichtsausfälle\nausgeglichen worden ist.\n\n30\n\n \n\n2\\. Soweit die Klägerin eine Zeitgutschrift für das Schuljahr 2005/2006 von\ninsgesamt 130 Stunden begehrt, ist die Klage begründet.\n\n31\n\n \n\nDie Klägerin hat unter dem 28.09.2005 einen Antrag auf flexible Gestaltung der\nArbeitszeit für das vorliegende Schuljahr gestellt, der mit der Begründung\nabgelehnt worden ist, dass die zunächst anfallende Mehrarbeit von 2,5 Stunden\nin der Woche ab Mai 2006 wieder ausgeglichen werden könne. Mit dieser\nBegründung hätte der Antrag jedoch nicht abgelehnt werden dürfen. Die Klägerin\nist im vorliegenden Fall so zu stellen, als hätte es die Vereinbarung gegeben,\nda die von der Beklagten vorgenommene Erhöhung nur auf Grund der Vereinbarung\nhätte gefordert werden dürfen.\n\n32\n\n \n\nGemäß § 3 Abs. 7 Arbeitszeitverordnung im Land Mecklenburg-Vorpommern kann aus\ndienstlichen Gründen im Bereich der öffentlichen Schulen auf Antrag einer\nLehrkraft deren persönliche Arbeitszeit um bis zu drei Wochenstunden für\njeweils ein ganzes Schuljahr erhöht werden. Um eine derartige Erhöhung handelt\nes sich im vorliegenden Fall. Der Umstand, dass es ab Mai 2006 voraussichtlich\nzu Unterrichtsausfällen auf Grund von Klassenfahrten und Prüfungen kommen\nwird, ändert nichts daran, dass die Unterrichtsleistung grundsätzlich für ein\ngesamtes Schuljahr erhöht werden sollte.\n\n33\n\n \n\nEin Ausgleich von Zeitguthaben, die in einem Schuljahr entstehen, mit\nMinusstunden, die im gleichen Schuljahr auf Grund von Unterrichtsausfällen\nentstehen, ist nach § 3 Abs. 7 Arbeitszeitverordnung schon deshalb nicht\nmöglich, weil diese Vorschrift von einem Ausgleich durch Freistellung in einem\nanderen Schuljahr ausgeht. Auf § 3 Abs. 1 Arbeitszeitverordnung M-V kann das\nbeklagte Land sich schon deshalb nicht berufen, da § 3 Abs. 7\nArbeitszeitverordnung M-V eine Sonderregelung enthält, die auf den\nvorliegenden Fall Anwendung findet.\n\n34\n\n \n\nDas beklagte Land kann sich schließlich auch nicht auf ein Direktionsrecht\nberufen, wonach es berechtigt sei, die Wochenarbeitszeit der Lehrkräfte\nflexibel zu gestalten mit der Folge, dass es nicht in Annahmeverzug gerate,\nwenn im Rahmen der Schulwoche die für das Vollarbeitszeitverhältnis\nmaßgebliche Pflichtstundenzahl nicht gegenüber der jeweiligen Lehrkraft\nangeboten werde (so auch Blatt 9 der Berufungserwiderung vom 11.09.2008\nausgeführt). Woher das beklagte Land ein Direktionsrecht nimmt, wonach es\nberechtigt sei, die Regelung über Annahmeverzug außer Kraft zu setzen, ist\nnicht ersichtlich.\n\n35\n\n \n\nHätte das beklagte Land Recht, so könnte es gegenüber einer Lehrkraft die\nVergütung kürzen, wenn Unterricht ausfällt, weil die an sich zu unterrichtende\nKlasse sich auf einer Klassenreise oder in Prüfungen befindet. Dies wird weder\npraktiziert, noch wäre es rechtmäßig.\n\n36\n\n \n\nAus der Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit unter Berücksichtigung der\nSchulferien kann nicht geschlossen werden, dass die Regelungen über den\nAnnahmeverzug im Lehrerarbeitsverhältnis überhaupt nicht gelten. Selbst das\nbeklagte Land geht davon aus, dass im vorliegenden Fall § 3 Abs. 7\nArbeitszeitverordnung einschlägig ist (Blatt 13 der Berufungserwiderung).\n\n37\n\n \n\nDie insoweit erhobene Klage ist auch nicht unzulässig, weil ein Teil der\nAnsprüche auf Zeitgutschrift aus dem Schuljahr 2005/2006 durch das beklagte\nLand bereits anerkannt sind. Mit der Formulierung "insgesamt" wird ausreichend\ndeutlich zum Ausdruck gebracht, dass bereits gut geschriebene Stunden in dem\ngeforderten Betrag enthalten sind. Bei der Berechnung der Mehrarbeit konnte\ndie Klägerin sich auch gemäß § 3 Abs. 7 Arbeitszeitverordnung auf ein ganzes\nSchuljahr beziehen, d. h. ohne Ausschluss der Sommerferien, wie es in der von\ndem Land getroffenen Vereinbarung erfolgt ist. Paragraf 3 Abs. 7\nArbeitszeitverordnung bezieht sich auf ein ganzes Schuljahr. Das ist die Zeit\nab Ende der Sommerferien bis zum Ende der Sommerferien des darauf folgenden\nJahres. Das sind im Durchschnitt zwölf Monate.\n\n38\n\n \n\n3\\. Nach den vorangegangenen Ausführungen besteht auch ein Anspruch auf\nGutschrift eines Zeitguthabens in Höhe von 78 Stunden auf Grund der\nVereinbarung vom 15.01.2007 (Blatt 121 d. A.). Für das Schuljahr 2006/2007\nsollte die regelmäßige Arbeitszeit um 1,5 Unterrichtswochenstunden erhöht\nwerden. Das sind richtigerweise auf ein Schuljahr bezogen 78 Stunden. Auf\neinen Ausgleich innerhalb des Schuljahres 2006/2007 konnte das beklagte Land\nsich angesichts der Fassung von § 3 Abs. 7 Arbeitszeitverordnung nicht\nberufen. Im Übrigen geht die Vereinbarung selbst auch von einem Ausgleich in\neinem späteren Schuljahr aus.\n\n39\n\n \n\n4\\. Der unter 3 begehrte Feststellungsantrag ist unbegründet.\n\n40\n\n \n\nWarum bei jeder, auch eventuell nur um einen Monat befristeten Erhöhung der\nUnterrichtsverpflichtung dem Arbeitszeitkonto der Klägerin die Stundenzahl\ngutzuschreiben sei, welche sich aus der Multiplizierung mit 52 bzw. 26 ergibt,\nist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ersichtlich.\n\n41\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 93 ZPO.\n\n42\n\n \n\nZur Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG bestand kein Anlass.\n\n
103,877
olgrost-2008-11-07-5-u-15308
483
Oberlandesgericht Rostock
olgrost
Mecklenburg-Vorpommern
Oberlandesgericht
5 U 153/08
2008-11-07
2018-11-23 17:30:12
2019-02-11 05:56:16
Urteil
#### Tenor\n\n \n\n1\\. Die Klage wird abgewiesen.\n\n \n\n2\\. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Klager auferlegt.\n\n \n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Dem Klager bleibt nachgelassen,\ndie Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe des zu vollstreckenden\nBetrages abzuwenden, falls nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher\nHohe leistet.\n\n \n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen\n\n \n\n5\\. Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 40.303,45 EUR\n\n#### Grunde\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\nDer Klager macht Anspruche aus einer Kasko-Versicherung geltend und tragt vor,\nsein Fahrzeug sei ihm am 04.05.2005 in Danzig entwendet worden. Zu den\nEinzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat\nBezug auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, mit dem der Klage\nstattgegeben wurde. Der Einzelrichter fuhrt zur Begrundung aus, die Beklagte\nsei aus dem Kasko-Versicherungsvertrag zur Zahlung von 40.303,45 €\nverpflichtet. Der Diebstahl des Fahrzeugs stehe aufgrund der Aussage des\nZeugen ... fest. Der Anspruch des Klagers sei nicht gem. § 61 VVG wegen grob\nfahrlassiger Herbeifuhrung des Schadensfalles ausgeschlossen. Die\nVoraussetzungen des § 6 Abs. 3 VVG lagen nicht vor.\n\n2\n\n \n\nHiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren\nKlageabweisungsantrag weiter verfolgt. Zur Begrundung tragt sie vor, das\nLandgericht habe verkannt, dass der Klager den Versicherungsfall grob\nfahrlassig herbeigefuhrt habe, indem er das Fahrzeug mit Zundschlussel im\nZundschloss sowie unverschlossen zuruckgelassen habe. Der Klager habe in der\nkonkreten Situation keine Zugriffsmoglichkeit auf das Fahrzeug gehabt. Er habe\nsich auf der Beifahrerseite einige Meter von dem Fahrzeug entfernt. Deswegen\nhabe er keine Moglichkeit mehr gehabt, dritte Personen an der Entwendung des\nFahrzeuges zu hindern. Ein Beschluss der OLG-Koblenz vom 15. Dezember 2006\nhabe einen absolut gleichgelagerten Sachverhalt zum Gegenstand. Das OLG\nKoblenz habe die Leistungsfreiheit des Versicherers mit der Begrundung bejaht,\ndem Versicherungsnehmer falle eine grob fahrlassige Herbeifuhrung der\nEntwendung des Fahrzeuges zur Last. Auch in jenem Fall habe der\nGeschaftsfuhrer der Klagerin das Fahrzeug verlassen. Dieses sei unverschlossen\ngeblieben und der Zundschlussel habe im Zundschloss gesteckt. Das Fahrzeug sei\nzeitweilig der Aufmerksamkeit des Geschaftsfuhrers der Klagerin entzogen\ngewesen und dieser habe erst reagiert, als es sich bereits in Bewegung gesetzt\nhabe.\n\n3\n\n \n\nDas Landgericht habe unberucksichtigt gelassen, dass der Schadensfall sich in\nPolen ereignet habe. Dem Klager habe bekannt sein mussen, dass das Risiko, in\nPolen Opfer eines Fahrzeugdiebstahls zu werden, besonders groß sei.\n\n4\n\n \n\nÜberdies stehe der Klageforderung entgegen, dass die Beklagte wegen einer\nvorsatzlichen Obliegenheitsverletzung des Klagers leistungsfrei sei. Der\nKlager habe falsche Angaben zu den Umstanden der Entwendung gemacht und\ndadurch die Aufklarungspflicht des § 7 I (2) S. 4 AKB verletzt. Dem\nVersicherungsvertrag zwischen den Parteien hatten die AKB zugrundegelegen. Die\nAngaben des Klagers gegenuber der Beklagten seien wahrheitswidrig gewesen und\nhatten im Widerspruch zu seinen Angaben gegenuber der polnischen Polizei\ngestanden. In der Anlage zur Schadensanzeige habe der Klager behauptet, er\nhabe keine konkrete Erinnerung mehr an die Umstande des Schadenseintritts.\nGegenuber den Polizeibeamten und Zeugen ... habe der Klager konkrete Kenntnis\nuber samtliche Details der Entwendung gehabt. Die Angabe fehlenden\nErinnerungsvermogens gegenuber der Beklagten sei schlichtweg falsch.\nJedenfalls beim Ausfullen des Schadensformulars sei der Klager Herr seiner\nSinne gewesen. Der Klager habe auch bewusst verschwiegen, dass er nach dem\nVerlassen des Fahrzeuges den Zundschlussel im Zundschloss stecken gelassen und\ndas Fahrzeug nicht ordnungsgemaß verschlossen habe. Die objektiven\nFalschangaben des Klagers begrundeten die Vermutung fur vorsatzliches\nFehlverhalten. Einen Nachweis fur geringeres Verschulden habe der Klager nicht\ngefuhrt.\n\n5\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n6\n\n \n\ndas angefochtene Urteil des Landgerichts Rostock abzuandern und die Klage\nabzuweisen.\n\n7\n\n \n\nDer Klager beantragt,\n\n8\n\n \n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n9\n\n \n\nEr verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines\nerstinstanzlichen Vortrages. Mit großer Wahrscheinlichkeit sei davon\nauszugehen, dass er das Fahrzeug verlassen habe, ohne den Zundschlussel\nabgezogen zu haben. Der Klager habe sich standig in unmittelbarer Nahe des\nFahrzeuges befunden. Unstreitig habe er sich bei dem anfahrenden Auto an der\nTur festgehalten. Dem von der Beklagten zitierten Urteil liege ein vollig\nanderer Sachverhalt zugrunde. Wenn der Klager tatsachlich den Schlussel im\nZundschloss stecken gelassen habe, habe es sich hierbei um ein\nsituationsbedingtes Augenblicksversagens gehandelt. Es sei nicht Art des\nKlagers, auch bei kurzzeitigem Verlassen seines Fahrzeuges den Zundschlussel\nstecken zu lassen. Er habe unter erheblichem Zeitdruck gestanden, als er aus\ndem Auto gestiegen sei. Das einmalige Vergessen einer Routinehandlung in Folge\nder Konzentration auf einen anderen Umstand stelle sich als Augenblickversagen\ndar. Vorsatzlich falsche Angaben zu den Umstanden der Entwendung habe der\nKlager nicht gemacht. Die polnischen Ermittlungsunterlagen hatten kaum\nBeweiswert.\n\n \n\nII.\n\n10\n\n \n\nDie zulassige Berufung der Beklagten hat Erfolg.\n\n11\n\n \n\nDie Klage ist nicht begrundet. Dem Klager steht kein Anspruch auf Zahlung\neiner Entschadigung aus der Kaskoversicherung zu, da er den Versicherungsfall\ngrob fahrlassig i. S. von § 61 VVG herbeifuhrte und eine vorsatzliche\nObliegenheitsverletzung gem. § 6 Abs. 3 VVG, § 7 I (2) S. 4, VI (2) AKB\nbeging.\n\n12\n\n \n\n1\\. Die Aktivlegitimation des Klagers ist gegeben. Ob er Eigentumer des\nFahrzeuges war, ist nicht entscheidend. Jedenfalls kann er als\nVersicherungsnehmer Anspruche aus dem Versicherungsvertrag geltend machen.\nAnspruche der Leasing-Gesellschaft bestehen unstreitig nicht mehr, da dieser\nder Schaden seitens des Klagers erstattet wurde.\n\n13\n\n \n\n2\\. Die obergerichtliche Rechtsprechung und mehrere Landgerichte gehen davon\naus, dass die Entwendung eines Fahrzeuges in der Regel grob fahrlassig\nherbeigefuhrt wird, wenn der Versicherte sein unverschlossenes Fahrzeug mit im\nZundschloss steckenden Schlussel verlasst und sich von seinem Fahrzeug\nentfernt (OLG Koblenz VersR 2001, 1278; OLG Hamm NZV 1991, 195; OLG Koblenz,\nBeschluss vom 15.12.2006 - 10 U 903/06; OLG Frankfurt MDR 2003, 632; LG Koln\nVersR 1993, 348; LG Traunstein VersR 1993, 47). Der Senat folgt dieser\nRechtsprechung.\n\n14\n\n \n\na) Vorliegend hat der Klager grob fahrlassig i. S. v. § 61 VVG gehandelt,\nindem er sein Fahrzeug in Polen verließ, dabei den Schlussel stecken ließ, um\ndas Auto herum auf die Beifahrerseite ging und sich dort mit einem Passanten\nunterhielt. Grobe Fahrlassigkeit besteht bei Steckenlassen des Zundschlussels\nohne Eingriffsmoglichkeit gegen den Diebstahl (Prolss/Martin, VVG, 27. Aufl.,\nRn. 12 zu § 61; OLG Koblenz, Beschluss v. 15.12.206 - 10 U 903/06). Besonders\nder Sachverhalt, der dem Urteil des OLG Hamm vom 26.10.1990 (NZV 1991, 195)\nzugrundeliegt, ahnelt dem vorliegenden. In jenem Fall hatte der\nVersicherungsnehmer das versicherte Fahrzeug in einer Parkbox in der ...\nStraße in ... mit der Fahrzeugfront zur Straße abgestellt, um an der nur\nwenige Schritte entfernten Trinkhalle eine Zeitung zu kaufen. Beim Verlassen\ndes Fahrzeuges ließ er die Fahrertur unverschlossen und die Zundschlussel im\nLenkradschloss stecken. Als er sich unmittelbar vor dem Kiosk befand, horte er\nhinter sich das Gerausch einer zuschlagenden Fahrertur und das Starten des\nMotors. Er drehte sich um und sah, dass eine fremde Person in seinem Fahrzeug\nsaß. Obwohl er sofort herbeieilte, konnte er die Fahrertur nicht offnen, da\nder Tater den Wagen von innen verriegelt hatte. So in etwa liegt es hier. Der\nAnscheinsbeweis spricht dafur, dass der Klager die Fahrzeugschlussel in seinem\nPkw stecken ließ und das Fahrzeug unverschlossen auf der Straße stehen ließ\nund sich dann mehrere Schritte von dem Fahrzeug auf den Burgersteig hin\nentfernte, um einen Passanten nach dem Weg zu fragen. Anders lasst sich der\nTathergang nicht erklaren, denn in der kurzen Zeit hatte der Tater ein\nverschlossenes Fahrzeug nicht aufbrechen und kurzschließen konnen. Dafur\nspricht auch die eigene Aussage des Klagers vor der polnischen Polizei. Der\nZeuge ... bekundete vor dem Landgericht, dass er die Aussage des Klagers, er\nhabe den Schlussel stecken lassen, richtig beurkundet habe. Dies ist ein\nentscheidender Punkt, an den der Zeuge sich erinnerte. Der Klager hat die\nRichtigkeit des polnischen Protokolls erstinstanzlich nicht bestritten. Der\nZeuge ... bestatigte diesen Hergang, konnte sich allerdings nicht mehr genau\ndaran erinnern, ob der Klager den Zundschlussel stecken ließ. In der\nBerufungserwiderung fuhrt der Klager selbst aus, mit großer Wahrscheinlichkeit\nhabe er den Schlussel stecken lassen. Damit steht dies zur Überzeugung des\nSenats fest (§ 286 ZPO), was wiederum bedeutet, dass der Klager den\nVersicherungsfall durch grobe Fahrlassigkeit herbeigefuhrt hat (§ 61 VVG).\nEntscheidend ist, dass dem Klager aufgrund seiner Entfernung von dem Fahrzeug\ndie jederzeitige sofortige Eingriffsmoglichkeit auf das Fahrzeug fehlte.\n\n15\n\n \n\nb) Die Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 61 VVG verlangt, dass sich\nder Versicherungsnehmer bei der Herbeifuhrung des Versicherungsfalles grob\nfahrlassig verhalten hat. Grobe Fahrlassigkeit setzt einen objektiven schweren\nund subjektiven nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im\nVerkehr erforderlichen Sorgfalt voraus; diese Sorgfalt muss in ungewohnlich\nhohem Maße verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im\ngegebenen Fall jedem hatte einleuchten muss (standige Rechtsprechung des BGH\nvgl. NJW 1989, 1354).\n\n16\n\n \n\nObjektiv stellt das Unterlassen jeglicher Sicherungsmaßnahmen beim Verlassen\neines Fahrzeuges in der Regel einen groben Pflichtverstoß dar. Die\nvorliegenden Umstande vermogen eine andere Wertung nicht zu begrunden.\nUnerheblich ist, dass das versicherte Fahrzeug nur fur kurze Zeit verlassen\nwerden sollte und der Klager sich auch nur wenige Schritte von ihm entfernte,\num sich bei einem Passanten nach dem Weg zu erkundigen. Wie das Tatgeschehen\nzeigt, reicht ein kurzer Augenblick dazu aus, dass sich ein geschickter Tater\ndes Wagens bemachtigen konnte. Trotz seiner raumlichen Nahe zum Fahrzeug war\nder Klager nicht in der Lage, es so zu kontrollieren, dass eine\nIngebrauchnahme durch einen Unbefugten unmoglich war. Das Fahrzeug war namlich\nseinen Blicken und zumindest seiner Aufmerksamkeit zeitweilig entzogen, was\nsich darin zeigt, dass er nach eigenen Angaben das Einsteigen des Taters in\ndas Fahrzeug nicht optisch wahrgenommen hat.\n\n17\n\n \n\nDer Klager hat auch subjektiv grob fahrlassig gehandelt, denn er hat das, was\njedem in gegebener Situation einleuchtet, außer Acht gelassen und damit ein\nVerhalten gezeigt, das einfache Fahrlassigkeit ubersteigt. Jedermann ist\nbekannt, dass Fahrzeugdiebstahle in Polen gang und gabe sind. Er hatte\nerkennen konnen und mussen, dass sein leichtfertiges Absehen von jeglicher\nFahrzeugsicherung die Gefahr einer Fahrzeugentwendung i.S.d. § 12 (1) I b AKB\ndeutlich erhohte, solange er nicht sicher sein konnte, wegen seiner raumlichen\nNahe zum Fahrzeug und standige Aufmerksamkeit jederzeit eine wirksame\nKontrolle durch die Moglichkeit rechtzeitigen Eingreifens zu haben. Unter\ndiesen Umstanden hat ein Augenblicksversagen, das das Unrechtsurteil der\ngroben Fahrlassigkeit nicht verdient (BGH NJW 1989, 1354), nicht vorgelegen,\nda der Klager - wie bereits ausgefuhrt - in Polen besondere Aufmerksamkeit an\nden Tag legen musste. Dies war kein alltaglicher Vorgang, der jedem passieren\nkann. Gerade in Polen muss damit gerechnet werden, dass Personen unterwegs\nsind, die gezielt nach Moglichkeiten zum Fahrzeugdiebstahl insbesondere von\nLuxusfahrzeugen - wie hier einem Audi A8 - Ausschau halten oder spontan eine\npassende Gelegenheit ausnutzen.\n\n18\n\n \n\n3\\. Der Klager beging eine vorsatzliche Obliegenheitsverletzung gem. § 6 Abs.\n3 VVG, § 7 I (2) S. 4, VI (2) AKB, die zur Leistungsfreiheit fuhrt. Gem. § 6\nAbs. 3 VVG wird vermutet, dass die Obliegenheitsverletzung vorsatzlich\nerfolgte. Das Gegenteil hat der Klager nicht bewiesen. Gem. § 7 I (2) S. 3 AKB\nwar der Klager verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklarung des Tatbestandes\nund Minderung des Schadens dienlich sein konnte. Wegen Verletzung dieser\nObliegenheit besteht gem. § 7 VI (2) AKB Leistungsfreiheit nach Maßgabe des §\n6 Abs. 3 VVG. Der Klager hat der Beklagten den Sachverhalt von vornherein\nnicht so geschildert, wie er tatsachlich geschehen ist.\n\n19\n\n \n\nEr machte unterschiedliche und nachweislich falsche Angaben. Letzteres gilt\nschon fur die Schadensanzeige vom 06.05.2005, indem der Klager dort ankreuzte,\ndas Lenkrad sei abgeschlossen und der Zundschlussel abgezogen gewesen. Dies\nkann - wie oben unter II. 2.) a) ausgefuhrt wurde - nicht richtig sein.\nHiergegen spricht der Beweis des ersten Anscheins, denn wenn dies so gewesen\nware, hatte der Diebstahl wie geschehen nicht stattfinden konnen. Zunachst\nschrieb der Klager in der Anlage zur Schadensanzeige, vor einem\nreprasentativen großeren Gebaude sei er aus dem Auto gestiegen, um sich nach\ndem Hotel zu erkundigen, er habe das Fahrzeug nicht verlassen und was\nanschließend geschehen sei, liege nicht mehr in seiner Erinnerung. Im\nSchreiben vom 23.08.05 gab der Klager an, er habe das Fahrzeug mit der Absicht\nangehalten, einen Passanten nach dem Hotel "…" zu fragen. Routinemaßig habe er\nwie immer den Motor abgestellt, den Schlussel aus dem Zundschloss entfernt und\nnach dem Aussteigen aus dem Fahrzeug die Tur durch Druck auf die Fernbedienung\nverriegelt. Um eine Information zu bekommen, habe er einen Passanten, der sich\nauf der anderen Autoseite befunden habe, befragen wollen. Er habe sich am\nFahrzeug befunden. In diesem Moment habe ihm jemand den Schlussel, der sich\nnoch in seiner Hand befunden habe, entwendet, dabei sei er durch einen Schlag\nhandlungsunfahig gemacht worden. Diesen nachweislich falschen Hergang stellte\ner als moglich dar. Zu einem korperlichen Angriff ist es nach der Aussage des\nZeugen ... nicht gekommen. Kopfverletzungen hatte der Klager unstreitig nicht.\nDer vom Klager als moglich dargestellte Hergang ist damit frei erfunden. Allem\nAnschein nach wollte der Klager gegenuber der Beklagten vertuschen, dass er\nden Schlussel in dem unverschlossenen PKW steckenließ, da ihm bewusst war,\ndass dies zum Verlust des Versicherungsschutzes fuhrt.\n\n \n\nIII.\n\n20\n\n \n\nDie Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.\n\n21\n\n \n\nAnlass zur Zulassung der Revision bestand nicht.\n\n
104,652
olgrost-2008-08-26-2-w-3407
483
Oberlandesgericht Rostock
olgrost
Mecklenburg-Vorpommern
Oberlandesgericht
2 W 34/07
2008-08-26
2018-11-24 03:30:13
2019-02-11 05:56:37
Beschluss
#### Tenor\n\n \n\nAuf die sofortige Beschwerde der Verfugungsklagerin wird der Beschluss der 3.\nZivilkammer des Landgerichts Rostock vom 25.09.2007, Az. 3 O 245/07, geandert\nund neu gefasst:\n\n \n\nDie Verfugungsbeklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.\n\n \n\nDie Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Verfugungsbeklagten nach einem\nWert von bis zu 7.000,- €.\n\n#### Grunde\n\n \n\n**I.**\n\n1\n\n \n\nDie Verfugungsklagerin, Veranstalterin von Kreuzfahrten und Inhaberin zweier\nMarken hat gegen die Verfugungsbeklagten markenrechtliche\nUnterlassungsanspruche wegen der Bewerbung der Auslobung einer von ihr\ndurchzufuhrenden Reise verfolgt. Nachdem die Verfugungsbeklagten mit\nSchriftsatz vom 29.08.2007 - ohne Prajudiz fur die Sach- und Rechtslage - eine\nrechtsverbindliche strafbewehrte Unterlassungserklarung abgegeben haben, haben\ndie Beteiligten das Verfahren in der mundlichen Verhandlung vom 04.09.2007\nubereinstimmend in der Hauptsache fur erledigt erklart und wechselseitig\nKostenantrage gestellt.\n\n2\n\n \n\nDie 3. Zivilkammer des Landgerichts Rostock hat durch Beschluss vom 25.09.2007\ndie Kosten des Verfahrens der Verfugungsklagerin auferlegt und zur Begrundung\nausgefuhrt, ohne Erledigung der Hauptsache ware die Verfugungsklagerin mit\nihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfugung unterlegen. Ein\nUnterlassungsanspruch der Verfugungsklagerin gemaß § 14 Abs. 2, Abs. 5 MarkenG\nbestehe nicht. § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sei nicht einschlagig. Es bestehe\nzwar Markenidentitat, es fehle jedoch an dem Erfordernis der Produktidentitat.\nDie Verfugungsklagerin biete unter ihrer Marke als Reiseveranstalterin\nKreuzfahrtreisen an, die Verfugungsbeklagten handelten dagegen mit\nLebensmitteln. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG greife mangels Produktahnlichkeit\nnicht. Im Ergebnis sei auch ein Anspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nicht\ngegeben. Zwar bestehe Markenidentitat, es fehle jedoch auch hier an einer\nProduktahnlichkeit. Auch wenn die Verfugungsbeklagten die Marke der\nVerfugungsklagerin benutzt haben, so liege doch nach Ansicht der Kammer das\nzusatzliche Erfordernis einer unlauteren Ausnutzung oder Beeintrachtigung der\nUnterscheidungskraft oder Wertschatzung der Marke nicht vor. Der Eindruck, es\nbestehe eine Handelsbeziehung bzw. ein gemeinsames Sponsoring zwischen\nMarkeninhaber und denen, die den Preis auslobten, werde nicht erweckt. Die mit\ndem Versprechen einer Luxusware als Gewinn einhergehende Werbewirkung der\nGroßzugigkeit des auslobenden Unternehmens sei eine der Natur der Sache nach\ngegebene Folge des konkreten Gewinnspiels, die nicht deshalb aus dem rechtlich\nzulassigen Rahmen herausfalle, weil Waren einer bekannten Marke ausgelobt\nwerden. Dieser Grundsatz, den der BGH fur Waren aufgestellt habe, musse in\ngleicher Weise fur Dienstleistungen gelten. Im Ergebnis vermoge die Kammer\nauch die Gefahr eines so genannten Imagetransfers nicht zu erkennen.\nKreuzfahrtreisen hafte heutzutage keine besondere Exklusivitat mehr an. Es\nstehe nicht zu erwarten, dass die Verkehrskreise die mit einer Luxusfahrtreise\nverbundenen positiven Assoziationen auf die beworbenen Lebensmittel oder deren\nAbnehmerkreis ubertragen. Die Kammer vermoge auch nicht zu erkennen, dass die\nAuslobung der Kreuzfahrtreise die Wertschatzung der Marke der\nVerfugungsklagerin in unlauterer Art und Weise beeintrachtigt habe. Da die\ntatbestandlichen Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs aus § 14 Abs. 2\nNr. 3 MarkenG nicht erfullt seien, konne die Frage, ob eine Erschopfung gem. §\n24 Abs. 1 MarkenG vorliege, dahinstehen. In seinem Anwendungsbereich verdrange\nder markenrechtliche Schutz einen lauterkeitsrechtlichen Schutz.\n\n3\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes des einstweiligen\nVerfugungsverfahren wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.\n\n4\n\n \n\nGegen diese hat die Verfugungsklagerin sofortige Beschwerde eingelegt. Zur\nBegrundung hat sie vorgetragen, § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sei durch das\nVerhalten der Verfugungsbeklagten verletzt. Soweit das Landgericht hierzu\nausfuhre, dass es an der Produktidentitat fehle, treffe dieses nicht zu. Es\nseien das Kennzeichen des ausgelobten Preises und der Preis selber den Rechten\ndes Verfugungsklagers gegenuberzustellen. Die Verwendung des\nverwechslungsgefahrdeten Kennzeichens in der Werbung stelle die gesetzlich\nverbotene Handlung dar. Sei § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG verletzt, sei es\nunerheblich, ob eine unlautere Ausnutzung des Kennzeichens vorliege.\nUnerheblich sei auch, ob berechtigte Grunde i. S. d. § 24 Abs. 2 MarkenG\ngegeben seien. § 24 MarkenG finde auf Dienstleistungen grundsatzlich keine\nAnwendung.\n\n5\n\n \n\nDie Verfugungsklagerin beantragt,\n\n6\n\n \n\n**den Beschluss des Landgerichts Rostock vom 25.09.2007, Az: 3 O 245/07,\naufzuheben und den Verf ugungsbeklagten die Kosten des Verfahrens\naufzuerlegen.**\n\n7\n\n \n\nDie Verfugungsbeklagten beantragen,\n\n8\n\n \n\n**die sofortige Beschwerde zur uckzuweisen.**\n\n \n\n**II.**\n\n9\n\n \n\nDie sofortige Beschwerde der Verfugungsklagerin ist zulassig, insbesondere\nform- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist auch begrundet.\n\n10\n\n \n\nDer gemaß § 91a ZPO zu treffende Beschluss nach Erledigung der Hauptsache\nentscheidet uber die Kostentragung auf der Grundlage der vor Eintritt des\nerledigenden Ereignisses geltenden Rechtslage nach billigem Ermessen unter\nBerucksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes. Hierbei wird der ohne\ndie Erledigung zu erwartende Verfahrensausgang bei der Kostenentscheidung den\nAusschlag geben, das heißt, es wird in der Regel der die Kosten zu tragen\nhaben, dem sie auch nach den allgemeinen kostenrechtlichen Bestimmungen der\nZPO aufzuerlegen waren (vgl. Zoller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 91a\nRdn. 24 m. w. N.).\n\n11\n\n \n\nDiesen Grundsatzen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Entgegen\nder Auffassung des Landgericht kann die Verfugungsklagerin einen\nmarkenrechtlichen Unterlassungsanspruch gemaß § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG\ngeltend machen.\n\n12\n\n \n\nGemaß § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des\nInhabers der Marke im geschaftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches\nZeichen fur Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen\nidentisch sind, fur die sie Schutz genießt. Die Verfugungsbeklagten haben, wie\nauch das Landgericht nicht verkannt hat, die Marken der Verfugungsklagerin\nbenutzt. Fur die Frage der kennzeichenmaßigen Benutzung ist maßgeblich, ob die\nMarke zur Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen als Zeichen eines\nbestimmten Unternehmens benutzt wird oder ob die Benutzung zu anderen Zwecken\nerfolgt. Im erstgenannten Fall liegt ein kennzeichenmaßiger Gebrauch vor (vgl.\nBGH NJW-RR 2006, 329 - Gewinnfahrzeug mit Fremdemblem). Vorliegend haben die\nVerfugungsbeklagten die Marken der Verfugungsklagerin benutzt, um auf die\nHerkunft der ausgelobten Reise, namlich auf eine solche der Verfugungsklagerin\nhinzuweisen. Dass sie dies taten, um den Verkauf ihrer eigenen Produkte zu\nfordern, steht der Benutzung der Marke nicht entgegen.\n\n13\n\n \n\nDie Falle, in denen eine Marke nicht zur Kennzeichnung der Waren oder\nDienstleistungen des Verletzers genutzt wird, sondern mit Bezug auf die Waren\nund Dienstleistungen des Markeninhabers, stellen nach der BMW-Entscheidung des\nEuGH eine relevante Benutzungshandlung dar, sofern nur auch ein Bezug zu dem\neigenen Waren- und Dienstleistungsangebot desjenigen, der die Marke benutzt,\ngegeben ist (vgl. von Schultz/Schweyer, Markenrecht, 2. Aufl. 2007, § 14 Rn.\n14 und Rn. 17). Dieser Bezug liegt im Hinblick auf die Absicht, den Verkauf\nder eigenen Produkte zu fordern, vor. Sogar im Rahmen vergleichender Werbung\nfiele die Nennung einer fremden Marke unter § 14 Abs. 2 MarkenG, weil diese\nzugleich zur Forderung des Absatzes der eigenen Waren oder Dienstleistungen\nerfolgt (vgl. Schweyer a.a.O.).\n\n14\n\n \n\nEntgegen der Auffassung des Landgerichts liegt eine Identitat i.S. des § 14\nAbs. 2 Nr. 1 MarkenG vor. Diese setzt ebenso wie § 9 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG die\nKollision zweier Marken voraus (vgl. Fezer, Markenrecht, 3. Aufl. 2001, § 14\nRn. 13; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl. 2003, § 14 Rn. 214; Ekey/Klippel,\nMarkenrecht, 2003, § 14 Rn. 84, § 9 Rn. 8). Hierbei ist jedoch nicht darauf\nabzustellen, dass die Verfugungsklagerin ihre Marken fur die Durchfuhrung von\nKreuzfahrten, die Verfugungsbeklagten dagegen fur die Werbung fur\nalkoholhaltige Getranke nutzten. Tatsachlich sind der ausgelobte Preis und\ndessen Kennzeichen den von der Fa. A... angebotenen Kreuzfahrten und ihren\nKennzeichen gegenuberzustellen. Diese Situation ist nicht anders zu beurteilen\nals das Anbieten, Vertreiben oder Bewerben von Originalware des\nKennzeicheninhabers unter dem Originalkennzeichen durch einen nicht\nberechtigten Dritten (vgl. Schweyer a.a.O. Rn. 18).\n\n15\n\n \n\nAnders als in der Entscheidung "Gewinnfahrzeug mit Fremdemblem" konnen sich\ndie Verfugungsbeklagten auf den Grundsatz der markenrechtlichen Erschopfung\ngemaß § 24 MarkenG nicht berufen. Auf Dienstleistungen findet die Bestimmung\ndes § 24 MarkenG keine Anwendung. Unter einer Dienstleistung versteht man die\nErbringung von Diensten wie vor allem von beruflicher Arbeit. Im Gegensatz zu\neiner Ware, die ein materielles Wirtschaftsgut darstellt, ist eine\nDienstleistung ein immaterielles Wirtschaftsgut (vgl. Fezer, Markenrecht, 3.\nAufl. 2001, § 3 Rn. 123). Hotels erbringen reine Dienstleistungen (vgl. Fezer,\na.a.O., Rn. 126). Fur Kreuzfahrtenanbieter kann anderes nicht gelten, da auch\ndort keine materiellen Guter verschafft werden, sondern Elemente des\nMietvertrages und der Erbringung von Arbeitsleistungen im Vordergrund stehen.\n\n16\n\n \n\nEine analoge Anwendung des § 24 MarkenG auf Dienstleistungen kommt nicht in\nBetracht. Eine Regelungslucke liegt nicht vor. Dass der Grundsatz der\nErschopfung nur fur Waren, nicht aber fur Dienstleistungen gilt, folgt sowohl\naus dem eindeutigen Wortlaut des § 24 MarkenG wie auch aus Art. 7\nMarkenrechtsrichtlinie, aber auch aus dem Normzweck der Erschopfung, der nur\nauf korperliche Gegenstande Anwendung finden kann. § 24 MarkenG setzt Art. 7\nder Markenrichtlinie um. Fur abweichende nationale Regeln besteht daher kein\nRaum (vgl. von Schultz, a.a.O., Bearb. Stuckel, § 24 Rn. 8 m.w.N.).\n\n17\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.\n\n18\n\n \n\nHinsichtlich des Wertes des Streitgegenstandes wird auf die\nStreitwertfestsetzung durch das Landgericht vom 25.09.2007 Bezug genommen.\n\n
104,868
lagmv-2008-06-24-5-sa-5208
476
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
lagmv
Mecklenburg-Vorpommern
Arbeitsgerichtsbarkeit
5 Sa 52/08
2008-06-24
2018-11-24 06:30:17
2019-02-14 07:02:41
Urteil
#### Tenor\n\n \n\n1\\. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.\n\n \n\n2\\. Die Klageerweiterungen werden abgewiesen.\n\n \n\n3\\. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.\n\n \n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten im Kern um den Bestand des Arbeitsverhältnisses nach\narbeitgeberseitiger Kündigung.\n\n2\n\n \n\nDie Klägerin war jahrelang bei ihrem Vorarbeitgeber als\nSanitätsfachverkäuferin im Außen- und Innendienst tätig. Der Vorarbeitgeber\nhat viel mit den Kliniken in Rostock zusammengearbeitet und bekam über die\nKliniken viele Aufträge vermittelt. Am 1. September 2006 hat die Klägerin zur\nBeklagten gewechselt, die in derselben Branche und im selben Marktsegment\ntätig ist. Die Beklagte berühmt sich des Umstandes, dass es ihr gelungen sei,\nden Vorarbeitgeber der Klägerin weitgehend aus dem Klinikbereich zu\nverdrängen.\n\n3\n\n \n\nDie Klägerin verdiente bei der Beklagten 2.600,00 EUR brutto monatlich. Ihr\nwurde die Leitung einer Filiale in der ... Straße in den Räumlichkeiten der\northopädischen Klinik übertragen. Die Klägerin stand zu ihrem Vorarbeitgeber\nin einer ungekündigten Stellung. Ihre Abwerbung zur Beklagten wurde durch\nihren ehemaligen Kollegen Herrn K. vermittelt. Die Einzelheiten der Rolle, die\nHerr K. dabei spielte und die Einzelheiten zu Versprechungen, die Herr K. bei\nden Gesprächen gegenüber der Klägerin gemacht haben soll, sind streitig.\n\n4\n\n \n\nDie Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28.02.2007 zum\n31.03.2007 gekündigt. Die Übergabe der Kündigung an die Klägerin erfolgte am\n28. Februar 2007 gegen 17.00 Uhr, also rund sieben Stunden vor Ablauf der\nWartezeit nach § 1 Absatz 1 KSchG. Hiergegen richtet sich die beim\nArbeitsgericht Rostock am 19. März 2007 eingegangene Kündigungsschutzklage.\n\n5\n\n \n\nDas Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. November 2007 abgewiesen.\nAuf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und\nStreitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen. Das Urteil ist der\nKlägerin am 23. Januar 2008 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete\nBerufung vom 9. Februar 2008 ist hier am 12. Februar 2008 eingegangen und mit\nSchriftsatz vom 4. März 2008, Gerichtseingang am 7. März 2008, begründet\nworden.\n\n6\n\n \n\nDie Klägerin verfolgt im Berufungsrechtszug ihr ursprüngliches Klagebegehren\nin vollem Umfang weiter. Außerdem hat sie ihre Klage um einen Zahlungsantrag,\neinen Zeugniserteilungsantrag und um einen Antrag zur Auflösung des\nArbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung erweitert.\n\n7\n\n \n\nDie Klägerin meint, auf das Arbeitsverhältnis finde das Kündigungsschutzgesetz\nAnwendung, da die Beklagte den Ablauf der Wartezeit entgegen den Geboten von\nTreu und Glauben durch eine grundlose Kündigung verhindert habe (Rechtsgedanke\naus § 162 BGB - Verweis auf BAG 28.09.1978 - 2 AZR 2/77 - BAGE 31, 83 = DB\n1979, 1135 = AP Nr. 19 zu § 102 BetrVG 1972).\n\n8\n\n \n\nDie Klägerin hält die Kündigung außerdem für treuwidrig. Sie behauptet, sie\nwäre nur eingestellt worden, um den von ihr bei ihrem bisherigen Arbeitgeber\ngehaltenen Kundenstamm abzuschöpfen. Die Beklagte wäre an sie herangetreten\nmit der Zielstellung, sie einzustellen. Das von der Klägerin aufgebaute\nVertrauensverhältnis zu den Mitarbeitern und der Klinik wäre Voraussetzung\ngewesen, dass sich z. B. die Innere Klinik von ihrem Vorarbeitgeber getrennt\nhabe und die Aufträge an die Beklagte erteilt habe. Gleiches treffe auf die\nPsychiatrie und Neurochirurgie und auf die Physiotherapie wie auf das\nPhysiotherapieteam der Universitätsklinik in Gehlsdorf zu. Somit habe die\nBeklagte einen umfangreichen Kundenstamm, den die Klägerin aufgebaut habe,\nerhalten. Die Kündigung wenige Stunden vor Ablauf der Wartefrist wäre deshalb\nnur ausgesprochen worden, um dem Kündigungsschutz zu entgehen.\n\n9\n\n \n\nNachdem die Klägerin erstinstanzlich zu den Umständen der Anbahnungsgespräche\nvorgetragen hatte, die Leiterin der Physiotherapie hätte sie darauf aufmerksam\ngemacht, dass die Beklagte Interesse an ihr hätte (Schriftsatz vom 13.08.2007\nS. 3 oben, hier Blatt 44), behauptet die Klägerin im Berufungsrechtszug, der\nZeuge K. sei an sie herangetreten und habe für ein Arbeitsverhältnis zwischen\nder Klägerin und der Beklagten geworben und dabei im Auftrag der Beklagten\nunter anderem versichert, dass es während der sechsmonatigen Wartezeit nicht\nzu einer Kündigung kommen werde (Berufungsbegründung Seite 4, hier Blatt 93).\n\n10\n\n \n\nDer Auflösungsantrag sei begründet, da man der Klägerin im laufenden\nRechtsstreit fortlaufend haltlos Fehler in der Arbeitsausführung unterstelle.\n\n11\n\n \n\nDer Zahlungsantrag sei begründet, da die Klägerin im April 2007 aufgrund\nArbeitslosigkeit ein geringeres Einkommen hatte; es werde hier die Differenz\nzwischen ihrem Nettoentgelt bei der Beklagten und dem bezogenen\nArbeitslosengeld für den halben Monat April 2007 eingeklagt. Die Klägerin habe\nauch Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis, das auf "sehr gut" ausgestellt\nwerden müsse, da ihre Leistungen und ihre Führung "sehr gut" gewesen sei.\n\n12\n\n \n\nDie Klägerin beantragt,\n\n13\n\n \n\n1\\. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Rostock vom 14.11.2007,\nAz. 4 Ca 508/07, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende\nArbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten und Berufungsbeklagten vom\n28.02.2007, zugegangen am 28.02.2007, nicht zum Ablauf des 31.03.2007 endet;\n\n14\n\n \n\n2\\. das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das\nErmessen des Gerichts gestellt wird, die aber 1.300,00 EUR nicht\nunterschreiten sollte, aufzulösen;\n\n15\n\n \n\n3\\. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 295,00 EUR nebst fünf\nProzentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2007 zu zahlen;\n\n16\n\n \n\n4\\. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein qualifiziertes,\nwohlwollendes Zeugnis, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung\nin dem Arbeitsverhältnis erstreckt, welches mit einer sehr guten Bewertung\nendet, zu erteilen.\n\n17\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n18\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen und die Klage hinsichtlich der Erweiterungen\nabzuweisen.\n\n19\n\n \n\nDie Beklagte trägt vor, die Kündigung sei ausgesprochen worden, da man mit den\nArbeitsleistungen der Klägerin nicht zufrieden gewesen wäre. So seien der\nKlägerin insbesondere bei der Anmessung medizinischer Stützstrümpfe mehrfach\nFehler unterlaufen. Außerdem würden ihr grundlegende Produktkenntnisse fehlen.\nDarüber hinaus sei es Aufgabe der Klägerin gewesen, die Filiale der Beklagten\nin der ... Straße eigenständig zu führen. Auch hier habe es der Klägerin an\ndem notwendigen Organisationsvermögen gefehlt. Da sich die Fehler nachweisen\nließen, sei der Auflösungsantrag der Klägerin unbegründet.\n\n20\n\n \n\nIm Übrigen habe die Beklagte die Klägerin auch nicht abgeworben. Es wäre der\neigene Entschluss der Klägerin gewesen, sich zu verändern. Dabei sei auch zu\nbeachten, dass die Beklagte bereits vor der Aufnahme der Tätigkeit der\nKlägerin in der Südstadtklinik wie auch der Uniklinik tätig gewesen sei.\n\n21\n\n \n\nAus dem Verzicht auf eine Probezeit ließen sich keine weitergehenden Schlüsse\nin Hinblick auf die Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetz ziehen.\n\n22\n\n \n\nDie Zahlungsklage sei unbegründet, da das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.\nMärz 2007 geendet habe. Der Zeugnisantrag sei jedenfalls voreilig bei Gericht\nangebracht worden, da man sich gegen die Erteilung eines qualifizierten\nZeugnisses nicht wehren wolle. Der Klageantrag sei gleichwohl nicht begründet,\nda die Leistung und Führung der Klägerin nicht "sehr gut" gewesen sei.\n\n23\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichten Schriftsätze nebst\nAnlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n24\n\n \n\nDie dem Streitgegenstand nach ohne weiteres statthafte Berufung, die auch im\nÜbrigen keinen Zulässigkeitsbedenken unterliegt, hat in der Sache keinen\nErfolg. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts wird Bezug\ngenommen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht.\nDie Klageerweiterungen sind unbegründet.\n\n25\n\n \n\n1\\. Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung vom 28. Februar 2008 hat\ndas Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31. März\n2007 beendet. Gegen die Wirksamkeit der Kündigung bestehen keine Bedenken.\n\n26\n\n \n\na) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz\nkeine Anwendung, da die sechsmonatigen Wartezeit nach § 1 KSchG erst am\n28.02.2007 nachts um 24.00 Uhr abgelaufen ist und daher die Kündigung vor\nAblauf der Wartezeit ausgesprochen wurde.\n\n27\n\n \n\nDie Beklagte hat auch nicht treuwidrig gehandelt, als sie sieben Stunden vor\nAblauf der Wartefrist der Klägerin die Kündigung übergeben hat. Die Beklagte\nhat damit nicht treuwidrig den Eintritt des Kündigungsschutzes verhindert. Die\nVoraussetzungen von § 162 BGB sind hier nicht erfüllt. Nach § 162 Absatz 1 BGB\ngilt eine Bedingung als erfüllt, wenn derjenige, zu dessen Nachteil der\nEintritt der Bedingung wirken würde, deren Eintritt wider Treu und Glauben\nverhindert. Es kann dahinstehen, ob der Ablauf der Wartezeit nach § 1 KSchG\nals eine Bedingung im Sinne von § 162 Absatz 1 BGB angesehen werden kann, denn\njedenfalls hat die Beklagte den Eintritt der Bedingung nicht treuwidrig\nverhindert. Die Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers besteht bis zum\nvollständigen Ablauf der Wartefrist. Der Ausspruch der Kündigung an sich kann\ndaher nicht treuwidrig sein. Ein treuwidriges Verhalten im Sinne von § 162 BGB\nliegt vielmehr nur dann vor, wenn die Kündigung allein zu dem Zweck\nausgesprochen wird, den Eintritt des Kündigungsschutzes zu verhindern (BAG 28.\nSeptember 1978 - 2 AZR 2/77 - a. a. O). Die dazu erforderlichen Feststellungen\nkönnen nicht getroffen werden. Dazu bedarf es keiner weiteren Aufklärung. Denn\nschon nach dem klägerischen Vortrag erfolgte die Kündigung nicht, weil man den\nEintritt des Kündigungsschutzes verhindern wollte, sondern weil die Klägerin\nfür die Beklagte uninteressant geworden sein soll, da man ihr Wissen\nvollständig abgeschöpft habe.\n\n28\n\n \n\nb) Die Kündigung ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam.\n\n29\n\n \n\naa) Der Kammervorsitzende hatte in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor\ndem Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass die tatsächlichen Umstände\nder Zusammenarbeit auch daraufhin untersucht werden müssten, ob sich aus ihnen\neine konkludente vertragliche Vereinbarung über den Ausschluss des\nKündigungsrechts für einen bestimmten Zeitraum oder jedenfalls über den\nVerzicht auf die Wartezeit nach § 1 KSchG ergebe. Denn der Kündigungsschutz\nnach dem Kündigungsschutzgesetz kann durch Parteivereinbarung auch schon für\nArbeitsverhältnisse, die noch nicht sechs Monate bestanden haben, durch\nParteivereinbarung eingeführt werden (BAG 8. Juni 1972 - 2 AZR 285/71 - DB\n1972, 2071 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969). Im Ergebnis der mündlichen\nVerhandlung können jedoch keine ausreichenden Umstände festgestellt werden,\nauf deren Basis man auf eine entsprechende konkludente rechtsgeschäftliche\nAbsprache schließen könnte.\n\n30\n\n \n\nDie Parteien haben bei Abfassung des Arbeitsvertrages ein Formular verwendet\n(Kopie Blatt 9 f, es wird Bezug genommen). Dort hätte durch Ankreuzen und\nAusfüllen die Möglichkeit bestanden, eine Probezeit zu vereinbaren. Die\nentsprechenden Felder sind nicht ausgefüllt. Damit haben die Parteien keine\nVereinbarung über eine Probezeit getroffen. Aus diesem Umstand lassen sich\naber keine Folgerungen für das Abbedingen der Wartezeit nach § 1 KSchG ziehen.\nEs ist zwar denkbar, aus einer ausdrücklichen Vereinbarung über den Verzicht\nauf eine Probezeit zu schließen, dass die Parteien damit auch das\nKündigungsschutzgesetz vom ersten Tag an zur Geltung bringen wollten. Aus dem\nbloßen Nichtausfüllen der entsprechenden Stellen in einem\nArbeitsvertragsformular lassen sich allerdings nicht so weitreichende\nSchlussfolgerungen ziehen.\n\n31\n\n \n\nDaran ändert sich auch nichts durch die Betrachtung weiterer Umstände der\nZusammenarbeit. Nach Darstellung der Klägerin ist sie aus einer ungekündigten\nStellung heraus für eine Zusammenarbeit mit der Beklagten abgeworben worden.\nDa Arbeitnehmer in einer solchen Situation häufig eine starke\nVerhandlungsposition haben, kommt es immer wieder vor, dass die Parteien auf\ndas Recht zur Kündigung für einen bestimmten Zeitraum verzichten oder eben auf\ndie Wartezeit nach § 1 KSchG verzichten. Das muss aber jeweils gesondert\nausgehandelt werden und ergibt sich nicht aus dem Umstand der Abwerbung an\nsich. Wer sich von seinem bisherigen Arbeitsplatz abwerben lässt und mit dem\nabwerbenden Arbeitgeber nicht vereinbart, dass die Kündigung für eine\nbestimmte Zeit ausgeschlossen ist, übernimmt das Risiko, dass ihm der neue\nArbeitgeber vor Ablauf der in § 1 Abs 1 KSchG bestimmten Frist von sechs\nMonaten ordentlich kündigt (BAG 24.10.1996 - 2 AZR 874/95 - auf juris.de\nveröffentlicht).\n\n32\n\n \n\nDer Vortrag der Klägerin zu einem ausgehandelten Verzicht auf die Wartezeit\ndes Kündigungsschutzgesetzes ist unschlüssig. Einer Vernehmung des Herrn K.\nbedurfte es daher nicht. Nach der Behauptung der Klägerin in der\nBerufungsbegründung hat der Zeuge K. der Klägerin lediglich übermittelt, dass\nsie nicht mit einer Kündigung während der sechsmonatigen Wartezeit "zu rechnen\nhabe". Darin kann keine rechtsgeschäftliche Zusage gesehen werden. Im Übrigen\nenthält der später schriftlich abgeschlossene Arbeitsvertrag keine\nentsprechende Regelung. Das spricht zum einen dagegen, dass der Klägerin\ntatsächlich zuvor die Zusage über Herrn K. übermittelt wurde. Zum anderen\nkönnte sogar dahinstehen, ob Herr K. in den Anbahnungsgesprächen eine\nderartige Zusage gemacht hat, denn wenn die Parteien ihre Absprachen in\nSchriftform gießen, bringen sie damit im Regelfall zum Ausdruck, dass frühere\nAbsprachen oder Pläne über Absprachen nicht mehr gelten sollten. Es ist nicht\nersichtlich, weshalb das hier anders sein sollte. Die Klägerin hat ja auch\nweder bei Abschluss noch später gegen den Vertrag und seine Regelungen\nprotestiert.\n\n33\n\n \n\nbb) Die streitgegenständliche Kündigung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen\nTreu und Glauben (§ 242 BGB) unwirksam.\n\n34\n\n \n\nEine Kündigung verstößt dann gegen § 242 BGB und ist nichtig, wenn sie aus\nGründen, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind, Treu und Glauben verletzt. Dies\ngilt jedenfalls für eine Kündigung, auf die wegen Nichterfüllung der\nsechsmonatigen Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG das Kündigungsschutzgesetz\nkeine Anwendung findet, weil sonst für diese Fälle über § 242 BGB der kraft\nGesetzes ausgeschlossene Kündigungsschutz doch gewährt werden und außerdem die\nMöglichkeit des Arbeitgebers eingeschränkt würde, die Eignung des\nArbeitnehmers für die geschuldete Tätigkeit in seinem Betrieb während der\ngesetzlichen Wartezeit zu überprüfen (st. Rspr. seit BAG 23. Juni 1994 - 2 AZR\n617/93 - BAGE 77, 128; vgl. auch LAG Mecklenburg-Vorpommern 16.11.1995 - 5 Sa\n664/94 - auf juris.de veröffentlicht). Welche Anforderungen sich aus Treu und\nGlauben im Einzelnen ergeben, lässt sich dabei nur unter Berücksichtigung der\nUmstände des Einzelfalles entscheiden. Zu den typischen Tatbeständen einer\ntreuwidrigen Kündigung zählt der Rechtsmissbrauch (vgl. BAG 25. April 2001 - 5\nAZR 360/99 - AP Nr. 14 zu § 242 BGB Kündigung = EzA BGB § 242 Kündigung Nr.\n4).\n\n35\n\n \n\nDie Kündigung ist nicht rechtsmissbräuchlich ausgesprochen worden. Die\nAusübung eines Rechts kann missbräuchlich sein, wenn ihr kein schutzwürdiges\nEigeninteresse zugrunde liegt. Das ist dann der Fall, wenn die Ausübung des\nRechts als Vorwand dient, um vertragsfremde oder unlautere Zwecke zu erreichen\n(BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 426/02 - APNr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit unter\nVerweis auf BGH 22. Februar 1984 - VIII ZR 316/82 - BGHZ 90, 198). Eine\ndahingehende Feststellung kann hier nicht getroffen werden. Der Klägerin wird\nvorgeworfen, es habe Mängel und Kritik in der Arbeitsausführung gegeben. Eine\ndarauf gegründete Kündigung kann nicht treuwidrig sein, denn es ist weder\nvertragsfremd noch unlauter, ein Arbeitsverhältnis, das nicht zur\nZufriedenheit beider Seiten durchgeführt wird, zu kündigen. Ob die Kritik an\nder Klägerin im Ergebnis berechtigt war, muss dahinstehen, da es hier nicht um\ndie soziale Rechtfertigung der ausgesprochenen Kündigung geht. Es kann auch\nnicht festgestellt werden, dass die Beklagte die angeblichen Eignungsmängel\nder Klägerin nur zum Schein vorgetragen hat, um mit diesem Argument die wahren\nund unredlichen Motive ihres Handelns zu verbergen. Die dazu gegebenen\nHinweise der Klägerin sind vage geblieben. Es ist spekulativ geblieben, ob die\nKündigung nur ausgesprochen wurde, weil man das Wissen der Klägerin nunmehr\nabgeschöpft habe und man sie daher nicht mehr benötige.\n\n36\n\n \n\ncc) Die ausgesprochene Kündigung ist auch nicht wegen Verstoß gegen die guten\nSitten nach § 138 BGB nichtig.\n\n37\n\n \n\nDas Bundesarbeitsgericht hat bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit von\nKündigungen stets einen strengen Maßstab angelegt und darauf abgestellt, eine\nKündigung müsse dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden in\nbesonders eindeutigem Maße widersprechen, um als sittenwidrig angesehen zu\nwerden. Da die Kündigung als Willenserklärung an sich wertfrei ist, kann sich\ndie Sittenwidrigkeit nur aus dem ihr zugrunde liegenden Motiv oder Zweck\nergeben (Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, II, Das\nRechtsgeschäft, 4. Aufl., § 18, 4, S. 374 f.).\n\n38\n\n \n\nAuch in den Fällen, in denen ein einseitiges Rechtsgeschäft auf einem\nunsittlichen Motiv (z.B. Rachsucht) beruht, ist jedoch nicht immer das Motiv\nals solches entscheidend, vielmehr kommt es darauf an, dass durch das\nunsittliche Motiv das Rechtsgeschäft als Regelung zu einem sittenwidrigen wird\n(Flume, a. a. O.). Es ist deshalb verfehlt, lediglich auf das Motiv des\nkündigenden Arbeitgebers oder einzelne Tatsachenkomplexe abzustellen. Ob eine\nKündigung wegen Sittenwidrigkeit unwirksam ist, kann nur eine Gesamtwürdigung\naller Umstände des Einzelfalls ergeben (BAG Urteil vom 28. April 1994 - 2 AZR\n726/93 - auf juris.de veröffentlicht).\n\n39\n\n \n\nGemessen an diesem Maßstab kann nicht festgestellt werden, dass die\nstreitgegenständliche Kündigung sittenwidrig ist. Es ist bereits nicht\nmöglich, ein sittenwidriges Motiv oder einen sittenwidrigen Zweck für die\nKündigung festzustellen, so dass es gar nicht erst zur Abwägung der\nGesamtumstände des Einzelfalles kommt.\n\n40\n\n \n\nInsoweit kann das teilweise streitige Vorbringen der Klägerin als wahr\nunterstellt werden. Die Klägerin meint, es sei sittenwidrig, wenn die Beklagte\nsie zunächst angestellt habe, um mit Hilfe ihrer Kontakte die Türen in den\nKliniken zu öffnen und sie dann fallen zu lassen, sobald die Kontakte\nhergestellt sind bzw. die Beklagte alle Entscheidungsträger in den Kliniken\nkenne. Dem kann sich das Gericht nicht anschließen. Die Klägerin war vor dem\nEingehen des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten ebenfalls als Arbeitnehmerin\nfür einen anderen Arbeitgeber tätig. Wenn sie in dieser Position wertvolle\nKundenkontakte geknüpft hat, waren das Kontakte ihres seinerzeitigen\nArbeitgebers und nicht ihre eigenen. Wenn also tatsächlich die Beklagte nur\nein Interesse an der Abschöpfung der Kenntnisse der Klägerin hatte - was hier\nals wahr unterstellt werden soll - so hätte die Beklagte sich damit vor allem\ngegenüber dem Vorarbeitgeber der Klägerin unfair verhalten. Es erreicht nicht\nden Grad der Sittenwidrigkeit, wenn der neue Arbeitgeber - was hier als wahr\nunterstellt wird - die zum Zwecke der Schädigung oder Schwächung des\nkonkurrierenden Markteilnehmers abgeworbenen Arbeitnehmerin fallen lässt,\nsobald sie für ihn als Wissensträgerin keinen besonderen Wert mehr hat. Wenn\nman als Arbeitnehmer meint, sich zum eigenen Vorteil an diesem rauen\nMarktgebahren beteiligen zu können, muss man auch durch eigenes Verhandeln\ndafür sorgen, dass die eigene Position ausreichend abgesichert ist. Auf eine\nUnterstützung durch die Rechtsordnung, gar durch das scharfe Schwert der\nSittenwidrigkeit, darf man dabei nicht hoffen.\n\n41\n\n \n\n2\\. Da die Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat, steht der\nAuflösungsantrag der Klägerin nicht zur Entscheidung an. Der Zahlungsantrag\nist ebenfalls unbegründet, da er von einem Erfolg der Kündigungsschutzklage\nabhängt, denn er betrifft Zahlungszeiträume, die nach Ablauf der\nKündigungsfrist liegen.\n\n42\n\n \n\n3\\. Die Klage hinsichtlich des Zeugnisantrages ist unschlüssig. Denn die\nKlägerin hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich schließen lässt, dass\ndas Zeugnis in der Gesamtbeurteilung hinsichtlich Leistung und Führung mit der\nBewertung "sehr gut" enden muss.\n\n43\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der Berufung aus § 97 ZPO und im\nÜbrigen aus § 91 ZPO.\n\n44\n\n \n\nZur Zulassung der Revision besteht im vorliegenden Einzelfall kein Anlass.\n\n
104,872
lagmv-2008-05-30-3-sa-19507
476
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
lagmv
Mecklenburg-Vorpommern
Arbeitsgerichtsbarkeit
3 Sa 195/07
2008-05-30
2018-11-24 06:30:21
2019-02-14 07:03:03
Urteil
#### Tenor\n\n \n\nI. Auf die Berufung des beklagten Landes wird die Klage unter Abänderung des\nUrteils des Arbeitsgerichts Neubrandenburg vom 25.02.2007 - 1 Ca 1404/06 -\nabgewiesen.\n\n \n\nII. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n \n\nIII. Die Revision wird zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer fristgemäßen und\nverhaltensbedingten Kündigung.\n\n2\n\n \n\nDie am 19.07.1962 geborene und getrennt lebende Klägerin hat drei\nunterhaltsberechtigte Kinder (im Kündigungszeitpunkt zwei, achtzehn und\ndreiundzwanzig Jahre alt). Sie war seit dem 01.09.1998 bei dem beklagten Land\nals Lehrerin für das Fach Deutsch an der B. Schule des Kreises Mecklenburg-\nStrelitz gegen ein Bruttomonatsgehalt von ca. EUR 3.000,00 beschäftigt.\n\n3\n\n \n\nDer Dienstbeginn für das Schuljahr 2006/2007 war auf den 24.08.20006\nfestgelegt worden. Für den 29.08.2006 war eine schulinterne\nFortbildungsveranstaltung vorgesehen. Zu beiden dienstlichen Veranstaltungen\nblieb die Klägerin fern.\n\n4\n\n \n\nAm 30.08.2006 befanden sich zwei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in der\nSchulpost. Aus der einen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 29.08.2006 ergab\nsich eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ab dem 29.08.2006. Die andere\nArbeitsunfähigkeitsbescheinigung - ebenfalls vom 29.08.2006 - beinhaltete eine\nrückwirkende Krankschreibung der Klägerin für den 24.08.2006.\n\n5\n\n \n\nDaraufhin beantragte das beklagte Land mit Schreiben vom 21.09.2006 (Blatt 48\nff. d. A.) die Zustimmung des Bezirkspersonalrates zur beabsichtigten\nfristgemäßen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin. Mit\nSchreiben vom 05.10.2006 verweigerte der Bezirkspersonalrat die\nZustimmungserteilung. Mit Schreiben vom 12.10.2006 beantragte das beklagte\nLand (Blatt 53 ff. d. A.) erneut die Zustimmung, welche der Bezirkspersonalrat\nwiederum mit Schreiben vom 19.10.2006 verweigerte. Ob das zuletzt genannte\nSchreiben bereits am 19.10.2006 (so die Klägerin), oder erst am 02.11.2006 (so\ndas beklagte Land) das Staatliche Schulamt Neubrandenburg erreichte, ist\nzwischen den Parteien streitig. Jedenfalls kündigte das beklagte Land das\nArbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 09.11.2006 fristgemäß zum\n31.03.2007.\n\n6\n\n \n\nVor Ausspruch der streitbefangenen Kündigung hatte die Klägerin insgesamt vier\nsogenannte "Abmahnungen" (vom 28.02.2002 Blatt 39 d. A.; vom 04.07.2002 Blatt\n40 d. A.; vom 01.04.2004 Blatt 43 d. A.; vom 01.07.2005 Blatt 41 d. A.) sowie\ndrei sogenannte "Ermahnungen" (vom 19.06.2001 Blatt 45 d. A.; vom 10.04.2002\nBlatt 46 d. A.; vom 10.11.2005 Blatt 47 d. A.) erhalten.\n\n7\n\n \n\nMit ihrer am 27.11.2006 bei dem Arbeitsgericht Neubrandenburg eingegangenen\nKlage begehrt die Klägerin die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der\nKündigung sowie die Verurteilung des beklagten Landes zur vertragsgemäßen\nWeiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits.\n\n8\n\n \n\nDie Klägerin beantragt,\n\n9\n\n \n\n1\\. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung\ndes beklagten Landes vom 09. November 2006 nicht beendet worden ist;\n\n10\n\n \n\n2\\. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. das beklagte Land zu\nverurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des\nKündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen\nals Lehrerin weiterzubeschäftigen.\n\n11\n\n \n\nDas beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.\n\n12\n\n \n\nDas Arbeitsgericht Neubrandenburg hat der Klage mit Urteil vom 23.05.2007\nvollumfänglich stattgegeben und im Wesentlichen argumentiert, hinsichtlich des\nFernbleibens der Klägerin am 29.08.2006 sei eine schuldhafte Pflichtwidrigkeit\nnicht zu erkennen. Das Nichterscheinen der Klägerin am 24.08.2006 stelle zwar\nin jedem Fall - entweder als Verletzung der Anzeige- und Nachweispflicht oder\naber als unentschuldigtes Fehlen - eine eindeutige Pflichtwidrigkeit dar,\njedoch fehle es insoweit an einer - noch - verwertbaren Abmahnung. Ob die\nKündigung auch wegen der fehlenden Zustimmung des Bezirkspersonalrates\nrechtsunwirksam sei, könne dahinstehen.\n\n13\n\n \n\nGegen diese am 17.07.2007 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung\ndes beklagten Landes vom 27.07.2007 (Gerichtseingang am gleichen Tage) nebst\nam 17.10.2007 bei dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern\neingegangener Begründung (nach entsprechender gerichtlicher\nFristverlängerung).\n\n14\n\n \n\nDas beklagte Land hält an der erstinstanzlich vertretenen Rechtsauffassung\nfest, wonach die Klägerin am 29.08.2006 gegen ihre Hinweis- und\nNachweispflichten verstoßen habe. Am 24.08.2006 habe die Klägerin\nunentschuldigt gefehlt. Die nachträgliche Krankschreibung am 29.08.2006 sei\ninsbesondere vor dem Hintergrund des § 5 Abs. 3 der Richtlinien des\nGemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und\ndie Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeits-\nRichtlinien) als Beweis für eine tatsächliche Erkrankung der Klägerin am\n24.08.2006 ungeeignet. Der nochmalige Ausspruch einer Abmahnung sei angesichts\nder zuvor ausgesprochenen Ermahnungen und Abmahnungen entbehrlich gewesen.\n\n15\n\n \n\nDie Anhörung des Bezirkspersonalrates sei mit den Schreiben vom 21.09.2006\nsowie vom 12.10.2006 ordnungsgemäß erfolgt. Die ablehnende Stellungnahme des\nBezirkspersonalrates datiere zwar vom 19.10.2006, sei dem beklagten Land\njedoch erst am 02.11.2006 zugegangen, so dass die Frist von zehn Arbeitstagen\ngem. § 62 Abs. 2 LPersVG M-V im Kündigungszeitpunkt verstrichen gewesen sei.\n\n16\n\n \n\nDas beklagte Land beantragt,\n\n17\n\n \n\ndas Urteil des Arbeitsgerichts Neubrandenburg vom 23.05.2007 abzuändern und\ndie Klage abzuweisen.\n\n18\n\n \n\nDie Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.\n\n19\n\n \n\nDie Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie habe sich wenige\nWochen vor der Krankschreibung am 29.08.2006 von ihrem Mann getrennt. Auf\nGrund der Depressionen sei sie am 24.08.2006 nicht in der Lage gewesen, ihre\nKrankheit zu melden. Ihr Gesundheitszustand sei derart beeinträchtigt gewesen,\ndass sie nicht in der Lage gewesen sei, logisch und entsprechend allgemeiner\nVernunft zu handeln. Am 08.11.2005 sei sie im Übrigen nicht abgemahnt, sondern\nnur ermahnt worden. Eine fristlose Entlassung sei ihr nicht angedroht worden.\nSchließlich sei die Stellungnahme des Bezirkspersonalrates bereits am\n19.10.2006 in den Machtbereich des beklagten Landes gelangt. Sowohl das\nStaatliche Schulamt Neubrandenburg als auch der Bezirkspersonalrat seien -\nunstreitig - in einem Gebäude untergebracht. Dort habe das beklagte Land -\nebenfalls unstreitig - ein Postfach eingerichtet. In dieses Postfach sei die\nStellungnahme des Bezirkspersonalrates am 19.10.2006 - unstreitigste -\neingelegt worden.\n\n20\n\n \n\nIn der mündlichen Verhandlung vom 29.02.2008 ist Beweis erhoben worden durch\ndie Vernehmung des Zeugen Dr. K.. Hinsichtlich des Beweisthemas sowie\nbezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll\n(Blatt 185 - 189 d. A.) Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten im\nBerufungsrechtszug wird auf die insoweit zwischen den Parteien gewechselten\nSchriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n21\n\n \n\nDie zulässige Berufung des beklagten Landes ist begründet. Das Urteil des\nArbeitsgerichts Neubrandenburg vom 23.05.2007 war daher abzuändern und die\nKlage insgesamt abzuweisen.\n\n22\n\n \n\n1\\. Die streitbefangene Kündigung ist nicht aus personalvertretungsrechtlichen\nGesichtspunkten rechtsunwirksam.\n\n23\n\n \n\nZwar ist der Klägerin zuzugeben, dass die streitbefangene Kündigung dann als\nrechtsunwirksam anzusehen wäre, wenn sich der Ausspruch einer fristgemäßen\nKündigung im Anwendungsbereich des LPersVG M-V als mitbestimmungspflichtige\nAngelegenheit darstellen sollte, denn zwischen den Parteien ist unstreitig,\ndass sich das Staatliche Schulamt Neubrandenburg und der zuständige\nBezirkspersonalrat in einem Gebäude befinden und das Staatliche Schulamt dort\nein Postfach eingerichtet hat, in welches üblicherweise auch die an das\nSchulamt gerichtete Post des Bezirkspersonalrates eingelegt wird. Ebenfalls\nunstreitig ist zwischen den Parteien der Umstand, dass die "zweite"\nStellungnahme des Bezirkspersonalrates vom 19.10.2006 auf das "zweite"\nAnschreiben des beklagten Landes vom 12.10.2006 durch den Bezirkspersonalrat\nam 19.10.2006 in eben dieses Postfach eingelegt wurde. Damit ist nach\nAuffassung des erkennenden Gerichtes von einem Zugang am 19.10.2006\nauszugehen, denn der Arbeitgeber, der - jedenfalls auch - zum Empfang der Post\nder Personalvertretung ein Postfach einrichtet, hat in der Folge Sorge für\neine rechtzeitige Entleerung des Postfaches und für eine korrekte Zuordnung\nder darin befindlichen Schriftstücke zu tragen. Mit der Einrichtung eines\nentsprechenden Postfaches hat ein solcher Arbeitgeber mithin den eigenen\nMacht- und Zugriffsbereich eröffnet.\n\n24\n\n \n\nGinge man also - wie die Klägerin - im Rahmen fristgemäßer Kündigungen von\neiner mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit aus, hätte das beklagte Land vor\nAusspruch der streitbefangenen Kündigung zwingend das Stufenverfahren und\ngegebenenfalls auch das vorgesehene Einigungsstellenverfahren durchführen\nmüssen.\n\n25\n\n \n\nJedoch ist die Kammer im Anschluss an die Entscheidung des\nBundesarbeitsgerichts vom 10.01.2000 (2 AZR 65/99; PersR 2000 Seite 214, 216;\na. A. offensichtlich BAG vom 23.04.1998 - 8 AZR 622/96 -; JURIS) zu dem\nErgebnis gelangt, dass fristgemäße Kündigungen nach Maßgabe des § 68 LPersVG\nM-V nicht der Mitbestimmung, sondern der Mitwirkung unterliegen.\n\n26\n\n \n\nZwar spricht der Wortlaut des § 68 Abs. 1 Nr. 2 LPersVG M-V auf den ersten\nBlick für die Bejahung eines Mitbestimmungstatbestandes auch hinsichtlich\nfristgemäßer Kündigungen. Andererseits muss nach den weiteren\ngesetzgeberischen Formulierungen in §§ 68 Abs. 5 bis Abs. 7 LPersVG M-V\ninsoweit von einem Mitwirkungstatbestand ausgegangen werden.\n\n27\n\n \n\nDer aus dem völlig missglückten Gesetzeswortlaut resultierende\nWertungswiderspruch ist nach Auffassung der Kammer im Sinne der Bejahung eines\nMitwirkungstatbestandes aufzulösen. In der Argumentation folgt das erkennende\nGericht der Begründung des Bundesarbeitsgerichts in der bereits angesprochenen\nEntscheidung vom 20.01.2000 ( a. a. 0.), und zwar soweit dort ausgeführt wird:\n\n28\n\n \n\n"Allerdings müsste dann die Aufnahme der Absätze 5 bis 7 in § 68 PersVG M-V\nals Redaktionsversehen zu werten sein, weil diese ersichtlich davon ausgehen,\nKündigungen könnten auch ohne vorherige Zustimmung des Personalrates unwirksam\nsein.\n\n29\n\n \n\nEs erscheint kaum vorstellbar, dass der Gesetzgeber mit § 68 Abs. 5 und 6\nPersVG M-V Regelungen für Kündigungen treffen wollte, die der Arbeitgeber\nausspricht, obwohl ihm mangels Zustimmung des Personalrates ihre Unwirksamkeit\nklar sein muss. Deshalb spricht einiges dafür, § 68 Abs. 5 bis 7 PersVG M-V\nals spezielle Regelung für ordentliche Kündigungen anzusehen und insoweit, was\nauch der Hinweis in Abs. 5 auf § 62 Abs. 10 PersVG M-V belegen könnte, nur von\neinem bloßen Mitwirkungs- statt einem Zustimmungserfordernis auszugehen. Die\nEntstehungsgeschichte des Gesetzes belegt den Willen des Gesetzgebers, alle\nKündigungen zustimmungspflichtig zu machen, jedenfalls nicht eindeutig. Zwar\nsprechen dafür diverse Äußerungen im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens (z.\nB. Kurzprotokolle der gemeinsamen Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses vom\n29. Oktober 1992 und des Innenausschusses vom 25. November 1992 sowie das\nProtokoll der 67. Sitzung des Landtages am 20. Januar 1993). Andererseits\nwurden noch in der Schlussphase des Verfahrens die Überschrift in § 68\n("Beteiligung" statt "Mitbestimmung") der Einleitungssatz des Absatzes 5 sowie\nder Satz 2 dieses Absatzes geändert und die Absätze 6 und 7 eingefügt, wofür\nteilweise die Gründe aus den dem Senat zugänglichen Materialien des\nGesetzgebungsverfahrens nicht ersichtlich sind."\n\n30\n\n \n\nZwar findet sich in § 68 Abs. 5 auf Grund der Gesetzesberichtigung mit Wirkung\nvom 21.04.1993 (Gesetzes- und Verordnungsblatt Mecklenburg-Vorpommern 1993,\nSeite 300) keine Bezugnahme auf § 62 Abs. 10 LPersVG M-V, sondern vielmehr\neine solche auf § 62 Abs. 3 bis 7 LPersVG M-V. Jedoch rechtfertigt sich aus\ndiesem Umstand nach Auffassung des erkennenden Gerichts kein anderes Ergebnis.\n\n31\n\n \n\nDie danach notwendige Beteiligung im Sinne des § 68 Abs. 7 LPersVG M-V setzt\nmithin zum einen die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrates zur\nbeabsichtigten fristgemäßen Kündigung und zum anderen im Fall der fristgemäßen\nErhebung von Einwendungen im Sinne des § 68 Abs. 5 LPersVG M-V, die\nanschließende Erörterung der erhobenen Einwendungen durch den Arbeitgeber mit\ndem Personalrat gem. § 62 Abs. 10 Satz 1 LPersVG M-V voraus. Gemessen an den\ngenannten Voraussetzungen ist die hier vorgenommene Beteiligung des\nBezirkspersonalrates durch das beklagte Land rechtlich zu beanstanden.\n\n32\n\n \n\na) Das beklagte Land hat den zuständigen Bezirkspersonalrat bereits mit\nSchreiben vom 21.09.2006 (Blatt 48 - 50 d. A.) ordnungsgemäß angehört.\n\n33\n\n \n\nDem Bezirkspersonalrat sind sowohl die Sozialdaten der Klägerin als auch die\nKündigungsgründe dezidiert mitgeteilt worden. Ebenso sind der\nPersonalvertretung in diesem Zusammenhang die dort im Einzelnen näher\nbezeichneten Anlagen (Abmahnungen, Aktennotizen zu den ausgesprochenen\nErmahnungen, Dienstanweisungen, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom\n29.08.2006) übergeben worden. Ferner ist dem Bezirkspersonalrat anlässlich des\nweiteren Anschreibens des beklagten Landes vom 12.10.2006 auch die Aktennotiz\nzu der mündlichen Ermahnung vom 10.11.2005 übermittelt worden. Der\nBezirkspersonalrat ist mithin in die Lage versetzt worden, ohne weitere eigene\nNachforschungen die Hintergründe der Kündigungsabsicht des beklagten Landes\nnachvollziehen zu können und sich insoweit eine eigene Auffassung zu der\nbeabsichtigten fristgemäßen Kündigung zu bilden.\n\n34\n\n \n\nb) Die Rechtswirksamkeit der streitbefangenen Kündigung ergibt sich\nschließlich nicht aus einer unterbliebenen Erörterung im Sinne von § 62 Abs.\n10 Satz LPersVG M-V.\n\n35\n\n \n\naa) Dieses Ergebnis folgt hier bereits aus dem Umstand, dass der\nBezirkspersonalrat keine Einwendungen im Sinne des § 68 Abs. 5 LPersVG M-V\nerhoben hat, denn die sich aus § 62 Abs. 10 Satz 1 LPersVG M-V ergebende\nErörterungspflicht ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts deckungsgleich\nmit dem Umfang des Mitwirkungsrechts, so dass eine weitere Erörterungspflicht\nim Rahmen fristgemäßer Kündigungen - wie hier - dann nicht gegeben sein kann,\nwenn die Personalvertretung keine Einwendungen im Sinne des § 68 Abs. 5\nLPersVG M-V erhoben hat.\n\n36\n\n \n\nbb) Selbst wenn man jedoch entgegen der hier vertretenen Ansicht die\nErörterungspflicht nach § 62 Abs. 10 Satz 1 LPersVG M-V auch auf die außerhalb\nvon § 68 Abs. 5 LPersVG M-V geäußerten Bedenken einer Personalvertretung\nerstreckt, so führt dieser Umstand vorliegend nicht zur Bejahung der\nRechtsunwirksamkeit der streitbefangenen Kündigung, denn das beklagte Land hat\nsich dezidiert mit Schreiben vom 12.10.2006 mit den geäußerten Bedenken des\nBezirkspersonalrates aus dem Schreiben vom 05.10.2006 auseinandergesetzt. Eine\nsolche schriftliche Erörterung, die sich auf alle Umstände der durch den\nPersonalrat erhobenen Einwendungen bezieht, genügt den Voraussetzungen des §\n62 Abs. 10 Satz 1 LPersVG M-V. Die Notwendigkeit einer ausschließ-lichen oder\nergänzend notwendigen mündlichen Erörterung lässt sich weder dem\nGesetzeswortlaut noch dem Sinn und Zweck der vorbenannten Regelung entnehmen.\n\n37\n\n \n\nDie im Streit befindliche fristgemäße Kündigung ist mithin im Ergebnis nicht\naus personalvertretungsrechtlichen Gesichtspunkten heraus rechtsunwirksam.\n\n38\n\n \n\n2\\. Die ordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 09.11.2006 zum\n31.03.2007 ist entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts Neubrandenburg vom\n23.05.2007 nicht gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozialwidrig.\n\n39\n\n \n\na) Die Voraussetzungen der Anwendbarkeit des KSchG auf das vorliegende\nArbeitsverhältnis sind zwischen den Parteien unstreitig.\n\n40\n\n \n\nb) Gemäß § 1 Abs. 1 KSchG ist eine Kündigung rechtsunwirksam, wenn sie nicht\nsozial gerechtfertigt ist. Gemäß § l Abs. 2 KSchG ist eine ordentliche\nKündigung u. a. dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch das Verhalten des\nArbeitnehmers bedingt ist, wobei oder Arbeitgeber gem. § 1 Abs. 2 Satz 4\nKSchG, die Kündigungsgründe darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat.\n\n41\n\n \n\nDie Rechtswirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung gem. §\n1 Abs. 2 KSchG setzt zunächst voraus, dass der Arbeitnehmer durch ein - in der\nRegel - schuldhaftes Verhalten seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt\nhat und dieser Umstand das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt. Zudem ist\nes notwendig, dass für den kündigenden Arbeitgeber eine zumutbare Möglichkeit\nder Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz nicht besteht. Schließlich\nmuss die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider\nVertragsteile billigenswert und angemessen erscheinen (BAG vom 31.05.2007, 2\nAZR 200/06, JURIS).\n\n42\n\n \n\nIn diesem Zusammenhang gilt auch insoweit das Prognoseprinzip, da eine\nverhaltensbedingte ordentliche Kündigung der Vermeidung des Risikos weiterer\nPflichtverletzungen dient, so dass sich die vergangene Pflichtverletzung noch\nin der Zukunft belastend auswirken muss. Die notwendige negative Prognose ist\ndann zu bejahen, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der\ndaraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der\nArbeitnehmer werde zukünftig arbeitsvertragliche Pflichten auch nach einer\nKündigungsandrohung erneut oder in ähnlicher Weise verletzen (BAG vom\n31.05.2007, a. a. 0.). Deshalb setzt die Rechtswirksamkeit einer\nverhaltensbedingten Kündigung - sei es im sogenannten Leistungsbereich oder im\nsogenannten Vertrauensbereich (BAG vom 10.02.1999, EzA Nr. 47 zu § 15 KSchG) -\ngrundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber das entsprechende Verhalten durch\neine vorausgegangene einschlägige Abmahnung formgerecht gerügt hat. Dies gilt\nausnahmsweise dann nicht, wenn die Abmahnung von vornherein nicht\nerfolgversprechend ist (BAG vom 18.05.1994, RzK I 5 i Nr. 93), oder wenn es um\nschwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer\nohne Weiteres erkennbar ist und bei dem eine Akzeptanz des Verhaltens aus\nSicht eines verständigen Arbeitgebers offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG\nvom 10.02.1999, a. a. 0.) und sich deshalb ausnahmsweise bereits aus der\nSchwere der Pflichtverletzung selbst die notwendige negative Prognose im\nHinblick auf das Risiko weiterer Pflichtverletzungen herleiten lässt.\n\n43\n\n \n\nGemessen an den vorbenannten Voraussetzungen erweist sich die streitbefangene\nKündigung nicht als sozialwidrig im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG. Vielmehr ist\ndie Kündigung durch das Verhalten der Klägerin bedingt.\n\n44\n\n \n\naa) Zwar lässt sich - entgegen der Auffassung des beklagten Landes - bezogen\nauf den 29.08.2006 eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung nicht\nfeststellen. Da diesbezüglich in der Berufungsinstanz keine\nentscheidungserheblich neuen Tatsachen vorgetragen worden sind, kann zur\nBegründung insoweit auf die zutreffenden Erwägungen in der angefochtenen\nEntscheidung vom 23.05.2007 verwiesen werden.\n\n45\n\n \n\nJedoch ergibt sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für den 24.08.2006\neine schwerwiegende Pflichtverletzung durch die Klägerin, denn an diesem Tag\nist sie zur Überzeugung der Kammer, der angeordneten dienstlichen\nVeranstaltung ferngeblieben, ohne dienstunfähig erkrankt gewesen zu sein.\nDamit hat die Klägerin zum einen unentschuldigt ihre Arbeitsleistung am\n24.08.2006 nicht erbracht und zum anderen durch Abreichung eines nicht\naussagefähigen ärztlichen Attestes vom 29.08.2006 am 29.08.2006 die\nGehaltsfortzahlung für den 24.08.2006 erschlichen.\n\n46\n\n \n\nZwar verfügt die Klägerin für den 24.08.2006 über eine ärztliche\nArbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Auch ist der Klägerin zuzugestehen, dass\neinem derartigen Attest grundsätzlich ein hoher Beweiswert beizumessen ist.\n\n47\n\n \n\nDieser grundsätzlich zu bejahende hohe Beweiswert ist vorliegend jedoch nach\nAnsicht der Kammer erschüttert. Dieser Umstand basiert bereits darauf, dass\ndas dem beklagte Land am 29.08.2006 vorgelegte Attest durch den behandelnden\nArzt erst am 29.08.2006 und damit fünf Tage nach der vermeintlichen\nArbeitsunfähigkeit der Klägerin erstellt worden ist. Demgegenüber lässt § 5\nAbs. 3 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien eine nachträgliche Krankschreibung\nnur in Ausnahmefällen, und zwar maximal bis zu zwei Tagen zu. Danach ist eine\nweitergehende nachträgliche Krankschreibung offensichtlich deshalb nicht\nvorzunehmen, weil die notwendigen medizinischen Feststellungen hinsichtlich\neiner Arbeitsunfähigkeit für einen noch länger zurückliegenden Zeitraum\ngrundsätzlich nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit getroffen werden\nkönnen, so dass im Falle einer nachwirkenden Krankschreibung über zwei Tage\nhinaus in der Regel von der Erschütterung des Beweiswertes eines solchen\nAttestes ausgegangen werden kann (zutreffend Erfurter Kommentar/Dörner, 8.\nAuflage Rn. 16 zu § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz m. w. N.).\n\n48\n\n \n\nAuch nach der durchgeführten Beweisaufnahme lässt sich eine Arbeitsunfähigkeit\nder Klägerin am 24.08.2006 nicht feststellen. Im Gegenteil hat der als Zeuge\nvernommene behandelnde Arzt der Klägerin ihren Vortrag, am 24.08.2006 an\nDepressionen erkrankt zu sein, nicht nur nicht bestätigt, sondern abweichend\nklargestellt, am 29.08.2006 ein Krankheitsbild im Sinne von Depressionen nicht\nfestgestellt zu haben. Vielmehr habe sich die Klägerin - so der Zeuge - am\n29.08.2006 in einer angespannten psychischen Situation im Sinne eines starken\nErregungszustandes befunden. Ferner hat der Zeuge zu dem weiteren Vortrag der\nKlägerin, sie sei am 24.08.2006 nicht in der Lage gewesen, logisch und\nentsprechend allgemeiner Vernunft zu handeln, angegeben, zu dieser Thematik\n"im Grunde" nichts sagen zu können. Am 29.08.2006 sei die Klägerin - so der\nZeuge - verhandlungsfähig gewesen.\n\n49\n\n \n\nAuch hinsichtlich der Frage nach sonstigen Arbeitsunfähigkeitsgründen für den\n24.08.2006 ist die durchgeführte Beweisaufnahme ergebnislos verlaufen.\nInsoweit hat der Zeuge nämlich angeführt, er habe die rückwirkende\nKrankschreibung auf Bitten der Klägerin vorgenommen. Er habe der Klägerin\nhinsichtlich der von ihr geschilderten Umstände, bezogen auf den 24.08.2006,\ngeglaubt und daraufhin die rückwirkende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung\nausgestellt. Er habe das Vorliegen der krankheitsbedingten Symptome für den\n24.08.2006 aus eigener Wahrnehmung am 29.08.2006 nicht feststellen können.\n\n50\n\n \n\nDa im Rahmen der Beweisaufnahme die diesbezüglichen Behauptungen der Klägerin\ndurch den Zeugen nicht bestätigt worden sind und sich insoweit für den\n24.08.2006 auch keine sonstigen Arbeitsunfähigkeitsgründe ergeben haben, geht\ndie Kammer davon aus, dass es sich bei der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung\nvom 29.08.2006 für den 24.08.2006 um ein Gefälligkeitsattest handelt, das der\nZeuge auf Bitten der Klägerin ohne eigene Wahrnehmungsmöglichkeit konkreter\nkrankheitsbedingter Symptome - bezogen auf den 24.08.2006 - erstellt hat.\n\n51\n\n \n\nDie Glaubwürdigkeit des Zeugen bzw. die Glaubhaftigkeit seiner Aussage\nunterliegen keinen Bedenken. Zum einen sind eigene wirtschaftliche Interessen\nan dem Ausgang des Verfahrens nicht erkennbar. Zum anderen hat der Zeuge die\nAbweichung von § 5 Abs. 3 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien nicht etwa zu\nbeschönigen versucht, sondern er hat authentisch und in sich schlüssig die\neigenen Wahrnehmungen wiedergegeben. Der Vollständigkeit halber sei\nschließlich auch darauf hingewiesen, dass sich aus dem weiteren Vortrag der\nKlägerin, sie habe sich auf Grund der Trennung von ihrem Mann am 24.08.2006 in\neiner psychisch angespannten Situation befunden, eine tatsächliche\nArbeitsunfähigkeit eben für den 24.08.2006 nicht herleiten lässt, denn dieser\nVortrag ist für sich genommen zu pauschal, um daraus konkrete Anhaltspunkte\nfür eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit der Klägerin am 24.08.2006\nherleiten zu können.\n\n52\n\n \n\nIm Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass die Klägerin ihre\narbeitsvertraglichen Verpflichtungen zum einen am 24.08.2006 verletzt hat,\nindem sie unentschuldigt der dienstlich angeordneten Veranstaltung\nferngeblieben ist und sich zum anderen durch die Vorlage des\nGefälligkeitsattestes am 29.08.2006 die Vornahme einer strafrechtlich\nrelevanten Betrugshandlung zu Lasten des beklagten Landes hinsichtlich der\nEntgeltfortzahlung für den 24.08.2006 vorhalten lassen muss (vgl. dazu\ngrundsätzlich BAG vom 26.08.1993, AP Nr. 112 zu § 626 BGB).\n\n53\n\n \n\nDie daraus resultierende Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses folgt dabei\nbereits aus der Schwere der aufgezeigten Pflichtverletzungen selbst.\n\n54\n\n \n\nbb) Die Möglichkeit einer zumutbaren Weiterbeschäftigung der Klägerin auf\neinen anderen freien Arbeitsplatz wird von der Klägerin nicht vorgetragen und\nist auch unter Berücksichtigung des weiteren Sach- und Streitstandes nicht\nersichtlich.\n\n55\n\n \n\ncc) Zudem scheitert die Rechtswirksamkeit der streitbefangenen Kündigung\nvorliegend nach Ansicht der Kammer nicht an einer fehlenden\nKündigungsandrohung.\n\n56\n\n \n\nHinsichtlich der insoweit anzustellenden Zukunftsprognose im Sinne einer\nNegativprognose im Hinblick auf das zu erwartende künftige Verhalten der\nKlägerin im Rahmen der Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten\nTätigkeiten ergibt sich nach Auffassung des erkennenden Gerichts vorliegend\nausnahmsweise in Anbetracht der Schwere der Pflichtverletzungen die\nEntbehrlichkeit des Ausspruches einer vorhergehenden Abmahnung. Das Verhalten\nder Klägerin insbesondere in Bezug auf die Vorlage des Gefälligkeitsattestes\nam 29.08.2006 mit dem Ergebnis der Entgeltfortzahlung durch das beklagte Land\nfür den 24.08.2006 ist - wie bereits erörtert - als sehr schwerwiegende\nPflichtverletzung vor allem auch vor dem Hintergrund des beschriebenen\nstrafrechtlich relevanten Sachverhaltes zu qualifizieren. Darüber hinaus wäre\nauf Grund der festgestellten Intensität der Vorgehensweise der Klägerin auch\naus Sicht eines verständigen Arbeitgebers mit dem Ausspruch einer Abmahnung im\nRahmen einer Prognoseentscheidung nicht mit der notwendigen Sicherheit ein\nzukünftig vertragsgetreues Verhalten der Klägerin zu gewährleisten gewesen.\n\n57\n\n \n\nDies gilt umso mehr, als auch aus Sicht eines verständigen Arbeitgebers\njedenfalls die Vorlage eines Gefälligkeitsattestes zur Sicherstellung der\nEntgeltfortzahlung im Krankheitsfall eine beträchtliche Beeinträchtigung des\nVertrauensverhältnisses darstellt. Das heißt, auch ein verständiger\nArbeitgeber hätte auf Grund der Intensität und der willentlichen\nVorgehensweise der Klägerin in dem geschilderten Zusammenhang davon ausgehen\ndürfen, dass der Ausspruch einer Abmahnung nicht mit der notwendigen\nSicherheit zu einer vertragsgetreuen Arbeitsweise in der Zukunft durch die\nKlägerin geführt hätte.\n\n58\n\n \n\nAber auch die Klägerin hätte angesichts der von ihr an den Tag gelegten\nVorgehensweise - auch unter Berücksichtigung der Sichtweise eines verständigen\nArbeitgebers - nicht darauf vertrauen dürfen, das beklagte Land werde\ndiesbezüglich mit einer Konsequenz unterhalb der Schwelle des Ausspruches\neiner fristgemäßen Kündigung reagieren. Die Klägerin hätte sich darüber im\nKlagen sein müssen, dass auch bei objektiver Betrachtungsweise bei einem\nderartigen Verhalten insbesondere im Hinblick auf die Vorlage eines\nGefälligkeitsattestes zur ungerechtfertigten Sicherung der Entgeltfortzahlung\nfür den Arbeitgeber das notwendige Vertrauensverhältnis für die Zukunft\ngravierend gestört ist.\n\n59\n\n \n\ndd) Auch die notwendigerweise durchzuführende Interessenabwägung führt\nvorliegend aus Sicht der Kammer zu keinem anderen Ergebnis. Zwar ist hier zu\nGunsten der Klägerin zum einen ihre Betriebszugehörigkeit seit dem 01.\nSeptember 1998 ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass auf Grund ihrer\nberuflichen Ausbildung als Lehrerin jedenfalls eine Rückkehr in den\nLehrerberuf im öffentlichen Dienst als sehr schwierig einzustufen ist. Zudem\nbedarf auf Seiten der getrennt lebenden Klägerin nicht unberücksichtigt\nbleiben, dass sie im Übrigen gegenüber drei Kindern unterhaltsverpflichtet\nist.\n\n60\n\n \n\nJedoch ist zu Gunsten des beklagten Landes zu berücksichtigen, dass die\nKlägerin selbst ohne jedwede sachliche Veranlassung und insbesondere auch ohne\nZutun des beklagten Landes die schwerwiegenden arbeitsvertraglichen\nPflichtverletzungen, die zudem - wie bereits dargelegt - teilweise\nstrafrechtliche Relevanz besitzen, herbeigeführt hat. Wie ebenfalls bereits\nausgeführt, hat dieser Umstand zu einer ganz gravierenden Beeinträchtigung des\nnotwendigen Vertrauensverhältnisses zwischen der Klägerin und dem beklagten\nLand geführt, welches sich auch nach der entsprechenden Prognoseentscheidung\nfür die Zukunft nicht mit der notwendigen Sicherheit hätte wiederherstellen\nlassen.\n\n61\n\n \n\nInsgesamt sind mithin die Interessen des beklagten Landes an der fristgemäßen\nBeendigung des Arbeitsverhältnisses letztendlich höher zu bewerten, als die\nInteressen der Klägerin an dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über die\nKündigungsfrist hinaus.\n\n62\n\n \n\n3\\. Da das Arbeitsverhältnis damit auf Grund der fristgemäßen Kündigung\nrechtswirksam zum 31.03.2007 beendet worden ist, ist der zudem gestellte\nWeiterbeschäftigungsantrag unbegründet.\n\n63\n\n \n\n4\\. Die Klägerin hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu\ntragen (§ 91 ZPO).\n\n64\n\n \n\nDie Revisionszulassung folgt aus § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG. Diese Entscheidung\nbefindet sich zwar im Einklang mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts\nvom 20.01.2000 (a. a. O.), steht jedoch im Widerspruch zu der Entscheidung des\nBundesarbeitsgerichts vom 23.04.1998 (a. a. O.).\n\n
104,911
olgsh-2008-02-21-7-u-2807
1,070
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
olgsh
Schleswig-Holstein
Oberlandesgericht
7 U 28/07
2008-02-21
2018-11-24 07:30:15
2019-02-14 07:05:20
Urteil
ECLI:DE:OLGSH:2008:0221.7U28.07.0A
#### Tenor\n\n \n\nAuf die Berufung des Klägers wird das am 9. März 2007 verkündete Urteil des\nEinzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg geändert:\n\n \n\nDie Klage wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.\n\n \n\nZur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Höhe wird die Sache an das\nLandgericht Flensburg zurückverwiesen.\n\n \n\nDas Landgericht hat auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu\nentscheiden.\n\n \n\nDas Urteil ist vorläufig vollstreckbar.\n\n#### Gründe\n\n1\n\n \n\nAuf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug\ngenommen.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer Kläger nimmt die Beklagten gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz in\nAnspruch.\n\n3\n\n \n\nDie Parteien waren jeweils Mieter/Pächter von Flächen in den so genannten\n"A-Hallen" in T, Ortsteil ...\n\n4\n\n \n\nDer Kläger hatte auf den von ihm angemieteten Flächen, die neben denjenigen\nder Beklagten lagen, verschiedene Anhänger und andere Gegenstände eingelagert.\nDie Beklagten ihrerseits hatten auf ihren nebeneinander liegenden Flächen Heu\ngelagert. Der gesamte Hallenkomplex beläuft sich der Größe nach auf rund\n13.000 qm.\n\n5\n\n \n\nIn einem Teil des Komplexes kam es in der Nacht vom 22. auf den 23. Juli 2005\ngegen 2.30 Uhr morgens zu einem Brand, betroffen waren unter anderem die von\nden Beklagten überwiegend frisch eingelagerten Partien Heu sowie die vom\nKläger dort abgestellten Anhänger nebst Zubehör.\n\n6\n\n \n\nDer Kläger war und ist der Auffassung, die Beklagten seien ihm\ngesamtschuldnerisch zum Ersatz seines – der Höhe nach bestrittenen – Schadens\nverpflichtet. Zwar lasse sich nicht mehr feststellen, ob das Heu des Beklagten\nzu 1. oder dasjenige des Beklagten zu 2. durch Selbstentzündung in Brand\ngeraten sei. Beide Beklagte hätten aber – unabhängig voneinander – ihre\nPflichten verletzt, indem sie das von ihnen überwiegend frisch eingelagerte\nHeu nicht in dem gebotenen Umfange auf die Gefahren der Selbstentzündung hin\nüberprüft hätten. Dies, obgleich die Beklagten konkret darauf hingewiesen\nworden seien, dass von ihrem Heu "Tabakgeruch" bzw. brenzlicher Geruch\nausgegangen sei.\n\n \n\n7\n\n \n\nDie Beklagten haben bestritten und bestreiten weiterhin, dass der Brandherd\nüberhaupt in dem eingelagerten Heu gelegen habe. Zudem meinen sie, selbst wenn\ndies so sein sollte, habe dies nichts mit vermeintlich fehlender Kontrolle zu\ntun, vielmehr komme genauso gut Brandstiftung in Betracht. Dazu behaupten sie,\ndass die "A-Hallen" praktisch einen Spielplatz für Kinder darstellten, beim\nersten Eintreffen der Feuerwehr wären auch Tore offen gewesen, so dass\nBrandstiftung nahe liege.\n\n \n\n8\n\n \n\nDer Kläger hat beantragt,\n\n \n\n9\n\n \n\n1\\. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 35.414,73 Euro\nnebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 15.06.2006 auf\n32.683,66 Euro und auf weitere 2.730,07 Euro seit dem 30.01.2007 zu zahlen,\n\n \n\n10\n\n \n\n2\\. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn zu Händen des\nRechtsanwalts Dr. H, weitere 559,50 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über\ndem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.\n\n \n\n11\n\n \n\nDie Beklagten haben beantragt,\n\n \n\n12\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n \n\n13\n\n \n\nDas Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme mit dem angefochtenen Urteil\nabgewiesen.\n\n \n\n14\n\n \n\nZur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es sei zwar davon\nauszugehen, dass die Beklagten die Temperatur des von ihnen eingelagerten Heus\nnicht in der gebotenen Weise kontrolliert hätten. Dies könne aber eine Haftung\nder Beklagten für den Brand nicht begründen, denn nach dem Ergebnis der\nBeweisaufnahme müsse für jeden Beklagten davon ausgegangen werden, dass er\nsein Heu in ordnungsgemäßen Zustand und in ordnungsgemäßer Art und Weise\neingelagert habe. Das bloße Unterlassen von Kontrollen stelle dann keine\n(haftungsbegründende) gefährliche Handlung dar.\n\n \n\n15\n\n \n\nInsbesondere dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, in der er im\nWesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft,\nwährend die Beklagten das angefochtene Urteil verteidigen.\n\n \n\n16\n\n \n\nDer Kläger verfolgt seine erstinstanzlichen Anträge weiter mit der Maßgabe,\ndass hinsichtlich des Antrages zu 2. Freistellung begehrt wird, während die\nBeklagten auf Zurückweisung der Berufung antragen, hilfsweise Zurückverweisung\nan das Landgericht beantragen (Beklagter zu 2.).\n\n \n\n17\n\n \n\nDie Berufung des Klägers hat insoweit Erfolg, als die Klage dem Grunde nach\nfür gerechtfertigt zu erklären (§ 304 ZPO), im Übrigen wegen der Entscheidung\nzur Höhe aber auf Antrag des Beklagten zu 2. an das Landgericht\nzurückzuverweisen ist (§ 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO).\n\n \n\n18\n\n \n\nDenn die Beklagten haften dem Kläger gesamtschuldnerisch (§§ 823 Abs. 1, 840\nAbs. 1 BGB) auf Ersatz des ihm bei dem Brand vom 20.07.2005 entstandenen\nSchadens.\n\n19\n\n \n\nDabei greift im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität § 830 Abs. 1 Satz 2\nBGB, denn es steht fest, dass beide Beklagte unabhängig voneinander jeweils\ndie Verkehrssicherungspflicht für das von ihnen eingelagerte Heu verletzt\nhaben, ohne dass aber feststeht oder feststellbar ist, wessen Verletzung nun\nzu dem Brand und nachfolgend zu dem Schaden des Klägers geführt hat.\n\n \n\n20\n\n \n\nAufgrund der im Rahmen des Brandermittlungsverfahrens (Staatsanwaltschaft bei\ndem Landgericht Flensburg 109 AR 620/05) eingeholten Behördengutachten des\nInnenministeriums des Landes Schleswig-Holstein – Landeskriminalamt – vom 10.\nAugust 2005 (Bl. 37-46 BA) sowie des Bundeskriminalamtes vom 20. Januar 2006\n(Bl. 82-86 BA) steht durch das Gutachten des Landeskriminalamtes fest, dass\nsich der Brandherd dort befand, wo das Heu der Beklagten eingelagert war,\naufgrund des Gutachtens des Bundeskriminalamtes steht fest, dass es zu dem\nBrand durch Selbstentzündung des eingelagerten Heus gekommen ist.\n\n21\n\n \n\nDie in dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten\nsind gemäß § 411 a ZPO verwertbar und ersetzen ein ansonsten vom Senat\neinzuholendes brandtechnisches Gutachten. Der Verwertung der in dem\nstaatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren eingeholten Behördengutachten\nstehen keine Bedenken entgegen; vielmehr liegt die Verwertung dieser Gutachten\naufgrund der zeitlichen Nähe der Gutachtenerstellung zu dem Brand und\ninsbesondere auch vor dem Hintergrund der allgemein bekannten Erfahrung von\nLandeskriminalamt bzw. Bundeskriminalamt mit der Brandursachenermittlung nahe.\n\n \n\n22\n\n \n\nIn dem Gutachten des Landeskriminalamtes – Verfasser dort Dr. A – ist\nzusammenfassend ausgeführt: "Das am Brandort vorgefundene Spurenbild stand im\nEinklang mit der Annahme, dass das Schadenfeuer dort entstanden ist, wo in der\nLagerhalle größere Mengen Heuvorräte eingelagert waren". Größere Mengen\nHeuvorräte waren im räumlichen Bereich des Brandes nur von den Beklagten\neingelagert.\n\n23\n\n \n\nDass im Bereich der von den Beklagten eingelagerten Heuvorräte – ohne dass\nfeststeht, in welchen von den Beklagten angepachteten Bereiche genau – nicht\nnur der Brandherd lag, sondern der Brand auch durch Selbstentzündung des Heus\nund nicht etwa durch Brandstiftung entstanden ist, ergibt sich aus dem\nGutachten des Bundeskriminalamtes (dort Dr. H).\n\n24\n\n \n\nIn dem Gutachten ist unter "4. Befunde" (Bl. 85/86 BA) ausgeführt: "… Die\nmorphologischen Merkmale der Proben zeigten Veränderungen auf, die auf\nbiologisch bedingte Selbsterhitzung der Heuproben in kritische\nTemperaturbereiche hinwiesen … . Die nach 24 und 48 Stunden erfolgten\nBonituren des Bakterienwachstums ergaben, dass in allen vier untersuchten\nProben … ein stark erhöhtes Wachstum thermophiler Bakterien bei 55 Grad\nCelsius zu verzeichnen war, während der Besatz an mesophilen Mikroorganismen\nbei 25 Grad Celsius unbeeinflusst blieb. Alle ermittelten Verhältniswerte …\nliegen deutlich oberhalb des in der Literatur angegeben Grenzwertes, ab dem\nvon einer Erhitzung des gelagerten Heus in kritische Temperaturbereiche\nausgegangen werden kann …".\n\n25\n\n \n\nIn der abschließenden Bewertung (Bl. 86 BA) heißt es: "Aufgrund der\nbeschriebenen morphologischen Veränderungen sowie der Ergebnisse der\nmikrobiologischen Untersuchungen ist im vorliegenden Fall eine Selbsterhitzung\ndes Heus als erwiesen anzusehen. Auch die Informationen der beigefügten\n"Erfassungsblätter" … weisen auf eine Selbsterhitzung des Heus hin …".\n\n26\n\n \n\nAufgrund der sachverständigen Feststellungen steht fest, dass es in dem von\nden Beklagten eingelagerten Heu nicht nur zu einer Selbsterhitzung gekommen\nist, sondern auch zu einer Selbstentzündung, da die kritischen\nTemperaturbereiche des gelagerten Heus – des Beklagten zu 1. und/oder des\nBeklagten zu 2., was nicht mehr feststellbar ist – deutlich überschritten\nwaren. Die von den Beklagten eher spekulativ angenommenen alternativen\nBrandursachen scheiden damit aus.\n\n \n\n27\n\n \n\nWeiterhin ist es so, dass die Beklagten jeweils ihre Verkehrssicherungspflicht\nfür das von ihnen eingelagerte Heu schuldhaft verletzt haben, ohne dass\nfeststeht, ob nun die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den\nBeklagten zu 1. oder die durch den Beklagten zu 2. schadenursächlich geworden\nist.\n\n28\n\n \n\nZwar galt zum Zeitpunkt des Brandes nicht mehr die Brandschutzverordnung\nSchleswig-Holstein; diese war schon Jahre vor dem Brand ersatzlos außer Kraft\ngesetzt worden.\n\n29\n\n \n\nDie schuldhafte Verkehrssicherungspflichtverletzung ergibt sich aber zugleich\naus den allgemeinen Lehren zu den Verkehrssicherungspflichten. Die Beklagten\nhatten jeweils die Sachherrschaft über das von ihnen frisch eingelagerte Heu.\nDabei ist allgemein bekannt – und gerade auch den Beklagten als Landwirten –\ndass von frisch eingelagertem Heu unter anderem die Gefahr der\nSelbstentzündung droht. Dem hatten die Beklagten vorzubeugen, insbesondere\ndurch regelmäßige Kontrollen. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt\nwerden, dass es sich bei dem frisch eingelagerten Heu um solches, das erntbar\nbzw. pressbar war, handelte. Erntbar bzw. pressbar ist Heu mit einer\neinheitlichen Gutfeuchte von unter 16%.\n\n30\n\n \n\nDie Auffassung der Beklagten, Heu mit einer Gutfeuchte von unter 16% bedürfte\nnach Einlagerung praktisch keiner Kontrolle mehr, ist hingegen nicht\nnachvollziehbar. Vielmehr darf nach allen zur Akte gereichten\nVeröffentlichungen – unter anderem nach den Vorgaben des Landwirtschaftlichen\nVersicherungsverbandes sowie den Hinweisen für die Landwirtschaft aus der\nBauernzeitung – das Heu erst gepresst bzw. eingefahren werden, wenn es absolut\nlagerfähig ist, d.h., die Feuchte des Heus nicht mehr als 16% beträgt. Heu,\ndas feuchter ist, darf ohnehin nicht – oder allenfalls mit erheblichen\nSicherheitsvorkehrungen – eingelagert werden.\n\n31\n\n \n\nIm Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass ausweislich der Mitteilung des\nDeutschen Wetterdienstes vom 11. August 2005 (Bl. 34, 35 BA) es in der Zeit\nder Ernte und des Einfahrens des gelagerten Heus der Beklagten durchaus zu\nNiederschlägen gekommen ist.\n\n32\n\n \n\nIhrer (jeweiligen) Verpflichtung, ihr eingelagertes Heu regelmäßig in\nkurzfristigen Abständen ordnungsgemäß auf Selbsterhitzung zu kontrollieren,\nsind die Beklagten unstreitig nicht nachgekommen. Weder der Beklagte zu 1.\nnoch der Beklagte zu 2. besitzt eine Heumesssonde, die es ermöglicht, in das\nInnere von Pressballen einzudringen und die dort herrschende Temperatur zu\nmessen. Beide Beklagten hatten jeweils umso mehr Anlass zu regelmäßigen\nKontrollen, als die erstinstanzlich vernommenen Zeugen B, W, S und M angegeben\nhaben, dass es "schmökelig" bzw. in Richtung "Tabak" gerochen habe. Das ist\ngerichtsbekannt nicht der Geruch frischen Heus, vielmehr hätte dies den\nBeklagten Anlass zu gesteigerten Kontrollen geben müssen.\n\n \n\n33\n\n \n\nDamit steht zwar fest, dass jeder der Beklagten für sich die ihm obliegenden\nSicherungspflichten hinsichtlich des von ihnen jeweils eingelagerten Heus\nverletzt hat, ohne dass allerdings feststeht, wessen\nVerkehrssicherungspflichtverletzung nun zum Brand und damit zum Schaden\ngeführt hat.\n\n \n\n34\n\n \n\nDies ist der "typische" Fall des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB, der im Rahmen der\nhaftungsbegründenden Kausalität gerade in den Fällen – wie hier – eingreift,\nwenn bei jedem der Beteiligten ein anspruchsbegründendes Verhalten gegeben ist\n(vom Nachweis der Kausalität abgesehen), einer der Beteiligten den Schaden\nverursacht haben muss, aber nicht feststellbar ist, welcher von ihnen den\nSchaden tatsächlich verursacht hat (vgl. Müko-Wagner 4. Aufl. § 830 Rn. 35\nm.w.N.).\n\n35\n\n \n\nAll diese Voraussetzungen liegen nach dem Vorhergesagten vor, so dass die\nBeklagten dem Kläger dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet sind.\n\n \n\n36\n\n \n\nDer Senat hält es – auch und gerade zur Vermeidung des Verlustes einer\nTatsacheninstanz – für angezeigt, auf den entsprechenden Antrag hin die Sache\nzur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Anspruchs an das\nLandgericht zurückzuverweisen. Der sich aus diversen Einzelpositionen\nzusammensetzend geltend gemachte Schaden des Klägers ist der Höhe nach vollen\nUmfangs streitig, irgendwelche Feststellungen zur Höhe hat das Landgericht –\nfolgerichtig – nicht getroffen. Es ist eine sehr aufwändige Beweisaufnahme zur\nHöhe zu erwarten, zumal den Parteien insoweit auch noch Gelegenheit zu\nergänzendem Vortrag zu geben ist. Eine eigene Sachentscheidung des Senats ist\ndaher insoweit unter keinem Gesichtspunkt sachgerecht.\n\n \n\n37\n\n \n\nEine Kostenentscheidung ist nicht angezeigt, vielmehr hat das Landgericht auch\nüber die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden.\n\n \n\n38\n\n \n\nGründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.\n\n \n\n
105,335
lagmv-2008-04-29-5-sa-18107
476
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
lagmv
Mecklenburg-Vorpommern
Arbeitsgerichtsbarkeit
5 Sa 181/07
2008-04-29
2018-11-24 10:30:14
2019-02-26 18:30:20
Urteil
#### Tenor\n\n \n\n1\\. Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.\n\n \n\n2\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen und\nhilfsweise ordentlichen Kündigung, die die Beklagte zum einen als Tatkündigung\nund zum anderen als Verdachtskündigung ausgesprochen hat. Außerdem ist über\nein Auflösungsantrag der Beklagten zu entscheiden.\n\n2\n\n \n\nDer Kläger ist im Pharmaaußendienst beschäftigt. Die Beklagte hat ihre\nAußendienstler zu Teams zusammengefasst. Im Team des Klägers waren wohl fünf\noder etwas mehr Außendienstler zusammengefasst. Im Team des Klägers arbeitet\nunter anderem Frau Z., Frau K., Frau V. und Herr F.. Vorgesetzter des Teams\nist Herr M..\n\n3\n\n \n\nAusgangspunkt der Differenzen der Parteien war eine Bemerkung des Klägers\ngegenüber Frau Z. am 06.12.2006. An diesem Tag hatten sich die Mitglieder des\nTeams zu einer Besprechung getroffen und Frau Z. war gerade damit beschäftigt\nden Laptop und den Beamer für einen Vortrag vorzubereiten, als der Kläger sie\nansprach und sinngemäß zu ihr gewandt sagte: Wieso dauert das Hochfahren des\nLaptops so lange, hast du da etwa Pornofilme drauf.\n\n4\n\n \n\nOb es an diesem Tag noch einen weiteren Vorfall ähnlicher Art gab, ist\nstreitig geblieben, ebenso wie die Frage, ob dem Kläger im Vorlauf zur\nKündigung noch ein weitergehender Vorwurf bezüglich des weiteren Verlaufs des\nsoeben wiedergegebenen Gespräches gemacht worden ist.\n\n5\n\n \n\nDie Äußerung gegenüber Frau Z. ist nicht der Grund der Kündigung des Klägers.\nDie Beklagte hat den Kläger vielmehr gekündigt, weil er im Rahmen der\nbetriebsinternen Aufklärung des Sachverhaltes seine Kolleginnen und Kollegen\nim Team der Lüge bezichtigt habe.\n\n6\n\n \n\nDem liegt folgendes Geschehen zur Grunde. Frau Z. hatte sich bei ihren\nVorgesetzten über den Kläger beschwert. Die Beschwerde betraf den oben\nwiedergegebenen Sachverhalt sowie "eine weitere Situation im Zusammenhang mit\ndem Handy von Frau Z., bezüglich dessen" der Kläger "eine ähnliche Bemerkung\nmachte" (Zitat aus der Anhörung des Betriebsrates durch die Beklagte vom\n29.01.2007). Über mehrere Zwischenstufen gelangte die Beschwerde zur\nPersonalabteilung der Beklagten in Nürnberg. In Absprache mit dem Betriebsrat\nwurde der Kläger nach Nürnberg geladen, um ihn zu den Vorfällen anzuhören.\n\n7\n\n \n\nIn diesem Gespräch am 15.01.2007 wurde ihm die Beschwerde von Frau Z.\nvorgehalten und es wurde dazu angemerkt, es gäbe weitere Mitarbeiter, die die\nVorwürfe bestätigen könnten. Darauf hat der Kläger sinngemäß erklärt:\n\n8\n\n \n\nWenn die Kolleginnen und Kollegen wahrheitsgemäße Bekundungen\n\n9\n\n \n\nabgeben würden, müssten sie erklären, dass die ihm unterschobenen Äußerungen\nnicht stimmten.\n\n10\n\n \n\nAuf Grund dieser Einlassung endete die Anhörung am 15.01.2007 mit dem Plan,\ndie Zeugen und Zeuginnen gemeinsam (Personalabteilung und Betriebsrat) zu\nbefragen. Der Zeuge S. konnte zu dem Vorfall nichts sagen, die Zeuginnen K.\nund V. bestätigten das von Frau Z. behauptete Geschehen ebenso wie der Zeuge\nF..\n\n11\n\n \n\nOb im Anschluss an diesen Aufklärungsschritt der Kläger nochmals angehört\nwurde, ist streitig geblieben.\n\n12\n\n \n\nDie Beklagte erklärt, sie habe durch den Umstand, dass der Kläger seine\nKolleginnen und Kollegen im Team der Lüge bezichtigt, jegliches Vertrauen in\nihn verloren, daher sei die Fortsetzung der Zusammenarbeit nicht mehr\nzumutbar. Nach Anhörung des Betriebsrates wurde daher unter dem 01.02.2007\neine außerordentliche und ordentliche Tatkündigung und unter dem 02.02.2007\neine außerordentliche und ordentliche Verdachtskündigung ausgesprochen.\n\n13\n\n \n\nDer Kläger hat innerhalb der gesetzlichen Frist beide Kündigungen mit der\nKlage angegriffen. Wegen des Prozessverhaltens des Klägers hat die Beklagte im\nLaufe des Rechtsstreits in erster Instanz zusätzlich einen Auflösungsantrag\ngestellt.\n\n14\n\n \n\nDas Arbeitsgericht Rostock hat mit Urteil vom 12.06.2007, auf das wegen der\nweiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug\ngenommen wird, der Klage im vollen Umfang stattgegeben und wie folgt in der\nHauptsache tenoriert:\n\n15\n\n \n\n"1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien\nweder durch die fristlose Kündigung vom 01.02.2007 noch durch die am gleichen\nTage ausgesprochene vorsorgliche ordentliche bzw. fristgemäße Kündigung\naufgelöst wurde.\n\n16\n\n \n\n2\\. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien\nweder durch die fristlose Kündigung vom 02.02.2007 noch durch die am gleichen\nTage ausgesprochene vorsorgliche ordentliche bzw. fristgemäße Kündigung\naufgelöst wurde.\n\n17\n\n \n\n3\\. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss\ndes Kündigungsschutzrechtsstreits entsprechend dem Anstellungsvertrag zum\n01.01.2002 als Pharmaberater weiterzubeschäftigen.\n\n18\n\n \n\n4\\. Der Auflösungsantrag wird abgewiesen."\n\n19\n\n \n\nDas Urteil ist der Beklagten am 20.06.2007 zugestellt worden. Die hiergegen\ngerichtete Berufung vom 29.06.2007 (Gerichtseingang per Fax am selben Tag) ist\nmit Schriftsatz vom 14.08.2007, Gerichtseingang per Fax am selben Tag,\nbegründet worden.\n\n20\n\n \n\nDie Beklagte behauptet, dem Kläger sei in dem Gespräch am 15.01.2007 nur der\noben im unstreitigen Teil wiedergegebene Vorfall vorgehalten worden. Die\nweitergehende klägerische Behauptung, Herr M. habe ihm zusätzlich vorgeworfen,\ner habe Frau Z. angeboten, die Pornos gemeinsam auf dem Zimmer anzusehen, sei\nfalsch.\n\n21\n\n \n\nDer Kläger sei auch nach der Befragung der Zeugen durch Geschäftsführung und\nBetriebsrätin nochmals befragt worden und er sei bei seiner Einlassung\nbeblieben.\n\n22\n\n \n\nFür die Beklagte stehe daher fest, dass der Kläger wider besseres Wissen seine\nKolleginnen und Kollegen der Lüge bezichtigt hätte. Daher sei es unzumutbar,\ndas Arbeitsverhältnis weiter fortzusetzen.\n\n23\n\n \n\nDa der Kläger im Rechtsstreit sogar versucht habe, der Beklagten zu\nunterstellen, vorsätzlich eine Kampagne gegen den Kläger zu führen, sei auch\nder Auflösungsantrag begründet.\n\n24\n\n \n\nDie Beklagte beantragt, unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils\n\n25\n\n \n\n1\\. die Klage abzuweisen;\n\n26\n\n \n\n2\\. hilfsweise das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wobei die Abfindung ein\nfrüheres Bruttomonatsgehalt nicht übersteigen sollte.\n\n27\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n28\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n29\n\n \n\nDer Kläger behauptet, ihm sei am 15.01.2007 von Herrn M. vorgeworfen worden,\ner habe Frau Z. ermuntert, die Pornos auf dem Laptop gemeinsam anzuschauen. Da\ner dies als den Kern des Vorwurfs angesehen habe, habe er den Vorfall mit\nRecht abgestritten.\n\n30\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichten Schriftsätze nebst\nAnlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n31\n\n \n\nDie zulässige Berufung ist nicht begründet.\n\n32\n\n \n\n1\\. Die außerordentlichen Kündigungen sind unwirksam, da es an einem wichtigen\nGrund zur Kündigung im Sinne von § 626 BGB mangelt.\n\n33\n\n \n\na) Die Beklagte hat nicht deutlich gemacht, ob sie den Grund der Kündigung\nauch darin sieht, dass sich der Kläger in der Anhörung ihr gegenüber unwahr\neingelassen hat.\n\n34\n\n \n\nDaher ist zu betonen, dass eine Lüge gegenüber dem Arbeitgeber die Kündigung\nnicht zu rechtfertigen vermag.\n\n35\n\n \n\nEine Lüge könnte nur insoweit pflichtwidrig sein, als der Arbeitnehmer aus\nvertraglicher Nebenpflicht zur wahrheitsgemäßen Auskunft verpflichtet wäre.\nDas ist im laufenden Arbeitsverhältnis nicht uneingeschränkt der Fall. Die\nAuskunftspflicht des Arbeitnehmers setzt vielmehr ein berechtigtes,\nbilligenswertes und schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers voraus.\n\n36\n\n \n\nDieses Interesse muss gerade im Zusammenhang mit dem bestehenden\nArbeitsverhältnis vorliegen. Da sich die Auskunft nur auf das Bestehen oder\nden Umfang von Rechten aus dem Arbeitsverhältnis beziehen kann, muss ein\nZusammenhang mit der Erfüllung der vom Arbeitnehmer geschuldeten vertraglichen\nLeistung, mit dessen sonstiger Pflichtenbindung oder mit der Pflichtenbindung\ndes Arbeitgebers bestehen. Ein bloß allgemeiner Zweckzusammenhang mit dem\nArbeitsverhältnis reicht hier nicht aus. Die gesetzliche Verteilung der\nDarlegungs- und Beweislast im Prozess und gesetzliche Beweislastregeln sind\ndabei zu berücksichtigen. Die Darlegungs- und Beweissituation darf nicht durch\ndie Gewährung materiellrechtlicher Auskunftsansprüche unzulässig verändert\nwerden. Der Auskunftsanspruch kann nach Treu und Glauben nur da ergänzend\neingreifen, wo auch die grundsätzliche Verteilung der Darlegungs- und\nBeweislast einer entsprechenden Korrektur bedarf. Nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG\nhat der Arbeitgeber die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.\nEine vorprozessuale Auskunftspflicht des Arbeitnehmers stünde hierzu im\nWiderspruch. Soweit nicht besondere rechtliche Grundlagen bestehen, ist der\nArbeitnehmer nicht verpflichtet, außergerichtliche Erklärungen zu möglichen\nKündigungsgründen abzugeben (BAG 07.09.1995 - 8 AZR 828/93 - BAGE 81, 15 = AP\nNr. 24 zu § 242 BGB Auskunftspflicht = DB 1996, 634).\n\n37\n\n \n\nGemessen an diesem Maßstab kann in der falschen Beantwortung der Fragen der\nBeklagten zu den von Frau Z. erhobenen Vorwürfen keine Pflichtverletzung des\nKlägers gesehen werden, denn die Befragung stand unter dem Vorzeichen einer\nmöglichen Kündigung des Klägers wegen dieses Vorfalls. Insofern war der Kläger\nnicht verpflichtet, wahrheitsgemäße Auskünfte zu geben.\n\n38\n\n \n\nb) Auch soweit die Beklagte dem Kläger vorwirft, er habe seine Kolleginnen und\nKollegen der Lüge bezichtigt, ergibt sich daraus wegen der Umstände des\nEinzelfalls kein Kündigungsgrund.\n\n39\n\n \n\nInsoweit ist mit der Beklagten davon auszugehen, dass die Bezichtigung der\nKollegen der Lüge je nach Lage des Einzelfalles die Möglichkeit der Kündigung\ndes Arbeitsverhältnisses eröffnet. So hat das Bundesarbeitsgericht bereits\nentschieden, dass Beleidigungen, verbale Bedrohungen, üble Nachrede und\nVerleumdung gegenüber dem Arbeitgeber oder gegenüber Arbeitskollegen\ngrundsätzlich geeignet seien, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen\n(BAG 21.01.1999 AP Nr. 151 zu § 626 BGB). Wie bei allen anderen\nKündigungsgründen auch müssen die Vorfälle jedoch ein gewisses Gewicht haben,\nsie müssen betriebliche Auswirkungen haben, etwa indem sie den Betriebsfrieden\nstören.\n\n40\n\n \n\nGemessen an diesem Maßstab liegt ein Kündigungsgrund nicht vor.\n\n41\n\n \n\nDas Gericht hat bereits Zweifel daran, ob die Einlassung des Klägers bei\nseiner Anhörung am 15.01.2007 überhaupt objektiv ehrverletzend war oder als\nüble Nachrede bezeichnet werden könnte.\n\n42\n\n \n\nDenn wenn der Kläger sagt, wenn die Zeugen bei der Wahrheit bleiben würden,\nmüssten sie bekunden, dass die ihm unterschobenen Äußerungen nicht der\nWahrheit entsprechen, so gibt er das Geschehene ersichtlich aus seiner\nErkenntniswelt wieder. Mit Wahrheit meint er also seine Wahrheit, also seine\neigene Erinnerung. In diesem Sinne hat der Satz nur den Aussagegehalt, dass\ndie Zeugen seine - des Klägers - Erinnerung bestätigen müssten.\n\n43\n\n \n\nAber selbst dann, wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, der Kläger\nhätte mit dieser Einlassung am 15.01.2007 aussagen wollen, die Beschwerde der\nFrau Z. sei erfunden und die von ihr aufgebotenen Zeugen hätten vorsätzlich\nein falsches Zeugnis abgelegt, könnte dies die Kündigung noch nicht\nrechtfertigen.\n\n44\n\n \n\nDenn aus den Gesamtumständen ergibt sich objektiv nur ein geringes Gewicht\ndieser Äußerung. Dies schließt das Gericht aus der Äußerung selbst und aus dem\nKontext, in dem sie gefallen ist.\n\n45\n\n \n\nInsoweit ist beachtlich, dass der Kläger die Zeugen nicht wörtlich als Lügner\nbezeichnet hat, sondern nur defensiv quasi seine Meinung zum Wahrheitsgehalt\nder Aussagen wiedergegeben hat. Auch muss beachtet werden, dass der Kläger\nweder Verallgemeinerungen ("lügen mal wieder ...") vorgenommen hat noch ein\nbesonderes Unwerturteil formuliert hat (z. B. "die Lügnerin" oder "infame\nLüge" oder eine ähnliche Formulierung). Gerade seine umständliche und farblose\nAusdrucksweise zeigt vielmehr, dass er sich auch subjektiv zu jenem Zeitpunkt\ndarum bemühte, mit seiner Aussage niemanden anzugreifen.\n\n46\n\n \n\nZudem muss beachtet werden, dass die Worte in der Anhörung ohne Anwesenheit\nder Zeuginnen und Zeugen gefallen sind. Der Kläger musste zwar damit rechnen,\ndass die Beklagte die Zeuginnen und Zeugen mit seiner Aussage konfrontieren\nwürde, angesichts seiner Einlassung musste er aber nicht damit rechnen, dass\ndie Beklagte die Zeugen damit konfrontieren würde, er - der Kläger - hätte die\nZeugen der Lüge bezichtigt.\n\n47\n\n \n\nLetztlich ist noch hervorzuheben, dass es auch nicht ersichtlich ist, dass die\nEinlassung des Klägers in der Anhörung am 15.01.2007 negative betriebliche\nFolgen hatte. Eine dadurch ausgelöste Störung des Betriebsfriedens kann nicht\nfestgestellt werden.\n\n48\n\n \n\nAbschließend ist zu diesem Punkt noch festzuhalten, dass das Gericht nur die\nEinlassungen des Klägers im ersten Anhörungsgespräch am 15.01.2007 bewerten\nkann. Denn der Kläger hat in beiden Instanzen bestritten, dass es nach dem\n15.01.2007 und nach den weiteren Ermittlungen der Beklagten überhaupt noch ein\nweiteres Gespräch mit ihm gegeben habe. Da die Beklagte dieses weitere\nGespräch weder zeitlich noch örtlich noch an Hand der Gesprächspartner weiter\neingegrenzt hat, war dieses Bestreiten mit Nichtwissen bis zum Schluss der\nmündlichen Verhandlung zulässig geblieben. Die Einzelheiten dazu können jedoch\nletzten Endes dahinstehen, da die Beklagte zu diesen behaupteten weiteren\nGespräch auch keine konkreten Einzelheiten über den Gesprächsverlauf\nmitgeteilt hat. Insbesondere auch im nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten\nvom 10.03.2008 wird nicht ersichtlich, mit welchen Worten sich der Kläger im\nzweiten Gespräch eingelassen haben soll. Daher kann auch nicht geprüft werden,\nob er dabei seine Kolleginnen und Kollegen so direkt der Lüge bezichtigt hat,\ndass dies eine Kündigung rechtfertigen könnte.\n\n49\n\n \n\n2\\. Da nach den bisherigen Ausführungen bereits objektiv die Voraussetzungen\nfür eine außerordentliche Kündigung nicht vorliegen, kann diese auch aus dem\nGesichtspunkt der Verdachtskündigung nicht gerechtfertigt sein.\n\n50\n\n \n\n3\\. Auch die hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen sind nicht\nwirksam, denn ihnen fehlt die soziale Rechtfertigung im Sinne von § 1 KSchG.\n\n51\n\n \n\nAuch hierfür kann im Wesentlichen Bezug genommen werden auf die bisherigen\nAusführungen zur außerordentlichen Kündigung.\n\n52\n\n \n\nSelbst wenn man mit der Hilfserwägung des Gerichtes davon ausgeht, dass die\nEinlassung des Klägers objektiv und subjektiv darauf gerichtet war, die\nZeuginnen und Zeugen der Lüge zu bezichtigen, könnte dies angesichts der\nzurückhaltenden Art und Weise der Formulierung auch eine ordentliche Kündigung\nnicht rechtfertigen. Es hätte allenfalls eine Abmahnung gerechtfertigt.\n\n53\n\n \n\n4\\. Der Auflösungsantrag der Beklagten ist - wie das Arbeitsgericht zutreffend\nausgeführt hat - nicht begründet.\n\n54\n\n \n\nEine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG auf Antrag des\nArbeitgebers kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wobei an die\nAuflösungsgründe strenge Anforderungen zu stellen sind. Dies hat seinen Grund\ndarin, dass eine Sozialwidrigkeit einer Kündigung grundsätzlich zu deren\nRechtsunwirksamkeit und damit zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses führt.\nDas Kündigungsschutzgesetz ist vorrangig ein Bestandsschutz- und kein\nAbfindungsgesetz (BAG Urteil vom 10.10.2002 - 2 AZR 240/01 -). In diesem\nZusammenhang ist weiter zu berücksichtigen, dass maßgeblicher Zeitpunkt für\ndie Beurteilung der Auflösungsgründe der Zeitpunkt der letzten mündlichen\nVerhandlung ist. Mithin ist im Zeitpunkt der Entscheidung über den\nAuflösungsantrag maßgeblich, ob auf Grund des Verhaltens des Arbeitnehmers in\nder Vergangenheit in Zukunft noch mit einer den Betriebszwecken dienlichen\nweiteren Zusammenarbeit der Parteien zu rechnen ist (BAG a. a. O.). Als\narbeitgeberseitige Auflösungsgründe im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG\nkommen insbesondere solche Umstände in Betracht, die das persönliche\nVerhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner\nLeistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein\nVerhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Dabei ist es dem Arbeitgeber\nallerdings untersagt, Spannungen zwischen dem Arbeitnehmer und Kollegen oder\nVorgesetzten ohne Beachtung der Verursachungsanteile zu Lasten eines\nArbeitnehmers zu lösen. So kann beispielsweise die bloße Weigerung von\nArbeitskollegen, mit einem Arbeitnehmer zusammenzuarbeiten, für sich genommen\ndie Auflösung nach § 9 KSchG noch nicht rechtfertigen. Zudem ist es\nunzulässig, sich auf solche Auflösungsgründe zu berufen, die vom Arbeitgeber\nselbst oder von Personen, für die er einzustehen hat, provoziert worden sind\n(BAG a. a. O.). Danach kommt es also maßgeblich darauf an, ob die objektive\nLage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bei dem Arbeitgeber die\nBesorgnis aufkommen lassen kann, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem\nArbeitnehmer gefährdet ist. Als Auflösungsgründe sind mithin insbesondere\ngeeignet Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche\nAngriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen\nsowie sonstige in der Persönlichkeit des Arbeitnehmers liegende Gründe (BAG a.\na. O. sowie Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, 29.06.2007 - 3 Sa\n61/06 - sowie 16.10.2007 - 5 Sa 497/05 -).\n\n55\n\n \n\nGemessen an diesem Maßstab ist ein Auflösungsgrund nicht ersichtlich.\n\n56\n\n \n\nDa das Verhalten gegenüber den Kollegen bereits die Kündigung nicht\nrechtfertigen konnte, kann es auch den Auflösungsantrag nicht rechtfertigen,\nzumal der Kläger im Laufe des Rechtsstreites den Lügevorwurf nicht weiter\nvertieft hat. Im Gegenteil hat er sogar eingeräumt, dass es zu der\ngeschmacklosen Bemerkung gegenüber Frau Z. beim Aufbau der PC-Technik\ntatsächlich gekommen ist.\n\n57\n\n \n\nVom Ansatz her zutreffend weist die Beklagte zwar darauf hin, dass der Kläger\nihr unterstellt habe, sie - die Beklagte - habe möglicherweise absichtlich\nversucht, einen Kündigungsgrund zu provozieren.\n\n58\n\n \n\nAuch wenn sich der Kläger verklausuliert ausgedrückt hat, ist dies doch der\nobjektive Erklärungswert seines Vortrages aus dem erstinstanzlichen\nSchriftsatz vom 24.04.2007, dort Seite 4 (hier Blatt 150 d. A.). Denn wenn der\nKläger den Vorfall unter der Überschrift schildert, hier hätte es\nmöglicherweise einen "Versuch gegeben ... dem Kläger anderweitige Probleme zu\nbereiten" kann daraus der Leser nur den Schluss ziehen, der Kläger hege den\nVerdacht, die Beklagte habe ihm eine Falle stellen wollen.\n\n59\n\n \n\nDas ist eine ehrverletzende Unterstellung, die umso erstaunlicher ist, als sie\nauch aus der Sicht des Klägers weitgehend spekulativ geblieben ist. Man kann\nschon sagen, dass der Kläger hier ohne Rücksicht auf die berechtigten\nInteressen der Beklagten versucht hat eine diffuse Stimmung gegen die Beklagte\nim Rechtsstreit zu erzeugen.\n\n60\n\n \n\nZur Auflösung des Arbeitsverhältnisses reicht dies dennoch nicht. Dabei muss\nvor allem hervorgehoben werden, dass die Beklagte bereits Monate vor der\nKündigung offen und subtil versucht hatte, sich vom Kläger zu trennen. Auf\ndiese Weise hat die Beklagte eine Art Reizklima erzeugt, das sich unter\nanderem in diesem unsachlichen Angriff des Klägers in dem Rechtsstreit\nentladen hat. Wegen des Mitverantwortungsbeitrages der Beklagten scheidet\ndaher die Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus diesem Anlass aus.\n\n61\n\n \n\n5\\. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen, da ihr\nRechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 ZPO).\n\n62\n\n \n\nZur Zulassung der Revision gibt der vorliegende Rechtsstreit keinen Anlass.\n\n
105,767
