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Zugshunstit-(Ce) ist ein sehr selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Organischen Verbindungen“. Es kristallisiert im monoklinen Kristallsystem mit der chemischen Formel (Ce,Nd,La)Al(SO4)2(C2O4)·12H2O, ist also chemisch gesehen ein kristallwasserhaltiges Cer-Aluminium-Sulfat-Oxalat. Zugshunstit-(Ce) von der Typlokalität bildet isometrische bis blockige, leicht parallel [100] gestreckte Kristalle bis fast 2 mm Größe mit einer sehr charakteristischen Morphologie, ferner subparallele Aggregate bis 2 mm Durchmesser. Das Mineral stammt vom „Alum Cave Bluff“, einer als Touristenattraktion bekannten Lokalität im Great Smoky Mountains National Park, Tennessee, wo es bei der Verwitterung eines pyrithaltigen Phyllits entsteht. Der Name kann mit „Alaunhöhlensteilklippe“ übersetzt werden, jedoch gibt es hier keine Höhle, sondern lediglich die genannte, ca. 30 m hohe Steilklippe, die einen 10 m tiefen Überhang bildet, in deren Schutz die hier gebildeten wasserlöslichen Sulfat- und Oxalatminerale erhalten bleiben. Etymologie und Geschichte. Im Jahre 1981 begann T. Dennis Coskren aus Columbia/Maryland mit der Untersuchung einer ungewöhnlichen Mineralisation an der „Alum Cave Bluff“. Diese Untersuchungen führten zur Identifizierung einer Vielzahl ungewöhnlicher, für ein Verdunstungsmilieu typischer Minerale. Einige Phasen konnten anfänglich allerdings nicht charakterisiert werden und wurden zur Identifizierung in das Mineralogische Labor an der University of Michigan gegeben, wo sich herausstellte, dass es sich bei drei dieser Phasen um seltenmetall- und Sulfat-haltige Oxalate handelt. Alle drei wurden nach der Einreichung bei der International Mineralogical Association (IMA) anerkannt, so auch das unter der Nummer IMA 1996-055 bestätigte Mineral, welches im Jahre 2001 von einem US-amerikanischen Forscherteam mit Roland C. Rouse, Donald R. Peacor, Eric J. Essene, T. Dennis Coskren und Robert J. Lauf im amerikanischen Wissenschaftsmagazin „Geochimica et Cosmochimica Acta“ als Zugshunstit-(Ce) beschrieben wurde. Benannt wurde das Mineral nach der Bezeichnung der Cherokee-Indianer für die zu den Appalachen gehörenden Great Smoky Mountains, die etwa als „Tsu-g-shv-sdi“ wiedergegeben werden kann. Der Levinson Modifier [das Suffix „-(Ce)“] weist auf das dominierende Seltenerdmetall (hier: Cer) hin, wie es die Richtlinien der IMA bei der Namensgebung von seltenmetallhaltigen Mineralen verlangen. Das Typmaterial für Zugshunstit-(Ce) wird an der University of Michigan, Ann Arbor/Michigan, und im zur Smithsonian Institution gehörenden National Museum of Natural History, Washington, D.C., aufbewahrt. Klassifikation. In der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Zugshunstit-(Ce) zur Mineralklasse der „Organischen Verbindungen“ und dort zur Abteilung der „Salze organischer Säuren“, wo er zusammen mit Caoxit, Coskrenit-(Ce), Glushinskit, Humboldtin, Levinsonit-(Y), Lindbergit, Minguzzit, Moolooit, Natroxalat, Novgorodovait, Oxammit, Stepanovit, Weddellit, Wheatleyit, Whewellit und Zhemchuzhnikovit die eigenständige „Gruppe der Oxalate“ mit der System-Nr. "IX/A.01" bildete. Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz'schen Mineralsystematik ordnet den Zugshunstit-(Ce) ebenfalls in die Klasse der „Organischen Verbindungen“ und dort in die Abteilung der „Salze von organischen Säuren“ ein. Diese Abteilung ist allerdings weiter unterteilt nach der Art der salzbildenden Säure, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Oxalate“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe "10.AB. 75" bildet. Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Zugshunstit-(Ce) in die Klasse der „Organische Minerale“ und dort in die gleichnamige Abteilung ein. Hier ist er mit Coskrenit-(Ce) und Levinsonit-(Y) in der nach im benannten „Zugshunstitgruppe“ mit der System-Nr. "50.01.09" innerhalb der Unterabteilung „Salze organischer Säuren (Oxalate)“ zu finden. Chemismus. Mittelwerte aus Mikrosondenanalysen an Zugshunstit-(Ce) von der „Alum Cave Bluff“ führten zu Gehalten von 2,16 % La2O3, 13,17 % Ce2O3, 1,68 % Pr2O3, 6,50 % Nd2O3, 0,80 % Sm2O3, 0,27 % Eu2O3, 0,14 % Gd2O3, 6,92 % Al2O3, 1,11 % Fe2O3, 0,04 % CaO, 24,01 % SO3, [10,80] % C2O3 und [32,41] % H2O (die beiden letzten wurden aus der Stöchiometrie berechnet). Daraus ergab sich die empirische Formel (Ce0,54Nd0,26La0,09Pr0,07Sm0,03Eu0,01Gd0,01)Σ=1,01Al1,00(SO4)2,00(C2,00O4)·12,00H2O, die zu (Ce,Nd,La)Al(SO4)2(C2O4)·12H2O vereinfacht wurde. Zugshunstit-(Ce) ist das cerdominante Analogon zum yttriumdominierten Levinsonit-(Y), die beide in der „Alum Cave Bluff“ nebeneinander auftreten. Die Metalle der Seltenen Erden weisen eine starke Fraktionierung zwischen diesen beiden Mineralen auf. Die leichten Seltenerdmetalle (englisch: „Light Rare Earth Elements“, LREE) Cer und Praseodym sind im Zugshunstit-(Ce) konzentriert, Neodym ist gleichermaßen in beiden Oxalaten enthalten, während Yttrium und die mittleren bis schweren Seltenerdmetalle („Medium Rare Earth Elements“ und „Heavy Rare Earth Elements“, MREE und HREE) Samarium, Europium, Gadolinium, Dysprosium und Erbium an Levinsonit-(Y) gebunden sind. Kristallstruktur. Zugshunstit-(Ce) kristallisiert monoklin in der mit den Gitterparametern "a" = 8,718 Å; "b" = 18,313 Å; "c" = 13,128 Å und β = 93,90° sowie vier Formeleinheit pro Elementarzelle. Die Struktur des Zugshunstit-(Ce) basiert auf einem Grundbaustein, nämlich Ketten von miteinander alternierenden REE-Polyedern und Oxalat-Gruppen, wobei eine Oxalat-Gruppe gemeinsame Kanten mit den benachbarten Polyedern aufweist. Der Grundbaustein wird durch zwei Sulfat-Tetraeder komplettiert, von denen jedes eine gemeinsame Ecke mit dem REE-Polyeder besitzt. Das REE-Polyeder im Zugshunstit-(Ce) ist ein [9]fach koordiniertes, d. h. mit neun Liganden versehenes überkrontes Antiprisma mit quadratischem Querschnitt, das den Polyedern in Monazit ähnelt. Der zusätzliche Ligand an der Spitze des Antiprismas, ein Wassermolekül, führt zu Verschiebungen der Ketten, isolierten Wassermoleküle und isolierten Al(H2O)6-Oktaeder im Vergleich zu deren Positionen in der sehr ähnlichen Struktur des Levinsonit-(Y). Die Al-Oktaeder besitzen ungewöhnlicherweise nur H2O-Liganden, und keines von ihnen ist mit einem anderen Polyeder der Struktur verbunden. Es handelt sich also um isolierte Einheiten, die mit den Grundbausteinen nur über Wasserstoffbrückenbindungen verknüpft sind. Eigenschaften. Morphologie. Zugshunstit-(Ce) bildet idiomorphe, typisch isometrische bis blockige Kristalle bis zu fast 2 mm Größe, die hinsichtlich Kristalltracht und Kristallhabitus an blockige Feldspatkristalle erinnern. Die Kristalle sind leicht parallel nach der a-Achse [100] gestreckt und zeigen das Prisma {012} als tragende Form. Untergeordnet entwickelt sind das Pinakoid {010} und das Prisma {111}. Häufig treten die Kristalle zu subparallel aggregierten Gebilden zusammen. Physikalische und chemische Eigenschaften. Zugshunstit-(Ce)-Kristalle zeigen – wie Coskrenit-(Ce), nur etwas weniger intensiv – alexandritartige Farbeffekte mit blass blaugrauer Färbung im fluoreszierenden Licht der Leuchtstoffröhren und weißer Farbe im Glühlampenlicht, die auf die Gehalte an Cer zurückzuführen sind. Im Sonnenlicht sind die Kristalle farblos. Ihre Strichfarbe wird als farblos angegeben. Da die Strichfarbe der Pulverfarbe entspricht und das Mineralpulver nicht farblos ein kann, dürfte die Farbe des Strichs am besten mit weiß beschrieben sein. Die Oberflächen der glasklar-durchsichtig Kristalle zeigen einen deutlichen glasartigen Glanz. Das Mineral zeigt unvollkommene Spaltbarkeit nach {010}, bricht aber aufgrund seiner Sprödigkeit ähnlich wie Amblygonit, wobei die Bruchflächen uneben ausgebildet sind. Aufgrund der geringen Kristallgröße ließen sich weder seine Mohshärte noch die Vickershärte ermitteln. Gemessene Werte für die Dichte des Zugshunstit-(Ce) existieren nicht, die berechnete Dichte für das Mineral beträgt 2,121 g/cm³. Zugshunstit-(Ce) ist in Wasser leicht und rückstandsfrei löslich. Bildung und Fundorte. Als sehr seltene Mineralbildung konnte Zugshunstit-(Ce) bisher (Stand 2016) nur von einem Fundpunkt beschrieben werden. Seine Typlokalität ist die Gesteinsklippe der „Alum Cave Bluff“ im Great-Smoky-Mountains-Nationalpark, Sevier County, Tennessee, Vereinigte Staaten. Begleitminerale sind Levinsonit-(Y), Coskrenit-(Ce), Epsomit und das „Haarsalz“ Halotrichit, wobei der Zugshunstit-(Ce) entweder in Epsomit und/oder Halotrichit eingebettet auftritt oder freistehende Kristalle in Hohlräumen in diesen Mineralen bildet. Zugshunstit-(Ce) ist eine typische Sekundärbildung, die in den Böden der „Alum Cave Bluff“ auftritt. Der Name der Lokalität ist irreführend, da es sich nicht um eine Höhle, sondern um eine steile, überhängende Gesteinsklippe handelt. Das Kliff und das umgebende anstehende Gestein sind Teil der präkambrischen Anakeesta-Formation, einem Metapelit mit der Textur eines Phyllits, dessen Hauptminerale Muskovit, Biotit, Chlorit, Quarz und Pyrit sind. Dieses Gebiet ist mit Niederschlagsmengen von 2000 mm pro Jahr außerordentlich niederschlagsreich. Die resultierende Verwitterung des am Kliff anstehenden Gesteins beinhaltet auch die Oxidation des Pyrits und die Auflösung der hauptsächlichen gesteinsbildenden Silikate. Dies führt wiederum zu sulfatreichen Lösungen mit niedrigen pH-Werten, die reich an Elementen aus den aufgelösten Silikaten wie Eisen, Magnesium, Aluminium, Kalium, Natrium, Calcium und Mangan sind. Die Seltenerdmetall stammen wahrscheinlich aus alterierten Phasen wie Monazit und Xenotim. Wenn diese Lösungen die Wände des Kliffs heruntertropfen, gelangen sie unter die geneigte Oberfläche des Gesteinsüberhanges, wo eine teilweise Verdunstung zur Fällung von Sulfaten, insbesondere von denen des Eisens, führt. Der größte Teil des Wassers läuft dann weiter auf den Boden an der Basis des Kliffs, wo die vollständige Verdunstung die Entstehung einer großen Mineralvielfalt mit hauptsächlich hydrierten und/oder hydratisierten Sulfaten bewirkt. Diese Ausfällungen bestehen hauptsächlich aus Epsomit und Vertretern der Haarsalz-Familie, unter denen Apjohnit das am weitesten verbreitete Mineral ist. Verwendung. Zugshunstit-(Ce) ist aufgrund seiner Seltenheit lediglich für Mineralsammler interessant.
Hans Josef Maria Globke (* 10. September 1898 in Düsseldorf; † 13. Februar 1973 in Bonn) war ein deutscher Verwaltungsjurist im preußischen und im Reichsinnenministerium, Mitverfasser und Kommentator der Nürnberger Rassengesetze und verantwortlicher Ministerialbeamter für die judenfeindliche Namensänderungsverordnung in der Zeit des Nationalsozialismus sowie von 1953 bis 1963 Chef des Bundeskanzleramts unter Bundeskanzler Konrad Adenauer. Globke ist das prominenteste Beispiel für die Kontinuität der Verwaltungseliten vom „Dritten Reich“ zur frühen Bundesrepublik Deutschland. In der Adenauer-Ära war er als „graue Eminenz“ und engster Vertrauter des Kanzlers verantwortlich für Personalpolitik, Kabinettsarbeit, die Einrichtung und Kontrolle von BND und Verfassungsschutz sowie für Fragen der CDU-Parteiführung. Zu seinen Lebzeiten wurde sein Einsatz für die nationalsozialistische Diktatur nur teilweise bekannt. Im In- und Ausland wurde er deshalb immer wieder scharf angegriffen, von der Bundesregierung, dem BND und der CIA aber jedes Mal geschützt. Leben. Herkunft und Studium (1898 bis 1929). Globke wurde 1898 als Sohn eines Tuchgroßhändlers in Düsseldorf geboren. Die Familie zog kurz nach der Geburt von Hans Globke nach Aachen. Nach dem Abitur am Kaiser-Karls-Gymnasium am 15. November 1916 trat er in den Kriegsdienst ein und diente bis zum Ende des Krieges im Feldartillerie-Regiment 56 an der Westfront. Unmittelbar nach Kriegsende studierte Globke von 1919 bis 1921 Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten von Bonn und Köln. Am 21. Mai 1921 bestand er die 1. juristische Prüfung. Er war Mitglied der katholischen Studentenverbindung Bavaria Bonn. Globke promovierte im Mai 1922 an der Universität Gießen über "Die Immunität der Mitglieder des Reichstages und der Landtage". 1922 trat er als praktizierender Katholik der Zentrumspartei bei, der er bis zu deren Auflösung im Juli 1933 angehörte. Globke wurde im April 1924 Gerichtsassessor. Ab dem 4. Mai 1925 arbeitete er bei der Polizeiverwaltung Aachen; am 1. März 1925 wurde er zum preußischen Regierungsassessor (Beamter auf Lebenszeit) ernannt und damit in die innere Staatsverwaltung übernommen. Beginn der Karriere als Ministerialbeamter (1929 bis 1933). Globke wurde am 29. November 1929 Regierungsrat im preußischen Innenministerium. Dort bearbeitete er unter anderem die Themengebiete Standesämter, Namensänderungen, Saarfragen, Entmilitarisierung des Rheinlandes und Folgen des Friedensvertrages von Versailles. Im November 1932 entstanden unter Globkes Federführung zunächst eine Verordnung und ein Runderlass des preußischen Innenministeriums zum Namensrecht und im Dezember die dazugehörigen Ausführungsrichtlinien. Sie sollten es Juden unmöglich machen, einen als jüdisch geltenden Familiennamen abzulegen. Diese Ungleichbehandlung der Juden bereits in der Endphase der Weimarer Republik, an der Globke maßgeblich mitwirkte, gilt in der Forschung und in der früheren Rechtsprechung der DDR als Vorstufe zu den namensrechtlichen Diskriminierungen in der Zeit des Nationalsozialismus und als Anzeichen von Globkes tendenziellem Antisemitismus. Globkes Tätigkeit in der Zeit des Nationalsozialismus (1933 bis 1945). Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten Anfang 1933 war Globke an der Ausarbeitung einer Reihe von Gesetzen beteiligt, die auf die Gleichschaltung der Rechtsordnung Preußens mit dem Reich abzielten. Am 1. Dezember 1933 wurde er zum Oberregierungsrat ernannt. Globke äußerte später, diese Beförderung sei zuvor wegen seiner im Ministerium bekannten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des sogenannten Preußenschlags von 1932 zeitweilig zurückgestellt worden. Nach der Vereinigung des Preußischen Innenministeriums mit dem Reichsinnenministerium wurde Globke ab 1. November 1934 als Referent in das neu gebildete Reichs- und Preußische Ministerium des Innern unter Minister Wilhelm Frick übernommen, wo er bis 1945 tätig war. Im Juli 1938 erfolgte letztmals in der NS-Zeit eine Beförderung Globkes, diesmal zum Ministerialrat. 1934 heiratete er Augusta Vaillant. Das Ehepaar hatte zwei Söhne und eine Tochter. Maßnahmen zur Ausgrenzung und Verfolgung von Juden. In seiner Tätigkeit ab 1934 war Globke weiterhin hauptsächlich für Namensänderungen und Personenstandsfragen verantwortlich; ab 1937 kam der Aufgabenbereich "Internationale Fragen auf dem Gebiet des Staatsangehörigkeitswesens und Optionsverträge" hinzu. Als Korreferent beschäftigte er sich auch mit „Allgemeinen Rassefragen“, „Ein- und Auswanderungen“ und Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem antisemitischen „Blutschutzgesetz“. Globkes Wirken umschloss auch die Erarbeitung von Vorlagen und Entwürfen für Gesetze und Verordnungen. In diesem Zusammenhang war er führend beteiligt an der Vorbereitung der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935, dem Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes vom 18. Oktober 1935 und dem Personenstandsgesetz (3. November 1937). Das „J“, das in Pässe von Juden eingeprägt wurde, hat Globke mit konzipiert. In Globkes Verantwortung fiel die Vorbereitung von Gesetzeskommentaren und -erläuterungen für seine Aufgabengebiete. 1936 gab er gemeinsam mit seinem Vorgesetzten, Staatssekretär Wilhelm Stuckart, den ersten Kommentar zu den Nürnberger Gesetzen und deren Ausführungsverordnungen heraus. Dieser erwies sich als besonders einflussreich für die Auslegung der Nürnberger Gesetze, weil ihm ein offiziöser Charakter beigemessen wurde. Ursprünglich sollte Globke nur die eherechtlichen Fragen kommentieren. Den restlichen Teil wollte Stuckart selbst übernehmen, erkrankte jedoch für längere Zeit, so dass Globke den Kommentar Stuckart/Globke schließlich allein verfasste. Stuckart schrieb dann lediglich die umfangreiche Einleitung. Globkes spätere Verteidiger verwiesen in diesem Zusammenhang darauf, dass er nicht für die rassistische Wortwahl Stuckarts verantwortlich zu machen sei und sein Gesetzeskommentar im Vergleich zu späteren Kommentaren die Nürnberger Gesetze eng auslege. Dies habe sich in Einzelfällen, insbesondere bei sogenannten Mischehen, als günstig für die Betroffenen erwiesen. Den Begriff des Beischlafs allerdings dehnten Stuckart und Globke in ihren Kommentaren sehr weit und damit für die Betroffenen nachteilig aus: So bestraften die Gerichte nicht nur den eigentlichen Geschlechtsverkehr, sondern bereits „beischlafähnliche Handlungen, z. B. gegenseitige Onanie“. Wegen der von Globke so definierten „Rassenschande“ wurden bis 1940 insgesamt 1911 Personen durch offizielle, also rechtsförmliche Urteile verurteilt; Angriffe anderer NS-Institutionen (Gestapo usw.) nicht mitgerechnet. Globke verfasste auch das Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 5. Januar 1938, die Namensänderungsverordnung vom 17. August 1938 und die zugehörigen Ausführungsverordnungen. Danach mussten Juden, die keinen der in einer anhängenden Liste aufgeführten Vornamen trugen, ihrem eigenen einen zweiten Vornamen hinzufügen: „Sara“ bei Frauen und „Israel“ bei Männern. Die Liste der männlichen Vornamen begann mit Abel, Abieser, Abimelech, Abner, Absalom, Ahab, Ahasja, Ahasver und so fort. Teilweise waren die Namen auf der Liste frei erfunden oder strittig ausgewählt. Es ist unklar, ob dies auf die Absicht zurückzuführen ist, Juden zusätzlich herabzusetzen, oder ob es sich um Fehler und Ungenauigkeiten handelte. Sofern sie damals unter deutschen Juden besonders verbreitet waren, wurden selbst die Namen christlicher Heiliger auf diese Liste gesetzt, z. B. „Isidor“, der Name des Kirchenvaters Isidor von Sevilla oder des Heiligen Isidor von Madrid, des Patrons vieler süddeutscher Dorfkirchen. Globke schuf mit der Erfassung der als jüdisch angesehenen Bevölkerung die verwaltungstechnischen Voraussetzungen für den Ende 1941 beginnenden Holocaust. Dass diese Vorgaben bis zur Vernichtung der jüdischen Minderheit radikalisiert wurden, war Globke vollständig bewusst. Im Wilhelmstraßen-Prozess sagte er als Zeuge der Anklage gegen den dort angeklagten Stuckart aus und erklärte in diesem Zusammenhang, gewusst zu haben, „daß die Juden massenweise umgebracht wurden.“ Er habe „zu jener Zeit“ gewusst, dass „die Ausrottung der Juden systematisch betrieben wurde“, wenngleich, gab er einschränkend an, „nicht, daß sie sich auf alle Juden bezog.“ Tätigkeit während des Krieges (1939 bis 1945). Bei Kriegsbeginn war Globke im Reichsministerium des Innern auch für die neuen deutschen Reichsgrenzen im Westen zuständig. Dafür unternahm er mehrfach Reisen in eroberte Gebiete. Wie der Historiker Peter Schöttler vermutet, war er im Juni 1940 wohl auch der Verfasser einer Denkschrift an Hitler, mit der Stuckart eine weitgehende Annexion ostfranzösischer und belgischer Gebiete vorschlug, womit die Deportation von etwa 5 Millionen Menschen verbunden gewesen wäre. Anfang September 1941 begleitete Globke Innenminister Frick und Staatssekretär Stuckart bei einem offiziellen Besuch in der Slowakei, die damals ein Satellitenstaat des Deutschen Reichs war. Kurz nach diesem Besuch gab die Regierung der Slowakei die Einführung des sogenannten Judenkodex bekannt, der die Rechtsgrundlage für die späteren Enteignungen und Deportationen der slowakischen Juden schuf. Globke bestritt 1961 jeden Zusammenhang zwischen den beiden Ereignissen und den Vorwurf, er habe an der Entstehung des Kodex mitgewirkt. Eindeutige Belege dafür konnten in der Tat nie beigebracht werden. Laut CIA-Unterlagen war Globke möglicherweise auch für die in deutsche Vernichtungslager in Polen mitverantwortlich. Globke stellte einen Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP, der aber wegen seiner früheren Zugehörigkeit zur Deutschen Zentrumspartei 1943 endgültig abgelehnt wurde. Andrerseits unterhielt er Kontakte zu militärischen und zivilen Kreisen des Widerstandes: Er war Informant des Berliner Bischofs Konrad Graf von Preysing und Mitwisser der Staatsstreichvorbereitungen durch die Hitler-Gegner um Carl Friedrich Goerdeler und Ludwig Beck. Nach Zeugnissen von Jakob Kaiser und Otto Lenz war Globke für den Fall, dass der Sturz des nationalsozialistischen Regimes gelungen wäre, für einen gehobenen Ministerialposten in einer von Goerdeler gebildeten Reichsregierung vorgesehen. Es fand sich jedoch nie ein Beleg für Globkes spätere Behauptung, die Nationalsozialisten hätten ihn noch 1945 verhaften wollen, seien daran aber durch das Vorrücken der Alliierten gehindert worden. Nachkriegszeit (1945 bis 1949). Bei seiner Entnazifizierung gab Globke an, er sei im Widerstand gegen den Nationalsozialismus gewesen, und wurde von der Spruchkammer daher am 8. September 1947 in die Kategorie V (unbelastet) eingeordnet. Globke war beim Wilhelmstraßen-Prozess sowohl Zeuge der Verteidigung als auch Zeuge der Anklage. Im Prozess gegen Stuckart sagte er als Zeuge der Anklage aus: „Ich wußte, daß die Juden massenweise umgebracht wurden.“ Von 1948 bis 1949 war Globke Vizepräsident des Landesrechnungshofs in NRW. Globke in der Adenauer-Ära (1949 bis 1963). In Westdeutschland konnte Globke seine Karriere als Beamter im Höheren Dienst ungehindert fortsetzen. Unter Konrad Adenauer wurde er 1949 im Bundeskanzleramt zum Ministerialdirigenten sowie 1950 als Leiter der Hauptabteilung für innere Angelegen zum Ministerialdirektoren ernannt und stieg 1953 als Nachfolger des in den Bundestag gewählten Otto Lenz zum Beamteten Staatssekretär und somit zum Chef des Bundeskanzleramtes auf. In dieser Funktion war er Mitglied des engsten Führungszirkels um Adenauer und dessen engster Vertrauter. Im Schatten des Bundeskanzlers zog Globke im Hintergrund die Fäden und galt als wichtiger Stützpfeiler von Adenauers „Kanzlerdemokratie“. Seine Aufgaben ergaben sich aus der bis heute unveränderten Regelung in § 7 der Geschäftsordnung der Bundesregierung (GOBReg), wonach der Staatssekretär des Bundeskanzleramtes zugleich die Geschäfte eines Staatssekretärs der Bundesregierung wahrnimmt. In dieser Position beeinflusste Globke die Regierungspolitik maßgeblich. Während der 2. Legislaturperiode Adenauers leitete er die Überführung der Organisation Gehlen in den Bundesnachrichtendienst. Adenauer holte auf gemeinsamen Spaziergängen im Garten des Kanzleramtes seinen Rat bei wichtigen politischen Entscheidungen ein, etwa zum Wiedergutmachungsabkommen mit Israel oder den Notstandsgesetzen; er machte Adenauer Personalvorschläge für die Ministerien und überwachte deren Linientreue, u. a. durch die von ihm geschaffenen Spiegel-Referate im Kanzleramt; er pflegte den engen Kontakt zur CDU/CSU-Bundestagsfraktion, insbesondere durch seine gute Beziehung zum CDU-Fraktionsvorsitzenden Heinrich Krone; er war als „heimlicher Generalsekretär“ der CDU die zentrale Kontaktstelle, um das Gehör des Kanzlers zu erhalten, und er verwaltete maßgeblich die Wirtschaftsspenden der CDU, die über die „Staatsbürgerliche Vereinigung“ flossen. 1958 verfasste Globke den sogenannten Globke-Plan, der sich mit einer möglichen Durchführung der Wiedervereinigung befasste. Im Wahlkampf 1961 gegen den später (1969) gewählten Bundeskanzler Willy Brandt machte Globke laut CIA-Dokumenten Brandt das Angebot, aus dessen Exilzeit resultierende vorgebliche Vaterlandsverratsvorwürfe nicht zum Wahlkampfthema zu machen, vorausgesetzt, die SPD würde das Thema "Globke" nicht verwenden. Brandt soll – so die Unterlagen – auf den Vorschlag eingegangen sein. Nach der Pensionierung (1963). Am 15. Oktober 1963, also vier Tage nachdem Adenauer sein Amt niedergelegt hatte, wurde Globke auf Vorschlag des Altkanzlers vom damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Er blieb weiterhin für Adenauer beratend aktiv. Insbesondere bei der Suche nach einem Nachfolger für Ludwig Erhard wirkte er mit. Nach der Pensionierung wollte Globke in die Schweiz übersiedeln. Seine Frau Augusta hatte 1957 in Chardonne VD (Kanton Waadt) am Genfersee ein Grundstück gekauft und darauf ein Ferienhaus bauen lassen. Im Herbst 1963 erklärte das Parlament des Kantons Waadt jedoch, Globke werde keine Aufenthaltsgenehmigung erteilt. Dieser gab 1964 eine Verzichtserklärung ab; darin verpflichtete er sich, „jede räumliche und künftige Verbindung mit der Schweiz abzubrechen“. Der damalige Schweizer Bundespräsident Ludwig von Moos sagte vor dem Nationalrat, „angesichts dieser Erklärung“ habe die Regierung „vom Erlass einer Einreisesperre“ Abstand genommen. Tod (1973). Globke starb nach schwerer Krankheit am 13. Februar 1973. Er wurde auf dem Zentralfriedhof Bad Godesberg in Bonn-Plittersdorf beigesetzt. Diskussion um Globkes NS-Vergangenheit. Politische Debatte. Dass ein Mann wie Globke schon kurz nach Gründung der Bundesrepublik wieder eine führende Rolle in der deutschen Politik spielte, löste eine erbittert geführte Debatte im Deutschen Bundestag aus. Am 12. Juli 1950 zitierte dabei Adolf Arndt, der rechtspolitische Sprecher der SPD, aus den Kommentaren zu den Nürnberger Gesetzen u. a. eine Passage, in der Globke diskutiert, ob nicht auch die im Ausland begangene „Rassenschande“ bestraft werden könne. Bundesinnenminister Gustav Heinemann, der damals noch der CDU angehörte, verwies in seiner Antwort auf das entlastende Leumundszeugnis des Nürnberger Anklägers Robert Kempner, dem Globke mit seiner Aussagebereitschaft gedient hatte. Obwohl Globke wegen seiner NS-Vergangenheit umstritten war, hielt Adenauer bis zum Ende seiner Amtszeit 1963 an ihm fest. Einerseits kommentierte er die Debatte um Globkes Beteiligung an der Ausarbeitung der Nürnberger Rassegesetze mit den Worten „Man schüttet kein schmutziges Wasser weg, solange man kein sauberes hat“, andererseits erklärte er am 25. März 1956 in einem Zeitungsinterview, Behauptungen, sein enger Mitarbeiter sei ein eifriger Gehilfe der Nationalsozialisten gewesen, entbehrten jeder Grundlage. Viele Personen, auch aus den Reihen der katholischen Kirche, bescheinigten Globke, er habe sich mehrfach für verfolgte Personen eingesetzt. Nach Ansicht des Journalisten Harald Jähner führte die Weiterverwendung Globkes zu „schändlichen staatlichen Maßnahmen der Strafvereitelung und Justizbehinderung“ und boten der DDR immer wieder willkommenen Anlass, die Bundesrepublik als „faschistisch“ zu bezeichnen. Insbesondere nach 1960, als der israelische Geheimdienst Mossad in Argentinien Adolf Eichmann aufspürte, erwies sich das Festhalten an Globke zunehmend als Belastung für die Regierung Adenauer. Eichmann hatte in Buenos Aires bei Mercedes-Benz gearbeitet, und dem BND war sein Aufenthaltsort seit 1952 bekannt. Ob auch Globke schon Ende der 1950er Jahre wusste, wo Eichmann sich aufhielt, war noch 2013 Gegenstand politischer Debatten. Ermittlungsverfahren in Westdeutschland. Der ehemalige Verwaltungsoffizier der Heeresgruppe E in Saloniki Max Merten hatte Globke als mitverantwortlich für den Holocaust in Griechenland schwer belastet. Ein dazu von dem hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer in Frankfurt am Main begonnenes Ermittlungsverfahren gegen Globke wurde im Mai 1961 nach Intervention des Kanzlers Konrad Adenauer an die Staatsanwaltschaft Bonn abgegeben und dort mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Bauers Vorermittlungen setzten ein, als ihm bekannt wurde, dass Globke die Rettung von 20.000 Juden in Saloniki verhindert haben sollte. Adolf Eichmann soll damals das Reichsinnenministerium kontaktiert und Globke um die Erlaubnis zum Abtransport der Juden in Vernichtungslager gebeten haben. Globke-Prozess in Ost-Berlin. Anfang der 1960er Jahre kam es in der DDR zu einer großen, von dem Politbüro-Mitglied Albert Norden geleiteten Kampagne des Ministeriums für Staatssicherheit gegen den so bezeichneten „Verfasser der Nürnberger Blutgesetze“ sowie „Hetzer und Organisator der Judenverfolgungen“. Ihr Ziel war es, Globke Kontakte mit Adolf Eichmann nachzuweisen. In einer Aktennotiz von 1961 hielt Norden fest, dass dafür „in Zusammenarbeit mit Erich Mielke bestimmte Materialien besorgt bzw. hergestellt werden sollten. Wir brauchen unbedingt ein Dokument, das in irgend einer Form die direkte Zusammenarbeit Eichmanns mit Globke beweist.“ Im Juli 1963 eröffnete das Oberste Gericht der DDR unter Vorsitz von Gerichtspräsident Heinrich Toeplitz den Globke-Prozess, einen Schauprozess, in dem es nicht um Wahrheitsfindung ging, sondern darum, propagandistisch der Bundesrepublik ihre nationalsozialistische Vergangenheit vorzuhalten und den eigenen antifaschistischen Gründungsmythos zu betonen. Das Gericht verurteilte Globke in Abwesenheit „wegen in Mittäterschaft begangener fortgesetzter Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in teilweiser Tateinheit mit Mord“ zu lebenslangem Zuchthaus. In dem Prozess und in der umfangreichen Urteilsbegründung versuchte das Gericht, die angebliche „Wesensgleichheit des Bonner Regimes“ mit dem Terrorstaat Hitlers nachzuweisen. Wissenschaftliche Untersuchung. Im Jahr 1961 erschien im zu Bertelsmann gehörenden Rütten & Loening Verlag Reinhard-M. Streckers Buch "Dr. Hans Globke – Aktenauszüge, Dokumente", das auf Recherchen Streckers in polnischen und tschechischen Archiven beruhte. Globke versuchte, die weitere Veröffentlichung gerichtlich zu verhindern. Der Bundesnachrichtendienst, damals noch unter der Führung des NS-belasteten ehemaligen Generals der Wehrmacht Reinhard Gehlen, soll 50.000 Mark investiert haben, um das Buch schnellstmöglich vom Markt zu nehmen. Aufgrund zweier unwesentlicher Fehler kam es zu einem Prozessvergleich, in dem Bertelsmann sich einverstanden erklärte, auf weitere Auflagen zu verzichten. Dem sollen Drohungen Bonns vorausgegangen sein, andernfalls keine Bücher des Bertelsmann-Verlages mehr für amtliche Stellen zu erwerben. Seit Januar 2021 ist eine historische Kopie der Originalausgabe aus dem Rütten & Loening Verlag Hamburg unter dem Titel "Dr. Hans Globke. Aktenauszüge, Dokumente. Herausgegeben von Reinhard-M. Strecker" online verfügbar. Sie ist Teil des neuen Dossiers "Schreibtischtäter Globke", das die Internetplattform FragDenStaat am 22. Januar 2021 veröffentlichte. Zu dem "Dossier zur Nazi-Vergangenheit des Kanzleramtschefs" gehört auch die zweibändige Personalakte Globkes aus dem Bestand des Bundesarchivs, die FragDenStaat nach eigener Angabe erstmals öffentlich zugänglich macht. Im Juni 2006 wurde bekannt, dass die Regierung Adenauer den US-Geheimdienst CIA im März 1958 über den Aufenthaltsort Adolf Eichmanns informiert hatte. Dem US-amerikanischen Historiker Timothy Naftali zufolge sorgte sie aber durch Kontakte auf höchster Ebene gleichzeitig dafür, dass die CIA dieses Wissen nicht nutzte. Weder die Bundesregierung noch die CIA informierten Israel über die neuen Kenntnisse. Naftali vermutet, dass Adenauer so eine direkte Belastung Globkes durch Eichmann verhindern wollte. Eichmann hatte zuvor dem niederländischen Journalisten und ehemaligen SS-Mann Willem Sassen umfangreiche Interviews gegeben, aus denen seine Memoiren entstehen sollten. Seit 1957 waren Sassens Versuche, dieses Material an das US-amerikanische Magazin "Life" zu verkaufen, vergeblich geblieben. Das änderte sich mit Eichmanns spektakulärer Entführung durch den Mossad im Mai 1960 – die durch einen inoffiziellen Hinweis des hessischen Generalstaatsanwaltes Fritz Bauer ermöglicht worden war – und mit der Vorbereitung des Eichmann-Prozesses in Israel. "Life" veröffentlichte nun in zwei Artikeln, am 28. November und 5. Dezember 1960, Auszüge aus Sassens Material über Eichmann. Die Tantiemen wollte dessen Familie für seine Verteidigung verwenden. Allerdings hatte die Bundesregierung, die ohnehin über die Ost-Berliner Kampagne beunruhigt war, zuvor die CIA eingeschaltet und so erreicht, dass jeder Hinweis auf Globke aus den "Life"-Artikeln gestrichen wurde. CIA-Chef Allen Dulles hielt in einem internen Memo vom 20. September 1960 fest: „Gesamtes Material wurde gelesen. Eine unklare Erwähnung von Globke, die "Life" auf unsere Forderung hin wegläßt.“ 2009 erschien im Campus-Verlag eine Monographie des Historikers Erik Lommatzsch, für die er den Nachlass Globkes im Archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung hatte auswerten können. Globkes tatsächliches Verhältnis zum Nationalsozialismus sowie sein Einfluss auf die Regierung Adenauers werden darin jedoch nicht wirklich geklärt, was laut Rezensent Hans-Heinrich Jansen „[a]ngesichts der in vielen zentralen Fragen letztlich dann doch dürftigen Quellenlage“ nicht abschließend möglich sei. Auch die Hintergründe der MfS-Kampagne gegen Globke bleiben weitgehend im Dunkeln; allerdings war dieser Aspekt der Globke-Biographie von Lommatzsch ohnehin nur als Exkurs vorgesehen, da er eine separate Behandlung erfordert. Jedoch zeigt Lommatzsch an einer Reihe von Beispielen auf, dass Globke sich tatsächlich für Verfolgte eingesetzt habe, sein Kommentar zu den Nürnberger Gesetzen vom Ziel getragen sei, die Regelungen zu entschärfen, und er in der Nachkriegszeit nicht die beherrschende Rolle gespielt habe, die ihm von Adenauergegnern unterstellt worden sei. Der Historiker Wolfgang Benz urteilt, Globke sei zwar „kein Nationalsozialist und kein Antisemit gewesen“, habe „aber im Sinne des NS-Regimes funktioniert und sich durch sachkompetente Mitwirkung am System der Judenverfolgung mitschuldig gemacht“.
Johann Nepomuk von Harscher (* 17. Dezember 1769 in Landshut; † 30. Oktober 1834 in Regensburg) war ein königlich bayerischer Offizier, zuletzt im Rang eines Generalmajors, und Kommandant von Lindau und Wülzburg. Er war seit 1807 Ritter des Militär-Max-Joseph-Ordens. Leben. Harscher war der Sohn des kurfürstlich bayerischen Regierungsrates zu Landshut Franz Xaver von Harscher auf Paindlkofen und Babing und dessen Frau Maria Mechtildis, eine geborene Farmbacher. Nachdem er das Gymnasium absolviert hatte, trat Harscher am 2. Mai 1785 als Kadett in das Kürassier-Regiment „Graf Ysenburg“ ein, in welchem er am 1. April 1790 zum Estandartführer ernannt wurde. Erst fünf Jahre später, am 29. Juli 1795, erfolgte seine Beförderung zum Unterleutnant, am 8. März 1798 die zum Oberleutnant und am 22. Juni 1800 seine Ernennung zum Rittmeister. Als solcher nahm er 1805 mit seiner Einheit, die seit dem 11. März 1804 1. Dragoner-Regiment „Graf Minucci“ hieß, am Feldzug gegen Österreich teil. Während der Verfolgung des Gegners am 12. Oktober 1805 stürzte er vom Pferd und zog sich einen Leistenbruch zu. Im folgenden Feldzug gegen Preußen 1806 bis 1807 hatte Harscher mehrfach Gelegenheit sich auszuzeichnen. Am 15. August 1806 zum Major im 3. Chevaulegers-Regiment befördert, nahm er an der Belagerung von Glogau teil. Während der Kämpfe um Breslau am 15. November 1806 führte er die Vorhut und konnte bei einem Streifzug mit 80 Mann 36 Gefangene und 39 Pferde einbringen. Bei einem Vorpostengefecht bei Weißenrode am 2. Januar 1807 kommandierte Harscher die Arrieregarde und konnte mit heftigem Widerstand die preußischen Angriffe abwehren. Im Armeebefehl vom 18. Januar 1807 wurde Harscher belobend erwähnt. Mit Brevet vom 5. März und im Armeebefehl vom 31. März 1807 erhielt er den Orden der französischen Ehrenlegion. Ein am 11. Juli 1807 im Hauptquartier zu Siemiatycze unter Vorsitz von Generalleutnant Carl Philipp von Wrede abgehaltenes Ordenskapitel des Militär-Max-Joseph-Ordens sprach sich einstimmig für die Aufnahme Harschers als Ritter in den Orden aus, was mit Armeebefehl vom 18. August 1807 auch geschah. Im Feldzug gegen Österreich 1809 stürzte er während des Gefechtes bei Neumarkt an der Rott am 24. April erneut vom Pferd, wobei sich auch seine Verletzung von 1805 wesentlich verschlimmerte. Am 29. April 1809 wurde er zum Oberstleutnant im 3. Chevaulegers-Regiment befördert und bereits am 27. Oktober selben Jahres zum Oberst dieser Einheit ernannt. Im Frühjahr 1812 rückte er mit seinem Regiment von Ulm zum Feldzug gegen Russland aus. Auf dem Marsch musste sich Harscher bei Scheßlitz in Folge seiner 1805 und 1809 erlittenen Verletzungen felddienstuntauglich melden und das Regimentskommando abgeben. Am 15. April 1812 wurde Harscher zum Kommandanten der Stadt und Festung Lindau ernannt und am 17. Dezember 1816 als Kommandant nach Wülzburg versetzt. Nachdem Harscher am 1. Januar 1823 in den Ruhestand trat, wurde ihm am 12. Februar 1823 noch der Charakter als Generalmajor verliehen. Johann Nepomuk von Harscher starb am 30. Oktober 1834 im Alter von 64 Jahren in Regensburg.
Als Igel bezeichnet man im Schach einen Stellungstyp, der in erster Linie durch eine bestimmte Bauernstruktur in der Eröffnung und im Mittelspiel charakterisiert ist. Diese Struktur galt bis in die 1960er Jahre als unvorteilhaft. In den 1970er Jahren kam sie aufgrund der Erfolge, die einige junge Großmeister mit ihr erzielten, in Mode. Heute genießt der Igel allgemeine Anerkennung. Die englische Bezeichnung „Hedgehog“, deutsch „Igel“, geht vermutlich auf William Hartston zurück. Stellungsmerkmale. Der Igel verdankt seinen Namen seinem passiven, aber effektiven Bauernwall am Damenflügel. Eine allgemein anerkannte Definition der Igelstellung gibt es bisher noch nicht. Der Igel bezeichnet einen platzsparenden, schwarzen Aufbau. Es lässt sich aber festhalten, dass zumindest folgende Merkmale erfüllt sein müssen, um von einer Igelstellung sprechen zu können: Darüber hinaus ist es üblich, Stellungen, die nur einen Teil der Mindestmerkmale erfüllen (z. B. weißer c-Bauer auf c2 statt c4 oder schwarzer Bauer auf e7 statt e6) werden gemeinhin als "igelartig" bezeichnet. Der Igel wird vor allem von Schwarz angewendet, es ist aber auch möglich, ihn mit Weiß im Anzug anzustreben (siehe hierzu z. B. die igelartige Partie Fischer – Andersson, Siegen 1970). Historische Entwicklung. Bis in die 1960er Jahre galt die Igelstellung als nachteilige Struktur. Die allgemeine Meinung war, dass Schwarz eine gedrückte Stellung hat und zu passiver Verteidigung verdammt ist. Starke Spieler vermieden diese Struktur meist. Allerdings hat Fritz Sämisch 1922 in Bad Pistyan gegen Karel Opočenský einen exakten Igel-Aufbau gewählt. Eine Igelstellung stand auch bei einer 1967 in Moskau gespielten Partie der beiden Exweltmeister Michail Botwinnik und Wassili Smyslow auf dem Brett. Als Pionier des Igelaufbaus gilt der jugoslawische Großmeister Ljubomir Ljubojević. Er führte diese Struktur 1973 als Erwiderung auf die Englische Eröffnung in die Großmeisterpraxis ein und war damit in diesem Jahr gegen Vlastimil Hort, Lew Polugajewski, Wolfgang Uhlmann, Lajos Portisch und Arturo Pomar erfolgreich. Ljubojevics Erfolge überzeugten seinen Freund Ulf Andersson, ebenfalls so zu spielen. 1975 gelang es Andersson, Anatoli Karpow mit dem Igelaufbau dessen erste Niederlage als Weltmeister beizubringen. Bald nahmen zahlreiche Großmeister den Igel-Aufbau in ihr Repertoire auf, darunter Florin Gheorghiu, Lajos Portisch, Zoltán Ribli, András Adorjan und Lew Polugajewski. Auch Karpow selbst verteidigte sich 1975 und 1977 zweimal mit dem Igel. Anfang der 1980er Jahre folgten die jungen Großmeister Lew Psachis, Ľubomír Ftáčnik und Garri Kasparow diesem Modetrend. Beim Interzonenturnier 1979 in Riga musste Adorjan mit Schwarz gegen Tony Miles unbedingt gewinnen, um sich für die Kandidatenwettkämpfe zu qualifizieren. Er wählte den Igel und gewann eine Glanzpartie. Eine weitere spektakuläre und bekannte Partie gewann Ftacnik bei der Schacholympiade 1982 in Luzern gegen Polugajewski. Wichtige Beiträge zur Popularisierung des Igels unter deutschen Vereinsspielern leisteten Matthias Wahls, der eine Serie von Zeitschriftenaufsätzen über den Igel geschrieben hat, und Frank Zeller, der die erste ausführliche Monographie zum Thema in deutscher Sprache verfasst hat. Entstehung. Igelstellungen entstehen nur dann, wenn beide Seiten damit einverstanden sind; so hat Weiß die Möglichkeit, dem Igel auszuweichen, indem er z. B. seinen c-Bauern nicht nach c4 stellt oder indem er frühzeitig d2–d4 spielt und c7–c5 mit d4–d5 beantwortet. Sie können aus verschiedenen Eröffnungen entstehen, wie zum Beispiel aus der Englischen Eröffnung, aus Sizilianisch, aus Nimzoindisch oder aus Damenindisch. Einen eigenen Eröffnungscode (A 30) besitzt lediglich der sogenannte englische Igel. Klassische Zugfolgen sind 1. c2–c4 c7–c5 2. Sb1–c3 Sg8–f6 3. g2–g3 e7–e6 4. Sg1–f3 b7–b6 5. Lf1–g2 Lc8–b7 6. 0–0 Lf8–e7 7. d2–d4 c5xd4 8. Dd1xd4 d7–d6 und in der Taimanow-Variante 1. e2–e4 c7–c5 2. Sg1–f3 e7–e6 3. d2–d4 c5xd4 4. Sf3xd4 Sb8–c6 5. Sd4–b5 d7–d6 6. c2–c4 Sg8–f6 7. Sb1–c3 a7–a6 8. Sb5–a3 Lf8–e7 9. Lf1–e2 0–0 10. 0–0 b7–b6 Mittlerweile spielt Schwarz den Igel auch in der Paulsen-Variante nach 5. Lf1–d3 Lf8–c5 6. Sd4–b3 Lc5–e7 7. Dd1–g4 g7–g6 8. Dd1–e2 d7–d6 9. c2–c4 Sb8–d7 und 5. c2–c4 Sg8–f6 6. Sb1–c3 Dd8–c7 7. a2–a3 b7–b6 Weiß kann den Igel auf verschiedene Arten bekämpfen: Mit den Läufern auf e2 und e3, mit den Läufern auf g2 und b2, mit den Läufern auf d3 und e3 oder mit den Läufern auf b2 und d3. Strategische und psychologische Motive. In der Igelstellung steht Weiß oft objektiv besser. Um aber die schwarze Verteidigung zu überwinden, muss er taktisch sehr präzise spielen, was viele Weißspieler überfordert. Andererseits ist der Igel für Schwarz leicht zu spielen: Er verteidigt seine Position und wartet ab, bis Weiß aktiv wird oder bis sich eine günstige Gelegenheit für einen Vorstoß im Zentrum ergibt. Dann müssen sich beide Spieler vom ruhigen positionellen Manövrieren auf eine offene Stellung voller Dynamik, auf ein konkretes Spielen von Zug zu Zug umstellen. Neben der passiven Verteidigung und dem Warten auf die Vorstöße d6–d5 oder b6–b5 (manchmal auch e6–e5, wenn f2–f4 gespielt wurde) kann Schwarz in manchen Stellungen außerdem eine Expansion am Königsflügel mit Kg8–h8, Tf8–g8, g7–g5, Tg8–g6 und Tc8–g8 anstreben. Oder er nimmt mit Db8 und Lc7 eine Vorbereitung gegen den weißen Bauern h2 ein. Auch der Sturmlauf des schwarzen h-Bauern bis nach h3 zur Auflockerung der weißen Königsstellung wurde schon gesehen. Mark Dworetzki schrieb in einem seiner Lehrbücher über das typische Problem von Weiß gegen Igelstellungen: "Weiß steht ideal, aber in dem Wort selbst steckt schon sein ganzes Problem, ein Ideal kann nicht mehr verbessert werden."
119 Tauri, auch als CE Tauri bekannt, ist ein etwa 2000 Lichtjahre entfernter Roter Überriese der Spektralklasse M2. Er ist Teil des Sternbilds Stier (Taurus). Visuelle Erscheinung. Aufgrund der niedrigen Oberflächentemperatur von etwa 3.400 Kelvin erscheint 119 Tauri rötlich. Mit einem auffällig hohen B−V-Farbindex von 2,06 ist die Färbung sehr ausgeprägt. Gelegentlich wird er deshalb auch "Rubinstern" genannt. Nur μ Cephei, Herschels „Granatstern“, hat als Stern, der mit dem bloßen Auge sichtbar ist, einen noch höheren Farbindex. Andere sehr rote Sterne, wie R Leporis oder La Superba (Y CVn), sind wegen ihrer veränderlichen Helligkeit nicht immer für das bloße Auge sichtbar. Bezeichnungen. „119 Tauri“ ist die Flamsteed-Bezeichnung des Sterns. Der britische Astronom John Flamsteed nummerierte die mit bloßem Auge sichtbaren Sterne aufsteigend nach ihrer Rektaszension, demnach ist die Rektaszension von 119 Tauri höher als die des Hauptsterns des Sternbilds Stier, Aldebaran (87 Tau). Die Bezeichnung „CE Tauri“ folgt den Regeln zur Benennung veränderlicher Sterne: Der erste Namensteil „CE“ besagt, dass 119 Tauri der 144. veränderliche Stern ist, der im Sternbild Stier entdeckt wurde; der zweite Namensteil „Tauri“ ist der Genitiv des lateinischen Namens des Sternbilds. Position. 119 Tauri ist Teil des Stiers (lat. "Taurus"), eines Sternbilds der Ekliptik, das sowohl von der Nord- als auch von der Südhalbkugel der Erde aus beobachtet werden kann. Dieses Sternbild befindet sich, von der Erde aus betrachtet, auf der dem galaktischen Zentrum abgewandten Seite, welches im Sternbild Schütze (lat. "Sagittarius") liegt. Seine südliche ekliptikale Breite beträgt nur rund -4° 41', so dass er von der Mondscheibe bedeckt werden kann. Das Licht von 119 Tauri wird von ihn umgebenden oder sich zwischen ihm und der Sonne befindlichen Staubwolken, unter anderem den Staubwolken des Taurus-Auriga-Komplexes, um 0,8 Magnituden abgeschwächt. Befände sich kein Staub zwischen der Sonne und 119 Tauri, so wäre der Überriese ein Stern nahe der Grenze zur dritten Größe und würde doppelt so hell am Himmel erscheinen, vergleichbar mit der scheinbaren Helligkeit von ε Tauri. Entfernung. Die vom Weltraumteleskop Hipparcos gemessene Parallaxe ergibt einen Wert von ca. 1800 Lichtjahren für die Entfernung des Sterns. Die angegebene Messunsicherheit lässt aber nur zu, den Wert bis auf einige hundert Lichtjahre zu bestimmen. Sollte die Entfernung an der oberen Grenze der Messunsicherheit liegen, so würde es sich bei 119 Tauri um einen der größten und leuchtkräftigsten Sterne der Milchstraße handeln. Falls die Untergrenze korrekt ist, dürfte es sich um einen gewöhnlichen Roten Riesen handeln. Eigenbewegung. 119 Tauri gehört zu den Randgebieten unserer Galaxis, jenen Gebieten, in denen sich viele offene Sternhaufen, wie die Plejaden, und Dunkelwolken befinden. Er weist eine sehr ähnliche Eigenbewegung, unter anderem wie der benachbarte blaue Riese 120 Tauri, auf. Physikalische Eigenschaften. 119 Tauri ist ein Riesenstern und wird aufgrund seiner Leuchtkraft im Hertzsprung-Russell-Diagramm in die Leuchtkraftklasse I-b eingeteilt. Er gehört der Spektralklasse M an, zählt aber mit M2 zu einem früheren Untertyp und wird daher nicht zu den kühlen Überriesen wie V838 Monocerotis gezählt. Seine physikalischen Werte sind, wie häufig bei schweren Sternen, sehr unsicher und können daher nicht eindeutig festgelegt werden. Man nimmt an, dass er einige Ähnlichkeit mit Beteigeuze hat. Sein Radius wird auf 600 Sonnenradien geschätzt, das entspricht gerundet einem Durchmesser von 835 Millionen Kilometern beziehungsweise 5,6 AE. Stünde 119 Tauri im Zentrum des Sonnensystems, würde er über die Bahn des Planeten Mars hinausragen und mehr als 50 % von Jupiters Abstand zur Sonne ausfüllen. Die Leuchtkraft dieses Sterns wird auf das 50.000fache der Sonne geschätzt. Die scheinbare Helligkeit von 119 Tauri verändert sich um 0,3 mag mit einer halbregelmäßigen Periode (Typ SRc).
TVP3 (früher "TVP Regionalna") ist ein Fernsehsender der polnischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt Telewizja Polska. Das dritte Programm von TVP startete 1994 und wurde zwischen 2000 und 2002 schrittweise zu TVP3 umfirmiert. 2007 wurde TVP3 durch den Nachrichtensender TVP Info ersetzt und die Regionalfenster in den neuen Sender überführt. Mit dem Umbau von TVP Info zum reinen Nachrichtenkanal wurde die regionale Berichterstattung wieder in ein eigenes Programm ausgelagert. Am 2. Januar 2016 wurde der Sender erneut in TVP3 umbenannt. Der Claim des Senders ist an den Programmauftrag angelehnt, „unser Fernsehen“ zu sein, das über Ereignisse und den Alltag im regionalen Umfeld der Zuschauer berichtet: „Jesteś u siebie!“ (Sie sind zu Hause). Geschichte. Die Wurzeln des Programms liegen in den zwölf (später 16) Regionalstudios, die Wieslaw Walendziak, TVP-Vorstandsvorsitzender im Jahr 1994, unter der gemeinsamen Dachmarke "TVP Regionalna" startete, der einen gemeinsamen Auftritt für erfolgversprechender hielt als die Einführung mehrerer regionale Programme. Obwohl bereits Serien und Spielfilme gezeigt wurden, hatte das Programm mit viel Kultur und Sport einen starken Bezug auf regionale Ereignisse, auch im landesweiten Mantelprogramm. Unter dem Namen "TVP3" wurde der damalige Sender zu einem Vollprogramm mit Unterhaltung und Spielfilmen ausgebaut, regionale Inhalte beschränkten sich weitgehend auf die Programmfenster der Regionalstudios. 2005 starteten die Lokalfenster für Gorzów Wielkopolski, Kielce, Olsztyn und Opole. Die Regionalfenster wurden auch beim Umbau des Senders als Nachrichtenkanal "TVP Info" beibehalten. Am 23. Mai 2013 kündigte das Polnische Fernsehen einen neuen Regionalsender an, der Name wurde im Juli lanciert. Sollte der Sender zunächst wieder als TVP3 starten, wurde es dann doch als TVP Regionalna gestartet und schließlich 2016 wieder TVP3 genannt. Programm. TVP3 produziert ein landesweites Mantelprogramm für die regionale Berichterstattung, mehrmals am Tag wird auf die Regionalfenster der 16 Regionalstudios auseinandergeschaltet. Der Schwerpunkt liegt auf journalistischen Informationen. Fünf Stunden von ca. 6:30 bis 0:30 Uhr bestreiten die Regionalredaktionen mit Informationen aus den Regionen, rund eine Stunde mehr als in den Regionalsendungen von TVP Info. Der neue Sender setzt im Vergleich zum früheren Regionalfernsehen verstärkt auf die Übertragung von Großveranstaltungen oder Sportveranstaltungen. Die Programmhoheit geht damit wieder verstärkt auf die Entscheidungen der regionalen Redaktionen über, die sich für eine Liveübertragung auch in eigener Verantwortung aus dem Gemeinschaftsprogramm ausklinken können. Regionalstudios und Lokalfenster. Regionale Niederlassungen mit eigenen Redaktionen produzieren das Gemeinschaftsprogramm und Regionalsendungen aus folgenden Orten: Empfang. Das Programm wird seit Sendestart über den dritten DVB-T-Multiplex terrestrisch und in fast allen Kabelnetzen verbreitet. Es wurde schrittweise in den übrigen Empfangswegen Satellit und IP-basierende Plattformen (IPTV) aufgeschaltet, wozu die Plattformbetreiber durch das polnische Mediengesetz verpflichtet sind. Bereits im ersten Sendemonat wurde die Übertragung bei Cyfrowy Polsat, nc+, TNK und Orange Polska aufgenommen. Die Ausweitung auf Satellitenempfang und weitere IP-TV-Anbieter ist geplant, ebenso wie die Verbreitung in HDTV-Bildauflösung.
Das Amt Kelbra war eine territoriale Verwaltungseinheit im gemeinsamen Besitz der 1710 in ein reichsunmittelbares Fürstentum umgewandelten Grafschaft Schwarzburg-Rudolstadt und der Grafschaft Stolberg-Roßla. Bis zur Abtretung an Preußen 1815 bildete es als Amt unter der Oberherrschaft des Kurfürstentums Sachsen den räumlichen Bezugspunkt für die Einforderung landesherrlicher Abgaben und Frondienste, für Polizei, Rechtsprechung und Heeresfolge. Geographische Lage. Das Gebiet des Amts Kelbra befand sich am Nordhang des Kyffhäusergebirges in der Goldenen Aue, befand sich im zentral-südlichen Teil des mittelalterlichen thüringischen Helmegaus. Es wurde von der Helme in ihren mittleren Abschnitt durchflossen. Das Amtsgebiet gehört heute zu den Orten Kelbra und Berga einschließlich der Ortsteile Thürungen, Sittendorf und Tilleda, derzeit im Landkreis Mansfeld-Südharz im thüringisch geprägten Teil Sachsen-Anhalts, seit 1990 direkt an der Grenze zum modernen Bundesland Thüringen. Im Westen grenzt das Amt Kelbra an das Amt Heringen, welches weitgehend bis 1952 eine gemeinsame geschichtliche Entwicklung durchlaufen hat. Angrenzende Verwaltungseinheiten. Das Amt Kelbra gehörte gemeinschaftlich zur nördlich angrenzenden Grafschaft Stolberg-Roßla und der südlich liegenden Unterherrschaft des Fürstentums Schwarzburg-Rudolstadt. Geschichte. Grafen von Hohnstein. Der Ort Kelbra wurde 1093 erstmals urkundlich erwähnt als Chelvera. Im 11. Jahrhundert begannen Mönche des Klosters Walkenried mit der Trockenlegung und Urbarmachung des oberen Helmerieds zwischen Görsbach und Kelbra. Das Stadtrecht wurde Kelbra 1351 verliehen. Das Gebiet der Goldenen Aue um Kelbra und Heringen gehörte ab dem 12. Jahrhundert zum Besitz der Grafen von Hohnstein, deren Zentrum das Gebiet um Ilfeld und Neustadt/Harz mit der Burg Hohnstein (Harz) war. Die Grafen bauten ihr Territorium bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts stark aus, so dass sie als die bedeutendsten Grafen am Südharz angesprochen werden konnten, noch vor den Grafen von Schwarzburg und den Grafen zu Stolberg. Ende des 13./Anfang des 14. Jahrhunderts begann das Haus Hohnstein, sich in mehrere Linien aufzuspalten, und ab 1315 war es in drei Linien geteilt. 1373 teilten die Linien Hohnstein-Kelbra-Heringen und Hohnstein-Lohra-Klettenberg die Grafschaft untereinander auf, wobei die Stammgrafschaft mit der gleichnamigen Burg weiter gemeinsamer Besitz bleiben sollte. Im Fleglerkrieg 1412 wurde ein Teil der Herrschaft zerstört und letztlich der Untergang der Hohnsteiner eingeleitet. Graf Heinrich von Hohnstein wurde nach der Beendigung des Fleglerkrieges und der Heldrunger Fehde am 8. Januar 1413 von den wettinischen Landgrafen Friedrich IV., Wilhelm II. und Friedrich d. J. von Thüringen die Schlösser und Städte Heldrungen und Wiehe gegen Abtretung seiner Ansprüche auf Kelbra, Harzgerode, Güntersberge, Hoym, Ballenstedt und Sandersleben überlassen. Die Linie Kelbra-Heringen teilte sich später weiter auf, sodass bis Ende des 15. Jahrhunderts alle Besitzungen am Südharz abgegeben wurden. Wettiner, Stolberger und Schwarzburger. Die Wettiner, die als Lehnsherren aufgrund ihrer Stärke bereits im 14. Jahrhundert eine entscheidende Machtposition in der Goldenen Aue errungen hatten, bauten jedoch in Kelbra keine eigene Verwaltung auf, sondern versetzten die an der Peripherie ihrer eigenen Besitzungen gelegene Stadt nebst Schloss und Zubehör an zuverlässig erscheinende Pfandnehmer. Sie glaubten, diese in den Grafen von Schwarzburg und zu Stolberg gefunden zu haben. Die Herrschaft der Hohnsteiner Linie Kelbra-Heringen fiel somit 1412/17 durch Verkauf an die Grafen zu Stolberg. Im Jahr 1413 erfolgte zunächst für drei Jahre die pfandweise Überlassung von Schloss und Stadt Kelbra mit allem Zubehör an die Brüder Heinrich und Botho zu Stolberg. Nach Ablauf der Dreijahresfrist erneuerten die wettinischen Landgrafen von Thüringen 1417 die Verpfändung von Kelbra nebst Zubehör. Pfandnehmer waren diesmal Graf Botho zu Stolberg und der mit ihm verwandte Graf Heinrich von Wernigerode. Als Verpfändungszeitraum wurden sechs Jahre festgelegt und im Vertragstext die Klausel aufgenommen, dass im Kriegsfall die Grafen den Wettinern Beistand leisten sollen. Aufgrund einer finanziellen Schuld der Grafen Botho zu Stolberg und Heinrich von Wernigerode, die ihnen ihr Oheim Graf Heinrich von Schwarzburg abnahm, sagten sie ihm 1418 zu, die Hälfte der Pfandsumme zu überlassen, falls die Wettiner Kelbra einlösen würden. Die Wettiner waren in den darauffolgenden Jahren nicht an einer solchen Einlösung interessiert. Daher ersuchten die beiden Grafen von Schwarzburg und zu Stolberg die Herzöge Friedrich und Sigismund von Sachsen, ihnen Kelbra als Gesamtlehen zu überlassen. Der daraufhin ausgestellte Lehnsbrief datiert auf den 19. September 1428. Herzog Wilhelm von Sachsen belehnte 1461 Metze, die Gemahlin seines Geheimen Rathes Graf Heinrich zu Stolberg, mit dem halben Schloss Kelbra als Leibgedinge. 1478 überließ der Stolberger Graf diese Hälfte als Pfand dem Amtmann Ritter Hans Knauth. Zur Wiedereinlösung des Pfandes aus den Händen seiner Söhne, der Brüder Heinrich und Hans Knauth, kam es 1486. Seit der Leipziger Teilung im Jahr 1485 lag die Landeshoheit über das Amt Kelbra bei der albertinischen Linie der Wettiner, deren Besitzungen nach der Wittenberger Kapitulation 1547 zum Kurfürstentum Sachsen erhoben wurden. Die Grafen zu Stolberg kamen ab 1554 in große finanzielle Nöte, weshalb sie sich 20 000 Goldgulden von Schwarzburgern liehen und dafür ihren Anteil am Amt Kelbra verpfändeten. Graf Wilhelm von Schwarzburg, Sohn des Grafen Günther XL., welchem 1560 Frankenhausen als Wohn- und Residenzort zugewiesen wurde, veranlasste eine Besitzteilung mit seinen beiden Brüdern. 1570/71 erhielt er die Alleinherrschaft in Frankenhausen und den Ämtern Kelbra und Heringen sowie Straußberg. 1592/1593 ging die stolbergische Hälfte der Ämter pfandweise und für Stolberg wiederkäuflich in den Besitz des Grafen Wilhelm von Schwarzburg über. Durch die hohe Schuldensumme gelang es dem Haus Stolberg nicht, ihren Anteil wieder einzulösen. Graf Wilhelm I., Herr zu Schwarzburg-Frankenhausen verstarb 1598 kinderlos, wodurch die Herrschaft Schwarzburg-Frankenhausen erlosch. Das Amt Kelbra gehörte seitdem zur Grafschaft Schwarzburg-Rudolstadt, Unterherrschaft Frankenhausen. Nachdem die Grafschaft Schwarzburg-Rudolstadt im Jahr 1710 zum reichsunmittelbaren Fürstentum erhoben wurde, erlosch die Oberhoheit des Kurfürstentums Sachsen über die Unterherrschaft Schwarzburg-Rudolstadt mit Ausnahme der Ämter Kelbra und Heringen. Der stolbergische Anteil am Amt, welcher sich seit 1554 als Pfand bei den Grafen von Schwarzburg-Rudolstadt befand, kam nach der Teilung der Grafschaft Stolberg im Jahr 1706 an die Grafschaft Stolberg-Roßla. Preußen. In Folge der Niederlage des 1806 zum Königreich ernannten Sachsen wurden auf dem Wiener Kongress im Jahr 1815 Gebietsabtretungen beschlossen, was u. a. alle unter Oberherrschaft von Sachsen stehenden Gebiete in Thüringen betraf. Die Landeshoheit über die Ämter Heringen und Kelbra wurde an das Königreich Preußen abgetreten. 1816 wurde ein Staatsvertrag zwischen dem Königreich Preußen und dem Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt abgeschlossen. Durch Einlösung des Stolberger Anteils und gingen alle Rechte auf das Amt auf Preußen über. Schwarzburg-Rudolstadt erhielt dafür eine Abfindung. Beide Ämter Kelbra und Heringen wurden gemeinsam dem Kreis Sangerhausen im Regierungsbezirk Merseburg der preußischen Provinz Sachsen angegliedert. Nachdem Stolberg-Roßla den Rückkauf der Anteile juristisch eingeklagt hatte, überließ Preußen 1836 das Amt Kelbra an die Grafen zu Stolberg-Roßla, behielt jedoch die Landeshoheit.
Der Gewöhnliche Reiherschnabel ("Erodium cicutarium"), häufig auch Schierlingsblättriger Reiherschnabel genannt, gehört zur Gattung Reiherschnäbel innerhalb der Familie der Storchschnabelgewächse (Geraniaceae). Oft werden die Sippen Dünen-Reiherschnabel ("Erodium ballii") und Dänischer Reiherschnabel ("Erodium danicum") abgetrennt, deren taxonomischer Rang ungewiss ist. Sie unterscheiden sich in der Zahl der Blüten pro Blütenstand sowie in der Länge der Fruchtschnäbel und der Teilfrüchte. Merkmale. Der Gewöhnliche Reiherschnabel ist eine ein- bis zweijährige, selten mehrjährige krautige Pflanze. Die Pflanze wächst anfangs in einer flach ausgebreiteten Blattrosette, später niederliegend bis fast aufrecht und erreicht Wuchshöhen zwischen 10 und 40, zuweilen 60 Zentimetern. Die Stängel sind behaart und kaum drüsig. Die Blätter sind bis zum Mittelnerv fiederteilig. Die Fiedern selbst sind nochmals geteilt und tragen schmale, spitze Zipfel. Die Blüten stehen zu zweit bis zehnt in lang gestielten, doldigen Blütenständen. Die Blütenstiele und Kelchblätter sind drüsig und/oder drüsenlos behaart. Die Kronblätter werden zwischen 5 und 9 Millimeter lang. Sie sind rosa oder lila, selten weiß. Die beiden oberen sind oft kleiner und tragen zuweilen einen hellen oder dunklen Fleck. Die Blüten haben je fünf Staubblätter und eine sternförmige Narbe. Die 25 bis 40 mm langen Fruchtschnäbel sind in der Reifezeit reiherhalsartig zurückgebogen (daher der Name). Die Pflanze blüht zwischen April und September mit einer Hauptblütezeit im Mai. Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 40. Ökologie. Die Blüten sind homogame „Kleine Trichterblumen“; seltener sind sie auch etwas zweiseitig symmetrisch und vormännlich. Meist erfolgt Selbstbestäubung. Die Früchte sind durch die stark verlängerten Griffel lang geschnäbelte Spaltfrüchte. Die fünf 5 bis 7 mm langen Teilfrüchte spalten sich bei Austrocknung mit dem Samen von der Fruchtmittelsäule ab. Der Wasserentzug aus dem Quellgewebe bewirkt eine schraubenartige Krümmung des unteren Abschnittes. Bei Wasserberührung dehnt sich das Quellgewebe aus und die Teilfrucht bohrt sich unter Entwindung in den Erdboden oder in ein Tierfell, oder sie bewegt sich als Bodenkriecher fort. Fruchtreife ist von August bis Oktober. Verbreitung und Standort. Der Gewöhnliche Reiherschnabel ist weltweit und auch in ganz Deutschland verbreitet. Er wächst an Wegen, im Brachland, in Weinbergen und Binnendünen. In Österreich ist er sehr häufig bis häufig in allen Bundesländern verbreitet. Er wächst auf sommerwarmen, mäßig trockenen bis trockenen, mäßig nährstoff- und basenreichen, oft kalkarmen, wenig humosen, lockeren Lehm-, Stein- und Sandböden. Er ist ein Sandzeiger und eine Pionierpflanze. Er bevorzugt lückige Unkrautfluren sowie Trocken- und Halbtrockenrasen. Er ist in Mitteleuropa eine schwache Charakterart der Klasse Sedo-Scleranthetea, kommt aber auch in Gesellschaften der Klasse Secalietea oder der Ordnung Polygono-Chenopodietalia vor. Trivialnamen. Für den Gewöhnlichen Reiherschnabel bestehen bzw. bestanden auch die weiteren deutschsprachigen Trivialnamen: Aadbarschnibb (Pommern), Ackerschnabel (Schlesien), Chranchesnabel (althochdeutsch), Chranichessnabel (althochdeutsch), Cranchesnabel, Cranchsnabel, Hirtennadel, Kaczsnabel (mittelhochdeutsch), Kranchsnabel, Krankensnawel (mittelniederdeutsch), Kranessnawel (mittelniederdeutsch), Krangeschnabl (mittelniederdeutsch), Kranichesnagel (mittelhochdeutsch), Kranichissnavel, Kranichnagel (mittelhochdeutsch), Kranichsnabil (althochdeutsch), Kransnabel (mittelhochdeutsch), Kranssesnabel (mittelhochdeutsch), Schirlingskraut, Snissblom (Altmark), Spinblaum (Wangerooge), Storchenschnabel (Bern) und Storkenschnabel.
Die Pyramiden von Meroe (Alternativschreibung Pyramiden von Meroë) liegen im Sudan, rund 200 Kilometer nordöstlich von Khartum in der Nähe des Dorfes Bagrawija. Sie lassen sich von der Lage her grob in drei Gruppen einteilen (Bagrawija Nord, Süd und West) und befinden sich über kleine Hügel verteilt, die rund einen Viertel Quadratkilometer groß sind. Insgesamt handelt es sich um mehr als 900 Pyramiden und Gräber, wobei sich die meisten bei Bagrawija Süd und West befinden. Die meist aus Stein erbauten Pyramiden von Meroe sind mit einer Höhe von unter 30 Metern deutlich kleiner als die bekannten altägyptischen Pyramiden und dienten den Königen, Königinnen und hohen Beamten des historischen Reiches von Kusch in Nubien als Grabstätten. Ihr Entstehungszeitraum reicht hauptsächlich von circa 300 v. Chr. bis etwa 300 n. Chr. Die erste Pyramide in Meroe, die sicher einem Herrscher zugeschrieben werden kann, stammt von Ergamenes, der um 280 v. Chr. regierte. Die Pyramiden von Meroe gehören seit 2011 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Ursprung. In allen Lebensbereichen, besonders in der Kultur der herrschenden Klasse Nubiens, ist eine starke Anlehnung an Ägypten wiederzufinden. Glaubensvorstellungen und die materielle Kultur werden vom nördlichen Nachbarn vor allem zu Beginn der nubischen Eigenstaatlichkeit dominiert. In diesem Kontext wurde wohl auch der Brauch, sich in Pyramiden bestatten zu lassen, von der herrschenden Schicht (siehe Nubische Pyramiden) übernommen. Jedoch wurden nicht nur die architektonischen Formen von Ägypten kopiert, sondern auch der Glaube an ein Leben nach dem Tod. Hier lassen sich, soweit schriftliche Quellen vorhanden sind, fast dieselben Riten und Sitten wie in Ägypten wiederfinden. Vor allem war es wichtig, dass des Toten auch nach seinem Tode gedacht und dass ihm Opfer dargebracht werden, wofür relativ aufwendige, auch oberirdisch zugängliche Grabbauten, wie eben Pyramiden mit einem Totentempel errichtet wurden. Der oberste Totengott war, wie in Ägypten Osiris, der sonst anscheinend keinen eigenen Tempel und keinen Kult in Nubien besaß; andere Totengötter waren Isis und Anubis. Sie werden auch immer wieder in nubischen Totentexten und somit auch in den Pyramidentempeln genannt. Vor allem Isis und Anubis wurden bei der Bitte um Brot und Wasser angerufen, womit die Versorgung mit Nahrung bis in alle Ewigkeit sichergestellt werden sollte. Aufbau der Pyramiden. Die Pyramiden bestehen jeweils aus drei Teilen: Die Pyramiden in Meroe fallen durch ihren, im Vergleich zu den ägyptischen Pyramiden steilen Winkel von 72 Grad (die ägyptischen: 54 Grad) auf, sie sind auch wesentlich kleiner als diese. Die meisten von ihnen sind nicht glatt verkleidet, sondern getreppt, wobei sie anscheinend keine Spitze hatten, sondern oben etwas abgeflacht waren und vielleicht einen kleinen, flachen Zylinder als Abschluss hatten. Sie standen auf einem flachen Sockel. Die königlichen Pyramiden von Meroe unterteilen sich in zwei Gruppen, die sich durch ihre Größe unterscheiden. Die erste Gruppe datiert von Ergamenes (ca. 280 v. Chr.) bis Amanischacheto (Ende des ersten Jahrhunderts v. Chr.). Die durchschnittliche Seitenlänge ist 18 m. In der zweiten Gruppe (ab Natakamani ca. 50 n. Chr.) ist die durchschnittliche Seitenlänge dagegen nur 6,6 m. In dieser Zeit verlor der Pyramidenbau offensichtlich an Bedeutung. Gleichzeitig werden die Pyramiden der Königinnen bzw. Kandaken größer als jene der Könige ausgeführt. Die Dekoration der Totentempel. Die Totentempel vor den Pyramiden sind in Sandstein gebaut. Sie bestehen meist aus ein oder zwei Räumen, denen ein Pylon vorgelagert ist. Diese Tempel sind reich dekoriert. Auf der Außenseite des Pylons ist ein flaches, versenktes Relief eingehauen, das oftmals, aber nicht immer, den König beim Erschlagen der Feinde zeigt, eine alte von den Ägyptern übernommene Szene. Auch das Innere des Tempels ist mit flachem, aber erhabenem Relief ausgeschmückt. Es lassen sich dabei drei Dekorationstypen unterscheiden. Typ A datiert in das 3. vorchristliche Jahrhundert. Er zeigt Opferszenen im ägyptischen Stil mit ägyptischen Hieroglyphen. Typ B datiert in das 2. vorchristliche bis in das erste nachchristliche Jahrhundert. Hier findet man das Totengericht und das Totenbuch, die in Ägypten seit ca. 1350 v. Chr. zum typischen Repertoire von Grabdekorationen gehören. Vor dem Totengericht musste sich das Herz des Toten verteidigen und beweisen, dass der Tote im Leben mehr gute als schlechte Taten vollbracht hatte. Auf einer Waage wurden die schlechten und guten Taten mit dem Herz als Gewicht aufgewogen. Nur wenn der Tote in diesem Gericht, dem Osiris als Richter vorstand, für unschuldig befunden wurde, durfte er für alle Ewigkeit in die Unterwelt eingehen. Wenn er für schuldig befunden wurde, so fraß ihn die "Totenfresserin" und der Verstorbene starb einen ewigen Tod. Der letzte Typ C setzt mit Natakamani ein. An den Seitenwänden dominiert nun der Grabherr oder die Grabherrin, die sitzend dargestellt sind. Die Grabherren tragen meist ein Festgewand und sind reich mit diversen Schmuck behangen. Hinter dem Toten stehen oftmals Isis und Nephthys, aber es können auch Königinnen erscheinen. Vor ihnen erscheint ein Prinz oder Anubis, die dem Verstorbenen ein Weihrauch- oder Wasseropfer darreichen. Die Rückwand der Kapelle zeigt den Unterweltgott Osiris oder eine Scheintür, durch die der Tote symbolisch das Grab verlassen können sollte. Grabbeigaben. Die meisten der Pyramiden fanden sich beraubt, so dass es nur bedingt möglich ist, sich eine Vorstellung von der einstigen Ausstattung der Grabkammern zu machen. Die einzige ungeplünderte Pyramide gehört der Königin Mernua (ca. 600 v. Chr.). Ihr Grab datiert aber ganz an den Beginn des Friedhofes ca. 300 Jahre vor den königlichen Pyramiden, so dass ihr Grab wohl typisch für ihre Zeit, aber nicht typisch für den Großteil der Bestattungen in Meroe ist. Mernua wurde in einem rein ägyptischen Stil bestattet. Sie lag in mehreren Särgen, die ineinander gestellt waren. Ihre Mumie war reich mit Amuletten dekoriert und in dem Grab lagen zahlreiche Uschebtis, auf denen sich ihr Name fand. Der Großteil der Grabausstattung wurde speziell für das Grab hergestellt. Die späteren Bestattungen sehen anders aus. Es fehlen Uschebtis, es lassen sich selten Särge nachweisen (einst vorhandene könnten wegen der schlechten Erhaltungsbedingungen verfallen sein) und es gibt auch keine Reste von Mumienmasken. Die meisten Objekte der Bestattungen wurden dem täglichen Leben entnommen. Es finden sich viele Luxusartikel, die aus der hellenistischen Welt importiert wurden (Metallgefäße, aber auch Bronzeskulpturen, viel hellenistische Keramik, darunter Weinamphoren). Es gibt Belege für Schmuck, der wohl schon im Leben getragen wurde, und es gibt Belege für Möbel, die mit in das Grab gelegt wurden. Es kommen zwar weiterhin auch Amulette im ägyptischen Stil vor, aber man entfernte sich in Meroe ab dem 3. vorchristlichen Jahrhundert immer mehr vom ägyptischen Bestattungsbrauchtum. Jedoch zeigen die Darstellungen in den Pyramidenkapelle, dass man ägyptische Glaubensvorstellungen weiterhin pflegte. Osiris und Isis und das Totengericht, die typischen Darstellungen in ägyptischen Darstellungen jener Zeit, erscheinen in diesen Szenen jedenfalls immer wieder. Es gibt Anzeichen, wenngleich nur unauffällige, dass Diener und auch Tiere mit den Herrschern bestattet wurden. Viele Grabkammern enthielten mehr als einen Toten. Im Umkreis der Pyramiden fanden sich auch Tierbestattungen. Erforschung. Der italienische Arzt und Abenteurer Giuseppe Ferlini besuchte die Pyramiden 1834 und zerstörte einige von ihnen auf der Suche nach Schätzen. Er fand dabei die Schmuckstücke der Königin Amanischacheto und versuchte sie an verschiedene Museen zu verkaufen, doch glaubte damals in Europa niemand, dass solche hochwertigen Objekte aus Schwarzafrika stammen könnten. Schließlich wurden sie dann von Berlin und München gekauft, wo sie sich noch heute befinden. Ein Jahrzehnt später erkundete die preußische Expedition unter Richard Lepsius die Pyramiden. Der Friedhof wurde systematisch untersucht, ein Plan wurde gezeichnet und viele Darstellungen in den Pyramidentempeln wurden kopiert. In den 1920er-Jahren wurden die Pyramidenfelder systematisch von George Andrew Reisner ausgegraben, wobei er ausgesprochen reiche Funde machte. Im Gegensatz zu den früheren Gräbern in Nuri oder al-Kurru fanden sich in den klassischen meroitischen Grabkammern wenige Objekte, die speziell für Gräber hergestellt wurden. Alltagsgegenstände als Grabbeigaben dominieren das Bild, darunter befinden sich viele Importobjekte aus dem Mittelmeerraum. Die Funde wurden hauptsächlich zwischen Khartum und dem Museum of Fine Arts, Boston aufgeteilt. Die Arbeit von G. Reisner wurde von Dows Dunham in den 1950er- und 1960er-Jahren in mehreren Monumentalbänden publiziert. G. Reisner war vor allem an der Ausgrabung der Grabkammern interessiert und vernachlässigte die Pyramiden als solche. Die Dekorationen der Grabpyramiden und ihre Architektur sind deshalb bis heute noch nicht systematisch aufgearbeitet und wissenschaftlich vorgestellt. In den letzten Jahren wurden einige der Pyramiden von dem deutschen Architekten und Archäologen Friedrich Hinkel restauriert. Liste der Pyramiden. Die Abkürzung Beg steht für Bagrawija, 1 für Nordfriedhof, S für Südfriedhof und W für Westfriedhof. Auf dem Südfriedhof fanden schon mindestens seit Aspelta (um 580 v. Chr.) Bestattungen hochrangiger Personen statt. Ergamenes (um 280 v. Chr.) ist der erste dort bestattete Herrscher. Um 250 v. Chr. wurde der Südfriedhof aufgegeben und der Nordfriedhof als Bestattungsplatz für Könige benutzt. Dabei gehören nicht alle Pyramiden zu Königen oder Königinnen. Ein weiteres Gräberfeld ist der Westfriedhof, auf dem sich auch sehr viele Pyramiden befinden. Hier wurden anscheinend die hohen Würdenträger und ihre Familienangehörige bestattet. Einige wenige Pyramiden dort sind eventuell königlich. Eine erste Nummerierung der Pyramiden stammt von der Lepsius-Expedition. Die heutigen Nummern folgen George Andrew Reisner. Lücken in der hiesigen Nummerierung sind durch Gräber begründet, die wohl nicht königlich sind. In der folgenden Liste finden sich alle Pyramiden, die einem König oder einer Königin zugeordnet werden können, daneben auch Gräber von Würdenträgern, deren Namen überliefert sind. Nicht alle Pyramiden können einem Besitzer zugeordnet werden. Die Namen der Besitzer sind meist in den kleinen Pyramidentempeln erhalten – sind diese zerstört, so gibt es kaum Anhaltspunkte zur Identifizierung. Selten fanden sich mit Namen beschriftete Objekte in den Grabkammern, so dass die dortigen Funde wenig Hilfe bieten. Die meisten Pyramiden waren mit einer beschrifteten Opfertafel ausgestattet, die den Namen des Grabinhabers nennt. Leider sind Opfertafeln Objekte, die leicht verschleppt werden konnten, so dass ihre Fundorte nur einen vagen Anhaltspunkt liefern können. Im Folgenden sind nur jene Pyramiden einem Besitzer zugeordnet, wo diese Zuordnung halbwegs sicher ist. Literatur. Die Ausgrabungsberichte: Allgemeines:
Fikret Demirer (* 13. März 1961 in Istanbul) ist ein ehemaliger türkischer Fußballspieler und Fußballtrainer. Durch seine langjährige Tätigkeit für Beşiktaş Istanbul und als Eigengewächs wird er sehr stark mit diesem Verein assoziiert. So war er Teil jener Mannschaft Beşiktaş', die nach 15 Jahren ohne Titel in der Saison 1981/82 wieder die türkische Meisterschaft gewinnen konnte. Später spielte er vier Spielzeiten lang für Sarıyer GK und war in der Glanzzeit dieses Vereins, die in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre stattfand, einer der Leistungsträger. Spielerkarriere. Verein. Demirer begann mit dem Vereinsfußball in der Jugend des Istanbuler Traditionsvereins Beşiktaş Istanbul. Hier wurde er zur Rückrunde der Saison 1977/78 vom damaligen Cheftrainer Doğan Andaç in den Profikader aufgenommen. Sein Debüt für die Profimannschaft gab er bei der Erstligabegegnung vom 7. April 1979 gegen den Adanaspor. Im weiteren Saisonverlauf absolvierte Demirer acht weitere Ligaspiele und erzielte in dem Auswärtsspiel gegen MKE Kırıkkalespor sein erstes Tor. Zum Saisonende wurde Andaç durch Serpil Hamdi Tüzün ersetzt. Unter Tüzün kam Demirer zwar immer wieder zu Kurzeinsätzen, schaffte aber nicht den Sprung in die Stammelf. In der Spielzeit 1980/81 belegte seine Mannschaft nach zwei erfolglosen Jahren mit dem fünften Tabellenplatz wieder einen Tabellenplatz in der oberen Tabellenhälfte. Für die Spielzeit 1981/82 wurde Đorđe Milić als neuer Cheftrainer eingestellt. Unter diesem blieb Demirer ebenfalls nur Ergänzungsspieler, sicherte seinem Verein aber durch seine zwei Saisontoren entscheidende Punkte. Zum Saisonende erreichte die Mannschaft die seit fünfzehn Jahren erhoffte türkische Meisterschaft. In dieser Saison lieferte sich die Demirers Mannschaft mit dem anatolischen Verein Trabzonspor, der damals den türkischen Fußball dominierte, über die gesamte Saison ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die türkische Meisterschaft. Am Ende konnte sich Beşiktaş durchsetzen und nach fünfzehn Jahren wieder türkische Fußballmeister werden. In den nächsten beiden Spielzeiten etablierte sich Demirer allmählich als Stammspieler. Sein Klub Beşiktaş blieb aber während dieser Zeit in der Meisterschaft wieder chancenlos. Als einziger Lichtblick erreichte die Mannschaft im Sommer 1984 das Pokalfinale und unterlag hier Trabzonspor. Da der Gegner auch die Meisterschaft gewann, qualifizierte sich Beşiktaş für den UEFA-Pokal. Zudem wurde in der Spielzeit 1983/84 der vorsaisonale TSYD-Istanbul-Pokal geholt. Erst in der Spielzeit 1984/85 gelang es der Mannschaft wieder um die Meisterschaft mitzuspielen und bewahrte sich die Chance auf die Meisterschaft bis zum letzten Spieltag. Am Ende wurde die Meisterschaft mit einem Punkt Unterschied an den Erzrivalen Fenerbahçe Istanbul vergeben. In der Erstligasaison 1985/86 lieferte sich Demirers Mannschaft dieses Mal über die gesamte Spielzeit mit dem Erzrivalen Galatasaray Istanbul ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die türkische Meisterschaft. Diese sicherte sich das Team erst am letzten Spieltag, punktgleich zu Galatasaray, dank des besseren Torverhältnisses wegen. Zudem gewann die Mannschaft in dieser Saison den Präsidenten-Pokal und den Marinepokal. Die nächste Spielzeit holte man den Premierminister-Pokal, vergab aber die Meisterschaft mit einem Punkt Unterschied an Galatasaray. Am Ende der Saison 1986/87 konnte er sich mit Beşiktaş um eine Vertragsverlängerung nicht einigen. Nachdem er erst mit dem Erzrivalen Fenerbahçe Istanbul verhandelt hatte, wechselte er mit Sarıyer GK zu einem anderen Stadt- und Ligarivalen. Bei seinem neuen Klub eroberte er sich schnell einen Stammplatz und trug dadurch dazu bei, dass sein Verein am Ende der Saison 1988/89 mit dem 4. Tabellenplatz die beste Erstligaplatzierung der Vereinsgeschichte erreichte. Bis zum Sommer 1991 wurde er mit seinem Verein ein Mal Tabellenfünfter der Liga und ein weiteres Mal Tabellenvierter. Nach der Saison 1990/91 verließ er die Istanbuler und wechselte innerhalb der 1. Lig zum Hauptstadtvertreter MKE Ankaragücü. Für diesen Klub spielte er zwei Spielzeiten lang und beendete im Sommer 1993 seine Laufbahn. Nationalmannschaft. Demirer begann seine Nationalmannschaftskarriere 1978 mit einem Einsatz für die türkische U-18-Nationalmannschaft. 1978 absolvierte er drei weitere U-21-Länderspiel. 1987 spielte er vier Mal für die Olympiaauswahl der Türkei. Demirer wurde das erste Mal in den Kader für die türkische A-Nationalmannschaft im September 1984 im Rahmen eines Testspiels gegen die Nationalmannschaft der UdSSR nominiert. In dieser Partie gab er sein Länderspieldebüt. Im gleichen Jahr absolvierte er zwei weitere A-Länderspiele. Trainerkarriere. Demirer begann im Anschluss an seine Fußballspielerkarriere seine Trainerkarriere und arbeitete als erste Tätigkeit beim Istanbuler Verein Sapanca Gençlikspor als Cheftrainer. Nachdem er diese Tätigkeit eineinhalb Jahre ausgeübt hatte, begann er ab 2000 für seinen früheren Verein Beşiktaş Istanbul als Nachwuchstrainer. Diese Tätigkeit führte er bis zum Sommer 2002 aus und wechselte dann als Cheftrainer zu Gebzespor. Zwischen 2005 und 2011 arbeitete in verschiedenen Tätigkeiten für den Nachwuchs Beşiktaş'.
John Herbert Doherty (* 12. März 1935 in Manchester; † 13. November 2007 in Heald Green) war ein englischer Fußballspieler. Als Teil der „Busby Babes“ von Manchester United gewann der Halbstürmer in der Saison 1955/56 die englische Meisterschaft. Aufgrund anhaltender Knieprobleme musste er jedoch seine Profilaufbahn bereits im Alter von 23 Jahren schon wieder beenden. Sportlicher Werdegang. Als Manchester Uniteds Trainer Matt Busby in den 1950er-Jahren seine Mannschaft mit zahlreichen Jugendspielern (bekannt als „Busby Babes“) umbaute, zählte neben Duncan Edwards, Bobby Charlton und Dennis Viollet auch der 1935 in Manchester geborene John Doherty dazu. Als talentierter Halbstürmer, der spielstark mit beiden Füßen war, wurde ihm eine im Vergleich zu den Genannten ähnliche Entwicklung prognostiziert, wobei ihm vor allem eine überdurchschnittliche Spielintelligenz zugesprochen wurde. Begonnen hatte Doherty im Jahr 1950 seine Laufbahn bei Manchester United – obwohl im Kindesalter Manchester City sein Lieblingsklub gewesen war –, nachdem er zuvor in Schülerauswahlmannschaften von Manchester sowie der Grafschaft Lancashire gestanden hatte. Schnell gestaltete sich sein sportlicher Aufstieg und nach seinem 17. Geburtstag unterzeichnete er im März 1952 den ersten Profivertrag. Neun Monate später debütierte er am 6. Dezember 1952 gegen den FC Middlesbrough in der ersten Mannschaft. Obwohl Trainer Busby über einen leistungsstarken Kader verfügte, kam der junge Doherty, der mit einem gepflegten Passspiel und einem harten Schuss überzeugte, fortan regelmäßig zum Zug. Daneben gehörte er auch zu der Jugendauswahl des Vereins, die sich anschickte, den erstmals ausgetragenen FA Youth Cup zu gewinnen. Hier trug er wesentlich zum Einzug ins Halbfinale bei und als er dort das Rückspiel gegen den FC Brentford bestritt, erlitt er seine erste schwere Verletzung. Am Tag danach sollte er eigentlich seinen Pflichtdienst beim National Service antreten, der danach verschoben werden musste. Langsam gestalte sich danach sein Rehabilitationsprogramm und verspätet trat er seinen Dienst bei der Royal Air Force an. Parallel dazu hatte United den Iren Billy Whelan verpflichtet, der letztlich Doherty beim siegreichen Youth-Cup-Finale gegen die Wolverhampton Wanderers erfolgreich vertrat. Dohertys Profikarriere schien bereits vorzeitig zu einem Ende gekommen sein, bevor er sich zunächst auf vorläufiger Basis im Herbst 1955 in der ersten Mannschaft zurückmeldete. Manchester United hatte sich in der Zwischenzeit zum aufregendsten Team im englischen Profifußball entwickelt und in der Saison 1955/56 gewannen die Busby Babes überlegen die nationale Meisterschaft. Doherty bestritt auf der rechten Halbposition mehr als ein Drittel der Ligaspiele, wodurch ihm eine offizielle Meistermedaille zugesprochen werden konnte. Seine sportlichen Ambitionen schienen wiederbelebt worden zu sein, aber erneute Komplikationen in seinem Knie sorgten dafür, dass diese einen weiteren Rückschlag erlitten – zumal sein Konkurrent Billy Whelan konstant gute Leistungen erbrachte. Doherty arbeitete hart an seiner Genesung und nach diversen Meinungsverschiedenheiten mit Trainer Busby wurde im Oktober 1957 ein Vereinswechsel zum Erstligaaufsteiger Leicester City für eine Ablösesumme von 6.500 Pfund durchgeführt. Anfänglich wusste Doherty bei den „Foxes“ zu gefallen, speziell im Zusammenspiel mit dem ebenfalls aus Manchester stammenden Johnny Morris. Zwei Monate später folgte dann aber die nächste Zwangspause und er musste sich im Krankenhaus zu einer weiteren seiner unzähligen Knieoperationen einfinden – dort erfuhr er auch von dem tragischen Flugzeugabsturz seiner Ex-Kollegen aus Manchester. Dieser Tragödie folgte nur wenig später seine persönliche Enttäuschung, als ihm offenbart wurde, dass er nie wieder Profifußball spielen könnte. Fortan betätigte er sich als Spielertrainer in der Southern League bei Rugby Town. Als im Herbst 1958 Uniteds Kotrainer Jimmy Murphy Gespräche führte, neuer Cheftrainer beim FC Arsenal zu werden, plante dieser, Doherty zu seinem Assistenten zu machen. Letztlich obsiegte jedoch Murphys Loyalität zu seinem Chef Busby und so blieb Doherty als Amateurtrainer aktiv und betreute Klubs wie den FC Altrincham, Bangor City und Hyde United. Außerhalb des Fußballgeschäfts nahm er in den 1960er- und 1970er-Jahren diverse Tätigkeiten in der Finanzbranche wahr. Danach arbeitete er beim FC Burnley als Chefscout und später in der Versicherungs- und Sportwerbebranche. Er war Gründungsmitglied, lange Vorsitzender der Vereinigung der Ex-Spieler von Manchester United und treibende Kraft hinter dem Benefizspiel im Jahr 1998, das 40 Jahre nach dem Unglück von München Gelder für die Opfer und deren Hinterbliebene sammelte. Im Alter von 72 Jahren verstarb Cope am 13. November 2007 in Folge einer Lungenkrebserkrankung.
Die Zitadelle Cyriaksburg ist eine ursprünglich städtische, später schwedische, kurmainzische und preußische Stadtfestung des 17. bis 19. Jahrhunderts. Sie liegt auf dem 265 Meter hohen Cyriaksberg, inmitten des "egaparks Erfurt" im Südwesten der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt. An gleicher Stelle stand zuvor seit dem 12. Jahrhundert das Cyriakskloster. 350 Jahre später brach man dieses ab und errichtete dafür zwischen 1480 und 1604 die städtische Festung Cyriaksburg. Sie sollte die Verteidigung der Stadt nach Westen hin verstärken. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde sie auf Befehl Gustav Adolfs II. von Schweden zu einer Zitadelle ausgebaut. Nach der gewaltsamen Eroberung von Erfurt 1664 durch kurmainzische Truppen und der Errichtung der Zitadelle Petersberg, verlor sie jedoch stark an Bedeutung. Mit dem Wiener Kongress im Jahr 1815 kam die Zitadelle Cyriaksburg mit Erfurt zum preußischen Königreich und diente bis zur Reichsgründung 1871 als Befestigungsanlage. Ab 1919 ließ man sie zusammen mit dem Cyriaksberg in eine städtische Gartenanlage umgestalten. Ab 1961 wurden auf dem Gelände die Dauerausstellung "Internationale Gartenbauausstellung der sozialistischen Länder" veranstaltet, woraus nach 1990 der heutige "egapark Erfurt" entstand. Ab 1995 erfolgten an der Festung Sanierungen in größerem Umfang. Heute befindet sich in ihren Gebäuden unter anderem das Deutsche Gartenbaumuseum. Geographie. Die Cyriaksburg liegt auf dem ca. 265 m hohen "Cyriaksberg". Der Berg ist Teil einer Hochfläche westlich von Erfurt im Thüringer Becken, die nach Osten und Süden zum Tal der Gera abfällt und nach Norden zum Tal des Schmiraer Baches. Damit bot er strategisch wichtigen Punkt zur Sicherung der Siedlungen im Geratal. Die Höhe ist überwiegend unbewaldet, am Südhang in Richtung Hochheim und am Nordhang zum Schmiraer Bach auch besiedelt. Verkehrsmäßig gut erschlossen ist die Anhöhe durch die Bundesstraße 7 in Richtung Gotha und eine Straßenbahnlinie. Geschichte. Vom Cyriakskloster zur Cyriaksburg (bis 1604). Etwa 5000 vor Christus war der Cyriaksberg wahrscheinlich bereits von Steinzeitmenschen besiedelt. Die fruchtbaren Niederungen der Gera und die beherrschende Lage des Hügels boten dafür gute Voraussetzungen. 1123 errichtete man auf dem Berg das Cyriakskloster, ein Benediktiner-Nonnenkloster, benannt nach dem heiligen Cyriakus. Ursprünglich wurde das Kloster etwa 743 unter dem Namen St. Paul neben der Severikirche auf dem Domberg gegründet. Unter dem Mainzer Kurfürsten und Erzbischof Adalbert I. von Saarbrücken erfolgte aus Platzgründen die Verlegung auf den Cyriaksberg. In den folgenden Jahrhunderten wuchs die wirtschaftliche und politische Macht der Stadt Erfurt, wodurch sich einige Konflikte entwickelten. Dabei kam es auch zu Belagerungen der Stadt und insbesondere des strategisch wichtigen Cyriaksbergs. So beispielsweise Ende des 14. Jahrhunderts, als sich die Frage nach dem Nachfolger des Mainzer Erzbischofs Johann von Luxemburg stellte. Papst Gregor XI. und Kaiser Karl IV. einigten sich auf den jüngeren Bruder des Thüringer Landgrafen Friedrich des Strengen. Dagegen wählte das Mainzer Domkapitel den Grafen Adolf von Nassau, dem sich auch Erfurt anschloss. Zur Strafe ließ der Kaiser die Stadt Erfurt ächten und zusammen mit Truppen des Thüringer Landgrafen belagern. Dabei wurde der Cyriaksberg eingenommen, um von da aus die Stadt unter Beschuss zu nehmen und die Klostergebäude als Truppenunterkunft zu nutzen. Nach mehreren Monaten schloss 1382 schließlich der Kaiser mit der Stadt Frieden. Als Lehre aus diesem Ereignis ließ man die westliche Stadtbefestigung durch die Errichtung des Pförtchenturms (abgebrochen 1889) und Brühler Turms (abgebrochen 1633) verstärken. In den folgenden Jahrhunderten hielten jedoch die politischen Unruhen an, und die Stadt gewann an Selbstständigkeit. Dagegen verloren der Papst und der Kaiser stark an Macht, so waren die Städte für ihren Schutz auf sich angewiesen. Der Erfurter Rat beschloss daher, auf dem Cyriaksberg eine Burg anzulegen. Die Cyriaksburg sollte das Geratal und die Straße nach Gotha und Nordhausen beherrschen. Für diesen Plan musste aber das ansässige Cyriakskloster ein zweites Mal verlegt werden, wofür sich Erfurt 1478 eine Erlaubnis beim Papst einholte. Als man zwei Jahre darauf am 14. Mai auch noch vom Kaiser Friedrich III. eine Baugenehmigung erhielt, schien dem Vorhaben nichts mehr im Wege zustehen. Doch der Mainzer Erzbischof und Kurfürst Diether von Isenburg und der Kurfürst Ernst von Sachsen fühlten sich von dem Vorhaben der Erfurter übergangen, so dass schließlich diese die außerthüringischen Handelsstraßen für Kaufleute aus Erfurt sperren ließen. Als wenig später auch noch ein wichtiger Beschützer der Stadt, Wilhelm III. Herzog von Sachsen starb, gab Erfurt allen Widerstand auf. Im Frieden von Amorbach (1483) und von Weimar (1483) verpflichtete sich Erfurt, Kurmainz als Landesherren anzuerkennen und an Kursachsen Schutzgelder sowie Territorien abzutreten. Die Cyriaksburg wurde jedoch von beiden Parteien im Nachhinein gebilligt, konnte aber aufgrund der hohen Geldzahlungen nur geringfügig weiter ausgebaut werden. So entstanden bis 1488 lediglich die Fundamente, der trockene Wallgraben sowie ein Teil der westlichen Ringmauer. Erst ab 1514 nahm man die Arbeiten wieder vollständig auf und errichtete dabei zwischen 1528 und 1530 die beiden westlichen Türme mit Schießscharten und den Festungsbrunnen. Ursprünglich sahen die Planungen insgesamt vier Türme vor, von denen aber die beiden östlichen vermutlich aus Kostengründen nie realisiert wurden. 1535 stellte man die gesamte Ringmauer mit Schießscharten bis auf die östliche Seite fertig. Sie besaß eine Ziegelbedachung zum Schutz vor dem Wetter und ruhte im Norden und Süden auf mehreren Gewölben, wodurch Baumaterial eingespart werden konnte. Ab 1530 wurde die Anlage in das Verteidigungssystem der Stadt eingegliedert und mit einer Bürgerwehr besetzt. Während des Schmalkaldischen Krieges zwischen 1546 und 1547 besetzten Truppenteile des Herzogs Moritz von Sachsen die Cyriaksburg, nachdem zuvor die Stadt ihnen den Einlass verwehrt hatte. 1604 wurde mit Errichtung eines Kehlgebäudes nach Osten, das als Kommandantenhaus diente, die Festung geschlossen. Etwa zur gleichen Zeit veränderte man die Wehrordnung der Burg, die von nun an eine ständige Besatzung vorsah. Ausbau zur Zitadelle (1604–1802). Während des Dreißigjährigen Kriegs (1618–1648) wurde Erfurt mit dem Cyriaksberg 1631 durch Unionstruppen von Gustav Adolf II. von Schweden besetzt, nachdem die Stadt zuvor mehrere Belagerungsversuche mit Geldzahlungen abwenden konnte. Bei einem persönlichen Besuch von Erfurt am 24. September erkannte Gustav II. Adolf von Schweden sofort die strategisch wichtige Lage der Stadt mit ihren Verteidigungswerken. Daraufhin ließ er die Cyriaksburg unter dem Erfurter Festungsbaumeister Casper Vogell und dem Ingenieur Otto von Guericke zu einer Zitadelle ausbauen. Dazu gehörte, dass man die Innenseite der Ringmauern mit Erde zuschüttete sowie vor dem Wallgraben einen abgestuften Erdwall mit Palisaden anlegte. Die Gebäude der Burg wurden als Quartier und als Ausgangsbasis für Feldzüge der schwedischen Truppen genutzt. Außerdem errichteten die Schweden in den letzten Jahren ihrer Besatzungszeit vor jeder Seite der Festung ein Ravelin sowie vor den beiden westlichen Türmen je eine Traverse. Mit dem Westfälischen Frieden (1648) endete der Dreißigjährige Krieg, und Erfurt hätte auf Grund alter Rechtsansprüche wieder in das Kurfürstentum Mainz eingegliedert werden sollen. Doch das hätte den Verlust der kommunalen Selbstständigkeit bedeutet. Erfurt weigerte sich und wurde schließlich 1664 von kurmainzischen und französischen Truppen gewaltsam zur Aufgabe gezwungen. Daraufhin besetzten diese auch die Zitadelle Cyriaksburg. Unter dem Mainzer Kurfürsten und Erzbischof Johann Philipp von Schönborn sollte die Befestigungsanlage auf dem Cyriaksberg modernisiert werden. Doch zunächst konzentrierte man sich auf die Errichtung der Zitadelle Petersberg auf dem benachbarten Petersberg. Dabei verlor die Zitadelle Cyriaksburg stark an Bedeutung und man begrenzte die Ausbauarbeiten auf den Bau eines Kavaliers, einer zweistöckigen Kaserne (1703) sowie eines gedeckten Laufgrabens zum Petersberg. Auf die Ausführung eines zunächst geplanten Hornwerks im Westen der Anlage verzichtete man. Beim Kavalier handelte es sich um einen Erdwall, der etwas höher als die umliegende Ringmauer war. In seinem Inneren lagen geschützt neben dem Kasernenbau, ein Brunnenhaus sowie eine kleine Kapelle. Außerdem besaß er in der rechten Flanke eine Kasematte und auf der Westseite mehrere Geschützstände, die über eine Rampe zu erreichen waren. Die hohen finanziellen Aufwendungen für neue notwendige Reparaturen an der Festung und neue militärische Entwicklungen führten 1760 zu neuen Überlegungen bei der Stadt Erfurt. Man dachte sogar über eine Schleifung der Anlage nach. Diese lehnte aber der Mainzer Kurfürst und Erzbischof Johann Friedrich Karl von Ostein aufgrund der unsicheren politischen Lage zu der Zeit ab. Unter preußischer Herrschaft (1802–1945). Durch den preußisch-französischen Sondervertrag von 1802 erhielt Preußen von Frankreich als Entschädigung für die verlorenen Gebiete links des Rheinufers unter anderem das Eichsfeld und Erfurt. Daraufhin besetzte das preußische Regiment Nr. 59 von Wartensleben die Stadt mit dem Cyriaksberg. Dort fanden sie die Zitadelle in einem verwahrlosten Zustand vor, an dem die Preußen in den folgenden Jahren auch wenig änderten. Einzig Baracken sowie kleine Palisadentambours vor den Toren der Festung ließ man errichten, nachdem zuvor der Krieg zwischen Frankreich und Preußen (1806) ausgebrochen war. Nach der Schlacht von Jena und Auerstädt kapitulierte die Stadt Erfurt am 15. Oktober 1806 mit ihren beiden Zitadellen vor den napoleonischen Truppen, die daraufhin die Zitadelle Cyriaksburg einnahmen. Während der ersten Besatzungsjahre kümmerten sich die Franzosen weniger um den Ausbau der Festung, als vielmehr um den Verkauf von wertvollem Inventar. Aus Geldgier und Langeweile begannen die Franzosen nach einem Schatz aus der Zeit des Cyriaksklosters in den Mauern der Zitadelle Cyriaksburg zu suchen, der nach einer alten Sage dort eingemauert sein sollte. Daraufhin fing man am 9. Dezember 1810 mit dem teilweisen Abbau der östlichen und später der südlichen Mauer an. Wie die Bauunterlagen jedoch zeigten, lag die Erbauungszeit der betreffenden Mauerabschnitte im 17. Jahrhundert, so dass sich der vermutete Schatz dort nicht befinden konnte. Als sich diese Erkenntnis langsam bei den Franzosen durchsetzte, war bereits ein großer Schaden entstanden. Da aber die eigenen Kassen für die notwendige Reparatur der Mauern leer waren, brach man die kleine Burgkapelle ab und verkaufte deren Steine und Ziegeln. Erst nach dem verlorenen Russlandfeldzug von 1812 wurden wieder Instandsetzungsarbeiten an der Festungsanlage aufgenommen. Diese konzentrierten sich auf den Ausbau des Glacis (Schanze), der Türme mit bombensicherer Eindeckung sowie auf die Errichtung eines gedeckten Wegs mit Grabenkoffer zur Zitadelle Petersberg. Als am 6. April 1813 Napoleon Bonaparte die Cyriaksburg besichtigte, war er mit den vorgenommenen Arbeiten wenig zufrieden. Auf seinen Befehl hin holzte man im Sommer 1813 das Gebiet Dreienbrunnen ab und setzte es unter Wasser. Die Völkerschlacht bei Leipzig (16.–19. Oktober 1813) besiegelte den Untergang der napoleonischen Truppen. Teile der französischen Armee flohen nach dem Kampf in die Stadt Erfurt. Hier sollte sich das französische Heer sammeln und ein erstes Widerstandszentrum gegen die Verfolger entstehen. Die Leitung für dieses Vorhaben erhielt Generalfeldmarschall Alexandre d’Alton, der daraufhin am 25. Oktober 1813 mit dem Schließen aller Tore und Verkaufsläden die Blockade der Stadt einleitete. Nach drei Tagen hatte ein 34.900 Mann starkes, aus preußischen, österreichischen und russischen Truppenteilen bestehendes Belagerungskorps Erfurt von allen Seiten eng umschlossen und seine Quartiere und Artillerie in den umliegenden Dörfern aufgestellt. Im November unternahmen die Preußen ihre ersten Angriffe gegen die Zitadelle Cyriaksburg, die die 800 Mann starke napoleonische Besatzung zunächst abwehren konnte. Aber schließlich gaben die Franzosen am 6. Januar die Blockade der Stadt und am 7. Mai 1814 die Besetzung der Zitadelle Cyriaksburg auf, nachdem Paris bereits am 31. März gefallen war. Als die preußischen Truppen sie friedlich übernahmen, befand sich die Festung immer noch in einem verwahrlosten Zustand. Das zeigte sich vor allem an den baufälligen Gebäuden und der verfallenen Bogenmauer. Nach dem Wiener Kongress (1814–1815) kam es zu einer Neuordnung Europas. Als Ergebnis erhielt das Königreich Preußen unter anderem die Provinz Sachsen und die Stadt Erfurt. Die Festung Erfurt gehörte nun zu den am südlichsten gelegenen Befestigungsanlagen Preußens. Deshalb sollte sie als Festung ersten Ranges, zusammen mit den beiden Zitadellen Petersberg und Cyriaksburg ausgebaut werden. Dafür engagierte man den Ingenieurleutnant vom Platze Johann Pientka (gen. Haak), der die Zitadelle Cyriaksburg zwischen 1824 und 1830 nach dem neupreußischen System verstärken ließ. Zunächst wurden 1824 der Festungsgraben vertieft und die Gebäude im Inneren der Anlage abgebrochen. Anschließend errichtete man zwischen 1825 und 1826 die Defensionskaserne, sowie 1827 die beiden Kanonenhöfe I und II und die Grabenkaponnieren I und II. Die beiden oberen Geschosse der Kaserne dienten als Unterkunft für die Festungsmannschaft und das Untergeschoss als Kriegsbäckerei und Küche mit Vorratsräumen. Die Hofseite des Gebäudes besaß zahlreiche Schießscharten und das Dach war für damalige Verhältnisse mit dicken Balken und einer Erdschicht bombensicher eingedeckt. 1827 wurden ein Turmreduit gebaut und die Spitzen der Türme abgetragen. Dabei nahm man auch den hölzernen Innenausbau heraus und tauschte ihn durch einen rund gemauerten Pfeiler aus. Er mündete zum Dach hin in ein Ringgewölbe, das den Turm für damalige Verhältnisse bombensicher machte. Zwischen 1827 und 1828 folgte die Fertigstellung der gesamten Kontereskarpenmauer im Festungsgraben, der Eckbatterien I und II und 1829 die der Seitenkaponnieren I und II. Sie besaßen wie alle Kaponnieren der Anlage an ihren Eingängen Tamboure (seitliche Mauern) mit kleinen Toren, wodurch der Festungsgraben bei einem Angriff in verschiedene Abschnitte geteilt werden konnte. 1829 regulierte man den gedeckten Weg, vollendete die Kehlkaponniere mit ihren beiden Zugbrücken und mauerte eine unterirdische Brunnenkammer mit Kuppelgewölbe. Sie umschloss den Mitte des 16. Jahrhunderts angelegten Festungsbrunnen und war über einen Gang mit der Defensionskaserne verbunden. Mit der Korrektur des Erdkavaliers 1830 errichtete man in der Mitte der Front die Hohltraverse I mit Schießscharten, eine Kriegslatrine und im Inneren der beiden Flanken weitere Hohlräume. Des Weiteren erbaute man 1842 unterhalb der Seitenkaponniere II das Friedenspulvermagazin Nr. 7 und die Terrassenbatterie. Damit endeten die Modernisierungsmaßnahmen an der Festung, die bis zur Einführung der gezogenen Geschütze in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts als uneinnehmbar galt. Ab 1848 lag das 31. Infanterie-Regiment auf der Zitadelle Cyriaksburg und zwischen 1871 und 1873 folgte das 1. und 2. Magdeburgische Füsilier-Regiment Nr. 36. Von der Reichsgründung bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs (1871–1945). Mit Gründung des Deutschen Reichs 1871, wurden Preußen, Bayern und Württemberg zu Verbündeten. Dadurch verloren zahlreiche Festungen an Bedeutung, die daraufhin offengelegt oder sogar geschleift wurden. Auch für die Zitadelle Cyriaksburg gab Kaiser Wilhelm I. 1873 den Befehl zur Entfestigung. Daraufhin wurden nach Plänen des Ingenieur-Majors Ritter der Erdkavalier, die gesamte Ringmauer, die Zugbrücken sowie die Tambours abgebrochen. Außerdem ließ man die Festungsgräben bis auf die Ostseite zuschütten. Ab 1885 wurde ein Teil des Cyriaksbergs durch einen Verschönerungsverein in einen wildromantischen Landschaftsgarten verwandelt. In den folgenden Jahren reichte der Raum für die Besatzung immer weniger, so dass man 1893 im Norden der Anlage eine Baracke erbaute und schließlich sogar über einen Verkauf der Festung nachdachte. Doch dazu kam es vorerst nicht, und so wurden die Kasernen weiterhin bis zum Ende des Ersten Weltkriegs als Truppenunterkunft für Teile des 3. Thüringischen Infanterie-Regiments Nr. 71. genutzt. Schließlich kaufte die Stadt 1919 für 200.000 Goldmark den gesamten Cyriaksberg von Preußen ab und gestaltete ihn als städtische Gartenanlage. Dabei baute man 1935 den südwestlichen Turm zu einem Aussichtsturm für Besucher um. Während des Zweiten Weltkriegs stellte die Wehrmacht auf den Türmen Flak-Geschütze auf, und die Gewölbe der Festung dienten als Luftschutzkeller für die Erfurter Bevölkerung. Nutzung nach dem Zweiten Weltkrieg. In der Zeit der DDR wurde das um die Zitadelle Cyriaksburg gelegene Areal als Gartenbauausstellung genutzt, so etwa für die Veranstaltung "Erfurt blüht" (1950) und "Samen-Export-Schau" (1955). Wenig später baute man das Gelände zusammen mit dem Burghof der Zitadelle zu einem Kulturpark mit einer Freilichtbühne im ehemaligen Steinbruch aus und funktionierte den nordwestlichen Turm zu einer Sternwarte um. Zwischen 1958 und 1961 erfolgte ein weiterer Ausbau für die Dauerausstellung "Internationale Gartenbauausstellung der sozialistischen Länder" (iga). Außerdem richtete man in der Defensionskaserne ein Gartenbaumuseum mit einer umfangreichen Gartenbaubibliothek ein. Nach der Wende 1989/90 wurde der heutige "egapark Erfurt" an Stelle der iga gegründet und ab 1995 stückweise mit der Restaurierung der erhaltenen Gebäude der Zitadelle Cyriaksburg begonnen. Dabei blieben die Nutzung des nördlichen Turms als Sternwarte und die der Defensionskaserne als Museum erhalten. Seit dem Mai 2000 befindet sich in der Defensionskaserne das neugegründete Deutsche Gartenbaumuseum und präsentiert auf 1500 m² die Welt des Gartenbaus. Den südlichen Turm baute man nach seiner Freilegung 1997 mit einer Stahlkonstruktion zu einem Aussichtsturm aus. Des Weiteren wurde der 60 Meter tiefe Festungsbrunnen in der Defensionskaserne für Besucher begehbar gemacht. Daneben sind heute auch noch Reste der Graben- und Wallanlage sowie ein Stück der rekonstruierten südlichen Festungsmauer erhalten. Aufbau. Die Zitadelle Cyriaksburg ist eine größtenteils erhaltene Stadtfestung aus dem 17. bis 19. Jahrhundert und diente zunächst als eigenständige Festung sowie später als detachiertes Werk der benachbarten Zitadelle Petersberg. Ihre Kernfestung erstreckt sich über eine Fläche von ca. 8000 m² und besteht aus einem unregelmäßigen, viereckigen Grundriss, der ursprünglich von einem Festungsgraben mit gedecktem Weg umgeben war. Der Graben konnte im Verteidigungsfall durch Tamboure in verschiedene Abschnitte geteilt werden und stand mit der Zitadelle Petersberg über einen gedeckten Verbindungsweg (doppelter Grabenkoffer) in Verbindung. Rings um die Kernfestung lagen ursprünglich ein hufeisenförmiges Turmreduit, zwei Erd-, Eckbatterien mit Traversen und zwei Seitenkaponnieren und sollten die westliche Seite der Zitadelle verstärken. Die unteren Geschosse des Turmreduits und der Erd-, Eckbatterien besaßen Zugänge zu einem unterirdischen Konterminensystem, das in das davorliegende Terrain führte. In ihm patrouillierten Soldaten, um im Belagerungsfall feindliche Mineure frühzeitig zu lokalisieren und sie an ihrem Zerstörungswerk zu hindern. Im Jahr 1925 wurden das Turmreduit und die beiden Erd-, Eckbatterien sowie in den 1950er Jahren die nördliche Seitenkaponniere abgerissen. Etwas abgelegen im Süden der Zitadelle Cyriaksburg liegen bis heute ein Friedenspulvermagazin und Reste der ehemaligen Terrassenbatterie, die der Bestreichung des Geratals diente und später zu einem Aussichtspunkt ausgebaut wurde. In das Innere der Zitadelle gelangte man bis zur Entfestigung einzig über die Zugbrücke und Kehlkaponniere der Defensionskaserne im Nordosten der Anlage, die durch einen vorgelagerten Tambour geschützt wurde. Die Defensionskaserne wurde zwischen 1824 und 1826 im neupreußischen Klassizismus errichtet und wird von zwei Kanonenhöfen flankiert. Ihre Mauern zum Burghof hin sind verstärkt und mit Schießscharten für Artillerie und Infanterie versehen. Im Erdgeschoss der Kaserne lagen ursprünglich Vorratsräume für Waffen und Proviant, die Kriegsküche und die Festungsbäckerei und in den beiden Etagen darüber die Mannschaftsräume. Im Inneren besteht die Defensionskaserne aus zahlreichen einzelnen Abschnitten, die im Falle einer feindlichen Erstürmung durch einsetzbare Palisadenwände voneinander getrennt werden konnten. Des Weiteren liegen im Erdgeschoss des Gebäudes Verbindungen zu einem unterirdischen Gewölbe mit Brunnenanlage und zu den vorgelagerten Grabenkaponnieren und Kehlkaponniere. Der Brunnen besitzt eine Tiefe von ca. 40 m und wird über eine 8 m³ große Zisterne gespeist. Nach Nutzung als Truppenunterkunft diente die Kaserne zwischen 1961 und 1994 als Sitz eines Gartenbaumuseums und beherbergt seit Mai 2000 das neugegründete Deutsche Gartenbaumuseum. Des Weiteren wird die Kernfestung im Südwesten durch zwei 15 m hohe Geschütztürme begrenzt, deren Mauern mit zahlreichen Schießscharten versehen sind. Der Turm A trägt an der Nordseite ein Relief aus dem Jahr 1528, das das Wappen der Stadt Erfurt und der damals zugehörigen Dörfer Kapellendorf, Vieselbach, Schlossvippach und Vargula zeigt. Seit 1935 wird der Turm B als Aussichtsturm und seit 1955 der Turm A als Sternwarte genutzt, dessen drehbare Kuppel einen Durchmesser von 5 m besitzt und vom VEB Carl Zeiss Jena hergestellt wurde. Die unteren Etagen der Türme wurden zusammen mit Teilen des Festungsgrabens nach Festungsaufhebung zugeschüttet und erst nach Sanierungsarbeiten in den 1990er Jahren am Turm B wieder freigelegt. Des Weiteren waren die Türme ursprünglich über eine Ringmauer mit dem Rest der Anlage verbunden, die eine Gesamtlänge von ca. 400 m und eine Höhe von ca. 3 m besaß. Nach oben wurden die Mauern durch ein spitz abgeschrägtes Dach abgeschlossen, um feindlichen Soldaten das Überwinden zu erschweren. Schließlich erstreckt sich zwischen der Defensionskaserne und den Geschütztürmen der ehemalige Burghof, auf dem ursprünglich ein Kavalier angelegt war. Dabei handelte es sich um einen Erdwall mit zwei Flanken, der die umliegende Ringmauer überhöhte und dessen Hohlräume als Kriegspulvermagazin und Kasematten genutzt wurden. Des Weiteren besaß der Kavalier an der nördlichen Flanke eine Rampe zum Hinaufziehen von Geschützen und war in der Mitte der Front mit einer Hohltraverse bebaut. Diese verfügte über Schießscharten und führte über einen Treppenturm und anschließende Grabenkaponniere in das Turmreduit. Infolge der Entfestigung wurde der Kavalier abgetragen und in den 1920er, 1950er Jahren zusammen mit dem Burghof zu einer Gartenanlage umgestaltet.
José Pablo González Maldonado (* 21. Januar 1935 in Arecibo; † 10. Dezember 1962 in Chicago), bekannt als "Cheíto González", el jilguero arecibeño, war ein puerto-ricanischer Sänger, Gitarrist und Komponist. Leben. González lernte im Alter von acht Jahren autodidaktisch Gitarre zu spielen, unterstützt von Evangelista Colón, einem bekannten Musiker seiner Heimatregion. 1947 gewann er als Sänger den Ersten Preis in Nabal Barretos Wettbewerb "Aficionados arecibeños" beim Sender "WVKM". In der Folgezeit hatte er weitere Auftritte im Rundfunk und bei anderen Veranstaltungen, wobei ihn regelmäßig Pepito Lacomba auf der Gitarre oder am Klavier begleitete. 1949–50 trat er außerdem mit Áurea Esther Vázquez als "Dúo Souvenir" und mit Ángel Robles und Ángel Serrano als "Trío América" auf. 1950 ging er nach New York und wurde Mitglied in Papi Andinos "Trío Miramar". Etwas später erschien seine erste Single mit dem Bolero "Egoísmo" von Jimmy Montañez. Mit Rey Arroyo und Johnny Félix bildete er dann das "Trío Santurce", war 1952–53 Nachfolger von Paquitín Soto im "Trío Los Murcianos" der Brüder Máximo Torres|Máximo und Gelín Torres und 1953–54 Mitglied im Trio von Johnny Rodríguez(Sänger) Johnny Rodríguez. Mit letzterem entstanden Aufnahmen von seinen Kompositionen wie "Chubasco", "Dos traiciones", "Que te perdone Dios" und "Yo no soy feliz". 1954 gründete González seine eigene Gruppe, das "Trío Casino de Santurce", dem in der Erstbesetzung Pablito Delgado und Jesús González angehörten. Mit dieser Formation nahm er fünf Alben beim Label "Riney" der dominicanischen Sängerin Ney Rivera auf. Auf Einladung des Moderators Gilbert Mamery kehrte er 1955 für einige Aufführungen am "Teatro San José" in Mayagüez nach Puerto Rico zurück. Mit Jesús González, Rafael Díaz und Pepe López entstanden Aufnahmen der Boleros "Cristal" (von Marianito Mores) "Infiel" (von Rafael Gastón Pérez) und "Nuestra historia", für Aufnahmen von "Tiempo perdido" (von Gilbert Mamery) und "La mona" kamen noch Miguelito Alcaide und Gilberto Díaz hinzu. Eine neue Version seines "Trío Casino de Santurce" gründete González 1956 mit Raúl Balseiro, Pedrito Beríos und Rafael Scharrón. Von dieser Gruppe begleitet trat er auch mit seiner Frau Nydia Souffront als "Dúo de Estrellas" auf. 1958 ging er nach Mexiko und schloss sich der bei RCA Victor beheimateten Gruppe "Los Tres Reyes" der Zwillinge Gilberto Puente|Gilberto und Raúl Puente an. Mit diesem Trio nahm er ein als klassisch geltendes Album u. a. mit den Titeln "Allá tú" und "Ya no estás" (von Álvaro Carrillo) "Elespejo" (von Héctor Flores Osuna), "El último minuto" (von Federico Baena), "Escríbeme" (von Guillermo Castillo Bustamante), "Todo igual" (von Alberto Videz), "Un mes" (von Bobby Capó) und "Ya no te acuerdas de mí" (von Roberto López Gali) auf. 1959 kehrte González in seine Heimatstadt Arecibo zurück. Hier gründete er die dritte Version seines "Trío Casino de Santurce" mit Raúl Balseiro und Charlie López. Mit diesem Trio tourte er durch Puerto Rico, nahm an den "Fiestas Patronales" teil und war Stargast der "Telefiesta de la tarde" bei "WAPA TV/Canal 4". 1961 kehrte er nach New York zurück, wo trotz seiner sich verschlimmernden Rauschgiftsucht die besten Aufnahmen seiner Laufbahn bei "Ansonio Records" entstanden. Am 10. Dezember 1972 wurde er in seinem Auto in der Nähe seines letzten Auftrittsortes in Folge einer Überdosis verstorben aufgefunden.
Artur Göritz (* 14. April 1907 in Schneidlingen, Kreis Quedlinburg; † 20. Juni 1938 in Plötzensee, Berlin) war ein deutscher Kommunist und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus sowie ein Opfer der NS-Justiz. Leben und Tätigkeit. Nach dem Schulbesuch erlernte Göritz das Schlosserhandwerk. Politisch war er kommunistisch orientiert: Vor 1933 gehörte er dem Arbeiterschwimmverein Stuttgart und der Roten Hilfe an. Göritz war in den 1930er Jahren als Arbeiter bei den Dornier-Werken in Friedrichshafen beschäftigt. Er arbeitete zunächst im Tragflächenbau und dann, ab August 1934, in der Typenabteilung. Im Zuge der Aufrüstung der Wehrmacht wurde zu dieser Zeit im Geheimen in den Dornier-Werken mit der Produktion von Kampfflugzeugen begonnen. Göritz, der den Kriegskurs der Nationalsozialisten missbilligte, fand sich daraufhin bereit, die von Stefan Lovasz geleitete Zelle der kommunistischen Untergrundorganisation in Deutschland und speziell den zu Lovaszs Organisation gehörenden militärischen Nachrichtendienst (sogenannter „Antimilitaristischer Apparat“ oder AM-Apparat) mit Unterlagen über die Rüstungsaktivitäten in den Dornier-Werken, die er aus diesen herausschmuggelte, sowie mit Insider-Information hierüber, die ihm im Rahmen seiner Arbeit oder durch Arbeitskollegen zur Kenntnis gelangt waren, zu versorgen. Lovasz und der Leiter seines AM-Apparates, Josef Steidle, gaben die so erlangten Materialien und Informationen auf nachrichtendienstlichem Wege an ausländische Stellen der KPD bzw. der Komintern weiter. Die wichtigsten von Göritz gelieferten Informationen betrafen die Herstellung der Typen Do 17, Do 18 und Do 19 sowie den Umfang der Produktion und die Stimmung in der Belegschaft der Dornier-Werke. Im Dezember 1935 und Januar 1936 wurde die Organisation von Lovasz und Steidle von der Geheimen Staatspolizei zerschlagen. Lovasz und Steidle wurden in Haft genommen, ebenso die Studentin Liselotte Herrmann und Grötzinger, die an der heimlichen Weiterleitung der von Göritz beschafften Unterlagen und Informationen ins Ausland beteiligt gewesen waren. Nach langwierigen brutalen Vernehmungen der vier durch die Geheimpolizei wurde auch die Rolle von Göritz bekannt, der daraufhin am 2. Juni 1936 ebenfalls verhaftet wurde. Nach einer längeren Untersuchungshaft wurden die fünf vor dem Volksgerichtshof angeklagt, der zur Durchführung des Prozesses seinen 2. Senat nach Stuttgart entsandte. Am 12. Juni 1937 wurden alle Angeklagten für schuldig befunden. Das Gericht wertete die Tätigkeit der Angeklagten als Rüstungsspionage zugunsten der Sowjetunion. Göritz wurde, ebenso wie Lovasz, Steidle und Herrmann wegen Landesverrat, begangen in Tateinheit mit Vorbereitung zum Hochverrat unter erschwerenden Umständen (Göritz, Herrmann, Steidle) bzw. Vorbereitung zum Hochverrat (Lovasz) zum Tode verurteilt. Grötzinger erhielt zwölf Jahre Zuchthaus wegen Vorbereitung zum Hochverrat. Göritz und die anderen drei zum Tode verurteilten wurden am 20. Juni 1938 auf dem Hof der Strafanstalt Plötzensee durch Scharfrichter Friedrich Hehr hingerichtet. Das vollstreckte Urteil sollte abschreckend wirken und andere kommunistische Widerstandskämpfer zur Aufgabe bewegen. Ehrungen. In der DDR waren die Polytechnische Oberschule und ein Platz in Trebnitz (Teuchern) nach ihm benannt. Außerdem wurde im Jahr 1960 ein Gedenkstein zur Erinnerung an den Widerstandskämpfer in Trebnitz aufgestellt. In der dokumentarischen Erzählung "Schweigen über Lilo: Die Geschichte der Liselotte Herrmann" von Ditte Clemens ist Artur Göritz einer der Hauptcharaktere.
