text
stringlengths
2.71k
60.3k
Zugshunstit-(Ce) ist ein sehr selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Organischen Verbindungen“. Es kristallisiert im monoklinen Kristallsystem mit der chemischen Formel (Ce,Nd,La)Al(SO4)2(C2O4)·12H2O, ist also chemisch gesehen ein kristallwasserhaltiges Cer-Aluminium-Sulfat-Oxalat. Zugshunstit-(Ce) von der Typlokalität bildet isometrische bis blockige, leicht parallel [100] gestreckte Kristalle bis fast 2 mm Größe mit einer sehr charakteristischen Morphologie, ferner subparallele Aggregate bis 2 mm Durchmesser. Das Mineral stammt vom „Alum Cave Bluff“, einer als Touristenattraktion bekannten Lokalität im Great Smoky Mountains National Park, Tennessee, wo es bei der Verwitterung eines pyrithaltigen Phyllits entsteht. Der Name kann mit „Alaunhöhlensteilklippe“ übersetzt werden, jedoch gibt es hier keine Höhle, sondern lediglich die genannte, ca. 30 m hohe Steilklippe, die einen 10 m tiefen Überhang bildet, in deren Schutz die hier gebildeten wasserlöslichen Sulfat- und Oxalatminerale erhalten bleiben. Etymologie und Geschichte. Im Jahre 1981 begann T. Dennis Coskren aus Columbia/Maryland mit der Untersuchung einer ungewöhnlichen Mineralisation an der „Alum Cave Bluff“. Diese Untersuchungen führten zur Identifizierung einer Vielzahl ungewöhnlicher, für ein Verdunstungsmilieu typischer Minerale. Einige Phasen konnten anfänglich allerdings nicht charakterisiert werden und wurden zur Identifizierung in das Mineralogische Labor an der University of Michigan gegeben, wo sich herausstellte, dass es sich bei drei dieser Phasen um seltenmetall- und Sulfat-haltige Oxalate handelt. Alle drei wurden nach der Einreichung bei der International Mineralogical Association (IMA) anerkannt, so auch das unter der Nummer IMA 1996-055 bestätigte Mineral, welches im Jahre 2001 von einem US-amerikanischen Forscherteam mit Roland C. Rouse, Donald R. Peacor, Eric J. Essene, T. Dennis Coskren und Robert J. Lauf im amerikanischen Wissenschaftsmagazin „Geochimica et Cosmochimica Acta“ als Zugshunstit-(Ce) beschrieben wurde. Benannt wurde das Mineral nach der Bezeichnung der Cherokee-Indianer für die zu den Appalachen gehörenden Great Smoky Mountains, die etwa als „Tsu-g-shv-sdi“ wiedergegeben werden kann. Der Levinson Modifier [das Suffix „-(Ce)“] weist auf das dominierende Seltenerdmetall (hier: Cer) hin, wie es die Richtlinien der IMA bei der Namensgebung von seltenmetallhaltigen Mineralen verlangen. Das Typmaterial für Zugshunstit-(Ce) wird an der University of Michigan, Ann Arbor/Michigan, und im zur Smithsonian Institution gehörenden National Museum of Natural History, Washington, D.C., aufbewahrt. Klassifikation. In der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Zugshunstit-(Ce) zur Mineralklasse der „Organischen Verbindungen“ und dort zur Abteilung der „Salze organischer Säuren“, wo er zusammen mit Caoxit, Coskrenit-(Ce), Glushinskit, Humboldtin, Levinsonit-(Y), Lindbergit, Minguzzit, Moolooit, Natroxalat, Novgorodovait, Oxammit, Stepanovit, Weddellit, Wheatleyit, Whewellit und Zhemchuzhnikovit die eigenständige „Gruppe der Oxalate“ mit der System-Nr. "IX/A.01" bildete. Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz'schen Mineralsystematik ordnet den Zugshunstit-(Ce) ebenfalls in die Klasse der „Organischen Verbindungen“ und dort in die Abteilung der „Salze von organischen Säuren“ ein. Diese Abteilung ist allerdings weiter unterteilt nach der Art der salzbildenden Säure, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Oxalate“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe "10.AB. 75" bildet. Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Zugshunstit-(Ce) in die Klasse der „Organische Minerale“ und dort in die gleichnamige Abteilung ein. Hier ist er mit Coskrenit-(Ce) und Levinsonit-(Y) in der nach im benannten „Zugshunstitgruppe“ mit der System-Nr. "50.01.09" innerhalb der Unterabteilung „Salze organischer Säuren (Oxalate)“ zu finden. Chemismus. Mittelwerte aus Mikrosondenanalysen an Zugshunstit-(Ce) von der „Alum Cave Bluff“ führten zu Gehalten von 2,16 % La2O3, 13,17 % Ce2O3, 1,68 % Pr2O3, 6,50 % Nd2O3, 0,80 % Sm2O3, 0,27 % Eu2O3, 0,14 % Gd2O3, 6,92 % Al2O3, 1,11 % Fe2O3, 0,04 % CaO, 24,01 % SO3, [10,80] % C2O3 und [32,41] % H2O (die beiden letzten wurden aus der Stöchiometrie berechnet). Daraus ergab sich die empirische Formel (Ce0,54Nd0,26La0,09Pr0,07Sm0,03Eu0,01Gd0,01)Σ=1,01Al1,00(SO4)2,00(C2,00O4)·12,00H2O, die zu (Ce,Nd,La)Al(SO4)2(C2O4)·12H2O vereinfacht wurde. Zugshunstit-(Ce) ist das cerdominante Analogon zum yttriumdominierten Levinsonit-(Y), die beide in der „Alum Cave Bluff“ nebeneinander auftreten. Die Metalle der Seltenen Erden weisen eine starke Fraktionierung zwischen diesen beiden Mineralen auf. Die leichten Seltenerdmetalle (englisch: „Light Rare Earth Elements“, LREE) Cer und Praseodym sind im Zugshunstit-(Ce) konzentriert, Neodym ist gleichermaßen in beiden Oxalaten enthalten, während Yttrium und die mittleren bis schweren Seltenerdmetalle („Medium Rare Earth Elements“ und „Heavy Rare Earth Elements“, MREE und HREE) Samarium, Europium, Gadolinium, Dysprosium und Erbium an Levinsonit-(Y) gebunden sind. Kristallstruktur. Zugshunstit-(Ce) kristallisiert monoklin in der mit den Gitterparametern "a" = 8,718 Å; "b" = 18,313 Å; "c" = 13,128 Å und β = 93,90° sowie vier Formeleinheit pro Elementarzelle. Die Struktur des Zugshunstit-(Ce) basiert auf einem Grundbaustein, nämlich Ketten von miteinander alternierenden REE-Polyedern und Oxalat-Gruppen, wobei eine Oxalat-Gruppe gemeinsame Kanten mit den benachbarten Polyedern aufweist. Der Grundbaustein wird durch zwei Sulfat-Tetraeder komplettiert, von denen jedes eine gemeinsame Ecke mit dem REE-Polyeder besitzt. Das REE-Polyeder im Zugshunstit-(Ce) ist ein [9]fach koordiniertes, d. h. mit neun Liganden versehenes überkrontes Antiprisma mit quadratischem Querschnitt, das den Polyedern in Monazit ähnelt. Der zusätzliche Ligand an der Spitze des Antiprismas, ein Wassermolekül, führt zu Verschiebungen der Ketten, isolierten Wassermoleküle und isolierten Al(H2O)6-Oktaeder im Vergleich zu deren Positionen in der sehr ähnlichen Struktur des Levinsonit-(Y). Die Al-Oktaeder besitzen ungewöhnlicherweise nur H2O-Liganden, und keines von ihnen ist mit einem anderen Polyeder der Struktur verbunden. Es handelt sich also um isolierte Einheiten, die mit den Grundbausteinen nur über Wasserstoffbrückenbindungen verknüpft sind. Eigenschaften. Morphologie. Zugshunstit-(Ce) bildet idiomorphe, typisch isometrische bis blockige Kristalle bis zu fast 2 mm Größe, die hinsichtlich Kristalltracht und Kristallhabitus an blockige Feldspatkristalle erinnern. Die Kristalle sind leicht parallel nach der a-Achse [100] gestreckt und zeigen das Prisma {012} als tragende Form. Untergeordnet entwickelt sind das Pinakoid {010} und das Prisma {111}. Häufig treten die Kristalle zu subparallel aggregierten Gebilden zusammen. Physikalische und chemische Eigenschaften. Zugshunstit-(Ce)-Kristalle zeigen – wie Coskrenit-(Ce), nur etwas weniger intensiv – alexandritartige Farbeffekte mit blass blaugrauer Färbung im fluoreszierenden Licht der Leuchtstoffröhren und weißer Farbe im Glühlampenlicht, die auf die Gehalte an Cer zurückzuführen sind. Im Sonnenlicht sind die Kristalle farblos. Ihre Strichfarbe wird als farblos angegeben. Da die Strichfarbe der Pulverfarbe entspricht und das Mineralpulver nicht farblos ein kann, dürfte die Farbe des Strichs am besten mit weiß beschrieben sein. Die Oberflächen der glasklar-durchsichtig Kristalle zeigen einen deutlichen glasartigen Glanz. Das Mineral zeigt unvollkommene Spaltbarkeit nach {010}, bricht aber aufgrund seiner Sprödigkeit ähnlich wie Amblygonit, wobei die Bruchflächen uneben ausgebildet sind. Aufgrund der geringen Kristallgröße ließen sich weder seine Mohshärte noch die Vickershärte ermitteln. Gemessene Werte für die Dichte des Zugshunstit-(Ce) existieren nicht, die berechnete Dichte für das Mineral beträgt 2,121 g/cm³. Zugshunstit-(Ce) ist in Wasser leicht und rückstandsfrei löslich. Bildung und Fundorte. Als sehr seltene Mineralbildung konnte Zugshunstit-(Ce) bisher (Stand 2016) nur von einem Fundpunkt beschrieben werden. Seine Typlokalität ist die Gesteinsklippe der „Alum Cave Bluff“ im Great-Smoky-Mountains-Nationalpark, Sevier County, Tennessee, Vereinigte Staaten. Begleitminerale sind Levinsonit-(Y), Coskrenit-(Ce), Epsomit und das „Haarsalz“ Halotrichit, wobei der Zugshunstit-(Ce) entweder in Epsomit und/oder Halotrichit eingebettet auftritt oder freistehende Kristalle in Hohlräumen in diesen Mineralen bildet. Zugshunstit-(Ce) ist eine typische Sekundärbildung, die in den Böden der „Alum Cave Bluff“ auftritt. Der Name der Lokalität ist irreführend, da es sich nicht um eine Höhle, sondern um eine steile, überhängende Gesteinsklippe handelt. Das Kliff und das umgebende anstehende Gestein sind Teil der präkambrischen Anakeesta-Formation, einem Metapelit mit der Textur eines Phyllits, dessen Hauptminerale Muskovit, Biotit, Chlorit, Quarz und Pyrit sind. Dieses Gebiet ist mit Niederschlagsmengen von 2000 mm pro Jahr außerordentlich niederschlagsreich. Die resultierende Verwitterung des am Kliff anstehenden Gesteins beinhaltet auch die Oxidation des Pyrits und die Auflösung der hauptsächlichen gesteinsbildenden Silikate. Dies führt wiederum zu sulfatreichen Lösungen mit niedrigen pH-Werten, die reich an Elementen aus den aufgelösten Silikaten wie Eisen, Magnesium, Aluminium, Kalium, Natrium, Calcium und Mangan sind. Die Seltenerdmetall stammen wahrscheinlich aus alterierten Phasen wie Monazit und Xenotim. Wenn diese Lösungen die Wände des Kliffs heruntertropfen, gelangen sie unter die geneigte Oberfläche des Gesteinsüberhanges, wo eine teilweise Verdunstung zur Fällung von Sulfaten, insbesondere von denen des Eisens, führt. Der größte Teil des Wassers läuft dann weiter auf den Boden an der Basis des Kliffs, wo die vollständige Verdunstung die Entstehung einer großen Mineralvielfalt mit hauptsächlich hydrierten und/oder hydratisierten Sulfaten bewirkt. Diese Ausfällungen bestehen hauptsächlich aus Epsomit und Vertretern der Haarsalz-Familie, unter denen Apjohnit das am weitesten verbreitete Mineral ist. Verwendung. Zugshunstit-(Ce) ist aufgrund seiner Seltenheit lediglich für Mineralsammler interessant.
Hans Josef Maria Globke (* 10. September 1898 in Düsseldorf; † 13. Februar 1973 in Bonn) war ein deutscher Verwaltungsjurist im preußischen und im Reichsinnenministerium, Mitverfasser und Kommentator der Nürnberger Rassengesetze und verantwortlicher Ministerialbeamter für die judenfeindliche Namensänderungsverordnung in der Zeit des Nationalsozialismus sowie von 1953 bis 1963 Chef des Bundeskanzleramts unter Bundeskanzler Konrad Adenauer. Globke ist das prominenteste Beispiel für die Kontinuität der Verwaltungseliten vom „Dritten Reich“ zur frühen Bundesrepublik Deutschland. In der Adenauer-Ära war er als „graue Eminenz“ und engster Vertrauter des Kanzlers verantwortlich für Personalpolitik, Kabinettsarbeit, die Einrichtung und Kontrolle von BND und Verfassungsschutz sowie für Fragen der CDU-Parteiführung. Zu seinen Lebzeiten wurde sein Einsatz für die nationalsozialistische Diktatur nur teilweise bekannt. Im In- und Ausland wurde er deshalb immer wieder scharf angegriffen, von der Bundesregierung, dem BND und der CIA aber jedes Mal geschützt. Leben. Herkunft und Studium (1898 bis 1929). Globke wurde 1898 als Sohn eines Tuchgroßhändlers in Düsseldorf geboren. Die Familie zog kurz nach der Geburt von Hans Globke nach Aachen. Nach dem Abitur am Kaiser-Karls-Gymnasium am 15. November 1916 trat er in den Kriegsdienst ein und diente bis zum Ende des Krieges im Feldartillerie-Regiment 56 an der Westfront. Unmittelbar nach Kriegsende studierte Globke von 1919 bis 1921 Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten von Bonn und Köln. Am 21. Mai 1921 bestand er die 1. juristische Prüfung. Er war Mitglied der katholischen Studentenverbindung Bavaria Bonn. Globke promovierte im Mai 1922 an der Universität Gießen über "Die Immunität der Mitglieder des Reichstages und der Landtage". 1922 trat er als praktizierender Katholik der Zentrumspartei bei, der er bis zu deren Auflösung im Juli 1933 angehörte. Globke wurde im April 1924 Gerichtsassessor. Ab dem 4. Mai 1925 arbeitete er bei der Polizeiverwaltung Aachen; am 1. März 1925 wurde er zum preußischen Regierungsassessor (Beamter auf Lebenszeit) ernannt und damit in die innere Staatsverwaltung übernommen. Beginn der Karriere als Ministerialbeamter (1929 bis 1933). Globke wurde am 29. November 1929 Regierungsrat im preußischen Innenministerium. Dort bearbeitete er unter anderem die Themengebiete Standesämter, Namensänderungen, Saarfragen, Entmilitarisierung des Rheinlandes und Folgen des Friedensvertrages von Versailles. Im November 1932 entstanden unter Globkes Federführung zunächst eine Verordnung und ein Runderlass des preußischen Innenministeriums zum Namensrecht und im Dezember die dazugehörigen Ausführungsrichtlinien. Sie sollten es Juden unmöglich machen, einen als jüdisch geltenden Familiennamen abzulegen. Diese Ungleichbehandlung der Juden bereits in der Endphase der Weimarer Republik, an der Globke maßgeblich mitwirkte, gilt in der Forschung und in der früheren Rechtsprechung der DDR als Vorstufe zu den namensrechtlichen Diskriminierungen in der Zeit des Nationalsozialismus und als Anzeichen von Globkes tendenziellem Antisemitismus. Globkes Tätigkeit in der Zeit des Nationalsozialismus (1933 bis 1945). Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten Anfang 1933 war Globke an der Ausarbeitung einer Reihe von Gesetzen beteiligt, die auf die Gleichschaltung der Rechtsordnung Preußens mit dem Reich abzielten. Am 1. Dezember 1933 wurde er zum Oberregierungsrat ernannt. Globke äußerte später, diese Beförderung sei zuvor wegen seiner im Ministerium bekannten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des sogenannten Preußenschlags von 1932 zeitweilig zurückgestellt worden. Nach der Vereinigung des Preußischen Innenministeriums mit dem Reichsinnenministerium wurde Globke ab 1. November 1934 als Referent in das neu gebildete Reichs- und Preußische Ministerium des Innern unter Minister Wilhelm Frick übernommen, wo er bis 1945 tätig war. Im Juli 1938 erfolgte letztmals in der NS-Zeit eine Beförderung Globkes, diesmal zum Ministerialrat. 1934 heiratete er Augusta Vaillant. Das Ehepaar hatte zwei Söhne und eine Tochter. Maßnahmen zur Ausgrenzung und Verfolgung von Juden. In seiner Tätigkeit ab 1934 war Globke weiterhin hauptsächlich für Namensänderungen und Personenstandsfragen verantwortlich; ab 1937 kam der Aufgabenbereich "Internationale Fragen auf dem Gebiet des Staatsangehörigkeitswesens und Optionsverträge" hinzu. Als Korreferent beschäftigte er sich auch mit „Allgemeinen Rassefragen“, „Ein- und Auswanderungen“ und Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem antisemitischen „Blutschutzgesetz“. Globkes Wirken umschloss auch die Erarbeitung von Vorlagen und Entwürfen für Gesetze und Verordnungen. In diesem Zusammenhang war er führend beteiligt an der Vorbereitung der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935, dem Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes vom 18. Oktober 1935 und dem Personenstandsgesetz (3. November 1937). Das „J“, das in Pässe von Juden eingeprägt wurde, hat Globke mit konzipiert. In Globkes Verantwortung fiel die Vorbereitung von Gesetzeskommentaren und -erläuterungen für seine Aufgabengebiete. 1936 gab er gemeinsam mit seinem Vorgesetzten, Staatssekretär Wilhelm Stuckart, den ersten Kommentar zu den Nürnberger Gesetzen und deren Ausführungsverordnungen heraus. Dieser erwies sich als besonders einflussreich für die Auslegung der Nürnberger Gesetze, weil ihm ein offiziöser Charakter beigemessen wurde. Ursprünglich sollte Globke nur die eherechtlichen Fragen kommentieren. Den restlichen Teil wollte Stuckart selbst übernehmen, erkrankte jedoch für längere Zeit, so dass Globke den Kommentar Stuckart/Globke schließlich allein verfasste. Stuckart schrieb dann lediglich die umfangreiche Einleitung. Globkes spätere Verteidiger verwiesen in diesem Zusammenhang darauf, dass er nicht für die rassistische Wortwahl Stuckarts verantwortlich zu machen sei und sein Gesetzeskommentar im Vergleich zu späteren Kommentaren die Nürnberger Gesetze eng auslege. Dies habe sich in Einzelfällen, insbesondere bei sogenannten Mischehen, als günstig für die Betroffenen erwiesen. Den Begriff des Beischlafs allerdings dehnten Stuckart und Globke in ihren Kommentaren sehr weit und damit für die Betroffenen nachteilig aus: So bestraften die Gerichte nicht nur den eigentlichen Geschlechtsverkehr, sondern bereits „beischlafähnliche Handlungen, z. B. gegenseitige Onanie“. Wegen der von Globke so definierten „Rassenschande“ wurden bis 1940 insgesamt 1911 Personen durch offizielle, also rechtsförmliche Urteile verurteilt; Angriffe anderer NS-Institutionen (Gestapo usw.) nicht mitgerechnet. Globke verfasste auch das Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 5. Januar 1938, die Namensänderungsverordnung vom 17. August 1938 und die zugehörigen Ausführungsverordnungen. Danach mussten Juden, die keinen der in einer anhängenden Liste aufgeführten Vornamen trugen, ihrem eigenen einen zweiten Vornamen hinzufügen: „Sara“ bei Frauen und „Israel“ bei Männern. Die Liste der männlichen Vornamen begann mit Abel, Abieser, Abimelech, Abner, Absalom, Ahab, Ahasja, Ahasver und so fort. Teilweise waren die Namen auf der Liste frei erfunden oder strittig ausgewählt. Es ist unklar, ob dies auf die Absicht zurückzuführen ist, Juden zusätzlich herabzusetzen, oder ob es sich um Fehler und Ungenauigkeiten handelte. Sofern sie damals unter deutschen Juden besonders verbreitet waren, wurden selbst die Namen christlicher Heiliger auf diese Liste gesetzt, z. B. „Isidor“, der Name des Kirchenvaters Isidor von Sevilla oder des Heiligen Isidor von Madrid, des Patrons vieler süddeutscher Dorfkirchen. Globke schuf mit der Erfassung der als jüdisch angesehenen Bevölkerung die verwaltungstechnischen Voraussetzungen für den Ende 1941 beginnenden Holocaust. Dass diese Vorgaben bis zur Vernichtung der jüdischen Minderheit radikalisiert wurden, war Globke vollständig bewusst. Im Wilhelmstraßen-Prozess sagte er als Zeuge der Anklage gegen den dort angeklagten Stuckart aus und erklärte in diesem Zusammenhang, gewusst zu haben, „daß die Juden massenweise umgebracht wurden.“ Er habe „zu jener Zeit“ gewusst, dass „die Ausrottung der Juden systematisch betrieben wurde“, wenngleich, gab er einschränkend an, „nicht, daß sie sich auf alle Juden bezog.“ Tätigkeit während des Krieges (1939 bis 1945). Bei Kriegsbeginn war Globke im Reichsministerium des Innern auch für die neuen deutschen Reichsgrenzen im Westen zuständig. Dafür unternahm er mehrfach Reisen in eroberte Gebiete. Wie der Historiker Peter Schöttler vermutet, war er im Juni 1940 wohl auch der Verfasser einer Denkschrift an Hitler, mit der Stuckart eine weitgehende Annexion ostfranzösischer und belgischer Gebiete vorschlug, womit die Deportation von etwa 5 Millionen Menschen verbunden gewesen wäre. Anfang September 1941 begleitete Globke Innenminister Frick und Staatssekretär Stuckart bei einem offiziellen Besuch in der Slowakei, die damals ein Satellitenstaat des Deutschen Reichs war. Kurz nach diesem Besuch gab die Regierung der Slowakei die Einführung des sogenannten Judenkodex bekannt, der die Rechtsgrundlage für die späteren Enteignungen und Deportationen der slowakischen Juden schuf. Globke bestritt 1961 jeden Zusammenhang zwischen den beiden Ereignissen und den Vorwurf, er habe an der Entstehung des Kodex mitgewirkt. Eindeutige Belege dafür konnten in der Tat nie beigebracht werden. Laut CIA-Unterlagen war Globke möglicherweise auch für die in deutsche Vernichtungslager in Polen mitverantwortlich. Globke stellte einen Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP, der aber wegen seiner früheren Zugehörigkeit zur Deutschen Zentrumspartei 1943 endgültig abgelehnt wurde. Andrerseits unterhielt er Kontakte zu militärischen und zivilen Kreisen des Widerstandes: Er war Informant des Berliner Bischofs Konrad Graf von Preysing und Mitwisser der Staatsstreichvorbereitungen durch die Hitler-Gegner um Carl Friedrich Goerdeler und Ludwig Beck. Nach Zeugnissen von Jakob Kaiser und Otto Lenz war Globke für den Fall, dass der Sturz des nationalsozialistischen Regimes gelungen wäre, für einen gehobenen Ministerialposten in einer von Goerdeler gebildeten Reichsregierung vorgesehen. Es fand sich jedoch nie ein Beleg für Globkes spätere Behauptung, die Nationalsozialisten hätten ihn noch 1945 verhaften wollen, seien daran aber durch das Vorrücken der Alliierten gehindert worden. Nachkriegszeit (1945 bis 1949). Bei seiner Entnazifizierung gab Globke an, er sei im Widerstand gegen den Nationalsozialismus gewesen, und wurde von der Spruchkammer daher am 8. September 1947 in die Kategorie V (unbelastet) eingeordnet. Globke war beim Wilhelmstraßen-Prozess sowohl Zeuge der Verteidigung als auch Zeuge der Anklage. Im Prozess gegen Stuckart sagte er als Zeuge der Anklage aus: „Ich wußte, daß die Juden massenweise umgebracht wurden.“ Von 1948 bis 1949 war Globke Vizepräsident des Landesrechnungshofs in NRW. Globke in der Adenauer-Ära (1949 bis 1963). In Westdeutschland konnte Globke seine Karriere als Beamter im Höheren Dienst ungehindert fortsetzen. Unter Konrad Adenauer wurde er 1949 im Bundeskanzleramt zum Ministerialdirigenten sowie 1950 als Leiter der Hauptabteilung für innere Angelegen zum Ministerialdirektoren ernannt und stieg 1953 als Nachfolger des in den Bundestag gewählten Otto Lenz zum Beamteten Staatssekretär und somit zum Chef des Bundeskanzleramtes auf. In dieser Funktion war er Mitglied des engsten Führungszirkels um Adenauer und dessen engster Vertrauter. Im Schatten des Bundeskanzlers zog Globke im Hintergrund die Fäden und galt als wichtiger Stützpfeiler von Adenauers „Kanzlerdemokratie“. Seine Aufgaben ergaben sich aus der bis heute unveränderten Regelung in § 7 der Geschäftsordnung der Bundesregierung (GOBReg), wonach der Staatssekretär des Bundeskanzleramtes zugleich die Geschäfte eines Staatssekretärs der Bundesregierung wahrnimmt. In dieser Position beeinflusste Globke die Regierungspolitik maßgeblich. Während der 2. Legislaturperiode Adenauers leitete er die Überführung der Organisation Gehlen in den Bundesnachrichtendienst. Adenauer holte auf gemeinsamen Spaziergängen im Garten des Kanzleramtes seinen Rat bei wichtigen politischen Entscheidungen ein, etwa zum Wiedergutmachungsabkommen mit Israel oder den Notstandsgesetzen; er machte Adenauer Personalvorschläge für die Ministerien und überwachte deren Linientreue, u. a. durch die von ihm geschaffenen Spiegel-Referate im Kanzleramt; er pflegte den engen Kontakt zur CDU/CSU-Bundestagsfraktion, insbesondere durch seine gute Beziehung zum CDU-Fraktionsvorsitzenden Heinrich Krone; er war als „heimlicher Generalsekretär“ der CDU die zentrale Kontaktstelle, um das Gehör des Kanzlers zu erhalten, und er verwaltete maßgeblich die Wirtschaftsspenden der CDU, die über die „Staatsbürgerliche Vereinigung“ flossen. 