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2,002
de
2002 Zivilprozessrecht 65 [...] 14 § 113 lit. a ZPO Kostenverlegung. Die Anwendung der Bestimmung von § 113 lit. a ZPO ist entgegen AGVE 1993 Nr. 26 S. 93 auch bei Differenzen von mehr als 10% zwischen dem vorprozessualen Angebot und dem gerichtlichen Zuspruch nicht ausgeschlossen, da die 10%-Regel zu schematisch ist und dem Einzelfall nicht gerecht wird, in welchem auch die Höhe des Streit- werts oder die Natur der Streitsache mit zu berücksichtigen sind. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 2. Zivilkammer, vom 30. Oktober 2002 in Sachen A. S. gegen L. und E. T.
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de
2002 Obergericht/Handelsgericht 78 B. Anwaltsrecht 24 Grundhonorar für ein durchschnittliches Eheschutz- bzw. Präliminarver- fahren Gegen die Festsetzung eines Grundhonorars von Fr. 2'500.-- für ein durchschnittliches Eheschutz- bzw. Präliminarverfahren gestützt auf § 3 Abs. 1 lit. b AnwT ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Zusätzlich einge- reichte Rechtsschriften werden im Rahmen von § 6 Abs. 3 AnwT berück- sichtigt und mit entsprechenden Zuschlägen entschädigt. Sie führen nicht zur Erhöhung des Grundhonorars. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 19. August 2002 i.S. S. gegen Gerichtspräsidium L.
155
105
AG_HG_001
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
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2,004
de
2004 Zivilrecht 37 B. Obligationenrecht 3 Art. 739 Abs. 1, 745 Abs. 1, 746 und 823 OR; §§ 66, 223 Abs. 4 lit. b und 234 StG; Art. 54 Abs. 2, 161 Abs. 4 lit. b und 171 DBG. Betreibungsfähigkeit einer Handelsgesellschaft in Liquidation. Die Liqui- dation einer Handelsgesellschaft ist erst mit der Tilgung auch der Steuer- schulden wirklich beendet und die Gesellschaft darf deshalb erst mit Zu- stimmung des kantonalen Steueramts im Handelsregister gelöscht wer- den. Die Gesellschaft bleibt solange rechts- und betreibungsfähig und kann somit für noch offene Steuerschulden betrieben werden. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 4. Zivilkammer, vom 19. Januar 2004 in Sachen K. A. gegen L. T. GmbH in Liquidation. Aus den Erwägungen 2. Die Vorinstanz trat auf die Rechtsöffnungsklage nicht ein mit der Begründung, die Beklagte habe nach durchgeführter Liquidation aufgehört, als juristische Person zu existieren, und sei deshalb bei Anhebung der Betreibung nicht mehr rechts- und damit auch nicht mehr betreibungsfähig gewesen. Der Kläger vertritt demgegenüber die Auffassung, die Beklagte sei so lange betreibungsfähig, als sie im Handelsregister eingetragen sei. 3. Lehre und Rechtsprechung sind bezüglich der Frage, wann eine Kapitalgesellschaft wie die Aktiengesellschaft oder GmbH als juristische Person zu existieren aufhöre, geteilt. Während gewisse Autoren (und das Bundesgericht für die kaufmännische Kollektivge- sellschaft) die Auffassung vertreten, eine Gesellschaft höre nach durchgeführter Liquidation zu bestehen auf (so etwa Meier- Hayoz/Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, Bern 2004, N 444 zu § 16; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, N 6 zu § 54; Bürgi/Nordmann-Zimmer- mann, Zürcher Kommentar, Zürich 1979, N 7 zu Art. 746 OR; BGE 2004 Obergericht/Handelsgericht 38 81 II 361), vertreten andere und das Bundesgericht für die Aktienge- sellschaft die Meinung, die Gesellschaft nehme ihr Ende erst mit der Löschung der Firma im Handelsregister nach durchgeführter Liqui- dation (Funk, Kommentar des Obligationenrechts, Aarau 1951, N 2 zu Art. 746 OR; von Greyerz, Schweizerisches Privatrecht VIII/2, Basel/Frankfurt am Main 1982, S. 285; Stäubli, Basler Kommentar, Basel/Genf/München 2002, N 6 zu Art. 746 OR; Bauer-Balmel- li/Robinson, Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Ba- sel/Genf/München 2000, N 21 zu Art. 54 DBG; Acocella, Kommen- tar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Ba- sel/Genf/München 1998, N 4 zu Art. 40 SchKG; Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 7. A., Bern 2003, N 3 zu § 41; BGE 117 III 41, 73 III 62, 64 II 151, 42 III 40). Für die erste Auffassung spricht der Gesetzeswortlaut - gemäss Art. 739 Abs. 1 OR behält die Gesellschaft in Liquidation die juristi- sche Persönlichkeit und führt ihre bisherige Firma mit dem Zusatz "in Liquidation", bis die Auseinandersetzung auch mit den Aktionä- ren durchgeführt ist, und gemäss Art. 746 OR ist das Erlöschen der Firma nach Beendigung der Liquidation von den Liquidatoren beim Handelsregisteramt anzumelden -, für die zweite die Rechtssicherheit - die juristische Person entsteht und vergeht für jedermann offenbar mit dem Eintrag bzw. der Löschung des Eintrags im Handelsregister - und der Umstand, dass Aktiengesellschaft und GmbH ihre juristi- sche Persönlichkeit auch erst mit dem Eintrag im Handelsregister erlangen. So führte das Bundesgericht bereits in BGE 42 III 40 aus, da das Gesetz für den Erwerb der Rechtspersönlichkeit die Eintra- gung im Handelsregister fordere, müsse angenommen werden, dass auch ihr Fortbestand an diese Voraussetzung geknüpft sei und die Streichung der Gesellschaft infolge beendigter Liquidation mit ihrem Untergang als Rechtssubjekt gleichbedeutend sei. Die Frage braucht indessen im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, da sie sich richtig besehen gar nicht stellt. Die entscheidende Fragestellung lautet hier vielmehr, wann die Liquidation der Gesellschaft wirklich beendet ist. 4. Für die Durchführung der Liquidation der GmbH gelten die Bestimmungen des Aktienrechts (Art. 823 OR). Wie bereits erwähnt, 2004 Zivilrecht 39 behält die Gesellschaft, welche in Liquidation tritt, gemäss Art. 739 Abs. 1 OR die juristische Persönlichkeit und führt ihre bisherige Firma, jedoch mit dem Zusatz "in Liquidation", bis die Auseinander- setzung auch mit den Aktionären durchgeführt ist. Diese Auseinan- dersetzung mit den Aktionären findet gemäss Art. 745 Abs. 1 OR erst nach Tilgung der Schulden der aufgelösten Gesellschaft statt. Zu den Schulden der Gesellschaft zählen selbstredend auch ihre Steuer- schulden (Richner/Frei/Kaufmann, Handkommentar zum DBG, Zü- rich 2003, N 2 zu Art. 171; Fessler, Kommentar zum schweizeri- schen Steuerrecht, Basel/Genf/München 2000, N 2 zu Art. 171 DBG). Die Steuerpflicht der Gesellschaft endet mit dem Abschluss der Liquidation (§ 66 StG, Art. 54 Abs. 2 DBG) und wird mit der Anmeldung zur Löschung der Gesellschaft im Handelsregister fällig (§ 223 Abs. 4 lit. b StG; Art. 161 Abs. 4 lit. b DBG). Diese darf nur mit Einwilligung des kantonalen Steueramts vorgenommen werden (§ 234 StG; Art. 171 DBG). Es wird deshalb vorerst bloss das Fak- tum der Anmeldung und das Fehlen der Zustimmung im Schweizeri- schen Handelsamtsblatt veröffentlicht (Böckli, Schweizer Aktien- recht, Zürich 1996, N 1961b). Mit anderen Worten ist die Liquidation der Gesellschaft erst mit der Tilgung auch der Steuerschulden wirk- lich beendet und darf deshalb die Gesellschaft erst mit Zustimmung des kantonalen Steueramts gelöscht werden. Zu bedenken ist auch, dass die Fälligkeit der Steuerschuld ge- mäss § 223 Abs. 4 lit. b StG bzw. Art. 161 Abs. 4 lit. b DBG späte- stens mit der Anmeldung der Löschung der Gesellschaft im Handels- register eintritt und deshalb zu diesem Zeitpunkt noch ein rechtsfähi- ges Steuersubjekt existieren muss, andernfalls diese Bestimmungen keinen Sinn ergäben. Die Gesellschaft muss daher für Steuerschulden betrieben werden können, solange sie im Handelsregister eingetragen ist, auch wenn bereits die Beendigung der Liquidation angemeldet wurde. 5. Nach dem Gesagten ist die Liquidation der Beklagten entge- gen der Auffassung der Vorinstanz noch nicht vollständig abge- schlossen, weshalb auch nicht gesagt werden kann, die Beklagte sei nicht mehr rechts- und betreibungsfähig. Die Betreibung ist demnach auch nicht nichtig und dem Kläger kann ein Rechtsschutzinteresse an 2004 Obergericht/Handelsgericht 40 der Durchführung des Rechtsöffnungsverfahrens nicht abgesprochen werden. Auf seine Rechtsöffnungsklage ist aus diesen Gründen ein- zutreten.
1,553
1,289
AG_HG_001
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2004-3_2004-01-04
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417
871,758
1,160,006,400,000
2,006
de
2006 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht 31 [...] 4 Art. 82 Abs. 2 SchKG; provisorische Rechtsöffnung. Bestreitet der aus einem synallagmatischen Vertrag verpflichtete Schuld- ner die Erfüllung der Gegenleistung, ist die Rechtsöffnung zu verweigern, wenn sich die Einwendungen nicht zum vornherein als haltlos erweisen oder vom Gläubiger sofort durch Urkunden widerlegt werden. Auch nach vorbehaltloser Entgegennahme der Sache genügt es, dass der Schuldner Mängel in der Erfüllung substantiiert behauptet, um das Rechtsöff- nungsbegehren zu Fall zu bringen, und vom betriebenen Schuldner darf die Glaubhaftmachung einer rechtzeitigen Mängelrüge nicht verlangt werden. 2006 Obergericht 32 Aus dem Entscheid des Obergerichts, Zivilgericht, 5. Kammer, vom 23. Oktober 2006 in Sachen S.T. gegen L.D. Aus den Erwägungen Beim Kaufvertrag handelt es sich um einen synallagmatischen Vertrag, bei dem Leistung (Lieferung der Kaufsache) und Gegenleis- tung (Bezahlung des Preises) Zug um Zug zu erbringen sind, sich mithin in einem Austauschverhältnis gegenüberstehen (Art. 184 Abs. 1 und 2 OR; Leu, Basler Kommentar, 3. A., Basel/Genf/München 2003, N 4 zu Art. 82 OR; Koller, Basler Kommentar, a.a.O., N 89 zu Art. 184 OR). Die Zug-um-Zug-Regel ist nicht auf die Hauptleis- tungspflichten beschränkt, sondern gilt für jede in das Aus- tauschverhältnis einbezogene Leistung. So kann der Käufer den Kaufpreis zurückbehalten, wenn der Verkäufer zusätzlich zur Liefe- rung des Kaufgegenstandes eine kauffremde Nebenpflicht übernom- men hat und diese ins Synallagma einbezogen wurde (Koller, a.a.O., N 92 und 96 zu Art. 184 OR; BGE 127 III 199). Ob dies der Fall ist, lässt sich nicht in allgemeiner Weise beantworten. Schweigt die ver- tragliche Abrede, so ist massgeblich auf die Bedeutung der Neben- pflicht im Vertragsganzen abzustellen. Der Austauschcharakter einer Nebenpflicht ist dann zu bejahen, wenn ohne sie die Hauptleistung erheblich entwertet würde (Leu, a.a.O., N 6 zu Art. 82 OR; Koller, a.a.O., N 72 zu Art. 184 OR; Weber, Berner Kommentar, Bern 2005, N 91 zu Art. 82 OR). Ein synallagmatischer Vertrag, bei dem sich Leistung und Ge- genleistung der beiden Parteien in einem Austauschverhältnis gegen- überstehen, gilt als Schuldanerkennung im Sinne von Art. 82 Abs. 1 SchKG, wenn er die Zahlungsverpflichtung des betriebenen Schuld- ners enthält. Diese ist bei vertraglicher Vorleistungspflicht des Be- triebenen unbedingt, sonst jedoch nur bedingt, weil der Schuldner seine Leistung nur für den Fall verspricht, dass er die Gegenleistung erhalten hat bzw. sie ihm zumindest angeboten wurde (Art. 82 OR; Meyer, Die Rechtsöffnung auf Grund synallagmatischer Schuldver- träge, Diss. Zürich 1979, S. 50 f.; Stücheli, Die Rechtsöffnung, Diss. 2006 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht 33 Zürich 2000, S. 341; Staehelin/Bauer/Staehelin, Basler Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/ Genf/München 1998, N 99 zu Art. 82 SchKG). Wird die Erfüllung der Gegenleistung vom betriebenen Schuldner bestritten, ist die Rechtsöffnung zu verweigern, wenn sich die Einwendungen nicht zum vornherein als haltlos erweisen oder vom Gläubiger sofort durch Urkunden widerlegt werden (AGVE 1989, S. 47 mit Hinw.; Meyer, a.a.O., S. 51; Stücheli, a.a.O., S. 342; Staehelin/Bauer/Staehelin, a.a.O., N 99 zu Art. 82 SchKG). Haltlosigkeit ist dann anzunehmen, wenn sich der behauptete Einwand auf Grund der Gesamtumstände ohne weiteres als unzutreffend erweist oder wenn er angesichts klarer gegenteiliger Anhaltspunkte in erhöhtem Mass unglaubwürdig wirkt. Mithin darf Haltlosigkeit der schuldnerischen Einwände nicht leicht- hin bejaht werden, also nicht bereits dann, wenn die Wahrheit der Vorbringen als zweifelhaft erachtet wird (Stücheli, a.a.O., S. 342 f.). Die Behauptung der Mangelhaftigkeit der Gegenleistung muss aber, wenn nicht glaubhaft gemacht, so doch substantiiert werden, ansons- ten sie als haltlos zu bezeichnen wäre (Staehelin/Bauer/Staehelin, a.a.O., N 105 zu Art. 82 SchKG). Andere Einwendungen, die nicht die Erfüllung der Gegenleistung betreffen, sind gemäss Art. 82 Abs. 2 SchKG vom Schuldner glaubhaft zu machen (AGVE 1989, S. 47 mit Hinw.; Meyer, a.a.O., S. 51; Stücheli, a.a.O., S. 342; Staehe- lin/Bauer/Staehelin, a.a.O., N 106 zu Art. 82 SchKG). Ebenfalls glaubhaft zu machen hat der Schuldner, dass die Gegenleistung in ei- nem Austauschverhältnis zu seiner eigenen Leistung steht (Staehe- lin/Bauer/Staehelin, a.a.O., N 101 und N 104 zu Art. 82 SchKG). Ob- liegen dem Schuldner, der die Leistung entgegengenommen hat, Prü- fungs- und Rügepflichten, so genügt nach Auffassung eines Teils der Lehre und kantonalen Rechtsprechung das Bestreiten der Ordnungs- mässigkeit der Gegenleistung nicht, sondern der Schuldner muss zu- dem glaubhaft machen, dass er rechtzeitig Mängelrüge erhoben hat (Staehelin/Bauer/Staehelin, a.a.O., N 104 zu Art. 82 SchKG mit Hin- weisen). Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Mängelfreiheit ohne Mitwirkung des Schuldners kaum je beweis- bar wäre, zumal sich das Beweisobjekt in der Sphäre des Schuldners befindet (Meyer, a.a.O., S. 58 ff.; PKG 189, S. 134 ff.) Diese Argu- 2006 Obergericht 34 mentation lässt ausser Acht, dass es in der Natur der provisorischen Rechtsöffnung liegt, dem Gläubiger nur dann zu einer raschen Beseitigung des Rechtsvorschlages zu verhelfen, wenn der Bestand seiner Forderung ausgewiesen ist. Ein allfälliger Beweisnotstand darf daher nicht zu einer Umkehr der Beweislast bezüglich Bestand des Rechtsöffnungstitels führen, da dem Gläubiger für die Durchsetzung nicht liquider Forderungen das ordentliche Zivilverfahren zur Verfü- gung steht (Stücheli, a.a.O., S. 344). Gemäss Kaufvertrag vom 2. Juli 2005 und übereinstimmender Darstellung der Parteien vor Vorinstanz haben diese auch die Mon- tage der veräusserten Kühlvitrine und Kühlzelle durch den Kläger vereinbart. In der Beschwerdeschrift gestand der Kläger sodann zu, dass in der Kühlvitrine der Motor nicht eingebaut war. Er habe dem Beklagten gesagt, dass der Motor von Fachleuten eingebaut werden müsse; am 3. Juli 2005 habe er die Montage der Kühlzelle vorge- nommen und soweit als möglich auch die Kühlvitrine installiert; da- mit habe er seine sämtlichen Pflichten aus dem Vertrag erfüllt. So- weit mit diesen erstmals vor Obergericht vorgebrachten Ausfüh- rungen des Klägers die Sachdarstellung des Beklagten vor Vorinstanz bestätigt wird, steht ihrer Berücksichtigung nichts entgegen, da Zu- geständnisse im Gegensatz zu neuen Angriffs- und Verteidigungs- mitteln nicht Gegenstand des zweitinstanzlichen Novenverbotes bil- den. Es ist daher mit dem Beklagten davon auszugehen, dass in der gekauften Kühlvitrine der Motor nicht eingebaut war und der Kläger diese Montagearbeit auch nicht nachträglich vorgenommen hat. Es erscheint im Weiteren als glaubhaft gemacht, dass der Einbau des Kühlmotors als im Austauschverhältnis zur Bezahlung des Kaufprei- ses stehende Vertragsleistung des Klägers zu gelten hat, nachdem die Montage der veräusserten Objekte ausdrücklich und vorbehaltlos im Kaufvertrag vereinbart war und eine Kühlvitrine ohne Motor notori- scherweise betriebsuntauglich ist. Bei dieser Sachlage kann offen- bleiben, ob es sich bei der Montage um eine vertragliche Haupt- oder Nebenleistungspflicht des Klägers handelte. Entgegen der Auffas- sung von Kläger und Vorinstanz kann sodann, wie vorab dargelegt, vom Beklagten nicht die Glaubhaftmachung einer rechtzeitigen Män- gelrüge verlangt werden. Auch nach vorbehaltloser Entgegennahme 2006 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht 35 der Sache, genügt es vielmehr, dass der Schuldner Mängel in der Er- füllung substantiiert behauptet, um das Rechtsöffnungsbegehren zu Fall zu bringen (Stücheli, a.a.O., S. 344).
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1,519
AG_HG_001
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
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2,011
de
2011 Strafprozessrecht 57 [...] 16 Art. 61 lit. a, 132 Abs. 1 lit. b, 133 Abs. 1 StPO; § 4 Abs. 7 EG StPO - Die Oberstaatsanwaltschaft ist aufgrund des Wortlautes von § 4 Abs. 7 EG StPO und aufgrund des Willens des Gesetzgebers, die Be- stimmung der amtlichen Verteidigung im konkreten Fall durch die im Vorverfahren nicht unmittelbar mit der Sache befasste Ober- staatsanwaltschaft ausführen zu lassen, für die Bestellung der amt- lichen Verteidigung im Sinne von Art. 133 StPO ausschliesslich zu- ständig. Die Prüfung der Voraussetzungen gemäss Art. 132 StPO ob- liegt hingegen nicht der Oberstaatsanwaltschaft, sondern der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft als Verfahrensleitung (E. 1). - Bei der Prüfung, ob ein Beschuldigter im Sinne von Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO in der Lage ist, die mutmasslich anfallenden Kosten für seine angemessene Verteidigung aufzubringen, kann aufgrund der Einheit der Rechtsordnung und der in Bezug auf die Frage der Mit- tellosigkeit identischen Formulierung von Art. 117 lit. a ZPO ohne Weiteres auf die bisherige Praxis zur eidgenössischen und kantona- len Zivilprozessordnung sowie die Rechtsprechung zu Art. 29 Abs. 3 BV zurückgegriffen werden (E. 2.1). 2011 Obergericht 58 Aus dem Entscheid des Obergerichts, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 20. Dezember 2011 i.S. M.T. gegen Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach (SBK.2011.288). Aus den Erwägungen 1. Der Beschwerdeführer moniert vorab, dass die Staatsanwalt- schaft zum Erlass einer Verfügung, mit welcher das Gesuch um Ge- währung der amtlichen Verteidigung abgewiesen wird, nicht zustän- dig gewesen sei. Gemäss Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO ist für die Anordnung der amtlichen Verteidigung und mithin auch die Prüfung von deren Vor- aussetzungen die Verfahrensleitung zuständig. Verfahrensleitung im Sinne von Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO ist bis zur Einstellung oder An- klageerhebung die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft (Art. 61 lit. a StPO). In Art. 133 StPO ist sodann die Bestellung der amtlichen Verteidigung vorgesehen, d.h. die Einsetzung einer bestimmten Per- son als amtliche Verteidigung. Dabei sind nach Möglichkeit die Wünsche der beschuldigten Person zu berücksichtigen (Art. 133 Abs. 2 StPO). Zuständig ist auch dafür an sich die Verfahrensleitung. Entsprechend dem gesetzgeberischen Motiv, dass sich der als Verfah- rensleiter handelnde Staatsanwalt im Falle der notwendigen und amt- lichen Verteidigung seinen "Gegenspieler" nicht selbst auswählen können soll (Grossrätliches Wortprotokoll der 26. Sitzung vom 16. März 2010, S. 990), ist in § 4 Abs. 7 EG StPO gestützt auf die Verweisungsnorm von Art. 14 Abs. 3 StPO, wonach die Kantone Oberstaatsanwaltschaften einrichten können, festgehalten, dass bis zum Abschluss des Vorverfahrens nicht die örtlich zuständige Staats- anwaltschaft, sondern die Oberstaatsanwaltschaft die notwendige und amtliche Verteidigung bestellt. Aufgrund des Wortlautes von § 4 Abs. 7 EG StPO, wonach aus- drücklich von der Bestellung der amtlichen Verteidigung die Rede ist, und aufgrund des Willens des Gesetzgebers, die Bestimmung der amtlichen Verteidigung im konkreten Fall durch die im Vorverfahren 2011 Strafprozessrecht 59 nicht unmittelbar mit der Sache befasste Oberstaatsanwaltschaft aus- führen zu lassen, ist die Oberstaatsanwaltschaft für die Bestellung der amtlichen Verteidigung im Sinne von Art. 133 StPO ausschliess- lich zuständig. Die Prüfung der Voraussetzungen gemäss Art. 132 StPO obliegt hingegen nicht der Oberstaatsanwaltschaft, sondern der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft als Verfahrensleitung. Daran ändert der vom Beschwerdeführer erwähnte Umstand nichts, dass sich im Kanton Zürich die Oberstaatsanwaltschaft gestützt auf § 155 GOG nicht nur für die Bestellung der amtlichen Verteidigung im Sinne von Art. 133 StPO, sondern, ohne dies ausdrücklich zu thema- tisieren, auch für die Prüfung der Voraussetzungen gemäss Art. 132 StPO zuständig erklärt hat (vgl. Leitfaden Amtliche Verteidigung der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Büro für amtliche Man- date). Offen bleiben kann vorliegend, ob es einem Kanton aufgrund des Wortlautes von Art. 133 StPO überhaupt zusteht, für die Be- stellung der amtlichen Verteidigung anstatt der Verfahrensleitung eine zentrale Stelle wie die Oberstaatsanwaltschaft einzusetzen (vgl. L IEBER , in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2010, N. 2 zu Art. 133 StPO). Der Beschwerdeführer könnte daraus vorliegend nichts zu seinen Gunsten ableiten. Nach dem Gesagten hat die Staatsanwaltschaft somit zu Recht geprüft, ob die Voraussetzungen für die Anordnung der amtlichen Verteidigung erfüllt sind. Die Beschwerde ist in diesem Punkt daher abzuweisen. 2. Gemäss Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO ist eine amtliche Verteidi- gung dann anzuordnen, wenn die beschuldigte Person nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Verteidigung zur Wahrung ihrer Interessen geboten ist. Gegenstand der vorliegenden Beschwerde ist einzig die Frage, ob der Beschwerdeführer über die erforderlichen Mittel verfügt oder nicht. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Staatsanwaltschaft habe zu Unrecht Steuern und Schulden nicht berücksichtigt und das Existenzminimum falsch berechnet. Er verfüge nur über einen Über- 2011 Obergericht 60 schuss von Fr. 408.85. Mit diesem sei er nicht in der Lage, einen Anwalt zu bevorschussen und zu bezahlen. 2.1. Bei der Prüfung, ob der Beschwerdeführer im Sinne von Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO in der Lage ist, die mutmasslich anfallen- den Kosten für seine angemessene Verteidigung aufzubringen, kann aufgrund der Einheit der Rechtsordnung und der in Bezug auf die Frage der Mittellosigkeit identischen Formulierung von Art. 117 lit. a ZPO ohne Weiteres auf die bisherige Praxis zur eidgenössischen und kantonalen Zivilprozessordnung sowie die Rechtsprechung zu Art. 29 Abs. 3 BV zurückgegriffen werden. Zu prüfen ist somit, ob der Gesuchsteller in der Lage ist, die mutmasslich für seine angemessene Verteidigung anfallenden An- waltskosten aus seinem Vermögen oder seinem Einkommen, das er nicht zur Deckung seines erweiterten Grundbedarfs benötigt, zu be- gleichen (vgl. BGE 135 I 221 E. 5.1). Bei weniger aufwendigen Strafverfahren muss er zur Begleichung der anfallenden Anwalts- kosten innert Jahresfrist in der Lage sein und bei anderen Strafver- fahren innert zweier Jahre. Abzustellen ist auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum gemäss den Richtlinien des Obergerichts (KKS.2005.7), erweitert um einen Zuschlag in der Höhe von 25 % des Grundbetrages (AGVE 2002 Nr. 15 S. 65 ff.). Praxisgemäss sind im Kanton Aargau die Prämien für Versicherungen sowie Gebühren für Radio, Fernse- hen, Telefon und Internet bereits im Grundbetrag enthalten. Laufende Steuerschulden und Steuerrückstände werden nur berücksichtigt, soweit regelmässige Zahlungen belegt sind (BGE 135 I 221 E. 5.2; AGVE 2002 Nr. 18 S. 68). Ohne diesen Nachweis dürfen Steuer- schulden somit nicht mit monatlichen Raten im erweiterten Existenz- minimum berücksichtigt werden. Im Übrigen bleibt gemäss Recht- sprechung des Bundesgerichts die gewöhnliche Tilgung angehäufter Schulden bei der Beurteilung der Bedürftigkeit grundsätzlich ausser Betracht, da die unentgeltliche Rechtspflege nicht dazu dienen soll, auf Kosten des Gemeinwesens Gläubiger zu befriedigen, die nicht oder nicht mehr zum Lebensunterhalt beitragen (Urteil des Bundes- gerichts 4P.80/2006 vom 29. Mai 2006 E. 3.1).
1,649
1,368
AG_HG_001
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2011-16_2011-12-20
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414
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2,019
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Handelsgericht 2. Kammer HSU.2019.116 / as / mv Art. 171 Entscheid vom 7. Oktober 2019 Besetzung Oberrichter Vetter, Vizepräsident Gerichtsschreiber Schneuwly Gesuchstellerin N. GmbH, _ Gesuchsgegne- rin B.AG, _ Gegenstand Summarisches Verfahren betreffend Bauhandwerkerpfandrecht Der Vizepräsident entnimmt den Akten: 1. Die Gesuchstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in K. Gemäss Handelsregister _. 2. Die Gesuchsgegnerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Z. Sie bezweckt gemäss Handelsregister _. Die Gesuchsgegnerin ist Alleineigentümerin des Grdst.-Nr. 123 GB Z. (E- GRID: CH XXX). 3. 3.1. Mit Gesuch vom 5. September 2019 (Postaufgabe: 6. September 2019) stellte die Gesuchstellerin die folgenden Rechtsbegehren: - 2 - " Das Grundbuchamt Z. sei anzuweisen, zulasten des in der Gemeinde Z., Grundbuch-/ Grundblatt-Nr. 123 Nr. 321, zugunsten von der gesuchstellenden Partei ein Bauhandwerkerpfandrecht für die Pfandsumme von CHF 38890.65 nebst 5 % Zins seit 12.06.2019 vorläufig als einzutragen. Die Anweisung sei superprovisorisch (d.h. sofort nach Eingang des Gesuchs ohne Anhörung der Gegenpartei) zu verfügen und dem Grundbuchamt unverzüglich zur vorläufigen Eintragung im Grundbuch mitzueilen. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Gegen- partei." 3.2. Am 9. September 2019 erliess der Vizepräsident folgende Verfügung: 1. In Gutheissung des Gesuchs um Erlass superprovisorischer Massnahmen vom 5. September 2019 wird der Gesuchstellerin die Vormerkung einer vorläufigen Eintragung eines Bau- handwerkerpfandrechts gemäss Art. 837/839 i.V.m. Art. 961 ZGB auf dem Grundstück der Gesuchsgegnerin, Grdst.-Nr. 123 GB Z. (E-GRID: CH XXX) superprovisorisch für eine Pfand- summe von Fr. 38'890.65 zuzüglich Zins zu 5 % ab dem 12. Juni 2019 bewilligt. 2. Das Grundbuchamt Z. wird angewiesen, die Vormerkung ge- mäss vorstehender Dispositiv-Ziff. 1 sofort einzutragen. 3. Die Gesuchstellerin hat mit beiliegendem Einzahlungsschein bis zum 23. September 2019 einen Gerichtskostenvorschuss von Fr. 1'500.00 zu leisten. 4. Zustellung des Doppels des Gesuchs (inkl. Beilagen) vom 5. September 2019 an die Gesuchsgegnerin zur Erstattung ei- ner schriftlichen Antwort bis zum 23. September 2019. 5. Fristerstreckungen werden grundsätzlich nicht gewährt. Aus- nahmsweise ist eine Fristerstreckung beim Vorliegen zureichen- der Gründe möglich (Art. 144 Abs. 2 ZPO). Als solche gelten die Zustimmung der Gegenpartei oder von der Partei nicht vorher- sehbare oder nicht beeinflussbare Hinderungsgründe. - 3 - 6. Die Gesuchsgegnerin wird darauf hingewiesen, dass die Vor- merkung im Grundbuch gelöscht wird, wenn sie für die ange- meldeten Forderungen hinreichende Sicherheiten leistet. 7. Der Stillstand der Fristen gemäss Art. 145 Abs. 1 ZPO gilt nicht (Art. 145 Abs. 2 lit. b ZPO). 3.3. Das Grundbuchamt Z. merkte die vorläufige Eintragung am 9. September 2019 (Tagebuchnummer 987) im Tagebuch vor. 4. 4.1. Mit Gesuchsantwort vom 19. September 2019 stellte die Gesuchsgegnerin folgende Rechtsbegehren: " 1. Das Gesuch um vorsorgliche Eintragung eines Bauhandwerker- pfandrechts sei vollumfänglich abzuweisen. 2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Gesuch- stellerin." 4.2. Mit Verfügung vom 20. September 2019 stellte der Vizepräsident der Ge- suchstellerin die Gesuchsantwort vom 19. September 2019 inkl. Beilagen mit dem Hinweis, eine Stellungnahme ihrerseits sei freiwillig und hätte in- nert 10 Tagen zu erfolgen, zu. 4.3. Die Gesuchstellerin reichte innert Frist keine Stellungnahme ein. Der Vizepräsident zieht in Erwägung: 1. Zuständigkeit Der Einzelrichter am Handelsgericht ist örtlich, sachlich und funktionell zur Beurteilung der im summarischen Verfahren zu behandelnden Streitigkeit zuständig (vgl. dazu E. 4 der Verfügung vom 9. September 2019). 2. Allgemeine Voraussetzungen der vorläufigen Eintragung 2.1. Die Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts setzt im Wesentlichen die Forderung eines Bauhandwerkers oder Unternehmers für die Leistung von Arbeit und allenfalls von Material zugunsten des zu belastenden - 4 - Grundstücks sowie die Wahrung der viermonatigen Eintragungsfrist voraus (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 und 839 Abs. 2 ZGB). 2.2. Die Eintragungsvoraussetzungen sind im Verfahren betreffend vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts lediglich glaubhaft zu ma- chen. An diese Glaubhaftmachung werden zudem weniger strenge Anfor- derungen gestellt, als es diesem Beweismass für vorsorgliche Massnah- men (Art. 261 ff. ZPO) sonst entspricht.1 Die vorläufige Eintragung darf nur verweigert werden, wenn der Bestand des Pfandrechts ausgeschlossen o- der höchst unwahrscheinlich erscheint. Im Zweifelsfall, bei unklarer Be- weis- oder Rechtslage, ist die vorläufige Eintragung zu bewilligen und die Entscheidung dem Richter im ordentlichen Verfahren zu überlassen.2 Letzt- lich läuft es darauf hinaus, dass der gesuchstellende Unternehmer nur die blosse Möglichkeit eines Anspruchs auf ein Bauhandwerkerpfandrecht nachzuweisen hat.3 3. Eintragungsfrist 3.1. Parteibehauptungen Die Gesuchstellerin behauptet, die Arbeiten seien am 14 Mai 2019 fertig- gestellt worden, indem die angefallenen restlichen Abfälle entsorgt worden seien (Gesuch Ziff. 6 lit. d und e). Die Gesuchsgegnerin bestreitet hingegen, dass der 14. Mai 2019 der Fer- tigstellungszeitpunkt gewesen sein soll. Vielmehr sei an diesem Datum die Rechnungsstellung erfolgt. Die Gesuchsgegnerin sei letztmals am 3. Mai 2019 auf dem fraglichen Grundstück tätig gewesen. Da es sich bei den Ar- beiten der Gesuchstellerin um Abbruch- und Aushubarbeiten gehandelt habe, habe die Gesuchstellerin das abgebrochene Material bei einer De- ponie abladen bzw. entsorgen müssen. Die entsprechenden Waagscheine datierten alle vom 2. bzw. 3. Mai 2019. Danach gäbe es keine Waagscheine mehr, weil die Gesuchstellerin keine Werkleistungen mehr erbracht habe (Antwortbeilage 1). Zudem bestätigten der Mieter der Gesuchsgegnerin wie auch dessen Lagermitarbeiter, dass die Gesuchstellerin letztmals am 3. Mai 2019 auf dem fraglichen Grundstück der Gesuchsgegnerin tätig ge- wesen sei (Antwortbeilage 2). Die Frist zur Eintragung eines Bauhandwer- kerpfandrechts sei damit nicht eingehalten worden (Antwort Ziff. 2). 1 BGE 137 III 563 E. 3.3; 86 I 265 E. 3; vgl. auch SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, 3. Aufl. 2008, N. 1394; BSK ZGB II-THURNHERR, 6. Aufl. 2019, Art. 839/840 N. 37. 2 BGE 86 I 265 E. 3; 102 Ia 81 E. 2b.bb; BGer 5A_426/2015 vom 8. Oktober 2015 E. 3.4; 5A_924/2014 vom 7. Mai 2015 E. 4.1.2; SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, zur 3. Aufl., 2011, N. 628. 3 SCHUMACHER (Fn. 1), N. 1395. - 5 - 3.2. Rechtliches Die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts muss bis spätestens vier Monate nach der Arbeitsvollendung erfolgen, andernfalls der Anspruch ver- wirkt (Art. 839 Abs. 2 ZGB).4 Die Eintragungsfrist berechnet sich nach Art. 7 ZGB i.V.m. Art. 77 Abs. 1 Ziff. 3 i.V.m. Abs. 2 OR. Sie endet somit an dem- jenigen Tag des letzten Monats, der durch seine Zahl dem Tag der Arbeits- vollendung entspricht.5 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 839 Abs. 2 ZGB gel- ten Bauarbeiten grundsätzlich dann als vollendet, wenn alle Verrichtungen, die Gegenstand des Werkvertrages bilden, ausgeführt sind. Nicht in Be- tracht fallen dabei geringfügige oder nebensächliche, rein der Vervoll- kommnung dienende Arbeiten oder Ausbesserungen wie der Ersatz gelie- ferter, aber fehlerhafter Teile oder die Behebung anderer Mängel. Gering- fügige Arbeiten gelten aber dann als Vollendungsarbeiten, wenn sie uner- lässlich sind; insoweit werden Arbeiten weniger nach quantitativen als viel- mehr nach qualitativen Gesichtspunkten gewürdigt.6 3.3. Würdigung Die Gesuchstellerin behauptet zwar, die letzten Arbeiten am 14. Mai 2019 ausgeführt zu haben. Die Gesuchsgegnerin bestreitet hingegen, dass die Gesuchstellerin an diesem Tag noch auf dem Grdst.-Nr. 123 GB Z. gear- beitet habe. Vielmehr datieren die letzten Waagscheine für die Deponie- rung des abgebrochenen Materials unbestrittenermassen vom 3. Mai 2019 (Antwortbeilage 1). Demnach hätte es der Gesuchstellerin oblegen, ihre behaupteten Arbeiten vom 14. Mai 2019 nachzuweisen. Sie tut dies in kei- ner Weise, so dass ihr Vorbringen nicht als glaubhaft erachtet werden kann. Denkbar wäre insbesondere das Vorlegen von Arbeitsrapporten gewesen. Somit hat die Gesuchstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass sie nach dem 3. Mai 2019 noch Arbeiten auf dem Grdst.-Nr. 123 GB Z. ausführte. Selbst wenn die Gesuchstellerin nach dem 3. Mai 2019 noch Arbeiten auf dem Grdst.-Nr. 123 GB Z. ausgeführt haben sollte, handelte es sich bei der Ent- sorgung der angefallenen restlichen Abfälle bloss um geringfügige Arbei- ten, die nicht als Vollendungsarbeiten i.S.v. Art. 839 Abs. 2 ZGB zu qualifi- zieren sind. Die Vormerkung der vorläufigen Eintragung des beantragten Bauhandwer- kerpfandrechts vom 9. September 2019 wurde nach Ablauf der am 3. Mai 2019 beginnenden Viermonatsfrist eingetragen und war damit verspätet. Das Gesuch der Gesuchstellerin vom 5. September 2019 ist damit abzu- weisen. 4 BGE 126 III 462 E. 4c.aa; BSK ZGB II-THURNHERR (Fn. 1), Art. 839/840 N. 29. 5 BSK ZGB II-THURNHERR (Fn. 1), Art. 839/840 N. 31a. 6 BGer 5A_613/2015 vom 22. Januar 2016 E. 4 m.w.N. - 6 - 4. Ergebnis Zusammenfassend ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts nicht erfüllt sind und die mit Verfügung vom 9. September 2019 superprovisorisch angeordnete Vor- merkung der vorläufigen Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts im Umfang von Fr. 38'890.65 zzgl. Zins zu 5 % seit dem 12. Juni 2019 zu lö- schen ist. 5. Prozesskosten Die Prozesskosten, bestehend aus Gerichtskosten und Parteientschädi- gung, werden der unterliegenden Partei auferlegt (Art. 95 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 1 ZPO). Ausgangsgemäss sind sie von der Gesuchstellerin zu tragen. 5.1. Unter Berücksichtigung des verursachten Aufwands sowie des Umfangs der Streitigkeit werden die Gerichtskosten auf Fr. 1'500.00 festgesetzt (§ 8 VKD; SAR 221.150). Gestützt auf Art. 111 Abs. 1 Satz 1 ZPO werden sie vorab mit dem von der Gesuchstellerin geleiseten Gerichtskostenvor- schuss in Höhe von Fr. 1'500.00 verrechnet. 5.2. Die Gesuchsgegnerin macht eine Parteientschädigung geltend. Indes wird einer Partei, die nicht durch einen Anwalt vertreten ist, keine Entschädigung für die Kosten einer berufsmässigen Vertretung gemäss Art. 95 Abs. 3 lit. b ZPO zugesprochen. Nur in begründeten Fällen, wie bei komplizierten Streitsachen, grossem Arbeitsaufwand oder Erwerbsausfall eines Selb- ständigerwerbenden ist allenfalls eine Umtriebsentschädigung gemäss Art. 95 Abs. 3 lit. c ZPO angezeigt.7 Da es sich vorliegend aber weder um eine komplizierte noch besonders aufwendige Angelegenheit handelt, ist der Gesuchsgegnerin keine Umtriebsentschädigung zuzusprechen. Der Vizepräsident erkennt: 1. Das Gesuch vom 5. September 2019 wird abgewiesen. 2. Das Grundbuchamt Z. wird angewiesen, das gemäss Verfügung des Vi- zepräsidenten vom 9. September 2019 gleichentags unter der Tagebuch- Nr. 987 auf dem Grundstück der Gesuchsgegnerin Grdst.-Nr. 123 GB Z. (E-GRID: CH XXX), für die Pfandsumme von Fr. 38'890.65 zuzüglich Zins 7 SUTER/VON HOLZEN, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger (Hrsg.), Kommentar zur Schweize- rischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2016, Art. 95 N. 40 f. - 7 - zu 5 % ab dem 12. Juni 2019 vorläufig eingetragene Bauhandwerkerpfand- recht zu löschen. 3. 3.1. Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 1'500.00 sind von der Gesuchstellerin zu tragen und werden mit dem von ihr geleisteten Gerichtskostenvorschuss in Höhe von Fr. 1'500.00 verrechnet. 3.2. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. Zustellung an: die Gesuchstellerin die Gesuchsgegnerin Zustellung an: das Grundbuchamt Z. (nach Ablauf der Rechtsmittelfrist) - 8 - Rechtsmittelbelehrung für die Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff., Art 90 ff. BGG) Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen, von der schriftlichen Eröff- nung der vollständigen Ausfertigung des Entscheids an gerechnet, die Be- schwerde an das Schweizerische Bundesgericht erhoben werden. Die Beschwerde ist schriftlich oder in elektronischer Form beim Schweize- rischen Bundesgericht einzureichen. Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit An- gabe der Beweismittel und die Unterschriften bzw. eine anerkannte elekt- ronische Signatur zu enthalten. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid verfassungsmässige Rechte (Art. 98 ff. BGG) verletzt. Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in den Händen hat; ebenso ist der angefochtene Entscheid beizulegen (Art. 42 BGG). Aarau, 7. Oktober 2019 Handelsgericht des Kantons Aargau 2. Kammer Der Vizepräsident: Der Gerichtsschreiber: Vetter Schneuwly
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AG_HG_002
AG_HG
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Northwestern_Switzerland
AG_HG_002_-Handelsrecht-Bauhan_2019-10-07
https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/jb/dokumente_6/gesetze___entscheide/gesetze_2/handelsrecht/Entscheid_des_Handelsgerichts_vom_7._Oktober_2019.pdf
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2005 Obergericht 58 [...] 12 Art. 80 Ziff. 2 StGB Vorzeitige Löschung des Eintrags im Strafregister. Der für das Wohlverhalten relevante Zeitraum bestimmt sich nach Massgabe der Einreichung des Gesuchs um vorzeitige Löschung resp. der Beurteilung dieses Gesuchs, indem von diesem Zeitpunkt aus die entsprechenden Lö- schungsfristen zurückgerechnet werden. 2005 Strafrecht 59 Aus dem Entscheid des Obergerichts, 2. Strafkammer, vom 26. Mai 2005 in Sachen E.S. gegen Staatsanwaltschaft Aus den Erwägungen 2. a) Gemäss Art. 80 Ziff. 2 StGB kann der Richter die vorzeiti- ge Löschung eines Strafregistereintrags verfügen, wenn das Verhal- ten des Verurteilten dies rechtfertigt und er den gerichtlich oder durch Vergleich festgestellten Schaden, soweit es ihm zuzumuten war, ersetzt hat, die Busse bezahlt, abverdient oder erlassen und das Urteil bezüglich der Nebenstrafen vollzogen ist. Die Frist für die Lö- schung beträgt bei den nach Art. 37 bis Ziff. 1 StGB vollziehbaren Ge- fängnisstrafen von nicht mehr als drei Monaten und der Busse als Hauptstrafe zwei Jahre (Art. 80 Ziff. 2 Abs. 2 al. 3 StGB). Die Frist läuft ab Vollstreckung des Urteils. Die Löschungsfristen sind vom Entscheid des Richters an zurückzurechnen, was das Wohlverhalten betrifft (Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. A., Zürich 1997, N 14 f. zu Art. 80). Gemäss Giger im Basler Kommentar (Niggli/Wiprächtiger, Strafgesetzbuch I, Kommentar, Basel/Genf/München 2003, N 15 zu Art. 80) prüft der Richter das Wohlverhalten des Verurteilten seit der Verurteilung, auf deren Ein- trag im Register sich das Gesuch bezieht, und selbstverständlich auch nach Einreichung des Gesuchs. Bezüglich der Löschung des Eintrags einer Zuchthausstrafe führte das Bundesgericht in BGE 76 IV 221 aus, dass unter dem Ver- halten des Verurteilten, das die Löschung rechtfertigen müsse, nur das Verhalten während einer Frist zu verstehen sei, die so lange sei wie die Zeit, die abgelaufen sein müsse, ehe das Löschungsgesuch gestellt werden könne. Stelle der Verurteilte das Löschungsgesuch nicht sofort, nachdem die massgebliche Frist (im zitierten Fall: 15 Jahre) seit Vollzug des Urteils verstrichen sei, so müsse er sich in den letzten 15 Jahren vor der Stellung des Gesuchs wohl verhalten haben. Würde in einem solchen Fall verlangt, dass sich das Wohlver- 2005 Obergericht 60 halten über die ganze Zeit zwischen dem Vollzug des Urteils und der Beurteilung des Löschungsgesuchs erstrecke, so wäre einem Verur- teilten die Löschung ein- für allemal verwehrt, wenn er sich nach der Verurteilung einen Fehler zuschulden kommen lasse. Solche Strenge könne nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Wer nach der Verurteilung eine Handlung begehe, die der Löschung bei Ablauf der fünfzehn- jährigen Frist seit Vollzug des Urteils im Wege stehen würde, solle die Möglichkeit haben, später die Löschung doch zu erwirken, wenn er sich in den letzten 15 Jahren vor Beurteilung seines Gesuchs nichts mehr zu Schulden kommen lasse. Andererseits genüge es nicht, wenn der Verurteilte, der vom Vollzug des Urteils an mehr als 15 Jahre verstreichen lasse, ehe er das Löschungsgesuch stelle, sich in den ersten 15 Jahren nach Vollzug gut aufführe, später dagegen sich schlecht verhalten habe. Rehabilitiert werden sollten nur Verurteilte, deren künftiges Verhalten voraussichtlich zu keinen Beanstandungen mehr Anlass gebe. Diese Voraussetzung sei nur er- füllt, wenn das Verhalten in den letzten 15 Jahren vor Beurteilung des Löschungsgesuchs gut gewesen sei. b) Wie die Vorinstanz richtig ausführte, hätte der Gesuchsteller das Gesuch um vorzeitige Löschung bereits am 9. Oktober 1998 stel- len können. Der für das Wohlverhalten relevante Zeitraum bestimmt sich jedoch einzig nach Massgabe der tatsächlichen Einreichung des Gesuchs. Das Gesuch wurde am 29. Juni 2004 gestellt, weshalb ge- mäss oben zitierter bundesgerichtlicher Rechtsprechung ausgehend von diesem Zeitpunkt zwei Jahre zurückzublenden ist (so auch die Entscheide der Strafkammer des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 9. August 2002 [SOG 2002 Nr. 10], sowie des Obergerichts des Kantons Obwalden vom 5. Dezember 2001 [in: Rechtsprechung in Strafsachen 2003, S. 70 Nr. 379 ]). Die Staatsanwaltschaft stützt sich in ihrer Argumentation mass- geblich auf Giger im Basler Kommentar ab, wonach der Richter das Wohlverhalten seit der Verurteilung , auf deren Eintrag im Register sich das Gesuch beziehe, und selbstverständlich auch nach Einrei- chung des Gesuchs prüfe. Giger (a.a.O.) verweist an dieser Stelle un- ter anderem auf Stratenwerth (Schweizerisches Strafrecht, Allgemei- ner Teil II, Bern 1989, § 14 N 124). Dort finden sich indessen keine 2005 Strafrecht 61 Hinweise auf den massgeblichen Zeitraum. Trechsel (a.a.O., N 10 zu Art. 80), auf welchen im Basler Kommentar ebenfalls verwiesen wird, führt aus, es sei auch das Verhalten nach Einreichung des Ge- suchs zu berücksichtigen (es wird dabei auf das Journal des Tribu- naux [JdT] 1958 IV 32 verwiesen). Aus beiden Zitatstellen ergibt sich die von Giger aufgeführte Meinung, wonach das Verhalten seit der Verurteilung bis nach Gesuchseinreichung massgebend sein soll, jedoch nicht. Im Gegenteil führt etwa Trechsel einige Abschnitte spä- ter aus (a.a.O., N 14 zu Art. 80), was das Wohlverhalten anbetreffe, seien die Löschungsfristen vom Entscheid des Richters an zurückzu- rechnen. Zusammenfassend ist das im Basler Kommentar Ausgeführ- te als Grundsatzfeststellung zu verstehen, dass auf das Wohlverhalten seit der Verurteilung abzustellen ist, ohne dass dabei der Zeitraum genauer eingrenzt bzw. auf spezielle Umstände wie im vorliegenden Fall, in welchem das Gesuch erst Jahre nach Ablauf der Löschungs- frist gestellt wird, eingegangen wird. Bezüglich des zitierten Bundesgerichtsentscheids ist zu beden- ken, dass zum damaligen Zeitpunkt die alte Fassung von Art. 80 StGB in Kraft war, welche die Löschung von Amtes wegen (heute Ziff. 1) noch nicht kannte (vgl. alte Fassung in der bereinigten Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen 1848-1947, Band 3 Kapitel VI, S. 226). Eine neuerliche Verurteilung hatte damals also weitreichendere Konsequenzen, weil keine automatische Löschung vorgesehen war. Die Beibehaltung der Rechtsprechung rechtfertigt sich jedoch auch unter dem neuen Recht. Es ist nicht ersichtlich, weshalb einem erneut straffällig gewordenen Verurteilten nicht die vorzeitige Löschung gewährt werden sollte, wenn er sich danach - und zwar zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Stellung des Gesuches resp. von dessen Beurteilung aus - in der vom Gesetz vorgeschriebe- nen Frist wohl verhalten hat. Denn dieses Wohlverhalten bietet grundsätzlich Gewähr für künftiges Wohlverhalten. (...) Zwar hat sich der Gesuchsteller seit Vollzugsende nicht durchgehend bewährt, wie das Urteil des Obergerichts aus dem Jahr 2001 zeigt. Seither sind jedoch mehr als vier Jahre vergangen, mithin die doppelte Zeitspanne der vorgesehenen Löschungsfrist. Während dieser Zeit hat der Gesuchsteller - wie der aktuelle Strafregisteraus- 2005 Obergericht 62 zug zeigt - keinen Anlass mehr zu Klagen gegeben. Aus seinem Wohlverhalten während dieser relativ langen Zeitspanne darf geschlossen werden, er werde künftig zu keinen Beanstandungen mehr Anlass geben. Da auch die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind (es wurde weder eine Busse ausgesprochen noch war ein Schaden zu ersetzen; die damaligen Verfahrenskosten wurden dem Gesuchsteller erlassen), steht der vorzeitigen Löschung nichts im Wege.
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2005 Zivilrecht 25 I. Zivilrecht A. Familienrecht 1 Art. 111 Abs. 2, 113 und 116 ZGB. Die Bedenkzeit gemäss Art. 111 Abs. 2 ZGB ist auch im Rahmen von Art. 116 ZGB zwingend zu beachten. Die Parteien sind mit der Eröffnung der Bedenkfrist auf die Rechtsfolgen einer Nichtbestätigung des Scheidungswillens ausdrücklich hinzuweisen. Da im Anwendungsbereich von Art. 116 ZGB bereits eine Klage und - gegebenenfalls - eine Wider- klage angehoben worden sind, bedarf es bei Ausbleiben der Bestätigung des Scheidungswillens keiner Fristansetzung i.S.v. Art. 113 ZGB zur Er- setzung des gemeinsamen Scheidungsbegehrens durch eine Klage. Bei Ausbleiben der Bestätigung des Scheidungswillens hat das Gericht den Parteien in anfechtbarer Form die Abweisung des gemeinsamen Schei- dungsbegehrens und deren Gründe zu eröffnen. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 1. Zivilkammer, vom 1. November 2005 in Sachen G. B. gegen C. B. Aus den Erwägungen Nach Art. 116 ZGB sind die Bestimmungen über die Scheidung auf gemeinsames Begehren sinngemäss anwendbar, wenn ein Ehegatte die Scheidung nach Getrenntleben oder wegen Unzumut- barkeit verlangt und der andere Ehegatte ausdrücklich zustimmt oder Widerklage erhebt. Der Scheidungsgrund von Art. 114 oder 115 ZGB kommt alsdann nicht mehr zur Anwendung, sondern weicht - da fak- tisch ein gemeinsames Begehren vorliegt - jenem nach Art. 111/112 ZGB (Steck, Basler Kommentar, 2. A., Basel/Genf/München 2002, N 10 zu Art. 116 ZGB; Rumo-Jungo, Die Scheidung auf Klage, in: AJP 1999, S. 1537; Fankhauser, in: Schwenzer, FamKommentar Scheidung, 2. A., Bern 2005, N 2 zu Art. 116 ZGB; Reusser, Die Scheidungsgründe und die Ehetrennung, in: Hausheer, Vom alten 2005 Obergericht 26 zum neuen Scheidungsrecht, ASR 625, Bern 1999, Rz 1.87). Bei dieser Konstellation bezweckt Art. 116 ZGB in erster Linie die Einhaltung der Verfahrensgarantien von Art. 111 und 112 ZGB, d.h. es soll verhindert werden, dass diese - insbesondere die zweimona- tige Bedenkzeit - durch eine fingierte Streitscheidung umgangen werden (Botschaft des Bundesrates über die Änderung des schwei- zerischen Zivilgesetzbuches vom 15. November 1995, BBl 1996, S. 93; Sutter/Freiburghaus, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Zürich 1999, N 9 zu Art. 116 ZGB; Steck, a.a.O., N 3 ff. zu Art. 116 ZGB; Reusser, a.a.O., Rz 1.88; Fankhauser, a.a.O., N 2 f. zu Art. 116 ZGB; Rumo-Jungo, a.a.O., S. 1537). Diese Verfahrensgarantien gel- ten sowohl für den Scheidungswillen als auch für eine Vereinbarung über die Nebenfolgen der Scheidung (Fankhauser, a.a.O., N 6, 23 zu Art. 116 ZGB; Steck, a.a.O., N 14, 30 zu Art. 116 ZGB; Reusser, a.a.O., Rz 1.98; Bräm, Die Scheidung auf gemeinsames Begehren, die Wechsel der Verfahren [Art. 111 bis 113, 116 ZGB] und die Anfechtung der Scheidung auf gemeinsames Begehren [149 ZGB], in: AJP 1999, S. 1519; Rumo-Jungo, a.a.O., S. 1539; a.A. Sutter/ Freiburghaus, a.a.O., N 15 zu Art. 116 ZGB). Auch die Anfechtung eines gestützt auf Art. 116 ZGB in analoger Anwendung von Art. 111 oder 112 ZGB ergangenen Scheidungsurteils richtet sich nach den Bestimmungen über die Scheidung auf gemeinsames Begehren (Steck, a.a.O., N 33 zu Art. 116 ZGB; Sutter/Freiburghaus, a.a.O., N 9 zu Art. 116 ZGB; Rumo-Jungo, a.a.O., S. 1539). Eine Scheidung auf gemeinsames Begehren darf gemäss Art. 111 Abs. 2 ZGB erst ausgesprochen und die Vereinbarung genehmigt werden, wenn beide Ehegatten nach einer zweimonatigen Bedenkzeit seit der Anhörung schriftlich ihren Scheidungswillen und ihre Vereinbarung bestätigt haben. Diese Bestimmung ist auch im Rahmen von Art. 116 ZGB zwingend zu beachten (Steck, a.a.O., N 14 zu Art. 116 ZGB; Fankhauser, a.a.O., N 24 ff. zu Art. 116 ZGB; Bräm, a.a.O., S. 1519; Rumo-Jungo, a.a.O., S. 1539; Reusser, a.a.O., Rz 1.98; Sutter/Freiburghaus, a.a.O., N 15 zu Art. 116 ZGB, einge- schränkt auf den Scheidungswillen). Erfolgt nach Ablauf der Bedenkzeit von keiner Partei eine schriftliche Bestätigung des Schei- dungswillens, ist Rückzug sowohl der Klage wie auch der Widerkla- 2005 Zivilrecht 27 ge anzunehmen und das Verfahren abzuschreiben. Bleibt die Bestäti- gung nur einer Partei aus, ist Rückzug von deren Haupt- oder Wider- klage anzunehmen, indes mit Bezug auf die hängig gebliebene Klage bzw. Widerklage das streitige Verfahren weiterzuführen und diese aufgrund von Art. 114 oder 115 ZGB zu beurteilen (Fankhauser, a.a.O., N 31 zu Art. 116 ZGB; Steck, a.a.O., N 16 zu Art. 116 ZGB; Sutter/Freiburghaus, a.a.O., N 19 ff. zu Art. 116 ZGB; Heg- nauer/Breitschmid, Grundriss des Eherechts, 4. A., Bern 2000, Rz. 9.41; Reusser, a.a.O., Rz. 1.99; Rumo-Jungo, a.a.O., S. 1539; Hausheer, Die wesentlichen Neuerungen des Scheidungsrechts, in: ZBJV 1999, S. 10 [der allerdings von einer Abweisung statt Abschreibung der Klage ausgeht]; Rhiner, Die Scheidungsvorausset- zungen nach revidiertem schweizerischem Recht [Art. 111 - 116 ZGB], Diss. Zürich 2001, S. 352 f.). Da im Anwendungsbereich von Art. 116 ZGB bereits eine Klage und - gegebenenfalls - eine Widerklage angehoben sind, bedarf es bei Ausbleiben der Bestäti- gung des Scheidungswillens keiner Fristansetzung i.S.v. Art. 113 ZGB zur Ersetzung des gemeinsamen Scheidungsbegehrens durch eine Klage zwecks Wahrung der Rechtshängigkeit des Verfahrens (Steck, a.a.O., N 3 zu Art. 113 ZGB; Reusser, a.a.O., Rz 1.60; Haus- heer/Kobel/Geiser, Das Eherecht des Schweizerischen Zivilgesetzbu- ches, 2. A., Bern 2002, Rz 10.28; Rhiner, a.a.O., S. 356 ff.; a.A. Fankhauser, a.a.O., N 31 zu Art. 116 ZGB, der eine Fristansetzung an die Parteien zur Bekanntgabe, ob sie an Klage oder Widerklage fest- halten, für nötig erachtet). Hingegen sind die Parteien mit der Eröff- nung der Bedenkfrist auf die Rechtsfolgen einer Nichtbestätigung des Scheidungswillens ausdrücklich hinzuweisen (Steck, a.a.O., N 15 zu Art. 116 ZGB). Da nach Art. 44 lit. b bis OG gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide über die Verweigerung der Scheidung auf ge- meinsames Begehren die Berufung ans Bundesgericht offen steht, hat das Gericht den Parteien in anfechtbarer Form im Sinne eines Zwischenentscheides (§ 274 Abs. 1 lit. b ZPO) die Abweisung des gemeinsamen Scheidungsbegehrens und deren Gründe zu eröffnen.
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2011 Strafprozessrecht 55 [...] 14 §§ 8, 40 EG StPO Das Ergreifen eines Rechtsmittels stellt keine von § 8 EG StPO erfasste Untersuchungshandlung dar. Assistenz-Staatsanwälte sind deshalb nicht berechtigt, selbständig Beschwerde gegen einen Entscheid des Zwangs- massnahmengerichts zu führen. Aus dem Entscheid des Obergerichts, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 10. November 2011 i.S. Staatsanwaltschaft Baden gegen C.S.B. (SBK.2011.278). Aus den Erwägungen 1. (...) Die Assistenz-Staatsanwälte führen auf Anweisung der Staats- anwälte Untersuchungshandlungen, insbesondere Zeugeneinvernah- men, und Übertretungsstrafverfahren durch (§ 8 Abs. 2 EG StPO). 2011 Obergericht 56 Mit Ermächtigung der Leitung der Staatsanwaltschaft dürfen Assis- tenz-Staatsanwälte im Einzelfall oder in bestimmten Verfahren selb- ständig Untersuchungshandlungen durchführen (§ 8 Abs. 3 EG StPO). Das Ergreifen eines Rechtsmittels stellt zweifellos keine von § 8 EG StPO erfasste Untersuchungshandlung dar. Der Umstand alleine, dass sich das Rechtsmittel auf eine Untersuchungshandlung bezieht, macht dieses noch nicht zu einer solchen. Assistenzstaatsan- wälte sind deshalb nicht berechtigt, selbständig Beschwerde gegen einen Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts zu führen. Anders- lautenden Ermächtigungen, seien sie individuell oder generell erteilt worden, fehlt die Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinne, weshalb sie unbeachtlich sind. Auf die Beschwerde der Staatsanwalt- schaft Baden vom 31. Oktober 2011 ist deshalb nicht einzutreten. Nicht zu entscheiden ist vorliegend die Frage, ob ein Assistenz- staatsanwalt die Staatsanwaltschaft vor dem Zwangsmassnahmen- gericht gültig vertreten darf, welche Frage daher offen bleiben kann.
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Urteil/Entscheid Handelsgericht 2. Kammer HSU.2018.101 / as / as Art. 26 Entscheid vom 19. Februar 2019 Besetzung Oberrichter Vetter, Vizepräsident Gerichtsschreiber Schneuwly Gesuchstellerin J-AG, _ Gesuchs- gegnerin F-AG, _ vertreten durch Dr. iur. Armin Schätti, Rechtsanwalt, Schorenstrasse 8, Postfach, 5734 Reinach AG Gegenstand Summarisches Verfahren betreffend Bauhandwerkerpfandrecht - 2 - Der Vizepräsident entnimmt den Akten: 1. Die Gesuchstellerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in _. Sie be- zweckt im Wesentlichen _. 2. Die Gesuchsgegnerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in _. Sie hat insbesondere _ Zweck. Die Gesuchsgegnerin ist gemäss Grundbuchauszug Alleineigentümerin des Grdst.-Nr. XXX GB R (E-GRID: CH _; Gesuchsbei- lage [GB] 1). 3. 3.1. Mit Eingabe vom 14. Oktober 2018 reichte die Gesuchstellerin gegen die Gesuchsgegnerin beim Bezirksgericht Kulm ein Gesuch mit folgenden Rechtsbegehren ein (vgl. GB 8): " 1. Das Grundbuchamt Zofingen sei anzuweisen, zulasten des in der Gemeinde _, Grundbuch-Nr. XXX, Gebäude _, zugunsten der gesuchstellenden Partei ein Bauhandwerkerpfandrecht für die Pfandsumme von CHF 77'005.60 nebst Zins zu 5% seit 24.09.2018 vorläufig als Vormerkung einzutragen. 2. Die Anweisung sei superprovisorisch (d.h. sofort nach Eingang des Gesuchs ohne Anhörung der Gegenpartei) zu verfügen und dem Grundbuchamt unverzüglich zur vorläufigen Eintragung im Grundbuch mitzuteilen. 3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Gegenpartei." 3.2. Mit Entscheid vom 16. Oktober 2018 (GB 8) trat das Bezirksgericht Kulm auf das Gesuch vom 14. Oktober 2018 mangels sachlicher Zuständigkeit nicht ein. 4. 4.1. Mit Gesuch vom 18. Oktober 2018 (überbracht am 18. Oktober 2018) stellte die Gesuchstellerin dem Handelsgericht die folgenden Rechtsbe- gehren: " Das Grundbuchamt Zofingen, Brühlstrasse 5, 4800 Zofingen sei anzuweisen, zulasten des Grundstücks in der Gemeinde - 3 - _, Grundbuch-/ Grundblatt-Nr. XXX Gebäude _, -Nr. , zugunsten von der gesuchstellenden Partei ein für die Pfandsumme von CHF 77'005.6 nebst 5 % Zins seit 24.09.2018 vorläufig als Vormerkung . Die Anweisung sei superprovisorisch (d.h. sofort nach Eingang des Gesuchs ohne Anhörung der Gegenpartei) zu verfügen und dem Grundbuchamt unverzüglich zur vorläufigen Eintragung im Grundbuch mitzuteilen. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Ge- genpartei." 4.2. Am 18. Oktober 2018 erliess der Vizepräsident des Handelsgerichts die folgende Verfügung: " 1. In Gutheissung des Gesuchs um Erlass superprovisorischer Massnahmen vom 18. Oktober 2018 wird der Gesuchstellerin die Vormerkung einer vorläufigen Eintragung eines Bau- handwerkerpfandrechts gemäss Art. 837/839 i.V.m. Art. 961 ZGB auf dem Grundstück der Gesuchsgegnerin Grdst.-Nr. XXX GB R (AG) superprovisorisch für eine Pfandsumme von Fr. 77'005.60 zuzüglich Zins zu 5 % ab dem 24. September 2018 bewilligt. 2. Das Grundbuchamt Zofingen wird angewiesen, die Vormer- kung gemäss vorstehender Dispositiv-Ziff. 1 sofort einzutra- gen. 3. Die Gesuchstellerin hat mit beiliegendem Einzahlungsschein bis zum 2. November 2018 einen Gerichtskostenvorschuss von Fr. 2'000.00 zu leisten. 4. Die Zustellung der Kopie des Gesuchs (inkl. Beilagen) vom 18. Oktober 2018 an die Gesuchsgegnerin zur Erstattung einer schriftlichen Antwort bis zum 2. November 2018. 5. Fristerstreckungen werden grundsätzlich nicht gewährt. Aus- nahmsweise ist eine Fristerstreckung beim Vorliegen zu- reichender Gründe möglich (Art. 144 Abs. 2 ZPO). Als solche gelten die Zustimmung der Gegenpartei oder von der Partei nicht vorhersehbare oder nicht beeinflussbare Hinderungsgrün- de. - 4 - 6. Bei Säumnis wird das Verfahren ohne die versäumte Handlung weitergeführt (Art. 147 Abs. 2 ZPO). 7. Die Gesuchsgegnerin wird darauf hingewiesen, dass die Vor- merkung im Grundbuch gelöscht wird, wenn sie für die ange- meldeten Forderungen hinreichende Sicherheiten leistet. 8. Der Stillstand der Fristen gemäss Art. 145 Abs. 1 ZPO gilt nicht (Art. 145 Abs. 2 lit. b ZPO)." 4.3. Das Grundbuchamt Zofingen merkte diese vorläufige Eintragung am 18. Oktober 2018 um 15:23 Uhr mit der Tagebuchnummer _ im Tagebuch vor und bestätigte die Vornahme dieses Geschäfts dem Vize- präsidenten mit E-Mail vom 18. Oktober 2018 16:00 Uhr. 5. 5.1. Ebenfalls am 18. Oktober 2018 reichte die Gesuchstellerin gegen den Entscheid des Bezirksgerichts Kulm vom 16. Oktober 2018 eine Berufung mit den folgenden Anträgen am Obergericht des Kantons Aargau, Zivilge- richt, ein (ZSU.2018.305; vgl. GB 9): " 1. Das Grundbuchamt Zofingen ist [a]nzuweisen, zulasten des in der Gemeinde Reinach (AG) Grundblatt Nr. XXX Gebäude _ zugunsten der [g]esuchstellenden Partei ein für die Pfandsumme von CHF 77'005.60 nebst 5 % Zins seit 24.09.2018 vorläufig als Vormerkung [e]inzutragen. 2. Die [auf]schiebende Wirkung ist [z]wecks Einhaltung der Fristen zu gewähren. (Die Eingabe an das Bezirksgericht Kulm erfolgte am 14.10.2018, die Frist für die Eintragung läuft am 20.10.2018 ab)." 5.2. Mit Verfügung vom 18. Oktober 2018 wies die Instruktionsrichterin des Obergerichts, Zivilgericht, im Verfahren ZSU.2018.305 das Grundbuchamt Zofingen an, auf dem Grundstück der Gesuchsgegnerin Grdst.-Nr. XXX GB R zu Gunsten der Gesuchstellerin ein Bauhandwerkerpfandrecht für die Pfandsumme von Fr. 77'005.60 nebst 5 % Zins seit 24. September 2018 vorläufig als Vormerkung einzutragen. - 5 - 5.3. Das durch die Instruktionsrichterin des Obergerichts, Zivilgericht, zur Ein- tragung angeordnete Bauhandwerkerpfandrecht trug das Grundbuchamt Zofingen am 18. Oktober 2018 (Tagebuchnummer 024-2018/10871/0) um 16:05 Uhr ins Tagebuch ein (vgl. OGer AG, Entscheid vom 17. Dezember 2018 im Verfahren ZSU.2018.305). 6. Mit Antwort vom 8. November 2018 stellte die Gesuchsgegnerin folgende Rechtsbegehren: " 1. Auf das Gesuch vom 18. Oktober 2018 sei nicht einzutreten; eventuell sei es abzuweisen. Das Grundbuchamt Zofingen sei anzuweisen, die aufgrund der Verfügung des Handelsgerichts, 2. Kammer, vom 18. Oktober 2018 auf dem Grundstück der Gesuchsgegnerin Liegenschaft R / XXX erfolgte Vormerkung (vorläufige eines Bauhandwerkerpfandrechtes für eine von CHF 77'005.60 zuzüglich Zins zu 5 % ab dem 24. September 2018) wieder zu löschen." 2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen." Zur Begründung führte die Gesuchsgegnerin im Wesentlichen aus, der- selbe Streitgegenstand sei am Obergericht des Kantons Aargau noch rechtshängig gewesen, als die Gesuchstellerin das Gesuch beim Han- delsgericht eingereicht habe. Weiter habe die Gesuchstellerin für die G- AG gearbeitet und diese habe der Gesuchstellerin mit Fr. 197'946.00 be- reits mehr als den vereinbarten Werklohn von Fr. 194'205.60 überwiesen. Zudem sei die eingebaute Küche im Juni 2018 bereits mehr als ein Jahr in Betrieb gewesen, weshalb damals keine Abschlussarbeiten mehr durch- geführt worden seien und die viermonatige Verwirkungsfrist bereits abge- laufen sei. 7. 7.1. Mit Eingabe vom 23. November 2018 nahm die Gesuchstellerin Stellung zu den Vorbringen der Gesuchsgegnerin. 7.2. Mit Eingabe vom 29. November 2018 nahm die Gesuchsgegnerin Stel- lung zur Eingabe der Gesuchstellerin vom 23. November 2018. - 6 - 8. 8.1. Mit Verfügung vom 30. November 2018 sistierte der Vizepräsident das vorliegende Verfahren bis zum Entscheid in der Sache ZSU.2018.305. 8.2. Mit Entscheid vom 17. Dezember 2018 wies das Obergericht des Kantons Aargau die Berufung der Gesuchstellerin ab und wies das Grundbuchamt Zofingen an, das am 18. Oktober 2018 um 16:05 Uhr unter der Tage- buchnummer 024-2018/10871/0 auf dem Grundstück der Gesuchsgegne- rin eingetragene Bauhandwerkerpfandrecht zu löschen. 8.3. Mit Verfügung vom 11. Januar 2019 hob der Vizepräsident die Sistierung des vorliegenden Verfahrens auf und stellte in Aussicht, es werde nach dem Eintritt der Rechtskraft des Entscheids im Verfahren ZSU.2018.305 entschieden. 8.4. Die Gesuchstellerin hat gegen den Entscheid des Obergerichts des Kan- tons Aargau vom 17. Dezember 2018 (ZSU.2018.305) beim Bundesge- richt innert der Rechtsmittelfrist von 30 Tagen keine Beschwerde in Zivil- sachen erhoben. Der Vizepräsident zieht in Erwägung: 1. Zuständigkeit Der Einzelrichter am Handelsgericht ist örtlich, sachlich und funktionell zur Beurteilung der im summarischen Verfahren zu behandelnden Streitigkeit zuständig (vgl. dazu E. 4 der Verfügung vom 18. Oktober 2018). 2. Einrede der anderweitigen Litispendenz 2.1. Parteibehauptungen Die Gesuchsgegnerin argumentiert, da die Gesuchstellerin mit Eingabe vom 18. Oktober 2018 den Entscheid des Zivilgerichts Kulm vom 16. Oktober 2018 an das Obergericht des Kantons Aargau weitergezogen habe, sei derselbe Streitgegenstand zwischen den Parteien nach wie vor rechtshängig gewesen, als die Gesuchstellerin vorliegendes Gesuch am Handelsgericht des Kantons Aargau rechtshängig gemacht habe. Dies habe eine Sperrwirkung ausgelöst, weshalb eine Prozessvoraussetzung für das Eintreten auf das vorliegende Gesuch durch das Handelsgericht nicht erfüllt gewesen sei. Dementsprechend sei auf das Gesuch nicht ein- zutreten (Antwort S. 3 f.). Die Anweisung zur Eintragung der Vormerkung des Bauhandwerkerpfandrechts durch das Handelsgericht stelle keine gültige rechtliche Basis dar, weshalb der besagte Eintrag nicht fristwah- - 7 - rend sei (Eingabe vom 29. November 2018 S. 2). Die Vormerkung des Bauhandwerkerpfandrechts durch das Obergericht des Kantons Aargau sei ebenfalls nicht fristwahrend, da dieses wegen des Vorliegens einer handelsrechtlichen Streitigkeit hierfür nicht zuständig gewesen sei (Ein- gabe vom 29. November 2018 S. 2). Ein Rückbezug der Rechtshängigkeit nach Art. 63 ZPO sei sodann rechtlich nicht von Belang, da es bei Art. 839 Abs. 2 ZGB auf das Eintragungsdatum ankomme (Eingabe vom 29. November 2018 S. 2 f.). Die Gesuchstellerin ist der Ansicht, die Gesuchsgegnerin handle rechts- missbräuchlich. Sie sei bei der gleichzeitigen Abgabe ihres Gesuchs an das Handelsgericht und das Obergerichts im Zugzwang gewesen, da der Ablauf der Viermonatsfrist gedroht habe. Die provisorische Eintragung sei nun fristwahrend erfolgt (Eingabe vom 23. November 2018 S. 1). 2.2. Rechtliches Das Gericht kann auf ein Gesuch nur dann eintreten, wenn die Prozess- voraussetzungen erfüllt sind (Art. 59 Abs. 1 ZPO). Eine Voraussetzung ist die fehlende anderweitige Rechtshängigkeit der Sache, die sogenannte Sperr- oder Ausschlusswirkung der Litispendenz (Art. 59 Abs. 2 lit. d ZPO). Steht endgültig fest, dass es an einer Prozessvoraussetzung fehlt, darf nicht zur Sache verhandelt werden und ergeht ein Nichteintretensent- scheid. 1 Ergeht dennoch ein Sachurteil, kann dieses an schwerwiegenden Mängeln leiden und unter Umständen nichtig sein. 2 Dabei ist nach der in Frage stehenden Prozessvoraussetzung zu differenzieren. 3 Fehlerhafte Entscheide sind nichtig, wenn a) der ihnen anhaftende Mangel besonders schwer ist, b) er offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und c) zudem die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird. Dabei betont das Bundesgericht, dass als Nich- tigkeitsgründe vorab funktionelle und sachliche Unzuständigkeit der ent- scheidenden Behörde sowie krasse Verfahrensfehler in Betracht fallen. 4 Insbesondere bei der vorläufigen Ausschlusswirkung der anderweitigen Rechtshängigkeit derselben Sache hält die Lehre dafür, dass das als zweites angerufene Gericht nicht sofort einen Nichteintretensentscheid fällen, sondern das Verfahren vorerst bis zum Entscheid des zuerst ange- 1 BGE 140 III 159 E. 4.2.4; BGer 4A_229/2017 vom 7. Dezember 2017 E. 3.2. 2 BGE 140 III 227 E. 3.3; BGer 4A_229/2017 vom 7. Dezember 2017 E. 3.2. 3 BGer 4A_229/2017 vom 7. Dezember 2017 E. 3.2. 4 BGE 138 II 501 E. 3.1 mit Verweis auf BGE 137 I 273 E. 3.1, 133 II 366 E. 3.1 und 3.2, 132 II 342 E. 2.1 und 129 I 361 E. 2. http://relevancy.bger.ch/php/clir/http/index.php?lang=de&type=show_document&page=1&from_date=&to_date=&from_year=1954&to_year=2014&sort=relevance&insertion_date=&from_date_push=&top_subcollection_clir=bge&query_words=&part=all&de_fr=&de_it=&fr_de=&fr_it=&it_de=&it_fr=&orig=&translation=&rank=0&highlight_docid=atf%3A%2F%2F133-II-366%3Ade&number_of_ranks=0&azaclir=clir#page366 http://relevancy.bger.ch/php/clir/http/index.php?lang=de&type=show_document&page=1&from_date=&to_date=&from_year=1954&to_year=2014&sort=relevance&insertion_date=&from_date_push=&top_subcollection_clir=bge&query_words=&part=all&de_fr=&de_it=&fr_de=&fr_it=&it_de=&it_fr=&orig=&translation=&rank=0&highlight_docid=atf%3A%2F%2F132-II-342%3Ade&number_of_ranks=0&azaclir=clir#page342 http://relevancy.bger.ch/php/clir/http/index.php?lang=de&type=show_document&page=1&from_date=&to_date=&from_year=1954&to_year=2014&sort=relevance&insertion_date=&from_date_push=&top_subcollection_clir=bge&query_words=&part=all&de_fr=&de_it=&fr_de=&fr_it=&it_de=&it_fr=&orig=&translation=&rank=0&highlight_docid=atf%3A%2F%2F129-I-361%3Ade&number_of_ranks=0&azaclir=clir#page361 - 8 - rufenen Gerichts sistieren sollte. 5 Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn beim zuerst angerufenen Gericht ebenfalls Prozessvoraussetzun- gen streitig sind. 2.3. Würdigung Vorliegend befand sich die Gesuchstellerin in einer äusserst prekären Zwangssituation: Nach ihren Behauptungen fanden die letzten Arbeiten am 20. Juni 2018 statt. Demnach drohte die viermonatige Eintragungsfrist nach Art. 839 Abs. 2 ZGB am 20. Oktober 2018 abzulaufen. Das Bezirks- gericht Kulm entschied am 16. Oktober 2018 auf das Gesuch nicht einzu- treten (GB 8). Die Gesuchstellerin stand daher vor der schwierigen Frage, ob sie gegen diesen Entscheid beim Obergericht des Kantons Aargau ein Rechtsmittel einlegen soll, weil sie der Ansicht war, das Bezirksgericht sei sachlich zuständig, ob sie sich der Ansicht des Bezirksgerichts Kulm fü- gen sollte und das Gesuch vor dem Handelsgericht neu einbringen sollte oder ob sie beides tun sollte. Hätte die Gesuchstellerin lediglich ein Rechtsmittel gegen den Entscheid des Bezirksgerichts Kulm vom 16. Oktober 2018 eingelegt und hätte das Obergericht diesen Entscheid bestätigt, so wäre die Gesuchsgegnerin ih- res Rechts zur Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts zufolge Ver- passens der Verwirkungsfrist verlustig gegangen. Art. 63 Abs. 1 ZPO steht dem nicht entgegen, da Art. 839 Abs. 2 ZGB auf die Eintragung im Grundbuch an sich und nicht auf die Einreichung des Gesuchs abstellt, weshalb es nicht auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit ankommt (Art. 64 Abs. 2 ZPO). Dasselbe Risiko wäre die Gesuchstellerin einge- gangen, wenn sie lediglich das Gesuch am Handelsgericht eingereicht hätte und sich dieses der Ansicht des Bezirksgerichts Kulm nicht ange- schlossen und sich für sachlich unzuständig befunden hätte (sog. negati- ver Kompetenzkonflikt). Entsprechend muss das Verhalten der Gesuch- stellerin als vorsichtig bezeichnet werden, indem sie das Gesuch sowohl beim sachlich zuständigen Handelsgericht einreichte als auch gleichzeitig ein Rechtsmittel gegen den bezirksgerichtlichen Entscheid einlegte. 6 Gleichzeitig handelt es sich bei der Ausschlusswirkung nach Art. 59 Abs. 1 lit. d ZPO nicht um eine unveränderlich fehlende Prozessvoraus- setzung wie die sachliche Unzuständigkeit: Fällt nämlich die vorbestehen- de Rechtshängigkeit der gleichen Sache weg ohne dass ein Sachent- scheid dazu erging und dementsprechend eine abgeurteilte Sache vorlä- ge (Art. 59 Abs. 1 lit. e ZPO), so fällt das Prozessfortführungshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit nachträglich weg und das als zweites angerufene Gericht hat den Prozess fortzuführen. Um diese Wirkung in 5 ZÜRCHER in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger (Hrsg.), Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2016, Art. 60 N. 22 f; MÜLLER, in: Brunner/Gasser/Schwander (Hrsg.), Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2016, Art. 60 N. 5. 6 Vgl. auch BSK ZPO-INFANGER, 3. Aufl. 2017, Art. 63 N. 15. - 9 - einem Gesuch um Eintragung einer Vormerkung eines Bauhandwerker- pfandrechts nicht obsolet zu machen, war es vorliegend notwendig, dem Gesuch der Gesuchstellerin mit einer superprovisorisch angeordneten Massnahme trotz anderweitiger Rechtshängigkeit nachzukommen. Kommt der Umstand hinzu, dass das Handelsgericht im Zeitpunkt des Er- lasses der Verfügung vom 18. Oktober 2018 noch nichts von der ander- weitigen Rechtshängigkeit wusste. Zwar lag ein Auszug der Berufungs- schrift dem Gesuch als Beilage 9 bei. Jedoch war nicht ersichtlich, dass diese Berufung beim Obergericht bereits eingereicht wurde. Vor diesem Hintergrund kann nicht gesagt werden, die Verfügung vom 18. Oktober 2018 sei fehlerhaft gewesen, weil das Handelsgericht auf das Gesuch nicht hätte eintreten dürfen. Jedenfalls handelt es sich nicht um einen schwerwiegenden Mangel, weshalb Nichtigkeit nicht in Betracht kommt. Hätte das Handelsgericht das Verfahren lediglich sistiert, wäre der materiellrechtliche Anspruch der Gesuchstellerin infolge Ablauf der vier- monatigen Eintragungsfrist nach Art. 839 Abs. 2 ZGB aussichtslos ge- macht worden. Mittlerweile ist das Verfahren ZSU.2018.305 rechtskräftig abgeschlossen worden. Auf das Gesuch der Gesuchstellerin vom 14. Oktober 2018 wur- de nicht eingetreten. Dem vorliegenden handelsgerichtlichen Verfahren steht daher weder eine anderweitige Rechtshängigkeit noch eine rechts- kräftig abgeurteilte Sache entgegen. 3. Allgemeine Voraussetzungen der vorläufigen Eintragung 3.1. Die Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts setzt im Wesentlichen die Forderung eines Bauhandwerkers oder Unternehmers für die Leistung von Arbeit und allenfalls von Material zugunsten des zu belastenden Grundstücks sowie die Wahrung der viermonatigen Eintragungsfrist vo- raus (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 und 839 Abs. 2 ZGB). 3.2. Die Eintragungsvoraussetzungen sind im Verfahren betreffend vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts lediglich glaubhaft zu ma- chen. An diese Glaubhaftmachung werden zudem weniger strenge Anfor- derungen gestellt, als es diesem Beweismass für vorsorgliche Massnah- men (Art. 261 ff. ZPO) sonst entspricht. 7 Die vorläufige Eintragung darf nur verweigert werden, wenn der Bestand des Pfandrechts ausgeschlos- sen oder höchst unwahrscheinlich erscheint. Im Zweifelsfall, bei unklarer Beweis- oder Rechtslage, ist die vorläufige Eintragung zu bewilligen und 7 BGE 137 III 563 E. 3.3; 86 I 265 E. 3; vgl. auch SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, 3. Aufl. 2008, N. 1394; BSK ZGB II-THURNHERR, 5. Aufl. 2015, Art. 839/840 N. 37. - 10 - die Entscheidung dem Richter im ordentlichen Verfahren zu überlassen. 8 Letztlich läuft es darauf hinaus, dass der gesuchstellende Unternehmer nur die blosse Möglichkeit eines Anspruchs auf ein Bauhandwerkerpfand- recht nachzuweisen hat. 9 4. Eintragungsfrist 4.1. Parteibehauptungen Die Gesuchstellerin behauptet, die Arbeiten seien am 20. Juni 2018 fer- tiggestellt worden. Dabei seien Ablufthauben angeschlossen worden (Ge- such Ziff. 6; GB 2 und 4). Die Gesuchsgegnerin bestreitet hingegen, dass die Gesuchstellerin am 15., 18. und 20. Juni 2018 noch Abschlussarbeiten in der Küche des Res- taurants P_ verrichtet habe. Die von der Gesuchstellerin ins Recht ge- legte interne Stundenkontrolle sei nicht unterzeichnet worden. Zudem könnten diese Arbeiten den Einbau der neuen Küche im Restaurant P_ nicht betreffen, nachdem diese schon im Juni 2018 seit mehr als einem Jahr in Betrieb gewesen sei und keine zusätzlichen Arbeiten hätten ge- leistet werden müssen. Zudem hätte die Gesuchstellerin ihrer Vertrags- partnerin, der G-AG, die Schlussrechnung nicht bereits am 6. April 2018 (Antwortbeilage [AB] 4) zugestellt, wenn die Arbeiten zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollendet gewesen wären (Antwort S. 8). 4.2. Rechtliches Die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts muss bis spätestens vier Monate nach der Arbeitsvollendung erfolgen, andernfalls der Anspruch verwirkt (Art. 839 Abs. 2 ZGB). 10 Die Eintragungsfrist berechnet sich nach Art. 7 ZGB i.V.m. Art. 77 Abs. 1 Ziff. 3 i.V.m. Abs. 2 OR. Sie endet somit an demjenigen Tag des letzten Monats, der durch seine Zahl dem Tag der Arbeitsvollendung entspricht. 11 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 839 Abs. 2 ZGB gelten Bauarbeiten grundsätzlich dann als vollendet, wenn alle Verrich- tungen, die Gegenstand des Werkvertrages bilden, ausgeführt sind. Nicht in Betracht fallen dabei geringfügige oder nebensächliche, rein der Ver- vollkommnung dienende Arbeiten oder Ausbesserungen wie der Ersatz gelieferter, aber fehlerhafter Teile oder die Behebung anderer Mängel. Geringfügige Arbeiten gelten aber dann als Vollendungsarbeiten, wenn 8 BGE 86 I 265 E. 3; 102 Ia 81 E. 2b.bb; BGer 5A_426/2015 vom 8. Oktober 2015 E. 3.4; 5A_924/2014 vom 7. Mai 2015 E. 4.1.2; SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, zur 3. Aufl., 2011, N. 628. 9 SCHUMACHER (Fn. 7), N. 1395. 10 BGE 126 III 462 E. 4c.aa; BSK ZGB II-THURNHERR (Fn. 7), Art. 839/840 N. 29. 11 BSK ZGB II-THURNHERR (Fn. 7), Art. 839/840 N. 31a. - 11 - sie unerlässlich sind; insoweit werden Arbeiten weniger nach quantitativen als vielmehr nach qualitativen Gesichtspunkten gewürdigt. 12 4.3. Würdigung Die Gesuchstellerin behauptet, sie habe am 10. November 2016 einen Vertrag mit der G-AG über den Einbau einer Küche abgeschlossen. Die ersten Arbeiten seien im Februar 2017 erfolgt (GB 4). Es ist unglaubwür- dig, wenn nun behauptet wird, die Arbeiten hätten sich bis in den Juni 2018 hingezogen. Damit hätte der Kücheneinbau nahezu eineinhalb Jah- re gedauert. Ferner wird nicht bestritten, dass die Küche bereits im Juni 2017 in Betrieb genommen wurde. Weshalb ein Jahr nach Inbetriebnah- me der Küche im Juni 2018 noch Vollendungsarbeiten notwendig gewe- sen sein sollen, ist nicht nachvollziehbar und wird von der Gesuchstellerin auch nicht erläutert. Zwar legt die Gesuchstellerin mit ihrer Stellungnahme vom 23. November 2018 zwei Fotos ins Recht, woraus sich ergeben soll, dass der Abluftan- schluss des Kombisteamergerätes erst am 20. Juni 2018 eingebaut wor- den sein soll. Allerdings hätte die Gesuchstellerin diese Beweismittel be- reits mit ihrem Gesuch einreichen müssen. Nach Einreichung der Ge- suchsantwort trat Aktenschluss ein und die Gesuchstellerin bringt weder vor noch ist ersichtlich, weshalb es ihr trotz zumutbarer Sorgfalt nicht möglich war, diese Fotos vorher vorzubringen (Art. 229 Abs. 1 lit. b ZPO). Die Beilagen 4 und 5 der Eingabe der Gesuchstellerin vom 23. November 2018 haben daher unberücksichtigt zu bleiben. Selbst wenn aber auf die Fotos abgestellt würde, so ginge aus diesen nur hervor, dass sie am 20. Juni 2018 abgeändert worden sind. Als Erstellungsdatum erscheint sodann der 23. November 2018. Diese Ungereimtheit erklärt die Gesuch- stellerin nicht. Aus den Beilagen 4 und 5 lässt sich daher nicht ableiten, wann die Fotos entstanden sind, weshalb sie auch keine Indizien dafür darstellen, wann der Abluftanschluss des Kombisteamergerätes einge- baut wurde. Es kommt hinzu, dass die Gesuchstellerin der G-AG bereits am 6. April 2018 die Schlussrechnung zukommen liess (AB 4). Es wäre zumindest ungewöhnlich, wenn die Gesuchstellerin ihrer Vertragspartnerin die Schlussrechnung bereits vor Vollendung ihrer Arbeiten hätte zukommen lassen. Es gilt daher als höchst unwahrscheinlich, dass die Gesuchstellerin ihre letzten Arbeiten an der Küche im Restaurant P_ tatsächlich noch am 20. Juni 2018 oder überhaupt im Juni 2018 vornahm. Die der Einhaltung der Viermonatsfrist nach Art. 839 Abs. 2 ZGB zugrundeliegenden Tatsa- chen konnte die Gesuchstellerin daher nicht glaubhaft machen. Ihr Recht, 12 BGer 5A_613/2015 vom 22. Januar 2016 E. 4 m.w.N. - 12 - ein Bauhandwerkerpfandrecht eintragen zu lassen, sofern es denn über- haupt bestünde, ist daher verwirkt und ihr Gesuch ist abzuweisen. 5. Ergebnis Zusammenfassend ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die vorläufi- ge Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts nicht erfüllt sind und die mit Verfügung vom 18. Oktober 2018 superprovisorisch angeordnete Vormerkung der vorläufigen Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts im Umfang von Fr. 77'005.60 zzgl. Zins zu 5 % seit dem 24. September 2018 zu löschen ist. 6. Prozesskosten Die Prozesskosten, bestehend aus Gerichtskosten und Parteientschädi- gung, werden der unterliegenden Partei auferlegt (Art. 95 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 1 ZPO). Ausgangsgemäss sind sie von der Gesuchstellerin zu tragen. 6.1. Unter Berücksichtigung des verursachten Aufwands sowie des Umfangs der Streitigkeit werden die Gerichtskosten auf Fr. 2'000.00 festgesetzt (§ 8 VKD; SAR 221.150). Gestützt auf Art. 111 Abs. 1 Satz 1 ZPO werden sie vorab mit dem von der Gesuchstellerin geleiseten Gerichtskostenvor- schuss in Höhe von Fr. 2'000.00 verrechnet. 6.2. Die Gesuchstellerin hat der Gesuchsgegnerin zudem eine Parteientschä- digung zu bezahlen (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Die Parteientschädigung wird nach dem Streitwert – vorliegend Fr. 77'005.60 – bemessen (vgl. § 3 AnwT; SAR 291.150). Ausgehend von einer Grundentschädigung von rund Fr. 11'000.00 (§ 3 Abs. 1 lit. a Ziff. 9 AnwT) resultiert nach Vornahme eines Summarabzugs von 75 % (§ 3 Abs. 2 AnwT) ein Betrag von rund Fr. 2'750.00. Damit sind insbesondere eine Rechtsschrift und die Teil- nahme an einer behördlichen Verhandlung abgegolten (vgl. § 6 Abs. 1 AnwT). Nach einem weiteren Abzug von 20 % wegen der nicht durchge- führten Verhandlung (§ 6 Abs. 2 AnwT) und nach Hinzurechnung einer Auslagenpauschale (§ 13 Abs. 1 AnwT) von praxisgemäss 3 % resultiert ein Betrag in Höhe von Fr. 2'266.00, den die Gesuchstellerin der Ge- suchsgegnerin als Parteientschädigung zu bezahlen hat. Die Gesuchsgegnerin macht keinen Kostenersatz für die Mehrwertsteuer geltend, weshalb ihr keiner zuzusprechen ist. 13 13 Merkblatt zur Frage der Berücksichtigung der Mehrwertsteuer bei der Bemessung der der Gerichte des Kantons Aargau vom 11. Januar 2016: https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/jb/dokumente_6/obergerichte/handelsgericht/Merkblatt_M wSt.pdf (zuletzt besucht am 18. Februar 2019). https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/jb/dokumente_6/obergerichte/handelsgericht/Merkblatt_MwSt.pdf https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/jb/dokumente_6/obergerichte/handelsgericht/Merkblatt_MwSt.pdf - 13 - Der Vizepräsident erkennt: 1. Das Gesuch vom 18. Oktober 2018 wird abgewiesen. 2. Das Grundbuchamt Zofingen wird angewiesen, das gemäss Verfügung des Handelsgerichts vom 18. Oktober 2018 gleichentags um 15:23 Uhr unter der Tagebuch-Nr. 024-2018/10870/0 auf dem Grundstück der Ge- suchsgegnerin Grdst.-Nr. XXX GB R, AG (E-GRID: CH _), für die Pfandsumme von Fr. 77'005.60 zuzüglich 5 % Zins ab dem 24. September 2018 vorläufig eingetragene Bauhandwerker- pfandrecht zu löschen. 3. 3.1. Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 2'000.00 sind von der Gesuchstellerin zu tragen und werden mit dem von ihr geleisteten Gerichtskostenvor- schuss in Höhe von Fr. 2'000.00 verrechnet. 3.2. Die Gesuchstellerin hat der Gesuchsgegnerin eine Parteientschädigung in richterlich festgesetzter Höhe von Fr. 2'266.00 zu bezahlen. Zustellung an: die Gesuchstellerin die Gesuchsgegnerin (Vertreter; zweifach) Zustellung an: das Grundbuchamt Zofingen (nach Ablauf der Rechtsmittelfrist) Rechtsmittelbelehrung für die Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff., Art 90 ff. BGG) Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen, von der schriftlichen Er- öffnung der vollständigen Ausfertigung des Entscheids an gerechnet, die Beschwerde an das Schweizerische Bundesgericht erhoben werden. Die Beschwerde ist schriftlich oder in elektronischer Form beim Schweize- rischen Bundesgericht einzureichen. Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschriften bzw. eine anerkannte - 14 - elektronische Signatur zu enthalten. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid verfassungs- mässige Rechte (Art. 98 ff. BGG) verletzt. Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in den Händen hat; ebenso ist der angefochtene Entscheid beizulegen (Art. 42 BGG). Aarau, 19. Februar 2019 Handelsgericht des Kantons Aargau 2. Kammer Der Vizepräsident: Der Gerichtsschreiber: Vetter Schneuwly
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AG_HG_002
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_HG_002_-Handelsrecht-Bauhan_2019-02-19
https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/jb/dokumente_6/gesetze___entscheide/gesetze_2/handelsrecht/Entscheid_des_Handelsgerichts_vom_19._Februar_2019.pdf
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2006 Obergericht 46 B. Anwaltsrecht 10 Art. 9 und 12 BGFA; Konsequenzen einer strafrechtlichen Verurteilung für den ins Anwaltsregister eingetragenen Anwalt - Strafrechtliche Verurteilung wegen Handlungen aus dem Privatbe- reich ist disziplinarrechtlich nicht relevant. - Keine Löschung des Registereintrages im konkreten Fall: Bezüglich der Frage der Vereinbarkeit einer strafrechtlichen Verurteilung mit dem Anwaltsberuf spielen die Aspekte der Zutrauenswürdigkeit des Anwaltes, der Seriosität und der Ehrenhaftigkeit eine entscheidende Rolle; Überprüfung der konkreten Handlung(en) im Einzelfall. Aus dem Entscheid der Anwaltskommission vom 20. September 2006 i.S. RA X. Sachverhaltszusammenfassung RA X. wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Y vom 14. Mai 2004 bzw. des Obergerichts vom 28. Juli 2005 der Beschimpfung und mehrfachen Drohung sowie der ungenügenden Aufmerksamkeit beim Rückwärtsfahren und des pflichtwidrigen Verhaltens nach ei- nem Unfall schuldig gesprochen. Sie wurde mit einer Busse von Fr. 1'500.-- bestraft. Aus den Erwägungen 3. Während Art. 12 BGFA die Berufsregeln für Anwältinnen und Anwälte festhält, sind in Art. 7 und 8 BGFA die fachlichen und per- sönlichen Voraussetzungen für den Registereintrag geregelt. 2006 Zivilprozessrecht 47 4. 4.1. Die Berufspflichten für Anwälte gemäss Art. 12 BGFA beziehen sich nicht auf sein Privatleben. Während unter altem Recht teilweise bei der Beurteilung der ,,Ehrenhaftigkeit und Zutrauenswürdigkeit" des Anwaltes auch dessen private Lebenshaltung und Lebensführung mitberücksichtigt wurde (allerdings nur in ,,Extremfällen"; vgl. dazu ZR 93 Nr. 39, S. 147; F. W OLFFERS , Der Rechtsanwalt in der Schweiz, Bern 1986, S. 181 f.), beschränkt das BGFA die Relevanz des Privatlebens auf Art. 8 BGFA (Voraussetzungen für den Register- eintrag) und spielt bei den Berufsregeln keine Rolle mehr (vgl. auch Entscheid der Zürcher Aufsichtskommission in ZR 103 [2004] Nr. 11). Einzig bei den persönlichen Voraussetzungen für den Registereintrag können Vorkommnisse im Privatleben eine Rolle spielen, sofern eine strafrechtliche Verurteilung wegen Handlungen vorliegt, die mit dem Anwaltsberuf nicht zu vereinbaren sind (zum Ganzen: W ALTER F ELLMANN in: W ALTER F ELLMANN / G AUDENZ G. Z INDEL [Hrsg.], Kommentar zum Anwaltsgesetz, Zürich 2005, Art. 12 N 52 f. [zit. N AME , BGFA-Kommentar]). 4.2. Die vorliegend gemäss rechtskräftigem Urteil von der beanzeig- ten Anwältin erfüllten SVG-Tatbestände berühren nur das Privatle- ben und sind deshalb vom Gesichtspunkt der Berufsregelverletzung her nicht relevant. Dasselbe gilt für die Beschimpfung und die Drohungen. Auch diese Sachverhalte spielten sich im privaten Um- feld der beanzeigten Anwältin ab. Sie hatten grundsätzlich mit ihrer beruflichen Tätigkeit als Anwältin nichts zu tun. [...] 4.3. Nachdem weder die SVG-Tatbestände noch die Drohungen und die Beschimpfung etwas mit der Anwaltstätigkeit der beanzeigten Anwältin zu tun haben, besteht kein Anlass für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens und es ist zu überprüfen, ob die beanzeigte An- wältin die Voraussetzungen für den Eintrag im Anwaltsregister im- mer noch erfüllt, nachdem eine strafrechtliche Verurteilung mit Ein- trag im Strafregister vorliegt. 2006 Obergericht 48 5. Art. 8 Abs. 1 lit. b BGFA lautet wie folgt: 1 Für den Registereintrag müssen die Anwältinnen und An- wälte folgende persönliche Voraussetzungen erfüllen: [...] b. es darf keine strafrechtliche Verurteilung vorliegen wegen Handlungen, die mit dem Anwaltsberuf nicht zu vereinbaren sind und deren Eintrag im Strafregister nicht gelöscht ist; Konkret stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Handlungen der beanzeigten Anwältin, derentwegen sie verurteilt wurde, mit dem Anwaltsberuf vereinbar sind oder nicht (Art. 8 Abs. 1 lit. b BGFA). Im Zusammenhang mit dem Registereintrag können auch Handlungen aus dem Privatbereich des Anwaltes rele- vant sein (vgl. N. S TUDER , Neue Entwicklungen im Anwaltsrecht, in: SJZ 100 [2004] S. 233). 5.1. Beim Registereintrag gemäss BGFA handelt es sich um eine grundsätzlich widerrufbare Polizeierlaubnis, durch die mittels Verfü- gung auf Gesuch hin festgestellt wird, dass die zum Schutz der Polizeigüter aufgestellten gesetzlichen Voraussetzungen für die Aus- übung dieser Tätigkeit erfüllt sind (U. H ÄFELIN /G. M ÜLLER , Allge- meines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Rz. 2523; 2525). Die Lö- schung des Registereintrages qualifiziert sich somit als Widerruf der einst erteilten Bewilligung (H ÄFELIN / M ÜLLER , a.a.O., Rz. 2552). Der Widerruf ist in Art. 9 BGFA unter dem Marginale ,,Löschung" vorgesehen, sofern auch nur eine der Eintragungsvoraussetzungen nachträglich wegfällt. 5.2. Bei der Beurteilung des Vorliegens eines ,,Löschungsgrundes" (bzw. Wegfall einer Eintragungsvoraussetzung) gemäss Art. 9 BGFA ist vorweg zu klären, welche polizeilichen Rechtsgüter durch Art. 8 lit. b BGFA geschützt werden sollen, wenn im Gesetz von ,,Unvereinbarkeit mit dem Anwaltsberuf" die Rede ist. Im Vernehmlassungsentwurf war unter den persönlichen Voraussetzungen noch das Vorliegen eines ,,guten Leumundes" 2006 Zivilprozessrecht 49 gefordert worden. Eine strafrechtliche Verurteilung wegen Handlun- gen ,,die das Ansehen des Berufsstandes beeinträchtigen" sollte zu- dem den Registereintrag ausschliessen. Aufgrund des Ergebnisses des Vernehmlassungsverfahrens wurde auf das Kriterium des Vorlie- gens eines ,,guten Leumundes" verzichtet (Botschaft des Bundesrates zum BGFA vom 28. April 1999, BBl 1999 6013 ff, [Botschaft], Ziff. 252.5). Hinsichtlich der Bewertung einer strafrechtlichen Verurtei- lung wurde an Stelle der ,,Beeinträchtigung des Ansehens des Berufsstandes" die ,,Unvereinbarkeit mit dem Anwaltsberuf" gesetzt. Im Zusammenhang mit dem von einigen kantonalen Anwaltsge- setzen unter altem Recht für die Berufsausübung noch geforderten ,,guten Leumund" wurden als polizeilich geschützte Rechtsgüter ,,der Schutz der Klienten" und ,,das Interesse des Ansehens der Rechts- pflege bzw. des Berufsstandes der Anwaltschaft schlechthin" heran- gezogen. W OLFFERS (a.a.O., S. 179) qualifiziert den an erster Stelle genannten ,,Schutz der Klienten" als polizeiliches Motiv ,,im engsten Sinne". Das BGFA hat aber auf das Erfordernis des guten Leumun- des verzichtet und die Betonung auf die Unvereinbarkeit mit dem Anwaltsberuf gesetzt. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass es dem Gesetzgeber bei den persönlichen Zulassungsvorausset- zungen gemäss Art. 8 BGFA um den konkreten, polizeilich motivier- ten Schutz ,,im engeren Sinne" der Klienten ging, wogegen das Inter- esse des Ansehens der Rechtspflege bzw. des Berufsstandes der An- waltschaft in den Hintergrund trat und nicht mehr ein massgebendes Kriterium ist. 5.3. Wird der Widerruf der Berufsausübungsbewilligung im Rahmen eines Verwaltungsaktes in Erwägung gezogen, so ist der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten (vgl. H ÄFELIN / M ÜLLER , a.a.O., Rz. 581 f. und 585). Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit hat Verfassungsrang, gemäss Art. 5 Abs. 2 BV muss alles staatliche Handeln verhältnismässig sein. Dieser Grundsatz fordert, dass die Verwaltungsmassnahmen zur Verwirklichung des im öffentlichen Interesse liegenden Ziels geeignet und notwendig sind. Ausserdem muss der angestrebte Zweck in einem vernünftigen Verhältnis zu den Freiheitsbeschränkungen stehen, die dem Privaten auferlegt werden. 2006 Obergericht 50 Gemäss Rechtssprechung des Bundesgerichts steht der An- waltsberuf unter dem Schutz der Wirtschaftsfreiheit gemäss Art. 27 BV. Der Entzug (bzw. die Verweigerung) der Berufsaus- übungsbewilligung stellt somit einen Eingriff in ein verfassungsmäs- sig geschütztes Rechtsgut dar. Durch die polizeilich motivierte Bewilligungspflicht gemäss Art. 4 ff. BGFA wird auf der anderen Seite der im öffentlichen Interesse liegende Schutz der potentiellen Klienten vor persönlich zum Anwaltsberuf generell ungeeigneten Personen angestrebt. Für die Löschung aus dem Register muss demnach aus der strafrechtlichen Verurteilung des Anwaltes mit einiger Wahrschein- lichkeit der Schluss gezogen werden können, dieser biete keine oder zu wenig Gewähr für die Einhaltung der Berufsregeln, weshalb seine Verurteilung mit dem Anwaltsberuf unvereinbar erscheine. 5.4. Bezüglich der Frage der Vereinbarkeit einer strafrechtlichen Verurteilung mit dem Anwaltsberuf spielen die Aspekte der Zutrau- enswürdigkeit des Anwaltes, der Seriosität und der Ehrenhaftigkeit eine entscheidende Rolle. Die inkriminierte Handlung muss das vom Gesetzgeber geschützte Vertrauen in den Anwaltsberuf tangieren, um eine Auswirkung auf den Registereintrag entfalten zu können. Verur- teilungen wegen Vermögensdelikten sind mit dem Anwaltsberuf klar nicht vereinbar sind, weil sich Anwälte regelmässig eine Inkassovoll- macht erteilen lassen und in einem solchen Fall keine oder zu wenig Gewähr für die vorausgesetzte Einhaltung der Pflicht zur sorgfältigen Verwahrung und Herausgabe anvertrauter Vermögenswerte bieten würden (Art. 12 Abs. 1 lit. h BGFA). Demgegenüber wird eine ,,simple" Geschwindigkeitsübertretung in der Regel nicht relevant sein (L. W. V ALLONI / M. C. S TEINEGGER , Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte [BGFA], Zürich 2002, Einführung Ziff. 5.5.2; S TUDER , a.a.O., S. 233). Grundsätzlich ist immer im Einzelfall aufgrund der konkreten Handlung zu überprüfen, ob diese mit dem Anwaltsberuf noch ver- einbar ist oder nicht. Von Bedeutung können insbesondere direkt- oder eventualvorsätzlich begangene Handlungen sein, eher weniger dagegen Fahrlässigkeitsdelikte. Eine gewisse Tatschwere ist Bedin- 2006 Zivilprozessrecht 51 gung für die Unvereinbarkeit mit dem Anwaltsberuf, wobei die aus- gesprochene strafrechtliche Sanktion ein Anhaltspunkt ist (S TAEHE - LIN / O ETIKER , BGFA-Kommentar, a.a.O., Art. 8 N 18). Mit dem Anwaltsberuf nicht zu vereinbaren sind Delikte wie Mord, vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung, Vermögens- delikte, Delikte gegen die Willensfreiheit (Drohung, Nötigung), Urkundenfälschungen, Geldwäscherei. Demgegenüber sind Delikte, denen eine heftige Gemütsbewegung zugrunde liegt, die eine speziel- le Seelenlage voraussetzen oder bei denen die kriminelle Energie ge- ring ist (z.B. mässige Geschwindigkeitsüberschreitungen), eher mit dem Anwaltsberuf vereinbar (S TAEHELIN / O ETIKER , BGFA-Kom- mentar, a.a.O., Art. 8 N 19 ff.). [...] 6. [...] 6.4. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Handlun- gen, welche zur strafrechtlichen Verurteilung und zum Strafregister- eintrag führten, nicht als ,,mit dem Anwaltsberuf unvereinbar" ge- mäss Art. 8 Abs. 1 lit. b BGFA einzustufen sind. Es handelte sich zwar unter anderem um Delikte gegen die Willensfreiheit, es bestand aber eine starke seelische Drucksituation der beanzeigten Anwältin. Zudem spielten sich die Handlungen nur im Privatleben ab und hat- ten keinerlei Einfluss auf die berufliche Tätigkeit der beanzeigten Anwältin. Insbesondere zeitigen sie keinerlei Auswirkungen hin- sichtlich des vom Gesetz angestrebten Schutzes der Klienten. Die vom Gericht ausgefällte, relativ tiefe Strafe weist darauf hin, dass auch die Strafrichter zweifelsohne die immer noch schwierige per- sönliche Situation der beanzeigten Anwältin (Arbeitslosigkeit des Ehemannes, Kinder noch in Ausbildung) mitberücksichtigt haben. Eine Löschung im Anwaltsregister würde als unverhältnismässig er- scheinen. Unter all diesen Gesichtspunkten ist auf die Löschung aus dem Anwaltsregister zu verzichten.