Grégoire Haddad (* 25. September 1924 in Souk El Gharb, Libanon; † 23. Dezember 2015) war von 1968 bis 1975 melkitischer Erzbischof von Beirut und Jbeil. Er galt als der „Rote Bischof von Beirut“ und legte 1975, auf Druck des Heiligen Stuhls, sein Amt nieder. Leben. Grégoire Haddad wurde 1924 in Souk El Gharb, einer Kleinstadt im Libanon-Gebirge, geboren. Sein Vater war ein evangelischer Christ und seine Mutter gehörte der römisch-katholischen Kirche an. Die Grundschule besuchte er von 1934 bis 1936, danach ging er für ein Jahr auf eine weiterführende Schule, die von Basilianern geleitet wurde. Bis 1943 wurde er in einer Schule der Ostkirchen von Jesuiten unterrichtet und erlangte das Abitur. Er begann das Studium der Philosophie und Theologie und empfing 1949 durch Erzbischof Philippe Nabaa, seinen Vorgänger im Bischofsamt von Beirut, die Priesterweihe. Danach arbeitete er als Sekretär im erzbischöflichen Ordinariat in Beirut und widmete sich mehreren sozialen Projekten, er gründete die libanesische Sozialbewegung. Am 30. Juli 1965 folgte die Ernennung zum Weihbischof in Beirut und Jbeil sowie zum Titularbischof von "Palmyra dei Greco-Melkiti". Am 5. September 1965 empfing er von Maximos IV. Kardinal Saigh SMSP, Patriarch von Antiochien, die Bischofsweihe; Mitkonsekratoren waren Erzbischof Philippe Nabaa von Beirut und Jbeil und Joseph Elias Tawil, Erzbischof von Newton. Er nahm als Konzilsvater an der vierten Sitzungsperiode des Zweiten Vatikanischen Konzils teil. Nach dem Tod des Erzbischofs verwaltete er die Erzdiözese Beirut als Diözesanadministrator und wurde am 9. September 1968 von Papst Paul VI. zum Erzbischof von Beirut und Jbeil ernannt. Er war Mitkonsekrator der Erzbischöfe Elias Nijmé BA, Erzbischof der Erzeparchie Tripoli und Jean Assaad Haddad, Erzbischof von Tyros. Der „Rote Bischof von Beirut“. In den ersten Jahren seiner Amtszeit hatte der neue Erzbischof viele Entscheidungen zu treffen, um die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils umzusetzen. Hierzu gehörte auch die neue Situation für die Beteiligung der Laien. 1975 erfolgte die periodische Herausgabe eines Magazins, in dem geistliche, theologische und soziale Themen behandelt wurden. Mit einigen von ihm verfassten Artikeln zur Frage des Zusammenlebens von Moslems und Christen stieß er auf Widerstand aus Rom. Insbesondere die aktiven Kontakte zur Amal-Bewegung und sein Eintreten für eine Zusammenarbeit unter weltlichen Voraussetzungen führten zu Ermahnungen aus dem Vatikan. Erschwerend für Rom gestaltete sich die Zusammenarbeit mit dem Gründer der Amal-Bewegung, dem schiitischen Imam Musa as-Sadr. Gemeinsam hatten sie 1960 die „Soziale Bewegung“ gegründet und förderten in den folgenden Jahren den Islamisch-Christlichen-Dialog. In einer dieser Veranstaltungen hielt Musa as-Sadr zu Ostern in einer Kirche des Kapuzinerordens eine Ansprache. Zudem hatte Grégoire Haddad seine Theorie über eine Annäherung zwischen Sozialismus und Kirche veröffentlicht. Er vertrat öffentlich Gedanken zur Säkularisierung, was nicht nur unter seinen Mitbrüdern, sondern auch mit der Kongregation für die Glaubenslehre zu einer scharfen Auseinandersetzung führte. Seine Zielsetzung war der Versuch, eine friedensstiftende Religion zu begründen. Nicht nur der politische Druck, sondern auch die Androhung innerkirchlicher Sanktionen führten schließlich dazu, dass Grégoire Haddad am 19. September 1975 um seinen Rücktritt ersuchte, dem seitens Papst Paul VI. bei gleichzeitiger Ernennung zum Titularerzbischof von "Adana dei Greco-Melkiti" zugestimmt wurde. Nach seiner Demission zog er sich in ein Kloster zurück; er lehnte alle weiteren, ihm angebotenen Bischofsämter innerhalb der melkitisch-griechisch-katholischen Kirche ab. Er förderte weiterhin soziale Bewegungen im Libanon.
Die Offene Parlamentarische Debatte (OPD) ist ein Format, also ein bestimmtes Regelwerk, des Debating. Es versteht sich als turniertaugliches akademisches Debattierformat, das die Sportlichkeit der Parlamentarischen Debatte und den Realismus der Publikumsdebatte miteinander vereint. In Deutschland ist es neben dem British Parliamentary Style (BPS) das bedeutendste Format. Die Deutsche Debattiermeisterschaft wird abwechselnd in OPD und BPS ausgetragen. Eine Debatte im Format OPD erfordert neun Redner, von denen sechs in zwei Dreierteams (Regierung und Opposition) und die übrigen drei unabhängig als fraktionsfreie Redner agieren. Die Vorbereitungszeit nach Bekanntgabe des Themas beträgt 15 Minuten, die Redezeit pro Fraktionsredner sieben und pro fraktionsfreiem Redner dreieinhalb Minuten. Die Offene Parlamentarische Debatte schafft eine Synthese der beiden Hauptrichtungen akademischer Debattierformate, der Parlamentarischen Debatte und der Publikumsdebatte. Von ersterer übernimmt sie die Organisation der Redner in zwei Fraktionen, die einander ausschließende Positionen vertreten und einander Fraktionsdisziplin schulden, sowie die Berücksichtigung gegnerischer Zwischenfragen während der Reden. Von letzterer übernimmt sie die aktive Integration des Publikums mit eigenständigen Redebeiträgen im Herzen der Debatte, eine Ausrichtung der Debattanten auf die Zuhörer und die Berücksichtigung von Zwischenrufen aller Teilnehmer, die zusammengenommen zu einer realistischeren Redesituation führen als in den teilweise von den ursprünglichen Persuasionszielen losgelösten Parlamentarischen Formaten mit unproduktiver Eristik. Die Kombination dieser Elemente führt in der Offenen Parlamentarischen Debatte zu einem Format, das sowohl im Clubbetrieb als auch im Turnierbetrieb mit einigen schlagenden Vorteilen aufwartet. Im Clubbetrieb profitieren die Debattanten von der Möglichkeit, überzeugende Reden zu üben, die über bloße argumentative Schlüssigkeit hinaus, das Publikum vollständig erreichen und bewegen. Reine Scheingefechte werden von der aufmerksamen Hörerschaft umgehend durch Zwischenrufe und von den Fraktionsfreien Redner durch Positionierung auf der Gegenseite abgestraft. Anfängern im Verein bieten die unterschiedlichen Redezeiten von Fraktionsrednern und Fraktionsfreien die Möglichkeit eines leichteren Einstiegs und stufenweise Verlängerung der Redezeiten. Gleichzeitig werden durch dieses Variantenreichtum unterschiedliche Spannungsbögen und Redegliederungen trainiert. Die Flexibilität des Formats ermöglicht im Clubbetrieb zudem eine Integration von neun bis zwölf Teilnehmern und damit eine Anpassung an den jeweiligen Andrang von Rednern in der Debatte und einen nahezu fließenden Übergang von einer Debatte zu mehreren parallel geführten gleichzeitig. Durch die geheime Abstimmung am Beginn jeder Debatte und das offene Votum an ihrem Ende bekommen die Redner zudem einen guten Eindruck von der Effektivität ihrer Reden. Das Publikum erhält ein weiteres Beeinflussungsmoment, das die Debatte bis zum Schluss hin spannend hält. Es ist allerdings anzumerken, dass die entscheidende Teamwertung auf Turnieren meist von Juroren übernommen wird. Schließlich bietet die OPD im Clubbetrieb die Möglichkeit, bei Interesse die debattierten Themen im Vorfeld der Debatte überblicksartig zu recherchieren und damit den Auseinandersetzungen mehr Tiefgang zu verleihen. Diesem Zweck dient die Festlegung der Fragestellung einige Tage vor der jeweiligen Debatte. Im Turnierbetrieb bietet das Regelwerk der Offenen Parlamentarischen Debatte ebenfalls einige Vorteile, da Wettkämpfe in diesem Format besonders fair und spannend ausfallen. Die Integration der Fraktionsfreien Redner im Turnier, die sich in den Finalrunden aus den besten Rednern der bereits ausgeschiedenen Teams rekrutieren, bietet Teams und Rednern unabhängig voneinander die Möglichkeit sich für das Finale zu qualifizieren. Dadurch werden verstärkt auch heterogene Teams möglich und Spannungen innerhalb der Fraktionen reduziert, denn: Kein guter Redner bleibt auf der Strecke. Die Bereitstellung von geschlossenen Entscheidungsfragen (im Gegensatz zu offenen Themen bei anderen Formaten) ermöglicht es beiden Fraktionen die kurze Vorbereitungszeit vor der Turnierdebatte optimal zu nutzen und sich gleichermaßen zu präparieren. Die symmetrische Aufteilung der an einem Turnier teilnehmenden Teams auf die Positionen in der Debatte sorgt für einen vollständigen Ausgleich möglicher Vorteile, Schwierigkeiten oder Herausforderungen in Regierung, Opposition oder als Fraktionsfreie Redner. Jedes Team tritt an jeder Position in den Vorrunden gleich oft an. Der Einfluss der Setzungen oder des Loses auf das Turnierergebnis wird damit minimiert. Juroren und Präsidenten wie auch den Debattanten wird gleichermaßen die Erfüllung ihrer jeweiligen Rolle im Turnier erleichtert, da sich erstgenannte nicht mehr in der Doppelaufgabe von angesprochener Zuhörerschaft und bewertenden Dritten befinden. Die Fraktionsfreien Redner und das Publikum sind die Adressaten der Überzeugung in der Debatte, die Jury bewahrt ihre Neutralität außerhalb der eigentlichen Debatte. Schließlich sorgt das absolute Bewertungssystem im Turnierbetrieb für den Verzicht auf selektive Paarungen und Gruppierungen der Teilnehmer. In einem OPD-Turnier kann jedes Team auf jedes andere treffen und punktet ausschließlich in Abhängigkeit von seinen eigenen Leistungen. So finden Debatten mit unterschiedlichsten Paarungen statt, die Debattanten lernen verschiedenste Debattierstile der stärkeren und schwächeren Gegner kennen und treffen in jeder Debatte auf Vertreter von vier weiteren Teams. Dies hilft den Geist der Debattierturniere als Ort des Wettkampfs, des Austauschs und der persönlichen Weiterentwicklung zu bewahren.
Hagen von Tronje ist ein 1986 erschienener Roman von Wolfgang Hohlbein. Er basiert auf der Nibelungensage, verbindet diese aber mit Elementen aus anderen Sagenkreisen und freier Interpretation des Stoffes durch den Autor. Handlung. Als Hagen von Tronje, Waffenmeister am Hofe von Worms, von einer Reise zu den Grenzen des Reiches nach Worms in Burgund zurückkehrt, begegnet er einer alten Hexe, die ihm prophezeit, dass eine Frau sein Schicksal bestimmen und ihm den Untergang bringen wird. Er wird von bösen Ahnungen gequält, und die Ankunft des strahlenden Recken Siegfried, Drachentöter, Herr des Nibelungenreiches und Besitzer des sagenumwobenen Nibelungenhortes, und seiner Nibelungenreiter scheinen diese zu bestätigen. Obwohl dieser gekommen ist, um die Krone von Gunther dem König zu fordern, schließen sie Frieden und er bleibt ein Jahr lang zu Gast auf Worms. Schließlich kommen Boten der Brüder Lüdeger und Lüdegast, Könige des Sachsen- und Dänenlandes, und erklären den Burgundern den Krieg. Außerdem findet Hagen heraus, dass Siegfried und Kriemhild, die Schwester Gunthers, sich schon länger treffen und sich lieben. Dies ist auch für Siegfried ein Grund, den Burgundern seine Hilfe anzubieten. Die Burgunder beschließen, das Heer der Dänen anzugreifen, bevor sie sich mit den Sachsen vereinigen können, und mit dem Vorteil der Überraschung gelingt es ihnen, den dänischen König gefangen zu nehmen, die Sachsen zu schlagen und deren König ebenfalls als Geisel mit nach Worms zu nehmen. Während der Schlacht wird Hagen schwer verwundet, verliert ein Auge und liegt lange im Fieber, bevor er sich wieder langsam erholt. In der Zwischenzeit hat sich Siegfried in die Herzen der Stadtbewohner geschlichen, denn ohne ihn wäre der Krieg verloren gewesen. Sein Ansehen ist mittlerweile größer als das des Königs, wodurch dessen Macht schrumpft. Hagen versucht verzweifelt, eine Lösung zu finden, was aber durch seinen Treueeid zum König und seinem Versprechen zu Kriemhild, auf Siegfried achtzugeben, erschwert wird. Als dann Siegfried bei der Siegesfeier um Kriemhilds Hand anhält, sagt Gunther auf Hagens Rat hin, er könne Kriemhild heiraten unter der Bedingung, dass dieser ihm helfe, Brunhild, eine mächtige Walküre, in seinem Namen zu freien, was noch keinem gelungen ist. Siegfried scheint vorerst geschlagen, aber nach einem Jahr machen er, Gunther, Hagen und dessen Bruder Dankwart sich auf nach Island, um Brunhild zu werben. Diese akzeptiert nur, wenn der Freier sie im Dreikampf schlägt – Steinwurf, Bogen und Schwertkampf. Mit Hilfe eines Zaubers täuscht Siegfried Brunhild und gewinnt die Spiele anstelle von Gunther, der sie heimführt. Wieder in Worms merkt Hagen, dass er Kriemhild liebt, deren Hochzeit bald ist. Er kann den Schmerz nicht ertragen und läuft davon. Er kehrt aber bald zurück, denn er hat geschworen, Siegfried zu töten, wenn er Kriemhild Schmerz zufügen sollte, und dieser betrügt sie mit Brunhild. Hagen ertappt die beiden im Schlafgemach und kann Siegfried überwältigen, tötet ihn aber nicht, sondern fordert ihn zum Zweikampf. Am nächsten Morgen kämpfen beide miteinander, Hagen mit Siegfrieds Zauberschwert Balmung, das er ihm abgenommen hat und das ihm Kraft einflößt. Obwohl Balmung Siegfrieds Hiebe von selbst aufzufangen scheint und sie erwidert, droht Hagen zu unterliegen – da durchbohrt Gunther, der sich heimlich hinzugesellt hat, Siegfried mit einem Speer an der einzigen Stelle, wo dieser verwundbar ist, und tötet ihn. Hagen nimmt die Schuld auf sich, um Gunther zu schützen und wird dadurch von Kriemhild gehasst. Während der Bestattung von Siegfried stürzt sich Brunhild in den brennenden Scheiterhaufen, um dem Schmerz zu entrinnen, denn sie hat Siegfried geliebt. Kriemhild macht Hagen dafür verantwortlich und verspricht ihm, sich zu rächen. So scheiden sie. Hintergrund. Die Geschichte basiert auf dem Nibelungenlied, einer mittelalterlichen Versdichtung. Hagen von Tronje, oft volkstümlich als finstere Gestalt mit zweifelhaften Motiven interpretiert, wird zu einem Menschen, der aufgrund seines Ehrenkodexes und seiner Gefühle handelt und entscheidet, und der sich lange weigert, das zu tun, was letztlich sein Schicksal bestimmt. Hohlbein nähert sich damit der ursprünglichen Gestalt Hagens, der auch in den germanischen Sagenüberlieferungen und im Nibelungenlied eine zwiespältige, ebenso höfisch ehrbare wie oft brutal handelnde Figur ist. Die Geschichte der Nibelungensage erfährt kleine dichterische Abwandlungen. Siegfried, der schillernde und makellose Held aus der Sage, wird hier etwa als selbstverliebter, arroganter junger Mann dargestellt, der meint, alles haben zu können, was er begehrt. Das Buch endet mit dem Tod Siegfrieds.
Joy Fielding (geb. Tepperman) (* 18. März 1945 in Toronto, Ontario) ist eine kanadische Schriftstellerin und Schauspielerin. Sie lebt mit ihrem Mann Warren in Toronto und Palm Beach und hat zwei Töchter, Shannon und Annie. Leben. Joy Fielding begann schon im Alter von acht Jahren Geschichten zu schreiben und bald darauf auch kleine Theaterstücke, die sie mit ihren Freunden nachspielte. Mit zwölf schrieb sie ein Drehbuch für einen Fernsehfilm, in dem eine Zwölfjährige ihre Eltern ermordet. Auch als Teenager schrieb sie weiterhin Geschichten. Alle wurden jedoch von Zeitschriften und Verlagen abgelehnt. Ihr Studium der englischen Literatur an der Universität von Toronto schloss sie 1966 mit dem Bachelor ab. Schon während des Studiums hatte sie ihren Plan verworfen, Schriftstellerin zu werden, und spielte stattdessen in ungefähr 20 Studentenfilmen mit, so auch in dem international beachteten Film "Winter kept us warm" (1965) von David Secter. Dies war der erste englischsprachige kanadische Film, der auf dem Filmfestival in Cannes gezeigt wurde. Fielding wollte Schauspielerin werden und zog nach ihrem Studium nach Los Angeles. Sie lebte dort fast drei Jahre lang und spielte in einer Episode der Western-Serie Rauchende Colts mit. Nach persönlichen und beruflichen Enttäuschungen entdeckte sie das Schreiben wieder. Anfang der 1970er Jahre kehrte sie zurück nach Toronto und konzentrierte sich auf das Schreiben von Romanen. Zum Lebensunterhalt spielte sie hauptsächlich in TV-Werbespots mit, bis sie durch die Schriftstellerei ausreichend verdiente. Der internationale Durchbruch gelang ihr 1991 mit dem Thriller "Lauf, Jane, lauf" („See Jane Run“), von dem 1,8 Mio. Exemplare verkauft wurden. Auch ihre anderen Werke wurden zu internationalen Bestsellern. Joy Fielding schreibt Thriller und Psychothriller, die jedoch immer auf verschiedene Weise unterschiedliche Abgründe der Gesellschaft zeichnen. Die Themen spiegeln die ganze Palette der Gewalt wider: Vergewaltigung, Psychoterror, Gewalt in der Ehe, Kindesentführung und dergleichen. Die Geschichten sind fast durchgehend in großen amerikanischen Städten angesiedelt. Hauptfiguren sind immer Frauen, die oftmals gut ausgebildet und gutaussehend sind, die es im Leben „zu etwas gebracht haben“, in einer scheinbar perfekten Beziehung leben und Kinder haben. Doch häufig tragen sie Geheimnisse, unverwirklichte Wünsche oder nie gelebte Sehnsüchte in sich, die durch zufällige Begebenheiten, Nervenzusammenbrüche oder schleichende Prozesse ans Tageslicht kommen. Buchausgaben und Hörbücher. In Deutschland wurden bisher 20 Titel von Joy Fielding als Buchausgaben herausgebracht. Der Goldmann-Verlag verlegte seit 1981 ("Sag Mami Goodbye") alle ihre Bücher bis auf zwei ("Ich will ihren Mann" und "Verworrene Verhältnisse") als Taschenbuchausgaben. Diese beiden erschienen zwischen 1985 und 2003 in unterschiedlichen Ausgaben im Droemer-Knaur-Verlag, der zusätzlich die drei Titel "Sag Mami Goodbye", "Lebenslang ist nicht genug" und "Ein mörderischer Sommer" sowohl in broschierter Form als auch als Taschenbuch veröffentlichte. Zusätzlich zum Taschenbuch erschienen auch "Schlaf nicht, wenn es dunkel wird" und "Nur wenn du mich liebst" als gebundene Ausgabe, letzteres gibt es auch als E-Book, bei PeP. Die Bücher wurden hauptsächlich von Christa E. Seibicke, Mechtild Sandberg-Ciletti und Kristian Lutze übersetzt. Beide Verlage brachten auch Doppelroman-Ausgaben heraus, in denen jeweils zwei Romane in einem Band enthalten sind, und dazu etliche Sonderausgaben. Außerdem hat der Verlag Petersen, Oststeinbek, in Deutschland drei Titel in englischer Sprache veröffentlicht ("See, Jane, Run", "Missing Pieces" und "The First Time"). Bis 2004 wurden die englischen Originale abwechselnd von Doubleday und Morrow verlegt, seit 2004 von Atria Books. Joy Fieldings Bücher wurden in 23 Sprachen übersetzt. Sie werden in 25 Ländern verkauft, in Deutschland über fünf Millionen Mal. Als Hörbuchausgaben auf CD erschienen im Random House Audio Verlag verschiedene Werke in gekürzter Fassung, größtenteils gesprochen von Hansi Jochmann. "Zähl nicht die Stunden" (2001) wurde von Katharina Palm gelesen und im Verlag BMG Wort veröffentlicht, der im Jahr 2001 in Random House Audio Verlag umfirmiert wurde. Rezeption. In "Reclams Krimi-Lexikon" fiel die Charakterisierung ihres inhaltlichen Stils kurz und treffend, aber zwischen den Zeilen drastisch aus: „In Fieldings bei einem weiblichen Publikum beliebten Thrillern gerät in der Regel eine bis an die Schmerzgrenze naive Heldin in ein Komplott ihres Mannes. Ihre geheimnistuerischen Neigungen verhinderten drei- bis vierhundert Seiten lang eine rasche Lösung des Dramas.“
Schulangst bezeichnet verschiedene Ängste mit dem Bezug auf Schule. Sie gehören neben Aspekten wie Selbstbild, Zuschreibung des Schulerfolgs, der Leistungsmotivation und den Lerntechniken zu den Bedingungen des Schulerfolgs, die nicht von der Intelligenz abhängig sind. Je jünger das Kind ist, umso mehr ist mit körperlichen Ausdrucksformen der Schulangst in Form von Bauchschmerzen, Kopfschmerzen oder allgemeinem Unwohlsein zu rechnen. Auch andere „Stressausdrucksformen“ wie Fingernägelkauen, Einnässen oder Schlafstörungen können Ausdruck einer Schulangst sein. Bisweilen wird Schulphobie synonym verwendet, kann aber auch einen spezifischen Teilbereich bezeichnen. Formen der Schulängste. Der schulängstliche Schüler nimmt die Leistungsanforderungen oder die sozialen Herausforderungen der Schule als seelische Gefährdung wahr. Die Leistungs- und Prüfungsangst kann auf der Grundlage überhöhter Ansprüche von Lehrern und/oder Eltern, aber auch unrealistischer Ambitionen des Kindes selbst entstehen. Oft trägt eine mangelnde Einordnung von Misserfolgen und Fehlern als Versagen statt als Lernhilfen und -hinweisen dazu bei, dass sich eine allgemeine Ängstlichkeit zu einer Schulangst entwickelt. Auch wenn mittelbar hinter der Leistungsangst eine soziale Bewertungsangst steht, kann Schulangst unmittelbar aus sozialen Befürchtungen erwachsen. Kinder mit einer sozialen Phobie mit fließendem Übergang zur Schüchternheit finden sich zu Schulbeginn oft mühsam ein. Mit der Zeit schaffen sie es meist, einen gesicherten Platz in der Klasse zu finden, aber oft bleiben sie in neuen Situationen stark verunsicherbar. Andererseits tragen konkrete Erfahrungen von Gewalt an der Schule oder auf dem Schulweg, Mobbing, Kränkungen durch Klassenkameraden oder Lehrer und Außenseitererfahrungen zur Entstehung von Schulangst bei. Die Wahrnehmung und Anerkennung dieser kindlichen Nöte ist äußerst wichtig. Dies kann auch nicht dadurch eingeschränkt werden, dass das einzelne Kind durch sein eigenes Verhalten oder seine Empfindlichkeit zu manch verunglückter Situation beiträgt. Erste Aufgabe ist die Stärkung des Kindes, sich den eigenständig bewältigbaren Herausforderungen zu stellen und gemeinsam zu überlegen, was es tun kann. Andererseits sollte das Kind auch klar gegen Übergriffe geschützt werden, insbesondere wenn sie die psychischen Kräfte des Kindes übersteigen. Ansonsten drohen erhebliche seelische Schädigungen, die von Rückzugsverhalten über aggressives Verhalten bis hin zu einer Suizidgefährdung reichen. Die Schulphobie (der Begriff wird auch als Synonym für Schulangst verwendet) ist die panikartige Reaktion auf die schulische Situation und mit starker Tendenz, den Schulbesuch zu verweigern. Tatsächlich scheint sie aber nur vordergründig mit der Schule zu tun zu haben, sondern eher durch die Familiendynamik zuhause bedingt zu sein. So klammern sich die Kinder oft deutlich an die Mutter oder eine andere Bindungsperson (Trennungsangst ICD 93.0, Bindungstheorie). Dementsprechend liegt der Beginn meist schon im Kindergartenalter oder zu Schulbeginn. Ein weiterer Höhepunkt liegt in der frühen Pubertät. Auch kindliche Sorgen um die Ehe der Eltern, die Stellung in der Geschwisterreihe oder Beanspruchung des Kindes für elterliche Funktionen können Ursache von schulphobischem Verhalten sein. Oft zeigen sich beim Kind starke körperlich gefärbte Reaktionen wie Kopf- oder Bauchschmerzen und Unwohlsein. Die Kinder haben eine allgemeine Neigung zu ängstlichem Verhalten oder depressiver Verstimmung. Die Schulphobie ist die seltenste Form der Schulängste. Die Schulverweigerung oder das „Schulschwänzen“ hat eher selten Ängste zur Ursache. Meist wird die als belastend empfundene Schulsituation zugunsten von Aktivitäten vermieden, die zusammen mit Gleichaltrigen (Peer Group) mehr Spaß zu bringen versprechen. Oft ist der Beginn mit pubertären Konflikten verbunden, in dem die Glaubwürdigkeit der Erwachsenenreaktionen und die Stellung in der Gruppe durch Mutproben und „dissoziales Verhalten“ ausgetestet werden. Angst und Leistungsfähigkeit. Entgegen landläufigen Vorstellungen steigert die Leistungsangst oder die Angst vor Versagen nur sehr bedingt die Leistung. Bei mittlerem Angstniveau werden einfache Aufgaben besser bewältigt als bei geringer oder starker Angst – diese Verteilung nennt man „umgekehrt u-förmige-Verteilung“ (siehe Yerkes-Dodson-Gesetz). Je anspruchsvoller die Aufgabe ist, umso mehr schränkt auch leichtere Angst die Leistungsfähigkeit ein. Neben der Aufgeregtheit scheinen insbesondere auch versagensbezogene Gedanken und Besorgtheit eine Rolle zu spielen (Schwarzer, 2000, S. 88 ff.). Diese beeinträchtigen die Leistung deutlich stärker als die Aufgeregtheit und sie wirken sich bei Mädchen ungünstiger aus als bei Jungen. Eine Erklärung ist, dass jede höhere Erregung Umsicht und Entscheidungsfähigkeit einschränkt. So können Leistungsdruck und hohe Ambitionen das Gegenteil der Absicht, nämlich Schulversagen, erzeugen. Durch die Angst nehmen aufgabenbezogene Gedanken ab. Stattdessen kreisen diese um das eigene, potentielle Versagen, wodurch weniger Kapazität für das Lösen der Aufgaben bleibt. Der Versuch, mittels Drohungen oder Druck das Verhalten des Schülers zu kontrollieren, steht zudem noch in der Gefahr, als äußere (extrinsische) Motivation die intrinsische Leistungsmotivation sowie das Gefühl von Selbstkontrolle und Eigenverantwortlichkeit zu unterminieren. Diagnostik. Die Schulangst wird hauptsächlich durch Fragebögen diagnostiziert. Andere Methoden (zum Beispiel Beobachtung) haben sich nicht als so brauchbar erwiesen. Das liegt unter anderem daran, dass (Schul-)Angst ein internes, innerhalb der Person liegendes Phänomen ist. Frühe Angstfragebogen haben Schulangst eindimensional, also als ein einheitliches Phänomen verstanden. Der „Angstfragebogen für Schüler“ (AFS) unterscheidet bereits „manifeste Angst“ und „Prüfungsangst“. Heute werden mehrdimensionale Sichtweisen bevorzugt. Ein Beispiel für einen mehrdimensionalen Fragebogen stellt das „Differentielle Leistungsangst Inventar“ dar, das mit zwölf Skalen vier verschiedene Bereiche diagnostiziert: Angstauslösende Bedingungen, Manifestationsformen, Copingstrategien und Stabilisierungsformen.
Georg Friedrich von Großmann (* 6. März 1807 in Dresden; † 26. März 1871 in Liegnitz) war ein königlich preußischer Generalleutnant und zuletzt Kommandant von Altona und Kommandeur der in Hamburg garnisonierten Truppen. Herkunft. Seine Eltern waren "Georg Friedrich von Großmann" (* 15. Juni 1768; † 14. April 1818) und dessen Ehefrau "Christiane Friederike Müller" (* 21. Oktober 1777; † 24. Februar 1832). Sein Vater war Oberst in der 6. Artilleriebrigade. Leben. Er erhielt seine schulische Bildung auf dem Friedrichsgymnasium in Breslau. Anschließend ging er am 1. Juni 1823 als Musketier in das 11. Infanterie-Regiment. Dort wurde er am 15. Dezember 1835 zum Portepeefähnrich und am 14. Juni 1826 zum Seconde-Lieutenant befördert. Von 1834 bis 1837 wurde er dann als Bataillonsadjutant eingesetzt. Anschließend wurde er am 17. November 1837 für ein Jahr an der Kadetteninstitut in Wahlstatt abkommandiert, am 19. April 1838 wurde er zum Premier-Lieutenant im Kadettenkorps ernannt. Am 30. März 1844 wurde er als Hauptmann und Kompaniechef in das 24. Infanterie-Regiment versetzt. Während der Märzrevolution kämpfte er in den Straßenkämpfen in Dresden und Iserlohn. In der Badischen Revolution kämpfte er in den Gefechten bei Neudorf und Wiesenthal. Am 20. Juli 1850 wurde er dann zum Major befördert. Vom 12. November 1850 bis zum 15. Dezember 1850 war er dann als Eisenbahn-Etappenkommandant nach Frankfurt am Main abkommandiert. Am 1. Februar 1851 wurde er als Bataillonskommandeur in das 24. Infanterie-Regiment versetzt. Am 18. Januar 1853 kam er in das 2. Landwehr-Regiment, wo er Kommandeur des III. Bataillons in Anklam wurde, von dort kam er am 14. Juli 1857 als Bataillonskommandeur in das 9. Infanterie-Regiment und wurde am 15. Oktober 1856 zum Oberstleutnant befördert. Am 8. Juli 1858 wurde er dann mit der Führung des 30. Infanterie-Regiments beauftragt und à la suite des Regiments gestellt. Am 31. Mai 1859 erhielt er seine Beförderung zum Oberst und wurde zugleich Kommandeur des Regiments. Er wurde am 18. Oktober 1861 mit dem Kronenorden 3. Klasse ausgezeichnet. Am 6. Mai 1862 kam er als Kommandeur in die 4. Infanterie-Brigade, dazu wurde er à la suite des 30. Infanterie-Regiments. Am 17. März 1863 erhielt er seine Ernennung zum Generalmajor und am 31. Dezember 1834 den Roten Adlerorden 2. Klasse mit Eichenlaub und Schwertern am Ring. Am 4. Januar 1866 wurde er als Kommandeur in die 1. Division versetzt und dort am 8. Juni 1866 zum Generalleutnant befördert. Während des Deutschen Krieges von 1866 kämpfte er in den Gefechten bei Trautenau und Tobitschau, der Schlacht bei Königgrätz sowie der Einschließung von Olmütz. Am 20. September 1866 wurde er mit dem Stern zum Roter Adlerorden ausgezeichnet. Er kam am 14. Januar 1868 als Kommandant nach Altona und wurde Kommandeur der in Hamburg garnisonierten Truppen. Aber schon am 10. März 1868 wurde er mit Pension zur Disposition gestellt, dazu erhielt er den Roten Adlerorden 1. Klasse mit Eichenlaub und Schwertern am Ring. Er starb am 26. März 1871 in Liegnitz. Familie. Er heiratete am 11. September 1838 in Breslau "Friederike Alexandrine Auguste Christiane Henriette Natalie von Alvensleben" (* 13. April 1813; † 27. Juli 1901). Das Paar hatte mehrere Kinder:
Orazi e Curiazi (deutsch: "Horatier und Curiatier") ist eine Oper (Originalbezeichnung: „tragedia lirica“) in drei Akten von Saverio Mercadante. Das Libretto verfasste Salvadore Cammarano nach der Tragödie "Horace" von Pierre Corneille. Die Uraufführung fand am 10. November 1846 im Teatro San Carlo in Neapel statt. Handlung. Erster Akt: „Alba e Roma“ – Alba und Rom. Camilla und Sabina können nicht in die Gebete der Frauen für den Sieg der Römer über die Albaer einstimmen, da Sabina Albaerin ist und mit Camillas Bruder Orazio einen Römer geheiratet hat, während Camilla mit Sabinas Bruder Curiazio verlobt ist. Schließlich trifft die Nachricht ein, dass der Kampf abgesagt wurde. Stattdessen sollen drei ausgewählte Römer gegen drei ausgewählte Albaer antreten. Dem Glück von Camilla und Curiazio scheint zunächst nichts mehr im Wege zu stehen. Die Hochzeit wird jedoch abgesagt, als die drei Brüder Camillas als Kämpfer für Rom ausgewählt werden, während Curiazio und seine beiden Brüder für Alba kämpfen sollen. Vergeblich versucht Camilla Curiazio vom Kampf abzuhalten. Zweiter Akt: „L’oracolo“ – Das Orakel. Als Orazio und seine Brüder zum Kampf aufbrechen wollen, wird Orazio von Curiazio zurückgehalten, der eine Versöhnung herbeiführen will. Es gelingt ihm aber nicht, Orazio vom Kampf abzubringen. Kurz vor Beginn des Kampfes erklärt der Oberpriester, dass ein Kampf zwischen Verwandten den Göttern missfallen könne. Er befragt daher das Orakel. Camilla betet für die Absage des Kampfes. Das Orakel verkündet aber, der Kampf solle stattfinden. Dritter Akt: „La pugna“ – Der Kampf. Curiazio wird klar, dass sein Glück zerstört ist, egal wie der Kampf ausgehen mag. Camilla bittet Curiazio vergebens, sie zu töten. Der alte Orazio wartet auf Nachrichten vom Ausgang des Kampfes. Zunächst erfährt er, dass zwei seiner Söhne gefallen sind, der dritte, Orazio auf der Flucht sei. Es stellt sich aber heraus, dass diese Flucht lediglich eine List war und Orazio letztlich alle drei Curiazi getötet hat. Das Volk Roms jubelt Orazio als Sieger zu. Der Jubel wird durch Camilla gestört, die Rom verflucht und die Götter bittet, die Stadt zu vernichten. Wütend ersticht Orazio seine Schwester. Instrumentation. Die Orchesterbesetzung der Oper enthält die folgenden Instrumente: Werkgeschichte. Bei der Uraufführung am 10. November 1846 im Teatro San Carlo in Neapel sangen Marco Arati (Alter Orazio), Pietro Balzar (Orazio), Erminia Frezzolini (Camilla), Anna Salvetti (Sabina), Gaetano Fraschini (Curiazio) und Teofilo Rossi (Oberpriester). Die musikalische Leitung hatte Antonio Farelli. Die Bühne stammte von Angelo Belloni, Leopoldo Galluzzi und Giuseppe Castagna. Nach der erfolgreichen Premiere kam es bis 1859 zu Aufführungen der Oper an zahlreichen italienischen Bühnen sowie in Ungarn, Spanien, Portugal, Russland, Malta und Brasilien. Eine letzte Aufführung erlebte die Oper im 19. Jahrhundert 1882 in Neapel. Dann geriet das Werk in Vergessenheit bis zu den konzertanten Aufführungen der Opera Rara Gesellschaft 1975 in Bristol, Exeter und London. 1993 brachte Opera Rara die erste Studio-Einspielung der Oper heraus.
Der Roman Mathilde Möhring gehört zu den wichtigsten Texten aus Theodor Fontanes Nachlass. Erste Entwürfe und die erste Niederschrift sind 1891 entstanden; zwischen Herbst 1895 und Frühjahr 1896 nahm sich Fontane die Überarbeitung vor. Das Werk blieb unvollendet und wurde postum von Josef Ettlinger 1906 erstmals veröffentlicht. 1969 folgte eine zweite Fassung von Gotthard Erler, 2008 schließlich legte Gabriele Radecke eine dritte Textfassung vor. Der Roman ist in 17 Kapitel aufgeteilt, wobei die Kapitel 9 bis 11 in die Abschnitte a und b unterteilt sind. Die Handlung spielt zur Zeit des Deutschen Kaiserreichs zwischen Oktober 1888 und Oktober 1890. Inhaltsangabe. Fontane erzählt in "Mathilde Möhring" von der jungen, klugen, praktisch veranlagten und energischen, dabei aber wenig anziehenden Mathilde Möhring, die mit ihrer Mutter in einer kleinen Berliner Wohnung in der Georgenstraße in der Nähe des Bahnhofes Friedrichstraße lebt. Mathildes Vater, ein Buchhalter, ist schon seit einigen Jahren tot, weshalb die Möhrings regelmäßig Untermieter aufnehmen müssen. Zu Beginn der Erzählung ist dies Hugo Großmann, ein Jura-Student kurz vor dem Examen, der jedoch die Lektüre literarischer Werke denen der Juristerei und abendliche Theaterbesuche dem Besuch der Universität vorzieht. Mathilde schätzt ihn in dieser Beziehung von Anfang an richtig ein, sieht in ihm dennoch die Möglichkeit, aus ihren beschränkten Verhältnissen herauszukommen. Sie legt sich regelrecht einen Plan zurecht, um eine starke Wirkung auf den Mitbewohner zu erzielen, der sie zunächst nicht beachtet, nach einer gewissen Zeit aber bei dem Resümee anlangt, „dass Thilde die Frau sei, die für ihn passe“ (Kap. 8). Er hat gemerkt, dass sie seinem verträumten und bequemen Naturell ein pragmatisches und ehrgeiziges Gegenstück sein könnte. Und er hat sich nicht getäuscht. Denn sobald sie seiner in Form einer offiziellen Verlobung sicher ist, lässt sie ihn nicht länger faulenzen, sondern sorgt dafür, dass er tüchtig und regelmäßig für sein Examen lernt und dieses schließlich auch besteht. Ganz glücklich ist Hugo mit diesem Antreiben vonseiten Mathildes zwar nicht, doch weiß er andererseits auch, dass er es ohne sie nicht schaffen würde. Nachdem er das erste juristische Staatsexamen in der Tasche hat, kümmert sich Mathilde weiter um seine Karriere: Sie durchforscht die Tageszeitungen, bis sie auf eine Annonce stößt, in der die Kleinstadt Woldenstein nach einem neuen Bürgermeister sucht. Mathilde sorgt dafür, dass ihr Verlobter diese Chance ergreift, und nachdem alles geregelt ist, können sie heiraten. Die aus kleinen Verhältnissen stammende Mathilde Möhring hat sich zur Bürgermeistersgattin gemausert. Und sie macht sich weiterhin gut. Denn immer noch ist Hugo auf ihre Initiative angewiesen, und allein dank ihrer findigen, umsichtigen Natur und ihrem enormen Ehrgeiz gelingt es ihm, sein Amt erfolgreich auszufüllen. Immer ist sie es im Hintergrund, die ihm sagt, wie er sich verhalten soll, und sie sichert ihm auch das Wohlwollen der Vorgesetzten und anderer Honoratioren der Gegend. Doch das Glück hält nicht lange an, denn Hugo zieht sich eine schwere Lungenentzündung zu, die schließlich zu einer Schwindsucht führt und ihn das Leben kostet. So sieht Mathilde sich wieder in ihre frühere soziale Position zurückgeworfen, zwar mit einer Witwenrente, aber doch nicht viel besser gestellt als vor der Heirat. Jedoch findet sie sich schnell wieder zurecht. Beherzt beschließt sie nach Berlin zurückzugehen und schlägt das etwas dubiose Angebot des Grafen Goschin, bei ihm als Hausdame zu arbeiten, aus. Sie lebt weiterhin bei ihrer Mutter, bedingt sich aber einen gewissen Freiraum aus. Sie trauert nicht direkt um ihren Mann, bedauert aber, so stark gegen sein Naturell angegangen zu sein, was ihn überfordert habe; denn er war nur scheinbar stark. Andererseits erkennt sie, dass auch er einen positiven Einfluss auf ihr oft kleinkrämerisches Denken hatte. Sie entschließt sich, das Lehrerexamen zu machen, und besteht es mit großem Erfolg. Danach tritt sie eine Stelle an und ist damit in der Lage, für sich selbst und die Mutter zu sorgen. Entstehung und Editionsgeschichte. Fontane arbeitete vermutlich zwischen Januar 1891 und Frühjahr 1896 mit einigen Unterbrechungen an "Mathilde Möhring". Erste Konzeptionen und Entwürfe entstanden im Januar und Februar 1891; die erste Niederschrift fertigte Fontane im Sommer 1891 an, und im Winter 1895 nahm er sich die Überarbeitung vor. Im Frühjahr 1896 brach Fontane die Arbeit dann endgültig ab. Zu einer Veröffentlichung zu Lebzeiten Fontanes kam es nicht mehr. Nach Fontanes Tod blieb die "Mathilde-Möhring"-Handschrift zunächst unbemerkt im Nachlass liegen, bis sie von seiner Frau Emilie entdeckt und gelesen wurde. Nach der Lektüre notierte diese auf einem Umschlagblatt der Handschrift: „Leider nicht druckfertig. Mit Rührung gelesen 31 Jan 01. Die alte Fontane“. Nach Emilie Fontanes Tod kam es dann zu einer Veröffentlichung. Die Nachlasskommission und vor allem Fontanes jüngster Sohn, der Buchhändler und Verleger Friedrich Fontane, entschieden, den Journalisten und Redakteur Josef Ettlinger mit der Herausgabe des Romans zu beauftragen. Nach einigen Verhandlungen erschien der Roman in der Familienzeitschrift "Die Gartenlaube" in sieben Fortsetzungen zwischen dem 1. November und dem 13. Dezember 1906. 1907 begannen dann die Vorbereitungen für den Band "Aus dem Nachlaß von Theodor Fontane" (hrsg. von Josef Ettlinger), der mit "Mathilde Möhring" eingeleitet wurde. Ettlingers "Mathilde-Möhring"-Fassung wurde bis 1969 unverändert in allen Fontane-Ausgaben veröffentlicht. Im Rahmen der achtbändigen Ausgabe der „Romane und Erzählungen“, die der Aufbau-Verlag unter der Leitung von Peter Goldammer zum 150. Geburtstag Fontanes Anfang September 1969 veröffentlichte, legte Gotthard Erler eine Neuedition der "Mathilde Möhring" vor. Beim Studium der Handschrift, die Eigentum der "Staatsbibliothek zu Berlin" ist, bemerkte Erler, dass Ettlinger Fontanes Werk in großem Stil redigiert hatte. Er kam zu dem Schluss, „daß der bisher veröffentlichte Text von ‚Mathilde Möhring‘ philologisch nicht länger zu verantworten ist und dass von einer vorgeblich ‚leichten Nachbesserung‘ nicht die Rede sein kann, sondern von einer Bearbeitung [durch Ettlinger].“ Erler nahm sich das Manuskript vor und fand heraus, dass der Roman durch Fontanes Ordnungsprinzip in beschrifteten Papierumschlägen „in seiner äußeren Struktur viel weiter ausgebildet ist, als man bisher annehmen konnte. […]“ So eliminierte er die zahlreichen Lesefehler und Herausgeberergänzungen der Erstausgabe und stellte zum großen Teil Fontanes Kapiteleinteilung wieder her sowie den letzten Satz „Rebecca hat sich verheirathet“. Als Band 20 der „Großen Brandenburger Ausgabe“ (Abteilung „Das erzählerische Werk“) des Aufbau-Verlags veröffentlichte Gabriele Radecke 2008 schließlich eine dritte "Mathilde-Möhring"-Fassung, die zum ersten Mal die Merkmale des unvollendeten Nachlasstextes, die die Handschrift überliefert, konsequent für den gedruckten Text bewahrt und diesen in seiner historischen Gestalt wiedergibt. Wie die Handschrift enthält nun auch die Neuausgabe zahlreiche Textstörungen – etwa grammatische Fehler, unvollendete Sätze, die Einteilung der Kapitel 9 bis 11 in die Unterabschnitte a und b, Fontanes Autorbemerkungen und Fontanes doppelte Formulierungen für eine Textstelle. Außerdem wurden einige Lesefehler der Erler-Textfassung korrigiert. Radecke legt nicht nur eine nach wissenschaftlichen Kriterien erarbeitete Edition der "Mathilde Möhring" vor, sondern die erste historisch-kritische Edition eines Fontane-Textes überhaupt. In dem kulturhistorischen, auf historische Buchbestände, auf die Forschung, auf die Archivalien der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, des Stadtmuseum Berlins sowie des Theodor-Fontane-Archivs gestützten umfangreichen Kommentar werden zudem viele bisher nicht bekannte Informationen über die Textentstehung sowie über die Überlieferungs- und Druckgeschichte erstmals veröffentlicht, die die bisherigen Ergebnisse differenzieren und korrigieren.
Die Königspalme ("Roystonea regia") ist eine in der Karibik heimische Pflanzenart aus der Familie der Palmengewächse (Arecaceae). Sie ist in tropischen und subtropischen Gebieten eine weit verbreitete Zierpflanze. Merkmale. Der Stamm ist bis 20 m, selten bis 30 m hoch bei einem Durchmesser von 37 bis 57,5 cm, die Oberfläche ist grau-weiß. Die Krone besteht aus rund 15 Blättern. Die untersten Blätter hängen unter die Waagrechte herab. Der Kronenschaft ist wie bei allen Vertretern der Gattung auffallend grün, und rund 2 m lang. Der Blattstiel ist bis zu 50 cm, die Rhachis rund 4 m lang. Die mittleren Fiederblättchen sind 63 bis 119 cm lang und 2,5 bis 4,6 cm breit. Der Blütenstand ist rund 1 m lang und ebenso breit. Das Vorblatt ist rund 36 cm lang und 7,3 cm breit, das Hochblatt am Blütenstandsstiel ist 0,8 bis 1,6 m lang und 9,8 bis 13 cm breit, am breitesten dabei in der Mitte. Die Seitenäste des Blütenstands sind 11 bis 31 cm lang und haben einen Durchmesser von 0,9 bis 2,3 cm. Die männlichen Blüten sind weiß. Die Kelchblätter sind dreieckig, 0,8 bis 1,4 mm lang und 0,9 bis 2 mm breit. Die Kronblätter sind elliptisch bis oval, 2,5 bis 6,4 mm lang und 2,2 bis 3,5 mm breit. Es gibt 6 bis 9 Staubblätter, die 3,2 bis 7,5 mm lang sind. Die Staubfäden sind ahlenförmig und 2,3 bis 5,6 mm lang, die Antheren sind 2,4 bis 4,5 mm lang. Das Stempelrudiment ist sehr klein. Die weiblichen Blüten sind ebenfalls weiß, die Kelchblätter sind nierenförmig, 0,7 bis 1,8 mm lang und 1,8 bis 3,4 mm breit. Die Kronblätter sind oval und 2,7 bis 3,7 mm lang. Die Staminodien sind sechslappig, 1,3 bis 2,8 mm lang und im unteren Teil verwachsen. Das Gynoeceum ist 1,1 bis 3,5 mm lang bei einem Durchmesser von 0,9 bis 2,6 mm. Die Früchte sind kugelig bis ellipsoidisch und dorsiventral etwas zusammengedrückt. Sie sind 8,9 bis 15,1 mm lang, dorsiventral 6,9 bis 11,2 mm dick und 7 bis 10,9 mm breit. Das Exokarp ist purpur-schwarz, der Narbenrest flach. Das Endokarp ist ellipsoidisch und 7,5 bis 11,1 mm lang. Verbreitung und Standorte. Die Königspalme wächst in den Hügeln und Tälern von Kuba. In Florida kommt sie in den Counties Collier, Dade und Monroe vor und wächst hier auf den Hammocks der Everglades, kleinen Erhebungen aus Kalkstein. Weitere natürliche Vorkommen befinden sich auf der Halbinsel Yucatán und an der Golfküste von Mexiko, in Belize und Honduras, sowie auf den Kaimaninseln, möglicherweise auch auf den Bahamas. Die Art wird in den Tropen und Subtropen weltweit verbreitet angepflanzt und verwildert leicht bzw. bürgert sich leicht ein. Solche von kultivierten Beständen abstammende Populationen wurden häufig für indigen angesehen, so in Panama, Costa Rica oder Guyana. Systematik. Die Nomenklatur von "Roystonea regia" ist kompliziert, es wurden etliche Synonyme publiziert. "Roystonea regia" wurde zunächst von Karl Sigismund Kunth 1816 als "Oreodoxa regia" beschrieben, im ersten Band der von Alexander von Humboldt, Aimé Bonpland und Kunth herausgegebenen "Nova genera et species plantarum". Die Art wurde 1900 von Orator Fuller Cook in die neue Gattung "Roystonea" überführt. Die Populationen in Florida waren lange als eigene Art "Roystonea elata" bekannt. Dieser Name geht zurück auf William Bartram, der 1791 eine "Palma elata" beschrieben hatte. Nach den Nomenklaturregeln hätte dieser Name Priorität, jedoch wurde aufgrund der weiten Verbreitung des Namens "Roystonea regia" dieser bzw. sein Basionym "Oreodoxa regia" gegenüber "Palma elata" konserviert. Nutzung. Auf Kuba wird die Königspalme für Nutzholz, die Blätter zum Dachdecken und die Früchte als Schweinefutter verwendet. Weltweit in den Tropen und Subtropen wird sie als Zierpflanze angepflanzt. Sie gilt als die am häufigsten kultivierte Zierpalme.
Isidor Ismar Boas (* 28. März 1858 in Exin, Preußen; † 15. März 1938 in Wien) war ein deutscher Arzt. Er gilt als Begründer des Fachgebietes der Gastroenterologie und prägte es in den ersten 40 Jahren seines Bestehens maßgeblich. Mit seiner Niederlassung als "Spezialarzt für Magen- und Darmkrankheiten" 1886 begründete Boas nicht nur das Fach, sondern leitete auch insgesamt die Spezialisierung in der Medizin ein. Trotz Unbehagen und Kritik vieler Kollegen, die eine zunehmende Spezialisierung und Zersplitterung der Medizin in zahllose Unterdisziplinen fürchteten, konnte Boas das Fachgebiet etablieren. Dies mündete schließlich 1924 in der formalen Anerkennung des "Facharztes für Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten" durch den 43. Deutschen Ärztetag. Boas gründete 1895 mit dem "Archiv für Verdauungs-Krankheiten" die erste Fachzeitschrift des Gebietes, die noch heute unter dem Namen "Digestion, International Journal of Gastroenterology" fortbesteht. Er war ebenfalls Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Boas veröffentlichte zahlreiche Schriften und entwickelte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die in abgewandelter Form teilweise noch heute Bestand haben. Er prägte zahlreiche Begriffe wie die der okkulten Blutungen und der Colitis ulcerosa. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten musste er als Jude zahlreiche Repressalien erdulden und wurde in seiner weiteren Arbeit behindert. Boas flüchtete 1936 nach Wien, wo er sich nach dem deutschen Einmarsch am 15. März 1938 das Leben nahm. Leben und Werk. Familiärer Hintergrund. Boas wurde 1858 als Sohn des jüdischen Kaufmannes Hermann Boas und seiner Frau Rachel geboren. Sein Vater wurde 1829 geboren und stammte aus Kulm in Westpreußen. Er war ein angesehener Kaufmann und Repräsentantenvorsteher der Synagoge in Exin. Seine 1828 als Rachel Moses geborene Mutter stammte aus Exin. Ismar Boas wuchs als drittes Kind einer kinderreichen Familie zunächst in Exin auf. 1866 zog die Familie nach Züllichau, wo sie sich für ihre Kinder bessere Ausbildungsmöglichkeiten erhoffte. Da sein Vater mit der preußischen Armee gute Geschäftsbeziehungen pflegte und diese insbesondere während des Deutsch-Österreichischen Krieges günstig mit Getreide belieferte, gestattete man ihm 1881 den Erwerb eines Gutes in Posen. Schule und Ausbildung. Boas besuchte zunächst das deutsche Progymnasium und später das Gymnasium Züllichau, wo er 1877 sein Abitur ablegte. Im selben Jahr begann er zunächst in Berlin, Medizin zu studieren. Hier lernte er Carl Anton Ewald kennen, dessen Vorlesungen über die Physiologie des Verdauungstraktes er besuchte. Seinen Lebensunterhalt verdiente sich Boas durch Nachhilfeunterricht. Ein prägendes Erlebnis war für Boas als er 1879 Zeuge einer Magenspülung wurde, die auch zehn Jahre nach der Einführung derselben durch Adolf Kußmaul immer noch sehr selten durchgeführt wurde. Boas wechselte anschließend für das klinische Studium an die Universität Halle, wo er 1881 bei Theodor Weber mit der Arbeit „Ein Beitrag zur Lehre von der paroxysmalen Hämoglobinurie“ promovierte. Sein Staatsexamen legte er in Leipzig ab und begann anschließend, als Praxisvertreter an verschiedenen Orten zu arbeiten. Boas Studienzeit war geprägt durch ständige finanzielle Nöte und den Zwang, durch Nebentätigkeiten den Lebensunterhalt zu verdienen. Daher war er bestrebt, möglichst schnell die ärztliche Approbation zu erreichen, um rasch Geld verdienen zu können. 1882 ließ er sich als praktischer Arzt in Berlin nieder und begann nebenbei eine Tätigkeit als wachhabender Arzt in einer Berliner Sanitätswache, da ihm seine finanzielle Lage nicht gestattete, eine weitergehende Ausbildung anzustreben. 1883 gab er die Tätigkeit als wachhabender Arzt in der Sanitätswache jedoch wieder auf, da diese insbesondere aus Nachtdiensten bestehende Tätigkeit ihn zu sehr belastete und körperlich anstrengte. Er nahm wieder Kontakt zu Carl Anton Ewald auf und begann eine Tätigkeit als Privatsekretär für diesen in dessen Funktion als Redakteur der Berliner Klinischen Wochenschrift. Hierbei kam ihm zugute, dass er bereits während seines Studiums als Korrekturleser im Verlag F.C.W. Vogel gearbeitet hatte. 1884 wurde Ewald zum Leiter der "Frauensiechenanstalt" in Berlin-Süd ernannt und begann mit Boas gemeinsam, an den dortigen Patientinnen Untersuchungen zur Magenphysiologie durchzuführen. Hierbei entdeckte Boas, dass nach Einführung eines Magenschlauches die Erhöhung des intraabdominellen Druckes durch Husten oder Pressen ausreichte, um Mageninhalt aus dem Schlauch zu gewinnen. Die Verwendung der durch Kußmaul eingeführten Magenpumpe war durch diese Expressionsmethode hinfällig geworden. Boas verfeinerte die Methode, indem er den Patientinnen eine standardisierte Mahlzeit bestehend aus zwei Tassen Tee und einem Weizenbrötchen gab und den so gewonnenen Mageninhalt zu verschiedenen Zeitpunkten entnehmen und die Verdauungsvorgänge miteinander vergleichen und untersuchen konnte. Das sogenannte Probefrühstück nach Boas und Ewald wurde zu einem wichtigen Bestandteil der Funktionsprobe der Magensekretion. Boas und Ewald konnten durch ihre Versuche nachweisen, dass im Magen Kohlenhydrate und Proteine abgebaut wurden. Begründung des Magen-Darm-Spezialismus. Angespornt durch seine Untersuchungen beschloss Boas, sich ganz dem Studium der Verdauungskrankheiten zu widmen, ließ sich 1886 als weltweit erster "Spezialarzt für Magen- und Darmkrankheiten" in Berlin nieder und eröffnete kurz darauf in der Friedrichstraße 10 ein Ambulatorium für Magen- und Darmkrankheiten. Dies stieß auf viel Skepsis und Widerstand in der Ärzteschaft. Insbesondere die Kritik an einer befürchteten Zersplitterung und übermäßigen Subspezialisierung der Medizin wurde geäußert. Sogar Carl Ewald als sein Mentor kritisierte Boas: Boas trat dieser Kritik an der Spezialisierung in der Medizin entschieden entgegen. Boas, der selbst nie eine formale Facharztausbildung erhalten hatte, erhielt schon bald Anfragen von jungen Ärzten, die als Assistenzärzte bei ihm lernen wollten. Einer seiner Forschungsschwerpunkte in dieser Zeit war die Magensekretion und die genaue Zusammensetzung des Magensaftes, insbesondere beim Magenkarzinom. Bei seinen Untersuchungen zum Vorkommen von Milchsäure im Magensaft entdeckte er fadenförmige Bazillen, heute als "Lactobacillus acidophilus" bekannt. Diese wurden später nach ihm und seinem Schüler Oppler als „Boas-Opplersche-Stäbchen“ benannt. 1889 trat der Georg Thieme Verlag an Boas heran und überzeugte ihn, ein Lehrbuch über Magenkrankheiten zu schreiben. Dieses erschien 1890 unter dem Titel „Diagnostik und Therapie der Magenkrankheiten. I. Theil. Allgemeine Diagnostik und Therapie der Magenkrankheiten.“ Nach zunächst nur schleppendem Absatz war es rasch vergriffen und machte eine Neuauflage erforderlich. Diese erschien 1891, gefolgt vom zweiten Teil „Diagnostik und Therapie der Magenkrankheiten. II. Theil. Specielle Diagnostik und Therapie der Magenkrankheiten.“ 1893. Boas’ Bücher über Magenkrankheiten wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und machten Boas über die Fachwelt hinaus bekannt. In Berlin hatte er zu diesem Zeitpunkt schon den Spitznamen "Magen-Boas". 1906 übergab Boas sein Ambulatorium an seinen Schüler Hans Elsner, um sich weiter seiner Forschung widmen zu können. In einer Übersichtsarbeit über die vergangenen 25 Jahre seit Bestehen des Fachgebietes der Gastroenterologie konnte Boas 1911 darauf verweisen, dass die neue Disziplin zahlreiche und grundlegende Fortschritte gemacht hatte. So waren allein in Deutschland im Jahr 1910 bereits 214 Ärzte als Fachärzte für Magen- und Darmkrankheiten niedergelassen und international gab es bereits mehrere gastroenterologische Fachgesellschaften und Zeitschriften. 1924 wurde schließlich auf dem 43. Deutschen Ärztetag die formelle Einführung eines "Facharztes für Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten" beschlossen. Voraussetzung für den Erhalt sollte eine mindestens dreijährige praktische Ausbildung sein. Archiv für Verdauungs-Krankheiten. Um eine weitere Verbreitung seiner Idee zu fördern und um eine wissenschaftliche Plattform für den Magen-Darm-Spezialismus zu schaffen, begründete Boas 1895 die Zeitschrift „Archiv für Verdauungs-Krankheiten mit Einschluss der Stoffwechselpathologie und Diätetik“. Er lud alle Fachleute und Spezialisten des Gebietes zur Mitarbeit ein und konnte Wilhelm Fleiner, Josef von Mering, Carl von Noorden, Leopold Oser, Franz Penzoldt, Franz Riegel, Samuel Sigmund Rosenstein, Julius Schreiber und Berthold Stiller gewinnen. Zu seinem Leidwesen sagten Carl Anton Ewald, Adolf Kußmaul und Wilhelm von Leube ihm jedoch ab. Ewald revidierte später in seiner Eröffnungsansprache als Präsident der Ersten Tagung über Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten in Bad Homburg seine Meinung: In den folgenden Jahren gewann Boas weitere renommierte Verdauungsspezialisten wie Iwan Petrowitsch Pawlow, Oskar Minkowski, Max Einhorn (1862–1953), John C. Hemmeter, Hermann Nothnagel, Hermann Strauß, Adolf Schmidt, A. Mathieu, K. Faber und Friedrich Martius als Autoren für das Archiv. Die Zeitschrift konnte sich als zentrales Publikationsorgan für das Gebiet der Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten etablieren. Zwischenzeitlich war in Europa die Bezeichnung als "Boas’ Archiv" üblich. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten wurde Boas 1934 gezwungen, die Leitung des Archivs an Paul Morawitz abzugeben. Dieser würdigte Boas bisherige Tätigkeit und hob die Schwierigkeiten, die dieser auf seinem Weg hatte überwinden müssen, besonders hervor. Die Zeitschrift wurde zwischen 1939 und 1967 unter dem Namen „Gastroenterologia, International Review of Gastroenterology“ herausgegeben. Seit 1967 trägt sie den Namen „Digestion, International Journal of Gastroenterology“. Gründung der Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Nachdem bereits 1898 in den Vereinigten Staaten die "American Gastroenterological Association" gegründet worden war, folgten die Gründung der Japanischen Gesellschaft für Gastroenterologie und als erste in Europa die Polnische Gastroenterologische Gesellschaft 1909. Boas plante schon längere Zeit, einen Kongress zu gastroenterologischen Themen zu veranstalten. 1913 schließlich gründete er zusammen mit Carl Anton Ewald, Adolf Schmidt, Hugo Starck und Curt Pariser die "Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten" zur Vorbereitung auf einen solchen Kongress. Die Gesellschaft sollte bewusst international agieren. Gemeinsam wurde 1914 mit großem internationalen Echo die „Erste Tagung ueber Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten“ in Bad Homburg vor der Höhe durchgeführt. Bedingt durch den Ersten Weltkrieg konnte die zweite Tagung erst 1920 stattfinden. Erst auf dem fünften Kongress in Wien 1925 erfolgte die formale Gründung der Gesellschaft mit Satzung und Geschäftsordnung. Die Gesellschaft gewann laufend neue Mitglieder, so gehörten ihr 1925 150 Mitglieder an, 1930 waren es bereits 472. 1938 wurde auf dem 14. Kongress der Name in "„Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten“" geändert. Seit 2014 trägt sie den Namen "„Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten“". Wissenschaftliches Werk. Forschungen über den Magensaft. Boas forschte sehr intensiv über die Beschaffenheit des Magensaftes. So galt der Nachweis von Milchsäure im Magensaft als spezifisch für das pylorusnahe Magenkarzinom. Boas konnte zeigen, dass Milchsäure nur bei den Patienten auftrat, die eine Stauung von Mageninhalt aufgrund einer Pylorusstenose hatten. Allerdings war auch Milchsäure nachweisbar, wenn diese Stenose nicht durch ein Karzinom bedingt war. Im Rahmen dieser Arbeiten entdeckte Boas mit seinem Schüler Oppler auch die sogenannten Boas-Opplerschen Stäbchen "(Lactobacillus acidophilus)" Bei seinen Untersuchungen fiel Boas auf, dass es möglich war, durch Preßbewegungen Darmsaft aus dem Duodenum in den Magen zu befördern und dort für Untersuchungen zu gewinnen. Er entwickelte eine Methode, die eine Auswaschung des Magensaftes mittels Sodalösung und anschließende Massage der Lebergegend zur Beförderung von Darmsaft in den Magen vorsah. Mit dieser Methode konnte er nachweisen, dass der Darmsaft im Gegensatz zum Magensaft alkalisch ist und Enzyme zur Spaltung von Stärke und Fetten enthält. Boas’ Methode wurde obsolet, als Max Einhorn 1910 eine Duodenalsonde entwickelte, mit der der Zwölffingerdarm direkt sondiert werden konnte. Boas-Druckpunkt. Boas beschrieb die bereits 1852 von Jean Cruveilhier als "Points rachidiens" bezeichneten Schmerzpunkte, und lokalisierte sie anatomisch sehr präzise links am Rücken neben dem 10. bis 12. Brustwirbelkörper. Ein Druckschmerz an diesem Punkt ist ein Hinweis auf ein Magengeschwür des Patienten. Die Untersuchung des Boas-Druckpunktes wird auch in der Tiermedizin beschrieben. Um die Schmerzintensität an unterschiedlichen Schmerzpunkten exakt zu messen zu können, entwickelte Boas ein eigenes Algesimeter. Damit konnte er die Druckstärke an unterschiedlichen Stellen messen und so Untersuchungsergebnisse objektivierbar und vergleichbar machen. Einführung des Begriffs der Colitis ulcerosa. 1903 berichtete Boas über einen Fall von chronischer Dysenterie. Die Patientin beklagte anhaltende blutig-eitrige Durchfälle, ohne dass die Untersuchung des Stuhls einen Anhaltspunkt für die Ursache erbracht hätte. Aufgrund der ulcerösen Veränderungen der Darmwand bezeichnete er das Krankheitsbild als Colitis ulcerosa und berichtete über eine erfolgreiche chirurgische Sanierung durch vorübergehende Anlage eines künstlichen Darmausganges. Die Erstbeschreibung des Krankheitsbildes war bereits 1875 durch Samuel Wilks und Walter Moxon erfolgt. Entdeckung der okkulten Blutungen. Boas schrieb 1901 über den Nachweis verborgenen Blutes in Stuhl und Mageninhalt und führte den Begriff der "okkulten Blutung" ein. Er erkannte erstmals die diagnostische Bedeutung der Blutungen und die Wichtigkeit der frühzeitigen Entdeckung für die Therapie bei Magen- und Darmkarzinomen. Der schon zuvor bekannte Nachweis mittels Guajak-Test wurde durch ihn populär gemacht und war eine erste Form des Screening auf Magen-Darmkrebs. 1914 widmete er dem Thema eine eigene Monografie. Mahnung zur Wissenschaftlichkeit. Boas war ein Verfechter der wissenschaftlich fundierten Medizin. So schrieb er in der Einleitung zu seiner ersten Buch: Boas forderte bereits 1909 „therapeutische Zentralinstitute“, die die Wirksamkeit von Arzneimitteln überprüfen sollten, sowie einen Deklarationszwang für Inhaltsstoffe von Arzneimitteln. 1930 prägte er den Begriff der "„wissenschaftlich exakten Therapeutik“" und mahnte zu einer umfassenden Ausbildung angehender Mediziner in Therapie und Therapieplanung: Boas kritisierte die übermäßige Reklame für Arzneimittel mit ungewisser Wirkung sowie eine unkritische Haltung von Ärzten zu Untersuchungsergebnissen und Therapieempfehlungen. Er gehört somit zu den ersten Verfechtern der Evidenzbasierten Medizin. Besonders deutlich wird Boas’ Haltung zur Wissenschaftlichkeit anhand seiner Arbeiten zur Diätetik von Verdauungskrankheiten. Boas warb für eine undogmatische Therapie aufgrund von wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen und resümierte 1931: Privatleben. Familie. Boas heiratete 1889 Sophie Asch (* 6. Dezember 1868). Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. In Berlin lebte die Familie jahrzehntelang im eigenen Haus am Alexanderufer 6, wo Sophie Boas regelmäßig musikalische und literarische Soiréen veranstaltete, zu der sich die Spitze des Berliner Kulturlebens traf. Boas’ Arbeit nahm einen großen Raum in seinem Leben ein, und so wurden diese Abende für ihn zu einem wichtigen Ereignis der Ruhe und Erholung. Boas pflegte einen intensiven Kontakt zu seinen in Berlin lebenden Brüdern, insbesondere zu seinem jüngsten Bruder Max. Nach Aussagen von Boas’ Neffen Ernest wurde er in der Familie stets Onkel Professor genannt und galt unangefochten als Familienoberhaupt. Er war ein großer Kunstsammler und Musikliebhaber. Ernest charakterisierte Sophie Boas als willensstarke Frau, die sich sehr für die französische Kultur und das Pariser Leben interessierte. Boas galt als freundlich und bemühte sich, jedem mit Rat und Tat zu helfen: Exil und Tod. Die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten stellte für Boas, wie für viele andere auch, eine schwere Zäsur seines Wirkens dar. So musste er deutlich erschwerte Arbeitsbedingungen für seine Praxis hinnehmen und wurde 1934 gezwungen, die Schriftleitung des "Archivs für Verdauungskrankheiten" abzugeben. In einem Brief an seinen 1933 nach Palästina ausgewanderten Freund und Kollegen Hermann Steinitz klagt Boas 1935: Im Sommer 1936 emigrierten Boas und seine Frau mit Hilfe eines aus den Vereinigten Staaten gewährten Stipendiums nach Wien. Bei diesem Schritt wurden sie von Boas’ ehemaligem Schüler Walter Zweig unterstützt, der für Boas auch Kontakte knüpfte, um ihm die weitere Arbeit an seinen Forschungsprojekten zu ermöglichen. Hier forschte er unter großen Schwierigkeiten zunächst weiter an Methoden zum Nachweis von Porphyrinen. Nach dem Anschluss Österreichs durch die Nationalsozialisten im März 1938 nahm sich Boas am 15. März durch eine Überdosis Veronal das Leben. Seine Asche wurde am 13. Mai 1938 auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee im Familiengrab seiner Schwiegereltern bestattet. Max Einhorn würdigte Boas in seinem Nachruf im Archiv für Verdauungskrankheiten als „für die Medizin unsterblich“: Boas selbst zog bereits 1928 ein Resümee seines Lebenswerkes: Verbleib der Familie. Boas’ Sohn Kurt studierte ebenfalls Medizin und ließ sich nach dem Ersten Weltkrieg, an dem er als Frontarzt teilnahm, als Dermatologe in Crimmitschau nieder. Er wurde im April 1935 nach einer Denunziation von den Nationalsozialisten in "Schutzhaft" genommen und war bis zum Dezember 1936 im KZ Sachsenburg inhaftiert. Nach Aussagen von Boas’ Neffen Ernest emigrierte Kurt nach Südamerika, wo sich seine Spur verliert. Zu berücksichtigen ist hierbei jedoch, dass Ernest bereits 1934 nach Brasilien emigrierte und keinen weiteren Kontakt mit der Familie hatte. Seit dem 9. November 2021 erinnert eine Gedenktafel am Haus seiner früheren Praxis in Crimmitschau an Dr. Kurt Ferdinand Boas. Die Tochter Claire emigrierte 1939 mit ihrem zweiten Ehemann Kurt Schneider in die Vereinigten Staaten, wo sie in New York als Kunstrestauratorin arbeitete und 1959 kinderlos verstarb. Sophie Boas emigrierte 1938 nach Holland, von wo aus sie in das Vernichtungslager Sobibor gebracht und 1943 ermordet wurde. Ismar Boas hatte keine weiteren Nachkommen. Die Schauspieler Ilse und Curt Bois waren die Kinder von Boas’ jüngerem Bruder David. Würdigungen. Rezeption. Boas geriet zunächst in Vergessenheit. So wurde der im März Verstorbene beispielsweise auf dem 14. Kongress der Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten im September 1938 nicht erwähnt. Auch nach der Zeit des Nationalsozialismus fanden Boas und sein Werk zunächst kaum Beachtung. Erst zu Boas’ 100. Geburtstag erinnerten Julius Kleeberg und Harold Avery an den Vergessenen. Leonard Hoenig und James Boyle machten Ernest Boas ausfindig, der mittlerweile in der Schweiz lebte, und interviewten ihn für ihren Artikel zum 50. Todesjahr von Ismar Boas. Sie beklagten die mangelnde Bekanntheit von Ismar Boas, die in keinem Verhältnis zu seinen Leistungen stünde. Der Arzt von Wien. Franz Werfel nahm Boas als Vorlage für seine Novelle „Der Arzt von Wien“. Im Mittelpunkt steht hier ein fiktiver Dialog zwischen dem Arzt und Hermann Nothnagel über Antisemitismus. Werfel zeichnete hier den inneren Konflikt des von den Nationalsozialisten bedrohten und verzweifelnden jüdischen Arztes, der vor den Trümmern seines Lebenswerks steht und im Gespräch mit Nothnagel in Form von dessen im Regal stehenden Büste auf seine Fragen nur Allgemeinplätze zu hören bekommt. Zentral ist unter anderem der Satz "„Nur ein guter Mensch kann ein guter Arzt sein“", den Hermann Nothnagel tatsächlich so bei seiner Antrittsrede als Ordinarius in Wien 1882 gesagt hatte. Diesen inzwischen zu einem geflügelten Wort gewordene Satz hatte Boas 1905 bei seinem Nachruf auf den plötzlich verstorbenen Nothnagel ebenfalls verwendet. Am Ende von Werfels Erzählung fragt der Arzt: "„Der Haß… Warum dieser Haß?…“" während im Hintergrund "„Sieg-Heil“"-Rufe zu hören sind und setzt mit den Worten "„Da kann ja kein Mensch mehr ein guter Arzt sein…“" die Giftnadel an seinen Arm. Ehrungen. 1937 würdigte das Lennox Hill Hospital in New York Boas, Ewald und Kußmaul mit einem Relief über dem Eingang zum Max Einhorn Auditorium in seinem Memorial Building. Auf Bitten von Max Einhorn schickte man Boas ein Gratulationsschreiben mit Fotografien vom Eingang des Auditoriums. 1991 wurde am Rathaus von Kcynia (ehemals Exin) eine Gedenktafel zu Ehren von Ismar Boas angebracht. 1992 brachte die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) eine Ehrentafel an der Charité an. Diese musste im Jahr 2000 bei Umbauarbeiten entfernt werden und wurde 2013 erneut angebracht. Die Gesellschaft für Gastroenterologie der DDR vergab von 1978 bis 1989 die Ismar-Boas-Medaille als Ehrung für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Viszeralmedizin. Seit 1990 wird diese Ehrung von der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten vergeben. Darüber hinaus verleiht die DGVS seit 1977 den Ismar-Boas-Preis als Dissertationspreis für die besten eingereichten Dissertationen auf dem Gebiet der Gastroenterologie, einmal als Grundlagenpreis und einmal als Klinischen Preis. 2004 änderte die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten ihr Logo, welches seitdem die Porträts von Boas und Carl Anton Ewald enthält.
Die evangelische Dorfkirche Möringen ist eine spätromanische Feldsteinkirche im Ortsteil Möringen der Stadt Stendal in Sachsen-Anhalt. Sie gehört zur Kirchengemeinde Möringen im Kirchenkreis Stendal der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und ist eine offene Kirche. Geschichte und Architektur. Die Kirche St. Leonhard Groß Möringen ist eine in seltener Stilreinheit erhaltene vollständige Anlage einer romanischen Dorfkirche, deren Dachstuhl dendrochronologisch auf 1171 datiert wurde. Sie wurde 1201 erstmals urkundlich erwähnt und war bis ins 16. Jahrhundert Wallfahrtskirche. Am Anfang des 18. Jahrhunderts fand eine Renovierung statt, dabei wurden einige Fenster vergrößert. In den Jahren 1934/35 erfolgte eine umfassende Restaurierung, wobei der ursprüngliche Zustand der Fenster rekonstruiert und eine Dachdeckung mit Mönch-Nonne-Ziegeln sowie eine Neuordnung der Inneneinrichtung vorgenommen wurde. Instandsetzungen erfolgten 1973 am Äußeren und 1982 im Inneren. Die Kirche ist ein sorgfältig ausgeführter Feldsteinbau aus Schiff, eingezogenem quadratischem Chor, Apsis und Westquerturm, der mit Walmdach abgeschlossen ist. Das mit einem längsgerichteten Tonnengewölbe abgeschlossene Turmuntergeschoss mit enormen Mauerstärken von 4,12 Metern wurde ursprünglich als Vorhalle genutzt; das rundbogige Westportal ist jedoch heute vermauert. Das Obergeschoss war über eine heute vermauerte Bogenöffnung zum Schiff geöffnet und besitzt eine Fensteröffnung nach Süden. Der Zugang vom Schiff erfolgte vermutlich über eine hölzerne Treppe, davon erhalten ist eine Tür mit Verriegelungsbalken. Daher wird die Kirche als „Fluchtkirche“ betrachtet. Im Glockengeschoss sind rundbogige Schallöffnungen vorhanden, deren südliche noch eine Backsteinsäule mit Würfelkapitell besitzt. Ein wohlgestaltetes abgetrepptes Südportal zum Schiff hat einen mächtigen halbrunden Schlussstein. Die Rundbogenfenster entsprechen dem ursprünglichen Zustand. An der Südseite wurde vor die Priesterpforte im 15. Jahrhundert eine rechteckige Vorhalle mit Fialen und einem Blendengiebel aus Backstein angebaut. Die Brettertür mit schmiedeeisernen Beschlägen entstammt dem 13. Jahrhundert. Das Innere ist mit einer Holzbalkendecke abgeschlossen, deren Balken mit ornamentaler Grisaillemalerei vermutlich nach Befund aus der Barockzeit bemalt wurden. Die romanischen Kämpfergesimse sind am Triumphbogen und am abgetreppten Apsisbogen erhalten. In der Apsis und am Triumphbogen wurde eine Ausmalung im Stil der Zeit um 1935 ausgeführt. Ausstattung. Der heutige Altar mit Christus am Kreuz wurde 1894 von Holzbildhauer Gustav Kuntzsch, Wernigerode, geschaffen. Vom ehemaligen Kanzelaltar von 1708 stammen die schlichte hölzerne Kanzel mit geschnitzten Ranken zwischen den Feldern des polygonalen Korbs und von Akanthuslaub umrankten Wappen am Schalldeckel sowie das Abendmahlsgemälde an der Chornordwand und der Aufsatz mit Lamm Gottes an der Südwand. Die voluminöse Sandsteintaufe in achteckiger Kelchform entstammt der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Zwei reizvolle Reliefs mit der Anbetung und der Darbringung im Tempel an der Nordwand des Schiffes stammen von einem Schnitzaltar aus der Zeit um 1460/70. Die Orgel ist ein Werk der Firma Dinse aus dem Jahr 1876. In der südlichen Vorhalle sind einige Grabsteine von ehemaligen Patronatsfamilien aus dem 15. bis 18. Jahrhundert zu finden. Der älteste Grabstein wurde für Mette Leyden († 1439) gesetzt und zeigt die Verstorbene in Ritzzeichnung mit Kielbogenrahmen und Inschrift. Der Grabstein des Joachim von Mestorp († 1586) ist mit einer Relieffigur versehen. Der Grabstein seiner Ehefrau vom Ende des 16. Jahrhunderts ist ebenfalls mit einer Ganzfigur in Relief ausgestattet. Der Grabstein des Hans von Mesdorf († 1602) ist ebenfalls vorhanden. Barocke Grabsteine für Hoyer von Reinhart († 1709), Dorthea Bergia († 1724) und Friedrich Hoyer von Reinhart († 1700) sind schließlich zu erwähnen. Von mehreren Bronzeglocken ist eine in der Zeit um 1200 entstanden. Die Feldsteinmauer des Kirchhofs ist noch teilweise erhalten; an der Südwestseite ist ein Backsteinportal vom Anfang des 16. Jahrhunderts auf Feldsteine aufgesetzt.
Die 66. Internationalen Filmfestspiele von Cannes fanden vom 15. bis 26. Mai 2013 statt. Eröffnet wurde das Filmfestival mit Baz Luhrmanns US-amerikanischer 3D-Literaturverfilmung "Der große Gatsby". Als Abschlussfilm wurde der in Südafrika spielende französische Kriminalfilm "Zulu" von Jérôme Salle benannt. Beide Filme wurden außer Konkurrenz gezeigt. Der internationalen Jury, die unter anderem die Goldene Palme, den Hauptpreis des Festivals, vergibt, stand in diesem Jahr der US-amerikanische Regisseur Steven Spielberg vor. Filmemacher aus dem deutschsprachigen Raum erhielten keine Einladungen in den diesjährigen Wettbewerb. Die deutsche Regisseurin Katrin Gebbe war jedoch mit ihrem Debütfilm "Tore tanzt" in der Sektion "Un Certain Regard" vertreten. Jährlich wechselndes Gastland war 2013 Indien, das zum 100. Jubiläum des Beginns seiner nationalen Filmindustrie mit einer Gala-Aufführung des vierteiligen Films "Bombay Talkies" geehrt wurde. Die französische Schauspielerin Audrey Tautou moderierte als Gastgeberin "(„maîtresse de cérémonie“)" die Auftaktzeremonie am 15. Mai und die Preisgala am 26. Mai. Tautou, die bereits im Vorjahr mit der Titelrolle in Claude Millers Literaturverfilmung "Thérèse Desqueyroux" das Festival offiziell abgeschlossen hatte, folgte damit ihrer Landsfrau Bérénice Bejo. Die Goldene Palme ging an den Film "Blau ist eine warme Farbe" (Originaltitel: "La Vie d’Adèle – Chapitre 1 & 2") von Abdellatif Kechiche. Dabei wurde der Hauptpreis ausnahmsweise nicht nur an den Regisseur, sondern auch an die beiden Hauptdarstellerinnen Léa Seydoux und Adèle Exarchopoulos vergeben. Festivalplakat. Das offizielle Festivalplakat wurde im März 2013 vorgestellt. Nachdem in den Vorjahren dieses von Schauspielerinnen dominiert worden war, wurde zur 66. Auflage eine Abbildung von Joanne Woodward und Paul Newman ausgewählt. Das Bild entstand während der Dreharbeiten des Films "Eine neue Art von Liebe" (1963) und zeigt das US-amerikanische Schauspieler-Ehepaar ästhetisch auf dem Boden liegend und küssend. 2013 jährt sich der Tod Paul Newmans zum fünften Mal. Woodward und Newman standen erstmals 1958 in Martin Ritts Südstaaten-Drama "Der lange, heiße Sommer" gemeinsam vor der Kamera. Mit der Literaturverfilmung besuchten beide im selben Jahr zum ersten Mal das Filmfestival, wo Newman für seine Leistung als prinzipienloser Herumtreiber mit dem Darstellerpreis ausgezeichnet wurde. Es war der Beginn einer erfolgreichen Zusammenarbeit von Woodward und Newman, die über Jahrzehnte anhielt. Als Regisseur realisierte Newman mit seiner Frau unter anderem die Cannes-Beiträge "Die Wirkung von Gammastrahlen auf Ringelblumen" (Darstellerpreis für Woodward 1973) und "Die Glasmenagerie" (1986). Das ursprüngliche Bild wurde von der Pariser Werbeagentur "Bronx" grafisch bearbeitet. Offizielle Auswahl. Internationaler Wettbewerb. Wettbewerbsjury. Als Nachfolger des letztjährigen Jurypräsidenten Nanni Moretti wurde Ende Februar 2013 Steven Spielberg präsentiert. Der US-Amerikaner erwarb sich den Ruf, der erfolgreichste Regisseur seiner Generation zu sein. Durch kommerziell so erfolgreiche Filme wie "Der weiße Hai" (1975), der "Indiana-Jones"-Reihe (1981–2008) oder "Jurassic Park" (1993) galt Spielberg lange als „Meister des Unterhaltungsfilms“, ehe sich mit "Schindlers Liste" auch großer künstlerischer Erfolg bei der internationalen Fachkritik einstellte. Daneben war Spielberg Mitbegründer des unabhängigen Filmstudios DreamWorks und etablierte sich unter anderem mit der "Zurück-in-die-Zukunft"- (1985–1990) und "Men-in-Black"-Trilogie (1997–2012) bzw. "Band of Brothers – Wir waren wie Brüder" (2001) und "The Pacific" (2010) auch als Film- und Fernsehproduzent. Spielberg debütierte 1974 im Wettbewerb mit seinem Kinodebüt "Sugarland Express," dass ihm den Drehbuchpreis einbrachte. Daraufhin stellte er nachfolgende Werke "(E.T. – Der Außerirdische," "Die Farbe Lila, Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels)" ausnahmslos außer Konkurrenz beim Filmfestival vor, wobei vor allem die Weltpremiere von "E.T." als Abschlussfilm des Festivals 1982 für Aufsehen sorgte. Spielberg selbst bezeichnet die Erinnerung daran bis heute als „eine der lebhaftesten“ seiner Karriere. Das Festival hätte in der Vergangenheit mehrfach versucht, den US-Amerikaner als Jurypräsidenten zu gewinnen, was aber stets an Terminkonflikten gescheitert sei. Erst 2011 habe Spielberg im Prinzip einer Jurypräsidentschaft zwei Jahre später zugestimmt. Er ist nach Robert De Niro (2011) Tim Burton (2010) und Sean Penn (2008) der vierte US-amerikanische Jurypräsident innerhalb der letzten sechs Jahre. Wie in den Vorjahren standen dem Jurypräsidenten mehrere Jurymitglieder zur Seite, deren Namen am 23. April präsentiert wurden. Es handelte sich ausschließlich um Filmschaffende: Konkurrenten um die Goldene Palme. Das offizielle Wettbewerbsprogramm wurde am 18. April 2013 vom künstlerischen Leiter Thierry Frémaux und Festivalpräsident Gilles Jacob im Pariser Kino "UGC Normandie" der Öffentlichkeit vorgestellt. Zugelassen für den Wettbewerb um die Goldene Palme für den besten Spielfilm waren Produktionen, die innerhalb der letzten 12 Monate vor Festivalbeginn fertiggestellt worden waren. Die eingereichten Beiträge durften vorab an keinem internationalen Festival teilgenommen haben, außerhalb ihres Ursprungslandes noch nicht kommerziell ausgewertet und nicht im Fernsehen noch Internet präsentiert werden. Laut Frémaux wurden insgesamt 1858 Langfilme für das Festival eingereicht. Jim Jarmuschs Wettbewerbsbeitrag "Only Lovers Left Alive" wurde am 26. April nachgereicht. Wie in den Vorjahren wurden die meisten der konkurrierenden Regiearbeiten in Europa produziert oder koproduziert (11), gefolgt von Nordamerika (sieben) und Asien (drei). Drei der eingeladenen Filmemacher konnten in der Vergangenheit den Hauptpreis der Filmfestspiele von Cannes bereits gewinnen – Joel Coen (1991 für "Barton Fink"), Roman Polanski (2002 für "Der Pianist"), mit 79 Jahren gleichzeitig der älteste vertretene Regisseur im Wettbewerb, und Steven Soderbergh (1989 für "Sex, Lügen und Video"), der mit der eigentlich für das US-amerikanische Fernsehen vorgesehenen Produktion "Behind the Candelabra" plant, seine letzte Regiearbeit vorzustellen. Sechs Regisseure erhielten ihre erste Einladung, darunter mit dem 34-jährigen Mexikaner Amat Escalante "(Heli)" der jüngste Filmemacher sowie mit der italienisch-französischen Regisseurin Valeria Bruni Tedeschi "(Un château en Italie)" die einzige Frau im Wettbewerb. Mit dem ebenfalls zum ersten Mal um die Goldene Palme konkurrierenden Iraner Asghar Farhadi "(Passé)" und dem Chinesen Jia Zhangke "(A Touch of Sin)" sind auch zwei frühere Gewinner der Internationalen Filmfestspiele von Berlin vertreten. Spielfilme. Eine Übersicht über die 20 Spielfilmproduktionen, die um die Goldene Palme konkurrieren. Außer Konkurrenz und Sonderaufführungen. Außer Konkurrenz werden im Rahmen des Offiziellen Programms folgende Filme vorgestellt: Un Certain Regard. In der Reihe "Un Certain Regard" (‚Ein gewisser Blick‘) werden vornehmlich Werke von wenig bekannten Filmemachern gezeigt, die mit einem 30.000 Euro dotierten Preis ausgezeichnet werden. Die Jury stand unter der Leitung des Dänen Thomas Vinterberg, der 1998 mit dem ersten Dogma-Film "Das Fest" (Preis der Jury) sowie 2012 mit "Die Jagd" um die Goldene Palme konkurrierte. Die übrigen Jurymitglieder waren die Schauspielerinnen Ludivine Sagnier (Frankreich) und Zhang Ziyi (China; Jurymitglied im Wettbewerb um die Goldene Palme 2006), die brasilianische Festivalleiterin Ilda Santiago (Festival de Rio) und der spanische Produzent und Verleiher Enrique González Macho. Das Programm mit 15 Filmen wurde am 18. April 2013 bekannt gegeben und am 26. April um drei weitere Filme ergänzt. Kurzfilmwettbewerb. Der Jury des Kurzfilmwettbewerbs, in dem ebenfalls eine Goldene Palme vergeben wird, stand die Neuseeländerin Jane Campion vor. Die Filmregisseurin und Drehbuchautorin erhielt bis 2009 vier Einladungen nach Cannes. Sie ist die bisher einzige Filmemacherin die sowohl den Hauptpreis für den besten Kurzfilm (1986 für "An Exercise in Discipline – Peel") als auch für den besten Spielfilm (1993 für "Das Piano") gewinnen konnte. Weitere Jurymitglieder waren die äthiopische Schauspielerin, Filmemacherin und Filmproduzentin Maji-Da Abdi, die italienische Schauspielerin und Regisseurin Nicoletta Braschi, die indische Schauspielerin und Regisseurin Nandita Das und der türkische Filmregisseur und Drehbuchautor Semih Kaplanoğlu. Die Beiträge wurden gemeinsam mit jenen aus der Reihe "Cinéfondation" am 18. April 2013 bekannt gegeben. Insgesamt wurden neun Filme aus 3500 Einsendungen aus 132 Ländern ausgewählt. Den Regularien nach durfte die Gesamtlänge 15 Minuten nicht überschreiten. Erstmals in den Wettbewerb gelangte mit "Condom Lead" ein Beitrag aus den Palästinensischen Autonomiegebieten. Cinéfondation. Für die 1998 ins Leben gerufene Reihe Cinéfondation werden Kurzfilmarbeiten aus der ganzen Welt ausgewählt, darunter sowohl Animations- als auch Realfilme. Das Programm hilft jungen Filmstudenten bei der Förderung und Fertigstellung ihrer Projekte. 2013 wurden mehr als 1550 Filme aus 277 Filmhochschulen eingereicht. 18 Filme aus 14 Ländern wurden ausgewählt, darunter erstmals ein Beitrag einer chilenischen Filmhochschule. Als Jury der drei Cinéfondation-Preise fungierte die Kurzfilmjury um Jane Campion. Nebenreihen. Semaine de la critique. Parallel zur Vergabe der Goldenen Palme widmet sich die seit 1962 bestehende Nebensektion "Semaine de la critique" (bis 2007 "Semaine internationale de la critique") der Entdeckung neuer Talente. Ausgerichtet vom Syndicat français de la critique de cinéma konkurrieren ausschließlich Erstlingsfilme oder Zweitwerke junger Regisseure. Der Wettbewerb umfasste in der Vergangenheit stets sieben Spielfilme und sieben Kurzfilmarbeiten, die seit 1990 mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet werden. Begleitet wird die „internationale Kritikerwoche“ von Sonderaufführungen zahlreicher Kurzfilme. Das Programm der 52. "Semaine internationale de la critique" wurde am 21. April 2013 bekannt gegeben. Die Reihe selbst wurde vom 16. bis 24. Mai veranstaltet. Quinzaine des réalisateurs. Die Nebenreihe "Quinzaine des Réalisateurs" (dt.: „Zwei Wochen der Regisseure“) wurde 1969 in Anlehnung an die ein Jahr zuvor stattgefundenen Maiunruhen ins Leben gerufen und wird von der Société des réalisateurs de films (SRF) organisiert. Gezeigt werden Langfilme (Dokumentar- und Spielfilme) sowie eine Vielzahl an Kurzfilmen aus aller Welt, ohne dass ein Preis vergeben wird. Das Programm wurde am 23. April 2013 bekannt gegeben. Die Reihe selbst wurde vom 16. bis 26. Mai veranstaltet. Als Eröffnungsfilm wurde Ari Folmans "The Congress (Le Congrès)" benannt. Einen Ehrenpreis der SRF, die "Carrosse d’Or," erhielt Jane Campion. Caméra d’Or. Mit der Caméra d’Or („Goldene Kamera“) wird seit 1978 der beste Debütfilm eines Regisseurs ausgezeichnet, unabhängig in welcher Sektion dieser vertreten ist. Der internationalen Jury stand die französische Filmemacherin Agnès Varda vor. Unterstützt wurde sie von den Jurymitgliedern Isabel Coixet (Filmregisseurin, Spanien), Régis Wargnier (Filmregisseur, Frankreich), Chloé Rolland (Syndicat français de la critique de cinéma), Michel Abramowicz (AFC), Éric Guirado (SRF) und Gwénolé Bruneau (Ficam). Weitere Filme und Programmpunkte. Im Rahmen des Festivals wurde eine restaurierte Fassung von Alfred Hitchcocks "Vertigo – Aus dem Reich der Toten" (1958) gezeigt. Hauptdarstellerin Kim Novak war bei der Aufführung anwesend und überreichte bei der abschließenden Preisverleihung den Grand Prix der Jury an Ethan und Joe Coen. Mit der Reihe "L’Atelier" werden seit 2005 weltweite Filmprojekte unterstützt. Filmregisseure und ihre Produzenten werden nach Cannes eingeladen, wo Treffen mit Fachleuten stattfinden, um die Finanzierung der Projekte voranzutreiben. 2013 werden 15 Projekte aus 14 Ländern unterstützt.
Gnarrenburg ist eine Gemeinde im Landkreis Rotenburg (Wümme) in Niedersachsen. Sie liegt am Oste-Hamme-Kanal zwischen Zeven, Bremervörde und Osterholz-Scharmbeck und hat rund 9180 Einwohner, wovon ungefähr 3100 auf den Hauptort Gnarrenburg entfallen. Geografie. Geografische Lage. Gnarrenburg ist Schwerpunktgemeinde des Fremdenverkehrs im Teufelsmoor. Der Ort hat einen Bahnhof an der überwiegend touristischen Zwecken dienenden Bahnstrecke Osterholz-Scharmbeck–Bremervörde, dem sogenannten "Moorexpress". Das Gebiet wird vom Hamme-Oste-Kanal durchzogen, der die beiden Flüsse Hamme und Oste miteinander verbindet. Dieser diente früher der Torflieferung nach Bremen und Hamburg. Gemeindegliederung. Die Gemeinde Gnarrenburg besteht aus den folgenden zwölf Ortschaften: Zum Kernort Gnarrenburg gehören des Weiteren der 1904 eingemeindete ehemalige Ortsteil Geestdorf und die 1782 gegründete Moorkolonie Dahldorf, die im Jahr 1932 nach Gnarrenburg eingemeindet wurde. Nachbargemeinden. Gnarrenburg grenzt an die Gemeinden Basdahl, Oerel, Bremervörde, Sandbostel, Selsingen, Ostereistedt, Rhade und Breddorf im Landkreis Rotenburg (Wümme), Worpswede, Vollersode und Holste im Landkreis Osterholz sowie Kirchwistedt im Landkreis Cuxhaven. Geschichte. Der Name Gnarrenburg geht zurück auf eine abgegangene Burg, welche einst am Südende des Ortes im Moor lag. Genau lag diese Burg an der nördlichen Geestzunge zwischen Gnarrenburg und Karlshöfen. Diese Geestzunge war der einzige Überweg durch das Teufelsmoor bzw. dem Gnarrenburger Moor. Es wurde dort Zoll eingetrieben. Die Gnarrenburg lag an einer schon im 11. Jahrhundert überlieferten Grenzlinie zwischen den Bistümern Bremen und Verden, deshalb dürfte es sich um eine Grenzburg gehandelt haben. Näheres lässt sich mangels schriftlicher Überlieferung nicht aussagen, 1498 wird sie lediglich als Ortsbezeichnung erwähnt und war damals offenbar schon aufgegeben. Auch war diese Geestzunge oft ein hart umkämpfter Bereich, wie zum Beispiel im Dreißigjährigen Krieg. Damals wurden noch vorhandene Wallreste zu einer Schanze ausgebaut, bei der es mehrfach zu Kämpfen kam. 1658 wurde die Schanze durch die Schweden erneuert. 1757 wurde sie im Siebenjährigen Krieg erneut wiederhergestellt. 1887 war sie noch als "kleiner Sandhügel" bekannt. Auch am Ende des Zweiten Weltkriegs war diese Geestzunge für die Gnarrenburger Gegend von Bedeutung. Hier hatten Bürgermeister Garms und Bürger Faktor durch eine weiße Flagge den britischen Besatzungstruppen den Ort Gnarrenburg ohne Kämpfe und Zerstörung übergeben. Wirtschaftshof der Burg war der alte Gnarrenburger Hof, auch Rüschhof genannt. Dessen letztes Wohngebäude, die alte Amtsvogtei, wurde 1937 abgebrochen. Die Burg bestand nach Bodenfunden bereits um 1250. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts erhob sich zwischen Segebade Clüver zu Wellen und der Familie von Issendorff ein Rechtsstreit um die Gnarrenburg, welcher im Jahre 1605 beendet wurde. Der Gnarrenburger Hof mit der Stätte der Burg und mehreren hundert Morgen Ländereien ging in den Besitz der Familie von Issendorff über. Die Burg war wahrscheinlich schon im 15. Jahrhundert verfallen und auch der Hof war mehr als 100 Jahre wüst. Im 18. Jahrhundert wurde der Hof von dem Issendorffschen Meier Dierck Dücker bewirtschaftet, später von Albert Schröder. 1746 verkaufte Landrat Jürgen Melchior von Issendorff „den alten adeligen Sitz, die Gnarrenburg“ mit allem Zubehör für 675 Reichstaler an den Forstsekretär Wilhelm von Mackphail. Von diesem erwarb 1752 der hannoversche Staat, die „Königlich Churfürstliche Cammer“, den vollfreien Hof zur Gnarrenburg. Die königliche Kammer richtete dort eine Vogtei, die Amts oder Moorvogtei Gnarrenburg ein. Dieser Vogtei wurden die damals und später entstehenden Moorkolonien unterstellt. Auf dem Gelände des Gnarrenburger Hofes wurde die Gnarrenburger Kirche errichtet, die 1790 eingeweiht wurde. Auch der Ort Gnarrenburg liegt zur Hauptsache auf Grund und Boden des alten Hofes. Gnarrenburg begann sich 1803 zu entwickeln. 1848 hatte Gnarrenburg 18 Wohngebäude und 117 Einwohner. 1871 hatte es 26 Wohngebäude und 178 Einwohner. 1846 gründete ein in Bremervörde gebildetes Konsortium im Ortsteil Geestdorf die Glasfabrik „Marienhütte“, benannt nach Marie, der Gemahlin des späteren Königs Georg V. von Hannover. Der Aufschwung der Ortschaft Gnarrenburg begann 1876 mit der Übernahme der Glasfabrik „Marienhütte“ durch den Kaufmann, Glasmacher und Ofenbauer Hermann Lamprecht und dem Ankauf der Erfindung des legendären Tropfenzählers im Jahr 1881 vom Bremer Kaufmann und Erfinder Georg Hirdes. Der Tropfenzähler wurde weltberühmt und der Name Gnarrenburg war weltweit bekannt. Gnarrenburg entwickelte sich zum größten Standort für Glaswaren mit Stöpseleinbohrung. Im staatlichen Gnarrenburger „Eichholz“ liegen ein urgeschichtliches Steingrab und mehrere Hügelgräber. Weitere vorgeschichtliche Funde wurden an der Geestzunge zwischen Gnarrenburg und Karlshöfen gefunden. Wahrscheinlich waren diese Geestzungen bereits in der Jungsteinzeit durch Bohlenwege verbunden gewesen. Funde wie Bohlen, Pfähle und natürlich das über 4000 Jahre alte Wagenrad zeugen von dieser Epoche. Die Fundstücke liegen im Kreismuseum Bremervörde, dem Bachmann Museum. Eingemeindungen Am 1. März 1974 wurden die Gemeinden Augustendorf, Barkhausen, Fahrendorf, Findorf Klenkendorf, Kuhstedtermoor eingegliedert. Am 8. April 1974 kamen Brillit, Glinstedt, Karlshöfen, Kuhstedt und Langenhausen hinzu. Politik. Gemeinderat. Der Rat der Gemeinde Gnarrenburg besteht aus 24 Ratsfrauen und Ratsherren. Dies ist die festgelegte Anzahl für eine Gemeinde mit einer Einwohnerzahl zwischen 9.001 und 10.000 Einwohnern. Die 24 Ratsmitglieder werden durch eine Kommunalwahl für jeweils fünf Jahre gewählt. Die aktuelle Amtszeit begann am 1. November 2021 und endet am 31. Oktober 2026. Stimmberechtigt im Rat der Gemeinde ist außerdem der hauptamtliche Bürgermeister. Die letzte Kommunalwahl vom 12. September 2021 ergab das folgende Ergebnis: Bürgermeister. Hauptamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Gnarrenburg ist Marc Breitenfeld (CDU). Bei der letzten Bürgermeisterwahl am 12. September 2021 setzte er sich gegen Marcel van der Pütten (SPD) und Philipp Jagels (Die PARTEI) mit 59,66 % der abgegebenen Stimmen im ersten Wahlgang durch. Die Wahlbeteiligung lag bei 69,92 %. Breitenfeld trat seine Amtszeit am 1. November 2021 an. Wappen. Das Kommunalwappen von Gnarrenburg wurde vom Stader Maler und Grafiker Synold Klein entworfen und am 24. April 1978 vom Gemeinderat beschlossen. Die Genehmigung durch den Landkreis Rotenburg (Wümme) erfolgte am 23. Januar 1979. Partnerschaften. Es besteht eine Partnerschaft mit: Kultur und Sehenswürdigkeiten. Bauwerke. Das Steingrab im Eichholz ist eine neolithische Megalithanlage. Sie entstand zwischen 3500 und 2800 v. Chr. als Anlage der Trichterbecherkultur. Die evangelische Pauluskirche von Gnarrenburg wurde 1784 vom Moorkommissar Jürgen Christian Findorff geplant und gebaut und fasste 1000 Plätze. Eingeweiht wurde die Kirche im Jahr 1790, sie war für die Moorkolonisten und das benachbarte Dorf Kuhstedt geplant. Auf Druck der Kuhstedter Bevölkerung erhielt der Ort jedoch ein eigenes Kirchspiel. Auffällig ist die Anlage der Kirche, die nicht der klassischen Bauweise folgt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Kirchen steht der Turm hier an der langen Seite des Kirchenschiffs, in dessen Mitte sich der Altarraum mit der Kanzel befindet und die Gemeinde U-förmig um den Altar sitzt. Die Kirche liegt auf der höchsten Erhebung des Ortes Gnarrenburg. Bevor die Kirche dort gebaut wurde, stand auf dem Gelände der Gnarrenburger Hof. Der Bahnhof an der Bahnlinie Stade–Bremen wurde im Jahre 1909 vom Worpsweder Architekten Heinrich Vogeler erbaut. Heute findet man das Glasmuseum Gnarrenburg im Bahnhofsgebäude. Im Ortsteil Augustendorf kann ein historischer Moorhof besichtigt werden. Das bedeutendste Bauwerk ist der Oste-Hamme-Kanal, welcher die Gemeinde Gnarrenburg in einer Länge von 16 km von Nord nach Süd durchzieht. Der Oste-Hamme-Kanal wurde 1769 bis 1790 durch Jürgen Christian Findorff gebaut und diente der Entwässerung des Teufelsmoors und des Gnarrenburger Moors, sowie dem Frachtverkehr mit Torf in die Metropolen Hamburg und Bremen. Im Norden beginnt der Kanal in Spreckens an der Oste und fließt im Süden der Gemeinde Gnarrenburg in die Hamme. Durch ein Schleusensystem fließt der Kanal in zwei Richtungen. Der höchste Punkt des Kanals liegt in der Ortschaft Langenhausen. Nach der Fertigstellung betrug die Sohlenbreite vier Meter und die Tiefe drei Meter. Heute hat der Kanal noch die Breite von ca. vier Meter, jedoch nur noch eine Tiefe von 1,50 Meter. Wander- und Fahrradwege liegen direkt am Oste-Hamme-Kanal. Museen. In Gnarrenburg gibt es drei Museen: Naturdenkmäler. Auf dem Gebiet der Gemeinde befindet sich mit dem Naturschutzgebiet Huvenhoopsmoor eines der wenigen noch intakten Hochmoore Niedersachsens. Innerhalb des Gebietes befindet sich der Huvenhoopssee als einer der letzten Hochmoorseen in Niedersachsen. Das Naturschutzgebiet liegt zwischen den Ortsteilen Glinstedt und Augustendorf. Um dem Besucher Einblicke in die ursprüngliche Moorlandschaft, die Bedeutung von Mooren, Tier- und Pflanzenwelt, die Nutzung von Torf und die Zukunft der letzten Moore zu verschaffen, schuf die Gemeinde Gnarrenburg in Zusammenarbeit mit verschiedenen Organisationen den Moorerlebnispfad. Der rund 700 m lange Pfad führt die Besucher zu verschiedenen Stationen. Neben inhaltlich gestalteten Stationen gibt es auch drei Aktionsstationen, und zwar die Modderzone, in der man barfuß das Moor erleben kann, der historischen Vorbildern nachgebaute Knüppel- und Bohlendamm und einen Moorgraben, den man mit einem Stab überspringen kann. Zudem wurde ein Libellenteich angelegt. Die Umgebung von Gnarrenburg ist im Herbst ein wichtiges Durchzugsgebiet für die nordeuropäischen Kraniche. Die großen Kranichschwärme auf den Wiesen und abgeernteten Felden ziehen zahlreiche Besucher an. Regelmäßige Veranstaltungen. Jeweils Mitte Oktober findet an einem Wochenende der Herbstmarkt, ein Volksfest, statt. Im Frühjahr findet das Blütenfest entlang des Oste-Hamme-Kanals statt, zu dem jedes Jahr mehr als zehntausend Besucher kommen. In Augustendorf finden mehrere Karnevalsveranstaltungen statt. Gnarrenburg ist zudem der Ausgangspunkt für Wanderungen durch das Moorland, die Wege sind ausgeschildert. Außerdem sind das Schützenfest sowie das jährliche Campertreffen erwähnenswert. Wirtschaft und Infrastruktur. Verkehr. Gnarrenburg liegt zwischen Bremen (Entfernung ca. 45 km) und Hamburg (Entfernung ca. 90 km) inmitten des Elbe-Weser-Dreiecks. Die Infrastruktur ist gut ausgebaut. Die Gemeinde ist vor allem über die Bundesstraße 74 gut zu erreichen. Die Gemeinde verfügt im Ortsteil Karlshöfen zudem über einen Flugplatz, auf welchem auch Nachtlandungen möglich sind. Eine Schnellbuslinie verbindet Gnarrenburg direkt mit Bremervörde. Der Bahnhof "Gnarrenburg" liegt an der Bahnstrecke Stade–Osterholz-Scharmbeck. Die nächsten regelmäßig bedienten Bahnhöfe befinden sich in Bremervörde (Richtung Bremerhaven oder Hamburg) und Oldenbüttel (Richtung Bremen oder Bremerhaven). An den Wochenenden ist auch eine Zugverbindung mit der Museumsbahn "Moorexpress" zwischen dem Bremer Hauptbahnhof und Stade nutzbar, welche durch traumhafte Landschaften (z. B. Teufelsmoor und Altes Land) führt. Auch der Schwerlastverkehr vom Hamburger Hafen nach Bremerhaven hat seine Route durch Gnarrenburg. Internationale Flughäfen befinden sich in Bremen und Hamburg. Ansässige Unternehmen. In der Gemeinde Gnarrenburg befindet sich die Zentrale des zweitgrößten europäischen Leuchtenherstellers Brilliant AG. Daneben existieren ein großes internationales Torfwerk (Compo) und eine Sandgrube. Weiter ist der Mittelstand mit Einzelhandel, Dienstleistung und Handwerk stark vertreten. Die Volksbank Osterholz-Scharmbeck unterhält hier Geschäftsstellen, ebenso unterhält die Sparkasse Rotenburg-Osterholz mit Sitz in Zeven hier Filialen. Torfabbau. Die Moorflächen auf dem Gebiet der Gemeinde, vor allem zwischen den Ortsteilen Glinstedt und Augustendorf, halten torfhaltige Böden vor. Dies weckte seit jeher das Interesse an der wirtschaftlichen Ausbeutung des Gebietes durch den Torfabbau. Im Landesnutzungsplan der Landesregierung McAllister (2011–2013) war die Region um Gnarrenburg als „Vorranggebiet“ für den Torfabbau ausgewiesen. Neben dem traditionellen "Humuswerk" trieb das "Torfwerk Sandbostel GmbH" seit 2011 im Gnarrenburger Moor den Flächenaufkauf voran und sicherte sich die Nutzungsrechte über Optionsverträge. Die "Torfwerk Sandbostel GmbH" ist ein Zusammenschluss der Firmen "Gramoflor" in Vechta und "Meiners GmbH & Co. KG" aus Borstel im Landkreis Diepholz. Das „Vorranggebiet Gnarrenburger Moor“ hat eine Größe von 1400 Hektar, von denen sich im Jahr 2013 300 Hektar im Abbau befinden oder befanden. Im nördlichen Bereich des Vorranggebietes will das Torfwerk Sandbostel auf einer Fläche von 200 Hektar Torf in den Gemeinden Gnarrenburg und Sandbostel abbauen. Das Landvolk Bremervörde hatte nach ersten Flächenaufkäufen steigende Pachtpreise beklagt. Bürger in Gnarrenburg gründeten die "Bürgerinitiative zum Erhalt unserer Moore". Sie fordert vom Landrat in Gnarrenburg und Umgebung ein Moratorium um den Torfabbau zu stoppen. Die Landesregierung Weil I (ab 2013) legte in ihrem Regierungsprogramm ein umfangreiches Moorschutz-Konzept vor welches die Torfabbaugenehmigungen in Niedersachsen untersagt. Film und Fernsehen. Das Teufelsmoor rund um Gnarrenburg ist beliebter Drehort für zahlreiche Film- und Fernsehproduktionen. So wurde u. a. der mit Maria Furtwängler in dieser Region gedreht. Weitere TV-Produktionen in der Gemeinde Gnarrenburg sind u. a. "Landpartie", "Land und Liebe", "Die Flucht" und "Mein Nachmittag". Gnarrenburg war auch Drehort für die ZDF Kinderserie "Löwenzahn". Öffentliche Einrichtungen. Im Ort gibt es eine Bibliothek mit zahlreichen Werken. Bildung und Jugend. Die Gemeinde Gnarrenburg hat sieben Kindertagesstätten (davon eine Krippe) und vier Schulen. Die Jugend- und Begegnungsstätte Oase befindet sich im Ortszentrum. Sie verfügt über ein Internetcafé und hält verschiedene Angebote bereit.
Sackstraße ist die Bezeichnung des ältesten immer noch bestehenden Straßenzugs von Graz, der bereits Anfang des 12. Jahrhunderts angelegt worden ist. Diese Straße liegt im 1. Bezirk (Innere Stadt). Sie führt vom "Hauptplatz" im Süden zwischen Schloßberg und Mur bis zur Keplerbrücke nach Norden. Heute ist die Straße eine der bedeutendsten Einkaufsstraßen von Graz. Gerade die Kunst hat hier ihren Platz gefunden. Es gibt eine Interessengemeinschaft unter dem Namen „Kunst Meile Graz“. Dieser Name ist mittlerweile ein geläufiges Synonym für diese Straße geworden. Geschichtliche Entwicklung. Ursprünglich wurde die Sackstraße nur als „Sack“ bezeichnet, da sie an dem nördlichen Teil der Stadtmauer von Graz beim Reinerhof (Sackstraße Nr. 20) endete. Dieser „erste Sack“ war ursprünglich eine ‚tote‘ Gasse, die erst mit Errichtung des (ersten) „Sacktors“ (zwischen den heutigen Häusern Sackstraße Nr. 17 und Nr. 20) einen Ausgang nach Norden erhielt. Die Gasse wurde bereits in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts angelegt und gilt als ältester bestehender Straßenzug der Stadt. Dieser „erste Sack“ wurde im Zuge der Stadterweiterung unter Kaiser Friedrich III. durch den „zweiten Sack“ verlängert. Die Stadtmauer wurde durchbrochen. Es kam zur Errichtung des ersten Sacktores. Im „zweiten Sack“ siedelten sich Kleinbürger, Lederer und Gerber, Kürschner, Schuster und Müller an. Der Bereich zählte nicht zu den wohlhabenden Stadtvierteln und reichte bis zur Einmündung der "Sackstraße" in den Kai. Im 17. Jahrhundert erfolgte eine Ergänzung durch den „dritten Sack“. Dieser reichte bis zu den Befestigungswerken bei der heutigen Keplerbrücke und war durch das 1625 errichtete dritte Sacktor zugänglich gemacht worden. Das Tor war ein zwölf Meter hoher Turm mit einer sieben Meter langen Durchfahrt. Die Gewerbetreibenden und Kleinbürger zogen in den „dritten Sack“, während sich viele Adelige im ersten niederließen und dort ihre Palais errichteten. Da die Häuser des „dritten Sacks“ vornehmlich aus Holz gebaut waren, kam es in den Jahren 1607 und 1670 zu großen Bränden, welche die meisten Häuser zerstörten. Das Gebiet lag, obwohl schon seit dem Mittelalter besiedelt, vor der Errichtung des „dritten Sackes“ ungeschützt außerhalb der Stadtmauer. Das Stadtviertel der drei Säcke war um 1840 das am dichtesten besiedelte Gebiet der Stadt Graz. Im Jahr 1850 wurde das dritte Sacktor abgetragen und an seiner Stelle ein Entlastungsgefängnis für die damals überfüllten Zellen des Rathauses errichtet. Das sogenannte „Kriminal“ wurde bereits in den 1880er Jahren wieder abgerissen. Der Bau war bei der Bevölkerung wegen seines Aussehens sehr unbeliebt gewesen. Er stellte auch ein Verkehrshindernis dar. Die Gefangenen wurden in die neue Justizanstalt des Straflandesgerichtes (heute: Justizanstalt Graz-Jakomini) in die "Conrad-von-Hötzendorf-Straße" verlegt. Als unhygienisch, eng und chaotisch galt im 19. Jahrhundert die dichte Anhäufung vieler Häuser. Da der Wasserspiegel der Mur bis auf drei Meter an die äußere Häuserzeile heranreichte, war oft mit Überschwemmungen zu rechnen. Das Ufer war nur mit Piloten, Bretterverschalungen und Steinlagen gesichert, zwischen den Häusern führten schmale Wege, sogenannte „Reichen“, zum Fluss hinab. Bereits im 16. Jahrhundert gab es an einer Stelle eine Seilbahn auf den Schloßberg. Schon um 1835 war das zweite Sacktor abgetragen worden und. Alle drei Säcke zusammen werden seit 1875 als "Sackstraße" bezeichnet. Im selben Jahr wurde die Dreifaltigkeitssäule vom Eingang des Straßenzugs auf den "Karmeliterplatz" verlegt. Mit jeder Verlängerung änderte sich auch die Struktur der "Sackstraße", da die hier beheimateten Gewerbetreibenden immer weiter an den jeweiligen Stadtrand gedrängt wurden, während sich nahe dem Stadtzentrum zunehmend Adelige ansiedelten. Mit der um 1900 durchgeführten Murregulierung erfolgte der schwerste Eingriff in die Bausubstanz der ehemaligen drei Säcke. Sämtliche westseitige Häuser des „dritten Sacks“ wurden abgerissen, um Platz für eine neue Straße zu schaffen, den "Franz-Joseph-Kai".
TK Elevator (globale Marke „TKE“, vormals "ThyssenKrupp Elevator") ist einer der weltweit größten Hersteller und Servicedienstleister von Aufzugsanlagen. Das Produktprogramm umfasst Personen- und Lastenaufzüge, Fahrtreppen und Fahrsteige, Fluggastbrücken, sowie Treppen- und Plattformlifte. Neben der Herstellung und dem Vertrieb von Neuanlagen ist das Unternehmen im Bereich der Instandhaltung, Wartung und Modernisierung der genannten Anlagen tätig. Sitz der Gesellschaft ist Essen. Die Hauptverwaltung befindet sich in Düsseldorf. Geschichte. Der Ursprung des Unternehmens liegt in einer 1865 vom Schlossermeister "Heinrich Conrad Ernst Eggers" in Hamburg gegründeten kleinen Werkstatt, die 1952 von Rheinstahl als "Stahlbau Eggers" übernommen wurde. 1955 erwarb die Firma Eggers das 1882 als "Werkzeugmaschinenfabrik Wimmel & Landgraf" gegründete Hamburger Unternehmen für Aufzüge und Fahrtreppen "Kehrhahn" und firmierte seit 1957 als "Rheinstahl Eggers-Kehrhahn GmbH". Im Jahr 1973 wurde die Fahrstuhlsparte der Stuttgarter Firma R. Stahl AG in Rheinstahl Eggers-Kehrhahn integriert und im selben Jahr eine neue große Produktionsstätte in Neuhausen auf den Fildern bei Stuttgart errichtet. Im Zuge der Übernahme von Rheinstahl durch die August Thyssen-Hütte AG wurde der Unternehmensname 1974 in "Thyssen Aufzüge GmbH" und durch die Fusion mit der Friedrich Krupp AG im Jahr 1999 schließlich in die "ThyssenKrupp Elevator AG" umfirmiert. Der nach eigenen Angaben bedeutendste Zukauf in Deutschland erfolgte 1984 mit der Übernahme von M.A.N.-Aufzugbau. In den nachfolgenden Jahren lag der Schwerpunkt auf der Internationalisierung des Unternehmens. So wurde mit der Beteiligung an der Northern Elevator Holding Ltd. in Toronto ein Standbein in Kanada errichtet, um sich dann weiter in Nordamerika zu etablieren. 1991 wurde ein neues Werk für Fahrtreppen im spanischen La Pereda de Mieres am früheren Standort der Eisenbahngesellschaft Norte in Asturien errichtet. 1995 folgte die Gründung der Dependenz in China mit einem Spezialwerk in Zhongshan. Mit dem Kauf von Dover Elevators, dem Marktführer von Hydraulik-Aufzügen in Nordamerika, im Jahr 1998 stieg das Unternehmen zum drittgrößten Aufzughersteller weltweit auf. Nach der Fusion mit Krupp wandelte sich das Unternehmen 2000 in eine selbständige Aktiengesellschaft um. In den 2000er Jahren folgten Übernahmen von Geschäften in Südamerika und eine weitere Expansion im asiatischen Raum. Gegen fünf große Hersteller von Aufzügen, unter anderem ThyssenKrupp Elevator, verhängte die EU-Kommission 2007 eine Strafe in Höhe von 992 Millionen Euro (Aufzugs- und Fahrtreppenkartell). Die Unternehmen hatten Preisabsprachen getroffen und damit gegen das Kartellrecht verstoßen. ThyssenKrupp Elevator musste 479,7 Millionen Euro, Otis 225 Millionen, Kone 142 Millionen, Schindler 143,7 Millionen und eine Mitsubishi-Tochter 1,8 Millionen Euro bezahlen, dies war die bis dahin höchste Strafe, die die EU-Kommission verhängt hatte. Am 27. Februar 2020 verkaufte Thyssenkrupp seine Aufzugsparte für 17,2 Milliarden Euro an ein Konsortium um Advent International, Cinven und die RAG-Stiftung. Am 25. Februar 2021 wurde die Umbenennung des Unternehmens in TK Elevator und die Schaffung der globalen Marke TKE bekannt gegeben. Im April 2021 erfolgte der Umzug der Hauptverwaltung aus dem thyssenkrupp Quartier in Essen nach Düsseldorf. Firmenprofil. Im Geschäftsjahr 2019/20 erzielte TK Elevator einen Jahresumsatz von rund 8 Milliarden Euro und beschäftigte weltweit mehr als 50.000 Mitarbeiter. Nach eigenen Angaben wartet das Unternehmen derzeit rund 1,4 Millionen Aufzugs- und Fahrtreppenanlagen und verfügt weltweit über ein aus 1000 Standorten bestehendes Vertriebs- und Servicenetzwerk. Das Unternehmen ist in sechs Business Units gegliedert. Das Aufzugs- und Fahrtreppengeschäft ist in vier regionalen Business Units organisiert (Europe Africa, North America, Latin America und Asia Pacific). Die Business Units Home Solutions und Airport Solutions vertreiben und vermarkten Treppenlifte beziehungsweise Fluggastbrücken. Group Functions nehmen übergeordnete Governance- und Steuerungsaufgaben wahr. Das Unternehmen verfügt über weltweit 17 Standorte für die Produktion von Aufzügen, Fahrtreppen und Fahrsteigen, Treppen- und Plattformliften, sowie Fluggastbrücken. Mehrkabinenaufzüge. TWIN. Seit 2003 gibt es von ThyssenKrupp AG Aufzüge in ansonsten konventioneller Treibscheibentechnik, bei denen zwei Kabinen im selben Schacht verkehren. Mittlerweile werden diese im Testturm ausprobiert. Die untere Kabine wird dabei von Tragseilen, die seitlich an der oberen Kabine vorbeilaufen, getragen. Durch eine Zielauswahlsteuerung sind dem Leitrechner Start und Ziel jeder Fahrt schon vor Fahrtbeginn bekannt; Kollisionen werden in der Steuerung ausgeschlossen. Im Vergleich zu zwei Aufzugsanlagen übereinander im selben Schacht hat das System den Vorteil, dass es keine starre Grenze gibt, die von den Kabinen nicht überquert werden kann. Durch die Ausweichung der Kabinen in eine vertiefte Schachtgrube bzw. erhöhten Schachtkopf ist es möglich, dass beide Kabinen alle Stockwerke anfahren können. Hierdurch soll eine Zeitersparnis von 65 % erreicht werden. MULTI. Den Thyssenkrupp Multi bezeichnet das Unternehmen als „Kombination von Transrapid und Paternoster“: Die Kabinen sollen statt durch Seile mittels Linearmotoren angetrieben werden. Dadurch lassen sich in einem Schacht mehrere Kabinen mit hohen Beschleunigungskräften bewegen. Die Kabinen können auch in horizontale "Stollen" umgelenkt werden. Dadurch ist ein Kreisbetrieb wie bei einem Paternoster möglich und das System erlaubt die horizontale und die vertikale Erschließung nebeneinander. Dadurch lässt sich der Flächenbedarf für Lifte verringern, die Schachthöhe wird von der technischen Grenze bei der Seillänge von derzeit ca. 800 m unabhängig und es eröffnen sich neue architektonische Möglichkeiten. Derzeit wird das System im Rottweiler Testturm erprobt, es ist bislang nicht zur Personenbeförderung zugelassen. Die erste nutzbare Anlage soll im Edge East Side Tower in Berlin installiert werden. Testtürme. Thyssenkrupp Elevator eröffnete 2017 im Rottweiler Industriegebiet Berner Feld einen 246 Meter hohen Turm mit dem Namen thyssenkrupp Testturm. Die Konstruktion dient dem Test und der Zertifizierung von Hochgeschwindigkeitsaufzügen. Außerdem wird hier der weltweit erste seillose Aufzug entwickelt. Das Design des Turmes stammt von dem Architekten Helmut Jahn. Eine öffentliche Besucherplattform auf 232 Meter Höhe ist die höchste Besucherplattform in Deutschland. Den derzeit höchsten Testturm mit 248 Meter Höhe eröffnete thyssenkrupp im März 2018 in China. Die Fertigstellung eines 128 Meter hohen Testturms im US-amerikanischen Atlanta war für 2021 vorgesehen.