1958 verfasste Globke den sogenannten Globke-Plan, der sich mit einer möglichen Durchführung der Wiedervereinigung befasste. Im Wahlkampf 1961 gegen den später (1969) gewählten Bundeskanzler Willy Brandt machte Globke laut CIA-Dokumenten Brandt das Angebot, aus dessen Exilzeit resultierende vorgebliche Vaterlandsverratsvorwürfe nicht zum Wahlkampfthema zu machen, vorausgesetzt, die SPD würde das Thema "Globke" nicht verwenden. Brandt soll – so die Unterlagen – auf den Vorschlag eingegangen sein. Nach der Pensionierung (1963). Am 15. Oktober 1963, also vier Tage nachdem Adenauer sein Amt niedergelegt hatte, wurde Globke auf Vorschlag des Altkanzlers vom damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Er blieb weiterhin für Adenauer beratend aktiv. Insbesondere bei der Suche nach einem Nachfolger für Ludwig Erhard wirkte er mit. Nach der Pensionierung wollte Globke in die Schweiz übersiedeln. Seine Frau Augusta hatte 1957 in Chardonne VD (Kanton Waadt) am Genfersee ein Grundstück gekauft und darauf ein Ferienhaus bauen lassen. Im Herbst 1963 erklärte das Parlament des Kantons Waadt jedoch, Globke werde keine Aufenthaltsgenehmigung erteilt. Dieser gab 1964 eine Verzichtserklärung ab; darin verpflichtete er sich, „jede räumliche und künftige Verbindung mit der Schweiz abzubrechen“. Der damalige Schweizer Bundespräsident Ludwig von Moos sagte vor dem Nationalrat, „angesichts dieser Erklärung“ habe die Regierung „vom Erlass einer Einreisesperre“ Abstand genommen. Tod (1973). Globke starb nach schwerer Krankheit am 13. Februar 1973. Er wurde auf dem Zentralfriedhof Bad Godesberg in Bonn-Plittersdorf beigesetzt. Diskussion um Globkes NS-Vergangenheit. Politische Debatte. Dass ein Mann wie Globke schon kurz nach Gründung der Bundesrepublik wieder eine führende Rolle in der deutschen Politik spielte, löste eine erbittert geführte Debatte im Deutschen Bundestag aus. Am 12. Juli 1950 zitierte dabei Adolf Arndt, der rechtspolitische Sprecher der SPD, aus den Kommentaren zu den Nürnberger Gesetzen u. a. eine Passage, in der Globke diskutiert, ob nicht auch die im Ausland begangene „Rassenschande“ bestraft werden könne. Bundesinnenminister Gustav Heinemann, der damals noch der CDU angehörte, verwies in seiner Antwort auf das entlastende Leumundszeugnis des Nürnberger Anklägers Robert Kempner, dem Globke mit seiner Aussagebereitschaft gedient hatte. Obwohl Globke wegen seiner NS-Vergangenheit umstritten war, hielt Adenauer bis zum Ende seiner Amtszeit 1963 an ihm fest. Einerseits kommentierte er die Debatte um Globkes Beteiligung an der Ausarbeitung der Nürnberger Rassegesetze mit den Worten „Man schüttet kein schmutziges Wasser weg, solange man kein sauberes hat“, andererseits erklärte er am 25. März 1956 in einem Zeitungsinterview, Behauptungen, sein enger Mitarbeiter sei ein eifriger Gehilfe der Nationalsozialisten gewesen, entbehrten jeder Grundlage. Viele Personen, auch aus den Reihen der katholischen Kirche, bescheinigten Globke, er habe sich mehrfach für verfolgte Personen eingesetzt. Nach Ansicht des Journalisten Harald Jähner führte die Weiterverwendung Globkes zu „schändlichen staatlichen Maßnahmen der Strafvereitelung und Justizbehinderung“ und boten der DDR immer wieder willkommenen Anlass, die Bundesrepublik als „faschistisch“ zu bezeichnen. Insbesondere nach 1960, als der israelische Geheimdienst Mossad in Argentinien Adolf Eichmann aufspürte, erwies sich das Festhalten an Globke zunehmend als Belastung für die Regierung Adenauer. Eichmann hatte in Buenos Aires bei Mercedes-Benz gearbeitet, und dem BND war sein Aufenthaltsort seit 1952 bekannt. Ob auch Globke schon Ende der 1950er Jahre wusste, wo Eichmann sich aufhielt, war noch 2013 Gegenstand politischer Debatten. Ermittlungsverfahren in Westdeutschland. Der ehemalige Verwaltungsoffizier der Heeresgruppe E in Saloniki Max Merten hatte Globke als mitverantwortlich für den Holocaust in Griechenland schwer belastet. Ein dazu von dem hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer in Frankfurt am Main begonnenes Ermittlungsverfahren gegen Globke wurde im Mai 1961 nach Intervention des Kanzlers Konrad Adenauer an die Staatsanwaltschaft Bonn abgegeben und dort mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Bauers Vorermittlungen setzten ein, als ihm bekannt wurde, dass Globke die Rettung von 20.000 Juden in Saloniki verhindert haben sollte. Adolf Eichmann soll damals das Reichsinnenministerium kontaktiert und Globke um die Erlaubnis zum Abtransport der Juden in Vernichtungslager gebeten haben. Globke-Prozess in Ost-Berlin. Anfang der 1960er Jahre kam es in der DDR zu einer großen, von dem Politbüro-Mitglied Albert Norden geleiteten Kampagne des Ministeriums für Staatssicherheit gegen den so bezeichneten „Verfasser der Nürnberger Blutgesetze“ sowie „Hetzer und Organisator der Judenverfolgungen“. Ihr Ziel war es, Globke Kontakte mit Adolf Eichmann nachzuweisen. In einer Aktennotiz von 1961 hielt Norden fest, dass dafür „in Zusammenarbeit mit Erich Mielke bestimmte Materialien besorgt bzw. hergestellt werden sollten. Wir brauchen unbedingt ein Dokument, das in irgend einer Form die direkte Zusammenarbeit Eichmanns mit Globke beweist.“ Im Juli 1963 eröffnete das Oberste Gericht der DDR unter Vorsitz von Gerichtspräsident Heinrich Toeplitz den Globke-Prozess, einen Schauprozess, in dem es nicht um Wahrheitsfindung ging, sondern darum, propagandistisch der Bundesrepublik ihre nationalsozialistische Vergangenheit vorzuhalten und den eigenen antifaschistischen Gründungsmythos zu betonen. Das Gericht verurteilte Globke in Abwesenheit „wegen in Mittäterschaft begangener fortgesetzter Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in teilweiser Tateinheit mit Mord“ zu lebenslangem Zuchthaus. In dem Prozess und in der umfangreichen Urteilsbegründung versuchte das Gericht, die angebliche „Wesensgleichheit des Bonner Regimes“ mit dem Terrorstaat Hitlers nachzuweisen. Wissenschaftliche Untersuchung. Im Jahr 1961 erschien im zu Bertelsmann gehörenden Rütten & Loening Verlag Reinhard-M. Streckers Buch "Dr. Hans Globke – Aktenauszüge, Dokumente", das auf Recherchen Streckers in polnischen und tschechischen Archiven beruhte. Globke versuchte, die weitere Veröffentlichung gerichtlich zu verhindern. Der Bundesnachrichtendienst, damals noch unter der Führung des NS-belasteten ehemaligen Generals der Wehrmacht Reinhard Gehlen, soll 50.000 Mark investiert haben, um das Buch schnellstmöglich vom Markt zu nehmen. Aufgrund zweier unwesentlicher Fehler kam es zu einem Prozessvergleich, in dem Bertelsmann sich einverstanden erklärte, auf weitere Auflagen zu verzichten. Dem sollen Drohungen Bonns vorausgegangen sein, andernfalls keine Bücher des Bertelsmann-Verlages mehr für amtliche Stellen zu erwerben. Seit Januar 2021 ist eine historische Kopie der Originalausgabe aus dem Rütten & Loening Verlag Hamburg unter dem Titel "Dr. Hans Globke. Aktenauszüge, Dokumente. Herausgegeben von Reinhard-M. Strecker" online verfügbar. Sie ist Teil des neuen Dossiers "Schreibtischtäter Globke", das die Internetplattform FragDenStaat am 22. Januar 2021 veröffentlichte. Zu dem "Dossier zur Nazi-Vergangenheit des Kanzleramtschefs" gehört auch die zweibändige Personalakte Globkes aus dem Bestand des Bundesarchivs, die FragDenStaat nach eigener Angabe erstmals öffentlich zugänglich macht. Im Juni 2006 wurde bekannt, dass die Regierung Adenauer den US-Geheimdienst CIA im März 1958 über den Aufenthaltsort Adolf Eichmanns informiert hatte. Dem US-amerikanischen Historiker Timothy Naftali zufolge sorgte sie aber durch Kontakte auf höchster Ebene gleichzeitig dafür, dass die CIA dieses Wissen nicht nutzte. Weder die Bundesregierung noch die CIA informierten Israel über die neuen Kenntnisse. Naftali vermutet, dass Adenauer so eine direkte Belastung Globkes durch Eichmann verhindern wollte. Eichmann hatte zuvor dem niederländischen Journalisten und ehemaligen SS-Mann Willem Sassen umfangreiche Interviews gegeben, aus denen seine Memoiren entstehen sollten. Seit 1957 waren Sassens Versuche, dieses Material an das US-amerikanische Magazin "Life" zu verkaufen, vergeblich geblieben. Das änderte sich mit Eichmanns spektakulärer Entführung durch den Mossad im Mai 1960 – die durch einen inoffiziellen Hinweis des hessischen Generalstaatsanwaltes Fritz Bauer ermöglicht worden war – und mit der Vorbereitung des Eichmann-Prozesses in Israel. "Life" veröffentlichte nun in zwei Artikeln, am 28. November und 5. Dezember 1960, Auszüge aus Sassens Material über Eichmann. Die Tantiemen wollte dessen Familie für seine Verteidigung verwenden. Allerdings hatte die Bundesregierung, die ohnehin über die Ost-Berliner Kampagne beunruhigt war, zuvor die CIA eingeschaltet und so erreicht, dass jeder Hinweis auf Globke aus den "Life"-Artikeln gestrichen wurde. CIA-Chef Allen Dulles hielt in einem internen Memo vom 20. September 1960 fest: „Gesamtes Material wurde gelesen. Eine unklare Erwähnung von Globke, die "Life" auf unsere Forderung hin wegläßt.“ 2009 erschien im Campus-Verlag eine Monographie des Historikers Erik Lommatzsch, für die er den Nachlass Globkes im Archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung hatte auswerten können. Globkes tatsächliches Verhältnis zum Nationalsozialismus sowie sein Einfluss auf die Regierung Adenauers werden darin jedoch nicht wirklich geklärt, was laut Rezensent Hans-Heinrich Jansen „[a]ngesichts der in vielen zentralen Fragen letztlich dann doch dürftigen Quellenlage“ nicht abschließend möglich sei. Auch die Hintergründe der MfS-Kampagne gegen Globke bleiben weitgehend im Dunkeln; allerdings war dieser Aspekt der Globke-Biographie von Lommatzsch ohnehin nur als Exkurs vorgesehen, da er eine separate Behandlung erfordert. Jedoch zeigt Lommatzsch an einer Reihe von Beispielen auf, dass Globke sich tatsächlich für Verfolgte eingesetzt habe, sein Kommentar zu den Nürnberger Gesetzen vom Ziel getragen sei, die Regelungen zu entschärfen, und er in der Nachkriegszeit nicht die beherrschende Rolle gespielt habe, die ihm von Adenauergegnern unterstellt worden sei. Der Historiker Wolfgang Benz urteilt, Globke sei zwar „kein Nationalsozialist und kein Antisemit gewesen“, habe „aber im Sinne des NS-Regimes funktioniert und sich durch sachkompetente Mitwirkung am System der Judenverfolgung mitschuldig gemacht“.
Johann Nepomuk von Harscher (* 17. Dezember 1769 in Landshut; † 30. Oktober 1834 in Regensburg) war ein königlich bayerischer Offizier, zuletzt im Rang eines Generalmajors, und Kommandant von Lindau und Wülzburg. Er war seit 1807 Ritter des Militär-Max-Joseph-Ordens. Leben. Harscher war der Sohn des kurfürstlich bayerischen Regierungsrates zu Landshut Franz Xaver von Harscher auf Paindlkofen und Babing und dessen Frau Maria Mechtildis, eine geborene Farmbacher. Nachdem er das Gymnasium absolviert hatte, trat Harscher am 2. Mai 1785 als Kadett in das Kürassier-Regiment „Graf Ysenburg“ ein, in welchem er am 1. April 1790 zum Estandartführer ernannt wurde. Erst fünf Jahre später, am 29. Juli 1795, erfolgte seine Beförderung zum Unterleutnant, am 8. März 1798 die zum Oberleutnant und am 22. Juni 1800 seine Ernennung zum Rittmeister. Als solcher nahm er 1805 mit seiner Einheit, die seit dem 11. März 1804 1. Dragoner-Regiment „Graf Minucci“ hieß, am Feldzug gegen Österreich teil. Während der Verfolgung des Gegners am 12. Oktober 1805 stürzte er vom Pferd und zog sich einen Leistenbruch zu. Im folgenden Feldzug gegen Preußen 1806 bis 1807 hatte Harscher mehrfach Gelegenheit sich auszuzeichnen. Am 15. August 1806 zum Major im 3. Chevaulegers-Regiment befördert, nahm er an der Belagerung von Glogau teil. Während der Kämpfe um Breslau am 15. November 1806 führte er die Vorhut und konnte bei einem Streifzug mit 80 Mann 36 Gefangene und 39 Pferde einbringen. Bei einem Vorpostengefecht bei Weißenrode am 2. Januar 1807 kommandierte Harscher die Arrieregarde und konnte mit heftigem Widerstand die preußischen Angriffe abwehren. Im Armeebefehl vom 18. Januar 1807 wurde Harscher belobend erwähnt. Mit Brevet vom 5. März und im Armeebefehl vom 31. März 1807 erhielt er den Orden der französischen Ehrenlegion. Ein am 11. Juli 1807 im Hauptquartier zu Siemiatycze unter Vorsitz von Generalleutnant Carl Philipp von Wrede abgehaltenes Ordenskapitel des Militär-Max-Joseph-Ordens sprach sich einstimmig für die Aufnahme Harschers als Ritter in den Orden aus, was mit Armeebefehl vom 18. August 1807 auch geschah. Im Feldzug gegen Österreich 1809 stürzte er während des Gefechtes bei Neumarkt an der Rott am 24. April erneut vom Pferd, wobei sich auch seine Verletzung von 1805 wesentlich verschlimmerte. Am 29. April 1809 wurde er zum Oberstleutnant im 3. Chevaulegers-Regiment befördert und bereits am 27. Oktober selben Jahres zum Oberst dieser Einheit ernannt. Im Frühjahr 1812 rückte er mit seinem Regiment von Ulm zum Feldzug gegen Russland aus. Auf dem Marsch musste sich Harscher bei Scheßlitz in Folge seiner 1805 und 1809 erlittenen Verletzungen felddienstuntauglich melden und das Regimentskommando abgeben. Am 15. April 1812 wurde Harscher zum Kommandanten der Stadt und Festung Lindau ernannt und am 17. Dezember 1816 als Kommandant nach Wülzburg versetzt. Nachdem Harscher am 1. Januar 1823 in den Ruhestand trat, wurde ihm am 12. Februar 1823 noch der Charakter als Generalmajor verliehen. Johann Nepomuk von Harscher starb am 30. Oktober 1834 im Alter von 64 Jahren in Regensburg.
Als Igel bezeichnet man im Schach einen Stellungstyp, der in erster Linie durch eine bestimmte Bauernstruktur in der Eröffnung und im Mittelspiel charakterisiert ist. Diese Struktur galt bis in die 1960er Jahre als unvorteilhaft. In den 1970er Jahren kam sie aufgrund der Erfolge, die einige junge Großmeister mit ihr erzielten, in Mode. Heute genießt der Igel allgemeine Anerkennung. Die englische Bezeichnung „Hedgehog“, deutsch „Igel“, geht vermutlich auf William Hartston zurück. Stellungsmerkmale. Der Igel verdankt seinen Namen seinem passiven, aber effektiven Bauernwall am Damenflügel. Eine allgemein anerkannte Definition der Igelstellung gibt es bisher noch nicht. Der Igel bezeichnet einen platzsparenden, schwarzen Aufbau. Es lässt sich aber festhalten, dass zumindest folgende Merkmale erfüllt sein müssen, um von einer Igelstellung sprechen zu können: Darüber hinaus ist es üblich, Stellungen, die nur einen Teil der Mindestmerkmale erfüllen (z. B. weißer c-Bauer auf c2 statt c4 oder schwarzer Bauer auf e7 statt e6) werden gemeinhin als "igelartig" bezeichnet. Der Igel wird vor allem von Schwarz angewendet, es ist aber auch möglich, ihn mit Weiß im Anzug anzustreben (siehe hierzu z. B. die igelartige Partie Fischer – Andersson, Siegen 1970). Historische Entwicklung. Bis in die 1960er Jahre galt die Igelstellung als nachteilige Struktur. Die allgemeine Meinung war, dass Schwarz eine gedrückte Stellung hat und zu passiver Verteidigung verdammt ist. Starke Spieler vermieden diese Struktur meist. Allerdings hat Fritz Sämisch 1922 in Bad Pistyan gegen Karel Opočenský einen exakten Igel-Aufbau gewählt. Eine Igelstellung stand auch bei einer 1967 in Moskau gespielten Partie der beiden Exweltmeister Michail Botwinnik und Wassili Smyslow auf dem Brett. Als Pionier des Igelaufbaus gilt der jugoslawische Großmeister Ljubomir Ljubojević. Er führte diese Struktur 1973 als Erwiderung auf die Englische Eröffnung in die Großmeisterpraxis ein und war damit in diesem Jahr gegen Vlastimil Hort, Lew Polugajewski, Wolfgang Uhlmann, Lajos Portisch und Arturo Pomar erfolgreich. Ljubojevics Erfolge überzeugten seinen Freund Ulf Andersson, ebenfalls so zu spielen. 1975 gelang es Andersson, Anatoli Karpow mit dem Igelaufbau dessen erste Niederlage als Weltmeister beizubringen. Bald nahmen zahlreiche Großmeister den Igel-Aufbau in ihr Repertoire auf, darunter Florin Gheorghiu, Lajos Portisch, Zoltán Ribli, András Adorjan und Lew Polugajewski. Auch Karpow selbst verteidigte sich 1975 und 1977 zweimal mit dem Igel. Anfang der 1980er Jahre folgten die jungen Großmeister Lew Psachis, Ľubomír Ftáčnik und Garri Kasparow diesem Modetrend. Beim Interzonenturnier 1979 in Riga musste Adorjan mit Schwarz gegen Tony Miles unbedingt gewinnen, um sich für die Kandidatenwettkämpfe zu qualifizieren. Er wählte den Igel und gewann eine Glanzpartie. Eine weitere spektakuläre und bekannte Partie gewann Ftacnik bei der Schacholympiade 1982 in Luzern gegen Polugajewski. Wichtige Beiträge zur Popularisierung des Igels unter deutschen Vereinsspielern leisteten Matthias Wahls, der eine Serie von Zeitschriftenaufsätzen über den Igel geschrieben hat, und Frank Zeller, der die erste ausführliche Monographie zum Thema in deutscher Sprache verfasst hat. Entstehung. Igelstellungen entstehen nur dann, wenn beide Seiten damit einverstanden sind; so hat Weiß die Möglichkeit, dem Igel auszuweichen, indem er z. B. seinen c-Bauern nicht nach c4 stellt oder indem er frühzeitig d2–d4 spielt und c7–c5 mit d4–d5 beantwortet. Sie können aus verschiedenen Eröffnungen entstehen, wie zum Beispiel aus der Englischen Eröffnung, aus Sizilianisch, aus Nimzoindisch oder aus Damenindisch. Einen eigenen Eröffnungscode (A 30) besitzt lediglich der sogenannte englische Igel. Klassische Zugfolgen sind 1. c2–c4 c7–c5 2. Sb1–c3 Sg8–f6 3. g2–g3 e7–e6 4. Sg1–f3 b7–b6 5. Lf1–g2 Lc8–b7 6. 0–0 Lf8–e7 7. d2–d4 c5xd4 8. Dd1xd4 d7–d6 und in der Taimanow-Variante 1. e2–e4 c7–c5 2. Sg1–f3 e7–e6 3. d2–d4 c5xd4 4. Sf3xd4 Sb8–c6 5. Sd4–b5 d7–d6 6. c2–c4 Sg8–f6 7. Sb1–c3 a7–a6 8. Sb5–a3 Lf8–e7 9. Lf1–e2 0–0 10. 0–0 b7–b6 Mittlerweile spielt Schwarz den Igel auch in der Paulsen-Variante nach 5. Lf1–d3 Lf8–c5 6. Sd4–b3 Lc5–e7 7. Dd1–g4 g7–g6 8. Dd1–e2 d7–d6 9. c2–c4 Sb8–d7 und 5. c2–c4 Sg8–f6 6. Sb1–c3 Dd8–c7 7. a2–a3 b7–b6 Weiß kann den Igel auf verschiedene Arten bekämpfen: Mit den Läufern auf e2 und e3, mit den Läufern auf g2 und b2, mit den Läufern auf d3 und e3 oder mit den Läufern auf b2 und d3. Strategische und psychologische Motive. In der Igelstellung steht Weiß oft objektiv besser. Um aber die schwarze Verteidigung zu überwinden, muss er taktisch sehr präzise spielen, was viele Weißspieler überfordert. Andererseits ist der Igel für Schwarz leicht zu spielen: Er verteidigt seine Position und wartet ab, bis Weiß aktiv wird oder bis sich eine günstige Gelegenheit für einen Vorstoß im Zentrum ergibt. Dann müssen sich beide Spieler vom ruhigen positionellen Manövrieren auf eine offene Stellung voller Dynamik, auf ein konkretes Spielen von Zug zu Zug umstellen. Neben der passiven Verteidigung und dem Warten auf die Vorstöße d6–d5 oder b6–b5 (manchmal auch e6–e5, wenn f2–f4 gespielt wurde) kann Schwarz in manchen Stellungen außerdem eine Expansion am Königsflügel mit Kg8–h8, Tf8–g8, g7–g5, Tg8–g6 und Tc8–g8 anstreben. Oder er nimmt mit Db8 und Lc7 eine Vorbereitung gegen den weißen Bauern h2 ein. Auch der Sturmlauf des schwarzen h-Bauern bis nach h3 zur Auflockerung der weißen Königsstellung wurde schon gesehen. Mark Dworetzki schrieb in einem seiner Lehrbücher über das typische Problem von Weiß gegen Igelstellungen: "Weiß steht ideal, aber in dem Wort selbst steckt schon sein ganzes Problem, ein Ideal kann nicht mehr verbessert werden."
119 Tauri, auch als CE Tauri bekannt, ist ein etwa 2000 Lichtjahre entfernter Roter Überriese der Spektralklasse M2. Er ist Teil des Sternbilds Stier (Taurus). Visuelle Erscheinung. Aufgrund der niedrigen Oberflächentemperatur von etwa 3.400 Kelvin erscheint 119 Tauri rötlich. Mit einem auffällig hohen B−V-Farbindex von 2,06 ist die Färbung sehr ausgeprägt. Gelegentlich wird er deshalb auch "Rubinstern" genannt. Nur μ Cephei, Herschels „Granatstern“, hat als Stern, der mit dem bloßen Auge sichtbar ist, einen noch höheren Farbindex. Andere sehr rote Sterne, wie R Leporis oder La Superba (Y CVn), sind wegen ihrer veränderlichen Helligkeit nicht immer für das bloße Auge sichtbar. Bezeichnungen. „119 Tauri“ ist die Flamsteed-Bezeichnung des Sterns. Der britische Astronom John Flamsteed nummerierte die mit bloßem Auge sichtbaren Sterne aufsteigend nach ihrer Rektaszension, demnach ist die Rektaszension von 119 Tauri höher als die des Hauptsterns des Sternbilds Stier, Aldebaran (87 Tau). Die Bezeichnung „CE Tauri“ folgt den Regeln zur Benennung veränderlicher Sterne: Der erste Namensteil „CE“ besagt, dass 119 Tauri der 144. veränderliche Stern ist, der im Sternbild Stier entdeckt wurde; der zweite Namensteil „Tauri“ ist der Genitiv des lateinischen Namens des Sternbilds. Position. 119 Tauri ist Teil des Stiers (lat. "Taurus"), eines Sternbilds der Ekliptik, das sowohl von der Nord- als auch von der Südhalbkugel der Erde aus beobachtet werden kann. Dieses Sternbild befindet sich, von der Erde aus betrachtet, auf der dem galaktischen Zentrum abgewandten Seite, welches im Sternbild Schütze (lat. "Sagittarius") liegt. Seine südliche ekliptikale Breite beträgt nur rund -4° 41', so dass er von der Mondscheibe bedeckt werden kann. Das Licht von 119 Tauri wird von ihn umgebenden oder sich zwischen ihm und der Sonne befindlichen Staubwolken, unter anderem den Staubwolken des Taurus-Auriga-Komplexes, um 0,8 Magnituden abgeschwächt. Befände sich kein Staub zwischen der Sonne und 119 Tauri, so wäre der Überriese ein Stern nahe der Grenze zur dritten Größe und würde doppelt so hell am Himmel erscheinen, vergleichbar mit der scheinbaren Helligkeit von ε Tauri. Entfernung. Die vom Weltraumteleskop Hipparcos gemessene Parallaxe ergibt einen Wert von ca. 1800 Lichtjahren für die Entfernung des Sterns. Die angegebene Messunsicherheit lässt aber nur zu, den Wert bis auf einige hundert Lichtjahre zu bestimmen. Sollte die Entfernung an der oberen Grenze der Messunsicherheit liegen, so würde es sich bei 119 Tauri um einen der größten und leuchtkräftigsten Sterne der Milchstraße handeln. Falls die Untergrenze korrekt ist, dürfte es sich um einen gewöhnlichen Roten Riesen handeln. Eigenbewegung. 119 Tauri gehört zu den Randgebieten unserer Galaxis, jenen Gebieten, in denen sich viele offene Sternhaufen, wie die Plejaden, und Dunkelwolken befinden. Er weist eine sehr ähnliche Eigenbewegung, unter anderem wie der benachbarte blaue Riese 120 Tauri, auf. Physikalische Eigenschaften. 119 Tauri ist ein Riesenstern und wird aufgrund seiner Leuchtkraft im Hertzsprung-Russell-Diagramm in die Leuchtkraftklasse I-b eingeteilt. Er gehört der Spektralklasse M an, zählt aber mit M2 zu einem früheren Untertyp und wird daher nicht zu den kühlen Überriesen wie V838 Monocerotis gezählt. Seine physikalischen Werte sind, wie häufig bei schweren Sternen, sehr unsicher und können daher nicht eindeutig festgelegt werden. Man nimmt an, dass er einige Ähnlichkeit mit Beteigeuze hat. Sein Radius wird auf 600 Sonnenradien geschätzt, das entspricht gerundet einem Durchmesser von 835 Millionen Kilometern beziehungsweise 5,6 AE. Stünde 119 Tauri im Zentrum des Sonnensystems, würde er über die Bahn des Planeten Mars hinausragen und mehr als 50 % von Jupiters Abstand zur Sonne ausfüllen. Die Leuchtkraft dieses Sterns wird auf das 50.000fache der Sonne geschätzt. Die scheinbare Helligkeit von 119 Tauri verändert sich um 0,3 mag mit einer halbregelmäßigen Periode (Typ SRc).