2,695
2,170
AG_HG_001
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2006-10_2006-09-20
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2006-10.html
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AGVE_2006_10
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nan
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1,497,354
1,587,427,200,000
2,020
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Urteil/Entscheid Handelsgericht 2. Kammer HSU.2020.30 / as / mv Entscheid vom 21. April 2020 Besetzung Oberrichter Vetter, Vizepräsident Gerichtsschreiber Schneuwly Gesuchstellerin B. GmbH, _ Gegenstand Summarisches Verfahren betreffend Bilanzdeponierung Der Vizepräsident entnimmt den Akten: Mit Eingabe vom 17. April 2020 teilte A.N. als Geschäftsführer und Inhaber der Gesuchstellerin dem Handelsgericht mit, dass die Gesuchstellerin in- folge Illiquidität und Überschuldung gemäss Art. 725 OR die Bilanz depo- niere. Der Vizepräsident zieht in Erwägung: 1. Das Gericht prüft die Prozessvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 60 ZPO). Darunter fallen insbesondere die örtliche und die sachliche Zustän- digkeit des angerufenen Gerichts (Art. 59 Abs. 2 lit. b ZPO). 2. Zunächst ist die sachliche und örtliche Zuständigkeit zu prüfen (Art. 59 Abs. 2 lit. b ZPO). 3. 3.1. Die Gesuchstellerin verlangt gestützt auf Art. 725a OR sinngemäss die Konkurseröffnung. - 2 - 3.2. Die Eröffnung des Konkurses und die Durchführung des Konkursverfah- rens finden am Konkursort statt. Gemäss Art. 46 SchKG entspricht der or- dentliche Betreibungsort dem Konkursort (KRÜSI, in: Kren Kostkie- wicz/Vock, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs SchKG, 4. Aufl. 2017, Art. 46 N. 9 m.w.N.). Vorliegend hat die Gesuchstellerin ihren Sitz in Baden. Die örtliche Zustän- digkeit der aargauischen Gerichte ist daher gegeben. 3.3. Für die Eröffnung des Konkurses ist gemäss Art. 251 lit. a ZPO i.V.m. § 6 Abs. 1 lit. b EG ZPO AG die Bezirksgerichtspräsidentin oder der Bezirks- gerichtspräsident und nicht das Handelsgericht sachlich zuständig. 3.4. Damit fehlt es an der Prozessvoraussetzung der sachlichen Zuständigkeit (Art. 59 Abs. 2 lit. b ZPO), so dass auf das Gesuch vom 17. April 2020 nicht einzutreten ist (Art. 59 Abs. 1 ZPO). 4. Wird eine Eingabe, die mangels Zuständigkeit zurückgezogen oder auf die nicht eingetreten wurde, innert eines Monates seit dem Rückzug oder dem Nichteintretensentscheid beim zuständigen Gericht neu eingereicht, so gilt als Zeitpunkt der Rechtshängigkeit das Datum der ersten Einreichung (Art. 63 Abs. 1 ZPO). Vorbehalten bleiben die besonderen gesetzlichen Klagefristen nach dem SchKG (Art. 63 Abs. 3 ZPO). 5. Als unterliegende Partei im vorliegenden Verfahren hat die Gesuchstellerin die Gerichtskosten zu tragen. Gemäss § 8 VKD beträgt die Entscheidge- bühr für die Durchführung eines summarischen Verfahrens Fr. 500.00 bis Fr. 12'000.00. Wird ein Verfahren nicht vollständig durchgeführt, kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden (§ 13 Abs. 1 VKD). Vorliegend sind die Gerichtskosten entsprechend dem entstandenen Aufwand auf Fr. 100.00 festzusetzen. Der Vizepräsident erkennt: 1. Auf das Gesuch vom 17. April 2020 wird nicht eingetreten. 2. Die Gerichtskosten von Fr. 100.00 werden der Gesuchstellerin auferlegt. - 3 - Zustellung an: die Gesuchstellerin (mit Rechnung) Mitteilung an: die Obergerichtskasse 6. Rechtsmittelbelehrung für die Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff., Art. 90 ff. BGG) Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen, von der schriftlichen Eröff- nung der vollständigen Ausfertigung des Entscheides an gerechnet, die Be- schwerde an das Schweizerische Bundesgericht erhoben werden. Die Beschwerde ist schriftlich oder in elektronischer Form beim Schweize- rischen Bundesgericht einzureichen. Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit An- gabe der Beweismittel und die Unterschriften bzw. eine anerkannte elekt- ronische Signatur zu enthalten. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht (Art. 95 ff. BGG) verletzt. Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in den Händen hat; ebenso ist der ange- fochtene Entscheid beizulegen (Art. 42 BGG). Aarau, 21. April 2020 Handelsgericht des Kantons Aargau 2. Kammer Der Vizepräsident: Der Gerichtsschreiber: Vetter Schneuwly
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AG_HG_002
AG_HG
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Northwestern_Switzerland
AG_HG_002_-Handelsrecht-Zivilp_2020-04-21
https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/jb/dokumente_6/gesetze___entscheide/gesetze_2/handelsrecht/Entscheid_des_Handelsgerichts_vom_21._April_2020.pdf
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80c4f6b4-c865-504d-b81b-57f01d00223b
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2007 Strafrecht 55 IV. Strafrecht 12 § 37 Schulgesetz Die Eltern, welche gemeinsam als Mittäter eine Widerhandlung gegen das Schulgesetz (hier: § 37 Abs. 3 Schulgesetz) begehen, sind je einzeln zu bestrafen und bei der Strafzumessung kommt für jeden der beiden El- ternteile der dafür vorgesehene gesetzliche Strafrahmen zur Anwendung. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 2. Strafkammer, vom 13. Juni 2007 i.S. R.G. und T.G.
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AG_HG_001
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AG_HG_001_AGVE-2007-12_2007-06-02
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2,004
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2004 Zivilprozessrecht 59 13 § 126 lit. b Ziff. 1 ZPO; Art. 111 ZGB. Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege bei der Scheidung auf ge- meinsames Begehren. Die unentgeltliche Verbeiständung kann nicht mit dem Argument verweigert werden, bei der Scheidung auf gemeinsames Begehren handle es sich generell um eine Streitsache mit einfacher Rechtslage. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 4. Zivilkammer, vom 30. März 2004 in Sachen M. A. Aus den Erwägungen 1. b) Der Gesuchsteller reichte am 12. Februar 2004 beim Ge- richtspräsidium Bremgarten Klage ein, mit welcher er die Scheidung der Ehe beantragte. Formell handelt es sich somit um eine Schei- dungsklage. Der Gesuchsteller und seine Ehefrau haben sich indes- sen in einer Vereinbarung vom 12. Februar 2004 über die Beantra- gung der Scheidung und sämtliche Nebenfolgen geeinigt, so dass es sich materiell um ein gemeinsames Begehren der Scheidung nach Art. 111 ZGB handelt. In einem solchen Fall hat sich das Gericht lediglich davon zu überzeugen, dass das Scheidungsbegehren und die Vereinbarung auf freiem Willen und reiflicher Überlegung beruhen und die Vereinbarung voraussichtlich genehmigt werden kann (Art. 111 Abs. 1 ZGB). Bestätigen beide Ehegatten nach einer zwei- monatigen Bedenkzeit seit der Anhörung schriftlich ihren Schei- dungswillen und ihre Vereinbarung, so spricht das Gericht die Schei- dung aus und genehmigt die Vereinbarung (Art. 111 Abs. 2 ZGB). Mithin liesse sich argumentieren, es handle sich bei der Scheidungs- klage auf gemeinsames Begehren um eine Streitsache mit einfacher Rechtslage, welche eine Rechtsvertretung vor Gericht nicht notwen- dig erscheinen lasse. Damit aber würde der Realität nicht angemes- sen Rechnung getragen. Denn es ist davon auszugehen, dass die scheidungswilligen Eheleute in der Regel nicht in der Lage sind, die sich bei einer Scheidung stellenden und in einer Scheidungskonven- tion zu regelnden Probleme wie die Bemessung der 2004 Obergericht/Handelsgericht 60 Unterhaltsbeiträge, die güterrechtlichen Fragen oder die Teilung der Austrittsleistungen der beruflichen Vorsorge ohne die Hilfe eines rechtlichen Beistands sachlich und rechtlich korrekt zu lösen. Aus diesem Grund ziehen die Eheleute regelmässig einen Anwalt oder eine Anwältin bei. Auch die Gerichte sind bei Scheidungen auf gemeinsames Begehren auf die Mitwirkung der Anwälte angewiesen, insbesondere was die Vollständigkeit der Scheidungsvereinbarung und die Einreichung der entsprechenden Belege betrifft. Es wäre daher unbillig, eine unentgeltliche Verbeiständung mit dem Argument zu verweigern, bei der Scheidung auf gemeinsames Begehren handle es sich generell um eine Streitsache mit einfacher Rechtslage. Demnach ist die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters auch bei Scheidungen auf gemeinsames Begehren wie im vorliegenden Fall grundsätzlich gerechtfertigt.
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AG_HG_001
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2004-13_2004-03-04
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AGVE_2004_13
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2001 Obergericht/Handelsgericht 76 [...] 24 § 85 Abs. 1 bis StPO, Verwendung beschlagnahmter Vermögenswerte. Die genannte Bestimmung erlaubt sinngemäss auch die Verwendung der zur Sicherung von Bussen, Verfahrens- und Vollzugskosten beschlag- nahmten Vermögenswerte zu diesem Zweck. - Die Beschlagnahme findet ihre Grenze im betreibungsrechtlichen Existenzminimum des Schuldners. Auszug aus dem Entscheid des Obergerichts, 2. Strafkammer, vom 18. Mai 2001 i.S. M.T. Aus den Erwägungen 2. Die Vorinstanz stellt zu Recht fest, dass es sich bei den frag- lichen Geldern nicht um Vermögenswerte handelt, die durch eine strafbare Handlung erlangt worden sind. Eine Einziehung ist folglich gestützt auf Art. 59 StGB nicht möglich. Gestützt auf den in Art. 44 SchKG enthaltenen Vorbehalt kan- tonalen Rechts zur Verwertung von Gegenständen, welche aufgrund strafrechtlicher oder fiskalischer Gesetze mit Beschlag belegt sind, und die bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 76 I 28 und seithe- rige Praxis) ist die Beschlagnahme und Verwertung von Vermögens- werten zur Deckung von Bussen, Verfahrens- und Vollzugskosten möglich. § 85 Abs. 1 bis StPO erklärt zwar vom Wortlaut her nur die Beschlagnahme von Vermögenswerten zur Sicherung von Bussen, Verfahrens- und Vollzugskosten als zulässig, doch ist über den Wortlaut hinaus zu folgern, dass die beschlagnahmten Vermögens- werte auch zur Deckung dieser Bussen und Kosten verwendet wer- den dürfen. Andernfalls wäre die Bestimmung von § 85 Abs. 1 bis StPO unnötig und sinnlos. Die Möglichkeit der Beschlagnahme von Vermögenswerten gemäss § 85 Abs. 1 bis StPO findet jedoch ihre Grenze im betrei- bungsrechtlichen Schutz des Schuldners gemäss Art. 92 ff. SchKG. 2001 Strafprozessrecht 77 Ein Eingriff in das betreibungsrechtliche Existenzminimum steht dem Staat zur Deckung von Bussen, Verfahrens- und Vollzugskosten nicht zu (OGE, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 5. Februar 2001 i.S. F.W., Erw. 2b; vgl. auch ZR 90 [1991] Nr. 31 S. 103 ff.). Die Bestimmung ist zudem auch dann nur mit Zurückhaltung anzu- wenden, wenn mit der Beschlagnahme die Resozialisierung eines Betroffenen akut gefährdet würde, indem dieser dadurch in eine fi- nanzielle Notlage gelangen würde (vgl. dazu auch Brühlmeier, Aar- gauische Strafprozessordnung, Kommentar, 2. Aufl., Aarau 1980, S. 220).
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AG_HG_001
AG_HG
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AG_HG_001_AGVE-2001-24_2001-05-02
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2009 Obergericht 28 [...] 2 Art. 176 ZGB Prozesserledigung im Eheschutzverfahren aufgrund einer von den Partei- en getroffenen Vereinbarung. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 5. Zivilkammer, vom 24. August 2009 i.S. A.S.-Z. gegen G.S. Aus den Erwägungen Die von der Vorinstanz gewählte Verfahrenserledigung in den von den Parteien durch Vergleich erledigten Punkten (darunter Un- terhalt) ist problematisch. Anders als im Scheidungsrecht bedürfen in einem Eheschutzverfahren geschlossene Vereinbarungen keiner rich- terlichen Genehmigung. Folglich hat der Eheschutzrichter dem kan- tonalen Prozessrecht entsprechend das Verfahren insoweit, als es um der Parteidisposition unterliegende Ansprüche geht (so der Anspruch auf persönlichen Unterhalt eines Ehegatten), als durch Vergleich erle- digt von der Kontrolle abzuschreiben, was in einem ein Urteilssurro- gat darstellenden Abschreibungsentscheid geschieht (während die Genehmigung einer Konvention in Urteilsform erfolgt). Hinsichtlich der der Offizialmaxime unterliegenden Ansprüche (so der Anspruch auf Kinderunterhalt und andere Kinderbelange) hat der Eheschutz- richter dagegen - nicht anders als der Scheidungsrichter - eine autori- tative Anordnung in Urteilsform zu treffen (die materiell dem von den Eltern in der Vereinbarung gestellten gemeinsamen Antrag ent- sprechen kann).
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AG_HG_001
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AG_HG_001_AGVE-2009-2_2009-08-05
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Handelsgericht 2. Kammer HSU.2019.57 / as / mv Art. 88 Entscheid vom 15. Mai 2019 Besetzung Oberrichter Vetter, Vizepräsident Gerichtsschreiber Müller Gesuchstellerin C.G, _ vertreten durch lic. iur. Anton Frank, Rechtsanwalt, Alpenstrasse 1, 6004 Luzern Gesuchsgegne- rin H.M. GmbH, _ Gegenstand Summarisches Verfahren betreffend Mietausweisungsgesuch - 2 - Der Vizepräsident entnimmt den Akten: 1. Die Gesuchstellerin ist eine Genossenschaft mit Sitz in Basel. [...]. 2. Die Gesuchsgegnerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in M. (AG). Sie bezweckt hauptsächlich die Führung gastronomischer Betriebe [...], (Gesuchsbeilage [GB] 2). 3. 3.1. Die Gesuchstellerin verfügte mit der B. M. GmbH für das Mietobjekt "Res- taurant EG, B.-Strasse 21, M." über einen Mietvertrag (vgl. Gesuch Rz. 1; GB 3). Kurz bevor die B. M. GmbH am 27. November 2017 in Konkurs fiel, schloss diese mit der Gesuchsgegnerin einen Untermietvertrag ab. Das Konkursamt des Kantons Aargau erklärte mit Schreiben vom 30. November 2017, den Nichteintritt in diesen Untermietvertrag und verwies die Ge- suchsgegnerin betreffend Abschluss eines neuen Mietvertrags an C. (vgl. Gesuch Rz. 2; GB 4). 3.2. In der Folge fanden zwischen der Gesuchstellerin und der Gesuchsgegne- rin Verhandlungen über den Abschluss eines Mietvertrags für das Mietob- jekt statt. Ob dabei ein Mietvertrag zustande kam, ist zwischen den Par- teien umstritten (vgl. GB 5 sowie E-Mail vom 9. August 2018 als Beilage zur Gesuchsantwort). Ein schriftlicher Mietvertrag wurde indessen nicht ab- geschlossen, die Gesuchsgegnerin benützte das Mietobjekt jedoch weiter- hin und bezahlte der Gesuchstellerin den monatlichen Mietzins von Fr. 5'947.45. 4. 4.1. Infolge Zahlungsverzugs der Gesuchsgegnerin drohte die Gesuchstellerin der Gesuchsgegnerin mittels Schreiben vom 14. Januar 2019 die Kündi- gung an und setzte ihr eine 30-tägige Zahlungsfrist zur Begleichung der ausstehenden Mietzinsforderungen an (GB 6). 4.2. Mit amtlichem Formular vom 14. März 2019 wurde das Mietverhältnis mit der Gesuchsgegnerin auf den 30. April 2019 gekündigt (GB 7). 4.3. Mit Schreiben vom 18. März 2019 bat die Gesuchsgegnerin die Gesuch- stellerin um Reduktion des Mietzinses (vgl. Gesuch Rz. 7; GB 8). Zudem focht die Gesuchsgegnerin die Kündigung mit Eingabe vom 18. März 2019 - 3 - bei der Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht des Bezirks Baden an (GB 9). 4.4. Die Gesuchstellerin antwortete der Gesuchsgegnerin mit Schreiben vom 28. März 2019, dass eine Vertragsverlängerung insbesondere aufgrund des bestehenden Zahlungsverzugs von Monatsmietzinsen nicht möglich sei und forderte die Gesuchsgegnerin auf, das Mietobjekt am Donnerstag, 2. Mai 2019, 10:00 Uhr, zurückzugeben (GB 10). Die Gesuchsgegnerin hat das Mietobjekt nicht verlassen (vgl. Gesuchsantwort). 5. Mit Gesuch vom 16. April 2019 (Postaufgabe: 16. April 2019) stellte die Gesuchstellerin die folgenden Rechtsbegehren: " 1. Die Gesuchsgegnerin sei zu verhalten, das Mietobjekt an der B.- Strasse 21, M. (Laden) innert einer in wenigen Tagen , richterlichen Frist, ordnungsgemäss zu räumen, zu reinigen und zu verlassen. 2. Für den Fall der Nichtbefolgung des richterlichen Befehls sei der Gesuchstellerin das Recht einzuräumen, die polizeiliche Räumung des Mietobjekts auf Kosten der Gesuchsgegnerin zu verlangen. Zudem sei der Gesuchsgegnerin für diesen Fall eine Busse nach Art. 292 StGB anzudrohen. 3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der ." Zur Begründung führte die Gesuchstellerin im Wesentlichen aus, sie habe einen Anspruch auf Mietausweisung der Gesuchsgegnerin. Da die vorge- brachten Tatsachen unbestritten seien, der Sachverhalt sofort beweisbar und die Rechtslage klar sei, sei dem Gesuch um schnellen Rechtsschutz im Sinne von Art. 257 Abs. 1 ZPO zu entsprechen. 6. Mit Eingabe vom 24. April 2019 bezifferte die Gesuchstellerin den Streitwert auf Fr. 215'080.20. 7. Mit Eingabe vom 14. Mai 2019 teilte die Gesuchsgegnerin mit, sie bestehe nach wie vor auf der Behauptung, dass die Gesuchstellerin ihr einen 5+5 Jahre Mietvertrag mehrmals mündlich per Telefon versprochen habe und sie in diesem Punkt nicht die Wahrheit sage (vgl. E-Mail vom 9. August - 4 - 2018 als Beilage zur Gesuchsantwort). Falls die Gesuchsgegnerin das Mie- tobjekt gemäss Mietausweisungsgesuch räumen müsse, entstände T. A. als Besitzer der Gesuchsgegnerin ein enormer finanzieller Schaden, wel- cher seine finanzielle Existenz grundlegend zerstören würde. Deshalb stelle er den Antrag auf Schadenersatz in Höhe von Fr. 200'000.00. Falls ein Mietvertrag zustande gekommen sein sollte, sei die Gesuchsgegnerin bereit, die offenen Mietschulden zu bezahlen. Falls die Gesuchsgegnerin im vorliegenden Verfahren unterliegen sollte, stelle sie ein Gesuch um eine Fristerstreckung, so dass sie das gesamte Mobiliar raumen könne und keine polizeiliche Räumung stattfinden müsse. Der Vizepräsident zieht in Erwägung: 1. Zuständigkeit 1.1. Örtliche Zuständigkeit Gemäss Art. 33 ZPO ist für Klagen aus Miete und Pacht das Gericht am Ort der gelegenen Sache zuständig. Da sich vorliegend das Mietobjekt in M. (AG) befindet, ist die örtliche Zuständigkeit der aargauischen Gerichte gegeben. 1.2. Sachliche und funktionelle Zuständigkeit Die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts ergibt sich Art. 6 Abs. 2 ZPO, wenn die geschäftliche Tätigkeit mindestens eine Prozesspartei be- troffen ist, gegen den Entscheid die Beschwerde in Zivilsachen an das Bun- desgericht offen steht und die Prozessparteien im Handelsregister einge- tragen sind. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da auch Mietverträge über Geschäftsliegenschaften vom Begriff der geschäftlichen Tätigkeiten erfasst werden,1 der Streitwert – entgegen der Auffassung der Gesuchsgegnerin – sechs Monatsmietzinse umfasst2 und damit mit Fr. 35'684.70, die für die Beschwerde an das Bundesgericht vorgeschriebene Höhe von Fr. 15'000.00 bzw. 30'000.00 (Art. 74 Abs. 1 BGG) überschreitet und beide Parteien im Handelsregister eingetragen sind. Für den Rechtsschutz in klaren Fällen ist das summarische Verfahren an- wendbar. Gestützt auf Art. 248 lit. b i.V.m. Art. 257 ZPO i.V.m. § 13 Abs. 1 lit. a EG ZPO ist der Vizepräsident des Handelsgerichts funktionell zustän- dig. 1 BGE 139 III 457 E. 3.2; VETTER, in; Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger (Hrsg.), Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2016, Art. 6 N. 21b m.w.N. 2 Siehe zur Streitwertberechnung BGE 144 III 346 E. 1.2.1. - 5 - 2. Rechtsschutz in klaren Fällen 2.1. Die Gesuchstellerin behauptet, aufgrund der aufgelegten Belege seien die Voraussetzungen gemäss Art. 257 ZPO (Rechtsschutz in klaren Fällen) ge- geben (Gesuch Rz. 9). 2.2. Das Gericht gewährt Rechtsschutz im summarischen Verfahren, wenn der Sachverhalt unbestritten oder sofort beweisbar und die Rechtslage klar ist (Art. 257 Abs. 1 ZPO). Die Voraussetzung des unbestrittenen oder sofort beweisbaren Sachverhalts wird auch als Liquidität des Sachverhalts be- zeichnet.3 Ausgeschlossen ist dieser Rechtsschutz, wenn die Angelegen- heit dem Offizialgrundsatz unterliegt (Art. 257 Abs. 2 ZPO). Kann dieser Rechtsschutz nicht gewährt werden, so tritt das Gericht auf das Gesuch nicht ein (Art. 257 Abs. 3 ZPO). 2.3. Ein unbestrittener Sachverhalt liegt vor, wenn eine Partei die Tatsachenbe- hauptung ihres Gegners nicht bestreitet. Diesfalls gilt dieser als unbestritten und die betreffende Tatsache kann dem Entscheid ohne weiteres zugrunde gelegt werden, da über nicht bestrittene Tatsachen kein Beweis geführt zu werden braucht (vgl. Art. 150 Abs. 1 ZPO).4 2.4. Ein Sachverhalt ist dann sofort beweisbar, wenn er ohne zeitliche Verzö- gerung und ohne besonderen Aufwand nachgewiesen werden kann. Der Beweis ist in der Regel durch Urkunden zu erbringen, wobei andere sofort greifbare Beweismittel nicht ausgeschlossen sind.5 Der Rechtsschutz in klaren Fällen unterliegt keiner Beweisstrengebeschränkung. Blosses Glaubhaftmachen genügt für die Geltendmachung des Anspruchs nicht, sondern die Gesuchstellerin hat den vollen Beweis der anspruchsbegrün- denden Tatsachen zu erbringen.6 Demgegenüber genügt für die Vernei- nung eines klaren Falls, dass die Gesuchsgegnerin substantiiert und schlüssig Einwendungen vorträgt, die in tatsächlicher Hinsicht nicht sofort widerlegt werden können und die geeignet sind, die bereits gebildete rich- terliche Überzeugung zu erschüttern. Nicht erforderlich ist, dass sie ihre Einwendungen glaubhaft macht.7 3 SUTTER-SOMM/LÖTSCHER, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger (Fn. 1), Art. 257 N. 5. 4 BK ZPO I-HURNI, 2012, Art. 55 N. 37 mit Verweis auf Art. 150 Abs. 1 ZPO. 5 BGE 138 III 620 E. 5.1.1; SUTTER-SOMM/LÖTSCHER (Fn. 3), Art. 257 N. 5. 6 BGE 138 III 620 E. 5.1.1; SUTTER-SOMM/LÖTSCHER (Fn. 3), Art. 257 N. 6; LEUPOLD, Der Rechts- schutz in klaren Fällen nach der neuen Schweizerischen Zivilprozessordnung, in: Leupold//Stauber/Vetter (Hrsg.), Der Weg zum Recht, Festschrift für Alfred Bühler, 2008, S. 70 ff. 7 BGE 138 III 620 E. 5.1.1; SUTTER-SOMM/LÖTSCHER (Fn. 3), Art. 257 N. 7. - 6 - 2.5. Die Rechtslage ist klar, wenn die Anwendung und Auslegung einer Norm, namentlich auf Grund ihres Wortlauts, der Rechtsprechung und der be- währten Lehre, zu keinem Zweifel Anlass gibt.8 Die Rechtsfolge muss sich bei der Anwendung des Gesetzes unter Berücksichtigung der Lehre und Rechtsprechung ohne Weiteres ergeben und die Rechtsanwendung zu ei- nem eindeutigen Ergebnis führen.9 Dagegen ist die Rechtslage in der Re- gel nicht klar, wenn die Anwendung einer Norm einen Ermessens- oder Billigkeitsentscheid des Gerichts mit wertender Berücksichtigung der ge- samten Umstände erfordert, wie dies beispielsweise bei der Beurteilung von Treu und Glauben zutrifft.10 3. Ausweisungsanspruch der Gesuchstellerin (Rechtsbegehren Ziff. 1) 3.1. Parteibehauptungen Die Gesuchstellerin behauptet für das Mietobjekt "Restaurant EG, B.- Strasse 21, M." sei zwischen den Parteien ein faktisches Mietverhältnis zu- stande gekommen, da die Gesuchsgegnerin den monatlichen Mietzins von Fr. 5'947.45 bezahlt habe, ohne dass ein schriftlicher Mietvertrag mit einer bestimmten Kündigungsdauer abgeschlossen worden sei (Gesuch Rz. 4). Infolge Verzug von Mietzinszahlungen habe die Gesuchstellerin der Ge- suchsgegnerin am 14. Januar 2019 die Kündigungsandrohung zugestellt (Gesuch Rz. 5; GB 6). Nachdem die Gesuchsgegnerin innert der angesetz- ten Frist die rückständigen Mietzinsen nicht bezahlt habe, sei ihr mit Schrei- ben vom 14. März 2019 unter Beilage des offiziellen Kündigungsformulars die Kündigung auf den 30. April 2019 ausgesprochen worden (Gesuch Rz. 6; GB 7). Die Gesuchsgegnerin bestreitet die Rechtmässigkeit der Kündigung nicht. Sie stellt sich jedoch auf den Standpunkt, die Gesuchstellerin habe ihr ei- nen 5+5 Jahre Mietvertrag mehrmals mündlich per Telefon versprochen (vgl. E-Mail vom 9. August 2018 als Beilage zur Gesuchsantwort). 3.2. Rechtliches Benützt jemand ein Mietobjekt, ohne dass zwischen den Parteien ein Miet- vertrag zustande gekommen ist, geht das Bundesgericht von einem sog. "faktischen Vertragsverhältnis" aus.11 Ist der Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen nach der Übernahme der Sache mit der Zahlung fälliger Mietzinse oder Nebenkosten im Rückstand, 8 BGer 4A_447/2011 vom 20. September 2011 E. 2.3; SUTTER-SOMM/LÖTSCHER (Fn. 3), Art. 257 N. 9. 9 BGE 138 III 123 E. 2.1.2; SUTTER-SOMM/LÖTSCHER (Fn. 3), Art. 257 N. 9. 10 BGE 138 III 123 E. 2.1.2. 11 BGE 119 II 437 3b; SVIT-Kommentar-ROHRER, 4. Aufl. 2018, Vorbemerkungen zu Art. 253-273c OR N. 35 m.w.N. - 7 - so kann ihm der Vermieter gemäss Art. 257d Abs. 1 OR in einem ersten Schritt schriftlich eine Zahlungsfrist von mindestens 30 Tagen setzen und ihm androhen, dass bei unbenütztem Ablauf der Frist das Mietverhältnis gekündigt werde. Bezahlt der Mieter innert der gesetzten Frist nicht, so kann der Vermieter in einem zweiten Schritt mit einer Frist von mindestens 30 Tagen auf Ende eines Monats kündigen (Art. 257d Abs. 2 OR). Die Kün- digung von Wohn- und Geschäftsräumen ist auf dem amtlichen Formular mitzuteilen (Art. 266l Abs. 2 OR). Die Anfechtung der Gültigkeit der Kündigung bei Mietschlichtungsstelle führt mangels identischem Streitgegenstand zu keiner Sperrwirkung der Rechtshängigkeit bezüglich dem Mietausweisungsbegehren.12 Vielmehr hat die Mietschlichtungsstelle bei parallelen Verfahren vor der Mietschlich- tungsstelle und dem Ausweisungsrichter zu sistieren. Falls der Auswei- sungsrichter, der für den Ausweisungsentscheid zwangsläufig auch vorfra- geweise über die Gültigkeit der Kündigung zu befinden hat, die Ausweisung im summarischen Verfahren gewährt, so schreibt die Mietschlichtungs- stelle den sistieren Fall ab.13 3.3. Würdigung Es ist unbestritten, dass die Gesuchsgegnerin das Mietobjekt "Restaurant EG, B.-Strasse 21, M." auch ohne schriftlichen Vertrag zwischen den Par- teien benutzte und der Gesuchstellerin daher einen monatlichen Mietzins von Fr. 5'947.45 entrichtete. Damit bestand zwischen den Parteien ein Mietvertrag und der Einwand der Gesuchsgegnerin, die Gesuchstellerin habe ihr einen 5+5 Jahre Mietvertrag mehrmals mündlich per Telefon ver- sprochen, ist irrelevant. Die Kündigung der Gesuchstellerin vom 14. März 2019 für das Mietobjekt "Restaurant EG, B.-Strasse 21, M." auf den 30. April 2019 (GB 7) erfolgte rechtsgültig: Es ist unbestritten, dass die Gesuchsgegnerin die Mietsache übernommen hatte und mit der Zahlung von Mietzinsen im Rückstand war. Mit eingeschriebenem Brief vom 14. Januar 2019 hat die Gesuchstellerin die Gesuchsgegnerin gemahnt und ihr die gemäss Art. 257d Abs. 1 OR erforderliche Zahlungsfrist von 30 Tagen angesetzt (GB 6). Dieser Brief wurde der Gesuchsgegnerin am 17. Januar 2019 zugestellt (vgl. GB 6, Zu- stellungsbeweis). Die 30-tägige Zahlungsfrist endete damit am 16. Februar 2019. Die auf dem amtlichen Formular erklärte Kündigung der Gesuchstel- lerin vom 14. März 2019 für das Mietobjekt "Restaurant EG, B.-Strasse 21, M." auf den 30. April 2019 (GB 7) ging bei der Gesuchsgegnerin am 15. März 2019 ein (vgl. GB 7; Zustellungsbeweis) und erfüllte damit die for- mellen Voraussetzungen von Art. 257d Abs. 2 und Art. 266l Abs. 2 OR. 12 SUTTER-SOMM/LÖTSCHER (Fn. 3), Art. 257 N. 38a m.w.N. 13 SUTTER-SOMM/LÖTSCHER (Fn. 3), Art. 257 N. 38a. - 8 - Das Rechtsbegehren Ziff. 1 ist daher vollumfänglich gutzuheissen. 4. Anspruch auf direkte Vollstreckung (Rechtsbegehren Ziff. 2) In Rechtsbegehren Ziff. 2 beantragt die Gesuchstellerin, für den Fall der Nichtbefolgung des richterlichen Befehls sei der Gesuchsgegnerin das Recht einzuräumen, die polizeiliche Räumung des Mietobjekts auf Kosten der Gesuchsgegnerin zu verlangen. Zudem sei der Gesuchsgegnerin für diesen Fall eine Busse nach Art. 292 StGB einzuräumen. Das Handelsgericht ordnet bei der direkten Vollstreckung auf Antrag der obsiegenden Partei Vollstreckungsmassnahmen an (Art. 219 i.V.m. Art. 236 Abs. 3 ZPO).14 Die Gesuchsgegnerin hat sich nicht zum Vollstre- ckungsantrag geäussert. Aufgrund der vorliegend geltenden Dispositions- maxime (Art. 58 Abs. 1 ZPO) hat sich das Handelsgericht deshalb an die Anträge der Gesuchstellerin zu halten und lediglich deren Verhältnismäs- sigkeit zu prüfen.15 Eine offensichtliche Unverhältnismässigkeit der gestützt auf Art. 343 Abs. 1 lit. a und d ZPO beantragten Vollstreckungsmassnah- men ist nicht ersichtlich, so dass auch dieses Rechtsbegehren gutzuheis- sen ist. 5. Schadenersatzanspruch der Gesuchsgegnerin Der von der Gesuchsgegnerin geltend gemachte Schadenersatzanspruch ist mangels rechtlicher und tatsächlicher Liquidität im Sinne von Art. 257 Abs. 1 ZPO in einem ordentlichen Verfahren geltend zu machen. Folglich kann im vorliegenden Verfahren auf den behaupteten Schadenersatzan- spruch nicht eingetreten werden. 6. Kosten Abschliessend sind die Kosten zu verlegen. Die Prozesskosten bestehen aus den Gerichtskosten und der Parteientschädigung (Art. 95 Abs. 1 ZPO). 6.1. Verlegung Die Prozesskosten werden nach dem Ausgang des Verfahrens verteilt, d.h. entsprechend dem Ausmass des Obsiegens bzw. Unterliegens (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Vorliegend ist das Gesuch vollumfänglich gutzuheissen, wes- halb die Gesuchsgegnerin als unterliegend gilt und ihr die Prozesskosten aufzuerlegen sind. Gründe, die eine andere Verlegung nach Ermessen (vgl. Art. 107 ZPO) rechtfertigen würden, wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich. Für die von der Gesuchsgegegnerin geltend ge- machte Schadenersatzforderung werden keine Kosten erhoben. 14 SCHNEUWLY/VETTER, Die Realvollstreckung handelsgerichtlicher Entscheide, in: Jusletter 5. Septem- ber 2016, Rz. 14. 15 SCHNEUWLY/VETTER (Fn. 14), Rz. 29. - 9 - 6.2. Gerichtskosten Die Gerichtskosten bestehen aus der Entscheidgebühr (Art. 95 Abs. 2 lit. b ZPO), welche sich nach § 8 VKD bemisst. Sie wird in Berücksichtigung des verursachten gerichtlichen Aufwands und angesichts von Schwierigkeit und Umfang der Streitigkeit auf insgesamt Fr. 3'000.00 festgesetzt und mit dem von der Gesuchstellerin geleisteten Kostenvorschuss in Höhe von Fr. 3'000.00 verrechnet (Art. 111 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Gesuchsgegnerin hat der Gesuchstellerin die Gerichtskosten, d.h. Fr. 3'000.00, direkt zu er- setzen (Art. 111 Abs. 2 ZPO). 6.3. Parteientschädigung Die Gesuchsgegnerin hat der Gesuchstellerin zudem eine Parteientschä- digung zu bezahlen (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Die Parteientschädigung wird nach dem Streitwert – vorliegend Fr. 35'684.70 (vgl. oben E. 1.2)– bemes- sen (vgl. § 3 AnwT; SAR 291.150). Ausgehend von einer Grundentschädi- gung von Fr. 6'872.15 (§ 3 Abs. 1 lit. a Ziff. 9 AnwT) resultiert nach Vor- nahme eines Summarabzugs von 75 % (§ 3 Abs. 2 AnwT) ein Betrag von Fr. 1'718.05. Damit sind insbesondere eine Rechtsschrift und die Teil- nahme an einer behördlichen Verhandlung abgegolten (vgl. § 6 Abs. 1 AnwT). Nach einem weiteren Abzug von 20 % wegen der nicht durchge- führten Verhandlung (§ 6 Abs. 1 AnwT), resultiert ein Betrag von Fr. 1'374.45. Nach Hinzurechnung einer Auslagenpauschale (§ 13 Abs. 1 AnwT) von praxisgemäss 3 % resultiert ein Betrag in Höhe von gerundet Fr. 1'415.00, den die Gesuchsgegnerin der Gesuchstellerin als Parteient- schädigung zu bezahlen hat. - 10 - Der Vizepräsident erkennt: 1. 1.1. In Gutheissung des Gesuchs vom 16. April 2019 wird die Gesuchsgegne- rin unter Androhung der Bestrafung ihrer Organe nach Art. 292 StGB ver- pflichtet, das von ihr benutzte Mietobjekt "Restaurant EG, B.-Strasse 21, M.", bis spätestens Freitag, 31. Mai 2019, 18:00 Uhr, ordnungsgemäss zu räumen, zu reinigen und zu verlassen. 1.2. Art. 292 StGB lautet: " Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft." 2. Der Gesuchstellerin wird das Recht eingeräumt, im Fall der Nichtbefolgung von Dispositiv-Ziff. 1 bei der Kantonspolizei Aargau, die Räumung auf Kos- ten der Gesuchsgegnerin zu verlangen. 3. Auf die Schadenersatzforderung der Gesuchsgegnerin wird nicht eingetre- ten. 4. Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 3'000.00 sind von der Gesuchsgegne- rin zu tragen und werden mit dem von der Gesuchstellerin geleisteten Kos- tenvorschuss in Höhe von Fr. 3'000.00 verrechnet. Die Gesuchsgegnerin hat die von ihr zu tragenden Gerichtskosten der Gesuchstellerin direkt zu ersetzen. 5. Die Gesuchsgegnerin hat der Gesuchstellerin deren Parteikosten in rich- terlich festgesetzter Höhe von Fr. 1'415.00 (inkl. Auslagen) zu ersetzen. Zustellung an: die Gesuchstellerin (Vertreter; zweifach mit Doppel der Eingabe der Gesuchsgegnerin vom 14. Mai 2019 [inkl. Beilage]) die Gesuchsgegnerin Mitteilung an: die Obergerichtskasse die Kantonspolizei Aargau - 11 - 1. Rechtsmittelbelehrung für die Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff., Art. 90 ff. BGG) Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen, von der schriftlichen Eröff- nung der vollständigen Ausfertigung des Entscheides an gerechnet, die Be- schwerde an das Schweizerische Bundesgericht erhoben werden. Die Beschwerde ist schriftlich oder in elektronischer Form beim Schweize- rischen Bundesgericht einzureichen. Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit An- gabe der Beweismittel und die Unterschriften bzw. eine anerkannte elekt- ronische Signatur zu enthalten. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht (Art. 95 ff. BGG) verletzt. Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in den Händen hat; ebenso ist der ange- fochtene Entscheid beizulegen (Art. 42 BGG). Aarau, 15. Mai 2019 Handelsgericht des Kantons Aargau 2. Kammer Der Vizepräsident: Der Gerichtsschreiber: Vetter Müller
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AG_HG_002
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AG_HG_002_-Handelsrecht-Zivilp_2019-05-15
https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/jb/dokumente_6/gesetze___entscheide/gesetze_2/handelsrecht/Entscheid_des_Handelsgerichts_vom_15._Mai_2019.pdf
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2007 Zivilprozessrecht 53 [...] 11 Art. 12 lit. a und i BGFA Wird vom Klienten keine detaillierte Rechnung verlangt, reicht es aus, wenn der Anwalt eine Schlussabrechnung ohne Details erstellt. Detaillierte Rechnungstellung erst eineinhalb oder zwei Monate, nachdem diese verlangt wurde, verletzt Art. 12 lit. i BGFA; Verzögerungen sind nur ausnahmsweise gerechtfertigt. 2007 Obergericht/Handelsgericht 54 Die Herausgabe von Akten nach Abschluss eines Verfahrens sollte auf Verlangen innerhalb von ca. 10 Tagen erfolgen; eine mehrwöchige Ver- spätung verstösst gegen Art. 12 lit. a BGFA. Entscheid der Anwaltskommission vom 18. Dezember 2007 i.S. M. H.
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http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2007-11.html
https://agve.weblaw.ch/pdf/AGVE-2007-11.pdf
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Urteil/Entscheid Handelsgericht 2. Kammer HSU.2019.81 / as / mv Art. 127 Entscheid vom 2. Juli 2019 Besetzung Oberrichter Vetter, Vizepräsident Gerichtsschreiber Schneuwly Gesuchstellerin H. AG, _ Gesuchsgegne- rin B. GmbH, _ vertreten durch Dr. iur. Reto Bieri, Rechtsanwalt, Jurastrasse 58, Postfach 2118, 5430 Wettingen Gegenstand Summarisches Verfahren betreffend Bauhandwerkerpfandrecht - 2 - Der Vizepräsident entnimmt den Akten: 1. Die Gesuchstellerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in K.(AG). Sie hat gemäss Handelsregister im Wesentlichen die Ausführung von Güter- und Muldentransporten [...] zum Zweck. 2. Die Gesuchsgegnerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in B. (AG). Sie bezweckt gemäss Handelsregister insbesondere die Tätigkeit als Generalunternehmung, [...]. 3. Die Gesuchsgegnerin ist Eigentümerin des Grdst.-Nr. 53 GB B. (vgl. Grund- buchauszug). 4. Mit Gesuch vom 21. Mai 2019 (Postaufgabe: 21. Mai 2019) stellte die Ge- suchstellerin folgende Rechtsbegehren: " Das Grundbuchamt B. sei anzuweisen, zulasten des Grundstücks in der Gemeinde K., Grundbuch- / Grundblatt-Nr. (siehe Beilage) Kataster-Nr. , zugunsten von der gesuchstellenden Partei ein für die Pfandsumme von CHF 119'420.3 nebst % Zins seit vorläufig als Vormerkung einzutragen. Die Anweisung sei superprovisorisch (d.h. sofort nach Eingang des Ge- suchs ohne Anhörung der Gegenpartei) zu verfügen und dem unverzüglich zur vorläufigen Eintragung im Grundbuch mitzuteilen. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Gegenpartei." 5. Mit Verfügung vom 22. Mai 2019 bestätigte der Vizepräsident den Parteien den Eingang des Gesuchs, wies das Gesuch um Erlass superprovisori- scher Massnahmen ab und setzte der Gesuchstellerin Frist bis 6. Juni 2019 zur Bezahlung des Kostenvorschusses in Höhe von Fr. 3'000.00 und der Gesuchsgegnerin zur Erstattung einer Gesuchsantwort Frist bis 6. Juni 2019. 6. Mit Verfügung vom 11. Juni 2019 setzte der Vizepräsident der Gesuchstel- lerin eine letzte, nicht erstreckbare Frist bis 17. Juni 2019 zur Leistung des Gerichtskostenvorschusses von Fr. 3'000.00 und der Gesuchsgegnerin eine letzte, nicht erstreckbare Frist bis 17. Juni 2019 zur Erstattung einer schriftlichen Antwort. - 3 - 7. Mit Gesuchsantwort vom 17. Juni 2019 stellte die Gesuchsgegnerin fol- gende Rechtsbegehren: " 1. Das Gesuch vom 21. Mai 2019 sei vollumfänglich abzuweisen, soweit eingetreten werden kann. 2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Gesuchstellerin." 8. In ihrer (freiwilligen) Stellungnahme vom 28. Juni 2019 stellte die Gesuch- stellerin folgende Rechtsbegehren: " 1. Das Grundbuchamt B. sei im Sinne von Art. 961 ZGB einstweilen , zugunsten der Gesuchstellerin ein Bauhandwerkerpfandrecht auf der Liegenschaft, Grundbuchblatt Nr. 53, Liegenschaft, Kataster 130, in der Gemeinde K., für eine Pfandsumme von CHF 119'420.30 Verzugszinsen von 5% ab dem 11. Juni 2019 im Grundbuch ; 2. Die Anweisung sei provisorisch zu verfügen und dem Grundbuchamt zur vorläufigen Eintragung im Grundbuch mitzuteilen. 3. Alles unter Koten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der ." - 4 - Der Vizepräsident zieht in Erwägung: 1. Zuständigkeit 1.1. Bei der vorläufigen Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts handelt es sich um einen Anwendungsfall des vorsorglichen Rechtsschutzes i.S.v. Art. 261 ff. ZPO.1 Für den Erlass superprovisorischer und vorsorglicher Massnahmen ist deshalb das Gericht am Ort, an dem die Zuständigkeit für die Hauptsache gegeben ist oder am Ort, wo die Massnahme vollstreckt werden soll, zwingend örtlich zuständig (Art. 13 ZPO). Für Klagen auf Er- richtung gesetzlicher Pfandrechte ist das Gericht am Ort, an dem das Grundstück im Grundbuch aufgenommen ist, zuständig (Art. 29 Abs. 1 lit. c ZPO). Das Grundstück des Gesuchsgegners, auf welchem die Gesuchstel- lerin ein Bauhandwerkerpfandrecht vorläufig eintragen lassen will, befindet sich in K. (AG). Die örtliche Zuständigkeit der aargauischen Gerichte ist gegeben. 1.2. Die sachliche Zuständigkeit des Einzelrichters am Handelsgericht für den Erlass superprovisorischer und vorsorglicher Massnahmen ergibt sich aus Art. 6 Abs. 2 ZPO i.V.m. Art. 6 Abs. 5 ZPO und § 13 Abs. 1 lit. a EG ZPO AG, da die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei betroffen ist, ge- gen den Entscheid – bei einem behaupteten Streitwert von Fr. 119'420.30 (vgl. Art. 51-53 BGG) – die Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesge- richt offen steht und die Parteien im schweizerischen Handelsregister ein- getragen sind. 1.3. Die Streitsache ist im summarischen Verfahren zu behandeln (Art. 248 lit. a i.V.m. Art. 249 lit. d Ziff. 5 ZPO). 2. Allgemeine Voraussetzungen der vorläufigen Eintragung 2.1. Die Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts setzt im Wesentlichen die Forderung eines Bauhandwerkers oder Unternehmers für die Leistung von Arbeit und allenfalls von Material zugunsten des zu belastenden Grundstücks sowie die Wahrung der viermonatigen Eintragungsfrist voraus (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 und 839 Abs. 2 ZGB). 2.2. Die Eintragungsvoraussetzungen sind im Verfahren betreffend vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts lediglich glaubhaft zu ma- chen. An diese Glaubhaftmachung werden zudem weniger strenge Anfor- 1 BGE 137 III 563 E. 3.3. - 5 - derungen gestellt, als es diesem Beweismass für vorsorgliche Massnah- men (Art. 261 ff. ZPO) sonst entspricht.2 Die vorläufige Eintragung darf nur verweigert werden, wenn der Bestand des Pfandrechts ausgeschlossen o- der höchst unwahrscheinlich erscheint. Im Zweifelsfall, bei unklarer Be- weis- oder Rechtslage, ist die vorläufige Eintragung zu bewilligen und die Entscheidung dem Richter im ordentlichen Verfahren zu überlassen.3 Letzt- lich läuft es darauf hinaus, dass der gesuchstellende Unternehmer nur die blosse Möglichkeit eines Anspruchs auf ein Bauhandwerkerpfandrecht nachzuweisen hat.4 3. Pfandsumme 3.1. Parteibehauptungen In ihrem Gesuch vom 21. Mai 2019 behauptet die Gesuchstellerin im Auf- trag von P.D., für das Grdst.-Nr. 46 GB B. folgende Leistung erbracht zu haben: "Entsorgung von Aushubmaterial / Material & Transporte" bzw. "Entsorgung von Inertmaterial inkl. Transport". In ihrer Stellungnahme vom 28. Juni 2019 erweitert die Gesuchstellerin diese Behauptungen wie folgt: Die Gesuchstellerin und die D. Bau-Group hätten mündlich vereinbart, dass die Gesuchstellerin das Material des Gebäudeabrisses und des Aushubs abtransportiere, da die D.-Group selbst nicht über solche Transportfahr- zeuge verfügt habe. Anfangs sei bei der Gesuchstellerin telefonisch wegen einer Mulde angefragt worden. Die Zusammenarbeit zwischen der Gesuch- stellerin und der D. Bau-Group habe funktioniert, weshalb die Materialen des Abrisses und Aushubs regelmässig abgeholt worden seien, bis schliesslich der Aushub rund um die Uhr abgeholt worden sei und der Aus- hub sowie die Entsorgung praktisch eine Einheit gebildet hätten (Stellung- nahme vom 28. Juni 2019 Rz. 6). Die Entsorgung dieser Baumaterialien sei eine nicht wegzudenkende Leistung gewesen, um die Aushubarbeiten voll- ständig zu erfüllen. Da die Werkvertragspartnerin der Gesuchsgegnerin nicht in der Lage gewesen sei, diese Arbeiten selbständig zu erfüllen, seien die Leistungen der Gesuchstellerin notwendig gewesen, um den Werkver- trag zu erfüllen. Die Aushubarbeiten sowie der Abtransport dieses Materials würden eine funktionelle Einheit bilden (Stellungnahme vom 28. Juni 2019 Rz. 9). Der Standpunkt der Gesuchsgegnerin, dass gemäss vorherrschen- der Meinung der Lehre ausschliessliche Entsorgungsarbeiten nicht bau- pfandberechtigt seien, sei falsch. Sofern Abbruch und Entsorgung eine funktionale Einheit bilden, seien auch Entsorgungsarbeiten pfandberechtigt (Stellungnahme vom 28. Juni 2019 Rz. 16). 2 BGE 137 III 563 E. 3.3; 86 I 265 E. 3; vgl. auch SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, 3. Aufl. 2008, N. 1394; BSK ZGB II-THURNHERR, 5. Aufl. 2015, Art. 839/840 N. 37. 3 BGE 102 Ia 81 E. 2b.bb; 86 I 265 E. 3; BGer 5A_426/2015 vom 8. Oktober 2015 E. 3.4; 5A_924/2014 vom 7. Mai 2015 E. 4.1.2; SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, Ergänzungsband zur 3. Aufl., 2011, N. 628. 4 SCHUMACHER (Fn. 2), N. 1395. - 6 - Die Gesuchsgegnerin stellt sich auf den Standpunkt, dass die von der Ge- suchstellerin geleisteten Arbeiten nicht baupfandberechtigt seien. Die Ge- suchstellerin habe lediglich Mulden zur Verfügung gestellt, damit diverses Baumaterial (Inertstoffe, Holzabfälle, Aushub, Kies, Sand etc.) habe ent- sorgt werden können. Diese Mulden seien regelmässig von der Gesuch- stellerin abgeholt und ausgetauscht worden. Dabei handle es sich lediglich um Entsorgungs- und Abtransportarbeiten. Diese seien für sich alleine nicht baupfandberechtigt. Die Leistung anderer bauhandpfandberechtigten Leis- tungen oder die Lieferung von Material, die mit diesen nicht baupfandbe- rechtigten Arbeiten im Zusammenhang stehen würden, mache die Gesuch- stellerin nirgends geltend. Die Gesuchstellerin habe daher keinen bauli- chen Mehrwert geschaffen, der zu einem Bauhandwerkerpfandrecht be- rechtigen würde (Gesuchsantwort Rz. 5 f.). 3.2. Rechtliches Pfandberechtigt sind die Forderungen der Handwerker oder Unternehmer, die auf einem Grundstück zu Bauten oder anderen Werken, zu Abbruchar- beiten, zum Gerüstbau, zur Baugrubensicherung oder dergleichen Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB). Hat ein Unternehmer sowohl Arbeit als auch Material zu liefern, ist beides bzw. ist die gesamte Vergütungsforderung des Unternehmers pfandbe- rechtigt, unabhängig davon, ob es sich beim Material um vertret- oder un- vertretbare Sachen handelt.5 Für blosse Materiallieferungen oder intellek- tuelle Arbeitsleistungen kann hingegen kein Bauhandwerkerpfandrecht ein- getragen werden.6 Nicht pfandrechtsberechtigt sind auch Transporte, Ent- sorgungsarbeiten oder Ladearbeiten für Transporte.7 Werden solche für sich allein nicht pfandberechtigte Leistungen zusammen mit pfandberech- tigten Bauarbeiten von ein und demselben Unternehmer erbracht und wenn sie entweder mit den ohnehin pfandberechtigten Bauarbeiten eine funktio- nale Einheit bilden oder nebensächliche Leistungen sind, sind sie ebenfalls pfandberechtigt.8 3.3. Würdigung Die von der Gesuchstellerin geleisteten Transport- und Entsorgungsarbei- ten sind für sich allein nicht baupfandberechtigt i.S.v. Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB. Die von der Gesuchstellerin behauptete funktionale Einheit zwischen den Abbruch- bzw. Aushubarbeiten auf dem Grdst.-Nr. 53 GB B. und den entsprechenden Transport- sowie Entsorgungsarbeiten genügt – selbst wenn diese bestünde – nicht, um die von ihr ausgeführten Transport- und Entsorgungsarbeiten als baupfandberechtigt i.S.v. Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 5 SCHUMACHER (Fn. 2), N. 295. 6 BGE 136 III 6 E. 5.2; vgl. BSK ZGB II-THURNHERR (Fn. 2) Art. 839/840 N. 4. 7 BSK ZGB II-THURNHERR (Fn. 2), Art. 839/840 ZGB N. 6; THURNHERR, ZBGR, 2012, S. 79 f.; SCHU- MACHER (Fn. 2), N. 326. 8 HGer ZH HE150087 vom 4. Mai 2015 E. 6.3; SCHUMACHER (Fn. 2), N. 327; STREIFF, Das neue Bauhandwerkerpfandrecht, 2011, S. 39. Vgl. auch BGE 136 III 6 E. 5.3 - 7 - ZGB zu qualifizieren, da die Arbeitsleistungen nicht von ein und demselben Unternehmer erbracht worden sind. Die von der Gesuchstellerin zu Gunsten von P.D. bzw. der D. Group ge- leisteten Transport- und Entsorgungsarbeiten sind daher nicht pfandbe- rechtigt. Der Bestand des beantragten Pfandrechts ist ausgeschlossen. Das Gesuch um vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts auf dem Grdst.-Nr. 53 GB B. zu Gunsten der Gesuchstellerin ist daher ab- zuweisen. 4. Prozesskosten Die Prozesskosten, bestehend aus Gerichtskosten und Parteientschädi- gung, werden der unterliegenden Partei auferlegt (Art. 95 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 1 ZPO). Ausgangsgemäss sind sie von der Gesuchstellerin zu tragen. 4.1. Unter Berücksichtigung des verursachten Aufwands sowie des Umfangs der Streitigkeit werden die Gerichtskosten auf Fr. 3'000.00 festgesetzt (§ 8 VKD; SAR 221.150). Gestützt auf Art. 111 Abs. 1 Satz 1 ZPO werden sie vorab mit dem von der Gesuchstellerin geleiseten Gerichtskostenvor- schuss in Höhe von Fr. 3'000.00 verrechnet. 4.2. Die Gesuchstellerin hat Gesuchsgegnerin zudem eine Parteientschädi- gung zu bezahlen (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Die Parteientschädigung wird nach dem Streitwert – vorliegend Fr. 119'420.30 – bemessen (vgl. § 3 AnwT; SAR 291.150). Ausgehend von einer Grundentschädigung von Fr. 14'817.85 (§ 3 Abs. 1 lit. a Ziff. 9 AnwT) resultiert nach Vornahme eines Summarabzugs von 75 % (§ 3 Abs. 2 AnwT) ein Betrag von Fr. 3'704.45. Damit sind insbesondere eine Rechtsschrift und die Teilnahme an einer behördlichen Verhandlung abgegolten (vgl. § 6 Abs. 1 AnwT). Nach einem weiteren Abzug von 20 % wegen der nicht durchgeführten Verhandlung (§ 6 Abs. 2 AnwT) resultiert ein Betrag in Höhe von Fr. 2'963.55. Nach Hinzu- rechnung einer Auslagenpauschale (§ 13 Abs. 1 AnwT) von praxisgemäss 3 % resultiert ein Betrag in Höhe von gerundet Fr. 3'050.00, den die Ge- suchstellerin der Gesuchsgegnerin als Parteientschädigung zu bezahlen hat. Ein Mehrwertsteuerzuschlag entfällt bereits mangels Antrags (vgl. Art. 58 Abs. 1 ZPO). - 8 - Der Vizepräsident erkennt: 1. Das Gesuch vom 21. Mai 2019 wird abgewiesen. 2. 2.1. Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 3'000.00 sind von der Gesuchstellerin zu tragen und werden mit dem von ihr geleisteten Gerichtskostenvorschuss in Höhe von Fr. 3'000.00 verrechnet. 2.2. Die Gesuchstellerin hat der Gesuchsgegnerin deren Parteikosten in rich- terlich festgesetzter Höhe von Fr. 3'050.00 (inkl. Auslagen) zu ersetzen. Zustellung an: die Gesuchstellerin die Gesuchsgegnerin (Vertreter; zweifach mit Kopie der Stellung- nahme vom 28. Juni 2019) Rechtsmittelbelehrung für die Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff., Art 90 ff. BGG) Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen, von der schriftlichen Eröff- nung der vollständigen Ausfertigung des Entscheids an gerechnet, die Be- schwerde an das Schweizerische Bundesgericht erhoben werden. Die Beschwerde ist schriftlich oder in elektronischer Form beim Schweize- rischen Bundesgericht einzureichen. Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit An- gabe der Beweismittel und die Unterschriften bzw. eine anerkannte elekt- ronische Signatur zu enthalten. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid verfassungsmässige Rechte (Art. 98 ff. BGG) verletzt. Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in den Händen hat; ebenso ist der angefochtene Entscheid beizulegen (Art. 42 BGG). - 9 - Aarau, 2. Juli 2019 Handelsgericht des Kantons Aargau 2. Kammer Der Vizepräsident: Der Gerichtsschreiber: Vetter Schneuwly
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AG_HG_002
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2,012
de
2012 Strafprozessrecht 55 V. Strafprozessrecht 8 Art. 382 StPO - Die Frage der Verwertbarkeit von Verfahrenshandlungen bzw. Be- weisabnahmen ist Bestandteil der richterlichen Beweiswürdigung. Sachlich zuständig zur Beurteilung dieser Frage sind das ordentliche Gericht im Hauptverfahren sowie allenfalls in der Folge das Beru- fungsgericht. Die Beschwerdekammer ist jedoch unzuständig (E.2.2.). - Auf eine Beschwerde kann nur eingetreten werden, sofern und so- lange der Beschwerdeführer ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheides hat. Verneint, so- lange ohne Rechtsnachteil direkt bei der verfahrensleitenden Staats- anwaltschaft die Wiederholung einer Einvernahme unter Wahrung der Teilnahmerechte sowie im Zusammenhang mit einem Gutachten Stellungnahmen eingereicht und Ergänzungsfragen beantragt wer- den können (E. 2.3.3.2.). Aus dem Entscheid des Obergerichts, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 10. Januar 2012 i.S. I. S. gegen Staatsanwaltschaft Rheinfelden- Laufenburg (SBK.2011.255) Aus den Erwägungen 2. 2.1. In Ziffer 2 der Beschwerde stellt die Beschwerdeführerin den Antrag, dass sämtliche bereits ergangenen Verfahrenshandlungen bzw. Beweisabnahmen für nicht verwertbar zu erklären bzw. zu wie- derholen seien. 2012 Obergericht 56 2.2. Die Frage der Verwertbarkeit von Verfahrenshandlungen bzw. Beweisabnahmen ist Bestandteil der richterlichen Beweiswürdigung und fällt somit auf den Zeitpunkt der Ausfällung des Sachurteils durch das Gericht. Sachlich zuständig zur Beurteilung dieser Frage ist folglich in erster Linie das erstinstanzliche Gericht im Hauptver- fahren sowie allenfalls in der Folge das Berufungsgericht. Auch diesbezüglich ist daher auf die Beschwerde nicht einzutreten. 2.3. [...] 2.3.2. Es trifft zu, dass die Staatsanwaltschaft im Laufe des Strafver- fahrens verschiedene Verfahrensgrundsätze verletzt hat. Insbesondere wurde der Beschwerdeführerin vor der Erteilung des Expertisenauf- trags vom 5. September 2011 an das Strassenverkehrsamt des Kan- tons Aargau sowie des Gutachterauftrags vom 19. September 2011 an die Universität Bern, Institut für Rechtsmedizin, keine Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt und damit der von Art. 184 Abs. 3 StPO garantierte Anspruch auf rechtliches Gehör missachtet. Weiter wurde das vom 8. September 2011 datierte Ergebnis des Expertisenauftrags an das Strassenverkehrsamt der Beschwerdeführerin nicht zur Stellungnahme zugestellt, wie dies Art. 188 StPO von der Verfah- rensleitung verlangt. Schliesslich wurde auch das der Beschwerde- führerin zustehende Teilnahmerecht gemäss Art. 312 Abs. 2 i.V.m. Art. 147 Abs. 1 StPO verletzt, da die Beschwerdeführerin nicht über die geplante Einvernahme der Mutter der Beschwerdeführerin am 26. September 2011 orientiert wurde und in der Folge nicht daran teilnehmen konnte. 2.3.3. 2.3.3.1. Unabhängig von der materiellen Beurteilung kann jedoch nur auf eine Beschwerde eingetreten werden, sofern und solange die Beschwerdeführerin ein rechtlich geschütztes Interesse an der Auf- hebung oder Änderung eines Entscheides hat (Art. 382 Abs. 1 StPO). Vorausgesetzt ist dabei, dass die betreffende Person durch die ange- fochtene Verfahrenshandlung unmittelbar in ihren Rechten betroffen, 2012 Strafprozessrecht 57 d.h. beschwert ist (L IEBER , in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO), Zürich 2010, N. 7 zu Art. 382 StPO; S CHMID , Handbuch des Schweizerischen Strafprozessrechts, 2009, Rz. 1458). Die Beschwer muss im Zeitpunkt des Rechtsmittelent- scheides noch gegeben sein; es sei denn, es besteht ein öffentliches Interesse an der Beurteilung des Rechtsmittels, weil sich in Zukunft wieder eine ähnliche Situation ergeben könnte, ohne dass im Einzel- fall rechtzeitig eine richterliche Prüfung möglich wäre (Z IEGLER , in: Basler Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2011, N. 2 zu Art. 382 StPO; L IEBER , a.a.O., N. 13 zu Art. 382 StPO; S CHMID , a.a.O.). 2.3.3.2. Vorliegend ist die Aktualität des Rechtsschutzinteresses vollum- fänglich zu verneinen, da die anwaltlich vertretene Beschwerdeführe- rin jederzeit bei der Staatsanwaltschaft ihre vor der obergerichtlichen Beschwerdekammer in Strafsachen gestellten Anträge ohne Rechts- nachteil wiederholen kann. Namentlich steht es ihr offen, die Stellung von Ergänzungsfragen zu den Gutachten zu beantragen (worauf sie die Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Gutachterauftrags vom 19. September 2011 auch bereits hingewiesen hat) sowie Stellung zum Ergebnis des Strassenverkehrsamts des Kantons Aar- gau zu nehmen. Ebenfalls besteht die Möglichkeit, die Wiederholung der Einvernahme der Mutter der Beschwerdeführerin unter Wahrung der Teilnahmerechte zu verlangen. Schliesslich ist ein aktuelles Rechtsschutzinteresse auch bei der von der Beschwerdeführerin ge- rügten verweigerten Akteneinsicht zu verneinen, da die fraglichen Akten der Beschwerdeführerin unbestrittenermassen mit Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 19. September 2011 zugestellt wurden. Da zudem keine Anzeichen ersichtlich sind, wonach die Vorausset- zungen für ein ausnahmsweises Absehen vom Erfordernis des ak- tuellen Rechtsschutzinteresses vorliegen könnten, ist auch auf den Antrag um Wiederholung von Verfahrenshandlungen bzw. Beweis- abnahmen nicht einzutreten.
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AG_HG_001
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2012-8_2012-01-10
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AGVE_2012_8
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2,012
de
2012 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht 27 I. Schuldbetreibungs- und Konkursrecht 1 Art. 80 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG. Definitive Rechtsöffnung gestützt auf von der Vormundschaftsbehörde genehmigte Unterhaltsverträge (Praxisände- rung). Aus dem Entscheid des Obergerichts, 4. Zivilkammer, vom 26. September 2012 in Sachen Einwohnergemeinde der Stadt Thun gegen S. F. (ZSU.2012.222) Aus den Erwägungen 2.3. Indessen ist als Rechtsfrage unabhängig von den Anträgen der Parteien von Amtes wegen zu entscheiden, ob definitive oder provi- sorische Rechtsöffnung zu erteilen ist (Art. 57 ZPO; AGVE 2005 Nr. 5 S. 35 Erw. 4b). Ist definitive Rechtsöffnung verlangt worden, kann provisorische bewilligt werden und umgekehrt kann definitive Rechtsöffnung bewilligt werden, wenn provisorische verlangt wor- den ist (Staehelin, in: Staehelin/Bauer/Staehelin [Hrsg.], Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs I, 2. Aufl. 2010, Art. 84 N. 39). In dieser Frage gilt von Bundesrechts wegen die Offizialmaxime (Staehelin, a.a.O., Art. 84 N. 38) und der Richter hat diejenige Rechtsöffnung zu erteilen, welche dem Titel entspricht (Stücheli, Die Rechtsöffnung, Diss. 2000, S. 126). Vor In- krafttreten der Schweizerischen Zivilprozessordnung und der damit einhergehenden Änderung von Art. 80 SchKG berechtigten von der Vormundschaftsbehörde genehmigte Unterhaltsverträge nicht zur definitiven Rechtsöffnung, weil die Vormundschaftsbehörde keine gerichtliche Instanz ist und der Wortlaut von altArt. 80 Abs. 2 Ziff. 3 SchKG nur Verfügungen kantonaler Verwaltungsbehörden über öffentlich-rechtliche Verpflichtungen den gerichtlichen Entscheiden 2012 Obergericht 28 gleichgestellt hatte (AGVE 2002 Nr. 7 S. 49; Stücheli, a.a.O., S. 259 f.). Mit dem neuen Art. 80 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG wurden alle Verfü- gungen schweizerischer Verwaltungsbehörden den gerichtlichen Ent- scheiden gleichgestellt, auch wenn sie zivilrechtliche Verpflichtun- gen betreffen. Folglich kann unter neuem Recht auch bei von der Vormundschaftsbehörde genehmigten Unterhaltsverträgen definitive Rechtsöffnung erteilt werden (Staehelin, a.a.O., Art. 80 N. 24). Inso- weit ist der angefochtene Entscheid nicht zu beanstanden.
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AG_HG_001
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2012-1_2012-09-04
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AGVE_2012_1
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de
2007 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht 29 II. Schuldbetreibungs- und Konkursrecht 3 § 80 ff. SchKG; Rechtsöffnung Der Rechtsöffnungsrichter darf nur dann von einer ordnungsgemässen Eröffnung des dem Rechtsöffnungsverfahren zugrundeliegenden Ent- scheides ausgehen, wenn nicht Umstände vorliegen, welche die Annahme einer solchen ausschliessen. Massgebend ist dabei der rechtzeitig einge- brachte Sachverhalt. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 3. Zivilkammer, vom 18. Dezember 2006, i.S. A., E.E. ca. A.P. Aus den Erwägungen 2.1. (...) Ist der Beklagte mit der Antwort im erstinstanzlichen Verfahren säumig, stellt sich die Frage, wie der Rechtsöffnungsrich- ter dieses Verhalten prozessrechtlich zu würdigen hat und welche Konsequenzen sich daraus insbesondere für die Frage der ordnungs- gemässen Eröffnung des der Rechtsöffnung zugrundeliegenden Ent- scheides ergeben. Die Folgen der Säumnis richten sich dabei nach kantonalem Prozessrecht (Stücheli, Die Rechtsöffnung, Zürich 2000, S. 141). Nach § 296 ZPO (§ 301 ZPO i.V.m. § 23 EG SchKG) ist grundsätzlich anzunehmen, dass der Beklagte die Sachdarstellung des Klägers anerkennt und auf Einreden verzichtet. Voraussetzung für den Eintritt der Säumnisfolgen ist, dass diese dem Beklagten angedroht wurden. Die Säumnisfolge besteht sodann nicht etwa darin, dass das Begehren des Klägers unbesehen zugesprochen wird; die Rechtsanwendung erfolgt von Amtes wegen (Bühler/Edelmann/ Killer, Kommentar zur Aargauischen Zivilprozessordnung, Aarau 1998, N 1 zu § 296 ZPO). Der Rechtsöffnungsrichter hat daher von Amtes wegen das Vorliegen eines tauglichen Titels zu prüfen (Stü- cheli, a.a.O., S. 141). Er darf bei Säumigkeit des Beklagten nur dann 2007 Obergericht/Handelsgericht 30 von der ordnungsgemässen Eröffnung des Entscheides ausgehen, wenn nicht Umstände vorliegen, welche die Annahme einer solchen ausschliessen. 2.2. Mit Verfügung vom 22. August 2006, die dem Beklagten am 24. August 2006 zugegangen ist, wurde dieser im vorinstanzli- chen Verfahren aufgefordert, innert zehn Tagen eine schriftliche Stel- lungnahme zum Rechtsöffnungsbegehren einzureichen mit der An- drohung, dass im Falle der Säumnis Anerkennung der Sachdarstel- lung des Klägers und Verzicht auf Einreden angenommen werde. Der Beklagte liess sich erst mit am 6. September 2006 der Post überge- bener Eingabe vom 4. September 2006 und damit verspätet verneh- men. In seiner Stellungnahme machte er geltend, die Steuerveranla- gung 2003, für welche die Kläger vorliegend Rechtsöffnung verlan- gen, sei weder ihm noch seinem Steuervertreter zugestellt worden. Der Einwand des Beklagten, die Steuerveranlagung 2003 sei ihm nicht zugestellt worden, erfolgte verspätet und kann nicht mehr berücksichtigt werden. Die Vorinstanz durfte bei dieser Sachlage da- von ausgehen, die Zustellung sei erfolgt, nachdem aus dem rechtzei- tig eingebrachten Sachverhalt keine Umstände ersichtlich sind, wel- che auf eine mangelhafte Eröffnung des Entscheides schliessen las- sen.
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AG_HG_001
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2007-3_2006-12-03
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AGVE_2007_3
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2001 Zivilprozessrecht 49 III. Zivilprozessrecht A. Zivilprozessordnung 9 §§ 16 und 19 ZPO; §§ 3 Abs. 1 und 4 AnwT. Bemessung des Grundhono- rars in Scheidungssachen. - Der in der Klage respektive Widerklage festgelegte Streitwert bleibt grundsätzlich für das ganze Verfahren massgebend, unabhängig da- von, ob die Parteien in dessen Verlauf eine Scheidungskonvention ab- schliessen. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 25. Oktober 2001. Aus den Erwägungen 3. In seiner Beschwerde vom 7. März 2001 beantragt der Be- schwerdeführer die Zusprechung eines (streitwertabhängigen) Hono- rars von total Fr. 14'015.85 statt des angewiesenen Honorars von Fr. 5'297.--. Strittig und im vorliegenden Verfahren vorab zu prüfen ist die Frage, ob es sich vorliegend um eine vermögensrechtliche Streitsache gemäss § 3 Abs. 1 lit. a AnwT oder um eine solche ohne vermögensrechtliche Wirkungen gemäss § 3 Abs. 1 lit. b AnwT handelt. a) Familienrechtliche Prozesse, wie eine Scheidungsklage, sind grundsätzlich nicht vermögensrechtliche Angelegenheiten (Hab- scheid Walther, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorgani- sationsrecht, 2.A. Basel 1990, N. 783). Aus einer familienrechtlichen Beziehung kann ein Vermögensrecht entstehen, welches als Neben- folge des Gestaltungsurteils geregelt wird, wie der Unterhaltsan- spruch oder die güterrechtlichen Ansprüche. Der aargauische An- waltstarif sieht in § 3 Abs. 1 lit. d ausdrücklich vor, dass die Festset- zung familienrechtlicher Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge als nicht vermögensrechtliche Streitsache gilt, währenddem für güter- 2001 Obergericht/Handelsgericht 50 rechtliche Ansprüche lit. a und c zur Anwendung kommen, wonach sich das Honorar nach dem Streitwert bemisst. b) Gemäss § 4 Abs. 1 AnwT sowie § 16 und 19 ZPO bestimmt sich der Streitwert grundsätzlich nach den gestellten Begehren in der Klage respektive Widerklage (Guldener M., Schweizerisches Zivil- prozessrecht, 3. A. Zürich 1979, S. 109 f.). Vorliegend verlangten beide Parteien in ihren Rechtsbegehren, es sei die güterrechtliche Auseinandersetzung vorzunehmen, ohne hierzu konkrete Anträge zu stellen (Klagebegehren, Ziff. 7 / Widerklagebegehren Ziff. 7). Daraus darf nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass keine vermögens- rechtliche Streitsache vorliegt, geht doch sowohl aus den Anträgen als auch den Ausführungen in Klage und Widerklage eindeutig her- vor, dass beide Parteien güterrechtliche Ansprüche erhoben und diese streitig waren. c) Die Vorinstanz vertritt im Weiteren die Ansicht, aufgrund des Abschlusses einer Scheidungskonvention zwischen den Parteien, worin sie sich als beim damaligen Besitzstand güterrechtlich ausein- andergesetzt erklärten, sei die vermögensrechtliche Natur der Streit- sache vorliegend entfallen. Wie oben ausgeführt, ist für die Streit- wertberechnung auf die in der Klage respektive Widerklage gestell- ten Begehren abzustellen. Der damit festgelegte Streitwert bleibt grundsätzlich für den ganzen Prozess massgebend, Teilanerkennun- gen, -rückzüge oder -vergleiche sind ohne Einfluss auf die Streit- wertberechnung (Bühler/Edelmann/Killer, Kommentar zur aargaui- schen Zivilprozessordnung, Aarau/Frankfurt a.M./Salzburg 1998, N 6 zu §§ 16/17). Dies entspricht auch dem Sinn von § 4 Abs. 1 AnwT, der auf die beim Prozessbeginn gestellten Begehren abstellt. Somit kann es für die Streitwertberechnung nicht darauf ankommen, ob die Parteien sich im Verlauf des Prozesses über die streitigen An- sprüche einigen. Mit Ziff. 6 der Scheidungskonvention (act. 93) er- klärten die Parteien denn auch lediglich, dass sie sich über ihre güter- rechtlichen Ansprüche geeinigt haben, und nicht, dass diese nicht bestanden hätten, weil nichts (mehr) zu teilen gewesen wäre. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es sich vorliegend um eine vermögensrechtliche Streitsache handelt und das Honorar des 2001 Zivilprozessrecht 51 Beschwerdeführers sich demgemäss grundsätzlich nach dem Streit- weit berechnet, unter Vorbehalt von § 3 Abs. 1 lit. c AnwT.
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AG_HG_001
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2001-9_2001-10-25
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2,009
de
2009 Anwaltsrecht 51 [...] 8 Art. 12 lit. a BGFA Verbot des Direktkontakts mit anwaltlich vertretener Gegenpartei; gilt nicht absolut, sondern ist unter Würdigung aller Umstände zu handha- ben. Zulässigkeit des Direktkontakts, wenn Gegenpartei Kontakt selber sucht sowie bei anderen triftigen Gründen, z.B. bei zeitlicher Dringlich- keit. Entscheid der Anwaltskommission vom 17. September 2009 i.S. W. (AVV.2009.18).
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AG_HG_001
AG_HG
AG
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AG_HG_001_AGVE-2009-8_2009-09-17
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2,012
de
2012 Obergericht 38 [...] 5 § 14 EG BGFA Kostenauflage zu Lasten Anzeiger bei mutwilliger Anzeige: - Kostenauflage bei Anzeige gegen einen am Verfahren offensichtlich nicht (mehr) beteiligten Anwalt. - Mutwillige Prozessführung liegt vor, wenn der Anzeiger die Anzeige auf einen Sachverhalt abstützt, von dem er weiss oder bei zumutba- rer Sorgfalt wissen müsste, dass er unzutreffend ist. Erhebung einer aussichtslosen Beschwerde stellt für sich noch keine mutwillige Be- schwerdeführung dar, es bedarf eines zusätzlichen subjektiven, ta- delnswerten Elementes. Entscheide der Anwaltskommission vom 26. September 2012 (AVV.2012.3 und AVV.2012.4
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AG_HG_001
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2012-5_2012-09-26
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2,003
de
2003 Zivilrecht 35 C. Nachbarrecht 5 § 88 f. EG ZGB; Nachbarrecht; Abstandsvorschriften Messweise: Bei Hanglagen ist die Pflanzenhöhe stets vom ursprünglich gewachsenen Terrain am Standort der Pflanze aus zu messen (Erw. 1/b; Präzisierung von AGVE 1956 Nr. 5 S. 30). Rechtsschutzinteresse: Der Nachbar kann ohne Nachweis einer Überschreitung der zulässigen Höhe nicht generell verpflichtet werden, seine Pflanzen unter der Schere zu halten (Erw. 1/d). Aus dem Entscheid des Obergerichts, 3. Zivilkammer, vom 28. April 2003, i.S. D.E. ca. B. u. G.B. Aus den Erwägungen: 1. b) Im Kanton Aargau sind die je nach Pflanzenhöhe unterschiedlichen Abstandsvorschriften für Bäume und Hecken in den §§ 88 und 89 EGZGB statuiert. Aus deren Wortlaut ergibt sich nicht ausdrücklich, ob für die Bestimmung der Höhe einer Pflanze das tatsächliche Bodenniveau oder das mutmassliche Niveau des ursprünglich gewachsenen Bodens relevant ist und ob auch ein allfälliger Niveauunterschied zwischen den Grundstücken zu be- rücksichtigen ist. Auch aus den einschlägigen Materialien (Botschaft des Regierungsrates an den Grossen Rat von 1910, 1. und 2. Beratung des Grossen Rates von 1910 und 1911, Grossratsprotokoll von 1910) ergibt sich nichts dazu. Die Lehre und Rechtsprechung behandeln die Frage kontrovers: Nach herrschender Meinung ist die Höhe einer Pflanze nur dann von ihrem Fuss aus zu messen, wenn es sich um natürlich gewachsenen Boden handelt. Wurde der Boden dagegen künstlich aufgeschüttet, soll nicht das aufgeschüttete, sondern das mutmassliche Niveau des ursprünglich gewachsenen Bodens am Standort der Pflanze massgebend sein. Die Höhe der künstlichen Aufschüttung wird somit 2003 Obergericht/Handelsgericht 36 zur Höhe der Pflanze hinzugerechnet (PKG 1996 Nr. 16; Roos, Pflanzen im Nachbarrecht, Zürich 2002, S. 204 m.w.H.; a.A. EGVSZ 1990 S. 124, wo die Höhe vom aufgeschütteten Terrain aus gemessen wurde). Auch die in AGVE 1956 Nr. 5 S. 30 vertretene Auffassung, wonach die Pflanzenhöhe vom gewachsenen Boden des angrenzen- den Grundstückes aus zu messen ist, wenn der Nachbar seinen Garten durch Aufschüttungen erhöht und auf dem aufgeschütteten Boden einen Grünhag an die Grenze gesetzt hat, folgt diesem Ansatz. An dieser Praxis ist im Grundsatz festzuhalten. Die Regeste von AGVE 1956 Nr. 5 S. 30 bedarf aber insofern der Präzisierung, als sie ausführt, die Pflanzenhöhe sei vom Boden des Nachbargrundstückes aus zu messen. Im damals beurteilten Fall trennte die Aufschüttung mit der darauf gepflanzten Hecke zwei benachbarte Grundstücke ohne natürliche Niveauunterschiede. Aus Praktikabilitätsgründen konnte daher die Pflanzenhöhe vom Nachbargrundstück aus gemes- sen werden, da dieses das ursprüngliche Bodenniveau widerspiegel- te. Diese Messweise lässt sich aber nicht auf Hanglagen übertragen, da ansonsten die natürlichen Niveauunterschiede unberücksichtigt blieben. Bei Hanglagen ist die Pflanzenhöhe daher stets vom ursprünglich gewachsenen Terrain am Standort der Pflanze aus zu messen (so auch Roos, a.a.O., S. 203; PKG 1996 Nr. 16). Andernfalls wäre es ein Leichtes, die kantonalen Abstandsvorschriften zu umgehen. Die Handhabung dieser Lösung dürfte auch keine unüber- windbaren Schwierigkeiten bereiten, da das natürlich gewachsene Terrain häufig in Bauplänen ausgewiesen oder anhand der Um- gebung zu schätzen ist (vgl. Roos, a.a.O., S. 206). Anzumerken bleibt, dass dem Kläger der Nachweis eines für ihn günstigeren Terrainverlaufs obliegt. (...) d) Die Vorinstanz hat die Beklagten verpflichtet, die Föhren auf der Böschung ihres Grundstückes jeweils auf das gesetzliche Mass zurückzuschneiden, obwohl sie (...) zum Schluss kam, es liege keine Verletzung der nachbarrechtlichen Grenzabstandsvorschriften vor. Die Beklagten generell - d.h. ohne Vorliegen einer konkret zu beseiti- genden Überschreitung der Maximalhöhe - zu verpflichten, die Föh- ren und den Busch unter der Schere zu halten, ist aber mangels 2003 Zivilrecht 37 Rechtsschutzinteresses nicht zulässig. Der Kläger hat keinen An- spruch auf eine solche richterliche Anweisung an die Beklagten, wenn sich diese bislang rechtskonform verhalten haben.
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AG_HG_001
AG_HG
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Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2003-5_2003-04-03
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2002 Strafprozessrecht 95 [...] 32 Ablehnungsbegehren Wird ein offensichtlich unbegründetes Ablehnungsbegehren gegen das gesamte Obergericht gestellt, so kann die Verwaltungskommission na- mens des Obergerichts selber den Nichteintretensentscheid erlassen. Aus dem Entscheid der Verwaltungskommission vom 19. Juni 2002 i.S. R. gegen das Obergericht des Kantons Aargau Aus den Erwägungen 2. a) Wird von einer Partei im Rahmen eines Strafverfahrens ein Ablehnungsgrund gegen eine Mehrzahl von Oberrichtern einer Kammer oder Kommission geltend gemacht, so entscheidet gemäss § 43 Abs. 3 Ziff. 3 StPO i.V.m. § 36 Abs. 2 lit. a GOD über den Aus- 2002 Obergericht/Handelsgericht 96 tritt die Verwaltungskommission des Obergerichtes. Soweit sich das Ablehnungsbegehren des Gesuchstellers gegen die Beschwerdekam- mer in Strafsachen richtet, ist die Verwaltungskommission zu dessen Beurteilung gesetzlich zuständig. b) Wird, wie vorliegend, das ganze Obergericht in corpore ab- gelehnt, so kann das diesbezügliche Ausstandsgesuch im Prinzip nicht durch die vom Ablehnungsbegehren betroffenen Mitglieder des Obergerichts behandelt werden (vgl. § 43 Abs. 4 StPO). Gemäss Ei- chenberger (Rechtsgutachten über Fragen der Ablehnung des gesam- ten Obergerichts des Kantons Aargau in Strafsachen, Februar 1998, S. 23) ist allerdings nicht auszuschliessen, dass das ordentliche Ge- samtgericht selbst eine Ablehnung verwirft, falls sich diese (zufolge Willkür, Unernst, Überempfindlichkeit, Verfolgungsdrang, Verzöge- rungstaktik oder Ähnlichem) als vollkommen unernst und rechts- missbräuchlich erweist, sodass die Bremsung des geradlinigen Ver- laufs der Justiz durch die Konstituierung einer ad-hoc-Richterbank unerträglich würde. c) Auch das Bundesgericht hat in BGE 105 Ib 303 f. festge- stellt, dass Ausstandsbegehren nicht zur vorläufigen Ausschaltung der Rechtspflege und damit Lahmlegung der Justiz missbraucht wer- den dürften. Ein derartiges Ablehnungsbegehren sei unzulässig, wes- halb es an einer Voraussetzung für die Durchführung des Ausstands- verfahrens fehle. Da dieser Entscheid keiner Ermessensausübung be- dürfe, könne die in der Sache zuständige Gerichtsabteilung selbst feststellen, dass keine nach Massgabe des Gesetzes geeigneten Aus- standsgründe geltend gemacht würden und dass damit die Eintretens- voraussetzung für ein Ausstandsverfahren fehle. Dieser Abteilung könnten zudem auch Richter angehören, die vom Ablehnungsbegeh- ren betroffen seien. 3. (...) c) Somit kann festgestellt werden, dass ein tauglicher Ableh- nungsgrund gar nicht glaubhaft vorgebracht wurde. Angesichts der offensichtlichen Haltlosigkeit des Ablehnungsbegehrens muss dessen Geltendmachung, vor allem gegenüber dem gesamten Obergericht, geradezu als rechtsmissbräuchlich angesehen werden, weshalb dar- auf nicht einzutreten ist. In BGE 105 Ib 304 erachtet es das Bundes- 2002 Strafprozessrecht 97 gericht als zulässig, dass ein Gesamtgericht (in jenem Fall das Bun- desgericht selbst) über ein es selbst betreffendes Ablehnungsbegeh- ren entscheiden kann, wenn dieses sich als missbräuchlich erweist, weil keine geeigneten Ausstandsgründe geltend gemacht werden (...). Wurde das Ablehnungsbegehren in BGE 105 Ib 301 ff. als in diesem Sinn untauglich angesehen, weil es einzig darauf beruhte, dass das Bundesgericht beziehungsweise eine seiner Abteilungen schon zuvor in einer Sache des Gesuchstellers geurteilt hatte, ohne dass zusätzli- che Ausstandsgründe vorgebracht worden wären, so muss dies umso mehr auf den vorliegenden Fall zutreffen, in dem die mit der Be- schwerde befasste Kammer nicht vorbefasst ist und nicht einmal gel- tend gemacht wird, sie sei befangen wegen eines früheren Beschwer- deverfahrens. Es drängt sich die Vermutung auf, dass die Ablehnung des gesamten Obergerichts im Rahmen des Beschwerdeverfahrens einzig bezweckt, das Obergericht als Beschwerdeinstanz auszuschal- ten und damit die Aargauer Justiz lahm zu legen. Aufgrund des Ob- gesagten ist es demzufolge zulässig, dass die Verwaltungskommis- sion namens des Obergerichts im Sinn der obgenannten Bundesge- richtspraxis selbst den Nichteintretensentscheid erlässt.