Leder ist eine durch Gerbung chemisch haltbar gemachte Tierhaut, deren natürliche Faserstruktur weitgehend erhalten ist. Es wird zwischen den Begriffen "Leder" und "Pelz" (Pelzfell) unterschieden. Leder wird meist aus der Lederhaut (anderer Name Dermis) genannten Hautschicht gewonnen. Sie besteht aus der äußeren glatten Papillarschicht und der darunter liegenden Retikularschicht, die für die mechanische Festigkeit sorgt. Die Papillarschicht mit ihrer sehr feinen Faserstruktur ergibt am fertigen Leder die Narbenseite oder kurz „den Narben“. Die grobfasrige Retikularschicht wird als Aas- oder Fleischseite bezeichnet, aus der das Spaltleder gewonnen wird. Die Körperhülle von größeren Tieren wie Rind, Ross, Büffel, Esel und die vom Schwein wird im rohen ungegerbten Zustand ebenso als Leder wie als Haut bezeichnet. Die Hülle von kleineren Tieren wie Kalb, Ziege, Schaf wird grundsätzlich Fell genannt. Sind nach der Gerbung die haarbildende Oberhaut oder Epidermis und Haare noch erhalten, ist es Pelz oder Pelzfell. Nach dem Enthäuten liegen die Häute und Felle meist flach vor. Bei kleinen Tieren, vor allem bei Pelzfellen, wird die Haut häufig schlauchförmig abgezogen. Eigenschaften. Leder ist ein geschmeidiges, zähes, relativ festes, haltbares und vielseitig einsetzbares Material. Es ist relativ undurchlässig für Wasser, dennoch ist es "atmungsaktiv", d. h. ausreichend durchlässig für Luft und Wasserdampf. Für die technische Beschreibung und Qualitätsbeurteilung von Leder sind die Dichte (spezifisches Gewicht), die Zugfestigkeit, die Dehnbarkeit, die Bruchfestigkeit des Narbens "(siehe Flexometer)" die Wasser- und Luftdurchlässigkeit, die Lichtbeständigkeit und die Schrumpfung entscheidend. Neben diesen physikalischen Werten werden chemische Werte wie Fettgehalt, Schrumpfungstemperatur im nassen Zustand, Gerbstoffgehalt, Waschbarkeit, Säuregehalt beurteilt. Für die chemischen und physikalischen Parameter gibt es für die meisten Lederarten entsprechende Richtwerte. Schwer oder gar nicht messbar sind Eigenschaften wie Weichheit, Struktur und Griff und die Optik. In der Praxis sind diese Eigenschaften für eine Entscheidung, ob und welches Leder verwendet wird, oft ebenso wichtig wie die technischen Parameter. Arten von Leder. Nappaleder. Echtes Nappaleder ist ein weiches, chromgegerbtes Glattleder vom Kalb oder vom Schaf mit vollen Narben. Es ist durchgefärbt und die Oberfläche ist zugerichtet, das bedeutet, dass die Poren durch viele hauchdünne Schichten verschlossen werden und dadurch unempfindlich gegen Schmutz und Nässe sind. Der Name Nappaleder wird als Sammelbegriff für besonders geschmeidiges Glattleder aller Tierarten verwendet. Leder vom Rind. Eine große Reihe verschiedener Lederarbeiten wird aus Leder vom Rind hergestellt. Nappaleder und Ecraséleder werden "unter anderem" aus dem Leder von Kälbern hergestellt. Andere Lederarten werden nur aus Rindsleder hergestellt. Ziegenleder. Das typische Narbenbild ist gekennzeichnet durch die halbmondförmige Anordnung der Deckhaarlöcher, die kettenförmig über die ganze Oberfläche verteilt sind. Wie vom Kalb werden auch aus dem Leder junger Ziegen Nappaleder und Ecraséleder (Kapziege) hergestellt. Hinzu kommen Lederarten, die nur aus Ziegen- oder Zickleinleder produziert werden: Gämsenleder. Chamoisleder ist ein fettgegerbtes Gämsenleder mit gutem Saugvermögen. Reptilienleder. Reptilienleder hat ein charakteristisches Narbenbild mit Schuppen, ist sehr formstabil und wird vorwiegend für Luxusobjekte eingesetzt. Fischleder. Fischleder wird aus der Haut von Fischen hergestellt. Verwendung findet insbesondere Aalleder sowie Leder von Dorschen, Rochen-Arten (z. B. Mantarochen), Haien etc. Es wird wegen seiner interessanten Lederhaut vorwiegend für Schuhe und Taschen verwendet. Straußenleder. Straußenleder hat ein charakteristisches gänsehautartiges Narbenbild mit großen Federbälgen. Es ist besonders haltbar und an den typischen Knötchen am Rücken zu erkennen. Bei Imitaten wird das typische Narbenbild auf Glattleder geprägt. Elefantenleder. Elefantenleder hat ein stark ausgeprägtes Narbenbild. Es unterliegt strengen Einfuhrbedingungen nach Europa, im deutschen Lederhandel wird es nicht angeboten. Chemische Zusammensetzung. Die chemische Zusammensetzung des Leders hängt von den jeweiligen Herstellungsverfahren ab. Der Anteil der eigentlichen Ledersubstanz kann dabei schwanken. Ein pflanzlich gegerbtes Leder hat einen höheren Gerbstoffgehalt und eine Hautsubstanz von 38 bis 46 Prozent, ein chromgegerbtes Leder dagegen kann bis zu 72 Prozent Hautsubstanz aufweisen. Alaun- und sämischgegerbte Leder liegen dazwischen. Auch der Wassergehalt des Leders wird begutachtet. Leder ist hygroskopisch und daher ist der Wassergehalt immer abhängig von der umgebenden Luftfeuchte. Bei pflanzlich gegerbtem Leder liegt er um 14 Prozent, bei mineralgegerbtem Leder etwas höher um 18 Prozent. Steigt der Fettgehalt im Leder, so sinkt der Wassergehalt. Die Wassermenge im Leder ist mitbestimmend für Reißfestigkeit, Griff, Stand, Gewicht und Elastizität. Der Fettgehalt hängt unter anderem davon ab, von welchem Tier die Haut stammt. Normalerweise liegt der natürliche Fettanteil der Haut bei etwa einem Prozent; eine Ausnahme ist Schafleder, das bis zu zwölf Prozent Naturfettgehalt aufweist. Während der Fettung beim Herstellungsprozess kann ein Fettanteil von bis zu 50 Prozent erreicht werden. Der Fettgehalt beeinflusst ebenso wie der Wassergehalt die Eigenschaften des Leders: Reißfestigkeit, Elastizität, Wasseraufnahmevermögen. Wichtig ist auch die Menge des gebundenen Gerbstoffs. Darunter wird an die Proteine der Haut gebundener Gerbstoff in Relation zur Hautsubstanz verstanden. Pflanzlich gegerbtes Leder enthält 24 bis 32 Prozent, mineralgegerbtes vier bis sechs Prozent und fettgegerbtes Leder zwölf bis 18 Prozent gebundenen Gerbstoff. Daneben finden sich im Leder verschiedene Mineralstoffe, die dem Herstellungsprozess (Äschern, Gerben) entstammen. Normalerweise ist der Gehalt bei pflanzlich gegerbtem Leder unter zwei Prozent, der des mineralisch gegerbten zwischen sieben und neun Prozent. Geschichte. Vorgeschichte und Römisches Reich. Einen einmaligen Einblick in die Vielfältigkeit steinzeitlicher Lederbearbeitung bietet die 5300 Jahre alte Gletschermumie Ötzi. Deren Schuhe, Oberbekleidung und Mütze waren aus verschiedenen Ledern hergestellt, bei denen eine Gerbung durch Fett und Rauch festgestellt werden konnte. Noch etwas älter ist ein 2008 entdeckter Lederschuh aus Armenien. Er wurde in der "Höhle Areni I" (Provinz Wajoz Dsor) in kupferzeitlichen Schichten entdeckt und mit der Radiokohlenstoffdatierung zwischen 3630 und 3380 v. Chr. datiert. Lange vor der Zeitenwende waren lederne Gegenstände in Ägypten, in Mesopotamien und bei den Israeliten in Gebrauch. Die pflanzliche Gerbung war schon im 4. Jahrtausend v. Chr. im alten Ägypten bekannt. Auf dem Sarkophag von Ti, einem reichen Ägypter, der etwa zwischen 2850 v. Chr. und 2700 v. Chr. gestorben ist, sind Szenen mit Gerbern zu erkennen. In der Zeit des römischen Imperiums wurde viel Leder für die Herstellung der Ausrüstung der Legionäre verwendet. Die Produktion wurde vor allem in Rom durch eine Zunft der Leder- und Hautverkäufer aus Ostia geregelt. Der Lederhandel war neben anderen einer der Gründe für die punischen Kriege; Karthago war ein Zwischenhandelsplatz zwischen den Märkten Nordafrikas und denen des Mittelmeers und hatte dadurch das Monopol für den Lederhandel in Europa und im Mittelmeerraum. Vom 3. Jahrhundert an war der Lederhandel unter römischer Aufsicht. Vermutlich waren Südfrankreich und Spanien die Produktionszentren dieser Zeit. Dieses bestätigen vor allem Funde in Botonita (Zaragoza); dort wurden größere Mengen Kalk, Schwefel und andere chemische Produkte gefunden, die vermutlich zum Gerben verwandt wurden. In den Ausgrabungen in Contrebia Belaisca wurden ebenfalls Beweise für die Existenz der Lederherstellung aus der Epoche zwischen dem 1. und dem 3. Jahrhundert v. Chr. entdeckt. Mittelalter bis Barock. Nach dem Sturz des Römischen Reichs im Jahr 747 übernahm Karl der Große die Gesetzgebung hinsichtlich der Lederherstellung und deren Handel und belegte gleichzeitig einige Produkte mit einer Steuer. In dieser Zeit wurde Leder relativ grob verarbeitet. Es stammte meist aus einem nahen Einzugsgebiet, obwohl in Einzelfällen Leder auch importiert wurde. Im Mittelalter war der Herstellungsprozess in Vorderasien und Nordafrika "(maroquinerie)" sehr viel weiter fortgeschritten als in Europa, sowohl in Bezug auf die Menge als auch hinsichtlich der Qualität. Erst im Jahr 1749 wurde die erste Saffianleder-Fabrik im Elsass installiert. Für die Mode dieser Zeit wurde oft auch Leder aus Sibirien importiert. Die Herstellung einzelner Lederarten war in Deutschland lange Zeit bestimmten Regionen oder Städten vorbehalten. Die Geschichte der Lederwarenfertigung wird im Deutschen Ledermuseum in Offenbach dokumentiert. Moderne. Leder wird oft für besonders beanspruchte Kleidung verwendet. Es findet sich beispielsweise noch bei Cowboys, die es wahrscheinlich wegen seiner hohen Reißfestigkeit und der Resistenz gegen Wind und Wetter bevorzugen. Die ersten Piloten- und Motorradfahrerhelme waren aus Leder. In jüngerer Zeit wird zu Lederbekleidung auch die Heavy-Metal-Gruppen assoziiert. Im 19. Jahrhundert finden sich in der Literatur verschiedene Hinweise auf Leder, in denen seine Verwendung im Bezug auf die menschliche Fantasie eine Rolle spielt, einschließend sexueller Ausrichtungen. So hat sich Leopold von Sacher-Masoch, von dessen Nachnamen sich der Masochismus ableitet, sehr von der "erotischen Seite" des Leders angezogen gefühlt. Dies zeigt er in seinen Romanen "Venus im Pelz" und "Falsches Hermelin". Im Bereich BDSM ist die Verwendung von Lederkleidung und -accessoires auch verbreitet. Bereits seit der Anfangszeit des Automobilbaus wird Leder für Sitzbezüge und Innenausstattungen von Fahrzeugen eingesetzt. Teil- oder Volllederausstattungen sind für gewöhnlich aufpreispflichtige Sonderausstattungen. Aufgrund der hohen Beanspruchung, wie Kälte, Wärme, Nässe und Sonneneinstrahlung bestehen hier besondere Anforderungen, insbesondere hinsichtlich der Dehnbarkeit, Abriebfestigkeit, Lichtbeständigkeit und einer geringen Brennbarkeit. Ausgangsmaterial. Für die Herstellung von Leder kann jede tierische Haut verwendet werden. Das Ausgangsmaterial ist oft entscheidend für die Qualität. Leder stammt zum weitaus größten Teil von Rindern, Kälbern, Schafen, Ziegen und Schweinen, sie sind ein Nebenprodukt der Lebensmittelindustrie. Insbesondere Rinderhäute lassen sich für die unterschiedlichsten Verwendungen einsetzen. Daneben finden sich Leder aus Häuten exotischer Tiere und – eher selten – anderen Ursprungs. Vor allem die Schuh-, Handtaschenproduktion und andere Modebranchen haben exotische Quellen entdeckt. Dazu gehören Krokodile, Wild (Hirsch, Reh, Elch), Bison, Büffel, Känguru, Strauß, Fische (Aalleder) und Schlangen. Besonders Krokodilleder und Schlangenhäute waren eine Zeit lang sehr in Mode, was bei einzelnen Arten fast zur Ausrottung führte. In den 1970er Jahren wurden vor allem Strauße gezüchtet, deren Fleisch und Leder vielseitig eingesetzt werden konnte. Straußenleder gilt als sehr fein und sehr haltbar, es wird immer noch zu modischen Artikeln verarbeitet. Känguru-Leder wird oft für Motorradhandschuhe verwendet, für die es aufgrund seiner Stärke und Dehnungsfähigkeit eher geeignet ist als Kuh- oder Rindsleder. Die Haut von Hunden und Katzen wurde zu Leder verarbeitet. Hundeleder wurde im Mittelalter bis zur Moderne im Bereich des Buchdrucks und anderer Drucktechniken angewendet, bei denen der Auftrag von Druckerschwärze auf den Druckstock mit einem "Leder"tampon erfolgte. Da der Hund ein porenfreies Leder hat – seine Haut ist nicht von Schweißdrüsen durchsetzt –, wurde vor allem Hundeleder dafür benutzt. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts war es für bestimmte Artikel, wie beispielsweise Handschuhe, sehr begehrt. Einige Fundstücke aus dem 11. Jahrhundert zeigen, dass Katzenfell von den Wikingern getragen und im Mittelalter in Europa gehandelt wurde. Zu dieser Zeit und noch vor etwa hundert Jahren schätzten insbesondere französische und englische Kürschner Katzenleder als besonders geschmeidiges Material für Handschuhe. Es gibt sogar wenige Beispiele für die Verwendung menschlicher Haut für Bucheinbände ("Anthropodermic bibliopegy"). Hunde- und Katzenfelle unterliegen in Europa inzwischen einem Handelsverbot. Herstellung. In der Gerberei wird aus verderblichen, den natürlichen Abbauprozessen ausgesetzten Häuten ein dauerhafteres Produkt geschaffen. Die Häute werden zunächst in Salz oder durch Trocknen konserviert. In verschiedenen Prozessen der Wasserwerkstatt wie der Weiche, dem Enthaaren (Äschern) und Entfleischen (mechanische Entfernung des Unterhautbindegewebes), dem Entkälken und der enzymatischen Beize, wird die Haut auf die eigentliche Gerbung vorbereitet. Die gewünschten Ledereigenschaften werden bei diesen Arbeitsschritten schon wesentlich beeinflusst. Bei der eigentlichen Gerbung erfolgt die Umwandlung der bis dahin rohen Haut in Leder. In der Gerberei können verschiedene Rohstoffe eingesetzt werden. Bei der pflanzlichen Gerberei (vegetabile Gerbung, Lohgerberei) werden Gerbstoffe in Eichen- oder Fichtenrinden, Auszüge aus Quebracho-, Kastanien- oder Eichenholz, Mimosa-, Sumach- und andere Holz- oder Rindengerbstoffe verwendet („Gerberlohe“). Bei der Mineralgerbung werden Chromsalze, Aluminiumsalze Alaun (Weißgerbung) und Zirkonsalze benutzt. Neben den mineralischen und pflanzlichen Gerbstoffen werden synthetisch hergestellte Gerbstoffe (Syntane), Aldehyde (Glutardialdehyd, Formaldehyd) und Fettgerbstoffe (Trane) zur Gerbung verwendet. Erfolgte das Gerben früher hauptsächlich in gemauerten Gruben mit wenig Bewegung, werden diese Prozesse in drehbaren Fässern aus Holz, Edelstahl oder Kunststoff durchgeführt. Der Aufbau ist ähnlich wie bei einer Waschmaschinentrommel, aber mit einem Fassungsvermögen von mehreren Kubikmetern. Bei der häufigen industriellen Chromsalzgerbung fallen giftige Abfallprodukte an und auch im Leder selbst reichern sich krebserregende Rückstände an. An kostengünstigen pflanzlichen Alternativen wird geforscht. So wird inzwischen ein in Deutschland patentierter und auf Olivenblättern basierender Gerbstoff im kleinen Umfang eingesetzt. Die Haut hat nach dem Gerben eine raue und eine glattere Seite. Die raue wird als "Fleischseite" (Aasseite) bezeichnet, da sie ursprünglich dem Fleisch zugewandt war. Die glatte wird als "Narben" bezeichnet und weist die jeweilige arttypische Oberflächenstruktur auf. Diese "Narbenseite" kann in verschiedenen Verfahren ihrem Verwendungszweck angepasst werden. Dabei kommen chemische und mechanische Prozesse in Frage. Die Eskimos stellten ihr Leder auf eine besondere Weise her. Die Häute wurden gewalkt und dann mit den Zähnen gekaut, bis sie vollkommen geschmeidig und weich geworden waren. Alle Gerbungen funktionieren nach der sogenannten "Goldenen Gerberregel", die besagt: Kleinteilig oder mit wenig Bindungsneigung eines Gerbstoffes zur Hautsubstanz (Kollagen) beginnen/angerben. Großteilig oder mit hoher Bindungsneigung eines Gerbstoffes zur Hautsubstanz zu Ende führen/ausgerben. Dies geschieht, um eine Verstopfung der Eindringungswege der Wirkstoffe zu vermeiden und die Ausbreitung nachfolgender Gerbstoffe zu ermöglichen. Wet Blue/Wet White. Als "Wet Blue" wird ein feuchtes chromgegerbtes Leder während des Verarbeitungsprozesses bezeichnet. Es ist in diesem Zustand bereits gegerbt; es fehlen noch die Neutralisation, Nachgerbung, Färbung, Fettung und Zurichtung. Der blau-grüne Farbton wird vom Chrom erzeugt. Mit synthetischen Stoffen gegerbtes Leder wird in dieser Phase "Wet White" genannt. Crust/Borke Dicke des Leders. Leder kann vor und nach dem Gerben gespalten werden (Spaltleder). Der Narbenspalt ist allgemein der wertvollere Teil der Haut. Der Fleischspalt hat zwei raue Seiten und wird zu Veloursleder verarbeitet oder mit einer Beschichtung (Zurichtung, Zurichtmittel) als Ersatz für Narbenleder verwendet. Nicht gespaltenes Leder wird auch Vollleder genannt. Die genaue Dickenregulierung erfolgt nach der Gerbung durch „Falzen“. Dabei werden durch rotierende Messerwalzen Falzspäne vom Leder abgetragen. Nachgerbung, Färbung, Fettung. Grundlegende Ledereigenschaften wie Weichheit oder Fülle entstehen durch die Arbeiten der Wasserwerkstatt und durch die Gerbung. Die Nachbehandlung mit Gerbstoffen (Nachgerbung), Farbstoffen und Fettungsmitteln legt die Eigenschaften für den speziellen Verwendungszweck des fertigen Leders fest. Insbesondere bei der Mineralgerbung bestimmen diese Arbeitsschritte die späteren Ledereigenschaften, dies sind vor allem Weichheit, Dehnbarkeit, Fülle, Wasseraufnahme und Färbbarkeit. Die natürliche Farbe des Leders hängt vom Gerbmittel ab. In der Lohgerberei werden gelbliche und rötlich-bräunliche Töne, in der Sumachgerbung gelbliche, grünliche und bräunliche, in der Weißgerberei weißes, in der Chromgerbung blaugrünes bis graues und mit Fettgerbstoffen gelbliches Leder erhalten. Zudem wird Leder oft gefärbt. Das Färben war bereits den Ägyptern bekannt, wo das Leder noch kostspielig mit Purpurschnecken gefärbt wurde. Bis etwa 1860 war der Färber auf Naturrohstoffe angewiesen. Dabei spielten Farbhölzer, Wurzelextrakte sowie Pflanzensäfte eine große Rolle. Auch Substanzen von Tieren und Flechten waren zum Lederfärben geeignet. Es werden viele verschiedene Färbesubstanzen eingesetzt, beispielsweise aus den Gruppen der Azofarbstoffe, Triphenylmethanfarbstoffe, Anilinfarbstoffe oder Sulfinfarbstoffe. Entsprechend ihrer Färbungsart wird zwischen sauren, substantiven und basischen Entwicklungsfarbstoffen unterschieden. Die Färbung erfolgt hauptsächlich in der Flotte in Walkfässern, kann aber auch durch Spritzen, Bürsten oder auf Walzenauftragsmaschinen durchgeführt werden. Gefärbtes Leder ist entweder durchgefärbt oder oberflächengefärbt. Die verwendeten Farbstoffe gehen eine chemische Bindung mit dem Leder ein und beeinträchtigen nicht den natürlichen Oberflächencharakter. Erhalten diese Leder keine oder nur eine geringe Beschichtung (Trockenzurichtung), werden sie mitunter als „Rein-Anilinleder“ bezeichnet. Komplett anilingefärbtes Leder hat auf der Ober- und der Unterseite die gleiche Farbe, Kratzer oder Abnutzung fallen dadurch weniger auf. Stärker beschichtetes Leder wird als „Semianilin“, oder wenn die Beschichtung mit deckenden Pigmenten versetzt ist, als gedecktes Leder bezeichnet. Diese Deckung lässt die natürliche Narbung verschwinden und dient auch zum Kaschieren von ehemaligen Verletzungen des Tieres oder ungenügender Weiterverarbeitung. Oberflächenbehandlung. Durch die Oberflächenbehandlung der Narbenseite kann Leder bestimmte Effekte erhalten. Es kann glänzend oder matt werden. Auch die Widerstandsfähigkeit der Oberfläche kann wesentlich verbessert werden. Die Behandlung erfolgt hauptsächlich mit umweltfreundlichen, wasserverdünnbaren Bindemitteln, Pigmenten und Additiven. Der Auftrag erfolgt in mehreren Schichten durch Spritzen, Gießen oder über Walzenauftragsmaschinen (Rollercoaster). Die Schichten werden durch Bügeln, Polieren oder Glanzstoßen geglättet und fest auf dem Leder verankert. Durch Krispeln, Prägen, Perforieren oder Chagrinieren kann dem Leder eine künstliche Oberflächenstruktur verliehen werden. Lackleder, bei dem ein Öllack, ein Kaltlack oder ein Folienlack auf die Lederoberfläche aufgetragen wird, gehört mit zu den Veredelungen der Lederoberfläche. Wird die Fleischseite geschliffen und als sichtbare Oberfläche verwendet ist es Veloursleder. Bei Nubukleder wird die Narbenseite mit feinem Schleifpapier angeschliffen. Lederdekoration. Leder in seinen vielschichtigen Anwendungsbereichen kann nach der Verarbeitung vielfältig dekoriert und geschmückt werden. Leder kann bemalt, neu eingefärbt werden. Mit heißen Stempeln kann ein Muster im Blinddruck (Gaufrage) oder in Gold oder anderen Farben aufgebracht werden. Bei den Ägyptern waren Verzierungstechniken wie Ausschneiden, Ritzen, Unterlegen, Flechten, Schneiden, Punzen, Sticken und andere Applikationen gebräuchlich. In der Buchbinderei ist die Technik des Lederschnitts verwendet. Leder kann durch Pressen und durch Druck reliefartig geformt werden. Verwendung. Leder und Pelz gehören zu den ältesten von der Menschheit verwendeten Materialien, zusammen mit Holz, Stein und Wolle. Neben Schuhen und Lederbekleidung werden Erzeugnisse aus Leder als Lederwaren oder Portefeuilles bezeichnet. In der Geschichte wurde Leder auch für Waffen und Geräte verwendet. Verschiedene Holzgegenstände wurden mit Leder überzogen, wie Truhen und kleinere Kästen. Würfelbecher bestanden meist aus Leder, ebenso wie die ersten Eimer. Die nordamerikanischen Indianer verwendeten Leder für die Bekleidung, für Riemen aller Art oder als Zelt (Tipi), aber auch als Beschreibstoff (siehe unten). Pergament ist eine bearbeitete, aber ungegerbte und unter Spannung getrocknete Tierhaut, die seit dem Altertum als Beschreibstoff verwendet worden ist. Es ist damit ein Vorläufer des Papiers. Lange vor der Erfindung des Pergaments wurde Leder in Form von Schriftrollen als Beschreibstoff benutzt. Nordamerikanische Indianerstämme verwendeten gegerbte Büffel- oder Hirschfelle als Beschreibstoff für Ideographische Bilderschriften, wie das Kekinowin der Ojibwa-Indianer, die zur großen Algonkin-Sprachfamilie gehören. In der Buchbinderei diente einfaches Leder, neben der zu Pergament veredelten Tierhaut, von Anfang an als Material für Einbände und Einbandgestaltung. Der Buchbinder überzieht außerdem damit Kästen, Schuber, Etuis und Futterale. Leder wurde auch als Tapete (historisch auch "Goldledertapeten") zur Wandgestaltung verwendet. Leder wird nach der Fläche des "Fells" gehandelt. Die übliche Maßeinheit sind Quadratmeter, die Einheit Quadratfuß wird noch verwendet. Ein Quadratfuß Leder sind 929 Quadratzentimeter. Schuhe, Bekleidung und Accessoires. Der überwiegende Teil des weltweit produzierten Leders wird für Schuhe verwendet. Für die Herstellung eines Schuhs sind verschiedene Lederarten mit unterschiedlichen Eigenschaften erforderlich, je nach Bauart des Schuhs sehr festes, verschleißfestes Sohlenleder, schweißbeständiges Brandsohlenleder, gut hautverträgliches Futterleder, festes, aber prägbares Rahmenleder und Leder für das Schuhoberteil, das als Oberleder bezeichnet wird und je nach Schuhart unterschiedliche Eigenschaften aufweist. Typische Lederarten für Oberleder sind: Kalbbox (Boxcalf), Rindbox, Chevraux (Ziegenleder), Hunting (Veloursleder aus Vollrind oder Kalb), Waterproof, Schuh- und Stiefelnappa. Teilweise finden (überwiegend für Schuhe des Luxus-Segments) auch exotische Lederarten für das Obermaterial Verwendung, beispielsweise Reptilleder für Westernstiefel. Bei der Herstellung von Kleidung wird Leder vor allem in drei Bereichen genutzt: Erstens im Sektor Mode und Alltagsbekleidung, daneben gibt es den Bereich der Schutz-, Berufs- und Funktionskleidung aus Leder und schließlich Kleidung, die in den BDSM- und Fetisch-Szenen (siehe beispielsweise Lederszene) Verwendung findet. Im Bereich von Kleidermode und Alltagskleidung haben sich insbesondere Lederjacken etabliert. Aber auch Lederhosen sind Bestandteil der Alltagskleidung geworden, in den 1950er Jahren bekamen sie eine Zeit lang den Status aufmüpfiger Jugendbekleidung. Vor allem in Bayern und Österreich ist die spezifische Lederhose ein wesentlicher Bestandteil traditioneller Trachten. Lederhosen im Jeans-Schnitt oder im Schnitt klassischer Anzughosen waren in der Mode der 1980er Jahre angesagt. Lederhosen in Jeans-Schnitten, zum Teil mit Schnürungen sind in der Biker- und Heavy-Metal-Szene üblich. Im Bereich Funktions- und Berufskleidung sind Jacken wie Fliegerjacken und Motorradkleidung, aber auch Schürzen oder Helme zu nennen. Es lässt sich nahezu jedes Kleidungsstück auch aus Leder herstellen (Jacken, Hosen, Mäntel, Handschuhe oder Hüte). Weit verbreitete Accessoires aus Leder können sein: Taschen, Handtaschen, Geldbörsen (siehe auch Geldkatze) oder Portemonnaies, Koffer, Kästen, Schmuckkästen, Etuis, Gürtel und Hüte. Leder wird in Form von Lederschnüren als Schmuckkette mit Anhänger, als Lederarmreif oder als Haarschmuck angeboten. Sonstige Lederprodukte. Bei der Produktion von Möbeln und in der Innenraumgestaltung bzw. Raumausstattung wird Leder vor allem als Bezug für Sitz- und Polstermöbel verwendet, wie für Ledersofas und Ledersessel. Teilweise – aber seltener – als Verkleidung oder Bespannung von Wänden oder anderen Möbeln (Schränke, Schreibtische etc.) Analog dazu findet sich das Material in der Innenraumgestaltung von Autos und anderen Fahrzeugen. Hier können wieder vorrangig Ledersitze, aber auch Lenkrad- und Cockpitverkleidungen sowie die Verkleidung anderer Innenflächen in Autos, Bahnen und anderen Verkehrsmitteln mit geschlossenem Fahrgastraum genannt werden. Die Verwendung und Nachrüstung mit Leder als Innenraummaterial oder für Ledersitze gilt als hochwertiges Ausstattungsmerkmal (siehe dazu: Fahrzeugtuning). Beim Fahrrad kann die Sitzfläche des Sattels mit Leder bezogen sein oder vollständig aus Leder bestehen. Im Sportbereich wird Leder vor allem für Überzüge von Bällen (Fußball, Handball, Medizinball) oder Sportgeräten (Böcke) eingesetzt, zusätzlich für Sportgeräte wie den Boxsack, Boxhandschuhe, Knieschoner und Sportbekleidung sowie Sportschuhe. Geradezu stellvertretend für den Ausdruck „Ball“ wird „das Leder“ gebraucht. Schon früh wurde Leder für Transmissionsriemen, Treibriemen und Ähnliches verwendet. Auch der Blasebalg wurde teilweise aus Leder hergestellt. Vor der Verwendung von Kunststoffen wurde Leder zur Isolierung von elektrischen Kabeln eingesetzt. Auch als Dichtung, als Putz-, Wasch- und Filtrierleder wird Leder verwendet. Ein historisches Beispiel für die Verwendung von Lederriemen ist das Bandalier (Oberkörpergürtel). Im Musikinstrumentenbau kommt Leder in besonderen Fällen zum Einsatz. So verwendet der Orgelbauer Leder bei festen wie beweglichen Teilen als Dichtung, im Klavierbau wird Leder in den Anschlagsmechaniken verwendet. Die Klappen von Blasinstrumenten waren früher und sind teilweise noch aus Leder. Leder ist der überwiegende Bestandteil von Sätteln und Geschirren für Pferde und Ochsen in Reitsport und Landwirtschaft. Aber nicht nur für Arbeitstiere werden Lederriemen verwendet, sondern auch für Hundehalsbänder oder Hundeleinen. Peitschenschläge werden meistens aus Lederschnüren hergestellt. Die römischen Soldaten trugen teilweise unter dem Schienenpanzer oder Kettenhemd eine Art Polsterweste aus Leder, die an Schultern und Unterkante mit Lederstreifen verziert war. Die Militärstiefel der römischen Armee wurden für Hüllen verwendet, die während des Marsches über die Schilde gezogen wurden, um diese vor Feuchtigkeit und Beschädigungen zu schützen. Leder wurde für die Pfeil-Köcher der Bogenschützen gebraucht, für Pistolen-Holster oder Scheiden für Messer. In Berufen, die mit Klingen schneiden, wurden oder werden mitunter noch kräftige Rinds-Glattlederstreifen zum zwischenzeitlichen Glätten der Schneide verwendet, entweder als in der Hand zu haltendes Werkzeug (Barbier, Friseur) oder auf der Arbeitsplatte befestigt (Kürschner). Kulturelle Bedeutung. Siehe Lederszene. Darüber hinaus hat Leder Bedeutung und Verwendung in der Fetischszene und im BDSM. Ledersitze, beispielsweise in Personenkraftwagen, konnotieren oft Sportlichkeit und Luxus. Materialbezogene Berufe. Es gibt zahlreiche lederverarbeitende Handwerksberufe, wie den Täschner oder österreichisch Taschner, Feintäschner, Gerber, Punzer, Buchbinder, Kürschner, Riemer, Sattler, Schuster oder Schuhmacher. Im Mittelalter waren Lederberufe in Zünften organisiert, wie Lederer, sowie Weiß- und Rotgerber und Corduanmacher. Weitere eher historische Berufsbezeichnungen sind: Beutler, Futteralmacher und Pergamenter. Ein relativ neuer Beruf, der sich auch mit Leder beschäftigt, ist der Restaurator, insbesondere der Buchrestaurator und der Restaurator archäologischer Funde. Lederbezeichnungen. Nach Verwendungszweck. Für die folgenden Ledersorten steht deren Verwendung im Vordergrund. Lederkonservierung. Schäden. Leder kann – wie jedes Material – durch eine konstante Nutzung geschädigt werden. Dazu gehören Schäden wie Einrisse, Abrieb, Flecken, Wasserränder usw. Oft finden sich bei Ledern Risse in der Oberfläche, die durch eine zu hohe Trockenheit oder auch einen zu hohen Fettgehalt im Leder ausgelöst worden sein können. Schuhe können, abgesehen von der täglichen Beanspruchung, auch durch den Fußschweiß geschädigt werden. Um dieses zu vermeiden, wird Leder verwendet, das schweißbeständiger ist. Witterung (Regen, Schnee, Sonne und Wind) kann auf Dauer schädigend auf Gegenstände und Kleidung aus Leder einwirken. Durch regelmäßige Lederpflege wird Schäden vorgebeugt. Das gegerbte Leder kann im Laufe der Zeit "übersäuern". Die entstehende Säure baut das Leder ab. Dieser Prozess wird durch schwefelhaltige Substanzen in der Luft begünstigt, wie sie durch eine Gasbeleuchtung entstehen. In der Vergangenheit war das etwa in Bibliotheken häufig der Fall, so dass dieses Phänomen eine eigene Bezeichnung erhielt: im Englischen wird es als "red rot", im Deutschen auch als Roter Zerfall bezeichnet. Das Leder wird durch die Bindung von Feuchtigkeit und Schwefeldioxid über die Entstehung Schwefliger Säure komplett zerstört und die Oberfläche zerfällt zu Pulver. Dieser Prozess resultiert bei gleichzeitiger geringer Luftfeuchtigkeit (kleiner als 40 Prozent) über einen längeren Zeitraum in einem trockenen, irreversiblen Schaden der Faserstruktur des Leders. Es werden verschiedene Hausmittel empfohlen, besser ist es jedoch, einen fachkundigen Restaurator zu konsultieren. Bei nicht-ausreichender Neutralisation der Säuren aus dem Gerbungsprozess kann das Kollagen im Leder hydrolysieren, wodurch nach wenigen Jahren die Haut zerfallen kann. Daneben können Reste von biologischen Fetten ranzig werden und langfristig zum Fettfraß führen. Darüber hinaus können verschiedene Arten der Speckkäfer (Gemeiner Pelzkäfer, Brauner Pelzkäfer) zu Fraßschäden führen. Bei zu feuchter Lagerung können verschiedene Schimmelpilze und Bakterien zu einer Zersetzung führen. Lederaufbereitung/Lederrestaurierung. Leder lässt sich restaurieren, es gibt verschiedene Arten von Beschädigungen. Wenn Leder mit zunehmendem Alter brüchig geworden ist oder wenn sogar Lederteile verloren gegangen sind, können auch umfangreiche Reparaturen vorgenommen werden. Es gibt verschiedene Hilfsmaterialien um Beschädigungen zu beseitigen. Ein sogenanntes "Flüssigleder" wird bei Beschädigungen der Oberfläche aufgespachtelt. Durch vorheriges Abformen an anderer Stelle und Übertragen auf die Reparaturfläche kann dabei auch die Oberflächenstruktur rekonstruiert werden. Um Leder strapazierfähiger, fleckenunempfindlich und dauerhaft wasserabweisend zu machen, wird auf mit Anilinfarben vorgefärbte Glattleder eine auf Pigmenten und Bindemitteln basierende, deckende Farbschicht aufgetragen. Diese Farbschicht heißt auch Kopffärbung, Zurichtung oder Pigmentierung. Glatte Motorradleder, aber auch viele Freizeitjacken, Schuhe, Auto-, Möbelleder und Taschen aus Glattleder haben diese zusätzliche Farbschicht. Auf diese Schicht wird zusätzlich noch der "Top Coat", eine Art Klarlack, aufgetragen. Der Top Coat schützt die Bindemittelfarbe vor Abrieb und Abfärbung und bestimmt den Glanzgrad und den Griff. "Vernetzer" sorgen als Additive für verbesserte Echtheiten. Lederpflege. Leder sollte einen Wassergehalt von 14 bis 18 Prozent haben. Mit zunehmendem Fettgehalt nimmt der Wassergehalt des Leders ab. Durch den Wassergehalt des Leders werden Reißfestigkeit, Griff, Stand, Gewicht und Elastizität stark verändert. Der Naturfettgehalt der Haut liegt bei 1 Prozent. Nur Schaffelle weisen bis zu zwölf Prozent Naturfettgehalt auf. Wie der Wassergehalt, so beeinflusst auch der Fettgehalt die Eigenschaften des Fertigleders, wie Elastizität, Reißfestigkeit, Wasseraufnahmevermögen sehr stark. Daher muss bei wertvollen Objekten mit Lederpflegemitteln vorsichtig umgegangen werden – im Zweifelsfall sollte auf jeden Fall ein Fachmann (Lederrestaurator) zu Rate gezogen werden. Schuhe. Schuhe unterliegen vergleichsweise sehr hohen Belastungen durch äußere Einflüsse wie Schmutz (= schmirgelnde Reibung), Nässe (= Gefahr des Auswaschens von Fettungs- und Farbstoffen), Reibung und Stößen der Oberfläche (= mechanische Beschädigung), wie sie im Alltagsgebrauch nicht zu vermeiden sind. Zusätzlich wird das Leder durch Fußschweiß, Zug, Druck und Walkbewegungen ständig beansprucht. Oft kommen noch chemische Einflüsse aus den Strumpfmaterialien oder Waschmittelreste hinzu. Deshalb erfordern Lederschuhe eine regelmäßige Pflege. Die Pflege von Glattlederschäften besteht darin, dass nach einer gründlichen Reinigung der Oberfläche eine Schuhcreme dünn aufgetragen wird und abschließend poliert wird. Dadurch entsteht ein weitgehend geschlossener Schutzfilm, der besonders bei Verwendung einer Hartwachscreme (Dosencreme) das Oberleder optimal schützt, glänzt und eine Neuanschmutzung erschwert. Bei sehr stark beanspruchten Schuhschäften (Arbeitsstiefel, Bergschuhe usw.) ist der für chromgegerbte Schäfte normaler Alltagsschuhe ausreichende Schutz durch Hartwachscreme nicht zufriedenstellend. Hierfür gibt es deshalb spezielle Pflegemittel, wie Fettwachse, Lederfette und andere. Schuhe aus Rauleder (Velours und Nubuk) haben sehr offenporige Schäfte und erfordern deshalb regelmäßiges gründliches Ausbürsten, um den eingedrungenen Staub zu entfernen. Gelegentliches Imprägnieren mit Imprägnierflüssigkeiten oder -sprays verhindert ein vorzeitiges Neuanschmutzen und sorgt in einem gewissen Grad für einen Wasser abstoßenden Effekt. Ledersohlen können durch spezielle Ledersohlenöle gepflegt werden. Damit wird der Abrieb verringert, und es entsteht eine zusätzliche Hydrophobierung. Werden durchnässte Schuhe durch Wärme (Strahlung oder warme Luft) beschleunigt getrocknet, besteht die Gefahr eines irreversiblen chemischen Umbaus der Lederfaser. In der Folge verhärtet das Leder, wird spröde und reißt oder bricht leicht. Das gilt sowohl für Lederschäfte (besonders gefährdet: vegetabil gegerbte Leder) wie für Ledersohlen. Deshalb werden durchnässte Schuhe nur mit Zeitungspapier ausgestopft, das die Feuchte aufsaugt und regelmäßig ausgetauscht wird. Dabei ist der Schuh am besten von allen Seiten von Luft umspült (beim Vorhandensein von Ledersohlen gar durch Aufhängen an eine Wäscheleine). Um den Verlust der Passform zu vermeiden, wird gegen Ende der Trocknungsphase in den noch leicht feuchten Schuh ein passender Schuhspanner eingelegt. Bekleidung und Accessoires. Die Reinigung der Bekleidung gehört in die Hände eines Fachmanns, wo sie meist mit organischen Lösungsmitteln durchgeführt wird. Nappaleder ist, da es eine in sich geschlossenere Oberfläche hat, besser gegen Schmutz, Wasser und Staub geschützt. Handschuhe aus Glacéleder können mit Waschbenzin gereinigt werden. Handschuhe aus Nappaleder, Schweinsleder und Wildleder können mit weichen Waschmitteln oder Spezialwaschmitteln gewaschen werden. Sie werden dann in angezogenem Zustand gewaschen, danach werden sie aufgeblasen und langsam getrocknet. Durch Glattziehen erhält der fast trockene Handschuh seine ursprüngliche Form wieder, durch Knautschen und Dehnen kann er wieder so weich wie vorher werden. Ledermöbel. Ledermöbel können mit Hilfe eines weichen, ggf. leicht feuchten Lappens gereinigt werden. Für stärkere Verschmutzungen stehen entsprechende Lederreiniger zur Verfügung, die bei pigmentierten Lederarten bedenkenlos verwendet werden können. Die Verwendung von Lederpflegemitteln ist jedoch bei einigen Lederarten wie Nubukleder als problematisch einzustufen. Es sollte in jedem Fall ein Fachmann aufgesucht werden, der sich auf die Reinigung und Restaurierung mit original Gerbereiprodukten spezialisiert hat. Lederaufbewahrung. Wertvolle Lederobjekte sollten sorgfältig aufbewahrt werden. Dazu gehört ein Schutz vor der energiereichen Sonnenbestrahlung, vor Staub, Schmutz und Nässe, für Kleinlederwaren beispielsweise in einem Stoffbeutel. Für Museen wird für die Lederkonservierung eine mittlere, möglichst konstante Temperatur und 45 bis 55 Prozent relative Luftfeuchtigkeit empfohlen. Eine höhere Feuchte fördert die Schimmelbildung, bei zu niedriger Feuchtigkeit ist das Leder brüchig. Ein angemessener Luftaustausch sollte bei der Lagerung gewährleistet sein. Ist das Lederobjekt bereits geschädigt, brüchig, eingerissen, abgerieben, verzogen oder mit Schimmel überzogen, sollte ein ausgebildeter Restaurator hinzugezogen werden. Alternativen zu Leder. Aufgrund der aufwändigen und daher teuren Herstellung werden anstelle von echtem Leder oft Lederimitate, sogenanntes Kunstleder, eingesetzt. Kunstleder kann positive Eigenschaften von echtem Leder in Teilbereichen ersetzen oder sogar übertreffen (in der Reißfestigkeit – Treibriemen, im Abrieb – Schuhsohlen, in der Wasserundurchlässigkeit – Schuhe, für Schutzkleidung, im optischen Eindruck). Werden aber viele der Eigenschaften gleichzeitig gefordert, ist Leder noch immer überlegen (in der mechanischen Festigkeit und Atmungsaktivität, Zähigkeit, Haptik, Feuchtigkeitsaufnahme, Trageverhalten bei Bekleidung). Zudem ist Leder im weiteren Sinn ein nachwachsender Rohstoff, der in fast allen Kulturen als Nebenprodukt der Nahrungsgewinnung anfällt. In neuerer Zeit tauchen vermehrt Produkte aus "Bonded Leather" auf. Dabei handelt es sich um Materialien aus kleinsten Lederpartikeln, welche mit Bindemitteln wieder zusammengefügt werden. Kritik. Bei der Ledergewinnung werden, wie bei fast jeder Tiernutzung, vor allem tierethische und ökologische Aspekte kritisiert. Leder ist meist ein Nebenprodukt der Fleischgewinnung. Es gibt jedoch Tierarten, die hauptsächlich wegen ihrer Haut gejagt oder gezüchtet werden, beispielsweise Krokodile, Eidechsen oder Schlangen. Nicht unbedenklich ist die Gerbung. Verbreitet ist die Chromgerbung, die weniger aufwändig und kostengünstiger ist als beispielsweise eine pflanzliche Gerbung. Hierfür werden Chrom(III)- und Aluminiumsalze verwendet sowie eine Reihe anderer Chemikalien, die bei nicht fachgerechter Entsorgung für die Umwelt belastend oder giftig sind. In Lederprodukten wurden aufgrund des verbreiteten Chrom-Gerbverfahrens vermehrt Rückstände von hochgiftigen Chrom(VI)-Verbindungen gemessen, welche bei Körperkontakt krebserregend oder sogar erbgutschädigend sein können. Diese Problematik kann durch eine sorgfältige Prozessführung bei der Chromgerbung verhindert werden. Viele Lederarten können auch ohne Chromsalze in entsprechender Qualität hergestellt werden.
Die Lombard Street ist eine in Ost-West-Richtung verlaufende, 4,5 Kilometer lange Straße in San Francisco und verbindet Presidio und den Telegraph Hill. Geschichte. Die Lombard Street wurde von Jasper O'Farrell nach der gleichnamigen Straße in Philadelphia benannt und erhielt im Jahre 1860 ihre erste touristische Attraktion, als David Dobson ein Observatorium an der Ecke Lombard/Hyde Street eröffnete. Durch das Erdbeben von San Francisco 1906 wurden die meisten alten Wohnhäuser zerstört, so auch die 1852 im Stil der Plantagen der Südstaaten erbaute Villa. In den 1920er Jahren gehörte einem Versicherungsmakler namens Carl Henry (1876–1933) der halbe Häuserblock zwischen Hyde und Leavenworth Streeat. 1920 zog das Ehepaar Marcus in Haus Nr. 1040, wo es kletterfähige Ziegen hielt. Im Jahre 1922 wurden die Einwohner der Straße in das Rathaus eingeladen, wo ihnen der Stadtingenieur Clyde Healy seine Baupläne für einen Teil der Straße vorstellte. Seine Pläne sahen vor, das ursprüngliche Gefälle von 27 % durch einen schlangenförmigen Verlauf in Serpentinenform auf 18,18 % zu entschärfen. Betroffen war der Häuserblock zwischen den Straßenkreuzungen mit der Hyde Street und der Leavenworth Street. Die Versammlung vereinbarte, dass der Neubau der Straße von der Stadt finanziert werde, die Bürger sollten die Finanzierung der Bürgersteige und der Pflege übernehmen. Noch im selben Jahr wurde die Straße mit acht Kurven neu gebaut, 19.000 rote Ziegelsteine gab es als Straßenpflaster. Nach ihrem Vorbild erhielt auch die "Vermont Street" auf dem "Potrero Hill" im Jahre 1928 Kurven. Die Lombard Street wurde 1939 zur Einbahnstraße umgewidmet. Der Bewohner Peter Bercut pflanzte vor 1961 entlang beider Straßenseiten die berühmten Hortensien. Die Straße war unter anderem die Location für den Kinofilm Ein toller Käfer (Premiere im September 1969 in Deutschland), in dem Herbie die Straße sehr rasant hinunterfuhr, ohne dass er durch andere Autos aufgehalten wurde. Auch Is’ was, Doc?, der im September 1972 in Deutschland Premiere hatte, nutzte die kurvenreiche Strecke. Verlauf. Auf nur 145 Metern schlängeln sich im Straßenabschnitt zwischen Hyde und Leavenworth Street acht enge Kurven den Russian Hill hinunter, weshalb die Straße in San Francisco gern als „kurvenreichste der Welt“ () bezeichnet wird. Innerhalb der 145 Meter werden 33 Höhenmeter überwunden. Die Einbahnstraße führt bergab, als Höchstgeschwindigkeit sind 5 Meilen/h (8 km/h) zugelassen. An beiden Seiten gibt es „Bürgersteige“ in Form von Treppen. Der kurvenreiche Abschnitt ist Teil der gesamten Lombard Street, die entlang von 12 Häuserblocks auch als U.S. Highway 101 fungiert. Sie ist Zubringer zur Golden Gate Bridge und eine der wichtigsten Verkehrsstraßen der Stadt. Heute befahren über 2 Millionen Autos den Straßenabschnitt, mehr als 350 pro Stunde. Ein Vorhaben aus 2019, eine Eintrittsgebühr von 5 US$ (am Wochenende: 10 US$) zu verlangen, wurde durch ein Veto von Gouverneur Gavin Newsom – zwischen 2003 und 2011 Bürgermeister von San Francisco – nicht umgesetzt. Rekord. Die Lombard Street ist allerdings nicht die kurvenreichste Straße. Die Vermont Street im Stadtteil Potrero Hill hat auf einer Distanz von nur 85 Metern sieben Kurven. Die steilste Straße von San Francisco ist allerdings die nur zwei Blocks von der Lombard Street entfernte Filbert Street. Trotz ihres Gefälles von 31,5 % wurde sie nicht entschärft, dafür müssen PKWs hier quer parken. Auch sie war Location unter anderem für das spektakuläre Verfolgungsrennen in Bullitt. Pop-Kultur. Die Straße und die Schwierigkeit, sie zu befahren, wurden sowohl im Bill-Cosby-Sketch "Driving in San Francisco" als auch im Spiel parodiert. In der fiktionalen Stadt San Fierro, basierend auf San Francisco, heißt sie "Windy Windy Windy Windy Street". Auch in Videospielen wie Midtown Madness 2 und The Fast and the Furious gibt es Strecken, in denen der Spieler über die Lombard Street springt. Die Straße ist auch ein spielbarer Schauplatz in Tony Hawk’s Skateboarding. Im Rennspiel The Crew existiert sowohl eine freischaltbare Sehenswürdigkeit als auch ein Achievement für das Befahren der Straße in weniger als 26 Sekunden. Ebenfalls simuliert ist die Lombard Street im „Bus- & Cable Car-Simulator“, der in San Francisco spielt. Dort ist es möglich, die Straße mit einem Bus, einem Auto oder zu Fuß zu passieren.
Maurits Louis „Mauk“ Jonkheer de Brauw (* 14. September 1925 in Den Haag; † 12. November 1984 in Leiden, Provinz Südholland) war ein niederländischer Wirtschaftsmanager und Politiker der Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD), der Democratisch Socialisten ’70 (DS’70) sowie später der Democraten 66 (D66), der Mitglied der Zweiten Kammer und zwischen 1971 und 1972 Minister ohne Geschäftsbereich mit der Zuständigkeit für Wissenschaftspolitik und Hochschulwesen im Kabinett von Ministerpräsident Barend Biesheuvel war. Als Minister bemühte er sich vergeblich, die Studien- und Immatrikulationsgebühren an Hochschulen zu erhöhen, scheiterte aber am Widerstand in der Ersten Kammer der Generalstaaten. Zum anderen stieß sein Vorhaben auch auf Widerstand im Ministerrat, namentlich bei Sozialminister Jacob Boersma. Nachdem es 1975 zu Meinungsverschiedenheiten mit Willem Drees jr. über die politische Ausrichtung der DS’70 kam, verließ er die Partei und wurde später Mitglied der D66. In den 1980er Jahren war er Vorsitzender der Steuerungsgruppe zur Breiten Öffentlichen Diskussion zur Kernenergie "(Brede Maatschappelijke Discussie over Kernenergie 1981-1983)". Leben. Familie, Studium und berufliche Laufbahn. De Brauw stammt aus einer Familie von Diplomaten, Offizieren und Politikern. Sein Urgroßvater Willem Maurits de Brauw war langjähriges Mitglied der Ersten sowie später der Zweiten Kammer der Generalstaaten, während sein Großvater Willem Maurits de Brauw zwischen 1882 und 1883 Kolonialminister sowie anschließend von 1883 bis 1897 Kommissar des Königs der Provinz Zeeland war. Sein Vater Louis Maurits de Brauw war Diplomat, so dass er selbst seine schulische Ausbildung größtenteils im Ausland erhielt, und zwar zwischen 1931 und Mai 1940 an der Deutschen Schule in Sofia sowie anschließend zwischen dem 10. Mai 1940 und dem 10. März 1941 am dortigen "American College". Danach besuchte er zwischen 1941 und 1942 die "Irish Brother School" in Kalkutta sowie zuletzt von 1942 bis 1943 das Bischöfliche Kollegium in Kapstadt, eine Privatschule für Jungen. Nach Beendigung der Schulausbildung meldete er sich freiwillig zum Militärdienst und nahm als Angehöriger der "Prinses Irene"-Brigade 1944 an der Operation Overlord teil, der Landung in der Normandie. Nach Kriegsende begann de Brauw 1945 ein Studium im Fach Recht der Niederlande an der Reichsuniversität Leiden, das er am 7. Juli 1954 abschloss. Anschließend trat er 1954 als Mitarbeiter bei N.V. Unilever ein und wurde nach verschiedenen kaufmännischen Funktionen 1958 dort Sekretär des Vorstands, ehe er zwischen dem 1. Mai 1960 und dem 1. Juni 1963 erst Vize-Direktor sowie im Anschluss vom 1. Juni 1963 bis zum 6. Juli 1971 Direktor der N.V. Nationale Levensverzekeringsbank in Rotterdam war. Zugleich war er vom 1. Januar 1963 bis Juli 1971 auch Vorstandsmitglied der Versicherungsgesellschaft N.V. Nationale-Nederlanden, und dort zuständig für die Arbeitsbereiche Marketing beziehungsweise später Sozialangelegenheiten und Verwaltungsautomatisierung. Minister und Abgeordneter. De Brauw, der ursprünglich Mitglied der Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) war, trat im Januar 1971 den Democratisch Socialisten ’70 (DS’70) bei und wurde kurz darauf Vorsitzender von deren Kommission für Wissenschaft, Unterricht und Forschung. Am 6. Juli 1971 berief ihn Ministerpräsident Barend Biesheuvel zum Minister ohne Geschäftsbereich mit der Zuständigkeit für Wissenschaftspolitik und Hochschulwesen in dessen Kabinett. Als Minister bemühte er sich vergeblich, die Studien- und Immatrikulationsgebühren an Hochschulen zu erhöhen, scheiterte aber am Widerstand in der Ersten Kammer der Generalstaaten. Zum anderen stieß sein Vorhaben auch auf Widerstand im Ministerrat, namentlich bei Sozialminister Jacob Boersma. Dies führte letztlich dazu, dass er am 20. Juli 1972 als Minister zurücktrat und Bildungsminister Chris van Veen zusätzlich die Zuständigkeit für das Wissenschaftsressort übernahm. Für seine Verdienste wurde ihm am 29. August 1972 das Ritterkreuz des Orden vom Niederländischen Löwen verliehen. Einige Monate nach seinem Ausscheiden aus der Regierung wurde de Brauw am 7. Dezember 1972 zum Mitglied der Zweiten Kammer gewählt, der er bis zum 1. April 1975 angehörte. Daneben wurde er 1973 Vorsitzender der DS’70, trat aber von dieser Funktion 1975 zurück, nachdem es zu Meinungsverschiedenheiten mit Willem Drees jr. über die politische Ausrichtung der Partei gekommen war. Diese unterschiedlichen politischen Ansichten führten letztlich auch dazu, dass er freiwillig auf sein Parlamentsmandat verzichtete. Nach seinem Ausscheiden aus dem Parlament wurde er am 5. August 1975 Vorsitzender des in Utrecht ansässigen Beratungsbüros "Berenschot" und war dort bis zum 1. August 1980 tätig. 1980 trat er den Democraten 66 (D66) als Mitglied bei. Später engagierte er sich zwischen Januar 1981 und Januar 1984 als Vorsitzender der Steuerungsgruppe zur Breiten Öffentlichen Diskussion zur Kernenergie "(Brede Maatschappelijke Discussie over Kernenergie 1981-1983)", ehe er zuletzt vom 1. September bis zu seinem Tod am 12. November 1984 Koordinator für die Hochschulbildung in der Provinz Friesland war.
Der Verlag Niggli ist ein Schweizer Fachbuchverlag mit Sitz in Salenstein mit Spezialisierung auf Architektur, Design und Typografie. Geschichte. Nach Anstellungen in Buchhandel und Verlagswesen gründete Arthur Niggli (1923–2000) im Jahr 1950 den Verlag im appenzellischen Teufen AR. Zentral im Verlagsprogramm waren klassische Disziplinen des Bauhauses wie Typografie und Architektur. Er veröffentlichte unter anderem typografische Lehrbücher von Emil Ruder, Josef Müller-Brockmann und Armin Hofmann. Einige Titel erschienen in bis zu zehn Auflagen, manche wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Auch die Schriftenreihen "Lettera" und "Programme entwerfen" von Karl Gerstner (der das Verlags-Logo schuf) gab der Verlag heraus. 1954 veröffentlichte der Verlag die erste deutschsprachige Monografie über Paul Klee. Im Architekturprogramm von Niggli sind Autoren wie Walter Gropius, Pier Luigi Nervi, Le Corbusier, Venturi Rauch und viele andere vertreten. In Zusammenarbeit mit dem FSAI, dem "Verband freierwerbender Schweizer Architekten" wurde 1971 die erste Ausgabe der Archithese herausgegeben, die sich zu einer wichtigen Architekturzeitschrift der Schweiz entwickelte. 1953 erschien das erste deutschsprachige Buch über Ikebana – ursprünglich von Hiroshi Ohchi in Englisch verfasst, vom Verlag ins Deutsche übersetzt und von einem Engländer, der die ursprüngliche Version nicht verstand, wieder ins Englische übertragen. 1958 kam "DADA – Monographie einer Bewegung" auf den Markt, für das Arthur Niggli selbst den Umschlag gestaltete. Später erschienen im Verlag Arthur Niggli Kunstbände von Richard Lindner und Christo – die signierten, nummerierten Originalgrafiken der beiden Künstler in der Luxusausgabe waren 1970 die ersten, die in Europa hergestellt und verkauft wurden. Bruno Waldburger übernahm 1988 Verlag und "Archithese" von Arthur Niggli. Beide gingen 1992 über in den Besitz von Viktor Heer, damals Inhaber der Heer Druck AG in Sulgen TG; Bruno Waldburger blieb Verlagsleiter. Nach seinem Tod folgte ihm 1995 der Kunsthistoriker J. Christoph Bürkle nach. In Zürich wurden zusätzliche Büros bezogen, die Programmausrichtung bekam mit den Bereichen Architektur, Typografie, Design ein deutlicheres Profil. Das von Arthur Niggli international ausgerichtete Programm mit oft zwei- oder dreisprachigen Ausgaben ist seit 1992 durch neue Vertriebsstrukturen in den USA, Australien und Asien gewachsen. Der Verlag Niggli liefert rund achtzig Prozent seiner Bücher ins Ausland. Von 2003 bis 2007 gab der Verlag die Kulturzeitschrift du heraus, 2007 erwarb Viktor Heer den Benteli Verlag mit den Schwerpunkten Kunst, Kulturgeschichte und Fotografie des 20. und 21. Jahrhunderts. 2009 wurde der Verlag Teil der bsmediagroup, die im Oktober desselben Jahres von Markus Bättig und Daniel Stierli gegründet wurde. Per 1. Oktober 2014 erwarb die Braun Publishing AG aus Salenstein (Thurgau) den Niggli- ebenso wie den Benteli Verlag, die nunmehr als eigenständige imprints geführt werden. Verleger ist seitdem Markus Sebastian Braun. Die Architekturzeitschrift "Archithese" verblieb bei der bsmediagroup ag. Profil. Das Verlagsprogramm konzentriert sich nach wie vor auf die Bereiche Architektur, Design und Typografie, wobei Architekturpublikationen einen zunehmenden Schwerpunkt bilden. Verlegt wurden u. a. Monografien von Architekten wie David Adjaye, Tadao Ando, Max Bill, Max Dudler, Peter Eisenman, Gebrüder Pfister, Hans Kollhoff, Christoph Mäckler, Paulo Mendes da Rocha und Ben van Berkel. Zu den Autoren und Herausgebern zählen Josef Müller-Brockmann, Wilhelm Opatz, Ruedi Wyss und Gerhard M. Buurman. Seit der Gründung des Verlags sind viele Titel als schönste Schweizer Bücher prämiert worden, darüber hinaus gab es wiederholt internationale Auszeichnungen, unter anderem Silber und Gold bei der Prämierung der Schönsten Bücher aus aller Welt. Nominierungen für den Designpreis der Bundesrepublik Deutschland, Auszeichnungen beim iF Design Award, beim Red Dot Design Award, beim Type Directors Club und dem "Deutschen Architekturbuchpreis" (2009 und 2011) kamen dazu.
Die Burg Falkenstein, auch "Neu-Falkenstein" genannt, ist die Ruine einer Höhenburg im gleichnamigen heilklimatischen Kurort Falkenstein, einem Stadtteil von Königstein im Taunus im Hochtaunuskreis in Hessen. Das umgebende Gelände "Burghain Falkenstein" ist Naturschutzgebiet. Lage. Die Burgruine auf ist weithin sichtbar, sowohl von Königstein im Taunus aus als auch aus Richtung Kronberg im Taunus. Von der Burgruine aus lassen sich Frankfurt am Main und weite Teile der Rhein-Main-Ebene überblicken. Der Weg zur Burg ist sehr gut ausgeschildert und es gibt mehrere Routen, beginnend bei dem Kurbad Königstein. Touristisch überlaufen ist die Anlage dennoch nicht, unter anderem da sie außerhalb des Ortes nicht ausgeschildert ist. Der Aufgang befindet sich bei der katholischen Kirche vom Reichenbachweg abgehend; dort befindet sich ein Hinweisschild. Die Burg ist nur zu Fuß zu erreichen. Der Weg ab der katholischen Kirche ist etwa 330 Meter lang und führt bergauf. Benachbart sind die Burgen Königstein südwestlich in etwa 1,5 Kilometer Luftlinie und Kronberg südöstlich in etwa drei Kilometer Luftlinie. Geschichte. Die Burg wurde in der Mitte des 14. Jahrhunderts von den Herren von Bolanden-Falkenstein, die ihren Hauptsitz am Donnersberg auf Burg Falkenstein in der Pfalz besaßen, als Burg Neu-Falkenstein errichtet, und zwar unmittelbar neben der mutmaßlich schon aus dem 11. Jahrhundert stammenden Burg Nürings. Im Jahr 1364 wurde sie im Zusammenhang mit dem Reichskrieg gegen Philipp VI. von Falkenstein ("Falkensteiner Fehde") erstmals erwähnt. In rascher Erbfolge wechselte die Burg ab Ende des 14. Jahrhunderts ihren Besitzer. Den Grafen von Sponheim folgten Philipp von Nassau (1385) und die Herren von Hattstein sowie die Herren von Cronberg, die zuerst Lehnsmannen und danach Besitzer waren. Um 1500 wurde die Ringmauer durch Flankierungstürme verstärkt und der spätgotische Bergfried in Butterfassform (ähnlich demjenigen in Idstein) ergänzt. Anfang des 17. Jahrhunderts kam die Burg in den Besitz der Herren von Staffel. Mit Urkunde vom 18. Januar 1680 erhielt Adolf Johann Karl Freiherr von Bettendorf (als Nachfolger des kinderlos verstorbenen Gerhard Adam von Staffel) Schloss und Dorf Falkenstein als Nassau-Weilburger Lehen. Das Ende der Burg kam nach dem Dreißigjährigen Krieg. Sie verlor an Bedeutung und verfiel. Teile waren zwar noch bis etwa 1780 durch die Herren von Bettendorf bewohnt, wurden danach jedoch abgebrochen. Der allmähliche Abbruch der restlichen Anlage wurde erst 1842 gestoppt. Das heute sichtbare Eingangstor ist eine Rekonstruktion aus dieser Zeit. 1945 ging die Burganlage in den Besitz der damaligen Gemeinde Falkenstein über. Durch das Fehlen einer „Burggaststätte“, eines Wasseranschlusses und sanitärer Anlagen sind Feiern, Theaterspiele und Übernachtungen auf der Burg nicht möglich. Für die Erhaltung des örtlichen Wahrzeichens engagiert sich der Heimatverein Falkenstein sowohl ideell wie auch materiell durch Spendengelder. Jährlich einmal im Sommer findet ein öffentliches Fest des Männergesangsvereins Falkenstein (MGV Falkenstein) dort statt. Dieser Verein hat auch in den 1970er Jahren den einzigen Keller im Burginneren freigelegt. Bis etwa in die 1980er Jahre lebte auf der Burgruine Falkensteine eine kleine Gruppe Steinböcke, entsandt vom Opel-Zoo am Fuße des Burghain auf Kronberger Gemarkung. Literarisch wurde die Burgruine durch den Dichter Stefan George (1868–1933) in dessen letztem Gedichtband "Das Neue Reich" (1928) mit dem Gedicht "Burg Falkenstein" verewigt: „Zur bewaldeten kuppe / stieg ich an neben dir / Wo auf rauh-gradem eckturm / sich der rundturm erhebt […]“ Anlage. Die Ringmauer, ein Teil der Schildmauer, der 18 Meter hohe Bergfried auf einer Grundfläche von 6,75 mal 6,75 Meter mit seinem Hocheingang in vier Meter Höhe, Gebäudereste an der Ostseite sowie zwei Kanonentürme sind gut erhalten. Die Größe der Kernburg betrug etwa 90 mal 30 Meter. Der rechteckige Bergfried stammt aus dem 14. Jahrhundert mit seinem runden Aufsatztürmchen aus dem 15. Jahrhundert. Die gesamte Burgruine ist aktuell (Stand: Ende 2013) von März bis Oktober täglich von 10:00 bis 19:00 Uhr geöffnet. Von November bis Februar ist die Burganlage nur am Wochenende jeweils von 10:30 bis 16:30 Uhr geöffnet. In der Regel wird der Zutritt von Angehörigen des Heimatvereins Falkenstein kontrolliert und ein Eintritt von zwei Euro pro Person erhoben. Königsteiner Bürger haben bei Vorlage eines Nachweises freien Eintritt, es wird aber um eine Spende gebeten. Der in unmittelbarer Nähe gelegene Dettweiler Tempel ist als Aussichtspunkt jederzeit frei zugänglich. Der Bergfried kann derzeit nicht besichtigt werden, wird aber unregelmäßig bei Feierlichkeiten geöffnet. In den Sommermonaten ist er darüber hinaus in der Regel einmal pro Monat – meist an einem Samstag – für die Allgemeinheit geöffnet. Die Burg bietet über den Opel-Zoo und die Burg Kronberg hinaus einen sehr schönen Ausblick auf die Rhein-Main-Ebene. Die Burg ist eingebunden in den 2013 vom Taunusklub e. V. angelegten "3-Burgen-Weg Königstein – Falkenstein – Kronberg".
Linden Ashby (* 23. Mai 1960 in Atlantic Beach, Florida; eigentlich "Clarence Linden Garnett Ashby III") ist ein US-amerikanischer Schauspieler. Leben und Karriere. Geburt, Kindheit und Ausbildung. Ashby wurde im Jahr 1960 als Sohn des Arzneimittelherstellers Garnett Ashby und dessen Gattin Eleanor Ashby, einer Gemeindebediensteten, in der Küstenstadt Atlantic Beach im nördlichen Teil des US-Bundesstaates Florida geboren. Im Jugendalter besuchte Ashby die "Bolles School" in Jacksonville, eine private Vorbereitungsschule und wechselte nach deren Abschluss ans Fort Lewis College mit Sitz in Durango im Südwesten des US-Bundesstaates Colorado. In seinem dritten College-Jahr beendete er sein Studium, da er eine Ausbildung zum Schauspieler anstrebte. Dabei kam er im Neighborhood Playhouse an der Seite einiger späterer bzw. bereits bestehender Schauspielgrößen zum Einsatz und agierte rund zwei Jahre an der Seite von Sanford „Sandy“ Meisner. Im Jahr 1983 lernte er am Set der Fernsehserie "Loving" seine spätere Ehefrau Susan Walters kennen, die eine der Hauptrollen innehatte. In dieser Serie kam Ashby in einer Gastrolle zum Einsatz und spielte parallel dazu weiter Theater. So nahm er unter anderem im Jahr 1984 an der Theaterproduktion "But Mostly Because It’s Raining" am Actor’s Outlet Theatre in New York teil. Der sportbegeisterte Ashby, der in seiner Schulzeit unter anderem an einer Reihe von Surfwettbewerben teilgenommen hatte, wurde etwa ab dem 21. Lebensjahr in verschiedenen Kampfsportarten und Martial Arts ausgebildet. Erste Auftritte in Film und Fernsehen. Nach seiner kurzen Zeit bei der Fernsehserie "Loving" und der Hochzeit mit Susan Walters am 19. April 1986 folgte Ashbys gemächlicher Durchbruch. Zwischen den Jahren 1987 und 1992 folgten diverse Auftritte in Fernsehserien und Filmen, wie "California Bulls", "Der Werwolf kehrt zurück", "Armes reiches Mädchen – Die Geschichte der Barbara Hutton", "China Beach", "MacGyver", "Mr. & Mrs. Bridge", sowie "Fifteenth Phase of the Moon", "Into the Sun", "Inside Out III". 1993 begann seine eigentliche Karriere als Filmschauspieler. So war er in "New Year" und "Der Mord der unschuldigen Kinder" zu sehen und kam ebenfalls 1993 zum ersten Mal in der bekannten Fernsehserie "Melrose Place" zum Einsatz, in der er in zwei Episoden als "Charles Reynolds" eingesetzt wurde. 1994 kam er in den Filmen "8 Seconds – Tödlicher Ehrgeiz", "Wyatt Earp – Das Leben einer Legende" und "Green Dolphin Beat" zum Einsatz. 1995 bekam er eine der Hauptrollen in der Videospielverfilmung "Mortal Kombat" aus dem Jahre 1995. Dabei übernahm er für den eigentlich vorgesehenen Brandon Lee, der zwei Jahre zuvor bei Dreharbeiten tödlich verunglückt war, den Charakter "Johnny Cage". Aufstieg zum Star Mitte der 1990er Jahre. Zwischen 1996 und 2000 spielte Ashby Hauptrollen oder wichtige Nebenrollen in Spielfilmen wie "Mörder der Engel,"Verhängnisvolle Erbschaft, "Blast – Das Atlanta-Massaker,"Im Zeichen des Stiers","Wenn die Wahrheit lügt, Judgment Day,""Eine dunkle Affäre,""Tick Tock, "Shelter – Pakt mit dem Feind", "Das Grauen am See", "Beauty" und "". Er wurde erneut in den erweiterten Cast von "Melrose Place" geholt. Dabei kam er bis 1998 in 33 Folgen als "Dr. Brett „Coop“ Cooper" zum Einsatz. Des Weiteren spielte er eine der Hauptrollen in der Fernsehserie "Spy Game" und kam auch in einer Folge von "" zum Einsatz. Im Jahr 2000 war Ashby in allen acht Folgen von "The War Next Door" in einer Hauptrolle zu sehen. Weitere Engagements im neuen Jahrtausend. Im Jahr 2001 spielte er im Film "Im Sog der Vergeltung" neben Maxwell Caulfield und Alexandra Paul die männliche Hauptrolle und war in einer Episode von "The Agency – Im Fadenkreuz der C.I.A." zu sehen. 2002 wurde er in den Filmproduktionen "Fits and Starts", "Whacked!" und "Sniper 2" eingesetzt und bekam eine Gastrolle in einer Episode von "CSI – Den Tätern auf der Spur". Im Jahr 2003 wurden drei Filme veröffentlicht, in denen Ashby in einer Hauptrolle zu sehen war. Zudem wurde er in den erweiterten Cast der Seifenoper "Schatten der Leidenschaft" geholt und für 55 Folgen in der Rolle des "Cameron Kirsten" eingesetzt. Für seine Leistungen in der Seifenoper wurde er im Jahr 2005 für den Soap Opera Digest Award in der Kategorie "Best Villain" nominiert, musste sich am Ende allerdings gegen Maurice Benard geschlagen geben. Im Jahr 2004 schaffte er den Sprung in das Team von "Wild Things", wobei er im zweiten Teil der Film-Serie, "Wild Things 2", erstmals als "Detective Morrison" zu sehen war. Im Folgejahr war er im dritten Teil der Film-Serie, der unter dem Namen "Wild Things 3" veröffentlicht wurde, in derselben Rolle zu sehen. Weitere Auftritte hatte er 2005 in den Filmen "Verbotene Liebe – Ein mörderisches Spiel" und "Sub Zero" sowie in jeweils einer Episode von "" und "Eyes", in die er in der gleichen Rolle im Jahr 2007 ein weiteres Mal zurückkehrte. Weiterhin aktive Zeit ab 2006. In den Jahren 2006 und 2007 spielte er Hauptrollen in den Filmen "Maid of Honor", "Last Exit, The Rival, Plot 7" und "My Neighbor’s Keeper". Des Weiteren war er im Blockbuster "" aktiv. 2008 folgten Filmauftritte in "Prom Night", "Dead at 17" und "Impact Point". Im gleichen Jahr wurde er auch in den erweiterten Cast von "Zeit der Sehnsucht" aufgenommen und in 20 Folgen der Seifenoper eingesetzt. 2009 war er in sieben Filmen zum Teil in Hauptrollen zu sehen: "Stripped Naked", "Against the Dark", "Anacondas – Trail of Blood", "Hunger", "Party Animals 3 – Willkommen auf der Uni", "The Joneses" und "Accused at 17". Daneben wurde er auch in jeweils einer Folge der namhaften Fernsehserien "Drop Dead Diva" und "Army Wives" eingesetzt. 2010 folgte für den sportlichen Ashby ein Auftritt in der Miniserie "Marry Me" sowie ein Engagement für sechs Folgen von "The Gates" und eine unbekannte Anzahl an Episoden von "Teen Wolf". Im Jahr 2011 hatte er einen Auftritt in Girls Club 2 – Vorsicht bissig! "(Mean Girls 2)" und 2013 in "Iron Man 3". Filmografie (Auswahl). Filme Fernsehserien
Sinan Georg Kurt (* 23. Juli 1996 in Mönchengladbach) ist ein deutscher Fußballspieler. Der hauptsächlich bei Borussia Mönchengladbach ausgebildete Mittelfeldspieler stand zuletzt in der Slowakei beim FC Nitra unter Vertrag und war Nachwuchsnationalspieler. Familie. Kurt wurde als Sohn einer Deutschen und eines Türken im nordrhein-westfälischen Mönchengladbach geboren. Er hat eine Schwester. Karriere. Vereine. Anfänge in Mönchengladbach. Kurt begann mit dem Fußballspielen beim "SV Dohr 07", einem Sportverein aus dem Mönchengladbacher Stadtteil Giesenkirchen, und spielte danach für den Rheydter SV, bevor er 2007 in die Jugend von Borussia Mönchengladbach wechselte. Er spielte für die U17- und U19-Nachwuchsmannschaft des Bundesligisten und kam für deren zweite Mannschaft am ersten Spieltag der Saison 2014/15 bei der 1:3-Niederlage im Auswärtsspiel gegen den FC Viktoria Köln in der viertklassigen Regionalliga West zu seinem ersten Einsatz im Herrenbereich. Zur Saison 2014/15 sollte Kurt in den Profikader aufrücken. Aufgrund eines Transferstreits mit dem FC Bayern München wurde dies aber nicht umgesetzt. FC Bayern München. Kurz vor Ende der Transferperiode wechselte Kurt am 31. August 2014 zum FC Bayern München. Er unterschrieb einen Vierjahresvertrag bis zum 30. Juni 2018. Der Wechsel löste auf Kurts Social-Media-Accounts einen Shitstorm von Gladbach-Fans aus. In seinem ersten Jahr beim deutschen Rekordmeister wurde Kurt überwiegend in der A-Jugend eingesetzt, die in der A-Junioren-Bundesliga spielte und international in der UEFA Youth League vertreten war. Zudem wurde er einmal in der zweiten Mannschaft in der viertklassigen Regionalliga Bayern eingesetzt. Nachdem Kurt bereits bei einigen Pflichtspielen der Profis auf der Bank gesessen hatte, absolvierte er am 30. Spieltag am 25. April 2015 unter Pep Guardiola sein Bundesligadebüt, als er beim 1:0-Sieg gegen Hertha BSC zur zweiten Halbzeit für Gianluca Gaudino eingewechselt wurde. 2015 gewann er mit dem FC Bayern München die deutsche Meisterschaft. Sein erstes Tor im Seniorenbereich erzielte er am 8. August 2015 beim 7:2-Sieg im Auswärtsspiel der zweiten Mannschaft gegen den TSV 1896 Rain mit dem Treffer zum 6:0 in der 62. Minute. In der Hinrunde der Saison 2015/16 kam Kurt dann ausschließlich für die zweite Mannschaft zum Einsatz und absolvierte dort auch das Training unter Heiko Vogel. Zudem wurde er nicht für den Champions-League-Kader nominiert. Hertha BSC. Nachdem sich Kurt beim FC Bayern München nicht hatte durchsetzen können, wechselte er zur Rückrunde der Saison 2015/16 zu Hertha BSC. Er unterschrieb einen Vertrag mit einer Laufzeit bis zum 30. Juni 2019. Bis zum Saisonende kam er zu sechs Einsätzen in der zweiten Mannschaft in der viertklassigen Regionalliga Nordost, in denen er einen Treffer erzielte. Auch in der Saison 2016/17 konnte sich Kurt in der ersten Mannschaft nicht durchsetzen. Bis zum Winter kam er in der ersten Mannschaft zwar zu seinem ersten Bundesligaeinsatz für Hertha BSC, als er am 1. Oktober 2016 beim 2:0-Sieg gegen den Hamburger SV kurz vor Spielende für Alexander Esswein eingewechselt wurde. Diesem Einsatz folgte allerdings nur ein weiterer Kurzeinsatz. Daneben spielte Kurt sieben Mal in der zweiten Mannschaft (ein Tor). Im Wintertrainingslager zog er sich eine Verletzung am linken Sprunggelenk zu, sodass er erst Ende März 2017 wieder ins Training einsteigen konnte. Bis zum Saisonende kam Kurt zu keinen Einsätzen mehr. Während der Vorbereitung auf die Saison 2017/18 kritisierte sein Trainer Pál Dárdai seine Mentalität und monierte, dass er ihn immer wieder motivieren müsse. In der Folge wurde Kurt nicht für den Europa-League-Kader für die Gruppenphase nominiert. Im Januar 2018 wurde Kurt zeitweise aus dem Mannschaftstraining genommen, um durch ein Individualtraining seine körperlichen Defizite aufzuholen. Er kam in der Saison 2017/18 auf 21 Einsätze in der zweiten Mannschaft, in denen er einen Treffer erzielte. Mitte Juli 2018 wurde Kurt von Dárdai aus dem Profikader gestrichen und in die zweite Mannschaft versetzt. Bis zur Winterpause der Saison 2018/19 kam er auf 7 Regionalligaeinsätze (2 in der Startelf) ohne eigenen Torerfolg. WSG Wattens. Im Februar 2019 wechselte Kurt zum österreichischen Zweitligisten WSG Wattens. Bis zum Ende der Saison 2018/19 kam er in 13 Zweitligaspielen (5 in der Startelf) zum Einsatz, in denen er ein Tor erzielte. Mit der WSG Wattens stieg Kurt als Zweitligameister in die Bundesliga auf. Nach dem Aufstieg verließ er den Klub. Tirols Manager Stefan Köck äußerte sich mit den Worten „Ich kann von dem Jungen nur das Beste sagen, er hat null Star-Allüren gehabt, er ist ein toller Mensch.“ über den Spieler, der nach Vereinsaussagen gehen musste, da er als Deutscher unter die Ausländerregelung fiel. Über Straelen in die Slowakei. Nach über einem Jahr ohne Verein schloss sich Kurt Ende September 2020 nahe seiner Heimat Mönchengladbach in der viertklassigen Regionalliga West dem Aufsteiger SV Straelen an. Zunächst absolvierte der Rheinländer sieben Ligaspiele in Folge und bereitete als linker Flügelstürmer zwei Tore vor. In der Folge war er verletzt und wurde schließlich gar nicht mehr eingesetzt. Kurt gehörte zu den „Topverdienern“ innerhalb der Mannschaft. Weiters wäre er zwar nicht „angeeckt“, hätte aber auch nicht den Zusammenhalt im Team gestärkt. Anfang Januar 2021 löste der SV Straelen den Vertrag mit seinem Spieler auf. Ende Januar 2021 schloss sich der 24-Jährige dem slowakischen Erstligisten FC Nitra an, bei dem er einen Vertrag bis zum 30. Juni 2022 unterschrieb. Neben Kurt verpflichtete der Verein mit Yanni Regäsel, Ekin Çelebi, Ramzi Ferjani, Ole Käuper, Benjamin Kindsvater, Eroll Zejnullahu und Oliver Bias in diesem Monat sieben weitere deutsche Spieler. Der Mittelfeldspieler kam bis zum Ende der Saison 2020/21 auf 13 Erstligaeinsätze (7-mal von Beginn) und stieg mit dem Verein als Tabellenletzter in die 2. Liga ab. Nach dem Saisonende löste Kurt seinen Vertrag einseitig wegen ausbleibender Gehaltszahlungen auf. Zuvor war diesen Schritt schon Ole Käuper gegangen. Nationalmannschaft. Nachdem Kurt bereits die DFB-Nachwuchsmannschaften der Altersklasse U15 bis U18 durchlaufen und dabei sechs Tore in 25 Länderspielen erzielt hatte, debütierte er in der U19-Nationalmannschaft, die am 5. September 2014 in Köln im Test-Länderspiel gegen die Auswahl der Niederlande mit 3:2 gewann.
Gewinner und Nominierte des Golden Globe Award in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film ("Best Foreign Language Film"), die die herausragendsten Leistungen von fremdsprachigen (nicht-englischsprachigen) Kinoproduktionen des vergangenen Kalenderjahres prämiert. Die im Folgenden genannten Jahreszahlen sind die der Verleihungs-Veranstaltungen und nicht die der prämierten Filmjahre. Geschichte. Die Kategorie wurde im Jahr 1955 unter der Bezeichnung "Bester ausländischer Film" "(Best Foreign Film)" eingeführt. Zu dieser Zeit war es auch möglich, englischsprachige Filme aus Ländern von außerhalb der Vereinigten Staaten zu nominieren, weshalb unter anderem das Vereinigte Königreich und Kanada Preise gewannen. Von 1957 bis 1959 und von 1961 bis 1969 hieß die Kategorie "Bester fremdsprachiger Film" "(Best Foreign Language Film)". Zusätzlich führte man von 1957 bis 1959, 1961 und von 1964 bis 1969 die Kategorie "Bester ausländischer Film in englischer Sprache" "(Best English-Language Foreign Film)" ein. Von 1970 bis 1987 hieß die Kategorie wiederum "Bester ausländischer Film", seit 1988 trägt sie die Bezeichnung "Bester fremdsprachiger Film". Qualifikation. Die aktuellen Regularien sehen nur Spielfilme (70 Minuten oder länger) vor, mit einem Anteil von wenigstens 51 Prozent an nicht-englischsprachigen Dialog. Der Film muss 14 Monate vor der Verleihung zwischen dem 1. November und 31. Dezember im Heimatland angelaufen sein, um berücksichtigt werden zu können (dies gilt nicht bei Problemen mit der einheimischen Zensur). Zusätzlich muss der Film mindestens eine Woche im Großraum Los Angeles gezeigt worden sein (ein regulärer Kinostart in den Vereinigten Staaten ist nicht notwendig) und den stimmberechtigten Mitgliedern der Hollywood Foreign Press Association zugänglich gemacht werden. Im Gegensatz zur Oscarverleihung besteht keine Obergrenze an Einreichungen pro Land. Der Film kann nur für eine Verleihung, aber in jeder weiteren Kategorie berücksichtigt werden, mit Ausnahme der für das beste Filmdrama und die beste Komödie oder Musical, die nur für weitestgehend englischsprachige Produktionen reserviert sind. Weitere Fakten. In 21 von 65 Fällen wurde der Gewinnerfilm später mit dem Oscar ausgezeichnet, zuletzt 2020 geschehen, mit der Preisvergabe an den südkoreanischen Beitrag "Parasite" von Bong Joon-ho. 1964, 1982 und 1983 triumphierten mit "Tom Jones – Zwischen Bett und Galgen", "Die Stunde des Siegers" und "Gandhi" britische Produktionen, die später mit dem Oscar in der Kategorie "Bester Film" prämiert wurden. "Parasite" von Bong Joon-ho wurde 2020 der erste nichtenglischsprachige Film, welcher in der Kategorie "Bester Film" ausgezeichnet wurde. 30 Mal wurden deutsche Filmproduktionen (inkl. Koproduktionen) nominiert, von denen elf mit dem Preis ausgezeichnet wurden, zuletzt 2018 geschehen mit der Preisvergabe an "Aus dem Nichts" von Fatih Akin. Aus Österreich wurde 1991 Robert Dornhelms "Requiem für Dominik" nominiert, für die Schweiz kandidierte 1985 "Gefährliche Züge" von Richard Dembo und 1995 "" von Krzysztof Kieślowski. 1970 lehnten die Produzenten des algerischen Beitrags "Z" die Auszeichnung ab, da der Film in der Kategorie "Bestes Filmdrama" keine Berücksichtigung gefunden hatte. Gewinner und Nominierte. 1950er Jahre. 1955 Die feurige Isabella "(Genevieve)", Vereinigtes Königreich – Regie: Henry Cornelius La mujer de las camelias, Argentinien – Regie: Ernesto Arancibia Vierundzwanzig Augen "(二十四の瞳, Nijushi no hitomi)", Japan – Regie: Keisuke Kinoshita Weg ohne Umkehr, Deutschland – Regie: Victor Vicas und Beate von Mollo 1956 Dangerous Curves, Vereinigtes Königreich Kinder, Mütter und ein General, Deutschland – Regie: László Benedek Kodomo no me, Japan – Regie: Yoshirō Kawazu Stella, Griechenland – Regie: Michael Cacoyannis Das Wort "(Ordet)", Dänemark – Regie: Carl Theodor Dreyer 1957 1958 1959 1960er Jahre. 1960 Die Brücke, Deutschland – Regie: Bernhard Wicki Kagi, Japan – Regie: Kon Ichikawa Orfeu Negro, Brasilien – Regie: Marcel Camus Wilde Erdbeeren "(Smultronstället)", Schweden – Regie: Ingmar Bergman Wir Wunderkinder, Deutschland – Regie: Kurt Hoffmann 1961 1962 Und dennoch leben sie "(La Ciociara)", Italien – Regie: Vittorio De Sica 1963 Liebenswerte Gegner "(The Best of Enemies)", Italien – Regie: Guy Hamilton Scheidung auf italienisch "(Divorzio all'italiana)", Italien – Regie: Pietro Germi 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970er Jahre. 1970 Z, Algerien – Regie: Constantin Costa-Gavras 1971 Der aus dem Regen kam "(Le passager de la pluie)", Frankreich – Regie: René Clément 1972 Schlaf gut, Wachtmeister! "(השוטר אזולאי, Ha-Shoter Azulai)", Israel – Regie: Ephraim Kishon 1973 Das neue Land "(Nybyggarna)", Schweden – Regie: Jan Troell Emigranten "(Utvandrarna)", Schweden – Regie: Jan Troell 1974 Der Fußgänger, Deutschland – Regie: Maximilian Schell 1975 Szenen einer Ehe "(Scener ur ett äktenskap)", Schweden – Regie: Ingmar Bergman 1976 Geliebte Lügen "(Lies My Father Told Me)", Kanada – Regie: Ján Kadár 1977 Von Angesicht zu Angesicht "(Ansikte mot ansikte)", Schweden – Regie: Ingmar Bergman 1978 Ein besonderer Tag "(Una giornata particolare)", Italien – Regie: Ettore Scola 1979 Herbstsonate "(Höstsonaten)", Schweden – Regie: Ingmar Bergman 1980er Jahre. 1980 Ein Käfig voller Narren "(La cage aux folles)", Frankreich/Italien – Regie: Édouard Molinaro 1981 Tess, Frankreich – Regie: Roman Polański 1982 Die Stunde des Siegers "(Chariots of Fire)", Vereinigtes Königreich – Regie: Hugh Hudson 1983 Gandhi, Vereinigtes Königreich – Regie: Richard Attenborough 1984 Fanny und Alexander "(Fanny och Alexander)", Schweden – Regie: Ingmar Bergman 1985 Reise nach Indien "(A Passage to India)", Vereinigtes Königreich – Regie: David Lean 1986 Die offizielle Geschichte "(La historia official)", Argentinien – Regie: Luis Puenzo 1987 Der Anschlag "(De aanslag)", Niederlande – Regie: Fons Rademakers 1988 Mein Leben als Hund "(Mitt liv som hund)", Schweden – Regie: Lasse Hallström 1989 Pelle, der Eroberer "(Pelle erobreren)", Dänemark – Regie: Bille August 1990er Jahre. 1990 Cinema Paradiso "(Nuovo cinema Paradiso)", Italien – Regie: Giuseppe Tornatore 1991 Cyrano von Bergerac "(Cyrano de Bergerac)", Frankreich – Regie: Jean-Paul Rappeneau 1992 Hitlerjunge Salomon, Deutschland – Regie: Agnieszka Holland 1993 Indochine, Frankreich – Regie: Régis Wargnier 1994 Lebewohl, meine Konkubine "(霸王別姬 Bàwáng Bié Jī)", Hong Kong – Regie: Chen Kaige 1995 Farinelli, Belgien – Regie: Gérard Corbiau 1996 Les Misérables, Frankreich – Regie: Claude Lelouch 1997 Kolya "(Kolja)", Tschechien – Regie: Jan Svěrák 1998 Mein Leben in Rosarot "(Ma vie en rose)", Belgien – Regie: Alain Berliner 1999 Central Station "(Central do Brasil)", Brasilien – Regie: Walter Salles 2000er Jahre. 2000 Alles über meine Mutter "(Todo sobre mi madre)", Spanien/Frankreich – Regie: Pedro Almodóvar 2001 Tiger & Dragon "(臥虎藏龍, Wòhǔ Cánglóng)", Taiwan – Regie: Ang Lee 2002 No Man’s Land "(Ničija zemlja)", Bosnien – Regie: Danis Tanović 2003 Sprich mit ihr "(Hable con ella)", Spanien – Regie: Pedro Almodóvar 2004 Osama, Afghanistan – Regie: Siddiq Barmak 2005 Das Meer in mir "(Mar adentro)", Spanien/Frankreich/Italien – Regie: Alejandro Amenábar 2006 Paradise Now "(الجنة الآن, al-Dschanna al-ān)", Palästina – Regie: Hany Abu-Assad 2007 Letters from Iwo Jima, Vereinigte Staaten – Regie: Clint Eastwood 2008 Schmetterling und Taucherglocke "(Le scaphandre et le papillon)", Frankreich/Vereinigte Staaten – Regie: Julian Schnabel 2009 Waltz with Bashir "(ואלס עם באשיר, Vals im Bashir)", Israel – Regie: Ari Folman 2010er Jahre. 2010 Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte, Deutschland – Regie: Michael Haneke 2011 In einer besseren Welt "(Hævnen)", Dänemark – Regie: Susanne Bier 2012 Nader und Simin – Eine Trennung (جدایی نادر از سیمین "Jodaeiye Nader az Simin"), Iran – Regie: Asghar Farhadi 2013 Liebe ("Amour"), Österreich – Regie: Michael Haneke 2014 La Grande Bellezza – Die große Schönheit "(La grande bellezza)", Italien – Regie: Paolo Sorrentino 2015 Leviathan "(Левиафан)", Russland – Regie: Andrei Petrowitsch Swjaginzew 2016 Son of Saul "(Saul fia)", Ungarn – Regie: László Nemes 2017 Elle, Frankreich – Regie: Paul Verhoeven 2018 Aus dem Nichts, Deutschland/Frankreich – Regie: Fatih Akin 2019 Roma, Mexiko – Regie: Alfonso Cuarón 2020er Jahre. 2020 Parasite "(기생충, Gisaengchung)", Südkorea – Regie: Bong Joon-ho 2021 Minari – Wo wir Wurzeln schlagen "(Minari)", USA – Regie: Lee Isaac Chung 2022 Drive My Car (ドライブ・マイ・カー / "Doraibu mai kā"), Japan – Regie: Ryūsuke Hamaguchi
Die Dudweiler Zeitung war eine saarländische Tageszeitung. Sie wurde 1888, dem sogenannten Dreikaiserjahr, von Johann Unterkeller († 1911) gegründet. Der aus Birkenfeld stammende Mann übernahm das bis dahin „Dudweiler Anzeiger“ genannte amtliche Nachrichtenblatt des Bürgermeisteramtes. Weitere, ähnliche Blätter waren zu dieser Zeit die in St. Johann herausgegebene, katholisch orientierte „St. Johanner Volkszeitung“ sowie die konservative, von Carl Ferdinand von Stumm-Halberg verantwortete Neue Saarbrücker Zeitung. Ferner gab es seit 1883 noch die die Stahlindustrie vertretene, in Malstatt-Burbach herausgebrachte „Malstatt-Burbacher Zeitung“ und den eher für die Belange der Bergleute wöchentlich erschienenen „Bergmannsfreund“. Die parteilose Tageszeitung erreichte 1930 eine Auflage von 4500 Exemplaren. Im Kriegsjahr 1944 wurde ihr Erscheinen eingestellt. Geschichte. Seit 1909 erschien das 70 Pfennig kostende, vier Seiten umfassende Blatt sechsmal wöchentlich. Die erste Seite wurde, quasi als Mantelteil, von der Neunkircher Zeitung übernommen, nur die nachfolgenden Seiten mit Lokalnachrichten, Geschäfts- und Familienanzeigen wurden selbständig hergestellt. Sie bekam zusätzlich den Untertitel „Allgemeiner Anzeiger für den Bürgermeistereibezirk Dudweiler“ und ab 1917 „Amtliches Anzeigen Organ“. Als Verantwortlicher Redakteur wird Johanns ältester Sohn Arthur Unterkeller (1882–1921) genannt. Bis 1913 war der Betrieb vollständig auf Handbetrieb ausgelegt. 1923 wechselte die Verantwortung nach kurzer Interimphase von Arthurs Ehefrau Emma auf ihren neuen Ehepartner Fritz Blankenburg. Unter seiner Führung wurden Umbaumaßnahmen am Anwesen durchgeführt: Das alte, noch aus der Barockzeit stammende Wohnhaus wurde abgerissen und durch das heute noch stehende Wohn- und Geschäftshaus ersetzt. Zusätzlich wurden auf die alte Waschküche zwei Büros aufgesetzt und ein zusätzliches „Papierhaus“ errichtet. Außerdem erhielt der Betrieb endlich eine Rotationsmaschine. Mitte Januar 1926 verstarb Blankenburg bei einem Autounfall. Das Wohn- und Geschäftshaus Saarbrücker Straße 292 der Dudweiler Zeitung wurde 1925 von Emma Unterkellers Schwager, Gemeindebaumeister Heinrich Otto erbaut und steht unter Denkmalschutz. Bereits ab 1934, also ein Jahr vor der Saarabstimmung, benannte sich das Blatt im Untertitel jetzt „Amtlicher Anzeiger für die Bürgermeisterei Dudweiler - Tages- und Anzeigenblatt für Handel und Gewerbe“ und umfasste sechs Seiten mit zusätzlich vier Seiten Sonderbeilage an Samstagen. Weihnachten 1944 erschien – wie man glaubte – die nur vorübergehend letzte Ausgabe der Zeitung. Nach Kriegsende war die Dudweiler Zeitung die einzige einsatzbereite Zeitungsdruckerei im Saarland und wurde zunächst von den Amerikanern beschlagnahmt. Ungünstige persönliche Seilschaften zum zukünftigen Ministerpräsidenten des Saarlandes Johannes Hoffmann, verhinderten trotz mehrfacher Eingaben an die Landesregierung eine Lizenzzuteilung. Es durften nur Akzidenzien gedruckt werden. Nach 1955, als keine Lizenzierung mehr erforderlich war, lag das Unternehmen wirtschaftlich ausgeblutet am Boden. Anschließend wurde Verlag und Druckerei an die SPD verpachtet, die Maschinen an sie verkauft. Damit einher ging die Gründung der AZ (Allgemeine Zeitung), doch bereits ein Jahr später zog das Unternehmen in das Gebäude der „Volksstimme“ nach Saarbrücken. 1964 wurde das Betriebsgebäude endgültig von Druckereieinrichtungen geräumt und anderweitig weitervermietet.
Gryżewo () ist ein Dorf in der polnischen Woiwodschaft Ermland-Masuren und gehört zur Landgemeinde Banie Mazurskie "(Benkheim)" im Powiat Gołdapski (Kreis "Goldap"). Geographische Lage. Gryżewo liegt im Nordosten der Woiwodschaft Ermland-Masuren. Bis zur Kreisstadt Gołdap "(Goldap)" sind es 16 Kilometer in nordöstlicher Richtung, und die frühere und heute auf russischem Staatsgebiet gelegene Kreishauptstadt Darkehmen (1938 bis 1946 Angerapp,) ist gleich weit entfernt in nördlicher Richtung. Geschichte. Das vor 1566 "Graszgirey Neusassen", vor 1585 "Grasgirren", nach 1785 "Grisgirren" und bis 1938 "Griesgirren" genannte Dorf wurde 1874 in den neu errichteten Amtsbezirk Ballupönen eingegliedert. Dieser – 1939 in „Amtsbezirk Schanzenhöh“ umbenannt – gehörte bis 1945 zum Kreis Darkehmen (1939 bis 1945 „Landkreis Angerapp“ genannt) im Regierungsbezirk Gumbinnen der preußischen Provinz Ostpreußen. Griesgirren verzeichnete im Jahre 1910 – bevor 1928 der Gutsbezirk Zargen () eingemeindet wurde – insgesamt 225 Einwohner. Ihre Zahl verringerte sich bis 1925 auf 212, betrug 1933 noch 201 und belief sich 1939 auf nur noch 196. Am 3. Juni (amtlich bestätigt am 16. Juli) 1938 wurde Griesgirren aus politisch-ideologischen Gründen der Abwehr fremdländisch klingender Ortsnamen in „Grieswalde“ umbenannt. Im Jahre 1945 kam das Dorf in Kriegsfolge mit dem gesamten südlichen Ostpreußen zu Polen und erhielt die polnische Namensform „Gryżewo“. Heute ist das Dorf Sitz eines Schulzenamtes () für Czupowo "(Schupowen", 1938 bis 1945 "Schuppau)" und Gryżewo und eine Ortschaft im Verbund der Landgemeinde Banie Mazurskie im Powiat Gołdapski, vor 1998 der Woiwodschaft Suwałki, seither der Woiwodschaft Ermland-Masuren zugehörig. Religionen. Die mehrheitlich evangelische Bevölkerung Griesgirrens resp. Grieswaldes war vor 1945 in das Kirchspiel der Kirche in Klein Szabienen/Schabienen (1938 bis 1945 Kleinlautersee,) eingepfarrt, die zum Kirchenkreis Darkehmen/Angerapp in der Kirchenprovinz Ostpreußen der Kirche der Altpreußischen Union gehörte. Die katholischen Einwohner waren Teil der Pfarrei in Gołdap im Dekanat Masuren II (Sitz: Johannisburg, polnisch Pisz) im Bistum Ermland. Heute gehören die mehrheitlich katholischen Einwohner Gryżewos zur Pfarrei in Żabin im Dekanat Gołdap im Bistum Ełk "(Lyck)" der Römisch-katholischen Kirche in Polen. Die evangelischen Kirchenglieder sind zu Kirche in Gołdap hin orientiert, einer Filialkirche der Pfarrei in Suwałki in der Diözese Masuren der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen. Verkehr. Gryżewo ist von Banie Mazurskie an der polnischen Woiwodschaftsstraße DW 650 (einstige deutsche Reichsstraße 136) aus direkt zu erreichen. Außerdem führt eine Straßenverbindung von Kulsze "(Kulsen)" sowie eine Landwegverbindung von Czupowo "(Schupowen", 1938 bis 1945 "Schuppa)" direkt in den Ort. Eine Bahnanbindung besteht nicht.
ISO/IEC 7810 ist eine internationale Norm, die vier Formate für Identitätsdokumente – ID-1, ID-2, ID-3 und ID-000 – definiert. ID-1. "(Bankkarten-, Kreditkarten-, Scheckkartenformat)" Das 1985 erstmals normierte ID-1-Format ("ID" steht für) wurde auf 85,60 mm (+0,05 mm/−0,06 mm) × 53,98 mm (+0,12 mm/−0,13 mm) festgelegt. Die Dicke des ID-1-Formates wird mit 0,76 mm (±0,08 mm) definiert. Anwendungsgebiete sind z. B. Bankkarten, Kreditkarten, Debitkarten, Führerscheine oder Personalausweise. Ausgangsbasis ist eine Karte im Zollmaß von "auf" und "Dicke und abgerundeten Ecken mit einem Radius von". Zusätzlich definierte Eigenschaften inkludieren: Weitere Normen auf diesem Gebiet sind JIS-1 und JIS-2. Magnetstreifenkarte. Eine Magnetstreifenkarte (: "Magnetic Stripe Cards", kurz: "Magstripe") im ID-1-Format kann bis zu drei Spuren "(Tracks)" enthalten: Karten können eine beliebige Untermenge dieser Tracks enthalten. Track # 1. Diese Spur verwendet einen eigenen Zeichensatz, der durch die Addition von 32 (2016) leicht in ASCII umzurechnen ist. Die Daten auf Track # 1 werden meist wie folgt kodiert: Track # 2. Diese Spur verwendet einen eigenen Zeichensatz, der sich leicht durch die Addition von 48 (3016) in ASCII umrechnen lässt. Diese Addition sorgt dafür, dass der Bitwert 0 auf das Zeichen „0“ abgebildet wird. Die Daten auf Track # 2 sind meist wie folgt kodiert: Track # 3. Dieser Track ist im Gegensatz zu den ersten beiden beschreibbar, sein Format ist bis auf Startzeichen, Endzeichen und Sicherungscode (wie bei Track # 2) nicht näher definiert. Einige Banken verwenden ihn, um hier verschlüsselte PIN-Informationen abzulegen. Chip. "(bitte ergänzen:)" ID-2. Das ID-2-Format hat eine Größe von 105 mm × 74 mm; dies entspricht dem Format DIN A7. Es fand z. B. beim deutschen Personalausweis Anwendung, der bei Beantragung bis Ende Oktober 2010 ausgegeben wurde. Visa-Etiketten haben häufig das ID-2-Format, damit sie problemlos in Reisepässe eingeklebt werden können. Zahlreiche Dienstausweise, beispielsweise der Ausweis der Bayerischen Polizei, haben das Format ID-2. ID-3. Das ID-3-Format hat eine Größe von 125 mm × 88 mm; dies entspricht dem Format DIN B7. Dieses Format bestimmt weltweit die Größe von Reisepässen. Es ist zu bemerken, dass Reisepässe mit flexiblem Umschlag (z. B. dem Schweizer Pass) meist genau dem ID-3-Format entsprechen, bei Reisepässen mit festem Umschlag (z. B. dem österreichischen oder dem deutschen Pass) sind die Innenseiten im ID-3-Format, während der Umschlag ca. 2 mm übersteht. Visaetiketten sind wiederum etwas kleiner als das ID-3-Format (meist im ID-2-Format), u. a. um ein problemloses Einkleben zu ermöglichen. Nach einer Vereinbarung zwischen der ISO und der Internationalen Organisation für Zivilluftfahrt (ICAO) werden Normen für maschinenlesbare Reisedokumente in erster Linie von der ICAO entwickelt, wobei die Mitarbeit von und Beratung durch die ISO durch die Mitgliedschaft in der Technischen Beratungsgruppe für maschinenlesbare Reisedokumente (Technical Advisory Group on MRTDs) gesichert ist. Sobald eine Änderung oder Ergänzung der diesbezüglichen Normen im ICAO-Dokument 9303 beschlossen ist, wird sie im Schnellverfahren von der ISO beschlossen. Die Hauptquelle für Informationen bezüglich der Normen für maschinenlesbare Reisedokumente ist somit die ICAO, und nicht die ISO. Das ICAO-Dokument 9303 bestimmt in Teil 1 die Formate für maschinenlesbare Reisedokumente. Die 6. Ausgabe von Teil 1 des Dokuments wurde von der ICAO im Jahr 2006 veröffentlicht und besteht aus zwei Bänden: Der erste Band beschreibt „"Reisepässe mit in maschinenlesbaren Daten im Texterkennungsformat"“, der zweite Band beschreibt „"Spezifikationen für elektronische Reisepässe mit biometrischen Identifizierungsfähigkeiten"“ unter Verwendung eingebetteter RFID-Chips. Das ICAO-Dokument 9303 ist seit 2015 in der 7. Auflage verfügbar und enthält Vorgaben für maschinenlesbare Reisepässe, Visa und Ausweise. ID-000. Das ID-000-Format hat eine Größe von 25 mm × 15 mm. Dieses Format wird hauptsächlich für SIM-Karten in Mobiltelefonen verwendet und wird dort Mini-SIM genannt.
Melba Moore, eigentlich "Beatrice Melba Hill", (* 29. Oktober 1945 in New York City, New York) ist eine US-amerikanische R&B-Sängerin und Schauspielerin. Von 1975 bis 2011 hatte sie 33 Hits in den amerikanischen R&B-Charts. Zweimal erreichte sie die Spitze: 1986 mit "A Little Bit More" und 1987 mit "Falling". Im Standardwerk "Top R&B Singles 1942-1995" wird sie auf Platz 18 der erfolgreichsten Künstler der 1980er Jahre gelistet. Karriere. Melba Moores Karriere begann 1967 mit der Rolle der "Sheila" in der Off-Broadway- und ab 1968 Broadway-Produktion des Musicals "Hair". 1970 gewann sie einen Tony Award als „Beste Nebendarstellerin in einem Musical“ für ihre Rolle der "Lutiebelle Gussie Mae Jankins" in "Purlie". 1978 trat sie neben Eartha Kitt als Marsinah in "Timbuktu!" auf. Gemeinsam mit Clifton Davis moderierte sie 1972 eine eigene Fernsehshow. Ab Mitte der 1970er Jahre hatte Moore auch Erfolg mit ihren Schallplatten. Ihr Debütalbum "I Got Love" brachte ihr 1970 eine Grammy-Nominierung als bester Newcomer; 1976 wurde sie für ihre Aufnahme "Lean On Me" – in der sie einen Ton 35 Sekunden lang hält – in der Kategorie „Beste R&B-Darbietung einer Sängerin“ "(Best Female R&B Vocal Performance)" ebenfalls für einen Grammy nominiert. "This Is It" war 1976 ihr einziger Top-10-Erfolg in Großbritannien und auch ein Platz eins in den dortigen Disco-Charts. Weitere Hits wie "You Stepped Into My Life" (1978), "Love's Comin' at Ya" (1982), "Read My Lips" (1985) und "Falling" (1987) folgten. Sehr erfolgreich waren auch ihre Duette "A Little Bit More" (1986) und "I Can´t Complain" (1988) mit dem R&B-Sänger Freddie Jackson. 1979 erhielt Moore eine kleine Rolle in der Verfilmung von "Hair"; 1986 war sie eine Saison lang Star ihrer eigenen Sitcom "Melba", die allerdings nach wenigen Episoden abgesetzt wurde. 1990 nahm Moore mit anderen afroamerikanischen Künstlern wie Anita Baker, Dionne Warwick und Stevie Wonder das Lied "Lift Ev'ry Voice and Sing" auf, das Lied der afroamerikanischen Bürgerrechtler. Nicht zuletzt aufgrund dieser Veröffentlichung wurde das Lied im "Congressional Records", dem Amtsblatt des US-Kongresses als offizielle Nationalhymne der Afroamerikaner anerkannt. Es wurde ihr letzter Top-10-Erfolg in den R&B-Charts. 1998 startete sie ihre One-Woman-Show "Sweet Songs: A Journey In One Life". In den 2000er Jahren wandte Moore sich der Gospel-Musik zu. Gelegentlich tritt sie weiterhin in Broadwayshows auf. 2003 spielte sie in dem Film "Fighting Temptations" an der Seite von Cuba Gooding, Jr. und Beyoncé Knowles. Privat. Im September 1974 heiratete Melba Moore den Musikmanager und Geschäftsmann Charles Huggins, von dem sie eine Tochter hat. Moore und Huggins ließen sich 1991 scheiden. In späteren Interviews berichtete Moore, dass sie in den folgenden Jahren über eine Million US-Dollar verlor. Sie sei außerdem auf Sozialhilfe und Essensmarken angewiesen gewesen. 1999 reichte Huggins Klage gegen Moore mit der Begründung ein, sie habe ihn öffentlich diffamiert, indem sie behauptete, er habe sie wirtschaftlich missbraucht. 2015 wurde Huggins wegen des Betreibens eines Schneeballsystems zu zehn Jahren Haft verurteilt. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich Moore und Huggins versöhnt und Moore gab bereits 2014 öffentlich bekannt, hinter ihrem Exmann zu stehen. Diskografie. Studio- und Livealben. Weitere Studioalben Singles. Weitere Singles
Il ritorno di Tobia ("Die Heimkehr des Tobias") ist ein Oratorium von Joseph Haydn (Hob. XXI:1) in zwei Teilen. Geschichte. Haydn komponierte "Il ritorno di Tobia" 1775 für die Wiener Tonkünstler-Societät. Er richtete sich bei der Wahl des Stoffes und dessen Ausgestaltung ganz nach dem Wiener Musikgeschmack der 1770er Jahre: So ließ er das Libretto von Giovanni Gastone Boccherini, einem Bruder des Komponisten und Cellisten Luigi Boccherini, in italienischer Sprache verfassen, wie es in Wien Ende des 18. Jahrhunderts Mode war. Mit der Handlung, die dem Buch Tobit entlehnt ist, thematisierte Haydns erstes Oratorium einen äußerst populären Stoff, der damals in Musik, bildender Kunst und Literatur allgegenwärtig war. Bezüglich der Handlung beschränkt sich Boccherinis Libretto auf die letzten Kapitel des Buchs Tobit, nämlich die Rückkehr des Sohnes aus der Fremde und die Heilung des Vaters von seiner Blindheit. Von den Abenteuern der Reise und der Eheschließung mit Sarah erfährt der Zuschauer nur aus den Berichten des Heimgekehrten. Dadurch stehen nicht Konflikte und Geschehnisse, sondern die Emotionen der Handelnden im Mittelpunkt, die dafür gemäß der Forderung nach Einheit von Ort, Handlung und Zeit in Echtzeit begleitet werden können. Ebenso entsprach Haydns Vertonung des Stoffs ganz den Erwartungen des Publikums. Wie in einer Opera seria kommt der Chor lediglich zu Beginn, in der Mitte und am Ende des Werks zum Einsatz, den Großteil des Oratoriums dominiert der stete Wechsel von Arie und Rezitativ. Letztere begleitet meist das volle Orchester, das die Erzählungen von Abenteuern und durchlittenen Emotionen effektvoll und dramatisch untermalt. Hoch virtuose Arien und strahlende Chorsätze vollenden Haydns Oratorien-Erstling, dessen Uraufführung im April 1775 dem Komponisten erwartungsgemäß große Anerkennung und der Tonkünstler-Sozietät einen beachtlichen finanziellen Erfolg bescherte. Für das Jahr 1781 wurde in Wien eine Wiederaufnahme von "Il ritorno di Tobia" geplant, die jedoch zum Scheitern verurteilt war: einerseits weil man Haydn für die notwendigen Kürzungen nicht bezahlen wollte, zum anderen, weil sich für die besonders anspruchsvolle Partie der Anna keine geeignete Solistin fand: Anders als bei der Uraufführung standen als Solisten nicht Sänger aus Haydns Ensemble am Hof Esterházy zur Verfügung, sondern die weniger gut ausgebildeten Sänger des Tonkünstler-Vereins. Drei Jahre später überarbeitete Haydn das Oratorium, kürzte und vereinfachte die Solopartien und lockerte die strenge Form auf, indem er zwei weitere Chorsätze hinzufürgte ("Ah, gran Dio!" und "Svanisce in un momento"), die in der Mitte des ersten bzw. zweiten Teils stehen. Trotz aller Änderungen und Kürzungen geriet auch diese Wiederaufnahme des Oratoriums zum Misserfolg. Der Musikgeschmack des Publikums hatte sich binnen zehn Jahren schlicht zu stark gewandelt. Im Gegensatz zu den Publikumslieblingen unter Haydns Oratorien, "Die Schöpfung" und "Die Jahreszeiten", ist "Il ritorno di Tobia" in den letzten Jahrhunderten fast völlig in Vergessenheit geraten. Dies dürfte zum einen daran liegen, dass die handlungs- und konfliktarme biblische Geschichte des Tobias, der aus der Fremde zurückkehrt und seinen Vater von dessen Blindheit heilt, heute kaum noch als attraktiver Oratorienstoff gelten kann, wenngleich die meisterhaft vertonten Arien und Chorsätze von "Il ritorno di Tobia" in ihrer Strahlkraft denen der im heutigen Konzertleben allgegenwärtigen "Schöpfung" in nichts nachstehen. Darüber hinaus dauert eine Aufführung von "Il ritorno di Tobia" in der Urfassung fast drei Stunden. Heutige Aufführungen begegnen diesem Umstand mit Kürzungen, die zum Teil so weit gehen, dass die Rezitative völlig weggelassen werden. Die in den Rezitativen beschriebene Handlung wird dann von einem Erzähler zusammengefasst. Besetzung. Solisten: Chor der Hebräer (SATB) und Orchester Ort des Geschehens ist das Haus der Eltern Tobias in Ninive. Musiknummern. "Sinfonia/Ouverture" "Parte Prima (Erster Teil)" "Parte Seconda (Zweiter Teil)" Zu den Rezitativen der Nummern 2, 4, 8, 10 und 16 fertigte Haydn Zweitfassungen an.
Als Zellkompartimente werden in der Biologie verschiedenartige Räume innerhalb einer Zelle bezeichnet. Auch innerhalb der Organellen sind einzelne Kompartimente strukturell voneinander geschieden. Im Gegensatz zu dem Begriff ‚Organell‘, der sich immer auf ein einzelnes Objekt bezieht (etwa "ein" Mitochondrium), wird der Begriff "Kompartiment" für die Summe aller gleichartigen zellulären Räume verwendet. Eine Zelle kann demnach viele Mitochondrien haben, aber nur ein mitochondriales Kompartiment. Auch das Cytoplasma ist ein Kompartiment, aber kein Organell. Weitere Kompartimente der Eukaryoten werden von den Komponenten des Endomembransystems (etwa der Innenraum des Endoplasmatischen Retikulums), dem Zellkern (Karyoplasma bzw. Kernmatrix), den Mitochondrien (Matrix), und – falls wie bei den Pflanzen und Grünalgen vorhanden – den Chloroplasten und anderen Plastiden (Stroma) sowie der Vakuolen und der Innenräume der Thylakoid gebildet. Eine spezielle Form ist zudem das Lytische Kompartiment. Kompartimente sind meist durch Biomembranen voneinander abgegrenzt, aber auch Bereiche der Zelle, die nicht durch eine Biomembran abgetrennt sind, können Kompartimente darstellen, wie das heterochromatische und das euchromatische Kompartiment im Zellkern. Mit Hilfe der von Eberhard Schnepf vorgeschlagenen Kompartimentierungsregel können Kompartimente der "plasmatischen"- oder der "nichtplasmatischen Phase" zugeordnet werden. Bedeutung von Zellkompartimenten. Die Zelle ist in unterschiedliche Reaktionsräume (Kompartimente) gegliedert, so dass auf engstem Raum verschiedene Stoffwechselreaktionen ermöglicht werden. Es entstehen unterschiedliche Mikroumgebungen. Viele der Organellen besitzen Biomembranen. Die Biomembranen stellen eine Abgrenzung kleinster Bereiche zur Umgebung dar und ermöglichen durch ihre steuerbare Durchlässigkeit eine selektive Permeabilität. In derartig abgetrennten Kompartimenten können unterschiedliche Vorgänge ablaufen, z. B. Entgiftungsprozesse, biochemische Reaktionen, die sich gegenseitig und damit den Chemismus der gesamten Zelle stören würden. Durch die Membranen der unterschiedlichen Kompartimente können außerdem Konzentrationsgradienten aufgebaut werden. Das heißt, dass sich die Konzentrationen gelöster Stoffe (z. B. Ionen wie Kaliumionen oder Calciumionen) auf den beiden Seiten der Membran unterscheiden. Dieses Konzentrationsgefälle kann z. B. von Proteinen genutzt werden, um Stoffe zu synthetisieren oder im Austausch gegen Ionen andere Ionen durch die Membran zu transportieren. Das Vorhandensein von Kompartimenten ermöglicht eine intrazelluläre Arbeitsteilung, durch die eine enorme Differenzierung und Leistungssteigerung der spezialisierten Zelle ermöglicht wird. Kompartimentierung ist somit auf zellulärer Ebene die evolutionäre Voraussetzung für die Entstehung komplexer, differenzierter Organismen. Die Unterteilung der Zelle in Reaktionsräume (Kompartimentierung) ermöglicht außerdem eine erhebliche Beschleunigung von Stoffwechselreaktionen. Die Konzentrierung der Metabolitteilchen auf kleinere Zellteilräume führt aufgrund der geringeren Diffusionsstrecken zu einer Erhöhung der Stoßwahrscheinlichkeit und des Reaktionsumsatzes (vgl. Ficksches Gesetz). Aber auch viele prokaryotische Zellen besitzen Kompartimente. Eines der bestuntersuchten ist der Periplasmatische Raum der Proteobakterien, der sich zwischen Cytoplasmamembran und äußerer Membran befindet. Dieses Kompartiment enthält unter anderem die Zellwand. Das Zellinnere von Planctomyceten ist ebenfalls stark kompartimentiert, ohne dass man bisher Einzelheiten über die Funktion der einzelnen abgegrenzten Räume kennt. Ein weiteres bakterielles Kompartiment, das bei Grünen Nichtschwefelbakterien vorkommt, sind Chlorosomen, die die lichtabsorbierenden Pigmente dieser phototrophen Bakterien enthalten.
Der U-Bahnhof Willy-Brandt-Platz (bis 1. Juli 1993 Theaterplatz) ist die Station im Netz der U-Bahn Frankfurt, die die Grundstrecken A und B verknüpft. Er wurde 1971 als Umsteigeknoten gebaut und ab 1974 in seinem heutigen Umfang in Betrieb genommen. Von hier aus gelangt man zu den Linien "U1, U2, U3" und "U8" (A-Strecke) sowie "U4" und "U5" (B-Strecke). Eingänge zum U-Bahnhof befinden sich direkt am Willy-Brandt-Platz, aber auch am 200 Meter entfernten Kaiserplatz. Er ist in drei Ebenen aufgeteilt. Mit dem Namen des Platzes wird an den ehemaligen Bundeskanzler Willy Brandt (1913–1992, Kanzler von 1969 bis 1974), der 1992 gestorben ist, erinnert. Aufbau. Verteilerebene. Die "B-Ebene" liegt direkt unter dem Platz und hat hauptsächlich Verteilerfunktion. Früher konnte man von hier direkt in das Einkaufszentrum des BfG-Hochhauses gehen. Es war die erste und bisher einzige direkte Verknüpfung zwischen einem Hochhaus und einem U-Bahnhof in Frankfurt. Aufgrund schlechter Umsätze und wegen Sicherheitsbedenken wurde sie nach dem Einzug der Europäischen Zentralbank in das Hochhaus anderweitig genutzt. Es blieb eine Passage zu einem Ausgang, die bald auch schloss. Heute beherbergt das Tiefgeschoss zum Teil den Club "Living XXL". Auf dieser Ebene verläuft aber auch der so genannte "Theatertunnel", ein Straßentunnel, der Bahnhofsviertel und Altstadt verbindet. U-Bahnhof und Straßentunnel wurden gemeinsam errichtet. Bahnsteigebenen. Darunter befindet sich die "C-Ebene" mit den zwei Bahnsteigen der "A-Linien" Richtung Südbahnhof und Heddernheim. Dieser Teil des Bahnhofs befindet sich unterhalb der "Friedensstraße", also einer Seitenstraße des Platzes. Ein weiterer Zugang befindet sich am Kaiserplatz. Eine weitere Ebene tiefer, in der "D-Ebene" liegen die Gleise der B-Linien Richtung Hauptbahnhof und Bockenheim und Preungesheim. Die ursprüngliche Planung für den Bahnhof sah vor, die kreuzenden Grundstrecken auch gleismäßig zu verbinden, um sowohl direkte Fahrten von der Hauptwache zum Hauptbahnhof als auch von der Konstablerwache nach Sachsenhausen zu ermöglichen. Aus Kostengründen entschied man sich 1966 gegen eine Gleisverbindung und ordnete beide Stationsbauwerke übereinander an. Architektur. Der Bahnhof wurde in offener Bauweise errichtet. Im Februar 1970 wurde auf dem damaligen Theaterplatz jeglicher Oberflächenverkehr eingestellt, um die Baugrube auszuheben. Ab Oktober desselben Jahres konnten Straßenbahnen den Platz über eine Baubrücke wieder passieren. Zum Wiederausbau dieser Baubrücke musste der Tramverkehr zwischen August und Dezember 1971 wiederum eingestellt werden, danach waren die Bauarbeiten so weit fortgeschritten, dass der Verkehr an der Oberfläche wieder passieren konnte. Die Station ist schlicht und funktional konzipiert. Vorwiegende Materialien sind orange und türkis lackiertes Metallblech sowie Waschbeton in der D-Ebene. Die Station soll in den kommenden Jahren umfassend erneuert werden. Dabei soll der Bahnhof die Elemente der benachbarten Gebäude aufgreifen. Stilisierte ionische Säulen sollen zum Beispiel in der C-Ebene die Nähe zum Hotel "Frankfurter Hof" am "Kaiserplatz" zeigen und ein speziell entwickeltes Lichtkonzept soll umgesetzt werden. Im Rahmen der Modernisierung wurden zwischen den Gleisen die „Säulen der Eintracht“ gestaltet: Elf Spieler und ein Trainer von Eintracht Frankfurt, die per Internet-Abstimmung ausgewählt wurden, werden seit Januar 2013 auf den zwölf tragenden Säulen gewürdigt. Dies sind Oka Nikolov, Uwe Bindewald, Bruno Pezzey, Charly Körbel, Jay-Jay Okocha, Uwe Bein, Jürgen Grabowski, Alexander Schur, Bum Kun Cha, Anthony Yeboah, Bernd Hölzenbein und als Trainer Jörg Berger.
Der Ausdruck Araberfeindlichkeit (auch "Antiarabismus" oder "Arabophobie") bezeichnet eine von Vorurteilen oder Feindseligkeit geprägte Haltung gegenüber Arabern. Antiarabismus wird häufig mit Feindseligkeit Muslimen gegenüber verwechselt. Typen des Antiarabismus. Christlich geprägter Antiarabismus in Europa, Amerika und Australien. Ein markantes Datum des Antiarabaismus in der westlichen Welt bildet die Synode von Clermont 1095, als Papst Urban II. zum Kreuzzug gegen die Sarazenen mobilisierte, in dem er neben den Türken namentlich die Araber angriff. In Spanien wurde im 15. Jahrhundert das Königreich Granada als letzter muslimischer Staat in al-Andalus zur Zielscheibe und schließlich 1492 erobert, nachdem es schon seit 1238 Kastilien gegenüber tributpflichtig gewesen war. Die Morisken, zum Christentum konvertierte Mauren (arabischsprachige Berber), wurden aufgrund des Dekrets von 1610 durch die spanische Inquisition von Spanien nach Nordafrika vertrieben. Das damals geprägte spanische Wort (siehe „Mauren“) brachte die tiefe Abwertung der Araber zum Ausdruck. 1830–1962 war Algerien von Frankreich besetzt bzw. war Teil des französischen Staatsgebietes. Während dieser Zeit wurden die nicht-weißen Franzosen (darunter auch Afroamerikaner) durch den rassistischen "Code de l’indigénat" diskriminiert. Die Diskriminierung betraf Araber, Berber und andere Kolonialvölker in Afrika gleichermaßen. 1961 kam es zum Massaker von Paris, das die Erschießung von etwa 200 friedlichen algerischen Demonstranten durch die französische Polizei bezeichnet. Die blutig verlaufene Massendemonstration wurde in den französischen Medien seinerzeit nahezu flächendeckend totgeschwiegen und erst mit großem zeitlichen Abstand zum Gegenstand einer öffentlichen Diskussion in Frankreich. Über erfahrenen Antiarabismus klagen Araber heute außer in Frankreich in Australien (z. B. während der Cronulla Riots), Großbritannien, USA und Tschechien. Organisationen, die sich für diskriminierte Araber einsetzen, gibt es in Großbritannien und den Vereinigten Staaten. Antiarabismus außerhalb Europas, Amerikas und Australiens. Über Rassismus klagen Araber vor allem in Israel, daneben aber auch in Côte d'Ivoire und Niger. Israel. Unter religiösen Israelis ist die Araberfeindlichkeit sehr hoch. 70 % der religiösen Lehramtsstudenten stimmten in einer 1994 erhobenen Befragung gegen eine Gleichberechtigung von Arabern und Juden. Dies liegt zum Teil in der Überschneidung von religiösen und kolonialen Interessen der Siedler. Im März 2012 zogen Hunderte Fans des Fußballclubs Beitar Jerusalem randalierend durch ein Einkaufszentrum. Dabei riefen sie: „Tod den Arabern“, bespuckten arabische Frauen und attackierten arabische Ladenbesitzer. Der gesamte Vorfall wurde von Überwachungskameras aufgenommen – dennoch wurde kein einziger Randalierer festgenommen. „Es hat niemand Anzeige erstattet“, begründete die israelische Polizei ihre tatenlose Zurückhaltung. 2015 stellt das deutsch-jüdische Online-Magazin "Hagalil" fest, man sehe in Israel Nach seiner Wiederwahl im März 2015 entschuldigte sich der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf Druck der USA für araberfeindliche Aussagen während des Wahlkampfs. Innermuslimischer Antiarabismus. Araberfeindliche Stereotype in den islamisierten Gebieten waren bereits im 7. Jahrhundert nach Christus bekannt. Der Nationalstaatswerdungsprozess etwa ab dem 19. Jahrhundert in Staaten mit nichtarabischer Bevölkerungsmehrheit oder Arabisch als Minderheitensprache, wie die Türkei, Albanien oder der Iran, ging mit einer selektiven Geschichtsschreibung einher. Die parallel durchgeführte Modernisierung war als europäischer Import oftmals antiislamisch artikuliert. Das Arabische, die Sprache des Propheten, des Korans wie der Hadithe stellte stets einen wichtigen Aspekt innerhalb der islamischen Religion dar und wurde nunmehr als Ausdruck von Rückständigkeit abgelehnt. Die Selbstidentifikation mit der vorislamischen Zeit, so mit einem imaginierten Türkentum zwecks Herstellung eines einheitlichen Staatsvolkes in der Republik Türkei oder die Bezugnahme auf das Reich der Achämeniden – gerade wegen der fehlenden Kontinuität für nationalistische Projektionen dienstbar – als Legitimation der durch einen Putsch an die Macht gelangenden Pahlavi-Dynastie, führte in der offiziellen Staatsdoktrin ebenfalls zu einer Ablehnung von Islam und Arabern. Zahlreiche Intellektuelle übernahmen die antiislamische Argumentation der Kolonialmächte, welche zwischen Muslimen und Arabern nicht unterschieden und die Rückständigkeit mit dem Islam wie der Herkunftsregion der Religion erklärten, und griffen hierbei teilweise auf Vorurteile der Vergangenheit zurück. Andere Vorurteile wie die des arabischen Verräters in der Türkei rühren aus dem Ersten Weltkrieg her. Sansibar. In Sansibar beendete 1964 die Revolution von Sansibar die seit Jahrhunderten bestehende Herrschaft der arabischen Minderheit über die Insel. Im Zuge der „sozialistischen Revolution“ wurden die „Kapitalisten“ unter den Arabern enteignet, ein Teil der Araber (die genaue Zahl steht nicht fest) wurde aufgrund ihrer Ethnie von den Nachkommen der schwarzafrikanischen Sklaven getötet. Marokko. Die mit der Islamisierung einhergehende Arabisierung in Marokko transformierte das multi-ethnische Nordafrika nicht. Bedeutende islamische Dynastien wie die Almohaden und Meriniden waren Berber. Die aus Jemen stammenden Saadier und besonders die aus Westarabien kommenden Alawiden gelang nach den Zerfall des Reiches eine Einigung des Landes wie die Selbstbehauptung gegenüber der portugiesischen, später osmanischen Expansion. Sie unterstützten 1844 den Widerstand von Abd el-Kader gegen die französische Kolonialmacht in Algerien, doch unterließen sie nach der vernichtenden Niederlage in der Schlacht am Jsly aus dynastischen Gründen weitere Unterstützung. Im Rifkrieg 1921–1926 führte Abd el-Krim im spanisch besetzten Teil Marokkos den Widerstand an. Nachdem die Erhebung auch das französische Protektorat betraf, hielt sich der entmachtete Sultan Mulai Yusuf bedeckt, nicht zuletzt weil die proklamierte Rif-Republik die dynastische Herrschaft gefährdete. Sultan Mohammed V. setzte nach seiner Rückkehr aus dem Exil auf eine Arabisierung des Landes. Diese war antikolonialistisch motiviert, betraf aber nunmehr die kaum oder nichtarabisch sprechende Bevölkerung. Unter Beibehaltung der französischen Institutionen sollte die Arabische Sprache als alleinige Amts- und Verkehrssprache durchgesetzt werden, womit eine Ausschluss der Berber vom neuen Staat einherging. Nach der französischen Kolonialpolitik, welche die Stammes- und Religionsidentität der Marokkaner durch eine ethnisierende Dichotomie Araber vs. Berber untergrub, um letztlich das Land vollständig zu unterwerfen und an europäische Siedler zu verteilen, trug die nationale Arabisierungspolitik weiterhin zur Vertiefung der kolonialen Spaltung bei. Das kolonialistische Zerrbild wurde vielfach übernommen. Zur Zeit der Arabisierungspolitik wurde beispielsweise die kolonialistische Unterscheidung zwischen zivilisierte Europäer und barbarische Araber wie Berber als partiell edle Wilde nunmehr in der Geschichtsdarstellung des Landes fortgeführt. Arabische Zivilisation wurde der berberischen Barbarei gegenübergestellt. Die Sakralität des in arabischer Schrift verfassten Korans wurde als Vorwand für die nationale Arabisierung genommen, um die ethnische und kulturelle Diversität Marokkos auszulöschen. Im Gegenzug bewirkte dies eine Re-Aktivierung der vorislamischen Geschichte unter nationalistischen Berbern wie die selektive Betrachtung berberischer Dynastien, obgleich unbestritten ist, dass an Glaubenseifer keine arabische Dynastie Marokkos je die berberischen Almohaden übertraf. Ergebnis der Arabisierungspolitik war die Konstruktion der nationalen Identitäten Araber und Berber, welche mit einer Marginalisierung der Letzteren einherging und eine Frontstellung schuf, die erst seit dem Regierungsantritt Mohammed VI. und der Rücknahme der strikten Arabisierungspolitik aufgeweicht wird. Algerien. Die Arabisierung Algeriens im 11. Jahrhundert ging mit einer Vertreibung der Kabylen in die landwirtschaftlich weniger ertragreichen Gebiete, besonders in die Gebirgsregion einher. Die Verehrung der Ahnen, die besondere Stellung der Frau, Oralität und Subsistenzwirtschaft waren den kabylischen Gemeinschaften eigen. Im Mittelalter konnte die Berberdynastie der Ziyaniden mit einer geschickten Bündnispolitik sich den Einfluss Marokkos wie Tunesiens erwehren. Im 16. Jahrhundert prägte die Einwanderung der aus Spanien vertriebenen Morisken, die Eroberung algerischer Städte durch das spanische Imperium wie das Bündnis der Barbaresken mit den Osmanen die Geschichte Algeriens. Die Eroberung Algeriens 1830 stellte eine Zäsur dar, nicht zuletzt wegen der Zerschlagung der Stammeskulturen und eine in den nächsten Jahrzehnten verfolgte Kolonialpolitik, die Muslime in unwirtliche Gegenden im Sünden vertrieb und Franzosen wie später Spanier und Belgier ansiedelte, um die Produktion im Mutterland zu steigern. Frankreich stiftete ähnlich wie in Syrien mit der assyrischen Kirche, in Libanon mit der imaginären Herkunft aus Phönizien auch in Algerien einen Mythos, demnach die Berber ein geschlossenes Kollektiv bilden würden. Nach der Entkolonisierung betrieb die FLN zwecks Nationenbildung eine strikte Arabisierungspolitik, welche im Gegenzug eine antiarabische, teils antiislamische Berberbewegungen provozierte. Darstellung in der Kunst. Mehrere Spiel- und Dokumentarfilme behandeln das Thema Antiarabismus.