TVP3 (früher "TVP Regionalna") ist ein Fernsehsender der polnischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt Telewizja Polska. Das dritte Programm von TVP startete 1994 und wurde zwischen 2000 und 2002 schrittweise zu TVP3 umfirmiert. 2007 wurde TVP3 durch den Nachrichtensender TVP Info ersetzt und die Regionalfenster in den neuen Sender überführt. Mit dem Umbau von TVP Info zum reinen Nachrichtenkanal wurde die regionale Berichterstattung wieder in ein eigenes Programm ausgelagert. Am 2. Januar 2016 wurde der Sender erneut in TVP3 umbenannt. Der Claim des Senders ist an den Programmauftrag angelehnt, „unser Fernsehen“ zu sein, das über Ereignisse und den Alltag im regionalen Umfeld der Zuschauer berichtet: „Jesteś u siebie!“ (Sie sind zu Hause). Geschichte. Die Wurzeln des Programms liegen in den zwölf (später 16) Regionalstudios, die Wieslaw Walendziak, TVP-Vorstandsvorsitzender im Jahr 1994, unter der gemeinsamen Dachmarke "TVP Regionalna" startete, der einen gemeinsamen Auftritt für erfolgversprechender hielt als die Einführung mehrerer regionale Programme. Obwohl bereits Serien und Spielfilme gezeigt wurden, hatte das Programm mit viel Kultur und Sport einen starken Bezug auf regionale Ereignisse, auch im landesweiten Mantelprogramm. Unter dem Namen "TVP3" wurde der damalige Sender zu einem Vollprogramm mit Unterhaltung und Spielfilmen ausgebaut, regionale Inhalte beschränkten sich weitgehend auf die Programmfenster der Regionalstudios. 2005 starteten die Lokalfenster für Gorzów Wielkopolski, Kielce, Olsztyn und Opole. Die Regionalfenster wurden auch beim Umbau des Senders als Nachrichtenkanal "TVP Info" beibehalten. Am 23. Mai 2013 kündigte das Polnische Fernsehen einen neuen Regionalsender an, der Name wurde im Juli lanciert. Sollte der Sender zunächst wieder als TVP3 starten, wurde es dann doch als TVP Regionalna gestartet und schließlich 2016 wieder TVP3 genannt. Programm. TVP3 produziert ein landesweites Mantelprogramm für die regionale Berichterstattung, mehrmals am Tag wird auf die Regionalfenster der 16 Regionalstudios auseinandergeschaltet. Der Schwerpunkt liegt auf journalistischen Informationen. Fünf Stunden von ca. 6:30 bis 0:30 Uhr bestreiten die Regionalredaktionen mit Informationen aus den Regionen, rund eine Stunde mehr als in den Regionalsendungen von TVP Info. Der neue Sender setzt im Vergleich zum früheren Regionalfernsehen verstärkt auf die Übertragung von Großveranstaltungen oder Sportveranstaltungen. Die Programmhoheit geht damit wieder verstärkt auf die Entscheidungen der regionalen Redaktionen über, die sich für eine Liveübertragung auch in eigener Verantwortung aus dem Gemeinschaftsprogramm ausklinken können. Regionalstudios und Lokalfenster. Regionale Niederlassungen mit eigenen Redaktionen produzieren das Gemeinschaftsprogramm und Regionalsendungen aus folgenden Orten: Empfang. Das Programm wird seit Sendestart über den dritten DVB-T-Multiplex terrestrisch und in fast allen Kabelnetzen verbreitet. Es wurde schrittweise in den übrigen Empfangswegen Satellit und IP-basierende Plattformen (IPTV) aufgeschaltet, wozu die Plattformbetreiber durch das polnische Mediengesetz verpflichtet sind. Bereits im ersten Sendemonat wurde die Übertragung bei Cyfrowy Polsat, nc+, TNK und Orange Polska aufgenommen. Die Ausweitung auf Satellitenempfang und weitere IP-TV-Anbieter ist geplant, ebenso wie die Verbreitung in HDTV-Bildauflösung.
Das Amt Kelbra war eine territoriale Verwaltungseinheit im gemeinsamen Besitz der 1710 in ein reichsunmittelbares Fürstentum umgewandelten Grafschaft Schwarzburg-Rudolstadt und der Grafschaft Stolberg-Roßla. Bis zur Abtretung an Preußen 1815 bildete es als Amt unter der Oberherrschaft des Kurfürstentums Sachsen den räumlichen Bezugspunkt für die Einforderung landesherrlicher Abgaben und Frondienste, für Polizei, Rechtsprechung und Heeresfolge. Geographische Lage. Das Gebiet des Amts Kelbra befand sich am Nordhang des Kyffhäusergebirges in der Goldenen Aue, befand sich im zentral-südlichen Teil des mittelalterlichen thüringischen Helmegaus. Es wurde von der Helme in ihren mittleren Abschnitt durchflossen. Das Amtsgebiet gehört heute zu den Orten Kelbra und Berga einschließlich der Ortsteile Thürungen, Sittendorf und Tilleda, derzeit im Landkreis Mansfeld-Südharz im thüringisch geprägten Teil Sachsen-Anhalts, seit 1990 direkt an der Grenze zum modernen Bundesland Thüringen. Im Westen grenzt das Amt Kelbra an das Amt Heringen, welches weitgehend bis 1952 eine gemeinsame geschichtliche Entwicklung durchlaufen hat. Angrenzende Verwaltungseinheiten. Das Amt Kelbra gehörte gemeinschaftlich zur nördlich angrenzenden Grafschaft Stolberg-Roßla und der südlich liegenden Unterherrschaft des Fürstentums Schwarzburg-Rudolstadt. Geschichte. Grafen von Hohnstein. Der Ort Kelbra wurde 1093 erstmals urkundlich erwähnt als Chelvera. Im 11. Jahrhundert begannen Mönche des Klosters Walkenried mit der Trockenlegung und Urbarmachung des oberen Helmerieds zwischen Görsbach und Kelbra. Das Stadtrecht wurde Kelbra 1351 verliehen. Das Gebiet der Goldenen Aue um Kelbra und Heringen gehörte ab dem 12. Jahrhundert zum Besitz der Grafen von Hohnstein, deren Zentrum das Gebiet um Ilfeld und Neustadt/Harz mit der Burg Hohnstein (Harz) war. Die Grafen bauten ihr Territorium bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts stark aus, so dass sie als die bedeutendsten Grafen am Südharz angesprochen werden konnten, noch vor den Grafen von Schwarzburg und den Grafen zu Stolberg. Ende des 13./Anfang des 14. Jahrhunderts begann das Haus Hohnstein, sich in mehrere Linien aufzuspalten, und ab 1315 war es in drei Linien geteilt. 1373 teilten die Linien Hohnstein-Kelbra-Heringen und Hohnstein-Lohra-Klettenberg die Grafschaft untereinander auf, wobei die Stammgrafschaft mit der gleichnamigen Burg weiter gemeinsamer Besitz bleiben sollte. Im Fleglerkrieg 1412 wurde ein Teil der Herrschaft zerstört und letztlich der Untergang der Hohnsteiner eingeleitet. Graf Heinrich von Hohnstein wurde nach der Beendigung des Fleglerkrieges und der Heldrunger Fehde am 8. Januar 1413 von den wettinischen Landgrafen Friedrich IV., Wilhelm II. und Friedrich d. J. von Thüringen die Schlösser und Städte Heldrungen und Wiehe gegen Abtretung seiner Ansprüche auf Kelbra, Harzgerode, Güntersberge, Hoym, Ballenstedt und Sandersleben überlassen. Die Linie Kelbra-Heringen teilte sich später weiter auf, sodass bis Ende des 15. Jahrhunderts alle Besitzungen am Südharz abgegeben wurden. Wettiner, Stolberger und Schwarzburger. Die Wettiner, die als Lehnsherren aufgrund ihrer Stärke bereits im 14. Jahrhundert eine entscheidende Machtposition in der Goldenen Aue errungen hatten, bauten jedoch in Kelbra keine eigene Verwaltung auf, sondern versetzten die an der Peripherie ihrer eigenen Besitzungen gelegene Stadt nebst Schloss und Zubehör an zuverlässig erscheinende Pfandnehmer. Sie glaubten, diese in den Grafen von Schwarzburg und zu Stolberg gefunden zu haben. Die Herrschaft der Hohnsteiner Linie Kelbra-Heringen fiel somit 1412/17 durch Verkauf an die Grafen zu Stolberg. Im Jahr 1413 erfolgte zunächst für drei Jahre die pfandweise Überlassung von Schloss und Stadt Kelbra mit allem Zubehör an die Brüder Heinrich und Botho zu Stolberg. Nach Ablauf der Dreijahresfrist erneuerten die wettinischen Landgrafen von Thüringen 1417 die Verpfändung von Kelbra nebst Zubehör. Pfandnehmer waren diesmal Graf Botho zu Stolberg und der mit ihm verwandte Graf Heinrich von Wernigerode. Als Verpfändungszeitraum wurden sechs Jahre festgelegt und im Vertragstext die Klausel aufgenommen, dass im Kriegsfall die Grafen den Wettinern Beistand leisten sollen. Aufgrund einer finanziellen Schuld der Grafen Botho zu Stolberg und Heinrich von Wernigerode, die ihnen ihr Oheim Graf Heinrich von Schwarzburg abnahm, sagten sie ihm 1418 zu, die Hälfte der Pfandsumme zu überlassen, falls die Wettiner Kelbra einlösen würden. Die Wettiner waren in den darauffolgenden Jahren nicht an einer solchen Einlösung interessiert. Daher ersuchten die beiden Grafen von Schwarzburg und zu Stolberg die Herzöge Friedrich und Sigismund von Sachsen, ihnen Kelbra als Gesamtlehen zu überlassen. Der daraufhin ausgestellte Lehnsbrief datiert auf den 19. September 1428. Herzog Wilhelm von Sachsen belehnte 1461 Metze, die Gemahlin seines Geheimen Rathes Graf Heinrich zu Stolberg, mit dem halben Schloss Kelbra als Leibgedinge. 1478 überließ der Stolberger Graf diese Hälfte als Pfand dem Amtmann Ritter Hans Knauth. Zur Wiedereinlösung des Pfandes aus den Händen seiner Söhne, der Brüder Heinrich und Hans Knauth, kam es 1486. Seit der Leipziger Teilung im Jahr 1485 lag die Landeshoheit über das Amt Kelbra bei der albertinischen Linie der Wettiner, deren Besitzungen nach der Wittenberger Kapitulation 1547 zum Kurfürstentum Sachsen erhoben wurden. Die Grafen zu Stolberg kamen ab 1554 in große finanzielle Nöte, weshalb sie sich 20 000 Goldgulden von Schwarzburgern liehen und dafür ihren Anteil am Amt Kelbra verpfändeten. Graf Wilhelm von Schwarzburg, Sohn des Grafen Günther XL., welchem 1560 Frankenhausen als Wohn- und Residenzort zugewiesen wurde, veranlasste eine Besitzteilung mit seinen beiden Brüdern. 1570/71 erhielt er die Alleinherrschaft in Frankenhausen und den Ämtern Kelbra und Heringen sowie Straußberg. 1592/1593 ging die stolbergische Hälfte der Ämter pfandweise und für Stolberg wiederkäuflich in den Besitz des Grafen Wilhelm von Schwarzburg über. Durch die hohe Schuldensumme gelang es dem Haus Stolberg nicht, ihren Anteil wieder einzulösen. Graf Wilhelm I., Herr zu Schwarzburg-Frankenhausen verstarb 1598 kinderlos, wodurch die Herrschaft Schwarzburg-Frankenhausen erlosch. Das Amt Kelbra gehörte seitdem zur Grafschaft Schwarzburg-Rudolstadt, Unterherrschaft Frankenhausen. Nachdem die Grafschaft Schwarzburg-Rudolstadt im Jahr 1710 zum reichsunmittelbaren Fürstentum erhoben wurde, erlosch die Oberhoheit des Kurfürstentums Sachsen über die Unterherrschaft Schwarzburg-Rudolstadt mit Ausnahme der Ämter Kelbra und Heringen. Der stolbergische Anteil am Amt, welcher sich seit 1554 als Pfand bei den Grafen von Schwarzburg-Rudolstadt befand, kam nach der Teilung der Grafschaft Stolberg im Jahr 1706 an die Grafschaft Stolberg-Roßla. Preußen. In Folge der Niederlage des 1806 zum Königreich ernannten Sachsen wurden auf dem Wiener Kongress im Jahr 1815 Gebietsabtretungen beschlossen, was u. a. alle unter Oberherrschaft von Sachsen stehenden Gebiete in Thüringen betraf. Die Landeshoheit über die Ämter Heringen und Kelbra wurde an das Königreich Preußen abgetreten. 1816 wurde ein Staatsvertrag zwischen dem Königreich Preußen und dem Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt abgeschlossen. Durch Einlösung des Stolberger Anteils und gingen alle Rechte auf das Amt auf Preußen über. Schwarzburg-Rudolstadt erhielt dafür eine Abfindung. Beide Ämter Kelbra und Heringen wurden gemeinsam dem Kreis Sangerhausen im Regierungsbezirk Merseburg der preußischen Provinz Sachsen angegliedert. Nachdem Stolberg-Roßla den Rückkauf der Anteile juristisch eingeklagt hatte, überließ Preußen 1836 das Amt Kelbra an die Grafen zu Stolberg-Roßla, behielt jedoch die Landeshoheit.
Der Gewöhnliche Reiherschnabel ("Erodium cicutarium"), häufig auch Schierlingsblättriger Reiherschnabel genannt, gehört zur Gattung Reiherschnäbel innerhalb der Familie der Storchschnabelgewächse (Geraniaceae). Oft werden die Sippen Dünen-Reiherschnabel ("Erodium ballii") und Dänischer Reiherschnabel ("Erodium danicum") abgetrennt, deren taxonomischer Rang ungewiss ist. Sie unterscheiden sich in der Zahl der Blüten pro Blütenstand sowie in der Länge der Fruchtschnäbel und der Teilfrüchte. Merkmale. Der Gewöhnliche Reiherschnabel ist eine ein- bis zweijährige, selten mehrjährige krautige Pflanze. Die Pflanze wächst anfangs in einer flach ausgebreiteten Blattrosette, später niederliegend bis fast aufrecht und erreicht Wuchshöhen zwischen 10 und 40, zuweilen 60 Zentimetern. Die Stängel sind behaart und kaum drüsig. Die Blätter sind bis zum Mittelnerv fiederteilig. Die Fiedern selbst sind nochmals geteilt und tragen schmale, spitze Zipfel. Die Blüten stehen zu zweit bis zehnt in lang gestielten, doldigen Blütenständen. Die Blütenstiele und Kelchblätter sind drüsig und/oder drüsenlos behaart. Die Kronblätter werden zwischen 5 und 9 Millimeter lang. Sie sind rosa oder lila, selten weiß. Die beiden oberen sind oft kleiner und tragen zuweilen einen hellen oder dunklen Fleck. Die Blüten haben je fünf Staubblätter und eine sternförmige Narbe. Die 25 bis 40 mm langen Fruchtschnäbel sind in der Reifezeit reiherhalsartig zurückgebogen (daher der Name). Die Pflanze blüht zwischen April und September mit einer Hauptblütezeit im Mai. Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 40. Ökologie. Die Blüten sind homogame „Kleine Trichterblumen“; seltener sind sie auch etwas zweiseitig symmetrisch und vormännlich. Meist erfolgt Selbstbestäubung. Die Früchte sind durch die stark verlängerten Griffel lang geschnäbelte Spaltfrüchte. Die fünf 5 bis 7 mm langen Teilfrüchte spalten sich bei Austrocknung mit dem Samen von der Fruchtmittelsäule ab. Der Wasserentzug aus dem Quellgewebe bewirkt eine schraubenartige Krümmung des unteren Abschnittes. Bei Wasserberührung dehnt sich das Quellgewebe aus und die Teilfrucht bohrt sich unter Entwindung in den Erdboden oder in ein Tierfell, oder sie bewegt sich als Bodenkriecher fort. Fruchtreife ist von August bis Oktober. Verbreitung und Standort. Der Gewöhnliche Reiherschnabel ist weltweit und auch in ganz Deutschland verbreitet. Er wächst an Wegen, im Brachland, in Weinbergen und Binnendünen. In Österreich ist er sehr häufig bis häufig in allen Bundesländern verbreitet. Er wächst auf sommerwarmen, mäßig trockenen bis trockenen, mäßig nährstoff- und basenreichen, oft kalkarmen, wenig humosen, lockeren Lehm-, Stein- und Sandböden. Er ist ein Sandzeiger und eine Pionierpflanze. Er bevorzugt lückige Unkrautfluren sowie Trocken- und Halbtrockenrasen. Er ist in Mitteleuropa eine schwache Charakterart der Klasse Sedo-Scleranthetea, kommt aber auch in Gesellschaften der Klasse Secalietea oder der Ordnung Polygono-Chenopodietalia vor. Trivialnamen. Für den Gewöhnlichen Reiherschnabel bestehen bzw. bestanden auch die weiteren deutschsprachigen Trivialnamen: Aadbarschnibb (Pommern), Ackerschnabel (Schlesien), Chranchesnabel (althochdeutsch), Chranichessnabel (althochdeutsch), Cranchesnabel, Cranchsnabel, Hirtennadel, Kaczsnabel (mittelhochdeutsch), Kranchsnabel, Krankensnawel (mittelniederdeutsch), Kranessnawel (mittelniederdeutsch), Krangeschnabl (mittelniederdeutsch), Kranichesnagel (mittelhochdeutsch), Kranichissnavel, Kranichnagel (mittelhochdeutsch), Kranichsnabil (althochdeutsch), Kransnabel (mittelhochdeutsch), Kranssesnabel (mittelhochdeutsch), Schirlingskraut, Snissblom (Altmark), Spinblaum (Wangerooge), Storchenschnabel (Bern) und Storkenschnabel.