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AG_HG_001
AG_HG
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Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2002-32_2002-06-19
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2003 Zivilprozessrecht 55 III. Zivilprozessrecht A. Zivilprozessordnung 12 Ablehnung, Befangenheit Die Strafanzeige eines Prozessbeteiligten gegen einen Richter oder Spruchkörper begründet nicht ohne weiteres dessen bzw. deren Befan- genheit. Andernfalls hätte es eine Prozesspartei in der Hand, ihr misslie- bige Richter auch ohne Vorliegen eines Ausschlussgrundes faktisch aus- zuschliessen. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 11. Juli 2003 i.S. H. A. c. Gerichtspräsidium B. Aus den Erwägungen: 3. Vorliegend begründet der Gesuchsteller sein Ablehnungsge- such mit der von ihm gegen die Vizepräsidentin eingereichten Straf- anzeige. a) Die Strafanzeige eines Prozessbeteiligten gegen einen Rich- ter oder Spruchkörper begründet, ebenso übrigens wie ein Aufsichts- anzeige bei der Inspektionskommission, nicht ohne weiteres dessen bzw. deren Befangenheit. Andernfalls hätte es eine Prozesspartei in der Hand, ihr missliebige Richter auch ohne Vorliegen eines Aus- schlussgrundes faktisch auszuschliessen (Bühler/Edelmann/Killer, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, Aarau 1998, N 17 zu § 3; vgl. auch Hauser/Schweri, Schweizerisches Strafpro- zessrecht, Basel 2002, N 4 zu § 30). Anders, wenn ein Richter als Folge einer Strafanzeige erklärt, sich nicht mehr unbefangen zu füh- len oder selbst Strafanzeige gegen eine Partei oder ihren Rechts- vertreter erhebt. Dann wird man nicht darum herum kommen, den Anschein von Befangenheit zu bejahen. Durch die Einreichung der Strafanzeige allein ist noch nicht nachgewiesen, dass zwischen dem Gesuchsteller und der Vizepräsi- 2003 Obergericht/Handelsgericht 56 dentin ein ausgeprägtes feindschaftliches Verhältnis besteht, welches die richterliche Pflicht zur Unparteilichkeit und Unvoreingenom- menheit gefährden würde. Abgesehen von der Strafanzeige werden in casu keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen feind- schaftlicher Gefühle der abgelehnten Richterin namhaft gemacht.
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AG_HG_001
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2003-12_2003-07-11
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AGVE_2003_12
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952,041,600,000
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2000 Zivilrecht 31 [...] 4 Art. 581 und 584 ZGB, §§ 72 und 75 EG ZGB; öffentliches Inventar. Für die Entgegennahme von Begehren um Berichtigung des Inventars ist der Gerichtspräsident am letzten Wohnsitz des Erblassers zuständig (Erw. 2). Das Gesetz enthält keine Frist, innert welcher seit Ablauf der Auskündi- gungsfrist die Schliessung des Inventars erfolgen müsste; gleiches gilt in Bezug auf die Bereinigung des Inventars nach erfolgter Auflage. Späte- ster Termin hiefür ist aber jener Zeitpunkt, in welchem sich ein Erbe über den Erwerb der Erbschaft ausgesprochen hat (Erw. 3). Aus dem Entscheid des Obergerichts, 3. Zivilkammer, vom 27. März 2000 in Sachen H.R.S und G.S. 2000 Obergericht 32 Aus den Erwägungen 2. Der aargauische Gesetzgeber hat die erbrechtlichen Verfahren nur rudimentär geregelt, jedoch den Gerichtspräsidenten des letzten Wohnsitzes des Erblassers - unter Vorbehalt einer anderslautenden Bestimmung - für alle den Erbgang betreffenden Massnahmen zu- ständig erklärt (§ 72 EG ZGB). Dies umfasst auch die Anordnung der erbrechtlichen Inventare, insbesondere auch des öffentlichen Inventars. Mit der technischen Inventaraufnahme, also mit dem ei- gentlichen Vollzug, hat er den Gemeinderat des letzten Wohnsitzes des Erblassers zu beauftragen (§ 75 EG ZGB). Dieser hat ein Ver- zeichnis der Vermögenswerte und Schulden der Erbschaft anzulegen, wobei alle Inventarstücke mit einer Schätzung zu versehen sind (Art. 581 Abs. 1 ZGB). Die Aufnahme des öffentlichen Inventars ist regelmässig mit einem durch den Gerichtspräsidenten angeordneten Rechnungsruf (Aufforderung an die Gläubiger und Schuldner des Erblassers, bin- nen einer bestimmten Frist ihre Forderungen und Schulden anzumel- den) verbunden, wobei die Gläubiger auf die Präklusionswirkung der Nichtanmeldung hinzuweisen sind. Die angemeldeten Forderungen gegen den Erblasser und dessen Ansprüche sind von der zuständigen Behörde ohne weitere Prüfung aufzunehmen; über die materielle Richtigkeit hat sie nicht zu entscheiden (Stefan Pfyl, Die Wirkungen des öffentlichen Inventars, Diss. Fribourg 1996, S. 10., mit Hinwei- sen; Peter Tuor/Vito Picenoni, Berner Kommentar, Bern 1964, N 10a zu Art. 581 ZGB). Nach Ablauf der Auskündigungsfrist wird das Inventar geschlossen und hierauf während wenigstens eines Monats zur Einsicht der Beteiligten aufgelegt (Art. 584 Abs. 1 ZGB). Wäh- rend der Auflegungsfrist besteht die Möglichkeit, Ergänzungen und Berichtigungen des Inventars zu verlangen und anzubringen (Pfyl, a.a.O., S. 11). Dem Gemeinderat steht bezüglich der Errichtung der öffentli- chen Inventare keine Verfügungskompetenz zu. Mangels einer an- 2000 Zivilrecht 33 derslautenden Gesetzesbestimmung ist daher entgegen der Auffas- sung der Beschwerdeführer für die Anordnung der Auflage des öf- fentlichen Inventars und entsprechend auch für die Entgegennahme von Berichtigungsbegehren gestützt auf § 72 EG ZGB der Gerichts- präsident des letzten Wohnsitzes des Erblassers zuständig. 3. Die Beschwerdeführer machen im Übrigen geltend, der vor- instanzliche Entscheid setze sich in keiner Form mit der beanstande- ten Inventarisierung der Forderung auseinander. Der Verfügung des Gerichtspräsidiums Z. vom 5. Januar 2000 lässt sich jedoch entneh- men, dass die X.Y.-Bank ihre nachträglich inventarisierte Forderung während der Auskündigungsfrist fristgerecht eingegeben und inner- halb der Auflagefrist des öffentlichen Inventars dessen Berichtigung beantragt hat; dementsprechend sei der Eintrag korrigiert worden. Dieser kurzen Begründung kann beigefügt werden, dass das Gesetz keine Frist enthält, innert welcher seit Ablauf der Auskündigungsfrist die Schliessung des Inventars i.S. von Art. 584 ZGB erfolgen müsste (Tuor/Picenoni, a.a.O., N 3 zu Art. 584 ZGB); gleiches gilt in Bezug auf die Bereinigung des Inventars nach dessen erfolgter Auflage. Spätester Termin hierfür ist aber jener Zeitpunkt, in welchem sich ein Erbe über den Erwerb der Erbschaft ausgesprochen hat. Vorliegend haben sich die Beschwerdeführer als alleinige ge- setzliche Erben bislang über den Erwerb der Erbschaft nicht ausge- sprochen, weshalb eine Berichtigung des Inventars zulässig war. Ueber die materielle Richtigkeit der ins Inventar aufgenommenen Forderungen hat die Vorinstanz zu Recht nicht entschieden.
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AG_HG_001
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2000-4_2000-03-03
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2002 Obergericht/Handelsgericht 64 [...] 13 § 112 f. ZPO. Ergeht in einem Verfahren wegen fehlender Prozessvoraussetzung (in casu Rechtshängigkeit einer identischen Klage im internationalen Ver- hältnis) ein Nichteintretensentscheid, findet die Ausnahmeregelung von 2002 Zivilprozessrecht 65 § 113 ZPO in aller Regel keine Anwendung, sondern ist die Kostenpflicht der klagenden Partei die Folge (§ 112 Abs. 1 ZPO). Aus dem Entscheid des Obergerichts, 1. Zivilkammer, vom 7. März 2002 in Sachen M. K.-A. gegen R.H. K.
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AG_HG_001
AG_HG
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Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2002-13_2002-03-01
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2004 Zivilprozessrecht 61 B. Anwaltsrecht 14 § 6 Abs. 3 AnwT; Honorar im Arbeitsgerichtsverfahren Für die Teilnahme an der arbeitsgerichtlichen Vermittlungsverhandlung steht dem Rechtsvertreter kein Zuschlag gemäss § 6 Abs. 3 AnwT zu. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 1. Zivilkammer, vom 16. November 2004, i.S. J.R. gegen K.W. AG. Aus den Erwägungen 8. Die Beklagte bemängelt in der Appellation schliesslich die Festsetzung der geschuldeten Parteientschädigung an die Klägerin hinsichtlich des gewährten Zuschlags zum Grundhonorar in der Höhe von 20 % für eine zweite Verhandlung. Praxisgemäss werde für die Beratung und Mitwirkung des Rechtsanwalts in der Vermittlungsver- handlung keine Parteientschädigung zu Lasten der Gegenpartei zuge- sprochen, sondern sei bereits im Grundhonorar enthalten. a) In seiner Kostennote vom 22. Juni 2003 machte der klägeri- sche Rechtsvertreter einen Zuschlag von 20 % auf die Grundent- schädigung von Fr. 9'200.--, mithin Fr. 1'840.--, für die zweite Ver- handlung und einen solchen von 30 % für eine zusätzliche Rechts- schrift geltend. b) Der Einwand der Beklagten ist berechtigt, da die arbeitsge- richtliche Vermittlungsverhandlung, in welcher sich die Parteien ausser bei Vorliegen eines zureichenden Verhinderungsgrundes nicht vertreten lassen können, sondern persönlich zu erscheinen haben, und der Anwalt lediglich im Rahmen einer Verbeiständung tätig werden kann (§ 366 ZPO), sich von der Verhandlung vor Arbeitsge- richt, wo die Parteivertretung uneingeschränkt zulässig ist (§ 367 ZPO), wesentlich unterscheidet. Entsprechend bestimmt § 3 Abs. 1 AnwT, welcher auch im Arbeitsgerichtsverfahren massgebend ist, ausdrücklich, dass die Grundentschädigung gemäss lit. a und b die 2004 Obergericht/Handelsgericht 62 Vertretung und Verbeiständung einer Partei im ordentlichen Verfah- ren einschliesslich der Beratung im Vermittlungsverfahren umfasst. Dem klägerischen Rechtsvertreter steht daher für die Vermittlungs- verhandlung kein Zuschlag gemäss § 6 Abs. 3 AnwT zu. Desgleichen sind durch die tarifgemässe Entschädigung auch die üblichen Vergleichsbemühungen abgegolten (§ 2 Abs. 1 AnwT).
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AG_HG_001
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Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2004-14_2004-11-01
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2003 Obergericht/Handelsgericht 24 2 Art. 163 und 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB Eine zwischen den Ehegatten getroffene Trennungsvereinbarung über Unterhaltsbeiträge gilt nur solange, als das Einvernehmen der Ehegatten hinsichtlich des Getrenntlebens und seiner Regelung andauert. Während dieser Zeit sind solche Trennungsvereinbarungen für die Ehegatten ver- bindlich. Sind sich die Ehegatten über die beidseitigen Beiträge an den Familienunterhalt nicht mehr einig, kann das Eheschutzgericht angeru- fen werden, welches die geschuldeten Unterhaltsbeiträge gerichtlich fest- gesetzt. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 5. Zivilkammer, vom 30. Juni 2003, i.S. U.S. gegen H.S. Aus den Erwägungen: 2. Die Beklagte macht wie bereits vor Vorinstanz geltend, dass die Parteien am 20. September 2001 eine vorbehalt- und bedin- gungslose Vereinbarung abgeschlossen hätten, wonach sich der Klä- ger zur Zahlung von monatlichen Unterhaltsbeiträgen in der Höhe von Fr. 2'000.-- verpflichtet habe. Da der Kläger keine relevanten Abänderungsgründe dargelegt habe, sei die genannte Vereinbarung nach wie vor gültig, weshalb der Beklagten Unterhaltsbeiträge von Fr. 2'000.-- pro Monat zuzusprechen seien. a) Nach Art. 163 ZGB hat jeder Ehegatte nach seinen Kräften an den gebührenden Unterhalt der Familie beizutragen (Abs. 1), wo- bei sie sich über den Beitrag, den jeder von ihnen leistet, verständi- gen (Abs. 2) und hierbei die Bedürfnisse der ehelichen Gemeinschaft sowie ihre persönlichen Umstände zu berücksichtigen haben (Abs. 3). Die Vereinbarung über die Art und den Umfang der Unterhaltslei- stungen ist an keine Form gebunden und kann konkludent erfolgen (vgl. Hausheer/Spycher/Kocher/Brunner, Handbuch des Unterhalts- rechts, Bern 1997, Rz 03.171 ff.; Bräm/Hasenböhler, Zürcher Kom- mentar, Zürich 1998, N 121 zu Art. 163 ZGB; Hegnauer/ Breitschmid, Grundriss des Eherechts, 4. Auflage, Bern 2000, Rz 16.22 ff.). Dies gilt auch für den Fall, in welchem die Ehegatten 2003 Zivilrecht 25 übereinkommen, den gemeinsamen Haushalt aufzuheben, und ein- vernehmlich die Folgen des Getrenntlebens regeln; unter Vorbehalt der elterlichen Sorge bedarf eine solche Trennungsvereinbarung kei- ner richterlichen oder anderen behördlichen Genehmigung (vgl. Hausheer/Reusser/Geiser, Berner Kommentar, Bern 1999, N 6b zu Art. 175 ZGB und N 5b zu Art. 176 ZGB; Bräm/Hasenböhler, a.a.O., N 2 zu Art. 176 ZGB). b) Bei Trennungsvereinbarungen handelt es sich nicht um schuldrechtliche Verträge, die auf dem Prinzip von Leistung und Ge- genleistung beruhen, sondern um Abkommen aufgrund der ehelichen Unterstützungspflicht. Grundsätze des Vertragsrechts sind somit höchstens sinngemäss anwendbar (vgl. Bräm/Hasenböhler, a.a.O., N 10 zu Art. 176 ZGB). Eine zwischen Ehegatten getroffene Tren- nungsvereinbarung über Unterhaltsbeiträge muss jederzeit den ver- änderten Verhältnissen, d.h. den neuen Bedürfnissen, Anforderungen und Lebensumständen der Ehegatten und allenfalls der Kinder ange- passt werden können. Deshalb gelten solche Vereinbarungen nur auf Zusehen hin, nämlich solange das Einvernehmen der Ehegatten hin- sichtlich des Getrenntlebens und seiner Regelung andauert (vgl. Hausheer/Reusser/Geiser, a.a.O., N 5b zu Art. 176 ZGB). Nach Massgabe des Eherechts muss die Vereinbarung jederzeit anpas- sungsfähig sein, unabhängig davon, ob sie schriftlich fixiert wurde oder konkludent erfolgte (vgl. Bräm/Hasenböhler, a.a.O., N 10 zu Art. 176 ZGB). Sind sich die Ehegatten über die beidseitigen Beiträ- ge an den Familienunterhalt nicht mehr einig, kann das Eheschutzge- richt angerufen werden, falls eine einvernehmliche Regelung nicht mehr in Betracht kommt. c) Vorliegendenfalls haben die Parteien am 20. September 2001 unter anderem vereinbart, dass sich der Kläger während der Tren- nung zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags in der Höhe von Fr. 2'000.-- verpflichtet, wobei der Kläger eine diesbezügliche Einverständniserklärung unterzeichnete. Damit haben die Parteien nach dem Gesagten eine gültige Trennungsvereinbarung abgeschlos- sen, welche - solange das gegenseitige Einvernehmen bezüglich der getroffenen Regelung anhielt - für beide Parteien verbindlich war. Mit Einleitung des vorliegenden Eheschutzverfahrens gab der Kläger 2003 Obergericht/Handelsgericht 26 erstmals am 25. November 2002 gegenüber der Beklagten seinen Willen, sich nicht mehr an die Vereinbarung halten zu wollen, kund. Dies bedeutet einerseits, dass die Parteien bis und mit November 2002 den Unterhaltspunkt verbindlich geregelt haben und dass ande- rerseits die Bindungswirkung der Trennungsvereinbarung der Partei- en vom 20. September 2001 Ende November 2002 endet und für die Zeit ab Dezember 2002 die Höhe des vom Kläger geschuldeten Bei- trags an den persönlichen Unterhalt der Beklagten erstmals gericht- lich festzusetzen und nicht etwa unter Zugrundelegung der Voraus- setzungen für die Abänderung eines Eheschutzurteils (Art. 179 Abs. 1 ZGB) lediglich anzupassen ist.
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AG_HG_001
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2003-2_2003-06-05
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2000 Obergericht 42 7 Art. 82 und 283 SchKG. Art. 85 VZG. Der Mietvertrag muss auch als Rechtsöffnungstitel für das Retentions- recht anerkannt werden, da die Pfandanerkennung des Retentionsrechts als im schriftlichen Mietvertrag konkludent enthalten anzusehen ist. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 4. Zivilkammer, vom 9. März 2000 in Sachen G. H. gegen R. G. Aus den Erwägungen 3. Gemäss Art. 85 Abs. 1 VZG bezieht sich der Rechtsvorschlag auf die Forderung und auf das Pfandrecht, falls nichts anderes be- merkt ist. Wie die Vorinstanz anführte, war umstritten, ob der Miet- vertrag auch ein Rechtsöffnungstitel für das Retentionsrecht ist. Im Kommentar Schnyder/Wiede wird dazu ausgeführt, es sei geradezu notwendig, die Pfandanerkennung des Retentionsrechts als im schriftlichen Mietvertrag konkludent enthalten anzusehen. Der Schutz der betriebenen Partei werde dadurch nicht geschmälert, blei- be doch immer noch die Aberkennungsklage zur Bestreitung des Re- tentionsrechts offen. Die gegenteilige Auffassung führte zum Ergeb- nis, dass der Vermieter den Rechtsvorschlag gegen das Retentions- recht nur durch Klage im ordentlichen Verfahren beseitigen könnte. Der vorteilhafte Weg der Beseitigung des Rechtsvorschlags mittels Rechtsöffnung stünde nicht zur Verfügung. Es ist daher die Pfandan- erkennung des Retentionsrechts als im schriftlichen Mietvertrag kon- kludent enthalten anzusehen (vgl. Schnyder/Wiede, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/Mün- chen 1998, N. 83 und 84 zu Art. 283 SchKG mit Hinweisen). Der Beklagte hat keine Einwendungen erhoben, weshalb auch für das Re- tentionsrecht provisorische Rechtsöffnung zu erteilen ist.
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305
AG_HG_001
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2000-7_2000-03-04
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Urteil/Entscheid Handelsgericht 2. Kammer HSU.2019.122 / as / as Art. 199 Entscheid vom 9. Dezember 2019 Besetzung Oberrichter Vetter, Vizepräsident Gerichtsschreiber Schneuwly Gerichtsschreiberin-Stv. Albert Gesuchstellerin I. GmbH, _ vertreten durch lic. iur. Andreas Bühlmann, Rechtsanwalt, Talacker 50, 8001 Zürich Gesuchsgegne- rin A. AG, _ Gesuchsgegneri- sche Nebeninter- venientin I. AG, _ vertreten durch lic. iur. Fabienne Schürmann und Dr. iur. Matthias Streiff, Rechtsanwälte, Zürcherstrasse 29, 8620 Wetzikon ZH Gegenstand Summarisches Verfahren betreffend Bauhandwerkerpfandrecht - 2 - Der Vizepräsident entnimmt den Akten: 1. Die Gesuchstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Z. Sie bezweckt insbesondere Bauarbeiten aller Art (Gesuchsbeilage [GB] 2]). 2. Die Gesuchsgegnerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in W. (ZH). Sie hat insbesondere den unmittelbaren und mittelbaren Betrieb von _ zum Zweck (GB 3). Die Gesuchsgegnerin ist Alleineigentümerin des Grdst.-Nr. 123 GB Muri (E-GRID: CH 321; GB 1). 3. Die gesuchsgegnerische Nebenintervenientin ist eine Gesellschaft mit be- schränkter Haftung mit Sitz in Zürich. Sie bezweckt Bauarbeiten aller Art. 4. Mit Gesuch vom 4. Oktober 2019 (Postaufgabe: 4. Oktober 2019) stellte die Gesuchstellerin die folgenden Rechtsbegehren: " Das Grundbuchamt Wohlen sei im Sinne von Art. 961 ZGB superprovisorisch und hernach vorläufig anzuweisen, der Gesuchstellerin und zulasten des folgenden der Gesuchsgegnerin ein Pfandrecht vorläufig im einzutragen auf: Liegenschaft Grundstück-Nr. 123, _, Muri, für die maximale Pfandsumme von CHF 518'510.96 zuzüglich 5% Zins seit 4. Oktober 2019; unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Gesuchs- gegnerin." 5. Mit Verfügung vom 7. Oktober 2019 bewilligte der Vizepräsident den Antrag um superprovisorische Anordnung der Vormerkung der vorläufigen Eintra- gung eines Bauhandwerkerpfandrechts teilweise im Umfang von Fr. 518'510.86 zzgl. Zins zu 5 % ab dem 5. Oktober 2019 und wies das Grundbuchamt Wohlen an, die Vormerkung sofort einzutragen. 6. Das Grundbuchamt Wohlen merkte die vorläufige Eintragung am 7. Okto- ber 2019 (Tagebuchnummer 987) im Tagebuch vor. - 3 - 7. 7.1. Mit Eingabe vom 17. Oktober 2019 stellte die I. AG das Gesuch, sie sei als Nebenintervenientin der Gesuchsgegnerin zuzulassen, da sie sich vertrag- lich verpflichtet habe, die vorläufige und definitive Eintragung eines Bau- handwerkerpfandrechts zu verhindern. 7.2. Mit Verfügung vom 18. Oktober 2019 nahm der Vizepräsident der Ge- suchsgegnerin die Antwortfrist einstweilen ab und setzte der Gesuchstelle- rin und der Gesuchsgegnerin Frist zur Stellungnahme bis 31. Oktober 2019. 7.3. Mit Eingaben vom 30. Oktober 2019 und 31. Oktober 2019 widersetzten sich weder die Gesuchsgegnerin noch die Gesuchstellerin dem Nebenin- terventionsgesuch. 7.4. Mit Verfügung vom 1. November 2019 wurde die I. AG als Nebenpartei der Gesuchsgegnerin (gesuchsgegnerische Nebenintervenientin) zugelassen und ihr sowie der Gesuchsgegnerin Frist zur Erstattung einer schriftlichen Gesuchsantwort bis zum 14. November 2019 angesetzt. 8. 8.1. Mit Stellungnahme vom 14. November 2019 stellte die gesuchsgegneri- sche Nebenintervenientin folgende Rechtsbegehren: " Es sei 1. das Gesuch der Gesuchstellerin vom 04. Oktober 2019 um vorläufige Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts zulasten des Grundstücks der Gesuchsgegnerin Liegenschaft Grundstück-Nr. 123, _, 5630 Muri, abzuweisen und das superprovisorisch vorläufig eingetragene Bauhandwerkerpfandrecht zu löschen; 2. eventualiter der Gesuchstellerin eine Frist von längstens drei Monaten anzusetzen, um Klage betreffend definitiven Bestand und Umfang des Pfandrechts anzuheben; Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der ." - 4 - 8.2. Nach Ansetzung einer kurzen Nachfrist stellte die Gesuchsgegnerin mit Gesuchsantwort vom 22. November 2019 folgende Rechtsbegehren: " 1. Es sei das Gesuch der Gesuchstellerin vom 04. Oktober 2019 um Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts zulasten des Grundstücks der Gesuchsgegnerin, Liegenschaft Grundstück-Nr. 123, 5630 Muri, abzuweisen und das superprovisorisch eingetragene zu löschen. 2. Es sei eventualiter der Gesuchstellerin eine Frist von längstens drei Monaten anzusetzen, um Klage betreffend definitivem Bestand und Umfang des Pfandrechts anzuheben. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen und zusätzlich zulasten der Gesuchstellerin." Der Vizepräsident zieht in Erwägung: 1. Zuständigkeit Der Einzelrichter am Handelsgericht ist örtlich, sachlich und funktionell zur Beurteilung der im summarischen Verfahren zu behandelnden Streitigkeit zuständig (vgl. dazu E. 4 der Verfügung vom 7. Oktober 2019). 2. Superprovisorische Anordnung der Vormerkung eines Bauhand- werkerpfandrechts Soweit sich die gesuchsgegnerische Nebenintervenientin in ihrer Stellung- nahme vom 14. November 2019 gegen den Antrag auf superprovisorische Anordnung zur Wehr setzt (Stellungnahme vom 14. November 2019 Rz. 7 ff.), ist anzumerken, dass der Antrag auf superprovisorische Anord- nung mit Verfügung vom 1. November 2019 bereits gutgeheissen wurde. Verfahrensgegenstand ist daher nicht mehr die superprovisorische Anord- nung, sondern nur noch die vorsorgliche Anordnung der vorläufigen Eintra- gung des von der Gesuchstellerin beantragten Bauhandwerkerpfand- rechts. 3. Allgemeine Voraussetzungen der vorläufigen Eintragung 3.1. Die Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts setzt im Wesentlichen die Forderung eines Bauhandwerkers oder Unternehmers für die Leistung von Arbeit und allenfalls von Material zugunsten des zu belastenden - 5 - Grundstücks sowie die Wahrung der viermonatigen Eintragungsfrist voraus (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 und 839 Abs. 2 ZGB). 3.2. Die Eintragungsvoraussetzungen sind im Verfahren betreffend vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts lediglich glaubhaft zu ma- chen. An diese Glaubhaftmachung werden zudem weniger strenge Anfor- derungen gestellt, als es diesem Beweismass für vorsorgliche Massnah- men (Art. 261 ff. ZPO) sonst entspricht.1 Die vorläufige Eintragung darf nur verweigert werden, wenn der Bestand des Pfandrechts ausgeschlossen o- der höchst unwahrscheinlich erscheint. Im Zweifelsfall, bei unklarer Be- weis- oder Rechtslage, ist die vorläufige Eintragung zu bewilligen und die Entscheidung dem Richter im ordentlichen Verfahren zu überlassen.2 Letzt- lich läuft es darauf hinaus, dass der gesuchstellende Unternehmer nur die blosse Möglichkeit eines Anspruchs auf ein Bauhandwerkerpfandrecht nachzuweisen hat.3 4. Eintragungsfrist 4.1. Parteibehauptungen 4.1.1. Gesuchstellerin Die Gesuchstellerin behauptet, die letzten Arbeiten seien am 26. Juni 2019 ausgeführt worden. Dies gehe aus ihren Stundenlisten hervor. Diese Stun- den seien für Hauptarbeiten aufgewendet worden. Im Mai 2019 seien drei, im Juni 2019 zwei Mitarbeiter der Gesuchstellerin auf dem umstrittenen Grundstück tätig gewesen (Gesuch Rz. 7, GB 7-9). Der «letzte Hammer- schlag» sei deshalb am 26. Juni 2019 erfolgt, als Sockel gestrichen worden seien. Die viermonatige Eintragungsfrist sei daher eingehalten (Gesuch Rz. 9; GB 10). 4.1.2. Gesuchsgegnerische Nebenintervenientin Die gesuchsgegnerische Nebenintervenientin behauptet, die Werkarbeiten seien am 18. und 24. Januar 2019 sowie am 12. Februar 2019 der Bau- herrschaft übergeben worden. Damit seien die werkvertraglichen Arbeiten nachweislich schon im Februar 2019 abgeschlossen worden (Stellung- nahme vom 14. November 2019 Rz. 17; Beilagen 5 f. zur Stellungnahme vom 14. November 2019). Die von der Gesuchstellerin behaupteten Arbeiten im Mai und Juni 2019 würden, sofern sie überhaupt von der Gesuchstellerin erbracht worden seien, blosse Nachbesserungsarbeiten darstellen (Stellungnahme vom 1 BGE 137 III 563 E. 3.3; 86 I 265 E. 3; vgl. auch SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, 3. Aufl. 2008, N. 1394; BSK ZGB II-THURNHERR, 6. Aufl. 2019, Art. 839/840 N. 37. 2 BGE 86 I 265 E. 3; 102 Ia 81 E. 2b.bb; BGer 5A_426/2015 vom 8. Oktober 2015 E. 3.4; 5A_924/2014 vom 7. Mai 2015 E. 4.1.2; SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, Ergänzungsband zur 3. Aufl. 2011, N. 628. 3 SCHUMACHER (Fn. 1), N. 1395. - 6 - 14. November 2019 Rz. 31 und 33; Beilagen 4-6 zur Stellungnahme vom 14. November 2019). Die gesuchsgegnerische Nebenintervenientin sei von der ARGE Q. selbst zur Nachbesserung aufgefordert worden, woraufhin diese die F.-Bau GmbH zur Mängelbehebung aufgeboten habe (Stellung- nahme vom 14. November 2019 Rz. 32; Beilagen 4 und 11 zur Stellung- nahme vom 14. November 2019; GB 10). Die Arbeiten der Gesuchstellerin / F. AG / F.-Bau GmbH seien mit Ausnahme der Terrassen der Häuser 15a und 15b am 18. und 24. Januar 2019 von der ARGE Q. abgenommen wor- den. Die Abnahme besagter Terrassen sei am 12. Februar 2019 erfolgt. Bei beiden Abnahmen hätten Mängel festgestellt werden müssen (Stellung- nahme vom 14. November 2019 Rz. 34; Beilage 5 f. zur Stellungnahme vom 14. November 2019). Weil diese Arbeiten, wenn auch nur mängelbe- haftet, abgenommen worden seien, sei die gesuchsgegnerische Nebenin- tervenientin auf der Pendenzenliste der noch fertigzustellenden Arbeiten vom 15. Februar 2019 nicht mehr aufgeführt (Stellungnahme vom 14. No- vember 2019 Rz. 36; Beilage 12 der Stellungnahme vom 14. November 2019). Weiter habe R. B., Bauleiter der gesuchsgegnerischen Nebeninter- venientin, B. R. mit E-Mail vom 16. Mai 2019 zur Nachbesserung am 20. und 21. Mai 2019 aufgeboten. Die F.-Bau GmbH habe diese E-Mail gleichentags bestätigt und versichert, an diesen Tagen vor Ort zu sein (Stellungnahme vom 14. November 2019 Rz. 38; Beilage 4 der Stellung- nahme vom 14. November 2019). Es erscheine daher nicht glaubhaft, dass im Mai und Juni 2019 noch Vollendungsarbeiten hätten vollbracht werden sollen (Stellungnahme vom 14. November 2019 Rz. 37). Auch vor diesem Hintergrund würden die Stundenrapporte der Gesuchstellerin nicht glaub- haft erscheinen. Die darin verwendeten Begriffe würden mit den festgestell- ten Mängeln korrelieren (Stellungnahme vom 14. November 2019 Rz. 39). Dasselbe gelte für die Arbeiten im Juni 2019 (Stellungnahme vom 14. No- vember 2019 Rz. 40). Ferner sei die gesuchsgegnerische Nebeninterveni- entin von der ARGE Q. auch mit Schreiben vom 22. August 2019 aus der Erfüllungsgarantie entlassen worden (Stellungnahme vom 14. November 2019 Rz. 42; Beilage 9 der Stellungnahme vom 14. November 2019). Das vorliegende Gesuch datiere vom 7. Oktober 2019 und sei daher erst nach Ablauf der viermonatigen Eintragungsfrist im Juni 2019 erfolgt (Stel- lungnahme vom 14. November 2019 Rz. 43). 4.2. Rechtliches Die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts muss bis spätestens vier Monate nach der Arbeitsvollendung erfolgen, andernfalls verwirkt der An- spruch (Art. 839 Abs. 2 ZGB).4 Die Eintragungsfrist berechnet sich nach Art. 7 ZGB i.V.m. Art. 77 Abs. 1 Ziff. 3 i.V.m. Abs. 2 OR. Sie endet somit an 4 BGE 126 III 462 E. 4c/aa; BSK ZGB II-THURNHERR (Fn. 1), Art. 839/840 N. 29. - 7 - demjenigen Tag des letzten Monats, der durch seine Zahl dem Tag der Arbeitsvollendung entspricht.5 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 839 Abs. 2 ZGB gel- ten Bauarbeiten grundsätzlich dann als vollendet, wenn alle Verrichtungen, die Gegenstand des Werkvertrages bilden, ausgeführt sind. Nicht in Be- tracht fallen dabei geringfügige oder nebensächliche, rein der Vervoll- kommnung dienende Arbeiten oder Ausbesserungen wie der Ersatz gelie- ferter, aber fehlerhafter Teile oder die Behebung anderer Mängel. Gering- fügige Arbeiten gelten aber dann als Vollendungsarbeiten, wenn sie uner- lässlich sind; insoweit werden Arbeiten weniger nach quantitativen als viel- mehr nach qualitativen Gesichtspunkten gewürdigt.6 4.3. Würdigung Die Gesuchstellerin behauptet zwar, ihre Mitarbeiter hätten im Mai und Juni 2019 noch Hauptarbeiten ausgeführt und will dies durch nicht unterschrie- bene Arbeitsrapporte belegen. Sie behauptet jedoch nicht, welcher Mitar- beiter welche Tätigkeiten wann ausführte. Der gesuchsgegnerischen Nebenintervenientin gelingt es, diese Ausfüh- rungen im Rahmen des angetretenen Gegenbeweises in Frage zu stellen. Mit den Beilagen 5 f. zur Stellungnahme vom 14. November 2019 unter- mauert sie ihre Behauptung, wonach sie ihr Werk – und weil die Gesuch- stellerin bloss Arbeiten für die gesuchsgegnerische Nebenintervenientin lieferte auch deren Werk – im Januar bzw. Februar 2019 der Bauherrin übergab. Damit wurde das Werk abgeliefert und die Hauptpflicht im Werk- vertrag (Herstellung eines Werks) erfüllt. Das Werk wurde daher im Februar 2019 vollendet. Zwar räumt die gesuchsgegnerische Nebenintervenientin selber ein, sie habe nur ein mangelhaftes Werk abgeliefert. Dies ändert allerdings nichts am Umstand, wonach das Werk bei Ablieferung bereits vollendet war. Ar- beiten, die die Gesuchstellerin nach der Werkablieferung ausführte, quali- fizieren daher als Gewährleistungsarbeiten, die nicht mehr fristlauslösend wirken. Mit der Beilage 4 zur Stellungnahme vom 14. November 2019 (eine E-Mail vom 16. Mai 2019) belegt die gesuchsgegnerische Nebeninterveni- entin, dass es sich bei den Arbeiten der Gesuchstellerin im Mai 2019 – und damit auch den darauffolgenden Arbeiten im Juni 2019 (vgl. hierzu Beilage 11 zur Stellungnahme vom 14. November 2019) – bloss um Mängelbehe- bungsarbeiten handelte. Ebenso ergibt sich dieser Schluss aus der Pen- denzenliste von Mitte Februar 2019, in welcher die gesuchsgegnerische Nebenintervenientin nur noch für Mängelbehebungsarbeiten aufgeführt 5 BSK ZGB II-THURNHERR (Fn. 1), Art. 839/840 N. 31a. 6 BGer 5A_613/2015 vom 22. Januar 2016 E. 4 m.w.N. - 8 - wird (Beilage 12 zur Stellungnahme vom 14. November 2019, S. 4, Posi- tion 12: "Beschädigte Fassade Bahnseite flicken" und S. 5, Position 31: "Di- verse Korrekturen Terras[s]en gem. M[ä]ngelanzeige mit Fotos"). Selbst die nicht unterzeichneten – und daher nicht als Basis einer natürli- chen Vermutung dienenden7 – Arbeitsrapporte der Gesuchstellerin (GB 7 f.) weisen – wie es die gesuchsgegnerische Nebenintervenientin zu Recht vorbringt – bei genauer Betrachtung darauf hin, dass die Arbeiten im Mai und Juni 2019 nur noch der Nachbesserung dienten. So ist darin etwa von der "Ergänzung" der Isolation oder der "Ergänzung" des Putzes die Rede. Auch zeitlich stimmen die Arbeitsrapporte mit den Weisungen zur Nachbesserung grundsätzlich überein. So wurde von der gesuchsgegneri- schen Nebenintervenientin etwa gewünscht, sie möge doch die Gebäude 15a/b am 24. Juni 2019 streichen und "korrigieren", und tatsächlich, vom 24. bis zum 26. Juni 2019 sind sowohl Maler- als auch Sockelarbeiten ein- getragen (GB 8). Ähnlich sieht das Bild für den Monat Mai 2019 aus: Hier wurde die Gesuchstellerin für den 20. Mai 2019 zur Mängelbehebung auf- geboten und tatsächlich haben die Mitarbeiter der Gesuchstellerin vom 22. bis zum 24. Mai 2019 Arbeiten auf dem umstrittenen Grundstück aus- geführt (GB 7). Würde es sich bei den Mai-/Juniarbeiten nicht um blosse Nachbesserungs- arbeiten handeln, so wäre unerklärbar a) weshalb die Gesuchstellerin für diese Arbeiten extra aufgeboten werden musste und diese nicht von sich aus auf der Baustelle erschien und b) weshalb zwischen den einzelnen Ar- beiten jeweils mehr als eine Woche, teilweise sogar mehr als ein Monat vergingen. Bei solch grossen Arbeitsunterbrüchen muss geradezu ausge- schlossen werden, dass es sich noch um eigentliche Vollendungsarbeiten handelte. Vielmehr geht der Vizepräsident davon aus, dass im Mai und Juni 2019 bloss noch Nachbesserungsarbeiten ausgeführt wurden. Da Nachbesserungsarbeiten die Fristauslösung jedoch nicht verzögern, sondern die viermonatige Eintragungsfrist davor schon begonnen haben muss, erfolgte die Eintragung der Vormerkung des Bauhandwerkerpfand- rechts vom 7. Oktober 2019 zu spät. 5. Ergebnis Zusammenfassend ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts nicht erfüllt sind und die mit Verfügung vom 7. Oktober 2019 superprovisorisch angeordnete Vormer- kung der vorläufigen Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts im Um- fang von Fr. 518'510.86 zuzüglich Zins zu 5 % ab dem 5. Oktober 2019 daher zu löschen ist. 7 BGer 4A_15/2011 vom 3. Mai 2011 E. 3.3 i.f.; GAUCH, Der Werkvertrag, 6. Aufl. 2019, N. 1020. - 9 - 6. Prozesskosten Die Prozesskosten werden der unterliegenden Partei auferlegt (Art. 95 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 1 ZPO). Ausgangsgemäss sind sie von der Ge- suchstellerin zu tragen. 6.1. Unter Berücksichtigung des verursachten Aufwands sowie des Umfangs der Streitigkeit werden die Gerichtskosten auf Fr. 5'000.00 festgesetzt (§ 8 VKD; SAR 221.150). Gestützt auf Art. 111 Abs. 1 Satz 1 ZPO werden sie vorab mit dem von der Gesuchstellerin geleisteten Gerichtskostenvor- schuss in derselben Höhe verrechnet. 6.2. Es sind keine Parteientschädigungen zuzusprechen. Die Gesuchsgegnerin macht selbst keine Parteikosten geltend und einer Nebenintervenientin wird – dem Grundsatz folgend8 – keine Parteientschädigung zugesprochen. Der Vizepräsident erkennt: 1. Das Gesuch vom 4. Oktober 2019 wird abgewiesen. 2. Das Grundbuchamt Wohlen wird angewiesen, das gemäss Verfügung des Vizepräsidenten vom 7. Oktober 2019 gleichentags unter der Tage- buch-Nr. 987 auf dem Grundstück der Gesuchsgegnerin Grdst.-Nr. 123 GB Muri (E-GRID: CH 321), für die Pfandsumme von Fr. 518'510.86 zuzüglich Zins zu 5 % ab dem 5. Oktober 2019 vorläufig eingetragene Bauhandwer- kerpfandrecht zu löschen. 3. 3.1. Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 5'000.00 sind von der Gesuchstellerin zu tragen und werden mit dem von ihr geleisteten Gerichtskostenvorschuss in derselben Höhe verrechnet. 3.2. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. 8 BGE 130 III 571 E. 6; BSK ZPO-GRABER, 3. Aufl. 2017, Art. 77 N. 3 je m.w.N. - 10 - Zustellung an: die Gesuchstellerin (Vertreter; zweifach) die Gesuchsgegnerin die gesuchsgegnerische Nebenintervenientin (Vertreter; zweifach) Zustellung an: das Grundbuchamt Wohlen (nach Ablauf der Rechtsmittelfrist) Rechtsmittelbelehrung für die Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff., Art 90 ff. BGG) Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen, von der schriftlichen Eröff- nung der vollständigen Ausfertigung des Entscheids an gerechnet, die Be- schwerde an das Schweizerische Bundesgericht erhoben werden. Die Beschwerde ist schriftlich oder in elektronischer Form beim Schweize- rischen Bundesgericht einzureichen. Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit An- gabe der Beweismittel und die Unterschriften bzw. eine anerkannte elekt- ronische Signatur zu enthalten. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid verfassungsmässige Rechte (Art. 98 ff. BGG) verletzt. Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in den Händen hat; ebenso ist der angefochtene Entscheid beizulegen (Art. 42 BGG). Aarau, 9. Dezember 2019 Handelsgericht des Kantons Aargau 2. Kammer Der Vizepräsident: Der Gerichtsschreiber: Vetter Schneuwly (i.V. Albert)
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AG_HG_002
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AG_HG_002_-Handelsrecht-Bauhan_2019-12-09
https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/jb/dokumente_6/gesetze___entscheide/gesetze_2/handelsrecht/Entscheid_des_Handelsgerichts_vom_9._Dezember_2019.pdf
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2001 Obergericht/Handelsgericht 56 13 § 116 ZPO Für die Kostenverteilung bei Gegenstandslosigkeit kann alternativ darauf abgestellt werden, welche Partei Anlass zur Klage gegeben hat, wie der Prozess bei materieller Beurteilung mutmasslich ausgegangen wäre oder bei welcher Partei die Gründe eingetreten sind, die zur Gegenstandslo- sigkeit geführt haben. Hat die Beklagte zwei dieser drei Kriterien zu ver- treten und erweist sich das dritte Kriterium als unpraktikabel, so sind sie Prozesskosten der Beklagten aufzuerlegen. Aus dem Entscheid des Handelsgerichts vom 4. April 2001 in Sachen C. AG gegen X. Holding AG Aus den Erwägungen 1. Das vorliegende Verfahren ist unstreitig gegenstandslos ge- worden. Streitig ist lediglich die Kostenverteilung. Gemäss § 116 ZPO entscheidet der Richter bei Gegenstandslosigkeit eines Prozes- ses nach Ermessen über die Kostentragung. Nach der aargauischen Rechtsprechung zu dieser Bestimmung ist je nach der Lage des Ein- zelfalles für die Kostenverteilung auf unterschiedliche Kriterien ab- zustellen; nämlich darauf: - Welche Partei Anlass zur Klage gegeben hat. - Wie der Prozess bei materieller Beurteilung mutmasslich aus- gegangen wäre. - Bei welcher Partei die Gründe eingetreten sind, die zur Gegen- standslosigkeit geführt haben. (vgl. Bühler, in: Bühler/Edelmann/Killer, Kommentar zur aar- gauischen Zivilprozessordnung, 2. A., Aarau 1998, N 1 zu § 116) Diese drei Kriterien sind alternativ und entgegen der Auffas- sung der Beklagten nicht kumulativ anzuwenden. Dies bedeutet, dass der Richter sie je nach Sach- und Rechtslage des Einzelfalles unter- schiedlich gewichten und dem einen oder anderen Kriterium den Vorrang vor den beiden andern beimessen darf. Zu beachten ist über- dies, dass es mitunter schwierig sein kann, den mutmasslichen Pro- zessausgang verlässlich zu prognostizieren, sei es, dass dies - bei 2001 Zivilprozessrecht 57 unklarer Sach- oder Beweislage - überhaupt nur nach Durchführung eines Beweisverfahrens möglich ist, sei es, dass die sich stellenden Rechtsfragen per se heikel sind oder wegen der fehlenden sachlichen Klarheit noch gar nicht schlüssig beantwortet werden können. 2. a) Im vorliegenden Fall hat die Beklagte sowohl zur Klage Anlass gegeben als auch die Gegenstandslosigkeit verursacht. Ein- mal hat sie bei ihrer Gründung mit dem Firmennamen ,,X. Holding AG" eine Firma gewählt, die mit derjenigen der Klägerin klarerweise kollidiert. Ob sie vorgängig die möglichen Kollisionen mit prioritäts- älteren Firmennamen sorgfältig abgeklärt hat oder nicht, ist belang- los, da die gemäss Art. 951 Abs. 2 OR verpönte Verwechselbarkeit von kollidierenden Firmen verschuldensunabhängig zu beurteilen ist. Die Gegenstandslosigkeit hat die Beklagte durch die im Laufe des Prozesses vorgenommene Umfirmierung verursacht. Dass die hiefür massgebenden Gründe nicht firmenrechtlicher Natur waren, ist eben- falls unerheblich. Was das Kriterium des mutmasslichen Prozessausganges be- trifft, liegt hier ein firmenrechtlicher Streit vor, dessen Ausgang nur schwer zu prognostizieren ist. Denn nicht zu Unrecht wird bereits die Firmenwahl als "Vabanquespiel" bezeichnet (Meier-Hayoz/Forstmo- ser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 8. A., Zürich 1998, § 7 N 147). Bei Durchsicht der Rechtsprechung zu Art. 951 Abs. 2 OR kommt man überdies hin und wieder nicht um den Eindruck herum, es wohne ihr ein aleatorisches Moment inne. Hat aber die Beklagte zwei der drei für die Kostenverteilung massgebenden Kriterien zu vertreten und erweist sich der Dritte der drei relevanten Gesichtspunkte im vorliegenden Fall als unpraktika- bel, so sind die Prozesskosten der Beklagten aufzuerlegen.
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http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2001-13.html
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Urteil/Entscheid Handelsgericht 2. Kammer HSU.2020.16 Entscheid vom 3. März 2020 Besetzung Oberrichter Vetter, Vizepräsident Gerichtsschreiber Schneuwly Gesuchstellerin S. AG, _ vertreten durch lic. iur. Jörg Christian Schenkel, Rechtsanwalt, Möhr- listrasse 97, Postfach, 8006 Zürich Gesuchsgegne- rin 1 E. AG, _ Gesuchsgegne- rin 2 G. AG, _ Gesuchsgegne- rin 3 S. GmbH, _ Gesuchsgegne- rin 4 G. AG, _ Gesuchsgegne- rin 5 P. AG, _ Gesuchsgegne- rin 6 M. AG, _ Gesuchsgegne- rin 7 E. AG, _ Gesuchsgegne- rin 8 B. AG, _ Gesuchsgegne- rin 9 L AG, _ Gegenstand Summarisches Verfahren betreffend Bauhandwerkerpfandrecht - 2 - Der Vizepräsident entnimmt den Akten: 1. Die Gesuchstellerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Luzern. Sie be- zweckt hauptsächlich _ [GB] B). 2. Die Gesuchsgegnerinnen sind juristische Personen und haben alle ihren Sitz im Kanton Luzern (GB 2.1-9). Sie sind jeweils Alleineigentümerinnen von Stockwerkeinheiten an der P.-Strasse in B. (Stammgrundstück Nr. 123 GB B. [E-GRID 987]; GB C-D.10) 3. Mit Gesuch vom 2. März 2020 (persönlich überbracht am 3. März 2020) stellte die Gesuchstellerin die folgenden Rechtsbegehren: - 3 - Der Vizepräsident zieht in Erwägung: 1. Zuständigkeit Gemäss Art. 60 ZPO prüft das Gericht von Amtes wegen, ob die Prozess- voraussetzungen gegeben sind. Zu den Prozessvoraussetzungen gehört unter anderem die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Gerichts (Art. 59 Abs. 2 lit. b ZPO). 2. Örtliche Zuständigkeit Für den Erlass vorsorglicher Massnahmen ist das Gericht am Ort, an dem die Zuständigkeit für die Hauptsache gegeben ist oder am Ort, wo die Mas- snahme vollstreckt werden soll, zwingend örtlich zuständig (Art. 13 ZPO). Für Klagen auf Errichtung gesetzlicher Grundpfandrechte ist das Gericht am Ort, an dem das Grundstück im Grundbuch aufgenommen ist, zustän- dig (Art. 29 Abs. 1 lit. c ZPO). Die Grundstücke, auf welchen die Gesuchstellerin die insgesamt zehn Bau- handwerkerpfandrechte vorläufig eintragen lassen will, befinden sich in B. AG (D.1-D.10). Die örtliche Zuständigkeit der aargauischen Gerichte ist so- mit gegeben. 3. Sachliche Zuständigkeit 3.1. Das Handelsgericht ist für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen auch dann zuständig, wenn die Hauptsache noch nicht rechtshängig ist (Art. 6 Abs. 5 ZPO). Diese Zuständigkeit des Handelsgerichts gilt allerdings nur, wenn die Zuständigkeit des Handelsgerichts für die Hauptsache gegeben ist. Es ist daher zu prüfen, ob das Handelsgericht auch für die Hauptsache zuständig sein könnte. Im Gegensatz zu den (nicht zwingenden) örtlichen Gerichtsständen ist eine Einlassung vor einem sachlich unzuständigen Gericht nicht möglich.1. 1 BGE 140 III 355 E. 2.4, 138 III 471 E. 3.1; VETTER, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger ([Hrsg.), Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2016, Art. 6 N. 38 f. je m.w.N. - 4 - 3.2. Für vermögensrechtliche Streitigkeiten mit einem Streitwert von bis und mit Fr. 30'000.00 gilt gestützt auf Art. 243 Abs. 1 ZPO das vereinfachte Verfah- ren. Dieses ist vor dem Handelsgericht gemäss Art. 243 Abs. 3 ZPO aus- geschlossen. Das vereinfachte Verfahren geht jeweils der sachlichen Zu- ständigkeit des Handelsgerichts vor.2 3.3. Die einfache Streitgenossenschaft besteht aus einer subjektiven Klagen- häufung. Sie ist nur unter den in Art. 71 ZPO genannten Voraussetzungen zulässig, insbesondere wenn die einzelnen Klagen auf gleichartigen Tatsa- chen oder Rechtsgründen beruhen, die gleiche Verfahrensart anwendbar ist und die gleiche sachliche Zuständigkeit gilt.3 Bei der einfachen Streitge- nossenschaft bleibt gemäss Art. 93 Abs. 2 ZPO die Verfahrensart trotz Zu- sammenrechnung des Streitwerte nach Art. 93 Abs. 1 ZPO erhalten. Die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts ist für Klagen gegen Streitgenossen ausgeschlossen, wenn der Streitwert des betreffenden An- spruchs Fr. 30'000.00 nicht übersteigt.4 3.4. Vorliegend belaufen sich die Streitwerte der insgesamt zehn Klagen auf zwischen Fr. 8'068.00 und Fr. 14'094.00 und liegen damit jeweils unter Fr. 30'000.00 (auch die beiden objektiv gehäuften Klagen gegen die G. AG betragen in der Summe lediglich Fr. 17'361.00)5. Sämtliche dieser Klagen sind einzeln betrachtet somit im vereinfachten Verfahren durchzuführen. Eine Änderung der Verfahrensart aufgrund der Zusammenrechnung der einzelnen Streitwerte verbietet sich nach Art. 93 Abs. 2 ZPO. Demnach sind die einzelnen Klagen auch im Rahmen der vorliegenden einfachen passiven Streitgenossenschaft im vereinfachten Verfahren zu beurteilen. Das Handelsgericht ist damit für das vorliegende Gesuch vom 2. März 2020 somit sachlich nicht zuständig. 3.5. Aufgrund der obigen Ausführungen fehlt es an der Prozessvoraussetzung der sachlichen Zuständigkeit des Handelsgerichts in der Hauptsache und 2 BGE 143 III 137, 139 III 457. Bestätigt in BGE 142 III 788, 142 III 515 und in BGer 4A_340/2017 vom 24. Juli 2017 E. 2.4. Kritisch SCHNEUWLY, Das Verhältnis der sachlichen Zuständigkeit der Handelsgerichte zum vereinfachten Verfahren de lege lata und de lege ferenda, SJZ 2018, S. 361 ff. 3 BGE 138 III 471 E. 5.1. 4 DAETWYLER/STALDER, Allgemeiner Verfahrensgang und Zuständigkeit des Handelsgerichts, in: Brunner/Nobel (Hrsg.), Handelsgericht Zürich 1866-2016, 2016, S. 191. Siehe auch WINTSCH/MEYER, Streitwertaddition bei Klagenhäufung und einfacher Streitgenossenschaft, ZZZ 2016, S. 278 ff. m.w.N. 5 Vgl. dazu BGE 142 III 788 E. 4. - 5 - daher auch für vorsorgliche Massnahmen (Art. 59 Abs. 2 lit. b ZPO). Auf das Gesuch ist demzufolge nicht einzutreten (Art. 59 Abs. 1 ZPO). 4. Die Gerichtskosten betragen gestützt auf § 8 VKD Fr. 750.00 und werden der Gesuchstellerin auferlegt. Mangels Aufwand sind den Gesuchsgegne- rinnen 1-9 keine Parteientschädigungen zu entrichten. Der Vizepräsident erkennt: 1. Auf das Gesuch vom 2. März 2020 wird nicht eingetreten. 2. Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 750.00 sind von der Gesuchstellerin zu tragen. 3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. Zustellung an: die Gesuchstellerin (mit Einzahlungsschein. Vorab per E-Mail: jo- [email protected]) die Gesuchsgegnerinnen 1-9 (mit Kopie des Gesuchs vom 2. März 2020 [inkl. Beilagen]) Mitteilung an: die Obergerichtskasse Rechtsmittelbelehrung für die Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff., Art 90 ff. BGG) Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen, von der schriftlichen Eröff- nung der vollständigen Ausfertigung des Entscheids an gerechnet, die Be- schwerde an das Schweizerische Bundesgericht erhoben werden. Die Beschwerde ist schriftlich oder in elektronischer Form beim Schweize- rischen Bundesgericht einzureichen. Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit An- gabe der Beweismittel und die Unterschriften bzw. eine anerkannte elekt- ronische Signatur zu enthalten. In der Begründung ist in gedrängter Form mailto:[email protected] mailto:[email protected] - 6 - darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid verfassungsmässige Rechte (Art. 98 ff. BGG) verletzt. Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in den Händen hat; ebenso ist der angefochtene Entscheid beizulegen (Art. 42 BGG). Aarau, 3. März 2020 Handelsgericht des Kantons Aargau 2. Kammer Der Vizepräsident: Der Gerichtsschreiber: Vetter Schneuwly
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2000 Strafprozessrecht 75 [...] 22 § 56 Ziff. 3, 100 und 102 StPO. Art. 19 ZGB. - Die Geltendmachung des Zeugnisverweigerungsrechts steht dem ur- teilsfähigen Unmündigen selbständig zu (Erw. 2 c/cc). - Für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen bedarf der urteilsfähige Unmündige - im Gegensatz zur Erhebung von Genugtu- ungsansprüchen - der Zustimmungserklärung des gesetzlichen Vertre- ters (Erw. 2 c/cc). - § 102 StPO schliesst die Einvernahme eines Zeugen, welcher die Aus- sagen anderer Personen zum gleichen Fall hat mitverfolgen können, nicht aus (Erw. 2 c/dd). Aus dem Entscheid des Obergerichts, 1. Strafkammer, vom 27. September 2000 in Sachen StA gegen R.F. Aus den Erwägungen 2c/cc) Entgegen der Auffassung des Angeklagten konnte die Zivilklägerin ohne Zustimmung ihres Beistands über das ihr zuste- hende Zeugnisverweigerungsrecht entscheiden. Nach Art. 19 Abs. 2 ZGB können urteilsfähige Unmündige oder Entmündigte selbständig Rechte ausüben, die ihnen um ihrer Per- sönlichkeit willen zustehen. Volle Geschäftsfähigkeit kommt den beschränkt Handlungsunfähigen somit im gesamten Bereich zu, der eine besondere Beziehung zur Persönlichkeit des Handelnden auf- 2000 Obergericht 76 weist. Unter Ausübung der Rechte wird nicht nur die Geltendma- chung eines subjektiven Rechtes verstanden, sondern die Gesamtheit der Rechtsgeschäfte, der rechtsgeschäftlichen Handlungen und Wil- lenserklärungen, die in irgendeiner Weise die Rechtsbeziehung des Erklärenden oder eines Dritten beeinflussen. Dazu zählt insbesondere auch die prozessuale Geltendmachung der höchstpersönlichen Rechte. Der urteilsfähige Unmündige oder Entmündigte ist daher in allen Streitigkeiten über höchstpersönliche Ansprüche im Sinne von Art. 19 Abs. 2 ZGB prozessfähig (Pedrazzini/Oberholzer, Grundriss des Personenrechts, 4.A., Bern 1993, S. 87 f.; Bucher, Berner Kom- mentar, Das Personenrecht, Die natürlichen Personen, Kommentar zu den Art. 11 - 26 ZGB, Bern 1976, N. 196 f. zu Art. 19 Abs. 2 ZGB). Auch die Berufung auf das Zeugnisverweigerungsrecht im Strafpro- zess steht dem Urteilsfähigen jeden Alters selbständig zu, da die Gründe der Gewährung eines solchen in der Person der Berechtigten liegen und als höchstpersönlich gelten müssen (Bucher, Berner Kommentar, a.a.O., N. 316 zu Art. 19 Abs. 2 ZGB; Hauser, Der Zeu- genbeweis im Strafprozess mit Berücksichtigung des Zivilprozesses, Zürich 1974, S. 147). Im Bereich der Ausübung höchstpersönlicher Rechte kann der Betroffene einen Vertreter bestellen, insbesondere durch Vollmacht- erteilung einen Anwalt zur Interessenwahrung ausserhalb wie im Rahmen eines Prozesses ermächtigen (BGE 112 IV 9 ff.; Bucher, a.a.O., N. 196 ff. und 313 zu Art. 19 Abs. 2 ZGB). Für die Geltend- machung von Schadenersatzansprüchen, sei es ausserprozessual, im Zivilprozess oder adhäsionsweise im Strafprozess, bedarf die urteils- fähige unmündige oder entmündigte Person indessen - dies im Ge- gensatz zur Erhebung von Genugtuungsansprüchen - der Zustim- mung des gesetzlichen Vertreters, da hier nicht mehr die Wahrung höchstpersönlicher Rechte, sondern der Ausgleich für eine vermö- gensmässige Einbusse angestrebt wird (Pedrazzini, a.a.O., S. 87; Bucher, a.a.O., N. 323 zu Art. 19 Abs. 2 ZGB; ZBJV 99, S. 107). Die Zustimmungserklärung des gesetzlichen Vertreters ist selbst bei 2000 Strafprozessrecht 77 formbedürftigen Geschäften an keine besondere Form gebunden. Sie kann explizit oder auch durch konkludentes Handeln erfolgen. Die Zustimmung kann im Voraus erteilt werden, sie kann gleichzeitig mit der Vornahme des Geschäftes erfolgen oder sie kann auch im Nach- hinein geäussert werden (Pedrazzini, a.a.O., S. 90). Aus diesen Ausführungen folgt, dass die Zivilklägerin ohne Zu- stimmung ihres Beistands auf das ihr zustehende Zeugnisverweige- rungsrecht verzichten konnte. Sie wäre auch berechtigt gewesen, die Psychologin B. vom Berufsgeheimnis zu entbinden, sofern letztere einem solchen unterstanden hätte. Gemäss den obigen Ausführungen durfte sie auch selbständig einen Rechtsvertreter bzw. -vertreterin beauftragen. Einzig für die Geltendmachung der Zivilforderung be- nötigte sie die Zustimmung ihres Beistands. Aus einem Schreiben der Rechtsvertreterin an das Bezirksgericht B. ergibt sich, dass am 8. September 1999 und somit kurz vor der vorinstanzlichen Verhand- lung eine ausführliche Besprechung zwischen der Rechtsvertreterin und der Zivilklägerin stattfand, an welcher auch ihr Beistand teil- nahm. Zudem erklärte die Zivilklägerin vor Vorinstanz, dass ihr Bei- stand über die Verhandlung orientiert sei. Es ist daher davon auszu- gehen, dass dieser über das vorliegende Verfahren im Bilde war und zudem mit der Geltendmachung der Zivilforderung einverstanden war. Es liegt somit zumindest eine konkludente Zustimmung des Beistands zur Geltendmachung der gestellten Schadenersatzforde- rung vor, weshalb die Vorinstanz zu Recht auf diese eingegangen ist. dd) Im Weiteren macht die Verteidigung mit Hinweis auf § 102 StPO geltend, die Einvernahme von H. und A. sei nicht zulässig, weil sie bei der Einvernahme der Zivilklägerin anwesend gewesen seien und H. die gesamte Verhandlung vom 31. August 2000 mitverfolgt habe. Entgegen den Ausführungen der Verteidigung schliesst § 102 StPO die Einvernahme eines Zeugen, welcher die Aussagen anderer Personen zum gleichen Fall hat mitverfolgen können, nicht aus. Eine solche Zeugeneinvernahme ist ohne weiteres dann zulässig, wenn 2000 Obergericht 78 sich (wie hier) ihre Notwendigkeit erst im Verlaufe des Verfahrens herausstellt; allerdings sind die erwähnten Kenntnisse des Zeugen bei der Würdigung seiner Aussagen entsprechend zu berücksichtigen.
1,319
1,041
AG_HG_001
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2000-22_2000-09-01
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1,117,584,000,000
2,005
de
2005 Obergericht 28 B. Obligationenrecht 2 § 7 Abs. 2 VKD, Art. 343 Abs. 2 OR Kostenvorschuss in arbeitsgerichtlichen Verfahren; kein Abzug des Grenzbetrages von Fr. 30'000.-- gemäss Art. 343 OR bei der Berechnung des Grundansatzes gemäss § 7 Abs. 2 VKD. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 1. Juni 2005 i.S. R. R. c. Arbeitsgericht Z. Aus den Erwägungen 3. [...] d) Nach dem Gesagten beträgt der Streitwert im vorlie- genden Fall Fr. 35'150.--. Die Berechnung der Höhe des Verfahrens- kostenvorschusses ist gestützt auf § 7 Abs. 2 VKD vorzunehmen. aa) Gemäss § 7 Abs. 2 VKD beträgt der Grundansatz in arbeitsgerichtlichen Streitsachen bei einem Streitwert zwischen Fr. 8'000.-- und Fr. 80'000.-- 7,5 % des um Fr. 8'000.-- verminderten Streitwertes. Im vorliegenden Fall ergibt sich somit folgende Berech- nung: Streitwert (Fr. 35'150.--) ./. Abzug (Fr. 8'000.--) * 7,5 % [...] bb) Die Ausführungen des Beschwerdeführers, es sei gestützt auf Art. 343 OR bei der Berechnung des Grundansatzes ein Abzug von Fr. 30'000.-- vorzunehmen, gehen an der Sache vorbei. Art. 343 OR normiert für einen Streitwert bis Fr. 30'000.--, dass den Parteien weder Gebühren noch Auslagen des Gerichts auferlegt werden. Jedoch derogiert Art. 343 OR bei einem Streitwert über Fr. 30'000.-- die Regelung von § 7 Abs. 2 VKD nicht. Ein Streitwertabzug von Fr. 30'000.-- findet im Gesetz keine Stütze und die Voraussetzungen für eine Auslegung gegen den Wortlaut von § 7 Abs. 2 VKD sind nicht erfüllt (vgl. Beschluss der 1. und 2. Zivilabteilung des Ober- 2005 Zivilrecht 29 gerichts des Kantons Aargau vom 18. November 1992 mit Hinw. auf BGE 114 II 406 Erw. 3, 113 Ia 444 Erw. 3, 113 V 1523 Erw. 3a). Eine solche Auslegung ist demnach abzulehnen.
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364
AG_HG_001
AG_HG
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AG_HG_001_AGVE-2005-2_2005-06-01
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1,051,660,800,000
2,003
de
2003 Obergericht/Handelsgericht 68 [...] 19 Art. 12 lit. a BGFA Unzulässigkeit der Rechnungsstellung für im Aufsichts- / Disziplinarver- fahren getätigte Aufwendungen gestützt auf das ursprüngliche Mandats- verhältnis. Aus dem Entscheid der Anwaltskommission vom 30. April 2003 i.S. P. W. Sachverhalt A. Der beanzeigte Anwalt hatte den Anzeiger in Sachen ,,Unfall vom 16.2.1999" betreffend haftpflicht- und sozialversicherungs- rechtlichen Folgen vertreten. In der Vollmacht vom 26. September 2001 wurden betreffend Honorar die Richtlinien des Aargauischen Anwaltsverbandes anwendbar erklärt, soweit nicht zwingend der staatliche Anwaltstarif anwendbar wäre. Ausserdem wurde der bean- zeigte Anwalt ausdrücklich ermächtigt, bei ihm eingegangene Zah- lungen zu verrechnen. B. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2002 wandte sich der Anzei- ger an die Anwaltskommission und führte aus, der beanzeigte Anwalt habe eine Überweisung auf sein Konto als Fehler der Helsana be- 2003 Zivilprozessrecht 69 zeichnet, obwohl er der Helsana ausdrücklich die entsprechende An- weisung erteilt habe. Ausserdem habe er Fr. 2'000.-- von der Zahlung der Helsana zurückbehalten, ohne ihn, den Anzeiger, vorher zu be- nachrichtigen und ohne vorgängig Rechnung gestellt zu haben. Der Anzeiger führte weiter aus, obwohl er mit vielen Punkten der Rech- nung des beanzeigten Anwalts nicht einverstanden sei, werde er diese bezahlen. Er wolle aber darauf hinweisen, dass nach seiner Ansicht dem Ansehen des Anwaltsberufes durch solch willkürliche Handlun- gen geschadet werde. C. Am 6. November 2002 erstattete der beanzeigte Anwalt seine Stellungnahme. Mit Schreiben vom gleichen Datum stellte er dem Anzeiger weitere Fr. 330.20 in Rechnung. Er begründete dies mit zwei Briefen vom 18. und 28. Oktober 2002 an den Anzeiger sowie seiner Stellungnahme an die Anwaltskommission. Aus den Erwägungen 4. (...) c) (...) Nicht angehen kann es, dass der beanzeigte Anwalt ge- stützt auf das ursprüngliche Mandat betreffend Unfall vom 16. Fe- bruar 1999 dem Klienten seine Aufwendungen im Aufsichts- / Diszi- plinarverfahren in Rechnung stellt, denn der ursprünglich durch den Klienten erteilte Auftrag deckt die hier in Rechnung gestellten Auf- wendungen nicht mehr ab. Es ist auch nicht zulässig, dass diese Auf- wendungen als ,,Nachbetreuung" bezeichnet und auf diese Weise zum Auftrag geschlagen werden (so aber der beschuldigte Anwalt in seiner Stellungnahme vom 19. November 2002). Der beanzeigte Anwalt war somit zweifellos nicht berechtigt, die Stellungnahme an die Anwaltskommission dem Anzeiger gestützt auf den ursprünglichen Auftrag in Rechnung zu stellen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob er damit auch gegen eine der in Art. 12 BGFA aufgeführten Berufspflichten verstossen hat. d) Art. 12 lit. a BGFA verpflichtet den Anwalt, seinen Beruf sorgfältig und gewissenhaft auszuüben. Diese Bestimmung stellt gemäss Botschaft zum BGFA eine Generalklausel dar. Die Pflicht zur 2003 Obergericht/Handelsgericht 70 Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit betrifft sowohl das Verhältnis zum Klienten wie auch das Verhalten gegenüber Gerichtsbehörden. Von den Anwälten wird in ihrer gesamten Anwaltstätigkeit ein korrektes Verhalten verlangt (Botschaft des Bundesrates zum BGFA vom 28. April 1999 [Botschaft], Ziff. 233.21). Sinngemäss entspricht diese Bestimmung in etwa dem bisher in § 14 Abs. 1 und 2 AnwG enthaltenen Leitsatz, wonach der Anwalt sich in seinem Verhalten in der Ausübung des Berufes sowie durch sein sonstiges Geschäftsge- baren der Achtung würdig zeigen soll, die sein Beruf erfordert und das Interesse seines Auftraggebers gewissenhaft und nach Recht und Billigkeit zu wahren hat. Die bisherige Lehre und Rechtsprechung zu § 14 Abs. 1 und 2 AnwG kann deshalb grösstenteils auf den neuen Art. 12 lit. a BGFA übernommen werden, wobei auch die in lit. b bis j dieser Bestimmung enthaltenen Konkretisierungen mitzuberück- sichtigen sind. Die Sorgfaltspflichten des Anwaltes beinhalten nicht nur Geset- zeskenntnisse sowie Kenntnisse der Judikatur und Literatur, er muss auch Instruktionsgespräche und Prozesse führen sowie dabei Rechts- probleme erkennen und seine Rechtskenntnisse anwenden können. Der Klient darf vom Anwalt besondere Zuverlässigkeit erwarten, wo- bei "gewisse menschliche Unvollkommenheiten" toleriert werden. Das Mass der geforderten Sorgfalt bestimmt sich nach dem Durch- schnittsverhalten, gemessen an Personen der gleichen Berufsgruppe in der gleichen Situation. Entscheidend sein können der Schwierig- keitsgrad und die Natur des Mandates sowie die zur Ausführung desselben notwendigen Fachkenntnisse (G. A. Testa, Die zivil- und standesrechtlichen Pflichten des Rechtsanwaltes gegenüber dem Klienten, Zürich 2001, S. 51). e) Die (teilweise) Rechnungsstellung für Aufwendungen in ei- nem Verfahren, das noch nicht abgeschlossen ist, ist nur insofern zu- lässig, als der Anwalt effektiv im Interesse des Mandanten, also ge- stützt auf ein Mandat, tätig ist. Testa befürwortet in solchen Fällen sogar eine periodische Abrechnung der Teilaufwendungen (Testa, a.a.O., S. 74). Bei Aufwendungen, welche der Anwalt in einem ihn selber be- treffenden Aufsichts- bzw. Disziplinarverfahren tätigt, sieht die Si- 2003 Zivilprozessrecht 71 tuation dagegen anders aus. Solche Aufwendungen erfolgen nicht im Interesse des Klienten und lassen sich nicht mehr auf das ursprüngli- che Mandat zurückführen. (...) (...) Mit seinem Verhalten schadet der beanzeigte Anwalt dem Anse- hen des Anwaltsstandes. Ein solches Verhalten ist eines Anwaltes nicht würdig und verstösst gegen die sich aus Art. 12 lit. a BGFA ergebende Pflicht zu sorgfältiger und gewissenhafter Berufsausübung sowie korrektem Verhalten.
1,233
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AG_HG_001
AG_HG
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Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2003-19_2003-04-30
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de
2002 Obergericht/Handelsgericht 80 [...] 26 Nachweis der Berufshaftpflichtversicherung Der Registereintrag bedingt den Nachweis einer Berufshaftpflichtversi- cherung nicht. Art. 12 lit. f BGFA erklärt jedoch den Abschluss einer ge- nügenden Berufshaftpflichtversicherung zur Berufsregel. Dem Abschluss einer genügenden Berufshaftpflichtversicherung ist im Hinblick auf den Verkehrsschutz bedeutendes Gewicht beizumessen. Da die Aufsichtstätig- keit der Anwaltskommission eine ständige Kontrolle der Einhaltung der Berufsregeln, so auch in Bezug auf den Abschluss einer genügenden Be- rufshaftpflichtversicherung, umfasst, rechtfertigt es sich, von den Anwäl- tinnen und Anwälten, die sich ins Anwaltsregister eintragen lassen wollen, einen Nachweis über den Versicherungsabschluss, unter Angabe der Ver- sicherungsgesellschaft und der Höhe der Deckungssumme, zu verlangen. Ebenso sind die registrierten Anwältinnen und Anwälte darüber hinaus zu verpflichten, eine allfällige Änderung des Versicherungsschutzes zu melden. Bei Fehlen des Nachweises des Versicherungsabschlusses kann der Registereintrag nicht verweigert werden, die Anwaltskommission be- hält sich für einen solchen Fall aber vor, ein Disziplinarverfahren wegen Verletzung einer Berufsregel einzuleiten. Beschluss der Anwaltskommission vom 13. Februar 2002
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AG_HG_001
AG_HG
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1,280,620,800,000
2,010
de
2010 Obergericht 48 [...] 11 Art. 240 Abs. 1 und 2 StGB. Der Grundtatbestand nach Art. 240 Abs. 1 StGB ist bereits erfüllt, wenn die Fälschung nicht leicht erkennbar oder nicht bloss wenige Falsifikate mit geringem Nominalwert hergestellt worden sind, auch wenn die Vorge- hensweise des Täters einfach war und er nur geringe kriminelle Energie aufgewendet hat. Das gebietet der Umstand, dass die Voraussetzung zur Annahme des privilegierten Tatbestands von Art. 240 Abs. 2 StGB nicht das Vorliegen eines "leichten", sondern eines "besonders leichten" Falles ist. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 1. Strafkammer, vom 18. August 2010, i.S. P.L.F. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (SST.2010.145) Aus den Erwägungen 2.2.3. Allgemein gültige Kriterien, wann ein besonders leichter Fall vorliegt, wurden von Rechtsprechung und Lehre bislang nicht entwickelt. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung liegt ein sol- cher vor, wenn die Fälschung für jedermann leicht erkennbar ist oder wenn nur wenige Falsifikate mit geringem Nominalwert hergestellt worden sind (BGE 133 IV 256 E. 3.2 mit Hinweisen). Es genügt nicht, dass ein Fall bloss als leicht erscheint. Andererseits wird in der Rechtsprechung ausgeführt, das Vorgehen oder der Nominalwert der Fälschungen müsse eine kriminelle Energie offenbaren, welche die Annahme des Grundtatbestandes mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe gebiete (vgl. BGE 133 IV 256 E. 3.2). Die obengenannten Kriterien helfen in einem Fall, wie er vorlie- gend zu beurteilen ist, nicht weiter, denn in diesem kann einerseits aufgrund der Vorgehensweise des Täters und des Nominalwerts nicht ernsthaft von einer kriminellen Energie gesprochen werden, die eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe gebieten würde. Ande- 2010 Strafrecht 49 rerseits liegt aber aufgrund der Qualität, der Anzahl und des Nomi- nalwerts der Falsifikate auch kein "besonders" leichter Fall vor. Nach dem oben Gesagten ist jedoch, auch wenn das Bundesgericht in einem vergleichbaren Fall (BGE 133 IV 256) unter Hinweis auf den richterlichen Ermessensspielraum entschieden hat, die Annahme des privilegierten Tatbestandes verletze kein Bundesrecht, immer dann vom Grundtatbestand auszugehen, wenn kein besonders leichter Fall vorliegt. Entscheidend für die Annahme des privilegierten Tatbestan- des der Geldfälschung ist somit ausschliesslich, ob die Fälschung für jedermann leicht erkennbar war oder nur wenige Falsifikate mit geringem Nominalwert hergestellt worden sind. 2.3.3. Der Angeklagte hat gemäss diesbezüglich anerkanntem Sachverhalt mit einem professionellen Farblaserkopierer bei seinem damaligen Arbeitgeber 26 falsche Banknoten Fr. 20.00, 48 falsche Banknoten Fr. 50.00 und 13 falsche Banknoten Fr. 100.00, insge- samt 87 falsche Banknoten mit einem Nominalwert von Fr. 4'220.00, hergestellt. Sowohl die Anzahl von 87 Falsifikaten als auch der Nominal- wert von Fr. 4'220.00 sprechen gegen die Annahme eines besonders leichten Falles (L ENTJES M EILI / K ELLER , Basler Kommentar, StGB II, 2. Aufl., Basel 2007, N. 22 zu Art. 240). Bei 87 Banknoten kann nicht mehr von bloss wenigen Falsifikaten gesprochen werden. Auch der Nominalwert von Fr. 4'220.00 ist nicht gering. Dieser Betrag ist mehr als zehn mal höher als der vom Bundesgericht betreffend Art. 172 ter StGB festgelegte Grenzwert für die Annahme eines "gerin- gen Vermögenswertes" (Fr. 300.00, BGE 121 IV 261). Auch im Ver- gleich zu dem vom Bundesgericht bei der Sachbeschädigung als grossen Schaden im Sinne von Art. 144 Abs. 3 StGB festgelegten Grenzwert von Fr. 10'000.00 (Urteil des Bundesgerichts 6B_202/2010 vom 31. Mai 2010) kann der Nominalwert der Falsifi- kate von Fr. 4'220.00 nicht mehr als so gering bezeichnet werden, dass von einem besonders leichten Fall gesprochen werden könnte. Werden die gefälschten Banknoten betrachtet, so sehen sie wie echte aus. Die Farben sind originalgetreu und beim Kopieren sind Merkmale gebrauchter Banknoten wie z.B. Faltstriche übernommen worden. Wären die zur Kennzeichnung als Falsifikate angebrachten 2010 Obergericht 50 Löcher nicht vorhanden, schöpfte der Betrachter keinen oder höchs- tens beim Befühlen allenfalls einen gewissen Verdacht. Die vom An- geklagten hergestellten Banknoten sind nur bei genauer Überprüfung der Sicherheitsmerkmale bei guten Verhältnissen (gutes Licht, genü- gend Zeit, keine Durchmischung mit echten Banknoten) von echten Banknoten zu unterscheiden. Es trifft zwar zu, dass der Angeklagte die Falsifikate nicht speziell nachbearbeitet hat (z.B. durch Nach- ahmung von Sicherheitsmerkmalen) und er gewöhnliches Papier ver- wendet hat. Das führt aber nicht dazu, dass es sich vorliegend um leicht erkennbare oder gar plumpe Falsifikate handeln würde. Auf- grund der eigenen Wahrnehmung steht für das Obergericht fest, dass die Qualität der Falsifikate so gut ist, dass sie nicht für jedermann leicht als gefälscht erkennbar sind. Dieser Befund deckt sich mit den bei der Fachstelle des Polizeikommandos Aargau vorgenommenen Abklärungen. Auch in den Augen dieser Fachstelle soll es sich bei den Falsifikaten um solche sehr guter Qualität handeln. Die Fäl- schung sei von blossem Auge kaum sichtbar (Rapport der Kantons- polizei Aargau vom 20. November 2008, act. 211). Nicht entscheidend für die Frage, ob ein besonders leichter Fall der Geldfälschung vorliegt, sind der Zeitaufwand des Angeklagten für die Herstellung der Falsifikate und die Gründe, weshalb er diese hergestellt hat. Diese Punkte sind im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen. Zusammenfassend gelangt das Obergericht zum Schluss, dass kein besonders leichter Fall im Sinne von Art. 240 Abs. 2 StGB vor- liegt. (...)
1,300
1,060
AG_HG_001
AG_HG
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Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2010-11_2010-08-01
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1,083,456,000,000
2,004
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2004 Obergericht/Handelsgericht 76 21 Art. 197 Ziff. 3 StGB, Pornographie: Die auf sich selbst reduzierte Sexualität muss nicht begriffsnotwendig mit Darstellungen des Genitalbereichs verbunden sein. Gewisse auf sexuellen Lustgewinn ausgerichtete sadomasochistische Praktiken bedürfen des Einbezugs des Genitalbereichs nicht. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 2. Strafkammer, vom 27. Mai 2004 i.S. Staatsanwaltschaft gegen U.G. Sachverhalt Der Inhalt der beim Angeklagten beschlagnahmten Videofilme beschränkt sich darauf, dass weibliche Personen mit der Hand und verschiedenen Gegenständen wie Tischtennisschlägern, Ruten oder Stöcken durch Schläge aufs Gesäss gezüchtigt werden. Dabei entste- hen Hautrötungen, Striemen und blutunterlaufene, fast aufgeplatzte Prellungen. Die Züchtigungen sind teilweise intensiv und von langer Dauer. Die Frauen erleiden dabei Schmerzen und geben dies durch Wimmern, Stöhnen und Schmerzschreie kund. Auch optisch sind die Aufnahmen auf die Darstellung der Züchtigungen und der erlittenen Schmerzen ausgerichtet. Der Genitalbereich ist in die Handlungen nicht einbezogen und wird in den Aufnahmen auch nicht resp. ledig- lich in einem unbedeutenden Ausmass gezeigt. Aus den Erwägungen 2. Wer pornographische Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände solcher Art oder pornographische Vorführungen, die sexuelle Handlungen unter anderem mit Gewalt- tätigkeiten zum Inhalt haben, einführt und lagert, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft (Art. 197 Ziff. 3 StGB). Seit dem 1. April 2002 wird zudem mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Busse 2004 Strafrecht 77 bestraft, wer solche Gegenstände oder Vorführungen, die sexuelle Handlungen mit Gewalttätigkeiten zum Inhalt haben, erwirbt, sich über elektronische Mittel oder sonst wie beschafft oder besitzt (Art. 197 Ziff. 3 bis StGB). Der Begriff der Pornographie umschreibt Darstellungen oder Darbietungen sexuellen Inhalts, die in der Regel sexuelles Verhalten aus seinen menschlichen Bezügen heraustrennen und dadurch ver- gröbern und aufdringlich wirken lassen, zum Beispiel durch Dar- stellung sexueller Vorgänge, die Sexualität in fortschreitender Steige- rung verzeichnet und auf sich selbst reduziert (Botschaft des Bundes- rats über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuchs vom 26. Juni 1985 in: Bundesblatt 1985 II S. 1089). Dadurch wird der Mensch zum blossen Sexualobjekt erniedrigt (Jenny, Kommentar zum Schweizerischen Strafrecht, 4. Band, Bern 1997, N 4 zu Art. 197 mit Hinweisen). Die Vorinstanz verbindet unter Hinweis auf Matthias Schwaibold/Kaspar Meng (Basler Kommentar, Strafgesetz- buch II, Basel/Genf/München 2003, N 14 zu Art. 197) den Begriff der Pornographie mit der Konzentration der Darstellungen auf den Genitalbereich mit der Folgerung, dass Pornographisches ohne Be- zug zum anatomischen Genitalbereich strafrechtlich nicht denkbar sei (Urteil S. 10; vgl. dazu auch Rehberg/Schmid/Donatsch, Straf- recht III, 8. Aufl., Zürich 2003, S. 453, wo als Erfordernis ebenfalls die übermässige Betonung des Genitalbereichs in der Darstellung sexueller Handlungen angeführt wird). Die Lehrmeinung im Basler Kommentar mit der Konzentration der Darstellungen auf den Geni- talbereich verweist auf die Botschaft des Bundesrats (Botschaft a.a.O., S. 1089). Dort finden sich jedoch keine derartigen Ausfüh- rungen, und es ist - wie gerade im zu beurteilenden Verfahren festge- stellt werden kann - auch nicht einsehbar, weshalb die auf sich selbst reduzierte Sexualität begriffsnotwendig mit Darstellungen des Geni- talbereichs verbunden sein müsste. Wohl dürfte dies in aller Regel der Fall sein, jedoch bedürfen gerade gewisse auf sexuellen Lustge- winn ausgerichtete sadomasochistische Praktiken des Einbezugs des Genitalbereichs nicht und sind trotzdem zu den pornographischen Handlungen zu zählen. Damit im Einklang steht ohne weiteres die Definition von Trechsel (Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurz- 2004 Obergericht/Handelsgericht 78 kommentar, 2. Aufl., Zürich 1997, N 4 zu Art. 197), dass die Dar- stellung eine aus jedem realistischen Zusammenhang gerissene, übersteigerte und auf sich selbst konzentrierte Sexualität zum Gegen- stand hat. Pornographische Erzeugnisse leben vom betonten Hinse- hen. Wo Zielrichtung und demonstrative Darstellung zusammen- kommen, liegt Pornographie vor. Sie ist objektiv darauf ausgerichtet, beim Konsumenten geschlechtliche Erregung zu wecken und den Leser, Betrachter oder Zuhörer sexuell aufzureizen (Trechsel, a.a.O., N 4 zu Art. 197; Rehberg/Schmid/Donatsch a.a.O., S. 453). Zentral für die Pornographie ist die sexuelle Handlung. Die Vorinstanz qualifiziert diese unter Bezugnahme auf Rehberg/Schmid (Strafrecht III, Zürich 1997, S. 380) als eine körperliche Betätigung am eigenen Körper oder demjenigen eines anderen Menschen, die unmittelbar auf die Erregung oder Befriedigung geschlechtlicher Lust - wenn auch nur bei einem von zwei Beteiligten - gerichtet ist. Ob der direkte Sexualbezug gegeben ist, kann sich nur nach dem äusseren Erscheinungsbild der Betätigung ergeben, das allein einen ausreichenden Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Handlung zu bieten vermag. Diese muss stets unter Berücksichtigung aller Um- stände vom Standpunkt eines aussenstehenden objektiven Betrach- ters aus erfolgen (Urteil S. 8). Stratenwerth/Jenny (Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 6. Aufl., Bern 2003, S. 147) gehen auf ambivalente Verhaltensweisen ein, deren sexuelle Bedeutung davon abhängen soll, welche Absicht der Täter mit ihnen verfolgt, und füh- ren im Zusammenhang mit Handlungen, die sich äusserlich nicht ein- deutig als geschlechtlich bezogen darstellen mögen, aus, dass am Rückgriff auf die Motivation des Täters gelegentlich kein Weg vor- beiführe. Als Beispiele sprechen sie sexuell motivierte Akte der Ag- gression mit Schlägen in den Unterleib, auf das Gesäss oder auf die Brust an, um sich durch die körperliche Misshandlung sexuellen Lustgewinn zu verschaffen. Sie verneinen die Qualifikation als se- xuelle Handlung dann, wenn der sexuelle Hintergrund des Verhaltens für niemanden ausser dem Täter erkennbar ist. (...) 3. a) In den im Verfahren zu beurteilenden Filmen werden - als einzigem Inhalt - weibliche Personen dargestellt, die unter Stöhnen 2004 Strafrecht 79 und Wimmern und Bitten um Innehaltung von Personen männlichen Geschlechts mit Schlägen aufs nackte Gesäss gezüchtigt werden. Ebenso wie die Anwendung von Gewalt die Darstellung dominiert, ist deren gleichzeitige Sexualbezogenheit auch für einen neutralen objektiven Betrachter offensichtlich. Es handelt sich nicht um Ge- walt als Aggression aus Wut, Hass, reinem Zerstörungswillen oder ähnlichem, sondern um sadistische Praktiken, die unmittelbar und vordringlich der Erregung oder Befriedigung sexueller Lust dienen. Es kann deshalb nicht davon gesprochen werden, dass die Gewalt- anwendung vom sexuellen Kontext losgelöst wäre, sondern im Ge- genteil bildet sie die Ausdrucksform des so gearteten sexuellen Ver- haltens. Deshalb ist nicht Art. 135 StGB anzuwenden, sondern stellen die gezeigten Praktiken tatbestandsmässiges Verhalten im Sinne von Art. 197 StGB dar, selbst wenn sie nicht auf den Genitalbereich der Frauen bezogen sind. Auch hier wird die auf diese Weise ausge- drückte Sexualität durch die Beschränkung der Handlungen auf die Züchtigungen auf sich selbst reduziert. Die Rahmengeschehnisse sind blosse "Aufhänger" zur Darstellung der Züchtigungshandlungen und dermassen nebensächlich und gesucht, dass keinesfalls ein Ge- samtzusammenhang hergestellt werden könnte. Unter diesen Umständen ist nicht nur mit der Vorinstanz festzu- stellen, dass es sich um sexuelle Handlungen handelt und dabei Ge- walt angewendet wird, die zum Teil in echte körperliche Misshand- lungen mündet, sondern entgegen deren Schlussfolgerungen sind diese Handlungen als pornographisch im Sinne des Gesetzes zu be- zeichnen, selbst wenn sie sich nicht auf den Genitalbereich im enge- ren Sinne beziehen.
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AG_HG_001
AG_HG
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Northwestern_Switzerland
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2012 Zivilprozessrecht 29 II. Zivilprozessrecht 2 Art. 121 ZPO. Beschwerdelegitimation der Gegenpartei im Verfahren be- treffend Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 4. Zivilkammer, vom 6. September 2012 in Sachen B.O. F. gegen D.R. B. (ZSU.2012.77) Aus den Erwägungen 2. Gemäss Art. 121 ZPO kann der Entscheid mit Beschwerde an- gefochten werden, wenn die unentgeltliche Rechtspflege ganz oder teilweise abgelehnt oder entzogen wird. Beschwerdelegitimiert ist die gesuchstellende Partei. Die Gegenpartei ist mangels Rechts- schutzinteresses nicht legitimiert (Botschaft des Bundesrats zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO] vom 28. Juni 2006 S. 7303; Huber, in: Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], Schweizeri- sche Zivilprozessordnung, Kommentar, 2011, Art. 121 N. 7). Ob sie zur Beschwerde legitimiert ist, wenn die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt wird, ist umstritten. Gemäss Botschaft kann sie gegen eine Befreiung von der Sicherheitsleistung für die Parteientschädigung Beschwerde gemäss Art. 103 ZPO führen (Botschaft S. 7303). Da- nach ist sie nicht legitimiert, gegen einen die unentgeltliche Rechts- pflege bewilligenden Entscheid Beschwerde gemäss Art. 121 ZPO zu führen. Dieser Auffassung folgt ein Teil der Lehre, welche dafürhält, dass der Gegenpartei die Beschwerde gemäss Art. 103 ZPO offen- steht, sofern mit der Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege zugleich die Befreiung von der Sicherheitsleistung für die Partei- entschädigung verfügt wird (Huber, a.a.O., Art. 121 N. 7; Rüegg, in: Spühler/Tenchio/Infanger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizeri- sche Zivilprozessordnung, 2010, Art. 121 N. 1; Gasser/Rickli, 2012 Obergericht 30 Schweizerische Zivilprozessordnung, Kurzkommentar, 2010, Art. 121 N. 2; Köchli, in: Baker & McKenzie [Hrsg.], Schweizeri- sche Zivilprozessordnung, Handkommentar, 2010, Art. 121 N. 2; Mohs, in: Gehri/Kramer [Hrsg.], Schweizerische Zivilprozessord- nung, Kommentar, 2010, Art. 121 N. 2; Tappy, in: Bohnet/Hal- dy/Jeandin/Schweizer/Tappy, Code de procédure civile commenté, 2011, Art. 121 N. 16). Andere Autoren bejahen die Beschwerdele- gitimation der Gegenpartei direkt gestützt auf Art. 121 ZPO mit der Begründung, dass die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege die Befreiung von Sicherheitsleistungen von Gesetzes wegen impli- ziere, womit die Beschwer gegeben sei (Staehelin/Staehelin/Groli- mund, Zivilprozessrecht nach dem Entwurf für eine Schweizerische Zivilprozessordnung und weiteren Erlassen - unter Einbezug des internationalen Rechts, 2008, § 16 N. 68; Emmel, in: Sutter- Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schwei- zerischen Zivilprozessordnung [ZPO], 2010, Art. 121 N. 2; Jent- S rensen, in Oberhammer [Hrsg.], Schweizerische Zivilprozessord- nung, Kurzkommentar, 2010, Art. 121 N. 2). Gegen diese Auffassung spricht jedoch der Wortlaut von Art. 121 ZPO, wonach der Entscheid mit Beschwerde angefochten werden kann, wenn die unentgeltliche Rechtspflege ganz oder teilweise abgelehnt oder entzogen wird (Huber, a.a.O., Art. 121 FN. 11). Gemäss diesem Autor kann die Ge- genpartei gegen den die unentgeltliche Rechtspflege bewilligenden Entscheid Beschwerde gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO führen, weil damit die gesuchstellende Partei von der Pflicht zur Sicherheits- leistung für die Parteientschädigung befreit wird (Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO) und der Gegenpartei dadurch ein nicht leicht wiedergut- zumachender Nachteil droht (Huber, a.a.O., Art. 121 N. 7). Diese Auffassung überzeugt, weil sie die Beschwer der Gegenpartei im Fall der Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege anerkennt und ihr daher zu Recht die Legitimation zur Beschwerdeführung zugesteht, ohne gegen den Wortlaut des Gesetzes zu verstossen oder zu einer heiklen Lückenfüllung Zuflucht nehmen zu müssen. Der Beklagte ist durch die angefochtene Verfügung der angeordneten Sicherheits- leistung für die Parteientschädigung verlustig gegangen, folglich 2012 Zivilprozessrecht 31 beschwert und zur Beschwerde legitimiert. Auf die rechtzeitig erho- bene Beschwerde ist demnach einzutreten.