Die Vereinigung Tartarus war eine von 1885 bis 1892 bestehende Studentenverbindung an der Kunstakademie in Düsseldorf. Geschichte. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts brachen die Gräben innerhalb der Düsseldorfer Künstler immer weiter auf. Auf der einen Seite standen die Künstler und Lehrer der Akademie, in ihrer Tradition der Düsseldorfer Malerschule ergeben und reichstreu, wie beispielsweise Theodor Rocholl, Johann Peter Theodor Janssen oder Fritz Neuhaus. Auf der anderen Seite verlangte der akademische Nachwuchs um eine ehrliche Schilderung der Wirklichkeit, befreit von der deklamatorischen Figuration und revoltierten gegen Akademismus. Die Studenten der Akademie hatten oft zusammen über Jahre in einer Malklasse gearbeitet, sich dort ausgetauscht und näher kennengelernt und so trafen sie sich auch außerhalb des Akademiebetriebes um sich über das gesellschaftliche Leben und das Studium auszutauschen. Um 1885 gründete Peter Philippi mit Kommilitonen die Studentenvereinigung „Tartarus“ als Kneipgesellschaft. Den Namen entnahmen die Gründer aus der griechischen Mythologie, dem personifizierten Teil der Unterwelt Tartaros, den finsteren Abgrund, nach Homer so tief wie der Himmel über der Erde. Dort, wo Zeus seine Gegner stürzte, wurde zur scherzhaften Bezeichnung für die Versammlungen, welche in Hinterzimmer von Kneipen stattfanden. Sie, die „Tartaren“, sahen sich selbst aus dem Ort des Frevels kommend, als Unruhestifter oder Provokateure. Philippi wurde als streitbarer Mensch geschildert, der sich offen für Kultur- und Kunstkritik zeigte. So schrieb er: Die Vereinigung gab sich unter dem 20. Januar 1886 schriftlich niedergelegte Statuten mit einem Biercomment im Anhang. Im Allgemeinen verliefen die Kneipenzusammenkünfte der „Tartaren“, wie sie sich selber nannten, ähnlich der Regeln, die in Corps und Burschenschaften Usus waren. Man sprach an Tartarusabenden vom Präses, Fuchsmajor, von Chargen und dem Convent. Es wurde ein Zirkel geführt. Unregelmäßig brachte die Studentenvereinigung unter dem Namen „Tartarus“ eine Zeitung heraus. Mitglieder gaben sich Pseudonyme, welche besondere Eigenschaften der Person oder Stellung in der Gemeinschaft unterstrichen. Karl Krummacher führte wegen seiner Sangesfreudigkeit und seiner wallenden Künstlermähne den Namen „Apoll“. Heinrich Vogeler wurde „Mining“ genannt, nach einer Romanfigur von Fritz Reuter. Thomas Theodor Heine schrieb 1941 in seinem satirischen Lebenslauf [es ist keine Selbstbiographie] "Ich warte auf Wunder" im Kapitel "Wege zur Kunst:" „In der „Amicitia“ [Tartarus] bekommt jeder einen Kneipennamen. Hardekopp [hier er selber] zum Beispiel ist „Rembrandt“ genannt worden, weil er ihm so ähnlich sieht.“ Um 1900 waren die Studenten in der Mehrzahl national eingestellt, was nicht als politisch, sondern als selbstverständlich galt, eine Erbschaft der Studentenverbindungen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Noch um 1850 war der Nationalismus keineswegs die Regel. Die Akademiestudenten waren juristisch, kulturell und gesellschaftlich in sich schon eine relativ geschlossene Gruppe, welche in ausgeprägter Traditionen Gruppenbewusstsein aufwiesen, jedoch gesellschaftlich noch nicht integriert und so auch Kompromissen weitgehend ablehnend gegenüberstehend. In ihren politischen Ideen und Idealen neigten sie deshalb zum Rigorismus und begriffen sich selbst als Elite. Anhand der Schülerlisten der Kunstakademie lässt sich die Verbindung von Studenten in der Gemeinschaft „Tartarus“ in ihren Auswirkungen auf das Akademiestudium rückwirkend schließen. Bei abweichenden gesellschaftspolitischen Standpunkten, unterschiedlichen künstlerischen Auffassungen, mitmenschlichen Problemen kam es oftmals zum Bruch innerhalb der Gemeinschaft in der Gruppe „Tartarus“. Die Gruppenmitgliedschaft implizierte größtenteils gleiche Meinungen vertreten zu wollen. Konflikten mit Andersdenkenden, der wachsende Antisemitismus und germanisch-völkische Denkweise strahlten in Wechselwirkung auf die Akademie aus. Dies führte, je nach Einstellung der unterrichtenden Professoren, zu abweichenden Benotungen bis hin zu Verweisen von der Akademie, so wie auf der anderen Seite zu Ausschlüssen von Kommilitonen aus dem Verein „Tartarus“. Beispielsweise wurde nach einer Auseinandersetzung zwischen dem bekennenden Antisemit Friedrich Bindewald und Thomas Theodor Heine dieser für ein Jahr der Akademie verwiesen und wechselte anschließend nach München.
Julija Wiktorowna Djomina (, beim Weltschachbund FIDE "Julia Demina"; * 3. Februar 1969 in Swerdlowsk) ist eine russische Schachspielerin. Leben. Ihr Vater, ein Härter bei der Maschinenfabrik Uralmasch in Swerdlowsk, brachte Djomina das Schachspielen bei. Als Kind trainierte sie auch Eiskunstlauf und hatte die erste Kategorie. Im Schach wurde sie anfangs von Walentin Melnikowski und später von Michail Solowjow und Alexander Chassin betreut. Im Jahr 1981 gewann sie die russische Meisterschaft der weiblichen Jugend in Jelez. Nach drei Jahren teilte sie den dritten Platz mit Tamara Kogan beim Qualifikationsturnier zur Jugendweltmeisterschaft in Ternopil. Im Jahr 1985 siegte sie vor Swetlana Prudnikowa und Elena Sedina bei der sowjetischen Meisterschaft der weiblichen Jugend in Sotschi. Beim Tschigorin-Memorial 1987 in Sotschi wurde sie Erste vor Jelena Achmylowskaja. Im selben Jahr zog Djomina nach Nowosibirsk. Mit der Mannschaft des Sibirischen Militärbezirkes gewann sie die Meisterschaft der sowjetischen Streitkräfte 1987 in Swerdlowsk und 1988 in Riga. Im Jahr 1988 nahm sie als Ersatzspielerin für Nona Gaprindaschwili zum ersten Mal an der UdSSR-Frauenmeisterschaft teil. Die gleichzeitig als Zonenturnier ausgetragene Meisterschaft in Alma-Ata gewann sie mit 12 aus 17 Punkten. Beim Internationalen Schachfestival in Biel 1989 wurde sie Erste vor Marta Litinskaja und Alisa Marić im Frauen-Open. Im Jahr 1991 teilte Djomina den ersten Platz mit Litinskaja, Swetlana Matwejewa, Soja Popowa, Ainur Sofieva und Irina Tscheluschkina beim Zonenturnier in Leningrad. Im Jahr 1988 verlieh ihr die FIDE den Titel Internationale Meisterin der Frauen. 1991 wurde sie Großmeisterin der Frauen. Den Titel "Internationaler Schiedsrichter" trägt sie seit 2018. 1995 in Elista und 1999 in der Oblast Moskau holte sie das Gold bei der russischen Meisterschaft der Frauen. Dreimal gewann die inzwischen in Sankt Petersburg lebende Djomina mit örtlichen Mannschaften die russische Mannschaftsmeisterschaft der Frauen in Sotschi: 2004 mit FINEC, 2008 mit FINEC-1 und 2010 mit der Schachföderation Sankt Petersburg. Beim Rudenko-Memorial 2008 in Sankt Petersburg teilte sie den 1.–3 Platz mit der Siegerin Walentina Solowjowa und Tatjana Moltschanowa. Djomina nahm an drei Interzonenturnieren der Frauen teil. Ihr bestes Ergebnis war ein geteilter fünfter Platz im Genting Highlands Resort 1990. Bei der Schachweltmeisterschaft der Frauen 2000 in Neu-Delhi scheiterte sie in der dritten Runde an Peng Zhaoqin. In den Jahren 1992 und 1998 (in der dritten Mannschaft) spielte sie mit russischen Mannschaften bei den Schacholympiaden der Frauen, 1992 und 1999 bei den europäischen Mannschaftsmeisterschaften der Frauen. Sie nahm zwischen 1996 und 2008 siebenmal am European Club Cup für Frauen teil. 1996 erreichte sie mit Empils aus Rostow am Don in Smederevska Palanka den dritten, 2004 mit FINEC in Izmir den zweiten Platz. Ihre höchste Elo-Zahl betrug 2405 im Juli 1991. Privates. Djomina ist mit dem Großmeister Marat Makarow verheiratet und hat mit ihm zwei Söhne.
Diese Liste gibt den Fortschreibungsstand vom 31. Januar 2015 wieder und enthält 377 Baudenkmäler. Ensembles. Ensemble Altstadt Forchheim. Das Ensemble () umfasst den Stadtkern Forchheims innerhalb der frühneuzeitlichen Befestigung in seinen im historischen Bestand noch erhaltenen Bereichen. Die Altstadt lässt die verschiedenen Phasen des Stadtwachstums sowie die Nutzungen und sozialen Schichtungen der Quartiere noch gut ablesen, Reste der bastionären Befestigung haben sich bewahrt oder ihr Verlauf ist in der Straßenführung noch nachzuvollziehen. Den Kernpunkt der Entwicklung bilden die bischöfliche Burg und die frühe Pfarrkirche Sankt Martin. Bereits im 8. Jh. kam es zur Anlage eines Königshofes und einer Pfalz innerhalb der heutigen Altstadt. An zwei Stellen, unter dem Rathaus und östlich des Wilhelm-Kleemann-Weges, wurden in den letzten Jahren Fundamentreste von Gebäuden aus dieser Zeit gefunden. Aufenthalte fränkischer Könige seit der Mitte des 9. Jahrhunderts bezeugen das Bestehen einer Reisepfalz, die unter Arnulf von Kärnten (887–899) ihre Blüte hatte. Ob diese an der Stelle der später erbauten Bischofsresidenz lag, ist unwahrscheinlich (vermutlich westlich der Pfarrkirche). Entscheidend für Forchheims weitere Entwicklung bis 1802 ist Heinrichs II. Schenkung des königlichen Gutes an das von ihm begründete Bistum Bamberg 1007. Bischof Otto der Heilige (1102–1139) errichtete ein neues bischöfliches Haus und eine Marienkapelle, die im Kern noch heute besteht. Um die Pfarrkirche, seit 1354 Kollegiatstift, wurden seit dem 15. Jahrhundert die Höfe der Kanoniker errichtet, wodurch sich dort ein eigener geistlicher Bezirk bildete. Im Stadtgrundriss sind noch deutlich Burg und Kirche mit der umgebenden, ringförmigen Bebauung erkennbar. Wann Forchheim die Stadtrechte erhielt, ist nicht bekannt. In einer Urkunde von 1310 wird es als "civitas" bezeichnet. Eine Judengemeinde ist für 1289 im Zusammenhang mit einem Pogrom bezeugt (nach Wiederansiedlung wurden die Juden 1400 unter bischöflichen Schutz gestellt, 1499 ausgewiesen, Mitte 17. Jahrhundert war wieder eine jüdische Gemeinde vorhanden, 1763 die drittgrößte im Hochstift Bamberg). Entlang der Hauptstraße entstand im 12./13. Jahrhundert eine planmäßige Stadterweiterung als neues bürgerliches Zentrum. Nach Norden weitet sich die Straße zum alten Marktplatz und dem ehemaligen Eiermarkt, das ist der heute Hauptstraße genannte Teil, der zur Wiesent nach Norden führt, und dem Platz vor dem Rathaus, dem ehemaligen Grünen Markt. Beherrschend ist die spätmittelalterliche Fachwerkhausgruppe mit dem Rathaus. Dahinter erhebt sich die abgeschiedene Stadtpfarrkirche Sankt Martin, hochaufragend wirkt sie ins Platzbild hinein. Die Hauptstraße, noch im 19. Jahrhundert schlechthin die Stadt genannt, prägt das charakteristische Nebeneinander von eng gereihten Fachwerkbauten, zum Teil verputzt, und Sandsteinbauten, wobei die Giebelstellung überwiegt. Nach Süden endet sie da, wo heute der Paradeplatz ansetzt, an der Stelle des abgegangenen Nürnberger Tores (Bettlerturm). In dieser prominenten Lage der ehemaligen Hauptverkehrsstraße Bamberg–Nürnberg waren Gasthäuser ebenso zu finden wie Händler mit ihren Läden. Auch die rückwärtigen Bereiche wurden bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts überbaut, so dass nur wenige Freiflächen und Gärten übrig blieben. Von der Hauptstraße zweigen rechtwinklig kleinere Gassen ab, in denen sich in weniger prominenter Lage Handwerker und Ackerbürger befanden. Um 1300 wurde der Bereich zwischen der späteren Bischofsburg im Westen, der Hornschuchallee im Osten, dem Katharinenspital im Norden und dem Paradeplatz im Süden mit einer Mauer umfasst. Im späten 14. Jh. erfolgte die Errichtung der bischöflichen Stadtburg mit ihren bedeutenden Wandmalereien. Der Verlauf dieser Stadtmauer ist noch in der teilweise gekrümmten Straßenführung, beispielsweise am nördlichen Paradeplatz, zu erkennen. Außerhalb der ummauerten Stadt entwickelten sich seit dem 14. Jahrhundert Vorstädte, vor allem entlang der Ausfallstraße nach Norden und Süden. Im Osten vor der Stadtmauer entstand ein vorwiegend ackerbürgerlich geprägter Bereich, im Norden ein Scheunenviertel und entlang der Wiesent gab es zahlreiche Mühlen. Mit dem Ausbau Forchheims zur südlichen Landesfestung des Fürstbistums Bamberg ab 1553 wurden diese Vorstadtbereiche in das bastionäre Befestigungssystem einbezogen. In dieser um fast zwei Drittel vergrößerten Stadtfläche zeichneten sich noch bis ins 19. Jahrhundert der Stadtkern und die späteren Erweiterungen ab. Ein großer Teil der von den Bastionen umgebenen Fläche war bis ins 19. Jahrhundert hinein nicht überbaut und wurde als Gartenland genutzt. Mitte des 17. Jahrhunderts war ein Franziskanerkloster, später Redemptoristenkloster Sankt Anton, am Ostrand der Stadt gegründet worden. Ein großer barocker Umbau war ausgeblieben, wohl auch bedingt durch den engen Gürtel der Befestigung. So ist in der Stadtanlage noch weitgehend das mittelalterliche System erhalten. Das geschlossene Ortsbild ist geprägt durch eine Vielzahl von Fachwerkbauten, teils noch mit mittelalterlichem Kern, und vornehmen barocken Sandsteinhäusern. Seit 1875 bis nach dem Ersten Weltkrieg änderte sich das Stadtbild durch das schrittweise Abtragen der Befestigung. Im Zweiten Weltkrieg blieb die Altstadt Forchheim von Bombenangriffen weitgehend verschont. Die Altstadt ist jetzt Einkaufszentrum, die Straßen sind teilweise Fußgängerzone, Häuser wurden zur Geschäftsnutzung umgebaut. Aktennummer: E-4-74-126-8. Stadtbefestigung. Nach dem Markgräflerkrieg 1552 wurde Forchheim zur Festung ausgebaut. Die Festungswerke wurden nach dem Dreißigjährigen Krieg teilweise erneuert und modernisiert. Die Bastionärbefestigung () (Aktennummer D-4-74-126-3) besteht aus geböschten Mauern aus Sandsteinbuckelquadern. Davon sind erhalten: Ansichten der erhaltenen Festungsanlage von Nordosten entgegen dem Uhrzeigersinn: Innerhalb der Festungsanlage sind noch Reste der Stadtmauer enthalten.
Kurtiella pedroana ist eine Muschel-Art aus der Familie der Linsenmuscheln (Montacutidae). Die Art lebt kommensal in der Kiemenhöhle des Zehnfußkrebses "Blepharipoda occidentalis" Randall, 1840. Merkmale. Das oft etwas ungleichklappige, mäßig aufgeblähte Gehäuse ist eiförmig und am Vorderende etwas gelängt. Der Vorderrand ist stark, der Hinterrand weniger stark gekrümmt. Der Ventralrand ist fast gerade. Die vergleichsweise großen Gehäuse werden bis 9,2 mm lang. Die Höhe erreicht etwa 80 % der Länge. Die opisthogyraten Wirbel sitzen etwas hinter der Mitte der Gehäuselänge. Das Gehäuse ist am Vorderende oft geringfügig nach der einen oder anderen Seite verdreht. Dadurch ist auch eine Klappe etwas weniger stark aufgebläht. Das Schloss besitzt unter dem Wirbel ein kräftig ausgebildetes Resilium, das in einem tiefen Resilifer sitzt. Es ist kein externes Ligament vorhanden. Die rechte Klappe besitzt einen vorderen, langen und einen hinteren, kürzeren lamellenartigen Zahn. Die beiden Lamellen divergieren v-förmig zu beiden Seiten des Resiliums. Der dorsale Gehäuserand und die beiden lamellenartigen Zähne schließen jeweils eine Längsgrube zwischen sich ein. Die linke Klappe besitzt zwei dünne Lamellen, etwa parallel zum dorsalen Gehäuserand, die in die beiden Längsgruben der rechten Klappe passen. Die Schalen sind vergleichsweise dünn. Die Oberfläche ist kreidig-weiß mit groben, unregelmäßigen, konzentrischen Anwachslinien. Das Periostracum ist dick, gelb bis braun-schwarz gefärbt. Der Prodissoconch misst 37 μm in der Länge. Die Mantelränder sind am Hinterrand verwachsen, von der "Ferse" des Fußes bis zum Wirbel. Ausgenommen von der Verwachsung ist ein Bereich im hinteren Teil des Ventralrandes für das ausströmende Wasser. Die freien Enden des Mantels sind etwas verdickt und mit kurzen, stumpfen Ausstülpungen (Papillen) besetzt. Die Mantelränder lappen nicht auf die äußere Gehäuseoberfläche über. Die Muskeleindrücke sind deutlich ausgeprägt. Der vordere Schließmuskel ist länglich, der hintere Schließmuskel rundlich. Die beiden Fußretraktormuskeln sitzen direkt bei den Schließmuskeln. Die Mantellinie ist vollständig. Der muskulöse Fuß ist spatenförmig mit einer mehr oder weniger deutlichen Sohle. Die ventrale Längsgrube erstreckt sich über fast die gesamte Länge des Fußes. Sie ist begrenzt von drüsigen Gewebe; an der "Ferse" sitzt eine Schleimdrüse. Die Kiemen bestehen nur aus dem inneren Halbblatt. Die Lamellen sind nur durch wenige Lamellenbrücken miteinander verbunden. Der Kiemenraum dient als Brutkammer, in der die Eier bzw. die sich entwickelnden Larven zurückgehalten werden. Die Labialpalpen sind klein. Der Schlund (Oesophagus) ist mäßig kurz und weitet sich gleichmäßig zum einfachen Magen hin. In die große Zentralkammer öffnen sich drei Gänge der Verdauungsdrüsen. Der Sack des Kristallsacks ist lang, zeigt ziemlich genau nach hinten und verläuft parallel dem Enddarm. Der Mitteldarm ist getrennt vom Sack des Kristallstiels und verläuft direkt ohne Schleife. Die Gonaden können Eier und Spermien enthalten, die Tiere sind also echte simultane Hermaphroditen, zumindest zu einem bestimmten Zeitpunkt im Lebenszyklus. Geographische Verbreitung, Lebensraum und Lebensweise. "Kurtiella pedroana" lebt mit Byssusfäden an den Kiemen angeheftet in der Kiemenhöhle des Zehnfußkrebses "Blepharipoda occidentalis" Randall, 1840. Dort filtert die Muschel Nahrung aus dem vorbeiströmenden Wasser. Sie ernährt sich also nicht von ihrem Wirt, sondern wird als Kommensale von dessen Kiemenaktivität mit ausreichender Nahrung versorgt. Der Vorteil für die Muschel besteht darin, dass sie in den Kiemen vergleichsweise gut geschützt ist und durch den Wasserstrom durch die Kiemen des Wirtes mehr Nahrungspartikel bekommt als in der freien Meeresströmung. Dennoch kann diese Lebensweise den Wirt schädigen. Zwar wird die Sauerstoffaufnahme des Krebses durch die Muscheln, die sich an den Kiemen festgesetzt haben, nicht oder nicht messbar beeinträchtigt, jedoch kommt es an den Anheftungsstellen oft zu Nekrosen des Kiemengewebes. Die Existenz frei lebender Exemplare lässt aber darauf schließen, dass die Muschel auch ohne die interspezifische Wechselbeziehung mit dem Krebs "Blepharipoda occidentalis" lebensfähig ist. "Kurtiella pedroana" besitzt einen gut entwickelten Byssusapparat, der in der Lage ist, fast zu jeder Zeit und schnell, wenn es notwendig ist, neue Byssusfäden zu produzieren (z. B. wenn der Wirt seine Kiemen putzt und den Kommensalen losreißt). Das oft etwas ungleichklappige Gehäuse ist nicht korreliert mit der Position innerhalb der Kiemenhöhle des Krebses. Wie "Kurtiella pedroana" auf das periodische Häuten seines Wirtes reagiert, ist nicht bekannt. Denkbar wäre, dass "Kurtiella pedroana" zwischen zwei Häutungen einen Lebenszyklus vollendet oder dass die Muschel sich vom Häutungshemd löst und sich erneut an denselben Wirt (oder an einen anderen Wirt) anheftet oder auch zum freien Leben übergeht. "Kurtiella pedroana" wurde gelegentlich auch frei lebend gefunden. "Kurtiella pedroana" ist wirtsspezifisch und wurde bisher an den drei anderen Arten der Gattung "Blepharipoda" nicht nachgewiesen. Auch an den zwei nahe verwandten Arten von "Lophomastix" kommt "Kurtiella pedroana" nicht vor. Die Eier werden intern befruchtet und zunächst in der Mantelhöhle zurückgehalten. Dort entwickeln sich die Larven zu planktotrophen Veliger-Larven mit einem D-förmigen Prodissoconch mit einer Gehäuselänge von 157 bis 186 μm (Mittelwert: 175 μm). Taxonomie. Das Taxon wurde 1899 von William Healey Dall als "Mysella pedroana" aufgestellt. Die MolluscaBase stellt die Art in die Gattung "Kurtiella" Gofas & Salas, 2008.
Das Landeswappen Hessens zeigt im blauen Schilde einen von Rot und Silber geteilten, golden bewehrten Bunten Löwen. Hoheitszeichen des Landes. Das Landeswappen ist eines der Hoheitszeichen des Landes. Die gesetzliche Grundlage ist das "Gesetz über die Hoheitszeichen des Landes Hessen vom 4. August 1948". Im Jahr 1949 wurde dieses „Hoheitszeichengesetz“ geringfügig geändert – die Änderung ersetzte die dem Gesetz beigefügten Muster; die Muster aus dem Jahr 1948 waren noch nicht hinreichend zur Verwendung ausgearbeitet. Die Hoheitszeichen werden in den ersten Paragraphen des Gesetzes benannt: das Landeswappen, die Landesflagge, die Landesdienstflagge, das Landessiegel, das Amtsschild der Landesbehörden und die Landeskokarde. In der Auflistung von Bildern der Hoheitszeichen fehlt eine Darstellung der Landeskokarde. Die Farbgebung der Landesflagge folgt dem § 66 der Verfassung des Landes Hessen aus dem Jahr 1946: „Die Landesfarben sind rot-weiß.“ Geschichte des Wappens. Frühes Mittelalter, „Hessenlöwe“ und „Bunter Löwe“. Das Landeswappen Hessens und das Thüringer Landeswappen gehen zurück auf Siegel und Wappen aus dem Mittelalter. Das Wappentier in beiden Landeswappen und in einer Reihe weiterer Wappen wird „Bunter Löwe“ genannt. „Hessenlöwe“ ist die Bezeichnung des Löwen im Landeswappen Hessens. Diese Bezeichnung bezieht sich auf das silber-rot-gestreifte Wappentier mit der ausgeschlagenen Zunge in Rot. Es ist ein von Silber und Rot neunmal geteilter (d. h. zehnstreifiger) Löwe. Der Löwe wurde ursprünglich von den Ludowingern benutzt, die Landgrafen in Thüringen waren und im 12. und 13. Jahrhundert auch große Teile Nord- und Mittelhessens regierten. Er wird bis heute in Hessens Wappen verwendet. Die älteste Wappendarstellung ist die im Schild des Landgrafen Konrad von Thüringen († 1240), Ludowinger Regent von Hessen (bis 1234) und Hochmeister des Deutschen Ordens (ab 1239). Der Schild hing zeitweilig in der Marburger Elisabethkirche als Totenschild; mittlerweile ist er als Exponat einer Sammlung des Universitätsmuseums für Kunst und Kulturgeschichte der Philipps-Universität Marburg im Marburger Schloss ausgestellt. Geringfügig jünger (vermutlich 1240, dem Todesjahr Konrads) ist das Wappen des Konrad von Thüringen am Fuße seines Grabmals im Landgrafenchor der Marburger Elisabethkirche – links daneben das Wappen des Deutschen Ordens. Landgraf Heinrich I. von Hessen (1244–1308) führte nach dem 1264 erfolgten Erwerb des hessischen Territoriums den Löwen erstmals auf seinem für 1269 belegten großen Reitersiegel als „hessischen Löwen“ im Schild. Dies gilt als erster Beleg des hessischen Löwen als Wappen auf einem Siegel. Neben dem Schild des Landgrafen Heinrichs I., das nur in Ansätzen eine Kolorierung des Wappens aufweist, ist die Initiale im "Willehalm-Kodex" (1334, siehe Bild links) die erste farbige Darstellung des hessischen Wappens mit dem bunten Löwen. Die Initiale befindet sich am Beginn des Epos "Arabel", einer Vorgeschichte des Ulrich von dem Türlin zu dem Epos "Willehalm" des Wolfram von Eschenbach in einer Prachthandschrift. Ausgehendes Mittelalter und Neuzeit. Bis 1918 repräsentierten die Herrscherwappen zugleich die Länder. Die Entwicklung der hessischen Fürstenwappen ist typisch für den Brauch, durch Hinzunahme von Wappenbildern der neu erworbenen Gebiete in den Schild dessen Inhalt immer üppiger, gleichzeitig aber auch unübersichtlicher zu gestalten. Zuerst führte der Erwerb der Grafschaft Ziegenhain mit Nidda 1450 zu einer Wappenmehrung: Anfangs in gesonderten Schilden neben dem Löwen, nach 1471 in den Feldern 2 und 3 des gevierten Schildes treten Ziegenhain und Nidda auf. Der Anfall von Katzenelnbogen mit einem Teil der alten Grafschaft Diez 1479 gab den nächsten Anlass zur Wappenänderung. Wie der Totenschild des Landgrafen Heinrichs III. von 1484 und Wappenbücher seit 1492 zeigen, nahm man anfangs im gevierten Schild außer Hessen und Nassau den früher „Leopard“ genannten herschauenden Löwen der Katzenelnbogener und die Löwen von Diez auf und stellte das Ziegenhainer Wappen in einen Herzschild. Vom Reichstag zu Worms (1495) wird berichtet: Im 16. Jahrhundert bürgerte sich im gevierten Schild die Reihenfolge Katzenelnbogen, Ziegenhain, Nidda und Diez mit dem landgräflichen Löwen im Herzschild ein. Zu dem bis dahin im Oberwappen fast ausnahmslos allein stehenden hessischen Helm mit den beblätterten Büffelhörnern kamen damals auch die Helmzieren von Katzenelnbogen und Ziegenhain. Die Teilung Hessens 1567 war lange Zeit ohne heraldische Folgen; für die zuerst vier, dann nur noch zwei Teilfürstentümer (Kassel und Darmstadt) galt das gleiche Wappen. Erst 1659 betonte die Heraldik den Gebietszuwachs, den 1642 der Anfall kleiner Isenburger Gebiete und endgültig 1648 der Erwerb des Fürstentums Hersfeld und eines Teils der Grafschaft Schaumburg gebracht hatten: In den sechsfelderigen Schild setzte man fortan die Zeichen für Hersfeld, Ziegenhain, Katzenelnbogen, Diez, Nidda, Isenburg und schließlich das Schaumburger Nesselblatt, während der Herzschild weiterhin den hessischen Löwen zeigte. Das Erlöschen des Hanauer Fürstenhauses verursachte nach 1736 die Einfügung von Teilen seines siebenfelderigen Schildes (mit Bitsch, Hanau, Rieneck, Zweibrücken, Münzenberg, Ochsenstein und Lichtenberg) in die Wappen der Landgrafen von Kassel und Darmstadt als der Erben. Seit 1774 bestand das Wappen der Linie Darmstadt aus zehn Feldern mit Herzschild; seit 1804 war die Anzahl der Felder einschließlich des Herzschilds auf 17 angestiegen, die den Besitzstand vor der Erhebung zum Großherzogtum (1806) illustrierte. Landgrafschaft Hessen. Das Wappen der Landgrafschaft Hessen (1247–1567) ist in Johann Siebmachers Wappenbuch aus dem Jahr 1605 überliefert. Es zeigt im Herzschild den „Bunten Löwen“ bzw. den „Hessenlöwen“. Landgrafschaft Hessen-Darmstadt. Das Wappen der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt (1567–1806) ist geteilt und zweimal gespalten, die Felder 3, 4, 5 und 6 jeweils geteilt: Herzschild: In Blau ein von Silber und Rot neunfach geteilter, golden gekrönter und bewehrter Löwe (Landgrafschaft Hessen). Großherzogtum Hessen 1808. In den hessischen Wappen wechselte die Zahl der Teilungslinien auf dem Löwen lange Zeit und auch in den neueren Wappen Preußens und der sächsischen Staaten war sie verschieden, obwohl sich für Hessen die neunmalige Teilung längst durchgesetzt hatte. Silber für den obersten Streifen wurde erst im späten 15. Jahrhundert zur Regel. Die Helmdecken waren zunächst blau und rot (so 1334), später vorwiegend rot und silbern. Auf die Beifügung anderer Territorialwappen zum Hessenlöwen, die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aufkam, wurde im Großherzogtum Hessen von 1808 bis 1902 wieder verzichtet. Klemens Stadler schreibt dazu: Der Titel „Vorfechter zwischen Rhein und Weser“ war ein Ehrentitel des Heiligen Römischen Reichs. Der Löwe erschien erstmals mit königlicher Krone und Schwert als zusätzliche Rang- bzw. Würdezeichen. Damit wurde erstmals seit mehr als 500 Jahren das hessische Stammwappen grundlegend verändert. Es wurde am 29. Juli 1808 eingeführt. Die Bewaffnung mit einem Schwert und somit die Abkehr von vormaligen Wappen wurde von Zeitgenossen kritisch bewertet. Ulrich Friedrich Kopp sagte im Jahr 1831: Auf andere Weise kritisierte später Bernhard von Koehne: Kurfürstentum Hessen (1814–1866). Das Kurfürstentum Hessen bestand von 1814 bis 1866. Die 1803 zur Kurwürde gelangte Linie Kassel benutzte bis zur Absetzung 1866 als großes Wappen einen je zweimal gespaltenen und geteilten Schild, der einschließlich des Herzschilds mit dem einschwänzigen, gekrönten und neunmal von Silber und Rot geteilten Löwen (ohne Schwert) insgesamt dreizehn historische Wappen aufwies: Schildhalter: Zwei goldene Löwen mit Königskronen. Das kleine Wappen war der Herzschild, darauf die Königskrone. Nassauer Löwe. Das Dynasten-Geschlecht von Laurenburg (Haus Nassau) nannte sich seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts nach der Burg Nassau an der Lahn. Seit 1255 erfolgten zahlreiche Teilungen in Linien, deren Beinamen den Hauptgebieten (z. B. Nassau-Weilburg, Nassau-Dillenburg, Nassau-Hadamar, Nassau-Usingen) oder Neuerwerbungen (z. B. Nassau-Saarbrücken) entsprachen. Die Erhebungen der Mitglieder des Gesamthauses in den Fürstenstand begannen 1650; 1806 wurde aus dem Fürstentum das Herzogtum Nassau. Der Löwe mit einem in zwei Reihen gestückten Schildbord kommt erstmals im Siegel des Grafen Walram vor 1198 vor. Die für den Nassauer Schild typischen Schindeln, mit denen das Feld unregelmäßig bestreut ist, erscheinen siegelmäßig seit 1221 und waren zweifellos ein Beizeichen zur Unterscheidung des Wappenbilds des Grafen Heinrich II. von demjenigen seines Bruders Ruprecht IV. Sie hatten anfänglich eine hochrechteckige Form, wurden aber später in der Regel abgeschrägt dargestellt, zuweilen auch waagrecht- oder schrägliegend; die Festlegung ihrer Zahl nahm erst die Büroheraldik im späten 18. Jahrhundert vor. Seit dem 15. Jahrhundert ist der Nassauer Löwe golden gekrönt, seine rote Bewehrung wurde 1783 erneut bestätigt. Die Tingierung Gold für den Löwen und die Schindeln sowie Blau für das Feld stehen seit den ältesten Nachweisen fest. Als erste Helmzier ist seit dem frühen 14. Jahrhundert ein halbkreisförmiges Schirmbrett bekannt, dessen Fläche von sieben bogenförmigen Linien geteilt ist. 1353 wurde die später vorwiegende Helmzier eingeführt: Ein sitzender Löwe zwischen zwei schindelbestreuten blauen Büffelhörnern; sie ging von den Pfälzer Kurfürsten zu Lehen. Die Helmdecken sind blau und golden. Preußische Provinz Hessen-Nassau. Das Hoheitszeichen der preußischen Provinz Hessen-Nassau blieb bei der Schöpfung des Staatswappens von 1948 unberücksichtigt. Es war 1892 im Zuge der Einführung preußischer Provinzwappen geschaffen worden und kombinierte drei alte Wappen wichtiger Territorien: Gespalten durch eine eingebogene rote Spitze, darin ein golden bewehrter silberner Adler (ehemalige Freie Stadt Frankfurt); rechts in Blau ein linksgewendeter, golden gekrönter, siebenmal (nach dem preußischen Herkommen!) von Silber und Rot geteilter Löwe (Hessen-Kassel); links in Blau ein golden gekrönter, rot bewehrter goldener Löwe zwischen goldenen Schindeln (Herzogtum Nassau). Im größeren Wappen waren dem Schild als Schildhalter rechts ein wilder Mann mit der preußischen Königsstandarte, links ein gepanzerter Ritter mit der Provinzstandarte, darin das Provinzwappen, beigefügt; auf dem Schild zwei golden gekrönte Spangenhelme mit den Helmzieren von Hessen (aber mit grünen Birkenblättern) und Nassau (in der oben beschriebenen neueren Gestaltung); die Helmdecken rechts rot, silbern; links blau, golden. Großherzogtum Hessen 1902. Das Staatswappen des Großherzogtums Hessen von 1808 war ursprünglich nur als „interimistische“ Regelung gedacht und wurde nie mit einer amtlichen Beschreibung veröffentlicht. Über das gesamte 19. Jahrhundert hinweg hatten sich kleinere (inoffizielle) Anpassungen bei der Gestaltung des Wappenbildes vollzogen. Dieser weithin als unbefriedigend empfundene Zustand wurde von Großherzog Ernst Ludwig beendet. Durch dessen Verordnung vom 9. Dezember 1902 wurde das bisherige Staatswappen aus dem Jahr 1808 aufgehoben und durch zwei neue ersetzt. Fortan gab es im Großherzogtum Hessen ein großes und ein kleines Staatswappen. Großes Staatswappen. Für das Großherzogtum Hessen bedeutete die Verordnung über das große Staatswappen einen Rückfall in die heraldischen Gepflogenheiten des 18. Jahrhunderts, nachdem fast ein Jahrhundert lang der hessische Löwe allein Symbol gewesen war. Wappenbeschreibung: Kleines Staatswappen. Auch nach der totalen Umgestaltung des großen Wappens 1902 blieb der schwertschwingende hessische Löwe allein Inhalt des kleinen Staatswappens. Auf dessen Schild liegt die großherzogliche Krone. Sie besteht aus einem blätterbesetzten Reif und ist geschlossen mit zwei Halbbogen, die oben den Reichsapfel tragen. Wappenbeschreibung: Das kleine Staatswappen ist ein Entwurf des Heraldikers Otto Hupp (1859–1949), der auch zahlreiche andere Wappen gestaltete, so zum Beispiel das bayerische Staatswappen von 1923. Hupp griff in seinem Entwurf die Gestaltung des Löwen von 1808 wieder auf. Er änderte lediglich zwei Elemente. Einerseits wird die Krone des Löwen wieder ohne Bügel dargestellt, zumal auf dem Schild zusätzlich eine zweibügelige Königskrone ruht. Andererseits ist die Stellung des Schwertes in Abhängigkeit zur mehr aufrechten Haltung der es haltenden rechten Löwenpranke angepasst. Somit nimmt das Schwert eine fast waagerechte Position ein, die dann auch so bis zum Ende der Monarchie in allen Darstellungen des hessischen Wappens anzutreffen ist. Zum ersten Mal wurde die Anzahl der Streifungen des Löwen amtlich festgelegt. Volksstaat Hessen. Am 20. April 1920 erhielt der Volksstaat Hessen (1918–1945) ein neues Wappen. Auf dem Wappenschild ist der silber-rot gestreifte Löwe auf blauem Feld zu sehen. Darüber sitzt goldenes Laubwerk mit blauen Früchten in Form einer Krone. Auch dieses Wappen ist ein Entwurf des Heraldikers Otto Hupp. Zusammen mit seinem Entwurf eines Siegelstempels (runde Form, Durchmesser 4 cm) wurden beide Entwürfe vom Hessischen Gesamtministerium amtlich verordnet: Die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt und das ihr nachfolgende Großherzogtum gaben dem Löwen ein Schwert in die Pranke; dieses verschwindet jedoch nun zusammen mit der Krone des Löwen, sodass der nach Absetzung des Großherzogs und Ausrufung der Republik am 26. Januar 1919 gewählte Landtag des Volksstaates Hessen nunmehr eine „reduzierte“ Variante des wohl annähernd 750 Jahre beibehaltenen Löwen als Staatswappen annahm. Nach dem Sturz der Monarchie gab sich der neue Volksstaat Hessen als alleiniges Symbol den Löwen, nun aber ungekrönt und ohne die dynastischen Attribute. Ebenso entfiel wieder das missverständlich eingeführte Schwert in der Löwenpranke. Als einziges Beiwerk wurde die Volkskrone über dem Schild beigefügt, zur Betonung der Volkssouveränität. Das heutige Wappen des Landes hält sich mit nur unwesentlichen stilistischen Vereinfachungen an dasjenige des Volksstaats von 1920; die amtliche Blasonierung vermeidet jedoch den Ausdruck „Volkskrone“. Nach 1945. Entstehungsgeschichte. Das aktuelle Landeswappen ist ein Entwurf des in Ostpreußen geborenen Künstlers Gerhard Matzat (* 24. November 1921 in Ragnit an der Memel; † 19. November 1994 in Hattersheim am Main), den dieser 1949 im Nachgang eines Wettbewerbs für das neu gebildete Land Hessen gestaltete. Matzat hat sich bei der Gestaltung an historischen Vorbildern orientiert. Er studierte von 1946 bis 1953 an der Kunsthochschule Städelschule in Frankfurt am Main – dort war er Schüler von Wilhelm Heise und Georg Meistermann. Neben dem Hessischen Landeswappen entwarf er auch das Hessische Staatssiegel. Bereits im Jahr 1945 wurden erste Entwürfe zur Gestaltung eines neuen Landeswappens von der US-Militärregierung und dem Hessischen Staatsarchiv aufgenommen – sie blieben erfolglos. Weitere Entwürfe waren Ergebnisse eines Preisausschreibens, das der Minister für Kultus und Unterricht im März 1947 ausgelobt hatte: Die Aufgabe bestand darin, folgende Hoheitszeichen zu entwerfen: Zu den Anforderungen zählte, dass die Entwürfe von „dynastischen und militaristischen Kennzeichen (Krone, Helme, Schwerter, Eichenlaub usw.)“ frei sein müssen. Als Frist zur Einreichung wurde der 30. April 1947 genannt. Es wurden drei Preise ausgesetzt: 1500 Reichsmark (RM) für den 1. Preis, 1000 RM für den 2. Preis und 500 RM für den 3. Preis. Über die Verteilung der Preise entschied ein Preisgericht. Ihm gehörten an: Für ihre Entwürfe wurden im Juni 1947 drei Künstler ausgezeichnet: Adolf Jäger aus Frankfurt am Main, Eduard Gärtner aus Frankfurt am Main und Winfried Schaaf aus Wiesbaden. Darüber hinaus erhielten die Künstler jeweils 1000 RM für Folgeaufträge. Sowohl die ausgezeichneten Entwürfe als auch die in Folge entstandenen Entwürfe erwiesen sich als ungeeignet: „Das Preisgericht war sich darüber einig, dass keiner der drei Entwürfe den Anforderungen in heraldischer und künstlerischer Hinsicht genügt und die Preisverteilung nur erfolgt ist, um von den eingesandten Arbeiten die besten auszuzeichnen.“ Im September 1947 wurde die Unbrauchbarkeit sämtlicher Entwürfe, mit denen die Preisträger beauftragt worden waren, festgestellt. Im Dezember 1947 betrachtete das Preisgericht den Wettbewerb nur als Ideenwettbewerb, die Beauftragung irgendeines Künstlers als zu unsicher und einen gerechten Wettbewerb erst dann für durchführbar zu halten, wenn die heraldischen Vorschriften festliegen, d. h. ein Wappengesetz durch den Landtag verabschiedet worden ist. Zum "Gesetz über die Hoheitszeichen des Landes Hessen" kam es am 4. August 1948. Zu dieser Zeit fehlte immer noch ein Künstler, der einen geeigneten Entwurf vorlegen konnte. Am 29. November 1948 schrieb der Vertreter des Staatsarchivs in Wiesbaden an den Kultusminister: „Auch ist zu bedauern, dass sich trotz langer Bemühungen kein Wappenmaler hat finden lassen, der die Anwendung eines modernen Stils mit den Gegebenheiten heraldischer Gesetze zu verbinden vermag“. Gerhard Matzat wurde in Folge damit beauftragt, auch einfarbige Varianten anzufertigen. Für seine Arbeiten an den Entwürfen zum Landessiegel erhielt Matzat im Mai 1949 eine Vergütung in Höhe von 300 DM. Das Land Hessen zahlte an Gerhard Matzat ab dem Jahre 1992 bis zu seinem Tod im Jahre 1994 zur Würdigung seiner Verdienste bei der Entstehung des Landeswappens einen „Ehrensold“ in Höhe von monatlich 2000 DM. Seit dem Tode Matzats zahlte das Land Hessen den „Ehrensold“ in der Form einer Witwenrente von monatlich 1000 DM beziehungsweise später 500 DM an die Witwe. Mit Schreiben vom 5. Mai 1992 an die seinerzeitige hessische Kultusministerin sprach Gerhard Matzat seinen Dank für die Zuerkennung des Ehrensoldes aus, bezeichnete „die gänzlich unerwartete Zuwendung des Landes“ als „eine der größten Überraschungen in meinem Leben“, führte zu den früheren Umständen bei der Gestaltung des Landeswappens und den an ihn dabei gestellten Forderungen sowie dazu aus, dass er sich bei der Umsetzung des Auftrags selbstverständlich die größte Mühe gegeben habe; er äußerte weiter seine Befriedigung darin, dass sich sein Entwurf jahrelang gehalten habe und kündigte die Umsetzung weiterer Projekte an. Urheberrechts-Streit. In einem Urheberrechts-Streit zwischen der Künstlerin Avietta Nikolajevna Matzat-Rogoshina, Witwe des Gerhard Matzat, und dem Land Hessen reichte die Witwe im Juli 2013 eine Klage gegen das Land ein. Gegenstand war, dass die Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemanns einforderte, dass Gerhard Matzat als Urheber des Hessischen Landeswappens zu benennen sei, der Klägerin einen Schadensersatzbetrag für die „jahrzehntelang unterbliebene Namensnennung des Künstlers“ zu zahlen sei, Auskunft über Art und Umfang der Verwendung der Entwürfe zu geben, nach Auskunftserteilung der Klägerin eine Beteiligung zu zahlen, weitere Schadensersatzbeträge zu leisten sowie außergerichtliche Kosten zu erstatten. Der Streitwert wurde von der Klägerin mit 1.500.000 Euro beziffert. Das Thema erhielt bereits im Februar 2013 Aufmerksamkeit in den Medien. Die Witwe stellte einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, dieser wurde vom Landgericht Frankfurt am Main zurückgewiesen. In dem Prozesskostenhilfeverfahren hatte die Antragstellerin urheberrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit der Nutzung des Landeswappens beim Land Hessen geltend gemacht. Sie vertrat die Auffassung, dass die Nutzung des Wappenentwurfs Gerhard Matzats durch das Land Hessen die Urheberrechte Matzats verletze: Die Antragsgegnerin, das Land Hessen, hatte für die beabsichtigte Klage einen Klageabweisungsantrag angekündigt und vertrat eine andere Auffassung: Das Prozesskostenhilfegesuch wurde zurückgewiesen, weil die von der Klägerin beabsichtigte Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, mit Verweis auf der Zivilprozessordnung. Gegen diesen Beschluss des Landgerichts hatte die Klägerin Beschwerde eingelegt. Diese Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main zurückgewiesen. Daraufhin wurde von der Klägerin im September 2014 wegen Verletzung mehrerer Grundrechte beim Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Über das Ergebnis dieser Verfassungsbeschwerde ist aktuell (Stand: September 2017) nichts bekannt. Hoheitliche Verwendungen. Die Verwendungen der Hoheitszeichen wird in der "Verordnung über die Hoheitszeichen des Landes Hessen (Hoheitszeichenverordnung)" geregelt. Landeswappen und Landesdienstflagge. Das Landeswappen und die Landesdienstflagge werden von dem Hessischen Landtag sowie den Behörden und Gerichten des Landes Hessen geführt. Neben der Bundesflagge und der Landesdienst- bzw. Landesflagge, wird, soweit möglich, auch die Europaflagge gehisst. Es gibt regelmäßige Beflaggungstermine: Am Tag des Gedenkens für die Opfer des Nationalsozialismus und am Volkstrauertag ist halbmast zu flaggen. Zudem wird geflaggt zu den Tagen allgemeiner Wahlen: Beflaggungen aus sonstigen besonderen Anlässen werden vom Ministerium des Innern und für Sport bestimmt und bekannt gegeben. Landessiegel. Das Landessiegel wird in zwei Ausführungen verwendet: Landesfarben. Die Landesfarben „Rot-Weiß“ dürfen bei festlichen Anlässen und öffentlichen Veranstaltungen zur Ausgestaltung von Innenräumen verwendet oder im Freien an einem Mast oder an Hausfronten gezeigt werden. Hessenzeichen. Da das Wappen durch seine hoheitliche Funktion nur von den hessischen Behörden geführt werden darf, hat das Land am 19. Februar 1981 das „Hessenzeichen“ eingeführt, welches frei verwendet werden darf. Damit kam die Verwaltung des Landes Hessen dem Wunsch von Privatpersonen, Vereinen und Unternehmen nach, die Verbundenheit zum Land mit einem Symbol zum Ausdruck zu bringen. Das Wappenzeichen besteht aus der leicht abgewandelten und stilisierten Wappenfigur des Löwen und kann wahlweise in Schwarz oder in den Landesfarben Rot oder Weiß genutzt werden. Weitere Verwendungen des Hessenlöwen. In vielen Wappen von Körperschaften im Bundesland Hessen ist der Hessenlöwe dargestellt und verkörpert damit die Zugehörigkeit zum Bundesland. Entweder ist er ganz dargestellt oder er ist wachsend (halber Löwe, nur Oberkörper). Zum Teil ist er gekrönt, im Fall Heppenheim führt er ein Schwert. Weitere Beispiele von Wappen hessischer und Thüringer Körperschaften mit Verwendungen des „Bunten Löwen“ sind dem Artikel Bunter Löwe zu entnehmen.
Philipp Hainhofer (* 21. Juli 1578 in Augsburg; † 23. Juli 1647 ebenda) war ein deutscher Kaufmann, Kunstagent, Nachrichtenkorrespondent und Diplomat. Aufgrund seiner weit gefächerten Tätigkeit gehört er zu den schillerndsten Figuren im Augsburg des 17. Jahrhunderts und genießt heute unter Kunst- und Kulturhistorikern einige Bekanntheit. Leben. Familie. Die Familie Hainhofer ist seit 1370 in Augsburg nachweisbar. Ihre Mitglieder waren traditionellerweise im Handel mit Textilien tätig. Philipp Hainhofers Großvater Melchior Hainhofer (1500–1577) schaffte den Aufstieg vom einfachen Händler im Textilsektor zum Kaufmann mit Vermögen und Ansehen. Auch durch geschickte Heiratsverbindungen mit den angesehensten Augsburger Geschlechtern konnte die Familie Hainhofer ihren sozialen Aufstieg konsolidieren. Bereits 1544 erhielt der erwähnte Melchior von Kaiser Karl V. einen Wappenbrief, 1578 wurde sein Sohn, Philipps Vater, von Kaiser Rudolf II. in den rittermäßigen Adelsstand mit Wappenmehrung erhoben. Die Aufnahme der Familie ins Augsburger Stadtpatriziat hingegen erfolgte erst 1632, unter Philipp Hainhofers Ägide. Kindheit und Jugend. Philipp Hainhofer wurde am 21. Juli 1578 als elftes von fünfzehn Kindern des Melchior Hainhofer (1539–1583) und der Barbara Hörmann von und zu Gutenberg geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters zog die Mutter irgendwann zwischen 1583 und 1586 mit ihren Kindern mit Ausnahme des ältesten Sohns Christoph nach Ulm. Im Allgemeinen wird dieser Umzug mit dem in Augsburg besonders heftig ausgetragenen Kalenderstreit in Verbindung gebracht, wobei sich jedoch die genaueren Umstände und zeitlichen Abfolgen als unklar erwiesen haben. Philipp Hainhofer kehrte jedenfalls erst um 1593/94 nach Augsburg zurück, jedoch nur, um kurze Zeit später mit seinem jüngeren Bruder Hieronymus sowie dem als Präzeptor angestellten Dr. Hieronymus Bechler zu einer ausgedehnten Bildungsreise aufzubrechen. Die Reise führte von Augsburg zunächst nach Padua, wo die Brüder Hainhofer zwei Jahre den Studien an der dortigen berühmten Universität widmeten, dann weiter nach Siena, wo noch einmal einige Monate für das Universitätsstudium aufgewendet werden. Dazwischen und auch auf dem Heimweg wurden immer wieder längere Abstecher gemacht, um die Sehenswürdigkeiten und Kulturschätze der weiteren Gegend kennenzulernen, so unter anderem nach Rom und nach Neapel. Im Herbst 1596 langten die Brüder Hainhofer wieder im heimatlichen Augsburg an. Dort trennten sich ihre Wege, Philipp Hainhofer reiste bereits einen Monat später wieder ab, diesmal nach Köln, um dort seine Studien fortzusetzen. Sein Lernziel war es, nach der italienischen nun auch die französische Sprache zu erlernen. Doch da sein Lehrer, bei dem er auch Wohnung nahm, ursprünglich aus Brabant stammte, hatte er Gelegenheit, außerdem auch Flämisch zu lernen. 1597 zwang eine in Köln grassierende Pestepidemie den gesamten Haushalt des Lehrers samt Studenten, die Stadt zu verlassen und nach Amsterdam zu fliehen. Auch hier betrieb Hainhofer seine Studien und bereiste das Umland der Stadt. Im Herbst 1598 machte er sich endgültig auf den Heimweg nach Augsburg, allerdings nicht ohne die Reise wiederum für zahlreiche Besichtigungen und Abstecher zu nutzen. Hainhofers Bildung und Ausbildung basiert also auf einer Kombination von Reisen und Universitätsbesuchen, wie sie damals für Söhne des Adels und von reichen Kaufmannsfamilien üblich war. Ihr Ziel war nicht Gelehrsamkeit im abstrakten Sinne, vielmehr sollten in einem strategischen Ausbildungsprogramm diejenigen Fähigkeiten erworben werden, die dem jungen Hainhofer im Umgang mit seiner zukünftigen gehobenen Kundschaft im Kaufmannsbetrieb der Familie nützlich sein sollten. Dazu gehörten sowohl Sprachen und Mathematik als auch Rechtswissenschaft und humanistisches Kulturgut sowie eine durch das viele Reisen unweigerlich gebildete Weltläufigkeit und Gewandtheit im allgemeinen Sinn. Geschäfte und Soziales. Nach der Rückkehr von seinen Studienreisen im Herbst 1598 ließ sich Hainhofer in Augsburg nieder und verließ die Stadt abgesehen von kürzeren Geschäfts- und Badereisen nicht mehr. Vermutlich arbeitete er zunächst in der Schreibstube des Familienunternehmens. Nach dem Tod der Mutter 1604 begann er mit Versuchen, ein eigenes Geschäft aufzubauen, indem er Werbebriefe im eigenen Namen versandte und Waren auf eigene Rechnung herstellen oder importieren ließ. Parallel dazu arbeitete er zuweilen in fremden Diensten, beispielsweise für Christoph Fugger. Grund für diese Schritte waren wohl Differenzen zwischen den verschiedenen Teilhabern des Familienunternehmens Hainhofer. Um 1610/11 hatte sich der Zusammenhalt zwischen den Teilhabern so weit gelockert, dass das Unternehmen nur noch nominell bestand und eine völlige Auflösung ins Auge gefasst wurde. Am 29. Oktober 1601 heiratete Hainhofer Regina Waiblinger, eine Cousine mütterlicherseits aus bester Familie. Diese Eheschließung war für den jungen Geschäftsmann in ökonomischer Hinsicht überaus vorteilhaft, konnte er – selbst bereits wohlhabend – sein Vermögen durch die Mitgift seiner Braut doch beträchtlich vermehren. Der Ehe entsprangen 1604, 1606 und 1608 die Töchter Barbara, Judith und Regina, 1612 folgte ein Sohn, Philipp, der jedoch schon 1617 an Kindsblattern starb. 1614 wurde Georg Ulrich geboren, der einzige Sohn Hainhofers, der bis ins Erwachsenenalter überlebte. Zwei weitere Töchter, Augusta und Sophia, folgten 1616 und 1618. Außer Judith überlebten alle Kinder ihren Vater, und außer Sophia und Georg Ulrich wurden alle ordentlich verheiratet. Neben seiner beruflichen Tätigkeit als Kaufmann und bald auch als Dienstleister für gehobene Klientschaft im weiteren Sinn (vgl. Tätigkeitsfelder) betätigte sich Hainhofer auch in der Stadtpolitik Augsburgs. Im Laufe seines Lebens bekleidete er verschiedene städtische Ämter: 1605 wurde er in den Großen Rat gewählt, 1614 an den Strafsitz berufen, 1628 zum Zechpfleger von St. Anna bestellt, 1629 zum Assessor beim Stadtgericht gewählt. Kriegsjahre. Ein bedeutender Teil von Hainhofers Erwachsenenleben wurde vom Dreißigjährigen Krieg überschattet. Zwar blieb er von den Seuchenzügen verschont, die in Kriegszeiten immer wieder verheerend wirkten. Doch verursachte der Krieg beträchtliche wirtschaftliche Schwierigkeiten. Hainhofer war als Geldgeber an Kreditgeschäften mit der öffentlichen Hand beteiligt, die jedoch durch Krieg und Inflation zahlungsunfähig wurde und die Gläubiger nicht mehr befriedigen konnte. Durch die Inflation verloren auch noch ausstehende Schulden von Klienten bei Hainhofer beträchtlich an Wert. Abgesehen von diesen Verlusten, die natürlich auf Hainhofers Kosten gingen, nahm zudem die Zahlungsbereitschaft der meisten Kunden überhaupt ab. Da Hainhofer viele seiner Lieferungen aus der eigenen Kasse vorfinanzierte, führte dies dazu, dass der eigentlich überaus wohlhabende Hainhofer hohe Schulden machen musste, die er zeit seines Lebens nicht mehr vollständig abbauen konnte. Ab 1629 verlor Hainhofer, der protestantischer Konfession war, im Zuge der Restitution alle seine öffentlichen Ämter. Durch die Schikanen der zur alleinigen Macht gekommenen Katholischen sowie durch die durch Kontributionen, Seuchen und Inflation verursachte Schwächung der Gesamtökonomie ging er in den folgenden Jahren eines Großteils seines Vermögens verlustig, nachdem er dieses trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten in den ersten Kriegsjahren sogar noch hatte vermehren können. Hainhofer versuchte in dieser Zeit, seinen verbliebenen Einfluss in der Stadt zu nützen, um bedrängten protestantischen Mitbürgern beizustehen, musste sich allerdings in Acht nehmen, nicht selbst als Katholikenfeind in Verdacht zu geraten. In der Tat wird im Frühling 1632 ein als Obrigkeitsbeleidigung aufgefasstes Schreiben Hainhofers von der Zensur abgefangen, dieser daraufhin unter Hausarrest gestellt und zur Aufnahme einer Reiterkompanie in sein Haus sowie zur Zahlung einer hohen Geldstrafe verurteilt. Nur durch seine Gewandtheit im Umgang mit Menschen, in diesem Fall durch geschickte Schmeichelei der zuständigen Offiziere gelang es Hainhofer nach einiger Zeit, die Beschränkungen gegen ihn abzuwenden und das Bußgeld auf die halbe Höhe zu drücken. Als sich im April 1632 schwedische Truppen der Stadt Augsburg bedrohlich näherten, wurde Hainhofer von den Stadtpflegern mit der Organisation einer Zusammenkunft der Augsburger Protestanten betraut, um deren Haltung zu einer allfälligen Übergabe der Stadt an die Schweden zu ermitteln. Dies belegt seine prominente Stellung innerhalb der (protestantischen) Augsburger Bürgerschaft. Nach dem Einzug der Schweden in Augsburg wendete sich das Blatt wieder zugunsten von Hainhofer, er wurde zu einem wichtigen und vielbeschäftigten Mann, der vom schwedischen König Gustav Adolf mit Ehrenbezeugungen überhäuft wurde. So gehörte die Familie Hainhofer zu den dreizehn protestantischen Augsburger Familien, die von Gustav Adolf ins Patriziat erhoben wurden. Daraufhin konnte Hainhofer nicht nur in den Großen Rat zurückkehren, sondern war nun neu auch für das Amt des Oberaufsehers der städtischen Bauten wählbar, in das der schwedische König ihn nun einsetzte. Anders als die Bezeichnung vermuten lässt, hatte ein Baumeister in Augsburg nicht nur das Bauwesen unter sich, sondern auch und vor allem die Ausgaben des städtischen Haushalts. Das Amt war mithin eines der wichtigsten in den Läufen der Stadtpolitik, und es war für Hainhofer sicher eine Ehre, es zugesprochen zu erhalten. Anekdoten über Hainhofer aus der sogenannten Schwedenzeit sind zahlreich, wobei bei ihrer Auswertung eine gewisse Vorsicht geboten ist, da die meisten von ihnen ausschließlich von Hainhofer selbst überliefert sind. Hainhofers Rolle in dieser Zeit, da er für den schwedischen König eine Vielzahl von zum Teil auch zweifelhaften Diensten erbrachte, ist insofern umstritten, als schwer zu entscheiden ist, wie sehr er dabei von echten politischen Überzeugungen geleitet wurde, wie sehr stattdessen von Zwang oder Opportunismus. Zweifellos war die Schwedenzeit für Hainhofer eine erfolgreiche Zeit, in der er gesellschaftlich aufsteigen, politische Karriere machen und geschäftliche Erfolge verbuchen konnte. In dieselbe Zeit fallen aber auch persönliche Verluste in der Familie und ein weiterer Rückgang des Vermögens. Hainhofer starb 1647 vermutlich an den Folgen eines Schlaganfalls. Haupterbe war sein Sohn Georg Ulrich Hainhofer (1614–1659). Um Hainhofers schriftlichen Nachlass bemühte sich Herzog August II. von Braunschweig-Lüneburg, für den er seit 1610 über Jahrzehnte als Agent, Faktor und Korrespondent tätig war. Daher gelangten nach dem Tod Georg Ulrichs (1659) Philipp Hainhofers Reiserelationen, alle Kopierbücher seiner Briefe, zwei seiner insgesamt vier Stammbücher sowie seine Lautenbücher nach Wolfenbüttel, wo sie 1660–1663 in den Katalog der herzoglichen Bibliothek eingetragen wurden.
Die HMAS "Albatross" war ein Seeflugzeugträger der Royal Australian Navy (RAN). Die "Albatross" wurde vom Cockatoo Island Dockyard während der 1920er Jahre gebaut und kam 1929 in Dienst. Das Schiff hatte Probleme mit den Flugzeugen, die ihr zugeordnet wurden: Die seit 1933 in der Reserve befindliche "Albatross" wurde 1938 im Rahmen des Beschaffungsprogramms von Kreuzern für die RAN an die britische Royal Navy in Zahlung gegeben. Als HMS "Albatross unterstützte sie Geleit- und Überwachungsmaßnahmen im Südatlantik und ab Mitte 1942 im Indischen Ozean. Von Ende 1943 bis Frühjahr 1944 wurde das Schiff zu einem"Landing Ship (Engineering)"zur Unterstützung der Landung in der Normandie umgebaut. Sie wurde dort zur Reparatur von Landungsbooten und anderen Unterstützungseinheiten eingesetzt. Im August 1946 wurde das Schiff an zivile Eigner verkauft. Umgebaut kam es dann 1949 unter dem Namen Hellenic Prince" als Passagierschiff in Dienst. Nach einem Einsatz 1953 als Truppentransporter nach Kenia während des Mau Mau-Aufstands wurde das Schiff im nachfolgenden Jahr verschrottet. Baugeschichte. 1925 soll der Generalgouverneur Lord Stonehaven zur Überraschung der betroffenen australischen Teilstreitkräfte RAN und RAAF die Beschaffung eines Seeflugzeugträgers verkündet haben. Die Entscheidung, ein derartiges Schiff zu beschaffen, wurde durch die hohe Arbeitslosigkeit und dem Wunsch nach öffentlichen Aufträgen ausgelöst. Auch wurde anerkannt, dass Australien nicht in der Lage sein würde, einen Flugzeugträger zu beschaffen und zu bemannen. Das Australian Commonwealth Naval Board forderte von der britischen Admiralität den Grundentwurf eines Seeflugzeugträgers, der eine Höchstgeschwindigkeit von 20 Knoten (kn) haben sollte und bei Auftragsvergabe an eine britische Werft nicht mehr als 400.000 £ kosten würde. Der von der Admiralität entwickelte Entwurf basierte auf dem ersten Flugzeugmutterschiff der Royal Navy, der "Ark Royal" von 1914, und berücksichtigte einen Einsatz des Fairey IIID-Seeflugzeugs, das bei dem „No. 101 Flight“ der Royal Australian Air Force für die RAN eingesetzt wurde. Die "Albatross" sollte neun dieser Maschinen aufnehmen können: sechs als aktive Einsatzflugzeuge und drei als Reservemaschinen. Alle Maschinen sollten in drei Hangars im Rumpf Platz finden, was zu dem ungewöhnlich hohen Freibord der vorderen Schiffsrumpfes führte. Antriebsanlage, Mannschaftsräume und Brücke mussten daher in der hinteren Schiffshälfte Platz finden. Um die Maschinen einsetzen zu können, waren drei große Kräne vorgesehen. Die Kiellegung des Neubaus erfolgte am 16. April 1926 bei der „Cockatoo Docks and Engineering Company“ auf Cockatoo Island. Am 23. Februar 1928 wurde es als "Albatross" von der Ehefrau des Generalgouverneurs Baron Stonehaven of Ury vom Stapel gelassen. Das Schiff verdrängte 4.800 ts, war 443 Fuß (ft) 7 Zoll (in) (135,2 m) lang, war bis zu 77 ft 9 in (23,7 m) breit und hatte einen Tiefgang von 16 ft 11,5 in (5,17 m). Angetrieben wurde von Parsons-Getriebeturbinen die mit vier Yarrow-Kesseln bis zu 12.000 PS auf zwei Wellen produzieren konnten, erreichte die "Albatross" 22 kn und übertraf die Konstruktionsgeschwindigkeit von 20 kn. Bei Höchstgeschwindigkeit hatte sie eine Reichweite von 4.280 Seemeilen (sm), bei der vorgesehenen Marschfahrt von 10 kn konnte sie 7.900 sm zurücklegen. Der Treibölvorrat betrug 942 t Öl. Dazu hatte das Schiff Tanks für 37.700 Liter Flugbenzin. Die Bewaffnung des Schiffes bestand aus vier 4,7 Zoll (120 mm) Mk. VIII-Schnellfeuerkanonen, von denen zwei auf gleicher Höhe vorn neben dem Flugzeugdeck in Schwalbennestern aufgebaut waren, während die beiden anderen übereinander am Heck standen. Diese Waffe war auch zur Flugzeugabwehr entwickelt worden. Dazu kamen vier 2 pdr (40 mm)-pom-pom Luftabwehrkanonen, vier 3 pdr-Hotchkiss-Salutgeschützen, vier .303-in (7,7 mm) Vickers-Maschinengewehren und zwanzig .303-in-Lewis-Maschinengewehren (zehn Einzelwaffen und 5 Zwillingslafetten). Die Besatzung des Schiffes wurde aus 29 Marineoffizieren, 375 Seeleuten, 8 Luftwaffenoffizieren und 38 Soldaten der RAAF gebildet. Die "Albatross" wurde am 21. Dezember 1928 fertig- und am 23. Januar 1929 von der RAN in Dienst gestellt. Der Bau des Schiffes kostete 1.200.000 £. Allerdings waren die Fairey IIID-Maschinen kurz zuvor ausgesondert und durch Supermarine "Seagull" Mk. III ersetzt worden. Die "Seagull" Mk. III waren aber relativ ungeeignet für den Einsatz auf der "Albatross", da sie vor allem nicht stabil genug waren, um katapultiert zu werden. RAN und RAAF stellten darauf eine neue Anforderung und Supermarine konstruierte für den Einsatz von der "Albatross" die "Seagull" Mk. V, die später als "Walrus" von der Royal Navy übernommen wurde. Die "Albatross" ging allerdings 1933 in Reserve, zwei Jahre bevor die ersten Mk. Vs in Dienst kamen. Einige Maschinen wurden dennoch von der stationären "Albatross" eingesetzt. Die neuen "Seagull"s waren etwas zu hoch, um in den Hangars der "Albatross" bewegt zu werden. Um dieses Problem zu lösen, wurden Spezialwagen entwickelt, auf denen die Maschinen mit eingezogenem Fahrwerk bewegt werden konnten. Einsatzgeschichte. Die HMAS "Albatross" startete zu ihrer ersten Reise eine Woche nach Indienststellung und besuchte Tasmanien und Victoria. Am 11. April 1929 lief sie dann von Sydney aus, um von Wyndham, Western Australia, sich an der Suche nach dem vermissten Sir Charles Kingsford Smith und seiner Fokker "F.VIIb-3m" "Southern Cross" zu beteiligen, die auf dem Weg nach England verschollen waren. Bevor die "Albatross" das abzusuchende Gebiet erreichte, wurde Smith gefunden, der schon am Glenelg River notgelandet war. Anfang Juli 1929 machte das Schiff noch einen Reise mit dem Generalgouverneur und seiner Gemahlin nach Norden innerhalb des Great Barrier Reef nach Port Moresby und zu anderen Häfen auf Neuguinea. Auch die Häfen verschiedener Inseln wurden angelaufen. Im August war das Schiff mit seinen Gästen eine Woche in Rabaul, wo auch der Jahrestag der australischen Besetzung vor 15 Jahren gefeiert wurde. Im November 1931 und erneut im September 1932 wurde die Antriebsanlage der "Albatross" durch Sabotage beschädigt. Die Sabotageakte wurden einer weitverbreiteten Unruhe unter den Seeleuten zugeschrieben; die RAN machte kommunistische Einflüsse verantwortlich, heutige Autoren schreiben es der damals herrschenden Depression zu, in der die Gehaltskürzungen und sonstigen Kürzungen vor allem die Seeleuten und nicht die Offiziere betrafen. Am 26. April 1933 wurde die "Albatross" außer Dienst gestellt und der Reserve zugewiesen. Das in Sydney Harbour ankernde Schiff wurde allerdings weiter von den Seeflugzeugen der RAAF genutzt. Als 1938 die australische Regierung Schwierigkeiten hatte, den Ankauf des Leichten Kreuzers HMS "Apollo" zu finanzieren, akzeptierte die britische Admiralität die "Albatross" als Teil der Zahlung für die künftige "Hobart". Der Seeflugzeugträger wurde für die Überführung nach England am 19. April 1938 wieder in Dienst gestellt und verließ Australien am 11. Juli. Seine Besatzung wurde in Großbritannien Teil der Besatzung der "Hobart". Kriegseinsatz. Eigentlich hatte die Royal Navy keinen Bedarf für einen Seeflugzeugträger. Bei Kriegsbeginn wurde die "Albatross" in Freetown in Westafrika stationiert, um mit ihren Flugzeugen zur Geleitzugsicherung, U-Boot-Jagd und Luftrettung im Atlantik eingesetzt zu werden. An Bord hatte sie sechs Supermarine "Walrus" der FAA-Staffel "710" und drei Reservemaschinen. Der frühe Verlust der Flugzeugträger HMS "Courageous" und HMS "Glorious" im Zweiten Weltkrieg eröffnete eine längere Verwendung für das Schiff, obwohl man sich bemühte, mehr Maschinen von verschiedenen Landstützpunkten einzusetzen. So wurde bei Freetown der Flugplatz Hastings erst für die "Walrus", dann auch für andere Überwachungsflugzeuge ausgebaut. Die "Albatross" war relativ selten im Einsatz in See, leitete aber die Einsätze auch der von Land aus eingesetzten Maschinen und reparierte Bordmaschinen passierender Kriegsschiffe. Die Überholungen des Schiffes fanden 1941 in Simonstown und Anfang 1942 in Mobile (Alabama) statt. Im Mai 1942 verlegte die "Albatross" in den Indischen Ozean nach Kilindini, um den Verkehr zur Eastern Fleet zu verbessern. Im Juli 1942 gaben ihre Flugzeuge Luftunterstützung für die Landung auf der Inselgruppe Mayotte vor der Besetzung von Madagaskar im September. Danach nahm sie wieder bis zum Juli 1943 Handelsschutzaufgaben wahr. Die notwendigen Überholungen fanden in Durban oder Bombay statt. Die "Albatross" kehrte nach Großbritannien zurück und wurde im September außer Dienst gestellt. Werkstattschiff. Von Oktober 1943 bis April 1944 wurde die "Albatross" erheblich umgebaut, um während der Landung in der Normandie als Landing Ship – Engineering (LSE) zu dienen. Für diesen Einsatz wurde ihre Flugabwehrbewaffnung erheblich verstärkt. Die alten leichten Flugabwehrwaffen wurden durch zwei Vierfach-pom-pom und sechs 20-mm-Oerlikon-Zwillingsgeschütze ersetzt. Anfangs lag sie nach erneuter Indienststellung in der Themsemündung als Teil der Ablenkungsmanöver. Am 8. Juni 1944 verlegte sie zu dem Gooseberry 5 vor "Sword Beach" nahe Ouistreham, um Reparaturmöglichkeiten zu bieten, die Luftabwehr zu unterstützen und eigene Bomber einzuweisen. Die Verlegung erfolgte unmittelbar nach der Landung, als ein Sturm die Pläne der Alliierten weitgehend zunichtemachte. Ihre Reparaturarbeiten vor "Sword" rettete 79 Fahrzeuge vom Totalverlust und brachte 132 wieder in den Dienst am Brückenkopf. Im Juli wurde die "Albatross" nach Portsmouth abgezogen, um wieder aufgefüllt zu werden und der Crew eine Pause zu gewähren Der nächste Einsatz vor der Normandie erfolgte am "Juno Beach". Am 11. August wurde die "Albatross" vor Courseulles-sur-Mervon von einem Torpedo getroffen, der erhebliche Schäden anrichtete und 66 Mann tötete. Der niederländische Schlepper "Zwarte Zee" (1933, 793 BRT, 4200 PS Dieselmotor) schleppte die "Albatross" nach Portsmouth, wo sie außer Dienst gestellt wurde. Die Reparaturen dauerten bis Anfang 1945 und HMS "Albatross" kam als stationäres Versorgungsschiff für Minensucher bis zum 3. August 1945 erneut in Dienst, da eine vollständige Wiederherstellung nicht mehr sinnvoll erschien. Ziviler Einsatz. Die "Albatross" wurde am 19. August 1946 an eine britische Gesellschaft zur zivilen Nutzung verkauft. Der erste Plan, das Schiff in ein Luxus-Passagierschiff umzubauen, scheiterte an dem zu hohen Aufwand. Ein weiterer Plan sah dann den Einsatz als ein schwimmendes Vergnügungstheater unter dem Namen "Pride of Torquay" vor dem Badeort Torquay vor. Auch dieser Plan wurde nicht vollendet. Schließlich kaufte am 14. November 1948 die britisch-griechische Yannoulatos Group das Schiff und nannte es "Hellenic Prince" aus Anlass der Geburt des britischen Thronfolger an diesem Tag und seiner griechischen Abstammung. Der Umbau zu einem Passagierschiff erfolgte jetzt in Barry (Wales). 1949 wurde das Schiff von der International Refugee Organisation (IRO) gechartert, um einen Flüchtlingstransport von Europa nach Australien zu bringen. Bei den Flüchtlingen handelte es sich um Displaced Persons, Europäer, die Zwangsarbeiter der Achsenmächte gewesen waren und nicht in ihre Heimatländer zurückkehren wollten. Die Fahrgäste der Jungfernfahrt der "Hellenic Prince" wurden am 8. November 1949 in Neapel an Bord genommen und stammten aus den Flüchtlingslager Bagnoli und hatten sich für die Auswanderung nach Australien entschieden. Am 5. Dezember 1949 traf die "Hellenic Prince" mit 1.000 Passagieren, davon 97 Kinder, in ihrem ursprünglichen Heimathafen und Entstehungsort Sydney ein. 1953 war die "Hellenic Prince" letztmals als Truppentransporter nach Kenia während des Mau Mau-Aufstands eingesetzt. Am 12. August 1954 traf das Schiff dann in Hongkong ein, um dort verschrottet zu werden.
Der Bergarbeiterstreik von 1889 war der erste organisierte Massenstreik im Ruhrbergbau. Hintergrund. Die Arbeiter wollten an den Gewinnsteigerungen der Unternehmer teilhaben. Es ging um eine Lohnerhöhung von 15 %, gegen Überschichten, für achtstündige Arbeitszeit einschließlich der Ein- und Ausfahrten, bessere Wetterführung, einen gedeckten (überdachten) Gang von der Waschkaue zum Schacht und Lieferung des Holzes in die Grube. Verlauf. Begonnen hatte der Ausstand in Bochum (24. April, Zeche Präsident) und Essen (1. Mai). Dem schlossen sich zahlreiche weitere Belegschaften spontan an. Zeitweise beteiligten sich im Revier etwa 90 % der damals 104.000 Bergarbeiter. Ein zentrales Streikkomitee wurde gebildet. Mit fortdauerndem Ausstand verhärteten sich die Fronten; zum Schutz ihrer Anlagen und arbeitswilliger Bergleute („Streickbrecher“) forderten viele Gruben Polizei- oder gar Militärschutz an, die gespannte Atmosphäre entlud sich mancherorts in Gewalt und Waffengebrauch (etwa auf der Zeche Schleswig in Dortmund-Neuasseln). Dass die alte obrigkeitliche Tradition im Bergbau nicht vergessen war, zeigt die Tatsache, dass das Streikkomitee eine Deputation an Wilhelm II. entsandte. Am 14. Mai 1889 wurden die „Kaiserdelegierten“ Friedrich Bunte, Ludwig Schröder, und August Siegel in Berlin vom Kaiser empfangen, den sie als obersten Bergherren anrufen wollten. Wenngleich dieser den Streik kritisierte, so räumte er doch ein, die Beschwerden amtlich prüfen zu lassen. Die Audienz beim Kaiser brachte den Streikenden hohe Aufmerksamkeit ein, auch und insbesondere in den bürgerlichen Schichten des Reiches. Unter Vermittlung Friedrich Hammachers, Reichstagsabgeordneter und Ehrenmitglied des Bergbau-Vereins, kam am Folgetag das "Berliner Protokoll" zustande, in dem für die Bergleute eine Arbeitszeit von acht Stunden inklusive jeweils einer halben Stunde Ein- und Ausfahrzeit festgelegt wurde. Außerdem sollten Überschichten nur nach vorheriger Vereinbarung zwischen Grubenverwaltung und Arbeiterausschüssen gefahren werden. Am 16. Mai äußerte Kaiser Wilhelm sich gegenüber einer Delegation des Bergbau-Vereins zufrieden über den Ausgang der Verhandlungen. Damit der Verein für die bergbaulichen Interessen Entgegenkommen signalisierte, flaute der Streik zunächst ab. Er wurde jedoch bereits am 21. Mai wiederaufgenommen, da die Bergbauunternehmer die Vereinbarung von Berlin ignorierten und sogar schwarze Listen mit den Namen streikender Bergleute einführten, um diesen eine Anstellung im Bergbau zu verwehren. Anfang Juni 1889 kam es schließlich zum Abbruch des Streiks, ohne dass unmittelbar ein anhaltendes Ergebnis für die Bergleute erzielt werden konnte. Ergebnisse. Der Streik wurde zum Auslöser für die Gründung des Alten Verbandes, dem Ausgangspunkt für den Durchbruch der Gewerkschaftsbewegung im Ruhrbergbau. Die Erinnerung an den Streik und die Kraft des Zusammenstehens wurde im Ruhrgebiet durch Ansprachen am 1. Mai und in Liedern wachgehalten. Mittelbar kann der Arbeitskampf auch als eine Ursache für den Erlass des Arbeiterschutzgesetzes vom 1. Juni 1891 (23. Novelle zur Reichsgewerbeordnung) gesehen werden. Es enthielt neben Regelungen zum Frauenschutz, eingeschränkter Nachtarbeit und Kinderschutz auch Bestimmungen für eine 24-stündige Sonntagsruhe für alle Arbeiter in Fabriken, Werkstätten, Bergwerken, auf Baustellen und Werften. Filmische Darstellung. In der ersten Staffel der Fernsehserie Rote Erde von 1983, welche die Geschichte des Ruhrbergbaus erzählt, spielen zwei Episoden während des Streiks. Die Umstände davor und währenddessen werden hier ausführlich dargestellt. Einer der Protagonisten (gespielt von Dominic Raacke) gehört zu der Delegation, welche in Berlin von Wilhelm II. empfangen wird. Während sich die gezeigten Begebenheiten tatsächlich so oder ähnlich abgespielt haben, sind die handelnden Charaktere in der Serie fiktiv.
Eine Linux-Distribution ist eine Auswahl aufeinander abgestimmter Software um den Linux-Kernel, bei dem es sich dabei in einigen Fällen auch um einen mehr oder minder angepassten und meist in enger Abstimmung mit Upstream selbst gepflegten "Distributionskernel" handelt. Üblicherweise wird der Begriff auf Zusammenstellungen begrenzt, die weitgehend linuxtypisch aufgebaut sind, was beispielsweise auf Android nicht zutrifft. Distributionen, in denen GNU-Programme eine essenzielle Rolle spielen, werden auch als „GNU/Linux-Distributionen“ bezeichnet. Die Namensgebung mit oder ohne GNU-Namenszusatz wird von den Distributoren je nach ihrer Position im GNU/Linux-Namensstreit unterschiedlich gehandhabt. Fast jede Distribution ist um eine Paketverwaltung herum zusammengestellt, d. h., dass sämtliche Bestandteile der Installation als Pakete vorliegen und sich über den Paketmanager installieren, deinstallieren und updaten lassen. Die Pakete werden dazu online in sogenannten Repositories vorgehalten. Zusammengestellt wird eine Linux-Distribution von ihrem Distributor. Für gewöhnlich wählt dieser Programme aus, bei denen er die nötigen Rechte hat, passt sie mehr oder weniger an, paketiert sie in seiner Paketverwaltung und bietet das Ergebnis als Distribution an. Normalerweise werden nur wenige Programme vom Distributor selbst geschrieben, häufig z. B. der Distributions-Installer. Der Distributor kann ein Unternehmen oder eine Gruppe von weltweit verteilten Freiwilligen sein. Er kann auch kommerziellen Support anbieten. Konzept. Die Idee hinter Distributionen ist ein Paket aufeinander abgestimmter Software zu bilden. Den zentralen Teil bilden dabei der Linux-Kernel selbst sowie Systemprogramme und Bibliotheken. Je nach Anwendungszweck der Distribution werden verschiedene Anwendungsprogramme (z. B. Webbrowser, Office-Anwendungen, Zeichenprogramme, Mediaplayer etc.) hinzugefügt. Linux-Distributionen halten in der Regel eine große Anzahl an Programmen in den Repositories zur Installation bereit. Dies steht im konzeptuellen Gegensatz zu anderen Betriebssystemen wie Windows und macOS, die neben dem Betriebssystem selbst nur wenige Anwendungen enthalten, dafür auf die Integration von Programmen von externen Anbietern, sogenannten ISVs, setzen. Weitere Aufgaben von Distributoren sind die Anpassung der Programme (durch Patches), Hinzufügen eigener Programmentwicklungen (vor allem zur Installation und Konfiguration des Systems wie zum Beispiel apt, Synaptic, YaST) sowie (bis auf wenige Ausnahmen, z. B. Gentoo) Kompilierung und Paketierung (.deb, .rpm) der Programme. Die Bereitstellung zusätzlicher Programme und Updates erfolgt typischerweise zentral über ein Repository, welches über ein Paketverwaltungs-System mit dem Betriebssystem synchronisiert wird. Auch wenn bei Linux-Betriebssystemen Distributionen die bei weitem üblichste Variante sind, ist ein Betrieb von Linux auch ohne eine vorgefertigte Distribution möglich, zum Beispiel mithilfe von Linux From Scratch. In dem für Linux wichtigen Markt der eingebetteten Systeme sind Distributionen wenig verbreitet. Zusammensetzung. Neben dem Linux-Kernel besteht eine Distribution meist aus der GNU-Software-Umgebung. Diese stellt große Teile des grundlegenden Basissystems mit den zahlreichen Systemdiensten (sogenannten Daemons) sowie diverse Anwendungen bereit, die bei einem unixoiden System erwartet werden. Distributionen, welche auch oder nur für Desktop-Systeme gedacht sind, verfügen normalerweise über ein Fenstersystem, derzeit meistens das X Window System. Ein solches ist für das Ausführen einer grafischen Benutzeroberfläche erforderlich. Darauf aufbauend steht meist eine Desktop-Umgebung, wie bspw. Gnome oder die KDE Software Compilation zur Verfügung, welche neben der reinen Benutzeroberfläche noch eine Auswahl an Anwendungsprogrammen mitbringt. Ergänzend fügt ein Distributor normalerweise zahlreiche weitere Anwendungen bei. Dies sind beispielsweise Office-Pakete, Multimediasoftware, Editoren, E-Mail-Programme, Browser, aber auch Server-Dienste. Daneben finden sich meist Softwareentwicklungs-Werkzeuge wie Compiler bzw. Interpreter sowie Editoren. Viele Softwarebestandteile von Linux-Distributionen, z. B. der Compiler GCC, stammen aus dem älteren GNU-Projekt. Dieses hatte sich schon vor der Entwicklung von Linux die Aufgabe gestellt, eine Alternative zu den kommerziellen Unix-Betriebssystemen zu entwickeln. Da der eigene Kernel des GNU-Projekts, GNU Hurd, noch in der Entwicklung ist, wird häufig als Ersatz der Linux-Kernel benutzt. Daher ist auch der Doppelname "GNU/Linux" für eine Distribution geläufig (z. B. bei Debian). Es gibt auch Linux-Distributionen, die auf die GNU-Softwareanteile oder ein X Window System komplett verzichten und stattdessen alternative Software nutzen. Diese Distributionen verhalten sich, wie beispielsweise FreeVMS oder Cosmoe, teilweise auch nicht annähernd wie ein Unix-System. Vertrieb. Während proprietäre Betriebssysteme häufig über den Einzelhandel vertrieben werden, ist dies bei Linux-Distributionen eher die Ausnahme. Die meisten Distributionen können heute kostenlos von der Website der Anbieter heruntergeladen werden. Diese finanzieren sich über Spenden, über kostenpflichtigen Support oder auch einfach nur über die Beteiligung von Freiwilligen. Nur vergleichsweise wenige Distributionen werden von gewinnorientierten Firmen entwickelt und sind teilweise über den Einzelhandel verfügbar. Zahlreiche Linux-Distributionen werden auch, von den Kunden unbemerkt, als Firmware auf einem Gerät oder sogar in größeren Maschinen oder Anlagen erworben. Dabei kann es sich z. B. um Werkzeugmaschinen, Fahrzeuge, Haushaltsgeräte, SPS, Messgeräte, Mobiltelefone, Modems, Digitalkameras, NAS oder Fernseher handeln. Geschichte. Da Linux nur ein Betriebssystem-Kernel ist, wird weitere Software benötigt, um ein benutzbares Betriebssystem zu erhalten. Aus diesem Grund kamen die ersten Linux-Distributionen schon kurz nach der GPL-Lizenzierung von Linux auf, als Anwender, die nicht zum direkten Entwicklerkreis gehörten, Linux zu nutzen begannen. Die ersten Distributionen hatten dabei das Ziel, das System beispielsweise mit der Software des GNU-Projekts zu einem arbeitsfähigen Betriebssystem zu bündeln. Zu ihnen gehörten "MCC Interim Linux", das auf den FTP-Servern der University of Manchester im Februar 1992 veröffentlicht wurde sowie "TAMU" und Softlanding Linux System (SLS), die etwas später herauskamen. Die erste kommerziell auf CD erhältliche Distribution war 1992 das von Adam J. Richters entwickelte Yggdrasil Linux. 1993 veröffentlichte Patrick Volkerding die Distribution Slackware, die auf SLS basiert. Sie ist die älteste heute noch aktive Linux-Distribution. Ebenfalls 1993, ungefähr einen Monat nach der Veröffentlichung von Slackware, wurde das Debian-Projekt ins Leben gerufen, das im Gegensatz zu Slackware gemeinschaftlich entwickelt wird. Die erste stabile Version kam 1996 heraus. 2004 wurde von Canonical das auf Debian basierende, später sehr populäre Ubuntu herausgebracht. Die ersten Nutzer kannten noch freie Software aus der Zeit vor den 1980er-Jahren und schätzten Linux, weil sie wieder die Verwertungsrechte an der von ihnen verwendeten Software besaßen. Spätere Nutzer waren Unix-Anwender, die Linux zunächst vor allem privat einsetzten und sich vor allem über den geringen Preis freuten. Waren die ersten Distributionen nur der Bequemlichkeit halber geschaffen worden, sind sie doch heute die übliche Art für Nutzer wie auch Entwickler, ein Linux-System zu installieren. Dabei werden die Linux-Distributionen heutzutage sowohl von Entwicklergruppen als auch von Firmen oder gemeinnützigen Projekten entwickelt und betrieben. Die Frage, welche Distributionen besonders beliebt sind, lässt sich nur schwer beantworten. Im deutschsprachigen Raum werden vor allem Ubuntu, Debian, openSUSE und Knoppix häufiger auch außerhalb der IT-Presse erwähnt. Darüber hinaus wäre Fedora zu nennen, das von dem börsennotierten US-Unternehmen Red Hat entwickelt wird. Arten von Distributionen. Da Distributionen praktisch eigene Produkte sind, konkurrieren diese am Markt miteinander und versuchen, sich einerseits voneinander abzugrenzen, andererseits aber auch anderen Distributionen keinen zu großen Vorteil zu überlassen. Daher unterscheiden sich zwar sämtliche Distributionen; es gibt aber kaum etwas, wofür sich nicht jede Distribution anpassen ließe. Hiervon ausgenommen sind nur Spezial-Systeme, etwa als Software im Embedded-Bereich. Einige Distributionen sind speziell auf einen Anwendungsfall optimiert. So gibt es etwa Systeme speziell für den Einsatz in Bildungseinrichtungen mit hierfür spezialisierter Software und zumeist einem Terminalserver-System, wodurch nur ein leistungsstarker Rechner benötigt wird und ansonsten auch ältere Hardware ausreicht. Beispiele sind hier Edubuntu oder DebianEdu. Ebenso gibt es Systeme speziell für veraltete Rechner, die einen geringeren Funktionsumfang haben und geringe Systemanforderungen stellen. Beispiele sind etwa Damn Small Linux oder Puppy Linux, die einen Umfang von nur 50 beziehungsweise 100 MB haben. Smartphone-Distributionen. Für Smartphones und Tablets gibt es speziell optimierte Linux-Distributionen. Sie bieten neben den Telefonie- und SMS-Funktionen diverse PIM-, Navigations- und Multimedia-Funktionen. Die Bedienung erfolgt typischerweise über Multi-Touch oder mit einem Stift. Linux-basierte Smartphone-Betriebssysteme werden meist von einem Unternehmenskonsortium oder einem einzelnen Unternehmen entwickelt und unterscheiden sich teilweise sehr stark von den sonst klassischen Desktop-, Embedded- und Server-Distributionen. Anders als im Embedded-Bereich sind Linux-basierte Smartphonesysteme aber nicht auf ein bestimmtes Gerät beschränkt. Vielmehr dienen sie als Betriebssystem für Geräte ganz unterschiedlicher Modellreihen und werden oft herstellerübergreifend eingesetzt. Die Architektur vieler Linux-basierter Smartphone- und Tablet-Betriebssysteme wie z. B. Android hat neben dem Linux-Kernel nur wenig Gemeinsamkeiten mit klassischen Linux-Distributionskonzepten. Ob Android als wichtigstes Linux-Kernel basierendes Smartphone-Betriebssystem auch als Linux-Distribution einzuordnen ist, wird kontrovers diskutiert. U.a. wird typischerweise auch nur ein kleiner Teil der sonst üblichen GNU-Software-Umgebung und -Tools genutzt. Obwohl Android selbst quelloffen ist, wird es meist mit den proprietären Google-Play-Diensten ausgeliefert, da Android selber den oft gewünschten Google Play Store nicht enthält. Da dadurch unkontrollierte proprietäre Binär-Software verwendet wird, stehen Richard Stallman und die FSF Android sehr kritisch gegenüber und empfehlen die Verwendung von Alternativen. Die meist auf Linux genutzten UNIX-artigen Dienste und Tools werden teilweise durch eine Java-Laufzeitumgebung ersetzt. Dadurch entstehen neue Programmierschnittstellen, die sich auf beliebigen anderen Plattformen emulieren bzw. umsetzen lassen. Trotz großer Diskrepanzen wird Android jedoch von manchen über gemeinsame Eigenschaften mit Embedded-Linux-Distributionen bei den Linux-Distributionen eingeordnet. Andere Linux-basierende Smartphone-Betriebssysteme wie etwa Firefox OS, Ubuntu for phones, Maemo, Tizen, Mer, Sailfish OS und MeeGo nutzen größere Teile der klassischen GNU-Software-Umgebung, so dass diese teilweise einfacher mit klassischen Linux-Anwendungen ergänzt werden können und somit eher Linux-Distributionen im klassischen Sinne entsprechen. Während die Marktanteile von bisher verbreiteten Mobil-Plattformen wie Apples iOS, Microsofts Windows Mobile und Nokias Symbian OS sanken, konnte Android Marktanteile hinzugewinnen. Seit Ende 2010 haben Linux-Systeme die Marktführerschaft auf dem schnell wachsenden Smartphone-Markt übernommen. Sie wiesen zusammen im Juli 2011 einen Marktanteil von mindestens 45 % auf. Aktuell ist Android die mit großem Abstand verbreitetste Linuxdistribution für Smartphones. Der Marktanteil lag im Mai 2016 bei 78 %. Embedded-Distributionen. Linux ist ein beliebtes Betriebssystem in eingebetteten Systemen. Entsprechende Distributionen sind für gewöhnlich hoch spezialisiert, da sie auf wenige, bestimmte Aufgaben ausgelegt sind. So ist meistens auch keine oder nur eine sehr einfache grafische Oberfläche zu finden. Häufig handelt es sich um Echtzeitsysteme. Sie haben in der Regel wenig Ähnlichkeit mit PC-Distributionen. Live-Distributionen. Eine Besonderheit bilden Live-Systeme, die von CD, DVD, USB und anderen Medien gebootet werden. Handelte es sich hierbei zunächst nur um spezialisierte Distributionen, die den Funktionsumfang von Linux demonstrieren sollten, gehört es inzwischen zum guten Ton unter Linux-Distributionen, den Standard-Umfang in Form einer Live-CD oder -DVD bzw. einem Live-USB-Speicherstick anzubieten. Einige dieser Systeme lassen sich auch direkt von dem Medium aus installieren. Live-Systeme können als vollständiges Linux gestartet werden, ohne auf die Festplatte zu schreiben und ohne die bestehende Konfiguration eines Rechners zu verändern. So kann die entsprechende Linux-Distribution gefahrlos auf einem Computer getestet werden. Live-Systeme eignen sich auch hervorragend zur Datenrettung und Systemanalyse, da sie von der Konfiguration des bereits bestehenden Systems unabhängig sind und so auch von möglichen Infektionen durch Würmer und Viren nicht betroffen werden können. Linux-Distributionen neben anderen Betriebssystemen. Die meisten Linux-Distributionen können auf derselben Hardware parallel zu anderen Betriebssystemen installiert werden. Als solche kommen bspw. eine weitere Linux-Distribution, ein anderes unixoides Betriebssystem wie macOS oder Solaris, oder aber auch ein Windows in Betracht. Prinzipiell sind zwei Vorgehensweisen zu unterscheiden: Multi-Boot. In einer Multi-Boot-Konfiguration werden zwei oder mehr Betriebssysteme parallel auf verschiedene Festplatten-Partitionen installiert. Installationsprogramme moderner Linux-Distributionen können meist bereits installierte Betriebssysteme erkennen und eigenständig eine Multi-Boot-Konfiguration einrichten. Nach der Installation kann beim Bootvorgang über einen Bootloader oder Bootmanager gewählt werden, welches Betriebssystem starten soll. Virtualisierung. Werden die Betriebssysteme häufig gleichzeitig genutzt, bietet sich u. U. eher eine Virtualisierungs-Lösung an. Zu unterscheiden sind hierbei das Host- und Gast-System. Ersteres ist tatsächlich physisch auf der Hardware installiert. Innerhalb dessen kommt eine Virtualisierungssoftware wie bspw. VirtualBox oder KVM zum Einsatz. Diese emuliert für das Gast-System die gesamte erforderliche Hardware oder bietet durch ein Sicherheitssystem direkten Zugriff auf die tatsächlich vorhandene Hardware des Computers. Da diese in einer solchen Konfiguration für den gleichzeitigen Betrieb beider Systeme erforderlich ist, kann es zu Geschwindigkeitseinbußen kommen. Unterschiede zwischen einzelnen Distributionen. Auch wenn man Spezial-Distributionen außer Acht lässt, unterscheiden sich auch gängige Linux-Distributionen in einigen Punkten. Einige Distributionen für Fortgeschrittene haben zum Beispiel keinen Installer, sondern nur eine Live-CD, die die nötigen Werkzeuge zur manuellen Installation bereitstellt (bspw. Arch und Gentoo). Die meisten bieten allerdings einen Installer in Form eines Assistenten an. Einige bieten zwar einen Assistenten an, erfordern aber Vorarbeiten, etwa das Partitionieren (bspw. Slackware). Die sonstige Art der Konfiguration entspricht normalerweise der Installationsmethode. Bei manchen Systemen muss man also die Konfigurationsdateien i. d. R. direkt bearbeiten, während andere für die wichtigsten Optionen Tools bereitstellen. Ein wichtiger Punkt ist auch die kostenlose Verfügbarkeit. Einige wenige Distributionen kosten Geld (bspw. RHEL), während die meisten kostenlos sind. Weiter unterscheiden sich Distributionen in der Anzahl der unterstützten Architekturen (besonders vielfältig sind Gentoo und Debian). Auch spielen Art und Umfang der Dokumentation eine Rolle. So liegen einigen Produkten Handbücher bei (bspw. RHEL), während für die meisten nur Dokumentation auf Webseiten zur Verfügung steht. Manche Distributionen verzichten ganz auf eine offizielle Dokumentation und lassen diese lieber – bspw. als Wiki – von der Nutzerschaft pflegen. Kommerzielle Distributoren bieten darüber hinaus meist offiziellen Support an, welcher als Dienstleistung allerdings vergütet werden muss. Auch in der Lizenzpolitik gibt es Unterschiede. Einige Systeme haben ausschließlich freie Software in ihren Repositories (besonders konsequent bspw. Parabola), während andere auch unfreie aufnehmen. Als ein Kompromiss werden häufig Repositories mit proprietärer Software angeboten, die aber manuell zum Paketmanager hinzugefügt werden müssen (das machen bspw. Debian und Ubuntu) oder es wird eine Ausnahme für besonders wichtige Programme gemacht (bspw. auch Ubuntu). Kostenpflichtige Software wird fast nie aufgenommen. Zu unterscheiden sind weiter Community-Distributionen (bspw. Debian) von solchen, hinter denen Unternehmen stehen (bspw. Ubuntu). Auch die Updatezyklen spielen eine Rolle. Sie gehen von Rolling Releases (bspw. Arch, Gentoo und Debian Unstable) bis hin zu vierjährigen Updatezyklen mit garantierter zehnjähriger Unterstützung einer Version (RHEL). Wichtig ist auch die Anzahl der Software in den Repositories. Entsprechend der Zielgruppe einer Distribution sind auch Größe und Fachkenntnis der Nutzerschaft verschieden. Kompatibilität zwischen den Distributionen. Die Unterschiede zwischen den Distributionen wirken sich oftmals auf deren Kompatibilität aus. Schon früh in der Geschichte der Distributionen entstanden Konzepte, die Installation weiterer Software zu vereinfachen. Meist sollte Software in Form kompilierter Pakete bereitgestellt und ein Mechanismus mitgeliefert werden, der funktionelle Abhängigkeiten zwischen installierten und nachgeladenen Paketen auflösen kann. Die entstandenen Paketmanagement-Systeme arbeiten mit je eigenen Paketformaten, zum Beispiel RPM oder dpkg. Viele Linux-Distributionen haben eine eigene Softwareverwaltung mit eigenen Binärpaketen, die zu anderen Distributionen teilweise inkompatibel sind. Die Kritik am Prinzip der Linux-Distributionen setzt unter anderem an diesem Punkt an. Da nicht jedes Software-Projekt und nicht jeder Software-Entwickler die Kenntnisse und Ressourcen hat, Software für jede einzelne Linux-Distribution bereitzustellen, wird oft nur der Quelltext veröffentlicht. Aus dem veröffentlichten Quelltext lauffähige Anwendungen zu erzeugen, ist jedoch potentiell ein komplizierter und fehlerträchtiger Prozess, der vielen Anwendern zu kompliziert sein kann. Diese bleiben dann oft auf die von der Distribution mitgelieferte Software angewiesen bzw. limitiert. Die Bereitstellung des Quellcodes als Softwareauslieferungsmethode ist jedoch für Anbieter kommerzieller Software, die Software binär ausliefern wollen, keine Option, weswegen diese die Menge von Distributionen und deren Paketformaten mit spezifischen Paketen bedienen müssen, was einen großen Mehraufwand bedeutet. Im Umfeld von Unternehmen hat deshalb nur eine begrenzte Auswahl an Distributionen eine Chance als allgemeine Arbeitsplattform. Eine weitere wichtige Norm ist POSIX. Sie geht im Gegensatz zur LSB über Linux hinaus und soll einen Standard für alle unixoiden Betriebssysteme bilden. POSIX ist nicht kompatibel mit der LSB. Linux-Distributionen halten sich für gewöhnlich an einen Großteil der Norm. Allerdings gibt es derzeit keine Distribution, die offiziell als POSIX-konform zertifiziert ist. Standardisierungsansätze. Damit sich die Distributionen nicht weiter auseinanderentwickeln, wurde die Free Standards Group (heute Linux Foundation) mit dem Ziel gegründet, entsprechende Standards zwischen Distributionen zu fördern. Der Bekannteste ist die Linux Standard Base zur Förderung der binären Kompatibilität der Distributionen. Die LSB wird dabei von den verschiedenen Distributionen unterschiedlich strikt umgesetzt. Sie definiert übereinstimmende Binärschnittstellen („"ABI"“ genannt, für "Application Binary Interface"), einige Details zum inneren Aufbau und ein Paketsystem (hier RPM), das für die Installation von Software anderer Anbieter unterstützt werden muss. Die praktische Bedeutung dieser Regeln ist allerdings nur begrenzt. Die einseitige Festlegung auf das RPM-Paketformat wird teilweise angezweifelt, nachdem in den letzten Jahren durch Ubuntu oder Linux Mint das dpkg-Format eine große Verbreitung erlangt hat. Weil die meisten Distributionen, die dpkg nutzen, direkt auf Debian basieren, sind deren Pakete oft in anderen Distributionen, die ebenfalls auf Debian basieren, installierbar. Auf der anderen Seite setzen alle von Fedora (respektive Red Hat Linux), OpenSUSE und Mandriva abstammenden Distributionen auf RPM. Es ist mit einigen Einschränkungen durchaus möglich – z. B. mit Hilfe des "OpenSuse Build Service" – RPM-Pakete zu erstellen, die auf allen diesen Distributionen nutzbar sind. Eine weitere Standardisierung stellt der Filesystem Hierarchy Standard dar, der eine gemeinsame Benennung einiger Datei- und Verzeichnisnamen und eine übereinstimmende Struktur der Basisverzeichnisse ermöglichen soll. Allerdings sind auch hier Details nicht geregelt, die bisher Inkompatibilitäten erzeugten. Andere Probleme ergeben sich erst durch die feste Integration von Anwendungen in den Systemverzeichnisbaum. Er wird von der "Linux Standard Base" vorausgesetzt. Alternativansätze für die Programmverbreitung. Es gibt einige Alternativansätze zu dem Modell der zentralen Softwareverbreitung über die Distributionen und deren Repositories. Projekte wie Autopackage, Zero Install oder der Klik-Nachfolger "PortableLinuxApps" versuchen eine einheitliche, aber dezentrale, distributionsunabhängige, binäre Softwareverbreitungsmöglichkeit zu schaffen, konnten aber bis jetzt faktisch keine relevante Verbreitung oder Unterstützung der Linux-Community erreichen. Ein Schritt in diese Richtung war 2011 die Einführung eines "Software Center" in Ubuntu, um die Anzahl der Applikationen signifikant erhöhen zu können, da das Distributionsmodell nur begrenzt skaliert. 2012 betonte auch der Kernelentwickler Ingo Molnár die Notwendigkeit der Bereitstellung einer solchen dezentralen, skalierbaren und distributionsunabhängigen Softwareverbreitungsmethode; das Fehlen eines solchen Mechanismus sei eines der Kernprobleme des Linux-Desktops.
Der Schneeball-Ahorn ("Acer opalus"), meist Schneeballblättriger Ahorn, auch Frühlings-Ahorn oder Italienischer Ahorn genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Ahorne ("Acer"). Er ist in den Gebirgen des westlichen Mittelmeerraumes verbreitet und wird in den gemäßigten Gebieten selten als Ziergehölz verwendet. Beschreibung. Erscheinungsbild, Rinde und Knospe. Der Schneeball-Ahorn wächst als sommergrüner, großer Strauch oder als Baum, der Wuchshöhen von bis zu 20 Metern erreichen kann. Er besitzt auf einem gedrungenen, kurzen Stamm eine offene, breite, kugel- bis kuppelförmige Baumkrone. Die Rinde junger Zweige ist kahl, später oliv-braun und längsrissig und ist mit zahlreichen länglich-ovalen Lentizellen besetzt. Die Borke ist anfangs rötlich-grau, später bekommt sie zunehmend grobe, randlich aufgebogene Schuppen, die nach dem Abfallen orangebraune Flecken hinterlassen, oder ist rissig gefeldert bis gefurcht. Die gegenständig und etwas vom Zweig abstehend angeordneten Seitenknospen sind bei einer Länge von etwa 8 Millimetern schmal spitz-eiförmig. Sie besitzen hellbraune, grau-weißlich behaarte, nach vorne zugespitzte Knospenschuppen. Der dunkelbraune Rand der Knospenschuppen ist weißlich bewimpert. Die mit einer Länge von 12 Millimeter etwas größere Endknospe ähnelt den Seitenknospen. Blatt. Die gegenständig angeordneten Laubblätter sind in Blattstiel und Blattspreite gegliedert. Sie führen keinen Milchsaft. Der Blattstiel ist 10 bis 15 Zentimeter lang und auf der Oberseite rötlich. Die 12 bis 14 Zentimeter breite Blattspreite ist meist stumpf dreilappig oder, selten deutlich, fünflappig, wobei die vordersten drei Lappen besonders breit, grob und unregelmäßig gekerbt gesägt sind. Die Blattoberseite ist dunkelgrün und die blaugrau-grüne Blattunterseite ist zumindest entlang der Hauptadern weich behaart. Die Herbstfärbung ist gelb bis orangefarben. Blütenstand und Blüte. Die Blüten erscheinen gleichzeitig mit oder kurz vor den Laubblättern im April. In nickenden doldenrispigen Blütenständen stehen 10 bis 50 lang gestielte Blüten zusammen. Die zwittrigen oder eingeschlechtigen Blüten sind hellgelb bis gelb-grün. Frucht. Die oft an einem dicken, gebogenen Stiel hängenden Nussfrüchte weisen einen Durchmesser von etwa 1 Zentimeter auf. Die Früchte besitzen rosafarben-grünliche bis rotbraune, 1,5 bis 2,5 Zentimeter lange Flügel, die spitzwinklig bis ungefähr in einem rechten Winkel abschließen. Chromosomenzahl. Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 26. Ökologie. Die Bestäubung des Schneeball-Ahorn erfolgt durch Insekten. Die Blüten produzieren reichlich süßen Nektar und werden deshalb trotz ihrer unauffälligen Farbe stark von Bienen und Hummeln angeflogen. Vorkommen. Der Schneeball-Ahorn ist in den Gebirgen des westlichen Mittelmeerraumes verbreitet und kommt dort in Bergwäldern vor. Er ist auch in Nordafrika verbreitet. In Mitteleuropa wächst er als Wildform nur in den mildesten Lagen, nördlich der Alpen nur im Schweizer Jura und in der Nähe von Grenzach (D). Da der Schneeball-Ahorn noch vor dem Blatt- und Blütenaustrieb der meisten anderen Waldbäume leuchtend gelb-grün blüht, kann er in dieser Zeit gut im Bestand erkannt werden. Von dieser Eigenschaft leitet sich ein weiterer Trivialname ab: Frühlings-Ahorn. Der Schneeball-Ahorn gilt als Halbschattenbaumart und besiedelt die kolline, seltener die montane Höhenstufe. Er benötigt einen sonnigen Standort auf mittel- bis flachgründigen, mäßig frischen, nährstoffreichen, basen- und kalkhaltigen Lehmböden. Man trifft ihn insbesondere in Buchen- und Eichenwäldern, Seggen-Buchenwäldern, Eichen- und Buchen-Hangwäldern an. Auch Laubwälder mit Buchsbaum, Flaumeichen und Linden-Ahorn-Wälder zählen ebenso wie Hainbuchenwälder zu seinen regelmäßigen Wuchsorten. Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt et al. 2010 sind in der Schweiz: Feuchtezahl F = 2 (mäßig trocken), Lichtzahl L = 3 (halbschattig), Reaktionszahl R = 4 (neutral bis basisch), Temperaturzahl T = 4+ (warm-kollin), Nährstoffzahl 1 = 3 (mäßig nährstoffarm bis mäßig nährstoffreich), Kontinentalitätszahl K = 3 (subozeanisch bis subkontinental). Der Schneeball-Ahorn wird selten als Zierpflanze in Parkanlagen verwendet. Systematik. Die Erstveröffentlichung von "Acer opalus" erfolgte 1768 durch Philip Miller in "Gardeners Dictionary", 8. Auflage, "Acer" Nummer 8. "Acer opalus" gehört zur Serie "Monspessulana" aus der Sektion "Acer" in der Gattung "Acer". Es gibt von "Acer opalus" mindestens zwei Unterarten:
Der Unfalldatenspeicher (Abk.: UDS, auch Unfall(daten)schreiber, früher Kurzwegschreiber oder Kurzzeitschreiber) ist ein eigenständiges elektronisches Gerät, das vor, während und nach einem Verkehrsunfall relevante Daten aufzeichnet und somit einem Flugschreiber ähnelt. Er kann in Kraftfahrzeuge (PKW, LKW, Busse, Krafträder, Straßenbahnen und Sonderkraftfahrzeuge) auf freiwilliger Basis eingebaut werden, um über die Vorgänge bei einem Unfall genauere Erkenntnisse zu erhalten. In einigen Ländern gibt es Vorschriften für einen verpflichtenden Einbau in verschiedenen Fahrzeugen. Der UDS nimmt ständig verschiedene Daten des Fahrzeugs auf (wie Geschwindigkeit, Bewegungsrichtung, Fahrzeugbeschleunigung in Längs- und Querrichtung, Status der Beleuchtung, Blinker- und Bremstätigkeit etc.) und zeichnet diese einige Zeit auf, bevor sie automatisch gelöscht werden. Im Falle eines Unfalles (erkannt wird dies durch eine starke Beschleunigung des Fahrzeuges infolge eines Anstoßes) bleiben gewisse Zeiträume (meist im zweistelligen Sekundenbereich) vor und nach einem Ereignis dauerhaft gespeichert. So lässt sich nach einem Unfall sehr viel einfacher das Geschehen rekonstruieren, damit ggf. die Frage des Verschuldens geklärt werden kann. Viele Fahrzeuge von Behörden (wie Polizei oder Rettungsdienst) sind damit ausgestattet, da es bei Unfällen während Blaulichtfahrten häufig zu Streitigkeiten über die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften kommt. Ein Nebeneffekt bei mit UDS ausgestatteten Fahrzeugen ist, dass sich die Fahrer im Straßenverkehr vorsichtiger verhalten. Laut einer Erhebung der EU-Verkehrskommission war bei UDS-Anwendern ein Rückgang der Verkehrsunfälle von 20 bis 30 Prozent zu verzeichnen. Der Unfalldatenspeicher wird von Sachverständigen oder Institutionen oft bei Crashtests als Messgerät verwendet. Der Einbau (auch nachträglich) kostet ca. 700 Euro und kann bei manchen Versicherungen zu einem Beitragsnachlass führen. In einigen Fahrzeugen wird der Einbau ab Werk (optional) vom Hersteller angeboten. Ausgelesen werden kann der UDS per Schnittstellenkabel durch einen Sachverständigen. Der Unfalldatenschreiber (älterer Generationen) besitzt einen Schalter, mit dem der Fahrer nach einem Unfall die gespeicherten Daten sofort löschen kann, um sich bei der späteren Schuldfrage nicht selbst zu belasten. Diese Funktion kann jedoch, zum Beispiel zur Verwendung in Firmenfahrzeugen, gesperrt werden. Technik. UDS arbeiten zur Messung der Beschleunigungen, je nach Ausstattung in zwei oder drei Raumrichtungen, mit mikromechanischen Sensoren. Oft werden mehrere Sensorsysteme mit verschiedenen Auflösungen eingesetzt, um einerseits die fahrdynamischen Vorgänge und andererseits die Kollisionsdynamik selbst brauchbar aufzeichnen zu können. Höherwertige Systeme bieten darüber hinaus eine Möglichkeit zur Messung der Drehbewegungen sowie der Fahrzeuggeschwindigkeit. Letztere kann z. B. aus dem Signal des fahrzeugeigenen Raddrehzahlsensors berechnet werden. Die Aufzeichnung von beliebigen Signalen, die auf dem fahrzeugeigenen CAN-Bus verfügbar sind, ist mit höherwertigen Geräten ebenso möglich wie die Erfassung eines GPS-Signals zur Positions- und Geschwindigkeitsbestimmung. Je nach Hersteller werden ca. 20 bis 30 s vor und 10 bis 15 s nach einem Ereignis aufgezeichnet. Bekannt sind heute (Stand 2018) im deutschsprachigen Raum im Wesentlichen zwei für den nachträglichen Einbau geeignete Unfalldatenspeicher. Die Fa. Blacktrack bot eine kostengünstige Lösung an, die vor allem von der Versicherungswirtschaft (z. B. AXA Winterthur in der Schweiz) genutzt wurde. Der von dem Firmenkonsortium Peter Systemtechnik GmbH und Kast GmbH entwickelte UDS-AT bietet demgegenüber erweiterte Möglichkeiten der Aufzeichnung und der Integration in ein Fahrzeug. Ein Vorteil eines UDS ist seine fahrzeugunabhängige Sensorik, die eine Rekonstruktion der Fahrbewegung und -geschwindigkeit losgelöst von einem in Extremsituationen (bspw. Unfall) unter Umständen fehlerbehafteten Tachosignal erlaubt. Auswertung. Das Auslesen der verschlüsselten Daten eines Unfalldatenspeichers erfordert Spezialsoftware. Die Auswertung und Interpretation von Messdaten eines Verkehrsunfalles setzt spezielles Wissen auf den Gebieten der Fahrdynamik, der Unfallrekonstruktion, der Fahrzeugtechnik, der Messtechnik und nicht zuletzt der Unfalldatenspeichertechnologie selbst voraus. Es gibt in Deutschland etwa eine Handvoll Sachverständige, größtenteils Unfallanalytiker (Sachgebiet 4950), deren Bestellungstenor das Auswerten von Unfalldatenspeichern beinhaltet. Das Bild rechts zeigt die (unbearbeiteten) Datenkurven eines realen Unfalles, der mit einem UDS aufgezeichnet wurde. Dabei sind die gemessenen Beschleunigungen, die Geschwindigkeit und verschiedenen Statuskanäle über der Zeit aufgetragen. Erkennbar ist beispielsweise, dass Fahrzeugsondersignale vor der Kollision eingeschaltet waren und der Fahrer vorher noch die Bremse betätigte. Historie. Der heute bekannte Unfalldatenspeicher wurde von der Mannesmann Kienzle GmbH erfunden und 1992 zum Patent angemeldet. Die Entwicklung begann in Deutschland jedoch schon Anfang der 1980er Jahre bei den zwei Firmen MBB (»Unfall-Dokumentations-System«) und Kienzle, die unterschiedliche Konzepte verfolgten. Die Fa. VDO Adolf Schindling AG meldete 1980 ein Patent für eine »Unfallregistriereinrichtung für Fahrzeuge« an. Edmund Zottnik meldete 1984 ein Patent für einen »Unfalldatenschreiber« an, während Friedrich Fredmüller 1991 ein Patent für einen »Kurzweg-Schreiber (KWS)« anmeldete. Allgemein nahm man sich den Flugschreiber zum Vorbild, welcher Anfang der 1950er Jahre in Australien von David Warren entwickelt wurde. General Motors meldete bereits 1973 ein Patent für einen »Aufprallschreiber bei Fahrzeugen« an. Mannesmann Kienzle lieferte Anfang 1993 die ersten Unfalldatenspeicher aus. Dieses Gerät wurde in mehreren Generationen weiterentwickelt. Die zweite Generation (UDS 2.0) wurde im Jahr 2000 vorgestellt, die dritte Generation (UDS-AT) im Jahr 2015 und die vierte Generation (UDS-AT pro) im Jahr 2020. Motorsport. Im Motorsport müssen nach Vorgabe der FIA in verschiedenen Serien »Accident data recorder« (ADR) verwendet werden. Beginnend mit der Saison 2015 wurde die Verwendung eines ADR in der Formel 4 Meisterschaft Pflicht. In den höheren Serien ist die Verwendung schon seit längerem obligatorisch. Neben den Daten der am Fahrzeug angebrachten Beschleunigungssensoren werden auch die auf den Fahrer wirkenden Belastungen mit einem In-Ohr-Beschleunigungssensor gemessen. Aufgrund der höheren Geschwindigkeiten im Formelsport im Vergleich zum Straßenverkehr haben die Sensoren einen Messbereich ±150 g bei einer Auflösung von 0,1 g. Vor einem Ereignis werden 2 s aufgezeichnet. Bei einer Ereignisdauer von 30 s können 10 Ereignisse abgespeichert werden. Abgrenzung. Sowohl bei einem Flugschreiber als auch bei einem UDS laufen die ständig aufgezeichneten Daten in einen Ringspeicher. Allerdings zeichnet der Flugschreiber in der Regel über längere Zeiträume von 17 bis 25 Stunden auf. Demgegenüber werden beim UDS erst bei Auslösung eines Ereignisses (z. B. Kollision) einige Sekunden davor und danach dauerhaft gespeichert. Unter dem Begriff "Fahrdatenspeicher" wird i. A. eine kontinuierliche und dauerhaft verfügbare Aufzeichnung von Daten und Signalen während des Betriebs eines Fahrzeuges – unabhängig von einem Unfall – verstanden. Derartige Systeme werden oft bei Lokomotiven oder Straßenbahnen eingesetzt. Oft wird jedoch auch ein elektronisches Fahrtenbuch als Fahrdatenspeicher bezeichnet. Dashcams werden manchmal auch als Fahrdatenspeicher ("Drive data recorder") oder "Video event data recorder" (VEDR) bezeichnet. Der Begriff "Restwegaufzeichnungsgerät" (Abk.: RAG) wird hauptsächlich in der Schweiz verwendet. Restwegaufzeichnungsgeräte der Fa. Mobatime AG sind externe Geräte, die auf vorhandene, fahrzeugeigene Signale (Wegstrecke, Geschwindigkeit, Betriebszustände von Statuseingängen) zurückgreifen und diese für mindestens die letzten 12 km in einem Ringspeicher ablegen. Im Gegensatz zu einem Unfalldatenspeicher haben sie keine eigene Mess-Sensorik. Ein sogenannter "Event Data Recorder" (EDR, "Ereignisdatenspeicher") ist kein Unfalldatenspeicher (engl. sinngemäß "Accident Data Recorder") im Sinne eines eigenständigen, mehr oder weniger vom Fahrzeug unabhängigen Gerätes, da ein EDR meist ein zusätzlicher Elektronikbaustein in einem sowieso vorhandenen Steuergerät (z. B. vom Airbag) in einem Pkw ist. EDR greifen ausschließlich auf fahrzeugeigene Signale zurück, während UDS über eigene Inertialsensorik verfügen. Fahrzeuge mit Airbagsystemen speichern unfallrelevante Daten (Aufprallbeschleunigungen, Gurtschlosszustände, Sitzpositionen, Auslösezeiten) im internen Speicher der Auslöseelektronik. Der Datenumfang ist aber je nach Hersteller unterschiedlich und erstreckt sich nur über etwa einige Sekunden oder -bruchteile. Bestimmungen der US-amerikanischen Bundesbehörde für Straßen- und Fahrzeugsicherheit NHTSA fordern einheitliche Datensätze für alle ab 2010 hergestellten Systeme. Auch Journalisten und Fahrzeugherstellern ist der Unterschied zwischen UDS und EDR nicht immer klar bzw. es wird nicht sauber differenziert oder übersetzt. So wurden im Toyota-Skandal um vermeintlich klemmende Gaspedale lt. Auto Bild "Unfalldatenschreiber" durch die NHTSA ausgewertet. Tatsächlich handelte es sich dabei um EDR. Laut Betriebsanleitung soll das Motorrad Kawasaki Z 800 über einen ab Werk integrierten Unfalldatenspeicher verfügen. Dieser zeichnet Fahrzeuggeschwindigkeit, Kurbelwellendrehzahl und Drosselöffnung innerhalb eines kurzen Zeitraums (10 s) auf. Auch wenn der Hersteller die Funktion als Unfalldatenspeicher beschreibt, so handelt es sich um einen Event Data Recorder. Im englischen Original des Owner’s manual wird er genau so bezeichnet, so dass eine fehlerhafte Übersetzung für Verwirrung sorgen kann. In der Betriebsanleitung des Seat Leon III, welcher über einen EDR verfügt, wird der EDR direkt einem Unfalldatenspeicher gleichgesetzt. Die Formulierung, dass das Fahrzeug über einen Unfalldatenspeicher verfüge, ist derzeit (10/2018) auch in anderen Betriebsanleitungen von Fahrzeugen aus dem VW-Konzern (z. B. T-Roc) nachlesbar. Die Fahrzeuge sind ab Werk jedoch mit einem Event Data Recorder ausgerüstet. Kritik. Der ADAC kritisierte im August 2012, dass die Unfallreduktionsraten, die man nach Einführung von UDS in (Firmen-)Fahrzeugflotten feststellte, nicht auf die private Nutzung übertragbar seien. Der ADAC stellte jedoch im November 2012 fest, dass »UDS helfen, Unfälle besser aufzuklären«. Andere Kritiker fürchten um den Datenschutz. Polizei und Versicherungen könnten die Daten auslesen und diese seien dem Fahrer zuordenbar. Dem entgegnen Befürworter, dass UDS Ringspeicher sind, die zwar laufend Fahrdaten aufzeichnen. Sie sichern jedoch nur die Daten der 30 Sekunden vor und 15 Sekunden nach einem Unfall. Die Daten eines UDS werden verschlüsselt gespeichert.
Die Gruppe C war eine von der FIA ausgeschriebene Klasse für Sportwagen. Mit Fahrzeugen gemäß diesem Reglement wurde von 1982 bis 1992 die Sportwagen-Weltmeisterschaft ausgetragen. Außerdem kamen Gruppe-C-Fahrzeuge von 1982 bis 1985 in der Deutschen Rennsport-Meisterschaft zum Einsatz. Diese wurde 1983 und 1984 unter der Bezeichnung "Internationale Deutsche Rennsport-Meisterschaft" sowie 1985 als "Internationale Deutsche Sportwagen-Meisterschaft" ausgetragen. Den Abschluss des Einsatzes von Gruppe-C-Fahrzeugen auf nationaler Ebene in Deutschland bildete der Supercup in den Jahren 1986 bis 1989. Die zeitlich längste Verwendung in einer Meisterschaft erlebte die Gruppe C in der nordamerikanischen IMSA-GTP-Serie, wo Fahrzeuge dieser Klasse von 1981 bis 1993 zugelassen waren. Außerdem kamen Fahrzeuge der Gruppe C in der Europäischen Interserie zum Einsatz. Die Gruppe C war als Prototypenklasse definiert. Somit war für eine Homologation weder eine Mindestanzahl identischer gebauter Fahrzeuge noch die Verwendung irgendwelcher Serienteile zwingend erforderlich. Wesen der Gruppe C und Engagement der Hersteller. Ziel der FIA war es, mit der Gruppe C sowohl die Produktionsrennwagen der Gruppe 5 (mit Dach) zu ersetzen als auch die offenen Sportwagen-Prototypen der Gruppe 6. Während Motorsportklassen gemeinhin nach Hubraumbeschränkungen ausgeschrieben werden, war die Gruppe C von Anfang an als so genannte Verbrauchsformel konzipiert: Die FIA schrieb ein Mindest-Fahrzeuggewicht von 800 Kilogramm vor sowie einen Tankinhalt von maximal 100 Litern. Der Hubraum wie auch die Verwendung von oder der Verzicht auf eine Motoraufladung waren freigestellt. Während eines 1.000-Kilometer-Rennens, was die damalige Minimaldistanz in der Sportwagen-Weltmeisterschaft darstellte, waren fünf Tankstopps erlaubt. Effektiv war der Treibstoffverbrauch der Motoren somit auf 60 Liter pro 100 Kilometer beschränkt. Diese Beschränkung galt nicht für die IMSA-GTP-Serie, deren Rennen sich außerhalb des Hoheitsbereichs der FIA abspielten. Aus Marketing-Sicht war ein Gruppe-C-Engagement für die Automobilhersteller dadurch interessant, dass mit Europa und Asien (Sportwagen-Weltmeisterschaft), Nordamerika (IMSA-GTP-Serie) sowie durch das 24-Stunden-Rennen von Le Mans (weltweite Aufmerksamkeit) alle wichtigen Zielmärkte gleichzeitig angesprochen werden konnten. Folglich traten bereits in der Anfangszeit mehrere Hersteller mit eigens entwickelten Fahrzeugen auf den Plan und setzten diese werksseitig ein. Dies waren zunächst Ford, Porsche und Lancia. In späteren Jahren folgten Jaguar, Nissan, Toyota, Mazda, Aston Martin und Peugeot. Zum Gruppe-C-Engagement von Mercedes-Benz ist anzumerken, dass dieses stets in Kooperation mit Sauber stattfand, wo die Fahrzeuge maßgeblich entwickelt und vor allem produziert wurden. Insofern ist dieses Engagement nicht mit den Werkseinsätzen durch andere Hersteller gleichzustellen. Mit Alfa Romeo hatte bis zum Jahr 1992 ein weiterer Hersteller von Serienautomobilen ebenfalls ein Gruppe-C-Fahrzeug entwickelt. Dieses erlebte jedoch keine Renneinsätze mehr. Gruppe C2. Das Engagement der Werke hatte bald zur Folge, dass diejenigen Sport- und Rennwagenhersteller, deren Kerngeschäft nicht im Verkauf von Serienfahrzeugen lag, nicht die finanziellen Mittel aufbringen konnten, um konkurrenzfähige Gruppe-C-Fahrzeuge zu entwickeln. Daher führte die FIA bereits im Jahr 1982 die Gruppe C Junior ein, die ab 1985 Gruppe C2 hieß. Genau wie bei der fortan als Gruppe C1 bezeichneten großen Klasse so vertraute die Motorsportbehörde auch hier auf eine Verbrauchsformel, die ein ausuferndes technisches Wettrüsten unterbinden sollte. Fahrzeuge der Gruppe C Junior bzw. Gruppe C2 hatten ein Mindestgewicht von 700 Kilogramm aufzuweisen, der Tankinhalt durfte lediglich 55 Liter betragen. Bei fünf erlaubten Tankstopps innerhalb eines 1.000-Kilometer-Rennens bedeutete dies einen Durchschnittsverbrauch von lediglich 33 Litern pro 100 Kilometer. Um diese Vorgabe einhalten zu können, wurde meist auf Saugmotoren im Hubraumbereich um 3,5 Liter vertraut, während die Gruppe C1 von Turbofahrzeugen dominiert wurde. Hersteller von erfolgreichen Gruppe-C2-Fahrzeugen waren Alba, Ecurie Ecosse, Gebhardt, URD, Tiga und Spice. Das Ende der Gruppe C. Für die Saison 1989 reduzierte die FIA die Mindestdistanz der bisherigen Langstreckenrennen von 1.000 auf 480 Kilometer, 1991 dann auf 430 Kilometer. Ebenfalls 1989 wurde der bisherige Grundsatz einer Verbrauchsformel aufgegeben. Stattdessen sollten Gruppe-C-Fahrzeuge fortan von 3,5-Liter-Saugmotoren angetrieben werden. Dies entsprach dem damaligen Stand der Formel 1, in der ab 1989 Turbomotoren verboten waren. Die Gruppe C2 entfiel ersatzlos. Motorenhersteller wie Mercedes-Benz gaben fortan ihr Engagement im Sportwagenrennsport auf und belieferten stattdessen Formel-1-Teams mit Motoren. Für Privatteams war eine erfolgreiche Teilnahme an der Sportwagen-WM vor dem Hintergrund, dass "de facto" Formel-1-Technik eingesetzt werden musste, nicht mehr finanzierbar. Aufgrund mangelnder Nennungen wurde die Sportwagenweltmeisterschaft der Saison 1993 noch vor dem ersten Rennen durch die FIA abgesagt. Mitunter wird gemutmaßt, die FIA habe zu Beginn der Neunzigerjahre durch ihre Reglementänderungen die Gruppe C bewusst unattraktiv werden lassen, da diese in der Publikums- und Mediengunst gegenüber der Formel-1-Weltmeisterschaft (ebenfalls veranstaltet von der FIA) zu einer inzwischen übermächtigen Konkurrenz geworden sei. Nachleben. Bemerkenswert ist das erfolgreiche Nachleben, das einigen Gruppe-C-Fahrzeugen in anderen Sportwagenklassen beschieden war. So gelang 1994 dem Team des Nürnbergers Jochen Dauer der Gesamtsieg in Le Mans auf einem Fahrzeug mit der Bezeichnung Dauer 962 LM. Es handelte sich hierbei um einen Porsche 962, der gemäß den Spezifikationen der neuen GT1-Klasse aufgebaut war und somit nicht als Prototyp, sondern als Straßensportwagen startete, obwohl für dieses Fahrzeug keine Verankerung in der Automobil-Serienfertigung bestand. Berücksichtigt man die Tatsache, dass die konstruktive Basis für den Porsche 962 durch den Porsche 956 gebildet wurde, so handelte es sich beim Dauer 962 LM zum Zeitpunkt seines Le-Mans-Sieges um ein bereits zwölf Jahre altes Baumuster. In den Jahren 1996 und 1997 siegte in Le Mans jeweils das Team Joest mit einem Fahrzeug der Bezeichnung TWR Porsche WSC-95. Hierbei handelte es sich um ein offenes Fahrzeug (Spider), für welches das Chassis des Jaguar XJR-14 sowie der Motor des Porsche 962 verwendet wurden. Das Kölner Team Kremer baute drei Fahrzeuge vom Typ Porsche 962 zu Spidern um und setzte diese von 1994 bis 1998 unter der Bezeichnung Kremer K8 Spyder bei Rennen ein. Daneben gab es zwei Projekte zum Bau von straßenzugelassenen Sportwagen auf Basis von Gruppe-C-Fahrzeugen. Dies war zum einen der Schuppan 962CR auf Basis des Porsche 962, zum anderen der erwähnte Dauer 962 LM, der in einer Version ohne Straßenzulassung 1994 in Le Mans siegte. Noch bis zur Einstellung des Geschäftsbetriebs der Dauer Sportwagen GmbH im Jahr 2008 war der Dauer 962 LM auf Bestellung erhältlich. In Optik und Ausstattung wichen die letzten Exemplare stark von der Rennsportbasis des Porsche 962 ab. Unglücksfälle. Ähnlich wie die Formel 1 in den Achtzigerjahren blieb auch die Gruppe C nicht von tragischen Unglücksfällen verschont. Fahrer, die durch Rennunfälle mit Gruppe-C-Fahrzeugen ums Leben kamen, waren Manfred Winkelhock (Porsche 962, Unfall am 11. August 1985 in Mosport), Stefan Bellof (Porsche 956, Unfall am 1. September 1985 in Spa) und Jo Gartner (Porsche 962, Unfall am 1. Juni 1986 in Le Mans).