Die Pyramiden von Meroe (Alternativschreibung Pyramiden von Meroë) liegen im Sudan, rund 200 Kilometer nordöstlich von Khartum in der Nähe des Dorfes Bagrawija. Sie lassen sich von der Lage her grob in drei Gruppen einteilen (Bagrawija Nord, Süd und West) und befinden sich über kleine Hügel verteilt, die rund einen Viertel Quadratkilometer groß sind. Insgesamt handelt es sich um mehr als 900 Pyramiden und Gräber, wobei sich die meisten bei Bagrawija Süd und West befinden. Die meist aus Stein erbauten Pyramiden von Meroe sind mit einer Höhe von unter 30 Metern deutlich kleiner als die bekannten altägyptischen Pyramiden und dienten den Königen, Königinnen und hohen Beamten des historischen Reiches von Kusch in Nubien als Grabstätten. Ihr Entstehungszeitraum reicht hauptsächlich von circa 300 v. Chr. bis etwa 300 n. Chr. Die erste Pyramide in Meroe, die sicher einem Herrscher zugeschrieben werden kann, stammt von Ergamenes, der um 280 v. Chr. regierte. Die Pyramiden von Meroe gehören seit 2011 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Ursprung. In allen Lebensbereichen, besonders in der Kultur der herrschenden Klasse Nubiens, ist eine starke Anlehnung an Ägypten wiederzufinden. Glaubensvorstellungen und die materielle Kultur werden vom nördlichen Nachbarn vor allem zu Beginn der nubischen Eigenstaatlichkeit dominiert. In diesem Kontext wurde wohl auch der Brauch, sich in Pyramiden bestatten zu lassen, von der herrschenden Schicht (siehe Nubische Pyramiden) übernommen. Jedoch wurden nicht nur die architektonischen Formen von Ägypten kopiert, sondern auch der Glaube an ein Leben nach dem Tod. Hier lassen sich, soweit schriftliche Quellen vorhanden sind, fast dieselben Riten und Sitten wie in Ägypten wiederfinden. Vor allem war es wichtig, dass des Toten auch nach seinem Tode gedacht und dass ihm Opfer dargebracht werden, wofür relativ aufwendige, auch oberirdisch zugängliche Grabbauten, wie eben Pyramiden mit einem Totentempel errichtet wurden. Der oberste Totengott war, wie in Ägypten Osiris, der sonst anscheinend keinen eigenen Tempel und keinen Kult in Nubien besaß; andere Totengötter waren Isis und Anubis. Sie werden auch immer wieder in nubischen Totentexten und somit auch in den Pyramidentempeln genannt. Vor allem Isis und Anubis wurden bei der Bitte um Brot und Wasser angerufen, womit die Versorgung mit Nahrung bis in alle Ewigkeit sichergestellt werden sollte. Aufbau der Pyramiden. Die Pyramiden bestehen jeweils aus drei Teilen: Die Pyramiden in Meroe fallen durch ihren, im Vergleich zu den ägyptischen Pyramiden steilen Winkel von 72 Grad (die ägyptischen: 54 Grad) auf, sie sind auch wesentlich kleiner als diese. Die meisten von ihnen sind nicht glatt verkleidet, sondern getreppt, wobei sie anscheinend keine Spitze hatten, sondern oben etwas abgeflacht waren und vielleicht einen kleinen, flachen Zylinder als Abschluss hatten. Sie standen auf einem flachen Sockel. Die königlichen Pyramiden von Meroe unterteilen sich in zwei Gruppen, die sich durch ihre Größe unterscheiden. Die erste Gruppe datiert von Ergamenes (ca. 280 v. Chr.) bis Amanischacheto (Ende des ersten Jahrhunderts v. Chr.). Die durchschnittliche Seitenlänge ist 18 m. In der zweiten Gruppe (ab Natakamani ca. 50 n. Chr.) ist die durchschnittliche Seitenlänge dagegen nur 6,6 m. In dieser Zeit verlor der Pyramidenbau offensichtlich an Bedeutung. Gleichzeitig werden die Pyramiden der Königinnen bzw. Kandaken größer als jene der Könige ausgeführt. Die Dekoration der Totentempel. Die Totentempel vor den Pyramiden sind in Sandstein gebaut. Sie bestehen meist aus ein oder zwei Räumen, denen ein Pylon vorgelagert ist. Diese Tempel sind reich dekoriert. Auf der Außenseite des Pylons ist ein flaches, versenktes Relief eingehauen, das oftmals, aber nicht immer, den König beim Erschlagen der Feinde zeigt, eine alte von den Ägyptern übernommene Szene. Auch das Innere des Tempels ist mit flachem, aber erhabenem Relief ausgeschmückt. Es lassen sich dabei drei Dekorationstypen unterscheiden. Typ A datiert in das 3. vorchristliche Jahrhundert. Er zeigt Opferszenen im ägyptischen Stil mit ägyptischen Hieroglyphen. Typ B datiert in das 2. vorchristliche bis in das erste nachchristliche Jahrhundert. Hier findet man das Totengericht und das Totenbuch, die in Ägypten seit ca. 1350 v. Chr. zum typischen Repertoire von Grabdekorationen gehören. Vor dem Totengericht musste sich das Herz des Toten verteidigen und beweisen, dass der Tote im Leben mehr gute als schlechte Taten vollbracht hatte. Auf einer Waage wurden die schlechten und guten Taten mit dem Herz als Gewicht aufgewogen. Nur wenn der Tote in diesem Gericht, dem Osiris als Richter vorstand, für unschuldig befunden wurde, durfte er für alle Ewigkeit in die Unterwelt eingehen. Wenn er für schuldig befunden wurde, so fraß ihn die "Totenfresserin" und der Verstorbene starb einen ewigen Tod. Der letzte Typ C setzt mit Natakamani ein. An den Seitenwänden dominiert nun der Grabherr oder die Grabherrin, die sitzend dargestellt sind. Die Grabherren tragen meist ein Festgewand und sind reich mit diversen Schmuck behangen. Hinter dem Toten stehen oftmals Isis und Nephthys, aber es können auch Königinnen erscheinen. Vor ihnen erscheint ein Prinz oder Anubis, die dem Verstorbenen ein Weihrauch- oder Wasseropfer darreichen. Die Rückwand der Kapelle zeigt den Unterweltgott Osiris oder eine Scheintür, durch die der Tote symbolisch das Grab verlassen können sollte. Grabbeigaben. Die meisten der Pyramiden fanden sich beraubt, so dass es nur bedingt möglich ist, sich eine Vorstellung von der einstigen Ausstattung der Grabkammern zu machen. Die einzige ungeplünderte Pyramide gehört der Königin Mernua (ca. 600 v. Chr.). Ihr Grab datiert aber ganz an den Beginn des Friedhofes ca. 300 Jahre vor den königlichen Pyramiden, so dass ihr Grab wohl typisch für ihre Zeit, aber nicht typisch für den Großteil der Bestattungen in Meroe ist. Mernua wurde in einem rein ägyptischen Stil bestattet. Sie lag in mehreren Särgen, die ineinander gestellt waren. Ihre Mumie war reich mit Amuletten dekoriert und in dem Grab lagen zahlreiche Uschebtis, auf denen sich ihr Name fand. Der Großteil der Grabausstattung wurde speziell für das Grab hergestellt. Die späteren Bestattungen sehen anders aus. Es fehlen Uschebtis, es lassen sich selten Särge nachweisen (einst vorhandene könnten wegen der schlechten Erhaltungsbedingungen verfallen sein) und es gibt auch keine Reste von Mumienmasken. Die meisten Objekte der Bestattungen wurden dem täglichen Leben entnommen. Es finden sich viele Luxusartikel, die aus der hellenistischen Welt importiert wurden (Metallgefäße, aber auch Bronzeskulpturen, viel hellenistische Keramik, darunter Weinamphoren). Es gibt Belege für Schmuck, der wohl schon im Leben getragen wurde, und es gibt Belege für Möbel, die mit in das Grab gelegt wurden. Es kommen zwar weiterhin auch Amulette im ägyptischen Stil vor, aber man entfernte sich in Meroe ab dem 3. vorchristlichen Jahrhundert immer mehr vom ägyptischen Bestattungsbrauchtum. Jedoch zeigen die Darstellungen in den Pyramidenkapelle, dass man ägyptische Glaubensvorstellungen weiterhin pflegte. Osiris und Isis und das Totengericht, die typischen Darstellungen in ägyptischen Darstellungen jener Zeit, erscheinen in diesen Szenen jedenfalls immer wieder. Es gibt Anzeichen, wenngleich nur unauffällige, dass Diener und auch Tiere mit den Herrschern bestattet wurden. Viele Grabkammern enthielten mehr als einen Toten. Im Umkreis der Pyramiden fanden sich auch Tierbestattungen. Erforschung. Der italienische Arzt und Abenteurer Giuseppe Ferlini besuchte die Pyramiden 1834 und zerstörte einige von ihnen auf der Suche nach Schätzen. Er fand dabei die Schmuckstücke der Königin Amanischacheto und versuchte sie an verschiedene Museen zu verkaufen, doch glaubte damals in Europa niemand, dass solche hochwertigen Objekte aus Schwarzafrika stammen könnten. Schließlich wurden sie dann von Berlin und München gekauft, wo sie sich noch heute befinden. Ein Jahrzehnt später erkundete die preußische Expedition unter Richard Lepsius die Pyramiden. Der Friedhof wurde systematisch untersucht, ein Plan wurde gezeichnet und viele Darstellungen in den Pyramidentempeln wurden kopiert. In den 1920er-Jahren wurden die Pyramidenfelder systematisch von George Andrew Reisner ausgegraben, wobei er ausgesprochen reiche Funde machte. Im Gegensatz zu den früheren Gräbern in Nuri oder al-Kurru fanden sich in den klassischen meroitischen Grabkammern wenige Objekte, die speziell für Gräber hergestellt wurden. Alltagsgegenstände als Grabbeigaben dominieren das Bild, darunter befinden sich viele Importobjekte aus dem Mittelmeerraum. Die Funde wurden hauptsächlich zwischen Khartum und dem Museum of Fine Arts, Boston aufgeteilt. Die Arbeit von G. Reisner wurde von Dows Dunham in den 1950er- und 1960er-Jahren in mehreren Monumentalbänden publiziert. G. Reisner war vor allem an der Ausgrabung der Grabkammern interessiert und vernachlässigte die Pyramiden als solche. Die Dekorationen der Grabpyramiden und ihre Architektur sind deshalb bis heute noch nicht systematisch aufgearbeitet und wissenschaftlich vorgestellt. In den letzten Jahren wurden einige der Pyramiden von dem deutschen Architekten und Archäologen Friedrich Hinkel restauriert. Liste der Pyramiden. Die Abkürzung Beg steht für Bagrawija, 1 für Nordfriedhof, S für Südfriedhof und W für Westfriedhof. Auf dem Südfriedhof fanden schon mindestens seit Aspelta (um 580 v. Chr.) Bestattungen hochrangiger Personen statt. Ergamenes (um 280 v. Chr.) ist der erste dort bestattete Herrscher. Um 250 v. Chr. wurde der Südfriedhof aufgegeben und der Nordfriedhof als Bestattungsplatz für Könige benutzt. Dabei gehören nicht alle Pyramiden zu Königen oder Königinnen. Ein weiteres Gräberfeld ist der Westfriedhof, auf dem sich auch sehr viele Pyramiden befinden. Hier wurden anscheinend die hohen Würdenträger und ihre Familienangehörige bestattet. Einige wenige Pyramiden dort sind eventuell königlich. Eine erste Nummerierung der Pyramiden stammt von der Lepsius-Expedition. Die heutigen Nummern folgen George Andrew Reisner. Lücken in der hiesigen Nummerierung sind durch Gräber begründet, die wohl nicht königlich sind. In der folgenden Liste finden sich alle Pyramiden, die einem König oder einer Königin zugeordnet werden können, daneben auch Gräber von Würdenträgern, deren Namen überliefert sind. Nicht alle Pyramiden können einem Besitzer zugeordnet werden. Die Namen der Besitzer sind meist in den kleinen Pyramidentempeln erhalten – sind diese zerstört, so gibt es kaum Anhaltspunkte zur Identifizierung. Selten fanden sich mit Namen beschriftete Objekte in den Grabkammern, so dass die dortigen Funde wenig Hilfe bieten. Die meisten Pyramiden waren mit einer beschrifteten Opfertafel ausgestattet, die den Namen des Grabinhabers nennt. Leider sind Opfertafeln Objekte, die leicht verschleppt werden konnten, so dass ihre Fundorte nur einen vagen Anhaltspunkt liefern können. Im Folgenden sind nur jene Pyramiden einem Besitzer zugeordnet, wo diese Zuordnung halbwegs sicher ist. Literatur. Die Ausgrabungsberichte: Allgemeines:
Fikret Demirer (* 13. März 1961 in Istanbul) ist ein ehemaliger türkischer Fußballspieler und Fußballtrainer. Durch seine langjährige Tätigkeit für Beşiktaş Istanbul und als Eigengewächs wird er sehr stark mit diesem Verein assoziiert. So war er Teil jener Mannschaft Beşiktaş', die nach 15 Jahren ohne Titel in der Saison 1981/82 wieder die türkische Meisterschaft gewinnen konnte. Später spielte er vier Spielzeiten lang für Sarıyer GK und war in der Glanzzeit dieses Vereins, die in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre stattfand, einer der Leistungsträger. Spielerkarriere. Verein. Demirer begann mit dem Vereinsfußball in der Jugend des Istanbuler Traditionsvereins Beşiktaş Istanbul. Hier wurde er zur Rückrunde der Saison 1977/78 vom damaligen Cheftrainer Doğan Andaç in den Profikader aufgenommen. Sein Debüt für die Profimannschaft gab er bei der Erstligabegegnung vom 7. April 1979 gegen den Adanaspor. Im weiteren Saisonverlauf absolvierte Demirer acht weitere Ligaspiele und erzielte in dem Auswärtsspiel gegen MKE Kırıkkalespor sein erstes Tor. Zum Saisonende wurde Andaç durch Serpil Hamdi Tüzün ersetzt. Unter Tüzün kam Demirer zwar immer wieder zu Kurzeinsätzen, schaffte aber nicht den Sprung in die Stammelf. In der Spielzeit 1980/81 belegte seine Mannschaft nach zwei erfolglosen Jahren mit dem fünften Tabellenplatz wieder einen Tabellenplatz in der oberen Tabellenhälfte. Für die Spielzeit 1981/82 wurde Đorđe Milić als neuer Cheftrainer eingestellt. Unter diesem blieb Demirer ebenfalls nur Ergänzungsspieler, sicherte seinem Verein aber durch seine zwei Saisontoren entscheidende Punkte. Zum Saisonende erreichte die Mannschaft die seit fünfzehn Jahren erhoffte türkische Meisterschaft. In dieser Saison lieferte sich die Demirers Mannschaft mit dem anatolischen Verein Trabzonspor, der damals den türkischen Fußball dominierte, über die gesamte Saison ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die türkische Meisterschaft. Am Ende konnte sich Beşiktaş durchsetzen und nach fünfzehn Jahren wieder türkische Fußballmeister werden. In den nächsten beiden Spielzeiten etablierte sich Demirer allmählich als Stammspieler. Sein Klub Beşiktaş blieb aber während dieser Zeit in der Meisterschaft wieder chancenlos. Als einziger Lichtblick erreichte die Mannschaft im Sommer 1984 das Pokalfinale und unterlag hier Trabzonspor. Da der Gegner auch die Meisterschaft gewann, qualifizierte sich Beşiktaş für den UEFA-Pokal. Zudem wurde in der Spielzeit 1983/84 der vorsaisonale TSYD-Istanbul-Pokal geholt. Erst in der Spielzeit 1984/85 gelang es der Mannschaft wieder um die Meisterschaft mitzuspielen und bewahrte sich die Chance auf die Meisterschaft bis zum letzten Spieltag. Am Ende wurde die Meisterschaft mit einem Punkt Unterschied an den Erzrivalen Fenerbahçe Istanbul vergeben. In der Erstligasaison 1985/86 lieferte sich Demirers Mannschaft dieses Mal über die gesamte Spielzeit mit dem Erzrivalen Galatasaray Istanbul ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die türkische Meisterschaft. Diese sicherte sich das Team erst am letzten Spieltag, punktgleich zu Galatasaray, dank des besseren Torverhältnisses wegen. Zudem gewann die Mannschaft in dieser Saison den Präsidenten-Pokal und den Marinepokal. Die nächste Spielzeit holte man den Premierminister-Pokal, vergab aber die Meisterschaft mit einem Punkt Unterschied an Galatasaray. Am Ende der Saison 1986/87 konnte er sich mit Beşiktaş um eine Vertragsverlängerung nicht einigen. Nachdem er erst mit dem Erzrivalen Fenerbahçe Istanbul verhandelt hatte, wechselte er mit Sarıyer GK zu einem anderen Stadt- und Ligarivalen. Bei seinem neuen Klub eroberte er sich schnell einen Stammplatz und trug dadurch dazu bei, dass sein Verein am Ende der Saison 1988/89 mit dem 4. Tabellenplatz die beste Erstligaplatzierung der Vereinsgeschichte erreichte. Bis zum Sommer 1991 wurde er mit seinem Verein ein Mal Tabellenfünfter der Liga und ein weiteres Mal Tabellenvierter. Nach der Saison 1990/91 verließ er die Istanbuler und wechselte innerhalb der 1. Lig zum Hauptstadtvertreter MKE Ankaragücü. Für diesen Klub spielte er zwei Spielzeiten lang und beendete im Sommer 1993 seine Laufbahn. Nationalmannschaft. Demirer begann seine Nationalmannschaftskarriere 1978 mit einem Einsatz für die türkische U-18-Nationalmannschaft. 1978 absolvierte er drei weitere U-21-Länderspiel. 1987 spielte er vier Mal für die Olympiaauswahl der Türkei. Demirer wurde das erste Mal in den Kader für die türkische A-Nationalmannschaft im September 1984 im Rahmen eines Testspiels gegen die Nationalmannschaft der UdSSR nominiert. In dieser Partie gab er sein Länderspieldebüt. Im gleichen Jahr absolvierte er zwei weitere A-Länderspiele. Trainerkarriere. Demirer begann im Anschluss an seine Fußballspielerkarriere seine Trainerkarriere und arbeitete als erste Tätigkeit beim Istanbuler Verein Sapanca Gençlikspor als Cheftrainer. Nachdem er diese Tätigkeit eineinhalb Jahre ausgeübt hatte, begann er ab 2000 für seinen früheren Verein Beşiktaş Istanbul als Nachwuchstrainer. Diese Tätigkeit führte er bis zum Sommer 2002 aus und wechselte dann als Cheftrainer zu Gebzespor. Zwischen 2005 und 2011 arbeitete in verschiedenen Tätigkeiten für den Nachwuchs Beşiktaş'.
John Herbert Doherty (* 12. März 1935 in Manchester; † 13. November 2007 in Heald Green) war ein englischer Fußballspieler. Als Teil der „Busby Babes“ von Manchester United gewann der Halbstürmer in der Saison 1955/56 die englische Meisterschaft. Aufgrund anhaltender Knieprobleme musste er jedoch seine Profilaufbahn bereits im Alter von 23 Jahren schon wieder beenden. Sportlicher Werdegang. Als Manchester Uniteds Trainer Matt Busby in den 1950er-Jahren seine Mannschaft mit zahlreichen Jugendspielern (bekannt als „Busby Babes“) umbaute, zählte neben Duncan Edwards, Bobby Charlton und Dennis Viollet auch der 1935 in Manchester geborene John Doherty dazu. Als talentierter Halbstürmer, der spielstark mit beiden Füßen war, wurde ihm eine im Vergleich zu den Genannten ähnliche Entwicklung prognostiziert, wobei ihm vor allem eine überdurchschnittliche Spielintelligenz zugesprochen wurde. Begonnen hatte Doherty im Jahr 1950 seine Laufbahn bei Manchester United – obwohl im Kindesalter Manchester City sein Lieblingsklub gewesen war –, nachdem er zuvor in Schülerauswahlmannschaften von Manchester sowie der Grafschaft Lancashire gestanden hatte. Schnell gestaltete sich sein sportlicher Aufstieg und nach seinem 17. Geburtstag unterzeichnete er im März 1952 den ersten Profivertrag. Neun Monate später debütierte er am 6. Dezember 1952 gegen den FC Middlesbrough in der ersten Mannschaft. Obwohl Trainer Busby über einen leistungsstarken Kader verfügte, kam der junge Doherty, der mit einem gepflegten Passspiel und einem harten Schuss überzeugte, fortan regelmäßig zum Zug. Daneben gehörte er auch zu der Jugendauswahl des Vereins, die sich anschickte, den erstmals ausgetragenen FA Youth Cup zu gewinnen. Hier trug er wesentlich zum Einzug ins Halbfinale bei und als er dort das Rückspiel gegen den FC Brentford bestritt, erlitt er seine erste schwere Verletzung. Am Tag danach sollte er eigentlich seinen Pflichtdienst beim National Service antreten, der danach verschoben werden musste. Langsam gestalte sich danach sein Rehabilitationsprogramm und verspätet trat er seinen Dienst bei der Royal Air Force an. Parallel dazu hatte United den Iren Billy Whelan verpflichtet, der letztlich Doherty beim siegreichen Youth-Cup-Finale gegen die Wolverhampton Wanderers erfolgreich vertrat. Dohertys Profikarriere schien bereits vorzeitig zu einem Ende gekommen sein, bevor er sich zunächst auf vorläufiger Basis im Herbst 1955 in der ersten Mannschaft zurückmeldete. Manchester United hatte sich in der Zwischenzeit zum aufregendsten Team im englischen Profifußball entwickelt und in der Saison 1955/56 gewannen die Busby Babes überlegen die nationale Meisterschaft. Doherty bestritt auf der rechten Halbposition mehr als ein Drittel der Ligaspiele, wodurch ihm eine offizielle Meistermedaille zugesprochen werden konnte. Seine sportlichen Ambitionen schienen wiederbelebt worden zu sein, aber erneute Komplikationen in seinem Knie sorgten dafür, dass diese einen weiteren Rückschlag erlitten – zumal sein Konkurrent Billy Whelan konstant gute Leistungen erbrachte. Doherty arbeitete hart an seiner Genesung und nach diversen Meinungsverschiedenheiten mit Trainer Busby wurde im Oktober 1957 ein Vereinswechsel zum Erstligaaufsteiger Leicester City für eine Ablösesumme von 6.500 Pfund durchgeführt. Anfänglich wusste Doherty bei den „Foxes“ zu gefallen, speziell im Zusammenspiel mit dem ebenfalls aus Manchester stammenden Johnny Morris. Zwei Monate später folgte dann aber die nächste Zwangspause und er musste sich im Krankenhaus zu einer weiteren seiner unzähligen Knieoperationen einfinden – dort erfuhr er auch von dem tragischen Flugzeugabsturz seiner Ex-Kollegen aus Manchester. Dieser Tragödie folgte nur wenig später seine persönliche Enttäuschung, als ihm offenbart wurde, dass er nie wieder Profifußball spielen könnte. Fortan betätigte er sich als Spielertrainer in der Southern League bei Rugby Town. Als im Herbst 1958 Uniteds Kotrainer Jimmy Murphy Gespräche führte, neuer Cheftrainer beim FC Arsenal zu werden, plante dieser, Doherty zu seinem Assistenten zu machen. Letztlich obsiegte jedoch Murphys Loyalität zu seinem Chef Busby und so blieb Doherty als Amateurtrainer aktiv und betreute Klubs wie den FC Altrincham, Bangor City und Hyde United. Außerhalb des Fußballgeschäfts nahm er in den 1960er- und 1970er-Jahren diverse Tätigkeiten in der Finanzbranche wahr. Danach arbeitete er beim FC Burnley als Chefscout und später in der Versicherungs- und Sportwerbebranche. Er war Gründungsmitglied, lange Vorsitzender der Vereinigung der Ex-Spieler von Manchester United und treibende Kraft hinter dem Benefizspiel im Jahr 1998, das 40 Jahre nach dem Unglück von München Gelder für die Opfer und deren Hinterbliebene sammelte. Im Alter von 72 Jahren verstarb Cope am 13. November 2007 in Folge einer Lungenkrebserkrankung.
Die Zitadelle Cyriaksburg ist eine ursprünglich städtische, später schwedische, kurmainzische und preußische Stadtfestung des 17. bis 19. Jahrhunderts. Sie liegt auf dem 265 Meter hohen Cyriaksberg, inmitten des "egaparks Erfurt" im Südwesten der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt. An gleicher Stelle stand zuvor seit dem 12. Jahrhundert das Cyriakskloster. 350 Jahre später brach man dieses ab und errichtete dafür zwischen 1480 und 1604 die städtische Festung Cyriaksburg. Sie sollte die Verteidigung der Stadt nach Westen hin verstärken. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde sie auf Befehl Gustav Adolfs II. von Schweden zu einer Zitadelle ausgebaut. Nach der gewaltsamen Eroberung von Erfurt 1664 durch kurmainzische Truppen und der Errichtung der Zitadelle Petersberg, verlor sie jedoch stark an Bedeutung. Mit dem Wiener Kongress im Jahr 1815 kam die Zitadelle Cyriaksburg mit Erfurt zum preußischen Königreich und diente bis zur Reichsgründung 1871 als Befestigungsanlage. Ab 1919 ließ man sie zusammen mit dem Cyriaksberg in eine städtische Gartenanlage umgestalten. Ab 1961 wurden auf dem Gelände die Dauerausstellung "Internationale Gartenbauausstellung der sozialistischen Länder" veranstaltet, woraus nach 1990 der heutige "egapark Erfurt" entstand. Ab 1995 erfolgten an der Festung Sanierungen in größerem Umfang. Heute befindet sich in ihren Gebäuden unter anderem das Deutsche Gartenbaumuseum. Geographie. Die Cyriaksburg liegt auf dem ca. 265 m hohen "Cyriaksberg". Der Berg ist Teil einer Hochfläche westlich von Erfurt im Thüringer Becken, die nach Osten und Süden zum Tal der Gera abfällt und nach Norden zum Tal des Schmiraer Baches. Damit bot er strategisch wichtigen Punkt zur Sicherung der Siedlungen im Geratal. Die Höhe ist überwiegend unbewaldet, am Südhang in Richtung Hochheim und am Nordhang zum Schmiraer Bach auch besiedelt. Verkehrsmäßig gut erschlossen ist die Anhöhe durch die Bundesstraße 7 in Richtung Gotha und eine Straßenbahnlinie. Geschichte. Vom Cyriakskloster zur Cyriaksburg (bis 1604). Etwa 5000 vor Christus war der Cyriaksberg wahrscheinlich bereits von Steinzeitmenschen besiedelt. Die fruchtbaren Niederungen der Gera und die beherrschende Lage des Hügels boten dafür gute Voraussetzungen. 1123 errichtete man auf dem Berg das Cyriakskloster, ein Benediktiner-Nonnenkloster, benannt nach dem heiligen Cyriakus. Ursprünglich wurde das Kloster etwa 743 unter dem Namen St. Paul neben der Severikirche auf dem Domberg gegründet. Unter dem Mainzer Kurfürsten und Erzbischof Adalbert I. von Saarbrücken erfolgte aus Platzgründen die Verlegung auf den Cyriaksberg. In den folgenden Jahrhunderten wuchs die wirtschaftliche und politische Macht der Stadt Erfurt, wodurch sich einige Konflikte entwickelten. Dabei kam es auch zu Belagerungen der Stadt und insbesondere des strategisch wichtigen Cyriaksbergs. So beispielsweise Ende des 14. Jahrhunderts, als sich die Frage nach dem Nachfolger des Mainzer Erzbischofs Johann von Luxemburg stellte. Papst Gregor XI. und Kaiser Karl IV. einigten sich auf den jüngeren Bruder des Thüringer Landgrafen Friedrich des Strengen. Dagegen wählte das Mainzer Domkapitel den Grafen Adolf von Nassau, dem sich auch Erfurt anschloss. Zur Strafe ließ der Kaiser die Stadt Erfurt ächten und zusammen mit Truppen des Thüringer Landgrafen belagern. Dabei wurde der Cyriaksberg eingenommen, um von da aus die Stadt unter Beschuss zu nehmen und die Klostergebäude als Truppenunterkunft zu nutzen. Nach mehreren Monaten schloss 1382 schließlich der Kaiser mit der Stadt Frieden. Als Lehre aus diesem Ereignis ließ man die westliche Stadtbefestigung durch die Errichtung des Pförtchenturms (abgebrochen 1889) und Brühler Turms (abgebrochen 1633) verstärken. In den folgenden Jahrhunderten hielten jedoch die politischen Unruhen an, und die Stadt gewann an Selbstständigkeit. Dagegen verloren der Papst und der Kaiser stark an Macht, so waren die Städte für ihren Schutz auf sich angewiesen. Der Erfurter Rat beschloss daher, auf dem Cyriaksberg eine Burg anzulegen. Die Cyriaksburg sollte das Geratal und die Straße nach Gotha und Nordhausen beherrschen. Für diesen Plan musste aber das ansässige Cyriakskloster ein zweites Mal verlegt werden, wofür sich Erfurt 1478 eine Erlaubnis beim Papst einholte. Als man zwei Jahre darauf am 14. Mai auch noch vom Kaiser Friedrich III. eine Baugenehmigung erhielt, schien dem Vorhaben nichts mehr im Wege zustehen. Doch der Mainzer Erzbischof und Kurfürst Diether von Isenburg und der Kurfürst Ernst von Sachsen fühlten sich von dem Vorhaben der Erfurter übergangen, so dass schließlich diese die außerthüringischen Handelsstraßen für Kaufleute aus Erfurt sperren ließen. Als wenig später auch noch ein wichtiger Beschützer der Stadt, Wilhelm III. Herzog von Sachsen starb, gab Erfurt allen Widerstand auf. Im Frieden von Amorbach (1483) und von Weimar (1483) verpflichtete sich Erfurt, Kurmainz als Landesherren anzuerkennen und an Kursachsen Schutzgelder sowie Territorien abzutreten. Die Cyriaksburg wurde jedoch von beiden Parteien im Nachhinein gebilligt, konnte aber aufgrund der hohen Geldzahlungen nur geringfügig weiter ausgebaut werden. So entstanden bis 1488 lediglich die Fundamente, der trockene Wallgraben sowie ein Teil der westlichen Ringmauer. Erst ab 1514 nahm man die Arbeiten wieder vollständig auf und errichtete dabei zwischen 1528 und 1530 die beiden westlichen Türme mit Schießscharten und den Festungsbrunnen. Ursprünglich sahen die Planungen insgesamt vier Türme vor, von denen aber die beiden östlichen vermutlich aus Kostengründen nie realisiert wurden. 