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AG_HG
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Northwestern_Switzerland
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2004 Strafrecht 79 [...] 22 Art. 134 StGB, Angriff: Der Tatbestand kann - in Mittäterschaft - auch ohne äusserlich erkenn- bare aktive Handlung erfüllt werden. Dies ist - generell ausgedrückt - dann der Fall, wenn der Mittäter sich in räumlicher Nähe zur Gruppe als Verbindung zu dieser befindet und erkennbar die feindselige Absicht ge- genüber dem Opfer mitträgt. 2004 Obergericht/Handelsgericht 80 Aus dem Entscheid des Obergerichts, 2. Strafkammer, vom 17. Mai 2004 i.S. Staatsanwaltschaft gegen T.D.E.P. Sachverhalt Dem Urteil liegen zwei Vorfälle in der Nacht des 9. Dezember 2001 zu Grunde: Der Angeklagte zog mit mehreren Kollegen von einem Restaurant los. Unterwegs traf die Gruppe auf drei Mädchen. Ein Teil der Gruppe, unter ihnen auch der Angeklagte, unterhielt sich in der Folge etwas abseits der übrigen Mitglieder mit diesen. Im Laufe dieses Gesprächs führten die anderen Gruppenmitglieder eine verbale Auseinandersetzung mit einem Dritten, in deren Verlauf sie diesen zusammenschlugen. Nach dem ersten Vorfall verliessen alle zusammen geschlossen den Tatort. Unterwegs traf die Gruppe auf eine weitere männliche Person. Auch mit diesem Mann kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung, die erneut damit endete, dass einzelne Gruppenmitglieder diesen zusammenschlugen, während die übrigen - darunter auch der Angeklagte - in einem Kreis um das Op- fer, welches mit dem Rücken zum Geländer und einem Weiher stand, aufgestellt waren. Dem Angeklagten konnte bei beiden Vorfällen keine aktive Beteiligung (etwa Zurufen oder ähnliche anfeuernde Handlungen) nachgewiesen werden. Aus den Erwägungen 3. a) Gemäss Art. 134 StGB macht sich strafbar, wer sich an ei- nem Angriff auf einen oder mehrere Menschen beteiligt, der den Tod oder die Körperverletzung eines Angegriffenen oder eines Dritten zur Folge hat. Angriff ist die einseitige, von feindseligen Absichten getragene, gewaltsame Einwirkung auf den oder die Körper eines oder mehrerer Menschen. Der körperliche Angriff muss von mehre- ren, mindestens zwei Personen ausgehen, wobei es aber genügen kann, wenn sich eine Person dem bereits gestarteten Angriff einer andern anschliesst. Damit von einem Angriff gesprochen werden 2004 Strafrecht 81 kann, müssen mindestens zwei Personen körperlich attackieren. Ist diese Voraussetzung erfüllt, kann wie beim Raufhandel eine Beteili- gung auf jede Art erfolgen. Beteiligung kann auch eine sachlich un- terstützende, psychische oder verbale Mitwirkung zu Gunsten der angreifenden Partei sein (z.B. durch Zustecken von Kampfinstru- menten, Anfeuerungen, Ratschläge, Warnung vor Gefahren). Deshalb kann auch Täter sein, wer selber nicht schlägt (vgl. unten lit. b; a.M. Hans Schultz, ZStrR 108 [1991], S. 411, gemäss dessen Meinung eine verbale Mitwirkung lediglich zu einer Verurteilung wegen Teilnahme am Delikt führen kann). Der Tod oder die Körperverlet- zung eines Angegriffenen oder Dritten ist objektive Strafbarkeitsbe- dingung (Niggli/Wiprächtiger, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, Basel/Genf/München 2003, N 5 ff. zu Art. 134; Straten- werth/Jenny, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, Bern 2003, § 4 N 41 f.). (...) b) Wie oben ausgeführt, kann gemäss einem Teil der Lehre auch Täter sein, wer selber nicht schlägt. Als Beispiele dafür, wie auf diese Weise die tatbestandsmässigen Voraussetzungen erfüllt werden können, werden äusserlich erkennbare aktive Handlungen angeführt. Die Vorinstanz geht einen Schritt weiter und bejaht die Beteiligung am Angriff ohne solche zusätzlichen Handlungsweisen mit der Be- gründung, die Mitglieder einer Gruppe fühlten sich durch die Präsenz weiterer Personen stärker und seien eher bereit, rücksichtslos Gewalt anzuwenden. Sie würden sich gegenseitig in ihrem Tun bestärken und gäben sich Rückendeckung, was ihre Gefährlichkeit erhöhe. Derjenige, welcher nicht selber Gewalt anwende, trage allein schon durch seine Präsenz dazu bei, eine Drohkulisse zu schaffen (Urteil S. 4 f.). Mit der Vorinstanz ist die Möglichkeit der Erfüllung der tatbe- standsmässigen Voraussetzungen durch Beteiligung auch ohne äus- serlich erkennbare eigene Handlungen zu bejahen. Dies ist - generell ausgedrückt - dann der Fall, wenn der Mittäter sich in räumlicher Nähe zur Gruppe als Verbindung zu ihr befindet und darüber hinaus die feindselige Absicht gegenüber dem Opfer mitträgt. 2004 Obergericht/Handelsgericht 82 c) aa) Beim ersten Vorfall mangelt es bereits an der Erfüllung der objektiven Tatbestandsmerkmale. Es ist nicht nachgewiesen, dass der Angeklagte, der weder selbst Gewalt anwandte noch sich verbal oder durch andere Handlungsweisen am Geschehen beteiligte, die feindselige Absicht der aktiven Mitglieder der Gruppe mittrug bzw. unterstützte. Über eine Gruppendynamik ist nichts bekannt. Ebenso wenig ist nachgewiesen, dass die Gruppe in dieser Zusammenset- zung oft unterwegs ist. Zudem stand der Angeklagte im Zeitpunkt der Tatausführung etwas abseits und unterhielt sich mit Drittperso- nen. Selbst wenn man jedoch davon ausginge, er habe sich in objek- tiver Hinsicht tatbestandsmässig verhalten, fehlte es an der Erfüllung der subjektiven Tatbestandsmerkmale. Auch wenn ihm die aggres- sive Stimmung bewusst war und er X. sagen gehört hatte, er habe schon lange keine Schlägerei mehr gehabt, kann ihm nicht nachge- wiesen werden, dass sein Wille auf eine Beteiligung an einem An- griff gerichtet gewesen wäre oder er einen solchen in Kauf genom- men hätte, denn er stiess erst leicht später, nachdem er seine Jacke aus dem Auto geholt hatte, zur Gruppe, stand am Tatort etwas abseits und unterhielt sich dort mit an der Sache unbeteiligten Mädchen. (...) Der Angeklagte ist somit gestützt auf die obigen Erwägungen betreffend den ersten Vorfall von Schuld und Strafe freizusprechen. bb) Anders verhält es sich jedoch beim zweiten Vorfall. Nach der ersten Schlägerei hat sich der Angeklagte nicht von der Gruppe entfernt, sondern ist mit den anderen zusammen weggerannt. Als sich am Weiher erneut eine Schlägerei abzeichnete, ist der Angeklagte nicht weggegangen, sondern mit den anderen um das Opfer herum stehen geblieben. Damit hat er den Schlägern signalisiert, dass er ihre Handlungen billigte. Gleichzeitig hat er damit in äusserlich er- kennbarer Weise kundgetan, dass er deren feindselige Absicht mit- trug. Darüber hinaus wirkten die nicht schlagenden Mitglieder in äusserlich erkennbarer Weise unterstützend, indem sie einen Halb- kreis um das Opfer bildeten. Dadurch konnten die Schläger ungehin- dert vorgehen und das Opfer konnte nicht fliehen. Die ganze Gruppe funktionierte als Einheit: die einen schlugen, andere standen im 2004 Strafrecht 83 Halbkreis um das Opfer und jemand warnte vor Passanten. In der Folge sind alle zusammen weggerannt. Dass sich einige Gruppen- mitglieder kurz vor dem Ende des Angriffs abgewendet haben und die letzten Schläge von Y. nicht mehr genau sehen konnten (vgl. Aussagen des Angeklagten in act. 217 und von Z. in act. 238), ändert nichts an ihrer Beteiligung bis zu diesem Zeitpunkt. Insgesamt ist beim zweiten Vorfall von einem bewussten Zu- sammenwirken aller Gruppenmitglieder auszugehen. Es ist somit erstellt, dass der Angeklagte beim zweiten Vorfall den objektiven Tatbestand verwirklicht hat. Bezüglich des subjektiven Tatbestands führte der Angeklagte selber aus, es habe von Anfang an eine aggressive Stimmung ge- herrscht. Zudem wusste er, wozu die Schläger in der Gruppe fähig waren, hatten sie doch erst wenige Minuten vorher das erste Opfer zusammengeschlagen. Er hat billigend in Kauf genommen, dass der zweite Angriff erfolgte, und er wollte auch daran teilnehmen.
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AG_HG_001
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2000 Zivilprozessrecht 51 11 § 112 Abs. 2 ZPO. Verlegung der Parteikosten im Falle teilweisen Obsiegens bei unterschiedlich hohen Parteiaufwendungen. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 1. Zivilkammer, vom 1. Dezember 2000, in Sachen P.G. AG ca. A. & Co. Aus den Erwägungen 2. a) Gemäss § 112 ZPO werden die Gerichts- und Parteikosten des Gegners in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt (Abs. 1); obsiegt keine Partei vollständig, werden die Kosten ver- hältnismässig verteilt (Abs. 2). Dabei werden die Parteikosten beider Parteien als Ganzes genommen (AGVE 1956 S. 53) und die Bruch- teile des Obsiegens bzw. Unterliegens der Parteien vorab gegenein- ander aufgerechnet bzw. verrechnet. Alsdann wird die mehrheitlich unterliegende Partei verpflichtet, dem obsiegenden Prozessgegner dessen Parteikosten in einem der Differenz zwischen den beiden Bruchteilen entsprechenden Verhältnis zu ersetzen (SJZ 1981 Nr. 52 S. 343; Guido Fischer, Die Kostenverteilung im aargauischen Zivil- prozessrecht, Diss. Basel 1984, S. 91 f.; Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. A., Zürich 1998, N 18 zu § 69 ZPO). Es werden somit nicht für beide Parteien betragsmässig bestimmte Prozessentschädigungen ermittelt, die dann miteinander zu verrechnen wären, sondern die Verrechnung findet bereits statt zwischen den Anteilen, mit denen jede Partei an der Ko- stentragung beteiligt ist. Nur der allfällig überschiessende Anteil ei- ner Partei wird anschliessend in eine entsprechende Summe als Ent- schädigung umgerechnet. Demgemäss sind in dem Fall, da beide Parteien je zur Hälfte unterliegen, die Prozessentschädigungen wett- zuschlagen (SJZ 1981 Nr. 52 S. 343). Ob die Parteikosten einer Par- tei höher sind als diejenigen der andern, z.B. weil nur eine Partei sich durch einen Anwalt vertreten liess, bleibt ohne Einfluss auf den 2000 Obergericht 52 Verteilschlüssel (Bühler/Edelmann/Killer, Kommentar zur aargaui- schen Zivilprozessordnung, Aarau/Frankfurt am Main 1998,, N 6 zu § 112 ZPO). b) Der vorinstanzliche Richter ist beim Kostenentscheid von einem hälftigen Obsiegen der Klägerin ausgegangen, was von dieser nicht beanstandet wird. Er hat sodann die Parteikosten wettgeschla- gen, obwohl nur die Klägerin anwaltlich vertreten war. Die Klägerin hält dem entgegen, dass eine Verrechnung bei erheblich differieren- den Parteikosten nicht zulässig sei; in diesem Fall seien vielmehr bei hälftigem Obsiegen jeder Partei die Hälfte der Parteikosten der Gegenpartei aufzuerlegen. Wie vorab dargelegt, wäre indes eine Kostenverlegung unter Verrechnung der tatsächlichen Parteiaufwen- dungen unstatthaft, könnte sie doch zum stossenden Resultat führen, dass diejenige Partei, die keinen Anwalt beizog oder deren Rechts- vertreter das geringere Honorar verlangt hat, unter Umständen selbst dann die grössere Prozessentschädigung bezahlen muss, wenn sie in überwiegendem Mass obsiegt (SJZ 1981 S. 343). Das Vorgehen der Vorinstanz, die das je hälftige Durchdringen der Parteien im Haupt- punkt beim Entscheid über die Kostentragung anteilsmässig gegeneinander aufgerechnet hat, erweist sich somit als zutreffend.
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AG_HG_001
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AG_HG_001_AGVE-2000-11_2000-12-01
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2,007
de
2007 Obergericht/Handelsgericht 44 8 Art. 12 lit. a BGFA Verpasste Rechtsmittelfrist ist, wenn sie auf unsorgfältige Geschäftsfüh- rung zurückzuführen ist, disziplinarrechtlich relevant Entscheid der Anwaltskommission vom 7. Dezember 2007 i.S. M. S. Aus den Erwägungen 2.2. Gemäss Art. 12 lit. a BGFA übt der Anwalt seinen Beruf sorg- fältig und gewissenhaft aus. Diese Pflicht gebietet ihm, die Interes- sen des Auftraggebers nach besten Kräften zu wahren und alles zu unterlassen, was diese Interessen schädigen könnte. Disziplinarrecht- lich relevant sind aber nur grobe Verstösse gegen diese mandats- rechtliche Treuepflicht. Das Berufsrecht soll sicherstellen, dass der Anwalt seine Aufgabe nicht wissentlich unrichtig oder grobfahrlässig fehlerhaft erfüllt. Verpasst ein Anwalt versehentlich eine Frist, ist dies disziplinarrechtlich grundsätzlich nicht von Bedeutung. Die Auf- sichtsbehörde hat hierbei nur einzuschreiten, wenn erschwerende Umstände vorliegen, die auf eine unverantwortliche Berufsausübung schliessen lassen (F ELLMANN in: W ALTER F ELLMANN / G AUDENZ G. Z INDEL [Hrsg.], Kommentar zum Anwaltsgesetz, Zürich 2005, N 26 zur Art. 12 [zit. N AME , BGFA-Kommentar]). Das versehentliche Ver- passen einer Frist kann auch einem gewissenhaften Anwalt gelegent- lich einmal unterlaufen. Von einer disziplinarisch relevanten Verlet- zung der Berufspflicht kann erst dann gesprochen werden, wenn ein Anwalt die üblichen Vorsichtsmassnahmen zur Vermeidung solcher Fehlleistungen unterlässt. Ohne weiteres dürfte ein Disziplinartatbe- stand sodann auch dann vorliegen, wenn ein Anwalt eine Fristeinhal- tung aus böswilliger Absicht zum Nachteil seines Mandanten unter- lässt. Eine Fristversäumnis fällt beispielsweise disziplinarisch dann nicht ins Gewicht, wenn in Bezug auf die Postaufgabe die Sekretärin irrtümlicherweise annahm, der Anwalt selbst habe das fristgerecht niedergeschriebene Fristerstreckungsgesuch auf die nahe Post ge- bracht, was er aber krankheitsbedingt nicht tat (G IOVANNI A NDREA 2007 Zivilprozessrecht 45 T ESTA , Die zivil- und standesrechtlichen Pflichten des Rechtsanwal- tes gegenüber dem Klienten, Zürich 2001, S. 87 ff.; vgl. auch ZR 1995, Bd. 94, Nr. 33, 105ff.). 2.3. 2.3.1. [...] 2.3.2. Die Eintragung einer Frist in der internen Kontrolle im falschen Monat stellt ein grobes Fehlverhalten seitens des beanzeigten Anwal- tes dar. Es ist von einem Anwalt zu erwarten, dass er eine Frist sorg- fältig und mit Bedacht richtig in seiner Agenda einträgt. Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, die den beanzeigten Anwalt im Sinne des unter Ziffer 2.2. angeführten Beispieles entlasten könnten. Solche werden vom beanzeigten Anwalt auch nicht vorgebracht. Schliesslich lässt nichts darauf schliessen, dass der beanzeigte An- walt entsprechende Vorsichtsmassnahmen vorgenommen hat, die eine solche Fehlleistung verhindern könnten. Das Verpassen der Frist ist somit grobfahrlässig und unverantwortlich und lässt auf eine un- sorgfältige Geschäftsführung schliessen, welche mit dem Erfordernis einer gewissenhaften Berufsausübung nicht zu vereinbaren ist. Das Verschulden liegt voll und ganz beim beanzeigten Anwalt. Es liegen demnach erschwerende Umstände vor, weshalb der beanzeigte An- walt mit seinem Verhalten die Berufsregel von Art. 12 lit. a BGFA verletzt hat.
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AG_HG_001
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2001 Strafprozessrecht 77 [...] 25 §§ 164 Abs. 1 Satz 2, 198 Abs. 2 StPO; § 94 GOG. Kostenauflage beim Rückzug der Einsprache gegen einen Strafbefehl. - Bei einem Rückzug der Einsprache gegen einen Strafbefehl ist bei der Bemessung der Gerichtsgebühr, die zusätzlich zu den Strafbefehlskos- ten zu bezahlen ist, auf den bis zum Rückzug angefallenen Aufwand abzustellen. - Kostenbefreiung i.S.v. § 164 Abs. 1 Satz 2 StPO kann wegen Rechts- unkenntnis nicht gewährt werden. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 25. April 2001 i.S. Z. Aus den Erwägungen 3. Die Kostenauflage im Urteil des Bezirksgerichts Z. vom 29. Juni 2000 stützt sich auf § 198 Abs. 2 StPO, wonach beim Rück- zug der Einsprache gegen einen Strafbefehl die entstandenen Mehr- kosten dem Einsprecher aufzuerlegen sind. Vorliegend zu prüfen ist, ob die Gerichtsgebühr von Fr. 400.-- im Hinblick auf diese Bestim- mung gerechtfertigt ist. a) Der Beschwerdeführer bringt einerseits vor, die vom Be- zirksamt Z. verhängte Busse sei für sich allein schon viel zu hoch bemessen. Allein, die Beurteilung dieser Frage entzieht sich der Zu- ständigkeit der Inspektionskommission als Aufsichtsbehörde; dafür wäre der Rechtsmittelweg zu beschreiten. Durch den Rückzug der 2001 Obergericht/Handelsgericht 78 Einsprache liess der Beschwerdeführer die Busse aber rechtskräftig werden. Es kann daher auch nicht darauf ankommen, dass die ,,Kos- tenauflage" als Ganzes (Beschwerde, S. 3), mithin die Busse und die Gerichtskosten zusammen, nach Ansicht des Beschwerdeführers zu hoch ist, auch wenn nicht zu verkennen ist, dass sich der Beschwer- deführer letztlich an diesem Gesamtbetrag stösst. Zu überprüfen ist vorliegend nach dem Gesagten lediglich die Höhe der Gerichtskos- ten. b) (...) Dass im Strafverfahren in der Regel nur bei einem Freispruch Kostenbefreiung für den Angeklagten resultiert, entspricht sodann § 164 StPO. Das Gericht kann allerdings aus besonderen Gründen auch bei einer Verurteilung von einer Kostenauflage ganz oder teil- weise absehen (§ 164 Abs. 1 Satz 2 StPO). Zu denken ist hier an Ausnahmefälle; die Materialien zur StPO sprechen von Fällen zah- lungsunfähiger Verurteilter respektive von Verurteilten, die seit lan- gem von der öffentlichen Hand unterstützt werden (vgl. Protokoll der 7. Sitzung der Grossrats-Kommission für das Gesetz über die Straf- rechtspflege vom 2. Juli 1956, S. 3, Bemerkungen zu § 159 des Ent- wurfes). Eine (teilweise) Kostenbefreiung wegen Rechtsunkenntnis aber lässt sich mit der ratio legis von § 164 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht vereinbaren. Der Antrag des Beschwerdeführers, die Kosten der Urteilsbegründung seien auf die Staatskasse zu nehmen, ist daher abzuweisen. c) Der Beschwerdeführer rügt sodann, dass die Gerichtsgebühr sich im Vergleich zur Praxis an anderen Bezirksgerichten wie auch im Verhältnis zu anderen Fällen als übersetzt erweise. Als Beispiel führt er dabei das Bezirksgericht B. auf, welches für Einsprachen dieser Art Richtlinien erarbeitet habe, wonach bei Rückzug während der Hauptverhandlung (vgl. Berichtigung vom 7. November 2000) eine Gerichtsgebühr von nur Fr. 250.--, bei vollständiger Durchfüh- rung des Verfahrens aber eine Gebühr von Fr. 500.-- auferlegt werde. Die Praxis anderer Bezirksgerichte zur Festsetzung der Ge- richtskosten kann nicht ausschlaggebend sein. Das Verfahrenskos- tendekret vom 24. November 1987/1. Januar 1999 (VKD, SAR 221.150) sieht für die Festsetzung der Gerichtsgebühr für das Straf- 2001 Strafprozessrecht 79 verfahren vor Bezirksgericht einen Kostenrahmen von Fr. 120.-- bis 6'000.-- vor (§ 17 Abs. 1 VKD), wobei die Gebühr bei einem Rück- zug der Einsprache bis auf Fr. 24.-- gesenkt werden kann (§ 19 VKD). Das Gericht ist in der Festlegung der Gerichtsgebühr weitge- hend frei. Immerhin darf aufgrund des verfassungsmässigen An- spruchs auf Rechtsgleichheit (Art. 8 BV; § 10 KV) sowie des An- spruchs auf willkürfreies staatliches Handeln (Art. 9 BV; § 22 KV) erwartet werden, dass ein Gericht für gleichgelagerte Fälle nach Massgabe der Gleichheit eine gleich hohe Gerichtsgebühr festsetzt respektive ungleiche Fälle nach Massgabe ihrer Ungleichheit kos- tenmässig ungleich behandelt (vgl. Häfelin/Müller, Grundriss des allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. A., Zürich 1998, N 401, 410 f.). Der Beschwerdeführer rügt denn auch eine solche Gleichbehandlung zweier ungleicher Fälle. Einerseits rechtfertige sich eine volle Kos- tenauflage in casu deshalb nicht, weil dem Gericht durch den Rück- zug eine freie halbe Stunde für ein anderes Geschäft zur Verfügung gestanden habe, andererseits weil dadurch derjenige, der eine Einsprache zurückziehe, schlechter gestellt sei als derjenige, der auf der Durchführung des Verfahrens beharre, weil ersterer zusätzlich zu den (vollen) Gerichtskosten die rechtskräftig gewordenen Kosten des Strafbefehls zu bezahlen habe, wohingegen dem zweiten nur die Kosten des Gerichtsverfahrens anfielen. aa) Bei einem Rückzug der Einsprache sind die Kosten nach dem durch die Einsprache entstandenen (Mehr-)Aufwand zu verle- gen (§ 198 Abs. 2 StPO). Da bei einem Rückzug dem Gericht regel- mässig weniger Aufwand anfällt als bei vollständiger Durchführung des Verfahrens, rechtfertigt es sich in der Regel auch nicht, eine volle Gerichtsgebühr aufzuerlegen, wobei allerdings auf den Verfahrens- stand abzustellen ist. Im vorliegenden Fall ist dem Bezirksgericht Z. durch die Einsprache in Form des Aktenstudiums sowie der Ver- handlungsvorbereitung, der Besprechung über den zu fällenden Be- schluss und schliesslich der Ausfertigung des Urteils Aufwand ent- standen. Es steht im Ermessen des Bezirksgerichts, diese Umstände bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr zu würdigen. Diesen Um- ständen hat das Bezirksgericht Z. bei seinem Entscheid vom 29. Juni 2000 genügend Rechnung getragen, indem es ausführte, im Ergebnis 2001 Obergericht/Handelsgericht 80 seien annähernd die gleichen Kosten entstanden wie bei einer Durch- führung der Verhandlung und Fällung eines Urteils, weshalb dem Angeklagten keine weitere Reduktion der Gerichtsgebühr gewährt werden könne (begründeter Beschluss vom 29. Juni 2000 Ziff. 2). Diesem Wortlaut ist zu entnehmen, dass entgegen der Annahme des Beschwerdeführers eine gewisse Gebührenreduktion gewährt und daher dem Rechtsgleichheitsgebot durchaus entsprochen wurde. Da der Rückzug erst am Tag der Hauptverhandlung erfolgte, obwohl die Mandatierung bereits rund einen Monat zuvor stattgefunden hatte (vgl. Mitteilung vom 30. Mai 2000/act. 17), ist die durch den Rück- zug enstandene Aufwandersparnis indessen gering. Dass dem Be- zirksgericht Z. vorliegend eine Pause entstand, die es anderweitig nutzen konnte, stellt im Weiteren eine reine Vermutung des Be- schwerdeführers dar. bb) Der weitere Einwand des Beschwerdeführers schiesslich, er sei massiv schlechter gestellt als bei vollständiger Verfahrensdurch- führung durch das Gericht, ist nicht zu hören. Die Materialien zur StPO vom 11. November 1958 enthalten keinen Hinweis, dass § 198 Abs. 2 StPO in der Gesetzesberatung oder Vernehmlassung Grund zur Diskussion gegeben hätte. Eine historische Auslegung scheitert daher mangels entsprechender Aussagen. Also ist im Sinn einer te- leologischen Auslegung nach dem Sinn von § 198 Abs. 2 StPO zu forschen. Ratio dieser Bestimmung kann nur sein, dass der Ange- klagte, der durch die Einsprache gegen den Strafbefehl das gerichtli- che Verfahren selbst in Gang setzt und dann durch den Rückzug der Einsprache dennoch den Strafbefehl rechtskräftig werden lässt, für die dadurch entstehenden Kosten aufzukommen hat. Wie oben aus- geführt, ist dabei auf die bis dahin entstandenen Kosten abzustellen. Dass die Strafbefehlskosten bei dieser Konstellation zusätzlich zu bezahlen sind, entspricht der gesetzlichen Ordnung (§ 198 Abs. 1 StPO). d) Der Vorwurf, dass das Bezirksgericht Z. vorliegend gegen das Rechtsgleichheitsgebot verstossen hätte, erweist sich somit als unbegründet. Den Gerichten kommt bei der Gebührenfestsetzung innert des weiten Rahmens gemäss VKD ein erhebliches Ermessen zu, in das das Obergericht nicht ohne Not eingreift. Dieses Ermessen 2001 Strafprozessrecht 81 hat das Bezirksgericht Z. weder überschritten noch missbraucht. Vielmehr steht die vom Bezirksgericht Z. bestimmte Gerichtsgebühr im Einklang mit dem Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip.
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Urteil/Entscheid Handelsgericht 2. Kammer HSU.2020.74 Entscheid vom 4. September 2020 Besetzung Oberrichter Vetter, Vizepräsident Gerichtsschreiber Schneuwly Gesuchstellerin F. AG in Liquidation, _ vertreten durch lic. iur. Daniel Gysi, Rechtsanwalt, Bachstrasse 19, 9008 St. Gallen Gesuchsgegner Kanton Aargau vertreten durch das Handelsregisteramt, Bahnhof- platz 3c, 5000 Aarau Gegenstand Summarisches Verfahren betreffend Wiederherstellung einer Frist nach Art. 148 ZPO (betr. Auflösung der F. AG in Liquidation/HSU.2020.27) - 2 - Der Vizepräsident entnimmt den Akten: 1. Die Gesuchstellerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in M. (AG). Sie be- zweckt _. Ihr Aktienkapital beträgt Fr. 100'000.00, aufgeteilt in 100 Namenaktien zu Fr. 1'000.00. 2. Am 19. Dezember 2019 wurde die Löschung von D.O. als Mitglied des Ver- waltungsrats der Gesuchstellerin im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) publiziert. 3. Mit Schreiben vom 26. Februar 2020 forderte das Handelsregisteramt des Kantons Aargau die Gesuchstellerin auf, innert 30 Tagen den rechtmässi- gen Zustand wiederherzustellen und die entsprechende Eintragung anzu- melden. Die angesetzte Frist ist unbenützt abgelaufen. 4. Mit Gesuch vom 7. April 2020 stellte das Handelsregisteramt des Kantons Aargau gemäss Art. 941a Abs. 1 OR den Antrag, aufgrund von Mängeln in der gesetzlich vorgeschriebenen Organisation der Gesuchstellerin seien die erforderlichen Massnahmen im Sinne von Art. 731b OR zu ergreifen. 5. Die Bestätigung vom 14. April 2020 über den Eingang des Gesuchs konnte der Gesuchstellerin an der im Handelsregister eingetragenen Domi- ziladresse nicht zugestellt werden. 6. Mittels öffentlicher Bekanntmachung im SHAB vom 24. April 2020 wurde den Parteien der Eingang des Gesuchs bestätigt und der Gesuchstellerin eine Frist von 20 Tagen zur Erstattung einer schriftlichen Antwort ange- setzt. Die Gesuchstellerin liess sich innert Frist nicht vernehmen. 7. Mittels öffentlicher Bekanntmachung im SHAB vom 26. Mai 2020 wurde der Gesuchstellerin eine letzte Frist von 10 Tagen angesetzt verbunden mit der Androhung, dass bei erneuter Säumnis das Gericht einen Endentscheid fällt. Der Gesuchstellerin wurde zudem angedroht, dass im Säumnisfall das Gericht die Auflösung der Gesuchstellerin und die Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs anordnet, sofern ein Mangel in der Organi- sation der Gesellschaft vorliegt (Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR). Die Gesuch- stellerin liess sich innert letzter Frist nicht vernehmen. - 3 - 8. Mit Entscheid vom 10. Juni 2020 ordnete der Vizepräsident des Handels- gerichts des Kantons Aargau im Verfahren HSU.2020.27 die Auflösung der Gesuchstellerin und deren Liquidation nach den Vorschriften des Konkur- ses an, nachdem diese ihre Organisationsmängel bezüglich fehlender rechtmässiger Vertretung durch ein Geschäftsführungsmitglied (oder einen Direktor) mit Wohnsitz in der Schweiz trotz entsprechender Säumnisandro- hung nicht behoben hatte. Dieser Entscheid ist in Rechtskraft erwachsen. Die Gesuchstellerin befindet sich seitdem im Liquidationsstadium. 9. Am 31. Juli 2020 erkundigte sich B.W. von der C. AG telefonisch beim Han- delsgericht des Kantons Aargau, ob bezüglich des Entscheids vom 10. Juni 2020 im Verfahren HSU.2020.27 die Rechtsmittelfrist bereits abgelaufen sei. Bezüglich einem allfälligen Gesuch um Fristwiederherstellung wurde ihm ausdrücklich geraten, die Rechtslage vorab mit einem Rechtsanwalt abzusprechen. 10. Mit Eingabe vom 6. August 2020 stellte H.E., Verwaltungsratspräsident der Gesuchstellerin, den Antrag, es sei die verfügte Löschung der Gesuchstel- lerin zu widerrufen und die Gesellschaft wieder im Handelsregister des Kantons Aargau einzutragen. Mit Entscheid vom 10. August 2020 wies der Vizepräsident des Handels- gerichts des Kantons Aargau diesen Antrag im Verfahren HSU.2020.68 ab, da das Handelsgericht für Widereintragungsverfahren, bei denen es sich um gerichtliche Anordnung der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt, sachlich nicht zuständig sei. Soweit der Antrag als Revisionsgesuch verstanden werden könnte, wäre auch darauf nicht einzutreten, da H.E. nicht Partei des Organisationsmängelverfahrens (HSU.2020.27) gewesen sei. Zudem seien keine Revisionsgründe ersichtlich gewesen. 11. Mit Gesuch vom 18. August 2020 (Postaufgabe: 18. August 2020) stellte die Gesuchstellerin einen Antrag um Gewährung einer Nachfrist gemäss Art. 148 ZPO. Zur Begründung führte die Gesuchstellerin im Wesentlichen aus, D.O. sei am 19. Dezember 2019 als Verwaltungsratsmitglied der Gesuchstellerin abberufen worden, da er seinen Pflichten nicht nachgekommen sei, insbe- sondere habe er die Korrespondenz der Gesellschaft nicht weitergeleitet. Der Verwaltungsratsratspräsident der Gesuchstellerin habe vom Organisa- tionsmängelverfahren keine Kenntnis gehabt. Auch der Gesuchsgegner habe ihn diesbezüglich nicht informiert. Aufgrund der Corona-Pandemie sei - 4 - dem Verwaltungsratspräsidenten eine Reise in die Schweiz verwehrt ge- wesen, um sämtliche Angelegenheiten ordnungsgemäss zu klären. Am 2. August 2020 sei eine Mitarbeiterin einer Tochtergesellschaft per Zufall auf den im SHAB publizierten Entscheid vom 10. Juni 2020 aufmerksam gemacht worden. Der Verwaltungsratspräsident der Gesuchstellerin habe am 5. August 2020 beim Handelsgericht des Kantons Aargau einen Antrag auf Wiedereintragung gestellt. Auf diesen sei mit Entscheid vom 10. August 2020 nicht eingetreten worden. Am 17. August 2020 habe er den heutigen Rechtsvertreter mandatiert. Wiederherstellungsgesuche gemäss Art. 148 ZPO seien auch in Organisationsmängelverfahren zulässig. Die Frist von Art. 148 Abs. 2 ZPO sei vorliegend gewahrt, da die Gesuchstellerin erst am 2. August 2020 Kenntnis ihrer Auflösung und Liquidation erhalten und die 10-tägige Frist gemäss dem Urteil HE110365 des Einzelrichters des Han- delsgerichts des Kantons Zürich vom 30. November 2011 erst mit Beauf- tragung des Rechtsvertreters am 17. August 2020 zu laufen begonnen habe. Unabhängig dessen würden die Gerichtsferien vom 15. Juli bis 15. August 2020 einem Fristablauf entgegenstehen. Aufgrund der Ortsab- wesenheit des Verwaltungsratspräsidenten sei auch das Erfordernis des leichten Verschuldens erfüllt. Schliesslich sei die Wiederherstellung für den Ausgang des Verfahrens auch nicht offensichtlich unerheblich, da die Ge- suchstellerin über substantielle Beteiligungen im Ausland verfügen würde und wirtschaftliche Werte nicht ohne Not vernichtet werden sollten. 12. 12.1. Mit Verfügung vom 14. August 2020 erhob der Vizepräsident des Handels- gerichts des Kantons Aargau von der Gesuchstellerin einen Gerichtskos- tenvorschuss, setzte dem Gesuchsgegner Frist bis zum 3. September 2020 zur Einreichung einer freiwilligen Stellungnahme und zog die Akten der Ver- fahren HSU.2020.27 und HSU.2020.68 bei. Er ersuchte zudem das Kon- kursamt des Kantons Aargau, einstweilen keine weiteren Vollstreckungs- handlungen vorzunehmen. 12.2. Die Gesuchstellerin leistete den Gerichtskostenvorschuss fristgerecht. 13. Der Gesuchsgegner reichte innert Frist keine Stellungnahme ein. - 5 - Der Vizepräsident zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 148 Abs. 1 ZPO kann das Gericht auf Gesuch einer säumigen Partei unter anderem eine Nachfrist gewähren, wenn diese glaubhaft macht, dass sie kein oder nur ein leichtes Verschulden trifft. Das Gesuch um Wiederherstellung ist gemäss Art. 148 Abs. 2 ZPO innert zehn Tagen seit Wegfall des Säumnisgrundes zu stellen. Die Wiederherstellung kann, wenn ein Entscheid eröffnet worden ist, nur innerhalb von sechs Monaten seit Eintritt der Rechtskraft verlangt werden (Art. 148 Abs. 3 ZPO). Die Möglichkeit der Wiederherstellung versäumter Fristen und Termine ist ein allgemeiner Grundsatz des Prozessrechts1 und bezweckt, die Gefahren des prozessualen Formalismus abzuschwächen, wenn ein Missverhältnis zwischen der Grösse des Verschuldens und den an die Säumnis ange- knüpften Rechtsnachteilen besteht.2 2. Die Gesuchstellerin beantragt die Gewährung einer Nachfrist gemäss Art. 148 ZPO. In Gesuch Rz. 29 führt sie aus, dass die beantragte Nachfrist zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands zu gewähren sei. Eine sol- che Frist wurde der Gesuchstellerin vom Handelsgericht jedoch nie ange- setzt, weshalb diesbezüglich auch keine Wiederherstellung möglich ist. Nach Treu und Glauben ausgelegt (vgl. Art. 52 ZPO), ist der Antrag der Gesuchstellerin so zu verstehen, dass sie die ihr mit Verfügung vom 25. Mai 2020 im Verfahren HSU.2020.27 angesetzte letzte, nicht erstreck- bare Frist von 10 Tagen zur Erstattung einer schriftlichen Antwort, wieder- hergestellt haben möchte. 3. 3.1. Das Erfordernis der Säumnis der Gesuchstellerin ist erfüllt. Eine Partei ist unter anderem säumig, wenn sie eine Prozesshandlung nicht fristgerecht vornimmt (Art. 147 Abs. 1 ZPO). Vorliegend hat die Gesuchstellerin ihre Antwort zum Gesuch des Gesuchsgegners vom 7. April 2020 im Verfahren HSU.2020.27 nicht innert richterlich angesetzter Frist erstattet. Sie gilt da- her als säumig. 3.2. Die absolute Frist von sechs Monaten seit Eintritt der Rechtskraft (vgl. Art. 148 Abs. 3 ZPO) ist ohne weiteres eingehalten worden. Fraglich ist hin- 1 BGE 117 Ia 297 E. 3. 2 SCHNEUWLY, Die Wiederherstellung nach Art. 148 f. ZPO im Organisationsmängelverfahren, RE- PRAX 2016, S. 30. - 6 - gegen, ob die relative Frist von zehn Tagen seit Wegfall des Säumnis- grunds (Art. 148 Abs. 2 ZPO) eingehalten wurde. Der Wegfall des Säum- nisgrundes beginnt in dem Zeitpunkt, in welchem die Partei erkannt hat o- der hätte erkennen müssen, dass sie die Frist oder den Termin versäumt hat.3 Dabei genügt die Zumutbarkeit, Dritte mit der Wahrung seiner Interes- sen zu beauftragen.4 Als Säumnisgrund, d.h. aus welchem Grund sie im Verfahren HSU.2020.27 keine Gesuchsantwort erstattete, gibt die Gesuchstellerin an, sie habe vom Organisationsmängelverfahren keine Kenntnis gehabt (Gesuch Rz. 4, 8 und 18). Sie habe dieses erst am 2. August 2020 zur Kenntnis genommen, als eine Mitarbeiterin einer Tochtergesellschaft sie darauf aufmerksam ge- macht habe. Das ist nicht glaubhaft: Der ehemalige Treuhänder der Ge- suchstellerin, B.W., hat sich am 31. Juli 2020 beim Handelsgericht des Kantons Aargau bezüglich der Rechtskraft des Entscheids vom 10. Juni 2020 im Verfahren HSU.2020.27 erkundigt. Demnach wusste dieser bzw. die C. AG., welche die Gesuchstellerin betreute, spätestens am 31. Juli 2020 vom Organisationsmängelverfahren HSU.2020.27 und der Säumnis. Mit Eingabe vom 6. August 2020 ersuchte der Verwaltungsratspräsident der Gesuchstellerin, H.E., im Verfahren HSU.2020.68 zudem um Wieder- eintragung der Gesuchstellerin. Namens der C. AG. reichte B.W. mit Ein- gabe vom 7. August 2020 die im Beilagenverzeichnis erwähnten Urkunden nach. Der Verwaltungsratspräsident der Gesuchstellerin, H.E., und damit die Gesuchstellerin (vgl. Art. 718a Abs. 1 OR), wussten damit wahrschein- lich bereits vor dem Telefonanruf von B.W. vom 31. Juli 2020, sicherlich aber spätestens seit der Einreichung des Gesuchs um Wiedereintragung der Gesuchstellerin vom 6. August 2020 um den entsprechenden Säum- nisgrund. Der vorliegende Antrag vom 18. August 2020 um Gewährung ei- ner Nachfrist gemäss Art. 148 ZPO erfolgte damit mehr als 10 Tage seit Wegfall des Säumnisgrundes. Dass die Gesuchstellerin ihren Rechtsver- treter erst am 17. August 2020 mandatierte, mag an dieser Verspätung nicht zu ändern: Die Gesuchstellerin wurde von der C. AG. entsprechend betreut. Deren Verwaltungsratspräsident B.W. wurde anlässlich seiner te- lefonischen Anfrage vom 31. Juli 2020 ausdrücklich empfohlen, die Rechts- lage betreffend einer möglichen Fristwiederherstellung vorab mit einem Rechtsanwalt abzusprechen. Dies hat die C. AG. und die Gesuchstellerin offenbar unterlassen und stattdessen hat der Verwaltungsratspräsident der Gesuchstellerin, H.E., im Verfahren HSU.2020.68 am 6. August 2020 beim Handelsgericht ein Gesuch um Wiedereintragung der Gesuchstellerin ge- stellt. Der Gesuchstellerin war es damit zumutbar, vor der Einreichung die- ses Gesuchs einen Rechtsvertreter mit der Wahrung ihrer Interessen zu beauftragen. Diese Unterlassung hat sie sich selbst zuzuschreiben. 3 STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 2019, § 17. N. 15. 4 KUKO ZPO-HOFFMANN-NOWOTNY, 2. Aufl. 2014, Art. 148 N. 10 mit Verweis auf BGE 119 II 86 E. 2a. - 7 - Schliesslich haben die Gerichtsferien vom 15. Juli bis 15. August 2020 (vgl. Art. 145 Abs. lit. b ZPO) keinen Einfluss auf die 10-Tagesfrist von Art. 148 Abs. 2 ZPO: Das Verfahren betreffend Mängel in der Organisation der Ge- sellschaft gemäss Art. 731b OR wird gestützt auf Art. 250 lit. c Ziff. 6 ZPO im summarischen Verfahren durchgeführt. Folglich ist auch ein Gesuch um Fristwiederherstellung gemäss Art. 148 ZPO betreffend ein Organisations- mängelverfahren im summarischen Verfahren zu beurteilen. Im summari- schen Verfahren gilt der Fristenstillstand der Gerichtsferien nicht (Art. 145 Abs. 2 lit. b ZPO). Im Übrigen ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Gesuchstellerin bzw. H.E. kein oder nur ein leichtes Verschulden zukommen soll. Obwohl die Gesuchstellerin und H.E. spätestens seit dem 19. Dezember 2019 – dem Tag der Abberufung von D.O. – darum wussten, dass die Korrespondenz der Gesellschaft nicht weitergeleitet wird (Gesuch Rz. 3), haben sie keiner- lei Anstalten getroffen, damit die Korrespondenz entsprechend weitergelei- tet wird. Damit wurden selbst die elementarsten Sorgfaltspflichten des cor- porate houskeeping nicht beachtet. Es liegt daher ein zumindest mittel- schweres und damit nicht mehr bloss leichtes Verschulden vor. 3.3. Zusammenfassend ist das Gesuch vom 18. August 2020 infolge Versäum- nis der relativen Frist von Art. 148 Abs. 2 ZPO und infolge Vorliegens eines mindestens mittelschweren Verschuldens abzuweisen. 4. Die Kosten für das Wiederherstellungsverfahren sind unabhängig vom Ver- fahrensausgang des Organisationsmängelverfahrens nach dem Verursa- cherprinzip, d.h. zulasten der säumigen Partei, dessen Gesuch abzuweisen ist, zu verlegen.5 Demnach sind die auf Fr. 750.00 festzusetzenden Ge- richtskosten der Gesuchstellerin aufzuerlegen. Sie werden mit dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss verrechnet (Art. 111 Abs. 1 ZPO). Eine Par- teientschädigung ist dem Gesuchsgegner bereits mangels Aufwand nicht zuzusprechen. 5. Dieser Entscheid ist gemäss Art. 149 ZPO endgültig. 5 STAEHELIN in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger (Hrsg.) Kommentar zur Schweizerischen Zi- vilprozessordnung, 3. Aufl. 2016, Art. 149 N. 5 i.f. - 8 - Der Vizepräsident erkennt: 1. Das Wiederherstellungsgesuch der Gesuchstellerin vom 18. August 2020 wird abgewiesen. 2. Ziff. 6 der Verfügung vom 19. August 2020, wonach das Konkursamt des Kantons Aargau, Amtsstelle Brugg, ersucht wird, einstweilen keine (weite- ren) Vollstreckungshandlungen vorzunehmen, wird aufgehoben. 3. Die Gerichtskosten von Fr. 750.00 werden der Gesuchstellerin auferlegt und mit dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrech- net. 4. Es werden keine Parteikosten zugesprochen. Zustellung an: - die Gesuchstellerin (Vertreter; zweifach) - den Gesuchsgegner Mitteilung an: - das Konkursamt des Kantons Aargau, Amtsstelle Brugg Aarau, 4. September 2020 Handelsgericht des Kantons Aargau 2. Kammer Der Vizepräsident: Der Gerichtsschreiber: Vetter Schneuwly
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AG_HG_002
AG_HG
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Northwestern_Switzerland
AG_HG_002_-Handelsrecht-Zivilp_2020-09-04
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2004 Zivilprozessrecht 53 [...] 9 § 321 Abs. 1 und 3 ZPO. Novenrecht bezüglich zivilrechtlicher Einwendungen. Auch im Falle einer zivilrechtlichen Einwendung wie Erfüllung, welche als eine Frage der Rechtsanwendung in jeder Instanz von Amtes wegen zu beachten ist, müssen die dafür erforderlichen Tatsachen, d.h. tatsächlichen Behaup- tungen und Beweismittel, wie bei den zivilrechtlichen Einreden rechtzei- tig vorliegen, andernfalls sie vom Novenverbot erfasst werden und die zi- vilrechtliche Einwendung deshalb nicht geprüft werden kann (Präzisie- rung der Rechtsprechung zu AGVE 1996 Nr. 20 S. 69 ff.). Aus dem Entscheid des Obergerichts, 4. Zivilkammer, vom 19. Mai 2004 in Sachen Z. F. GmbH gegen C. B. Aus den Erwägungen 1. Gemäss § 321 Abs. 1 ZPO können in der schriftlichen Be- gründung von Appellation und Anschlussappellation sowie in der Antwort auf diese neue Angriffs- und Verteidigungsmittel vorge- bracht werden, wenn eine Partei dartut, dass sie diese im erstinstanz- liche Verfahren nicht mehr hat vorbringen können. Einer Partei, die vor erster Instanz säumig war, steht dieses Recht nicht zu (§ 321 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Der Beklagte reichte trotz zweimaliger Aufforderung durch den Gerichtspräsidenten keine Klageantwort ein, d.h. er blieb vor erster Instanz säumig. Ihm steht deshalb das Recht, neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, d.h. tatsächliche Behauptungen und Bestreitun- gen, Beweismittel, Beweisanträge und Beweiseinreden sowie zivil- rechtliche Einreden und Gestaltungsrechte (Bühler, Das Novenrecht im neuen Aargauischen Zivilprozessrecht, Zürich 1986, S. 80) im Rechtsmittelverfahren vorzubringen, nicht zu. Sinngemäss macht er mit Appellation (zumindest teilweise) Erfüllung geltend. Dabei han- delt es sich um eine zivilrechtliche Einwendung, welche zivilrecht- 2004 Obergericht/Handelsgericht 54 lich die (teilweise) Aufhebung des Anspruchs zur Folge hat, und nicht um ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel im Sinne des Noven- rechts. Eine solche zivilrechtliche Einwendung ist als eine Frage der Rechtsanwendung in jeder Instanz von Amtes wegen zu beachten, sofern die dafür erforderlichen Tatsachen vorliegen (Bühler, a.a.O., S. 81 ff.). Dies ist indessen nicht der Fall, da der Beklagte die der (teilweisen) Erfüllung zu Grunde liegenden tatsächlichen Behaup- tungen erstmals mit Appellation vorträgt und die dazu notwendigen Beweismittel, Zahlungsbelege und Quittungen, erstmals mit Appel- lation einreicht. Damit aber ist er infolge Säumnis vor Vorinstanz ausgeschlossen, weshalb der Einwendungstatbestand der (teilweisen) Erfüllung nicht geprüft werden kann, da die dafür erforderlichen Tatsachen nicht vorliegen und eine erneute Prüfung des Sachverhalts gestützt auf die neuen Belege vor Obergericht nicht zulässig ist, zu- mal es sich dabei um unechte Noven, d.h. um solche handelt, die sich bereits vor Eröffnung des erstinstanzlichen Entscheids verwirklicht haben und dem Beklagten auch bereits bekannt waren (Bühler, a.a.O., S. 93). Die damalige 2. und heutige 4. Zivilkammer des Obergerichts hat in publizierter Rechtsprechung (AGVE 1996 Nr. 20 S. 69 ff.) bisher anders entschieden und den Einwendungstatbestand der Til- gung im Rechtsöffnungsverfahren beachtet, auch wenn er sich auf Tatsachenbehauptungen und Beweismittel stützte, die bereits vor erster Instanz hätten vorgebracht werden können, aber erst in zweiter Instanz vorgebracht wurden. Daran kann jedoch nicht festgehalten werden, da zwar der Einwendungstatbestand der Erfüllung als eine Frage der Rechtsanwendung jederzeit geltend gemacht werden kann und von Amtes wegen zu beachten ist, die dazu notwendigen Tatsa- chenbehauptungen und Beweismittel aber rechtzeitig vorliegen müs- sen. Mit anderen Worten gilt bezüglich der Tatsachenbehauptungen und Beweismittel nichts anderes als bei den zivilrechtlichen Einre- den, sie müssen rechtzeitig vorliegen, andernfalls sie vom Novenver- bot erfasst werden (vgl. dazu auch Bühler/Edelmann/Killer, Kom- mentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, Aarau/Frankfurt am Main/Salzburg 1998, N 5 zu § 183 mit Hinweisen).
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Urteil/Entscheid Handelsgericht 2. Kammer HSU.2019.103 / as / as Art. 152 Entscheid vom 22. August 2019 Besetzung Oberrichter Vetter, Vizepräsident Gerichtsschreiber Schneuwly Gesuchstellerin J. AG, _ Gesuchsgegne- rin I. AG, _ vertreten durch lic. iur. Rolf Müller, Rechtsanwalt, Bahnhofstrasse 44, Postfach 2622, 8022 Zürich Gegenstand Summarisches Verfahren betreffend Bauhandwerkerpfandrecht - 2 - Der Vizepräsident entnimmt den Akten: 1. Die Gesuchstellerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Baden (AG). Sie bezweckt hauptsächlich _ (Gesuchsbeilage [GB] 1). 2. Die Gesuchsgegnerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Opfikon (ZH). Gemäss Handelsregister hat sie hauptsächlich _. Die Gesuchsgegnerin ist Alleineigentümerin des Grdst-Nr. XXX GB Sprei- tenbach (E-GRID: CH _; GB 2). 3. Mit Gesuch vom 26. Juli 2019 (Postaufgabe: 26. Juli 2019) stellte die Gesuchstellerin die folgenden Rechtsbegehren: " 1. Das Grundbuchamt Baden sei im Sinne von Art. 961 ZGB ohne Anhörung der Gegenpartei – sofort telefonisch und mit Nachreichung der schriftlichen Anmeldung – einstweilen anzuweisen, zugunsten der Gesuchstellerin und zulasten des Grundstücks der Gesuchsgegnerin ein Pfandrecht vorläufig auf die Liegenschaft Spreitenbach / XXX _ für eine Pfandsumme von CHF 234'699.95 nebst Zins zu 5 % auf CHF 100'000.- seit 13. Juli 2019 sowie auf CHF 134'699.95 ab 10. August 2019. 2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Gesuchs- gegnerin." 4. Am 29. Juli 2019 verfügte der Vizepräsident: " 1. In Gutheissung des Gesuchs um Erlass superprovisorischer vom 26. Juli 2019 wird der Gesuchstellerin die Vormerkung einer vorläufigen Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts Art. 837/839 i.V.m. Art. 961 ZGB auf dem Grundstück der , Grdst.-Nr. XXX GB Spreitenbach (E-GRID: _), superprovisorisch für eine Pfandsumme von Fr. 234'699.95 Zins zu je 5 % ab dem 13. Juli 2019 auf Fr. 100'000.00 und ab dem 10. August 2019 auf Fr. 134'699.95 bewilligt. 2. Das Grundbuchamt Baden wird angewiesen, die Vormerkung gemäss vorstehender Dispositiv-Ziff. 1 sofort einzutragen. - 3 - 3. Die Gesuchstellerin hat mit beiliegendem Einzahlungsschein bis zum 13. August 2019 einen Gerichtskostenvorschuss von Fr. 3'000.00 zu leisten. 4. Zustellung des Doppels des Gesuchs (inkl. Beilagen) vom 26. Juli 2019 an die Gesuchsgegnerin zur Erstattung einer schriftlichen Antwort bis zum 13. August 2019. 5. Fristerstreckungen werden grundsätzlich nicht gewährt. ist eine Fristerstreckung beim Vorliegen zureichender Gründe möglich (Art. 144 Abs. 2 ZPO). Als solche gelten die Zustimmung der Gegenpartei oder von der Partei nicht vorhersehbare oder nicht Hinderungsgründe. 6. Die Gesuchsgegnerin wird darauf hingewiesen, dass die Vormerkung im Grundbuch gelöscht wird, wenn sie für die angemeldeten hinreichende Sicherheiten leistet. 7. Der Stillstand der Fristen gemäss Art. 145 Abs. 1 ZPO gilt nicht (Art. 145 Abs. 2 lit. b ZPO)." 5. Das Grundbuchamt Baden merkte die vorläufige Eintragung am 29. Juli 2019 (Tagebuchnummer 6853) im Tagebuch vor. 6. 6.1. Mit Verfügung vom 14. August 2019 stellte der Vizepräsident fest, dass die Gesuchsgegnerin keine Gesuchsantwort erstattete und setzte daher eine letzte, nicht erstreckbare Frist von 5 Tagen für die Erstattung einer schrift- lichen Antwort an. 6.2. Diese Verfügung wurde der Gesuchsgegnerin am 15. August 2019 zuge- stellt. 6.3. Mit Eingabe vom 14. August 2019 (Posteingang: 15. August 2019) zeigte Rechtsanwalt Rolf Müller an, er vertrete die Gesuchsgegnerin. Daraufhin wurde dem Vertreter der Gesuchsgegnerin die Verfügung vom 14. August 2019 mit Verfügung vom 15. August 2019 zugestellt. Die Kopie der Verfü- gung vom 14. August 2019 wurde dem Rechtsvertreter der Gesuchsgeg- nerin ebenfalls mit Verfügung vom 15. August 2019 zugestellt. 7. Die Gesuchsgegnerin hat auch innert der Nachfrist keine Gesuchsantwort eingereicht. - 4 - Der Vizepräsident zieht in Erwägung: 1. Die Zuständigkeit des Einzelrichters des Handelsgerichts ist gegeben (vgl. E. 4 der Verfügung vom 29. Juli 2019). 2. Die Gesuchsgegnerin ist mit der Erstattung einer Gesuchsantwort innert der ihr angesetzten Frist und Nachfrist säumig geblieben. Die Säumnisfol- gen wurden der Gesuchsgegnerin in der Verfügung vom 14. August 2019 angedroht. Das Gericht erlässt damit entweder einen Endentscheid, sofern die Angelegenheit spruchreif ist, oder es lädt zur Hauptverhandlung vor (Art. 219 i.V.m. Art. 223 Abs. 2 ZPO). Die im Gesuch vorgebrachten Tatsachenbehauptungen sind vorliegend un- bestritten geblieben. Zugestanden sind damit die Tatsachen, nicht aber die klägerischen Rechtsbegehren. Bei erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit einer nicht streitigen Tatsache, d.h. bei fehlender Spruchreife, kann das Gericht nach Art. 153 Abs. 2 ZPO von Amtes wegen Beweis erheben. Ist die Angelegenheit hingegen spruchreif, trifft das Gericht direkt einen En- dentscheid. Hierzu muss das Gesuch soweit geklärt sein, dass darauf man- gels Prozessvoraussetzungen nicht eingetreten oder es durch Sachurteil erledigt werden kann. Dies setzt voraus, dass die Vorbringen der Gesuch- stellerin nicht unklar, widersprüchlich, unbestimmt oder offensichtlich un- vollständig sind, weil das Gericht gegebenenfalls seine Fragepflicht ausü- ben muss.1 3. 3.1. Der Vizepräsident hat sich bereits in der Verfügung vom 29. Juli 2019 mit den Behauptungen der Gesuchstellerin auseinandergesetzt und es für glaubhaft erachtet, dass es sich bei den geltend gemachten Forderungen um Entschädigungen für Handwerker- oder Unternehmerleistungen im Sinne von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB handelt, ein Teil der Forderungen noch nicht beglichen ist sowie die gesetzliche Eintragungsfrist noch nicht abgelaufen ist. 3.2. Der Tatsachenvortrag der Gesuchstellerin blieb von der Gesuchsgegnerin unbestritten und gilt daher als wahr. Deshalb sind die Voraussetzungen für 1 LEUENBERGER, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger (Hrsg.), 3. Aufl. 2016, Art. 223 N. 5 und 7; BSK ZPO-WILLISEGGER, 3. Aufl. 2017, Art. 223 N. 18 ff. - 5 - die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts auf dem Grundstück Nr. XXX GB Spreitenbach in Höhe von Fr. 234'699.95 zusätz- lich Verzugszins von je 5 % auf Fr. 100'000.00 ab dem 13. Juli 2019 und auf Fr. 134'699.95 ab dem 10. August 2019 erfüllt und ist die mit Verfügung des Vizepräsidenten vom 29. Juli 2019 superprovisorisch angeordnete vor- läufige Vormerkung der Bauhandwerkerpfandrechte in diesem Umfang vor- sorglich zu bestätigen. 4. 4.1. Ist eine Klage auf definitive Bestellung des Bauhandwerkerpfandrechts noch nicht rechtshängig, ist der gesuchstellenden Partei nach Art. 263 ZPO i.V.m. Art. 961 Abs. 3 ZGB eine Frist zur Einreichung der Klage mit der An- drohung anzusetzen, dass die vorläufige Eintragung im Grundbuch bei un- genutztem Ablauf der Frist ohne weiteres und ersatzlos gelöscht werden.2 4.2. Vorliegend ist noch kein ordentliches Verfahren rechtshängig. Der Gesuch- stellerin ist daher Frist zur Anhebung der Klage im ordentlichen Verfahren anzusetzen und für den Säumnisfall das ersatzlose Dahinfallen der vor- sorglichen Eintragungen anzudrohen. Eine Löschung des eingetragenen Bauhandwerkerpfandrechts seitens des Handelsgerichts würde aber nur auf entsprechendes Gesuch hin erfolgen. Die Prosequierungsfrist beträgt nach handelsgerichtlicher Praxis rund drei Monate. 4.3. Der Gesuchstellerin ist daher Frist bis 25. November 2019 anzusetzen, um beim zuständigen Gericht Klage im ordentlichen Verfahren auf definitive Bestellung des Bauhandwerkerpfandrechts anzuheben. Es gilt kein Still- stand der Fristen. 5. Die Prozesskosten, bestehend aus Gerichtskosten und Parteientschädi- gung, werden der unterliegenden Partei auferlegt (Art. 95 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 1 ZPO). Ausgangsgemäss sind sie von der Gesuchsgegnerin zu tragen. 5.1. Unter Berücksichtigung des verursachten Aufwands sowie des Umfangs der Streitigkeit werden die Gerichtskosten auf Fr. 3'000.00 festgesetzt (§ 8 VKD; SAR 221.150). Gestützt auf Art. 111 Abs. 1 Satz 1 ZPO werden sie vorab mit dem von der Gesuchstellerin geleiseten Gerichtskostenvor- schuss in Höhe von Fr. 3'000.00 verrechnet. Die Gesuchsgegnerin hat der 2 SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, 3. Aufl. 2008, N. 672 ff. - 6 - Gesuchstellerin die Gerichtskosten, d.h. Fr. 3'000.00, direkt zu ersetzen (vgl. Art. 111 Abs. 2 ZPO). 5.2. Die Gesuchstellerin macht eine Parteientschädigung geltend. Indes wird einer Partei, die nicht durch einen Anwalt vertreten ist, keine Entschädigung für die Kosten einer berufsmässigen Vertretung gemäss Art. 95 Abs. 3 lit. b ZPO zugesprochen. Nur in begründeten Fällen, wie bei komplizierten Streitsachen, grossem Arbeitsaufwand oder Erwerbsausfall eines Selb- ständigerwerbenden ist allenfalls eine Umtriebsentschädigung gemäss Art. 95 Abs. 3 lit. c ZPO angezeigt.3 Da es sich vorliegend aber weder um eine komplizierte noch besonders aufwendige Angelegenheit handelt, ist der Gesuchstellerin keine Umtriebsentschädigung zuzusprechen. 5.3. Eine abweichende Verlegung der Prozesskosten im allenfalls vor Handels- gericht stattfindenden Hauptprozess im ordentlichen Verfahren oder auf- grund separater Verfügung im vorliegenden Verfahren bleibt vorbehalten. Der Vizepräsident erkennt: 1. In Gutheissung des Gesuchs vom 26. Juli 2019 wird die mit Verfügung vom 29. Juli 2019 zugunsten der Gesuchstellerin auf dem Grundstück der Gesuchsgegnerin, Grdst.-Nr. XXX GB Spreitenbach (E-GRID: _), su- perprovisorisch für eine Pfandsumme von Fr. 234'699.95 zuzüglich Zins zu je 5 % ab dem 13. Juli 2019 auf Fr. 100'000.00 und ab dem 10. August 2019 auf Fr. 134'699.95 angeordnete Vormerkung vorsorglich bestätigt. 2. Das Grundbuchamt Baden wird angewiesen, die Vormerkung gemäss Dis- positiv-Ziff. 1 aufrechtzuerhalten. 3. 3.1. Die Gesuchstellerin hat bis zum 25. November 2019 beim zuständigen Gericht im ordentlichen Verfahren Klage auf definitive Eintragung des Bau- handwerkerpfandrechts anzuheben. 3 SUTER/VON HOLZEN, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger (Fn. Fehler! Textmarke nicht defi- niert.), Art. 95 N. 40 f. - 7 - 3.2. Im Säumnisfall fällt die in der vorstehenden Dispositiv-Ziff. 1 angeordnete vorsorgliche Massnahme dahin, wobei die Vormerkung im Grundbuch nur auf entsprechendes Gesuch hin gelöscht wird. 3.3. Es gilt kein Stillstand der Fristen. 4. 4.1. Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 3'000.00 sind von der Gesuchsgegnerin zu tragen und werden mit dem von der Gesuchstellerin geleiseten Gerichtskostenvorschuss in Höhe von Fr. 3'000.00 verrechnet. Die Gesuchsgegnerin hat die von ihr zu tragenden Gerichtskosten der Ge- suchstellerin direkt zu ersetzen. 4.2. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. 4.3. Eine abweichende Verlegung der Prozesskosten mittels separater Verfü- gung oder im ordentlichen Verfahren bleibt vorbehalten, falls dieses vor dem Handelsgericht stattfindet. Zustellung an: die Gesuchstellerin die Gesuchsgegnerin (Vertreter; zweifach) Zustellung an (nach Ablauf der Rechtsmittelfrist): das Grundbuchamt Baden Rechtsmittelbelehrung für die Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff., Art 90 ff. BGG) Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen, von der schriftlichen Eröff- nung der vollständigen Ausfertigung des Entscheids an gerechnet, die Be- schwerde an das Schweizerische Bundesgericht erhoben werden. Die Beschwerde ist schriftlich oder in elektronischer Form beim Schweize- rischen Bundesgericht einzureichen. Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit An- gabe der Beweismittel und die Unterschriften bzw. eine anerkannte elekt- ronische Signatur zu enthalten. In der Begründung ist in gedrängter Form - 8 - darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid verfassungsmässige Rechte (Art. 98 ff. BGG) verletzt. Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in den Händen hat; ebenso ist der angefochtene Entscheid beizulegen (Art. 42 BGG). Aarau, 22. August 2019 Handelsgericht des Kantons Aargau 2. Kammer Der Vizepräsident: Der Gerichtsschreiber: Vetter Schneuwly
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2001 Zivilprozessrecht 63 [...] 17 Die Tatsache, dass eine in Betreibung gesetzte Forderung auf Urteilen des nunmehr mit der Rechtsöffnung befassten Gerichtspräsidiums beruhen, begründet für sich allein keinen Ausstandsgrund (§§ 2 und 3 ZPO). Das Gerichtspräsidium amtete vormals als Sachrichter und jetzt als Voll- 2001 Obergericht/Handelsgericht 64 streckungsrichter. Die sich stellenden Rechtsfragen in den beiden Verfah- ren sind nicht dieselben. In Bezug auf die zu beurteilenden Fragen kann das Verfahren daher als offen und nicht vorbestimmt angesehen werden. Dies gilt zufolge des im Zivilprozess- wie auch im Schuldbetreibungsrecht geltenden Wohnsitzprinzips auch für Fälle, in denen es um die Betreibung der Prozesskosten geht, die das Gerichtspräsidium im früheren Prozess dem Schuldner auferlegte und für die dessen Gerichtskasse im Namen des Kantons Aargau den Schuldner nun selbst betreibt. Entscheid der Inspektionskommission vom 5. April 2001.
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2007 Zivilprozessrecht 39 B. Anwaltsrecht 7 § 3 Abs. 1 lit. d AnwT, Art. 122 bis 124 ZGB; Anwaltsentschädigung Die Anwaltsentschädigung in Streitigkeiten betreffend Art. 122 bis 124 ZGB richtet sich nach § 3 Abs. 1 lit. d AnwT Aus dem Entscheid des Obergerichts, 1. Zivilkammer, vom 21. August 2007, in Sachen H.H. gegen. R.H.-M. Aus den Erwägungen 9.2. 9.2.1 Wie die Beklagte zutreffend ausführt, bezeichnet das Bundesge- richt im Zusammenhang mit der Zulässigkeit von Rechtsmitteln Verfahren betreffend Teilung der Austrittsleistung bzw. Entschädi- gung nach Art. 124 ZGB als Zivilsachen mit Vermögenswert (BGE 5C.212/2004 Erw. 1; BGE 5C.159/2002 Erw. 1.1). Gleich hält es das Bundesgericht auch mit Verfahren, die den nachehelichen Unterhalts- anspruch betreffen (BGE 5C.49/2005 Erw. 1.1). Auch nach aargaui- schem Prozessrecht gelten Abänderungsklagen betreffend familien- rechtliche Unterhaltspflichten im Zusammenhang mit der Frage der sachlichen Zuständigkeit als vermögensrechtliche Streitigkeiten (Bühler/Edelmann/Killer, Kommentar zur aargauischen Zivilprozess- ordnung, 2. A., Aarau/Frankfurt am Main/Salzburg 1998, N 7 Vorbe- merkungen zu §§ 10 - 22 ZPO). § 3 Abs. 1 lit. d AnwT legt nun aber für den Bereich des Anwaltstarifs ausdrücklich fest, dass ,,die Festsetzung familienrechtlicher Unterhalts- und Unterstützungsbei- träge (...) als nicht vermögensrechtliche Streitsache" gilt. Dabei präzisiert die nämliche Bestimmung wiederum klar, dass Verfahren über güterrechtliche Ansprüche bezüglich Anwaltstarif als vermögensrechtliche Streitsachen gelten. Der Anwaltstarif definiert 2007 Obergericht/Handelsgericht 40 im Bereich des Familienrechts also die ,,vermögensrechtlichen Streit- sachen" autonom. Die Praxis behandelt denn auch Verfahren betref- fend Abänderung von Unterhaltsbeiträgen bei der Anwendung des Anwaltstarifs folgerichtig als nicht vermögensrechtliche Streitsachen (AGVE 1992 S. 104 ff.). 9.2.2. 9.2.2.1. Die Botschaft des Regierungsrates an den Grossen Rat vom 7. September 1987 zum Anwaltstarif enthält zu § 3 Abs. 1 lit. d AnwT unter anderem folgende Erläuterung: " Für nicht vermögensrechtliche Streitsachen ist ein Grundsatzrahmen vorgesehen, da sich in diesem Bereich keine allgemeinen objektiven Anhaltspunkte für eine Differenzierung finden lassen. Als nicht ver- mögensrechtliche Streitigkeit wird nun neu, allgemein und aus- nahmslos auch die Festsetzung familienrechtlicher Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge erklärt (dem Grundsatz nach galt diese Re- gelung schon im geltenden Recht, doch konnten Streitwertzuschläge ausnahmsweise gewährt werden, wenn ganz besondere Umstände des Einzelfalles dies rechtfertigten) (vgl. Kreisschreiben des Ober- gerichts vom 23.11.1956 in AGVE 1957, S. 166). Mit dieser klaren Regelung wird verschiedenen Anregungen aus dem Vernehmlas- sungsverfahren Rechnung getragen. In güterrechtlichen Streitigkei- ten bleiben indessen wie bisher Streitwertzuschläge zulässig." § 3 Abs. 1 lit. d AnwT wurde auf Anregung der Konferenz der Aargauischen Gerichtspräsidenten in ihrer Vernehmlassung vom 20. März 1987 in die Gesetzesvorlage aufgenommen. Es war darin Folgendes ausgeführt: ,, In der Praxis sind die Ehescheidungsverfahren die weitaus häufigsten Zivilsachen. Gerade für diese Verfahren enthält der Entwurf indessen keine Regelung darüber, wie das Grundhonorar zu bemessen sei. Es wird nicht gesagt, ob beispielsweise die Unterhaltsbeiträge zu kapita- lisieren und dann als ,Streitwert' zu betrachten seien, ob güterrechtli- 2007 Zivilprozessrecht 41 che Ansprüche ebenfalls mit dem vollen Betrag als Streitwert einzu- setzen seien usw. Im geltenden Recht ist die Frage mindestens einigermassen geregelt. So hat das Gesamtobergericht in einem Kreisschreiben vom 23. No- vember 1956 (AGVE 1957, 166) festgehalten, Kinderrenten seien keine ,vermögensrechtlichen Nebenfolgen' im Sinn von § 16 Abs. 2 Satz 2 AnwT. Hingegen könne für solche Renten in analoger Anwen- dung von § 16 Abs. 2 Satz 1 AnwT ein Streitwertzuschlag gewährt und nach Billigkeit bemessen werden, wenn es in einem bestimmten Fall vom Umfang der Streitsache und der Schwierigkeit dieser Rentenansprüche oder von den persönlichen Verhältnissen der Par- teien her gerechtfertigt erscheine. Hingegen hat das Obergericht im gleichen Kreisschreiben zu erken- nen gegeben, dass güterrechtliche Ansprüche im Sinne von Art. 154 ZGB sehr wohl als ,vermögensrechtliche Nebenfolgen' gemäss § 16 Abs. 2 AnwT zu verstehen seien. Bei Abänderungsverfahern im Sinne von Art. 157 ZGB hält das Obergericht für Rentenansprüche - insbesondere auch Kinderren- ten-- einen vollen Streitwertzuschlag nach §§ 11 und 12 AnwT für zulässig. Massgebend sei der Barwert der ins Recht gesetzten Unter- haltsbeiträge (vgl. AGVE 1971, 69). Wünschbar wäre nun, dass mindestens in den Erläuterungen zum Dekretsentwurf festgehalten würde, wie weit Unterhaltsbeiträge (im Ehescheidungsverfahren wie auch im Abänderungsverfahren) sowie güterrechtliche Ansprüche im Ehescheidungsverfahren bei der Be- rechnung des Grundhonorars zu berücksichtigen seien. Andernfalls wäre es wohl Aufgabe des Obergerichts, hier möglichst bald nach In- krafttreten des neuen Anwaltstrarifes mit einem Kreisschreiben Klar- heit zu schaffen." Es lässt sich somit feststellen, dass § 3 Abs. 1 lit. d AnwT bei seiner Schaffung eine direkte Antwort dieses Dekrets auf die von den Gerichtspräsidenten aufgeworfenen Fragen darstellte. Die Fragestel- lung, welche Ausgangpunkt für die strittige Bestimmung war, geht davon aus, dass es zumindest unklar war, ob sich das Honorar hin- sichtlich Unterhalts- und Güterrechtsfolgen einer Ehescheidung nach 2007 Obergericht/Handelsgericht 42 Streitwert bemesse oder nicht. Die Tatsache, dass in § 3 Abs. 1 lit. d AnwT ausdrücklich gesagt wird, für güterrechtliche Ansprüche gäl- ten die lit. a und c, d.h. sie seien als vermögensrechtliche Streitsa- chen zu behandeln, zeigt, dass mit dieser Bestimmung nicht in erster Linie die Festsetzung familienrechtlicher Unterhalts- und Unterstüt- zungsbeiträge von den vermögensrechtlichen Streitsachen ausge- nommen werden sollten. Es lässt sich vielmehr die Auffassung ver- treten, mit dieser Bestimmung solle für familienrechtliche Verfahren, die grundsätzlich nicht vermögensrechtlicher Natur sind, definiert werden, welche vermögensrechtlichen Scheidungsfolgen im Rahmen des Anwaltstarifs zu einer Anwaltsentschädigung nach Streitwert berechtigten und welche nicht. 9.2.2.2. Im Zeitpunkt des Erlasses des Anwaltstarifs (im Jahr 1987) wurden Vorsorgeansprüche der Eheleute, soweit die Zeit nach Auflö- sung der Ehe betroffen war, in Scheidungsverfahren einzig im Rah- men des scheidungsrechtlichen Entschädigungs- oder Unterhaltsan- spruchs gemäss aArt. 151 und 152 ZGB berücksichtigt (Walser, Bas- ler Kommentar, 3. A., 2006, N 1 zu Art. 122 ZGB). Die Frage, ob im Scheidungsverfahren beurteilte Ansprüche betreffend berufliche Vor- sorge gemäss Art. 122 ff. ZGB zu einer nach Streitwert bemessenen Anwaltentschädigung berechtigen, ist von § 3 Abs. 1 lit. d AnwT also nicht geregelt. Die Regelung im Anwaltstarif ist somit planwidrig un- vollständig bzw. aufgrund der Rechtsentwicklung unvollständig ge- worden, d.h. es liegt eine Rechtslücke vor (Honsell, Basler Kommen- tar, 3. A., 2006, N 27 zu Art. 1 ZGB). Das Gericht hat nach der Regel zu entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde (Art. 1 Abs. 2 ZGB). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass familienrechtliche Streitigkeiten solche nicht vermögensrechtlicher Art sind. Der De- kretsgeber hat diese Qualifikation auch für die familienrechtlichen Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge ausdrücklich festgeschrie- ben. Mit den entsprechenden aArt. 151 und 152 ZGB wurde ein brei- tes Feld von scheidungsbedingten Nachteilen geregelt. Insbesondere Vorsorgefragen wurden auch von diesen Regeln erfasst. Nachdem der Dekretsgeber von den Scheidungsfolgen ausdrücklich und spe- ziell die güterrechtlichen Ansprüche lit. a und c von § 3 Abs. 1 AnwT 2007 Zivilprozessrecht 43 unterstellt hat, ist davon auszugehen, dass er die nicht in diesen Be- reich, sondern in den Bereich der ,,familienrechtlichen Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge" fallenden Vorsorgeansprüche ebenfalls als nicht vermögensrechtliche Streitsache bezeichnet hätte. Dies er- scheint auch unter folgendem Gesichtspunkt gerechtfertigt: Kommt zwischen den Parteien eines Scheidungsverfahrens betreffend die be- rufliche Vorsorge keine Vereinbarung zustande, so entscheidet das Gericht über das Verhältnis, in welchem die Austrittsleistungen zu teilen sind (Art. 142 Abs. 1 ZGB). Das Sozialversicherungsgericht legt dann fest, welcher Betrag per Saldo als Austrittsleistung wel- chem Ehegatten zusteht (Art. 142 Abs. 2 ZGB; Walser, a.a.O., N 6 zu Art. 142 ZGB). In Verfahren vor kantonalem Versicherungsgericht hat die obsiegende Partei zwar Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Diese werden vom Versicherungsgericht aber ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen und festgesetzt (Art. 61 lit. g ATSG; § 5 Abs. 1 AnwT). Unter Berücksichtigung dieser Regel und nachdem es sich von selbst versteht, dass die Festsetzung des Verhältnisses, in welchem die Austrittsleistungen den Ehegatten zustehen, kein Verfahren ist, das eine Anwaltsentschädigung nach Streitwert rechtfertigt, erschiene es nicht legitim, im Verfahren nach Art. 124 ZGB eine Parteientschädigung nach Streitwert zuzuspre- chen. Eine solche Regelung stünde nicht im Einklang mit den Intentionen des Dekretsgebers.
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2002 Obergericht/Handelsgericht 74 [...] 22 Ablehnung; Anzeigeerstattung eines Gerichtspräsidenten gegenüber der Anwaltskommission Anzeigeerstattung durch einen Gerichtspräsidenten bei der Anwaltskom- mission führt in späteren Verfahren, in welchen der betreffende Anwalt auftritt, nicht ohne weiteres zu einem Ablehnungsgrund. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 24. Juni 2002 i.S. E. C. gegen Gerichtspräsidium X. Aus den Erwägungen: 3. (...) a) (...) Die Tatsache, dass ein Gerichtspräsident in einem frühe- ren Verfahren mit dem Verhalten des Rechtsvertreters nicht einver- standen war und deshalb eine Aufsichtsanzeige erstattete, ist für sich allein nicht geeignet, in späteren Verfahren, in welchen der Anwalt wieder auftritt, den Anschein der Befangenheit zu begründen, selbst wenn wiederum die gleiche, vom Anwalt bereits im ersten Verfahren vertretene Partei betroffen ist. Ansonsten würde für Anwälte, welche sich nicht an die Berufsregeln halten, schon bald einmal kein Richter mehr zur Verfügung stehen. Keine Rolle spielt dabei im Übrigen, ob der Anzeige des Gerichtspräsidenten letztlich stattgegeben wird oder nicht. Eine Ausnahme müsste höchstens in jenen Fällen gelten, wo eine Anzeige offensichtlich grundlos erfolgte und damit Ausdruck eines gestörten Verhältnisses zwischen dem Gerichtspräsidenten und dem Anwalt ist. (...) Wollte man anders entscheiden, hätte dies zur Folge, dass ein Gerichtspräsident gegen einen sich seiner Meinung nach ungehörig aufführenden oder gegen die Berufsregeln verstossenden Anwalt keine Anzeige bei der Aufsichtsbehörde mehr machen könnte, ohne 2002 Zivilprozessrecht 75 sich in sämtlichen zukünftigen Verfahren, in welchen der betreffende Anwalt als Rechtsvertreter auftritt, in den Ausstand begeben zu müs- sen. Dies würde aber Art. 15 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte vom 23. Juni 2000 (BGFA; SR 935.61) widersprechen. Diese Bestimmung sieht näm- lich für kantonale Gerichts- und Verwaltungsbehörden eine Melde- pflicht betreffend Verletzung von Berufsregeln vor.
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Urteil/Entscheid Handelsgericht 2. Kammer HSU.2020.82 / as / as Entscheid vom 4. November 2020 Besetzung Oberrichter Vetter, Vizepräsident Gerichtsschreiber Schneuwly Gesuchstellerin K. AG, _ Gesuchsgegne- rin I SA, _ vertreten durch MLaw Simon Fluri und MLaw Noëmi Nenniger, Rechtsan- wälte, Jungfraustrasse 1, 3000 Bern 6 Gegenstand Summarisches Verfahren betreffend Bauhandwerkerpfandrecht - 2 - Der Vizepräsident entnimmt den Akten: 1. Die Gesuchstellerin ist Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich. Sie bezweckt im Wesentlichen _ (Gesuchsbeilage [GB] 0). 2. Die Gesuchsgegnerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Freiburg i.Üe. Sie hat gemäss Handelsregister folgenden Zweck _" Die Gesuchsgegnerin ist Alleineigentümerin der Grdst.-Nrn. 255 GB R. (E- GRID: CH 123; GB 1.2), 256 GB R. (E-GRID: CH 456; GB 1.1) und 3319 GB R. (E-GRID: CH 789; GB 1.3). 3. Mit Gesuch vom 12. Oktober 2020 (gleichentags persönlich überbracht) stellte die Gesuchstellerin die folgenden Rechtsbegehren: " 1. Das Grundbuchamt A. sei anzuweisen, zulasten des Grund- stücks in der Gemeinde R., Grundbuch-/Grundblatt-Nr. 255 -Nr. CH123, zugunsten von der gesuchstellenden Partei ein Bauhandwerkerpfandrecht für die Pfandsumme von CHF 374'042.5 nebst 5 % Zins seit 26.08.2020 vorläufig als einzutragen. Die Anweisung sei superprovisorisch (d.h. sofort nach Eingang des Gesuchs ohne Anhörung der Gegenpartei) zu verfügen und dem Grundbuchamt unverzüglich zur vorläufigen Eintragung im Grundbuch mitzuteilen. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Gegen- partei. 2. Das Grundbuchamt A. sei anzuweisen, zulasten des Grund- stücks in der Gemeinde R., Grundbuch-/Grundblatt-Nr. 256 -Nr. CH456, zugunsten von der gesuchstellenden Partei ein Bauhandwerkerpfandrecht für die Pfandsumme von CHF 374'042.5 nebst 5 % Zins seit 26.08.2020 vorläufig als einzutragen Die Anweisung sei superprovisorisch (d.h. sofort nach Eingang des Gesuchs ohne Anhörung der Gegenpartei) zu verfügen und dem Grundbuchamt unverzüglich zur vorläufigen Eintragung im Grundbuch mitzuteilen. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Gegen- partei. 3. Das Grundbuchamt A. sei anzuweisen, zulasten des Grund- stücks in der Gemeinde R., Grundbuch-/Grundblatt-Nr. 3319 -Nr. CH789, zugunsten von der gesuchstellenden Partei ein Bauhandwerkerpfandrecht für die Pfandsumme von - 3 - CHF 374'042.5 nebst 5 % Zins seit 26.08.2020 vorläufig als einzutragen Die Anweisung sei superprovisorisch (d.h. sofort nach Eingang des Gesuchs ohne Anhörung der Gegenpartei) zu verfügen und dem Grundbuchamt unverzüglich zur vorläufigen Eintragung im Grundbuch mitzuteilen. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Gegen- partei." 4. Am 12. Oktober 2020 erliess der Vizepräsident folgende Verfügung: 1. In Gutheissung des Gesuchs vom 12. Oktober 2020 wird der Ge- suchstellerin die Vormerkung je einer vorläufigen Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts gemäss Art. 837/839 i.V.m. Art. 961 ZGB wie folgt Fr. 374'042.50 zuzüglich Zins zu 5 % seit 26. August 2020 auf Grdst.-Nr. 255 GB R. (E-GRID: CH 123) Fr. 374'042.50 zuzüglich Zins zu 5 % seit 26. August 2020 auf Grdst.-Nr. 256 GB R. (E-GRID: CH 456) Fr. 374'042.50 zuzüglich Zins zu 5 % seit 26. August 2020 auf Grdst.-Nr. 3319 GB R. (E-GRID: CH 789) superprovisorisch bewilligt. 2. Das Grundbuchamt A. wird angewiesen, die Vormerkung gemäss vorstehender Dispositiv-Ziff. 1 sofort einzutragen. 3. Die Gesuchstellerin hat mit beiliegendem Einzahlungsschein bis zum 27. Oktober 2020 einen Gerichtskostenvorschuss von Fr. 5'250.00 zu leisten. 4. Zustellung des Doppels des Gesuchs (inkl. Beilagen) vom 12. Okto- ber 2020 an die Gesuchsgegnerin zur Erstattung einer schriftlichen Antwort bis zum 27. Oktober 2020. 5. Fristerstreckungen werden grundsätzlich nicht gewährt. Aus- nahmsweise ist eine Fristerstreckung beim Vorliegen zureichender Gründe möglich (Art. 144 Abs. 2 ZPO). Als solche gelten die Zustim- mung der Gegenpartei oder von der Partei nicht vorhersehbare oder nicht beeinflussbare Hinderungsgründe. - 4 - 6. Bei Säumnis wird das Verfahren ohne die versäumte Handlung wei- tergeführt (Art. 147 Abs. 2 ZPO). 7. Die Gesuchsgegnerin wird darauf hingewiesen, dass die Vormer- kung im Grundbuch gelöscht wird, wenn sie für die angemeldeten Forderungen hinreichende Sicherheiten leistet. Für die Anmel- dung der Löschung sind die Parteien selbst verantwortlich. 8. Der Stillstand der Fristen gemäss Art. 145 Abs. 1 ZPO gilt nicht (Art. 145 Abs. 2 lit. b ZPO). 5. Das Grundbuchamt A. merkte die vorläufigen Eintragungen am 12. Okto- ber 2020 unter der Tagebuchnummer 2020/11257 vor. 6. Mit Verfügung vom 28. Oktober 2020 setzte der Vizepräsident sowohl der Gesuchstellerin für die Leistung des Kostenvorschusses als auch der Ge- suchsgegnerin für die Einreichung einer Gesuchsantwort je eine kurze Nachfrist bis zum 5. November 2020. 7. Mit Gesuchsantwort vom 30. Oktober 2020 stellte die Gesuchsgegnerin fol- gende Rechtsbegehren: " 1. Das Grundbuchamt A. sei anzuweisen, das zugunsten der auf der Liegenschaft der Gesuchsgegnerin, Grdst.-Nr. 255 GB R., als vorläufige Eintragung vorgemerkte Bauhandwerkerpfandrecht im Betrag von CHF 374'042.50 Zins von 5 % seit 26. August 2020 zu löschen, 2. Das Grundbuchamt A. sei anzuweisen, das zugunsten der auf der Liegenschaft der Gesuchsgegnerin, Grdst.-Nr. 256 GB R., als vorläufige Eintragung vorgemerkte Bauhandwerkerpfandrecht im Betrag von CHF 374'042.50 Zins von 5 % seit 26. August 2020 zu löschen, 3. Das Grundbuchamt A. sei anzuweisen, das zugunsten der auf der Liegenschaft der Gesuchsgegnerin, Grdst.-Nr. 3319 GB R., als vorläufige Eintragung vorgemerkte Bauhandwerkerpfandrecht im Betrag von CHF 374'042.50 Zins von 5 % seit 26. August 2020 zu löschen, unter Kosten- und Entschädigungsfolge." 8. Der Kostenvorschuss für die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 5'250.00 der Gesuchstellerin ging am 3. November 2020 bei der Obergerichtskasse ein. - 5 - Der Vizepräsident zieht in Erwägung: 1. Zuständigkeit Der Einzelrichter am Handelsgericht ist örtlich, sachlich und funktionell zur Beurteilung der im summarischen Verfahren zu behandelnden Streitigkeit zuständig (vgl. dazu E. 4 der Verfügung vom 12. Oktober 2020). 2. Allgemeine Voraussetzungen der vorläufigen Eintragung 2.1. Die Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts setzt im Wesentlichen die Forderung eines Bauhandwerkers oder Unternehmers für die Leistung von Arbeit und allenfalls von Material zugunsten des zu belastenden Grundstücks sowie die Wahrung der viermonatigen Eintragungsfrist voraus (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 und 839 Abs. 2 ZGB). 2.2. Die Eintragungsvoraussetzungen sind im Verfahren betreffend vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts lediglich glaubhaft zu ma- chen. An diese Glaubhaftmachung werden zudem weniger strenge Anfor- derungen gestellt, als es diesem Beweismass für vorsorgliche Massnah- men (Art. 261 ff. ZPO) sonst entspricht.1 Die vorläufige Eintragung darf nur verweigert werden, wenn der Bestand des Pfandrechts ausgeschlossen o- der höchst unwahrscheinlich erscheint. Im Zweifelsfall, bei unklarer Be- weis- oder Rechtslage, ist die vorläufige Eintragung zu bewilligen und die Entscheidung dem Richter im ordentlichen Verfahren zu überlassen.2 Letzt- lich läuft es darauf hinaus, dass der gesuchstellende Unternehmer nur die blosse Möglichkeit eines Anspruchs auf ein Bauhandwerkerpfandrecht nachzuweisen hat.3 3. Pfandsumme 3.1. Parteibehauptungen Die Gesuchstellerin behauptet, von der M. AG mit diversen Werkverträgen und diversen Bestellungsänderungen betreffend verschiedene Baumeister- arbeiten beauftragt worden zu sein. Daraus stehe ihr eine Werklohnsumme inkl. einer Sicherheitsmarge von 10 % im Umfang von Fr. 1'122'127.50 zu (Gesuch und GB 2-4, 7 f., 10 und 12). Die Gesuchsgegnerin bestreitet die Höhe der Werklohnforderung mit Nicht- wissen. Schuldnerin einer allfälligen Forderung wäre die M. AG (Antwort Rz. 16 f.). Es sei nicht glaubhaft, dass die Gesuchstellerin auf allen drei Grundstücken gleichmässig Arbeit geleistet habe. Entsprechend habe sie 1 BGE 137 III 563 E. 3.3; 86 I 265 E. 3; vgl. auch SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, 3. Aufl. 2008, N. 1394; BSK ZGB II-THURNHERR, 6. Aufl. 2019, Art. 839/840 N. 37. 2 BGE 86 I 265 E. 3; 102 Ia 81 E. 2b.bb; BGer 5A_426/2015 vom 8. Oktober 2015 E. 3.4; 5A_924/2014 vom 7. Mai 2015 E. 4.1.2; SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, Ergänzungsband zur 3. Aufl., 2011, N. 628. 3 SCHUMACHER (Fn. 1), N. 1395. - 6 - auch keinen Anspruch auf Eintragung eines Sicherheitszuschlags von 10 %. 3.2. Rechtliches Pfandberechtigt sind die Forderungen der Handwerker oder Unternehmer, die auf einem Grundstück zu Bauten oder anderen Werken, zu Abbruchar- beiten, zum Gerüstbau, zur Baugrubensicherung oder dergleichen Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB). Die mit dem Bauhandwerkerpfand zu sichernde bzw. die gesicherte Forde- rung besteht entsprechend in der Vergütungsforderung des Handwerkers oder Unternehmers. Sie ist mit dieser identisch. Für die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts im Grundbuch ist daher nach Art. 794 Abs. 1 i.V.m. Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB eine bestimmte Pfandsumme anzuge- ben.4 Werden auf mehreren Grundstücken pfandberechtigte Leistungen er- bracht, so ist die Pfandsumme auf die einzelnen Parzellen zu verteilen.5 Die Aufteilung hat derart zu erfolgen, dass jedes einzelne Grundstück nur mit demjenigen Anteil belastet wird, der dem Anteil an den Bauarbeiten entspricht, die tatsächlich für das betreffende (belastete) Grundstück er- bracht worden sind. Die sich aus der Aufteilung ergebenden Teilbeträge sind in der Folge als Teilpfandrechte i.S.v. Art. 798 Abs. 2 ZGB einzutra- gen.6 Der Unternehmer hat grundsätzlich nachzuweisen, welche konkreten Leistungen an Arbeit und Material er zu welchen Preisen für jedes einzelne Grundstück erbracht hat.7 Im Verfahren betreffend vorläufige Eintragung ist indes – aufgrund der drohenden Verwirkung bei Nichteintragung innerhalb der Frist von Art. 839 Abs. 2 ZGB – eine Aufteilung auf die einzelnen Lie- genschaften nach Bruchteilen (etwa auf der Grundlage von Quadrat- oder Kubikmeterzahlen) statthaft. Die im Grundbuch vorläufig eingetragenen Teilpfandsummen sind dann im Verfahren betreffend definitive Eintragung aufgrund konkreter Nachweise der auf den verschiedenen Grundstücken erbrachten Leistungen zu berichtigen.8 3.3. Würdigung Mit der Vorlage der Werkverträge Nr. 1, 3 und 65 (GB 2-4) sowie der Rech- nungen (GB 7 f. und 12) macht die Gesuchstellerin glaubhaft, dass ihr ge- genüber der M. AG eine Werklohnsumme von insgesamt Fr. 1'020'115.96 zusteht. Im vorliegenden Verfahren betreffend Bauhandwerkerpfandrechte ist dabei unerheblich, dass diese vermeintliche Summe nicht die Gesuchs- gegnerin, sondern die M. AG schuldet. Weshalb es weiter nicht glaubhaft 4 SCHUMACHER (Fn. 1), N. 436, 438 und 547. 5 BSK ZGB II-THURNHERR (Fn. 1), Art. 839/840 N. 18 m.w.H. 6 SCHUMACHER (Fn. 1), N. 593, 837; vgl. BRITSCHGI Das belastete Grundstück beim Bauhandwerker- pfandrecht, Luzerner Beiträge zur Rechtswissenschaft, Band/Nr. 30, 2008, S. 103-118, 105, 113 f.; vgl. auch MATHIS, Das Bauhandwerkerpfandrecht in der Gesamtüberbauung und im , 1988, S. 150, 152. 7 SCHUMACHER (Fn. 1), N. 593; BRITSCHGI (Fn. 6), S. 114; MATHIS (Fn. 6), S. 152. 8 Vgl. SCHUMACHER (Fn. 1), N. 840; BRITSCHGI (Fn. 6), S. 115; MATHIS (Fn. 6), S. 150 f. - 7 - sein soll, dass die Gesuchstellerin auf den drei Grundstücken Grdst.-Nr. 255, 256 und 3319 GB R. gleichmässig viel Arbeiten leistete, begründet die Gesuchsgegnerin nicht. Entsprechendes ist jedenfalls nicht ausgeschlos- sen oder höchst unwahrscheinlich. Demnach rechtfertigt sich auch ein Si- cherheitszuschlag von 10 %. 3.4. Verzugszinsen In Bezug auf die Verzugszinsen bringt die Gesuchsgegnerin nichts vor, weshalb es bei den Ausführungen gem. E. 5.3 der Verfügung vom 12. Ok- tober 2020 bleibt. 4. Eintragungsfrist 4.1. Parteibehauptungen Die Gesuchstellerin behauptet, sie habe die letzten Arbeiten am 12. Juni 2020 ausgeführt. Dabei habe es sich um Tiefbauarbeiten, d.h. Belags- und Werkleitungsarbeiten im Bereich der Zufahrt auf sämtlichen Parzellen ge- handelt. Die Gesuchsgegnerin behauptet hingegen, das Bauende der Gesuchstel- lerin sei in Bezug auf den Werkvertrag Nr. 1 (Baugrubenaushub, Abbrüche, Rodungen) und auf den Werkvertrag Nr. 3 (Baugrubensicherung) bereits am 30. November 2019 erfolgt, was sich insbesondere aus der Schluss- rechnung ergebe (Antwort Rz. 6; GB 12). Unabhängig davon, habe die To- talunternehmerin, M. AG, mit der Gesuchstellerin am 26. November 2018 einen weiteren Werkvertrag betreffend Anpassungen Werkleitungen Elektro abgeschlossen (Werkvertrag Nr. 65). Dies sei notwendig gewor- den, da im Zuge der Installation einer Trafostation die Zuleitungen hätten vergrössert werden und eine neue Trassierung gesucht werden müssen. Diese Arbeiten seien nicht Bestandteil der Werkverträge Nr. 1 und 3 gewe- sen (Antwort Rz. 7; GB 4 und 6). Demnach sei die Frist für die Eintragung von Bauhandwerkerpfandrechten in Bezug auf die Werkverträge Nr. 1 und 3 bereits verwirkt (Antwort Rz. 9 ff.). 4.2. Rechtliches Die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts muss bis spätestens vier Monate nach der Arbeitsvollendung erfolgen, andernfalls verwirkt der An- spruch (Art. 839 Abs. 2 ZGB).9 Die Eintragungsfrist berechnet sich nach Art. 7 ZGB i.V.m. Art. 77 Abs. 1 Ziff. 3 i.V.m. Abs. 2 OR. Sie endet somit an demjenigen Tag des letzten Monats, der durch seine Zahl dem Tag der Arbeitsvollendung entspricht.10 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 839 Abs. 2 ZGB gel- ten Bauarbeiten grundsätzlich dann als vollendet, wenn alle Verrichtungen, die Gegenstand des Werkvertrages bilden, ausgeführt sind. Nicht in Be- 9 BGE 126 III 462 E. 4c.aa; BSK ZGB II-THURNHERR (Fn. 1), Art. 839/840 N. 29. 10 BSK ZGB II-THURNHERR (Fn. 1), Art. 839/840 N. 31a. - 8 - tracht fallen dabei geringfügige oder nebensächliche, rein der Vervoll- kommnung dienende Arbeiten oder Ausbesserungen wie der Ersatz gelie- ferter, aber fehlerhafter Teile oder die Behebung anderer Mängel. Gering- fügige Arbeiten gelten aber dann als Vollendungsarbeiten, wenn sie uner- lässlich sind; insoweit werden Arbeiten weniger nach quantitativen als viel- mehr nach qualitativen Gesichtspunkten gewürdigt.11 Werden auf der Grundlage verschiedener Werkverträge mehrere, zeitlich gestaffelte Leistungen erbracht, so stellt sich die Frage, wann deren frist- auslösende Vollendung anzunehmen ist. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob diese Leistungen eine Einheit bilden. Wiederholt gleiche oder gleichartige Bauleistungen des gleichen Unternehmens bilden in ihrer Ge- samtheit eine einzige, spezifische Bauarbeit und unterliegen einem einheit- lichen Fristenlauf. Eine Einheit zwischen zeitlich gestaffelten Bauleistungen ist dann anzunehmen, wenn zwischen diesen ein innerer Zusammenhang besteht.12 Vorausgesetzt ist, dass die verschiedenen Bauleistungen in wirt- schaftlicher und tatsächlicher Hinsicht ein Ganzes bilden.13 Ob formell ge- trennte Werkverträge abgeschlossen wurden, spielt keine Rolle, kommt es doch nicht auf die oft eher zufällige Anzahl von Werkverträgen an, sondern darauf, ob zwischen den fraglichen Leistungen ein enger Konnex vorhan- den ist.14 Zur Beurteilung, ob zwei Bauleistungen eine funktionelle Einheit bilden, kann der Begriff der Arbeitsgattung herangezogen werden, der frei- lich unscharfer Natur ist.15 4.3. Würdigung In der Tat ergibt sich aus den Ausführungen der Gesuchstellerin nicht mit Sicherheit, welche Arbeiten sie wann gestützt auf welchen Werkvertrag er- ledigte. Allerdings kommt vorliegend nicht das ordentliche Beweismass, sondern dasjenige der Glaubhaftmachung zur Anwendung. Soweit die Be- klagte einwendet, die Arbeiten gestützt auf den Werkvertrag Nr. 65 (GB 4) stünden nicht in einem Zusammenhang mit den anderen beiden Werkver- trägen Nr. 1 und 3 (GB 2-3) kann ihr nicht gefolgt werden: Vielmehr umfasst dieser Werkvertrag ebenfalls Baumeisteraushubsarbeiten (GB 4 S. 2). Zwar wurden diese aufgrund der Notwendigkeit der Anpassung der Tra- fostation separat vereinbart, was aber nicht bedeutet, dass sie in keinem inneren Zusammenhang mit den Aushubsarbeiten gemäss Werkvertrag Nr. 1 (GB 2) stehen. Jedenfalls ist solches nicht ausgeschlossen oder höchst unwahrscheinlich. Es wird sich demnach im Verfahren um die defi- nitive Eintragung der Bauhandwerkerpfandrechte zeigen, ob die letzten Ar- beiten der Gesuchstellerin tatsächlich in einem inneren Zusammenhang zu den Werkverträgen Nr. 1 und 3 (GB 2-3) stehen. 11 BGer 5A_613/2015 vom 22. Januar 2016 E. 4 m.w.N. 12 BGer 5C.232/2001 vom 19. November 2001 E. 3.a. 13 BGer 5A_282/2016 vom 17. Januar 2017 E. 7.1. 14 BGer 5C.232/2001 vom 19. November 2001 E. 3.a. 15 SCHUMACHER (Fn. 1), N. 1191 ff. - 9 - 5. Ergebnis Zusammenfassend ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die vorläufige Eintragung der Bauhandwerkerpfandrechte in der jeweils beantragten Höhe nebst Zins zu 5 % ab 26. August 2020 erfüllt sind und die mit Verfü- gung vom 12. Oktober 2020 superprovisorisch angeordneten Vormerkun- gen der vorläufigen Eintragungen der Bauhandwerkerpfandrechte entspre- chend zu bestätigen sind. 6. Prosequierung Ist eine Klage auf definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts noch nicht rechtshängig, ist der gesuchstellenden Partei nach Art. 263 ZPO eine Frist zur Einreichung der Klage mit der Androhung anzusetzen, dass die Vormerkung der vorläufigen Eintragung im Grundbuch bei ungenutztem Ablauf der Frist ohne weiteres und ersatzlos gelöscht werde.16 Die Prose- quierungsfrist beträgt nach handelsgerichtlicher Praxis bei Fällen der vor- liegenden Grösse rund drei Monate. Der Fristenstillstand gemäss Art. 145 Abs. 1 ZPO ist bei der Prosequierungsfrist nach Art. 263 ZPO i.V.m. Art. 961 Abs. 3 ZGB ausgeschlossen.17 7. Prozesskosten Die Prozesskosten bestehen vorliegend nur aus Gerichtskosten und wer- den der unterliegenden Partei auferlegt (Art. 95 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 1 ZPO). Ausgangsgemäss sind sie von der Gesuchsgegnerin zu tragen. 7.1. Unter Berücksichtigung des verursachten Aufwands sowie des Umfangs der Streitigkeit werden die Gerichtskosten auf Fr. 5'250.00 festgesetzt (§ 8 VKD; SAR 221.150). Gestützt auf Art. 111 Abs. 1 Satz 1 ZPO werden sie vorab mit dem von der Gesuchstellerin geleisteten Gerichtskostenvor- schuss in Höhe von Fr. 5'250.00 verrechnet. Die Gesuchsgegnerin hat der Gesuchstellerin die Gerichtskosten, d.h. Fr. 5'244.25, direkt zu ersetzen (vgl. Art. 111 Abs. 2 ZPO). 7.2. Da sich die Gesuchstellerin weder anwaltlich vertreten liess noch beson- dere Umtriebe behauptete, ist ihr keine Parteientschädigung zuzuspre- chen. 7.3. Eine abweichende Verlegung der Prozesskosten im allenfalls vor Handels- gericht stattfindenden Hauptprozess im ordentlichen Verfahren oder auf- grund separater Verfügung im vorliegenden Verfahren bleibt vorbehalten. 16 SCHUMACHER (Fn. 1), N. 672 ff. 17 BGE 143 III 554 E. 2.5.2 m.w.H.; vgl. auch SCHUMACHER (Fn. 1), N. 688. - 10 - Der Vizepräsident erkennt: 1. In Gutheissung des Gesuchs vom 12. Oktober 2020 werden die mit Ver- fügung vom 12. Oktober 2020 zugunsten der Gesuchstellerin superprovi- sorisch angeordneten Vormerkungen wie folgt: Fr. 374'042.50 zuzüglich Zins zu 5 % seit 26. August 2020 auf Grdst.-Nr. 255 GB R. (E-GRID: CH 123) Fr. 374'042.50 zuzüglich Zins zu 5 % seit 26. August 2020 auf Grdst.-Nr. 256 GB R. (E-GRID: CH 456) Fr. 374'042.50 zuzüglich Zins zu 5 % seit 26. August 2020 auf Grdst.-Nr. 3319 GB R. (E-GRID: CH 789) vorsorglich bestätigt. 2. Das Grundbuchamt A. wird angewiesen, die Vormerkung gemäss Disposi- tiv-Ziff. 1 aufrechtzuerhalten. 3. 3.1. Die Gesuchstellerin hat bis zum 8. Februar 2021 beim zuständigen Ge- richt im ordentlichen Verfahren Klage auf definitive Eintragung der Bau- handwerkerpfandrechte anzuheben. 3.2. Im Säumnisfall fällt die in der vorstehenden Dispositiv-Ziff. 1 angeordnete vorsorgliche Massnahme dahin, wobei die Vormerkung im Grundbuch nur auf entsprechendes Gesuch hin gelöscht wird. 3.3. Es gilt kein Stillstand der Fristen. 4. 4.1. Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 5'250.00 sind von der Gesuchsgegnerin zu tragen und werden mit dem von der Gesuchstellerin geleisteten Gerichtskostenvorschuss in Höhe von Fr. 5'250.00 verrechnet. Die Gesuchsgegnerin hat die von ihr zu tragenden Gerichtskosten der Ge- suchstellerin im Umfang von Fr. 5'250.00 direkt zu ersetzen. 4.2. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. - 11 - 4.3. Eine abweichende Verlegung der Prozesskosten mittels separater Verfü- gung oder im ordentlichen Verfahren bleibt vorbehalten, falls dieses vor dem Handelsgericht stattfindet. Zustellung an: die Gesuchstellerin (mit Abrechnung mit Kopie der Gesuchsantwort vom 30. Oktober 2020 [inkl. Beilagen]) die Gesuchsgegnerin (Vertreter; zweifach) Zustellung an: das Grundbuchamt A. (nach Ablauf der Rechtsmittelfrist) Rechtsmittelbelehrung für die Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff., Art 90 ff. BGG) Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen, von der schriftlichen Eröff- nung der vollständigen Ausfertigung des Entscheids an gerechnet, die Be- schwerde an das Schweizerische Bundesgericht erhoben werden. Die Beschwerde ist schriftlich oder in elektronischer Form beim Schweize- rischen Bundesgericht einzureichen. Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit An- gabe der Beweismittel und die Unterschriften bzw. eine anerkannte elekt- ronische Signatur zu enthalten. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid verfassungsmässige Rechte (Art. 98 ff. BGG) verletzt. Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in den Händen hat; ebenso ist der angefochtene Entscheid beizulegen (Art. 42 BGG). Aarau, 4. November 2020 Handelsgericht des Kantons Aargau 2. Kammer Der Vizepräsident: Der Gerichtsschreiber: Vetter Schneuwly
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2009 Obergericht 36 [...] 6 Art. 30 Abs. 1 BV, Art. 18, 19 und 20 KSG Gemäss Art. 18 Abs. 1 KSG i.V.m. Art. 34 Abs. 1 lit. b BGG besteht bei Schiedsgerichtsverfahren ein Ausstandsgrund, wenn ein Schiedsrichter in der gleichen Sache bereits in anderer Stellung, insbesondere als Rechts- berater einer Partei, tätig war. Dieser Ausstandsgrund entspricht demje- nigen von § 2 lit. c ZPO; er ist somit von Amtes wegen zu beachten und wirkt absolut. Ein gemäss Art. 20 KSG verspätet gestelltes Ablehnungsbegehren, wel- ches mit dem erwähnten Ausstandsgrund begründet wird, führt demnach auch im Schiedsverfahren nicht zur Verwirkung des Ablehnungsrechts. 2009 Zivilprozessrecht 37 Entscheid der Inspektionskommission vom 22. Mai 2009 i.S. MG c. M. M. (IVV.2008.49).