Der Gymnicher Ritt ist eine überregional bekannte Reiterprozession, die jährlich am Fest Christi Himmelfahrt stattfindet und durch den Ort Gymnich sowie um die Gemarkung des Ortes führt. Geschichte. Ursprünge. Die Entstehung des Rittes ist nicht schriftlich dokumentiert. Im 19. Jahrhundert wurde in der mündlichen Überlieferung als Stifter des Rittes ein „Graf von Gymnich“ genannt, der auf dem Ersten Kreuzzug mit seinem Pferd im Morast versank und Gott als Dank für seine Rettung einen jährlichen Ritt durch die Gemarkung seiner Herrschaft gelobte. In der heimatkundlichen Literatur wird das Gelöbnis als Sage bezeichnet. Es gibt zwei Versionen über die Stiftung des Rittes. Zum einen wird sie auf das Gelöbnis Johanns II. von Gymnich zurückgeführt, der bei der Verfolgung der Türken in große Gefahr geraten sein sollte, zum andern auf das Gelöbnis des Ritters Arnold von Gimmenich, dessen Teilnahme am Kreuzzug von Damiette urkundlich belegt ist. Historiker sehen die Ursprünge des Rittes in Flurprozessionen, die seit dem Mittelalter in der katholischen Kirche als Bittprozessionen um Segen für die Feldfrüchte überliefert sind. Sie fanden an drei Tagen vor Christi Himmelfahrt statt. Ferner fand am Hagelfeiertag im Mai die Hagelprozession statt, an manchen Orten auch zu Pferd wie aus Buer bekannt ist. Neben diesen Prozessionen beeinflussten die in den Gemeinden durchgeführten Grenzbegehungen zur Bestätigung der Gemeindegrenzen und der Zehntgrenzen sowie der Herrschaftsbereiche, oft in Weistümern überliefert, den Ritt. An den Grenzbegehung, Beleitgang oder Limitengang genannten Umgängen waren sowohl die Gemeinde als auch die Nachbargemeinden beteiligt. Eine solche Begehung der Grenzen seines Herrschaftsbereiches ließ Johann II. von Gymnich 1448 durchführen und notariell bestätigen. Eine Grenzbegehung, bei der die Zehntgrenzen der Zehntherren bestätigt wurden, wird in der Kellnerei-Rechnung des Siegburger Hofes aus dem Jahre 1534 aufgeführt, als der Abt von Siegburg mit dem Propst von St. Gereon und mit den Herren von St. Aposteln „Geleit“ hielt (als der Abt „in dem veldt uff dem geleyt was“). Gymnicher Ritt bis 1925. Es ist davon auszugehen, dass sich in Gymnich ein eigenes Brauchtum entwickelte und ein Flurumgang oder -umritt außerhalb der kirchlichen Bittprozessionen in Anlehnung an die Beleitgänge durchgeführt wurde, die seit Ende des 17. Jahrhunderts nicht mehr in der alten Form stattfanden. Weder in den erzbischöflichen Visitationsprotokollen noch in den Kirchenrechnungen der Kirche St. Kunibert gibt es einen Hinweis auf den Ritt, da nur die kirchlichen Prozessionen genannt wurden. Der erste Hinweis auf den Ritt findet sich 1809 in einem Erlass aus napoléonischer Zeit den Kult betreffend. Er erlaubte das Mitführen von Pferden bei Prozessionen, doch gab es in den folgenden Jahrzehnten keine kirchliche Einbindung des Rittes. Er war von kirchlicher Seite unerwünscht, da die Beteiligten wegen des Rittes ihre Sonntagspflicht, den Besuch der Messe, versäumten. Den mehrmals wiederholten Bitten der Pfarrer um Einbindung des Rittes in den Gottesdienst, wurde vom Generalvikariat in Köln nicht entsprochen. Erst 1873 erlaubte der Erzbischof dem Pfarrer die Verlegung des Messbeginns am Christi Himmelfahrtstag, so dass die Gläubigen trotz Teilnahme an der Prozession die Messe besuchen konnten. Während des Kulturkampfes erteilte der in Maastricht im Exil lebende Erzbischof Paulus Melchers im Jahre 1885 die Erlaubnis, dass die Prozession nach dem Hochamt von der Kirche ausgehe und von den Geistlichen eine Strecke begleitet werde. Die Bezeichnung „Gymnicher Ritt“ taucht erstmals auf einer Souvenirkarte von 1900 auf. Vorher hieß es „Reitende Prozession am Himmelfahrtstag“. Der religiöse Teil begann am Morgen mit einer Heiligen Messe. Danach folgte eine dreieinhalbstündige Prozession um die Gemarkung Gymnichs, an der Fußpilger, Reiter und Pilger in Planwagen teilnahmen. Am Ende der Prozession wurden die Pilger am Ortsrand von den ortsansässigen Musik- und Schützenvereinen abgeholt und zum Rittplatz begleitet, um eine gemeinsame Messe zu feiern und den sakramentalen Segen zu empfangen. Die Segnung der Pferde geschah vor dem Einzug in das Dorf an der Mariensäule. Wenn der religiöse Teil vorbei war, folgte das Volksfest, die Kirmes. Neugestaltung des Rittes durch Vikar Weissenfeld. 1925 wurde der Ritt unter Vikar Joseph Weissenfeld (Vikar von 1910 bis 1936) neu gestaltet. Er gab dem Ritt eine neue Tradition, die er fest mit dem Gelöbnis des Aachener Schultheißen Arnold von Gimmenich († 1238) verband. Er überlieferte sogar Arnolds Schwur, der heute noch bei vielen Beschreibungen des Gymnicher Rittes zitiert wird. Der Kreuzritter, dessen Wohnsitz er nach Gymnich verlegte, war für ihn die geeignete Persönlichkeit, auf die er die Stiftung des Rittes im Jahre 1225 und die Festlichkeiten zu seiner 700 Jahr Feier im Jahre 1925 zurückführen konnte. Bei der Neuorganisation des Gymnicher Rittes lehnte er ihn an die in Süddeutschland an vielen Orten üblichen Reiterprozessionen an. Durch die Beteiligung hoher Würdenträger wurde der Ritt überregional bekannt. Die Einbindung der gräflichen Familie und das Zeremoniell auf dem Schlosshof mit der Übergabe der Schlossstandarte und des Kreuzpartikels, die Johann II. von seiner Pilgerfahrt nach Jerusalem mitgebracht haben soll, gaben dem Ritt eine besondere Bedeutung. Nachdem der Schlossbesitzer der Kirchengemeinde einen Teil seines Gemüsegartens verkauft hatte, konnte 1926 ein größerer und stabilerer Altar an der „gräflichen Gartenmauer“ errichtet werden. Dort wurde der Schluss-Segen erteilt und der bisherige Segen an der Kirchentür entfiel. Nach dem Erwerb eines Grundstücks für einen Festplatz und dem Bau einer hohen Mauer wurden im Laufe der Jahre mehrere Male neue Altäre errichtet. Der heutige Ritt-Altar ist ein steinerner Altar aus dem Jahre 1953. Er wurde 1982 renoviert und erweitert, die zwei Pferdefiguren schuf Pastor Jan Keyers. Die 1933 neu eingeführte Messe im Freien, die Reitermesse, ist mit einer Unterbrechung durch ein Prozessionsverbot im Zweiten Weltkrieg bis heute üblich. Vikar Weissenfeld arbeitete an der festlicheren Gestaltung der Fußprozession und des Rittes durch Fahnen, von ihm entworfenen Standarten, Kleidung, Pilgerfähnchen und der Ausschmückung des Ritt-Altares. Er schrieb und komponierte auch ein Gymnicher Wallfahrtslied, das seit 1949 gesungen wird. Ein Kirchenfenster in St. Kunibert aus dem Jahre 1953 stellt den Ritt nach der bekannten Version Weissenfelds dar. Seit 1934 liegt die Prozession in der Hand des Pfarrers und des Kirchenvorstandes, der die Organisation und die sich daraus ergebenden Aufgaben und Verpflichtungen des Rittes übernahm, der nach dem Willen der Veranstalter eine Gebetprozession bleiben soll. Gymnicher Ritt in heutiger Zeit. Nach dem Verkauf des Schlosses im Jahre 1990 entfiel die Verbindung des Rittes mit den adeligen Schlossherren. Das Schloss hatte für den Ritt nicht mehr die Bedeutung wie noch in den 1960er Jahren, als Schlossstandarte und Kreuzpartikel auf dem Schlosshof an die Schützen übergeben wurden. Schlossstandarte und Kreuzpartikel sind Privatbesitz des Barons von Holzschuher als Erbe der Herren von Gymnich und ihrer Nachfolger und nicht an das Schloss gebunden. Die Kreuzpartikel, die früher in der Schlosskapelle aufbewahrt wurde, wird nach einem 1970 zwischen Baron von Holzschuher und dem Kölner Generalvikariat geschlossenen Vertrag in der Schatzkammer des Kölner Doms aufbewahrt. Es wird nur zur Prozession geholt und anschließend zurückgebracht. Das Zeremoniell der Übergabe vor Beginn der Reiterprozession findet seit 2015, nach fünfjähriger Unterbrechung, wieder im Schlosshof statt. Die Schlossstandarte, eine Nachbildung des Originals, wird vor dem Ritt an den Präsidenten der St. Sebastianus Schützenbruderschaft übergeben. Ein Mitglied des Kirchenvorstandes übergibt die Kreuzpartikel an den Präsidenten der St. Kunibertus Schützengesellschaft. Er wiederum übergibt die Partikel an den Priester, der sie während des Rittes trägt. Nach dem Auszug der Fußpilger beginnt auf dem Rittplatz vor dem geschmückten Ritt-Altar die Reitermesse. Viele Pferde sind Leihpferde aus auswärtigen Reitställen, die am Vorabend ankommen und in Gymnich übernachten. Am Ritt nehmen jährlich über 200 Reiter aus Gymnich und Umgebung und etwa 600 Fußpilger teil. Der Ritt führt heute auf asphaltierten Wegen um die Gemarkung Gymnichs. Seitdem die Prozession nicht mehr den Steinweg benutzt, sondern über die Schnellstraße geht, ist Mellerhöfe mit einbezogen. Nach Beendigung des Rittes findet außerhalb des Ortes die Pferdesegnung statt. Zusammen mit den eingetroffenen Fußpilgern ziehen die Reiter zurück zum Ritt-Altar, wo gegen 13:00 Uhr der Schlusssegen erteilt wird.
Iosif „Peci“ Petschovski oder – ungarisch – Perényi József (* 2. Juli 1921 in Timișoara, Kreis Timiș; † 6. Oktober 1968 in Arad) war ein rumänischer und ungarischer Fußballspieler und -trainer. Er bestritt insgesamt 350 Spiele in der ungarischen Nemzeti Bajnokság und der rumänischen Divizia A. Außerdem nahm er an den Olympischen Spielen 1952 teil. Leben. Iosif Petschovski wurde im Jahr 1921 in Timișoara geboren. Sein Vater stammte aus Böhmen, seine Mutter aus dem Banat. Im Jahr 1934 begann er im Alter von 13 Jahren mit dem Fußballspielen in der Jugendmannschaft von Chinezul Timișoara, nachdem er vom österreichischen Trainer der Mannschaft entdeckt worden war. Karriere. Verein. Petschovski begann seine Karriere bei seinem Heimatverein Chinezul Timișoara. Im Jahr 1937 kam er dort in die erste Mannschaft, die seinerzeit in der Divizia B spielte. Im Jahr 1940 erhielt er die Gelegenheit, zum Lokalrivalen CAMT in die höchste rumänische Fußballliga, die Divizia A, zu wechseln, wo er am 2. Juni 1940 das erste Mal zum Einsatz kam. Im Jahr 1941 wechselte er in die ungarische Nemzeti Bajnokság zu Nagyváradi AC, das seit dem Zweiten Wiener Schiedsspruch dort spielte. In Nagyvárad konnte er im Jahr 1944 die ungarische Meisterschaft gewinnen. Anschließend wechselte Petschovski zum Ligakonkurrenten Kolozsvári AC. Nach Kriegsende wechselte Petschovski zu ITA Arad, einer der erfolgreichsten rumänischen Mannschaften der 1940er- und 1950er-Jahre. In Arad konnte er in den Jahren 1947, 1948 und 1950 die rumänische Meisterschaft sowie im Jahr 1948 den rumänischen Pokal gewinnen. Dabei war er im Herbst 1947 für drei Monate gesperrt worden, da er im Vorfeld eines Länderspiels gegen Polen am 19. Juli 1947 auf den Gegner gewettet hatte. Vor Beginn der Saison 1952 verließ Petschovski Arad und wechselte zum Ligakonkurrenten CCA Bukarest (später Steaua Bukarest). Auch in Bukarest konnte Petschovski seine Titelsammlung erweitern und half seinem Team zum Gewinn der Meisterschaften 1952 und 1953 sowie zu einem weiteren Pokalerfolg. Nach drei Jahren in Bukarest kehrte Petschovski nach Arad zurück. Der Verein konnte allerdings nicht an die früheren Erfolge anknüpfen und platzierte sich in den folgenden Jahren lediglich im Mittelfeld der Tabelle. Im Jahr 1961 beendete er seine Karriere. Nationalmannschaft. Während seiner Zeit bei Nagyváradi AC nahm Petschovski die ungarische Staatsangehörigkeit an und spielte zwischen 1942 und 1943 unter dem Namen "Perényi József" dreimal für die ungarische Fußballnationalmannschaft. Seinen Einstand hatte er am 1. November 1942 gegen die Schweiz. Nachdem er nach Kriegsende nach Rumänien zurückgekehrt war, kam er zwischen 1945 und 1958 auf 32 Einsätze für die rumänische Fußballnationalmannschaft, deren Spielführer er mehrmals war. Sein Debüt hatte er am 30. September 1945 gegen seine frühere Mannschaft aus Ungarn. Im Jahr 1952 stand Petschovski im Kader für das Fußballturnier der Olympischen Spiele in Helsinki und kam im Spiel gegen den späteren Olympiasieger Ungarn zum Einsatz. Trainer. Nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn war Petschovski in der Saison 1962/63 Trainer seines früheren Vereins UTA Arad. Sonstiges. Im Jahr 1952 bekam Petschovski als erster Fußballspieler von Rumänien den Titel "Verdienter Meister des Sports" verliehen. Vor dem Stadion von UTA Arad steht eine Statue von Petschovski. Petschovski konnte jede Position spielen. Sogar als Torwart lief er in einem Meisterschaftsspiel gegen Gaz Metan Mediaș auf.
Step Lively ist eine US-amerikanische Filmkomödie von Tim Whelan aus dem Jahr 1944 mit dem jungen Frank Sinatra in einer seiner frühen Kinorollen. Der Film ist ein Remake der Marx-Brothers-Produktion "Room Service" aus dem Jahre 1938 und basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück (1937) von John Murray und Allen Boretz. Handlung. Der Bühnenimpresario Gordon Miller ist weitgehend pleite. Er hat seine gesamte Besetzung von 22 Leuten in einem New Yorker Hotel untergebracht, das von seinem Schwager Joe Gribble als Manager geleitet wird. Als Gribble ihm mitteilt, dass Mr. Wagner, der Direktor des Hotels, all die bislang unbezahlten Rechnungen der Truppe aufgespürt hat, versichert Gordon Gribble, dass er einen Finanzier für seine Show gefunden habe. Gordons finanzielle Nöte werden noch sehr viel größer, als der Bühnenautor Glenn Russell ankommt und droht, seinen Onkel, einen Richter, anzurufen, sollte Miller ihm, Russell, nicht endlich diejenigen 1500 Dollar zahlen, die Gordon für die Aufführung seines neuen Stücks zugesagt hatte. Um Glenn zu beruhigen, lässt Gordon ihn im Hotel einchecken und tut so, als wäre man mit Russells Stück längst bei den Proben. Morgen, so Gordon, könne er ja gern einer Probenaufführung beiwohnen. Am selbigen Abend nimmt Gordon Glenn mit in einen Nachtclub, wo Millers Showstar Christine Marlowe als Sängerin auftritt. Als Christine den Autor auf die Bühne bittet, um mitzusingen, dreht das weibliche Publikum beinah durch vor Begeisterung. Gordon, der glaubt, dass man aus Russells Talent Nutzen ziehen könnte, bittet Christine darum, Russell zu becircen, dass er an der Vorstellung des Russell-Stücks auch als Interpret teilnimmt. Am nächsten Morgen erlebt Simon Jenkins, Gordons Finanzier, eine furchtbare Darbietung von Glenns Show und will gerade seine Unterstützung zurückzuziehen, als seine Begleitung, Miss Abbott, Glenn singen hört und darauf besteht, in die Show zu investieren. Daraufhin wird Jenkins hellhörig und bietet nun Gordon 50.000 Dollar an, um dessen Musikrevue zu produzieren. Jenkins erklärt, er vertrete die wohlhabenden Mäzenin von Miss Abbott. Jene Dame wolle die gesamte Show kurzerhand kaufen, um damit Miss Abbott groß herausbringen zu können. Ehe das Geschäft in trockenen Tüchern ist, verlangt der ungeduldige Hoteldirektor Wagner, Gordon solle nun endlich die Hotelrechnung für seine Truppe begleichen. Um den Mann hinzuhalten, behauptet Gordon, dass Glenn Russell krank geworden sei und sich derzeit nicht bewegen könne. Wagner ist misstrauisch und beauftragt einen Arzt, sich den angeblichen Patienten mal näher anzuschauen. Zu allem Unglück taucht just in diesem Moment auch noch Finanzier Jenkins an der Hotelzimmertür auf, in der Hand einen Scheck, den ein potenter Millionär für die Show unterzeichnet hat. Da der Arzt nichts von dem ganzen Schwindel mitbekommen soll, sperrt Gordon ihn kurzerhand auf dem Balkon aus. Jenkins überreicht Gordon den Scheck, da betritt nun ausgerechnet auch noch der Hoteldirektor die Suite und droht, die Polizei zu rufen, sollte Gordon mit seinen Theaterleuten nicht sofort das Anwesen verlassen. Wagners Drohung lässt nun auch Jenkins in Panik geraten, der augenblicklich versucht, sich aus dem Staub zu machen. Daraufhin verfolgen Wagner, sein Manager Gribble und Gordon Jenkins und zwingen diesen, den Scheck endlich zu unterschreiben. Wagner verlässt daraufhin mit dem gegengezeichneten Scheck das Hotelzimmer. Christine erscheint mit der Hiobsbotschaft, dass Jenkins plane, den Scheck schnellstmöglich annullieren lassen. Da der Scheck auf eine Konto bei einer kalifornischen Bank ausgestellt ist, nimmt Gordon an, dass ihm noch fünf Tage Zeit bleiben, bis diese Bank den Scheck sperren kann. Zeit genug, so glaubt Gordon, die Show in nur drei Tagen vorführreif auf die Beine zu stellen. Um Glenn, der ja im Stück mitsingen soll, bis dahin bei Laune zu halten, bittet Gordon Christine, ihn vorübergehend heftig anzuflirten. Glenn bemerkt aber bald, dass ein doppeltes Spiel mit ihm getrieben wird, verlässt die Bühne und kehrt nach Illinois zurück. Christine hingegen muss feststellen, dass ihr Glenn in der kurzen Zeit mehr bedeutet, als sie bislang angenommen hatte. Gordon braucht Glenn unbedingt für seine Show, die nur mit ihm ein Erfolg werden kann, und so kabelt er dem singenden Autor kurzerhand nach Illinois, dass er doch bitte zurückkommen möge, denn Christine habe sich in ihn verliebt. Am Abend der feierlichen Premiere entdecken Direktor Wagner und sein Manager Gribble, dass der Scheck geplatzt ist, woraufhin Wagner Gordon mit dem Gefängnis droht. In diesem Moment kommt Glenn aus Illinois an und lenkt Wagner ab, indem er einen Selbstmordversuch vortäuscht. Gordon kommt hinzu und versucht gleichfalls, Wagner hinzuhalten, nachdem er seine Leute dahingehend instruiert hat, mit der Show schon mal anzufangen. Die Aufführung beginnt, und die Zeit schreitet voran. Dann endlich kommt der Moment, in dem alle auf Glenns Auftritt warten. Gordon sperrt kurzerhand Direktor Wagner in einen Wandschrank ein und scheucht Glenn auf die Bühne. Es dauert eine Weile, bis sich Wagner aus der misslichen Lage befreit hat, und zur Aufführung eilt. Das Publikum applaudiert frenetisch, die Damen in den Rängen und auf den Sitzen toben. Wagner wird klar, dass die Aufführung ein Triumph ist und er damit sicher bald sein Geld erhalten wird. Und Gordon hat endlich mal wieder einen echten Hit. Produktionsnotizen. "Step Lively" wurde von Februar bis Ende März 1944 unter dem Titel "Manhattan Serenade" gedreht und am 26. Juli 1944 uraufgeführt. In Deutschland wurde der Film nie gezeigt. Für die Filmbauten von Albert S. D’Agostino und Carroll Clark sowie die Ausstattung von Darrell Silvera und Claude E. Carpenter gab es eine Oscar-Nominierung. Constantin Bakaleinikoff übernahm die musikalische Leitung, Edward Stevenson entwarf die Kostüme. Ernst und Maria Matray waren für die Choreographie zuständig. Vernon L. Walker gestaltete die Spezialeffekte. Kritiken. Bosley Crowther befand in der "New York Times": „Frankie kann seine Songs dahingurgeln und die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, während die anderen die meiste Arbeit machen. Als Konsequenz ist ‚Step Lively‘ eine durchaus lohnende kleine Show, sei es für diejenigen, die bloßes Vergnügen wollen, oder sei es für diejenigen, die ‚The Voice‘ erliegen wollen. Die verrückten Verwechslungen von ‚"Room Service"‘, mit denen die Marx Brothers vor sechs Jahren ihre Späße machten … wurden ausreichend bewahrt, um einen Überfluss an Humor entlang der Linie zur Farce zu gewährleisten. Und Frankie stöhnt genug Musik heraus, um seine Teenager-Fans in Wallung zu bringen. George Murphy bringt sich ins Schwitzen und sorgt für den größten Teil des Spaßes in der Rolle des miserablen Produzenten (…) Walter Slezak, Adolphe Menjou und andere unterstützen sein Delirium auf angenehme Weise. In der Tat kommt ihre Darstellung der rassigen und malerischen Farce dem Original näher als es die Balgerei der Marx-Brothers tat.“ "Halliwell’s Film Guide" fand, der Film sei „ein schillerndes Remake von "Room Service", alles sehr effizient wenn auch einfältig.“
Acid Pro (oftmals ACID) ist eine Musiksoftware für digitale Audio-Workstations, die von Magix Software entwickelt wird. Es hieß ursprünglich "Acid pH1" und wurde von Sonic Foundry, später von Sony Creative Software als Acid Pro und seit Frühjahr 2018 von Magix sowohl als Acid Pro als auch als vereinfachte Version, "Acid Music Studio", veröffentlicht. Acid Pro 8 läuft auf 32-Bit- und 64-Bit-Architekturen und unterstützt MIDI, ASIO, VST, VST3, DirectX Audio und 5.1 Surround Sound. Geschichte. Acid wurde erstmals 1998 als Acid pH1 von Sonic Foundry in Madison, Wisconsin, auf den Markt gebracht. Es war ein Loop-basierter Musiksequenzer, bei dem Acid Loop-Dateien einfach per Drag & Drop verschoben und dann mittels time stretching automatisch an das Tempo und die Tonart eines Songs angepasst werden konnten, praktisch ohne wesentlicher Klangeinbußen. Es wurde eine Website für angehende Musiker mit Acid-Technologie namens AcidPlanet.com eingerichtet. Die Software wurde in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren bei Komponisten, Produzenten und DJs sehr beliebt, die daran interessiert waren, schnell Beats, Musiktexturen oder vollständige Kompositionen und Orchestrierungen zu erstellen, die mit praktisch jedem Tempo oder jeder Tonhöhe und jedem Takttempo funktionieren. Sonic Foundry verkaufte im Juli 2003 seine Produktlinien Acid, Vegas, Sound Forge, CD-Architect, Siren, VideoFactory, ScreenBlast und Batch Converter an Sony Pictures Digital. Aus dem Zusammenschluss entstand der neue Geschäftsbereich Sony Creative Software. Mit Sonys Acid Pro 6 (veröffentlicht im dritten Quartal 2006) wurde eine volldigitale Audio-Workstation eingeführt, die auch MIDI- und Multitrack-Audioaufnahmen mit vollständiger Unterstützung für ASIO-Computer-Audio- und VST-Synthesizer-Plugin-Standards enthielt. Gleichzeitig erschien Sound Forge 7. Am 20. Mai 2016 gab das deutsche Unternehmen Magix Software GmbH bekannt, dass es die Mehrheit der Produkte im Sony Creative Software-Portfolio erworben hat. Dazu gehören Acid Pro, Vegas Pro, Movie Studio und Sound Forge Pro. Acid Pro 8, die erste Version seit der Übernahme von Magix, wurde am 21. Januar 2018 angekündigt und im Frühjahr 2018 veröffentlicht. Das Update enthielt neue Funktionen, darunter eine verbesserte Benutzeroberfläche, Unterstützung für 64-Bit, zusätzliche Beispiele, VST3-Unterstützung, über 20 DirectX-Audioeffekte, die Möglichkeit, 5.1-Surround-Sound zu mischen, und neue Funktionen namens Media Manager, BeatMapper und Chopper. Acid Pro läuft auf PCs mit allen Versionen von Microsoft Windows seit Windows 2000. Acid Pro 8 erfordert Windows 8.1 oder höher. Für macOS oder Linux gibt es keine Versionen. Acid Pro 11 benutzt und erfordert 64-Bit-Technologie. Acid Loops. "Acid Loop" (Marke), auch "Acidized" oder "Acidified Loop", bezieht sich auf einen Soundclip, der wiederholt und transponiert werden kann, um mit minimaler manueller Anpassung einen Song zu bilden. Acidized-Loops enthalten Tempo- und Tasteninformationen, sodass Acid den Clip zeitlich dehnen und die Tonhöhe verschieben kann, um ihn in eine vorhandene Trackstruktur einzufügen. Eine Acidized-Schleife ist eine speziell vorbereitete WAV-Audiodatei, die mit einem Audiobearbeitungswerkzeug wie Sound Forge erstellt werden kann. Die Technologie wurde 1998 für die ursprüngliche "Acid pH1"-Software von Sonic Foundry entwickelt. Sony und Magix verkauften später eine Reihe von Acidized-Loop-Sample-CDs für Acid Pro, ebenso wie verschiedene Drittanbieter. Seitdem wurde diese Loop-Technik von den meisten anderen digitalen Audio-Workstations auf dem Markt übernommen, manchmal mit konkurrierenden Markennamen für das Feature, wie bei Cakewalk Sonar (genannt Groove Clips) und Cubase (genannt Audio Warp). Viele DAWs können Acidized-Loops, die für die Verwendung in Acid Pro vorgesehen sind, auch direkt importieren. Andere Versionen. Acid Music Studio ist eine vereinfachte, kostengünstigere Version von Acid Pro. Die neueste Version ist Acid Music Studio 11.
Bruno Staffelbach (* 13. Juli 1957 in Luzern) ist ein Schweizer Wirtschaftswissenschaftler und seit 2016 Rektor der Universität Luzern. Neben seiner wissenschaftlichen Laufbahn war er Brigadier der Schweizer Armee und seit 2010 ist er Mitglied des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK). Bruno Staffelbach ist verheiratet mit Claire Rüegg Staffelbach. Ausbildung. Bruno Staffelbach studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Zürich, an der er drei Jahre später mit einer von der Ernst-Jost-Stiftung ausgezeichneten Dissertation in Betriebswirtschaftslehre promovierte und 1991 mit einer Schrift zu Management-Ethik habilitiert wurde. 1991/1992 verbrachte er Forschungsaufenthalte an der New York University (Stern School of Business), Northwestern University (Kellogg Graduate School of Management) und der Harvard Business School. Berufliche Tätigkeiten. Zwischen 1981 und 1991 wirkte er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für betriebswirtschaftliche Forschung sowie als Lehrbeauftragter für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Zürich. Daneben war er Dozent für Marketing und Leiter des Nachdiplomstudiums in Unternehmensführung an der heutigen Hochschule Luzern – Wirtschaft und Lehrbeauftragter für Marketing an der Universität Fribourg. 1991 erfolgte ein Ruf auf eine Professur für Organisation und Personal an der Universität Fribourg. Von 1992 bis 2016 war er an der Universität Zürich ordentlicher Professor für Betriebswirtschaftslehre und Inhaber des Lehrstuhls für Human Resource Management. Dabei übte er verschiedene zusätzliche Funktionen aus. So war er von 1992 bis 2001 Direktor der Management Weiterbildung und von 2001 bis 2005 sowie ab 2015 Präsident des Executive MBA Programms der Universität Zürich, und 2003/2004 war er Direktor des Institutes für betriebswirtschaftliche Forschung und 2009/2010 Direktor des Institutes für Strategie und Unternehmensökonomik. Zudem war er mehrere Jahre Mitglied der Ethikkommission und der Weiterbildungskommission der Universität Zürich. 2016 wurde er zum ordentlichen Professor für Betriebswirtschaftslehre an der im gleichen Jahr gegründeten Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern berufen und zum Rektor der Universität Luzern gewählt. An der Universität Luzern gründete er 2016 das Center für Human Resource Management (CEHRM). Forschungsschwerpunkte. Die Forschungsschwerpunkte von Bruno Staffelbach liegen in den Bereichen des Human Resource Managements und der Management-Ethik aus ökonomischer, psychologischer und praktischer Sicht. Die Forschungsprojekte erstrecken sich insbesondere auf Fragen zu Karriere und Arbeitsmarkt, zu Führung und Motivation und zu Personal- und Unternehmenspolitik. Daneben publizierte er zu Marketing und zu militärökonomischen und wirtschaftshistorischen Fragen. Militärisches Engagement. Parallel zur Wissenschaft absolvierte Bruno Staffelbach eine militärische Karriere. Ursprünglich war er Kanonier in der Artillerie, wurde dann zum Artillerieoffizier ausgebildet und nach vier Jahren zum Kommandanten einer Panzerhaubitzen-Batterie ernannt. Nach seiner Ausbildung zum Generalstabsoffizier übte er nacheinander verschiedene Funktionen aus: als Hauptmann im Generalstab Generalstabsoffizier Operationen im Stab einer Felddivision, als Major im Generalstab Kommandant einer Panzerhaubitzen-Abteilung, als Oberstleutnant im Generalstab Unterstabschef Logistik im Stab einer Felddivision und als Oberst im Generalstab Kommandant eines Artillerie-Regimentes. 2003 ernannte ihn der Bundesrat zum Kommandanten einer Infanteriebrigade und beförderte ihn zum Brigadier. 2004 bis 2008 kommandierte er die Infanteriebrigade 4 der Schweizer Armee. 2008 war er zudem Kommandant der 1. Multinationalen Brigade in VIKING 08, einer Stabsrahmenübung zu einer friedensunterstützenden Operation auf der Basis eines UNO-Mandates und unter NATO-Kommando. Mandate. Bruno Staffelbach übt verschiedene Herausgebertätigkeiten aus, z. B. ist er Mitherausgeber des Schweizer Human-Relations-Barometer und Mitglied des Editorial Boards der Zeitschrift für Personalforschung und des Journal of Organizational Effectiveness: People and Performance. Darüber hinaus ist er Gutachter für verschiedene Zeitschriften und Institutionen. 1983 bis 1996 war er Redaktor der schweizerischen Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Praxis und Forschung «Die Unternehmung». Zudem ist er Mitglied verschiedener Beiräte und wissenschaftlicher Vereinigungen, u. a. des European Institute for Advanced Studies in Management (EIASM), des Instituts für Führung und Personalmanagement der Universität St. Gallen und der Zürcher Gesellschaft für Personalmanagement. Er ist Partner und repräsentiert die Schweiz im Cranfield Network on Comparative Human Resource Management (CRANET) und er ist Partner für HR-Governance des International Center for Corporate Governance St. Gallen. Bruno Staffelbach ist u. a. Mitglied der Academy of Management, der American Psychological Association, der American Economic Association, des Vereins für Socialpolitik und des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft. Bruno Staffelbach übte eine intensive Experten-, Berater-, Referats- und Ausbildertätigkeit für Unternehmen und Behörden im In- und Ausland aus und war Mitglied des Verwaltungsrates von zwei an der Börse kotierten Firmen. 2010 wurde er zum Mitglied des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz kooptiert und 2011 in dessen Vorstand gewählt.
Der Dazai-fu () war eine militärische Sonderverwaltungszone bzw. Generalgouvernement an der invasionsgefährdeten Nordküste Kyūshūs (damals "Tsukushi") des japanischen Altertums. Er umfasste hauptsächlich die Provinz Chikuzen. Hauptort war der strategisch wichtige Hafen Hakata, heute Teil von Fukuoka. Nach dem "Wamyōshō" war die japanische Bezeichnung auch "ohomikotomochi no tsukasa" (modern: "ōmikotomochi no tsukasa"). Geschichte 673 bis etwa 1100. Der Dazai-fu wurde als direkte Folge der Niederlage in der Schlacht von Hakusukinoe 663 (auch: Schlacht am Paekchon-Fluss; heute: Geumgang) eingerichtet. Zusätzlich zu den üblichen Aufgaben von Provinzgouverneuren hatte der Generalgouverneur (, "Dazai no sotsu/sochi" bzw. "ohomikotomochi no kami") noch zusätzliche militärische Aufgaben, wie Festungsbau und -bemannung. Administrativ unterstand der Generalgouverneur – im Rahmen der zentralistischen Ritsuryō-Verwaltung – dem "Settsu-shiki" (ab 793 "Settsu no kuni no tsukasa", „Gouverneur der Provinz Settsu“), das auch den Hafen von "Naniwa" (heute: Ōsaka) kontrollierte. Im frühen 10. Jahrhundert war der Posten, falls nicht vakant, von Prinzen des kaiserlichen Hauses besetzt, die jedoch die Hauptstadt selten verließen. Die eigentliche Verwaltung besorgte dann ein außerordentlicher Generalgouverneur (, "Dazai no gon no sotsu/sochi"), der sich in dieser Stellung häufig persönlich bereichern konnte. Die Gouverneure der umliegenden Provinzen waren ihm nachgeordnet. Der eigentliche Verwaltungssitz befand sich 13 km inland vom Hafen. Gesichert war das Hauptquartier durch die Talsperre "Mizuki" () und zwei nahegelegenen Festungen – Ōno-jō () und Kii-jō () –, die nach koreanischen Vorbildern errichtet worden waren. Diese befanden sich auf den etwa 400 m hohen Anhöhen "Ōnoyama" (= Shiōjisan) und "Kiyama". Botschaften und Handel. Vor etwa 800 war der Schiffbau noch nicht so weit entwickelt, dass direkte Fahrten zum chinesischen Festland möglich waren. Reisen führten über die ca. 150 km entfernte Insel Tsushima zur Koreanischen Halbinsel. Während der Nara-Zeit waren Japanern Auslandsreisen praktisch verboten. Ausnahmen bildeten lediglich die wenigen Botschaften an den chinesischen Tang-Hof, nach Silla und Balhae, einem Königreich in der heutigen Mandschurei. Die wenigen ankommenden Ausländer wurden bis 780 in einem regierungseigenen Gästehaus ("Kōrokan") etwa 10 km westlich von Hakata, von der einheimischen Bevölkerung isoliert, untergebracht. Über Ankunft und Abreise wurde ein Register geführt, das regelmäßig in die Hauptstadt gesandt wurde. Mit dem Nachlassen der zentralen Gewalt und dem stärker aufkommenden privaten Handel in der frühen Heian-Zeit ließ die strenge Kontrolle nach. Private Händler, zunächst aus Korea, dann auch China, begannen ab dem frühen 9. Jahrhundert häufiger einzutreffen. Der Hof sicherte sich ein Vorkaufsrecht auf Luxusgüter. Für den Verkauf anderer Waren wurden Preise vorgeschrieben, der Handel selbst wurde strikt kontrolliert. Später wurden spezielle Außenhandelskommissionäre ("karamono no tsukai") für diese Aufgabe benannt. Um den privaten Handel einzuschränken wurde 911 das "nenki"-System vorgeschrieben, das es fremden Händlern untersagte, öfter als im zweijährigen Rhythmus Güter anzulanden. Diese Beschränkungen eröffneten den Verwaltungsbeamten vielfältige Möglichkeiten zu korrupten Praktiken, die besonders für spätere Zeiten ausführlich belegt sind. Militärisches. Bereits das Nihon Ryōiki berichtet von Abordnung von erfahrenen Grenzsoldaten ("sakimori"), die besonders aus den Provinzen des Kantō stammten. Diese hatten in der Regel durch die im 8. Jahrhundert üblichen Kämpfen mit den "Emishi" die nötige militärische Erfahrung. Sie bemannten Wachstationen entlang der Küste und auf den vorgelagerten Inseln Iki und Tsushima. Um die hohen Kosten für Verpflegung und Unterkunft zu senken, wurden, erstmals ab 757, endgültig ab 795 bzw. 804 nur noch Wehrpflichtige aus naheliegenden Provinzen abgeordnet. 813 wurde die Zahl der Truppen von 17.100 auf 9.000 verringert. Um 900 begann, später als in anderen Landesteilen, der Einsatz von Berufssoldaten ("senshi"), die sich aus Söhnen des Landadels rekrutierten. Beginnend mit dem Überfall auf Hakata 869, wurde die Bekämpfung der ab 890 immer häufiger einfallenden, meist koreanischen, Piraten zur Hauptaufgabe der Verteidiger. Diese Bedrohung ließ ab 936 deutlich nach. Etwa 800 Schiffe des Aufständischen Fujiwara no Sumitomo wurden 941 in einer Seeschlacht in der Bucht von Hakata vernichtet. 1019 kam es zu einem Überfall durch eine Flotte von Jurchen ("Toi"), einem mandschurischen Stamm. Geschichte nach 1100. Die Behörde entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einer Art „Generalgouvernement von Tsukushi“. Ab der Kamakura-Zeit wurde es von einem Militärgouverneur ("Kyūshū-tandai") verwaltet. Diese Stellung wurde, erstmals 1275, während des Kamakura-Shogunats immer von einem Angehörigen des Hōjō-Klans ausgeübt. Auch nach Rückschlagung des Mongoleneinfalls (1281) wurde der Titel in der Muromachi-Zeit beibehalten. Nach der Absetzung des – später rehabilitierten – "Imagawa Sadako" (= Ryōshun) 1395, wurde die Stellung innerhalb der "Shibukawa" erblich. Faktisch wurde, seit der Kamakura-Zeit, die Verwaltung jedoch vom Shōni ausgeübt. Mit dem Untergang dieses Geschlechts verlor das Amt seine Funktion. Der Hafen Hakata war, als lange Zeit wichtigstes Einfallstor für Reisende und Handel, die reichste Stadt Westjapans, und hatte um 1420 geschätzte 10.000 Wohnhäuser. 1953 wurde der Fundplatz zur Besonderen historischen Stätte ("tokubetsu shiseki") ernannt.
Das FC St. Pauli-Museum ist ein Museum im Stadtteil St. Pauli der Freien und Hansestadt Hamburg. Die Ausstellungsräume befinden sich im Erdgeschoss der östlich gelegenen Tribüne (Gegengerade) des Millerntor-Stadions. Trägerverein ist der „1910 – Museum für den FC St. Pauli e. V.“, der im Mai 2012 gegründet wurde. Das Bibliothekssigel gemäß dem in ISO 15511 definierten International Standard identifier for libraries and related organizations (ISIL) lautet DE-MUS-113626. Zielsetzung. Das Museum sammelt, archiviert, erhält und ergänzt Exponate zur Geschichte des Fußballvereins FC St. Pauli. Laut dem Historiker Christoph Nagel wolle man auch und . Der Fundus besteht aus Fotografien, Bildmaterial, historische Trikots und Fußballschuhen, Presseartikel, Erinnerungsstücken, Dokumenten und Behördenunterlagen, die in der Dauerausstellung sowie wechselnden Sonderausstellungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Das Museum beherbergt zudem dauerhaft ein illuminiertes Modell des Millerntorstadions im Maßstab 1:100. Im Foyer des Museums befindet sich eine Weinbar, die durch eine verschiebbare Glasfront vom Vorplatz zugänglich ist, während laufender Ausstellungen und bei Heimspielen ehrenamtlich bewirtschaftet wird und ein Sortiment von Rot- und Weißweinen ausschenkt. Geschichte. Zum 100-jährigen Bestehen des Fußballvereins stand auf dem Harald-Stender-Platz südlich des Stadions von Juni bis 31. Oktober 2010 die temporäre Containerausstellung „Das St. Pauli Jahr100“ mit knapp 2000 Exponaten. Daraufhin wurde bei der Mitgliederversammlung des FC St. Pauli am 14. November 2010 der Wille geäußert, eine dauerhafte Ausstellung zu realisieren. Von Juni 2012 bis Anfang 2013 wurde die neue, deutlich größere Gegengerade des Millerntorstadions errichtet. Im Erdgeschoss war ursprünglich geplant, rechts vom Fanladen und den Fanräumen eine 585 m² große Stadion- und Domwache zu integrieren. Gegen diese Planung, bei der sich die aktive Fanszene in unmittelbarer Nachbarschaft zur Polizei befunden hätte, regte sich frühzeitig erfolgreich Widerstand. Im Ergebnis wurde die Polizeiwache an ursprünglicher Stelle neu errichtet und die Geschossfläche im Stadion somit nicht für einen vereinsfremden Zweck blockiert. 2017 wurden die Räumlichkeiten im Rohbau fertiggestellt und an den Förderverein „1910 e.V.“ zur Innenausstattung übergeben. Am 23. Januar 2020 wurde die Dauerausstellung unter dem Motto „KIEZBEBEN 2.0“ mit Ehrengast Klaus Thomforde eröffnet. Veranstaltungen und Ausstellungen. Die erste große Veranstaltung des Betreibervereins 1910 – Museum für den FC St. Pauli e.V. war das „Fußball und Liebe“-Festival am Millerntor im September 2013. In Ergänzung zu den Ausstellungen finden auch periodische wiederkehrende Veranstaltungen statt. Das Museum ist Bestandteil des seit 2011 jährlich im Millerntorstadion stattfindenden Kunst-, Musik- und Kultur-Festivals Millerntor Gallery. Seit Mai 2017 findet jährlich das „Weinfest gegen Rassismus“ unter dem Motto „Kein Wein den Faschisten“ statt. Das Museum nahm zudem am 21./22. April 2018 erstmals an der 18. Langen Nacht der Museen in Hamburg teil und hat dies seitdem jährlich wiederholt. Finanzierung. Der Verein finanziert sich durch die Beiträge von über 700 Mitgliedern, Spenden, Zuwendungen, Eintrittsgeldern sowie einer eigenen Bekleidungs- und Poster-Kollektion und einem selbst entwickelten Brettspiel. Vor und nach Heimspielen verkaufen Ehrenamtliche seit April 2017 zudem Getränke an der „1910-Weinbar“ im Eingangsbereich des Museums. Auf dem südlichen gelegenen Harald-Stender-Platz betreibt der Verein seit dem 25. Juni 2014 zudem einen gespendeten, umgebauten Seefracht-Container zum Verkauf seiner Kollektion.
Als Bergbeamte bezeichnet man alle beim Bergbau angestellten Beamten. Im engeren Sinn sind Bergbeamte die vom Staat bestellten Beamten. Sie können entweder als Mitglieder einer Bergbehörde oder eines Bergamts tätig sein oder selbst eine Bergbehörde bilden. Bergbeamte sind mit der Ausübung der Rechte und Pflichten, die dem Staat bezüglich des Bergbaues auf alle unter das Berggesetz fallenden Mineralien zukommen, vertraut. Allgemeines. In der Regel waren die Aufgaben und Kompetenzen sowie die hierarchische Stellung und Rangfolge der Bergbeamten klar geregelt. Es gab aber auch Zeiten und Gegenden, in denen ihre Bezeichnungen und die hierarchische Stellung nicht eindeutig geregelt waren. So war beispielsweise der höchste Bergbeamte des Landes der Berghauptmann, der gelegentlich auch als Oberberghauptmann bezeichnet wurde. Grundsätzlich wurden Bergbeamte in zwei Gruppen unterteilt, in "Bergbeamte von der Feder" und "Bergbeamte vom Leder". Die Bergbeamten von der Feder waren Personen, die die Rechte (Jura) studiert hatten. Sie arbeiteten sich erst während ihrer beruflichen Tätigkeit in die Praxis des Berg- und Hüttenwesens ein. Sie waren mit Verwaltungsaufgaben beauftragte Bergbeamte. Zu den Bergbeamten von der Feder zählten der Zehntner, der Bergschreiber und der Berggegenschreiber. Die Bergbeamten von Leder waren im technischen Bereich tätige Bergbeamte. Sie waren die oberen Betriebsbeamten. Zu ihnen gehörten die Berggeschworenen, der Bergmeister und der Obermarkscheider. Im Laufe des 19. Jahrhunderts kam noch eine dritte Gruppe Beamte hinzu, die Grubenbeamten. Hierzu zählten die Steiger, die Betriebsführer, die Werkmeister, die Markscheider und die Schichtmeister. Diese Beamtengruppe waren keine staatlichen Beamten, sondern Privatbeamte, dennoch wurden sie zeitweise ohne Mitwirkung der Bergwerkseigentümer vom Bergamt bestellt und vereidigt. Äußerlich erkennbar waren Bergbeamte durch die Rangabzeichen an ihrer Uniform, die durch weitere Kleidungsstücke wie z. B. den Schachthut, den gefütterten Kniebügel und den mit Tressen oder goldenen Schnüren verzierten Bergleder, sowie den speziell geschmückten Berghäkel erweitert wurden. Neben bestimmten Rechten hatten Bergbeamte auch bestimmte Verbote zu beachten. So war Bergbeamten beispielsweise der Erwerb von Bergwerkseigentum aus ihrem Dienstverhältnis heraus untersagt. Ausbildung der Bergbeamten. Die Ausbildung der Bergbeamten erfolgte auf unterschiedliche Art und Weise. Die Ausbildung der Betriebsbeamten erfolgte überwiegend im Erlernen der praktischen bergtechnischen Fertigkeiten und des bergbaulichen theoretischen Wissens. Die Bergbeamten von der Feder hatten bereits vor Aufnahme ihrer beruflichen Tätigkeit ein Studium der Rechte abgeschlossen. Außerdem gab es noch die Ausbildung für die Privat-Grubenbeamten, die an den Bergschulen erfolgte. Die praktischen Fertigkeiten der späteren Betriebsbeamten wurden ihnen in der beruflichen Praxis, in der sie als Hauer tätig waren, vermittelt. Das theoretische Wissen wurde an der Bergschule erlernt. Bei den Privat-Grubenbeamten erfolgte bereits auf der Bergschule eine Trennung zwischen den künftigen Steigern und den höheren Grubenbeamten wie dem Betriebsführer. Bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts legte man bei der Ausbildung der Betriebsbeamten den Focus auf die praktische Ausbildung, die theoretische Schulung beschränkte sich auf die Vermittlung von Kenntnissen der Mechanik. Allerdings ging man im Laufe des 18. Jahrhunderts dazu über, den Gruben- und Hüttenbeamten neben der praktischen auch eine wissenschaftliche Ausbildung zu geben. So wurden den Absolventen Kenntnisse über Arithmetik, Geometrie, Trigonometrie, Mechanik und Hydraulik vermittelt. Weitere Fächer, wie beispielsweise die Geschichte des Bergbaues, die Probierkunde, die Bergbaukunde, die Vermessungskunde und das Bergrecht, kamen im Laufe der Jahre hinzu. Besoldung / Bezahlung der Bergbeamten. Die Besoldung der Bergbeamten wurde im Laufe der Jahre in den jeweiligen Bergrevieren unterschiedlich geregelt. Bis ins 18. Jahrhundert erfolgte im Harzer Bergbau die Besoldung über den Zehnt. Hinzu kam das Fahrgeld für die oberen Bergbeamten vom Leder. Zudem erhielt der Reviergeschworene von jedem Bohrhauer, Ausschläger und Holzarbeiter noch ein sogenanntes Stuffengeld. Hinzu kamen noch Revisionsgebühren für den Bergschreiber. Im Königreich Hannover erfolgte im 19. Jahrhundert die Besoldung der Bergbeamten aus der Zehnt-Casse. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Gruppe der Grubenbeamten von den Bergwerksbetreibern direkt besoldet. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts trat die Besoldungsverordnung in Kraft. Die Besoldung der Bergbeamten erfolgte von nun an durch den Staat aus dem allgemeinen Steueraufkommen. Bergbeamte im Wandel der Zeit. Die Namen, Titel und Hierarchien der Bergbeamten waren je nach, Sprachgebrauch der jeweiligen Region, Bergordnung und Zeit unterschiedlich geregelt. Dadurch kam es vor, dass manche Bergbeamte trotz gleichem Titel mal in der Rangfolge eine höhere, mal eine niedrigere, hierarchische Stellung hatten als Bergbeamte mit gleichem Titel zu anderen Zeiten. Von den Anfängen bis in die 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts.. Bis ins 12. Jahrhundert war das Bergrecht reines Gewohnheitsrecht, Bergordnungen, die den Umgang mit dem Bergbau und den Bergbau als solches regelten, gab es noch nicht. Zwar gab es bereits eine Form der Berggerichtsbarkeit durch die Bergschöffenstühle, jedoch wurde erst Anfang des 13. Jahrhunderts das erste "Bergrecht von Trient" als Gesetz niedergeschrieben. Im Jahr 1212 wurde erstmals ein Bergmeister als oberster Leiter eines Bergwerks im Stift Admont erwähnt. Im Jahr 1249 wurde das Iglauer Bergrecht erlassen, das die Basis für spätere Bergordnungen bildete. Im Freiberger Bergrecht wurde die Funktion des Bergmeisters, der auch oberster Verleiher war, geregelt. In der Kuttenberger Bergordnung wird der "königliche Urburer" als höchster Bergbeamter und Bergrichter genannt. Die Funktion des Bergrichters und des Bergmeisters sind teilweise nicht immer eindeutig voneinander zu unterscheiden. Als weitere Bergbeamte und deren Funktionen nennt Georgius Agricola in seinem Buch vom Berg- und Hüttenwesen, den Berghauptmann, die Geschworenen, den Bergschreiber, den Gegenschreiber, den Grubenverwalter und den Grubensteiger. Die Aufgabe der gesamten Beamtenschaft bestand im Wesentlichen aus der Verleihung und Vermessung der Längenfelder, Einfordern der Steuern und Verwaltungsaufgaben wie das Führen von Bergbüchern. Hinzu kam die Aufgabe, in bergrechtlichen Sachen zu richten. Im sächsischen Bergbau wurde seit dem 15. Jahrhundert das Direktionsprinzip eingeführt, wodurch die technische und wirtschaftliche Leitung des gesamten Bergbaus bei den Bergbeamten lag. Die Bergbeamten, die allesamt von der Regierung abhingen, handelten nur nach den Befehlen der herrschaftlichen Kammer. Der Besitz von Berganteilen war ihnen nach den damaligen Bergordnungen verboten. Bei Problemen der Gewerkschaften, egal ob technischer oder administrativer Art, bekamen die Gewerken von den Bergbeamten keine Unterstützung. Die Gewerken hatten wo nötig Zubuße zu zahlen und erhielten unter bestimmten Voraussetzungen eine Gewinnzahlung. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts kam es zu einer Erörterung mit dem jeweiligen Landesherrn über Nachteil und Nutzen von Kuxbesitzen durch Bergbeamte. Im Laufe des 17. Jahrhunderts entwickelte sich für den Bergbau aus den Aufgaben der Bergbeamten ein komplexes staatliches Abgaben- und Lenkungssystem. Die Gewerken wurden nun auch zur Finanzierung neugegründeter staatlicher Behörden in Form eines Quatembergeldes herangezogen. Seit dem Jahr 1680 war es den Bergbeamten in den Bergrevieren des Oberharzes gestattet, sich auch als sogenannte Beamten-Gewerke zu betätigen. Durch die ständigen neueren staatlichen Abgaben gingen die Gewerken dazu über, in ihren Gruben Raubbau zu betreiben, was wiederum dazu führte, dass z. B. im Jahr 1737 eine renovierte Form der Cleve-Märkischen Bergordnung erlassen wurde. Ende des 18. Jahrhunderts bis Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Jahr 1792 erfolgte mit der Gründung des Westfälischen Oberbergamtes in Teilen Preußens eine Neugliederung der Bergbehörde. Im Jahr 1794 trat das Allgemeine Landrecht in Kraft, wodurch außer in Sachsen nun auch in gesamt Preußen das Direktionsprinzip eingeführt wurde. Die Folge dieses überregulierten Bergbaus war, dass es eine große Anzahl an Bergbeamten bedurfte. Mittlerweile gab es über 60 unterschiedliche obere Bergbeamtenränge. Diese wurden auch als Bergofficianten bezeichnet. Hinzu kamen noch einmal über 40 untere Beamtenränge, die in drei Klassen unterteilt waren und als Unteroffizianten bezeichnet wurden. Dies lag unter anderem auch daran, dass es Kontrollbeamte gab, die die Arbeit der anderen Beamten kontrollierten, wie z. B. den Einfahrer, der auch die Berggeschworenen kontrollierte. Um die Grubenbeamten und Bergleute disziplinieren zu können, trat in der Mitte der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Anweisung in Kraft, nach der die Revierbeamten Bestrafungen gegen die Grubenbeamten und die Bergleute aussprechen konnten. Im Jahr 1839 trat eine Instruktion für die königlichen Revierbeamten der Steinkohlenreviere Preußens in Kraft. In dieser Instruktion wurde der gesamte Geschäftsbereich der Revierbeamten, die Leitung und der Haushalt des Grubenbetriebs, die Verhütung und Regelung von Schäden durch Wasser und von Grundschäden, die Leitung des Knappschaftswesens und die Bergpolizei geregelt. Es fanden nun regelmäßige Generalbefahrungen von Seiten der Bergbehörde im gesamten Bergrevier statt, um die Ergebnisse des zurückliegenden Jahres zu kontrollieren. Sämtliche dieser Regelungen waren letztendlich eine staatliche Bevormundung der Bergwerksbesitzer durch die Bergbeamten. Dadurch wurde eine Unternehmensführung durch die Bergwerksbesitzer unterbunden, was einen weiteren Ausbau des Bergbaus verhinderte. Zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts bis 21. Jahrhundert. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es zu mehreren, die Regulierung des Bergbaus betreffende, Gesetzesänderungen. Für die erste Instanz der Bergbehörde waren nun die Revierbeamten mit dem Titel Bergmeister (früher auch "Berggeschworner"), Bergrat, für die zweite Instanz die Oberbergämter, deren Direktor der Berghauptmann, deren Mitglieder "Oberbergräte" bez. "Geheime Bergräte" waren, zuständig. Durch den Wegfall des Direktionsrechtes und die Einführung des Inspektionsprinzips wurden die Aufgaben und Kompetenzen der Bergbeamten reduziert. Insbesondere hatten die Bergbeamten nicht mehr bei der Betriebs- und Vermögensverwaltung der Bergwerke mitzuwirken. Die Bergbeamten hatten sich von nun an nur um bergpolizeiliche Belange, wie die Sicherheit und Gesundheit der Bergleute, die Sicherheit der Grubenbaue und den Schutz der Tagesoberfläche zu kümmern. Durch die Gesetzesänderungen und die dadurch bedingte Reorganisation der Bergbaubürokratie wurden eine Vielzahl von Bergbeamten in den Bergbehörden nicht mehr benötigt. Diese wurden dann, wo es möglich und nötig war, mit der Leitung der Bergwerke betraut. Die Steiger wurden vom Staatsbeamten zum Privatbeamten. Trotz der voranschreitenden Reorganisation der Bergbehörden und des Abbaus von Bergbeamten kam es auch in den 1880er Jahren noch zu Ernennung der Oberhüttenmeister zu Staatsbeamten. Auch bei den höheren Bergbeamten wurde bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts noch viele Titel verliehen und somit eine in fünf Klassen unterteilte Ämterhierarchie geschaffen. Dieses wurde erst ab dem Jahr 1919 durch eine Regelung geändert, nach der Titel nur verliehen werden durften, wenn sie ein Amt oder einen Beruf bezeichneten. Für die Grubenbeamten (Privatbeamten) bedeutete die Gesetzesänderung, dass sie nun ohne eine Einlassung des Bergamtes einen Vertrag mit den Bergwerkseigentümern schließen mussten, welcher dem freien Übereinkommen überlassen war. Dadurch waren die Grubenbeamten der Willkür der Bergwerkseigentümer überlassen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu zwei großen Bergarbeiterstreiks, demzufolge die Steiger Anfang des 20. Jahrhunderts eine eigene Berufsorganisation, den Steigerverband, gründeten. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurde aus den Privatbeamten technische Angestellte. Bergbeamte in anderen Ländern. In Norwegen waren als Bergbeamte mehrere Assessoren tätig, die einem Oberberghauptmann unterstellt waren. Für Verwaltung der Betriebsangelegenheiten und die Juristication gab es zur Unterstützung noch einen Oberbergamtschreiber. In Österreich sind als Bergbeamte der Berghauptmann und die Referenten der Berghauptmannschaft tätig, zudem noch mehrere Inspektionsbeamte, die in Zusammenarbeit die Sicherheit der Bergwerksbetriebe beaufsichtigen. In Schweden war das Bergkollegium (Bergcollegium) als oberste Verwaltungs- und Justizbehörde zuständig, dem die zwölf schwedischen Bergämter unterstanden. Das Bergkollegium bestand aus dem Präsidenten, dem Vicepräsidenten, mehreren Bergräten und Assessoren, einem Sekretär, einem Kämmerer und mehreren Notaren und Advokatsfiskalen. Als niedere Bergbeamte waren Obersteiger und Steiger tätig. In Oberschlesien war die königliche Zentralverwaltung zu Zabrze für die Berginspektionen der königlichen Steinkohlenwerke zuständig, deren Leiter königliche Bergwerks-, Hütten- oder Salinendirektoren (Bergräte) waren. In Ungarn wurden die Grubenvorsteher von den Gewerkschaften gewählt und den Berggerichten zur Verpflichtung vorgestellt. Die Bergbehörden werden nur auf Anregung der Gewerkschaften tätig, sie erhalten jährlich von den Gewerken ein Verzeichnis über die Personen und die Kosten der einzelnen Bergwerke.
Die Glücksritter ist eine Novelle von Joseph von Eichendorff, die gegen Ende 1840 im zweiten Jahrgang des „Rheinischen Jahrbuchs für Kunst und Poesie“ in Köln als letzte zu Lebzeiten des Autors publizierte Erzählung erschien. Der Vagabund Klarinett zieht seine Freiheit einer herrschaftlichen Existenz vor. Inhalt. Anno 1648 in Halle und ein Stück saaleabwärts: Der Postillon peitscht Herrn Klarinett von der fahrenden Reisekutsche herunter. Der blinde Passagier fällt in einen blühenden Garten. Darin stiehlt er einer Gesellschaft eine Flasche Wein und eine Torte von der Tafel, verstaut sie in seinen Mantelsack und flieht. Klarinett wird von den Tortebesitzern bis nach Halle hinein verfolgt. Dort beziehen die Verfolger von dem ewigen Studenten Suppius Prügel. Der Raufbold hatte Klarinett für einen Kommilitonen in Not gehalten. Der Tortendieb ist aber ein wandernder Musikus. Gleichviel, der Errettete gibt Suppius von seinem Diebesgut ab. Die Freundschaft ist besiegelt. Als dem Anschein nach die heimliche Geliebte des Studenten entführt wird, verfolgen die beiden neuen Freunde die Unholde. Die nächtliche Fahrt geht in einem Nachen die Saale hinab bis in eine Stadt. Die Verfolger können im Dunkeln wenig ausrichten und nächtigen in einer ausgespannten Reisekutsche. Als die Schläfer erwachen, ist das Gefährt – mit vier prächtigen Rossen bespannt – bereits unterwegs. Während eines bewaffneten Überfalls durch Strauchdiebe rettet sich der Kutscher mit einem Sprung vom Bock ins Gebüsch. Die Pferde aber gehen durch. Ein alter Puppenspieler zieht mit seinem Sohn Seppi und der Tochter Denkeli durch die vom Krieg verwüsteten Ortschaften. Denkeli fürchtet sich nicht vor den vorüberziehenden Landsknechten. Im Gegenteil: „Da ist der Siglhupfer dabei“, frohlockt sie. Das Mädchen meint seinen Geliebten. Als die drei vor einem vernachlässigten Schloss Halt machen, meint Denkeli ihren Siglhupfer oben auf dem Balkon stehend zu erkennen. Denkeli fragt beim Schlosspersonal nach und bekommt zur Antwort: „Das ist ja der Herr Rittmeister von Klarinett, der Bräutigam des gnädigen Fräuleins.“ Suppius und Klarinett geben sich vor dem gnädigen Fräulein Euphrosyne als durchreisende Adelige aus. Verwunderlich nur – ihre hochherrschaftliche Kutsche ohne Kutscher wurde in ihrer wilden Fahrt durch einen Pfeiler des Schlosshofes aufgehalten. Die zwei Freunde geraten nie in Verlegenheit. Auch in dem Fall nicht. Sie seien im Walde von Räubern überfallen worden. Klarinett kennt sich in der Gegend ein wenig aus und erzählt dem Fräulein die Sage von einem verzauberten Schlosse des Grafen Gerold. Wenig später erkennt Klarinett über der Tür betroffen das Wappen des Grafen. Fräulein Euphrosyne verliebt sich in Klarinett. Auch Freund Suppius meint, er habe Chancen bei dem Fräulein und erwägt, Klarinett im Fall der Vermählung als Kapellmeister einzustellen. Aber Euphrosyne gesteht Klarinett ihre Liebe. Jene oben genannten Strauchdiebe erweisen sich versprengte Landsknechte, die den Krieg noch ein wenig auf eigene Faust fortführen. Eichendorff lässt einen für alle sprechen: „Wir haben den faulen Bauern die Felder mit Blut gedüngt... die Welt wird noch ersticken vor Langerweile.“ So wollen die unverbesserlichen Ewiggestrigen das Schloss einnehmen und haben Suppius und Klarinett schon als die in der Kutsche entwischten „Edelleute“ wiedererkannt. Als sie den beabsichtigten Überfall mit dem Puppenspieler besprechen, bangt Denkeli – nahe beim Vater mithörend – um das Leben ihres Siglhupfer. Das Mädchen will den Geliebten warnen; ihn retten. Also prescht Denkeli vor. Die Vermählung des Klarinett/Siglhupfer mit dem Fräulein Euphrosyne steht indes unmittelbar bevor. Klarinett aber verschmäht nach kurzem Besinnen das „Schloß, drei Weiler, vier Teiche und fette Karpfen und Untertanen und Himmelbett“. Mit seinem Denkeli macht er sich auf und davon. Er bleibt „fortan in den Wäldern selig verschollen.“ „Reichgekleidete Jäger des Grafen Gerold“ vereiteln das Vorhaben der Landsknechte. Die Landsknechte erkennen in dem gnädigen Fräulein Euphrosyne „die tolle Sinka“. Das war die schöne Marketenderin im Regiment der „holk'schen Jäger“. Der Graf zieht mit seiner Tochter, der jungen Gräfin, in sein Schloss ein. Suppius traut den eigenen Augen kaum – die junge Gräfin, das ist in der Tat seine Angebetete aus Halle. Suppius, der ewige Student, macht doch noch „sein Glück“. Rezeption. "Zeitgenossen" "Äußerungen ab dem 20. Jahrhundert"
Erichshagen war ein Wohnplatz im Ortsteil Görlsdorf der Stadt Angermünde im Landkreis Uckermark (Brandenburg). Der Wohnplatz wurde um/vor 1732 neu aufgebaut und wurde nach 1950 abgerissen. Lage. Der Wohnplatz Erichshagen lag ca. 2,2 km südwestlich vom Ortskern von Görlsdorf, ca. 2,6 km nordöstlich von Wolletz und ca. 500 Meter westlich des Wohnplatzes Blumberger Mühle. Er lag auf ca. . Geschichte. 1732 wird "Ehrichshagen" erstmals erwähnt. Es bestand damals aus zwei Häusern in der Glambeck-Görlsdorfer Kavelheide der Flemsdorfer Kavel. Nach dem Historischen Ortslexikon handelt es sich wahrscheinlich um den 8. Teil an Wolletz des von Greiffenberg zu Flemsdorf. 1745 ist das "Heydehauß alt" in der Greiffenberger Cavelheide erwähnt. In einem Mehrfamilienhaus wohnten mehrere Einlieger. Es gehörte damals gemeinsam den von Happe, von Hake, von Holtzendorf, von Greifenberg auf Flemsdorf, von der Hagen zu Schmiedeberg, von Bardeleben auf Glambeck und von Buch auf Stolpe. Das neue Heidehaus wurde später Redernswalde genannt. Im Schmettauschen Kartenwerk von 1767/87 ist die Siedlung "Schützhaus" genannt. 1775 sind vier Einlieger und Büdner genannt, insgesamt 17 Personen, die in Mehrfamilienhäusern ("Gärtnerwohnungen in der Cavel") wohnten. 1790 ist Erichshagen als Rittervorwerk bezeichnet mit drei Einliegern und zwei Feuerstellen. Vermutlich bedeutet hier Rittervorwerk lediglich, dass der Wohnplatz zum Rittergut Görlsdorf gehörte. Friedrich Wilhelm Bratring beschreibt Erichshagen 1801 als "Forsthaus und Gärtnerwohnung bei und zu Wolletz gehörig, in der Cavelheide" mit zwei Feuerstellen und 17 Einwohnern. Besitzer war der von Rohr zu Alt-Künkendorf. Nach dem Historischen Ortslexikon gehörte Erichshagen aber seit 1797 den von Bredow zu Flemsdorf. Damals war der Wohnplatz auch einmal "Bredowswalde" genannt, der sich jedoch nicht durchsetzte. Im 1817 "Ortschafts=Verzeichniß des Regierungs=Bezirks Potsdam" ist der Wohnplatz als Forsthaus "Erichshagen (A. Schützenhaus)" aufgeführt. Hier wohnte der Förster, der für die "Cavelheide" zuständig war. Nach diesem Verzeichnis gehörte der Wohnplatz "vielen Herren." Erichshagen hatte damals 27 Einwohner, die nach Wolletz eingepfarrt waren. 1840 bestand das "Etablissement" Erichshagen aus zwei Wohnhäusern, und hatte 12 Bewohner. Es gehörte damals schon zum Rittergut Görlsdorf. Nach der "Ortschafts-Statistik des Regierungs-Bezirks Potsdam mit der Stadt Berlin" von 1861 (gibt den Stand 1860 wieder) standen in Erichshagen zwei Wohnhäuser und drei Wirtschaftsgebäude. Die Siedlung hatte 24 Einwohner und gehörte zum Gutsbezirk Görlsdorf. 1871 hatte Erichshagen mit seinen zwei Wohnhäusern 16 Einwohner. Mit der Kreisreform von 1872 und der Bildung der Amtsbezirke wurde der Gutsbezirk Görlsdorf (einschl. des Etablissement Erichshagen) dem Amtsbezirk 20 Görlsdorf des Kreises Angermünde zugeteilt. 1897 ist Erichshagen als "Kolonie" bezeichnet. 1912 hatte Erichshagen 23 Einwohner, 1925 25 Einwohner. 1928 wurde der Gutsbezirk Görlsdorf (einschl. Erichshagen) mit dem Gemeindebezirk Görlsdorf zur Gemeinde Görlsdorf vereinigt. 1931 war Erichshagen Wohnplatz der Gemeinde Görlsdorf. 1950 und 1957 gehörte es als Wohnplatz zur Gemeinde Kerkow. Für 1950 nennt das Historische Ortslexikon noch das "Blockhaus Erichshagen". Wann genau die Gebäude abgerissen wurden, ließ sich bisher nicht ermitteln. Das Areal gehört heute wieder zur Gemarkung Görlsdorf.
Die Intesa Sanpaolo S.p.A. ist eines der größten italienischen Kreditinstitute. Das Unternehmen mit Sitz in Turin ist an der Borsa Italiana im Leitindex FTSE MIB gelistet. Geschichte. Im August 2006 wurde angekündigt, dass die Sanpaolo IMI und die italienische "Banca Intesa" fusionieren werden. Mit der Fusion am 1. Januar 2007 entstand das zweitgrößte Kreditinstitut Italiens, das den Namen "Intesa Sanpaolo" erhielt. Die "Banca Intesa" entstand im Jahr 1998 durch eine Fusion der Mailänder Sparkasse Cassa di Risparmio delle Provincie Lombarde (CaRiPLo) mit dem Banco Ambroveneto. 1999 wurde auch die traditionsreiche Banca Commerciale Italiana übernommen. "Banca Intesa" war an etlichen italienischen Banken beteiligt, darunter an der Sparkasse Parma und an der Bank für Trient und Bozen. Im Ausland kontrollierte Banca Intesa u. a. die kroatische PBZ, die slowakische VÚB, die serbische Banca Intesa Beograd (die zweitgrößten Banken der jeweiligen Länder), die ungarische "CIB" und die russische "KMB Bank". Die neue Bank gehört zu den größten Instituten in Europa und wurde 2010 vom US-Sender CNBC mit zu den sichersten Banken der Welt gezählt. Mit einer Marktkapitalisierung von ca. 45 Mrd. Euro (2016) rangiert Intesa Sanpaolo unter den 50 größten Unternehmen Europas und ist gegenwärtig im EuroStoxx 50 mit ca. 1,22 % Gewichtung vertreten. Konzernstruktur. Nach der Fusion operiert Intesa Sanpaolo mit sechs Divisionen: Das "Corporate Centre" der Gruppe ist eine weitere, nicht operative, (Overhead-)Einheit der Gruppe, in der u. a. das Treasuy und Proprietary Trading angesiedelt sind. Internationale Präsenz und Systemrelevanz. Obwohl Intesa Sanpaolo eines der wenigen großen Institute ist, welches auf der G-SIFI-Liste der G20 derzeit nicht berücksichtigt wird, verfügt die Bank über eine nennenswerte Präsenz an allen wichtigen Finanzzentren der Welt und darüber hinaus an weiteren, selektiven Standorten u. a. in Osteuropa und Afrika. In Europa betreibt das Unternehmen Filialen in London (European Hub), Amsterdam, Frankfurt/Main, Madrid und Paris. Repräsentanzen bestehen u. a. in Athen, Brüssel, Istanbul, Moskau, Warschau und Stockholm. In Asien ist die Bank in Dubai, Hong Kong (Asian Hub), Shanghai, Singapur und Tokio mit Filialen und in Beijing, Beirut, Ho Chi Minh City, Mumbai, Seoul und Teheran mit Repräsentanzen vertreten. In Amerika betreibt die Bank vier Niederlassungen: Filialen in New York und George Town sowie Repräsentanzen in Santiago und Sao Paulo. In Afrika hält sie – mit 70 Prozent – den Mehrheitsanteil an der Bank of Alexandria in Ägypten. Finanzkrise. Die Intesa Sanpaolo kam vergleichsweise gut durch die Finanz- und Schuldenkrise ab 2007. Dies ist auch ihrer konservativen Ausrichtung auf das Retailgeschäft in Italien und auf das kundenzentrierte internationale Firmenkundengeschäft und Investmentbanking zu verdanken. Im November 2011 veröffentlichte die Bank ein 9-Monats-Ergebnis (Net Income) von rund 1,9 Mrd. Euro und ein Ergebnis für das dritte Quartal von rund 500 Mio. Euro. Obwohl das Ergebnis positiv von Steuereffekten beeinflusst wurde, reflektiert es die operative Stärke des Instituts. Gleichwohl ist Intesa die Bank mit dem größten Sovereign-Debt-Exposure in Italien. Abschreibungen auf italienische Staatsanleihen hatten das Ergebnis entsprechend negativ beeinflusst. Davon unbenommen besteht auch nach den Stresstests der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde kein erhöhter Eigenkapitalbedarf. Unter Abschreibung der (insbes. italienischen) Staatsanleihen auf Marktwert läge die Core-Tier-One-Ratio der Intesa Sanpaolo noch über 9 % – dem Zielwert der EBA. Unter Ansetzung des Nominalwertes in der Bilanz liegt die Quote bei 10,2 %, was Intesa zu einer der solidesten Banken Europas macht. Viele andere europäische Großbanken, darunter der heimische Wettbewerber Unicredit sowie die Deutsche Bank und Commerzbank benötigen nach EBA-Richtlinien bis Mitte 2012 frisches Eigenkapital in Höhe von rund 115 Mrd. Euro. Führungswechsel. Durch die Übernahme der Regierungsgeschäfte in Italien durch eine Technokratenregierung unter Mario Monti wurde ein Führungswechsel der Intesa Sanpaolo notwendig. Der langjährige CEO und Managing Director Corrado Passera wurde als Superminister für Industrie und Infrastruktur ins Kabinett Monti berufen. Nach wenigen Tagen bereits konnte die Intesa einen Nachfolger präsentieren. Enrico Cucchiani, bisher für das Europa- und Südamerikageschäft der Allianz verantwortlich, trat am 22. Dezember 2011 den Posten als CEO an. Analysten gehen davon aus, dass unter dem neuen Chef die konservative Strategie des Institutes beibehalten, jedoch die Expansion im Ausland vorangetrieben wird.
Heinrich I. von Rosenberg (tschechisch "Jindřich I. z Rožmberka"; † 4. Juli 1310 in Prag) war ab 1301 Oberstkämmerer des Königreichs Böhmen Er entstammte dem witigonischen Familienzweig der Rosenberger. Leben. Heinrichs Eltern waren Wok von Rosenberg und Hedwig von Schaunberg. Heinrichs Bruder war Witiko VI. von Rosenberg († 1277). Heinrich ist erstmals am 19. März 1272 nachgewiesen, als er und sein Bruder dem Kloster Hohenfurt das Patronat über die Kirche von Raabs an der Thaya übertrugen, was vom Burggrafen der Burg Rosenberg, Benesch von Harachy ("Beneš z Harachu/Horachu") und dessen zwei Brüdern bezeugt wurde. Im Jahre 1278 zog er mit dem Heer von König Ottokar II. Přemysl nach Österreich. Mit einer am 12. November 1281 in Rosenberg ausgestellten Urkunde tauschte er drei andere Dörfer wieder gegen das Dorf Sonnberg ein. Nach der Niederlage in der Schlacht auf dem Marchfeld musste er mit einer am 26. März 1282 in Wien unterzeichneten Urkunde die Burg Raabs an der Thaya mit Umland, an Herzog Albrecht von Habsburg abtreten und ihm gleichzeitig Beistand gegen jedermann ("ausgenommen die Witigonen") versprechen. 1279 und 1281 beschenkte er das Kloster Vyšší Brod. 1285 verkaufte er Neveklov an das Prager Kloster Zderaz. In den politischen Auseinandersetzungen nach dem Tod des böhmischen Königs Ottokar II. Přemysl unterstützte Heinrich zunächst Zawisch von Falkenstein, der dem Krumauer Familienzweig der Witigonen entstammte. Nach Zawischs Gefangennahme 1289 söhnte sich Heinrich mit dem König Wenzel II. aus. Dieser ernannte ihn am 6. Januar 1301 zum Oberstkämmerer des Königreichs Böhmen. Nach dem Tod des letzten Witigonen aus der Krumauer Linie, Wok von Krumau, fielen dessen Besitzungen zunächst als erledigtes Lehen an König Wenzel. Dieser schenkte sie noch im selben Jahr an seinen Oberstkämmerer Heinrich I. von Rosenberg. Nachfolgend verlegte Heinrich seine Residenz von der Burg Rosenberg nach Krumau auf die Burg Krumlau, wo seine Nachkommen weitere drei Jahrhunderte residierten. In dem Thronfolgestreit nach dem Tod des letzten Přemysliden König Wenzel II. 1306 zwischen Heinrich von Kärnten und dem Habsburger Rudolf I. unterstützte Heinrich zusammen mit anderen böhmischen Adeligen den Kandidaten Rudolf I., der 1306 König von Böhmen wurde. Als Belohnung für seine Unterstützung verlangte Heinrich die Rückgabe der Burg Raabs, die König Ottokar II. Přemysl 1260 seinem Vater geschenkt hatte. Da jedoch Raabs inzwischen anderweitig verpfändet worden war, erhielt Heinrich für eine befristete Zeit die Königsburg Zvíkov als Pfand. Auch diese konnte er nicht in Besitz nehmen, da sie von Bavor III. von Strakonitz, einem Gegner des neuen böhmischen Königs, belagert wurde. Erst nach dem Tod König Rudolfs I. 1307, nachdem Heinrich von Kärnten zu dessen Nachfolger gewählt worden war, gelangte die Burg Zvíkov in den Besitz Heinrichs. Am 26. Juli 1307 tauschte Heinrich mit dem Prager Bischof Johann IV. von Dražice die bischöflichen Dörfer Sepekov, Radimovice und Čelkovice gegen die Rosenberger Herrschaften Křivsoudov und Herálec. Heinrich starb am 4. Juli 1310 auf der Prager Burg. Sein Leichnam wurde in der Familiengruft in der Klosterkirche von Hohenfurth beigesetzt. Familie. Heinrich I. von Rosenberg war mit Elisabeth von Dobruška ("Eliška z Dobrušky") verheiratet, die am 22. Januar 1307 starb. Der Ehe entstammten die Kinder
Dieter Frankenberger (* 6. Februar 1933 in Schweinfurt; † 3. Juli 1997 in Bad Kissingen) war Professor für Wirtschaftsingenieurwesen mit den Schwerpunkten Elektronische Datenverarbeitung und Logistik an der Fachhochschule Würzburg–Schweinfurt (heute Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt). Leben. Frankenberger wurde als Sohn des Leiters der Gas- und Wasserwerke Schweinfurt Karl Frankenberger und seiner Frau Anni Frankenberger (geb. Sachs) geboren. Nachdem er 1953 das Abitur abgelegt hatte, besuchte er ein technisches Praktikum bei der FAG Kugelfischer Schweinfurt sowie ein kaufmännisches Praktikum bei der gleichen Firma und der Bayerischen Staatsbank in Schweinfurt. Ab 1953 war Frankenberger an der Technischen Hochschule Darmstadt in den Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen eingeschrieben, den er im Februar 1958 als Diplom-Wirtschaftsingenieur beendete. Als Postgraduent absolvierte er, ebenfalls an der TH Darmstadt, ein Vertiefungsstudium „Informatik und Betriebswirtschaft“, welches er 1960 erfolgreich abschloss. Von 1959 an arbeitete er bei Standard Elektrik Lorenz AG (SEL) in Stuttgart, trat 1961 in das Agfa-Camerawerk in München ein und wurde 1963 als Mitarbeiter des Vorstandes für betriebswirtschaftliche und organisatorische Sonderaufgaben sowie direkter Berichtsbefugnis an den Generaldirektor bei Klöckner Humboldt Deutz AG in Köln tätig. 1966 begann Frankenberger seine Tätigkeit als Dozent und Baurat am Balthasar-Neumann-Polytechnikum des Bezirks Unterfranken in Schweinfurt, welches ab 1971 in die neu gegründete „Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt“ überging. Am Standort Schweinfurt erfolgte nunmehr die Ausbildung mit den Fachrichtungen Elektrotechnik, Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen. Frankenberger, zunächst Fachbereichsleiter des Allgemeinwissenschaftlichen Fachbereichs, wurde mit dem weiteren Auf- und Ausbau des Diplom-Studienganges Wirtschaftsingenieurwesen betraut. 1978 wurde er zum Professor ernannt. Über mehrere Jahrzehnte hinweg leitete Frankenberger den Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen in Schweinfurt. Zudem wurde er in verschiedene Berufungsausschüsse zur Auswahl von potentiellen Professoren an anderen bayerischen Fachhochschulen gebeten. Neben der Tätigkeit als Studienberater wirkte Frankenberger von 1975 an über ein Jahrzehnt als Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Wirtschaftsingenieurwesen an Fachhochschulen, ab 1978 zusätzlich als Vorsitzender der Bayerischen Kommission für die Wirtschaftsingenieurausbildung (BayKoWi) und war von 1979 bis 1981 Vorsitzender der Bayerischen Fachrichtungskommission für die Wirtschaftsingenieurausbildung. Als Ehrenphilister der Studentenverbindung Grenzmark und Alter Herr der Franko Warnia fühlte er sich zeitlebens den Studierenden sehr verbunden. 1995 wurde Dieter Frankenberger emeritiert. Er war verheiratet mit der Chemotechnikerin Rosemarie Frankenberger, geb. Lotz und hatte zwei Kinder, Bernd Frankenberger und Jutta Gröschel. Wirken. Dieter Frankenberger gehörte in Deutschland zu den Wegbereitern des Studienganges Wirtschaftsingenieurwesen, bis zum Fall der Mauer 1989 zuerst im Westen, danach auch in den Neuen Bundesländern Deutschlands. Über mehrere Jahre hinweg und wiederholt war er Bundesvorsitzender des Arbeitskreises Wirtschaftsingenieurwesen. Mit seinen Veröffentlichungen „Gieseking-Studienführer für den Fachhochschulbereich“ (1979) und „Diplom-Wirtschaftsingenieur/Diplom-Wirtschaftsingenieurin“ (1990) analysierte er nicht nur den Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen, sondern zeigte auch die vielfältigsten Perspektiven in der beruflichen Anwendung auf. Neben der theoretischen Ausbildung seiner Studenten war ihm die Darstellung des praktischen Bezugs zur späteren Tätigkeit als Wirtschaftsingenieur ein großes Anliegen. Um das breite berufliche Spektrum und die Verwendungsvielfalt als Wirtschaftsingenieur zu demonstrieren, organisierte Dieter Frankenberger eine Vielzahl von Tagesbesuchen in überregionalen Industriebetrieben der verschiedensten Branchen und Richtungen. Die internationale Bedeutung des Studienganges und seine globale Verknüpfung bewies Frankenberger, indem er unter anderem auch mehrtägige Besuchsreisen in die bedeutenden Industrien in den Regionen der Partnerstädte Schweinfurts, nach Motherwell (Schottland), Seinajöki (Finnland) und Chateaudun (Frankreich) ermöglichte und über ein Jahrzehnt Studentenaustauschprogramme mit der Preston Polytechnic (Großbritannien) förderte. Frankenberger baute für seinen Fachbereich an der FH Würzburg–Schweinfurt vorbildhaft ein Netzwerk mit der Industrie und Wirtschaft auf. Dieses dient noch heute dazu, den Technologie- und Wissenstransfer der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt in Kooperation mit der Wirtschaft oder anderen Nicht-Hochschul-Organisationen voranzubringen.
Josef Dieter „Sepp“ Maier (* 28. Februar 1944 in Metten, Niederbayern) ist ein ehemaliger deutscher Fußballtorhüter und Torwarttrainer. Er ist mit 661 Pflichtspielen vor Oliver Kahn Rekordspieler des FC Bayern München, für den er 17 Jahre lang spielte. In seiner aktiven Zeit zählte er zu den besten Torhütern der Welt und trug den Spitznamen „Die Katze von Anzing“. Er gewann alle wichtigen nationalen und internationalen Titel: Er war Weltmeister, Europameister und Deutscher Meister, außerdem gewann er den Europapokal der Pokalsieger und den der Landesmeister, den Weltpokal sowie den DFB-Pokal. Karriere. Jugend. Sepp Maier wurde als zweites Kind des Ehepaars Josef und Maria Maier geboren. Er hat einen älteren Bruder namens Horst und einen vier Jahre jüngeren Bruder namens Hans. Die Familie zog 1946 nach Haar, wo er die Volksschule besuchte. Dort absolvierte er ab 1958 auch eine Lehre als Maschinenschlosser. Vereine. In der B-Jugend des TSV Haar spielte Sepp Maier zunächst Mittelstürmer und empfand es jedes Mal als Schmach, wenn er im Tor stehen musste; im Training übernahm er die Position manchmal „zum Spaß“. Nach einer Verletzung des Stammtorhüters wurde Maier bei einem Pokalspiel zwischen die Pfosten beordert und machte seine Sache gut. Er blieb fortan im Tor und wurde für die oberbayerische Jugendauswahl nominiert. Hier wurden Späher vom FC Bayern München auf das Talent aufmerksam und verpflichteten ihn 1958 für die A-Jugend. 1962 wurde Maier Vertragsspieler, ab der ersten Regionalliga-Saison 1963/64 löste er Fritz Kosar als Stammtorwart ab. Bevor er mit dem FC Bayern München 1965 in die Bundesliga aufstieg, gewann er mit der Auswahl des Landesverbandes Bayern 1963 – mit einem 3:1-Sieg gegen die Auswahl Hessens – den Länderpokal der Amateure. Mit den Bayern wurde Maier 1969, 1972, 1973 und 1974 Deutscher Meister, gewann 1966, 1967, 1969 und 1971 den DFB-Pokal und 1967 den Europapokal der Pokalsieger. Maier gilt als eine der zentralen Figuren der Mannschaft, mit der der FC Bayern auf internationaler Ebene dominierte und 1974, 1975 und 1976 den Europapokal der Landesmeister gewann. 1976 wurde er mit den Bayern Weltpokalsieger. Maier wurde in den Jahren 1975, 1977 und 1978 zu Deutschlands Fußballer des Jahres gewählt und übernahm mit Franz Beckenbauers Abgang 1977 das Amt des Mannschaftskapitäns. Am 14. Juli 1979 wurde Maier bei einem selbstverschuldeten Straßenverkehrsunfall schwer verletzt. Bei Aquaplaning kam Maier von seiner Fahrbahn ab und raste in ein entgegenkommendes Auto, in dem zwei Frauen leicht verletzt wurden. Der Wochenenddienst des Kreiskrankenhauses, in das Maier nach dem Unfall geliefert wurde, erkannte die Schwere seiner Verletzungen nicht und diagnostizierte lediglich ein paar Rippenbrüche. Erst durch seinen herbeigeeilten Freund Uli Hoeneß, der gerade Manager der Bayern geworden war, wurde er an den Vereinsarzt der Bayern vermittelt, der eine Verlegung Maiers in das Krankenhaus Großhadern anordnete. Hier wurden erst Röntgenaufnahmen angefertigt, auf denen wiederum ein Lungenriss zu sehen war; die Leber hatte sich hineingeschoben, das Zwerchfell war gerissen und Maier hatte zudem eine Ansammlung von zweieinhalb Litern Blut in seiner Bauchhöhle. Erst durch eine Notoperation konnte Maier überleben. Am 26. November 1979 begann er wieder mit dem Training, musste seine Karriere dann aber beenden. In 14 Jahren als Bundesligaspieler beim FC Bayern München fehlte er nur an drei Spieltagen der Saison 1965/66; am 10., 11. und 34. Spieltag vertrat ihn Fritz Kosar. Seine 442 in Serie absolvierten Erstligaspiele – von insgesamt 473 – bedeuten bis heute Weltrekord. Er war sieben Jahre lang Rekordbundesligaspieler, ehe er 1981 von Willi Neuberger übertroffen wurde. Sein Nachfolger im Tor des FC Bayern wurde Walter Junghans. Kurz vor seinem schweren Unfall hatte Maier ein Angebot des NASL-Franchises New York Cosmos, bei dem Franz Beckenbauer seit zwei Jahren aktiv war, erhalten. Das kolportierte Jahresgehalt: eine Million Mark. Maier lehnte dieses Angebot jedoch ab und meinte gegenüber deutschen Medien: „Vielleicht stelle ich mich in zwei Jahren ins Cosmonauten-Tor, aber nur für einen Sommer, denn Bayern bleibt Bayern.“ Sein Abschiedsspiel am 4. Juni 1980 im Münchner Olympiastadion, in dem die deutsche Nationalelf vor 78.000 Zuschauern die Bayern mit 3:1 besiegte, verlief nicht konfliktfrei. Maier beschimpfte den Bayern-Trainer Pál Csernai, der daraufhin seinen Platz auf der Betreuerbank vorzeitig verließ. Mit dem Geld aus der Berufsunfähigkeitsversicherung kaufte sich Maier in weiterer Folge einen Tennispark, mit dem er laut eigener Aussage mehr verdiente als während seiner aktiven Zeit als Fußballspieler. In späteren Jahren, vor allem nach seinem Rückzug aus dem Fußballsport, betätigte er sich unter anderem als Tennisspieler und Golfer. Während seiner zweiten Karriere in der Tennis-Bundesliga wurde er mit dem TC Hasenbergl dabei vier Mal Deutscher Mannschaftsmeister der Jungsenioren. Nationalmannschaft. Nachdem er bereits 1961 im Tor der DFB-Jugendauswahl unter dem Trainer Helmut Schön gestanden hatte, bestritt er 1966 sein erstes Spiel in der Nationalmannschaft. Maier debütierte am 4. Mai beim 4:0-Sieg gegen Irland in Dublin. Außerdem gehörte er zum Aufgebot für die WM-Endrunde 1966 in England, kam dort jedoch als Ersatzmann von Hans Tilkowski nicht zum Einsatz. 1969 setzte er sich als Nr. 1 im deutschen Tor durch. Bei der anschließenden WM in Mexiko 1970 schied er mit der deutschen Nationalmannschaft erst im Halbfinale aus. Die Niederlage im Jahrhundertspiel gegen Italien bezeichnete er als seine größte Niederlage. Bei der EM 1972 in Belgien gewann er seinen ersten Titel mit der deutschen Nationalmannschaft. Sein größter Erfolg gelang bei der WM 1974 im eigenen Land. Bereits bei der Wasserschlacht von Frankfurt machte er sein bestes Länderspiel. Gegen die starken Polen parierte er mehrmals glänzend und sicherte dadurch den Finaleinzug. Diese Leistung bestätigte er im Finale. Vor allem in der zweiten Halbzeit drehten die Niederländer auf. „Maier! Immer wieder Maier“, schrie der TV-Kommentator Rudi Michel, nachdem Maier mehrmals weltklasse pariert hatte. Am Ende wurde Sepp Maier mit der deutschen Nationalmannschaft Weltmeister – sein größter Triumph. Bei der EM 1976 gelang Maier mit der deutschen Nationalmannschaft der Finaleinzug. Dieses verlor die deutsche Nationalmannschaft aber nach Elfmeterschießen, dabei parierte er keinen Elfmeter. Bei der WM 1978 schied Maier mit der deutschen Nationalmannschaft nach einer 2:3-Niederlage gegen Österreich in der zweiten Runde aus. In seinen sechs letzten Länderspielen 1978/79 war er Spielführer der Nationalmannschaft. Sein letztes Länderspiel bestritt er am 26. Mai 1979 in Reykjavík beim 3:1-Sieg gegen Island, bei dem er zur zweiten Halbzeit beim Stand von 2:0 für Toni Schumacher (1. Länderspiel) ausgewechselt wurde. Mit 95 absolvierten Länderspielen war Maier bis zum 17. November 2020 deutscher Rekord-Nationaltorhüter. Privatleben. Maier ist in zweiter Ehe verheiratet und hat eine Tochter aus erster Ehe. Erfolge als Spieler (Auswahl). Nationalmannschaft Bayern FC Bayern München Auszeichnungen. Als Torwart der deutschen Fußballnationalmannschaft, die 1974 die Weltmeisterschaft gewann, wurde er im gleichen Jahr gemeinsam mit seinen Teamkameraden mit dem Silbernen Lorbeerblatt ausgezeichnet. 1978 erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Die Auszeichnung zum Kicker-Torhüter des Jahres erhielt er 1976, 1977 und 1978. In der Rangliste des deutschen Fußballs wurde er zwischen 1966 und 1979 insgesamt sechsmal als Weltklasse und 21-mal in der Kategorie Internationale Klasse eingestuft. Er wurde 2014 in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommen und 2018 in die erste Elf der Hall of Fame des deutschen Fußballs des Deutschen Fußballmuseums aufgenommen. 2018 wurde in den Stachus-Passagen der "Sky of Fame" eröffnet, bei dem Münchner Persönlichkeiten mit einem Deckenbild geehrt werden. Eines der vier ersten Deckenbilder zeigt Sepp Maier. Tätigkeit als Torwarttrainer. Von 1994 bis 2008 war Maier Torwarttrainer beim FC Bayern München. Von 1988 bis zum 10. Oktober 2004 war er zudem Torwarttrainer der deutschen Nationalmannschaft. Aus dieser Funktion wurde er vom Bundestrainer Jürgen Klinsmann entlassen, nachdem es zu Differenzen über die Torhüterfrage gekommen war. Maier hatte sich öffentlich für Oliver Kahn und gegen Jens Lehmann ausgesprochen. Erfolge als Torwarttrainer (Auswahl). Nationalmannschaft FC Bayern München
Gabriele Elise Karoline Alexandrine Reuter (* 8. Februar 1859 in Alexandria; † 16. November 1941 in Weimar) war eine deutsche Schriftstellerin. Die zu Lebzeiten vielgelesene Autorin wurde bekannt durch ihren Roman "Aus guter Familie" (1895), der die „Leidensgeschichte eines Mädchens“ (Untertitel), einer typischen „höheren Tochter“ der Wilhelminischen Ära erzählt. Das Buch verkaufte sich bis 1931 in 28 Auflagen und war der erste Bestseller, den der S. Fischer Verlag in seiner Verlagsgeschichte hatte. Weitere Bestseller waren etwa ihr Roman "Ellen von der Weiden" (1900), die Novellensammlung "Frauenseelen" (1901) oder der Roman "Der Amerikaner" (1907). Heute ist Gabriele Reuter nahezu vergessen. Leben. Gabriele Reuter war die Tochter des aus Treptow an der Tollense in Pommern stammenden internationalen Großkaufmanns im Textilhandel, Carl Reuter, und dessen Frau Johanna, geb. Brehmer. Sie war eine Urenkelin der Dichterin Philippine Engelhard, der sie in "Grüne Ranken um alte Bilder" von 1937 ein literarisches Denkmal setzen wollte. Ihre Kindheit verbrachte sie teils bei der Verwandtschaft der Mutter in Dessau (1864–69), teils in Alexandrien (1869–72). Als der Vater 1872 starb, erfolgte die endgültige Rückkehr der Familie nach Deutschland. Reuter kam für ein Jahr in das "Breymannsche Institut", auch "Neu-Watzum". Dann aber verlor die Familie durch die allgemeine Rezession und durch einen Betrugsfall bei der Auflösung des väterlichen Geschäfts 1873 ihr gesamtes Vermögen und zog in eine kleine Wohnung in Neuhaldensleben. Die Verantwortlichkeit für die jüngeren Brüder und die zunehmend depressive Mutter bedingten eine für die Zeit ungewöhnlich frühe Selbstständigkeit Gabriele Reuters. Die finanziellen Sorgen führten außerdem dazu, dass sie schon als junges Mädchen ihr Schreibtalent als eine Verdienstquelle nutzte. 1875/76 erschienen erste literarische Publikationen über Ägypten in Lokalblättern. Es folgten konventionell geschriebene Romane mit exotischem Kolorit. Von dem so verdienten Geld finanzierte Reuter 1879 den Umzug der Familie nach Weimar, wo sie sich als junge Schriftstellerin zu etablieren versuchte. Um 1890 unternahm sie erste eigenständige Reisen nach Berlin, Wien und München zu diversen Schriftstellertagungen und machte Bekanntschaft mit anderen Künstlern ihrer Zeit, darunter mit dem Anarchisten und Lyriker John Henry Mackay, mit dem sie eine langjährige Freundschaft verband, und mit Henrik Ibsen. 1890 zog Reuter mit ihrer Mutter nach München in dem Wunsch, sich der dortigen Bohème anzuschließen. Sie besuchte die Gründungsfeier von Michael Georg Conrads „Gesellschaft für modernes Leben“. Laut ihrer Autobiographie "Vom Kinde zum Menschen" (1921) kam ihr hier die Idee zu ihrem Erfolgsroman "Aus guter Familie". 1891 aber erkrankte die Mutter, und Reuter war gezwungen, mit ihr nach Weimar zurückzukehren, wo die pflegebedürftige Frau 1904 starb. Dort erschloss sich Reuter in den folgenden Jahren einen neuen Freundeskreis – darunter Hans Olden und dessen Frau Grete, Rudolf Steiner und Eduard von der Hellen. Sie las die Schriften Friedrich Nietzsches, Arthur Schopenhauers und Ernst Haeckels. Sie knüpfte Kontakte zum Verein Freie Bühne in Berlin und dem Friedrichshagener Dichterkreis und lernte u. a. Gerhart Hauptmann, Otto Erich Hartleben, Ernst von Wolzogen sowie – auf Vermittlung Mackays – den Verleger Samuel Fischer kennen, der Ende 1895 ihren Roman "Aus guter Familie" verlegte. Der Roman war ein enormer Erfolg, löste in Literaturzeitschriften und feministischen Blättern eine erregte Debatte aus und machte Reuter über Nacht berühmt. Im selben Jahr zog sie mit ihrer Mutter wieder nach München, da sich inzwischen einer ihrer Brüder als Arzt dort niedergelassen hatte. Am 28. Oktober 1897 gebar sie in Erbach (bei Ulm) ihre uneheliche Tochter Elisabeth Reuter, genannt Lili, die später den Maler Johannes Maximilian Avenarius heiratete. Der Vater war Benno Rüttenauer. 1899 zog Reuter nach Berlin um. In den dreißig Jahren, die sie dort lebte, erschienen zahlreiche Romane, Novellen, Jugendbücher und Essays, die immer wieder das Thema des Geschlechter- und Generationenkonflikts aufgriffen. Gabriele Reuter wurde gerühmt für ihre feine psychologische Ausgestaltung und galt als „Dichterin der weiblichen Seele“. Zwischen 1904 und 1908 lebte sie zeitweise auf dem Monte Verità von Ascona. Über diese Zeit schrieb sie einen Schlüsselroman "Benedikta", der 1923 erschien. In ihm sind einige Protagonisten der Reformsiedlung unschwer zu erkennen: die Mitgründerin der Kolonie Lotte Hattemer, die als feurige Revolutionärin gezeichnet wird; ihr Liebhaber, der anarchistische Dichter und spätere Psychotherapeut Johannes Nohl; die Leiter der Naturheilanstalt: Ida Hofmann und Henri Oedenkoven; der Dichterprophet und Einsiedler Gusto Gräser, der im Wald lebt; der Arzt und Anarchist Raphael Friedeberg und schließlich sie selbst als "Benedikta". Im Mittelpunkt steht der Revolutionär Friedeberg, für dessen umstürzlerische Ideen sich Benedikta zunächst begeistert, die sie aber entschieden ablehnt, nachdem aus ihnen der blutige Ernst der Revolution von 1918/19 geworden ist. Es handelt sich um den zweiten Schlüsselroman über den berühmten "Wahrheitsberg" von Ascona nach dem "Demian"-Roman von Hermann Hesse, der 1919 erschienen war. Im Unterschied zu diesem ist Reuters Erzählung realistischer in der Personen- und Milieuschilderung und ungleich entschiedener in der politischen Positionierung. Einen Skandal verursachte noch einmal ihr Roman "Das Tränenhaus" (1908), in dem sie auf recht drastische Weise die Zustände in einem Haus für ledig Gebärende schilderte. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs arbeitete sie außerdem als Kolumnistin für die Wiener Neue Freie Presse und in den letzten Lebensjahren als Rezensentin für die New York Times. 1929 kehrte die Siebzigjährige zurück nach Weimar, wo sie am 16. November 1941 verstarb. Der Nachlass von Gabriele Reuter befindet sich im Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar. Schaffen. Reuters Erfolgsroman "Aus guter Familie" ist eines der ersten Werke aus weiblicher Feder, das sich nach den innovativen literarischen Strömungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts, dem konsequenten Realismus bzw. Naturalismus, ausrichtete. Zusammen mit Helene Böhlaus Roman "Der Rangierbahnhof" (1896) gab er das Muster ab für zahlreiche weitere weibliche Bekenntnis- oder Selbstfindungsromane der Epoche. Die Debatte um den Roman kreiste zunächst vor allem um die Frage, ob das Werk ein Tendenzroman sei oder nicht. Reuters Haltung zur zeitgenössischen Frauenbewegung war zwiespältig, wenn nicht distanziert: Die frauenrechtlerische Publizistin Helene Stöcker würdigte das Werk Reuters trotzdem mehrfach, Hedwig Dohm äußerte sich anlässlich des Erscheinens von "Das Tränenhaus" eher skeptisch. Antifeministen warfen Reuter dagegen eine zu einseitig weibliche Perspektive vor. Reuter ließ sich weder von der einen noch von der anderen Seite vereinnahmen. "Aus guter Familie" wurde wegen der sozialen Repräsentativität der Protagonistin außerdem vielfach mit Goethes "Werther" verglichen. Thomas Mann interpretierte den Roman nach dem Muster des zeitgenössischen Künstlerromans. Er bezeichnete Gabriele Reuter als „vielleicht souveränste Frau,“ […] „moderner als alle streitbaren Frauenzimmer der Neuzeit“
Bougy-Villars ist eine politische Gemeinde im Distrikt Morges des Kantons Waadt in der Schweiz. Geographie. Bougy-Villars liegt auf, oberhalb von Rolle, 11 km westsüdwestlich der Bezirkshauptstadt Morges (Luftlinie). Das Weinbauerndorf erstreckt sich inmitten der Rebhänge am Südhang der Waadtländer Côte, in aussichtsreicher Lage rund 170 m über dem Seespiegel des Genfersees. Die Fläche des 1,8 km² grossen Gemeindegebiets umfasst einen Abschnitt der Waadtländer Côte. Der Gemeindeboden erstreckt sich vom Hangfuss nordwärts über die Rebhänge der Côte bis zum Aussichtspunkt Signal de Bougy (). In einem schmalen Zipfel reicht das Gebiet nach Nordwesten ins Quellgebiet des "Armary" bei der Hofsiedlung "La Gingine". Auf der langgestreckten Höhe des Signal de Bougy wird mit der höchste Punkt von Bougy-Villars erreicht. Von der Gemeindefläche entfielen 1997 19 % auf Siedlungen, 25 % auf Wald und Gehölze und 56 % auf Landwirtschaft. Zu Bougy-Villars gehören einige Weingüter und Einzelhöfe. Nachbargemeinden von Bougy-Villars sind Aubonne, Féchy, Perroy, Mont-sur-Rolle und Essertines-sur-Rolle. Bevölkerung. Mit Einwohnern (Stand) gehört Bougy-Villars zu den kleinen Gemeinden des Kantons Waadt. Von den Bewohnern sind 85,1 % französischsprachig, 8,1 % deutschsprachig und 2,7 % portugiesischsprachig (Stand 2000). Die Bevölkerungszahl von Bougy-Villars belief sich 1850 auf 304 Einwohner, 1900 auf 271 Einwohner. Nachdem die Bevölkerung bis 1960 auf 211 Einwohner abgenommen hatte, setzte seither eine rasche Bevölkerungszunahme mit einer Verdoppelung der Einwohnerzahl innerhalb von 40 Jahren ein. Wirtschaft. Bougy-Villars war bis Mitte des 20. Jahrhunderts ein vorwiegend durch die Landwirtschaft geprägtes Dorf. Noch heute spielt die Landwirtschaft als Erwerbszweig der Bevölkerung eine wichtige Rolle. Am gesamten Hang der Côte unterhalb einer Höhe von 550 bis wird Weinbau betrieben. Auf der Höhe des Signal de Bougy herrschen Viehzucht und Ackerbau vor. Weitere Arbeitsplätze sind im lokalen Gewerbe und vor allem im Dienstleistungssektor vorhanden. In den letzten Jahrzehnten hat sich das Dorf dank seiner attraktiven Lage zu einer Wohngemeinde entwickelt. Viele Erwerbstätige sind deshalb Wegpendler. Verkehr. Die Gemeinde liegt zwar abseits der grösseren Durchgangsstrassen, ist aber verkehrstechnisch trotzdem gut erschlossen. Strassenverbindungen gibt es nach Rolle und nach Aubonne. Der Autobahnanschluss Rolle an der 1964 eröffneten A1 (Genf-Lausanne) ist rund 3 km vom Ort entfernt. Durch den Postautokurs, der von Rolle nach Aubonne verkehrt, ist Bougy-Villars an das Netz des öffentlichen Verkehrs angebunden. Geschichte. Die erste urkundliche Erwähnung des Ortes erfolgte im Jahr 996 unter dem Namen "in villa Balgedelco". Später erschienen die Bezeichnungen "Balgels", "Balgeel" (1052), "Bougels" und 1285 "Bougy-Milon". Dieser Ortsname blieb bis Ende des 19. Jahrhunderts erhalten. Danach hiess die Gemeinde "Bougy" und seit 1953 "Bougy-Villars". Der Ort gehörte ursprünglich der Abtei Romainmôtier, aber auch das Zisterzienserkloster Bonmont hatte Grundbesitz in Bougy-Villars. Mit der Eroberung der Waadt durch Bern im Jahr 1536 kam das Dorf unter die Verwaltung der Kastlanei Mont-le-Vieux in der Vogtei Morges. Nach dem Zusammenbruch des Ancien Régime gehörte Bougy-Villars von 1798 bis 1803 während der Helvetik zum Kanton Léman, der anschliessend mit der Inkraftsetzung der Mediationsverfassung im Kanton Waadt aufging. 1798 wurde es dem Bezirk Aubonne zugeteilt. Sehenswürdigkeiten. Das kleine Dorf besitzt zwei Kirchen. Die erste Kirche entstand im 19. Jahrhundert etwas oberhalb des Dorfes, indem man eine ehemalige Käserei umbaute und mit einem Glockenturm versah. Weil diese Kirche zu Beginn des 20. Jahrhunderts von einem Erdrutsch bedroht war, wurde östlich des Dorfes eine neue Kirche im Tessiner Stil errichtet. Im Ortskern sind einige charakteristische Weinbauernhäuser aus dem 17. bis 19. Jahrhundert erhalten. Das 1902 erbaute "Hotel du Signal" auf der Höhe oberhalb von Bougy-Villars wurde abgerissen, um ein Freizeitgelände und eine öffentliche Parkanlage (Pré Vert) zu schaffen.
Assassin’s Creed Chronicles ist eine Spieletrilogie von 2,5D-Spielen, die der "Assassin’s-Creed"-Reihe zugeordnet sind. Sie wird von Ubisoft veröffentlicht. Der erste Teil "Assassin’s Creed Chronicles: China" erschien am 22. April 2015. Die beiden anderen Teile heißen "Assassin’s Creed Chronicles: India" und "Assassin’s Creed Chronicles: Russia." "Assassin’s Creed Chronicles: India" erschien am 12. Januar 2016 und "Assassin’s Creed Chronicles: Russia" erschien am 9. Februar 2016. Spielprinzip. Die Chronicles-Reihe ist ein Side-Scroller in der 2,5D-Perspektive und orientiert sich vom Spielprinzip an der "Assasins-Creed"-Reihe. Es werden mehrere Nah- und Fernkampfwaffen unterstützt. Ein weiteres wichtiges Element sind Jump-’n’-Run-Passagen. Die Spiele enthalten auch ebenfalls Stealth-Elemente, da der Spieler häufig an Gegnern vorbeischleichen muss und sich dafür z. B. in Schatten verstecken kann. Assassin’s Creed Chronicles: China. "Assassin’s Creed Chronicles: China" wurde ursprünglich im September 2014 als Bestandteil des "Assassin’s Creed Unity" Season Passes angekündigt. Der Hauptcharakter dieses Spiels ist Shao Jun, die bereits in dem Kurzfilm Assassin’s Creed Embers einen Auftritt hatte. Handlung. Das Spiel spielt im Peking des 16. Jahrhunderts in der Zeit des Zerfalls der Ming-Dynastie und folgt der Attentäterin Shao Jun. Diese war Schülerin bei Ezio Auditore, dem Hauptcharakter von "Assassin’s Creed II", 'und' und kehrt nach Ende ihrer Ausbildung nach China zurück, um dort Rache zu nehmen. Besucht werden dabei bekannte Sehenswürdigkeiten wie die Chinesische Mauer oder die Verbotene Stadt. "Assassin’s Creed Chronicles: India". Der Hauptcharakter des in Indien spielenden Teils ist der Assassine Arbaaz Mir, welcher bereits Hauptcharakter des Comics war. Handlung. Das Spiel spielt im Jahr 1841 im Reich der Sikh, während die Vorbereitungen auf einen großen Krieg in Indien gegen die Britische Ostindien-Kompanie laufen. Es zeigt den männlichen Protagonisten Arbaaz Mir und basiert auf der Graphic Novel Assassin's Creed: Brahman. "Assassin’s Creed Chronicles: Russia". Der Hauptcharakter des in Russland spielenden Teils ist der Assassine Nikolaï Orelov, welcher bereits Hauptcharakter der Comics' und 'war. Handlung. Das Spiel spielt in Russland und behandelt die Folgen der Oktoberrevolution im Jahr 1917. Die Geschichte dreht sich um den Protagonisten Nikolai Orelov und basiert auf den Comic Assassin's Creed: Subject Four. Rezeption. Die Spiele wurden durchschnittlich bis gut bewertet (nach Metacritic), wobei die Bewertung sich mit jedem neuen Teil verschlechtert hat, was unter anderem an fehlenden Innovationen und besonderer Atmosphäre bzw. Effekten und der unspektakulären Story liegt. So vergibt die Gamestar dem ersten Teil 81 von 100 Punkten, dem zweiten Teil 79 von 100 und dem dritten Teil nur noch 68 Punkte. GIGA vergleicht den Stil mit einem Aquarell-Stil, den Ubisoft bereits in "Child of Light" verwendet hat. Kritisiert werden unter anderem keine große Tiefe in der Handlung, was es schwer macht, eine Beziehung zu den Charakteren aufzubauen. Dies liegt an fehlenden Dialogen und Zwischensequenzen, da die Handlung lediglich durch Artworks erzählt wird. Ebenfalls werden die fehlenden Nebenmissionen bemängelt. Das Gameplay wird hingegen als erfrischend und innovativ beschrieben. Durch das Stealth-Gameplay ist mehr Geduld als Action gefragt und Passagen fühlen sich an wie das Lösen von Rätseln, bei denen der Spieler durch unterschiedliche Taktiken versucht, unbemerkt zu bleiben. Schnelles Vorgehen ist daher weitgehend nicht möglich.
Auerswalde ist ein Ortsteil der sächsischen Gemeinde Lichtenau im Landkreis Mittelsachsen. Bis zum 31. Dezember 1998 war Auerswalde eine selbstständige Gemeinde. Im Zuge einer Gemeindegebietsreform schlossen sich die vormals selbstständigen Orte Auerswalde, Lichtenau und Ottendorf am 1. Januar 1999 zu einer neuen Gemeinde, die zunächst den Namen Auerswalde trug, zusammen. Am 11. September 2000 wurde Auerswalde in Lichtenau umbenannt. Geographie. Geographische Lage. Südlich von Auerswalde beginnt eine sanftmuldige wald- und gehölzarme Lösslandschaft, die sich nordwärts ausdehnt. Auerswalde ist auf rund gelegen und befindet sich ca. sechs Kilometer nördlich vom Stadtzentrum der Großstadt Chemnitz sowie etwa acht Kilometer westlich von Frankenberg/Sa. relativ zentral im Landkreis Mittelsachsen. Der Ort wird von Osten nach Westen vom Auerswalder Bach durchflossen. Er hat seine Quelle in der Nähe des Gewerbegebietes „Auerswalder Höhe“ und mündet an der Ortsgrenze in die Chemnitz. In der Aue im Chemnitztal befindet sich das Naturschutzgebiet „Am Schusterstein“. Auerswalde hat seinen Ortskern an der östlichen Gemarkungsgrenze zu Oberlichtenau. Hier befindet sich die Gemeindeverwaltung Lichtenau. Entlang des Baches setzt sich der Ort in Form eines Waldhufendorfes fort. Im Chemnitztal an der westlichen Ortsgrenze gibt es einen weiteren Siedlungskern aus den 1930er Jahren entlang der Straßen „Am Vorwerk“ und „Geschwister Scholl“. Auerswalde bildet eine eigene Gemarkung innerhalb der Gemeinde Lichtenau aus. Sie hat eine Größe von etwa zwölf Quadratkilometern. Geschichte. 11. bis 18. Jahrhundert. Um 1100 (urkundlich: eine lange Zeit vor 1143) sind Wolfsjäger als erste Siedler im Bereich von Auerswalde nachgewiesen, diese hielten sich aber nur saisonal dort auf. Für das Jahr 1186 ist die Existenz eines kirchlichen Anwesens nachgewiesen. 1230 wurde die Kirche St. Ursula gebaut. Die erste urkundliche Erwähnung des Orts und der Herren von Auerswalde erfolgte unter dem Namen „Urswalde“ im Jahre 1263, daher könnte auch das Patrozinium der St.-Ursula-Kirche stammen. (Anm.: Die Siegelmarke zeigt keinen Auerochsen, auf den sich der Ortsname beziehen soll, sondern einen Wisent.) Im Jahre 1334 wurde in Auerswalde eine der ältesten Schänken Sachsens, das „Erbgericht“, erbaut. Auf dem Gelände des heutigen Gutshauses Auerswalde befinden sich vermutlich die Reste um 1248 als Herrensitz erwähnten Burganlage. Dieser Herrensitz wurde im Jahr 1445 als Rittersitz und seit 1551 als Rittergut erwähnt. Im Jahr 1582 folgte die Erwähnung einer Schule in Auerswalde. Im Jahr 1551 zählte Auerswalde 50 besessene Mann, 9 Gärtner, 6 Häusler und 97 Inwohner, die 32 Hufen Land bewirtschafteten. Etwa 200 Jahre später, im Jahr 1764, waren es 43 besessene Mann, 9 Gärtner, 53 Häusler auf Hufen Land. Seit dem 15. Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert wurde in Auerswalde an verschiedenen Orten Kalk abgebaut. Auerswalde war bis ins 19. Jahrhundert bezüglich der Verwaltung geteilt. Der obere Ortsteil unterstand der Grundherrschaft des Ritterguts Lichtenwalde im kursächsischen Amt Lichtenwalde, das ab 1696 durch das kursächsische Amt Frankenberg-Sachsenburg und ab 1783 durch das kursächsische Amt Augustusburg verwaltet wurde. Der untere Teil von Auerswalde gehörte wie Nieder-Garnsdorf zur Grundherrschaft des Ritterguts Auerswalde, das als Exklave zum kursächsischen Amt Rochlitz gehörte. Nachdem die Herren von Auerswalde das Gutshaus Auerswalde im Jahre 1596 an die Herren von Schönberg veräußert hatten, ging es 1724 an den Reichsgrafen von Watzdorf über, der den Neubau des Herrenhauses veranlasste. 1764 ging es durch Erbe an den Grafen von Vitzthum von Eckstädt über, in dessen Familienbesitz es sich bis 1945 befand. 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Ab 1832 war Auerswalde als Teil der Grundherrschaft Lichtenwalde vollständig zum königlich-sächsischen Amt Augustusburg gehörig. Nach dem Ende der sächsischen Ämterverfassung 1856 lag Auerswalde im Zuständigkeitsbereich des Gerichtsamtes Frankenberg. Ab 1875 gehörte Auerswalde zur Amtshauptmannschaft Flöha und ab 1933 zur Amtshauptmannschaft Chemnitz. Die neue Schule in Auerswalde (heutige Grundschule) wurde im Jahr 1877 eingeweiht. Drei Jahre später erfolgte im Jahr 1880 die Eröffnung der Chemnitztalstraße. Seit 1888 hat Auerswalde eine Freiwillige Feuerwehr. Am 1. September 1902 erhielt Auerswalde mit dem Bahnhof „Auerswalde-Köthensdorf“ im Chemnitztal eine Station an der Bahnstrecke Wechselburg–Küchwald (Chemnitztalbahn). Sie wurde erst mit der Stilllegung der Strecke am 24. Mai 1998 außer Betrieb genommen. 1907 erhielt die St.-Ursula-Kirche in Auerswalde durch einen Umbau ihr heutiges Aussehen. In Oberauerswalde entstanden im Jahr 1913 mit der „Alten Kolonie“ die ersten Häuser der oberen Siedlung. Ab 1932 erlebte Auerswalde durch den beginnenden Siedlungsbau am Vorwerk einen deutlichen Bevölkerungsanstieg: lebten 1925 noch 2402 Menschen im Ort, waren es im Jahr 1939 bereits 3349. Weitere sechs Jahre später, im Jahr 1945, lebten 3816 Menschen hier. Die Obere Schule (bis 2011 Mittelschule Auerswalde Haus A) wurde im Jahr 1929 eingeweiht. Im Jahr 1945, einige Tage vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, war Auerswalde vom 15. bis zum 26. April von amerikanischen Truppen besetzt. Am 7. und 8. Mai 1945 gaben die Amerikaner den Ort jedoch an die Rote Armee der Sowjetunion weiter. In dem Gutshof Auerswalde wurden 1945 Notwohnungen eingerichtet. Später erfolgte ein Teilabriss der Gutsgebäude. Durch die zweite Kreisreform in der DDR kam die Gemeinde Auerswalde im Jahr 1952 zum Kreis Chemnitz-Land im Bezirk Chemnitz (1953 in Kreis Karl-Marx-Stadt-Land und Bezirk Karl-Marx-Stadt umbenannt). Fortan verlief bis Dezember 1952 östlich von Auerswalde die Grenze zum Kreis Flöha, dem der Nachbarort Oberlichtenau zunächst während der Kreisreform 1952 zugeschlagen worden war. 1954 wurde Auerswalde, ebenso wie seine Nachbarorte Untergarnsdorf und Krumbach, von einem schweren Hochwasser betroffen. Im Jahr 1990 kam die Gemeinde Auerswalde zum sächsischen Landkreis Chemnitz. 1992 bildeten Auerswalde und Garnsdorf eine Verwaltungsgemeinschaft, zum 1. Januar 1994 entstand daraus die Gemeinde Auerswalde. Bei der Auflösung des Landkreises Chemnitz kam die Gemeinde Auerswalde im Jahr 1994 zum Landkreis Mittweida, der 2008 im Landkreis Mittelsachsen aufging. Im Zuge der Gemeindegebietsreform in Sachsen wurden 1999 die Gemeinden Auerswalde, Lichtenau und Ottendorf zu einer neuen Gemeinde vereinigt, deren Name erst am 28. Mai 2000 durch einen Bürgerentscheid als „Lichtenau“ festgelegt wurde, hierfür entschieden sich 51 % der Abstimmungsberechtigten. Die Jahrhundertflut von 2002 zeigte auch im Ortsteil Auerswalde verheerende Auswirkungen. Seit November 2005 befindet sich die gesamte Verwaltung der Gemeinde Lichtenau im neuen Rathaus in der „Auerswalder Hauptstraße 2“ in Auerswalde. Bildung. In Auerswalde befindet sich eine von drei Grundschulen der Gemeinde Lichtenau. Wirtschaft und Infrastruktur. Ab 1845 wurde bei Auerswalde an der Bahnstrecke Riesa–Chemnitz gebaut. Der Bahnhof Oberlichtenau befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft im Osten von Auerswalde, von dem aus stündlich die Chemnitzbahn nach Mittweida und in die Chemnitzer Innenstadt fährt. Im Westen des Orts befand sich im Tal der Chemnitz jenseits des Flusses, bereits auf der Gemarkung von Köthensdorf, der Bahnhof Auerswalde-Köthensdorf. Seit der Stilllegung der Chemnitztalbahn (1998) halten dort keine Züge mehr. Auf der ehemaligen Trasse verläuft jetzt der Chemnitztalradweg. Dieser ist von Chemnitz über Wittgensdorf unt Bf bis Markersdorf befahrbar und passiert den Tunnel Auerswalde. In den 1930er Jahren wurde der Bau der Bundesautobahn 4 (Dresden–Jena) vorangetrieben. Auf rund 1,5 Kilometern Länge schneidet die Autobahn das Ortsgebiet. Die nächste Anschlussstelle ist „Chemnitz-Ost“ in Oberlichtenau. Von dort aus führt die Staatsstraße 204 (S 204) durch Auerswalde. Am westlichen Ortsende endet sie an der Bundesstraße 107 (Chemnitz–Rochlitz–Grimma) im Chemnitztal. An der Bundesstraße gibt es über die Anschlussstelle „Chemnitz-Glösa“ eine weitere Verknüpfung zur Autobahn. Begünstigt durch die Lage an der Autobahn siedelten sich in Auerswalde Unternehmen an, beispielsweise das Wellpappe- und das Displaywerk der Schiettinger-Gruppe. Weiterhin die Firma Tunap (ehemals Erisol) am Bahnhof Oberlichtenau.
Miss England II war der Name des zweiten einer Reihe von Speed-Booten, mit denen Henry Segrave und Kaye Don in den 1920er und 1930er Jahren antraten, um den absoluten Geschwindigkeitsweltrekord auf dem Wasser aufzustellen. Insgesamt konnten fünf Rekorde erzielt werden: drei mit "Miss England II" und zwei mit dem Nachfolge-Boot "Miss England III". Die Boote dieser Epoche waren im Gegensatz zu den später gebauten Rekordbooten von z. B. Malcolm und Donald Campbell nicht ausschließlich für den Einsatz über die gerade 1-Meilen- beziehungsweise 1-Kilometer-Distanz ausgelegt, sondern nahmen auch an „klassischen“ Rennen auf Rundkursen teil. Ausgangssituation. "Miss England I," das erste Boot der Serie, bestritt 1929 in Miami mehrere Rennen mit guten Resultaten gegen den amtierenden Rekordhalter Gar Wood mit "Miss America VII". Es war eine erfolgreiche US-Reise für Segrave gewesen, nachdem er in Daytona Beach den Landgeschwindigkeitsrekord mit Golden Arrow aufgestellt hatte, und bei seiner Rückkehr zum Ritter geschlagen wurde. "Miss England I" konnte zwar einen Rekord für einmotorige Boote mit 91 mph (79 kn; 146 km/h) aufstellen, dieser Erfolg war jedoch auf Segraves beherzte Fahrweise und einige technische Probleme bei "Miss America" zurückzuführen. Grundsätzlich war "Miss England" jedoch immer den weitaus leistungsstärkeren und schnelleren amerikanischen Booten unterlegen. Design und Konstruktion. Allgemein. "Miss England II" wurde 1930 bei Saunders-Roe Limited als Auftrag von Lord Wakefield of Hythe gebaut, der für das Projekt ein Paar neue Rolls-Royce Typ R V-12-Rennflugzeug-Motoren erhalten hatte. Jeder Motor hatte eine Leistung von 2000 PS (1471 kW). Sie wurden hinter dem Fahrerstand montiert und drehten jeweils eine eigene Welle zu einem Getriebe, das in der Nähe des Buges montiert war. Von dort lief eine Welle mit bis zu 12.000/min unter dem Rumpf nach achtern zu einem Zwei-Blatt-Propeller mit einem Durchmesser von 298,4 mm (in späteren Versuchen von 228,6 mm). Das Boot hatte eine Länge von 36 ft (11 m) und eine Breite von 10 ft (3.0 m). Rennfertig betrug das Gewicht 7 Tonnen. Mit seiner Stufe im Rumpf war das Boot ein Gleiter und ähnelte der vorherigen "Miss England". Bei "Miss England II" war die Stufe deutlicher vom Rumpf abgesetzt, so dass das Boot, wenn es (bei hohen Geschwindigkeiten) aus dem Wasser stieg, leichter zu steuern, aber auch etwas instabiler war. Das Cockpit bot Platz für eine dreiköpfige Besatzung: Ingenieur links, Mechaniker rechts und der Steuermann in der Mitte. Unterschied zu den US-Booten. Über Wasser. Ein grundsätzlicher Unterschied zu ihren direkten Konkurrenten der "Miss America-"Serie war die Motorplatzierung bei den "Miss England"-Booten. Während die US-Amerikaner das Frontmotor-Konzept verfolgten, verbauten die Briten ihre RR-Triebwerke konsequent hinter dem Cockpit. Wood (USA) und Segrave (GBR) diskutierten dieses Thema: Unter Wasser. Die Boote der Miss-England-Serie waren mit nur einem Propeller ausgestattet. Das vereinfachte das Handling des Bootes, zum Beispiel beim Steuern. Die US-Amerikander verfolgten einen anderen Weg. Ihre beiden Motoren trieben jeweils separate Wellen mit Propellern an. Das erforderte zwar größere Fähigkeiten des „Throttle-man“ um einen sauberen Geradeauslauf zu gewährleisten, ermöglichte aber (durch bewusst unterschiedliche Drehzahlen) ein schnelleres Durchfahren von Kurven (ähnlich dem Steuerprinzip von Kettenfahrzeugen). Der erste Rekord und Tod von Segrave. Am Freitag, den 13. Juni 1930, erzielte der Brite Henry Segrave mit "Miss England II" auf dem Windermere mit einem Durchschnitt von 98.76 mph (158.94 km/h; 85.82 kn) über zwei Läufe einen neuen absoluten Rekord. Bei einem dritten Versuch kenterte das Boot bei voller Fahrt. Es wird vermutet, dass es großes Treibgut getroffen hat. Chefingenieur Victor Halliwell, der auf der „inneren“ Seite des Bootes saß, als es sich seitlich überschlug, wurde getötet. Der Mechaniker Michael „Jack“ Willcocks, der an der anderen Außenseite des Bootes saß, wurde aus dem Boot geschleudert, überlebte aber mit einem gebrochenen Arm. Segrave, der bewusstlos geborgen wurde, als das Boot sank, erlangte für einen Moment das Bewusstsein zurück und fragte nach dem Schicksal „seiner Männer“. Kurz nachdem ihm mitgeteilt wurde, dass er den Rekord gebrochen hatte, starb er an seinen Lungenverletzungen. Es wurden Bedenken geäußert, dass der Rumpf des Bootes in Design und Konstruktion zu schwach war, insbesondere um die Stufe am Unterboden herum, die sich teilweise gelöst hatte. Eine erste Theorie, dass die Stufe abgerissen wurde, als das Boot über seine eigene Wellen-Spur aus einem früheren Lauf gefahren war, wurde zurückgenommen, nachdem ein völlig durchnässter Ast, der frische Aufprallspuren zeigte, etwa dreißig Minuten nach dem Unfall an Land gespült wurde. Anmerkung: Durch diesen Rekord war Segrave der erste Fahrer, der gleichzeitig den Land Speed Record und den Water Speed Record hielt. Das wurde erst von Donald Campbell überboten, der 1964 diese Leistung innerhalb eines Jahres vollbrachte. Die Rekorde von Kaye Don. Nach Segraves Tod wurde "Miss England II" geborgen und repariert. Der Ire Kaye Ernest Donsky, besser bekannt unter seinem „Renn-Namen“ Kaye Don wurde als Fahrer für 1931 verpflichtet. Anfang des Jahres testete Don das Boot am Lough Neagh in der Nähe von Belfast, Nordirland, und erreichte eine inoffizielle Geschwindigkeit von 107 Meilen pro Stunde. Der US-Amerikaner Garfield Wood stellte dann am 20. März 1931 den offiziellen Rekord mit 102,256 mph (164,565 km/h) auf. Einen knappen Monat später, am 15. April gelang Don auf dem Río Paraná in Südamerika eine sehr knappe Verbesserung (103,49 mph / 166,55 km/h) dieses Rekordes. Seine eigene Leistung steigerte er drei Monate später nochmals bei einem weiteren Versuch auf dem norditalienischen Gardasee, als er vor Gardone 110,223 mph (177,387 km/h) erreichte. Harmsworth Cup 1931. 1931 fand auf dem Detroit River der alljährliche Harmsworth Cup statt, bei dem die Wood-Brüdern Garfield „Gar“ (mit der neuen "Miss America IX") und George (mit der "Miss America VIII" des Vorjahres) und Kaye Don, der "Miss England II" fuhr, direkt auf einander trafen. Vor einer geschätzten Menge von über einer Million Zuschauern gewann Don den ersten Lauf des Rennens. "Miss America IX" hatte durch "Miss Englands" Kielwasser Schäden am Rumpf erlitten und war trotz Reparaturen über Nacht am nächsten Tag nicht vollkommen einsatzbereit. Wood bat um eine Startverschiebung, damit die Reparaturen abgeschlossen werden könnten. Don pochte aber auf das Reglement. "Miss America IX" schaffte es bis zum zweiten Lauf, aber nur, indem Wood mit hoher Geschwindigkeit bis zur Startlinie raste. Im Rennen hatte Wood einen knappen Vorsprung vor Don, als sich "Miss England II" plötzlich in einer der Kurven überschlug, Don und sein Copilot blieben aber unverletzt. Wood konnte das Rennen beenden, aber sowohl er als auch Don wurden disqualifiziert, weil sie die Startlinie mehr als fünf Sekunden vor dem Signal überquert hatten. Dieser Vorfall und gegenseitige Vorwürfe der Protagonisten führten zu einer kontroversen Diskussion in der US-amerikanischen- englischen- und internationalen Presse, die wiederum zu ernsthaften Spannungen zwischen den beiden Sport-Nationen führte. Verbleib. "Miss England II" wurde nach dem Rennen auf dem Detroit River (siehe oben) zwar geborgen, aber wegen der erlittenen Strukturschäden (und den inzwischen gewonnenen neuen technischen Erkenntnissen) nicht mehr eingesetzt. Es wurde direkt mit dem Bau von "Miss England III" begonnen, mit der Kaye Don 1932 nochmal zwei absolute Rekorde erzielen konnte.