bfh-2011-06-09-vii-b-19910
6
Bundesfinanzhof
bfh
Bundesrepublik Deutschland
Bundesgericht
VII B 199/10
2011-06-09
2018-11-24 14:30:05
2019-01-18 00:21:40
Beschluss
## Tatbestand\n\n1\n\n \n\nI. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) beansprucht die von dem\nBeklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) in dem angefochtenen\nAbrechnungsbescheid auf sie und ihren Ehemann, dem Kläger und Beschwerdeführer\n(Kläger), mit dem sie in den Streitjahren zusammenveranlagt worden ist,\naufgeteilten, überzahlten Einkommensteuerbeträge für sich allein.\n\n \n\n2\n\n \n\nDie Klägerin erzielte 2006 Einnahmen aus Gewerbebetrieb, Kapitalvermögen sowie\nVermietung und Verpachtung; der Kläger lediglich Renteneinkünfte. Gegen die\nKläger wurde zunächst eine Einkommensteuer 2006 von rd. … € (zzgl.\nKirchensteuer und Solidaritätszuschlag) festgesetzt und von dem Konto der\nKlägerin gezahlt. Später ist die Steuer aufgrund eines dem Kläger zustehenden\nVerlustvortrags auf 0 € herabgesetzt worden und das Steuerguthaben von rd. … €\nzu rd. … € an die Klägerin ausbezahlt und im Übrigen mit Steuerschulden des\nKlägers verrechnet worden.\n\n \n\n3\n\n \n\nDie auf rd. … € festgesetzte Einkommensteuer 2007, die ebenfalls vom Konto der\nKlägerin bezahlt worden ist, ist in gleicher Weise später auf 0 € herabgesetzt\nworden, wobei das Guthaben von rd. … € zu rd. … € an die Klägerin ausbezahlt\nund im Übrigen mit Steuerschulden des Klägers verrechnet worden ist.\n\n \n\n4\n\n \n\nDas FA hat auf Antrag der Kläger den angefochtenen Abrechnungsbescheid\nerlassen, in dem es der Klägerin die auf ihre Einkünfte gezahlte Zinsabschlag-\nund Kapitalertragsteuer zugerechnet, die verbleibenden Beträge jedoch auf die\nKläger hälftig aufgeteilt hat; Ansprüche auf Erstattungszinsen hat es im\nVerhältnis der Erstattungen zu dem Gesamtbetrag der Erstattung auf die Kläger\nverteilt.\n\n \n\n5\n\n \n\nDie hiergegen erhobene Klage ist ohne Erfolg geblieben. Das Finanzgericht (FG)\nurteilte im Anschluss an die Rechtsprechung des beschließenden Senats (Hinweis\nu.a. auf das Urteil vom 30. September 2008 VII R 18/08, BFHE 222, 235, BStBl\nII 2009, 38), es fehle an Anhaltspunkten dafür, dass die Klägerin im Zeitpunkt\nder Steuerzahlung ausschließlich ihre eigene Einkommensteuerschuld erfüllen\nwollte, was Voraussetzung für eine diesbezügliche Erstattung ausschließlich an\nsie wäre. Ein solcher Anhaltspunkt ergebe sich insbesondere nicht daraus, dass\ndie Kläger in den Einkommensteuererklärungen 2006 und 2007 ein Konto angegeben\nhaben, dessen Inhaberin die Klägerin sei. Es handele sich um eine bloße\nZahlungsanweisung, welche allein die Tilgung, nicht aber das Entstehen der\nErstattungsansprüche betreffe. Die Angabe eines Erstattungskontos in der\nSteuererklärung enthalte keine Willenserklärung dahin, dass\nSteuernachzahlungen auf Rechnung des Inhabers dieses Erstattungskontos\ngeleistet würden. Das verstehe sich von selbst, wenn Inhaber des\nErstattungskontos ein Dritter ist, und sei auch bei zusammenveranlagten\nEheleuten nicht anders zu beurteilen.\n\n \n\n6\n\n \n\nGegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die\nBeschwerde der Kläger, die der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimessen.\n\n \n\n## Entscheidungsgründe\n\n7\n\n \n\nII. Die Beschwerde (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) hat keinen\nErfolg. Die Revision ist nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, weil\ndie Rechtssache nicht die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche\nBedeutung hat.\n\n \n\n8\n\n \n\nDie Beschwerde möchte in dem angestrebten Revisionsverfahren sinngemäß geklärt\nwissen, wann die Vermutung, dass zusammenveranlagte Eheleute Zahlungen auf\nihre Einkommensteuerschuld mit dem (stillschweigend erklärten) Willen leisten,\nnicht nur die eigene, sondern auch die Steuerschuld des anderen zu tilgen,\nnach dem Gesamtbild der Verhältnisse als widerlegt anzusehen ist und welche\nAnforderungen an Art und Form der Äußerung einer von dieser Vermutung\nabweichenden Tilgungsabsicht zu stellen sind. Sie hält diese Frage\ninsbesondere deshalb für klärungsbedürftig, weil die bisherige Rechtsprechung\nan Veränderungen zu messen sei, die sich aus der Gestaltung der aktuell\nverwendeten Steuererklärungsformulare und dem computergestützten bargeldlosen\nZahlungsverkehr ergäben.\n\n \n\n9\n\n \n\nSoweit diese Fragen einer rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich sind und\nnicht der tatrichterlichen Würdigung unter Berücksichtigung der konkreten\nUmstände des einzelnen Falles überlassen bleiben müssen, sind sie indes in der\nRechtsprechung des beschließenden Senats hinreichend geklärt.\n\n \n\n10\n\n \n\nDer beschließende Senat hat bereits in seinem Urteil vom 25. Juli 1989 VII R\n118/87 (BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41) hinsichtlich der bei bestehender und\nintakter Ehe bestehenden Vermutung, dass der Ehegatte, der die\nEinkommensteuerschuld zusammenveranlagter Eheleute begleicht, die Zahlung\nnicht nur für eigene Rechnung, sondern auch für die des Ehepartners vornehme,\ndie Berücksichtigung u.a. folgender --vom Tatrichter zu würdigender-- Umstände\ndes Einzelfalls für notwendig gehalten:\n\n \n\n11\n\n \n\n - | den auf dem Überweisungsträger angegebenen Verwendungszweck (nur Angabe der Steuern ohne die Namen der Ehegatten) \n---|--- \n- | die Abwicklung sonstiger, vorausgegangener Steuerzahlungen \n- | Kenntnis des FA von der Inhaberschaft und der gemeinsamen Verfügungsberechtigung der Eheleute über das Bankkonto \n- | eventuell auch Angabe des Erstattungsberechtigten (Erstattungsanschrift, Erstattungskonto) in den Steuererklärungen. \n \n \n\n12\n\n \n\nEine die tatrichterliche Würdigung beschränkende Regel, dass eines dieser\nIndizien oder eine bestimmte Verbindung mehrerer dieser Indizien, ggf. beim\nHinzutreten weiterer, in der vorgenannten Entscheidung nicht ausdrücklich\nbenannter Indizien, die Vermutung einer doppelten Tilgungsabsicht des\nzahlenden Ehegatten ausräumt, hat der Senat in dieser Entscheidung nicht\naufgestellt und sie lässt sich auch nicht aufstellen. Insbesondere ist, anders\nals die Beschwerde offenbar meint, die Angabe eines Erstattungskontos nicht\nzwingend dahin zu würdigen, dass damit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass\nder Inhaber dieses Kontos nur seine eigene Steuer(gesamt)schuld tilgen will.\nDer Beschwerde dürfte zwar zuzugeben sein, dass die vom FG vorgenommene,\nrechtlich zutreffende Differenzierung zwischen der Angabe eines\nErstattungskontos, welche lediglich eine Zahlungsanweisung darstellt, und\neiner Erklärung über die Tilgungsbestimmung --welche gemäß § 37 Abs. 2 der\nAbgabenordnung Folgen für die materielle Erstattungsberechtigung hat-- der\nMehrheit juristisch nicht ausgebildeter Steuerpflichtiger nicht geläufig und\nauch nicht ohne weiteres nachvollziehbar sein mag. Gerade deshalb stellt es\nindes jedenfalls keine revisionsrechtlich zu beanstandende Würdigung des\nSachverhalts dar, wenn das FG im Streitfall in der Angabe eines\nErstattungskontos keine solche Tilgungsbestimmung, sondern lediglich eine\nZahlungsanweisung erblickt hat. Denn dem begegnet, dass ein Steuerpflichtiger\nbei bestehender und intakter Ehe sich im Allgemeinen keine Gedanken darüber\nmachen wird, ob er seinem Ehepartner im Falle der Überzahlung der Steuer einen\n(hälftigen) materiellen Erstattungsanspruch zugestehen will; wohl aber wird er\nsich Gedanken darüber machen, auf welches Konto ggf. eine Erstattungszahlung\nüberwiesen werden soll.\n\n \n\n13\n\n \n\nAus der vorgenannten Entscheidung des beschließenden Senats ergibt sich ferner\nund es bedarf daher nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass die\nAngabe einer Tilgungsbestimmung nicht "ausdrücklich" erfolgen muss, sondern\nsich aus den Umständen des Einzelfalls ergeben kann. Davon ist im Übrigen auch\ndas FG ausgegangen. Es bedarf weiter auch nicht der Klärung in einem\nRevisionsverfahren, dass die tatsächlichen Schwierigkeiten, unter den\nBedingungen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs --etwa bei einer\nInternetüberweisung oder Erteilung einer Einzugsermächtigung an das FA-- eine\nbestimmte, von der nach der Rechtsprechung des Senats im Regelfall zu\nunterstellenden abweichende Tilgungsbestimmung zum Ausdruck zu bringen, nichts\ndaran ändern können, dass es einer diesbezüglichen Erklärung bedarf, wenn jene\nVermutung eines doppelten Tilgungswillens bei bestehender und intakter Ehe\nerschüttert werden soll. Dass die Interessenlage des Steuerpflichtigen, der\nseine Steuerschuld begleicht, für die Ermittlung einer etwaigen\nTilgungsbestimmung nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist und sogar die\nInsolvenzbefangenheit des Vermögens des Ehepartners der Annahme einer\ndoppelten Tilgungsbestimmung nicht entgegensteht, hat der Senat bereits in\nseinem Urteil in BFHE 222, 235, BStBl II 2009, 38 entschieden.\n\n \n\n14\n\n \n\nAuch die schließlich von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob das FA, "wenn\nes trotz verdichteter Hinweise auf eine abweichende Tilgungsabsicht des\nzahlenden Ehegatten von der gesetzlichen Vermutung auszugehen beabsichtigt",\nbei den Eheleuten Nachfrage halten muss, rechtfertigt nicht die Zulassung der\nRevision. Denn diese Frage ist offensichtlich zu verneinen, weil es an einer\ngesetzlichen Grundlage für die Annahme fehlt, die bei bestehender und intakter\nEhe zu vermutende Tilgungsbestimmung stehe gleichsam unter dem Vorbehalt einer\nklärenden Nachfrage des FA. Eine dahin gehende Regelung wäre überdies\nerkennbar kaum praktikabel und der Rechtssicherheit nicht dienlich.\n\n
106,012
lsgmv-2008-01-30-l-1-ka-907
477
Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern
lsgmv
Mecklenburg-Vorpommern
Sozialgerichtsbarkeit
L 1 KA 9/07
2008-01-30
2018-11-24 17:30:04
2019-02-26 18:51:15
Urteil
#### Tenor\n\n \n\nDie Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 18. April 2007\nwird zurückgewiesen.\n\n \n\n \n\nDie Berufungsklägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\n \n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n \n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Beteiligten streiten darüber, in welchem Umfang die Vereinbarung über die\nGesamtvergütung der vertragsärztlichen Leistungen für die Zeit vom 01.01.2004\nbis 31. Dezember 2004 nach Art. 3 des Gesetzes zur Einführung des\nWohnortprinzips bei Honorarvereinbarungen für Ärzte und Zahnärzte vom 01.\nDezember 2001 (WOrtPrG) zu verändern ist.\n\n \n\n2\n\n \n\nFür das Jahr 2002 ist durch Beschluss des beklagten Landesschiedsamtes vom 27.\nJanuar 2003 ausgehend von der Gesamtvergütung für das Jahr 2001 der Betrag der\nGesamtvergütung 2002 angepasst worden unter Berücksichtigung eines\nSteigerungsbetrages von 0,50% nach Art. 3 WOrtPrG. Insoweit ist der\nSchiedsspruch durch das Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommern mit Bescheid\nvom 07. Mai 2003 beanstandet worden. Die gegen den Beanstandungsbescheid\nerhobenen Klagen der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern (KV)\nund der AOK Mecklenburg-Vorpommern (AOK) sind aufgrund einer im Rahmen der\nVergütungsverhandlungen für 2003 geschlossenen Vereinbarung zurückgenommen\nworden. Als Teil der Vereinbarung zur Gesamtvergütung 2003 wurde am 1. Juli\n2003 zwischen der KV und der AOK eine Vereinbarung geschlossen, die in § 4\nbestimmte, dass die budgetierte Gesamtvergütung für die Zukunft dauerhaft um\ndie in 2002 für das Modellvorhaben Diabetes-Gesundheitsmanagement geplanten\nAusgaben in Höhe von 1.789.500,– € angehoben werde. § 6 der Vereinbarung\nlautet: "Das nach § 4 dieser Vereinbarung vereinbarte Volumen in Höhe von\n1.789.500,– € wird nach Art. 3 des Gesetzes zur Einführung des\nWohnortsprinzips vom 11.12.2001 entsprechend angerechnet." Dieser\nSteigerungsbetrag entsprach rund 1,11% der vereinbarten Gesamtvergütung für\n2003.\n\n \n\n3\n\n \n\nIn der Vereinbarung über die Gesamtvergütung 2004 vom 25.08.2004 ist zu Ziffer\n20 bestimmt: "Die Vertragsparteien vereinbaren bis 15.10.2004 die Kriterien\nzur Umsetzung des Art. 3 des Gesetzes zur Einführung des Wohnortsprinzips für\ndas Jahr 2004 im Rahmen einer Protokollnotiz zu dieser Vereinbarung." Nachdem\neine Einigung zur angestrebten Protokollnotiz nicht erreicht worden war, rief\ndie KV mit Schreiben vom 8. Dezember 2004 das Landesschiedsamt an. Die KV\nvertrat die Auffassung, dass nach Art. 3 des WOrtPrG die Gesamtvergütung um\ndrei Prozentpunkte zu erhöhen sei. Der Vergleich der Quartale I bis IV 2003\nmit den Quartalen I – IV 2004 auf der Basis des Vordrucks KV 45 ergebe für die\nOrtskrankenkassen Einsparungen für die Bereiche Arzneimittel – 11,3%\n\n4\n\n \n--- \nHilfsmittel | – 13,7% \nHeilmittel | – 10,1% \nKrankenhausbehandlung | – 0,8% \nKrankengeld | – 6,7% \nHäusliche Krankenpflege | – 1,1% \n \n \n\n5\n\n \n\nEs sei festzustellen, dass all diese Leistungsbereiche maßgeblich durch die\nVertragsärzte beeinflusst würden. Die erwirtschafteten Einsparungen seien\nsomit als Minderausgaben im Sinne des WOrtPrG anzusehen, evtl. Einsparungen,\ndie auf die Folgen des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen\nKrankenversicherung vom 14. November 2003 (GMG) verursacht worden seien, seien\nunbeachtlich, da dieses Gesetz nach dem WOrtPrG in Kraft getreten sei, ohne\ndass dieses entsprechende Ausschlussregelungen in Bezug auf Art. 3 WOrtPrG\nvorsehe.\n\n \n\n6\n\n \n\nDie erwirtschafteten Einsparungen ergäben für die Ortskrankenkassen der neuen\nBundesländer für die Quartale I – III 2004 einen Betrag der Minderausgaben in\nHöhe von insgesamt 81,8 Mio €. Hochgerechnet von 109,1 Mio € jährlich.\nEntsprechend der Zahl der Versicherten ergebe sich für die AOK Mecklenburg-\nVorpommern ein Anteil der Minderausgaben von 11,5% und somit 12,5 Mio €. Dies\nentspreche bezogen auf die Gesamtvergütung 2003 in Höhe von 160,8 Mio € einem\nEinsparvolumen von 7,8%.\n\n \n\n7\n\n \n\nAuch die Betrachtung der Arzneimittelausgaben ergebe erhebliche Einsparungen.\nNach der GKV-Arzneimittelschnellinformation (GAmSi) ergäben sich für 2004\ngegenüber 2003 Minderausgaben in Höhe von 61,4 Mio € (11,2 %) für alle\nKrankenkassen in Mecklenburg-Vorpommern. Nach den Angaben des Deutschen\nApothekerverbandes e. V. auf der Grundlage der Abrechnungsergebnisse der\nApothekenrechenzentren (ABDA) seien für Mecklenburg-Vorpommern sogar\nMinderausgaben 2004 gegenüber 2003 in Höhe von 15,5 % festzustellen. Der\nAnteil der AOK M-V am Arzneimittelmarkt der neuen Bundesländer betrage nach\nAngaben der KV 45 im I – III Quartal 2004 51,9%. Das bedeute, dass von den\nfestgestellten Minderausgaben nach GAmSi in Höhe von 61,5 Mio € ca. 31,9 Mio €\nauf die AOK M-V entfielen. Das entspreche einem Anteil an der Gesamtvergütung\nvon 19,85%. Bei der Betrachtungsweise nach ABDA entfielen von den\nMinderausgaben in Höhe von 92,08 Mio € aller Krankenkassen 47,8 Mio € auf die\nAOK M-V. Dieses wiederum komme einem Anteil an der Gesamtvergütung von 29,72%\ngleich.\n\n \n\n8\n\n \n\nDie durch die Vertragsärzte erwirtschafteten Minderausgaben beliefen sich auf\ninsgesamt 27,65% (7,8% + 19,85%) bzw. 37,52% (7,8% + 29,72%) bezogen auf die\nGesamtvergütung der AOK M-V.\n\n \n\n9\n\n \n\nBei einer Erhöhung der Gesamtvergütung um 3% nach Art. 3 WOrtPrG sei die\nBeitragssatzstabilität in keinem Fall gefährdet, da den Mehrausgaben\nmindestens in gleicher Höhe Minderausgaben entgegenstünden.\n\n \n\n10\n\n \n\nDie AOK hat die Auffassung vertreten, dass die Berechnungen der KV teilweise\nfehlerhaft seien. Die errechneten Minderausgaben seien so nicht zutreffend.\nZudem seien nur diejenigen Minderausgaben nach Art. 3 WOrtPrG zu\nberücksichtigen, die von den Krankenkassen und Leistungserbringern in dem\njeweiligen Land erwirtschaftet worden seien. Aus diesem Grunde seien die\nEinflüsse durch das GMG herauszurechnen. Entsprechend Art. 3 WOrtPrG sei nicht\nallein auf den Vergleich 2003/2004 abzustellen, sondern auf den gesamten\nZeitraum von 2002 bis 2004, nach der KV 45 ergebe sich, dass im Wesentlichen\nkeine Minderausgaben entstanden seien. Durch die Forderung der KV wäre auch\nentgegen der Regelung des Art. 3 WOrtPrG die Beitragssatzstabilität gefährdet.\nEs sei verfehlt, auf den für das Jahr 2004 zu erwartenden Überschuss von ca.\n40 Mio € abzustellen, vielmehr seien die in der Erfolgsrechnung ausgewiesenen\n40 Mio € Überschuss zu bereinigen um ca. 11 Mio RSA-Schlussausgleich 2003, ca.\n30 Mio € GMG-Effekte (inkl. gegenläufiger Effekte) und ca. 17 Mio € jährliche\nEntschuldungsrate (§ 222 Abs. 4 SGB V). Als Differenz ergebe sich somit ein\nBetrag von ca. – 18 Mio €, so dass die AOK keine Möglichkeit habe, ohne\nAufnahme von weiteren zusätzlichen Fremdmitteln den Forderungen der KV\nnachzugeben. Darlehen könnten nach §§ 220, 222 SGB V grundsätzlich nicht\naufgenommen werden, so dass die Forderung der KV unmittelbar zu einer\nBeitragssatzerhöhung führe.\n\n \n\n11\n\n \n\nMit Beschluss vom 08.04.2005 hat das Landesschiedsamt als Inhalt der\nVereinbarung zur Umsetzung des Art. 3 WOrtPrG im Wesentlichen festgesetzt,\ndass in Abhängigkeit zu den erzielten Einsparungen die budgetierte\nGesamtvergütung (D 99/90/97) in 2004 sich wie folgt basiswirksam anpasse: "Für\nAusgabenreduktionen im Bereich der Arznei- und Verbandmittel größer als 6,5 v.\nH. erhöht sich die Gesamtvergütung um die Reduzierungsquote bis zum Höchstsatz\nvon 1,5 vom Hundert."\n\n \n\n12\n\n \n\nZur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Überschreiten der\nVeränderungsrate des § 71 Abs. 3 SGB V gestützt auf Art. 3 WOrtPrG nur\nzulässig sei, wenn die Minderausgaben von den Krankenkassen und\nLeistungserbringern "erwirtschaftet" würden. Das Schiedsamt sei der\nAuffassung, dass die durch die gesetzlichen Regelungen des GMG bewirkten\nEffekte auf die Ausgaben von dem Effekt der "Erwirtschaftung durch\nKrankenkassen und Leistungserbringer" zu trennen seien. Im Ergebnis habe diese\nTrennung nur für den Bereich der Arznei- und Verbandmittel plausibilisiert\nwerden können. Für diesen Bereich liege eine Rahmenvereinbarung auf der\nBundesebene zugrunde, die den GMG-Effekt auf 6,5 v. H. der\nArzneimittelausgaben des Jahres 2003 beziffere. Daraus schließe das\nSchiedsamt, dass darüber hinausgehende Einsparungen als erwirtschaftete\nMinderausgaben im Sinne von Art. 3 WOrtPrG anzusehen seien. Die Überprüfung\nsolle anhand der Jahresrechnungsergebnisse der AOK M-V (die sogenannte KJ\n1-Statistik) vorgenommen werden. In Anbetracht der Schuldenlast der AOK M-V\nhabe das Schiedsamt den maximal möglichen Anpassungssatz für die\nGesamtvergütung zur Umsetzung von Art. 3 WOrtPrG auf 1,5 v. H. festgesetzt.\n\n \n\n13\n\n \n\nGegen diesen Schiedsspruch hat die KV am 3. Mai 2005 (Az.: S 3 KA 43/05) und\ndie AOK am 6.5.2005 (S 3 KA 45/05) beim Sozialgericht (SG) Schwerin Klage\nerhoben. Beide Klagen sind durch Beschluss vom 18.04.2007 zur gemeinsamen\nVerhandlung und Entscheidung verbunden worden. Zum führenden Verfahren S 3 KA\n43/05 ist die AOK mit Beschluss vom 17. Mai 2006 beigeladen worden.\n\n \n\n14\n\n \n\nDie KV (Klägerin) hat zur Begründung ihrer Klage im Wesentlichen ausgeführt,\ndas Schiedsamt habe durch die Kappung des möglichen Steigerungssatzes von 3 v.\nH. um 1,5 v. H. rechtswidrig sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Dieses ergebe\nsich bereits aus einem Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG). Unter\nidentischen gesetzlichen Rahmenbedingungen habe das Schiedsamt für die\nErsatzkassen eine Festlegung dahingehend getroffen, dass für Ausgabenreduktion\nim Bereich der Arznei- und Verbandmittel größer als 8,5 v. H. sich die\nGesamtvergütung um die Reduzierungsquote bis zum Höchstsatz von 3 v. H.\nerhöhe. Sachliche Gründe, die eine Abweichung rechtfertigen könnten, gebe es\nnicht. Es sei zudem nicht ausgeschlossen, dass sich das Schiedsamt von einer\nmutmaßlich falschen Darstellung der AOK im Schiedsverfahren habe leiten\nlassen. Die AOK habe im Rahmen der vorläufigen Jahresrechnung KV 45\nMinderausgaben von 78,44 € je Mitglied insgesamt 37 Mio € dargelegt.\nTatsächlich ergebe sich in den tatsächlichen Ausgaben bei den Arzneimitteln\nnach der Meldung der AOK vom 15.08.2004 für das Jahr 2004 im Vergleich zum\nJahre 2003 eine Einsparung von 40,7 Mio € und somit 11,2%, nach der\nVeröffentlichung der regionalen Ergebnisse des BMG im Oktober 2004 sogar ein\nBetrag von 42,4 Mio € entsprechend 12,1%. Unter Absetzung des vom Schiedsamt\nzugrunde gelegten GMG-Effekts von 6,5% seien somit noch erbrachte Einsparungen\nvon 5,6 bzw. 4,7% nach Art. 3 des WOrtPrG zu berücksichtigen gewesen, so dass\nnach dem Wortlaut der Vorschrift der volle mögliche Erhöhungssatz von drei\nProzentpunkten zu berücksichtigen gewesen sei. Die Formulierung in Art. 3\nWOrtPrG: "und insoweit die Beitragssatzstabilität durch die Erhöhung nicht\ngefährdet wird." mache deutlich, dass in Fällen, in denen die Minderausgaben\ndie Mehrausgaben überstiegen, die Beitragssatzstabilität als nicht gefährdet\nansehen könne. Da sich aus den Einsparungen unter Berücksichtigung vom\nMehrausgaben ein positiver Saldo von mehr als 3 v. H. ergebe, stelle sich die\nBezugnahme auf den Grundsatz der Beitragssatzstabilität als rechtswidrig dar.\n\n \n\n15\n\n \n\nZudem sei vom Schiedsamt eine finanzielle Situation der AOK zugrunde gelegt\nworden, wie sie von der AOK in der Sitzung des Landesschiedsamts am 08.04.2005\nvorgetragen worden sei. Tatsächlich habe die AOK im Jahre 2004 einen\nÜberschuss von 44,8 Mio € erwirtschaftet. Im Zeitraum 2000 – 2005 seien es\nkumuliert sogar 100,3 Mio €. Ihre Kreditverpflichtungen habe die AOK im\nZeitraum 2000 – 2005 erfolgreich abgebaut. Die Auswirkung der verbliebenen\nKredite auf den Beitragssatz liege bei 0,3 Prozentpunkten. Die AOK\nMecklenburg-Vorpommern habe ihre Position innerhalb des AOK-Systems in den\nletzen Jahren durchaus verbessert. So liege der Beitragssatz der AOK M-V zum\nTeil unter den Beitragssätzen anderer AOK\'en auch in den alten Bundesländern.\n\n \n\n16\n\n \n\nDie beigeladene AOK hat zu Begründung ihrer Klage darauf hingewiesen, dass das\nSchiedsamt von falschen Voraussetzungen ausgegangen sei. Der GMG-Effekt sei\nrichtigerweise mit mehr als 6,5% zu beziffern gewesen. Ursprünglich sei in den\nRahmenvorgaben entsprechend § 84 Abs. 7 SGB V vom 15.10.2003 (Deutsches\nÄrzteblatt 2004, 1998) ein Anpassungsfaktor von – 8,6% angenommen worden. Erst\nin der Neubewertung der Anpassung von 2003 nach 2004 mit den Rahmenvorgaben\nfür das Jahr 2005 vom 27. Oktober 2004 (Deutsches Ärzteblatt 2004, 3290) sei\nder Anpassungsfaktor mit – 6,5% festgelegt worden. Zudem sei in den\nRahmenvorgaben vorgesehen, dass regional abgewichen werden könne. Dieses habe\ndas Schiedsamt verkannt. Tatsächlich seien die GMG-bedingten Minderausgaben im\nArzneimittelbereich ca. 60% höher gewesen als die ursprüngliche Prognose der\nRahmenvorgabe vom 27.10.2004.\n\n \n\n17\n\n \n\nZusätzlich sei zu berücksichtigen, dass es in den Quartalen III und IV 2003 in\nVorschau des GMG Vorzieheffekte gegeben habe, die mit 1,93% zu beziffern\nseien.\n\n \n\n18\n\n \n\nSchließlich habe der Beklagte den Grundsatz der Beitragssatzstabilität\nverletzt. Durch die Mehrausgaben hätte die Beigeladene nicht im gebotenen\nUmfang die Entschuldung vorantreiben können.\n\n \n\n19\n\n \n\nDie Klägerin hat beantragt,\n\n \n\n20\n\n \n\ndie Schiedsamtsentscheidung des beklagten Landesschiedsamtes vom 08.04.2005\naufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, nach Maßgabe der\nRechtsauffassung des Gerichts eine Neufestsetzung vorzunehmen.\n\n \n\n21\n\n \n\nDie Beigeladene hat beantragt,\n\n \n\n22\n\n \n\ndie Entscheidung des beklagten Landesschiedsamtes vom 08.04.2005 aufzuheben\nsowie den Beklagten zu verurteilen, nach Maßgabe der Rechtsauffassung des\nGerichts eine Neufestsetzung vorzunehmen.\n\n \n\n23\n\n \n\nDer Beklagte hat beantragt,\n\n \n\n24\n\n \n\ndie Klagen abzuweisen.\n\n \n\n25\n\n \n\nDer Beklagte hat erläutert, dass die differierende Entscheidung für den\nBereich der Ersatzkassen damit zu erklären sei, dass das Schiedsamt die –\nregionale – Schuldensituation der Beigeladenen gewürdigt habe, während eine\nsolche Regionalisierung bei den Ersatzkassen nicht möglich sei. Das\nLandesschiedsamt sei der Auffassung, dass nur solche Einsparungen zu\nberücksichtigen gewesen seien, die auf die Erwirtschaftung zugeführt werden\nkönnten. Das Schiedsamt habe den GMG induzierten Einsparbetrag von 6,5%\nentsprechend der Rahmenvorgabe der Bundesvertragspartner vom 27.10.2004\nzugrunde gelegt. Diese Vorgaben ließen keine regionalen Spielräume zu. Wollten\nsolche berücksichtigt werden, sei aufgrund der in Mecklenburg-Vorpommern im\nBundesvergleich überdurchschnittlich hohen Alterung und dem damit einher\ngehenden Pro-Kopf-Mehrbedarf an Arzneimitteln ein höherer Steigerungsfaktor\neinzusetzen.\n\n \n\n26\n\n \n\nSpätere Erkenntnisse, die die Situation der Beigeladenen günstiger oder\nungünstiger erscheinen ließen, seien unbeachtlich. Das Landesschiedsamt müsse\nzu dem Zeitpunkt, in dem es tätig werde, eine bestmögliche Einschätzung\nvornehmen.\n\n \n\n27\n\n \n\nDas SG hat die Klagen mit Urteil vom 18. April 2007 abgewiesen und zur\nBegründung dargelegt, dass der Beklagte den ihm zustehenden\nGestaltungsspielraum nicht überschritten habe. Insbesondere habe die\nVerschuldenssituation der Beigeladenen berücksichtigt werden dürfen. Auch in\nder Formulierung des Art. 3 des WOrtPrG werde deutlich, dass nicht jede\nerwirtschaftete Einsparung in vollem Umfang zur Finanzierung der\nvertragsärztlichen Versorgung wieder auszugeben sei. Die Nichtgefährdung der\nBeitragssatzstabilität werde vom Gesetzgeber ausdrücklich weiterhin als\nTatbestandsvoraussetzung ("und insoweit") normiert. Es sei sachgerecht,\nerwirtschaftete Einsparungen teilweise zum Schuldenabbau zu verwenden. Dieses\nvom Landesschiedsamt festgesetzte Ergebnis hätten auch die Vertragsparteien\nohne Gesetzesverstoß in freier Vereinbarung vereinbaren können.\n\n \n\n28\n\n \n\nDie Verschuldenssituation der Beigeladenen habe der Beklagte anhand eines\nzutreffend ermittelten Sachverhaltes gewürdigt. Auch wenn die prognostischen\nErwägungen sich zu einem späteren Zeitpunkt als unzutreffend erwiesen, weil\ndie Entwicklung anders als vorausgeschätzt verlaufe, werde der Schiedsspruch\nnicht unrichtig. Auch die im Oktober 2006 veröffentlichten\nJahresrechnungsergebnisse für das Jahr 2004 bzw. Darstellungen der\nKreditsituation der AOK M-V seien unerheblich. Vielmehr habe sich aus dem von\nder Beigeladenen vorgelegten Schreiben des Sozialministeriums M-V vom 15.\nJanuar 2004 hinlänglich ergeben, dass die Beigeladene sich in einer äußerst\nprekären Finanzlage befunden habe und jede zusätzliche Belastung die\nBestandsfähigkeit der Krankenkasse gefährdet hätte.\n\n \n\n29\n\n \n\nGegen dieses der Klägerin am 21. Mai 2007 zugestellte Urteil richtet sich\nderen am 15. Juni 2007 bei dem Landessozialgericht eingegangene Berufung. Die\nKlägerin ist der Auffassung, dass das SG dem Beklagten folgend sowohl die\nRechtslage verkannt habe als auch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen\nsei. Nach der zwischen der Klägerin und der Beigeladenen am 25. August 2004\ngeschlossenen Vereinbarung über die Gesamtvergütung stehe fest, dass diese den\nGrundsatz der Beitragssatzstabilität des § 71 Abs. 1 SGB V erfülle. Erwägungen\nder Beitragssatzstabilität seien deshalb für die Festlegung der noch offenen\nKriterien zur Umsetzung des Art. 3 WOrtPrG für die Beteiligten und damit auch\nfür das Landesschiedsamt nicht mehr zu beachten gewesen. Es sei somit allein\nfestzustellen gewesen, in welchem Umfange Minderausgaben erwirtschaftet worden\nseien. Da zweifelsfrei die erwirtschafteten Minderausgaben einen höheren\nBetrag ausmachten als die Erhöhung der Gesamtvergütung um die nach Art. 3 des\nWOrtPrG maximal möglichen drei Prozentpunkte könne die Beitragssatzstabilität\nnicht gefährdet sein. Gesetzliche Intention des WOrtPrG sei ausweislich der\nGesetzesmaterialien eine höchstmögliche Angleichung der Gesamtvergütung an\ndiejenige in den neuen Bundesländern gewesen. Auch ergebe sich aus dem\nGesetzgebungsverfahren, dass eine Ermessensentscheidung nur noch in\naußergewöhnlich gelagerten Fällen zu einer Reduzierung des Anpassungsfaktors\nführen solle. Während das auszuübende Ermessen zunächst durch das Wort "kann"\nbestimmt worden sei, sei in der endgültigen Gesetzesfassung das Wort "soll"\nenthalten.\n\n \n\n30\n\n \n\nDie Verschuldenssituation der Beklagten könne eine Ermessensausübung mit dem\nInhalt, dass nur ein Teil der erwirtschafteten Einsparungen für die Erhöhung\nder Gesamtvergütung zu verwenden sei, nicht rechtfertigen. Zum einen könne es\nauf die Verschuldenssituation der Krankenkassen nicht ankommen. Diese sei dem\nGesetzgeber bekannt gewesen. So publiziere das BMG regelmäßig die\nentsprechenden Kerndaten der Krankenkassen (KV 45-Statistik) sowie die in\ndiesem Zusammenhang stehenden Verschuldungssituationen der jeweiligen\nKrankenkassen. Hätte der Gesetzgeber eine Einbeziehung der\nVerschuldungssituation der jeweiligen Krankenkasse bzw. Kassenart gewollt, so\nhätte dieses im WOrtPrG tatbestandlich ausdrücklich erfasst werden müssen.\n\n \n\n31\n\n \n\nZudem habe das Schiedsamt die Verschuldenssituation der Beigeladenen verkannt.\nDie Beigeladene hätte ihre Haushaltsdaten der Jahre 2003 und 2004, die zum\nZeitpunkt der Schiedsamtverhandlung am 8. April 2005 ihr vorgelegen hätten,\nvortragen müssen. Unzutreffend sei das Schiedsamt davon ausgegangen, dass für\nden Fall der Anhebung der Gesamtvergütung um weitere 3 v. H. der von der AOK\nvorgesehene Entschuldungsplan gefährdet gewesen sei und Auswirkungen auf den\nBeitragssatz eintreten würden. Die Verschuldenssituation der Beigeladenen sei\nzudem ja bereits in der vertraglichen Regelung vom 25. August 2004\nberücksichtigt worden.\n\n \n\n32\n\n \n\nDie Klägerin beantragt,\n\n \n\n33\n\n \n\ndas Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 18. April 2007 und die\nSchiedsamtsentscheidung des beklagten Schiedsamtes vom 08. April 2005\naufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, nach Maßgabe der\nRechtsauffassung des Gerichts eine Neufestsetzung vorzunehmen, hilfsweise die\nRevision zuzulassen.\n\n \n\n34\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n \n\n35\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n \n\n36\n\n \n\nDer Beklagte wiederholt seine Auffassung, dass der Spielraum des\nLandesschiedsamtes bei der Festsetzung nicht kleiner sei als derjenige der\nVertragspartner, an deren Stelle das Schiedsamt tätig werde. Das WOrtPrG\nüberlasse den Vertragspartnern der Gesamtverträge, die Kriterien sowie das\nVerfahren zur Feststellung der Ausgabenreduktion zu vereinbaren. Die\nFormulierung, dass die Veränderungsrate überschritten werden "soll", mache\ndeutlich, dass der Gesetzgeber den Vertragsparteien einen Gestaltungsspielraum\nzuerkennen wollte. Diesen Gestaltungsspielraum habe das Landesschiedsamt\ngenutzt und dabei den maximal möglichen Anpassungssatz auf 1,5 v. H.\nfestgestellt, da anderenfalls in Anbetracht der Verschuldungslage der\nBeigeladenen nach Einschätzung des Schiedsamtes der Anpassungsfaktor Einfluss\nauf die Höhe des Beitragssatzes gehabt hätte.\n\n \n\n37\n\n \n\nAuch die Vertragsparteien selbst hätten für das Jahr 2003 unter Anrechnung auf\ndie Steigerung nach Art. 3 WOrtPrG einen Betrag von 1,79 Mio € basiswirksam\neingestellt, was einem Anhebungsfaktor von rund 1,1 v. H. entspräche und damit\ngleichfalls den ihnen eingeräumten Gestaltungsspielraum bis zur "vollen"\nErhöhung von 3% nicht genutzt. Auch das Landesschiedsamt habe einen solchen\nGestaltungsspielraum nutzen können.\n\n \n\n38\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten und die\nSchriftsätze der Beteiligten verwiesen.\n\n \n\n#### Entscheidungsgründe\n\n39\n\n \n\nDie form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch\nunbegründet.\n\n \n\n40\n\n \n\nNach § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB V setzt das Schiedsamt den Vertragsinhalt fest,\nsofern ein Vertrag über die kassenärztliche Versorgung ganz oder teilweise\nnicht zustande kommt. Daraus ergibt sich unmittelbar, dass das Schiedsamt bei\nder Festsetzung des Inhaltes des Gesamtvertrages die gleiche\nGestaltungsfreiheit hat, wie sie für die Vertragsparteien bei der gütlichen\nVereinbarung besteht (BSG Urteil 18. September 1993, 6 RKa 11/72). Nach\nständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (zuletzt Urteile vom\n14.12.2005, B 6 KA 25/04 R, sowie vom 27.04.2005, B 6 KA 42/04 R, in SozR\n4-2500 § 85 Nr. 16 und vom 19.07.2006, B 6 KA 44/05, in SozR 4-2500 § 88 Nr.\n1) unterliegen Schiedssprüche gemäß § 89 SGB V – auf Anfechtung der\nGesamtvertragsparteien – nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher\nKontrolle. Das Schiedsamt hat bei einer Festsetzung von Gesamtverträgen über\ndie vertrags(zahn)ärztliche Vergütung einen Gestaltungsspielraum. Seine\nSchiedssprüche sind ebenso wie die von ihnen ersetzten Vereinbarungen der\nvorrangig zum Vertragsabschluss berufenen Vertragsparteien auf\nInteressenausgleich angelegt und haben Kompromisscharakter. Dementsprechend\nsind sie nur daraufhin zu überprüfen, ob sie die grundlegenden\nverfahrensrechtlichen Anforderungen und in inhaltlicher Hinsicht die\nzwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten haben. In formeller Hinsicht wird\ngeprüft, ob das Schiedsamt den von ihm zugrunde gelegten Sachverhalt in einem\nfairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs ermittelt hat und sein\nSchiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen\nlässt. Die inhaltliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der vom\nSchiedsspruch zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob das Schiedsamt den\nihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, d. h. insbesondere die\nmaßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat.\n\n \n\n41\n\n \n\nDieser ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat sich der Senat\nangeschlossen (vgl. LSG M-V, L 1 KA 13, 14 und 17/00, Urteile vom 22.05.2002).\n\n \n\n42\n\n \n\nGemessen an diesen Grundsätzen ist der angefochtene Schiedsspruch nicht zu\nbeanstanden.\n\n \n\n43\n\n \n\nDas Schiedsamt hat den Sachverhalt – begrenzt auf das Vorbringen der\nBeteiligten – zutreffend ermittelt und diesen seinem Schiedsspruch zugrunde\ngelegt, wie sich aus dem Protokoll der Schiedsamtsverhandlung wie dem\nSchiedsspruch selbst entnehmen lässt. Der Schiedsspruch begründet die\ngetroffene Festsetzung auch im Einzelnen.\n\n \n\n44\n\n \n\nInsbesondere hat das Schiedsamt die Regelung des Artikel 3 WOrtPrG nicht\nverkannt und diese im Rahmen des ihm eingeräumten Gestaltungsspielraumes nicht\nverletzend umgesetzt. Auch ist der Schiedsspruch nicht deshalb rechtswidrig,\nweil das Schiedsamt bei seiner Entscheidung von einem fehlerhaften Sachverhalt\nausgegangen wäre.\n\n \n\n45\n\n \n\nNach Artikel 3 WOrtPrG soll bei der Vereinbarung der Gesamtvergütung nach § 85\nSGB V für die Jahre 2002 bis 2004 die Veränderungsrate nach § 71 Abs. 3 SGB V\nin dem in Artikel 1 Abs. 1 des Einigungsvertrages genannten Gebiet um jährlich\nbis zu 3-Prozent-Punkte, insgesamt jedoch höchstens 6-Prozent-Punkte,\nüberschritten werden, sofern in dem genannten Zeitraum die damit verbundenen\nMehrausgaben durch Minderausgaben bei den Leistungen von Krankenkassen und\nLeistungserbringern in dem jeweiligen Land erwirtschaftet werden und insoweit\ndie Beitragssatzstabilität durch die Erhöhung nicht gefährdet wird. Da von den\ninsgesamt möglichen 6% zusätzlicher Erhöhung der Gesamtvergütung durch die\nVereinbarung für das Jahr 2003 erst 1,11% ausgeschöpft waren, standen\nunstreitig für das Jahr 2004 bis zu 3 v. H. Erhöhungsrahmen zur Verfügung.\nDieses hat das Schiedsamt nicht verkannt.\n\n \n\n46\n\n \n\nZwischen der Klägerin und der Beigeladenen ist streitig geblieben, in welchem\nUmfange Minderausgaben erwirtschaftet worden sind und welcher Anteil der\nerwirtschafteten Minderausgaben auf Effekte des zum 01. Januar 2004 in Kraft\ngetretenen Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung\n(GMG) zurückzuführen sind. Auch unter der Annahme, dass, wie die Klägerin\nvorträgt, im Bereich der Arznei- und Verbandsmittel eine Ausgabenreduktion um\nwenigstens 3 v. H. eingetreten sei und sogar der Schwellenwert des\nSchiedsspruches von 6,5 v. H. erreicht worden ist und diese Ausgabenreduktion\nim Sinne des Art. 3 WOrtPrG erwirtschaftet worden wäre, ergäbe sich nicht die\nRechtswidrigkeit des Schiedsspruches. Die Rechtsansicht der Berufungsklägerin,\ndass zwingend die Gesamtvergütung um 3 v. H. zu erhöhen sei, wenn in diesem\nUmfange Minderausgaben im Sinne des Art. 3 WOrtPrG erwirtschaftet worden\nseien, ist fehlerhaft und dem Gesetz entgegen der Auffassung der\nBerufungsklägerin weder nach dem Wortlaut noch im Wege der Auslegung oder nach\nSinn und Zweck der gesetzlichen Neuregelung zu entnehmen.\n\n \n\n47\n\n \n\nZwar ist das Argument der Berufungsklägerin, dass, sofern entsprechende\nEinsparungen erwirtschaftet worden seien, eine äquivalente Erhöhung der\nGesamtvergütung für sich allein die Beitragssatzstabilität nicht gefährden\nkönne, da unter diesen Prämissen die Angleichung der Gesamtvergütung\nbeitragsneutral sei, isoliert betrachtet zutreffend.\n\n \n\n48\n\n \n\nDiese Argumentation verkennt jedoch den Normgehalt des Artikel 3 WOrtPrG und\ndessen Kontext. Wäre die Auffassung der KV richtig, hätte es des Hinweises auf\ndie Beitragssatzstabilität nicht bedurft. Dann hätte schlicht geregelt werden\nkönnen, dass erwirtschaftete Einsparungen unmittelbar zur entsprechenden\nErhöhung der Gesamtvergütung führen. Dieses ist augenscheinlich durch das\nGesetz nicht gewollt. Im ursprünglichen Gesetzentwurf (Bundestags-Drucksache\n14/5960 vom 08.05.2001) war lediglich eine Vereinheitlichung des regionalen\nBezuges der Vereinbarung der Gesamtvergütung bezweckt. Während die Verbände\nder Ersatzkassen Gesamtvergütungen mit den KV\'en, in denen der Versicherte\nwohne ("Wohnortprinzip"), vereinbarten, sei bei den Primärkassen der Sitz der\njeweiligen Krankenkasse ("Kassensitzprinzip") maßgeblich. Dies solle\ndahingehend vereinheitlicht werden, dass das "Wohnortprinzip" bei\nVereinbarungen über die Gesamtvergütung in der ambulanten Versorgung für alle\nKassenarten verbindlich vorgeschrieben werde (S. 1, A.). Im Verlauf der\nparlamentarischen Beratungen wurden weitere Gesetzentwürfe eingebracht durch\ndie CDU/CSU-Fraktion (Drucksache 14/5694) und die Fraktion der FDP (Drucksache\n14/6054). Hier wurde auch das unterschiedliche Ausgaben- und Vergütungsniveau\nOst/West problematisiert. In der Beschlussempfehlung des Ausschusses für\nGesundheit (Drucksache 14/6566 vom 04.07.2001) wurde der ursprüngliche\nGesetzentwurf angenommen und die alternativen Gesetzentwürfe abgelehnt. In\ndritter Lesung hat der Bundestag am 06.07.2001 den ursprünglichen\nGesetzentwurf in der durch den Ausschuss geänderten Fassung angenommen sowie\ndie Änderungsanträge abgelehnt (Plenarprotokoll 14/183, S. 18126).\n\n \n\n49\n\n \n\nDer Bundesrat hat in seiner Beratung vom 13. Juli 2001 beschlossen, den\nVermittlungsausschuss anzurufen und zur Begründung u. a. ausgeführt, dass eine\nSteigerungsmöglichkeit für ärztliche Honorare im Osten, z. B. in Zwei-Jahres-\nSchritten, wie mehrfach vorgeschlagen, aufgenommen werden müsse. Den\nostdeutschen Ärzten werde damit im Rahmen der finanziellen Spielräume der\nOstkassen die Möglichkeit eröffnet, höhere Honorare auszuhandeln. Diese seien\ndringend erforderlich, um die ambulante medizinische Versorgung\nsicherzustellen.\n\n \n\n50\n\n \n\nDer Vermittlungsausschuss hat dann die Einfügung des Artikel 3, wie er dann\nGesetz geworden ist, vorgeschlagen (Drucksache 14/7342 vom 07.11.2001).\n\n \n\n51\n\n \n\nAus diesem parlamentarischen Ablauf ist erkennbar, dass – worauf die\nBerufungsklägerin zutreffend hinweist – beabsichtigt gewesen ist, mit dem\nArtikel 3 WOrtPrG Erhöhungsmöglichkeiten für die Honorare der Ärzte in den\nneuen Bundesländern zu eröffnen. Diese Absicht ist so denn auch ohne Weiteres\ndem Wortlaut der Norm zu entnehmen. Zugleich wird aber auch deutlich, dass\ndurch die Bezugnahme auf die Beitragssatzstabilität die allgemeinen Prinzipien\ndes § 71 SGB V weiterhin gelten sollten und den übergeordneten Rahmen für die\nErhöhung der Gesamtvergütung weiterhin darstellen. Auch dieses ist ohne\nWeiteres dem Wortlaut zu entnehmen, weil dieser deutlich macht, dass die\nerweiterten Möglichkeiten der Erhöhung der Gesamtvergütung nur insoweit\nmöglich sind, als die Beitragssatzstabilität durch die Erhöhung nicht\ngefährdet wird.\n\n \n\n52\n\n \n\nDurch den Hinweis auf die Beitragssatzstabilität wird nach Auffassung des\nSenates deutlich, dass auch unter Geltung des Artikel 3 WOrtPrG der Grundsatz\nder Beitragssatzstabilität des § 71 SGB V als übergeordnetes Prinzip vorrangig\nist und dementsprechend von den Vertragspartnern der Gesamtverträge bei der\nVereinbarung der Gesamtvergütung und somit auch durch das Schiedsamt vorrangig\nzu beachten ist. So wird denn auch die Auffassung vertreten, dass die Regelung\ndes Artikel 3 WOrtPrG inkonsequent und ohne Verpflichtung, erwartete\nMinderausgaben auch tatsächlich zu erzielen, überflüssig sei (vgl. Hauck/Noftz\n§ 85 Anm. 69 q, r).\n\n \n\n53\n\n \n\nDie Vorschrift des Artikel 3 WOrtPrG ist keine gebundene Vorschrift, aus der\nsich die Erhöhung der Veränderungsrate bei erwirtschafteten Minderausgaben\nunmittelbar herleiten ließe. Die Formulierung "soll" weist eindeutig auf ein\nauszuübendes Ermessen hin. Gegenüber der möglichen Formulierung "kann" ergibt\nsich zwar eine deutliche Reduzierung des Ermessens, dies betrifft nach dem\nWortlaut des Artikel 3 WOrtPrG nur die Überschreitung der Veränderungsrate an\nsich, nicht aber deren Umfang. Zwar nennt Artikel 3 WOrtPrG eine\nHöchstveränderungsrate von 3 Prozentpunkten jährlich, jedoch keine\nMindestwerte, so dass insoweit ein Handlungsspielraum der Ermessensausübung\nverbleibt (vgl. Hauck/Noftz, SGB V § 85 Anm. 69 r).\n\n \n\n54\n\n \n\nDer Beklagte durfte bei der Erwägung, in welchem Umfange erwirtschaftete\nMinderausgaben zu einer Steigerung der Veränderungsrate nach Artikel 3 WOrtPrG\nausgenutzt werden sollte, auch die Vorschrift des § 222 Abs. 4 SGB V\nberücksichtigen und sich von dem Auftrag des Gesetzes leiten lassen, nach dem\ndie Krankenkassen verpflichtet sind, einerseits die Gründe für die bisherige\nVerschuldung innerhalb von 5 Jahren zu beseitigen und andererseits die\nDarlehen innerhalb von längstens 10 Jahren zurückzuzahlen.\n\n \n\n55\n\n \n\nDer Beklagte ist dabei von den von der Beigeladenen dargestellten finanziellen\nBedingungen, die auch in der Schiedsamtsverhandlung noch erörtert wurden, zu\nRecht ausgegangen. Ohne Bedeutung für die Richtigkeit der\nSchiedsamtsentscheidung ist eine möglicherweise abweichende künftige\nEntwicklung, hier die von der Berufungsklägerin behauptete günstigere\nfinanzielle Situation der Beigeladenen, insbesondere ein schon weiter\nfortgeschrittener Abbau der Verschuldung, als dieser vom Beklagten angenommen\nwurde. Das BSG hat mit Urteil vom 10.05.2000 (B 6 KA 20/99 R) überzeugend\ndargelegt, "dass Gesamtvergütungsvereinbarungen und die an ihre Stelle\ntretendenden Schiedsamtsentscheidungen notwendig prognostische Erwägungen\nenthielten. Diese könnten nur auf ihre Vertretbarkeit und daraufhin überprüft\nwerden, ob die zur Entscheidung berufenen Institutionen von zutreffend\nermittelten Daten ausgegangen sind. Eine auf prognostische Erwägungen\ngestützte Entscheidung wird bei Betrachtung ex post nicht falsch, wenn die\nEntwicklung anders als vorausgesetzt verläuft."\n\n \n\n56\n\n \n\nAuch wenn der Beklagte bei seiner Entscheidung von einer finanziellen\nSituation, insbesondere Verschuldungslage der Beigeladenen, ausgegangen wäre,\ndie bereits zum Zeitpunkt der Schiedsamtsverhandlung so nicht – mehr –\nzutreffend gewesen ist, wird der Schiedsspruch dadurch nicht rechtswidrig.\nZwar hat grundsätzlich das Schiedsamt von Amts wegen zu ermitteln. Die\nAmtsermittlung des Schiedsamtes reduziert sich im Wesentlichen aber auf\ndasjenige, was im Rahmen des Beibringungsgrundsatzes von den Vertragsparteien\nzum Gegenstand der Schiedsamtsverhandlungen gemacht worden ist. Dieses sind\ndie von der Beigeladenen vorgelegten Zahlen gewesen. Substantiierte\nEinwendungen gegen die Zahlen der Beigeladenen hat die Berufungsklägerin im\nSchiedsamtsverfahren nicht geltend gemacht. Somit würde selbst unter der\nAnnahme, dass die Beigeladene zum Zeitpunkt der Schiedsamtsentscheidung schon\nüber abweichende genauere Zahlen zur Einkommens- und Ausgabenentwicklung\nverfügt hätte, die Rechtmäßigkeit des Schiedsspruches nicht berührt.\n\n \n\n57\n\n \n\nAusgehend von der vom Beklagten zu Recht zugrunde gelegten Finanz- und\nVerschuldungssituation der Beigeladenen ist nicht ersichtlich, dass die\nEinschätzung und Erwägungen des Beklagten objektiv unrichtig gewesen wären\noder den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten hätten. Es ist\nohne Weiteres plausibel, dass die von der Berufungsklägerin angestrebte\nweitere Erhöhung der Gesamtvergütung um 1,5 v. H. Auswirkungen auf den\nBeitragssatz bzw. bei gleichem Beitragssatz auf die Möglichkeit, Schulden\nabzubauen, gehabt hätte.\n\n \n\n58\n\n \n\nDer Beklagte hat auch nicht den Gleichheitssatz des Artikel 3 Grundgesetz\nverletzt, indem er für den Bereich der Ersatzkassen durch Schiedsspruch eine\nabweichende Veränderungsrate nach Artikel 3 WOrtPrG festgesetzt hat. Der\nBeklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass er hierbei eine abweichende\nVerschuldungssituation der Ersatzkassen berücksichtigt habe. Der Beklagte ist\ndamit zutreffend von einem abweichenden Sachverhalt ausgegangen, der ohne\nVerstoß gegen den Gleichheitssatz des Artikel 3 Grundgesetz eine abweichende\n(Rechts-)Folge nach sich ziehen darf.\n\n \n\n59\n\n \n\nSchließlich ist das Schiedsamt auch nicht durch die Vereinbarung der\nBerufungsklägerin mit der Beigeladenen vom 25. August 2004 über die Vergütung\nder vertragsärztlichen Leistungen für das Jahr 2004, hier insbesondere durch\ndie Ziffer 20, gehindert gewesen, Erwägungen zum Schuldenabbau der\nBeigeladenen bei der Festsetzung der Veränderungsrate nach Artikel 3 WOrtPrG\nzu berücksichtigen. Die Auslegung der Berufungsklägerin, nach der in Ziffer 20\nder Vereinbarung vom 25. August 2004 nur noch die Kriterien und damit nach\nAuslegung der Berufungsklägerin das Messverfahren zur Feststellung der\nerwirtschafteten Minderausgaben zu vereinbaren gewesen sei, lässt sich dem\nWortlaut so nicht entnehmen. Die Beigeladene widerspricht dieser Auslegung, so\ndass auch ein Konsens der Vertragspartner der Vereinbarung vom 25. August\n2004, dass die Auslegung der Berufungsklägerin dem Gewollten entspricht, nicht\nfestgestellt werden kann. Zudem hätten die Vertragsparteien, so sie das von\nder Berufungsklägerin Behauptete hätten vereinbaren wollen, gegen die\nVorschrift des § 71 SGB V verstoßen und somit eine entsprechende Vereinbarung\nletztlich nicht treffen dürfen.\n\n \n\n60\n\n \n\nAus diesem Grunde war das beklagte Schiedsamt nicht verpflichtet, bei seiner\nFestsetzung die Auslegung der Berufungsklägerin zugrunde zu legen. Das\nSchiedsamt kann nicht gehindert sein, rechtmäßig zu handeln und die auch nach\nArtikel 3 WOrtPrG geforderte Beitragssatzstabilität in seine Erwägungen mit\neinzubeziehen.\n\n \n\n61\n\n \n\nDie Berufung muss danach erfolglos bleiben.\n\n \n\n62\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.\n\n \n\n63\n\n \n\nAnlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).\n\n \n\n
106,073
bfh-2011-05-25-i-r-9510
6
Bundesfinanzhof
bfh
Bundesrepublik Deutschland
Bundesgericht
I R 95/10
2011-05-25
2018-11-24 18:30:03
2019-01-18 00:24:13
Urteil
## Tatbestand\n\n1\n\n \n\nI. Der in Deutschland wohnhafte Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im\nStreitjahr 1996 mit einem Gesellschaftsanteil in Höhe von 96,62 v.H.\nbeschränkt haftender Mitgesellschafter einer Personengesellschaft ungarischen\nRechts in der Rechtsform der betéti társaság (BT), der T-BT, mit Sitz in\nUngarn. Weitere Gesellschaftsanteile in einem Umfang von 2,03 v.H. hielt der\nebenfalls in Deutschland wohnende Beigeladene. Gesellschafterin mit den\nübrigen Geschäftsanteilen und (einzige) Komplementärin war eine ungarische\nKapitalgesellschaft in der Rechtsform der korlátolt felelösségü társaság\n(KFT), die T-KFT, mit Sitz in Ungarn, an der der Kläger ebenfalls mehrheitlich\nbeteiligt war (90 v.H. der Gesellschaftsanteile). Zur Geschäftsführung in der\nT-BT war nach dem Gesellschaftsvertrag nur die Komplementärin befugt, die im\nStreitjahr in Ungarn ein eigenes Büro unterhielt.\n\n \n\n2\n\n \n\nDie T-BT erzielte Einkünfte aus der Vermietung eines in Ungarn belegenen\nGrundstücks und der darauf befindlichen Maschinen an eine weitere ungarische\nPersonengesellschaft, die E-BT, mit Sitz ebenfalls in Ungarn. Deren alleinige\nKomplementärin war wiederum die T-KFT, und der Kläger war auch hier\nMehrheitsgesellschafter. Die E-BT stellte auf dem Grundstück und mit den\nMaschinen Wirtschaftsgüter als Subunternehmerin einer deutschen GmbH her, der\nE-GmbH. Gesellschafter-Geschäftsführer der E-GmbH war der Kläger mit einem\nGesellschaftsanteil in Höhe von 90 v.H. Die restlichen Gesellschaftsanteile in\nHöhe von 10 v.H. hielt der Beigeladene.\n\n \n\n3\n\n \n\nDer Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte die\nEinkünfte der T-BT, die in Ungarn nach Maßgabe des dortigen Steuerrechts für\ndas Streitjahr der ungarischen Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer\nunterworfen worden war, sowohl gegen den Kläger als auch gegen den\nBeigeladenen gesondert und einheitlich fest. Die betreffenden Einkünfte seien\nnach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a und c des Abkommens zwischen der Bundesrepublik\nDeutschland und der Ungarischen Volksrepublik zur Vermeidung der\nDoppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen, Ertrag und\nVermögen vom 18. Juli 1977 (DBA-Ungarn) in Deutschland zu besteuern. Dagegen\nwandte sich der Kläger mit seiner Klage. Er vertrat die Auffassung, die\nbetreffenden Einkünfte seien, soweit es sich um solche aus der Vermietung\nunbeweglichen Vermögens handele, nach Art. 6 Abs. 1 und 4 DBA-Ungarn von der\ndeutschen Besteuerung freizustellen. Im Ergebnis Gleiches gelte nach Art. 23\nAbs. 1 Buchst. a und Art. 7 Abs. 1 Satz 2 DBA-Ungarn für die Einkünfte aus der\nVermietung der beweglichen Wirtschaftsgüter; Art. 23 Abs. 1 Buchst. c DBA-\nUngarn könne für gewerblich geprägte oder infizierte Gewinne keine Anwendung\nfinden. Hilfsweise seien die von der T-BT in Ungarn entrichteten Steuern\nanzurechnen. Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg gab der Klage durch\nUrteil vom 2. September 2010 9 K 2510/04 B nur hinsichtlich des Hilfsantrags\nstatt --und übertrug die Errechnung des Anrechnungsbetrages insoweit gemäß §\n100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf das FA--, wies sie in\nihrem Hauptantrag aber als unbegründet ab; das Urteil ist in Entscheidungen\nder Finanzgerichte (EFG) 2011, 415 veröffentlicht.\n\n \n\n4\n\n \n\nSeine Revision stützt der Kläger auf Verletzung materiellen Rechts. Er\nbeantragt nunmehr sinngemäß, das FG-Urteil und den angefochtenen\nFeststellungsbescheid dahingehend abzuändern, dass die Einkünfte aus der\nBeteiligung an der T-BT nicht der Steueranrechnung, sondern der Freistellung\nunterfallen.\n\n \n\n5\n\n \n\nDas FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.\n\n \n\n6\n\n \n\nDer Beigeladene hat keine Anträge gestellt.\n\n \n\n## Entscheidungsgründe\n\n7\n\n \n\nII. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung\nund zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).\nDessen bisherige Feststellungen reichen nicht aus, um den Umfang der\njeweiligen Anteile der in Rede stehenden Einkünfte der T-BT zu bestimmen, die\nnach Maßgabe des DBA-Ungarn in Deutschland und in Ungarn besteuert werden\nkönnen.\n\n \n\n8\n\n \n\n1\\. Sowohl der Kläger als auch der Beigeladene wohnten im Streitjahr in\nDeutschland und sind hier mit ihrem Welteinkommen unbeschränkt steuerpflichtig\n(§ 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG 1990--). Damit sind die\nVoraussetzungen für eine gesonderte und einheitliche Feststellung der (ggf.\nsteuerfreien) Einkünfte aus der Beteiligung an der T-BT (§ 180 Abs. 1 Nr. 2\nBuchst. a und Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung)\nerfüllt.\n\n \n\n9\n\n \n\n2\\. Nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Ungarn werden bei einer in\nDeutschland (nach Art. 4 Abs. 1 DBA-Ungarn) ansässigen Person u.a. allerdings\njene Einkünfte, die nach diesem Abkommen in Ungarn besteuert werden dürfen,\nvon der Bemessungsgrundlage für die Steuer in Deutschland ausgenommen. Das\ngilt nicht für Einkünfte, auf die Art. 23 Abs. 1 Buchst. b DBA-Ungarn\nanzuwenden ist. Es gilt ferner nur mit Einschränkungen für Dividenden (Art. 23\nAbs. 1 Buchst. a Satz 3 DBA-Ungarn).\n\n \n\n10\n\n \n\nOb die in Rede stehenden Einkünfte i.S. des Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1\nDBA-Ungarn in Ungarn besteuert werden dürfen, hängt von den Antworten auf\nmehrere Fragen ab:\n\n \n\n11\n\n \n\nZunächst kommt es darauf an, ob das Besteuerungsrecht für laufende Einkünfte\nder T-BT nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 DBA-Ungarn schon deshalb Ungarn zusteht,\nweil die T-BT unbeschadet ihrer Qualifizierung als Personengesellschaft\ninfolge der Behandlung als juristische Person nach ungarischem Steuerrecht als\nsubjektiv unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig und zugleich als\nabkommensberechtigt anzusehen ist. Diese (Ausgangs-)Frage wurde bislang vom\nSenat für die hier in Rede stehende Konstellation noch nicht abschließend\nbeantwortet (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Mai 2010 I B 191/09, BFHE 229, 322,\nBStBl II 2011, 156; s. aber auch Senatsurteile vom 4. April 2007 I R 110/05,\nBFHE 217, 535, BStBl II 2007, 521; vom 20. August 2008 I R 34/08, BFHE 222,\n521, BStBl II 2009, 263); sie ist indes zu verneinen (nachfolgend a).\n\n \n\n12\n\n \n\nSodann stellt sich die weitere Frage, ob es sich bei den von der T-BT\nerzielten Einkünften um Unternehmensgewinne handelt, die einer in Ungarn\ngelegenen Betriebsstätte zuzurechnen sind. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 DBA-Ungarn\nweist das Besteuerungsrecht hierfür prinzipiell ebenfalls Ungarn zu und\nentsprechende Einkünfte sind in Deutschland von der Bemessungsgrundlage\nauszunehmen, vorausgesetzt, die Betriebsstätte bezieht ihre Einnahmen aus den\nin Art. 23 Abs. 1 Buchst. c Satz 1 DBA-Ungarn aufgeführten "aktiven"\nTätigkeiten. Auch diese Frage ist im Ergebnis zu verneinen: Es handelt sich\nbei den Einkünften der T-BT nicht um originäre Unternehmensgewinne\n(nachfolgend unter b).\n\n \n\n13\n\n \n\nDie Zuweisung des Besteuerungsrechts hängt damit davon ab, in welchem Umfang\ndie Einkünfte solche aus unbeweglichem Vermögen sind, die nach Art. 6 Abs. 1\nDBA-Ungarn wiederum allein in Ungarn besteuert werden können. Soweit es sich\num die Vermietung beweglicher Wirtschaftsgüter handelt, darf hingegen nach\nArt. 21 DBA-Ungarn allein Deutschland besteuern. Für die Antwort auf diese\nFrage kommt es auf tatsächliche Gegebenheiten an, die von der Vorinstanz noch\nnäher zu ermitteln und festzustellen sind; nach den gegenwärtig getroffenen\nFeststellungen kann der Senat nicht durcherkennen (nachfolgend unter c).\n\n \n\n14\n\n \n\na) Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 DBA-Ungarn dürfen Gewinne eines Unternehmens\neines Vertragsstaats nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass\ndas Unternehmen seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort\ngelegene Betriebsstätte ausübt. Als "Unternehmen eines Vertragsstaats"\nversteht das Abkommen ein Unternehmen, das von einer in einem Vertragsstaat\nansässigen Person betrieben wird (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Ungarn).\n"Person" in diesem Sinne sind natürliche Personen und Gesellschaften (Art. 3\nAbs. 1 Buchst. b DBA-Ungarn). Gesellschaften sind juristische Personen oder\nRechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt\nwerden (Art. 3 Abs. 1 Buchst. c DBA-Ungarn).\n\n \n\n15\n\n \n\naa) Letzteres ist bei der T-BT der Fall: Bei dieser handelt es sich zwar nach\ndeutschem wie ungarischem Gesellschaftsrecht um eine Personengesellschaft.\nDoch wird diese in Ungarn wie eine Kapitalgesellschaft besteuert (vgl. Reith\nin Debatin/ Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 3 Ungarn Rz 8, sowie Anh.\nUngarn Rz 57). Aus Sicht des ungarischen Steuerrechts ist damit die T-BT als\nsolche abkommensberechtigtes Steuersubjekt (Art. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 und\nArt. 5 Abs. 2 Buchst. a DBA-Ungarn), und danach richtet sich auch das\nungarische Besteuerungsrecht. Aus Sicht des deutschen Steuerrechts verhält es\nsich freilich anders. Unternehmer sind (nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1\nSatz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 1990) die Gesellschafter (Mitunternehmer) der T-BT.\n\n \n\n16\n\n \n\nbb) Diese Sicht des deutschen Steuerrechts ist im Streitfall für die Anwendung\ndes Abkommens maßgeblich. Denn die Frage, welcher Person bestimmte Einkünfte\nnach steuerlichen Gesichtspunkten zuzurechnen ist, ist nicht Gegenstand der\nabkommensrechtlichen Zuordnung des Besteuerungssubstrats. Es handelt sich\nhierbei vielmehr um eine unilateral eigenständig zu beantwortende Rechtsfrage,\ndie Art. 3 Abs. 2 DBA-Ungarn dem jeweiligen Anwenderstaat --hier Deutschland--\nüberantwortet. Soweit die Organisation for Economic Cooperation and\nDevelopment (OECD) in ihrem sog. Partnership Report ("The Application of the\nOECD Model Tax Convention to Partnerships, Issues in International Taxation,\nNo. 6") aus dem Jahre 1999 (jedenfalls zum Teil und für bestimmte\nSachkonstellationen) und dem folgend ein Teil des Schrifttums (z.B. Seitz in\nWassermeyer/ Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen\nSteuerrecht, Rz 5.41 ff.; Weggenmann, daselbst, Rz 8.45 f.; Chr. Schmidt,\nInternationales Steuerrecht --IStR-- 2010, 413, 426; Jacobs, Internationale\nUnternehmensbesteuerung, 7. Aufl., S. 532 ff., 539, 564 f.; Prokisch in\nVogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 1 Rz 38, jeweils m.w.N.) eine andere\n--"abkommensorientierte"-- Auffassung und damit eine Bindung des\nAnsässigkeitsstaats an den Quellenstaat vertreten, ist dieser Auffassung --im\nAusgangspunkt mit der Praxis der deutschen Finanzverwaltung (vgl.\nBundesministerium der Finanzen --BMF--, Schreiben vom 16. April 2010, BStBl I\n2010, 354 Tz. 4.1.4.1.)-- nicht beizupflichten (ebenso z.B. Wassermeyer in\nDebatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 3 MA Rz 18; derselbe in\nKessler/Förster/Watrin [Hrsg.], Unternehmensbesteuerung, Festschrift für\nHerzig, 2010, S. 897, 907 ff.; Gosch in Kirchhof, EStG, 10. Aufl., § 50d Rz\n10a; derselbe in Gosch/Kroppen/ Grotherr, DBA, Art. 13 OECD-MA Rz 63;\nGrotherr, daselbst, Art. 23A/Art. 23B OECD-MA Rz 80/3; Jü. Lüdicke, IStR 2011,\n91; Kempermann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, a.a.O., Rz 3.68 f.; Niehaves\nin Haase, AStG/DBA, Art. 7 Rz 93; Gaffron, daselbst, Art. 3 MA Rz 25;\nRosenthal, IStR 2007, 610; insoweit wohl auch M. Lang, Internationale\nWirtschafts-Briefe 2011, 281, 290 ff.; Schuch/Bauer in Gassner/Lang/Lechner\n[Hrsg.], Personengesellschaften im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2000,\nS. 27 ff.; Aigner/Züger, daselbst, S. 47 ff., jeweils m.w.N.; s. auch bereits\nSenatsurteile in BFHE 217, 535, BStBl II 2007, 521; in BFHE 222, 521, BStBl II\n2009, 263). Denn eine Bindung des Ansässigkeitsstaats des Gesellschafters\n--hier Deutschland-- an die Qualifikation der in Rede stehenden\nBeteiligungsgesellschaft im Quellenstaat --hier Ungarn-- lässt sich dem OECD-\nMusterabkommen (OECD-MustAbk) ebenso wenig wie dem DBA-Ungarn entnehmen:\n\n \n\n17\n\n \n\nArt. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Ungarn --der sog. Methodenartikel-- entspricht im\nKern Art. 23A Abs. 1 OECD-MustAbk. Beide Vorschriften verlangen zwar im\nAnsässigkeitsstaat die Freistellung für Einkünfte, die "nach diesem Abkommen\nim anderen Vertragsstaat besteuert werden" können. Doch erzwingt dies\nkeineswegs eine Bindung des Ansässigkeitsstaats an die\nSteuersubjektqualifikation im Quellenstaat. Wenn der sog. Methodenartikel nach\nMaßgabe der Freistellungsmethode die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat davon\nabhängig macht, ob die Einkünfte nach dem Abkommen im Quellenstaat besteuert\nwerden können, so beschreibt das nur einen objektiven Befund, besagt indessen\nnichts darüber aus, wessen rechtlicher Beurteilung dieses "Besteuern-Können"\nzu überantworten ist. Die Antwort auf diese Frage gibt deswegen in dem hier\ninteressierenden Zusammenhang der Subjektqualifikation allein Art. 3 Abs. 2\nDBA-Ungarn und damit das (nationale) Recht des Ansässigkeitsstaats des\nGesellschafters als des sog. Anwenderstaats.\n\n \n\n18\n\n \n\nEin stringentes "Auslegungskonzept (...)", wonach "auf der Ebene des Abkommens\ndie Personengesellschaft einheitlich zu behandeln ist" (so aber Jacobs,\na.a.O., S. 539) oder ein "Schluss von der Abkommensberechtigung ... auf die\n... Einkunftsart" gerechtfertigt sein soll (so Prokisch in Vogel/ Lehner,\na.a.O., Art. 1 Rz 38; das aufgreifend Tischbirek, daselbst, Art. 10 Rz 191),\nergibt sich weder aus dem Abkommenstext noch aus dem Abkommenszweck. Im\nGegenteil widerspricht ein solches Konzept dem Grundsatz der sog. virtuellen\nDoppelbesteuerung, welcher auch und gerade darauf abzielt, zugunsten einer\nerleichterten Steueradministration zu vermeiden, dass der jeweilige\nAnwenderstaat sich andernfalls mit der Steuerrechtsordnung des jeweils anderen\nVertragsstaats auseinandersetzen müsste (vgl. Jankowiak, Doppelte\nNichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 2009, S. 146 f., m.w.N.).\nWeitere tragfähige Gesichtspunkte treten hinzu: So verweist Art. 3 Abs. 2\nOECD-MustAbk bei der Klärung von im Abkommen selbst nicht definierten\nAusdrücken auf das innerstaatliche Recht des Anwenderstaats, wenn der\nAbkommenszusammenhang nichts anderes einfordert. Art. 3 Abs. 2 OECD-MustAbk\nunterscheidet dafür aber nicht zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat;\nMaßstab ist allein der jeweils abkommensanwendende Vertragsstaat. Es ist\nsystematisch nicht erkennbar, weshalb Art. 23A Abs. 1 OECD-MustAbk daran etwas\nzu ändern vermöchte. Zudem wird in dem sog. Methodenartikel die Behandlung der\nbetreffenden Einkünfte im jeweiligen Ansässigkeitsstaat geregelt, bei\nVereinbarung der Freistellung --und damit einer "Anwendung" von Art. 23A Abs.\n1 OECD-MustAbk-- bedarf es dessen aber nicht, wenn bereits eine vorangehende\nVerteilungsnorm das alleinige Besteuerungsrecht einem der beiden\nVertragsstaaten zuweist. Betrifft ein Qualifikationskonflikt einen solchen\nFall, verböte sich eine Bindungswirkung aus systematischer Sicht bereits im\nAnsatz; sie lässt sich jedenfalls nicht aus Art. 23A Abs. 1 OECD-MustAbk\nableiten.\n\n \n\n19\n\n \n\nZu berücksichtigen bleibt überdies, dass die Empfehlungen der OECD, wie sie\nsich im sog. Partnership Report niederschlagen, lediglich eine Hilfe für die\nAbkommensauslegung darstellen und so gesehen frühestens ab der entsprechenden\nNeufassung des OECD-Musterkommentars im Jahre 2000 (s. dort Art. 23A Nr. 32.3\nff.) beachtenswert sein können. Dies gilt aber nicht für seinerzeit schon\nbestehende Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, wie auch im\nStreitfall bei dem --bereits am 27. Oktober 1979 in Kraft getretenen (vgl.\nArt. 29 Abs. 2 DBA-Ungarn, BGBl II 1979, 1031)-- DBA-Ungarn; den Willen der\nVertragsparteien jener Abkommen können die neueren Kommentierungen der OECD\nnicht widerspiegeln (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt Senatsurteil vom 9.\nFebruar 2011 I R 54, 55/10, BFHE 232, 476; konkret für den Partnership Report\nz.B. Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, a.a.O., Rz 8.42 f., 8.67;\nKempermann, daselbst, Rz 3.15; Jankowiak, a.a.O., S. 138 ff., 143 ff.; Gosch\nin Schaumburg/Piltz [Hrsg.], Veräußerungsgewinne im Internationalen\nSteuerrecht, 2004, S. 103, 112).\n\n \n\n20\n\n \n\nDes weiteren weist Lüdicke (IStR 2011, 91, 96) zutreffend darauf hin, dass die\n"Zweistufigkeit" der Gewinnbesteuerung nach dem intransparenten\nBesteuerungskonzept --einmal auf der Ebene der Gesellschaft und ein weiteres\nMal beim Gesellschafter-- bei Anwendung der "abkommensorientierten" Auffassung\nversagt und auf der ersten Ebene "stehenbleibt", weil sich diese\nZweistufigkeit im Falle eines späteren, dann innerstaatlichen Gewinntransfers\nnicht durchhalten lässt, ein solcher Gewinntransfer stelle immer eine Entnahme\ndar, keine Dividende.\n\n \n\n21\n\n \n\nSchließlich sind insofern auch Überlegungen kaum weiterführend, wonach sich\ndem Abkommen zwar strenggenommen keine eigentliche Qualifikationsverkettung\nentnehmen lässt, dieses jedoch eine nur reduzierte Prüfungsbindung vorgibt, ob\nder Quellenstaat "zu dem Ergebnis kommen konnte, dass die Einkünfte nach dem\nmaßgeblichen DBA von ihm besteuert werden können" (so neuerdings\nunterscheidend Wassermeyer, IStR 2011, 85, 90; s. auch bereits in IStR 2010,\n536, und 683, 684). Sie gehen im Ergebnis nämlich ebenfalls davon aus, dass\nsich der Ansässigkeitsstaat die Sichtweise des Quellenstaats zu eigen machen\nmüsse. Dafür ist jedoch gleichermaßen nichts ersichtlich, und es gilt deshalb\nnichts anderes als bei dem zum sog. Partnership Report Gesagten.\n\n \n\n22\n\n \n\nb) Ist die T-BT sonach (auch) aus Abkommenssicht als transparente\nPersonengesellschaft zu behandeln, kann sie ihren Gesellschaftern --hier dem\nKläger sowie dem Beigeladenen-- jeweils eine in Ungarn gelegene Betriebsstätte\n(vgl. Art. 5 Abs. 1 DBA-Ungarn) vermitteln. Das Besteuerungsrecht für dieser\nBetriebsstätte zuzuweisende Einkünfte stünde nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 2.\nHalbsatz (i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Buchst. c Satz 1) DBA-Ungarn Ungarn zu.\nVoraussetzung dafür ist indes, dass die Gesellschafter --zum einen-- (aktive)\nUnternehmensgewinne erwirtschaften und --zum anderen-- durch eine feste\nGeschäftseinrichtung den Betriebsstättenerfordernissen des Art. 5 DBA-Ungarn\ngenügen. An beidem fehlt es im Streitfall. Denn die Einkünfte der T-BT\nresultieren nach den tatrichterlichen --und den Senat bindenden (vgl. § 118\nAbs. 2 FGO)-- Feststellungen allein aus der Vermietung des Betriebsgrundstücks\nsowie von darauf befindlichen Maschinen an die T-KFT. Die T-BT war nach jenen\nFeststellungen für sich genommen nicht originär gewerblich tätig; sie erzielte\nvielmehr Vermietungseinkünfte. Nach deutschem Steuerrecht verhält es sich\nallerdings anders: Die Vermietungseinkünfte werden abweichend von den\ntatsächlichen Gegebenheiten aus steuerlichen Gründen in solche aus\nGewerbebetrieb (§ 15 Abs. 2 EStG 1990) umqualifiziert, und zwar zum einen\n--worüber unter den Beteiligten kein Streit besteht-- nach den\ngewohnheitsrechtlichen Grundsätzen der sog. mitunternehmerischen\nBetriebsaufspaltung, zum anderen nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG 1990, weil die\nT-BT von der T-KFT im Sinne dieser Vorschrift gewerblich geprägt wird. Diese\nUmqualifikation schlägt auf die abkommensrechtliche Einkunftsqualifikation\njedoch --entgegen der Annahme der Finanzverwaltung (vgl. allgemein BMF-\nSchreiben in BStBl I 2010, 354 Tz. 2.2.1, und konkret bezogen auf Ungarn BMF-\nSchreiben vom 24. September 1999, Finanz-Rundschau --FR-- 2000, 238; IStR\n2010, 536 mit Anmerkung Wassermeyer)-- nicht durch. Abkommensrechtlich\nverbleibt es bei der tatsächlich verwirklichten Einkunftsart, hier also\nderjenigen aus vermögensverwaltender Tätigkeit. Im Einzelnen verweist der\nSenat auf seine mittlerweile ständige Spruchpraxis (z.B. Senatsurteile vom 28.\nApril 2010 I R 81/09, BFHE 229, 252; vom 9. Dezember 2010 I R 49/09, BFHE 232,\n145). Das dort für gewerblich geprägte Einkünfte Gesagte gilt entgegen der\nVorinstanz gleichermaßen für gewerblich "infizierte" Einkünfte der sog.\nBesitzgesellschaft nach Maßgabe einer Betriebsaufspaltung (vgl. auch\nKempermann in Wassermeyer/ Richter/Schnittker, a.a.O., Rz 3.68 f.; Jacobs,\na.a.O., S. 266 f., jeweils m.w.N.). Damit einhergehend --also ausgehend von\neiner originär lediglich vermögensverwaltenden Betätigung-- ermangelt es für\ndie T-BT abkommensrechtlich auch an einer festen Geschäftseinrichtung, welche\ndem Geschäftsgegenstand eines Unternehmens im vorgenannten Sinne dient. Die\nVermietung eines im Ausland gelegenen Grundstücks macht das Grundstück nicht\nzu einer Betriebsstätte des im Inland ansässigen Vermieters (vgl. z.B. Urteil\ndes Bundesfinanzhofs vom 6. Juli 1978 IV R 24/73, BFHE 126, 102, BStBl II\n1979, 18); die T-KFT ersetzt diesen Mangel mit ihrem Geschäftsbetrieb nicht.\n\n \n\n23\n\n \n\nAuf die Antwort der unter den Beteiligten kontroversen Frage, ob der in Art.\n23 Abs. 1 Buchst. c DBA-Ungarn zwischenstaatlich vereinbarte sog.\nAktivitätsvorbehalt unbeschadet der Gewerblichkeit der Einkünfte nach\nnationalem Recht aufgrund einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung zu\neinem Rückfall des Besteuerungsrechts für die an sich freigestellten Einkünfte\nan Deutschland führen kann, oder ob insoweit ein korrespondierendes\nVerständnis geboten ist, kommt es demnach nicht mehr an.\n\n \n\n24\n\n \n\nc) Das Besteuerungsrecht für die danach ausschlaggebende tatsächlich\nverwirklichte Einkunftsart richtet sich entweder nach Art. 6 Abs. 1 oder nach\nArt. 21 DBA-Ungarn. Art. 6 Abs. 1 DBA-Ungarn ist einschlägig, soweit die\nEinkünfte aus unbeweglichem Vermögen resultieren; hierfür gebührt das\nBesteuerungsrecht Ungarn, weil das von der T-BT vermietete Grundvermögen in\nUngarn belegen ist. Diese Vermietungseinkünfte sind in Deutschland\ndementsprechend freizustellen (jedenfalls insoweit auch Wassermeyer, FR 2010,\n537; derselbe, IStR 2010, 536, und 683, 684). Demgegenüber ordnet Art. 21 DBA-\nUngarn das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus der Vermietung der\nbeweglichen Wirtschaftsgüter Deutschland als dem Ansässigkeitsstaat zu. Dass\ndie Einkünfte aus der Vermietung des Grundstücks ihrem Umfang nach hinter\ndenen aus der Vermietung der Maschinen als beweglicher Wirtschaftsgüter\nzurücktreten, bedingt nichts anderes. Die vereinnahmten Einkünfte sind\nentsprechend aufzuteilen.\n\n \n\n25\n\n \n\n3\\. Die beschriebene Rechtsauffassung wurde vom FG nicht geteilt, weshalb das\nangefochtene Urteil aufzuheben ist. Die Sache ist nicht spruchreif. Es bedarf\nweiterer Sachaufklärung zu den jeweiligen Besteuerungsanteilen. Die Sache ist\ndafür an das FG zurückzuverweisen. Dieses wird sodann im 2. Rechtsgang ggf.\nzugleich über den seinerzeit gestellten, im Revisionsverfahren aber nicht\naufrechterhaltenen Hilfsantrag über die Anrechnung ungarischer Ertragsteuern\nauf den laufenden Gewinn der T-BT gemäß § 34c Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 Satz 3 EStG\n1990 zu entscheiden haben.\n\n \n\n
106,251
lsgsh-2007-03-21-l-8-r-11206
1,068
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
lsgsh
Schleswig-Holstein
Sozialgerichtsbarkeit
L 8 R 112/06
2007-03-21
2018-11-24 19:30:15
2019-02-26 19:03:30
Urteil
ECLI:DE:LSGSH:2007:0321.L8R112.06.0A
#### Tenor\n\n \n\nDie Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 26.\nJanuar 2006 wird zurückgewiesen.\n\n \n\nAußergerichtliche Kosten sind auch für den zweiten Rechtszug nicht zu\nerstatten.\n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Witwenrente aus der\ngesetzlichen Rentenversicherung, insbesondere darüber, ob dieser Anspruch\ndadurch ausgeschlossen ist, weil ihm eine Ehe zugrunde liegt, die weniger als\nein Jahr vor dem Tode des Ehemanns geschlossen worden ist .\n\n2\n\n \n\nDie am … 1936 geborene Klägerin ist die Witwe des am … 1936 geborenen und am …\n2002 verstorbenen D. K.. (im Folgenden als der Versicherte bezeichnet), der\nvon der Beklagten seit dem 1. Dezember 1996 eine Altersrente wegen\nArbeitslosigkeit bezog in Höhe von zuletzt 1.535,18 Euro monatlich.\n\n3\n\n \n\nDie Klägerin lebte mit dem Versicherten bereits seit dem 31. Mai 1985 in\ndessen Wohnung zusammen und war mit ihm nach ihren Angaben seit dem 31. Mai\n1987 verlobt gewesen.\n\n4\n\n \n\nAm 16. Mai 2002 wurde der Versicherte mit Verdacht auf einen cerebralen\nProzess stationär im Klinikum N./O. aufgenommen. Die am selben Tag\ndurchgeführte Computertomografie des Kopfes zeigte mehrere Hirnfiliae\n(Hirnmetastasen) beidseits. Röntgen-Thorax-Aufnahmen vom 16., 22. sowie 23.\nMai 2002 zeigten einen großen Lungentumor, rechts, zusätzlich bestand eine\nLungenentzündung, rechts. Die am 23. Mai 2002 durchgeführte Bronchoskopie\nergab eine Lungeneinengung im 1. Segment rechts. Zur weiteren Untersuchung\nwurde der Versicherte am 28. Mai 2002 in das Forschungszentrum B. verlegt.\nDort wurde ein fortgeschrittenes großzelliges Lungenkarzinom mit Einwachsen\ndes Tumors in die Brustwand gesichert. Am 05. Juni 2002 wurde der Versicherte\nin das Klinikum N./O. rückverlegt, wo er am 11. Juni 2002 nach einem\ngeneralisierten cerebralen Krampfanfall an den Folgen des fortgeschrittenen\nTumorleidens verstarb.\n\n5\n\n \n\nWährend des Aufenthaltes des Versicherten im Forschungszentrum B., nämlich am\n31. Mai 2002, heirateten die Klägerin und der Versicherte standesamtlich. Die\nTrauung wurde von der Standesbeamtin D. vom Standesamt I. im Krankenhaus\nvorgenommen. Am 29. Mai 2002 hatte der Versicherte die Klägerin auf dem dafür\nvorgesehenen Formular zur Anmeldung der Eheschließung bevollmächtigt. Die\nBescheinigung der Anmeldung der Eheschließung seitens der für den Wohnort der\nKlägerin und des Versicherten zuständigen Standesbeamtin W. des Standesamtes\nN. datiert vom 30. Mai 2002, gleichzeitig erteilte die Standesbeamtin W. dem\nStandesamt I. eine standesamtliche Ermächtigung zur Vornahme der\nEheschließung. Am 30. Mai 2002 gab der behandelnde Arzt im Forschungszentrum\nB. eine "Erklärung eines Arztes aus Anlass einer Eheschließung bei\nlebensgefährlicher Erkrankung eines Verlobten" gegenüber dem Standesamt I. auf\ndessen Veranlassung ab.\n\n6\n\n \n\nUnter dem 18. Juni 2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Witwenrente.\nUnter Hinweis darauf, dass die Ehe nicht mindestens 1 Jahr gedauert habe und\nunter Erläuterung der Vorschrift des § 46 Abs. 2a Sechstes Buch\nSozialgesetzbuch (SGB VI) bat die Beklagte die Klägerin um Mitteilung etwaiger\nUmstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen könnten. Hierzu teilte die\nKlägerin mit, sie habe bereits seit dem 31.05.1985 mit dem Versicherten in\ndessen Wohnung im R. 14 in N. gelebt, ihre Wohnung in der B. Straße 21 in N.\naber nicht aufgegeben und auch keine Wohnsitz-Ummeldung vorgenommen, da ihr\nSohn diese Wohnung bewohnt habe. Es sei vorgesehen gewesen, den gemeinsamen\nLebensabend ab 2001 in der Wohnung B. Straße zu verbringen. Daher hätten sie\nbereits zum 31. Mai 2001 eine Heirat geplant, die durch höhere Gewalt auf\npräzises eine Jahr habe verschoben werden müssen. Ein Jahr später, am 31. Mai\n2002, hätten sie nun endlich in Verbindung mit Urlaub im Umkreis Ba. heiraten\nwollen. Es sei jedoch dann ganz anders gekommen, da ihr Ehemann am 16. Mai\n2002 plötzlich ohne vorhersehbare Anzeichen schweißgebadet zusammengebrochen\nund in das Klinikum N./O. notfallmäßig eingeliefert worden sei. Dort sei eine\nverschleppte Lungenentzündung diagnostiziert worden. Eine lebensbedrohende\nErkrankung sei zu keinem Zeitpunkt diagnostiziert worden. Der geplante\nHeiratstermin, der 31. Mai 2002, sei immer näher gerückt und ihr Mann sei\ngesundheitlich noch nicht wieder so hergestellt gewesen, dass an eine\nEntlassung zu denken gewesen sei. Da der Ehetermin für sie beide sehr wichtig\ngewesen sei, auch wegen der geplanten gemeinsamen Wohnung in der B. Straße,\nhätten sie beschlossen im Klinikum N. standesamtlich zu heiraten. Da ihr Mann\ndann am 28. Mai 2002 zwecks einer Lungenspezialuntersuchung in das\nForschungszentrum B. verlegt worden sei, hätten sie zwangsläufig in dieser\nKlinik standesamtlich heiraten müssen. Zu dem Grund der Verlegung in das\nForschungszentrum B. habe ihr Mann ihr mitgeteilt, dass auf dem Röntgenbild\nbei einem Lungenflügel ein Schatten zu sehen sei. Nach Rückverlegung ins\nKlinikum N. sei ihr Mann dann unerwartet am 11. Juni 2002 an einer Embolie\nverstorben.\n\n7\n\n \n\nMit Bescheid vom 5. November 2002 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin\nauf große Witwenrente gemäß § 46 Abs. 2 SGB VI ab. Zur Begründung führte sie\naus, gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI bestehe kein Anspruch auf eine Witwenrente,\nwenn der Ehegatte innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung versterbe. Die\nEheschließung sei am 31. Mai 2002 erfolgt, der Versicherte sei am 11. Juni\n2002 verstorben, sodass die geforderte Ehedauer von mindestens einem Jahr\nnicht vorliege. Gemäß § 46 Abs. 2 a, 2. Teilsatz SGB VI seien die besonderen\nUmstände zu prüfen, wobei der Zweck der Heirat als Hinterbliebenenversorgung\nauszuschließen sei. Die von der Klägerin geschilderten Umstände ließen einen\nAusschluss nicht eindeutig zu.\n\n8\n\n \n\nHiergegen legte die Klägerin am 4. Dezember 2002 Widerspruch ein, mit dem sie\ngeltend machte, nach Rückverlegung in das Klinikum N. am 5. Juni 2002 sei\ndavon ausgegangen worden, dass die Lungenentzündung innerhalb der nächsten\nzwei Wochen auskuriert sei. Der Tod sei völlig unerwartet und plötzlich durch\neine Lungenembolie hervorgerufen worden; dies sei weder von ihr noch dem\nVersicherten oder den behandelnden Ärzten vorhersehbar gewesen. Die Tatsache,\ndass am 31. Mai 2002 im Forschungszentrum B. geheiratet worden sei, beruhe\neinzig und allein auf persönlichen Gründen, dieses Datum habe für beide eine\nhohe emotionale und symbolische Bedeutung gehabt. Die Absicht, bereits ein\nJahr zuvor, nämlich am 31. Mai 2001 zu heiraten, könne durch Vorlage der\nEheringe mit entsprechender Gravur belegt werden. Da die Hochzeit im Jahre\n2001 habe verschoben werden müssen, habe man sich entschlossen und gegenseitig\nversprochen, genau ein Jahr später am 31. Mai 2002 zu heiraten. Gerade deshalb\nhätten sie und ihr Ehemann dann auch den Umständen zum Trotz am 31. Mai 2002\nim Krankenhaus geheiratet. Die Heirat sei also längst geplant gewesen, wie zum\nBeispiel auch die Hochzeitsreise nach Ba.. Eine Versorgungsabsicht habe weder\nfür den Versicherten noch für sie - die Klägerin - eine Rolle gespielt. Hätte\nder Versicherte sein kurz bevorstehendes Ableben geahnt, wäre er mit Rücksicht\nauf seine Ehefrau die Ehe nicht eingegangen.\n\n9\n\n \n\nDie Beklagte holte Auskünfte des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. M. vom\n30.August.2003, des Klinikum N./O. vom 03. und 24. September 2003 mit dem\nKrankenhausentlassungsbericht vom 28. Mai 2002 sowie eine Auskunft des\nForschungszentrum B. vom 15. September 2003 ein und übersandte der Klägerin\nKopien.\n\n10\n\n \n\nHierzu führte die Klägerin dann aus, aus den ärztlichen Unterlagen ergebe\nsich, dass sowohl sie als auch der Versicherte weder vorher noch am\nHochzeitstag Kenntnis von dem tatsächlichen Gesundheitszustand des\nVersicherten hätten haben können, da die Diagnose noch nicht zweifelsfrei\nfestgestanden habe. Aus ihren Aufzeichnungen ergebe sich, dass sie die\norganisatorischen Heiratsaktivitäten am 27. Mai 2002 begonnen habe mit\nBeantragung einer Bescheinigung der Anmeldung der Eheschließung beim\nStandesamt N.. Zu diesem Zeitpunkt habe keinesfalls eine infauste Prognose\nhinsichtlich des Gesundheitszustandes des Versicherten bestanden. Zu dem\nGrund, warum die Eheschließung ein Jahr zuvor hätte verschoben werden müssen,\nteilte die Klägerin mit, dass der Versicherte am 10. Mai 2001 einen Unfall\nerlitten habe und sein Gesundheitszustand bis zum 31. Mai 2001 noch nicht so\nweit wiederhergestellt gewesen sei, dass die geplante Heirat am 31. Mai 2001\nhätte stattfinden können. Der Versicherte habe sich vom 11. Mai 2001 bis zum\n18. Mai 2001 in stationärer Behandlung befunden. Weiter bekräftigte die\nKlägerin noch einmal, dass sie vom tatsächlichen Gesundheitszustand ihres\nEhemannes keine Kenntnis gehabt habe. Dass er unheilbar an Krebs erkrankt sei,\nhabe sie erst jetzt durch die übersandten medizinischen Unterlagen erfahren.\nDie gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe sei widerlegt.\n\n11\n\n \n\nMit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2003 wies die Beklagte den\nWiderspruch zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, der\nVersicherte sei mit Verdacht auf einen cerebralen Prozess in das Klinikum N.\neingeliefert worden. Er habe unter neurologischen Ausfällen gelitten. Zum\nZeitpunkt, als der Versicherte die Bevollmächtigung zur Eheschließung\nunterschrieben habe, seien ihm zumindest verdächtige Befunde bekannt gewesen.\nNicht entscheidend sei, ob auch die Klägerin von den verdächtigen Befunden\nKenntnis gehabt habe. Die Eheschließung sei nach den äußeren Umständen nicht\nüber einen längeren Zeitraum konkret auf den 31. Mai 2002 vorbereitet, sondern\nerst mit der am 29. Mai 2002 unterschriebenen Bevollmächtigung am 30. Mai 2002\nangemeldet worden. Schließlich spreche auch die langjährige gemeinsame\nHaushaltsführung ohne Heirat für die gesetzliche Vermutung einer sogenannten\nVersorgungsehe. Dem Vorbringen, dass die infauste Prognose zum Zeitpunkt der\nEheschließung nicht bekannt gewesen sei und dass der Hochzeitstermin schon\nlängere Zeit festgestanden habe, könne daher nicht gefolgt werden.\nZusammenfassend seien besondere Umstände, die trotz der kurzen Ehedauer nicht\nauf eine Versorgungsehe schließen ließen, nicht gegeben. Die gesetzliche\nVermutung werde durch das Vorbringen der Klägerin nicht widerlegt.\n\n12\n\n \n\nDaraufhin hat die Klägerin am 30. Dezember 2003 Klage bei dem Sozialgericht\nLübeck erhoben, zu deren Begründung sie ausführt hat, was die geplante Trauung\nauf H. am 31. Mai 2001 betreffe, so sei eine längerfristige Anmeldung dazu\nnicht erforderlich gewesen. Sie und der Versicherte hätten sich jedoch die\nerforderlichen aktuellen Aufenthaltsbescheinigungen ausstellen lassen, die\ndann aber im Jahre 2002 einbehalten worden seien, als anlässlich der Heirat im\nJahre 2002 neue Aufenthaltsbescheinigungen hätten ausgestellt werden müssen.\nAuch ihr - der Klägerin - Sohn, L. G.., bestätige in der beigefügten\neidesstattlichen Versicherung, dass er gewusst habe, dass sie - die Klägerin -\nund der Versicherte bereits am 31. Mai 2001 zu heiraten beabsichtigt hätten.\nWährend der geplanten Flitterwochen auf H. habe der Sohn die zukünftige\nWohnung in der B. Straße renovieren sollen. Die Heirat im Jahre 2001 sei dann\nnicht zustande gekommen, weil sich der Versicherte nach dem Unfall nur noch\nunter Zuhilfenahme von Krücken habe fortbewegen können. Die vorliegenden\nmedizinischen Unterlagen widerlegten eindeutig die Vermutung einer\nVersorgungsehe. Die Diagnose Krebs habe zum Zeitpunkt der Anmeldung der\nEheschließung bzw. der Eheschließung selbst noch nicht festgestanden. Sie\nhabe, wie sich aus dem beigefügten Einzelverbindungsnachweis der Telekom\nergebe, bereits am 17. Mai 2002 mit dem Standesamt N. Verbindung aufgenommen,\num die Heiratsmodalitäten für die Eheschließung am 31. Mai 2002 zu klären. Die\nvon dem Versicherten unterschriebene Bevollmächtigung für die Anmeldung der\nEheschließung habe dieser bereits am 28. Mai 2002 unterschrieben und nur\nvordatiert auf den 29. Mai 2002. Das Forschungszentrum B. habe in der Antwort\nauf die Anfrage der Beklagten mitgeteilt, dass der histologische Befundbericht\nnach durchgeführter Biopsie auf den 31. Mai 2002 datiere, da die Anmeldung der\nEheschließung am 30. Mai 2002 erfolgt sei. Es sei unstreitig die Krebsdiagnose\nzu diesem Zeitpunkt niemandem bekannt gewesen. Im Übrigen habe das\nForschungszentrum B. auch mitgeteilt, dass nicht feststehe, ob der\nhistologische Befundbericht bereits am 31. Mai 2002 in die Klinik überbracht\nworden sei. Außerdem hätten noch weitere immunhistochemische Untersuchungen\nzur endgültigen pathologisch-anatomischen Einschätzung ausgestanden. Wenn\nüberhaupt - so die Ärzte - sei die Diagnose nur ansatzweise mitgeteilt worden.\nNoch am Montag, den 03.Juni 2002, sei der Versicherte im Krankenhaus von einem\nMitarbeiter der Berufsgenossenschaft aufgesucht worden, um zu klären, ob es\nsich bei der Erkrankung des Versicherten um eine Berufskrankheit handeln\nkönnte. Es sei hier nur von einer Auffälligkeit in Bezug auf bronchiale\nInfekte die Rede gewesen. Auch an diesem Tag hätten weder sie noch der\nVersicherte von seiner schweren Erkrankung gewusst. Der plötzliche Tod des\nVersicherten sei weder für sie noch für ihn zum Zeitpunkt der Eheschließung\nvorhersehbar gewesen. Fehl gehe der Hinweis der Beklagten, dass es nicht\nentscheidend sei, ob die Klägerin Kenntnis von verdächtigen Befunden gehabt\nhabe. Hinsichtlich der Motive, die zur Eheschließung führten, komme es\ngenerell auf beide Ehegatten an. Motivation für die Eheschließung sei für\nbeide Partner der Wunsch gewesen, den Lebensabend als Ehepaar zu verbringen.\n\n13\n\n \n\nDie Klägerin hat beantragt,\n\n14\n\n \n\nden Bescheid vom 05. November 2002 und den Widerspruchsbescheid vom 28.\nNovember 2003 aufzuheben und ihr große Witwenrente ab dem 01. Juli 2002 zu\ngewähren.\n\n15\n\n \n\nDie Beklagte hat beantragt,\n\n16\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n17\n\n \n\nSie hat vorgetragen, es könne nicht überzeugend dargelegt werden, dass sich\ndie Hochzeit am 31. Mai 2002 als konsequente Verwirklichung eines schon vor\ndem Auftreten der lebensbedrohlichen Erkrankung bestehenden\nHeiratsentschlusses erwiesen habe. Die telefonischen Anfragen der Klägerin\nbeim Standesamt, ob am 31. Mai "noch eine Eheschließung vorgenommen werden"\nkönne, deuteten keineswegs auf eine längerfristige Planung hin. Sie seien\nlediglich 14 bzw. 7 Tage vor dem Termin erfolgt, der nach der Darstellung der\nKlägerin für beide Ehepartner von besonderer Bedeutung gewesen sein solle,\ndarüber hinaus einen Tag nach der Einlieferung des Versicherten in das\nKlinikum N.. Bei Einlieferung in das Krankenhaus habe bereits eine ernsthafte\nErkrankung zugrunde gelegen. Diese sei auch der Klägerin bekannt gewesen. Die\nAufnahmediagnose des Versicherten habe ersichtlich keinen Anlass geben können,\nin Ruhe und unbeschwert die nach eigenen Angaben der Klägerin seit längerer\nZeit geplante Hochzeit in den verbleibenden zwei Wochen vorzubereiten. Auch\ndie weitere Entwicklung der Krankenbehandlung mit der Verlegung in das\nForschungszentrum B. werde, abgesehen von den zusätzlichen Umständen durch die\nmittlerweile zweite Änderung der Standesamtszuständigkeit, nichts zur\nBeruhigung beigetragen haben. Wenn es der Klägerin, wie sie vortrage, aus\npersönlichen Gründen auf das konkrete Hochzeitsdatum angekommen sein sollte,\nwerde nicht so recht erklärlich, wieso die notwendige Aufenthaltsbescheinigung\nerst einen Tag vorher beschafft worden sei. Ungewöhnlich erscheine weiterhin,\ndass die formalen Vorbereitungen für die Hochzeit einerseits nahe zu\nunmittelbar nach der Notfall-Einweisung in das Krankenhaus begonnen hätten,\naber andererseits für eine langfristig geplante und auf ein bestimmtes Datum\nfestgelegte Hochzeit unverständlich spät erfolgt seien.\n\n18\n\n \n\nDas Sozialgericht hat eine Auskunft des Klinikum N. vom 11. November 2005\neingeholt sowie den Krankenhausentlassungsbericht des Klinikum N. vom 15. Juli\n2002 betreffend den Aufenthalt des Versicherten nach Rückverlegung am 05. Juni\n2002 bis zu seinem Tod beigezogen. Sie hat außerdem eine Auskunft des\nStandesamtes I. (Standesbeamtin D.) vom 30. November 2005, nebst Anlagen,\nsowie Auskünfte des Standesamtes N. (Standesbeamtin W.) vom 20. und 29.\nDezember 2005 eingeholt, von letzterer auch eine ergänzende telefonische\nAuskunft vom 22. Dezember 2005.\n\n19\n\n \n\nDie Klägerin hat nach Übersendung dieser Unterlagen weiter vorgetragen, die\nAusführungen des Standesamtes I. seien nicht zutreffend. Sie selbst habe weder\ngegenüber dem Standesamt N. noch gegenüber dem Standesamt I. jemals eine\nNottrauung beantragt. Sie sei überhaupt nicht von einer Nottrauung wegen\nlebensgefährlicher Erkrankung ausgegangen. Dergleichen sei auch nicht an sie\nherangetragen worden. Ebenfalls nicht zutreffend seien die Ausführungen des\nStandesamtes N., das nur aus wichtigem Grund - lebensgefährliche Erkrankungen\n- Ehen an anderen Orten geschlossen werden könnten. Im Übrigen bleibe sie\ndabei, dass sie seinerzeit die Auskunft erhalten habe, dass es einer\nspeziellen Anmeldung einer Hochzeit nicht bedurft hätte, weder in N. noch auf\nH..\n\n20\n\n \n\nMit Urteil vom 26. Januar 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In\ndessen Entscheidungsgründen ist ausgeführt:\n\n21\n\n \n\n„Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß §§\n87 Abs. 1, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden und als verbundene\nAnfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und 4 SGG statthaft.\n\n22\n\n \n\nDie Klage ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom\n05.November 2002 und der Widerspruchsbescheid vom 28.November 2003 sind\nrechtmäßig. Die Beklagte hat die Gewährung einer Witwenrente aus der\nVersicherung des D. K.. zu Recht abgelehnt, weil die Ehe mit der Klägerin\nnicht mindestens ein Jahr gedauert hat und die gesetzliche Vermutung des\nVorliegens einer Versorgungsehe nicht widerlegt worden ist.\n\n23\n\n \n\nWitwen, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten\nEhegatten Anspruch auf kleine oder große Witwenrente nach Maßgabe des § 46\nAbs. 1 und 2 SGB Vl. Der Rentenanspruch ist nach § 46 Abs. 2a SGB VI\nausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei\ndenn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht\ngerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat\nwar, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.\n\n24\n\n \n\nFür alle seit dem 01.01.2002 geschlossenen Ehen gilt nach § 46 Abs. 2a SGB VI\nin Verbindung mit § 242a Abs. 3 SGB VI mithin die gesetzliche Vermutung, dass\nbei Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die\nErlangung einer Versorgung Ziel der Eheschließung war. Die gesetzliche\nVermutung ist allerdings widerlegbar. Sie ist widerlegt, wenn Umstände\nvorliegen, die trotz kurzer Ehedauer nicht auf eine Versorgungsehe schließen\nlassen. Da das Motiv der Eheschließenden, mit der Heirat der Witwe eine\nVersorgung zu verschaffen, in der Praxis nur schwer nachzuweisen ist, hat der\nGesetzgeber davon abgesehen, dieses Motiv zur Eheschließung allgemein zum\nTatbestandsmerkmal für den Ausschluss des Anspruchs zu erheben. Er ist\nvielmehr von der Überlegung ausgegangen, dass nach der Lebenserfahrung eine\nmit einem Versicherten kurz vor dem Tod geschlossene Ehe, die nicht länger als\nein Jahr dauert, meist aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen wird. Deshalb\nentfällt grundsätzlich der Anspruch, wenn nicht zu Gunsten der Hinterbliebenen\ndiese ~ Vermutung entkräftet wird. Als besondere Umstände im Sinne des § 46\nAbs. 2a SGB VI sind alle Umstände des Einzelfalles anzusehen, die nicht schon\nvon der Vermutung selbst erfasst und geeignet sind, einen Schluss auf den\nZweck der Heirat zuzulassen. Dabei sind vor allem solche Umstände von\nBedeutung, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund\nschließen lassen. Die Widerlegung der Rechtsvermutung erfordert nach § 202 SGG\nin Verbindung mit § 292 Zivilprozessordnung (ZPO) den vollen Beweis des\nGegenteils. Die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises trägt nach\nAusschöpfung des Amtsermittlungsgrundsatzes derjenige, der den\nWitwenrentenanspruch geltend macht, mithin trägt die Witwe die objektive\nBeweislast (Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Bd. 1, § 46 SGB VI\nRdNr. 46 ff., Schleswig - Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom\n11.11.1999 zum Az.: L 5 U 112/98, BSGE 35, 272 ff., SG Dortmund, Urteil vom\n12.10.2005 zum Az.: S 34 RJ 219/04).\n\n25\n\n \n\nDiese Regelung verstößt auch nicht gegen den in Artikel 6 Abs. 1 Grundgesetz\n(GG) garantierten Schutz der Ehe (BSG, Beschluss vom 23.09.1997 zum Az.: 2 BU\n176/97 zur Parallelvorschrift in der gesetzlichen Unfallversicherung).\n\n26\n\n \n\nDie Ehe der Klägerin mit dem Versicherten hat nur wenige Tage und damit\ndeutlich weniger als ein Jahr gedauert. Die deshalb zur Anwendung kommende\ngesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe ist nicht durch besondere Umstände\ndes Einzelfalles widerlegt worden. Zutreffend weist die Klägerin allerdings\ndarauf hin, dass es auf die Motive beider Ehegatten ankommt (Kasseler\nKommentar, a. a. 0., RdNr. 46 c).\n\n27\n\n \n\nDas von der Klägerin hervorgehobene langjährige Zusammenleben mit dem\nVersicherten (seit Mitte 1985) ist nach Auffassung der Kammer kein die\ngesetzliche Vermutung widerlegender Umstand. Während vereinzelt ein\njahrelanges Zusammenleben in eheähnlicher Gemeinschaft als Widerlegungsumstand\nangesehen wird (z.B. SG Würzburg, Urteil vom 15.09.2004 zum Az.: S 8 RJ\n697/02) ist die Kammer der Auffassung, dass ein langjähriges eheähnliches\nZusammenleben vielmehr die Rechtsvermutung unterstreicht, dass es alleiniger\noder überwiegender Zweck ist, der späteren Witwe eine Versorgung zu\nverschaffen (so auch LSG Niedersachsen, HV-Info 24/1997, LSG Nordrhein-\nWestfalen, HV-Info 16/2001, 1454). Denn einem langjährigen Zusammenleben "ohne\nTrauschein" liegt vielmehr die langjährige bewusste Entscheidung zu Grunde,\neben nicht zu heiraten. Letzteres gilt umso mehr, wenn nach jahrelangem\nZusammenleben "ohne Trauschein" kurz nach dem Bekanntwerden einer zum Tode\nführenden Erkrankung eines Partners geheiratet wird (LSG Schleswig-Holstein,\na. a. 0.). Dies gilt zur Überzeugung der Kammer auch, wenn die Ehe nach dem\nBekanntwerden eines dringenden Verdachts auf eine lebensbedrohliche Erkrankung\ngeschlossen wird. So liegt es hier.\n\n28\n\n \n\nZwischen der Einlieferung des Versicherten in das Klinikum N. am 16. Mai 2002\nund dem Beginn der Aktivitäten der Klägerin betreffend die standesamtliche\nTrauung besteht ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang. Nach dem von der\nKlägerin vorgelegten Einzelverbindungsnachweis der Telekom ist es möglich,\ndass der erste Kontakt zum gemäß § 6 Abs. 2 Personenstandsgesetz (PSTG)\nzuständigen Standesamt N. am 17. Mai 2002 stattfand, was allerdings nicht\nbelegt ist, da die letzten drei Ziffern der Zielrufnummer stets unkenntlich\ngemacht sind. Am 24. Mai 2002 hingegen ist ein Anruf der Klägerin bei der\nStadt N. ausreichend belegt, da laut Einzelverbindungsnachweis lediglich die\ndreistellige Durchwahl des Mitarbeiters unkenntlich gemacht ist. Im Ergebnis\nist es jedoch nicht relevant, ob der erstmalige telefonische Kontakt der\nKlägerin zum Standesamt N. bereits am 17. Mai 2002 oder erst am 24. Mai 2002\nstattfand, da beides für einen spontanen Entschluss zur Heirat spricht. Diese\nÜberzeugung der Kammer beruht auf folgenden Umständen:\n\n29\n\n \n\nBereits am Tag der Einlieferung des Versicherten in das Klinikum N., mithin am\n16. Mai 2002, wurden mittels Computertomografie des Kopfes mehrere\nHirnmetastasen beidseits festgestellt, was den Rückschluss auf einen\nmetastasierenden Primärtumor im Körper des Versicherten zulässt. Die am selben\nTag erfolgte Röntgen-Thorax-Aufnahme zeigte bereits einen großen pulmonalen\nTumor rechts apikal, so dass der dringende Verdacht des Vorhandenseins des\nPrimärtumors in Bereich der Lunge bereits am 16. Mai 2002 bestand.\nDementsprechend lautet auch die erste Diagnose des\nKrankenhausentlassungsberichtes des Klinikum N. vom 28. Mai 2002 betreffend\nden ersten dortigen Aufenthalt des Klägers "Lungentumor rechts unklarer\nHistologie". Die genaue histologische Abklärung, vor allen Dingen, ob es sich\num ein großzelliges oder kleinzelliges Karzinom handelt, sollte dann im\nForschungszentrum B. nach Verlegung geklärt werden. Insofern bestand bereits\nam 17. Mai 2002 der dringende Verdacht auf eine lebensbedrohliche Erkrankung\nmit kurzfristig infauster Prognose.\n\n30\n\n \n\nDie Kammer muss nach den ihr vorliegenden Erkenntnissen auch davon ausgehen,\ndass sowohl die Klägerin als auch der Versicherte davon gewusst haben. So\nsprach die Klägerin selbst im Verwaltungsverfahren von der Kenntnis von\n"Schatten auf der Lunge". Auch das Klinikum N. bestätigte im Schreiben vom\n24.09.2003 an die Beklagte, dass der Versicherte von verdächtigen Befunden\nwusste, seinerzeit aber noch die definitive histologische Diagnose ausstand.\nAuch wenn die Diagnose Krebs nach diesem Schreiben erst nach Vorliegen einer\nHistologie mitgeteilt wird, wurde der Versicherte jedenfalls über den schweren\nVerdacht ganz offensichtlich informiert. Die Klägerin hat in der mündlichen\nVerhandlung (nicht zu Protokoll, aber nach den Aufzeichnungen der\nVorsitzenden) bestätigt, dass der Versicherte vom ersten Tag des\nKrankenhausaufenthaltes an bewusstseinsklar und ansprechbar war. Sie selbst\nhat ihn nach eigenen Angaben zu sämtlichen Untersuchungen im Krankenhaus\nbegleitet.\n\n31\n\n \n\nDie Ausführungen der Klägerin, sie habe sogar bis zum Tod des Versicherten\nnichts von der Krebserkrankung bzw. dem dringenden Verdacht gewusst, sondern\nsie sei stets von einer harmlosen Lungenentzündung und einem völlig\nüberraschenden Tod durch Lungenembolie ausgegangen, sind nicht glaubhaft. Denn\nnach den von der Kammer eingeholten Auskünften beider beteiligter\nStandesbeamtinnen (Standesbeamtin D. vom Standesamt I. und Standesbeamtin W.\nvom Standesamt N.) handelte es sich um eine so genannte Nottrauung wegen\nlebensgefährlicher Erkrankung des Versicherten, die keinen Aufschub duldete.\nNach den dortigen Auskünften, die in Übereinstimmung mit den Vorschriften des\nPersonenstandsgesetzes und der Dienstanweisung der Standesbeamten stehen, ist\ndie Eheschließung grundsätzlich in den dafür gewidmeten Räumen des\nStandesamtes vorzunehmen. Nur in Ausnahmefällen kann auch eine Haustrauung\noder eine Trauung in einem Krankenhaus vorgenommen werden. Eine Heirat im\nKrankenhaus wird so kurzfristig nur aus einem sehr wichtigen Grund wie\nüblicherweise wegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung vorgenommen. Ideelle\nbzw. persönliche Gründe, wie die besondere Bedeutung eines bestimmten Datums-\nso wie die Klägerin dies für das Datum 31.05. vorträgt- reichen nicht aus, um\neine Trauung im Krankenhaus vorzunehmen. Dass es sich vorliegend um eine so\ngenannte Nottrauung gehandelt hat, ergibt sich auch daraus, dass sich die\nStandesbeamtin D. veranlasst sah, eine, „Erklärung eines Arztes aus Anlass\neiner Eheschließung bei lebensgefährlicher Erkrankung eines Verlobten"\neinzuholen.\n\n32\n\n \n\nDer wichtige Grund, die Ehe an einem anderen Ort - wie hier im Krankenhaus -\nzu schließen, ist bei der Anmeldung der Eheschließung glaubhaft zu machen,\nbevor ein Standesbeamter eine Terminabsprache für eine entsprechende Trauung\naußerhalb der Räume des Standesamtes vornimmt. Dementsprechend muss die\nKlägerin bei der Anmeldung der Eheschließung bzw. bereits bei den\nvorangegangenen Telefonaten gegenüber der Standesbeamtin W. Angaben zum\nGesundheitszustand des Versicherten gemacht haben, die -entsprechend den\nvorliegenden Auskünften- beide Standesbeamtinnen veranlassten, sehr\nkurzfristig alles erforderliche zu unternehmen, um die Nottrauung im\nKrankenhaus B. zu realisieren. Im Falle einer harmlosen, jedenfalls nicht\nlebensbedrohlichen Erkrankung wären die Eheleute auf eine Verschiebung der\nTrauung verwiesen worden, da eine Anmeldung zur Eheschließung schließlich\nsechs Monate gültig ist.\n\n33\n\n \n\nDer Vortrag der Klägerin, sie sei überhaupt nicht von einer Nottrauung wegen\nlebensgefährlicher Erkrankung ausgegangen, überzeugt nach den vorstehenden\nAusführungen nicht. Denn es ist realitätsfern, dass dies alles regelrecht an\nder Klägerin "vorübergegangen" sein soll. Wenn danach die Klägerin zumindest\nvon dem dringenden Verdacht auf eine lebensbedrohliche Erkrankung gewusst hat,\nso ist nicht vorstellbar, dass der Versicherte selbst nicht davon wusste.\n\n34\n\n \n\nZwar kann der Nachweis einer festen, konkreten Heiratsabsicht vor\nBekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung bzw. des diesbezüglichen\nVerdachtes den Schluss zulassen, dass ein von der Versorgungsabsicht\nverschiedenes Motiv - nämlich die schon lange geplante Heirat endlich zu\nverwirklichen - ein die gesetzliche Vermutung widerlegender Umstand sein. Ein\nsolcher Umstand ist jedoch für die Kammer nicht mit der für den Vollbeweis\nerforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Für\ndie von der Klägerin behauptete geplante Trauung bereits ein Jahr zuvor,\nnämlich am 31. Mai 2001 auf H., sprechen zwar die nach Angaben der Klägerin in\ndie 1987 gekauften Verlobungsringe im Jahre 2001 eingebrachte Gravur (ein\nentsprechender Beleg des Juweliers konnte nicht vorgelegt werden) und auch die\nAngaben des Sohnes der Klägerin in der eidesstattlichen Versicherung.\nAllerdings ist es erstaunlich, dass bis zum Unfall des Versicherten am 10. Mai\n2001 noch keine Anmeldung zur Eheschließung beim zuständigen Standesamt N.,\ndas dann eine Ermächtigung an das Standesamt H. hätte erteilen müssen, erfolgt\nwar, wie sich aus der Auskunft der Standesbeamtin W. ergibt.\n\n35\n\n \n\nLetztlich kann es jedoch dahinstehen, wie konkret bereits eine Hochzeit am 31.\nMai 2001 geplant war, denn es lässt sich nicht ausreichend feststellen, dass\ndie Heiratsabsicht fortbestand. Die Klägerin hat vorgetragen, dass, nachdem\ndie Hochzeit am 31. Mai 2001 wegen des Unfalls des Versicherten nicht\nstattfinden konnte, diese exakt um ein Jahr, mithin auf den 31. Mai 2002\nverschoben werden sollte. Wenn dieser Termin aber schon über ein Jahr\nfestgestanden haben soll und dieses Datum für die Klägerin und den\nVersicherten aus persönlichen Gründen so wichtig war -wie die Klägerin\nmehrfach betont hat-, so ist es nicht nachvollziehbar, dass bis zum 17. Mai\n2002 bzw. 24. Mai 2002 noch keinerlei Aktivitäten betreffend die\nstandesamtliche Trauung seitens der Klägerin und des Versicherten stattfanden.