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AG_HG_001_AGVE-2009-6_2009-05-22
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2009-6.html
https://agve.weblaw.ch/pdf/AGVE-2009-6.pdf
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2003 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht 43 II. Schuldbetreibungs- und Konkursrecht 9 Art. 56, 63 und 174 Abs. 1 SchKG. Keine Geltung der Betreibungsferien im Weiterziehungsverfahren gemäss Art. 174 SchKG. Die Mitteilung der Konkurseröffnung ist keine Betrei- bungshandlung und hat daher ohne Rücksicht auf die Betreibungsferien zu erfolgen, welche folglich für die Berechnung der Weiterziehungsfrist gemäss Art. 174 Abs. 1 SchKG ohne Bedeutung sind. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 4. Zivilkammer, vom 12. Februar 2003 in Sachen S. G. gegen N. D. Aus den Erwägungen 1. Gemäss Art. 174 Abs. 1 SchKG kann der Entscheid des Kon- kursgerichts innert zehn Tagen nach seiner Eröffnung an das obere Gericht weitergezogen werden. Da das Konkurserkenntnis ohne Ein- schränkung sofort mit dessen Erlass vollstreckbar ist und die Durch- führung des Konkursverfahrens ohne Aufschub zu erfolgen hat, ist die Konkurseröffnung unverzüglich mitzuteilen, ausser es wäre auf- grund einer bereits eingereichten Berufung die aufschiebende Wir- kung erteilt worden (BGE 120 Ib 250 mit Hinweisen). Die Mittei- lung der Konkurseröffnung ist keine Betreibungshandlung und hat daher ohne Rücksicht auf Ferien oder Rechtsstillstand zu erfolgen (BGE a.a.O.; Bauer, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbe- treibung und Konkurs, Basel/Genf/München 1998, N 40 zu Art. 56; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Zürich 1997/99, N 6 zu Art. 56). Wo aber Art. 56 SchKG nicht zum Tragen kommt, ist auch der Anwen- dung von Art. 63 SchKG betreffend die Auswirkungen der Betrei- bungsferien auf den Lauf einer Frist der Boden entzogen (BGE 117 III 5 mit Hinweis auf BGE 115 III 6 f. und 10 f.), was das 2003 Obergericht/Handelsgericht 44 Bundesgericht trotz Kritik in der Literatur (Bauer, a.a.O., N 7 zu Art. 63; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, a.a.O., N 3 zu Art. 63 und N 5 zu Art. 174; Giroud, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/München 1998, N 11 zu Art. 174) jüngst erneut bestätigt hat (Praxis 2003 Nr. 9 S. 46). Die Betreibungsferien sind demnach für die Berechnung der Weiterzie- hungsfrist gemäss Art. 174 Abs. 1 SchKG ohne Bedeutung (AGVE 2000 Nr. 6 S. 41).
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2004 Zivilprozessrecht 49 III. Zivilprozessrecht A. Zivilprozessordnung 7 Zivilprozess, Stufenklage; Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung 1. Die Prüfung, ob ein Gewinnherausgabeanspruch tatsächlich besteht, kann erst nach Auskunftserteilung und Rechnungslegung vorgenommen werden. 2. Die auskunftspflichtige Partei kann die Auskunftserteilung über ihren Verletzergewinn nicht unter Berufung auf ihr Geschäftsgeheimnis ver- weigern. Auszug aus dem Teilurteil des Handelsgerichts vom 10. Juni 2004 in Sa- chen S. AS und S. AG gegen T. AS und A. Aus den Erwägungen 1. 1.1 Die Unterlassungs- und Bestandesansprüche gemäss Klage- /Replikbegehren Ziffern 1 und 2 und Widerklage sind mit Teilurteil vom 21. August 2003 rechtskräftig beurteilt worden. Zu entscheiden ist noch über die mit den Klagebegehren Ziffern 3 und 4 geltend gemachten Ansprüche. 1.2 Beim Klagebegehren Ziffer 3 handelt es sich um eine sog. Stufenklage. Sie beinhaltet die Auskünfte oder die Rechnungslegung über den auf Grund der Verletzung der Rechte der Klägerinnen an der Marke "X" von den Beklagten erzielten Umsatz und Gewinn. Dabei handelt es sich um den Hilfsanspruch für die Bezifferung der mit Klagebegehren Ziffer 4 geltend gemachten reparatorischen Hauptansprüche auf Schadenersatz oder Gewinnherausgabe. Der Hilfsanspruch auf Auskunft oder Rechnungslegung ist darauf ausge- richtet, die in der Rechtssphäre der Beklagten eingetretenen wirt- schaftlichen Faktoren, die für den Bestand und Umfang der reparato- rischen Ansprüche der Klägerinnen massgebend sind, offen zu legen 2004 Obergericht/Handelsgericht 50 und so den Klägerinnen zu ermöglichen, ihre reparatorischen An- sprüche überhaupt beziffern zu können. Ist der mit einer Stufenklage geltend gemachte Hilfsanspruch auf Rechnungslegung oder Auskunft streitig, ist hierüber ein Teilurteil zu erlassen, das mit eidgenössischer Berufung angefochten werden kann (BGE 123 III 143 f. Erw. 2c; O. Vogel, Die Stufenklage und die dienende Funktion des Zivilprozessrechts, recht 1992, 63). 2. 2.1 Die Beklagten bestreiten ihre Auskunfts- und Rechnungsle- gungspflicht. Sie sind der Auffassung, vorgängig der Auskunftser- teilung oder Rechnungslegung sei vorfrageweise zu entscheiden, ob den Klägerinnen überhaupt ein Gewinnherausgabeanspruch gestützt auf Art. 423 Abs. 1 OR zustehe oder nicht. Dieser Auffassung kann aus mehreren Gründen nicht beigepflichtet werden. 2.2 Der Hilfsanspruch auf Auskunft oder Rechnungslegung stellt eine Nebenpflicht zur Hauptpflicht auf Leistung von Schaden- ersatz oder Gewinnherausgabe dar (L. David, Der Rechtsschutz im Immaterialgüterrecht, SIWR I/2, 2. A., Basel e.a. 1998, 104). Er setzt den Bestand einer Hauptleistung sachlogisch voraus und dient deren prozessualer Durchsetzung. Da indessen der Hilfsanspruch auf Aus- kunft oder Rechnungslegung dem (Haupt-)Leistungsberechtigten die Bezifferung seines Leistungsanspruches überhaupt erst ermöglichen soll, ist es verfahrensrechtlich ausgeschlossen, dass vorerst (oder vorfrageweise) über den Bestand des Hauptleistungsanspruches ent- schieden wird, um dann in einem zweiten Verfahrensschritt über den Hilfsanspruch und erst danach - in einem dritten Verfahrensschritt - über den Umfang der geschuldeten Hauptleistung zu entscheiden. Das wäre eine unnötige Verfahrensaufsplitterung, die weder mit dem prozessualen Beschleunigungsgebot (§ 72 Abs. 1 ZPO), noch mit dem Justizgewährleistungsanspruch (§ 29 Abs. 1 BV), noch mit der dienenden Funktion des Zivilprozessrechts (BGE 116 II 218 Erw. 3) zu vereinbaren wäre; alle drei genannten Verfahrensgrundsätze ver- bieten derartige unnötige Hindernisse oder Erschwerungen der Durchsetzung des materiellen Rechts. Umgekehrt versteht es sich von selbst, dass dort, wo die Voraussetzungen des geltend gemachten (Haupt-)Leistungsanspruches nicht erfüllt sind, auch nicht vorgängig 2004 Zivilprozessrecht 51 ein selbständiger Entscheid über den Hilfsanspruch auf Rechnungs- legung oder Auskunft zu treffen und dieser abzuweisen ist. 2.3 Schadenersatz und Gewinnherausgabe stehen dem Geschä- digten als selbständige, aber sich gegenseitig ausschliessende An- sprüche zu (BGE 97 II 178 Erw. 3a in fine). Daraus folgt, dass der Geschädigte die beiden Ansprüche alternativ einklagen darf und sich erst nach durchgeführtem Beweisverfahren entscheiden muss, wel- chen der beiden Hauptleistungsansprüche er als günstiger erachtet und zugesprochen erhalten will (David, a.a.O., 121). Mit der Aus- übung seines Wahlrechts erklärt er mittelbar auch sein dahingefalle- nes Rechtsschutzinteresse an dem nicht mehr weiterverfolgten Hauptleistungsanspruch. Führt aber die mit einer alternativen Haupt- klage auf Schadenersatz oder Gewinnherausgabe verbundene Stu- fenklage zwingend zur Gegenstandslosigkeit einer der beiden Haupt- klagen, schliesst dies ebenfalls aus, dass vor Beurteilung der beiden alternativen Hauptklagen oder vorfrageweise im Rahmen der Beur- teilung der Stufenklage über den Bestand eines oder beider Hauptlei- stungsansprüche definitiv entschieden werden muss. 2.4 Schliesslich kann auch der Umstand, dass die im vorliegen- den Fall von den Beklagten zu erteilenden Auskünfte und die von ihnen geschuldete Rechnungslegung Geschäftsgeheimnischarakter haben, das verlangte prozessuale Vorgehen nicht rechtfertigen. Im Verhältnis zu den Klägerinnen als Schutzrechtsinhaberinnen bilden die offen zu legenden Geschäftszahlen gerade keine Geschäftsge- heimnisse, weil das, was die Beklagten als Schutzrechtsverletzerin- nen aus ihrem rechtswidrigen Verhalten an Vorteilen erlangt haben, kein Geschäftsgeheimnis darstellen kann (P. Mes, si tacuisses - Zur Darlegungs- und Beweislast im Prozess des gewerblichen Rechts- schutzes, GRUR 2000, 940). 3. 3.1. [...] Die Beklagten sind daher in dem mit Verfügung des In- struktionsrichters vom 9./10. März 2004 festgelegten Sinne und Um- fang zur Auskunft oder Rechnungslegung zu verpflichten.
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2000 Strafprozessrecht 73 21 §§ 54 Abs. 2/55 Abs. 1 StPO. Polizeirapport. Ein solcher kann nur wegen Verletzung der Protokollierungsvorschriften oder Unvollständigkeit, nicht aber wegen der Art seiner Abfassung durch den Polizeibeamten beanstandet werden (E. 1a und b). Aus dem Entscheid des Obergerichts, Beschwerdekammer in Straf- sachen, vom 9. Mai 2000 i.S. M.H. Sachverhalt Mit Eingabe vom 29. Juni 1999 liessen die Eltern des Kindes M.H., geb. 01.02.1989, für dieses gegen A.S. Strafanzeige wegen Nötigung erstatten, im Wesentlichen mit der Begründung, A.S. habe am 7. Juni 1999 vor dem Schulhauseingang in W. aggressiv auf das Kind M.H. eingeredet und es während mehreren Minuten daran ge- hindert, den Heimweg anzutreten. Das Kind M.H. wurde am 21. Dezember 1999 in Anwesenheit des von seinen Eltern beigezo- genen Rechtsanwalts B. polizeilich befragt. Nach der Akteneröff- nung durch das Bezirksamt B. stellte Rechtsanwalt B. unter Rüge dieser formlosen polizeilichen Befragung und der Art der Abfassung des Polizeirapports durch den Polizeibeamten verschiedene Aktener- gänzungsanträge und wurde durch Verfügung des Bezirksamts B. vom 27. März 2000 mit jenen Rügen und diesen Aktenergänzungs- anträgen abgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde wies das Obergericht, Beschwerdekammer in Strafsachen, mit Entscheid vom 9. Mai 2000 ab, soweit es darauf eintrat. Aus den Erwägungen 1. a) Der Vertreter der Anzeigerin hat an der polizeilichen Be- fragung von M.H. vom 21. Dezember 1999 persönlich teilgenommen und hat dort akzeptiert, dass das Kind nicht formell zu Protokoll 2000 Obergericht 74 (§§ 54, 55 StPO), sondern formlos befragt worden ist. Es hätte Rechtsanwalt B. freigestanden, einen entsprechenden Antrag zu stellen und gegen dessen Ablehnung zu protestieren. Die Rüge über die Art der Befragung erfolgt demnach verspätet. b) Die Ausführung in der bezirksamtlichen Verfügung, dass die Anzeigerin dem Polizisten nicht vorschreiben könne, wie er seinen Rapport abzufassen habe, ist grundsätzlich richtig. Ein solches Wei- sungsrecht steht auch dem Bezirksamt gegenüber dem Polizeibeam- ten nicht zu. Dem Beschwerdebegehren, der Polizeibeamte sei anzu- halten, seinen Rapport anders abzufassen, kann folglich nicht statt- gegeben werden. Soweit indessen geltend gemacht wird, der Rapport sei unvollständig, und es fehlten wesentliche Äusserungen des Mäd- chens zur Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit, ist die Rüge zuzulassen und zu prüfen. Zur Klärung des Sachverhalts wird es unumgänglich sein, das Mädchen erneut, diesmal indessen nicht formlos, sondern zu Protokoll einzuvernehmen. Dass Kinder in der Regel im Verfahren nur einmal einvernommen werden dürfen (Ver- fügung des Bezirksamts), trifft nur bei Unzuchtsdelikten zu (§ 107 Abs. 2 StPO). 4. a) Es ist richtig, dass der Vertreter der Anzeigerin in seiner Anzeige vom 29. Juni 1999 um Mitteilung der Termine gemäss § 130 Abs. 2 StPO ersuchte. Im Schreiben vom 24. August 1999, das er per Fax an das Bezirksamt sandte, ersuchte er erneut um Absprache der Einvernahmetermine mit ihm. Gleichentags teilte ihm das Bezirks- amt per Fax mit, dass die Kantonspolizei B. mit dem Ermittlungsver- fahren beauftragt worden sei; falls der Vertreter der Anzeigerin bei Einvernahmen dabei sein möchte, müsse er sich mit dem beauftrag- ten Polizeibeamten in Verbindung setzen. Auf dieses Schreiben hin reagierte der Vertreter der Anzeigerin nicht und setzte sich offenbar auch nicht mit dem Polizeiposten B. in Verbindung. Am 29. August 1999 wurde die Beanzeigte polizeilich befragt. Die Rüge des Vertreters der Geschädigten, durch die Befragung der Beanzeigten ohne Terminabsprache oder auch nur Mitteilung des 2000 Strafprozessrecht 75 Termins an ihn sei sein rechtliches Gehör verletzt worden, geht fehl. Nachdem er gegen das Fax des Bezirksamts vom 24. August 1999 weder protestiert und auf der Mitteilung der Termine beharrt noch sich mit der Kantonspolizei B. rechtzeitig in Verbindung gesetzt hatte, war die Verpassung des Einvernahmetermins seinem eigenen Verhalten zuzuschreiben und selbstverschuldet. Es sei beigefügt, dass das Recht des Zivilklägers, dass ihm auf Verlangen die Termine von Untersuchungshandlungen mitgeteilt werden, nicht auch das Recht auf Absprache der Termine mit ihm beinhaltet.
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2002 Obergericht/Handelsgericht 52 [...] 8 Art. 80 SchKG. Rechtsöffnung in der Betreibung auf Grundpfandverwertung. In der Be- treibung auf Grundpfandverwertung kann Rechtsöffnung auch nur für die Forderung oder das Pfandrecht gewährt werden. Dies hat lediglich zur Folge, dass der Gläubiger die Fortsetzung nicht verlangen kann, bis sämtliche Rechtsvorschläge beseitigt sind. Ein rechtsgenügender Rechtsöffnungstitel liegt nur vor, wenn eine das ge- setzliche Pfandrecht feststellende Verfügung vom Pfandeigentümer aner- kannt oder erfolglos angefochten wurde. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 4. Zivilkammer, vom 31. Juli 2002 in Sachen A. G. gegen A. SA. Aus den Erwägungen 4. a) Die Klägerin hat Betreibung auf Grundpfandverwertung eingeleitet, Rechtsöffnung jedoch nur für die Forderung, nicht aber für das Pfandrecht verlangt. Während sich nach der früheren Rechts- lage ein nicht weiter begründeter Rechtsvorschlag lediglich auf die Forderung bezog, wird nach der am 5. Juni 1996 revidierten Fassung von Art. 85 VZG, in Kraft seit 1. Januar 1997, angenommen, der Rechtsvorschlag beziehe sich auf die Forderung und auf das Pfand- recht, wenn nichts anderes vermerkt ist. Will die Klägerin die Betrei- bung fortsetzen, so muss sie den Rechtsvorschlag nicht nur für die Forderung, sondern auch bezüglich des Pfandrechts beseitigen las- sen. Die Vorinstanz hat Rechtsöffnung für Forderung und Pfandrecht gewährt, wiewohl das Begehren der Klägerin lediglich auf Beseiti- gung des Rechtsvorschlags für die Forderung ging. Damit aber ist der Klägerin mehr zugesprochen worden als sie verlangt hat, was mit der Dispositionsmaxime (§ 75 Abs. 2 ZPO) nicht vereinbar ist. b) In der Literatur wird die Auffassung vertreten, aus Gründen der Praktikabilität sei die Rechtsöffnung nur immer für die Forde- 2002 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht 53 rung und das Pfandrecht gemeinsam zu gewähren und das Rechtsöff- nungsbegehren gänzlich abzuweisen, wenn für Forderung oder Pfandrecht ein Rechtsöffnungstitel fehle (Daniel Staehelin, Kom- mentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Ba- sel/Genf/München 1998, N 166 zu Art. 82 SchKG; Peter Stücheli, Die Rechtsöffnung, Zürich 2000, S. 209). Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Richtig ist nur, dass die Betreibung ge- hemmt bleibt und die Fortsetzung nicht verlangt werden kann, so- lange nicht sämtliche Rechtsvorschläge beseitigt sind. Wenn der Gläubiger nur für die Forderung über einen Rechtsöffnungstitel ver- fügt, so ist er darauf angewiesen, das Rechtsöffnungsbegehren hie- rauf beschränken zu können und das Pfandrecht im ordentlichen Ver- fahren feststellen zu lassen und den diesbezüglichen Rechtsvorschlag zu beseitigen. c) Gemäss § 123 EGZGB und § 33 des Gebäudeversicherungs- gesetzes (SAR 673.100) besteht auf den versicherten Gebäuden für den verfallenen und den laufenden Versicherungsbeitrag ein gesetzli- ches Pfandrecht zu Gunsten der Aargauischen Gebäudeversiche- rungsanstalt. Für das Pfandrecht hat die Klägerin jedoch kein Begeh- ren auf Beseitigung des Rechtsvorschlags gestellt, weshalb die Vorin- stanz hierfür nicht hätte Rechtsöffnung gewähren dürfen. Abgesehen davon erwähnt die ins Recht gelegte Verfügung, welche Rechtsöff- nungstitel für die Forderung ist, das gesetzliche Pfandrecht nicht. Nur wenn eine das Pfandrecht feststellende Verfügung vom Pfandei- gentümer anerkannt oder erfolglos angefochten worden wäre, läge ein rechtsgenügender Rechtsöffnungstitel vor; wie bei Forderungen kann der Rechtsöffnungsrichter auch bei Pfandrechten nicht deren materiellrechtlichen Bestand überprüfen, sondern bloss darüber be- finden, ob die Voraussetzungen für eine Vollstreckung auf dem Be- treibungswege erfüllt sind oder nicht (Art. 153 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 80 Abs. 2 SchKG). Die Klägerin müsste deshalb den Rechts- vorschlag bezüglich des Pfandrechts im ordentlichen Verfahren, hier dem Verwaltungsverfahren (Art. 79 Abs. 1 SchKG), beseitigen.
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2000 Obergericht 34 B. Sachenrecht 5 Art. 694 ZGB; Notwegrecht. Ist die notwegsbelastete Parzelle überbaut, hat sich der Notwegsberech- tigte grundsätzlich in den von ihm beanspruchten Grundstücksteil einzu- kaufen (E. 5). Analoge Anwendung der enteignungsrechtlichen Kostenverteilungsregeln im erstinstanzlichen Notwegprozess (Erw. 6). Aus dem Entscheid des Obergerichts, 1. Zivilkammer, vom 1. Oktober 1999 in Sachen St. E. gegen B.Sch. Aus den Erwägungen 5. a) Mit der Einräumung des Notwegrechts ist der Beklagte verpflichtet, alles zu unterlassen, was die Ausübung der Dienstbar- keit verhindert oder erschwert (Art. 737 Abs. 3 ZGB), insbesondere ist er zur permanenten Freihaltung der Wegfläche verpflichtet. Da- durch wird dem Beklagten die Servitutsfläche entlang der Grund- stückgrenze der individuellen Nutzung entzogen. b) Gemäss Art. 694 Abs. 1 ZGB hat der durch das Notwegrecht belastete Grundeigentümer Anspruch auf volle Entschädigung. Massgebend für die Berechnung der Entschädigung sind die Nach- teile des Notwegbelasteten im Zeitpunkt der Einräumung des Not- wegs (Meier-Hayoz, Berner Kommentar, N 78 zu Art. 694 ZGB). Wegen der Ähnlichkeit der Stellung des Notwegberechtigten mit derjenigen eines Exproprianten hat das Bundesgericht für die Berechnung der Entschädigung nach Art. 694 Abs. 1 ZGB die Heranziehung der Grundsätze der Enteignung anerkannt. Danach entspricht die Entschädigung grundsätzlich der Differenz zwischen dem Verkehrswert des unbelasteten und demjenigen des mit dem Notweg belasteten Grundstück, wobei die Schätzung bei einem 2000 Zivilrecht 35 überbauten Grundstück in Abweichung von der globalen Ermittlung der Wertdifferenz mit Vorteil auf die Wertdifferenz des vom Notwegrecht konkret beanspruchten Grundstückteils allein zu beschränken ist, mit der Folge, dass sich der Notwegberechtigte am Verkehrswert der von ihm beanspruchten Fläche durch Einkauf angemessen zu beteiligen hat (BGE 120 II 423 f. mit Hinweisen auf Literatur und Rechtsprechung). c) Die Vorinstanz hat dem Beklagten für die Einräumung des Notwegrechts eine Entschädigung von Fr. 30'000.-- zugesprochen. Dabei ist sie von einer Servitutsfläche von 29,25 m2 und gestützt auf eine telefonische Auskunft des Kreisschätzers von einem relativen Landwert bei überbauten Grundstücken von Fr. 500.-- pro m2 ausge- gangen. Den so ermittelten Verkehrswert von gerundet Fr. 15'000.-- hat sie nicht nur teilweise im Sinne eines Einkaufs, sondern gänzlich dem Kläger überbunden. Zusätzlich hat sie eine Entschädigung von Fr. 15'000.-- für die Beeinträchtigung der ungestörten Nutzung der Liegenschaft des Beklagten sowie für die zu erwartenden Immissio- nen festgesetzt. Der Beklagte rügt in der Appellation grundsätzlich zu Recht die Verletzung seiner Parteirechte, da die Vorinstanz für den relativen Landwert auf eine telefonische Auskunft abgestellt hat, statt ein for- melles Expertiseverfahren durchzuführen. Vor Obergericht hat sich der Beklagte zum Landwert äussern können, wodurch die Verletzung seines rechtlichen Gehörs in erster Instanz geheilt ist. Von einer Ex- pertise über den Verkehrswert des Grundstücks kann aber abgesehen werden, weil für den Beklagten auf keinen Fall eine höhere Entschä- digung als die von der Vorinstanz zugesprochene und vom Kläger akzeptierte Entschädigung in der Höhe von Fr. 30'000.-- resultiert. Der Beklagte teilte in seiner Eingabe vom 23. August 1999 mit, dass nach eigenen Erkundigungen der Verkehrswert für Grundstücke in der fraglichen Lage Fr. 650.--/m2 betrage. Die von der Vorinstanz auf Fr. 15'000.-- festgelegte "Grundentschädigung" für die der Grundstücksgrenze entlang verlaufende Dienstbarkeitsfläche von 2000 Obergericht 36 unbestrittenermassen 29.25 m2 kommt einem Einkauf zu knapp über Fr. 500.-- pro Quadratmeter gleich, was bei einem relativen Landwert von Fr. 650.-- einem Einkauf von rund 75% entspricht. Selbst im Vergleich mit einem absoluten Landwert von gerichtsnotorisch klar unter Fr. 1'000.-- entspricht der Einkauf über 50% des Werts; für eine prozentual höhere Beteiligung des Klägers an der beanspruchten Grundstücksfläche besteht kein Anlass. Im Übrigen erscheint die Zulässigkeit des von der Vorinstanz festgesetzten "Zuschlags" für Immissionen und Beeinträchtigung der ungestörten Nutzung höchst fragwürdig. Denn der Einkauf in den mit der Dienstbarkeit zu belastenden Grundstücksteil tritt grundsätzlich anstelle der Differenzberechnung im Sinne eines Vergleichs des Werts des Gesamtgrundstücks vor und nach der Belastung mit der Servitut, dies weil die letztere "klassische" Differenzberechnung vor allem bei überbauten Grundstücken aleatorische Züge aufweist (BGE 120 II 424). Dies trifft gerade im Fall der Parteien des vorliegenden Verfahrens zu, wo dem Kläger lediglich ein Fussweg- und auf Fahr- zeuge mit Elektromotoren beschränktes Fahrwegrecht eingeräumt worden ist, weshalb Lärmimmissionen vernachlässigbar sind, und wo das entlang der Grundstücksgrenze verlaufende Wegrecht an der Garage und dem Garten des Beklagten vorbeiführt, weshalb die Be- einträchtigung der Privatsphäre im Wesentlichen in einer exponierte- ren Gartennutzung besteht. [...] 6. Die Vorinstanz hat die Gerichtskosten den Parteien je zur Hälfte auferlegt und die Parteikosten wettgeschlagen. Demgegenüber beantragt der Beklagte in der Appellation, es seien die gesamten Prozesskosten dem Kläger aufzuerlegen, denn dieser sei mit seinem Begehren nur teilweise durchgedrungen und es sei das gute Recht des Beklagten gewesen, sich gegen den erheblichen Eingriff in einen Teil seines Privatlebens zur Wehr zu setzen. Beim Notweganspruch handelt es sich um eine Legalservitut, die sich im Ergebnis für den Notwegverpflichteten gleich auswirkt, 2000 Zivilrecht 37 wie wenn ihm in einem Enteignungsverfahren eine Dienstbarkeit auferlegt wird. So wie der Enteignete zur Feststellung der Enteig- nungsvoraussetzungen und der Höhe der Enteignungsentschädigung grundsätzlich ohne Kostenrisiko jedenfalls das erstinstanzliche Ent- eignungsverfahren beanspruchen kann, so soll es auch der Notweg- verpflichtete ohne Kostenfolge zumindest für das erstinstanzliche Verfahren auf einen Prozess ankommen lassen dürfen. Lehre und Rechtsprechung vertreten deshalb die Auffassung, dass die enteig- nungsrechtlichen Kostenverteilungsregeln im Notwegprozess analog anzuwenden sind (BGE 85 II 402; AGVE 1974 S. 36 Erw. 3; Meier- Hayoz, a.a.O., N 69 zu Art. 694 ZGB; Bühler/Edelmann/Killer, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, Aarau 1998, N 11 zu § 113; Caroni-Rudolf, Der Notweg, Diss. Bern 1969, S. 115). Die enteignungsrechtlichen Kostenregeln sehen zweierlei Aus- nahmen vom Grundsatz vor, dass der Enteigner sowohl die Verfah- renskosten als auch die Parteikosten des Enteigneten zu tragen hat: - Der Enteignete hat missbräuchliche Begehren, namentlich of- fensichtlich unbegründete oder übersetzte Forderungen gestellt (Art. 114 Abs. 2 und Art. 115 Abs. 3 EntG; § 26 Abs. 2 des Dekrets über das Verfahren vor der Schätzungskommission nach Baugesetz und Gewässerschutzgesetz vom 22. Februar 1972). - Die Begehren des Enteigneten werden ganz oder zum grössten Teil abgewiesen (Art. 115 Abs. 2 und Art. 116 Abs. 1 Satz 2 EntG). Für diese beiden Ausnahmefälle ist im Enteignungsrecht vorge- sehen, dass dem Enteigneten die Verfahrenskosten ganz oder teilwei- se auferlegt werden können und ihm eine Parteientschädigung nicht nur verweigert, sondern auch die Ausrichtung einer Parteientschädi- gung an den Enteigner auferlegt werden kann. Es soll damit verhin- dert werden, dass übertriebene Begehren des Enteigneten, mit denen er die Rechtsfindung erschwert, keinerlei Kostennachteile nach sich ziehen und er dafür vom Enteigner noch honoriert werden muss (Hess/Weibel, Kommentar zum Enteignungsrecht des Bundes, 2000 Obergericht 38 Art. 114 N 6 und Art. 115 N 6). Dabei wird allerdings nicht aus- schliesslich auf den Prozessausgang, sondern wesentlich darauf ab- gestellt, ob die Begehren des Enteigneten mutwillig oder miss- bräuchlich waren oder ob er sich uneinsichtig gezeigt hat (BGE 108 Ib 498 Erw. 7, 98 Ib 432; Hess/Weibel, a.a.O., Art. 116 N 3). Die Vorinstanz ist bei ihrem Kostenentscheid zutreffend vom enteignungsähnlichen Charakter des Notwegrechts ausgegangen, hat aber von einer einseitigen Kostenauflage zu Lasten des Klägers ab- gesehen, weil offensichtlich eine Wegnot des klägerischen Grund- stücks bestehe, die schon seit Jahrzehnten über die Liegenschaft des Beklagten gelindert worden sei; es sei deshalb nicht zu verstehen, dass der Beklagte nicht wenigstens zu einer Lösung wie der vom Gericht gefundenen Hand geboten habe. Die tatsächliche Benutzung eines Weges wie auch die Duldung eines Zugangs auf Zusehen hin präjudizieren jedoch das Notwegrecht bei verschiedenen möglichen Notwegverbindungen nicht (Meier-Hayoz, a.a.O., N 31 zu Art. 694 ZGB), so dass der Standpunkt des Beklagten, die Wegnot könne durch Ausdehnung des bestehenden Fusswegrechts über die nördli- chen Nachbargrundstücke behoben werden, nicht als mutwillig be- zeichnet werden kann. Dennoch ist der vorinstanzliche Kostenentscheid wegen der of- fensichtlich übersetzten Entschädigungsforderung des Beklagten zu schützen. § 21 ZPO statuiert für Streitigkeiten über Bestand und Umfang von Dienstbarkeiten und nachbarrechtliche Eigentumsbe- schränkungen - in Abweichung vom Grundsatz von § 16 ZPO, wo- nach das Klagebegehren den Streitwert bestimmt -, dass das grössere der beiden (geldwerten) Interessen der Parteien massgebend ist. Mit- hin ist der Grundeigentümer, dessen Grundstück nach der Auffassung eines klagenden Nachbarn mit einer Dienstbarkeit belastet werden soll, nicht gehalten, ein eigentliches Widerklageeventualbegehren zu stellen. Der Beklagte hat sein Interesse an einem vom eingeklagten Fahrwegrecht freien Grundstück in der Klageantwort auf rund Fr. 200'000.-- beziffert (vgl. auch Streitwert gemäss zweitinstanzlich 2000 Zivilrecht 39 eingeholter Kostennote). Ausgehend von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach - aus überzeugenden Gründen - bei einem überbauten Grundstück grundsätzlich ein angemessener Einkauf in den von der Servitut belasteten Grundstücks teil, d.h. nicht ein Abkauf, zu erfolgen hat (vgl. Erwägung 5b vorstehend), sowie vom Umstand, dass Grundstückpreise von mehr als Fr. 1'000.--/m2 in der fraglichen Gegend nicht erzielt werden, muss die vom Beklagten verlangte Entschädigungsforderung als klar übersetzt betrachtet werden. Die Wettschlagung der Parteikosten durch die Vorinstanz ist daher nicht zu beanstanden. Mangels einer Anfechtung des vorinstanzlichen Urteils im Kostenpunkt durch den Kläger kann dahingestellt bleiben, ob sich gar gerechtfertigt hätte, den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die erstinstanzlichen Parteikosten teil- weise oder ganz zu ersetzen.
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AGVE_2000_5
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2011 Obergericht 30 [...] 3 Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 124 Abs. 1 ZPO 1. Das Gericht hat dafür zu sorgen, dass einer Partei jede Eingabe der anderen vollständig und zuverlässig zugeht und sie Gelegenheit hat, darauf zu antworten. Wird die Klageantwort dem Kläger erst zusammen mit dem Entscheid zugestellt, ist dessen rechtliches Gehör verletzt. 2. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs kann im Beschwerdeverfahren nach Art. 319 ff. ZPO aufgrund der eingeschränkten Kognition nicht ge- heilt werden, wenn Tatfragen streitig sind. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 3. Zivilkammer vom 20. Juni 2011, i.S. B.R. ca. N.F. (ZSU.2011.117). Aus den Erwägungen 1. Rechtsöffnungsentscheide können mit Beschwerde angefochten werden (Art. 319 lit. a i.V.m. Art. 309 lit. b Ziff. 3 ZPO). Mit der Beschwerde kann die unrichtige Rechtsanwendung sowie die offen- sichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhaltes geltend gemacht werden (Art. 320 ZPO). Neue Anträge, neue Tatsachenbehauptungen und neue Beweismittel sind im Beschwerdeverfahren ausgeschlossen (Art. 326 Abs. 1 ZPO). Das Obergericht kann aufgrund der Akten entscheiden (Art. 327 Abs. 2 ZPO). 2. 2.1. 2.1.1. Aus dem verfassungsmässigen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) folgt das Recht einer Partei, sich im Rahmen eines Gerichtsverfahrens zu den Eingaben der anderen Verfahrens- partei zu äussern. Dies bedeutet auch, dass ein Gericht jede bei ihm eingereichte Stellungnahme den Beteiligten zur Kenntnis zu bringen hat (BGE 133 I 98 ff. Erw. 2.1 und 2.2). Dieses Äusserungsrecht 2011 Zivilprozessrecht 31 steht einer Prozesspartei unabhängig davon zu, ob die Eingabe neue Tatsachen oder rechtliche Argumente enthält und ob sie im Einzelfall geeignet ist, den richterlichen Entscheid zu beeinflussen, denn es ist Sache der Parteien und nicht des Gerichts zu beurteilen, ob eine neue Eingabe oder ein neues Beweismittel Bemerkungen erfordert oder nicht (BGE 133 I 100 Erw. 4.3; vgl. auch Mazan, Basler Kommentar, Basel 2010, N. 15 zu Art. 253 ZPO; Chevalier, in: Sutter-Somm/ Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO-Kommentar], Zürich 2010, N. 12 zu Art. 253 ZPO). Diese Verfahrensansprüche gelten auch im Rechtsöff- nungsverfahren (BGE 5A_151/2007 Erw. 3.2; Daniel Staehelin, Bas- ler Kommentar zum SchKG, 2. Aufl., Basel 2010, N. 49 zu Art. 84 SchKG). 2.1.2. Die Beklagte erstattete am 11. März 2011 eine Klageantwort. Am 18. März 2011 erging der Entscheid der Vorinstanz, welcher der Klägerin zusammen mit der Klageantwort zugestellt wurde. Die Klägerin konnte sich somit vor Vorinstanz nicht mehr zur Klageant- wort äussern. Damit hat die Vorinstanz den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt. Die Prozessleitung ist Aufgabe des Gerichts (Art. 124 Abs. 1 ZPO), d.h. dieses hat die prozessualen Vor- schriften von Amtes wegen zur Anwendung zu bringen, soweit die Prozessordnung nicht einen entsprechenden Parteiantrag voraussetzt (Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht. 3. Aufl., Zürich 1979, S. 179). Das Gericht hat deshalb selbst dafür zu sorgen, dass einer Partei jede Eingabe der anderen vollständig und zuverlässig zugeht und sie Gelegenheit hat, darauf zu antworten. 2.2. 2.2.1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur. Seine Verletzung führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Vor- behalten bleiben praxisgemäss Fälle, in denen die Verletzung nicht besonders schwer wiegt und dadurch geheilt wird, dass die Partei, deren rechtliches Gehör verletzt wurde, sich vor einer Instanz äus- sern kann, welche sowohl die Tat- als auch die Rechtsfragen un- 2011 Obergericht 32 eingeschränkt überprüft (BGE 132 V 387 Erw. 5.1), oder wenn bei- spielsweise nur Rechtsfragen streitig sind, die - wie im Rahmen der Beschwerde nach Art. 319 ff. ZPO (Freiburghaus/Afheldt, ZPO- Kommentar, a.a.O., N. 4 zu Art. 320 ZPO) - von der Rechtsmit- telinstanz mit freier Kognition beurteilt werden können (BGE 133 I 100 Erw. 4.9; von Werdt, Die Beschwerde in Zivilsachen, Bern 2010, Rz. 879). 2.2.2. Die Beklagte führte in der Klageantwort aus, die Klägerin habe die von ihr unterzeichnete Bestätigung nachträglich eigenmächtig um Fr. 4'179.00 für Geschenke, die die Klägerin ihr damals gemacht habe, auf den Betrag von insgesamt Fr. 14'179.00 erhöht. Die Klä- gerin macht demgegenüber in der Beschwerde geltend, bei den auf der Bestätigung oben aufgeführten Beträgen handle es sich keines- wegs um Geschenke, wie von der Beklagten behauptet, sondern um Rechnungen und Einkäufe, die die Beklagte nicht habe bezahlen können, weshalb die Beklagte sie gebeten habe, diese auf der Bestä- tigung nachzutragen. Streitig sind somit Tatfragen. Aufgrund der Beschränkung auf die Rüge der offensichtlich unrichtigen Feststellung des Sachverhal- tes ist aber die Kognition der Rechtsmittelinstanz bei der Beschwer- de in tatsächlicher Hinsicht auf eine Willkürprüfung reduziert (vgl. Freiburghaus/Afheldt, ZPO-Kommentar, a.a.O., N.5 zu Art. 320 ZPO). Damit steht dem Obergericht vorliegend nicht dieselbe Kog- nition zu wie der Vorinstanz und die Gehörsverletzung kann nicht geheilt werden. Der Entscheid der Vorinstanz ist daher aufzuheben und die Streitsache ist an diese zur Neubeurteilung unter Berück- sichtigung der Ausführungen der Klägerin in der Beschwerde zu- rückzuweisen.
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AG_HG_001
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2011-3_2011-06-03
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Urteil/Entscheid Handelsgericht 2. Kammer HSU.2020.68 Entscheid vom 10. August 2020 Besetzung Oberrichter Vetter, Vizepräsident Gerichtsschreiber Schneuwly Gesuchsteller H.E., _ Gegenstand Summarisches Verfahren betreffend Wiedereintragungsgesuch gelöschte AG Der Vizepräsident entnimmt den Akten: 1. Mit Entscheid vom 10. Juni 2020 wurde die F. AG mit Sitz in M. (AG) im Verfahren HSU.2020.27 wegen eines nicht behobenen Organisationsman- gels aufgelöst. Dagegen wurde kein Rechtsmittel ergriffen; der Entscheid wurde rechtskräftig. 2. Mit der als "Gesuch um Wiedereintragung der gelöschten Aktiengesell- schaft" betitelten Eingabe vom 6. August 2020 (Postaufgabe: 6. August 2020) stellte der Gesuchsteller folgende Rechtsbegehren: " [...] stelle ich den Antrag, die am 10. Juni 2020 verfügte Löschung der F. AG zu widerrufen und die Gesellschaft wieder ordentlich im des Kantons Aargau einzutragen." Zur Begründung führte der Gesuchsteller im Wesentlichen aus, die F. AG verfüge noch über substantielle Vermögenswerte. Zwar habe er vom Orga- nisationsmängelverfahren Kenntnis genommen und sofort mit dem Han- delsregisteramt in Aarau Kontakt aufgenommen. Er sei am Telefon nicht auf die Folgen dieses Verfahrens aufmerksam gemacht worden. Der Ge- suchsteller wisse, dass alles in seiner Verantwortung als Verwaltungsrat sei und versichert, dass solches sich nicht wiederholen werde. Weiter werde neu A.B., wohnhaft in O., als Direktorin mit Einzelunterschrift für die F. AG fungieren. - 2 - 3. Mit Eingabe vom 7. August 2020 reichte die C. AG noch diverse Beilagen zum Gesuch von H.E. ein. Der Vizepräsident zieht in Erwägung: 1. Das Gericht prüft die Prozessvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 60 ZPO). Darunter fallen insbesondere die örtliche und die sachliche Zustän- digkeit des angerufenen Gerichts (Art. 59 Abs. 2 lit. b ZPO). 2. Beim Verfahren um Wiedereintragung einer Gesellschaft im Handelsregis- ter gemäss Art. 164 Abs. 1 lit. c HRegV handelt es sich um eine gerichtliche Anordnung der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung fällt diese nicht unter den bundesgerichtlichen Begriff der Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossen- schaften gemäss Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO. Das Handelsgericht ist folglich für ein Wiedereintragungsverfahren nach Art. 164 HRegV sachlich unzustän- dig (BGE 140 III 550 E. 2; VETTER, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuen- berger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], 3. Aufl. 2016, Art. 6 N. 40). § 13 Abs. 1 lit. b EG ZPO wurde per 1. Juli 2015 entsprechend angepasst. Demnach fehlt es vorliegend an der Prozessvoraussetzung der sachlichen Zuständigkeit des Handelsgerichts (Art. 59 Abs. 2 lit. b ZPO), so dass auf das Gesuch um Wiedereintragung nicht einzutreten ist (Art. 59 Abs. 1 ZPO). Im Übrigen ist die F. AG noch gar nicht aus dem Handelsregister gelöscht worden, sondern deren Firma bisher bloss mit dem Zusatz "in Li- quidation" ergänzt worden. Das Gesuch ist offensichtlich unzulässig, wes- halb keine Stellungnahme eingeholt werden muss (Art. 253 ZPO). 3. Selbst wenn das Gesuch als Gesuch um Revision des Entscheids vom 10. Juni 2020 verstanden würde, wäre darauf nicht einzutreten, da der Ge- suchsteller nicht Partei des Verfahrens HSU.2020.27 war und er demnach nicht zur Einreichung eines Revisionsgesuchs legitimiert ist. Zudem sind auch keine Revisionsgründe i.S.v. Art. 328 ZPO ersichtlich oder vorge- bracht worden. Weil das Revisionsgesuch offensichtlich unzulässig wäre, wäre auch diesbezüglich keine Stellungnahme einzuholen gewesen (Art. 330 ZPO). 4. Wird eine Eingabe, die mangels Zuständigkeit zurückgezogen oder auf die nicht eingetreten wurde, innert eines Monates seit dem Rückzug oder dem - 3 - Nichteintretensentscheid beim zuständigen Gericht neu eingereicht, so gilt als Zeitpunkt der Rechtshängigkeit das Datum der ersten Einreichung (Art. 63 Abs. 1 ZPO). Vorbehalten bleiben die besonderen gesetzlichen Klagefristen nach dem SchKG (Art. 63 Abs. 3 ZPO). 5. Als einzige Partei im vorliegenden Verfahren hat die Gesuchstellerin die Gerichtskosten zu tragen. Gemäss § 8 VKD beträgt die Entscheidgebühr für die Durchführung eines summarischen Verfahrens Fr. 500.00 bis Fr. 12'000.00. Vorliegend sind die Gerichtskosten entsprechend dem ent- standenen Aufwand auf Fr. 500.00 festzusetzen. Der Vizepräsident erkennt: 1. Auf das Gesuch wird nicht eingetreten. 2. Die Gerichtskosten von Fr. 500.00 werden dem Gesuchsteller auferlegt. Zustellung an: den Gesuchsteller (mit Einzahlungsschein) 6. Rechtsmittelbelehrung für die Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff., Art. 90 ff. BGG) Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen, von der schriftlichen Eröff- nung der vollständigen Ausfertigung des Entscheides an gerechnet, die Be- schwerde an das Schweizerische Bundesgericht erhoben werden. Die Beschwerde ist schriftlich oder in elektronischer Form beim Schweize- rischen Bundesgericht einzureichen. Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit An- gabe der Beweismittel und die Unterschriften bzw. eine anerkannte elekt- ronische Signatur zu enthalten. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht (Art. 95 ff. BGG) verletzt. Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in den Händen hat; ebenso ist der ange- fochtene Entscheid beizulegen (Art. 42 BGG). - 4 - Aarau, 10. August 2020 Handelsgericht des Kantons Aargau 2. Kammer Der Vizepräsident: Der Gerichtsschreiber: Vetter Schneuwly
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AG_HG_002
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_HG_002_-Handelsrecht-Zivilp_2020-08-10
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2003 Zivilprozessrecht 71 [...] 20 Art. 12 lit. e BGFA, Verpfändung des Streitgegenstandes an den Anwalt Bezüglich der Frage der Verpfändung eines Streitgegenstandes an den Anwalt zur Sicherung seiner Honorarforderung enthält Art. 12 lit. e BGFA keine Lücke, weshalb die Zulässigkeit einer solchen Verpfändung zu bejahen ist. Entscheid der Anwaltskommission vom 10. November 2003 i.S. T. E.
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AG_HG_001
AG_HG
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AG_HG_001_AGVE-2003-20_2003-11-10
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Referat Handelsgericht 1. Kammer HOR.2018.14 Urteil vom 31. März 2020 (Teilentscheid) Besetzung Oberrichter Dubs, Präsident Ersatzrichter Wyss Handelsrichterin Baumann Handelsrichter Alberati Handelsrichter Gruntz Gerichtsschreiber Müller Klägerin A. Genossenschaft, _ vertreten durch Dr. iur. Michael Ritscher und M.A. HSG in Law and Eco- nomics Louisa Galbraith, Rechtsanwälte, Schiffbaustrasse 2, Postfach 1765, 8031 Zürich Beklagte Luminarte GmbH, _ vertreten durch Dr. iur. Michael Kikinis und Dr. iur. Melanie Bosshart, Rechtsanwälte, Waffenplatzstrasse 10, Postfach 1871, 8027 Zürich Gegenstand Ordentliches Verfahren betreffend Lauterkeitsrecht und Namensrecht - 2 - Das Handelsgericht entnimmt den Akten: 1. Die Klägerin ist eine Genossenschaft mit Sitz in X. Sie bezweckt im We- sentlichen die Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Interessen ihrer Mitglieder in gemeinsamer Selbsthilfe sowie der Konsumentinnen und Kon- sumenten (Klagebeilage [KB] 2). Gemäss ihrem Handelsregistereintrag betreibt die Klägerin als Kernge- schäft den Einzelhandel sowie weitere Aktivitäten einschliesslich der vor- gelagerten Stufen und erforderlichen Dienstleistungen (KB 2). 2. Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung deutschen Rechts mit Sitz in Y (DE). Sie bezweckt im Wesentlichen den Handel mit Beleuchtungskörpern, Leuchtmitteln und entsprechendem Zubehör (KB 3). 3. Das Zeichen "Lumimart" wird seit einigen Jahren zur Bezeichnung von Fachmärkten für Leuchten verwendet. In diesen wird eine grosse Auswahl an Pendelleuchten, Stehleuchten, Wand- und Deckenleuchten, Spots, Tisch- und Büroleuchten sowie Leuchtmittel für den Innen- und Aussenbe- reich angeboten. Bei einem Teil der angebotenen Produkte handelt es sich um Produkte, die unter Drittmarken angeboten werden. Teilweise werden aber auch betriebseigene Produkte angeboten. Dieselben Produkte werden auch in dem über die Internet-Domain "www.lumimart.ch" abrufbaren Webshop angeboten. Unbestritten ist ferner, dass das Logo seit 1998 "verwendet" wird. Im September 2018 erfolgte ein Logowechsel, so dass die Fach- märkte und der Webshop neu mit dem Logo gekennzeichnet werden. 4. Die Beklagte wurde im Jahr 2012 unter der (deutschen) Firma Lumin- arte GmbH gegründet. Sie tritt unter den beiden Internet-Domains "www.luminarte.de" und "www.luminarte.ch" auf, über welche sie einen Webshop für Lampen, Leuchten, Beleuchtungskörper, Beleuchtungsgeräte, Leuchtmittel und ähn- liche Waren betreibt. Im Urteilszeitpunkt wird die Internet-Domain "www.lu- minarte.ch" auf die Internet-Domain "www.luminarte.de" weitergeleitet. - 3 - Auf ihren Websites sowie in Werbeunterlagen verwendet sie auch das Zei- chen . Zudem betreibt sie in Y (DE) eine Lokalität. 5. 5.1. Mit Klage vom 17. April 2018 stellte die Klägerin die folgenden Rechtsbe- gehren: - 4 - 4. Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin einen Betrag von CHF 13'945.25 zuzüglich 5% Zins p.a. seit dem 30. März 2017 zu bezahlen. 5. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Beklagten." Daneben stellte sie den folgenden prozessualen Antrag: " 1. Dieses Verfahren sei mit dem beim Handelsgericht Aargau unter der Geschäftsnummer HOR.2017.30 hängigen Verfahren in Sachen A.- Gruppe Genossenschaft gegen Luminarte GmbH betreffend von Namens- und Markenrecht zu vereinen." Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Beklagte verletze die Namensrechte der Klägerin an der Bezeichnung "Lumimart" und betreibe unlauteren Wettbewerb. 5.2. Mit Verfügung vom 3. Mai 2018 wies der Präsident den von der Klägerin gestellten prozessualen Antrag ab. 6. 6.1. Mit Eingabe vom 13. Juli 2018 stellte die Beklagte den folgenden Prozessu- alen Antrag: " Es sei der A.-Gruppe Genossenschaft, X., der Streit durch gerichtliche Anzeige zu verkünden, und das Gericht habe der A.-Gruppe Frist anzusetzen, um sich zu einem allfälligen Beitritt zum äussern zu können. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Klägerin." 6.2. Mit Eingabe vom 27. Juli 2018 hat die A.-Gruppe Genossenschaft den Ein- tritt in das Verfahren abgelehnt, so dass dieses ohne Rücksicht auf die A.- Gruppe Genossenschaft fortgeführt wird (Art. 79 Abs. 2 ZPO). - 5 - 7. 7.1. Mit Eingabe vom 2. August 2018 erstattete die Beklagte ein Sistierungsge- such mit den folgenden prozessualen Anträgen: " 1. Das vorliegende Verfahren sei bis zum Ergehen eines rechtskräftigen Entscheids im Verfahren Nr. HOR.2017.30 vor dem Handelsgericht Aargau zu sistieren. 2. Es sei der Beklagten unverzüglich einstweilen die Frist für die Erstat- tung der Klageantwort abzunehmen, bis über den Sistierungsantrag rechtskräftig entschieden sei. 3. Eventualiter, bei einer allfälligen Abweisung des Sistierungsbegeh- rens, es sei der Beklagten eine neue Frist für die Klageantwort . 4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Klägerin." 7.2. Mit Verfügung vom 6. August 2018 wurde der Beklagten die Frist zur Er- stattung der Klageantwort einstweilen abgenommen. 7.3. Mit Verfügung vom 27. August 2018 wies der Präsident das Sistierungsge- such der Beklagten ab und setzte der Beklagten erneut Frist zur Erstattung einer schriftlichen Antwort an. 8. Mit Klageantwort vom 17. September 2018 stellte die Beklagte die folgen- den Rechtsbegehren: " 1. Die Klage sei vollumfänglich abzuweisen, soweit auf die der Klägerin überhaupt einzutreten ist. 2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Klägerin." Zur Begründung brachte sie im Wesentlichen vor, die geltend gemachten angeblichen Namensrechte stünden der Klägerin gar nicht zu. Weiter seien allfällige Namensrechte der Klägerin bereits verwirkt. Aber auch eine recht- lich relevante Verwechslungsgefahr sei auszuschliessen. 9. Mit Replik vom 20. November 2018 stellte die Klägerin die folgenden ange- passten Rechtsbegehren: - 6 - - 7 - 10. Mit Duplik vom 6. Februar 2019 hielt die Beklagte an den von ihr gestellten Rechtsbegehren fest. 11. 11.1. Mit Eingabe vom 12. Februar 2019 ersuchte die Klägerin um Bestätigung, dass aufgrund des Umfangs der Duplik allfällige Bemerkungen der Klägerin bis am 13. März 2019 als rechtzeitig erachtet würden. 11.2. Mit Verfügung vom 13. Februar 2019 wurde das Gesuch der Klägerin ab- gewiesen. 12. 12.1. Mit Eingabe vom 6. März 2019 erstattete die Klägerin eine Stellungnahme zur Duplik vom 6. Februar 2019. 12.2. Mit Eingabe vom 25. März 2019 erstattete die Beklagte eine Noveneingabe mit folgenden prozessualen Anträgen: " 1. Die Eingabe der Klägerin vom 06. März 2019 sei vom Gericht für zu erklären und bei der Urteilsfindung nicht zu , insoweit als die Klägerin dort neue tatsächliche Ausführungen macht. 2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Klägerin." 12.3. Mit Eingabe vom 4. April 2019 teilte die Klägerin ihre Absicht mit, inskünftig keine weiteren schriftlichen Stellungnahmen einzureichen. 13. 13.1. Mit Verfügung vom 21. März 2019 ersuchte der Präsident die Klägerin um Edition des Lizenzvertrages mit der A.-Gruppe Genossenschaft vom 7. Mai 2013 betreffend Markenrechte (nachfolgend "Lizenzvertrag"). Mit Eingabe vom 9. April 2019 hat die Klägerin dem Editionsgesuch entsprochen. 13.2. Mit Eingabe vom 23. April 2019 erstattete die Beklagte eine Noveneingabe mit folgenden prozessualen Anträgen: " 1. Eventualiter, es sei der Beklagten die völlig ungeschwärzte Fassung des Lizenzvertrages (klägerische Beilage 200) zugänglich zu . - 8 - 2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Klägerin." 13.3. Mit Eingabe vom 14. Mai 2019 erstattete die Klägerin eine unaufgeforderte Stellungnahme zur Noveneingabe der Beklagten vom 23. April 2019. Da- raufhin erstattete die Beklagte mit unaufgeforderter Eingabe vom 11. Juni 2019 ebenfalls eine Stellungnahme und stellte folgende prozessu- alen Anträge: A. A. - 9 - A. A. A. - 10 - 13.4. Mit Eingabe vom 24. Juni 2019 teilte die Klägerin ihren Verzicht auf eine Stellungnahme mit. 14. 14.1. Mit Eingaben vom 8. bzw. 9. Juli 2019 haben die Parteien ihren Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Hauptverhandlung mitgeteilt und beantragt, beiden Parteien eine Frist bis am 19. August 2019 für die Einrei- chung von schriftlichen Schlussvorträgen anzusetzen. 14.2. Mit Verfügung vom 10. Juli 2019 wurde den Parteien Frist bis zum 19. Au- gust 2019 angesetzt, um schriftliche Schlussvorträge einzureichen. 14.3. Die Schlussvorträge vom 19. August 2019 wurden den Parteien mit Verfü- gung vom 21. August 2019 zugestellt. Gleichzeitig wurde eine Beweisver- fügung erlassen. A. A. - 11 - 14.4. Mit Eingaben vom 29. August 2019 (Klägerin) resp. 2. September 2019 (Beklagten) nahmen die Parteien zu den jeweiligen Schlussvorträgen der Gegenpartei Stellung. Die Beklagte stellte in ihrer Stellungnahme die fol- genden prozessualen Anträge: "1. Es seien die nachfolgend aufgeführten Behauptungen der Klägerin in Schlussvortrag vom 19. August 2019 vom Gericht für unbeachtlich zu erklären und bei der Urteilsfindung nicht zu berücksichtigen: 2. Eventualiter, es sei der Beklagten eine angemessene Frist anzusetzen, um zu den Ausführungen der Klägerin in den Ziffern 61-66 des der Klägerin vom 19. August 2019 substantiiert Stellung zu nehmen. 3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Klägerin." 14.5. Mit Eingaben vom 10. September 2019 (Beklagte) resp. 12. September 2019 (Klägerin) machten die Parteien erneut von ihrem unbedingten Rep- likrecht Gebrauch. 15. Mit Verfügung vom 28. November 2019 wurde den Parteien die Besetzung des Gesamtgerichts mitgeteilt. - 12 - Das Handelsgericht zieht in Erwägung: 1. Prozessvoraussetzungen Die Prozessvoraussetzungen sind von Amtes wegen zu prüfen (Art. 60 ZPO). Dazu gehören namentlich ein schutzwürdiges Interesse der klagen- den Partei sowie die örtliche und die sachliche Zuständigkeit des angeru- fenen Gerichts (Art. 59 Abs. 2 lit. a und b ZPO). 1.1. Zuständigkeit 1.1.1. Parteibehauptungen Die Klägerin behauptet, der Internetauftritt der Beklagten richte sich an ein schweizerisches Publikum, weshalb die örtliche Zuständigkeit überall in der Schweiz zu bejahen sei. Zudem habe die Beklagte eine Bestellung an eine in Lenzburg im Kanton Aargau gelegene Wohnadresse geliefert, was be- stätige, dass im Kanton Aargau ein Erfolgsort gemäss Art. 5 Ziff. 3 LugÜ liege (Klage N. 6 - 12). Da die geltend gemachten namensrechtlichen An- sprüche auf dem gleichen Lebenssachverhalt beruhen würden, sei auch diesbezüglich die Zuständigkeit zu bejahen (Klage N. 13). Die Beklagte anerkennt die örtliche Zuständigkeit des Handelsgerichts des Kantons Aargau insoweit, als sich die Rechtsbegehren der Klägerin auf die Schweiz beziehen und beschränkten (Klageantwort N. 2). 1.1.2. Internationale Zuständigkeit 1.1.2.1. Internationales Verhältnis Die Parteien sind in unterschiedlichen Staaten domiziliert. Es liegt ein inter- nationales Verhältnis vor,1 weshalb die internationale Zuständigkeit zu prü- fen ist. Diese beurteilt sich, einschlägige Staatsverträge vorbehalten, nach dem Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG; vgl. Art. 1 IPRG). Vorliegend geht das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Lugano-Übereinkommen bzw. LugÜ) dem IPRG als einschlägiger Staatsvertrag vor. 1.1.2.2. Würdigung Die Klägerin stützt ihre Unterlassungsklage (Rechtsbegehren Ziff. 1) auf eine Verletzung von Lauterkeits- und Namensrecht. Bezüglich dieser An- sprüche kann sich die Beklagte einlassen und hat dies auch getan (vgl. Art. 24 LugÜ). Die Rechtsbegehren Ziff. 2 und 3 dienen der Durchsetzung des behaupte- ten lauterkeitsrechtlichen Anspruchs der Klägerin (Art. 9 Abs. 3 UWG). Be- züglich dieser Ansprüche kann sich die Beklagte einlassen und hat dies auch getan. 1 BGE 131 III 76 E. 2.3. - 13 - Mit Rechtsbegehren Ziff. 4 verlangt die Klägerin die Rückerstattung vorpro- zessualen Aufwands (Klage N. 212). Bezüglich dieses Anspruchs kann sich die Beklagte einlassen und hat dies auch getan. Ohnehin liegt in casu eine objektive Klagehäufung von in engem sachli- chem Zusammenhang stehenden Rechtsbegehren vor. Daher ergibt sich die internationale Zuständigkeit hinsichtlich der Rechtsbegehren Ziff. 2 - 4 ebenfalls aufgrund Art. 8a Abs. 2 i.V.m. Art. 6 IPRG. Damit ist die internati- onale Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte für sämtliche Rechtsbe- gehren zu bejahen. 1.1.3. Örtliche Zuständigkeit Eine Einlassung im Sinne von Art. 24 LugÜ begründet nicht nur die inter- nationale, sondern auch die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Ge- richts.2 Daher ergibt sich die örtliche Zuständigkeit der aargauischen Ge- richte zufolge Einlassung bereits aus Art. 24 LugÜ. Gleiches gilt bei einer Abstützung auf Art. 8a Abs. 2 IPRG.3 1.1.4. Sachliche Zuständigkeit Für die Beurteilung der von der Klägerin geltend gemachten lauterkeits- rechtlichen Ansprüche ist das hiesige Gericht ohne Weiteres zuständig (Art. 5 Abs. 1 lit. d i.V.m. Art. 6 Abs. 4 lit. a ZPO i.V.m. § 12 Abs. 1 lit. a EG ZPO AG). Im Übrigen betrifft die vorliegende Streitigkeit die geschäftliche Tätigkeit zweier im Handelsregister oder einem vergleichbaren ausländi- schen Register eingetragener Parteien (Art. 6 Abs. 2 lit. a und c ZPO). Eine Aufgliederung des Streitwertes von unstrittig zumindest Fr. 500'000.00 (vgl. Duplik N. 34) ist sodann nicht vorzunehmen. Denn nach der bundesgericht- lichen Rechtsprechung sind die Streitwerte gemeinsam eingeklagter An- sprüche zwecks Bestimmung des zuständigkeits- und verfahrensartrele- vanten Streitwerts zusammenzuzählen, wenn – wie vorliegend – konnexe Klagen vorliegen.4 Daher steht die Beschwerde in Zivilsachen an das Bun- desgericht offen (Art. 6 Abs. 2 lit. b ZPO i.V.m. Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Das Handelsgericht ist somit sachlich zuständig. 1.2. Bestimmtheit Rechtsbegehren Ziff. 1 1.2.1. Parteibehauptungen Die Beklagte bestreitet die Bestimmtheit des klägerischen Rechtsbegeh- rens Ziff. 1. Insbesondere sei die Bezeichnung "in der Schweiz" zu unbe- stimmt und es sei nicht klar und voraussehbar, was der Beklagten verboten werden solle. Sollte das klägerische Rechtsbegehren gutgeheissen wer- den, müsste die Beklagte ein anderes Zeichen wählen, was ebenfalls ihre 2 BSK LugÜ-BERGER, 2. Aufl. 2016, Art. 24 N. 37. 3 ZK IPRG-MÜLLER-CHEN, 3. Aufl. 2018, Art. 8a N. 63. 4 BGE 142 III 788 E. 4.2. - 14 - Stellung auf dem deutschen Markt beeinflussen würde (zum Ganzen Kla- geantwort N. 273 ff.). Die Klägerin weist darauf hin, dass ihr Unterlassungsbegehren explizit auf das Territorium der Schweiz beschränkt sei. Folglich sei es weder unbe- stimmt noch unklar (Replik N. 521). 1.2.2. Würdigung 1.2.2.1. Gemäss Rechtsbegehren Ziff. 1 soll der Beklagten verboten werden, in der Schweiz Leuchten und/oder Leuchtmittel unter der Firmenbezeichnung "Luminarte GmbH" und/oder den Domainnamen "luminarte.ch" und/oder "luminarte.de" und/oder dem Zeichen "Luminarte" und/oder unter dem Logo selber oder durch Dritte zu bewerben, anzubieten und/oder zu liefern. Die Klägerin will der Beklagten daher das Bewerben, Anbieten und Liefern von Leuchten und/oder Leuchtmitteln unter Verwendung einer abschlies- senden Liste verschiedener Bezeichnungsformen verbieten lassen. Folg- lich soll der Beklagten verboten werden, die Firmenbezeichnung "Lumin- arte GmbH", die Domainnamen "luminarte.ch" und "luminarte.de", das Zei- chen "Luminarte" und das Logo in der Schweiz kennzei- chenmässig zu gebrauchen. Insoweit ist das Rechtsbegehren-Ziff. 1 genü- gend bestimmt.5 1.2.2.2. Die von der Beklagten erhobenen Einwände gegen die angeblich ungenü- gende örtliche Bestimmtheit von Rechtsbegehren Ziff. 1 erscheinen nicht stichhaltig. Bei Unterlassungsklagen ist der Ort, für welchen die Unterlas- sung verlangt wird, zu bezeichnen. Insbesondere ist aufgrund des Territo- rialitätsprinzips das Territorium zu bezeichnen, für welches das Verbot aus- gesprochen werden soll.6 Dem kommt die Klägerin mit der Angabe "in der Schweiz" nach. Die dagegen vorgebrachten Argumente der Beklagten sind gesucht und nicht schützenswert. Die Einschränkung "in der Schweiz" ent- spricht gängiger Gerichtspraxis. Dass ein Verbot, "in der Schweiz" Leuch- ten und Leuchtmittel zu bewerben, anzubieten und/oder zu liefern, der Be- klagten an sich nicht untersagen würde, in Deutschland einen Showroom bzw. ein Ladenlokal zu betreiben, dürfte klar sein. Ebenso kann die Kläge- rin der Beklagten nicht verbieten, in den deutschen Lokalitäten Schweizer Kunden zu bedienen. Was den beklagtischen Webseiteninhalt angeht, hätte eine Gutheissung von Rechtsbegehren Ziff. 1 zur Folge, dass die Be- 5 Siehe auchBSK MSchG-FRICK, 3. Aufl. 2016, Art. 55 N. 40 2. Lemma. 6 Vgl. SHK MSchG-STAUB, 2. Aufl. 2017, Art. 55 N. 36 u. 40; Urteil HG140055-O des HGer ZH vom 18. Dezember 2014 E. 2.4.1. - 15 - klagte einerseits keine Liefermöglichkeit in die Schweiz bei Onlinebestel- lungen anbieten dürfte und andererseits die bestehenden Ausrichtungs- merkmale für Schweizer Kunden (insbesondere Anzeige von Preisen in CHF, Servicedienstleistungen für Schweizer Kunden wie Übernahme der Zollformalitäten; vgl. Klage N. 9 und KB 8 f., 176) unterlassen müsste. Schliesslich hat das Bundesgericht mit Bezug auf Websites, die unter aus- ländischen Domainnamen betrieben werden, bereits im Jahr 2004 Folgen- des festgehalten: "Weshalb das auf die Domainnamen bezogene Unterlassungsgebot nicht vollstreckbar sein soll, wie die Beklagten geltend machen, wird in der nicht näher begründet (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). In der Literatur wird es jedenfalls als technisch unproblematisch ausgegeben, gezielt aus einem bestimmten Land den Zugang zu einem Website zu verweigern (Dasser, Gerichtsstand und anwendbares Recht bei Haftung aus Internetdelikten, in Arter/Jörg [Hrsg.], Internet-Recht und Electronic Commerce Law, 3. Tagungsband, Bern 2003, S. 127 ff., 135; Buri, a.a.O., S. 227 ff.; a.A. aber mit anderen Lösungsvorschlägen Sara Stein, Schutz von Name und Kennzeichen gegen eine Verwendung als Domain-Name durch Dritte, Diss. Bonn 2002, S. 188 ff.). Soweit der Einwand überhaupt zu hören ist, erweist er sich damit als unbegründet."7 Das damals von der Vorinstanz (dem hiesigen Gericht) angeordnete Verbot lautete: "In Gutheissung der Klagebegehren Ziffer 1a und b, des Replikbegehrens Ziffer 1c und des Klagebegehrens Ziffer 2 wird den Beklagten verboten: [...] d) die Domainnamen "www.triptrap.ch" und "www.triptrap.com" in der Schweiz selbst oder durch Dritte, mittelbar oder unmittelbar, im zu benutzen oder benutzen zu lassen."8 Daher weist das Rechtsbegehren Ziff. 1 eine genügende Bestimmtheit auf. 1.3. Rechtsschutzinteresse (Rechtsbegehren Ziff. 1) 1.3.1. Parteibehauptungen Die Klägerin bringt im Wesentlichen vor, die Beklagte bewerbe und ver- treibe in der Schweiz unter Verwendung der Geschäftsbezeichnung "Lumi- narte GmbH", der Domainnamen "luminarte.ch" und "luminarte.de" sowie der Bezeichnung "Luminarte" und des Logos Leuchten und Leuchtmittel (Klage N. 7). Da diese Zeichen in der Schweiz unbestrittener- massen seit einiger Zeit verwendet würden und die Beklagte deren Ver- wendung auch nach den klägerischen Verwarnungen nicht aufgegeben habe, sei die Wiederholungsgefahr ohne weiteres nachgewiesen (Klage N. 195). 7 BGer 4C.229/2003 vom 20. Januar 2004 E. 5 (nicht publiziert in BGE 130 III 268). 8 HGer AG HOR.2002.19, Teilurteil vom 21. August 2003. - 16 - Die Beklagte scheint das klägerische Rechtsschutzinteresse implizit zu be- streiten soweit sie ausführt, von der Klägerin nicht abgemahnt worden zu sein (Klageantwort N. 280). Überdies macht sie geltend, sie betreibe in der Schweiz keine stationären Läden und beabsichtige keinen Eintritt in den stationären Handel in der Schweiz (Schlussvortrag vom 19. August 2019 N. 5, 130). 1.3.2. Rechtliches Ein Unterlassungsbegehren setzt voraus, dass zumindest die Gefahr einer Verletzung im Zeitpunkt der Urteilsfällung besteht.9 Eine solche besteht, wenn die widerrechtliche Handlung unmittelbar droht, indem das Verhalten der Gegenpartei die künftige Rechtsverletzung ernsthaft befürchten lässt (Erstbegehungsgefahr), oder wenn die Gefahr einer Wiederholung früherer Verletzungshandlungen besteht (Wiederholungsgefahr).10 Eine Wiederholungsgefahr ist in der Regel schon anzunehmen, wenn die beklagte Partei die Widerrechtlichkeit des beanstandeten Verhaltens be- streitet, ist doch in einem solchen Fall zu vermuten, dass sie es im Ver- trauen auf dessen Rechtmässigkeit weiterführen wird.11 Letzteres wird in der Rechtsprechung angenommen, wenn die beklagte Partei die – wenigs- tens potentielle – Widerrechtlichkeit des beanstandeten Verhaltens bestrei- tet, selbst wenn sie dieses zwischenzeitlich im Rahmen des hängigen Ver- fahrens eingestellt hat.12 Will der Verletzer die Vermutung der Wiederho- lungsgefahr eindeutig umstossen, so ist ihm die Abgabe einer vorbehalts- losen Unterlassungserklärung (sog. Abstandserklärung) zu empfehlen.13 Die Wiederholungsgefahr entfällt dann, wenn sich die Gegenseite in einer Unterlassungserklärung ausdrücklich dazu verpflichtet, das beanstandete Verhalten vorbehaltlos einzustellen. Dabei wird eine förmliche, verbindliche und bedingungslose Abstandserklärung verlangt. Es genügt nicht, wenn die Gegenpartei ohne materielle Anerkennung der Rechtswidrigkeit ihres umstrittenen Verhaltens irgendwelche Zusicherungen macht.14 Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung hat die klagende Partei die Tatsachen vorzutragen und zu belegen, welche die Zulässigkeit ihrer Klage begründen, die beklagte Partei diejenigen Tatsachen, welche sie angreifen. Für die klagende Partei gilt daher auch im Bereich der Prozessvorausset- zungen weiterhin die gewöhnliche Verhandlungsmaxime (beziehungs- 9 BGE 128 III 96 E. 2e; 124 III 72 E. 2; 109 II 338 E. 3. 10 BGE 128 III 96 E. 2e; 124 III 72 E. 2; 116 II 359 E. 2a. 11 BGE 124 III 72 E. 2a; 116 II 357 E. 2a S. 359; DAVID/FRICK/KUNZ/STUDER/ZIMMERLI, SIWR I/2, 3. Aufl. 2011, N. 273. 12 BGE 128 III 96 E. 2e; SHK MSchG-STAUB, 2. Aufl. 2017, Art. 55 N. 51 f. m.w.N. 13 BSK UWG-RÜETSCHI/ROTH, 2013, Art. 9 N. 23; SHK UWG-SPITZ, 2. Aufl. 2016, Art. 9 N. 64 je m.w.N. 14 BSK UWG-RÜETSCHI/ROTH (Fn. 13), Art. 9 N. 23 m.w.N. - 17 - weise das gewöhnliche Verfahrensrecht einschliesslich des darin vorgese- henen Novenrechts). Der beklagten Partei wird demgegenüber die Bestrei- tungslast abgenommen und in Bezug auf klagehindernde Sachumstände sind auch verspätet bekannt gewordene Tatsachen von Amtes wegen zu berücksichtigen. Der Richter muss lediglich von Amtes wegen erforschen, ob Tatsachen bestehen, die gegen das Vorliegen der Prozessvorausset- zungen sprechen.15 1.3.3. Würdigung 1.3.3.1. Prüfungsaufbau Das klägerische Unterlassungsbegehren umfasst nach dem Verständnis des Gerichts dreierlei: Die Verwendung der beklagtischen Zeichen (1.) als Geschäftsbezeichnung und Domainnamen, (2.) im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Marken von Drittherstellern sowie (3.) im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von eigenen Leuchten und Leuchtmitteln. 1.3.3.2. Verwendung als Geschäftsbezeichnung und Domain Es ist unbestritten, dass die Beklagte die Geschäftsbezeichnung "Lumin- arte GmbH", das Zeichen "Luminarte" sowie das Logo im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens, welches Leuchten, Leuchtmittel und Leutenzubehör von Drittherstellern veräussert, verwendet (Klageantwort N. 4). Der auf die Schweiz ausgerichtete Webshop der Beklagten ist über die bei- den Domains "www.luminarte.ch" und "www.luminarte.de" erreichbar (Dup- lik N. 188). Die Tatsache, dass bei Eingabe der Domain "www.lumin- arte.ch" aktuell eine Weiterleitung auf die unter der Domain "www.lumin- arte.de" aufgeschaltete Webseite erfolgt, vermag die Wiederholungsgefahr nicht zu beseitigen. Ob der auf die Schweiz ausgerichtete Webshop der Beklagten mittels direkter Aufschaltung auf der Domain "www.luminarte.ch" oder durch Weiterleitung auf die Domain "www.luminarte.de" erreichbar ist, ist für das Rechtsschutzinteresse nicht von Belang. Im Übrigen hat die Be- klagte im Zusammenhang mit der Domain "www.luminarte.ch" weder die Widerrechtlichkeit ihres Verhaltens anerkannt noch eine vorbehaltslose Ab- standserklärung abgegeben. Durch den andauernden Gebrauch der Firmenbezeichnung "Luminar- te GmbH", des Zeichens "Luminarte", des Logos sowie der Domains "www.luminarte.de" und "www.luminarte.ch" ist diesbezüglich eine Wiederholungsgefahr zu bejahen. Die Beklagte bringt sodann vor, sie betreibe in der Schweiz keine Laden- geschäfte und beabsichtige ebenfalls keinen Eintritt in den stationären Han- 15 BGer 4A_229/2017 vom 7. Dezember 2017 E. 3.1 u. 3.4 m.w.N. - 18 - del. Insoweit bestehe kein Rechtschutzinteresse der Klägerin (vgl. Schluss- vortrag vom 19. August 2019 N. 5, 130). Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Die Klägerin äussert sich in ihrem Rechtsbegehren nicht zu den möglichen Vertriebswegen, deren Benutzung der Beklagten verbo- ten werden soll. Vielmehr soll der Beklagten der kennzeichenmässige Ge- brauch der in Rechtsbegehren Ziff. 1 genannten Zeichen verboten werden. Darin liegt der entscheidende Unterschied zum Bundesgerichtsurteil 4A_22/2019 vom 23. Mai 2019, in welchem die klagende Partei der beklag- ten Partei verbieten wollte, die Tätigkeit als Detail- oder Versandhändlerin in der Schweiz aufzunehmen.16 1.3.3.3. Vertrieb von Marken von Drittherstellern Das klägerische Rechtsbegehren Ziff. 1 erfasst auch den Gebrauch des Zeichens "Luminarte" im Zusammenhang mit dem Verkauf bzw. Handel von Leuchten und/oder Leuchtmitteln, die von Dritten hergestellt wurden und mit deren eigenen Marken gekennzeichnet sind, also den eigentlichen Handel mit Drittmarkenprodukten. Da die Beklagte unbestrittenermassen einen solchen Handel betreibt (vgl. Duplik N. 4), verfügt die Klägerin dies- bezüglich über ein entsprechendes Rechtsschutzinteresse. 1.3.3.4. Kennzeichnung von eigenen Leuchten und Leuchtmitteln Es spricht nichts dafür, im vorliegenden Kontext zwischen dem Vertrieb von Waren Dritter und dem Vertrieb eigener Leuchten zu differenzieren. Die massgeblichen Verkehrskreise nehmen den Marktauftritt der Beklagten als Webshop für Leuchten, Leuchtmittel und Beleuchtungszubehör wahr. Ob das Sortiment der Beklagten einzig Produkte von Drittmarken oder darüber hinaus auch Eigenmarken enthält, ist für die massgebende Wahrnehmung nicht von entscheidender Bedeutung. Daher ist entgegen den Vorbringen der Beklagten ein Rechtsschutzinteresse nicht bereits deshalb zu vernei- nen, weil die Beklagte bis anhin noch keine Waren ohne Kennzeichnung Dritter beworben oder veräussert hat. Auch diesbezüglich ist ein Rechts- schutzinteresse zu bejahen. 1.3.3.5. Zwischenfazit Die Klägerin verfügt hinsichtlich Rechtsbegehren Ziff. 1 über ein genügen- des Rechtsschutzinteresse. 1.4. Stufenklage Mit Rechtsbegehren Ziff. 2 und 3 ersucht die Klägerin um finanzielle Wie- dergutmachung in Form einer Stufenklage (Art. 85 Abs. 2 ZPO). 1.4.1. Parteibehauptungen Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, sie fordere von der Beklagten mittels Rechtsbegehren Ziff. 3 finanzielle Wiedergutmachung in Form von 16 BGer 4A_22/2019 vom 23. Mai 2019 Sachverhalt B.a. - 19 - Schadenersatz oder der Herausgabe von unrechtmässig erwirtschafteten Gewinn (Klage N. 200). Da sich der Anspruch auf finanzielle Wiedergutma- chung im Wesentlichen auf den Umsatz der Beklagten stütze, könne das Rechtsbegehren ohne Auskunftserteilung durch die Beklagte nicht beziffert werden (Klage N. 61, 199, 203). Zur Schätzung des Mindeststreitwerts gehe die Klägerin davon aus, dass rund 1⁄3 der Abnehmer durch die von der Beklagten geschaffene Verwechslung gelenkt würden und so bei der Be- klagten einkauften. Bei einem geschätzten Nettoerlös von Fr. 8 bis 10 Mio., der schätzungsweise zu 60 % mit Schweizer Kunden erzielt werde, betrage der relevante Gewinnumsatz der Beklagten zwischen Fr. 4.8 und 6 Mio. (Mittelwert Fr. 5.4 Mio.). Der Marktanteil der Klägerin belaufe sich in der Deutschschweiz auf ca. 22 %, womit das ihr entgangene Gesamtvolumen Fr. 1.19 Mio. pro Jahr betrage. Der entgangene Umsatz belaufe sich daher auf F. 0.357 Mio. jährlich und erhöhe sich pro Jahr aufgrund des Wachs- tums des Online-Handels um 20 %. In den Jahren 2014 bis 2018 sei der Klägerin daher ein Umsatz von Fr. 2.65 Mio. respektive ein Gewinn von etwa Fr. 1.46 Mio. entgangen (zum Ganzen Klage N. 61 ff; Replik N. 243, 541). Die Beklagte bestreitet demgegenüber insbesondere die von der Klägerin vorgenommene Schadensschätzung (Klageantwort N. 92-97) und führt aus, es sei unverständlich, wieso die Klägerin nicht die Fr. 1.46 Mio. ein- klage, sondern eine Stufenklage erhebe. Eine Bezifferung ihres finanziellen Ausgleichsanspruchs sei ihr möglich, sodass auf die Stufenklage nicht ein- zutreten sei (Klageantwort N. 98, 287). Sodann habe sie, die Beklagte, die Umsätze mit Schweizer Kunden bis Mitte des Jahres 2016 offengelegt und auch in den Geschäftsjahren 2016/2017 und 2017/2018 habe der jährliche Umsatz weniger als EUR 2 Mio. betragen (Klageantwort N. 65, Duplik N. 365). 1.4.2. Rechtliches Nach Art. 9 Abs. 3 UWG kann der durch unlauteren Wettbewerb Verletzte nach Massgabe des OR vom Schädiger Schadenersatz und Genugtuung sowie Herausgabe eines Gewinnes entsprechend den Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR) verlangen. Die Erschwernisse, die sich dem Geschäftsherrn im Streit um den Nach- weis der finanziellen Ansprüche in den Weg stellen und zu deren Bewälti- gung gegebenenfalls die ermessensweise Schätzung nach Massgabe von Art. 42 Abs. 2 OR ins Spiel kommt, rühren oft daher, dass der Geschäfts- herr ohne eigenes Verschulden den Umsatz respektive den Umfang des Gewinns des Schädigers gar nicht kennt und den diesbezüglichen Beweis praktisch nur erbringen kann, wenn der Schädiger über den von ihm erziel- ten Umsatz respektive Gewinn Auskunft und Rechnungslegung gewährt. In der Lehre wird deshalb angenommen, die geschädigte Person verfüge ge- - 20 - genüber dem Schädiger über einen Anspruch auf Auskunft und Rech- nungslegung, der seine gesetzliche Grundlage wohl in Art. 2 Abs. 1 ZGB findet.17 Es steht dem Kläger frei, seinen Auskunftsanspruch im Rahmen einer Stufenklage (Art. 85 ZPO) geltend zu machen, die das Auskunftsbe- gehren mit einem ganz oder teilweise unbezifferten Leistungsbegehren ver- bindet.18 Es muss der klagenden Partei dabei insbesondere unmöglich19 oder unzu- mutbar sein, ihre Forderung bereits bei Klageanhebung zu beziffern.20 Die Bezifferung ist unmöglich, wenn die klagende Partei die Höhe ihres An- spruchs nicht kennen kann, da diese von Tatsachen abhängig ist, über die sie nicht selbst verfügt, somit im Einflussbereich eines Dritten oder der be- klagten Partei liegt.21 Darüber hinaus ist die Bezifferung insbesondere un- zumutbar, wenn die klagende Partei zur Erlangung der zur Bezifferung not- wendigen Unterlagen zuvor ein selbständiges Verfahren zu durchzulaufen hätte.22 Die unbezifferte Forderungsklage dient damit der Prozessökono- mie.23 Die Unmöglichkeit resp. Unzumutbarkeit muss sich auf die Forde- rungsbezifferung beziehen. Besteht diesbezüglich kein Informationsdefizit, kann von vornherein weder eine Unmöglichkeit noch eine Unzumutbarkeit vorliegen, womit die Klage von Beginn weg zu beziffern ist.24 Sie muss da- bei einen Mindestwert angeben, der als vorläufiger Streitwert gilt.25 Die For- derung ist zu beziffern, sobald die klagende Partei nach Abschluss des Be- weisverfahrens oder nach Auskunftserteilung durch die beklagte Partei dazu in der Lage ist (Art. 85 Abs. 2 ZPO). 1.4.3. Würdigung Die Gutheissung von Rechtsbegehren Ziff. 1 setzt ein unlauteres Verhalten der Beklagten voraus. Entsprechend kann die Klägerin bei Gutheissung von Rechtsbegehren Ziff. 1 in Anwendung von Art. 9 Abs. 3 UWG Scha- 17 Zum Ganzen je m.w.N.: DIKE UWG-DOMEJ, 2018, Art. 9 N. 108; BSK UWG-RÜETSCHI/ROTH (Fn. 13), Art. 9 N. 134; SHK UWG-SPITZ (Fn. 13), Art. 9 N. 239 f. 18 BGE 143 III 297 E. 8.2.5.2. 19 BGE 123 III 140 E. 2c: "Der Hilfsanspruch auf Auskunftserteilung oder Rechnungslegung setzt den Kläger überhaupt erst in die Lage, seine Forderung zu beziffern." 20 BAECHLER, Die Stufenklage, sic! 1/2017, S. 1. 21 GUT, Die unbezifferte Forderungsklage nach Schweizerischer Zivilprozessordnung, 2014, N. 116 m.w.V.; KRAUSKOPF/WIRZ, Rechtsbegehren im Haftpflichtrecht, in: Kostkiewicz/Markus/Rodriguez (Hrsg.), Die Rechtsfragen im Zivilverfahren: Theoretische Fragen, praktische Antworten, 2017, S. 45; BOPP/BESSENICH, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger (Hrsg.), Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2016, Art. 85 N. 12; vgl. auch BGer 4A_36/2009 vom 27. Februar 2009 E. 3.1. 22 KRAUSKOPF/WIRZ (Fn. 21), S. 45; GUT (Fn. 21), N. 117. 23 BOPP/BESSENICH (Fn. 21), Art. 85 N. 13; vgl. auch BSK ZPO-DORSCHER, 3. Aufl. 2017, Art. 85 N. 8, wonach das Risiko der Einklagung eines falschen Betrags massgebend sei. 24 BAUMANN WEY, Die unbezifferte Forderungsklage nach Art. 85 ZPO, 2013, N. 426 f.; HGer ZH, HG140244 vom 20. April 2016 E. 3.4.1. 25 BGE 140 III 409 E. 4.3.1. - 21 - denersatz, Genugtuung sowie die Herausgabe eines Gewinns der Beklag- ten verlangen. Gegenstand dieses finanziellen Ausgleichsanspruchs bildet die klägerische Stufenklage (Rechtsbegehren Ziff. 2 und 3 der Replik). Die Erhebung der Stufenklage ist vorliegend zulässig. Einerseits verfügt die Klägerin hinsichtlich ihrer finanziellen Ausgleichsansprüche praxisgemäss über einen materiell-rechtlichen Auskunftsanspruch. Andererseits ist es ihr entgegen der Beklagten weder möglich noch zumutbar, ihren finanziellen Anspruch bereits zu beziffern. Zwar hat die Beklagte die mit Schweizer Kunden erzielten Umsätze vom 1. Januar 2003 bis 30. Juni 2016 offenge- legt (Klageantwort N. 65). Die Angabe der Umsatzzahlen der Beklagten ist zwar eine wichtige Berechnungsgrundlage für den behaupteten Schaden- ersatz-, Gewinnherausgabe- oder Bereicherungsanspruch. Jedoch ist die Offenlegung der Umsatzzahlen nicht hinreichend. Notwendig erscheint ei- nerseits die Offenlegung der Anzahl der Leuchten und Leuchtmittel, die in den Jahren 2014 bis 2018 an Abnehmer mit Wohnsitz respektive Sitz in der Schweiz verkauft wurden. Nur mit Hilfe dieser Angabe können der Markt- anteil, der herauszugebende Gewinn oder die Bereicherung der Beklagten geschätzt werden. Entsprechende Zahlen hat die Beklagte jedoch bis anhin nicht offen gelegt. Andererseits steht es der Klägerin im Anschluss an die Auskunftserteilung und Rechnungslegung durch die Beklagte offen, wel- chen finanziellen Anspruch sie geltend machen und somit beziffern will.26 Alleine aus den Umsatzzahlen kann der von der Beklagten erzielte Gewinn weder beziffert noch gemäss Art. 42 Abs. 2 OR ermessensweise bestimmt werden. Notwendig wäre hierzu die Kenntnis der von der Beklagten getä- tigten Aufwendungen. Mangels einer Offenlegung durch die Beklagte ver- fügt die Klägerin indes nicht über die entsprechenden Angaben. Folglich ist die Bezifferung des Rechtsbegehrens Ziff. 3 aufgrund des aktuellen Akten- standes sowohl unmöglich als auch unzumutbar. Da das Rechtsbegehren Ziff. 3 überdies einen Mindeststreitwert von Fr. 1 Mio. enthält, ist auf die Stufenklage und damit auf die Rechtsbegehren Ziff. 2 einzutreten. 1.5. Objektive Klagehäufung Die objektive Klagehäufung ist zulässig, da das Handelsgericht für sämtli- che Rechtsbegehren zuständig ist und diese im ordentliche Verfahren zu beurteilen sind (Art. 90 ZPO).27 1.6. Zwischenfazit Da sämtliche Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist auf die Rechtsbegeh- ren Ziff. 1, 2 und 4 einzutreten. 26 SHK UWG-SPITZ (Fn. 13), Art. 9 N. 241; BSK UWG-RÜETSCHI/ROTH (Fn. 13), Art. 9 N. 134; ähnlich wohl BGer 4C.384/2006 vom 1. März 2007 E. 2.1 (nicht publiziert in BGE 133 III 273). 27 Vgl. auch BGE 142 III 788 E. 4.2. - 22 - 2. Replik- und Novenrecht In der vorliegenden Streitsache trat der Aktenschluss mit Erstattung der Duplik ein. Sowohl die Klägerin als auch die Beklagte haben von ihrem un- bedingten Replikrecht Gebrauch gemacht. Die Parteien haben gestützt auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 29 Abs. 1 und 2 BV das Recht, zu jeder Eingabe der Gegenpartei Stellung zu nehmen, und zwar unabhängig davon, ob diese neue und erhebliche Gesichtspunkte enthält.28 Diesbezüglich ist aber klarzustellen, dass es bei der Zeitdauer, während der das Gericht die allfällige Wahrnehmung dieses sog. unbeding- ten Replikrechts abwarten muss, nicht darum geht, dass eine nach einer solchen Zeitspanne eingegangene nachträgliche Eingabe vom Gericht nicht mehr berücksichtigt werden dürfte. Eine Partei, der eine Eingabe der Gegenseite mit Hinweis auf den Aktenschluss zur Wahrung dieses Replik- rechts zugestellt wird, weiss damit regelmässig, dass das Gericht die Sa- che als spruchreif erachtet; sie geht damit das Risiko eines raschen Ent- scheids ein. Aus dem Umstand aber, dass ein Gericht nach Ablauf dieser Dauer zu urteilen berechtigt ist, ohne sich dem Vorwurf einer Gehörsverlet- zung auszusetzen, kann nicht umgekehrt abgeleitet werden, dass nach dem fraglichen Zeitpunkt, aber vor der Urteilsfällung eintreffende Stellung- nahmen generell zufolge Verspätung unberücksichtigt zu bleiben hätten.29 Nach Eintritt des Aktenschlusses können neue Tatsachen und Beweismit- tel nur noch unter den Voraussetzungen von Art. 229 Abs. 1 ZPO vorge- bracht werden.30 Eine Tatsache ist neu, wenn sie ein Sachverhaltselement erstmals einführt. Wird ein bereits eingeführtes Sachverhaltselement hin- gegen bloss klargestellt, ist es nicht neu. Jedoch sind Vorbringen neu, die dem Nachsubstantiieren dienen, wenn die Partei ein substantiiertes Be- haupten oder Bestreiten zuvor unterlassen hat.31 Die Verspätung ist ent- schuldbar, wenn der betroffenen Partei keine Nachlässigkeit bei der Be- hauptungs- oder Beweisführungslast vorzuwerfen ist. Das Mass der zumut- baren Sorgfalt ist aus der Sicht vor dem Aktenschluss und nicht ex post zu bewerten.32 Es gilt ein objektiver Massstab.33 Es obliegt der Partei, die das Novenrecht beansprucht, darzutun, inwiefern die Verspätung entschuldbar ist.34 Ohne Verzug sind Noven vorgebracht, wenn sie unverzüglich nach der Entdeckung in den Prozess eingebracht werden.35 Gemäss der han- delsgerichtlichen Praxis sind Noven im ordentlichen Verfahren innert kurzer 28 BGE 144 III 117 E. 2.1; BGE 138 I 154 E. 2.3.3 m.w.N. 29 BGer 4A_61/2017 vom 31. August 2017 E. 6.2.2. 30 LEUENBERGER, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger (Hrsg.), Kommentar zur Schweizeri- schen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2016, Art. 229 N. 4a. 31 BSK ZPO-WILLISEGGER, 3. Aufl. 2017, Art. 229 N. 16. 32 LEUENBERGER (Fn. 30), Art. 229 N. 8. 33 BSK ZPO-WILLISEGGER (Fn. 31), Art. 229 N. 32. 34 BSK ZPO-WILLISEGGER (Fn. 31), Art. 229 N. 33; vgl. LEUENBERGER (Fn. 30), Art. 229 N. 10. 35 LEUENBERGER (Fn. 30), Art. 229 N. 9. - 23 - Frist (praxisgemäss 10 Tage)36 und – falls sie nicht erst unmittelbar vor der Hauptverhandlung entstehen – noch vor Durchführung der Hauptverhand- lung mittels Noveneingabe in das Verfahren einzubringen.37 Ob das Erfor- dernis des Vorbringens "ohne Verzug" mit Bezug auf eine bestimmte Ein- gabe eingehalten ist, ist letztlich jedoch in Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls zu beurteilen. Allgemein ist immerhin festzuhalten, dass nach der Entdeckung von Noven nicht einfach zugewartet werden darf, bis die Gegenpartei eine Eingabe macht, worauf im Rahmen des Rep- likrechts zu dieser Eingabe Stellung genommen wird. Ob die von den Parteien aufgestellten Tatsachenbehauptungen und offe- rierten Beweismittel im Einzelnen zu berücksichtigen oder verspätet erfolgt sind, ist eine Frage des Novenrechts. Soweit die nach Aktenschluss getä- tigten Tatsachenbehauptungen und eingereichten Beweismittel Ent- scheidrelevanz aufweisen, ist darauf zurückzukommen. 3. Anwendbares Recht Weil ein internationales Verhältnis vorliegt, ist vorab das anwendbare Recht zu bestimmen. Die zu beurteilenden namens- und lauterkeitsrechtlichen Ansprüche sind nach schweizerischem Recht zu beurteilen (Art. 136 Abs. 1 und Art. 157 Abs. 2 IPRG). 