Seit 1936 existieren Bestrebungen, die Videoauflösung aktueller Fernsehübertragungen zu erhöhen. Diese Sammlung von Fernsehnormen wird als hochauflösendes Fernsehen bezeichnet. Die heutige Umsetzung ist das High Definition Television. Zeit des Analogfernsehens (ca. 1930–1980). Schwarzweiß (1930er–1950er). Im November 1936, zum Sendestart des vollelektronischen BBC Television Service, wurde erstmals das schwarz-weiße 405-Zeilen-System von Marconi/EMI als hochauflösend bezeichnet, um es von den anderen damaligen Versuchen mit anfangs nur 30 (ab 1928), später 120 Zeilen von John Logie Baird (ebenfalls Großbritannien) und 180 Zeilen (in Deutschland verwendet durch den Fernsehsender Paul Nipkow) abzugrenzen. Die Ausstrahlung erfolgte vom Südost-Turm des Alexandra Palace (Wood Green, London). Eine Tafel erinnert dort an dieses Ereignis. Fernsehübertragung mit 1029 Zeilen (frühes HDTV). Im Sommer 1940 wurde erstmals in der Geschichte der Fernsehtechnik einem ausgewählten Kreis ein Fernsehbild von mehr als 1000 Zeilen vorgeführt. Die Übertragung erfolgte nach dem Zeilensprungverfahren mit 1029 Zeilen bei 25 Bildwechseln. Durch den Bau dieser Übertragungsanlage sollte die Frage geklärt werden, mit welchen Mitteln sich Bilder solch großer Auflösung herstellen lassen und ob die Wirkung solcher Bilder den mit der Erhöhung der Zeilenzahl verbundenen Aufwand lohnt. Ferner sollten die Möglichkeiten untersucht werden, diese hochzeiligen Bilder drahtlos oder über Kabel zu übertragen. Als Abtasteinrichtung kam zunächst nur ein Sondenrohr in Frage, da dieses eine mechanisch definierte Abtastblende besitzt und zudem die Bildpunktgröße durch Verändern des elektronenoptischen Abbildungsmaßstabes in gewissen Grenzen variiert werden kann. Die Bildgröße auf der Photokathode beträgt etwa 5 cm × 6 cm. Bei einer Kathodenempfindlichkeit von 40 μA/Lumen ergibt sich nach Verstärkung über einen 21-stufigen Sekundärverstärker an einem Widerstand von 500 Ohm ein genügend schrotfreies Bildsignal von etwa 50 mV. Die Verstärker übertragen Frequenzen bis 20 MHz ohne im Bild sichtbare Laufzeitfehler, die trägerfrequente Bandbreite ist bei Zweiseitenbandübertragung auf ±15 MHz begrenzt (30 % Amplitudenabfall). Ein kleiner Sender auf 1,5 m Wellenlänge bei etwa 10 Watt Antennenleistung, dessen Endstufe am Bremsgitter moduliert ist, wurde gebaut, ebenso der zugehörige Empfänger, dessen Zwischenfrequenzband 40 bis 70 MHz beträgt. Der ZF-Verstärker hat sechs Gegentaktstufen mit der Röhre EFF 50. Bei der drahtlosen Übertragung ist es infolge der großen Bandbreite schwierig, Störsender vom ZF-Teil fernzuhalten. Für die Übertragung erwiesen sich Wellenlängen im Dezimetergebiet geeigneter, damit die Mischstufe keinesfalls Frequenzen des ZF-Bandes durchläßt. Versuchsweise wurde auch eine Kabelübertragung über eine Länge von etwa 30 m durchgeführt, bei einem Wellenwiderstand des Kabels von 150 Ohm. Diese Übertragungsanlage enthält einschließlich der Modulations- und Demodulationsstufen 27 Verstärkerstufen. Eine Minderung der ursprünglichen Bildqualität war nicht zu bemerken. Es wurden Empfänger gebaut, welche den hohen Anforderungen an Auflösung genügten. Besondere zur Erzielung der großen Aussteuerspannung notwendige Verstärker, deren Endstufe im Gitterstrombereich arbeitete, wurden entwickelt. Auch Projektionsröhren von 18 cm wurden hergestellt, wobei die zur Wiedergabe von 1029 Zeilen erforderliche Schärfe durch Verwendung einer langen Konzentrierspule erzielt wurde. Die Empfangsbilder besaßen außerordentlich hohe Brillanz und einwandfreie Schärfe, welche die eines 16-mm-Schmalfilmbildes übertraf. Die Versuche ergaben, dass die Übertragung von Fernsehbildern mit 1029 Zeilen mit den zur Verfügung stehenden technischen Mitteln durchaus möglich ist. Die bei Ausschöpfung aller Möglichkeiten erzielbare Bildqualität übertrifft jedoch wesentlich die Anforderungen, die zumindest für Heimempfang an eine gute Bildübertragung gestellt werden. Die Entwicklung und der Bau der vorstehend beschriebenen Fernsehgeräte war eine Gemeinschaftsarbeit der Fernseh G.m.b.H., an der neben Rolf Möller und Georg Schubert, welche als technische Geschäftsführer die allgemeine Entwicklungsrichtung bestimmten, und den Physikern und Entwicklungsingenieuren auch zahlreiche weitere Mitarbeiter Anteil haben, welche insbesondere die Fülle der damit verbundenen technischen Kleinarbeit bewältigten. Schon bei der Festlegung der normalauflösenden Fernsehnormen der Welt Ende der 1940er Jahre musste man sich bei der Festlegung der Zeilenanzahl und Videobandbreite gegenüber dem Wünschenswerten deutlich einschränken. Praktisch standen zur Übertragung von Fernsehen 80 bis 90 MHz Hochfrequenzbandbreite (HF) zur Verfügung. Beherrschbare und bezahlbare Hochfrequenztechnik endete bei 200 bis 300 MHz. Es dauerte rund 25 Jahre, bis Aufnahme- und Wiedergabetechnik die Formate mit 405 (Großbritannien) bis 819 Zeilen (Frankreich) ansatzweise ausreizten. Zur Synchronisierung der Bilder wurde ursprünglich die Netzfrequenz benutzt. Diese beträgt 50 Hz (Europa, Afrika, Asien (inkl. östl. Japan), Australien) oder 60 Hz (Amerika, westl. Japan, Südkorea). Die Bilder wurden mit der halben Netzfrequenz gesendet, also 25 oder 30 Bilder in der Sekunde. Hierdurch konnte ein flüssiger Bewegungseindruck erreicht werden, was jedoch zur Vermeidung des Flimmerns nicht ausreicht. Hier hilft das Zeilensprungverfahren, welches zwei Halbbilder mit versetzten Zeilen sendet (interlaced). Das erste Halbbild mit den Zeilen 1, 3, 5, 7 … und das zweite mit 2, 4, 6, 8 … Hierdurch wird erreicht, dass das Bild nicht mehr flimmert, die einzelne Zeile flimmert noch, was jedoch bei einem angemessenen Betrachtungsabstand nicht auffällt. Farbe (1950er–1980er). Die ersten öffentlichen Farbfernsehsendungen wurden 1953 in den USA im NTSC-Verfahren (525 Zeilen, davon maximal 486 sichtbar) ausgestrahlt, Europa folgte ab 1966 mit dem französischen SECAM- und dem von Walter Bruch entwickelten PAL-Verfahren (625 Zeilen). Bruch (bei Telefunken) hat auch die Grundlagen für das MAC-System erfunden (1973 als „Trisec“ vorgestellt), das später in Europa zu D2-MAC (625 Zeilen) und HD-MAC (1250 Zeilen) weiterentwickelt wurde. Unabhängig von dem Problem der verschiedenen Normen (NTSC, PAL, SECAM) fanden die ersten Versuche zu HDTV Ende der 1970er bis Anfang der 1980er Jahre statt. Treibende Kräfte waren das IEEE und die SMPTE. Untersuchungsergebnisse. Aus ihren Untersuchungen im Zeitraum 1978 bis 1982 ergaben sich folgende Ziele für ein hochauflösendes Fernsehen: Die Zeilenzahl sollte auf 1125 bis 1500 (Farbe) bzw. 2125 (Schwarz-Weiß) erhöht werden, um die Zeilenstruktur nicht mehr wahrnehmbar zu machen und ein schärferes Bild mit mehr Details zeigen zu können. Das Bildseitenverhältnis sollte von 4:3 auf 5:3 bis 6:3 gestreckt werden, um sich dem menschlichen Gesichtsfeld und der Kinoprojektion anzunähern. Zur Reduzierung des Flimmerns größerer heller Flächen und horizontaler Linien sollte die Halbbildfrequenz mindestens auf 60 Hz erhöht werden und, sobald technisch möglich, durch mehrfaches Auslesen und Anzeigen digitaler Bildspeicher weiter verbessert werden. Durch Erhöhung der Videobandbreite für das Helligkeitssignal auf 20 bis 50 MHz sollte die Bildschärfe verbessert werden. Die getrennte Übertragung von Farbart und Helligkeitssignal mit Bandbreiten zwischen 5,5 und 12,5 MHz würde Cross-Luminance-Störungen (Übersprechen von Farbinformation in die Helligkeitsübertragung) verhindern. Wie schon die Stereo-Audiosignale sollte zukünftig auch Video per Frequenz- statt Amplitudenmodulation übertragen werden, was Rauschen und Geisterbilder sowie andere auftretende Störungen verringern sollte. Da dies ohne die erst später verfügbar gewordene Video-Irrelevanzkodierung jedoch utopisch hohe notwendige HF-Bandbreite bedeuten würde, kämen als Übertragungsverfahren nur Satellit und Glasfaser in Betracht, wobei 60 Standard- und 30 HDTV-Sender angestrebt wurden. Wegen der hohen Kosten, die HDTV damals mit sich gebracht hätte, und der ungewissen technischen Entwicklung im Digitalbereich wurde die Einführung auf unbestimmte Zeit verschoben. In der Bundesrepublik startete Broder Wendland 1979 erste Forschungen zum HDTV am Institut für Nachrichtentechnik der Universität Dortmund. Wendland erarbeitete technische Grundlagen für ein eigenständiges HDTV-System, die ihrerseits wiederum der Ausgangspunkt für den europäischen, sogenannten „Eureka-Standard“ als HDTV-Normvorschlag aus Europa bildeten. Auch das Heinrich-Hertz-Institut begann zu Anfang der 1980er Jahre mit seinen Forschungen zur „hochauflösenden Darstellung farbiger Bewegtbilder“ und anderer Fragen von HDTV. Ab 1986 wurde dann die Forschung europaweit im Rahmen der Forschungsinitiative EUREKA koordiniert und gebündelt. In den USA begann das Interesse an HDTV im Jahre 1982, als die National Association of Broadcasters (NAB) ein Advanced Television Systems Committee (ATSC) in Washington gründete. Seitdem gab es in den USA verschiedene Forschungen und Entwicklungen im Bereich von Fernsehsystemen, nicht alleine nur bei HDTV, sondern auch bei Zwischenformen. Teildigitale Zeit (1980er–1990er). MAC. Ende der 1980er Jahre kam HDTV in Europa wieder in die Diskussion. Bei diesem Vorstoß konzentrierte man sich im Gegensatz zu den Machbarkeitsstudien zehn Jahre zuvor mehr auf einen gangbaren Aufrüstungspfad und entwickelte das MAC-Verfahren ("Multiplexed Analogue Components"). HD-MAC sollte die zweite Stufe einer Verbesserung sein, deren erste Stufe das für Satellitenübertragung entwickelte D- bzw. D2-MAC war, das sich allerdings aus verschiedenen Gründen bei Endanwendern (mit Ausnahme skandinavischen Bezahlfernsehens) nicht durchsetzen konnte. HD-MAC ist ein sehr komplexes analog-digitales Hybridsignal, erzeugt mit einem modifizierten D2-MAC-Encoder. Es überträgt 1250 Zeilen/Bild und 50 Halbbilder/Sekunde im 16:9-Format und konnte mit einem 625-Zeilen-D2-MAC-Empfänger in Normalauflösung dekodiert werden, wobei im Gegensatz zu früheren Analogverfahren alle Zeilen für das Bild genutzt werden konnten. Die Olympischen Spiele 1992 in Barcelona wurden teilweise in dieser Norm übertragen und europaweit mit etwa hundert HD-MAC-Empfangsgeräten (zum Teil große Rückprojektionsgeräte) an ausgewählten Standorten vorgeführt. Die Produktion von hochwertigen Videofilmen in HDTV-Qualität und 16:9 wurde noch jahrelang durch die EU finanziell gefördert; deren vierfache Auflösung macht sich bei hochqualitativer PALplus- oder Digital-Aussendung auch auf guten PAL(plus)- oder Digital-Empfängern noch bemerkbar. MUSE. In Japan fanden Voruntersuchungen zu HDTV seit 1964 statt. Von 1989 bis 2007 wurden Programme im MUSE-Format über Satellit in HDTV parallel zum SDTV-Format mit 480 Zeilen ausgestrahlt. MUSE übertrug Bilder analog, es war allerdings eine digitale Nachbearbeitung notwendig. Bilder wurden vertikal wie horizontal 2:1 unterabgetastet, das Abtastraster aber von Bild zu Bild verändert. Stationäre Bildelemente konnten daher wieder mit voller Auflösung rekonstruiert werden (1600 × 960), bewegte Elemente nur mit halber Auflösung (800 × 480). PALplus. Ein Ansatz zur Qualitätsverbesserung der Analogtechnik war in Europa Mitte der 1990er PALplus. Das Prinzip verbessert die vertikale Auflösung von Spielfilmen mit Seitenverhältnissen von 16:9 und größer. Die Qualitätsunterschiede sind auf voll PALplus-fähigen 16:9-Geräten (und nur dort!) sehr deutlich sichtbar – etwa vergleichbar anamorpher zu nicht anamorphen DVDs. Die Farbauflösung wird bei PALplus im Vergleich zu Standard-PAL durch den Einsatz von Hilfspulsen verdoppelt. Cross-Colour-Effekte treten nicht mehr auf. PALplus hat sich nicht durchgesetzt, da es zu wenige Sender (in Deutschland nur einige öffentlich-rechtliche, Premiere, ProSieben und FAB) ausstrahlten und die ersten PALplus-Geräte viel zu teuer waren. Zudem kann auf digitalem Übertragungsweg 16:9 auch in anamorpher Weise gesendet werden. Die 16:9-Röhrenfernseher neuerer Generationen erkennen das Trägersignal und schalten den Sendeinhalt formatfüllend auf den gesamten sichtbaren Bereich. Ebenso verhält es sich mit den Plasma- und LCD-Fernsehgeräten, die im 16:9-Format gebaut werden. Volldigitale Zeit (seit ca. 1990). Heutige Verfahren basieren auf reiner Digitaltechnik zwischen dem Sendestudio und dem Wohnzimmer, im Idealfall sogar zwischen Bilderzeugung und Anzeige. Bei volldigitalen Verfahren muss gegenüber analogen Videonormen zur Beurteilung einer tatsächlichen Bildqualität erstmals neben einer Bildauflösung auch der Grad einer Videokompression in eine Bewertung eingerechnet werden. Videokompression wird durch eine Effizienz (bit/px), oder abhängig von einer gewählten Auflösung durch eine Bitrate in Mbit/s dargestellt. Ende der 1980er Jahre sind die ersten größeren Anstrengungen für eine vollständig digitale Übertragung unternommen worden. Aufbauend auf den Erfahrungen der Joint Photographic Experts Group (JPEG: Standbildkompression) wurde die Moving Picture Experts Group (MPEG: Bewegtbild + Audio) gegründet. Ziel war die Schaffung von weltweiten Standards, die bei niedrigen Datenraten und bezahlbarer Elektronik eine gute Bildqualität erlauben. Die in den frühen 1980ern entwickelten Verfahren (ADPCM) sind dafür vollständig ungeeignet, da sie kaum Redundanzen des Bildes ausnutzen. Folgende Datenraten in Bit pro Pixel sind heutzutage üblich: Der angegebene Bereich ist etwa das, was für befriedigende bis gute Wiedergabe notwendig ist. Moderne Lösungen sind mindestens eine Größenordnung besser als ADPCM. Aufgrund dieser hohen Effizienz können in einem für einen analogen Kanal benötigten Frequenzbereich per Satellit oder Kabel sechs und per terrestrischer Antenne drei bis vier digitale Programme gleich bleibender Qualität übertragen werden – oder ein bis zwei HD-Kanäle. Zurzeit wird hauptsächlich über Satellit und Kabel übertragen, aber auch terrestrische und Übertragung via Internet (IPTV) sind möglich. Die Verteilung auf diese Systeme variiert von Land zu Land. In Nordamerika wird ATSC als terrestrische Übertragungsart verwendet. Dort ist die maximale Datenübertragungsrate von 19,2 Mbit/s vorgeschrieben, die aber nicht vom Broadcaster bis zum Endkunden gehalten werden kann, da sich innerhalb der Übertragungswege so genannte eigenständige Networks befinden, die das Signal verändern dürfen, um es auf die Gegebenheiten des eigenen Netzteiles anzupassen. Dies geschieht vor allem bei Kabel- und terrestrischer Übertragung. Als Videokomprimierung wird MPEG-2 und als Tonkomprimierung können MPEG Audio und Dolby Digital verwendet werden. In Europa wird der DVB-Standard verwendet und hauptsächlich über Satellit ausgestrahlt. Erste Kabelunternehmen fangen gerade an, HD-Sender in ihre Netze aufzunehmen. In Frankreich werden momentan Tests mit dem dort TNT genannten DVB-T durchgeführt. Im Gegensatz zu Deutschland wird dort vom Start weg H.264 als Videokodierung auch für SDTV verwendet. Englands BBC speist im Großraum London eine BBC-HD-Variante in das Freeview getaufte DVB-T-Netz ein. Dort wird ebenfalls ein Downpush durch Low Bandwidth Broadcasting getestet. In der frühen Testzeit wurde für die Satellitenübertragung DVB-S genutzt, später aber auf DVB-S2 gewechselt. Die meisten derzeitigen HD-Sender in Europa verwenden DVB-S2 für den Regelbetrieb; bei angekündigten Neuaufschaltungen wird nur DVB-S2 genannt. Es verwendet im Gegensatz zu DVB-S eine verbesserte Fehlerkorrektur bei der Modulation und kann dadurch die Bandbreite bis zu 30 % effektiver nutzen. Im Kabelnetz wird das DVB-C beibehalten; es wird keine erweiterte Version, ähnlich dem DVB-S2, benötigt. Bei allen kommt die effektive MPEG-4/AVC-Videokomprimierung zum Einsatz. Die Übertragung im Internet ist möglich, allerdings noch weit entfernt vom Regelbetrieb. Es sind vereinzelt Internetseiten mit HD-Videos zu finden, allerdings handelt es sich lediglich um herunterzuladende Kinotrailer. Via Fernsehen aufgenommene HD-Spielfilme werden manchmal über Tauschbörsen verteilt, hierbei handelt es sich jedoch durchaus um urheberrechtlich bedenkliche Kopien. Kommerzielle Dienste für IPTV oder VoD gibt es für HDTV noch nicht. Die Deutsche Telekom hat einen IPTV-Dienst auf Basis des VDSL-Netzes mit 25 oder 50 Mbit/s aufgebaut, in dem die Premiere-HD Kanäle und Bundesliga-Spiele in HD (1080i) eingespeist werden. Dieses Netz wird aber zunächst nur in wenigen Ballungszentren eingerichtet. Europa. Der im Vergleich zu Nordamerika und Südostasien verspätete Start in Europa ermöglicht es den neuen Anbietern mit moderneren, kostensparenden Verfahren zu starten (MPEG-4-AVC und DVB-S2). Zusätzlich steht parallel die Markteinführung vorbespielter HD-Medien, beispielsweise die Blu-ray Disc, an. Nach dem Start des neuen, paneuropäischen Satellitenfernsehsenders Euro1080 – inzwischen „HD-1“ – gab es ab 2004 in MPEG-2 einige öffentliche Testausstrahlungen, in Deutschland insbesondere durch die ProSiebenSat. 1 Media AG. Neben einigen Live-Großereignissen wie dem Eurovision Song Contest 2003 oder dem Finale des UEFA Cups 2004/05 werden vor allem Dokumentationen, etwa der BBC, schon länger in hoher Auflösung oder auf nachträglich abtastbarem Film produziert, um sie international besser verkaufen zu können. In den größten Fernsehmärkten Deutschland, Großbritannien und Frankreich haben die jeweiligen großen Bezahlfernsehsender den eigentlich angepeilten HDTV-Start zum Weihnachtsgeschäft 2005 wegen der Entscheidung zur neuen Bandbreite sparenden Norm MPEG-4 AVC verschoben und starteten im ersten Halbjahr 2006. Sie hofften, insbesondere mit der Fußball-WM in Deutschland Zuschauer gewinnen zu können. Frei empfangbare private und öffentlich-rechtliche Sender halten sich bisher in den meisten europäischen Ländern mit der Einführung noch zurück. Deutschland. In Deutschland strahlte vom 26. Oktober 2005 bis zum 16. Februar 2008 die ProSiebenSat.1-Mediengruppe ihre Programme parallel zum normalen Betrieb über DVB-S2 in hochkonvertiertem HDTV (1080i) aus, während Filme vereinzelt sogar in voller HDTV-Auflösung gesendet wurden. Dabei wurden die eigentlichen Senderlogos mit dem Zusatz „HD“ versehen. Jedoch wurden die beiden Sender ProSieben HD und Sat.1 HD am 16. Februar 2008 vorübergehend abgeschaltet. Eine erneute Aufschaltung erfolgte zusammen mit kabel eins HD verschlüsselt über die HD+-Plattform von Satellitenbetreiber SES Astra am 30. Januar 2010. Auch die RTL Group strahlt ihre beiden Sender RTL und VOX in HDTV-Qualität (1080i) über HD+ aus, dies jedoch bereits seit dem 1. November 2009. Im Jahr 2010 wurden auch HD-Ableger von Sport1, RTL II und sixx in das Portfolio aufgenommen. Die Sender sixx HD und Sport1 HD waren technisch allerdings erst ab Ende 2011 in der Lage Sendungen in nativem HD auszustrahlen. Für die HD+-Plattform des Satellitenanbieters SES-Astra sind unter anderem spezielle Empfangsgeräte (HD-fähiger Fernseher mit eingebautem Sat-Tuner oder externer HDTV-Sat-Receiver) erforderlich. Die RTL Group sprach sich dabei für den Pseudo-Nachfolger des im DVB-Standard enthaltenen Common Interfaces (CI) namens "CI+" aus, das aber nicht im DVB-Standard enthalten ist. Nach SES-Astra-Angaben ist "HD+" nicht zur bisherigen Empfangstechnik kompatibel und erfordert aus diesem Grund neue Empfänger, die auch entsprechende Kopierschutzmöglichkeiten bieten und das Aufzeichnen oder das Überspringen von Werbung bei Fernsehaufnahmen und zeitversetztem Fernsehen unterbinden können. Trotz dieser bisherigen Stellungnahme von SES-Astra haben TechniSat und Humax bereits Firmware-Updates und Hardwarelösungen zur Nutzung des "HD+"-Angebotes mit bisherigen Empfängern angekündigt. Seit April 2010 werden CI+-Module inklusive Smartcard angeboten, die den HD+-Empfang mit Schnittstellen-kompatiblen Geräten ermöglichen. Ob durch diese Nachrüst-Module eine volle Kompatibilität aktueller Empfänger beim geplanten "HD+" oder "CI+"-Standard gegenüber den später speziell neu entwickelten "HD+"-Empfängern gewährleistet ist, scheint zurzeit fraglich. Bereits seit Mai 2006 sendet der frei empfangbare Sender Anixe HD ein Vollprogramm in HD mit Serien, Spielfilmen und Magazinen; zeitweise sind sogar in guter HD-Qualität (1080i) aktuelle Kinovorschauen und der Reisekanal „Lastminute.tv“ zu sehen. Einzelne Sportarten der Olympischen Spiele 2008 wurden abends als Wiederholung gezeigt. Zeitweise strahlte der Sender sein spätabendliches Programm zu Testzwecken sogar in 3D im „Side-by-side“-Format aus. Die deutschen öffentlich-rechtlichen Sender gaben sich trotz der schnellen Verbreitung entsprechend ausgestatteter Geräte in den Haushalten, wohl aufgrund der nötigen Investitionen für die Produktions- und Sendetechnik eher zurückhaltend. Seit dem 1. Juli 2008 sendet ARTE parallel zum normalen SD-Fernsehbetrieb auf ARTE HD Deutschland auch in hochauflösender Fernsehnorm 720p50, der französische HD-Zweig sendet das Produktionsformat original in 1080i. Seit dem 12. Februar 2010 senden auch das Erste und das ZDF in High Definition 720p. Zuvor begannen die beiden Sender im Rahmen der Leichtathletik-Weltmeisterschaften im August 2009 in Berlin mit der Vorbereitungsphase für HDTV. Die ersten Fernsehserien wurden bereits seit Mitte 2008 auf HD-Produktion umgestellt. Der Anteil an nativen HD-Produktionen wurde sukzessive ausgebaut, die restlichen Beiträge wurden hochskaliert. Jeweils zur IFA und zu Weihnachten 2008 und 2009 sowie zu den Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2009 sendete Einsfestival auf dem Simulcastkanal Einsfestival HD in 720p. Die Aufnahme des Regelbetriebs von Einsfestival HD erfolgte Anfang Dezember 2013. Seit Abschaltung des analogen Satellitenfernsehens 2012 werden die großen Dritten Programme (BR, WDR, NDR, SWR, Phoenix) ebenfalls in 720p übertragen. Das ZDF strahlt seit diesem Tag ebenfalls seine Digitalprogramme (ZDFinfokanal, ZDFkultur und ZDFneo) sowie 3sat in HD aus. Am 5. Dezember 2013 zogen MDR, hr, rbb, Tagesschau24, Einsfestival und Einsplus nach. Der Bezahlsender "Premiere" bot ab dem 3. Dezember 2005 drei HD-Kanäle (1080i) an. Da bei "Premiere HD Film" von den großen Filmstudios der HDCP-Kopierschutz verlangt wird, ist über die analogen Receiver-Ausgänge nur Standardauflösung verfügbar. Bei "Premiere HD Sport" und Discovery HD wurde dagegen auf dieses Verfahren verzichtet. Ab November 2006 entfiel ein HD-Kanal: Sport- und Filmkanal wurden zu einem Angebot verschmolzen. Seit 4. Juli 2009 sendet der Nachfolger Sky sieben Programme in HD: "Sky Sport HD", "Sky Cinema HD", "Discovery HD", "National Geographic HD", "History HD", "Disney Cinemagic HD" und "Eurosport HD". Ergänzt wurden diese seit 13. August 2010 durch "Sky Action HD", "Sky Cinema Hits HD, Sky Sport 2 HD" und ab Oktober 2010 durch den Event-Kanal "Sky 3D" ("Side-by-side"-Format) und ESPN America HD. Angekündigt sind die HD-Sender "Sky Sport Extra HD" für August 2011 und "Sky Sport News HD" für Dezember 2011. Seit dem 1. Juni 2010 werden im "Fernsehpaket" über Satellit die verschlüsselten Sender "Mezzo HD", "myZen HD", "Luxe HD", "fashion HD" und "bebe TV HD" verbreitet. Luxe HD ist aber schon lange via „Eurobird 9“ auf 9 Grad Ost auch mit deutscher Tonspur frei empfangbar. Seit dem 16. Mai 2011 sind über die IPTV-Plattform von Telekom Entertain die deutschen MTV-Networks-Sender "VIVA HD", "Nickelodeon HD" und "Comedy Central HD" ohne Zusatzkosten sowie "MTV HD" im HD-Paket zu empfangen. Während die öffentlich-rechtlichen Sender ihre HD-Programme generell ohne Zusatzgebühren ausstrahlen, handelt es sich bei den HD-Angeboten der privaten Sender mehrheitlich um Bezahlfernsehen oder um grundverschlüsselte Programme, die über die Plattform HD+ kostenpflichtig ausgestrahlt werden. Österreich. In Österreich sendet seit der Fußball-Europameisterschaft 2008 der öffentlich-rechtliche ORF sein erstes Inlandsprogramm ORF eins hochauflösend. Übertragen wird im 720p-Verfahren gemäß der weiter unten angeführten EBU-Richtlinie auf einem eigenen Kanal namens ORF eins HD. Es wurden alle EM-Spiele als auch Studiointerviews hochauflösend in HD übertragen. Inzwischen läuft das gesamte Programm im 720p-Verfahren. Seit Ende November 2009 wird auch das zweite Inlandsprogramm ORF 2 im 720p-Verfahren auf ORF 2 HD ausgestrahlt. Die beiden Spartenkanäle ORF III und ORF Sport Plus senden seit dem 26. Oktober 2014 in 720p. Neben den beiden ORF-Programmen senden über Satellit Servus TV, ATV (beide kostenlos) sowie Puls 4 (gegen Gebühr) auch in HD, es wird bei allen das 1080i-Verfahren eingesetzt. In einigen Kabelfernsehnetzen sind auch lokale Programme in HD verfügbar. Zusätzlich bietet der Pay-TV-Anbieter Sky zurzeit zehn Fernsehsender in HD-Qualität an. Über die terrestrische Plattform SimpliTV können seit April 2013 die wichtigsten Programme (nämlich die des ORF und ServusTV, die nach Registrierung kostenlos bleiben sowie mehrere deutsche Privatsender gegen monatliches Entgelt) auch in HDTV über die Muxe D, E und F in DVB-T2 empfangen werden. Schweiz. In der Schweiz bot die SRG von Dezember 2007 bis Januar 2012 auf einem 24-Stunden-Gemeinschaftskanal mit Namen HD suisse Fernsehen in HD-Auflösung (720p) für alle Sprachregionen an. Seit dem 29. Februar 2012 werden statt des eingestellten HD Suisse die sechs öffentlich-rechtlichen Hauptprogramme der SRG im progressiven HDTV-Format 720p/50 ausgestrahlt. Seit dem 23. März 2015 ist SRF info teilweise unverschlüsselt in HD-Qualität über Satellit zu empfangen. Schweden. Seit Anfang September 2005 sendet der schwedische Pay-TV-Anbieter Canal+ den HD-Sender C More HD über Satellit und nutzt dabei im Gegensatz zu anderen HD-Sendern das ältere DVB-S und MPEG-2 (1080i). Dafür ist das Programm in ganz Skandinavien zu empfangen, mit Originalton und allen skandinavischen Sprachuntertiteln. Der schwedische ÖR-Sender SVT sendet seit Februar 2007 auf dem gleichen Satelliten (Thor, 1 Grad West) ein HDTV-Programm. Großbritannien. In Großbritannien sendet seit dem 22. Mai 2006 Sky sein Bezahlangebot an HD-Kanälen. Von Start an werden HD-fähige Festplattenrekorder angeboten, und für die Anfangszeit wird auf HDCP und Analogausgangsabschaltung verzichtet. Das öffentlich-rechtliche BBC bereitet den HDTV-Regelbetrieb vor und sendete die Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 über Satellit und in Teilen Londons über DVB-T. Danach begann BBC mit dem „HDTV-Trial“ auf Astra, 28,2° Ost, unverschlüsselt und sendet tagsüber Preview-Trailer aus verschiedenen HD-Produktionen sowie abends Vollprogramm wie Serien und Spielfilme, alles in voller HDTV-Auflösung 1080i. In Großbritannien beginnt Ende 2009 die offizielle Ausstrahlung von HDTV-Programmen über Antenne im neuen DVB-T2-Standard. Die BBC und der technische Dienstleister Arqiva wollen noch Ende 2009 London versorgen und ab dem Frühjahr 2010 terrestrisches HDTV auch in den Großräumen Glasgow, Newcastle, Birmingham, Leeds und Bradford anbieten. Polen. In Polen senden drei verschiedene Fernsehplattformen ihr Programm in HD aus, Cyfra+, Cyfrowy Polsat und n. Empfangbar sind die Sender Ale Kino+ HD, Animal Planet HD, AXN HD, AXN Spin HD, BBC HD, BBC Knowledge HD, Canal+ HD, Canal+ Film HD, Canal+ Gol HD, Canal+ Sport HD, Canal+ Weekend HD, Cinemax HD, Cinemax 2 HD, Czwórka na Wizji HD, Discovery HD Showcase, Domo+ HD, Eurosport HD, Eurosport 2 HD, Filmbox HD, FOX HD, FOXlife HD, HBO HD, HBO 2 HD, HBO Comedy HD, History, Hyper+ HD, Kuchnia+ HD, MGM HD, MiniMini+ HD, MTV Live HD, National Geographic Channel HD, Nat Geo Wild HD, Next Lejdis HD, Next Man HD, NEXT Music +HD, NEXT TV HD, Next Young HD, Nickelodeon HD, Novela TV HD, nPremium HD, nPremium 2 HD, nPremium 3 HD, nPremium 4 HD, nSport HD, Planete+ HD, Polsat HD, Polsat Sport HD, Polsat Sport Extra HD, Romance TV HD, teleTOON+ HD, Travel Channel HD, TVN HD, TVN 7 HD, TVN Style HD, TVN Turbo HD, TVP HD, TVP1 HD, TVP2 HD, Viasat History HD, Viasat Nature HD, Water Planet HD und Wojna i Pokój HD. Russland. Im Jahr 2006 startete das Unternehmen "Iskratelekom" Testläufe von Fernsehsendern in hochauflösender Qualität. Am 27. April 2007 stellte der Bezahlsender NTW Plus erste Senderpakete in HD vor. Im Jahr 2009 wurde für hochauflösendes Fernsehen in Russland eine staatliche GOST-Zertifizierung herausgegeben. Im Juni 2012 nahm der größte russische Anbieter für Satellitenfernsehen Trikolor TV 20 HD-Sender in das Programm auf. Zu der Zeit zählte das geschätzte Auditorium der HDTV-Zuschauer rund 250.000 Menschen. Seit Dezember 2012 senden die wichtigsten staatlichen Fernsehsender Perwy kanal und Rossija 1 in HD. Ende 2013 empfingen nach Einschätzung von "J’son & Partners Consulting" bereits 7,1 Millionen russische Haushalte hochauflösendes Fernsehen. Nach dem Stand vom 16. April 2015 gibt es in Russland die folgenden HDTV-Sender: Perwy Kanal HD, Rossija 1 HD, NTW HD, RT HD, Mir HD, Sport 1 HD, Russian Travel Guide HD, Nasch futbol HD, KCHL TV HD, Doschd HD (im Februar 2014 aus den meisten Kabelnetzen ausgeschlossen), LifeNews HD, HD Sport, NTW Plus Futbol 1 HD, NTW Plus Futbol 2 HD, NTW Plus Futbol 3 HD, HD Kino, HD Kino 2, HD Life, KinoPremium HD, Semejnoje HD, Nasche HD, Ostrosjuschetnoje Kino HD, Kinopokas HD-1, Kinopokas HD-2, Amedia HD, Ameda Premium HD, Ochotnik i rybolow HD, Teletravel HD, Eureka HD, Schiwaja priroda HD, 360° Podmoskowje HD, IQ HD, Obschestwennoe telewidenije Rossii HD, Wmeste-RF HD, Straschnoje HD. Hinzu kommen einige HD-Sender ausländischer Herkunft. Türkei. In der Türkei brachte Doğan TV (Kanal D) die HDTV-Technik als Erster ins Fernsehen. Am 27. September 2006 begann Kanal D mit HDTV-Tests; mit der offiziellen Sendung am 1. Oktober 2006. Der Kanal wurde kurze Zeit später eingestellt, da Kanal D zunächst nur die Technik testen und Erfahrungen gewinnen wollte. Nach einer eineinhalbjährigen Pause wurde Kanal D HD im August 2008 regulär im Pay-TV-Angebot von D-Smart gestartet, zusammen mit drei weiteren HD-Sendern (HD Smart, Discovery HD, Eurosport HD). Ein Jahr zuvor hatte bereits der Konkurrent Digiturk erste HD-Sender aufgeschaltet: LİG TV, ein Fußballsender, der die Türkische Liga (Süper Lig) überträgt, sendet seit dem 20. Juni 2007 auch in HDTV, ebenso wie weitere 5 im Laufe des Jahres auf Eutelsat W3A aufgeschaltete HD-Sender, die seit Januar 2008 abonnierbar sind (Moviemax HD, Dizimax HD, National Geographic HD, Eurosport HD, Spormax HD). Seit Januar 2010 sind bei Digitürk 7 weitere HD Kanäle dazu gekommen. Diese wären: Dizimax More HD, Moviemax Premier HD, Penthouse HD (soft Erotiksender), PremierLeague HD (English Premier League), MovieMax Stars HD, Fox Sports HD und NatGeo Wild HD. Damit sind aktuell Oktober 2010 genau 13 HDTV-Sender im Digitürk-Paket abonnierbar die in FullHD 1080i über DVB-S2 ausstrahlen. Der staatliche Fernsehsender Türkiye Radyo ve Televizyon Kurumu (TRT) übertrug die Olympischen Spiele 2008 in HDTV, jedoch wurde der Sender TRT 3 HD nach den Spielen wieder abgeschaltet. Konkrete Pläne, zur Fußball-Weltmeisterschaft 2010 einen dauerhaften HD-Sender zu starten, sind vorhanden. Der Privatsender Show TV plant, Ende 2009 über die Plattform Digiturk seine Sendungen in HDTV auszustrahlen. Frankreich. In Frankreich gab es schon 2005 HD-Testsendungen über Hotbird von TF1 und Canal+, inzwischen sind mehrere Pay-TV und freie Programme auch terrestrisch in HDTV vertreten. Ungarn. Das ungarische öffentlich-rechtliche Magyar Televízió begann mit der HDTV-Ausstrahlung ebenfalls vor den Olympischen Spielen im August 2008. Die Kanäle M1 HD und M2 HD senden derzeit wöchentlich nur ein paar, der dritte öffentlich-rechtliche Sender Duna HD – betrieben von Duna Televízió – dagegen mehrere HD-Programme täglich und alle drei Sender sind über DVB-T kostenlos zur Verfügung gestellt. Der Anteil der HDTV-Ausstrahlungen bei großen Sportereignissen ist wesentlich höher. Bei den Pay-TV-Anbietern über Kabel und Satellit sind weitere ungarischsprachige, private HD-Kanäle verfügbar, darunter ATV HD, HBO HD, Filmbox HD, Discovery HD, History HD, Eurosport HD und Digisport HD. Albanien. Albanien hat bisher acht HDTV-Kanäle und vier davon für das Sportfernsehen. Die Firma Digitalb richtete diese im Februar 2008 ein. Kroatien. Im März 2007 begann das kroatische Fernsehen mit der Testausstrahlung von terrestrischem HDTV im Raum der Hauptstadt Zagreb. (siehe Infrastruktur, Verkehr und Telekommunikation in Kroatien) Slowenien. Zu den Olympischen Spielen in Peking sendet auch RTV Slovenija ein terrestrisches HDTV-Signal in der Hauptstadt Ljubljana. Seit Herbst 2013 werden die beiden Hauptprogramme von RTV Slovenija auch in HDTV über DVB-T landesweit ausgestrahlt, vorher konnte man sie ausschließlich über Kabel oder IPTV empfangen. Amerika. In den späten 1980er Jahren begann die Federal Communications Commission (FCC) mit einem Ausschreiben zur Erstellung eines neuen Fernsehstandards für die USA und forderte später dabei sich konkurrierende Firmen auf, ihre Ressourcen und Arbeitskräfte zusammenzulegen. Diese formierten sich unter der Grand Alliance im Jahre 1993. In den 1990ern wurde in den USA ein entscheidender Schritt für die Einführung von HDTV vollzogen: Per Gesetz wurden alle landesweiten Sender (ABC, CBS, NBC, FOX) verpflichtet, ab 2006 digital zu senden, so dass die analoge Ausstrahlung beendet werden konnte. Am 23. Juli 1996 strahlte das zu CBS gehörende WRAL aus Raleigh (North Carolina) als erste Fernsehstation der USA ein digitales HD-Signal aus. Diese HDTV-Übertragung war ein Major-League-Baseball-Spiel und wurde auf dem einzigen zu der Zeit erhältlichen HDTV-Bildschirm, einem 46-Zoll-Panasonic-Testmonitor, in einem Dallas Circuit City Store gezeigt. Der Test wurde direkt von Panasonics Fernsehsparte eingerichtet und war die erste offizielle, kommerzielle HD-Übertragung in den USA. Ab 1998 wurden mehr und mehr HDTV-Fernsehgeräte verfügbar und ebenfalls wurde landesweit mit HD-Übertragungen begonnen – die erste war der Start der Raumfähre Discovery und John Glenns Rückkehr in den Weltraum. Dieses wurde teilweise technisch durch die Harris Corporation ermöglicht. Seit dem Jahr 2000 setzen die Sender in den USA vermehrt auf HDTV in der Primetime (abends). Der Absatz von HD-fähigen Fernsehern, LCD- und Plasmabildschirmen, sowie den dazugehörigen HD-Receivern ist groß, und die Nachfrage wächst immer weiter. Trotzdem wurde die festgelegte Abschaltung des analogen Fernsehens im Jahr 2004 auf 2007 verschoben, da man den Aufwand unterschätzt hatte. Die verwendete terrestrische Norm ist ATSC, meist in 1080i60, seltener auch 720p60. Der Mehrkanalton liegt im Dolby-AC3-Format vor. Beim HDTV-Empfang via Satellit gibt es zurzeit nur noch zwei Anbieter: „DirecTV“ und „Dish Network“ jeweils mit eigenen MPEG2-HD-Receivern, die Umstellung auf das effizientere MPEG4-AVC begann Mitte 2006. Laut Betreiberangaben waren ab Ende 2007 über 100 HDTV-Sender über DirecTV zu empfangen. In Kanada werden zwar auch US-Sender und damit auch deren HD-Ausstrahlungen empfangen, allerdings wurde erst am 22. November 2003 mit dem NHL Eishockey-Spiel zwischen den Edmonton Oilers und den Montréal Canadiens die erste HD-Ausstrahlung des einheimischen CBC durchgeführt. Seitdem senden Bell ExpressVu, ein kanadischer Satellitensender, Rogers Cable und Videotron mehr als 21 HDTV-Sender aus allen Genrebereichen. CTV Toronto und dessen westliches Gegenstück BC CTV waren auch die ersten, die HDTV via terrestrischen ATSC sendeten. Die 2006 NHL Playoffs wurden von einer erneut gesteigerten HDTV-Abdeckung begleitet. Der mexikanische Fernsehkonzern Televisa führte in den frühen 1990ern Experimente in HDTV-Ausstrahlungen in Zusammenarbeit mit dem japanischen NHK. Während der ersten Hälfte von 2005 begann der Kabelanbieter Cablevision, in Mexiko-Stadt fünf HD-Kanäle und Festplattenrekorder anzubieten. 2005 unterzeichnete TV Azteca mit Harris Corporation für digitale TV-Sendeanlagen und HDTV-Kodiergeräte, um damit High-Definition in neun mexikanische Städte zu bringen. Die Markteinführung wird in zwei Phasen durchgeführt werden. Im dritten Quartal 2006 soll HDTV-Übertragungen in Mexikos größten Märkten, Mexiko-Stadt, Guadalajara und Monterrey, verfügbar sein. Phase zwei wird die nationale Einführung sein, das HDTV-Signale in sechs Städten (Matamoros, Reynosa, Nuevo Laredo, Ciudad Juarez, Mexicali und Tijuana) entlang der mexikanischen Grenze zu den USA einführen soll. Dabei soll ausgenutzt werden, dass HD-Receiver dank des früheren HDTV-Starts auf der US-Gegenseite in diesen Gegenden bereits erhältlich sind. In Brasilien werden seit 2001 Fernsehgeräte mit nativer 480p-Auflösung hauptsächlich für SDTV- und DVD-Benutzung angeboten. Ab 2003 wurden die ersten nativen 720p-LCD-Geräte angeboten. Die brasilianische Regierung benötigte eine lange Zeit, um abzuwägen, welcher Standard für das Digitalfernsehen genutzt werden sollte. Am 29. Juni 2006 unterschrieb Präsident Luiz Inácio Lula da Silva ein Dekret zur Einführung von ISDB als nationalen Standard. Der Übergang zu ISDB soll neun Jahre betragen. Die von brasilianischen Forschern vorgeschlagenen Implementierungen von Verbesserungen des Standards werden wegen Inkompatibilitäten wahrscheinlich nicht von japanischen ISDB-Verantwortlichen integriert werden, sondern erst in zukünftigen Erweiterungen für alle ISDB-Länder zur Verfügung gestellt werden. Asien. Japan und Südkorea, die traditionell ebenfalls ein NTSC-Format mit 60 Hz (östl. Japan 50 Hz) nutzen, sind mit der Einführung von HDTV ebenfalls schon weit fortgeschritten. Es werden mehrere Programme über Satellit und terrestrisch ausgestrahlt. Japan entschied sich dabei für das eigene ISDB und Südkorea nutzt das amerikanische ATSC. Japan nutzte schon analoge Verfahren (MUSE) zur Übertragung von HDTV, allerdings ist der alte Standard nicht fähig gewesen, auch den neuen digitalen Standard zu übertragen. Digitales hochauflösendes Satellitenfernsehen wurde erstmals am 1. Dezember 2000 von NHK mit einer Auflösung von 1920 × 1080i in der ISDB-S Norm im Regelbetrieb ausgestrahlt. Später folgten weitere HDTV-Kanäle auf der BSAT-Satellitenplattform. Im Dezember 2003 wurde damit begonnen, die regulären terrestrischen Kanäle Japans via ISDB-T auszusenden. Es wird berichtet, dass bereits zwei Millionen HD-Receiver verkauft wurden. In Südkorea wird von den Sendern eine Quote von mindestens 10 Stunden pro Woche für Ausstrahlungen in HD im ersten kommerziellen Regelbetriebsjahr verlangt. Ab 1. Januar 2008 haben vier chinesische Fernsehsender Probeübertragungen mit HDTV eingeführt. Seit 28. September 2009 senden zusätzlich neun chinesische Sender HDTV-Sendungen offiziell in ihren Programmen. Die neun Sender sind CCTV 1, BTV, DragonTV, GuangdongTV, ShenzhenTV, ZhejiangTV, HunanTV, HeilongjiangTV und JiangsuTV. Bis Ende 2009 wurden um 6–7 Stunden pro Tag HDTV-Programme gesendet. Sendegebiet und Länge der HDTV-Programme werden 2010 erweitert. Obwohl die lokalen Behörden in Hongkong Ende 2006 als Zeitpunkt abgesteckt haben, sich auf einen HDTV-Standard festzulegen, gibt es politische und wirtschaftliche Überlegungen. Das chinesische Hauptland wird ein Mitspracherecht bei der Auswahl haben, um dieses Medium im direkten Umland um Hongkong zu überwachen, aber auch, um zu dem eigenen geplanten HDTV, welches ebenfalls noch nicht ausgewählt ist, so weit wie möglich kompatibel zu bleiben. Hongkonger Sender streben diese Kompatibilität an, um so in den lukrativen südchinesischen Markt ohne kostenintensive Formatkonvertierung übertragen zu können. Am 31. Mai 2006 wurde in Singapur mit den offiziellen HDTV-Tests begonnen. Dabei waren Mediacorp, die HD über DVB-T übertrugen, und Starhub CableVision, die HD über DVB-C übertrugen. Beide sendeten in 1080i und 50 Hz, um bei der Bildwiederholrate konform zum traditionell genutzten PAL zu bleiben. Der Testlauf unter 1000 ausgewählten Teilnehmern wird Ende des Jahres abgeschlossen, wenn auch Mediacorp und Starhub vermutlich den übrigen Kunden den Service öffnen werden. Australien. Australien war das erste Land mit HDTV-Regelbetrieb in 50 Hz und mit MPEG-2 per DVB (via Satellit und terrestrisch), allerdings werden dort auch einige Auflösungen (wie 576p50) als hochaufgelöst betrachtet, die anderswo nur als EDTV eingestuft werden. Australien startete im Januar 2001, aber erst im August 2003 war HD vorgeschrieben. Danach müssen kommerzielle Sender mindestens 1.000 Stunden hochaufgelöst produziertes Material pro Jahr senden (Die nicht kommerzielle ABC darf altes Material konvertieren). Seit 2005 senden alle überregionale Senderketten (ABC, 7, Nine, TEN und SBS) von allen terrestrischen Standorten digital und analog im Parallelbetrieb. Die Sender ABC und SBS senden darüber hinaus noch je ein zusätzliches digitales Fernsehprogramm, sowie zwei digitale Radioprogramme. Ab 2009 wurde auch für die drei überregionalen kommerziellen Senderketten je ein weiteres (zweites) digitales Programm freigegeben, ABC wird ein drittes Programm ausstrahlen. Jede der genannten Senderketten betreibt zusätzlich einen eigenen HD Kanal, der programminhaltlich einem der SD-Kanäle entspricht.
Islands Finanzkrise in den Jahren 2008–2011 ist eine große wirtschaftliche und politische Krise in dem nordeuropäischen Land, die mit dem Zusammenbruch aller drei großen Geschäftsbanken verbunden war, nachdem diese Schwierigkeiten bei der Refinanzierung ihrer kurzfristigen Schulden bekamen und Kontoinhaber in den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich ihr Geld abgezogen hatten. Im Verhältnis zur Größe seiner Wirtschaft ist Islands Banken-Zusammenbruch der größte von allen Ländern in der Wirtschaftsgeschichte. Überblick. Am 15. September 2008 meldete die US-Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz an; dies fand weltweit Beachtung. Ende September 2008 wurde die Verstaatlichung der drittgrößten Bank Islands, der Glitnir Bank, angekündigt. In der darauf folgenden Woche, am 7. Oktober 2008, ernannte die Finanzaufsichtsbehörde FME die zukünftigen Verwalter der Landsbanki und der Glitnir. Zwei Tage später übernahm dieselbe Organisation die Kontrolle über Islands größtes Kreditinstitut, der Kaupthing Bank. Über die Notwendigkeit der Soforthilfe sagte Ministerpräsident Geir Haarde am 6. Oktober: Es bestehe „eine sehr reale Gefahr ..., dass die isländische Wirtschaft im schlimmsten Fall im Sog der Banken mit hinunter gerissen wird, dessen mögliches Ergebnis der Staatsbankrott gewesen wäre.“ [Übersetzung durch die Autoren] Er erklärte auch, dass Regierungsmaßnahmen dafür gesorgt hätten, dass der isländische Staat nicht in Konkurs gehe. Am Ende des zweiten Quartals 2008 lag Islands Auslandsverschuldung bei 9553 Milliarden isländische Kronen (etwa 50 Milliarden Euro); mehr als 80 % davon entstand im Bankensektor. Dies war ein Vielfaches von Islands Bruttoinlandsprodukt 2007 von 1293 Milliarden Kronen (8,5 Milliarden Euro). Das Vermögen der drei Banken, die der Kontrolle des FME unterstanden, betrug 14437 Milliarden Kronen (etwa 95 Milliarden Euro) am Ende des zweiten Quartals 2008 – eine Summe, die mehr als dem Elffachen des isländischen BIP entsprach. Somit sah sich die isländische Zentralbank gezwungen, zum Kreditgeber letzter Instanz zu werden, wenn diese in finanzielle Schwierigkeiten gerieten, und begann, Vermögenswerte abzuschreiben. Teil der am 6. Oktober eilig verabschiedeten Notstandsgesetze war eine umfassende Restrukturierung der unter staatlicher Verwaltung stehenden Banken. Dabei flossen die inländischen Vermögenswerte in neu geschaffene inländische und öffentliche Banken ein, während die ausländischen Reste der Banken als Konkursmasse zur Liquidation freigegeben wurden. Dieser Schritt wirkte wie eine schützende Hand für die isländische Wirtschaft, da es bedeutete, dass die Bürger der Insel keine Verluste aus der systemischen Bankenpleite hinnehmen mussten. Gleichwohl hatte die Finanzkrise schwerwiegende negative Auswirkungen auf die isländische Wirtschaft. Die nationale Währung (Krone) musste einen erheblichen Wertverlust hinnehmen, Devisentransaktionen waren für Wochen praktisch blockiert, und die Marktkapitalisierung der isländischen Börse fiel um mehr als 90 %. Als Folge der Krise erlebte Island eine schwere Rezession; sein Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank in den ersten sechs Monaten des Jahres 2010 real um 5,5 %. Da die ausländischen Geschäftsbereiche der drei isländischen Banken Konkurs anmeldeten, wurden im Ausland die Bankkonten von mehr als einer halben Million Einleger (weit mehr als die gesamte Bevölkerung Islands) eingefroren. Es kam daraufhin zu einem diplomatischen Streit (Icesave-Streit genannt) über die Rückzahlung der Einlagensicherung zwischen Island auf der einen Seite und Großbritannien bzw. den Niederlanden auf der anderen. Die wichtigsten Gegenmaßnahmen zur Bekämpfung der Krise waren: Unterstützungsaktionen für den isländischen Staat endeten offiziell am 31. August 2011, ohne durch neue zusätzliche Darlehen oder „Precautionary Conditioned Credit Lines“ (PCCL) erweitert zu werden. Wie vom IWF geplant, gelang es Island, vollständigen Zugang zu den Finanzmärkten zurückzugewinnen, um seine künftige Finanzierung zu decken. In der ersten Hälfte des Jahres 2012 begann Island Teile der Schulden, die durch das Rettungspaket entstanden sind, zurückzuzahlen. Noch im Januar 2013 sind die erzwungenen Kapitalverkehrskontrollen jedoch notwendig, um die Währung zu schützen, obwohl es vom IWF zur Förderung von ausländischen Investitionen empfohlen wird. Solange die Zahlungsbilanz nicht völlig stabil ist und es der Zentralbank nicht gelungen ist, erhebliche ausländische Kapitalrücklagen aufzubauen (oder die überschüssige Geldmenge des ISK aus der Zirkulation zu ziehen). Auch die Mindesteinlagensicherung der Einleger wurde durch die Liquidation von Vermögenswerten der drei bankrotten Banken zurückgezahlt; das war möglich, weil das isländische Recht der Rückzahlung dieser Garantien Priorität einräumt, bevor die verbleibenden vorrangigen Forderungen und allgemeine Ansprüche von Gläubigern behandelt werden. Ein neuer Abschnitt mit positivem BIP-Wachstum begann im Jahr 2011 und verstärkte den rückläufigen Trend der Arbeitslosenquote. Nachdem das Haushaltsdefizit 2009 und 2010 bis auf 10 % des BIP anwuchs, wurde es 2012 auf ein akzeptables Niveau von 3,4 % des BIP gebracht; dies schuf die Grundlage, um das Schulden-zu-BIP-Verhältnis von 101 % (2011) auf 97 % (2012) zurückzuführen. Die Senkung der relativ hohen HICP-Inflationsrate (6,0 % im Jahr 2012) und des Abwertungsdrucks der einheimischen Währung gelten als wichtige Herausforderung für das Jahr 2013. Die isländische Finanzkrise wurde mit dem Auslaufen der internationalen Rettungsaktion am 31. August 2011 offiziell als beendet erklärt. Erst müssten allerdings die Kapitalverkehrskontrollen aufgehoben werden, bevor man von einer vollständigen Überwindung der isländischen Finanzkrise sprechen kann. Ursache. Im Jahr 2001 wurden die Banken in Island dereguliert. Damit wurden die Voraussetzungen für die Banken geschaffen, Schulden aufzuhäufen, um ausländische Unternehmen aufzukaufen. Die Krise begann, als die Banken im Rahmen der Finanzkrise 2008 ihre Schulden nicht mehr refinanzieren konnten. Es wird geschätzt, dass die drei großen Banken Auslandsschulden von über 50 Milliarden €, oder über 160.000 € pro isländischem Einwohner, auf sich geladen haben. (Zum Vergleich: das isländische Bruttoinlandsprodukt lag bei 8,5 Mrd. €). Bereits im März 2008 waren die Kosten für die private Einlagensicherung für Einlagen bei der Landsbanki und der Kaupthing bereits weit höher (6–8½ % der hinterlegten Summe) als bei anderen europäischen Banken. Die Króna, welche vom The Economist im Frühjahr 2007 als die überbewerteste Währung der Welt (bezogen auf den Big Mac Index) bezeichnet wurde, hat weiter unter den Auswirkungen des Carry Trading gelitten. Von einem kleinen heimischen Markt ausgehend, haben die isländischen Banken ihre Expansion mit Krediten auf dem Interbanken-Markt und später durch Einlagen außerhalb Islands (die auch eine Form der Auslandsverschuldung darstellen) finanziert. Die Haushalte überschuldeten sich ebenfalls, das entspricht 213 % des verfügbaren Einkommens, was zur Inflation führte. Diese Inflation wurde durch die Praxis der IZB verschärft, Kredite an Banken auf der Grundlage neu ausgegebener, ungedeckter Anleihen zu vergeben; letztlich handelte es sich um Gelddrucken auf Abruf. In Reaktion auf den Anstieg der Preise – 14 % in den zwölf Monaten bis September 2008, bei einer Zielmarke von 2,5 % – hielt die Zentralbank von Island die Zinsen hoch (15,5 %). Solch hohe Zinsen, verglichen mit 5,5 % im Vereinigten Königreich oder 4 % in der Eurozone zum Beispiel, ermutigten ausländische Investoren, ihre Einlagen in isländischen Kronen zu halten, was zu einer monetären Inflation führte. Die isländische Geldmenge (M3) wuchs um 56,5 % in den zwölf Monaten bis September 2008, verglichen mit 5,0 % BIP-Wachstum. Hier hatte sich tatsächlich eine wirtschaftliche Blase entwickelt, in der Investoren den wahren Wert der Krone überschätzten. Wie für viele Banken weltweit wurde es auch für isländische Banken zunehmend schwierig oder unmöglich, ihre Kredite auf dem Interbankenmarkt, zu verlängern; ihre Gläubiger beharrten auf Rückzahlung, während keine anderen Banken bereit waren, neue Kredite zu vergeben. In einer solchen Situation würde eine Bank normalerweise die Zentralbank als Kreditgeber letzter Instanz um einen Kredit fragen. Allerdings waren die Banken in Island so viel größer als die Volkswirtschaft, so dass die Zentralbank von Island und die isländischen Regierung nicht die Rückzahlung der Bankenschulden garantieren konnten. Dies führte zum Zusammenbruch der Banken. Die offiziellen Reserven der Zentralbank von Island lagen bei 374,8 Milliarden Krónur Ende September 2008, verglichen mit 350,3 Milliarden Krónur der kurzfristigen Auslandsschulden des isländischen Bankensektors, und mindestens 6,5 Milliarden £ (1250 Milliarden Krónur) Einlagen von Privatkunden in Großbritannien. Die Situation wurde durch die Tatsache, dass Icesave eher als ein Zweig der Landsbanki denn als rechtlich selbständiges Konzernunternehmen operierte, verschlimmert. Als solches war es von der IZB wegen Notkrediten für Liquidität völlig abhängig und konnte nicht die Bank of England um Hilfe bitten. Die britische Financial Services Authority (FSA) war sich des Risikos bewusst und erwog in den Wochen vor der Krise, Sondervorschriften für Liquiditätsbedarf bei isländischen Banken im Einlagengeschäft zu erlassen. Jedoch hätte der Plan, der nie umgesetzt wurde, die isländischen Banken gezwungen, die Zinsen zu senken oder keine weiteren Einlagen anzunehmen und vielleicht sogar einen Bankansturm ausgelöst, zu dessen Verhinderung die Maßnahme gedacht war. Die Behörden von Guernsey planten ebenfalls Beschränkungen für ausländische Banken, die als Zweigstellen operierten, und für Geldtransfers zwischen Tochtergesellschaften auf Guernsey und den Muttergesellschaften („parental upstreaming“) einzuführen. Die Landsbanki arbeitete auf Guernsey als ein rechtlich selbständiges Konzernunternehmen. Die Existenz eines Bank Run auf Landsbanki-Konten in Großbritannien in der Zeit bis zum 7. Oktober scheint durch eine Erklärung der Bank am 10. Oktober als sicher; die Landsbanki erklärte während dieser Zeit den Transfer beträchtliche Mittel für ihre Niederlassung in Großbritannien, um ihre Icesave-Verpflichtungen zu erfüllen. Der Transfer von Mitteln aus der Landsbanki in Guernsey an die Heritable Bank, einem britischen Tochterunternehmen von Landsbanki, unterstützt diese Hypothese. Eine Übertragung „erheblicher Mittel“ aus Island nach Großbritannien hätte den Wert der Krone deutlich nach unten gedrückt, noch bevor Spekulationen Wirkung entfaltet hätten. Verlauf und Maßnahmen. Aufgrund des beschränkten heimischen Marktes hatten die isländischen Banken ihre Expansion mit Krediten auf dem Markt für Interbankenkredite finanziert und zusätzlich durch die Konten von Auslandskunden, die mit hohen Guthabenzinsen gelockt wurden. Islands Haushalte nahmen Schulden im Durchschnitt von 213 % des verfügbaren Jahreseinkommens auf. Im Vergleich dazu liegt die Verschuldung bei Briten und US-Amerikanern bei 169 % bzw. 140 %. Die damit verbundene Zunahme im Geldumlauf führte zur Inflation. Von Januar bis September 2008 verlor die isländische Krone mehr als 35 % ihres Wertes gegenüber dem Euro. Am 26. September 2008 wurden interne Dokumente der Kaupthing Bank, der damals größten Bank in Island, der Enthüllungsplattform Wikileaks zugespielt. Das vertrauliche Dokument enthält auf 210 Seiten eine Darstellung von Krediten in der Größenordnung zwischen 45 Millionen und 1,25 Milliarden Euro. Demnach hatte die Bank mehrere Milliarden Euro an ihre Großaktionäre ausgeliehen, darunter insgesamt 1,43 Milliarden Euro an Exista und Tochtergesellschaften, die 23 % der Bankaktien besaßen. Nachdem Glitnir, die drittgrößte Bank Islands, im Zuge der Finanzkrise ab 2007 in Zahlungsschwierigkeiten gekommen war, übernahm Ende September 2008 die isländische Zentralbank, stellvertretend für den isländischen Staat, 75 Prozent der Anteile für umgerechnet 600 Millionen EUR. Am 7. Oktober 2008 wurde Landsbanki, die zweitgrößte Bank Islands, im Zuge von Maßnahmen zur Abwendung eines Staatsbankrotts von der Isländischen Finanzaufsicht übernommen. Am 9. Oktober 2008 wurde die Kaupthing Bank auf der Grundlage des kurz zuvor erlassenen Notstandsgesetzes unter staatliche Kontrolle gestellt und es erfolgten keine Auszahlungen mehr an ihre Kunden sowie die Niederlassungen im Ausland. Aufgrund des eklatanten Missmanagements in den Führungsetagen der isländischen Großbanken wurde den Managements der vier isländischen Banken (Kaupthing Bank, Landsbanki, Glitnir und Isländische Zentralbank) der Ig-Nobelpreis für Wirtschaft des Jahres 2009 „für ihre Demonstration zugesprochen, dass kleine Geldinstitute sehr schnell in große Geldinstitute umgewandelt werden können, dass dieser Vorgang reversibel ist und ähnliches auch für komplette Volkswirtschaften gilt“. Außerhalb von Island waren für mehr als eine halbe Million Sparer – also weit mehr als die gesamte Bevölkerung von Island – die Konten isländischer Banken eingefroren, während sich ein diplomatischer Streit über die Einlagensicherung entwickelte. Der britische Schatzkanzler Alistair Darling kündigte Maßnahmen an, um das Vermögen der Landsbanki in Großbritannien (dort als Icesave tätig) einzufrieren. Die "Landsbanki Freezing Order 2008" wurde am 8. Oktober 2008 um 10 Uhr beschlossen und trat 10 Minuten später in Kraft. Damit wurden der Verkauf oder die Bewegung von Landsbanki-Vermögenswerten innerhalb des Vereinigten Königreichs verhindert, auch wenn sie von der Zentralbank von Island oder der Regierung Islands angeordnet würden. Außerdem kündigte der britische Premierminister Gordon Brown an, dass die britische Regierung rechtliche Schritte gegen Island wegen der Entschädigung für die schätzungsweise 300.000 britischen Sparer unternehmen werde. Betroffen waren auch britische Städte und Gemeinden, die Konten bei isländischen Banken besaßen. Währung. Die Isländische Krone (Krónur) verlor gegenüber dem Euro von Januar bis September 2008 mehr als 35 % an Wert. Die Inflation der Verbraucherpreise lag bei 14 %, und Islands Zinsniveau ist auf 15,5 % angehoben worden, um die Inflation in den Griff zu bekommen. In der Nacht vom Mittwoch, 8. Oktober 2008 gab die Isländische Zentralbank (IZB) ihren Versuch auf, die isländische Krone bei 131 Krónur an den Euro zu binden, nachdem dieser Wechselkurs am 6. Oktober eingesetzt wurde. Bis zum 9. Oktober wurde die Isländische Krone mit 340 zu einem Euro gehandelt. Dann kollabierte der Handel mit der Währung aufgrund der Verstaatlichung der letzten großen isländischen Bank, was letztlich den Ausfall aller Clearingstellen für den Handel mit der Krone bedeutete. Am nächsten Tag führte die Zentralbank Beschränkungen für den Erwerb von Devisen (Kapitalverkehrskontrollen) in Island ein. Vom 9. Oktober bis 5. November, gab die Europäische Zentralbank einen Referenzkurs von 305 Krónur für einen Euro an. Die Zentralbank installierte am 15. Oktober ein temporäres System mit täglichen Währungsauktionen, um den internationalen Handel zu erleichtern. Der Wert der Krone wird in diesen Auktionen durch Angebot und Nachfrage ermittelt. Die erste Auktion verkaufte € 25 Mio. mit einer Rate von 150 Krónur auf einen Euro. Der kommerzielle Handel mit der Krone außerhalb Islands wurde am 28. Oktober bei einem Wechselkurs von 240 Krónur für einen Euro wieder aufgenommen, nachdem die isländische Zinsrate auf 18 % angehoben wurde. Die Devisenreserven der Zentralbank von Island sanken im Oktober 2008 um 289 Mio. US $. Im November lag der reale Wechselkurs (d. h. abzüglich der Inflation) der isländischen Krone laut IZB etwa ein Drittel niedriger als der durchschnittliche Kurs von 1980 bis 2008 und 20 % niedriger als die historischen Tiefständen dieses Zeitraums. Der externe Wechselkurs war laut Europäischer Zentralbank noch niedriger. Am letzten Handelstag des Monats, dem 28. November, lag der Kurs laut IZB bei 182,5 Krónur für einen Euro und laut Europäische Zentralbank bei 280 Krónur für einen Euro. Am 28. November einigte sich die IZB mit dem Handelsminister auf eine Reihe neuer Währungsregulationen, welche die von der IZB am Anfang der Krise auferlegten Beschränkungen ersetzten. Kapitalbewegungen von und nach Island ohne Genehmigung von der Zentralbank wurden verboten. Es wird geschätzt, dass ausländische Investoren für rund € 2,9 Mrd. Krónur Wertpapiere hielten, die im Volksmund „Gletscher Bonds“ genannt wurden. Die Regeln beim Devisenhandel verpflichten isländische Bürger Fremdwährungsbeträge nur bei isländischen Banken anzulegen. Es gibt vereinzelte Hinweise darauf, dass einige isländische Exporteure auf einem informellen Offshore Devisenmarkt, außerhalb der Kontrolle der Regulierungsbehörde mit Pfund, Euro für Krónur handelten und dadurch den entsprechenden Onshore-Markt trockenlegten. Deshalb musste im November 2008 die IZB selber im Werte von 124 Mio. € Währungsreserven zum Ausgleich verkaufen, (zum Vergleich: der geschätzte Handelsüberschuss liegt bei 13,9 Mio. €) Die letzte Währungsauktion fand am 3. Dezember statt. Der inländische Interbanken-Devisenmarkt eröffnete am folgenden Tag mit drei Marktpflegern – allesamt staatlich. An den ersten beiden Tagen des heimischen Handels stieg die Krone auf 153,3 gegenüber dem Euro, um 22 % im Vergleich zur letzten Währungsauktion. Im Januar 2009 war der Wechselkurs der isländischen Krone zum Euro stabiler, verglichen mit der Situation im Oktober 2008; die niedrigste Rate lag am 1., 3. und 4. Januar 2009 bei 177,5 Krónur pro Euro und die höchste bei 146,8 am 30. Januar 2009. In der Zwischenzeit jedoch kletterte Islands 12-Monats-Inflationsrate im Januar 2009 auf ein Rekordhoch von 18,6 %. Die massive Währungsabwertung hat Exporte verbilligt und Importe verteuert. Der starke Anstieg der Exporte hat dazu beigetragen, die wirtschaftliche Krise etwas zu dämpfen. Banken. Im September 2008 wurden interne Dokumente der Kaupthing Bank, dem größten Kreditinstitut Islands, WikiLeaks zugespielt. Am 29. September 2008 wurde ein Plan zur Verstaatlichung der Glitnir Bank angekündigt. Demnach sollte die isländische Regierung eine 75-%-Beteiligung für 600 Mio. €. erwerben. Die Regierung erklärte, dass diese Übernahme nicht von langer Dauer sein und die Bank ihren Aktivitäten wie bisher nachgehen sollte. Ohne diese Intervention wäre jedoch nach Angaben der Regierung die Bank innerhalb von ein paar Wochen bankrottgegangen. Später stellte sich heraus, dass die Glitnir 750 Millionen US $ Schulden hatte, die am 15. Oktober fällig waren. Allerdings wurde die Verstaatlichung der Glitnir nie umgesetzt, da es zu einer Zwangsverwaltung durch die FME kam, noch bevor der ursprüngliche Plan der isländischen Regierung, der Kauf einer 75-%-Beteiligung, von den Aktionären genehmigt worden war. Die Verstaatlichung von Glitnir wurde just zu dem Zeitpunkt angekündigt, als die Regierung des Vereinigten Königreichs gezwungen war, Bradford & Bingley zu verstaatlichen und sein Retail-Geschäft und Filialnetz an die Grupo Santander zu verkaufen. Über das Wochenende des 4. und 5. Oktobers berichteten britische Zeitungen in vielen Artikeln detailliert über die Verstaatlichung der Glitnir Bank und Fremdfinanzierung der anderen Banken Islands. Der einflussreiche BBC Business Redakteur Robert Peston veröffentlichte eine Stellungnahme, die besagte, dass Schuld-Versicherung der Kaupthing eine Prämie von 625.000 £ benötige, um die Rückzahlung von 1.000.000 £ zu garantieren. Im britischen Blatt The Observer war am 5. Oktober 2008 zu lesen, dass Island dem Kollaps nahe stehe, Inflation und Zins nach oben rase und die Isländische Krone im freien Fall sei. Diese Artikel alarmierte Investoren, die begannen, über Icesave (der Markenname der Landsbanki in Großbritannien und den Niederlanden) in Online-Foren zu diskutieren. Viele versuchten ihre Ersparnisse aus der Internet-Bank abzuziehen. Zugriffsprobleme auf die Website deuteten auf einen Bankrun hin. Am 6. Oktober wurden eine Reihe privater Interbanken-Krediterahmen für isländische Banken gesperrt. In einer Rede an die Nation kündigte Ministerpräsident Geir Haarde ein Paket neuer regulatorischer Maßnahmen an, die im Althing, dem isländischen Parlament, sofort und in Zusammenarbeit mit der Opposition eingebracht werden sollten. Dazu gehörten die Macht des FME, die Kontrolle über isländische Banken zu übernehmen, ohne sie zu verstaatlichen, und eine bevorzugte Behandlung der Einleger im Falle einer Liquidation. In einer gesonderten Maßnahme wurden Einlagen von Privatkunden in den isländischen Niederlassungen der isländischen Banken in voller Höhe garantiert. Diese Sofortmaßnahmen wurden weniger als 24 Stunden zuvor von der isländischen Regierung als unnötig erachtet. An diesem Abend ging die Tochtergesellschaft der Landsbanki auf Guernsey in eine freiwillige Insolvenzverwaltung mit Zustimmung der Guernsey Financial Services Commission. Die Verwalter sagten später, dass Der Ministerpräsident von Guernsey erklärte, die Direktoren der Landsbanki in Guernsey haben geeignete Maßnahmen ergriffen, indem sie die Bank einer Insolvenzverwaltung unterstellten. Am 7. Oktober ordnete der FME das Gleiche für die Muttergesellschaft in Island an. In einer Pressemitteilung des FME hieß es, dass alle inländischen Niederlassungen der Landsbanki sowie Call-Center, Geldautomaten und Internet-Aktivitäten für den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb geöffnet bleiben und dass alle „inländischen Einlagen“ in vollem Umfang gesichert sind. Die britische Regierung nutzte den „Banking (Special Provisions) Act 2008“ zunächst, um Einlagen der Privatkunden von der Heritable Bank in eine Treasury Holding zu übertragen, dann, um diese Einlagen an die niederländische Bank ING Direct für £ 1.000.000 zu verkaufen. Am selben Tag übernahm der FME auch bei der Glitnir Bank die Kontrolle. Am Nachmittag gab es ein Telefongespräch zwischen dem isländischen Finanzminister Árni Mathiesen und dem Schatzkanzler Großbritanniens Alistair Darling. An diesem Abend stellte der damalige Zentralbankchef Islands, Davíð Oddsson, im öffentlichen Rundfunk RÚV klar, . Er verglich die Maßnahmen der Regierung, mit der Intervention der US-Regierung bei der Washington Mutual, und deutete an, dass ausländische Gläubiger „leider nur mit 5–10–15 % ihrer Forderungen“ berücksichtigt würden. Darling kündigte an, dass er Schritte unternehmen werde, um das Vermögen der Landsbanki in Großbritannien einzufrieren. Die „Landsbanki Freezing Order 2008“ wurde am 8. Oktober 2008 um 10 Uhr verabschiedet und trat zehn Minuten später in Kraft. Damit fror das britische Finanzministerium das Vermögen der Landsbanki in Großbritannien ein, um den Verkauf oder die Bewegung des Landsbanki Vermögens im UK zu verhindern, auch wenn sie von der IZB oder der isländischen Regierung gehörten. Diese Verordnung nutzte Bestimmungen in den Abschnitten 4 und 14 und Anhang 3 des „Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001“, und wurde verabschiedet, weil das Finanzministerium fürchtete, das isländische Vorgehen würde sich zuungunsten Englands auswirken. Der britische Premierminister Gordon Brown kündigte an, rechtliche Schritte gegen Island wegen der Entschädigung von schätzungsweise 300.000 britischen Sparern einzuleiten. Geir Haarde bekundete bei einer Pressekonferenz am darauffolgenden Tag seine Empörung, dass die britische Regierung Bestimmungen des Anti-Terror-Gesetze auf Island anwende, was er als „unfreundlichen Akt“ bezeichnete. Der Schatzkanzler sagte auch, dass die britische Regierung die gesamte Rechnung der britischen Privatanleger, die geschätzt bei 4 Milliarden £ läge, bezahlen würde. Es wird berichtet, dass mehr als 4 Mrd. £ isländischer Vermögenswerte in Großbritannien von der britischen Regierung eingefroren wurden. Die britische Financial Services Authority (FSA) bestimmte auch, dass Kaupthing Singer & Friedlander, die britische Tochtergesellschaft der Kaupthing Bank, wegen seiner überfälligen Verbindlichkeiten Kaupthing Edge, ihre Internet-Bank, an ING Direct verkauft und übergab Kaupthing Singer & Friedlander der Insolvenzverwaltung. Für über 2,5 Milliarden £ wurden Einlagen von 160.000 Kunden an die ING Direct verkauft. Das Ausmaß des Run auf die Kaupthing Edge Einlagen war so groß, dass viele Geschäfte bis zum 17. Oktober nicht abgeschlossen worden sind. Obwohl Geir Haarde das Vorgehen der britischen Regierung in Bezug auf Kaupthing Singer & Friedlander als „Machtmissbrauch“ und „beispiellos“, bezeichnete, war es die dritte derartige Maßnahmen im Rahmen des „Banking (Special Provisions) Act 2008“ in weniger als zehn Tagen nach Interventionen bei Bradford & Bingley und der Heritable Bank. Am selben Tag hat die Sveriges Riksbank, die schwedische Zentralbank, eine Kreditlinie in Höhe von 5 Mrd. Schwedischen Kronen (520 Mio. €) der Kaupthing Bank Sverige AB, die schwedische Tochter von Kaupthing, zur Verfügung gestellt. Das Darlehen war gedacht, „Einleger und andere Gläubiger“ auszuzahlen. Am 9. Oktober wurde Kaupthing durch die FME nach dem Rücktritt des gesamten Aufsichtsrats unter Zwangsverwaltung gestellt. Die Bank erklärte, dass sie in technischem Verzug bei den Darlehensverträge wegen der Übergabe seiner britischen Tochtergesellschaft war. Kaupthings Tochtergesellschaft in Luxemburg forderte und erhielt, eine Aussetzung der Zahlungen (ähnlich der Chapter 11) beim Luxemburger Amtsgericht. Die Eidgenössische Bankenkommission untersagte Kaupthings Genfer Büro, das ein Zweig der Tochtergesellschaft in Luxemburg war, Zahlungen von mehr als 5000 Schweizer Franken durchzuführen. Die Direktoren der Kaupthing-Tochter auf der Isle of Man beschlossen nach Rücksprache mit den Manx Behörden die Liquidation der Gesellschaft. Die finnische Finanzaufsichtsbehörde, "Rahoitustarkastus," erklärte bereits am 6. die Kontrolle des Helsinki-Zweiges der Kaupthing übernommen zu haben, um Geldtransfers nach Island zu verhindern. Am selben Tag kündigte das britische Finanzministerium an, im Rahmen der „Landsbanki Freezing Order 2008“, der Londoner Filiale der Landsbanki eine Lizenz auszustellen, damit einige Geschäfte weitergeführt werden können. Eine zweite Lizenz wurde am 13. Oktober ausgestellt, als die Bank of England ein gesichertes Darlehen von 100.000.000 £ bereitgestellte, um der Landsbanki die „Maximierung der Rückzahlungen an die britischen Gläubiger“ zu ermöglichen. Am 12. Oktober hat die norwegische Regierung die Kontrolle über Kaupthings norwegische Aktivitäten übernommen. Dazu gehörten auch alle Vermögenswerte und Schulden der Bank in Norwegen. Am 21. Oktober forderte die Zentralbank von Island die verbliebenen unabhängigen Finanzinstituten ihre Kredite mit neuen Sicherheiten zu unterlegen. Dadurch sollten die Anteile an Glitnir, Landsbanki und Kaupthing ersetzt werden, die bis dahin als Sicherheiten fungierten und nun wesentlich weniger wert, wenn nicht wertlos, waren. Der Wert der Sicherheiten wurde auf 300 Mrd. Kronen (2 Mrd. €) geschätzt. Eine der Banken, Sparisjóðabanki (SPB, auch als Icebank bekannt), erklärte am nächsten Tag, dass es keine neuen Sicherheiten für seine 68 Mrd. Kronen (451 Mio. €) Darlehen kaufen könne, und daher die Regierung um Hilfe bitten müsse. Für dieses Problem gäbe es keine andere Lösung, so CEO Agnar Hansson. Am 24. Oktober stellte sich heraus, dass ein norwegisches Exportkredit Unternehmen (Eksportfinans ASA) eine Beschwerde bei der norwegischen Polizei wegen angeblicher Veruntreuung von 415 Millionen Norwegische Kronen r (47 Mio. €) durch die Glitnir seit 2006 eingereicht hatte. Die isländische Bank hatte im Auftrag von Eksportfinans gehandelt und deren Darlehen an mehrere Unternehmen verwaltet: Eksportfinans behauptete, dass bei vorterminlicher Kreditrückzahlung Glitnir das Geld behalten und lediglich weiterhin die regelmäßigen Zahlungen an Eksportfinans überwiesen habe, was einer illegalen Kreditnahme gleichkommt. Börse. Der Handel in Aktien von sechs Finanzunternehmen an der OMX Nordic Exchange-Island wurde am 6. Oktober im Auftrag des FME ausgesetzt. Am Donnerstag, den 9. Oktober, wurde der gesamte Handel an der Börse für zwei Tage von der Regierung gestoppt „in einem Versuch, weiterer Verbreitung von Panik an den Finanzmärkten des ganzen Landes zu verhindern.“ Diese Entscheidung sei wegen „ungewöhnlichen Marktbedingungen“ getroffen worden. Die Aktienkursen seien seit Anfang des Monats um 30 % gefallen. Die Schließung wurde auch am Montag, den 13. Oktober, aufgrund der anhaltenden „ungewöhnlichen Marktbedingungen“ beibehalten. Die Börse öffnete am Folgetag, dem 14. Oktober, den Handel mit dem Hauptindex, dem OMX Iceland 15, bei 678,4 Zählern, was einem Einbruch von rund 77 % entspricht, verglichen mit 3004,6 Punkten vor der letzten Schließung. Dies spiegelt die Tatsache wider, dass der Wert der drei großen Banken, die 73,2 % des Wertes der OMX Iceland 15 bildeten, auf Null gesetzt wurde. Die Werte der anderen Aktien variierte zwischen +8 % und −15 %. Der Handel mit Aktien von Exista, Spron und Straumur-Burdaras (13,66 % der OMX Iceland 15) blieb weiterhin aufgehoben. Nach einer Woche mit wenigen Transaktionen, schloss der OMX Iceland 15 am 17. Oktober bei 643,1, was einem Wertverlust von 93 % in Kronen und 96 % in Euro im Vergleich zu seinem historischen Höchststand (18. Juli 2007) von 9016 Zählern entspricht. Der Handel mit den Aktien der beiden Finanzdienstleister, Straumur-Burdaras und Exista, wurde am 9. Dezember wieder aufgenommen: Zusammen machen diese Unternehmen 12,04 % der OMX Iceland 15 aus. Die Werte der Aktien beider Unternehmen sank stark und der Index schloss bei 394,88, was einem Kursverlust von 40,17 % an einem Tag entspricht. Der Handel mit Aktien von Spron und Kaupthing blieb weiterhin unterbrochen, zu Preisen von 1,90 Krónur bzw. 694,00 Krónur. Umstrukturierung der Banken. Im September 2008 (kurz nach dem Kollaps von Lehman Brothers) konnten die großen isländischen Banken Glitnir, Kaupthing und Landsbanki mangels Liquidität den Geschäftsbetrieb nicht mehr aufrechterhalten. Eine Staatsrettung der Banken war aufgrund der Größe der Bankbilanzen relativ zum isländischen BIP nicht möglich. Sie wurden in Konkursverwaltung genommen. Die Banken wurden jeweils in eine neue Bank, die in Staatseigentum geführt wurde und eine alte Bank aufgeteilt. Die neue Bank übernahm das inländische Geschäft, insbesondere das für die Realwirtschaft bedeutsame Kredit- und Einlagengeschäft, während die alte Bank die Abwicklung des ausländischen Geschäfts weiterbetrieb. Die neuen Banken wurden vom Staat mit Eigenkapital ausgestattet, so dass jeweils eine Kernkapitalquote von mehr als 16 % erreicht wurde. Die NBI (ursprünglich als "Nýi Landsbanki" bekannt) wurde am 9. Oktober mit 200 Mrd. Krónur Eigenkapital und 2300 Milliarden Krónur an Vermögenswerten gegründet. Die Nýi Glitnir wurde am 15. Oktober mit 110 Mrd. Krónur Eigenkapital und 1200 Milliarden Krónur in Vermögenswerten gegründet. Nýja Kaupthing wurde am 22. Oktober mit 75 Milliarden Krónur Eigenkapital und 700 Milliarden Krónur an Vermögenswerten gegründet. Das Eigenkapital aller drei neuen Banken wurde von der isländischen Regierung gestellt, und belief sich auf 30 % des isländischen BIP. Die neuen Banken werden auch für ihre Vorgänger in der Höhe des Netto-Werts der übertragenen Vermögenswerte haften, wie durch "anerkannte Gutachter" festgelegt wurde. Im 14. November 2008 wurden diese Nettowerte geschätzt: NBI ISK 558,1 Mrd. (€ 3,87 Mrd.), NYI Glitnir ISK 442,4 Mrd. (€ 2,95 Mrd.); Nýja Kaupthing ISK 172,3 Mrd. (€ 1,14 Mrd.). Die Gesamtverschuldung von 1173 Milliarden Krónur entspricht mehr als 90 % des isländischen Bruttoinlandsprodukts 2007. Der „alten“ Glitnir und „alten“ Kaupthing wurden vom Bezirksgericht Reykjavík am 24. November Zahlungsmoratorien (ähnlich der "Chapter 11 protection") ausgestellt. Im April 2009 erklärte Gylfi Magnússon, Island Handelsminister, dass es Ähnlichkeiten zwischen dem Bankensystem des Landes und dem gescheiterten US-Energiekonzern Enron gibt. Die Umstrukturierung des Bankensektors führte zu einer Erhöhung der Staatsverschuldung um 20 % des BIP. Die isländische Bankenumstrukturierung war damit für die öffentliche Hand billiger als z. B. die Bankenrettung in Irland (Finanzkrise ab 2007/Regionaler Verlauf#Irland), die zu einer Erhöhung der irischen Staatsschulden um 40 % des irischen BIP führte. Allerdings musste Island (anders als der EU-Mitgliedstaat Irland) ausländische Kreditgeber nicht befriedigen. Ausländische Kreditgeber verloren 47 Mrd. €, eine Summe die dem fünffachen des isländischen BIP (2009) entspricht. Staatsschulden. Die vier Rating-Agenturen, die Islands Staatsschulden untersuchen, senkten alle im Laufe der Krise ihre Ratings, und ihre Aussichten für die Prognosen für zukünftige Bewertungsveränderungen schwenkten ins Negative. Die isländische Regierung hatte eine relativ gesunde Balance, mit einer Staatsverschuldung von 28 % des BIP und einem Haushaltsüberschuss von 6 % des BIP (2007). 2011 sind dagegen die Schulden auf 130 % des BIP und das Haushaltsdefizit auf 6 % des BIP geschätzt worden. Darüber hinaus betrug der Wert von Anleihen in Fremdwährungen, die gegen Ende 2008 fällig wurden, nur 600 Millionen USD. Der Schuldendienst in Fremdwährung lag im Jahr 2009 bei nur 215 Millionen $. Die Agenturen glaubten, dass die Regierung mehr Devisen Anleihen auszugeben müsste, sowohl zur Deckung neuer Finanzierungslücken, die aus dem Wegfall der liquidierten Auslandsgeschäften der Banken resultieren, als auch zur Stimulation der Nachfrage in der heimischen Wirtschaft, da Island eine Rezession bevorstand. Ein Expertenteam des Internationalen Währungsfonds (IWF) kam Anfang Oktober 2008 zu Gesprächen mit der Regierung nach Island. Industrieminister Össur Skarphéðinsson befürwortete Hilfe aus dem IWF zur Stabilisierung der Krone und zur Senkung der Zinssätze. Am 7. Oktober gab die Zentralbank von Island bekannt, dass sie sich in Gesprächen mit dem russischen Botschafter, Victor I. Tatarintsev, über einen 4-Milliarden-Euro-Kredit von Russland befinde. Das Darlehen werde im Laufe von drei bis vier Jahren mit einem Zinssatz von 30 bis 50 Punkten über dem LIBOR ausgezahlt. Der Chef der IZB Davíð Oddsson stellte später klar, das Darlehen würde noch verhandelt. Laut dem RÚV untersuchte Ministerpräsident Geir Haarde seit Mitte Sommer die Möglichkeit eines russischen Darlehens. Als er zu dieser Angelegenheit in einer Pressekonferenz befragt wurde, sagte Geir Haarde: „Wir haben nicht die Art von Unterstützung erhalten, um die wir unsere Freunde gebeten haben. Also muss man sich in einer Situation wie dieser nach neuen Freunden umschauen.“ Ein Team isländischer Unterhändler kam am 14. Oktober in Moskau an, um über das die Kreditgeschäft zu verhandeln. Der stellvertretende russische Finanzminister Dmitri Pankin sagte, dass „das Treffen in einer freundlichen Atmosphäre stattfand … wir werden dieses Thema sorgfältig bearbeiten, um eine endgültige Entscheidung zu treffen“. Am selben Tag bediente sich die Zentralbank von Island seiner Swap-Fazilitäten bei den Zentralbanken von Dänemark und Norwegen im Werte von jeweils 200 Millionen Euro. Island hat sich Swap-Fazilitäten mit den anderen nordischen Ländern im Wert von insgesamt 1,5 Milliarden Euro gesichert. Island sucht auch Unterstützung bei der Europäischen Zentralbank (EZB): Es gibt einige Präzedenzfälle, da die EZB bereits Währungsswaps mit der Schweiz, und somit mit einem anderen Nicht-Mitglied der Europäischen Union ausgehandelt hat. Am 24. Oktober stimmte der IWF vorläufig einem Darlehen von 1,58 Milliarden Euro zu. Am 13. November war das Darlehen jedoch immer noch nicht vom Vorstand des IWF genehmigt. Aufgrund der Verzögerung befand sich Island in einer klassischen „Catch-22“-Situation: Die Kredite aus anderen Ländern konnten nicht gesichert werden, bis der IWF das Darlehen genehmigt hätte. Die isländische Regierung sprach von einer Finanzierungslücke von 500 Millionen $ (376 Millionen Euro). Der niederländische Finanzminister Wouter Bos erklärte, dass die Niederlande solange gegen dieses Darlehen optieren werden, solange keine Einigung über die Einlagensicherung für die Landsbanki-Kunden in den Niederlanden erreicht wird. Das Darlehenspaket von 4,6 Milliarden $ wurde schließlich am 19. November genehmigt; der IWF beteiligte sich mit 2,1 Milliarden $ und weitere 2,5 Milliarden $ in Form von Krediten und Währungs-Swaps kamen aus Norwegen, Schweden, Finnland und Dänemark. Darüber hinaus bot Polen (200 Millionen $) und die Färöer (50 Millionen $- etwa 3 % der färöischen BIP) zusätzliche Kredite an. Die isländische Regierung berichtet, dass Russland 500 Millionen $ und Polen 200 Millionen $ angeboten haben. Am nächsten Tag kündigten Deutschland, die Niederlande und das Vereinigte Königreich ein gemeinsames Darlehen in Höhe von 6,3 Milliarden $ (etwa 5 Milliarden Euro) an, das vom Ausgang des Einlagensicherung Streit abhängen sollte. Folgen. In Island. Die wirtschaftliche Entwicklung trifft viele isländische Unternehmen und Bürger. Mit der Schaffung der Nýi Landsbanki, die die alte Landsbanki ersetzt, werden rund 300 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz aufgrund einer radikalen Umstrukturierung zur Minimierung internationaler Operationen verlieren. Ein ähnlicher Arbeitsplatzabbau wird bei Glitnir und Kaupthing erwartet. Vergleicht man 2136 registrierte Arbeitslose mit 495 ausgeschriebenen Stellen in Island Ende August 2008, wird die volkswirtschaftliche Bedeutung der Bankenrestrukturierung deutlicher. Andere Unternehmen sind ebenfalls betroffen. So meldete die private Sterling Airlines am 29. Oktober 2008 Konkurs an. Die nationale Fluggesellschaft Icelandair hat einen deutlichen Einbruch der Binnennachfrage Flüge gemeldet. Allerdings ist die internationale Nachfrage im Jahresvergleich nicht betroffen. Guðjón Arngrímsson, ein Sprecher der Fluggesellschaft sagte, "we're getting decent traffic from other markets... we are trying to let the weak [króna] help us." Er hat auch erklärt, es sei unmöglich, vorherzusagen, ob das Unternehmen in diesem Jahr profitabel sein werde. "Morgunblaðið," eine isländische Zeitung, streicht einige Arbeitsplätze und führt Teile ihrer Operationen mit dem Medienkonzern 365 zusammen. Auch die Zeitung "24 stundir" erscheint nicht mehr, was einen Verlust von 20 Arbeitsplätzen bedeutet. Importeure sind besonders hart getroffen, da die Regierung die Nutzung ausländischer Währung für den Ankauf wesentlicher Produkte wie Nahrungsmittel, Medikamente und Öl reserviert. Das 400 Millionen € Darlehen der dänischen und norwegischen Zentralbanken ist ausreichend, um für einen Monat Importe zu bezahlen, obwohl es am 15. Oktober noch eine "temporäre Verzögerung" gab, die alle eingehenden und ausgehenden Zahlungen Islands betraf. Die Vermögenswerte der isländischen Pensionsfonds werden, nach Meinung eines Experten, voraussichtlich um 15–25 % schrumpfen. Die isländische Pension Funds Association hat angekündigt, dass Gewinne aller Wahrscheinlichkeit nach im Jahr 2009 gesenkt werden müssen. Ökonomen erwarten, dass Islands BIP wegen der Krise um 10 % schrumpfen wird. Damit befindet sich Island, im Sinne einiger Kriterien, in einer wirtschaftlichen Depression. Die Inflation könnte bis zum Ende des Jahres 2009 auf 75 % ansteigen. Die Arbeitslosigkeit hatte sich bis Ende November 2008 mehr als verdreifacht, mit über 7000 registrierten Arbeitsuchenden (etwa 4 % der arbeitenden Bevölkerung) im Vergleich zu nur 2.136 Ende August 2008. Da 80 % der Verschuldung der privaten Haushalte indiziert ist und weitere 13 % in Fremdwährungen existieren, wird die Schuldentilgung teurer. Seit Oktober 2008 haben 14 % der Arbeitskräfte Lohnkürzungen hinnehmen müssten. Bei rund 7 % wurde die Arbeitszeit reduziert. Laut dem Präsidenten des isländischen Federation of Labour (ASI), Gylfi Arnbjörnsson sind diese Zahlen niedriger als erwartet. 85 % der Befragten als arbeitslos Registrierten erklärten, dass sie ihren Job im Oktober nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch verloren hätten. Am 17. Juli 2009 stimmte das Parlament mit 33 zu 28 (bei zwei Enthaltungen), für einen Plan der Regierung zur Bewerbung um eine volle EU-Mitgliedschaft Islands. Obwohl Island bereits einen Freihandelsabkommen mit der EU umgesetzt hat, hat es immer die volle Mitgliedschaft aufgrund von Bedenken über einen Verlust der Unabhängigkeit abgelehnt. Allerdings hatte Premierministerin Jóhanna Sigurðardóttir, die im April gewählt wurde, versprochen, Island in die EU zu führen, um die Wirtschaft des Inselstaates zur stabilisieren. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn äußerte Unterstützung für Islands Mitgliedschaft, die besagt, dass „ein Land mit tiefen demokratischen Traditionen“, wie Island, in den Expansionsplänen der EU willkommen ist. Außerhalb Islands. Über 840 Mio. £ Cash aus mehr als 100 britischen Kommunen wurden in isländische Banken investiert. Vertreter aus den Gemeinderäten versuchen gemeinsam, das Finanzministerium davon zu überzeugen, für die Rückzahlung in der gleichen Weise, wie dies bei den Icesave-Kunden geschehen, zu garantieren. Von all den lokalen Behörden hat der Kent County Council das meiste Geld in isländische Banken investiert – derzeit 50 Millionen £. Transport for London, hat ebenfalls 40 Millionen £ investiert. Lokale Behörden haben unter Anraten der Regierung gehandelt, wonach das Geld zwecks Risikostreuung möglichst international und vielfältig angelegt werden sollte. Andere britische Organisationen, wie Polizei und Brandschutz und sogar die Audit Commission.gaben an, große Summen investiert zu haben. Es ist zu hoffen, dass etwa ein Drittel der eingezahlten Gelder ziemlich schnell zur Verfügung stehen wird. Das entspricht den liquiden Mitteln der britischen Tochtergesellschaften: Der Verkauf von anderen Vermögenswerten, wie Darlehen und Büros, wird länger dauern. In einer Notfallsitzung in Tynwald am 9. Oktober entschied die Regierung der Isle of Man Entschädigungen von 75 % für die ersten 15.000 £ pro Einleger und 100 % ab 50.000 £ pro Einleger. Der Ministerpräsident der Isle of Man, Tony Brown, bestätigte, dass Kaupthing den Betrieb und die Verbindlichkeiten ihrer Manx Tochtergesellschaft im September 2007 garantiert habe, und dass die Manx Regierung Island dazu drängt, dieser Garantie nach zu kommen. Einleger bei der Landsbanki auf Guernsey fanden sich ohne Einlagensicherung wieder. Am 11. Oktober wurde ein Abkommen zwischen der isländischen und der niederländischen Regierung über die Sparguthaben von rund 120.000 niederländischen Bürgern erreicht. Die isländische Regierung wird für die jeweils ersten 20.887 € auf niederländischen Sparkonten der Landsbanki-Tochter Icesave mit Geld, das von der niederländischen Regierung geliehen wurde, aufkommen. Der Gesamtwert der Icesave Einlagen in den Niederlanden beläuft sich auf 1,7 Mrd. €. Zur gleichen Zeit erreichte Island und Großbritannien eine Vereinbarung über die allgemeinen Konturen einer Lösung: Icesave Einlagen in Großbritannien addieren sich insgesamt auf 4 Mrd. £ (5 Mrd. €) über 300.000 Konten verteilt 20.887 € ist der Betrag, der vom isländischen Einleger und Investoren Garantiefonds (DIGF; "Tryggingarsjóður" auf Isländisch) gesichert ist: jedoch hatte die DIGF am Ende des Jahres 2007 lediglich 8,3 Mrd. Krónur Eigenkapital, was 90.Millionen € nach damaligen Wechselkursen entspricht und bei weitem nicht ausreichte, um die niederländischen und britischen Ansprüche decken. Die Kosten für die Einlagensicherung in Großbritannien stand im November 2008 noch nicht ganz fest. Das Financial Services Compensation Scheme (FSCS) bezahlte rund 3 Mrd. £ an Einlagen aus der Heritable Bank und Kaupthing Singer & Friedlander an die ING Direct, während das britische Finanzministerium zusätzliche £ 600 Millionen bezahlte, um die Einlagen der Privatkunden zu sichern, die höher als die des FSCS Limits waren. Das Finanzministerium bezahlte auch 800 Mio. £, um Icesave Einlagen, die höher als der Grenzwert waren, zu garantieren. Die isländische Regierung erwartet nun ein Darlehen von 2,2 Milliarden £, um die Icesave Forderungen gegen die isländische DIGF zu decken, während sich der FSCS des Vereinigten Königreiches 1 bis 2 Mrd. £ an Forderungen ausgesetzt sieht. Durch die Krise sah sich das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten gezwungen die Hilfe für die Entwicklungsländer zu verringern, von 0,31 % auf 0,27 % des BSP. Die Wirkung dieses Einschnitts wurde durch die fallenden Wert der Krone verstärkt: das Budget der isländischen International Development Agency (ICEIDA) wurde von US $ 22 Millionen auf $ 13 Millionen reduziert. Da sich Islands Hilfe auf Sektoren spezialisiert, in der das Land eine besondere Expertise (z. B. Fischerei, Geothermie) hat, werden die Kürzungen einen erheblichen Einfluss in Ländern haben, die isländische Hilfe erhalten; am deutlichsten in Sri Lanka, wo sich die ICEIDA ganz zurückzieht. Am 27. Februar 2009 berichtete das "Wall Street Journal," dass Islands neue Regierung versuche 25 Millionen $ durch den Verkauf seiner Botschaftsresidenzen in Washington, New York, London und Oslo zu erhalten. Am 28. August 2009 stimmte das isländische Parlament mit 34-15 (bei 14 Enthaltungen) zu, dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden mehr als 5 Mrd. Euro für die entstandenen Verluste zu zahlen (gemeinhin als die "Icesave Rechnung" bekannt). Zunächst wurde das Vorhaben im Juni abgelehnt, dann aber doch verabschiedet, nachdem Änderungen über eine Obergrenze für die Zahlungen des Landes durchgesetzt wurden, die auf dem Bruttoinlandsprodukt der Insel basiert. Gegner des Gesetzes argumentierten, dass die Isländer bereits durch die Krise ins Taumeln geraten seien und nicht für Fehler von Privatbanken, die unter der Duldung anderer Regierungen geschahen, aufkommen sollten. Allerdings argumentierte die Regierung, dass das Vereinigte Königreich und die Niederlande das geplante Hilfspaket des Internationalen Währungsfonds für Island blockieren könnten, wenn die Rechnung nicht gezahlt werde. Im Rahmen der Vereinbarung sollen bis zu 4 % des Bruttoinlandsprodukts Islands (BIP) an Großbritannien, in Pfund Sterling, von 2017 bis 2023, und an die Niederlande bis zu 2 % des isländischen BIP, in Euro gerechnet, im gleichen Zeitraum, gezahlt werden. Gespräche zwischen dem isländischen, niederländischen und britischen Minister im Januar 2010, als „Icesave“ bezeichnet, haben zu keinen konkreten einvernehmlichen Aktionen geführt. Im Juli 2014 wurde Strafantrag gegen das Direktorium der luxemburgischen Finanzaufsicht CSSF gestellt. Juristisches Nachspiel. Strafrechtliche Ermittlungen. Das Büro des Sonderermittlers wurde mit der Verabschiedung eines Gesetzes im isländischen Parlament 10. Dezember 2008 gegründet. Ziel war es, mutmaßlich kriminelles Verhalten zu untersuchen, das im Zusammenhang mit der Bankenkrise steht. Soweit zutreffend seien diese Untersuchungen durch Anklageerhebung bei Gericht gegen die Betroffenen weiter zu führen. Im April 2009 engagierte Islands Staatsanwalt Eva Joly, die norwegisch-französische Ermittlerin, die Europas größte Betrugsuntersuchungen über Bestechung und Korruption beim Ölkonzern Elf Aquitaine, leitete, als spezielle Beraterin für ein 20-köpfiges „Team gegen Wirtschaftskriminalität“, um den „Verdacht krimineller Handlungen in der Zeit vor dem Zusammenbruch der isländischen Banken zu untersuchen“. Joly erklärte, dass die Ermittlungen mindestens 2–3 Jahren dauern würden, um genügend Beweise zu sammeln und die Strafverfolgung zu sichern. In einem Interview sagte Joly: „Die Untersuchungen werden zu Hause in Island beginnen, aber mein Instinkt sagt mir, dass diese über Island hinausgehen werden. Wenn es Dinge gibt, die das UK betreffen, werden wir das "Serious Fraud Office" kontaktieren. Wenn es Dinge gibt, die für Deutschland relevant sind, werden wir mit den dortigen Behörden Kontakt aufnehmen. In Island gibt es mehr als genug Anhaltspunkte, um die Untersuchung hier beginnen zu lassen - in Anbetracht der Gerüchte über Marktmanipulation und ungewöhnliche Darlehen. Wenn diese beweisbar sind, handelt es sich um Unterschlagung und Betrug. Die Priorität liegt in der Rekonstruktion der Ab- und Zuflüsse von Bankenvermögen.“ Die Untersuchungen sollen sich auf einer Reihe fragwürdiger finanzieller Praktiken isländischer Banken konzentrieren: Festnahmen. Am 9. März 2011 wurden Robert und Vincent Tchenguiz in London vom britischen Serious Fraud Office im Zusammenhang seiner Untersuchungen mit Islands Sonderermittlungsbüro festgenommen. Die isländische Wirtschaftselite im Fokus öffentlichen Interesses. Seit Beginn der Krise stehen viele isländische Unternehmer, die zuvor als Finanz-Gurus entscheidend zur Entwicklung der isländischen Wirtschaft beitrugen, nun wegen deren Bedeutung für die Finanzkrise im Fokus öffentlichen Interesses: All diese Personen werden nur noch selten in der Öffentlichkeit gesehen und einige haben offenbar das Land verlassen. Angeblich sind sie auch Gegenstand einer laufenden Untersuchung, um festzustellen, ob ihre Geschäftspraktiken strafrechtliche Verfolgung rechtfertigen. Politische Folgen. Aussagen von ehemaligen Politikern. Der ehemalige Premierminister David Oddsson unterstrich, dass Island die Vergabe "ungewöhnlicher und unkonventioneller Darlehen" von den Banken an führende Politikern in den Jahren vor der Krise untersuchen muss. Björn Bjarnson, der ehemalige Minister für Justiz und Kirche, hat auf einem Blog begonnen, die Probleme der Wirtschaft und deren Bemühungen, diese zu vertuschen, darzustellen. Dies wurde als ein Beispiel für den Kontrollverlust von Politikern und Geschäftsleuten, die traditionell die isländischen Medien fest im Griff hatten, genannt. Dutzende ähnlicher Blogs sind entstanden. Björn sagte: „Ich habe viel über die Probleme in der Wirtschaft in den letzten 14 Jahren geschrieben, und ich kann einige Teile davon nur mit Enron vergleichen. Hier haben Unternehmen ein Spiel gespielt. Dabei wurden Medien und Verlagswesen dazu benutzt, um gut auszusehen. Wir hoffen nur, dass die ausländischen Medien in Kürze beginnen werden zu verstehen, was vor sich gegangen ist.“ Diplomatie. Anfang November lud der Präsident von Island, Ólafur Ragnar Grímsson, zu einem informellen Mittagessen mit ausländischen Diplomaten und kritisierte Islands langjährige Freunde (insbesondere Großbritannien, Schweden und Dänemark) sowie den Internationalen Währungsfond. Laut einer Notiz von der norwegischen Botschaft, stellte er die Überlegung an, dass die Russen vielleicht die Keflavík Air Base benutzen wollten, worauf der russische Botschafter antwortete, dass sie keinen Bedarf dafür hätten. Der Präsident wird zitiert, dass sich Island bald erholen werde, auch alleine. Der Präsident müsse in diesen Fragen nicht unbedingt mit der Regierung übereinstimmen. Im Oktober 2008 wandte der britische Premierminister Gordon Brown Bestimmungen in Teil 2 des Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001 an, um die Landsbanki Beteiligungen in Großbritannien einzufrieren. Islands Ministerpräsident Geir Haarde protestierte gegen das, was er als Anwendung "eines Terror-Gesetzes gegen uns" und als "ein völlig unfreundlicher Akt" bezeichnete. Verärgert über die britische Entscheidung, beschloss Island, deshalb eine formelle Beschwerde bei der NATO einzureichen. 80.000 Isländer unterschrieben auch eine Petition mit dem Titel "Isländer sind keine Terroristen". Die Beziehungen verschlechterten sich weiter, als das Vereinigte Königreich einen Monat später mit dem Abbruch der geplanten Patrouille des isländischen Luftraumes im Dezember 2008 reagierte. Island hat kein stehendes Heer und stützt sich auf eine langfristiges Abkommen mit der NATO, nachdem sich eine Gruppe von Mitgliedstaaten verpflichtet hat, turnusmäßig den isländischen Luftraum zu verteidigen. Die britische Royal Air Force hatte dieses nach gegenseitigem Einvernehmen mit der NATO aufgehoben (vermutlich hatte sich kein anderer Mitgliedstaat bereit erklärt, diese Verpflichtung zu übernehmen). Proteste der isländischen Öffentlichkeit. Teile der isländischen Öffentlichkeit protestierten vor und nach der Krise gegen die Zentralbank, das Europäische Parlament und dem mangelnden Verantwortungsbewusstsein der Regierung; zwischen 3000 und 6000 Menschen (1–2 % der isländischen Bevölkerung) schlossen sich samstags den Protesten an. Laut einer Umfrage Ende November 2008 waren 64 % für vorgezogenen Neuwahlen, nur 29,3 % dagegen. In einer Umfrage vom 22. November 2008 führte die Sozialdemokratische Allianz mit 33,6 %, gefolgt von der Links-Grünen Allianz mit 27,8 % und der Unabhängigkeitspartei mit 24,8 %, die Fortschrittspartei und die Liberale Partei waren mit nur 6,3 % und 4,3 % weit abgeschlagen. Als das Parlament am 20. Januar 2009 zusammentrat, kam es erneut zu heftigen Protesten und zu einer Eskalation des Konflikts zwischen Demonstranten und Polizei. Am 22. Januar setzte die Polizei Tränengas ein, um Menschen von dem Austurvöllur (dem Platz vor dem Althing) zu verdrängen. Es war der erste derartige Einsatz seit den Anti-NATO-Protesten 1949. Politische Zäsur. Premierminister Geir H. Haarde kündigte am 23. Januar 2009 an, sein Amt als Chef der Unabhängigkeitspartei aus gesundheitlichen Gründen, ein bösartiger Tumor in der Speiseröhre wurde diagnostiziert, abzugeben. Er sagte, er würde Ende Januar zur Behandlung in die Niederlande reisen. Der Bildungsminister und Vizepräsident der Unabhängigkeitspartei Thorgerdur Katrín Gunnarsdóttir solle in seiner Abwesenheit als Ministerpräsident fungieren. Der Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Allianz, Außenministerin Ingibjörg Sólrún Gísladóttir, ging es ebenfalls schlecht. Sie war seit September 2008 in Behandlung wegen eines gutartigen Gehirntumors. Die Regierung empfahl, dass die Wahlen am 9. Mai 2009 stattfinden sollten. Björgvin G. Sigurðsson, Islands Wirtschaftsminister, trat am 25. Januar nach eigenen Angaben wegen des wirtschaftlichen Zusammenbruchs und des uneinheitlichen Krisenmanagements der politischen Entscheidungsträger zurück. Als eine seiner letzten Amtshandlungen entließ er den Direktor der'Financial Supervisory Authority' (FSA). Björgvin sagte, die Isländer hätten das Vertrauen in ihre Regierung und das politische System verloren. Er wolle seinen Teil der Verantwortung dafür übernehmen. Die Verhandlungen über die Fortsetzung der Koalition endeten am nächsten Tag, anscheinend wegen Forderungen der Sozialdemokratischen Allianz die Regierungsführung zu übernehmen, und Geir Haarde übergab den Regierungsrücktritt an den Präsidenten Ólafur Ragnar Grímsson. Der Präsident bat die damalige Regierung, weiterzuarbeiten, bis eine neue Regierung gebildet werden könne, und führte Gespräch mit den fünf Parteien im Althing. Nach diesen Gesprächen wurden Ingibjörg Sólrún Gísladóttir der Sozialdemokratischen Allianz und Steingrímur J. Sigfússon der Links-Grünen Bewegung vom Präsidenten aufgefordert, die Bildung einer neuen Koalitionsregierung zu verhandeln. Eine solche Koalition würde fünf Sitze weniger als für eine absolute Mehrheit erforderlich im Althing erreichen. Aber man erwartete, dass die Fortschrittspartei (sieben Sitze) die Koalition unterstützen werde. Kein Parteichef wurde Premierminister, sondern die Ministerin für soziale Angelegenheiten und soziale Sicherheit, Jóhanna Sigurðardóttir von der Sozialdemokratischen Allianz. Sie wurde auch am 28. März 2009 zur neuen Vorsitzenden ihrer Partei gewählt. Am 8. April 2009 erklärte der ehemalige Premierminister Geir H. Haarde, dass er die alleinige Verantwortung für die Annahme der umstrittenen Spenden (30.000.000 Kronen von der Investment-Gruppe FL Group, und 25.000.000 Kronen von der Landsbanki) an die isländische Unabhängigkeitspartei aus dem Jahr 2006 übernehme. Geir H. Haarde war im April 2010 im Bericht der Sonderermittler über den finanziellen Kollaps stark in die Kritik geraten. Ihm wurde zusammen mit drei weiteren Ministern seiner Regierung Fahrlässigkeit vorgeworfen. Islands Parlament beschloss mit 33 zu 30 Stimmen am 28. September 2010, Geir H. Haarde (nicht aber die anderen Minister) wegen Fahrlässigkeit anzuklagen. Er musste sich vor dem "Landsdómur" verantworten. Dieses spezielle Gericht für Fehlverhalten in Regierungsämtern wurde nun zum ersten Mal seit seiner Einrichtung 1905 einberufen. Der Prozess begann in Reykjavík am 5. März 2012. Geir H. Haarde wurde wegen einer der vier Anschuldigungen am 23. April 2012 für schuldig befunden: Nämlich dafür, keine Kabinettssitzungen über wichtige staatliche Angelegenheiten abgehalten zu haben. Das Landsdómur sagte, dass über Geir H. Haarde keine Strafe verhängt werde, da dies nur ein kleineres Vergehen sei.
Wilhelm Klagholz (* 22. Juni 1905 in Heilbronn; † 23. Juni 1984) war ein Flaschner- und Installateurmeister, der eine Werkstätte für kunsthandwerkliche Metallarbeiten in Heilbronn betrieb. Er wurde besonders durch seine künstlerischen Arbeiten bekannt. Dabei formte er als Bildhauer kunsthandwerkliche Plastiken wie die Tierfiguren an der astronomischen Kunstuhr des Heilbronner Rathauses. Leben und Wirken. Klagholz besuchte die Mittelschule in Heilbronn und lernte bei dem Handwerksbetrieb E. W. Kachel den Beruf des Flaschners und Installateurs. Er arbeitete in der Schweiz, Österreich, in Norddeutschland, bei den Junkerswerken in Dessau, bei den NSU-Werken in Heilbronn sowie bei den Stadtwerken in Heilbronn. Im Zweiten Weltkrieg geriet er in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Nach dem Krieg kehrte er nach Heilbronn zurück und eröffnete an der Christophstraße 47 in Heilbronn eine Werkstätte für kunsthandwerkliche Arbeiten. Von 1976 bis 1980 wohnte er in Murrhardt, später in der Gymnasiumstraße 80 in Heilbronn. Er war mit Wilhelmine geb. Schneider verheiratet und hatte mit ihr zwei Töchter (Lore und Elke) und einen Sohn (Rolf). Bildhauer. Er arbeitete auch als Bildhauer, der kunsthandwerkliche Plastiken – meist Tierfiguren – formte. So galt er als „Heilbronner Handwerker und Künstler … Der Künstler in ihm blüht[e] auf, wenn er das Kupfer figürlich formt[e] … er [hatte] für das Färben des Kupfers eine eigene Mixtur entwickelt.“ Mit der Plastik des "Heilbronner Adlers" auf dem Rathaus „schuf [er] ein rechtes Meisterstück, das beweist, welch vorzügliche Werke das echte Kunsthandwerk zu schaffen vermag …“. Er fertigte den neuen Heilbronner Adler, nachdem die alte Figur am Rathausturm zerstört worden war. Die Gesamthöhe beträgt 1,70 m, die Spannweite 60 cm, die Länge 85 cm. Neu hergestellt hatte er auch den Hahn für die Rathausuhr, die er in Kupfer getrieben hatte. Von dem Hahn der alten Rathausuhr waren nach dem Krieg nur der Fuß und Schwanz übriggeblieben. Einer der beiden Widder der alten Rathausuhr war verschollen; Klagholz fertigte nach dem erhaltengebliebenen Original nun einen neuen Widder. Ebenso wurden die Trompete und das Zepter der beiden Engel an der Rathausuhr von ihm neu hergestellt. Für das Heilbronner Stadtbad am Wollhausplatz sollte er eine Nachbildung des bis zur Zerstörung im alten Stadtbad befindlichen Wasserspeiers schaffen und lieferte einen in Kupfer getriebenen modernen Löwenkopf. Als die Nikolaikirche in Heilbronn wiederaufgebaut wurde, setzte er einen von ihm gestalteten Hahn auf den Dachreiter. „Viele Kirchtürme der Region“, wie die Kirchtürme in Großgartach (Lorenzkirche) oder Lampoldshausen (Nikolauskirche) tragen einen von ihm in Kupfer getriebenen Hahn. Sein Leben und künstlerisches Wirken wurde in der Deutsche Handwerks Zeitung gewürdigt, wie „er u.a. die Figuren an der Rathausuhr [und] zahlreiche künstlerische Arbeiten für Kirchen (Taufbecken) und Behörden geschaffen [hat].“ Klagholz wurde daneben durch die Handwerkskammer geehrt. Sonstiges. Er ist auch als „Restaurator vieler Heilbronner Sehenswürdigkeiten“ bekannt. So restaurierte er das Robert-Mayer-Denkmal und das Schiller-Denkmal in Heilbronn. Er restaurierte auch die schwierigen Dachverwahrungen am Zwiebelturm bei der Wallfahrtskirche „Unserer lieben Frau vom Nussbaum“ in Höchstberg und am Schloss Liebenstein. Am Tagblatt-Turm in Stuttgart gestaltete er die dort befindlichen Buchstaben der Aufschrift. Klagholz gestaltete modern und fachgerecht „viele andere“ Neubauten „weit über Heilbronn hinaus“. Tiere waren für Klagholz nicht nur Objekt der Kunst. Er war auch engagierter Kleintierzüchter. So war er ab 1934 Vorstand des Reichsbund Deutscher Kleintierzüchter e.V. – Reichsgruppe Ausstellungsgeflügelzüchter e.V. 1947 wurde er als 1. Vorsitzender des Kreisverband Kaninchen Heilbronn offiziell gewählt. 1954 wurde er zum 1. Kreisvorsitzenden des Kreisverband Vereinigter Kleintierzüchter Heilbronn e.V. gewählt. Am 7. Juni 1980 wurde er bei einer Tagung des Zentralverband Deutscher Kaninchenzüchter (ZDK) zum Meister der Deutschen Rassekaninchenzucht ernannt.
Far From Any Road ist ein Folksong im Stil der sogenannten Mörderballade. Komponiert wurde er von dem Ehepaar Brett und Rennie Sparks, Mitglieder des Americana-Musikduos The Handsome Family. Das Stück war Bestandteil des 2003 erschienenen Studioalbums "Singing Bones". Bekannt wurde es als Intro-Song der ersten Staffel der HBO-Fernsehserie "True Detective" – wobei es nach Ansicht vieler Kritiker einen nicht unwesentlichen Anteil am Erfolg der Staffel hatte. Geschichte. "Far From Any Road" erschien 2003 auf "Singing Bones", dem sechsten Studioalbum von Handsome Family. Handsome Family – bestehend aus Brett Sparks und seiner Frau Rennie – ist ein in Albuquerque, New Mexico beheimatetes Musikduo, das seit den 1990er-Jahren aktiv und auf düster-lakonische Folksongs im Americana-Stil versiert ist. Wie bei den meisten Stücken ging das Duo auch hier arbeitsteilig vor: Brett Sparks komponierte die Musik, Rennie Sparks steuerte den Text dazu bei. Neben den beiden Sparks waren an der Aufnahme der Trompeter David McChesney sowie der Mandoline-Spieler David Guiterrez beteiligt. Hinzu kam Brett Sparks Bruder Darell am Schlagzeug. Vom Charakter her ist "Far From Any Road" eine Folkballade. Stilistisch verglichen sie einige Kritiker mit den Songs von Nancy Sinatra und Lee Hazlewood, speziell auch deren Hit "Summer Wine". Die drei Strophen des Stücks sind im Duett vorgetragen – wobei Brett Sparks die erste übernimmt, Rennie Sparks die zweite. Die erste Hälfte der dritten – vorgetragen abwechselnd von beiden Interpreten – steigert die Dramatik; die zweite, als Songfinale fungierende Hälfte singen beide im Chorus. Textlich ist "Far From Any Road" eine düstere Landschaftsbeschreibung. Szenario ist die wüstenartigen Mesa-Landschaft des amerikanischen Südwestens. Der nicht näher beschriebene Erzähler (bei dem es sich auch um ein Insekt handeln kann) beschreibt, wie er der Faszination einer giftigen, nur nachts zu voller Blüte gelangenden Wüstenpflanze erliegt. Die letzte Strophe des Stücks vertieft die Landschaftsbeschreibung mit Bildern von Klapperschlangen und Bergkatzen, die ihr nächtliches Treiben beginnen – während der Erzähler mit der Landschaft für immer eins wird. Besonderheit bei der musikalischen Umsetzung war die Verwendung Kastagnetten-artiger Instrumente im Hintergrund – ein Effekt, welcher Angaben von Brett Sparks zufolge die Atmosphäre spanischer Nächte betonen und das Zirpen von Grillen simulieren sollte. Einen aufgrund des zeitlichen Abstands unerwarteten Bekanntheitsgrad erlangte der Song aufgrund seiner Verwendung als Introstück der ersten Staffel von "True Detective". Die Serienmacher kontaktierten das Duo etwa ein Jahr vor dem Erstausstrahlungstermin mit einer entsprechenden E-Mail-Anfrage. Die genaue Art der Songverwendung war dabei offen – die Rede war erst von circa 30 Sekunden im Rahmen einer Vernehmungsszene. Die Verhandlungen mit HBO verliefen nach Auskunft der beiden Musiker unkompliziert; auch die Vertragsbedingungen seien fair gewesen. Die Verwendung als Intro-Song der Staffel – konzipiert von dem musikalischen Betreuer der Serie, dem Rockmusiker T-Bone Burnett – war für Brett und Rennie Sparks eine Riesen-Überraschung. Eigenen Aussagen zufolge war das Sparks-Duo auch von der filmischen Umsetzung des Vorspanns hellauf begeistert. Als prominent platziertes Titelstück einer erfolgreichen Fernsehserie avancierte "Far From Any Road" zu einem weit über das Americana-Spezialgenre hinaus bekannten Song. In den französischen Charts erreichte es im Mai 2015 die Top 100 mit der höchsten Platzierung auf Platz 61. Der Erfolg des Titels steigerte den Bekanntheitsgrad von Handsome Family deutlich – ein Fact, der sich laut Auskunft der Gruppe auch durch deutlich gestiegene Backlist-Verkäufe bemerkbar machte. Auf das gestiegene Interesse reagierte die Formation unter anderem durch Veröffentlichung eines neuen Musikclips, welcher Text und Atmosphäre von "Far From Any Road" stärker gerecht werden sollte. In einer Pressemitteilung charakterisierten sie die Bedeutung des Erfolgs des Songs wie folgt: "„Wir haben 20 Jahre als Band von Außenseitern verbracht, die nach Ohren suchen, die uns hören konnten. Endlich glaube ich, dass wir unser Carcosa gefunden haben – jenes glorreiche Königreich, das mit den Ziegelsteinen unserer tiefsten Träume gebaut wurde.“" Rezeption. Die Kombination aus musikalischem Erkennungsthema und Serie, wie sie bei "Far From Any Road" und "True Detective" stattfand, wurde von zahlreichen Medien als bemerkenswert, herausragend sowie überdurchschnittlich gelungen gewertet. Das Musik-Fachportal "American Songwriter" betonte in einem Beitrag die überdurchschnittliche Harmonie des Songs mit dem Inhalt der Serie sowie den düsteren Eskapaden der beiden Hauptdarsteller Matthew McConaughey und Woody Harrelson. Weil der Song nicht explizit für die Serie geschrieben worden sei, sei dies bemerkenswert. Als in sich stimmig wertete "American Songwriter" darüber hinaus das Stück selbst. Die boomende, unheilvolle Stimme von Brett Sparks sei die ideale Folie für die träumerischen, ätherischen Seufzer seiner Frau. Und Rennies Texte evozierten eine Wüstenwelt, welche in ihrer Schönheit tödlich sei für all jene, die ihr zu nahe kommen. Das Magazin "Forbes" vertiefte in einem Gespräch mit Handsome Family sowie dem Ex-Smashing-Pumpkins-Gitarristen James Iha die These, dass die Introsongs erfolgreicher Serien nicht nur als reine Kulisse fungieren, sondern eine Art Vorspiel zur Geschichte liefern. Zusammen mit dem Vorspann fungiere der Intro-Song darüber hinaus als struktureller Puffer zu den Werbespot-Blöcken, welche Serienausstrahlungen oftmals einrahmen. Im idealen Fall bildeten Intro-Songs ein musikalisches Erkennungszeichen, welches bewirkt, dass Lied und Serie für die Zuschauer unmittelbar miteinander verbunden sind. Brett und Rennie Sparks konstatierten im Rahmen dieses Gesprächs, dass das medienübergreifende Verquicken von Inhalten für sie eine eher geringe Rolle spiele. Vielmehr bildeten Tourneen nach wie vor ihre Haupteinnahmequelle – wobei sie dem Erfolg des Songs dahingehend Rechnung trügen, dass sie sich selbst verpflichtet hätten, "Far From Any Road" möglichst oft zu spielen. Coverversionen. Als musikalisches Gimmick wurde "Far From Any Road" bislang in zwei Kontexten verwendet: einmal als Erkennungsthema der Guns n’ Roses-Welttournee 2014 und einmal in der Zeichentrickserie "Die Simpsons" (Folge: "Cue Detective," 2015). Mit enthalten ist es in der offiziellen Soundtrack-Compilation zur Serie, die unter anderem auch den Intro-Song zu Staffel zwei sowie deren inoffizielles Leitthema mit enthält ("Nevermind" von Leonard Cohen) und "The Only Thing Worth Fighting For" von Lera Lynn). Als Fremdeinspielung mit enthalten ist es darüber hinaus auf einer Reihe Compilationen mit bekannten Film- und TV-Serien-Hits. Wie bei vielen anderen bekannten Popsongs gibt es darüber hinaus eine Reihe von Einspielungen unbekannter Musik-Amateure und Nachwuchskünstler, die auf Video-Plattformen wie YouTube online gestellt sind. Die Anzahl auf regulären Alben veröffentlichter Coverversionen von namhaften Künstlern liegt bislang im einstelligen Bereich. Eine aus dem Jahr 2014 stammt von dem Jazz-orientierten Experimentalmusiker Andrew Bird. Eine weitere Version spielte der schwedische Rock- und Popsänger Jerry Williams 2015 zusammen mit der Sängerin Anna Ternheim ein. Eine dritte Version – von der schwedischen Gothic-Rock-Band Les Fleurs Du Mal – ist als MP3-Download erhältlich.