\nDie Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass vorliegend nichts auf eine\nlängerfristige Planung eines schon lange bestehenden Heiratsentschlusses\nhinweist und dass die formalen Vorbereitungen für eine langfristig geplante\nund auf ein ganz bestimmtes Datum festgelegte Hochzeit unverständlich spät\nerfolgten. Wie die Standesbeamtin W. telefonisch bestätigte, handelt es sich\nbei dem Monat Mai um einen sehr beliebten Heiratsmonat, was insbesondere für\neinen Freitag im Mai gilt - wie den 31. Mai 2002. Um an einem solchen Tag\nüberhaupt einen Termin zu bekommen, ist eine frühzeitige Anmeldung\nerforderlich und üblich. Hierzu hat die Klägerin vorgetragen, dass sie bei\nfrüheren Anfragen beim Standesamt N. die Auskunft erhalten habe, dass es einer\nvorherigen Anmeldung einer Trauung nicht bedürfe und dass man an jedem\nbeliebigen Ort ohne vorherige Anmeldung heiraten könne, so dass sie und der\nVersicherte auch am 31. Mai 2002 auf H. (nicht in Ba., wie sie in der\nmündlichen Verhandlung klar stellte) einfach so beim dortigen Standesamt\nzwecks Trauung vorsprechen wollten. In Anbetracht der eindeutigen dem\nentgegenstehenden Vorschriften des Personenstandsgesetzes betreffend die\neinzuhaltenden Formalitäten und auch der entsprechenden Auskunft der\nStandesbeamtin W., schließt die Kammer jedoch aus, dass diese derartige\nAuskünfte an die Klägerin gegeben hat. Einen derartig unbedarften Eindruck hat\ndie Klägerin auf die Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung im Übrigen\nauch nicht gemacht.\n\n36\n\n \n\nInsgesamt ergibt sich für die Kammer kein erkennbarer Anschein von Hochzeits-\nbzw. auch Hochzeitsreisevorbereitungen für die angeblich schon über ein Jahr\nfeststehende Trauung am 31. Mai 2002. Ein Quartier auf H. war nach Angaben der\nKlägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung auch nicht gebucht.\n\n37\n\n \n\nWeiter hatte die Klägerin vorgetragen, dass für sie und den Versicherten eine\nunmittelbare Verknüpfung zwischen der Hochzeit und dem Auszug aus der Wohnung\ndes Versicherten in die Wohnung der Klägerin in der B. Straße bestand.\nHintergrund sei gewesen, dass der Versicherte betreffend das Mietverhältnis\nnur als gleichberechtigter Ehegatte in die Wohnung der Klägerin einziehen\nwollte. Der Umzug in die B. Straße sei also nach der gescheiterten Hochzeit im\nJahre 2001 bereits konkret geplant gewesen im Zusammenhang mit der auf den 31.\nMai 2002 verschobenen Hochzeit. Dann aber ist für die Kammer nicht\nnachvollziehbar, dass die Klägerin die Wohnung des Versicherten im R. erst am\n28.Juni 2002 gekündigt hat und noch bis Oktober 2002 Miete zahlen musste. Auch\ndies spricht mithin nicht für einen schon langfristig geplanten feststehenden\nHochzeitstermin am 31. Mai 2002.\n\n38\n\n \n\nSofern die Klägerin schließlich vorträgt, dass sie eine eigene Rente beziehe\nund auf die Witwenrente nicht angewiesen sei, so ist dies kein Umstand, der\ndie Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen vermag. So wird zwar\nvereinzelt die Auffassung vertreten, dass eine ausreichende eigene Versorgung\ndes Hinterbliebenen grundsätzlich geeignet sei, die Rechtsvermutung einer\nVersorgungsehe zu widerlegen (SG Würzburg, a. a. 0.), dem kann sich die Kammer\njedoch nicht anschließen. Die gesetzliche Vermutung gilt vielmehr nicht nur in\nFällen, in denen eine geringe oder sogar möglicherweise fehlende eigene\nVersorgung der Witwe vorliegt, sondern auch dann, wenn die\nHinterbliebenenversorgung die eigene Versorgung aufbessert, sich mithin die\nwirtschaftliche Situation der Witwe verbessern würde. Nach dem oben genannten\nUrteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts spricht sogar die\nwirtschaftliche Situation der Witwe nur dann gegen die gesetzliche Vermutung,\nwenn sie sich durch die Heirat verschlechtert hätte. Die Klägerin bezieht eine\nAltersrente in Höhe von 780,00 Euro netto. In Anbetracht der Höhe der\nAltersrente des Versicherten, die zuletzt 1.535,18 Euro monatlich betrug,\nwürde sich die wirtschaftliche Situation der Klägerin durch die begehrte\nWitwenrente erheblich verbessern. Soweit die Klägerin vorgetragen hat, sie sei\ndurch die Heirat eher finanziell belastet worden, da sie vorübergehend zwei\nMieten habe zahlen müssen und auch Renovierungsarbeiten in der Wohnung des\nVersicherten habe durchführen müssen, so handelt es sich hierbei nur um\nvorübergehende Belastungen, die mit Blick auf die auf Dauer begehrte\nWitwenrente nicht ins Gewicht fallen.\n\n39\n\n \n\nNach allem erschließt sich für die Kammer insgesamt nicht, auf Grund welcher\nbesonderen Umstände die Eheschließung kurz vor dem Ableben des Versicherten\neinen anderen Zweck gehabt haben könnte, als die Erlangung einer\nHinterbliebenenversorgung für die Klägerin. Die Klägerin vermochte die\ngesetzliche Vermutung nicht zur Überzeugung der Kammer zu widerlegen.\nDementsprechend war die Klage abzuweisen.\n\n40\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt dem Ergebnis in der Hauptsache und beruht auf den\n§§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG.“\n\n41\n\n \n\nGegen dieses der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15. März 2007\nzugestellte Urteil richtet sich die am 11. April 2007 beim Schleswig-\nHolsteinischen Landessozialgericht eingelegte Berufung der Klägerin. Zu deren\nBegründung wird weiterhin im Wesentlichen geltend gemacht, die infauste\nPrognose der Erkrankung des Versicherten sei diesem und der Klägerin bei der\nEheschließung nicht bewusst gewesen und es seien schon längere Zeit vorher\nHeiratspläne gehegt worden, die sich aus diversen Gründen zerschlagen hätten.\nNicht finanzielle Interessen, sondern der Wunsch des Ehepaars, den Lebensabend\nauch unter dem Aspekt des bindenden Versprechens, sich zur Seite zu stehen zu\nverbringen, sei das maßgebliche Motiv der Eheschließung gewesen.\n\n42\n\n \n\nDie Klägerin beantragt,\n\n43\n\n \n\ndas Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 26. Januar 2006 und den Bescheid der\nBeklagten vom 05. November 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom\n28. November 2003 aufzuheben und ihr eine große Witwenrente ab dem 01.Juli\n2002 zu gewähren.\n\n44\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n45\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n46\n\n \n\nSie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und überzeugend\nbegründet.\n\n47\n\n \n\nIn der Berufungsverhandlung haben neben den Gerichtsakten die von der\nBeklagten eingereichten Verwaltungsakten vorgelegen. Auf diese Akten wird\nwegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n48\n\n \n\nDie zulässige Berufung ist nicht begründet.\n\n49\n\n \n\nZutreffend hat das Sozialgericht entschieden, dass einem Anspruch der Klägerin\nauf Hinterbliebenenrente der Ausschlusstatbestand des § 46 Abs. 2 a SGB VI\nentgegensteht.\n\n50\n\n \n\nNach dieser Vorschrift haben Witwen oder Witwer welche die (übrigen)\nVoraussetzungen eines Anspruchs auf Witwen- oder Witwerente nach § 46 Abs. 1\noder 2 SGB VI erfüllen, gleichwohl dann keinen Anspruch auf eine solche Rente,\nwenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach\nden besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass\nes der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf\nHinterbliebenenversorgung zu begründen.\n\n51\n\n \n\nDiese Regelung ist durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. b des Gesetzes zur Reform der\ngesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten\nAltersvorsorgevermögens (AVmEG) vom 21. März 2001 (BGBl. I, S. 403) mit\nWirkung vom 1. Januar 2002 in das SGB VI eingefügt worden. Mit ihr hat der\nGesetzgeber unter Anknüpfung an vergleichbare Regelungen der gesetzlichen\nUnfallversicherung, des sozialen Entschädigungsrechts und der\nBeamtenversorgung eine gesetzliche Vermutung in das Recht der gesetzlichen\nRentenversicherung aufgenommen, mit der unterstellt wird, dass beim Tode des\nVersicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer\nHinterbliebenenversorgung Ziel der Eheschließung war. Eine generelle Regelung\ndes Inhalts, dass Ehen keine Witwen- oder Witwenrentenansprüche begründen,\nwenn sie mit diesem Ziel geschlossen werden, sieht das Gesetz allerdings nicht\nvor. Der Ausschlusstatbestand bezieht sich allein auf die Ehedauer und knüpft\ndaran die widerlegliche Vermutung an und bestimmt zugleich, wodurch sie\nwiderlegt werden kann. Daraus folgt, dass die besonderen Umstände des Falles,\nwelche eine nicht mindestens ein Jahr andauernde Ehe gleichwohl geeignet\nerscheinen lassen einen Witwen- oder Witwerrentenanspruch zu begründen, darin\nbestehen, dass vorgebracht und bewiesen werden muss, in dem Beweismaßstab des\nsog. Vollbeweises, dass nach den besondere Umständen des Falles die Annahme\nnicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der\nHeirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. D.h.:\nim gerichtlichen Verfahren muss sich das Gericht die volle Überzeugung davon\nverschaffen, dass zumindest neben dem Zweck der Sicherung oder Verbesserung\nder Versorgungssituation des überlebenden Ehepartners durch Erlangung eines\nHinterbliebenenrentenanspruchs nach dem Tode des anderen gleichgewichtig\nandere Motive für die Eheschließung maßgeblich waren, und zwar auch zu dem\nZeitpunkt, zu welchem diese erfolgte. Die volle Überzeugung bedeutet nicht\nabsolute Gewissheit, sondern lediglich eine an Gewissheit grenzende\nWahrscheinlichkeit. Orientiert an der Lebenswirklichkeit müssen sich objektiv\nbegründbare Zweifel als recht entfernt ausräumen lassen. Dies ist praktisch\nimmer der Fall, wenn die oder der Versicherte innerhalb des ersten Ehejahres\nan einem Unfall stirbt oder er z.B. bei unbekannter Herzerkrankung in einem\nLebensalter, in welchem der Tod im allgemeinen noch nicht einzutreten pflegt,\neinem Herzinfarkt erliegt.\n\n52\n\n \n\nLebensbedrohliche andere Erkrankungen, insbesondere an Krebs, der oder des\nVersicherten lassen, wenn sie zum Zeitpunkt der Eheschließung bekannt waren,\nes auf der anderen Seite als schon von vornherein objektiv problematisch\nerscheinen, derartige besonderen Umstände festzustellen. Namentlich, wenn eine\nlangjährige nichteheliche Lebensgemeinschaft zuvor bestanden hat, aber die\nPartner keine Veranlassung gesehen hatten, diese Form des Zusammenlebens zu\nändern und die Ehe einzugehen, drängt sich die Annahme auf, dass nunmehr die\nwirtschaftliche Sicherung des Überlebenden für den Fall dessen, dass der\nVersicherte der Krankheit erliegt, der bestimmende Beweggrund für die Heirat\nist. Es spricht insbesondere viel dafür, gerade wenn zwischen den Partnern\neiner nichtehelichen Lebensgemeinschaft eine Liebesbeziehung und eine\nlangjährig sich bewährt habende Verbundenheit besteht, dass insbesondere der\nPartner, der an einer solchen Erkrankung leidet, sich Gedanken über die\nSicherung des andern Partners macht, und ihm deshalb daran liegt, durch eine\nEheschließung letzterem eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen. Auch\nist das Interesse des anderen Partners an seiner Versorgung in einem solchen\nFall sicherlich nicht moralisch bedenklich. Er muss sich nicht den Vorwurf\ngefallen lassen, vom Tode des Erkrankten profitieren zu wollen. Gleichwohl\ngreift der Ausschlusstatbestand des § 46 Abs. 2 a SGB VI ein. Das Gesetz sieht\nnicht vor, dass er nicht gilt, wenn der Eheschließung eine langjährige\nLebensgemeinschaft vorangegangen ist. Als „besonderer Umstand“ kann eine\nsolche, für sich genommen, insbesondere deshalb nicht gelten, weil gerade aus\nihr sich der Zweck der Sicherung der Hinterbliebenenversorgung ergeben kann.\nGerade bei einer langjährigen vorangegangenen Lebensgemeinschaft und der\nHeirat nach Kenntnis von einer lebensbedrohlichen Erkrankung des einen\nPartners drängt sich als naheliegendes Motiv eben die Sicherung der\nHinterbliebenenversorgung des überlebenden Partners auf. Dies gilt namentlich\nunter Berücksichtigung dessen, dass seit geraumer Zeit das Zusammenleben einer\nFrau und eines Mannes in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu den\nüblichen Gestaltungsformen von Paarbeziehungen zählt und gesellschaftlich\nakzeptiert ist. Zudem ist es auch durchaus nicht ungewöhnlich, dass nach\nlangjährigem nichtehelichen Zusammenleben in fortgeschrittenem Alter Ehen\ngeschlossen werden, insbesondere um die Hinterbliebenenversorgung zu sichern,\ngerade auch dann, wenn keine konkrete Gefahr des Todes eines Partners absehbar\nist. Dies lässt Bedenken daran aufkommen, ob es erforderlich war, die Regelung\ndes § 46 Abs. 2 a in das SGB VI aufzunehmen (vgl. z.B.\nZweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung - SGB VI, § 46\nRdn. 42). Sie ist aber geltendes Recht.\n\n53\n\n \n\nNicht erheblich ist nach § 46 Abs. 2 a SGB VI, ob die Partner bei der\nEheschließung damit rechneten, dass der unter einer lebensbedrohlichen\nErkrankung leidende Partner das erste Jahr nach der Heirat überleben werde.\nDas ist nicht Inhalt der Regelung. Die individuelle Reaktion auf die Kenntnis\nvon einer eigenen lebensbedrohlichen Erkrankung bzw. einer solchen des\nPartners ist unter Menschen völlig unterschiedlich, die einen geben die\nHoffnung auf ein Überleben der Erkrankung früh auf, die anderen hoffen auch\ngegen ärztliche Prognosen darauf, dass sich selbst eine metastasierende\nKrebserkrankung noch zumindest für einige Jahre überleben lässt. Sich über die\nHinterbliebenenversorgung des überlebenden Partners einer langjährigen\nLebensgemeinschaft Gedanken zu machen und sich deshalb zu einer Ehe zu\nentschließen, wenn der eine Partner unter einer lebensbedrohlichen Krankheit\nleidet, hängt nicht davon ab, wie der Erkrankte oder der Partner die\nÜberlebenswahrscheinlichkeit beurteilt. Die Hoffnung oder Erwartung, eine\nlebensbedrohliche Erkrankung zu überstehen, ist kein besonderer Umstand des\nFalles i.S. des § 46 Abs. 2 SGB VI, ebenso wenig wie das Bestehen einer\nlangjährigen Lebensgemeinschaft vor der Eheschließung, denn beidem lässt sich\neben nicht für sich genommen entnehmen, dass die Ehe nicht gerade deshalb\ngeschlossen worden ist, um einen Anspruch des überlebenden Ehegatten auf\nHinterbliebenenversorgung zu begründen.\n\n54\n\n \n\nDie Ehe der Klägerin mit dem Versicherten hat kein Jahr gedauert. Der Senat\nvermag nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, § 128 Abs. 1 des\nSozialgerichtsgesetzes (SGG) - ebenso wie zuvor das Sozialgericht - nicht zu\nder Überzeugung zu gelangen, dass nach den besonderen Umstände des Falles die\nAnnahme nicht gerechtfertigt ist, dass zumindest der überwiegende Zweck der\nHeirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.\n\n55\n\n \n\nEbenso wie das Sozialgerichts ist der Senat nach den Umständen, unter denen\ndie Heirat am 31. Mai 2002 erfolgte, zu der Feststellung gelangt, dass es sich\nbei ihr um eine Nottrauung handelte, die zu diesem Zeitpunkt erfolgte, weil\nder Versicherte an einer lebensbedrohlichen Krankheit erkrankt war. Dies wird\ndurch die durch das Sozialgericht von den Standesbeamten in N. und in I.\neingeholten Auskünfte und die im Widerspruchsverfahren sowie im Verfahren vor\ndem Sozialgericht eingeholten ärztlichen Berichte in einer Weise belegt, dass\nvernünftige Zweifel daran ausscheiden. Der Senat nimmt insofern im\nWesentlichen auf die Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Bezug, die er\nsich im Sinne des § 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu eigen\nmacht. Ergänzend ist dazu nur auszuführen, dass eine lebensbedrohliche\nErkrankung gerade Voraussetzung dieser Form der Eheschließung im Krankenhaus\nist und bereits nach der am 16. Mai 2002 erfolgten Computertomographie des\nKopfes und den am selben Tage erfolgten Röntgenaufnahmen des Brustkorbs mehr\nals deutliche Hinweise auf eine sehr ernste, weit fortgeschrittene,\nKrebserkrankung gegeben waren. Wenn dann, unter Zugrundelegung der Angaben der\nKlägerin, am 24. Mai 2002 Kontaktaufnahmen mit dem Standesamt N., dem\nStandesamt Hamburg-N. und dann, nachgewiesen, am 30. und 31. Mai mit den\nStandesämtern N. und I. stattfanden, ergibt das nur einen Sinn als\nVorbereitung und Durchführung einer solchen Nottrauung im Krankenhaus. Für\neine solche ist eben das Vorbringen einer lebensbedrohlichen Erkrankung\nVoraussetzung.\n\n56\n\n \n\nDas auf den Kalendertag 31. Mai als Hochzeitstag bezogene Vorbringen der\nKlägerin, exakt dieses Datum jedes Jahres sei für sie und ihren Ehemann, den\nverstorbenen Versicherten, von vornherein so wichtig gewesen, dass sie deshalb\neine für den 31. Mai 2001 geplante, aber wegen eines Unfalls des Versicherten\nam 10. Mai 2001, der eine vorübergehende Gehbehinderung zur Folge gehabt\nhätten, aufgeschobene Heirat, auf diesen Kalendertag des folgenden Jahres\nverschoben hätten und somit für diesen Tag des Jahres 2002 bereits vor der\nManifestation der Erkrankung des Versicherten eine feste Heiratsabsicht\nbestanden habe, erscheint mehr als konstruiert. Objektiv nachweisbar spricht\ndafür, dass die Heirat gerade am Freitag, dem 31. Mai 2002 stattfand, dass,\nwie die N.er Standesbeamtin W. dargelegt hat, es seitens der Standesämter\nmeistens Bestrebungen gibt „Nottrauungen“ noch vor einem Wochenende\ndurchzuführen. Die Anmeldung zur Eheschließung erfolgte durch die Klägerin am\n30. Mai 2002 unter Vorlage bzw. Ausstellung der erforderlichen\nAufenthaltsbescheinigungen vom 30. Mai 2002 und der Vollmacht des Versicherten\nzur Anmeldung der Eheschließung vom 29. Mai 2002 bei dem Standesamt N. für die\nEheschließung durch die I.er Standesbeamtin. Diese hat sich dann der\nerforderlichen Bescheinigung des behandelnden Arztes im Forschungszentrum B.\nversichert, um die Trauung vornehmen zu können. Es spricht nach dem\nGeschehenshergang im Mai 2002 letztlich nichts dafür, dass vor Kenntnis von\nder lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten und nachweisbar mehr als 7\nTage vor der Heirat irgendwelche Heiratsvorbereitungen getroffen worden sind.\nHinzu kommt, dass auch der nach Angaben der Klägerin bereits für den 31. Mai\n2001 geplante Heiratstermin bei dem örtlich zuständigen Standesamt N. keine\nSpuren hinterlassen hat, ebenso wenig, wie bei dem Standesamt H., wo die\nTrauung seinerzeit nach Angaben der Klägerin hätte stattfinden sollen. Wenn\nein besonderer Kalendertag eines jeden Jahres für die Eheschließung von einer\nsolchen Bedeutung ist, dass man deshalb, weil man im vergangenen Jahr an\ndiesem Kalendertag nicht heiraten konnte, die Heirat um ein volles Jahr\nverschiebt, versichert man sich rechtzeitig dieses Termins beim Standesamt.\nDas gilt insbesondere, wenn die Trauung zudem bei einem auswärtigen Standesamt\nstattfinden soll. Die Angaben der Klägerin zu einer im Mai 2002 fest geplanten\nHeirat sind damit auch zur Überzeugung des Senats wenig glaubhaft. Als\nausgeschlossen sieht er es jedenfalls an, vernünftige Zweifel an einer vor\nKenntnis von der lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten bestehenden\nfesten Heiratsplanung der Klägerin und des Versicherten zurückzudrängen.\nHinsichtlich der weiteren gegen eine vor der Krankenhauseinlieferung des\nVersicherten am 16. Mai 2002 bereits bestehende feste Heiratsabsicht\nsprechenden Umstände macht der Senat wiederum von der Möglichkeit Gebrauch,\nnach § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des mit der Berufung\nangefochtenen Urteils zu verweisen\n\n57\n\n \n\nNicht nachvollziehbar ist im Übrigen das Vorbringen der Klägerin, bei ihr habe\nim Hinblick auf die Höhe ihrer eigenen Rente die Witwenrente, nach ihren\nAngaben 780,- €, kein wirtschaftliches Interesse an der Witwenrente bestanden;\ndenn nach § 97 Abs. 2 SGB VI wäre nur ein sehr geringer Betrag in Höhe von\netwa 40 € der eigenen Rente der Klägerin auf die Witwenrente in Höhe von 55 %\nder Rente des Versicherten anzurechnen gewesen.\n\n58\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und Abs. 4 des\nSozialgerichtsgesetzes (SGG).\n\n59\n\n \n\nDie Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision durch den Senat nach § 160\nAbs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG sind nicht erfüllt.\n\n \n\n
107,638
vg-greifswald-2007-10-17-2-a-133007
489
Verwaltungsgericht Greifswald
vg-greifswald
Greifswald
Mecklenburg-Vorpommern
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 A 1330/07
2007-10-17
2018-11-25 16:30:06
2019-02-14 07:49:53
Urteil
#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Beteiligten streiten über vermögensrechtliche Ansprüche.\n\n2\n\n \n\nDie T. befand sich zu 92 % im Besitz der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der\nE., die wiederum zu 73 % belgische Beteiligung aufwies. Zu ihrem\nBetriebsvermögen gehörten auch die streitbefangenen Grundstücke.\n\n3\n\n \n\nMit Schreiben vom 09.01.1946 teilte der Verwaltungschef der SMAD der Provinz\nMecklenburg-Vorpommern dem Direktor der Waggonreparatur-Fabrik mit, dass er\ndie Waggonfabrik zu W. - also die T. - und deren Eigentum gemäß seinem Befehl\nNr. 3 mit Beschlag (Sequester) belegt habe. Jede Machenschaft bezüglich dieses\nEigentums, welche aus dem Rahmen der normalen Tätigkeit falle, sei ohne sein\nEinverständnis unwirksam.\n\n4\n\n \n\nUnter dem 08.07.1946 erhielt die Kontroll-Kommission für Sequestrierung und\nKonfiskation beim Obersten Chef der SMAD in Deutschland (im folgenden:\nKontrollkommission) die Mitteilung, dass der Betrieb - die T. - in\nverkleinertem Maßstab weiter arbeite. Es bestehe ein Fliegerschaden in Höhe\nvon 3.000.000,00 RM. Der der Mitteilung beigefügten Aktennotiz vom gleichen\nTag lässt sich entnehmen, dass in dem Betrieb zur damaligen Zeit etwa 1.000\nMann arbeiten würden. Es würden hauptsächlich Güterwagen repariert. Außerdem\nseien schon Verhandlungen eingeleitet, um auch Neuherstellungen auf\nReparationskonto vorzunehmen.\n\n5\n\n \n\nDer Wert der T. wurde auf 6 bis 8 Millionen RM beziffert.\n\n6\n\n \n\nUnter dem 08.07.1946 wurde der Kontrollkommission eine sog. Sonderliste über\ndie T. übersandt. Die E. sei zu mehr als 73 % Eigentum der belgischen C. Die\nT. sei danach zu 67 % belgisches Eigentum. Es liege ein Fliegerschaden in Höhe\nvon 3.000,000,00 RM vor. Der Betrieb arbeite in verkleinertem Maßstab weiter.\nDer Oberleutnant F. (belgische Militärmission beim Alliierten Kontrollrat)\nlegte der Kommission ausweislich einer Aktennotiz vom 08.07.1946 einen\nJahresabschlussbericht der Deutschen Treuhandgesellschaft für das Jahr\n1943/1944 vor. Aus der ebenfalls vorgelegten "Attestation" ergebe sich, dass\ndie belgische C. bereits am 10.05.1940 mehr als 73 % des Stammkapitals der E.\nbesessen habe.\n\n7\n\n \n\nDurch SMAD-Befehl Nr. 123 vom 18.07.1946 wurde die T. als Reparation von der\nSSR übernommen und an. die Sowjetische AG (SAG) T.bau übergeben. Die Anordnung\nder Auflösung der Liquidation der T. wurde zur Eintragung in das\nHandelsregister beantragt.\n\n8\n\n \n\nDie E. wandte sich unter dem 19.07.1946 an die Zentrale Deutsche Kommission\nfür Sequestrierung und Beschlagnahme in der SBZ Deutschlands (ZDK). Die\nLandesverwaltung Mecklenburg-Vorpommern habe der T. mitgeteilt, dass angeblich\nderen Eingliederung in die SAG für T.bau demnächst bevorstehe. Am 17.07.1946\nhabe auch ein Besuch des Werkes durch die sowjetische Kommission\nstattgefunden, der augenscheinlich dazu gedient habe, vorbereitende Maßnahmen\nfür die geplante Übernahme zu treffen. Aus der der Kommission überreichten,\nvon einem belgischen Notar beurkundeten und vom belgischen Außen- und\nAußenhandelsministerium legalisierten Attestation der C., gehe hervor, dass\ndie genannte belgische Gesellschaft mit ca. 73 % an der E. und damit auch an\nder T. beteiligt sei. Aufgrund der ausländischen Beteiligung dürfte die oben\nerwähnte Eingliederungsabsicht nur auf ein Missverständnis zurückzuführen sein\nbzw. auf irrtümlichen Voraussetzungen beruhen.\n\n9\n\n \n\nDie ZDK teilte der E. unter dem 07.08.1946 mit, dass die Beteiligung der C. an\nden Unternehmungen ausführlich seitens der Kommission an die SMA gemeldet\nworden sei. In welcher Form die SMA nunmehr verfügen werde, bleibe abzuwarten.\nIm Übrigen könnten die Maßnahmen der SMA, die die E. schildere, auch den Zweck\nverfolgen, deren Unternehmungen aus der Enteignung seitens der Landes- und\nProvinzialverwaltungen herauszunehmen, gerade weil infolge der\nAuslandsbeteiligung eine solche Enteignung nicht in Frage komme.\n\n10\n\n \n\nDurch Befehl Nr. 242 des Chefs der SMAD für das Land Mecklenburg-Vorpommern\nvom 26.12.1946 wurde dem Ministerpräsidenten der Regierung des Landes\nMecklenburg befohlen, in W. eine Fabrik für Schiffsreparatur zu gründen, die\nder deutschen Selbstverwaltung unterstellt werde, u.a. auf der Basis der\nRäumlichkeiten der früheren Fabrik "D." auf dem am W. Hafen belegenen\nTerritorium.\n\n11\n\n \n\nDurch Befehl Nr. 26 des Verwaltungschefs der SMA in Mecklenburg-Vorpommern vom\n18.02.1947 wurde u.a. befohlen, dass die Übergabe der Waggonfabrik bis zum\n15.03.1947 auszuführen sei. Dem Generaldirektor der Waggonfabrik seien die\nBetriebe der W. Waggonfabrik zu übergeben. Der Übergabe unterlägen alle\nMaterialwerte: Gebäude, Einrichtungen, Anlagen, Grundstücke,\nTransportfahrzeuge, Materialien, unvollendete und fertige Erzeugnisse, die\nsich am Tag der Übergabe auf dem Werk befinden würden.\n\n12\n\n \n\nMit dem Befehl des Leiters der Verwaltung der SMAD der Provinz Mecklenburg-\nVorpommern vom 18.02.1947 - unter Nr. 26 - wurde die Waggonfabrik W. aus der\nLeitung der SAG für T.bau der Verwaltung der Provinz Mecklenburg-Vorpommern\nübergeben. Der erwähnte Befehl bildete auch die Grundlage für die\ngleichlautende Anordnung des Generaldirektors der Waggonfabrik Nr. 4 vom\n01.03.1947. Ausweislich des Akts vom gleichen Tag wurde das Unternehmen\nWaggonfabrik W., das seinerzeit in Eigentum der Sowjetunion übergegangen sei,\nder Provinzialverwaltung des Landes Mecklenburg-Vorpommern übergeben.\n\n13\n\n \n\nDie E. wandte sich unter dem 21.02.1947 an die ZDK: Nachdem die T. aus der\nGliederung der SAG für T.bau herausgenommen worden sei, sei die\nLandesregierung Mecklenburg-Vorpommern auf den Umstand der erheblichen\nAuslandsbeteiligung nochmals ausdrücklich hinzuweisen.\n\n14\n\n \n\nUnter dem 27.02.1947 datiert eine Aktennotiz betreffend die Übergabe des\nWerkes an die Landesverwaltung, Schwerin. Die Eintragungen ins\nHandelsregister, die sich durch die Übergabe ergeben würden, würden von der\nHauptverwaltung durchgeführt.\n\n15\n\n \n\nDurch Bescheid vom 18.06.1947 wurde der "Konzernbetrieb" der E. durch die\nLandeskommission für Sequestrierung und Beschlagnahme gemäß Befehl Nr. 124 mit\nihrem Vermögen auf Liste A (Enteignung) gesetzt. Gemäß § 2 des Gesetzes Nr. 4\nzur Sicherung des Friedens in Verbindung mit §§ 1 ff. der I.\nDurchführungsverordnung zu diesem Gesetz sei das Vermögen der E. in das\nEigentum des Landes Mecklenburg übergegangen. Der Enteignungsbescheid wurde\nder T. unter dem 18.06.1947 übersandt.\n\n16\n\n \n\nDurch Befehl Nr. 93 vom 07.07.1947 wurde die Vergrößerung der\nErzeugungskapazitäten der W. Schiffsreparaturwerft befohlen.\n\n17\n\n \n\nDie Fabrik wurde zu Reparationszwecken demontiert und zunächst an die SAG\nübergeben, dann aber in die Verfügungsgewalt der Regierung des Landes\nMecklenburg gelegt und schließlich zum 10.07.1947 in die W.\nSchiffsreparaturwerft aufgenommen.\n\n18\n\n \n\nGegen den Zusammenschluss wandte sich die E. in einem an die Kommission\ngerichteten Schreiben vom 16.07.1947. Die Um- oder Neuorganisation dürfte nur\nin Verkennung bzw. unter Missachtung der Auslandsinteressen erfolgt sein.\n\n19\n\n \n\nUnter Bezugnahme auf den erwähnten Bericht vom 08.07.1946 wurde der\nKontrollkommission unter dem 20.08.1947 u.a. mitgeteilt, dass wegen\nNichterfüllung des Schiffsbauprogramms im 1. Halbjahr 1947 infolge\nungenügender Fabrikationsbasis und unbefriedigender Leitung von seiten der\nDeutschen Verwaltung der Staatlichen Betriebe des Landes Mecklenburg gemäß\nBefehl Nr. 93 vom 07.07.1947 des Chefs der Verwaltung der SMA des Landes\nMecklenburg die Vergrößerung der W. Schiffsreparaturfabrik durch die\nVereinigung mit der Waggonfabrik W. zum 05.07.1947 angeordnet worden sei. Bei\ndiesem Zusammenschluss sei auch über das im belgischen Besitz befindliche\nVermögen der Waggonfabrik W. verfügt worden.\n\n20\n\n \n\nDas Amtsgericht W. trug am 25.07.1947 bei der Fa. T. in das Handelsregister\nein:\n\n21\n\n \n\n"Nachdem das Vermögen der Firma durch Beschluss der Landeskommission für\nSequestrierung und Beschlagnahme am 18. Juni 1947 enteignet und in das\nEigentum des Landes Mecklenburg übergegangen ist, wird die Firma auf Grund des\nGesetzes über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften vom 9. Oktober\n1934, RGBL. I S. 914, § 2 Abs. 1, von Amts wegen gelöscht."\n\n22\n\n \n\nAusweislich eines vom Mitarbeiter der DWK, Herrn B., angefertigten Vermerks\nvom 21.08.1947 sei die Waggonfabrik aufgrund des Befehls Nr. 26 nach\nHerauslösung aus der SAG für T.bau der Landesregierung übergeben worden,\nobwohl nach den in Karlshorst in der Besprechung vom 12.03.1947 festgelegten\nRichtlinien eine Übergabe von Betrieben, an denen ausländisches Kapital\nbeteiligt sei, an die Länder etc. nicht erfolgen solle. Da die ausländische\nBeteiligung für die Herauslösung aus der SAG maßgebend gewesen sei, sei nur zu\nvermuten, dass die Rückgabe lediglich an den bevollmächtigten Treuhänder der\nLandesregierung erfolgt sei, dem die Ausübung der Kontrolle über die\nUnveränderlichkeit des ausländischen Eigentums im Auftrage der SMA obliege. Da\njedoch der Treuhänder sich nach den gleichen Richtlinien mit dem\ntreuhänderisch verwalteten Betrieb den Produktionsaufgaben des Landes anpassen\nmüsse, sei der Zusammenschluss mit der W. Schiffsreparaturfabrik nach Befehl\nNr. 93 unter Anlehnung an Befehl 104 Abs. 10 erfolgt, der den Abschluss von\nAbmachungen ohne Wissen der ausländischen Eigentümer lediglich für die von der\nSMA befohlenen erlaube. Es handele sich bei dieser Maßnahme nicht um eine\nEnteignung, sondern nur um einen dringenden produktionsnotwendigen\nZusammenschluss. Über das ausländische Teilvermögen an der Waggonfabrik, wobei\ndas Übergabevermögen laut Akt vom 01.03.1947 als Grundlage dienen könne, habe\ntrotz des organisatorischen Zusammenschlusses der seitens der SMA eingesetzte\nTreuhänder auch weiterhin die Kontrolle auszuüben.\n\n23\n\n \n\nUnter dem 14.10.1947 bezog sich die E. in ihrem an den Innenminister M-V\ngerichteten Schreiben zunächst auf ihren am 17.07.1947 gegen eine Überführung\nder T. in die öffentliche Hand erhobenen Einspruch. Die Überführung in die\nöffentliche Hand und Eingliederung in die Schiffsreparaturwerft W. sei\nunzulässig. Der Nachweis über das belgische Eigentum an der Gesellschaft sei\nerbracht. Mit Schreiben vom gleichen Tag beantragte die E. bei der SMA\nSchwerin, den in Frage kommenden Befehl und damit die Eingliederung der T. in\ndie Schiffsreparaturwerft rückgängig zu machen.\n\n24\n\n \n\nDie Landesregierung Mecklenburg - Ministerium für Innere Verwaltung und\nPlanung - Amt für Sequestrierung und Beschlagnahme - teilte der T. unter dem\n15.05.1948 mit, dass die Enteignung der aufgrund des Befehls Nr. 124\nbeschlagnahmten Vermögenswerte "Betriebsvermögen" durch Befehl Nr. 64\nbestätigt und damit rechtskräftig geworden sei.\n\n25\n\n \n\nBei den Akten befindet sich auch ein Auszug aus dem Prüfungsbericht über die\nformelle Prüfung der Eröffnungsbilanz zum 01.07.1948. Eigentümer der\nGrundstücke sei danach laut grundbuchamtlicher Eintragung die V. Hinsichtlich\nder angewandten Bewertungsmethoden und Grundlagen sei zu unterscheiden\nzwischen Gebäuden, die von der ehemaligen T. eingebracht worden seien und den\nGebäuden, die die ehemalige Schiffsreparatur-Werft Landeseigener Betrieb\neingebracht habe. Eine körperliche Aufnahme der Maschinen und maschinellen\nAnlagen sei letztmalig zum 1. August 1946, dem Zeitpunkt der Überführung der\nT. in die SAG, vorgenommen worden. Die Zeitwertermittlung bei der damaligen\nEinbringung der Transportanlagen wie auch der übrigen Gegenstände des\nAnlagevermögens der ehemaligen T. in die SAG sei nach sogenannten Richtlinien\nfür das deutsche Werkspersonal erfolgt.\n\n26\n\n \n\nDie V. stellte unter dem 29.09.1948 beim Amtsgericht W. den Antrag, den\ngesamten für die T. im Grundbuch eingetragenen Grundbesitz auf den Namen der\nV. im Wege der Grundbuchberichtigung umzuschreiben. Der Betrieb gehöre als\nBetriebsstätte gemäß einer Anordnung der D. zu der V. S.\n\n27\n\n \n\nAm 22.07.1948 wurde die Eintragung der T. im Handelsregister gelöscht.\n\n28\n\n \n\nDas Eigentum an den der T. gehörenden Flurstücken wurde am 02.11.1948 in\nEigentum des Volkes umgetragen.\n\n29\n\n \n\nDie Schiffsreparatur-Werft W. teilte dem Bevollmächtigten der Werft unter dem\n18.11.1948 mit, dass auf die Abteilung Waggonfabrik K.straße insgesamt 3.970\nMann entfallen würden. Von den 409 Arbeitsmaschinen entfielen 293 auf die\nK.straße. Die Maschinen und der Waggonfabrik würden zu etwa 65 % ausgenutzt.\nAuf die Abteilung Waggonfabrik entfalle ein Arbeitsanteil von 30 %. Durch eine\nTrennung der Abteilung Waggonfabrik von der Werft würde sich das\nProduktionsvolumen der Werft um etwa 42 % verringern.\n\n30\n\n \n\nAusweislich eines Vermerks über die Bauentwicklung in den Jahren 1947 vom\n14.12.1948 bestünden nach dem Zusammenschluss mit der ehemaligen Waggonfabrik\nvier getrennte Werkstätten, z.B. das Werk K.straße (Waggonfabrik). Der Ausbau\nder einzelnen Werke für ihre besonderen Zwecke sei intensiv in Angriff\ngenommen worden.\n\n31\n\n \n\nDem Protokoll über die Betriebsbesprechung vom 22.12.1948 lässt sich\nentnehmen, dass das Produktionssoll für das Jahr 1949, soweit es die\nHerstellung von Neubauwagen und offener, gedeckter und Spezialwagen\nanbelangte, bei 7.000.000,00 DM und für die Reparatur von Eisenbahnwagen,\nEisenbahntriebwagen, Straßenbahnwagen, Straßenbahnbetrieb, Beiwagen und Wagen\nfür Feld- und Industriebahnen bei 1.500.000,00 DM gelegen habe. Das\nProduktionssoll für Schiffsreparaturen liege bei 12.000.000,00 DM. Der DWK\nsolle mitgeteilt werde, dass zu diesen Zahlen nicht Stellung genommen werden\nkönne, da man nichts bezüglich Ausbau der Werft, weitere Zusammenarbeit mit\nder Waggonfabrik etc. wisse.\n\n32\n\n \n\nDie E. teilte der DWK unter dem 04.01.1949 mit, dass sie festgestellt habe,\ndass die am 11.10.1947 in das Handelsregister eingetragene Wiederaufhebung der\nLöschung der T. wiederum geändert worden sei; denn am 22.07.1948 habe man die\nFirma im Handelsregister gelöscht, da der Betrieb in das Eigentum des Volkes\ngemäß dem Gesetz Nr. 4 übergegangen sei. Außerdem sei in den Grundbüchern das\nEigentum der Waggonfabrik gelöscht worden. Man habe bereits neue Grundbücher\nangelegt, in denen vermerkt sei, dass es sich bei den Grundstücken um Eigentum\ndes Volkes (V. in S.) handele. Diese Eintragungen seien am 02.11.1948 erfolgt.\n\n33\n\n \n\nDie DWK teilte dem Amt zum Schutze des Volkseigentums unter dem 07.03.1949\nmit, ihr habe die E. mitgeteilt, dass die T. sowohl am 22.07.1948 im\nHandelsregister als auch am 02.11.1948 in den Grundbüchern gelöscht worden\nsei. Bekanntlich befinde sich die AG zu 92 % im Besitz der E., die wiederum\nausländische Beteiligung aufweise, so dass die AG zu 56 % ausländisches\nEigentum darstelle. Der SMAD sei darüber im vergangenen Jahr der entsprechende\nBericht zugegangen. Der Betrieb sei mit seinen deutschen Anteilen enteignet\nund gemäß Befehl 93 der SMA Mecklenburg vom 07.07.1947 in der W.\nSchiffsreparaturfabrik vereinigt worden. Da vermutlich für die ausländische\nBeteiligung der AG bisher kein Treuhänder eingesetzt sei, seien die Löschungen\nvorgenommen worden, die jedoch im Widerspruch zu den von der SMAD erlassenen\nBefehlen und Instruktionen stehen würden.\n\n34\n\n \n\nAus einem Vermerk (bezüglich der T.) vom 16.03.1949 ergibt sich, dass die\nAngelegenheit zurückgestellt werden solle. Herr B. werde erneut\nbenachrichtigen, ob die Löschungen (im Grundbuch und Handelsregister) erfolgt\nbzw. rückgängig gemacht worden seien.\n\n35\n\n \n\nUnter dem 28.03.1949 bat die T. die DWK um Mitteilung, ob die Berichtigung\nbzw. Wiederherstellung der Handelsregister- und Grundbucheintragungen\nbezüglich der T. inzwischen erfolgt seien.\n\n36\n\n \n\nDie Landesregierung Mecklenburg - Ministerium des Innern (Amt zum Schutze des\nVolkseigentums) - bat die DWK unter dem 05.04.1949 um Mitteilung, ob die\nLöschungen wieder rückgängig gemacht werden sollten. Die Mitteilung der DWK,\ndass man die Maßnahmen beschleunigt zu veranlassen habe, erfolgte unter dem\n20.04.1949. Eine Meldung davon erfolgte durch die DWK unter dem 11.05.1949 an\ndie E.\n\n37\n\n \n\nDie Landesregierung Mecklenburg (Ministerium des Innern - Amt zum Schutze des\nVolkseigentums) wandte sich unter dem 05.04.1949 an die DWK (Herrn B.). Es\nwurde um Mitteilung gebeten, ob man die Löschungen wieder rückgängig machen\nsolle.\n\n38\n\n \n\nUnter dem 20.04.1949 teilte Herr B. der Landesregierung Mecklenburg\n(Ministerium des Innern - Amt zum Schutze des Volkseigentums) mit, dass die\nsich aus dem Schreiben vom 07.03.1949 ergebenden Maßnahmen beschleunigt zu\nveranlassen seien. Die Landesregierung wurde darum gebeten, die erfolgte\nDurchführung zu bestätigen.\n\n39\n\n \n\nDie Landesregierung Mecklenburg - Ministerium des Innern (Amt zum Schutze des\nVolkseigentums) wandte sich unter dem 10.05.1949 wegen Durchführung der\nAnordnung der DWK - Rückgängigmachung der Umschreibung des Grundbesitzes der\nehemaligen T. auf Eigentum des Volkes und Wiederherstellung der alten\nEintragung - an das Amtsgericht W.\n\n40\n\n \n\nHerr B. (DWK) teilte der E. unter dem 11.05.1949 mit, dass die notwendigen\nMaßnahmen zur Berichtigung der irrtümlichen Löschungen veranlasst worden\nseien. Eine Bestätigung der Durchführung sei bisher noch nicht zugegangen.\n\n41\n\n \n\nDie Landesregierung Mecklenburg - Ministerium des Innern - Amt zum Schutze des\nVolkseigentums wandte sich unter dem 10.05.1949 an das Amtsgericht W.: Am\n09.05.1949 habe man auf Anweisung der DWK die V., Schiffsreparaturwerft W.,\nbeauftragt, die Umschreibung des Grundbesitzes der ehemaligen T. auf Eigentum\ndes Volkes wieder rückgängig zu machen und die alte Eintragung\nwiederherstellen zu müssen.\n\n42\n\n \n\nDas Ministerium für Wirtschaft - Amt für volkseigene Betriebe - wurde\ndaraufhin seitens des Amtes zum Schutze des Volkseigentums unter dem\n27.05.1949 gebeten, die Löschung der Fabrik im Handelsregister und\nGrundbuchamt rückgängig zu machen.\n\n43\n\n \n\nDas Ministerium wandte sich daraufhin bezugnehmend auf das Schreiben vom\n27.05.1949 seinerseits an das Amtsgericht in W. unter dem 23.08.1949:\n\n44\n\n \n\nDurch einen der Hauptverwaltung Landeseigener Betriebe Mecklenburg in Schwerin\nunter dem 25.07.1947 zugesandten Beschluss des dortigen Amtsgerichts sei bei\nder T. am 25.07.1947 in das dortige Handelsregister eingetragen worden, dass\ninfolge des Übergangs des Vermögens dieser Firma in das Eigentum des Volkes\ndie Firma von Amtswegen gelöscht worden sei. Die Löschung sei im Widerspruch\nzu den von der SMAD erlassenen Befehlen und Instruktionen durchgeführt worden,\nso dass man die Rückgängigmachung der Löschung von der DWK angeordnet habe.\nDaher werde beantragt, die Löschung der Firma im Handelsregister rückgängig zu\nmachen und den alten Rechtszustand wiederherzustellen.\n\n45\n\n \n\nDie Landesregierung Mecklenburg - Ministerium des Innern (Amt zum Schutze des\nVolkseigentums) - wies das Ministerium für Wirtschaft - Amt für volkseigene\nBetriebe - unter dem 27.05.1949 darauf hin, dass die Löschung der T. am\n22.07.1948 im Handelsregister und am 02.11.1948 in den Grundbüchern\nvorgenommen worden sei. Bekanntlich sei die AG zu 92 % im Besitz der E., die\nwiederum ausländische Beteiligung aufweise, so dass die AG zu 56 %\nausländisches Eigentum darstelle. Der SMAD sei darüber im vergangenen Jahr der\nentsprechende Bericht zugegangen. Der Betrieb sei mit seinen deutschen\nAnteilen enteignet worden und gemäß Befehl 93 der SMA Mecklenburg vom\n07.07.1947 in der W. Schiffsreparaturwerft vereinigt worden. Man habe die\nLöschungen im Widerspruch zu den von der SMAD erlassenen Befehlen und\nInstruktionen durchgeführt. Darum fordere die DWK mit Schreiben vom 07.03.1949\ndie sofortige Rückgängigmachung der Löschungen und bestätige am 20.04.1949\nnoch einmal ihre am 07.03.1949 gegebene Anweisung. Es werde gebeten, die\nLöschung der T. im Handelsregister und Grundbuchamt rückgängig zu machen.\n\n46\n\n \n\nDen bei den Akten befindlichen Aufstellungen vom 01.03.1949, vom 06.04.1949\nund vom 13.06.1949 lassen sich die Maßnahmen entnehmen, welche durch eine\nTrennung von Werft und Werk K.straße für beide Teile notwendig würden.\n\n47\n\n \n\nDie Landesregierung Mecklenburg - Ministerium für Wirtschaft - wandte sich\nunter dem 23.08.1949 an das Amtsgericht. Die Löschung des Grundbesitzes der T.\nim Grundbuch am 02.11.1948 und die Eintragung des Vermerks "Eigentum des\nVolkes" seien im Widerspruch zu den von der SMAD erlassenen Befehlen und\nInstruktionen eingetragen worden. Die DWK fordere daher die Rückgängigmachung\nder Löschung in den Grundbüchern. Es werde daher beantragt, in den\nGrundbüchern obiger Firma, deren Grundbesitz im einzelnen aus dem\nEigentümerverzeichnis festgestellt werden könne, den alten Rechtszustand\nwiederherzustellen und die Löschung wieder rückgängig zu machen.\n\n48\n\n \n\nAm 03.09.1949 wurde die T. im Grundbuch von W. für die in Blatt 4418\nverzeichneten Flurstücke als Eigentümerin eingetragen.\n\n49\n\n \n\nAus dem Beschluss der. DWK vom 16.09.1949 - den Neubau und die Erweiterung der\nSchiffsreparaturwerft W. der V. betreffend - ergibt sich u.a., dass die\nSchiffsreparaturwerft auf dem Gelände am Westufer des Westhafens in W.\nbeschleunigt auszubauen sei. In Verbindung damit sei die Waggonfabrik W. in\nder Zeit nach dem 1. Juli 1949 zwecks Erfüllung des Waggonbauprogramms\numgehend wieder auf Waggonbau umzustellen. Es sei dafür zu sorgen, dass nach\ndem 1. Juli die vorübergehend für Schiffsreparaturen benutzte Fabrik\nüberwiegend wieder auf Waggonbau umgestellt werden könne. Die teilweise\nHeranziehung der Fabrik zur Herstellung von Waggonbauteilen solle bereits vor\ndem 1. Juli 1950 ermöglicht werden; andererseits sei es zulässig, auch nach\ndem 1. Juli 1950 noch Teile der Waggonfabrik für die Schiffsreparaturen\neinzusetzen, soweit dies für beide Produktionszweige von Vorteil sei. Es sei\nsicherzustellen, dass das Programm der Reparatur von Seeschiffen gemäß\nProduktionsauflage durch den Ausbau der Werft und die Umstellung der\nWaggonfabrik nicht beeinträchtigt werde.\n\n50\n\n \n\nDas Ministerium der Finanzen der ehemaligen DDR - Abteilung Auslandsvermögen -\n(Herr B.) wandte sich unter dem 28.10.1949 an die Landesregierung Mecklenburg\n- Amt zum Schutze des Volkseigentums - mit der Bitte um Bestätigung der\nDurchführung der mit Schreiben vom 07.03.1949 angeordneten Maßnahmen, an die\nbereits unter dem 20.04. erinnert worden sei. Herr B. bat um sofortige\nErledigung der Angelegenheit.\n\n51\n\n \n\nEiner Aktennotiz vom 17.11.1949 betreffend die Schiffsreparaturwerft lässt\nsich entnehmen, dass für den Bau einer Hammerschmiede in der K.straße (Wert:\nca. 700.000,00 DM) Investmittel bei der Werft nicht vorgesehen gewesen seien\nund die Erstellung derselben aus dem Großreparaturplan den gesetzlichen\nBestimmungen widersprochen habe. Die V. habe an dieser Anlage nur ein\nbeschränktes Interesse, da ab 01.07.1949 das Werk K.straße zur L. übertrete.\n\n52\n\n \n\nDem Ministerium der Finanzen wurde unter dem 19.11.1949 mitgeteilt, dass das\nMinisterium für Wirtschaft - Amt für volkseigene Betriebe - angewiesen worden\nsei, den alten Zustand im Handelsregister beim Amtsgericht zu beantragen. Dies\nsei durchgeführt worden. Man habe das Amtsgericht angewiesen, sofort den alten\nZustand im Handelsregister, wie er vor 1946 gewesen sei, wiederherzustellen.\n\n53\n\n \n\nUnter dem 05.12.1949 teilte die Landesregierung Mecklenburg - Ministerium für\nWirtschaft - dem Ministerium des Innern - Amt zum Schutze des Volkseigentums -\nmit, dass man das Amtsgericht u.a. ersucht habe, nunmehr den alten Zustand im\nHandelsregister wiederherzustellen.\n\n54\n\n \n\nDie Landesregierung Mecklenburg - Ministerium des Innern (Amt zum Schutze des\nVolkseigentums) teilte dem Ministerium der Finanzen der DDR - Abteilung\nAuslandsvermögen - unter dem 17.01.1950 mit, dass die Eintragung der T. in\nAbteilung I wieder erfolgt sei. Von diesem Umstand wurde die E. unter dem\n06.02.1950 durch das Ministerium der Finanzen in Kenntnis gesetzt. Die\nUmschreibung sei - so geht aus dem an die E. gerichteten Schreiben ihres\ndamaligen Anwalts vom 03.03.1950 hervor - in den neuangelegten Grundbüchern\nvorgenommen worden. Man habe das Handelsregister jedoch noch nicht berichtigt.\n\n55\n\n \n\nDie Landesregierung Mecklenburg - Justizverwaltung - teilte dem Amtsgericht W.\nunter dem 10.02.1950 mit, dass in den Instruktionen für das Verfahren der\ngerichtlichen Eintragung der Betriebe, die in das Eigentum des Volkes\nübergegangen seien - der Anlage C zum SMAD-Befehl Nr. 76 - nicht bestimmt sei,\ndass Handelsgesellschaften, die Eigentum des Volkes geworden seien, von Amts\nwegen im Handelsregister gelöscht werden müssten. Vielmehr sei gleichzeitig\nmit dem Antrag auf Neueintragung eines in das Eigentum des Volkes\nübergegangenen Betriebes ein Antrag auf Löschung der bisherigen Eintragungen\ndes betreffenden Betriebes im Handelsregister zu stellen. Hiernach hätte die\nvon Amts wegen erfolgte Löschung der im Handelsregister eingetragenen Firma\nnicht geschehen sollen. Dem Antrag des Amts für volkseigene Betriebe, die\nLöschung im Handelsregister rückgängig zu machen, werde daher zu entsprechen\nsein.\n\n56\n\n \n\nAusweislich des an die Landesregierung Mecklenburg - Ministerium des\nInnern/Amt zum Schutze des Volkseigentums - gerichteten Schreibens der\nLandesregierung Mecklenburg - Ministerium für Wirtschaft - vom 27.02.1950\nhatte das Amtsgericht W. bemerkt, dass für diesen Fall die alten\nVorstandsmitglieder bzw. Prokuristen, die längst nicht in W. seien, wieder\neingetragen werden müssten und diese somit Vertretungsbefugnis erlangen\nwürden, was zu Schwierigkeiten führen könnte. Auch das Ministerium für\nWirtschaft halte die Bedenken des Amtsgerichts nicht für urbeachtlich.\n\n57\n\n \n\nDer Kreisverband der SED hatte ausweislich der an den Landesvorstand der SED\ngerichteten Mitteilung vom 03.03.1950 nichts über die neuerdings erfolgte\nEintragung in das Handelsregister erfahren können. Dieses Schreiben lautet:\n\n58\n\n \n\n"Betrifft: Ehemalige T., W.\n\n59\n\n \n\nWerte Genossen!\n\n60\n\n \n\nWir haben in Erfahrung gebracht, dass in das Handelsregister und Grundbuch die\no.a. Firma neuerdings wieder in ihrer bisherigen Form und Bezeichnung\neingetragen worden ist. ...\n\n61\n\n \n\nWir haben uns sofort mit dem kaufmännischen Leiter der Schiffsreparaturwerft,\nGen. W., in Verbindung gesetzt, der seit einiger Zeit mit der Aufgabe betraut\nist, die Waggonfabrik aus der Schiffsreparaturwerft herauszulösen und als\nselbständigen Betrieb aufzubauen. Wir konnten jedoch nichts über die\nneuerdings erfolgte Eintragung in das Handelsregister erfahren. ..."\n\n62\n\n \n\nDie Landesregierung Mecklenburg - Ministerium des Innern - Amt zum Schutze des\nVolkseigentums teilte der Regierung der DDR - Ministerium der Finanzen -\nAbteilung Auslandsvermögen unter dem 21.03.1950 bezugnehmend auf die T. mit,\ndie Wiederherstellung der ursprünglichen Eigentumseintragung in den\nGrundbuchakten sei mit Schreiben vom 17.01.1950 bestätigt worden. Zu der\nhandelsregisterlichen Wiedereintragung der T. habe das Ministerium für\nWirtschaft dem Amt das Schreiben vom 27.02.1950 übersandt.\n\n63\n\n \n\nUnter dem 17.04.1950 wurde das Amt zum Schutze des Volkseigentums darauf\nhingewiesen, dass Auslandsvermögen nur dann anerkannt werden könne, wenn es\nsich um eine direkte ausländische Beteiligung an einer deutschen Firma\nhandele. Sobald diese Beteiligung indirekt vorhanden sei, unterliege auch die\ndeutsche Firma, die diese Beteiligung in den Händen habe, deutschen Gesetzen.\nEs wären also in diesem Fall die ausländischen Beteiligungen der E. nicht auf\ndie T. auszudehnen, so dass die T. als zu 100 % enteignet gelten müsse. Durch\nSchutzbefehl sei der angebliche ausländische Anteil der T. nicht anerkannt\nworden.\n\n64\n\n \n\nMit Schreiben vom 11.05.1950 erklärte das Ministerium des Innern der DDR der\nLandesregierung Mecklenburg - Ministerium des Innern -, dass die Beteiligung\nder E. an der AG eine indirekte ausländische Beteiligung darstelle und man es\nfür nicht erforderlich halte, die durchgeführte Grundbuchänderung auf\n"Eigentum des Volkes" zu widerrufen. Dieser Ansicht schloss sich das\nMinisterium der Finanzen der DDR unter dem 06.07.1950 an.\n\n65\n\n \n\nDas Ministerium des Innern der DDR teilte dem Ministerium der Finanzen der DDR\n- Abteilung ausländisches Eigentum - unter dem 16.05.1950 mit, dass man die T.\nim Handelsregister und Grundbuch gelöscht habe. Seinerzeit sei von der\ndamaligen Abteilung des Ausschusses zum Schutze des Volkseigentums\n"Ausländisches Vermögen" eine Wiedereintragung der Firma wegen ausländischen\nEigentums beabsichtigt gewesen. Das Amt zum Schutze des Volkseigentums in\nSchwerin habe angefragt, ob diese Anweisung aufrechterhalten werde. Dieses\nhabe man abgelehnt, da es sich bei der Firma nicht um direkte ausländische\nBeteiligung handele, sondern um eine indirekte.\n\n66\n\n \n\nAb dem 01.07.1950 wurde die VVB H. R. als Rechtsträgerin für die T.\neingesetzt. Das Ministerium der Finanzen der DDR - Abteilung ausländisches\nVermögen - teilte der E. unter dem 06.07.1950 mit, dass die Löschung der T. im\nGrundbuch und Handelsregister den geltenden Vorschriften entspreche. Der\nLandesregierung - Ministerium des Innern (Amt zum Schutze des Volkseigentums)\nteilte das Ministerium der Finanzen mit, es handele sich bei der Firma nicht\num eine direkte, sondern nur um eine indirekte ausländische Beteiligung. Es\nwerde die Zustimmung zu deren Löschung im Grundbuch und Handelsregister\ngegeben. Sollte diese inzwischen erfolgt sein, werde das Einverständnis mit\nder Löschung erklärt.\n\n67\n\n \n\nDas Amtsgericht W. wurde unter dem 25.07.1950 ersucht, die T. im\nHandelsregister als nach Befehl 124 sequestriertes und nach Befehl 64\nenteignetes und in das Eigentum des Volkes überführtes Objekt zu löschen.\nDiese Löschung sei ebenfalls in allen auf die AG eingetragenen\nGrundbuchblättern vorzunehmen. Außerdem sei auf den Grundbuchblättern in Abt.\nI einzutragen:\n\n68\n\n \n\n"Eigentum des Volkes, Rechtsträger V.".\n\n69\n\n \n\nDas Amtsgericht erklärte der Landesregierung Mecklenburg - Ministerium für\nIndustrie und Aufbau - unter dem 12.09.1950, dass dem Ersuchen vom 23.08.1949\nnicht stattgegeben worden sei.\n\n70\n\n \n\nUnter dem 22.09.1950 wurde der Antrag gestellt, die "VVB H. Wa." im Grundbuch\nals Rechtsträgerin einzutragen. Dies lehnte das Amtsgericht unter dem\n04.10.1950 ab. Bevor der neue Rechtsträger eingetragen werden könne, müsse der\ngesamte Grundbesitz für "Eigentum des Volkes" erklärt werden.\n\n71\n\n \n\nDie Landesregierung Mecklenburg - Ministerium des Innern (Amt zum Schutze des\nVolkseigentums) wandte sich unter dem 21.11.1950 an das Amtsgericht W. Es sei\nnur die Löschung (der T.) im Handelsregister erfolgt. Die\nGrundbuchberichtigungen seien bisher noch nicht durchgeführt worden.\n\n72\n\n \n\nDie Landesregierung Mecklenburg - Ministerium für Industrie und Aufbau -\nteilte dem Ministerium der Finanzen der DDR - Abteilung Verwaltung und Schutz\nausländisches Eigentums - unter dem 19.01.1951 u.a. mit, der Betrieb sei mit\nseinen deutschen Anteilen gemäß Befehl 93 der SMA Mecklenburg vom 07.07.1947\nenteignet und mit der Schiffsreparaturwerft W. vereinigt worden. Die Löschung\nim Handelsregister und Grundbuch sei im Jahre 1948 erfolgt.\n\n73\n\n \n\nDas Amtsgericht bat unter dem 21.02.1951 daraufhin, den Antrag einstweilen\nnoch unbearbeitet zu lassen, weil man die Grundbücher der früheren\nWaggonfabrik schon wiederholt umgeschrieben habe und verlautbart worden sei,\ndass in Kürze in dieser Beziehung schon wieder eine Änderung zu erwarten sei.\n\n74\n\n \n\nUnter dem 17.05.1951 bat die Landesregierung Mecklenburg - Ministerium des\nInnern (Amt zum Schutz des Volkseigentums) -, dem Antrag auf Löschung und\nUmschreibung stattzugeben und als Rechtsträger VVB H. Wa. für die im einzelnen\nbezeichneten Flurstücke einzutragen. Der Antrag wurde unter dem 24.05.1951\nzurückgenommen.\n\n75\n\n \n\nBezüglich der Eintragungen im Handelsregister bemerkte die H. Schiffswerft W.\nVEB unter dem 29.09.1951 in einem an das Ministerium für Maschinenbau der DDR\ngerichteten Schreiben:\n\n76\n\n \n\nDie T. sei auf Antrag der Hauptverwaltung landeseigener Betriebe Schwerin am\n25.07.1947 gelöscht worden. Die Löschung sei auf Veranlassung der gleichen\nBehörde am 11.10.1947 wieder rückgängig gemacht worden, so dass im\nHandelsregister wiederum die Waggonfabrik eingetragen gestanden habe. Am\n22.07.1948 sei dann wiederum auf Veranlassung der HV. landeseigener Betriebe\ndie Waggonfabrik im Handelsregister von neuem gelöscht worden. Wie das\nAmtsgericht W., Abteilung Handelsregister, auf fernmündliche Anfrage\nmitgeteilt habe, bestehe diese Löschung noch heute. Die Waggonfabrik sei also\nzur Zeit im Handelsregister nicht eingetragen.\n\n77\n\n \n\nDie E. meldete unter dem 23.07.1990 und dem 25.09.1990 vermögensrechtliche\nAnsprüche an. Zur Begründung führte sie aus: Sie habe in W. ein Zweigwerk\nunter der Firma T. unterhalten. Dieses Zweigwerk sei im Jahre 1946 durch den\nSMAD-Befehl Nr. 167 enteignet worden. Nachdem die belgische Muttergesellschaft\ndagegen Einspruch eingelegt habe, sei die Enteignung rückgängig gemacht und\nunter anderem auch die ursprüngliche Grundlage wieder hergestellt worden. Erst\nim Jahre 1952 sei das Zweigwerk in Volkseigentum übergegangen.\n\n78\n\n \n\nDie ausländische Beteiligung an ihrem - der E. - Kapital sei gegenüber allen\ndamals maßgeblichen Behörden nachgewiesen. Aufgrund der Wiedereintragung der\nWaggonfabrik im September 1949 in das Grundbuch sei davon auszugehen, dass die\nbeteiligten Behörden der SMAD in diesem Fall eine Auslandsbeteiligung\nanerkannt hätten und dementsprechend eine wirksame Enteignung zwischen 1945\nund 1946 nicht stattgefunden habe bzw. diese wieder aufgehoben worden sei.\n\n79\n\n \n\nEine wirksame Enteignung der Gesellschafter der T. habe in den Jahren 1945 bis\n1949 nicht stattgefunden.\n\n80\n\n \n\nNachdem man die Grundstücke der Fabrik im Jahre 1948 auf Eigentum des Volkes\numgeschrieben habe, sei unter dem 07.03.1949 eine Anweisung der DWK für die\nSBZ erfolgt, dass die Löschung der T. sowohl im Handelsregister als auch im\nGrundbuchamt rückgängig gemacht werden müsse. Noch im Jahre 1949 sei dann die\nWiedereintragung der Fabrik in den entsprechenden Grundbüchern erfolgt. Die\nFabrik sei jedoch nicht ins Handelsregister eingetragen worden. Die alten\nHandelsregisterunterlagen hätten bisher nicht gefunden werden können.\n\n81\n\n \n\nEs liege - lege man den vorstehend geschilderten Sachverhalt zugrunde - keine\nwirksame Enteignung vor, da die ursprünglich im Jahre 1948 vorgenommene\nEnteignung noch im Jahre 1949 rückgängig gemacht worden sei. Würde man\nweiterhin unterstellen, die Fabrik sei zum Zeitpunkt der Wiedereintragung der\nGesellschaft in das Grundbuch mangels Handelsregistereintragung nicht existent\ngewesen, wäre selbst dann lediglich das Grundbuch falsch. Eigentümer seien zum\ndamaligen Zeitpunkt die Gesellschafter der ehemaligen T. gewesen. Die\nRückgängigmachung der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister und die\nWiedereintragung sei aufgrund der Richtlinien der SMAD erfolgt und daher im\nEinvernehmen mit der damaligen SMAD geschehen. Deshalb bestünden an der\nWirksamkeit der Wiedereintragung der Gesellschaft im Grundbuch keine Zweifel.\n\n82\n\n \n\nDurch Bescheid vom 15.08.1995 lehnte der Beklagte den Antrag auf\nRückübertragung der T. W. einschließlich der zum Betriebsvermögen gehörenden\nGrundstücke:\n\n83\n\n \n\nDr. L.-Str., W. (ehemals Grundbuch von W. Blatt 4437 und 4421)\n\n84\n\n \n\nT.straße 40, W. (ehemals Grundbuch von W. Blatt 4433)\n\n85\n\n \n\nDr. L.-Str. 48, W. (ehemals Grundbuch von W. Blatt 4432)\n\n86\n\n \n\nT.weg 8, W. (ehemals Grundbuch von W. Blatt 4422)\n\n87\n\n \n\nT.platz 3, W. (ehemals Grundbuch von W. Blatt 4420)\n\n88\n\n \n\nH. Damm, W. (ehemals Grundbuch von W. Blatt 4435)\n\n89\n\n \n\nK.str., W. (ehemals Grundbuch von W. Blatt 4419)\n\n90\n\n \n\nK.str., W. (ehemals geschlossenes Grundbuch von W. Blatt 4424)\n\n91\n\n \n\nK.str., W. (ehemals geschlossenes Grundbuch von W. Blatt 4430)\n\n92\n\n \n\nK.str., W. (ehemals geschlossenes Grundbuch von W. Blatt 4429)\n\n93\n\n \n\nP. Kamp, W. (ehemals Grundbuch von W. Blatt 4490)\n\n94\n\n \n\nK.str. 31, W. (ehemals Grundbuch von W. Blatt 4431)\n\n95\n\n \n\nT.str. 11, W. (ehemals Grundbuch von W. Blatt 4439)\n\n96\n\n \n\nT.str. 13, W. (ehemals Grundbuch von W. Blatt 4423)\n\n97\n\n \n\nD.berg 4-8, W. (ehemals Grundbuch von W. Blatt 4438)\n\n98\n\n \n\nJ.str. 26, W. (ehemals Grundbuch von W. Blatt 4427)\n\n99\n\n \n\nL.weg 2-4/J.str. 35-37 (ehemals Grundbuch von W. Blatt 4426)\n\n100\n\n \n\nK.str. 21, W. /(ehemals Grundbuch von W. Blatt 4425)\n\n101\n\n \n\nB.weg, W. (ehemals Grundbuch von W. Blatt 4434)\n\n102\n\n \n\nDr. L.-Str. 9, W. (ehemals Grundbuch von W. Blatt 4436)\n\n103\n\n \n\nJ.str., W. (ehemals Grundbuch von W. Blatt 4418)\n\n104\n\n \n\nab, nachdem der Beklagte der E. unter dem 14.06.1995 seine beabsichtigte\nablehnende Entscheidung mitgeteilt hatte.\n\n105\n\n \n\nZur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus:\n\n106\n\n \n\nDie E. habe keinen Anspruch auf Rückübertragung der T. gemäß §§ 6 Abs. 1 Satz\n1, 6 Abs. 6, 3 Abs. 1 Satz 1 VermG. Der Anwendbarkeit der vorgenannten\nVorschriften stehe die Regelung des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG entgegen. Die\nEnteignung der Fabrik sei auf besatzungsrechtlicher Grundlage erfolgt. Es sei\nunerheblich, dass die DWK und die Landesregierung Mecklenburg im Jahre 1949\nvorübergehend zu der Auffassung gelangt seien, bei der enteigneten Fabrik habe\nes sich um schutzwürdiges ausländisches Eigentum gehandelt, worauf diese\nwieder als Eigentümerin in Grundbücher eingetragen worden sei. Diese\nWiedereintragung in den Grundbuchblättern sei nicht als Rückgängigmachung der\nEnteignung der SMAD-Befehle Nr. 167 und 124/64 zu bewerten. Vielmehr habe man\neine nicht existente juristische Person im Sinne des HGB als Eigentümerin in\ndie Grundbücher eingetragen, da die T. unstreitig zuvor im Handelsregister\ngelöscht worden sei. Zudem habe der rechtskräftig gewordene\nEnteignungsbescheid der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern vom 15.05.1948,\nmit dem die Enteignung der T. aufgrund der SMAD-Befehle 124 und Nr. 64\nbestätigt worden sei, Bestandskraft gehabt. Die im Jahre 1952 vorgenommene\nLöschung aus den Grundbüchern und die Eintragung "Eigentum des Volkes" sei\nlediglich die Berichtigung der unrichtigen Grundbücher und Wiederherstellung\nder Eintragung vom 02.11.1948 gewesen. Ein zur Unanwendbarkeit des § 1 Abs. 8\nBuchst. a VermG führendes Enteignungsverbot der Besatzungsmacht könne auch\nnicht in den von ihr erlassenen Bestimmungen zum Schutz ausländischen\nEigentums gesehen werden. Denn jedenfalls habe die Gesellschaft nicht\ninsgesamt sondern nur teilweise im Eigentum der belgischen Gesellschaft\ngestanden. Tatsächlich habe sich das Land Mecklenburg durch das damalige\nBesatzungsrecht nicht daran gehindert gesehen, die Enteignungsaktionen gegen\ndie "Kriegs- und Naziverbrecher" auch auf Gesellschaften mit ausländischen\nKapitalbeteiligungen zu erstrecken.\n\n107\n\n \n\nDer Bescheid wurde der E. am 25.08.1995 zugestellt.\n\n108\n\n \n\nDiese hat am 25.09.1995 Klage erhoben.\n\n109\n\n \n\nZur Begründung führt sie im Wesentlichen aus:\n\n110\n\n \n\nEs habe zwar ursprünglich eine wirksame Enteignung i.S.d. § 1 Abs. 8 Buchst. 1\nVermG vorgelegen. Diese Enteignung sei aber noch vor dem hier relevanten\nZeitpunkt, dem Tag der Gründung der DDR am 07.10.1949, rückgängig gemacht\nworden. Diese Aufhebung der Enteignungsmaßnahmen, die auf die Anweisungen der\nSMAD zurückgehe, führe dazu, dass die ursprüngliche wirksame Enteignung wieder\naufgehoben worden sei. Erst im Jahre 1952 sei die Gesellschaft wieder aus den\nGrundbüchern gelöscht und daher erst zu diesem Zeitpunkt enteignet worden.\n\n111\n\n \n\nEntgegen der Schilderung des Beklagten im Tatbestand des angefochtenen\nBescheides habe die DWK für die SBZ, Ausschuss zum Schutze des Volkseigentums,\nauf Anweisung der SMAD unter dem 07.03.1949 das Amt zum Schutze des\nVolkseigentums in Schwerin/Mecklenburg ultimativ aufgefordert, die Löschungen\nim Grundbuch und im Handelsregister rückgängig zu machen. Wörtlich heiße es\nnämlich:\n\n112\n\n \n\n"Da die Angelegenheit eilt, bitten wir Sie, die sich daraus ergebenden\nnotwendigen Maßnahmen zu veranlassen und uns von dem Geschehenen zu\nbenachrichtigen."\n\n113\n\n \n\nIn einem Schreiben vom 27.05.1949 an das Ministerium für Wirtschaft, Amt für\nvolkseigene Betriebe in Schwerin, habe die DWK wiederum im Auftrage der\nMilitäradministration an die mit Schreiben vom 07.03.1949 angeordnete\nsofortige Rückgängigmachung der Löschungen erinnert.\n\n114\n\n \n\nWörtlich heiße es:\n\n115\n\n \n\n"Aufgrund obiger Ausführungen bitten wir Sie hiermit, die Löschung der T. W.\nim Handelsregister und Grundbuch rückgängig zu machen. Wegen ihrer\nDringlichkeit bitten wir die Angelegenheit beeilt in Ordnung zu bringen und um\nihre Mitteilung über die Durchführung der Ihnen im Auftrage der DWK gegebenen\nAnordnung."\n\n116\n\n \n\nMit weiterem separaten Schreiben vom 23.08.1949 sei seitens der\nLandesregierung M-V an das Amtsgericht - Abteilung für Registersachen - in W.\nund das Amtsgericht - Abteilung für Grundbuchsachen - in W. beantragt worden:\n\n117\n\n \n\n"Die Löschung dieser Firma im Handelsregister rückgängig zu machen und den\nalten Rechtszustand wiederherzustellen."\n\n118\n\n \n\nund\n\n119\n\n \n\n"In den Grundbüchern obiger Firma, deren Grundbesitz Sie im einzelnen aus\nIhrem Eigentümerverzeichnis feststellen wollen, den alten Rechtszustand wieder\nherzustellen und die Löschung wieder rückgängig zu machen."\n\n120\n\n \n\nWeiter sei in beiden Schreiben jeweils folgender Hinweis gegeben worden:\n\n121\n\n \n\n"Gemäß Ziff. 5 der Verordnung vom 28.04.1948 ist obiger Antrag innerhalb von 5\nTagen zu erledigen und dem unterzeichnenden Amt gemäß Ziff. 16 der Instruktion\nzum SMAD Befehl-Nr.: 76 binnen weiterer zwei Tage in zweifacher Ausfertigung\nhiervon Mitteilung zu machen."\n\n122\n\n \n\nEntsprechend dieser Anweisung habe der zuständige Rechtspfleger in der\nAbteilung für Grundbuchsachen des Amtsgerichts W. sämtliche ehemals gelöschten\nGrundstücke der T. wieder für diese Gesellschaft eingetragen. Lediglich der\nRechtspfleger in der Abteilung für Registersachen habe sich nicht in der Lage\ngesehen, die Löschung der AG im Handelsregister ohne weiteres rückgängig zu\nmachen. Da die vor der Löschung eingetragenen Geschäftsführer bzw. Prokuristen\nnicht mehr erreichbar seien, entstünden bei einer Wiedereintragung der\nAktiengesellschaft im Handelsregister dadurch Schwierigkeiten, dass diese\nPersonen eine Vertretungsbefugnis für die AG erlangen würden. Es sei dann\nseitens der beteiligten Behörden ermittelt worden, ob eine Wiedereintragung\nder AG in das Handelsregister mit den alten Organen möglich sei. Sowohl das\nFinanzministerium der DDR als auch die Landesregierung Mecklenburg hätten bei\nder Justizverwaltung mehrfach die Wiedereintragung der AG in das\nHandelsregister angemahnt. Es sei offen, ob die AG wieder in das\nHandelsregister eingetragen worden sei.\n\n123\n\n \n\nJedenfalls habe das Ministerium der Finanzen erst mit Schreiben vom 06.07.1950\nentschieden, dass es sich bei der T. nicht um eine direkte, sondern nur um\neine indirekte ausländische Beteiligung gehandelt habe.\n\n124\n\n \n\nDie Landesregierung habe zuvor mit Schreiben vom 21.06.1950 eine ausdrückliche\nEntscheidung des Finanzministeriums angemahnt. Aufgrund der Entscheidung des\nFinanzministeriums sei dann die AG im Jahre 1952 in den Grundbüchern gelöscht\nworden. Dort seien die Grundstücke nunmehr unter der Bezeichnung "Eigentum des\nVolkes" geführt worden. eine Entschädigung für die Enteignung der AG sei nicht\ngewährt worden.\n\n125\n\n \n\nDie Wiedereintragung der AG in die Grundbücher im September 1949 stelle eine\nhier relevante Rückgängigmachung der ursprünglichen Enteignung der\nGesellschaft dar. Da die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt nicht im\nHandelsregister eingetragen gewesen sei, seitens der Landesregierung und der\nDWK jedoch eindeutig die Anweisung ausgegeben worden sei, die Gesellschaft\nauch wieder in das Handelsregister einzutragen, sei der Vorgang\ngesellschaftsrechtlich wie bei einer Gründungsgesellschaft (Vorgesellschaft)\nzu beurteilen. Diese Vorgesellschaft sei Gesamthandsgesellschaft eigener Art.\nIm vorliegenden Fall habe die fehlende Eintragung der Gesellschaft im\nHandelsregister lediglich dazu geführt, dass die Gesellschaft als sogenannte\nVoraktiengesellschaft existent gewesen sei. Die Eintragung der Gesellschaft im\nGrundbuch sei lediglich insofern unrichtig, als nicht die Gesellschaft T.\nEigentümerin der Grundstücke gewesen sei, sondern die Gesamthandsgesellschaft\nbestehend aus den Aktionären der T. Der formale Akt der Grundbucheintragung\nbzw. der Eintragung im Handelsregister sage nichts darüber aus, wer\ntatsächlich Eigentümer der in den Klageanträgen genannten Grundstücke sei. Es\nhätte also die Vorgesellschaft in das Grundbuch eingetragen werden müssen.\n\n126\n\n \n\nAufgrund der vorstehenden Überlegungen ergebe sich, dass aufgrund der\nAnweisungen der Landesregierung Mecklenburg bzw. der DWK, letztlich auf\nAnweisung der SMAD, das Eigentum der Vorgesellschaft bestätigt worden sei und\nlediglich fehlerhaft nicht die Vorgesellschaft, sondern die zu diesem\nZeitpunkt nicht existente AG ins Grundbuch eingetragen worden sei. Deshalb sei\nauch die Auffassung falsch, dass die Anweisung zur Löschung der Gesellschaft\naus dem Grundbuch Mitte 1950 nur zu einer Bestätigung der Enteignung aus den\nJahren 1947/1948 geführt habe. Diese Enteignung der Gesellschaft sei durch die\nWiedereintragung der AG wieder rückgängig gemacht worden. Da nach September\n1949 eine Wiedereintragung der AG in das Handelsregister nicht nachzuweisen\nsei, stelle die Löschung der Gesellschaft aus den Grundbüchern im Jahre 1952\ntatsächlich eine Enteignung der Voraktiengesellschaft bestehend aus den\ndamaligen Aktionären dar. Zu diesen Aktionären habe mit einer\nMehrheitsbeteiligung von 92 % sie - die E. - gezählt.\n\n127\n\n \n\nDie ursprünglich durchgeführte Enteignung sei durch die Anordnung der DWK für\ndie SBZ, Ausschuss zum Schutze des Volkseigentums, vom 07.03.1949, rückgängig\ngemacht worden. Darin heiße es:\n\n128\n\n \n\n"(...) sind die Löschungen vorgenommen worden, die jedoch im Widerspruch zu\nden von der SMAD erlassenen Befehlen und Instruktionen stehen. Da die\nAngelegenheit eilt, bitten wir Sie, die sich daraus ergebenden notwendigen\nMaßnahmen zu veranlassen (...)."\n\n129\n\n \n\nDiese Anweisung könne nur bedeuten, dass die DWK die Enteignung der T.\nzurückgenommen habe und nunmehr die nachgeordnete Behörde anweise, die sich\naus der Rücknahme der Enteignung ergebenden technischen Umsetzungsakte,\nnämlich die Wiedereintragung der Gesellschaft in das Handelsregister und das\nGrundbuch, zu veranlassen.\n\n130\n\n \n\nWie bereits erwähnt, sei nicht mehr feststellbar, ob die Wiedereintragung der\nAG in das Handelsregister erfolgt sei. Für die Wiedereintragung der\nGesellschaft spreche jedoch das Schreiben des SED-Kreissekretariats W. vom\n03.03.1950 an den Landesvorstand der SED. In diesem Schreiben heiße es:\n\n131\n\n \n\n"Wir haben in Erfahrung gebracht, daß in das Handelsregister und im Grundbuch\ndie o.a. Firma neuerdings wieder in ihrer bisherigen Form und Bezeichnung\neingetragen worden ist."\n\n132\n\n \n\nSämtliche Anordnungen und Schreiben würden bestätigen, dass die Enteignung der\nT. durch die DWK mit Anordnung vom 07.03.1949 rückgängig gemacht worden sei.\n\n133\n\n \n\nIhre - der E. - Auffassung werde auch durch die weiteren Verwaltungsvorgänge\nbestätigt. So heiße es in dem Schreiben des von der DWK zur Durchführung der\nRückgängigmachung der Enteignung der T. angewiesenen Amtes zum Schutz des\nVolkseigentums vom 27.05.1949 an das Ministerium für Wirtschaft, Amt für\nvolkseigene Betriebe:\n\n134\n\n \n\n"(...) Darum fordert die DWK mit Schreiben vom 07.03.1949 die sofortige\nRückgängigmachung der Löschungen und bestätigt am 20.04.1949 noch einmal ihre\nam 07.03.1949 gegebene Anweisung. Aufgrund obiger Ausführungen bitten wir Sie\nhiermit, die Löschung der T. im Handelsregister und Grundbuch rückgängig zu\nmachen."\n\n135\n\n \n\nAus diesem Schreiben ergebe sich, dass auch das Amt zum Schutze des\nVolkseigentums in dem Schreiben der DWK die verbindliche Anordnung zur\nRückgängigmachung der Enteignung erblickt habe.\n\n136\n\n \n\nAuch das Ministerium für Wirtschaft habe den Rechtsgrund für den\nÄnderungsantrag an das Registergericht in der Anordnung der DWK zur\nRückgängigmachung der Löschung und damit der Enteignung gesehen.\n\n137\n\n \n\nIn dem Schreiben vom 23.08.1949 heiße es u.a.:\n\n138\n\n \n\n"(...), so daß die Rückgängigmachung der Löschung durch die DWK angeordnet\nist."\n\n139\n\n \n\nDie Enteignung der T. sei durch die DWK mit Anordnung vom 07.03.1949\nrückgängig gemacht worden.\n\n140\n\n \n\nDie weitere Durchführung der Rückgängigmachung der Löschung durch das\nAmtsgericht habe nur noch die technische Umsetzung der Anordnung der DWK\nbetroffen. Auf diese rein technische Umsetzung durch Wiedereintragung in das\nHandelsregister und in das Grundbuch komme es nach der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts (BVerwG) für das Vorliegen einer Enteignung und\nfolglich auch für die Rückgängigmachung derselben als actus contrarius aber\ngerade nicht an. Für die Wiedereintragung in das Handelsregister spreche aber\ndas Schreiben des SED-Kreissekretariats W. vom 03.03.1950.\n\n141\n\n \n\nDer Rückgängigmachung der Enteignung habe der Bescheid der Landesregierung vom\n15.05.1948 nicht entgegengestanden. Denn damit sei nichts darüber ausgesagt,\nob die Enteignung nachträglich wieder habe rückgängig gemacht werden können.\n\n142\n\n \n\nBei dem SMAD-Befehl Nr. 124 habe es sich nicht um einen Enteignungsbefehl\ngehandelt. Er habe nur die Beschlagnahme und provisorische Übernahme einiger\nEigentumskategorien durch das Wirtschaftsamt der sowjetischen\nMilitärverwaltung angeordnet.\n\n143\n\n \n\nDer SMAD-Befehl Nr. 64 vom 17.04.1948 sei auf einen Beschluss der DWK vom\n31.03,1948 zurückgegangen. Der verfügende Teil des Befehls habe bestimmt:\n\n144\n\n \n\n"Die von der Deutschen Wirtschaftskommission vorgelegten Listen der Betriebe\nder Monopolisten und anderer Kriegs- und Naziverbrecher, die gemäß den\nBeschlüssen der Länderregierungen aufgrund der von den Kommissionen des Blocks\nder demokratischen Parteien und der gesellschaftlichen Organisationen in der\nSowjetischen Besatzungszone gemachten Vorschläge enteignet und in den Besitz\ndes Volkes übergeführt wurden, werden bestätigt."\n\n145\n\n \n\nHieraus könne nicht geschlossen werden, dass die SMAD den Willen gehabt habe,\ndie Rückgängigmachung von Enteignungen in jedem Fall auszuschließen. Die\nsowjetische Besatzungsmacht habe wiederholt ihren Willen geäußert, das\nEigentum ausländischer Staatsangehöriger vor dem Zugriff durch deutsche\nStellen zu schützen (vgl. SMAD-Befehl Nr. 104 v. 04.04.1946).\n\n146\n\n \n\nFerner sei in Nr. 2 Abs. 2 und Nr. 4 des SMAD-Befehls Nr. 154/181 vom\n21.05.1946 betreffend die Übergabe von beschlagnahmtem Eigentum an die\ndeutsche Verwaltung angeordnet worden, dass die Güter ausländischer physischer\nund juristischer Personen unter der Überwachung der sowjetischen\nMilitärverwaltung verblieben. Schließlich heiße es in den am 17.11.1947 von\nder Besatzungsmacht erlassenen Ausführungsbestimmungen:\n\n147\n\n \n\n"Betreff der Regelung der Verwaltung des in der Sowjetischen Besatzungszone\nbefindlichen Vermögens ausländischer Staatsangehöriger":\n\n148\n\n \n\n"Sämtliche Vermögenswerte, Aktiva, Rechte, Vermögensdokumente und Interessen,\ndie sich in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands befinden und\nAusländern gehören, stehen im Einklang mit dem Aufruf B 2 der Alliierten\nKontrollbehörde und dürfen weder verkauft noch enteignet werden, auch dürfen\ndie Eigentumsrechte nicht übertragen werden."\n\n149\n\n \n\nDas BVerwG habe in seinem Urteil vom 30.06.1994 hervorgehoben, dass dieser\nWillensäußerung der Besatzungsmacht zu entnehmen sei, dass das Eigentum\nausländischer Staatsangehöriger habe geschützt werden sollen.\n\n150\n\n \n\nZudem sei die Anordnung der DWK vom 07.03.1949, die Enteignung der T.\nrückgängig zu machen, entgegen der Meinung des Beklagten vom Willen der\nBesatzungsmacht gedeckt und damit auf besatzungsrechtlicher oder\nbesatzungshoheitlicher Grundlage erfolgt. Daher sei die von der DWK mit\nSchreiben vom 07.03.1949 angeordnete Rückgängigmachung der Enteignung der T.\nin Bestandskraft erwachsen. Die DWK sei auch zur Rückgängigmachung der\nEnteignung befugt gewesen. Sie habe die Rückgängigmachung der Enteignung\nangeordnet, um den Ausländerschutzbestimmungen der SMAD Folge zu leisten. Erst\nmit Schreiben vom 25.07.1950 habe die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern\ndas Amtsgericht W. ersucht, die erfolgten Eintragungen im Handelsregister und\nim Grundbuch zu löschen. Dabei habe es sich nicht um eine Enteignung auf\nbesatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage gehandelt.\n\n151\n\n \n\nDie Löschung im Handelsregister führe nach h.M. das Erlöschen der Gesellschaft\nnicht herbei. Daraus folge, dass das Grundbuch bei Wiedereintragung der T.\nnicht unrichtig geworden sei. Durch die Löschung im Handelsregister sei die AG\nnicht erloschen. Eine Gesellschaft sei in Wahrheit noch nicht erloschen, wenn\nsich nach der Löschung herausstelle, dass doch noch Gesellschaftsvermögen\nvorhanden sei. Es sei auch nicht zu einer dauernden faktischen Auflösung der\nGesellschaft gekommen. Es könne nicht zu ihren - der E. - Lasten gehen, wenn\nbei der Rückgängigmachung der Enteignung durch die DWK rechtsstaatliche\nKriterien wie das gesellschaftsrechtliche Erfordernis der Wiedereintragung der\nGesellschaft in das Handelsregister möglicherweise nicht beachtet worden\nseien. Sie sei deshalb mit der Rückgängigmachung der Enteignung durch die DWK\nund ihrer erneuten Eintragung in das Grundbuch wieder Eigentümerin der\nGrundstücke geworden. Dieses Eigentum habe sie erst durch ihre erneute\nEnteignung und Löschung aufgrund der Anordnung der Landesregierung vom\n25.07.1950 verloren.\n\n152\n\n \n\nZur Frage, ob die Waggonfabrik nach der Verschmelzung noch als\norganisatorische Einheit vorhanden gewesen sei, erklärt die E.:\n\n153\n\n \n\nDer Befehl Nr. 93 habe nur die Verschmelzung in rechtlicher Hinsicht\nangeordnet. Daher würde es keinen Verstoß gegen diesen Befehl bedeuten, wenn\nweiterhin Eisenbahnwaggons gebaut oder ausgebessert worden seien. Denn der\nVorgang der rechtlichen Verschmelzung sage nichts darüber aus, welche\nunternehmerischen Aktivitäten von dem verschmolzenen Unternehmen ausgeübt\nworden seien.\n\n154\n\n \n\nWäre im Jahre 1950 keine Aktivität aus dem Geschäftsfeld der T. mehr vorhanden\ngewesen, so hätte die Waggonfabrik auch nicht aus der Schiffsreparaturwerft\nherausgelöst werden können, wie es in dem Schreiben der SED vom 03.03.1950\nheiße. Daraus, dass die Waggonfabrik aus der Schiffsreparaturwerft habe\nherausgelöst werden sollen, folge notwendigerweise, dass die Waggonfabrik noch\nvorhanden gewesen sei. Sonst wäre die Herauslösung nicht möglich gewesen,\nallenfalls eine vollständige Neuerrichtung.\n\n155\n\n \n\nNach ihrer - der E. - Auffassung folge aber bereits aus dem Schreiben der SED\nvom 03.03.1950, dass die Waggonfabrik der T. im Jahre 1950 noch bestanden\nhabe. In dem bezeichneten Schreiben sei festgehalten, dass die T. auch wieder\nin das Handelsregister in ihrer bisherigen Form und Bezeichnung eingetragen\nworden sei. Außerdem beziehe sie sich auf das Schreiben der Landesregierung\nMecklenburg an das Ministerium der Finanzen vom 21.06.1950, welches besage,\ndass "die T. ... im Handelsregister so oft gelöscht, auf Eigentum des Volkes\numgeschrieben und wieder neu eingetragen worden ..." sei. Auch dies belege,\ndass die T. tatsächlich wieder in das Handelsregister eingetragen worden sei.\n\n156\n\n \n\nBereits die vorgefundenen Unterlagen würden jedoch eindeutig belegen, dass das\nUnternehmen der T. zum Zeitpunkt der beantragten Wiedereintragung im\nHandelsregister im Jahr 1949 noch in der organisatorischen Einheit existent\ngewesen sei, wie sie sich zum Zeitpunkt der nach SMAD Befehl-Nr. 93 vom\n07.07.1947 erfolgten Verschmelzung mit der W. Schiffsreparaturwerft\ndargestellt habe.\n\n157\n\n \n\nDie steuerliche Selbständigkeit der T. habe nachweislich zumindest noch in den\nJahren 1946 und 1947 bestanden. Durchgängig habe auch nach dem Zusammenschluss\nmit der Schiffsreparaturwerft die räumliche Trennung der T. als sog. "Werk\nK.straße" bestanden. Wie die Aktennotiz vom 27.02.1947 verdeutliche, sei die\nT. zu diesem Zeitpunkt noch mit einem eigenen Leitungsgremium ausgestattet\ngewesen. Im Zusammenhang mit der Übernahme in die SAG habe die SMAD in\nKarlshorst mit Datum vom 08.07.1946 offensichtlich von der ZDK einen\nSachstandsbericht erhalten, der besagt habe, dass der Betrieb trotz\nerheblicher Fliegerbombenschäden "im verkleinerten Maßstab" mit einer\n1000-Mann starken Belegschaft weiterarbeite, "hauptsächlich Güterwagen"\nrepariere und demnächst "Neuherstellungen auf Reparationskonto" vornehmen\nwerde.\n\n158\n\n \n\nOhne dass eine Veränderung des Produktionsprofils stattgefunden habe, sei die\nT. sodann nach Maßgabe des Befehls-Nr. 26 der SMA vom 18.02.1947 an die\nLandesregierung Mecklenburg-Vorpommern übergeben worden.\n\n159\n\n \n\nNoch im März 1947 sei das Unternehmen als Waggonbau- bzw.\nWaggonreparaturbetrieb unverändert tätig gewesen.\n\n160\n\n \n\nIn einem internen Vermerk der ZDK vom 21.08.1947 sei zu dem Befehl-Nr. 93 der\nSMA vom 07.07.1947 festgehalten, dass es "sich bei dieser Maßnahme nicht um\neine Enteignung, sondern nur um einen dringenden produktionsnotwendigen\nZusammenschluss" gehandelt habe. Durch diesen internen Vermerk der Kommission\nwerde bereits das Vorliegen einer besatzungsrechtlichen oder\nbesatzungshoheitlichen Enteignung ernsthaft in Frage gestellt. Jedenfalls\nwerde aus diesem Vermerk deutlich, dass die T. auch nach dem Befehl Nr. 93 vom\n07.07.1947 de facto noch ein selbständiger Betrieb gewesen sei. Das gleiche\nergebe sich auch aus dem Schreiben vom 20.08.1947 an die Kommission.\n\n161\n\n \n\nAm 23.06.1948 habe die SMAD den Befehl-Nr. 112 "über die Neugestaltung der\nFiliale der W. Schiffswerft in Wa." erlassen. Unter Ziff. 14 dieses Befehls\nhabe die SMAD angeordnet, "Vorschläge über die ... Möglichkeit der\nFreistellung der Waggonfabrik" zu unterbreiten. Dieser Befehl verdeutliche\nzunächst, dass die von ihr - der E. - stets geltend gemachte Rückgängigmachung\nder Enteignung der T. auf den ausdrücklichen Willen der sowjetischen\nBesatzungsmacht zurückzuführen sei. Wie sich aus dem Befehl Nr. 112 der SMAD\nvom 23.06.1948 ergebe, habe sich auch die SMAD für eine Rückgängigmachung der\nEnteignung ausgesprochen. Da Vorschläge für die Möglichkeit einer Freistellung\nder T. hätten unterbreitet werden sollen, ergebe sich wiederum, dass am\n23.06.1948 der Betrieb der T. noch in einer solchen Form tatsächlich vorhanden\ngewesen sei, dass seine Freistellung in Betracht gekommen sei. Auch für die\nZeit nach dem Befehl-Nr. 93 vom 07.07.1947 lasse sich daher belegen, dass die\nT. noch als Waggonbaubetrieb in ihrer vorherigen Form tatsächlich existent\ngewesen sei.\n\n162\n\n \n\nEinem Bericht des Stadtinspektors W. vom 26.08.1948 an die russische\nKommandantur sei zu entnehmen, dass die T. mit der Reparatur des Wagenparks\nder Reichsbahn "rentabel voll ausgelastet war". Die Kooperation zwischen der\nT. und der Werft sei nicht erst mit dem Befehl Nr. 93 entstanden. Bereits vor\ndem Zusammenschluss habe die T. der Werft einige ihrer Arbeitskräfte zur\nVerfügung gestellt. Aus einem auf den Befehl SMAD-Nr. 112 vom 23.06.1948\nzurückgehenden Schreiben vom 18.11.1948 der Schiffsreparaturwerft an deren\nBevollmächtigten sei festgehalten, dass man im November 1948 Waggonfabrik\n1.705 Mitarbeiter beschäftigt habe. Die Maschinen der Waggonfabrik habe man\nseinerzeit zu 65 % ausgelastet. 30 % der Arbeiten der Schiffsreparaturwerft\nseien auf die Waggonfabrik entfallen. Das bezeichnete Schreiben belege, dass\nim November 1948 ein Großteil der Tätigkeit auf die von der T. ausgeführten\nWaggonarbeiten entfallen sei. Die T. sei in der Werft als selbständige\nAbteilung "Waggonfabrik K.straße" geführt worden. Sie sei also auch noch zu\ndiesem Zeitpunkt tatsächlich als eigenständige organisatorische Einheit\nvorhanden gewesen. Unter Ziff. 6 des Schreibens habe die Werft dann die aus\nihrer Sicht verständliche Auffassung geäußert, dass eine Trennung der\nWaggonfabrik vom Schiffsbaubereich zunächst nicht erwünscht sei. Die Trennung\nsei jedoch für möglich gehalten worden, sofern eine Zentralisierung der\nWerftanlagen am Westhafen und ein Ausbau der Werkstätten und Einrichtungen\nerfolgen würde. Auch dies zeige, dass die T. noch in ihrer organisatorischen\nEinheit intakt gewesen sei. Allenfalls sei die Werft auf die Weiternutzung der\nAnlagen der T. angewiesen gewesen, nicht aber die Waggonfabrik K.straße auf\ndie Einrichtungen der Schiffsreparaturwerft.\n\n163\n\n \n\nErwähnenswert sei in diesem Zusammenhang, dass das "Werk K.straße" im\nUnterschied zur übrigen Schiffsreparaturwerft einen eigenen Briefkopf\nverwendet habe. Auch dies belege, dass das Werk K.straße auch nach dem\n07.07.1947 noch eine selbständige organisatorische Einheit dargestellt habe.\n\n164\n\n \n\nAuf eine erneute Anfrage der russischen Seite habe die Werft mitgeteilt, dass\nvon 1.475 Mitarbeitern der Waggonfabrik nur 395 Mitarbeiter im Schiffsbau\ntätig gewesen seien. Die Aufsplittung der Tätigkeitsfelder der Belegschaft\nmache deutlich, dass nach wie vor die Produktion im alten Profil der\nWaggonfabrik erfolgt sei. Demgemäß ließen die baulichen Maßnahmen nach dem\nZusammenschluss im Zeitraum 1947 und 1948 auf keine grundsätzliche\nProduktionsveränderung schließen. Die Darstellung der Bauentwicklung der\nSchiffsreparaturwerft vom 14.12.1948 führe die Waggonfabrik nach wie vor als\nseparates "Werk K.straße" auf.\n\n165\n\n \n\nIn dem Werk K.straße seien neben dem Schiffsbau auch Maschinenbau, Schmiede,\nHolzbearbeitung und Tischlerei sowie Betriebs-, Reparaturwerkstatt,\nLehrwerkstatt und Werksküche untergebracht gewesen. Bei den Werkstätten habe\nes sich teilweise um die Reparaturtätigkeit im Zusammenhang mit\nEisenbahnwaggons gehandelt. Das Protokoll über die Betriebsbesprechung bei der\nWerft vom 22.12.1948 weise in Fortführung des bisherigen Produktionsprofils\ndes "Werkes K.straße" für 1949 ein erhebliches Produktionssoll für Waggonbau\nund Schienenfahrzeugreparatur in Höhe von 8,5 Mio. aus. Auch hier sei die\nWaggonfabrik wiederum als separate Einheit und nicht als bereits in die Werft\naufgegangene Produktionsstätte behandelt worden. Für die Zukunft habe man von\neiner "gedeihlichen Zusammenarbeit" zwischen Werft und Waggonfabrik\ngesprochen, was ebenfalls auf die nach wie vor bestehende Eigenständigkeit der\nT. hinweise. Der Anteil des Waggonbaus am Gesamtproduktionssoll habe für das\nJahr 1949 bei 41,46 % gelegen. Die Pläne zur Trennung von Werft und "Werk\nK.straße" seien ab März 1949 konkretisiert worden. So habe man einen Katalog\nvon Maßnahmen erarbeitet, welche durch eine Trennung für beide Teile notwendig\nwürden. Als Termin für die Trennung habe man den 31.12.1949 vorgesehen.\n\n166\n\n \n\nDie Anordnung der Rückgängigmachung der Enteignung durch die DWK mit Schreiben\nvom 07.03.1949 sei offensichtlich nicht nur wegen der SMAD-Schutzbefehle für\nAuslandsvermögen erfolgt, sondern auch im Hinblick auf den SMAD Befehl Nr. 112\nbetreffend die Herauslösung der Waggonfabrik.\n\n167\n\n \n\nDie DWK habe mit Schreiben vom 07.03.1949 bekanntlich das zuständige Amt zum\nSchutz des Volkseigentums aufgefordert, eiligst die sich daraus ergebenen\nnotwendigen Maßnahmen zu veranlassen. Das Amt habe diese Forderung mit\nDringlichkeit am 09.05.1949 an die Schiffsreparaturwerft weitergeben. Sie -\ndie E. - habe der DWK unter dem 11.05.1949 mitgeteilt, dass sie "die\nnotwendigen Maßnahmen zur Berichtigung der irrtümlichen Löschung veranlasst"\nhabe. Am 27.09.1949 sei selbst die Schiffsreparaturwerft der Auffassung\ngewesen, dass die T. wiederum ordnungsgemäß im Handelsregister und Grundbuch\neingetragen sei.\n\n168\n\n \n\nIm Schreiben vom 27.09.1949 habe die Werft die T. bereits wieder als\nselbständiges Unternehmen genannt. Offensichtlich sei auch bereits eine\nÜbernahmebilanz erstellt worden. Diese Entwicklung habe in Übereinstimmung mit\ndem SMAD Befehl-Nr. 112 vom 23.06.1948 gestanden. Die DWK habe in Umsetzung\ndieses Befehls am 16.09.1949 den Beschluss S 305/49 gefasst, der die\n"Freistellung der Waggonfabrik W. für das Waggonbau-Programm" festgelegt habe.\nDie vorübergehend für Schiffsreparaturen benutzte Waggonfabrik W. habe am\n01.07.1949 vollständig wieder auf den Waggonbau umgestellt und der L.\nunterstellt werden sollen.\n\n169\n\n \n\nIn dem Beschluss der DWK heiße, es unter § 1, dass "damit ... die Waggonfabrik\nW. in der Zeit nach dem 01. Juli 1949 zwecks Erfüllung des Waggonbauprogramms\numgehend wieder auf Waggonbau umzustellen" sei. Auf § 2d des Beschlusses werde\nebenfalls besonders hingewiesen. Bezüglich der Aktennotiz vom 17.11.1949 sei\ninsbesondere Ziff. 2 von Bedeutung. Diese betreffe den Bau einer\nHammerschmiede in der K.straße. Dort heiße es, "die V. hat an dieser Anlage\nnur beschränktes Interesse, da ab 01.07.1949 das Werk K.straße zur L.\nübertritt.".\n\n170\n\n \n\nVor diesem Hintergrund sei auch das Schreiben des Ministeriums der Finanzen -\nAbteilung Auslandsvermögen - der DDR an die Landesregierung Mecklenburg - Amt\nzum Schutz des Volkseigentums - vom 28.10.1949 zu sehen. Wie dieses Schreiben\nbelege, habe auch das Finanzministerium der DDR die Anordnung der DWK\nbezüglich der Rückgängigmachung der Enteignung der T. geteilt und die vor Ort\nzuständigen Stellen um entsprechende Vollzugsbenachrichtigungen gebeten. Dies\nbelege, dass sich auch die DDR seinerzeit zur Herauslösung der T. aus der\nSchiffsreparaturwerft verpflichtet gefühlt habe.\n\n171\n\n \n\nIm Mai 1950 habe die DDR dann ihre Auffassung geändert. Die Entscheidung des\nMinisteriums des Inneren der DDR könne nur als eine eigenständige deutsche\nMaßnahme bewertet werden, da sie nicht nur außerhalb des Hoheitszeitraums der\nBesatzungsmacht getroffen worden sei, sondern zudem den Anordnungen der\nBesatzungsmacht widersprochen habe. Diese habe für Unternehmen mit mittelbarer\nausländischer Beteiligung die Enteignung und registerliche Löschung untersagt.\n\n172\n\n \n\nDie T. bzw. das Werk K.straße sei in den 50iger Jahren ein eigenständiges\nUnternehmen geblieben, das Schmiedeteile für den Lokomotiv- und Waggonbau\nproduziert habe und als "VEB Press- und Schmiedewerk H." firmiert habe. In den\n60iger Jahren sei eine Zusammenlegung mit "A." erfolgt. Später sei die\nAufteilung des Betriebes auf die Werft und das Dieselmotorenwerk R. erfolgt.\n\n173\n\n \n\nNach alledem müsse als Ergebnis festgehalten werden, dass das Unternehmen der\nT. zum Zeitpunkt der beantragten Wiedereintragung im Handelsregister im Jahre\n1949 noch weitgehend in der organisatorischen Einheit existiert habe, wie sie\nsich zum Zeitpunkt des nach SMAD Befehl Nr. 93 vom 07.07.1947 erfolgten\nZusammenschlusses mit der W. Schiffsreparaturwerft dargestellt habe. Eine\nregelrechte Verschmelzung der Unternehmen sei offensichtlich zu keinem\nZeitpunkt erfolgt.\n\n174\n\n \n\nDie Vereinigung mit der Schiffsreparaturwerft habe zwar zur Übernahme von\nArbeiten der Schiffsreparaturwerft durch die Waggonfabrik geführt. Dennoch sei\ndie T. durchgängig eine eigenständige betriebliche Einheit geblieben, deren\nBelegschaft und Ausstattung zwischen 1947 und 1949 separat nachweisbar gewesen\nseien und sich selbst als "Werk K.straße" auch eigenständig präsentiert\nhätten. Bereits ab Sommer 1948 habe es Bestrebungen gegeben, die T. wieder aus\nder Schiffsreparaturwerft herauszulösen.\n\n175\n\n \n\nDie T. habe durchgängig und nachweislich Unternehmensaktivitäten im\nSchienenfahrzeugbau, zumindest in der Schienenfahrzeugreparatur aufgewiesen,\ndie ab 1949 zu einem Waggonneubau-Programm hätten erweitert werden sollen.\n\n176\n\n \n\nDie Besatzungsmacht habe mit Befehl-Nr. 112 bereits 1948 und die DWK mit\nBeschluss S 305/49 die Herauslösung der nur zeitweilig von der Werft genutzten\nund nicht etwa in ihr aufgegangenen T. angeordnet.\n\n177\n\n \n\nDie Registereintragungsanträge bzw. -anweisungen der deutschen Stellen stünden\nim Einklang mit den Schutz- und Herauslösungsbefehlen der Besatzungsmacht und\nschilderten im Grunde den Abschluss des Separierungsprozesses des\norganisatorisch einheitlichen Waggonbau-Unternehmens.\n\n178\n\n \n\nNachdem die Besatzungsmacht die Zuständigkeit für das Auslandsvermögen der DDR\nübertragen habe, sei 1950 die ausschließlich durch deutsche Stellen zu\nverantwortende Entscheidung gefallen, die T. nicht - wie bei Auslandsvermögen\nüblich - unter treuhänderische Verwaltung zu stellen, sondern als volkseigenes\nEinzelunternehmen zu führen.\n\n179\n\n \n\nFestzuhalten bleibe, dass für den Zeitraum der besatzungsrechtlichen bzw.\nbesatzungshoheitlichen Zurechnungszusammenhänge der bisher bekannte T.-Vorgang\ndie Auffassung der Besatzungsmacht reflektiere, die T. entsprechend den\nAlliierten- und SMAD-Bestimmungen wegen der mehrheitlichen Auslandsbeteiligung\nnicht zu enteignen. Das würden auch die Auflistungen des Ministeriums für\nWirtschaft der Landesregierung vom 09.06.1949 widerspiegeln, die die\nSchiffsreparatur-Werft als Treuhänder bzw. Verwalter auswiesen und vom\n12.10.1949 über "Betriebe ... mit ausländischer Beteiligung, die gemäß Befehl\nNr. 18 bzw. 54 unter Schutz der SMA stehen.". Unter Ziff. 7 sei dort die T.\naufgeführt.\n\n180\n\n \n\nEine Aufgabe der organisatorischen Einheit der T. hätte nur zwischen Juli 1947\n(Verschmelzungsbefehl) und Juni 1948 (Herauslösungsbefehl) erfolgen können. Da\njedoch die T. auch über diesen Zeitraum hinweg fortdauernd mit\nSchienenfahrzeugreparatur beauftragt gewesen sei und nur ein geringer Teil\nihrer Belegschaft sich überhaupt mit Werftarbeiten befasst habe, sei bereits\naufgrund dieser objektiven Umstände die Aufgabe der organisatorischen Einheit\nder T. nicht gegeben gewesen.\n\n181\n\n \n\nDies alles zeige, dass eine tatsächliche besatzungsrechtliche bzw.\nbesatzunghoheitliche Enteignung der T. nicht stattgefunden habe, diese\njedenfalls aber rückgängig gemacht worden sei und das Unternehmen der T. bis\nzur Gründung der DDR als eigene organisatorische Einheit bestanden habe.\n\n182\n\n \n\nDer Beklagte mache offenbar zu der Frage, ob das Unternehmen der T. zum\nZeitpunkt der beantragten Wiedereintragung im Handelsregister im Jahr 1949\nnoch in der organisatorischen Einheit existent gewesen sei, wie sie sich zum\nZeitpunkt der nach SMAD-Befehl-Nr. 93 vom 07.07.1947 erfolgten Verschmelzung\nmit der W. Schiffsreparatur Werft dargestellt habe, keine Einwendungen\ngeltend.\n\n183\n\n \n\nDer Vortrag des Beklagten, die Rückgängigmachung der Enteignung der T. sei\n"steckengeblieben", treffe nicht zu. Der Beklagte verkürze den Sachverhalt\nganz erheblich und verzerre ihn hierdurch. Es könne nicht ernsthaft die\nAuffassung vertreten werden, ein Rechtspfleger beim Handelsregister könne\ndarüber entscheiden, ob eine von der DWK und den zuständigen Ministerien\nangeordnete Rückgängigmachung der Enteignung durchgeführt werde oder nicht.\nDas Handelsregister sei ein reines Ausführungsorgan, dessen Kompetenz darauf\nbeschränkt gewesen sei, die Anordnungen der DWK und der von der DWK zur\nWiedereintragung der T. angewiesenen Ministerien umzusetzen. Es sei auch\ndarauf hinzuweisen, dass das Registergericht gegen die Wiedereintragung nicht\netwa deshalb Bedenken gehabt habe, weil es die Anordnung der DWK und der\nMinisterien zur Rückgängigmachung der Enteignung für rechtswidrig gehalten\nhabe. Die Bedenken hätten sich auf rein praktische Fragen gegründet, nämlich\ndarauf, dass man bei Wiedereintragung auch die gesetzlichen Vertreter der T.\nwieder einzutragen habe, diese aber möglicherweise nicht mehr in W. vorhanden\nseien.\n\n184\n\n \n\nAuf die Entwicklung nach Gründung der DDR komme es nicht mehr\nentscheidungserheblich an. Die Rückgängigmachung der Enteignung der T. sei\nnoch durch die DWK und die von ihr angewiesenen Behörden zur Zeit der\nsowjetischen Besatzungsmacht angeordnet worden.\n\n185\n\n \n\nDie ursprüngliche Enteignung sei noch vor dem 07.10.1949 rückgängig gemacht\nworden mit der Folge, dass bis zum 07.10.1949 keine wirksam fortbestehende\nEnteignung auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage\nvorgelegen habe, die zum Ausschluss des Rückübertragungsanspruchs hätte führen\nkönnen.\n\n186\n\n \n\nFür die Rückgängigmachung der Enteignung könne es nicht darauf ankommen, ob\ndas Unternehmen der T. im Zeitpunkt der Entscheidungen der DWK, des Amtes zum\nSchutze des Volkseigentums und der Landesregierung Mecklenburg noch in seiner\nursprünglichen Form existent gewesen sei oder nicht. Selbst wenn man\nunterstellte, dies sei nicht der Fall gewesen, könne es nach ihrer - der\nKlägerin - Auffassung für die Rückgängigmachung der Enteignung nicht auf\ndiesen Umstand ankommen. Maßgeblich für die Rückgängigmachung der Enteignung\nkönne allein der durch die vorliegenden Schreiben zum Ausdruck kommende\neindeutige Wille der Behörden sein. Diese hätten die Rückgängigmachung der\nEnteignung der T. angeordnet. Fest stehe, dass die Rückgängigmachung der\nEnteignung seinerzeit vor dem 07.10.1949 angeordnet worden sei. Bereits durch\ndiese Anordnung habe man die ursprüngliche Enteignung des Unternehmens der T.\nrückgängig gemacht. Weitere Maßnahmen seien für die Rückgängigmachung der\nEnteignung als actus contrarius nicht erforderlich gewesen. Ebenso wie eine\nEnteignung durch Hoheitsakt erfolge, ohne dass es nach der Rechtsprechung des\nBVerwG auf die technische Umsetzung ankomme, müsse auch die Rückgängigmachung\neiner Enteignung durch einen Hoheitsakt möglich sein. Auf technische\nUmsetzungsakte könne es insoweit entsprechend der Rechtsprechung zur\nEnteignung nicht ankommen. Ebenso müsse es unerheblich sein, ob das\nUnternehmen der T. bei der Anordnung der Rückgängigmachung der Enteignung noch\nin seiner ursprünglichen Form existent gewesen sei.\n\n187\n\n \n\nDie Übertragung und Verschmelzung sage nichts über die tatsächliche Existenz\ndes Unternehmens der T. aus. Eine Übernahme/Entgegennahme bzw. Verschmelzung\ndes Unternehmens der T. sei nicht mit dem Zugriff auf die tatsächliche\nIntegrität des Unternehmens verbunden. Diese Begriffe sprächen lediglich für\neinen bloßen Wechsel in der Eigentümerstellung.\n\n188\n\n \n\nDie Kriegszerstörungen hätten die Existenz des Unternehmens nicht beseitigt.\nNach den eingeholten Informationen aus dem Stadtarchiv W. sei die Produktion\nspätestens am 01.08.1946 wieder aufgenommen worden. Am 07.07.1947 habe der\nBetrieb über 4.000 Mitarbeiter beschäftigt. Jedenfalls bis 1950 sei nach dem\nderzeitigen Stand der Ermittlungen der Bau von Triebwagen und Waggons\nnachweisbar. Die ursprüngliche Enteignung der T. habe durch die Anordnungen\nder DWK sowie der Landesregierung Mecklenburg rückgängig gemacht werden können\nund sei auch tatsächlich rückgängig gemacht worden. Sie - die Klägerin - gehe\ndavon aus, dass das Unternehmen - jedenfalls als vergleichbares Unternehmen -\nnoch existiere.\n\n189\n\n \n\nDie Klägerin beantragt,\n\n190\n\n \n\nden Beklagten zu verpflichten festzustellen, dass die T. in Auflösung\nhinsichtlich der Grundstücke 2077/5, 2077/6, 2078/6, 2078/7, 2078/8, 2079/3,\n2080/4, 2080/6 und 2080/7 berechtigt ist, die Auskehr des Erlöses zu\nverlangen, und die Grundstücke 2123/1 und 2134/1 der Flur 1 der Gemarkung W.\nan die T. in Auflösung zurückzuübertragen. Der Bescheid des Beklagten vom 15.\nAugust 1995 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.\n\n191\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n192\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n193\n\n \n\nEs sei für ihn - den Beklagten - nicht nachvollziehbar, inwieweit die Klägerin\naus dem Wortlaut des Schreibens vom 07.03.1949 (DWK an das Amt zum Schutze des\nVolkseigentums) die "ultimative Aufforderung" sehe, die Löschungen im\nGrundbuch und im Handelsregister rückgängig zu machen. Nicht richtig sei die\nBehauptung der Klägerin, dieses Schreiben vom 07.03.1949 sei auf Anweisung der\nSMAD erfolgt.\n\n194\n\n \n\nDurch die Eintragung "Eigentum des Volkes" seien die ursprüngliche Eintragung\nvom 02.11.1948 wieder hergestellt und die zwischenzeitlich inhaltlich\nunrichtigen Grundbücher - wegen der Löschung der AG im Handelsregister -\nkorrigiert worden.\n\n195\n\n \n\nIm Jahre 1952 sei keine eigenständige Enteignung der T. erfolgt. Für eine\nsolche Enteignung habe es auch keine Rechtsgrundlage gegeben. Rechtsgrundlage\nfür die Enteignung sei die Umsetzung der Befehle der SMAD während der\nsowjetischen Besatzungszeit gewesen. Die erneute Löschung der AG und die\nEintragung "Eigentum des Volkes" im Jahre 1952 stehe einer\nbesatzungsrechtlichen bzw. besatzungshoheitlichen Enteignung nicht entgegen.\n\n196\n\n \n\nSoweit die Klägerin sich zur Begründung ihrer Auffassung, die Wiedereintragung\nder AG in die Grundbücher im September 1949 stelle eine relevante\nRückgängigmachung der ursprünglichen Enteignung der Gesellschaft dar, auf das\nGesellschaftsrecht berufe und die Eintragung analog der Gründungsgesellschaft\n(Vorgesellschaft) beurteile, sei dieser Vortrag nicht nachvollziehbar. Nachdem\ndie T. aufgrund der SMAD-Befehle enteignet und wegen der Enteignung im\nHandelsregister und in den geschlossenen Grundbüchern von W. gelöscht worden\nsei - somit als AG nicht mehr existiert habe -, sei sie nicht als sogenannte\naktienrechtliche Vorgesellschaft gemäß § 41 AktG zu qualifizieren.\n\n197\n\n \n\nZur Frage, ob das zurückverlangte Unternehmen auch nach seiner Verschmelzung\nmit der Schiffsreparaturwerft W. als selbständige organisatorische Einheit\nvorhanden gewesen sei, erklärt der Beklagte:\n\n198\n\n \n\nDie Hintergründe der Verschmelzung würden verdeutlichen, dass die T. nicht nur\nin rechtlicher, sondern auch in tatsächlicher Hinsicht untergegangen sei. Die\nZerstörung der Betriebsanlagen durch Bombenangriffe habe dazu geführt, dass\nbei Ende des 2. Weltkriegs die Tätigkeit des Unternehmens nicht habe wieder\naufgenommen werden können. Mit Befehl der SMAD Mecklenburg (SMAM) Nr. 123 vom\n18.07.1946 seien die Unternehmenstrümmer zum 01.08.1946 in die sowjetische\nAktiengesellschaft (SAG) T.bau eingegliedert worden. Dass zu diesem Zeitpunkt\ndie Produktion wieder aufgenommen worden sei, sei reine Spekulation. Fest\nstehe jedenfalls, dass weder die T. noch die E. seinerzeit die Betriebsstätten\nwiedererrichtet hätten.\n\n199\n\n \n\nEbenfalls auf Veranlassung der SMAM sei zu Beginn des Jahres 1947 im Hafen von\nW. eine Schiffsreparaturwerft neu errichtet worden (Befehl Nr. 242 vom\n26.12.1946). Der Wortlaut der sich auf einen Befehl der SMAD Nr. 353\nbeziehenden Anweisung mache deutlich, welche herausgehobene Bedeutung die\nSowjets dieser zu gründenden Werft beigemessen hätten. Innerhalb kürzester\nZeit habe auf dem Gelände des offenbar zuvor demontierten Rüstungsbetriebs\n"D." sowie zweier weiterer Unternehmen mit erheblichem materiellen und\npersonellen Aufwand die neue Werft errichtet werden sollen. Selbst\nLebensmittelsonderrationen für die aus nah und fern verpflichteten\nArbeitskräfte seien bewilligt worden. Da die neue Werft ihr für das 1.\nHalbjahr 1947 aufgestelltes Plansoll gleichwohl nicht habe erfüllen können,\nhätten die verstimmten Sowjets mit SMAM-Befehl Nr. 93 vom 07.07.1947 die\nErweiterung des Betriebs befohlen: Neben einer Aufstockung der Belegschaft auf\n4.000 Mann sei die Verschmelzung der Waggonfabrik sowie der Anschluss der\n"Bootswerft" in Wa. angeordnet worden. Es liege auf der Hand, dass dabei die\nfrüheren Grundstücke der T., ebenso wie zuvor schon die Betriebsgrundstücke\nder in Befehl Nr. 242 genannten Unternehmen, ihre ursprüngliche Bestimmung\nverloren hätten und nunmehr ausschließlich für die Erweiterung der\nWerftanlagen genutzt worden seien. Dass gegen den eindeutigen SMA-Befehl und\ntrotz der Bedeutung, die dieses ehrgeizige Werftprojekt für die Sowjets\noffensichtlich gehabt habe, in den kommenden Jahren auf dem Werftgelände\nEisenbahnwaggons gebaut worden seien, liege außerhalb jeder\nWahrscheinlichkeit. Der Gang der Ereignisse lasse vielmehr den Schluss zu,\ndass die Wiedererrichtung der Waggonfabrik überhaupt nicht durchgeführt worden\nsei, also lediglich deren Unternehmenstrümmer in die Werft eingebracht worden\nseien.\n\n200\n\n \n\nDer Prüfbericht über die Eröffnungsbilanz zum 01.07.1948 weise darauf hin,\ndass inzwischen auf den ehemaligen Betriebsgrundstücken der T. Wertanlagen\nerrichtet worden seien. Auch nach dem in der Grundakte zu Blatt 4418 von W.\nbefindlichen Schreiben der V. vom 29.09.1948 seien die ehemaligen Grundstücke\nder Waggonfabrik als Betriebsstätte der Werft genutzt worden. Anders als die\nKlägerin meine, deute auch das Schreiben der SED vom 03.03.1950 keineswegs\ndarauf hin, dass dort noch bis 1950 Eisenbahnwaggons gebaut worden seien. Wenn\nnämlich geplant gewesen sei, "die Waggonfabrik aus der Schiffsreparaturwerft\nherauszulösen und als selbständigen Betrieb aufzubauen", so beweise dies im\nGegenteil, dass bis dahin eine selbständige organisatorische Einheit\n"Waggonfabrik" eben nicht existent gewesen sei.\n\n201\n\n \n\nDie Auswertung des vorliegenden Materials ergebe, dass das zurückverlangte\nUnternehmen gleichsam zweimal enteignet worden sei, nämlich zunächst auf\nbesatzungsrechtlicher und danach - offenbar "für alle Fälle" - auf\nbesatzungshoheitlicher Grundlage. Die Enteignung habe man nicht rückgängig\ngemacht. Sie sei jedenfalls nicht entschädigungslos im Sinne des § 1 Abs. 1\nBuchst. a VermG. Das zurückverlangte Unternehmen sei nicht mehr, auch nicht in\nvergleichbarer Form, vorhanden und könne daher auch nicht nach § 6 VermG\nzurückgegeben werden.\n\n202\n\n \n\nHeute befänden sich rund 90.000 qm der ehemals insgesamt etwa 165.000 qm\ngroßen Grundstücksfläche im Eigentum der Beigeladenen zu 1. Dabei nutze deren\nZweigniederlassung offenbar nur einen geringen Teil ihres Grundstücks zu\nProduktionszwecken. Bei dem Betriebsgrundstück handele es sich im wesentlichen\num ein Ruinengrundstück. Im hinteren Teil des Grundstücks befinde sich in\neinem Gebäude neueren Datums, durch einen Zaun abgetrennt, die Betriebsstätte\nder W. Propeller- und Maschinenbau GmbH, bei der es sich offenbar um ein\nTochterunternehmen der Beigeladenen zu 1 handele. Ansonsten seien auf dem\nGelände noch ein Speditionsunternehmen, ein Kiosk- oder Imbissbetrieb und\nmehrere Kleinbetriebe untergebracht.\n\n203\n\n \n\nAus dem Schriftwechsel der E. mit der ZDK aus den Jahren 1946 und 1947 ergebe\nsich, dass zum einen die Kontrollkommission als auch die SMA Mecklenburgs und\ndas Mecklenburgische Innenministerium schon früh über die belgische\nBeteiligung an der E. informiert gewesen seien. Die E. habe gehofft, durch den\nHinweis auf diese Auslandsbeteiligung von Enteignungsmaßnahmen verschont zu\nbleiben. Allerdings habe sich gezeigt, dass die Besatzungsmacht ihre eigenen\nPläne mit der Waggonfabrik gehabt habe. Dabei sei ihr die ausländische\nBeteiligung ganz offensichtlich gleichgültig gewesen. Wie auch die E. in einem\nSchreiben an die DWK vom 04.01.1949 verdrossen festgestellt habe, hätten die\nSowjets auf die entsprechenden Eingaben nicht einmal geantwortet, geschweige\ndenn sonstwie reagiert.\n\n204\n\n \n\nEs sei auch nicht etwa so gewesen, dass die mit der Enteignung befassten\ndeutschen und sowjetischen Organe zunächst die belgische Beteiligung an der E.\nübersehen und sogleich nach Bekanntwerden dieses Umstands die Rückenteignung\neingeleitet hätten.\n\n205\n\n \n\nDie T. sei aufgrund des Befehls Nr. 123 der SMA Mecklenburgs vom 18.07.1946 in\ndie SAG T.bau eingegliedert worden. Aufgrund des Befehls Nr. 26 der SMA\nMecklenburgs vom 18.02.1947 sei das Unternehmen aus der SAG herausgelöst und\nan die Regierung des Landes Mecklenburg-Vorpommern übergeben worden. Darauf\nfolgend sei der Verschmelzungsbefehl Nr. 93 ergangen. Mit Schreiben vom\n20.08.1947 sei die Kontroll-Kommission der SMAD darauf hingewiesen worden,\ndass durch die genannten Befehle der SMA Mecklenburgs auch über belgisches\nVermögen verfügt worden sei. Später sei das Unternehmen kurzerhand auf die\nEnteignungsliste "A" gesetzt worden. Nach dem Mecklenburgischen\nEnteignungsgesetz Nr. 4 "zur Sicherung des Friedens durch Überführung von\nBetrieben der faschistischen und Kriegsverbrecher in die Hände des Volkes" vom\n16.08.1946 sei das Unternehmen ausweislich des Enteignungsbescheids vom\n18.06.1947 enteignet worden. Zur Begründung sei angegeben worden, dass es sich\nbei der E. um einen Konzernbetrieb gehandelt habe.\n\n206\n\n \n\nMit Ziff. 1. des Befehls Nr. 64 vom 17.04.1948 habe die SMAD die Enteignung\nder in den Listen "A" verzeichneten Vermögenswerte bestätigt und damit über\nihre ohnehin bestehende Gesamtverantwortung hinaus ausdrücklich auch die\nVerantwortung für die vorgenommenen Enteignungen im jeweiligen Einzelfall.\nInsoweit liege eine besatzungshoheitliche Enteignung der T. vor. Zu Recht habe\ndie Schiffsreparaturwerft mit Schreiben vom 04.03. und vom 17.05.1949 darauf\nhingewiesen, dass bis zu einer eventuellen Aufhebung der\nEnteignungsentscheidung des Landes die T. insgesamt, also mit deutschen und\nausländischen Anteilen, enteignet bleibe.\n\n207\n\n \n\nAuf eine neuerliche Eingabe der Klägerin vom 04.01.1949 habe der Mitarbeiter\nB. der DWK im März 1949 ein Verfahren in Gang gesetzt, das nachfolgend zwar zu\neiner vorübergehenden Wiedereintragung der Grundstücke der T. in den\nGrundbüchern, nicht aber zu einer Rückübereignung geführt habe. Dass die T.\nnach ihrer zweiten Löschung am 22.07.1948 nie wieder im Handelsregister\neingetragen worden sei, dürfte durch die Handelsregisterabschrift vom\n03.09.1949 nachgewiesen sein.\n\n208\n\n \n\nDie DWK habe die 1948 gegründete Revisions- und Treuhand-Anstalt für die SBZ\nmit der Überprüfung der Ansprüche von Ausländern beauftragt, die als nunmehr\nzuständiges Organ im August 1949, also unmittelbar vor Gründung der DDR, mit\nder Überprüfung begonnen habe. Aus der Abteilung Ausländisches Vermögen der\nDWK sei die Abteilung Auslandsvermögen des Finanzministeriums der DDR\ngeworden. Schon kurz nach Beginn ihrer Tätigkeit sei die Revisions- und\nTreuhand-Anstalt zu dem Ergebnis gekommen, dass eine ausländische Beteiligung\nan der T. nur mittelbar über die E. bestehe. Eine Abstimmung zwischen den\nverschiedenen mit der Sache befassten Stellen sei erst allmählich zu erreichen\ngewesen. So sei die in der Tat beabsichtigte Rückgängigmachung der Enteignung\n"steckengeblieben" und das Verfahren letztlich mit der Entscheidung beendet\nworden, das Unternehmen insgesamt als volkseigenen Betrieb weiterzuführen. Die\nvom Amtsgericht W. gegen die Wiedereintragung der T. in das Handelsregister\nvorgebrachten Bedenken seien vom Wirtschaftsministerium Mecklenburgs geteilt\nworden. Da die Überprüfung ergeben habe, dass es sich um eine lediglich\nindirekte ausländische Beteiligung gehandelt habe, sei im Einvernehmen der\nMinisterien die Wiedereintragung der T. in das Handelsregister und die\nRückgängigmachung der Enteignung abgelehnt worden.\n\n209\n\n \n\nDie Enteignung sei auch nicht entschädigungslos im Sinne des § 1 Abs. 1\nBuchst. a VermG gewesen. Es fehle am Tatbestandsmerkmal "entschädigungslos"\nschon beim bloßen Bestehen eines Entschädigungsanspruchs und zwar auch dann,\nwenn die vorgesehene gesetzliche Regelung erst nachträglich verabschiedet\nworden sei. Bei den sog. freigestellten insbesondere ausländischen Anteilen\nhabe bereits am 21.12.1948 der erste Entwurf für eine "Anordnung betreffend\nÜbernahme der bei der Enteignung wirtschaftlicher Unternehmen freigestellten\nBeteiligungen und Anteilsrechte" vorgelegen, die in den §§ 2 ff. eine\n"Abfindung" der Anteilsrechte vorgesehen habe. Tatsächlich habe erst die DDR\nin einer Verordnung vom 23.08.1956 eine endgültige Entschädigungsregelung\ngetroffen. Darauf, ob die Entschädigungen tatsächlich geflossen seien, komme\nes im Übrigen nicht an, es sei denn, der Entschädigungsanspruch sei\nseinerseits Gegenstand einer schädigenden Maßnahme nach § 1 VermG geworden.\n\n210\n\n \n\nOb und gegebenenfalls auf welcher Rechtsgrundlage der E. bzw. ihrer damaligen\nbelgischen Gesellschafterin ein Entschädigungsanspruch zugestanden habe, wäre\ngegebenenfalls noch zu prüfen. Das der Klägerin bereits bekannte Schreiben des\nFinanzministeriums der DDR vom 05.02.1951 mache deutlich, dass nach damaliger\nRechtsauffassung des Ministeriums jedenfalls die belgische Gesellschafterin\nder E. Entschädigungsansprüche gehabt haben dürfte. Bei dem in diesem\nSchreiben genannten noch zu erlassenden Gesetz handele es sich um die\nEntschädigungsverordnung vom 23.08.1956. Es habe zwar schon am 21.12.1948 der\nerste Entwurf für eine "Anordnung betreffend Übernahme der bei der Enteignung\nwirtschaftlicher Unternehmen freigestellten Beteiligungen und Anteilsrechte"\nvorgelegen, die in den §§ 2 ff. eine "Abfindung" der Anteilsrechte vorgesehen\nhabe. Tatsächlich habe erst die DDR in der Verordnung vom 23.08.1956 "über die\nEntschädigung ehemaliger Gesellschafter für Beteiligungen an enteigneten\nUnternehmen und die Befriedigung langfristiger Verbindlichkeiten aus der Zeit\nnach dem 8. Mai 1945" eine endgültige Entschädigungsregelung getroffen.\n\n211\n\n \n\nDurch eine Verschmelzung gehe ein Unternehmen vollständig in dem übernehmenden\nUnternehmen auf, so dass es ohne Durchführung einer Liquidation erlösche.\nDanach existiere das übernommene Unternehmen nicht mehr. Da das Unternehmen\nnicht mehr existiert habe, habe die Enteignung auch nicht mehr rückgängig\ngemacht werden können. Unabhängig davon seien die deutschen Stellen auch nicht\nzu einer Rückübereignung befugt gewesen. Sowohl die Enteignung des\nstreitgegenständlichen Unternehmens als auch seine Verschmelzung zur W.\nSchiffsreparaturwerft hätten auf einem ausdrücklichen Gebot der sowjetischen\nBesatzungsmacht, nämlich den Spezialbefehlen Nr. 123 vom 18.07.1946 und Nr. 93\nvom 07.07.1949 der SMA Mecklenburgs basiert. Durch Befehl 123 sei das Eigentum\nan dem Unternehmen aus dem deutschen Eigentum herausgenommen und als\nReparationsleistung im Sinne des Befehls der SMAD Nr. 167 vom 05.06.1946 in\ndas Eigentum der UdSSR überführt worden. Diesem ausdrücklichen\nEnteignungsauftrag der Besatzungsmacht seien die vorgenommenen\nGrundbuchumschreibungen zuwidergelaufen. Die 1952 vorgenommenen\nGrundbuchberichtigungen entsprächen deshalb einem über die Gründung der DDR\nhinausgehenden Enteignungsauftrag der Sowjets und seien der Besatzungsmacht\ndaher in vollem Umfang zuzurechnen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.05.1995 - 7 C\n55.95 -). Ein Wiederaufleben des bereits vorher untergegangenen Unternehmens\nhätten die Grundbuchänderungen ohnedies nicht zu bewirken vermocht.