4. Massgebende Verkehrskreise / Aufmerksamkeit Die Klägerin ist durch ihre Geschäftssparte "Lumimart" Betreiberin von Fachmärkten für Beleuchtungskörper und -geräte. Neben Fachgeschäften bieten vor allem Möbelhäuser (beispielsweise C.) und Warenhäuser (z.B. D.), die sich ans allgemeine Publikum richten, Beleuchtungskörper und Beleuchtungsgeräte zum Kauf an. Entsprechend ist davon auszuge- hen, dass die Durchschnittsverbraucher bzw. das allgemeine Publikum die massgeblichen Verkehrskreise bilden. Beleuchtungskörper und Beleuch- tungsgeräte sind keine Massenartikel des täglichen Bedarfs (wie z.B. Le- bensmittel). Verglichen mit solchen werden sie mit einem höheren Grad an Aufmerksamkeit gekauft. Da es sich in aller Regel ebenfalls nicht um Lu- xusgüter handelt, ist von einer durchschnittlichen Aufmerksamkeit auszu- gehen. Daher nehmen die massgebenden Verkehrskreise die Zeichen von physischen Verkaufslokalen und Onlineshops, welche Leuchten und Leuchtmittel vertreiben, ebenfalls mit einer durchschnittlichen Aufmerk- samkeit wahr. 5. Anwendbarkeit des Lauterkeitsrechts Die sachliche Anwendbarkeit des UWG setzt voraus, dass eine Wettbe- werbshandlung vorliegt. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist 36 Vgl. Merkblatt des Handelsgerichts, abrufbar unter: <https://www.ag.ch/media/kanton_aar- gau/jb/dokumente_6/obergerichte/handelsgericht/Merkblatt_Handelsgericht.pdf> (letztmals besucht am 31. März 2020). 37 Vgl. auch LEUENBERGER (Fn. 30), Art. 229 N. 9 m.w.N.; ZR 2014 Nr. 54, S. 176. - 24 - ein auf den Wettbewerb gerichtetes, marktrelevantes Verhalten notwen- dig.38 Dazu ist eine Tätigkeit ausserhalb der rein privaten Sphäre voraus- gesetzt, die als wirtschaftsrelevant bezeichnet werden kann.39 Die Beklagte verkauft unter anderem via ihren Webshop, welcher über die Domains "www.luminarte.de" und "www.luminarte.ch" erreichbar ist, Lam- pen, Leuchten und Leuchtmittel auf dem schweizerischen Markt. Diese Handlung ist auf den Wettbewerb gerichtet und daher marktrelevant. Das UWG ist sachlich anwendbar. 6. Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG 6.1. Übersicht Nach Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG handelt unlauter, wer Massnahmen trifft, die geeignet sind, Verwechslungen mit den Waren, Werken, Leistungen oder dem Geschäftsbetrieb eines anderen herbeizuführen. Unter diesen auch als wettbewerbsrechtlichen Kennzeichenschutz bezeichneten Tatbestand fallen sämtliche Verhaltensweisen, bei denen das Publikum durch die Schaffung von Verwechslungsgefahr irregeführt wird, insbesondere um den Ruf der Wettbewerber auszubeuten.40 Ob eine lauterkeitsrechtliche Verwechslungsgefahr besteht, ist dabei hinsichtlich eines konkreten Wett- bewerbsverhaltens zu bestimmen.41 Bezugspunkt der Irreführung nach Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG ist die betriebliche Herkunft eines Produkts oder die Identität eines Geschäftsbetriebs.42 6.2. Aktiv- und Passivlegitimation 6.2.1. Parteibehauptungen Zur Aktiv- und Passivlegitimation führt die Klägerin aus, die Beklagte be- werbe und vertreibe in der Deutschschweiz Lampen und Leuchten. Sie trete daher in direkte Konkurrenz mit der Klägerin und beeinträchtige diese in ihren wirtschaftlichen Interessen. Daher liege die Aktiv- und Passivlegiti- mation auf der Hand (Klage N. 71). Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin, da keine Verlet- zung von Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG vorliege (Klageantwort N. 153; Duplik N. 376). 38 BGE 124 III 297 E. 5d m.w.N. 39 Vgl. DAVID/JACOBS, Schweizerisches Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2012, N. 24. 40 BGE 140 III 297 E. 7.2.1; 135 III 446 E. 6.1; 128 III 353 E. 4; 126 III 239 E. 3a; BGer 4A_567/2008 vom 23. Februar 2009 E. 5.1; 4A_103/2008 vom 7. Juli 2008 E. 6; 4C.439/2006 vom 4. April 2007 E. 6.1; 4P.222/2006 vom 21. Dezember 2006 E. 3.1. 41 BGE 129 III 353 E. 3.3. 42 BGer 4C.332/2006 vom 20. Dezember 2006 E. 2.3; BAUDENBACHER/CASPERS, in: BAUDENBACHER, Lauterkeitsrecht, 2001, Art. 3 lit. d N. 4. - 25 - 6.2.2. Rechtliches Nach Art. 9 Abs. 1 UWG ist klageberechtigt, wer durch unlauteren Wettbe- werb in seiner Kundschaft, seinem Kredit oder beruflichen Ansehen, in sei- nem Geschäftsbetrieb oder sonst in seinen wirtschaftlichen Interessen be- droht oder verletzt wird. Aktivlegitimiert sind Rechtssubjekte, die selbst am wirtschaftlichen Wettbe- werb beteiligt sind und eigene wirtschaftliche Interessen geltend machen.43 Zentral ist somit die eigene Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb, zu dessen Schutz das Klagerecht in Anspruch genommen wird.44 Erforderlich ist ein unmittelbares Interesse daran, die eigene Stellung im Wettbewerb mit dem Erfolg der Klage abzusichern oder zu verbessern.45 Von der Klage ausgeschlossen sind somit all jene, deren Interessen sich darin erschöp- fen, vom Wettbewerbserfolg eines Dritten profitieren zu können.46 Eine di- rekte Konkurrenzsituation zwischen der klagenden und beklagten Partei ist jedoch nicht vorausgesetzt; es genügt jede Verschlechterung der eigenen Stellung im Wettbewerb.47 6.2.3. Würdigung Die Klägerin betreibt diverse Fachmärkte für Leuchten und Leuchtmittel un- ter dem Kennzeichen "Lumimart" in der Schweiz. Daneben ist sie Betreibe- rin der Domain "www.lumimart.ch", über welche ein auf die Schweiz aus- gerichteter Webshop für Leuchten und Leuchtmittel zugänglich ist (vgl. Klage N. 15 f, 21). Die Klägerin nimmt demnach am Schweizer Markt für Leuchten und Leuchtmittel teil und macht eigene wirtschaftliche Interessen geltend. Die Beklagte ist Betreiberin der Domains "www.luminarte.de" und "www.luminarte.ch", über welche unter anderem ein auf den Schweizer Markt ausgerichteter Webshop für Leuchten und Leuchtmittel zugänglich ist (vgl. KB 9, 154). Beide Parteien sind somit Teilnehmer am Schweizer Markt für Leuchten und Leuchtmittel und stehen in einem Wettbewerbsver- hältnis. Entsprechend sind sie aktiv- bzw. passivlegitimiert. 43 BGE 126 III 239 E. 1a; 123 III 395 E. 2a; BSK UWG-RÜETSCHI/ROTH, 2013, Art. 9 N. 4 f; BORER, § 13 Zivil- und strafrechtliches Vorgehen, in Geiser/Krauskopf/Münch (Hrsg.), Handbücher für die Anwaltspraxis: Schweizerisches und europäisches Wettbewerbsrecht, Bd. IX, 2005, N. 13.05; PEDRAZZINI/PEDRAZZINI, Unlauterer Wettbewerb UWG, 2. Aufl. 2002, N. 16.08. 44 SHK UWG-SPITZ, 2. Aufl. 2016, Art. 9 N. 9 u. 13; BSK UWG-RÜETSCHI/ROTH (Fn. 43), Art. 9 N. 4 f.; RAUBER, Lauterkeitsrecht, SIWR V/1, 3. Aufl. 2020, S. 420, 424 ff.; BAUDENBACHER/GLÖCKNER, , 2001, Art. 9 N. 305. 45 BGE 126 III 239 E. 1a; 112 II 369 E. 5a; 90 IV 39 E. 1; BSK UWG-RÜETSCHI/ROTH (Fn. 43), Art. 9 N. 4; CHK UWG-FERRARI HOFER/VASELLA, 3. Aufl. 2016, Art. 9-15 N. 9; PEDRAZZINI/PEDRAZZINI (Fn. 43), N. 16.08. 46 RAUBER (Fn. 44), S. 425 f.; ähnlich CHK UWG-FERRARI HOFER/VASELLA (Fn. 45), Art. 9-15 N. 9. 47 BGE 121 III 168 E. 3b.aa; BGer 4A_467/2007 und 4A_469/2007 vom 8. Februar 2008 E. 4.1; SHK UWG-SPITZ (Fn. 44), Art. 9 N. 13; BSK UWG-RÜETSCHI/ROTH (Fn. 43), Art. 9 N. 6; CHK UWG- HOFER/VASELLA (Fn. 45), Art. 9-15 N. 9. - 26 - 6.3. Individualisierender Marktauftritt der Klägerin 6.3.1. Parteibehauptungen Die Klägerin führt aus, sie verwende die Bezeichnung "Lumimart" für ihren Marktauftritt als Anbieterin von Leuchten und Leuchtmitteln in Form der Marke CH2P-434 099 (bis September 2018) resp. (seit September 2018), als Bezeichnung ihrer Geschäftssparte und deren 33 Verkaufsstandorte sowie in Form des Domainnamens "lumimart.ch". Daher liege ihrerseits ein individualisierender Marktauftritt vor (Klage N. 83; Replik N. 386). Die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin das Zeichnen "Lumimart" in der Form der Marke CH 2P-434099 noch (lange) weiterhin gebrau- chen würde, zumal die Klägerin ihr Logo geändert habe und seit September 2018 das Logo für ihr Zeichen "Lumimart" benütze (Klageant- wort N. 175). 6.3.2. Rechtliches Laut Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG handelt insbesondere unlauter, wer Massnah- men trifft, die geeignet sind, Verwechslungen mit den Waren, Werken, Leis- tungen oder dem Geschäftsbetrieb eines anderen herbeizuführen. Durch diesen Artikel werden auch Geschäftsbezeichnungen geschützt, sofern sie (originäre oder auf dem Weg der Verkehrsdurchsetzung erlangte) Kenn- zeichnungskraft haben.48 6.3.3. Würdigung Der unbestrittene Zeichenauftritt der Klägerin umfasst die Führung von Fachmärkten für Leuchten, Leuchtmittel und Beleuchtungszubehör unter der Bezeichnung "Lumimart" sowie den Betrieb der Domain "www.lumim- art.ch". Damit benützt die Klägerin ein Kennzeichen, welches die Individu- alisierung des klägerischen Marktauftrittes ermöglicht. Ob der klägerische Marktauftritt unter dem Logo (bis Septem- ber 2018) oder dem Logo (ab September 2018) erfolgt, ist vor- liegend ohne Belang. Dieser Themenbereich wird anlässlich des Tatbe- standselements der Gebrauchspriorität aufzunehmen sein (E. 6.6.3.4 hier- nach). Da die Klägerin mit den prozessgegenständlichen Zeichen auf dem Markt auftritt, ist es vorliegend entgegen der Beklagten nicht massgebend, ob die Klägerin "Lumimart" als Teil von "E." vermarktet oder nicht (vgl. N. 42 der Noveneingabe vom 25. März 2019; N. 72 der Noveneingabe vom 23. April 2019). 48 SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER, 2. Aufl. 2016, Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 51; BURI, Die Ver- wechselbarkeit von Internet Domain Names, 2000, S. 137; TROLLER, Kollisionen zwischen Firmen, Handelsnamen und Marken, 1980, S. 168 f. - 27 - 6.4. Schutzfähiger Marktauftritt der Klägerin 6.4.1. Übersicht Ein schutzfähiger Marktauftritt setzt zum einen eine originäre oder deriva- tive Kennzeichnungskraft und zum anderen eine schutzwürdige Marktposi- tion der Klägerin voraus.49 Der Schutz des Zeichens "Lumimart" vor mögli- chen Verwechslungen nach Art. 3 lit. d UWG setzt folglich voraus, dass dem Zeichen Kennzeichnungskraft zukommt, sei es originär, indem das Zeichen dank seiner Originalität von Anfang an auf einen bestimmten Marktteilnehmer hinweist, sei es derivativ, indem das Zeichen als nicht ori- ginelle Geschäftsbezeichnung diese individualisierende Eigenschaft als Folge seiner Durchsetzung im Verkehr erlangt hat.50 6.4.2. Originäre Kennzeichnungskraft 6.4.2.1. Parteibehauptungen 6.4.2.1.1. Klägerin Gemäss klägerischer Ausführungen verfügen die Zeichen "Lumimart" und über originäre Kennzeichnungskraft (Klage N. 85 f.). Die durch- schnittliche originäre Kennzeichnungskraft (Klage N. 93) begründet sie ins- besondere mit den folgenden Argumenten: (1) Das Zeichen sei als Marke eingetragen. Es sei gerichts- notorisch, dass das IGE bei beschreibenden Marken eine strenge Praxis verfolge und diese in der Regel beanstande. Dass das Zei- chen "Lumimart" nicht als Wortmarke eingetragen sei, könne der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen. Es sei jedem Marktteilneh- mer frei, die Marken seiner Wahl eintragen zu lassen (Replik N. 388); (2) Beim Begriff "Lumimart" handle es sich um eine Wort-Neuschöp- fung, welche massgeblich vom Gewohnten und Erwarteten abwei- che und somit Originalität aufweise. Weiter verfüge der Begriff über eine Einprägsamkeit. So würden Konsumenten in Anbetracht des Zeichens nicht ohne jeglichen Denkaufwand eine unmittelbare und konkrete Verbindung zu unter dem Zeichen "Lumimart" angebote- nen Waren oder deren Anbieter herstellen (Klage N. 93; Replik N. 398); (3) Beim Wortteil "lumi" handle es sich um einen unbestimmten Begriff. Der durchschnittliche Schweizer Abnehmer könne sich unter dem Wortbestandteil "lumi" nichts Konkretes oder gar etwas Leuchten- des vorstellen (Klage N. 87-89; Replik N. 390, 392). Abgesehen da- von, dass dem Schweizer Durchschnittspublikum keine Latein- kenntnisse unterstellt werden können, werde die Angabe der Licht- stärke in der Regel durch die Abkürzung "lm" angegeben. Selbst wenn die Konsumenten wüssten, welcher Begriff sich hinter dieser 49 BGE 135 III 446 E. 6.2. 50 BGE 135 III 446 E. 6.2. - 28 - Abkürzung verberge, sei dem Schweizer Durchschnittspublikum nicht klar, dass "Lumen" auf die Lichtstärke einer Glühbirne hin- weise (Replik N. 391). Aus der von der Beklagten erwähnten Schut- zunfähigkeit des Zeichens "luminous" würden sich zudem keine all- gemeinen Implikationen zum beschreibenden Charakter des Be- standteils "lumi" ergeben, zumal es sich beim Begriff "luminous" um ein lexikalisch erfasstes, englisches Wort handle (Replik N. 393). Selbst wenn in Anbetracht des Wortbestandteils "lumi" gewisse As- soziationen geweckt würden, würde dies nicht ausreichen, um einen beschreibenden Charakter zu bejahen (Replik N. 395); (4) Sodann verfügten zahlreiche im Schweizer Markenregister einge- tragene Drittmarken über einen Bestandteil "lumi", was gegen des- sen beschreibenden Charakter spreche (Klage N. 92 m.V.a. KB 168 S. 2). Insbesondere die eingetragenen Marken "LumiSheet" und "Luminsaqua" zeigten, dass aufgrund des kennzeichnungskräftigen Bestandteils "lumi" und des kennzeichnungskräftigen Gesamtein- drucks eine Eintragung erfolgt sei. Denn "Sheet" sie das englische Wort für "Blatt" oder "Platte", währenddem der Begriff "aqua" ein- deutig auf Wasser hinweise (Replik N. 401); (5) Sodann handle es sich gemäss der Prüfungshilfe des IGE bei "lumi" um einen unbestimmten Rechtsbegriff für sämtliche Nizzaklassen (KB 172) (Replik N. 402); (6) Die von der Beklagten geltend gemachte Verwässerung der origi- nären Kennzeichnungskraft werde bestritten. Der absolute Grossteil dieser Marken weise den Bestandteil "smart" oder den Namen "Mar- tin" auf. Die wenigen Marken, welche tatsächlich den Bestandteil "mart", ähnlich dem klägerischen Zeichen, enthalten würden, seien in sonstiger Hinsicht komplett unähnlich. Schliesslich seien die auf- geführten Marken grösstenteils nicht in Klasse 11 geschützt (Replik N. 405 f.). Weiter habe die Beklagte einzig den Gebrauch der Marke "Lumilux" glaubhaft gemacht (Replik N. 408); (7) Des Weiteren verwende die Klägerin das Logo . Der Bildbestandteil des Zeichens bestehe aus der Abbildung einer Glüh- birne und ihrem Lichtkegel. Diese Abbildung sei für Leuchten als beschreibend zu qualifizieren und habe daher kaum Einfluss auf die Kennzeichnungskraft des Zeichens. Ein solcher wäre höchstens für das Rechteck und die Farbe Blau zu bejahen. Da der Gesamtein- druck in jedem Fall durch den Wortbestandteil geprägt werde, liege ebenfalls eine durchschnittliche ursprüngliche Kennzeichnungskraft vor (Klage N. 95; Replik N. 412). Folglich werde die Behauptung der Beklagten, die Kennzeichnungskraft des Logos bestehe aufgrund der graphischen Elemente, bestritten (Replik N. 414); (8) Der Logowechsel habe den Marktauftritt der Klägerin unter dem Zei- chen "Lumimart" nicht verändert. Ebenso seien die Logos vom - 29 - Wortbestandteil "Lumimart" geprägt. Schliesslich sähen sich das alte und das neue Logo äusserst ähnlich (Replik N. 410). Beim neuen Logo handle es sich um eine modernisierte Version des alten Logos, welches vom Betrachter auch sofort so wahrgenommen werde. Auch beim neuen Logo würden die graphischen Elemente stark in den Hintergrund treten und der Gesamteindruck werde vom Wortbestandteil geprägt (Replik N. 411). Schliesslich komme dem Domainnamen "lumimart.ch" ebenfalls originäre Kennzeichnungskraft zu, da er nicht beschreibend, sondern originell und einprägsam sei (Klage N. 101; Replik N. 421). 6.4.2.1.2. Beklagte Die Beklagte bestreitet die originäre Kennzeichnungskraft der Zeichen "Lu- mimart" sowie der Logos und aus folgenden Grün- den (Klageantwort N. 176 ff.): (1) Die Eintragung als Marke lasse den Schluss eines unterscheidungs- kräftigen Zeichens nicht zu (Klageantwort N. 177); (2) Weder die Klägerin noch die A.-Gruppe Genossenschaft habe eine Wortmarke "Lumimart" markenrechtlich schützen lassen, was da- rauf hindeute, dass das Zeichen im Zusammenhang mit Beleuch- tungen und Leuchten nicht schutzfähig sein dürfte (Klageantwort N. 187); (3) Insbesondere sei der Begriff "Lumimart" für Waren und Dienstleis- tungen im Zusammenhang mit Beleuchtungen und Leuchten be- schreibend. Er weise keinerlei Originalität auf und sei keineswegs eine Wort-Neuschöpfung (Klageantwort N. 178). Das Zeichen sei aus zwei gemeinfreien Bestandteilen zusammengesetzt und werde in ihrer Kombination als Lichtmarkt, Leuchtmarkt und Lampenge- schäft verstanden. Daher sei das Zeichen beschreibend, da es den Herkunftsort bzw. Handelsort der Waren beschreibe (Klageantwort N. 188); (4) Der Begriff "Lumimart" bestehe aus den beiden Elementen "Lumi" und "mart". Der Bestandteil "Lumi" werde als Hinweis auf Licht oder etwas Leuchtendes verstanden, so insbesondere im Französi- schen, Englischen, Italienischen und Deutschen. Der Begriff sei auf das lateinische Wort "lumen" zurückzuführen. Dieses werde in der heutigen Alltagssprache benützt und habe verschiedene Bedeutun- gen wie die SI-Einheit des Lichtstroms. Dieser Bedeutung weise im breiten Schweizer Publikum eine erhebliche Bekanntheit auf, zumal die Verpackungen von Leuchtmitteln nicht nur die Leistungsstärke in Watt angeben, sondern ebenfalls in Lumen. Sodann sei der Be- griff in Fachkreisen allgemein bekannt (Klageantwort N. 179); Ebenso verwende die Klägerin in dem in KB 131 eingereichten Prospekt auch das Wort "Lumen" (Duplik N. 520). - 30 - (5) Der Begriff "mart" stelle eine ungenügende Mutilation des Begriffs "market" dar, welcher ohne Weiteres zum englischen Grundwort- schatz gehöre. In Übereinstimmung mit der Klägerin sei dies als Hinweis auf Hinweis auf Markt zu verstehen (Klageantwort N. 185). Daher sei der Zeichenbestandteil "mart" dem schweizerischen Durchschnittsabnehmer bekannt und deshalb nicht schutzfähig (Klageantwort N. 186); (6) Soweit die Klägerin auf weitere eingetragene Marken mit den Be- standteilen "Lumi" oder "mart" hinweise, verkenne sie, dass die Markeneintragung grundsätzlich noch nichts über die Kennzeich- nungskraft aussage. Vielmehr sei aus der Vielzahl der geschützten Marken auf eine naheliegende und damit beschreibende Bezeich- nung zu schliessen (Klageantwort N. 189); (7) Eventualiter sei die Verwässerung des Zeichens "Lumimart" durch Drittbenutzung anzuerkennen. Der weit verbreitete Gebrauch der Zeichenbestandteile "Lumi" und "mart" durch Dritte würden zu einer nachträglichen Verwässerung im Zusammenhang mit Beleuchtung und Leuchten führen (Klageantwort N. 77 ff., 190); (8) Das Logo werde von der Klägerin seit September 2018 nicht mehr benützt. Im Zusammenhang mit dem Logo könne sie sich nicht mehr auf die Kennzeichnungskraft des Logos berufen (Klageantwort N. 194). Sodann sei eventualiter davon auszugehen, dass das Logo einzig beschrei- bende graphische Elemente beinhalte (Klageantwort N. 196). Werde subeventualiter von einer Kennzeichnungskraft des Logos ausgegangen, sei diese einzig auf den Bildbestandteil und die graphische Gestaltung zurückzuführen (Klageantwort N. 197 f.); (9) Das neue Logo verfüge sodann über keine Kennzeich- nungskraft. Es handle sich um ein Kästchen in blau/grüner Farbe mit dem Wortbestandteil "Lumimart" in einer banalen Schrift in Kleinbuchstaben und einem gelben Punkt vor dem Wortbestandteil. Solche banalen Gestaltungselemente könnten nicht genügen, um einem beschreibenden Zeichen Unterscheidungskraft zu verleihen. Zudem erinnere der gelbe Punkt an einen Lichtkegel, was ebenfalls beschreibend sei (Klageantwort N. 195). Mit der gleichen Begründung sei sodann dem Domainnamen "lumimart.ch" die originäre Kennzeichnungskraft abzusprechen (Klageantwort N. 205). - 31 - 6.4.2.2. Rechtliches Originalität, Ungewöhnlichkeit oder Eigenart liegt vor, wenn dem Durch- schnittsabnehmer ein Zeichen aufgrund seines Gesamteindrucks als ein- prägsam erscheint bzw. charakteristische und individualisierende Wirkung entfaltet, indem das Zeichen dem Verkehr Hinweise auf die betriebliche Herkunft des Produkts gibt oder auf einen bestimmten Hersteller resp. Marktteilnehmer hinweist.51 Nicht originell sind einfache Zeichen oder beschreibende Angaben. Aller- dings kann deren Kombination selbst wieder fantasievoll bzw. originell und damit aufgrund Kennzeichnungskraft in ihrer Gesamtheit dennoch schutz- fähig sein, bspw. die Kombination eines Schriftzugs mit einer mangels ei- genartiger Gestaltung nicht kennzeichnungskräftigen Grafik.52 Dabei ist, wie bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr (vgl. E. 6.5 hiernach), der Gesamteindruck der zur Diskussion stehenden Zeichen wesentlich.53 Das Herausgreifen einzelner Elemente, d.h. die Zerlegung und isolierte Be- trachtung einzelner Zeichen und Elemente, verbietet sich.54 Dem Gericht steht bei der Beurteilung der originären Kennzeichnungskraft grosses Er- messen zu.55 Dass ein Kennzeichen Gedankenassoziationen weckt oder Anspielungen enthält, die nur entfernt auf Merkmale der Ware hinweisen, ist nicht einem Gemeingutzeichen gleichzusetzen. Der beschreibende Charakter des Zei- chens muss vielmehr ohne besonderen Aufwand an Fantasie zu erkennen sein. Dabei genügt, dass dies in einem Sprachgebiet der Schweiz zutrifft. Dass eine Angabe neuartig, ungewohnt oder fremdsprachig ist, schliesst ihren beschreibenden Charakter nicht aus. Entscheidend ist, ob das Zei- chen nach dem Sprachgebrauch oder den Regeln der Sprachbildung von den beteiligten Verkehrskreisen in der Schweiz als Aussage über be- stimmte Merkmale oder Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung auf- gefasst wird.56 51 Siehe BGE 135 III 446 E. 6.3.1; HOR.2010.20 vom 19. Januar 2015 E. 9.3.2 (sic! 2015, S. 400 ff.); SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 3 lit. d N. 13; BSK UWG-ARPAGAUS, 2013, Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 44 je m.w.N; DIKE UWG-HEINEMANN, 2018, Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 32. 52 BGE 135 III 446 E. 6.3.1; HOR.2010.20 vom 19. Januar 2015 E. 9.3.2 (sic! 2015, S. 400 ff.); SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 3 lit. d N. 19 je m.w.N. 53 Vgl. BGE 135 III 446 E. 6.2 und 6.3.2; BGer 4P.222/2006 vom 21. Dezember 2006 E. 3.4.2; HGer AG HSU.2008.15 vom 3. November 2008 E. 5.2.4 (sic! 2009, S. 419 ff.). 54 BGE 135 III 446 E. 6.2; SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 3 lit. d N. 59; , Der lauterkeitsrechtliche Schutz von Produktausstattungen, 2015, N. 76 je m.w.N. 55 SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 3 lit. d N. 14 m.w.N. 56 Vgl. BGer 4A.1/2005 vom 8. April 2005 E. 2 m.w.N. - 32 - 6.4.2.3. Würdigung Wortzeichen 6.4.2.3.1. Allgemeines Der Marktauftritt der Klägerin besteht im Verkauf von Lampen und Leucht- mitteln von Dritt- oder Eigenmarken. Dabei wird insbesondere das Wortzei- chen "Lumimart" verwendet. Das Wortzeichen "Lumimart" ist lexikalisch nicht erfasst und stellt damit eine Wortneuschöpfung dar. Diese Tatsache schliesst aber nicht aus, dass die massgeblichen Verkehrskreise dem Zeichen eine bestimmte Bedeu- tung zumessen.57 Weist nämlich ein Zeichen als Einheit keinen direkt er- kennbaren Sinngehalt auf, wird der Abnehmer versuchen, sich aus den Be- standteilen des Zeichens einen Sinn zu erschliessen, bevor er von einem reinen Fantasiezeichen ausgeht.58 Während sich bei Verwendung des Lo- gos die von der Beklagten geltend gemachte Aufteilung in die Zeichenbestandteile "Lumi" und "mart" aufgrund der Farbgestaltung auf- drängte, ist dies weder beim Wortzeichen "Lumimart" noch beim neuen Logo derart offensichtlich. Da die massgeblichen Verkehrs- kreise dem Zeichen "Lumimart" mangels lexikalischer Erfassung spontan keinen erkennbaren Sinngehalt zusprechen können, werden diese aber die beiden Bestandteile, selbst wenn sie das Wort "Lumimart" lediglich hören, auseinanderhalten können. In welcher Form die Klägerin bzw. die A.-Gruppe Genossenschaft das Zei- chen "Lumimart" schützen lässt, ist für die Beurteilung der originären Kenn- zeichnungskraft ohne Belang. Der entsprechende Einwand der Beklagten ist daher nicht zu hören. 6.4.2.3.2. Zeichenbestandteil "lumi" Der Bestandteil "lumi" ist lexikalisch nicht erfasst. "lumi" ist jedoch Bestand- teil der folgenden lexikalisch erfassten Begriffe: "luminös", "illuminieren", die "Illumination" (Deutsch); "lumineux", "illuminer", "l'illumination" (Franzö- sisch); "luminoso", "illuminare", "l'illuminazione" (Italienisch); "luminous", "il- luminate", "illumination" (Englisch). Die Begriffe werden mit "leuchtend", "be- bzw. erleuchten" und "Be- bzw. Erleuchtung" übersetzt.59 Sodann wird das Wort "Licht" mit "lumière" (Französisch) respektive "luminoso" (Italie- nisch) übersetzt.60 57 Vgl. BSK MSchG-STÄDELI/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 2 N. 110. 58 Siehe auch BVGer B-6927/2015 vom 8. Dezember 2016 E. 6.3 m.w.N. 59 Siehe <https://de.langenscheidt.com/englisch-deutsch/>, <https://de.langenscheidt.com/franzoe- sisch-deutsch/>, <https://de.langenscheidt.com/deutsch-italienisch/> und <http://www..de/rechtschreibung/Bedeutungswoerterbuch>, alle zuletzt abgerufen am 31. März 2020. 60 Siehe <https://de.langenscheidt.com/deutsch-italienisch/> und <https://de.langenscheidt.com/-deutsch/>, alle zuletzt abgerufen am 31. März 2020. - 33 - Im Übrigen weist der Zeichenbestandteil "lumi" eine Ähnlichkeit zum latei- nischen Wort "Lumen" auf. Zwar ist davon auszugehen, dass ein nicht un- bedeutender Teil der Durchschnittskonsumenten keine Lateinkenntnisse aufweisen.61 Jedoch gilt es als gerichtsnotorisch i.S.v. Art. 151 ZPO, dass die Lichtmenge einer Glühlampe in Watt, diejenige von modernen und im Handel erhältlichen Leuchtmittel in "Lumen" gemessen wird (vgl. auch KB 131). Da sich die meisten Abnehmer von Leuchten im Hinblick auf die vorgesehene Verwendung mit deren Lichtstärke resp. Helligkeit auseinan- dersetzen dürften und diese in "Lumen" resp. der Abkürzung "lm" angege- ben wird, ist davon auszugehen, dass der Durchschnittsabnehmer den Be- griff "Lumen" kennt und sofort eine Assoziation mit Licht resp. Helligkeit herstellt. Das Bundesverwaltungsgericht ist sodann der Ansicht, das englische Wort "luminous" werde vom durchschnittlichen Abnehmer auch deshalb i.S.v. "leuchtend, klar, lichtvoll, brillant" verstanden, weil eine offensichtliche Ver- wandtschaft mit dem französischen "lumineux" und dem italienischen "lu- minoso" bestehe.62 Wohl abweichender Ansicht ist das IGE, das den Zei- chenbestandteil "lumi" in sämtlichen Nizzaklassen als unbestimmten Rechtsbegriff betrachtet, dem keine unmittelbare Bedeutung zukomme (vgl. KB 172). Auch wenn der Zeichenbestandteil "lumi" als solcher nicht lexikalisch er- fasst ist, kann mit Blick auf dessen Sinngehalt nicht einzig auf diesen (iso- lierten) Wortteil abgestellt werden. Der Wortteil "lumi" bildet gerade wesent- licher Wortstamm von lexikalisch erfassten Begriffen, welche insbesondere auf etwas (Be-)Leuchtendes resp. Licht hinweisen. Zwar sind die deut- schen Begriffe "luminös", "illuminieren" oder die "Illumination" dem erwei- terten Wortschatz zuzuordnen und es ist daher von einer geringen Verbrei- tung in der Alltagssprache auszugehen. Jedoch sind die Begriffe "lumi- neux" resp. "lumière" und "luminoso" resp. "luminoso" in der französischen resp. italienischen Sprache geläufiger. Wie gezeigt besteht sodann eine Ähnlichkeit zum Wort "Lumen", welches den Durchschnittskonsumenten mit Bezug auf Leuchten und Leuchtmittel geläufig ist, da es als Hinweis auf die Lichtmenge resp. Helligkeit einer Leuchte resp. des darin verbauten Leuchtmittels verstanden wird. Daher ist davon auszugehen, dass der Zei- chenbestandteil "lumi" von den Durchschnittsabnehmern als Hinweis auf etwas (Be-)Leuchtendes verstanden wird. Auch wenn dieser Hinweis im Vergleich zum Zeichenbestandteil "mart" nicht gleichermassen auf der Hand liegt, erfordert die Assoziation zu etwas (Be-)Leuchtendem einen ge- ringen und damit keinen übermässigen Gedankenaufwand. 61 Vgl. auch BGE 129 III 225 E. 5.1; 120 II 144 E 3b.bb; BGer 4A_528/2013 vom 21. März 2014 E. 5.1 (nicht publiziert in BGE 140 III 109); BVGer B-2791/2016 vom 16. April 2018 E. 5.5.1; /2014 vom 4. April 2017 E. 4.3. 62 BVGer B-3541/2011 vom 17. Februar 2012 E. 5. - 34 - 6.4.2.3.3. Zeichenbestandteil "mart" Der Zeichenbestandteil "mart" ist im Englischen lexikalisch erfasst und wird mit "Markt" übersetzt.63 Gebräuchlicher dürften aber die Worte "market" o- der "outlet" sein.64 Mit Bezug auf die deutschsprachigen Konsumenten ist davon auszugehen, dass sie den Zeichenbestandteil "mart" spontan in die- sem Sinne verstehen, weil er grosse Ähnlichkeiten mit dem entsprechen- den Begriff im Schrift- ("Markt") wie auch im Schweizerdeutschen ("Märt") aufweist. Die französische und die italienische Entsprechung ("marché" bzw. "mercato")65 weisen hingegen weniger Ähnlichkeit auf. Trotzdem ist davon auszugehen, dass das französisch- und italienischsprachige Publi- kum den Zeichenbestandteil "mart" entsprechend versteht. Denn das ähn- lich klingende englische Synonym "market" ist zum Grundwortschatz des Englischen zu zählen66 und deshalb auch einem erheblichen Teil der itali- enisch- und französischsprachigen Konsumenten bekannt, sodass diese ohne erheblichen Gedankenaufwand die Analogie bilden können. 6.4.2.3.4. Massgebender Gesamteindruck Das Wortzeichen "Lumimart" weist eine gewisse Originalität auf, zumal es einen lexikalisch nicht erfassten Wortteil mit einem fremdsprachigen lexi- kalisch erfassten Wortteil zu einer Wortneuschöpfung zusammenfügt, wel- che ebenfalls nicht lexikalisch erfasst ist. Zudem ist dem Wortzeichen eine gewisse Einprägsamkeit zuzuerkennen, da es von den lexikalisch erfass- ten und bekannten Wörtern in sämtlichen Landessprachen abweicht und über einen nachwirkenden Wortklang verfügt. Wie zuvor aufgezeigt, enthält das klägerische Zeichen demgegenüber eine starke Assoziation zu den angebotenen Waren und Dienstleistungen. Ent- sprechend lässt sich bei Wahrnehmung des Wortzeichens "Lumimart" un- ter Berücksichtigung der kombinierten Sinngehalte der beiden Zeichenbe- standteile "lumi" und "mart" ein Bezug zu einem Beleuchtungs- oder Lich- termarkt herstellen. Diese Assoziation liegt zwar für den deutschsprachigen Durchschnittsabnehmer nicht sofort auf der Hand, zumal die Wahrneh- mung des Sinngehalts eine gewisse Fremdsprachenaffinität erfordert. Demgegenüber ist davon auszugehen, dass italienisch- und französisch- sprachige Durchschnittsabnehmer den Sinngehalt von "Lumimart" ohne Weiteres erkennen. Insbesondere weckt "Lumimart" nicht einzig Gedan- kenassoziationen, welche nur entfernt auf die angebotene Ware hinweisen. Vielmehr hat der Durchschnittsabnehmer nur einen minimalen Gedanken- aufwand zu tätigen, um den Sinngehalt zu eruieren. Der Sinngehalt Be- leuchtungs- oder Lichtermarkt ist beschreibend für den klägerischen Markt- 63 Siehe <https://de.langenscheidt.com/englisch-deutsch/>, zuletzt abgerufen am 31. März 2020. 64 Siehe <https://de.langenscheidt.com/englisch-deutsch/>, zuletzt abgerufen am 31. März 2020. 65 Siehe <https://de.langenscheidt.com/franzoesisch-deutsch/> <https://de.langen- scheidt.com/deutsch-italienisch/>, je zuletzt abgerufen am 31. März 2020. 66 Siehe <https://de.langenscheidt.com/deutsch-englisch/>, zuletzt abgerufen am 31. März 2020. - 35 - auftritt, da die Durchschnittsabnehmer aus dem Sinngehalt auf den Han- delsort der angebotenen Waren und Dienstleistungen schliessen können.67 Die zuvor festgestellte Neuartigkeit und Fremdsprachigkeit steht schliess- lich dem beschreibenden Charakter des klägerischen Wortzeichens nicht entgegen.68 Soweit die Klägerin auf die Prüfungshilfe des IGE zum Wortteil "lumi" (KB 172) verweist, verfängt der Einwand nicht. Denn die Sichtweise des IGE ist für den Zivilrichter nicht bindend.69 Wie zuvor festgestellt, verstehen die massgeblichen Verkehrskreise nach Auffassung des Gerichts den Zei- chenbestandteil "lumi" als Hinweis auf etwas (Be-)Leuchtendes, womit nicht mit Bezug auf sämtliche unter die Nizza Klassifizierung fallenden Wa- ren von einem unbestimmten Rechtsbegriff ausgegangen werden kann. Zusammengefasst verfügt das Wortzeichen "Lumimart" wegen seines be- schreibenden Charakters über keine originäre Kennzeichnungskraft. 6.4.2.4. Würdigung Logo Das Logo besteht aus dem Wortelement "Lumimart" sowie fi- gurativen Elementen (typographische Gestaltung, farbliche Ausgestaltung sowie Glühbirne mit Lichtkegel). Im verschwommenen Erinnerungsbild des Abnehmers stehen das Wortelement sowie das figurative Element der Glühbirne mit Lichtkegel im Vordergrund. Daher lässt sich nicht sagen, der Zeichenbestandteil dominiere so stark, dass den figurativen Elementen gar keine Bedeutung mehr zukäme. Allein die farbliche Ausgestaltung des Wor- tes "Lumimart" sowie die Hinterlegung eines blauen Parallelogramms stel- len jedoch keine prägenden Zeichenelemente dar. Hinzu kommt aber das weitere figurative Element einer Glühbirne mit gelbem Lichtkegel, welches das Erinnerungsbild des Durchschnittskonsumenten zu beeinflussen ver- mag. Dieses erweist sich in Bezug auf den klägerischen Marktauftritt (Fach- markt für Beleuchtungsgegenstände) wie das Wortzeichen als beschrei- bend. Die Abnehmer können daraus ohne besonderen Gedankenaufwand auf die von der Klägerin unter dem Zeichen "Lumimart" vertriebenen Pro- dukte schliessen.70 Gleiches würde gelten, sofern der Beklagten gefolgt wird und diesbezüglich eine stilisierte Abbildung einer Leuchte im Quer- schnitt angenommen würde (Duplik N. 548). Durch die Kombination der beiden beschreibenden Elemente (Wortbe- standteil sowie figuratives Element der Glühbirne mit Lichtkegel) erlangt 67 Vgl. SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 3 lit. d N. 17; BGer 4A_618/2016 vom 20. Januar 2017 E. 5.2; BVGer B-4710/2014 vom 15. März 2016 E. 4.5. 68 BGer 4A.1/2005 vom 8. April 2005 E. 2. 69 Bei der Prüfungshilfe handelt es sich um eine Verwaltungsverordnung, vgl. BVGer B-5294/2016 vom 31. Oktober 2018 E. 6.1.2. 70 Vgl. SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 3 lit. d N. 17; BGer 4A_618/2016 vom 20. Januar 2017 E. 5.2; BVGer B-4710/2014 vom 15. März 2016 E. 4.5. - 36 - das klägerische Logo eine schwache originäre Kennzeich- nungskraft. 6.4.2.5. Würdigung Logo Das Logo besteht aus dem Wortelement "lumimart" sowie figu- rativen Elementen (typographische Gestaltung, farbliche Ausgestaltung so- wie einem gelben Punkt). Das neue Logo ist im Vergleich zum alten Logo als schlicht zu bewerten, da keine figurativen Elemente in den Vordergrund treten. Im verschwommenen Erinnerungsbild des Abnehmers steht das Wortelement klar im Vordergrund. Zwar wurden die Grundfarben (Blau, Gelb und Weiss) beibehalten. Nicht mehr enthalten sind aber die farbliche Gestaltung des Wortelements, die Grundform eines schrägen Parallelo- gramms sowie die Glühbirne mit Lichtkegel. Die nun verwendete Schriftart des Wortelements sowie dessen Hinterlegung durch ein blaues Rechteck stellen keine prägenden Zeichenelemente dar. Aufgrund der schlichen Aus- gestaltung des Logos dürfte demgegenüber der vorgestellte kreisförmige gelbe Punkt im verschwommenen Erinnerungsbild des Konsumenten haf- ten bleiben. Ob der gelben Kreisfläche die Bedeutung einer stilisierten Glühbirne oder eines Lichtkegels zugestanden wird (Replik N. 317; Kla- geantwort N. 195), ist zur Bestimmung der originären Kennzeichnungskraft ohne Belang, da sich beide Interpretationen als beschreibend erweisen. Die Abnehmer können daraus ohne besonderen Gedankenaufwand auf die von der Klägerin unter dem Zeichen "Lumimart" vertriebenen Produkte schliessen. Im Ergebnis erlangt das Logo infolge der Kombina- tion der dargestellten beschreibenden Elemente eine schwache originäre Kennzeichnungskraft. 6.4.2.6. Würdigung Domainname "lumimart.ch" Der Domainname "lumimart.ch" besteht aus der Top-Level-Domain ".ch" sowie der Second-Level-Domain "lumimart". Weil Internetbenutzer aus Er- fahrung wissen, dass Domainnamen die Sub-Domain "www" sowie eine gängige (z.B. länderspezifische) Top-Level-Domain (".ch", ".com", ".de" etc.) aufweisen, beurteilt sich die Kennzeichnungskraft von Domainnamen hauptsächlich nach der Second-Level-Domain.71 Da Letztere mit dem Wortzeichen "Lumimart" übereinstimmt, kann auf die diesbezüglichen Aus- führungen verwiesen werden. Auch der Domainname "lumimart.ch" ist nicht originär kennzeichnungskräftig. 71 Vgl. BSK UWG-ARPAGAUS (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 182, 187; BURI, SIWR III/2, 2. Aufl. 2005, S. 358. - 37 - 6.4.2.7. Zwischenfazit originäre Kennzeichnungskraft Das Logo sowie das Logo verfügen über eine schwache originäre Kennzeichnungskraft. Demgegenüber sind das Wort- zeichen "Lumimart" sowie der Domainname "lumimart.ch" nicht originär kennzeichnungskräftig. 6.4.3. Derivative Kennzeichnungskraft Zu prüfen ist nachfolgend, ob die Zeichen über eine derivative Kennzeich- nungskraft verfügen. Sollte dies zutreffen, folgte daraus einerseits der lau- terkeitsrechtliche Schutz des Wortzeichens "Lumimart" und des Domaina- mens "lumimart.ch". Andererseits würde der originär enge Schutzbereich der Logos und ausgedehnt. 6.4.3.1. Parteibehauptungen 6.4.3.1.1. Klägerin Nach klägerischer Darstellung verfügt das Wortzeichen "Lumimart" über derivative Kennzeichnungskraft (Klage N. 96). Zur Begründung führt die Klägerin insbesondere das Folgende aus: (1) Die Studie der J. AG habe für die Bezeichnung "Lumimart" in der Deutschschweiz eine Bekanntheit von 80 % ergeben (Klage N. 98). Den Befragten seien einzig Wortzeichen gezeigt worden, womit sich anhand der Studie sehr wohl etwas zur Bekanntheit des Wortzei- chens "Lumimart" ableiten lasse (Replik N. 419). Es werde bestrit- ten, dass aus der Studie keine Bekanntheit für die angebotenen Wa- ren abgeleitet werden könne. Ohnehin sei dies lauterkeitsrechtlich irrelevant, da der Marktauftritt der Klägerin als Ganzes massgebend sei (Replik N. 420); (2) Die jahrelange Verwendung der Zeichen "Lumimart" und als Bezeichnung für Standorte der Beleuchtungsge- schäfte, für eine Geschäftssparte der Klägerin, auf der Website der Klägerin, im Rahmen der intensiv betriebenen Werbung in Katalo- gen, Prospekten und im Internet sowie nicht zuletzt durch die Ver- wendung der eingetragenen Marke begründe die derivative Kenn- zeichnungskraft. Insbesondere habe die Klägerin eine seit 1998 an- dauernde und intensive Werbung unter Verwendung der klägeri- schen Zeichen nachgewiesen (Klage N. 99 i.V.m. N. 25). Daher würden die massgeblichen Verkehrskreise diese Zeichen als Hin- weis auf den Betreiber der Fachmärkte für Lampen und Leuchten und damit auf die Geschäftssparte "Lumimart" ansehen. Es spiele dabei keine Rolle, welche juristische Person dieses Geschäft tat- sächlich betreibe (Replik N. 417). 6.4.3.1.2. Beklagte Die Beklagte bestreitet die derivative Kennzeichnungskraft insbesondere mit folgenden Argumenten: - 38 - (1) Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass sie die Zeichen "Lu- mimart" und jahrelang intensiv benützt habe (Klageant- wort N. 201); (2) Der Hinweis auf das Resultat der demoskopischen Umfrage (KB 151) gehe fehl, da sich die Studie einzig auf die Bekanntheit der Ladengeschäfte der Klägerin beziehe, nicht aber auf die Waren, für die das von der Klägerin geltend gemachte Zeichen an- geblich benützt werde. Sodann sei nur das alte Logo bei der Um- frage verwendet worden (Klageantwort N. 202). 6.4.3.2. Rechtliches Nicht originär kennzeichnungskräftige Zeichen können die Kennzeich- nungskraft durch Verkehrsdurchsetzung erlangen. Letztere liegt vor, wenn ein erheblicher Teil der massgeblichen Verkehrskreise das Kennzeichen als Hinweis auf die Herkunft eines nicht notwendigerweise namentlichen bekannten Unternehmens versteht. Der dazu notwendige Bekanntheits- grad beträgt zwei Drittel, wobei teilweise bereits Werte ab 50 % als ausrei- chend erachten werden.72 Der Nachweis der Verkehrsdurchsetzung kann durch Indizien, z.B. Gebrauchsbelege und Privatgutachten oder demosko- pische Gutachten erbracht werden. Eine lokale oder regionale Verkehrs- durchsetzung ist ausreichend, wobei sich diesfalls der lauterkeitsrechtliche Schutz auf das betreffende Territorium beschränkt.73 Übernimmt ein Zeichen absolut freihaltebedürftige Zeichen wie banalste Elemente und Ausdrücke des allgemeinen Sprachgebrauchs, auf deren Verwendung die Mitkonkurrenten mangels Alternativen zwingend angewie- sen sind, ist eine Verkehrsdurchsetzung ausgeschlossen.74 6.4.3.3. Prüfungsaufbau Die Verkehrsdurchsetzung eines Zeichens ist eine Rechtsfrage.75 Ob die dieser zugrunde liegenden Tatsachen, die tatsächlichen Voraussetzungen der Durchsetzung, gegeben sind, ist eine Tatfrage. Tatsachen sind von der Partei, die sich darauf beruft, zu beweisen (Art. 8 ZGB).76 72 So insb. DIKE UWG-HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 24, 35; WYSS, Die Verkehrsdurch- setzung im schweizerischen Markenrecht, 2013, S. 89 ff.; HGer AG, sic! 2015 S. 401 E. 9.4.6.6. 73 Vgl. zur derivativen Kennzeichnungskraft: DIKE UWG-HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 34 ff.; SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 3 lit. d N. 15; BSK UWG- (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 46. 74 SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 3 lit. d N. 15 m.w.N.; BSK UWG-ARPAGAUS (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 53 m.w.N. 75 BGer 4A_371/2010 vom 29. Oktober 2010 E. 5.2.3; BGE 130 III 328 E. 3; 126 III 315 E. 4b; vgl. auch BGer 4A_370/2008 vom 1. Dezember 2008 E. 6.1. 76 BGE 130 III 478 E. 3.3; WYSS (Fn. 72), S. 176. - 39 - Das von der Klägerin verwendete Zeichen, die beiden Logos sowie der Do- mainname sind nicht unter den Begriff der absolut freihaltebedürftigen Zei- chen zu subsumieren. Folglich ist eine derivative Kennzeichnungskraft der erwähnten Zeichen grundsätzlich möglich. Als Nachweis der Verkehrsdurchsetzung offeriert die Klägerin sowohl die Ergebnisse einer Marktbefragung als auch die über die Jahre getätigten Werbeanstrengungen in Bezug auf das Zeichen "Lumimart", die Logos und sowie den Domainnamen "lumimart.ch". Folg- lich ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob sich die derivative Kennzeich- nungskraft aufgrund der eingereichten Marktbefragung nachweisen lässt. Ist dies zu verneinen, sind in einem zweiten Schritt die weiteren Argumente der Klägerin zu würdigen. 6.4.3.4. Würdigung Marktbefragung 6.4.3.4.1. Beweiswert von demoskopischen Umfragen Bei der von der Klägerin eingereichten Marktbefragung (KB 151) sowie der damit zusammenhängenden Sekundärauswertung (KB 152) handelt es sich um Privatgutachten. Diese sind als blosse Bestandteile der Parteivor- bringen anzusehen.77 Jedoch sind Parteibehauptungen, denen ein Privat- gutachten zugrunde liegt, meistens besonders substantiiert. Entsprechend genügt eine pauschale Bestreitung nicht; die Gegenpartei ist vielmehr ge- halten zu substantiieren, welche einzelnen Tatsachen sie konkret bestrei- tet.78 Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Privatgutachten zu- sammen mit durch weitere Beweismittel nachgewiesenen Indizien den Be- weis einer Tatsache zu erbringen vermag.79 Ob die vom Handelsgericht im Keytrader/Keytrade Fall aufgestellte Recht- sprechung auch nach BGE 141 III 433 Bestand hat, kann vorliegend offen bleiben.80 Wie nachfolgend dargelegt wird, ist nicht bereits aufgrund der Marktbefragung (KB 151) sowie der Sekundärauswertung (KB 152) eine Verkehrsdurchsetzung der "Lumimart" Zeichen anzunehmen. 6.4.3.4.2. Anforderungen an eine demoskopische Umfrage Für den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung wird in der Literatur ein de- moskopisches Testfragemodell mit dreistufigem Aufbau empfohlen. Diese Testfragen ermitteln zunächst die reine Bekanntheit des Zeichens in Ab- hängigkeit von den Waren oder Dienstleistungen ("Bekanntheitsgrad"). An- 77 MÜLLER, in: Brunner/Gasser/Schwander (Hrsg.), Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2016, Art. 183 N. 28; vgl. auch BGE 141 III 433 E. 2.5.2 f. und E. 2.6 je m.w.N. 78 BGE 141 III 433 E. 2.6. 79 Siehe HARTMANN, Arztzeugnisse und medizinische Gutachten im Zivilprozess, AJP 2018, S. 1348 ff. 80 HGer AG, sic! 2015, S. 400, E. 9.4.4; für eine Weitergeltung der Rechtsprechung insb. SHK MSchG-KAISER/RÜETSCHI, 2. Aufl. 2017, Beweisrecht, N. 59. - 40 - schliessend wird die Wahrnehmung als Herstellerhinweis erfragt ("Kenn- zeichnungsgrad"), indem der Befragte angeben muss, ob das Zeichen sei- ner Meinung nach nur aus einem oder aus mehreren Unternehmen stammt. Schliesslich soll noch eine konkrete, namentliche Zuordnung zu einem Un- ternehmen glaubhaft gemacht werden ("Zuordnungsfrage").81 Die Beweiskraft einer Umfrage, also die Übereinstimmung des Ergebnisses der Studie mit den tatsächlichen Gegebenheiten im Verkehr, hängt in erster Linie von der Fragestellung ab.82 Bei der Erstellung der Testfragen ist zu beachten, dass dem Befragten nicht aufgrund der Fragestellung eine be- stimmte Antwort nahe gelegt wird (keine Suggestivfragen). Antworten auf solche Fragen bilden nicht das tatsächliche Meinungsbild der Befragten ab.83 Die Art der Frageformulierung setzt in jedem Falle Perspektiven, unter denen der Befragte antwortet; deshalb muss weitestgehende Neutralität in der Formulierung gewährleistet sein.84 6.4.3.4.3. Würdigung der klägerischen Marktbefragung Die von der Klägerin eingereichte Marktbefragung (KB 151) sowie die damit zusammenhängende Sekundärauswertung (KB 152) vermögen die an eine demoskopische Umfrage gestellten materiellen Anforderungen nicht zu er- füllen. Die eingereichte Marktbefragung dient dem Nachweis der Bekannt- heit des Zeichens "Lumimart", was nicht mit dessen Verkehrsdurchsetzung zu verwechseln ist (vgl. auch KB 151 S. 3, wo von Image- und Kundenzu- friedenheitsstudie die Rede ist).85 Der Marktbefragung mangelt es insbe- sondere an einem tauglichen Fragenkatalog. Der Fragenkatalog der Marktbefragung umfasst insgesamt fünf Fragen (KB 152 S. 5 f.). Zwei Fragen zielen auf das Einkaufsverhalten der Teilneh- mer ab (Frage "F2a" und "F2b"), eine auf die Sympathie der aufgelisteten Anbieter (Frage "F3"). Die drei Fragen sind daher zur Beurteilung der lau- terkeitsrechtlichen Verkehrsdurchsetzung von vornherein ohne Belang. Die verbleibenden Fragen lauten wie folgt (KB 152 S. 13): 81 Zum Ganzen siehe WYSS (Fn. 72), S. 206 ff.; SHK MSchG-KAISER/RÜETSCHI (Fn. 80), Beweisrecht N. 50 ff.; HGer AG, sic! 2015, S. 400, E. 9.4.4. Vorliegend erübrigt sich die Verkehrskreisfrage, da das allgemeine Publikum den massgeblichen Verkehrskreis bildet. 82 MARBACH, SIWR III/1, 2. Aufl. 2009, N. 463. 83 NIEDERMANN/SCHNEIDER Der Beitrag der Demoskopie zur Entscheidfindung im Schweizerischen Markenrecht, sic! 2002, S. 822. 84 NIEDERMANN/SCHNEIDER (Fn. 83), S. 831. 85 Siehe zu den unterschiedlichen Fragemodellen betreffend Verkehrsdurchsetzung und Bekanntheit: SHK MSchG-KAISER/RÜETSCHI (Fn. 80), Beweisrecht N. 59; vgl. auch WYSS (Fn. 72), S. 35. - 41 - F1a "Welche Geschäfte, die Lampen bzw. Beleuchtungen anbieten kennen Sie, wenn auch nur dem Namen nach" F1c "Sie sehen nun eine Liste mit Geschäften, die Lampen bzw. anbieten. Bitte kreuzen Sie alle Geschäfte an, welche Sie kennen, wenn auch nur dem Namen nach. Bitte kreuzen Sie auch diejenigen an, welche Sie vorher bereits genannt haben" Anschliessend an die Frage folgt eine Liste von 15 Geschäftsnamen. Keine der gestellten Fragen fragt, ob dem Wortzeichen "Lumimart" ein Her- stellerhinweis zukommt oder es demgegenüber als reine Sachangabe wahrgenommen wird. Die Kennzeichnungsfrage stellt aber gerade den Kern der demoskopischen Umfrage dar.86 Folglich vermag die Klägerin mit der von ihr eingereichten Marktbefragung alleine nicht den direkten Nach- weis des der lauterkeitsrechtlichen Verkehrsdurchsetzung zugrundeliegen- den Sachverhalts zu erbringen. Daher ist nachfolgend zu prüfen, ob durch weitere Belege (insbesondere solche, die den intensiven Gebrauch des Zeichens nachweisen) auf eine derivative Kennzeichnungskraft zu schlies- sen ist.87 6.4.3.5. Würdigung weiterer Umstände 6.4.3.5.1. Verwendung als Geschäftsbezeichnung a. Jahre 1992 und 1998 Die Klägerin führt aus, das Zeichen "Lumimart" werde seit 1992 als Ge- schäftsbezeichnung für Fachmärkte in der ganzen Schweiz verwendet (Klage N. 17, 99). Im Jahr 1992 seien die Standorte Spreitenbach, Düben- dorf, Ittigen, Kriens, Pratteln, Romanel und St. Gallen eröffnet worden (Replik N. 62). Die Eröffnung der erwähnten Filialen (bestritten in Klageant- wort N. 30; Duplik N. 105) ist durch den in KAB 22/1 S. 1 enthaltenen Aus- druck der klägerischen Website nachgewiesen.88 Dabei handelt es sich ent- gegen den Einwendungen der Beklagten (Duplik N. 105) nicht um eine Par- teibehauptung, zumal der massgebende Webseiteninhalt nicht mit Blick auf die vorliegende Streitigkeit erstellt wurde. Folglich vermag es der Klägerin nicht zum Nachteil zu gereichen, dass sie eine Behauptung der genauen Eröffnungstermine der entsprechenden Filialen unterlässt. Neben der Eröffnung der Filialen bestreitet die Beklagte ebenfalls einen Marktauftritt unter den Zeichen "Lumimart" oder im Jahr 1992 (Klageantwort N. 38; Duplik N. 136). Eine entsprechende Benutzung ergibt 86 Siehe WYSS (Fn. 72), S. 209; SHK MSchG-KAISER/RÜETSCHI (Fn. 80), Beweisrecht N. 53. 87 Zur Subsidiarität siehe WYSS (Fn. 72), S. 181 m.w.N. 88 Der Ausdruck einer Website stellt eine Urkunde i.S.v. Art. 177 ZPO dar, vgl. VETTER/PEYER, Be- kannte Tatsachen – unter besonderer Berücksichtigung des Internets, in: Gschwend et al. (Hrsg), Festgabe Schweizerischer Juristentag 2015, S. 772. - 42 - sich entgegen der Klägerin weder aus KB 13 (Klage N. 17, 99), KB 23 (Klage N. 22) noch aus KAB 22/1 (Replik N. 62). Ebenso vermag die Mar- kenanmeldung im Jahr 1996 (Replik N. 80; KB 18) den Nachweis der Be- nützung des Logos für die erwähnten Filialen nicht zu erbrin- gen. Denn die Markeneintragung ist nicht mit dem Gebrauch des eingetra- genen Zeichens gleichzusetzen.89 Folglich hat die Klägerin die behauptete Verwendung der Zeichen Lumimart" oder im Jahr 1992 als Ge- schäftsbezeichnung nicht nachgewiesen. Jedoch ergibt sich aus KAB 22/1 S. 1 ein einheitlicher Marktauftritt der dannzumal betriebenen Filialen mit dem Zeichen "Lumimart" ab dem Jahr 1998. b. Aktuell Die Klägerin führt aus, sie führe aktuell 34 Fachmärkte unter der Bezeich- nung "Lumimart" sowie dem Logo (Replik N. 71 f.). Bei den in KB 21 mit "Lumi" gekennzeichneten Standorten handle es sich um allein- stehende Fachmärkte, währendem die mit "TT" gekennzeichneten Stand- orte Filialen in einem E. Markt bilden würden (Replik N. 73). Die Beklagte bestreitet den geltend gemachten Filialbestand und führt aus, bei den kom- binierten Filialen E./Lumimart dominiere das Zeichen E.. Anhand von KB 21 hat die Klägerin nachgewiesen, dass sie am 5. Februar 2018 unter den Zeichen "Lumimart" und zumindest 32 Filialen in Betrieb waren. Sodann ist unstrittig, dass der Marktauftritt der Klägerin für die Lumimart Geschäftssparte seit September 2018 nicht mehr unter dem Logo , sondern dem Logo erfolgt. Mangels ge- genteiliger Behauptungen ist für das Gericht erstellt, dass die Klägerin auch im Urteilszeitpunkt Fachmärkte für Leuchten, Leuchtmittel und Beleuch- tungszubehör betreibt. Der entsprechende Marktauftritt erfolgt unter dem Zeichen "Lumimart" resp. und enthält sowohl eigenständige Fi- lialen als auch in E. Filialen integrierte Standorte. Diese Unterscheidung sowie die genaue Anzahl der betriebenen Fachmärkte ist für die Beurtei- lung der derivativen Kennzeichnungskraft nicht ausschlaggebend. Mass- gebend ist einzig, dass die Klägerin nachgewiesen hat, dass sie das Zei- chen "Lumimart" seit 1998 durchgehend als Geschäftsbezeichnung für Leuchtenfachmärkte in der Schweiz benützt und per Februar 2018 einen Filialbestand von 32 Filialen aufgewiesen hat. Ob es sich bei den Geschäftsbetrieben der Klägerin um Fachgeschäfte o- der Fachmärkte handelt, ist nicht von Belang. Einerseits sind die beiden 89 Vgl. auch BRAUCHBAR, Die Verwirkung im Kennzeichenrecht; unter Berücksichtigung der Regelung in der Europäischen Union, 2001, S. 92; BSK MSchG-FRICK (Fn. 5), Vor Art. 51a-60 N. 66; (Fn. 82), N. 1583. - 43 - Begriffe nicht exakt und die darunter zu subsumierenden Vertriebsformen lassen sich auch nicht klar voneinander trennen, was der bemühte Abgren- zungsversuch der Beklagten deutlich zeigt (Duplik N. 93). Andererseits ist alleine die unstrittige Tatsache massgebend, dass die Klägerin unter den prozessgegenständlichen Zeichen im Fachhandel für Lampen und Leucht- mittel auftritt. c. Zwischenfazit Die Verwendung als Geschäftsbezeichnung von Fachmärkten für Lampen bzw. Leuchten und Leuchtmittel seit rund 20 Jahren, der Betrieb von über 30 Filialen sowie der Umstand, dass es sich bei "Lumimart" um die einzige Kette für Leuchtenfachmärkte handelt (vgl. Replik N. 52; Duplik N. 95 f.), stellen insgesamt ein starkes Indiz für die Verkehrsdurchsetzung des Zei- chens "Lumimart" dar. 6.4.3.5.2. Verwendung als Domainname Die Klägerin behauptet weiter, sie habe im Jahr 1997 den Domainnamen "lumimart.ch" registriert (KB 22). Seit dem Jahr 2000 existiere sodann die Website lumimart.ch (KB 24). Weiter würden die eingereichten Werbeun- terlagen ab Juli des Jahres 2000 (KB 37) auf die Website verweisen (Klage N. 24, 102). Die Beklagte bestreitet eine Benützung seit dem Jahr 1997, zumal die Klägerin auf ihrer Website selbst ausführe, die Website lumim- art.ch sei im Jahr 2001 lanciert worden (Klageantwort N. 40). Die Registrierung einer Domain ist nicht der nach Aussen wirksamen Nut- zung dieser Domain gleichzustellen. Notwendig ist vielmehr, dass die Do- main für Internetbenützer erreichbar ist, was auch einen unter der eingege- benen Domain aufrufbaren Inhalt erfordert.90 Daher kann die Klägerin aus KB 22 keine Rechte ableiten. Dagegen ist aufgrund KB 24 S. 4 nachgewie- sen, dass die Domain "lumimart.ch" am 9. November 2000 erreichbar war und somit das Zeichen "Lumimart" als Domainname verwendet wurde. Diese Erkenntnis wird durch KAB 22/1 S. 1, wonach die Lancierung des Internetsauftritts mit einfachem Online-Shop im Jahr 2001 erfolgt sei, nicht umgestossen. Die in KAB 22/1 aufgeführte Geschichte von Lumimart gibt im Gegensetz zu KB 24 nicht den in den Jahren 2000 resp. 2001 abrufba- ren Inhalt der Domain "lumimart.ch" wieder. Daher ist trotz den von der Be- klagten aufgezeigten Ungereimtheiten in Bezug auf die erstmalige Verwen- dung des Domainnamens "lumimart.ch" nicht auf KAB 22/1 abzustellen. Hingegen ist nicht nachgewiesen, dass in den eingereichten Prospekten (KB 37 - 148) jeweils seit Juli 2000 auf die Domain "lumimart.ch" hingewie- 90 Vgl. auch SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 62; BURI, Ver- wechselbarkeit (Fn. 48), S. 142; JOLLER, in: Bettinger (Hrsg.), Handbuch des Domainrechts, 2. Aufl. 2017, N. CH 88, 163, 185; a.A. DIKE UWG-HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 141. - 44 - sen wurde. Die entsprechende Behauptung wird von der Beklagten bestrit- ten (Klageantwort N. 40), womit der Klägerin die Substantiierung ihrer Be- hauptung obliegt. Diesbezüglich führt die Klägerin einzig aus, es werde in den genannten Beilagen jeweils mindestens einmal auf den Domainnamen "lumimart.ch" verwiesen (Replik N. 423). Die Beklagte rügt den entspre- chenden Tatsachenvortrag zu Recht als unsubstantiiert, zumal es die Klä- gerin unterlässt, für die jeweiligen Beilagen den genauen Ort des Verwei- ses zu behaupten. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, über 100 mehrseitige Prospekte nach dem Hinweis über den Domainnamen zu durchsuchen.91 Als Zwischenfazit ist insgesamt festzuhalten, dass die Abrufbarkeit der Do- main "lumimart.ch" seit November 2000 und damit seit rund 20 Jahren nachgewiesen ist. 6.4.3.5.3. Werbung seit 1998 Neben der Verwendung der klägerischen Zeichen als Geschäftsbezeich- nung und Domainname macht die Klägerin geltend, die klägerischen Zei- chen hätten aufgrund ihrer Bekanntheit sowie der jahrelangen intensiven Verwendung und Werbeanstrengungen in den letzten 20 Jahren, d.h. seit 1998, Kennzeichnungskraft erlangt (Klage N. 25, 96, 99). Die Beklagte be- streitet die geltend gemachten intensiven Werbeanstrengungen. Insbeson- dere sei nicht ersichtlich, ob die eingereichten Werbeunterlagen überhaupt in kommerziellem Umfang abgegeben worden seien (Klageantwort N. 41). a. Printwerbung Die Klägerin hat zur Behauptung der intensiven Bewerbung der Zeichen "Lumimart" und Werbeunterlagen der Jahre 1998 bis 2018 ein- gereicht (KB 25 - 148). Da die Beklagte bestreitet, dass die eingereichten Prospekte je in kommerziellem Umfang an Dritte abgegeben wurden (Kla- geantwort N. 41), obliegt es der Klägerin, die Verbreitung der eingereichten Werbeunterlagen zu behaupten, zu substanziieren und nachzuweisen.92 Die Klägerin führt diesbezüglich aus, angesichts der zahlreichen über 20 Jahre mehrmals im Jahr abgegebenen aufwendig gestalteten Prospekte könne die Beklagte nicht ernsthaft geltend machen, die Prospekte seien nicht im Umlauf gewesen. Es sei auf den meisten Prospekten auf der letz- ten Seite ersichtlich, in welchem Monat welchen Jahres sie abgegeben worden seien (bspw. KB 30: letzte Seite unten links "KAMars99"). Zudem seien die Prospekte oftmals der A. Zeitung beigelegt worden, welche in der Periode von April 2017 bis März 2018 eine Auflage von über 1.8 Mio. ver- 91 Vgl. die jüngste bundesgerichtliche Rechtsprechung in BGer 4A_291/2018 vom 10. Januar 2019 E. 4.4.2; 4A_443/2017 vom 30. April 2018 E. 2.2.2; 4A_370/2016 vom 13. Dezember 2016 E. 3.3 m.w.N.; BK ZPO II-KILLIAS, 2012, Art. 221 N. 29. 92 Siehe auch WYSS (Fn. 72), S. 200. - 45 - breiteter Exemplare erreicht habe. Ausserdem sei der aktuelle Prospekt je- weils auf der Webseite "www.lumimart.ch" erhältlich, was aus dem einge- fügten Screenshot ersichtlich sei. Schliesslich würden Rechnungen der letzten Jahre eingereicht, die belegen würden, dass die Prospekte sehr wohl in verschiedensten Zeitungen beigelegt wurden und zugleich zahlrei- che Inserate geschaltete worden seien. Sodann ergebe sich aus KB 187 und KB 188, dass die Prospekte auch in private Briefkästen abgegeben worden seien (Replik N. 96 f.). Die Behauptung der Klägerin, auf der letzten Seite der Prospekte sei je- weils ersichtlich, in welchem Zeitpunkt diese abgegeben worden seien, er- weist sich in Bezug auf die Prüfung der Verkehrsdurchsetzung als unzu- reichend. Die entsprechende Angabe sagt noch nichts darüber aus, ob ein Prospekt auch tatsächlich den massgeblichen Verkehrskreisen abgegeben wurde. Der Informationsgehalt einer derartigen Angabe beschränkt sich vielmehr auf die Datierung des Prospekts.93 Ebenfalls ungenügend ist die Behauptung, der jeweils aktuelle Prospekt sei auf der Webseite "www.lu- mimart.ch" abrufbar. Zwar ist die Domain "lumimart.ch" nachweislich seit November 2000 abrufbar. Indes ist dem Gericht nicht bekannt, in welchem Umfang die Webseite frequentiert wird. Die A. Zeitung wies in der Periode von April 2017 bis März 2018 nachge- wiesenermassen eine Auflage von über 1.8 Mio. Exemplaren auf (Replik N. 96 m.V.a. KB 186 S. 32). Es ist überdies gerichtsnotorisch (Art. 151 ZPO), dass es sich bei der A. Zeitung um ein Medium des A. Konzerns handelt, der den neben der Migros schweizweit bekanntesten Detailhändler betreibt. Es entspricht daher der allgemein bekannten Erfahrung, dass ein Grossteil der Schweizer Haushalte sowohl die Wochenzeitschrift der Mig- ros als auch diejenige von A. erhält. Bestandteil der A. Zeitung bilden häufig Reklamen des A. Supermarkts, verbundener Konzerngesellschaften oder von Konzerngeschäftssparten. Geworben wird entweder in Form eines In- serats oder mit Hilfe einer Prospektbeilage. Eine Werbung für den Markt- auftritt von "Lumimart" in der A. Zeitung in den Jahren 2012 bis 2018 hat die Klägerin überdies anhand der in KB 189 f. eingereichten Rechnungen nachgewiesen (Replik N. 97). Entgegen der Beklagten ist es diesbezüglich nicht notwendig, dass die Klägerin aufzeigt, mit welchen konkreten Pros- pekten geworben wurde (Duplik N. 158). Die Behauptungen der Klägerin, es seien zahlreiche Inserate geschaltet worden und die Prospekte seien Zeitungen beigelegt sowie in private Brief- kästen verteilt worden (m.V.a. KB 187, 188, 191), wird von der Beklagten als unsubstantiiert bestritten (Duplik N. 159). In der Tat substantiiert die 93 Vgl. zur Relevanz der Datierung von Indizien: WYSS (Fn. 72), S. 201; BVGer B-3269/2009 vom 25. März 2011 E. 7.4.2. - 46 - Klägerin nicht, welche der in KB 25 - 148 eingereichten Prospekte tatsäch- lich verteilt wurden, zumal aufgrund der Sammelbeilagen (KB 187, 188, 191) keine eindeutige Verbindung zu den ins Recht eingereichten Prospek- ten hergestellt werden kann. Immerhin ist aufgrund der Sammelbeilagen das Folgende erstellt: In den Jahren 2009 - 2011 wurden "Lumimart" Pros- pekte von Dritten an die inländische Bevölkerung verteilt sowie Inserate für den Marktauftritt von "Lumimart" geschaltet (KB 188). In den Jahren 2012 und 2013 wurden ebenfalls "Lumimart" Prospekte verteilt (KB 187 S. 4 ff.). Schliesslich wurde für "Lumimart" in den Jahren 2012, 2013 und 2015-2017 in inländischen Zeitungen geworben (KB 191). Nicht gefolgt werden kann dem Einwand der Beklagten, da die Klägerin die Zahlung der Rechnungen nicht nachgewiesen habe, sei nicht erstellt, dass die Leistungen tatsächlich erbracht worden seien (Duplik N. 159). Die in KB 187, 188 und 191 einge- reichten Rechnungen wurden jeweils nach der Erfüllung durch die Leis- tungserbringer erstellt, sodass zwischen der Bezahlung der in Rechnung gestellten Summe und der Leistungserbringung kein Zusammenhang be- steht. Überdies sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, wonach die Rech- nungssteller die in Rechnung gestellten Rechnungen nicht erbracht haben sollen. Als Zwischenfazit ist daher festzuhalten, dass die Klägerin Werbeanstren- gungen für das Zeichen "Lumimart" sowie das Logo in Print- medien während den Jahren 2009-2018 nachgewiesen hat. b. Radiospots Die Klägerin macht weiter geltend, sie habe in den Jahren 2012 - 2016 ebenfalls intensiv Radiospots mit Werbung für Lumimart bei zahlreichen deutsch- und französischsprachigen Radiosendern ausgestrahlt (Replik N. 104 f.). Die Beklagte bemängelt, es sei nicht ersichtlich, welcher Radio- spot wann auf welchem Radiosender ausgestrahlt worden sei. Weiter werde bestritten, dass die eingereichten Rechnungen etwas mit Lumimart zu tun haben sollen und die behaupteten Leistungen tatsächlich erbracht worden seien (Duplik N. 167). Bei KB 193 handelt es sich um eine Sammelbeilage von Rechnungen und Auftragsbestätigungen im Zusammenhang mit Radiospots. Aus den einge- reichten Rechnungen geht zur Überzeugung des Gerichts hervor, dass für den Marktauftritt von "Lumimart" in den Jahren 2012, 2014-2016 im Radio geworben wurde. Die von der Beklagten vorgebrachten Mängel am kläge- rischen Sachvortrag sowie den eingereichten Beweismitteln sind nicht schützenswert. Zum Nachweis der behaupteten Radiowerbung ist es nicht notwendig, dass die Klägerin vorträgt, welcher Radiospot auf welchem Ra- diosender zu welchen Uhrzeiten ausgestrahlt wurde. Diese Informationen gehen mit hinreichender Deutlichkeit aus den eingereichten Beilagen her- vor (2012: Rechnung N. 3147 mit Betreff "SO Verkauf LM Dübendorf 28.10.2012", 2014: Rechnung Nr. 4644 mit Betreff "Wiedereröffnung LM - 47 - Heimberg", 2015: Rechnung Nr. 5670 mit Betreff "Wiedereröffnung Lumim- art Kriens", 2016: Rechnung Nr. 5958 mit Betreff "20% auf Lichtsortiment"). Schliesslich wurden die ins Recht gelegten Rechnungen jeweils nach der Ausstrahlung der Radiospots erstellt. Daher ist der Einwand der Beklagten, die Klägerin habe die Bezahlung der Rechnungen nicht nachgewiesen, so- dass die Leistungserbringung bestritten werde, nicht schützenswert. Wei- tere Beweisabnahmen zu den Radiospots erübrigen sich daher. c. SBB Lokomotive Soweit die Klägerin auf die Werbelokomotive der SBB im Jahr 2002 ver- weist (Klage N. 27), vermag sie damit von vornherein nicht Tatsachen nachzuweisen, welche auf eine aktuelle Verkehrsdurchsetzung schliessen lassen.94 Denn die Werbelokomotive, welche das Logo trug (Klage N. 27; KB 150 S. 2) war vor rund 17 Jahren unterwegs. Immerhin stellt die Lokomotive ein weiteres Indiz für die Werbeanstrengungen des "Lumimart" Marktauftritts dar. 6.4.3.5.4. Gesamtwürdigung Aufgrund der vorhergehenden Erwägungen ist der Frage der Verkehrs- durchsetzung der folgende Sachverhalt zu Grunde zu legen: Seit dem Jahr 1998 werden Fachmärkte für Leuchten, Lampen und Be- leuchtungszubehör unter dem Zeichen "Lumimart" geführt. Bis September 2018 erfolgte der Marktauftritt zusätzlich mit dem Logo , seit September 2018 mit dem Logo . Aktuell betreibt die Klägerin über 30 Lampenfachmärkte, wobei diese teilweise in E.-Filialen integriert sind. Ausserdem wird seit dem Jahr 2000 eine unter der Domain "www.lu- mimart.ch" abrufbare Website betrieben. Daneben ist erstellt, dass der Marktauftritt unter dem Zeichen "Lumimart" und dem Logo seit zumindest 2009 beworben wird. Das Gericht ist anlässlich der Prüfung der Verkehrsdurchsetzung nicht an die Resultate einer demoskopischen Umfrage gebunden, sondern es hat sämtliche im Einzelfalls einschlägigen Indizien zu würdigen.95 Vorliegend stützt die Klägerin die von ihr behaupteten Verkehrsdurchsetzung neben der eingereichten demoskopischen Umfrage auf eine intensive Bewerbung der "Lumimart" Fachmärkte. Indes haben die bisherigen Ausführungen ge- zeigt, dass die von der Klägerin vorgetragen Indizien jeweils für sich alleine nicht zu einem Sachverhalt führen, aufgrund dessen das Gericht die Ver- kehrsdurchsetzung der "Lumimart" Zeichen bejahen müsste. Daher ist 94 Vgl. WYSS (Fn. 72), S. 201; BVGer B-4519/2011 vom 31. Oktober 2012 E. 7.3; B-3536/2011 vom 14. Juli 2012 E. 6.5. 95 WYSS (Fn. 72), S. 227. - 48 - nachfolgend zu prüfen, ob eine Gesamtwürdigung den Schluss einer Ver- kehrsdurchsetzung zulässt.96 Seit dem Jahr 1998 und damit seit über 20 Jahren werden unter dem Zei- chen "Lumimart" Fachmärkte für Leuchten und Zubehör betrieben. Der Marktauftritt unter dem Zeichen "Lumimart" ist insofern einzigartig, als dass es sich um die einzige Fachmarktkette für Leuchten und Zubehör mit stati- onären Läden in der Schweiz handelt (vgl. Replik N. 52; Duplik N. 95 f.). Während die Fachmarktkette zu Beginn 7 Filialen aufwies (E. 6.4.3.5.1 hiervor), umfasst das aktuellste aktenkundige Filialnetz über 30 Filialen in der deutschsprachigen und der französischsprachigen Schweiz. Es liegt daher ein langjähriger Gebrauch des Zeichens "Lumimart" und des Logos vor. Aufgrund des langjährigen Bestands und der Expansion zu einem dichten Filialnetz ist erstellt, dass unter den "Lumimart" Zeichen eine bedeutende Marktposition aufgebaut wurde. Diese Marktposition wurde zudem von langjährigen Werbeanstrengungen in Print und Radio begleitet. Insbesondere die langjährige und regelmäs- sige Werbung in der A. Zeitung stellt ein starkes Indiz für eine Verkehrs- durchsetzung des Zeichens "Lumimart" und des Logos dar. Dadurch erscheint schliesslich als höchst unwahrscheinlich und wird durch nichts indiziert, dass die von der Klägerin eingereichten Prospekte der Jahre 1998 bis 2008 nicht verwendet wurden. Vielmehr ist davon auszuge- hen, dass damit die unter dem Zeichen "Lumimart" und den Logos resp. betriebenen Fachmärkte beworben wurden. Gleiches gilt schliesslich für die Werbung mit der Lokomotive und im Radio. Anlässlich der Gesamtwürdigung ist daher von einer Verkehrsdurchset- zung des Zeichens "Lumimart" und des Logos auszugehen. Da die Domain "lumimart.ch" sowie das Logo vom Wortbestandteil "Lumimart" geprägt werden, ist auch insoweit von einer Verkehrsdurchset- zung in der deutschsprachigen sowie der französischsprachigen Schweiz auszugehen. Hinsichtlich der italienischsprachigen Schweiz hat die Kläge- rin keine Tatsachen behauptet, die auf eine Verkehrsdurchsetzung schlies- sen lassen. Insb. besteht im entsprechenden Landesteil keine Filiale (vgl. KB 21). Dieser Schluss wird schliesslich durch die von der Klägerin eingereichte Marktbefragung (E. 6.4.3.4 hiervor) nicht umgestossen. Die Beklagte be- streitet zwar die Beweistauglichkeit der Marktbefragung, da insb. die Stich- probe von 500 Personen zu klein sei (Klageantwort N. 47), keine Personen in der italienischsprachigen Schweiz teilgenommen hätten (Klageantwort N. 47), die spontane Bekanntheit nur durchschnittlich sei (Klageantwort 96 WYSS (Fn. 72), S. 242. - 49 - N. 46), eine Bekanntheit von 45.6 % zu tief sei (Duplik N. 172), die spon- tane Bekanntheit von 63 % im Jahr 2010 auf 52 % im Jahr 2016 gesunken sei (Duplik N. 563). Die Marktbefragung würde jedoch nur dann gegen eine Verkehrsdurchsetzung der "Lumimart" Zeichen sprechen, wenn bei einem korrekten Studiendesign ein zu tiefer Kennzeichnungsgrad ermittelt worden wäre.97 Derartige Umstände lassen sich den Akten indes nicht entnehmen. Einerseits ist umstritten, ob ein korrektes Studiendesign verwendet wurde. Andererseits liegt keine tiefe Bekanntheit des Zeichens "Lumimart" vor, zu- mal die spontane Bekanntheit (vgl. Frage F1a) mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % zwischen 47.5 % und 56.3 % liegt (Replik N. 127; insoweit nicht bestritten in Duplik N. 180). Insgesamt erscheint die Verkehrsdurchsetzung der fraglichen "Lumimart"- Zeichen als erstellt; so ist belegt, dass in der Schweiz bereits seit rund 20 Jahren "Lumimart"-Fachgeschäfte betrieben werden und das heutige Fi- lialnetz über 30 Filialen in der deutschsprachigen und französischsprachi- gen Schweiz umfasst. Dies alleine sind starke Indizien. Dazu kommt, dass die Klägerin verschiedene Werbeaufwendungen nachgewiesen hat (Radi- owerbung, Printwerbung, Werbung auf SBB-Lokomotive), welche insge- samt ebenfalls für das Vorliegen einer Durchsetzung des Zeichens im Ver- kehr sprechen. Schliesslich deutet auch die demoskopische Umfrage, die für sich alleine zum Nachweis der Verkehrsdurchsetzung zwar unzu- reichend ist und welche eine erhöhte Bekanntheit belegt, auf eine durch die Bekanntheit erlangte Durchsetzung hin. Folglich begründet die Verkehrsdurchsetzung eine derivative Kennzeich- nungskraft des Zeichens "Lumimart" und der Domain "lumimart.ch" sowie einen zumindest leicht erweiterten Schutzbereich der originär schwach kennzeichnungskräftigen Logos und . 6.4.3.6. Zwischenfazit Zusammenfassend ist erstellt, dass sich die "Lumimart"-Zeichen in der deutschsprachigen und der französischsprachigen Schweiz im Verkehr durchgesetzt haben. 6.4.4. Nachträgliche Verwässerung 6.4.4.1. In ihrem Eventualstandpunkt macht die Beklagte geltend, der weit verbrei- tete Gebrauch der Zeichenbestandteile "Lumi" und "mart" durch Dritte führe zu einer nachträglichen Verwässerung des Wortzeichens "Lumimart" (Kla- geantwort N. 190 ff.). 97 Ähnlich WYSS (Fn. 72), S. 242. - 50 - 6.4.4.2. Wortbestandteil "lumi" Wie gezeigt ist der Wortbestandteil "lumi" im Zusammenhang mit dem Ver- trieb von Leuchten, Leuchtmitteln und Beleuchtungszubehör beschreibend (vgl. E. 6.4.2.3.2). Mangels Kennzeichnungskraft des Wortbestandteils "lumi" besteht kein Raum für die eventualiter geltend gemachte Verwässe- rung. 6.4.4.3. Wortbestandteil "mart" Im Markenrecht ist anerkannt, dass der Gebrauch von zumindest ähnlichen Drittzeichen für gleiche oder ähnliche Waren und Dienstleistungen die Kennzeichnungskraft eines Zeichens schwächen kann.98 Ob die nachträg- liche Verwässerung auch lauterkeitsrechtlich zu berücksichtigen ist, wird von Lehre und Rechtsprechung soweit ersichtlich nicht thematisiert. Jedoch dürfte ein konkurrenzierender inländischer Marktauftritt mit einem zumin- dest ähnlichen Drittzeichen die Kennzeichnungskraft eines Zeichens schwächen. Für sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen ist die Beklagte beweisbelastet (Art. 8 ZGB). Die Eintragung einer Vielzahl von ähnlichen Zeichen kann die Vermutung des tatsächlichen Gebrauchs der eingetragenen Zeichen begründen.99 Diese natürliche Vermutung entbindet die Beklagte jedoch nicht davon, die Zeichenähnlichkeiten der eingetragenen Zeichen zumindest schlüssig zu behaupten. Vorliegend behauptet die Beklagte pauschal, es gebe in der Schweiz rund 1'715 Marken mit dem Bestandteil "mart", davon seien 130 für Waren in der Klasse 11 geschützt (Klageantwort N. 77). Mit dem Ver- weis auf KAB 5 - 21/2 hat die Beklagte jedoch nicht einmal schlüssig be- hauptet, welche der eingetragenen Zeichen dem klägerischen Zeichen "Lu- mimart" zumindest ähnlich sein sollen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, die in der Beilage aufgeführten Zeichen auf eine Zeichenähnlichkeit hin zu untersuchen, zumal sich die Zeichenähnlichkeit nicht bereits aus dem Zei- chenbestandteil "mart" ergibt, sondern sich stets anhand des Gesamtein- drucks bemisst.100 Folglich ist die Beklagte mit ihren Einwendungen unter dem Titel "nachträgliche Verwässerung" nicht zu hören. 6.4.5. Schutzwürdige Marktposition 6.4.5.1. Parteibehauptungen Die Klägerin führt aus, sie habe ihre Marktposition rechtmässig erlangt. Sie verfüge über sämtliche möglichen Rechte an den von ihr verwendeten Zei- chen und benütze diese durchgehend seit über 20 Jahren und auch gegen- wärtig in der Schweiz (Klage N. 103; Replik N. 430; KB 178). 98 BSK MSchG-STÄDELI/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 3 N. 53 m.w.N. 99 Siehe SHK MSCHG-JOLLER (Fn. 121), Art. 3 N 113 f. m.w.N. 100 Vgl. BGer 4A_443/2017 vom 30. April 2018 E. 2.2.1 m.w.N.; 4A_281/2017 vom 22. Januar 2018 E. 5.3. - 51 - Die Beklagte bestreitet eine schutzwürdige Marktposition der Klägerin. Sie, die Beklagte, verfüge über die älteren Markenrechte am Zeichen "Lumin- arte". Eventualiter verletze die Klägerin die Markenrechte der Beklagten (Klageantwort N. 207). Sodann werde bestritten, dass die Klägerin über sämtliche möglichen Rechte an den von ihr verwendeten Zeichen verfüge. Sie sei weder Inhaberin der Marke 29-434099 noch habe sie eine Lizenz der A.-Gruppe Genossenschaft behauptet oder substanziiert. Schliesslich benütze die Klägerin das Zeichen "Lumimart" erst seit 2013. Sodann sei das Logo durch das Logo ersetzt worden, womit diesbezüglich mangels Gebrauch ohnehin keine schutzwürdige Marktposi- tion vorliege (Klageantwort N. 208). 6.4.5.2. Rechtliches Durch Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG soll unter anderem verhindert werden, dass die Wertschätzung, die das Angebot eines Mitbewerbers bei den Konsu- menten geniesst, auf unlautere Weise für die Vermarktung eigener Waren ausgenutzt wird. Dieser Schutz gegen Ausnutzung setzt jedoch grundsätz- lich voraus, dass überhaupt eine schutzwürdige Marktposition gegeben ist.101 Schliesslich steht ein seit längerer Zeit nicht mehr vorgenommener Gebrauch des für den Marktauftritt relevanten Kennzeichens der Berufung auf eine schutzwürdige Marktposition entgegen.102 6.4.5.3. Würdigung Entgegen der Sichtweise der Beklagten (N. 34 und 39 der Noveneingabe vom 25. März 2019) ist für das Tatbestandselement der schutzwürdigen Marktposition nicht zwischen dem stationären Handel und dem Onlinehan- del zu unterscheiden. Der Markt für Lampen und Leuchtmittel lässt sich nicht in den Onlinehandel einerseits und den stationären Handel anderer- seits aufteilen. Es handelt sich dabei bloss um eigenständige Absatzka- näle, die jedem Marktteilnehmer offenstehen. Daher ist das Tatbestandse- lement der schutzwürdigen Marktposition nicht für die beiden Absatzkanäle je einzeln zu prüfen. Aus dem Swissregauszug (KB 18) geht hervor, dass die Wort-/Bildmarke Nr. 2P-434099 am 10. Dezember 1996 eingetragen wurde (S. 1). Inhaberin der Marke war bis am 13. November 2003 die N. SA (S. 3). Mit Vertrag vom 8. September 2002 zwischen der O. S.A. und der A. wurde Letztere Eigen- tümerin sämtlicher Inhaberaktien der N. S.A., Betreiberin der damaligen Lu- mimart-Filialen (KB 13). Soweit die Beklagte den Vertrag vom 8. Septem- ber 2002 aufgrund der Schwärzungen jegliche Beweiswirkungen abspre- chen will, ist ihr nicht zu folgen (Duplik N. 43). Urkunden sind grundsätzlich 101 BGE 125 III 193 E. 2b. 102 Vgl. SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 46), Art. 3 lit. d N. 23 f.; BSK UWG-ARPAGAUS (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 61; DIKE UWG-HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 62. - 52 - vollständig einzureichen, wobei für den Prozess unerhebliche Teile un- kenntlich gemacht werden können. Im Streitfall entscheidet das Gericht.103 Der Vertrag vom 8. September 2002 (KB 13) dient als Beweismittel zur klä- gerischen Behauptung, dass das Zeichen "Lumimart" von der N. S.A ge- braucht wurde und A. sämtliche Aktien und damit die Rechte am Zeichen "Lumimart" im Jahr 2002 übernahm (Klage N. 17). Daher vermögen die Schwärzung der Passagen im Zusammenhang mit dem Kaufpreis, der Zu- sammensetzung der Aktien sowie der Korrespondenzadressen (KB 13: Präambel, Ziff. 1.1, 1.3, 2.1, 2.2, 2.3, 3, 4.4, 4.8 und 6.6) die Beweistaug- lichkeit des Vertrags nicht zu beeinträchtigen. Gleiches gilt für die Schwär- zungen unter Ziff. 5 "Closing". Denn es ist für das Gericht aufgrund der Prä- ambel sowie Ziff. 1.1, 3 des Vertrages erstellt, dass der Marktauftritt unter dem Zeichen "Lumimart" im Jahr 2000 durch die N. S.A betrieben wurde und A. sämtliche Aktien der N. S.A erworben hat. Daher erübrigt sich die von der Beklagten beantragte Edition des vollständigen Aktienkaufvertra- ges vom 8. September 2002 (vgl. Duplik N. 43). Mit Vertrag vom 8. Mai 2003 fusionierten die N. S.A. sowie die P. AG (KB 14). Im Geschäftsjahr 2004 wurde der betriebliche Teil der P. AG an die A.-Gruppe Genossenschaft (damals unter A. Genossenschaft firmie- rend) übertragen (KB 15 S. 97). Entgegen den Ausführungen der Beklag- ten handelt es sich bei KB 15 nicht um eine Parteibehauptung. Der Ge- schäftsbericht der A.-Gruppe wurde nicht mit Blick auf den vorliegenden Prozess erstellt und stellt daher eine Urkunde i.S.v. Art. 177 ZPO dar. Auf- grund des Prüfberichts der Q. AG vom 10. März 2005 (KB 15 S. 109) sieht das Gericht keine Anhaltspunkte, um an der Beweiskraft des Geschäftsbe- richt A.-Gruppe zu zweifeln. Insbesondere lassen auch die Ausführungen der Beklagten im Zusammenhang mit Fusion der R. AG sowie S. AG (Dup- lik N. 113; KAB 33/1 f.) keine Zweifel an der Übertragung des betrieblichen Teils und damit der Lumimart Fachmärkte an die A.-Gruppe Genossen- schaft (damals unter A. Genossenschaft firmierend) aufkommen. Überdies ist das beklagtische Editionsbegehren zu unbestimmt, da aufgrund der ge- nerellen Umschreibung "Unterlagen zur Übernahme des Geschäftsbetriebs Einzelhandel der damaligen P. AG bzw. S. AG durch die Klägerin" nicht feststeht, welche Urkunden zu edieren sind.104 Seit dem 9. August 2006 ist die A.-Gruppe Genossenschaft Inhaberin der Marke Nr. 2P-434099 (KB 18 S. 3 f.). Im Frühjahr 2013 wurde der Detailhandelsbe- trieb unter dem Zeichen "Lumimart" auf die Klägerin übertragen (vgl. KB 17). Schliesslich wurde der Klägerin im Frühjahr 2013 mittels Lizenz- vertrag (vgl. Ziff. 13 des Aktenzusammenzugs) das Recht zum Gebrauch 103 BK ZPO-RÜETSCHI, 2012, Art. 180 N. 2; BSK ZPO-DOLGE, 2017, Art. 180 N. 14; WEIBEL, in: Sutter- Somm/Hasenböhler/Leuenberger (Hrsg.), 3. Aufl. 2016, Art. 180 N. 11. 104 Siehe HGer ZH, HG150112-0 vom 8. Februar 2016 E. 5.12.3; BSK ZPO-SCHMID, 2017, Art. 160 N. 23; vgl. auch LIVSCHITZ/SCHMID, Sie wollen klagen – Ihr Gegner hat die Beweise – und ihre Abwehr: Neuerungen im Kontext der eidgenössischen aus Sicht der Praxis, AJP 2011, S. 740. - 53 - der Marke Nr. 2P-434099 eingeräumt (Replik N. 35, 430, 555; KB 200). Mit ihren Ausführungen in der Noveneingabe vom 23. April 2019 hat die Be- klagte sodann nicht aufgezeigt, dass der Lizenzvertrag mit Bezug auf die Marke keine Wirkungen entfalten würde. Entsprechend war die Klägerin befugt, den von ihr betriebenen Marktauftritt mit dem Zeichen "Lu- mimart" zu kennzeichnen. Daher haben die Klägerin resp. ihre Rechtsvor- gängerinnen den Marktauftritt unter dem Zeichen "Lumimart" rechtmässig erwirtschaftet und es liegt eine schutzwürdige Marktposition vor. Was die Beklagte demgegenüber mit teilweise nicht nachvollziehbaren Be- hauptungen vorbringt, vermag nicht zu überzeugen. Wie gezeigt, verfügt die Klägerin über die notwendigen Rechte, damit sie seit Frühjahr 2013 un- ter dem Zeichen "Lumimart" am Markt teilnehmen kann. Ebenso bestehen keine Anhaltspunkte, welche auf einen unrechtmässigen Zeichengebrauch der Rechtsvorgängerinnen der Klägerin schliessen liessen. Schliesslich kommt dem Lizenzvertrag (vgl. Ziff. 13 des Aktenzusammen- zugs) entgegen den Ausführungen der Beklagten (N. 6 ff. der Novenein- gabe vom 23. April 2019) Entscheidrelevanz zu. Wie noch zu zeigen sein wird (E. 6.6.3 hiernach), unterscheidet sich der von den Konsumenten wahrgenommene Marktauftritt unter dem Logo nicht massge- bend vom früheren Marktauftritt mit dem Logo . Entsprechend ist im Rahmen des Tatbestandselements der schutzwürdigen Marktposition ebenfalls auf den Marktaufritt vor September 2018 einzugehen. 