1535 stellte man die gesamte Ringmauer mit Schießscharten bis auf die östliche Seite fertig. Sie besaß eine Ziegelbedachung zum Schutz vor dem Wetter und ruhte im Norden und Süden auf mehreren Gewölben, wodurch Baumaterial eingespart werden konnte. Ab 1530 wurde die Anlage in das Verteidigungssystem der Stadt eingegliedert und mit einer Bürgerwehr besetzt. Während des Schmalkaldischen Krieges zwischen 1546 und 1547 besetzten Truppenteile des Herzogs Moritz von Sachsen die Cyriaksburg, nachdem zuvor die Stadt ihnen den Einlass verwehrt hatte. 1604 wurde mit Errichtung eines Kehlgebäudes nach Osten, das als Kommandantenhaus diente, die Festung geschlossen. Etwa zur gleichen Zeit veränderte man die Wehrordnung der Burg, die von nun an eine ständige Besatzung vorsah. Ausbau zur Zitadelle (1604–1802). Während des Dreißigjährigen Kriegs (1618–1648) wurde Erfurt mit dem Cyriaksberg 1631 durch Unionstruppen von Gustav Adolf II. von Schweden besetzt, nachdem die Stadt zuvor mehrere Belagerungsversuche mit Geldzahlungen abwenden konnte. Bei einem persönlichen Besuch von Erfurt am 24. September erkannte Gustav II. Adolf von Schweden sofort die strategisch wichtige Lage der Stadt mit ihren Verteidigungswerken. Daraufhin ließ er die Cyriaksburg unter dem Erfurter Festungsbaumeister Casper Vogell und dem Ingenieur Otto von Guericke zu einer Zitadelle ausbauen. Dazu gehörte, dass man die Innenseite der Ringmauern mit Erde zuschüttete sowie vor dem Wallgraben einen abgestuften Erdwall mit Palisaden anlegte. Die Gebäude der Burg wurden als Quartier und als Ausgangsbasis für Feldzüge der schwedischen Truppen genutzt. Außerdem errichteten die Schweden in den letzten Jahren ihrer Besatzungszeit vor jeder Seite der Festung ein Ravelin sowie vor den beiden westlichen Türmen je eine Traverse. Mit dem Westfälischen Frieden (1648) endete der Dreißigjährige Krieg, und Erfurt hätte auf Grund alter Rechtsansprüche wieder in das Kurfürstentum Mainz eingegliedert werden sollen. Doch das hätte den Verlust der kommunalen Selbstständigkeit bedeutet. Erfurt weigerte sich und wurde schließlich 1664 von kurmainzischen und französischen Truppen gewaltsam zur Aufgabe gezwungen. Daraufhin besetzten diese auch die Zitadelle Cyriaksburg. Unter dem Mainzer Kurfürsten und Erzbischof Johann Philipp von Schönborn sollte die Befestigungsanlage auf dem Cyriaksberg modernisiert werden. Doch zunächst konzentrierte man sich auf die Errichtung der Zitadelle Petersberg auf dem benachbarten Petersberg. Dabei verlor die Zitadelle Cyriaksburg stark an Bedeutung und man begrenzte die Ausbauarbeiten auf den Bau eines Kavaliers, einer zweistöckigen Kaserne (1703) sowie eines gedeckten Laufgrabens zum Petersberg. Auf die Ausführung eines zunächst geplanten Hornwerks im Westen der Anlage verzichtete man. Beim Kavalier handelte es sich um einen Erdwall, der etwas höher als die umliegende Ringmauer war. In seinem Inneren lagen geschützt neben dem Kasernenbau, ein Brunnenhaus sowie eine kleine Kapelle. Außerdem besaß er in der rechten Flanke eine Kasematte und auf der Westseite mehrere Geschützstände, die über eine Rampe zu erreichen waren. Die hohen finanziellen Aufwendungen für neue notwendige Reparaturen an der Festung und neue militärische Entwicklungen führten 1760 zu neuen Überlegungen bei der Stadt Erfurt. Man dachte sogar über eine Schleifung der Anlage nach. Diese lehnte aber der Mainzer Kurfürst und Erzbischof Johann Friedrich Karl von Ostein aufgrund der unsicheren politischen Lage zu der Zeit ab. Unter preußischer Herrschaft (1802–1945). Durch den preußisch-französischen Sondervertrag von 1802 erhielt Preußen von Frankreich als Entschädigung für die verlorenen Gebiete links des Rheinufers unter anderem das Eichsfeld und Erfurt. Daraufhin besetzte das preußische Regiment Nr. 59 von Wartensleben die Stadt mit dem Cyriaksberg. Dort fanden sie die Zitadelle in einem verwahrlosten Zustand vor, an dem die Preußen in den folgenden Jahren auch wenig änderten. Einzig Baracken sowie kleine Palisadentambours vor den Toren der Festung ließ man errichten, nachdem zuvor der Krieg zwischen Frankreich und Preußen (1806) ausgebrochen war. Nach der Schlacht von Jena und Auerstädt kapitulierte die Stadt Erfurt am 15. Oktober 1806 mit ihren beiden Zitadellen vor den napoleonischen Truppen, die daraufhin die Zitadelle Cyriaksburg einnahmen. Während der ersten Besatzungsjahre kümmerten sich die Franzosen weniger um den Ausbau der Festung, als vielmehr um den Verkauf von wertvollem Inventar. Aus Geldgier und Langeweile begannen die Franzosen nach einem Schatz aus der Zeit des Cyriaksklosters in den Mauern der Zitadelle Cyriaksburg zu suchen, der nach einer alten Sage dort eingemauert sein sollte. Daraufhin fing man am 9. Dezember 1810 mit dem teilweisen Abbau der östlichen und später der südlichen Mauer an. Wie die Bauunterlagen jedoch zeigten, lag die Erbauungszeit der betreffenden Mauerabschnitte im 17. Jahrhundert, so dass sich der vermutete Schatz dort nicht befinden konnte. Als sich diese Erkenntnis langsam bei den Franzosen durchsetzte, war bereits ein großer Schaden entstanden. Da aber die eigenen Kassen für die notwendige Reparatur der Mauern leer waren, brach man die kleine Burgkapelle ab und verkaufte deren Steine und Ziegeln. Erst nach dem verlorenen Russlandfeldzug von 1812 wurden wieder Instandsetzungsarbeiten an der Festungsanlage aufgenommen. Diese konzentrierten sich auf den Ausbau des Glacis (Schanze), der Türme mit bombensicherer Eindeckung sowie auf die Errichtung eines gedeckten Wegs mit Grabenkoffer zur Zitadelle Petersberg. Als am 6. April 1813 Napoleon Bonaparte die Cyriaksburg besichtigte, war er mit den vorgenommenen Arbeiten wenig zufrieden. Auf seinen Befehl hin holzte man im Sommer 1813 das Gebiet Dreienbrunnen ab und setzte es unter Wasser. Die Völkerschlacht bei Leipzig (16.–19. Oktober 1813) besiegelte den Untergang der napoleonischen Truppen. Teile der französischen Armee flohen nach dem Kampf in die Stadt Erfurt. Hier sollte sich das französische Heer sammeln und ein erstes Widerstandszentrum gegen die Verfolger entstehen. Die Leitung für dieses Vorhaben erhielt Generalfeldmarschall Alexandre d’Alton, der daraufhin am 25. Oktober 1813 mit dem Schließen aller Tore und Verkaufsläden die Blockade der Stadt einleitete. Nach drei Tagen hatte ein 34.900 Mann starkes, aus preußischen, österreichischen und russischen Truppenteilen bestehendes Belagerungskorps Erfurt von allen Seiten eng umschlossen und seine Quartiere und Artillerie in den umliegenden Dörfern aufgestellt. Im November unternahmen die Preußen ihre ersten Angriffe gegen die Zitadelle Cyriaksburg, die die 800 Mann starke napoleonische Besatzung zunächst abwehren konnte. Aber schließlich gaben die Franzosen am 6. Januar die Blockade der Stadt und am 7. Mai 1814 die Besetzung der Zitadelle Cyriaksburg auf, nachdem Paris bereits am 31. März gefallen war. Als die preußischen Truppen sie friedlich übernahmen, befand sich die Festung immer noch in einem verwahrlosten Zustand. Das zeigte sich vor allem an den baufälligen Gebäuden und der verfallenen Bogenmauer. Nach dem Wiener Kongress (1814–1815) kam es zu einer Neuordnung Europas. Als Ergebnis erhielt das Königreich Preußen unter anderem die Provinz Sachsen und die Stadt Erfurt. Die Festung Erfurt gehörte nun zu den am südlichsten gelegenen Befestigungsanlagen Preußens. Deshalb sollte sie als Festung ersten Ranges, zusammen mit den beiden Zitadellen Petersberg und Cyriaksburg ausgebaut werden. Dafür engagierte man den Ingenieurleutnant vom Platze Johann Pientka (gen. Haak), der die Zitadelle Cyriaksburg zwischen 1824 und 1830 nach dem neupreußischen System verstärken ließ. Zunächst wurden 1824 der Festungsgraben vertieft und die Gebäude im Inneren der Anlage abgebrochen. Anschließend errichtete man zwischen 1825 und 1826 die Defensionskaserne, sowie 1827 die beiden Kanonenhöfe I und II und die Grabenkaponnieren I und II. Die beiden oberen Geschosse der Kaserne dienten als Unterkunft für die Festungsmannschaft und das Untergeschoss als Kriegsbäckerei und Küche mit Vorratsräumen. Die Hofseite des Gebäudes besaß zahlreiche Schießscharten und das Dach war für damalige Verhältnisse mit dicken Balken und einer Erdschicht bombensicher eingedeckt. 1827 wurden ein Turmreduit gebaut und die Spitzen der Türme abgetragen. Dabei nahm man auch den hölzernen Innenausbau heraus und tauschte ihn durch einen rund gemauerten Pfeiler aus. Er mündete zum Dach hin in ein Ringgewölbe, das den Turm für damalige Verhältnisse bombensicher machte. Zwischen 1827 und 1828 folgte die Fertigstellung der gesamten Kontereskarpenmauer im Festungsgraben, der Eckbatterien I und II und 1829 die der Seitenkaponnieren I und II. Sie besaßen wie alle Kaponnieren der Anlage an ihren Eingängen Tamboure (seitliche Mauern) mit kleinen Toren, wodurch der Festungsgraben bei einem Angriff in verschiedene Abschnitte geteilt werden konnte. 1829 regulierte man den gedeckten Weg, vollendete die Kehlkaponniere mit ihren beiden Zugbrücken und mauerte eine unterirdische Brunnenkammer mit Kuppelgewölbe. Sie umschloss den Mitte des 16. Jahrhunderts angelegten Festungsbrunnen und war über einen Gang mit der Defensionskaserne verbunden. Mit der Korrektur des Erdkavaliers 1830 errichtete man in der Mitte der Front die Hohltraverse I mit Schießscharten, eine Kriegslatrine und im Inneren der beiden Flanken weitere Hohlräume. Des Weiteren erbaute man 1842 unterhalb der Seitenkaponniere II das Friedenspulvermagazin Nr. 7 und die Terrassenbatterie. Damit endeten die Modernisierungsmaßnahmen an der Festung, die bis zur Einführung der gezogenen Geschütze in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts als uneinnehmbar galt. Ab 1848 lag das 31. Infanterie-Regiment auf der Zitadelle Cyriaksburg und zwischen 1871 und 1873 folgte das 1. und 2. Magdeburgische Füsilier-Regiment Nr. 36. Von der Reichsgründung bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs (1871–1945). Mit Gründung des Deutschen Reichs 1871, wurden Preußen, Bayern und Württemberg zu Verbündeten. Dadurch verloren zahlreiche Festungen an Bedeutung, die daraufhin offengelegt oder sogar geschleift wurden. Auch für die Zitadelle Cyriaksburg gab Kaiser Wilhelm I. 1873 den Befehl zur Entfestigung. Daraufhin wurden nach Plänen des Ingenieur-Majors Ritter der Erdkavalier, die gesamte Ringmauer, die Zugbrücken sowie die Tambours abgebrochen. Außerdem ließ man die Festungsgräben bis auf die Ostseite zuschütten. Ab 1885 wurde ein Teil des Cyriaksbergs durch einen Verschönerungsverein in einen wildromantischen Landschaftsgarten verwandelt. In den folgenden Jahren reichte der Raum für die Besatzung immer weniger, so dass man 1893 im Norden der Anlage eine Baracke erbaute und schließlich sogar über einen Verkauf der Festung nachdachte. Doch dazu kam es vorerst nicht, und so wurden die Kasernen weiterhin bis zum Ende des Ersten Weltkriegs als Truppenunterkunft für Teile des 3. Thüringischen Infanterie-Regiments Nr. 71. genutzt. Schließlich kaufte die Stadt 1919 für 200.000 Goldmark den gesamten Cyriaksberg von Preußen ab und gestaltete ihn als städtische Gartenanlage. Dabei baute man 1935 den südwestlichen Turm zu einem Aussichtsturm für Besucher um. Während des Zweiten Weltkriegs stellte die Wehrmacht auf den Türmen Flak-Geschütze auf, und die Gewölbe der Festung dienten als Luftschutzkeller für die Erfurter Bevölkerung. Nutzung nach dem Zweiten Weltkrieg. In der Zeit der DDR wurde das um die Zitadelle Cyriaksburg gelegene Areal als Gartenbauausstellung genutzt, so etwa für die Veranstaltung "Erfurt blüht" (1950) und "Samen-Export-Schau" (1955). Wenig später baute man das Gelände zusammen mit dem Burghof der Zitadelle zu einem Kulturpark mit einer Freilichtbühne im ehemaligen Steinbruch aus und funktionierte den nordwestlichen Turm zu einer Sternwarte um. Zwischen 1958 und 1961 erfolgte ein weiterer Ausbau für die Dauerausstellung "Internationale Gartenbauausstellung der sozialistischen Länder" (iga). Außerdem richtete man in der Defensionskaserne ein Gartenbaumuseum mit einer umfangreichen Gartenbaubibliothek ein. Nach der Wende 1989/90 wurde der heutige "egapark Erfurt" an Stelle der iga gegründet und ab 1995 stückweise mit der Restaurierung der erhaltenen Gebäude der Zitadelle Cyriaksburg begonnen. Dabei blieben die Nutzung des nördlichen Turms als Sternwarte und die der Defensionskaserne als Museum erhalten. Seit dem Mai 2000 befindet sich in der Defensionskaserne das neugegründete Deutsche Gartenbaumuseum und präsentiert auf 1500 m² die Welt des Gartenbaus. Den südlichen Turm baute man nach seiner Freilegung 1997 mit einer Stahlkonstruktion zu einem Aussichtsturm aus. Des Weiteren wurde der 60 Meter tiefe Festungsbrunnen in der Defensionskaserne für Besucher begehbar gemacht. Daneben sind heute auch noch Reste der Graben- und Wallanlage sowie ein Stück der rekonstruierten südlichen Festungsmauer erhalten. Aufbau. Die Zitadelle Cyriaksburg ist eine größtenteils erhaltene Stadtfestung aus dem 17. bis 19. Jahrhundert und diente zunächst als eigenständige Festung sowie später als detachiertes Werk der benachbarten Zitadelle Petersberg. Ihre Kernfestung erstreckt sich über eine Fläche von ca. 8000 m² und besteht aus einem unregelmäßigen, viereckigen Grundriss, der ursprünglich von einem Festungsgraben mit gedecktem Weg umgeben war. Der Graben konnte im Verteidigungsfall durch Tamboure in verschiedene Abschnitte geteilt werden und stand mit der Zitadelle Petersberg über einen gedeckten Verbindungsweg (doppelter Grabenkoffer) in Verbindung. Rings um die Kernfestung lagen ursprünglich ein hufeisenförmiges Turmreduit, zwei Erd-, Eckbatterien mit Traversen und zwei Seitenkaponnieren und sollten die westliche Seite der Zitadelle verstärken. Die unteren Geschosse des Turmreduits und der Erd-, Eckbatterien besaßen Zugänge zu einem unterirdischen Konterminensystem, das in das davorliegende Terrain führte. In ihm patrouillierten Soldaten, um im Belagerungsfall feindliche Mineure frühzeitig zu lokalisieren und sie an ihrem Zerstörungswerk zu hindern. Im Jahr 1925 wurden das Turmreduit und die beiden Erd-, Eckbatterien sowie in den 1950er Jahren die nördliche Seitenkaponniere abgerissen. Etwas abgelegen im Süden der Zitadelle Cyriaksburg liegen bis heute ein Friedenspulvermagazin und Reste der ehemaligen Terrassenbatterie, die der Bestreichung des Geratals diente und später zu einem Aussichtspunkt ausgebaut wurde. In das Innere der Zitadelle gelangte man bis zur Entfestigung einzig über die Zugbrücke und Kehlkaponniere der Defensionskaserne im Nordosten der Anlage, die durch einen vorgelagerten Tambour geschützt wurde. Die Defensionskaserne wurde zwischen 1824 und 1826 im neupreußischen Klassizismus errichtet und wird von zwei Kanonenhöfen flankiert. Ihre Mauern zum Burghof hin sind verstärkt und mit Schießscharten für Artillerie und Infanterie versehen. Im Erdgeschoss der Kaserne lagen ursprünglich Vorratsräume für Waffen und Proviant, die Kriegsküche und die Festungsbäckerei und in den beiden Etagen darüber die Mannschaftsräume. Im Inneren besteht die Defensionskaserne aus zahlreichen einzelnen Abschnitten, die im Falle einer feindlichen Erstürmung durch einsetzbare Palisadenwände voneinander getrennt werden konnten. Des Weiteren liegen im Erdgeschoss des Gebäudes Verbindungen zu einem unterirdischen Gewölbe mit Brunnenanlage und zu den vorgelagerten Grabenkaponnieren und Kehlkaponniere. Der Brunnen besitzt eine Tiefe von ca. 40 m und wird über eine 8 m³ große Zisterne gespeist. Nach Nutzung als Truppenunterkunft diente die Kaserne zwischen 1961 und 1994 als Sitz eines Gartenbaumuseums und beherbergt seit Mai 2000 das neugegründete Deutsche Gartenbaumuseum. Des Weiteren wird die Kernfestung im Südwesten durch zwei 15 m hohe Geschütztürme begrenzt, deren Mauern mit zahlreichen Schießscharten versehen sind. Der Turm A trägt an der Nordseite ein Relief aus dem Jahr 1528, das das Wappen der Stadt Erfurt und der damals zugehörigen Dörfer Kapellendorf, Vieselbach, Schlossvippach und Vargula zeigt. Seit 1935 wird der Turm B als Aussichtsturm und seit 1955 der Turm A als Sternwarte genutzt, dessen drehbare Kuppel einen Durchmesser von 5 m besitzt und vom VEB Carl Zeiss Jena hergestellt wurde. Die unteren Etagen der Türme wurden zusammen mit Teilen des Festungsgrabens nach Festungsaufhebung zugeschüttet und erst nach Sanierungsarbeiten in den 1990er Jahren am Turm B wieder freigelegt. Des Weiteren waren die Türme ursprünglich über eine Ringmauer mit dem Rest der Anlage verbunden, die eine Gesamtlänge von ca. 400 m und eine Höhe von ca. 3 m besaß. Nach oben wurden die Mauern durch ein spitz abgeschrägtes Dach abgeschlossen, um feindlichen Soldaten das Überwinden zu erschweren. Schließlich erstreckt sich zwischen der Defensionskaserne und den Geschütztürmen der ehemalige Burghof, auf dem ursprünglich ein Kavalier angelegt war. Dabei handelte es sich um einen Erdwall mit zwei Flanken, der die umliegende Ringmauer überhöhte und dessen Hohlräume als Kriegspulvermagazin und Kasematten genutzt wurden. Des Weiteren besaß der Kavalier an der nördlichen Flanke eine Rampe zum Hinaufziehen von Geschützen und war in der Mitte der Front mit einer Hohltraverse bebaut. Diese verfügte über Schießscharten und führte über einen Treppenturm und anschließende Grabenkaponniere in das Turmreduit. Infolge der Entfestigung wurde der Kavalier abgetragen und in den 1920er, 1950er Jahren zusammen mit dem Burghof zu einer Gartenanlage umgestaltet.
José Pablo González Maldonado (* 21. Januar 1935 in Arecibo; † 10. Dezember 1962 in Chicago), bekannt als "Cheíto González", el jilguero arecibeño, war ein puerto-ricanischer Sänger, Gitarrist und Komponist. Leben. González lernte im Alter von acht Jahren autodidaktisch Gitarre zu spielen, unterstützt von Evangelista Colón, einem bekannten Musiker seiner Heimatregion. 1947 gewann er als Sänger den Ersten Preis in Nabal Barretos Wettbewerb "Aficionados arecibeños" beim Sender "WVKM". In der Folgezeit hatte er weitere Auftritte im Rundfunk und bei anderen Veranstaltungen, wobei ihn regelmäßig Pepito Lacomba auf der Gitarre oder am Klavier begleitete. 1949–50 trat er außerdem mit Áurea Esther Vázquez als "Dúo Souvenir" und mit Ángel Robles und Ángel Serrano als "Trío América" auf. 1950 ging er nach New York und wurde Mitglied in Papi Andinos "Trío Miramar". Etwas später erschien seine erste Single mit dem Bolero "Egoísmo" von Jimmy Montañez. Mit Rey Arroyo und Johnny Félix bildete er dann das "Trío Santurce", war 1952–53 Nachfolger von Paquitín Soto im "Trío Los Murcianos" der Brüder Máximo Torres|Máximo und Gelín Torres und 1953–54 Mitglied im Trio von Johnny Rodríguez(Sänger) Johnny Rodríguez. Mit letzterem entstanden Aufnahmen von seinen Kompositionen wie "Chubasco", "Dos traiciones", "Que te perdone Dios" und "Yo no soy feliz". 1954 gründete González seine eigene Gruppe, das "Trío Casino de Santurce", dem in der Erstbesetzung Pablito Delgado und Jesús González angehörten. Mit dieser Formation nahm er fünf Alben beim Label "Riney" der dominicanischen Sängerin Ney Rivera auf. Auf Einladung des Moderators Gilbert Mamery kehrte er 1955 für einige Aufführungen am "Teatro San José" in Mayagüez nach Puerto Rico zurück. Mit Jesús González, Rafael Díaz und Pepe López entstanden Aufnahmen der Boleros "Cristal" (von Marianito Mores) "Infiel" (von Rafael Gastón Pérez) und "Nuestra historia", für Aufnahmen von "Tiempo perdido" (von Gilbert Mamery) und "La mona" kamen noch Miguelito Alcaide und Gilberto Díaz hinzu. Eine neue Version seines "Trío Casino de Santurce" gründete González 1956 mit Raúl Balseiro, Pedrito Beríos und Rafael Scharrón. Von dieser Gruppe begleitet trat er auch mit seiner Frau Nydia Souffront als "Dúo de Estrellas" auf. 1958 ging er nach Mexiko und schloss sich der bei RCA Victor beheimateten Gruppe "Los Tres Reyes" der Zwillinge Gilberto Puente|Gilberto und Raúl Puente an. Mit diesem Trio nahm er ein als klassisch geltendes Album u. a. mit den Titeln "Allá tú" und "Ya no estás" (von Álvaro Carrillo) "Elespejo" (von Héctor Flores Osuna), "El último minuto" (von Federico Baena), "Escríbeme" (von Guillermo Castillo Bustamante), "Todo igual" (von Alberto Videz), "Un mes" (von Bobby Capó) und "Ya no te acuerdas de mí" (von Roberto López Gali) auf. 1959 kehrte González in seine Heimatstadt Arecibo zurück. Hier gründete er die dritte Version seines "Trío Casino de Santurce" mit Raúl Balseiro und Charlie López. Mit diesem Trio tourte er durch Puerto Rico, nahm an den "Fiestas Patronales" teil und war Stargast der "Telefiesta de la tarde" bei "WAPA TV/Canal 4". 1961 kehrte er nach New York zurück, wo trotz seiner sich verschlimmernden Rauschgiftsucht die besten Aufnahmen seiner Laufbahn bei "Ansonio Records" entstanden. Am 10. Dezember 1972 wurde er in seinem Auto in der Nähe seines letzten Auftrittsortes in Folge einer Überdosis verstorben aufgefunden.
Artur Göritz (* 14. April 1907 in Schneidlingen, Kreis Quedlinburg; † 20. Juni 1938 in Plötzensee, Berlin) war ein deutscher Kommunist und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus sowie ein Opfer der NS-Justiz. Leben und Tätigkeit. Nach dem Schulbesuch erlernte Göritz das Schlosserhandwerk. Politisch war er kommunistisch orientiert: Vor 1933 gehörte er dem Arbeiterschwimmverein Stuttgart und der Roten Hilfe an. Göritz war in den 1930er Jahren als Arbeiter bei den Dornier-Werken in Friedrichshafen beschäftigt. Er arbeitete zunächst im Tragflächenbau und dann, ab August 1934, in der Typenabteilung. Im Zuge der Aufrüstung der Wehrmacht wurde zu dieser Zeit im Geheimen in den Dornier-Werken mit der Produktion von Kampfflugzeugen begonnen. Göritz, der den Kriegskurs der Nationalsozialisten missbilligte, fand sich daraufhin bereit, die von Stefan Lovasz geleitete Zelle der kommunistischen Untergrundorganisation in Deutschland und speziell den zu Lovaszs Organisation gehörenden militärischen Nachrichtendienst (sogenannter „Antimilitaristischer Apparat“ oder AM-Apparat) mit Unterlagen über die Rüstungsaktivitäten in den Dornier-Werken, die er aus diesen herausschmuggelte, sowie mit Insider-Information hierüber, die ihm im Rahmen seiner Arbeit oder durch Arbeitskollegen zur Kenntnis gelangt waren, zu versorgen. Lovasz und der Leiter seines AM-Apparates, Josef Steidle, gaben die so erlangten Materialien und Informationen auf nachrichtendienstlichem Wege an ausländische Stellen der KPD bzw. der Komintern weiter. Die wichtigsten von Göritz gelieferten Informationen betrafen die Herstellung der Typen Do 17, Do 18 und Do 19 sowie den Umfang der Produktion und die Stimmung in der Belegschaft der Dornier-Werke. Im Dezember 1935 und Januar 1936 wurde die Organisation von Lovasz und Steidle von der Geheimen Staatspolizei zerschlagen. Lovasz und Steidle wurden in Haft genommen, ebenso die Studentin Liselotte Herrmann und Grötzinger, die an der heimlichen Weiterleitung der von Göritz beschafften Unterlagen und Informationen ins Ausland beteiligt gewesen waren. Nach langwierigen brutalen Vernehmungen der vier durch die Geheimpolizei wurde auch die Rolle von Göritz bekannt, der daraufhin am 2. Juni 1936 ebenfalls verhaftet wurde. Nach einer längeren Untersuchungshaft wurden die fünf vor dem Volksgerichtshof angeklagt, der zur Durchführung des Prozesses seinen 2. Senat nach Stuttgart entsandte. Am 12. Juni 1937 wurden alle Angeklagten für schuldig befunden. Das Gericht wertete die Tätigkeit der Angeklagten als Rüstungsspionage zugunsten der Sowjetunion. Göritz wurde, ebenso wie Lovasz, Steidle und Herrmann wegen Landesverrat, begangen in Tateinheit mit Vorbereitung zum Hochverrat unter erschwerenden Umständen (Göritz, Herrmann, Steidle) bzw. Vorbereitung zum Hochverrat (Lovasz) zum Tode verurteilt. Grötzinger erhielt zwölf Jahre Zuchthaus wegen Vorbereitung zum Hochverrat. Göritz und die anderen drei zum Tode verurteilten wurden am 20. Juni 1938 auf dem Hof der Strafanstalt Plötzensee durch Scharfrichter Friedrich Hehr hingerichtet. Das vollstreckte Urteil sollte abschreckend wirken und andere kommunistische Widerstandskämpfer zur Aufgabe bewegen. Ehrungen. In der DDR waren die Polytechnische Oberschule und ein Platz in Trebnitz (Teuchern) nach ihm benannt. Außerdem wurde im Jahr 1960 ein Gedenkstein zur Erinnerung an den Widerstandskämpfer in Trebnitz aufgestellt. In der dokumentarischen Erzählung "Schweigen über Lilo: Die Geschichte der Liselotte Herrmann" von Ditte Clemens ist Artur Göritz einer der Hauptcharaktere.