\n\n212\n\n \n\nDas zurückverlangte Unternehmen dürfte heute nicht mehr, auch nicht als\nvergleichbares Unternehmen, existieren. Die Beigeladene zu 1 stelle nach\nseiner - des Beklagten - Kenntnis Schiffsmotoren her. Demgegenüber sei das\nzurückverlangte Unternehmen mit der Herstellung von Eisenbahnwagen befasst\ngewesen.\n\n213\n\n \n\nDie Beigeladene zu 1 hat vorgetragen:\n\n214\n\n \n\nSie - die Beigeladene zu 1 - habe seinerzeit in keiner Verbindung mit der W.\nSchiffsreparaturwerft gestanden. Sie nutze die streitgegenständlichen\nGrundstücke erst seit dem Jahre 1969. Betriebsmittel der T. seien nicht\nübernommen worden. Es habe sich jedoch abgezeichnet, dass die Betriebsstätte\nder T. auf den streitgegenständlichen Grundstücken im Jahre 1944 bei einem\nBombenangriff der Alliierten nahezu vollständig zerstört worden sei. Ob und\ninwieweit zum Zeitpunkt der Inbesitznahme der Grundstücke durch die SAG T.bau\nim Jahre 1947 überhaupt noch Produktionsanlagen der T. vorhanden gewesen\nseien, wisse sie - die Beigeladene zu 1 - nicht. Die Recherchen hierüber\nhätten nichts ergeben. Sie nutze - wie erwähnt - einen Teil der\nstreitgegenständlichen Grundstücke, deren Eigentümerin sie heute sei, erst\nseit 1969. Die Grundstücke seien offenbar in den Nachkriegsjahren enttrümmert\nund beräumt worden. Ab 1969 habe sie - die Beigeladene zu 1 - auf diesen\nGrundstücken die Produktion von Schiffsantriebsanlagen (Propeller)\naufgenommen.\n\n215\n\n \n\nDie Beigeladene zu 2 beantragt,\n\n216\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n217\n\n \n\nSie trägt vor:\n\n218\n\n \n\nAufgrund des Vertrages zur Privatisierung der damals unter D.werk R. GmbH\nfirmierenden Beigeladenen zu 1 an die B. AG und die S. AG bestehe für sie -\ndie Beigeladene zu 2 - im Falle der Restitution der hier streitbefangenen\nGrundstücke die Gefahr, finanziellen Ausgleich leisten zu müssen oder gar\nvertragliche Konsequenzen hinnehmen zu müssen. Insoweit werde auf § 6 des\nVeräußerungsvertrages und eine Anlage verwiesen.\n\n219\n\n \n\nDie Bemühungen und Anweisungen der DWK und der Landesregierung Mecklenburg\nhätten nicht zu einem Fortbestand der AG oder auch nur zu ihrer Wiedergründung\ngeführt. Zunächst sei zweifelhaft, ob die deutschen Stellen eine Enteignung,\ndie zugunsten der Sowjetunion zu Zwecken der Reparation vorgenommen worden\nsei, überhaupt rückgängig hätten machen können. Es erscheine kaum denkbar,\ndass die Besatzungsmacht es geduldet hätte, wenn deutsche Stellen ihren\nBefehlen hätten zuwiderhandeln wollen. Soweit davon auszugehen sei, dass das\nUnternehmen in die Verfügungsgewalt der Landesregierung Mecklenburg gekommen\nsei, habe es sich um eine von der Besatzungsmacht veranlasste\nZurverfügungstellung sowjetischen Eigentums gehandelt. Die Bestätigung der\nEnteignung nach Liste A durch den Befehl Nr. 64 bringe allenfalls zum\nAusdruck, dass das bereits zugunsten der Sowjetunion enteignete Unternehmen\nauch nach Übertragung an die Landesregierung Mecklenburg keinesfalls habe\nwieder in private Hände zurückfallen sollen.\n\n220\n\n \n\nZu Unrecht ziehe die Klägerin aus der Wiedereintragung der Fabrik als\nGrundstückseigentümerin den Schluss, die Enteignung sei rückgängig gemacht\nworden. Die Eintragung in das Grundbuch könne nur dann richtig sein, wenn die\njuristische Person, zu deren Gunsten das Eigentum eingetragen worden sei, auch\nexistiert habe. Dies sei hier nicht der Fall, denn durch die Löschung aus dem\nHandelsregister am 22.07.1947 sei die AG aufgelöst worden, so dass die\nEintragung zugunsten der AG unrichtig gewesen sei. Eine Grundbucheintragung\nkönne aber in keinem Fall irgendeinen Einfluss auf die Existenz einer\njuristischen Person haben. Diese richte sich allein nach den Vorschriften des\nGesellschaftsrechts und ergänzend des Registerrechts. Das Löschungsgesetz vom\n09.10.1934 normiere in § 2 Abs. 1, dass eine AG, die kein Vermögen besitze,\nvon Amts wegen oder auf Antrag gelöscht werden könne. Die Gesellschaft gelte\nmit der Löschung als aufgelöst, ohne dass eine Liquidation stattfinde. Dass\ndie AG durch die Enteignung vermögenslos geworden sei, werde man bejahen\nmüssen. Die Voraussetzungen für eine Löschung seien daher gegeben und die\nGesellschaft wirksam aufgelöst. Durch eine erneute Eintragung in das\nHandelsregister oder durch eine Löschung der Löschung könne diese gesetzliche\nFiktion nicht umgangen werden. In Betracht komme dann nur noch eine\nNeugründung.\n\n221\n\n \n\nDie Grundsätze über die Behandlung der Vorgesellschaft vor der eigentlichen\nGründung einer AG seien nicht anwendbar, weil die Rechtsprechung des\nBundesgerichtshofs (BGH) erst lange nach dem hier relevanten Zeitraum die\nVorgesellschaft als eigenständiges Rechtsgebilde mit eigenen Rechten und\nPflichten anerkannt habe. Zudem hätten auch unabdingbare Voraussetzungen für\ndie Gründung einer AG gefehlt. Die aufgelöste AG hätte nicht durch\nRückgängigmachung der Löschung wieder zum Leben erweckt werden können.\n\n222\n\n \n\nHinzu komme, dass die Wiedereintragung der AG im Handelsregister trotz der\nanderslautenden Anweisungen der deutschen Stellen nicht erfolgt sei oder sich\njedenfalls nicht mehr nachweisen lasse. Die Eintragung in das Handelsregister\nsei aber ein konstitutives Element der Entstehung einer AG und habe nicht etwa\nnur eine deklaratorische bestätigende Funktion. Die Grundsätze über die Vor-AG\nerschienen nur auf solche Fälle anwendbar, in denen es in absehbarer Zeit zu\neiner Gründung komme oder kommen solle.\n\n223\n\n \n\nEs fehle daher an den Erfordernissen für die (Neu-)Gründung einer AG ebenso\nwie an einer entsprechenden Willensbetätigung der Gründer, wenn diese denn\ntatsächlich vorhanden wären. Die Grundsätze über die Vor-AG erschienen nur auf\nsolche Fälle anwendbar, in denen es in absehbarer Zeit zu einer Gründung komme\noder kommen solle.\n\n224\n\n \n\nFür die Frage, ob eine Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder\nbesatzungshoheitlicher Grundlage beruhe, sei nicht entscheidend, wann die\nEnteignung grundbuchrechtlich dokumentiert werde. Maßgeblich sei allein der\nZeitpunkt, in dem der Enteignungsakt seine materielle Wirkung entfalte. Der\nZeitpunkt des Vollzugs einer Rückgängigmachung könne nur dann relevant sein,\nwenn die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen einer solchen\nRückgängigmachung gegeben gewesen seien. Dies sei jedoch vorliegend nicht der\nFall. Da der Vermögensgegenstand zwischenzeitlich untergegangen sei, sei eine\nRückgängigmachung der Enteignung sachlich ausgeschlossen. Hier sei die AG, die\nEigentümerin der Grundstücke gewesen sei, aus dem Handelsregister gelöscht und\ndamit aufgelöst, ihr Vermögen enteignet worden. Unhaltbar sei die Ansicht der\nKlägerin, die Wiedereintragung in das Grundbuch könne dazu führen, dass die\naus dem Handelsregister gelöschte AG wieder auflebe oder auch nur bewirken,\ndass die Enteignung der AG rückgängig gemacht würde.\n\n225\n\n \n\nDas Vermögensgesetz finde gemäß § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG keine Anwendung.\nDie T. sei auf besatzungsrechtlicher Grundlage sowie ergänzend auf\nbesatzungshoheitlicher Grundlage in der Zeit zwischen 1945 und 1949 enteignet\nworden. Die Enteignung habe weder gegen ein allgemeines noch gegen ein\nkonkretes Enteignungsverbot verstoßen. Die Enteignung des Unternehmens sowie\nder übrigen Vermögenswerte der T. seien nicht vorübergehend rückgängig gemacht\nworden, so dass eine Enteignung durch die Behörden der DDR außerhalb des\nbesatzungsrechtlichen Zurechnungszusammenhangs nicht gegeben sei. Selbst wenn\ndies der Fall gewesen wäre, würde die Berechtigung zur Rückgabe von\nUnternehmenstrümmern daran scheitern, dass das Unternehmen der T.\nununterscheidbar mit anderen Unternehmen vereinigt worden sei und im Zeitpunkt\nder Stilllegung die begehrten Grundstücke nicht mehr zum Unternehmen gehört\nhätten.\n\n226\n\n \n\nDie T. sei gemäß SMAD-Befehl Nr. 167 vom 05.06.1946 zu Reparationszwecken\nzugunsten der UdSSR in Anspruch genommen worden. Aufgrund des Befehls Nr. 123\nder SMA Mecklenburg vom 18.07.1948 habe man das Unternehmen der T. in die SAG\nT.bau eingebracht. Mit dieser Überführung in das Eigentum der UdSSR sei der\nUnternehmensträger hinsichtlich des Unternehmens Waggonfabrik enteignet\nworden. Die T. sei vollständig und endgültig aus ihrer Eigentümerposition am\nUnternehmen sowie an den zugehörigen Betriebsgrundstücken verdrängt worden.\nDie AG habe man zum einen kraft SMAD-Befehl Nr. 167 ihrer Eigentumsrechte am\nUnternehmen (de jure) enthoben. Zum anderen hätten die T. und ihre Organe\naufgrund der Eingliederung des Unternehmens in die SAG T.bau keine\nVerfügungsgewalt mehr über die Waggonfabrik gehabt.\n\n227\n\n \n\nAn dieser Tatsache vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass an der T.\nmittelbar über die E. ein ausländischer (belgischer) Aktionär beteiligt\ngewesen sei. Denn an der Bestimmtheit und Wirksamkeit der Enteignungen durch\ndie SMAD auf Grund Besatzungsrechts habe kein Zweifel bestehen können. Die\nEnteignung der T. habe insofern auch nicht im Widerspruch zu den übrigen\nBefehlen der SMAD gestanden. Denn die Enteignung habe einen deutschen\nRechtsträger betroffen, an dem ausländische Aktionäre nicht direkt, sondern\nnur mittelbar beteiligt gewesen seien. Ein allgemeines Enteignungsverbot habe\nfür diese deutschen Rechtsträger nicht bestanden, sondern nur für die\nVermögenswerte, die im Eigentum ausländischer natürlicher oder juristischer\nPersonen gestanden hätten.\n\n228\n\n \n\nDie besatzungsrechtliche Enteignung durch die SMAD sei auch nicht rückgängig\ngemacht worden. Ein dafür erforderlicher actus contrarius der SMA, der die T.\nwieder in die Eigentümerrechte und in die Verfügungsgewalt des Unternehmens\ngesetzt hätte, liege nicht vor. Ebenfalls sei - entgegen der Auffassung der\nKlägerin - auch keine Anordnung der SMAD oder der SMA Mecklenburg gegeben, die\nmit Blick auf die mittelbare ausländische Beteiligung auf die Rückgabe des\nUnternehmens oder auf den Schutz der T. abgezielt habe.\n\n229\n\n \n\nDem von der Klägerin zitierten Befehl Nr. 112 könne dafür ebensowenig\nentnommen werden wie dem Beschluss S 305/49 der DWK vom 16.09.1949. Im\nGegenteil ergebe sich aus dem vorbezeichneten Beschluss, dass die T. als\nvolkseigener Betrieb unter das Waggonbauprogramm gestellt und die Produktion\nder Waggonfabrik in die volkswirtschaftliche Planung der entstehenden DDR\neinbezogen worden sei. Gegen eine Rückgabeanweisung der SMAD spreche\nschließlich die Liste vom 12.10.1949. Unter Ziff. II a) werde die T. unter\n"Betriebe mit ausl. Beteiligung, die nicht unter Schutzbefehlen der SMA\nstehen" aufgeführt, was der klägerischen Behauptung widerspreche, die T. sei\nals Betrieb "mit ausländischer Beteiligung, die gemäß Befehl Nr. 18 bzw. 54\nunter dem Schutz der SMA stehen" aufgelistet. Eine konkrete Rückgabeanordnung\noder ein Enteignungsverbot der SMAD zur T. liege mithin nicht vor.\n\n230\n\n \n\nDie SMA Mecklenburg habe vielmehr das Unternehmen der T. durch Befehl Nr. 26\nvom 18.02.1947 aus der SAG T.bau ausgegliedert und es an die Regierung des\nLandes Mecklenburg-Vorpommern übergeben. Hier möge nicht ganz eindeutig\ngewesen sein, ob Eigentümer des Unternehmens noch die UdSSR (SAG) gewesen sei\noder das Land Mecklenburg-Vorpommern. Fest stehe jedoch, dass das Unternehmen\nWaggonfabrik nicht an die T. zurückübertragen worden sei, da man den Organen\nder T. keine Verfügungsgewalt oder Geschäftsführungsbefugnis eingeräumt habe.\nIm Falle der Rückgabe des Unternehmens an die AG hätte zudem der\nLiquidationsstatus der T. aufgehoben und die Fortsetzung der Gesellschaft\nbeschlossen werden müssen. Dies sei nicht geschehen, weil man die Rückgabe\ntatsächlich nicht bewirkt habe. Von der fehlenden Verfügungsgewalt würden\nschließlich die vergeblichen Einsprüche und Schreiben der E. aus dem Jahr 1947\nbis 1949 zeugen. Die E. habe sich selbst nicht mehr als Sachherr des\nUnternehmens und des Vermögens der T. gesehen.\n\n231\n\n \n\nMit Blick auf die damalige Rechtswirklichkeit spreche hingegen einiges dafür,\ndass das Land Mecklenburg-Vorpommern Eigentümerin des Unternehmens T. in W.\ngeworden sei. So habe die Landesregierung seit dem 01.03.1947 die tatsächliche\nVerfügungsgewalt gemäß Anordnung Nr. 4 des Generaldirektors der Waggonfabrik\nW. vom 01.03.1947 gehabt. Ferner werde die Waggonfabrik im Befehl Nr. 93 der\nSMA vom 07.07.1947 als einer der staatlichen Betriebe des Landes Mecklenburg-\nVorpommerns genannt und auch so behandelt. Des weiteren weise die\nEröffnungsbilanz zum 01.03.1947 in der Kopfzeile die Bezeichnung "T. LEB"\n(d.h. Landeseigenbetrieb) aus. Schließlich sei die Waggonfabrik W. aufgrund\ndes Befehls Nr. 93 der SMA Mecklenburg (untechnisch) auf den landeseigenen\nBetrieb Schiffsreparaturwerft W. verschmolzen worden, was die vorherige\nÜberführung des Unternehmens in Landeseigentum vorausgesetzt habe. Soweit\nzuvor kein Landeseigentum bestanden haben sollte, wäre das Unternehmen T.\nspätestens mit der Verschmelzung unweigerlich in das Eigentum des Landes\nMecklenburg-Vorpommern unter dem Rechtsträger V. überführt worden.\n\n232\n\n \n\nDie T. sei ferner ergänzend auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet und\ndas Vermögen in das Eigentum des Landes Mecklenburg-Vorpommern bzw. in\nVolkseigentum überführt worden. Diese Enteignung habe auf dem Bescheid der\nLandesregierung Mecklenburg vom 18.06.1947 beruht. Die T. sei auf die Liste A\nder enteigneten Betriebe gesetzt worden, die man wiederum durch Befehl Nr. 64\nvom 17.04.1948 bestätigt habe. Der E. sei die Enteignung durch Bescheid der\nLandesregierung Mecklenburg vom 15.05.1948 mitgeteilt worden.\n\n233\n\n \n\nDiese Enteignung habe die besatzungsrechtliche Enteignung der T. und das\nUnternehmen der Waggonfabrik in W. nur vorsorglich erfasst. Das Unternehmen\nsei bereits enteignet gewesen und habe sich zu diesem Zeitpunkt im Eigentum\ndes Landes Mecklenburg-Vorpommern befunden. Die Enteignung habe somit alle\nweiteren nicht betriebsnotwendigen und nicht auf die SAG T.bau übertragenen\nVermögenswerte der T. betroffen. Ursprünglich hätten diese Vermögenswerte im\nRahmen der mit Befehl Nr. 123 angeordneten Liquidation der T. verwertet werden\nsollen. Die weitere Durchführung dieser Liquidation sei durch die Enteignung\nder T. gemäß Bescheid vom 18.06.1947 und Befehl Nr. 64 vom 17.04.1948 obsolet\ngeworden.\n\n234\n\n \n\nDie besatzungshoheitliche Enteignung habe über das bereits enteignete\nUnternehmen der T. in W. hinausgereicht und alle Vermögenswerte der T. sowie\ndiejenigen der E. auf dem Gebiet der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands\nerfasst. Mit dieser Listenenteignung seien auch die restlichen Vermögenswerte\nder T., die nicht von der besatzungsrechtlichen Enteignung und der Überführung\nin die SAG erfasst gewesen seien, enteignet. Die E. sowie die T. habe sich\nseit dem Empfang des Bescheides vom 15.05.1948 auch hinsichtlich dieser\nVermögenswerte als vollständig und endgültig aus ihrem Eigentum verdrängt\nbetrachten müssen.\n\n235\n\n \n\nWeder die besatzungsrechtliche noch die besatzungshoheitliche Enteignung seien\nrückgängig gemacht worden. Insbesondere sei keine Rückgabe des Unternehmens\nsowie einzelner Grundstücke erfolgt. Entgegen der Auffassung der Klägerin habe\nder Wiedereintragung der T. ins Grundbuch keine Rückgängigmachung der\nEnteignung oder Rückgabe der Grundstücke an die T. zugrunde gelegen. Der\nWiedereintragung sei auch kein verwaltungsrechtlicher Rückübertragungsakt oder\neine entsprechende Anweisung der DWK vorausgegangen.\n\n236\n\n \n\nEine Wiedereinsetzung in die Eigentümerrechte in diesem Sinne sei nicht durch\nden Antrag auf Grundbuchänderung oder die bloße Wiedereintragung der T. ins\nGrundbuch bewirkt worden. Die Grundbucheintragung sei nur ein technischer\nVerfahrensakt, dem kein eigener Inhalt für eine Rückübertragung beigemessen\nwerden könne.\n\n237\n\n \n\nMit der Wiedereintragung sei nicht einer Anordnung der DWK zur Rückübertragung\nvon Vermögenswerten an die T. entsprochen worden. Eine entsprechende\nRückgabeanordnung existiere nicht und könne auch nicht dem Schreiben der DWK\nvom 7. März 1949 entnommen werden. Dieses Schreiben betreffe allein die\nÄnderung der vorgenommenen Eintragungen, enthalte für sich genommen jedoch\nkeine Rückgabeanordnung.\n\n238\n\n \n\nDie Annahme der Rückübertragung der Vermögenswerte scheitere letztlich am\nfehlenden Vollzug der vermeintlichen DWK-Anordnung. Aus der Gesamtschau der\nnunmehr vorliegenden Archiv-Unterlagen lasse sich festhalten, dass das\nUnternehmen Waggonfabrik in W. nicht an die T. zurückübertragen worden sei.\nDas Unternehmen habe sich ununterbrochen in der Rechtsträgerschaft des V.\nbefunden. Die Anordnung bzw. die Rückübertragung der Betriebsgrundstücke sei\nebenfalls sehr unwahrscheinlich. Denn dies würde bedeuten, dass die für den\nBetrieb der Waggonfabrik dringend erforderlichen Grundstücke vom Unternehmen\nsepariert worden seien, um sie der T. zu Eigentum zurückzuübertragen. Dieses\nErgebnis könne in der damaligen Rechtswirklichkeit kaum gewollt gewesen sein.\nVor diesem Hintergrund stelle sich die Änderung des Grundbuches allenfalls als\nein vorsorglicher technischer Akt dar, der unter dem Vorbehalt der\nabschließenden Klärung des ausländischen Status der T. gestanden habe. Eine\ntatsächliche Rückübertragung des Eigentums an den Vermögenswerten könne diesem\nAkt nicht beigemessen werden.\n\n239\n\n \n\nMit der Wiedereintragung in das Grundbuch seien die Grundstücke mithin nicht\nan die T. zurückgegeben worden. Die tatsächliche Verfügungsgewalt sei vielmehr\nvon der V. ausgeübt worden, die sich als rechtmäßige Eigentümerin der\nGrundstücke sowie des Unternehmens geriert habe. Nachdem die Behörden\nabschließend Klarheit über die rechtliche Situation und den Umgang mit der\nvermeintlichen ausländischen Beteiligung an der T. gewonnen hätten, sei die\nEnteignung der T. letztlich bestätigt, die Wiedereintragung rückgängig gemacht\nund auf Antrag der Landesregierung (Ministerium des Innern) vom 25.07.1950 die\nT. erneut gelöscht worden.\n\n240\n\n \n\nVor diesem Hintergrund wäre die Enteignung der T. selbst dann auf\nbesatzungshoheitlicher Grundlage bewirkt worden, wenn die Behauptung der\nKlägerin zuträfe, dass die in Rede stehenden Grundstücke zwischenzeitlich der\nT. zurückgegeben worden wären. Denn dann würde sich die Grundbuchumschreibung\nim Jahre 1952 ebenfalls als bloße Abwicklung der mit Befehl Nr. 64 verfügten\nListen-Enteignung darstellen.\n\n241\n\n \n\nSelbst wenn man mit der Klägerin annähme, die T. sei entschädigungslos\nenteignet worden, würde die Berechtigung der Klägerin und der T. an den\nfehlenden Voraussetzungen des § 6 Abs. 6 Buchst. a Satz 1 VermG scheitern.\nDenn das enteignete Unternehmen der Waggonfabrik sei ununterscheidbar in\nanderen Unternehmen aufgegangen. Zudem sei es zweifelhaft, ob die begehrten\nVermögenswerte im Zeitpunkt der Schädigung sowie im Zeitpunkt der Stilllegung\ndes vergleichbaren Unternehmens zum Unternehmen gehört hätten.\n\n242\n\n \n\nDie T. sei ursprünglich ein auf die Reparatur und die Produktion von\nEisenbahnwaggons ausgerichtetes Unternehmen am Standort K.straße in W.\ngewesen. Das Unternehmen habe nach der Darstellung der Klägerin auch in den\n50er Jahren weiterhin Teile für den Waggonbau produziert, bevor es in den 60er\nJahren mit dem Unternehmen "A." zusammengelegt und später auf verschiedene\nvolkseigene Betriebe aufgeteilt worden sei. Ein Teil des Betriebsgeländes in\nder K.straße in W. sei seit Ende der 60er Jahre vom D.werk R. genutzt worden.\nDort würden seitdem bis in die 90er Jahre (große) Propeller für\nSchiffsantriebsanlagen hergestellt worden sein. Ein Waggonbauunternehmen\nbefinde sich nicht mehr und habe sich auch nicht im Jahre 1990 auf dem Gelände\nder K.straße befunden.\n\n243\n\n \n\nVor diesem Hintergrund werde deutlich, dass die weiteren Voraussetzungen für\ndie Feststellung der Rückgabeberechtigung nach § 6 Abs. 6 Buchst. a Satz 1\nVermG nach derzeitigem Sachstand nicht gegeben seien. Gemäß § 6 Abs. 6 Buchst.\na Satz 1 VermG könnten nur solche Vermögenswerte zurückverlangt werden, die im\nZeitpunkt der Schädigung und im Zeitpunkt der Stilllegung des (vergleichbaren)\nUnternehmens zum Unternehmen gehört hätten. Diese Voraussetzungen seien bisher\nweder dargetan noch sei mit Blick auf die Unternehmensentwicklung anzunehmen,\ndass die Voraussetzungen erfüllt werden könnten. Vielmehr liege es nahe, dass\ndas Unternehmen Waggonfabrik in anderen Unternehmen ununterscheidbar\naufgegangen sei und die Produktion von Waggons an andere Standorte verlagert\nworden sei. Eine Abwicklung der Waggonfabrik am Standort K.straße sei nicht\nbekannt. Mit der Aufnahme der Produktion von Schiffspropellern in den\nProduktionshallen der K.straße sei dort ein anderes nicht mehr mit der T.\nvergleichbares Unternehmen angesiedelt worden. Dieser Umstand erhelle, dass\nein Zeitpunkt der Stilllegung eines mit der T. vergleichbaren Unternehmens am\nStandort K.straße nicht festgestellt werden könne, so dass die begehrten\nGrundstücke auch im Stilllegungszeitpunkt der T. nicht mehr zu dem mit der\nWaggonfabrik vergleichbaren Unternehmen gehört haben könnten. Die Rückgabe der\nVermögenswerte scheide in diesem Falle aus.\n\n244\n\n \n\nDer Betrieb der T. sei seit langer Zeit nicht mehr existent gewesen, als die\nT. am 03.09.1949 wieder in das Grundbuch eingetragen worden sei. Die Rückgabe\ndes Unternehmens sei wegen § 4 Abs. 1 Satz 2 VermG ausgeschlossen.\n\n245\n\n \n\nIm Übrigen liege es auf der Hand, dass das Unternehmen spätestens nach der\nEingliederung in die Schiffsreparaturwerft einem völlig anderen Zweck gedient\nhabe als zuvor und sich zur Erfüllung seiner Aufgaben ganz anderer\nBetriebsmittel habe bedienen müssen. Die wirtschaftliche, werbende Tätigkeit\ndes Unternehmens hänge nicht von der Eintragung im Handelsregister ab, sondern\nvon der tatsächlichen Teilnahme des Unternehmens am Wirtschaftsleben. Die\nRückgängigmachung der Enteignung der T. durch Rückgabe ziele auf die\nWiederherstellung des ursprünglichen Zustandes ab. Diese Folge könne aber\nnicht (allein) durch die Wiedereintragung im Handelsregister eintreten. Die\nKlägerin habe auch selbst nie vorgetragen, dass die T. nach ihrer\nWiedereintragung in das Grundbuch bzw. nach ihrer behaupteten Wiedereintragung\nim Handelsregister noch einmal werbend tätig geworden wäre und ihre\nursprüngliche Produktion fortgesetzt hätte. Demgegenüber liege es auf der\nHand, dass schon nach der Verwertung des Betriebes als Reparationsleistung,\nspätestens aber mit der nachfolgenden Eingliederung seines Restvermögens in\ndie W. Schiffsreparaturwerft, die T. in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr\nexistent sei.\n\n246\n\n \n\nDas Unternehmen der T. existiere auch als vergleichbares Unternehmen nicht\nmehr. Das Betriebsgelände der früheren T. werde heute von der der Beigeladenen\nzu 1 genutzt, die sich mit der Produktion von Motoren für den Schiffsbau\nbefasse. Daher könne allenfalls und vorbehaltlich der Prüfung von\nAusschlussgründen nach dem VermG die T. - nicht aber die Klägerin - die\nRückgabe der früheren Betriebsgrundstücke erreichen.\n\n247\n\n \n\nDie später aufgenommene Produktion von Schiffsantriebsanlagen sei mit dem\nfrüheren Produktionsprofil der T. nicht vergleichbar i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1\nVermG. Entgegen der Ansicht der Klägerin könne insoweit nicht darauf\nabgestellt werden, dass Dieselmotoren sowohl in Eisenbahntriebwagen als auch\nin Schiffen Verwendung finden könnten. Schon die Firmenbezeichnung der T.\nzeige nämlich, dass diese nicht lediglich Motoren, sondern komplette\nTriebwagen sowie sonstige Eisenbahnwaggons hergestellt habe. Insoweit müsse\nvon einer Einstellung des Geschäftsbetriebs der T. ausgegangen werden. Die\ntatsächlichen Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs\ndürften bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung schon deshalb kaum gegeben\nsein, weil die Anknüpfung an die frühere Produktion wohl die vollständige\nAuswechselung der Produktionsanlagen erfordern würde.\n\n248\n\n \n\nWürde man die Berechtigung der Klägerin unterstellen, so bestünde zu einem\ngroßen Teil der verfahrensgegenständlichen Grundstücke der\nRestitutionsausschlussgrund der Betriebsnotwendigkeit des § 5 Abs. 1 Buchst. d\nVermG. Denn die verfahrensgegenständlichen Grundstücke seien in das\nUnternehmen der P.fabrik GmbH einbezogen und würden ununterbrochen bis zur\nPrivatisierung des Unternehmens im Jahre 1998/1999 betrieblich genutzt. Die in\nRede stehenden Grundstücke seien in der Vergangenheit gewesen und auch heute\nnoch sowohl Produktionsstätte als auch Lagergebäude, die man ohne\nBeeinträchtigung des Unternehmens nicht habe herausgeben können. Zu den\nbetriebsnotwendigen Grundstücken würden insbesondere die Flurstücke 2078/5 und\n2079/3 sowie Teilflächen der Flurstücke 2080/5, 2080/6 und 2078/7 gehören.\n\n249\n\n \n\nDie Beigeladenen zu 3 und 4 haben sich nicht geäußert.\n\n250\n\n \n\nDurch Urteil vom 06.03.1997 hat das Gericht die Klage der Klägerin im auf\nRückübertragung des Unternehmens, hilfsweise die Rückübertragung von\nUnternehmensresten gerichteten Verfahren, abgewiesen, soweit sie auf die\nRückübertragung der Fa. T. einschließlich der zum Betriebsvermögen gehörenden\nGrundstücke in W. gerichtet war. Im übrigen erklärte sich das Gericht in dem\nbezeichneten Urteil für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an\ndas VG Schwerin.\n\n251\n\n \n\nGegen das Urteil hat die E. am 12.08.1997 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.\n\n252\n\n \n\nDurch Beschluss vom 18.03.1998 hat das BVerwG das Urteil des\nVerwaltungsgerichts vom 06.03.1997 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen\nVerhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Die E.\nhabe zu Recht gerügt, dass der Feststellung des Verwaltungsgerichts, das\numstrittene Unternehmen sei im Jahre 1949, als die Wiedereintragung der T. im\nHandelsregister beantragt worden sei, nicht mehr in seiner ursprünglichen Form\nexistent gewesen, eine fehlerhafte richterliche Überzeugungsbildung\nzugrundegelegen habe. Der rechtliche Vorgang der Verschmelzung des\nUnternehmensträgers mit einem anderen Unternehmensträger sage nichts darüber\naus, ob und inwieweit das Unternehmen als organisatorische Einheit noch\nvorhanden gewesen sei. Es sei daher nicht nachvollziehbar, wie das\nVerwaltungsgericht zu seiner Feststellung gelangt sei. Zwar habe die E. auch\nfür klärungsbedürftig gehalten, unter welchen Voraussetzungen die\nRückgängigmachung einer ursprünglich auf besatzungsrechtlicher oder\nbesatzungshoheitlicher Grundlage erfolgten Enteignung anzunehmen sei, ob dafür\n"ein Bescheid der DWK, des Amtes zum Schutze des Volkseigentums bzw. einer\nLandesregierung ausreicht, welche Anforderungen an den Bescheid zu stellen\nsind und ob für die Rückgängigmachung der Enteignung gegebenenfalls noch\nweitere Maßnahmen erforderlich sind". Auf der Grundlage der bisherigen\nverfahrensfehlerhaften Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass das\nUnternehmen seinerzeit nicht mehr in seiner ursprünglichen Form existiert\nhabe, habe diese Frage keiner Klärung in einem Revisionsverfahren bedurft;\ndenn es liege auf der Hand, dass nur ein tatsächlich vorhandenes Unternehmen\nzurückgegeben und sodann zum Gegenstand einer nach dem Vermögensgesetz\nrückabzuwickelnden erneuten Enteignung gemacht werden könne. Demnach hänge es\nmaßgeblich vom Ergebnis der vom Verwaltungsgericht nach der Zurückverweisung\nanzustellenden Ermittlungen über das damalige Schicksal des Unternehmens ab,\nob sich die Frage in diesem Verfahren überhaupt noch stellen werde.\n\n253\n\n \n\nUnter dem 11.08.1999 hat die E. den Klagantrag zu 1. - Antrag auf\nRückübertragung des Unternehmens - zurückgenommen. Sie hat beantragt, den\nRechtsstreit an das für den Klageantrag zu 2. zuständige Verwaltungsgericht\nSchwerin zu verweisen. Die E. hat damit nunmehr den zunächst nur hilfsweise\ngeltend gemachten Anspruch nach § 6 Abs. 6 Buchst a VermG weiterverfolgt.\n\n254\n\n \n\nDurch Beschluss vom 14.09.1999 hat das Gericht den Rechtsstreit, soweit die\nKlage nicht zurückgenommen worden war, wegen örtlicher Unzuständigkeit an das\nVerwaltungsgericht Schwerin verwiesen. Im Übrigen hat es das Verfahren\neingestellt.\n\n255\n\n \n\nAufgrund § 13b der Verordnung über die Konzentration von Zuständigkeiten der\nGerichte (Konzentrationsverordnung - KonzVO M-V) ist das Verfahren an das\nVerwaltungsgericht Greifswald zur Entscheidung zurückgelangt.\n\n256\n\n \n\nDurch Beschluss vom 11.09.2007 ist das Verfahren getrennt worden. Soweit das\nVerfahren die in der Flur 1 der Gemarkung W. belegenen Flurstücke 2077/5,\n2077/6, 2078/6, 2078/7, 2078/8, 2079/3, 2080/4, 2080/6, 2080/7, 2123/1 und\n2134/1 betrifft, ist es als neues Verwaltungsstreitverfahren fortgeführt\nworden.\n\n257\n\n \n\nZum weiteren Sach- und Streitstand wird auf die Verfahrensakte sowie auf die\nVerwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n258\n\n \n\nDie Kammer konnte entscheiden, obwohl die Beigeladenen zu 1, 3 und 4 nicht zur\nmündlichen Verhandlung erschienen sind. Darauf war in der Ladung hingewiesen\nworden (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).\n\n259\n\n \n\nDie Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.\n\n260\n\n \n\nDer angefochtene Bescheid ist - soweit streitgegenständlich - rechtmäßig und\nverletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die\nKlägerin hat keinen Anspruch darauf, den Beklagten zu verpflichten\nfestzustellen, dass die T. in Auflösung hinsichtlich der Grundstücke 2077/5,\n2077/6, 2078/6, 2078/7, 2078/8, 2079/3, 2080/4, 2080/6 und 2080/7 berechtigt\nist, die Auskehr des Erlöses zu verlangen. Sie hat gegen den Beklagten auch\nkeinen Anspruch auf Rückübertragung der Grundstücke 2123/1 und 2134/1 der Flur\n1 der Gemarkung W. an die T. in Auflösung. Der Bescheid des Beklagten vom\n15.08.1995 ist nicht aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.\n\n261\n\n \n\nAls Anspruchsgrundlage kommt für den Erlösauskehranspruch und den Anspruch auf\nUnternehmensresterestitution § 6 Abs. 6 Buchst. a VermG in Betracht. Der\nAnwendungsbereich dieser Vorschrift ist vorliegend eröffnet, weil nach dem\nKrieg durch den Staat auf das Unternehmen der T. zugegriffen worden war. Dass\ndas Unternehmen nach dem Krieg bestand, ergibt sich zunächst aus der\nMitteilung an die Kontrollkommission vom 08.07.1946, wonach der Betrieb in\nverkleinertem Maßstab weiterarbeitete. Es würden zur damaligen Zeit etwa 1.000\nMann arbeiten. Hauptsächlich würden Güterwagen repariert. Aus dem SMAD-Befehl\nNr. 123 vom 18.07.1946 geht überdies hervor, dass alle Werte des Werks zu\nschützen seien und weiter normal gearbeitet werden solle. Das gesamte\nPersonal, Arbeiter und Angestellte, bleibe auf seinen Plätzen, die es bereits\neinnehme, und arbeite weiter. Die Struktur der Verwaltung des Werkes, das\nSystem der Statistik und der Berichte, die Bedingungen und Ordnung in der\nBezahlung der Arbeit und alle inneren Angelegenheiten sollten die gleichen\nbleiben.\n\n262\n\n \n\nDer Anspruch nach § 6 Abs. 6 Buchst. a VermG steht dem "Berechtigten" zu.\n\n263\n\n \n\nDie Berechtigtenstellung der T. i.L. ist vorliegend mit Blick auf § 1 Abs. 8\nBuchst. a Halbsatz 1 VermG abzulehnen. Die auf besatzungshoheitlicher bzw.\nbesatzungsrechtlicher Grundlage erfolgte Enteignung der T. ist nicht\nrückgängig gemacht worden.\n\n264\n\n \n\nDas Betriebsvermögen der T. hat zwar einer Maßnahme i.S.d. § 1 VermG\nunterlegen. Es wurde entschädigungslos enteignet und in Volkseigentum\nüberführt. Es ist auch den vom Beklagten erwähnten Vorschriften nicht zu\nentnehmen, dass der T. wegen der Enteignung eine Entschädigung zugestanden\nhaben sollte. Die erwähnten Vorschriften beziehen sich auf eine Entschädigung\nfür enteignete ausländische Anteile. Sie gelten nicht für den Fall der\nEnteignung eines deutschen Unternehmens mit mittelbarer ausländischer\nBeteiligung.\n\n265\n\n \n\nDer Restitutionsanspruch ist jedoch nach § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG\nausgeschlossen.\n\n266\n\n \n\nDanach kommt eine Rückübertragung - vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen\nAbsätze 6 und 7 des § 1 VermG - bei Enteignungen von Vermögenswerten auf\nbesatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage nicht in Betracht.\n\n267\n\n \n\nEnteignungen auf besatzungsrechtlicher Grundlage sind solche, die entweder auf\nrechtsetzender Tätigkeit der Besatzungsmacht selbst beruhen oder auf\nrechtsetzender Tätigkeit deutscher Stellen basieren, sofern der Inhalt der\nRechtsvorschrift von der Besatzungsmacht vollständig vorgeschrieben war, so\ndass die der Form nach deutsche Rechtsvorschrift vom Wesen des\nBesatzungsrechts mit ergriffen wurde.\n\n268\n\n \n\nUnter Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage im Sinne dieser\nVorschrift sind solche zu verstehen, die zwar nicht - wie die Enteignungen auf\nbesatzungsrechtlicher Grundlage - auf Beschluss der sowjetischen\nBesatzungsmacht vorgenommen wurden, die aber auf deren Wünsche oder Anregungen\nzurückgehen oder sonst ihrem generellen oder im Einzelfall geäußerten Willen\nentsprachen (BVerwG, Urt. v. 30.06.1994 - 7 C 58/93; Beschl. v. 28.11.1996 - 1\nBvR 1249, 1260/94 -, ZOV 1997, 34).\n\n269\n\n \n\nFür diesen Zurechnungszusammenhang ist von vorentscheidender Bedeutung, ob die\nEnteignung vor oder nach der Gründung der DDR erfolgt ist (vgl. BVerwG, Urt.\nv. 13.02.1995 - 7 C 53.94 -, ZOV 1995, 147; Beschl. v. 16.10.1996 - 7 B 232/96\n-, ZIP 1996, 2126).\n\n270\n\n \n\nDer Enteignungsbegriff des Vermögensgesetzes ist vornehmlich in einem\nfaktischen Sinne zu verstehen. Eine Enteignung ist immer dann anzunehmen, wenn\nder frühere Eigentümer durch hierauf gerichtete staatliche Maßnahmen\nvollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt worden ist. Deshalb\nmüssen, soweit der Restitutionsausschluss für Enteignungen auf\nbesatzungshoheitlicher Grundlage nach § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG die\nBestimmung des Zeitpunkts der Enteignung erfordert, gleichfalls vornehmlich\nfaktische Kriterien herangezogen werden. Entscheidend ist, wann die Enteignung\ndes jeweiligen Vermögenswerts in der Rechtswirklichkeit erstmals greifbar zum\nAusdruck kam (BVerwG, Urt. v. 06.12.1996 - 7 C 9/96 - VIZ 1997, S. 220;\nBeschl. v. 10.02.2005 - 7 B 146/04 - ZOV 2005, S. 228).\n\n271\n\n \n\nEs steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Enteignung sämtlicher hier\nbetroffener Vermögenswerte bereits vor dem 07.10.1949 greifbar zum Ausdruck\nkam und der Besatzungsmacht dies zuzurechnen war.\n\n272\n\n \n\nDie T. ist als frühere Eigentümerin durch auf ihr Vermögen gerichtete\nstaatliche Maßnahmen vollständig und endgültig aus ihrem Eigentum an dem\nUnternehmen verdrängt worden, so dass ein faktischer Zugriff aus das Vermögen\nzu bejahen ist.\n\n273\n\n \n\nVorliegend ist sowohl von einer Enteignung auf besatzungsrechtlicher Grundlage\nals auch von einer Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage auszugehen.\n\n274\n\n \n\nDer besatzungsrechtliche Charakter ergibt sich aus dem Befehl Nr. 123 der SMAD\nvom 18.07.1946, wonach das Unternehmen als Reparation Deutschlands an die SSR\nübernommen und an die SAG T.bau übergeben wurde. Durch diesen Befehl erfolgte\nein unmittelbarer Zugriff der Besatzungsmacht auf das Unternehmen. Mit Befehl\nNr. 26 vom 18.02.1947 erfolgte die Übergabe der Fabrik an die Regierung des\nLandes Mecklenburg-Vorpommern. Dieser Befehl bildete die Grundlage für die\ngleichlautende Anordnung Nr. 4 des Generaldirektors der Waggonfabrik vom\n01.03.1947. Durch Befehl Nr. 93 vom 07.07.1947 des Chefs der Verwaltung der\nSMA des Landes Mecklenburg wurde die Vergrößerung der W.\nSchiffsreparaturfabrik durch die Vereinigung mit der T. angeordnet.\n\n275\n\n \n\nEs ist - wie erwähnt - auch von einer Enteignung auf besatzungshoheitlicher\nGrundlage auszugehen.\n\n276\n\n \n\nDie vor Gründung der DDR durchgeführten entschädigungslosen Enteignungen\naufgrund der Befehle der sowjetischen Militäradministration (SMAD) Nr. 124 vom\n30. Oktober 1945 und 64 vom 17. April 1948 stellen besatzungshoheitliche\nEnteignungen dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.07.1994 - 7 C 14/94 - VIZ 1994, S.\n602).\n\n277\n\n \n\nDurch Befehl Nr. 124 der SMAD betreffend Auferlegung der Sequestration und\nÜbernahme in zeitweilige Verwaltung einiger Vermögenskategorien vom 30.\nOktober 1945 (RWS-Dokumentation 7 Enteignung und offene Vermögensfragen in der\nehemaligen DDR Band I, Nr. 2.4.4) wurde u.a. das Vermögen der Amtspersonen der\nNSDAP, ihrer führenden Mitglieder und hervortretenden Anhänger, das Vermögen\nvon Personen, die von dem sowjetischen Militärkommando in besonderen\nVerzeichnissen oder auf anderem Wege angegeben wurden sowie herrenloses\nVermögen sequestriert.\n\n278\n\n \n\nNach der hierzu ergangenen Instruktion vom gleichen Tage (RWS-Dokumentation 7\nBd I, Nr. 2.4.4.1) unterlagen der Sequestration und der zeitweiligen\nVerwaltung vom 30. Oktober 1945 an u.a. alle Immobilien (Gebäude, Häuser,\nWälder, Grundstücke) sowie Handels-, Industrie-, landwirtschaftliche u.a.\nUnternehmen von wirtschaftlicher Zweckbestimmung mit ihrer gesamten Ausrüstung\nund ihrem toten und lebenden Inventar.\n\n279\n\n \n\nDurch den SMAD-Befehl Nr. 154/181 vom 21. Mai 1946 (RWS-Dokumentation 7,\nEnteignung und offene Vermögensfragen in der ehemaligen DDR, Bd. I, Nr. 2.4.7)\nwurde u.a. auf Grund der Befehle Nr. 124 und 126 sequestriertes und\nkonfisziertes Gut, das der Nazistenpartei und deren Organisationen oder\nLeitern der Nazipartei oder deren Organisationen und Kriegsverbrechern gehört\nhat, in Besitz und Verfügung deutscher Selbstverwaltungen der Länder und\nBundesgebiete, in denen sich solches Gut befindet, übergeben (Nr.2 dieses\nBefehls).\n\n280\n\n \n\nDie Übergabe sollte unter Aufstellung entsprechender rechtskräftig gestalteter\nVerzeichnisse erfolgen (Nr. 3 dieses Befehls). Es wurde in Betracht gezogen,\ndass Fälle bestehen, in denen die Befehle Nr. 124 und 126 eine falsche\nAnwendung gefunden haben. Die Präsidenten der Länder und Bundesgebiete wurden\nzu einer genauen Überprüfung des konfiszierten und sequestrierten Gutes unter\nHeranziehung der örtlichen Selbstverwaltungsorgane verpflichtet (Nr. 8 dieses\nBefehls).\n\n281\n\n \n\nIn Ausführung dieser Befehle erging in Mecklenburg-Vorpommern das Gesetz Nr. 4\nzur Sicherung des Friedens durch Überführung von Betrieben\n(Eigentumskategorien) der faschistischen und Kriegsverbrecher in die Hände des\nVolkes vom 16. August 1946 (RWS-Dokumentation 7, Enteignung und offene\nVermögensfragen in der ehemaligen DDR, Bd. I, Nr. 2.7.2).\n\n282\n\n \n\nNach dessen § 1 wurde das gesamte durch die Befehle Nr. 124 und 126 erfasste\nVermögen zugunsten der Landesverwaltung enteignet. Die gewerblichen Betriebe,\nBeteiligungen, Rechte und Vermögenswerte, die durch Beschluss der\nLandeskommission auf Liste A (Enteignung) verwiesen worden waren, gingen\naufgrund dieses Gesetzes in das Eigentum der Landesverwaltung Mecklenburg-\nVorpommern über (§ 2).\n\n283\n\n \n\nNur diejenigen Betriebe, Beteiligungen usw., die durch Beschluss der\nLandeskommission auf Liste B (Rückgabe) verwiesen worden waren, wurden aus der\nSequestration entlassen und den Eigentümern zurückgegeben.\n\n284\n\n \n\nDiejenigen herrenlosen oder als herrenlos bezeichneten Betriebe, Beteiligungen\nund sonstigen Vermögenswerte, die durch Beschluss der Landeskommission auf\nListe C verwiesen waren, wurden in die einstweilige Verwaltung des Landes\nMecklenburg-Vorpommern übernommen (§ 4 Abs.1 Satz 1).\n\n285\n\n \n\nDie erste Durchführungsverordnung zum Gesetz Nr. 4 zur Sicherung des Friedens\n(RWS-Dokumentation 7, Enteignung und offene Vermögensfragen in der ehemaligen\nDDR, Bd. I, Nr. 2.7.2.1) regelte die näheren Einzelheiten. Die Tatsache der\nEnteignung, so § 5 Abs. 1, war dem Betroffenen durch schriftlichen Bescheid\nbekanntzugeben. Dieser hatte die Mitteilung zu enthalten, dass durch Beschluss\nder Landeskommission für Sequestrierung und Beschlagnahme (Zusammensetzung:\nVertreter der drei antifaschistisch-demokratischen Parteien, des FDGB, der\nIndustrie- und Handelskammer und der Handwerkskammer) die Verweisung auf Liste\nA (Enteignung) erfolgt sei. Die Mitteilung wurde von dem Ministerpräsidenten\nund dem Minister für Innere Verwaltung und Planung unterzeichnet.\n\n286\n\n \n\nDie Änderung der Eintragung der Eigentumsverhältnisse im Grundbuch für\ndiejenigen Betriebe und Vermögenswerte, die gem. § 2 des Gesetzes Nr. 4 zur\nSicherung des Friedens in das Eigentum des Landes Mecklenburg-Vorpommern\nübergegangen sind, erfolgt auf Grund einer Urkunde, die von dem\nMinisterpräsidenten und dem Minister für Innere Verwaltung und Planung\nunterzeichnet ist. Die Urkunde hat den Namen des bisherigen Eigentümers sowie\ndie Feststellung zu enthalten, dass das Grundstück gemäß Beschluss der\nLandeskommission für Sequestration und Beschlagnahme, es auf Liste A\n(Enteignung) zu verweisen, enteignet und in das Eigentum des Landes\nübergegangen ist (§ 8 der 1. Durchführungsverordnung).\n\n287\n\n \n\nDass die SMAD an dem Gesetz Nr. 4 mehr als nur beiläufigen Anteil nahm,\nbekundet die Einleitung der Vorschrift, wonach die "Überführung des Eigentums\nnach einem Befehl der Sowjetischen Militärverwaltung nunmehr vorzunehmen" sei.\n\n288\n\n \n\nErst der Befehl der SMAD Nr. 64 vom 17. April 1948 (RWS-Dokumentation 7,\nEnteignung und offene Vermögensfragen in der ehemaligen DDR, Bd. I, Nr.\n2.4.10) beendete die Sequestrierungsverfahren.\n\n289\n\n \n\nDie von der Deutschen Wirtschaftskommission vorgelegten Listen der Betriebe\nder Monopolisten und anderer Kriegs- und Naziverbrecher, die gemäß den\nBeschlüssen der Länderregierungen aufgrund der von den Kommissionen des Blocks\nder demokratischen Parteien und der gesellschaftlichen Organisationen in der\nsowjetischen Besatzungszone gemachten Vorschläge enteignet und in den Besitz\ndes Volkes überführt wurden, wurden ausdrücklich "bestätigt" (Nr. 1 dieses\nBefehls).\n\n290\n\n \n\nDie Betriebe, die ohne genügenden Grund sequestriert wurden und die nicht in\ndie nach Ziffer 1 dieses Befehls bestätigten Listen aufgenommen wurden, waren\nden früheren Besitzern zurückzugeben (Nr. 3 dieses Befehls).\n\n291\n\n \n\nDie Deutsche Wirtschaftskommission und entsprechend ihren Anweisungen die\nLandesregierungen wurden verpflichtet, bis zum 15. Mai 1948 eine Entscheidung\nüber den sonstigen sequestrierten Besitz (sequestrierte Häuser, Grundstücke\nusw.) zu treffen, wobei zu Unrecht sequestrierter Besitz den früheren\nEigentümern zurückgeben war (Nr. 4 dieses Befehls).\n\n292\n\n \n\nDer Befehl der SMAD Nr. 124 vom 30. Oktober 1945 wurde außer Kraft gesetzt und\n"jegliche weitere Sequestrierung von Eigentum auf Grund des erwähnten Befehls\nverboten" (Nr. 5 dieses Befehls).\n\n293\n\n \n\nZur Ausführung des SMAD-Befehls Nr. 64 erließ die Deutsche\nWirtschaftskommission mehrere Verordnungen.\n\n294\n\n \n\nIn der ersten Verordnung - Richtlinie Nr. 1 - vom 28. April 1948 (RWS-\nDokumentation 7, Enteignung und offene Vermögensfragen in der ehemaligen DDR,\nBd. I, Nr. 2.4.10.1) wurde bestimmt, dass den in den bestätigten Listen\naufgeführten enteigneten Firmen von den Landesregierungen eine die Enteignung\nfeststellende Urkunde zuzustellen sei. In den Fällen, in denen die Enteignung\nnicht bestätigt worden sei, sei durch die Landesregierung die Sequestrierung\naufzuheben.\n\n295\n\n \n\nDieses Verfahren (Zustellung einer die Enteignung feststellenden Urkunde oder\nAufhebung der Sequestration, wenn die Enteignung nicht bestätigt wurde) sah §\n7 der Richtlinie Nr. 3 zur Ausführung des SMAD-Befehls Nr. 64/1948 vom 21.\nSeptember 1948 (RWS-Dokumentation 7, Enteignung und offene Vermögensfragen in\nder ehemaligen DDR, Bd. I, Nr. 2.4.10.3) auch für die Enteignung sonstigen\nVermögens vor. Die Erklärungen sollten nach den von der Deutschen\nWirtschaftskommission herausgegebenen Vordrucken erfolgen.\n\n296\n\n \n\nDie T., die zu 92 % im Besitz der eine belgische Beteiligung aufweisenden E.\nstand, wurde nach Maßgabe des SMAD-Befehls Nr. 124 vom 30.10.1945 dem Befehl\nNr. 3 des Verwaltungschefs der SMAD der Provinz Mecklenburg beschlagnahmt, in\ndie Enteignungsliste A des Landes Mecklenburg (Stadt: W.) unter der Nr. 11\naufgenommen und mit der Bestätigung der Enteignungsliste durch den SMAD-Befehl\nNr. 64 vom 17.04.1948 vollständig und endgültig enteignet. Die von der\nLandesregierung Mecklenburg am 15.05.1948 ausgestellte sowie vom\nMinisterpräsidenten und vom Minister für Innere Verwaltung und Planung\nunterzeichnete Enteignungsurkunde, wonach die Enteignung des beschlagnahmten\nBetriebsvermögens der E. durch den SMAD-Befehl Nr. 64 bestätigt worden ist,\nwurde der E. übersandt. Die Rechtskraft der Enteignung ergibt sich aus der\nUrkunde.\n\n297\n\n \n\nEs bestand kein generelles Enteignungsverbot der sowjetischen Besatzungsmacht\nfür Unternehmen mit ausländischer Kapitalbeteiligung.\n\n298\n\n \n\nIn der Rechtsprechung des BVerwG ist geklärt, dass sich in den einschlägigen\nWillensäußerungen der Besatzungsmacht für Fälle der Enteignung von\nVermögenswerten deutscher juristischer Personen, an denen ausländische\nPersonen beteiligt waren, kein klares Enteignungsverbot entnehmen lässt. Die\nausländischen Anteilseigner wurden durch die Enteignung solcher Vermögenswerte\nnicht in Form eines Rechtsverlusts, sondern ausschließlich in Form einer\nMinderung der wirtschaftlichen Substanz ihrer Anteile betroffen. Für\nmittelbares ausländisches Eigentum hat die Besatzungsmacht nur ein allgemeines\nSchutzversprechen abgegeben, dieses aber nicht in ein Verbot der Enteignung\nvon Vermögenswerten deutscher juristischer Personen mit ausländischer\nBeteiligung umgesetzt. Infolgedessen beruhten Enteignungen solcher\nVermögenswerte grundsätzlich auf besatzungshoheitlicher Grundlage, wenn sie\nvon der Besatzungsmacht ausdrücklich bestätigt wurden, sonst ihrem generellen\noder im Einzelfall geäußerten Willen entsprachen oder von ihr jedenfalls\nstillschweigend geduldet wurden. Anders verhält es sich nur dann, wenn die\nBesatzungsmacht ihr allgemeines Schutzversprechen für mittelbares\nausländisches Eigentum im Einzelfall in eine konkrete Handlungsanweisung und\ndamit in ein Enteignungsverbot umgesetzt hatte (Beschluss vom 20. April 2000 -\nBVerwG 7 B 2.00 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 12; Urteil vom 27. Juni\n1996 - BVerwG 7 C 3.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 83; Urteil vom 13. Februar\n1997 - BVerwG 7 C 50.95 - BVerwGE 104, 84 <86>; Urteil vom 13. Februar 1995 -\nBVerwG 7 C 53.94 - BVerwGE 98, 1 <10>; Urteil vom 30. Juni 1994 - BVerwG 7 C\n58.93 - BVerwGE 96, 183 <186, 187>).\n\n299\n\n \n\nUnausgesprochene, aber selbstverständliche Voraussetzung ist dafür, dass\ntatsächlich ein entsprechender Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht\nergangen sein muss. Es muss damit ein authentischer Befehl der SMAD oder der\nsowjetischen Militärstellen vorliegen. Weiterhin ist Voraussetzung, dass\ndieser Befehl in der Rechtswirklichkeit erkennbar geworden ist. Es darf sich\nnicht nur um einen Entwurf oder ein bloßes Internum handeln, das nicht nach\naußen getreten ist. Ausreichend ist, dass er den Bereich der Befehlsstelle\nverlassen hat. Ein "hängengebliebener" Befehl bewirkt keine Unterbrechung des\nZurechnungszusammenhangs.\n\n300\n\n \n\nEs kommt auch nicht auf die Besonderheiten des Einzelfalls an. Dieser spielt\nerst recht keine Rolle für die Klärung der Frage, ob die Enteignung dem\nerklärten Willen der Besatzungsmacht zuwider vorgenommen worden ist.\nIrgendeine Korrekturbefugnis bezüglich der Voraussetzungen einer Enteignung\nstand den deutschen Stellen, die nur Organe der sowjetischen Militärverwaltung\nin Deutschland waren, nicht zu. Die Regelung des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG\nknüpft ausschließlich an den Geltungsanspruch der staatlichen Macht- und\nHerrschaftsordnung der Besatzungsmacht an. Dies gilt sowohl für die\nEntziehungsakte als auch für die von der Besatzungsmacht ausgesprochenen\nEnteignungsverbote. Nur ausnahmsweise können die Besonderheiten des Falles\neiner Rückgabeanordnung der Besatzungsmacht den Charakter eines den\nbesatzungshoheitlichen Zurechnungszusammenhang unterbrechenden\nEnteignungsverbots nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.03.2007 - 8 C 28/05 -,\nzitiert nach Juris; BVerwG, Urteil vom 03.06.1999 - BVerwG 7 C 35.98 -\nBuchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 4).\n\n301\n\n \n\nNach diesen Maßstäben lässt sich ein Enteignungsverbot im vorliegenden Fall\nnicht feststellen.\n\n302\n\n \n\nAus den Unterlagen ergibt sich dazu, dass die DWK (Mitarbeiter B.) auf\nBetreiben der E., die bereits unter dem 19.07.1946 an die ZDK herangetreten\nwar, und der belgischen Militärmission beim Alliierten Kontrollrat die\nEnteignung und Übernahme der T. in die SAG T.bau und später in die Verwaltung\nder Provinz Mecklenburg - allerdings ohne Erfolg - zu verhindern versuchte und\nzunächst für unzulässig hielt. Die gewechselten Schreiben betrafen der Sache\nnach die Frage, wie die zuständigen Stellen mit den ausländischen\nKapitalanteilen an enteigneten Unternehmen umzugehen hatten. Die Kommission\nteilte der E. insoweit unter dem 07.08.1946 mit, dass die belgische\nBeteiligung an den Unternehmungen der E. der SMA gemeldet worden sei. In\nwelcher Form die SMA nunmehr verfügen werde, bleibe abzuwarten. Der Klägerin\nist zuzugeben, dass die Kommission jedenfalls davon ausgegangen war, die\nRückgabe der T. sei nur an den bevollmächtigten Treuhänder der Landesregierung\nerfolgt und dabei handele es sich nicht etwa um eine Enteignung. Der\nZusammenschluss der T. mit der W. Schiffsreparaturfabrik sei - so die\nKommission ausweislich eines vom Mitarbeiter B. gefertigten Vermerks vom\n21.08.1947 - nach Befehl Nr. 93 unter Anlehnung an Befehl 104 Abs. 10 erfolgt.\nDie Enteignung wurde jedoch später - wie oben bereits erwähnt - durch die SMA,\ndie - wie erwähnt - seit 1946 von der Kommission über die ausländische\nBeteiligung der E. informiert war, bestätigt, was gegen ein Enteignungsverbot\nspricht.\n\n303\n\n \n\nDie Enteignung ist auch nicht rückgängig gemacht worden.\n\n304\n\n \n\nNach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auch die\nRückgängigmachung einer Enteignung in erster Linie nach faktischen Kriterien\nzu beurteilen. Entscheidend ist, ob die Rückabwicklung der Enteignung in der\nRechtswirklichkeit greifbar zum Ausdruck gekommen ist. Dies setzt voraus, dass\nder von der Enteignung Betroffene oder sein Rechtsnachfolger von den\nzuständigen Stellen (wieder) als Eigentümer angesehen wurde (BVerwG, Urteil\nvom 12. Dezember 2001 - BVerwG 8 C 23.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 1 VermG Nr.\n15 S. 41; BVerwG, Urteil v. 10.08.2005 - 8 C 18/04 -, ZOV 2005, 372 ff.).\nUnerheblich ist, ob die Rückabwicklung der Enteignung nach der maßgeblichen\nRechtslage überhaupt möglich war und in jeder Beziehung einwandfrei erfolgt\nist. Ebenso unerheblich ist, ob die Rückabwicklung der Enteignung\nzivilrechtlich wirksam ist. Verwaltungsinterne Vorgänge, die nicht nach außen\ngedrungen sind, reichen für die Annahme einer Rückabwicklung der Enteignung\nnicht aus. Neben einem entsprechenden Rückgabewillen ist die Beseitigung der\nEnteignung durch einen tatsächlichen Rechtsakt, ein korrigierendes\nTätigwerden, erforderlich. Eine auf besatzungshoheitlicher Grundlage gestützte\nkonkrete Enteignungsmaßnahme kann nicht im Verborgenen aufgehoben sein. Eine\nRückgabeentscheidung stellt einen "actus contrarius" dar und verlangt daher -\nwie die Enteignung selbst -, dass sie in der Rechtswirklichkeit greifbar\nAusdruck gefunden hat. Maßgebend ist, ob die Enteignungsmaßnahmen rückgängig\ngemacht worden sind und der davon Betroffene sich nicht mehr als enteignet\nansehen musste (BVerwG, Urt. v. 25.05.2005 - 8 C 6/04 -, ZOV 2005, 309).\n\n305\n\n \n\nBei den staatlichen Stellen lag unstreitig ein Rückgabewille vor.\n\n306\n\n \n\nDie DWK wandte sich mehrfach an die zuständigen Behörden in Mecklenburg-\nVorpommern, die Handelsregister- und Grundbucheintragungen zugunsten der T.\nwiederherzustellen.\n\n307\n\n \n\nEin Unternehmen, das hätte zurückgegeben werden können, existierte zum\ndamaligen Zeitpunkt, also im Jahre 1949.\n\n308\n\n \n\nDie Waggonfabrik war als organisatorische Einheit vorhanden. In dem Schreiben\n(der Schiffsreparaturwerft an deren Bevollmächtigten) vom 18.11.1948 wurde\ndementsprechend differenziert: Es gab danach eine Abteilung Waggonfabrik\nK.str., auf die insgesamt 3.970 Mann entfallen würden. Durch eine Trennung der\nAbteilung Waggonfabrik von der Werft würde sich das Produktionsvolumen der\nWerft auf etwa 42 % verringern. Einem Vermerk über die Bauentwicklung vom\n14.12.1948 lässt sich überdies entnehmen, es gebe das Werk K.straße\n(Waggonfabrik). Der Ausbau der einzelnen Werke für ihre besonderen Zwecke sei\nintensiv in Angriff genommen worden. Das Protokoll über die\nBetriebsbesprechung vom 22.12.1948 für das Jahr 1949 sah ein Produktionssoll\nfür Neubau und Reparatur von Waggons vor. Unter dem 06.04.1949 und 13.06.1949\nstellte man die Maßnahmen zusammen, "welche durch eine Trennung von Werft und\nWerk K.straße für beide Teile notwendig werden". Daraus kann man schließen,\ndass eine solche Trennung jedenfalls für möglich gehalten worden war.\nSchließlich sollte ausweislich des Beschlusses der DWK vom 16.09.1949 die\nWaggonfabrik zur Erfüllung des Waggonbauprogramms umgehend wieder darauf\numgestellt werden. Auch dies spricht für eine Selbständigkeit der\nWaggonfabrik.\n\n309\n\n \n\nDas Unternehmen ist jedoch nicht zurückgegeben worden.\n\n310\n\n \n\nAllerdings kann dem Schreiben des SED-Kreissekretärs vom 03.03.1950 entnommen\nwerden, dass ein Herr W. "seit einiger Zeit mit der Aufgabe betraut" war, "die\nWaggonfabrik aus der Schiffsreparaturwerft herauszulösen und als selbständigen\nBetrieb aufzubauen". Damit war jedoch noch keine Rückgabe des Unternehmens an\nden früheren Unternehmensträger verbunden. Es liegen auch sonst keine\nAnhaltspunkte dafür vor, dass - bezogen auf den Prozess der Entflechtung -\nVerfügungsgewalt auf die T. bzw. deren Organe übergegangen war.\n\n311\n\n \n\nVorliegend ist die (Wieder)eintragung der T. am 03.09.1949 in das Grundbuch\nerfolgt. Die Eintragung in das Handelsregister unterblieb jedoch ausweislich\ndes dem Gericht vorliegenden Handelsregisterauszugs vom 03.11.1949. Die\nfehlende Eintragung lässt sich auch dem Inhalt des an das Ministerium für\nMaschinenbau der DDR gerichteten Schreibens des H. VEB vom 29.09.1951\nentnehmen. Auf fernmündliche Anfrage habe das Amtsgericht W., Abteilung\nHandelsregister danach mitgeteilt, diese Löschung bestehe "noch heute". An\ndiesem Umstand ändert nichts, dass die DWK die zuständigen Stellen mehrere\nMale an die "Wiederherstellung des alten Rechtszustandes" erinnert hatte.\nSoweit sich die Klägerin auf das Schreiben der SED - Kreisvorstand - vom\n03.03.1950 für ihre Ansicht beruft, die Eintragung der T. in das\nHandelsregister könne erfolgt sein, ergibt sich dies daraus nicht. Vielmehr\nhatte die SED "nichts über die neuerdings erfolgte Eintragung in das\nHandelsregister erfahren" können. Der Genosse W. habe mit einer Klärung\nbeauftragt werden sollen.\n\n312\n\n \n\nDie Löschung der T. im Handelsregister blieb damit als nach außen in\nErscheinung getretene Maßnahme der Behörden bestehen. Damit waren und blieben\ndie Verfügungsbefugnisse der T. - obwohl diese im Grundbuch als Eigentümerin\nverzeichnet war - über die streitgegenständlichen Flurstücke vollständig\n(endgültig) zurückgedrängt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.05.2006 - 8 B 70/05 -,\nzitiert nach Juris). Daran ändern auch die von der Klägerin angestellten\naktienrechtlichen Überlegungen nichts. Die T. hat ihre Verfügungsbefugnisse\ntatsächlich nicht über das Institut der Vorgesellschaft zurückerhalten.\n\n313\n\n \n\nDie bloße Anweisung der DWK an die zuständigen Stellen, die T. im\nHandelsregister einzutragen, reicht für die Rückabwicklung der Enteignung\nnicht aus. Zwar hatten offenbar lediglich formelle Gründe dazu geführt, dass\ndie Wiedereintragung durch das Amtsgericht unterblieben war - die Eintragung\nvon nicht mehr in W. lebenden Vorstandsmitgliedern bzw. Prokuristen mit der\ndamit einhergehenden Vertretungsbefugnis hätte zu Schwierigkeiten führen\nkönnen. Die Grundbucheintragung, mit der allein die Verfügungsmacht an den\nwesentlichen Betriebsgrundlagen in einem tatsächlichen Sinne nicht zu den\nOrganen der T. zurückgekehrt war, blieb mit der unterlassenen Eintragung in\ndas Handelsregister gegenstandslos.\n\n314\n\n \n\nDer Klägerin ist zwar darin zuzustimmen, dass für den tatsächlichen Akt der\nRückgabe nicht allein auf den Handelsregistereintrag abgestellt werden kann.\nDie T. und ihre Organe sind jedoch - wie oben bereits ausgeführt - faktisch\nnicht so behandelt worden, als wäre die T. aufgelebt.\n\n315\n\n \n\nWenn auch die staatlichen Bemühungen darauf abzielten, die alten Eintragungen\nwiederherstellen zu lassen, war der T. doch letztlich die Verfügungsgewalt\nnicht wieder eingeräumt worden.\n\n
108,312
ovgmv-2007-06-20-3-m-207
484
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
ovgmv
Mecklenburg-Vorpommern
Verwaltungsgerichtsbarkeit
3 M 2/07
2007-06-20
2018-11-25 23:30:06
2019-02-14 08:17:51
Beschluss
#### Tenor\n\n \n\nDie Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts\nGreifswald vom 01. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.\n\n \n\nDie Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.\n\n \n\nDie außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.\n\n \n\nDer Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 13.000,00 Euro festgelegt.\n\n \n\nDer Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren\nwird abgelehnt.\n\n#### Gründe\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\nDie Antragstellerin wendet sich gegen die Anordnung zur Einstellung von\nBauarbeiten an dem Haus Me.weg 2 in Di., die Festsetzung eines Zwangsgeldes\nund die Androhung der Versiegelung der Baustelle.\n\n2\n\n \n\nFür die Nutzungsänderung zu einer Hauptwohnung, zur Sanierung und\nModernisierung des Gebäudes erteilte der Antragsgegner gemäß § 136 Abs. 2 des\nWassergesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern auf der Grundlage des\nBauantrages vom 27.12.2005 eine Zulassung von Ausnahmen von Beschränkungen im\nKüstenschutzgebiet.\n\n3\n\n \n\nMit Bescheid vom 17.07.2006 ordnete der Antragsgegner die unverzügliche\nEinstellung jeglicher Bauarbeiten an. Zur Begründung verwies er darauf, dass\nnach dem maßgebenden Küstenschutzplan lediglich im Wege des Ermessens im\nBereich des Küstenschutzstreifens bauliche Maßnahmen zugelassen werden\nkönnten. Maßnahmen über die Bestandserhaltung hinaus seien mit Belangen des\nSturmflutschutzes nicht vereinbar. Auf dieser Grundlage seien im einzelnen\nbezeichnete Baumaßnahmen zugelassen worden. Entgegen der Antragstellung seien\nsowohl als Bestand ausgewiesene Innenwände als auch Außenwände im Bereich des\ngeplanten Windfangs und das Dach vollständig abgetragen worden. Die Frage des\nBestandschutzes sei daher erneut zu bewerten.\n\n4\n\n \n\nMit Schreiben vom 20.07.2006 übermittelte der Architekt der Antragstellerin\neine "Anzeige neuer Bedingungen/Voraussetzungen zur Baugenehmigung" und\n"Änderungsanzeige für das Haupthaus zur Baugenehmigung". Diesen Antrag lehnte\nder Beigeladene durch Bescheid vom 15.09.2006 ab.\n\n5\n\n \n\nMit Bescheid vom 08.09.2006 ordnete der Antragsgegner erneut die unverzügliche\nEinstellung der Bauarbeiten an. Es wird ausgeführt: Wären die\nAntragsunterlagen entsprechend den tatsächlichen Verhältnissen vorgelegt\nworden, hätte wegen des Ausmaßes der Änderungen, die weit über eine Sanierung\nim Rahmen des Bestandes hinausgehen und einem Neubau gleich kommen, keine\nwasserrechtliche Zulassung erteilt werden dürfen. Gemäß § 90 Abs. 1 und Abs. 4\nLandeswassergesetz werde daher die Baueinstellung verfügt. Zugleich begründete\nder Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung und drohte ein\nZwangsgeld in Höhe von 3.000,00 Euro an.\n\n6\n\n \n\nDurch Bescheid vom 22.09.2006 setzte der Antragsgegner das Zwangsgeld in Höhe\nvon 3.000,00 Euro fest. Zugleich wurde die Versiegelung der Baustelle\nangedroht.\n\n7\n\n \n\nMit Bescheid vom 26.09.2006 ordnete der Antragsgegner ausdrücklich die\nsofortige Vollziehung der Nr. 1 der Verfügung vom 08.09.2006 an.\n\n8\n\n \n\nDas Verwaltungsgericht Greifswald wies den Antrag auf Gewährung vorläufigen\nRechtsschutzes der Antragstellerin gegen die Bescheide vom 08.09. und\n26.09.2006 und auf Gewährung von Prozesskostenhilfe durch den angefochtenen\nBeschluss vom 01.12.2006 ab.\n\n9\n\n \n\nDie Antragstellerin hat hiergegen Beschwerde erhoben.\n\n10\n\n \n\nDer Senat hat durch den Berichterstatter die Örtlichkeit in Augenschein\ngenommen und einen Vorschlag zur gütlichen Regelung unterbreitet, der seitens\ndes Antragsgegners nicht angenommen wurde. Für das Ergebnis der\nAugenscheinseinnahme und der Erörterungen wird auf das Protokoll vom\n13.04.2007 Bezug genommen.\n\n \n\nII.\n\n11\n\n \n\nDie gemäß § 146 VwGO statthafte Beschwerde der Antragstellerin gegen den\nBeschluss des Verwaltungsgerichts ist zulässig, aber unbegründet. Die nach §\n146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den gerichtlichen Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren\nbestimmende Beschwerdebegründung rechtfertigt keine abweichende Beurteilung\ndes Eilrechtsschutzbegehrens (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht\nhat das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung des\nSuspensiveffekts ihrer Rechtsbehelfe (§ 80 Abs. 1 VwGO), damit im Ergebnis an\nder erneuten Baufreigabe, im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung zu Recht als\nnachrangig eingestuft und ihren Antrag zurückgewiesen.\n\n12\n\n \n\nRechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist § 90 Abs. 2 Wassergesetz des\nLandes Mecklenburg-Vorpommern - LWaG M-V - vom 30.11.1992 (GVOBl. M-V 1992 S.\n669), zuletzt geändert durch Artikel 3 Nr. 4 des Gesetzes vom 01.08.2006\n(GVOBl. M-V S. 634). Diese Fassung ist im vorliegenden Verfahren anzuwenden,\nda über den Widerspruch der Antragstellerin gegen die angefochtenen Bescheide\nnoch nicht entschieden ist.\n\n13\n\n \n\nNach § 90 Abs. 2 LWaG M-V haben im Rahmen der Gewässeraufsicht die\nWasserbehörden die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen Maßnahmen zu\ntreffen, um von der Allgemeinheit, dem Einzelnen oder den Gewässern Gefahren\nabzuwehren, die durch den Zustand oder die Benutzung der Gewässer, des\nErdbodens, der Ufer, der Deiche, der Küstenschutzanlagen, der\nÜberschwemmungs-, Wasserschutz- und Heilquellenschutzgebiete und der nach dem\nWasserhaushaltsgesetz oder nach diesem Gesetz genehmigungsbedürftigen oder\nanzeigepflichtigen Anlagen hervorgerufen werden. Zur Gewässeraufsicht gehören\nnach Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift auch die Überwachung und die Abnahme von\nbaulichen Anlagen.\n\n14\n\n \n\nIm vorliegenden Fall besteht eine Gefahr im Sinne des § 90 Abs. 2 S. 2 LWaG\nM-V, weil sich das Vorhaben als formell rechtswidrig erweist, da ihm die\nerforderliche wasserrechtliche bzw. baurechtliche Gestattung fehlt. Dies\nergibt sich aus Folgendem:\n\n15\n\n \n\nNach § 136 Abs. 1 LWaG M-V bleiben die auf der Grundlage des Wassergesetzes\nder DDR vom 02. Juli 1982 (GBl. DDR I S. 467) festgelegten\nHochwasserschutzgebiete und Deichschutzstreifen (§ 36 des Wassergesetzes) und\nKüstenschutzgebiete (§ 37 des Wassergesetzes) sowie die nach früheren\nwasserrechtlichen Vorschriften festgelegten Schutzgebiete und -streifen\nbestehen. Sie sind in das Wasserbuch einzutragen. Zwischen den Beteiligten ist\nunstreitig, dass der Standort des Vorhabens der Antragstellerin im Bereich\neines Küstenschutzgebietes liegt, das nach den genannten Rechtsvorschriften\nder ehemaligen DDR festgesetzt worden ist.\n\n16\n\n \n\nNach § 136 Abs. 3 LWaG M-V kann die Wasserbehörde auf Antrag von den Verboten\nund Nutzungsbeschränkungen Ausnahmen zulassen, wenn sie dem jeweiligen\nSchutzziel nicht zuwiderlaufen oder eine Ausnahme im Interesse des Wohls der\nAllgemeinheit erforderlich ist. Für die Zulassung von Ausnahmen sind § 4 Abs.\n1 des Wasserhaushaltsgesetzes und die §§ 6 und 8 Abs. 3 LWaG M-V sinngemäß\nanzuwenden. Mit Wirkung vom 01.09.2006 (Gesetz vom 14.7.2006, GVOBl. M-V 2006,\nS. 568) bestimmt § 113a Satz 1 LWaG M-V, dass über Genehmigungen und\nAusnahmegenehmigungen nach § 136 Abs. 2 gleichzeitig mit Erteilung der\nBaugenehmigung die Bauaufsichtsbehörde im Einvernehmen mit der Wasserbehörde\nentscheidet, wenn das Vorhaben einer Baugenehmigung bedarf. In den übrigen\nFällen schließt die wasserrechtliche Genehmigung die Baugenehmigung ein.\n\n17\n\n \n\nDas Vorhaben ist, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist,\nbaugenehmigungspflichtig. Dabei kann dahinstehen, ob die vor dem 01.09.2006\ngeltende oder die seither geltende Fassung der Landesbauordnung anzuwenden ist\n(vgl. § 87 LBauO M-V). Ebenso kann dahinstehen, ob § 113a Satz 1 LWaG M-V im\nvorliegenden Fall anzuwenden ist. Denn die Befugnis des Antragsgegners als\nFachbehörde zum Einschreiten bleibt auch in diesem Falle bestehen. § 113a Satz\n1 LWaG M-V bezieht sich nämlich nur auf das Genehmigungsverfahren. Wird ein\nVorhaben realisiert, für das eine Baugenehmigung erforderlich ist, in dessen\nRahmen auch auf der Grundlage des Einvernehmens einer Fachbehörde über\nbaufremdes Fachrecht zu entscheiden ist, bleibt von der hierdurch bewirkten\nKonzentrationswirkung bzw. Übertragung der Entscheidungszuständigkeit auf die\nBauaufsichtsbehörde die Zuständigkeit der Fachbehörde für repressives\nEinschreiten unberührt.\n\n18\n\n \n\nEs kann weiter dahinstehen, ob der Antragsgegner als Fachbehörde dann, wenn\ndas Vorhaben gemäß § 113 a Satz 1 LWaG M-V einer Baugenehmigung mit seinem\nEinvernehmen bedarf, sein Eingreifen auf die formelle Rechtswidrigkeit des\nVorhabens stützen kann, wenn seine fachliche Belange deswegen nicht berührt\nwerden, weil er sein Einvernehmen intern erteilt hat. Dieser Fall ist hier\nnicht gegeben. Die formelle Rechtswidrigkeit des Vorhabens beruht - auch -\ndarauf, dass die zuvor von der Antragsgegnerin erteilte wasserrechtliche\nGenehmigung vom 27.12.2005 die jetzt durchgeführten Baumaßnahmen nicht zu\nlegitimieren vermag. Wie in dem Erörterungstermin vor dem Berichterstatter am\n13.04.2007 im Einzelnen geklärt worden ist, unterscheidet sich der nunmehr der\nBaumaßnahme zu Grunde liegende Antrag von dem ursprünglichen unter anderem\ndadurch, dass die beidseitigen Wände an gleicher Stelle neu errichtet werden\nsollen. Zudem wurden Öffnungen an der Westseite geändert, außerdem im Bereich\nder Eingangstür. Hinsichtlich des Dachstuhls war in der ursprünglichen\nGenehmigung der Austausch entsprechend der statischen Notwendigkeit/Zustand\nvorgesehen, während nunmehr der Dachstuhl insgesamt ersetzt worden ist. Dabei\nist eine Reihe von Steinen abgetragen worden, um einen Ringanker einzubauen.\n\n19\n\n \n\nDurch diese Änderungen ist ein erneuter Prüfungsbedarf seitens des\nAntragsgegners entstanden. Maßgebender Gesichtspunkt bei der Entscheidung\ndarüber, ob im Ermessenswege eine Ausnahme gemäß § 136 Abs. 3 LWaG M-V - sei\nes noch durch eine isolierte Gestattung, sei es durch Erteilen des\nEinvernehmens gegenüber dem Beigeladenen - erteilt wird, ist nämlich der\nUmfang der Maßnahme, die Verfestigung des Bestandsschutzes und die Höhe der\nInvestitionen in das Vorhaben.\n\n20\n\n \n\nDie somit gegebene - auch wasserrechtlich - formelle Rechtswidrigkeit des\nVorhabens rechtfertigt der Erlass der wasserrechtlichen Einstellungsverfügung.\nZiel einer Baueinstellungsverfügung ist es, die Entstehung oder Verfestigung\nrechtswidriger Zustände zu verhindern, die - nach einer Prüfung der\nmateriellen Genehmigungsfähigkeit - nicht mehr oder nur noch schwer wieder\nrückgängig gemacht werden könnten. Die Einstellung unzulässiger Bauarbeiten\nhat damit letztlich den Zweck, vor allem die Einhaltung der\n(Bau)Genehmigungspflicht zu sichern und damit zu gewährleisten, dass\nBauvorhaben erst ausgeführt werden, wenn durch Erteilung der (Bau)Genehmigung\nihre Vereinbarkeit mit dem öffentlichen Recht festgestellt ist. Eine\nVerfestigung eines möglicherweise rechtswidrigen baulichen Zustands kann aber\nauch dann eintreten, wenn die von der Genehmigung abweichenden Arbeiten\nbereits ausgeführt sind und die noch folgenden Arbeiten, bei isolierter\nBetrachtung, der Genehmigung entsprechen. Die abschließende Fertigstellung des\nBauvorhabens und die damit gegebene Möglichkeit der Nutzungsaufnahme\nerschweren in aller Regel die Durchsetzung von Maßnahmen zur Herstellung\nrechtmäßiger Zustände.\n\n21\n\n \n\nOb eine dem Bauherrn günstige Ermessensentscheidung im\nBaueinstellungsverfahren nur in Betracht kommt, wenn die Erteilung der\nGestattung unmittelbar bevorsteht (so VGH Mannheim, B. v. 03.08.2004 - 5 S\n1134/04 - NVwZ-RR 2005, 10), oder schon dann, wenn der Anspruch auf\nGenehmigung offensichtlich gegeben ist, kann dahinstehen, denn auch diese\nVoraussetzung ist nicht erfüllt: Zwar bedürfte es näherer Überprüfung, ob die\nErwägungen, die den Antragsgegner zur Ablehnung der nunmehr beantragten\nÄnderungsgenehmigung geführt haben, im Rahmen des Prüfungsmaßstabes nach § 114\nVwGO in jeder Hinsicht zu billigen sein würden in Hinblick darauf, dass der\nAntragsgegner ursprünglich eine Befreiung erteilt hat und dem nunmehr\nverstärkt, aber allein zusätzlich betroffenen Belang der Erhöhung der\nWerthaltigkeit des Gebäudes auch auf andere, die Antragstellerin geringer\nbelastende Art und Weise Rechnung getragen werden könnte (vgl. die Erwägungen\nin OVG Greifswald, B. v. 21.10.2002 - 1 M 126/01 - LKV 2003, 525 = NuR 2003,\n698). Aus dem Umstand, dass nach § 136 Abs. 3 LWaG M-V der Antragsgegner eine\nErmessensentscheidung zu treffen hat, ergibt sich aber, dass von einem\nAnspruch auf Erteilen der Genehmigung bzw. des Einvernehmens nach § 136 Abs. 3\nLWaG M-V nicht gesprochen werden kann.\n\n22\n\n \n\nDer sofortigen Vollziehung einer Baueinstellungsanordnung wegen formeller\nIllegalität steht auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin die von den\ngenehmigten Bauvorlagen abweichende Bauausführung mit konstruktiven\nNotwendigkeiten, die zuvor nicht erkennbar gewesen seien, und\narchitektonischen Verbesserungen begründet. Die Antragstellerin hätte in jedem\nFall für die Abweichung von dem genehmigten Vorhaben eine Nachtragsgenehmigung\nbeantragen können und müssen.\n\n23\n\n \n\nAuch die Festsetzung des Zwangsgelds durch Bescheid vom 22.09.2006 und die\nAnordnung der Siegelanbringung vom 25.09.2006 unterliegen keinen rechtlichen\nZweifeln. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin war bereits der Bescheid\nvom 08.09.2006 gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO sofortig vollziehbar. Die\nerforderliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eines Bescheids muss\nnicht notwendig in dem vorangestellten Tenor der Hauptentscheidung enthalten\nsein. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wird vielmehr hinreichend\ndeutlich aus Abschnitt VII. des Bescheids.\n\n24\n\n \n\nDas Gesetz geht grundsätzlich davon aus, dass Widerspruch und Anfechtungsklage\naufschiebende Wirkung haben. Soll diese ausnahmsweise aufgrund einer\nBehördenentscheidung entfallen, so setzt dies eine eigens auf die sofortige\nVollziehung gerichtete Willensentschließung der Behörde und deren\nausdrückliche Kundgabe an den Betroffenen voraus, d.h., die Anordnung der\nsofortigen Vollziehung muss ausdrücklich erfolgen. Denn während von der\ngrundsätzlich erforderlichen besonderen Begründung einer Anordnung der\nsofortigen Vollziehung unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO\nabgesehen werden kann, lässt das Gesetz eine Ausnahme von der ausdrücklichen\nAnordnung der sofortigen Vollziehung - von den hier nicht interessierenden\nFällen des § 80 Abs. 2 Nr. 1 - 3 VwGO abgesehen - nicht zu. Eine konkludente\nAnordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes scheidet daher aus\n(vgl. VGH Mannheim, B. v. 30.04.1994 - 1 S 1144/94 - NVwZ 1995, 813). Daher\nist es zutreffend, wenn die Antragstellerin darauf hinweist, dass der\nAusspruch im Tenor des Bescheids, die Baumaßnahmen seien "unverzüglich\neinzustellen", eine Anordnung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht enthält.\n\n25\n\n \n\nIndes enthält die Begründung unter Ziffer VII. des Bescheids zugleich\nhinreichend den Ausspruch, dass die Anordnung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO\ngetroffen werden soll. Aus dieser - den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO\ngenügenden - Begründung wird deutlich, dass der Antragsgegner eine auf diese\nAnordnung gerichtete Willensentschließung getroffen hat. Sie wird durch die\nangesprochene Darlegung auch hinreichend ausdrücklich kundgetan. Der Wortlaut\ndes Einleitungssatzes enthält neben dem Hinweis auf das öffentliche Interesse\ndie Anordnung der sofortigen Vollziehung.\n\n26\n\n \n\nDer Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren\nwar abzulehnen, da sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166\nVwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).\n\n27\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.\n\n28\n\n \n\nDie Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 47, 43 Abs. 1, 52 Abs. 1\nGKG.\n\n29\n\n \n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 4, 66 Abs. 3\nSatz 3 GKG).\n\n
109,399
olgsh-2005-11-30-1-u-10405
1,070
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
olgsh
Schleswig-Holstein
Oberlandesgericht
1 U 104/05
2005-11-30
2018-11-26 08:30:22
2019-01-17 11:34:42
Beschluss
ECLI:DE:OLGSH:2005:1130.1U104.05.0A
#### Tenor\n\n \n\nDer Antrag der Beklagten auf Gewahrung von Prozesskostenhilfe fur den\nBerufungsrechtszug wird zuruckgewiesen.\n\n \n\n \n\nDie Rechtsbeschwerde wird zugelassen.\n\n#### Grunde\n\n \n\nI.\n\n \n\n1\n\n \n\nDie Klagerin hat die Beklagte im ersten Rechtszug auf Ruckzahlung eines\nangeblich gewahrten Darlehens in Hohe von 10.000,00 DM (5.112,91 €) in\nAnspruch genommen. Durch das angefochtene Urteil ist die Klage abgewiesen\nworden, weil die Klagerin die behauptete Darlehensvereinbarung nicht bewiesen\nhabe.\n\n \n\n2\n\n \n\nHiergegen hat die Klagerin Berufung eingelegt. Mit der am 2. September 2005\neingegangenen Berufungsbegrundung hat sie ihr erstinstanzliches Klagebegehren\nin vollem Umfang weiterverfolgt und fur die Berufung Prozesskostenhilfe\nbeantragt. Die Berufungsbegrundung ist dem Prozessbevollmachtigten der\nBeklagten am 6. September 2005 ohne Terminsanberaumung oder Aufforderung zur\nFertigung einer Berufungserwiderung zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 7.\nSeptember 2005 hat der Prozessbevollmachtigte der Beklagten fur den Antrag auf\nZuruckweisung der Berufung Prozesskostenhilfe beantragt.\n\n \n\n3\n\n \n\nDer Senat hat durch Beschluss vom 27. Oktober 2005 den Antrag der Klagerin auf\nBewilligung von Prozesskostenhilfe fur ihre Berufung zuruckgewiesen, weil ihre\nBerufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Gleichzeitig hat der\nSenat angekundigt, die Berufung der Klagerin durch einstimmigen Beschluss\ngemaß § 522 ZPO zuruckzuweisen. Die Klagerin hat in der verlangerten Frist zur\nStellungnahme mit Schriftsatz vom 14. November 2005 ihre Berufung\nzuruckgenommen.\n\n \n\n \n\nII.\n\n \n\n4\n\n \n\nDer Beklagten ist die nachgesuchte Prozesskostenhilfe fur die Verteidigung im\nRechtsmittelverfahren zu versagen.\n\n \n\n5\n\n \n\nGrundsatzlich liegt ein Fall der sog. notwendigen Bewilligung von\nProzesskostenhilfe vor, bei der weder die Erfolgsaussichten noch die\nNotwendigkeit der Rechtsverteidigung des Rechtsmittelgegners zu prufen sind (§\n119 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Voraussetzung fur die Bewilligung ist jedoch nach\nallgemeiner Meinung, dass die Durchfuhrung des Rechtsmittels feststeht, mithin\ndie Rechtsverteidigung des Rechtsmittelgegners notwendig ist (vgl. BGH FamRZ\n1988, 942; OLGR Dusseldorf 2003, 64; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 119 Rn. 16;\nZoller-Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 119 Rn. 55).\n\n \n\n6\n\n \n\nEine Rechtsverteidigung der Berufungsbeklagten war jedoch im Zeitpunkt ihrer\nAntragstellung am 7./9. September 2005 nicht erforderlich. Fur sie bestand\nkein Grund, sich bereits in diesem Zeitpunkt an dem Verfahren mit Kostenfolgen\nzu beteiligen. Trotz der vorliegenden Berufungsbegrundung der Klagerin war es\nder Beklagten zuzumuten, abzuwarten, ob das Berufungsgericht von der\nMoglichkeit Gebrauch macht, die Berufung der Klagerin nach Versagung von\nProzesskostenhilfe und nach einem Hinweis auf die Erfolglosigkeit des\nRechtsmittels durch einstimmigen Beschluss gemaß § 522 Abs. 2 ZPO\nzuruckzuweisen (vgl. OLG Dusseldorf, MDR 2003, 658 - 659; OLG Celle, MDR 2004,\n598; Musielak, a.a.O., § 119 Rn. 14). Daran andert auch nichts, dass nicht nur\ndie Berufungsklagerin, sondern auch die Berufungsbeklagte auf die\nbeabsichtigte Zuruckweisung hinzuweisen ist. Daraus, dass einerseits beide\nParteien von der beabsichtigten Zuruckweisung gemaß § 522 Abs. 2 ZPO zu\nunterrichten sind, jedoch andererseits nur der Berufungsklagerin Gelegenheit\nzur Stellungnahme einzuraumen ist, folgt ohne weiteres, dass dem Gegner\nzuzumuten ist, zunachst das weitere Verfahren abzuwarten, bis - ggf. aufgrund\nder Stellungnahme des Rechtsmittelfuhrers - das Berufungsgericht vom Verfahren\nnach § 522 Abs. 2 ZPO Abstand nimmt (OLG Dusseldorf a.a.O.).\n\n \n\n7\n\n \n\nDie Berufungsbeklagte bedurfte im Zeitpunkt der Antragstellung auch nicht aus\nanderen Grunden des anwaltlichen Beistands. Der Einlegung eines\nselbststandigen Rechtsmittels oder der Stellung von Antragen im Rahmen der\nVollstreckbarkeit oder der vorlaufigen Einstellung einer Zwangsvollstreckung\nbedurfte es bei dem klagabweisenden Urteil nicht. Der Hinzuziehung eines\nRechtsanwaltes fur einen Kostenerstattungsanspruch im Falle der Zurucknahme\nder Berufung oder Zuruckweisung der Berufung als unbegrundet gemaß § 522 ZPO\nbedurfte es ebenfalls nicht. In beiden Fallen geschieht die fur die\nBerufungsbeklagte gunstige Kostenentscheidung von Amts wegen (§§ 97, 516 Abs.\n3 ZPO). Eines gesonderten Kostenantrages durch ihren Prozessbevollmachtigten\nbedurfte es daher nicht.\n\n \n\n8\n\n \n\nDie Beklagte erleidet durch das Zuwarten auch keine prozessualen Nachteile,\nweil eine, ihr nachteilige Sachentscheidung bis zur Entscheidung des Senats\nuber das weitere verfahrensrechtliche Schicksal der Berufung der Klagerin\nnicht ergehen konnte.\n\n \n\n9\n\n \n\nDer Senat lasst wegen der grundsatzlichen Bedeutung der Rechtsfrage die\nRechtsbeschwerde zu (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO).\n\n \n\n \n\n
109,691
vg-schleswig-holsteinisches-2005-06-21-2-b-6805
1,071
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht
vg-schleswig-holsteinisches
Schleswig-Holsteinisches
Schleswig-Holstein
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 B 68/05
2005-06-21
2018-11-26 09:52:48
2019-01-17 11:34:50
Beschluss
ECLI:DE:VGSH:2005:0621.2B68.05.0A
#### Tenor\n\n \n\nDer Antrag wird abgelehnt.\n\n \n\nDie Kosten des Verfahrens werden den Antragstellern auferlegt.\n\n \n\nDer Streitwert wird auf 5000 € festgesetzt.\n\n#### Grunde\n\n1\n\n \n\nDer am 08. Mai 2005 bei dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht\ngestellte Antrag,\n\n2\n\n \n\nden Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO\nzu verpflichten, die Auslanderbehorde der Landeshauptstadt A-Stadt anzuweisen,\ndie Antragsteller vorlaufig weiter zu dulden,\n\n3\n\n \n\nhat keinen Erfolg.\n\n4\n\n \n\nGemaß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO setzt der Erlass der begehrten einstweiligen\nAnordnung voraus, dass diese Regelung eines vorlaufigen Zustandes in Bezug auf\nein streitiges Rechtsverhaltnis notwendig ist, um erhebliche Rechtsnachteile\nfur die Antragsteller abzuwenden. Erforderlich sind fur den Erlass einer\nsolchen Regelungsanordnung ein Anordnungsgrund, d.h. die Notwendigkeit einer\nEilentscheidung, und zum anderen ein Anordnungsanspruch, also ein\nschutzfahiges materielles Recht der Antragsteller. Anordnungsgrund und\nAnordnungsanspruch sind gemaß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO\nglaubhaft zu machen. Bei der in diesem Eilverfahren gebotenen summarischen\nPrufung fehlt es jedoch an der Glaubhaftmachung des erforderlichen\nAnordnungsanspruch. Es ist von den Antragstellern nicht glaubhaft gemacht\nworden, dass sie einen Anspruch darauf haben, dem Antragsgegner aufzugeben,\ndie Auslanderbehorde der Landeshauptstadt A-Stadt anzuweisen, sie vorlaufig\nweiterhin zu dulden.\n\n5\n\n \n\nZunachst fuhren die Antragsteller in ihrer Antragsschrift selbst zu Recht aus,\ndass sich ein solcher Anspruch nicht aus § 23 a Aufenthaltsgesetz ergibt. Nach\ndem ausdrucklichen Wortlaut der vorbezeichneten Vorschrift in Abs. 1 Satz 4\nsteht die Befugnis des Antragsgegners zur Aufenthaltsgewahrung ausschließlich\nim offentlichen Interesse und begrundet keine eigenen Rechte der\nAntragsteller. Mithin begrundet das Hartefallersuchen der Hartefallkommission\nan den Antragsgegner kein subjektives Recht der Antragsteller. Insbesondere\nbegrundet dieses Hartefallersuchen keinen Anspruch der Antragsteller gegen den\nAntragsgegner, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis anzuordnen.\n\n6\n\n \n\nWeiterhin versuchen die Antragsteller ohne Erfolg ihr Begehren unmittelbar auf\nArt. 3 Abs. 1 GG zu stutzen. Abgesehen davon, dass die Antragsteller die\ntatsachlichen Voraussetzungen einer willkurlichen Ungleichbehandlung durch den\nAntragsgegner nicht im Ansatz darlegen, geschweige denn in der hier\nerforderlichen Weise glaubhaft machen, kommt schon aus Rechtsgrunden\nvorliegend eine gleichheitssatzwidrige Behandlung der Antragsteller durch den\nAntragsgegner nicht in Betracht.\n\n7\n\n \n\nDer Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet willkurliche\nUngleichbehandlung, d.h. die unterschiedliche Behandlung vergleichbarer\nSachverhalte, u.a. durch Trager offentlicher Gewalt. Grundrechtsrelevant sind\njedoch nur solche Handlungen der Trager offentlicher Gewalt, die Außenwirkung\nentfalten. Verwaltungsinterna kommt schon mangels rechtsbeeintrachtigender\nWirkung fur den Burger keine Gleichheitssatzrelevanz zu. Ein Eingriff in den\nSchutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG setzt stets eine unmittelbare\nBenachteiligung durch einen Grundrechtsadressaten voraus (vgl. Jarass/ Pieroth\nGG Art. 3 Rdnr. 9 mwN.).\n\n8\n\n \n\nDas Verfahren zur Aufenthaltsgewahrung in Hartefallen gem. § 23 a\nAufenthaltsgesetz ist jedoch ein bloßes Verwaltungsinternum, das unter\nUmstanden in eine fachaufsichtliche Weisung der obersten Landesbehorde an die\nzustandige Auslanderbehorde munden kann. § 23 a Aufenthaltsgesetz begrundet\naber nicht mit Außenwirkung weitere, zusatzliche oder andere, Aufenthaltstitel\nfur die Auslander, deren weiteren Aufenthalt die Hartefallkommission im Wege\nder Selbstbefassung zum Gegenstand der Beratung gemacht hat. Aufenthaltstitel\nkonnen die Auslander ausschließlich von der fur sie zustandigen\nAuslanderbehorde erteilt bekommen, unabhangig davon ob diese Erteilung\ngegebenenfalls auf eine fachaufsichtliche Weisung der obersten\nAuslanderbehorde zuruckgeht.\n\n9\n\n \n\nDem Burger wird gemaß Art. 19 Abs. 4 GG dadurch Rechtschutz gewahrt, dass er\nseine Anspruche gerichtlich gegenuber der zustandigen Behorde geltend machen\nkann. Indessen ist es dem Anspruchsteller verwehrt, die verwaltungsinternen\nAblaufe zur Entscheidung uber den geltend gemachten Anspruch zu beeinflussen.\nDementsprechend steht es den Bundeslandern frei, von der Ermachtigung des § 23\na Abs. 2 Aufenthaltsgesetz durch die Einrichtung einer Hartefallkommission\nGebrauch zu machen. In gleicher Weise rechtsfehlerfrei konnen die Bundeslander\nauch auf die Einrichtung einer Hartefallkommission verzichten, wie dieses z.\nB. in Sachsen der Fall ist, und das Verwaltungsverfahren zur Erteilung von\nAufenthaltstiteln anders ausgestalten.\n\n10\n\n \n\nDie Ausgestaltung des Verfahrens in Schleswig-Holstein nach § 23 a Abs. 2\nAufenthaltsgesetz durch die Landesverordnung vom 11. Januar 2005 ist fur die\nAntragsteller nicht gleichheitssatzrelevant. Dieses gilt umso mehr, als fur\nandere Auslander unter der Geltung des Aufenthaltsgesetzes ein solches\nVerfahren in anderen Bundeslandern von vornherein nicht durchgefuhrt wird.\n\n11\n\n \n\nOhne Erfolg verweisen die Antragsteller auf die Justiziabilitat von\nGnadenentscheidungen. Die Begnadigung kann zwar nicht unmittelbar beansprucht\nwerden, wie dieses nach zutreffender Ansicht der Antragsteller gem. § 23 a\nAufenthaltsgesetz auch fur die Entscheidung uber ein Hartefallersuchen gilt.\nAllerdings hat die Ausubung des Begnadigungsrechtes unmittelbare Außenwirkung\nfur den Verurteilten und ist deshalb gleichheitssatzrelevant. Demgegenuber\nkommt dem Hartefallersuchen und der darauf folgenden Entscheidung des\nAntragsgegners, wie oben ausgefuhrt, eine solche Außenwirkung gerade nicht zu.\nDas Hartefallverfahren nach § 23 a Aufenthaltsgesetz ist insgesamt keine\nAusubung hoheitlicher Gewalt gegenuber den Antragstellern. Deren\nAufenthaltsstatus wird ausschließlich durch die zustandige Auslanderbehorde\ngeregelt.\n\n12\n\n \n\nNach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO\nabzulehnen. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1,\n63 Abs. 2 GKG n. F..\n\n \n\n
109,712
olgsh-2005-07-21-16-w-3705
1,070
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
olgsh
Schleswig-Holstein
Oberlandesgericht
16 W 37/05
2005-07-21
2018-11-26 09:52:51
2019-01-17 11:34:51
Beschluss
ECLI:DE:OLGSH:2005:0721.16W37.05.0A
#### Tenor\n\n \n\nDer angefochtene Beschluss wird aufgehoben.\n\n \n\n \n\nDie Rechtsbeschwerde wird zugelassen.\n\n#### Grunde\n\n \n\nI.\n\n \n\n1\n\n \n\nDie Antragstellerin, eine Yachtwerft, hat gegen den Antragsgegner, einen\nMalermeister, die Durchfuhrung des vorliegenden selbststandigen\nBeweisverfahrens beantragt. Sie hat die Einholung eines\nSachverstandigengutachtens zu behaupteten Mangeln bei der Ausfuhrung von\nSpachtel- und Lackierungsarbeiten an einer Segelyacht beantragt.\n\n \n\n2\n\n \n\nDas Landgericht hat gem. §§ 485, 490 ZPO antragsgemaß einen Beweisbeschluss\nerlassen.\n\n \n\n3\n\n \n\nBei dem vom Sachverstandigen auf den 26.05.2004 anberaumten Ortstermin zur\nUntersuchung der Yacht kam es zu Unstimmigkeiten uber die Teilnahme eines\nPrivatgutachters aufseiten des Antragsgegners. Der Geschaftsfuhrer der\nAntragstellerin wies den Privatgutachter vom Werftgelande. Gegen eine\nVerwertung der vom gerichtlichen Sachverstandigen durchgefuhrten Untersuchung\nhat der Antragsgegner Einwendungen erhoben und eine Wiederholung des\nOrtstermins beantragt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 29.06.2004 die\nWiederholung des Ortstermins angeordnet und der Antragstellerin aufgegeben,\ndie Anwesenheit des vom Antragsgegner eingeschalteten Privatgutachters zu\ndulden. Gegenvorstellungen der Antragstellerin hiergegen blieben erfolglos.\n\n \n\n4\n\n \n\nDer daraufhin vom gerichtlichen Sachverstandigen auf den 25.08.2004 anberaumte\nerneute Ortstermin konnte nicht durchgefuhrt werden, weil der Eigner der Yacht\ndiese nach Angabe der Antragstellerin zwischenzeitlich in die Schweiz hatte\nverbringen lassen. Ein Ortstermin in der Schweiz erwies sich als nicht\ndurchfuhrbar, weil der Eigner nicht mitwirkte.\n\n \n\n5\n\n \n\nDie Antragstellerin erklarte mit Schriftsatz vom 07.01.2005 die Hauptsache fur\nerledigt. Dem schloss sich der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 14.01.2005\nan.\n\n \n\n6\n\n \n\nMit dem angefochtenen Beschluss vom 23.01.2005 hat das Landgericht der\nAntragstellerin die Kosten des selbststandigen Beweisverfahrens gem. § 91 a\nZPO auferlegt.\n\n \n\n7\n\n \n\nIn dem Beschluss ist ausgefuhrt, hierbei sei zu berucksichtigen, ob die\nbeantragte Beweiserhebung nachtraglich durch tatsachliche Veranderungen oder\nWegfall des rechtlichen Interesses an ihr hinfallig geworden und wem dies\nzuzurechnen sei. Die Verantwortung fur die Undurchfuhrbarkeit der\nBeweisaufnahme habe die Antragstellerin zu tragen. Es falle in ihren\nVerantwortungsbereich, dass das Ergebnis des Ortstermins vom 26.04.2004 wegen\nder Verletzung des Grundsatzes der Parteioffentlichkeit gem. § 357 ZPO nicht\nverwertet werden konne.\n\n \n\n8\n\n \n\nMit Schriftsatz vom 26.01.2005 hat der Antragsgegner mitgeteilt, er habe\nzwischenzeitlich Werklohnklage wegen der streitigen Malerarbeiten erhoben.\n\n \n\n9\n\n \n\nMit ihrer sofortigen Beschwerde rugt die Antragstellerin, eine Entscheidung\nnach § 91 a ZPO sei unzulassig gewesen. Im Übrigen liege auch keine\nBeweisvereitelung vor, weil die Abholung der Yacht durch den Eigner nicht habe\nverhindert werden konnen. Auch sei der Privatsachverstandige nicht\nherangezogen worden, um den Antragsgegner bei der Formulierung fachlich\ngeeigneter Fragen zu unterstutzen. Dazu sei der fachkundige Antragsgegner\nselbst in der Lage gewesen. Der Privatsachverstandige habe vielmehr den\ngerichtlichen Sachverstandigen kontrollieren sollen. Das sei vom Grundsatz der\nParteioffentlichkeit nicht gedeckt.\n\n \n\n \n\nII.\n\n \n\n10\n\n \n\nDie nach § 91 a Abs. 2 S. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist form- und\nfristgerecht eingelegt worden, § 569 ZPO.\n\n \n\n11\n\n \n\nDas Rechtsmittel fuhrt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, weil er\nohne Rechtsgrundlage ergangen ist.\n\n \n\n12\n\n \n\n1\\. Ob im selbststandigen Beweisverfahren eine Kostenentscheidung nach § 91 a\nZPO nach ubereinstimmender Erledigungserklarung ergehen darf, ist umstritten\n(dazu Nachweise bei BGH NJW-RR 2004, 1005; ferner Zoller/Herget, ZPO, 25.\nAufl., § 494 a Rdnr. 5).\n\n \n\n13\n\n \n\na) Wahrend die Gegner einer Anwendbarkeit von § 91 a ZPO auf selbststandige\nBeweisverfahren darauf abheben, es liege kein Prozessrechtsverhaltnis vor, die\nPrufung der sachlichen Rechtslage sei im Rahmen des Beweisverfahrens nicht\nmoglich (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 91 Rdnr. 193; OLG\nHamburg MDR 119, 1998, 242, 243; OLG Dresden JurBuro 1999, 594), bejahen die\nBefurworter eine Anwendung von § 91 a ZPO auch im selbststandigen\nBeweisverfahren wegen eines praktischen Bedurfnisses fur solche Entscheidungen\n(Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., vor § 485 Anm. IV 1;\nThomas/Putzo/Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 494 a Rdnr. 6; MuKo-Lindacher, ZPO,\n2. Aufl., § 91 a Rdnr. 146; Zoller/Herget, a.a.O. , § 495 a Rdnr. 5; OLG\nReport Hamm 1999, 220). Dabei sei nur darauf abzustellen, ob der Beweisantrag\nbis zur Erledigungserklarung zulassig und begrundet gewesen sei (OLG Munchen\nBauR 2000, 139).\n\n \n\n14\n\n \n\nDer Senat halt die Begrundungen beider Seiten nicht fur uberzeugend, weil sie\nden maßgeblichen Gesichtspunkt verfehlen.\n\n \n\n15\n\n \n\nEs herrscht Übereinstimmung, dass § 91 a ZPO nicht auf Rechtsstreite im\nengeren Sinne, sondern auf alle kontradiktorischen Verfahren der ZPO anwendbar\nist, in denen eine Kostengrundentscheidung moglich ist (Zoller/Vollkommer,\na.a.O., § 91 a Rdnr. 7).\n\n \n\n16\n\n \n\nAm letzteren fehlt es aber fur die Zulassigkeit einer Kostenentscheidung nach\n§ 91 a ZPO im selbststandigen Beweisverfahren. In diesem Verfahren ergeht\nnamlich grundsatzlich keine Kostenentscheidung (BGH NJW-RR 2004, 1005). Die\neinzige gesetzliche Ausnahme nach § 494 a Abs. 2 ZPO ist, weil Ausnahme, eng\nauszulegen (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, a.a.O., § 91 Rdnr. 194).\n\n \n\n17\n\n \n\nAls weitere Ausnahme hat sich in der Praxis allerdings durchgesetzt, bei\nZuruckweisung des Antrages als unzulassig und bei Antragsrucknahme die Kosten\ndem Antragsteller aufzuerlegen (Zoller/Herget, a.a.O., § 91 Rdnr. 13\n„selbststandiges Beweisverfahren").\n\n \n\n18\n\n \n\nSchon hiergegen bestehen Bedenken. Wie nicht anders zu erwarten, sind aus\ndiesen Ausnahmen weitere Ausnahmefalle abgeleitet worden. So soll die\nNichtzahlung des Vorschusses einer Rucknahme gleichstehen, ebenso das\nNichtbetreiben des Verfahrens, sogar die einseitige Erledigungserklarung\n(a.a.O.).\n\n \n\n19\n\n \n\nDie angebliche Zulassigkeit einer Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO gehort in\ndiesen Zusammenhang. In allen Fallen wird die gesetzgeberische Entscheidung,\ndie Kosten des selbststandigen Beweisverfahrens dem kunftigen\nErkenntnisverfahren in der Hauptsache vorzubehalten oder die Parteien auf die\nGeltendmachung materieller Kostenerstattungsanspruche zu verweisen,\nmissachtet.\n\n \n\n20\n\n \n\nc) Eine Anwendung des § 91 a ZPO auf das selbststandige Beweisverfahren\nscheidet auch bei Berucksichtigung aller genannten Ausnahmen von dem Grundsatz\ndes Unterbleibens einer Kostenentscheidung im selbststandigen Beweisverfahren\nschon deshalb aus, weil eine Kostenentscheidung zulasten des Antragsgegners\nstets ausgeschlossen ist (BGH NJW-RR 2004, 1005/1006). § 91 a ZPO setzt aber\ngerade voraus, dass bei der Ermessensentscheidung uber die Kosten nach dieser\nVorschrift je nach Sach- und Streitstand jeder der Parteien Kosten auferlegt\nwerden konnen. Ist dies im selbststandigen Beweisverfahren, weil es immer nur\nzu Kostenentscheidungen zulasten des Antragstellers kommen kann,\nausgeschlossen, kann eine Befugnis des Gerichts, davon abzuweichen, nicht\ndurch bloße ubereinstimmende Erledigungserklarungen begrundet werden. Vielmehr\nfehlt es dann bereits an einer Grundvoraussetzung fur eine direkte oder\nanaloge Anwendung des § 91 a ZPO.\n\n \n\n21\n\n \n\n2\\. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO\nzugelassen, weil die Rechtssache grundsatzliche Bedeutung hat.\n\n \n\n22\n\n \n\n3\\. Eine Kostenentscheidung hat zu unterbleiben, da nach dem erorterten\nGrundsatz des Unterbleibens von Kostenentscheidungen im selbststandigen\nBeweisverfahren im Beschwerdeverfahren nur in den Fallen des § 97 Abs. 1 ZPO\nisoliert uber die Kosten zu entscheiden ist (Zoller/Herget, a.a.O. , § 490\nRdnr. 5).\n\n \n\n \n\n
109,732
lagmv-2007-05-08-5-sa-34806
476
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
lagmv
Mecklenburg-Vorpommern
Arbeitsgerichtsbarkeit
5 Sa 348/06
2007-05-08
2018-11-26 09:54:08
2019-01-17 11:34:52
Urteil
#### Tenor\n\n \n\n1\\. Die Berufung wird zuruckgewiesen.\n\n \n\n2\\. Die Klageerweiterung wird abgewiesen.\n\n \n\n3\\. Die Widerklage wird abgewiesen.\n\n \n\n4\\. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragt der Klager zu 2/3 und im Übrigen\ndie Beklagte.\n\n \n\n5\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDer durch arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kundigung ausgeschiedene Klager\nverlangt im vorliegenden Rechtsstreit noch Zahlung aus einem Sozialplan bzw.\nNachteilsausgleich.\n\n2\n\n \n\nDie Beklagte hat ein mittelstandisches Bauunternehmen betrieben mit im\nRegelfall etwa 100 Arbeitnehmern. Der Klager ist im Betrieb der Beklagten seit\n1984 als Baufachwerker beschaftigt, zuletzt mit einem Stundenlohn in Hohe von\n9,76 € brutto.\n\n3\n\n \n\nDie Beklagte hatte jahrelang ihre Arbeitnehmer auch uber die Winterzeit unter\nVertrag gehalten. Auf Initiative der Beklagten wurde von dieser Handhabung\nbeginnend mit der Winterperiode 2003/2004 Abstand genommen. Die gemeinsame\nIdee der Absprachen zwischen Beklagter und dem bei ihr gebildeten Betriebsrat\nwar, die Arbeitnehmer rechtzeitig fristgemaß zu kundigen und sie dann im\nFruhjahr wieder einzustellen. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte mit\nihrem Betriebsrat unter dem 12.11.2003 einen Sozialplan ausgehandelt (in\nZukunft abgekurzt nur als Sozialplan bezeichnet), auf den der Klager nunmehr\nseine Klage auf Zahlung einer - der Hohe nach unstreitigen - Abfindung stutzt.\nSoweit von Interesse lautet der Sozialplan wie folgt:\n\n4\n\n \n--- \n"Praambel \nDer vorliegende Sozialplan dient dem Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile\nauf Grund von betriebsbedingten Kundigungen fur Angestellte und gewerblich\nBeschaftigter, nachfolgend Mitarbeiter genannt, sowie zur Sicherung der\nverbleibenden Arbeitsplatze. \n... \n§ 1 Geltungsbereich \n1\\. Die Regelungen dieses Sozialplanes gelten fur alle Mitarbeiter, die auf\nGrund betriebsbedingter Kundigungen entlassen werden und die nicht innerhalb\nvon 6 Monaten vom Entlassungstag an gerechnet wieder eingestellt werden. \n2\\. ... \n§ 2 Abfindungen \n... \n§ 3 Auszahlung \n1\\. Die Abrechnung und Auszahlung der Abfindungen erfolgt 2 Wochen nach Ablauf\nder Frist gemaß § 1, Absatz 1. \n2\\. Im Fall der Erhebung einer Kundigungsschutzklage wird der Anspruch auf die\nAbfindung erst fallig, wenn das Verfahren rechtskraftig abgeschlossen und die\nKundigung bestatigt worden ist." \n \n5\n\n \n\nAuf dieser Basis wurde der Klager und seine Kollegen sowohl 2003/2004 als auch\n2004/2005 entlassen und wieder eingestellt. Abfindungen mussten in dieser Zeit\nnie bezahlt werden.\n\n6\n\n \n\nIm Vorlauf zur Winterzeit 2005/2006 haben die Parteien bereits am 10.06.2005\neinen Interessenausgleich mit Namensliste, die auch den Klager erfasst,\nabgeschlossen (im Folgenden immer nur als Interessenausgleich bezeichnet). Der\nInteressenausgleich lautet auszugsweise wie folgt:\n\n7\n\n \n--- \n"Auf dem Baumarkt sind kostendeckende Preise nicht zu erzielen. Wie die\nAuswertungen der Angebote zeigt, werden die Auftrage bis zu 25 % unter dem\ndurchschnittlichen Angebotspreis vergeben. \nAus diesem Grunde ist das Unternehmen zum Erhalt seiner Existenz gezwungen,\nzur Sicherung der Liquiditat Maßnahmen einzuleiten. \n1\\. Zwischen Geschaftsleitung und Betriebsrat besteht danach Einigkeit, einen\nTeil der Belegschaft wegen Arbeitsmangel in der Winterzeit aus betrieblichen\nGrunden zu kundigen. \n2\\. Folgende Arbeitnehmer sind von dieser Maßnahme betroffen: \n... \n3\\. Die Parteien sind sich daruber einig, dass bei entsprechender Auftragslage\nin 2006 die gekundigten Mitarbeiter entsprechend Bedarf vorrangig wieder\neingestellt werden. \n4\\. Da es sich vorwiegend um eine sogenannte Massenentlassung im Sinne von §\n17 KSchG handelt, ist vor Ausspruch der Kundigung die Entlassung der\nArbeitnehmer bei der Bundesagentur fur Arbeit anzuzeigen. \n..." \n \n8\n\n \n\nAuf Basis des Interessenausgleichs wurde dem Klager unter dem 28.06.2005 die\nKundigung ausgesprochen, die das Arbeitsverhaltnis der Parteien zum 31.12.2005\nbeendet hat. Die Kundigung ist gerichtlich nicht angegriffen.\n\n9\n\n \n\nAm 05.01.2006 hat sich die Beklagte sodann entschlossen, den Betrieb "in 2006"\n(Blatt 79) einzustellen. Davon wurde der Betriebsrat am 25.01.2006 und die\nBelegschaft am 31.01.2006 unterrichtet. Formliche Verhandlungen zu einem\nInteressenausgleich gab es nicht.\n\n10\n\n \n\nWegen der Einstellung der Betriebstatigkeit ist es nicht mehr zur\nWiedereinstellung des Klagers im Fruhjahr 2006 gekommen.\n\n11\n\n \n\nDie Beklagte hat ihre werbende Tatigkeit am Markt tatsachlich aufgegeben und\nhat im Laufe des Jahres 2006 samtliches Personal entlassen. Die sonstigen\nBetriebsmittel stehen jedoch nach wie vor unverandert zur Verfugung, so dass\ndie Betriebstatigkeit jederzeit mit kurzer Anlaufzeit wieder aufgenommen\nwerden konnte.\n\n12\n\n \n\nAuf Antrag der Beklagten bzw. ihres Geschaftsfuhrers schwebt uber der\nBeklagten ein Insolvenzeroffnungsverfahren. Unter dem 24.05.2007 hat das\nInsolvenzgericht einen vorlaufigen Insolvenzverwalter berufen.\n\n13\n\n \n\nMit seiner am 03.04.2006 eingegangen Klage hat der Klager die Zahlung von\n3.900,00 € Abfindung aus dem Sozialplan verlangt. Dem hat das Arbeitsgericht\nmit Urteil vom 19.09.2006 in vollem Umfang entsprochen.\n\n14\n\n \n\nDas Urteil ist der Beklagten am 07.11.2006 zugestellt worden. Die hiergegen\ngerichtete Berufung der Beklagten vom 04.12.2006 ist hier am 05.12.2006\neingegangen. Sie ist nach Fristverlangerung auf Grund eines Antrages, der hier\nam 29.12.2006 eingegangen war, innerhalb der verlangerten Frist mit\nSchriftsatz vom 31.01.2007, Gerichtseingang am 02.02.2007, begrundet worden.\n\n15\n\n \n\nWahrend des Berufungsrechtszuges hat der Klager aus dem arbeitsgerichtlichen\nUrteil erfolgreich die Vollstreckung betrieben. Daher begehrt die Beklagte\nnunmehr im Wege der Widerklage Zahlung in Hohe der beigetriebenen klagerischen\nForderung.\n\n16\n\n \n\nAußerdem hat der Klager im Berufungsrechtszug seine Klage mit einem\nSchriftsatz, der hier am 26.02.2007 eingegangen ist, erweitert und er fordert\nnunmehr zusatzlich die Zahlung von rund 17.000,00 € Nachteilsausgleich wegen\ndes fehlenden Versuches zum Abschluss eines Interessenausgleichs auf Basis des\narbeitgeberseitigen Entschlusses, die Betriebstatigkeit in 2006 ganzlich\neinzustellen.\n\n17\n\n \n\nDie Beklagte meint, dem Klager stehe kein Anspruch aus dem Sozialplan zu. Bei\nder Auslegung des Sozialplanes musse man die gemeinsame Geschaftsgrundlage der\nVereinbarung mit berucksichtigen. Danach - so die Beklagte - war es das Ziel,\nalle Arbeitnehmer wieder einzustellen. Die Zahlung von Abfindungen hatte man\nnur der guten Form halber vorgesehen, man sei sich jedoch einig gewesen, dass\nes nicht zu Abfindungszahlungen kommen sollte. Daran habe sich auch durch den\nAbschluss des Interessenausgleichs nichts andern sollen.\n\n18\n\n \n\nAnspruche auf Nachteilsausgleich wegen der Betriebseinstellung stunden dem\nKlager nicht zu. Mogliche Anspruche seien bereits nach § 15 BRTV weggefallen.\nIm Übrigen bewege sich die Betriebseinstellung noch in dem\nVereinbarungsrahmen, der durch den Interessenausgleich gesetzt wurde, der ja\nausdrucklich die Wiedereinstellungszusage unter dem Vorbehalt eines\nentsprechenden Bedarfs stelle.\n\n19\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n20\n\n \n\n1\\. die Klage unter Abanderung des arbeitsgerichtlichen Urteils abzuweisen;\n\n21\n\n \n\n2\\. die Klageerweiterung abzuweisen;\n\n22\n\n \n\n3\\. den Klager zu verurteilen, an die Beklagte 3.900,00 € nebst funf Prozent\nZinsen uber dem Basiszinssatz seit Rechtshangigkeit zu zahlen.\n\n23\n\n \n\nDer Klager beantragt,\n\n24\n\n \n\n1\\. die Berufung zuruckzuweisen;\n\n25\n\n \n\n2\\. die Widerklage abzuweisen;\n\n26\n\n \n\n3\\. die Beklagte zusatzlich zu verurteilen, an den Klager einen\nNachteilsausgleich, dessen Hohe in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird,\naber 16.904,32 € brutto nicht unterschreiten soll, zuzuglich Zinsen in Hohe\nvon funf Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit Rechtshangigkeit zu\nzahlen.\n\n27\n\n \n\nDer Klager meint, der Abfindungsanspruch aus dem Sozialplan stehe ihm zu, da\ndie tatbestandlichen Voraussetzungen alle erfullt seien. Ob der Betriebsrat\nund die Beklagte insgeheim davon ausgegangen seien, dass es nie zu\nAbfindungszahlungen kommen konnte, da die Arbeitsverhaltnisse an sich nur\nruhend gestellt werden sollten, sei unerheblich. Denn dieser angebliche\ngemeinsamer Wille finde im Sozialplan keinen Niederschlag. Im Gegenteil,\nsowohl der Sozialplan als auch der Interessenausgleich formulierten den\nWiedereinstellungsanspruch nicht unbedingt, was nur den Schluss zulasse, dass\nbeide Dokumente sehr wohl die Moglichkeit mit eingerechnet hatten, dass es\nnicht zur Wiedereinstellung komme.\n\n28\n\n \n\nAuch der Nachteilsausgleichsanspruch sei gegeben, denn der Beschluss der\nBeklagten aus Januar 2006, nunmehr die Betriebstatigkeit ganzlich\neinzustellen, gehe uber den Interessenausgleich von 2005 hinaus, der noch von\neiner Fortsetzung der Betriebstatigkeit ausgegangen sei.\n\n29\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten wird auf die uberreichten Schriftsatze nebst\nAnlagen sowie auf das Protokoll der gerichtlichen Verhandlung Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n30\n\n \n\nDie zulassige Berufung ist nicht begrundet. Die Klageerweiterung und die\nWiderklage sind ebenfalls nicht begrundet.\n\n \n\nI.\n\n31\n\n \n\nDie Berufung ist nicht begrundet.\n\n32\n\n \n\nDer der Hohe nach nicht im Streit stehende Abfindungsanspruch steht dem Klager\naus dem Sozialplan 2003 zu.\n\n33\n\n \n\nIn der Person des Klagers sind die Voraussetzungen nach § 1 des Sozialplanes\nerfullt, denn der Klager ist betriebsbedingt entlassen worden und er ist nicht\ninnerhalb von sechs Monaten wieder eingestellt worden. Der Anspruch steht auch\nnach § 3 Sozialplan zur Auszahlung an, da der Klager keine\nKundigungsschutzklage erhoben hat und die in § 3.1 geregelte Wartefrist schon\nlange verstrichen ist.\n\n34\n\n \n\nDer Sozialplan ist auch nicht wegen eines unzulassigen Verzichtes des\nBetriebsrates auf die Ausubung seines Beteiligungsrechtes unwirksam. Der\nSozialplan ist zwar nicht fur eine bestimmte einzelne Betriebsanderung\nverabredet worden, er ist jedoch, was durch die Regelung zur Wiedereinstellung\ndeutlich wird, erkennbar auf die periodisch im Winter auftretenden\nBeschaftigungsprobleme abgestellt. Mit dieser konkreten Zwecksetzung konnten\ndie Betriebsparteien wirksam einen uber mehrere Jahre gultigen Sozialplan\nverabschieden, ohne dass damit der Betriebsrat unzulassig auf die Wahrnehmung\nseines Beteiligungsrechtes verzichtet hatte. Die Entlassung des Klagers ist\nauch im Rahmen dieser Zwecksetzung des Sozialplanes erfolgt.\n\n35\n\n \n\nDen Sozialplan haben die Parteien auch nicht nur zum Schein abgeschlossen.\nWenn es das gemeinsame Ziel der Betriebpartner war, die Arbeitnehmer in den\nWintermonaten durch den Bezug von Arbeitslosengeld zu versorgen, mussten die\nArbeitsverhaltnisse der Beschaftigten tatsachlich und nicht nur zum Schein\nbeendet werden. Auf die mit der tatsachlichen Beendigung der\nArbeitsverhaltnisse einhergehenden Risiken fur die Fortbeschaftigung konnte\nsich der Betriebsrat jedoch nur einlassen, wenn die Beklagte durch drohende\nAbfindungszahlungen auch tatsachlich aus Grunden wirtschaftlicher Vernunft\ngezwungen war, die Arbeitnehmer wieder einzustellen. Daher ist es gerade die\ngemeinsame Geschaftsgrundlage des Sozialplans, die es verbietet, den\nSozialplan selbst oder die dort vorgesehenen Abfindungszahlungen als\nScheingeschaft abzutun.\n\n \n\nII.\n\n36\n\n \n\nDa die Berufung nicht begrundet ist, hat der Klager mit Recht aus dem\narbeitsgerichtlichen Urteil vollstreckt. Er braucht das Erlangte nicht wieder\nherauszugeben. Die Widerklage ist daher nicht begrundet. Dies gilt unabhangig\ndavon, ob die Vollstreckung bereits zu einer vollstandigen Befriedigung des\nklagerischen Anspruchs gefuhrt hat oder noch nicht.\n\n \n\nIII.\n\n37\n\n \n\nDie Klageerweiterung ist nicht begrundet.\n\n38\n\n \n\nDie Beklagte hat zwar im Januar 2006 sich zu einer Betriebsanderung\nentschlossen, die weit uber den Interessenausgleich hinausgeht. Der Klager\nkann daraus jedoch keine Anspruche herleiten, da er bereits zuvor, namlich zum\n31.12.2006 aus dem Betrieb der Beklagten ausgeschieden ist.\n\n39\n\n \n\nDass der Klager auf Grund der Kundigung vom 28.06.2006 tatsachlich\nausgeschieden ist, ist bereits oben unter I. festgestellt worden. Die vom\nKlager im Zusammenhang mit seiner Nachteilsausgleichsforderung gehegte\nVorstellung, das Arbeitsverhaltnis sei eigentlich lediglich ruhend gestellt\nworden und habe daher im Januar 2006 zumindest als rechtliches Band noch\nbestanden, entspricht nicht den feststellbaren Umstanden. Die Option zur\nWiedereinstellung war nach dem Sozialplan - und im Übrigen auch nach dem\nInteressenausgleich - nicht als Rechtsanspruch ausgestaltet, sondern sie\nsollte indirekt durch die Verabredung von Abfindungsanspruchen bei\nNichterfullung wie durch eine Vertragsstrafe wirtschaftlich abgesichert\nwerden. Damit steht aber fest, dass die gekundigten Arbeitnehmer und so auch\nder Klager mit Ablauf der Kundigungsfrist aus dem betrieblichen Verbund\nausgeschieden sind und sie erst bei Wiedereinstellung wieder in den Betrieb\neingegliedert worden waren. Zum Zeitpunkt der abermaligen Betriebsanderung im\nJanuar 2006 waren aber die gekundigten Arbeitnehmer und der Klager selbst\nnicht mehr betriebsangehorig.\n\n \n\nIV.\n\n40\n\n \n\nDie Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen, da das Rechtsmittel ohne\nErfolg (§ 97 ZPO).\n\n41\n\n \n\nSie hat auch die Kosten der Widerklage zu tragen, da diese nicht erfolgreich\nwar.\n\n42\n\n \n\nDer Klager hat hingegen die Kosten der Klageerweiterung zu tragen, da diese\nebenfalls nicht erfolgreich war.\n\n43\n\n \n\nAus den unterschiedlichen Anteilen des Obsiegens und Unterliegens ergibt sich\ndie Kostenentscheidung (§ 92 ZPO).\n\n44\n\n \n\nDer vorliegende Fall bietet keinen Anlass die Revision zuzulassen.\n\n
110,726
bverwg-2010-02-25-2-c-2209
5
Bundesverwaltungsgericht
bverwg
Bundesrepublik Deutschland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
2 C 22/09
2010-02-25
2018-11-26 17:30:03
2019-01-18 15:14:29
Urteil
## Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Klägerin verlangt vom Beklagten Schadensersatz mit der Begründung, sie sei\nverspätet zur Beamtin auf Probe ernannt worden.\n\n2\n\n \n\nDie im April 1957 geborene Klägerin ist Mutter zweier im April 1986 und Mai\n1988 geborener Töchter. Für das Schuljahr 1986/87 und, nach der Geburt ihrer\nzweiten Tochter, für das Schuljahr 1992/93 bewarb sie sich jeweils erfolglos\num die Einstellung als beamtete Lehrerin für das Lehramt der Sekundarstufe I.\nVon September 1993 bis Ende August 1994 absolvierte sie mit wöchentlich 38,5\nStunden ein Berufspraktikum in einem Kindergarten; anschließend war sie bis\nzum 25. August 1995 mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit als Erzieherin\ntätig.\n\n3\n\n \n\nAuf ihre Bewerbung im Februar 1995 wurde sie zum 28. August 1995 im\nAngestelltenverhältnis eingestellt.\n\n4\n\n \n\nMit Schreiben vom 21. August 1995 beantragte sie ihre Übernahme in ein\nBeamtenverhältnis. Der Beklagte lehnte dies unter dem 14. November 1995 mit\nder Begründung ab, die Klägerin habe die für die Einstellung als Beamtin\nmaßgebliche Altersgrenze von 35 Lebensjahren überschritten. Die\nKinderbetreuung könne zwar zu einer Erhöhung der Altersgrenze führen, doch\nseien nur die Schuljahre 1990/91, 1993/94 und 1994/95 als\nKinderbetreuungszeiten zu berücksichtigen. Im Widerspruchsbescheid vom 10.\nSeptember 1996 hieß es, zusätzlich komme eine Anerkennung der Schuljahre\n1991/92 und 1992/93 als Kinderbetreuungszeiten in Betracht. Es sei jedoch\ndavon auszugehen, dass die Klägerin die in den Schuljahren 1993/94 und 1994/95\nbestehenden Einstellungschancen wegen der Tätigkeit als Praktikantin und\nErzieherin und nicht wegen der Betreuung ihrer Kinder ungenutzt habe\nverstreichen lassen.\n\n5\n\n \n\nIn dem gegen diese Entscheidungen gerichteten Klageverfahren hob der Beklagte\nseine Bescheide im September 2000 auf und verpflichtete sich, über den\nÜbernahmeantrag der Klägerin neu zu entscheiden. Im November 2000 lehnte der\nBeklagte den Übernahmeantrag - nun unter Berücksichtigung der\nEinstellungsmöglichkeit zum Oktober 1989 - erneut mit der Begründung ab, der\nKausalzusammenhang zwischen Kinderbetreuung und verspäteter Einstellung sei\nunterbrochen worden, weil die Klägerin Einstellungsmöglichkeiten wegen einer\nanderweitigen Ausbildung und Berufstätigkeit nicht wahrgenommen habe. Auch\ndiesen Bescheid und einen gleichlautenden Widerspruchsbescheid hob der\nBeklagte im Oktober 2001 auf und verpflichtete sich, über den Übernahmeantrag\nder Klägerin neu zu entscheiden, ohne sich auf eine Überschreitung der\nHöchstaltersgrenze nach § 6 LVO zu berufen.\n\n6\n\n \n\nNachdem die Klägerin vom Beklagten am 12. Februar 2002 zur Beamtin auf Probe\nernannt worden war, verlangte sie von ihm unter dem 20. Dezember 2002 für den\nZeitraum vom 21. August 1995 bis zum 12. Februar 2002 erfolglos den Ersatz des\nSchadens, der ihr durch die verspätete Ernennung unter anderem in\nbesoldungsrechtlicher Hinsicht entstanden sei.\n\n7\n\n \n\nDas Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr\nstattgegeben und im Wesentlichen ausgeführt: Der Klägerin stehe ein\nSchadensersatzanspruch zu, dessen Rechtsgrundlage die durch den\nÜbernahmeantrag entstandene beamtenrechtliche Sonderverbindung sei. Durch den\nAntrag seien besondere, sich vor allem aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebende\nRechtspflichten des Beklagten begründet worden.\n\n8\n\n \n\nDie Ablehnungsentscheidung sei rechtswidrig, weil der Beklagte verkannt habe,\ndass die Klägerin die Einstellungsaltersgrenze um knapp vier Jahre habe\nüberschreiten dürfen. Sie habe wegen der Geburt und Betreuung ihrer Töchter\neine Einstellungschance zum Oktober 1989 nicht wahrnehmen können. Die\nhierdurch eingetretene Verzögerung der Einstellung umfasse den Zeitraum bis\nzur Einstellungsmöglichkeit im Schuljahr 1993/94. Dass eine Ernennung zur\nBeamtin auf Probe in den Schuljahren 1991/92 und 1992/93 an fehlenden\nEinstellungsmöglichkeiten gescheitert wäre, sei unerheblich. Denn diese\nungünstigen Umstände hätten nur deshalb Bedeutung erlangen können, weil die\nKlägerin wegen der Betreuung ihrer Kinder nicht schon zuvor in das\nBeamtenverhältnis berufen worden sei. Die Erhöhung der\nEinstellungsaltersgrenze scheitere auch nicht daran, dass die Klägerin die\nEinstellungsmöglichkeit zum Schuljahr 1993/94 aus anderen Gründen als der\nKinderbetreuung nicht wahrgenommen habe. Schädlich seien insoweit nur\nUnterbrechungen des Ursachenzusammenhangs im Zeitraum zwischen der\nKinderbetreuung und der Überschreitung der Höchstaltersgrenze. Daran fehle es,\nweil die Klägerin im Schuljahr 1993/94 das 35. Lebensjahr bereits vollendet\ngehabt habe.\n\n9\n\n \n\nDie Pflichtverletzung beruhe auch auf einem Verschulden des Beklagten, wobei\nzur Feststellung der schuldhaften Handlung auf dessen Bescheid vom 14.\nNovember 1995 abzustellen sei. Die Erwägungen des Beklagten zur Erhöhung der\nEinstellungsaltersgrenze im Falle der Klägerin hätten die obergerichtliche\nRechtsprechung nicht einbezogen. Deren Würdigung ergebe, dass die Schuljahre\n1991/92 und 1992/93 bei der Ermittlung der Einstellungsverzögerung hätten\neinbezogen werden müssen.\n\n10\n\n \n\nMit der Revision rügt der Beklagte die Verletzung materiellen Rechts und\nbeantragt,\n\n \n\ndas Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6.\nNovember 2008 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des\nVerwaltungsgerichts Düsseldorf vom 9. Februar 2005 zurückzuweisen.\n\n11\n\n \n\nDie Klägerin beantragt,\n\n \n\ndie Revision zurückzuweisen.\n\n## Entscheidungsgründe\n\n12\n\n \n\nDie Revision des Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch\ndarauf, beamtenrechtlich so gestellt zu werden, als wäre sie bereits am 21.\nAugust 1995 zur Beamtin auf Probe ernannt worden. Zwar steht\nEinstellungsbewerbern dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch zu, wenn der\nöffentliche Dienstherr ihren sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden\nBewerbungsverfahrensanspruch schuldhaft verletzt (1). Hier fehlt es jedoch an\neinem Verschulden des Beklagten (2).\n\n13\n\n \n\n1\\. Grundlage für den geltend gemachten Schadensanspruch ist das durch den\nAntrag der Klägerin auf Übernahme in das Beamtenverhältnis begründete\nbeamtenrechtliche Bewerbungsverhältnis. Es findet seine gesetzliche\nVerankerung in Art. 33 Abs. 2 GG: Nach dieser Vorschrift hat jeder Deutsche\neinen grundrechtsgleichen Anspruch darauf, dass über seinen Antrag auf Zugang\nzu öffentlichen Ämtern nur nach Maßgabe seiner Eignung, Befähigung und\nfachlichen Leistung entschieden wird. Wird dieser Anspruch vom Dienstherrn\nschuldhaft verletzt, so steht dem zu Unrecht übergangenen Einstellungsbewerber\nunmittelbar aus Art. 33 Abs. 2 GG ein Schadensersatzanspruch zu. Dieser\nbesteht unabhängig vom Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung (§ 839 Abs. 1\nSatz 1 BGB, Art. 34 Satz 1 GG) und ist im Verwaltungsrechtsweg geltend zu\nmachen (§ 40 Abs. 2 Satz 2 VwGO, § 126 Abs. 1 BRRG, § 54 Abs. 1 BeamtStG).\n\n14\n\n \n\na) Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung\nund fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach sind\nöffentliche Ämter nach Maßgabe des Leistungsgrundsatzes zu besetzen. Der\nGeltungsanspruch dieses Grundsatzes wird durch Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt\nund vorbehaltlos gewährleistet. Daher können Belange, die nicht im\nLeistungsgrundsatz verankert sind, bei der Besetzung öffentlicher Ämter nur\nBerücksichtigung finden, wenn ihnen ebenfalls Verfassungsrang eingeräumt ist.\nArt. 33 Abs. 2 GG vermittelt ein grundrechtsgleiches Recht. Ein Bewerber um\nein öffentliches Amt kann verlangen, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur\naus Gründen zurückweist, die durch den Leistungsgrundsatz oder durch andere\nverfassungsgemäße Vorgaben - wie Einstellungsaltersgrenzen (Urteil vom 19.\nFebruar 2009 - BVerwG 2 C 18.07 - BVerwGE 133, 143 <145> = Buchholz 237.7 § 15\nNWLBG Nr. 6) gedeckt sind (BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Oktober 2007 - 2 BvR\n2457/04 - NVwZ 2008, 194; BVerwG, Urteile vom 28. Oktober 2004 - BVerwG 2 C\n23.03 - BVerwGE 122, 147 <149 f.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 30, vom\n25. November 2004 - BVerwG 2 C 17.03 - BVerwGE 122, 237 <239> = Buchholz 11\nArt. 33 Abs. 2 GG Nr. 31 und vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE\n124, 99 <102 f.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32).\n\n15\n\n \n\nb) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann ein bereits ernannter Beamter\nvon seinem Dienstherrn Ersatz des ihm durch die Nichtbeförderung entstandenen\nSchadens verlangen, wenn der Dienstherr bei der Vergabe eines\nBeförderungsamtes den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch auf\nleistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl\n(Bewerbungsverfahrensanspruch) schuldhaft verletzt hat, ihm das Amt ohne\ndiesen Rechtsverstoß voraussichtlich übertragen worden wäre und er es nicht\nschuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels\nabzuwenden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. Januar 2010 - 2 BvR 811/09 -;\nBVerwG, Urteil vom 17. August 2005 a.a.O. S. 101 f.).\n\n16\n\n \n\nDer Anspruch auf fehlerfreie Entscheidung über den Bewerbungsantrag betrifft\nzunächst den erstmaligen Zugang zu einem öffentlichen Amt und steht damit dem\nBewerber zu, der noch außerhalb des beamteten öffentlichen Dienstes steht und\nsich um ein Eingangsamt bemüht. Er greift sodann auch für Bewerber um höhere\nÄmter; seine Beachtung steuert damit den Aufstieg des bereits eingestellten\nBeamten in ein Beförderungsamt. Beide Arten von Bewerbern können sich\nunmittelbar auf Art. 33 Abs. 2 GG berufen.\n\n17\n\n \n\nAllerdings hängt die Erfüllung des Anspruchs nicht nur davon ab, dass der\nBewerber die in den Laufbahnvorschriften konkretisierten Kriterien der\nEignung, Befähigung und Leistung erfüllt, sondern ebenso davon, dass auf\nSeiten des Dienstherrn die entsprechenden Haushaltsmittel in der Gestalt einer\nfreien, besetzbaren Planstelle bereit stehen und der Dienstherr diese Stelle\nbesetzen will. Dabei liegt es in seinem organisatorischen, nur durch die\nLaufbahnvorschriften begrenzten Ermessen, nach welchen Kriterien er die Stelle\nbeschreibt. Der Dienstherr kann deshalb Stellen für Lehrer nach seinen\nBedürfnissen (Fächerkombination) zuschneiden und Bewerber schon dann ablehnen,\nwenn sie das von ihm festgelegte Anforderungsprofil nicht erfüllen (vgl.\nUrteile vom 7. Mai 1981 - BVerwG 2 C 42.79 - Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 19, vom\n25. April 1996 - BVerwG 2 C 21.95 - BVerwGE 101, 112 <114> m.w.N. = Buchholz\n232 § 8 BBG Nr. 51 und vom 16. August 2001 - BVerwG 2 A 3.00 - BVerwGE 115, 58\n<60> = Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 54).\n\n18\n\n \n\nWegen dieser Besonderheiten reduziert sich der materielle Anspruch aus Art. 33\nAbs. 2 GG regelmäßig auf einen Anspruch des Bewerbers darauf, dass über seinen\nAntrag allein nach den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen\nLeistung ermessensfehlerfrei entschieden wird (sog.\nBewerbungsverfahrensanspruch). Als solcher ist er anerkannt (vgl. Urteile vom\n28. Oktober 2004 a.a.O und vom 17. August 2005 a.a.O. S. 102; Beschluss vom 6.\nApril 2006 - BVerwG 2 VR 2.05 - Buchholz 11 Art 33 Abs 2 GG Nr. 33).\n\n19\n\n \n\nAuch dieser Bewerbungsverfahrensanspruch unterliegt weiteren zeitlichen\nEinschränkungen, die im Bereich des Rechtsschutzes zu Defiziten führen. Werden\nStellen für Beamte zu regelmäßig wiederkehrenden Zeitpunkten ausgeschrieben\nund besetzt, wie dies etwa für Lehrer und Polizeibeamte typisch ist, so\nerlischt der materielle Einstellungsanspruch mit dem Verstreichen des\nEinstellungszeitpunktes und der Besetzung der Stellen durch andere Bewerber.\nIst der Bewerber zu diesem Einstellungszeitpunkt verfahrensfehlerhaft nicht\neingestellt worden, so kommt der primäre Rechtsschutz zu spät, weil auch der\nim gerichtlichen Verfahren obsiegende Bewerber nicht rückwirkend zum Beamten\nernannt werden kann. Ebenso erledigt sich der gerichtliche Rechtsstreit um\neinen Beförderungsposten regelmäßig mit dessen Besetzung; der Grundsatz der\nÄmterstabilität steht der Entfernung des zu Unrecht beförderten Beamten aus\nanderen als den in den Beamtengesetzen geregelten, regelmäßig nicht\neinschlägigen Gründen entgegen.\n\n20\n\n \n\nArt. 19 Abs. 4 GG gebietet es, die in diesem Bereich begründeten Defizite des\nPrimärrechtsschutzes durch einen entsprechend ausgebauten Sekundärrechtsschutz\nsoweit möglich auszugleichen. Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung des\nSenats, dass der zu Unrecht bei einer Beförderung übergangene Beamte einen\nunmittelbar aus dem beamtenrechtlichen Bewerbungsverfahren erwachsenden\nAnspruch darauf hat, im Wege des Schadensersatzes so gestellt zu werden, als\nsei er im maßgeblichen Zeitpunkt befördert worden. Die Notwendigkeit dieses\nAnspruchs ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass andernfalls schuldhafte\nVerletzungen des grundrechtsgleichen Bewerbungsverfahrensanspruchs\nsanktionslos blieben.\n\n21\n\n \n\nWas für den Sekundärrechtsschutz des zu Unrecht übergangenen\nBeförderungsbewerbers gilt, gilt gleichermaßen auch für den zu Unrecht\nübergangenen Einstellungsbewerber. Beide Bewerber leiten ihren materiellen und\nihren verfahrensrechtlichen Anspruch unmittelbar und unterschiedslos aus Art.\n33 Abs. 2 GG her. Es wäre nicht gerechtfertigt, den zu Unrecht übergangenen\nEinstellungsbewerber bei der Gewährung des kompensierenden\nSekundärrechtsschutzes anders zu behandeln und ihm einen unmittelbar auf das\nbeamtenrechtliche Bewerbungsverfahren gestützten, gemäß § 126 BRRG im\nVerwaltungsrechtsweg einklagbaren Anspruch auf Schadensersatz schon dem Grunde\nnach zu versagen.\n\n22\n\n \n\n2\\. Für den Schadensersatzanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG fehlt es hier jedoch\nam Verschulden des Beklagten.\n\n23\n\n \n\na) Maßgeblich sind insoweit die Erwägungen des Beklagten im\nWiderspruchsbescheid vom 10. September 1996 und nicht im Ausgangsbescheid vom\n14. November 1995.\n\n24\n\n \n\nEin Verwaltungsakt, der mit dem Widerspruch angegriffen werden kann, erhält\nseine endgültige Gestalt durch den Widerspruchsbescheid (§ 79 Abs. 1 Nr. 1\nVwGO), nachdem die Widerspruchsbehörde die Recht- und Zweckmäßigkeit der\nEntscheidung nachgeprüft hat. Das Ausgangsverfahren bildet mit dem\nWiderspruchsverfahren eine Einheit und schließt erst mit einem etwaigen\nWiderspruchsbescheid ab (Urteil vom 27. September 1989 - BVerwG 8 C 88.88 -\nBVerwGE 82, 336 <338>). Dies gilt auch bei beamtenrechtlichen Streitigkeiten,\nin denen vom Gesetzgeber ausdrücklich ein Vorverfahren nach § 68 ff. VwGO\nvorgesehen ist (§ 126 Abs. 3 BRRG i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG sowie §\n54 Abs. 3 BeamtStG).\n\n25\n\n \n\nb) Der Beklagte handelte nicht schuldhaft, als er die Übernahme der Klägerin\nin das Beamtenverhältnis auf Probe durch Bescheid vom 14. November 1995 in der\nGestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. September 1996 ablehnte.\n\n26\n\n \n\nFür die Haftung des Dienstherrn auf Schadensersatz wegen Verletzung von\nPflichten aus Art. 33 Abs. 2 GG gilt der allgemeine Verschuldensmaßstab des\nBürgerlichen Rechts. Danach handelt fahrlässig, wer die im Verkehr\nerforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Nach diesem\nobjektiv-abstrakten Sorgfaltsmaßstab ist auf die Anforderungen abzustellen,\nderen Beachtung von dem für den Dienstherrn handelnden Amtswalter erwartet\nwerden kann. Dies bedeutet, dass jeder Inhaber eines öffentlichen Amtes die\nSach- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden\nHilfsmittel gewissenhaft prüfen und sich aufgrund vernünftiger Überlegungen\neine Rechtsauffassung bilden muss. Wird eine behördliche Maßnahme gerichtlich\nmissbilligt, so kann daraus ein Verstoß des verantwortlichen Amtswalters gegen\nSorgfaltspflichten nicht hergeleitet werden, wenn er die zugrunde liegende\nRechtsauffassung aufgrund sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung\ngewonnen hat und sie im Ergebnis vertretbar ist. Eine letztlich als\nunzutreffend erkannte Rechtsauffassung stellt sich als vertretbar dar, wenn\ndie Rechtsfrage nicht einfach zu beurteilen war und weder durch die\nRechtsprechung geklärt noch im Schrifttum abschließend behandelt worden ist\n(Urteil vom 17. August 2005 a.a.O.)\n\n27\n\n \n\nDer Beklagte hat den Antrag der Klägerin unter anderem mit der Begründung\nabgelehnt, der mittlerweile über 35 Jahre alten Klägerin komme eine Erhöhung\nder Einstellungsaltersgrenze nach § 6 LVO deshalb nicht zugute, weil sie zum\nmöglichen Einstellungszeitpunkt 1993 nicht durch die Erziehung ihrer Kinder\ndaran gehindert gewesen sei, sich um eine Einstellung zu bewerben. Vielmehr\nsei sie zu diesem Zeitpunkt mit einer Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden\nberufstätig gewesen. Hierzu hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, § 6\nAbs. 1 Satz 1 Halbs. 2 LVO in der bei Eingang der Bewerbung maßgeblichen\nFassung vom 24. April 1990 (GV NW S. 254) habe hinsichtlich des\nKausalzusammenhangs zwischen Kinderbetreuung und Verzögerung der Einstellung\nRechtsfragen aufgeworfen, die nicht einfach zu beurteilen gewesen seien. Dies\ntrifft zu und lässt die bei der Prüfung des Verschuldens zugrunde zu legende\nAnnahme des zuständigen Sachbearbeiters des Beklagten zumindest vertretbar\nerscheinen.\n\n28\n\n \n\nNach § 6 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 LVO darf die Altersgrenze von 35 Jahren im\nUmfang der Verzögerung, höchstens um drei, bei mehreren Kindern um höchstens\nsechs Jahre überschritten werden, wenn sich die Einstellung wegen der Geburt\neines Kindes oder wegen der tatsächlichen Betreuung eines Kindes unter 18\nJahren verzögert hat. Bereits mit Urteil vom 6. Juli 1994 - 6 A 1725/93 - (RiA\n1995, 302) hatte das Berufungsgericht festgestellt, eine für Einstellung als\nBeamtin nicht erforderliche Ausbildung unterbreche den von § 6 Abs. 1 Satz 1\nHalbs. 2 LVO vorausgesetzten Kausalzusammenhang zwischen Kinderbetreuung und\nverzögerter Einstellung. Die Kausalität sei darüber hinaus auch dann\nausgeschlossen, wenn der Laufbahnbewerber zu den ohne Geburt und Betreuung\neines Kindes in Betracht kommenden Zeitpunkten vor der Überschreitung der\nHöchstaltersgrenze aus anderen Gründen nicht mehr eingestellt worden wäre.\nAusweislich des Widerspruchsbescheides hat der Beklagte diese obergerichtliche\nRechtsprechung seiner Entscheidung zugrunde gelegt und eine berufliche\nNeuorientierung der Klägerin oder eine Verschiebung ihrer Prioritäten in\nRichtung einer von ihrer Ausbildung unabhängigen neuen Berufsausbildung und\nErwerbstätigkeit angenommen (vgl. OVG Münster, Urteil vom 13. Dezember 2007 -\n6 A 2173/05 - juris Rn. 53).\n\n29\n\n \n\nEs spricht einiges dafür, dass der Beklagte mit seiner Auslegung den\nSinngehalt des § 6 LVO zutreffend erfasst hat. Die Vorschrift will die\nErhöhung der Einstellungsaltersgrenze den über 35 Jahre alten Bewerbern nur\ndann zugute kommen lassen, wenn Kinderbetreuung der einzige Grund ist, der den\nBewerber daran hindert, sich vor Ablauf der regulären Altersgrenze von 35\nJahren um die Einstellung zu bewerben (vgl. Urteile vom 18. Juni 1998 - BVerwG\n2 C 6.98 - Buchholz 237.7 § 15 NWLBG Nr. 3 und vom 20. Januar 2000 - BVerwG 2\nC 13.99 - Buchholz 237.7 § 15 NWLBG Nr. 4). Auf die Erhöhung der\nEinstellungsaltersgrenze kann sich daher nur berufen, wer während der -\ngegebenenfalls verlängerten - Einstellungsfrist ausschließlich "wegen" der\nGeburt oder Betreuung eines Kindes darin gehindert ist, sich um die\nEinstellung zu bewerben und eine während dieser Zeit gegebene\nEinstellungsmöglichkeit wahrzunehmen. Jeder andere Grund, eine Bewerbung zu\nunterlassen oder eine Einstellungsmöglichkeit auszuschlagen, ist nach\nErreichen der regulären Einstellungsaltersgrenze nicht mehr geeignet, diese\nGrenze zu überwinden.\n\n30\n\n \n\nAuf den Umstand, dass die Klägerin zum Einstellungstermin 1993, zu dem ihre\nÜbernahme in das Beamtenverhältnis möglich war, durch die Kindererziehung\nnicht gehindert war, 38,5 Stunden pro Woche außerhalb ihres häuslichen\nBereichs tätig zu sein, hat der Beklagte die Annahme gestützt, dass die\nKlägerin dann auch nicht daran gehindert war, sich um eine Einstellung in den\nSchuldienst zu bewerben. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese\nSchlussfolgerung und die auf sie gestützte Annahme zutreffend waren. Vor dem\nHintergrund, dass der Wortlaut des § 6 LVO der Einstellungsbehörde die\nPrüfungspflicht auferlegt, ein verstärktes Augenmerk auf die Frage der\nKausalität zwischen Kindererziehung und Nichtbewerbung zu richten, war diese\nAuffassung des Beklagten jedenfalls vertretbar. Dies schließt ein Verschulden\naus, das für die Begründung eines Schadensersatzanspruchs unerlässlich ist.\n\n
114,356
olgham-1999-09-06-13-u-27198
821
Oberlandesgericht Hamm
olgham
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
13 U 271/98
1999-09-06
2018-11-28 11:28:36
2019-02-14 10:23:18
Urteil
ECLI:DE:OLGHAM:1999:0906.13U271.98.00
## Tenor\n\n \n1\n\n** _Tatbestand_**\n\n2\n\nDie Klägerin verleaste der Beklagten, die früher unter I GmbH firmierte, Ende\n1992 ein Olivetti-Computersystem (Hard- und Software). Der Vertrag sah eine\nLaufzeit von 60 Monaten ab Übernahme vor (Finanzie-rungsleasing mit\nVollamortisation). Die monatliche Leasingrate betrug 2.470,16 DM zuzüglich\nMWSt. Die Klägerin kaufte das System für 130.975,74 DM bei der Firma X, Q und\n& E GmbH in F. Die Beklagte übernahm die Anlage am 15. Dezember 1992\\. Mit\nWirkung ab 1. November 1993 trat die K GmbH & Co KG dem Leasingvertrag als\n"Nachfolger" bei. In der Vertragsurkunde heißt es:\n\n3\n\n"Leasingnehmer/Mieter/Mietkäufer und Nachfolger haften\n\n4\n\nfür alle entstandenen und zukünftigen Verpflichtungen, die mit dem o.a.\nVertrag (scil. Leasingvertrag) in Zusammenhang stehen, gesamtschuldnerisch."\n\n5\n\nDie K GmbH & Co KG fiel später in Konkurs. Mit Schreiben vom 17. Juli 1996\nteilte der Konkursverwalter der Klägerin mit, daß er gem. § 17 KO die\nErfüllung des Leasingvertrages ablehne. Die Klägerin sah darin eine fristlose\nKündigung und meldete Schadensersatzansprüche an. Mit Schreiben vom 6. August\n1996 bot sie der Beklagten die Übernahme und Weiterführung des Vertrages an.\nSie erbat eine entsprechende Erklärung bis zum 20. August 1996 und drohte an,\ndie Anlage andernfalls zu verwerten. Mit Schreiben vom 21. Mai 1997 teilte sie\nder Beklagten mit, daß aufgrund der Konstellation und des schlechten\nverschmutzten Zustands eine Verwertung nicht möglich gewesen sei. Die Anlage\nhabe nur noch Schrottwert gehabt.\n\n6\n\nDie Klägerin behauptet, sie habe die Anlage am 19. September 1996 bei der\nGemeinschuldnerin abholen lassen. Die Anlage sei funktionsunfähig und\nverschmutzt gewesen. Die Magnetbandkassetten und der Drucker hätten gefehlt.\nSie habe die Anlage am 30. September 1996 bei sich eingelagert. Sie sei\nunverkäuflich gewesen und deshalb im Januar 1997 verschrottet worden.\n\n7\n\nDie Klägerin verlangt rückständige Leasingraten von 5.681,36 DM brutto für\nJuni und Juli 1996 und 37.844,51 DM Schadensersatz (16 restliche Leasingraten\nà 2.470,16 DM netto = 39.522,56 DM abzüglich einer Zinsgutschrift von 1.678,05\nDM, Refinanzierungssatz: 7,02 %).\n\n8\n\nDie Beklagte behauptet, sie habe fernmündlich ihr Interesse an der Fortführung\ndes Vertrages bekundet. Darauf habe die Klägerin mitgeteilt, die Anlage könne\nderzeit nicht zur Verfügung gestellt werden; der Konkursverwalter habe sie\nnoch nicht freigegeben. Der Konkursverwalter habe die Anlage noch Ende\nSeptember 1996 genutzt; sie habe Weihnachten 1996 noch bei der\nGemeinschuldnerin gestanden. Die Anlage sei fortwährend gewartet worden und\nhabe bei Beendigung des Vertrages noch einen Wiederverkaufswert von 20.000 DM\nnetto gehabt.\n\n9\n\nMit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht der Klage stattgegeben.\nDagegen richtet sich die Berufung der Beklagten.\n\n10\n\nWegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der\ngewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.\n\n11\n\nDer Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen X und\ndurch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. C. Wegen\ndes Ergebnisses der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt\ndes Berichterstattervermerks Bezug genommen.\n\n12\n\n** _Entscheidungsgründe_**\n\n13\n\nDie zulässige Berufung ist im wesentlichen erfolglos. Die Klage ist bis auf\neinen Teil des Zinsanspruchs begründet.\n\n14\n\nI.\n\n15\n\n1.\n\n16\n\nDie Klägerin hat gegen die Beklagte gem. § 2 des Leasingvertrages einen\nAnspruch auf Zahlung rückständiger Leasingraten in Höhe von (2 x 2.840.68 DM\n=) 5.681,36 DM.\n\n17\n\nDer Vertragsbeitritt der späteren Gemeinschuldnerin läßt die\nZahlungsverpflichtung der Beklagten unberührt.\n\n18\n\n2.\n\n19\n\nDarüber hinaus hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf\nSchadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe weiterer 37.844,51 DM.\n\n20\n\na)\n\n21\n\nAnspruchsgrundlage ist § 19 Satz 3 KO in Verbindung mit dem Schuldbeitritt der\nBeklagten.\n\n22\n\nDie Erklärung des Konkursverwalters, den Vertrag gem. § 17 KO nicht erfüllen\nzu wollen, ist als Kündigung i.S. v. § 19 Satz 1 KO auszulegen. Der\nKonkursverwalter hat zum Ausdruck gebracht, das Vertragsverhältnis beenden zu\nwollen. Dieses konnte er nicht gem. § 17 KO, denn diese Vorschrift findet auf\nLeasingverträge, bei denen die zeitlich begrenzte Gebrauchsüberlassung im\nVordergrund steht, keine Anwendung (Wolf/Eckert, Handbuch des gewerblichen\nMiet-, Pacht- und Leasingrechts, 7\\. Aufl., Rdn. 2066). Hier gilt § 19 KO\n(Berninghaus in: Büschgen, Praxishandbuch Leasing, § 13 Rdn. 29). Die\nKündigung wurde nach Ablauf der dreitägigen gesetzlichen Kündigungsfrist gem.\n§ 556 Abs. 4 Nr. 2 BGB am 1. August 1996 wirksam. Die Kündigung hat den\nVertrag insgesamt, also auch mit Wirkung für und gegen die Beklagte beendet\n(vgl. OLG D, NJW 1974, 2013 m.w.N.).\n\n23\n\nFür die Schadensersatzforderung der Klägerin gem. § 19 Satz 3 KO haftet die\nBeklagte aufgrund ihres Schuldbeitritts. § 425 BGB steht dem nicht entgegen.\nDie Beklagte ist nämlich nicht nur dem Leasingvertrag beigetreten, sondern sie\nhat zusätzlich ihren Schuldbeitritt auch zu allen zukünftigen Verpflichtungen,\ndie mit dem Leasingvertrag in Zusammenhang stehen, erklärt. Zu diesen\nVerpflichtungen gehört der Schadensersatzanspruch des Leasinggebers nach\nKündigung des Leasingvertrages durch den Konkursverwalter des Erstschuldners.\nEbenso wie die Bürgschaft (§ 765 Abs. 2 BGB) kann sich der Schuldbeitritt auch\nauf künftige oder bedingte Verbindlichkeiten beziehen (vgl. BGH NJW-RR 1993,\n308).\n\n24\n\nb)\n\n25\n\nDer Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung umfaßt gem. § 252 BGB\ngrundsätzlich den vollständigen Gewinn, den der Gläubiger bei ordnungsgemäßer\nVertragserfüllung erzielt hätte (BGH NJW 1991, 221, 223).\n\n26\n\naa)\n\n27\n\nDie Klägerin hat deshalb einen Anspruch auf Zahlung der restlichen\nNettoleasingraten, wobei wegen des Zinsvorteils eine Abzinsung zu erfolgen\nhat. Die Höhe des mit 7,02 % in Ansatz gebrachten Refinanzierungssatzes hat\ndie Klägerin durch Vorlage der Bescheinigung der Frankfurter Sparkasse vom 15.\nJanuar 1999 belegt.\n\n28\n\nbb)\n\n29\n\nAuf die danach sich ergebende Forderung ist grundsätzlich der Verwertungserlös\ndes Leasingobjekts anzurechnen. Hier hat die Klägerin keinen Erlös erzielt,\ndenn sie hat die Anlage verschrottet. Dazu war sie berechtigt, denn die\nLeasingsache war wirtschaftlich wertlos.\n\n30\n\nRichtig ist, daß sich der Leasinggeber mit zumutbarer Sorgfalt um die\nbestmögliche Verwertung des Leasingobjekts bemühen muß (BGHZ 95, 39, 54 und\n61). Die Verwertung muß in angemessener Zeit erfolgen (Berninghaus, aaO, Rdn.\n109). Verstößt er schuldhaft gegen diese Pflicht, kann der Leasingnehmer aus\npositiver Vertragsverletzung Schadensersatz verlangen. Der Anspruch des\nLeasingnehmers ist im Rahmen der Abrechnung der Ansprüche des Leasinggebers\nals zu verrechnende Gegenforderung oder als schadensminderndes Mitverschulden\ndes Leasinggebers zu berücksichtigen (Berninghaus, aaO).\n\n31\n\nDie Klägerin mußte sich wegen des besonders schnellen Wertverfalls von EDV-\nAnlagen um eine möglichst rasche Verwertung des Leasingobjekts bemühen. Gegen\ndiese Verpflichtung hat sie nicht verstoßen. Die Behauptung der Beklagten, die\nKlägerin habe die Anlage Weihnachten 1996 noch nicht abgeholt gehabt, ist\nwiderlegt. Die Abholung ist 19. September 1996 erfolgt. Das ergibt sich aus\nden von der Klägerin überreichten Unterlagen, deren Richtigkeit der Zeuge X\nglaubhaft bestätigt hat. Daß die Klägerin die Anlage nicht verwertet hat, kann\nihr nicht angelastet werden. Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß eine\nVerwertung nicht (mehr) möglich war. Sie war unverkäuflich. Wie der\nSachverständige Dr. C überzeugend dargelegt hat, gibt es zwar durchaus einen\nGebrauchtmarkt für EDV-Anlagen, aber nicht für Hardware, die - wie hier - mit\ndem UNIX-System (ein einziger Rechner mit mehreren Terminals) arbeitet. Die\nPDS-Standard-Software war deshalb unverkäuflich, weil sie - lizenzrechtlich -\nan das Unternehmen gebunden war. Auch der zurückgegebene Drucker war nach\nAngaben des Sachverständigen nicht zu verkaufen.\n\n32\n\ncc)\n\n33\n\nDaß die Klägerin durch die vorzeitige Beendigung des Leasingvertrages Kosten\nerspart hat, ist nicht ersichtlich. Während die Fortführung eines Vertrages im\nallgemeinen mit relativ geringem Kostenaufwand verbunden ist, fallen bei\nvorzeitiger Beendigung regelmäßig höhere Kosten an. Eine Kostenersparnis tritt\ndeshalb erfahrungsgemäß nur dann ein, wenn sich die Fortführung des Vertrages\nim Einzelfall als besonders kostenintensiv dargestellt hätte. Das macht die\nBeklagte nicht geltend.\n\n34\n\nII.\n\n35\n\nDer Zinsanspruch rechtfertigt sich in dem zuerkannten Umfang gem. §§ 284 Abs.\n1, 288 Abs. 1 BGB, 352 Abs. 1 Satz 1 HGB. Einen höheren Zinsschaden (§ 286\nBGB) hat die Klägerin nicht nachgewiesen.\n\n36\n\nIII.\n\n37\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 ZPO, 92 Abs. 2 ZPO, diejenige\nüber die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Ziff. 10 ZPO.\n\n
118,493
lagrlp-2011-06-03-6-ta-8811
899
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
lagrlp
Rheinland-Pfalz
Arbeitsgerichtsbarkeit
6 Ta 88/11
2011-06-03
2018-12-27 19:23:16
2019-01-17 11:39:45
Beschluss
ECLI:DE:LAGRLP:2011:0603.6TA88.11.0A
#### Tenor\n\n \n\n \n\nAuf die sofortige Beschwerde des Klagers wird der Beschluss des\nArbeitsgerichts Mainz - 4 Ca 325/11 - (ohne Datum) dahingehend abgeandert,\ndass dem Klager ab Antragstellung Prozesskostenhilfe ohne\nRatenzahlungsverpflichtung und die Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt M,\nC-Stadt, bewilligt wird.\n\n#### Grunde\n\n \n\n1\n\n \n\nDie gemaß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und vorliegend insgesamt\nzulassige Beschwerde des Klagers gegen den\nProzesskostenhilfeablehnungsbeschluss des Arbeitsgerichts ist **b e g r u n d\ne t** .\n\n \n\n2\n\n \n\nDem Klager ist fur seine am 18. Februar 2011 eingereichte Klage\nProzesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsbestimmung gemaß § 114 ZPO zu bewilligen.\n\n \n\n3\n\n \n\nNach dem fur zutreffend gehaltenen Stand der Rechtsprechung (vgl. BVerfG,\nBeschl. vom 24. Juni 2010 - 1 BvR 3332/08) soll die Prufung der\nErfolgsaussichten im Rahmen der Prozesskostenhilfe nicht dazu dienen, die\nRechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren\nder Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des\nHauptsacheverfahrens treten zu lassen. Die Prozesskostenhilfe will den\nRechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, namlich nicht selbst\nbieten, sondern ihn erst zuganglich machen. Daher sind keine zu hohen\nAnforderungen an die Prufung der Erfolgsaussichten im Rahmen der\nProzesskostenhilfe zu stellen.\n\n \n\n4\n\n \n\nGemessen an den dargestellten Voraussetzungen steht dem Klager fur seine am\n18. Februar 2011 erhobene Klage auf Fortfuhrung des Arbeitsverhaltnisses uber\ndas Ende der Befristung hinaus und auf Weiterbeschaftigung Prozesskostenhilfe\nzu.\n\n \n\n5\n\n \n\nNach der Klagebegrundung soll der Chef der Disposition eine ausdruckliche\nVerlangerung des befristeten Vertrages ausgesprochen haben. Die rechtliche\nBewertung kann damit in einer Zusage liegen, deren Verbindlichkeit\ngegebenenfalls im Wege der Beweisaufnahme zu klaren ist.\n\n \n\n6\n\n \n\nDem steht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 4.\nFebruar 2010 - 2 Sa 627/09 - nicht entgegen; sie ist einzelfallbezogen und\nstellt darauf ab, dass der vorangegangene Vertragsablauf und die tatsachliche\nHandhabung beim Klager nicht den Eindruck erwecken konnte, dass der im\ndortigen Fall angesprochene Niederlassungsleiter rechtsgeschaftliche\nErklarungen fur die Beklagte habe abgeben konnen. Dies ist im vorliegenden\nFall anders, da zur rechtsgeschaftlichen Kompetenz des Chefs der Disposition\nDarlegungen erfolgten und insbesondere auch dazu, dass dieser fur\nEinstellungen der Entscheidungstrager gewesen ist.\n\n \n\n7\n\n \n\nNach der vom Klager vorgelegten Erklarung uber seine personlichen und\nwirtschaftlichen Verhaltnisse vom 18. Februar 2011 steht derzeit keine\nVerpflichtung zum Einsatz von Einkommen und Vermogen.\n\n \n\n8\n\n \n\nDie Beiordnung des Prozessbevollmachtigten des Klagers hat ihre\nRechtsgrundlage in § 121 Abs. 2 ZPO.\n\n \n\n9\n\n \n\nDie Zulassung einer Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst.\n\n
124,013
olgkobl-2010-07-16-10-u-151009
909
Oberlandesgericht Koblenz
olgkobl
Rheinland-Pfalz
Oberlandesgericht
10 U 1510/09
2010-07-16
2018-12-28 11:42:03
2019-02-12 10:08:54
Urteil
ECLI:DE:OLGKOBL:2010:0716.10U1510.09.0A
#### Tenor\n\n \n\n \n\nAuf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des\nLandgerichts Koblenz vom 10. Dezember 2009 abgeandert und wie folgt neu\ngefasst:\n\n \n\n \n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\n \n\n \n\nDer Klager hat die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.\n\n \n\n \n\nDas Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Der Klager darf die Vollstreckung\ndurch eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Hohe des aufgrund des\nUrteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte\nvor der Vollstreckung eine Sicherheit in Hohe des jeweils zu vollstreckenden\nBetrages leistet.\n\n#### Grunde\n\n \n\n1\n\n \n\nDer Klager ist Insolvenzverwalter uber das Vermogen der A. (im Folgenden:\nSchuldnerin). Bei der Schuldnerin handelt es sich um die mit einem\nStammkapital von 25.000 € gegrundete Komplementar-GmbH ohne Kapitalbeteiligung\nder B. (im Folgenden GmbH & Co. KG). Bei dem Beklagten handelt es sich um den\nGeschaftsfuhrer der Schuldnerin und gleichzeitig um den einzigen\nKommanditisten der GmbH & Co. KG.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer Beklagte hatte die Stammeinlage der Schuldnerin von 26.000 € am 8.5.2006\nauf deren Geschaftskonto eingezahlt. Am 17.5.2006 wurde die Schuldnerin und im\nJuni 2006 die GmbH & Co. KG ins Handelsregister eingetragen. Ab Oktober 2006\ntatigte die GmbH & Co. KG erste Umsatze. Die Gesellschaft nahm von Anfang an\neinen negativen Verlauf. Bereits aus dem Jahresabschluss der GmbH & Co. KG vom\n31.12.2006 ergibt sich, dass einem Anlagevermogen in Hohe von 53.297 € und\neinem Umlaufvermogen von 86.806,02 € Ruckstellungen in Hohe von 2.000 € und\nVerbindlichkeiten von 193.411,52 € gegenuberstanden. Die letzteren beruhten\nwesentlich auf 154.000 € 2006 vom Beklagten beschaffter und an die KG als\nKredit weitergegebener offentlicher Existenzgrundungsdarlehen. Die Schuldnerin\nuberwies der GmbH & Cc. KG am 11.1.2007 10.000 € und am 7.2.2007 15.000 €.\n\n \n\n3\n\n \n\nAm 5.3.2008 wurde bezuglich der GmbH & Co KG Insolvenzantrag gestellt. Am\n20.3.2008 folgte der Insolvenzantrag in Bezug auf die Schuldnerin. Mit\nEroffnungsbeschluss vom 29.5.2008 wurde uber das Vermogen der Schuldnerin das\nInsolvenzverfahren eroffnet. Mit seiner Klage begehrt der Klager die\nErstattung der von der Schuldnerin an die GmbH & Co. KG gezahlten insgesamt\n25.000 €.\n\n \n\n4\n\n \n\nDer Klager hat vorgetragen:\n\n \n\n5\n\n \n\nDie GmbH & Co. KG und somit auch die Schuldnerin hatten sich zur Zeit der\nbeiden Zahlungen in einer wirtschaftlich ungunstigen Lage befunden. Demzufolge\nsei es dem Beklagten verwehrt gewesen, mit deren Stammkapital den einzigen\nVermogenswert der Schuldnerin der uberschuldeten GmbH & Co. KG zur Verfugung\nzu stellen. Vor diesem Hintergrund musse der Beklagte personlich der\nSchuldnerin in Hohe der Stammkapitalziffer haften.\n\n \n\n6\n\n \n\nDer Klager hat beantragt,\n\n \n\n7\n\n \n\nden Beklagten zu verurteilen, an ihn 25.000 € zuzuglich Zinsen in Hohe von 5\nProzentpunkten uber dem Basiszinssatz seit dem 1.4.2009 zu zahlen.\n\n \n\n8\n\n \n\nDer Beklagte hat beantragt,\n\n \n\n9\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n \n\n10\n\n \n\nEr hat behauptet,\n\n11\n\n \n\ndie GmbH & Co. KG sei am Ende des Jahres 2006 weder uberschuldet noch\nzahlungsunfahig oder kreditunwurdig gewesen, weshalb weder ein Verstoß gegen\nKapitalerhaltungsvorschriften noch gegen Geschaftsfuhrerverpflichtungen\nvorliege.\n\n \n\n12\n\n \n\nDas Landgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich der Beklagte\nmit seiner Berufung.\n\n \n\n13\n\n \n\nDer Beklagte tragt vor:\n\n14\n\n \n\nDas Landgericht hatte weder von einer Überschuldung der Schuldnerin im\nZeitpunkt der Zahlungen noch von einer Überschuldung der GmbH & Co. KG\nausgehen durfen, jedenfalls nicht, ohne uber seinen Vortrag hierzu Beweis zu\nerheben. Auch uber seinen Vortrag, dass die Finanzkraft der GmbH & Co. KG\nmittelfristig zur Fortfuhrung des Unternehmens ausreichend gewesen sei, hatte\ngegebenenfalls wenigstens Beweis erhoben werden mussen. Auch die\nVoraussetzungen der §§ 30, 31 GmbHG lagen nicht vor. Eine Zahlung von der\nSchuldnerin an ihn sei nicht erfolgt. Die Zahlungen der Schuldnerin an die KG\nmusse er sich nicht zurechnen lassen. Das fur die Zurechnung bei mittelbarer\nLeistung erforderliche personliche oder wirtschaftliche Naheverhaltnis\nzwischen ihm und der KG bestehe nicht und ergebe sich auch nicht daraus, dass\ner einziger Kommanditist der KG gewesen sei. Zu berucksichtigen sei weiterhin,\ndass die Zahlungen von der Schuldnerin an die GmbH & Co. KG erfolgt seien um\nLieferantenverbindlichkeiten, also Forderungen Dritter, zu begleichen.\nSchließlich stelle die Zahlung der 25.000 € auch keinen Existenz vernichtenden\nEingriff fur die Schuldnerin dar. Ein solcher musse gezielt erfolgen und\nbetriebsfremden Zwecken dienen. Bloße Managementfehler erfullten die\nVoraussetzungen hierfur nicht.\n\n \n\n15\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n16\n\n \n\nunter Abanderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.\n\n17\n\n \n\nDer Klager beantragt,\n\n18\n\n \n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n \n\n19\n\n \n\nEr tragt vor:\n\n20\n\n \n\nDie GmbH & Co KG sei im Zeitpunkt der in Rede stehenden Zahlungen uberschuldet\nund damit insolvenzreif gewesen. Es sei fur ihn nicht zu verstehen, wieso etwa\ndie Existenzgrundungsdarlehen hierbei unberucksichtigt bleiben sollten. Es sei\nbelanglos, dass die Zahlungen nicht an den Beklagten direkt, sondern an die\nGmbH & Co. KG geflossen seien. Selbstredend bestehe zwischen dem Beklagten und\n„seiner" KG ein Naheverhaltnis. Der Beklagte habe das Stammkapital der\nSchuldnerin der GmbH & Co. KG zu einem Zeitpunkt zur Verfugung gestellt, als\ndiese verschuldet und ihre Fortexistenz auf Dauer nicht gewahrleistet gewesen\nsei. Bei dieser Sachlage sei auch eine Haftung nach § 43 GmbHG zu bejahen,\nohne dass es darauf ankomme, ob die vorsatzlichen Gegebenheiten des Existenz\nvernichtenden Eingriffs bereits gegeben waren oder nicht.\n\n \n\n21\n\n \n\nWegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zu\nden Akten gereichten Schriftsatze nebst Anlagen verwiesen.\n\n \n\n \n\n**II.**\n\n22\n\n \n\nDie zulassige Berufung hat Erfolg. Die Klage ist nicht begrundet. Der Klager\nkann von dem Beklagten nicht die Zahlung der 25.000 € verlangen, die der\nBeklagte aus der Stammeinlage der Schuldnerin im Januar und Februar 2007 an\ndie GmbH & Co. KG als Darlehen zur Begleichung von gegen diese gerichteten\nForderungen gezahlt hat.\n\n \n\n23\n\n \n\nAls Anspruchsgrundlage fur das Begehren des Klagers kommen weder §§ 30, 31, 43\nGmbHG noch § 64 GmbHG in Betracht. Auch das Vorliegen eines Existenz\nvernichtenden Eingriffs kann entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht\nangenommen werden.\n\n24\n\n \n\nDie §§ 30, 31, 43 Abs. 3 und 43 a GmbHG dienen, wie das Landgericht zutreffend\nausgefuhrt hat, der Kapitalerhaltung der GmbH zum Schutze ihrer Glaubiger, und\nverbieten deshalb die willkurliche Verringerung des Stammkapitals durch\nAuszahlung an die Gesellschafter oder durch Gewahrung von Kredit an\nGeschaftsfuhrer, andere gesetzliche Vertreter oder Prokuristen. Verboten sind\nunter Anwendung dieser Bestimmungen nach ihrem Schutzzweck auch alle\nUmgehungsgeschafte sowie auch Auszahlungen an Nichtgesellschafter, die in\neinem personlichen oder wirtschaftlichen Naheverhaltnis zu einem\nGesellschafter stehen, so dass die Auszahlung an sie als indirekte Auszahlung\nan den Gesellschafter gewertet werden kann.\n\n \n\n25\n\n \n\nEntgegen der Auffassung des Landgerichts hat der Beklagte dadurch, dass er das\nwesentliche Stammkapital der Schuldnerin der GmbH & Co. KG als Darlehen\ngewahrte und mit den streitgegenstandlichen Zahlungen vom 11.1.2007 und\n7.2.2007 an diese ausgezahlt hat, nicht gegen § 30 GmbHG verstoßen.\n\n \n\n26\n\n \n\nUnterbunden werden soll durch die genannte Bestimmung eine Aushohlung des\nhaftenden Stammkapitals durch Ruckfluss an den Gesellschafter, der sich\nseinerseits durch die Grundung der GmbH von jeder personlichen Haftung fur\nderen Geschaftstatigkeit befreit hat. Nicht verboten ist jedoch der Einsatz\ndes Stammkapitals im Rahmen der unternehmerischen Geschaftstatigkeit der\nGesellschaft, auch wenn hierbei ein Verlust des Stammkapitals eintritt. Es\nbesteht keine Verpflichtung, das Stammkapital etwa mundelsicher anzulegen, um\nes als Haftungsgrundlage sicher zu erhalten. Das Risiko eines Kapitalverlustes\nim Rahmen der Geschaftstatigkeit soll durch § 30 Abs. 1 GmbHG nicht\nausgeschlossen werden.\n\n \n\n27\n\n \n\nEine Auszahlung an den Beklagten selbst ist nicht erfolgt. Die Zahlung an die\nGmbH & Co. KG kann nicht einer Auszahlung an den Beklagten gleichgestellt\nwerden, mit der Folge, dass der Beklagte zur Ruckzahlung gemaß § 31 GmbHG\nverpflichtet ware. Einer Auszahlung an den Gesellschafter gleichgestellt sein\nkonnen Leistungen an solche Dritte, die aufgrund verwandt-schaftlicher oder\nwirtschaftlicher Verbundenheit dem Gesellschafter besonders nahe stehen oder\nfur seine Rechnung handeln. Dabei geht es darum, ob die Leistung an den\nDritten aufgrund des Naheverhaltnisses wirtschaftlich als eine Leistung an den\nBeklagten zu bewerten ist. Dies ist nicht der Fall, da der Beklagte als\nKommanditist, der seine Einlage erbracht hat und damit fur Verbindlichkeiten\nder GmbH & Co KG nicht in Regress genommen werden kann, nicht dadurch\nentlastet wird, dass die personlich haftende Gesellschafterin der GmbH & Co.\nKG zur Begleichung von Forderungen ihrer Glaubiger ein Darlehen zur Verfugung\nstellt.\n\n \n\n28\n\n \n\nEs kann bei Bewertung der in Rede stehenden Zahlungen nicht unberucksichtigt\nbleiben, dass die Schuldnerin personlich haftende Gesellschafterin der GmbH &\nCo. KG war und dass sie deshalb gemaß §§ 161 Abs. 2, 128 HGB den Glaubigern\nder GmbH & Co. KG personlich mit ihrem gesamten Vermogen, also auch mit dem\nKapital der Stammeinlage haftete, so dass sie im Grunde genommen mit der\nGewahrung des Darlehens zur Begleichung der Verbindlichkeiten ihrer eigenen\nInanspruchnahme zuvorgekommen ist.\n\n \n\n29\n\n \n\nAuch eine Haftung aus § 64 GmbHG ist nicht gegeben, da schon aufgrund des\nVortrags des Klagers nicht festgestellt werden kann, dass die Schuldnerin im\nZeitpunkt der Zahlungen an die GmbH zahlungsunfahig oder uberschuldet war,\nzumal die Insolvenz jeweils nicht schon 2007, sondern erst im Fruhjahr 2008\neintrat.\n\n \n\n30\n\n \n\nWeiterhin kann trotz der negativen Bilanz der GmbH & Co. KG zum 31.12.2006\nnicht festgestellt werden, dass der Beklagte seine Pflichten als\nGeschaftsfuhrer der Schuldnerin dadurch verletzt hat, dass er ihr Stammkapital\nals Darlehen einer uberschuldeten und zahlungsunfahigen GmbH & Co. KG zur\nVerfugung stelle. Es kann auch hier schon aufgrund des Vortrages des Klagers\nnicht festgestellt werden, dass diese im Januar und Februar 2007\nzahlungsunfahig und nicht mehr kreditwurdig war.\n\n \n\n31\n\n \n\nIn diesem Zusammenhang ist es nicht von ausschlaggebender Bedeutung, ob die\nVerbindlichkeiten aufgrund der dem Beklagten gewahrten und an die GmbH & Co.\nKG weitergereichten Existenzgrundungsdarlehen formal in die Bilanz aufzunehmen\nwaren oder nicht. Es ist zu bedenken, dass sowohl die Schuldnerin als auch die\nGmbH & Co. KG vom Beklagten im Rahmen einer geforderten Existenzgrundung\nerrichtet wurden. Die Unternehmung insgesamt befand sich noch im ersten Jahr\nnach der Grundung, also in der Anlaufphase, so dass noch nicht absehbar war,\nob der Beklagte mit seinem Geschaftsmodell Erfolg haben oder scheitern wurde.\nUnabhangig von bilanztechnischen Fragen kann bei einem derartigen, mit\ndarlehensweise gegebenen Fordermitteln gegrundeten Unternehmen in der\nGrundungsphase allein aus dem hierdurch bedingten hohen Schuldenstand nicht\nschon ohne Weiteres auf Zahlungsunfahigkeit und Kreditunwurdigkeit geschlossen\nwerden, da sonst jedes auf der Grundlage eines Existenzgrundungsdarlehens\neroffnete Unternehmen Insolvenz anmelden musste, bevor es noch die Geschafte\nrichtig aufgenommen hat. Dass die GmbH & Co. KG im Zeitpunkt der Zahlungen\ndurch die Schuldnerin dauerhaft zu erwartend ihre laufenden Verbindlichkeiten\nnicht erwirtschaftet hat und begleichen konnte, ergibt sich aus dem Vortrag\ndes Klagers nicht. Auch die sonstigen Umstande sprechen nicht dafur, da der\nGeschaftsbetrieb der GmbH & Co. KG noch ein Jahr weiter gefuhrt werden konnte,\nbevor im Marz 2008 der Insolvenzantrag gestellt wurde. Ein kurzfristiger\nLiquiditatsengpass wurde insoweit jedenfalls nicht genugen.\n\n \n\n32\n\n \n\nIm Übrigen hat die mundliche Verhandlung ergeben, dass der Klager bei seiner\nBeurteilung diesbezuglich offenbar von falschen Voraussetzungen ausgegangen\nist. Die Prozessbevollmachtigte des Klagers ließ erkennen, dass bei seiner\nBehauptung, die GmbH & Co. KG sei im Zeitpunkt der vorliegend in Rede\nstehenden Zahlungen zahlungsunfahig und nicht mehr kreditwurdig gewesen, er\nwohl davon ausgegangen ist, dass der Beklagte bereits einen Monat nach den\nhier in Rede stehenden Zahlungen Insolvenzantrag gestellt habe und nicht erst\nein Jahr spater.\n\n \n\n33\n\n \n\nAuch die Voraussetzungen fur eine Haftung gemaß § 43 Abs. 2 und 3 GmbHG in\nVerbindung mit den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatzen zum\nExistenz vernichtenden Eingriff sind nicht gegeben. Der zur personlichen\nHaftung des GmbH-Gesellschafters fuhrende Haftungstatbestand des „Existenz\nvernichtenden Eingriffs" bezieht sich nicht auf Managementfehler bei dem\nBetrieb des Gesellschaftsunternehmens, sondern setzt einen gezielten,\nbetriebsfremden Zwecken dienenden Eingriff des Gesellschafters in das\nGesellschaftsvermogen voraus (BGH Urt. v. 13.12.2004 - Az: II ZR 256/02). Es\nkann im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte\nmit der Darlehensgewahrung durch die Schuldnerin an die GmbH & Co. KG der\nSchuldnerin ohne Rucksicht auf die Zweckbindung des Gesellschaftsvermogens\ndurch eine Entnahme Vermogenswerte entzogen hat, die sie zur Erfullung ihrer\nVerbindlichkeiten benotigt hatte. Die Darlehensgewahrung erfolgte vielmehr\naufgrund der Stellung als personlich haftende Gesellschafterin der GmbH & Co.\nKG, um dieser die Moglichkeit zur Erfullung ihrer Verbindlichkeiten, fur\nwelche auch die Schuldnerin haftete, zu geben und hielt sich damit im Rahmen\nder Zweckbindung des Gesellschaftsvermogens der Schuldnerin.\n\n \n\n34\n\n \n\nMithin ist auf die Berufung des Beklagten das landgerichtliche Urteil\nabzuandern und die Klage abzuweisen.\n\n \n\n35\n\n \n\nDie Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.\n\n \n\n36\n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen\ngemaß § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht gegeben sind.\n\n \n\n37\n\n \n\nDer Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 25.000 € festgesetzt.\n\n
128,020
olgsl-2003-09-18-5-w-15203-37
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
5 W 152/03 - 37
2003-09-18
2019-01-07 09:28:00
2019-02-12 14:04:41
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss\ndes Landgerichts Saarbrucken vom 03.06.2003 im Kostenausspruch sowie insoweit\naufgehoben, als die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Ziffern 2., 3.\nund 4. des Beschlusses des Amtsgerichts Saarbrucken vom 21.02.2003\nzuruckgewiesen wurde. Im Übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde\nzuruckgewiesen.\n\nIm Umfange der Aufhebung wird die Sache an das Landgericht Saarbrucken\nzuruckverwiesen.\n\nDie Kostenentscheidung - auch uber die Kosten der weiteren sofortigen\nBeschwerde - bleibt der abschließenden Entscheidung des Landgerichts\nvorbehalten.\n\nDer Streitwert fur das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird\nfestgesetzt auf 9.188,10 Euro.\n\n## Gründe\n\nI.\n\nAntragsteller und Antragsgegnerin sind Eigentumer der Eigentumswohnanlage. Die\nAntragsteller haben vorgetragen, die Antragsgegnerin sei daruber hinaus bis\nzum 19.09.2002 auch Verwalterin der namlichen Eigentumswohnanlage gewesen.\n\nDie Antragsteller machen aufgrund des Sondereigentums der Antragsgegnerin\nZahlungen von Nebenkosten fur 2001 und Hausgeldvorauszahlungen gemaß dem\nWirtschaftsplan fur 2002 in Hohe von insgesamt 6.188,10 Euro geltend.\n\nAufgrund der behaupteten Verwalterstellung der Antragsgegnerin - diese\nbehauptet, sie sei lediglich Verwalterin von Sondereigentum aber nicht\nVerwalterin der gesamten Eigentumswohnanlage gewesen - machen die\nAntragsteller Anspruche auf Herausgabe von Verwalterunterlagen, Anspruche auf\nRechnungslegung und auf Abrechnung geltend.\n\nDas Amtsgericht hat mit Beschluss vom 21.02.2003 - nach Beiziehung der Akte 1\nWEG II 82/02 des Amtsgerichts Saarbrucken - dem Begehren der Antragsteller\nentsprochen. Die hiergegen fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde,\nwelche die Antragsgegnerin nicht begrundet hat, hat das Landgericht unter\ninhaltlicher Bezugnahme auf den angefochtenen Beschluss zuruckgewiesen.\n\nGegen diesen, der Antragsgegnerin am 17.06.2003 (Bl. 74) zugestellten\nBeschluss, richtet sich die mit am 01.07.2003 eingegangenem Schriftsatz vom\n30.06.2003 eingelegte sofortige weitere Beschwerde. Durch Verfugung des\nVorsitzenden vom 08.07.2003 ist der Antragsgegnerin aufgegeben worden, das\nRechtsmittel - wie angekundigt - binnen 4 Wochen zu begrunden. Dem ist die\nAntragsgegnerin nicht nachgekommen.\n\nII.\n\nDas Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist zulassig.\n\nEs ist insbesondere statthaft (§§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 WEG, § 27 Abs. 1 FGG)\nund wurde auch in der gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 43 Abs. 1 WEG i.V.m.\n§ 29 Abs. 4, § 21 Abs. 2 FGG) und fristgerecht (§§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 WEG,\n29 Abs. 4, 22 Abs. 1 S. 1 FGG) eingelegt.\n\nIn der Sache hat die sofortige weitere Beschwerde zum Teil - soweit Anspruche\naufgrund der behaupteten Verwalterstellung geltend gemacht werden - Erfolg\n(hierzu unten 2.). Im Übrigen - soweit Anspruche gegen die Antragsgegnerin aus\nderen Sondereigentum geltend gemacht werden (unten 1.) - ist die Beschwerde\nzuruckzuweisen.\n\n1\\. Das Landgericht bezieht sich in seiner Entscheidung auf die Ausfuhrungen\nin dem Beschluss des Amtsgerichts. Dieses hat - zu seinem Ausspruch gem.\nZiffer 1 des angefochtenen Beschlusses - festgestellt:\n\nDie Antragsgegnerin sei als Miteigentumerin der Wohnungseigentumergemeinschaft\nverpflichtet, entsprechend ihrem Miteigentumsanteil zu den Kosten und Lasten\nder Verwaltung, Bewirtschaftung und Unterhaltung gemeinschaftlichen Eigentums\nbeizutragen, also auch die aufgrund des (unangefochten gebliebenen)\nEigentumerbeschlusses vom 19. 09. 2002 festgestellten Beitrage aus der\nNebenkostenabrechnung 2001 und die Wohngeldvorauszahlungen gemaß\nWirtschaftsplan 2002 zu zahlen. Hieraus stehe noch der geltend gemachte\nGesamtbetrag offen.\n\nDies lasst keinen Rechtsfehler erkennen. Einen solchen hat die Antragsgegnerin\nauch weder vor dem Landgericht noch in der Rechtsbeschwerde gerugt.\n\n2\\. Im Übrigen hat das Rechtsmittel der Antragsgegnerin mit der Maßgabe\nErfolg, dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur\nerneuten Entscheidung an das Landgericht Saarbrucken zuruckzuverweisen ist.\n\na) Das Amtsgericht hat insoweit festgestellt:\n\nDie Antragsgegnerin sei gemaß §§ 666, 667 und 675 BGB zur Herausgabe\nsamtlicher bei ihr vorliegender Verwaltungsunterlagen und gemaß § 28 WEG zur\nErstellung der Jahresabrechnungen 1999 und 2000 sowie einer Schlussabrechnung\nzum 19. 09. 2002 verpflichtet. Soweit die Antragsgegnerin geltend mache, sie\nsei niemals Verwalterin der WEG H.-straße 102 in Saarbrucken gewesen, treffe\ndies nicht zu und werde durch die von den Antragstellern vorgelegten weiteren\nUnterlagen und durch den Schriftverkehr im beigezogenen Verfahren widerlegt,\nin dem sich die Antragsgegnerin sogar selbst auf ihre Pflichten als\nVerwalterin berufen habe.\n\nb) Dies halt einer rechtlichen Überprufung nicht in jeder Hinsicht stand.\n\naa) Allerdings ist das WEG- Verfahren fur die hier vorliegende Streitigkeit\neroffnet. Das ortlich zustandige Amtsgericht entscheidet gemaß § 43 Abs. 1 Nr.\n2 WEG unter anderem uber _„ die Rechten_ und Pflichten des Verwalters bei der\nVerwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums". Da das Verfahren der\nfreiwilligen Gerichtsbarkeit dem Zivilprozess gleichwertig ist, ist der\nAnwendungsbereich dieser Vorschrift weit zu fassen, so dass alle\nStreitigkeiten zwischen dem Verwalter und der Wohnungseigentumergemeinschaft\naus dem Wohnungseigentum einzubeziehen sind. Darauf, ob das\nVerwalterverhaltnis noch besteht, kommt es dabei nicht an; unter den\nAnwendungsbereich dieser Norm fallen nicht nur Anspruche gegen den\nausgeschiedener Verwalter, sondern auch Anspruche gegen Personen, die - ohne\nVerwalter gewesen zu sein - mit Wissen und Billigung der Wohnungseigentumer\nfaktisch als solche tatig waren (BayObLG Z 87, 54, 59; KG MDR 1981, 407). Zwar\nbestreitet die Antragsgegnerin, Verwalterin des Gemeinschaftseigentums gewesen\nzu sein. Dies ist allerdings in diesem Zusammenhang unerheblich. Soweit es um\ndie Eroffnung des WEG- Verfahrens als solches geht, reicht es aus, dass die\nAntragsteller die Verwaltereigenschaft als solche behaupten, was hier der Fall\nist.\n\nbb) Die Entscheidung des Landgerichts beruht allerdings auf einer\nRechtsverletzung (§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG i.V.m. § 546 ZPO), da der\nAmtsermittlungsgrundsatz des § 12 FGG nicht beachtet worden ist. Zwar geht das\nGericht der weiteren Beschwerde grundsatzlich von dem Sachverhalt aus, den das\nBeschwerdegericht festgestellt hat (§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG i. V.m. § 599 ZPO;\nvgl. hierzu auch BayObLG NJW-RR 1988, 588; NJW-RR 1996, 1478). Zu prufen ist\nallerdings auch, ob die Vorinstanzen den Sachverhalt ausreichend erforscht\nhaben (OLG Hamm OLGZ 89, 271; Bumiller/Winkler, FGG, 7. Auflage, § 27 Rn. 5;\nJanssen, FGG, 2. Aufl., § 27 Rn. 43). Dem steht auch nicht entgegen, dass die\nAntragsgegnerin und Beschwerdefuhrerin keine diesbezugliche Ruge erhoben hat.\nGemaß § 27 Abs. 1 S. 2 FGG finden in dem Verfahren der weiteren Beschwerde die\nVorschriften der §§ 546, 547, 559 und 561 ZPO entsprechende Anwendung,\nwohingegen eine Verweisung auf § 557 Abs. 3 S. 2 ZPO nicht erfolgt. Die im\nZivilprozess nach dieser Vorschrift gebotene Unterscheidung zwischen\nVerfahrensmangeln, die von Amts wegen zu berucksichtigen sind und solchen, die\nder Rugepflicht unterliegen, hat fur die weitere Beschwerde im FGG- Verfahren\ndaher keine Bedeutung. Das Beschwerdegericht hat daher auch ohne Ruge des\nBeschwerdefuhrers seine Prufung auch darauf zu erstrecken, ob der Entscheidung\nTatsachen zugrundegelegt wurden, bei deren Feststellung das Gesetz in Bezug\nauf das Verfahren verletzt wurde (Janssen, FGG, 2. Aufl., § 27 Rn. 40).\n\n(1.) Das Amtsgericht - und ihm folgend das Landgericht - ist unter Verletzung\ndes Amtsermittlungsgrundsatzes zu dem Ergebnis gelangt, dass die\nAntragsgegnerin Verwalterin der streitgegenstandlichen Wohnungseigentumsanlage\nist. Die hierfur getroffenen Feststellungen tragen dies nicht. Soweit nicht\ndie Person des Verwalters in der Gemeinschaftsordnung festgehalten ist, wird\ndieser gemaß § 26 Abs. 1 S. 1 WEG durch Beschluss der Eigentumerversammlung\nmit Stimmenmehrheit bestellt oder - in dringenden Fallen - gemaß § 26 Abs. 3\nWEG durch den Richter. Die Antragsteller haben einen entsprechenden\nBestellungstatbestand weder vorgetragen, noch haben die Tatsachengerichte\neinen solchen aufgrund anderer Tatsachen ermittelt. Es mag sein, dass die\nAntragsgegnerin Aufgaben wahrgenommen hat, die typischerweise von dem\nVerwalter der Wohnungseigentumsanlage wahrgenommen werden und sich daher - wie\ndie Antragsteller es ausdrucken - als Verwalterin nicht nur von\nSondereigentum, sondern auch der Wohnungseigentumsanlage insgesamt geriert\nhat. Allein die faktische Wahrnehmung von Verwalteraufgaben - diese\nunterstellt - reicht indes nicht aus, um die Stellung als Verwalter zu\nbegrunden.\n\n(2) Die Entscheidung des Landgerichts beruht auch auf der Rechtsverletzung.\n\nSoweit die Antragsgegnerin nicht Verwalterin der Wohnungseigentumsanlage sein\nsollte, wovon im Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde zugunsten der\nAntragsgegnerin auszugehen ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine\nder Antragsgegnerin gunstigere Entscheidung ergehen musste. Es ware dann der\nFrage nachzugehen, inwieweit die Antragsgegnerin sich tatsachlich als\nVerwalterin „geriert" hat, wozu - vom Ausgangspunkt der Vorinstanzen\nkonsequenterweise - keine Feststellungen getroffen worden sind. Sofern die\nAntragsgegnerin tatsachlich umfanglich die Verwalteraufgaben wahrgenommen\nhaben sollte, ware weiter zu prufen, ob dies mit „ _Wissen und Billigung der\nBeteiligten " _ geschehen ist, was jedenfalls den Weg zum FGG - Verfahren\noffen halten wurde (BayObLGZ 1987, 54, 59; KG MDR 1981, 407). Letzteres ware\nbeispielsweise zweifelhaft, wenn sich die Antragsgegnerin nur einige\nVerwalterrechte eigenmachtig angemaßt hatte. Von dem Ausgangspunkt der\nweiteren Ermittlungen ware auch die materiellrechtliche Prufung, ob die\nAntragsgegnerin zur Vornahme der begehrten Handlungen verpflichtet ist,\nvorzunehmen.\n\n3\\. Die Entscheidung ist daher in dem entsprechenden Umfange aufzuheben und\ndie Sache an das Landgericht zuruckzuverweisen um diesem Gelegenheit zu geben,\ndie gebotenen Feststellungen zu treffen. Das Landgericht wird dabei vorab der\nFrage nachzugehen haben, ob die Antragsgegnerin tatsachlich Verwalterin der\nWohnungseigentumsanlage war. Soweit dies nicht der Fall sein sollte, wird es\ngehalten sein, zu prufen, inwieweit die Antragsgegnerin sich tatsachlich als\nVerwalterin „geriert" hat und ob und inwieweit die Antragsteller hiervon\nKenntnis hatten und dies gegebenenfalls auch billigten.\n\n4\\. Der Senat setzt den Geschaftswert entsprechend den Vorinstanzen fest.\n\n
128,182
olgsl-2004-06-01-4-u-504-1
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
4 U 5/04 - 1
2004-06-01
2019-01-07 09:29:40
2019-02-12 14:05:05
Urteil
## Tenor\n\nI. Die Berufung des Verfugungsklagers gegen das am 02.12.2003 verkundete\nUrteil des Landgerichts Saarbrucken (8 O 85/03) wird zuruckgewiesen.\n\nII. Der Verfugungsklager tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\nIII. Dieses Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n## Gründe\n\nI.\n\nDer Verfugungsklager ist Betreiber eines Golfplatzes in …. Er nimmt die\nVerfugungsbeklagten auf Unterlassung von Behinderungen beim Golfspiel in\nAnspruch.\n\nAm 23.02.2003 wurde ein Mitglied des Verfugungsklagers, Herr J. F., wahrend\neines Spaziergangs in der Nahe der damaligen Bahn 12 des Golfplatzes von einer\nihm unbekannten Person angesprochen. Diese Person, welche spater von einem\nanderen Golfclubmitglied als der Verfugungsbeklagte zu 1) identifiziert wurde,\nhielt Herrn F. dazu an, auf dem Weg in der Nahe der Bahn 12 stehen zu bleiben,\num die in diesem Bereich spielenden Golfer beim Abschlag zu behindern. Daruber\nhinaus teilte sie ihm mit, dass sie auch kunftig Personen dazu animieren\nwerde, sich auf dem Weg aufzuhalten und den Spielbetrieb des Verfugungsklagers\nzu behindern (Bl. 2 d. A.).\n\nBei dem Weg in der Nahe der ehemaligen Bahn 12 (heute Bahn 17) handelt es sich\num einen offentlichen, von Spaziergangern genutzten Feldwirtschaftsweg, der\ndas Golfplatzgelande durchtrennt. Um das Loch 12 anzuvisieren, mussten die\nGolfspieler diesen Weg uberspielen, da sich das Grun fur den ehemaligen\nAbschlag 12 hinter dem Weg befindet.\n\nWegen der angekundigten Behinderungen mahnte der Verfugungsklager den\nVerfugungsbeklagten zu 1) mit Schreiben vom 31.03.2003 (Bl. 8 d. A.) ab und\nerteilte ihm zugleich ein umfassendes Betretungsverbot fur jegliches im Besitz\ndes Verfugungsklagers befindliches Gelande (Bl. 2 d. A.).\n\nAm 14.06.2003 fand sich der Verfugungsbeklagte zu 1) erneut in der Nahe der\nehemaligen Bahn 12 ein, begleitet von einer Gruppe, der auch die\nVerfugungsbeklagten zu 2) und 3) angehorten. An diesem Tag fand auf dem\nGolfplatz ein Turnier (sog. Marquardt-Cup) statt, in dessen Verlauf es zu\nverbalen Auseinandersetzungen zwischen den Verfugungsbeklagten und dem\nGolfclubmanager, Herrn F. S., kam (Bl. 3 d. A.).\n\nMit Schriftsatz vom 24.07.2003 hat der Verfugungsklager beantragt, es den\nVerfugungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfugung aufzuerlegen, den\nSpielbetrieb auf dem Golfplatz nicht zu behindern. Das LG hat diesem Antrag\nentsprochen. Durch Beschluss vom 24.07.2003 (Bl. 36 d. A.) hat es die\nVerfugungsbeklagten dazu verpflichtet, es zu unterlassen, die Golfspieler des\nVerfugungsklagers - insbesondere an den Spielbahnen 12, 15 und 16 - dadurch zu\nbehindern, dass sie sich jeweils in dem Moment, in dem die Golfspieler\nabschlagen wollen, so vor ihnen aufstellen oder sich vor ihnen bewegen, dass\ndie Golfspieler den Schwung abbrechen mussen. Gegen diesen Beschluss haben die\nVerfugungsbeklagten mit Schriftsatz vom 31.07.2003 (Bl. 40 d. A.) Widerspruch\neingelegt.\n\nDer Verfugungsklager hat behauptet, die Verfugungsbeklagten hatten den\nSpielbetrieb wahrend des Marquardts-Turniers am 14.06.2003 gezielt gestort.\nSie hatten sich in einem Kreis von insgesamt ca. 10 Personen am Vormittag des\n14.06.2003 auf dem Feldwirtschaftsweg nahe Bahn 12 eingefunden und sich immer,\nwenn ein Golfer am Abschlag 12 erschienen sei, in Zweierreihen in Bewegung\ngesetzt. „Im Gansemarsch" seien sie den Feldwirtschaftsweg entlang gegangen,\nwodurch die Golfer beim Abschlagen erheblich behindert worden seien (Bl. 3 f\nd. A.). In der Mittagszeit habe sich die Gruppe dann mit Ausnahme der\nVerfugungsbeklagten zu 1) und 2) etwa eine Stunde lang auf dem\nFeldwirtschaftsweg vor Grun 12 aufgehalten und den Spielbetrieb unmoglich\ngemacht (Bl. 4 d. A.).\n\nZu vergleichbaren Vorfallen sei es auch am 15. und 16.06.2003 gekommen. Am\nNachmittag des 15.06. hatten sich die Verfugungsbeklagten zu 1) und 2) gezielt\neinige Zeit vor dem Grun 12 aufgehalten. Am darauf folgenden Tag seien sie die\nWege vor Grun 12 und 16 „bemerkenswert langsam" entlang gegangen, nachdem sie\ndas Golfclubmitglied W. F. und seine Bekannten auf dem Abschlag wahrgenommen\nhatten.\n\nEtwa einen Monat spater, am 19.07.2003, habe die Verfugungsbeklagte zu 2)\nwahrend des sog. „SAVAG-Cups" zusammen mit einigen anderen Personen das\nGelande in der Nahe der Bahnen 13 bis 16 aufgesucht und die anwesenden Golfer\ndurch lautes Palavern gestort (Bl. 30 d. A.). Zwar habe sie sich dabei\nuberwiegend auf Privatgrundstucken, die nicht zum Golfplatzgelande gehorten,\nsowie auf dem offentlichen Feldwirtschaftsweg bewegt. Jedoch habe sie, gerade\nals das Golfclubmitglied C. K. zum Abschlag auf Bahn 16 ausgeholt habe, das\nGelande vor diesem Abschlag uberquert. Dadurch sei die Golferin zum Abbremsen\nihres Schlags gezwungen gewesen und habe den Ball ins Gebusch geschlagen (Bl.\n4 u. 30 d. A.).\n\nDer Verfugungsklager hat die Ansicht vertreten, der Verfugungsgrund liege in\nder Befurchtung der Fortsetzung der Storung (Bl. 5 d. A.).\n\nDer Verfugungsklager hat beantragt,\n\n> > den Beschluss des LG vom 24.07.2003 aufrechtzuerhalten.\n\nDie Verfugungsbeklagten haben beantragt,\n\n> > den Beschluss vom 24.07.2003 aufzuheben und den Antrag auf Erlass der\n> einstweiligen Verfugung zuruckzuweisen.\n\nDie Verfugungsbeklagten haben behauptet, dass die vom Verfugungsklager\nvorgelegten eidesstattlichen Versicherungen falsch seien (Bl. 41 d. A.). Sie\nhatten am 14.06.2003 lediglich ein Picknick auf einem benachbarten\nPrivatgrundstuck der Frau E. L. abgehalten (Bl. 41 d. A.). Zwar sei es\nzwischen ihnen und dem Prasidenten des Verfugungsklagers zu einer Unterredung\ngekommen, dies allerdings nur, weil die Besucher des benachbarten Grundstucks\ndurch verschlagene Balle der Golfer gefahrdet worden seien (Bl. 41 d. A.). Die\nGruppe sei zu keiner Zeit im Gansemarsch auf dem Feldwirtschaftsweg gegangen,\nsondern habe sich bei der Unterredung an einer bestimmten Stelle außerhalb des\nGefahrenbereichs aufgehalten, die ihnen zuvor durch einen Ordner, den Zeugen\nR., angezeigt worden sei (Bl. 41 d. A.).\n\nHinsichtlich des Vorfalls vom 19.07.2003 haben die Verfugungsbeklagten\nbehauptet, dass Frau K. allenfalls unerheblich beeintrachtigt worden sei. Die\nGruppe um die Verfugungsbeklagten habe nur in zulassiger Weise von ihrem Recht\nGebrauch gemacht, sich auf dem offentlichen Weg bzw. den Privatgrundstucken\naufzuhalten (Bl. 42 d. A.).\n\nDie Verfugungsbeklagten haben schließlich die Ansicht vertreten, der Antrag\nauf Erlass einer einstweiligen Verfugung sei zu unbestimmt und berucksichtige\nnicht den Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit und Zumutbarkeit (Bl. 41 d. A.).\n\nDas LG hat - nach Beweiserhebung durch Vernehmung der Zeugen R. (Bl. 62 d.\nA.), S. (Bl. 63 d. A.), W. B. (Bl. 64 d. A.) und R.- H. (Bl. 65 d. A.) - durch\ndas am 02.12.2003 verkundete Urteil den Beschluss vom 24.07.2003 aufgehoben\nund den Antrag des Verfugungsklagers zuruckgewiesen. Der Senat nimmt gemaß §\n540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsachlichen Feststellungen des Urteils\nvom 26.03.2002 Bezug.\n\nDas Landgericht ist im Wesentlichen davon ausgegangen, dass ein\nUnterlassungsanspruch gemaß § 1004 BGB wegen eines Eingriffs in den\neingerichteten und ausgeubten Gewerbebetrieb nicht gegeben sei. Das Verhalten\ndes Verfugungsbeklagten zu 1) vom 23.02.2003 sei nicht tatbestandsmaßig, da es\nbei dem bloßen Versuch geblieben sei, einen Passanten zu einem belastigenden\nStehenbleiben zu motivieren, ohne dass dies zu einer Storung des Golfspiels\ngefuhrt habe. Hinsichtlich des Geschehens am 14.06.2003 stehe Aussage gegen\nAussage. Wahrend der Zeuge S. bestatigt habe, dass die Verfugungsbeklagten den\nFeldwirtschaftsweg im Gansemarsch entlang gegangen seien, habe der Zeuge B.\ndies kategorisch verneint. Der Beweis schikanosen Verhaltens gem. § 226 BGB\nsei daher nicht erbracht worden. Auch die Vorfalle vom 15. und 16.06.2003\nseien zur Annahme schikanierenden Verhaltens nicht ausreichend. Bei der\nBehinderung des Golfclubmitgliedes C. K. am 19.07.2003 handle es sich um eine\nnur kurzfristige Belastigung, die keinen Eingriff in den eingerichteten und\nausgeubten Gewerbebetrieb begrunde. Im Übrigen bestehe keine\nWiederholungsgefahr, da es nach Erlass der einstweiligen Verfugung am\n24.07.2003 nicht mehr zu Storungen des Golfbetriebs gekommen sei.\n\nGegen dieses Urteil wendet sich der Verfugungsklager mit seiner Berufung.\n\nEr rugt zum einen die Verletzung materiellen Rechts und zum anderen die\nfehlerhafte bzw. unvollstandige Tatsachenfeststellungen (Bl. 96 u. 97 d. A.).\n\nDas Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass keine\nWiederholungsgefahr bestehe, da sich die Verfugungsbeklagten an die\neinstweilige Verfugung gehalten hatten. Wiederholungsgefahr sei bereits durch\ndie erstmalige Behinderung indiziert und entfalle lediglich auf Grund einer\nstrafbewehrten Unterlassungserklarung (Bl. 96 d. A.).\n\nDer Verfugungsklager ist ferner der Auffassung, dass es auf das Merkmal des\nschikanosen Verhaltens nicht ankomme. Fur die Frage, ob ein Eingriff in den\neingerichteten und ausgeubten Gewerbebetrieb vorliege, genuge eine\nvorsatzliche Behinderung, ohne dass diese Schikane darstellen musse (Bl. 97 d.\nA.). Schikanoses Verhalten der Verfugungsbeklagten sei im Übrigen entgegen der\nAuffassung des Landgerichts nachgewiesen (Bl. 97 d. A.). Das Gericht sei zu\nUnrecht von einem Widerspruch zwischen den Aussagen der Zeugen B. und S.\nausgegangen, insbesondere hinsichtlich des sog. „Gansemarsches" der\nVerfugungsbeklagten vor dem Abschlag 12 und der Rudelbildung vor dem Grun 12\n(Bl. 98 f d. A.). Die Verfugungsbeklagten zu 1) und 2) hafteten jedenfalls\nbezuglich beider Vorfalle gesamtschuldnerisch neben dem Verfugungsbeklagten zu\n3), zumal sie die Organisatoren der Behinderungen gewesen seien (Bl. 99 d.\nA.). Auch aus der Aussage des Zeugen R. ergebe sich die Provokationsabsicht\nder Verfugungsbeklagten (Bl. 100 d. A.).\n\nNeben dem eingerichteten und ausgeubten Gewerbebetrieb sei durch das Verhalten\nder Verfugungsbeklagten schließlich auch die allgemeine Handlungsfreiheit\ngemaß Art. 2 I GG beeintrachtigt (Bl. 122 d. A.).\n\nDer Verfugungsklager hat die Hauptsache bezuglich des Verfugungsbeklagten zu\n3) fur erledigt erklart (Bl. 164 d. A.).\n\nDer Verfugungsklager beantragt,\n\n> > unter Abanderung des am 02.12.2003 verkundeten Urteils des Landgerichts\n> Saarbrucken den Beschluss vom 24.07.2003 aufrechtzuerhalten.\n\nDie Verfugungsbeklagten beantragen,\n\n> > die Berufung zuruckzuweisen.\n\nDie Verfugungsbeklagten sind der Auffassung, das Landgericht sei zu Recht\ndavon ausgegangen, dass zum Zeitpunkt der letzten mundlichen Verhandlung keine\nWiederholungsgefahr bestanden habe (Bl. 116 d. A.). Die fruheren\nBeeintrachtigungen seien außerdem rechtmaßig gewesen (Bl. 116 d. A.). Im\nRahmen der im Rahmen der Verletzung des eingerichteten und ausgeubten\nGewerbebetriebs anzustellenden Abwagung ergebe sich, dass der Verfugungsklager\nnicht schutzbedurftig sei, sondern die Beeintrachtigungen infolge des\nFeldwirtschaftswegs hinnehmen musse (Bl. 117 d. A.). Ein provozierendes bzw.\nschikanoses Verhalten der Verfugungsbeklagten habe der Verfugungsklager nicht\nbewiesen (Bl. 117 d. A.).\n\nHinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrages im Einzelnen wird auf\ndie gewechselten Schriftsatze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des\nLandgerichts vom 11.11.2003 (Bl. 61 d. A.) und des Senats vom 18.05.2004 (Bl.\n166 d. A.) sowie auf den Beschluss des Landgerichts vom 24.07.2002 (Bl. 36 d.\nA.) und das Urteil vom 02.12.2003 (Bl. 71 d. A.) Bezug genommen.\n\nII.\n\nDie zulassige Berufung ist nicht begrundet. Das angefochtene Urteil beruht im\nErgebnis weder gemaß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO auf einer Rechtsverletzung, d. h.\neiner Nichtanwendung oder unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm, noch\nrechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere\nEntscheidung.\n\nOb der Verfugungsklager einen Verfugungsgrund substantiiert dargetan und\nglaubhaft gemacht hat, kann dahinstehen, denn jedenfalls hat er keinen\nVerfugungsanspruch.\n\n1\\. Der Verfugungsklager hat keinen Anspruch aus § 862 Abs. Satz 2 BGB.\n\na) Der Verfugungsklager ist zwar unstreitig gemaß § 854 Abs. 1 BGB Besitzer\nder Parzellen, auf denen sich die streitgegenstandlichen Golfbahnen befinden,\nda er - vertreten durch seine Organe - unter Berucksichtigung der\nVerkehrsauffassung die tatsachliche Sachherrschaft uber diese willentlich\nausubt (vgl. BGHZ 57, 166 (168); 101, 186 (188); Staudinger-Bund, Kommentar\nzum Burgerlichen Gesetzbuch, Neubearbeitung 2000, § 854 BGB, Rdnr. 7, 13 u.\n14; MunchKomm(BGB)-Joost, 4. Auflage, § 854 BGB, Rdnr. 3 - 10).\n\nb) Jedoch wird er durch das von ihm behauptete Verhalten der\nVerfugungsbeklagten nicht gemaß § 858 Abs. 1 BGB durch verbotene Eigenmacht in\nseinem Besitz gestort.\n\naa) Eine Besitzstorung ist jede Beeintrachtigung des Besitzes, die in Bezug\nauf die betroffene Sache in ihrer Gesamtheit nicht Entziehung ist. Durch die\nBesitzstorung werden dem Besitzer Ausschnitte aus den Gebrauchs- und\nNutzungsmoglichkeiten genommen, die ihm der Besitz der Sache gewahrt (vgl.\nStaudinger-Bund, a.a.O., § 858 BGB, Rdnr. 14; MunchKomm(BGB)-Joost, a.a.O., §\n858 BGB, Rdnr. 4). Der besitzrechtliche Storungsbegriff ist dabei identisch\nmit dem eigentumsrechtlichen des § 1004 BGB, soweit Letzterer nicht\nBeeintrachtigungen von Eigentumerbefugnissen umfasst, die nicht zugleich\nBesitzbeeintrachtigungen sind (vgl. Staudinger-Bund, a.a.O., § 858 BGB, Rdnr.\n14). Da die Befugnisse des Besitzers nicht weiter gehen als die des\nEigentumers, muss der Besitzer Storungen unter denselben Voraussetzungen\nhinnehmen wie der Eigentumer (vgl. OLG Bremen, OLGZ 1971, 147; Staudinger-\nBund, a.a.O., § 858 BGB, Rdnr. 14; MunchKomm(BGB)-Joost, a.a.O., § 858 BGB,\nRdnr. 5).\n\nEine Beeintrachtigung liegt in jedem dem Inhalt des Eigentums oder Besitzes\nwidersprechenden tatsachlichen Zustand oder Vorgang (vgl. Staudinger-Gursky,\nKommentar zum Burgerlichen Gesetzbuch, Neubearbeitung 1999, § 1004 BGB, Rdnr.\n1). Erforderlich ist, dass der Storer seine Einwirkungssphare in den\nEigentums- bzw. Besitzraum des Anspruchsstellers ausdehnt und damit zugleich\ndie Sachherrschaft des Eigentumers verkurzt. Der Storer uberschreitet durch\nsein Handeln oder durch den Zustand der ihm gehorenden Sachen sein eigenes\nRecht und beschrankt dadurch faktisch die Ausubung eines fremden Rechts, indem\ner gleichsam selbst dieses Recht ausubt (vgl. Staudinger-Gursky, a.a.O., §\n1004 BGB, Rdnr. 17 m. w. N.).\n\nbb) Eine Storung kann auch darin liegen, dass jemand die Sachherrschaft des\nEigentumers oder Besitzers dadurch verkurzt, dass er diesen bei der Ausubung\ndes ihm zustehenden Besitzes behindert oder belastigt, also an irgendeiner\nzulassigen Benutzung der Sache oder einer sonstigen rechtmaßigen Einwirkung\nauf diese hindert (vgl. BGHZ 137, 89; Staudinger-Gursky, a.a.O., § 1004 BGB,\nRdnr. 18 u. 33 m. w. N.). Ob es hierfur ausreicht, dass die Behinderung nicht\ndurch physische Einwirkung, sondern durch psychische Mechanismen erfolgt, etwa\ndurch Drohungen (vgl. BGHZ 20, 169 (171); 137, 89; a. A. Staudinger-Gursky,\na.a.O., § 1004 BGB, Rdnr. 34), kann dahinstehen.\n\ncc) Im vorliegenden Fall sind die Grundstucke, auf denen sich die\nstreitgegenstandlichen Golfbahnen befinden, Teil des Golfclubgelandes. Nach\ndem Willen des Verfugungsklagers sollen diese Grundstucke zum - als solches\nbehordlich genehmigten - Golfspielen genutzt werden. Eine Beeintrachtigung der\nbestimmungsgemaßen Nutzung liegt daher grundsatzlich dann vor, wenn das\nGolfspiel auf den Grundstucken in irgendeiner Form behindert wird, etwa indem\nden dort befindlichen Spielern durch korperliche Einwirkung oder psychische\nMechanismen das erforderliche Abschlagen unmoglich gemacht oder erschwert\nwird.\n\nEine derartige Behinderung des Spielbetriebs konnte daher theoretisch auch von\nPassanten ausgehen, die sich auf dem offentlichen Feldwirtschaftsweg nahe der\njeweiligen Bahnen bewegen. Da die Golfspieler zur besonderen Rucksichtnahme\ngehalten sind, um Unbeteiligte nicht zu gefahrden (vgl. OLG Nurnberg, NJW-RR\n1990, 1503 f), mussen sie mit dem Abschlag warten, bis die Passanten auf dem\nWeg vorubergegangen sind. Dies gilt insbesondere beim Spiel auf der ehemaligen\nBahn 12 (heute Bahn 17). Das Grun bzw. das anzuvisierende Loch liegt hier\nhinter dem offentlichen Weg, so dass die Golfspieler den Weg uberspielen\nmussen. Dies erfordert beim Abschlag jeweils besondere Vorsicht.\n\ndd) Jedoch ist insoweit zu berucksichtigen, dass die Golfspieler durch das\nVerhalten der Passanten nicht beim Golfspielen behindert werden, soweit dieses\nausschließlich auf den Grundstucken erfolgt, auf denen sich die Spielbahnen\nbefinden und die vom Besitz des Verfugungsklagers umfasst sind. Innerhalb\ndieser Grundstucke konnen die Golfspieler den Besitz des Vereins unbeschrankt\nausuben bzw. ausnutzen. Die an sich vom Besitz des Verfugungsklagers gedeckten\nSpielhandlungen werden lediglich insoweit erschwert oder unmoglich gemacht,\nals sie Auswirkungen auf außerhalb dieser Grundstucke liegende Parzellen\nhaben, namlich die - unstreitig - dem offentlichen Verkehr gewidmeten\nFeldwege. Ausschließlich auf diesen befanden sich unstreitig in der\nVergangenheit die Verfugungsbeklagten und andere Personen, welche sich bei den\nkonkreten streitgegenstandlichen Vorkommnissen in der Flugbahn aufhielten, so\ndass ihnen durch umherfliegende Balle Schaden hatten entstehen konnen.\n\nee) Es handelt sich daher bei den streitgegenstandlichen Vorfallen um\nsogenannte „negative Einwirkungen". Dies sind solche, bei denen jemand ein\nGrundstuck innerhalb dessen Grenzen benutzt und dadurch zugleich dem\nangrenzenden Grundstuck gewisse Vorteile entzieht (vgl. Staudinger-Gursky,\na.a.O., § 1004 BGB, Rdnr. 65; MunchKomm(BGB)-Medicus, a.a.O., § 1004 BGB,\nRdnr. 33). Dies betrifft insbesondere Falle, in denen etwa durch eine\nBaumaßnahme auf einem Nachbargrundstuck die Aussicht oder das Licht verbaut\nwerden oder der Funk- und Fernsehempfang beeintrachtigt wird (vgl. BGHZ 113,\n384 (387 f); Staudinger-Gursky, a.a.O., § 1004 BGB, Rdnr. 65). Solche\nnegativen Einwirkungen stellen nach h. M. keine Eigentums- oder\nBesitzstorungen dar (vgl. RGZ 98, 15 (16); BGHZ 88, 344 (345 ff); 113, 384\n(388); OLG Dusseldorf, NJW 1979, 2618; Staudinger-Gursky, a.a.O., § 1004 BGB,\nRdnr. 65).\n\nDies folgt daraus, dass nach der Grundregel des § 903 BGB (und ebenso nach §\n854 BGB) Eigentum und Besitz lediglich eine sich innerhalb der raumlichen\nGrundstucksgrenzen haltende Benutzung umfassen, so dass im Zweifel nur eine\nsolche vom Eigentumsrecht oder einem Recht zum Besitz gedeckt sein muss (vgl.\nBHZ 88, 344 (346 f); Staudinger-Gursky, a.a.O., § 1004 BGB, Rdnr. 66). Eine\nein Nachbargrundstuck nicht unmittelbar raumlich tangierende negative\nEinwirkung kann daher nur dann eine Eigentums- oder Besitzstorung darstellen,\nwenn die betreffende Grundstucksbenutzung gegen Rechtsnormen verstoßt, die den\nInhalt des Eigentumsrechts im Interesse des Nachbarn beschrankt und damit\nzugleich die Eigentumssphare des Letzteren entsprechend erweitert (vgl.\nStaudinger-Gursky, a.a.O., § 1004 BGB, Rdnr. 66; MunchKomm(BGB)-Medicus,\na.a.O., § 1004 BGB, Rdnr. 34; Olzen, Jura 1991, 281 (285)). Derartige Normen\nsind etwa im Nachbarrecht und im Baurecht enthalten (vgl. Staudinger-Gursky,\na.a.O., § 1004 BGB, Rdnr. 67 u. 75). Sind solche Normen nicht einschlagig, so\nuberschreitet der angebliche Storer seinerseits nicht die Grenzen seines\nGrundstucks, so dass sein Verhalten durch das Recht aus § 903 BGB, mit seinem\nGrundstuck nach belieben zu verfahren, gedeckt ist (vgl.\nMunchKomm(BGB)-Medicus, a.a.O., § 1004 BGB, Rdnr. 34).\n\nff) Um solche negative Einwirkungen geht es auch im vorliegenden Fall. Zwar\nhaben die Verfugungsbeklagten nicht die Zufuhr von Vorteilen wie Licht, Luft,\nElektrizitat, Funkwellen oder Wasser unterbunden, sondern eine auf dem\nGrundstuck vorzunehmende Handlung erschwert oder unmoglich gemacht. Hierdurch\nwurde jedoch dem Verfugungsklager gleichwohl das Ausnutzen eines dem\nGrundstuck nicht selbst unmittelbar innewohnenden, sondern diesem von außen\nher zugute kommenden Vorteils erschwert. Dieser Vorteil besteht darin, dass\ndie Grundstucke des Verfugungsklagers, auf denen sich die Spielbahnen\nbefinden, zwar selbst nicht groß genug sind, um ein - den Regeln des\nGolfspiels entsprechendes - Bespielen der Bahnen zu ermoglichen, dass jedoch\ndurch die Inanspruchnahme der zwischen den Spielbahnen und durch diese\nhindurch verlaufenden Feldwege im Rahmen des Überspielens die angestrebte\nsportliche Nutzung ermoglicht wird. Die an sich den Grundstucken des\nVerfugungsklagers innewohnenden eingeschrankten sportlichen\nNutzungsmoglichkeiten werden also durch den Vorteil des unmittelbaren\nAngrenzens an die dem offentlichen Verkehr gewidmeten Feldwege faktisch\nerweitert.\n\nHierin liegt eine Parallele zum Verbauen der freien Aussicht. Besteht eine\nfreie Aussicht uber ein Nachbargrundstuck hinweg, so werden die Moglichkeiten\nder Nutzung eines Grundstucks durch den Vorteil erweitert, der sich daraus\nergibt, dass es neben einem anderen Grundstuck liegt, welches keine\nSichthindernisse enthalt. Im vorliegenden Fall liegt der Vorteil nicht im\nFehlen von Sichthindernissen, sondern von Hindernissen, die die Flugbahn von\nBallen beeintrachtigen. Nicht maßgeblich ist dabei, dass im Falle des\nVerbauens der Aussicht die Zufuhrung von Licht als Voraussetzung fur diese\nunterbunden, also etwas von dem Grundstuck des Anspruchstellers abgehalten\nwird, wahrend vorliegend verhindert wird, dass sich ein Gegenstand vom\nGrundstuck des Anspruchstellers aus wegbewegt. Die maßgebliche Gemeinsamkeit\nbeider Falle ist darin begrundet, dass eine vom Besitz bzw. Eigentum gedeckte\nGrundstucksnutzung jeweils deshalb nicht mehr vorgenommen werden kann, weil\neine ausschließlich auf dem konkreten Zustand des Nachbargrundstucks beruhende\nVoraussetzung entfallen ist. In diesem Fall aber nimmt der angebliche Storer\nkeine Befugnisse wahr, die eigentlich dem Anspruchsteller zustehen, sondern er\nnimmt ausschließlich eigene Rechte wahr, die sich lediglich mittelbar negativ\nauf das Nachbargrundstuck auswirken.\n\nDer Besitz des Verfugungsklagers an den Golfbahnen als solcher kann daher auch\ndann ungestort wahrgenommen werden, wenn sich die Verfugungsbeklagten so auf\nden Feldwegen aufhalten, dass ein Überspielen derselben nicht moglich ist.\n\ngg) Das Verhalten der Verfugungsbeklagten ist auch nicht ausnahmsweise deshalb\nals Storung anzusehen, weil es auf Grund besonderer Rechtsnormen gerade im\nInteresse des Verfugungsklagers untersagt ist.\n\nNach den einschlagigen straßenrechtlichen Vorschriften ist namlich gerade das\nVerhalten der Verfugungsbeklagten erlaubt, wahrend dasjenige des\nVerfugungsklagers verboten ist.\n\naaa) Das Verhalten der Verfugungsbeklagten ist gemaß § 14 Abs. 1 des\nSaarlandischen Straßengesetzes (SaarlStrG) rechtmaßig. Die zwischen den\nGolfbahnen des Verfugungsklager verlaufenden Feldwege sind unstreitig dem\noffentlichen Verkehr gewidmete Flachen i. S. d. § 2 Abs. 1 SaarlStrG. Auch\nFeldwege gehoren als „sonstige offentliche Straßen" i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 4\nSaarlStrG zu den dem offentlichen Verkehr gewidmeten Straßen (vgl.\nKodal/Kramer-Herber, Straßenrecht, 6. Auflage, Kap. 8, Rdnr. 12.12, S. 242).\n\nGemaß § 14 Abs. 1 Satz 1 SaarlStrG ist der Gebrauch der offentlichen Straßen\njedermann im Rahmen der Widmung und der Straßenverkehrsvorschriften innerhalb\nder verkehrsublichen Grenzen gestattet (Gemeingebrauch - vgl. Kodal/Kramer-\nGrote, a.a.O., Kap. 24, Rdnr. 9). Der Gemeingebrauch berechtigt jedermann zur\nBenutzung der Straße im Rahmen der Widmung (vgl. Kodal/Kramer-Grote, a.a.O.,\nKap. 24, Rdnr. 14 u. 16).\n\nIm Vordergrund steht dabei die Benutzung zum Verkehr, d. h. die Benutzung der\nStraßenoberflache durch Personen, Fahrzeuge oder Tiere zum Zwecke der\nFortbewegung bzw. Ortsveranderung (vgl. Kodal/Kramer-Grote, a.a.O., Kap. 24,\nRdnr. Rdnr. 18.1, 19 u. 21.1). Eingeschlossen ist auch der hiermit\nzusammenhangende ruhende Verkehr (vgl. Kodal/Kramer-Grote, a.a.O., Kap. 24,\nRdnr. 19.2). Der Verkehr im weiteren Sinne umfasst im Hinblick auf\ngrundrechtlich geschutzte Positionen - etwa Art. 5 GG - aber auch\nkommunikative Aspekte, etwa die Nutzung zum Zwecke der Werbung und der\nKundengewinnung, des Abhaltens von kirchlichen, kulturellen oder politischen\nVeranstalten sowie allgemein des Informations- und Meinungsaustauschs und der\nPflege menschlicher Kontakte (vgl. Kodal/Kramer-Grote, a.a.O., Kap. 24, Rdnr.\n22). Dies gilt insbesondere fur Fußgangern vorbehaltene Bereiche (vgl.\nKodal/Kramer-Grote, a.a.O., Kap. 24, Rdnr. 22).\n\nDie Straße dient daher - sofern die Verkehrsflache nicht durch zusatzliche\nHilfsmittel oder Vorrichtungen in Anspruch genommen wird - dem zeitweiligen\nAufenthalt von Menschen, ihrer Erholung, ihrer Kontaktaufnahme und ihrer\nKommunikation untereinander (vgl. BVerwG, NJW 1990, 2011 ff; Kodal/Kramer-\nGrote, a.a.O., Kap. 24, Rdnr. 22.4). Hierzu gehort neben den Gesprachen in\nkleinen Gruppen auch das Verteilen von Schriften politischen oder religiosen\nInhalts (vgl. OVG Luneburg, NVwZ-RR 1996, 247; BayObLG, NVwZ 1998, 90;\nKodal/Kramer-Grote, a.a.O., Kap. 24, Rdnr. 22.4).\n\nDie Verfugungsbeklagten haben daher nicht nur wie jedermann das Recht, sich\nohne vorherige Einholung einer Erlaubnis auf dem offentlichen\nFeldwirtschaftsweg zu bewegen, sondern es ist ihnen auch erlaubt, auf dem\nFeldweg langer zu verweilen, entlang zu schlendern, stehen zu bleiben, sich\nauszutauschen und zu unterhalten, ohne dass eine generelle Pflicht zu\nbesonderer Eile bestunde (vgl. Kodal/Kramer-Grote, a.a.O., Kap. 24, Rdnr.\n22.7). Da die Verfugungsbeklagten bereits nach dem Vortrag des\nVerfugungsklagers anlasslich der streitgegenstandlichen Vorfalle genau dieses\nVerhalten an den Tag gelegt haben, war dieses im Rahmen des Gemeingebrauchs\nzulassig.\n\nbbb) Hingegen ist das Überspielen der Feldwege mit Golfballen nach dem\nbisherigen Vortrag des Verfugungsklagers weder auf Grund eines gesteigerten\nAnliegergemeingebrauchs noch auf Grund eines Sondernutzungsrechts erlaubt.\n\nDa zu den offentlichen Straßen gemaß § 2 Abs. 2 Nr. 2 SaarlStrG auch der\nLuftraum uber dem Straßenkorper gehort, stellt das Überspielen einer Straße,\nhier eines Feldwegs, mit Golfballen eine Nutzung der Straße dar. Entgegen der\nAuffassung des Verfugungsklagers kann der vorliegende Fall nicht mit dem\nÜberfliegen des Straßenkorpers durch Flugzeuge etc. gleichgesetzt werden, da\nletztere Einwirkungen in einer solchen Hohe erfolgen, dass eine\nBeeintrachtigung des Gemeingebrauchs durch diese ausgeschlossen ist und daher\nkein Interesse an deren Ausschließung besteht (analog § 905 Satz 2 BGB).\nDagegen stellt das Überspielen eines Feldwirtschaftsweges mit Golfballen eine\nerhebliche Gefahrdung von dort befindlichen Fußgangern dar.\n\nDiese Nutzung durch den Verfugungsklager bzw. die auf seinem Gelande Golf\nspielenden Personen ist nicht auf Grund des gesteigerten\nAnliegergemeingebrauchs zulassig. Dieser folgt aus dem Eigentum an dem an eine\noffentliche Straße angrenzenden Grundstuck, auf Grund dessen bestimmte\ngesteigerte Nutzungen der Straße im Wege des Gemeingebrauchs erlaubt sind\n(vgl. Kodal/Kramer-Grote, a.a.O., Kap. 25, Rdnr. 18 ff).\n\nErforderlich hierfur ist, dass im Hinblick auf das Grundrecht aus Art. 14 GG\nfur den Grundstuckseigentumer ein unabweisbares Bedurfnis einer gesteigerten\nBenutzung der Straße besteht, d. h. dass der Eigentumer auf die Nutzung\nspezifisch angewiesen ist (vgl. BVerwG, DVBl. 1969, 696; NJW 1975, 357;\nKodal/Kramer-Grote, a.a.O., Kap. 25, Rdnr. 21.2). Insbesondere haben die\nAnlieger kraft ihres Eigentums einen Anspruch auf Zugang zu der offentlichen\nStraße und einen Anspruch darauf, dass der Kontakt nach außen nicht auf\nunzumutbare Weise unmoglich gemacht oder erschwert wird (vgl. BGHZ 30, 241;\nBGH, NJW 1960, 1995; NJW 1972, 243; Kodal/Kramer-Grote, a.a.O., Kap. 25, Rdnr.\n18, 21.2 u. 32), was auch die geschaftliche Kommunikation einschließt (vgl.\nKodal/Kramer-Grote, a.a.O., Kap. 25, Rdnr. 21.2). Geschutzt ist aber nicht\nbereits jeder Lagevorteil. Eine gunstige Verkehrslage ist nur dann geschutzt,\nwenn und soweit der Inhaber mit dem Fortbestand dieses Zustandes verlasslich\nrechnen konnte (vgl. BGHZ 23, 157; 48, 58; Kodal/Kramer-Grote, a.a.O., Kap.\n25, Rdnr. 20).\n\nDiese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Der Kontakt der\nGrundstucke des Verfugungsklagers nach außen einschließlich der Moglichkeit\ndes Zugangs zu den als offentliche Flachen gewidmeten Feldwegen steht außer\nFrage. Die Mitglieder des Verfugungsklagers sowie dessen Gaste haben daher\nungehinderten Zugang zu den Golfplatzparzellen und konnen diese auch im Rahmen\nder bestehenden Grenzen unbeschrankt benutzen. Daruber hinaus hat der\nVerfugungsklager auch nicht dargetan, dass er zur Ausubung seines Eigentums\nunabweisbar auf das Überspielen der Feldwege angewiesen ist. Dass eine andere\nGestaltung des Golfspiels, auf Grund derer dies nicht erforderlich ware, nicht\nmoglich ist und hierdurch die Nutzbarkeit der Parzellen so wesentlich\nherabgesetzt wurde, dass diese fur den Verfugungsklager nicht mehr sinnvoll\nware, ist nicht dargetan. Erst recht ist nicht erkennbar, dass der\nVerfugungsklager verlasslich damit rechnen konnte, die Feldwege uberspielen zu\nkonnen\n\nIm Übrigen kommt zwar grundsatzlich auch uber die durch Art. 14 GG besonders\ngeschutzten Falle eine Mitbenutzung des Straßengrundstucks fur Zwecke der\nAnlieger in Betracht, etwa im Rahmen einer gewerblichen Nutzung durch\nAufstellen von Reklameschildern und Verkaufsschildern (vgl. Kodal/Kramer-\nGrote, a.a.O., Kap. 25, Rdnr. 96), wobei dies im Saarland gemaß § 14 Abs. 1\nSatz 1 SaarlStrG „innerhalb der verkehrsublichen Grenzen" als Teil des\nGemeingebrauchs gestattet ist (vgl. Kodal/Kramer-Grote, a.a.O., Kap. 25, Rdnr.\n98.2).\n\nDer Verfugungsklager hat jedoch nicht vorgetragen, dass dies im konkreten\nEinzelfall (vgl. Kodal/Kramer-Grote, a.a.O., Kap. 25, Rdnr. 102) zu bejahen\nist. Der Verfugungsklager hat insbesondere nicht vorgetragen, dass eine\nentsprechende Benutzung an der konkreten Stelle dem Verkehrsublichen\nentspricht. Hiergegen spricht bereits, dass es sich bei den jetzt zum Zweck\ndes Golfspielens genutzten Parzellen fruher um landwirtschaftliche Grundstucke\nhandelte, die von Feldwegen durchzogen waren. Die Umwandlung in einen\nGolfplatz ist erst nachtraglich erfolgt, wobei der Verfugungsklager es bewusst\nin Kauf genommen hat, dass er kein zusammenhangendes, luckenloses Golfgelande\nzur Verfugung hat, sondern ein solches, welches nicht nur anderen Eigentumern\ngehorende landwirtschaftliche Flachen, sondern auch dem offentlichen Verkehr\ngewidmete Feldwege beinhaltet. Hinzu kommt, dass durch das Überspielen der\nFeldwege erhebliche Gefahren fur Personen entstehen konnen, welche diese im\nRahmen des Gemeingebrauchs benutzen. Auch wenn sich diese - anders als die\nVerfugungsbeklagten - nicht bewusst vor dem Abschlag aufhalten, kann es doch\njederzeit zu Unfallen kommen, bei denen harmlose Passanten erheblich verletzt\nwerden. Schon von daher verbietet sich ein erlaubnisfreies Überspielen der\nWege im Rahmen des Gemeingebrauchs (vgl. hierzu auch Kodal/Kramer-Grote,\na.a.O., 26. Kap., Rdnr. 9 u. 10).\n\nDa mithin die Nutzung der Feldwege durch Überspielen nicht unter den\nGemeingebrauch fallt (vgl. Kodal/Kramer-Grote, a.a.O., 26. Kap., Rdnr. 4),\nbedarf sie gemaß § 18 Abs. 1 Satz 1 SaarlStrG als Sondernutzung der Erlaubnis\nder Straßenbaubehorde (vgl. Kodal/Kramer-Grote, a.a.O., 26. Kap., Rdnr. 9 u.\n14). Diese wird im Regelfall durch Verwaltungsakt individuell, d. h. fur den\neinzelnen Fall der Benutzung, auf der Grundlage der Straßengesetze erteilt\n(vgl. Kodal/Kramer-Grote, a.a.O., 26. Kap., Rdnr. 14). Der Behorde steht\ninsoweit Ermessen zu, wobei in der Regel die Sicherheit oder Leichtigkeit des\nVerkehrs und die Wahrung eines einwandfreien Straßenzustandes Versagungs- oder\nEinschrankungsgrunde sein konnen (vgl. Kodal/Kramer-Grote, a.a.O., 26. Kap.,\nRdnr. 14).\n\nDass ihm von der Straßenbaubehorde eine solche Erlaubnis erteilt worden sei,\nhat der Verfugungsklager nicht behauptet, auch nicht auf die Anfrage des\nSenats vom 29.04.2004.\n\nEine straßenrechtliche Erlaubnis ist allerdings dann entbehrlich, wenn sich\ndie Rechtmaßigkeit der Sondernutzung aus der Erlaubnis einer anderen Behorde\nergibt (vgl. Kodal/Kramer-Grote, a.a.O., 26. Kap., Rdnr. 31 u. 34). In\nBetracht kommen namentlich Erlaubnisse nach Straßenverkehrsrecht (vgl.\nKodal/Kramer-Grote, a.a.O., 26. Kap., Rdnr. 34.1), Planfeststellungsbeschlusse\n(vgl. Kodal/Kramer-Grote, a.a.O., 26. Kap., Rdnr. 34.3) sowie baurechtliche\nGenehmigungen (vgl. Kodal/Kramer-Grote, a.a.O., 26. Kap., Rdnr. 34.4).\n\nGemaß § 18 Abs. 2 Satz 2 2. HS. SaarlStrG entfallt das Erfordernis der\nErlaubnis insbesondere dann, wenn die Benutzung einer Anlage dient, fur die\neine Baugenehmigung erforderlich ist (vgl. Kodal/Kramer-Grote, a.a.O., 26.\nKap., Rdnr. 34.5). Hieraus folgt jedoch - entgegen der Auffassung des\nVerfugungsklagers - nicht, dass der Sondergebrauch den Charakter einer\nerlaubnispflichtigen Sondernutzung im Sinne des Straßengesetzes verliert. Es\ntritt lediglich eine Konzentration der behordlichen Aktivitaten in einem\neinzigen Verwaltungsakt ein, welcher die Erlaubnis der Sondernutzung\naussprechen muss. Die gesetzlichen Pflichten, die den Erlaubnisnehmer treffen,\ngelten entsprechend fur den, der den Sondergebrauch auf der an die Stelle der\nErlaubnis tretenden Rechtsgrundlage ausubt. Individuelle Auflagen, Bedingungen\nund Sondernutzungsgebuhren sind in die an die Stelle der\nSondernutzungserlaubnis tretende behordliche Entscheidung aufzunehmen (vgl.\nKodal/Kramer-Grote, a.a.O., 26. Kap., Rdnr. 34.6).\n\nAuf die Anfrage des Senats vom 29.04.2004 hat der Verfugungsklager eine die\nBahnen 12, 13, 16 und den Abschlag Nr. 17 auf der Erweiterungsflache\nbetreffende Teilbaugenehmigung vorgelegt, durch die - unbeschadet privater\nRechte Dritter - die Genehmigung zum Beginn mit den diesbezuglichen\nBauarbeiten genehmigt wurde (Bl. 162 d. A.). Diese Teilbaugenehmigung enthalt\njedoch keinerlei Aussagen uber ein Recht des Verfugungsklagers, die\noffentlichen Verkehrsflachen zu uberspielen. Dass diese Frage bei der\nEntscheidung uber die Erteilung der Genehmigung uberhaupt gepruft wurde, ist\nweder vorgetragen noch aus der Genehmigung ersichtlich. Die Genehmigung kann\ndaher auch nicht entsprechend ausgelegt werden.\n\nDer Verfugungsklager hat daruber hinaus in der mundlichen Verhandlung vom\n18.05.2004 einen die betroffenen Bahnen enthaltenden „genehmigten Lageplan mit\nEintragung der Planung" vom 05.09.2000 vorgelegt. In diesem sind nicht nur die\nzum Golfplatz gehorigen Parzellen sowie die Abschlage, Greens und Locher\neingezeichnet, sondern auch die jeweils gerade verlaufenden kurzesten\nFlugbahnen zwischen den Abschlagen und den Lochern. Die Flugbahn zwischen\nAbschlag 12 und Loch 12 verlauft uber den streitgegenstandlichen\nFeldwirtschaftsweg.\n\nHieraus kann jedoch entgegen der Auffassung des Verfugungsklagers nicht\ngefolgert werden, dass in dieser zeichnerischen Darstellung die konkludente\nGenehmigung des Überspielens des Feldwegs, also eine in der Baugenehmigung\nenthaltene Sondernutzungserlaubnis, zu sehen ist. Der Lageplan bezieht sich\nnur auf die bauliche Errichtung des Golfplatzes. Aus ihm geht hervor, dass\ndieser so errichtet werden darf, dass ein Überspielen des Feldwegs auf\nGolfbahn 12 rein faktisch moglich ist. Dagegen liegt hierin keine Genehmigung\ndes Überspielens des Feldweges. Dies folgt bereits daraus, dass die Fluglinien\nschnurgerade eingezeichnet sind, wahrend beim Überspielen des Feldwegs damit\nzu rechnen ist, dass Balle verschlagen werden und weiter seitlich auf dem zu\nLoch 12 gehorigen Green aufkommen. Die eingezeichneten Linien konnen daher nur\ndie Bedeutung haben, den kurzesten denkbaren Weg zwischen Abschlag und Loch\nzeichnerisch anschaulich zu machen, um die Zusammengehorigkeit zu einer\nGolfbahn darzustellen. Dies ist auch bezuglich aller ubrigen Bahnen geschehen,\nauch soweit sie sich auf zusammenhangenden Flachen befinden. Dass daruber\nhinaus auch die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis gewollt war, ist\nhingegen aus dem Plan nicht mit hinreichender Bestimmtheit zu entnehmen.\n\nDenn weder in der Baugenehmigung noch in dem vorgelegten Lageplan kommt zum\nAusdruck, dass die Gemeinde die Frage der Sondernutzung hat regeln wollen.\nInsbesondere ist nicht erkennbar, dass diese die Erforderlichkeit des\nÜberspielens des Feldwegs einerseits sowie die hierdurch fur Personen, die\ndiese im Wege des Gemeingebrauchs benutzen, entstehenden Gefahren andererseits\nabgewogen und durch die Erteilung einer Erlaubnis entschieden hat. Zwar hat\ndas Bauamt der Gemeinde in seinem Schreiben vom 19.05.2004 (Bl. 170 d. A.)\nerklart, im Bauausschuss und auch im Gemeinderat sei das Problem des\nÜberspielens der Feldwirtschaftswege diskutiert worden und man sei sich einig\ngewesen, dass die Golfspieler und die Benutzer des Feldwirtschaftsweges\ngegenseitig Rucksicht nehmen wurden. Jedoch hat diese Abwagung nicht in einen\neine entsprechende Genehmigung erteilenden Verwaltungsakt Eingang gefunden, da\ndiesbezuglich sowohl in der Baugenehmigung als auch in dem vorgelegten\nLageplan jegliche Bezugnahme oder sonstige Verlautbarung fehlt. Aus diesem\nGrund konnen auch Dritte, die von einem entsprechenden Verwaltungsakt\nbetroffen waren, namentlich die Benutzer des Feldwegs, von dem internen Willen\nder Gemeinde durch Einblick in die Genehmigungsunterlagen keine Kenntnis\nnehmen.\n\nccc) Mithin aber wird der Gemeingebrauch der Verfugungsbeklagten nicht auf\nGrund eines Sondernutzungsrechts des Verfugungsklagers beschrankt. Der\nGemeingebrauch wird zwar dadurch beschrankt, dass berechtigte Sondernutzungen\ni. S. d. § 18 Abs. 1 SaarlStrG von jedermann hinzunehmen sind, so dass an\nihnen raumlich und inhaltlich die Ausubung des Gemeingebrauchs ihre Grenzen\nfindet, ohne dass die Widmung der Straße beruhrt wird (vgl. BGH, NJW 1956,\n1475; Kodal/Kramer-Grote, a.a.O., Kap. 24, Rdnr. 37). Da im vorliegenden Fall\naber kein Sondernutzungsrecht des Verfugungsklagers besteht, bleibt es bei der\nBefugnis der Verfugungsbeklagten, sich beliebig auf den streitgegenstandlichen\nFeldwegen aufzuhalten und das entsprechende Verhalten stellt keine Storung des\nBesitzes des Verfugungsklagers dar.\n\nhh) Eine Storung ist - entgegen der Auffassung des Verfugungsklagers - auch\nnicht deshalb gegeben, weil sich dieser auf die allgemeine Handlungsfreiheit\ndes Art. 2 Abs. 1 GG berufen kann. Dieses Grundrecht wirkt nicht unmittelbar\nzwischen den Parteien, da es nach zutreffender Ansicht keine unmittelbare\nDrittwirkung der als Abwehrrechte des Burgers gegen staatliche Eingriffe\nkonzipierten Grundrechte gibt (vgl. BVerfGE 7, 198 (205); 12, 113 (124); 13,\n318 (325); 35, 202 (219); 54, 208 (217); v. Munch/Kunig-v. Munch, Grundgesetz-\nKommentar, 5. Auflage, Vorb. Art. 1 - 19 GG, Rdnr. 31). Auf Grund ihres\nCharakters als objektive verfassungsrechtliche Wertentscheidungen sind die\nGrundrechte daher lediglich bei der Auslegung der fur Private geltenden\nRechtsnormen - insbesondere der unbestimmten Rechtsbegriffe und\nGeneralklauseln - zu beachten (mittelbare Drittwirkung - vgl. BVerfGE 7, 198\n(205 f); 84, 192 (195 ff); 89, 1 (12); 90, 27 (33); v. Munch/Kunig-v. Munch,\na.a.O., Vorb. Art. 1 - 19 GG, Rdnr. 31; Jarass/Pieroth-Jarass, Grundgesetz fur\ndie Bundesrepublik Deutschland, 6. Auflage, Einl., Rdnr. 6 u. Vorb. vor Art. 1\nGG, Rdnr. 15 u. 33).\n\nDurch die vorstehend vorgenommene Auslegung der zivilrechtlichen und\nstraßenrechtlichen Vorschriften aber wird auch dem objektiven Wertgehalt der\nallgemeinen Handlungsfreiheit ausreichend Rechnung getragen. Hinzukommt, dass\ndie allgemeine Handlungsfreiheit unter dem Vorbehalt der verfassungsmaßigen\nOrdnung steht und daher auf Grund jedes formell und materiell\nverfassungsmaßigen Gesetzes eingeschrankt werden kann (vgl. BVerfGE 96, 10\n(21); 80, 137 (153); 90, 145 (172); v. Munch/Kunig-Kunig, a.a.O., Art. 2 GG,\nRdnr. 22; Jarass/Pieroth-Jarass, a.a.O., Art. 2 GG, Rdnr. 17). Ein solches\nGesetz ist aber § 18 Abs. 1 SaarlStrG, welcher dem Verfugungsklager das\nÜberspielen der Feldwege ohne behordliche Erlaubnis untersagt. Folge hiervon\nist, dass sich der Verfugungsklager weder gegenuber der offentlichen Hand noch\n- uber zivilrechtliche Transformationsnormen - gegenuber den\nVerfugungsbeklagten diesbezuglich auf das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG\nberufen kann.\n\nc) Selbst wenn man davon ausgehen wurde, dass eine Besitzstorung vorliegt,\nberuht diese gleichwohl gemaß § 863 a. E. BGB i. v. m. § 858 Abs. 1 a. E. BGB\nnicht auf verbotener Eigenmacht und ist daher nicht rechtswidrig, weil das\nGesetz sie gestattet.\n\naa) Gesetzliche gestattete Eingriffe in den Besitz sind namlich keine\nverbotene Eigenmacht und damit nicht rechtswidrig, was gemaß § 863 a. E. BGB\nauch gegenuber dem possessorischen Unterlassungsanspruch eingewendet werden\nkann. Dabei muss jedoch das Gesetz gerade die eigenmachtige Storung fremden\nBesitzes gestatten. Normen, die lediglich einen Anspruch auf Einraumung des\nBesitzes oder die Gestattung eines bestimmten besitzstorenden Verhaltens\ngewahren, rechtfertigen dagegen keine eigenmachtige Durchsetzung (vgl. BGH, WM\n1971, 943 (944); OLG Koln, MDR 1995, 1215 (1216); Staudinger-Bund, a.a.O., §\n858 BGB, Rdnr. 22 u. § 863 BGB, Rdnr. 5; MunchKomm(BGB)-Joost, a.a.O., § 858\nBGB, Rdnr. 8). Eine Gestattung kann sich dabei sowohl aus privatrechtlichen\nals auch aus offentlichrechtlichen Normen ergeben (vgl. Staudinger-Bund,\na.a.O., § 858 BGB, Rdnr. 23 - 26 u. § 862 BGB, Rdnr. 2; MunchKomm(BGB)-Joost,\na.a.O., § 858 BGB, Rdnr. 9 u. 10). Verbotene Eigenmacht wird insbesondere\nausgeschlossen, soweit verwaltungsrechtliche Vorschriften einen unmittelbaren\nEingriff in Besitzpositionen rechtfertigen (vgl. Staudinger-Bund, a.a.O., §\n858 BGB, Rdnr. 26).\n\nEine solche offentlichrechtliche Erlaubnisnorm stellt insbesondere die Widmung\neiner Flache fur den offentlichrechtlichen Verkehr dar. Ist etwa ein Feldweg\ndem offentlichen Verkehr gewidmet, so kann dessen Besitzer und/oder Eigentumer\nnicht verhindern, dass dieser zum Befahren benutzt wird (vgl. LG Saarbrucken,\nDAR 1988, 385 fur eine Rallye; Staudinger-Bund, a.a.O., § 862 BGB, Rdnr. 2).\nDies gilt jedenfalls im Falle der Ausubung des Gemeingebrauchs (a. A. fur\nSondernutzungsrechte wegen der erforderlichen Einschaltung einer Behorde:\nMunchKomm(BGB)-Joost, a.a.O., § 858 BGB, Rdnr. 10), da zur Nutzung einer dem\noffentlichen Verkehr gewidmeten Flache im Rahmen des Gemeingebrauchs jedermann\nunmittelbar berechtigt ist, ohne zuvor eine behordliche oder gerichtliche\nEntscheidung herbeifuhren zu mussen (vgl. Kodal/Kramer-Grote, a.a.O., Kap. 24,\nRdnr. 44 ff).\n\nSelbst wenn man das Verhalten der Verfugungsbeklagten daher vorliegend als\nBesitzstorung qualifizieren wurde, ware diese daher keine verbotene Eigenmacht\nund wurde keinen Unterlassungsanspruch auslosen.\n\nbb) Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick auf § 226 BGB, wonach die\nAusubung eines Rechts unzulassig ist, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem\nanderen Schaden zuzufugen.\n\n§ 226 BGB gilt im gesamten privaten und offentlichen Recht und betrifft Rechte\naller Art, also auch solche, die auf Gesetzen beruhen (vgl.\nMunchKomm(BGB)-Grothe, a.a.O., § 226 BGB, Rdnr. 2 m. w. N.; Palandt-Heinrichs,\nBurgerliches Gesetzbuch, 63. Auflage, § 226 BGB, Rdnr. 2). Daher kann auch die\nAusubung des Gemeingebrauchs durch die Verfugungsbeklagten grundsatzlich im\nEinzelfall gemaß § 226 BGB unzulassig sein und daher eine verbotene Eigenmacht\nbegrunden.\n\nNach der Vorschrift ist die Ausubung eines Rechts jedoch nur unzulassig, wenn\nihr alleiniger Zweck darin besteht, einem anderen Schaden zuzufugen (vgl.\nMunchKomm(BGB)-Grothe, a.a.O., § 226 BGB, Rdnr. 2). Objektiv muss nach der\ngesamten Sachlage bei verstandiger Wurdigung jeder sonstige Zweck als die\nBenachteiligung eines anderen ausgeschlossen sein (vgl. RGZ 68, 424 (425);\n138, 373 (375); BGH, BB 1953, 373 (374); MunchKomm(BGB)-Grothe, a.a.O., § 226\nBGB, Rdnr. 3), wobei es genugt, dass das Verhalten auf die Schadenszufugung\ngerichtet ist und ein Schadenseintritt nicht vorzuliegen braucht (vgl.\nMunchKomm(BGB)-Grothe, a.a.O., § 226 BGB, Rdnr. 3).\n\nVerwerfliche Absichten bei der Ausubung eines bestehenden Rechts genugen aber\nebenso wenig, wie es ausreicht, dass die Verfolgung des eigenen Rechts den\nInteressen des anderen notwendigerweise Schaden zufugen muss (vgl.\nMunchKomm(BGB)-Grothe, a.a.O., § 226 BGB, Rdnr. 3 m. w. N.). Jedes objektiv\nerkennbare Interesse an der Rechtsausubung, dem die Berechtigung nicht\nabgesprochen werden kann, schließt dagegen den Schikanevorwurf aus (vgl. BGH,\nBB 1953, 373 (374); MunchKomm(BGB)-Grothe, a.a.O., § 226 BGB, Rdnr. 3).\n\nDas Spazierengehen und Verweilen der Verfugungsbeklagten auf dem\nFeldwirtschaftsweg erfullt aber auch dann nicht diese Voraussetzungen, wenn\nman es auf Grund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme fur bewiesen erachtet,\ndass dieses in allen Fallen gezielt dazu diente, Golfspieler daran zu hindern,\nvom Abschlag der Spielbahn 17 (jetzt Spielbahn 12) aus den Ball uber den\nFeldweg hinweg zum Loch dieser Spielbahn zu schlagen. Zwar haben die\nVerfugungsbeklagten hierdurch ihr Recht in die eigene Hand genommen, um auf\nden Verfugungsklager außerhalb der verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten um\ndie Zulassigkeit der Golfplatzerweiterung faktischen Druck mit dem Ziel\nauszuuben, den Spielbetrieb einzustellen bzw. einzuschranken. Hierdurch wird\ndem Verfugungsklager unstreitig notwendigerweise insoweit Schaden zugefugt,\nals ihm die uneingeschrankte Aufrechterhaltung des Spielbetriebs und die\nDurchfuhrung entsprechender Golfturniere, bei denen die Golfregeln eingehalten\nwerden, zumindest erschwert werden. Das Verhalten der Verfugungsbeklagten ist\nauch verwerflich, da sie ihr Recht in die eigene Hand genommen haben und\nmittels Blockadeaktionen versucht haben, dieses außerhalb gerichtlicher\nStreitigkeiten durchzusetzen.\n\nJedoch ist nicht erkennbar, dass hiermit ausschließlich eine Schadigung des\nVerfugungsklagers beabsichtigt wird. Zum einen wollen die Verfugungsbeklagten\nnamlich den Betrieb des Golfplatzes deshalb verhindern, weil sie sich in der\nBenutzung ihrer eigenen, in raumlicher Nahe zu diesem liegenden\nlandwirtschaftlichen Parzellen beeintrachtigt sehen. Sie streben also einen\nkonkreten Vorteil fur ihr eigenes Eigentum an. Zum anderen wollen sie die\nungestorte und ungefahrliche Benutzbarkeit der durch das Golfplatzgelande\nverlaufenden Feldwege im Rahmen des Gemeingebrauchs sicherstellen, die durch\ndas Überspielen mit Golfballen gerade beeintrachtigt ist. Zu diesem Zweck\nhaben sich die Verfugungsbeklagten gerade wahrend des Golfspiels der\nMitglieder und Gaste des Verfugungsklagers auf den fraglichen Wegen\naufgehalten und so gezielt eine Situation herbeigefuhrt, die auch ohne eine\nsolche gezielte Aktion jederzeit durch zufallig vorbeigehende Passanten\neintreten kann und dann die entsprechenden Gefahren hervorruft. Die sich aus\ndem Gemeingebrauch ergebenden Rechte wurden also - auch - als Mittel im Rahmen\ndes offentlichen Meinungskampfs eingesetzt mit dem Ziel, der Öffentlichkeit\nund dem Verfugungsklager selbst die Rechtswidrigkeit seines Tuns vor Augen zu\nfuhren.\n\nDies kann aber nicht als schikanoses Ausnutzen einer formal gegebenen\nRechtsposition angesehen werden.\n\nd) Daher kann schließlich sowohl die Frage der Wiederholungsgefahr (vgl. RGZ\n63, 374 (379); 101, 135 (138); BGHZ 2, 394 (395); Staudinger-Bund, a.a.O., §\n862 BGB, Rdnr. 7; MunchKomm(BGB)-Joost, a.a.O., § 862 BGB, Rdnr. 3) als auch\ndie der (Handlungs)storereigenschaft der drei Verfugungsbeklagten (vgl. BGHZ\n14, 163 (174); 29, 314 (317); Staudinger-Bund, a.a.O., § 862 BGB, Rdnr. 9)\ndahinstehen.\n\n2\\. Daruber hinaus ist auch kein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen\nzu besorgender Verletzungen des Eigentums des Verfugungsklagers gegeben.\n\nDer Verfugungsklager ist unstreitig nicht nur Besitzer, sondern auch\nEigentumer der Parzellen, auf denen sich die streitgegenstandlichen Golfbahnen\nbefinden. Wie oben unter 1. gezeigt liegt jedoch im Verhalten der\nVerfugungsbeklagten keine Storung des Besitzes und daher auf Grund der im\nWesentlichen gleichen Voraussetzungen auch keine Storung des Eigentums an den\nentsprechenden Grundstucken. Daruber hinaus folgt aus dem Recht der\nVerfugungsbeklagten zur Benutzung der Feldwege im Rahmen des Gemeingebrauchs\ngemaß § 14 SStrG auch eine Duldungsverpflichtung des Verfugungsklagers aus §\n1004 Abs. 2 BGB, so dass der Anspruch auch aus diesem Grund ausgeschlossen\nist. Eine Duldungspflicht wird namlich auch durch die Widmung eines\nGrundstucks zu einem offentlich Zweck, insbesondere zum Gemeingebrauch\nbegrundet. Eine Benutzung der Sache zu einem sich im Rahmen des\nGemeingebrauchs haltenden Zweck muss daher vom Eigentumer hingenommen werden\n(vgl. Staudinger-Gursky, a.a.O., § 1004 BGB, Rdnr. 175). Dies muss daher erst\nrecht dann gelten, wenn nicht die dem Eigentumer gehorende Sache, sondern eine\nandere, namentlich ein Nachbargrundstuck, zu einem solchen Zweck benutzt wird\nund dies auf das Grundstuck des Eigentumers nachteilige Einwirkungen hat, die\nnicht durch eine spezielle Rechtsnorm verboten werden. Das Schikaneverbot des\n§ 226 BGB greift auch insoweit nicht.\n\n3\\. Aus denselben Grunden hat der Verfugungsklager auch keinen Anspruch aus §\n1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB wegen zu besorgender\nVerletzungen seines berechtigten Besitzes an den zum Golfplatzgelande\ngehorigen Grundstucken.\n\nDabei kann es dahinstehen, ob sich der quasinegatorische Unterlassungsanspruch\naus §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 BGB auch den berechtigten Besitz schutzt\n(in diesem Sinne wohl: Palandt-Sprau, a.a.O., § 823 BGB, Rdnr. 13) oder ob die\ndie Anwendbarkeit von §§ 1004, 823 BGB bereits deshalb nicht auf den Besitzer\nanwendbar ist, weil § 862 BGB diesem ausreichenden Schutz bietet (vgl.\nStaudinger-Gursky, a.a.O., § 1004 BGB, Rdnr. 87; MunchKomm(BGB)-Medicus,\na.a.O., § 1004 BGB, Rdnr. 16 m. w. N.).\n\nWie oben unter 1. gezeigt, liegt jedenfalls keine Besitzstorung vor und eine\nsolche ware eine solche jedenfalls durch das Recht der Verfugungsbeklagten,\ndie Feldwege im Rahmen des Gemeingebrauchs zu benutzen, gerechtfertigt.\n\n4\\. Der Verfugungsklager kann ferner keinen Anspruch aus § 1004 BGB i. V. m. §\n823 Abs. 1 BGB wegen zu befurchtender Verletzungen eines eingerichteten und\nausgeubten Gewerbebetriebes geltend machen.\n\na) Entgegen den Ausfuhrungen des Landgerichts ist davon auszugehen, dass es\nvorliegend bereits an der Ausubung eines Gewerbebetriebs fehlt.\n\nDas Unternehmensrecht bzw. Recht am eingerichteten und ausgeubten\nGewerbebetrieb ist als sonstiges Recht i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB geschutzt\n(vgl. BGHZ 2, 387; 15, 269 (307); 23, 157 (163); 65, 325 (328); Staudinger-\nHager, Kommentar zum Burgerlichen Gesetzbuch, 13. Bearbeitung 1999, § 823 BGB,\nRdnr. D 3; MunchKomm(BGB)-Wagner, a.a.O., § 823 BGB, Rdnr. 179 ff; Palandt-\nThomas, a.a.O., § 823 BGB, Rdnr. 19). Durch das Recht am eingerichteten und\nausgeubten Gewerbebetrieb sollen Unternehmen gegen Beeintrachtigungen ihrer\nwirtschaftlichen Betatigung geschutzt werden. Dabei versteht man unter\n„Gewerbe" jede außerlich erkennbare, selbstandige, planmaßig auf gewisse Dauer\nzum Zwecke der Gewinnerzielung ausgeubte Tatigkeit, wobei Gewinnerzielung nach\nh. M. die Absicht voraussetzt, einen Überschuss der Einnahmen uber die\nAusgaben zu erzielen (vgl. BGHZ 74, 273 (276); 83, 382 (386); 114, 257 (258);\nStaudinger-Hager, a.a.O., § 823 BGB, Rdnr. D 6).\n\nDass der Verfugungsklager ein Gewerbe in diesem Sinne betreibt, ist jedoch\nnicht ersichtlich. Insbesondere ist das Merkmal der Gewinnerzielung nicht\ndargetan: Der Verfugungsklager hat nicht dargelegt, dass er sich\nwirtschaftlich betatigt bzw. den Zweck verfolgt, mehr Einnahmen zu erzielen\nals er Ausgaben hat. Vielmehr ist schon nach dem eigenen Vortrag des\nVerfugungsklagers davon auszugehen, dass es sich bei dem Golfclub K. um einen\nVerein handelt, der sich allein im Interesse gemeinsamer Freizeitgestaltung\ngebildet hat, also rein ideelle Zwecke verfolgt. Von einem i.S.d. §§ 823, 1004\nBGB geschutzten Gewerbebetrieb kann insoweit nicht ausgegangen werden.\n\nb) Dahinstehen kann es im Übrigen, ob die Regelungen zum Schutz des\neingerichteten und ausgeubten Gewerbebetriebs auf Idealvereine analog\nanwendbar sind (vgl. hierzu Staudinger-Hager, a.a.O., § 823 BGB, Rdnr. D 7 u.\nD 8 m. w. N.).\n\nJedenfalls ist vorliegend kein betriebsbezogener Eingriff gegeben. Ein\nEingriff ist nur dann gegen das Recht am Gewerbebetrieb gerichtet, wenn er\nbetriebsbezogen ist, d. h. wenn die schadigende Handlung unmittelbar gegen den\nbetrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit\ngerichtet ist und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablosbare Rechte\nbetrifft. Der Eingriff muss daruber hinaus uber Belastigungen und\nsozialubliche Behinderungen hinausgehen (vgl. BGHZ 29, 65 (74); 69, 128 (139);\nBGH, NJW 1985, 1620; Staudinger-Hager, a.a.O., § 823 BGB, Rdnr. D 9 u. D 11;\nMunchKomm(BGB)-Wagner, a.a.O., § 823 BGB, Rdnr. 185; Palandt-Thomas, a.a.O., §\n823 BGB, Rdnr. 21).\n\nIm vorliegenden Fall liegt bereits deshalb kein Eingriff vor, weil das\nÜberspielen der Feldwege - wie oben gezeigt - durch die auf den Spielflachen\ndes Verfugungsklagers tatigen Golfspieler rechtlich nicht erlaubt ist. Zu dem\nvom Unternehmensrecht geschutzten betrieblichen Organismus des\nVerfugungsklagers gehort also von vornherein nicht das Recht, den Spielbetrieb\nauch auf entsprechende Tatigkeiten zu erstrecken. Indem den Spielern des\nVerfugungsklagers diese Tatigkeit erschwert oder unmoglich gemacht wird, wird\ndaher schon tatbestandlich nicht in den eingerichteten und ausgeubten\n(Gewerbe)betrieb eingegriffen. Dem Verfugungsklager kann namlich kein Recht zu\neiner Tatigkeit genommen werden kann, die ihm ohnehin nach der Rechtsordnung\nverboten ist.\n\nJedenfalls aber ware ein solcher Eingriff auf Grund der zulassigen Nutzung der\nFeldwege im Rahmen des Gemeingebrauchs gerechtfertigt, ohne dass es einer\nansonsten beim Unternehmensrecht erforderlichen Interessenabwagung im\nEinzelfall bedurfte.\n\n5\\. Schließlich hat der Verfugungsklager auch keinen Unterlassungsanspruch aus\n§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 826 BGB.\n\na) Ist eine vorsatzliche sittenwidrige Schadigung i. S. d. § 826 BGB zu\nbesorgen, so kann dem potentiell Geschadigten u. U. ein Unterlassungsanspruch\nanalog § 1004 Abs. 2 BGB zustehen. Der Bedrohte muss nicht erst den Eintritt\neiner Schadigung abwarten, um dann einen Schadensersatzanspruch geltend machen\nzu konnen, sondern er kann bereits im Vorfeld Unterlassung verlangen, um den\nEintritt eines Schadens von vornherein zu verhindern. Dies entspricht dem\nallgemeinen Grundsatz, dass § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB uber seinen Wortlaut\nhinaus bei Eingriffen in jedes deliktsrechtlich geschutzte Interesse und\nmithin auch im Falle des § 826 BGB anwendbar ist (vgl. RGZ 123, 271 (274 f);\n134, 342 (356); OLG Saarbrucken, NJW-RR 1987, 500 (501); Staudinger-Hager,\na.a.O., Vorbem. zu §§ 823 ff BGB, Rdnr. 63; MunchKomm(BGB)-Wagner, a.a.O., §\n826 BGB, Rdnr. 37).\n\nb) Die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs sind vorliegend jedoch nicht\ngegeben.\n\nDer Verfugungsklager hat namlich keine Tatsachen vorgetragen, auf Grund derer\nsich ergibt, dass das Verhalten der Verfugungsbeklagten sittenwidrig ist.\nSittenwidrig ist ein Verhalten, wenn es dem Anstandsgefuhl aller billig und\ngerecht Denkenden widerspricht (vgl. RGZ 48, 114 (124); 56, 271 (279); BGHZ\n10, 228 (232); MunchKomm(BGB)-Wagner, a.a.O., § 826 BGB, Rdnr. 7).\n\nDies kann vorliegend nicht bejaht werden. Wie bereits dargelegt, haftet dem\neigenmachtigen Vorgehen der Verfugungsbeklagten zum Zwecke der Durchsetzung\nihrer vermeintlichen Rechte zwar ein gewisses Maß an subjektiver\nVerwerflichkeit an. Sie hatten vielmehr auf die Entscheidungen in den\nbezuglich der Golfplatzerweiterung angestrengten verwaltungsgerichtlichen\nVerfahren warten mussen, statt zu eigenmachtigen Blockadeaktionen zu greifen.\nGleichwohl fuhrt dies in der Gesamtschau aller Umstande nicht dazu, dass ihr\nVerhalten als sittenwidrig zu qualifizieren ware. Zum einen haben sie sich\nformal legal verhalten, indem sie sich ausschließlich auf den offentlichen\nZwecken gewidmeten Feldwegen aufgehalten, das Eigentum des Verfugungsklagers\njedoch nicht verletzt haben. Sie haben hierdurch dem Verfugungsklager nichts\ngenommen, was ihm von der Rechtsordnung erlaubt gewesen ware, sondern\nlediglich das ohnehin verbotene Überspielen der Feldwege unterbunden. Zum\nanderen haben sie dies nicht allein zum Zweck der Schadigung des\nVerfugungsklagers getan, sondern um einen Beitrag im Rahmen des offentlichen\nMeinungskampfes um die Golfplatzerweiterung zu machen. Die Verfugungsbeklagten\nwollten insbesondere darauf aufmerksam machen, dass ihrer Auffassung nach der\nBetrieb des Golfplatzes sowohl ihre eigenen Grundstucke als auch die\noffentlichen Verkehrsflachen auf nicht hinzunehmende Art beeintrachtigt.\nSoweit in dem Verhalten der Verfugungsbeklagten eine Meinungsaußerung\nenthalten ist, ist dieses daher durch das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG\ngeschutzt. Dieser Umstand ist bei der Prufung des Vorliegens sittenwidrigen\nVerhaltens zu berucksichtigen.\n\nAuch wenn die zu erwartenden Schaden des Verfugungsklagers in Gestalt der\nEinschrankung des Golfplatzbetriebs und der moglicherweise hieraus\nresultierenden finanziellen Einbußen von den Verfugungsbeklagten mindestens\nbilligend in Kauf genommen wurden, scheidet daher gleichwohl ein Anspruch aus\n§ 826 BGB mangels Sittenwidrigkeit aus.\n\n6\\. Bezuglich des Verfugungsbeklagten zu 3) ist nach alledem keine Erledigung\nder Hauptsache eingetreten, da der Antrag auf Erlass einer einstweiligen\nVerfugung auch diesbezuglich von Anfang an unbegrundet war.\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.\n\nDie Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.\n10, 711, 713 ZPO. § 713 ZPO ist anwendbar, die Revision gemaß § 542 Abs. 2\nSatz 1 ZPO nicht statthaft ist.\n\nDer Streitwert fur das Berufungsverfahren betragt 50.000,-- EUR.\n\n
128,194