6.4.6. Zwischenfazit Die beiden Logos und verfügen über eine schwa- che originäre Kennzeichnungskraft. Der damit einhergehende enge Schutzbereich wird indes aufgrund der Verkehrsdurchsetzung der Zeichen erweitert. Demgegenüber kommt dem Wortzeichen "Lumimart" und dem Domainnamen "lumimart.ch" einzig derivative Kennzeichnungskraft zu. 6.5. Verwechslungsgefahr 6.5.1. Parteibehauptungen 6.5.1.1. Klägerin Die Klägerin behauptet eine Verwechslungsgefahr zwischen sämtlichen von der Klägerin und der Beklagten benützten Zeichen. Die Umfrage des T. zeige, dass es bereits zu Verwechslungen gekommen sei (KB 170 S. 4). Zur Ähnlichkeit der Wortzeichen "Lumimart" und "Luminarte" führt die Klä- gerin insbesondere das Folgende aus: (1) Die beiden Wortzeichen würden in den Buchstaben 1 - 4 sowie 6 - 8 übereinstimmen (Klage N. 119). Sie seien sodann praktisch gleich lang und hätten den gleichen Zeichenanfang ("Lumi") und ein ähnliches Zei- chenende. Die ersten beiden Silben "lu" und "mi" seien identisch, die dritte ähnlich ("mar" und "nar") (Replik N. 455). Dies führe in Schriftbild - 54 - und Wortklang zu einer hohen Ähnlichkeit. Des Weiteren stimme die Vokalabfolge der Zeichen bis auf den Buchstaben E am Ende von "Lu- minarte" überein, was wiederum für einen ähnlichen Wortklang spre- che. Dasselbe gelte in Bezug auf die ähnliche Konsonantenabfolge "LMMRT" und "LMNRT" (Klage N. 120); (2) Die Zeichen würden sich vorab im fünften Buchstaben unterscheiden, wobei die Buchstaben M und N sich in Aussprache und Klang stark ähneln würden. Diese seien als eher tief, summend und weich zu be- zeichnen (Replik N. 458). Weiter bestehe ein Unterschied im Endbuch- staben E. Dieser sei allerdings vernachlässigbar, da er bei der Ausspra- che unbetont bleibe (Klage N. 121); (3) Bei beiden Zeichen handle es sich um lange Worte, bei welchen die Gefahr besonders gross sei, dass dem Publikum marginale Unter- schiede in Schriftbild und Wortklang entgehen könnten (Klage N. 122); (4) Hinsichtlich des Sinngehalts werde bestritten, dass der Schweizer Ab- nehmer das beklagtische Zeichen als "Lichtkunst" oder "Leuchtkunst" verstehen würden. Wenn überhaupt würde nur der italienischsprachige Teil der Schweiz dem beklagtischen Zeichen einen Sinngehalt zuord- nen. Es handle sich beim Wortzeichen "Luminarte" um eine Wortneu- schöpfung, so dass dessen Sinngehalt von einem Grossteil des Publi- kums nicht oder nur mit erheblichem Denkaufwand erkannt werde. Dies ergebe sich auch aus dem Gutachten des T. (KB 170 S. 8 f.). Daher könne die in den anderen Elementen bestehende Zeichenähnlichkeit nicht durch den Sinngehalt kompensiert werden (Klage N. 123-126). Insbesondere sei der Wortteil "lumi" nicht gemeinfrei (Replik N. 452). Daher sei keinem der beiden Zeichen ein eindeutiger Sinngehalt zuzu- messen (Replik N. 181); (5) Schliesslich hätten bei Gutachten des T. 45 % aller Befragten die Wort- zeichen in ihrer Ausgestaltung als Logo verwechselt. Dies spreche ge- gen eine kennzeichnungskräftige Ausgestaltung der beiden Logos so- wie für eine noch höhere Verwechslungsgefahr bei reinen Wortzeichen (Klage N. 128). Zur Ähnlichkeit der Logos und führt die Klägerin aus, in beiden Logos sei die graphische Gestaltung kennzeichnungs- schwach und beeinflusse den jeweiligen Gesamteindruck der Logos nicht. Der Zusatz "die Lichtmacher" beim beklagtischen Logo sei rein beschrei- bend und daher nicht kennzeichnungskräftig. Ebenso sei der Buchstabe A nur geringfügig abgeändert und füge sich immer noch unauffällig ins Schriftbild ein (Replik N. 473). Keines der beiden Logos enthalte neben dem Schriftzug auffällige Merkmale, welche dem Betrachter in Erinnerung bleiben würden (Replik N. 471). Es sei daher davon auszugehen, dass die sich gegenüberstehenden Wortelemente "Lumimart" und "Luminarte" den Gesamteindruck der beiden Logos entscheidend beeinflussten (Klage N. 131). Selbst wenn gewisse graphische Merkmale berücksichtigt würden, - 55 - bestehe im Erinnerungsbild der massgeblichen Verkehrskreise zwischen den beiden Logos Ähnlichkeit: Die Verschiedenheit der Blautöne bleibe nicht in Erinnerung. Das beklagtische Zeichen erinnere aufgrund der Grossschreibung und der Schrägstellung der Schrift an ein blaues Recht- eck. Daher sei der beklagtische Einwand der unterschiedlichen Grösse un- beachtlich (Replik N. 474). Der Logowechsel der Klägerin führe zu keinem anderen Ergebnis, da das neue Logo dem alten sehr ähnlich sehe. Es enthalte insbesondere das- selbe Wortzeichen, das blaue Rechteck, die stilisierte Glühbirne und sei ebenfalls in den Farben Blau, Gelb und Weiss gehalten. Aufgrund der ein- fachen graphischen Ausgestaltung sei es schliesslich hauptsächlich vom Wortbestandteil "Lumimart" geprägt (Replik N. 469). Würden die Wortzeichen mit den Logos der Parteien verglichen, bestimme sich der Gesamteindruck wiederum aufgrund der prägenden Wortelemente "Lumimart" und "Luminarte" (Klage N. 133 f.). Hinsichtlich des Marktauftritts macht die Klägerin geltend, die Parteien bö- ten Leuchten und Zubehör an. Daher umfassten die Angebote der Parteien nahezu identische Waren. Überdies seien sich Parteien geografisch nahe. Die Gesellschaftssitze lägen nur etwa 70 km entfernt und die Parteien be- wegten sich geografisch im gleichen Markt. Schliesslich lägen überschnei- dende Kundenkreise vor. Beide Parteien würden dieselben Verkaufskanäle verwenden und ihre Waren in einer ähnlichen Art und Weise präsentieren (Klage N. 137 - 144). Entgegen den beklagtischen Ausführungen wisse der durchschnittliche Käufer gerade nicht im Voraus, welche konkrete Lampe er suche resp. kau- fen möchte. Viel eher werde er sich zunächst einen Überblick über die Aus- wahl verschaffen wollen. Bei einer derartigen Suche werde der Abnehmer auf die Werbung der Parteien stossen, wobei eine Verwechslungsgefahr insbesondere aufgrund der starken Zeichenähnlichkeit unausweichlich sei (Replik N. 483). 6.5.1.2. Beklagte Die Beklagte bestreitet die Verwechslungsgefahr (Klageantwort N. 213). Insbesondere habe die Klägerin noch keine Verwechslung nachgewiesen, obwohl die beiden Zeichen in der Schweiz seit 2003 nebeneinander ver- wendet würden (vgl. Duplik N. 207). Sodann sei es sehr unwahrscheinlich, dass ein Konsument das Logo mit dem Zeichen der Beklagten verwechsle (Klagantwort N. 210). Die Beklagte führt insbesondere das Fol- gende aus: - 56 - (1) Die Übereinstimmung der Zeichen "Lumimart" und "Luminarte" im ge- meinfreien Bestandteil "lumi" habe keinerlei Bedeutung bei der Beurtei- lung der Verwechselbarkeit (Klageantwort N. 218); (2) Eine Ähnlichkeit im Schriftbild liege nicht vor. Die Zeichen verfügten über eine unterschiedliche Länge (acht bzw. neun Buchstaben), was durch den zusätzlichen (breiten) Buchstaben M beim klägerischen Zei- chen noch akzentuiert werde. Daher ähnelten sich die Buchstaben M und N weder im Schriftbild noch im Wortklang. Weiter bestehe das be- klagtische Zeichen aus vier Silben, das klägerische Zeichen demge- genüber aus drei. Von diesen Silben stimme nur die Erste ("Lu") über- ein. Das unterschiedliche Ende der beiden Zeichen bewirke optisch zu- dem einen deutlich unterscheidbaren Gesamteindruck. Schliesslich würden auch keine langen Zeichen vorliegen. Massgebend sei nur der- jenige Wortteil, welcher nicht gemeinfrei sei, d.h. vorliegend "mart" und "narte". Somit stünden sich ein einsilbiges und ein zweisilbiges Wort gegenüber (Klageantwort N. 222); (3) Eine Ähnlichkeit bezüglich Wortlaut liege ebenfalls nicht vor. Die Zei- chen würden nicht dieselbe Vokalfolge aufweisen, da das Zeichen der Beklagten ein zusätzliches E aufweise. Somit liege eine Abweichung von mindestens 25 % vor. Zusammen mit der unterschiedlichen Silben- anzahl liege ein unterscheidbarer Wortklang vor. Des Weiteren würden sich die beiden Zeichen in der Betonung unterscheiden. Beim klägeri- schen Zeichen liege diese auf der ersten Silbe "Lu", beim Zeichen der Beklagten auf der zweitletzten Silbe "ar" (Klageantwort N. 223). Sodann würden die Buchstaben M und N an völlig unterschiedlichen Orten im Mund gebildet und würden daher einen unterschiedlichen Klang auf- weisen. Zudem werde der Buchstabe E im beklagtischen Zeichen aus- gesprochen (Klageantwort N. 225) Weiter würden sich die Wortendun- gen "-mart" und "-arte" nicht reimen, was gegen eine Zeichenähnlichkeit spreche (Duplik N. 601); (4) Eine Ähnlichkeit sei auch bezüglich des Sinngehalts zu verneinen. Das beklagtische Zeichen weise in allen Landessprachen ohne Weiteres die Bedeutung "Lichtkunst" resp. "Leuchtenkunst" auf (Klageantwort N. 226). Unter dem klägerischen Zeichen werde hingegen ohne Weite- res der Sinngehalt "Lichtmarkt" resp. "Leuchtenmarkt" erkannt. Folglich würden sich die streitverfangenen Zeichen im Sinngehalt deutlich un- terscheiden (Klageantwort N. 228 f.). Schliesslich leide die Umfrage des T. an methodischen Mängeln leiden, so dass daraus keine Rück- schlüsse gezogen könnten (Klageantwort N. 231); (5) Im Gesamtzusammenhang verbleibe dem breiten Publikum beim klä- gerischen Logo primär das Bildelement sowie die grafische Gestaltung inklusive der Farben und nicht der beschreibende Wortbe- standteil in Erinnerung (Klageantwort N. 238). Die unterschiedlichen Gestaltungselemente der Logos und trügen - 57 - zur Unterschiedlichkeit der Logos bei. Dem beklagtischen Logo fehle es am gleichen Blau-Farbton, an der beschreibenden graphischen Ab- bildung, der blauen Umrandung sowie der unterschiedlichen Einfär- bung des Wortbestandteils. Demgegenüber weise das Logo den in schwarzer Schrift gehaltenen Zusatz "DIE LICHTMACHER" auf, der linke Schenkel des Buchstabens A erstrecke sich unter die Grundlinie und der rechte Schenkel sei in der Mitte durch einen weissen Balken unterbrochen (Klageantwort N. 239). Sodann seien die Zeichen in der Grösse sowie Gross- und Kleinschreibung nicht zu vergleichen (Kla- geantwort N. 240); (6) Zwischen den Wortzeichen und Logos der Parteien bestehe aufgrund der Unterscheide in den Wortelementen und der graphischen Ausge- staltung keine rechtlich relevante Ähnlichkeit (Klageantwort N. 242 f); (7) Beide Parteien böten Beleuchtungsgeräte, Leuchten und Leuchtmittel von Drittherstellern an. Der Wettbewerb zwischen den Parteien werde einzig über den Preis entschieden und nicht etwa dadurch, dass die Beklagte versuchen würde, bei den Konsumenten einen Eindruck zu erwecken, als würden sie eine Lampe oder Leuchte bei der Klägerin kaufen. Eine Verwechslungsgefahr bezüglich der Identität des anbie- tenden Geschäftsbetriebs, wie sie die Klägerin behaupte, könne von vornherein ausgeschlossen werden (Klageantwort N. 246); (8) Die Beklagte kommuniziere jeweils klar ihre Adresse in Deutschland. Zwar enthalte ihr Webshop Hinweise für Schweizer Kunden. Jedoch führe dieser Hinweis den Konsumenten gerade vor Augen, dass sie sich auf der Webseite eines in Deutschland domizilierten Anbieters be- finden würden. Daher unterscheide sich der Marktauftritt der Beklagte klar von demjenigen der Klägerin (Duplik N. 596); (9) Die Webseite "www.luminarte.de" weise auf jeder Seite zuoberst einen Hinweis auf die deutsche Adresse der Beklagte hin. Es sei dem Konsu- menten daher bewusst, dass er sich auf der Webseite eines deutschen Anbieters und nicht etwa der Klägerin befinde. Zudem erwarte der durchschnittliche schweizerische Abnehmer auch nicht, dass die Klä- gerin zusätzlich zu ihrem schweizerischen Online-Shop auf "www.lu- mimart.ch" einen damit konkurrierenden Online-Shop in Deutschland mit besonderer Ausrichtung für schweizerische Kunden betreiben und dafür erst noch ein anderes Zeichen als "lumimart" benützen würde (Duplik N. 611). 6.5.2. Rechtliches 6.5.2.1. Zur Verwechslungsgefahr Unlauter handelt nach Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG insbesondere, wer Mass- nahmen trifft, die geeignet sind, Verwechslungen mit den Leistungen oder dem Geschäftsbetrieb eines anderen herbeizuführen. Unter diesem mitun- ter als wettbewerbsrechtlicher Kennzeichenschutz bezeichneten Tatbe- stand der Schaffung einer Verwechslungsgefahr mit den Leistungen oder - 58 - dem Geschäftsbetrieb eines anderen fallen sämtliche Verhaltensweisen, bei denen das Publikum durch die Schaffung von Verwechslungsgefahr ir- regeführt wird, insbesondere um den Ruf der Wettbewerber auszubeuten. Ob eine lauterkeitsrechtliche Verwechslungsgefahr besteht, ist dabei hin- sichtlich eines konkreten Wettbewerbsverhaltens zu bestimmen.105 Der Begriff der Verwechslungsgefahr ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung für das gesamte Kennzeichenrecht einheitlich zu um- schreiben.106 Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr ist zu bejahen, so- fern die massgeblichen Verkehrskreise zwischen den streitgegenständli- chen Zeichen nicht unterscheiden können respektive diese dem gleichen Unternehmen zuordnen.107 Eine mittelbare Verwechslungsgefahr liegt demgegenüber vor, wenn die massgeblichen Verkehrskreise die Zeichen zwar nicht dem gleichen Unternehmen zuordnen, jedoch davon ausgehen, die beiden Unternehmen seien wirtschaftlich eng miteinander verbun- den.108 Ausreichend ist dabei die (irrige) Annahme, es lägen enge rechtli- che, wirtschaftliche oder sonstige organisatorischen Verbindungen vor.109 Allerdings ist im Gegensatz zum Markenrecht nicht einzig auf allfällige Re- gistereinträge abzustellen. Vielmehr gilt es, den gesamten Marktauftritt und damit die gesamten Umstände zu würdigen.110 Massgebend ist daher der Gesamteindruck, welcher aus den tatsächlich gebrauchten Zeichen sowie weiteren Elementen ausserhalb der jeweiligen Zeichen entsteht.111 Ebenso braucht die Verwechslungsgefahr nicht zwingend produktbezogen zu sein, eine Verwechslungsgefahr in Bezug auf Unternehmen ist ausreichend.112 Die Verwechslungsgefahr bestimmt sich insbesondere anhand der Kenn- zeichenkraft des älteren Zeichens, der Zeichen- und der Produktähnlich- keit.113 Schwache Zeichen, die bspw. als Hinweis auf die Tätigkeit des Un- ternehmens zu verstehen sind, begründen regelmässig nur einen geringen 105 BGer 4A_83/2018 vom 1. Oktober 2018 E. 5.1; BGE 140 III 297 E. 7.2.1 m.w.N. 106 BGer 4A_83/2018 vom 1. Oktober 2018 E. 3.1; BGE 128 III 401 E. 5; 127 III 160 E. 2a; 126 III 239 E. 3a; DIKE UWG-HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 39. 107 DIKE UWG-HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 47; SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄU- SER (Fn. 48), Art. 3 lit. d N. 28. 108 Vgl. BGE 135 III 446 E. 6.1; 128 III 146 E. 2a; 127 III 160 E. 2a; 116 II 365 368 E. 3a; DIKE UWG- HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 49; SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 3 lit. d N. 28. 109 DIKE UWG-HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 49. 110 DIKE UWG-HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 39; BSK UWG-ARPAGAUS (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 237 f.; SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 3 lit. d N. 26. 111 Vgl. HGer ZH HG 170043 vom 20. Dezember 2017 E. 3.4; BSK UWG-ARPAGAUS (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 91; DIKE UWG-HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 39, 44; BGE 135 III 446 E 6.1; 116 II 365 E. 3a; DOBLER (Fn. 54), N. 229 m.w.N.; BAUDENBACHER/CASPERS (Fn. 42), Art. 3 lit. d N. 47 m.w.N. 112 DIKE UWG-HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 39; BGE 116 II 365 E. 3a. 113 DIKE UWG-HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 45. - 59 - Schutzumfang. Diesfalls müssen fremde Zeichen nur einen geringen Ab- stand einhalten.114 Der Nachweis tatsächlich vorgekommener Verwechs- lungen ist nicht vorausgesetzt.115 Eine längere Koexistenz von Zeichen ohne tatsächliche Herbeiführung von Verwechslungen spricht demgegen- über gegen das Vorliegen einer objektiven Verwechslungsgefahr.116 Die Verwechslungsgefahr wird als Rechtsfrage geprüft, soweit es um das Verständnis des allgemeinen Publikums geht, welches die streitige Leis- tung in Anspruch nimmt und kein Branchenverständnis spezifischer Ver- kehrskreise in Frage steht.117 Beurteilungsmassstab bildet das Erinne- rungsbild des Durchschnittskunden.118 6.5.2.2. Zur Zeichenähnlichkeit Zur Beurteilung der lauterkeitsrechtlichen Verwechslungsgefahr können die im Markenrecht entwickelten Grundsätze beigezogen werden.119 Die Massgeblichkeit des Gesamteindruckes schliesst nicht aus, dass ein oder mehrere Bestandteile eines komplexen Zeichens dominierend wirken. Im Gegenteil wird der Gesamteindruck eines Zeichens gerade durch des- sen kennzeichnungskräftige Elemente geprägt, während schwache oder gemeinfreie Elemente ihn weniger zu beeinflussen vermögen.120 Bei Zei- chen, die mehrere Bestandteile enthalten, ist deshalb vorab im Sinne eines gedanklichen Zwischenschritts die Kennzeichnungskraft der einzelnen Be- standteile zu bestimmen.121 Dennoch dürfen nach der Rechtsprechung schwache und selbst gemeinfreie Elemente beim Zeichenvergleich nicht einfach ausgeklammert werden.122 Eine umfassende Prüfung der Zeichen- ähnlichkeit hat deshalb auch Zeichenelemente mit geringer Kennzeich- nungskraft oder gemeinfreie Zeichenbestandteile gleichermassen in die Beurteilung miteinzubeziehen.123 Bei kombinierten Wort-/Bildzeichen sind die einzelnen Bestandteile nach ihrer Kennzeichnungskraft zu gewichten. Entscheidend für den Gesamtein- 114 DIKE UWG-HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 45; BAUDENBACHER/CASPERS (Fn. 42), Art. 3 lit. d N 81. 115 BGE 114 II 106 E. 3b; SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 3 lit. d N. 27. 116 DIKE UWG-HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 37; BSK UWG-ARPAGAUS (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 123; BGE 79 II 98 E. 1b. 117 BGE 135 III 446 E. 6.4, 126 III 239 E. 3a; SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 3 lit. d N. 33 je m.w.N.; DIKE UWG-HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 54. 118 BGE 116 II 365 E. 4a; 95 II 461 E. II.1; DIKE UWG-HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 52; SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 3 lit. d N. 33 m.w.N. 119 DIKE UWG-HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 44. 120 BVGer B-2711/2016 vom 12. Dezember 2016 E. 6.2 m.w.N. 121 SHK MSchG-JOLLER, 2. Aufl. 2017, Art. 3 N. 81 f.; BVGer B-5786/2011 vom 23. November 2012 E. 4.1. 122 BVGer B-2711/2016 vom 12. Dezember 2016 E. 6.2. 123 BVGer B-5653/2015 vom 14. September 2016 E. 3.3. - 60 - druck sind die prägenden Wort- oder Bildelemente, während kennzeich- nungsschwache Wort- und Bildelemente diesen weniger beeinflussen. Ent- hält ein Zeichen sowohl charakteristische Wort- wie auch Bildelemente, so können diese den massgeblichen Erinnerungseindruck gleichermassen prägen.124 Bei Wortelementen bestimmt sich die Zeichenähnlichkeit durch Schriftbild, Wortklang und Sinngehalt.125 Der Wortklang wird im Wesentlichen durch die Silbenzahl, die Aussprachekadenz und die Aufeinanderfolge der Vokale bestimmt, das Schriftbild durch die Anordnung und optische Wirkung der Buchstaben sowie die Wortlänge.126 Sowohl betreffend Schriftbild als auch betreffend Wortklang ist festzuhalten, dass sich jenes wie dieser bei Kurz- wörtern besser einzuprägen vermag.127 Längere Wörter prägen sich dem Gedächtnis demgegenüber weniger gut ein als Kurzwörter, so dass Unter- schiede leichter überhört und überlesen werden.128 Je länger ein Wort ist, desto weniger fallen entsprechend zusätzliche oder fehlende Buchstaben auf.129 Ein Wort mit mehr als fünf Buchstaben gilt in der Regel nicht mehr als Kurzwort.130 Dem Wortanfang kommt für gewöhnlich eine höhere Be- deutung zu, da er besser im Gedächtnis haften bleibt.131 Abweichungen oder Übereinstimmungen in den Endungen fallen dagegen meist weniger ins Gewicht.132 Mit Bezug auf den Wortklang ist zudem die Betonung zu berücksichtigen.133 Bei der Ermittlung des Sinngehalts sind auch englische Begriffe zu berücksichtigen, sofern sie für einen erheblichen Teil der mas- sgeblichen Verkehrskreise verständlich sind.134 Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre indiziert bereits der Ähnlichkeitsnachweis in einem der drei Aspekte Bild, Klang oder Sinn- gehalt eine Zeichenähnlichkeit bei einem Wortzeichen.135 Unter Umstän- den ist es allerdings möglich, dass eine vorhandene Zeichenähnlichkeit durch einen unterschiedlichen Sinngehalt kompensiert wird.136 Diesbezüg- lich ist allerdings Zurückhaltung geboten. Es ginge nicht an, den Schutz- umfang von Zeichen, die einen Sinngehalt aufweisen, auf Zeichen mit ähn- lichem Sinngehalt zu beschränken. Die Bedingungen, unter denen eine Verwechslungsgefahr bei verschiedenem Sinngehalt der Zeichen entfällt, 124 BVGer B-2711/2016 vom 12. Dezember 2016 E. 2.4 m.w.N. 125 SHK MSchG-JOLLER (Fn. 121), Art. 3 N. 140. 126 BVGer B-2711/2016 vom 12. Dezember 2016 E. 2.4 m.w.N. 127 SHK MSchG-JOLLER (Fn. 121), Art. 3 N. 144 u. 166. 128 BGE 122 III 382 E. 5a. 129 SHK MSchG-JOLLER (Fn. 121), Art. 3 N. 143 m.w.N. 130 BVGer B-1760/2012 vom 11. März 2013 E. 7.1 f. 131 BVGer B-2711/2016 vom 12. Dezember 2016 E. 2.3 m.w.N.; SHK MSchG-JOLLER (Fn. 121), Art. 3 N. 164 m.w.N.; BSK UWG-ARPAGAUS (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 100. 132 SHK MSchG-JOLLER (Fn. 121), Art. 3 N. 149 m.w.N. 133 SHK MSchG-JOLLER (Fn. 121), Art. 3 N. 167. 134 BGE 129 III 225 E. 5.1. 135 BVGer B-5653/2015 vom 14. September 2016 E. 3.3 m.w.N. 136 BGE 112 II 362 E. 2; 121 III 377 E. 2b. - 61 - sind deshalb streng. Es wird verlangt, dass die Wahrnehmung eines Zei- chens sofort und unwillkürlich eine Assoziation zu einem bestimmten Be- griff bewirkt respektive dass sich die Sinngehalte beim Hören und beim Le- sen dem Bewusstsein sogleich aufdrängen. Ausserdem müssen die unter- schiedlichen Sinngehalte in allen Sprachregionen unmittelbar verständlich sein. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die klangliche oder visuelle Ähn- lichkeit zwischen zwei Zeichen so gross sein kann, dass beim flüchtigen Hören oder Lesen die Gefahr des Verhörens bzw. des Verlesens besteht und der verschiedene Sinngehalt gar nicht zum Bewusstsein des Betrach- ters gelangt.137 6.5.3. Einleitung 6.5.3.1. Berücksichtigung des Logos Das Logo wird von der Klägerin seit dem im September 2018 vollzogenen Logowechsel nicht mehr gebraucht. Aus den klägerischen Be- hauptungen geht nicht hervor, dass die Wiederaufnahme des Gebrauchs des Logos ernsthaft in Erwägung gezogen wird. Weil aber der Nichtgebrauch des Logos noch nicht lange andauert und das Logo zuvor während rund 20 Jahren verwendet wurde, kann nicht von vorn- herein ausgeschlossen werden, dass die massgeblichen Verkehrskreise das Kennzeichen noch dem klägerischen Marktauftritt zuordnen.138 Daher ist das Logo bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen. 6.5.3.2. Prüfungsmassstab Beide Parteien vertreiben in der Schweiz Leuchten, Leuchtmittel und wei- teres Beleuchtungszubehör an Durchschnittskonsumenten. Insofern be- wirtschaften die Parteien mit zumindest hochgradig ähnlichen Waren über- schneidende Zielgruppen. Darüber hinaus verfügen die Parteien über ei- nen unterschiedlichen Marktauftritt: Der Marktauftritt unter dem Zeichen "Lumimart" erfolgt seit über 20 Jahren durch den stationären Handel, aktu- ell betreibt die Klägerin über 30 Standorte. Daneben erfolgt ebenfalls ein Vertrieb über die Domain "www.lumimart.ch". Die Beklagte ist als deutsche Anbieterin im schweizerischen Markt einzig aufgrund des auf den Domains "www.luminarte.ch" und "www.luminarte.de" abrufbaren Webshops prä- sent. In der Schweiz führt sie keine stationären Filialen. Soweit die Klägerin aus der Tatsache, dass beide Parteien Print- und Ra- diowerbung schalten und einen Online Shop betreiben, etwas ableiten will (Replik N. 490), kann ihr nicht gefolgt werden. Die Werbung in Print und Radio prägt aufgrund ihrer Üblichkeit die Marktauftritte der Parteien nicht. 137 BVGer B-142/2009 vom 6. Mai 2009 E. 5.4 m.w.N. 138 Siehe auch SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 3 lit. d N. 24; DIKE UWG-HEI- NEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 59. - 62 - Ebenso ist der Betrieb eines Online Shops unverzichtbar für einen Anbieter, der sich mit versandfähigen Waren an das Durchschnittspublikum richtet. Auch wenn Differenzen im Marktauftritt der Parteien erkennbar sind, be- wirtschaften sie überschneidende Zielgruppen. Daher ist in Anwendung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bei der Beurteilung der Verwechs- lungsgefahr ein strenger Massstab anzulegen.139 6.5.4. Schriftbild Die Schriftbilder der Zeichen "Lumimart" und "Luminarte" weisen eine grosse Ähnlichkeit auf. Sie enthalten den Wortanfang "Lumi", sind ähnlich lang (acht bzw. neun Buchstaben) und enthalten im zweiten Wortbestand- teil jeweils die Buchstabenfolge "A-R-T". Dabei ist bezüglich der Unter- schiede auch zu berücksichtigen, dass sich die Buchstaben "N" und "M" ähnlich sehen und nicht an prominenter Stelle (d.h. insbesondere nicht am Wortanfang) befinden.140 Der letzte Buchstabe "E" des Zeichens "Lumin- arte" fällt ebenfalls nicht sonderlich ins Gewicht, da er sich am Wortende befindet. Bei beiden Zeichen handelt es sich zudem nicht um Kurzworte.141 Daher ist die Gefahr des Verlesens bei einer flüchtigen Wahrnehmung der beiden Wortzeichen nicht von der Hand zu weisen. 6.5.5. Wortklang Das Wortzeichen "Lumimart" besteht aus drei, das Wortzeichen "Lumin- arte" aus vier Silben. Der Zeichenanfang "Lumi" ist identisch. Sehr ähnlich sind auch die Vokal- (U-I-A vs. U-I-A-E) und die Konsonantenfolge (L-M-M- R-T vs. L-M-N-R-T). Ebenso lassen sich die stimmhaften Nasenlaute "N" und "M" akustisch nur schwer unterscheiden.142 Der letzte Buchstabe "E" des Zeichens "Luminarte" wirkt sich sodann auch akustisch nicht massge- blich aus. Er bildet Bestandteil der unbetonten Silbe "te" und bleibt somit selbst unbetont.143 Die daraus resultierende klangliche Ähnlichkeit der Worte "Lumimart" und "Luminarte" ist offensichtlich. Wiederum ist zu be- rücksichtigten, dass es sich bei den zu vergleichenden Zeichen nicht um Kurzworte handelt. Die Zeichen sind sich auch auf klanglicher Ebene ähn- lich. 6.5.6. Sinngehalt Der Sinngehalt des Zeichens "Lumimart" wurde bereits erörtert (E. 6.4.2.3 hiervor). Dabei wurde festgestellt, dass die massgeblichen Verkehrskreise 139 Vgl. BGE 135 III 446 E. 6.1; BGer 6B_298/2013 vom 16. Januar 2014 E. 1.2.2; 4A_207/2010 vom 9. Juni 2011 E 5.1; 4A_103/2008 vom 7. Juli 2008 E. 6; 4C.31/2004 vom 8. November 2011 E. 6.2; 4P.222/2006 vom 21. Dezember 2006 E. 3.1. 140 Siehe auch Gerichtskreis VIII Bern-Laupen, sic! 2004, S. 31 ff., 33. 141 Vgl. hierzu BVGer B-1760/2012 vom 11. März 2013 E. 7.1 f. 142 SHK MSchG-JOLLER (Fn. 121), Art. 3 N. 162 mit Verweis auf Gerichtskreis VIII Bern-Laupen, sic! 2004, S. 31 ff., 33. 143 Vgl. auch Duden, Das Aussprachewörterbuch, 7. Aufl. 2015, S. 201. - 63 - das klägerische Zeichen zwar nicht sofort, aber dennoch ohne nennens- werten Gedankenaufwand, als Beleuchtungs- oder Lichtermarkt verstehen. Das Wortzeichen "Luminarte" ist ebenfalls eine Wortneuschöpfung, die le- xikalisch nicht erfasst ist. Es fragt sich, ob es vom allgemeinen Publikum als Fantasiezeichen verstanden wird. Dabei ist vorab zu prüfen, ob sich für den Abnehmer bei Aufteilung des Wortzeichens in einzelne Bestandteile ein Sinn erschliesst.144 Denkbar wäre eine gedankliche Aufteilung in "Lumi"-"narte", was der Silbenaufteilung entsprechen würde. Ebenfalls denkbar ist eine Zergliederung in die Bestandteile "Lumin"-"arte". So oder anders wird das allgemeine Publikum den Bestandteil "Lumin" oder allen- falls "Lumi" als Hinweis auf etwas (Be-)Leuchtendes oder allgemein auf Licht erkennen und verstehen (eingehend E. 6.4.2.3.2 hiervor). Beim Zeichenbestandteil "arte" handelt es sich um das italienische Wort für "Kunst".145 Mit Bezug auf das italienischsprachige Publikum ist entspre- chend davon auszugehen, dass es das versteht, auch wenn das zwischen- geschobene "n" die Erfassung des Sinngehalts stört.146 Sodann lautet das englische sowie französische Wort für "Kunst "art".147 Es ist daher davon auszugehen, dass das französischsprachige Publikum den Sinngehalt er- kennt. Die zusätzlichen Buchstaben "n" und "e" vermögen die Wahrneh- mung nicht massgebend zu beeinflussen. Gleiches gilt für das deutsch- sprachige Publikum: Der Wort "art" gehört zum englischen Basiswort- schatz, der beim Schweizer Durchschnittskonsumenten grundsätzlich vo- rausgesetzt werden darf. Folglich ist davon auszugehen, dass das allge- meine Publikum das Wortzeichen "Luminarte" ohne nennenswerten Ge- dankenaufwand i.S.v. Beleuchtungs- oder Lichtkunst versteht. Was die Klä- gerin dagegen mit Verweis auf KB 170 S. 8 f. vorbringt, verfängt nicht. Die dort gestellte Frage lautet wie folgt: "Hier sehen Sie ein Zeichen. Kennen Sie dieses Zeichen von ? Bitte schreiben Sie Ihre Antwort so ausführlich wie möglich in das dafür vorgesehene Feld" Daraus erhellt, dass die Studienteilnehmer nicht zum Sinngehalt des Logos , sondern zu dessen Bekanntheit befragt wurden. Folglich stellt der klägerische Einwand kein Indiz dar, welches gegen die zuvor fest- gestellte Erkennbarkeit des Sinngehalts sprechen würde. Damit ist auf der Ebene des Sinngehalts von unterschiedlichen Zeichen auszugehen. Aufgrund des beschreibenden Zeichenbestandteils "Lumi" 144 Vgl. BVGer B-6927/2015 vom 8. Dezember 2016 E. 6.3 m.w.N. 145 Siehe <https://de.langenscheidt.com/deutsch-italienisch/>, zuletzt abgerufen am 31. März 2020. 146 Tatsächlich dürfte es sich um ein Wortspiel mit den italienischen Wörtern "luminare" (Leuchte, Ka- pazität) und "arte" (Kunst) handeln. 147 Siehe <https://de.langenscheidt.com/englisch-deutsch/>, <https://de.langenscheidt.com/franzoe- sisch-deutsch/>, zuletzt abgerufen am 31. März 2020. - 64 - nehmen beide Zeichen auf etwas Leuchtendes bzw. Licht Bezug. Dennoch decken sich die Sinngehalte der Begriffe "Lumimart" (Beleuchtungs- bzw. Lichtmarkt) und "Luminarte" (Beleuchtungs-/Lichtkunst) klarerweise nicht. 6.5.7. Vergleich auf bildlicher Ebene Die figurativen Elemente der klägerischen Logos werden von der Beklagten im Logo nicht übernommen. Dennoch wird auch dieses Logo hauptsächlich durch das Wortelement geprägt. Die grafische Ausge- staltung des Wortelements (blaue Farbe, Grossbuchstaben, fette Schrift) ist nicht besonders originell. Soweit die Beklagte auf die spezielle Gestal- tung des Buchstabens "A" hinweist, ist zu berücksichtigen, dass im ver- schwommenen Erinnerungsbild des Abnehmers nicht jede gestalterische Einzelheit haften bleibt. Entsprechend ist weder die Unterbrechung des rechten Schenkels noch die Verlängerung des linken Schenkels des Buch- staben "A" von prägendem Gehalt.148 Schliesslich enthält das Logo den Zu- satz "DIE LICHTMACHER". Dieser ist in schwarzer Schrift gehalten und im Vergleich zum Wortelement "LUMINARTE" aufgrund seiner geringeren Grösse, der Farbe und der konventionellen Schriftart kaum erkennbar. Das Logo wird vorab durch die grafische Gestaltung des Wortelements "Lumin- arte" geprägt. Folglich ist auch beim beklagtischen Logo von einer starken Prägung des Gesamteindrucks durch das Wortelement auszugehen. Auf bildlicher Ebene dürfte die grafische Ausgestaltung des Buchstabens "A" in Erinnerung bleiben, den Gesamteindruck jedoch nicht massgeblich beein- flussen. Aufgrund der zuvor gewonnen Erkenntnissen prägen die Wortbestandteile "Lumimart" respektive "Luminarte" den massgebenden Gesamteindruck der verwendeten Logos. Im verschwommenen Erinnerungsbild der Abneh- mer verbleiben das jeweilige Wortelement sowie die blaue Hinterlegung. Allenfalls können sich Abnehmer vereinzelt an die beschreibenden grafi- schen Elemente in den Logos (gelber Punkt resp. Glühbirne mit Lichtkegel bei der Klägerin und "DIE LICHTMACHER" bei der Beklagten) erinnern. Jedoch vermögen diese figurativen Elemente den massgeblichen Gesamt- eindruck nicht zu prägen. 6.5.8. Gesamtbetrachtung Da die Marktauftritte unter den Zeichen "Lumimart" und "Luminarte" ähnli- che Zielgruppen ansprechen und zumindest das Logo über ei- nen erweiterten Schutzumfang verfügt, ist anlässlich der Prüfung der Ver- wechslungsgefahr ein strenger Massstab anzulegen. Nach der Auffassung des Gerichts werden sämtliche von den Parteien ver- wendeten Zeichen durch den Wortbestandteil "Lumimart" resp. "Luminarte" 148 Siehe dazu auch BSK UWG-ARPAGAUS (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 94. - 65 - geprägt (zu den Logos vgl. E. 6.5.7 hiervor). Das Zeichen "Luminar- te GmbH" stellt eine Unternehmensbezeichnung dar, bei welcher der übli- che Rechtsformzusatz hinter die eigentliche Firma zurücktritt. Schliesslich wird bei Domainnamen vordergründig auf den Second-Level-Domain ab- gestellt, da die Internetbenützer aus Erfahrung wissen, dass Domainnamen die Sub-Domain "www" sowie eine gängige (z.B. länderspezifische) Top- Level-Domain (".ch", ".com", ".de" etc.) aufweisen (siehe auch E. 6.4.2.6 hiervor). Mit Blick auf das Schriftbild und den Klang besteht eine sehr grosse Ähn- lichkeit zwischen den Wortzeichen "Lumimart" und "Luminarte". Die Zei- chenähnlichkeit wird durch die Unterschiede im Sinngehalt nicht kompen- siert. Zwar wurde festgestellt, dass die unterschiedlichen Sinngehalte für die massgeblichen Verkehrskreise in sämtlichen Sprachregionen ohne be- sonderen Gedankenaufwand erkennbar sind. Trotz dieser Erkenntnis ist nicht davon auszugehen, dass sich der Sinngehalt der streitverfangenen Zeichen beim Hören und beim Lesen dem Bewusstsein sogleich aufdrängt. Insbesondere beim deutschsprachigen Publikum erscheint fraglich, ob sich der Sinngehalt auch bei einer flüchtigen Wahrnehmung der Wortbestand- teile "lumi" und "narte" (oder allenfalls "arte") aufdrängt. Überdies besteht in sämtlichen Sprachregionen aufgrund der klanglichen und visuellen Ähn- lichkeiten die Gefahr, dass sich die Konsumenten bei flüchtiger Wahrneh- mung verhören oder verlesen. Damit liegt eine Zeichenähnlichkeit vor. Im Lauterkeitsrecht ist neben den von den Wettbewerbsteilnehmern ver- wendeten Zeichen ebenfalls der gesamte Marktauftritt zu berücksichti- gen.149 Bei der Beklagten handelt es sich um eine in Deutschland domizili- erte Anbieterin. Diese Tatsache wird den massgeblichen Verkehrskreisen sowohl auf der Webseite der Beklagten (Duplik N. 588) als auch in der Printwerbung offengelegt (Duplik N. 596). Werbung und Warenpräsenta- tion weisen insbesondere die deutsche Adresse der Beklagten sowie deren deutsche Telefonnummer aus. Aufgrund des langjährigen und dichten Fili- alnetzes der "Lumimart" Fachmärkte ist davon auszugehen, dass die Kon- sumenten die "Lumimart" Zeichen dem Betreiber von Schweizer Fachmärk- ten für Leuchten, Leuchtmittel und Beleuchtungszubehör zuordnen. Es er- scheint daher fraglich, ob die Konsumenten bei Wahrnehmung des Zei- chens "Luminarte", der Firmenbezeichnung "Luminarte GmbH", der Do- mains "luminarte.de" und "luminarte.ch" sowie des Logos mit dem Hinweis auf den in Deutschland gelegenen Sitz des Unternehmens davon ausgehen, es handle sich dabei um das Unternehmen, welches ebenfalls unter dem Zeichen "Lumimart", der Domain "lumimart.ch" sowie den Logos resp. auf dem Schweizer Markt auftritt (sog. unmittelbare Verwechslungsgefahr). 149 Vgl. die Nachweise in Fn. 111 hiervor. - 66 - Indes ist nach der Auffassung des Gerichts eine mittelbare Verwechslungs- fahr anzunehmen. Beide Parteien präsentieren sich den Konsumenten als Fachanbieter für Leuchten und Zubehör, die in unterschiedlichen Ländern domiziliert sind. Die von der Klägerin verwendeten Zeichen haben sich im Verkehr durchgesetzt und begründen damit eine gefestigte Marktstellung in der Schweiz. Konkret weist die Beklagte zwar auf ihren Sitz in Deutsch- land hin und will daraus eine Unterscheidbarkeit zum Kennzeichen der Klä- gerin ableiten. Dieser Hinweis auf den Sitz in Süddeutschland und die damit verbundene Differenzierung ist insgesamt zu geringfügig, als dass sie bei einer Gesamtbetrachtung der beiden fraglichen Zeichen eine Verwechs- lungsgefahr ausschliessen würde. Aufgrund der erhöhten Schutzwirkung der "Lumimart"-Zeichen (vgl. vorne E. 6.4.6) hebt sich der Marktauftritt der Beklagten unter dem Zeichen "Luminarte" insgesamt zu wendig ab. Daher erscheint es als wahrscheinlich, dass die Konsumenten selbst unter Be- rücksichtigung der unterschiedlichen geografischen Standorte eine zumin- dest vorübergehend wirtschaftliche oder organisatorische Verbindung zwi- schen den Unternehmen vermuten. Da eine vorübergehende Fehlzurech- nung über die wirtschaftliche Verbundenheit von zwei Unternehmen resp. Unternehmensteilen von der Lehre und Rechtsprechung als ausreichend erachtet wird,150 ist eine mittelbare Verwechslungsgefahr zu bejahen. Schliesslich bleibt zu beachten, dass eine mittelbare Verwechslungsgefahr auch in Fällen bejaht wird, in denen das jüngere Kennzeichen die Botschaft "Ersatz für" oder "gleich gut wie" vermittelt und dabei eine eigentliche Fehl- zurechnung unwahrscheinlich ist. Auch in solchen Fällen der anlehnenden Bezugnahme wird die Herkunfts- und Unterscheidungsfunktion des älteren Zeichens beeinträchtigt.151 Weil sämtliche von den Parteien verwendeten Zeichen durch deren Wort- bestandteil geprägt werden, wird die mittelbare Verwechslungsgefahr durch das Zeichen "Luminarte", die Firmenbezeichnung "Luminar- te GmbH", das Logo sowie die Domains "luminarte.ch" und "luminarte.de" hervorgerufen. 6.5.9. Zwischenfazit Die von der Beklagten verwendeten Zeichen "Luminarte", "luminarte.de", "luminarte.ch", "Luminarte GmbH" sowie sind mit den Zei- chen "Lumimart", ,"lumimart.ch", sowie der Klägerin verwechselbar im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG. 150 BSK UWG-ARPAGAUS (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 205; BGE 127 III 160 E. 2a; 122 III 382 E. 1. 151 SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 30 m.w.N. - 67 - 6.6. Gebrauchspriorität 6.6.1. Parteibehauptungen 6.6.1.1. Klägerin Die Klägerin führt aus, die Zeichen "Lumimart" und würden seit 1992 als Geschäftsbezeichnung für Fachmärkte für Leuchten und Leucht- mittel verwendet. Ein weiteres Indiz liege in der Markenanmeldung im Jahr 1996. Spätestens seit dem Jahr 1998 sei der Gebrauch der Bezeichnung durch die eingereichten Belege nachgewiesen (Klage N. 105 m.V.a. KB 25- 148). Seit 1998 werde das Zeichen "Lumimart" mit einem schweizweiten Betreiber von Fachmärkten für Lampen und Leuchten verbunden; seit 2000 zusätzlich mit einem Betreiber eines Online-Shops für Lampen und Leuch- ten. Unabhängig von der Inhaberschaft sei der Marktauftritt über Jahre un- verändert geblieben. Aus Sicht der Abnehmer spiele es keine Rolle, wer Inhaber des Geschäfts sei (Replik N. 321 f.). Eventualiter sei die Klägerin unter der Bezeichnung "Lumimart" am 6. Mai 2013 auf dem Markt aufge- treten (Replik N. 326). Der Marktauftritt von "Lumimart" erfolge nicht nur mit dem Logo, sondern ebenfalls dem Wortzeichen "Lumimart". Dies ergebe sich aus der Domain "www.lumimart.ch", auf welche in den Prospekten seit Juli 2000 verwiesen werde sowie aus der Radiowerbung (Replik N. 316). Sodann sei der Markt- auftritt massgeblich vom Wortbestandteil geprägt. Die graphische Gestal- tung der beiden Logos sei wenig unterscheidungskräftig. Anlässlich der Studie der J. AG (KB 151 f.) sei eine erhebliche Bekanntheit des Wortzei- chens "Lumimart" festgestellt worden (Replik N. 317). Schliesslich habe sich der Marktauftritt durch die Logoänderung nicht verändert, da die Prä- sentation der Waren in den Fachmärkten und im Onlineshop beibehalten worden sei (Replik N. 318). Soweit die Beklagte den Gebrauch der Bezeichnung "Luminarte" seit 2003 geltend mache, sei ihr nicht zu folgen. Die Gründung einer Gesellschaft und deren Geschäftstätigkeit in Deutschland würden keinen Gebrauch in der Schweiz darstellen (Klage N. 106). Der Gebrauch der Bezeichnung "Lumi- narte" sei erst Ende 2013 / Anfang 2014 nach aussen feststellbar gewesen (Klage N. 107; Replik N. 328). Schliesslich könne aus der Eintragung einer Marke nichts über den Gebrauch eines Zeichens abgeleitet werden könne (Replik N. 329). 6.6.1.2. Beklagte Die Beklagte führt im Wesentlichen aus, die Klägerin verfüge über keine Gebrauchspriorität. Im September 2018 habe die Klägerin den Auftritt ihres Geschäftsbereichs "Lumimart" völlig geändert und verwende nicht mehr das Logo , sondern das Logo (Klageantwort N. 134; Duplik N. 371). Daher verfüge die Beklagte unbestrittenermassen über die notwendige Gebrauchspriorität (Klageantwort N. 135). Das Logo - 68 - stelle nicht einzig eine modernisierte Form des Logos dar. Die beiden Logos würden sich in Format, fehlendem Bildelement, Farbausgestaltung, Schriftfarbe (50 %), Schriftart und Gross- /Kleinbuchstaben unterscheiden (Duplik N. 84 f.). Es werde mit Nichtwis- sen bestritten, dass die Konsumenten zwischen dem alten und dem neuen Logo eine Verbindung herzustellen vermöchten (Duplik N. 86). Eventualiter könne die Klägerin nur auf den eigenen Marktauftritt und nicht auf denjenigen allfälliger Rechtsvorgänger (A.-Gruppe Genossenschaft, N. S.A. sowie P. AG) abstellen (Klageantwort N. 137). Vielmehr könne die Klägerin ihre Marktstellung erst nach Eintragung im Handelsregister am 6. Mai 2013 gewonnen haben. Dass die Klägerin eine derartige Marktstel- lung errungen habe, werde mit Nichtwissen bestritten (Klageantwort N. 139, 143). Unter dem Zeichen "Luminarte" habe die Luminarte GmbH & Co bereits im Jahr 2003 Lieferungen an Schweizer Kunden getätigt. Sodann seien seit 2004 die Domain "www.luminarte.de" und ab 2007 die Domain "www.lumi- narte.ch" eingesetzt worden. Bereits seit 2007 habe die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Google AdWords Werbung in der Schweiz geschaltet. Mit Vereinbarung vom 10. Dezember 2012 habe die Beklagte sodann die Rechte am Kennzeichen "Luminarte" in der Schweiz erworben. Schliesslich sei die Beklagte Inhaberin der Marke CH 654460, die am 19. Juli 2013 un- ter Beanspruchung der Priorität der deutschen Markenanmeldung vom 9. Februar 2013 angemeldet worden sei (Klageantwort N. 140). 6.6.2. Rechtliches Stehen zwei Kennzeichen im Konflikt, kommt demjenigen Kennzeichen der Vorrang zu, welches länger in Gebrauch steht.152 Lauterkeitsrechtlich ent- scheidend ist die nachgewiesene frühere, nach aussen feststellbare Benut- zung im Geschäftsverkehr.153 Erforderlich ist daher der Gebrauch eines Zeichens im hiesigen Wettbewerb im Zusammenhanghang mit der Ge- schäftsbezeichnung.154 6.6.3. Würdigung 6.6.3.1. Einleitung Die Beklagte bestreitet die von der Klägerin behauptete Gebrauchspriorität mit diversen Argumenten. In einem ersten Schritt ist daher zu prüfen, ab welchem Zeitpunkt ein Marktauftritt unter dem Zeichen "Lumimart" resp. nachgewiesen ist. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob sich die Klägerin auf diesen Marktauftritt berufen kann. Schliesslich gilt es zu 152 DIKE UWG-HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 57. 153 SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 21; DIKE UWG-HEINE- MANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 58; BSK UWG-ARPAGAUS (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 62. 154 Siehe SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 21. - 69 - prüfen, ob der Logowechsel von zu Auswirkungen auf das Tatbestandselement der Gebrauchspriorität zeitigt. 6.6.3.2. Marktauftritt von "Lumimart" ab 1998 Die Klägerin behauptet, "Lumimart" verfüge zumindest seit 1998 über einen individualisierenden Marktauftritt (Klage N. 25; Replik N. 325). Diesen hat die Klägerin nachgewiesen (vgl. E. Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. hiervor). Ebenso hat die Klägerin nachgewiesen, dass die Domain "www.lumimart.ch" ab dem 9. Dezember 2000 in Gebrauch stand (vgl. E. 6.4.3.5.2 hiervor). Als Zwischenfazit ist daher festzuhalten, dass ein Marktauftritt mit den Zei- chen "Lumimart" sowie ab dem Jahr 1998 und für die Domain "www.lumimart.ch" ab dem Dezember 2000 nachgewiesen ist. Da die Be- klagte oder eine ihrer Rechtsvorgängerinnen selbst nach eigenen Angaben das Zeichen "Luminarte" nicht in irgendeiner Abwandlung im Jahr 1998 in der Schweiz gebraucht hat, kommt dem Zeichen "Lumimart" Gebrauchspri- orität zu. 6.6.3.3. Übertragbarkeit der Marktstellung von "Lumimart" Die Beklagte bestreitet die Übertragbarkeit der lauterkeitsrechtlichen Marktstellung (Klageantwort N. 141). Das Lauterkeitsrecht dient dem Schutz einer erlangten Marktstellung. Der lauterkeitsrechtliche Kennzeichenschutz hat neben der Unterscheidungs- und Herkunftsfunktion ebenfalls eine Investitionsfunktion und soll der Frust- ration von Investitionen in den Goodwill eines Kennzeichenauftritts entge- genwirken.155 Ob eine Marktstellung selbst aufgebaut oder rechtsgeschäft- lich durch Erwerb des Wettbewerbsteilnehmers begründet wurde, ist ohne Belang. Entsprechend soll durch das Tatbestandsmerkmal der Gebrauch- spriorität anlässlich eines lauterkeitsrechtlichen Zeichenkonflikts sicherge- stellt werden, dass demjenigen Kennzeichen der Vorrang zukommt, des- sen Marktauftritt länger andauert.156 Solange der erarbeitete Marktauftritt eines Wettbewerbers erhalten bleibt, ist dessen Inhaberschaft nicht mass- gebend.157 Würde demgegenüber angenommen, bei einem Wechsel der Inhaberschaft eines am Markt teilnehmenden Unternehmens müsse die lauterkeitsrechtliche Position von neuem aufgebaut werden, würde dies zu unzulässigen Wettbewerbsverzerrungen führen.158 155 Vgl. DIKE UWG-HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 11. 156 DIKE UWG-HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 57. 157 So auch die Lehre anlässlich der derivativen Kennzeichnungskraft, vgl. SHK UWG-SPITZ/BRAUCH- BAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 15 m.w.N.; DIKE UWG-HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 35. 158 Siehe auch SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 1. - 70 - Vorliegend sind aus dem präsentierten Sachverhalt keine Anhaltspunkte ersichtlich, welche auf einen massgeblich veränderten Marktauftritt in den Jahren 1998 bis 2018 hindeuten würden. Sowohl 1998 als auch 2018 wur- den Fachmärkte für Leuchten, Leuchtmittel und Beleuchtungszubehör un- ter der Bezeichnung "Lumimart" und dem Logo geführt. Neu dazugekommen ist zwar ab dem Jahr 2000 die Domain "www.lumimart.ch", welche jedoch den bisherigen Zeichenauftritt von "Lumimart" durch die Se- cond-Level-Domain aufgenommen hat. Im Übrigen gehen aus den Akten keine erheblichen Veränderungen des Warenangebots sowie der Waren- präsentation hervor. Es mag zutreffen, dass die Klägerin resp. ihre Rechts- vorgängerinnen unterschiedliche Claims verwendet haben (vgl. Duplik N. 435 mit Beispielen wie "LE GEANT DU LUMINAIRE", "DER LAMPEN- RIESE", "MEHR ALS NUR LICHT"). Diese Tatsache vermag aber nicht zu einem veränderten Marktauftritt führen. Wie die Beklagte selbst ausführt, wurden diese Claims nicht zu einem festen Bestandteil des Marktauftritts unter dem Zeichen "Lumimart". Sie wurden einzig punktuell und zeitlich be- schränkt verwendet. Als Zwischenfazit ist festzuhalten, dass sich die Klägerin aufgrund des Marktauftritts unter dem Zeichen "Lumimart" auf die Gebrauchspriorität aus dem Jahr 1998 berufen kann. 6.6.3.4. Änderung des klägerischen Logos von zu Schliesslich bestreitet die Beklagte die behauptete Gebrauchspriorität der Klägerin infolge des Wechsels des Logos (Klageantwort N. 134 ff.). Dem Einwand der Beklagten ist nicht zu folgen. Der massgebende Markt- auftritt hängt nicht von der Ausgestaltung eines bestimmten Logos, sondern vom Gesamteindruck ab.159 Die von der Klägerin im September 2018 voll- zogene Logoänderung vermag bei den einschlägigen Verkehrskreisen zu keiner Änderung des wahrgenommen Marktauftritts zu führen. Dieser er- folgt weiterhin über stationäre Fachmärkte und einen Onlineshop. Überdies weisen die beiden Logos zwar diverse Unterscheide auf. Sie sind jedoch stark vom Wortbestandteil "Lumimart" geprägt (vgl. E. 6.4.2.4 f. hiervor). Dieser Wortbestandteil stimmt mit dem ebenfalls verwendeten Wortzeichen "Lumimart" sowie der Second-Level-Domain des Domainnamens "lumim- art.ch" überein. Daher ist davon auszugehen, dass die massgeblichen Ver- kehrskreise das Logo mit dem seit dem Jahre 1998 bestehen- den Marktauftritt unter dem Zeichen "Lumimart" resp. dem Logo in Verbindung bringen. Daran vermögen die veränderten Geschenkkarten oder die Umgestaltung einer Filiale nichts zu ändern (Duplik N. 81, 419). 159 Vgl. statt aller: DIKE UWG-HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 39. - 71 - Folglich führt der von der Klägerin vorgenommene Logowechsel nicht zu einem Verlust der bestehenden Gebrauchspriorität. 6.6.3.5. Zwischenfazit Im Ergebnis ist das Tatbestandselement der Gebrauchspriorität erfüllt, weil sich die Klägerin auf einen seit dem Jahr 1998 andauernden Marktauftritt berufen kann. 6.7. Verwirkung 6.7.1. Parteibehauptungen 6.7.1.1. Beklagte Die Beklagte macht geltend, die lauterkeitsrechtlichen Ansprüche der Klä- gerin seien ohnehin verwirkt (Klageantwort N. 145 ff.). Zur Erkennbarkeit der Verletzung führt sie im Wesentlichen das Folgende aus: (1) Seit 2003 hätten die Beklagte und ihre Vorgängergesellschaft von ihrem Standort in Lauchringen aus ihr Angebot in der Schweiz be- worben und an schweizerische Kunden verkauft. Die Benutzung sei von Anfang an nicht nur in Deutschland, sondern auch im Verkehr mit der Schweiz (insbesondere Onlinehandel bzw. Versandhandel) bzw. mit Kunden aus der Schweiz erfolgt, die sich in die Showrooms nach Deutschland begeben hätten. Im Jahr 2003 sei ein Umsatz von EUR 4'426.00 angefallen, welcher im Jahr 2013 schliesslich EUR 234'209.00 betragen habe. Der Umsatz habe im Geschäftsjahr 2013/2014 EUR 526'791.36, im Geschäftsjahr 2014/2015 EUR 1'209'241.24 und im Geschäftsjahr 2015/2016 EUR 1'216'865.78 betragen. Die Umsätze seien auf die von der Be- klagten unternommenen Werbeanstrengungen in der Schweiz und auf Kunden, die durch Mund-zu-Mund-Propaganda von der Beklag- ten erfahren hätten, zurückzuführen (Klageantwort N. 52, 65, 66). Sodann hätte der Klägerin der grenznahe Auftritt der Beklagten be- merken müssen (Klageantwort N. 151). Es sei schliesslich ausge- schlossen, dass die Beklagte resp. ihre Rechtsvorgängerinnen diese Umsätze einzig aufgrund der grenznahmen Ladenlokalität in Lauchringen erzielt hätten. Vielmehr sei davon auszugehen, dass diese nur erzielt worden seien, weil die Werbung über Google Ad- Words und die betriebene Website auch in der Schweiz wahrge- nommen worden sei (Duplik N. 482); (2) Die Website "www.luminarte.de" existiere bereits seit 2004 und diene dem Vertrieb von Leuchten und Leuchtmitteln auch für Kun- den in der Schweiz. Die Website sei auf die Schweiz ausgerichtet, da sie aus der Schweiz abrufbar sei. Sie habe von Beginn weg den Hinweis auf die Möglichkeit, in die Schweiz zu liefern, enthalten. Ab 2007 sei unter der Rubrik "Projekte" auf den grossen Kundenstamm in der Schweiz hingewiesen worden (Klageantwort N. 52, 62; KAB 5 - 17/1); - 72 - (3) Die Website "www.luminarte.ch" sei 2007 in Betrieb genommen worden und zumindest seit 2008 aktiv. Zuerst sei diese auf die deut- sche Adresse weitergeleitet worden, bevor ein eigener Webshop mit Ausrichtung auf die Schweiz geschaltet worden sei (Klageantwort N. 5, 52, 63; KAB 12); (4) Ab 2007 habe die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Hilfe von AdWords Werbung auf google.ch geschaltet. Aus den Google Ad- Words Übersichten sei ersichtlich, dass die Werbeanzeigen der Be- klagten in Suchanfragen aus der Schweiz pro Jahr Millionen Mal angezeigt worden seien. Es gehöre zudem bereits seit über zehn Jahren zum Standard eines Unternehmens, welches einen Webshop betreibe, die Situation auf Suchmaschinen im Internet zu beobachten und für eigene Zwecke zu optimieren. Es sei daher da- von auszugehen, dass die Klägerin seit 2007 über die Werbean- strengungen der Klägerin im Bilde sei (Klageantwort N. 68; KAB 9 - 34/1), zumal die Klägerin selbst Werbung für den Ge- schäftsbereich "Lumimart" mit Hilfe von Google AdWords betreibe (Duplik N. 468); (5) Ab 2011 seien die Beklagte resp. ihre Rechtsvorgängerin auf "www.youtube.com" vertreten gewesen, da am 9. Dezember 2011 ein aus der Schweiz abrufbares Video mit Bezugnahme auf das Wortzeichen "Luminarte" veröffentlich worden sei (Klageantwort N. 70); (6) Ab 2013 habe die Beklagte damit begonnen, regelmässig Werbung in Zeitungen, Zeitschriften und Radio zu schalten. So unter anderem im Tagesanzeiger, der Aargauer Zeitung, der Botschaft, Radio 24 sowie den deutschen Radiosendern SWR1 und Radio Seefunk, welche in der ganzen Deutschschweiz empfangen werden könnten (Klageantwort N. 69); (7) Mit Prioritätsdatum 9. Februar 2013 sei die beklagtische Marke Nr. 654460 "Luminarte" eingetragen worden. Da es sich bei der Klä- gerin um ein grosses Unternehmen handle, habe sie bei gehöriger Sorgfalt von der Markenpublikation Kenntnis nehmen müssen (Kla- geantwort N. 151); (8) Schliesslich würden die Parteien Lampen und Leuchtmittel der glei- chen Marken vertreiben (U., V., W., Z., AA., AB.). Dies lasse vermu- ten, dass die Beklagte der Klägerin als Abnehmerin von Produkten dieser Marken bekannt gewesen sei, zumal es beim Bezug solcher Markenprodukte von denselben Produzenten bzw. Vertriebspart- nern üblich sei, die Konkurrenzunternehmen zu kennen (Klageant- wort N. 151). Die Tatbestandsvoraussetzung des langen Zuwartens der Klägerin sei ebenfalls erfüllt. Denn diese hätte bei gebotener Sorgfalt den Marktauftritt - 73 - unter dem Zeichen "Luminarte" seit 15 Jahren bemerken müssen. Eventu- aliter seien zwischen dem Kennenmüssen per Ende 2013 und der Klage- einreichung im April 2018 mehr als vier Jahre vergangen, so dass auch in diesem Fall ein zu langes Zuwarten der Klägerin vorliege. (Klageantwort N. 155). Es habe keine vorprozessuale Korrespondenz zwischen den Par- teien gegeben und entsprechend sei die Beklagte von der Klägerin nie ab- gemahnt worden (Klageantwort N. 84, 147; KB 165). Die vorprozessuale Korrespondenz der A.-Gruppe Genossenschaft könne der Klägerin nicht zugerechnet werden (Duplik N. 69). Sodann liege auch ein wertvoller Besitzesstand vor. Die Beklagte resp. ihre Rechtsvorgängerin hätten das Zeichen "Luminarte" langjährig und intensiv benützt, woraus eine Umsatzsteigerung von EUR 4'426.00 (2003) auf EUR 1'216'866.00 (2016) resultiert habe. Soweit sich Internetauftritte nicht explizit auf die Schweiz beschränkten, müsste die Beklagte sodann auch in Deutschland ein anderes Zeichen wählen. Da ein Zeichenwechsel in der Schweiz einen unzumutbaren erheblichen Mehraufwand bedeuten würde, wäre die Beklagte vor die Wahl gestellt, entweder ihr Zeichen auch in Deutschland abzuändern oder ihren Vertrieb in die Schweiz einzustellen (Klageantwort N. 159). Weiter treffe das von der Klägerin eingereichte Gut- achten keine gültigen Schlüsse, ob das Zeichen "Luminarte" den Konsu- menten bekannt sei (Klageantwort N. 162). Schliesslich liege ebenfalls die Gutgläubigkeit vor, da die Beklagte von der Klägerin nicht abgemahnt worden sei und die Unternehmen friedlich ne- beneinander existiert hätten (Klageantwort N. 165). Entgegen der Klägerin könne aus dem Umstand, dass die Beklagte Schweizer Kunden zu tiefen Preisen beliefere, nicht auf die Bösgläubigkeit geschlossen werden (Kla- geantwort N. 167). 6.7.1.2. Klägerin Die Klägerin bestreitet die beklagtischen Ausführungen und macht insbe- sondere geltend, sie habe erst Ende August 2016 von der Benutzung der Bezeichnung "Luminarte" durch die Klägerin erfahren (Klage N. 49, 169). Zur Erkennbarkeit der Verletzung führt sie insbesondere das Folgende aus: (1) Die Klägerin bestreite, dass die Beklagte oder eine ihrer Vorgänger- gesellschaften "Luminarte" oder seit 2003 in der Schweiz benutzen oder bewerben. Zudem werde die Übertragung der nicht näher spezifizierten Kennzeichenrechte an die Beklagte bestritten (Replik N. 143, 342). Insbesondere führe die Bezeich- nung von Ladenlokalitäten in Deutschland nicht zu einem Zeichen- gebrauch in der Schweiz (Replik N. 155); (2) Die von der Beklagten ausgewiesen Umsätze seien gemäss eige- nen Angaben in der Schweiz bzw. in die Schweiz erzielt worden. - 74 - Weiter sei der Umsatz mit Kunden erfolgt, welche sich in die Loka- litäten in Deutschland begeben hätten. Diese Umsätze könnten je- doch keine Benutzung in der Schweiz belegen. Zudem gehe aus den Zahlen eine Verdopplung im Geschäftsjahr 2013 (ab 1. Juli 2013) hervor. Dies zeige, dass die Beklagte Mitte 2013 ihre Aktivi- täten in der Schweiz ernsthaft aufgenommen habe und die im Herbst 2013 initiierten Werbemassnahmen Wirkung gezeitigt hätten (Replik N. 161, 170). Sodann würden die von der Beklagten einge- reichten Belege hauptsächlich Ausfuhrscheine beinhalten, welche von Schweizer Kunden, die in Deutschland eingekauft hatten, stammten. Diese seien jedoch vorliegend nicht relevant. Die übrigen Belege würden keinen ernsthaften Marktauftritt in der Schweiz be- gründen, zumal die Beklagte selbst ausführe, dass Schweizer Kun- den Bestellungen in den deutschen Lokalitäten mit anschliessender Heimlieferung getätigt hätten. Wieso aufgrund der behaupteten Mund-zu-Mund-Propaganda die Klägerin auf "Luminarte" hätte auf- merksam werden müssen, sei sodann nicht ersichtlich. Schliesslich könne die Beklagte Werbeanstrengungen erst ab September 2013 belegen (Replik N. 163 f.); (3) Die Klägerin bestreite eine Aktivität der Website "www.luminarte.ch" seit 2008. Vielmehr sei eine Benutzung der Domain ab Ende Juli 2013 nachgewiesen (Replik N. 153; KB 160). Dies gelte auch für die von der Beklagten behauptete Weiterleitung (Replik N. 158). Der von der Beklagten eingereichte Report (AB 12) weise nicht einen früheren Betrieb einer Website auf der Domain "www.luminarte.ch" nach (Replik N. 14). Im Übrigen stelle diese keinen ernsthaften Ge- brauch des Zeichens "Luminarte" in der Schweiz dar, da vor 2013 allenfalls einzig eine Weiterleitung auf die deutsche Website erfolgt sei (Replik N. 11, 16, 140); (4) Die Klägerin bestreite eine Ausrichtung des auf "www.luminarte.de" abrufbaren Webshops auf die Schweiz ab dem Jahr 2004. Die Mög- lichkeit einer Lieferung in die Schweiz und die Wahrnehmung dieser Möglichkeit von Schweizer Kunden führe noch nicht zu einem rele- vanten Marktauftritt in der Schweiz (Replik N. 155). Ein Hinweis auf die Liefermöglichkeit in der Schweiz auf Anfrage per Kontaktformu- lar sei erst ab Mitte des Jahres 2012 ersichtlich. Es hätten jedoch Preise in Schweizer Franken sowie auf die Schweiz ausgerichtete Werbung gefehlt. Daher sei im Jahr 2012 die Benutzung des Zei- chens "Luminarte" auf einer deutschen Website für die Klägerin nicht erkennbar gewesen (Replik N. 362); (5) Mit Bezug auf die Werbeanstrengungen mithilfe von Google Ad- Words wendet die Klägerin ein, KAB 9 - 34/1 beziehe sich einzig auf die Website "www.luminarte.de". Dies gelte bis zum Jahr 2013 ebenfalls für KAB 9-15/3. Es könne der Klägerin aber nicht zugemu- tet werden, ausländische Websites auf potentiell lauterkeitsrechtlich - 75 - relevantes Verhalten hin zu durchsuchen (Replik N. 168). Zudem sei Werbung mittels Google AdWords nicht mit Printwerbung zu ver- gleichen. Erstere erfordere im Gegensatz zur Printwerbung ein Ak- tivwerden des Kunden, welcher bei Google die richtigen Suchbe- griffe eingeben müsse. Erst durch Print- und Radiowerbung erlange ein Anbieter mit seinem Zeichen in der Schweiz bei den relevanten Verkehrskreisen eine gewisse Bekanntheit und erst ab diesem Zeit- punkt sei es einem Konkurrenten möglich, von solchen Aktivitäten zu erfahren (Replik N. 169); (6) Dem Youtube-Video der Beklagten aus dem Jahr 2011 fehle es an einer konkreten Verbindung zur Schweiz. Daher vermöge das Video keinen ernsthaften Gebrauch des Zeichens "Luminarte" in der Schweiz zu begründen (Replik N. 172); (7) Schliesslich bestreite die Klägerin, dass sie die Beklagte kennen müsse, bloss weil diese teilweise die gleichen Produkte verkaufe (Replik N. 351). Hinsichtlich der Dauer des Zuwartens macht die Klägerin geltend, sie hätte den Marktauftritt der Beklagten erst per Ende 2013 erkennen müssen. So- dann sei das Abmahnschreiben der A.-Gruppe Genossenschaft vom 3. Ok- tober 2016 (KB 165) auch als Aktivwerden der Klägerin zu werten. Erstens sei die Klägerin eine 100%-ige Tochtergesellschaft der A.-Gruppe Genos- senschaft. Der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung setze sich aus den gleichen Personen zusammen. Im Übrigen sei der Rechtsdienst der Kläge- rin auch für die Angelegenheiten der A.-Gruppe Genossenschaft zuständig (Replik N. 203). Zweitens sei im Abmahnschreiben festgehalten, die Be- klagte betreibe unlauteren Wettbewerb. Zumal es sich bei der A.-Gruppe Genossenschaft um eine Art Holding-Gesellschaft handle, sei davon aus- zugehen gewesen, dass allfällige UWG-Ansprüche über eine ihrer operativ tätigen Tochtergesellschaften geltend zu machen seien (Replik N. 204). Aus dem Abmahnschreiben werde deutlich, dass die Beklagte die Rechte eines Unternehmens aus dem A.-Konzern verletze (Replik N. 205). Daher habe die Beklagte mit Erhalt nicht mehr davon ausgehen dürfen, ihr Ver- halten werde geduldet (Replik N. 206). Folglich habe die Klägerin maximal zweieinhalb Jahre zugewartet, was nicht als zu lange qualifiziert werden könne (Replik N. 358 - 360). Weiter bestreitet die Klägerin einen wertvollen Besitzesstand der Beklag- ten. Eine länger andauernde und intensive Benützung des Zeichens "Lu- minarte" in der Schweiz liege nicht vor, da diese erst Mitte des Jahres 2013 aufgenommen worden sei. Eine Verkehrsdurchsetzung habe die Beklagte ebenfalls nicht nachgewiesen. Vielmehr zeige die von der Klägerin durch- geführte Befragung (KB 170), dass nur 1 % der Befragten das Zeichen "Lu- minarte" mit Möbel Dick oder einem Deutschen Lampengeschäft und nur - 76 - 4 % überhaupt mit Leuchten oder Beleuchtung in Verbindung gebracht hät- ten. Schliesslich habe die Beklagte in der Schweiz keine so starke Wettbe- werbsstellung erreicht, dass es der Klägerin zumutbar wäre, die Aus- schliesslichkeitsrechte an ihrem Zeichen aufzugeben (Replik N. 367). Da die Umsätze bis 2013 hauptsächlich aus dem Betrieb grenznaher Ge- schäfte resultierten, seien diese vorliegend irrelevant. Ebenso müsse die Beklagte in Deutschland ihr Zeichen "Luminarte" nicht aufgeben. Es sei zwar nicht vermeidbar, dass Ladengeschäfte in Deutschland sowie Social Media Auftritte gewisse Wirkungen auf die Schweiz entfalten würden. Je- doch wäre es der Beklagten bei einer Gutheissung von Rechtsbegehren Ziff. 1 einzig nicht gestatten, auf Social Media konkret Schweizer Kunden anzuwerben und ihre Social Media Auftritte auf die Schweiz auszurichten (Replik N. 369). Im Übrigen werde der Vertrieb in die Schweiz nicht verbo- ten. Weil die Beklagte das Zeichen "Luminarte" gemäss eigenen Angaben nicht auf Waren anbringe, könne mit dem Zeichenwechsel kein grosser Aufwand verbunden sein (Replik N. 370). Schliesslich bestreitet die Klägerin die Gutgläubigkeit der Beklagten. Ange- sichts der Bekanntheit der 33 Schweizer Lichtfachgeschäfte, welche von der Klägerin unter der Bezeichnung "Lumimart" betrieben würden, sowie des Umstandes, dass die Beklagte mit ihrem Angebot unter Verwendung eines ähnlichen Zeichens offensichtlich gezielt grenzüberschreitend Schweizer Kunden für ihr Unternehmen abwerbe, könne vorliegend nicht davon ausgegangen werden, die Beklagte habe gutgläubig gehandelt (Klage N. 188). Weiter sei es gerichtsnotorisch, dass ein Unternehmen vor Markteintritt eine Ähnlichkeitsrecherche durchführen lasse, um kostspielige Gerichtsverfahren zu vermeiden. Im Rahmen einer solchen Recherche wäre die Beklagte auf die Kennzeichenrechte der Klägerin gestossen. Sie hätte bemerken müssen, dass sich aufgrund der Ähnlichkeit ihrer Ge- schäftsbezeichnung und ihres Angebots zu demjenigen der Klägerin allen- falls Konflikte ergeben könnten (Klage N. 189; Replik N. 376). 6.7.2. Rechtliches Die Grundlage der Verwirkung liegt im Rechtsmissbrauchsverbot (Art. 2 Abs. 2 ZGB) durch das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens.160 Von der Verwirkung sind grundsätzlich ebenfalls kennzeichenrechtliche Ab- wehransprüche erfasst, sofern sie zu spät geltend gemacht werden.161 Die Verwirkung ist sodann nicht leichthin anzunehmen.162 Vielmehr müssen fol- gende vier Voraussetzungen erfüllt sein: 160 BSK MSchG-FRICK (Fn. 5), Vor Art. 51a-60 N. 58 m.w.H.; DIKE UWG-DOMEJ (Fn. 17), Art. 9 N. 114 m.w.N. 161 BGE 125 III 193 E. 1e; BAUDENBACHER/GLÖCKNER (Fn. 44), Art. 9 N. 273. 162 BGer 4A_22/2019 vom 23. Mai 2019 E. 2.3.2; SHK UWG-SPITZ (Fn. 13), Art. 9 N. 229; BSK MSchG-FRICK (Fn. 5), Vor Art. 51a-60 N. 58 m.w.H. - 77 - (a) Duldung trotz Kenntnis oder Erkennbarkeit des Marktauftritts: Soweit der Verletzer nicht um Einwilligung ersucht, ist zumindest erforderlich, dass der Verletzer aufgrund seines Marktauftritts bei objektivierter Be- trachtung davon ausgehen darf, die Verletzung werde für den Rechts- inhaber bei gehöriger Sorgfalt erkennbar.163 Seitens des Schutzrechts- inhabers besteht eine gewisse Sorgfalts- bzw. Beobachtungspflicht, nicht jedoch eine generelle Überwachungspflicht.164 Demgegenüber er- achtet die Rechtsprechung eine verzögerte Rechtsausübung als miss- bräuchlich, sofern diese auf fahrlässige Unkenntnis der Rechtsverlet- zung zurückzuführen ist, weil es der Schutzrechtsinhaber sorgfaltswid- rig unterlassen hat, den Markt auf gegnerische Zeichen hin zu beobach- ten.165 Das Mass der Sorgfalt hängt von der Stellung des Berechtigten ab.166 Die Kenntnis muss sich auf eine Verletzung in der Schweiz be- ziehen. Verletzungen im Ausland sind irrelevant.167 (b) Lange Dauer des verletzenden Gebrauchs: Entscheidend sind die Um- stände des Einzelfalls. Als Faustregel hat sich im Markenrecht eine Zeitspanne von vier bis acht Jahren herausgebildet.168 Vor vier Jahren kann eine Verwirkung nur ausnahmsweise eintreten, z.B. wenn der Be- rechtigte den Verletzer zur Annahme verleitet hat, sein Verhalten werde geduldet.169 Unter lauterkeitsrechtlichen Gesichtspunkten gesteht die Lehre dem Schutzrechtinhaber eine angemessene Zeitdauer zu, damit dieser die Rechtslage und die tatsächlichen Auswirkungen der Verlet- zung abzuschätzen vermag. Regelmässig sei jedoch eine rechtzeitige Verwarnung angezeigt, um den guten Glauben des Verletzers zu zer- stören.170 (c) Wertvoller Besitzstand: Zu prüfen ist, ob der Verletzer eine so starke Wettbewerbsstellung erlangt hat, dass es gerechtfertigt erscheint, dem Berechtigten die Rechtsausübung zu verwehren.171 163 BAUDENBACHER/GLÖCKNER (Fn. 44), Art. 9 N. 274; DIKE UWG-DOMEJ (Fn. 17), Art. 9 N. 115; BSK MSchG-FRICK (Fn. 5), Vor Art. 51a-60 N. 62 m.w.H. 164 Vgl. DIKE UWG-DOMEJ (Fn. 17), Art. 9 N. 115; BAUDENBACHER/GLÖCKNER (Fn. 44), Art. 9 N. 276; BSK MSchG-FRICK (Fn. 5), Vor Art. 51a-60 N. 62 f. m.w.H. 165 BGE 117 II 575 E. 4b; BGer Urteil 4C.371/2005 vom 2. März 2006 E. 3.1; ähnlich BRAUCHBAR (Fn. 89), S. 82. 166 BSK MSchG-FRICK (Fn. 5), Vor Art. 51a-60 N. 63 m.w.H. 167 SHK MSchG-STAUB (Fn. 6), Vorbemerkungen Art. 51a-60 N. 70 m.w.H. 168 BSK MSchG-FRICK (Fn. 5), Vor Art. 51a-60 N. 69 m.w.H. 169 SHK UWG-SPITZ (Fn. 13), Art. 9 N. 228 Fn. 525; BSK MSchG-FRICK (Fn. 5), Vor Art. 51a-60 N. 69 m.w.H. 170 DIKE UWG-DOMEJ (Fn. 17), Art. 9 N. 116; BAUDENBACHER/GLÖCKNER (Fn. 44), Art. 9 N. 278; SHK UWG-SPITZ (Fn. 13), Art. 9 N. 228 Fn. 525. 171 Vgl. BAUDENBACHER/GLÖCKNER (Fn. 44), Art. 9 N. 279; DIKE UWG-DOMEJ (Fn. 17), Art. 9 N. 117. - 78 - (d) Guter Glaube des Verletzers: Vorausgesetzt ist, dass der Verletzer sei- nen wertvollen Besitzstand im schutzwürdigen Vertrauen auf die Zuläs- sigkeit seines Verhaltens oder auf den durch die Untätigkeit des Be- rechtigten hervorgerufenen Anschein der Duldung geschaffen hat.172 6.7.3. Würdigung 6.7.3.1. Duldung 6.7.3.1.1. Einleitung Die Klägerin hat den Gebrauch des Zeichens "Luminarte" ab Ende 2013 anerkannt (Klage N. 48; Replik N. 353). Unbestritten ist weiter die von der Beklagten ab September 2013 resp. Oktober 2013 vorgenommene Wer- bung in Radio- und Printmedien, welche eine Benützung des Zeichens "Lu- minarte" in der Schweiz belegen (vgl. Klageantwort N. 69; Replik N. 159). Folglich erübrigen sich Ausführungen zu den zeitlich nachgelagerten Akti- vitäten bei Facebook resp. LinkedIn (Klageantwort N. 71) sowie zur Prä- senz bei Fachmessen (Klageantwort N. 72). Der Nachweis einer früheren Kenntnisnahme resp. eines früheren Kennen- müssens des Zeichenauftritts von "Luminarte" durch die Klägerin obliegt der Beklagten. Wie nachfolgend gezeigt wird, vermag die Beklagte diesen Beweis nicht zu erbringen. 6.7.3.1.2. Showroom in Deutschland Entgegen der Argumentation der Beklagten stellt der behauptete Betrieb grenznaher Verkaufsstandorte bzw. Showrooms in Deutschland keinen er- kennbaren tatsächlichen Marktauftritt in der Schweiz dar. Blosse Grenz- nähe begründet keinen Zeichengebrauch im Inland, zumal die Kenntnis von Verletzungen im Ausland keine Relevanz aufweist.173 6.7.3.1.3. Betrieb der Domain "www.luminarte.de" Die Beklagte bringt vor, die Domain "www.luminarte.de" sei aus der Schweiz abrufbar und werde seit 2004 auch zum Vertrieb von Leuchten und Leuchtmitteln verwendet. Eine Ausrichtung der entsprechenden Webs- ite auf die Schweiz wird von der Beklagten bestritten. Eine ausländische Domain mit einer Webseite ohne Ausrichtung auf die Schweiz begründet keinen lauterkeitsrechtlich relevanten inländischen Marktauftritt.174 Die Ausrichtung des Webshops (auch) auf Schweizer Kon- sumenten erkennt die Beklagte in dem seit 2007 angebrachten Hinweis auf den grossen Kundenstamm in der Schweiz (Klageantwort N. 52) sowie in dem seit 2004 enthaltenen Hinweis auf die Lieferungsmöglichkeit in die 172 DIKE UWG-DOMEJ (Fn. 17), Art. 9 N. 118; SHK UWG-SPITZ (Fn. 13), Art. 9 N. 228. 173 Vgl. SHK MSchG-STAUB (Fn. 6), Vorb. zu Art. 51a-60 N. 70; HGer ZH, sic! 2015, S. 316 ff., S. 319. 174 Vgl. auch JOLLER (Fn. 90), N. CH 189; BURI, Verwechselbarkeit (Fn. 48), S. 85. - 79 - Schweiz (Klageantwort N. 62). Aus dem von der Beklagten offerierten Be- weismittel geht jedoch einzig hervor, dass am 31. Juli 2012 auf die Liefe- rungsmöglichkeit in die Schweiz hingewiesen wurde. Daneben wurde im Juli 2007 sowie Oktober 2008 eine Auswahl der realisierten Projekte prä- sentiert und auf «viele weitere gewerbliche und private Kunden in Deutsch- land und der Schweiz» verwiesen (vgl. KAB 5 - 17/1 S. 6 - 8). Damit ist aber keine klare Ausrichtung der unter "www.luminarte.de" abrufbaren Webseite nachgewiesen. Zum einen vermag der Hinweis auf in der Schweiz realisierte Projekte noch nicht dazu zu führen, dass die Klägerin auf die beklagtische Webseite hätte aufmerksam werden müssen. Zum an- deren begründet ein Hinweis auf die Lieferungsmöglichkeit in die Schweiz unter der Rubrik "Kontakt" an sich noch keinen Marktauftritt in der Schweiz, welchen die Klägerin bei gehöriger Sorgfalt hätte bemerken müssen. Folg- lich sind die Ausführungen der Beklagten mit Bezug auf die Domain "www.luminarte.de" unbehilflich. 6.7.3.1.4. Betrieb der Domain "www.luminarte.ch" Die Registrierung der Domain "www.luminarte.ch" erfolgte am 20. Juni 2007 (Klageantwort N. 52). Nach der wohl herrschenden Lehre erfüllt die Registrierung einer Domain den Tatbestand von Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG nicht.175 Dies gilt erst Recht für das Tatbestandselement der Erkennbarkeit. Ob die Webaktivität unter der Domain "www.luminarte.ch" durch die Kläge- rin resp. ihre Rechtsvorgängerinnen bei gehöriger Sorgfalt hätte erkannt werden müssen, beurteilt sich vielmehr aufgrund der Art und Weise der Domainaktivität und des unter der Domain abrufbaren Inhalts. Zwischen den Parteien ist unbestritten, dass die Domain "www.lumin- arte.ch" Ende Juli 2013 eigenständig bewirtschaftet wurde (Replik N. 16; Klageantwort N. 63; KB 160). Insoweit vermag dies der Beklagten zu kei- nem Vorteil zu verhelfen. Bestritten ist demgegenüber die frühere Aktivität der Domain. Die Beklagte behauptet mit Verweis auf KAB 12, die Domain "www.luminarte.ch" werde seit 16. Dezember 2008 gebraucht. Die Klägerin bestreitet dies. Aus dem in KAB 12 enthaltenen Domain Report geht her- vor, dass die Domain am 16. Dezember 2008 auf zwei Servern aufgeschal- tet war (KAB 12 S. 11: ns.namespace4you.de resp. ns2.name- space4you.de). Damit hat die Beklagte nachgewiesen, dass die Domain "www.luminarte.ch" für Internetnutzer seit Ende Dezember 2008 erreichbar war.176 Die Erreichbarkeit einer .ch Webseite ist jedoch nicht der Erkenn- barkeit des Marktauftritts unter dem Zeichen "Luminarte" gleichzustellen. Zum einen besteht keine generelle Überwachungspflicht von inländischen Domains. Zum anderen erfolgte selbst gemäss den Ausführungen der Be- klagten bis Mitte des Jahres 2013 eine Weiterleitung auf die Domain 175 Vgl. SHK UWG-SPITZ/BRAUCHBAR BIRKHÄUSER (Fn. 48), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 62; BURI, Verwechsel- barkeit (Fn. 48), S. 142; JOLLER (Fn. 90), N. CH 88, 163, 185; a.A. DIKE UWG-HEINEMANN (Fn. 51), Art. 3 Abs. 1 lit. d N. 141. 176 Siehe auch BURI, Verwechselbarkeit (Fn. 48), S. 20. - 80 - "www.luminarte.de". Die dort aufgeschaltete Webseite hätte die Klägerin aber wie gezeigt bei gehöriger Sorgfalt nicht erkennen müssen. Daran kann die Weiterleitung einer inländischen Domain auf die entsprechende Web- seite entgegen den Ausführungen der Beklagten in Duplik N. 18 nichts än- dern. 6.7.3.1.5. Google AdWords Neben den belegten Werbeanstrengungen in den analogen Medien macht die Beklagte geltend, sie habe mit Hilfe von Google AdWords bereits seit 2007 Werbeanstrengungen für den Schweizer Markt unternommen. Auf- grund der eingereichten Beilagen (KAB 9 - 35; AB 5 - 15/3) ist nachgewie- sen, dass die Beklagte ab dem Jahr 2007 für verschiedene Keywords (vgl. Aufzählungen in Klageantwort N. 68: "Beleuchtung", "Designleuchten", "Lichtplanung", "U.", "AC.", "AD.") mithilfe von Google AdWords Werbean- strengungen für ihren Onlineshop unternommen hat. Google AdWords dient der Platzierung einer Werbeanzeige, welche auf der Website der Google Suchmaschine gesondert von den Suchergebnissen dargestellt wird. Die Werbeanzeige, ein benutzerdefinierter Text, wird als Anzeige gekennzeichnet und entweder auf der rechten Seite der Website ("side-ads") oder vor den gewöhnlichen Suchergebnissen ("top-ads") plat- ziert. Google AdWords soll demnach nicht das Suchergebnis beeinflussen, sondern dem AdWords-Verwender eine effiziente, kontextbezogene Wer- beplatzierung erlauben.177 Sofern ein Nutzer der Google Suchmaschine mit inländischer IP-Adresse ein von der Beklagten gebuchtes Keyword in der Suchmaske eingibt, erscheinen neben den Suchresultaten ebenfalls Wer- beanzeigen der Beklagten oder anderer Unternehmen, welche allenfalls das gleiche Keyword für die gleiche Zielgruppe gebucht haben. Ein Keyword kann entweder für die ganze Schweiz oder für einzelne Regionen gebucht werden. Als Filter wird jeweils der Geostandort der IP-Adresse be- nutzt.178 Nicht entscheidend ist vorab die Frage, ob die AdWords-Anzeige der Be- klagten auf die Domain "www.luminarte.de" oder "www.luminarte.ch" ver- wies. Massgebend ist einzig, ob die Verwendung der Keywords auf den Schweizer Markt abzielte und damit versucht wurde, einen inländischen Marktauftritt zu generieren. Die von der Beklagten gebuchten Keywords er- fassten Schweizer Internetnutzer, womit eine Ausrichtung auf den Schwei- zer Markt und somit ein Zeichengebrauch im Inland evident ist. 177 Vgl. auch ISLER/SUTTER, Keyword Advertising, in: Thouvenin/Weber (Hrsg.), Werbung – Online, 2017, S. 63 f.; NEVERAUSKAS, Markennutzung bei Keyword-Advertising in Vertriebsverhältnissen, Rechtsvergleichende markenschutz- und wettbewerbsrechttliche Untersuchung, 2016, N. 32. 178 Zur Funktionsweise vgl. auch NEVERAUSKAS (Fn. 177), N. 20 ff.; RIVARA, Keyword advertising, récents au regard du droit des marques, AJP 2012, S. 1547 f.; OGer TG, sic! 2012, S. 387 f. E. 4a.; SHK MSchG-THOUVENIN/DORIGO, 2. Aufl. 2017, Art. 13 N. 51. - 81 - Fraglich erscheint, ob die Beklagte seit 2007 aufgrund ihres Marktauftrittes (Werbeanzeigen mithilfe von Google AdWords) bei objektivierter Betrach- tung davon ausgehen durfte, die Verletzung sei für die Klägerin bei gehöri- ger Sorgfalt erkennbar.179 Unbestrittenermassen verfügte die Beklagte vor Mitte 2013 nicht über einen klassischen inländischen Marktauftritt, zumal sie in der Schweiz kein Ladenlokal hatte und keinen Nachweis für Werbung in den klassischen Medien (Print, Radio, TV) erbringt. Jedoch kann es nicht angehen, dass ein ausschliesslich digitaler Marktauftritt der Beklagten von vornherein die Erkennbarkeit der Verletzung durch die Klägerin aus- schliesst. Vielmehr können im Zeitalter der Digitalisierung und des Internet- Shoppings digitale Werbeanstrengungen der Beklagten dazu führen, dass diese davon ausgehen durfte und musste, ihr Verhalten werde von der Klä- gerin toleriert. Die Klägerin ist gemäss eigener Darstellung Teil des A.-Konzerns und Be- treiberin von dessen Detailhandelsgeschäft (Klage N. 20). Die vom Berech- tigten erwartete Sorgfaltspflicht ist im Einzelfall zu bestimmen und bemisst sich unterer anderem nach seiner Grösse und Erfahrung sowie der Relation zwischen Kosten einer bestimmten Nachforschungs- resp. Marktüberwa- chungsmethode und dem Wert eines konkreten Marktauftritts resp. Kenn- zeichens.180 Massgebend ist einzig die objektiv zu erwartende Sorgfalt, wo- mit entgegen der Beklagten nicht auf vertraglich vereinbarte Überwa- chungspflichten – ein subjektives Recht der A.-Gruppe Genossenschaft – abzustellen ist (N. 54 ff. der Noveneingabe von 23. April 2019). Gemäss Doktrin sind aufgrund der Grösse der Klägerin erhöhte Anforderungen an die gebotene Sorgfalt zu stellen.181 Doch selbst bei diesen erhöhten Sorg- faltspflichten durfte und musste die Beklagte in den Jahren 2007 - 2013 in guten Treuen nicht davon ausgehen, die Klägerin würde den Marktauftritt der Beklagten und die damit verbundenen Verletzungshandlungen erken- nen. Zwar hat die Beklagte nachgewiesen, dass ihre digitalen Werbeanzeigen einen bedeutenden Reklameaufwand nahelegen (Klageantwort N. 68: durchschnittliche Werbeanzeigen pro Jahr: ca. 617'095 [2007 - 2013]; ma- ximale Werbeanzeigen pro Jahr: 1'779'918 [2012]).182 Die entsprechenden Werbeanstrengungen mögen als Indiz für einen intensiven Zeichenge- brauch dienen.183 Jedoch können mithilfe von Google AdWords generierte Werbeanzeigen nicht analoger Werbung in Print, Radio oder TV gleichge- setzt werden. Denn ein Werbeauftritt in den analogen Medien wird vom 179 BSK MSchG-FRICK (Fn. 5), Vor Art. 51a-60 N. 62; BRAUCHBAR (Fn. 89), S. 85; BGE 117 II 575 E. 5b. 180 Siehe hinsichtlich des Markenrechtes: BRAUCHBAR (Fn. 89), S. 86, 92 m.w.V. 181 BSK MSchG-FRICK (Fn. 5), Vor Art. 51a-60 N. 63; BRAUCHBAR (Fn. 89), S. 86. 182 Zur wirtschaftlichen Bedeutung von Keyword Advertising: ISLER/SUTTER (Fn. 177), S. 67. 