Grégoire Haddad (* 25. September 1924 in Souk El Gharb, Libanon; † 23. Dezember 2015) war von 1968 bis 1975 melkitischer Erzbischof von Beirut und Jbeil. Er galt als der „Rote Bischof von Beirut“ und legte 1975, auf Druck des Heiligen Stuhls, sein Amt nieder. Leben. Grégoire Haddad wurde 1924 in Souk El Gharb, einer Kleinstadt im Libanon-Gebirge, geboren. Sein Vater war ein evangelischer Christ und seine Mutter gehörte der römisch-katholischen Kirche an. Die Grundschule besuchte er von 1934 bis 1936, danach ging er für ein Jahr auf eine weiterführende Schule, die von Basilianern geleitet wurde. Bis 1943 wurde er in einer Schule der Ostkirchen von Jesuiten unterrichtet und erlangte das Abitur. Er begann das Studium der Philosophie und Theologie und empfing 1949 durch Erzbischof Philippe Nabaa, seinen Vorgänger im Bischofsamt von Beirut, die Priesterweihe. Danach arbeitete er als Sekretär im erzbischöflichen Ordinariat in Beirut und widmete sich mehreren sozialen Projekten, er gründete die libanesische Sozialbewegung. Am 30. Juli 1965 folgte die Ernennung zum Weihbischof in Beirut und Jbeil sowie zum Titularbischof von "Palmyra dei Greco-Melkiti". Am 5. September 1965 empfing er von Maximos IV. Kardinal Saigh SMSP, Patriarch von Antiochien, die Bischofsweihe; Mitkonsekratoren waren Erzbischof Philippe Nabaa von Beirut und Jbeil und Joseph Elias Tawil, Erzbischof von Newton. Er nahm als Konzilsvater an der vierten Sitzungsperiode des Zweiten Vatikanischen Konzils teil. Nach dem Tod des Erzbischofs verwaltete er die Erzdiözese Beirut als Diözesanadministrator und wurde am 9. September 1968 von Papst Paul VI. zum Erzbischof von Beirut und Jbeil ernannt. Er war Mitkonsekrator der Erzbischöfe Elias Nijmé BA, Erzbischof der Erzeparchie Tripoli und Jean Assaad Haddad, Erzbischof von Tyros. Der „Rote Bischof von Beirut“. In den ersten Jahren seiner Amtszeit hatte der neue Erzbischof viele Entscheidungen zu treffen, um die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils umzusetzen. Hierzu gehörte auch die neue Situation für die Beteiligung der Laien. 1975 erfolgte die periodische Herausgabe eines Magazins, in dem geistliche, theologische und soziale Themen behandelt wurden. Mit einigen von ihm verfassten Artikeln zur Frage des Zusammenlebens von Moslems und Christen stieß er auf Widerstand aus Rom. Insbesondere die aktiven Kontakte zur Amal-Bewegung und sein Eintreten für eine Zusammenarbeit unter weltlichen Voraussetzungen führten zu Ermahnungen aus dem Vatikan. Erschwerend für Rom gestaltete sich die Zusammenarbeit mit dem Gründer der Amal-Bewegung, dem schiitischen Imam Musa as-Sadr. Gemeinsam hatten sie 1960 die „Soziale Bewegung“ gegründet und förderten in den folgenden Jahren den Islamisch-Christlichen-Dialog. In einer dieser Veranstaltungen hielt Musa as-Sadr zu Ostern in einer Kirche des Kapuzinerordens eine Ansprache. Zudem hatte Grégoire Haddad seine Theorie über eine Annäherung zwischen Sozialismus und Kirche veröffentlicht. Er vertrat öffentlich Gedanken zur Säkularisierung, was nicht nur unter seinen Mitbrüdern, sondern auch mit der Kongregation für die Glaubenslehre zu einer scharfen Auseinandersetzung führte. Seine Zielsetzung war der Versuch, eine friedensstiftende Religion zu begründen. Nicht nur der politische Druck, sondern auch die Androhung innerkirchlicher Sanktionen führten schließlich dazu, dass Grégoire Haddad am 19. September 1975 um seinen Rücktritt ersuchte, dem seitens Papst Paul VI. bei gleichzeitiger Ernennung zum Titularerzbischof von "Adana dei Greco-Melkiti" zugestimmt wurde. Nach seiner Demission zog er sich in ein Kloster zurück; er lehnte alle weiteren, ihm angebotenen Bischofsämter innerhalb der melkitisch-griechisch-katholischen Kirche ab. Er förderte weiterhin soziale Bewegungen im Libanon.
Die Offene Parlamentarische Debatte (OPD) ist ein Format, also ein bestimmtes Regelwerk, des Debating. Es versteht sich als turniertaugliches akademisches Debattierformat, das die Sportlichkeit der Parlamentarischen Debatte und den Realismus der Publikumsdebatte miteinander vereint. In Deutschland ist es neben dem British Parliamentary Style (BPS) das bedeutendste Format. Die Deutsche Debattiermeisterschaft wird abwechselnd in OPD und BPS ausgetragen. Eine Debatte im Format OPD erfordert neun Redner, von denen sechs in zwei Dreierteams (Regierung und Opposition) und die übrigen drei unabhängig als fraktionsfreie Redner agieren. Die Vorbereitungszeit nach Bekanntgabe des Themas beträgt 15 Minuten, die Redezeit pro Fraktionsredner sieben und pro fraktionsfreiem Redner dreieinhalb Minuten. Die Offene Parlamentarische Debatte schafft eine Synthese der beiden Hauptrichtungen akademischer Debattierformate, der Parlamentarischen Debatte und der Publikumsdebatte. Von ersterer übernimmt sie die Organisation der Redner in zwei Fraktionen, die einander ausschließende Positionen vertreten und einander Fraktionsdisziplin schulden, sowie die Berücksichtigung gegnerischer Zwischenfragen während der Reden. Von letzterer übernimmt sie die aktive Integration des Publikums mit eigenständigen Redebeiträgen im Herzen der Debatte, eine Ausrichtung der Debattanten auf die Zuhörer und die Berücksichtigung von Zwischenrufen aller Teilnehmer, die zusammengenommen zu einer realistischeren Redesituation führen als in den teilweise von den ursprünglichen Persuasionszielen losgelösten Parlamentarischen Formaten mit unproduktiver Eristik. Die Kombination dieser Elemente führt in der Offenen Parlamentarischen Debatte zu einem Format, das sowohl im Clubbetrieb als auch im Turnierbetrieb mit einigen schlagenden Vorteilen aufwartet. Im Clubbetrieb profitieren die Debattanten von der Möglichkeit, überzeugende Reden zu üben, die über bloße argumentative Schlüssigkeit hinaus, das Publikum vollständig erreichen und bewegen. Reine Scheingefechte werden von der aufmerksamen Hörerschaft umgehend durch Zwischenrufe und von den Fraktionsfreien Redner durch Positionierung auf der Gegenseite abgestraft. Anfängern im Verein bieten die unterschiedlichen Redezeiten von Fraktionsrednern und Fraktionsfreien die Möglichkeit eines leichteren Einstiegs und stufenweise Verlängerung der Redezeiten. Gleichzeitig werden durch dieses Variantenreichtum unterschiedliche Spannungsbögen und Redegliederungen trainiert. Die Flexibilität des Formats ermöglicht im Clubbetrieb zudem eine Integration von neun bis zwölf Teilnehmern und damit eine Anpassung an den jeweiligen Andrang von Rednern in der Debatte und einen nahezu fließenden Übergang von einer Debatte zu mehreren parallel geführten gleichzeitig. Durch die geheime Abstimmung am Beginn jeder Debatte und das offene Votum an ihrem Ende bekommen die Redner zudem einen guten Eindruck von der Effektivität ihrer Reden. Das Publikum erhält ein weiteres Beeinflussungsmoment, das die Debatte bis zum Schluss hin spannend hält. Es ist allerdings anzumerken, dass die entscheidende Teamwertung auf Turnieren meist von Juroren übernommen wird. Schließlich bietet die OPD im Clubbetrieb die Möglichkeit, bei Interesse die debattierten Themen im Vorfeld der Debatte überblicksartig zu recherchieren und damit den Auseinandersetzungen mehr Tiefgang zu verleihen. Diesem Zweck dient die Festlegung der Fragestellung einige Tage vor der jeweiligen Debatte. Im Turnierbetrieb bietet das Regelwerk der Offenen Parlamentarischen Debatte ebenfalls einige Vorteile, da Wettkämpfe in diesem Format besonders fair und spannend ausfallen. Die Integration der Fraktionsfreien Redner im Turnier, die sich in den Finalrunden aus den besten Rednern der bereits ausgeschiedenen Teams rekrutieren, bietet Teams und Rednern unabhängig voneinander die Möglichkeit sich für das Finale zu qualifizieren. Dadurch werden verstärkt auch heterogene Teams möglich und Spannungen innerhalb der Fraktionen reduziert, denn: Kein guter Redner bleibt auf der Strecke. Die Bereitstellung von geschlossenen Entscheidungsfragen (im Gegensatz zu offenen Themen bei anderen Formaten) ermöglicht es beiden Fraktionen die kurze Vorbereitungszeit vor der Turnierdebatte optimal zu nutzen und sich gleichermaßen zu präparieren. Die symmetrische Aufteilung der an einem Turnier teilnehmenden Teams auf die Positionen in der Debatte sorgt für einen vollständigen Ausgleich möglicher Vorteile, Schwierigkeiten oder Herausforderungen in Regierung, Opposition oder als Fraktionsfreie Redner. Jedes Team tritt an jeder Position in den Vorrunden gleich oft an. Der Einfluss der Setzungen oder des Loses auf das Turnierergebnis wird damit minimiert. Juroren und Präsidenten wie auch den Debattanten wird gleichermaßen die Erfüllung ihrer jeweiligen Rolle im Turnier erleichtert, da sich erstgenannte nicht mehr in der Doppelaufgabe von angesprochener Zuhörerschaft und bewertenden Dritten befinden. Die Fraktionsfreien Redner und das Publikum sind die Adressaten der Überzeugung in der Debatte, die Jury bewahrt ihre Neutralität außerhalb der eigentlichen Debatte. Schließlich sorgt das absolute Bewertungssystem im Turnierbetrieb für den Verzicht auf selektive Paarungen und Gruppierungen der Teilnehmer. In einem OPD-Turnier kann jedes Team auf jedes andere treffen und punktet ausschließlich in Abhängigkeit von seinen eigenen Leistungen. So finden Debatten mit unterschiedlichsten Paarungen statt, die Debattanten lernen verschiedenste Debattierstile der stärkeren und schwächeren Gegner kennen und treffen in jeder Debatte auf Vertreter von vier weiteren Teams. Dies hilft den Geist der Debattierturniere als Ort des Wettkampfs, des Austauschs und der persönlichen Weiterentwicklung zu bewahren.
Hagen von Tronje ist ein 1986 erschienener Roman von Wolfgang Hohlbein. Er basiert auf der Nibelungensage, verbindet diese aber mit Elementen aus anderen Sagenkreisen und freier Interpretation des Stoffes durch den Autor. Handlung. Als Hagen von Tronje, Waffenmeister am Hofe von Worms, von einer Reise zu den Grenzen des Reiches nach Worms in Burgund zurückkehrt, begegnet er einer alten Hexe, die ihm prophezeit, dass eine Frau sein Schicksal bestimmen und ihm den Untergang bringen wird. Er wird von bösen Ahnungen gequält, und die Ankunft des strahlenden Recken Siegfried, Drachentöter, Herr des Nibelungenreiches und Besitzer des sagenumwobenen Nibelungenhortes, und seiner Nibelungenreiter scheinen diese zu bestätigen. Obwohl dieser gekommen ist, um die Krone von Gunther dem König zu fordern, schließen sie Frieden und er bleibt ein Jahr lang zu Gast auf Worms. Schließlich kommen Boten der Brüder Lüdeger und Lüdegast, Könige des Sachsen- und Dänenlandes, und erklären den Burgundern den Krieg. Außerdem findet Hagen heraus, dass Siegfried und Kriemhild, die Schwester Gunthers, sich schon länger treffen und sich lieben. Dies ist auch für Siegfried ein Grund, den Burgundern seine Hilfe anzubieten. Die Burgunder beschließen, das Heer der Dänen anzugreifen, bevor sie sich mit den Sachsen vereinigen können, und mit dem Vorteil der Überraschung gelingt es ihnen, den dänischen König gefangen zu nehmen, die Sachsen zu schlagen und deren König ebenfalls als Geisel mit nach Worms zu nehmen. Während der Schlacht wird Hagen schwer verwundet, verliert ein Auge und liegt lange im Fieber, bevor er sich wieder langsam erholt. In der Zwischenzeit hat sich Siegfried in die Herzen der Stadtbewohner geschlichen, denn ohne ihn wäre der Krieg verloren gewesen. Sein Ansehen ist mittlerweile größer als das des Königs, wodurch dessen Macht schrumpft. Hagen versucht verzweifelt, eine Lösung zu finden, was aber durch seinen Treueeid zum König und seinem Versprechen zu Kriemhild, auf Siegfried achtzugeben, erschwert wird. Als dann Siegfried bei der Siegesfeier um Kriemhilds Hand anhält, sagt Gunther auf Hagens Rat hin, er könne Kriemhild heiraten unter der Bedingung, dass dieser ihm helfe, Brunhild, eine mächtige Walküre, in seinem Namen zu freien, was noch keinem gelungen ist. Siegfried scheint vorerst geschlagen, aber nach einem Jahr machen er, Gunther, Hagen und dessen Bruder Dankwart sich auf nach Island, um Brunhild zu werben. Diese akzeptiert nur, wenn der Freier sie im Dreikampf schlägt – Steinwurf, Bogen und Schwertkampf. Mit Hilfe eines Zaubers täuscht Siegfried Brunhild und gewinnt die Spiele anstelle von Gunther, der sie heimführt. Wieder in Worms merkt Hagen, dass er Kriemhild liebt, deren Hochzeit bald ist. Er kann den Schmerz nicht ertragen und läuft davon. Er kehrt aber bald zurück, denn er hat geschworen, Siegfried zu töten, wenn er Kriemhild Schmerz zufügen sollte, und dieser betrügt sie mit Brunhild. Hagen ertappt die beiden im Schlafgemach und kann Siegfried überwältigen, tötet ihn aber nicht, sondern fordert ihn zum Zweikampf. Am nächsten Morgen kämpfen beide miteinander, Hagen mit Siegfrieds Zauberschwert Balmung, das er ihm abgenommen hat und das ihm Kraft einflößt. Obwohl Balmung Siegfrieds Hiebe von selbst aufzufangen scheint und sie erwidert, droht Hagen zu unterliegen – da durchbohrt Gunther, der sich heimlich hinzugesellt hat, Siegfried mit einem Speer an der einzigen Stelle, wo dieser verwundbar ist, und tötet ihn. Hagen nimmt die Schuld auf sich, um Gunther zu schützen und wird dadurch von Kriemhild gehasst. Während der Bestattung von Siegfried stürzt sich Brunhild in den brennenden Scheiterhaufen, um dem Schmerz zu entrinnen, denn sie hat Siegfried geliebt. Kriemhild macht Hagen dafür verantwortlich und verspricht ihm, sich zu rächen. So scheiden sie. Hintergrund. Die Geschichte basiert auf dem Nibelungenlied, einer mittelalterlichen Versdichtung. Hagen von Tronje, oft volkstümlich als finstere Gestalt mit zweifelhaften Motiven interpretiert, wird zu einem Menschen, der aufgrund seines Ehrenkodexes und seiner Gefühle handelt und entscheidet, und der sich lange weigert, das zu tun, was letztlich sein Schicksal bestimmt. Hohlbein nähert sich damit der ursprünglichen Gestalt Hagens, der auch in den germanischen Sagenüberlieferungen und im Nibelungenlied eine zwiespältige, ebenso höfisch ehrbare wie oft brutal handelnde Figur ist. Die Geschichte der Nibelungensage erfährt kleine dichterische Abwandlungen. Siegfried, der schillernde und makellose Held aus der Sage, wird hier etwa als selbstverliebter, arroganter junger Mann dargestellt, der meint, alles haben zu können, was er begehrt. Das Buch endet mit dem Tod Siegfrieds.
Joy Fielding (geb. Tepperman) (* 18. März 1945 in Toronto, Ontario) ist eine kanadische Schriftstellerin und Schauspielerin. Sie lebt mit ihrem Mann Warren in Toronto und Palm Beach und hat zwei Töchter, Shannon und Annie. Leben. Joy Fielding begann schon im Alter von acht Jahren Geschichten zu schreiben und bald darauf auch kleine Theaterstücke, die sie mit ihren Freunden nachspielte. Mit zwölf schrieb sie ein Drehbuch für einen Fernsehfilm, in dem eine Zwölfjährige ihre Eltern ermordet. Auch als Teenager schrieb sie weiterhin Geschichten. Alle wurden jedoch von Zeitschriften und Verlagen abgelehnt. Ihr Studium der englischen Literatur an der Universität von Toronto schloss sie 1966 mit dem Bachelor ab. Schon während des Studiums hatte sie ihren Plan verworfen, Schriftstellerin zu werden, und spielte stattdessen in ungefähr 20 Studentenfilmen mit, so auch in dem international beachteten Film "Winter kept us warm" (1965) von David Secter. Dies war der erste englischsprachige kanadische Film, der auf dem Filmfestival in Cannes gezeigt wurde. Fielding wollte Schauspielerin werden und zog nach ihrem Studium nach Los Angeles. Sie lebte dort fast drei Jahre lang und spielte in einer Episode der Western-Serie Rauchende Colts mit. Nach persönlichen und beruflichen Enttäuschungen entdeckte sie das Schreiben wieder. Anfang der 1970er Jahre kehrte sie zurück nach Toronto und konzentrierte sich auf das Schreiben von Romanen. Zum Lebensunterhalt spielte sie hauptsächlich in TV-Werbespots mit, bis sie durch die Schriftstellerei ausreichend verdiente. Der internationale Durchbruch gelang ihr 1991 mit dem Thriller "Lauf, Jane, lauf" („See Jane Run“), von dem 1,8 Mio. Exemplare verkauft wurden. Auch ihre anderen Werke wurden zu internationalen Bestsellern. Joy Fielding schreibt Thriller und Psychothriller, die jedoch immer auf verschiedene Weise unterschiedliche Abgründe der Gesellschaft zeichnen. Die Themen spiegeln die ganze Palette der Gewalt wider: Vergewaltigung, Psychoterror, Gewalt in der Ehe, Kindesentführung und dergleichen. Die Geschichten sind fast durchgehend in großen amerikanischen Städten angesiedelt. Hauptfiguren sind immer Frauen, die oftmals gut ausgebildet und gutaussehend sind, die es im Leben „zu etwas gebracht haben“, in einer scheinbar perfekten Beziehung leben und Kinder haben. Doch häufig tragen sie Geheimnisse, unverwirklichte Wünsche oder nie gelebte Sehnsüchte in sich, die durch zufällige Begebenheiten, Nervenzusammenbrüche oder schleichende Prozesse ans Tageslicht kommen. Buchausgaben und Hörbücher. In Deutschland wurden bisher 20 Titel von Joy Fielding als Buchausgaben herausgebracht. Der Goldmann-Verlag verlegte seit 1981 ("Sag Mami Goodbye") alle ihre Bücher bis auf zwei ("Ich will ihren Mann" und "Verworrene Verhältnisse") als Taschenbuchausgaben. Diese beiden erschienen zwischen 1985 und 2003 in unterschiedlichen Ausgaben im Droemer-Knaur-Verlag, der zusätzlich die drei Titel "Sag Mami Goodbye", "Lebenslang ist nicht genug" und "Ein mörderischer Sommer" sowohl in broschierter Form als auch als Taschenbuch veröffentlichte. Zusätzlich zum Taschenbuch erschienen auch "Schlaf nicht, wenn es dunkel wird" und "Nur wenn du mich liebst" als gebundene Ausgabe, letzteres gibt es auch als E-Book, bei PeP. Die Bücher wurden hauptsächlich von Christa E. Seibicke, Mechtild Sandberg-Ciletti und Kristian Lutze übersetzt. Beide Verlage brachten auch Doppelroman-Ausgaben heraus, in denen jeweils zwei Romane in einem Band enthalten sind, und dazu etliche Sonderausgaben. Außerdem hat der Verlag Petersen, Oststeinbek, in Deutschland drei Titel in englischer Sprache veröffentlicht ("See, Jane, Run", "Missing Pieces" und "The First Time"). Bis 2004 wurden die englischen Originale abwechselnd von Doubleday und Morrow verlegt, seit 2004 von Atria Books. Joy Fieldings Bücher wurden in 23 Sprachen übersetzt. Sie werden in 25 Ländern verkauft, in Deutschland über fünf Millionen Mal. Als Hörbuchausgaben auf CD erschienen im Random House Audio Verlag verschiedene Werke in gekürzter Fassung, größtenteils gesprochen von Hansi Jochmann. "Zähl nicht die Stunden" (2001) wurde von Katharina Palm gelesen und im Verlag BMG Wort veröffentlicht, der im Jahr 2001 in Random House Audio Verlag umfirmiert wurde. Rezeption. In "Reclams Krimi-Lexikon" fiel die Charakterisierung ihres inhaltlichen Stils kurz und treffend, aber zwischen den Zeilen drastisch aus: „In Fieldings bei einem weiblichen Publikum beliebten Thrillern gerät in der Regel eine bis an die Schmerzgrenze naive Heldin in ein Komplott ihres Mannes. Ihre geheimnistuerischen Neigungen verhinderten drei- bis vierhundert Seiten lang eine rasche Lösung des Dramas.“
Schulangst bezeichnet verschiedene Ängste mit dem Bezug auf Schule. Sie gehören neben Aspekten wie Selbstbild, Zuschreibung des Schulerfolgs, der Leistungsmotivation und den Lerntechniken zu den Bedingungen des Schulerfolgs, die nicht von der Intelligenz abhängig sind. Je jünger das Kind ist, umso mehr ist mit körperlichen Ausdrucksformen der Schulangst in Form von Bauchschmerzen, Kopfschmerzen oder allgemeinem Unwohlsein zu rechnen. Auch andere „Stressausdrucksformen“ wie Fingernägelkauen, Einnässen oder Schlafstörungen können Ausdruck einer Schulangst sein. Bisweilen wird Schulphobie synonym verwendet, kann aber auch einen spezifischen Teilbereich bezeichnen. Formen der Schulängste. Der schulängstliche Schüler nimmt die Leistungsanforderungen oder die sozialen Herausforderungen der Schule als seelische Gefährdung wahr. Die Leistungs- und Prüfungsangst kann auf der Grundlage überhöhter Ansprüche von Lehrern und/oder Eltern, aber auch unrealistischer Ambitionen des Kindes selbst entstehen. Oft trägt eine mangelnde Einordnung von Misserfolgen und Fehlern als Versagen statt als Lernhilfen und -hinweisen dazu bei, dass sich eine allgemeine Ängstlichkeit zu einer Schulangst entwickelt. Auch wenn mittelbar hinter der Leistungsangst eine soziale Bewertungsangst steht, kann Schulangst unmittelbar aus sozialen Befürchtungen erwachsen. Kinder mit einer sozialen Phobie mit fließendem Übergang zur Schüchternheit finden sich zu Schulbeginn oft mühsam ein. Mit der Zeit schaffen sie es meist, einen gesicherten Platz in der Klasse zu finden, aber oft bleiben sie in neuen Situationen stark verunsicherbar. Andererseits tragen konkrete Erfahrungen von Gewalt an der Schule oder auf dem Schulweg, Mobbing, Kränkungen durch Klassenkameraden oder Lehrer und Außenseitererfahrungen zur Entstehung von Schulangst bei. Die Wahrnehmung und Anerkennung dieser kindlichen Nöte ist äußerst wichtig. Dies kann auch nicht dadurch eingeschränkt werden, dass das einzelne Kind durch sein eigenes Verhalten oder seine Empfindlichkeit zu manch verunglückter Situation beiträgt. Erste Aufgabe ist die Stärkung des Kindes, sich den eigenständig bewältigbaren Herausforderungen zu stellen und gemeinsam zu überlegen, was es tun kann. Andererseits sollte das Kind auch klar gegen Übergriffe geschützt werden, insbesondere wenn sie die psychischen Kräfte des Kindes übersteigen. Ansonsten drohen erhebliche seelische Schädigungen, die von Rückzugsverhalten über aggressives Verhalten bis hin zu einer Suizidgefährdung reichen. Die Schulphobie (der Begriff wird auch als Synonym für Schulangst verwendet) ist die panikartige Reaktion auf die schulische Situation und mit starker Tendenz, den Schulbesuch zu verweigern. Tatsächlich scheint sie aber nur vordergründig mit der Schule zu tun zu haben, sondern eher durch die Familiendynamik zuhause bedingt zu sein. So klammern sich die Kinder oft deutlich an die Mutter oder eine andere Bindungsperson (Trennungsangst ICD 93.0, Bindungstheorie). Dementsprechend liegt der Beginn meist schon im Kindergartenalter oder zu Schulbeginn. Ein weiterer Höhepunkt liegt in der frühen Pubertät. Auch kindliche Sorgen um die Ehe der Eltern, die Stellung in der Geschwisterreihe oder Beanspruchung des Kindes für elterliche Funktionen können Ursache von schulphobischem Verhalten sein. Oft zeigen sich beim Kind starke körperlich gefärbte Reaktionen wie Kopf- oder Bauchschmerzen und Unwohlsein. Die Kinder haben eine allgemeine Neigung zu ängstlichem Verhalten oder depressiver Verstimmung. Die Schulphobie ist die seltenste Form der Schulängste. Die Schulverweigerung oder das „Schulschwänzen“ hat eher selten Ängste zur Ursache. Meist wird die als belastend empfundene Schulsituation zugunsten von Aktivitäten vermieden, die zusammen mit Gleichaltrigen (Peer Group) mehr Spaß zu bringen versprechen. Oft ist der Beginn mit pubertären Konflikten verbunden, in dem die Glaubwürdigkeit der Erwachsenenreaktionen und die Stellung in der Gruppe durch Mutproben und „dissoziales Verhalten“ ausgetestet werden. Angst und Leistungsfähigkeit. Entgegen landläufigen Vorstellungen steigert die Leistungsangst oder die Angst vor Versagen nur sehr bedingt die Leistung. Bei mittlerem Angstniveau werden einfache Aufgaben besser bewältigt als bei geringer oder starker Angst – diese Verteilung nennt man „umgekehrt u-förmige-Verteilung“ (siehe Yerkes-Dodson-Gesetz). Je anspruchsvoller die Aufgabe ist, umso mehr schränkt auch leichtere Angst die Leistungsfähigkeit ein. Neben der Aufgeregtheit scheinen insbesondere auch versagensbezogene Gedanken und Besorgtheit eine Rolle zu spielen (Schwarzer, 2000, S. 88 ff.). Diese beeinträchtigen die Leistung deutlich stärker als die Aufgeregtheit und sie wirken sich bei Mädchen ungünstiger aus als bei Jungen. Eine Erklärung ist, dass jede höhere Erregung Umsicht und Entscheidungsfähigkeit einschränkt. So können Leistungsdruck und hohe Ambitionen das Gegenteil der Absicht, nämlich Schulversagen, erzeugen. Durch die Angst nehmen aufgabenbezogene Gedanken ab. Stattdessen kreisen diese um das eigene, potentielle Versagen, wodurch weniger Kapazität für das Lösen der Aufgaben bleibt. Der Versuch, mittels Drohungen oder Druck das Verhalten des Schülers zu kontrollieren, steht zudem noch in der Gefahr, als äußere (extrinsische) Motivation die intrinsische Leistungsmotivation sowie das Gefühl von Selbstkontrolle und Eigenverantwortlichkeit zu unterminieren. Diagnostik. Die Schulangst wird hauptsächlich durch Fragebögen diagnostiziert. Andere Methoden (zum Beispiel Beobachtung) haben sich nicht als so brauchbar erwiesen. Das liegt unter anderem daran, dass (Schul-)Angst ein internes, innerhalb der Person liegendes Phänomen ist. Frühe Angstfragebogen haben Schulangst eindimensional, also als ein einheitliches Phänomen verstanden. Der „Angstfragebogen für Schüler“ (AFS) unterscheidet bereits „manifeste Angst“ und „Prüfungsangst“. Heute werden mehrdimensionale Sichtweisen bevorzugt. Ein Beispiel für einen mehrdimensionalen Fragebogen stellt das „Differentielle Leistungsangst Inventar“ dar, das mit zwölf Skalen vier verschiedene Bereiche diagnostiziert: Angstauslösende Bedingungen, Manifestationsformen, Copingstrategien und Stabilisierungsformen.