olgsl-2004-06-23-1-u-57803-1-u-578
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
1 U 578/03; 1 U 578/03 - 147
2004-06-23
2019-01-07 09:29:44
2019-02-12 14:05:06
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung der Beklagten gegen das am 2. September 2003 verkundete\nUrteil des Landgerichts in Saarbrucken - 9 O 36/03 - wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Beklagten zur Last.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n4\\. Der Streitwert des Berufungsverfahrens und der Wert der Beschwer der\nBeklagten werden auf jeweils 12.500 EUR festgesetzt.\n\n5\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\nA.\n\nDer Klager macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewinnauszahlung\ngeltend.\n\nDie Beklagte, eine in Frankreich ansassige Gesellschaft franzosischen Rechts,\nubersandte dem Klager Anfang September 2002 per Post einen Katalog, in dem\nverschiedene Waren zum Kauf angeboten wurden. Der Werbesendung war ein an den\nKlager personlich gerichtetes Schreiben der „Abteilung Gewinn - Vergabe„\nbeigefugt, das u.a. wie folgt lautete:\n\n> > Wenn Sie die untenstehende Bedingung erfullen, steht eindeutig fest:\n\n> > > Sie haben 12.500 EUR„ gewonnen!\n\nDie drucktechnisch hervorgehobene Gewinnmitteilung war mit der Aufforderung\nverbunden, der Klager moge schnell den beigefugten personlichen Umschlag\nuberprufen, ob dieser drei Gewinnschecks enthalte, deren Betrage zusammen\n12.500 EUR ergeben. Weiter heißt es:\n\n> > „Dann ist es wirklich wahr! Die 12.500 EUR gehoren Ihnen!„\n\nDer Klager wurde fur den Fall, dass seine Gewinnschecks den o.g. Betrag\nergeben, aufgefordert, die Kontroll-Abschnitte der Gewinnschecks auf die\nbeigefugte personliche Gewinn-Anforderung zu kleben und diese „moglichst noch\nheute„ zuruckzusenden, denn „man mochte ihm die 12.500 EUR sofort\nausbezahlen„.\n\nAuf der Ruckseite des Schreibens waren ganz unten in Kleinschrift Gewinn-\nBedingungen abgedruckt, in denen darauf hingewiesen wird, dass es sich um ein\nGewinnspiel handelt, bei dem der Gewinn - entgegen dem umseitig erweckten\nEindruck - nur dem Teilnehmer zusteht, dessen drei Gewinnschecks Betrage von\ninsgesamt 12.500 EUR aufweisen und die außerdem mit denen einer (angeblich)\ndurchgefuhrten „Vorabziehung„ identisch sind (wegen weiterer Einzelheiten vgl.\nBl. 9 sowie das Muster Bl. 45 d.A) .\n\nDer personliche Umschlag des Klagers enthielt drei Gewinn-Schecks uber\nzusammen 12.500 EUR sowie eine sog. Gewinn-Anforderung, in der dem Klager\nbestatigt wird, dass er die Gewinnsumme garantiert erhalte, wenn die Summe der\ndrei Gewinn - Schecks den Betrag von 12.500 EUR ergebe.\n\nDurch Einwurf-Einschreiben seiner fruheren Prozessbevollmachtigten vom\n26.9.2002 ubermittelte der Klager der Beklagten daraufhin in dem dafur\nvorgesehenen Antwortkuvert die ausgefullte, mit von ihm unterschriebenen\nKontrollabschnitten der drei Gewinnschecks versehene personliche Gewinn -\nAnforderung und forderte die Beklagte unter Fristsetzung zum 14.2.2002 zur\nAuszahlung der 12.500 EUR auf (Bl. 10 d.A.).\n\nMit Schreiben vom 15.10.2002 wies die Beklagte das Zahlungsverlangen mit dem\nHinweis auf die bereits erwahnten Gewinn - Bedingungen und dem Bemerken\nzuruck, dass die drei Schecksummen des Klagers mit denen der Vorabziehung\nnicht ubereinstimmen (Bl. 12 d.A.).\n\nDer Klager erhob daraufhin Klage. Am 12.6.2003 erging ein Versaumnisurteil\n(Bl. 24 bis 26 d.A.), worin die Beklagte zur Zahlung von 12.500 EUR nebst\nZinsen in Hohe von 5 % uber dem Basissatz seit dem 14.10.2002 verurteilt\nwurde. Die Beklagte hat gegen das ihr am 26.6.2003 zugestellte\nVersaumnisurteil am 8.7.2003 Einspruch eingelegt.\n\nDer Klager ist der Auffassung, ihm stehe gemaß § 661 a BGB unter dem\nrechtlichen Gesichtspunkt der Gewinnzusage gegen die Beklagte ein\nZahlungsanspruch in Hohe von 12.500 EUR zu, weil jene in ihrer\nGewinnmitteilung den Eindruck erweckt habe, der Klager stehe als Gewinner\nsicher fest. Die auf der Ruckseite des Mitteilungsschreibens als Gewinn-\nBedingungen bezeichneten Spielregeln seien mangels Hinweis auf der Vorderseite\nnicht Bestandteil der Gewinnzusage gewesen.\n\nDer Klager hat beantragt,\n\n> > das Versaumnisurteil vom 12.6.2002 aufrecht zu erhalten.\n\nDie Beklagte hat beantragt,\n\n> > das Versaumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen .\n\nSie hat argumentiert, der Klager habe die Teilnahmebedingungen an dem\nGewinnspiel nicht erfullt, weil er die „Personliche Anforderung„ nicht\neigenhandig unterschrieben habe. Im Übrigen habe jeder Teilnehmer auf den\nKontrollabschnitten unterschriftlich bestatigt, dass er die Gewinn-Bedingungen\ngelesen und anerkannt habe (vgl. hierzu Bl. 9 Rs d.A.). Aus diesen Bedingungen\nergebe sich eindeutig, dass nur der Teilnehmer mit Schecks im Gesamtbetrag von\n12.500 EUR gewinne, dessen drei Einzelschecksummen mit denen der Vorabziehung\nubereinstimmen, was beim Klager nicht der Fall sei.\n\nDurch das nunmehr angefochtene „Schlussurteil„ hat das Landgericht das\nVersaumnisurteil vom 12.6.2003 aufrechterhalten. Zur Begrundung seiner\nEntscheidung hat das Landgericht ausgefuhrt, die Beklagte hafte gemaß § 661 a\nBGB, denn sie habe in ihrem Anschreiben den Eindruck erweckt, der Klager habe\nden Gewinn von 12.500 EUR bereits sicher. Diese Zusage werde nicht durch die\nauf der Ruckseite des Schreibens abgedruckten Gewinn-Bedingungen relativiert,\nda diese mangels Hinweis auf der Vorderseite des Schreibens in Anwendung der\n§§ 305 ff. BGB nicht Bestandteil der Zusage geworden seien.\n\nGegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgrunde wegen des\nerstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1\nNr. 1 ZPO), richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihren Antrag auf\nAufhebung des Versaumnisurteils und Klageabweisung unter Wiederholung und\nVertiefung ihres bisherigen Sachvortrages weiter verfolgt. Die Beklagte meint,\ndas Landgericht gehe zu Unrecht von einer Gewinnzusage aus. Den auf der\nRuckseite der Mitteilung abgedruckten Gewinn-Bedingungen, deren Kenntnisnahme\nder Klager unterschriftlich bestatigt habe, sei eindeutig zu entnehmen, dass\nder Gewinn nur Teilnehmern zustehe, deren drei Schecksummen mit denen einer\nVorabziehung identisch sind . Die Gewinn-Bedingungen seien entgegen den\nFeststellungen des Erstrichters Gegenstand der Zusage gewesen. Die AGB-\nRegelungen der §§ 305 f. BGB wurden auf Gewinnzusagen i.S.d. § 661 a BGB keine\nAnwendung finden. Ob eine Gewinnzusage vorliege und beim Empfanger der\nEindruck erweckt werde, er habe den Gewinn sicher, beurteile sich nach dem\ngesamten Inhalt der Mitteilung, wozu auch die auf der Ruckseite abgedruckten\nGewinn-Bedingungen gehoren.\n\nDie Beklagte beantragt (Bl. 87, 114 d.A.),\n\n> > das angefochtene Urteil dahin abzuandern, dass die Klage unter Aufhebung\n> des Versaumnisurteils vom 12.6.2003 abgewiesen wird.\n\nDer Klager beantragt (Bl. 102, 114 d.A.),\n\n> > die Berufung zuruckzuweisen.\n\nEr verteidigt das angefochtene Urteil und macht sich die Argumente des\nLandgerichts zu eigen.\n\nB.\n\nDie form - und fristgerecht eingelegte sowie ordnungsgemaß begrundete Berufung\nder Beklagten, auf die gemaß § 26 Nr.5 EGZPO neues Prozessrecht Anwendung\nfindet, ist zulassig, bleibt aber in der Sache erfolglos.\n\nZu Recht hat das Landgericht dahin entschieden, dass der Einspruch der\nBeklagten gegen das Versaumnisurteil vom 12.6.2003 zulassig, aber nicht\nbegrundet ist und die Saumnisentscheidung dementsprechend aufrechterhalten (§\n343 S.1 ZPO).\n\nDie angefochtene Entscheidung beruht auf der Grundlage der nach den §§ 529,\n531 ZPO maßgeblichen Tatsachenfeststellungen nicht auf einer Rechtsverletzung\nim Sinne des § 546 ZPO. Der Erstrichter hat § 661 a BGB rechtsfehlerfrei\nangewendet.\n\nDie materiellrechtliche Beurteilung richtet sich gemaß Art 229 § 5 EGBGB nach\nneuem Recht.\n\nMit zutreffenden Grunden, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug\ngenommen werden kann, hat das Landgericht seine ortliche und internationale\nZustandigkeit bejaht (I.). Die weitere Feststellung, dem Klager stehe nach dem\nauf die Rechtsbeziehungen der Parteien anwendbaren deutschen materiellen\nPrivatrecht nach § 661 a BGB der mit der Klage verfolgte\nGewinnauszahlungsanspruch gegen die Beklagte zu, begegnet gleichfalls keinen\nBedenken (II.) .\n\nI.\n\nDie internationale Zustandigkeit des Landgerichts Saarbrucken fur die auf eine\nim Inland ubersandte Gewinnzusage i.S.d. § 661 a BGB gestutzte Klage eines\ninlandischen Verbrauchers (§ 13 BGB) gegen einen im Hoheitsgebiet eines\nVertragsstaates des EuGVÜ ansassigen Unternehmer (§ 14 BGB), folgt aus Art 3\nAbs. 1 i.V.m. Art 13, 14 EuGVÜ, bzw. aus Art 3 Abs. 1 i.V.m. Art 5 Nr. 3 EuGVÜ\n(vgl. BGH NJW 2003, 426 f.). Das Übereinkommen ist im Streitfall anwendbar.\nDer Klager hat am 5.2.2003, und damit noch vor dem Inkrafttreten der\nVerordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 uber die gerichtliche\nZustandigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in\nZivil - und Handelssachen (ABL. L 12/01, S.1) zum 1.3.2002, Klage eingereicht\n(Art 30 Nr.1, 66 Abs.1, 76 der Verordnung).\n\nII.\n\nDie Klage ist nach dem auf die Rechtsbeziehungen der Parteien anwendbaren §\n661 a BGB im durch Versaumnisurteil erkannten Umfang begrundet (zur\nVerfassungskonformitat der Vorschrift vgl. BGH NJW 2003, 3620 f.).\n\nDer Streitfall ist jedenfalls kraft Rechtswahl nach dem deutschen BGB zu\nentscheiden. Die Parteien haben ihrem Vortrag ubereinstimmend deutsches Recht\nzugrunde gelegt (wegen der Anwendbarkeit deutschen materiellen Privatrechts\nvgl. im Übrigen BGH NJW 2003, 426, 428 sowie OLG Koblenz MDR 2002, 1359).\n\nNach § 661 a BGB hat ein Unternehmer, der Gewinnzusagen an einen Verbraucher\nsendet und der durch die Gestaltung der Zusendung den Eindruck erweckt, der\nVerbraucher habe einen Preis gewonnen, jenem diesen Preis zu leisten .\n\nDer Klager ist Verbraucher i.S.v. § 13 BGB und als solcher\nanspruchsberechtigt. Die Beklagte ist als Unternehmerin i.S.v. § 14 BGB\nVerpflichtete. Die Beklagte behauptet nicht, dass die streitgegenstandliche\nGewinnmitteilung der „Abteilung Gewinn - Vergabe„ nicht auf sie zuruckzufuhren\nist.\n\nMit dem oben beschriebenen, dem Klager im September 2002 ubersandten\nSchreiben, hat die Beklagte diesem der Sache nach eine Gewinnzusage i.S.d. §\n661 a BGB gemacht, denn sie hat den Eindruck erweckt, der Klager habe die\n12.500 EUR sicher gewonnen.\n\nEine Gewinnmitteilung ist eine geschaftsahnliche Handlung, welche die\nAnkundigung der unentgeltlichen Leistung eines Preises (Gewinns) durch den\nAbsender an den Empfanger beinhaltet. Auf sie finden die Auslegungsregeln der\n§§ 133, 157 BGB Anwendung (vgl. Bamberger/Roth - Kotzian - Marggraf Rdn. 2 zu\n§ 661 a). Dabei kommt es nach hochstrichterlicher Rechtsprechung nicht nur auf\nden Inhalt, sondern auch auf die außere Gestaltung der Mitteilung an.\n\nDie an den Klager personlich gerichtete streitgegenstandliche Mitteilung\n\n> > „Wenn Sie die untenstehenden Bedingung erfullen, steht es eindeutig fest:\n\n> > > Sie haben 12.500 EUR gewonnen!„\n\nverbunden mit dem weiteren Hinweis\n\n> > „Dann ist es wirklich wahr! Die 12.500 EUR gehoren Ihnen!„\n\nist als Gewinnzusage i.S.v. § 661 a BGB aufzufassen.\n\nHierzu genugt, ist aber auch erforderlich, dass aus objektivierter\nEmpfangersicht der Eindruck eines Preisgewinns erweckt wird. Aufgrund des\nInhalts und der außeren Aufmachung der streitgegenstandlichen Mitteilung\ndurfte der Klager annehmen, dass er bei Vorliegen der „untenstehenden„\nBedingung, d.h. wenn sein personlicher Gewinnumschlag, was unstreitig der Fall\nwar, drei Gewinn- Schecks mit Betragen von zusammen 12.500 EUR enthalt, den\nGewinn bereits sicher hat und dass er zum Erhalt des Gewinns nur noch die\nGewinn - Anforderung an die Beklagte zuruckzusenden braucht.\n\nDie Frage, ob bei dem Verbraucher objektiv ein entsprechender Eindruck erweckt\nwird, beurteilt sich nach hochstrichterlicher Rechtsprechung nicht danach, ob\nder konkret angesprochene Klager tatsachlich diese Vorstellung gewonnen hat.\nMaßgebend ist unter Berucksichtigung der verbraucherfreundlichen Zielsetzung\nund des Sanktionscharakters des quasideliktischen Anspruchs, der die unlautere\nWerbung mittels Vortauschung scheinbarer Gewinne unterbinden will, ob die\nMitteilung abstrakt geeignet ist, bei einem durchschnittlichen Verbraucher den\nEindruck eines bereits gewonnenen Preises zu erwecken (BGHZ 153, 82, 84 ff. ;\nOLG Koblenz MDR 2002, 1359 ; OLG Hamm MDR 2003, 17, Saarl. OLG in OLGR 2003,\n55 f. m.w.N. ; OLG Oldenburg OLGR 2003, 165) . Auch der Verbraucher, der die\nGewinnzusage als bloßes Werbemittel durchschaut oder durchschauen konnte, was\nbeim Klager, der sich fur die Rucksendung der Gewinn - Anforderung\nanwaltlichen Beistandes versichert hat, wohl der Fall gewesen sein durfte,\nkann die Leistung des versprochenen Gewinnes verlangen. § 116 S.2 BGB findet\nschon nach dem Wortlaut des § 661 a BGB, insbesondere aber wegen den vom\nGesetzgeber verfolgten Ziele, keine Anwendung (BGH Urt. V. 19.2.04; III ZR\n226/03; veroffentlicht in MD 2004, 453 f.).\n\nOhne Erfolg argumentiert die Beklagte unter Bezugnahme auf eine Entscheidung\ndes EuGH aus dem Jahr 1998 (WRP 98, 848, 849), es komme demgegenuber auf die\nSichtweise eines hinreichend misstrauischen Verbrauchers an. Zu Recht weist\ndas Landgericht darauf hin, dass der dieser Entscheidung zugrunde liegende\nSachverhalt anders gelagert ist. Im Übrigen stellt der EuGH nicht auf einen\nmisstrauischen, sondern auf einen durchschnittlich informierten und\nverstandigen Normalverbraucher ab (LGU 7,8; Bl. 69, 70 d.A.).\n\nNimmt man den Durchschnittsverbraucher zum Maßstab, hat die Beklagte durch\nihre oben beschriebene Gewinnmitteilung fraglos beim Klager den Eindruck\nerweckt, dieser habe den Gewinn von 12.500 EUR bereits sicher, sofern er nur\ndie „unten- stehenden„ Voraussetzung erfullt, was unstreitig der Fall war und\nwenn er die Gewinn - Anforderung an die Beklagte sendet, was gleichfalls\ngeschehen ist.\n\nDie auf der Ruckseite der Mitteilung abgedruckten „Gewinn - Bedingungen„\nvermogen entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten an diesem Eindruck nichts\nzu andern.\n\nIn Rechtsprechung und Schrifttum besteht Einvernehmen, dass versteckte\nHinweise, insbesondere in AGB, durch welche die Gewinnzusage relativiert wird,\naußer Betracht zu bleiben haben, sofern die Einschrankungen sich nicht dem\nobjektiven Empfangerhorizont aufdrangen, (vgl. OLG Hamm MDR 2003, 17 ; OLG\nKoblenz VersR 2003, 377 ; OLG Dresden OLG - NL 2002, 99 ; Palandt - Sprau,\nBGB, 63. Aufl. Rdn. 2 zu § 661 a; Bamberger/Roth a.a.O. Rdn. 2 ; Lorenz NJW\n2000, 3306).\n\nEs kann im Endergebnis dahinstehen, ob man die auf der Ruckseite der\nGewinnmitteilung abgedruckten „ Gewinn - Bedingungen „ der Beklagten als\nAllgemeine Geschaftsbeziehungen wertet und die Frage, ob sie Bestandteil der\nGewinnzusage geworden sind, wie der Erstrichter, anhand der §§ 305 ff. BGB\nbeantwortet. In diesem Fall fehlt es aus den zutreffenden Grunden der\nangefochtenen Entscheidung an einer wirksamen Einbeziehung. Die auf der\nRuckseite unten befindlichen „ Gewinn - Bedingungen „ sind in Kleindruck und\nblassgrauer Schrift gehalten. Der Text enthalt weder Absatze noch\nHervorhebungen und lasst sich nur mit Muhe lesen. Insbesondere fehlt auf der\nplakativ aufgemachten Vorderseite der Gewinnmitteilung jede Bezugnahme auf die\nGewinn - Bedingungen. Dort wird der „garantierte„ bzw. „sichere„ Erhalt des\nGewinns nur von der „untenstehenden„, unstreitig erfullten Voraussetzung,\nnicht aber von den umseitigen Gewinn - Bedingungen abhangig gemacht.\n\nNach § 305 Abs. 2 BGB bedarf es zur Einbeziehung der AGB klarer Hinweise,\ndurch die der anderen Partei in zumutbarer Weise die Moglichkeit geschaffen\nwird, hiervon Kenntnis zu nehmen. Die streitgegenstandliche Gewinnmitteilung\nwar jedoch zum Zwecke der Tauschung bewusst so gestaltet, dass dem\nDurchschnittsverbraucher die aus den an versteckter Stelle untergebrachten\nGewinn - Bedingungen ersichtliche Entwertung der Gewinnzusage tunlichst\nverborgen bleiben sollte. Die blickfangmaßig gestalteten Überschriften auf der\nVorderseite zielten gerade darauf ab, dass der Erklarungsempfanger der\nFehlvorstellung erliegt, er habe den Gewinn bereits sicher und brauche ihn nur\nnoch anzufordern.\n\nDer klein gedruckte, kaum leserliche Zusatz auf den vom Klager unterzeichneten\nGewinnabschnitten „Ich habe die Gewinn - Bedingungen gelesen und anerkannt„\n(vgl. Bl. 9 Rs d.A.) ist der Rechtsverteidigung der Beklagten nach § 309 Nr.12\nlit. b. BGB nicht behilflich. Die Vorschrift gilt nicht nur fur als solche\nbezeichnete Allgemeine Geschaftsbedingungen, sondern fur auf wiederholte\nVerwendung ausgelegte vorformulierte Erklarungen aller Art und verbietet\nformularmaßige Tatsachenbestatigungen. Hierzu gehort u.a. die vom Verwender\nvorformulierte Erklarung, der Verwendungsgegner habe die AGB gelesen und\nverstanden bzw. anerkannt (vgl. BGH NJW 96, 1819 ; Palandt - Heinrichs a.a.O.\nRdn. 101 zu § 309).\n\nAber auch wenn man nicht auf die zur Einbeziehung von AGB geltenden Regeln\nzuruckgreift, stellt die streitgegenstandliche Gewinnmitteilung aus den\nbereits dargelegten Grunden unter Zugrundelegung allgemeiner Auslegungsregeln\n(§§ 133, 157 BGB), nach Inhalt und Form eine Gewinnzusage dar. Insbesondere\nwegen der, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bei der Auslegung\nmit heranzuziehenden, außeren Gestaltung der Mitteilung, die darauf abzielte,\nbei Erklarungsempfangern die Fehlvorstellung zu provozieren, der Gewinn ware\nihnen sicher, kann am Vorliegen einer Gewinnzusage nicht gezweifelt werden.\n\nSchließlich erweist sich auch der in der Vorinstanz erhobene Einwand, der\nKlager habe keinen Anspruch auf den zugesagten Gewinn, weil er das\nAnforderungsschreiben nicht eigenhandig unterschrieben habe, als nicht\ndurchgreifend.\n\nIn dem Zusammenhang kann offen bleiben, ob die Einwendung gemaß den\nFeststellungen des Landgerichts dadurch gegenstandslos geworden ist, dass die\nBeklagte im Verlaufe des erstinstanzlichen Rechtsstreits zugestanden hat, dass\ndie Erklarung vom Klager eigenhandig unterschrieben wurde (vgl. Bl. 72, 58\nd.A.).\n\nDer sich aus § 661 a BGB ergebende Anspruch auf Leistung des zugesagten\nGewinns ist nach h.M. in Rechtsprechung und Schrifttum bereits mit dem Zugang\nder Mitteilung beim Klager entstanden (Palandt - Sprau a.a.O. Rdn. 4 zu § 661\na; OLG Nurnberg NJW 2002, 3637, 3640; Bamberger/Roth a.a.O. Rdn. 6). Ist der\nEindruck eines bereits gewonnenen Preises objektiv erweckt, ist der Anspruch\nnach § 661 a BGB begrundet, ohne dass er, uber die zeitnahe Anforderung des\ntatsachlichen oder vermeintlichen Gewinns mittels des dafur vorgesehenen\nAnforderungsschreibens hinaus, von weiteren formalen Voraussetzungen abhangig\ngemacht werden darf (vgl. OLG Braunschweig OLGR 2003, 47 ; Lorenz NJW 2000,\n3005 ; wohl auch OLG Nurnberg a.a.O.).\n\nAndernfalls hatten es unlautere Unternehmer in der Hand, die mit der\nEinfuhrung des § 661 a BGB verfolgten Ziele zu umgehen und sich der Haftung\naus Gewinnzusagen zu entziehen, indem sie die Anforderung der Gewinne mit\nmoglichst komplizierten, gerade bei auslandischen Unternehmen, die sich an\ninlandische Verbraucher wenden, schwer einzuhaltende Formalitaten belasten,\ndie den Durchschnittsverbraucher uberfordern.\n\nDie Berufung der Beklagten erweist sich nach alldem nicht als begrundet.\n\nSie war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO und\nVollstreckbarkeitserklarung aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO zuruckzuweisen.\n\nDie Revision war nicht zuzulassen, da es an den erforderlichen Voraussetzungen\nfehlt (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1 Ziff. 1 i.V.m. Abs. 2 S.1 ZPO). Dem\nRechtsstreit kommt weder grundsatzliche Bedeutung zu, noch weicht der Senat in\nden seine Entscheidung leitenden Erwagungen von der Rechtsprechung des\nBundesgerichtshofes oder der anderer Oberlandesgerichte ab.\n\nDer Wert der Beschwer der Beklagten wurde im Hinblick auf § 26 Ziff. 8 EGZPO\nfestgesetzt.\n\n
128,204
olgsl-2004-07-14-1-u-19304-34
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
1 U 193/04 - 34
2004-07-14
2019-01-07 09:29:48
2019-02-12 14:05:07
Urteil
## Tenor\n\nI. 1. Auf die Berufung des Verfugungsklagers wird das am 2. Marz 2004\nverkundete Urteil des Landgerichts in Saarbrucken - 7IV O 7/04 - dahin\nabgeandert, dass der Verfugungsbeklagten untersagt wird, im geschaftlichen\nVerkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in an Letztverbraucher gerichteter Werbung\noder sonst werblich den Verkauf von Einbaukuchen mit der Ankundigung zu\nbewerben:\n\n> > „\\- Kuchen - Tiefpreis - Garantie. Egal, wer beim Kuchenkauf anbietet -\n> wir garantieren ihnen einen Preis, der 13 % unter jedem Mitbewerber-Angebot\n> liegt"\n\nund/oder entsprechend dieser Ankundigung zu verfahren.\n\n2\\. Fur jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Verfugungsbeklagten die\nVerhangung eines Ordnungsgeldes in Hohe von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise\nan ihrem Geschaftsfuhrer zu vollziehende Ordnungshaft bis zu 6 Monaten,\nangedroht.\n\nII. Die Kosten beider Rechtszuge tragt die Verfugungsbeklagte.\n\nIII. Der Wert der durch diese Entscheidung begrundeten Beschwer der\nVerfugungsbeklagten betragt 10.500,00 Euro.\n\n## Gründe\n\nI.\n\nDer Verfugungsklager (fortan: Klager) ist ein gerichtsbekannter eingetragener\nVerein, zu dessen satzungsgemaßen Aufgaben die Forderung gewerblicher\nInteressen seiner Mitglieder und die Wahrung lauteren Wettbewerbs gehoren.\n\nDie Verfugungsbeklagte (fortan: Beklagte) betreibt im Saarland und Rheinland-\nPfalz Einrichtungshauser, zu deren Angebot u.a. Einbaukuchen gehoren.\n\nIn einer ganzseitigen Anzeige inserierte die Beklagte am 12.2003 in der\nZeitung mit folgender Ankundigung:\n\n> > „-Kuchen-Tiefpreis-Garantie. Egal, wer beim Kuchenkauf anbietet - wir\n> garantieren ihnen einen Preis, der 13 % unter jedem Mitbewerberangebot\n> liegt."\n\nDer Klager hat die vorstehende Werbung als wettbewerbswidrig beanstandet und\nnach erfolgloser Abmahnung den Erlass einer einstweiligen Verfugung beantragt,\ndurch die der Beklagten eine Werbung mit der vorbeschriebenen Aussage\nuntersagt werden sollte.\n\nDer Klager vertritt die Rechtsauffassung, dass die angegriffene Werbung gegen\n§ 1 UWG verstoße, weil die Beklagte sich bei Durchfuhrung der darin\nenthaltenen Ankundigung in unlauterer Weise die Arbeitsleistungen ihrer\nMitbewerber im Rahmen der Planung einer Einbaukuche zu nutzen mache und\ndadurch auch die Preise der Mitbewerber unterbieten konne. Daruber hinaus sei\ndas Unterlassungsbegehren auch unter dem Aspekt der wettbewerbswidrigen\ngezielten Kampfpreisunterbietung gerechtfertigt. Da die Beklagte sich abstrakt\nzur Gewahrung eines bestimmten Nachlasses auf einen ihr noch unbekannten Preis\neines Mitbewerbers verpflichte, nehme sie zwangslaufig einen Endverkaufspreis\nunterhalb des Einstandspreises in Kauf. Damit habe sie einen ruinosen\nPreiskampf eroffnet, der geeignet sei, Mitbewerber aus diesem Markt zu\nverdrangen.\n\nDie Beklagte ist dem inhaltlich damit entgegengetreten, dass sie mit ihrer\nWerbeaussage lediglich einen gunstigeren Preis auslobe, der sich auf jedes\nKuchenangebot eines Dritten, also nicht nur auf individuell geplante Kuchen\nbeziehe. Lediglich der Preis sei Grundlage fur die Tiefpreisgarantie, nicht\nhingegen irgendeine Planung oder Arbeitsleistung eines ihrer Mitbewerber. Da\ndie streitgegenstandliche Werbung sich nicht gezielt gegen einen bestimmten\nMitbewerber richte, und die abgegebene Tiefpreisgarantie darauf beruhe, dass\nsie aufgrund hoherer Einkaufsumsatze besonders gunstige Konditionen erhalte,\nliege die Argumentation einer wettbewerbswidrigen Kampfpreisunterbietung\nebenfalls neben der Sache.\n\nDurch das angefochtene Urteil, auf dessen tatsachliche und rechtliche\nFeststellungen vollumfanglich gemaß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird\n(Bl. 56 f. d.A.), hat das Landgericht nach mundlicher Verhandlung den Antrag\nauf Erlass einer einstweiligen Verfugung zuruckgewiesen. Zur Begrundung seiner\nEntscheidung hat es ausgefuhrt, dass der Klager fur den erhobenen Anspruch\nbereits nicht aktiv legitimiert sei, jedenfalls aber die materiellen\nVoraussetzungen eines Unterlassungsanspruches aufgrund erganzenden\nwettbewerblichen Leistungsschutzes wie auch unter dem Gesichtspunkt einer\nunlauteren Preisunterbietung unterhalb der eigenen Einstandspreise nicht\nfestzustellen seien.\n\nHiergegen richtet sich die Berufung des Klagers, mit der er seinen\nerstinstanzlich erfolglos gebliebenen Antrag weiterverfolgt. Er stutzt sein\nUnterlassungsbegehren erganzend darauf, dass die Werbung zugleich als\nirrefuhrend im Sinne des § 3 UWG zu qualifizieren sei, weil die Beklagte\nentgegen dem Inhalt ihrer Werbeankundigung nicht alle Kuchenmarken fuhre, die\nvon ihren Mitbewerbern vertrieben werden.\n\nDie Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beharrt auf ihrem bereits\nerstinstanzlich vertretenen Rechtsstandpunkt. Die nunmehr nachgeschobene\nHilfsbegrundung stelle eine so genannte „versaumte Klagehaufung „dar, die im\nzweiten Rechtszug nicht mehr zuzulassen sei.\n\nWegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die in\nVorbereitung der mundlichen Verhandlung gewechselten Schriftsatze nebst\nAnlagen Bezug genommen.\n\nII.\n\nDie form- und fristgerecht eingelegte sowie ordnungsgemaß begrundete Berufung\ndes Klagers, auf die gemaß § 26 Nr. 5 EGZPO neues Prozessrecht anwendbar ist,\nist zulassig und hat auch in der Sache Erfolg.\n\nDie Beklagte ist auf der Grundlage des § 1 UWG zur Unterlassung der\nbeanstandeten Werbeaussage verpflichtet. Die entgegenstehenden Wertungen des\nLandgerichts halten einer Nachprufung im Ergebnis nicht stand.\n\n1\\. Der Klager ist fur den erhobenen Anspruch prozessfuhrungsbefugt gemaß § 13\nAbs. 2 Nr. 2 UWG. Der Klager ist, wie dem Senat aus zahlreichen Vorverfahren\nbekannt ist, nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung\nin der Lage, seine satzungsgemaßen Aufgaben tatsachlich wahrzunehmen. Aufgrund\nseiner Mitgliederstruktur hat er, wie hochstrichterlich wiederholt bestatigt,\ndie umfassende Verbandsklagebefugnis fur das gesamte Bundesgebiet (BGH WRP\n1996, 194; BGH GR 1995, 122; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl.\n2001, Einleitung UWG, Rdnr. 36, m.w.N.). Zwar kann die Prozessfuhrungsbefugnis\noder Aktivlegitimation eines Wettbewerbsverbandes dann zweifelhaft sein, wenn\nsich der erganzende wettbewerbliche Leistungsschutz auf ausschließlich\nsingulare Interessen eines bestimmten Mitbewerbers bezieht. Im Streitfall sind\nindes nicht lediglich die Individualinteressen eines Einzelnen tangiert. Die\nder Beklagten zielt vielmehr darauf ab, Planungsleistungen einer unbestimmten\nVielzahl von Mitbewerbern in einer unbestimmten Vielzahl von verschiedenen\nEinzelfallen zu ubernehmen. Sie richtet sich mithin gegen alle Mitbewerber auf\ndem gesamten Markt fur Einbaukuchen im Einzugsgebiet der Beklagten. Bei dieser\nSachlage scheidet eine missbrauchliche Verfolgung von Individualinteressen\ndurch den Klager ersichtlich aus (BGH WRP 1995, 104 f.; Baumbach-Hefermehl,\nWettbewerbsrecht, 22. Aufl. 2001, Einleitung UWG, Rdnr. 36).\n\n2\\. Die fur den Erlass einer einstweiligen Verfugung erforderliche\nDringlichkeit, wird in Wettbewerbsstreitsachen gemaß § 25 UWG in tatsachlicher\nHinsicht - im Streitfall unwiderlegt - vermutet.\n\n3\\. Das Unterlassungsbegehren ist auch sachlich gerechtfertigt, da die\nBeklagte sich durch die angegriffene Werbung sowie die Durchfuhrung der darin\nenthaltenen Ankundigung in unlauterer Weise schutzwurdige Arbeitsergebnisse\nihrer Mitbewerber zu nutze macht. Diese Wertung gebietet sich aus Sicht des\nSenats im Streitfall deshalb, weil es sich bei dem konkret beworbenen\nVerkaufsgegenstand um Einbaukuchen handelt, deren konzeptionelle Gestaltung\nund Preiskalkulation regelmaßig einen nicht unerheblichen Arbeitseinsatz\nerfordern.\n\nDem Klager ist in seiner Argumentation zu folgen, dass die Beklagte mit der\nangegriffenen Werbeaussage potentielle Interessenten einer Kuche geradezu dazu\nauffordert, sich bei einem Mitbewerber der Beklagten eine Kuchenplanung als\nGrundlage eines Angebotes erstellen zu lassen, um sich dann an die Beklagte zu\nwenden, die den vom Mitbewerber erarbeiteten und angebotenen Preis um 13 % zu\nunterbieten verspricht. Selbst wenn sich eine solche Intention der Beklagten\nnicht expressis verbis dem Erklarungsinhalt der Werbung entnehmen lasst, so\nkorrespondiert diese doch mit dem regelmaßig zu erwartenden Kundenverhalten.\nIn der Mehrzahl der Falle wird bei einem Kauf eines derart langlebigen und\nhochwertigen Gutes, das auf die raumlichen Besonderheiten und individuellen\nBedurfnisse des Kunden zugeschnitten wird, eine detaillierte konzeptionelle\nPlanung und eine auf die konkreten Gegebenheiten ausgerichtete\nPreiskalkulation erforderlich sein. Eine Preisunterbietung mit dem Ziel, den\nbetreffenden Kunden zum Kauf einer konkreten Kuche bei der Beklagten zu\nveranlassen, setzt aber gerade voraus, dass diese uber den Kaufwunsch in\nseiner konkreten Ausgestaltung ins Bild gesetzt wird, bevor sie sich selbst\nzur Lieferung der konkreten Einbaukuche mit dem „garantierten Tiefpreis"\nvertraglich verpflichtet. Dies wird regelmaßig - von den eher seltenen Fallen\ndes Kaufes einer Standardkuchenzeile abgesehen - hinreichend lediglich durch\nVorlage des ausgearbeiteten Angebotes des zuvor aufgesuchten Wettbewerbers\nerfolgen konnen.\n\nZwar handelt derjenige, der sein Wettbewerbsverhalten auf einer fremden\nLeistung aufbaut, nicht ohne weiteres wettbewerbswidrig, weil vom Grundsatz\nder Nachahmungsfreiheit auszugehen ist; ein Umkehrschluss aus\nspezialgesetzlichen Einschrankungen dieses Prinzips zeigt, dass\nLeistungsergebnisse außerhalb des spezialgesetzlichen Schutzumfangs\ngrundsatzlich frei sind. Allerdings kann ein Mitbewerber, der ein fremdes\nschutzwurdiges Arbeitsergebnis unmittelbar ubernimmt, den Grundsatz der\nNachahmungsfreiheit nicht fur sich in Anspruch nehmen. Sein Verhalten ist\nwegen der Art seines Vorgehens zwar nicht schlechthin wettbewerbswidrig, wohl\naber dann, wenn er sich ohne sachlich anzuerkennenden Grund ein fremdes\nschutzwurdiges Leistungsergebnis aneignet, dessen Fruchte dem Erbringer dieser\nLeistung weder aufgrund eines Sonderrechts, noch auf andere Weise zugeflossen\nsind (im Einzelnen: Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1, Rdnr. 495 f.; BGHZ 51,\n41, 46; BGH-GR 27, 132).\n\nDas Vorliegen dieser Voraussetzungen sieht der Senat als gegeben an. Ohne\nErfolg wendet die Beklagte ein, die Erstellung entsprechender Angebote fur\nEinbaukuchen nach gangigen verfugbaren Computerprogrammen stelle keine\nLeistung dar, die einen erheblichen Teil des kalkulierten Kuchenpreises\nausmache und die die zu fordernde wettbewerbliche Eigenart aufweise\n(Kohler/Pieper, UWG, 3. Aufl., § 1 Rdnr. 601 f. m.w.N.). Dass die Planung und\nGestaltung einer Einbaukuche einen nicht unerheblichen Arbeitseinsatz in\nzeitlicher Hinsicht erfordert, kann nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden.\nEine sach- und fachgerechte Planung kann angesichts deren Komplexitat\nlediglich durch besonders geschultes Personal erbracht werden. Sie setzt\nregelmaßig ausfuhrliche Gesprache mit dem jeweiligen Kunden voraus und\nverlangt unter Umstanden ein Aufmaß der Kuche vor Ort zur Vorbereitung des\nVerkaufsgesprachs. Sofern die hierbei erhaltenen Informationen letztendlich\naufgrund von Softwareeinsatz in eine computermaßig erstellte Planung nebst\nAngebot einfließen, kommt der Arbeitsersparnis auf dieser letzten Stufe keine\nwesentliche Bedeutung zu. Dies berucksichtigend, bestehen keine Bedenken, bei\neiner derart arbeitsintensiven Planung und Preiskalkulation von einem\nschutzwurdigen Arbeitsergebnis auszugehen, das die Beklagte sich auf Kosten\nihrer Mitbewerber zu nutze macht. Es ist anerkannt, dass fur die Falle der\nunmittelbaren Übernahme einer fremden Leistung dem Merkmal der\nwettbewerblichen Eigenart keine zwingende Bedeutung zukommt bzw. an dessen\nFeststellung lediglich geringere Anforderungen zu stellen sind (Kohler/Pieper,\na.a.O., § 1 Rz. 604; BGH GRUR 69, 186, 188; BGH GRUR 79, 119, 120).\n\nDie beanstandete Werbung verstoßt nach alledem gegen § 1 UWG und ist bereits\ndeshalb zu untersagen. Ob das Unterlassungsbegehren daneben auch unter dem\nAspekt der wettbewerbswidrigen gezielten Kampfpreisunterbietung (§ 1 UWG) oder\neiner Irrefuhrung im Sinne des § 3 UWG gerechtfertigt ist, kann mithin fur die\nEntscheidung dahinstehen.\n\n4\\. Die festgestellte Verletzungshandlung begrundet eine tatsachliche\nVermutung fur die Wiederholungsgefahr, an deren Widerlegung durch den Storer\nhohe Anforderungen zu stellen sind (BGH-GRUR 1965, 198, 202; BGH-GRUR 1957,\n342, 347; BGH GRUR 1972, 558, 559; Baumbach-Hefermehl, a.a.O., Einleitung UWG,\nRdnr. 252). Im Rahmen eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruches\nkann diese regelmaßig nur durch Abgabe einer strafbewahrten\nUnterwerfungserklarung ausgeraumt werden, zu der die Beklagte sich\nvorprozessual nicht bereit finden konnte (gefestigte Rechtsprechung: BGH-GRUR\n1964, 274, 275; BGH-GRUR 1970, 558, 559; BGH-GRUR 1980, 241, 242; BGH-GRUR\n1983, 127, 128).\n\nNach alledem erweist sich die Berufung des Klagers als begrundet.\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Da das vorliegende Urteil als\nzweitinstanzliche Entscheidung im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen\nVerfugung einem Rechtsmittel nicht mehr unterliegt (§ 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO),\nist dieses damit ohne besonderen Ausspruch nicht nur vorlaufig, sondern\nendgultig vollstreckbar.\n\n
128,671
olgsl-2006-04-20-5-u-57505-87
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
5 U 575/05 - 87
2006-04-20
2019-01-07 09:34:32
2019-02-12 12:11:34
Urteil
## Tenor\n\nI. Auf die Berufung des Klagers wird das am 22.09.2005 verkundete Urteil des\nLandgerichts Saarbrucken - 12 O 70/05 - abgeandert und wie folgt neu gefasst:\n\n"Die Beklagte wird verurteilt, an den Klager 4.860,76 EUR nebst Zinsen in Hohe\nvon 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit 07.04.2005 zu zahlen. Im\nÜbrigen wird die Klage abgewiesen."\n\nDie weitergehende Berufung des Klagers wird zuruckgewiesen.\n\nII. Der Klager tragt 32 %, die Beklagte tragt 68 % der Kosten des\nRechtsstreits.\n\nIII. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nIV. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\nV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.143,75 EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\nI.\n\nDer Klager beansprucht von der Beklagten die Erstattung des\nWiederbeschaffungswertes des bei einem selbstverschuldeten Verkehrsunfall vom\n18.11.2004 schwer beschadigten PKW Audi A3, 1.9 TDI Ambition, amtliches\nKennzeichen SB-... (Erstzulassung am 14.11.1996, Laufleistung zum Unfalltag\nca. 178.000 km), den der Klager fur seinen Sohn zu einem Preis von 7500 EUR\nerworben hatte und fur ihn versichern wollte. Weder zu einer formlichen\nStellung eines Versicherungsantrags noch gar zu dem Abschluss eines\nVersicherungsvertrages ist es zwischen den Parteien gekommen. Die Parteien\nstreiten aber daruber, ob die Beklagte zur Leistung aus einer auch eine\nVollkaskoversicherung umfassenden Zusage vorlaufiger Deckung verpflichtet ist.\n\nAuf eine mundliche Aufforderung des Klagers warf der Versicherungsagent der\nBeklagten, der Zeuge W., Anfang November 2004 eine Deckungskarte in den\nBriefkasten des Klagers ein. Was Gegenstand und Inhalt des dazu fuhrenden\nGesprachs war, ist zwischen den Parteien streitig.\n\nUnter Hinweis darauf, dass auch „das Vorfahrzeug aus diesem Vertrag"\nteilkaskoversichert gewesen sei, hat die Beklagte auf die Schadensanzeige des\nKlagers vom 24.11.2004 (Bl. 12 d.A.) gemaß ihrem Schreiben vom 20.12.2004 (Bl.\n76 d.A.) - kulanzhalber - lediglich den entstandenen Glasbruchschaden\nabgerechnet. Eine Erstattung des daruber hinaus gehenden Schadens aus einer\nVollkaskoversicherung hat sie dagegen abgelehnt, weil weder ein solcher\nVersicherungsvertrag abgeschlossen noch eine entsprechende Zusage vorlaufiger\nDeckung erteilt worden sei.\n\nDer Klager hat behauptet, den Zeugen W. am 5.11.2004 angerufen und ihn um\nÜberlassung einer Deckungskarte fur das Fahrzeug gebeten zu haben; dabei habe\ner dem Zeugen W. gegenuber erklart, er wolle auch eine Vollkaskoversicherung\nabschließen, uber die Hohe der Selbstbeteiligung musse man bei Antragstellung\nnoch sprechen. So sei grundsatzlich auch bei fruheren Vertragsabschlussen\nverfahren worden, bei denen es - unstreitig - erst Wochen bis Monate spater zu\neiner formlichen Antragstellung und Policierung gekommen sei. Dabei sei fur\nsamtliche bei der Beklagten zuvor bereits versicherten Fahrzeuge zumindest\neine Teilkaskoversicherung abgeschlossen worden. Alle neuwertigeren KFZ - wozu\nauch der nunmehr beschadigte PKW gehore - seien durch den Klager\nvollkaskoversichert worden; hinzu komme, dass der beschadigte PKW fur seinen\n19-jahrigen Sohn bestimmt gewesen sei, der noch nicht uber ausreichende\nErfahrungen im Straßenverkehr verfuge, so dass auch aus diesem Grunde - ebenso\nwie bei einem uber die Ehefrau des Klagers versicherten PKW des Patenkindes -\nVollkaskoschutz beabsichtigt gewesen sei. Der Klager habe deshalb darauf\nvertraut, dass auch in diesem Fall vorlaufige Deckung auch fur Unfallschaden\nbestehe. Daher sei die Beklagte zur Erstattung des an dem Fahrzeug des Klagers\nentstandenen (Total-) Schadens in Hohe des Wiederbeschaffungswertes\nverpflichtet, den der Klager gemaß dem Schadengutachten der D. vom 25.11.2004\n(Bl. 6 ff. d.A.) auf 6.900,- EUR beziffert hat.\n\nDer Klager hat beantragt,\n\ndie Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.900,- EUR nebst 5 % Zinsen uber dem\njeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung und außergerichtliche\nRechtsanwaltskosten in Hohe von 243,75 EUR zu zahlen.\n\nDie Beklagte hat beantragt,\n\ndie Klage abzuweisen.\n\nSie hat behauptet, der Klager habe den Zeugen W. anlasslich eines zufalligen\nTreffens bei der Post um die Überlassung einer Deckungskarte gebeten, dabei\naber nicht verlangt, dass fur das Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung\nabgeschlossen werden solle. Zu einem fur den folgenden Montag vereinbarten\nTermin in dem Versicherungsburo des Zeugen sei der Klager nicht erschienen.\nDas von dem Klager behauptete Telefonat habe nicht stattgefunden. Vielmehr\nhabe der Klager den Zeugen kurz nach dem Unfall angerufen und habe diesem\nmitgeteilt, dass er fur das uber die vorlaufige Deckungskarte versicherte\nFahrzeug Vollkaskoschutz wunsche, weil sein Sohn einen Unfall mit vermutlichem\nTotalschaden verursacht habe; in einem weiteren Telefonat habe der Klager\nversucht, den Zeugen zu einer Ruckdatierung eines entsprechenden\nVersicherungsantrags zu bewegen. Entgegen den Angaben des Klagers sei bisher\nlediglich ein einziger PKW - deren Halterin unstreitig die Ehefrau des Klagers\nist und der unstreitig uberwiegend von deren Patenkind genutzt wird -\nvollkaskoversichert gewesen.\n\nDas Landgericht hat die Klage nach Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung (Bl.\n37 ff. d.A.) abgewiesen, da der Klager weder den Nachweis einer Vereinbarung\neines Vollkaskoschutzes noch den Nachweis eines schuldhaften Fehlverhaltens\ndes Versicherungsagenten der Beklagten habe erbringen konnen.\n\nHiergegen richtet sich die Berufung des Klagers, mit der dieser nunmehr eine\nAuflistung seines Arbeitgebers uber die von seinem Arbeitsplatz abgegangenen\nTelefonanrufe vorlegt, aus der sich fur den 05.11.2004, 12.54 Uhr, eine\nVerbindung mit dem Telefonanschluss des Zeugen W. fur die Dauer von 41\nSekunden ergibt (Bl. 75 d.A.). Der Klager ist der Ansicht, hieraus folge\neindeutig die Unwahrheit der Behauptung der Beklagten, ein solches Telefonat\nsei nicht gefuhrt worden. Ganz offensichtlich habe der Zeuge W. den Antrag des\nKlagers auf Abschluss einer Vollkaskoversicherung schlichtweg vergessen, so\ndass die Beklagte dem Klager wegen des schuldhaften Fehlverhaltens ihres\nMitarbeiters hafte.\n\nDer Klager beantragt,\n\ndie Beklagte unter Abanderung des Urteils des Landgerichts - 12 O 70/05 - zu\nverurteilen, an den Klager 6.900,- EUR nebst 5 % Zinsen uber dem jeweiligen\nBasiszinssatz seit Klagezustellung und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten\nin Hohe von 243,75 EUR zu zahlen.\n\nDie Beklagte beantragt,\n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\nSie verteidigt die angefochtene Entscheidung und rugt die Vorlage der\nAuflistung der Telefonanrufe als verspatet, die im Übrigen lediglich\nAufschluss uber die angewahlte Telefonnummer gebe, nicht aber uber den\nGesprachspartner, so dass auch eine Verbindung mit dem Anrufbeantworter des\nZeugen W. denkbar sei. Im Übrigen beruft sie sich auf das Schreiben des Zeugen\nWo. vom 08.12.2004 (Bl. 100 d.A.), wonach das streitige Telefonat am\n05.11.2004 zwischen 13.00 und 14.00 Uhr stattgefunden haben solle, was von den\nsich aus der Liste ergebenden Daten - 12.54 Uhr - abweiche. Auch konne bei\neiner Gesprachsdauer von 41 Sekunden kaum von der behaupteten Besprechung der\nEinzelheiten des Versicherungsvertrages ausgegangen werden.\n\nDer Senat hat den Klager personlich angehort und die Zeugen Wo. und W. erneut\nvernommen (Bl. 112 ff. d.A.).\n\nII.\n\nDie Berufung des Klagers ist zum uberwiegenden Teil begrundet.\n\nDer Klager kann von der Beklagten Entschadigung in Hohe des erlittenen\nFahrzeugunfallschadens abzuglich einer auf den Klager entfallenden\nSelbstbeteiligung und des Betrages verlangen, den die Beklagte - kulanzhalber\n- auf der Basis einer Teilkaskoregulierung fur den Glasbruchschaden bereits\ngeleistet hat.\n\n1\\. Die Beklagte hat dem Klager vorlaufige Deckung auch fur den\nFahrzeugunfallschaden, also fur eine beabsichtigte Vollkaskoversicherung des\nvor Beantragung des Hauptvertrages beschadigten Kraftfahrzeugs, zu gewahren.\nDenn mit der Gewahrung vorlaufiger Deckung in der\nKraftfahrzeughaftpflichtversicherung durch die Aushandigung der Deckungskarte\nist auch ein Vertrag uber die Gewahrung vorlaufiger Deckung in der\nVollkaskoversicherung zwischen dem Klager und der Beklagten zustande gekommen.\n\na) Die Zusage vorlaufiger Deckung fuhrt zu einem von dem eigentlichen\nVersicherungsvertrag losgelosten, rechtlich selbstandigen\nVersicherungsvertrag, der vor dem Beginn eines materiellen\nVersicherungsschutzes aus dem Hauptvertrag und unabhangig von diesem einen\nAnspruch auf Versicherungsschutz entstehen lasst. Hiermit soll dem\nVersicherungsnehmer der endgultig gewunschte Versicherungsschutz schon fur die\nÜbergangszeit bis zur Entscheidung des Versicherers uber die Annahme des\nAntrags auf Abschluss des Hauptvertrages gewahrt werden; ob der endgultige\nVersicherungsvertrag letztlich zustande kommt oder nicht, ist dabei fur die\nLeistungspflicht des Versicherers regelmaßig ohne Bedeutung (vgl. BGH, Urt. v.\n14.07.1999 - IV ZR 112/98 - VersR 1999, 1274 f; Urt. v. 25.01.1995 - IV ZR\n328/93 - VersR 1995, 409).\n\nEin solcher Vertrag uber vorlaufigen Deckungsschutz ist zwischen den Parteien\ndurch die Aushandigung der Deckungskarte an den Klager auch in der\nVollkaskoversicherung zustande gekommen.\n\nb) Nach der standigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urt. v.\n14.07.1999 - IV ZR 112/98 - VersR 1999, 1274 f.; Urt. v. 19.03.1986 - IVa ZR\n182/84 - VersR 1986, 541 f.) fuhrt die Aushandigung der sogenannten\nDeckungskarte - der fur die behordliche Zulassung des Kraftfahrzeugs\nbenotigten Versicherungsbestatigung gemaß § 29 a StVZO - an einen\nVersicherungsnehmer, der einen einheitlichen Antrag auf Abschluss einer\nHaftpflicht- und einer Fahrzeugversicherung gestellt hat, regelmaßig dazu,\ndass der Versicherer auch zur Gewahrung vorlaufigen Deckungsschutzes in der\nFahrzeugversicherung verpflichtet ist, wenn er nicht deutlich darauf hinweist,\ndass vorlaufige Deckung nur in der Haftpflichtversicherung gewahrt werde.\nDiese Rechtsprechung beruht darauf, dass ein derartiges Vorgehen des\nVersicherers bei dem Versicherungsnehmer nach Treu und Glauben und der\nVerkehrsauffassung die Vorstellung erweckt, der Versicherer behandle die\nkombinierten Versicherungen im Stadium vorlaufigen Deckungsschutzes\neinheitlich, solange dem Versicherungsnehmer nichts Gegenteiliges erklart\nwird. Eine solche gegenteilige Erklarung muss eindeutig und unmissverstandlich\nzum Ausdruck bringen, dass entgegen dem Wunsch des Versicherungsnehmers\nvorlaufig nur das Haftpflichtrisiko gedeckt ist; allein ein formularmaßiger\nHinweis auf der Deckungskarte genugt hierfur nicht (vgl. BGH, Urt. v.\n14.07.1999 - IV ZR 112/98 - VersR 1999, 1274 f.; OLG Koln, VersR 2002, 970 f.;\nOLG Frankfurt, ZfSch 2001, 21 f.). Ist mit einem Antrag auf Überlassung einer\nVersicherungsbestatigung das Anliegen auf Gewahrung von Vollkaskoschutz\nverbunden, so kann es im ubrigen verstandiger Auslegung entsprechen, sowohl\neinen Antrag auf Abschluss eines Vertrages uber vorlaufigen Deckungsschutz in\nder Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung als auch einen solchen auf vorlaufige\nVollkaskodeckung anzunehmen. Die Vollkaskoschutz umfassende vorlaufige Deckung\nergabe sich dann aus § 5 Abs.1-3 VVG.\n\nDer Anwendbarkeit der Auslegungsregel steht § 1 Abs. 3 AKB nicht entgegen. Ob\ndie AKB uberhaupt fur das Rechtsverhaltnis gelten - die Beklagte hat sie dem\nKlager auf dessen mundlichen Antrag auf Abschluss einer Kraftfahrtversicherung\nhin zu keinem Zeitpunkt uberlassen - kann dahinstehen. Mit der Einfugung\ndieser Bestimmung in die AKB, wonach die Aushandigung der\nVersicherungsbestatigung nur fur die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung als\nZusage einer vorlaufigen Deckung gilt, haben die Versicherer die von ihnen\nnach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs spatestens bei Aushandigung der\nVersicherungsbestatigung zu schaffenden klaren Verhaltnisse nicht hergestellt.\nDenn allein mit dieser Bestimmung andert sich nichts an der Vorstellung des\nVersicherungsnehmers von der einheitlichen Behandlung seines Antrags auf\nVersicherungsschutz in den beiden Versicherungssparten. Vielmehr bleibt\nderjenige, dem diese Bestimmung der AKB unbekannt oder nicht mehr gegenwartig\nist, unverandert schutz- und aufklarungsbedurftig und versteht die\nAushandigung der Versicherungsbestatigung weiterhin auch als vorlaufige\nDeckungszusage in der gewunschten Kaskoversicherung (vgl. BGH, Urt. v.\n19.03.1986 - IVa ZR 182/84 - VersR 1986, 541 f.; OLG Koln, aaO.; OLG Koblenz,\naaO.).\n\nNach dem von den Vertragsparteien mit der vorlaufigen Deckungszusage\nverfolgten Zweck - der endgultig gewunschte Versicherungsschutz soll schon fur\ndie Übergangszeit bis zu Entscheidung des Versicherers uber die Annahme auf\nAbschluss des Hauptvertrages gewahrt werden - setzt die von der Rechtsprechung\nentwickelte Auslegungsregel auch nicht voraus, dass ein verbindlicher\n(schriftlicher) Antrag auf Abschluss des Hauptvertrages gestellt ist. Sie\ngreift vielmehr schon dann ein, wenn der Versicherungsnehmer dem Versicherer\nden Wunsch nach Kaskoversicherungsschutz nach dem noch abzuschließenden\nHauptvertrag telefonisch (BGH, Urt. v. 19.03.1986 - IVa ZR 182/84 - VersR\n1986, 541 f.) oder sonst mundlich mitgeteilt hat (vgl. BGH, Urt. v. 14.07.1999\n- IV ZR 112/98 - VersR 1999, 1274 f.).\n\nc) Dass er der Beklagten, also ihrem Agenten W. gegenuber, einen solchen\nWunsch geaußert hat, muss allerdings der Klager beweisen. Das ist ihm gelungen\n(§ 286 ZPO).\n\nDagegen spricht zunachst nicht der Inhalt der vorprozessual im Rahmen der\nSchadensabwicklung der Beklagten ubersandten Mail des Klagers vom 26.11.2004\n(Bl. 43 f. d.A.). Wenn dort lediglich von einer "eventuellen"\nVollkaskoversicherung die Rede war oder davon, dass eine solche "in Frage\nkomme", so zwingt dies entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zu dem\nSchluss, dass der Klager die Frage des Versicherungsumfangs in der\nKaskoversicherung zum Zeitpunkt der Antragstellung fur sich selbst noch nicht\nentschieden hatte. Zwar konnte der Klager fur diese Formulierungen auf\nNachfrage durch den Senat keine Erklarung geben; jedoch misst der Senat der\nvon einem juristischen Laien gewahlten Formulierung fur sich genommen nur\nuntergeordnete Bedeutung bei.\n\nGegen die Annahme eines Wunsches des Klagers nach vorlaufiger Vollkaskodeckung\nspricht auch nicht, dass sie angesichts des Alters und der Laufleistung des zu\nversichernden Kraftfahrzeugs fern gelegen hatte. Das ergibt sich aus der\nverstandlichen Darstellung des Klagers und den Angaben der erstinstanzlich\nvernommenen Zeugin C., der Ehefrau des Klagers, die das Vorhaben des Klagers\nwiderspruchsfrei und - im Hinblick auf die Differenziertheit ihrer Bekundungen\nzur Umsetzung der familiaren Absprache - glaubhaft bestatigt hat. Alter und\nPreis des Kraftfahrzeugs mogen den Abschluss einer Vollkaskoversicherung zwar\nnicht geradezu aufgedrangt haben. Unter den Gesichtspunkten des Fahrzeugwertes\nund der Unerfahrenheit des Fahrers erscheint er aber jedenfalls nicht als\nwirtschaftlich unsinnig und deshalb fern liegend. Fur eine dahin gehende\nEntscheidung des Klagers spricht hier ferner der Umstand, dass - wohl aus\ndenselben Erwagungen heraus - unstreitig auch fur das von dem Patenkind der\nEhefrau des Klagers gefahrene Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung bei der\nBeklagten abgeschlossen worden ist. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat\nsich schließlich auch das von der Beklagten weiter ins Feld gefuhrte Argument\nvon vornherein nicht als stichhaltig erwiesen, bislang habe der Klager selbst\nkeine einzige Vollkaskoversicherung abgeschlossen. Wie der Zeuge W. in seiner\nVernehmung nach Durchsicht seiner Unterlagen bestatigt hat, war dies vielmehr\nnoch in 2003 fur die Dauer von etwa einem Jahr der Fall.\n\nDer Senat ist aber vor allem nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon\nuberzeugt, dass der Klager gegenuber dem Zeugen W. in einem Telefonat am\nFreitag, den 05.11.2004, ausdrucklich geaußert hat, dass fur das\nstreitgegenstandliche Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen werden\nsolle.\n\nDer Klager hat im Rahmen seiner personlichen Anhorung durch den Senat noch\neinmal im Einzelnen geschildert, dass das von seinem Sohn fur einen Kaufpreis\nvon immerhin 7.500,- EUR erworbene Fahrzeug uber ihn, den Klager, versichert\nund auch zugelassen werden solle. Aus diesem Grunde habe er den Zeugen W.\nfreitags von der Arbeit aus angerufen und um eine Deckungskarte fur die\nZulassung des Fahrzeugs gebeten. Bei dieser Gelegenheit habe er den Zeugen W.\nausdrucklich darauf hingewiesen, auch eine Vollkaskoversicherung abschließen\nzu wollen; lediglich uber die Hohe der Selbstbeteiligung habe er erst spater\neine Entscheidung treffen wollen. Es sei zwar richtig, dass er den Zeugen W.\neinmal auf der Post getroffen habe. Dies sei aber ein bis zwei Monate fruher\ngewesen. Damals habe er den Zeugen W. auf ein ebenfalls bei der Beklagten\nversichertes Motorrad angesprochen, fur das er bereits seit drei Monaten auf\neine Police gewartet habe.\n\nDie Angaben des Klagers waren widerspruchsfrei und einleuchtend; soweit sie -\nvor Vernehmung des Zeugen W. - Aussagen zu fruher versicherten Kraftfahrzeugen\nenthielten, hat sich nach eingehenderer Befragung des die Umstande zunachst\nanders schildernden Zeugen W. und nach dessen Nachschau in seinen Unterlagen\nim Termin ihre Richtigkeit ergeben. Sein Interesse an einer\nVollkaskoversicherung hat der Klager plausibel im Hinblick auf den doch nicht\ngeringen Kaufpreis des Kraftfahrzeugs und die Unerfahrenheit seines Sohnes im\nStraßenverkehr dargelegt.\n\nDen Inhalt des Telefongesprachs hat der Zeuge Wo., ein Arbeitskollege des\nKlagers, bestatigt, der angegeben hat, das Telefonat am 05.11.2004 zufallig\nmitverfolgt zu haben. Zu dieser Situation sei es gekommen, als er den Klager\ngerade etwas habe fragen wollen, als dieser bereits telefoniert habe. Auch auf\nintensive Nachfrage des Senats ist der Zeuge Wo. dabei geblieben, sich genau\nan das Telefonat erinnern zu konnen, insbesondere daran, dass der Klager\nwahrend des etwa zwei Minuten andauernden Gesprachs geaußert habe, einen\nVertrag mit Vollkasko abschließen zu wollen. Anhaltspunkte dafur, an der\nAussage des Zeugen zu zweifeln, bestehen nicht.\n\nDemgegenuber ist zwar der Zeuge W. auch bei seiner Vernehmung durch den Senat\nbei seiner Darstellung geblieben, es sei - vor Erteilung der Deckungskarte -\nkein Telefonat uber eine Deckungskarte oder uber eine Vollkaskoversicherung\nbetreffend das streitgegenstandliche Fahrzeug gefuhrt worden. Auch habe der\nKlager keine entsprechende Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen.\nDieses Thema sei vielmehr schon anlasslich eines zufalligen Treffens auf der\nPoststelle erledigt worden, wobei der Klager sich allerdings auf das Verlangen\neiner Deckungskarte beschrankt und einen Vollkaskoschutz mit keinem Wort\nerwahnt habe.\n\nDiese Angaben des Zeugen W. vermogen jedoch keine durchgreifenden Zweifel an\nder Richtigkeit der in sich stimmigen und von dem Zeugen Wo. bestatigten\nDarstellung des Klagers zu begrunden.\n\nDabei war fur den Senat der Umstand von ausschlaggebender Bedeutung, dass der\nBeweiswurdigung - anders als in der ersten Instanz - die Tatsache zugrunde zu\nlegen war, dass ausweislich des von dem Klager in der Berufungsinstanz\nvorgelegten Verbindungsnachweises seines Arbeitgebers vom 07.01.2005 (Bl. 75\nd.A.) am 05.11.2004 um 12.54 Uhr fur die Dauer von 41 Sekunden eine\nTelefonverbindung zwischen dem Telefonanschluss der Arbeitsstelle des Klagers\nund dem Buroanschluss des Zeugen W. zustande gekommen war. Dem steht die von\nder Beklagten zunachst erhobene Verspatungsruge schon im Hinblick darauf nicht\nentgegen, dass diese nunmehr unstreitig gestellt hat, dass es sich bei der\nfraglichen Zielnummer um die Telefonnummer des Zeugen W. handelte.\n\nDer Senat schließt aus dieser Tatsache, dass anlasslich dieser\nTelefonverbindung auch tatsachlich ein Gesprach zwischen dem Klager und dem\nZeugen W. stattgefunden hat. Dass der Klager lediglich eine Nachricht auf dem\nAnrufbeantworter hinterlassen habe, behauptet der Zeuge W. selbst nicht; dass\nder Klager den - nach den Angaben des Zeugen W. zum Inhalt des Ansagetextes 15\nbis hochstens 20 Sekunden andauernden - Ansagetext abgewartet und sodann 20\nweitere Sekunden geschwiegen haben soll, erscheint fernliegend. Fur das von\ndem Klager behauptete Telefongesprach spricht vielmehr umgekehrt, dass sich\ndie aus dem Verbindungsnachweis vom 07.01.2005 ergebenden Angaben zu Zeitpunkt\nund Dauer der fraglichen Telefonverbindung mit den diesbezuglichen Angaben des\nZeugen Wo. ohne Weiteres in Einklang bringen lassen. So hat dieser bereits mit\nSchreiben vom 08.12.2004 (Bl. 91 d.A.) gegenuber der Beklagten angegeben, das\nvon ihm mitverfolgte Telefonat habe am 05.11.2004 zwischen 13.00 und 14.00 Uhr\nstattgefunden; dass der Zeuge sich hierbei um (lediglich) sechs Minuten\nverschatzt hat, beeintrachtigt die Glaubhaftigkeit seiner Angaben entgegen der\nAnsicht der Beklagten in keiner Weise. Dasselbe gilt fur dessen Angabe, das\nTelefonat habe „vielleicht zwei Minuten" gedauert.\n\nDie hiervon abweichende Schilderung des Zeugen W., der Aushandigung der\nDeckungskarte sei lediglich ein Gesprach anlasslich eines zufalligen Treffens\nauf der Poststelle vorausgegangen, erscheint dem Senat demgegenuber schon\ndeshalb nicht plausibel, weil es in diesem Falle eines weiteren (Telefon-)\nGesprachs uberhaupt nicht bedurft hatte. Abgesehen davon ware nicht recht\neinsichtig, dass der Klager an einem Werktag - der Postbesuch soll vor der\nMittagsstunde donnerstags vor dem Einwurf der Deckungskarte oder freitags\nselbst stattgefunden haben - wahrend der Arbeit eine Poststelle in seinem\nHeimatort aufgesucht haben soll.\n\nAllerdings geht der Senat nicht davon aus, dass der Zeuge W. bewusst eine\nunrichtige Darstellung des Geschehens abgeben wollte. Der Klager hat im Rahmen\nseiner personlichen Anhorung eingeraumt, dass ein solches zufalliges Treffen\nauf der Poststelle tatsachlich stattgefunden habe. Allerdings sei dies schon\nein bis zwei Monate fruher gewesen und das Gesprach habe sich damals um ein\nebenfalls bei der Beklagten versichertes Motorrad gedreht, fur das er bereits\nseit drei Monaten auf eine Police gewartet habe. Ausgehend davon, dass der\nZeuge W. bei seiner zweitinstanzlichen Vernehmung jedenfalls bestatigt hat,\ndass seit April 2004 tatsachlich auch ein Motorrad des Klagers bei der\nBeklagten versichert ist, halt der Senat es vielmehr fur wahrscheinlich, dass\nder Zeuge W. Gelegenheit und Inhalt der jeweiligen Gesprache nachtraglich\nirrtumlich falsch zugeordnet hat. Diese Annahme wird auch dadurch gestutzt,\ndass der Zeuge W. - trotz der von ihm behaupteten Vorbereitung auf den Termin\ndurch Einsichtnahme in seine Unterlagen - noch im Termin andere\nVersicherungsdaten des Klagers „durcheinander gebracht" hat und auf Nachfrage\nmehrere seiner Bekundungen korrigieren musste. Erinnerungslucken des Zeugen\nliegen also ebenso wenig fern wie ein zum Zeitpunkt des Telefonats am\n5.11.2004 moglicherweise belastungsbedingt ungenaues oder selektives Zuhoren.\n\nZur Überzeugung des Senats steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ferner\nfest, dass dieses Telefongesprach auch den von dem Klager behaupteten und von\ndem Zeugen Wo. bestatigten Inhalt hatte, insbesondere dass der Klager\nanlasslich dieses Gesprachs ausdrucklich erklart hat, fur das zuzulassende\nFahrzeug eine Vollkaskoversicherung abschließen zu wollen.\n\nEntgegen der Ansicht der Beklagten spricht hiergegen nicht bereits die Dauer\nder Telefonverbindung von lediglich 41 Sekunden. Wie der Klager im Rahmen\nseiner personlichen Anhorung angegeben hat, beschrankten sich seine Äußerungen\nwahrend des Telefonats auf das Verlangen einer Deckungskarte fur die Zulassung\nund die Erklarung, eine Vollkaskoversicherung abschließen zu wollen, wobei man\nsich uber die Hohe der Selbstbeteiligung erst spater unterhalten solle. Ein\nauf diesen Inhalt beschranktes - und hinsichtlich der fur die Gewahrung\nvorlaufigen Deckungsschutzes erforderlichen Angaben auch der Sache nach\nausreichendes - Gesprach konnten der Klager und der Zeuge W. wahrend eines\nZeitraums von 41 Sekunden durchaus fuhren.\n\nHinzu kommt, dass der Zeuge Wo. seine Angaben zu dem Inhalt des Telefonats bei\nseiner Vernehmung durch den Senat dahingehend erganzt und konkretisiert hat,\ner habe sich unmittelbar im Anschluss an das Telefonat noch kurz mit dem\nKlager uber die Vollkaskoversicherung unterhalten, wobei dieser zur Erklarung\nauf die langen Fahrtwege seines - erst 19-jahrigen - Sohnes im Berufsverkehr\nund auf den Umstand verwiesen habe, dass das Fahrzeug recht teuer gewesen sei.\n\n2\\. Ist somit auf den einheitlichen Antrag des Klagers durch die Aushandigung\nder Deckungskarte zwischen den Parteien ein Vertrag uber die Gewahrung\nvorlaufigen Deckungsschutzes auch in der Vollkaskoversicherung zustande\ngekommen, so ist die Beklagte dem Klager gemaß §§ 12 Abs. 1 Ziff. II e, 13\nAbs. 5 i.V.m. Abs. 1 bis 3 AKB dem Grunde nach zur Erstattung der notwendigen\nReparaturkosten bis zur Hohe des Wiederbeschaffungswertes verpflichtet.\n\na) Fur die Berechnung der Entschadigung legt der Senat das von der Beklagten\neingeholte Schadengutachten der D. Automobil GmbH vom 25.11.2004 (Bl. 6 ff.\nd.A.) zugrunde, das die Reparaturkosten mit 16.000,- EUR inkl. MwSt und den\nWiederbeschaffungswert mit 6.900,- EUR inkl. MwSt angibt. Der\nWiederbeschaffungswert - dabei handelt es sich gemaß § 13 Abs. 1 Satz 2 AKB um\nden Kaufpreis, den der Versicherungsnehmer aufwenden muss, um ein\ngleichwertiges gebrauchtes Fahrzeug zu erwerben - stellt gemaß § 13 Abs. 1 AKB\ndie Hochstgrenze fur den Entschadigungsanspruch des Klagers dar.\n\nb) Auf den Betrag von 6.900,- EUR ist gemaß § 13 Abs. 9 AKB jedoch zum einen\neine Selbstbeteiligung des Klagers anzurechnen. Allerdings ist von den\nParteien uber die Hohe der Selbstbeteiligung weder anlasslich der Vereinbarung\nder vorlaufigen Deckung noch zu einem spateren Zeitpunkt eine Einigung erzielt\nworden. Ausgehend davon, dass die Parteien sich trotz dieses offenen\nEinigungsmangels (vgl. § 154 BGB) erkennbar vertraglich binden wollten, stellt\ndieser Umstand jedoch das Zustandekommen eines wirksamen Vertrages nicht in\nFrage. Vielmehr konnen in einem solchen Fall zur Schließung der\nEinigungslucken grundsatzlich die §§ 315 ff. BGB herangezogen werden (vgl.\nhierzu BGH, Urt. v. 02.04.1964 - KZR 10/62 - BGHZ 41, 271 ff.; Urt. v.\n19.01.1983 - VIII ZR 81/82 - DB 1983, 875 f.; zur Bemessung der Pramie nach §\n315 BGB vgl. OLG Celle, VersR 1976, 673 f.; OLG Dusseldorf, VersR 2000, 1355\nff.). Unter Berucksichtigung der von dem Klager selbst bereits mit seinem\nvorprozessualen Schreiben vom 26.11.2004 (Bl. 43 f. d.A.) gegenuber der\nBeklagten erklarten Bereitschaft, bei einer Schadensregulierung eine\nSelbstbeteiligung von 1.000,- EUR zu akzeptieren, bestehen vorliegend keine\nBedenken, die Hohe der Selbstbeteiligung nach billigem Ermessen entsprechend §\n315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch Urteil auf 1.000,- EUR festzusetzen.\n\nc) Des Weiteren ist die von der Beklagten unstreitig kulanzhalber auf\nTeilkaskobasis gezahlte Entschadigung fur den Glasbruchschaden in Abzug zu\nbringen. Nach dem Schadengutachten der D. Automobil GmbH betrug diese 1.039,24\nEUR.\n\nd) Der geltend gemachte Erstattungsanspruch des Klagers ist somit lediglich in\nHohe von 4.860,76 EUR begrundet (6.900,- EUR ./. 1.000,- EUR ./. 1.039,24\nEUR). Das Bestehen einer moglicherweise ebenfalls in Abzug zu bringenden\nPramienforderung hat die Beklagte nicht dargetan.\n\n3\\. Soweit der Klager daruber hinaus die Erstattung vorgerichtlicher\nAnwaltskosten in Hohe von 243,75 EUR verlangt, fehlt es jedoch bereits an der\nsubstantiierten Darlegung eines materiell-rechtlichen\nKostenerstattungsanspruchs, insbesondere hat der Klager nicht dargelegt, dass\nihm insoweit ein Verzugsschaden entstanden sei.\n\nIII.\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, die\nEntscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr.\n10, 711, 713 ZPO.\n\nDie Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2\nZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache besitzt weder grundsatzliche Bedeutung (§\n543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die\nSicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des\nRevisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).\n\n
128,689
ovgsl-2006-05-04-1-q-6405
938
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes
ovgsl
Saarland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 Q 64/05
2006-05-04
2019-01-07 09:34:42
2019-02-12 12:11:37
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts\ndes Saarlandes vom 17. Juni 2005 - 1 K 36/04 - wird zuruckgewiesen.\n\nDie Kosten des Zulassungsverfahrens fallen dem Klager zur Last.\n\nDer Streitwert wird fur das Zulassungsverfahren auf 29.595,82 Euro\nfestgesetzt.\n\n## Gründe\n\nDer Antrag des Klagers auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor genannte\nUrteil, durch das die auf Aufhebung der Bescheide des Rentenausschusses des\nVersorgungswerks der Beklagten vom 16.12.1998, vom 8.11.2000 und vom 17.8.2001\nin der Gestalt der Beschwerdeentscheidungen vom 4.1.2002 gerichtete Klage\nabgewiesen wurde, bleibt ohne Erfolg.\n\nDas den Prufungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen im\nSchriftsatz vom 19.8.2005 gibt keine Veranlassung, das genannte Urteil einer\nÜberprufung in einem Berufungsverfahren zuzufuhren. Aus der Antragsbegrundung\nergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen\nUrteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch stellt sich eine Frage grundsatzlicher\nBedeutung im Verstandnis des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.\n\nDas Verwaltungsgericht hat mit insgesamt uberzeugenden Erwagungen das\nKlagebegehren als unbegrundet zuruckgewiesen. Was der Klager in seinem\nSchriftsatz vom 19.8.2005 hiergegen einwendet, vermag die Richtigkeit der\nerstinstanzlichen Entscheidung in keiner Weise zu erschuttern.\n\nDer Klager vertritt die Auffassung, § 19 Ziffer 2 der Satzung des\nVersorgungswerkes in der hier maßgeblichen, bis 31.12.2001 gultigen Fassung,\nwonach der allgemeine monatliche Beitrag (Regelbeitrag) dem jeweils geltenden\nHochstbeitrag in der gesetzlichen Versicherung fur Angestellte entspricht, sei\nverfassungswidrig. Indes hat der Senat bereits durch Urteil vom 18.12.2003 - 1\nR 16/02 -, das eine Beitragsnachforderung gegen seinen Sozius H. zum\nGegenstand hatte und in welchem der Klager als Prozessbevollmachtigter\naufgetreten ist, entschieden, dass die genannte Satzungsbestimmung eine\nrechtmaßige Rechtsgrundlage fur die Erhebung des Regelbeitrags darstellt.\nInsoweit kann auf das dem Klager bekannte Urteil des Senats vom 18.12.2003\nverwiesen werden. Sowohl die dagegen erhobene Beschwerde gegen die\nNichtzulassung der Revision als auch die Verfassungsbeschwerde blieben\nerfolglos\n\nvgl. BVerwG, Beschluss vom 16.3.2004 - 6 B 18.04 - und BVerfG, Beschluss vom\n4.8.2004 - 1 BvR 943/04 -.\n\nBei zusammenfassender Wurdigung seines Vorbringens im Zulassungsverfahren\nsieht der Klager einen Verstoß gegen Verfassungsrecht zunachst und vor allem\ndarin, dass es sich bei § 19 Ziffer 2 der Satzung um eine zu starre Regelung\nhandele, die bei einkommensunabhangiger Berechnung des Versorgungsbeitrags (=\nRegelbeitrag) keine Abweichung von dem Hochstbeitrag der gesetzlichen\nRentenversicherung zulasse, wie dies in den Satzungen anderer Versorgungswerke\nin zumindest sechs Bundeslandern der Fall sei. Dadurch wurden - so der Klager\n- saarlandische Anwalte gegenuber Berufskollegen in anderen Bundeslandern in\neiner nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbarenden Weise benachteiligt.\n\nDer Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, der insoweit allein als\nPrufungsmaßstab in Betracht kommt, wird durch die angesprochenen Unterschiede\nin der Festsetzung der Hochstbeitrage durch Versorgungswerke in anderen\nBundeslandern von vornherein nicht verletzt. Denn ein Anspruch auf\nGleichbehandlung steht dem Einzelnen nur gegenuber dem nach der\nKompetenzverteilung konkret zustandigen Trager offentlicher Gewalt zu. Der\nGleichheitssatz ist generell nicht geeignet, einen Normgeber zu verpflichten,\nseine Regelungen denen anderer Normgeber anzugleichen\n\nvgl. u.a. BVerfG, Beschlusse vom 21.12.1966 - 1 BvR 33/64 -, BVerfGE 21, 54\n(68) betreffend die Erhebung einer Lohnsummensteuer bzw. die Festlegung\nunterschiedlich hoher Hebesatze durch die Gemeinden, sowie vom 12.5.1987 - 2\nBvR 1226/83, 101, 313/84 -, BVerfGE 76, 1 (73) = NJW 1988, 626 betreffend\nunterschiedliche Verwaltungsvorschriften auf dem Gebiet des Familiennachzugs\ndurch die obersten Landesbehorden der jeweiligen Bundeslander; siehe auch fur\ndie unterschiedliche Regelung des beamtenrechtlichen Beihilferechts auf\nLander- und Bundesebene u.a. BayVerfGH, Entscheidung vom 29.3.1995 - Vf.\n11-VII-92 -, DÖD 1995, 107 (108), sowie Urteile des Senats vom 11.3.2002 - 1 R\n12/00 -, DÖD 2002, 229 = IÖD 2002, 235 = NVwZ-RR 2002, 670, vom 6.5.2003 - 1 R\n5/02 - und vom 30.10.2003 - 1 R 16/03 -.\n\nDas landesrechtlich geordnete und von autonomen Versorgungstragern geregelte\nVersorgungssystem der Rechtsanwaltschaft kann mithin - auch - in Bezug auf die\nFestlegung der an das Versorgungswerk zu entrichtenden Beitrage ohne\nVerfassungsverstoß von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Regelungen\ntreffen.\n\nDie Uneinheitlichkeit der regional gegliederten Versorgungssysteme kann\nallerdings die Freiheit der Berufsausubung behindern. Die darin liegende\nEinschrankung ist jedoch mit Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar,\ndenn sie bedeutet keine unverhaltnismaßige Freiheitsbeschrankung\n\nvgl. BVerfG, Beschluss vom 25.9.1990 - 1 BvR 907/87 -, NJW 1991, 746.\n\nIm weiteren ist auch der Verweis des Klagers auf einen Wegfall der\nVersicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bei hohen\nEinkommen, d.h. solchen, die uber der Beitragsbemessungsgrenze liegen, nicht\ngeeignet, die Rechtmaßigkeit der Festlegung des Regelbeitrags auf den jeweils\ngeltenden Hochstbeitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung gemaß § 19\nZiffer 2 der Satzung in Frage zu stellen.\n\nDas folgt zum einen schon daraus, dass die fruher in der Rentenversicherung\nder Angestellten allgemein bestehende Versicherungspflichtgrenze bereits 1968\nweggefallen ist, d. h. seit diesem Zeitpunkt die Versicherungspflicht\nunabhangig von der Hohe des Einkommens besteht, und die\nBeitragsbemessungsgrenze lediglich eine Grenze fur die Hohe des versicherten\nEntgelts bildet\n\nvgl. dazu „Übersicht uber das Sozialrecht", Ausgabe 2004, Herausgeber:\nBundesministerium fur Gesundheit und soziale Sicherung, 1. Aufl., Kapitel 6\nNr. 22 (S. 225 f.).\n\nZum andern begrunden die im (bundesgesetzlich geregelten)\nSozialversicherungsrecht vorgesehenen Befreiungstatbestande keine Pflicht, bei\nder Einfuhrung einer landesrechtlichen Pflichtversicherung fur bestimmte freie\nBerufe eine identische Befreiungsregelung vorzunehmen\n\nvgl. u.a. BVerwG, Beschlusse vom 12.5.1982 - 5 B 65/81 - und vom 14.4.1981 - 5\nB 57/80 -, Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 10 und Nr. 9.\n\nSchließlich ist eindeutig, dass die Festsetzung eines Beitrags in Hohe des in\nder gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten jeweils geltenden\nHochstbeitrags jedenfalls bei den Mitgliedern des Versorgungswerks, deren\nEinkommen die Beitragsbemessungsgrenze ubersteigt, wie dies beim Klager der\nFall ist\n\nvgl. dazu sein Vorbringen im Schriftsatz vom 10.1.2005, Seite 2, 3. Absatz,\n\nweder gegen den Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit und der freien Entfaltung\nder Personlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG), noch gegen die durch Art. 12 Abs. 1 GG\ngeschutzte Berufsausubungsfreiheit verstoßt\n\nallerdings kann die Festsetzung eines Mindestbeitrags von 3/10 des\nRegelbeitrags bei Berufsanfangern, deren Einkommen nicht unerheblich geringer\nals 3/10 der Beitragsbemessungsgrenze ist, einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1\nGG darstellen, vgl. dazu OVG Koblenz, Urteil vom 12.6.2000 - 6 A 10220/01 -,\nBRAK-Mitt 2002, 237 = AS 30, 54; BVerwG, Urteil vom 5.12.2000 - 1 C 11/00 -,\nNJW 2001, 1590 = DVBl. 2001, 741.\n\nNach den vorangegangenen Ausfuhrungen ist die vom Klager als grundsatzlich\nklarungsbedurftig gestellte Frage, ob die Regelung der Beitragshohe in der\nSatzung des Versorgungswerks der Beklagten wesentlich von der\nBeitragsbemessung in den Satzungen anderer Versorgungswerke abweichen darf,\nbereits beantwortet, so dass es auch unter diesem Zulassungsgesichtspunkt (§\n124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht der Durchfuhrung eines Berufungsverfahrens\nbedarf.\n\nNach allem muss der Zulassungsantrag zuruckgewiesen werden.\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.\n\nDie Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3, 47 Abs. 3\nGKG.\n\nDieser Beschluss ist nicht anfechtbar.\n\n
128,907
olgsl-2007-02-27-4-sch-107
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
4 Sch 1/07
2007-02-27
2019-01-07 09:36:35
2019-02-12 12:12:11
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Der Antrag der Schiedsklagerinnen, die Vollziehung der vom Schiedsgericht\nam 11.1.2007 angeordneten Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes\nzuzulassen, wird abgelehnt. Die Kosten des Antragsverfahrens einschließlich\nder außergerichtlichen Kosten des Streithelfers fallen den Schiedsklagerinnen\nzur Last.\n\n2\\. Der Streitwert wird auf 10.000 EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n**I.**\n\nDie Antragstellerinnen und Schiedsklagerinnen sowie der Antragsgegner und\nSchiedsbeklagte sind niedergelassene Hausarzte. Sie haben ihre Arztpraxen auf\nder Grundlage eines am 4.3.2004 geschlossenen Vertrages, der eine\nSchiedsgerichtsvereinbarung enthalt und auf einen Schiedsvertrag gleichen\nDatums Bezug nimmt (Bl. 8 f., 17 d.A.), als Praxisgemeinschaft (GbdR)\nbetrieben.\n\nDie Praxisgemeinschaft wurde im Jahr 1994 in anderer personeller Besetzung vom\nSchiedsbeklagten mitgegrundet . Die Schiedsklagerinnen sind erst wesentlich\nspater, namlich in den Jahren 2003 bzw. 2004, in die Praxisgemeinschaft\neingetreten. Die Praxis wurde in einer dem Schiedsbeklagten gehorenden Wohnung\nim Anwesen <Straße> in <Ort> betrieben. Die Praxisgemeinschaft hatte die\nRaumlichkeiten angemietet. Im Jahr 2005 kam es zu Differenzen zwischen den\nParteien. Der Schiedsbeklagte kundigte den Praxisgemeinschaftsvertrag mehrfach\nfristlos, zuletzt mit Schreiben vom 27.6.2006. Außerdem erklarte er die\nordentliche Kundigung zum 31.12.2006. Die Schiedsklagerinnen schlossen den\nSchiedsbeklagten ihrerseits durch Beschluss vom 17.10.2006 aus der\nPraxisgemeinschaft aus. Über die Wirksamkeit dieses Beschlusses und der vom\nSchiedsbeklagten ausgesprochenen fristlosen Kundigungen streiten die Parteien\nin einem Schiedsverfahren .\n\nDer Schiedsbeklagte kundigte auch den Praxismietvertrag zum 31.12.2006.\nNachdem er im Oktober 2006 aus der gemeinsamen Praxis ausgezogen war, ubte er\nseine arztliche Tatigkeit zwar weiter im Anwesen <Straße> aus, jedoch in einer\nauf derselben Etage gelegenen Praxis gemeinsam mit dem Streithelfer Dr. K..\n\nDie Schiedsklagerinnen haben in dem von ihnen angestrengten Schiedsverfahren\nauch einstweilige Maßnahmen hinsichtlich der Telefon- und\nTelefaxanschlussnummern <Vorwahl>/<Rufnummer1>, <Rufnummer2> sowie\n<Rufnummer3> beantragt, die bis zum Auszug des Schiedsbeklagten von den in der\nPraxisgemeinschaft zusammengeschlossenen Ärzten gemeinsam genutzt wurden. Die\nTelefon - und Telefaxanschlussnummern sind bei der Deutschen Telekom AG auf\nden Schiedsbeklagten registriert. Der Schiedsbeklagte, der seit 20 Jahren als\nniedergelassener Arzt tatig ist, hat die Anschlusse und Nummern zunachst fur\nseine Arztpraxis genutzt. Nach Grundung der Praxisgemeinschaft im Jahr 1994\nwurden sie von der Praxisgemeinschaft genutzt. Die Nummern waren als\nAnschlussnummern der Praxisgemeinschaft veroffentlicht. Die Rechnungen\nerteilte die Deutsche Telekom AG der „Gemeinschaftspraxis Dr. L.- B.- Dr. S.".\nDie Gebuhren wurden von der Praxisgemeinschaft bezahlt und nach einem im\nPraxisgemeinschaftsvertrag vom 4.3.2004 geregelten Schlussel verteilt.\n\nIm Fruhsommer 2006 hatten die Schiedsklagerinnen vergeblich versucht, die auf\nden Schiedsbeklagten registrierten Anschlusse auf die Praxisgemeinschaft\neintragen zu lassen. Nach seinem Auszug aus der Praxis beauftragte der\nSchiedsbeklagte die Deutsche Telekom AG am 4.12.2006, die Telefonanschlusse\nund den Faxanschluss nebst den zugehorigen Nummern in die Raume der mit dem\nStreithelfer Dr. K. neu gegrundeten Gemeinschaftspraxis zu verlegen, was am\n18.12.2006 geschah.\n\nDie Telekom AG hatte den Schiedsklagerinnen bereits im Jahr 2006 neue Telefon-\nund Telefaxnummern zugeteilt. Die Schiedsklagerinnen veroffentlichten die\nneuen Nummern in Zeitungen und Telefonbuchern und sie teilten sie ihren\nPatienten im Rahmen einer Flugblattaktion mit.\n\nDurch Beschluss vom 11.1.2007, auf den in tatsachlicher Hinsicht erganzend\nBezug genommen wird (BGHZ 142,204), hat das Schiedsgericht dem Antrag der\nSchiedsklagerinnen, dem Schiedsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfugung\naufzugeben, gegenuber der Deutschen Telekom AG eine Erklarung abzugeben, dass\ner unter gleichzeitiger Kundigung der o.g. Telefon - und Faxanschlusse eine\nÜbertragung der Rufnummern an die Praxisgemeinschaft bestehend aus den\nSchiedsklagerinnen beantragen moge, nach Maßgabe seines Beschlusses\nstattgegeben. Das Schiedsgericht hat einen Verfugungsanspruch unter dem\nGesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereichung sowie wegen eines Eingriffs in\nden eingerichteten und ausgeubten Praxisbetrieb und auch einen Verfugungsgrund\nbejaht. Die Schiedsklagerinnen hatten einsichtig aufgezeigt, dass bei\nUnterbleiben der Anordnung die Gefahr bestehe, dass der Schiedsbeklagte ihnen\nPatienten abwerbe.\n\nNachdem der Schiedsbeklagte die ihm vom Schiedsgericht aufgegebene Erklarung\nnicht abgegeben hat, beantragen die Schiedsklagerinnen nunmehr, die durch\nBeschluss vom 11.1.2007 getroffene Anordnung gemaß § 1041 Abs.2 ZPO fur\nvollziehbar zu erklaren.\n\nDie Schiedsklagerinnen tragen zur Rechtfertigung ihres Antrages Folgendes vor:\nDer Schiedsbeklagte habe nicht nur der schiedsgerichtlichen Anordnung keine\nFolge geleistet; er habe im Gegenteil - was den Tatsachen entspricht (Bl. 230\nbis 234 d.A.) - die Telekom AG am 11.1.2007 beauftragt, die Anschlussnummern\nstatt auf sie auf den Streithelfer Dr. K. zu ubertragen. In der Sache halten\ndie Schiedsklagerinnen an ihrem im Schiedsverfahren vertretenen\nRechtsstandpunkt fest, wonach der Schiedsbeklagte die auf ihn registrierten\nTelefon- und Telefaxnummern in die Praxisgemeinschaft eingebracht habe. Die\nAnschlussnummern gehorten daher zum Gesellschaftsvermogen. Sie seien Teil des\n„good wills" bzw. des immateriellen Wertes der Praxisgemeinschaft. Da der\nSchiedsbeklagte spatestens zum 31.12.2006 aus der Praxisgemeinschaft\nausgeschieden sei, stunden die Anschlussnummern nach den §§ 23,24 des\nPraxisgemeinschaftsvertrages nunmehr ihnen als verbliebenen Gesellschaftern\nallein zu. Es bestehe auch ein dringender Regelungsbedarf, denn es sei zu\nbesorgen, dass der Schiedsbeklagte Patienten der Schiedsklagerinnen, die\ngewohnheitsmaßig noch die „alten" Nummern anwahlen, abwerbe, wofur es konkrete\nAnhaltspunkte gebe. An einer vom Schiedsgericht vergleichsweise\nvorgeschlagenen Anruftrennung durch Bandansagen habe der Schiedsbeklagte nicht\nmitgewirkt. Die Schiedsklagerinnen bestreiten mit Nichtwissen, dass gemaß dem\nVortrag des Schiedsbeklagten unter den „alten" Anschlussnummern nur noch\nvereinzelt sie betreffende Patientenanrufe eingehen. Sie bestreiten ferner,\ndass im Falle der Vollziehung der vom Schiedsgericht angeordneten Maßnahme der\nSchiedsbeklagte und/oder dessen Streithelfer Dr. K. uber langere Zeit fur\nPatienten telefonisch nicht erreichbar seien und behaupten, die Deutsche\nTelekom AG konne binnen zwei Tagen neue Nummern schalten.\n\nDie Schiedsklagerinnen beantragen (Bl. 98, 254 d.A.),\n\n> die vom Schiedsgericht durch Beschluss vom 11.1.2007 angeordnete Maßnahme\n> fur vorlaufig vollstreckbar zu erklaren.\n\nDer Schiedsbeklagte beantragt (Bl. 1, 254 d.A.),\n\n> den Antrag der Schiedsklagerinnen abzuweisen.\n\nDer Schiedsbeklagte halt an seiner Rechtsauffassung fest, dass das\nVerfugungsgesuch bereits unzulassig gewesen sei, weil das Schiedsgericht keine\nZwangsmaßnahmen gegenuber den Parteien habe ergreifen konnen. Im Übrigen\nstelle die dem Antrag der Schiedsklagerinnen stattgebende Entscheidung eine\nunzulassige Vorwegnahme der Hauptsache dar. Es fehle sowohl an einem\nVerfugungsanspruch als auch an einem Verfugungsgrund. Da der Schiedsbeklagte\ndie auf ihn registrierten Anschlusse nebst Nummern nicht unter Aufgabe eigener\nRechte in die Praxisgemeinschaft eingebracht habe, konnten diese nicht Teil\ndes „good wills" der Praxisgemeinschaft geworden sein. Weil die\nSchiedsklagerinnen seit geraumer Zeit uber eigene Anschlussnummern verfugten,\ndie sie auch bekannt gemacht hatten, und die Mehrzahl der Anrufer ohnehin den\nSchiedsbeklagten erreichen wollten, bestehe jedenfalls kein Verfugungsgrund.\nDer Schiedsbeklagte sei entgegen der Darstellung der Schiedsklagerinnen\ndurchaus mit der Installation einer automatischen Ansage uber die\nPraxistrennung einverstanden gewesen. Die Installation sei jedoch kurzfristig\nnicht moglich gewesen, zumal die Schiedsklagerinnen kein geeignetes Band zur\nVerfugung gestellt hatten. Der Verfahrensbevollmachtigte des Schiedsbeklagten\nhat in der mundlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat in Abrede\ngestellt, dass die Deutsche Telekom binnen weniger Tage neue Anschlussnummern\nbereitstelle und vorgetragen, von ihm veranlasste Erkundigungen hatten\nergeben, dass dies ca. 3 Wochen dauere. Im Übrigen reiche die vom\nSchiedsgericht getroffene Anordnung uber das Rechtsverhaltnis der Parteien\nhinaus. Sie wirke sich auch zu Lasten von Dr. K. aus, mit dem der\nAntragsgegner zunachst eine Gemeinschaftspraxis betrieben und an den er seine\nPraxis nebst „good will" einschließlich der Telefon- und Telefaxnummern mit\nWirkung vom 1.1.2007 verkauft habe. Weil der Schiedsbeklagte im\nAnordnungszeitpunkt aus Rechtsgrunden an der Abgabe der entsprechenden\nErklarung gehindert gewesen sei und weil hierdurch in unzulassiger Weise in\nRechte des nicht am Schiedsverfahren beteiligten Dr. K. eingegriffen werde,\nkonne die Anordnung des Schiedsgerichts nicht fur vollziehbar erklart werden.\n\nDer Schiedsbeklagte hat Dr. K. mit Schriftsatz seines\nVerfahrensbevollmachtigten vom 16.1.2007 den Streit verkundet.\n\nDer Streitverkundete, der dem Verfahren auf Seiten des Schiedsbeklagten\nbeigetreten ist, beantragt ebenfalls (Bl. 194,219, 254 d.A.),\n\n> den Antrag auf Vollstreckbarerklarung des Beschlusses des Schiedsgerichts\n> vom 11.1.2007 abzuweisen.\n\nDer Streitverkundete teilt den Rechtsstandpunkt des Schiedsbeklagten, wonach\ndie Anordnung des Schiedsgerichts mangels Regelungskompetenz,\nVerfugungsanspruch, Verfugungsgrund und weil sie in seine und in die Rechte\nder Deutschen Telekom AG eingreife, offenkundig rechtswidrig sei und daher\nnicht fur vollziehbar erklart werden durfe.\n\n**II.**\n\nDer Antrag der Schiedsklagerinnen, die Vollziehung der vom Schiedsgericht\ndurch Beschluss vom 11.1.2007 angeordneten Maßnahme des einstweiligen\nRechtsschutzes nach § 1041 Abs.1 ZPO zuzulassen, ist zwar zulassig (1) . Der\nAntrag ist jedoch nicht begrundet . Er war daher kostenpflichtig abzulehnen\n(2).\n\n1\\. Der Antrag auf Vollziehbarerklarung ist statthaft und zulassig. Dem Antrag\nwar eine Abschrift des Schiedsspruches beigefugt (§ 1064 Abs.1 ZPO). Die\nZustandigkeit des Saarlandischen Oberlandesgerichts folgt aus § 1062 Abs.1 Nr.\n4 ZPO i.V.m. § 5 des Schiedsvertrages. Der in § 1041 Abs.2 S.1 Hs.2 ZPO\nnormierte Grundsatz der Gerichtsprioritat hindert die Vollziehbarerklarung\nnicht. Danach setzt die Zulassigkeit des Antrages voraus, dass nicht schon\neine (nach § 1033 ZPO letztlich unbeschrankt mogliche) entsprechende Maßnahme\ndes einstweiligen Rechtsschutzes bei einem staatlichen Gericht beantragt\nworden ist (Musielak- Voit, ZPO, 5. Aufl. Rn. 6 zu § 1041; Mu-Ko- Munch, ZPO,\nRn.25 zu § 1041). Die Schiedsklagerinnen haben zwar, wie dem erkennenden Senat\naufgrund eigener Sachbefassung (Verfahren 4 U 82/07-27-) bekannt ist,\nzwischenzeitlich beim Landgericht Saarbrucken Maßnahmen des einstweiligen\nRechtsschutzes beantragt und es ist auch eine den Antragen stattgebende\nEntscheidung ergangen. Jedoch handelte es sich nicht um „entsprechende", also\nmit der schiedsgerichtlichen Anordnung, die der Senat fur vollziehbar erklaren\nsoll, dem Streitgegenstand nach identische Maßnahmen. In dem einstweiligen\nVerfugungsverfahren 3 O 27/07 des Landgerichts Saarbrucken wurde dem\nSchiedsbeklagten durch Urteil vom 5.2.2007 aufgegeben, sich vorlaufig\njeglicher Verfugungen uber die anordnungsgegenstandlichen Anschlussnummern zu\nenthalten, insbesondere eine Umschreibung auf den Streithelfer Dr. K. zu\nunterlassen und einen eventuell bereits gestellten Umschreibungsantrag\nzuruckzunehmen. Vorliegend geht es hingegen um eine Anordnung, wonach der\nSchiedsbeklagte bei der Deutschen Telekom AG eine Übertragung der\nAnschlussnummern auf die Schiedsklagerinnen beantragen und gegenuber der\nTelekom erklaren soll, dass er auf die Nutzung der entsprechenden Nummern\nverzichte.\n\n2\\. Der mithin zulassige Antrag ist nicht begrundet.\n\na. Zwar liegt ein Schiedsspruch im Sinne von § 1055 ZPO vor, der den\nErfordernissen des § 1054 ZPO genugt. Auch ist von einer wirksamen\nSchiedsvereinbarung auszugehen, was das staatliche Gericht inzident und\nunabhangig von einer hier nicht erhobenen Ruge prufen muss (Musielak-Voit;\na.a.O., Rn. 7 zu § 1041). Die Prufung ist entbehrlich, wenn eine Praklusion\nnach § 1040 Abs.2 ZPO eingetreten ist (Musielak a.a.O.; Zoller-Geimer, ZPO,\n26.Aufl. Rn.3 zu § 1041).\n\nb. Die Anordnung der Vollziehbarkeit hatte gemaß § 1060 Abs.2 S.1 ZPO\njedenfalls zu unterbleiben, wenn Grunde gegeben sind, die nach § 1059 Abs.2\nZPO zur Aufhebung des Schiedsspruches fuhren mussten. Einwendungen nach § 1059\nAbs.2 Nr.1 ZPO werden vom Schiedsbeklagten nicht geltend gemacht. Die von Amts\nwegen zu prufenden Voraussetzungen einer Aufhebung nach § 1059 Abs.2 Nr.2 ZPO\nliegen nicht vor. Der Gegenstand des Streites ist nach deutschem Recht\nschiedsfahig. Auch kann nicht festgestellt werden, dass die Anerkennung oder\nVollstreckung des Schiedsspruches zu einem Ergebnis fuhrt, das der\noffentlichen Ordnung (ordre public) zuwiderlauft. Einen Verstoß gegen den\nordre public haben der Schiedsbeklagte und dessen Streithelfer zwar behauptet,\njedoch fehlt es an substantiierten Darlegungen. Über den ordre public wird\nnamlich nur ein Ausschnitt aus dem weiten Gebiet des zwingenden Rechts und der\ndahinter stehenden grundlegenden Rechtsprinzipien durchgesetzt. Daraus folgt,\ndass ein Schiedsspruch nur aufzuheben ist, wenn er mit elementaren\nGerechtigkeitsvorstellungen unvereinbar ist. Die Nachprufung durch das\nstaatliche Gericht ist dabei auf fundamentale Normen beschrankt (Zoller-\nGeimer, ZPO, 26.Aufl. Rn. 56 zu § 1059). Das Wesen der Schiedsgerichtsbarkeit\nals gleichwertiger Rechtsprechungsalternative verbietet eine revision au fond\n, weshalb die sachliche Unrichtigkeit einer Anordnung fur sich genommen noch\nkeinen Aufhebungsgrund darstellt (Zoller a.a.O. Rn. 74,75 zu § 1059 mwNw). Das\nFehlen eines Verfugungsanspruches und/oder eines Verfugungsgrundes begrundet\ndaher noch keinen Verstoß gegen den „ordre public".\n\nc. Aus dem Umstand, dass kein Aufhebungsgrund festzustellen ist, kann nicht\ngefolgert werden, dass dem Antrag ohne weiteres stattzugeben ist. Vielmehr\nliegt die Vollziehbarkeitserklarung nach § 1041 Abs.2 ZPO im pflichtgemaßen\nErmessen des staatlichen Gerichts.\n\naa. In der Kommentarliteratur wird teilweise die Ansicht vertreten, das\nstaatliche Gericht habe die vom Schiedsgericht angeordneten Maßnahmen im\nRahmen des § 1041 Abs.2 ZPO umfassend auf ihre Rechtmaßigkeit hin zu\nuberprufen. Begrundet wird dies damit, dass der Rechtsschutz gegenuber dem\nVerfahren nach § 1033 ZPO nicht verkurzt werden durfe (Zoller- Geimer, a.a.O.\nRn. 3 zu § 1041).\n\nbb. Dieser Auffassung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Er geht mit\nder h.M. davon aus, dass einstweilige Maßnahmen eines Schiedsgerichts\ngrundsatzlich fur vollziehbar zu erklaren sind und dass neben einer\n(eingeschrankten) prozessualen keine vollumfassende materiell- rechtliche\nPrufung zu erfolgen hat (Mu-Ko- Munch a.a.O. Rn.25; Stein/Jonas - Schlosser,\nZPO, 22. Aufl., Rn. 14 zu § 1041). Denn im Regelfall hat das Schiedsgericht\ndie erforderliche Abwagung zwischen den Interessen der Parteien beim Erlass\neiner einstweiligen Maßnahme bereits vorgenommen, so dass fur eine eigene\nEntscheidung des staatlichen Gerichts wenig Raum bleibt (so Musielak a.a.O.,\nRn.8 zu § 1041 mwNw.). Die Versagung der Vollziehbarerklarung muss sich auf\nFalle „greifbarer Gesetzwidrigkeit" und dem Schiedsgericht unterlaufene\noffensichtliche Ermessensfehler beschranken (so Baumbach/Lauterbach,ZPO, 65.\nAufl. Rn. 4 zu § 1041mwNw.). Dem staatlichen Gericht kann nicht zugemutet\nwerden, eine offenkundig rechtswidrige schiedsgerichtliche Anordnung des\neinstweiligen Rechtsschutzes fur vollziehbar zu erklaren und hierfur die\nVerantwortung zu ubernehmen.\n\ncc. In Anwendung dieser Grundsatze sieht sich der Senat aus offenkundigen\nRechtsgrunden gehindert, die Beschlussverfugung des Schiedsgerichts fur\nvollziehbar zu erklaren . Zum einen fehlte es im Zeitpunkt der Anordnung\nersichtlich an einem die Leistungsverfugung tragenden Verfugungsgrund. Zum\nanderen hat das Schiedsgericht die moglichen Auswirkungen seines\nSchiedsspruches auf Rechte des nicht am Schiedsverfahren beteiligten\nStreithelfers Dr. K. zwar erkannt, jedoch die Ansicht vertreten, die Klarung\ndieser Fragen konne dem Zwangsvollstreckungsverfahren vorbehalten bleiben.\nDiese Ansicht vermag der Senat gerade bei Leistungsverfugungen, die auf eine\nVorwegnahme der Hauptsache hinauslaufen, nicht zu teilen.\n\n(1) Nach der Wortfassung des § 1041 Abs.1 ZPO unterliegt es zunachst keinem\nZweifel und entspricht es im Übrigen einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und\nSchrifttum, dass das Schiedsgericht gleichrangig neben dem staatlichen Gericht\nin der Lage ist („kann"), Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu\nerlassen. Auch wenn das Schiedsgericht zur Abnahme eidesstattlicher\nVersicherungen nicht befugt ist und es sich zur Glaubhaftmachung anderer\nMittel bedienen muss (Zoller-Geimer a.a.O. Rn. 2 zu § 1041), ist es an der\nAnordnung solcher Maßnahmen nicht gehindert, weshalb der Senat diesbezugliche\nBedenken des Schiedsbeklagten nicht fur gerechtfertigt halt. Prinzipiell kann\ndas Schiedsgericht im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes auch\nLeistungsanordnungen treffen. Eine andere Frage ist, ob die beschrankten\nErkenntnismoglichkeiten dem Schiedsgericht Anlass sein sollten, bei die\nHauptsache vorwegnehmenden Befriedigungsanordnungen Zuruckhaltung zu uben.\n\n(2) Es erscheint bereits fraglich, kann aber letztlich dahinstehen, ob ein\nVerfugungsanspruch zu bejahen ist . Dass die bei Eintritt der\nSchiedsklagerinnen in die Praxisgemeinschaft bereits vorhandenen, auf den\nSchiedsbeklagten registrierten Telefon - und Telefaxanschlusse und die\nzugehorigen Nummern, bei denen es sich nicht um „Neuanschaffungen" i.S.d. § 5\nZiff.1 des Praxisgemeinschaftsvertrages handelte, zum „good will" der\nPraxisgemeinschaft gehorten, versteht sich nicht von selbst. Die Rufnummern\nsind keine „Sachen" und gemaß § 20 Abs.2 TKV nicht selbstandig ubertragbar.\nOhne Kenntnis der bei Grundung der Praxisgemeinschaft im Jahr 1994 getroffenen\nVereinbarungen kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass der\nSchiedsbeklagte seine Anschlusse und die zugehorigen Nummern als Beitrag\ni.S.v. § 706 BGB in das Gesellschaftsvermogen uberfuhrt hat. Nur wenn es sich\num Bestandteile des Gesellschaftsvermogens handeln wurde, konnten nach dem\nAusscheiden des Schiedsbeklagten aus der Praxisgemeinschaft\nAlleinzuweisungsanspruche der verbliebenen Gesellschafter nach §§ 1004 Abs.1,\n823 Abs.1 BGB (vgl. hierzu Palandt-Sprau, BGB, 66. Aufl. Rn. 126 f. zu § 823\nBGB mwNw.; OLG Munchen NJW- RR 1994,1054,1055; Bamberger/Roth, BGB, Rn. 118 zu\n§ 823) oder analog den §§ 861, 858 BGB bestehen. Denkbar ware auch, dass der\nSchiedsbeklagte „seine" Anschlusse und Nummern den Mitgesellschaftern der\nPraxisgemeinschaft nur leihweise (§§ 598 f. BGB) zur Mitbenutzung zur\nVerfugung gestellt hat. Waren die Schiedsklagerinnen bloße Mitnutzerinnen der\nAnschlusse und Nummern auf der Grundlage eines Leihvertrages, ergabe sich kein\nZuweisungsanspruch unter Ausschluss des Schiedsbeklagten und des\nStreithelfers, wobei Letzterer die Nummern eigenen Angaben zufolge seit Mai\n2006 mit Einverstandnis des Schiedsbeklagten ebenfalls benutzt hat und er sie\nweiter fur seine Praxis nutzt.\n\n(3) Die sich in dem Zusammenhang ergebenden Rechtsfragen konnen jedoch auf\nsich beruhen und bedurfen keiner abschließenden Entscheidung. Denn zum einen\nfehlte es im Zeitpunkt der Eilmaßnahme des Schiedsgerichts offensichtlich an\neinem die Leistungsanordnung tragenden Verfugungsgrund (aa). Zum anderen\ndurfte die schiedsgerichtliche Anordnung auch deshalb nicht ergehen, weil\ndadurch in Rechte von nicht am Schiedsverfahren beteiligten Dritten,\ninsbesondere des Streithelfers Dr. K. (ggfs. auch der Deutschen Telekom AG,\ndie in der Wahl ihrer Vertragspartner grundsatzlich frei ist), eingegriffen\nwurde (bb).\n\n(aa) Eine Leistungsverfugung setzt nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung\nund Schrifttum voraus, dass der Glaubiger auf die sofortige Erfullung dringend\nangewiesen ist. Das wiederum ist nur ausnahmsweise der Fall, wenn dem\nGlaubiger ansonsten schwere irreparable Nachteile drohen. Nur bei Vorliegen\ndieser strengen Voraussetzungen kommt eine Leistungs- oder\nBefriedigungsverfugung in Betracht (vgl. Zoller - Vollkommer, a.a.O., Rn. 6 zu\n§ 1040 mwNw.; Rn.9 zu § 935 sowie Rn. 4 zu § 938). Selbst wenn man in analoger\nAnwendung der zum Besitzentzug im Wege verbotener Eigenmacht entwickelten\nGrundsatze - auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt hat das Schiedsgericht seine\nAnordnung allerdings nicht gestutzt - den Eilrechtsschutz bei\nRechtsbeeintrachtigungen, die „Besitzstorungen" vergleichbar sind, großzugiger\nhandhaben wollte, wurde eine Leistungsverfugung jedenfalls voraussetzen, dass\ndie Interessenabwagung eindeutig zu Gunsten desjenigen ausfallt, der die\nMaßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes unter Vorwegnahme der Hauptsache\nanstrebt.\n\nIm Streitfall schlagt die Interessenabwagung jedoch zum Nachteil der\nSchiedsklagerinnen aus. Diese waren auf die Nutzung der\nregelungsgegenstandlichen Anschlussnummern am 11.1.2007 nicht mehr dringend\nangewiesen. Die Schiedsklagerinnen betreiben ihre Praxisgemeinschaft in den\nRaumen weiter, die den Patienten seit Jahren bekannt sind. Schon das spricht\ngegen einen zu erwartenden massiven Patientenschwund . Im Übrigen hat der\nStreit um die Zuweisung der Anschlussnummern nicht erst bei deren Ummeldung\ndurch den Schiedsbeklagten im Dezember 2006 begonnen. Die Auseinandersetzungen\nnahmen im Sommer 2006 ihren Anfang, als die Schiedsklagerinnen versuchten, die\nAnschlussnummern ohne Wissen des Schiedsbeklagten auf die Praxisgemeinschaft\nregistrieren zu lassen. Die Schiedsklagerinnen traf die vom Schiedsbeklagten\nim Dezember 2006 veranlasste Überleitung der Anschlussnummern auf die mit dem\nStreithelfer neu gegrundete Gemeinschaftspraxis keineswegs ganzlich\nunvorbereitet. Die Schiedsklagerinnen hatten sich bereits im zweiten Halbjahr\n2006 und damit lange vor der schiedsgerichtlichen Anordnung von der Deutschen\nTelekom AG eigene Anschlussnummern zuteilen lassen. Diese neuen Nummern haben\nsie nach dem unwidersprochenen Sachvortrag des Schiedsbeklagten im Oktober\n2006 im Wochenspiegel (Bl. 84 d.A.) und sie haben sie Ende Dezember 2006 in\nder Saarbrucker Zeitung publizieren lassen (Bl. 85 d.A.). Der Schiedsbeklagte\nhat - durch schriftliche Unterlagen belegt - weiter vorgetragen, dass die\nneuen Rufnummern in den „Gelben Seiten Regional 2006/2007 " veroffentlicht\nwurden (Bl. 86 f. d.A.), was unter Berucksichtigung der ublichen\nAnzeigeschlusszeiten darauf hinweist, dass die Schiedsklagerinnen fur den Fall\nder Nichtubertragung der alten Nummern umfassend Vorsorge getroffen hatten.\nAußerdem haben sie an ihre Patienten Flugblatter mit den neuen Telefonnummern\nund der neuen Telefaxnummer verteilt (Bl. 89 d.A.). Daruber hinaus hat der\nSchiedsbeklagte unter Vorlage einer schriftlichen Aussage seiner Mitarbeiterin\nFrau S. vom 2.1.2007 glaubhaft dargelegt (Bl. 94 d.A.), dass den Patienten der\nSchiedsklagerinnen, die weiter die „alten" Anschlussnummern wahlen, seit\nAnfang 2007 die neuen Nummern mitgeteilt werden, was der\nVerfahrensbevollmachtigte der Schiedsklagerinnen nicht in Abrede gestellt hat.\nDa entsprechende Einwendungen vom Schiedsbeklagten bereits vor dem Erlass des\nSchiedsspruchs gegenuber dem Schiedsgericht erhoben wurden und das dortige\nVorbringen lediglich vertieft wurde, es sich also nicht um neuen\nTatsachenvortrag handelte, war der Vortrag im Verfahren nach § 1041 Abs.2 ZPO\nzu berucksichtigen. Ob ein dringender Regelungsbedarf auch deshalb zu\nverneinen ware, weil gemaß dem Vortrag des Schiedsbeklagten seit Januar 2007\nnur noch wenige Patientenanrufe fur die Schiedsklagerinnen unter den „alten"\nNummern eingehen, was der Streithelfer Dr. K. bestatigt und der\nVerfahrensbevollmachtigte der Schiedsklagerinnen im Termin vom 6.2.2007 mit\nNichtwissen bestritten hat, kann dahinstehen.\n\nAus alldem folgt, dass schon im Zeitpunkt der Beschlussfassung des\nSchiedsgerichts fur die Schiedsklagerinnen bei Unterbleiben der Eilanordnung\njedenfalls keine so gravierenden Nachteile zu besorgen waren, dass unter\nVorwegnahme der Hauptsache die endgultige Zuweisung der Anschlussnummern an\ndie Schiedsklagerinnen geboten gewesen ware.\n\nWurde der Senat die Anordnung dennoch fur vollziehbar erklaren und ware der\nSchiedsbeklagte verpflichtet, die „alten" Anschlussnummer unter Aufgabe\neigener Rechte auf die Schiedsklagerinnen ubertragen zu lassen, hatte dies zur\nFolge, dass der Schiedsbeklagte selbst, aber auch der am Schiedsverfahren\nnicht beteiligte Streithelfer Dr. K., der die Nummern eigenen Angaben zufolge\nseit Mai 2006 ebenfalls nutzt und der wie der Schiedsbeklagte im Gegensatz zu\nden Schiedsklagerinnen nicht uber Ersatznummern verfugt, zumindest\nvorubergehend fur Patienten telefonisch und per Telefax nicht erreichbar ware.\nDas wurde nicht nur zu unnotiger Verwirrung bei den Patienten aller\nbeteiligten Ärzte fuhren. Die Anordnung konnte fur Patienten, die\nkrankheitsbedingt standiger hausarztlicher Betreuung und Kontrolle bedurfen,\nggfs. sogar gesundheitliche Gefahren mit sich bringen, wenn der behandelnde\nArzt in Notfallen telefonisch nicht mehr erreichbar ware . Daran kann im\nInteresse der Patienten keinem der beteiligten Ärzte gelegen sein.\n\n(bb) Ein weiterer, fur die Abweisung des Antrags auf Vollziehbarerklarung\nmaßgeblicher Aspekt ist, dass durch eine Vollstreckung der Anordnung des\nSchiedsgerichts in die Praxisausubung des am Schiedsverfahren nicht\nbeteiligten Streithelfers Dr. K. eingegriffen und diesem nachteilige Fakten\ngeschaffen wurden. Das Schiedsgericht hat bei Anordnungen gemaß § 1041 Abs. 1\nZPO zwar einen gewissen Ermessensfreiraum („fur erforderlich halt"). Es darf\naber keine Anordnungen - insbesondere Leistungsverfugungen - erlassen, wenn zu\nbesorgen ist, dass dadurch in Rechte Dritter eingegriffen wird (Thomas/Putzo,\nZPO, 27. Aufl. Rn. 2 zu § 1041; Baumbach/Lauterbach a.a.O. Rn. 2 zu § 1041).\nDas Schiedsgericht durfte diese Problematik nicht ausklammern und dem\nZwangsvollstreckungsverfahren uberlassen. Das Schiedsgericht hatte wegen des\nmit einer endgultigen Zuweisung der Anschlussnummern an die Schiedsklagerinnen\nverbundenen Eingriffs in Rechte von Dr. K., der vortragt die Nummern seit Mai\n2006 als alleinige Anschlussnummern seiner Praxis zu nutzen (Bl. 220 d.A.),\nvon einer Eilanordnung dieses Inhalts absehen mussen.\n\nZwar hat das staatliche Gericht nach § 1041 Abs.2 S.2 ZPO die Moglichkeit, die\nvom Schiedsgericht angeordnete Maßnahme von Amts wegen abweichend zu fassen.\nGemeint sind aber keine grundlegenden Änderungen, sondern redaktionelle\nKorrekturen im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz des\nZwangsvollstreckungsrechts (Zoller-Geimer a.a.O. Rn 3 zu § 1041). Inhaltliche\nÄnderungen sind gemaß § 1041 Abs.3 ZPO zwar nicht generell unzulassig, jedoch\nbedarf es hierzu eines Antrages und einer veranderten Tatsachengrundlage\n(Zoller a.a.O.).\n\nNach alldem war der Antrag der Schiedsklagerinnen auf Vollziehbarerklarung\nabzulehnen.\n\nDie Kosten des Verfahrens einschließlich der durch die Nebenintervention\nverursachten Kosten waren den Schiedsklagerinnen aufzuerlegen, da deren Antrag\nerfolglos geblieben ist (§§ 1063 Abs.1, 91, 101 Abs.1 ZPO).\n\nDer Beitritt des Streitverkundeten Dr. K. war zulassig. Die Nebenintervention\nist nach § 66 Abs.1 ZPO nicht auf Klageverfahren beschrankt, sondern in\nsamtlichen in der ZPO geregelten Verfahren moglich, in denen die ergehende\nEntscheidung die Rechtslage des Nebenintervenienten rechtlich beeinflussen\nkonnte (Zoller- Vollkommer a.a.O. Rn. 2 zu § 66 mwNw.).\n\nDer Streitwert bemisst sich nach dem Wert des Anspruchs, uber den im\nSchiedsverfahren erkannt worden ist (Stein/Jonas- Schlosser a.a.O. Rn. 14 zu §\n1063). Der Senat schatzt das Interesse der Antragstellerinnen und\nSchiedsklagerinnen an der entsprechenden Anordnung gemaß § 3 ZPO auf 10.000\nEUR. Der Senat hat in seine Überlegungen mit einbezogen, dass die\nSchiedsklagerinnen die wirtschaftliche Bedeutung der Anschlussnummern\nhervorheben, was prinzipiell zutreffend ist und vom Schiedsbeklagten auch\nnicht ernsthaft in Abrede stellt wird. Jedoch sind bei objektivierter\nBetrachtung die bei Unterbleiben der Anordnung zu erwartenden\nBeeintrachtigungen des Praxisbetriebes der Schiedsklagerinnen aus den bereits\ndargelegten Grunden nicht allzu gravierend.\n\n
128,955
lsgsl-2007-03-27-l-9-as-1806
936
Landessozialgericht für das Saarland
lsgsl
Saarland
Sozialgerichtsbarkeit
L 9 AS 18/06
2007-03-27
2019-01-07 09:37:01
2019-02-12 12:12:18