Der Seelenbräu ist eine 1949 entstandene, österreichische Filmkomödie von Gustav Ucicky mit Paul Hörbiger und Heinrich Gretler in den Hauptrollen zweier sturköpfiger Gegenspieler. Dem Film lag die gleichnamige Novelle von Carl Zuckmayer zugrunde. Handlung. Der Dechant von Köstendorf und sein Gegenspieler, der Bierbrauer Hochleithner, sind die beiden Respektspersonen, die in einem alpinen Dorf, dem zentralen Handlungsort der Geschichte, das Sagen haben. Beide knorrigen, alten Männer gelten als ausgesprochene Sturköpfe und stehen in einem erbitterten Wett- und Widerstreit miteinander. Während sich der eine um das Seelenheil der Gemeinde kümmert, ist der andere um das alkoholisch-leibliche Wohl der Dorfgemeinde besorgt. Schon deshalb nennt man die Zwei im Ort „Der Seelenbräu“ und „Der Leibesbräu“. Die Fehde geht schon seit 20 Jahren so und liegt in einem alten Disput begründet: Der Streit entzündete sich einst wegen einer Reliquie, die sich seit Jahrhunderten in Familienbesitz der Hochleithners befindet. Der Dechant hat mehrfach vergeblich versucht, die Reliquie aus den Händen des bierbrauenden Grobians wieder zurück in den Schoß von „Mutter Kirche“ zu führen. Seitdem wettert der Dechant von der Kanzel unerbittlich gegen das Wirtshaus, und der Bierbrauer ignoriert diese Attacken genüsslich. Eines Tages sehen sich die beiden Streithähne dazu genötigt, einen vorübergehenden Waffenstillstand zu schließen, da beide alten Männer mit einem neuen Problem konfrontiert werden. Matthias Hochleithners Nichte Clementine ist aus der Klosterschule, auf die sie bislang ging, ausgebüxt. Der Pfarrer will unbedingt, dass Clementine dorthin zurückkehrt und versucht in dieser Angelegenheit seinen alten Widersacher auf seine Seite zu ziehen. Nach einigem hin und her einigt sich Matthias Hochleitner mit dem Internat und des Seelebräus Segen, dass Clementine ihre Schulbildung zu Hause abschließen soll. Anschließend soll das musikalisch begabte Mädchen im Salzburger Mozarteum seine künstlerische Fortbildung erhalten. Nach dem bestandenen Examen kehrt Clementine erst einmal ins Dorf zurück. Doch da naht neues Ungemach: Ein Aushilfslehrer in Gestalt des Musikers Franz Haindl ist eingetroffen, und Clementine und der junge Mann, der ihre Liebe zur klassischen Musik teilt, verlieben sich ineinander. Prompt kommt es zu neuen Schwierigkeiten, denn diesmal sind sich Seelenbräu und Leibesbräu darin einig, dass dieser junge Habenichts nichts für Clementine sei. Der Adelige Michael von Ammetsberger hingegen, der den beiden Alten als Schwiegersohn gefallen könnte und Interesse an Clementine zeigt, erhielt von ihr bislang mehr als nur eine Abfuhr. Franz Haindl sorgt mit seiner Auffassung von Lehrberuf und Musik bei dem Dechant für Unmut. Dieser beschwert sich sogar bei dessen Vorgesetzten über die Lehrmethode. Daraufhin soll der progressive Franz entlassen werden. Aber der Seelenbräu mag nicht der Verkünder dieser schlechten Nachricht sein und möchte den Aushilfslehrer in eine seiner Chorproben holen. Anschließend kommt es zum Streit, da der Pfarrer und der Musiklehrer sich nicht über die Musikwahl einigen können. Haindl reicht derweil eine Faschingsmelodie beim Mozarteum mit einer Widmung für Clementine ein. Diese Tat wird jedoch von der erzkonservativen Musiklehrerschaft zum Skandal hochgejazzt. Clementine hingegen fühlt sich von diesem Akt der Zuneigung sehr geschmeichelt. Als sie sich bei ihrem Franz bedanken möchte, erleidet ihr Onkel, der Leibesbräu, einen Herzanfall. Auf dessen Krankenlager gesteht sie dem alten Bierbrauer, dass sie ihren Franz liebt. Nun versöhnt sich Hochleithner mit dem Gedanken, seine Nichte an einen Künstler abgeben zu müssen. Clementine und Franz studieren ein besonderes Chorstück von Joseph Haydn ein, um auch den Seelenbräu zu besänftigen und ihm zugleich zu seinem 35-jährigen Amtsjubiläum zu gratulieren. Clementine und Franz dürfen schließlich heiraten, und auch der Seelenbräu und der Leibesbräu haben sich ausgesöhnt, denn man ist dabei verblieben, dass sich zukünftig jeder um das Wohl seiner „eigenen Schäfchen“ kümmern soll. Produktionsnotizen. "Der Seelenbräu" entstand 1949 in den Ateliers von Wien-Sievering sowie in Obertrum (Foto links) bei Salzburg (Außenaufnahmen). Der Film wurde am 27. Januar 1950 im Zürcher Corso-Kino uraufgeführt, in Wien konnte man den Seelenbräu erstmals am 18. April desselben Jahres sehen. Deutschlandpremiere war am 25. August 1950 in München. In Berlin konnte man den Film erstmals am 2. November 1950 sehen. Am 9. November 1975 war im ZDF die deutsche Fernseherstausstrahlung. Karl Ehrlich übernahm die Produktionsleitung. Otto Niedermoser und Eduard Stolba gestalteten die Filmbauten. Otto Untersalmberger zeichnete für den Ton verantwortlich. Georg Marischka war Ucickys Regieassistent. Kritiken. Cinema-Online nannte die Produktion eine „volkstümelnde Verfilmung“. In ORF III, Kultur und Information, heißt es: „Paul Hörbiger in seiner Paraderolle als aufbrausender Pfarrer im ständigen Kampf mit dem sturköpfigen Bierbrauer Hochleithner (Heinrich Gretler) in einer österreichischen Variante von "Don Camillo und Peppone"“. Im Lexikon des Internationalen Films ist zu lesen: „Carl Zuckmayers Novelle wurde hier in eine allzu volkstümlich schlichte Filmfassung gebracht, die alle ironischen Zwischentöne ausspart.“
Joschkar-Ola (und, russische Betonung; bis 1919 "Zarjowokokschaisk"/, 1919–1927 "Krasnokokschaisk"/) ist die Hauptstadt der Teilrepublik Mari El in Russland mit Einwohnern (Stand). Die Stadt liegt am Wolga-Nebenfluss Kleine Kokschaga (Malaja Kokschaga) und besitzt Universitäten und Hochschulen, Theater, Gerätebau-, Halbleiter- und Maschinenindustrie. Geschichte. Joschkar-Ola wurde 1584 als militärische Festung nach der Eroberung des Mari-Gebietes durch Russland gegründet. Die ursprüngliche Bezeichnung der Siedlung war „Stadt des Zaren an der Kokschaga“ (russisch). Daraus entstand der erste Name Joschkar-Olas – "Zarjowokokschaisk". Zu Beginn des 18. Jahrhunderts kam Joschkar-Ola zum Gouvernement Kasan. 1897 gab es im Ort fünf Kirchen und ein Krankenhaus. 1919 wurde die Stadt in "Krasnokokschaisk" („Rote Stadt an der Kokschaga“) umbenannt, seit 1927 trägt sie den einheimischen Namen Joschkar-Ola (auf Mari „Rote Stadt“). Die Stadt als Namensgeber. Der am 11. Oktober 1980 entdeckte Asteroid (2910) Yoshkar-Ola wurde 1984 nach der Stadt benannt. Verkehr. Fernverkehr. Joschkar-Ola liegt an der Fernverkehrsstraße „Wjatka“ und ist somit direkt an die Städte Tscheboksary (80 km) und Kirow (330 km) angebunden. Täglich fährt der Nachtzug „Марий-Эл“ in ca. 15 Stunden nach Moskau (Kasaner Bahnhof). Außerdem gibt es nördlich der Stadt einen Flugplatz. Nahverkehr. In der Stadt bestehen drei Arten des öffentlichen Personennahverkehrs. Die erste Autobuslinie öffnete bereits am 21. Juni 1931. Bis heute wurde das Streckennetz auf 13 Linien mit einer Gesamtlänge von 249 km ausgeweitet. In der Stadt fahren zum größten Teil Busse der Marke PAS. In einem Sanierungsprogramm von 2001 bis 2007 wurden 200 neue Busse angeschafft. Außerdem sind 50 geleaste Busse des Typs „Aurora“ im Einsatz. Des Weiteren verfügt die Stadt über ein Oberleitungsbusnetz mit 12 Linien und einer Länge von 234 km. Die erste Linie ging am 5. November 1970 in Betrieb. 85 % der Personenbeförderung innerhalb der Stadt werden durch den Oberleitungsbus bewältigt. In beiden Bussen kostet eine Fahrt 10 Rubel. Neben dem Bus verkehren auf 19 Linien Marschrutkas in der Stadt. Der Fahrpreis beträgt 23 Rubel. Städtepartnerschaften. Joschkar-Ola listet folgende Partnerstädte auf: Sport. In Joschkar-Ola befinden sich Sportstätten für die verschiedensten Sportarten. Zu den wichtigsten zählen die zwei Eislaufhallen, das Leichtathletikstadion „Druschba“ und ein Tennisstadion. Außerdem gibt es den Sportkomplex „Spartak“ mit einigen Sportplätzen und -hallen, zwei große Schwimmhallen, in denen Wettkämpfe ausgetragen werden, und eine kleine mit drei Bahnen, die für Wasseraerobic genutzt wird. Vor allem Eishockey und Fußball werden in der Stadt gespielt, aber auch die Leichtathletik und der Eiskunstlauf haben viele Anhänger in der Stadt. Der Fußballverein „Spartak Joschkar-Ola“ spielt in der vierten russischen Liga in der Zone Priwolschje und gewann diese sogar 1999. Aber auch andere (in erster Linie Kampf-)Sportarten werden aktiv betrieben, unter ihnen Boxen, Ringen und Judo.
Die Evangelische Kirche in Krumbach im Landkreis Gießen (Hessen) ist eine im Kern romanische Saalkirche mit Resten von Ährenmauerwerk. Sie wurde in gotischer und barocker Zeit umgebaut. Der mächtige Chorturm besteht aus einem aufgemauerten Turmschaft, darüber ein kubisches, verschiefertes Fachwerkgeschoss und ein zweistufiger barocker Helmaufbau. Das hessische Kulturdenkmal prägt das Ortsbild. Geschichte. Im Mittelalter bildete Krumbach einen Sendbezirk im Archipresbyterat Wetzlar, das dem Archidiakonat St. Lubentius Dietkirchen im Bistum Trier unterstand. Um 1325 ist ein Geistlicher in Krumbach nachgewiesen. Das Patrozinium der Maria Magdalena ist für das Jahr 1483 bezeugt. Mit Einführung der Reformation wechselte die Kirchengemeinde zum evangelischen Bekenntnis. Erster lutherischer Pfarrer war Nikolaus Heunius von Södel, der hier bis 1574 wirkte. Infolge der Reformation wurden die Kirchengemeinden Frankenbach und Krumbach pfarramtlich verbunden. Der Pfarrer hatte seinen Sitz in Krumbach. Um 1700 wurden eine dreiseitige Empore und eine Kanzel eingebaut. Im Jahr 2012 fanden eine Innen- und eine Außenrenovierung statt. Architektur. Der nicht geostete, sondern nach Nordost ausgerichtete unverputzte Saalbau aus Bruchsteinmauerwerk auf rechteckigem Grundriss ist im Norden des alten Ortskerns erhöht und abgesetzt von der weiteren Bebauung errichtet. Das Ährenmauerwerk, die mächtigen Mauern und zwei vermauerte Rundbogenfenster im Chorturm weisen auf den romanischen Ursprung. Das angrenzende Pfarrhaus aus Fachwerk mit Schopfwalmdach wurde im 18. Jahrhundert errichtet und bildet mit dem Gotteshaus und dem umgebenden Friedhof ein bauliches Ensemble. Der quadratische Chorturm besteht aus einem massiv aufgemauerten Turmschaft, dem ein kubusförmiges, verschiefertes Fachwerkgeschoss aufgesetzt ist, das an der Südseite das Ziffernblatt der Turmuhr zeigt. Ein zweistufiger achtseitiger Helmaufbau aus dem Barock bildet den Abschluss. Beide Geschosse haben je acht rundbogige Schalllöcher und eine Welsche Haube. Eine Spitze mit Turmknauf, schmiedeeisernem Kreuz und einem Posaunenengel bilden die Bekrönung. Das Erdgeschoss hat an der Südseite ein gotisches Spitzbogenfenster, im Norden und Osten je ein kleines vermauertes rundbogiges Fenster. Das schlichte Schiff wird an der Nordseite durch ein Fenster mit Stichbogen und an der Südseite durch zwei hohe Rechteckfenster im Westen und einem quadratischen Fenster über dem Portal belichtet. Ebenso hat das westliche Giebeldreieck ein quadratisches Fenster. Das rechteckige Südportal mit geradem Sturz ist mit 1744 bezeichnet. Die Westseite hat einen verschieferten Vorbau mit Fenster und Eingangsbereich. Der Vorbau ist zum Süden hin offen und ruht auf einem Holzpfosten. Ausstattung. Der Innenraum wird von einer spitzbogigen Holztonne aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts mit Gurt- und Kreuzrippen abgeschlossen. An der Nordseite sind Reste von Malereien in den Gewölbewangen erhalten. Sekundär wurde wahrscheinlich im 18. Jahrhundert ein mit Rankenwerk bemalter Längsunterzug zur Abstützung eingebaut. Der Unterzug ruht auf einer runden Mittelsäule, die marmoriert bemalt ist. Ein spitzbogiger Chorbogen von 1938 öffnet den Chor zum Kirchenschiff. Ältester Einrichtungsgegenstand ist der achtseitige spätgotische Taufstein. Die Emporen aus der Zeit um 1700 an der West- und Nordseite und die östliche Orgelempore im Chorbogen haben kassettierte Füllungen und weisen Reste von Brüstungsmalereien auf, die nicht freigelegt wurden. Aus derselben Zeit stammt die polygonale, hölzerne Kanzel, die an der Südseite des Chorbogens aufgestellt ist. Sie ist mit kassettierten Füllungen in den Kanzelfeldern zwischen Ecksäulen verziert und ruht auf einem Holzpfosten mit geschwungenen Bügen, der auf einer achteckigen steinernen Säulenbasis steht. Der zierliche Schalldeckel wird von kleinen Spitzen und Schnitzwerk bekrönt. Als Altar dient ein Holztisch mit einem hölzernen Altarkreuz mit einem Kruzifix des Dreinageltypus. Das hölzerne Kirchengestühl mit flachgeschnitzten Wangen lässt einen Mittelgang frei. Außen ist ein barocker Grabstein von 1731 aus rotem Sandstein aufgestellt und rechts vom Westeingang zwei Eisenkreuze aus dem 19. Jahrhundert. Orgel. Im Jahr 1846 baute Johann Georg Förster für 700 fl. eine neue Orgel, die über sieben Register auf einem Manual und Pedal verfügte. Die Gemeinde beschrieb sie 1928 als abgängig und bat um einen Neubau. Im selben Jahr errichtete E. F. Walcker & Cie. eine neue Orgel mit elf Registern, die sich auf zwei Manualen und Pedal verteilen. Sie steht auf der Ostempore im Chorbogen. Der Freipfeifenprospekt steht vor einem hölzernen durchbrochenen Rautenwerk. Die Krumbacher Orgel hat eine pneumatische Traktur und folgende Disposition:
Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften, kurz auch (Academia) Leopoldina, ist die älteste naturwissenschaftlich-medizinische Gelehrtengesellschaft im deutschsprachigen Raum und die älteste dauerhaft existierende naturforschende Akademie der Welt. Die später nach Kaiser Leopold I. benannte Einrichtung wurde 1652 von Johann Laurentius Bausch als Academia Naturae Curiosorum (auch "Academia Imperialis Leopoldina Naturae Curiosorum" genannt) in Schweinfurt gegründet und hat heute den Rechtsstatus eines eingetragenen Vereins. Die Akademie wurde am 14. Juli 2008 zur Nationalen Akademie der Wissenschaften ernannt. Rechtsgrundlage war der Beschluss der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder vom 18. Februar 2008. Seitdem steht die Leopoldina unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten. Sie ist unabhängig und dem Gemeinwohl verpflichtet. Idee bei der Gründung einer Nationalakademie war die Schaffung einer legitimierten Institution, die unabhängig von wirtschaftlichen oder politischen Interessen wichtige gesellschaftliche Zukunftsthemen wissenschaftlich bearbeitet, die Ergebnisse der Politik und der Öffentlichkeit vermittelt und diese Themen national wie international vertritt. Finanziert wird die Einrichtung heute zu 80 Prozent durch den Bund und zu 20 Prozent durch das Land Sachsen-Anhalt. Aufgaben. Nach ihrer Satzung hat die Leopoldina unter anderem folgende Aufgaben: „Ihre Aufgabe ist die Förderung der Wissenschaften durch nationale und internationale Zusammenarbeit, ihrer Tradition nach »zum Wohle des Menschen und der Natur«. Zu diesem Zweck führt sie wissenschaftliche Veranstaltungen durch, setzt Kommissionen ein und veröffentlicht die erarbeiteten Ergebnisse. Sie verleiht Auszeichnungen und Preise und fördert junge Wissenschaftler. Mit der Ernennung zur Nationalen Akademie der Wissenschaften übernimmt die Leopoldina offiziell die Vertretung der deutschen Wissenschaftler in den internationalen Gremien, in denen andere nationale Akademien der Wissenschaften vertreten sind, und sie bringt sich in die wissenschaftsbasierte Beratung von Öffentlichkeit und Politik ein.“ Beratung von Politik und Gesellschaft. Eine zentrale Aufgabe der Akademie ist die Beratung von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zu aktuellen wissenschaftlichen und wissenschaftspolitischen Fragen. Ihr Ziel ist es, Stellungnahmen und Empfehlungen für die Bewältigung drängender gesellschaftlicher Herausforderungen abzugeben sowie wichtige Zukunftsfragen aufzuzeigen. Dabei sollen wichtige Entwicklungen, die sich in der Wissenschaft andeuten und möglicherweise künftig gesellschaftliche Bedeutung erlangen, frühzeitig erkannt, analysiert und entsprechend kommentiert werden. Die Politikberatung führt die Leopoldina gemeinsam mit der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, einschließlich der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, sowie der acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften durch. Die Arbeit wird von einem Ständigen Ausschuss unter Federführung der Leopoldina gesteuert. Internationale Beziehungen. Durch die Kooperation mit Akademien anderer Länder fördert die Leopoldina den internationalen Austausch zu Themen wie Energie, Klimawandel oder Gesundheit. Dies geschieht unter anderem durch gemeinsame Symposien oder Stellungnahmen in der wissenschaftlichen Beratung der G7- und G20-Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs. Zu diesem Zweck arbeitet die Leopoldina in internationalen Dachorganisationen mit, in denen auch andere nationale Akademien, wie die Royal Society in London, die Académie des sciences in Paris, die Chinesische Akademie der Wissenschaften oder die National Academy of Sciences der USA, vertreten sind. Dies sind beispielsweise: Bibliothek. Die Bibliothek der Leopoldina wurde 1731 in Nürnberg gegründet und umfasst über 260.000 Bände, Monographien und Zeitschriften aus Naturwissenschaften und Medizin. Sammelschwerpunkte sind Publikationen zur Wissenschaftsgeschichte, insbesondere der Naturwissenschaften und der Medizin, sowie Schriften von wissenschaftlichen Gesellschaften und Vereinen. Die Sammlung entstand vorwiegend durch Tausch der Akademieveröffentlichungen mit Partnern in der ganzen Welt und durch Schenkungen der Akademiemitglieder. Archiv. Als eines der ältesten Akademie-Archive der Welt verwahrt das Archiv der Leopoldina ca. 1.700 laufende Meter an Unterlagen aus mehr als 350 Jahren. Der Kernbestand des Leopoldina-Archivs umfasst die Matrikel- und Protokollbücher und daneben Lebensläufe, Schriftenverzeichnisse und Porträts der Mitglieder, aber auch Korrespondenzserien und umfangreiches Verwaltungsschriftgut der Akademie. Darüber hinaus bewahrt es etwa 50 Nachlässe von bedeutenden Wissenschaftlern, mehr als 10.000 Fotografien zur Akademie- und Wissenschaftsgeschichte und verschiedene Kunstobjekte (Gemälde, Zeichnungen und Medaillen) auf. Förderprogramm. Die Leopoldina unterstützt seit 1997 herausragende junge Postdoktoranden im Leopoldina-Förderprogramm („Leopoldina Fellowship Programme“) mit Postdoc-Stipendien. Diese richten sich an deutsche Wissenschaftler, die im Ausland tätig werden wollen (sowie an Wissenschaftler aus Österreich und aus der Schweiz, die in Deutschland forschen wollen). Das Programm ermöglicht ihnen einen bis zu dreijährigen eigenständigen Forschungsaufenthalt an einer ausländischen (bzw. deutschen) Wissenschaftseinrichtung. Die Zuerkennung der Stipendien und deren finanzielle Ausstattung orientieren sich an den Richtlinien der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Wissenschaftliche Kommissionen. Die Leopoldina verfügt über sieben Kommissionen (Stand April 2021), die mit hochrangigen Wissenschaftlern besetzt sind, die im Regelfall Mitglieder der Leopoldina sind. Die Kommissionen können um externe Mitglieder aus Wirtschaft und Gesellschaft ergänzt werden. Die Kommissionen sollen in ihrem Bereich „die wissenschaftlichen Diskussionen mitgestalten, zukünftig wichtige Themen beraten und daraus Themenvorschläge für die Politik- und Gesellschaftsberatung ableiten“. Die existierenden Kommissionen sind: Ehrungen, Medaillen und Preise. Die Leopoldina würdigt herausragende wissenschaftliche Leistungen durch die Vergabe von Ehrungen, Medaillen und Preisen: Öffentliche Veranstaltungen. Um die interdisziplinäre Diskussion zwischen Wissenschaftlern zu fördern und ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse zu verbreiten, führt die Leopoldina gemeinsam mit Universitäten, Forschungsinstituten und anderen Akademien Symposien und Meetings durch. An die breite Öffentlichkeit richten sich die Leopoldina-Lectures und die Leopoldina-Gespräche. Wissenschaftliche Publikationen. Die Leopoldina macht deren wissenschaftlichen Diskussionen der Öffentlichkeit zugänglich. Die Zeitschrift "Nova Acta Leopoldina" spiegelt dabei das Spektrum der Vorträge, Meetings und Symposien der Akademie wider. Sie bildet die Fortsetzung der ersten medizinisch-naturwissenschaftlichen Zeitschrift der Welt und geht auf das Jahr 1670 zurück. Die Zeitschrift "Acta Historica Leopoldina" widmet sich der Wissenschaftsgeschichte, insbesondere der Akademiegeschichte. Das seit 1990 erscheinende Jahrbuch der Akademie dokumentiert die Aktivitäten der Leopoldina des jeweiligen Kalenderjahres. Die historisch-kritische LA-Ausgabe "Goethe. Die Schriften zur Naturwissenschaft" war ein Akademienvorhaben der Leopoldina und wurde 2011 abgeschlossen. Die Edition enthält sämtliche Texte Goethes zur Naturforschung und zeigt die Verbindungen auf, die zwischen diesen und dem literarischen Werk sowie den geistigen und wissenschaftlichen Strömungen seiner Zeit bestehen. Die Ausgabe umfasst 11 Text- und 18 Erläuterungsbände. Junge Akademie. Gemeinsam mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften gründete die Leopoldina im Juni 2000 die Junge Akademie. Ihre Mitgliederzahl ist auf maximal 50 begrenzt. Zu Mitgliedern für fünf Jahre werden herausragende Vertreter aus dem promovierten wissenschaftlichen Nachwuchs gewählt. Die Junge Akademie hat vorrangig die Aufgaben, den insbesondere interdisziplinär ausgerichteten wissenschaftlichen Diskurs unter herausragenden Nachwuchswissenschaftlern zu pflegen und Initiativen an den Schnittstellen von Wissenschaft und Gesellschaft zu fördern. Arbeitsfelder. Die Mitglieder engagieren sich in Akademien- und Themengruppen. Eine Auswahl beinhaltet: Organisation. Die Leopoldina wird durch drei Organe repräsentiert: die Mitgliederversammlung, das Präsidium und den Senat. Die Geschäftsstelle der Akademie befindet sich in Halle; das Hauptstadtbüro der Akademie in der Reinhardtstraße in Berlin. Die Akademie ist als gemeinnützig tätiger eingetragener Verein organisiert und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (80 %) und dem Sitzland Sachsen-Anhalt (20 %) finanziert. Struktur, Aufbau und Organe. Die Leopoldina ist eine übernationale Wissenschaftlervereinigung. Mehr als ein Viertel der Mitglieder kommt aus dem Ausland. Die Mitglieder werden auf Vorschlag von Akademiemitgliedern in einem mehrstufigen Auswahlverfahren durch das Präsidium in die Akademie gewählt. Jedes Mitglied gehört entsprechend seiner wissenschaftlichen Disziplin einer Sektion an. Jede Sektion wählt aus ihrer Mitte einen Vertreter für den Senat. Der Senat, dem weitere Persönlichkeiten aus Wissenschaftsorganisationen und der Öffentlichkeit angehören, wählt die Mitglieder des Präsidiums, prüft die Rechenschaftsberichte und bestimmt die Wissenschaftsstrategie der Akademie. Den Vorstand im Sinne des Gesetzes bilden der Präsident und vier Vizepräsidenten. Das durch weitere Mitglieder ergänzte Präsidium verantwortet die Aktivitäten der Leopoldina. Präsidium. Die Akademie wird durch ein Präsidium geleitet, dessen Mitglieder vom Senat gewählt werden. Ihre Amtszeit beträgt fünf Jahre, eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Das Präsidium trifft sich meist einmal im Monat und bereitet alle wichtigen Entscheidungen der Akademie vor. Es setzt sich wie folgt zusammen (Stand: Februar 2021): Präsident Vize-Präsidenten Sekretare Klasse I: Mathematik, Natur- und Technikwissenschaften Klasse II: Lebenswissenschaften Klasse III: Medizin Klasse IV: Geistes-, Sozial- und Verhaltenswissenschaften Weitere Präsidiumsmitglieder Generalsekretärin (mit beratender Stimme) Altpräsidialmitglieder (mit beratender Stimme) Mitglieder, Sektionen und Klassen. Seit ihrer Gründung förderte die Leopoldina zahlreiche Wissenschaftler, darunter Nobelpreisträger wie Marie Curie und Albert Einstein. Die Wahl zum Mitglied in der Leopoldina gilt als eine der höchsten wissenschaftlichen Auszeichnungen, die eine deutsche Institution vergibt. Die Zahl der Mitglieder unter 75 Jahren ist auf 1000 begrenzt. Zu Mitgliedern werden hervorragende Gelehrte aus aller Welt gewählt. Neben Naturwissenschaftlern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz stammt ein Drittel ihrer Mitglieder aus 27 weiteren Ländern weltweit. Mit den gegenwärtig rund 1600 Mitgliedern (Stand Februar 2021) in mehr als 30 Ländern ist die Leopoldina die mitgliederstärkste Akademie in Deutschland. Die Mitglieder sind in Fachsektionen organisiert, die wiederum vier Klassen zugeordnet sind. Die im Jahr 2009 neu eingeführten Klassen sollen die Mitglieder stärker als zuvor in die Erarbeitung von Stellungnahmen und Empfehlungen einbinden und den interdisziplinären Austausch verstärken. Die Klassen haben ihre Schwerpunkte in den Naturwissenschaften, den Lebenswissenschaften, der Medizin und den Verhaltens-, Sozial- und Geisteswissenschaften. Sie bilden außerdem die Plattform für den internationalen Austausch und für die Wahl neuer Mitglieder. Geschichte. Von der Gründung bis zur Sesshaftwerdung in Halle. Die Leopoldina wurde am 1. Januar 1652 in der Reichsstadt Schweinfurt von den Ärzten Johann Laurentius Bausch (1605–1665), Johann Michael Fehr (1610–1688), Georg Balthasar Metzger (1623–1687) und Georg Balthasar Wohlfahrt (1607–1674) als private Gesellschaft "Academia Naturae Curiosorum" gegründet, vielleicht im Amtslokal des Stadtphysikus Bausch im Zwinger des Brückentores. Letzteres ist nicht belegt, aber seit Mitte des 19. Jahrhunderts durch einen emblematischen Kupferstich suggestiv illustriert. Die Gründungsversammlung, kaum zufällig im Zeitalter „des galanten Europa“ zeremoniell auf den Neujahrstag gelegt, könnte auch in Bauschs Wohnhaus abgehalten worden sein, im würdigen Rahmen der schon vom Vater Leonhard Bausch (1574–1636) angelegten repräsentativen Mediziner-Bibliothek. Diese hatte Johann Laurentius Bausch 1636 ungeteilt geerbt (also offenkundig auch im Einverständnis seines Bruders, des Apothekers Johann Heinrich Bausch (1608–1670), ganz im selben Modus, den später J. L. Bausch in seinem eigenen Testament für die Zukunft festschrieb, sie immer geschlossen einem Arzt in der Familie weiterzugeben). In dieser Bibliothek standen auch die medizinisch-pharmazeutischen Monographien, die in den "leges" der jungen Naturforscher-Akademie als Vorbilder für die zukünftige Arbeit genannt sind. Die Gründung einer Akademie nach italienischen Vorbildern, die J. L. Bausch – wie schon sein Vater Leonhard, der als Sohn eines aus der Rhön eingewanderten mittellosen Hufschmiedes eine beispiellose Karriere bis zum Stadtphysikus und Ratsherrn von Schweinfurt vorgelegt hatte – auf seiner "peregrinatio academica" kennenlernte, hatte die Vertiefung medizinisch-naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und die Verbesserung der Kommunikation zwischen den Naturforschern jener Zeit zum Ziel. Ähnliche Gelehrtengesellschaften entstanden nach dem Dreißigjährigen Krieg auch in England (Royal Society, 1660) und Frankreich (Académie des sciences, 1666). Die Leopoldina ist die älteste naturwissenschaftlich-medizinische Akademie; später öffnete sie sich auch für die empirischen Geistes-, Sozial- und Verhaltenswissenschaften. „Nunquam otiosus“ = „Niemals müßig“ ist ihr Wahlspruch. In einem ersten ehrgeizigen Arbeitsprogramm wollte sie die um die vorangegangene Jahrhundertwende bis etwa 1630 kulminierende literarische Tradition vollenden, für alle Gegenstände aus dem Mineral-, Pflanzen- und Tierreich umfassende enzyklopädische Monographien zu erarbeiten, die dem Arzt das gesamte Wissen seit der Antike zur Verfügung stellen sollten, und unter einheitlich wissenschaftlichen Gesichtspunkten „ad normam et formam Academiae Naturae Curiosorum“ veröffentlichen, mit anderen Worten, eine „Enzyklopädie der Heilmittel“ schaffen. Diesen enormen Arbeitsaufwand, in den ersten "leges" halbjährlich (!) für ein Objekt ihrer Wahl gefordert, vermochten nur wenige Mitglieder überhaupt zu leisten. Die erste derartige Monographie erschien neun Jahre nach Gründung der Akademie; es war die "Ampelographia" von Philipp Jacob Sachs von Lewenhaimb (1627–1672), der 1658 der Akademie beigetreten war, ein Oktavband von 670 Seiten über den Weinstock. Sachs wurde dafür mit dem akademischen Beinamen (in der Tradition Gelehrter Gesellschaften als "agnomen", später "cognomen" bezeichnet) „Phosphorus“ geehrt, „als einen wahren Morgenstern, der mit diesem seinem Buche allen anderen Kollegen vorangeleuchtet habe“, wie in der zeitgenössischen Chronik vermerkt ist. Bedeutsamer für die weitere Entwicklung der Akademie war, dass Sachs die Zeichen der Zeit erkannte und nach dem Vorbild der englischen und französischen Akademien eine Zeitschrift ins Leben rief, die seit 1670 jährlich erscheinenden "Miscellanea curiosa medico-physica Academiae Naturae Curiosorum sive Ephemeridum medico-physicarum germanicarum curiosarum", und gleichzeitig die kaiserliche Anerkennung der jungen Akademie anstrebte, nicht zuletzt mit der Widmung der Zeitschrift an Leopold I. (1640–1705). In der Zeitschrift konnten die Mitglieder ihren Pflichten durch Mitteilung medizinisch-naturwissenschaftlicher Beobachtungen "(observationes)" nachkommen und der Anschluss an die zeitgenössische Wissenschaftskommunikation war hergestellt, durch regen Austausch gerade mit der Londoner Royal Society. Bahnbrechende Publikationen aus den "Philosophical Transactions" wurden in umfangreichen Anhängen der "Miscellanea", übersetzt in die internationale Gelehrtensprache Latein, auch auf dem Kontinent verbreitet. Die akademischen Beinamen der sich „Argonauten“ Nennenden, anfangs den Gründern und Mitgliedern mit erfüllter Arbeitsaufgabe vorbehalten, wurden seit 1668 gelegentlich und seit 1681 regelmäßig bei Eintritt in die Gesellschaft verliehen. 1677 wurde die unabhängige Akademie von Kaiser Leopold I., bekannt für sein lebhaftes Interesse an Künsten und Wissenschaften seiner Zeit, offiziell als „Akademie des Heiligen Römischen Reiches“ bestätigt und am 7. August 1687 per Dekret mit kaiserlichen Privilegien ausgestattet. Präsident und "Director ephemeridum", verantwortlich für die Herausgabe der Zeitschrift, sowie ihre Nachfolger wurden zu kaiserlichen Leibärzten und in den Adelsstand erhoben. Das Palatinat der kleinen Comitive umfasste zahlreiche Rechte, darunter das Promotions- und Wappenrecht. Wichtiger für das weitere Wirken der Akademie war aber die gewährte Zensurfreiheit. Seitdem trug sie die Bezeichnung "Sacri Romani Imperii Academia Caesareo-Leopoldina Naturae Curiosorum", von der sich die heutige Kurzform "Leopoldina" ableitet. Kaiser Karl VI. (1685–1740) gewährte 1712 eine bedeutende Unterstützung zur Herausgabe der Zeitschrift und genehmigte die Änderung des Namens in "Kaiserlich Leopoldinisch-Carolinische Akademie der Naturforscher"; Kaiser Karl VII. (1697–1745) bestätigte und ergänzte 1742 die Privilegien der Akademie. Nach dessen Tode sollte der 1748 erscheinende nächste Band der Zeitschrift seinem Nachfolger Kaiser Franz I. (1708–1765) gewidmet werden und diese beabsichtigte Widmung drückt sich schon im Titel mit der Änderung des Akademienamens – wohlgemerkt, nur bei diesem einen Band – in "[...] Academiae Caesareae Leopoldino-Franciscanae Naturae Curiosorum" aus. Wie im "Protocollum" (handschriftliche Chronik der Akademie) jener Jahre berichtet, kam es dann aber „aus verschiedenen recht schwerwiegenden Gründen und wegen mancherlei Hindernissen“ doch nicht zu einer solchen Widmung, möglicherweise, weil durch den Tod des Protektors der Akademie, Fürst Friedrich Karl von Schönborn-Buchheim (1674–1746), „Bischof von Bamberg und Würzburg, Rat Seiner Heiligen Kaiserlichen Majestät in schwierigen Reichsangelegenheiten und Geheimer Staatsminister“ (so als vierter Protektor 1730 im "Protocollum" eingetragen), die Verbindung zum kaiserlichen Hof fehlte. Nachdem 1751 ein neuer Protektor – Maximilian Joseph (1727–1777), „Erztruchseß und Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches, Herzog beider Bayern und der Oberpfalz etc.“ – gewonnen worden war, sind 1752 für den nächsten Band der Zeitschrift die Übergabe an und Annahme durch Kaiser Franz I. belegt. Dieser Band erschien jedoch wieder unter dem früheren Akademienamen, zurückgehend auf die „Gönner und Schutzherren“ (in A. E. Büchners Akademiegeschichte von 1755 in Sectio IX mit der Kopfzeile „De fautoribus et patronis Acad. Nat. Cur.“ beschrieben und S. 549/550 mit Bezug auf die „überreich deklarierten Privilegien, die nie außer Kraft gesetzt werden können“, betont) Leopold I., Karl VI. und Karl VII. als "Acta" [ab 1757 "Nova Acta"] "Physico-Medica Academiae Caesareae Leopoldino-Carolinae Naturae Curiosorum", mit Widmungen an Kaiser und Protektor, heute digitalisiert direkt einzusehen. Frühzeitig erlangte die Akademie internationale Ausstrahlung und wirkte auch über konfessionelle Grenzen hinweg. Im 19. Jahrhundert entfaltete sie unter dem Präsidenten Christian Gottfried Nees von Esenbeck (1776–1858) mit ihrer reformierten und durch vorzügliche Kupferstiche ausgestatteten Zeitschrift, nun als "Nova Acta Leopoldina", beachtliche wissenschaftliche Wirkung, blieb aber bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts der späten Goethezeit verhaftet. Erst Wilhelm Friedrich Georg Behn (1808–1878) verschaffte ihr mit einer „Großen Reform“ wieder den Anschluss an die neuzeitliche Wissenschaftsorganisation. Mit einer neuen, demokratisch beschlossenen Satzung von 1872 wurde der Spezialisierung der Wissenschaften mit der Einführung von Sektionen Rechnung getragen, die Organisation mit einem Senat aus Obmännern der Fachsektionen und den Vorständen der regionalen Adjunktenkreise als Legislative und dem Präsidium als Exekutive auf breitere Schultern verteilt und beiläufig die Gepflogenheit aufgegeben, den Mitgliedern einen Gesellschaftsnamen zu geben. Obwohl das Promotionsrecht aus den alten kaiserlichen Privilegien ebenfalls nicht mehr in der neuen Satzung enthalten war, wurde es noch einige Male (bis 1891) ausgeübt, allerdings wurden nur ausländische Gelehrte promoviert, um nicht in Konflikt mit den Universitäten zu geraten. Das geschah freilich dennoch und unter Präsident Karl von Fritsch wurden schließlich das Promotionsrecht und das ebenfalls obsolet gewordene Wappenverleihungsrecht aufgegeben (letzteres 1904, auch öffentlich bekannt gemacht). 1878–1932. Seit 1878 hat die Akademie unter dem damaligen Präsidenten Hermann Knoblauch (1820–1895) ihren Sitz in Halle an der Saale, was aufgrund einer Initiative des hallischen Universitätsbibliothekars Oscar Grulich (1844–1913), der die Bibliothek der Leopoldina im Nebenamt betreute, zum Bibliotheksneubau und damit zum festen Sitz der Akademie in der Saalestadt führte. Zuvor war der Sitz durch den Wohnort des jeweiligen Präsidenten bestimmt; somit befand sich die Leopoldina während der ersten 200 Jahre in Schweinfurt, Nürnberg, Augsburg, Altdorf, Erfurt, Halle, dann wieder in Nürnberg, Erlangen, Bonn, Breslau, Jena, Dresden und schließlich wieder in Halle, wo sie fortan blieb. Die 1731 in Nürnberg errichtete Bibliothek musste allerdings nur in fünf Städte mit umziehen bis in ihr heutiges Domizil, wo die „Leiden einer wandernden Bibliothek“, wie das Oscar Grulich eindrücklich beschwor, endlich ein Ende hatten. Ausschlaggebend für Halle war auch das Renommee der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts prosperierenden Universität, der heutigen Martin-Luther-Universität. In den ursprünglich nur 15 Paragraphen umfassenden Statuten der Leopoldina war unter anderem festgelegt, dass der Wohnort des jeweiligen Präsidenten immer auch die Geschäftsstelle der Akademie sein sollte. Dies wurde erst mit der Einweihung der Bibliothek der Akademie am 23. April 1904 faktisch abgeschafft, ohne das in den Statuten zu verankern. Trotzdem wurden nach Knoblauch nur hallische Universitätsprofessoren zu Präsidenten gewählt. Eine gewisse Provinzialisierung der Akademie war in der Folge nicht zu verkennen. Der weltweit anerkannte Geologe Johannes Walther (1860–1937) führte zwar 1924 erstmals monatliche Sitzungen ein, verlagerte aber auch die Entscheidungen vom Senat der Akademie (Adjunkten der Länder des deutschsprachigen Raums und Obmänner der Fachsektionen) zunehmend auf den Kreis der hallischen Mitglieder. Zerrüttete finanzielle Verhältnisse und zusätzlich Veruntreuungen eines Bibliothekars führten 1931 zu seinem vorzeitigen Rücktritt. Sein Nachfolger, der Physiologe Emil Abderhalden (1877–1950), trat sein Amt 1932 an und wollte der Akademie wieder internationales Profil verschaffen, war aber bald mit einem ganz anderen Zeitgeist konfrontiert. Zeit des Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 setzte die Akademieleitung unter Emil Abderhalden das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (vom 7. April 1933) insofern konsequent um, als keine jüdischen Mitglieder mehr aufgenommen wurden, während noch im Jahr zuvor Abderhalden nach seinem Amtsantritt zahlreiche jüdische Gelehrte, darunter Albert Einstein, selbst vorgeschlagen hatte. Mitglieder aus politischen Gründen auszuschließen, lehnte Abderhalden anfangs dem nationalsozialistisch gesinnten Vizepräsidenten Johannes Weigelt gegenüber noch ab (notiert von Abderhalden nach dem 5. Juni 1933). Es handelte sich um Julius Tandler, er sei „politisch anrüchig (Kommunist)“ und der Anatom und Rektor der hallischen Universität Hermann Stieve wolle ansonsten austreten und „den Grund seines Austritts dem Herrn Innenminister Dr. Frick und dem Kultusminister Dr. Rust mitteilen“. Kraft seiner Autorität konnte Abderhalden sowohl den Austritt Stieves als auch den dann von Weigelt vorgebrachten Antrag zur Streichung von Tandler abwehren, „weil nach den Satzungen unserer Akademie ein Ausschluss gar nicht möglich ist“. Diesen Standpunkt konnte er aber schon nicht mehr aufrechterhalten, als im selben Jahr – von welcher Seite, ist nicht mehr zu klären, ebenso wenig der genaue Zeitpunkt – der Antrag kam, Einstein auszuschließen. Im Matrikelbuch steht unter Einsteins Namen mit Bleistift „gestrichen!“, ohne Zeitangabe, aber bereits im Mitgliederverzeichnis von 1933 fehlt sein Name, vermutlich als Reaktion auf den Abbruch aller seiner Kontakte zu Deutschland. Die Gründe für einige weitere Bleistiftstreichungen 1936 und 1937 sind nicht belegt. Nur zu Henry E. Sigerist (gestrichen 1937, ohne genaues Datum bei dem betr. Eintrag im Matrikelbuch) ist „ein Briefwechsel Abderhaldens mit dem Reichs- und Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung überliefert und zeigt, dass Sigerist wegen seiner ‚Einstellung gegen das jetzige Deutschland‘, also gegen die NS-Machthaber, und somit aus politischen Gründen aus der Akademie ausgeschlossen wurde“. Diese Mitgliederstreichungen können nicht als vorauseilender Gehorsam interpretiert werden, wie gelegentlich unterstellt, weil zur internationalen Festsitzung 1937 noch einmal ein vollständiges Mitgliederverzeichnis gedruckt wurde, in dem die meisten jüdischen Mitglieder der Öffentlichkeit und damit der zahlreich erschienenen Nazi-Prominenz präsentiert wurden, ein Affront, der jeden vorauseilenden Gehorsam vermissen lässt, vorerst sogar ohne nachweisliche Folgen. Erst nach dem ausdrücklichen Befehl an die Wissenschaftsakademien im Kartell der Akademien, dem die Leopoldina nicht angehörte, wurde in der Vorstandssitzung am 23. November 1938 darauf Bezug genommen und beschlossen, „den Rest der jüdischen Mitglieder auszumerzen. Es soll nicht zugewartet werden, bis ein entsprechender Befehl kommt. Eine Mitteilung ergeht an die betreffenden Mitglieder nicht.“ Die Streichung der meisten jüdischen Mitglieder erfolgte am 30. November 1938 mit genauer Datumsangabe. Sie sollten aber die Hefte des laufenden Jahrgangs der Nova Acta Leopoldina weiter erhalten, konnten also angesichts der Ereignisse an anderen deutschen Akademien und wissenschaftlichen Gesellschaften nicht einmal einen Verdacht schöpfen. Dass die Streichungen mit Bleistift erfolgten, liegt vermutlich daran, dass in der Satzung der Leopoldina keine Möglichkeit zum Ausschluss vorgesehen war, wie Abderhalden 1933 noch betont hatte, denn die wenigen Austritte von Mitgliedern auf eigenen Wunsch wurden in derselben Zeit, wenn überhaupt, mit Tinte eingetragen. Wichtiger ist, dass die Karteikarten der somit „nie offiziell“ (wie Abderhalden das 1947 brieflich nannte, s. u.) gestrichenen Mitglieder aus der Mitgliederkartei aussortiert und – bei mehr als der Hälfte sogar ohne jeden Vermerk zum Ausschluss! – in einer separaten Kartei hintangestellt und hinter einem Vorhang versteckt wurden, was denn auch am 9. Mai 1945, einen Tag nach der Kapitulation Deutschlands, wieder rückgängig gemacht wurde. In den dickleibigen Matrikelbüchern, die ohnehin nur die Archivare zu Gesicht bekamen, wurde jedenfalls nichts radiert oder erneut eingetragen. Die Öffentlichkeit erfuhr vermutlich nichts von diesen stillschweigenden Ausschlüssen, weil während der Zeit des Nationalsozialismus dann keine vollständigen Mitgliederverzeichnisse mehr veröffentlicht wurden. Wie Abderhalden 1947 in einem Brief an den Vizepräsidenten Otto Schlüter erklärte, war das ebendiese Absicht und sollte ggf. mit Papiermangel begründet werden. In einem Brief vom 7. Dezember 1938, der eine Woche danach in einem Präsidiumsbeschluss fast wörtlich protokolliert wurde, schrieb Abderhalden an Gauleiter und Minister, „dass unserer Akademie nur Persönlichkeiten angehören, die keine Juden sind. Seit dem Jahre 1933 sind sämtliche Vorschläge von Forschern peinlich genau auf ihre Abstammung geprüft worden. Ferner sind in früheren Zeiten gewählte Mitglieder jüdischer Abstammung ausgemerzt worden, sodass schon seit einiger Zeit die Zusammensetzung des Mitgliederbestandes unserer Akademie in vollem Einklang mit den Erfordernissen der Zeit steht“, womit ein derartiger Befehl definitiv abgewendet werden konnte. Nach einer jüngeren Publikation von W. Berg sollte dies von den Empfängern wie vorauseilender Gehorsam gelesen werden, sei aber in Wirklichkeit eine Schutzbehauptung, da er nachweislich Unwahrheiten enthalte. Bezeichnenderweise fehlte im Protokoll der Vorstandssitzung der Einschub „schon seit einiger Zeit“. „Abderhalden wollte Partei und Staat von der Leopoldina ablenken, indem er den – falschen – Eindruck eines lange schon praktizierten vorauseilenden Gehorsams erweckte.“ Einerseits wurden nicht alle jüdischen Mitglieder gestrichen, andererseits war dieser angebliche Zustand erst eine Woche vorher stillschweigend hergestellt worden, was Abderhalden durch die genaue Datierung in den Matrikelbüchern (im auffälligen Unterschied zu allen früheren gelegentlichen Streichungen) festhalten ließ, statt sie rückzudatieren oder nur – wie früher auch – mit Jahr zu vermerken, als sollte wenigstens die Nachwelt diese Diskrepanz schlussfolgern können, wenn sie den beschämenden Brief in die Hände bekommt, denn damals waren diese Archivalien für Außenstehende nicht einzusehen. Warum einige jüdische Mitglieder nicht gestrichen wurden, bleibt ungeklärt. Bei Ausländern mag es Unkenntnis gewesen sein, nicht aber bei dem Zuckerchemiker und Wissenschaftshistoriker Edmund Oskar von Lippmann, der 1935 wegen seiner jüdischen Herkunft an der hallischen Universität ausgeschlossen wurde und dennoch in der Leopoldina unangetastet blieb. Dass die Aussage im Brief Abderhaldens an Gauleiter und Minister wissentlich falsch war, belegt ein Brief von Lippmanns, der schon zur Festsitzung 1937 keine Einladung mehr erhielt, dafür aber mit dem Einschub „(ich hatte sie derzeit auch nicht erwartet)“ Verständnis zeigte und nur um eine Festschrift bat, was Abderhalden sofort veranlasste. Vermutlich unterließ Abderhalden, von Lippmann einzuladen (der natürlich im Mitgliederverzeichnis 1937 stand und in keiner der im Sekretariat für die aktuellen Einladungen usw. verwendeten Listen als gestrichen markiert war), um zu vermeiden, dass der bekannte und beliebte Gelehrte der einheimischen Nazi-Prominenz unter die Augen kam. So konnte er auch später vorschützen, von der jüdischen Herkunft des evangelisch getauften von Lippmann nichts gewusst und ihn deshalb nie gestrichen zu haben, weil auch die Universitätsspitze sich scheute, den wahren Grund für dessen Ausschluss von der Universität zu benennen, belegt für 1933 beim Entzug der Lehrerlaubnis, was Rektor Stieve mit von Lippmanns hohem Alter begründete (1933 war er 76 Jahre). Auch der Ophthalmologe Karl Wessely, 1929 u. a. auf Vorschlag von Abderhalden zum Mitglied gewählt, wurde niemals gestrichen, obwohl er 1935 von der Münchner Universität entlassen wurde. Auf seiner Karteikarte findet sich mit Bleistift der singuläre Vermerk „In Kartei d. Lebenden“, was zeigt, dass die Akademie von seinem Ausschluss erfahren haben wird, Abderhalden ihn aber dennoch nicht strich (analog zu von Lippmann). Die Streichungen behandelte die Akademie nach Abderhaldens brieflicher Mitteilung 1947 an Schlüter wie ruhende Mitgliedschaften: „Wir haben ja in der Nazizeit nie offiziell die jued. Mitglieder gestrichen, vielmehr ordnete ich an, dass sie nicht mehr verwendet werden sollten.“ Die vorangehenden Sätze in diesem Brief („Nie dachte ich auch nur im Traum daran, Aenderungen unter Bekanntgabe zu vollziehen. Im kleinen Gremium des Vorstandes sollte eine neue Mitgliederliste aufgestellt werden. Niemals sollten die in- und auslaendischen Mitglieder von dieser erfahren.“) sind von Schlüter, der als Vizepräsident der Akademie die Amtsgeschäfte in Halle führte, mit Bleistift angestrichen und er notierte am Rand, „das ist beinahe noch schlimmer“. Missverstanden blieb in der früheren Literatur, dass sich diese von Schlüter monierte Passage auf Abderhaldens Vorschlag in diesem Briefwechsel bezog, nun – nach dem Krieg – eine Mitgliederliste an die Berliner zuständigen Stellen zu schicken, in der diesmal die NS-belasteten Mitglieder ausgelassen werden sollten, um die Zulassung der Akademie nicht zu gefährden, eine neuerliche Manipulation, mit der Schlüter nicht einverstanden war. Da er aber den Vergleich mit dem Vorgehen in der Nazizeit nicht monierte, bestätigte er damit indirekt Abderhaldens Aussage dazu. Dass dies keine nachträgliche Beschönigung ist, bestätigen die Tatsachen: Die betreffenden Karteikarten wurden nachweislich nicht vernichtet, sondern aussortiert und hinter einem Vorhang versteckt, wie oben geschildert. Als sie am 9. Mai 1945 wieder einsortiert wurden, um maschinenschriftlich ein neues vollständiges Mitgliederverzeichnis zu erstellen, geschah dies mit den ursprünglichen Matrikelnummern, da sie nicht als freigeworden an andere vergeben waren wie bei definitiven Tilgungen. Letzteres ist belegt bei J. B. S. Haldane, der 1933 aus Protest gegen die Entlassungen und Verfolgungen jüdischer Wissenschaftler in Deutschland seinen Austritt erklärte, ein bemerkenswertes, wenn auch singuläres Beispiel, woraufhin ein neues Mitglied seine Matrikelnummer erhielt (Haldane wurde später wieder aufgenommen). Dennoch bleibt die Bestandsaufnahme beschämend. Nach neuesten Forschungen wurden insgesamt 94 Mitglieder aus politischen oder rassischen Gründen ausgeschlossen. Auch der nichtjüdische Pädiater Ernst Freudenberg wurde gestrichen, der 1938 in die Schweiz emigrierte, da er sich nicht von seiner jüdischen Ehefrau trennen wollte. Elf Mitglieder der Leopoldina verloren durch die NS-Gewaltherrschaft ihr Leben: Mit Ausnahme des Krakauer Gerichtsmediziners und Kriminologen Wachholz waren alle jüdischer Herkunft. In seiner Präsidentenrede zur Jahresversammlung 1991 machte Benno Parthier sich die Aufarbeitung der Geschichte der Akademie zum Anliegen und richtete Abbitte an die Kinder und Enkel der Opfer des Holocaust. Im Oktober 2009 stellte die Leopoldina in Halle (Saale) eine öffentlich zugängliche Gedenkstele für neun NS-Opfer auf, die vom Freundeskreis der Leopoldina finanziert wurde. Die Leopoldina war – allein wegen fehlender Forschungsinstitute – zwar nicht direkt involviert in die nationalsozialistische Rassenhygiene, aber deren wichtigste Vertreter wurden, wie auch in anderen Akademien, zu Mitgliedern gewählt, zumal sie anerkanntermaßen die damalige wissenschaftliche Genetik und Anthropologie vertraten. Als Präsident hatte Abderhalden das mitzuverantworten, auch wenn nur einige, soweit nachweisbar, von ihm selber mit vorgeschlagen wurden. 1939 veröffentlichte Abderhalden in der Akademiepublikation "Nova Acta Leopoldina" einen Beitrag zur "Rasse und Vererbung vom Standpunkt der Feinstruktur von blut- und zelleigenen Eiweißstoffen aus betrachtet", in dem er unter anderem behauptete, dass die Proteine des Gewebes und Blutes Rassenmerkmale enthielten: „Es zeigte sich, daß die einzelnen Rassen mittels der A. R. [Abderhalden-Reaktion, bezogen auf die sog. Abwehrfermente von Emil Abderhalden] scharf unterschieden werden konnten. Es kam in keinem einzigen Fall zu einer Fehldiagnose bei der Frage der Zugehörigkeit eines bestimmten Tieres zu einer bestimmten Rasse [untersucht wurden Schweine- und Schafrassen (daneben auch Varietäten von genetischen Versuchspflanzen)].“ Obwohl in der ganzen Abhandlung nichts über Menschenrassen ausgesagt ist, wurde sie später mit der NS-Rassenforschung indirekt in Verbindung gebracht, da seine biochemische Methode auch in der NS-Rassenforschung aufgegriffen wurde (→ "siehe" ausführlicher Emil Abderhalden, Kritik "2. Fehlende Abgrenzung zur nationalsozialistischen Rassentheorie"). 1943 lagerte die Leopoldina ihre wertvollen Bibliotheksbestände zum Schutz vor Bombenangriffen in das stillgelegte Kaliwerk Vereinigte Ernsthall in Wansleben am See aus – über 20.000 Bände, darunter einzigartige Handschriften, Goethe-Briefe, wissenschaftliche Tagebücher und mehrere Privatarchive von Gelehrten. Die Benutzung erfolgte nur noch stark eingeschränkt, weil die SS im Juni 1944 dort ein Außenlager des KZ Buchenwald zur unterirdischen Rüstungsproduktion errichtete. Der nachhaltigste Schaden entstand aber dadurch, dass der Großteil dieser Schätze von der sowjetischen Besatzungsmacht in die UdSSR abtransportiert wurde, von wo nach jahrzehntelangen Bemühungen nur ein Bruchteil wieder zurück gelangte. Sowjetische Besatzung und Deutsche Demokratische Republik. Trotz sofortiger Bemühungen, nach Kriegsende das Auslagerungsgut aus dem Kaliwerk Vereinigte Ernsthall zu bergen, wurde die wertvolle Bibliothek nach dem im Juli 1945 vollzogenen Wechsel der Besatzungsmacht in die Sowjetunion verbracht. Sowjetgeneral Kotikow kündigte deren Rückgabe anlässlich der Wiedereröffnung der Universität Halle am 1. Februar 1946 an; 1958 kam ein Teil (rund 12.000 Bücher) zurück, ein Großteil der wertvollsten Bücher blieb verschwunden, darunter Schriften von Avicenna, Giordano Bruno und Johannes Kepler. „Eine abschließende Übersicht über die Rückführung des Bergungsgutes vom Januar/Februar 1958 ergibt, daß das geschichtliche und biographische Archiv ziemlich vollständig zurückgekommen ist, das Nachlaßarchiv etwa zur Hälfte und die Schriften des Mitgliederarchivs zu einem Viertel (es fehlen die Monographien des Mitgliederarchivs). Die Handschriften sind zur Hälfte zurückgeführt. Die Bibliothek mit ihren ca. 7000 Bänden fehlt.“ Seit den 1980er Jahren tauchten vereinzelt Exemplare in Auktionshäusern in New York und Hamburg auf, die vermutlich schon vor der sowjetischen Übernahme des Schachts von Amerikanern im Alleingang entwendet wurden. Zugleich wurde um die Wiederzulassung der auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone bzw. DDR "de facto" weiterbestehenden Akademie gerungen. Die von anderer Seite geforderte Anbindung an die staatliche Akademie der Wissenschaften der DDR (damals „Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin“) – oder auch an die Sächsische Akademie der Wissenschaften in Leipzig, an den Kulturbund oder als Institut der Universität (!) – konnte verhindert werden; die Leopoldina blieb als gesamtdeutsche Vereinigung bestehen. Die Geschäfte der Akademie führte Vizepräsident Otto Schlüter (1872–1959) für den abwesenden Präsidenten Abderhalden, der beim Abzug der Amerikaner im Juni 1945 mit zahlreichen Wissenschaftlern der Region zwangsweise nach dem Westen evakuiert wurde, um sie nicht den nachrückenden Sowjets zu überlassen (da Abderhalden mit der Leitung beauftragt wurde, firmiert diese Zwangsevakuierung in der Literatur als Abderhalden-Transport). In zähen Verhandlungen mit den ostdeutschen Behörden und der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) erreichte Schlüter die Wiederzulassung der Leopoldina, die 1952 anlässlich des 300-jährigen Bestehens der Akademie mit einem Festakt unter Teilnahme hoher Regierungsvertreter und einem offiziellen Fackelzug von Studenten der Universität Halle – auf den überlieferten Bildern im Blauhemd der Freien Deutschen Jugend (FDJ) – gefeiert wurde. Eine im selben Jahr folgende Jubiläumsveranstaltung in Schweinfurt fand im Einvernehmen und mit einem Grußwort von Schlüter, vorgetragen vom hallischen Wissenschaftshistoriker Rudolph Zaunick (1893–1967), statt. Vorherige Bestrebungen von westdeutscher Seite, gefördert durch briefliche Missverständnisse zwischen Abderhalden und Schlüter, dort die Leopoldina als West-Akademie wiederzueröffnen, waren glimpflich abgewendet worden. In das nach dem Tod Abderhaldens (1950) vakante Präsidentenamt wurde nach der Wiederzulassung der Akademie der Geograph Otto Schlüter gewählt, der sich aber aus Altersgründen intensiv um einen jüngeren Nachfolger bemühte, sodass schon 1954 der Botaniker und Pflanzenphysiologe Kurt Mothes (1900–1983) dieses Amt übernahm. Das 1872 abgeschaffte Amt des "Director Ephemeridum" wurde 1954 für Rudolph Zaunick wieder eingeführt, der damit für alle Schriften der Akademie verantwortlich zeichnete. Wie Abderhalden bemühte sich Mothes um die internationale Reputation der Akademie mit gezielten Mitgliederzuwahlen aus dem Ausland, ohne im aufziehenden Kalten Krieg Unterschiede zwischen Ost und West zu machen, versuchte aber gleichzeitig, früher aus politischen Gründen unterlassene Zuwahlen nachzuholen. Die Kontakte mit den im ‚Dritten Reich‘ stillschweigend ausgeschlossenen und 1945 wieder eingesetzten Mitgliedern wurden anlässlich runder Geburtstage sorgfältig gepflegt und auch die Gratulation zu Einsteins 75. Geburtstag wurde vom Jubilar bedankt, womit andere deutsche Akademien kein Glück hatten. Die Akademie intensivierte den wissenschaftlichen Austausch – nun auch insbesondere zwischen Ost und West – durch wissenschaftliche Symposien und die alle zwei Jahre abgehaltenen Jahresversammlungen, diese im Wechsel mit den Versammlungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (GDNÄ). Die wissenschaftlichen Erträge wurden in den Bänden der "Nova Acta Leopoldina N.F." dokumentiert, unter demselben Namen, unter dem die Akademiezeitschrift von Abderhalden wiederbelebt worden war. Neben der neuen jährlichen Zeitschrift "Leopoldina (R. 3)", heute fortgeführt als "Jahrbuch", mit den Berichten über die monatlichen wissenschaftlichen Sitzungen wurde 1961 mit den "Acta Historica Leopoldina" eine wissenschaftshistorische Zeitschrift ins Leben gerufen, in der bis heute Monographien und Tagungsberichte publiziert werden. Der gesamtdeutsche Charakter der Akademie wurde durch den Wechsel der Jahresversammlungen zwischen Halle und Schweinfurt betont, was allerdings nur bis zum Mauerbau möglich war. Aus Protest sagte Mothes die für Oktober 1961 in Schweinfurt geplante Jahresversammlung ersatzlos ab, weil nicht mehr alle Mitglieder aus dem Osten hätten daran teilnehmen dürfen. Mit dem gleichen Affront konterte er 1970 auch das Verbot der Einreise von Wissenschaftlern aus Israel zu einem geplanten Amyloid-Symposium, obwohl 1961 seitens des Ministeriums schwere Vorwürfe wegen der eigenmächtigen Absage erhoben wurden. Offiziell gültige Statuten hatte die Leopoldina während der gesamten DDR-Zeit nicht. Vom Senat Ende der 1960er Jahre beschlossene Neufassungen blieben ministeriell unbestätigt und wurden nur akademieintern angewandt, da keine Einigung mit dem zuständigen Ministerium erzielt werden konnte. Als Druckmittel kamen gelegentlich – beispielsweise nach der Absage der Jahresversammlung 1961 in Schweinfurt, „um die Leopoldina mit allen Mitteln lahmzulegen“ – Kürzungen der staatlichen finanziellen Unterstützung zum Einsatz, von Seiten der Akademie die unterschwellige Drohung, durch den von westdeutschen Mitgliedern dominierten Senat den Sitz der Leopoldina in die Bundesrepublik zu verlagern. Ein deutliches Signal war schon die dauerhafte Etablierung eines westdeutschen Mitglieds als „auswärtigen“ Vizepräsidenten, zuerst 1955 bis 1960 wahrgenommen von Nobelpreisträger Adolf Butenandt (1903–1995). Der Prestigegewinn durch die Teilnahme internationaler wissenschaftlicher Prominenz an den Jahresversammlungen der Leopoldina in Halle und die internationale Resonanz zählten aber für die DDR-Führung schließlich doch mehr als ihre Lahmlegung, so dass die Akademie weitgehend frei von staatlicher Einflussnahme ihrem gesamtdeutschen Charakter treu bleiben konnte, sowohl in der zweimal zehnjährigen Amtszeit (statutengemäß seit 1872) von Mothes als auch unter seinem Nachfolger seit 1974, dem Physiker Heinz Bethge (1919–2001). Mit dem Biologiehistoriker Georg Uschmann (1913–1986) als Direktor des Archivs seit 1967 konnte in der Folge sukzessive die akademieeigene wissenschaftshistorische Arbeit in bescheidenem institutionellem Rahmen ausgebaut werden, während ein ähnliches Ansinnen von ministerieller Seite nach der Wiedereröffnung 1952, „der Leopoldina ein wissenschaftshistorisches Institut anzugliedern“, durch die Akademie abgewehrt wurde, um das Archiv nicht dem Zugriff von außen zu öffnen. Bethge konnte auf den schon im Zusammenhang mit dem Bibliotheksbau 1903/04 von der Akademie weitsichtig erworbenen Grundstücken mit Geldern der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung unter Beteiligung der Volkswagenstiftung ein modernes Hörsaalgebäude errichten lassen, das 1988 eingeweiht wurde. Zugunsten eines jüngeren Nachfolgers wurde 1989 der Pflanzenbiochemiker Benno Parthier (1932–2019) gewählt, noch ohne jede Ahnung, dass der Amtswechsel im Juni 1990 mit der Währungsunion und mit dem Jahr der deutschen Wiedervereinigung zusammenfallen würde. Nach der Wiedervereinigung. Seit 1991 hat die Leopoldina den privatrechtlichen Status eines eingetragenen Vereins (Statut vom 5. April 1991, amtlich registriert seit Januar 1992, mit der Verringerung der Amtszeit des Präsidenten von zehn auf sieben, seit 1998 auf fünf Jahre bei einmaliger Wiederwahl). Mit dem Wegfall der deutsch-deutschen Grenze wurde die Rolle der Akademie als einer wirkungsvollen Klammerfunktion für die Wissenschaften aus beiden deutschen Staaten überflüssig, aber zugleich entstanden ihr neue Wirkungsfelder, international und interdisziplinär, sowie mit einem Leopoldina-Förderprogramm für junge Wissenschaftler, im Jahre 2000 auch mit der Gründung der Jungen Akademie für den Nachwuchs, gemeinsam mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Unter den 1996 von Georgien zurückgegebenen 100.000 Beutebüchern befanden sich auch einige aus dem Besitz der Leopoldina, die aber noch 6.902 Exemplare vermisst. Am 11. Juli 2008 fanden deutsche Journalisten in Tiflis weitere 100.000 Bücher, darunter auch Exemplare der Leopoldina. Diese sollten im Herbst 2009 zurückgegeben werden. Eine Rückgabe im größeren Stil hat jedoch bislang nicht stattgefunden. Lediglich einzelne Bücher und Gemälde wurden seit 2009 im Rahmen diplomatischer Anlässe zurückgegeben. Die Akademie im 21. Jahrhundert. 2008 wurde die Leopoldina zur Nationalen Akademie der Wissenschaft erhoben. Als solche soll sie die Zusammenarbeit von Politik und Wissenschaft fördern und dabei je nach Themenbereich vor allem mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) und der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) zusammenarbeiten. Die Leopoldina ist Mitglied in der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen. Benno Parthier hatte sich als Präsident der Leopoldina zwar wiederholt für die Verstrickungen von Mitgliedern der Akademie „in das inhumane Vernichtungswerk des nationalsozialistischen Regimes“ entschuldigt, dennoch attestierte man Abderhalden, dass es ihm „weitgehend [gelungen sei], die Leopoldina vor dem totalitären staatlichen Zugriff im Nationalsozialismus, soweit das in der damaligen Zeit überhaupt möglich war, zu bewahren“. Akademiepräsident Volker ter Meulen weihte am 1. Oktober 2009 eine Gedenkstele für die NS-Opfer aus der Leopoldina in Anwesenheit des Landesrabbiners Flonemann ein und legte in seiner Ansprache dabei auch das Ausmaß von Abderhaldens Verstrickung offen. Die Leopoldina führt auf ihrer Homepage den Präsidiumsbeschluss zur Streichung aller jüdischen Mitglieder vom 23. November 1938 und die entsprechende Vollzugsmeldung an Gauleiter und Minister vom 7. Dezember 1938 auf. Beide werden aber nach neueren Forschungsergebnissen als „Schutzbehauptung anstelle von vorauseilendem Gehorsam“ angesehen. Die unkommentierte Veröffentlichung dieser Dokumente, als gäben sie Tatsachen wieder (was nachweislich nicht stimmt), führte zu dem Vorurteil von Abderhaldens angeblich vorauseilendem Gehorsam bei der Streichung jüdischer Mitglieder, weil er das selbst – zum Schutz der Akademie – der Obrigkeit suggeriert hatte. Stattdessen wurde übersehen, dass die Leopoldina durch Abderhaldens klug vorausschauendes Agieren die einzige deutsche Akademie und wissenschaftliche Gesellschaft blieb, „die ihre jüdischen Mitglieder "nicht" in der Öffentlichkeit durch Ausschluss diskriminierte“. Am 22. September 2009 erwarb die Leopoldina das ehemalige Logenhaus Zu den drei Degen, das bis Ende 2011 saniert, im Mai 2012 im Rahmen eines Festaktes feierlich eingeweiht wurde und seitdem als Hauptsitz der Akademie genutzt wird. Am 9. November 2010 hatte die „Grundsteinlegung“ stattgefunden. Seit Juli 2009 ist die Leopoldina mit einem Hauptstadtbüro in der Reinhardtstraße in Berlin vertreten. Am 1. Oktober 2009 wählte der Senat der Leopoldina Jörg Hacker in geheimer Abstimmung zum hauptamtlichen Präsidenten. Am 26. Februar 2010 wurde ihm feierlich das Amt übergeben, das er zum 1. März 2010 antrat. 2014 wurde er wiedergewählt. Ende 2019 wurde der Klimaforscher Gerald H. Haug zu seinem Nachfolger gewählt, nachdem Hacker nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren konnte. Haug tritt dafür ein, die Leopoldina als Ratgeberinstanz der Politik durch beschleunigte Klärungsprozesse und Stellungnahmen wirksamer ins Spiel zu bringen. Oft habe sich die Leopoldina mit ihren Papieren so viel Zeit gelassen, wird Haug in der "Zeit" zitiert, dass die politischen Entscheidungen am Tag der Veröffentlichung schon fast gefallen waren oder bereits nicht mehr auf der Tagesordnung standen. Zudem strebe er in der Leopoldina einen höheren Frauenanteil als die aktuelle Quote von 14 Prozent an. Die Akademie gibt Stellungnahmen zu verschiedenen Themen heraus. Besonders medienwirksam waren die Stellungnahmen zur nationalen Klimapolitik im Juli 2019 – speziell zur Einführung einer CO2-Steuer. Bis Ende 2020 hat die Leopoldina sieben Stellungnahmen und weitere Publikationen zur Coronavirus-Pandemie veröffentlicht. Im April 2020 legte die Leopoldina eine Stellungnahme zur Coronavirus-Pandemie vor, die laut Bundeskanzlerin Merkel eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für die Gestaltung weiterer Maßnahmen gegen die COVID-19-Verbreitung in Deutschland bilden solle. Dazu hieß es in der "Zeit", dass diese Stellungnahme der Leopoldina, die auch einen Weg zurück zur Normalität habe weisen sollen, „von manchen Fachleuten regelrecht zerlegt“ worden sei: „zu viele Phrasen, die Vorschläge wirklichkeitsfremd.“ Personen. Ehrenmitglieder. Die Leopoldina-Ehrenmitgliedschaft ist die höchste Auszeichnung der Akademie für Mitglieder, die sich in besonderem Maße als Wissenschaftler und für die Akademie verdient gemacht haben. Bekannte Mitglieder. Insgesamt erhielten bisher 179 Mitglieder der Leopoldina einen Nobelpreis. Berühmte Mitglieder der Leopoldina waren unter vielen anderen: "Siehe auch:" Die Leopoldina als Namensgeber. Der Asteroid (893) Leopoldina ist nach der Leopoldina benannt. In der Gründungsstadt trägt weiterhin das Leopoldina-Krankenhaus Schweinfurt aufgrund der Gesellschaft diesen Namen.
Eduard Reinhold Karl Schulte (* 4. Januar 1891 in Düsseldorf; † 6. Januar 1966 in Zürich) war ein deutscher Industrieller. Er war Generaldirektor des größten deutschen Zinkproduzenten Georg von Giesches Erben und ein Gegner des Nationalsozialismus, der im Juli 1942 Informationen über die Ermordung der europäischen Juden in den NS-Vernichtungslagern an England und die Vereinigten Staaten weitergab. Ausbildung und berufliche Entwicklung. Schulte wurde in eine großbürgerliche Düsseldorfer Familie geboren. Er studierte nach dem Abitur in Bonn, Köln und Erlangen Rechtswissenschaft, wurde 1912 promoviert und begann seinen beruflichen Werdegang 1913 als Wirtschaftsjurist in der Berliner Handels-Gesellschaft, damals eine der größten deutschen Banken. Im Ersten Weltkrieg war er 1916 im Beschaffungsamt des Kriegsministeriums für die kriegswichtige Erzeugung von Fetten zuständig und damit auch für die deutsche Seifenproduktion. Diese Kontakte waren ihm nützlich, um 1921 Geschäftsführer der Sunlicht-Seifenfabrik AG in Mannheim zu werden, einer Vorläuferin des Unilever-Konzerns. 1925, mit 35 Jahren, wurde Schulte Generaldirektor des Bergwerkskonsortiums „Bergwerksgesellschaft Georg von Giesche’s Erben“ mit 30.000 Mitarbeitern. Laut der „New York Times“ waren die Giesche-Werke eines der „wertvollsten Unternehmen in Europa“. 1926 übernahmen US-amerikanische Investoren um W. Averell Harriman und die Privatbank "Brown Brothers Harriman" gemeinsam mit dem Bergwerks-Trust Anaconda Copper Mining die „Giesche Company“. Mit der Übernahme wurde das Unternehmen als „Silesian-American Corporation“ („Schlesisch-Amerikanische Gesellschaft“) in Delaware registriert, der Geschäftsführer wurde Prescott Bush. Giesche betrieb zwischen den beiden Weltkriegen eines der größten Zinkbergwerke Europas und förderte 40 Prozent des gesamten polnischen Zinks, war mit einer jährlichen Förderung von 3.500.000 Tonnen einer der größten Steinkohleförderer und besaß Hüttenwerke, Walzwerke und weitere Industrieanlagen sowie umfangreiche Land- und Forstwirtschaftsflächen. Der Produktionsmanager war Otto Fitzner, ein Veteran der NSDAP und enger Bekannter von Karl Hanke, einem der führenden Nationalsozialisten in Schlesien. Mit der Besetzung Polens durch das Deutsche Reich wurde das Konsortium 1940 unter deutsche Verwaltung gestellt. Ein Generalmanager der US-Interessenvertretung saß in der Schweiz. Die Geschäftsbüros der Giesche Company befanden sich in der Nähe von Birkenau, dem Standort des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Das Hauptgeschäft war die Gewinnung von Zink, einem kriegswichtigen Rohstoff. 1933 traf Schulte erstmals mit Führern des nationalsozialistischen Deutschlands, unter anderen mit Adolf Hitler, zusammen und wandte sich, zumindest innerlich, von deren Politik ab. Er war Teilnehmer des Geheimtreffens vom 20. Februar 1933, bei dem Hitler vor führenden Wirtschaftsvertretern seine politischen Ziele darlegte. Schultes Rolle in der Produktion kriegswichtiger Güter sorgte für seine Ernennung zum Wehrwirtschaftsführer. Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Beruflich reiste Eduard Schulte viel zwischen dem Firmensitz Breslau und Zürich, wo Finanzgeschäfte, unter anderem auch an der polnischen Regierung vorbei, abgewickelt wurden. Ab 1939 wurde er über einen polnischen Agenten zu einem wichtigen Informanten für jüdische Organisationen, die Schweiz und Geheimdienste der Alliierten. Aufgrund seiner Tätigkeit war ihm die Struktur der deutschen Kriegswirtschaft inklusive des Zwangsarbeitersystems und der Konzentrationslager bekannt. Geheime Informationen erhielt Schulte durch seinen Stellvertreter Otto Fitzner, einen fanatischen Nationalsozialisten und Freund des schlesischen Gauleiters Karl Hanke, sowie seinen Vetter Hermann, der für die deutsche Abwehr arbeitete; so hatte er schon im April 1941 Kenntnis vom geplanten Angriff auf die Sowjetunion, welcher am 22. Juni desselben Jahres erfolgte. 1942 erfuhr Eduard Schulte von der beabsichtigten „Endlösung der Judenfrage“, nachdem Fitzner am 17. Juli 1942 an einem Zusammentreffen der oberschlesischen NSDAP-Gauleitung mit Heinrich Himmler teilgenommen hatte. Über einen Geschäftspartner, Isidor Koppelmann, und Benjamin Sagalowitz, einen jüdischen Journalisten, der in der Schweiz die Informations- und Pressestelle der "Jüdischen Nachrichten" aufgebaut hatte, gab Eduard Schulte im Juli 1942 die Information über den Beginn der systematischen Vernichtung der Juden in Deutschland an Gerhart M. Riegner weiter, damals Vertreter des Jüdischen Weltkongresses in der Schweiz. Riegner leitete die Nachricht an die zuständigen Stellen der Alliierten weiter. Es enthielt die alarmierende Nachricht, im Führerhauptquartier sei „der Plan diskutiert und erwogen worden, in deutsch besetzten und kontrollierten Ländern alle Juden, eine Anzahl von 3½ bis 4 Millionen, nach Deportation und Konzentration im Osten mit einem Schlag auszurotten, um ein für alle Mal die Judenfrage in Europa zu lösen Stop (…) Blausäure in Diskussion Stop (…)“. Das Telegramm traf im Außenministerium der Vereinigten Staaten und im britischen Außenministerium ein. Die Diplomaten des US-Außenministeriums leiteten es nicht weiter – das Ganze sei nur „ein wildes, von jüdischen Ängsten inspiriertes Gerücht“, hieß es in der Fehleinschätzung des Office of Strategic Services (OSS), des Geheimdienstes des US-Kriegsministeriums. Besonders der Hinweis auf Blausäure wurde als unglaubwürdig eingestuft. Zyklon B, das Gas, welches in den Vernichtungslager zum Massenmord eingesetzt wurde, war Blausäure in Granulatform. Bereits Riegner vermutete hinter dem Desinteresse antisemitische Beweggründe der kontaktierten Diplomaten. Eine spätere Untersuchung bestätigte seine Vermutung. Es war Sydney Silverman, einem jüdischen Parlamentsmitglied der Labour-Party, zu verdanken, dass Schultes Nachricht schließlich trotz der Informationsblockade des US-Außenministeriums zu Stephen Wise, dem Gründer und Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses, durchdrang. Im November 1942 wurde die Silesian American Corporation unter direkte Regierungskontrolle der USA unterstellt. Der Beschlagnahmungsbefehl aufgrund des Gesetzes über Handel mit dem Feind beschrieb die Schlesisch-Amerikanische Gesellschaft als eine „US Holding Company mit deutschen und polnischen Tochterfirmen“, die große und wertvolle Kohle- und Zinkbergwerke in Schlesien, Polen und Deutschland kontrollierten. Weiter hieß es da, dass diese Besitztümer seit September 1939 (als Hitler den Zweiten Weltkrieg begann) unter Kontrolle des Naziregimes gestanden hätten, das sie in den Dienst des Krieges gestellt habe. Erst im Dezember 1942 veröffentlichten die Alliierten eine Erklärung gegen die deutsche Politik der Judenvernichtung. Schulte unternahm es darüber hinaus, einen befreundeten jüdischen Unternehmer rechtzeitig zu warnen, und unterstützte ihn, so dass dieser sich mit seiner Familie in Sicherheit bringen konnte. Seinen Einsatz hätte Schulte fast mit seinem Leben bezahlt: Ende 1943 wurde er verraten, konnte aber rechtzeitig von Breslau in die Schweiz fliehen, nachdem er vor einer drohenden Verhaftung gewarnt worden war. Er blieb in Zürich, finanziell unterstützt von dortigen Geschäftsfreunden und Bankiers. Er arbeitete hier mit Allen Dulles zusammen, der für das OSS tätig war, und entwarf Pläne für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach dem Krieg. Im August 1945 ging Schulte als Berater der amerikanischen Militärregierung nach Berlin, wurde aber trotz seiner Verdienste nicht in die engeren Entscheidungskreise beim Wiederaufbau Deutschlands mit einbezogen. Daher verließ er Deutschland 1946 wieder und kehrte in die Schweiz zurück. Ein Lastenausgleich für seine Verluste an der Gesellschaft Georg von Giesches Erben blieb ihm als Wehrwirtschaftsführer verwehrt. In der Folge lebte er zurückgezogen in der Schweiz und starb Anfang 1966, zwei Tage nach Vollendung seines 75. Lebensjahrs, in Zürich. Als seine Witwe für die Verluste im Osten staatliche Entschädigungsleistungen beantragte, verweigerten die Richter der Bundesrepublik Deutschland das unter Hinweis auf die von ihnen als Straftat gewertete Weitergabe von Informationen an die Alliierten, also als Verrat. Eduard Schulte wurde im Familiengrab auf dem Nordfriedhof in Düsseldorf beigesetzt. Ehrung. Dass Schulte die Quelle der Informationen für das berühmte Riegner-Telegramm war, blieb ein wenig bekanntes Geheimnis, bis es von Historikern Ende der 1970er-Jahre ausgegraben wurde. 1986 zeichneten die Historiker Walter Laqueur und Richard Breitman in ihrem Buch "Breaking The Silence" ein detailliertes Porträt Schultes. In Schultes Geburtsstadt Düsseldorf trägt eine kleine Straße seit dem 18. Mai 1993 seinen Namen. Die örtliche Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten hatte eine solche Ehrung beantragt. Nach Auffassung Bernward Dörners war Schulte „die wohl wichtigste Einzelperson, von der die internationale Öffentlichkeit erfuhr, dass Hitler tatsächlich alle europäischen Juden in seinem Herrschaftsbereich physisch vernichten wollte“.
Das gespaltene Dorf (Originaltitel: "Mon cher petit village") ist eine deutsch-französische Filmkomödie von Gabriel Le Bomin aus dem Jahr 2015. In den Hauptrollen sind Laurent Stocker und Katja Riemann zu sehen. Der Film ist der französische Beitrag zum Projekt "Tandem – zwei Filme, ein Thema", mit dem die deutsch-französische Koproduktion im Bereich Fernsehfilm gefördert werden soll. Das deutsche Pendant ist der Spielfilm "Tag der Wahrheit" von Anna Justice. Handlung. Der Ingenieur Antoine Degas arbeitet für die "Agentur für die Entsorgung radioaktiver Abfälle" (AERA) und wird von seinem Unternehmen in das verschlafene französische Dorf Saint-Lassou geschickt. Die AERA plant, auf Grund der günstigen geologischen Besonderheiten rund 500 Meter unter dem Dorf ein Endlager für radioaktive Abfälle zu errichten. Degas soll bei dem dortigen Bürgermeister des Dorfes für das Projekt werben und die Einwohner von den Vorteilen für das Dorf überzeugen. Doch schon die Anfahrt zum Dorf erweist sich als schwierig. Sein Navigationsgerät findet nicht den korrekten Weg und schließlich baut Degas einen Unfall, als er einer Herde Kühe ausweichen muss. Der Landwirt Florian hilft Antoine bei der Bergung seines Autos. Es stellt sich heraus, dass er der Ehemann der Bürgermeisterin Anna ist. Diese will ihr Dorf ökologisch entwickeln und perspektivisch gänzlich mit erneuerbarer Energie versorgen. Sie ist deutschen Ursprungs, hat aber extra die französische Staatsbürgerschaft angenommen, um in dem kleinen Dorf zur Bürgermeisterin gewählt werden zu können. Florian hat auch eine ingenieurwissenschaftliche Ausbildung. Er ist Anna zuliebe in das Dorf gezogen und hat vor einigen Jahren seine Arbeit verloren. Seither hilft er seiner Frau, die neben ihrer Arbeit als Bürgermeisterin einen Bauernhof betreut. Anna ist entsetzt, als ihr Antoine von den Plänen der AERA erzählt. Er lässt sich jedoch nicht beirren und beginnt, mit Charme und viel Geld nach und nach die Bewohner des Dorfes auf seine Seite zu ziehen. So verspricht er beispielsweise dem Kneipenbesitzer Gérard, dass er seine Pension erweitern könnte, wenn künftig die Ingenieure der AERA zur Erkundung nach Saint-Lassou kommen. Einem anderen Ehepaar kauft er für 300 Euro ein Lamm ab und verspricht ihnen ebenfalls rosige Zeiten. Anna gerät mehr und mehr unter Druck. Sie organisiert mit Hilfe ihrer Freundin, der Dorfärztin Sandrine, eine Demonstration und startet eine Petition gegen das Vorhaben. Doch sie muss erkennen, dass sich immer mehr Bewohner von den Vorteilen verlocken lassen, die die AERA durch ihren Einfluss und die hohe Kapitalausstattung mit sich bringt: Antoine lässt einen Veranstaltungsraum renovieren und schafft es, innerhalb einer Woche die bereits lange geschlossene Dorfschule wieder eröffnen zu lassen – hierfür hatte Anna bislang fünf Jahre lang vergebens gekämpft. Und auch ihr Mann wendet sich ab, als Antoine ihm einen Job bei der AERA verspricht. Der Druck auf Anna wächst, als die Geologin Elisabeth zu Antoine hinzustößt. Gemeinsam inspizieren sie einen alten Stollen und informieren die Bevölkerung über die geplanten Baumaßnahmen. Anna weiß sich nicht mehr anders zu helfen und greift mit Hilfe von Sandrine zu einem Trick. Sie besorgt sich einige leere Fässer, in denen zuvor Dünger enthalten war. Die beiden Frauen bringen dort Warnhinweise auf Radioaktivität an, verschmutzen die Fässer und deponieren sie in dem alten Stollen. Anschließend werden die Fässer „zufällig“ entdeckt und die beiden Frauen lassen die Einwohner glauben, dass die AERA sie bereits vor 40 Jahren dort heimlich entsorgt hätte. Die Stimmung scheint sich gegen Antoine zu wenden, doch er kommt hinter die Finte und stellt Anna vor den Dorfbewohnern zur Rede. Anna will ihr Amt aufgeben und ist verzweifelt, doch ihr Mann wendet sich ihr wieder zu. Und auch Antoine erkennt die Schönheit des Dorfes. Als er erste Baupläne der AERA sieht, muss er feststellen, dass große Landstriche überbaut werden. Er beginnt am Sinn seiner Mission zu zweifeln. Der Zufall will es, dass genau an dem Tag, als der Energieminister eine Erklärung zur geplanten Endlagerstätte abgeben will, der veraltete Stromverteiler des Ortes durch eine Fehlfunktion in Brand gerät und zerstört wird. Der Minister glaubt, dass dies eine konzertierte Aktion von Atomkraftgegnern gewesen ist und nimmt von seinen Plänen zunächst Abstand, an dieser Stelle das Endlager zu errichten. Die Dorfbewohner sind für einige Tage ohne Strom, machen jedoch das Beste aus der Situation. Sie feiern bei Kerzenlicht mit den aufgetauten Lebensmitteln aus den Tiefkühltruhen ein Fest, bei dem auch Antoine mit Anna feiert. Er eröffnet ihr, dass ihm von der AERA gekündigt worden ist, weil es ihm nicht gelungen ist, die Pläne des Unternehmens durchzusetzen. Außerdem plant er, gemeinsam mit seinem Lebensgefährten in das Dorf zu ziehen. In der letzten Einstellung sieht man Antoine, der gut gelaunt mit seinem Auto über das Land fährt. Ihm kommt ein anderes Fahrzeug entgegen, in dem sein Nachfolger die Pläne der AERA weiter verfolgen soll. Auch er scheitert an der fehlerhaften Navigation. Kritik. Die Fernsehzeitschrift TV Spielfilm kritisiert, dass „altgediente Gorleben-Kämpfer“ den Film als „zu nett“ empfinden könnten. Dennoch empfiehlt sie den Film als „Leichter Spaß mit etwas Tiefenschärfe“. Tilmann Gangloff von der Stuttgarter Zeitung lobt die schauspielerische Leistung des Komödianten Laurent Stocker in der Rolle als Antoine. Außerdem begrüßt er die „großen und kleinen Geschichten am Rande“. Als Beispiel führt er an, dass die Bewohner zum Telefonieren mit einem Mobiltelefon auf den Friedhof des Dorfes gehen müssen, um über einen ausreichenden Empfang zu verfügen (Die Bürgermeisterin hatte den Funkmast aus Sorge vor der Strahlenbelastung in den angrenzenden Wald setzen lassen). Hintergrund. Arte hat sich zum Ziel gesetzt, die Koproduktion von Fernsehfilmen zwischen Frankreich und Deutschland zu verbessern. Dazu will man Themen aus Sicht beider Länder verfilmen, um damit Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten in den Sichtweisen aufscheinen zu lassen. Der Film "Tag der Wahrheit" bildet dabei den Auftakt. Er wurde am 8. Januar 2015 auf Arte ausgestrahlt. Als gemeinsames Thema wählte man die Atomenergie, um die mehrheitlich unterschiedlichen Einstellungen der Bevölkerungen beider Länder zu thematisieren. Arte-Vizepräsident Gottfried Langenstein löste den vermeintlichen Widerspruch mit der Frage auf: „[Was]… könnte vielversprechender für eine spannende Filmstory sein als widersprüchliche Situationen und Charaktere?“. Vicky Krieps spielt in diesem Film eine Geologin. Im deutschen Pendant ist sie als ermittelnde Staatsanwältin zu sehen, ebenso Hauptdarsteller Laurent Stocker in einer Nebenrolle als Atomtechniker.
Das Teller County ist ein County im Zentrum des US-Bundesstaats Colorado. Der Verwaltungssitz (County Seat) ist Cripple Creek. Geographie. Das County liegt im Osten von Colorado und hat eine Fläche von 1448 Quadratkilometern, wovon 5 Quadratkilometer Wasserflächen sind. Es grenzt im Uhrzeigersinn an die Countys Douglas im Norden, El Paso im Westen, Fremont im Süden bzw. Südosten und Park im Osten. Der U.S. Highway 24 führt durch das County über den Ute Pass. Geschichte. Das Zentrum Colorados war gleichfalls Mittelpunkt des Colorado Gold Rush im späten 19. Jahrhundert. Durch das County zieht sich auch der sog. Gold Belt Byway, eine Verbindungsstraße, die unterschiedliche Minen miteinander verband. Heute ist der Gold Belt Byway eine Straße, von der aus Panoramaansichten des zerklüfteten Geländes möglich sind. Das County wurde 1899 aus dem westlich des Pikes Peak gelegenen Teil gelöst, nachdem die dortigen Minenarbeiter von den Männern des Sheriffs von El Paso County schikaniert wurden. Die Minenarbeiter organisierten sich und bildeten ihre eigene „Regierung“ in Cripple Creek. Teller County ist nach dem einstigen Innenminister aus Colorado, Henry Moore Teller, benannt. Demografische Daten. Nach der Volkszählung im Jahr 2000 lebten im County 20.555 Menschen. Es gab 7.993 Haushalte und 5.922 Familien. Die Bevölkerungsdichte betrug 14 Einwohner pro Quadratkilometer. Ethnisch betrachtet setzte sich die Bevölkerung zusammen aus 94,92 Prozent Weißen, 0,55 Prozent Afroamerikanern, 0,97 Prozent amerikanischen Ureinwohnern, 0,58 Prozent Asiaten, 0,08 Prozent Bewohnern aus dem pazifischen Inselraum und 0,90 Prozent aus anderen ethnischen Gruppen; 2,00 Prozent stammten von zwei oder mehr Ethnien ab. 3,49 Prozent der Gesamtbevölkerung waren spanischer oder lateinamerikanischer Abstammung. Von den 7.993 Haushalten hatten 33,6 Prozent Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre, die bei ihnen lebten. 64,2 Prozent waren verheiratete, zusammenlebende Paare, 6,6 Prozent waren allein erziehende Mütter. 25,9 Prozent waren keine Familien. 19,6 Prozent waren Singlehaushalte und in 4,0 Prozent lebten Menschen im Alter von 65 Jahren oder darüber. Die Durchschnittshaushaltsgröße betrug 2,56 und die durchschnittliche Familiengröße lag bei 2,94 Personen. Auf das gesamte County bezogen setzte sich die Bevölkerung zusammen aus 25,9 Prozent Einwohnern unter 18 Jahren, 5,6 Prozent zwischen 18 und 24 Jahren, 31,2 Prozent zwischen 25 und 44 Jahren, 29,8 Prozent zwischen 45 und 64 Jahren und 7,5 Prozent waren 65 Jahre alt oder darüber. Das Durchschnittsalter betrug 39 Jahre. Auf 100 weibliche Personen kamen 102,7 männliche Personen, auf 100 Frauen im Alter ab 18 Jahren kamen statistisch 100,9 Männer. Das jährliche Durchschnittseinkommen eines Haushalts betrug 50.165 USD, das Durchschnittseinkommen der Familien betrug 57.071 USD. Männer hatten ein Durchschnittseinkommen von 37.194 USD, Frauen 26.934 USD. Das Prokopfeinkommen betrug 23.412 USD. 5,4 Prozent der Bevölkerung und 3,4 Prozent der Familien lebten unterhalb der Armutsgrenze. Darunter waren 6,9 Prozent der Bevölkerung unter 18 Jahren und 4,2 Prozent der Einwohner ab 65 Jahren.
Die Turbon AG ist ein börsennotierter Anbieter von wiederbefüllten Tonerkartuschen für Laserdrucker. Turbon sammelt gebrauchte Kartuschen ein, recycelt diese in Werken in Rumänien, Thailand und Mexiko und vertreibt sie weltweit, mit Schwerpunkt Europa und USA. Nach eigenen Angaben ist das Unternehmen einer der größeren Anbieter in einer sehr wettbewerbsintensiven Branche. Zum Turbon-Konzern gehört auch die Multimediaagentur "Bright Parameters" in Hattingen. Marken. Turbon-Produkte werden unter verschiedenen Eigen- und Fremdmarken angeboten. Hierzu zählen: Standorte. Am Hauptsitz Hattingen befindet sich die börsennotierte Holding und die Vertriebszentrale für Europa. Das US-Geschäft ist in der "Turbon USA, Inc." in Pennsauken (New Jersey) gebündelt, mit Logistikstandorten in York (Pennsylvania), und San Diego (Kalifornien). Die Produktion ist wegen günstiger Lohnstückkosten in Calarasi (Rumänien), Bled (Slowenien), Bangpoo (Samut Prakan, Thailand) und Mexiko angesiedelt, sowie in Feldkirchen in Kärnten (Österreich). Die Standorte in Kalifornien und Mexiko wurden 2014 mit dem US-Wettbewerber "International Laser Group" übernommen; Slowenien und Österreich kam 2015 mit der Übernahme der österreichischen Partnerunternehmens "Embatex AG" hinzu. Geschichte. Das Unternehmen wurde 1962 als "Turbon International GmbH" gegründet. Zweck war Herstellung und Vertrieb von „schreibtechnischen Produkten aller Art“ sowie der Handel mit Schreib- und Rechenmaschinen und Zubehör. Mit Aufkommen der elektronischen Datenverarbeitung wurde das Sortiment um entsprechende bürotechnische Artikel ergänzt. Zum Hauptprodukt wurden Farbbänder, insbesondere für Matrixdrucker. Später kamen wiederbefüllte Tintenpatronen, einfarbige und schließlich verschiedenfarbige Kartuschen für Laserdrucker hinzu. Der Wechsel der Drucktechnologien stellte das Unternehmen immer wieder vor die Herausforderung, das Geschäftsmodell und die Produktion auf eine neue Technologie umzustellen. Heute werden Laserkartuschen als einziges Produkt genannt. Dabei entfallen ca. 80 Prozent des Umsatzes auf monochrom- und 20 Prozent (Tendenz steigend) auf Farbprodukte (Stand 2014). Im Boomjahr 2000 erzielte Turbon Rekordumsatzerlöse von rund 300 Mio. DM. Bis 2013 halbierte sich der Umsatz durch Wettbewerbsdruck, Verlust von Großkunden und Aufgabe unrentabler Produkte auf 75 Mio. €. Dabei blieb Turbon stets profitabel, mit EBIT-Margen zwischen 1 und 9 % (8 % im Jahr 2013), und zahlte regelmäßig Dividenden. Die Übernahme von "International Laser Group" und eines weiteren US-Unternehmens hob den Umsatz 2014 wieder über 100 Mio. €. Damit entfiel die Hälfte des Geschäfts auf Nordamerika. Börsennotierung und Aktionäre. Turbon ist seit 1991 börsennotiert, heute im regulierten Markt in Frankfurt. Nach dem Börsengang hielt der Gründer und Vorstandsvorsitzende Klaus Turbon 67,5 % der Aktien; der Rest war im Streubesitz. Ende der 1990er Jahre verkaufte der Hauptaktionär ca. 26 % der Firmenanteile an den Drucker- und Druckmaterialhersteller NCR, während die übrigen Familienanteile auf den neuen Vorstandsvorsitzenden Holger Brückmann-Turbon übergingen. Im Juni 2014 kaufte Holger Brückmann-Turbon die NCR-Anteile zurück und hält seitdem knapp 75 % der Aktien. Der Rückkauf finanzierte er durch hohe Sonder-Dividendenausschüttungen, die den Aktienkurs in einem Niedrigzinsumfeld auf neue Höchststände trieben. Die Differenz zu den ursprünglichen 67,5 % erklärt sich durch Aktienrückkäufe der Gesellschaft.
Andreas war nach dem Neuen Testament ebenso wie sein Bruder Simon Petrus ein Apostel des Jesus von Nazaret. Leben und Legende. Neues Testament. Gemäß der christlichen Bibel stammten Andreas und Simon aus Bethsaida am See Gennesaret, besaßen ein Haus in Kafarnaum und waren Fischer. Das Johannesevangelium berichtet, Andreas sei zuerst ein Jünger Johannes des Täufers gewesen, der ihn dann an Jesus wies, worauf er auch seinen Bruder Simon zu Jesus führte mit der Botschaft "Wir haben den Messias gefunden" . Darauf bezieht sich sein traditioneller Beiname »der Erstberufene« (Πρωτόκλητος). In den Apostellisten (,, ,) erscheint Andreas immer unter den ersten vier Aposteln. Er erscheint jedoch nicht unter den dreien – seinem Bruder Simon Petrus und dem Brüderpaar Jakobus und Johannes –, die Jesus in manchen Situationen als einzige mit sich kommen lässt (;;), nur bei der Endzeitrede, der sog. „synoptischen Apokalypse“, sind ausschließlich beide Brüderpaare (mit Andreas) zugegen (; anders stellen es die „Seitenreferenten“ Mt und Lk dar). In der Apostelgeschichte des Lukas fehlen detailliertere Informationen über Andreas, er erscheint lediglich bei der Aufzählung der Apostel, die nach der Himmelfahrt Jesu zusammen mit Maria und weiteren Frauen im Gebet verharren (). Nachbiblische Überlieferung. Nach Berichten von Kirchenvätern (Eusebius von Caesarea, Gregor von Nazianz, Hieronymus) predigte Andreas in Epirus, Kappadokien, Skythien (heutige Dobrudscha), Thrakien, Makedonien und Achaia. Er soll sogar im heutigen Ostanatolien und im westlichen Georgien gepredigt haben. Erheblich spätere Tradition (ab dem 9. Jahrhundert fassbar) stellt ihn an die erste Stelle in der Abfolge der Bischöfe und Patriarchen von Konstantinopel. Übereinstimmend wird berichtet, dass er zur Zeit Neros vom Statthalter Aegeas bzw. Aegeates in Patras, dem Sitz des Statthalters in der griechischen Präfektur Achaia, gekreuzigt wurde. Der Legende nach soll er Maximilla, die Frau des Statthalters, geheilt, bekehrt und zur ehelichen Enthaltsamkeit angehalten haben, woraufhin Aegeas die Züchtigung mit Ruten und die Kreuzanbindung befohlen habe. Auf dem Weg zur Richtstätte habe Andreas den Kreuzeshymnus gebetet und noch zwei Tage vom Kreuz herab gepredigt. Die Kreuzigung geschah der Legende nach an einem Kreuz mit schrägen Balken, dem sogenannten Andreaskreuz, dessen Reliquie sich in der dem heiligen Andreas geweihten Kirche "Agios Andreas" in Patras, Griechenland, befindet. Als Todestag des Heiligen ist der 30. November überliefert, der sowohl in der römisch-katholischen als auch in den orthodoxen Kirchen als Fest begangen wird. Andreas gilt als der Apostel Kleinasiens, Konstantinopels, der Ukrainer, der Russen und der Rumänen, und er ist der Nationalheilige von der Ukraine, Russland, Schottland (die Flagge Schottlands zeigt ein weißes Andreaskreuz auf blauem Grund) und Rumänien. Seine Bedeutung für die orthodoxe Kirche ist vergleichbar – wenn auch nicht ganz so herausragend – mit der seines Bruders Petrus für die römisch-katholische Kirche. Bartholomäus I., der heutige Erzbischof von Konstantinopel und Ökumenischer Patriarch, gilt als 270. Nachfolger des Apostels Andreas. Verehrung. Reliquien. Die Reliquien des Apostels Andreas wurden aufgrund eines kaiserlichen Dekretes in einem großen Triumphzug von Patras nach Konstantinopel überführt, der am 3. März 357 die neue römische Hauptstadt erreichte, wo sie ihre Ruhestätte in der Apostelkirche von Konstantinopel fanden. Zur Zeit des vierten Kreuzzuges 1203/1204 wurden sie mit der Begründung, sie vor den Türken schützen zu wollen, entwendet und von Petrus Capuanus in die bedeutende Seerepublik Amalfi am Golf von Salerno gebracht. Seit dem 8. Mai 1208 ruhen sie dort in der Krypta des dem heiligen Andreas geweihten Domes Sant’Andrea. Ein kleiner Teil dieser Reliquien wurde am 21. Oktober 2007 am Rande des interreligiösen Friedenstreffens von Neapel dem ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel Bartholomäus I. bei einem Festakt in der Kathedrale von Amalfi zurückgegeben. Von Amalfi aus gelangte eine Armreliquie über die Stiftskirche von Rees am Niederrhein 1257 in die Kirche St. Andreas nach Köln, wo sie schließlich 1997 ihren Platz im Apostelschrein im Chor der Kirche fand. Die vordere Hälfte des Hauptes wurde Papst Pius II. übereignet; am Pfingstsonntag des Jahres 1462 brachte man sie bei einem glanzvollen Fest in den Petersdom nach Rom. Darüber, wie diese Reliquie nach Rom gelangte, gibt es unterschiedliche Überlieferungen. Eine besagt, sie sei bereits 356 entstanden und in Patras verblieben. Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken 1453 sei sie von dem Bruder des gefallenen Kaisers Konstantin XI., Thomas Palaiologos, auf dem Weg nach Rom in Patras vor dem Zugriff der Türken gerettet und Pius II. zum Geschenk gemacht worden, in Erinnerung daran, dass Petrus und Andreas Brüder waren. Nach einer anderen Überlieferung entstand die Reliquie erst in Amalfi und wurde von Pius II. nach Rom gebracht, damit sie im Falle einer Plünderung Amalfis durch die Türken nicht verloren gehe. Papst Paul VI. ließ 1964 das ursprüngliche byzantinische Kopfreliquiar mit dem Haupt des Apostels in der dritten Sitzungsperiode des Zweiten Vatikanischen Konzils als Akt der ökumenischen Beziehungen der Schwesterkirche wieder nach Patras überführen. Augustin Kardinal Bea übergab die Reliquie am 26. September 1964 dem griechisch-orthodoxen Metropoliten Konstantin von Patras. Im 8. Jahrhundert soll durch Bischof Acca von Hexham ein Teil der Reliquien des Heiligen nach Schottland gelangt sein, eine andere Überlieferung besagt, dies sei bereits um 300 durch den heiligen Mönch Regulus geschehen. Diese Reliquien wurden in der mittlerweile zerstörten St Andrews Cathedral verehrt, ihr Verbleib ist nicht bekannt. Es wird angenommen, dass sie in der Zeit der schottischen Reformation bei einer Kirchenplünderung zerstört wurden. Aus Amalfi wurden der wiedererblühenden römisch-katholischen Kirche von Schottland 1879 und 1969 Andreasreliquien geschenkt, die sich in St. Mary’s Cathedral in Edinburgh befinden. Ikonographie. Attribute des Heiligen sind das X-förmige Kreuz (Andreaskreuz), Fische und Stricke. Bauernregeln und Brauchtum. Für diesen Tag gibt es die Bauernregeln „Andreas, hell und klar, verspricht ein gutes Jahr“, „Andreas’ Schnee tut den Saaten weh“ und „Andreasschnee – tut Korn und Weizen weh“, „André bringt Schnee“, „Wenn es an Andreas schneit, der Schnee hundert Tage liegen bleibt“. In Ungarn, Polen und der Schweiz kann man am Andreastag seinen Zukünftigen schauen und auch in anderen Angelegenheiten in die Zukunft sehen. Der 30. November war bis ins 18. Jahrhundert ein Termin für die Entrichtung von Zinsen und Zehnten. In Thüringen zogen Kinder unter Absingen eines Verses über den „Zettelandreas“ umher. Die Bezeichnung kam daher, dass die Kinder am Andreastag ihre Weihnachtswünsche auf einen Zettel schreiben sollten.
Leopold Feigenbutz (* 15. August 1827 in Mörschenhardt; † 13. August 1904 in Flehingen) war ein badischer Heimatforscher und Hauptlehrer in Flehingen. Er gab den Nachlass von Samuel Friedrich Sauter heraus und hat zahlreiche regionalkundliche Schriften zum Kraichgau verfasst. Unter anderem schrieb er regionale Geschichtsbücher für den Schulgebrauch in Baden, deren verschiedenen Ausgaben noch Abhandlungen zur jeweiligen Ortsgeschichte beigeheftet waren. Er war außerdem Mitglied der Kommission zur Ausarbeitung der badischen Schulgeschichte sowie Mitglied des badischen Lehrervereins, wo er sich für die Aufwertung des Lehrerstandes einsetzte. Leben. Er war der Sohn des Mörschenhardter Dorflehrers Liborius Feigenbutz und wurde von den Eltern ebenfalls zum Beruf des Lehrers gedrängt. Nach der Lehrerausbildung im Lehrerseminar in Ettlingen trat Feigenbutz eine Stelle als Schulpräparant in Kuppenheim an. Während der 1848er Revolution blieb er unpolitisch. 1849 kam er als Schulverwalter in den Schwabenheimer Hof bei Dossenheim. Bald darauf wechselte er nach Kronau und 1852 nach Ladenburg. 1856 absolvierte er in Ettlingen die Dienstprüfung. 1857 wurde er, noch mittels des Präsentationsrechts der Freiherren Wolf-Metternich, als Hauptlehrer und Mesner an der katholischen Schule in Flehingen angestellt. Dort war er nach einer längeren Zeit wieder der erste Hauptlehrer. Seine Vorgänger, sowohl in der katholischen wie auch in der evangelischen Schule, waren durch ihr politisches Engagement während der 1848er Revolution in Ungnade gefallen, ihre Stellen waren nur noch mit Hilfslehrern besetzt worden. In Flehingen bemühte sich Feigenbutz zunächst um eine bessere Besoldung der Lehrerstelle. Sein Verdienst war im Landesdurchschnitt sehr niedrig und die einst zum Sold zählenden Naturalbezüge waren sukzessive weggefallen. Die Situation besserte sich um 1860, als die Schulaufsicht dem Land übertragen wurde. In der Folgezeit hatte sich Feigenbutz aber gegen den Flehinger Gemeinderat zu wehren, der z. B. im Streit um das neu eingeführte "Pflüger'sche Lesebuch" weiter einen Einfluss auf die Schule geltend zu machen suchte. Feigenbutz drohte schließlich sogar mit seinem Wegzug, blieb schließlich aber in Flehingen. Sein Einsatz für die Aufwertung des Lehrerstandes ging bald über die rein örtliche Situation hinaus und er wurde Mitglied im "Allgemeinen badischen Lehrerverein". Darin setzte er sich auch für eine verbesserte Lehrerausbildung und für die badischen Simultanschulen ein. Feigenbutz war auch heimatgeschichtlich und literarisch interessiert. Verdient machte er sich zunächst um die Herausgabe der literarischen Hinterlassenschaft von Samuel Friedrich Sauter (1766–1846), Schulmeister, Dorfpoet und Urbild des Biedermeier, dessen bekannteste Gedichte "Wachtelschlag" und "Das Lied vom armen Dorfschulmeisterlein" sind. 1875 gab Fegenbutz Sauters "Alte Nachrichten von Flehingen, gesichert, in chronologischer Folge gebracht und mit ergänzenden Anmerkungen versehen" neu heraus. Wenig später folgte 1878 mit dem Buch "Der Kraichgau und seine Orte" ein erstes eigenes Werk von Feigenbutz. Auf 405 Seiten trug er alles Wissenswerte und damals Bekannte über den Kraichgau zusammen. 1885 veröffentlichte Feigenbutz gemeinsam mit dem Burgenforscher Julius Naeher ein Werk über die Burgen, Schlösser und Städte des oberen Kraichgaus. Wenig später verfasste er geschichtliche Einzeldarstellungen zur Geschichte von Eppingen und von Odenheim. In den späten 1880er Jahren zum Mitglied der Kommission zur Ausarbeitung der badischen Schulgeschichte gewählt, hatte Feigenbutz Zugang zu zahlreichen Archiven und Bibliotheken. 1890/91 veröffentlichte er Geschichtsbücher der Amtsbezirke Bretten und Bruchsal für den Schulgebrauch. Die Bücher enthielten eine naturräumliche Beschreibung, eine Beschreibung der Verkehrswege und der wirtschaftlichen, kirchlichen und politischen Gegebenheiten sowie geschichtliche Abhandlungen über die Amtsorte. In der Systematisierung der Ortsbeschreibungen orientierte sich Feigenbutz an den württembergischen Oberamtsbeschreibungen. In rascher Folge verfasste er dafür auch geschichtliche Abhandlungen über einzelne Kraichgau-Orte wie Bretten, Münzesheim, Gochsheim, Gondelsheim, Nußbaum und Zaisenhausen, die den Geschichtsbüchern der Amtsbezirke beigeheftet wurden. Aufmachung und Gliederung der beiden Geschichtsbände wurden beispielhaft für weitere badische Geschichtsbücher für den Schulgebrauch. 1891 wurde er für ein Jahr vom Schuldienst freigestellt, um sich vollends dem historischen Quellenstudium widmen zu können. Zur Mitte der 1890er Jahre konzentrierte Feigenbutz sich dann auf die Niederschrift des ihm angetragenen Teils der badischen Schulgeschichte. Seine Schriften brachten ihm bereits zu Lebzeiten eine Anerkennung als Heimatkundler ein. Anlässlich seines 50. Dienstjubiläums als Lehrer wurde ihm am 9. Juni 1896 vom Großherzog von Baden das Verdienstkreuz vom Zähringer Löwen verliehen. Seine Kräfte hatten jedoch bereits zu schwinden begonnen. Im Jahr 1900 wurde er im Alter von 72 Jahren pensioniert. Leopold Feigenbutz verstarb am 13. August 1904 und wurde zwei Tage später, am Tag seines 77. Geburtstages, auf dem Flehinger Friedhof bestattet. Das Grab des Flehinger Ehrenbürgers wird heute noch von der Gemeinde gepflegt. Um seine Verdienste um das Schulwesen und die Heimatforschung zu würdigen, hat die Gemeinde Oberderdingen am 28. Juni 1994 ihrer neuen Realschule den Namen "Leopold-Feigenbutz-Realschule" gegeben. Familie. Leopold Feigenbutz war seit 1857 mit Barbara Stumm verheiratet. Dieser Ehe entstammten eine jung gestorbene Tochter sowie der Sohn Eduard Hugo. Nachdem seine erste Frau am 10. Februar 1862 starb, heiratete er im gleichen Jahr Sofie Kugler aus Flehingen. Das Paar hatte sechs Söhne und zwei Töchter, von denen drei Söhne und eine Tochter zu Jahren kamen. Seine zweite Frau starb am 4. Juni 1884. Am 30. Juli 1887 heiratete er in dritter Ehe Karoline Sickler aus Diedelsheim, die ihm noch eine Tochter gebar.
Plankstadt (, kurpfälzisch: "Plankschd") ist eine Gemeinde im Rhein-Neckar-Kreis im Nordwesten von Baden-Württemberg. Zur Gemeinde Plankstadt gehören außer dem gleichnamigen Dorf keine weiteren Ortschaften. Der rund 10.000 Einwohner zählende Ort wurde 771 erstmals erwähnt und gehörte jahrhundertelang zur Kurpfalz. Geographie. Lage und Naturraum. Plankstadt liegt in der Metropolregion Rhein-Neckar in der Oberrheinischen Tiefebene auf dem südwestlichen Neckarschwemmkegel auf einer fast ebenen Gemarkung ohne größere Erhebungen. Aufgrund des fruchtbaren Bodens wurde der letzte Wald bereits zur Mitte des 19. Jahrhunderts gerodet, um das Land zu bewirtschaften. Das Gemeindegebiet erstreckt sich über 839 Hektar. Davon sind 29,4 Prozent Siedlungs- und Verkehrsfläche und 70,2 Prozent werden landwirtschaftlich genutzt. Nachbargemeinden. Direkt angrenzende Nachbargemeinden sind Schwetzingen im Westen, Heidelberg mit der Gemarkung Grenzhof im Norden, Eppelheim im Osten, nochmals Heidelberg mit Patrick-Henry-Village im Südosten und Oftersheim im Süden. Für ca. 200 m gibt es auch eine gemeinsame Grenze mit Mannheim am Dossenwald in Richtung des Stadtteils Friedrichsfeld im Nordwesten. Geschichte. Eine erste Siedlung wird für die Zeit um 500 n. Chr. vermutet. Die erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahre 771 im Lorscher Codex unter der Bezeichnung "Blanckenstat". Im Codex sind zahlreiche weitere Urkunden über Schenkungen in Plankstadter Gemarkung an das Kloster Lorsch aufgeführt. Die nächsten schriftlichen Belege stammen aus dem 13. Jahrhundert. Für das Jahr 1256 wird der Pfalzgraf als Besitzer des Dorfes vermerkt. Drei Jahre später, 1259 ging der Grundbesitz durch Geschenk des Wormser Bischofs Eberhard I. mehrheitlich an das Zisterzienser-Kloster Schönau über. Die Mönche versuchten die Bewohner umzusiedeln und ein isoliertes Klostergut zu errichten, scheiterten aber am jahrelangen Widerstand der Bevölkerung. 1296 wurde die Gemeinde Plankstadt gebildet und gelangte wieder zur Kurpfalz, in der sie zur Kirchheimer Zent gehörte. 1462 wurde das Dorf im Zuge der Schlacht bei Seckenheim, einem kriegerischen Ereignis im Rahmen der Mainzer Stiftsfehde, niedergebrannt. Auch der Dreißigjährige Krieg und andere Auseinandersetzungen hinterließen ihre Spuren in der Gemeinde. Für die nächste Zerstörung trug der französische Feldherr und General Mélac die Verantwortung. Im Pfälzer Erbfolgekrieg fiel 1689 ein Großteil der Region, darunter das Heidelberger Schloss seinen Truppen zum Opfer. 1803 wurde die Kurpfalz aufgelöst und Plankstadt gelangte zu Baden, wo es dem Amt Schwetzingen zugeordnet wurde. 1924 erfolgte die Einteilung zum Amtsbezirk Mannheim, dem späteren Landkreis Mannheim. 1895 vernichtete ein Brand einen halben Straßenzug. Noch größer war die Brandkatastrophe fünf Jahre später, der mehr als 60 Gebäude in drei Straßen zum Opfer fielen. Das Geschehen erregte landesweite Aufmerksamkeit. Innenminister August Eisenlohr besichtigte die Brandstätte und Großherzog Friedrich spendete für das Hilfskomitee für die Brandgeschädigten. Politisch war seit der Reichsgründung 1871 rasch das Zentrum die stärkste Strömung in Plankstadt. Es konnte seine Vormachtstellung bis zum Ende der Weimarer Republik behaupten. Bei der Reichstagswahl 1933 erhielt das Zentrum 36,3 Prozent, die NSDAP 35,7 Prozent und die KPD 16,9 Prozent der Stimmen. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Gemeinde mehr als 1000 Heimatvertriebene auf. Im Jahr 1971 konnte Plankstadt sein 1200-jähriges Jubiläum feiern. Als bei der Kreisreform 1973 der Landkreis Mannheim aufgelöst wurde, wurde Plankstadt in den Rhein-Neckar-Kreis integriert. Bei der parallel durchgeführten Gemeindereform gab es zunächst Pläne, eine große Verwaltungseinheit mit Schwetzingen, Brühl, Ketsch, Oftersheim und Plankstadt zu bilden. Nachdem dies verworfen worden war, sollten Oftersheim und Plankstadt nach Schwetzingen eingemeindet werden. Letztlich konnte Plankstadt aber seine Selbständigkeit behaupten. Konfessionsstatistik. Mit Stand 31. Dezember 2003 waren von den 9.288 Einwohnern 37,4 % (3.476) evangelisch, 40,6 % (3.769) der Einwohner römisch-katholisch und 22,0 % gehören entweder einer anderen Religion an oder sind konfessionslos. Die Zahl der Protestanten und vor allem die der Katholiken ist seitdem gesunken. Gemäß dem Zensus 2011 waren 34,7 % der Einwohner evangelisch, 36,1 % römisch-katholisch und 29,2 % waren konfessionslos, gehörten einer anderen Glaubensgemeinschaft an oder machten keine Angabe. Politik. Nachbarschaftsverband. Plankstadt gehört dem Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim an, der für die Erstellung des regionalen Flächennutzungsplans zuständig ist. Gemeinderat. Der Gemeinderat hat 18 Sitze und wird in direkter Wahl für jeweils fünf Jahre gewählt. Hinzu kommt der Bürgermeister als stimmberechtigter Gemeinderatsvorsitzender. Die Kommunalwahl 2019 führte zu folgendem Ergebnis (in Klammern: Unterschied zu 2014): Die Wahlbeteiligung lag bei 63,8 % (+3,1). Seit Juni 2021 gibt es in Plankstadt zudem einen Jugendgemeinderat. Bürgermeister. Der Bürgermeister wird in direkter Wahl für eine Amtszeit von acht Jahren gewählt. Seit dem 1. Oktober 2016 ist Nils Drescher Bürgermeister von Plankstadt. Bisherige Amtsinhaber: Wappen. Die Blasonierung des Wappens lautet: "In Blau ein glevenbesetztes silbernes Kreuz, belegt mit einer grünbesamten roten Rose mit grünen Kelchblättern, bewinkelt von vier fünfstrahligen goldenen Sternen." Aus dem Jahre 1487 stammt der erste urkundliche Nachweis eines Gerichtssiegels aus dem sich das spätere Gemeindewappen ableitet, das 1896 vom badischen Generallandesarchiv vergeben wurde. Eine Bedeutung des Bildes ist nicht bekannt. Die Flagge ist Weiß-Blau und wurde 1959 vom Innenministerium verliehen. Die Farben nehmen Bezug auf die pfälzisch-wittelsbachischen Farben. Städtepartnerschaften. Seit 1981 besteht eine Partnerschaft zu Castelnau-le-Lez im Département Hérault (Frankreich). Kultur und Sehenswürdigkeiten. Museen. Plankstadt verfügt über ein Heimatmuseum. Sehenswürdigkeiten. Wasserturm. Als Wahrzeichen der Gemeinde gilt der 1907 in Betrieb gegangene Wasserturm. Er diente bis 1981 der Wasserversorgung des Ortes, heute steht er unter Denkmalschutz. Nach einer 2014 abgeschlossenen Sanierung finden im Erdgeschoss in unregelmäßigen Abständen Kulturveranstaltungen statt. Vogelpark. Der Vogelpark zeigt seit 1967 exotische und einheimische Vogelarten in Gehegen: neben dem einheimischen Uhu, dem Weißstorch und Austernfischern gehören beispielsweise zahlreiche Papageienarten, Kanarienvögel und der Goldfasan zu den Bewohnern des Parks. Die Pflege und Unterhaltung des Parkes und seiner etwa 300 Bewohner obliegt dem Kanarien-, Exoten- und Vogelschutzverein 1961 Plankstadt. Der Eintritt ist frei, um Spenden für die Erhaltung des Parks und das Futter wird gebeten. Außerdem wird der Park durch den Verkauf von Nachzuchten teilfinanziert. Baum- und Strauchlehrpfad. Im Jahre 1989 wurde ein Baum- und Strauchlehrpfad eingerichtet, der sich von der Gaststätte der Kleintierzüchter aus in nördlicher Richtung erstreckt. Er wurde seither kontinuierlich verlängert, so wird unter anderem jedes Jahr ein Exemplar des jeweiligen Baum des Jahres hinzugefügt. Mit Stand 2015 umfasst er insgesamt 52 Exemplare auf einer Länge von 450 Metern. Regelmäßige Veranstaltungen. Plankstadts Backenbläser-Fastnachtsumzug findet traditionell schon am Sonntag vor Fastnacht statt, wodurch auch viele Gruppen aus den Nachbargemeinden teilnehmen und sich auf ihre eigenen Umzüge einstimmen können, die zumeist neun Tage später am Fastnachtsdienstag stattfinden. Freizeit. Der größte Verein Plankstadts ist die TSG Eintracht Plankstadt. Er besteht aus Abteilungen für Turnen, Leichtathletik, Badminton, Fußball, Handball, Karate und Tischtennis. Der "Musikverein Plankstadt", der besser als BigBand MV Plankstadt bekannt ist, betreibt ein Programm von Tanzmusik bis zur BigBand-Musik. Der "Heimat- und Kulturkreis Plankstadt" setzt sich für Erhalt und Pflege der einheimischen Kultur ein. Außerdem gibt es in der Nähe der Weldebräu einen Dirt-Park, eine Strecke für Dirt Bikes, Mountainbikes und BMX-Fahrräder. Daneben existiert ein Streetpark, speziell für BMX-Räder. Hinter der Weldebrauerei liegt versteckt ein Jugendtreff, der von Dienstag bis Freitag geöffnet ist. Der Sportverein Frei-Holz Plankstadt war in den 90er Jahren Sieger im Weltpokal im Kegeln. Wirtschaft und Infrastruktur. Wirtschaft. Auf der Gemarkung Plankstadt sowie den Gemarkungen umliegender Gemeinden befand sich bis zu Beginn des Jahrtausends Deutschlands einziges größeres Anbaugebiet für Tabak. Die Bauernhöfe in Plankstadt und Umgebung fallen durch eine oder mehrere charakteristische Scheunenbauten auf, die früher zur Tabaktrocknung genutzt werden. In Plankstadt und umliegenden Gemeinden finden sich außerdem vereinzelt noch aktive Ackerbürger-Anwesen mit alten Tabaktrocknungsscheunen. Der Tabakanbau wurde infolge der geänderten EU-Förderrichtlinien (Wegfall der Subventionen) eingestellt. Die freiwerdenden Ackerflächen dienen jetzt vermehrt dem Anbau von Getreide und Hackfrüchten bzw. Sonderkulturen wie Mais und Spargel. Der größte Arbeitgeber in Plankstadt ist mit ca. 320 Mitarbeitern (2021) Corden Pharma GmbH. Das Unternehmen ist seit 1972 in Plankstadt ansässig, zunächst als deutsche Niederlassung des britischen Chemie- und Pharmakonzerns ICI (ab 1993 Zeneca, ab 1998 AstraZeneca) und seit dem Verkauf des Standorts 2008 an die Chemie- und Pharma-Holding ICIG als markenunabhängiger Anbieter für pharmazeutische Entwicklungs-, Herstellungs- und Verpackungsdienstleistungen. Ein größerer Betrieb ist die 1752 in Schwetzingen gegründete Privatbrauerei Weldebräu, die sich nach Erschließung einer neuen Grundwasserquelle im so genannten zweiten Grundwasserleiter seit 1971 in Plankstadt an der Gemarkungsgrenze zu Schwetzingen befindet und in derzeit (2021) 8. Inhabergeneration die Familientradition weiterführt. Verkehr. Im Zuge des Neubaus der Bahnstrecke Heidelberg–Speyer erhielt der Ort 1872/73 einen Bahnhof am Südrand der Gemeinde. Der Betrieb auf dieser Strecke wurde 1967 wieder eingestellt. Denn schon seit 1927 bestand eine Straßenbahnverbindung durch den Ortskern nach Heidelberg und Schwetzingen. Aber auch dieses Nahverkehrsmittel wurde 1974 stillgelegt. Ein Wiederaufbau wurde in einem Bürgerentscheid 2014 abgelehnt. Heute führt durch den Ort eine Buslinie des BRN von Schwetzingen nach Eppelheim, dort besteht Anschluss zur Straßenbahn nach Heidelberg. Seit dem 21. März 2016 verkehrt zudem eine Bürgerbuslinie, die den vom öffentlichen Nahverkehr nicht erschlossenen Nordwesten des Ortes anbindet. Plankstadt gehört zum Tarifgebiet des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar. Die südliche Ortsumgehung Bundesstraße 535 wurde im Dezember 2010 fertiggestellt. Sie verbindet die nahegelegenen Autobahnen A 6 (Mannheim–Heilbronn) und A 5 (Frankfurt–Karlsruhe). Einrichtungen. Das Funkfeuer HDL ist eine der wenigen Sendeanlagen, die Holzmasten als Antennenträger nutzen. Medien. Über das Tagesgeschehen berichten die Schwetzinger Zeitung und die Rhein-Neckar-Zeitung. Bildung. In Plankstadt gibt es mit der Friedrichschule eine Grundschule und mit der Humboldtschule eine Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule. Weiterführende Schulen können in Schwetzingen und Eppelheim besucht werden. Die Gemeinde betreibt eine Bücherei. Persönlichkeiten. Ehrenbürger. Die Jahreszahlen geben den Zeitpunkt der Verleihung der Ehrenbürgerwürde wieder.