Georg Friedrich von Großmann (* 6. März 1807 in Dresden; † 26. März 1871 in Liegnitz) war ein königlich preußischer Generalleutnant und zuletzt Kommandant von Altona und Kommandeur der in Hamburg garnisonierten Truppen. Herkunft. Seine Eltern waren "Georg Friedrich von Großmann" (* 15. Juni 1768; † 14. April 1818) und dessen Ehefrau "Christiane Friederike Müller" (* 21. Oktober 1777; † 24. Februar 1832). Sein Vater war Oberst in der 6. Artilleriebrigade. Leben. Er erhielt seine schulische Bildung auf dem Friedrichsgymnasium in Breslau. Anschließend ging er am 1. Juni 1823 als Musketier in das 11. Infanterie-Regiment. Dort wurde er am 15. Dezember 1835 zum Portepeefähnrich und am 14. Juni 1826 zum Seconde-Lieutenant befördert. Von 1834 bis 1837 wurde er dann als Bataillonsadjutant eingesetzt. Anschließend wurde er am 17. November 1837 für ein Jahr an der Kadetteninstitut in Wahlstatt abkommandiert, am 19. April 1838 wurde er zum Premier-Lieutenant im Kadettenkorps ernannt. Am 30. März 1844 wurde er als Hauptmann und Kompaniechef in das 24. Infanterie-Regiment versetzt. Während der Märzrevolution kämpfte er in den Straßenkämpfen in Dresden und Iserlohn. In der Badischen Revolution kämpfte er in den Gefechten bei Neudorf und Wiesenthal. Am 20. Juli 1850 wurde er dann zum Major befördert. Vom 12. November 1850 bis zum 15. Dezember 1850 war er dann als Eisenbahn-Etappenkommandant nach Frankfurt am Main abkommandiert. Am 1. Februar 1851 wurde er als Bataillonskommandeur in das 24. Infanterie-Regiment versetzt. Am 18. Januar 1853 kam er in das 2. Landwehr-Regiment, wo er Kommandeur des III. Bataillons in Anklam wurde, von dort kam er am 14. Juli 1857 als Bataillonskommandeur in das 9. Infanterie-Regiment und wurde am 15. Oktober 1856 zum Oberstleutnant befördert. Am 8. Juli 1858 wurde er dann mit der Führung des 30. Infanterie-Regiments beauftragt und à la suite des Regiments gestellt. Am 31. Mai 1859 erhielt er seine Beförderung zum Oberst und wurde zugleich Kommandeur des Regiments. Er wurde am 18. Oktober 1861 mit dem Kronenorden 3. Klasse ausgezeichnet. Am 6. Mai 1862 kam er als Kommandeur in die 4. Infanterie-Brigade, dazu wurde er à la suite des 30. Infanterie-Regiments. Am 17. März 1863 erhielt er seine Ernennung zum Generalmajor und am 31. Dezember 1834 den Roten Adlerorden 2. Klasse mit Eichenlaub und Schwertern am Ring. Am 4. Januar 1866 wurde er als Kommandeur in die 1. Division versetzt und dort am 8. Juni 1866 zum Generalleutnant befördert. Während des Deutschen Krieges von 1866 kämpfte er in den Gefechten bei Trautenau und Tobitschau, der Schlacht bei Königgrätz sowie der Einschließung von Olmütz. Am 20. September 1866 wurde er mit dem Stern zum Roter Adlerorden ausgezeichnet. Er kam am 14. Januar 1868 als Kommandant nach Altona und wurde Kommandeur der in Hamburg garnisonierten Truppen. Aber schon am 10. März 1868 wurde er mit Pension zur Disposition gestellt, dazu erhielt er den Roten Adlerorden 1. Klasse mit Eichenlaub und Schwertern am Ring. Er starb am 26. März 1871 in Liegnitz. Familie. Er heiratete am 11. September 1838 in Breslau "Friederike Alexandrine Auguste Christiane Henriette Natalie von Alvensleben" (* 13. April 1813; † 27. Juli 1901). Das Paar hatte mehrere Kinder:
Orazi e Curiazi (deutsch: "Horatier und Curiatier") ist eine Oper (Originalbezeichnung: „tragedia lirica“) in drei Akten von Saverio Mercadante. Das Libretto verfasste Salvadore Cammarano nach der Tragödie "Horace" von Pierre Corneille. Die Uraufführung fand am 10. November 1846 im Teatro San Carlo in Neapel statt. Handlung. Erster Akt: „Alba e Roma“ – Alba und Rom. Camilla und Sabina können nicht in die Gebete der Frauen für den Sieg der Römer über die Albaer einstimmen, da Sabina Albaerin ist und mit Camillas Bruder Orazio einen Römer geheiratet hat, während Camilla mit Sabinas Bruder Curiazio verlobt ist. Schließlich trifft die Nachricht ein, dass der Kampf abgesagt wurde. Stattdessen sollen drei ausgewählte Römer gegen drei ausgewählte Albaer antreten. Dem Glück von Camilla und Curiazio scheint zunächst nichts mehr im Wege zu stehen. Die Hochzeit wird jedoch abgesagt, als die drei Brüder Camillas als Kämpfer für Rom ausgewählt werden, während Curiazio und seine beiden Brüder für Alba kämpfen sollen. Vergeblich versucht Camilla Curiazio vom Kampf abzuhalten. Zweiter Akt: „L’oracolo“ – Das Orakel. Als Orazio und seine Brüder zum Kampf aufbrechen wollen, wird Orazio von Curiazio zurückgehalten, der eine Versöhnung herbeiführen will. Es gelingt ihm aber nicht, Orazio vom Kampf abzubringen. Kurz vor Beginn des Kampfes erklärt der Oberpriester, dass ein Kampf zwischen Verwandten den Göttern missfallen könne. Er befragt daher das Orakel. Camilla betet für die Absage des Kampfes. Das Orakel verkündet aber, der Kampf solle stattfinden. Dritter Akt: „La pugna“ – Der Kampf. Curiazio wird klar, dass sein Glück zerstört ist, egal wie der Kampf ausgehen mag. Camilla bittet Curiazio vergebens, sie zu töten. Der alte Orazio wartet auf Nachrichten vom Ausgang des Kampfes. Zunächst erfährt er, dass zwei seiner Söhne gefallen sind, der dritte, Orazio auf der Flucht sei. Es stellt sich aber heraus, dass diese Flucht lediglich eine List war und Orazio letztlich alle drei Curiazi getötet hat. Das Volk Roms jubelt Orazio als Sieger zu. Der Jubel wird durch Camilla gestört, die Rom verflucht und die Götter bittet, die Stadt zu vernichten. Wütend ersticht Orazio seine Schwester. Instrumentation. Die Orchesterbesetzung der Oper enthält die folgenden Instrumente: Werkgeschichte. Bei der Uraufführung am 10. November 1846 im Teatro San Carlo in Neapel sangen Marco Arati (Alter Orazio), Pietro Balzar (Orazio), Erminia Frezzolini (Camilla), Anna Salvetti (Sabina), Gaetano Fraschini (Curiazio) und Teofilo Rossi (Oberpriester). Die musikalische Leitung hatte Antonio Farelli. Die Bühne stammte von Angelo Belloni, Leopoldo Galluzzi und Giuseppe Castagna. Nach der erfolgreichen Premiere kam es bis 1859 zu Aufführungen der Oper an zahlreichen italienischen Bühnen sowie in Ungarn, Spanien, Portugal, Russland, Malta und Brasilien. Eine letzte Aufführung erlebte die Oper im 19. Jahrhundert 1882 in Neapel. Dann geriet das Werk in Vergessenheit bis zu den konzertanten Aufführungen der Opera Rara Gesellschaft 1975 in Bristol, Exeter und London. 1993 brachte Opera Rara die erste Studio-Einspielung der Oper heraus.
Der Roman Mathilde Möhring gehört zu den wichtigsten Texten aus Theodor Fontanes Nachlass. Erste Entwürfe und die erste Niederschrift sind 1891 entstanden; zwischen Herbst 1895 und Frühjahr 1896 nahm sich Fontane die Überarbeitung vor. Das Werk blieb unvollendet und wurde postum von Josef Ettlinger 1906 erstmals veröffentlicht. 1969 folgte eine zweite Fassung von Gotthard Erler, 2008 schließlich legte Gabriele Radecke eine dritte Textfassung vor. Der Roman ist in 17 Kapitel aufgeteilt, wobei die Kapitel 9 bis 11 in die Abschnitte a und b unterteilt sind. Die Handlung spielt zur Zeit des Deutschen Kaiserreichs zwischen Oktober 1888 und Oktober 1890. Inhaltsangabe. Fontane erzählt in "Mathilde Möhring" von der jungen, klugen, praktisch veranlagten und energischen, dabei aber wenig anziehenden Mathilde Möhring, die mit ihrer Mutter in einer kleinen Berliner Wohnung in der Georgenstraße in der Nähe des Bahnhofes Friedrichstraße lebt. Mathildes Vater, ein Buchhalter, ist schon seit einigen Jahren tot, weshalb die Möhrings regelmäßig Untermieter aufnehmen müssen. Zu Beginn der Erzählung ist dies Hugo Großmann, ein Jura-Student kurz vor dem Examen, der jedoch die Lektüre literarischer Werke denen der Juristerei und abendliche Theaterbesuche dem Besuch der Universität vorzieht. Mathilde schätzt ihn in dieser Beziehung von Anfang an richtig ein, sieht in ihm dennoch die Möglichkeit, aus ihren beschränkten Verhältnissen herauszukommen. Sie legt sich regelrecht einen Plan zurecht, um eine starke Wirkung auf den Mitbewohner zu erzielen, der sie zunächst nicht beachtet, nach einer gewissen Zeit aber bei dem Resümee anlangt, „dass Thilde die Frau sei, die für ihn passe“ (Kap. 8). Er hat gemerkt, dass sie seinem verträumten und bequemen Naturell ein pragmatisches und ehrgeiziges Gegenstück sein könnte. Und er hat sich nicht getäuscht. Denn sobald sie seiner in Form einer offiziellen Verlobung sicher ist, lässt sie ihn nicht länger faulenzen, sondern sorgt dafür, dass er tüchtig und regelmäßig für sein Examen lernt und dieses schließlich auch besteht. Ganz glücklich ist Hugo mit diesem Antreiben vonseiten Mathildes zwar nicht, doch weiß er andererseits auch, dass er es ohne sie nicht schaffen würde. Nachdem er das erste juristische Staatsexamen in der Tasche hat, kümmert sich Mathilde weiter um seine Karriere: Sie durchforscht die Tageszeitungen, bis sie auf eine Annonce stößt, in der die Kleinstadt Woldenstein nach einem neuen Bürgermeister sucht. Mathilde sorgt dafür, dass ihr Verlobter diese Chance ergreift, und nachdem alles geregelt ist, können sie heiraten. Die aus kleinen Verhältnissen stammende Mathilde Möhring hat sich zur Bürgermeistersgattin gemausert. Und sie macht sich weiterhin gut. Denn immer noch ist Hugo auf ihre Initiative angewiesen, und allein dank ihrer findigen, umsichtigen Natur und ihrem enormen Ehrgeiz gelingt es ihm, sein Amt erfolgreich auszufüllen. Immer ist sie es im Hintergrund, die ihm sagt, wie er sich verhalten soll, und sie sichert ihm auch das Wohlwollen der Vorgesetzten und anderer Honoratioren der Gegend. Doch das Glück hält nicht lange an, denn Hugo zieht sich eine schwere Lungenentzündung zu, die schließlich zu einer Schwindsucht führt und ihn das Leben kostet. So sieht Mathilde sich wieder in ihre frühere soziale Position zurückgeworfen, zwar mit einer Witwenrente, aber doch nicht viel besser gestellt als vor der Heirat. Jedoch findet sie sich schnell wieder zurecht. Beherzt beschließt sie nach Berlin zurückzugehen und schlägt das etwas dubiose Angebot des Grafen Goschin, bei ihm als Hausdame zu arbeiten, aus. Sie lebt weiterhin bei ihrer Mutter, bedingt sich aber einen gewissen Freiraum aus. Sie trauert nicht direkt um ihren Mann, bedauert aber, so stark gegen sein Naturell angegangen zu sein, was ihn überfordert habe; denn er war nur scheinbar stark. Andererseits erkennt sie, dass auch er einen positiven Einfluss auf ihr oft kleinkrämerisches Denken hatte. Sie entschließt sich, das Lehrerexamen zu machen, und besteht es mit großem Erfolg. Danach tritt sie eine Stelle an und ist damit in der Lage, für sich selbst und die Mutter zu sorgen. Entstehung und Editionsgeschichte. Fontane arbeitete vermutlich zwischen Januar 1891 und Frühjahr 1896 mit einigen Unterbrechungen an "Mathilde Möhring". Erste Konzeptionen und Entwürfe entstanden im Januar und Februar 1891; die erste Niederschrift fertigte Fontane im Sommer 1891 an, und im Winter 1895 nahm er sich die Überarbeitung vor. Im Frühjahr 1896 brach Fontane die Arbeit dann endgültig ab. Zu einer Veröffentlichung zu Lebzeiten Fontanes kam es nicht mehr. Nach Fontanes Tod blieb die "Mathilde-Möhring"-Handschrift zunächst unbemerkt im Nachlass liegen, bis sie von seiner Frau Emilie entdeckt und gelesen wurde. Nach der Lektüre notierte diese auf einem Umschlagblatt der Handschrift: „Leider nicht druckfertig. Mit Rührung gelesen 31 Jan 01. Die alte Fontane“. Nach Emilie Fontanes Tod kam es dann zu einer Veröffentlichung. Die Nachlasskommission und vor allem Fontanes jüngster Sohn, der Buchhändler und Verleger Friedrich Fontane, entschieden, den Journalisten und Redakteur Josef Ettlinger mit der Herausgabe des Romans zu beauftragen. Nach einigen Verhandlungen erschien der Roman in der Familienzeitschrift "Die Gartenlaube" in sieben Fortsetzungen zwischen dem 1. November und dem 13. Dezember 1906. 1907 begannen dann die Vorbereitungen für den Band "Aus dem Nachlaß von Theodor Fontane" (hrsg. von Josef Ettlinger), der mit "Mathilde Möhring" eingeleitet wurde. Ettlingers "Mathilde-Möhring"-Fassung wurde bis 1969 unverändert in allen Fontane-Ausgaben veröffentlicht. Im Rahmen der achtbändigen Ausgabe der „Romane und Erzählungen“, die der Aufbau-Verlag unter der Leitung von Peter Goldammer zum 150. Geburtstag Fontanes Anfang September 1969 veröffentlichte, legte Gotthard Erler eine Neuedition der "Mathilde Möhring" vor. Beim Studium der Handschrift, die Eigentum der "Staatsbibliothek zu Berlin" ist, bemerkte Erler, dass Ettlinger Fontanes Werk in großem Stil redigiert hatte. Er kam zu dem Schluss, „daß der bisher veröffentlichte Text von ‚Mathilde Möhring‘ philologisch nicht länger zu verantworten ist und dass von einer vorgeblich ‚leichten Nachbesserung‘ nicht die Rede sein kann, sondern von einer Bearbeitung [durch Ettlinger].“ Erler nahm sich das Manuskript vor und fand heraus, dass der Roman durch Fontanes Ordnungsprinzip in beschrifteten Papierumschlägen „in seiner äußeren Struktur viel weiter ausgebildet ist, als man bisher annehmen konnte. […]“ So eliminierte er die zahlreichen Lesefehler und Herausgeberergänzungen der Erstausgabe und stellte zum großen Teil Fontanes Kapiteleinteilung wieder her sowie den letzten Satz „Rebecca hat sich verheirathet“. Als Band 20 der „Großen Brandenburger Ausgabe“ (Abteilung „Das erzählerische Werk“) des Aufbau-Verlags veröffentlichte Gabriele Radecke 2008 schließlich eine dritte "Mathilde-Möhring"-Fassung, die zum ersten Mal die Merkmale des unvollendeten Nachlasstextes, die die Handschrift überliefert, konsequent für den gedruckten Text bewahrt und diesen in seiner historischen Gestalt wiedergibt. Wie die Handschrift enthält nun auch die Neuausgabe zahlreiche Textstörungen – etwa grammatische Fehler, unvollendete Sätze, die Einteilung der Kapitel 9 bis 11 in die Unterabschnitte a und b, Fontanes Autorbemerkungen und Fontanes doppelte Formulierungen für eine Textstelle. Außerdem wurden einige Lesefehler der Erler-Textfassung korrigiert. Radecke legt nicht nur eine nach wissenschaftlichen Kriterien erarbeitete Edition der "Mathilde Möhring" vor, sondern die erste historisch-kritische Edition eines Fontane-Textes überhaupt. In dem kulturhistorischen, auf historische Buchbestände, auf die Forschung, auf die Archivalien der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, des Stadtmuseum Berlins sowie des Theodor-Fontane-Archivs gestützten umfangreichen Kommentar werden zudem viele bisher nicht bekannte Informationen über die Textentstehung sowie über die Überlieferungs- und Druckgeschichte erstmals veröffentlicht, die die bisherigen Ergebnisse differenzieren und korrigieren.
Die Königspalme ("Roystonea regia") ist eine in der Karibik heimische Pflanzenart aus der Familie der Palmengewächse (Arecaceae). Sie ist in tropischen und subtropischen Gebieten eine weit verbreitete Zierpflanze. Merkmale. Der Stamm ist bis 20 m, selten bis 30 m hoch bei einem Durchmesser von 37 bis 57,5 cm, die Oberfläche ist grau-weiß. Die Krone besteht aus rund 15 Blättern. Die untersten Blätter hängen unter die Waagrechte herab. Der Kronenschaft ist wie bei allen Vertretern der Gattung auffallend grün, und rund 2 m lang. Der Blattstiel ist bis zu 50 cm, die Rhachis rund 4 m lang. Die mittleren Fiederblättchen sind 63 bis 119 cm lang und 2,5 bis 4,6 cm breit. Der Blütenstand ist rund 1 m lang und ebenso breit. Das Vorblatt ist rund 36 cm lang und 7,3 cm breit, das Hochblatt am Blütenstandsstiel ist 0,8 bis 1,6 m lang und 9,8 bis 13 cm breit, am breitesten dabei in der Mitte. Die Seitenäste des Blütenstands sind 11 bis 31 cm lang und haben einen Durchmesser von 0,9 bis 2,3 cm. Die männlichen Blüten sind weiß. Die Kelchblätter sind dreieckig, 0,8 bis 1,4 mm lang und 0,9 bis 2 mm breit. Die Kronblätter sind elliptisch bis oval, 2,5 bis 6,4 mm lang und 2,2 bis 3,5 mm breit. Es gibt 6 bis 9 Staubblätter, die 3,2 bis 7,5 mm lang sind. Die Staubfäden sind ahlenförmig und 2,3 bis 5,6 mm lang, die Antheren sind 2,4 bis 4,5 mm lang. Das Stempelrudiment ist sehr klein. Die weiblichen Blüten sind ebenfalls weiß, die Kelchblätter sind nierenförmig, 0,7 bis 1,8 mm lang und 1,8 bis 3,4 mm breit. Die Kronblätter sind oval und 2,7 bis 3,7 mm lang. Die Staminodien sind sechslappig, 1,3 bis 2,8 mm lang und im unteren Teil verwachsen. Das Gynoeceum ist 1,1 bis 3,5 mm lang bei einem Durchmesser von 0,9 bis 2,6 mm. Die Früchte sind kugelig bis ellipsoidisch und dorsiventral etwas zusammengedrückt. Sie sind 8,9 bis 15,1 mm lang, dorsiventral 6,9 bis 11,2 mm dick und 7 bis 10,9 mm breit. Das Exokarp ist purpur-schwarz, der Narbenrest flach. Das Endokarp ist ellipsoidisch und 7,5 bis 11,1 mm lang. Verbreitung und Standorte. Die Königspalme wächst in den Hügeln und Tälern von Kuba. In Florida kommt sie in den Counties Collier, Dade und Monroe vor und wächst hier auf den Hammocks der Everglades, kleinen Erhebungen aus Kalkstein. Weitere natürliche Vorkommen befinden sich auf der Halbinsel Yucatán und an der Golfküste von Mexiko, in Belize und Honduras, sowie auf den Kaimaninseln, möglicherweise auch auf den Bahamas. Die Art wird in den Tropen und Subtropen weltweit verbreitet angepflanzt und verwildert leicht bzw. bürgert sich leicht ein. Solche von kultivierten Beständen abstammende Populationen wurden häufig für indigen angesehen, so in Panama, Costa Rica oder Guyana. Systematik. Die Nomenklatur von "Roystonea regia" ist kompliziert, es wurden etliche Synonyme publiziert. "Roystonea regia" wurde zunächst von Karl Sigismund Kunth 1816 als "Oreodoxa regia" beschrieben, im ersten Band der von Alexander von Humboldt, Aimé Bonpland und Kunth herausgegebenen "Nova genera et species plantarum". Die Art wurde 1900 von Orator Fuller Cook in die neue Gattung "Roystonea" überführt. Die Populationen in Florida waren lange als eigene Art "Roystonea elata" bekannt. Dieser Name geht zurück auf William Bartram, der 1791 eine "Palma elata" beschrieben hatte. Nach den Nomenklaturregeln hätte dieser Name Priorität, jedoch wurde aufgrund der weiten Verbreitung des Namens "Roystonea regia" dieser bzw. sein Basionym "Oreodoxa regia" gegenüber "Palma elata" konserviert. Nutzung. Auf Kuba wird die Königspalme für Nutzholz, die Blätter zum Dachdecken und die Früchte als Schweinefutter verwendet. Weltweit in den Tropen und Subtropen wird sie als Zierpflanze angepflanzt. Sie gilt als die am häufigsten kultivierte Zierpalme.