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts fur das\nSaarland vom 12. April 2006 wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Beklagte hat die der Klagerin im Berufungsverfahren entstandenen\nKosten zu erstatten.\n\n3\\. Die Revision wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\nDie Beteiligten streiten daruber, ob der Klagerin auch fur die Zeit vom 08.\nbis 31. August 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs -\nGrundsicherung fur Arbeitsuchende - (SGB II) in der Fassung vom 24. Dezember\n2003 (BGBl. I, 2954) ohne Anrechung von Einkommen zustehen.\n\nDie 1956 geborene Klagerin war ab Februar 2005 als selbststandige\nGewerbetreibende fur Burodienstleistungen tatig. Sie gab ihren Betrieb am 07.\nAugust 2005 auf (Gewerbeabmeldung vom 08. August 2005).\n\nDie Bundesagentur fur Arbeit bewilligte der Klagerin wegen der Aufnahme der\nselbststandigen Tatigkeit durch Bescheid vom 31. Januar 2005 fur die Zeit vom\n07. Februar bis 06. August 2005 Überbruckungsgeld nach § 57 des Dritten Buchs\ndes Sozialgesetzbuchs - Arbeitsforderung - (SGB III) in Hohe von 1.327,39 Euro\nmonatlich. Das Überbruckungsgeld wurde monatlich nachtraglich ab 07. Marz 2005\nauf das von der Klagerin angegebene Konto uberwiesen; letztmalig erfolgte eine\nGutschrift auf dem Konto der Klagerin am 05. August 2005 in Hohe von 1.327,39\nEuro.\n\nAm 08. August 2005 beantragte die Klagerin die Bewilligung von Leistungen nach\ndem SGB II.\n\nMit **Bescheid vom 06. September 2005** wurde der Antrag fur Monat August 2005\nabgelehnt, weil die Klagerin auf Grund der Einkommensverhaltnisse nicht\nhilfebedurftig sei. Nach Anrechnung des am 07. August 2005 (tatsachlich am 05.\nAugust 2005) zugeflossenen Überbruckungsgeldes in Hohe von 1.327,39 Euro\nbestehe fur den Monat August kein Leistungsanspruch.\n\nAb September 2005 bewilligte die Beklagte der Klagerin Arbeitslosengeld II\n(Alg II) in Hohe von 676,55 Euro, das sich aus der Regelleistung in Hohe von\n345,-- Euro, der Kaltmiete von 285,-- Euro und den weiteren Kosten von 46,55\nEuro zusammensetzte. Die Hohe des Bedarfs steht zwischen den Beteiligten nicht\nim Streit.\n\nMit Widerspruch vom 15. September 2005 gegen den Bescheid vom 06. September\n2005 machte die Klagerin geltend, das Überbruckungsgeld werde monatlich im\nNachhinein gezahlt, was sich schon aus dem Bewilligungsbescheid ergebe. Die am\n05. August 2005 erfolgte Auszahlung sei fur den Monat Juli bestimmt gewesen.\nSomit sei das Überbruckungsgeld mit diesem Datum ihrem Vermogen zugefuhrt\nworden, welches sie bis zu einer Hohe von 9.600,-- Euro besitzen durfe, aber\ntatsachlich nicht gehabt habe.\n\nAls sie ihr Gewerbe am 07. August 2005 abgemeldet habe, habe sie einen Verlust\nvon 1.852,72 Euro abdecken mussen. Um ihren Lebensunterhalt fur August und\nSeptember zu sichern, habe sie bei Freunden ein zinsloses Darlehen aufnehmen\nmussen. Tatsachlich gewahrte eine Frau M.R. der Klagerin am 23. Februar 2005\nim Rahmen der Existenzgrundung zur Anschaffung eines Notebooks ein zinsloses\nDarlehen von 1.050,-- Euro. Als spatester Ruckzahlungstermin war die\nAbmeldung/Auflosung des Gewerbes vereinbart. Außerdem habe sie, die Klagerin,\nden Monatsbeitrag zur Krankenversicherung fur Juli 2005 in Hohe von 260,82\nEuro und den Beitrag fur ihre Kraftfahrzeugversicherung in Hohe von 37,84 Euro\ngezahlt.\n\nMit **Bescheid vom 16. Dezember 2005** wies die Beklagte den Widerspruch der\nKlagerin gegen den Bescheid vom 06. September 2005 zuruck. Die Beklagte\nbegrundete ihre Entscheidung damit, das Überbruckungsgeld sei als Einkommen\nfur August anzusehen, da es in diesem Monat zugeflossen sei. Nach § 2 Abs. 2\nSatz 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur\nNichtberucksichtigung von Einkommen und Vermogen beim AlgII/Sozialgeld (Alg\nII-Sozialgeld-Verordnung - Alg II - V) in der Fassung vom 20. Oktober 2004\n(BGBl. I, 2622 < in Folge: VO a.F.>) seien laufende Einnahmen fur den Monat zu\nberucksichtigen, in dem sie zuflossen. Letztmalig sei eine Gutschrift zum 05.\nAugust 2005 erfolgt. Das Einkommen sei damit eindeutig im Monat des Beginns\nder Leistungsgewahrung zugeflossen und konne deshalb nicht als Vermogen im\nSinne des § 12 SGB II angesehen werden, sondern sei anteilig auf die Tage der\nLeistungsanspruche im Monat August 2005 in Anrechnung zu bringen. § 41 Abs. 1\nSGB II bestimme, dass Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des\nLebensunterhaltes fur jeden Kalendertag bestehe. \n \n--- \nFur die Zeit vom 08. bis 31. August 2005, also fur 24 Tage, betrage der\nGesamtbedarf **541,24 Euro** \n(= 676,55 Euro x 24 Tage : 30 Tage). \n \n--- \nDem stehe Einkommen in Hohe von **1.327,39 Euro** gegenuber. \nAbzuglich einer Pauschale fur angemessene private Versicherungen in Hohe von\n**30,00 Euro** \nbetrage das anzurechnende Gesamteinkommen **1.297,39 Euro** \n(= 1.327,39 Euro - 30,-- Euro). \n \n--- \nAnteilig fur die Zeit vom 08. bis 31. August 2005, also fur 24 Tage, mache\ndies einen Betrag von **1.037,91 Euro** \naus (= 1.297,39 Euro x 24 Tage : 30 Tage). \n \n--- \nDas anzurechnende Einkommen ubersteige damit den Gesamtbedarf fur den Monat\nAugust um **496,67 Euro** , \nsodass Hilfebedurftigkeit nicht gegeben sei. \n \nEin Leistungsanspruch bestehe damit erst wieder ab 01. September 2005.\n\nDagegen hat sich die **Klage** vom 16. Januar 2006, am selben Tag beim\nSozialgericht (SG) fur das Saarland eingegangen, gerichtet, mit welcher die\nKlagerin begehrt hat, ihr Leistungen nach dem SGB II auch fur die Zeit vom 08.\nbis 31. August 2005 zu bewilligen.\n\nDie Klagerin hat weiter vorgetragen:\n\nÜberbruckungsgeld werde nicht monatlich im Voraus, sondern nachtraglich\ngezahlt. Dies sei in § 337 Abs. 2 SGB II (gemeint ist wohl SGB III) geregelt.\nDamit sei das Überbruckungsgeld, das ihr Anfang August 2005 gezahlt worden\nsei, fur den Lebensunterhalt im Juli 2005 bestimmt gewesen. Wenn der\nGesetzgeber zwei Sozialleistungen in unterschiedlicher Form auszahle, das\nÜberbruckungsgeld nachtraglich, das Alg II als Vorschuss, konne dies nicht zu\nLasten des Leistungsempfangers gehen. Wenn die Auffassung der Beklagten\nrichtig ware, wurde es vom Zufall abhangen, ob ein Alg II-Anspruch bestehe,\nnamlich davon, wann Überbruckungsgeld ausgezahlt werde.\n\nAußerdem stelle sich die Frage, ob § 2 Abs. 2 VO a.F. uberhaupt auf die\nvorliegende Situation anwendbar sei. Das Überbruckungsgeld sei ihr zu einem\nZeitpunkt gezahlt worden, als sie uberhaupt noch nicht im Leistungsbezug\ngestanden habe. Sie habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal einen Antrag\nauf Leistungen gestellt. Eine Verpflichtung, Einkunfte entsprechend den §§ 20\nff SGB II zu verwenden, konne nur solchen Personen auferlegt werden, die\ntatsachlich im Leistungsbezug stunden oder solche Leistungen beantragt hatten.\n\nDie Beklagte ist dieser Argumentation entgegengetreten und hat geltend\ngemacht, fur die Gewahrung von Alg II sei es unerheblich, wofur die Klagerin\ndas Überbruckungsgeld verwandt habe. Die Verbindlichkeiten aus dem\nDarlehensvertrag stellten Schulden dar. Diese seien grundsatzlich kein Teil\ndes Regelbedarfs. Auch unter Berucksichtigung der Beitrage fur die\nAutohaftpflichtversicherung und die Krankenversicherung ubersteige das\nanzurechnende Einkommen von\n\n**798,98 Euro** (= 1.327,39 Euro - 30,-- Euro - 37,84 Euro - 260,82 Euro) den\nanzuerkennenden Bedarf von **541,24 Euro** .\n\nMit **Urteil vom 12. April 2006** hat das SG fur das Saarland den\nAblehnungsbescheid vom 06. September 2005 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 16. Dezember 2005 aufgehoben und die Beklagte\nverurteilt, an die Klagerin fur die Zeit vom 08. August bis 31. August 2005\nAlg II nach den gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.\n\nZur Begrundung hat das SG fur das Saarland ausgefuhrt, das Überbruckungsgeld\nsei nicht als Einkommen zu berucksichtigen. Denn Einkommen im Sinne des § 11\nSGB II seien nur solche Einnahmen, die nach Antragstellung zuflossen.\n\nEinkommen sei nach der sozialhilferechtlichen Rechtsprechung das gewesen, was\njemand in der Bedarfszeit - regelmaßig in dem jeweiligen Kalendermonat -\nwertmaßig dazu erhalten habe. Vermogen sei hingegen das gewesen, was er in der\nBedarfszeit bereits gehabt habe. Im Bereich der Arbeitslosenhilfe (Alhi) sei\nfur die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermogen der Zufluss des Einkommens\nim Bewilligungszeitraum entscheidend gewesen. Da Alhi auch nur auf Antrag\ngewahrt worden sei, seien vor Antragstellung erzielte Einkunfte nicht als\nEinkommen zu berucksichtigen gewesen.\n\nDer Gesetzgeber habe sich mit § 37 SGB II im Bereich der Grundsicherung fur\nArbeitsuchende fur das Antragsprinzip entschieden. Deshalb wurden gemaß § 41\nAbs. 1 Satz 3 SGB II Leistungen nur anteilig erbracht, wenn sie nicht fur\neinen vollen Monat zustunden. Der Gesetzgeber erkenne damit Bedarf fur Zeiten\nvor der Antragstellung nicht an. Der Zeitpunkt der Antragstellung habe damit\nauch materiellrechtliche Bedeutung. Er sei fur die Feststellung der\nHilfebedurftigkeit, insbesondere fur den Beginn des hierbei zu Grunde zu\nlegenden Bedarfszeitraums von Bedeutung. Es erscheine widerspruchlich,\neinerseits nur solchen Bedarf anzuerkennen, der nach Antragstellung entstehe,\nandererseits aber auf diesen Bedarf Einkunfte als Einkommen anzurechnen, die\nvor Antragstellung zugeflossen seien. Einkunfte, die vor Antragstellung\nzuflossen, seien vielmehr Vermogen.\n\nDas ergebe sich auch aus §§ 31 Abs. 4, 34 SGB II. Nach diesen Vorschriften\nkonne sich bei subjektiv vorwerfbarer Herbeifuhrung der Hilfebedurftigkeit\neine Absenkung der Leistung und ein Ersatzanspruch des Leistungstragers\nergeben. In der Verwendung von Einkunften, die aus einer Zahlung von\nÜberbruckungsgeld stammten, zur Tilgung von Schulden, die im Rahmen einer\nstaatlich geforderten Aufnahme einer selbststandigen Tatigkeit entstanden\nseien, liege indes kein vorwerfbares Verhalten.\n\nNichts anderes ergebe sich aus § 2 Abs. 2 Satz 1 VO a.F. Danach seien laufende\nEinnahmen fur den Monat zu berucksichtigen, in denen sie zuflossen. Ob der\nZufluss zu einem zu berucksichtigenden Einkommen oder zu einer\nVermogensmehrung fuhre, ergebe sich aus der Vorschrift selbst nicht. Nach § 13\nNr. 1 SGB II sei der Verordnungsgeber auch nur ermachtigt worden, zu\nbestimmen, wie das Einkommen zu berechnen sei. Er sei aber nicht berufen, zu\ndefinieren, was Einkommen sei.\n\nAuch wenn es in der Kommentarliteratur heiße, Bedarfszeitraum sei unabhangig\nvon der Antragstellung der jeweilige Kalendermonat, sei damit nur gemeint,\ndass sich durch die Antragstellung nichts an der gemaß § 2 Abs. 2 Satz 1 VO\na.F. grundsatzlich kalendermonatlich durchzufuhrenden Bedarfsberechnung\nandere. Über die Berucksichtigung der vor Antragstellung zugeflossenen\nEinkunfte werde damit noch nichts ausgesagt. Derselben Kommentierung sei im\nÜbrigen zu entnehmen, dass fur die Abgrenzung von Einkommen und Vermogen\nausdrucklich auf den Zeitpunkt der Antragstellung abgestellt werde.\n\nDeshalb sei das Überbruckungsgeld nicht als Einkommen zu berucksichtigen.\n\nGegen dieses Urteil, das der Beklagten am 12. Mai 2006 zugestellt worden ist,\nhat diese mit Schriftsatz vom 01. Juni 2006, beim Landessozialgericht (LSG)\nfur das Saarland am 02. Juni 2006 eingegangen, **Berufung** eingelegt.\n\nDie Beklagte tragt vor:\n\nSelbst wenn die Gewahrung von Leistungen nach dem SGB II von der\nAntragstellung abhangig sei, sei fur die Differenzierung zwischen Einkommen\nund Vermogen die bisher im Rahmen des Sozialhilferechts ergangene\nRechtsprechung heranzuziehen. Danach grenzten sich Einkommen und Vermogen\ngrundsatzlich dadurch voneinander ab, dass Einkommen alles das sei, was jemand\nin der Bedarfszeit wertmaßig dazu erhalte, Vermogen hingegen das, was er in\nder Bedarfszeit bereits habe. Der vollstandige Kalendermonat, in dem\nLeistungen beantragt worden seien, stelle dabei den ersten Bedarfszeitraum\ndar. Die Berechnung des Leistungsanspruchs fur diesen Monat erfolge, indem der\nBedarf dieses Monats dem zu berucksichtigenden Einkommen gegenubergestellt\nwerde. \n \n--- \nAuszugehen sei vorliegend von einem Einkommen von **1.006,73 Euro** . \nVon dem Nettoeinkommen in Hohe von **1.327,39 Euro** \nseien der Beitrag zur KFZ-Haftpflichtversicherung in Hohe von **37,84 Euro** , \ndie Pauschale fur Versicherungsbeitrage in Hohe von **30,00 Euro** \nund die Beitrage zur freiwilligen Weiterversicherung der gesetzlichen Kranken-\nund Pflegeversicherung in Hohe von **260,82 Euro** \nabzuziehen. \n \nUnter Berucksichtigung des Einkommens sei die Klagerin im Bedarfszeitraum\nAugust 2005 und folglich auch in dem darin enthaltenen grundsatzlichen\nAnspruchszeitraum ab Antragstellung bis Monatsende nicht hilfebedurftig\ngewesen.\n\nDer Antrag auf Leistungen nach dem SGB II habe konstitutive Wirkung, so dass\nLeistungen grundsatzlich erst ab dem Tag der Antragstellung zustunden. Auf\nGrund der Einordnung im Abschnitt „Zustandigkeit und Verfahren" werde\ndeutlich, dass der Antrag keine materielle Voraussetzung des Anspruchs sei.\nIhm komme nur verfahrensrechtliche Bedeutung zu.\n\nDer Antrag bestimme nur, ab wann der Anspruchsberechtigte die Gewahrung von\nLeistungen verlangen konne. Hiervon zu unterscheiden sei die Entstehung des\nStammrechts. Das Stammrecht entstehe, wenn samtliche materiellrechtliche\nVoraussetzungen erfullt seien. Wenn also das Stammrecht auf Leistungen zur\nSicherung des Lebensunterhaltes nach SGB II unabhangig von der Antragstellung\nentstehe, eigne sich die Antragstellung gerade nicht als entscheidendes\nKriterium zur Beantwortung der Frage, ob ein Zufluss an Geld oder Geldeswert\nEinkommen im Sinne des § 11 SGB II darstelle. Abzustellen sei zur\nUnterscheidung von Einkommen und Vermogen auf den Bedarfszeitraum, der\nregelmaßig einen vollstandigen Kalendermonat umfasse. Weder am 01. noch am 08.\nAugust 2005 sei ein Stammrecht auf Leistung zur Sicherung des\nLebensunterhaltes nach SGB II entstanden, sondern erst im September 2005. Ware\ndie Auffassung des SG fur das Saarland zutreffend, so wurde dies zu dem\nsinnwidrigen Ergebnis fuhren, dass eine spatere Antragstellung zu einem\nfruheren Leistungsbeginn fuhre. Ein solcher Gestaltungsspielraum sei nicht\ngewollt und aus den Vorschriften des SGB II auch nicht ableitbar.\n\nLetztlich habe bei der Klagerin zu keinem Zeitpunkt eine Zahlungslucke\nbestanden, denn im Februar habe ihr das am 28. Januar 2005 gezahlte\nUnterhaltsgeld zur Verfugung gestanden, ab Marz dann das Überbruckungsgeld.\n\nDie Beklagte beantragt,\n\n> > > das Urteil des SG fur das Saarland vom 12. April 2006 aufzuheben und die\n> Klage gegen den Bescheid vom 06. September 2005 in der Gestalt des\n> Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2005 abzuweisen.\n\nDie Klagerin, die sich mittlerweile selbststandig gemacht hat und nicht mehr\nim Leistungsbezug der Beklagten steht, beantragt,\n\n> > > die Berufung zuruckzuweisen.\n\nSie halt ihre fruhere Argumentation fur nach wie vor zutreffend.\n\nDem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass Bedarfszeitraum der jeweilige\nKalendermonat „unabhangig vom Tag der Antragstellung" sei. Daruber treffe § 41\nSGB II keine Aussage, wahrend § 37 SGB II ausdrucklich das Antragsprinzip\nvorsehe.\n\nMit § 41 Abs.1 Satz 3 SGB II habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass\nder Bedarfszeitraum zwar grundsatzlich der Kalendermonat sei, aber nur dann,\nwenn die Leistung auch fur den vollen Monat zustehe.\n\nWenn die Auffassung der Beklagten richtig ware, wurde das Überbruckungsgeld\nfur einen Monat entzogen werden. Das Überbruckungsgeld fur die Zeit vom 07.\nFebruar bis 06. Marz 2005 sei erst im Marz 2005 gezahlt worden. Sie, die\nKlagerin, habe daher den Erwerb eines Computers durch Aufnahme eines Darlehens\nfinanzieren mussen. Wenn sie diese Schuld nicht mit der letzten Zahlung an\nÜberbruckungsgeld begleichen durfe, sondern fur den Lebensunterhalt fur August\n2005 einsetzen musse, stehe dies einer Entziehung der Leistung gleich.\n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Inhalt der\nGerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten mit der\nGeschaftsnummer 06BG003723 Bezug genommen.\n\nDie Beiakte war Gegenstand der mundlichen Verhandlung.\n\n## Entscheidungsgründe\n\n**I.**\n\nDie Berufung ist zulassig.\n\nGemaß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung\nder Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des\nLSG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-\noder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft,\n500,-- Euro nicht ubersteigt.\n\nDer Wert des Beschwerdegegenstandes betragt 541,24 Euro und ubersteigt damit\ndie in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statuierte Grenze.\n\nUnstreitig betragt die Hohe der der Klagerin zustehenden Leistungen nach dem\nSGB II monatlich 676,55 Euro. Da nach § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB II jeder Monat\nmit 30 Tagen berechnet wird, steht fur die Zeit vom 08. bis 31. August 2005\nein Betrag von 541,24 Euro im Streit (= 676,55 Euro : 30 Tage x 24 Tage)\n\n**II.**\n\nDie Berufung der Beklagten ist unbegrundet.\n\nDas SG fur das Saarland hat in dem angefochtenen Urteil vom 12. April 2006 zu\nRecht den Bescheid vom 06. September 2005 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 16. Dezember 2005 aufgehoben und die Beklagte\nverurteilt, der Klagerin auch fur die Zeit vom 08. bis 31. August 2005 Alg II\nnach den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.\n\nDie Klagerin hat namlich fur die Zeit vom 08. bis 31. August 2005 einen\nAnspruch auf Bewilligung von Alg II, da sie in diesem Zeitraum insbesondere\nauch hilfebedurftig i.S. des § 9 Abs. 1 SGB II war.\n\nNach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen,\ndie\n\n> > --- \n>> 1\\. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht\nvollendet haben, \n>> 2\\. erwerbsfahig sind, \n>> 3\\. hilfebedurftig sind und \n>> 4\\. ihren gewohnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben\n(erwerbsfahige Hilfebedurftige). \n \nHilfebedurftig nach § 9 Abs. 1 SGB II ist der, der seinen Lebensunterhalt,\nseine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer\nBedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend mit eigenen\nKraften und Mitteln, vor allem nicht\n\n> > --- \n>> 1\\. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit \n>> 2\\. aus dem zu berucksichtigenden Einkommen oder Vermogen sichern kann und\ndie erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehorigen oder\nTragern anderer Sozialleistungen erhalt. \n \nOhne weiteres sind bei der Klagerin die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1\nNr.1, 2 und 4 SGB II fur den streitbefangenen Zeitraum gegeben. Die Klagerin\nwar aber auch hilfebedurftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II, da\nsie fur die Zeit vom 08. bis 31. August 2005 ihren Lebensunterhalt nicht aus\ndem zu berucksichtigenden Einkommen oder Vermogen sichern konnte.\n\nZwar floss der Klagerin am 05. August 2005 Überbruckungsgeld in Hohe von\n1.327,39 Euro zu. Dieses stellt aber kein Einkommen, sondern Vermogen dar,\ndessen Berucksichtigung sich nach § 12 SGB II richtet. Zum Zeitpunkt der\nAntragstellung, namlich am 08. August 2005, war aber zu berucksichtigendes\nVermogen im Sinne des § 12 SGB II nicht vorhanden.\n\nOb das Überbruckungsgeld, das nach § 337 Abs. 2 SGB III nachtraglich gezahlt\nund am 05. August 2005 auf dem Konto der Klagerin fur Juli 2005 gutgeschrieben\nwurde, nunmehr Einkommen oder Vermogen ist, bedarf der Abgrenzung.\n\nEine solche ergibt sich weder aus dem Wortlaut der §§ 11, 12 SGB II noch aus\ndem des § 2 Abs.2 Satz 1 VO a.F.\n\nGemaß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berucksichtigen\nEinnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem\nBuch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den\nGesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und der Renten\noder Beihilfen, die nach dem Bundesentschadigungsgesetz fur Schaden an Korper\noder Gesundheit erbracht werden, bis zur Hohe der vergleichbaren Grundrente\nnach dem BVG.\n\nAls Vermogen sind nach § 12 Abs. 1 SGB II alle verwertbaren\nVermogensgegenstande zu berucksichtigen.\n\n§§ 11 und 12 SGB II bestimmen damit nur, wie Einkommen und Vermogen zu\nberucksichtigen ist, ohne die Begriffe zu definieren.\n\nAus der VO a.F., zu deren Erlass der Verordnungsgeber nach § 13 SGB II\nermachtigt war und die fur den streitgegenstandlichen Zeitraum maßgeblich ist,\nlasst sich auch nichts zu einer Abgrenzung der Begriffe Einkommen und Vermogen\nentnehmen. Insbesondere § 2 Abs. 2 Satz 1 VO a.F. besagt nur, dass laufende\nEinnahmen in dem Monat zu berucksichtigen sind, in dem sie zufließen, ohne den\nBegriff des Einkommens zu definieren.\n\nIn diesem Zusammenhang hat das SG fur das Saarland zu Recht darauf\nhingewiesen, dass nach § 13 Satz 1 Nr. 1 SGB II der Verordnungsgeber nur\nermachtigt war, zu bestimmen, welche weiteren Einnahmen nicht als Einkommen zu\nberucksichtigen sind und wie das Einkommen im Einzelnen zu berechnen ist. Die\nErmachtigung ging jedoch nicht dahin, zu bestimmen, was Einkommen uberhaupt\nist.\n\nEiner Definition bedurfte es auch nicht, denn nach dem Begrundungsentwurf der\nVO a.F. sollten die Grundsatze, die zur Abgrenzung von Einkommen und Vermogen\nim Rahmen der Arbeitsforderung vom Bundessozialgericht (BSG) aufgestellt und\ndie vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) spater fur die Sozialhilfe\nweitgehend ubernommen wurden (sog. Zuflusstheorie < BSG in seiner amtlichen\nSammlung, BSGE Band 41, 187; Eicher/Spellbrink/Mecke, Kommentar zum SGB II, §\n12 SGB II, Rdnr.. 17ff; Hauck/Noftz/Hengelhaupt, Kommentar zum SGB III, § 193\nSGB III, Rdnr.: 97f; Urteil des BVerwG vom 18. Februar 1999, 5 C 14/98;\nzuletzt auch Beschluss vom 23. November 2006, B 11b AS 17/06 B>), auch fur die\nGrundsicherung fur Arbeitsuchende gelten ( vgl. Begrundung zum Entwurf der VO\na.F.). Nach der Zuflusstheorie sollten Einnahmen dann anfallen, wenn sie\ntatsachlich oder normativ zuflossen. Hiernach sei Einkommen all das, was\njemand in der Bedarfszeit wertmaßig dazu erhalte und Vermogen all das, was er\nin der Bedarfszeit bereits habe, es sei denn, der Zuflusszeitpunkt werde\nrechtlich anders bestimmt. Fur die laufenden Einnahmen werde aber vorliegend\nkein anderer Zuflusszeitpunkt als der tatsachlich erfolgte bestimmt.\n\nEinkommen ist mithin all das, was der Hilfebedurftige wahrend des\nZahlungszeitraumes wertmaßig dazu erhalt, Vermogen hingegen das, was er bei\nBeginn des Zahlungszeitraumes bereits hat.\n\nUnter Berucksichtigung dessen hat das SG fur das Saarland zu Recht darauf\nabgestellt, dass das Überbruckungsgeld, das am 05. August 2005 zugeflossen\nist, in dem mit der Antragstellung am 08. August 2005 beginnenden\nZahlungszeitraum nicht als Einkommen zu berucksichtigen ist.\n\nDas SG fur das Saarland hat dies mit zutreffender Begrundung sowohl aus § 37\nAbs. 1 SGB II, der das Antragsprinzip statuiert, als auch aus § 41 SGB II\ngefolgert, der anteilige Leistungen vorsieht, wenn Leistungen nicht fur einen\nvollen Monat zustehen.\n\nDer Einwand der Beklagten, aus der systematischen Stellung des § 37 Abs. 1 SGB\nII in Kapitel 4, Abschnitt 1 (Zustandigkeit und Verfahren) ergebe sich, dass\nder Antragstellung keine materiellrechtliche Bedeutung zukomme, uberzeugt\nnicht.\n\nDenn sowohl aus dem Wortlaut der Vorschrift („erbracht") als auch aus deren\nSinn und Zweck ergibt sich, dass der Antrag nicht nur verfahrensrechtliche,\nsondern daruber hinausgehend auch materiellrechtliche Bedeutung hat ( so auch:\nEicher/Spellbrink/Link, aaO, § 37 SGB II, Rdnr. 11, 17; Hauck/Noftz/Muller,\nKommentar zum SGB II, § 37 SGB II, Rdnr. 5).\n\nDas entsprach auch dem Willen des Gesetzgebers. Wie sich aus den\nGesetzesmaterialien zu § 37 SGB II ergibt (BT-Drucksache 15/1516,S. 62),\nsollte der Antrag konstitutive, d.h. rechtsbegrundende Bedeutung haben, mit\nder Folge, dass Leistungen erst ab Antragstellung verlangt werden konnen.\n\nDass das Antragserfordernis nicht in § 7 Abs. 1 und 2, sondern in § 37 Abs. 1\nSGB II geregelt ist, bedeutet nur, dass der Antrag keine materiellrechtliche\nAnspruchsvoraussetzung ist. Denn der Grundanspruch auf Leistungen nach dem SGB\nII besteht unabhangig vom Antrag erst dann, wenn die Voraussetzungen des § 7\nSGB II erfullt sind. Das Recht auf die einzelne fallige Leistung entsteht\nhingegen erst mit einem wirksamen Antrag. Insofern kommt dem Antrag damit auch\neine materiellrechtliche Wirkung zu. Ein nicht unmittelbar nach Eintritt der\nAnspruchsvoraussetzungen gestellter Antrag fuhrt dann zu einem Rechtsverlust,\nda Leistungen mit Ausnahme des § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II nicht ruckwirkend\nerbracht werden (Eicher/Spellbrink/Link, aaO., § 37 SGB II, Rdnr.17;\nHauck/Noftz/Muller, aaO., § 37 SGB II, Rdnr. 6, 13).\n\nDie Ausgestaltung des § 37 SGB II, der inhaltlich § 323 Abs. 1 Satz 1 SGB III\nentspricht, stellt damit eine ausdruckliche Distanzierung von dem im\nSozialhilferecht geltenden Prinzip der unmittelbaren Bedarfsdeckung dar. So\nsah § 5 Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes vor, dass die Sozialhilfe\neinsetzte, sobald dem Trager der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten\nStellen objektiv bekannt wurde, dass die Voraussetzung fur die\nLeistungsgewahrung, d.h. die Hilfebedurftigkeit, vorlag. Eines Antrags\nbedurfte es damit nicht ( Hauck/Noftz/Muller, aaO, § 37 SGB II, Rdnr. 4), was\nfur die Leistungen nach dem SGB II gerade nicht gewollt war.\n\nDa Leistungen fruhestens ab dem Tag der Antragstellung zustehen und damit\nAnspruchszeitraume nicht exakt mit dem Monatsanfang beginnen, sieht § 41 Abs.\n1 Satz 3 SGB II vor, dass Leistungen anteilig erbracht werden konnen. Auch\ndieser Vorschrift, obgleich unter Kapitel 4, Abschnitt 1 geregelt, kommt nicht\nnur die Bedeutung einer Berechnungsvorschrift zu. Vielmehr hat sie auch\nmateriellrechtlichen Charakter ( so ausdrucklich: Hauck/Noftz/Hengelhaupt,\naaO, § 41 SGB II, Rdnr. 8).\n\nDer Einwand der Beklagten, die Antragstellung eigne sich nicht als Kriterium\nzur Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermogen, weil das Stammrecht auf\nLeistungen nach dem SGB II unabhangig von der Antragstellung bei Vorliegen\naller materiellrechtlicher Anspruchsvoraussetzungen entstehe und es zur\nUnterscheidung auf den Bedarfszeitraum - regelmaßig der volle Kalendermonat-\nankomme, uberzeugt nicht.\n\nZwar geht das SGB II davon aus, dass Leistungen monatlich erbracht werden ( §§\n20 Abs. 2, 24 SGB II). Daraus kann aber nicht gefolgert werden, der\nBedarfszeitraum, regelmaßig der volle Kalendermonat, sei Abgrenzungskriterium\nzwischen Einkommen und Vermogen. Das kann §§ 20 Abs. 2, 24 SGB II nicht\nentnommen werden. Diese sind vielmehr als Abweichung von § 198 Satz 2 Nr. 5\ni.V. mit § 139 Satze 1 und 2 SGB III a. F. zu sehen, wonach Alhi fur jeden\nKalendertag geleistet wurde. In diesem Sinne ist auch der in § 2 Abs. 2 Satz 1\nVO a.F. enthaltene Bezug auf den Monat zu verstehen. In diesem Zusammenhang\nhat das SG fur das Saarland bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass sich\ndurch die Antragstellung nichts an der grundsatzlich monatlich\ndurchzufuhrenden Bedarfsberechnung andert und nicht eine Bedarfsberechnung ab\nAntragstellung durchzufuhren ist. Über die Berucksichtigung von vor der\nAntragstellung zugeflossenen Einkunften wird damit aber noch nichts ausgesagt.\n\nAuch die Ausfuhrungen zum Stammrecht sind nicht geeignet, die Auffassung der\nBeklagten zur Abgrenzung von Einkommen und Vermogen zu begrunden.\n\nDas Stammrecht entsteht, wenn samtliche materiellrechtlichen\nAnspruchsvoraussetzungen erfullt sind. Davon zu unterscheiden ist der\nLeistungsanspruch im engeren Sinne, also der Anspruch auf Zahlung der\nLeistung. Wahrend das Stammrecht entsteht, sobald die materiellrechtlichen\nVoraussetzungen erfullt sind, wird durch den Bewilligungsbescheid der Anspruch\nauf die Leistung fur den Einzelfall konkretisiert. Der Bewilligungsbescheid\nbegrundet damit nicht das Stammrecht. Das Stammrecht ist vielmehr\nBegrundungselement der jeweiligen Bewilligung\n\n> > (BSG, Urteil vom 08. Dezember 1994, 11 Rar 41/94).\n\nSinn der aus dem Arbeitsforderungsgesetz (AFG) stammenden Differenzierung\nzwischen der materiellen Anspruchsberechtigung (Stammrecht) und dem Anspruch\nauf Zahlung der Leistung war, dass der Arbeitslose durch die zeitliche\nVerschiebung seines Antrags keine Manipulationen sollte vornehmen konnen\n\n> > (BSG, Urteil vom 30. September 1992, 11 RAr 11/91; Urteil vom 08. Dezember\n> 1994, 11 RAr 41/94; Urteil vom 07. Februar 2002, B 7 AL 42/01 R).\n\nDadurch, dass der Leistungsantrag nicht Element des Stammrechts war, konnte\nder Arbeitslose etwa die in § 134 Abs. 1 Nr. 2 AFG festgelegte Rangfolge der\nAnspruche auf Alg und Alhi nicht durch entsprechende Antragstellung\nbeeinflussen. Gleiches galt auch fur die Rechtsfolgen einer Sperrzeit im Sinne\ndes § 119 Abs. 3 AFG. Danach erlosch, wenn der Arbeitslose nach der Entstehung\ndes Anspruchs einmal Anlass fur den Eintritt einer Sperrzeit von acht Wochen\ngegeben und er hieruber einen schriftlichen Bescheid erhalten hatte, der ihm\nnoch zustehende Anspruch auf Alg, wenn er erneut Anlass fur den Eintritt einer\nSperrzeit von acht Wochen gegeben hatte.\n\nDer Anspruch erlosch damit kraft Gesetzes, das Stammrecht lebte auch nicht\nwieder auf. Erst nach Erwerb einer neuen Anwartschaftszeit nach § 104 AFG\nkonnte wieder ein Anspruch auf Alg entstehen.\n\nUm diese Rechtsfolgen der Disposition des Arbeitslosen durch die\nAntragstellung zu entziehen, wurde das Stammrecht als eine „Fixierung der\nfließenden Anwartschaft" verstanden, die durch den Eintritt der\nArbeitslosigkeit sowie die Wahrung von Verfugbarkeit und Arbeitslosmeldung\ngekennzeichnet war\n\n> > (Gagel/Ebsen, Kommentar zum AFG, § 134 AFG, Rdnr. 81).\n\nDie Gefahr, dass die Klagerin vorliegend durch zeitliche Verschiebung ihres\nAntrags die Bewilligung von Leistungen manipulieren konnte, bestand zu keiner\nZeit. Die Auffassung der Beklagten, das Stammrecht sei erst ab dem 01.\nSeptember 2005 entstanden, da im rechnerischen Bedarfszeitraum August 2005 -\nweder am 01. noch am 08. August - die materiellrechtlichen Voraussetzungen\nwegen der Einkommensanrechnung nicht vorgelegen hatten, ist unzutreffend.\n\nDas Stammrecht auf Leistungen nach dem SGB II konnte vorliegend vor dem 07.\nAugust 2005 gar nicht entstehen, da die Klagerin zu diesem Zeitpunkt wegen des\nin § 9 Abs. 1 SGB II normierten Vorrangs der Leistungen von Tragern anderer\nSozialleistungen nicht hilfebedurftig gewesen ware. Denn nach dem Bescheid der\nBundesagentur fur Arbeit vom 31. Januar 2005 wurde der Klagerin\nÜberbruckungsgeld bis einschließlich 06. August 2005 gewahrt.\nHilfebedurftigkeit ist aber stets zu verneinen, wenn ein anderer die\nerforderliche Hilfe tatsachlich erbringt\n\n> > (Hauck/Noftz/Hengelhaupt, aaO., § 9 SGB II, Rdnr. 47).\n\nAuf die Frage, ob das am 05. August 2005 letztmalig zugeflossene\nÜberbruckungsgeld Einkommen oder Vermogen darstellte, kam es zu diesem\nZeitpunkt gar nicht an.\n\nNach dem 06. August 2005 war dieser in § 9 Abs. 1 SGB II normierte Vorrang der\nHilfe von anderen entfallen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 08. August\n2005 waren die Voraussetzungen der §§ 7, 9 SGB II zu bejahen. Bedarfszeitraum\nist damit die Zeit ab Antragstellung, d.h. ab 08. August 2005, und nicht, wie\ndie Beklagte meint, der vollstandige Monat August 2005. Davon zu trennen ist,\ndass die fur die Leistungsbewilligung erforderliche Bedarfsberechnung\nmonatlich durchzufuhren ist.\n\nDie Auffassung der Beklagten wurde zu sinnwidrigen Ergebnissen fuhren.\n\nHatte die Klagerin etwa anstatt Unterhaltsgeld Alg I bis 06. August 2005\nbezogen, wurden nach der Sichtweise der Beklagten zwei Stammrechte\nnebeneinander bestehen, namlich das auf Alg I und das auf Alg II, was nicht\nmoglich ist.\n\nDass es zudem widerspruchlich ware, nur den Bedarf anzuerkennen, der nach\nAntragstellung entsteht, andererseits fur diesen Bedarf aber Einkunfte als\nEinkommen anzurechnen, die bereits vor Antragstellung zugeflossen sind, hat\ndas SG fur das Saarland bereits zu Recht ausgefuhrt.\n\nLetztlich ist auch der Einwand, die Auffassung des SG fur das Saarland gelange\nzu sinnwidrigen Ergebnissen, weil eine spatere Antragstellung zu einem\nfruheren Leistungsbeginn fuhre, nicht verstandlich. Das SG fur das Saarland\nhat doch vielmehr den Bedarfszeitraum durch den Antrag begrenzt gesehen mit\nder Folge, dass vor Antragstellung zugeflossene Einkunfte Vermogen, danach\nzugeflossene Einnahmen Einkommen sind. Wie dann eine spatere Antragstellung zu\neinem fruheren Leistungsbeginn fuhren soll, ist denklogisch nicht moglich und\nwurde von dem SG fur das Saarland in der angefochtenen Entscheidung so an\nkeiner Stelle ausgefuhrt. Vielmehr fuhrt eine verspatete Antragstellung zu\neinem Rechtsverlust fur den Leistungsempfanger fur die Zeit bis zum Antrag\n(Hauck/Noftz/Muller, aaO., § 37 SGB II, Rdnr.6), worauf sich die Beklagte in\neinem derart gelagerten Fall auch berufen wurde.\n\nLetztlich sieht der Senat seinen Ansatz, dass Einkommen all das ist, was der\nLeistungsempfanger im Bedarfszeitraum wertmaßig dazu erhalt, auch durch die\naktuelle Rechtsprechung des BSG (B 11b AS 17/06 B) bestatigt. Auch wenn der\ndort zu Grunde liegende Fall mit vorliegendem Sachverhalt nicht vergleichbar\nist, hat das BSG ausdrucklich an dem Zuflussprinzip festgehalten und nach\nBeginn des Bedarfszeitraums erlangtes Nettoarbeitsentgelt als Einkommen fur\nden Monat angesehen, in dem es zugeflossen ist.\n\nDas SG fur das Saarland ist deshalb zu Recht davon ausgegangen, dass das\nAnfang August zugeflossene Überbruckungsgeld nicht Einkommen nach § 11 SGB II,\nsondern Vermogen darstellt. Dieses ist aber kein zu berucksichtigendes\nVermogen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II, da es auf jeden Fall unter dem\nGrundfreibetrag liegt.\n\nDie Berufung ist deshalb zuruckzuweisen.\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.\n\nDie Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil die Rechtssache\ngrundsatzliche Bedeutung hat. Das ist dann der Fall, wenn die Rechtssache eine\nFrage grundsatzlicher Art aufwirft, die bisher hochstrichterlich nicht geklart\nist\n\n> (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Auflage, § 160 SGG,\n> Rdnr. 6; Ludtke, Nomoskommentar zum SGG, 2. Auflage, § 160 SGG, Rdnr. 9).\n\nDas ist hier der Fall.\n\nDenn in seinem Beschluss vom 23. November 2006 ( B 11b AS 17/06 B) hat das BSG\nzwar an dem Zuflussprinzip festgehalten. Zur Abgrenzung von Vermogen und\nEinkommen enthalt diese Entscheidung indessen keine Ausfuhrungen, insbesondere\nist nicht problematisiert, ob vor dem Bedarfszeitraum zugeflossene Einnahmen\nals Einkommen oder als Vermogen anzusehen sind.\n\n## Gründe\n\n**I.**\n\nDie Berufung ist zulassig.\n\nGemaß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung\nder Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des\nLSG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-\noder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft,\n500,-- Euro nicht ubersteigt.\n\nDer Wert des Beschwerdegegenstandes betragt 541,24 Euro und ubersteigt damit\ndie in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statuierte Grenze.\n\nUnstreitig betragt die Hohe der der Klagerin zustehenden Leistungen nach dem\nSGB II monatlich 676,55 Euro. Da nach § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB II jeder Monat\nmit 30 Tagen berechnet wird, steht fur die Zeit vom 08. bis 31. August 2005\nein Betrag von 541,24 Euro im Streit (= 676,55 Euro : 30 Tage x 24 Tage)\n\n**II.**\n\nDie Berufung der Beklagten ist unbegrundet.\n\nDas SG fur das Saarland hat in dem angefochtenen Urteil vom 12. April 2006 zu\nRecht den Bescheid vom 06. September 2005 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 16. Dezember 2005 aufgehoben und die Beklagte\nverurteilt, der Klagerin auch fur die Zeit vom 08. bis 31. August 2005 Alg II\nnach den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.\n\nDie Klagerin hat namlich fur die Zeit vom 08. bis 31. August 2005 einen\nAnspruch auf Bewilligung von Alg II, da sie in diesem Zeitraum insbesondere\nauch hilfebedurftig i.S. des § 9 Abs. 1 SGB II war.\n\nNach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen,\ndie\n\n> > --- \n>> 1\\. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht\nvollendet haben, \n>> 2\\. erwerbsfahig sind, \n>> 3\\. hilfebedurftig sind und \n>> 4\\. ihren gewohnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben\n(erwerbsfahige Hilfebedurftige). \n \nHilfebedurftig nach § 9 Abs. 1 SGB II ist der, der seinen Lebensunterhalt,\nseine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer\nBedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend mit eigenen\nKraften und Mitteln, vor allem nicht\n\n> > --- \n>> 1\\. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit \n>> 2\\. aus dem zu berucksichtigenden Einkommen oder Vermogen sichern kann und\ndie erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehorigen oder\nTragern anderer Sozialleistungen erhalt. \n \nOhne weiteres sind bei der Klagerin die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1\nNr.1, 2 und 4 SGB II fur den streitbefangenen Zeitraum gegeben. Die Klagerin\nwar aber auch hilfebedurftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II, da\nsie fur die Zeit vom 08. bis 31. August 2005 ihren Lebensunterhalt nicht aus\ndem zu berucksichtigenden Einkommen oder Vermogen sichern konnte.\n\nZwar floss der Klagerin am 05. August 2005 Überbruckungsgeld in Hohe von\n1.327,39 Euro zu. Dieses stellt aber kein Einkommen, sondern Vermogen dar,\ndessen Berucksichtigung sich nach § 12 SGB II richtet. Zum Zeitpunkt der\nAntragstellung, namlich am 08. August 2005, war aber zu berucksichtigendes\nVermogen im Sinne des § 12 SGB II nicht vorhanden.\n\nOb das Überbruckungsgeld, das nach § 337 Abs. 2 SGB III nachtraglich gezahlt\nund am 05. August 2005 auf dem Konto der Klagerin fur Juli 2005 gutgeschrieben\nwurde, nunmehr Einkommen oder Vermogen ist, bedarf der Abgrenzung.\n\nEine solche ergibt sich weder aus dem Wortlaut der §§ 11, 12 SGB II noch aus\ndem des § 2 Abs.2 Satz 1 VO a.F.\n\nGemaß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berucksichtigen\nEinnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem\nBuch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den\nGesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und der Renten\noder Beihilfen, die nach dem Bundesentschadigungsgesetz fur Schaden an Korper\noder Gesundheit erbracht werden, bis zur Hohe der vergleichbaren Grundrente\nnach dem BVG.\n\nAls Vermogen sind nach § 12 Abs. 1 SGB II alle verwertbaren\nVermogensgegenstande zu berucksichtigen.\n\n§§ 11 und 12 SGB II bestimmen damit nur, wie Einkommen und Vermogen zu\nberucksichtigen ist, ohne die Begriffe zu definieren.\n\nAus der VO a.F., zu deren Erlass der Verordnungsgeber nach § 13 SGB II\nermachtigt war und die fur den streitgegenstandlichen Zeitraum maßgeblich ist,\nlasst sich auch nichts zu einer Abgrenzung der Begriffe Einkommen und Vermogen\nentnehmen. Insbesondere § 2 Abs. 2 Satz 1 VO a.F. besagt nur, dass laufende\nEinnahmen in dem Monat zu berucksichtigen sind, in dem sie zufließen, ohne den\nBegriff des Einkommens zu definieren.\n\nIn diesem Zusammenhang hat das SG fur das Saarland zu Recht darauf\nhingewiesen, dass nach § 13 Satz 1 Nr. 1 SGB II der Verordnungsgeber nur\nermachtigt war, zu bestimmen, welche weiteren Einnahmen nicht als Einkommen zu\nberucksichtigen sind und wie das Einkommen im Einzelnen zu berechnen ist. Die\nErmachtigung ging jedoch nicht dahin, zu bestimmen, was Einkommen uberhaupt\nist.\n\nEiner Definition bedurfte es auch nicht, denn nach dem Begrundungsentwurf der\nVO a.F. sollten die Grundsatze, die zur Abgrenzung von Einkommen und Vermogen\nim Rahmen der Arbeitsforderung vom Bundessozialgericht (BSG) aufgestellt und\ndie vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) spater fur die Sozialhilfe\nweitgehend ubernommen wurden (sog. Zuflusstheorie < BSG in seiner amtlichen\nSammlung, BSGE Band 41, 187; Eicher/Spellbrink/Mecke, Kommentar zum SGB II, §\n12 SGB II, Rdnr.. 17ff; Hauck/Noftz/Hengelhaupt, Kommentar zum SGB III, § 193\nSGB III, Rdnr.: 97f; Urteil des BVerwG vom 18. Februar 1999, 5 C 14/98;\nzuletzt auch Beschluss vom 23. November 2006, B 11b AS 17/06 B>), auch fur die\nGrundsicherung fur Arbeitsuchende gelten ( vgl. Begrundung zum Entwurf der VO\na.F.). Nach der Zuflusstheorie sollten Einnahmen dann anfallen, wenn sie\ntatsachlich oder normativ zuflossen. Hiernach sei Einkommen all das, was\njemand in der Bedarfszeit wertmaßig dazu erhalte und Vermogen all das, was er\nin der Bedarfszeit bereits habe, es sei denn, der Zuflusszeitpunkt werde\nrechtlich anders bestimmt. Fur die laufenden Einnahmen werde aber vorliegend\nkein anderer Zuflusszeitpunkt als der tatsachlich erfolgte bestimmt.\n\nEinkommen ist mithin all das, was der Hilfebedurftige wahrend des\nZahlungszeitraumes wertmaßig dazu erhalt, Vermogen hingegen das, was er bei\nBeginn des Zahlungszeitraumes bereits hat.\n\nUnter Berucksichtigung dessen hat das SG fur das Saarland zu Recht darauf\nabgestellt, dass das Überbruckungsgeld, das am 05. August 2005 zugeflossen\nist, in dem mit der Antragstellung am 08. August 2005 beginnenden\nZahlungszeitraum nicht als Einkommen zu berucksichtigen ist.\n\nDas SG fur das Saarland hat dies mit zutreffender Begrundung sowohl aus § 37\nAbs. 1 SGB II, der das Antragsprinzip statuiert, als auch aus § 41 SGB II\ngefolgert, der anteilige Leistungen vorsieht, wenn Leistungen nicht fur einen\nvollen Monat zustehen.\n\nDer Einwand der Beklagten, aus der systematischen Stellung des § 37 Abs. 1 SGB\nII in Kapitel 4, Abschnitt 1 (Zustandigkeit und Verfahren) ergebe sich, dass\nder Antragstellung keine materiellrechtliche Bedeutung zukomme, uberzeugt\nnicht.\n\nDenn sowohl aus dem Wortlaut der Vorschrift („erbracht") als auch aus deren\nSinn und Zweck ergibt sich, dass der Antrag nicht nur verfahrensrechtliche,\nsondern daruber hinausgehend auch materiellrechtliche Bedeutung hat ( so auch:\nEicher/Spellbrink/Link, aaO, § 37 SGB II, Rdnr. 11, 17; Hauck/Noftz/Muller,\nKommentar zum SGB II, § 37 SGB II, Rdnr. 5).\n\nDas entsprach auch dem Willen des Gesetzgebers. Wie sich aus den\nGesetzesmaterialien zu § 37 SGB II ergibt (BT-Drucksache 15/1516,S. 62),\nsollte der Antrag konstitutive, d.h. rechtsbegrundende Bedeutung haben, mit\nder Folge, dass Leistungen erst ab Antragstellung verlangt werden konnen.\n\nDass das Antragserfordernis nicht in § 7 Abs. 1 und 2, sondern in § 37 Abs. 1\nSGB II geregelt ist, bedeutet nur, dass der Antrag keine materiellrechtliche\nAnspruchsvoraussetzung ist. Denn der Grundanspruch auf Leistungen nach dem SGB\nII besteht unabhangig vom Antrag erst dann, wenn die Voraussetzungen des § 7\nSGB II erfullt sind. Das Recht auf die einzelne fallige Leistung entsteht\nhingegen erst mit einem wirksamen Antrag. Insofern kommt dem Antrag damit auch\neine materiellrechtliche Wirkung zu. Ein nicht unmittelbar nach Eintritt der\nAnspruchsvoraussetzungen gestellter Antrag fuhrt dann zu einem Rechtsverlust,\nda Leistungen mit Ausnahme des § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II nicht ruckwirkend\nerbracht werden (Eicher/Spellbrink/Link, aaO., § 37 SGB II, Rdnr.17;\nHauck/Noftz/Muller, aaO., § 37 SGB II, Rdnr. 6, 13).\n\nDie Ausgestaltung des § 37 SGB II, der inhaltlich § 323 Abs. 1 Satz 1 SGB III\nentspricht, stellt damit eine ausdruckliche Distanzierung von dem im\nSozialhilferecht geltenden Prinzip der unmittelbaren Bedarfsdeckung dar. So\nsah § 5 Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes vor, dass die Sozialhilfe\neinsetzte, sobald dem Trager der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten\nStellen objektiv bekannt wurde, dass die Voraussetzung fur die\nLeistungsgewahrung, d.h. die Hilfebedurftigkeit, vorlag. Eines Antrags\nbedurfte es damit nicht ( Hauck/Noftz/Muller, aaO, § 37 SGB II, Rdnr. 4), was\nfur die Leistungen nach dem SGB II gerade nicht gewollt war.\n\nDa Leistungen fruhestens ab dem Tag der Antragstellung zustehen und damit\nAnspruchszeitraume nicht exakt mit dem Monatsanfang beginnen, sieht § 41 Abs.\n1 Satz 3 SGB II vor, dass Leistungen anteilig erbracht werden konnen. Auch\ndieser Vorschrift, obgleich unter Kapitel 4, Abschnitt 1 geregelt, kommt nicht\nnur die Bedeutung einer Berechnungsvorschrift zu. Vielmehr hat sie auch\nmateriellrechtlichen Charakter ( so ausdrucklich: Hauck/Noftz/Hengelhaupt,\naaO, § 41 SGB II, Rdnr. 8).\n\nDer Einwand der Beklagten, die Antragstellung eigne sich nicht als Kriterium\nzur Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermogen, weil das Stammrecht auf\nLeistungen nach dem SGB II unabhangig von der Antragstellung bei Vorliegen\naller materiellrechtlicher Anspruchsvoraussetzungen entstehe und es zur\nUnterscheidung auf den Bedarfszeitraum - regelmaßig der volle Kalendermonat-\nankomme, uberzeugt nicht.\n\nZwar geht das SGB II davon aus, dass Leistungen monatlich erbracht werden ( §§\n20 Abs. 2, 24 SGB II). Daraus kann aber nicht gefolgert werden, der\nBedarfszeitraum, regelmaßig der volle Kalendermonat, sei Abgrenzungskriterium\nzwischen Einkommen und Vermogen. Das kann §§ 20 Abs. 2, 24 SGB II nicht\nentnommen werden. Diese sind vielmehr als Abweichung von § 198 Satz 2 Nr. 5\ni.V. mit § 139 Satze 1 und 2 SGB III a. F. zu sehen, wonach Alhi fur jeden\nKalendertag geleistet wurde. In diesem Sinne ist auch der in § 2 Abs. 2 Satz 1\nVO a.F. enthaltene Bezug auf den Monat zu verstehen. In diesem Zusammenhang\nhat das SG fur das Saarland bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass sich\ndurch die Antragstellung nichts an der grundsatzlich monatlich\ndurchzufuhrenden Bedarfsberechnung andert und nicht eine Bedarfsberechnung ab\nAntragstellung durchzufuhren ist. Über die Berucksichtigung von vor der\nAntragstellung zugeflossenen Einkunften wird damit aber noch nichts ausgesagt.\n\nAuch die Ausfuhrungen zum Stammrecht sind nicht geeignet, die Auffassung der\nBeklagten zur Abgrenzung von Einkommen und Vermogen zu begrunden.\n\nDas Stammrecht entsteht, wenn samtliche materiellrechtlichen\nAnspruchsvoraussetzungen erfullt sind. Davon zu unterscheiden ist der\nLeistungsanspruch im engeren Sinne, also der Anspruch auf Zahlung der\nLeistung. Wahrend das Stammrecht entsteht, sobald die materiellrechtlichen\nVoraussetzungen erfullt sind, wird durch den Bewilligungsbescheid der Anspruch\nauf die Leistung fur den Einzelfall konkretisiert. Der Bewilligungsbescheid\nbegrundet damit nicht das Stammrecht. Das Stammrecht ist vielmehr\nBegrundungselement der jeweiligen Bewilligung\n\n> > (BSG, Urteil vom 08. Dezember 1994, 11 Rar 41/94).\n\nSinn der aus dem Arbeitsforderungsgesetz (AFG) stammenden Differenzierung\nzwischen der materiellen Anspruchsberechtigung (Stammrecht) und dem Anspruch\nauf Zahlung der Leistung war, dass der Arbeitslose durch die zeitliche\nVerschiebung seines Antrags keine Manipulationen sollte vornehmen konnen\n\n> > (BSG, Urteil vom 30. September 1992, 11 RAr 11/91; Urteil vom 08. Dezember\n> 1994, 11 RAr 41/94; Urteil vom 07. Februar 2002, B 7 AL 42/01 R).\n\nDadurch, dass der Leistungsantrag nicht Element des Stammrechts war, konnte\nder Arbeitslose etwa die in § 134 Abs. 1 Nr. 2 AFG festgelegte Rangfolge der\nAnspruche auf Alg und Alhi nicht durch entsprechende Antragstellung\nbeeinflussen. Gleiches galt auch fur die Rechtsfolgen einer Sperrzeit im Sinne\ndes § 119 Abs. 3 AFG. Danach erlosch, wenn der Arbeitslose nach der Entstehung\ndes Anspruchs einmal Anlass fur den Eintritt einer Sperrzeit von acht Wochen\ngegeben und er hieruber einen schriftlichen Bescheid erhalten hatte, der ihm\nnoch zustehende Anspruch auf Alg, wenn er erneut Anlass fur den Eintritt einer\nSperrzeit von acht Wochen gegeben hatte.\n\nDer Anspruch erlosch damit kraft Gesetzes, das Stammrecht lebte auch nicht\nwieder auf. Erst nach Erwerb einer neuen Anwartschaftszeit nach § 104 AFG\nkonnte wieder ein Anspruch auf Alg entstehen.\n\nUm diese Rechtsfolgen der Disposition des Arbeitslosen durch die\nAntragstellung zu entziehen, wurde das Stammrecht als eine „Fixierung der\nfließenden Anwartschaft" verstanden, die durch den Eintritt der\nArbeitslosigkeit sowie die Wahrung von Verfugbarkeit und Arbeitslosmeldung\ngekennzeichnet war\n\n> > (Gagel/Ebsen, Kommentar zum AFG, § 134 AFG, Rdnr. 81).\n\nDie Gefahr, dass die Klagerin vorliegend durch zeitliche Verschiebung ihres\nAntrags die Bewilligung von Leistungen manipulieren konnte, bestand zu keiner\nZeit. Die Auffassung der Beklagten, das Stammrecht sei erst ab dem 01.\nSeptember 2005 entstanden, da im rechnerischen Bedarfszeitraum August 2005 -\nweder am 01. noch am 08. August - die materiellrechtlichen Voraussetzungen\nwegen der Einkommensanrechnung nicht vorgelegen hatten, ist unzutreffend.\n\nDas Stammrecht auf Leistungen nach dem SGB II konnte vorliegend vor dem 07.\nAugust 2005 gar nicht entstehen, da die Klagerin zu diesem Zeitpunkt wegen des\nin § 9 Abs. 1 SGB II normierten Vorrangs der Leistungen von Tragern anderer\nSozialleistungen nicht hilfebedurftig gewesen ware. Denn nach dem Bescheid der\nBundesagentur fur Arbeit vom 31. Januar 2005 wurde der Klagerin\nÜberbruckungsgeld bis einschließlich 06. August 2005 gewahrt.\nHilfebedurftigkeit ist aber stets zu verneinen, wenn ein anderer die\nerforderliche Hilfe tatsachlich erbringt\n\n> > (Hauck/Noftz/Hengelhaupt, aaO., § 9 SGB II, Rdnr. 47).\n\nAuf die Frage, ob das am 05. August 2005 letztmalig zugeflossene\nÜberbruckungsgeld Einkommen oder Vermogen darstellte, kam es zu diesem\nZeitpunkt gar nicht an.\n\nNach dem 06. August 2005 war dieser in § 9 Abs. 1 SGB II normierte Vorrang der\nHilfe von anderen entfallen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 08. August\n2005 waren die Voraussetzungen der §§ 7, 9 SGB II zu bejahen. Bedarfszeitraum\nist damit die Zeit ab Antragstellung, d.h. ab 08. August 2005, und nicht, wie\ndie Beklagte meint, der vollstandige Monat August 2005. Davon zu trennen ist,\ndass die fur die Leistungsbewilligung erforderliche Bedarfsberechnung\nmonatlich durchzufuhren ist.\n\nDie Auffassung der Beklagten wurde zu sinnwidrigen Ergebnissen fuhren.\n\nHatte die Klagerin etwa anstatt Unterhaltsgeld Alg I bis 06. August 2005\nbezogen, wurden nach der Sichtweise der Beklagten zwei Stammrechte\nnebeneinander bestehen, namlich das auf Alg I und das auf Alg II, was nicht\nmoglich ist.\n\nDass es zudem widerspruchlich ware, nur den Bedarf anzuerkennen, der nach\nAntragstellung entsteht, andererseits fur diesen Bedarf aber Einkunfte als\nEinkommen anzurechnen, die bereits vor Antragstellung zugeflossen sind, hat\ndas SG fur das Saarland bereits zu Recht ausgefuhrt.\n\nLetztlich ist auch der Einwand, die Auffassung des SG fur das Saarland gelange\nzu sinnwidrigen Ergebnissen, weil eine spatere Antragstellung zu einem\nfruheren Leistungsbeginn fuhre, nicht verstandlich. Das SG fur das Saarland\nhat doch vielmehr den Bedarfszeitraum durch den Antrag begrenzt gesehen mit\nder Folge, dass vor Antragstellung zugeflossene Einkunfte Vermogen, danach\nzugeflossene Einnahmen Einkommen sind. Wie dann eine spatere Antragstellung zu\neinem fruheren Leistungsbeginn fuhren soll, ist denklogisch nicht moglich und\nwurde von dem SG fur das Saarland in der angefochtenen Entscheidung so an\nkeiner Stelle ausgefuhrt. Vielmehr fuhrt eine verspatete Antragstellung zu\neinem Rechtsverlust fur den Leistungsempfanger fur die Zeit bis zum Antrag\n(Hauck/Noftz/Muller, aaO., § 37 SGB II, Rdnr.6), worauf sich die Beklagte in\neinem derart gelagerten Fall auch berufen wurde.\n\nLetztlich sieht der Senat seinen Ansatz, dass Einkommen all das ist, was der\nLeistungsempfanger im Bedarfszeitraum wertmaßig dazu erhalt, auch durch die\naktuelle Rechtsprechung des BSG (B 11b AS 17/06 B) bestatigt. Auch wenn der\ndort zu Grunde liegende Fall mit vorliegendem Sachverhalt nicht vergleichbar\nist, hat das BSG ausdrucklich an dem Zuflussprinzip festgehalten und nach\nBeginn des Bedarfszeitraums erlangtes Nettoarbeitsentgelt als Einkommen fur\nden Monat angesehen, in dem es zugeflossen ist.\n\nDas SG fur das Saarland ist deshalb zu Recht davon ausgegangen, dass das\nAnfang August zugeflossene Überbruckungsgeld nicht Einkommen nach § 11 SGB II,\nsondern Vermogen darstellt. Dieses ist aber kein zu berucksichtigendes\nVermogen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II, da es auf jeden Fall unter dem\nGrundfreibetrag liegt.\n\nDie Berufung ist deshalb zuruckzuweisen.\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.\n\nDie Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil die Rechtssache\ngrundsatzliche Bedeutung hat. Das ist dann der Fall, wenn die Rechtssache eine\nFrage grundsatzlicher Art aufwirft, die bisher hochstrichterlich nicht geklart\nist\n\n> (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Auflage, § 160 SGG,\n> Rdnr. 6; Ludtke, Nomoskommentar zum SGG, 2. Auflage, § 160 SGG, Rdnr. 9).\n\nDas ist hier der Fall.\n\nDenn in seinem Beschluss vom 23. November 2006 ( B 11b AS 17/06 B) hat das BSG\nzwar an dem Zuflussprinzip festgehalten. Zur Abgrenzung von Vermogen und\nEinkommen enthalt diese Entscheidung indessen keine Ausfuhrungen, insbesondere\nist nicht problematisiert, ob vor dem Bedarfszeitraum zugeflossene Einnahmen\nals Einkommen oder als Vermogen anzusehen sind.\n\n
129,045
ovgsl-2007-06-14-2-r-1206
938
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes
ovgsl
Saarland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 R 12/06
2007-06-14
2019-01-07 09:38:04
2019-02-12 12:12:31
Urteil
## Tenor\n\nUnter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 28.\nMarz 2006 - 2 K 111/06 - wird die Klage abgewiesen.\n\nDie Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der\nBeigeladenen tragt der Klager.\n\nDas Urteil ist wegen der Kosten vorlaufig vollstreckbar.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\nDie Beteiligten streiten uber die Rechtmaßigkeit des Widerspruchsbescheides\nder Beklagten vom 30.11.2004 - Az. 166 - 169/04 -, mit dem die Bescheide vom\n15.07.2003 aufgehoben worden sind, in denen die den Beigeladenen erteilten\nAufenthaltserlaubnisse zuruckgenommen worden waren.\n\nDie Beigeladenen sind ukrainische Staatsangehorige. Der Beigeladene zu 1. ist\njudischer Religionszugehoriger. Mit am 12.10.1999 bei der deutschen Botschaft\nin Kiew eingegangenem Antrag beantragte der Beigeladene zu 1. fur sich, seine\nam 19.09.1998 geheiratete russischstammige Ehefrau, die Beigeladene zu 2.,\nsowie deren Kind aus erster Ehe, die Beigeladene zu 3., die Erteilung einer\nAufenthaltserlaubnis. In der zugehorigen Erklarung verneinten die Beigeladenen\nzu 1. und 2. die Frage, ob sie schon einmal zur standigen Wohnsitznahme in\neinen anderen Staat ausgereist seien. Die Botschaft ubersandte den Antrag uber\ndas Bundesverwaltungsamt an den Klager zur Erteilung der sog. Aufnahmezusage.\nMit Schreiben an das Bundesverwaltungsamt vom 19.01.2000 erteilte der Klager\ndie Aufnahmezusage. Dieses leitete die Zusage an die Botschaft weiter.\nAusweislich des Schreibens der Botschaft vom 11.06.2004 (Bl. 56 der\nWiderspruchsakte) wurde die Aufnahmezusage mit einem Merkblatt zur\nVisumsbeantragung dem Beigeladenen zu 1. am 20.03.2000 zugestellt.\n\nNachfolgend wurden durch die Botschaft weitere Befragungen der Beigeladenen zu\n1. und 2. u.a. zu ihrer Ehe durchgefuhrt. In den Verwaltungsunterlagen der\nBotschaft findet sich ein handschriftlicher Vermerk vom 28.06. u.a. mit\nfolgenden Ausfuhrungen „war noch nie in Israel - war noch nie in Deutschland".\nUnter dem 07.09.2000 erhielten die Beigeladenen zu 1. bis 3. fur die Zeit vom\n12.09.2000 bis 11.12.2000 gultige Visa, die die Vermerke „Aufnahme nach dem\nKontingent-Fluchtlingsverfahren" und „Aufenthaltsanzeige nach Einreise"\ntrugen. Nach ihrer Einreise am 01.10.2000 stellte die Auslanderbehorde der\nBeklagten den Beigeladenen zu 1. bis 3. am 04.10.2000 unbefristete\nAufenthaltserlaubnisse nebst einem Reisedokument fur die Beigeladene zu 3.\nsowie Bescheinigungen nach dem HumHAG aus. Die am 16.03.2001 in Deutschland\nals gemeinsames Kind der Beigeladenen zu 1. und zu 2. geborene Beigeladene zu\n4. erhielt am 13.06.2002 eine Aufenthaltserlaubnis.\n\nMit Schreiben vom 02.09.2002 bat die deutsche Botschaft in Kiew den Klager um\nEinleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen, weil sich bei einer zusatzlichen\nÜberprufung ergeben habe, dass der Beigeladene zu 1. bereits fruher Aufnahme\nin Israel gefunden habe und bei der Antragstellung falsche Angaben hierzu\ngemacht habe. Daraufhin nahm die Auslanderbehorde der Beklagten nach\nvorheriger Anhorung nach § 28 SVwVfG mit Bescheiden vom 15.07.2003 die\nAufenthaltserlaubnisse der Beigeladenen gemaß § 48 SVwVfG unter Anordnung der\nsofortigen Vollziehung und Androhung der Abschiebung zuruck und entzog der\nBeigeladenen zu 3. das Reisedokument. In dem Bescheid ist ausgefuhrt, von dem\nAufnahmeverfahren fur Juden aus der ehemaligen Sowjetunion und deren\nFamilienangehorigen seien keine Personen begunstigt, die zunachst in einen\nDrittstaat ausgewandert seien, dort Aufenthalt genommen hatten und erst\nanschließend in die Bundesrepublik Deutschland eingereist seien. Diese\nVoraussetzung treffe auf die Beigeladenen zu, weil der Beigeladene zu 1. - so\nder gegen den Beigeladenen zu 1. gerichtete Bescheid - bzw. die Beigeladenen\nzu 1. und 2. - so die gegen die Beigeladenen zu 2. bis 4. gerichteten\nBescheide - bereits einmal in einem anderen Land - namlich Israel - Aufenthalt\ngefunden hatten, so dass sie nicht zu dem begunstigten Personenkreis gehorten.\nDie ihnen und ihren Kindern erteilten unbefristeten Aufenthaltserlaubnisse\nseien daher rechtswidrig und konnten gemaß § 48 SVwVfG zuruckgenommen werden.\nAuf Vertrauensschutz konnten sie sich nicht berufen, da sie gegenuber der\ndeutschen Botschaft wissentlich falsche Angaben gemacht hatten. Eine Ruckkehr\nsei ihnen zumutbar, da ihnen eine wirtschaftliche Integration im Bundesgebiet\nnicht gelungen sei.\n\nGegen die am 17.07.2003 zugestellten Bescheide legten die Beigeladenen mit\nSchreiben vom 01.08.2003 jeweils Widerspruch ein, zu deren Begrundung sie sich\nauf ihre Ausfuhrungen in den zugleich beim VG des Saarlandes gestellten\nAussetzungsantragen - 12 F 60-63/03 - bezogen. In diesen Verfahren trugen die\nBeigeladenen im Wesentlichen vor, sie - die Beigeladenen zu 1. und 2. - hatten\ndie Frage uber eine Wohnsitznahme in einem Drittstaat im Hinblick darauf, dass\nsie die Erklarung gemeinsam hatten ausfullen mussen, dahin verstanden, dass es\ndabei um ihr gemeinsames eheliches Verhalten gegangen sei. Entsprechend hatten\nsie die Frage verneint. Außerdem habe sich der Beigeladene zu 1. nur als\nMinderjahriger fur wenige Monate in Israel aufgehalten, was er nicht als\nstandige Wohnsitznahme betrachte. Danach sei er in die Ukraine zuruckgekehrt\nund habe dort fast 10 Jahre gelebt. Die Auslanderbehorde der Beklagten habe\nihre weitgehende Integration in Deutschland sowie ihr Vertrauen auf den\nFortbestand der Aufenthaltserlaubnis nicht hinreichend berucksichtigt. Zudem\nsei die zu ihren Gunsten ergangene Aufnahmezusage nicht widerrufen worden.\n\nDie vom Klager erteilte Aufnahmezusage nahm die Landesaufnahmestelle fur\nVertriebene und Fluchtlinge in Lebach mit E-Mail vom 14.11.2003 gegenuber dem\nBundesamt fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge zuruck.\n\nDurch Beschlusse vom 12.02.2004 - 12 F 60-63/03 - wies das Verwaltungsgericht\ndes Saarlandes die Antrage der Beigeladenen auf Wiederherstellung der\naufschiebenden Wirkung ihrer Widerspruche zuruck. Die Beigeladenen legten\ngegen diese Beschlusse keine Beschwerde ein und reisten am 02.04.2004 in die\nUkraine aus.\n\nMit aufgrund der Beratung vom 30.11.2004 ergangenem Widerspruchsbescheid (Az.\n166-169/04) hob die Beklagte die angefochtenen Bescheide auf. Zur Begrundung\nist unter Bezugnahme auf ein Schreiben des Ausschussvorsitzenden an das\nBundesministerium des Innern vom 23.06.2004 im Wesentlichen ausgefuhrt, die\nVoraussetzungen fur die Rucknahme der Aufenthaltserlaubnis nach § 48 SVwVfG\nund fur die Entziehung des Reisedokuments nach § 18 DVAuslG lagen schon\ndeshalb nicht vor, weil die Aufenthaltserlaubnisse der Beigeladenen nicht\nrechtswidrig gewesen seien, und zwar auch dann nicht, wenn man zu ihren Lasten\nunterstelle, dass der Beigeladene zu 1. aufgrund seines Voraufenthaltes in\nIsrael und der damit zusammenhangenden Erteilung einer israelischen\nIdentitatskarte nicht zum bevorrechtigten Personenkreis gehore und\ndiesbezuglich gegenuber der Botschaft falsche Angaben gemacht habe. Denn die\nAnspruche der Beigeladenen als Familie eines judischen Zuwanderers aus der\nehemaligen Sowjetunion auf Erteilung ihrer Aufenthaltserlaubnisse und\nmittelbar auch der Anspruch der Beigeladenen zu 4. aus § 21 AuslG hingen\nausschließlich davon ab, dass der Beigeladene zu 1. im Sinne des entsprechend\nanzuwendenden § 1 HumHAG in die Bundesrepublik Deutschland aufgenommen sei. Da\ndiese Aufnahme des Beigeladenen zu 1. bis zuletzt weder durch die\nangefochtenen Bescheide noch sonst aufgehoben worden sei, sei seine\nAufenthaltserlaubnis ebenso wie die davon abhangigen Aufenthaltserlaubnisse\nder ubrigen Beigeladenen rechtmaßig gewesen. Zwar ware seine Aufnahme wohl\ndurch die zustandige Behorde rucknehmbar gewesen. Die Auslanderbehorde hatte\ndann als Folgemaßnahme die Aufenthaltserlaubnisse der Beigeladenen\nzurucknehmen bzw. widerrufen konnen. Eine solche Rucknahme der Aufnahme sei\naber nicht erfolgt, weil der hierfur unzustandigen Auslanderbehorde keine\nstillschweigende dahingehende Entscheidung unterstellt werden konne und weil\nder verwaltungsintern aufgehobenen Aufnahmezusage insoweit keine maßgebliche\nBedeutung zukomme. Die als zustandig in Betracht kommenden Behorden, namlich\nin erster Linie das Bundesministerium des Innern und das Auswartige Amt,\nhatten die Rucknahme der Aufnahme auch nicht im Rahmen des\nWiderspruchsverfahrens mit heilender Wirkung nachgeholt.\n\nGegen diesen am 08.12.2004 zugegangenen Bescheid hat der Klager am 07.01.2005\nAufsichtsklage erhoben.\n\nEr hat ausgefuhrt, die Voraussetzungen fur die Rucknahme der unbefristeten\nAufenthaltserlaubnisse nach § 48 SVwVfG lagen vor. Die Beigeladenen hatten im\nVerlaufe des geregelten Aufnahmeverfahrens wissentlich unrichtige Angaben\ngemacht. Sie hatten verschwiegen, dass sie bereits vor ihrer Antragstellung\nauf Aufnahme in Deutschland Aufnahme in Israel gefunden hatten und in diesem\nZusammenhang eine israelische Identitatskarte erhalten hatten. Diese Tatsachen\nschlossen den Erhalt des Status als auslandischer Fluchtling nach dem HumHAG\ngrundsatzlich aus. Sie gehorten somit zu keinem Zeitpunkt zum bevorrechtigten\nPersonenkreis der judischen Immigranten. Ein Vertrauensschutz habe zu keinem\nZeitpunkt bestanden, da die Aufnahme in Deutschland auf einer Tauschung beruht\nhabe. Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis durch die Auslanderbehorde der\nBeklagten habe ebenfalls auf dieser Tauschung beruht. Die Rucknahme der\nAufenthaltserlaubnis nach der Feststellung, dass die Voraussetzungen fur deren\nErteilung zu keinem Zeitpunkt vorgelegen hatten, fuhre auch zugleich zum\nErloschen der Rechtsstellung im Sinne von § 1 des sog.\nKontingentfluchtlingsgesetzes. In diesem Zusammenhang werde auf die im\nEilrechtsschutzverfahren ergangenen Entscheidungen der 12. Kammer verwiesen.\n\nDer Klager hat beantragt,\n\n> > > den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 30.11.2004 aufzuheben.\n\nDie Beklagte hat beantragt,\n\n> > > die Klage abzuweisen.\n\nSie hat zur Begrundung auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid und das\nSchreiben des Ausschussvorsitzenden an das Bundesministerium des Innern vom\n23.06.2004 verwiesen. Erganzend tragt sie vor, auf die Rechtmaßigkeit der\nAufnahme komme es fur die Entscheidung des Stadtrechtsausschusses nicht an,\nweil die Rechtmaßigkeit der Aufenthaltserlaubnisse lediglich von der\nfortbestehenden Wirksamkeit der Aufnahme abhange.\n\nDie Beigeladenen haben beantragt,\n\n> > > die Klage abzuweisen.\n\nZur Begrundung haben sie zunachst vollinhaltlich auf ihr Vorbringen in ihrem\nEilrechtsschutzverfahren Bezug genommen. Weiter haben sie ausgefuhrt, ihre\nAufnahme sei rechtmaßig erfolgt und auch weder aufgehoben noch sonst in ihrem\nrechtlichen Bestand verandert worden. Es konne auch nicht von einer\nstillschweigenden Aufhebung der Aufnahme durch die Beklagte ausgegangen\nwerden. Sie genossen Vertrauensschutz bezuglich der Aufhebung der ihnen\nerteilten Aufenthaltserlaubnisse. Sie seien nicht freiwillig aus der\nBundesrepublik Deutschland ausgereist, sondern lediglich aufgrund der\nTatsache, dass die Beklagte ihnen die Durchfuhrung aufenthaltsbeendender\nMaßnahmen angedroht habe.\n\nMit auf die mundliche Verhandlung vom 28.03.2006 ergangenem Urteil - 2 K\n111/06 - hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. In den\nEntscheidungsgrunden ist ausgefuhrt, der Widerspruchsbescheid der Beklagten\nvom 30.11.2004 sei rechtswidrig. Die in den Bescheiden der Auslanderbehorde\nvom 15.07.2003 ausgesprochenen Rucknahmen der Aufenthaltserlaubnisse und\nAbschiebungsandrohungen sowie die Entziehung des Reisedokuments seien\nrechtmaßig. Es konne dabei offen bleiben, ob die abgegebene Aufnahmezusage\neine eigenstandige Rechtsposition der Beigeladenen begrundet habe oder ob es\nsich lediglich um ein Verwaltungsinternum gehandelt habe, das moglicherweise\nsogar durch die zwischenzeitlich zustandig gewordene Landesaufnahmestelle fur\nVertriebene und Fluchtlinge mit Wirkung vom 14.11.2003 gegenuber dem Bundesamt\nfur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge aufgehoben worden sei. Denn die\nAufnahmezusage des Landes habe ihre rechtliche Bedeutung dadurch verloren,\ndass den Beigeladenen nach ihrer Einreise bzw. nach der Geburt der\nBeigeladenen zu 4. in Deutschland durch die Auslanderbehorde der Beklagten die\nunbefristeten Aufenthaltserlaubnisse erteilt worden seien. Die den\nBeigeladenen zu 1. bis 3. zuerkannte „Rechtsstellung im Sinne von § 1 HumHAG"\nsei ebenfalls von der Auslanderbehorde der Beklagten wirksam aufgehoben\nworden. Nach der Einreise, Aushandigung der Statusbescheinigung sowie\nErteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis sei die Auslanderbehorde der\nBeklagten fur den „Widerruf der Rechtsstellung im Sinne des § 1 HumHAG" der\nBeigeladenen zu 1. bis 3. allein zustandig gewesen. Es konne daher davon\nausgegangen werden, dass die Auslanderbehorde der Beklagten mit der\nAufenthaltserlaubnis zugleich auch - konkludent - den Emigrantenstatus\nwiderrufen habe.\n\nDas Urteil wurde den Beteiligten am 16.05.2006 zugestellt. Die Antrage der\nBeklagten sowie der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gingen am\n16.06.2006 bzw. 26.05.2006 beim Verwaltungsgericht des Saarlandes ein. Die\nBerufungen wurden mit Beschluss vom 20.12.2006 - 2 Q 24/06 - zugelassen.\n\nZur Begrundung der zugelassenen Berufung bezieht sich die Beklagte auf ihre\nBerufungszulassungsantragsbegrundung und auf das Vorbringen im Klageverfahren.\nDarin tragt sie vor, die Rucknahme der Aufenthaltserlaubnis des Beigeladenen\nzu 1. sei rechtswidrig gewesen, weil die Voraussetzungen des § 48 SVwVfG nicht\nvorgelegen hatten. Die Aufenthaltserlaubnis des Beigeladenen zu 1. sei\nrechtmaßig geblieben, weil seine zu Grunde liegende Aufnahme bzw.\nRechtsstellung als judischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion nicht\naufgehoben worden sei. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die\nAuslanderbehorde habe konkludent seine Rechtsstellung im Sinne des § 1 HumHAG\naufgehoben, setze die sachliche Zustandigkeit der Auslanderbehorde fur diese\nAufhebung voraus. Diese Zustandigkeit habe sich jedoch nicht aus dem Erlass\ndes Klagers vom 21.12.1998 - B 5 5511/9 - ergeben. Der Verwaltung stehe nicht\nfrei, die sachliche Zustandigkeit durch einen rein internen Erlass beliebig zu\nbestimmen. Mangels einer anderweitigen Bestimmung durch Fachrecht sei auf den\nGrundsatz zuruckzugreifen, dass uber die Rucknahme von derjenigen Behorde zu\nbefinden sei, die fur den Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsaktes sachlich\nzustandig gewesen sei. Fur die Einraumung der Rechtsstellung bzw. die Aufnahme\nins Bundesgebiet kame nur eine Bundesbehorde in Frage, denn nur dem Bund stehe\ndie Kompetenz zu, die Rechtsstellung eines Kontingentfluchtlings fur Juden aus\nder ehemaligen UdSSR zu begrunden. Die Aufhebbarkeit der Aufenthaltserlaubnis\nhange von der Aufhebung der Rechtsstellung ab. Diese Aufhebung konne nur\nkonkludent durch den Bescheid der Auslanderbehorde erfolgt sein. Da hierfur\njedoch keine sachliche Zustandigkeit der Auslanderbehorde bestehe, sei die\nRechtsstellung nicht aufgehoben worden und die Aufenthaltserlaubnis somit\nnicht aufhebbar gewesen.\n\nDie Beklagte beantragt,\n\n> > > die Aufsichtsklage unter Abanderung des angefochtenen Urteils\n> abzuweisen, soweit der durch das Urteil aufgehobene Widerspruchsbescheid den\n> Beigeladenen zu 1. betrifft.\n\nDer Klager beantragt,\n\n> > > die Berufung zuruckzuweisen.\n\nDer Klager bezieht sich auf seine Ausfuhrungen im Zulassungsverfahren. Er\ntragt vor, die Auslanderbehorde der Beklagten sei aufgrund des Erlasses vom\n21.12.1998 - B 5 5511/9 - fur den Widerruf der Rechtsstellung im Sinne des § 1\nHumHAG allein zustandig gewesen und dieser sei durch die Rucknahme der\nAufenthaltserlaubnis konkludent erfolgt. Die Voraussetzungen fur die Einreise\nund Aufnahme der Beigeladenen zu 1. bis 3. hatten zu keinem Zeitpunkt des\ngeregelten Aufnahmeverfahrens vorgelegen und es seien keine Gesichtpunkte\neines besonderen Vertrauensschutzes zu berucksichtigen gewesen. Dem\nBeigeladenen zu 1. sei zu jeder Zeit bewusst gewesen, dass er aufgrund seiner\nfruheren Aufnahme in Israel nicht zu dem berechtigten Personenkreis nach dem\nBeschluss der Ministerprasidenten vom 09.01.1991 gehort habe. Hierzu habe er\nbewusst falsche Angaben gegenuber der Auslandsvertretung gemacht. Die\nEinreisevisa an die Beigeladenen zu 1. bis 3. gaben keine Hinweise darauf,\ndass die Botschaft diese in Kenntnis einer fruheren Aufnahme in Israel\nausgestellt habe. Es konne aus einer Aktennotiz der Botschaft geschlossen\nwerden, dass das Überprufungsverfahren noch nicht abgeschlossen gewesen sei\nund die Entscheidung der Botschaft nur vorbehaltlichen Charakter gehabt habe.\n\nDie Beigeladenen beantragen,\n\n> > > unter Aufhebung des Urteils der 2. Kammer des Verwaltungsgerichts des\n> Saarlandes vom 28. Marz 2006 die Klage abzuweisen.\n\nDie Beigeladenen tragen zur Begrundung ihrer Berufung vor, die Beklagte sei\nnicht zustandig gewesen, um die Rechtsstellung der Beigeladenen im Sinne von §\n1 HumHAG konkludent oder ausdrucklich aufzuheben, weil eine sachliche\nZustandigkeit hierfur weder durch Gesetz noch durch Rechtsverordnung begrundet\nworden sei. Allein Bundesbehorden seien sachlich zustandig, die Rechtsstellung\neines Kontingentfluchtlings fur Juden aus der ehemaligen UdSSR zu begrunden\noder aufzuheben. Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei auch rechtsfehlerhaft,\nweil es eine stillschweigende Aufhebung der Rechtsstellung im Sinne von § 1\nHumHAG zum Nachteil der Beigeladenen angenommen habe. Schon die Bedeutung und\nTragweite dieses rechtlichen Status stehe der Annahme einer stillschweigenden\nRucknahme entgegen. Daruber hinaus wurde diesem Personenkreis durch die\nZulassung einer bloß konkludenten Aufhebung ihres Status gemaß § 1 HumHAG ein\neffektiver Rechtsschutz genommen bzw. verkurzt. Außerdem sei dem Sachvortrag\nder Beklagten klar zu entnehmen, dass eine entsprechende Erklarung niemals\nabgegeben wurde und auch nicht stillschweigend zum Ausdruck gebracht werden\nsollte. Die Annahme einer stillschweigenden Aufhebung des Status gemaß § 1\nHumHAG wurde der Beklagten damit eine Erklarung unterstellen, den diese nach\nihrem eigenen, ausdrucklich erklarten Willen und prozessualem Sachvortrag\ngerade nicht gehabt habe.\n\nDie bloß formelhafte Bezugnahme in dem angegriffenen Urteil auf die Begrundung\nder Beschlusse in den Eilverfahren 12 F 60-63/03 sei im vorliegenden Fall\nunzulassig und unzureichend, weil es die einzige Auseinandersetzung des\nGerichts mit den materiell-rechtlichen Gegebenheiten im gesamten\nHauptsacheverfahren darstelle. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 3 SVwVfG\nlagen nicht vor, da die Aufenthaltserlaubnis der Beigeladenen zum Zeitpunkt\nder Aufhebung nicht rechtswidrig gewesen sei, weil der zugrunde liegende\nStatus gemaß § 1 HumHAG nicht von der zustandigen Behorde aufgehoben worden\nsei und auch von der Beklagten nicht habe inzidenter aufgehoben werden konnen.\nDas Verwaltungsgericht habe die Vorschrift des § 48 Abs. 4 SVwVfG zu prufen\nund zu berucksichtigen gehabt, wonach eine Rucknahme der Statusentscheidung\nnur innerhalb einer Jahresfrist ab Kenntnisnahme zulassig sei. Sie hatten in\nden einstweiligen Anordnungsverfahren darauf hingewiesen, dass ihnen das\nEinreisevisum in Kenntnis des anonymen Hinweises uber den fruheren\nAuslandsaufenthalt des Beigeladenen zu 1. erteilt worden sei. Der\nAuslandsvertretung der Bundesrepublik Deutschland seien die erforderlichen\nFakten und Tatsachen bekannt gewesen, bevor das Einreisevisum erteilt worden\nsei. Die zustandige Bundesbehorde musse sich ebenso wie die Beklagte insoweit\ndie Kenntnis und Aktenlage der Auslandsvertretung der Bundesrepublik\nDeutschland zurechnen lassen. Außerdem sei in der Kenntnis, dass die "Israel-\nPrufung" noch ausgestanden habe, den Beigeladenen ein Visum erteilt worden, um\nals judischer Kontingentfluchtling in die Bundesrepublik Deutschland\neinzureisen. Dies lasse es aus heutiger Sicht in hohem Maße treuwidrig\nerscheinen, spater auf der Grundlage eben dieser Tatsachen eine Aufhebung der\nRechtsstellung als judischer Fluchtling aus der fruheren UdSSR bzw. eine\nAufhebung der Aufenthaltserlaubnis stutzen zu wollen. Bei der\nErmessensentscheidung uber den Widerruf hatte berucksichtigt werden mussen,\ndass den Beigeladenen die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland in\nKenntnis aller maßgeblichen Umstande von den deutschen Behorden erlaubt worden\nsei. Insbesondere sei bei den Beigeladenen zu 2. und 3. ein schutzwurdiges\nVertrauen entstanden, das nicht allein wegen des Verhaltens des Beigeladenen\nzu 1. verneint werden durfe. Schließlich habe das Verwaltungsgericht die\nIntegration der Beigeladenen unzutreffend gewurdigt und keine individuelle\nBeurteilung der Schutzwurdigkeit und des Vertrauensschutzes sowie des\nBestandschutzes der einzelnen Beigeladenen vorgenommen.\n\nDer Senat hat im Rahmen der mundlichen Verhandlung den Bruder des Beigeladenen\nzu 1. als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf\ndie Sitzungsniederschrift vom 14.06.2007 Bezug genommen.\n\nWegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der verfahrensbezogenen\nGerichtsakten, der Akten VG 2 K 11/04, VG 2 F 60/03 bis 63/03 und der\nzugehorigen Verwaltungsunterlagen verwiesen. Er war Gegenstand der mundlichen\nVerhandlung.\n\n## Entscheidungsgründe\n\nDie Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen sind zulassig. Sie wurden\ninsbesondere innerhalb der Frist des § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO in einer den\nAnforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO genugenden Weise begrundet.\n\nDie zulassigen Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen haben auch in der\nSache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat auf die gemaß § 17 Abs. 1 AGVwGO\nerhobene Aufsichtsklage des Klagers zu Unrecht den Widerspruchsbescheid der\nBeklagten vom 30.11.2004 aufgehoben, denn dieser ist zumindest im Ergebnis\nrechtmaßig.\n\nGegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Frage der Rechtmaßigkeit des\nWiderspruchsbescheides unter Berucksichtigung der vom Klager gerugten Mangel.\nDer Klager macht geltend, dass der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom\n30.11.2004 rechtswidrig sei, weil die Voraussetzungen fur eine Rucknahme der\nden Beigeladenen erteilten Aufenthaltserlaubnisse nach § 48 SVwVfG vorgelegen\nhatten. Nach dem Ergebnis der mundlichen Verhandlung ist der Senat zur\nÜberzeugung gelangt, dass dies nicht der Fall ist. Der angegriffene\nWiderspruchsbescheid der Beklagten ist im Ergebnis rechtmaßig, weil die\nVoraussetzungen fur die Rucknahme der den Beigeladenen erteilten unbefristeten\nAufenthaltserlaubnisse nach § 48 Abs. 1 und 3 SVwVfG nicht vorlagen.\n\nDabei kann dahin gestellt bleiben, ob die Bescheide vom 15.07.2003 auch\ndeshalb rechtswidrig sind, weil nicht zuvor eine eventuelle Rechtsstellung der\nBeigeladenen zu 1. bis 3. als Kontingentfluchtlinge aufgehoben worden ist.\nDenn die Rucknahme der den Beigeladenen erteilten Aufenthaltserlaubnisse war\njedenfalls rechtswidrig, weil die Beigeladenen zu 1. bis 3. zu Recht als\njudische Emigranten bzw. deren Familienangehorige Aufnahme in der\nBundesrepublik Deutschland gefunden haben.\n\nDer Beigeladene zu 1. wurde als judischer Emigrant in der Bundesrepublik\nDeutschland aufgenommen. Die Aufnahme der Beigeladenen zu 2. und 3. erfolgte\nauf Grund der Familienzugehorigkeit. Die Beigeladene zu 4. wurde zu keinem\nZeitpunkt in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen, da sie erst nach der\nEinreise der Beigeladenen zu 1. bis 3. in der Bundesrepublik Deutschland\ngeboren worden ist.\n\nVorliegend ist im Fall der Beigeladenen ungeachtet bereits des Umstandes, dass\ndie Rucknahme der ihnen erteilten Aufenthaltserlaubnisse mit den Bescheiden\nvom 15.07.2003 erfolgte und damit schon vor dem Inkrafttreten des\nZuwanderungsgesetzes, auf jeden Fall auf die Rechtslage vor dem 01.01.2005\nabzustellen.\n\nDie Aufnahme judischer Emigranten aus der fruheren Sowjetunion beruhte auf\neinem Beschluss der Regierungschefs des Bundes und der Lander\n(Ministerprasidentenkonferenz) vom 09.01.1991 in Bonn. Dabei wurde unter TOP\n1.3 beschlossen, dass die Einreise von judischen Emigranten aufgrund von\nEinzelfallentscheidungen in entsprechender Anwendung des "Gesetzes uber\nMaßnahmen fur im Rahmen humanitarer Hilfsaktionen aufgenommene Fluchtlinge"\n(KontingentfluchtlingsG - HumHAG - Abkurzung nach juris: HumHiG) zu\nermoglichen ist. In der Vollziehung dieses Beschlusses erließ das Auswartige\nAmt den Teilrunderlass vom 25. Marz 1997 - Az. 514-516.20/7 - betreffend die\nZuwanderung von Juden aus der ehemaligen UdSSR, in dem die Regelungen fur ein\ngeordnetes Aufnahmeverfahren (nachfolgend: geregeltes Verfahren) dargelegt\nwaren. Zu den Grundlagen heißt es in dem Erlass, dass Bund und Lander nach\neiner Vereinbarung zwischen dem Zentralrat der Juden und dem Bundeskanzler im\nJanuar 1991 der Einreise judischer Emigranten aus der fruheren Sowjetunion\nohne zahlenmaßige und zeitliche Begrenzung, aber entsprechend den\nAufnahmekapazitaten der Lander zugestimmt haben. Die Aufnahme wurde danach\nanalog zum Gesetz uber Maßnahmen fur im Rahmen humanitarer Hilfsaktionen\naufgenommene Fluchtlinge (KontingentfluchtlingsG) vom 22.07.1980 durchgefuhrt.\nDie Emigranten erhielten eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis sowie\nzahlreiche Leistungen, unter anderem Hilfe zum Lebensunterhalt. Dabei\nbedeutete das in dem Erlass geregelte Verfahren, dass sich die Einreise der\nbetroffenen Personen nach Deutschland im normalen Sichtvermerksverfahren\nvollzog (Vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 15.09.2004 - 1 L 107/02\n-, FEVS 56, 310) .\n\nMit Erlass des Bundesministeriums des Innern (BMI) wurde dem\nBundesverwaltungsamt mit Wirkung vom 15.02.1991 die quotengerechte Verteilung\nder Antrage auf die Lander ubertragen. Ab dem 01.01.2003 wurde die\nZustandigkeit dem Bundesamt fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge\nubertragen (So OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 15.09.2004, a.a.O.) .\nNunmehr ist das Bundesamt fur Migration und Fluchtlinge dafur zustandig, wobei\nsich durch das Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zum 01.01.2005 auch eine\nÄnderung der Rechtslage ergeben hat. Das KontingentfluchtlingsG ist zu diesem\nZeitpunkt außer Kraft getreten und die Aufnahme von Juden aus der ehemaligen\nSowjetunion erfolgt nunmehr nach § 23 AufenthG.\n\nDer Rechtsstatus judischer Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion ergab\nsich bis zum Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes einzig aus einer an die\nVorschriften des KontingentfluchtlingsG angelehnten stetigen\nVerwaltungspraxis, die zwischen den Landern und mit dem Bund im Wesentlichen\nuber die Innenministerkonferenz abgestimmt und im Erlasswege landesintern\nfestgeschrieben wurde (Vgl. Erlass des Ministeriums des Innern (MdI) zur\nAufnahme von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion, die in entsprechender\nAnwendung des Gesetzes uber Maßnahmen fur im Rahmen humanitarer Hilfsaktionen\naufgenommene Fluchtlinge" (HumHAG) in Deutschland Aufnahme gefunden haben, vom\n21.12.1998 - B 5 5511/9 -; Bayer. VGH, Beschlusse vom 15.05.2002 - 12 CE\n02.659 - und vom 20.12.2004 - 12 CE 04.3232 -, juris;) . Dem durch die\nVerwaltungspraxis vermittelten Rechtsstatus kam eine auslanderrechtliche\nSonderstellung zu, da er sich sowohl von dem der klassischen\nKontingentfluchtlinge als auch von dem anderer Auslander, deren Aufenthalt\nsich nach dem AuslG bestimmte, unterschied (Vgl. VG Osnabruck, Urteil vom\n10.07.2006 - 5 A 53/06 -, juris) . Daher konnen die judischen Emigranten aus\nder ehemaligen Sowjetunion als Gruppe betrachtet nicht als\n"Kontingentfluchtlinge" im eigentlichen Sinne bezeichnet werden. Etwas anderes\ngilt nur dann, wenn im Einzelfall ein Verfolgungs- oder Fluchtlingsschicksal\nnachgewiesen werden kann. Dies ist jedoch bei den Beigeladenen offensichtlich\nnicht gegeben.\n\nEine Änderung der Rechtslage hinsichtlich der sich bereits in der\nBundesrepublik Deutschland aufhaltenden Juden aus der ehemaligen Sowjetunion\nhat sich durch das Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes nicht ergeben. Der\nGesetzgeber hat die bisherige judische Zuwanderer betreffende\nVerwaltungspraxis der Auslanderbehorden mit der Verabschiedung des\nZuwanderungsgesetzes ausdrucklich gebilligt und auf eine gesetzliche Grundlage\ngestellt. So hat er mit § 101 Abs. 1 Satz 2 AufenthG bestimmt, dass eine\nunbefristete Aufenthaltserlaubnis, die nach § 1 Abs. 3 des Gesetzes uber\nMaßnahmen fur im Rahmen humanitarer Hilfsaktionen aufgenommene Fluchtlinge vom\n20. Juli 1980 oder in entsprechender Anwendung des vorgenannten Gesetzes\nerteilt worden ist, und eine anschließend erteilte Aufenthaltsberechtigung als\nNiederlassungserlaubnis nach § 23 Abs. 2 AufenthG fortgelten. In der\nGesetzesbegrundung heißt es hierzu: „Fur judische Emigranten, die in\nentsprechender Anwendung des HumHAG aufgenommen wurden, gilt § 23 Abs. 2,\nwobei es sich ebenfalls um einen humanitaren Aufenthaltszweck handelt. Die\nNennung dieser Personengruppe erfolgt aus Grunden der Klarstellung. Dadurch\nwerden spezielle Überleitungsregelungen, wie sie in den Artikeln 10 und 11\nerforderlich waren, uberflussig" (BT/Drs.15/420, S. 100) .\n\nDie ausdruckliche Billigung der bisher nur auf stetiger Verwaltungsubung\nbasierenden Aufnahme judischer Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion, die\nnach dem Beschluss der Ministerprasidentenkonferenz vom 09.01.1991 in\nentsprechender Anwendung des HumHAG erfolgte, wird auch an anderer Stelle in\nder Gesetzesbegrundung deutlich, in der ausgefuhrt wird: „Das Gesetz uber\nMaßnahmen fur im Rahmen humanitarer Hilfsaktionen aufgenommene Fluchtlinge\n(Kontingentfluchtlingsgesetz) wird aufgehoben. Bereits nach geltender\nRechtslage besteht fur das Gesetz in seiner ursprunglich konzipierten Form\nkein Anwendungsbedarf mehr. Zurzeit erfolgt lediglich die Aufnahme judischer\nEmigranten aus der ehemaligen Sowjetunion in entsprechender Anwendung des\nKontingentfluchtlingsgesetzes. Nunmehr wird fur diesen Personenkreis bei\nbesonders gelagerten politischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland die\nMoglichkeit geschaffen, eine Niederlassungserlaubnis von Anfang an zu erteilen\n(§ 23 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz)" (BT/Drs.15/420, S. 64) .\n\nDie Intention des Gesetzgebers, das Verfahren zur Aufnahme judischer\nEmigranten aus der ehemaligen Sowjetunion anknupfend an den Beschluss der\nMinisterprasidentenkonferenz vom 09.01.1991 in Bonn fur die Zukunft auf eine\ngesetzliche Grundlage zu stellen, wird zudem darin augenfallig, dass in der\nBegrundung zu § 23 AufenthG ausgefuhrt wird: „Die Aufnahme judischer\nEmigranten aus der ehemaligen Sowjetunion seit 1991 (insgesamt bisher uber\n170.000 Personen) erfolgt bislang lediglich in entsprechender Anwendung des\nKontingentfluchtlingsgesetzes (Ergebnis der Besprechung des Bundeskanzlers mit\nden Regierungschefs der Lander vom 9. Januar 1991). Die neue Vorschrift\nschafft fur derartige Falle nunmehr eine sichere Rechtsgrundlage. Das Ergebnis\nder Besprechung vom 9. Januar 1991 dokumentiert den ubereinstimmenden Willen\nzur Aufnahme dieses Personenkreises, es bedarf deshalb auch nach Inkrafttreten\ndes Aufenthaltsgesetzes keiner erneuten Anordnung. Die in § 1 Abs. 1\nKontingentfluchtlingsgesetz vorgesehene Gewahrung der Rechtsstellung nach den\nArt. 2 - 34 des Abkommens uber die Rechtsstellung der Fluchtlinge vom 28. Juli\n1951 (Genfer Fluchtlingskonvention) ist im Hinblick auf die Gewahrung einer\nNiederlassungserlaubnis nicht erforderlich. Daruber hinaus ist eine Reihe der\nsich aus der Anwendung der Genfer Fluchtlingskonvention ergebenden\nRechtsfolgen (z.B. Erloschen der Rechtsstellung, wenn die Person sich\nfreiwillig oder durch Annahme oder Erneuerung eines Nationalpasses erneut in\nden Schutz des Staates, dessen Staatsangehorigkeit besitzt, begibt, § 2 a Abs.\n1 Nr. 1 Kontingentfluchtlingsgesetz) der Stellung aufgenommener judischer\nEmigranten nicht angemessen" (BT-Drs. 15/420, S. 78) . Nach dem Willen des\nGesetzgebers sollte somit die kunftige Aufnahme judischer Emigranten aus der\nehemaligen Sowjetunion mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes allein auf\nGrundlage der Bestimmungen des AufenthG und der hierzu ergangenen AufenthV\nerfolgen. Insbesondere hat der Gesetzgeber bekraftigt, unter Abkehr von der\nbisherigen Verwaltungspraxis den judischen Zuwanderern nicht mehr eine den\nfruheren Kontingentfluchtlingen gleichgelagerte Rechtsstellung einzuraumen.\n\nIndes folgt daraus nicht, dass auch die bereits seit Jahren in der\nBundesrepublik Deutschland lebenden judischen Emigranten aus der ehemaligen\nSowjetunion kunftig strikt nach den neuen aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen\nzu behandeln sind. Vielmehr hat der Gesetzgeber durch die generalklauselartige\nFormulierung des § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zum Ausdruck gebracht, dass auch\nder bisherige besondere auslanderrechtliche Status der judischen Zuwanderer\nunangetastet bleiben soll. Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bleiben die vor\ndem 1. Januar 2005 getroffenen sonstigen auslanderrechtlichen Maßnahmen,\ninsbesondere zeitliche und raumliche Beschrankungen, Bedingungen und Auflagen,\nVerbote und Beschrankungen der politischen Betatigung sowie Ausweisungen,\nAbschiebungsandrohungen, Aussetzungen der Abschiebung und Abschiebungen\neinschließlich ihrer Rechtsfolgen und der Befristung ihrer Wirkungen sowie\nbegunstigende Maßnahmen, die Anerkennung von Passen und Passersatzpapieren und\nBefreiungen von der Passpflicht, Entscheidungen uber Kosten und Gebuhren,\nwirksam. Bereits der Wortlaut des § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG\n(„insbesondere") verdeutlicht, dass der Gesetzgeber diese Norm als\nAuffangvorschrift verstanden wissen wollte, um weitere spezielle\nÜberleitungsregelungen, wie sie fur Aufenthaltstitel mit § 101 AufenthG\ngetroffen wurden, entbehrlich zu machen. Dies wird auch dadurch verdeutlicht,\ndass die „klassischen" Kontingentfluchtlinge ihre bislang unmittelbar aus dem\nHumHAG erwachsende besondere Rechtsstellung nicht durch das Außerkrafttreten\ndes HumHAG verloren haben, da andernfalls die Überleitungsvorschrift des § 103\nAufenthG entbehrlich gewesen ware. Nach § 103 Satz 1 finden die §§ 2 a und 2 b\ndes Gesetzes uber Maßnahmen fur im Rahmen humanitarer Hilfsaktionen\naufgenommene Fluchtlinge in der bis zum 1. Januar 2005 geltenden Fassung fur\nPersonen, die vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes gemaß § 1 des Gesetzes\nuber Maßnahmen fur im Rahmen humanitarer Hilfsaktionen aufgenommene\nFluchtlinge vom 22. Juni 1980 (BGBl. I S. 1057) die Rechtsstellung nach den\nArtikeln 2 bis 34 des Abkommens uber die Rechtsstellung der Fluchtlinge\ngenießen, weiter Anwendung. Da die §§ 2 a und 2 b des HumHAG fur judische\nEmigranten aus der ehemaligen Sowjetunion keine Anwendung fanden (Vgl. OVG\nBerlin, Beschluss vom 15.11.2002 - 8 SN 258.00 -, EZAR 018 Nr. 2; VG Augsburg,\nUrteil vom 11.07.2000 - Au 3 K 99.30656 -, NVwZ 2000, 1449) , sondern deren\nbesondere Rechtsstellung nur nach den allgemeinen\nverwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften erloschen bzw. ruckabgewickelt\nwerden konnte (Vgl. dazu Hochreuter, NVwZ 2000, 1376; VG Osnabruck, Urteil vom\n10.07.2006, a.a.O.) , war eine Ausdehnung dieser Überleitungsvorschrift auf\njudische Zuwanderer - im Gegensatz zur Überleitung des unbefristeten\nAufenthaltstitels durch § 101 Abs. 1 Satz 2 AufenthG - nicht erforderlich.\nHinsichtlich der Frage der Rechtmaßigkeit einer im Rahmen des geregelten\nVerfahrens erteilten Aufenthaltserlaubnis ist daher allein auf die vor dem\nInkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes geltende Rechtslage abzustellen.\n\nIm Rahmen der Rucknahme der unbefristeten Aufenthaltserlaubnisse ist zu\nberucksichtigen, dass Fehler bei der Aufnahme der judischen Emigranten im\ngeregelten Verfahren auf die unbefristete Aufenthaltserlaubnis durchschlagen.\nDenn die Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis durch die\nAuslanderbehorde erfolgte in der behordlichen Annahme, dass sich die\nBetroffenen entsprechend der Vorgaben des geregelten Verfahrens in der\nBundesrepublik Deutschland aufhielten (Vgl. BVerwG, Urteil vom 05.09.2006 - 1\nC 20.05 -, NVwZ 2007, 470 = DÖV 2007, 255 .) .\n\nLetztlich dahin gestellt bleiben kann im vorliegenden Fall, ob die\nVerwaltungshandhabung im Rahmen des geregelten Verfahrens den\nRechtsvorschriften des Auslandergesetzes und des Kontingentfluchtlingsgesetzes\nwidersprach und deshalb die erteilten Aufenthaltserlaubnisse generell\nrechtswidrig sind. Denn auf jeden Fall besteht auf Grund des Willkurverbotes\ndes Art. 3 GG eine Selbstbindung der Verwaltung dahin gehend, dass eine\nRucknahme nach § 48 SVwVfG nur zulassig ist, wenn die Voraussetzungen fur die\nAufnahme des betreffenden Auslanders im geregelten Verfahren gemaß des\nErlasses vom 25.03.1997 nicht vorlagen. Im Fall der Beigeladenen, insbesondere\ndes Beigeladenen zu 1., kann jedoch nicht festgestellt werden, dass diese zu\nUnrecht im Rahmen des geregelten Verfahrens Aufnahme in der Bundesrepublik\nDeutschland gefunden haben.\n\nDie Voraussetzungen fur eine Aufnahme der Beigeladenen zu 1. bis 3. in der\nBundesrepublik Deutschland im Rahmen des geregelten Verfahrens lagen entgegen\nder Annahme der Auslanderbehorde der Beklagten und der deutschen Botschaft in\nKiew vor. Entscheidend ist dabei auf den Beigeladenen zu 1. abzustellen, da\nallein dessen judische Religionszugehorigkeit die Moglichkeit der Aufnahme in\nder Bundesrepublik Deutschland im geregelten Verfahren eroffnet hat. Ein\nAusschluss eines Anspruchs auf Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland kam\nim vorliegenden Fall allein nach Ziff. II 2. des Erlasses vom 25.03.1997 in\nFrage. Danach war Voraussetzung fur eine Aufnahme, dass die Antragsteller\nnicht bereits in einen Drittstatt ubergesiedelt waren. Eine Aufnahme war aber\nauch ausgeschlossen, wenn sie den Drittstaat wieder verlassen und sich erneut\nin einem Nachfolgestaat der ehemaligen UdSSR wieder angesiedelt hatten. Dies\ntrifft aber auf den Beigeladenen zu 1. nicht zu, da er sich vor seiner\nEinreise in die Bundesrepublik Deutschland nicht bereits in einem anderen\nStaat außerhalb der Ukraine angesiedelt hatte. Zwar ist es unstreitig, dass\nder Beigeladene zu 1. im Dezember 1989 in Israel eingereist und ihm auch eine\nisraelische ID-Karte erteilt worden ist. Dies ergibt sich aus der von der\ndeutschen Botschaft in Tel Aviv beim fur die russische Einwanderung\nzustandigen Referat im Prime Minister\'s Office eingeholten Auskunft (Vgl.\nMitteilung der deutschen Botschaft in Tel Aviv an die deutsche Botschaft in\nKiew mit E-Mail vom 29.08.2002) . Die Umstande des Aufenthaltes des\nBeigeladenen zu 1. in Israel erfullen nach Ansicht des Senats aber nicht die\nAusschlussvoraussetzungen der Ziff. II 2. des Erlasses vom 25.03.1997.\n\nBei der Auslegung des Erlasses vom 25.03.1997 ist zu berucksichtigen, dass\ndieser keine Rechtsnorm ist, sondern eine Verwaltungsvorschrift, durch die\nsich die Verwaltung selbst bindet, um eine gleichmaßige Ermessensausubung\ngegenuber den Betroffenen sicherzustellen. Fur ihre Auslegung als\nWillenserklarung kommt es nach der auch im offentlichen Recht geltenden Regel\ndes § 133 BGB auf den wirklichen Willen des Erklarenden an. Sie entfaltet\nAußenwirkung fur den einzelnen Betroffenen nur mittelbar uber dessen durch\nArt. 3 Abs. 1 GG geschutztes Recht, entsprechend der in der "antizipierten\nVerwaltungspraxis" zum Ausdruck kommenden Ermessensbindung der Verwaltung\ngleichmaßig behandelt zu werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist daher die\nVerwaltungsvorschrift gemaß der vom Urheber gebilligten oder doch geduldeten\ntatsachlichen Verwaltungspraxis auszulegen (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom\n24.03.1977 - II C 14.75 - BVerwGE 52, 193 <199>; vom 30.04.1981 - 2 C 26.78 -\nBuchholz 232 § 8 Nr. 20 = ZBR 1982, 174, vom 07.05.1981 - 2 C 5.79 - Buchholz\n232 § 25 Nr. 1 = DVBl 1982, 195 und vom 02.03.1995 - 2 C 17.94 -, Buchholz 240\n§ 17 BBesG Nr. 7 = DÖD 1995, 137 = ZBR 1995, 238) . Weicht die Behorde von\neiner einheitlichen Handhabung der Anordnung ab, so erwachst dem Auslander aus\nArt. 3 Abs. 1 GG ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Gleichbehandlung\nnach Maßgabe der tatsachlichen Anwendung der Anordnung. Die Gerichte haben\ndabei nachzuprufen, ob der Gleichheitssatz bei der Anwendung innerhalb des\nGeltungsbereichs der Anordnung gewahrt worden ist (BVerwG Urteil vom\n19.09.2000 - 1 C 19.99 -, BVerwGE 112, 63 = DVBl 2001, 214 = NVwZ 2001,\n210-211 = Buchholz 402.240 § 32 AuslG Nr. 4 = InfAuslR 2001, 70 = EzAR 015 Nr\n22) .\n\nIm hier zu entscheidenden Verfahren ergibt sich aus den vorliegenden\nUnterlagen, dass seitens der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere von den\nvor Ort tatigen Auslandsvertretungen, judischen Emigranten aus der ehemaligen\nSowjetunion eine Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland verweigert wurde,\nwenn sie vorher bereits einmal in einen anderen Staat ubersiedelt waren -\nunabhangig davon, ob sie sich noch dort aufhielten oder zwischenzeitlich auf\ndas Gebiet der ehemaligen Sowjetunion zuruckgekehrt waren. Voraussetzung fur\neine willkurfreie Anwendung dieser Voraussetzung ist jedoch, dass tatsachlich\neine Übersiedlung in einen Drittstaat stattgefunden hat. Begrifflich setzt\neine Übersiedlung dabei voraus, dass die betreffende Person aus freiem Willen\nden Aufenthalt in ihrem Heimatland aufgibt, um sich dauerhaft in einem anderen\nStaat aufzuhalten. Im Fall des Beigeladenen zu 1. kann jedoch nicht\nfestgestellt werden, dass diese Voraussetzungen hinsichtlich seines\nAufenthaltes in Israel vorgelegen haben. Dabei ist zu berucksichtigen, dass\nder Beigeladene zu 1. wahrend seines Aufenthalts in Israel noch minderjahrig\nwar und er nach dem Ergebnis der vom Senat durchgefuhrten Beweisaufnahme nach\nnur maximal drei Monaten in die Ukraine zuruckgekehrt ist.\n\nIm Rahmen der Zeugeneinvernahme des Bruders des Beigeladenen zu 1. hat sich\naus dessen glaubhaften Aussagen ergeben, dass der Aufenthalt des Beigeladenen\nzu 1. in Israel nur ca. zwei bis drei Monate gedauert hat. Die Ausreise nach\nIsrael erfolgte allein mit dem Vater, wahrend die ubrige Familie in der\nUkraine zuruckgeblieben war. Bereits dieser Umstand spricht dagegen, dass\nschon bei der Ausreise aus der Ukraine ein dauerhafter Aufenthalt in Israel\ngewollt war. Aber selbst wenn der Vater des Beigeladenen zu 1. zu diesem\nZeitpunkt einen dauernden Aufenthalt in Israel beabsichtigt hatte, worauf der\nvom Zeugen genannte Umstand schließen lasst, dass der Vater seinen\nArbeitsplatz gekundigt hatte, so fuhrt dies noch nicht zwangslaufig dazu, dass\nauch von einer Übersiedlung des Beigeladenen zu 1. ausgegangen werden kann.\nDenn dieser war zu diesem Zeitpunkt noch minderjahrig und insofern noch nicht\nfrei in seinen Entscheidungen. Auch aus der Inhaberschaft einer israelischen\nID-Karte kann nicht geschlossen werden, dass der Beigeladene zu 1. sich\nstandig in Israel aufhalten wollte oder gar die israelische\nStaatsangehorigkeit erworben hatte. So ergibt der vom Vertreter der Beklagten\nvorgelegte E-Mail-Verkehr mit der deutschen Botschaft in Tel Aviv, dass der\nBesitz einer israelischen ID-Karte nicht den Erwerb einer israelischen\nStaatsangehorigkeit impliziert, sondern dass auch Auslander fur eine Vielzahl\nvon anderen Fallkonstellationen eine solche ID-Karte erhalten. So ist es im\nvorliegenden Fall durchaus wahrscheinlich, dass der Vater des Beigeladenen zu\n1. fur sich und seinen minderjahrigen Sohn solche ID-Karten ausstellen ließ,\nohne dass daraus hinsichtlich des Beigeladenen zu 1. etwas fur die Frage einer\nÜbersiedlung geschlossen werden konnte. Daher ist davon auszugehen, dass der\nBeigeladene zu 1. lediglich mit seinem Vater nach Israel ausgereist ist, ohne\ndass auf seiner Seite selbstbestimmt der Entschluss getroffen worden war, sich\ndort dauerhaft niederzulassen. Hierfur spricht auch, dass der Beigeladene zu\n1. nach seiner Ruckkehr aus Israel seine Ausbildung fortgesetzt hat und es\nkeine weiteren Nachweise uber seinen Aufenthalt in Israel gibt. Der Aufenthalt\ndes Beigeladenen zu 1. als Minderjahriger fur wenige Monate in Israel erfullt\ndeshalb nicht den Begriff der Übersiedlung, wie ihn der Erlass vom 25.03.1997\nbenutzt, und deshalb war auch die Verneinung der Frage nach einer Ausreise zur\n„standigen Wohnsitznahme" in einem anderen Staat tatbestandlich nicht falsch.\nDies gilt unabhangig davon, ob der Einwand der Prozessbevollmachtigten der\nBeigeladenen zutrifft, dass die deutsche Übersetzung der Erklarung den von den\nBeigeladenen zu 1. und 2. unterschriebenen Text in russischer Sprache nicht\nzutreffend wiedergebe. Dies fuhrt dazu, dass die Voraussetzungen fur die\nAufnahme des Beigeladenen zu 1. und damit auch der Beigeladenen zu 2. und 3.\nim geregelten Verfahren vorgelegen haben. Daher wurden die unbefristeten\nAufenthaltserlaubnisse den Beigeladenen zu 1. bis 3. unter Berucksichtigung\ndes Erlasses vom 25.03.1997 und der Beigeladenen zu 4. auf Grund der\nallgemeinen auslanderrechtlichen Vorschriften durch die Beklagte zu Recht\nerteilt und unter Berucksichtigung des Willkurverbotes aus Art. 3 GG lagen die\nVoraussetzungen fur eine Rucknahme nach § 48 SVwVfG nicht vor.\n\nDie Frage, ob die gegen die Beigeladenen zu 2. bis 4. gerichteten\nRucknahmebescheide bereits deshalb rechtswidrig sind, weil sie\nermessensfehlerhaft sind, kann vorliegend offen bleiben, da dies im Hinblick\nauf die darlegten Grunde fur die Rechtswidrigkeit der Rucknahmebescheide nicht\nmehr entscheidungserheblich ist. Deshalb ist es unerheblich, ob der Umstand,\ndass die Auslanderbehorde der Beklagten falschlicherweise davon ausgegangen\nist, dass die Beigeladene zu 2. sich ebenfalls in Israel aufgehalten habe,\ndazu fuhrt, dass die gegen die Beigeladenen zu 2. bis 4. gerichteten Bescheide\nvom 15.07.2003 ermessensfehlerhaft sind, weil die Behorde bei deren Erlass von\neiner falschen Tatsachengrundlage ausgegangen ist. Ebenso kann offen bleiben,\nob die weiteren von der Beklagten angestellten Ermessenserwagungen\ninsbesondere zur Frage der Integration der Beigeladenen zutreffend waren und\nob das zu Unrecht angenommene Fehlverhalten des Beigeladenen zu 1. den\nBeigeladenen zu 2. bis 4. zugerechnet werden durfte.\n\nDie Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen sind demnach begrundet und\ndas Urteil des Verwaltungsgerichts unter Abweisung der Klage aufzuheben.\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, wobei die Beigeladenen,\ndie einen Antrag gestellt haben, in den Kostenausspruch einzubeziehen waren\n(§§ 162 Abs. 3 i.V.m. 154 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung uber die vorlaufige\nVollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.\n\nDie Voraussetzungen fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132\nAbs. 2 VwGO).\n\n**Beschluss**\n\nDer Streitwert wird fur das Berufungsverfahren auf 20.000,- Euro festgesetzt.\n\n**Gr unde**\n\nAusgangspunkt fur die Berechnung des Streitwerts ist die sich fur den Klager\naus seinem Antrag ergebende Bedeutung der Sache (§ 52 Abs. 1 GKG). Dabei ist\ndavon auszugehen, dass im Regelfall bei unverandertem Streitgegenstand der\nStreitwert des ersten Rechtszuges mit dem des Rechtsmittelzuges identisch ist,\noder - anders ausgedruckt -, dass sich der Wert des fur die\nStreitwertfestsetzung maßgeblichen Antrags des Rechtsmittelklagers\ngrundsatzlich nach dem von der Bedeutung fur den Klager abhangigen Streitwert\nder ersten Instanz richtet (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.10.1988 - 4 C 58.84 -\nBuchholz 406.401 § 1 BNatSchG Nr. 3 und Beschlusse vom 09.11.1988 - 4 B 185.88\n- Buchholz 360 § 14 GKG Nr. 3 und vom 01.08.2001 - 3 C 19.00 -, Buchholz 360 §\n14 GKG Nr. 6) .\n\nIm Hinblick darauf, dass die Aufsichtsklage das immaterielle Interesse der\nRechtmaßigkeit der Verwaltung verfolgt und eine sonst mogliche Weisung\nersetzt, die sich als Instrument staatlicher Organisation nicht in einem\nGeldwert quantifizieren lasst, ist der Auffangwert in Anwendung der §§ 63 Abs.\n2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG der Streitwertfestsetzung zugrunde zu legen\n(vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 24.11.2000 - 3 R 229/00 -) . Da dem\nvorliegenden Verfahren die Aufhebung von vier Rucknahmebescheiden durch den\nangefochtenen Widerspruchsbescheid der Beklagten zugrunde liegt, ist der\nStreitwert auf 20.000,-- (4 x 5.000,--) Euro festzusetzen.\n\nDer Umstand, dass sowohl die Beklagte - hinsichtlich des Beigeladenen zu 1. -\nals auch die Beigeladenen Berufungsklager sind, fuhrt nicht zu einer Erhohung\ndes Streitwertes uber 20.000,-- Euro hinaus. Denn nach § 47 Abs. 2 GKG ist der\nStreitwert im Berufungsverfahren durch den Wert des Streitgegenstandes des\nersten Rechtszuges begrenzt, wenn nicht der Streitgegenstand erweitert wird.\nDa sich jedoch im vorliegenden Fall durch die Berufung von Beklagter und\nBeigeladenen der Streitgegenstand, namlich die Aufsichtsklage des Klagers\ngegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten nicht verandert hat, war trotz\nzweier Berufungen der Streitwert unverandert auf 20.000,-- Euro festzusetzen.\n\nDieser Beschluss ist nicht anfechtbar.\n\n## Gründe\n\nDie Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen sind zulassig. Sie wurden\ninsbesondere innerhalb der Frist des § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO in einer den\nAnforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO genugenden Weise begrundet.\n\nDie zulassigen Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen haben auch in der\nSache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat auf die gemaß § 17 Abs. 1 AGVwGO\nerhobene Aufsichtsklage des Klagers zu Unrecht den Widerspruchsbescheid der\nBeklagten vom 30.11.2004 aufgehoben, denn dieser ist zumindest im Ergebnis\nrechtmaßig.\n\nGegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Frage der Rechtmaßigkeit des\nWiderspruchsbescheides unter Berucksichtigung der vom Klager gerugten Mangel.\nDer Klager macht geltend, dass der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom\n30.11.2004 rechtswidrig sei, weil die Voraussetzungen fur eine Rucknahme der\nden Beigeladenen erteilten Aufenthaltserlaubnisse nach § 48 SVwVfG vorgelegen\nhatten. Nach dem Ergebnis der mundlichen Verhandlung ist der Senat zur\nÜberzeugung gelangt, dass dies nicht der Fall ist. Der angegriffene\nWiderspruchsbescheid der Beklagten ist im Ergebnis rechtmaßig, weil die\nVoraussetzungen fur die Rucknahme der den Beigeladenen erteilten unbefristeten\nAufenthaltserlaubnisse nach § 48 Abs. 1 und 3 SVwVfG nicht vorlagen.\n\nDabei kann dahin gestellt bleiben, ob die Bescheide vom 15.07.2003 auch\ndeshalb rechtswidrig sind, weil nicht zuvor eine eventuelle Rechtsstellung der\nBeigeladenen zu 1. bis 3. als Kontingentfluchtlinge aufgehoben worden ist.\nDenn die Rucknahme der den Beigeladenen erteilten Aufenthaltserlaubnisse war\njedenfalls rechtswidrig, weil die Beigeladenen zu 1. bis 3. zu Recht als\njudische Emigranten bzw. deren Familienangehorige Aufnahme in der\nBundesrepublik Deutschland gefunden haben.\n\nDer Beigeladene zu 1. wurde als judischer Emigrant in der Bundesrepublik\nDeutschland aufgenommen. Die Aufnahme der Beigeladenen zu 2. und 3. erfolgte\nauf Grund der Familienzugehorigkeit. Die Beigeladene zu 4. wurde zu keinem\nZeitpunkt in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen, da sie erst nach der\nEinreise der Beigeladenen zu 1. bis 3. in der Bundesrepublik Deutschland\ngeboren worden ist.\n\nVorliegend ist im Fall der Beigeladenen ungeachtet bereits des Umstandes, dass\ndie Rucknahme der ihnen erteilten Aufenthaltserlaubnisse mit den Bescheiden\nvom 15.07.2003 erfolgte und damit schon vor dem Inkrafttreten des\nZuwanderungsgesetzes, auf jeden Fall auf die Rechtslage vor dem 01.01.2005\nabzustellen.\n\nDie Aufnahme judischer Emigranten aus der fruheren Sowjetunion beruhte auf\neinem Beschluss der Regierungschefs des Bundes und der Lander\n(Ministerprasidentenkonferenz) vom 09.01.1991 in Bonn. Dabei wurde unter TOP\n1.3 beschlossen, dass die Einreise von judischen Emigranten aufgrund von\nEinzelfallentscheidungen in entsprechender Anwendung des "Gesetzes uber\nMaßnahmen fur im Rahmen humanitarer Hilfsaktionen aufgenommene Fluchtlinge"\n(KontingentfluchtlingsG - HumHAG - Abkurzung nach juris: HumHiG) zu\nermoglichen ist. In der Vollziehung dieses Beschlusses erließ das Auswartige\nAmt den Teilrunderlass vom 25. Marz 1997 - Az. 514-516.20/7 - betreffend die\nZuwanderung von Juden aus der ehemaligen UdSSR, in dem die Regelungen fur ein\ngeordnetes Aufnahmeverfahren (nachfolgend: geregeltes Verfahren) dargelegt\nwaren. Zu den Grundlagen heißt es in dem Erlass, dass Bund und Lander nach\neiner Vereinbarung zwischen dem Zentralrat der Juden und dem Bundeskanzler im\nJanuar 1991 der Einreise judischer Emigranten aus der fruheren Sowjetunion\nohne zahlenmaßige und zeitliche Begrenzung, aber entsprechend den\nAufnahmekapazitaten der Lander zugestimmt haben. Die Aufnahme wurde danach\nanalog zum Gesetz uber Maßnahmen fur im Rahmen humanitarer Hilfsaktionen\naufgenommene Fluchtlinge (KontingentfluchtlingsG) vom 22.07.1980 durchgefuhrt.\nDie Emigranten erhielten eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis sowie\nzahlreiche Leistungen, unter anderem Hilfe zum Lebensunterhalt. Dabei\nbedeutete das in dem Erlass geregelte Verfahren, dass sich die Einreise der\nbetroffenen Personen nach Deutschland im normalen Sichtvermerksverfahren\nvollzog (Vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 15.09.2004 - 1 L 107/02\n-, FEVS 56, 310) .\n\nMit Erlass des Bundesministeriums des Innern (BMI) wurde dem\nBundesverwaltungsamt mit Wirkung vom 15.02.1991 die quotengerechte Verteilung\nder Antrage auf die Lander ubertragen. Ab dem 01.01.2003 wurde die\nZustandigkeit dem Bundesamt fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge\nubertragen (So OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 15.09.2004, a.a.O.) .\nNunmehr ist das Bundesamt fur Migration und Fluchtlinge dafur zustandig, wobei\nsich durch das Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zum 01.01.2005 auch eine\nÄnderung der Rechtslage ergeben hat. Das KontingentfluchtlingsG ist zu diesem\nZeitpunkt außer Kraft getreten und die Aufnahme von Juden aus der ehemaligen\nSowjetunion erfolgt nunmehr nach § 23 AufenthG.\n\nDer Rechtsstatus judischer Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion ergab\nsich bis zum Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes einzig aus einer an die\nVorschriften des KontingentfluchtlingsG angelehnten stetigen\nVerwaltungspraxis, die zwischen den Landern und mit dem Bund im Wesentlichen\nuber die Innenministerkonferenz abgestimmt und im Erlasswege landesintern\nfestgeschrieben wurde (Vgl. Erlass des Ministeriums des Innern (MdI) zur\nAufnahme von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion, die in entsprechender\nAnwendung des Gesetzes uber Maßnahmen fur im Rahmen humanitarer Hilfsaktionen\naufgenommene Fluchtlinge" (HumHAG) in Deutschland Aufnahme gefunden haben, vom\n21.12.1998 - B 5 5511/9 -; Bayer. VGH, Beschlusse vom 15.05.2002 - 12 CE\n02.659 - und vom 20.12.2004 - 12 CE 04.3232 -, juris;) . Dem durch die\nVerwaltungspraxis vermittelten Rechtsstatus kam eine auslanderrechtliche\nSonderstellung zu, da er sich sowohl von dem der klassischen\nKontingentfluchtlinge als auch von dem anderer Auslander, deren Aufenthalt\nsich nach dem AuslG bestimmte, unterschied (Vgl. VG Osnabruck, Urteil vom\n10.07.2006 - 5 A 53/06 -, juris) . Daher konnen die judischen Emigranten aus\nder ehemaligen Sowjetunion als Gruppe betrachtet nicht als\n"Kontingentfluchtlinge" im eigentlichen Sinne bezeichnet werden. Etwas anderes\ngilt nur dann, wenn im Einzelfall ein Verfolgungs- oder Fluchtlingsschicksal\nnachgewiesen werden kann. Dies ist jedoch bei den Beigeladenen offensichtlich\nnicht gegeben.\n\nEine Änderung der Rechtslage hinsichtlich der sich bereits in der\nBundesrepublik Deutschland aufhaltenden Juden aus der ehemaligen Sowjetunion\nhat sich durch das Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes nicht ergeben. Der\nGesetzgeber hat die bisherige judische Zuwanderer betreffende\nVerwaltungspraxis der Auslanderbehorden mit der Verabschiedung des\nZuwanderungsgesetzes ausdrucklich gebilligt und auf eine gesetzliche Grundlage\ngestellt. So hat er mit § 101 Abs. 1 Satz 2 AufenthG bestimmt, dass eine\nunbefristete Aufenthaltserlaubnis, die nach § 1 Abs. 3 des Gesetzes uber\nMaßnahmen fur im Rahmen humanitarer Hilfsaktionen aufgenommene Fluchtlinge vom\n20. Juli 1980 oder in entsprechender Anwendung des vorgenannten Gesetzes\nerteilt worden ist, und eine anschließend erteilte Aufenthaltsberechtigung als\nNiederlassungserlaubnis nach § 23 Abs. 2 AufenthG fortgelten. In der\nGesetzesbegrundung heißt es hierzu: „Fur judische Emigranten, die in\nentsprechender Anwendung des HumHAG aufgenommen wurden, gilt § 23 Abs. 2,\nwobei es sich ebenfalls um einen humanitaren Aufenthaltszweck handelt. Die\nNennung dieser Personengruppe erfolgt aus Grunden der Klarstellung. Dadurch\nwerden spezielle Überleitungsregelungen, wie sie in den Artikeln 10 und 11\nerforderlich waren, uberflussig" (BT/Drs.15/420, S. 100) .\n\nDie ausdruckliche Billigung der bisher nur auf stetiger Verwaltungsubung\nbasierenden Aufnahme judischer Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion, die\nnach dem Beschluss der Ministerprasidentenkonferenz vom 09.01.1991 in\nentsprechender Anwendung des HumHAG erfolgte, wird auch an anderer Stelle in\nder Gesetzesbegrundung deutlich, in der ausgefuhrt wird: „Das Gesetz uber\nMaßnahmen fur im Rahmen humanitarer Hilfsaktionen aufgenommene Fluchtlinge\n(Kontingentfluchtlingsgesetz) wird aufgehoben. Bereits nach geltender\nRechtslage besteht fur das Gesetz in seiner ursprunglich konzipierten Form\nkein Anwendungsbedarf mehr. Zurzeit erfolgt lediglich die Aufnahme judischer\nEmigranten aus der ehemaligen Sowjetunion in entsprechender Anwendung des\nKontingentfluchtlingsgesetzes. Nunmehr wird fur diesen Personenkreis bei\nbesonders gelagerten politischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland die\nMoglichkeit geschaffen, eine Niederlassungserlaubnis von Anfang an zu erteilen\n(§ 23 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz)" (BT/Drs.15/420, S. 64) .\n\nDie Intention des Gesetzgebers, das Verfahren zur Aufnahme judischer\nEmigranten aus der ehemaligen Sowjetunion anknupfend an den Beschluss der\nMinisterprasidentenkonferenz vom 09.01.1991 in Bonn fur die Zukunft auf eine\ngesetzliche Grundlage zu stellen, wird zudem darin augenfallig, dass in der\nBegrundung zu § 23 AufenthG ausgefuhrt wird: „Die Aufnahme judischer\nEmigranten aus der ehemaligen Sowjetunion seit 1991 (insgesamt bisher uber\n170.000 Personen) erfolgt bislang lediglich in entsprechender Anwendung des\nKontingentfluchtlingsgesetzes (Ergebnis der Besprechung des Bundeskanzlers mit\nden Regierungschefs der Lander vom 9. Januar 1991). Die neue Vorschrift\nschafft fur derartige Falle nunmehr eine sichere Rechtsgrundlage. Das Ergebnis\nder Besprechung vom 9. Januar 1991 dokumentiert den ubereinstimmenden Willen\nzur Aufnahme dieses Personenkreises, es bedarf deshalb auch nach Inkrafttreten\ndes Aufenthaltsgesetzes keiner erneuten Anordnung. Die in § 1 Abs. 1\nKontingentfluchtlingsgesetz vorgesehene Gewahrung der Rechtsstellung nach den\nArt. 2 - 34 des Abkommens uber die Rechtsstellung der Fluchtlinge vom 28. Juli\n1951 (Genfer Fluchtlingskonvention) ist im Hinblick auf die Gewahrung einer\nNiederlassungserlaubnis nicht erforderlich. Daruber hinaus ist eine Reihe der\nsich aus der Anwendung der Genfer Fluchtlingskonvention ergebenden\nRechtsfolgen (z.B. Erloschen der Rechtsstellung, wenn die Person sich\nfreiwillig oder durch Annahme oder Erneuerung eines Nationalpasses erneut in\nden Schutz des Staates, dessen Staatsangehorigkeit besitzt, begibt, § 2 a Abs.\n1 Nr. 1 Kontingentfluchtlingsgesetz) der Stellung aufgenommener judischer\nEmigranten nicht angemessen" (BT-Drs. 15/420, S. 78) . Nach dem Willen des\nGesetzgebers sollte somit die kunftige Aufnahme judischer Emigranten aus der\nehemaligen Sowjetunion mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes allein auf\nGrundlage der Bestimmungen des AufenthG und der hierzu ergangenen AufenthV\nerfolgen. Insbesondere hat der Gesetzgeber bekraftigt, unter Abkehr von der\nbisherigen Verwaltungspraxis den judischen Zuwanderern nicht mehr eine den\nfruheren Kontingentfluchtlingen gleichgelagerte Rechtsstellung einzuraumen.