Chula Vista (aus dem Spanischen für "Schöne Aussicht") ist die zweitgrößte Stadt im San Diego County im US-Bundesstaat Kalifornien mit 275.487 Einwohnern auf einer Fläche von 132,7 km². Die Stadt befindet sich an den Interstates 5 und 805 sowie der California State Route 54. Geographie. Geographische Lage. Chula Vista befindet sich etwa elf Kilometer vom Zentrum San Diegos und elf Kilometer von der mexikanischen Grenze entfernt. Im Westen grenzt die Stadt an die San Diego Bay, im Osten an die Jamul- und die San Ysidro-Berge. Im Norden bilden der Sweetwater River und im Süden der Otay River die natürliche Begrenzung des Stadtgebietes. Im Norden und Süden grenzt die Stadt an San Diego (San Diego wird durch Chula Vista in zwei Teile geteilt). Geschichte. Das Gebiet des heutigen Chula Vista wurde lange Zeit von den Kumeyaay-Indianern bewohnt. Im Jahr 1542 erreichten drei Schiffe unter Befehl des in spanischen Diensten stehenden Portugiesen Juan Rodríguez Cabrillo den Point Loma bei San Diego. Cabrillo ging als erster Europäer an Land und erklärte seine Entdeckung zum Besitz der Spanischen Krone. Damit wurde auch das Gebiet von Chula Vista spanisch. 1795 wurde Chula Vista Teil der spanischen Landzuteilung und erhielt den Namen Rancho del Rey ("Königsranch"). Nachdem Mexiko die Unabhängigkeit von Spanien erlangte, erhielt das Gebiet den Namen Rancho de la Nación ("Nationalranch"). Die Ranch besaß Rinder und Pferde und nutzte das Land des heutigen Chula Vista als Weidefläche. Im Jahr 1850 nahmen die USA Kalifornien als 31. Bundesstaat auf, wodurch auch das Gebiet von Chula Vista US-amerikanisch wurde. In den 1880er Jahren begann die "San Diego Land and Town Company", die Ranch in kleinen Teilen an Siedler zu verkaufen. Die Parzellen mit einer Fläche von fünf Acre kosteten im Jahr 1887 1500 S-Dollar. Der Käufer verpflichtete sich innerhalb von sechs Monaten ein Haus auf seiner Parzelle zu errichten. Bis 1889 befanden sich zehn Häuser im Bau und die Entwicklung der Stadt Chula Vista nahm ihren Anfang. Der Name Chula Vista wurde von einem der ersten Einwohner, James D. Schulyer, vorgeschlagen und von der "San Diego Land and Town Company" übernommen. Im Jahr 1888 wurde der Sweetwater Dam fertiggestellt, um die Bewohner der Stadt und ihre Felder mit Wasser zu versorgen. Bald stellten sich Zitrusbäume als ideale Nutzpflanzen für den hiesigen Boden heraus. Letztendlich wurde aus Chula Vista für eine Zeit lang das größte Zitronenanbaugebiet der Welt. Am 17. Oktober 1911 stimmten die Bürger Chula Vistas dafür, den formellen Status einer Gemeinde zu erlangen. Der Bundesstaat Kalifornien genehmigte die Gemeindegründung im November des gleichen Jahres. Im Februar 1916 begann die Hercules Powder Company mit der Planung und Errichtung eines Werkes zur Herstellung von Asche aus Seetang (engl. "kelp"). Die Tangasche diente als Quelle für die Gewinnung von Stoffen, die man bei der Herstellung von Explosivstoffen benötigt. Die Fabrik stellte Kaliumcarbonat und Aceton her, woraus Kordit gemacht wurde. Kordit ist ein rauchschwaches Schießpulver, das die Britische Armee im Ersten Weltkrieg einsetzte. Während des Krieges stellte Hercules insgesamt 20.838 t Kordit für die Britische Regierung her. Zur Rohstoffgewinnung betrieb Hercules die zu dieser Zeit weltgrößte Ernteflotte für Seetang. Der Standort der ehemaligen Fabrik von Hercules in Chula Vista heißt heute Gunpowder Point und dient dem Chula Vista Nature Center als Ausstellungs- und Exkursionsgelände. Anfang 1941 verlegte die Rohr Aircraft Corporation ihren Sitz und die Produktion nach Chula Vista. Als die Produktion für den Zweiten Weltkrieg ihren Höhepunkt erreichte, beschäftigte Rohr 9000 Arbeiter in der Gegend. Mit dem Bau neuer Häuser für die Arbeiter verschwanden die meisten der Obstgärten mit den Zitrusbäumen aus dem Stadtbild. Die Einwohnerzahl Chula Vistas verdreifachte sich von 5000 im Jahr 1940 auf mehr als 16.000 im Jahr 1950. In den Jahrzehnten danach breitete sich die Stadt weiter nach Osten aus und wurde zur zweitgrößten Stadt im San Diego County. Politik. Städtepartnerschaften. Chula Vista unterhält Partnerschaften mit folgenden Städten:
Der Bugatti Chiron ist ein deutsch-französischer Supersportwagen des französischen Automobilherstellers Bugatti Automobiles SAS, der in Wolfsburg von der Bugatti Engineering GmbH entwickelt wurde und auf einen technischen Entwurf von Bugatti Chef-Ingenieur Frank Götzke zurückgeht. Benannt ist er nach dem monegassischen Rennfahrer Louis Chiron. Am 29. Februar 2016 wurde er als Nachfolger des Veyron auf dem 86. Genfer Auto-Salon vorgestellt. Fahrzeugcharakteristik. Der Chiron hat einen Mittelmotor mit 16 Zylindern und 1103 kW (1500 PS); der damit rund 50 % mehr als der Motor des Veyron 16.4 leistet. Der auch als W-Motor bezeichnete Doppel-V-Motor mit zwei VR8-Zylinderbänken hat acht Liter Hubraum und vier Turbolader, die in zwei Registern geschaltet sind. Bei niedrigen Drehzahlen arbeiten nur zwei Turbolader, bei etwa 3800 Umdrehungen pro Minute werden die beiden anderen zugeschaltet. Die Turbolader sind dabei im Vergleich zum Vorgängermotor des Veyron um 69 % größer ausgeführt. Dadurch ergibt sich ein verbessertes Ansprechverhalten des Motors und mit dem maximalen Drehmoment von 1600 Newtonmeter zwischen 2000 und 6000 Umdrehungen pro Minute eine lineare Leistungscharakteristik. Über Telemetrie, die gegenüber dem Vorgänger weiterentwickelt wurde, kann Bugatti an seinem Firmensitz bei jedem Fahrzeug in Echtzeit Diagnosen stellen. Die Form der Karosserie des Chiron gleicht weitgehend der des Vision Gran Turismo. Der Preis des auf 500 Exemplare limitierten Supersportwagens liegt ohne Steuern bei 2,4 Millionen Euro. Die Federung des Chiron ist adaptiv, das heißt die Kennlinien von Federung und Stoßdämpfern können über einen Schalter am Lenkrad verstellt werden. Es gibt vier Fahrmodi: „EB“ (für „Ettore Bugatti“, Automatikmodus), „Lift“ (erhöht die Bodenfreiheit zum Überfahren von Kanten, bis 50 km/h), „Handling“ (für die Rennstrecke) und „Autobahn“. Die Bremsanlage ist mit Bremsscheiben aus keramischem, mit Kohlenstofffasern verstärktem Siliziumkarbid (CSiC) versehen. Sie haben einen Durchmesser von 420 mm vorn und 400 mm hinten und sind damit zwei Zentimeter größer als im Veyron. Die Bremssättel aus Titan haben vorn acht und hinten sechs Kolben. Zusätzlich stellt sich beim Bremsen der Heckflügel auf und wirkt als Luftbremse. Dadurch erhöht sich der Luftwiderstand beim Bremsen bei Höchstgeschwindigkeit um 75 %. Der Chiron hat einen sogenannten „Easy-To-Drift“-Modus. Der Fahrer wird dabei auf Knopfdruck beim Driften unterstützt. Sky-View. Seit August 2018 ist der Chiron auch mit einem "Sky-View" genannten Dach erhältlich. Es umfasst zwei feste Glaseinsätze mit jeweils 65 Zentimeter Länge und 44 Zentimeter Breite. Außerdem wird durch dieses Dach die Kopffreiheit um 2,7 Zentimeter erhöht. Technische Daten. Höchstgeschwindigkeit. Die Höchstgeschwindigkeit des Bugatti Chiron ist ab Werk elektronisch auf 420 km/h abgeregelt. Diese Schranke kann allerdings deaktiviert werden. Inzwischen gibt es verschiedene Videomitschnitte von Fahrten deutlich jenseits der 420 km/h, so dass der Bugatti Chiron zumindest inoffiziell als schnellster Serienwagen der Welt gelten darf. Die rechnerisch erreichbare Höchstgeschwindigkeit liegt bei 463 km/h. Um die Höchstgeschwindigkeit von 420 km/h zu erreichen, muss – wie beim Vorgänger Veyron – ein zweiter Schlüssel verwendet werden, der das Fahrzeug in den Modus Top Speed schaltet. In den Modi Handling und Autobahn ist die Geschwindigkeit auf maximal 380 km/h begrenzt. Der Bugatti Chiron setzte als erstes Serienfahrzeug den Rekord für die schnellste Fahrt von 0 auf 400 km/h und wieder zum Stillstand. Der ehemalige Formel-1-Fahrer Juan Pablo Montoya benötigte dafür im September 2017 auf der Teststrecke Ehra-Lessien des Volkswagen-Konzerns 41,96 Sekunden. Dieser Rekord wurde bereits am 1. Oktober 2017 von dem von Christian von Koenigsegg entwickelten, ebenfalls straßenzugelassenen Koenigsegg Agera RS gebrochen; er benötigte nur 36,44 Sekunden. Am 2. September 2019 veröffentlichten Bugatti und Top Gear jeweils YouTube-Videos, in denen der Bugatti Chiron als erstes Fahrzeug mit Straßenzulassung die 300-mph-Marke mit 304,77 mph (490,48 km/h) durchbricht. Die Beschreibung des Top-Gear-Videos gibt an, dass der Rekord bereits am 2. August 2019 aufgestellt wurde. Der Rekord gelang mit einem Vorproduktionsfahrzeug des neuen, auf 30 Exemplare limitierten "Bugatti Chiron Super Sport" und wurde von Andy Wallace auf dem Testgelände Ehra-Lessien aufgestellt. Varianten des Chiron. Chiron Sport. Zwei Jahre nach der Premiere des Bugatti Chiron wurde auf dem Genfer Autosalon 2018 der Chiron Sport vorgestellt. Er hat eine geänderte Fahrwerksabstimmung und ist 18 kg leichter. Der größte Teil der Gewichtsersparnis rührt von den leichteren Rädern her. Aber auch andere Teile an Fahrwerk und Karosserie wurden erleichtert, bis hin zu Scheibenwischerarmen aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (KFK), die es zuerst beim Chiron Sport gab. Die neue Dynamic-Torque-Vectoring-Funktion erlaubt höhere Kurvengeschwindigkeiten, so ist der Chiron Sport auf dem Handling-Kurs von Nardò 5 Sekunden schneller als der Chiron. Der Motor blieb gleich und leistet wie im Chiron 1.103 kW (1.500 PS) und kann maximal 1.600 Nm Drehmoment abgeben. Des Weiteren werden für den Bugatti Chiron Sport zusätzliche Farb- und Ausstattungsvarianten angeboten. Die ersten Auslieferungen waren für Ende 2018 geplant bei einem Basispreis von 2,65 Millionen Euro netto. Divo. Im Rahmen des Pebble Beach Concours d’Elegance wurde im August 2018 der auf 40 Exemplare limitierte Bugatti Divo präsentiert. Er basiert auf dem Chiron, ist aber mehr auf Kurvengeschwindigkeit als auf Höchstgeschwindigkeit ausgelegt. La Voiture Noire. Auf dem Genfer Autosalon 2019 stellte Bugatti das Einzelstück "La Voiture Noire" vor, das eine Hommage an ein verschollenes Exemplar des Bugatti Type 57 SC Atlantic sein soll. Das Unikat ist mit einem Nettokaufpreis von elf Mio. Euro der bislang teuerste jemals hergestellte Neuwagen. Centodieci. Der Bugatti "Centodieci" wurde im August 2019 auf dem Pebble Beach Concours d’Elegance präsentiert. Der Name des auf 10 Exemplare limitierten Fahrzeugs – „Centodieci“ bedeutet auf italienisch "Einhundertzehn" – wurde anlässlich des 110. Geburtstags von Bugatti gewählt. Er ist in Bezug auf sein Karosseriedesign eine Hommage an den von 1991 bis 1995 gebauten Bugatti EB110 SS (=SuperSport). Chiron Pur Sport. Anfang März 2020 präsentierte Bugatti mit dem "Chiron Pur Sport" ein auf 60 Exemplare limitiertes Modell des Chiron, der wie auch schon der Divo für höhere Kurvengeschwindigkeiten optimiert wurde. Dazu wurde das Gewicht um 50 kg gesenkt und die aerodynamischen Bauteile auf höhere Abtriebskräfte abgestimmt. Zudem wurde der Motor für höhere Drehzahlen ausgelegt und das Getriebe in allen Gängen kürzer abgestimmt. Das Modell ist äußerlich vor allem an größeren Lufteinlässen, geänderten Magnesium-Zehnspeichenfelgen mit Carboneinsätzen, dem 1,90 m breiten Heckflügel und Luftauslässen über den vorderen Kotflügeln zu erkennen. Chiron Super Sport. Mit dem "Chiron Super Sport" präsentierte Bugatti im Juni 2021 ein auf 30 Exemplare limitiertes Modell, das auf eine hohe Höchstgeschwindigkeit ausgelegt ist. Es verfügt unter anderem über eine um 25 Zentimeter längere Karosserie und einen neu gestalteten Diffusor, damit der Luftwiderstand reduziert wird. Der Motor wurde unter anderem durch größere Turbolader überarbeitet, die Höchstdrehzahl auf 7.100 /min angehoben. Die Höchstgeschwindigkeit ist auf 440 km/h elektronisch begrenzt. Bugatti-Yacht „Niniette 66“. Neben dem Chiron bietet Bugatti in Zusammenarbeit mit dem Yacht-Hersteller Palmer Johnson die Luxusyacht "Niniette 66" an, die sich mit dem Chiron unter anderem das markante, bogenförmige Designattribut auf den Seiten teilt. Sie ist seit März 2017 bestellbar und sollte von März 2018 an ausgeliefert werden. Trivia. Am 1. Juni 2018 präsentierte Lego einen Nachbau des Chiron im Format 1:8. Der Bausatz mit 3.599 Teilen ist seitdem für 369,99 Euro erhältlich. Ende August 2018 wurde ein aus über einer Million Lego-Technic-Teilen bestehender, fahrbarer Chiron im 1:1-Format präsentiert. Die Zeit für Entwicklung und Bau wird mit 13.438 Stunden angegeben. Das Gesamtgewicht soll 1500 kg betragen. 2.304 Motoren erzeugen zusammen 5,3 PS (ca. 3,9 kW) und ermöglichen eine Höchstgeschwindigkeit von über 20 km/h. Anfang 2022 verursachte ein tschechischer Unternehmer eine Debatte, indem er in einem YouTube-Video öffentlich machte, dass er auf einem Abschnitt der A 2 ohne Geschwindigkeitsbegrenzung bei Magdeburg einen Bugatti Chiron bis auf 417 km/h beschleunigt hatte.
Die (schott.-gäl.: "Eaglais Easbaigeach na h-Alba", dt. "Schottische Episkopalkirche") ist eine Mitgliedskirche der Anglikanischen Gemeinschaft. Geschichte. In der Geschichte der Reformation in Schottland entwickelte sich der Presbyterianismus im Laufe des 17. Jahrhunderts zur bei weitem stärksten Richtung. Er prägte die Church of Scotland. Einer seiner Grundsätze – dieser wurde sogar namengebend – ist die Leitung der Kirche durch Presbyter (Älteste). Demgegenüber hielt eine Minderheit der Gläubigen und insbesondere des Klerus in der Auseinandersetzung mit der presbyterianischen Mehrheit am Prinzip der bischöflichen (episkopalen) Leitung fest. Als sie 1689, nach der Glorious Revolution, aufgefordert wurden, den Treueid auf den neuen König Wilhelm III. zu leisten, lehnten zahlreiche episkopal gesinnte schottische Bischöfe und Geistliche dies ab und wurden daraufhin als „Non-Jurors“ („Nicht-Schwörer“) amtsenthoben oder von presbyterianisch gesinnten Gläubigen vertrieben. Daraufhin trennten sie sich 1690 von der Church of Scotland. Im Laufe der folgenden Jahre konstituierten sie die "Episcopal Church in Scotland" (so der erste Name, später "Episcopal Church of Scotland"). Nach der Vereinigung von England und Schottland im Jahr 1707 wurde die Episcopal Church of Scotland im "Scottish Episcopalians Act" 1711 gesetzlich anerkannt. Nachdem sich überdurchschnittlich viele „Episcopalians“ (Anhänger der Episcopal Church of Scotland) 1715 am Ersten Jakobitenaufstand beteiligt hatten, wurden der Episcopal Church 1719 per Gesetz zahlreiche Beschränkungen auferlegt. U.a. durften an einem Gottesdienst – abgesehen von den Familienangehörigen des Geistlichen – höchstens neun Gläubige teilnehmen. Nach dem Zweiten Jakobitenaufstand 1745 zerstörten englische Truppen zahlreiche episkopale Kirchen. Die Strafgesetze "(Penals Acts)" wurden im Folgejahr verschärft: Fortan durften höchstens vier Gläubige gleichzeitig an einem Gottesdienst teilnehmen. Deshalb feierten die Geistlichen sonntags an einem Ort bis zu 15 Gottesdienste hintereinander, dazu weitere an den Wochentagen. Außerdem wurde den episkopalen Gläubigen das Wahlrecht entzogen; sie durften kein öffentlichen Ämter ausüben oder an einer Universität studieren. 1792 wurden die Strafgesetze gegen die Episcopalians aufgehoben. Allerdings wurden die von der Church of Scotland übernommenen Kirchen den episkopalen Gemeinden nicht zurückgegeben. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden in der Episcopal Church of Scotland vier ordensähnliche Frauengemeinschaften, darunter die "Community of Saint Margaret of Scotland", die von 1864 bis 2002 bestand. Im Jahr 1900 zählte die Episcopal Church in Schottland gut 124.000 Mitglieder in 356 Gemeinden. Im Jahr 1973 wurde die Beschränkung des Klerus auf hauptamtliche Theologen aufgehoben: Damals wurden erstmals Laien ordiniert, die kein volles Theologiestudium absolviert hatten und weiterhin einem Zivilberuf nachgingen. 1994 wurden die ersten Frauen ordiniert. Die Generalsynode von 2002 ermöglichte auch die Bischofsweihe für Frauen. Im Juni 2017 ermöglichte die Generalsynode die Trauung gleichgeschlechtlicher Paare. Gliederung, Leitung und Mitgliedschaft. Die Scottish Episcopal Church besteht aus sieben Diözesen: Die Leitung obliegt dem Bischofskollegium "(College of Bishops)", dessen Sprecher ein Primas ohne festen Sitz ist. Außerdem tagt alljährlich die Synode "(General Synod)". Sitz der Kirche ist Edinburgh. Die Mitgliederzahl liegt bei etwa 27.585. Die Church of Scotland und die römisch-katholische Kirche sind somit weit mitgliederstärker. Die Scottish Episcopal Church ist Mitglied der Porvoo-Gemeinschaft, mit deren Kirchen sie volle Kirchengemeinschaft vereinbart hat.
Al-Mash ʿalā l-chuffain () ist eine im Islam umstrittene Praktik bei der kleinen Waschung zur Vorbereitung des rituellen Gebets, bei der anstelle des Waschens der Füße die Schuhe mit feuchten Händen überstrichen werden. Während die Sunniten diese Praktik erlauben, wird sie von den Schiiten abgelehnt. Ursprünge der Kontroverse. Der Streit über diese Frage reicht in frühislamische Zeit zurück. Nach einem Bericht, der im "Muwaṭṭā" von Mālik ibn Anas überliefert ist, besuchte ʿAbdallāh ibn ʿUmar einmal Saʿd ibn Abī Waqqās, als dieser Gouverneur von Kufa war. Als er sah, dass sich Saʿd über die Schuhe strich, tadelte er ihn dafür. Saʿd forderte daraufhin ʿAbdallāh auf, seinen Vater ʿUmar ibn al-Chattāb danach zu fragen, sobald er ihn treffen würde. ʿAbdallāh ibn ʿUmar vergaß das jedoch. Als Saʿd selbst einmal zu ʿUmar kam, fragte er ʿAbdallāh, ob er seinen Vater danach gefragt habe, bekam jedoch eine negative Antwort. Daraufhin fragte Saʿd selbst den Kalifen. Dieser antwortete: "Wenn du deine Füße in die Schuhe gesteckt hast, als sie rein waren, dann streiche nur über sie." ʿAbdallāh ibn ʿUmar fragte: "Auch wenn jemand vom Stuhlgang kommt?" ʿUmar antwortete: "Ja, auch dann." Der Streit über die richtige Lesung von Sure 5:6. Die Kontroverse über diese Frage hatte auch mit Differenzen über die richtige Lesung der maßgeblichen Passage in Sure 5:6 zu tun. Während die einen das darin vorkommende Wort "Füße" als Akkusativ ("arǧula-kum") lasen, interpretierten es andere als Genitiv ("arǧuli-kum"), woraus sich eine völlig andere syntaktische Anbindung und ein anderer Sinn ergaben. Rudi Paret berücksichtigt in seiner Koranübersetzung beide Lesarten: Hadithe. Diejenigen, die das Überstreichen der Schuhe erlaubten, beriefen sich auch auf Überlieferungen, nach denen der Prophet Mohammed auf einer Reise seinem Gefährten Mughīra ibn Schuʿba erlaubt hatte, bei der rituellen Waschung die Schuhe anzulassen, mit der Begründung, dass seine Füße beim Anziehen in rituell reinem Zustand gewesen seien und die Waschung deswegen nicht wiederholt zu werden brauche. Andere Rechtsexperten wie ʿAbdallāh ibn ʿAbbās meinten jedoch, dass diese Regelung nur bis zur Offenbarung der Reinheitsregeln in Sure 5:6 gegolten habe, weil die darin enthaltene Aufforderung zur Waschung die Erlaubnis zum Überstreichen der Füße aufgehoben habe. ʿAbdallāh ibn ʿAbbās selbst wird mit der Aussage zitiert, dass der Prophet nach Offenbarung dieser Regeln das Überstreichen nicht mehr praktiziert habe. Dem stand jedoch eine andere Überlieferung gegenüber, der zufolge Dscharīr ibn ʿAbd Allāh al-Badschalī, der erst nach der Offenbarung von Sure 5 den Islam genommen hatte, die Praktik des Überstreichens der Schuhe beim Propheten noch beobachtet hatte. Nach dieser Überlieferung, die unter anderem von Muslim ibn al-Haddschādsch in seinem "Ṣaḥīḥ" aufgeführt wird, hatte sich der Prophet nach dem Urinieren über die Schuhe gestrichen, um seine Reinheit wiederherzustellen. Bedeutung im Verhältnis zwischen Sunniten und Schiiten. Der Mash ʿalā l-chuffain ist bis heute eine wichtige Streitfrage zwischen Sunniten und Schiiten. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts gab sie in Syrien Anlass zu handgreiflichen Auseinandersetzungen. Wie der aus Herat stammende Gelehrte ʿAlī al-Qārī (st. 1606) in einer seiner Abhandlungen berichtet, diente der Mash im 16. Jahrhundert in der zwischen sunnitischen Usbeken und schiitischen Safawiden umkämpften Provinz Chorasan als Schiboleth zur Unterscheidung zwischen sunnitischen und schiitischen Bevölkerungsgruppen und als Grundlage für konfessionelle Verfolgung. Je nachdem, welche Gruppe gerade herrschte, wurden entweder diejenigen getötet, die das Streichen über die Füße ausübten, oder diejenigen, die es unterließen. Allerdings erlauben die Sunniten das Überstreichen auch nicht immer, sondern nur zeitweise (auf Reisen drei Tage lang, ansonsten einen Tag lang).
Eine Gruppenbahn ist eine Gondelbahn, bei der mehrere Gruppen von zwei bis sechs Kabinen ("„Gondeln“") in knappem Abstand voneinander an ein Förderseil oder an ein Zugseil fix geklemmt sind. Meist handelt es sich aus technischer Sicht bei den "Gruppenumlaufbahnen" um Einseilumlaufbahnen und bei den "Gruppenpendelbahnen" um Zwei- oder Dreiseil-Pendelbahnen. Es existieren jedoch auch Mischformen, wie z. B. Zweiseil-Gruppenumlaufbahnen. Die einzelnen Gondeln einer Gruppenbahn bieten meist Platz für 6 bis 15 Fahrgäste. "Gruppenumlaufbahnen" sind eine der seltenen Bauformen, bei der gleichzeitig das Umlaufseilbahnprinzip, feste Seilklemmen und geschlossene Fahrbetriebsmittel zum Einsatz kommen. Sie haben auch trotz des Umlaufbetriebes vom Fahrtablauf her Ähnlichkeiten mit dem Betriebsablauf einer Pendelbahn, da die Beförderung nicht stetig, sondern intermittierend ("„gepulst“") erfolgt, während "Gruppenpendelbahnen" unmittelbar das Prinzip der Pendelbahnen aufgreifen. Ein Nachteil der Gruppenbahnen besteht darin, dass die Stützen auf der gesamten Länge für den höheren Lastfall der Vorbeifahrt der auf einen kurzen Seilabschnitt konzentrierten Kabinengruppe ausgelegt werden müssen, währenddessen diese Last bei einer Bahn mit herkömmlich verteilten Fahrzeugen auf die gesamte Strecke verteilt ist. Gruppenumlaufbahn. Bei diesem Bahntyp sind die Gondeln über ein Gehänge mit einer nicht abkuppelbaren Seilklemme gruppenweise so an das Förder- oder Zugseil geklemmt, dass zwischen den Gruppen an der umlaufenden Seilschleife exakt die gleichen Abstände liegen. Die Bahn verkehrt im Umlaufbetrieb, d. h. die Wagengruppe passiert ohne Änderung der Fahrtrichtung die Station und fährt auf der gegenüberliegenden Spur in die Gegenrichtung. Zum Ein- und Aussteigen der Passagiere einer Gruppe von Gondeln in den beiden Stationen hält die gesamte Bahn an, wenn sich die gegenüberliegenden Fahrzeuggruppen am Bahnsteig im Bogen der Station befinden (intermittierender Umlaufbetrieb). Da die Fahrgastwechsel bei Gruppenumlaufbahnen im Unterschied zu fix geklemmten Umlaufbahnen mit gleichmäßig über Zug- oder Förderseilschleife verteilten Fahrzeugen ausschließlich zu definierten Zeitpunkten in den Stationen stattfinden, kann ansonsten im Vergleich zu anderen fix geklemmten Umlaufseilbahnsystemen mit relativ hohen Geschwindigkeiten gefahren werden; die Fahrgeschwindigkeit beträgt bis zu 7 m/s. Dagegen ist die Förderleistung insgesamt in Abhängigkeit von der Streckenlänge wegen der regelmäßigen Stopps zum Fahrgastwechsel im Vergleich zu anderen Gondelbahntypen gering. Vorteilhaft wurde in der Blütezeit der Gruppenumlaufbahnen, den 1980er und 1990er Jahren, die überschaubare Technik (Verzicht auf kuppelbare Klemmapparate, einfacher Stationsaufbau ohne Hängeschienen, Fördervorrichtungen, Weichen, Nebenantriebe, Abstellschienen oder Gondelgaragen) angesehen. Es gibt Ausführungen mit zwei oder vier Gruppen von Fahrzeugen, bei vier Gruppen kommt es zu einem Zwischenstopp von zwei Gruppen in der Mitte der freien Trassenstrecke bzw. in einer Mittelstation, wenn die anderen zwei Gruppen in den Stationen anhalten. Gruppenumlaufbahnen wurden bisher mit Gondeln für bis zu 17 Personen gebaut. Für den Wintersportbetrieb erwiesen sich die Gruppenumlaufbahnen aufgrund der beschränkten Beförderungskapazität und der umständlichen Zwischenhalte beim Vier-Gruppen-Betrieb als nicht zukunftsfähig. Mittlerweile ist das Konzept der Gruppenumlaufbahnen von den kuppelbaren Gondelbahnen abgelöst worden, so dass heute nur mehr wenige Gruppenumlaufbahnen neu errichtet werden. Gruppenpendelbahn. In der Funktionsweise und dem Betriebsablauf gleicht dieses Prinzip einer regulären Pendelbahn mit jeweils einer einzigen Kabine je Fahrspur, nur stehen bei der Gruppenpendelbahn mehrere Fahrzeuge in der Gruppe zur Verfügung. Die Kabinen der Fahrzeuggruppen hängen im Regelfall an Laufwerken, die mit ihren Laufrollen auf einem oder zwei Tragseilen fahren und von einem fix angeklemmtem Zugseil gezogen werden, so dass die Fahrzeuge – auf ihren jeweiligen Fahrbahnseiten verbleibend – zwischen den Stationen ohne Stations"durchfahrt" mit abwechselnder Fahrtrichtung hin und zurück pendeln. Es wurden jedoch auch Einseil-Gruppenpendelbahnen ausgeführt, beispielsweise die Bahn "Adelboden Oey – Adelboden Dorf". Gruppenpendelbahnen wurden bisher mit Gondeln für bis zu 29 Personen gebaut. Ein Einsatz von vier Fahrzeuggruppen auf einer Zug- oder Förderseilschleife ist bei der Gruppenpendelbahn möglich, wenn eine Zwischenstation auf halber Streckenlänge vorgesehen wird, an welcher die Fahrgäste jedoch in die Fahrzeuggruppe auf der anderen Fahrspurseite umsteigen müssen. Bei diesen Bahnen pendelt systembedingt auf jeder Seite je eine Gruppe nur auf der unteren oder oberen Hälfte ihrer Fahrspurseite (zwischen Talstation und Mittelstation oder Bergstation und Mittelstation) hin und her, ein Fahrspiel besteht also erst einmal nur aus einer "halben" Fahrt. Die vollständige Fahrt entsteht für den Fahrgast durch Umsteigen in der Mittelstation in die bereitstehende Gruppe auf der anderen Fahrspurseite und einem weiteren Fahrspiel über die zweite Hälfte der Strecke, bei der die Bahn in entgegengesetzter Richtung wieder in die Ausgangsposition fährt.
Pieter Gert van der Veen, in seinen Publikationen auch Peter Van der Veen, (* 6. Mai 1963 in Raalte, Niederlande) ist ein niederländischer evangelikaler Alttestamentler und Biblischer Archäologe. Leben. Van der Veen schloss seine Bibelstudien am European Bible Institute im französischen Lamorlaye 1984 mit einem Diplom ab. (Das European Bible Institute in Lamorlaye wurde 1952 von Robert Philip Evans gegründet (Greater European Mission). Evans arbeitete eng mit Billy Graham bei dessen europabezogenen Projekten zusammen.) Bereits als Bibelstudent in Lamorlaye zeigte van der Veen Interesse an den Arbeiten David Rohls, der als Ägyptologe eine neue Chronologie vorgeschlagen hatte. Im Anschluss studierte van der Veen evangelische Theologie am International Correspondence Institute in Brüssel und an der evangelischen Fakultät der Universität Leuven. 1987–1988 belegte er außerdem Kurse in Palästina-Archäologie an der Katholischen Universität Leuven (KULeuv). Es folgte eine Tätigkeit an Bibelschulen, meist als Dozent für Altes Testament: École biblique supérieure in Moundou (Tschad), 1991–1992 Bibelschulen Walzenhausen und Bern-Kehrsatz, 1994–1997. Die Bibelschulen in Walzenhausen und Kehrsatz gehören zur Dachorganisation Newlife International. Seit 1994 leitet van der Veen eine Arbeitsgruppe für Biblische Archäologie. Von 1997 bis 2002 war er Stipendiat der Studiengemeinschaft Wort und Wissen, daran schloss sich eine Tätigkeit als akademisches Mitglied des Archäologischen Arbeitskreises der gleichen Organisation an (bis heute). 2005 promovierte van der Veen an der Universität Bristol mit einer Arbeit über eisenzeitliche Siegelinschriften ("The Final Phase of Iron Age IIC and the Babylonian Conquest: A reassessment with special emphasis on names and bureaucratic titles on provenanced seals and bullae from Israel and Jordan"). In den folgenden Jahren nahm van der Veen als "Square supervisor" bzw. "Survey supervisor" an archäologischen Projekten im Raum Jerusalem teil. Von 2014 bis 2018 war Pieter Gert van der Veen Lehrbeauftragter an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Lehrstuhl Wolfgang Zwickel); er bot dort Workshops zum eisenzeitlichen Jerusalem und zur ausländischen Ikonographie Palästinas an. Seit seiner Habilitation im Juli 2018 ist van der Veen Privatdozent (von April 2019 bis September 2020 Vertretungsprofessor) für Palästina-Archäologie am Seminar für Altes Testament und Biblische Archäologie derselben Universität. Lehre. Für den von Zwickel mitherausgegebenen Calwer Bibellexikon verfasste van der Veen eine Reihe von Artikeln und war Co-Autor des ebenfalls von Zwickel mitherausgegebenen Werks Herders Neuer Bibelatlas. Mit dem Hänssler Verlag in Holzgerlingen ist van der Veen seit seinem Lektorat (1997–2002) verbunden. Uwe Zerbst, Mitautor mehrerer Bücher über Archäologie, „arbeitet als Wissenschaftler in einem Großforschungszentrum in Norddeutschland“. Zusammen mit Peter James (Althistoriker) und Robert Morkot (Ägyptologe), John Bimson (Alttestamentler) und Uwe Zerbst ist er Gründungsmitglied des internationalen Chronologie-Forums BICANE ("Bronze to Iron Age Chronology of the Ancient Near East"). Im Hintergrund steht die durch Peter James et al. vertretene kürzere ägyptische Chronologie ("Centuries of Darkness", 1991), die in der Ägyptologie eine Minderheitsmeinung darstellt, auch wenn sie in jüngerer Zeit wieder mehr Aufmerksamkeit bekommen hat. Welche Auswirkungen die Arbeitshypothese auf die Standardchronologie haben wird und welche Konsequenzen sie hat für die Interpretation der alttestamentlichen Geschichtsschreibung, bleibt abzuwarten.
Zehlendorf () ist ein Ortsteil des im Südwesten Berlins gelegenen Bezirks Steglitz-Zehlendorf. Bis zur Verwaltungsreform 2001 existierte ein eigenständiger Bezirk Zehlendorf. Im Sprachgebrauch steht Zehlendorf häufig sowohl für den Ortsteil als auch für den ehemaligen Bezirk, der um den Ortskern Zehlendorf bestand und sich über Villensiedlungen in Richtung der Wannsee-Gewässer erstreckte und neben dem Ortsteil Zehlendorf die Ortsteile Wannsee, Nikolassee und Dahlem umfasste. Bei der Verwaltungsreform 2001 wurden die damaligen Bezirke Zehlendorf und Steglitz zu dem Bezirk Steglitz-Zehlendorf fusioniert. Der alte Ortskern Zehlendorf liegt südlich von Dahlem und grenzt nach Osten an die Villenkolonie Lichterfelde-West, nach Westen an Nikolassee. Geschichte. In der ersten Siedlungsphase der deutschen Ostsiedlung in der Zauche und auf dem südwestlichen Teltow zogen im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts deutsche Siedler in bereits bestehende slawische Siedlungen am Schlachtensee, an der Krummen Lanke und dem Krummen Fenn, dem heutigen Museumsdorf Düppel, wobei diese möglicherweise erweitert wurden. In der zweiten Siedlungsphase entstanden neue Angerdörfer und Straßendörfer. Dabei wurde die Siedlungslandschaft umstrukturiert, indem die alten kleinen slawischen Siedlungen aufgelöst und ihre Einwohner umgesiedelt wurden. Das breite Straßendorf Zehlendorf entstand um 1230 und wurde 1242 als "Cedelendorp" erstmals schriftlich in einem Verkaufsvertrag erwähnt. Damals wechselte das Eigentum von den Markgrafen Johann I. und Otto III. zum Zisterzienserkloster Lehnin. Der Ortsname ist eine deutsch-slawische Mischform, in der der polabische Personennamen "Sedl" enthalten ist, der sich wiederum vom altslawischen Wort "Sedlo" (‚Siedlung‘) ableitet. Angeblich wurde 1264 eine Dorfkirche urkundlich erwähnt, die einen "Klutturm" hatte (niederdeutsch: "klut" = ‚Klotz‘). Es dürfte sich um eine um 1250 erbaute vierteilige Apsiskirche aus Feldsteinquadern mit schiffsbreitem Querturm gehandelt haben. Sie wurde 1760 im Siebenjährigen Krieg zerstört und 1767 abgebrochen. Der 1768 errichtete Ersatzbau der Dorfkirche Zehlendorf war für eine märkische Dorfkirche ganz ungewöhnlich: ein Zentralbau in Form eines Oktogons. Im Landbuch Karls IV. (1375) wurde Zehlendorf mit 50 Hufen erwähnt; davon hatte der Pfarrer vier und der Lehnschulze drei. Es gab einen Krug und eine (Wasser-)Mühle. Auch elf Kossäten und zwei Seen (Fischereirechte auf dem Schlachtensee und der Krummen Lanke) wurden genannt. Abgaben (Zehnt, Pacht und Bede) standen zum Teil dem Markgrafen zu, zum Teil dem Kloster Lehnin. Im Jahr 1411 wurde das Dorf von magdeburgischen Raubrittern überfallen. 1572 gab es ein Lehnschulzengut mit fünf Hufen, das Rechte auf unterschiedliche Abgaben und Dienstleistungen hatte. Inzwischen waren auch ein Hirtenhof, eine kleine Badstube, ein Backofen, eine Schmiede und eine kleine Fischerei vorhanden. 1591 wurde ein Windmüller erwähnt. Der Pfarrer wohnte in Teltow; auf dem Pfarrgrundstück war der kurfürstliche Teichwärter eingezogen. Mit der Reformation endete 1542 die Herrschaft des Klosters Lehnin, und Zehlendorf wurde bis 1872 unter brandenburgisch-kurfürstliche Verwaltung des Amtes Mühlenhof gestellt. Im Jahr 1730 ließ Friedrich Wilhelm I. den Königsweg als Schnellweg nach Potsdam einrichten und 1792 wurde durch Friedrich Wilhelm II. die Straße von Berlin nach Potsdam zur ersten Chaussee Preußens ausgebaut. Am 22. September 1838 fuhr die erste preußische Eisenbahn von Potsdam nach Zehlendorf. Bis zum 29. Oktober war Zehlendorf Endstation, von da an fuhren die Züge bis Berlin zum Potsdamer Bahnhof. 1874 erfolgte die Eröffnung der Wannseebahn von Zehlendorf über Schlachtensee und Wannsee nach Kohlhasenbrück. Diese zweigt gleich hinter dem Bahnhof Zehlendorf in Richtung Bahnhof Schlachtensee ab und trifft kurz vor dem Bahnhof Griebnitzsee wieder auf die Stammbahn. Bis zum 18. September 1980 war Zehlendorf darüber hinaus für die Stammbahn über den Bahnhof Zehlendorf Süd an den Bahnhof Düppel angebunden. Die selbstständige Landgemeinde Zehlendorf wurde 1872 gegründet. 1894 wurde das bis dahin selbstständige und 1299 erstmals urkundlich erwähnte Dorf Schönow in die Landgemeinde Zehlendorf eingegliedert. Die heutige Ortslage Schönow erstreckt sich im Süden am Teltowkanal bis auf das Gebiet von Berlin-Lichterfelde. 1920 wurde die Landgemeinde nach Groß-Berlin eingemeindet. Mit anderen Ortschaften entstand dabei der Bezirk Zehlendorf von Berlin, der 1945 Teil des amerikanischen Sektors und damit West-Berlins wurde und am 1. Januar 2001 im Bezirk Steglitz-Zehlendorf aufging. Im Dezember 2020 gab der Ortsteil Zehlendorf einen größeren Gebietsteil an den neugebildeten Ortsteil Schlachtensee ab. Verkehr. Individualverkehr. Durch Zehlendorf verläuft die Bundesstraße 1 als wichtigste Verbindung in Ost-West-Richtung. Im Nordwesten wird Zehlendorf von der Bundesautobahn 115 tangiert. Im äußersten Nordwesten liegt die Anschlussstelle "Hüttenweg". Öffentlicher Personennahverkehr. Zehlendorf liegt mit vier Haltestellen an der Wannseebahn. Der größte und wichtigste Bahnhof ist der Bahnhof Zehlendorf. Weitere Haltestellen sind Mexikoplatz und Sundgauer Straße. Die U-Bahn-Linie U3 der Berliner U-Bahn endet in Zehlendorf am Bahnhof Krumme Lanke. Eine weitere Station liegt ebenfalls in Zehlendorf.
Ho-Chi-Minh-Stadt () ist die größte Stadt und das wirtschaftliche Zentrum Vietnams. Unter ihrem alten Namen Saigon ("Sài Gòn"), der auch noch heutzutage parallel zu "Ho-Chi-Minh-Stadt" verwendet wird, war sie bis zum April 1975 Hauptstadt der "Republik Vietnam". Nach dem Abzug der US-Truppen und der militärischen Niederlage der südvietnamesischen Regierung wurde die Stadt 1976 nach dem 1969 verstorbenen nordvietnamesischen Staatschef Ho Chi Minh benannt. Im Verwaltungsgebiet der Stadt leben ca. 8,9 Millionen Einwohner (Volkszählung 2019). Ho-Chi-Minh-Stadt besitzt mit Ausnahme der Kernstadt kein zusammenhängendes Stadtgebiet, sondern ist – mit seiner außerhalb des Kerns dominierenden ländlichen Siedlungsstruktur – eher mit einer kleinen dicht besiedelten Provinz vergleichbar. Die Stadt liegt etwas nördlich des Mekong-Deltas auf dem rechten Ufer des Saigon-Flusses. Sie ist Industriestadt, Verkehrsknoten und Kulturzentrum mit Universitäten, Theatern, Kinos, Museen, Baudenkmälern und Parks. Name der Stadt. Ho-Chi-Minh-Stadt erhielt seinen Namen im Jahre 1976, nachdem Nord- und Südvietnam wiedervereinigt worden waren. Der alte Name "Saigon" (vietnamesisch "Sài Gòn") ist in Vietnam umgangssprachlich insbesondere für den städtisch geprägten Kern (1. Bezirk) der heute offiziell als "Thành Phố Hồ Chí Minh" bezeichneten Verwaltungseinheit nach wie vor in weitem Gebrauch. Auch im Ausland ist der alte Name Saigon noch in Verwendung. Ursprünglich trug sie den Namen "Prei Nokor" (Khmer-Sprache: Dorf im Wald). Die Bezeichnung "Sài Gòn" ist eine Übersetzung dieses Namens ins Vietnamesische. Als Abkürzung wird oft "TP. HCM" bzw. "HCMC" oder "HCM City" (vietnamesisch beziehungsweise englisch) verwendet. Die Stadt erhielt ihren Namen nach Ho Chi Minh, welcher im September 1945 die Demokratische Republik Vietnam proklamiert und später die Führung des Landes als Staats- und Ministerpräsident übernommen hatte. Nach der Teilung Vietnams als Folge des Indochinakriegs 1954 wurde er Präsident der Demokratischen Republik Vietnam. Geografie. Geografische Lage. Die Stadt liegt etwas nördlich des Mekong-Deltas auf dem Westufer des Saigon-Flusses durchschnittlich 19 Meter über dem Meeresspiegel. Die Entfernung zum Südchinesischen Meer (vietnamesisch "Ostmeer") beträgt rund 40 Kilometer. Das administrative Stadtgebiet hat eine Ausdehnung von 2.095 Quadratkilometern. Die Distanz vom nördlichsten Teil (Dorf Phu My Hung, Bezirk Cu Chi) zum südlichsten Teil des Stadtgebietes (Dorf Long Hoa, Bezirk Can Gio) beträgt 120 km, vom östlichsten Teil (Stadtteil Long Binh, Bezirk 9) zum westlichsten Teil (Dorf Binh Chanh, Bezirk Binh Chanh) 46 km. Südlich der Stadt münden die Zwillingsflüsse des Mekong, auch Tiền Giang oder Sông Tiền („Oberer Mekong“) und Hậu Giang oder sông Hậu („Unterer Mekong“) genannt, in das über 70.000 km² ausgedehnte Mekong-Delta verbreitert, in das Südchinesische Meer (in Vietnam: Ostmeer). Stadtgliederung. Überblick. Ho-Chi-Minh-Stadt ist in 19 Bezirke (Quận) und fünf Landkreise (Huyện) unterteilt. Von den 19 Stadtbezirken haben nur die sieben Bezirke außerhalb des Stadtzentrums eigene Namen (Quận Bình Tân, Quận Bình Thạnh, Quận Gò Vấp, Quận Phú Nhuận, Quận Tân Bình, Quận Tân Phú und Quận Thủ Đức), die Bezirke im Zentrum sind einfach durchnummeriert (Quận 1, Quận 2, Quận 3, Quận 4, Quận 5, Quận 6, Quận 7, Quận 8, Quận 9, Quận 10, Quận 11 und Quận 12). Die fünf Landkreise liegen außerhalb der Kernstadt (hohe Bebauungsdichte und geschlossene Ortsform) in den Vorstädten und ländlichen Gebieten, aber innerhalb der administrativen Stadtgrenzen (Huyện Bình Chánh, Huyện Cần Giờ, Huyện Củ Chi, Huyện Hóc Môn und Huyện Nhà Bè). Die 19 Bezirke gliedern sich in 259 Stadtteile (phường), die fünf Kreise in 58 Großgemeinden (xã) und fünf Gemeinden (thị trấn). Chợ Lớn. Chợ Lớn, der 5. Bezirk (Quận 5), ist die "Chinatown" von Ho-Chi-Minh-Stadt. Ursprünglich war Chợ Lớn – zu deutsch "großer Markt" – eine Stadt für sich selbst, ist jedoch vor allem durch den hohen Zuzug von Flüchtlingen mit dem früheren Saigon verschmolzen. Sie wird von einer halben Million ethnischer Chinesen bewohnt, die durch ihre chinesischen Apotheken, Restaurants und Geschäfte das Viertel dominieren. Getreu dem Namen ist Chợ Lớn auch der Bezirk mit der meisten geschäftlichen Aktivität. Die Vorfahren der Bewohner sind aus verschiedenen Regionen Südchinas nach Vietnam eingewandert und haben ihre Dialekte und Sitten behalten. Es gibt eigene Tempel für die Leute, die aus Chaozhou abstammen, und eigene Tempel für jene aus Guangzhou. Um 1900 herum war Chợ Lớn auch ein verruchtes Vergnügungsviertel, wo der Konsum von Opium nur eines der angebotenen Vergnügen war. Der britische Schriftsteller Graham Greene war unter den Besuchern. Seit den 1950er Jahren waren die verstopften Straßen Chợ Lớns ein ideales Versteck für Việt Minh und später die NLF, während nach der Wiedervereinigung mit Nordvietnam und speziell während des Krieges mit der Volksrepublik China 1979 die Chinesen einen großen Anteil der Boatpeople ausmachten. Chợ Lớn beherbergt auch die sehenswerte "Quan Âm"-Pagode und die "Thien-Hau"-Pagode. Als Chợ Lớns Gemeinde der Fujian-Chinesen die Quan-Âm-Pagode an der "Chau van Liem" Ende des 19. Jahrhunderts errichtete, widmete sie den Tempel der Göttin der Barmherzigkeit. Im Zentrum der Haupthalle steht hingegen die heilige Mutter und himmlische Kaiserin "A Pho" hinter einem Altar, der entfernt an einen Grabstein erinnert. Der dahinter liegende Hof wird von einem ganzen Pantheon von Gottheiten bevölkert und lockt einen ständigen Strom von Gläubigen an. Am auffälligsten sind die beiden Statuen der Quan Âm – eine mit dem Rücken zu A Pho, die andere in würdevollem Dunkelgold. Củ Chi. Củ Chi (Huyện Củ Chi) ist ein Landkreis im Verwaltungsgebiet von Ho-Chi-Minh-Stadt. Bekannt sind die Tunnel von Củ Chi, in denen sich vietnamesische Partisanen im Vietnamkrieg von 1965 bis 1975 versteckt hielten. Das Tunnelsystem ist nach dem gleichnamigen Dorf im Landkreis benannt. Die ersten Tunnel sind 1948 entstanden. In den 1960er Jahren gruben nordvietnamesische Partisanen immer weiter und tiefer, bis das Tunnelsystem auf eine beachtliche Länge von 200 km auf drei Ebenen angewachsen war. Unter der Erde entstanden richtige Städte mit Schulen, Lazaretten, Büros und Schlafgelegenheiten. Alle unterirdischen Gebäude waren mit Tunneln von maximal 80 cm Höhe und 70 cm Breite verbunden. Zur Außenwelt konnte man durch Klapptüren, die von Laub und Gras verdeckt waren, gelangen. Alle Eingänge waren durch primitive, aber wirkungsvolle Fallen gesichert. Klima. Die Stadt befindet sich in der tropischen Klimazone. Die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt 27,2 Grad Celsius, die jährliche Niederschlagsmenge im Mittel 1931 mm. Hauptregenzeit ist zwischen Mai und Oktober, in einzelnen Stadtgebieten muss dann mit Überschwemmungen gerechnet werden. Der meiste Niederschlag fällt im September mit 327 mm im Mittel, der wenigste im Februar mit durchschnittlich vier Millimeter. Die durchschnittlichen Temperaturen liegen das ganze Jahr über zwischen 25,6 und 28,9 Grad Celsius. Die mittlere Tagestemperatur beträgt maximal 32 °C, minimal 24 °C bei hoher Luftfeuchtigkeit. Die heißesten Monate sind April mit 28,9 °C im Mittel (maximal 35 °C und minimal 25 °C durchschnittliche Tagestemperatur) und Mai mit durchschnittlich 28,7 °C. Die niedrigsten Temperaturen werden in der Gegend um Ho-Chi-Minh-Stadt im Januar mit maximal 30 °C und minimal 20 °C Tagesmitteltemperatur gemessen. Die Trockenzeit geht von Dezember bis April. Geschichte. Herrschaft der Khmer. Historiker und Archäologen fixieren die Gründung des Ortes zwischen dem 1. und 6. Jahrhundert: das Volk der Khmer hatte hier ein Fischerdorf gebaut. Zu dieser Zeit lebten in der Region noch keine Vietnamesen. Die Herrschaft über das Gebiet besaß nominell das weiter im Westen liegende Reich Funan. Später wurde Funan von dem Volk der "Kambuja" eingenommen, die zum Reich Chenla gehörten, das seinerseits später in Angkor aufging. Diese machtpolitischen Verschiebungen hatten aber kaum Einfluss auf das kleine Fischerdorf. Das Land war von derart unzugänglichen Wäldern und Sümpfen umgeben, dass die dort lebenden Khmer-Fischer ihre Siedlung "Prei Nokor" (Dorf im Wald) nannten. Doch aufgrund seiner Lage auf festem Boden, unmittelbar nördlich des sumpfigen Deltas und auf drei Seiten von schiffbaren Wasserwegen umgeben, begann der Aufstieg des Ortes. Als Chenla vom Khmer-Reich Angkor vereinnahmt worden war, das bis zum 15. Jahrhundert die Herrschaft über die Region hatte, erlebte Prei Nokor eine erste Blüte als Umschlaghafen für kambodschanische Schiffe, die den großen Mekong-Fluss befuhren. Bis zum 17. Jahrhundert entstanden dort eine Garnison und eine Handelsgemeinde, zu der auch malaiische, chinesische und indische Händler gehörten. Eroberung durch die Nguyễn-Dynastie. Die Entwicklung einer derart dynamischen Siedlung musste zwangsläufig die Aufmerksamkeit des Nordens auf sich ziehen. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts hatten die Vietnamesen auf ihrem Marsch nach Süden das an das Khmer-Reich angrenzende Champa erobert, und im Verlauf des folgenden Jahrhunderts wurde die gesamte Region von der in Huế herrschenden Nguyễn-Dynastie eingenommen. Es wird dem vietnamesischen Adeligen Nguyen Phuc Chu zugeschrieben, aus dem Ort wieder eine nennenswerte Siedlung gemacht zu haben. Er wurde 1698 in die Region entsandt, um Verwaltungsstrukturen aufzubauen. Mit den neuen Herrschern kam auch ein neuer Name, "Saigon", der vermutlich von dem vietnamesischen Wort für den Kapokbaum abgeleitet ist. Als 1771 die Tây Sơn-Rebellion ausbrach, flüchtete Nguyễn Phúc Ánh, der geschasste Machthaber der Nguyễn-Dynastie, von Huế Richtung Süden nach Saigon. Nachdem er die Stadt zu seiner vorläufigen Hauptstadt erklärt hatte, ließ er sie vollständig mit Mauern umgeben und zur Festung ausbauen. Die achteckige Zitadelle "Gia Dinh" wurde auf den Rat seiner Geomantiker hin nach dem Vorbild einer blühenden Lotusblume gestaltet. Als Nguyễn Phúc Ánh nach der Niederschlagung des Aufstandes 1802 als Kaiser Gia Long nach Huế zurückkehrte, blieb Saigon sein regionales Verwaltungszentrum im Süden. Die Armee, von der die Tây Sơn-Brüder bezwungen wurden, umfasste auch eine militärische Einheit der Franzosen, die in der Folge sieben Jahrzehnte mit den Vietnamesen um die Kontrolle über die Region rangen, um einen festen Handelsposten in Asien zu errichten. Französische Kolonialzeit. Schließlich besetzte die französische Armee am 17. Februar 1859 Saigon unter dem Vorwand, unter Kaiser Tự Đức würden die französischen Missionare verfolgt. Durch den am 5. Juni 1862 geschlossenen "Vertrag von Saigon" wurde die Stadt zur Hauptstadt der französischen Kolonie Cochinchina erklärt. Die heutige Ho-Chi-Minh-Stadt verdankt ihr Erscheinungsbild und ihren Charakter vor allem den französischen Kolonisten. Im Rahmen eines breit angelegten Programms öffentlicher Bauvorhaben wurden Kanäle zugeschüttet und Sumpfgebiete trockengelegt. Dampfstraßenbahn-Linien wurden eingerichtet und verkehrten auf dem strengen Gitternetz der von Tamarinden gesäumten Straßen, die in den 1930er Jahren solch „unvietnamesische“ Namen trugen wie "Boulevard de la Somme" oder "Rue Rousseau". Es entstanden auffällige Beispiele europäischer Architektur, während zahlreiche Cafés und Boutiquen eröffnet wurden, um die Bedürfnisse der Europäer zu befriedigen. Die Stadt war so sehr von einer französischen Atmosphäre durchdrungen, dass der englische Schriftsteller Somerset Maugham, der Saigon in den 1920er Jahren besuchte, sie mit einer kleinen Provinzstadt in Südfrankreich verglich und als unbekümmerte und fröhliche Kleinstadt beschrieb. Peter Scholl-Latour beschrieb Saigon in seinem Buch "Der Tod im Reisfeld: 30 Jahre Krieg in Indochina" als die eleganteste und kultivierteste Stadt Asiens in jener Ära. Die großen Gewinne, die die "colons" (Siedler) aus dem Export von Kautschuk und Reis über Saigons rasch wachsenden Überseehafen abschöpften, investierten sie teilweise wieder in die Entwicklung der Stadt. Die Lebensbedingungen der Vietnamesen waren während der französischen Kolonialherrschaft indes sehr schwer. Ihr Widerstand äußerte sich vor allem in Form zahlreicher Streiks in den 1920er und 1930er Jahren. Die Nationalbewegung erstarkte aber erst, nachdem der Zweite Weltkrieg Südostasien erreicht hatte. Am 28. Juli 1941 nahmen japanische Truppen Saigon ein. Unabhängigkeit und Indochinakrieg. Nach der Ausrufung des Waffenstillstands zwischen Japan und den Alliierten am 19. August 1945 begannen die Việt-Minh-Guerillas die Macht in Vietnam zu übernehmen. Dieser Prozess, der als "Augustrevolution" in die vietnamesische Geschichte einging, war mit der Befreiung Saigons am 28. August 1945 abgeschlossen. Die nun gewonnene Freiheit nutzte Hồ Chí Minh dazu, am 2. September 1945 in Hanoi die Unabhängigkeit Vietnams zu verkünden. Als der Zweite Weltkrieg zu Ende war, bekam die britische Armee den Auftrag, die japanischen Truppen im südlichen Vietnam zu entwaffnen. Als die Briten am 13. September 1945 in Saigon eintrafen, verhalfen sie den Franzosen sogleich wieder an die Macht und schufen damit die Grundlage für einen 30 Jahre andauernden Krieg. Nach anfänglichen Zugeständnissen an die Việt Minh entschloss sich die französische Verwaltung im Dezember 1946, die Organisation militärisch zu beseitigen und den alten Status der Kolonie wiederherzustellen. Während der Feierlichkeiten zum französischen Nationalfeiertag kam es am 14. Juli 1949 in Saigon zu Unruhen, bei denen 22 Personen getötet und 118 verletzt wurden. Vom Indochinakrieg gegen die Franzosen blieb Saigon weitgehend verschont, denn die Kämpfe wurden überwiegend in ländlichen Regionen ausgetragen. Der Krieg endete mit der Kapitulation der Franzosen am 7. Mai 1954 nach der Schlacht von Điện Biên Phủ im hohen Norden des Landes, als sie durch die Việt Minh besiegt wurden. Davor hatten sie aber Kaiser Bảo Đại installiert, der Saigon zur Hauptstadt seines Reiches machte. Nach der Teilung Vietnams in Nord- und Südvietnam blieb Saigon Hauptstadt des südlichen Teils unter der Regierung von Präsident Ngô Đình Diệm. Vietnamkrieg. Während des Vietnamkriegs waren ab 1965 zehntausende US-amerikanische Soldaten in Saigon stationiert, wovon die lokale Wirtschaft profitierte, was aber auch zur Entwicklung von ausufernder Prostitution führte. Die Kriegsjahre forderten einen schweren Tribut: Durch die Flächenbombardements der US-Amerikaner in den ländlichen Regionen kamen mehrere Millionen Flüchtlinge in die relativ sichere Stadt. Die blutige Niederschlagung einer Demonstration von buddhistischen Mönchen im Sommer 1963, bei der sich einige Mönche verbrannten, führte zum Ausbruch der Buddhistenkrise. Am 1. November 1963 stürzten in Saigon Generäle der südvietnamesischen Armee die Regierung Ngô Đình Diệm. Der erste Präsident der Republik Südvietnam und mehrere Mitglieder der Regierung wurden hingerichtet. Während der Tet-Offensive gelang dem Vietcong am 31. Januar 1968 ein sehr symbolträchtiger Angriff auf die US-amerikanische Botschaft in Saigon. Allerdings wurden die 19 Kämpfer, die das Botschaftsgebäude stürmen wollten, getötet, bevor sie das Gebäude betreten konnten. Weitaus stärkere Angriffe fanden in und nahe bei Saigon auf den Flugplatz und die Hauptquartiere von General William Westmoreland sowie des südvietnamesischen Militärs statt. Doch die US-Amerikaner brauchten nur kurze Zeit, um sich zu sammeln und zurückzuschlagen. Schon am nächsten Morgen griffen sie die Nordvietnamesen an, und binnen fünf Tagen waren diese kleinen Truppenteile vollständig geschlagen. Die Tet-Offensive brachte dem Vietcong zwar nicht den erwünschten militärischen Durchbruch, sie war aber entscheidend vor allem im Hinblick auf die öffentliche Meinung in den USA. Der Eindruck eines nicht zu gewinnenden und sinnlos gewordenen Krieges setzte sich durch. Mit dem Abzug der US-amerikanischen Soldaten 1973 ging die wirtschaftliche Aktivität spürbar zurück. 1975 war die US-amerikanische Botschaft Schauplatz der Hubschrauber-Evakuierung mit dem Codenamen "Operation Frequent Wind", die den endgültigen Rückzug der USA aus Vietnam markierte. Das Gelände war eine der 13 designierten Landezonen, wo sich alle Ausländer versammeln sollten, sobald sie im Radio die Worte „It is 112 degrees and rising“, gefolgt von dem Bing-Crosby-Song "White Christmas" hörten. Am Mittag des 29. April 1975 wurde das Signal gesendet, und in den folgenden achtzehn Stunden flog ein Helikopter nach dem anderen die Passagiere zur 7. Flotte der US-Kriegsmarine, die vor der Küste von Vũng Tàu wartete. Rund zweitausend Flüchtlinge wurden allein vom Dach der Botschaft evakuiert, bevor US-Botschafter Graham Martin schließlich am folgenden Morgen mit dem zusammengerollten Sternenbanner unter dem Arm als letzter das Gebäude verließ. Zahlreiche vietnamesische Zivilisten blieben vor den Toren der Botschaft zurück und mussten sich den Kommunisten ergeben. Kommunistische Machtübernahme. Als am 30. April 1975 Panzer der nordvietnamesischen Streitkräfte und ihres Verbündeten, der Nationalen Front für die Befreiung Südvietnams, die Umzäunung des Präsidentenpalastes in Saigon durchbrachen – einer der Panzer ist später zur Erinnerung an Ort und Stelle aufgestellt worden – und die Flagge Nordvietnams auf dem Gebäude hissten, war der Vietnamkrieg offiziell beendet. Kurze Zeit zuvor hatte der letzte US-amerikanische Hubschrauber das Gelände verlassen; die Ausrüstungsgegenstände der US-Amerikaner und der südvietnamesischen Regierung, die damals in der Eile zurückgeblieben waren, können im Palast besichtigt werden. Während die Kommunisten dieses Ereignis als "Befreiung Saigons" bezeichnen, nennen es die Südvietnamesen und US-Amerikaner den "Fall Saigons". Am 2. Juli 1976 wurden Nord- und Südvietnam unter dem Namen "Sozialistische Republik Vietnam" wiedervereint, Saigon nach dem früheren Präsidenten Nordvietnams in Ho-Chi-Minh-Stadt umbenannt. Damit einher ging die Rückbenennung von Hanoi. Unkluge politische Entscheidungen im Anschluss an die Wiedervereinigung hatten eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Stagnation zur Folge, deren Auswirkungen noch immer zu sehen sind. Erschwerend kam hinzu, dass mehrere tausend Südvietnamesen, die vorher mit den US-Amerikanern kooperiert hatten, in Umerziehungslager geschickt wurden, während Millionen Menschen auf dem Seeweg als Boatpeople das Land verließen. Erst seit 1986, als die Erneuerungspolitik Đổi mới die Liberalisierung der Wirtschaft eingeleitet hatte und die Marktwirtschaft eine neue Chance erhielt, hat sich Ho-Chi-Minh-Stadt rasant zum Finanz- und Wirtschaftszentrum Vietnams entwickelt, wovon einige schimmernde Wolkenkratzer und Nobelhotels im Stadtzentrum zeugen. In Folge des Đổi mới erlebte der Tourismus in Vietnam einen Aufschwung, so dass Bedarf an neuen, vergleichsweise luxuriösen Unterkünften bestand. Um hier schnell Abhilfe zu schaffen, wurde 1989 ein ursprünglich für australische Gewässer gebautes schwimmendes Hotel nach Ho-Chi-Minh-Stadt gebracht und am Ufer des Flusses Saigon, direkt vor der Trần-Hưng-Đạo-Statue, vertäut (). Das offiziell Saigon Floating Hotel, von den Einheimischen aber meist nur "The Floater" genannte Hotel wurden vor allem bei Ausländern schnell populär. Als in der Stadt ausreichend herkömmliche Hotels zur Verfügung standen, wurde der Betrieb 1996 eingestellt und das Hotel nach einer Renovierung nach Nordkorea gebracht. Die andere Seite ist die steigende Kriminalitätsrate. Korruption, Prostitution, Drogenhandel und organisierte Kriminalität sorgen regelmäßig für Schlagzeilen in der vietnamesischen Presse. Nach einem spektakulären Prozess kam es 2004 zur Hinrichtung von Năm Cam, einem berüchtigten Mafia-Boss in Ho-Chi-Minh-Stadt. Auch die Zahl der HIV-Infektionen hat sich in der Stadt in den letzten Jahren dramatisch vervielfacht: 2004 wurden offiziell 12.000 HIV-Fälle genannt. Betroffen sind vor allem Prostituierte (viele haben im benachbarten Kambodscha gearbeitet) und Drogenabhängige (wegen der gemeinsamen Benutzung von Injektionsnadeln). Landesweit steht Ho-Chi-Minh-Stadt an der Spitze der HIV-Infektions-Statistik. Einwohnerentwicklung. Seit Beginn der französischen Kolonialisierung verzeichnete das ehemalige Saigon ein schnelles Bevölkerungswachstum. Von 7.000 Einwohnern im Jahre 1862 verzehnfachte sich diese Zahl bis 1911 auf 68.000. Schon 1914 wurde die Grenze von 100.000 erreicht und 1939 lebten in der Stadt bereits eine halbe Million Menschen. Während des Zweiten Weltkriegs verdoppelte sich die Einwohnerzahl auf rund eine Million, bis 1974 noch einmal auf zwei Millionen. Laut Volkszählung vom 1. April 2009 lebten im gesamten Verwaltungsgebiet der Stadt 7.123.340 Menschen (2004 = 6.117.251), davon 5.929.479 in den 19 städtischen Bezirken (2004 = 5.140.412) und 1.193.861 in den fünf ländlichen Bezirken (2004 = 976.839). Damit ist sie die bevölkerungsreichste Stadt Vietnams sowie die bevölkerungsreichste administrative Einheit des Landes. Bis zum Jahr 2050 wird mit einer Bevölkerung von 11,9 Millionen Menschen im Ballungsraum gerechnet. Ein erheblicher Teil des Bevölkerungswachstums seit Beginn der kolonialen Entwicklung beruht auf Zuwanderung aus dem Hinterland. Neben ethnischen Vietnamesen (87 Prozent) sind elf Prozent der Einwohner Überseechinesen ("Hoa"). Auch Menschen von anderen ethnischen Minderheiten Vietnams (Khmer, Cham, Nung, Rhade) leben in der Stadt. Sie besitzen einen Anteil von zusammen zwei Prozent an der Gesamtbevölkerung. Laut Volkszählung 2004 verteilten sich die Religionen wie folgt: Buddhisten 50 Prozent, Katholiken zwölf Prozent, Protestanten zwei Prozent, andere (Caodisten, Hoa Hao, Muslime, Hindus) zwei Prozent, keiner Religion zugehörig sind 34 Prozent der Einwohner von Ho-Chi-Minh-Stadt. Die Einwohnerzahlen in der folgenden Tabelle beziehen sich auf die Kernstadt, ohne die Bevölkerung der ländlichen Bezirke. Bis 1975 handelt es sich meist um Schätzungen, danach um Volkszählungsergebnisse. Politik. Stadtregierung. Ho-Chi-Minh-Stadt ist direkt der Zentralregierung unterstellt und somit formell einer Provinz Vietnams gleichgestellt. Sie wird von einem "Volksrat" regiert, der zumindest in der Theorie von der Bevölkerung gewählt wird. Der Volksrat ernennt ein "Volkskomitee" als seinen ausführenden Arm. Diese Struktur ist ähnlich der Struktur der Zentralregierung Vietnams. Die Stadtregierung hat sich der Zentralregierung unterzuordnen. Ratsvorsitzender ist Huynh Dam, Vorsitzender des Volkskomitees Le Thanh Hai. Städtepartnerschaften. Hồ-Chí-Minh-Stadt unterhält mit folgenden Städten Partnerschaften: Kultur und Sehenswürdigkeiten. Theater. An der Ostseite des Lam Son-Platzes steht das 1899 eröffnete "Stadttheater", dessen kolossaler, kuppelförmiger Eingang Richtung Südwesten auf die Le Loi weist. 1955 war dort vorübergehend die Nationalversammlung untergebracht, doch heute werden in dem restaurierten Gebäude wieder Modenschauen, Theaterstücke und Tänze dargeboten. Das "Hoa Binh-Theater" in der 3 Thang 2 bietet regelmäßig Aufführungen moderner und klassischer vietnamesischer Musik, traditionelle Theaterstücke und Tänze, Modenschauen, Konzerte (manchmal auch von Künstlern aus dem Westen) und synchronisierte Filme. Das "Binh Quoi Cultural Village" in der Xo Viet Nghe Tinh zeigt ein von der Firma Saigontourist organisiertes Programm aus Volksmusik, traditionellen Tänzen und Wasserpuppentheater, das auch mit einer abendlichen Kreuzfahrt auf dem Saigon-Fluss kombiniert werden kann. Museen. Ein Dach im Stil einer Pagode krönt das Historische Museum der Stadt. Es beherbergt eine Reihe von Galerien, die anhand einer Ausstellung von Artefakten und Gemälden die Geschichte Vietnams von den frühen Entwicklungsstufen bis zum Ende der französischen Kolonialherrschaft nachzeichnet. In weiteren Räumen sind so verschiedenartige Objekte wie Buddha-Bildnisse aus ganz Asien, Cham-Kunst aus dem 7. und 8. Jahrhundert und Kunsthandwerksobjekte der ethnischen Minderheiten des Landes zu finden. Ein Raum ist gefüllt mit exquisiten Keramikgegenständen aus Japan, Thailand und Vietnam. Auch ein Wasserpuppentheater mit täglichen Vorstellungen befindet sich im Museum. Im Kriegsopfermuseum gibt es eine Sammlung von Panzern, Flugzeugen und anderen Waffen, die von der US-Armee erbeutet wurden. Eine Fotogalerie zeigt Kriegshandlungen, den Einsatz von Napalm sowie der Entlaubungsmittel Agent Orange und Agent Blue, die über Vietnam versprüht wurden. Die Folgen waren eine Zunahme von Krebs, Geburtsschäden, Missbildungen und Umweltzerstörung. Die Darstellung der Geschichte in diesem Museum beschränkt sich auf die Sicht der Sieger. Das Revolutionsmuseum ist im früheren Palast des Gouverneurs von Cochinchina untergebracht, welches während des Vietnamkriegs auch als Residenz von Präsident Diem genutzt wurde. Es zeigt viele Fotos und Gegenstände aus dem Krieg. Ausgestellt sind auch Kleidungsstücke vietnamesischer Soldaten. Das Hồ-Chí-Minh-Museum befindet sich im 1863 errichteten früheren Sitz der Zollverwaltung. Es zeichnet anhand von Fotografien, Dokumenten und Artefakten den Kampf des vietnamesischen Volkes gegen die französischen und US-amerikanischen Besatzer nach. Im Erdgeschoss befindet sich eine Sammlung aus alten Artefakten und historischen Gegenständen, dazu ein Bereich Naturgeschichte und ein weiterer Abschnitt mit Kleidung und Werkzeugen der ethnischen Minderheiten. Im Obergeschoss, wo der Schwerpunkt auf dem Vietnamkrieg liegt, präsentiert das Museum Ausstellungsstücke, die sich mit dem Erfindungsreichtum der Vietnamesen beschäftigen. Darunter sind unter anderem aus Fahrradteilen zusammengebastelte Minenwerfer, ein Suzuki-Motorrad, in dessen hohlen Rahmenteilen Dokumente nach Saigon geschmuggelt wurden, und ein Boot mit doppeltem Boden als Waffenversteck. Das Kunstmuseum ist in einer herrschaftlichen Kolonialvilla eingerichtet. Unter- und Erdgeschoss sind kommerziellen Kunstwerken gewidmet, die dort über diverse Galerien zum Kauf angeboten werden. Der erste Stock wird von revolutionärer Politkunst beherrscht und zeigt größtenteils Motive von Soldaten, Kriegsschauplätzen und Hồ Chí Minh. Im zweiten Stock befinden sich neben einer Sammlung von Statuen der Minderheiten Oc Eo und Cham vergoldete Buddhas und andere antike Gegenstände. Straßen. Die Dong Khoi war unter dem Namen "Rue Catinat" schon während der französischen Kolonialherrschaft die Flaniermeile Saigons. Während des Vietnamkriegs war sie Standort von zahlreichen Bars und Bordellen, die die Bedürfnisse der US-amerikanischen Soldaten befriedigten. Seit dem Doi Moi wird die "Straße des Aufstands", wie die deutsche Übersetzung lauten würde, wieder ihrem alten Ruf gerecht und man findet hier viele Bars, Restaurants und teure Designerläden. Nguyen Hue ist die Parallelstraße zu Dong Khoi. Sie wurde als "Boulevard Charner" errichtet und wurde als "Champs Elysées" des Ostens bezeichnet. Heute ist Nguyen Hue nach langer Bauzeit der U-Bahn als große Flaniermeile am 30. April 2015 mit nur zwei schmalen Fahrbahnen für Taxis am Rand wiedereröffnet worden. Der Le-Duan-Boulevard, in französischem Stil wie Nguyen Hue errichtet, verbindet den Stadtkern mit dem Botanischen Garten. Verkehrsmässig wichtiger ist jedoch der Nguyen Thi Minh Khai, der nördlich parallel zum Le-Duan verläuft. Beide sind heute wieder der Sitz mehrerer diplomatischer Vertretungen, auch vom deutschen Generalkonsulat. Auch die US-amerikanische Botschaft befand sich einst hier; während des Vietnamkriegs war sie Schauplatz eines spektakulären Überfalls zu Beginn der Tet-Offensive. In den letzten Kriegstagen flogen Hubschrauber die letzten verbliebenen US-Amerikaner auf ein Kriegsschiff vor der Küste aus. Das US-amerikanische Generalkonsulat ist mittlerweile neu gebaut und nur Gedenktafeln erinnern an jene dramatischen Ereignisse. Bauwerke. Weltliche Bauwerke. An der Dong Khoi steht das zwischen 1886 und 1891 errichtete Hauptpostamt. Abgesehen von einer Renovierung und Modernisierung der Schalter erfolgten seit der Entstehung fast keine Änderungen. Die Stahlkonstruktion des Gebäudes hatte der französische Ingenieur Gustave Eiffel entworfen. Von einem riesigen Gemälde in der Halle aus "wacht" Hồ Chí Minh über die Arbeit der Postangestellten. Am nördlichen Ende von Nguyen Hue befindet sich das ehemalige Rathaus, ein Kolonialbau aus dem Jahre 1906. Hinter korinthischen Säulen, klassischen Figuren und Fensterläden ist heute das Volkskomitee untergebracht. Eine Statue von Hồ Chí Minh mit einem kleinen Kind auf dem Schoß wacht über den kleinen Park vor dem Gebäude. Etwa 200 Meter südlich der Kathedrale, wo die Dong Khoi kurzzeitig etwas breiter wird, befindet sich der Lam Son-Platz mit dem Hotel Continental. Das berühmte Bauwerk mit seiner weißen Fassade, dem rotierenden Globus und seinen ockerfarbenen Dach war einst eine Bastion der feinen französischen Gesellschaft und zählt auch heute noch zu den renommiertesten Adressen der Stadt. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Frontterrasse des Hotels "der" Ort zum Sehen und Gesehenwerden. Daher überrascht es auch nicht, dass auch Somerset Maugham Mitte der 1920er Jahre hierher kam: "»Es ist sehr angenehm, mit einem harmlosen Getränk unter der Markise auf der Terrasse des Hotel Continental zu sitzen [und] in der Lokalzeitung von den hitzigen Kontroversen über die Angelegenheiten der Kolonie zu lesen«", schreibt er. In unmittelbarer Nähe steht gegenüber dem wesentlich kleineren Hotel Continental das 1958 gebaute und inzwischen renovierte Hotel Caravelle. In früheren Zeiten war das Gebäude die bevorzugte Adresse westlicher Journalisten und Kriegsberichtserstatter. Nordwestlich der Kathedrale weht die Nationalflagge auf dem Wiedervereinigungspalast, einem weiß getünchten Betonbau. Das Gebäude steht auf dem Gelände des früheren Norodom-Palastes, einer kolonialzeitlichen Villa von 1871, die einst dem Generalgouverneur von Indochina als Residenz diente. Mit dem Abzug der Franzosen 1954 machte Ngo Dinh das extravagante Gebäude zu seinem Präsidentenpalast, doch nachdem das Gebäude im Februar 1962 bei einem versuchten Attentat durch zwei abtrünnige südvietnamesische Piloten schwere Schäden erlitten hatte, wurde es schließlich abgerissen. Das heutige Gebäude hieß nach seiner Fertigstellung im Jahre 1966 zunächst "Unabhängigkeitspalast", nur um nach der Eroberung des Südens 1975 in "Wiedervereinigungshalle" umbenannt zu werden. Die Innenausstattung stammt aus den 1960er und 1970er Jahren. Interessant ist unter anderem der dritte Stock, wo sich neben der Präsidentenbibliothek auch ein durch einen Vorhang verdunkelter Vorführraum und ein Salon mit einem Rundsofa und einer fassförmigen Bar befinden. Das zweithöchste Gebäude der Stadt ist der Bitexco Financial Tower, das höchste der Landmark 81 Wolkenkratzer. Dieser ist mit einer Höhe von 461 m auch das höchste Gebäude von Vietnam. Im Jahr 2018 wurde das Deutsche Haus Ho Chi Minh City fertiggestellt und 2019 eröffnet. Der 25-stöckige Gebäudekomplex aus zwei Türmen wurde im Rahmen einer bilateralen Regierungsvereinbarung zwischen Deutschland und Vietnam initiiert. Er setzt Maßstäbe für Energieeffizienz „made in Germany“ und ist Standort des deutschen Generalkonsulats sowie anderer Institutionen und Unternehmen (unter anderem Adidas, Siemens, Apple, Visacard, Regus). Brücken. Zwischen dem 9. September 2005 und dem 2. September 2009 erfolgte der Bau der Phu My Brücke (Cầu Phú Mỹ). Es ist eine Schrägseilbrücke mit sechs Fahrspuren über den Saigon River. Sie verbindet die "Thu Thiem New Urban Area" auf der Nordseite mit dem Zentrum von Ho-Chi-Minh-Stadt. Über den National Highway 1A wurde zugleich die Verbindung nach Zentral- und Nordvietnam und das Mekong-Delta hergestellt. Sakralbauten. Die zwischen 1877 und 1883 aus Backstein errichtete neoromanische Kathedrale Notre-Dame ist eines der bedeutendsten Kolonialgebäude der Stadt und das Zentrum der katholischen Kirche in Südvietnam. Notre-Dame befindet sich am Nordende von Dong Khoi. Jeden Sonntag werden Messen in englischer Sprache gehalten. Auf dem davor liegenden "Platz der Pariser Kommune" steht eine Statue der Jungfrau Maria. Diese Kirche wird auch Notre-Dame des Ostens genannt. Die Jade-Pagode ist die bunteste Pagode der Stadt. Sie wurde 1909 von der kantonesischen Gemeinde der Stadt errichtet und verehrt mehrere taoistische und buddhistische Gottheiten. Sie ist voll von Statuen und Schnitzereien asiatischer Gottheiten und Heldenfiguren. Im von Blumen gesäumten Hof vor dem Gebäude befindet sich ein Teich, dessen Bewohnern der Tempel seinen Beinamen „Schildkrötenpagode“ zu verdanken hat. Der Thien-Hau-Tempel in der "Nguyen Trai" wird vor allem von einheimischen Frauen aufgesucht, die "Me Sanh", der Göttin der Fruchtbarkeit, und "Long Mau", der Göttin der Mütter und Neugeborenen, ihre Opfergaben darbringen. Als kantonesische Einwanderer den Tempel Mitte des 19. Jahrhunderts erbauten, benannten sie ihn nach Thien Hau, der Beschützerin der Seefahrer. Wer gerade aus China angekommen war, begab sich unverzüglich dorthin, um der Göttin für das sichere Geleit im Südchinesischen Meer zu danken. Drei Statuen der Göttin stehen hintereinander auf dem Altar, während ein auffälliges Gemälde an der vorderen Innenwand eine Szene beschreibt, in der Thien Hau einige heftig schaukelnde Schiffe sicher durch das vom Sturm gepeitschte Meer führt. Ein bemerkenswertes Detail des Tempels ist sein Dach, auf dem sich zahlreiche Figuren befinden. An der Dong Du steht die in den 1930er Jahren erbaute Zentralmoschee mit weiß und blau getünchten Mauern und vier Minaretten. Südlich des Hotel Rex befindet sich der Tempel Sri Thendayyuthapani, dessen "gopuram" (ornamentaler Torturm) in der Ton That Thiep emporragt. Die aufwendigen Wandmalereien, die normalerweise in einem Hindu-Tempel zu finden sind, wurden durch Gemälde von Jawaharlal Nehru, Mahatma Gandhi sowie diversen Gottheiten aus dem hinduistischen Pantheon ersetzt, während die farbenfrohe Decke mit Lampen besetzt ist. In der Truong Dinh steht der Hindu-Tempel Sri Mariamman. Die imposanten gelben Mauern des Gebäudes werden manchmal von Händlern belagert, die dort Öl, Räucherstäbchen und Jasminblüten anbieten. Das Dach wird von einem farbenfrohen "gopuram" mit aus Stein gehauenen Götterfiguren geziert. Im Innern sind Skulpturen der Gottheiten Mariamman, Maduraiveeran und Pechiamman in Heiligtümern aus Stein untergebracht. Im Hof befinden sich weitere Darstellungen sitzender Götter. In der Ba Huyen Thanh Quan befindet sich die Xá-Lợi-Pagode, die 1963 im Zentrum des buddhistischen Widerstands gegen die Regierung von Präsident Diem stand. Der schlichte, 1956 erbaute Komplex besitzt als auffälligstes Merkmal einen hohen Turm, der mit beigefarbenen Bausteinen ausgestattet ist, und ein sechsstufiges Dach im fernöstlichen Stil. Hinter einer überdimensionierten, fantasievoll mit Murmeln und Porzellanscherben dekorierten Urne mit Räucherstäbchen öffnet sich eine hohe Halle mit einem großen, vergoldeten Buddha und 14 Wandmalereien mit Geschichten aus seinem Leben. Hinter dem Rücken des Buddha gelangt man zu einem Schrein zum Gedenken an Thich Quang Duc und den anderen Mönchen, die sich 1963 in Saigon selbst verbrannten. Die An-Quang-Pagode in der Su-Van-Hanh-Straße im 10. Bezirk ist ein Ort der Begegnung für Repräsentanten des Buddhismus und Sitz des Instituts für Dharma-Verkündung. Die 1948 errichteten Gebäude der Pagode wurden laufend vermehrt und ausgebaut und neben einem großen Auditorium und einer Bibliothek kam es auch zum Bau einiger Wirtschaftsgebäude wie Druckerei, Verlag und Räucherkerzenerzeugung. Aber die große Bedeutung der Pagode liegt in der großen Zahl von Dharmalehrern, die hier gemeinsam mit Tausenden Mönchen und Nonnen ihre fundierte Ausbildung erhalten haben. Parks. Der 1864 von zwei Franzosen (einem Tierarzt und einem Botaniker) errichtete Botanische Garten nahe dem Thi-Nghe-Kanal beherbergt eine Sammlung tropischer Pflanzen. Im Innern befindet sich der Zoo, in dem Kamele, Elefanten, Krokodile, Großkatzen und sogar Komodo-Warane zu besichtigen sind. Attraktiv sind auch das Aquarium und der Vergnügungspark. Westlich des Wiedervereinigungspalastes liegt der öffentliche Stadtpark "Cong Vien Van Hoa". Während der Kolonialzeit war der nördliche Bereich des Parks ein beliebter Treffpunkt der in Vietnam lebenden Franzosen, denn dort befand sich der elitäre "Cercle Sportif", ein nur Ausländern aus dem Westen vorbehaltener Sportklub, wo sich die "colons" zum Schwimmen und Tennisspielen trafen. Mit der Zeit wurden die französischen Namen auf der Mitgliederliste durch US-amerikanische ersetzt, und heute befindet sich dort der Arbeitersportverein. Zu den erwähnenswerten Themenparks gehört der "Binh Quoi Park" in der Xo-Viet-Nghe-Straße im Bezirk Binh Thanh. Im "Binh Quoi Cultural Village" wird dem Besucher die traditionelle südvietnamesische Lebensart gezeigt. Im Angebot sind unter anderem Angeln, Kanu, Bootsfahrten und Radtouren. Nicht weit vom Dorf liegt in der Kha Van Can-Straße im Bezirk Thu Duc der "Saigon Waterpark" mit Wasserrutschen, einem Wellenbad, Kinderbecken und Restaurants. Der "Dam Sen Cultural Park" in der Hoa Binh-Straße im 11. Bezirk ist ein moderner Vergnügungspark mit Monorail, Sportanlagen und Wasserpark. Sport. In der Stadt finden nur selten große bzw. internationale Sportereignisse statt, weil Sport in Vietnam eher ein Massenphänomen ist, der Leistungs- und Spitzensport ist dagegen aufgrund fehlender Infrastruktur und finanzieller Mittel wenig entwickelt. Populärster Sport ist Fußball. In der Stadt gibt es einige Fußballvereine, unter anderem der Hồ Chí Minh City FC, der Navibank Sài Gòn F.C. Beide spielen in der höchsten Liga des Landes, der V.League 1, dieser tragen ihre Spiele im Thong-Nhat Stadion aus. Daneben sind asiatische Sportarten wie Thai Cuc Quyen, Kung Fu, Vovinam, Taekwondo, Judo, Karate und Badminton (siehe Vietnam Open) sehr populär. In den letzten Jahren kommen, speziell in den vermögenderen Bevölkerungsteilen, europäische Sportarten wie Tennis oder Golf zunehmend in Mode. Seit 2015 findet in der Stadt jährlich ein Dreiband-Weltcup statt. In Vietnam ist Billard eine sehr populäre Sportart. Im Dreiband Billard gibt es mehrere Weltklassespieler die bei internationalen Meisterschaften Medaillen gewonnen haben. Nördlich von Cholon in der Le Dai Hanh liegt die Pferderennbahn Phu Tho. Nach der „Befreiung“ des Südens 1975 wurden Glücksspiel und Wetten zum Inbegriff der Dekadenz erklärt und unter Strafe gestellt. Erst 1989 war das politische Klima im Land so weit liberalisiert, dass die Rennbahn wieder öffnen konnte. Die Renntage (Sonnabend und Sonntag) locken regelmäßig Tausende Wettbegeisterte an. Heute werden in Ho-Chi-Minh-Stadt Hunderte Rennpferde gehalten, deren Bestand stetig durch zu Zuchtzwecken eingeführte Pferde aus Europa und Hongkong aufgebessert wird. Gastronomie. Ho-Chi-Minh-Stadt gilt als die kulinarische Metropole des Landes. Neben zahlreichen vietnamesischen Restaurants gibt es auch viele Gaststätten mit internationaler Küche. Die Zahl der in Vietnam lebenden Ausländer ist mittlerweile derart gestiegen, dass immer neue Restaurants mit Schwerpunkt auf ausländische Küche aufmachen. So kann man Tex-Mex, Tanduri Masala, Schisch Kebap oder Sushi bekommen, wenngleich die französischen Restaurants nach wie vor dominieren. Das französische Erbe zeigt sich auch in der großen Anzahl von Cafés. Aber auch zahlreiche Gaststätten, die vietnamesische Küche anbieten, findet man in der Stadt. Die meisten Lokale sind ganzjährig geöffnet, nur einige machen während des Tet-Festes zu. Die Bedürfnisse der Touristen sorgen zunehmend für flexiblere Öffnungszeiten. Die einfachen Speiselokale servieren Mahlzeiten wie "com" und "pho" in großen Portionen. Die Touristen-Cafés in der Umgebung der De Tham und Pham Ngu Lao bieten preiswertes Steak mit Pommes frites oder eine Portion gebratene Nudeln. Das Essen in den Gaststätten mit einheimischer Küche ist qualitativ gut und die Preise für die Bevölkerung erschwinglich. Die Spezialitätenrestaurants sind dagegen für vietnamesische Verhältnisse sehr teuer – für eine Mahlzeit kann man dort so viel ausgeben, wie eine vietnamesische Familie im Monat zur Verfügung hat, doch nach westlichem Standard sind sie immer noch günstig, und die Qualität der Küche ist sehr hoch. Dazu werden stets frische Zutaten verwendet, beispielsweise Gemüse aus Da Lat und häufig aus Australien eingeflogenes Fleisch. Handel. Der 1914 errichtete und 1986 renovierte Ben-Thanh-Markt (Bến Thành Market) ist eines der Wahrzeichen des alten Saigon. Er ist heute eine große Markthalle für Bekleidung, Lebensmittel, Elektronik und Souvenirs. Angeboten werden ebenfalls allerlei frische Handelswaren wie Gemüse, Obst, Fische und Blumen. Eine weitere Attraktion des Marktes: Hier werden allerlei einheimische Kulinaria angeboten, die in Europa nicht oder zumindest nicht frisch erhältlich sind. Der Ben-Thanh-Markt ist ein Geviert mit einer Größe von mehr als 13.000 m² und etwa 1500 Ständen und Geschäften. Eines seiner Haupttore mit einem Türmchen erinnert an einen Kirchturm. Davor treffen sieben Straßen als Kreisverkehr zusammen. In der Mitte des stark frequentierten Kreisverkehrs stand bis 2015 die Reiterstatue von Tran Nguyen Han. Er führte im 13. Jahrhundert den Einsatz von Brieftauben in Vietnam ein. Das Denkmal wurde entfernt weil der U-Bahnbau näher rückt und danach hier unterirdische Ladenpassagen geplant sind. An der Nguyen Thai Hoc liegt der Cau-Ong-Markt, ein Großmarkt, auf dem praktisch rund um die Uhr gehandelt wird. Am frühen Morgen kann man dort die Händler beobachten, die große Mengen Obst, Gemüse und andere Waren einkaufen, um sie im Laufe des Tages auf den kleineren Märkten der Stadt weiterzuverkaufen. In der Thap Muoi in Cholon befindet sich der Binh-Tay-Markt. Unter seinen mehrstufigen gelben Dächern mit den gewundenen Drachen bieten klar strukturierte Gänge mit unzähligen Ständen alle möglichen Produkte, darunter getrockneten Fisch, eingelegtes Gemüse, Chilipaste und Töpferwaren. Eingerahmt wird der Markt von zwei Kaufhausblöcken, die jeweils von vier maurischen Kuppeln gekrönt werden. In der gegenüber dem Kunstmuseum abzweigenden Le Cong Kieu befinden sich zahlreiche Antiquitätengeschäfte mit fernöstlichen und kolonialen Waren. Memorabila zu Vietnams jüngster Geschichte finden sich an den Ständen hinter dem Dan-Sinh-Markt, wo überschüssige Armeebestände verkauft werden. Der Markt liegt an der Nguyen Cong Tru. Unter den angebotenen Waren befinden sich Khaki-Uniformen, Tropenhelme der Vietcong, alte Kompasse und US-amerikanische Zippo-Feuerzeuge. Wirtschaft und Infrastruktur. Überblick. Die Stadt ist das Handels- und Wirtschaftszentrum Vietnams. Sie besitzt einen modernen Seehafen und ist Sitz der größten Börse des Landes, der Ho Chi Minh Stock Exchange (HSX). Im Jahr 2007 lag das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei 14,3 Milliarden US-Dollar, was einem Anstieg um 12,6 Prozent gegenüber 2006 entsprach. Die Kaufkraftparität (KKP) betrug 71,5 Milliarden US-Dollar. In Ho-Chi-Minh-Stadt werden rund 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), 30 Prozent der Industrieproduktion und 40 Prozent der gesamten Exporte Vietnams erwirtschaftet. Der Anteil der Stadt am Staatshaushalt liegt bei etwa 33 Prozent. 60 Prozent aller Auslandsinvestitionen fließen in die Region. Das Wirtschaftswachstum lag in den letzten Jahren über zehn Prozent (landesweit sechs bis acht Prozent). Den größten Anstieg hatte 2003 die Industrieproduktion mit 15,3 Prozent zu verzeichnen, gefolgt vom Dienstleistungssektor mit 9,6 Prozent und der landwirtschaftlichen Produktion von 9,1 Prozent. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen lag 2007 in Ho-Chi-Minh-Stadt bei 2.180 US-Dollar pro Kopf, der landesweite Durchschnitt 2006 bei 730 US-Dollar. Unternehmen. Die Industrie in Ho-Chi-Minh-Stadt produziert vor allem Nahrungsmittel, Glas, Textilien, Papierwaren, Kunststoffe, Chemikalien, Baustoffe und Maschinen. Seit der Machtübernahme durch die Kommunisten 1975 wurden viele Unternehmen verstaatlicht, um die Stadt von ausländischen Importen unabhängig zu machen. Zahlreiche neue Industrien und Firmen entstanden, wie beispielsweise Möbel- und Teppichfabriken, die Rohstoffe aus dem eigenen Land verwendeten. Unter Nguyễn Văn Linh wurde 1986 Đổi mới ("Erneuerung") eingeführt, was bedeutete, dass die zentrale Planung aufgegeben und marktwirtschaftliche Reformen eingeführt wurden. Ausländischen Firmen wurde erlaubt, in Ho-Chi-Minh-Stadt zu investieren. Zahlreiche ausländische Konzerne eröffneten Niederlassungen. Die Stadt entwickelte sich zum wirtschaftlichen Wachstumsmotor Vietnams. Die staatlichen Unternehmen stellen für die Wirtschaft nach wie vor ein Problem dar: sie sind meist unrentabel, international nicht konkurrenzfähig und haben eine hohe Menge an Krediten, die sie wahrscheinlich nicht zurückzahlen werden können und damit das ganze Bankensystem bedrohen. Eine Anzahl von Staatsbetrieben wurde bereits mit anderen Staatsbetrieben fusioniert, andere geschlossen. Der Prozess läuft aber wegen der sozialen Auswirkungen (Arbeitslosigkeit) recht schleppend. Die Luftverschmutzung in Ho-Chi-Minh-Stadt hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Der hohe Gehalt an Feinstaub stellt das größte Problem dar. Die Ursachen liegen sowohl in Fabrikanlagen, Kleinindustrie, Kraftwerken und Verkehr als auch in den privaten Haushalten. Der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid nimmt infolge der fortschreitenden Industrialisierung und eines stetig wachsenden Verkehrsaufkommens und Energiebedarfs schnell zu. Probleme bereiten auch die Verschmutzung des Grundwassers, ungeregelte Abfalldeponien, die Schadstoffbelastung des Saigon-Flusses und der Verkehrslärm. Ho-Chi-Minh-Stadt ist Sitz der Automobilhersteller Mekong Auto Corporation (seit Juni 1991), Mercedes-Benz (seit 1995) und Thaco. Medien. Die Medien werden in der Stadt allesamt vom Staat und damit der Kommunistischen Partei Vietnams kontrolliert. Es gibt englischsprachige Printmedien. Dies sind oft Zeitschriften, die sich an Touristen richten oder Reise- oder Unterhaltungsmöglichkeiten bewerben. Die meisten englischsprachigen Publikationen richten sich jedoch an Geschäftsleute und verkünden die neuesten Errungenschaften der Wirtschaftspolitik. Ausländische Publikationen werden nicht zensiert, da sie für die durchschnittlichen Vietnamesen in der Regel nicht bezahlbar sind. Man findet sie dort, wo sich die Ausländer konzentrieren. Alte Exemplare ausländischer Zeitungen werden häufig von Straßenhändlern angeboten. Wichtige Tageszeitungen, die in Ho-Chi-Minh-Stadt erscheinen, sind "Sai Gon Giai Phong" (Liberated Saigon), "Tuoi Tre", "Nguoi Lao Dong" (Labourer), "The Thao" (Sports) und "Saigon Times Daily". Das Radio und Fernsehen strahlt mehrere Programme aus. Die Voice of HCMC People ist die größte Radiostation der Region. Im Fernsehen Vietnam TV gibt es am späteren Abend englische Kurznachrichten, der Rest des Programms wird mit vietnamesischen Shows und einigen wenigen ausländischen Filmen bestritten. Verkehr. Flugverkehr. Der Flughafen Ho-Chi-Minh-Stadt (Abkürzung "SGN" vom früheren Stadtnamen "Saigon"; auch Flughafen "Tân Sơn Nhất") ist der größte der drei internationalen Flughäfen Vietnams und befindet sich etwas nördlich des Stadtzentrums. Er wird von einigen Fluglinien direkt von Europa aus angeflogen, ansonsten bestehen Verbindungen in alle größeren Städte Asiens. Inlandsflüge gibt es ebenso von und in alle größeren Städte Vietnams. Ein neuer Großflughafen entsteht seit 2014 vierzig Kilometer nordöstlich von Ho Chi Minh Stadt, der Flughafen Ho Chi Minh Stadt-Long Thanh im Distrikt Long Thanh in der Provinz Đồng Nai. Er wird der größte Flughafen Vietnams und einer der größten Flughafen Asiens. Laut Masterplan von 2010 erhält der Flughafen in der Endausbaustufe vier je 4000 Meter lange Start- und Landebahnen, fünf Terminals und mehrere Frachtterminals. Das Projekt erstreckt sich auf einer Fläche von 50 km². Gleichzeitig mit dem Flughafen werden Schnellstraßen und Eisenbahnstrecken zur Erschließung gebaut. Mit seiner Inbetriebnahme wird der Flughafen Tan-Son-Nhat nur noch für Inlandsflüge benutzt. Der neue Flughafen befindet sich in direkter Konkurrenz zu anderen Großflughäfen der Region, darunter Hongkong, Singapur und Bangkok, in der Endausbaustufe ist Kapazität von 100 Millionen Passagieren vorgesehen. Der damalige Premierminister Nguyễn Tấn Dũng erteilte am 1. Oktober 2014 die Baugenehmigung. Die Nationalversammlung in Hanoi stimmte dem Bau des Flughafenbau im Juni 2015 zu. Die Baukosten wurden nun mit 15,8 Milliarden US$ veranschlagt, die Bauzeit soll sich in drei Phasen von 2018 bis 2050 erstrecken. Die erste Phase wird 5,2 Milliarden Dollar kosten. Baubeginn ist 2018, Fertigstellung 2025. Nach vorläufigen Berechnungen soll die zweite Bauphase zwischen 2030 und 2035 liegen und vier Milliarden Dollar kosten. Die dritte Bauphase folgt zwischen 2040 und 2050, die Kosten liegen bei 6,6 Milliarden Dollar. Bahnverkehr. Per Bahn kann man Ho-Chi-Minh-Stadt von allen nördlich gelegenen Städten erreichen. Mehrere Züge fahren täglich von Hà Nội nach Süden und enden in Sai Gon, wie der Bahnhof offiziell genannt wird. Die gesamte Reise dauert 30 bis 40 Stunden, von einigen Städten Mittelvietnams sind die Reisezeiten jedoch attraktiv. Fernbusverkehr. Ho-Chi-Minh-Stadt verfügt über mehrere Fernbusbahnhöfe, die sich über die ganze Stadt verteilen. Die Busse Richtung Norden, z. B. nach Vũng Tàu, ins zentrale Hochland und nach Nha Trang, fahren vom weitläufigen Mien-Dong-Busbahnhof ab, der fünf Kilometer nordöstlich des Zentrums in der Xo Viet Nghe liegt. Wer eine Fahrt durch das Mekong-Delta unternehmen möchte, kann sich mit dem Bus zum Busbahnhof Cholon begeben, von wo den ganzen Tag über Busse nach Mỹ Tho, Mỹ Thuận und in andere kleine Städte im Mekong-Delta fahren. Die meisten Busse Richtung Nordwesten von und nach Tay Ninh und Cu Chi halten am westlich des Zentrums im Bezirk Tan Binh gelegenen Busbahnhof An Suong (oder auch Tây Ninh) an der Nationalstraße 22. Es besteht Pendelbusverkehr mit dem Ben Thanh, der seinerseits auch Direktverbindungen nach Cu Chi bietet, und mit den anderen Busbahnhöfen. Direktbusse nach Kambodscha und in die Hauptstadt Phnom Penh fahren täglich von der 145 Nguyen Du südwestlich der Kathedrale Notre Dame ab. Schiffe und Fähre. Mehrmals täglich gibt es außerdem eine Verbindung per Tragflächenboot nach Vũng Tàu. Öffentlicher Nahverkehr. Straßenbahn. Am 27. Dezember 1881 verkehrte die erste Dampfstraßenbahn in Saigon. Elektrische Straßenbahnen fuhren seit 4. August 1923 in der Stadt. Das Netz hatte eine Länge von 72 Kilometern mit Überlandstrecken nach Hoc-Mon und Thudaumot. 1953 wurde der Betrieb eingestellt. Omnibus. Die Stadt verfügt seitdem über kein schienengebundenes Massentransportmittel (U-Bahn, S-Bahn, Straßenbahn). Auch das Busnetz galt bis in die neueste Zeit als völlig unzureichend. In den letzten Jahren wurde die bis zu 30 Jahre alte Fahrzeugflotte erneuert, so dass zumindest qualitativ und preislich Busfahren im modernen klimatisierten Bus für 2.000–4.000 Dong als attraktive Alternative vor allem für Touristen und Menschen ohne eigenes Fahrzeug gelten kann. Die Liniendichte in der Innenstadt ist hoch, das Durchkommen in den Stoßzeiten jedoch problematisch. Die Südseite des Ben-Thanh-Marktkreisels ist der zentrale Busbahnhof der Innenstadt. Eine Fahrt mit dem Stadtbus bietet sich aber auch in Richtung Cholon an. Die klimatisierten Busse von "Saigon Star Co" verkehren täglich auf einer Strecke zwischen der Südseite des Mei Linh-Platzes und der Huyunh Thoai Yen unterhalb des Binh Tay-Marktes. Taxi. Zur Ergänzung der Buslinien stehen auch Mopedtaxis (Xe Ôm) oder auch noch Fahrradtaxis (Xíc Lô / Cyclo) zur Verfügung. Aber auch die durchschnittliche Verkehrsgeschwindigkeit von Mopeds betrug 2008 in der Innenstadt nur 16,5 km/h – gut dreißig Prozent weniger als noch sechs Jahre zuvor. Seit etwa 2003 bietet eine aus Kleinwagen bestehende Autotaxi-Flotte ihre Dienste an. Die Zahl der Taxis ist in den 2010er Jahren enorm gestiegen. Mehrere Unternehmen setzen Fahrzeuge mit Klimaanlage ein, die in der Regel erschwinglich sind. Die sogenannten "Mai Linh" und "Vinasun" können an der Straße herangewunken oder telefonisch bestellt werden. U-Bahn. Zwei U-Bahn-Linien werden derzeit mit Hilfe eines Kredites in Höhe von 800 Millionen US-Dollar gebaut und sollen nach aktueller Planung bis 2020 in Betrieb gehen. Die 19,7 km lange Linie 1 verbindet den Bến-Thành-Markt (den zentralen Umsteigepunkt des Systems) mit Suối Tiên und wird für 2,6 km im Untergrund, auf der restlichen Strecke in Hochlage errichtet. Bis 2040 kann die Kapazität auf täglich 800.000 Fahrgäste erweitert werden. Die 11,3 km lange Linie 2 verbindet Bến Thành mit Tham Lương und verläuft auf 9,6 km unterirdisch. Das System ist auf eine Reisegeschwindigkeit von 40 km/h ausgelegt. Vier weitere Linien sind in Planung. Individualverkehr. Fahrräder, die bis zum Ende des 20. Jahrhunderts noch das häufigste Verkehrsmittel waren, werden fast nur noch von Kindern und Leuten, die sich kein Moped leisten können, gefahren, haben aber nach wie vor ihren Platz im Verkehrsbild. Insgesamt stellt der noch hohe Prozentsatz des hochflexiblen Zweiradverkehrs, besonders der Warentransport auf dem Moped, sicher, dass der Verkehr der Metropole meistens fließt. Der Individualverkehr in Ho-Chi-Minh-Stadt ist geprägt durch eine stetig wachsende Anzahl von Mopeds (Xe Máy), dem Haupttransportmittel der Stadtbewohner. Der Anteil von privaten Autos (Pkw) nimmt zwar ebenfalls zu, aber aufgrund des geringen Pro-Kopf-Einkommens und einer hohen Importsteuer für ausländische PKW mit Zollsätzen zwischen 77 und 80 Prozent können sich nur privilegierte Bewohner ein Auto leisten, während neue Mopeds schon ab einem Preis für etwa 500 US-Dollar angeboten werden. Es ist daher keine Seltenheit, dass schwere Lasten oder ganze Familien auf dem Moped transportiert werden. Zudem nutzen viele Händler ihr Moped zugleich als Auslage für ihre Waren. Trotz der noch eher geringen Verbreitung individueller Pkw gab es in Ho-Chi-Minh-Stadt 2017 etwa 700.000 Pkw. Damit ist das Verkehrsaufkommen in der Stadt beträchtlich und stößt bisweilen an die Grenzen der vorhandenen Infrastruktur, was vor allem auch aus dem Mangel von Alternativen im öffentlichen Nahverkehr resultiert. In Stoßzeiten kommt es daher immer wieder zu längeren Staus, vor allem auf Hauptverkehrsstraßen und großen Verkehrsknotenpunkten der Stadt. Bildung. In der Stadt befinden sich zahlreiche Universitäten, Hoch- und Fachschulen, Forschungsinstitute und Bibliotheken. Es gibt staatliche und private Einrichtungen. Die Pflichtschulbildung ist in zwei Phasen unterteilt, nämlich die fünfjährige Grundstufe und die vierjährige untere Sekundarstufe. Der Abschluss der oberen Sekundarstufe berechtigt nicht automatisch zum Universitätsstudium beziehungsweise einer anderen höheren Ausbildung. Für ein Universitätsstudium ist nach der oberen Sekundarstufe eine eigene Aufnahmeprüfung Pflicht. Bedeutende Universitäten sind: "HCMC National University", "University of Natural Sciences" (früher "Saigon College of Sciences"), "University of Social Sciences and Humanities" (früher "Saigon College of Letters"), "University of Polytechnic" (früher "Phu Tho National Institute of Technology"), "International University", "Faculty of Economics", "University of Information Technology" und "Hong-Bang-Universität (HBU)". Literatur. Sachbücher Belletristik
Der Mythus des 20. Jahrhunderts ist der Titel eines antisemitischen Buches, das der NSDAP-Parteiideologe Alfred Rosenberg verfasste und gegen Ende der Weimarer Republik 1930 im Hoheneichen-Verlag veröffentlichte. Die als sein Hauptwerk betrachtete Schrift ist von den Ideen Houston Stewart Chamberlains beeinflusst, umfasst mehrere hundert Seiten und trägt den Untertitel „Eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit“. Rosenberg arbeitet mit Ansätzen einer Rassentheorie, um die Vorstellung von einer „Rassenseele“ sowie einer „Religion des Blutes“ zu einem politischen und religiösen Glaubenskonzept zu verbinden. Die drei Hauptkapitel lauten „Das Ringen der Werte“, „Wesen der germanischen Kunst“ und „Das kommende Reich“. Bis 1944 betrug die Gesamtauflage der „Volksauflage“ 1.075.000 Exemplare; hinzu kamen während des Zweiten Weltkriegs 260.000 Bücher der „Dünndruck-Ausgabe“. Die Bedeutung des Buches in der Zeit des Nationalsozialismus lässt sich trotz der hohen Auflage schwer abschätzen. Es wird als das anspruchsvollste Werk eines führenden Nationalsozialisten angesehen und gilt neben Hitlers "Mein Kampf" als das einflussreichste. Seit dem Ende der NS-Zeit ist Rosenbergs Buch noch als Dokument zu seiner Person und zum Phänomen Nationalsozialismus von geschichtswissenschaftlichem und ideologiekritischem Interesse. Entstehungsgeschichte. Frühe Schriften. Rosenberg hatte bereits vor 1919 in zahlreichen Notizen eine Reihe von Gedanken festgehalten, von denen einige in den "Mythus" eingingen. Konzeption. Das Buch war als Fortsetzung von Houston Stewart Chamberlains Werk "Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts" konzipiert. Rosenberg plädierte darin für eine neue „Religion des Blutes“, die das Christentum ersetzen sollte: Trotz dieser Haltung verehrte Rosenberg Martin Luther, in dem er das „wahre“ Christentum verkörpert sah, das durch die römisch-katholische Kirche und die Jesuiten verfälscht, „verjudet“ worden sei. Gegen die Behauptung, er selbst sei Heide, verwahrte sich Rosenberg entschieden: Inhalt des Buches. Geschichtsphilosophie. Beim "Mythus" handelt es sich um den Versuch, in einer geschichtsphilosophischen Darstellung die nationalsozialistische Ideologie zum Ziel der Menschheit zu erklären. Nach Rosenberg ist die Weltgeschichte geprägt durch den ewig tobenden Kampf zwischen den nordisch-atlantischen und den jüdisch-semitischen Völkern. Einzig das nordische Volk bringe Kultur hervor. Ausgehend von einer kurzen und vage gehaltenen Spekulation bezüglich des von Platon erwähnten mythischen Inselreichs Atlantis erklärt er, das nordische Volk sei zunächst über die Inder und Perser in Erscheinung getreten. Das klassische Griechenland wurde so zum „nordischen Hellas“ und das alte Rom zum „nordisch-republikanischen Latinertum“ vereinnahmt. Nach ihm ist der einzig legitime Nachfahre dieses nordischen Volkes das deutsche Volk. Rassismus. Dieses nordische Volk verstand Rosenberg als Rasse, wobei diese kein biologisches, sondern ein geistiges Phänomen darstelle. In dieser Ablehnung eines „Rassematerialismus“ war er sich einig mit seinem Erzrivalen Joseph Goebbels, der wie er den ideologischen Kurs der NSDAP prägen wollte. Die Rasse wiederum stilisierte Rosenberg zum eigenständigen Organismus, indem er ihr eine allen Angehörigen gemeinsame Seele zuordnete – die „Rassenseele“. Diese Rassenseele sei Trägerin und Ausdruck der jeweilige Rasse. Somit sei das Handeln des einzelnen Rassenangehörigen nur Ausdruck der dem Kollektiv innewohnenden treibenden Kraft. Um das eigentliche Ziel zu erreichen, sei es nötig, jegliche Form der Individualisierung zu unterdrücken, weil diese die Einheit der Rasse an sich gefährde. Ausprägungen dieser Rassenseele würden sich in Kultur, Politik, Rechtssystem, Technik und Kunst ausdrücken. Auf diese Weise ließen sich am Verlauf der Weltgeschichte die Rassenzugehörigkeit der jeweiligen Völker an ihren kulturellen Leistungen ablesen. Diese Leistungen hätten also nicht Individuen geschaffen, sondern seien Ausdruck der kollektiven Seele der jeweiligen Rasse, welche das ihr innewohnende Ideal schaffen möchte. Die kulturellen Leistungen von Immanuel Kant, Richard Wagner, Meister Eckart und anderen Schaffenden dienten Rosenberg als unumstößlicher Beweis der Überlegenheit der nordischen Rasse. Antisemitismus. Schon als Jugendlicher war Rosenberg fasziniert von der Schrift "Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts" von Houston Stewart Chamberlain. Das Werk habe ihm die Bedeutung des „jüdischen Problems“ vermittelt. So warnte Rosenberg im Dezember 1938 davor, dass die Juden sich darauf vorbereiteten, Europa „in einem Blutrausch [zu] vernichten“. Im "Mythus" stellte er das Judentum der „nordischen Rassenseele“ gegenüber und polarisierte beide Ebenen mit nicht näher begründeten Feindbildern. Die jüdische Religion wurde als teuflisch bezeichnet, während die nordische Rassenseele eine neue Art von Göttlichkeit in sich trage. Hitler arbeitete mit derselben Technik durch Behauptungen; so seien die Arier „Gotteskinder“ und ein Jude wiederum die „Personifikation des Teufels“ oder gar „Widersacher jeden Menschentums“. Christus wiederum sei kein Jude, sondern eine Verkörperung der nordischen Rassenseele gewesen. Dieser vermeintliche Sachverhalt sei zunächst vom Judentum selbst, später von Paulus und dann auch von der römisch-katholischen Kirche falsch dargestellt worden, um der nordischen Rassenseele zu schaden („römisch-syrisches Prinzip“). Diese und mehrere andere Stellen (etwa die Behauptung, es sei der 1914 in Frankreich angeblich herrschende Rothschild gewesen, der den Ersten Weltkrieg unvermeidlich gemacht hätte) zeigen, dass die Grundlage des rosenbergschen Denkens weiterhin die rassistische Verschwörungstheorie blieb, auch wenn er versuchte, diese mit seinen intellektuell-geschichtsphilosophischen Spekulationen zu verbrämen. Im "Mythus" forderte Rosenberg, Ehen und Geschlechtsverkehr zwischen „Ariern“ und Juden unter Todesstrafe zu stellen. Dieser Vorschlag führte bereits im März 1930 zu einem Gesetzesvorschlag der Nationalsozialisten im Reichstag, den Hans Globke später verwirklichte. Rosenberg ließ 1939 in einer Denkschrift des Außenamtes zur „Judenfrage“ erklären: Der formende Wille. Angelpunkt der Rosenbergschen Theorie war sein Glaube an einen der „Rassenseele“ wesenhaften Willen. Dazu definiert er den nicht weiter abgeleiteten Willen als formende Kraft: Diese formende Kraft werde zuerst der Natur und später auch fremden Völkern eine erwünschte Gestaltung aufbürden. Dieses Merkmal nennt Rosenberg auch „dynamisch-willenhaft“ oder „geistig-architektonisch“. Die „edelste Form“ der nationalsozialistischen Ethik wiederum würde sich in genau diesem bloßen Wollen ausdrücken, welches sich selbst ein Ziel setzt. Darauf baute Rosenberg nun eine Kunsttheorie auf, deren Kernaussage es war, dass ein Kunstwerk umso ästhetischer wirke, je mehr sich darin ein starker formender Wille zu erkennen gäbe. Dies erinnert wiederum an Hitlers Aussage bezüglich der Architektur der Bauwerke des Reichsparteitages in Nürnberg, es handele sich um „steinerne Weltanschauung“. Der Wille selbst war nach Rosenberg keiner Moral untergeordnet. Die Rosenbergsche Metaphysik des Willens legitimierte also letzten Endes fast alles Handeln – soweit dieses von einem starken Führer gewollt und angeordnet werde: „Das ist die Aufgabe unseres Jahrhunderts: Aus einem neuen Lebens-Mythus einen neuen Menschentypus zu schaffen.“ Damit wird der Weg bereitet für die Unterwerfung fremder Völker, für Menschenzüchtung in Lebensbornen, Zwangssterilisation von genetisch Kranken sowie für die Tötung von „lebensunwertem“ Leben. Siehe auch die Geschichte der Euthanasie: „Euthanasie“ als Bezeichnung für nationalsozialistische Krankenmorde. Wirkungsgeschichte. Innerhalb der NSDAP. Rosenbergs Buch erreichte zwar eine Millionenauflage und galt nach Hitlers Bekenntnisbuch "Mein Kampf" als zweites Standardwerk der NS-Ideologie. In Wirklichkeit kam die Veröffentlichung Hitler jedoch sehr ungelegen: Bereits Ende der zwanziger Jahre war Weisung an alle Propaganda-Stellen der Partei ergangen, den Antisemitismus zurückzuschrauben und stattdessen mehr auf Agrar- und Außenpolitik zu setzen. Rosenbergs radikal antisemitisches und obendrein als „antichristlich“ interpretiertes Buch bot nun neue Angriffsflächen, weshalb Hitler es als völlig inoffizielle Privatarbeit abtat. Als solche wurde es dann auch parteioffiziell erklärt. Die Bezeichnung „Chefideologe“ der NSDAP ist also mit Blick auf den "Mythus" unzutreffend. Hitler empfand zudem das Werk als „zu schwer“ zu lesen, Goebbels tat es gar als „intellektuellen Rülpser“ ab, denn die Nationalsozialisten definierten sich ja bewusst als Tat- und Gewaltmenschen, denen jede Art des Intellektualismus fremd war. Daher kam Joachim Fest 1963 zu dem Urteil, Rosenberg sei zum „Philosophen“ einer Bewegung [geworden], „deren Philosophie am Ende nahezu immer die Macht war. Rosenberg selbst habe das freilich nie erkannt oder gar anerkannt und sei gerade deshalb im Verlauf der Jahre, als der Machtgedanke die ideologischen Drapierungen zusehends überspielte, zum vergessenen Gefolgsmann geworden: kaum noch ernst genommen, mutwillig übersehen und herumgestoßen, ein Requisit aus der ideologisch gestimmten Frühzeit, der Werbephase der Partei.“ Folgt man Rosenbergs Eigendarstellung von 1945, war das Verhältnis Hitlers zu Rosenberg und dem von ihm repräsentierten Neuheidentum keine Konstante in Hitlers Politik, sondern Hitler nahm diesbezüglich immer Rücksicht auf seine außenpolitischen Beziehungen zu Mussolini, der wiederum Rücksichten auf den Vatikan zu nehmen hatte. Mit der großen deutschen Kirchenaustrittsbewegung, die 1937 begann, standen Rosenbergs "Mythus" sowie seine "Dunkelmänner"- und die "Protestantische Rompilger"-Schriften (1937) in engem Zusammenhang. Alle diese Schriften wurden damals in hohen Auflagen verkauft und breit in der Öffentlichkeit diskutiert. Rosenberg nahm die Wirkung seines "Mythus" sehr genau wahr. 1939 gestand er sich ein, dass die „nationalsozialistische Weltanschauung noch nicht ihre endgültigen Formen ausgebildet“ habe. Allerdings war er unter der Bedingung zuversichtlich gestimmt, „wenn in dieser entscheidenden Epoche eine einheitliche weltanschauliche Haltung für die Zukunft gesichert“ werde. Die Verunsicherung bei ihm folgte indessen Ende Januar 1940, weil Hitler ihm erklärt habe, dass „unsere Weltanschauung“ der „exakten Forschung nicht vorschreiben, sondern aus ihrer Arbeit die abstrakten Gesetze folgern“ solle. Rosenberg beruhigte sich indessen, indem er den bei Hitler wahrgenommenen Positivismus gleichsam relativierte: „Die positivistische Note des Führers war mir etwas neu. Da er aber den sicheren Glauben an Vorsehung hat, sind eben beide Welten bei ihm zu Hause.“ Weitere Reaktionen in Deutschland. Auf römisch-katholischer Seite löste das Buch starke Reaktionen unter kirchlichen Autoren aus, die aus Glaubenssicht fundamentale Kritik an Rosenbergs „neuheidnischen“ Thesen übten und deren Unvereinbarkeit mit einer katholischen Weltsicht feststellten. Der "Mythus" wurde am 7. Februar 1934 vom Vatikan (Heiliges Offizium) auf den „Index“, die Liste der für Mitglieder der katholischen Kirche verbotenen Bücher, gesetzt. Nachdem im Juli 1933 das Reichskonkordat unterzeichnet worden und die ursprünglich scharf abwehrende Position gegenüber dem Nationalsozialismus in weiten Teilen der katholischen Hierarchie einer zeitweilig positiveren, abwartenden Haltung gewichen war, fokussierte sich die weltanschauliche Kritik derjenigen katholisch-theologischen Autoren, die einer Annäherung an die NS-Ideologie weiterhin ablehnend gegenüberstanden, im Lauf des Jahres 1934 vor allem auf den "Mythus". Als Erwiderung auf die Schrift entstand im Erzbistum Köln unter der Leitung von Domvikar Josef Teusch als Leiter der „Abwehrstelle gegen antichristliche Propaganda“ des Erzbistums eine Aufsatzreihe "Studien zum Mythos des XX. Jahrhunderts"; die Idee dazu hatte Teusch gemeinsam mit dem Bonner Kirchenhistoriker Wilhelm Neuß entwickelt. Das Sammelwerk war keine Kampfschrift, sondern verstand sich als wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Rosenbergs Thesen unter biblischen, mystischen, kirchengeschichtlichen und moraltheologischen Gesichtspunkten. Die Beiträge wurden hauptsächlich von Dozenten der Universität Bonn verfasst, neben Neuß vor allem Josef Steinberg, Karl Theodor Schäfer und Werner Schöllgen. Da der Kölner Erzbischof Joseph Kardinal Schulte vor einer Veröffentlichung zurückschreckte, übernahm sie der Bischof Clemens August Graf von Galen im Bistum Münster. Nachdem die Schrift dort knapp einer Beschlagnahmung entgehen konnte, wurde sie schließlich auch in Köln und in allen anderen Diözesen Deutschlands als Beilage zum Kirchlichen Anzeiger veröffentlicht. Es gelang Rosenberg nicht, die Autoren zu enttarnen. NS-kritische katholische Theologen wie Konrad Algermissen und Paul Simon reagierten noch im Herbst 1934 mit eigenen, teilweise sehr kämpferischen Schriften auf das Werk Rosenbergs. Algermissen widerlegte in seinem Buch Rosenbergs geschichtsphilosophische Interpretationen und wies ihm zahlreiche falsche historische Beispiele nach. Simon wandte sich eloquent gegen die nationalsozialistische Rassenlehre und blieb den Lesern mit seinem ironischen Vorschlag in Erinnerung, Winnetou als Prototyp des „nordischen Menschen“ aufzufassen. Gegen beide Autoren und ihre Bücher wurden von den NS-Behörden Sanktionen verhängt. 1935 wurde dem damaligen Chefredakteur des "Berliner Tageblatts", dem bürgerlich-protestantischen Journalisten Paul Scheffer, bei einer Pressekonferenz des Propagandaministeriums Rosenbergs Schrift in harschem Ton als redaktionelle Leitlinie aufgegeben. Vorausgegangen war ein Leitartikel, in dem Scheffer geschrieben hatte, dass „die Völker mit intakten Religionsgemeinschaften, wie es sie beispielsweise in Italien und England gebe, den anderen Nationen an seelischer Spannkraft überlegen seien. Deutschland hingegen fehle die reguläre Verbindlichkeit“. Zum Schrecken der Konferenzteilnehmer verbat sich Scheffer nicht nur den anmaßenden Ton, sondern parierte mit einer ironischen Bemerkung: „Im Übrigen nehme ich zur Kenntnis, dass Deutschland jetzt eine Religion besitzt, von der der erste Band bereits erschienen ist.“ Im Protestantismus wurde der "Mythus" insgesamt weniger stark abgelehnt als im Katholizismus, weil Rosenberg eine positive Sicht des „deutschen Luther“ vertrat. Allerdings kamen bekennende Theologen zur Erkenntnis, dass der "Mythus" dem Christentum insgesamt den Boden entzog. Das provozierte auch hier zahlreiche, überwiegend kritische Reaktionen auf das Buch. Walter Künneth schrieb im kirchlichen Auftrag eine umfangreiche Widerlegung. Der Pfarrer Rudolf Homann veröffentlichte 1935 die Gegenschrift "Der Mythos und das Evangelium". Albrecht Oepke trat offen gegen die von ihm als pseudowissenschaftlich charakterisierten Darstellungen Rosenbergs auf. Der Jenaer Theologieprofessor Walter Grundmann hingegen folgte der Forderung Rosenbergs nach einer „Germanisierung des Christentums“ und gründete das Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben. Der Geschichtsphilosoph Oswald Spengler, Autor von "Der Untergang des Abendlandes", fällte über den "Mythus des 20. Jahrhunderts" das vernichtende Urteil: „Ein Buch, an dem nichts stimmt außer den Seitenzahlen.“ Die Idee einer „rassischen Reinheit“ muss ihm grotesk erschienen sein. Nürnberger Prozess. Während der Nürnberger Prozesse brachte der Verteidiger des NS-Führerkorps Robert Servatius den "Mythus" zur Sprache. Dabei begründete er seine Gesamteinschätzung des unmittelbaren „Einflusses“ dieser Schrift im Hinblick auf die allgemeine NS-Kirchenpolitik mit nur wenigen Indizien, indem er das Dokument PL-62e heranzog und verkündete: „Auch der ‚Mythus‘ konnte ihnen in der Kirchenfrage keinen Aufschluss geben. Dieses Buch war schwer verständlich und hat niemals den parteiamtlichen Vermerk der Unbedenklichkeit erhalten.“ Dass Rosenberg bereits 1933 von Adolf Hitler persönlich zum "Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP" (BDFÜ) ernannt, dieses Amt bis 1945 nie in Frage gestellt wurde und Rosenberg deshalb kein derartiges Unbedenklichkeitszertifikat benötigte, verschwieg Servatius im Rahmen seiner Verteidigung. Die emotionale Beteiligung angesichts der Auseinandersetzung mit den Kriegsverbrechen und dem Völkermord schlug sich mitunter auch in der Sprache nieder, wobei entweder die Schrift oder die Person selbst angesprochen wurde. So sagte der sowjetische Generalleutnant und Hauptankläger Roman Rudenko mit Blick auf die Person: „Wie dem auch sei, Fritzsche, Schirach, Streicher, Rosenberg: Sie alle arbeiteten auf dem Gebiet an der Blendung des deutschen Volkes. Sie waren Propagandisten des Satans, sie bereiteten das Feld für die verbrecherischen Pläne des Nationalsozialismus. Ihre Weltanschauung wirkte sich am verheerendsten in der Judenverfolgung aus.“ Allerdings wurden nicht nur Personen in Verbindung mit dem Bösen gebracht, sondern ebenso einzelne literarische Werke des Nationalsozialismus. So bei den Autoren, die nur wenige Monate nach dem Nürnberger Prozess das Buch "Portrait eines Menschheitsverbrechers nach den hinterlassenen Memoiren des ehemaligen Reichsministers Alfred Rosenberg" veröffentlichten. Unter einem Foto, auf dem – einschließlich Rosenbergs "Mythus" – acht Bücher von Nationalsozialisten abgebildet sind, fügten sie diese Bildunterschrift hinzu: „Das Programm des Satans: NS-Propagandaschriften des Reichs“. Und der Jurist Robert M. W. Kempner, der als Rechtsanwalt beim Nürnberger Prozess beteiligt gewesen ist, fragte sich noch viele Jahre später, warum der "Mythus" in seiner Zeit überhaupt in irgendeiner Weise ernst genommen werden konnte. So zitierte er zunächst folgenden Satz aus dem Buch: „Ein neuer Glaube ist heute im Entstehen begriffen: Der Mythus des Blutes, der Glaube, mit dem Blute das göttliche Wesen des Menschen zu verteidigen.“ Und Kempner schlussfolgert: „Noch niemand hat diese abgehackte Zusammenhanglosigkeit entziffern können, aber da Rosenberg selbst behauptete, darin den schlüssigen Beweis für die Herrenrasse geführt zu haben, waren andere bereit, diesem gequälten und verworrenen Phrasenschwall die Autorität einer Offenbarungsschrift zuzuschreiben. […] Alles und nichts konnte damit bewiesen werden.“ Geschichtsforschung. Unabhängig davon, welche Wirkung die politische Schrift "Der Mythus" hinterlassen hat, waren für Rosenberg die Bedingungen erfüllt, um sie und die darin enthaltenen Ideen zu verbreiten. Reinhard Bollmus schrieb 1970: Wie Bollmus schreibt, hatte Rosenberg von Hitler keine Sanktionen zu befürchten, weder für den "Mythus" noch für seine in zahlreichen anderen Schriften verbreitete Rassenideologie insgesamt. Bollmus sieht den "Mythus" als Ausdruck der Unbestimmtheit der nationalsozialistischen Ideologie, da der Inhalt „dieser Weltanschauung nicht systematisch zu bestimmen“ sei. Der "Mythus" enthalte kaum eine These, „die einer rationalen Nachprüfung standgehalten hätte“; es „bedurfte der Bedingungen einer totalitären Diktatur, um den Versuch zur Realisierung solcher ideologischer Fiktionen unternehmen zu können“. Bollmus deutete bereits ein allgemein formuliertes erkenntnistheoretisches Defizit im Konzept des "Mythus" an, indem er schrieb, dass „weder die antisemitischen noch die antikommunistischen und nationalistischen Behauptungen Rosenbergs ihren Grund in persönlicher Erfahrung oder kritisch gewonnener Einsicht“ hätten, was Rosenberg „ungewollt selbst bestätigt“ habe. Wie sich zudem aus „vielen Schriften des späteren Parteitheoretikers“ ersehen lasse, seien seine angeblichen „Einsichten“ lediglich „intuitiv“ gewonnen. Rosenberg hätte „von vornherein darauf verzichtet, Hypothesen empirisch oder analytisch nachzuprüfen“. Reinhard Bollmus versuchte als einer der ersten Autoren in der Nachkriegszeit, den "Mythus" aus erkenntnistheoretischer Perspektive ins Blickfeld zu nehmen, auch wenn er diesen Ansatz nur am Rande erwähnt und nicht weiter verfolgte. Seine Idee zu dieser Herangehensweise hatte allerdings handfeste Wurzeln: Bollmus machte darauf aufmerksam, dass bereits kurz nach dem Erscheinen des Buches von christlicher Seite aus weniger Rosenbergs „Weltanschauung“ direkt kritisiert worden sei, „wie Rosenberg glauben machen wollte“, sondern „vielmehr seine wissenschaftliche Methodik“. 1998 charakterisierte Juliane Wetzel in der "Enzyklopädie des Nationalsozialismus" den "Mythus des 20. Jahrhunderts" in ihrem gleichlautenden Artikel als pseudowissenschaftlich. Sie schrieb, dass Rosenberg „seine pseudowissenschaftlichen Ideen vom Neuheidentum, der Überlegenheit des nordischen Blutes und der Mystik von ›Reinheit‹“ entwickelt habe, „das sich gegen Juden und Freimaurer erfolgreich durchsetzte“. Auch der Ausdruck „verquaster Stil“ ist bei ihr zu finden und sie gab Rosenbergs Schreibstil zudem als einen Grund dafür an, weshalb der "Mythus" „kaum Leser“ gefunden hätte, selbst „bei Parteifunktionären“ nicht. Kulturwissenschaft. Nach Reinhard Bollmus hat Rosenberg die „gesamte moderne Kunst“ fehlbeurteilt; er sei „seiner früheren Neigung zu populärwissenschaftlicher Spekulation über phantasievoll konstruierte Zusammenhänge zwischen alten Kulturen, Rassen und Bevölkerungsbewegungen“ nachgegangen. 1997 schrieb der Historiker Thomas Mathieu: Politikwissenschaft. Der Politikwissenschaftler Claus-Ekkehard Bärsch begegnete in seinem 1998 veröffentlichten Buch "Die politische Religion des Nationalsozialismus" dem erkenntnistheoretisch angelegten Versuch einer Kritik des "Mythus" mit Skepsis. Für ihn sei der Rassenideologie von Rosenberg nicht mit den Argumenten der Wertfreiheit und Objektivität der Wissenschaft beizukommen. Er schrieb: „Gewiss liegt es nahe zu behaupten, Rosenberg hätte weder Kant noch das Prinzip Wissenschaft begriffen. Aber erst durch die Begründung dieses Einwandes werden die Regeln des wissenschaftlichen Denkens erfüllt, und erst dadurch könnte ein Beitrag zur Erklärung des Rassismus geleistet werden.“ Literatur. Quelle Historische Hintergründe Bücher zum "Mythus" Aufsätze zum "Mythus"