Isidor Ismar Boas (* 28. März 1858 in Exin, Preußen; † 15. März 1938 in Wien) war ein deutscher Arzt. Er gilt als Begründer des Fachgebietes der Gastroenterologie und prägte es in den ersten 40 Jahren seines Bestehens maßgeblich. Mit seiner Niederlassung als "Spezialarzt für Magen- und Darmkrankheiten" 1886 begründete Boas nicht nur das Fach, sondern leitete auch insgesamt die Spezialisierung in der Medizin ein. Trotz Unbehagen und Kritik vieler Kollegen, die eine zunehmende Spezialisierung und Zersplitterung der Medizin in zahllose Unterdisziplinen fürchteten, konnte Boas das Fachgebiet etablieren. Dies mündete schließlich 1924 in der formalen Anerkennung des "Facharztes für Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten" durch den 43. Deutschen Ärztetag. Boas gründete 1895 mit dem "Archiv für Verdauungs-Krankheiten" die erste Fachzeitschrift des Gebietes, die noch heute unter dem Namen "Digestion, International Journal of Gastroenterology" fortbesteht. Er war ebenfalls Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Boas veröffentlichte zahlreiche Schriften und entwickelte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die in abgewandelter Form teilweise noch heute Bestand haben. Er prägte zahlreiche Begriffe wie die der okkulten Blutungen und der Colitis ulcerosa. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten musste er als Jude zahlreiche Repressalien erdulden und wurde in seiner weiteren Arbeit behindert. Boas flüchtete 1936 nach Wien, wo er sich nach dem deutschen Einmarsch am 15. März 1938 das Leben nahm. Leben und Werk. Familiärer Hintergrund. Boas wurde 1858 als Sohn des jüdischen Kaufmannes Hermann Boas und seiner Frau Rachel geboren. Sein Vater wurde 1829 geboren und stammte aus Kulm in Westpreußen. Er war ein angesehener Kaufmann und Repräsentantenvorsteher der Synagoge in Exin. Seine 1828 als Rachel Moses geborene Mutter stammte aus Exin. Ismar Boas wuchs als drittes Kind einer kinderreichen Familie zunächst in Exin auf. 1866 zog die Familie nach Züllichau, wo sie sich für ihre Kinder bessere Ausbildungsmöglichkeiten erhoffte. Da sein Vater mit der preußischen Armee gute Geschäftsbeziehungen pflegte und diese insbesondere während des Deutsch-Österreichischen Krieges günstig mit Getreide belieferte, gestattete man ihm 1881 den Erwerb eines Gutes in Posen. Schule und Ausbildung. Boas besuchte zunächst das deutsche Progymnasium und später das Gymnasium Züllichau, wo er 1877 sein Abitur ablegte. Im selben Jahr begann er zunächst in Berlin, Medizin zu studieren. Hier lernte er Carl Anton Ewald kennen, dessen Vorlesungen über die Physiologie des Verdauungstraktes er besuchte. Seinen Lebensunterhalt verdiente sich Boas durch Nachhilfeunterricht. Ein prägendes Erlebnis war für Boas als er 1879 Zeuge einer Magenspülung wurde, die auch zehn Jahre nach der Einführung derselben durch Adolf Kußmaul immer noch sehr selten durchgeführt wurde. Boas wechselte anschließend für das klinische Studium an die Universität Halle, wo er 1881 bei Theodor Weber mit der Arbeit „Ein Beitrag zur Lehre von der paroxysmalen Hämoglobinurie“ promovierte. Sein Staatsexamen legte er in Leipzig ab und begann anschließend, als Praxisvertreter an verschiedenen Orten zu arbeiten. Boas Studienzeit war geprägt durch ständige finanzielle Nöte und den Zwang, durch Nebentätigkeiten den Lebensunterhalt zu verdienen. Daher war er bestrebt, möglichst schnell die ärztliche Approbation zu erreichen, um rasch Geld verdienen zu können. 1882 ließ er sich als praktischer Arzt in Berlin nieder und begann nebenbei eine Tätigkeit als wachhabender Arzt in einer Berliner Sanitätswache, da ihm seine finanzielle Lage nicht gestattete, eine weitergehende Ausbildung anzustreben. 1883 gab er die Tätigkeit als wachhabender Arzt in der Sanitätswache jedoch wieder auf, da diese insbesondere aus Nachtdiensten bestehende Tätigkeit ihn zu sehr belastete und körperlich anstrengte. Er nahm wieder Kontakt zu Carl Anton Ewald auf und begann eine Tätigkeit als Privatsekretär für diesen in dessen Funktion als Redakteur der Berliner Klinischen Wochenschrift. Hierbei kam ihm zugute, dass er bereits während seines Studiums als Korrekturleser im Verlag F.C.W. Vogel gearbeitet hatte. 1884 wurde Ewald zum Leiter der "Frauensiechenanstalt" in Berlin-Süd ernannt und begann mit Boas gemeinsam, an den dortigen Patientinnen Untersuchungen zur Magenphysiologie durchzuführen. Hierbei entdeckte Boas, dass nach Einführung eines Magenschlauches die Erhöhung des intraabdominellen Druckes durch Husten oder Pressen ausreichte, um Mageninhalt aus dem Schlauch zu gewinnen. Die Verwendung der durch Kußmaul eingeführten Magenpumpe war durch diese Expressionsmethode hinfällig geworden. Boas verfeinerte die Methode, indem er den Patientinnen eine standardisierte Mahlzeit bestehend aus zwei Tassen Tee und einem Weizenbrötchen gab und den so gewonnenen Mageninhalt zu verschiedenen Zeitpunkten entnehmen und die Verdauungsvorgänge miteinander vergleichen und untersuchen konnte. Das sogenannte Probefrühstück nach Boas und Ewald wurde zu einem wichtigen Bestandteil der Funktionsprobe der Magensekretion. Boas und Ewald konnten durch ihre Versuche nachweisen, dass im Magen Kohlenhydrate und Proteine abgebaut wurden. Begründung des Magen-Darm-Spezialismus. Angespornt durch seine Untersuchungen beschloss Boas, sich ganz dem Studium der Verdauungskrankheiten zu widmen, ließ sich 1886 als weltweit erster "Spezialarzt für Magen- und Darmkrankheiten" in Berlin nieder und eröffnete kurz darauf in der Friedrichstraße 10 ein Ambulatorium für Magen- und Darmkrankheiten. Dies stieß auf viel Skepsis und Widerstand in der Ärzteschaft. Insbesondere die Kritik an einer befürchteten Zersplitterung und übermäßigen Subspezialisierung der Medizin wurde geäußert. Sogar Carl Ewald als sein Mentor kritisierte Boas: Boas trat dieser Kritik an der Spezialisierung in der Medizin entschieden entgegen. Boas, der selbst nie eine formale Facharztausbildung erhalten hatte, erhielt schon bald Anfragen von jungen Ärzten, die als Assistenzärzte bei ihm lernen wollten. Einer seiner Forschungsschwerpunkte in dieser Zeit war die Magensekretion und die genaue Zusammensetzung des Magensaftes, insbesondere beim Magenkarzinom. Bei seinen Untersuchungen zum Vorkommen von Milchsäure im Magensaft entdeckte er fadenförmige Bazillen, heute als "Lactobacillus acidophilus" bekannt. Diese wurden später nach ihm und seinem Schüler Oppler als „Boas-Opplersche-Stäbchen“ benannt. 1889 trat der Georg Thieme Verlag an Boas heran und überzeugte ihn, ein Lehrbuch über Magenkrankheiten zu schreiben. Dieses erschien 1890 unter dem Titel „Diagnostik und Therapie der Magenkrankheiten. I. Theil. Allgemeine Diagnostik und Therapie der Magenkrankheiten.“ Nach zunächst nur schleppendem Absatz war es rasch vergriffen und machte eine Neuauflage erforderlich. Diese erschien 1891, gefolgt vom zweiten Teil „Diagnostik und Therapie der Magenkrankheiten. II. Theil. Specielle Diagnostik und Therapie der Magenkrankheiten.“ 1893. Boas’ Bücher über Magenkrankheiten wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und machten Boas über die Fachwelt hinaus bekannt. In Berlin hatte er zu diesem Zeitpunkt schon den Spitznamen "Magen-Boas". 1906 übergab Boas sein Ambulatorium an seinen Schüler Hans Elsner, um sich weiter seiner Forschung widmen zu können. In einer Übersichtsarbeit über die vergangenen 25 Jahre seit Bestehen des Fachgebietes der Gastroenterologie konnte Boas 1911 darauf verweisen, dass die neue Disziplin zahlreiche und grundlegende Fortschritte gemacht hatte. So waren allein in Deutschland im Jahr 1910 bereits 214 Ärzte als Fachärzte für Magen- und Darmkrankheiten niedergelassen und international gab es bereits mehrere gastroenterologische Fachgesellschaften und Zeitschriften. 1924 wurde schließlich auf dem 43. Deutschen Ärztetag die formelle Einführung eines "Facharztes für Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten" beschlossen. Voraussetzung für den Erhalt sollte eine mindestens dreijährige praktische Ausbildung sein. Archiv für Verdauungs-Krankheiten. Um eine weitere Verbreitung seiner Idee zu fördern und um eine wissenschaftliche Plattform für den Magen-Darm-Spezialismus zu schaffen, begründete Boas 1895 die Zeitschrift „Archiv für Verdauungs-Krankheiten mit Einschluss der Stoffwechselpathologie und Diätetik“. Er lud alle Fachleute und Spezialisten des Gebietes zur Mitarbeit ein und konnte Wilhelm Fleiner, Josef von Mering, Carl von Noorden, Leopold Oser, Franz Penzoldt, Franz Riegel, Samuel Sigmund Rosenstein, Julius Schreiber und Berthold Stiller gewinnen. Zu seinem Leidwesen sagten Carl Anton Ewald, Adolf Kußmaul und Wilhelm von Leube ihm jedoch ab. Ewald revidierte später in seiner Eröffnungsansprache als Präsident der Ersten Tagung über Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten in Bad Homburg seine Meinung: In den folgenden Jahren gewann Boas weitere renommierte Verdauungsspezialisten wie Iwan Petrowitsch Pawlow, Oskar Minkowski, Max Einhorn (1862–1953), John C. Hemmeter, Hermann Nothnagel, Hermann Strauß, Adolf Schmidt, A. Mathieu, K. Faber und Friedrich Martius als Autoren für das Archiv. Die Zeitschrift konnte sich als zentrales Publikationsorgan für das Gebiet der Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten etablieren. Zwischenzeitlich war in Europa die Bezeichnung als "Boas’ Archiv" üblich. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten wurde Boas 1934 gezwungen, die Leitung des Archivs an Paul Morawitz abzugeben. Dieser würdigte Boas bisherige Tätigkeit und hob die Schwierigkeiten, die dieser auf seinem Weg hatte überwinden müssen, besonders hervor. Die Zeitschrift wurde zwischen 1939 und 1967 unter dem Namen „Gastroenterologia, International Review of Gastroenterology“ herausgegeben. Seit 1967 trägt sie den Namen „Digestion, International Journal of Gastroenterology“. Gründung der Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Nachdem bereits 1898 in den Vereinigten Staaten die "American Gastroenterological Association" gegründet worden war, folgten die Gründung der Japanischen Gesellschaft für Gastroenterologie und als erste in Europa die Polnische Gastroenterologische Gesellschaft 1909. Boas plante schon längere Zeit, einen Kongress zu gastroenterologischen Themen zu veranstalten. 1913 schließlich gründete er zusammen mit Carl Anton Ewald, Adolf Schmidt, Hugo Starck und Curt Pariser die "Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten" zur Vorbereitung auf einen solchen Kongress. Die Gesellschaft sollte bewusst international agieren. Gemeinsam wurde 1914 mit großem internationalen Echo die „Erste Tagung ueber Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten“ in Bad Homburg vor der Höhe durchgeführt. Bedingt durch den Ersten Weltkrieg konnte die zweite Tagung erst 1920 stattfinden. Erst auf dem fünften Kongress in Wien 1925 erfolgte die formale Gründung der Gesellschaft mit Satzung und Geschäftsordnung. Die Gesellschaft gewann laufend neue Mitglieder, so gehörten ihr 1925 150 Mitglieder an, 1930 waren es bereits 472. 1938 wurde auf dem 14. Kongress der Name in "„Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten“" geändert. Seit 2014 trägt sie den Namen "„Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten“". Wissenschaftliches Werk. Forschungen über den Magensaft. Boas forschte sehr intensiv über die Beschaffenheit des Magensaftes. So galt der Nachweis von Milchsäure im Magensaft als spezifisch für das pylorusnahe Magenkarzinom. Boas konnte zeigen, dass Milchsäure nur bei den Patienten auftrat, die eine Stauung von Mageninhalt aufgrund einer Pylorusstenose hatten. Allerdings war auch Milchsäure nachweisbar, wenn diese Stenose nicht durch ein Karzinom bedingt war. Im Rahmen dieser Arbeiten entdeckte Boas mit seinem Schüler Oppler auch die sogenannten Boas-Opplerschen Stäbchen "(Lactobacillus acidophilus)" Bei seinen Untersuchungen fiel Boas auf, dass es möglich war, durch Preßbewegungen Darmsaft aus dem Duodenum in den Magen zu befördern und dort für Untersuchungen zu gewinnen. Er entwickelte eine Methode, die eine Auswaschung des Magensaftes mittels Sodalösung und anschließende Massage der Lebergegend zur Beförderung von Darmsaft in den Magen vorsah. Mit dieser Methode konnte er nachweisen, dass der Darmsaft im Gegensatz zum Magensaft alkalisch ist und Enzyme zur Spaltung von Stärke und Fetten enthält. Boas’ Methode wurde obsolet, als Max Einhorn 1910 eine Duodenalsonde entwickelte, mit der der Zwölffingerdarm direkt sondiert werden konnte. Boas-Druckpunkt. Boas beschrieb die bereits 1852 von Jean Cruveilhier als "Points rachidiens" bezeichneten Schmerzpunkte, und lokalisierte sie anatomisch sehr präzise links am Rücken neben dem 10. bis 12. Brustwirbelkörper. Ein Druckschmerz an diesem Punkt ist ein Hinweis auf ein Magengeschwür des Patienten. Die Untersuchung des Boas-Druckpunktes wird auch in der Tiermedizin beschrieben. Um die Schmerzintensität an unterschiedlichen Schmerzpunkten exakt zu messen zu können, entwickelte Boas ein eigenes Algesimeter. Damit konnte er die Druckstärke an unterschiedlichen Stellen messen und so Untersuchungsergebnisse objektivierbar und vergleichbar machen. Einführung des Begriffs der Colitis ulcerosa. 1903 berichtete Boas über einen Fall von chronischer Dysenterie. Die Patientin beklagte anhaltende blutig-eitrige Durchfälle, ohne dass die Untersuchung des Stuhls einen Anhaltspunkt für die Ursache erbracht hätte. Aufgrund der ulcerösen Veränderungen der Darmwand bezeichnete er das Krankheitsbild als Colitis ulcerosa und berichtete über eine erfolgreiche chirurgische Sanierung durch vorübergehende Anlage eines künstlichen Darmausganges. Die Erstbeschreibung des Krankheitsbildes war bereits 1875 durch Samuel Wilks und Walter Moxon erfolgt. Entdeckung der okkulten Blutungen. Boas schrieb 1901 über den Nachweis verborgenen Blutes in Stuhl und Mageninhalt und führte den Begriff der "okkulten Blutung" ein. Er erkannte erstmals die diagnostische Bedeutung der Blutungen und die Wichtigkeit der frühzeitigen Entdeckung für die Therapie bei Magen- und Darmkarzinomen. Der schon zuvor bekannte Nachweis mittels Guajak-Test wurde durch ihn populär gemacht und war eine erste Form des Screening auf Magen-Darmkrebs. 1914 widmete er dem Thema eine eigene Monografie. Mahnung zur Wissenschaftlichkeit. Boas war ein Verfechter der wissenschaftlich fundierten Medizin. So schrieb er in der Einleitung zu seiner ersten Buch: Boas forderte bereits 1909 „therapeutische Zentralinstitute“, die die Wirksamkeit von Arzneimitteln überprüfen sollten, sowie einen Deklarationszwang für Inhaltsstoffe von Arzneimitteln. 1930 prägte er den Begriff der "„wissenschaftlich exakten Therapeutik“" und mahnte zu einer umfassenden Ausbildung angehender Mediziner in Therapie und Therapieplanung: Boas kritisierte die übermäßige Reklame für Arzneimittel mit ungewisser Wirkung sowie eine unkritische Haltung von Ärzten zu Untersuchungsergebnissen und Therapieempfehlungen. Er gehört somit zu den ersten Verfechtern der Evidenzbasierten Medizin. Besonders deutlich wird Boas’ Haltung zur Wissenschaftlichkeit anhand seiner Arbeiten zur Diätetik von Verdauungskrankheiten. Boas warb für eine undogmatische Therapie aufgrund von wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen und resümierte 1931: Privatleben. Familie. Boas heiratete 1889 Sophie Asch (* 6. Dezember 1868). Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. In Berlin lebte die Familie jahrzehntelang im eigenen Haus am Alexanderufer 6, wo Sophie Boas regelmäßig musikalische und literarische Soiréen veranstaltete, zu der sich die Spitze des Berliner Kulturlebens traf. Boas’ Arbeit nahm einen großen Raum in seinem Leben ein, und so wurden diese Abende für ihn zu einem wichtigen Ereignis der Ruhe und Erholung. Boas pflegte einen intensiven Kontakt zu seinen in Berlin lebenden Brüdern, insbesondere zu seinem jüngsten Bruder Max. Nach Aussagen von Boas’ Neffen Ernest wurde er in der Familie stets Onkel Professor genannt und galt unangefochten als Familienoberhaupt. Er war ein großer Kunstsammler und Musikliebhaber. Ernest charakterisierte Sophie Boas als willensstarke Frau, die sich sehr für die französische Kultur und das Pariser Leben interessierte. Boas galt als freundlich und bemühte sich, jedem mit Rat und Tat zu helfen: Exil und Tod. Die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten stellte für Boas, wie für viele andere auch, eine schwere Zäsur seines Wirkens dar. So musste er deutlich erschwerte Arbeitsbedingungen für seine Praxis hinnehmen und wurde 1934 gezwungen, die Schriftleitung des "Archivs für Verdauungskrankheiten" abzugeben. In einem Brief an seinen 1933 nach Palästina ausgewanderten Freund und Kollegen Hermann Steinitz klagt Boas 1935: Im Sommer 1936 emigrierten Boas und seine Frau mit Hilfe eines aus den Vereinigten Staaten gewährten Stipendiums nach Wien. Bei diesem Schritt wurden sie von Boas’ ehemaligem Schüler Walter Zweig unterstützt, der für Boas auch Kontakte knüpfte, um ihm die weitere Arbeit an seinen Forschungsprojekten zu ermöglichen. Hier forschte er unter großen Schwierigkeiten zunächst weiter an Methoden zum Nachweis von Porphyrinen. Nach dem Anschluss Österreichs durch die Nationalsozialisten im März 1938 nahm sich Boas am 15. März durch eine Überdosis Veronal das Leben. Seine Asche wurde am 13. Mai 1938 auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee im Familiengrab seiner Schwiegereltern bestattet. Max Einhorn würdigte Boas in seinem Nachruf im Archiv für Verdauungskrankheiten als „für die Medizin unsterblich“: Boas selbst zog bereits 1928 ein Resümee seines Lebenswerkes: Verbleib der Familie. Boas’ Sohn Kurt studierte ebenfalls Medizin und ließ sich nach dem Ersten Weltkrieg, an dem er als Frontarzt teilnahm, als Dermatologe in Crimmitschau nieder. Er wurde im April 1935 nach einer Denunziation von den Nationalsozialisten in "Schutzhaft" genommen und war bis zum Dezember 1936 im KZ Sachsenburg inhaftiert. Nach Aussagen von Boas’ Neffen Ernest emigrierte Kurt nach Südamerika, wo sich seine Spur verliert. Zu berücksichtigen ist hierbei jedoch, dass Ernest bereits 1934 nach Brasilien emigrierte und keinen weiteren Kontakt mit der Familie hatte. Seit dem 9. November 2021 erinnert eine Gedenktafel am Haus seiner früheren Praxis in Crimmitschau an Dr. Kurt Ferdinand Boas. Die Tochter Claire emigrierte 1939 mit ihrem zweiten Ehemann Kurt Schneider in die Vereinigten Staaten, wo sie in New York als Kunstrestauratorin arbeitete und 1959 kinderlos verstarb. Sophie Boas emigrierte 1938 nach Holland, von wo aus sie in das Vernichtungslager Sobibor gebracht und 1943 ermordet wurde. Ismar Boas hatte keine weiteren Nachkommen. Die Schauspieler Ilse und Curt Bois waren die Kinder von Boas’ jüngerem Bruder David. Würdigungen. Rezeption. Boas geriet zunächst in Vergessenheit. So wurde der im März Verstorbene beispielsweise auf dem 14. Kongress der Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten im September 1938 nicht erwähnt. Auch nach der Zeit des Nationalsozialismus fanden Boas und sein Werk zunächst kaum Beachtung. Erst zu Boas’ 100. Geburtstag erinnerten Julius Kleeberg und Harold Avery an den Vergessenen. Leonard Hoenig und James Boyle machten Ernest Boas ausfindig, der mittlerweile in der Schweiz lebte, und interviewten ihn für ihren Artikel zum 50. Todesjahr von Ismar Boas. Sie beklagten die mangelnde Bekanntheit von Ismar Boas, die in keinem Verhältnis zu seinen Leistungen stünde. Der Arzt von Wien. Franz Werfel nahm Boas als Vorlage für seine Novelle „Der Arzt von Wien“. Im Mittelpunkt steht hier ein fiktiver Dialog zwischen dem Arzt und Hermann Nothnagel über Antisemitismus. Werfel zeichnete hier den inneren Konflikt des von den Nationalsozialisten bedrohten und verzweifelnden jüdischen Arztes, der vor den Trümmern seines Lebenswerks steht und im Gespräch mit Nothnagel in Form von dessen im Regal stehenden Büste auf seine Fragen nur Allgemeinplätze zu hören bekommt. Zentral ist unter anderem der Satz "„Nur ein guter Mensch kann ein guter Arzt sein“", den Hermann Nothnagel tatsächlich so bei seiner Antrittsrede als Ordinarius in Wien 1882 gesagt hatte. Diesen inzwischen zu einem geflügelten Wort gewordene Satz hatte Boas 1905 bei seinem Nachruf auf den plötzlich verstorbenen Nothnagel ebenfalls verwendet. Am Ende von Werfels Erzählung fragt der Arzt: "„Der Haß… Warum dieser Haß?…“" während im Hintergrund "„Sieg-Heil“"-Rufe zu hören sind und setzt mit den Worten "„Da kann ja kein Mensch mehr ein guter Arzt sein…“" die Giftnadel an seinen Arm. Ehrungen. 1937 würdigte das Lennox Hill Hospital in New York Boas, Ewald und Kußmaul mit einem Relief über dem Eingang zum Max Einhorn Auditorium in seinem Memorial Building. Auf Bitten von Max Einhorn schickte man Boas ein Gratulationsschreiben mit Fotografien vom Eingang des Auditoriums. 1991 wurde am Rathaus von Kcynia (ehemals Exin) eine Gedenktafel zu Ehren von Ismar Boas angebracht. 1992 brachte die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) eine Ehrentafel an der Charité an. Diese musste im Jahr 2000 bei Umbauarbeiten entfernt werden und wurde 2013 erneut angebracht. Die Gesellschaft für Gastroenterologie der DDR vergab von 1978 bis 1989 die Ismar-Boas-Medaille als Ehrung für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Viszeralmedizin. Seit 1990 wird diese Ehrung von der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten vergeben. Darüber hinaus verleiht die DGVS seit 1977 den Ismar-Boas-Preis als Dissertationspreis für die besten eingereichten Dissertationen auf dem Gebiet der Gastroenterologie, einmal als Grundlagenpreis und einmal als Klinischen Preis. 2004 änderte die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten ihr Logo, welches seitdem die Porträts von Boas und Carl Anton Ewald enthält.
Die evangelische Dorfkirche Möringen ist eine spätromanische Feldsteinkirche im Ortsteil Möringen der Stadt Stendal in Sachsen-Anhalt. Sie gehört zur Kirchengemeinde Möringen im Kirchenkreis Stendal der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und ist eine offene Kirche. Geschichte und Architektur. Die Kirche St. Leonhard Groß Möringen ist eine in seltener Stilreinheit erhaltene vollständige Anlage einer romanischen Dorfkirche, deren Dachstuhl dendrochronologisch auf 1171 datiert wurde. Sie wurde 1201 erstmals urkundlich erwähnt und war bis ins 16. Jahrhundert Wallfahrtskirche. Am Anfang des 18. Jahrhunderts fand eine Renovierung statt, dabei wurden einige Fenster vergrößert. In den Jahren 1934/35 erfolgte eine umfassende Restaurierung, wobei der ursprüngliche Zustand der Fenster rekonstruiert und eine Dachdeckung mit Mönch-Nonne-Ziegeln sowie eine Neuordnung der Inneneinrichtung vorgenommen wurde. Instandsetzungen erfolgten 1973 am Äußeren und 1982 im Inneren. Die Kirche ist ein sorgfältig ausgeführter Feldsteinbau aus Schiff, eingezogenem quadratischem Chor, Apsis und Westquerturm, der mit Walmdach abgeschlossen ist. Das mit einem längsgerichteten Tonnengewölbe abgeschlossene Turmuntergeschoss mit enormen Mauerstärken von 4,12 Metern wurde ursprünglich als Vorhalle genutzt; das rundbogige Westportal ist jedoch heute vermauert. Das Obergeschoss war über eine heute vermauerte Bogenöffnung zum Schiff geöffnet und besitzt eine Fensteröffnung nach Süden. Der Zugang vom Schiff erfolgte vermutlich über eine hölzerne Treppe, davon erhalten ist eine Tür mit Verriegelungsbalken. Daher wird die Kirche als „Fluchtkirche“ betrachtet. Im Glockengeschoss sind rundbogige Schallöffnungen vorhanden, deren südliche noch eine Backsteinsäule mit Würfelkapitell besitzt. Ein wohlgestaltetes abgetrepptes Südportal zum Schiff hat einen mächtigen halbrunden Schlussstein. Die Rundbogenfenster entsprechen dem ursprünglichen Zustand. An der Südseite wurde vor die Priesterpforte im 15. Jahrhundert eine rechteckige Vorhalle mit Fialen und einem Blendengiebel aus Backstein angebaut. Die Brettertür mit schmiedeeisernen Beschlägen entstammt dem 13. Jahrhundert. Das Innere ist mit einer Holzbalkendecke abgeschlossen, deren Balken mit ornamentaler Grisaillemalerei vermutlich nach Befund aus der Barockzeit bemalt wurden. Die romanischen Kämpfergesimse sind am Triumphbogen und am abgetreppten Apsisbogen erhalten. In der Apsis und am Triumphbogen wurde eine Ausmalung im Stil der Zeit um 1935 ausgeführt. Ausstattung. Der heutige Altar mit Christus am Kreuz wurde 1894 von Holzbildhauer Gustav Kuntzsch, Wernigerode, geschaffen. Vom ehemaligen Kanzelaltar von 1708 stammen die schlichte hölzerne Kanzel mit geschnitzten Ranken zwischen den Feldern des polygonalen Korbs und von Akanthuslaub umrankten Wappen am Schalldeckel sowie das Abendmahlsgemälde an der Chornordwand und der Aufsatz mit Lamm Gottes an der Südwand. Die voluminöse Sandsteintaufe in achteckiger Kelchform entstammt der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Zwei reizvolle Reliefs mit der Anbetung und der Darbringung im Tempel an der Nordwand des Schiffes stammen von einem Schnitzaltar aus der Zeit um 1460/70. Die Orgel ist ein Werk der Firma Dinse aus dem Jahr 1876. In der südlichen Vorhalle sind einige Grabsteine von ehemaligen Patronatsfamilien aus dem 15. bis 18. Jahrhundert zu finden. Der älteste Grabstein wurde für Mette Leyden († 1439) gesetzt und zeigt die Verstorbene in Ritzzeichnung mit Kielbogenrahmen und Inschrift. Der Grabstein des Joachim von Mestorp († 1586) ist mit einer Relieffigur versehen. Der Grabstein seiner Ehefrau vom Ende des 16. Jahrhunderts ist ebenfalls mit einer Ganzfigur in Relief ausgestattet. Der Grabstein des Hans von Mesdorf († 1602) ist ebenfalls vorhanden. Barocke Grabsteine für Hoyer von Reinhart († 1709), Dorthea Bergia († 1724) und Friedrich Hoyer von Reinhart († 1700) sind schließlich zu erwähnen. Von mehreren Bronzeglocken ist eine in der Zeit um 1200 entstanden. Die Feldsteinmauer des Kirchhofs ist noch teilweise erhalten; an der Südwestseite ist ein Backsteinportal vom Anfang des 16. Jahrhunderts auf Feldsteine aufgesetzt.

Dataset Card for "wikitext_de_document_level_v01"

More Information needed

Downloads last month
34
Edit dataset card