\n\nIndes folgt daraus nicht, dass auch die bereits seit Jahren in der\nBundesrepublik Deutschland lebenden judischen Emigranten aus der ehemaligen\nSowjetunion kunftig strikt nach den neuen aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen\nzu behandeln sind. Vielmehr hat der Gesetzgeber durch die generalklauselartige\nFormulierung des § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zum Ausdruck gebracht, dass auch\nder bisherige besondere auslanderrechtliche Status der judischen Zuwanderer\nunangetastet bleiben soll. Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bleiben die vor\ndem 1. Januar 2005 getroffenen sonstigen auslanderrechtlichen Maßnahmen,\ninsbesondere zeitliche und raumliche Beschrankungen, Bedingungen und Auflagen,\nVerbote und Beschrankungen der politischen Betatigung sowie Ausweisungen,\nAbschiebungsandrohungen, Aussetzungen der Abschiebung und Abschiebungen\neinschließlich ihrer Rechtsfolgen und der Befristung ihrer Wirkungen sowie\nbegunstigende Maßnahmen, die Anerkennung von Passen und Passersatzpapieren und\nBefreiungen von der Passpflicht, Entscheidungen uber Kosten und Gebuhren,\nwirksam. Bereits der Wortlaut des § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG\n(„insbesondere") verdeutlicht, dass der Gesetzgeber diese Norm als\nAuffangvorschrift verstanden wissen wollte, um weitere spezielle\nÜberleitungsregelungen, wie sie fur Aufenthaltstitel mit § 101 AufenthG\ngetroffen wurden, entbehrlich zu machen. Dies wird auch dadurch verdeutlicht,\ndass die „klassischen" Kontingentfluchtlinge ihre bislang unmittelbar aus dem\nHumHAG erwachsende besondere Rechtsstellung nicht durch das Außerkrafttreten\ndes HumHAG verloren haben, da andernfalls die Überleitungsvorschrift des § 103\nAufenthG entbehrlich gewesen ware. Nach § 103 Satz 1 finden die §§ 2 a und 2 b\ndes Gesetzes uber Maßnahmen fur im Rahmen humanitarer Hilfsaktionen\naufgenommene Fluchtlinge in der bis zum 1. Januar 2005 geltenden Fassung fur\nPersonen, die vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes gemaß § 1 des Gesetzes\nuber Maßnahmen fur im Rahmen humanitarer Hilfsaktionen aufgenommene\nFluchtlinge vom 22. Juni 1980 (BGBl. I S. 1057) die Rechtsstellung nach den\nArtikeln 2 bis 34 des Abkommens uber die Rechtsstellung der Fluchtlinge\ngenießen, weiter Anwendung. Da die §§ 2 a und 2 b des HumHAG fur judische\nEmigranten aus der ehemaligen Sowjetunion keine Anwendung fanden (Vgl. OVG\nBerlin, Beschluss vom 15.11.2002 - 8 SN 258.00 -, EZAR 018 Nr. 2; VG Augsburg,\nUrteil vom 11.07.2000 - Au 3 K 99.30656 -, NVwZ 2000, 1449) , sondern deren\nbesondere Rechtsstellung nur nach den allgemeinen\nverwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften erloschen bzw. ruckabgewickelt\nwerden konnte (Vgl. dazu Hochreuter, NVwZ 2000, 1376; VG Osnabruck, Urteil vom\n10.07.2006, a.a.O.) , war eine Ausdehnung dieser Überleitungsvorschrift auf\njudische Zuwanderer - im Gegensatz zur Überleitung des unbefristeten\nAufenthaltstitels durch § 101 Abs. 1 Satz 2 AufenthG - nicht erforderlich.\nHinsichtlich der Frage der Rechtmaßigkeit einer im Rahmen des geregelten\nVerfahrens erteilten Aufenthaltserlaubnis ist daher allein auf die vor dem\nInkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes geltende Rechtslage abzustellen.\n\nIm Rahmen der Rucknahme der unbefristeten Aufenthaltserlaubnisse ist zu\nberucksichtigen, dass Fehler bei der Aufnahme der judischen Emigranten im\ngeregelten Verfahren auf die unbefristete Aufenthaltserlaubnis durchschlagen.\nDenn die Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis durch die\nAuslanderbehorde erfolgte in der behordlichen Annahme, dass sich die\nBetroffenen entsprechend der Vorgaben des geregelten Verfahrens in der\nBundesrepublik Deutschland aufhielten (Vgl. BVerwG, Urteil vom 05.09.2006 - 1\nC 20.05 -, NVwZ 2007, 470 = DÖV 2007, 255 .) .\n\nLetztlich dahin gestellt bleiben kann im vorliegenden Fall, ob die\nVerwaltungshandhabung im Rahmen des geregelten Verfahrens den\nRechtsvorschriften des Auslandergesetzes und des Kontingentfluchtlingsgesetzes\nwidersprach und deshalb die erteilten Aufenthaltserlaubnisse generell\nrechtswidrig sind. Denn auf jeden Fall besteht auf Grund des Willkurverbotes\ndes Art. 3 GG eine Selbstbindung der Verwaltung dahin gehend, dass eine\nRucknahme nach § 48 SVwVfG nur zulassig ist, wenn die Voraussetzungen fur die\nAufnahme des betreffenden Auslanders im geregelten Verfahren gemaß des\nErlasses vom 25.03.1997 nicht vorlagen. Im Fall der Beigeladenen, insbesondere\ndes Beigeladenen zu 1., kann jedoch nicht festgestellt werden, dass diese zu\nUnrecht im Rahmen des geregelten Verfahrens Aufnahme in der Bundesrepublik\nDeutschland gefunden haben.\n\nDie Voraussetzungen fur eine Aufnahme der Beigeladenen zu 1. bis 3. in der\nBundesrepublik Deutschland im Rahmen des geregelten Verfahrens lagen entgegen\nder Annahme der Auslanderbehorde der Beklagten und der deutschen Botschaft in\nKiew vor. Entscheidend ist dabei auf den Beigeladenen zu 1. abzustellen, da\nallein dessen judische Religionszugehorigkeit die Moglichkeit der Aufnahme in\nder Bundesrepublik Deutschland im geregelten Verfahren eroffnet hat. Ein\nAusschluss eines Anspruchs auf Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland kam\nim vorliegenden Fall allein nach Ziff. II 2. des Erlasses vom 25.03.1997 in\nFrage. Danach war Voraussetzung fur eine Aufnahme, dass die Antragsteller\nnicht bereits in einen Drittstatt ubergesiedelt waren. Eine Aufnahme war aber\nauch ausgeschlossen, wenn sie den Drittstaat wieder verlassen und sich erneut\nin einem Nachfolgestaat der ehemaligen UdSSR wieder angesiedelt hatten. Dies\ntrifft aber auf den Beigeladenen zu 1. nicht zu, da er sich vor seiner\nEinreise in die Bundesrepublik Deutschland nicht bereits in einem anderen\nStaat außerhalb der Ukraine angesiedelt hatte. Zwar ist es unstreitig, dass\nder Beigeladene zu 1. im Dezember 1989 in Israel eingereist und ihm auch eine\nisraelische ID-Karte erteilt worden ist. Dies ergibt sich aus der von der\ndeutschen Botschaft in Tel Aviv beim fur die russische Einwanderung\nzustandigen Referat im Prime Minister\'s Office eingeholten Auskunft (Vgl.\nMitteilung der deutschen Botschaft in Tel Aviv an die deutsche Botschaft in\nKiew mit E-Mail vom 29.08.2002) . Die Umstande des Aufenthaltes des\nBeigeladenen zu 1. in Israel erfullen nach Ansicht des Senats aber nicht die\nAusschlussvoraussetzungen der Ziff. II 2. des Erlasses vom 25.03.1997.\n\nBei der Auslegung des Erlasses vom 25.03.1997 ist zu berucksichtigen, dass\ndieser keine Rechtsnorm ist, sondern eine Verwaltungsvorschrift, durch die\nsich die Verwaltung selbst bindet, um eine gleichmaßige Ermessensausubung\ngegenuber den Betroffenen sicherzustellen. Fur ihre Auslegung als\nWillenserklarung kommt es nach der auch im offentlichen Recht geltenden Regel\ndes § 133 BGB auf den wirklichen Willen des Erklarenden an. Sie entfaltet\nAußenwirkung fur den einzelnen Betroffenen nur mittelbar uber dessen durch\nArt. 3 Abs. 1 GG geschutztes Recht, entsprechend der in der "antizipierten\nVerwaltungspraxis" zum Ausdruck kommenden Ermessensbindung der Verwaltung\ngleichmaßig behandelt zu werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist daher die\nVerwaltungsvorschrift gemaß der vom Urheber gebilligten oder doch geduldeten\ntatsachlichen Verwaltungspraxis auszulegen (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom\n24.03.1977 - II C 14.75 - BVerwGE 52, 193 <199>; vom 30.04.1981 - 2 C 26.78 -\nBuchholz 232 § 8 Nr. 20 = ZBR 1982, 174, vom 07.05.1981 - 2 C 5.79 - Buchholz\n232 § 25 Nr. 1 = DVBl 1982, 195 und vom 02.03.1995 - 2 C 17.94 -, Buchholz 240\n§ 17 BBesG Nr. 7 = DÖD 1995, 137 = ZBR 1995, 238) . Weicht die Behorde von\neiner einheitlichen Handhabung der Anordnung ab, so erwachst dem Auslander aus\nArt. 3 Abs. 1 GG ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Gleichbehandlung\nnach Maßgabe der tatsachlichen Anwendung der Anordnung. Die Gerichte haben\ndabei nachzuprufen, ob der Gleichheitssatz bei der Anwendung innerhalb des\nGeltungsbereichs der Anordnung gewahrt worden ist (BVerwG Urteil vom\n19.09.2000 - 1 C 19.99 -, BVerwGE 112, 63 = DVBl 2001, 214 = NVwZ 2001,\n210-211 = Buchholz 402.240 § 32 AuslG Nr. 4 = InfAuslR 2001, 70 = EzAR 015 Nr\n22) .\n\nIm hier zu entscheidenden Verfahren ergibt sich aus den vorliegenden\nUnterlagen, dass seitens der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere von den\nvor Ort tatigen Auslandsvertretungen, judischen Emigranten aus der ehemaligen\nSowjetunion eine Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland verweigert wurde,\nwenn sie vorher bereits einmal in einen anderen Staat ubersiedelt waren -\nunabhangig davon, ob sie sich noch dort aufhielten oder zwischenzeitlich auf\ndas Gebiet der ehemaligen Sowjetunion zuruckgekehrt waren. Voraussetzung fur\neine willkurfreie Anwendung dieser Voraussetzung ist jedoch, dass tatsachlich\neine Übersiedlung in einen Drittstaat stattgefunden hat. Begrifflich setzt\neine Übersiedlung dabei voraus, dass die betreffende Person aus freiem Willen\nden Aufenthalt in ihrem Heimatland aufgibt, um sich dauerhaft in einem anderen\nStaat aufzuhalten. Im Fall des Beigeladenen zu 1. kann jedoch nicht\nfestgestellt werden, dass diese Voraussetzungen hinsichtlich seines\nAufenthaltes in Israel vorgelegen haben. Dabei ist zu berucksichtigen, dass\nder Beigeladene zu 1. wahrend seines Aufenthalts in Israel noch minderjahrig\nwar und er nach dem Ergebnis der vom Senat durchgefuhrten Beweisaufnahme nach\nnur maximal drei Monaten in die Ukraine zuruckgekehrt ist.\n\nIm Rahmen der Zeugeneinvernahme des Bruders des Beigeladenen zu 1. hat sich\naus dessen glaubhaften Aussagen ergeben, dass der Aufenthalt des Beigeladenen\nzu 1. in Israel nur ca. zwei bis drei Monate gedauert hat. Die Ausreise nach\nIsrael erfolgte allein mit dem Vater, wahrend die ubrige Familie in der\nUkraine zuruckgeblieben war. Bereits dieser Umstand spricht dagegen, dass\nschon bei der Ausreise aus der Ukraine ein dauerhafter Aufenthalt in Israel\ngewollt war. Aber selbst wenn der Vater des Beigeladenen zu 1. zu diesem\nZeitpunkt einen dauernden Aufenthalt in Israel beabsichtigt hatte, worauf der\nvom Zeugen genannte Umstand schließen lasst, dass der Vater seinen\nArbeitsplatz gekundigt hatte, so fuhrt dies noch nicht zwangslaufig dazu, dass\nauch von einer Übersiedlung des Beigeladenen zu 1. ausgegangen werden kann.\nDenn dieser war zu diesem Zeitpunkt noch minderjahrig und insofern noch nicht\nfrei in seinen Entscheidungen. Auch aus der Inhaberschaft einer israelischen\nID-Karte kann nicht geschlossen werden, dass der Beigeladene zu 1. sich\nstandig in Israel aufhalten wollte oder gar die israelische\nStaatsangehorigkeit erworben hatte. So ergibt der vom Vertreter der Beklagten\nvorgelegte E-Mail-Verkehr mit der deutschen Botschaft in Tel Aviv, dass der\nBesitz einer israelischen ID-Karte nicht den Erwerb einer israelischen\nStaatsangehorigkeit impliziert, sondern dass auch Auslander fur eine Vielzahl\nvon anderen Fallkonstellationen eine solche ID-Karte erhalten. So ist es im\nvorliegenden Fall durchaus wahrscheinlich, dass der Vater des Beigeladenen zu\n1. fur sich und seinen minderjahrigen Sohn solche ID-Karten ausstellen ließ,\nohne dass daraus hinsichtlich des Beigeladenen zu 1. etwas fur die Frage einer\nÜbersiedlung geschlossen werden konnte. Daher ist davon auszugehen, dass der\nBeigeladene zu 1. lediglich mit seinem Vater nach Israel ausgereist ist, ohne\ndass auf seiner Seite selbstbestimmt der Entschluss getroffen worden war, sich\ndort dauerhaft niederzulassen. Hierfur spricht auch, dass der Beigeladene zu\n1. nach seiner Ruckkehr aus Israel seine Ausbildung fortgesetzt hat und es\nkeine weiteren Nachweise uber seinen Aufenthalt in Israel gibt. Der Aufenthalt\ndes Beigeladenen zu 1. als Minderjahriger fur wenige Monate in Israel erfullt\ndeshalb nicht den Begriff der Übersiedlung, wie ihn der Erlass vom 25.03.1997\nbenutzt, und deshalb war auch die Verneinung der Frage nach einer Ausreise zur\n„standigen Wohnsitznahme" in einem anderen Staat tatbestandlich nicht falsch.\nDies gilt unabhangig davon, ob der Einwand der Prozessbevollmachtigten der\nBeigeladenen zutrifft, dass die deutsche Übersetzung der Erklarung den von den\nBeigeladenen zu 1. und 2. unterschriebenen Text in russischer Sprache nicht\nzutreffend wiedergebe. Dies fuhrt dazu, dass die Voraussetzungen fur die\nAufnahme des Beigeladenen zu 1. und damit auch der Beigeladenen zu 2. und 3.\nim geregelten Verfahren vorgelegen haben. Daher wurden die unbefristeten\nAufenthaltserlaubnisse den Beigeladenen zu 1. bis 3. unter Berucksichtigung\ndes Erlasses vom 25.03.1997 und der Beigeladenen zu 4. auf Grund der\nallgemeinen auslanderrechtlichen Vorschriften durch die Beklagte zu Recht\nerteilt und unter Berucksichtigung des Willkurverbotes aus Art. 3 GG lagen die\nVoraussetzungen fur eine Rucknahme nach § 48 SVwVfG nicht vor.\n\nDie Frage, ob die gegen die Beigeladenen zu 2. bis 4. gerichteten\nRucknahmebescheide bereits deshalb rechtswidrig sind, weil sie\nermessensfehlerhaft sind, kann vorliegend offen bleiben, da dies im Hinblick\nauf die darlegten Grunde fur die Rechtswidrigkeit der Rucknahmebescheide nicht\nmehr entscheidungserheblich ist. Deshalb ist es unerheblich, ob der Umstand,\ndass die Auslanderbehorde der Beklagten falschlicherweise davon ausgegangen\nist, dass die Beigeladene zu 2. sich ebenfalls in Israel aufgehalten habe,\ndazu fuhrt, dass die gegen die Beigeladenen zu 2. bis 4. gerichteten Bescheide\nvom 15.07.2003 ermessensfehlerhaft sind, weil die Behorde bei deren Erlass von\neiner falschen Tatsachengrundlage ausgegangen ist. Ebenso kann offen bleiben,\nob die weiteren von der Beklagten angestellten Ermessenserwagungen\ninsbesondere zur Frage der Integration der Beigeladenen zutreffend waren und\nob das zu Unrecht angenommene Fehlverhalten des Beigeladenen zu 1. den\nBeigeladenen zu 2. bis 4. zugerechnet werden durfte.\n\nDie Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen sind demnach begrundet und\ndas Urteil des Verwaltungsgerichts unter Abweisung der Klage aufzuheben.\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, wobei die Beigeladenen,\ndie einen Antrag gestellt haben, in den Kostenausspruch einzubeziehen waren\n(§§ 162 Abs. 3 i.V.m. 154 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung uber die vorlaufige\nVollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.\n\nDie Voraussetzungen fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132\nAbs. 2 VwGO).\n\n**Beschluss**\n\nDer Streitwert wird fur das Berufungsverfahren auf 20.000,- Euro festgesetzt.\n\n**Gr unde**\n\nAusgangspunkt fur die Berechnung des Streitwerts ist die sich fur den Klager\naus seinem Antrag ergebende Bedeutung der Sache (§ 52 Abs. 1 GKG). Dabei ist\ndavon auszugehen, dass im Regelfall bei unverandertem Streitgegenstand der\nStreitwert des ersten Rechtszuges mit dem des Rechtsmittelzuges identisch ist,\noder - anders ausgedruckt -, dass sich der Wert des fur die\nStreitwertfestsetzung maßgeblichen Antrags des Rechtsmittelklagers\ngrundsatzlich nach dem von der Bedeutung fur den Klager abhangigen Streitwert\nder ersten Instanz richtet (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.10.1988 - 4 C 58.84 -\nBuchholz 406.401 § 1 BNatSchG Nr. 3 und Beschlusse vom 09.11.1988 - 4 B 185.88\n- Buchholz 360 § 14 GKG Nr. 3 und vom 01.08.2001 - 3 C 19.00 -, Buchholz 360 §\n14 GKG Nr. 6) .\n\nIm Hinblick darauf, dass die Aufsichtsklage das immaterielle Interesse der\nRechtmaßigkeit der Verwaltung verfolgt und eine sonst mogliche Weisung\nersetzt, die sich als Instrument staatlicher Organisation nicht in einem\nGeldwert quantifizieren lasst, ist der Auffangwert in Anwendung der §§ 63 Abs.\n2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG der Streitwertfestsetzung zugrunde zu legen\n(vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 24.11.2000 - 3 R 229/00 -) . Da dem\nvorliegenden Verfahren die Aufhebung von vier Rucknahmebescheiden durch den\nangefochtenen Widerspruchsbescheid der Beklagten zugrunde liegt, ist der\nStreitwert auf 20.000,-- (4 x 5.000,--) Euro festzusetzen.\n\nDer Umstand, dass sowohl die Beklagte - hinsichtlich des Beigeladenen zu 1. -\nals auch die Beigeladenen Berufungsklager sind, fuhrt nicht zu einer Erhohung\ndes Streitwertes uber 20.000,-- Euro hinaus. Denn nach § 47 Abs. 2 GKG ist der\nStreitwert im Berufungsverfahren durch den Wert des Streitgegenstandes des\nersten Rechtszuges begrenzt, wenn nicht der Streitgegenstand erweitert wird.\nDa sich jedoch im vorliegenden Fall durch die Berufung von Beklagter und\nBeigeladenen der Streitgegenstand, namlich die Aufsichtsklage des Klagers\ngegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten nicht verandert hat, war trotz\nzweier Berufungen der Streitwert unverandert auf 20.000,-- Euro festzusetzen.\n\nDieser Beschluss ist nicht anfechtbar.\n\n
129,222
lsgsl-2008-02-19-l-5-bl-306
936
Landessozialgericht für das Saarland
lsgsl
Saarland
Sozialgerichtsbarkeit
L 5 BL 3/06
2008-02-19
2019-01-07 09:39:27
2019-02-12 12:35:12
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung des Klagers werden der Gerichtsbescheid des\nSozialgerichts fur das Saarland vom 21. Juli 2006 und der Bescheid des\nBeklagten vom 22. Marz 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.\nJuli 2005 aufgehoben.\n\n2\\. Auf die Klage wird der Bescheid des Beklagten vom 05. Dezember 2005\naufgehoben.\n\n3\\. Der Beklagte tragt die außergerichtlichen Kosten des Klagers fur beide\nRechtszuge.\n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\nDie Beteiligten streiten uber die Hohe der dem Klager ab dem 01. April 2005\nzustehenden Blindheitshilfe nach dem Saarlandischen Gesetz Nr. 761 uber die\nGewahrung einer Blindheitshilfe vom 02. Juli 1962 (BliHiG), zuletzt geandert\ndurch Gesetz Nr. 1594 vom 21. Juni 2006 (Amtsblatt des Saarlandes <Amtsblatt>\nvom 13. Juli 2006, S. 930).\n\nMit Bescheid vom 04. Marz 1996 gewahrte der Beklagte dem Klager erstmals ab\ndem 01. Januar 1996 Blindheitshilfe; durch Urteil des Sozialgerichts fur das\nSaarland (SG) vom 04. Marz 1998 (Az S 12 V 506/96) wurde der Beklagte\nverurteilt, die Blindheitshilfe bereits ab dem Monat Mai 1995 zu gewahren. Mit\nmehreren Folgebescheiden erhohte der Beklagte jeweils den Zahlbetrag der dem\nKlager zustehenden Blindheitshilfe, zuletzt mit Bescheid vom 13. Juni 2003 auf\nmonatlich 585,00 Euro.\n\nMit **Bescheid vom 23. M arz 2005** gewahrte der Beklagte dem Klager ab 01.\nApril 2005 eine monatliche Blindheitshilfe in Hohe von 470,00 Euro. Zur\nBegrundung fuhrte er aus, dass gemaß § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buchs des\nSozialgesetzbuchs - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X)\nein Verwaltungsakt, der laufende Leistungen gewahre, mit Wirkung fur die\nZukunft aufzuheben sei, soweit in den bei seinem Erlass vorliegenden\nrechtlichen Verhaltnissen eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Die dem\nKlager auf Grund fruherer Bescheiderteilung gewahrte Blindheitshilfe habe ihre\nGrundlage in der bisher maßgeblichen Bestimmung des § 1 Abs. 2 BliHiG gehabt,\nwonach sich die Hohe der Blindheitshilfe nach § 67 Abs. 2 und 6 des\nBundessozialhilfegesetzes (BSHG) in der jeweils geltenden Fassung (jetzt § 72\ndes Zwolften Buchs des Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe - <SGB XII>) gerichtet\nhabe. Der insoweit einschlagige Betrag habe sich zuletzt auf 585,00 Euro\nbelaufen.\n\n§ 1 Abs. 2 Satz des BliHiG in der ab dem 01. April 2005 gultigen Fassung\nbestimme, dass sich dieser Betrag nunmehr auf 470,00 Euro belaufe. In\nAnbetracht der damit gegebenen Änderung der rechtlichen Verhaltnisse sei von\nder Bestimmung des § 48 SGB X Gebrauch zu machen und die ab dem 01. April 2005\nneu festgesetzte Blindheitshilfe zu gewahren.\n\nDer Beklagte wies darauf hin, dass neben der einkommens- und\nvermogensunabhangigen Blindheitshilfe nach dem BliHiG ggf. ein (erganzender)\nAnspruch auf Blindenhilfe nach § 72 SGB XII bestehen konne.\n\nDen gegen den Bescheid vom 23. Marz 2005 eingelegten **Widerspruch** des\nKlagers vom 30. Marz 2005, den weder der Klager noch seine\nProzessbevollmachtigten begrundeten, wies der Beklagte mit\n**Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2005** zuruck.\n\nDagegen hat der Klager durch Schriftsatz seiner Prozessbevollmachtigten vom\n22. August 2005, am selben Tag beim SG eingegangen, **Klage** erhoben.\n\nZur Begrundung hat er ausgefuhrt, dass er die gesetzliche Regelung des § 1\nAbs. 2 Satz 1 BliHiG in der ab dem 01. April 2005 gultigen Fassung fur\nverfassungswidrig halte, da es keine hinreichende Begrundung fur die\nerhebliche Kurzung der Blindheitshilfe um 115,00 Euro monatlich gebe, die eine\nderart nachteilige Zuruckstufung der Blinden rechtfertige. Der Klager sehe\ninsbesondere den grundgesetzlich garantierten Vertrauensschutz und seine\nRechte aus Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt.\n\nDer Beklagte hat auf die geanderte Hohe der Blindheitshilfe gemaß § 1 Abs. 2\nSatz 1 BliHiG, welche durch Art. 5 des Gesetzes Nr. 1566 uber die\nHaushaltsfinanzierung und Haushaltssicherung 2005 vom 17. Marz 2005 (Amtsblatt\nvom 31. Marz 2005, S. 486) erfolgt ist, verwiesen.\n\nMit **Bescheid vom 05. Dezember 2005** anderte der Beklagte die Hohe der\nmonatlichen Blindheitshilfe ab dem 01. Januar 2006 auf 438,00 Euro. Diesem\nBescheid war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefugt. In einem Schreiben vom 08.\nFebruar 2006 hat der Beklagte dagegen die Auffassung vertreten, dieser\nBescheid werde gemaß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des\nanhangigen Verfahrens.\n\nMit Verfugung vom 11. April 2006 hat das SG den Beklagten um Überprufung der\nangefochtenen Bescheide im Hinblick auf den Beschluss des\nVerfassungsgerichtshofes des Saarlandes (VerfGH) vom 13. Marz 2006, mit\nwelchem dieser u. a. Art. 5 des Gesetzes Nr. 1566 fur nichtig erklart hat,\ngebeten.\n\nDer Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die Landesregierung das allein aus\nformalen Grunden fur nichtig erklarte Gesetz erneut und unverandert dem\nSaarlandischen Landtag zuleiten werde und dass dieses Gesetz ruckwirkend zum\n01. April 2005 in Kraft treten werde. Es sei daher sinnvoll, das anhangigen\nVerfahren bis zur Verabschiedung des Gesetzes zum Ruhen zu bringen.\n\nNach Anhorung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 21. Juli\n2006 die Klage abgewiesen. Zur Begrundung hat es ausgefuhrt, dass der Beklagte\ndie Gewahrung der Blindheitshilfe ab dem 01. April 2005 zu Recht auf 470,00\nEuro festgesetzt habe. Zwar sei die maßgebliche Bestimmung des § 1 Abs. 2\nBliHiG durch Beschluss des VerfGH aus formalen Grunden fur verfassungswidrig\nerklart worden und konne daher zur Begrundung des angefochtenen Bescheides\nnicht mehr herangezogen werden. Materiell-rechtlich sei der Bescheid des\nBeklagten gleichwohl nicht zu beanstanden, da der Landtag des Saarlandes am\n21. Juni 2006 eine neue Fassung des Gesetzes erlassen und ruckwirkend zum 01.\nApril 2005 die monatliche Blindheitshilfe auf 470,00 Euro festgesetzt habe.\nDie Verfassungsmaßigkeit des neu geanderten BliHiG habe der Klager nicht\ngerugt.\n\nGegen diesen Gerichtsbescheid, der dem Klager am 22. August 2006 zugestellt\nworden ist, hat dieser mit Schriftsatz vom 05. September 2006, am selben Tag\nbeim Landessozialgericht (LSG) fur das Saarland eingegangen, **Berufung**\neingelegt.\n\nZur Begrundung hat er an seiner Auffassung, die ab 01. April 2005 erfolgte\nKurzung der Blindenhilfe von 585,00 Euro auf 470,00 Euro sei\nverfassungswidrig, festgehalten. So habe der VerfGH festgestellt, dass\ndiejenige Fassung des BliHiG, auf die der Beklagte den angefochtenen Bescheid\ngestutzt habe, bereits aus formalen Grunden verfassungswidrig gewesen ist und\ndaher zur Begrundung des angefochtenen Bescheides nicht mehr hatte\nherangezogen werden konnen, so dass die Klage bereits aus diesem Grunde\nbegrundet sei. Im Übrigen hat er seine Ausfuhrungen aus dem erstinstanzlichen\nVerfahren wiederholt.\n\nDer Klager beantragt,\n\n> > 1\\. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts fur das Saarland vom 21. Juli\n> 2006 sowie den Bescheid des Beklagten vom 22. Marz 2005 in der Gestalt des\n> Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2005 aufzuheben,\n\n> > 2\\. den Bescheid des Beklagten vom 05. Dezember 2005 aufzuheben.\n\nDie Beklagte beantragt,\n\n> > die Berufung zuruckzuweisen und die gegen den Bescheid vom 05. Dezember\n> 2005 gerichtete Klage abzuweisen.\n\nEr verteidigt die angefochtene Entscheidung und fuhrt zu Begrundung aus, dass\neine Verfassungswidrigkeit des Gesetzes Nr. 1594 vom 21. Juni 2006 bisher\nnicht festgestellt worden sei.\n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den\nInhalt der Verwaltungsakte der Beklagten mit dem Az: 607173 sowie der\nGerichtsakte Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mundlichen\nVerhandlung.\n\n## Entscheidungsgründe\n\n**I.**\n\nStreitgegenstand des Berufungsverfahrens ist sowohl der Bescheid des Beklagten\nvom 22. Marz 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2005,\nmit welchem die Blindheitshilfe des Klagers ab 01. April 2005 der Hohe nach\ngeregelt wurde, als auch der im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens\nergangene Bescheid des Beklagten vom 05. Dezember 2005, mit dem die Hohe der\nBlindheitshilfe des Klagers ab 01. Januar 2006 nochmals verringert wurde. Denn\nder letztgenannte Bescheid wurde gemaß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des\nVerfahrens, da er den ursprunglichen Bescheid des Beklagten vom 22. Marz 2005\nfur die Zeit ab dem 01. Januar 2006 ersetzt. Zwar hat das SG den Bescheid vom\n05. Dezember 2005 offenkundig ubersehen und daher bei seiner Entscheidung\nnicht berucksichtigt; gleiches gilt fur den Klager, der die Aufhebung dieses\nBescheides im Verfahren der ersten Instanz nicht beantragt hat. In diesem Fall\nmuss das LSG uber diesen Bescheid auf Antrag mitentscheiden (vgl. Meyer-\nLadewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, Rz. 12 zu § 96 SGG; Urteil des\nBSG vom 17.11.2005, Az B 11a/11 AL 57/04, veroffentlicht in Breith. 2006, S.\n792). Hierbei entscheidet das LSG nicht auf die Berufung des Klagers, sondern\nauf seine Klage hin (vgl. Meyer-Ladewig u.a., a.a.O. Rz. 7 zu § 96).\n\nDer Klager hat im Termin zur mundlichen Verhandlung zu Recht sowohl\nhinsichtlich seiner Berufung als auch seiner Klage jeweils isolierte\nAnfechtungsantrage gestellt. Denn durch die von ihm begehrte Aufhebung der\nangefochtenen Bescheide des Beklagten gemaß § 48 SGB X wird der ursprungliche\nBescheid vom 13. Juni 2003, mit welchem dem Klager eine monatliche\nBlindheitshilfe von 585,00 Euro bewilligt wurde, wieder wirksam. Eine uber die\nAufhebung der angefochtenen Bescheide hinausgehende Verpflichtung des\nBeklagten zur Neuberechnung der Blindheitshilfe ist dagegen nicht\nerforderlich.\n\n**II.**\n\nDer Berufung war stattzugeben.\n\n**A.**\n\nDie Berufung ist zulassig, da form- und fristgerecht eingelegt und sich im\nÜbrigen Bedenken gegen ihre Zulassigkeit nicht ergeben haben.\n\n**B.**\n\nDie Berufung ist auch begrundet.\n\nDas SG hat zu Unrecht die Klage abgewiesen, da der Bescheid des Beklagten vom\n22. Marz 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2005\nrechtswidrig ist und den Klager in seinen Rechten gemaß § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG\nverletzt.\n\nGemaß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist der Verwaltungsakt mit Wirkung fur die\nZukunft aufzuheben, soweit in den tatsachlichen oder rechtlichen\nVerhaltnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung\nvorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Dabei beurteilt sich die\nRechtmaßigkeit eines Aufhebungsbescheides nach der Sach- und Rechtslage im\nZeitpunkt seines Erlasses (vgl. Steinwedel in: Kasseler Kommentar zum\nSozialversicherungsrecht, Rz. 11 zu § 48 SGB X).\n\nZum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 23. Marz 2005 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 22. Juli 2005 lag eine wesentliche Veranderung in\nden tatsachlichen oder rechtlichen Verhaltnissen nicht vor.\n\nVergleichsmaßstab ist dabei der Bescheid vom 13. Juni 2003 (Bl. 112 VA), mit\nwelchem der Beklagte dem Klager die Blindheitshilfe ab 01. Juli 2003 auf\nmonatlich 585,00 Euro erhoht hatte. Zwar stutzt der Beklagte die angefochtenen\nBescheide auf § 1 Abs. 2 Satz 1 BliHiG in der durch Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes\nNr. 1566 uber die Haushaltsfinanzierung und Haushaltssicherung 2005 vom 17.\nMarz 2005 geltenden Fassung, wonach die Blindheitshilfe ab 01. April 2005 auf\nmonatlich 470,00 Euro und ab 01. Januar 2006 auf monatlich 438,00 Euro\nreduziert worden war. Dies stellte jedoch zum Zeitpunkt der Entscheidung des\nBeklagten keine gultige Rechtsgrundlage fur die belastenden Verwaltungsakte\ndes Beklagten dar, da Art. 5 des Gesetzes Nr. 1566 mit Beschluss des VerfGH\nvom 13. Marz 2006 (Az Lv 5/05) fur **verfassungswidrig** und **nichtig**\nerklart wurde. Die Entscheidung des VerfGH hat zur Folge, dass die vom\nBeklagten herangezogene Rechtsgrundlage fur die angegriffenen Bescheide\nruckwirkend entfallen ist. Denn die Entscheidungen des VerfGH binden gemaß §\n10 Abs. 1 des Gesetzes uber den Verfassungsgerichtshof (VerfGHG) alle\nsaarlandischen Gerichte und Verwaltungsbehorden. Daruber hinaus hat die\nEntscheidung des VerfGH uber die Nichtigkeit einer Vorschrift gemaß § 10 Abs.\n2 i.V.m. § 9 Nr. 6 VerfGHG **Gesetzeskraft** . Zwar regelt § 46 Abs. 2 Satz 1\nVerfGHG, dass vorbehaltlich einer besonderen gesetzlichen Regelung die nicht\nmehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer als nichtig festgestellten\nRechtsvorschrift beruhen, unberuhrt bleiben. Ein solcher Fall liegt hier\njedoch gerade nicht vor. Denn der Klager hat die Entscheidungen des Beklagten\nmit den entsprechenden Rechtsbehelfen angefochten, so dass sich die\nFeststellung der Nichtigkeit der hier einschlagigen Gesetzesfassung in der\nzuvor dargestellten Art und Weise auswirkt. Damit lag zum Zeitpunkt des\nErlasses der angegriffenen Bescheide eine wesentliche Änderung in den\nrechtlichen Verhaltnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit\nDauerwirkung vom 13. Juni 2003 vorgelegen haben, nicht vor. Denn durch die\nFeststellung der Nichtigkeit des Änderungsgesetzes konnte erneut die bis dahin\ngultige Regelung des BliHiG, also in der Fassung des Gesetzes Nr. 1484 zur\nAnpassung des Landesrechts an die Einfuhrung des Euro und zur Änderung von\nRechtsvorschriften (Siebtes Rechtsbereinigungsgesetz - 7\\. RBG) vom 07.\nNovember 2001 (Amtsblatt vom 07. Dezember 2001, S. 2158) Geltung beanspruchen.\nFolglich bestanden die bei Erlass des Bescheides vom 13. Juni 2003\nmaßgeblichen **rechtlichen Verh altnisse** auch zum Zeitpunkt des Erlasses des\nangegriffenen Bescheides vom 22. Marz 2005 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 22. Juli 2005 **unver andert** fort.\n\nEtwas anderes ergibt sich auch nicht in Anbetracht der sich anschließenden\nAktivitaten des saarlandischen Gesetzgebers. Zwar hat dieser durch das Gesetz\nNr. 1594 eine mit der vom VerfGH fur nichtig erklarten Regelung inhaltsgleiche\nNorm **r uckwirkend** zum 01. April 2005 bzw. zum 01. Januar 2006 in Kraft\ngesetzt; dies fuhrt jedoch nicht dazu, dass die gegenuber dem Klager\nergangenen, zum Zeitpunkt ihres Erlasses mangels Rechtsgrundlage\nrechtswidrigen, Verwaltungsakte ruckwirkend rechtmaßig wurden. Denn bei einer\nÄnderung in den rechtlichen Verhaltnissen, die bei Erlass eines\nVerwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, ist grundsatzlich eine\n**Umsetzung durch die Verwaltung** erforderlich, einen Selbstvollzug des\nGesetzes gibt es dagegen nicht (vgl. Steinwedel, a.a.O., Rz. 9 zu § 48 SGB X).\nDaran fehlt es vorliegend aber, da die rechtswidrig - mangels Änderung in den\nrechtlichen Verhaltnissen - erlassenen Verwaltungsakte des Beklagten eben\nnicht durch ein ruckwirkend in Kraft getretenes Gesetz ohne erneute\nVerwaltungsentscheidung rechtmaßig werden. Denn § 48 SGB X unterscheidet\ngerade hinsichtlich einer Aufhebung **mit Wirkung f ur die Zukunft** \\- die\ngrundsatzlich zu erfolgen hat - einerseits sowie **mit Wirkung zum Zeitpunkt\nder Änderung der Verhaltnisse** (also ruckwirkend) - die nur bei Vorliegen\nweiterer Voraussetzungen erfolgen darf - andererseits. Fur eine ruckwirkende\nAufhebung ist bei der im vorliegenden Fall einzig in Betracht kommenden\nAlternative erforderlich, dass der Betroffenen wusste oder nicht wusste, weil\ner die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass\nder sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen\ngekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4\nSGB X).\n\nNach dem ruckwirkenden Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 1594 hatte der Beklagte\ndieses Gesetz gegenuber dem Klager umsetzen mussen. Hierfur hatte er den\nBescheid vom 13. Juni 2003 erneut gemaß § 48 SGB X mit Wirkung fur die Zukunft\naufheben mussen. Daruber hinaus hatte er prufen mussen, ob auch die\nVoraussetzungen fur eine ruckwirkende Aufhebung vorgelegen hatten. Die bloße\nBezugnahme auf das Gesetz Nr. 1594 reicht indessen nicht aus. Denn es liegen\nweder die Voraussetzungen fur eine Umdeutung des ursprunglichen Bescheides vom\n23. Marz 2005 noch fur das Auswechseln der Begrundung vor.\n\nGemaß § 43 Abs. 1 SGB X setzt die Umdeutung eines fehlerhaften\nVerwaltungsaktes in einen anderen Verwaltungsakt voraus, dass er auf das\ngleiche Ziel gerichtet ist. § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB X schließt eine Umdeutung\nu.a. dann aus, wenn die Rechtsfolgen fur den Betroffenen ungunstiger waren als\ndie des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Da der Verwaltungsakt vom 23. Marz 2005\ndie Hohe der dem Klager zustehenden Blindheitshilfe lediglich mit Wirkung fur\ndie Zukunft reduzierte, der Beklagte aber nach Inkrafttreten des Gesetzes Nr.\n1594 im Ergebnis eine ruckwirkende Verringerung des Anspruchs des Klagers\nvorgenommen hat, sind die Rechtsfolgen ungunstiger, so dass eine Umdeutung\nausscheidet.\n\nEin Auswechseln der Begrundung war nicht moglich, weil hierdurch der\nVerwaltungsakt nicht in seinem Wesen verandert und der Betroffene nicht in\nseiner Rechtsverteidigung beeintrachtigt werden darf (vgl. Urteil des BSG vom\n29. Juni 2000, Az B 11 AL 85/99 R, veroffentlicht in BSGE, S. 8 ). Dies war\nhier jedoch der Fall, da der Beklagte - anders als im Bescheid vom 23. Marz\n2005 ausdrucklich geschehen - nunmehr eine **r uckwirkende** Anpassung der\nBlindheitshilfe vorgenommen hat, ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des §\n48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X zu prufen und gegenuber dem Klager ausdrucklich\nfestzustellen. Folglich war dem Klager jede Moglichkeit genommen, sich dagegen\nzu verteidigen.\n\nNach alledem fuhrt das ruckwirkende Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 1594 nicht\ndazu, dass die in Folge des Beschlusses des VGH vom 13. Marz 2006\nrechtswidrigen Bescheide des Beklagten gegenuber dem Klager **ohne erneute\nVerwaltungsentscheidung** ruckwirkend rechtmaßig wurden. Dies folgt - wie\ndargelegt - bereits aus verwaltungsverfahrensrechtlichen Grunden, so dass der\nSenat uber die Frage, ob das Gesetz Nr. 1594 in zulassiger Weise ruckwirkend\nin Kraft gesetzt wurde, nicht zu befinden hat, da dies nicht\nentscheidungserheblich ist. Ebenso wenig hat er uber die vom Klager\naufgeworfene Frage, ob die Kurzung der Blindheitshilfe von 585,00 Euro auf\n470,00 Euro bzw. 438,00 Euro verfassungsgemaß ist, zu entscheiden. Da diese\ngesetzliche Regelung aus den zuvor dargelegten Grunden im Verhaltnis des\nBeklagten zum Klager bisher nicht wirksam umgesetzt worden ist, kann auch ein\nEingriff in Grundrechte des Klagers nicht vorliegen.\n\nDa der Bescheid des Beklagten vom 23. Marz 2005 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 22. Juli 2005 rechtswidrig ist, war dieser ebenso\nwie der Gerichtsbescheid des SG aufzuheben. Damit ist der ursprungliche\nBewilligungsbescheid vom 13. Juni 2003 wieder in Kraft, eine daruber hinaus\ngehende Verpflichtung des Beklagten zur Neuberechnung der dem Klager\nzustehenden Blindheitshilfe ist dagegen nicht erforderlich.\n\n**III.**\n\nAus den zuvor dargelegten Grunden ist auch der Bescheid des Beklagten vom 05.\nDezember 2005 rechtswidrig, so dass der Klager auch durch diesen beschwert\nist. Denn auch insoweit fehlt es wegen des Beschlusses des VerfGH vom 13. Marz\n2006 an einer wesentlichen Änderung der rechtlichen Verhaltnisse.\n\nHinzu kommt, dass der Bescheid vom 05. Dezember 2005 auch deshalb rechtswidrig\nist, weil er ohne die gemaß § 24 Abs. 1 SGB X erforderliche Anhorung ergangen\nist. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob die tatbestandlichen\nVoraussetzungen fur ein Absehen von der Anhorung gemaß § 24 Abs. 2 Nr. 4 SGB X\n(gleichartige Verwaltungsakte in großerer Zahl) vorgelegen haben. Denn wahrend\ndie Behorde nach § 24 Abs. 1 SGB X zur Anhorung verpflichtet ist, steht es\nlediglich in ihrem **Ermessen** , im Rahmen des § 24 Abs. 2 SGB X von einer\nAnhorung **abzusehen** ; sie kann auch in diesen Fallen anhoren und sollte es\nim Zweifelsfall stets tun (vgl. Krasney in: Kasseler Kommentar, Rz. 31 zu § 24\nSGB X; Urteil des BSG 26.09.1991, Az 4 RK 4/91, veroffentlicht in BSGE\n69,247). Weder der streitige Bescheid noch das Vorbringen des Beklagten vor\ndem SG und dem LSG enthalten Anhaltspunkte dafur, dass der Beklagte uberhaupt\neine Ermessensentscheidung im Sinne von § 24 Abs. 2 SGB getroffen hat. Die\nsomit notwendige Anhorung hat er auch nicht gemaß § 41 Abs. 2 SGB X\nnachgeholt.\n\nDa der Bescheid vom 05. Dezember 2005 rechtswidrig ist, war er auf die\nisolierte Anfechtungsklage hin aufzuheben mit der Folge, dass es bei der bis\ndahin erfolgten Regelung durch den Bescheid des Beklagten vom 13. Juni 2003\nverbleibt.\n\nDer Beklagte wird nunmehr in einem neuen Verwaltungsverfahren gemaß § 48 SGB X\nunter Berucksichtigung von § 24 SGB X daruber zu entscheiden haben, ob der\nBescheid vom 13. Juni 2003 lediglich mit Wirkung fur die Zukunft oder fur die\nVergangenheit aufzuheben ist. Dabei wird er insbesondere zu prufen haben, ob\ndie Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 vorliegen. In diesem\nZusammenhang gibt der Senat zu bedenken, dass diese Bestimmung eine\n**Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Ma ße**\nvoraussetzt. Da der VerfGH das maßgebliche Gesetz, auf dessen Grundlage der\nAnspruch des Klagers auf die Gewahrung von Blindheitshilfe in Hohe von\nmonatlich 585,00 Euro teilweise in Wegfall gekommen war, fur verfassungswidrig\nund nichtig erklart hat, spricht nach Auffassung des Senates vieles dafur,\ndass der Klager jedenfalls bis zur Entscheidung des Gesetzgebers, eine\ninhaltsgleiche Vorschrift ruckwirkend in Kraft zu setzen, darauf vertrauen\ndurfte, Anspruch auf Blindheitshilfe in der bisherigen Hohe zu haben. Der\nSenat hat daher erhebliche Bedenken, dass die Voraussetzungen fur eine **r\nuckwirkende** Aufhebung des ursprunglich bewilligenden Verwaltungsaktes vom\n13. Juni 2003 vorliegen. Selbst wenn der Beklagte dies gleichwohl bejahen\nsollte, hatte er sodann zu prufen, ob ein atypischer Fall vorliegt mit der\nFolge, dass er hinsichtlich der Entscheidung, ob der Verwaltungsakt\nruckwirkend zuruckgenommen wird oder nicht, sein pflichtgemaßes Ermessen\nauszuuben hatte.\n\n**IV.**\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.\n\nGrunde, nach § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.\n\n## Gründe\n\n**I.**\n\nStreitgegenstand des Berufungsverfahrens ist sowohl der Bescheid des Beklagten\nvom 22. Marz 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2005,\nmit welchem die Blindheitshilfe des Klagers ab 01. April 2005 der Hohe nach\ngeregelt wurde, als auch der im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens\nergangene Bescheid des Beklagten vom 05. Dezember 2005, mit dem die Hohe der\nBlindheitshilfe des Klagers ab 01. Januar 2006 nochmals verringert wurde. Denn\nder letztgenannte Bescheid wurde gemaß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des\nVerfahrens, da er den ursprunglichen Bescheid des Beklagten vom 22. Marz 2005\nfur die Zeit ab dem 01. Januar 2006 ersetzt. Zwar hat das SG den Bescheid vom\n05. Dezember 2005 offenkundig ubersehen und daher bei seiner Entscheidung\nnicht berucksichtigt; gleiches gilt fur den Klager, der die Aufhebung dieses\nBescheides im Verfahren der ersten Instanz nicht beantragt hat. In diesem Fall\nmuss das LSG uber diesen Bescheid auf Antrag mitentscheiden (vgl. Meyer-\nLadewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, Rz. 12 zu § 96 SGG; Urteil des\nBSG vom 17.11.2005, Az B 11a/11 AL 57/04, veroffentlicht in Breith. 2006, S.\n792). Hierbei entscheidet das LSG nicht auf die Berufung des Klagers, sondern\nauf seine Klage hin (vgl. Meyer-Ladewig u.a., a.a.O. Rz. 7 zu § 96).\n\nDer Klager hat im Termin zur mundlichen Verhandlung zu Recht sowohl\nhinsichtlich seiner Berufung als auch seiner Klage jeweils isolierte\nAnfechtungsantrage gestellt. Denn durch die von ihm begehrte Aufhebung der\nangefochtenen Bescheide des Beklagten gemaß § 48 SGB X wird der ursprungliche\nBescheid vom 13. Juni 2003, mit welchem dem Klager eine monatliche\nBlindheitshilfe von 585,00 Euro bewilligt wurde, wieder wirksam. Eine uber die\nAufhebung der angefochtenen Bescheide hinausgehende Verpflichtung des\nBeklagten zur Neuberechnung der Blindheitshilfe ist dagegen nicht\nerforderlich.\n\n**II.**\n\nDer Berufung war stattzugeben.\n\n**A.**\n\nDie Berufung ist zulassig, da form- und fristgerecht eingelegt und sich im\nÜbrigen Bedenken gegen ihre Zulassigkeit nicht ergeben haben.\n\n**B.**\n\nDie Berufung ist auch begrundet.\n\nDas SG hat zu Unrecht die Klage abgewiesen, da der Bescheid des Beklagten vom\n22. Marz 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2005\nrechtswidrig ist und den Klager in seinen Rechten gemaß § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG\nverletzt.\n\nGemaß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist der Verwaltungsakt mit Wirkung fur die\nZukunft aufzuheben, soweit in den tatsachlichen oder rechtlichen\nVerhaltnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung\nvorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Dabei beurteilt sich die\nRechtmaßigkeit eines Aufhebungsbescheides nach der Sach- und Rechtslage im\nZeitpunkt seines Erlasses (vgl. Steinwedel in: Kasseler Kommentar zum\nSozialversicherungsrecht, Rz. 11 zu § 48 SGB X).\n\nZum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 23. Marz 2005 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 22. Juli 2005 lag eine wesentliche Veranderung in\nden tatsachlichen oder rechtlichen Verhaltnissen nicht vor.\n\nVergleichsmaßstab ist dabei der Bescheid vom 13. Juni 2003 (Bl. 112 VA), mit\nwelchem der Beklagte dem Klager die Blindheitshilfe ab 01. Juli 2003 auf\nmonatlich 585,00 Euro erhoht hatte. Zwar stutzt der Beklagte die angefochtenen\nBescheide auf § 1 Abs. 2 Satz 1 BliHiG in der durch Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes\nNr. 1566 uber die Haushaltsfinanzierung und Haushaltssicherung 2005 vom 17.\nMarz 2005 geltenden Fassung, wonach die Blindheitshilfe ab 01. April 2005 auf\nmonatlich 470,00 Euro und ab 01. Januar 2006 auf monatlich 438,00 Euro\nreduziert worden war. Dies stellte jedoch zum Zeitpunkt der Entscheidung des\nBeklagten keine gultige Rechtsgrundlage fur die belastenden Verwaltungsakte\ndes Beklagten dar, da Art. 5 des Gesetzes Nr. 1566 mit Beschluss des VerfGH\nvom 13. Marz 2006 (Az Lv 5/05) fur **verfassungswidrig** und **nichtig**\nerklart wurde. Die Entscheidung des VerfGH hat zur Folge, dass die vom\nBeklagten herangezogene Rechtsgrundlage fur die angegriffenen Bescheide\nruckwirkend entfallen ist. Denn die Entscheidungen des VerfGH binden gemaß §\n10 Abs. 1 des Gesetzes uber den Verfassungsgerichtshof (VerfGHG) alle\nsaarlandischen Gerichte und Verwaltungsbehorden. Daruber hinaus hat die\nEntscheidung des VerfGH uber die Nichtigkeit einer Vorschrift gemaß § 10 Abs.\n2 i.V.m. § 9 Nr. 6 VerfGHG **Gesetzeskraft** . Zwar regelt § 46 Abs. 2 Satz 1\nVerfGHG, dass vorbehaltlich einer besonderen gesetzlichen Regelung die nicht\nmehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer als nichtig festgestellten\nRechtsvorschrift beruhen, unberuhrt bleiben. Ein solcher Fall liegt hier\njedoch gerade nicht vor. Denn der Klager hat die Entscheidungen des Beklagten\nmit den entsprechenden Rechtsbehelfen angefochten, so dass sich die\nFeststellung der Nichtigkeit der hier einschlagigen Gesetzesfassung in der\nzuvor dargestellten Art und Weise auswirkt. Damit lag zum Zeitpunkt des\nErlasses der angegriffenen Bescheide eine wesentliche Änderung in den\nrechtlichen Verhaltnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit\nDauerwirkung vom 13. Juni 2003 vorgelegen haben, nicht vor. Denn durch die\nFeststellung der Nichtigkeit des Änderungsgesetzes konnte erneut die bis dahin\ngultige Regelung des BliHiG, also in der Fassung des Gesetzes Nr. 1484 zur\nAnpassung des Landesrechts an die Einfuhrung des Euro und zur Änderung von\nRechtsvorschriften (Siebtes Rechtsbereinigungsgesetz - 7\\. RBG) vom 07.\nNovember 2001 (Amtsblatt vom 07. Dezember 2001, S. 2158) Geltung beanspruchen.\nFolglich bestanden die bei Erlass des Bescheides vom 13. Juni 2003\nmaßgeblichen **rechtlichen Verh altnisse** auch zum Zeitpunkt des Erlasses des\nangegriffenen Bescheides vom 22. Marz 2005 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 22. Juli 2005 **unver andert** fort.\n\nEtwas anderes ergibt sich auch nicht in Anbetracht der sich anschließenden\nAktivitaten des saarlandischen Gesetzgebers. Zwar hat dieser durch das Gesetz\nNr. 1594 eine mit der vom VerfGH fur nichtig erklarten Regelung inhaltsgleiche\nNorm **r uckwirkend** zum 01. April 2005 bzw. zum 01. Januar 2006 in Kraft\ngesetzt; dies fuhrt jedoch nicht dazu, dass die gegenuber dem Klager\nergangenen, zum Zeitpunkt ihres Erlasses mangels Rechtsgrundlage\nrechtswidrigen, Verwaltungsakte ruckwirkend rechtmaßig wurden. Denn bei einer\nÄnderung in den rechtlichen Verhaltnissen, die bei Erlass eines\nVerwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, ist grundsatzlich eine\n**Umsetzung durch die Verwaltung** erforderlich, einen Selbstvollzug des\nGesetzes gibt es dagegen nicht (vgl. Steinwedel, a.a.O., Rz. 9 zu § 48 SGB X).\nDaran fehlt es vorliegend aber, da die rechtswidrig - mangels Änderung in den\nrechtlichen Verhaltnissen - erlassenen Verwaltungsakte des Beklagten eben\nnicht durch ein ruckwirkend in Kraft getretenes Gesetz ohne erneute\nVerwaltungsentscheidung rechtmaßig werden. Denn § 48 SGB X unterscheidet\ngerade hinsichtlich einer Aufhebung **mit Wirkung f ur die Zukunft** \\- die\ngrundsatzlich zu erfolgen hat - einerseits sowie **mit Wirkung zum Zeitpunkt\nder Änderung der Verhaltnisse** (also ruckwirkend) - die nur bei Vorliegen\nweiterer Voraussetzungen erfolgen darf - andererseits. Fur eine ruckwirkende\nAufhebung ist bei der im vorliegenden Fall einzig in Betracht kommenden\nAlternative erforderlich, dass der Betroffenen wusste oder nicht wusste, weil\ner die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass\nder sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen\ngekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4\nSGB X).\n\nNach dem ruckwirkenden Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 1594 hatte der Beklagte\ndieses Gesetz gegenuber dem Klager umsetzen mussen. Hierfur hatte er den\nBescheid vom 13. Juni 2003 erneut gemaß § 48 SGB X mit Wirkung fur die Zukunft\naufheben mussen. Daruber hinaus hatte er prufen mussen, ob auch die\nVoraussetzungen fur eine ruckwirkende Aufhebung vorgelegen hatten. Die bloße\nBezugnahme auf das Gesetz Nr. 1594 reicht indessen nicht aus. Denn es liegen\nweder die Voraussetzungen fur eine Umdeutung des ursprunglichen Bescheides vom\n23. Marz 2005 noch fur das Auswechseln der Begrundung vor.\n\nGemaß § 43 Abs. 1 SGB X setzt die Umdeutung eines fehlerhaften\nVerwaltungsaktes in einen anderen Verwaltungsakt voraus, dass er auf das\ngleiche Ziel gerichtet ist. § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB X schließt eine Umdeutung\nu.a. dann aus, wenn die Rechtsfolgen fur den Betroffenen ungunstiger waren als\ndie des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Da der Verwaltungsakt vom 23. Marz 2005\ndie Hohe der dem Klager zustehenden Blindheitshilfe lediglich mit Wirkung fur\ndie Zukunft reduzierte, der Beklagte aber nach Inkrafttreten des Gesetzes Nr.\n1594 im Ergebnis eine ruckwirkende Verringerung des Anspruchs des Klagers\nvorgenommen hat, sind die Rechtsfolgen ungunstiger, so dass eine Umdeutung\nausscheidet.\n\nEin Auswechseln der Begrundung war nicht moglich, weil hierdurch der\nVerwaltungsakt nicht in seinem Wesen verandert und der Betroffene nicht in\nseiner Rechtsverteidigung beeintrachtigt werden darf (vgl. Urteil des BSG vom\n29. Juni 2000, Az B 11 AL 85/99 R, veroffentlicht in BSGE, S. 8 ). Dies war\nhier jedoch der Fall, da der Beklagte - anders als im Bescheid vom 23. Marz\n2005 ausdrucklich geschehen - nunmehr eine **r uckwirkende** Anpassung der\nBlindheitshilfe vorgenommen hat, ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des §\n48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X zu prufen und gegenuber dem Klager ausdrucklich\nfestzustellen. Folglich war dem Klager jede Moglichkeit genommen, sich dagegen\nzu verteidigen.\n\nNach alledem fuhrt das ruckwirkende Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 1594 nicht\ndazu, dass die in Folge des Beschlusses des VGH vom 13. Marz 2006\nrechtswidrigen Bescheide des Beklagten gegenuber dem Klager **ohne erneute\nVerwaltungsentscheidung** ruckwirkend rechtmaßig wurden. Dies folgt - wie\ndargelegt - bereits aus verwaltungsverfahrensrechtlichen Grunden, so dass der\nSenat uber die Frage, ob das Gesetz Nr. 1594 in zulassiger Weise ruckwirkend\nin Kraft gesetzt wurde, nicht zu befinden hat, da dies nicht\nentscheidungserheblich ist. Ebenso wenig hat er uber die vom Klager\naufgeworfene Frage, ob die Kurzung der Blindheitshilfe von 585,00 Euro auf\n470,00 Euro bzw. 438,00 Euro verfassungsgemaß ist, zu entscheiden. Da diese\ngesetzliche Regelung aus den zuvor dargelegten Grunden im Verhaltnis des\nBeklagten zum Klager bisher nicht wirksam umgesetzt worden ist, kann auch ein\nEingriff in Grundrechte des Klagers nicht vorliegen.\n\nDa der Bescheid des Beklagten vom 23. Marz 2005 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 22. Juli 2005 rechtswidrig ist, war dieser ebenso\nwie der Gerichtsbescheid des SG aufzuheben. Damit ist der ursprungliche\nBewilligungsbescheid vom 13. Juni 2003 wieder in Kraft, eine daruber hinaus\ngehende Verpflichtung des Beklagten zur Neuberechnung der dem Klager\nzustehenden Blindheitshilfe ist dagegen nicht erforderlich.\n\n**III.**\n\nAus den zuvor dargelegten Grunden ist auch der Bescheid des Beklagten vom 05.\nDezember 2005 rechtswidrig, so dass der Klager auch durch diesen beschwert\nist. Denn auch insoweit fehlt es wegen des Beschlusses des VerfGH vom 13. Marz\n2006 an einer wesentlichen Änderung der rechtlichen Verhaltnisse.\n\nHinzu kommt, dass der Bescheid vom 05. Dezember 2005 auch deshalb rechtswidrig\nist, weil er ohne die gemaß § 24 Abs. 1 SGB X erforderliche Anhorung ergangen\nist. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob die tatbestandlichen\nVoraussetzungen fur ein Absehen von der Anhorung gemaß § 24 Abs. 2 Nr. 4 SGB X\n(gleichartige Verwaltungsakte in großerer Zahl) vorgelegen haben. Denn wahrend\ndie Behorde nach § 24 Abs. 1 SGB X zur Anhorung verpflichtet ist, steht es\nlediglich in ihrem **Ermessen** , im Rahmen des § 24 Abs. 2 SGB X von einer\nAnhorung **abzusehen** ; sie kann auch in diesen Fallen anhoren und sollte es\nim Zweifelsfall stets tun (vgl. Krasney in: Kasseler Kommentar, Rz. 31 zu § 24\nSGB X; Urteil des BSG 26.09.1991, Az 4 RK 4/91, veroffentlicht in BSGE\n69,247). Weder der streitige Bescheid noch das Vorbringen des Beklagten vor\ndem SG und dem LSG enthalten Anhaltspunkte dafur, dass der Beklagte uberhaupt\neine Ermessensentscheidung im Sinne von § 24 Abs. 2 SGB getroffen hat. Die\nsomit notwendige Anhorung hat er auch nicht gemaß § 41 Abs. 2 SGB X\nnachgeholt.\n\nDa der Bescheid vom 05. Dezember 2005 rechtswidrig ist, war er auf die\nisolierte Anfechtungsklage hin aufzuheben mit der Folge, dass es bei der bis\ndahin erfolgten Regelung durch den Bescheid des Beklagten vom 13. Juni 2003\nverbleibt.\n\nDer Beklagte wird nunmehr in einem neuen Verwaltungsverfahren gemaß § 48 SGB X\nunter Berucksichtigung von § 24 SGB X daruber zu entscheiden haben, ob der\nBescheid vom 13. Juni 2003 lediglich mit Wirkung fur die Zukunft oder fur die\nVergangenheit aufzuheben ist. Dabei wird er insbesondere zu prufen haben, ob\ndie Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 vorliegen. In diesem\nZusammenhang gibt der Senat zu bedenken, dass diese Bestimmung eine\n**Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Ma ße**\nvoraussetzt. Da der VerfGH das maßgebliche Gesetz, auf dessen Grundlage der\nAnspruch des Klagers auf die Gewahrung von Blindheitshilfe in Hohe von\nmonatlich 585,00 Euro teilweise in Wegfall gekommen war, fur verfassungswidrig\nund nichtig erklart hat, spricht nach Auffassung des Senates vieles dafur,\ndass der Klager jedenfalls bis zur Entscheidung des Gesetzgebers, eine\ninhaltsgleiche Vorschrift ruckwirkend in Kraft zu setzen, darauf vertrauen\ndurfte, Anspruch auf Blindheitshilfe in der bisherigen Hohe zu haben. Der\nSenat hat daher erhebliche Bedenken, dass die Voraussetzungen fur eine **r\nuckwirkende** Aufhebung des ursprunglich bewilligenden Verwaltungsaktes vom\n13. Juni 2003 vorliegen. Selbst wenn der Beklagte dies gleichwohl bejahen\nsollte, hatte er sodann zu prufen, ob ein atypischer Fall vorliegt mit der\nFolge, dass er hinsichtlich der Entscheidung, ob der Verwaltungsakt\nruckwirkend zuruckgenommen wird oder nicht, sein pflichtgemaßes Ermessen\nauszuuben hatte.\n\n**IV.**\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.\n\nGrunde, nach § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.\n\n
131,197
ovgsl-2006-11-10-3-w-606
938
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes
ovgsl
Saarland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
3 W 6/06
2006-11-10
2019-01-07 10:00:57
2019-02-12 12:15:25
Beschluss
## Tenor\n\nDie Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts\ndes Saarlandes vom 26. Mai 2006 - 1 F 17/05 - wird zuruckgewiesen.\n\nDie Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich\nder außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.\n\nDer Streitwert wird fur das Beschwerdeverfahren auf 7.500,-- Euro festgesetzt.\n\n## Gründe\n\nI.\n\nDurch Bescheid vom 15.12.2003 erteilte der Antragsgegner der Rechtsvorgangerin\nder Beigeladenen im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG die Genehmigung\nzur Errichtung von 4 Windkraftanlagen des Typs „Sudwind S 77" mit je 1,5 MW\nNennleistung auf den Grundstucken Gemarkung Wahlen, Flur 12, Parzelle Nr.\n67/1, Flur 17, Parzellen Nr. 136/1 und 166/1.\n\nDie genehmigten Anlagenstandorte liegen im Geltungsbereich des am 17.7.2003\nals Satzung beschlossenen und offenbar am 24.9.2003 abschließend bekannt\ngemachten vorhabenbezogenen Bebauungsplanes „Windpark Wahlener Platte" der\nGemeinde C-Stadt. Dieser Bebauungsplan weist ein Sondergebiet „Wind" mit\nStandorten fur insgesamt 7 Windkraftanlagen aus, begrenzt die Gesamthohe der\nAnlagen auf maximal 125 Meter, ihre Nabenhohe auf maximal 85 Meter und ihren\nRotorradius auf maximal 40 Meter. Die der Rechtsvorgangerin der Beigeladenen\ngenehmigten Windkraftanlagen werden unter den Nummern 5, 6 und 7 gefuhrt. An\nden vier weiteren Standorten war einem anderen Betreiber mit Bescheid vom\n14.1.2004 die Genehmigung fur vier gleich starke Windkraftanlagen erteilt\nworden.\n\nIn dem Genehmigungsbescheid vom 15.12.2003 ist unter Kapitel II B Nr. 4\nbestimmt:\n\n> > „Durch den Betrieb der Windenergieanlagen darf vor den Fenstern von\n> schutzbedurftigen Raumen im 1. OG die nachstehenden Teilimmissionspegel an\n> folgenden maßgeblichen Immissionsorten nicht uberschritten werden\n\n> > …\n\n> > Ortsbereich Wahlen 37 dB(A)\n\n> > Ortsbereich Rissenthal 37 dB(A)\n\n> > …\n\n> > Grundlage fur die Ermittlung der Beurteilungspegel ist die TA-Larm vom\n> 20.8.1998, GMBl. S. 503."\n\nUnter Kapitel II B Nr. 5 heißt es:\n\n> > „Spatestens 6 Monate nach Inbetriebnahme der Windfarm ist durch Messungen\n> einer nach §§ 26, 28 BImSchG bekannt gegebenen Messstelle der Nachweis zu\n> fuhren, dass die o.a. Larm-Immissions-Richtwerte bezogen auf die\n> schalltechnisch ungunstigste Betriebsart (Windgeschwindigkeit 10 m/s in 10 m\n> Hohe) an allen Aufpunkten eingehalten wird. Der Messbericht ist unmittelbar\n> nach Erhalt der Genehmigungsbehorde unaufgefordert vorzulegen."\n\nUnter dem 15.1.2004 zeigte die Rechtsvorgangerin der Beigeladenen an, dass sie\nstatt der genehmigten Anlagen des Typs „Sudwind S77" solche des Typs „GE Wind\nEnergy, 1,5 sL" ausfuhren werde, die hinsichtlich Nennleistung und\nAnlagendimensionen identisch mit den genehmigten Anlagen seien.\n\nMit Bescheid vom 2.2.2004 stellte der Antragsgegner diese Änderung von der\nGenehmigung frei.\n\nMit Schreiben vom 28.12.2004 zeigte die Rechtsvorgangerin der Beigeladenen die\nInbetriebnahme der Anlagen in der 52. Kalenderwoche des Jahres 2004 an. Der\nandere Betreiber zeigte die Inbetriebnahme der von ihm ausgefuhrten Anlagen\nunter dem 21.1.2005 an.\n\nNach Betriebsaufnahme beschwerten sich Anwohner aus den Losheimer Ortsteilen\nWahlen und Rissenthal uber den von den Windkraftanlagen ausgehenden Larm. In\nder Folgezeit vorgenommene Untersuchungen zur Abklarung der Larmursachen\nfuhrten zum Austausch der Getriebe der Anlagen 1, 2 und 3 und wohl auch der\nAnlagen 5 und 7.\n\nAm 18.4.2005 erhoben die Antragsteller, Eigentumer des Wohnanwesens C-Straße\nin Wahlen, das ostlich beziehungsweise nordostlich der Windkraftanlagen liegt,\nWiderspruch gegen die Genehmigungsbescheide vom 15.12.2003 und vom 14.1.2004.\nAm 4.5.2005 legten die Antragsteller der Verfahren 3 W 7/06 und 3 W 8/06,\nEigentumer des Wohnanwesens A. in Rissenthal, das grob betrachtet westlich der\nWindkraftanlagen liegt, ebenfalls Widerspruch gegen die vorgenannten\nGenehmigungsbescheide ein.\n\nDie Widerspruche wurden durch Bescheide vom 28.7.2005 zuruckgewiesen. Außerdem\nwurde auf entsprechende Antrage der Betreiber der Windkraftanlagen die\nsofortige Vollziehbarkeit der Genehmigungsbescheide angeordnet und - wegen der\nnoch nicht abgeschlossenen Arbeiten zum Getriebeaustausch - die Frist zur\nBeibringung der gemaß Kapitel II B Nr. 5 der Genehmigungsbescheide geforderten\nNachweise bis zum 30.9.2005 verlangert. Ferner ist auf den Antrag der\nAntragsteller auf Anordnung von Sicherungsmaßnahmen hin fur den Betrieb zur\nNachtzeit folgende Regelung getroffen:\n\n> > „a) Bis zum Abschluss der Reparaturarbeiten an den Getrieben der WKA ist\n> der Nachtbetrieb untersagt. Der Abschluss ist dem LUA anzuzeigen und durch\n> Bestatigung der Reparaturfirma beziehungsweise der Herstellerfirma\n> nachzuweisen.\n\n> > b) Nach Abschluss der Reparaturarbeiten ist der Nachtbetrieb zu\n> Messzwecken zulassig. Ein der Genehmigung entsprechender Nachtbetrieb ist\n> erst nach Vorlage des Nachweises uber die Einhaltung der Larmpegel\n> zulassig."\n\nDie Widerspruchsbescheide wurden am 10.8.2005 zugestellt. Am 7.9.2005 haben\ndie Antragsteller Klage sowohl gegen den Genehmigungsbescheid vom 15.12.2003\nals auch gegen den Genehmigungsbescheid vom 14.1.2004 erhoben.\n\nAm 28.9.2005 haben sie außerdem beim Verwaltungsgericht um vorlaufigen\nRechtsschutz nachgesucht.\n\nWahrend des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Anlagenbetreiber ein in\nihrem Auftrag unter dem 15.12.2005 erstelltes Gutachten des TÜV-Suddeutschland\nbetreffend die Messung von Gerauschimmissionen des „Windparks C-Stadt-Wahlener\nPlatte" bei Nordost-Windlage an zwei Immissionsorten in Rissenthal, einer\ndavon in der Nahe des Anwesens der Antragsteller der Verfahren 3 W 7/06 und 3\nW 8/06, die die Erlaubnis fur Messungen auf ihrem Grundstuck verweigert\nhatten, zur Nachtzeit vorgelegt. Dieses Gutachten gelangt zusammenfassend zu\ndem Ergebnis, fur den Gesamtwindpark ergebe sich in der lautesten vollen\nNachtstunde bei einer durchgehenden Last von 95 % der Nennlast am IP 12\n(Wohnhaus A. im 1. OG) ein Beurteilungspegel von 40 dB(A) und am IP 13\n(Wohnhaus A., EG) ein solcher von 39 dB(A).\n\nDer Antragsgegner hat dieses Gutachten zum Anlass genommen, mit Schreiben vom\n8.3.2006 den Nachtbetrieb der Anlagen 2, 4, 5, 6 und 7 zuzulassen.\nHinsichtlich der Anlagen 1 und 3 durfte ein Nachtbetrieb weiterhin nach\nvorheriger Absprache mit ihm nur zu Messzwecken erfolgen.\n\nDurch Beschlusse vom 26.5.2006 hat das Verwaltungsgericht es abgelehnt, den\nAntragstellern Eilrechtsschutz gegen den Betrieb der umstrittenen\nWindkraftanlagen zu gewahren. Die Beschlusse sind am 6.6.2006 zugestellt\nworden.\n\nAm 19.6.2006 haben die Antragsteller Beschwerde erhoben und diese am 4.7.2006\nbegrundet.\n\nWahrend des Rechtsmittelverfahrens haben die Anlagenbetreiber den unter dem\n23.8.2006 vom TÜV-Sud erstellten zweiten Teil des Gutachtens betreffend\nGerauschimmissionen im Einwirkungsbereich des „Windparks C-Stadt-Wahlener\nPlatte" vorgelegt, der Gerauschimmissionsmessungen bei Sudwest-Windlage am\nImmissionsort IP 5 (Wohnanwesen I.) in Wahlen zur Nachtzeit zum Gegenstand\nhat. Das Gutachten ermittelte fur den Betrieb des Gesamtwindparks fur die\nlauteste Nachtstunde bei einer Last von durchgehend 95 % der Nennlast\nBeurteilungspegel von - gerundet - maximal 38 dB(A), obwohl die Messung vor\ngeschlossenem statt vor geoffnetem Schlafzimmerfenster durchgefuhrt wurde, und\nauf einen Abschlag zur Korrektur der Auswirkungen von Schallreflexionen an der\nGebaudefront verzichtet wurde. Bei Zugrundelegung eines Teilbetriebs der\nAnlagen 1 bis 4 betrug der Pegel ebenfalls gerundet 38 dB(A), wahrend bei\neinem Teilbetrieb der Anlagen 5 bis 7 Gerauschimmissionen nicht messbar waren,\nda die betreffenden Messreihen unterhalb oder im Niveau des\nFremdgerauschpegels lagen. Der Antragsgegner verfugte daraufhin, dass nunmehr\nauch die Anlagen 1 und 3 zur Nachtzeit betrieben werden durfen.\n\nDas Gericht hat den Prozessbevollmachtigten der Antragsteller unter dem\n16.10.2006 eine Kopie des Gutachtens vom 23.8.2006 ubersandt und ihnen\nGelegenheit zur Äußerung bis zum 2.11.2006 eingeraumt.\n\nII.\n\nDer gemaß § 146 Abs. 4 VwGO statthaften und auch sonst zulassigen Beschwerde\nkann nicht entsprochen werden.\n\nDas Verwaltungsgericht hat es mit dem angefochtenen Beschluss zu Recht\nabgelehnt, den Antragstellern vorlaufigen Rechtschutz gegen die der\nRechtsvorgangerin der Beigeladenen erteilte Genehmigung vom 15.12.2003 zu\ngewahren.\n\nDas Beschwerdevorbringen der Antragsteller, das gemaß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO\nden Umfang der gerichtlichen Nachprufung in dem vorliegenden\nRechtsmittelverfahren begrenzt, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Fur\ndie Beurteilung ist zunachst davon auszugehen, dass mit den Regelungen des §\n146 Abs. 4 Satze 1, 3 und 6 VwGO, die dem Beschwerdefuhrer eine Frist von\neinem Monat zur Einreichung einer Beschwerdebegrundung setzen, ferner\nverlangen, dass die Beschwerdebegrundung die Grunde darlegt, aus denen die\nerstinstanzliche Entscheidung abzuandern oder aufzuheben ist, und sich mit der\nangefochtenen Entscheidung auseinandersetzt, und die die\nbeschwerdegerichtliche Nachprufung auf die (fristgerecht) vorgetragenen\nBeschwerdegrunde begrenzen, das gesetzgeberische Ziel verfolgt, im Interesse\neiner beschleunigten Abwicklung von Eilrechtschutzverfahren den Streitstoff im\nRechtsmittelverfahren betreffend Beschwerden gegen Beschlusse nach den §§ 80,\n80 a VwGO sowie § 123 VwGO zu beschranken. Diese Einschrankung hindert den\nBeschwerdefuhrer zwar nicht daran, auch Änderungen der Sach- und Rechtslage\ngeltend zu machen, die nach Ergehen der erstinstanzlichen Entscheidung und vor\nAblauf der Beschwerdebegrundungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO eingetreten\nsind. Änderungen der Sach- und Rechtslage nach Fristablauf konnen seinem\nRechtsmittel hingegen nicht mehr zum Erfolg verhelfen. Ihre Berucksichtigung\nliefe den Regelungen des § 146 Abs. 4 Satze 1, 3 und 6 VwGO und der damit\nverfolgten gesetzgeberischen Zielsetzung zuwider\n\n> > vgl. zum Beispiel Bader u.a., VwGO, 3. Auflage 2005, § 146 Rdnr. 36;\n> Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Auflage 2004, § 146 Rdnr. 22; Meyer-\n> Ladewig/Rudisile in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 146 Rdnr. 15;\n> VGH Mannheim, Beschluss vom 8.11.2004 - 9 S 1536/04; im Übrigen auch BVerwG,\n> Beschluss vom 12.11.2002 - 7 AV 4/02 - NVwZ 2003, 496 zu § 124 a Abs. 4 Satz\n> 3 VwGO; anderer Ansicht unter Hinweis auf die Prozessokonomie Happ in\n> Eyermann, VwGO, 12. Auflage 2006, § 146 Rdnr. 26; Kopp/Schenke, VwGO, 14.\n> Auflage 2005, § 146 Rdnr. 32.\n\nIn derartigen Fallen bleibt dem Beschwerdefuhrer die Moglichkeit, gemaß § 80\nAbs. 7 VwGO einen Abanderungsantrag oder in Fallgestaltungen, in denen ein\nAntrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt wurde, einen neuen\nAntrag zu stellen. Von daher ist es fur die im Beschwerdeverfahren zu\ntreffende Entscheidung ohne Belang, dass der Antragsgegner nach Ablauf der\nBeschwerdebegrundungsfrist nunmehr den Nachtbetrieb auch der Anlagen 1 und 3\nzugelassen hat.\n\nMit ihrem innerhalb der Beschwerdebegrundungsfrist bei Gericht eingegangenem\nVorbringen wenden die Antragsteller zunachst ein, das Verwaltungsgericht habe\nzu Unrecht angenommen, die im Widerspruchsbescheid enthaltene Begrundung der\nVollzugsanordnung genuge den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO, und hierbei\nunberucksichtigt gelassen, dass die Anlagenbetreiber ihre Antrage auf\nAnordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nur mit der Notwendigkeit der\nDurchfuhrung von Messungen begrundet hatten, die getroffene Regelung indes\ndaruber hinaus gehe, indem sie einen Dauerbetrieb erlaube. Im Übrigen erfulle\ndie Begrundung der Vollzugsanordnung nicht einmal die Mindestanforderungen des\n§ 80 Abs. 3 VwGO. So wurden beispielsweise ohne irgendwelche Betrage in den\nRaum zu stellen, die wirtschaftlichen Nachteile einer Betriebseinstellung als\ndurchgreifend bewertet. Diese Rugen greifen nicht durch. Zunachst trifft es\nnicht zu, dass die Anlagenbetreiber ihre Antrage auf Anordnung der sofortigen\nVollziehbarkeit der ihnen erteilten Genehmigungen nur mit der Notwendigkeit\nvon Messungen begrundet hatten. In der Antragsbegrundung vom 12.7.2005 (Bl.\n288 der Verw.-Akten I) wird namlich geltend gemacht, die erteilte Genehmigung\nsei rechtmaßig, die Anlagen seien bereits errichtet, mehrere Monate in Betrieb\nund mussten die Zinsen fur die Finanzierung des Windparks erwirtschaften. Von\neinem Nachtbetrieb zu Messzwecken ist nicht die Rede. Im Übrigen hat das\nVerwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss (Seiten 16 und 17) die\nausfuhrliche Begrundung der Vollzugsanordnung wiedergegeben und zutreffend\nausgefuhrt, diese Begrundung erschopfe sich nicht in einer bloßen Wiedergabe\ndes Gesetzestextes oder in einer Bezugnahme auf den Ausgangsbescheid; sie\nlasse vielmehr erkennen, dass die Anordnung nach sorgfaltiger Abwagung der\nwiderstreitenden Interessen getroffen und nach dem Ergebnis der Abwagung den\nBetreiberinteressen der Vorrang eingeraumt worden sei. Es hat weiter darauf\nabgestellt, dass es fur die Erfullung der Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO\nohne Bedeutung sei, ob die Begrundung der Vollzugsanordnung inhaltlich\nzutreffe, da das Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine originare\nErmessensentscheidung treffe und keine Inhaltskontrolle der Begrundung des\nSofortvollzuges vornehme. Diese Wurdigung steht im Einklang mit der\nRechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes\n\n> > vgl. zum Beispiel OVG des Saarlandes, Beschlusse vom 1.3.1995 - 2 W 63/04\n> -, vom 6.11.2002 - 2 U 9/02 -, und vom 22.8.2001 - 2 W 1/01 -.\n\nDanach sind die Anforderungen, die § 80 Abs. 3 VwGO an die Begrundung einer\nVollzugsanordnung stellt, eher formaler Natur. Ihnen ist in aller Regel - und\nauch hier - Rechnung getragen, wenn sich die Behorde uber ihre bloße und mit\nBlick auf das Rechtsstaatsprinzip des § 20 Abs. 3 GG selbstverstandliche\nÜberzeugung, der von ihr erlassene Verwaltungsakt sei rechtmaßig, hinaus mit\nden gegenlaufigen, von der sofortigen Vollziehbarkeit betroffenen Interessen\nauseinandersetzt, auf dieser Grundlage ihre Entscheidung trifft und so zum\nAusdruck bringt, dass sie sich der Abweichung vom Regelfall des § 80 Abs. 1\nVwGO bewusst ist. Diesen Anforderungen entspricht die hier umstrittene\nVollzugsanordnung, wobei bei dieser Wurdigung zu berucksichtigen ist, dass\nhier die Vollzugs- und die „Sicherungsanordnung", die erstere einschrankt, als\nEinheit gesehen werden mussen, da sich beide als Ergebnis der vorgenommenen\nAbwagung darstellen. Danach hat die Widerspruchsbehorde zum einen darauf\nabgestellt, dass die Windkraftanlagen zur Vornahme der geforderten\nSchallimmissionsmessungen in Betrieb sein mussen. Außerdem ist sie davon\nausgegangen, dass die im Genehmigungsbescheid festgelegten\nSchallimmissionswerte wahrend der Tageszeit eingehalten werden, und hat\ndeshalb keinen Grund gesehen, den Betrieb der Anlagen tagsuber zu untersagen.\nFerner hat sie es „im Hinblick auf die seitens der Antragsteller bereits\ngetatigten Investitionen und die laufenden Betriebskosten" fur\nunverhaltnismaßig erachtet, den Betrieb „zum jetzigen Zeitpunkt" vollstandig\neinzustellen. Dass sie in diesem Zusammenhang keine Betrage angefuhrt hat, ist\nunschadlich, da auf der Hand liegt, dass die Errichtung von drei\nbeziehungsweise insgesamt sieben Windkraftanlagen mit jeweils 1,5 MW Leistung\nbetrachtliche Investitionen erfordert hat und dem Betreiber erhebliche\nwirtschaftliche Nachteile entstehen, wenn die Anlagen bis zum rechtskraftigen\nAbschluss der eingeleiteten Rechtsbehelfsverfahren nicht betrieben und keine\nEinnahmen zur Kostendeckung erzielt werden konnen. Auf der anderen Seite hat\ndie Widerspruchsbehorde auch die Nachbarinteressen nicht aus dem Blick\nverloren, indem sie den Nachtbetrieb der Anlagen bis zum Abschluss der\nReparaturarbeiten an den Getrieben untersagt, nach Abschluss dieser Arbeiten\neinen Nachtbetrieb zunachst nur zu Messzwecken erlaubt und die endgultige\nZulassung des Nachtbetriebes erst fur den Fall der Vorlage des Nachweises uber\ndie Einhaltung der Larmpegel in Aussicht gestellt hat. Diese Erwagungen\ngenugen jedenfalls den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Ob sie die\nAnordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des angefochtenen\nGenehmigungsbescheides auch inhaltlich rechtfertigen ist - wie das\nVerwaltungsgericht zutreffend ausgefuhrt hat - fur die Erfullung dieser\nAnforderungen ohne Belang.\n\nDem Verwaltungsgericht ist im Weiteren darin zu folgen, dass der Ausgang der\nKlageverfahren derzeit noch offen ist. Einigkeit durfte zwischen den\nBeteiligten daruber bestehen, dass die Klage der Antragsteller gegen den\nGenehmigungsbescheid nur dann Erfolg haben kann, wenn die angefochtene\nGenehmigung gegen auch ihren Schutz bezweckende Vorschriften des offentlichen\nRechts verstoßt. Nicht in diesem Sinne drittschutzend wirken Vorschriften, die\nausschließlich offentlichen Belangen Rechnung tragen. Dazu gehoren - worauf\ndas Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat - Vorschriften, die Belange\nder Raumordnung, des Natur- und des Landschaftsschutzes beziehungsweise des\nArtenschutzes regeln und die eine Verunstaltung der Landschaft verbieten.\n\nZugunsten der Antragsteller als offen ist zunachst die Beantwortung der Frage\nanzusehen, ob den Antragstellern unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten\nein Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Genehmigung zusteht.\nVoraussetzung hierfur ware hier nicht nur, dass uber den Genehmigungsantrag\nnach dem im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung maßgeblichen Recht nicht im\nvereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG, sondern im formlichen Verfahren\nnach § 10 BImSchG mit Öffentlichkeitsbeteiligung zu entscheiden war, sondern\nauch, dass Dritte - gegebenenfalls nach einer gemeinschaftsrechtliche Vorgaben\nberucksichtigenden Auslegung - einen Anspruch auf Durchfuhrung des\nzutreffenden Genehmigungsverfahrens einschließlich Öffentlichkeitsbeteiligung\nhaben. Das Verwaltungsgericht hat indes zu Recht darauf hingewiesen, dass\naufgrund der zum 1.7.2005 in Kraft getretenen Änderung der Nr. 1.6 des Anhangs\nzur 4. BImSchV durch die Verordnung zur Änderung der Verordnung uber\ngenehmigungsbedurftige Anlagen und zur Änderung der Anlage 1 des Gesetzes uber\ndie Umweltvertraglichkeitsprufung vom 20.6.2005 (BGBl. I S. 1687) nunmehr uber\ndie Genehmigung von Windkraftanlagen mit einer Gesamthohe von mehr als 50\nMetern im Verfahren nach § 19 BImSchG - ohne Öffentlichkeitsbeteiligung - zu\nentscheiden ist, es sei denn, nach dem Gesetz uber die\nUmweltvertraglichkeitsprufung ist ein Verfahren mit\nUmweltvertraglichkeitsprufung durchzufuhren (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c der 4.\nBImSchV).\n\nEntgegen der Ansicht der Antragsteller spricht allenfalls wenig dafur, dass\ndiese zum 1.7.2005 wirksam gewordene Rechtsanderung vorliegend außer Betracht\nzu bleiben hat und auf das im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltende\nVerfahrensrecht abzustellen ist. In der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts ist jedenfalls fur das offentliche Baurecht\nanerkannt, dass nachtragliche Rechtsanderungen zu Gunsten des Bauherrn\nbeachtlich sind\n\n> > vgl. zum Beispiel BVerwG, Beschluss vom 23.4.1998, Baurecht 1998, 995,\n\nund auch in der vorliegenden Konstellation leuchtet nicht ein, den\nAntragstellern deshalb einen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung\nzuzubilligen, weil der Antragsgegner den im Zeitpunkt der\nGenehmigungserteilung fur die Bestimmung des Genehmigungsverfahrens\nmaßgeblichen Begriff der Windfarm (Anhang zur 4. BImSchV Nr. 1.6, Spalten 1\nund 2 in der bis zum 30.6.2005 maßgeblichen Fassung) unzutreffend ausgelegt\nund kein Verfahren nach § 10 BImSchG durchgefuhrt hat, wenn uber einen nach\nAufhebung der Genehmigung zu erwartenden neuen Genehmigungsantrag aufgrund der\nzum 1.7.2005 wirksam gewordenen Rechtsanderung erneut im Verfahren nach § 19\nBImSchG zu entscheiden ware.\n\nEine andere Frage ist, ob fur die Genehmigung der Anlagen nach dem Gesetz uber\ndie Umweltvertraglichkeitsprufung eine Umweltvertraglichkeitsprufung\ndurchzufuhren und deshalb uber den Genehmigungsantrag im formlichen Verfahren\nnach § 10 BImSchG zu entscheiden war (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c, aa der 4.\nBImSchV a.F.) und ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c der 4. BImSchV n.F.). Nach\nNr. 1.6.2 der Anlage 1 zum Gesetz uber die Umweltvertraglichkeitsprufung in\nder bis zum 30.6.2005 geltenden Fassung bedurfte die Errichtung von 6 bis\nweniger als 20 Windkraftanlagen einer allgemeinen Vorprufung des Einzelfalls\ngemaß § 3 c Abs. 1 Satz 1 UVPG. Die ab 1.7.2005 maßgebliche Neufassung dieser\nAnlage 1 stellt in Nr. 1.6 nunmehr auf die Errichtung und den Betrieb einer\nWindfarm mit Anlagen mit einer Gesamthohe von jeweils mehr als 50 Metern ab.\nAnsonsten hat sich nichts geandert. Es bleibt damit beim Erfordernis einer\nallgemeinen Vorprufung nach § 3 c Abs. 1 Satz 1 UVPG. Eine solche allgemeine\nVorprufung hat vorliegend stattgefunden. Sie hat zu dem Ergebnis gefuhrt, dass\neine Umweltvertraglichkeitsprufung vorliegend nicht durchzufuhren ist. Von\ndaher hatte die Notwendigkeit einer Umweltvertraglichkeitsprufung allenfalls\ndann bestanden, wenn der Antragsgegner rechtsfehlerhaft nach den Kriterien des\n§ 3 c Abs. 1 Satz 1 UVPG das Erfordernis einer solchen Prufung verneint hatte.\nDa nach der betreffenden Bestimmung die „Einschatzung der zustandigen Behorde\naufgrund uberschlagiger Prufung" maßgeblich ist, also auch Raum fur\n„Ungenauigkeiten" besteht\n\n> > vgl. Peter/Balla, UVPG, 3. Auflage 2006, § 3 c Rdnr. 4,\n\nspricht derzeit allenfalls wenig dafur, dass dem Antragsgegner insoweit ein\nentscheidungserheblicher Rechtsfehler unterlaufen ist. Jedenfalls bedurfte es\nzu einer dahingehenden Feststellung einer eingehenden Auseinandersetzung mit\nder durchgefuhrten allgemeinen Vorprufung, die dem Hauptsacheverfahren\nvorbehalten bleiben muss. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht die\nFrage, ob den Antragstellern ein Abwehrrecht aufgrund eines Verstoßes gegen\ndrittschutzende Vorschriften des Genehmigungsverfahrens zusteht, zu Recht als\noffen angesehen.\n\nNichts anderes gilt hinsichtlich der Frage, ob die angefochtene Genehmigung in\nmateriell-rechtlicher Hinsicht gegen auch den Schutz der Antragsteller\nbezweckende Vorschriften verstoßt.\n\nSoweit die Antragsteller, offenbar unter Berufung auf das von ihnen im\nerstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht baurechtliche Gebot der\nRucksichtnahme vorbringen, die Drehbewegungen der Rotoren der Windkraftanlage\nhatten als Blickfang nicht außer Betracht bleiben, sondern in der Abwagung\nberucksichtigt werden mussen, ist zu bemerken: Die umstrittenen\nWindkraftanlagen sind im Geltungsbereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes\n„Windpark Wahlener Platte" der Gemeinde C-Stadt errichtet worden. Von der\nGultigkeit dieses Bebauungsplanes ist fur das vorliegende Verfahren\nauszugehen, da in den nur auf die summarische Überprufung der Sach- und\nRechtslage ausgerichteten Antragsverfahren nach den §§ 80, 80 a und 123 VwGO\nin aller Regel kein Raum fur eine inzidente Normenkontrolle ist. Vielmehr ist\nim Grundsatz von der Verbindlichkeit der als Rechtsnorm (Satzung) erlassenen\nplanerischen Festsetzungen auszugehen\n\n> > vgl. zum Beispiel OVG des Saarlandes, Beschlusse vom 13.4.1993 - 2 W 5/93\n> - BRS 55 Nr. 189, und vom 31.7.2006 - 2 W 3/06 -.\n\nEtwas anderes mag allenfalls dann gelten, wenn die betreffenden\nSatzungsregelungen bereits nach dem Ergebnis einer uberschlagigen Prufung mit\nSicherheit oder aller Voraussicht nach unwirksam sind. Fur einen solchen\nSonderfall ist indes hier nichts dargetan. Mit den Festsetzungen des\nBebauungsplanes, die auf der Grundlage einer entsprechenden Abwagung und\nEntscheidung des Gemeinderates von C-Stadt als demokratisch legitimiertem\nBeschlussorgan dieser Gemeinde getroffen wurden, stehen die umstrittenen\nWindkraftanlagen in Einklang. Das wird offenbar auch von den Antragstellern\nnicht in Frage gestellt. Nach den betreffenden Festsetzungen sind die Anlagen\nan ihren Standorten, mit den erreichten Naben- und Gesamthohen und mit den\nrealisierten Rotordurchmessern danach planungsrechtlich zulassig und die von\nihnen ausgehenden optischen Einwirkungen grundsatzlich hinzunehmen. Hiervon\nmusste auch der Antragsgegner als Genehmigungsbehorde ausgehen, den diese\nplanerischen Festsetzungen ebenfalls binden. Zwar bestimmt § 15 Abs. 1 Satz 2\nBauNVO, dass die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgefuhrten baulichen Anlagen im\nGeltungsbereich eines Bebauungsplanes unzulassig sind, wenn von ihnen\nBelastigungen oder Storungen ausgehen konnen, die nach der Eigenart des\nBaugebiets in dem Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Es\nist jedoch anerkannt, dass gestutzt auf diese Regelung, die insoweit eine\nAuspragung des Gebotes der Rucksichtnahme darstellt, die Festsetzungen eines\nBebauungsplanes nur erganzt, nicht aber korrigiert werden konnen\n\n> > BVerwG, Beschluss vom 6.3.1989 - 4 NB 8.89 - Baurecht 1989, 306.\n\nDas bedeutet, lasst wie hier ein Bebauungsplan, der ein Sondergebiet fur\nWindkraftanlagen ausweist, auf der Grundlage einer entsprechenden planerischen\nAbwagung an genau festgelegten Standorten Windkraftanlagen in den von den\nAnlagenbetreibern realisierten Dimensionen durch entsprechende detaillierte\nFestsetzungen ausdrucklich zu, so kann gegenuber der Genehmigung solcher\nplankonformer Anlagen nicht mit Erfolg vorgebracht werden, sie verursachten\nmit ihrer Dimensionierung an den planerisch zugelassenen Standorten\nunzumutbare Einwirkungen (zum Beispiel im Sinne einer erdruckenden Wirkung) im\nVerstandnis von § 15 BauNVO. In einem solchen Falle wurde namlich die\ngemeindliche Planung uber § 15 BauNVO in unzulassiger Weise ausgehebelt. Eine\nandere Frage ist freilich, ob die planerische Entscheidung, an den\nbetreffenden Standorten Windkraftanlagen in der hier in Rede stehenden\nDimensionierung zuzulassen, auf einer rechtmaßigen Abwagung beruht und der\nbetreffende Plan gultig ist. Ihr ist indes - wie dargelegt - in Verfahren der\nvorliegenden Art nicht im Einzelnen nachzugehen.\n\nWas die von den Windkraftanlagen verursachten Larmeinwirkungen auf das\nWohnanwesen der Antragsteller anbelangt, so hat das Verwaltungsgericht unter\nHinweis auf einschlagige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts\nzutreffend ausgefuhrt, dass das in bauplanungsrechtlichen Vorschriften\nverankerte Rucksichtnahmegebot keinen weitergehenden Schutz vor\nLarmimmissionen gewahrt als § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG. Die letztgenannte\nBestimmung hat es dann entgegen der Darstellung der Antragsteller durchaus als\ndrittschutzend wirkende Norm gepruft (vgl. Seiten 22 und 23 des\nBeschlussabdruckes) und sich in diesem Zusammenhang unter anderem mit dem der\nGenehmigung zugrunde liegenden schalltechnischen Prognosegutachten des\nIngenieur- und Beratungsburos Kohnen vom 25.2.2003 und mit den rechtlichen\nWirkungen der Nebenbestimmungen in Kapitel II B Nr. 4 der Genehmigung\nauseinandergesetzt, mit der unter anderem fur die Ortsbereiche Wahlen und\nRissenthal Teilimmissionspegel von jeweils 37 dB(A) festgesetzt werden (vgl.\nSeiten 24 und 25 des Beschlussabdrucks). Dass das Verwaltungsgericht nach\ndieser - in Verfahren der vorliegenden Art nur uberschlagigen - Prufung zu dem\nErgebnis gelangt ist, die Klarung der Frage einer unzumutbaren Betroffenheit\nder Antragsteller durch von den umstrittenen Windkraftanlagen verursachte\nLarmimmissionen musse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben mit der\nFolge, dass auch insoweit von einer offenen Rechtslage auszugehen sei, ist\nrechtlich nicht zu beanstanden. Naher klarungsbedurftig ist bereits im Ansatz,\nob und gegebenenfalls auf welche Weise in den den Anlagenbetreibern erteilten\nGenehmigungen der Schutz der Anwohner vor unzumutbaren Larmbelastigungen\nsicherzustellen ist und welches Schutzniveau die Antragsteller einfordern\nkonnen. Der Antragsgegner hat unter Kapitel II B Nr. 4 der\nGenehmigungsbescheide unter anderem fur die Ortsbereiche von Wahlen und\nRissenthal Teilimmissionspegel von jeweils 37 dB(A) festgelegt, „die vor den\nFenstern von schutzbedurftigen Raumen im 1. OG" nicht uberschritten werden\ndurfen. Das Verwaltungsgericht hat diese Festlegungen trotz ihres auf eine\nSchutzauflage hinweisenden Wortlauts nicht als drittschutzend angesehen (S. 24\ndes Beschlussabdruckes)\n\n> > vgl. zur Festlegung von Larmwerten in einer Nebenbestimmung zu einer\n> Baugenehmigung zum Beispiel BVerwG, Urteil vom 29.10.1998 - 4 C 9/97 -\n> zitiert nach Juris,\n\nsondern offenbar ausgehend von der Lage des Anwesens der Antragsteller in\neinem durch Bebauungsplan festgesetzten allgemeinen Wohngebiet auf den\nImmissionsrichtwert fur Immissionsorte außerhalb von Gebauden in allgemeinen\nWohngebieten von 40 dB(A) gemaß Nr. 6.1 d der technischen Anleitung zum Schutz\ngegen Larm - TA-Larm - vom 26.8.1998 (GMBl. 1998, 503) abgestellt. Ob diese\nSicht dem Umstand hinreichend Rechnung tragt, dass es sich bei dem Richtwert\nvon 40 dB(A) vorliegend um einen Summenpegel handelt, der von den Immissionen\nvon insgesamt sieben, mit zwei Genehmigungen zugelassenen Windkraftanlagen\nnicht uberschritten werden darf, und sich von daher die Frage stellt, ob der\nAntragsgegner mit der Festschreibung der Teilimmissionspegel wirklich ein\nverglichen mit den einschlagigen Richtwerten der TA-Larm hoheres Schutzniveau\nfordern wollte, oder ob es ihm lediglich um die Aufteilung des als Richtwert\nmaßgeblichen Beurteilungspegels von 40 dB(A) auf die beiden (damaligen)\nGenehmigungsinhaber ging, bedarf indes im vorliegenden Beschwerdeverfahren\nebenso wenig der naheren Klarung wie die Frage, in welchem Umfang und auf\nwelche Weise Larmschutz in Fallgestaltungen zu gewahrleisten ist, in denen\nLarmimmissionen durch mehrere Anlagen verschiedener Betreiber verursacht\nwerden. Denn die Antragsteller haben diesen rechtlichen Ansatz mit ihrer\nBeschwerdebegrundung nicht, jedenfalls nicht substantiiert in Frage gestellt.\n\nAusgehend davon, dass der Immissionsrichtwert von 40 dB(A) zur Nachtzeit gemaß\nNr. 6.1 d der TA-Larm das Schutzniveau beschreibt, dessen Einhaltung die\nAntragsteller gegenuber den vom Betrieb samtlicher sieben Windkraftanlagen\nverursachten Gerauschimmissionen beanspruchen konnen, durfte es entscheidend\ndarauf ankommen, ob dieser Richtwert vorliegend uberschritten wird. Das ist\nnach dem Ergebnis der summarischen Überprufung im vorliegenden Eilverfahren\nnoch offen, insbesondere kann nach dem derzeitigen Erkenntnisstand keine Rede\ndavon sein, dass die unzumutbare Beeintrachtigung der Wohnnutzung auf dem\nAnwesen der Antragsteller durch von den Windkraftanlagen verursachten Larm\noffenkundig ist. In der wahrend des Genehmigungsverfahrens vorgelegten\ngutachterlichen Stellungnahme des Ingenieur- und Beratungsburos K. vom\n25.2.2003 wird die Einhaltung der Larmrichtwerte prognostiziert. Dass diese\nPrognose offenkundig fehlerhaft erstellt ware, kann nicht angenommen werden.\nBei dem Ingenieurburo K. handelt es sich ausweislich des\nWiderspruchsbescheides vom 28.7.2005 (S. 19) um eine gemaß § 26 BImSchG\nbenannte Stelle, so dass von der erforderlichen Sachkunde fur die Erstellung\nvon Larmimmissionsprognosen im Grundsatz ausgegangen werden kann.\n\nEntgegen der Ansicht der Antragsteller hat diese sachverstandige Stellungnahme\nnicht schon deshalb außer Betracht zu bleiben, weil sie im Auftrag der\nAnlagenbetreiber gefertigt wurde. Zum einen ist es grundsatzlich Sache der\nAnlagenbetreiber, die Genehmigungsunterlagen vorzulegen, und wenn hierzu eine\nImmissionsprognose gehort, liegt auf der Hand, dass diese von den Betreibern\nin Auftrag gegeben wird. Daraus lasst sich fur sich allein noch kein Einwand\ngegen die Aussagekraft der hier in Rede stehenden gutachterlichen\nStellungnahme herleiten. Zum anderen ist die Vorlage von im Betreiberauftrag\nerstellten Immissionsprognosen und -messungen dem Regelungssystem des BImSchG\nnicht fremd, das zum Beispiel neben der behordlichen (§ 52 BImSchG) auch die\nso genannte betreibereigene Überwachung von Anlagen (vgl. zum Beispiel §§ 26\nbis 29 BImSchG) vorsieht. Dem Erfordernis der Gewahrleistung der Objektivitat\nvon im Auftrag von Anlagenbetreibern durchgefuhrten Messungen und\nBegutachtungen wird unter anderem dadurch Rechnung getragen, dass die von der\nAnlage ausgehenden Emissionen sowie die Immissionen im Einwirkungsbereich der\nAnlage durch eine von der nach Landesrecht zustandigen Behorde bekannt\ngegebenen Stelle zu ermitteln sind. Zu den Voraussetzungen fur eine solche\n„Bekanntgabe" gehoren nicht nur Anforderungen an die Fachkunde und das\nPersonal der betreffenden Stelle, sondern auch die Zuverlassigkeit des Leiters\nund der Bediensteten sowie ihre Unabhangigkeit. Die erforderliche\nZuverlassigkeit ist unter anderem dann nicht (mehr) gegeben, wenn\nErmittlungsergebnisse vorsatzlich zum Vor- oder Nachteil eines\nAnlagenbetreibers verandert oder nicht vollstandig wiedergegeben werden\n\n> > vgl. Richtlinie fur die Bekanntgabe sachverstandiger Stellen im Bereich\n> des Immissionsschutzes in der Fassung des LAI-Beschlusses der 106. Sitzung\n> vom 30.9. bis 2.10.2003, Bl. 199 der Gerichtsakten.\n\nRechtfertigt es danach der Status eines Sachverstandigen als „bekannt gegebene\nStelle" im Verstandnis von § 26 BImSchG zumindest prinzipiell, von seiner\nhierfur erforderlichen Objektivitat und Unabhangigkeit auszugehen, so kann\nseine sachverstandige Äußerung nicht allein deshalb als\n„Gefalligkeitsgutachten" abgetan werden, weil er im Auftrage des\nAnlagenbetreibers tatig geworden ist. Ob die hier von dem Ingenieur- und\nBeratungsburo K. erstellte Larmprognose fachlich „auf der sicheren Seite"\nliegt, bedarf, worauf das Verwaltungsgericht mit Recht hingewiesen hat (S. 25\ndes Beschlussabdrucks), noch der naheren Klarung.\n\nVon einer offensichtlichen Überschreitung des Larmrichtwertes von 40 dB(A)\nkann insbesondere nicht aufgrund der Ergebnisse der privat veranlassten\nMessungen am Anwesen A. in Rissenthal ausgegangen werden. Abgesehen von der\nFrage, ob Larmmessungen an diesem Standort uberhaupt eine zuverlassige Aussage\nuber die Larmbelastung am Anwesen C-Straße in Wahlen erlauben, eine Frage\nubrigens, die auch gegenuber der Aussagekraft der Ergebnisse der ebenfalls an\nzwei Immissionsorten in Rissenthal durchgefuhrten Messungen im Gutachten des\nTÜV-Suddeutschland vom 15.12.2005 fur die Verhaltnisse am Anwesen der\nAntragsteller aufzuwerfen ist, bestehen namlich ganz erhebliche Bedenken, ob\ndiesen von den Antragstellern vorgelegten privaten Messungen uberhaupt die\nBedeutung selbst eines bloßen Anhaltspunktes fur eine Richtwertuberschreitung\nbeigemessen werden kann. Denn es ist weder bekannt, wer diese Messungen\ndurchgefuhrt hat, noch uber welche Sachkunde er verfugt, noch welche\nMessgerate verwendet wurden, sowie welche meteorologischen Bedingungen bei\nihrer Durchfuhrung herrschten und ob die Ermittlungen der Gerauschimmissionen\nauch sonst nach den Vorgaben der Anlage zur TA-Larm durchgefuhrt wurden. Mit\nGewicht gegen die Brauchbarkeit dieser Messungen spricht ferner, dass fur\nMontag, den 19.9.2005, in der Zeit zwischen 1.00 und 2.00 Uhr eine Haufung\nhoher Larmpegel mit Spitzen von uber 60 dB(A) ausgewiesen wird (Bl. 82 der\nGerichtsakten), obwohl die Anlagen an dem betreffenden Tag von 22.00 Uhr\n(Anlagen 1 bis 4, siehe Maschinenlogbucher Bl. 209 bis 212 der Behordenakte\nII) beziehungsweise vor 24.00 Uhr (Anlagen 5 bis 7, siehe Maschinenlogbucher\nBl. 348, 365, 378 der Akte I) ausgeschaltet wurden und auch sonst keine\nErklarung fur die gemessenen hohen Pegel gegeben wird.\n\nEbenfalls nicht mit Gewissheit auf das Auftreten unzumutbarer\nLarmbelastigungen kann aus dem Umstand geschlossen werden, dass es in der Zeit\nnach Betriebsaufnahme zu einer ganzen Reihe von Anwohnerbeschwerden uber von\nden Windkraftanlagen ausgehendem Larm gekommen ist und die Anlagenbetreiber\nunerwartete und atypische Gerauscheinwirkungen auch eingeraumt haben. Denn\ndiese Situation hat sich dadurch geandert, dass in aus Anlass dieser\nAnwohnerbeschwerden eingeleiteten Untersuchungen die Getriebe einiger Anlagen\nals Ursache der Gerausche ermittelt und in der Folgezeit ausgetauscht wurden.\nVon daher kann eine Fortdauer der anfanglichen, von den Betreibern auch\neingeraumten Belastigungen nicht unterstellt werden. Zwar bestreiten die\nAntragsteller, dass die ihrer Ansicht nach unzumutbaren Larmbelastigungen\ndurch den Austausch der Getriebe beseitigt wurden und legen mit Schriftsatz\nvom 22.9.2005 im Beschwerdeverfahren Unterlagen vor, wonach Windkraftanlagen\ndes hier in Rede stehenden Typs auch an anderer Stelle durch tonartige\nGerausche aufgefallen sein sollen. Das Verwaltungsgericht hat indes auf von\nden Sachverstandigen des TÜV-Suddeutschland festgehaltene Äußerungen von\nAnwohnern in Wahlen und Rissenthal verwiesen, wonach nach dem Austausch der\nGetriebe nur noch ein rhythmisches Rauschen verblieben sei, das bei weitem\nnicht mehr so store. Diesen Äußerungen kommt entgegen der Ansicht der\nAntragsteller zumindest insoweit ein gewisses Gewicht zu, als es sich - wie im\nFalle der Bewohnerin des Anwesens I. 15 in Wahlen, Frau S., - um Anwohner\nhandelt, die sich ursprunglich selbst uber Larmbelastigungen beschwert hatten.\nZudem wurden die Anlagengerausche von den Sachverstandigen des TÜV-\nSuddeutschland, einer ebenfalls bekannt gegebenen sachverstandigen Stelle im\nSinne von § 26 BImSchG, im Gutachten vom 15.12.2005 anlasslich der Messungen\nan den IP 12 und IP 13 in Rissenthal zur Nachtzeit als periodisches Rauschen\nbeschrieben, das weder als impuls- noch als ton- oder informationshaltig\nempfunden wurde. Entgegen der Ansicht der Antragsteller ist diese\nsachverstandige Beurteilung aus den bereits dargelegten Grunden ebenfalls\nnicht schon deshalb außer Betracht zu lassen, weil das betreffende Gutachten\nin Erfullung der Auflage in Kapitel II B Nr. 5 der Genehmigung von den\nAnlagenbetreibern in Auftrag gegeben wurde. Von daher besteht vorliegend\ndurchaus die Moglichkeit, dass die ursprungliche Tonhaltigkeit der\nAnlagengerausche durch den Getriebeaustausch behoben werden konnte.\n\nNach dem Ergebnis der hier nur moglichen summarischen Überprufung der Sach-\nund Rechtslage steht daher keineswegs im Sinne von Offenkundigkeit fest, dass\nder fur das Anwesen der Antragsteller zugrunde gelegte Immissionsrichtwert von\n40 dB(A) in der Nachtzeit uberschritten wird.\n\nEbenso wenig kann freilich fur das vorliegende Beschwerdeverfahren im Sinne\nvon Offensichtlichkeit angenommen werden, dass er eingehalten wird. Das\n(Teil-)gutachten des TÜV-Suddeutschland vom 15.12.2005 betrifft die\nLarmimmissionen an den Immissionspunkten in Rissenthal. Es hat - wie bereits\nangesprochen - allenfalls beschrankte Aussagekraft fur die Verhaltnisse am\nAnwesen der Antragsteller in Wahlen. Das wahrend des Beschwerdeverfahrens am\n13.10.2006 vorgelegte, am 23.8.2006, das heißt nach Ablauf der\nBeschwerdebegrundungsfrist erstellte Gutachten des TÜV-Sud betreffend die\nMessungen der Larmbelastungen am Immissionsort IP 5 in Wahlen zur Nachtzeit,\ndas zusammenfassend zu dem Ergebnis gelangt, dass an dem maßgeblichen,\noffenbar in einer geringeren Entfernung als das Anwesen der Antragsteller\ngelegenen Anwesen I.\n\n> > vgl. Entfernungsangaben im Schriftsatz der Beigeladenen vom 20.10.2005,\n> Bl. 96 der Akten 1 F 17/05\n\nein Beurteilungspegel von 36 dB(A) bis 38 dB(A) auftritt, wobei auf einen\nKorrekturabzug fur Reflexionen bei wahrend der Messungen geschlossenem\nSchlafzimmerfenster verzichtet wurde, soll hier zu Gunsten der Antragsteller\naußer Betracht bleiben, obwohl die Eingangs dargelegte Beschrankung des\nStreitstoffs im Beschwerdeverfahren nach wohl uberwiegender Auffassung in der\nRechtsprechung nur fur Einwande fur Beschwerdefuhrer gegen die\nerstinstanzliche Entscheidung, nicht jedoch fur Umstande gilt, die sich fur\ndie Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Beschlusses anfuhren lassen\n\n> > vgl. zum Beispiel VGH Mannheim, Beschluss vom 25.11.2004 - 8 S 1870/04 -\n> NVwZ-RR 2006, 75, mit umfangreichen weiteren Nachweisen; OVG Luneburg,\n> Beschluss vom 28.3.2006 - 7 ME 159/04 - NVwZ-RR 2006, 682.\n\nZudem bedarf die Frage der Gewahrleistung eines hinreichenden Larmschutzes\nauch unter Berucksichtigung dieses Gutachtens einer naheren Prufung und einer\neingehenden Wurdigung nicht zuletzt mit Blick auf den zwischen den Beteiligten\numstrittenen Aspekt der Ton- oder Informationshaltigkeit der Anlagengerausche\nauch nach den durchgefuhrten Getriebewechseln, die den Rahmen des vorliegenden\nEilrechtschutzverfahrens uberschreiten und dem Hauptsacheverfahren vorbehalten\nbleiben mussen.\n\nDie demnach noch offene Frage der Einhaltung des Immissionsrichtwertes von 40\ndB(A) zur Nachtzeit brauchte entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht im\nvorliegenden Eilrechtschutzverfahren durch Einholung eines vom Gericht in\nAuftrag gegebenen Sachverstandigengutachtens einer abschließenden Klarung\nzugefuhrt werden. Es ist anerkannt, dass in Eilrechtschutzverfahren der\nvorliegenden Art, obschon auch in diesen Verfahren der\nAmtsermittlungsgrundsatz gilt, in aller Regel keine umfassende Klarung des\nSachverhalts, insbesondere mittels einer formlichen Beweisaufnahme zu erfolgen\nhat. Anders wurde das Eilrechtschutzverfahren zum Hauptsacheverfahren, ohne\ndass der in ihm ergehenden Entscheidung eine der Hauptsachentscheidung\nvergleichbare Bindungswirkung zukommt. Das entspricht nicht dem Sinn des auf\ndie Gewahrung von vorlaufigem Rechtschutz abzielenden Eilrechtschutzverfahrens\n\n> > vgl. zum Beispiel Bader u.a., VwGO, 3. Auflage 2005, § 80 Rdnr. 91 m.w.N.\n\nNichts anderes gilt vorliegend mit Blick auf die - wie zuzugeben ist -\nungewohnlich lange Dauer des erstinstanzlichen Verfahren, das am 28.9.2005\neingeleitet und durch Beschluss vom 26.5.2006 abgeschlossen worden ist.\nGesehen werden muss insoweit, dass das erstinstanzliche Verfahren offenbar\ninfolge der Vorlage des Gutachtens vom 15.12.2005 und der Notwendigkeit, zu\ndieser Änderung der Sachlage rechtliches Gehor zu gewahren, erst im April 2006\n(Schriftsatz der Antragsteller vom 12.4.2006) „ausgeschrieben" war und erst zu\ndiesem Zeitpunkt der vom Verwaltungsgericht zu wurdigende Prozessstoff\nfeststand. Hinzu kommt, dass das Verwaltungsgericht von seinem Ansatz her eine\noffene Rechtslage unter zwei Aspekten angenommen hat, und zwar zum einen wegen\nder Frage einer Verletzung von eventuell drittschutzendem Verfahrensrecht und\nzum anderen wegen der Frage unzumutbarer Larmimmissionen (vgl. S. 27 des\nBeschlussabdrucks). Damit stand fur das Verwaltungsgericht im Zeitpunkt seiner\nEntscheidung noch nicht fest, ob die letztere Frage uberhaupt\nentscheidungserheblich sein wurde. Abgesehen hiervon ist gerade bei den\nvorliegenden Gegebenheiten folgendes zu berucksichtigen: Die Ermittlungen des\nAusmaßes des von den Windkraftanlagen auf das Anwesen der Antragsteller\neinwirkenden Larms bereitet anders als in Fallen, in denen zum Beispiel\nLarmimmissionen konstant arbeitender Maschinen zu ermitteln sind, besondere\nSchwierigkeiten, da sowohl bestimmte Windstarken als auch bestimmte\nWindrichtungen (im Falle der Antragsteller aus West beziehungsweise Sudwest)\ngegebenenfalls verbunden mit weiteren meteorologischen Bedingen gegeben sein\nmussen, um zu aussagekraftigen Ergebnissen zu gelangen. Gerade diese\nErfordernisse bringen es mit sich, dass der Zeitbedarf fur die Einholung eines\nGutachtens und damit auch fur die Dauer des gerichtlichen Verfahrens kaum\nverlasslich kalkulierbar ist, denn Messungen konnen nur durchgefuhrt werden,\nwenn die entsprechenden Verhaltnisse vorliegen und der Sachverstandige und das\nBedienungspersonal zu diesem Zeitpunkt auch zur Verfugung stehen. Bei solchen\nGegebenheiten ist die Einholung eines Sachverstandigengutachtens mit dem\nCharakter eines Eilrechtschutzverfahrens nicht zu vereinbaren.\n\nHat danach das Verwaltungsgericht den Ausgang des Hauptsacheverfahrens zu\nRecht als offen beurteilt, so ist ihm ferner darin beizupflichten, dass die in\ndiesem Falle vorzunehmende allgemeine Interessenabwagung zu Lasten der\nAntragsteller ausfallt.\n\nAbzuwagen ist vorliegend zwischen dem Interesse der Antragsteller, bis zu\neiner abschließenden Entscheidung uber die gegen die Anlagengenehmigung\nerhobene Anfechtungsklage von den nachteiligen Wirkungen des Anlagenbetriebes,\ninsbesondere von den von ihnen als unzumutbar empfundenen\nLarmbeeintrachtigungen wahrend der Nachtzeit verschont zu bleiben, einerseits,\nund dem Interesse der beigeladenen Anlagenbetreiber andererseits, die Anlagen\nunbehindert von der aufschiebenden Wirkung der Nachbarklage vorlaufig nutzen\nzu durfen, um mit der Stromerzeugung Einnahmen zu erzielen. Dabei ist die\nInteressenlage der Anlagenbetreiber vorliegend dadurch gekennzeichnet, dass es\nfur sie nicht wie sonst regelmaßig bei der Nachbaranfechtung von bau- oder\nimmissionsschutzrechtlichen Genehmigungen „nur" darum geht, ob das zugelassene\nVorhaben umgehend nach Genehmigungserteilung oder verzogert nach Abschluss des\nNachbarstreits realisiert wird, sondern darum, dass die Anlagen in Ausnutzung\nder erteilten Genehmigung vor Einlegung von Nachbarrechtsbehelfen bereits\nerstellt worden sind und im Falle einer vorlaufigen Betriebseinstellung als\nFolge der Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit der erteilten Genehmigung\nkeine Einnahmen erzielen, mit denen die getatigten Investitionen und die\nweiterlaufenden Unterhaltungskosten finanziert werden konnen. Die gegenuber\ndem Regelfall veranderte Situation verleiht den Betreiberinteressen zusatzlich\nGewicht. Das gilt vorliegend um so mehr, als die Antragsteller wahrend des\nVerfahrens zur Aufstellung des Bebauungsplanes „Windpark Wahlener Platte", das\nihnen aufgrund der offentlichen Bekanntmachungen nicht verborgen geblieben\nsein kann, und auch noch wahrend des Baus der Anlagen, der ihnen in Anbetracht\nder behaupteten exponierten Standorte nicht entgangen sein kann, keinerlei\nEinwande erhoben haben, obwohl es fur sie aufgrund der ortlichen Gegebenheiten\n„von Anfang an auf der Hand" lag, dass es hier „zu besonderen Immissionen\nkommen musse" (vgl. Schriftsatz vom 14.11.2005, S. 5, Bl. 137 der Akten).\nUnabhangig von der Frage, ob den Antragstellern aufgrund ihres Zuwartens mit\nder Genehmigungsanfechtung trotz fur sie von Anfang an auf der Hand liegender\nLarmschutzprobleme der Vorwurf treuwidrigen Verhaltens entgegen gehalten\nwerden kann, mussen sie jedenfalls die nach Bau- und Inbetriebnahme der\nAnlagen gestiegene Bedeutung der wirtschaftlichen Interessen der beigeladenen\nAnlagenbetreiber gegen sich geltend lassen. Hinzu kommt, dass sich auch ihr\nInteresse aufgrund der Fertigstellung der Anlagen vor Einlegung ihres\nRechtbehelfs von seinem Gewicht her von dem typischen Nachbarinteresse bei der\nAnfechtung von Bau- und Anlagengenehmigungen unterscheidet. Fur sie geht es\nnamlich nicht (mehr) darum, mittels einer Aussetzung der sofortigen\nVollziehbarkeit der Genehmigung die Ausfuhrung der umstrittenen Anlage(n) und\ndie damit in aller Regel verbundene Herstellung vollendeter oder zumindest\nselbst im Falle eines Obsiegens in der Hauptsache nur schwer wieder ruckgangig\nzu machender Tatsachen vorlaufig zu verhindern, sondern „lediglich" noch\ndarum, einstweilen von den nachteiligen Wirkungen der Nutzung der bereits\nausgefuhrten Anlagen verschont zu bleiben, die im Falle ihres Obsiegens in der\nHauptsache relativ kurzfristig beendet werden kann. Bestehen die nachteiligen\nWirkungen des Anlagenbetriebes wie hier in (Gerausch-)Immissionen, so\nentspricht es der standigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des\nSaarlandes, dass in einer derartigen Konstellation ein uberwiegendes\nNachbarinteresse an der vorlaufigen Unterbindung der Nutzung beziehungsweise\ndes Anlagenbetriebes nur dann anzuerkennen ist, wenn im Raum steht, dass die\nin Rede stehenden Einwirkungen ganz wesentlich uber das im Sinne von § 5 Abs.\n1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG Erhebliche hinausgehen und ein solches Ausmaß\nerreichen, dass dem betroffenen Nachbarn ihre Hinnahme nicht einmal\nvorubergehend bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache angesonnen werden\nkann\n\n> > vgl. zum Beispiel OVG des Saarlandes, Beschlusse vom 30.7.1991 - 2 W 18/91\n> -, vom 4.5.1995 - 2 W 9/95 - und vom 12.9.2003 - 1 W 22/03 -.\n\nDass die durch den Betrieb der Windkraftanlagen der Beigeladenen verursachten\nLarmimmissionen am Anwesen der Antragsteller ein solches „qualifiziertes"\nAusmaß erreichen, ist nicht erkennbar. Jedenfalls vorubergehend hinnehmbar\nsind Beurteilungspegel, die den Immissionsrichtwerten der TA-Larm fur\nKerngebiete, Dorfgebiete und Mischgebiete von 60 dB(A) am Tag und 45 dB(A) in\nder Nacht (Nr. 6.1c TA-Larm) entsprechen. Denn auch in Dorfgebieten und in\nMischgebieten ist Wohnnutzung regelmaßig zulassig (§§ 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3,\n6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BauNVO). Es ist daher davon auszugehen, dass die fur\nderartige Gebiete maßgeblichen Larmrichtwerte der TA-Larm ein Wohnen unter\nzumutbaren Bedingungen sicherstellen, was die Larmeinwirkungen anbelangt.\n\nZu berucksichtigen ist ferner, dass obschon die maßgeblichen Immissionsorte\nfur die Ermittlung der Beurteilungspegel nach der TA-Larm (Nr. 2.3 TA-Larm)\nbei bebauten Flachen 0,5 Meter außerhalb vor der Mitte des geoffneten Fensters\ndes vom Gerausch am starksten betroffenen schutzbedurftigen Raumes nach DIN\n4109, Ausgabe 1989, liegen (TA-Larm, Anhang B 1), das Ziel des Larmschutzes -\nsieht man einmal vom Aufenthalt in Außenwohnbereichen ab - darin besteht, in\nden Gebauden eine ungestorte Kommunikation am Tage und ein ungestortes\nSchlafen in der Nacht zu ermoglichen. Wird weiter berucksichtigt, dass nach\ndem Stand der Larmwirkungsforschung zur ungestorten Kommunikation ein\nInnengerauschpegel von 45 dB(A) gewahrleistet sein muss und Innengerauschpegel\nvon 30 dB(A) bis 35 dB(A) gemessen am Ohr des Schlafers im schlafgunstigen\nBereich liegen (Ticken einer leisen Uhr: 30 dB(A))\n\n> > vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 9. Auflage 1998, § 15 Rdnrn. 15.2, 18.3,\n> 18.4, 19.1 und 19.3,\n\nund außerdem in die Betrachtung einbezogen, dass zwischen Innen- und\nAußengerausch bei geoffnetem Fenster die Pegeldifferenz bis 10 dB(A) bei\nspaltbreit geoffneten (auf Kipp gestellten) Fenster bis 15 dB(A) und bei\ngeschlossenen Einfachfenstern ca. 20 bis 25 dB(A) betragt\n\n> > vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O., § 15 Rdnrn. 15.1 und 19.3,\n\nso weist nichts darauf hin, dass der vorliegend jedenfalls als vorubergehend\nzumutbar anzusehende Beurteilungspegel von 45 dB(A) die Grenze des von\nAnwohnern Hinnehmbaren uberschreitet.\n\nDass die durch die Windkraftanlagen verursachten Larmbelastungen am Anwesen\nder Antragsteller diesen Beurteilungspegel merklich ubersteigen, kann\nvorliegend nicht angenommen werden. Das gilt zunachst fur die nach den obigen\nAusfuhrungen zum Prufungsumfang des Beschwerdegerichts maßgebliche Sachlage im\nZeitpunkt des Ablaufs der Beschwerdebegrundungsfrist, die auch der Beurteilung\ndes Verwaltungsgerichts zugrunde lag. Diese Situation war dadurch\ngekennzeichnet, dass die dem Anwesen der Antragsteller am nachsten stehenden\nWindkraftanlagen 1 und 3 nachts nicht in Betrieb waren. Dafur, dass durch den\nNachtbetrieb der ubrigen 5 Anlagen, die zum Teil (Anlagen der Beigeladenen)\nuber 1200 Meter (Anlage 5) uber 1500 Meter (Anlage 6) und uber 2000 Meter\n(Anlage 7)\n\n> > siehe die Angaben des Prozessbevollmachtigten der Beigeladenen im\n> Schriftsatz vom 20.10.2005, Bl. 96 der Akte 1 F 17/05\n\nvom Anwesen der Antragsteller entfernt stehen, selbst ein Beurteilungspegel\nvon 45 dB(A) nachts merklich uberschritten wird, bestehen keinerlei objektive\nAnhaltspunkte.\n\nAber auch wenn entgegen der Eingangs vertretenen Ansicht zur Berucksichtigung\nvon Änderungen der Sachlage nach Ablauf der Beschwerdebegrundungsfrist der\nUmstand in die Beurteilung einbezogen wird, dass nunmehr der Nachtbetrieb\nsamtlicher 7 Windkraftanlagen zugelassen ist, ergibt sich keine andere\nBeurteilung. Die Sachverstandigen des TÜV-Sud haben in dem der Zulassung des\nNachtbetriebes auch der Anlagen 1 und 3 zugrunde liegenden Gutachten vom\n23.8.2006 fur den Betrieb samtlicher sieben Anlagen bei Mit-Windverhaltnissen\nund einer Auslastung im Bereich der Nennleistung fur die lauteste Nachtstunde\nam IP 5, Anwesen I., das etwa 75 Meter naher zu den Anlagen liegt als\ndasjenige der Antragsteller\n\n> > vgl. Schriftsatz der Beigeladenen vom 20.10.2005, Bl. 96 der Akten 1 F\n> 17/05,\n\neinen Beurteilungspegel von 38 dB(A) ermittelt, wobei trotz des wahrend der\nMessungen geschlossenen Schlafzimmerfensters auf einen Abzug zur Korrektur der\nAuswirkungen von Schallreflexionen an der - geschlossenen - Gebaudeaußenwand\nverzichtet wurde. Die Gerausche der von den Beigeladenen betriebenen Anlagen\n5, 6 und 7 waren dabei offenbar im Hintergrundgerausch nicht isoliert\nfeststellbar. Es spricht nichts dafur, dass diese Messungen einen Fehler in\nder Großenordnung von 7 dB(A) aufweisen und in Wirklichkeit sogar der\nNachtrichtwert fur Mischgebiete uberschritten wird, wobei - um die\nGroßenordnung des Unterschiedes zu verdeutlichen - anzumerken ist, dass eine\nPegeldifferenz von 3 dB(A) bezogen auf Straßenverkehrslarm einer Veranderung\nentspricht, die bei der Verdoppelung oder Halbierung des Verkehrsaufkommens\nauf einer Straße auftritt\n\n> > vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 9. Auflage 1998, § 15 Rdnr. 15 .\n\nZudem liegt der Richtwert von 45 dB(A) uber dem Wert, der sich ergabe, wenn\nder hochstzulassige Zuschlag fur Ton- beziehungsweise Informationshaltigkeit\nvon Gerauschen von 6 dB(A)\n\n> > vgl. Anhang A zur TA-Larm Nr. 3.3.5\n\nzu dem ermittelten Beurteilungspegel von 38 dB(A) hinzugerechnet wurde. Auf\ndie Berechtigung eines derart hohen Zuschlages weisen nicht einmal die von den\nAntragstellern vorgelegten Berichte uber das Auftreten tonhaltiger Gerausche\nbei Windkraftanlagen des in Rede stehenden Typs hin.\n\nHinzu kommt vorliegend folgendes: Die auftretenden Larmbelastigungen erreichen\nihr Maximum bei - bezogen auf das Anwesen der Antragsteller - Mit-Windbetrieb\nim Bereich der Nennleistung. Weil solche meteorologischen Bedingungen nicht\nstandig herrschen, treten die maximalen auf das Anwesen der Antragsteller\neinwirkenden Anlagengerausche auch nicht standig und dauerhaft auf,\nvergleichbar etwa den Gerauschen, die durch den kontinuierlichen Betreib einer\nMaschine verursacht werden. Sie sind bei anderen Windrichtungen und\nWindstarken geringer und entfallen in Zeiten von Windstille sogar vollstandig.\nFur die zumindest vorubergehende Zumutbarkeit der durch den Betrieb der\nWindkraftanlagen verursachten Gerausche sprechen schließlich auch, worauf das\nVerwaltungsgericht mit Recht hingewiesen hat, die in den Verwaltungsakten\nfestgehaltenen Angaben von zwei Anwohnern aus Rissenthal und Wahlen, wonach\nnach dem Austausch der Getriebe nur noch ein rhythmisches Rauschen verblieben\nsei, das „bei weitem nicht mehr so store". Die Beachtlichkeit dieser\nÄußerungen lasst sich vorlaufig nicht von der Hand weisen, da - wie bereits\nangesprochen - jedenfalls einer dieser Anwohner zum Kreis der ursprunglichen\nBeschwerdefuhrer gehort.\n\nFallt danach die im Verfahren nach den §§ 80 Abs. 5, 80 a Abs. 1 Nr. 2 VwGO\nbei noch offenen Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage vorzunehmende\nallgemeine Interessenabwagung zum Nachteil der Antragsteller aus, so muss es\nbei der erstinstanzlichen Entscheidung verbleiben.\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2, 162 Abs. 3\nVwGO.\n\nDie Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 52, 53 Abs. 3 Nr. 2, 63 Abs. 2\nGKG.\n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar.\n\n