183 BRAUCHBAR (Fn. 89), S. 96. - 82 - Schweizer Konsumenten automatisch aufgenommen, sofern das entspre- chende Medium konsumiert wird (Werbebeilage zu einer abonnierten Zeit- schrift; Radio- oder TV-Spot bei einem im Inland empfangbaren Radio- resp. TV-Sender). Die von der Beklagten geschaltete Werbung bei Google AdWords wird demgegenüber nicht von jedem inländischen Internetnutzer resp. Nutzer der Google Suchmaschine aufgenommen. Vielmehr erscheint die Werbung der Beklagten einzig bei Verwendung der von der Beklagten gebuchten Keywords. Die Klägerin konnte daher vom Marktauftritt der Be- klagten nur erfahren, sofern sie in der Google Suchmaske ein von der Be- klagten gebuchtes Keyword eingab. Die von der Beklagten gebuchten Keywords umfassen zum einen beschrei- bende Begriffe des Sortiments der Parteien wie "Beleuchtung", oder "De- signleuchten" und zum anderen Marken der von der Beklagten geführten Leuchtenhersteller wie "U." oder "AD.". Vor diesem Hintergrund ist nicht erwiesen, dass der Klägerin in den Jahren 2007 bis 2013 das verletzende Verhalten der Beklagten hätte bekannt sein müssen. Zwar erschiene es diskutabel, der Klägerin eine Sorgfaltspflicht aufzuerlegen, mithilfe der kos- tenlos zugänglichen Google Suchmaschine nach ihrem eigenen Zeichen "Lumimart" zu forschen, um auf diesem Weg potenzielle Kennzeichenver- letzungen (frühzeitig) zu erkennen. Weitergehende Ausführungen können jedoch aus zwei Gründen unterlassen werden: Zum einen hat die Beklagte nicht behauptet, das Keyword "Lumimart" gebucht zu haben. Zum anderen unterlässt sie ebenfalls die Behauptung, der Webauftritt der Beklagten wäre bei einer Suchanfrage nach dem Begriff "Lumimart" erschienen. Im Übrigen konnte von der Klägerin in guten Treuen nicht verlangt werden, dass sie unter Zuhilfenahme der Google Suchmaschine nach Umschreibungen ih- res Sortiments forscht (bspw. durch Suchbegriffe wie "Beleuchtung" oder "Designleuchten"). Auch wenn die entsprechenden Nachforschungen mut- masslich geringe Kosten generieren würden (Personalkosten oder Ent- schädigung für Drittdienstleister), würde damit eine Obliegenheit zur voll- ständigen Marktüberwachung geschaffen, welche der Klägerin in Bezug auf das Zeichen "Lumimart" nicht auferlegt werden kann.184 6.7.3.1.6. Suchmaschinenoptimierung Weiter gilt es zu prüfen, ob die Klägerin durch Optimierung ihres digitalen Marktauftritts auf Suchmaschinen wie Google auf das Zeichen "Luminarte" hätte aufmerksam werden müssen. Damit ein Webauftritt überhaupt Wirkungen entfalten kann, muss die Do- main über die Suchmaschine von Google auffindbar sein und sich in den 184 Vgl. BSK MSchG-FRICK (Fn. 5), Vor Art. 51a-60 N. 63; SHK MSchG-STAUB (Fn. 6), Vorbemerkun- gen Art. 51a-60 N. 70; MARBACH (Fn. 82), N. 1584. - 83 - ersten Rängen der natürlichen Sucherergebnisse befinden.185 Mittels Such- maschinenoptimierung wird versucht, das Ranking einer Website in den natürlichen Suchergebnissen zu halten oder zu verbessern.186 Ob die Klägerin in den Jahren 2007 bis 2013 hinsichtlich der Domain "www.lumimart.ch" tatsächlich Massnahmen zur Suchmaschinenoptimie- rung ergriffen hat, geht aus dem von den Parteien vorgetragenen Sachver- halt nicht hervor. Doch selbst wenn die Klägerin solche Massnahmen er- griffen hat, mangelt es an einem schlüssigen Tatsachenvortrag der Beklag- ten. Aus ihren Ausführungen geht nicht hervor, aufgrund welcher Sachver- haltselemente die Klägerin bei gebotener Sorgfalt auf den Marktauftritt der Beklagten hätte aufmerksam werden müssen. Insbesondere ist nicht er- sichtlich, inwieweit die Tatsache, dass eine Suchmaschinenoptimierung vorgenommen wurde, dem Kennenmüssen des Marktauftrittes der Beklag- ten gleichzusetzen ist. 6.7.3.1.7. Unter dem Zeichen "Luminarte" erzielte Umsätze Nach dem Dargelegten ist nicht erstellt, dass der Marktauftritt der Beklag- ten oder ihrer Rechtsvorgängerinnen unter dem Zeichen "Luminarte" in der Schweiz für die Klägerin vor Mitte des Jahres 2013 aus dem Betrieb von grenznahen Lokalitäten in Deutschland, dem Betrieb der Domains "www.lu- minarte.ch" und "www.luminarte.de" oder der nachgewiesenen Google Ad- Words Werbung erkennbar war bzw. gewesen wäre. Soweit die Beklagte schliesslich auf die behauptete Mund-zu-Mund-Propaganda verweist, ist nicht ersichtlich, in welchem Zusammenhang diese mit dem Tatbestandele- ment der Erkennbarkeit stehen soll. Die Beklagte behauptet denn auch nicht, dass ein Mitarbeiter der Klägerin durch die angebliche Mund-zu- Mund-Propaganda vom Marktauftritt unter dem Zeichen "Luminarte" hätte erfahren müssen. Die dargelegten Umsätze bis Mitte des Jahres 2013 unter dem Zeichen "Luminarte" der Beklagten resp. ihrer Vorgängergesellschaften sind daher aus einem Marktverhalten entsprungen, welches die Klägerin auch bei ge- höriger Sorgfalt nicht hätte erkennen können. Daher hat die Tatsache, dass die Beklagte resp. ihre Vorgängergesellschaften mit Schweizer Kunden Umsatz erzielt haben, keinen Einfluss auf die Beurteilung der Erkennbar- keit. Ebenso führen die von der Beklagten resp. ihrer Rechtsvorgängerin- nen erzielten Umsätze entgegen der Beklagten (Duplik N. 216) nicht zur Notorietät des Zeichens "Luminarte". Die Notorietät beurteilt sich nicht ein- zig aufgrund der behaupteten Umsatzzahlen, sondern ist anlässlich einer Gesamtwürdigung festzustellen.187 Jahresumsätze von Fr. 200'000.00 185 Ähnlich bereits BÜHLER, Meta-Tags, Keywords und andere Mittel der Suchmaschinenoptimierung – eine Momentaufnahme aus immaterialgüter- und wettbewerbsrechtlicher Sicht, in Florian/Oliver (Hrsg.), Internet-Recht und electronic Commerce Law 9, 2007, S. 47. 186 ISLER/SUTTER (Fn. 177), S. 63. 187 Vgl auch BGE 130 III 267 E. 4.7.3. - 84 - übersteigend sind daher nicht der offenkundigen Bekanntheit eines Zei- chens gleichzusetzen. 6.7.3.1.8. Youtube-Video Ebenfalls nicht zu hören ist die Beklage, soweit sie vorbringt, aufgrund des Youtube-Videos vom 9. Dezember 2011 hätte die Klägerin vom Marktauf- tritt der Beklagten Kenntnis nehmen müssen (vgl. KAB 5 - 18/1). Das auf der Domain "www.youtube.com" aufgeschaltete Videoportal ist zwar aus der Schweiz abrufbar, jedoch nicht auf den Schweizer Markt aus- gerichtet. Daher geht es nicht an, der Klägerin eine Sorgfaltspflicht des In- halts aufzuerlegen, die grösstenteils weltweit zugänglichen Videoinhalte auf potentiell unlauteres Verhalten durchsuchen zu müssen. Schliesslich erläutert die Beklagte nicht, worin die Verbindung des Videos, welches nach ihrer Darstellung den Aufbau eines "AD.Studios" zeigt, mit dem Schweizer Markt liegen soll. 6.7.3.1.9. Markeneintragung Soweit die Beklagte für das Kennenmüssen ihres Marktauftritts auf das Pri- oritätsdatum vom 9. Februar 2013 der Marke Nr. 654460 verweist, kann ihr nicht gefolgt werden. Vorab hätte die Klägerin gegen die beklagtische Markeneintragung man- gels einer eigenen älteren Marke nicht vorgehen können. Zudem ist die Eintragung einer Marke nicht einem lauterkeitsrechtlich relevanten Markt- auftritt gleichzusetzen. In lauterkeitsrechtlicher Hinsicht ginge es zu weit, der Klägerin eine Sorgfaltspflicht des Inhalts aufzuerlegen, publizierte Mar- ken, deren Zeichen noch nicht im Schweizer Wettbewerb eingesetzt wur- den, abzumahnen. Im Übrigen geht es nicht an, für die Tatbestandvoraus- setzung der Erkennbarkeit eines lauterkeitsrechtlich relevanten Verhaltens auf das Prioritätsdatum vom 9. Februar 2013 abzustellen. Denn erst der Gebrauch einer Marke lässt erkennen, ob überhaupt ein lauterkeitsrechtlich relevantes Verhalten zu befürchten ist.188 6.7.3.1.10. Vertrieb von Markenprodukten Soweit die Beklagte geltend macht, der Anbieter von Markenprodukten kenne üblicherweise auch Konkurrenzunternehmen, ist ihr nicht zu folgen. Die Beklagte hat es unterlassen aufzuzeigen, dass allfällige von beiden Parteien geführte Produkte notwendigerweise vom gleichen Importeur resp. Verteiler zu beziehen wären. 188 Vgl. auch in Bezug auf die Markenrechtsverletzung BRAUCHBAR (Fn. 89), S. 92; BSK MSchG-FRICK (Fn. 5), Vor Art. 51a-60 N. 66; MARBACH (Fn. 82), N. 1583. - 85 - 6.7.3.2. Lange Dauer des verletzenden Gebrauchs 6.7.3.2.1. Erkennbarkeit per Ende Oktober 2013 Die Beklagte hat in den Monaten September und Oktober 2013 in namhaf- ten Deutschschweizer Printmedien und Radiostationen Werbeanstrengun- gen für ihren Marktauftritt in der Schweiz unternommen (KAB 5 - 14/1/1 - 5; 5 - 14/5/1). Da von der Klägerin zumindest erwartet werden kann, dass sie bei gehöriger Sorgfalt die entsprechenden Werbeanstrengungen wahr- nimmt und intern für den notwendigen Informationsfluss sorgt, hätte die Klägerin den Marktauftritt unter dem Zeichen "Luminarte" spätestens per Ende Oktober 2013 bemerken müssen. 6.7.3.2.2. Abmahnschreiben vom 3. Oktober 2016 Zwischen den Parteien ist umstritten, ob das Abmahnschreiben vom 3. Ok- tober 2016 (KB 165) in der vorliegenden Streitsache Wirkungen entfaltet. Die Beklagte wendet diesbezüglich ein, aus einer von der A.-Gruppe Ge- nossenschaft verfassten Abmahnung könne die Klägerin keine Rechte ab- leiten, da es sich um verschiedene juristische Personen handle (Duplik N. 313). Im Übrigen sei das Abmahnschreiben nicht an die Beklagte, son- dern an die AE. GmbH adressiert gewesen (Duplik N. 70). Das Abmahnschreiben stellt eine rechtsgeschäftsähnliche, empfangsbe- dürftige Willensäusserung dar.189 Deren Gehalt ist mangels behauptetem übereinstimmenden tatsächlichen Verständnis nach dem Vertrauensprin- zip auszulegen.190 a. Abmahnschreiben zeigt Wirkungen für Klägerin Gemäss dem im Namen der A.-Gruppe Genossenschaft verfassten Schrei- ben wird der AE. GmbH vorgeworfen, die schweizerischen Kennzeichen- rechte der A.-Gruppe Genossenschaft zu verletzen und darüber hinaus un- lauteren Wettbewerb im Sinne des UWG zu begehen (KB 165 S. 2). Auf- grund der Ausführungen durfte der Adressat davon ausgehen, die A.- Gruppe Genossenschaft sei Inhaberin der Schweizer Kennzeichenrechte und Betreiberin der "Lumimart" Filialen. Daher durfte die AD. GmbH in gu- ten Treuen annehmen, allfällige lauterkeitsrechtliche Ansprüche würden von der A.-Gruppe Genossenschaft geltend gemacht. Entgegen den Ausführungen der Beklagten kann sich die Klägerin auf das Mahnschreiben der A.-Gruppe Genossenschaft berufen. Ein Abmahn- schreiben bezweckt einerseits die Sicherstellung eines Rechtsanspruchs, indem einer allenfalls eintretenden Verwirkung zuvorgekommen wird. An- 189 Es handelt sich um eine sog. Vorstellungsäusserung; zur Rechtsnatur vgl. auch WILLI, Die Schutz- rechtsverwarnung als immaterialgüterrechtliches Rechtsinstitut, AJP 1999, S. 1384 190 Vgl. zur analogen Anwendung der Regeln über die Auslegung von Willenserklärungen WIEGAND, recht 1983, S. 121; BK OR-MÜLLER, 2018, Art. 1 N. 30; BGer 5A_27/2016 vom 28. Juni 2016 E. 4.2.2 im Zusammenhang mit einer Anscheinvollmacht. - 86 - dererseits wird durch das Abmahnschreiben der gute Glaube des Adressa- ten in die Rechtmässigkeit seines Verhaltens zerstört.191 Aufgrund des Ab- mahnschreibens ist evident, dass die A.-Gruppe Genossenschaft den Zei- chengebrauch von "Luminarte" in der Schweiz sowohl unter kennzeichen- rechtlichen als auch unter lauterkeitsrechtlichen Gesichtspunkten nicht to- lerierte und entsprechend abmahnte. Daher musste dem Adressaten in gu- ten Treuen bewusst sein, sein Verhalten werde vom Schutzrechtsinhaber der "Lumimart" Zeichen nicht mehr geduldet. Ein allenfalls bestehender gu- ter Glaube in die Rechtmässigkeit des Marktauftritts von "Luminarte" in der Schweiz wurde dadurch zerstört. Das Erfordernis einer zusätzlichen Abmahnung durch die lauterkeitsrecht- lich aktivlegitimierte juristische Person würde zu einer zwecklosen Forma- lität verkommen. Sie würde dem Abmahnschreiben vom 3. Oktober 2016 nichts hinzufügen. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin eine Tochtergesell- schaft der A.-Gruppe Genossenschaft ist. b. Abmahnschreiben zeigt keine Wirkungen für die Beklagte Als Adressat des Abmahnschreibens ist die AE. GmbH aufgeführt. Diese war zu diesem Zeitpunkt Inhaberin der streitverfangenen Marke 654460 (vgl. KB 162 S. 5). Zwar behauptet die Beklagte, der lauterkeitsrechtlich re- levante Marktauftritt unter dem Zeichen "Luminarte" sei durch sie erfolgt (Klageantwort N. 48). Dies steht aber im Widerspruch zu den in KB 156 - 158 eingereichten Werbeunterlagen der Kalenderwochen 32, 36 und 40 des Jahres 2016. Aus diesen geht hervor, dass das Zeichen in Werbeunterlagen der AE. GmbH verwendet wurde. Dem- gegenüber wurde im Impressum der auf der Domain "www.luminarte.ch" abrufbaren Webseite die Beklagte als Betreiberin angegeben (Klage N. 53 m.V.a. KB 168 S. 1). Folglich war für die Klägerin resp. die A.-Gruppe Ge- nossenschaft nicht klar ersichtlich, welche Gesellschaft sich für den Markt- auftritt unter dem Zeichen "Luminarte" in der Schweiz verantwortlich zeigte. Es wäre daher an der Klägerin resp. der A.-Gruppe Genossenschaft gewe- sen, zusätzlich auch die Beklagte abzumahnen. Da sie dies unterlassen hat, vermag das Abmahnschreiben für die Beklagte keine Wirkungen zu entfalten. 6.7.3.2.3. Klageeinreichung im Verfahren HOR.2017.30 Entgegen der Beklagten ist unter dem Tatbestandsmerkmal des langen Zu- wartens nicht auf die Klageeinreichung vom 17. April 2018 abzustellen. Mit Klage vom 30. März 2017 hat die A.-Gruppe Genossenschaft der Beklag- ten angezeigt, dass sie den Zeichengebrauch von "Luminarte" durch die Beklagte nicht toleriert. Damit wurde der gute Glaube der Beklagten in die 191 DIKE UWG-DOMEJ (Fn. 17), Art. 9 N. 116; BAUDENBACHER/GLÖCKNER (Fn. 44), Art. 9 N. 278; SHK UWG-SPITZ (Fn. 13), Art. 9 N. 228 Fn. 525; BGE 109 II 338 E. 2a. - 87 - Duldung des Luminarte Marktauftrittes in der Schweiz durch den Marken- inhaber von "Lumimart" zerstört. Soweit sich die Beklagte nun darauf be- ruft, die Klägerin habe vorprozessual nicht angezeigt, dass sie den Lumin- arte-Marktauftritt nicht dulde, verhält sie sich rechtsmissbräuchlich. Eine Abmahnung durch die Klägerin, die Lizenznehmerin, fügte der Klage vom 30. März 2017 nichts hinzu und stellte eine zwecklose Formalität dar. Folg- lich durfte die Beklagte mit Zustellung der Klage vom 30. März 2017 in gu- ten Treuen nicht mehr davon ausgehen, der Marktauftritt unter dem Zei- chen "Luminarte" werde von der A.-Gruppe Genossenschaft oder von ei- nem allfälligen Lizenznehmer geduldet. 6.7.3.2.4. Kein zu langes Zuwarten Bei gehöriger Sorgfalt hätte die Klägerin den Marktauftritt unter dem Zei- chen "Luminarte" Ende Oktober 2013 erkennen müssen. Der gute Glaube der Beklagten in die Duldung des Marktauftrittes durch die Klägerin wurde mit Zustellung der Klage vom 30. März 2017 und somit rund dreieinhalb Jahre nach der frühestmöglichen Erkennbarkeit zerstört. Die Beklagte ist eine ausländische Unternehmung, welche sukzessive vom Ausland her in den Schweizer Markt vorgedrungen ist. Der Vertrieb der Waren an Schweizer Konsumenten erfolgt via Online-Handel oder durch grenznahe Showrooms in Deutschland. Im Gegensatz zur Klägerin ist die Beklagte in der Schweiz nicht im stationären Handel tätig. Im Übrigen hat die Klägerin die Beklagte nicht durch ein aktives Verhalten zur Annahme verleitet, die Verletzung werde geduldet.192 Auch wenn die Beklagte Wer- beanstrengungen in der Schweiz getätigt und sich damit einhergehend eine Marktposition erkämpft hat, erachtet das Handelsgericht angesichts der höchstrichterlichen Rechtsprechung193 ein Zuwarten von dreieinhalb Jah- ren nicht als übermässig. Schliesslich stellt die verzögerte Einreichung der Klage am 17. April 2018 kein übermässig langes Zuwarten der zur Geltendmachung der lauterkeits- rechtlichen Ansprüche legitimierten Klägerin dar. Nach Klageeinreichung im Verfahren HOR.2017.30 wurde am 8. Dezember 2017 eine Instruktions- verhandlung durchgeführt. In deren Anschluss wurden Vergleichsgesprä- che geführt. Ob daran auch die Klägerin oder nur die A.-Gruppe Genos- senschaft beteiligt war, ist entgegen den Vorbringen der Beklagten nicht massgebend. Der geschilderte Verfahrensablauf zeigt, dass die A.- Gruppe Genossenschaft als Markeninhaberin den Marktauftritt unter dem Zeichen "Luminarte" weiterhin beanstandete. Daher durfte die Beklagte seit der Zustellung der Klageschrift im Verfahren HOR.2017.30 nicht davon ausgehen, ihr Marktauftritt in der Schweiz werde geduldet. 192 Vgl. BSK MSchG-FRICK (Fn. 5), Vor Art. 51a-60 N. 69; MARBACH (Fn. 82), N. 1579. 193 BGer 4A_257/2014 vom 29. September 2014 E. 6.3; 4C.76/2005 vom 30. Juni 2005 E. 3.2 (nicht publiziert in BGE 131 III 581); 4C.371/2005 vom 2. März 2005 E. 3.1; vgl. jedoch BGer 4C.125/1997 vom 21. Oktober 1997 E. 2b zum Urheberrecht. - 88 - 6.7.4. Zwischenfazit Zusammenfassend ist kein langes Zuwarten der Klägerin nachgewiesen. Dementsprechend sind die klägerischen Ansprüche nicht verwirkt. Folglich erübrigt sich im Zusammenhang mit der Beklagten als Verletzerin eine ver- tiefte Auseinandersetzung mit den beiden weiteren Tatbestandsmerkmalen "Wertvoller Besitzstand" und "Guter Glaube". 6.8. Fazit Die von der Beklagten verwendeten Zeichen "Luminarte", "luminarte.de", "luminarte.ch", "Luminarte GmbH" sowie sind mit den Zei- chen "Lumimart", ,"lumimart.ch", sowie der Klägerin verwechselbar im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG. Da auch die übrigen Voraussetzungen des klägerischen Anspruchs erfüllt sind, ist das Rechts- begehren gestützt auf Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG gutzuheissen. 7. Namensrecht Der Vollständigkeit halber ist nachfolgend auf die von der Klägerin behaup- teten namensrechtlichen Ansprüche einzugehen. 7.1. Aktiv- und Passivlegitimation 7.1.1. Parteibehauptungen Die Klägerin führt im Wesentlichen aus, der Träger von "Lumimart" sei zur Geltendmachung der namensrechtlichen Ansprüche aktivlegitimiert. Die Muttergesellschaft der Klägerin habe per 1. Januar 2004 den betrieblichen Teil der P. AG und damit auch die Geschäftssparte "Lumimart" übernom- men und in ihre Unternehmensstruktur integriert. Per 31. Dezember 2012 habe die A.-Gruppe Genossenschaft die Geschäftssparte "Lumimart" an die Klägerin übertragen (vgl. KB 17). Eventualiter habe die Klägerin per 6. Mai 2013 den Gebrauch der Geschäftsbezeichnung "Lumimart" aufge- nommen und damit die Namensrechte durch rechtserzeugenden Gebrauch begründet (Replik N. 299). Da sich die Beklagte den Namen der Klägerin anmasse, indem sie die Bezeichnung "Luminarte" verwende, welche zum Namen "Lumimart" der Klägerin eine grosse Ähnlichkeit aufweise, sei die Passivlegitimation der Beklagten zu bejahen (Klage N. 72 - 79). Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin, da ihr keine Na- mensrechte zustehen würden (Duplik N. 376). Sodann werde der Erwerb von Namensrechten durch die A.-Gruppe Genossenschaft im Zeitpunkt des Beginns des Zeichengebrauchs im Jahr 2004 (Klageantwort N. 114; Duplik N. 380) bestritten. Ebenso habe die Klägerin die besagten Namensrechte nicht übernehmen können, da es sich um höchstpersönliche Rechte handle (Klageantwort N. 119; Duplik N. 379). Weiter sei die Klägerin erst am 3. Mai 2013 ins Handelsregister eingetragen worden, so dass ein vorangehender Namensgebrauch ausscheide (Klageantwort N. 121). Schliesslich habe die - 89 - Klägerin nicht substanziiert, in welchem Umfang sie das Zeichen "Lumim- art" im Jahre 2013 benutzt haben will (Duplik N. 116). 7.1.2. Rechtliches Namensrechtliche Ansprüche sind vom Namensträger geltend zu ma- chen.194 Namensträger können sowohl natürliche als auch juristische Per- sonen sein.195 Objekt namensrechtlicher Ansprüche kann unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls eine Geschäftsbezeichnung bilden.196 Passiv- legitimiert ist derjenige, welcher sich den Namen des Namensträgers an- masst.197 Eine Geschäftsbezeichnung kann gemäss einer Lehrmeinung im Gegen- satz zu einer Firma und einem Namen auf einen anderen Rechtsträger übertragen werden.198 Zu konkretisieren ist allerdings, dass eine Übertra- gung der Geschäftsbezeichnung ohne gleichzeitige Übertragung des Ge- schäfts(teils) bzw. Unternehmens(teils) nicht denkbar ist.199 Die Geschäfts- bezeichnung wird mit anderen Worten durch Übertragung des bezeichne- ten Unternehmens oder Unternehmensteils auf den neuen Rechtsträger mitübertragen. Das folgt auch daraus, dass Geschäftsbezeichnungen nicht Rechtssubjekte, sondern Rechtsobjekte bezeichnen.200 7.1.3. Würdigung Die Aktivlegitimation namensrechtlicher Ansprüche ist der Betreiberin der als selbstständig bezeichneten Geschäftssparte "Lumimart" bzw. der Trä- gerin des als selbstständig bezeichneten Unternehmensteils "Lumimart" zuzuweisen. Vorliegend wird die Geschäftssparte "Lumimart" unstrittig von der Klägerin betrieben (Klage N. 75; Replik N. 299; Klageantwort N. 121 f.). Daher fällt ihr die Aktivlegitimation hinsichtlich der behaupteten namens- rechtlichen Ansprüche zu. Folglich kann entgegen dem (Haupt-)Standpunkt der Klägerin die A.- Gruppe Genossenschaft keine Namensrechte an der Geschäftssparte "Lu- mimart" geltend machen. Denn die A.-Gruppe Genossenschaft als Mutter- gesellschaft der Klägerin ist nicht Betreiberin der Geschäftssparte "Lumim- art". 194 Vgl. BSK ZGB I-BÜHLER, 6. Aufl. 2018, Art. 29 N. 12. 195 BSK ZGB I-BÜHLER (Fn. 194), Art. 29 N. 13. 196 BSK ZGB I-BÜHLER (Fn. 194), Art. 29 N. 8. A.A. MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER/SETHE, Schweizeri- sches Gesellschaftsrecht, 12. Aufl. 2018, § 7 N. 28, wonach Geschäftsbezeichnungen ohne namensrechtlichen Schutz geniessen. 197 Vgl. BSK ZGB I-BÜHLER (Fn. 194), Art. 29 N. 31; LACK, Privatrechtlicher Namensschutz (Art. 29 ZGB), 1992, S. 127. 198 AGTEN, Der Schutz von Unternehmenskennzeichen bei Kollisionen mit anderen Unternehmens- und Waren- oder Dienstleistungskennzeichen in der Schweiz, 2011, S. 55. 199 Vgl. BGE 72 II 1 E. 2a. 200 Vgl. BSK ZGB I-BÜHLER (Fn. 194), Art. 29 N. 5; SHK MSchG-THOUVENIN/DORIGO (Fn. 178), Art. 13 N. 23; vgl. auch JUNG/KUNZ/BÄRTSCHI, Gesellschaftsrecht, 2016, N. 42 ff. - 90 - Entgegen dem sinngemässen Standpunkt der Beklagten ist auf Ebene der Aktivlegitimation noch nicht auf die umstrittene Namenspriorität einzuge- hen. Massgebend ist einzig, dass es sich bei der Klägerin um die Betreibe- rin der Geschäftssparte "Lumimart" handelt. Ob sie die behaupteten na- mensrechtlichen Ansprüche rechtsgeschäftlich oder rechtserzeugend be- gründet hat, ist auf Stufe der Aktivlegitimation ohne Belang. Da die Beklagte unter dem Namen "Luminarte" auftritt und sich somit mut- masslich den Namen "Lumimart" anmasst, ist sie passivlegitimiert. 7.2. Namensrechtliche Ansprüche 7.2.1. Parteibehauptungen Die Klägerin führt im Wesentlichen aus, bei "Lumimart" handle es sich um eine schutzfähige Geschäftsbezeichnung für eine Geschäftssparte/Division des A.-Konzerns (Klage N. 145). Es sei ausreichend, dass das Publikum die Bezeichnung "Lumimart" mit den von der Klägerin betriebenen Fach- märkten für Leuchten in Verbindung bringe. Dies ergebe sich aus der gros- sen Bekanntheit der Beizeichung "Lumimart" in der Schweiz (Klage N. 150 m.V.a. KB 151 f.). Die Beklagte bestreitet die behaupteten namensrechtlichen Ansprüche und wendet insbesondere ein, der Konsument setzte das Zeichen "Lumimart" nicht der Klägerin gleich. "Lumimart" werde vom A.-Konzern häufig als Partner bezeichnet, so dass der durchschnittliche Konsument "Lumimart" als Namen eines eigenständigen Unternehmens auffasse (Klageantwort N. 122; Duplik N. 380). 7.2.2. Rechtliches Objekt namensrechtlicher Ansprüche kann unter bestimmten Vorausset- zungen ebenfalls eine Geschäftsbezeichnung bilden.201 Eine Geschäftsbezeichnung ist die Bezeichnung eines Geschäfts bzw. Un- ternehmens. Dabei handelt es sich um eine zu einer organisatorischen Ein- heit zusammengefasste Mehrheit von Sachen, Rechten und tatsächlichen Beziehungen (Chancen),202 die als Rechtsgesamtheit zu qualifizieren ist.203 Die Abgrenzung zur Enseigne besteht darin, dass ein Bezug zu einem Ge- schäftslokal fehlt.204 Eine Geschäftsbezeichnung muss nicht die gesamte wirtschaftliche Tätig- keit bzw. das gesamte Unternehmen eines Rechtssubjekts bezeichnen, 201 BSK ZGB I-BÜHLER (Fn. 194), Art. 29 N. 8. A.A. MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER/SETHE (Fn. 196), § 7 N. 28, wonach Geschäftsbezeichnungen ohne weiteres namensrechtlichen Schutz geniessen. 202 HILTI, SIWR III/2, 2. Aufl. 2005, S. 4; MÜLLER, Kollisionen von Kennzeichen, 2010, N. 71. 203 MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER/SETHE (Fn. 196), § 5 N. 15. 204 BGE 130 III 58 E. 5.2. - 91 - sondern kann auch nur einen (selbständigen) Teil davon erfassen.205 Es kann auch vorkommen, dass ein früherer Firmenname aufgrund einer Übernahme nur noch als Geschäftsbezeichnung des übernommenen Un- ternehmens weiterexistiert.206 Geschäftsbezeichnungen bezeichnen ein Unternehmen i.S. einer Rechts- gesamtheit, nicht aber den Geschäftsinhaber als solchen.207 Geschäftsbe- zeichnungen geniessen deshalb nur namensrechtlichen Schutz, wenn sie sich geradezu zu Namen ihres Inhabers entwickelt haben bzw. wenn sie – ähnlich einem Pseudonym – die dahinterstehende Person klar individuali- sieren.208 Dies entspricht schliesslich der bundesgerichtlichen Rechtspre- chung, welche im Urteil 4C.31/2004 vom 8. November 2004 E. 5 folgendes ausführte: "Voraussetzung für die Schutzfähigkeit eines Zeichens ist aber stets, dass der Verkehr es als Namen seines Inhabers auffasst [...]. Nach den Feststellungen der Vorinstanz ist dies hier nicht der Fall, da der Verkehr die Marke "AF" nicht als Namen ihrer Inhaberin "AG" auffasst (oben E. 1.2). Die Vorinstanz hat somit bundesrechtskonform keinen gemäss Art. 29 ZGB gewährt." 7.2.3. Würdigung Zwischen den Parteien ist vorab strittig, ob der Bestand namensrechtlicher Ansprüche voraussetzt, dass "Lumimart" von den massgebenden Ver- kehrskreisen (vgl. E. 4 hiervor) als Name bzw. Pseudonym der Klägerin aufgefasst wird. Soweit die Lehre den namensrechtlichen Schutz von Geschäftsbezeich- nungen anerkennt, setzt sie überwiegend voraus, dass sich diese geradezu zum Namen ihrer Inhaber entwickelt haben.209 Dies überzeugt, zumal eine vorbehaltlose Anerkennung des namensrechtlichen Schutzes von Ge- schäftsbezeichnungen mit dem Schutzzweck des Namensrechts nicht ver- einbar ist:210 Die Kennzeichnung und Individualisierung einer natürlichen 205 Vgl. CELLI, Der internationale Handelsname, 1993, S. 46 f.; BÜHLER, Grundlagen des materiellen Firmenrechts, 1991, S. 78; BURI, Verwechselbarkeit (Fn. 48), S. 185 f.; BURI, SIWR III/2 (Fn. 71), S. 380; SHK MSchG-THOUVENIN/DORIGO (Fn. 178), Art. 13 N. 23; TROLLER (Fn. 48), S. 34. 206 HILTI (Fn. 202), S. 54. 207 Vgl. BURI, Verwechselbarkeit (Fn. 48), S. 178 f.; BÜHLER (Fn. 205), S. 83. 208 BSK ZGB I-BÜHLER (Fn. 194), Art. 29 N. 8; BURI, Verwechselbarkeit (Fn. 205), S. 116 Fn. 580 u. S. 178 f.; LACK, Privatrechtlicher Namensschutz (Art. 29 ZGB), 1992, S. 111 f.; AGTEN (Fn. 198), S. 61; SHK MSchG-THOUVENIN/NOTH, 2. Aufl. 2017, Einleitung N. 109; vgl. auch CELLI (Fn. 205), S. 47 f., der zu Recht hervorhebt, dass keine Mischung von wettbewerbsrechtlichen und Elementen zugelassen werden sollte, wenn eine Geschäftsbezeichnung nur das Unternehmen, nicht jedoch den andersnamigen Unternehmer kennzeichnet. 209 Vgl. die Nachweise in Fn. 208 hiervor. 210 A.A. wohl MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER/SETHE (Fn. 196), § 7 N. 28; BK OR-SIEFFERT, 2017, Art. 944 N. 15 m.w.N.; zum Schutzzweck siehe LACK (Fn. 208), S. 111; BSK ZGB I-BÜHLER (Fn. 194), Art. 29 N. 2; BURI, Verwechselbarkeit (Fn. 48), S. 115. - 92 - oder juristischen Person wird bei Geschäftsbezeichnungen gerade nicht er- reicht, da Letztere Rechtsobjekte und nicht Rechtssubjekte kennzeichnen. Insoweit kann es entgegen den klägerischen Ausführungen nicht ausrei- chen, dass die massgebenden Verkehrskreise die Geschäftsbezeichnung als Hinweis auf das betroffene Rechtsobjekt auffassen. Diesfalls würde die beabsichtigte Kennzeichnung und Individualisierung nicht den Träger des Namensrechts, sondern das Rechtsobjekt treffen. Diese Zurechnung ver- mag aber gerade keine namensrechtlichen Ansprüche zu begründen.211 Die Geschäftsbezeichnung muss daher wie ein Pseudonym212 im Verkehr als Name des Inhabers aufgefasst werden, um namensrechtlichen Ansprü- che zu begründen. Die Klägerin führt selbst aus, das Publikum bringe aufgrund der grossen Bekanntheit die Bezeichnung "Lumimart" mit den Fachmärkten für Leuch- ten "Lumimart" in Verbindung (Klage N. 150). "Lumimart" ist nach Darstel- lung der Klägerin die Geschäftsbezeichnung für eine Geschäftssparte/Divi- sion des A.-Konzerns (Klage N. 145). Wenn nun das Publikum die Bezeich- nung "Lumimart" mit einem Rechtsobjekt (Geschäftssparte/Division) in Ver- bindung bringt und nicht mit dem dahinter stehenden Rechtssubjekt (juris- tische Person), vermag dies nach dem zuvor Dargelegten keine namens- rechtlichen Ansprüche zu begründen. Im Übrigen behauptet die Klägerin nicht, "Lumimart" werde als Name der Klägerin aufgefasst. Daher sind im Geltungsbereich der Verhandlungsmaxime (Art. 55 Abs. 1 ZPO) keine na- mensrechtlichen Ansprüche der Klägerin nachgewiesen. Folglich erübrigen sich weitere Ausführungen zu den Parteivorbringen im Zusammenhang mit dem Namensrecht. 7.3. Zwischenfazit Im Ergebnis kann die Klägerin aus dem Namensrecht keinerlei Ansprüche ableiten. Es bestehen keine relevanten Namensrechte. 8. Vollstreckungsmassnahmen 8.1. Ausgangslage In Rechtsbegehren Ziff. 1 beantragt die Klägerin, das nach Ablauf von 30 Tagen nach Vollstreckbarkeit des Urteils anzuordnende Verbot sei mit der Androhung einer Ordnungsbusse von CHF 1'000 für jeden Tag der Nichterfüllung, mindestens aber CHF 5'000 gemäss Art. 343 Abs. 1 lit. b ZPO zu versehen. 211 Siehe auch LACK (Fn. 208), S. 111; BURI, Verwechselbarkeit (Fn. 48), S. 179 f.; BGer 4C.31/2004 vom 8. November 2004 E. 5; 4C.360/2005 vom 23. Januar 2006 E. 2.4 ("BSA" wird als Hinweis auf den Verein "Bund Schweizer Architekten" verstanden). A.A. TROLLER (Fn. 48), S. 173 f. 212 Siehe 4C.31/2004 vom 8. November 2004 E. 5; BGer 4C.360/2005 vom 23. Januar 2006 E. 2.4; BSK ZGB I-BÜHLER (Fn. 194), Art. 29 N. 7. - 93 - 8.2. Parteibehauptungen Die Klägerin bringt im Wesentlichen vor, die Ordnungsbusse sei verhältnis- mässig, da die Beklagte bereits mehrfach signalisiert habe, die Rechte der Klägerin weiterhin verletzen zu wollen (Klage N. 196). Die Beklagte bestreitet demgegenüber die Verhältnismässigkeit der bean- tragten Ordnungsbussen und wendet ein, Art. 343 ZPO sei ohne ein Han- deln der Beklagten in der Schweiz gar nicht anwendbar (Klageantwort N. 281). Daneben sei höchstens eine Strafandrohung nach Art. 292 StGB vorzunehmen. Und ausserdem sei die Bezugnahme auf die Vollstreckbar- keit des Entscheids nicht geeignet, da diesfalls die Gefahr bestehe, dass sich die Beklagte trotz Beschwerde und Antrag auf aufschiebende Wirkung der Verletzung der Zwangsmassnahmen schuldig machen könnte (Schlussvortrag vom 19. August 2019 N. 141 ff.). 8.3. Würdigung Das Gericht ordnet bei der direkten Vollstreckung auf Antrag der obsiegen- den Partei Vollstreckungsmassnahmen an (Art. 236 Abs. 3 ZPO).213 Da sich die Beklagte nachgewiesenermassen im schweizerischen Wettbewerb unlauter verhalten hat und mit dem Verbot unlautere Handlungen in der Schweiz verboten werden sollen, ist eine Anordnung der in Art. 343 ZPO normierten Vollstreckungsmassnahmen zulässig. Die Klägerin ersucht um Kombination der Massnahmen nach Art. 343 Abs. 1 lit. b und c ZPO. Eine Kombination der Sanktionen nach diesen beiden Bestimmungen ist zuläs- sig.214 Jedoch ist zu berücksichtigen, dass Ordnungsbussen gemäss Bun- desgericht anhand des "objektiven Ausmasses der Zuwiderhandlung" aus- zufällen sind.215 Die Androhung von Ordnungsbussen sollte daher stets den gesetzlich vorgesehen Zusatz "bis zu" enthalten oder es ist auf die Nen- nung eines konkreten Betrages gänzlich zu verzichten.216 Eine Unverhält- nismässigkeit der beantragten Vollstreckungsmassnahme ist vor diesem Hintergrund entgegen der Beklagten nicht ersichtlich. Daher ist der Beklag- ten eine Ordnungsbusse von bis zu Fr. 5'000.00 für die Nichterfüllung des gerichtlich angeordneten Verbots sowie bis zu Fr. 1'000.00 für jeden Tag der Nichterfüllung anzudrohen. Schliesslich ist entgegen der Ansicht der Beklagten (Schlussvortrag vom 19. August 2019 N. 121) die von der Klägerin verwendete Formulierung nicht zu beanstanden. Das Rechtsbegehren Ziff. 1 wird mit Eröffnung des Entscheids vollstreckbar (Art. 103 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a BGG e contrario). Indes kann das Bundesgericht ab Einreichung der Beschwerde um Ertei- lung der aufschiebenden Wirkung ersucht werden (Art. 103 Abs. 3 BGG). 213 SCHNEUWLY/VETTER, Die Realvollstreckung handelsgerichtlicher Entscheide, in: Jusletter 5. Septem- ber 2016, N. 14. 214 SCHNEUWLY/VETTER (Fn. 213), N. 34 ff. m.w.N. 215 BGE 142 III 587 E. 6.2. 216 SCHNEUWLY/VETTER (Fn. 213), N. 29. - 94 - In dringenden Fällen ist ebenfalls eine superprovisorische Anordnung der aufschiebenden Wirkung möglich.217 Da die Beschwerdefrist in casu eben- falls 30 Tage beträgt (Art. 100 Abs. 1 BGG), erscheint eine direkte Vollstre- ckung des Rechtsbegehrens Ziff. 1 innert 30 Tagen seit Vollstreckbarkeit als verhältnismässig. 9. Auskunftsanspruch 9.1. Rechtliches Der Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung ist nicht dazu da, die beklagte Partei in beliebige Richtungen hin auszuforschen. Aus der Hilfs- funktion des präparatorischen Informationsanspruchs im Rahmen einer Stufenklage folgt, dass er sich nur auf relevante Informationen bezieht, das heisst auf solche, die für die inhalts- oder umfangmässige Bestimmung des Zielanspruchs von Interesse sind. Das Ausforschungsverbot will in erster Linie verhindern, dass der Kläger seinen Informationsanspruch dazu miss- braucht, einen bloss vermuteten Hauptanspruch ausfindig zu machen oder Anspruchsvoraussetzungen nachzuspüren, die den Inhalt oder Umfang des Hauptanspruchs gar nicht tangieren. Freilich muss die klagende Partei mit Blick auf die inhaltliche Konkretisierung des Zielanspruchs auch Anga- ben dazu machen, was Gegenstand der Informationspflicht ist. Die Anfor- derungen an die Bestimmtheit des Informationsbegehrens dürfen aber nicht zu streng sein. Da die klagende Partei noch gar nicht weiss, was ge- nau der Inhalt der ihr zustehenden Informationen ist, kann von ihr nicht ver- langt werden, jeden verlangten Beleg einzeln zu bezeichnen. Vielmehr muss es genügen, wenn sie mit ihrem Antrag Klarheit darüber schafft, zu welchem Zweck sie worüber Auskunft oder Rechnungslegung verlangt und für welchen Zeitraum und in welcher Form sie dies begehrt. Verlangt die klagende Partei mit Blick auf einen konkreten Zweck nicht genau bestimmte Unterlagen, so ist es Sache des Beklagten, die Auswahl der Belege vorzu- nehmen. Ist das Informationsbegehren zwar klar, aber zu umfassend for- muliert, hat der Richter es in geeigneter Weise einzugrenzen und den An- trag im Übrigen abzuweisen.218 9.2. Anzahl der Leuchten und Leuchtmittel und Umsatz 9.2.1. Ausgangslage Die Rechtsbegehren Ziff. 2.i) und Ziff. 2.ii) lauten wie folgt: " 2. Die Beklagte sei (....) zu verpflichten, (....) Auskunft zu erteilen und nach anerkannten Grundsätzen der Rechnungslegung Rechnung zu legen über i) die Anzahl aller Leuchten und Leuchtmittel, die sie oder ihre Lizenznehmer in den Jahren 2014-2018 an Kunden mit Adresse in der Schweiz oder an Wiederverkäufer/Händler mit Sitz in der Schweiz geliefert haben, unter Beilegung der Rechnungen, Lieferscheine und Mehrwertsteuer-, aus denen der Verkaufspreis hervorgeht. 217 BSK BGG-DORMANN, 3. Aufl. 2018, Art. 103 N. 28 Fn. 86. 218 BGE 143 III 297 E. 8.2.5.4. - 95 - ii) den Gesamtumsatz, der mit der Lieferung von Leuchten und Leuchtmitteln in den Jahren 2014-2018 an Kunden mit Adresse in der Schweiz erzielt wurde, unter Angabe der von Dritten in diesem Zusammenhang Lizenzgebühren, der den einzelnen Gegenständen unmittelbar zuzuordnenden Herstellungs- bzw. Anschaffungskosten sowie den Gegenständen unmittelbar zuzuordnenden sonstigen Kosten, wobei sämtliche Kosten mit Belegen nachgewiesen sein müssen." 9.2.2. Würdigung Die Auskunft über die Anzahl der unter dem Zeichen "Luminarte" in die Schweiz gelieferten Leuchten und Leuchtmittel sowie die Offenlegung des dabei erzielten Umsatzes unter Zuordnung der mit den Produkten entstan- denen Kosten erscheint zur Bezifferung der von der Klägerin geltend ge- machten finanziellen Ausgleichsansprüche geeignet und erforderlich. Die Gutheissung der beiden Rechtsbegehren führt alsdann nicht zu einer un- zulässigen Ausforschung der Beklagten und tangiert – soweit aufgrund der Parteivorbringen ersichtlich – ebenfalls keine Geschäftsgeheimnisse der Beklagten. Die Beklagte wendet gegen die beiden Rechtsbegehren einzig ein, die Klä- gerin verhalte sich widersprüchlich, wenn sie im Zusammenhang mit der Verwirkung ihrer Unterlassungsansprüche im beklagtischen Verkauf von Leuchten und Leuchtmitteln an Kunden mit Adresse in der Schweiz keine rechtlich relevante Benutzung des Zeichens "Luminarte" erkennen wolle, aber dennoch darüber Auskunft und Rechnungslegung verlange (Duplik N. 649). Die Beklagte ist mit ihrem Einwand nicht zu hören. Anlässlich der von ihr geltend gemachten Verwirkung war zu prüfen, ob die Klägerin auf- grund der von der Beklagten erzielten Umsätze eine Benutzung der "Lumi- narte" Zeichen in der Schweiz hätte erkennen müssen. Dies trifft nach Auf- fassung des Gerichts nicht zu (E. 6.7.3.1.7 hiervor). Ein finanzieller Aus- gleichsanspruch der Klägerin in Form von Schadenersatz oder der Heraus- gabe des von der Beklagten erzielten Gewinns resp. der ihr zugeflossenen Bereicherung ist indes nicht auf den Zeitraum beschränkt, in dem die Klä- gerin den Marktauftritt der Beklagten hätte erkennen können. Beurteilungs- grundlage bildet der Zeitraum, während dem sich die Beklagte unlauter ver- halten hat. Unlauteres Verhalten der Beklagten ist für den Zeitraum von 2014 bis 2018 erstellt. Folglich sind die Rechtsbegehren Ziff. 2.i) und 2.ii) gutzuheissen. 9.3. Werbung 9.3.1. Ausgangslage Das Rechtsbegehren Ziff. 2.iii) lautet wie folgt: " 2. Die Beklagte sei (....) zu verpflichten, (....) Auskunft zu erteilen und nach anerkannten Grundsätzen der Rechnungslegung Rechnung zu legen über - 96 - iii) Umfang und Art der Bewerbung von Lampen, Leuchten und Leuchtmitteln in der Schweiz in den Jahren 2014-2018, insbesondere in Prospekten, , Ausstellungen, Anzeigen im Internet, und die für die Bewerbung gemachten Ausgaben, unter Beilegung entsprechender Belege." 9.3.2. Würdigung Die Klägerin führt nicht aus, inwiefern Auskunft und Rechnungslegung über die von der Beklagten getätigten Werbeanstrengungen in den Jahren 2014 bis 2018 zur Bezifferung ihrer finanziellen Ansprüche dienlich sein sollen. Die Beklagte bestreitet einen Auskunftsanspruch der Klägerin im Wesent- lichen mit zwei Argumenten: Einerseits sei aufgrund eines unvermeidbaren Spillovers eine Abgrenzung zwischen der Werbung in der Schweiz und der Werbung anderswo gar nicht möglich (Klageantwort N. 285). Andererseits verhalte sich die Klägerin widersprüchlich, wenn sie anlässlich der Verwir- kung so tue, als stelle Werbung mit Google Adwords keine relevante Be- nutzung des Zeichens "Luminarte" in der Schweiz dar, gleichzeitig aber der Beklagten Werbung im Internet verbieten lassen wolle und Auskunft über die erfolgte Werbung im Internet verlange (Duplik N. 648). In der Tat ist nicht ersichtlich, inwieweit die Rechnungslegung über die von der Beklagten in der Schweiz betriebenen Werbeanstrengungen geeignet sein soll, zur Bezifferung der finanziellen Ausgleichsansprüche der Klägerin beizutragen. Einerseits hat die Beklagte über die entsprechenden Werbe- aufwendungen bereits gestützt auf Rechtsbegehren Ziff. 2.ii) Auskunft zu erteilen. Andererseits hat die Beklagte ihre in der Schweiz getätigten Wer- beanstrengungen einlässlich dargelegt und teilweise auch mit Rechnungen belegt (vgl. nur Klageantwort N. 59, 66, 68 f.). Folglich ist das Rechtsbe- gehren Ziff. 2.iii) abzuweisen und es erübrigt sich, auf die weiteren von der Beklagten erhobenen Einwendungen einzugehen. 9.4. Händler/Wiederverkäufer 9.4.1.Ausgangslage Das Rechtsbegehren Ziff. 2.iv) lautet wie folgt: " 2. Die Beklagte sei (....) zu verpflichten, (....) Auskunft zu erteilen (....) über iii) Namen und Adressen sämtlicher Händler/Wiederverkäufer von Leuchten und Leuchtmitteln in der Schweiz, an welche in den Jahren 2014-2018 Leuchten und Leuchtmittel geliefert wurden, insbesondere sämtliche ." 9.4.2. Würdigung Die Klägerin behauptet im Wesentlichen, die Beklagte habe in Klageant- wort N. 67 behauptet, sie liefere in der Schweiz auch an Händler bzw. Wie- derverkäufer. Zur Ermittlung und Überprüfung der in der Schweiz gemach- ten Umsätze und Gewinne der Beklagten benötige die Klägerin Angaben zur Identität der Händler bzw. Wiederverkäufer (Replik N. 533). Die Be- - 97 - klagte wendet demgegenüber im Wesentlichen ein, die Klägerin substanti- iere nicht, inwieweit überhaupt Wiederverkäufer oder Kommissionäre in der Schweiz existieren würden (Duplik N. 647). Aufgrund der Gutheissung von Rechtsbegehren Ziff. 2.i) und 2.ii) hat die Beklagte Auskunft über die Anzahl der in die Schweiz gelieferten Leuchten und Leuchtmittel und den dazugehörigen Umsatz zu erstatten. Entspre- chend erfassen diese Rechtsbegehren ebenfalls Umsätze, die mit Liefe- rungen an inländische Händler oder Wiederverkäufer erzielt wurden. Inwie- weit deren Name und Adresse zur Bezifferung des finanziellen Ausgleichs- anspruchs geeignet oder erforderlich sein soll, vermag die Klägerin nicht darzutun. Denn es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Be- klagte wahrheitswidrig Auskunft erteilen wird. Überdies verkennt die Kläge- rin, dass sich das unlautere Verhalten der Beklagten auf ihren Marktauftritt in der Schweiz unter den "Luminarte" Zeichen beschränkt. Daher ist einzig die Lieferung an Wiederverkäufer unter dem Zeichen "Luminarte" unlauter. Soweit diese Wiederverkäufer die von der Beklagten erhaltenen Waren wiederum veräussern, ist darin kein unlauteres Verhalten der Beklagten zu erkennen. Die Vorbringen der Klägerin enthalten keine Hinweise auf die Verwendung des Zeichens "Luminarte" durch Wiederverkäufer im Zusam- menhang mit der Weiterveräusserung. Daher stellt die Auskunftserteilung über die Namen und Adressen sämtlicher von der Beklagten in den Jahren 2014 bis 2018 belieferten Händler oder Wiederverkäufer eine unzulässige Ausforschung der geschäftlichen Tätigkeit der Beklagten dar. Entspre- chend ist das Rechtsbegehren Ziff. 2.iv) abzuweisen. 9.5. Vollstreckungsmassnahmen 9.5.1. Ausgangslage Die Klägerin beantragt in Rechtsbegehren Ziff. 2, dass der Auskunftsan- spruch mit der Androhung einer Ordnungsbusse von CHF 1'000 für jeden Tag der Nichterfüllung, mindestens aber CHF 5'000 gemäss Art. 343 Abs. 1 lit. b ZPO gegen die Beklagte sowie der Androhung von Art. 292 StGB gegenüber den Organen der Beklagten zu versehen sei. 9.5.2. Würdigung Die von der Beklagten erhobenen Einwendungen zu den direkten Vollstre- ckungsmassnahmen im Zusammenhang mit dem Rechtsbegehren Ziff. 2 (Klageantwort N. 288) wurden im Wesentlichen bereits unter E. 8 hiervor behandelt. Eine Unverhältnismässigkeit der beantragten Vollstreckungsmassnahme ist vor diesem Hintergrund entgegen der Beklagten nicht ersichtlich. Daher ist der Beklagten eine Ordnungsbusse von bis zu Fr. 5'000.00 für die Nicht- erfüllung des gerichtlich angeordneten Verbots sowie von bis zu - 98 - Fr. 1'000.00 für jeden Tag der Nichterfüllung anzudrohen. Gegen die Or- gane der Beklagten lautet die Androhung zusätzlich auf Bestrafung nach Art. 292 StGB. Das Handelsgericht erkennt: 1. Der Beklagten wird unter Androhung einer Ordnungsbusse von bis zu Fr. 1'000.00 für jeden Tag der Nichterfüllung sowie einer Ordnungsbusse von bis zu Fr. 5'000.00 im Falle der Nichterfüllung verboten, nach Ablauf von 30 Tagen, nachdem dieses Urteil vollstreckbar geworden ist, unter der Firmenbezeichnung "Luminarte GmbH" oder unter den Domainnamen "lu- minarte.ch" oder "luminarte.de" oder unter dem Zeichen "Luminarte" oder dem Logo Leuchten oder Leuchtmittel in der Schweiz selber oder durch Dritte zu bewerben, anzubieten oder zu liefern. 2. Der Beklagten wird unter Androhung einer Ordnungsbusse von bis zu Fr. 1'000.00 für jeden Tag der Nichterfüllung sowie einer Ordnungsbusse von bis zu Fr. 5'000.00 und unter Androhung der Bestrafung ihrer Organe nach Art. 292 StGB im Widerhandlungsfall verpflichtet, binnen 30 Kalen- dertagen nach Rechtskraft des Urteils Auskunft zu erteilen und nach an- erkannten Grundsätzen der Rechnungslegung Rechnung zu legen über i) die Anzahl aller Leuchten und Leuchtmittel, die sie oder ihre Lizenz- nehmer in den Jahren 2014-2018 an Kunden mit Adresse in der Schweiz oder an Wiederverkäufer/Händler mit Sitz in der Schweiz geliefert haben, unter Beilegung der Rechnungen, Lieferscheine und Mehrwertsteuer-Rückerstattungsbelegen, aus denen der Verkaufs- preis hervorgeht; ii) den Gesamtumsatz, der mit der Lieferung von Leuchten und Leucht- mitteln in den Jahren 2014-2018 an Kunden mit Adresse in der Schweiz erzielt wurde, unter Angabe der von Dritten in diesem Zu- sammenhang erwirtschafteten Lizenzgebühren, der den einzelnen Gegenständen unmittelbar zuzuordnenden Herstellungs- bzw. An- schaffungskosten sowie den einzelnen Gegenständen unmittelbar zuzuordnenden sonstigen Kosten, wobei sämtliche Kosten mit Bele- gen nachgewiesen sein müssen. Art. 292 StGB lautet: "Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft." - 99 - 3. Die Kostenverlegung erfolgt im Endentscheid. Zustellung an: – die Klägerin (Vertreter, zweifach) – die Beklagten (Vertreter, zweifach) Rechtsmittelbelehrung für die Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff., Art. 90 ff. BGG) Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen, gerechnet ab der schriftli- chen Eröffnung der vollständigen Ausfertigung des Entscheides, die Be- schwerde an das Schweizerische Bundesgericht erhoben werden. Die Beschwerde ist schriftlich oder in elektronischer Form beim Schweize- rischen Bundesgericht einzureichen. Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit An- gabe der Beweismittel und die Unterschriften bzw. eine anerkannte elekt- ronische Signatur zu enthalten. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht (Art. 95 ff. BGG) verletzt. Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in den Händen hat; ebenso ist der ange- fochtene Entscheid beizulegen (Art. 42 BGG). Aarau, 31. März 2020 Handelsgericht des Kantons Aargau 1. Kammer Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: Dubs Müller (i.V. Ruff)
62,421
45,564
AG_HG_002
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_HG_002_-Handelsrecht-Immate_2020-03-31
https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/jb/dokumente_6/gesetze___entscheide/gesetze_2/handelsrecht/Teil-Entscheid_des_Handelsgerichts_vom_31._Maerz_2020.pdf
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1,497,568
1,567,728,000,000
2,019
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Abschreiben: Verfügung Handelsgericht 2. Kammer HSU.2019.109 / as / mv Art. 156 Verfügung vom 6. September 2019 Besetzung Oberrichter Vetter, Vizepräsident Gerichtsschreiberin-Stv. Albert Gesuchstellerin P. AG, _ vertreten durch MLaw Matthias Brunner, Rechtsanwalt, Oberstadt- strasse 7, Postfach 2060, 5402 Baden Gesuchsgegne- rin P. Immobilien AG, _ vertreten durch lic. iur. Matthias Becker, Rechtsanwalt, Niederlen- zerstrasse 10, Postfach 2312, 5600 Lenzburg Prozessführende gesuchsgegneri- sche Streitberu- fene p AG, _ vertreten durch lic. iur. Franz Szolansky und Daniel Jud, Rechtsanwälte, Bahnhofstrasse 70, Postfach, 8021 Zürich 1 Gegenstand Summarisches Verfahren betreffend Verlegung der Prozesskosten - 2 - Der Vizepräsident entnimmt den Akten: 1. Am 11. März 2019 erliess der Vizepräsident im Verfahren HSU.2018.125 folgenden Entscheid: 1. In teilweiser Gutheissung des Gesuchs vom 19. Dezember 2018 wird die mit Verfügung vom 20. Dezember 2018 zugunsten der Gesuchstellerin auf dem Grdst.-Nr. XXX GB Staufen der Gesuchsgeg- nerin, (E-GRID: _), superprovisorisch für eine Pfandsumme von Fr. 466'269.63 zuzüglich Zins von je 5 % ab dem 29. Juli 2017 auf CHF 100'792.60, ab dem 1. August 2017 auf CHF 27'368.95 und ab dem seit 14. September 2018 auf CHF 227'571.55 seit 20. Dezember 2018 angeordnete Vormerkung vorsorglich bestätigt. 2. Das Grundbuchamt Wohlen wird angewiesen, die Vormerkung gemäss Dispositiv-Ziff. 1 aufrechtzuerhalten. 3. 3.1. Die Gesuchstellerin hat bis zum 11. Juni 2019 beim zuständigen Ge- richt im ordentlichen Verfahren Klage auf definitive Eintragung des Bau- handwerkerpfandrechts anzuheben. 3.2. Im Säumnisfall fällt die in der vorstehenden Dispositiv-Ziff. 1 angeord- nete vorsorgliche Massnahme dahin, wobei die Vormerkung im Grund- buch nur auf entsprechendes Gesuch hin gelöscht wird. 3.3. Es gilt kein Stillstand der Fristen. 4. 4.1. Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 4'000.00 sind von der Gesuchsgeg- nerin und der prozessführenden gesuchsgegnerischen Streitberufenen in solidarischer Haftung zu tragen und werden mit dem von der Gesuchstellerin geleisteten Gerichtskostenvorschuss in Höhe von Fr. 4'000.00 verrechnet. Die Gesuchsgegnerin und die prozessfüh- rende gesuchsgegnerische Streitberufene haben in solidarischer Haf- tung die von ihr zu tragenden Gerichtskosten der Gesuchstellerin direkt zu ersetzen. 4.2. Die Gesuchsgegnerin und die prozessführende gesuchsgegnerische Streitberufene haben der Gesuchstellerin in solidarischer Haftung deren Parteikosten in richterlich festgesetzter Höhe von Fr. 6'115.50 (inkl. Auslagen) zu ersetzen. - 3 - 4.3. Eine abweichende Verlegung der Prozesskosten mittels separater Ver- fügung oder im ordentlichen Verfahren bleibt vorbehalten, falls dieses vor dem Handelsgericht stattfindet. 2. Die Gesuchstellerin unterliess es in der Folge bis zum 11. Juni 2019 beim zuständigen Gericht im ordentlichen Verfahren Klage auf definitive Eintra- gung des Bauhandwerkerpfandrechts anzuheben (vgl. auch Eingabe der Gesuchstellerin vom 18. Juli 2019). 3. Mit Gesuch vom 15. August 2019 (Postaufgabe: 15. August 2019) stellte die prozessführende gesuchsgegnerische Streitberufene folgende Rechts- begehren: " 1. Es sei das Grundbuchamt Wohlen anzuweisen, die vorsorgliche Vor- merkung eines Bauhandwerkerpfandrechts der Gesuchstellerin auf dem Grdst.-Nr. XXX GB Staufen der Gesuchsgegnerin, (E-GRID: _) für eine Pfandsumme von Fr. 466'269.63 zuzüglich Zins von je 5% ab dem 29. Juli 2017 auf CHF 100'792.60, ab dem 1. August 2017 auf CHF 27'368.95 und ab dem 14. September 2018 auf CHF 227'571.55 zu löschen. 2. Es sei für das Verfahren HSU.2018.125 in Anwendung der Dispositiv- ziffer 4.3 eine abweichende Verlegung der Prozesskosten mittels Verfügung zu verfügen. In diesem Sinn seien: a) die Gerichtskosten gemäss Ziff. 4.1 des Dispositiv des Entscheids HSU.2018.125 in Höhe von CHF 4'000 der Gesuchstellerin b) Ziff. 4.2 des Dispositivs des Entscheids HSU.2018.125 aufzuheben und der Gesuchsgegnerin und der prozessführenden Streitberufenen für das Verfahren HSU.2018.125 eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen. 3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge, zuzüglich , zu Lasten der Gesuchstellerin." 4. In ihrer Stellungnahme vom 22. August 2019 wiederholte die Gesuchsgeg- nerin die Rechtsbegehren der prozessführenden gesuchsgegnerischen Streitberufenen. - 4 - 5. Am 4. September 2019 reichte die Gesuchstellerin eine Stellungnahme ein. Rechtsbegehren bzw. konkrete Anträge stellte sie darin nicht. Sie behaup- tete jedoch, es sei unklar, auf welcher gesetzlicher Grundlage die nachträg- liche Abänderung des Kostendispositivs eines im Summarverfahren ergan- genen, rechtskräftigen Entscheids erfolgen soll. Falls Dispositiv-Ziff. 4 des Entscheids vom 11. März 2019 in einem separaten nachträglichen Kosten- entscheid abgeändert werden sollte, wäre zwingend zu beachten, dass die Gesuchsgegnerin die Prozessführung i.S.v. Art. 79 Abs. 1 lit. b ZPO an die prozessführende gesuchsgegnerische Nebenintervenientin abgegeben habe. Damit habe sie auch keinen Anspruch auf eine allfällige Parteient- schädigung. Jedenfalls könnte insgesamt nicht mehr als maximal eine Par- teientschädigung zugesprochen werden. Der Vizepräsident zieht in Erwägung: 1. Prozesskosten vorsorglicher Massnahmen Gemäss Art. 104 Abs. 3 ZPO kann über die Prozesskosten vorsorglicher Massnahmen zusammen mit der Hauptsache entschieden werden. Ist über die vorsorglichen Massnahmen vor Rechtshängigkeit des Hauptprozess- prozesses zu entscheiden, gibt es unterschiedliche Lösungen: 1) Auferle- gung der Kosten des Massnahmeverfahrens – nach Massgabe seines Un- terliegens – an den Gesuchsgegner. Obsiegt dieser im anschliessenden ordentlichen Prozess oder wurde dieser von der Gesuchstellerin wie im vorliegenden Fall gar nicht anhängig gemacht, steht ihm ein Rückerstat- tungsanspruch zu. 2) Vorläufige Kostenauferlegung an den obsiegenden Gesuchsteller, mit oder ohne einstweilige Prozessentschädigung an den Gesuchsgegner, unter Vorbehalt der definitiven Regelung im ordentlichen Prozess.1 Das Handelsgericht des Kantons Aargau hat sich für die erste Variante ent- schieden und verteilt die Prozesskosten des Massnahmeverfahrens praxis- gemäss bereits im Massnahmeverfahren selber, unter ausdrücklichem Hin- weis des Vorbehalts einer abweichenden Verlegung der Prozesskosten im allenfalls vor Handelsgericht des Kantons Aargau stattfindenden Hauptpro- zess im ordentlichen Verfahren oder aufgrund separater Verfügung im vor- liegenden Verfahren.2 Dies erfolgte auch in E. 4. des Entscheids vom 11. April 2018. 1 Vgl. BK ZPO I-STERCHI, 2012, Art. 104 N. 12 ff. m.w.N. 2 Vgl. zu den entsprechenden Überlegungen BSK ZPO-RÜEGG/RÜEGG, 3. Aufl. 2017, Art. 104 N. 6a; BK ZPO I-STERCHI (Fn. 1), Art. 104 N. 13; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 2019, § 22 N. 32 je m.w.N. - 5 - 2. 2.1. Da die Gesuchstellerin keine Klage auf definitive Eintragung des beantrag- ten Bauhandwerkerpfandrechts einreichte, ist die mit Entscheid vom 11. März 2019 ausgesprochene vorsorgliche Massnahme dahingefallen (vgl. Dispositiv-Ziff. 3.2 des Entscheids vom 11. März 2019). 2.2. Das Grundbuchamt Wohlen ist daher anzuweisen, das gemäss Verfügung vom 20. Dezember 2018 zugunsten der Gesuchstellerin auf dem Grdst.- Nr. XXX GB Staufen der Gesuchsgegnerin, (E-GRID: _), für eine Pfandsumme von Fr. 466'269.63 zuzüglich Zins von je 5 % ab dem 29. Juli 2017 auf CHF 100'792.60, ab dem 1. August 2017 auf CHF 27'368.95 und ab dem seit 14. September 2018 auf CHF 227'571.55 seit 20. Dezember 2018 eingetragene Bauhandwerkerpfandrecht, nach Ablauf der Rechtsmit- telfrist zu löschen. 2.3. Die mit Entscheid vom 11. März 2019 auferlegten Prozesskosten sind neu zu verteilen. Dabei gilt die Gesuchstellerin als vollumfänglich unterliegend. 3. 3.1. In Dispositiv-Ziff. 4.1 des Entscheids vom 11. März 2019 wurden die Ge- suchsgegnerin und die prozessführende gesuchsgegnerische Streitberu- fene in solidarischer Haftung verpflichtet, die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 4'000.00 zu tragen. Neu wird die Gesuchstellerin verpflichtet, die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 4'000.00 zu tragen. 3.2. In Dispositiv-Ziff. 4.2. des Entscheids vom 11. März 2019 wurden die Ge- suchsgegnerin und die prozessführende gesuchsgegnerische Streitberu- fene verpflichtet, der Gesuchstellerin in solidarischer Haftung deren Partei- kosten in richterlich festgesetzter Höhe von Fr. 6'115.50 (inkl. Auslagen) zu ersetzen. Neu wird die Gesuchstellerin verpflichtet, der Gesuchsgegnerin und der prozessführenden gesuchsgegnerischen Streitberufenen eine Parteient- schädigung in richterlich festgesetzter Höhe von Fr. 6'115.50 (inkl. Ausla- gen) in Form einer Solidarforderung (vgl. Art. 150 OR) zu bezahlen. Wer von ihnen effektiv Anspruch auf die Parteientschädigung hat, bestimmt sich - 6 - nach ihrem materiellen Rechtsverhältnis.3 Gegenüber der prozessführen- den gesuchsgegnerischen Streitberufenen ist keine Mehrwertsteuer ge- schuldet, da sie gemäss UID-Register4 selber mehrwertsteuerpflichtig ist (vgl. E. 7.2 letzter Absatz des Entscheids vom 11. März 2019). 4. Für das vorliegende Verfahren werden keine Gerichtskosten erhoben und keine Parteientschädigungen zugesprochen. Der Vizepräsident erkennt: 1. Das Grundbuchamt Wohlen wird angewiesen, das gemäss Verfügung vom 20. Dezember 2018 zugunsten der Gesuchstellerin auf dem Grdst.- Nr. XXX GB Staufen der Gesuchsgegnerin, (E-GRID: _), für eine Pfandsumme von Fr. 466'269.63 zuzüglich Zins von je 5 % ab dem 29. Juli 2017 auf CHF 100'792.60, ab dem 1. August 2017 auf CHF 27'368.95 und ab dem seit 14. September 2018 auf CHF 227'571.55 seit 20. Dezember 2018 eingetragene Bauhandwerkerpfandrecht, nach Ablauf der Rechtsmittelfrist zu löschen. 2. Ziff. 4 des Entscheids vom 11. März 2019 im Verfahren HSU.2018.125 wird aufgehoben und wie folgt neu verfasst: 4. 4.1. Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 4'000.00 sind von der Gesuchstel- lerin zu tragen und werden mit dem von der Gesuchstellerin geleisteten Gerichtskostenvorschuss in Höhe von Fr. 4'000.00 verrechnet. 4.3. Die Gesuchstellerin hat der Gesuchsgegnerin und der prozessführen- den gesuchsgegnerischen Streitberufenen eine Parteientschädigung in richterlich festgesetzter Höhe von Fr. 6'115.50 (inkl. Auslagen) in Form einer Solidarforderung (vgl. Art. 150 OR) zu bezahlen. 3. Es werden weder Gerichtskosten erhoben, noch Parteientschädigungen zugesprochen. 3 Vgl. GÖKSU, in: Brunner/Gasser/Schwander (Hrsg.), Schweizerische Zivilprozessordnung, Kom- mentar, 2. Aufl. 2016, Art. 80 N. 18. 4 Vgl. https://www.uid.admin.ch/XXX (zuletzt besucht am 6. März 2019). https://www.uid.admin.ch/XXX - 7 - Zustellung an: die Gesuchstellerin (Vertreter; zweifach) die Gesuchsgegnerin (Vertreter; zweifach mit Kopie der Eingabe der Gesuchstellerin vom 4. September 2019) die prozessführende gesuchsgegnerische Streitberufene (Vertreter; zweifach mit Kopie der Eingabe der Gesuchstellerin vom 4. September 2019) Zustellung an: das Grundbuchamt Wohlen (nach Ablauf der Rechtsmittelfrist) Rechtsmittelbelehrung für die Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff., Art 90 ff. BGG) Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen, von der schriftlichen Eröff- nung der vollständigen Ausfertigung des Entscheids an gerechnet, die Be- schwerde an das Schweizerische Bundesgericht erhoben werden. Die Beschwerde ist schriftlich oder in elektronischer Form beim Schweize- rischen Bundesgericht einzureichen. Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit An- gabe der Beweismittel und die Unterschriften bzw. eine anerkannte elekt- ronische Signatur zu enthalten. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid verfassungsmässige Rechte (Art. 98 ff. BGG) verletzt. Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in den Händen hat; ebenso ist der angefochtene Entscheid beizulegen (Art. 42 BGG). Aarau, 6. September 2019 Handelsgericht des Kantons Aargau 2. Kammer Der Vizepräsident: Vetter
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https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/jb/dokumente_6/gesetze___entscheide/gesetze_2/handelsrecht/Verfuegung_des_Handelsgerichts_vom_6._September_2019.pdf
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2007 Obergericht/Handelsgericht 36 6 Das Handelsgericht des Kantons Aargau ist zur Entgegennahme einer Schutzschrift dann zuständig, wenn es in einem vorsorglichen Massnah- meverfahren der Gesuchsgegnerin gegen die Gesuchstellerin zuständig wäre. Erfüllt die eingereichte Schutzschrift die formellen Anforderungen, hat der Richter sie entgegenzunehmen. Der Gesuchsgegnerin ist vom Eingang einer Schutzschrift Kenntnis zu geben, nicht aber von deren Inhalt. Aus dem Entscheid des Handelsgerichts, 2. Kammer, vom 11. Juni 2007 in Sachen M.P. AG und M. AG gegen M. & Co. Inc., I.G. S.p.A., M.S. & D.C. AG und M.S. & D.M. Aus den Erwägungen 2. 2.1. Das Handelsgericht des Kantons Aargau ist zur Entgegen- nahme der Schutzschrift dann zuständig, wenn es in einem vorsorgli- chen Massnahmeverfahren einer der Gesuchsgegnerinnen gegen eine der Gesuchstellerinnen zuständig wäre (vgl. G ÜNGERICH , Die Schutzschrift im schweizerischen Zivilprozessrecht, Bern 2000, S. 143). 2.2. (2.2.1. - 2.2.3. Bejahung der örtlichen Zuständigkeit...) 2.2.4. Die sachliche Zuständigkeit des Instruktionsrichters des Handelsgerichts ergibt sich aus § 417 i.V.m. § 404 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 ZPO. 3. Die eingereichte Schutzschrift erfüllt die formellen Anforde- rungen (vgl. L EUPOLD , Die Schutzschrift - Grundsätzliches und pro- zessuale Fragen, AJP 1998, S. 1082). Der Richter hat sie daher entge- genzunehmen. Die Aufbewahrungsfrist ist auf sechs Monate anzuset- zen. 4. 4.1. Es ist zu prüfen, inwieweit den Gesuchsgegnerinnen vom Eingang der Schutzschrift Kenntnis zu geben oder ob diese gar förm- lich zuzustellen ist, insbesondere, ob eine Nichtkenntnisgabe den 2007 Zivilprozessrecht 37 verfassungsmässigen Gehörsanspruch gemäss Art. 29 Abs. 2 BV ver- letzt. Die Lehre ist diesbezüglich unterschiedlicher Auffassung (vgl. G ÜNGERICH , a.a.O., S. 145 ff.; L EUPOLD , a.a.O. S. 1083; L USTEN - BERGER /R ITSCHER , Die Schutzschrift - zulässiges Verteidigungsmit- tel oder verpönte Einflussnahme? AJP 1997, S. 517; B ERTI , Der Er- lass vorsorglicher Massnahmen [...], in: Binsenwahrheiten des Im- materialgüterrechts, FS Lucas David, Zürich 1996, S. 269). 4.2. Der Zweck des Schutzschriftverfahrens beschränkt sich darauf, der Gesuchstellerin zu ermöglichen, Vorkehren dafür zu tref- fen, dass in einem allfällig nachfolgenden vorsorglichen Rechts- schutzverfahren ihr Gehörsanspruch so gut als möglich gewahrt bleibt (L EUPOLD , a.a.O., S. 1082). Entsprechend wird die Schutz- schrift vom Instruktionsrichter lediglich entgegen genommen, über einen gewissen Zeitraum aufbewahrt und im Falle der Einreichung eines Gesuchs um Erlass superprovisorischer Massnahmen durch den Richter gewürdigt. Nachteile rechtlicher Natur können der Gesuchs- gegnerin dabei nicht entstehen. Eine Kenntnisgabe des Inhalts der Schutzschrift würde der Gesuchsgegnerin die einseitige Möglichkeit geben, bereits in einem Gesuch um superprovisorische Massnahmen auf Argumente der Gesuchstellerin eingehen zu können. Das recht- liche Gehör und der Grundsatz der Waffengleichheit werden nicht verletzt, da beide Seiten in Unkenntnis der Argumente der Gegensei- te ihren Standpunkt darlegen (vgl. G ÜNGERICH , a.a.O., S. 147 f.; L USTENBERGER /R ITSCHER , a.a.O., S. 517). 4.3. Indessen ist der Gesuchsgegnerin von dieser Verfügung Kenntnis zu geben. Da alles richterliche Handeln in formalisierten, von allen Beteiligten überblick- und kontrollierbaren Abläufen zu er- folgen hat, wäre es stossend, wenn das Schutzschriftverfahren als ei- gentliches Geheimverfahren durchgeführt würde, mit der Konse- quenz, dass eine Rechtsschrift, die bestimmte Parteien und einen be- stimmten Streitgegenstand betrifft, von einem Gericht entgegenge- nommen und aufbewahrt wird, ohne dass die potentielle Gegenpartei davon weiss (vgl. L EUPOLD , a.a.O., S. 1083). 5. Die Kosten des vorliegenden Schutzschriftverfahrens sind von der Gesuchstellerin zu tragen. Für den Fall, dass ein vorsorgli- ches Massnahmeverfahren eingeleitet und durchgeführt wird, ist die 2007 Obergericht/Handelsgericht 38 Wiedererwägung des Kostenentscheids vorzubehalten (L EUPOLD , a.a.O., S. 1084). Die Kostenauflage ist mit einer Säumnisandrohung zu verbinden.
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AG_HG_001
AG_HG
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AG_HG_001_AGVE-2007-6_2007-06-02
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2011 Anwaltsrecht 37 III. Anwaltsrecht 7 Art. 12 lit. a BGFA Informiert ein Rechtsanwalt eine Arbeitgeberin über das mutmasslich ungebührliche Verhalten eines ihrer Angestellten, welcher in privater Mission mit dem Geschäftsauto der Arbeitgeberin unterwegs war und mit dem Mandanten des Rechtsanwaltes eine Auseinandersetzung hatte, so stellt dies keine Verletzung von Art. 12 lit. a BGFA dar. Solange nämlich die vom Anwalt getroffenen Massnahmen der Erreichung des Ziels die- nen, das der Mandant anstrebt, und das Ziel selbst als auch die Handlung des Anwalts legal sind, ist das Vorgehen disziplinarrechtlich irrelevant, auch wenn sich der Anzeiger unfair behandelt fühlt. Aus dem Entscheid der Anwaltskommission vom 13. September 2011, i.S. Y. (AVV.2011.21). Aus den Erwägungen 2.3. Gemäss Ausführungen des Anzeigers handelt es sich bei der K. AG um seine Arbeitgeberin. Die K. AG hat aufgrund des Schreibens vom 14. März 2011 des beanzeigten Anwalts die Information erhal- ten, dass der Anzeiger ausserhalb seiner beruflichen Tätigkeit als "Rechtsvertreter" tätig und dazu mit dem Geschäftsauto der K. AG unterwegs sei. Zudem erhielt die K. AG Kenntnis darüber, dass sich der Anzeiger gegenüber A.B. despektierlich geäussert haben soll. Des Weiteren wurde gegenüber dem Anzeiger im Wiederholungsfall mit einer Strafanzeige wegen Ehrverletzung gedroht. 2.3.1. Der beanzeigte Anwalt bringt vor, dass er von seinem Klienten (A.B.) über die Hintergründe, wonach der Anzeiger die Stellvertre- tung für Herrn E. in der Angelegenheit betreffend Mietzins in seiner 2011 Obergericht 38 Freizeit und nicht als Angestellter für die K. AG gemacht habe, nicht instruiert worden sei. Damit macht er geltend, davon ausgegangen zu sein, dass der Anzeiger als Angestellter der K. AG aufgetreten war. Dies kann aber offen bleiben. Der beanzeigte Anwalt wollte offenbar die K. AG bzw. die Ar- beitgeberin über das Benehmen eines ihrer Angestellten (des Anzei- gers) orientieren, damit diese ihren Angestellten zu einem "anständi- gen Verhalten" gegenüber Kunden ermahne. Insbesondere da der An- zeiger mit einem Geschäftswagen der K. AG in Erfüllung eines Auf- trags (selbständig oder als Angestellter) aufgetreten ist, ist die Orien- tierung der K. AG über das (mutmasslich) ungebührliche Verhalten eines ihrer Angestellten durch den beanzeigten Anwalt grundsätzlich nicht zu beanstanden. 2.3.2. Das Schreiben beinhaltete zwar auch eine "Anschwärzung" des Anzeigers gegenüber der K. AG. Dafür gab es aber nachvollziehbare Gründe. So wollte der beanzeigte Anwalt die K. AG als Arbeitgebe- rin offensichtlich über das mutmasslich ungebührliche Verhalten des Anzeigers, der ihr Angestellter war, informieren. Die K. AG war zumindest indirekt in die Angelegenheit involviert (immerhin hat der Anzeiger ihren Geschäftswagen benutzt) und der beanzeigte Anwalt hatte im Interesse seines Klienten, um weitere "Attacken" des Anzei- gers zu verhindern, die Variante einer schriftlichen Kontaktaufnahme mit der Arbeitgeberin gewählt. Indem der Anzeiger mit dem Ge- schäftswagen seiner Arbeitgeberin auftrat, musste er zweifelsohne auch damit rechnen, dass diese irgendwann in der einen oder anderen Form kontaktiert würde. Vor diesem Hintergrund ist das Vorgehen des beanzeigten Anwalts nicht als Verletzung von Art. 12 lit. a BGFA zu qualifizieren. Solange nämlich die vom Anwalt getroffenen Mass- nahmen der Erreichung des Ziels dienen, das der Klient anstrebt, und sowohl das Ziel selbst als auch die Handlung des Anwalts legal sind, ist das Vorgehen disziplinarrechtlich irrelevant, auch wenn sich der Anzeiger unfair behandelt fühlt (vgl. auch hinsichtlich Verhalten ge- genüber der Gegenpartei: W ALTER F ELLMANN in: W ALTER F ELL - MANN / G AUDENZ G. Z INDEL [Hrsg.], Kommentar zum Anwaltsge- setz, 2. Auflage, Zürich 2011, N 50d zu Art. 12, S. 197). Das bean- 2011 Anwaltsrecht 39 standete Verhalten des beanzeigten Anwalts ist somit vertretbar und gefährdet das Vertrauen in die Anwaltschaft nicht. 2.3.3. Was die Androhung einer allfälligen Strafanzeige wegen Ehr- verletzung im Wiederholungsfall betrifft, ist festzuhalten, dass diese aufgrund der Auseinandersetzung zwischen dem Anzeiger und A.B. (verbale Auseinandersetzung) aus disziplinarrechtlicher Sicht eben- falls nicht zu beanstanden ist.
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AG_HG_001_AGVE-2011-7_2011-09-13
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2011 Zivilprozessrecht 35 [...] 5 § 2 lit. c ZPO: Befangenheitsgrund Vorbefassung Es liegt keine unzulässige Vorbefassung vor, wenn ein Richter mehrere Verfahren einer Partei betreut hat, von welchen die meisten im Zusam- menhang mit der Abwicklung desselben Vertrages standen, zumal hin- sichtlich der früheren Verfahren immer wieder andere Gegenparteien beteiligt waren. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 11. April 2011 in Sachen X.Y. gegen das Gerichtspräsidium Z. (IVV.2010.45).
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2001 Strafprozessrecht 73 V. Strafprozessrecht 22 § 18 GOG. Dritte sind nur ausnahmsweise berechtigt, in Strafakten oder in ein Strafurteil Einsicht zu nehmen. Beispiel einer Interessenabwägung. (Die Fragen einer öffentlichen Urteilsverkündung nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK stehen hier nicht zur Diskussion und bleiben vorbehalten) Aus dem Entscheid des Obergerichts, 1. Strafkammer, vom 17. August 2000 i.S. Staatsanwaltschaft gegen X. Sachverhalt Nach Abschluss des Berufungsverfahrens, in welchem X. zu ei- ner Zuchthausstrafe von 21⁄2 Jahren und einer Busse von Fr. 1'000.-- verurteilt wurde, ersuchte die Universität Y. mit Eingabe vom 20. Juni 2000 um Zustellung eines begründeten Urteils und führte aus, sie möchte prüfen, ob seitens der Universität ein Disziplinarver- fahren gegen den bei ihr studierenden Verurteilten eingeleitet werden müsse. Aus den Erwägungen 3. Nach § 18 GOG sind Dritte in der Regel nicht berechtigt, Ge- richtsakten einzusehen (Abs. 1). Der Regierungsrat wird angewiesen, in einer Verordnung die Einsichtnahme in Gerichtsakten durch Be- hörden und durch Dritte zu regeln, die ein berechtigtes Interesse nachweisen (Abs. 2). Eine regierungsrätliche Verordnung über das Akteneinsichts- recht ist bisher nicht ergangen. Immerhin kann dem Gesetz aber ent- nommen werden, dass Behörden und Dritte, die ein berechtigtes 2001 Obergericht/Handelsgericht 74 Interesse nachweisen, in Gerichtsakten Einsicht nehmen können. Die Aushändigung eines Urteils ist eine Variante des Akteneinsichts- rechts und gleich zu behandeln. Es ist vorliegend zwischen den In- teressen der Universität an der Abklärung des Sachverhalts zwecks Prüfung einer Disziplinierung und den Interessen des Verurteilten an der Geheimhaltung abzuwägen. 4. Die Universität kann u.a. ein Disziplinarverfahren gegen ei- nen Studenten durchführen, der wegen schwerwiegender Straftaten, durch welche die Interessen der Universität beeinträchtigt oder ge- fährdet werden, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde (§ 7 lit. f der Disziplinarordnung). Als Disziplinarmassnahmen sind neben einem schriftlichen Verweis oder dem Ausschluss von Lehrveranstaltungen (§ 8 lit. a, b) auch der Ausschluss vom Studium oder von Prüfungen oder von beidem für die Dauer von einem bis zu sechs Semestern vorgesehen, wobei bei Verfehlungen gem. § 7 lit. f auch ein Aus- schluss für die Dauer der Strafverbüssung ausgesprochen werden kann (§ 8 lit. c der Disziplinarordnung). Auch wenn vorliegend die Verfehlungen des Verurteilten in kei- nem direkten Zusammenhang mit seinem Studium stehen, besteht ein berechtigtes Interesse der Universität auf Kenntnis der Personalien des Täters, des Sachverhalts und der strafrechtlichen Verurteilung. Mit der bedingungslosen Zulassung von Studenten, die sich derartig schwere Straftaten haben zuschulden kommen lassen, zum Studium und zu den Abschlussprüfungen, wird das Ansehen der Universität beeinträchtigt. Das Interesse der Universität an der Zustellung eines Strafurteils zwecks Abklärung allfälliger Disziplinierungsmöglich- keiten ist vorliegend höher einzustufen als das Geheimhaltungsinter- esse des Verurteilten. Dem Ersuchen vom 20. Juni 2000 ist folglich stattzugeben.
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2011 Strafprozessrecht 51 VI. Strafprozessrecht 13 Art. 3 Abs. 2 lit. a, 115 Abs. 1, 118 Abs. 1 StPO - Der geschädigten Person sind volle Parteirechte - insbesondere das Recht zur Ergreifung von Rechtsmitteln - einzuräumen, wenn sie noch keine Gelegenheit hatte, sich zur Frage der Konstituierung zu äussern. - In der Variante Verletzung von Verkehrsregeln mit konkreter Ge- fährdung anderer Verkehrsteilnehmer schützt Art. 90 Ziff. 2 SVG auch die persönliche Integrität des Verkehrsteilnehmers. Im konkre- ten Fall ist der Beschwerdeführer durch die in Frage stehenden Ver- kehrsregelverletzungen i.S.v. Art. 115 Abs. 1 StPO unmittelbar in seinen Rechten verletzt worden. Aus dem Entscheid des Obergerichts, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 18. November 2011 i.S. U.B. gegen W.H. und Staatsanwaltschaft Lenz- burg-Aarau (SBK.2011.147). Aus den Erwägungen 2.2. 2.2.1. Nach Art. 322 Abs. 2 StPO sowie Art. 382 Abs. 1 StPO kann die Einstellungsverfügung von den Parteien angefochten werden. Zur Beschwerde legitimiert sind entgegen dem Wortlaut von Art. 322 Abs. 2 und Art. 382 Abs. 1 StPO nicht nur die Parteien, sondern auch die anderen Verfahrensbeteiligten nach Art. 105 StPO, soweit sie ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheides haben, d.h. soweit sie durch die Einstellungsverfü- gung beschwert sind (V IKTOR L IEBER , in: Kommentar zur Schwei- zerischen Strafprozessordnung [StPO], 2010, Art. 382 N. 2; R OLF 2011 Obergericht 52 G RÄDEL /M ATTHIAS H EINIGER , in: Basler Kommentar, Schweize- rische Strafprozessordnung, 2011, Art. 322 N. 6). 2.2.2. Der Beschwerdeführer ist Anzeiger. Ist der Anzeigende durch die angezeigte Straftat in seinen Rech- ten unmittelbar verletzt worden, so ist er Geschädigter i.S.v. Art. 115 Abs. 1 StPO. Die zur Stellung eines Strafantrags berechtigte Person gilt gemäss Art. 115 Abs. 2 StPO in jedem Fall als geschädigte Per- son. Als Geschädigter hat der Anzeigende insbesondere das Recht, als Privatkläger Parteirechte geltend zu machen (Art. 118 ff. StPO). Andernfalls ist er "anderer Verfahrensbeteiligter" i.S.v. Art. 105 lit. b StPO, und als solcher stehen ihm nur dann Verfahrensrechte zu, wenn er durch das Strafverfahren in besonderer Weise betroffen wird (z.B. wenn er Eigentümer beschlagnahmter Beweismittel ist). Die Tatsache allein, dass eine Person Anzeige erstattet hat, verschafft hin- gegen keine besondere Rechtsposition, was Art. 301 Abs. 3 StPO der Klarheit halber festhält (C HRISTOF R IEDO /A NASTASIA F ALKNER , in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, Art. 301 N. 22; vgl. auch P ATRICK G UIDON , Die Beschwerde gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung, 2011, N. 293). 2.2.3. 2.2.3.1. Der Beschwerdeführer hat anlässlich seiner Einvernahme vom 8. April 2010 gegen (...) Strafantrag wegen Beschimpfung gestellt. Er ist zur Stellung eines Strafantrages Berechtigter, da sich die ange- zeigte Straftat gegen das ihm zugeordnete Rechtsgut der Ehre richtet. Als Strafantragsberechtigter ist er geschädigte Personen gemäss Art. 115 Abs. 2 StPO und Strafkläger i.S.v. Art. 118 Abs. 2 i.V.m. Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO bzw. Privatklägerschaft. Damit hat er Par- teistellung. Durch die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau vom 17. Mai 2011 ist er in seinen rechtlich ge- schützten Interessen unmittelbar betroffen, da ihm durch die Einstel- lung des Verfahrens die Geltendmachung von Parteirechten (Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO) verwehrt wird. Demnach ist seine Legitimation zur Ergreifung der Beschwerde gegen die angefochtene Einstellungs- 2011 Strafprozessrecht 53 verfügung in Bezug auf den Ehrverletzungstatbestand der Beschim- pfung zu bejahen. 2.2.3.2. Die zur Anzeige gebrachten einfachen Verkehrsregelverletzun- gen der missbräuchlichen Verwendung des akustischen Warnsignals sowie der missbräuchlichen Verwendung der Lichthupe (vgl. Polizei- rapport vom 19. Mai 2010, S. 1, act. 24) sind abstrakte Gefährdungs- delikte. Durch sie ist der Beschwerdeführer nicht i.S.v. Art. 115 Abs. 1 StPO unmittelbar in seinen Rechten verletzt worden (vgl. da- zu G ORAN M AZZUCCHELLI /M ARIO P OSTIZZI , in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, Art. 115 N. 30 und 88). Da der Beschwerdeführer somit nicht als geschädigte Person gelten kann, fällt eine Parteistellung ausser Betracht. Ebenso wenig stehen ihm die Verfahrensrechte einer Partei als "anderer Verfahrensbeteiligter" i.S.v. Art. 105 lit. b StPO zu, da er nicht i.S.v. Art. 105 Abs. 2 StPO in seinen Rechten unmittelbar be- troffen ist. Der Beschwerdeführer macht zwar geltend, eine gemein- same Beurteilung des gegen ihn geführten Strafverfahrens (er hat Einsprache gegen den Strafbefehl erhoben) sowie des vorliegenden Strafverfahrens gegen (...) und somit des gleichen Sachverhaltes sei unerlässlich, könne sich doch die rechtskräftige Einstellung des Strafverfahrens gegen (...) im gegen ihn geführten Strafverfahren nachteilig auswirken. Dem ist aber nicht so. Das Strafrecht kennt kei- ne Schuldkompensation bzw. vorliegend hängt die strafrechtliche Verantwortlichkeit von (...) nicht davon ab, ob sich der Beschwerde- führer verkehrsregelwidrig verhalten hat (vgl. dazu BGE 120 IV 252 E. 2d/bb). Insofern ist der Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten unmittelbar betroffen. Da vorliegend keine Kollision bzw. kein Scha- den entstand, stellen sich auch keine Haftungsfragen, welche allen- falls eine unmittelbare Betroffenheit begründen könnten. Ebenso wenig werden dem Beschwerdeführer Verfahrenskosten auferlegt. Er ist damit nur mittelbar oder faktisch betroffen, was für die Einräu- mung von Parteirechten nicht genügt (vgl. H ENRIETTE K ÜFFER , in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, Art. 105 N. 31; L IEBER , a.a.O., Art. 105 N. 12 ff.). 2011 Obergericht 54 2.2.3.3. Anders ist die Rechtslage betreffend die zur Anzeige gebrachten groben Verkehrsregelverletzungen des ungenügenden Abstands beim Hintereinanderfahren sowie des unbegründeten brüsken Bremsens (vgl. Polizeirapport vom 19. Mai 2010, S. 1) zu beurteilen. Aufgrund der Sachverhaltsdarstellung des Beschwerdeführers war er konkret in Gefahr. In der Variante Verletzung von Verkehrsregeln mit konkreter Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer schützt Art. 90 Ziff. 2 SVG auch die persönliche Integrität jedes Verkehrsteilnehmers. Durch die in Frage stehenden Verkehrsregelverletzungen ist der Beschwerde- führer i.S.v. Art. 115 Abs. 1 StPO daher unmittelbar in seinen Rech- ten verletzt worden (vgl. dazu G ORAN M AZZUCCHELLI /M ARIO P OSTIZZI , a.a.O., Art. 115 N. 30 und 88 mit Hinweisen). Damit gilt der Beschwerdeführer hinsichtlich dieser beiden Tatbestände als ge- schädigte Person. Diese Stellung allein führt nicht zur Rechtsmittellegitimation. Zur Partei wird die geschädigte Person (unter Vorbehalt von Art. 105 Abs. 2 und 118 Abs. 2 StPO) nur, wenn sie sich nach Art. 118 StPO als Partei konstituiert. Der Beschwerdeführer hat sich zwar bis zum Erlass der Ein- stellungsverfügung nicht als Privatklägerschaft konstituiert. Aller- dings wurde er von der Staatsanwaltschaft auch nicht - wie dies nach Art. 118 Abs. 4 StPO hätte geschehen sollen - auf diese Möglichkeit hingewiesen. Insbesondere erliess die Staatsanwaltschaft Lenzburg- Aarau vor der Einstellung des Verfahrens gegen den Beschuldigten (...) keine an den Beschwerdeführer gerichtete Verfügung im Sinne von Art. 318 Abs. 1 StPO. In der Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005, BBl 2006 1308 Fn. 427, wird ausdrücklich festgehalten, dass die geschädigte Person, die sich noch nicht im Sinne der Art. 116 ff. als Privatklägerin konstituieren konnte (z.B. wegen einer Nichtanhandnahmeverfügung), selbstver- ständlich auch ein Rechtsmittel einlegen könne. Auch Schmid hält dafür, dass der geschädigten Person volle Parteirechte - insbesondere das Recht zur Ergreifung von Rechtsmitteln - einzuräumen sind, wenn sie noch keine Gelegenheit gehabt habe, sich zur Frage der Konstituierung zu äussern, wobei er als Beispiel auch die Einstellung 2011 Strafprozessrecht 55 der Untersuchung nennt (N IKLAUS S CHMID , Schweizerische Straf- prozessordnung, Praxiskommentar, 2009, Art. 115 N. 4). Vorliegend verlangt der Beschwerdeführer mit Beschwerde, es sei ihm die Par- teistellung bzw. Rechtsmittellegitimation zuzugestehen. Auch wenn die angefochtene Verfügung erst rund ein Jahr nach Anzeige und Verfassung des Polizeirapportes erging und sich der Beschwerdefüh- rer von sich aus bei der Staatsanwaltschaft nach dem Verfahrensstand bzw. nach dem voraussichtlichen Zeitpunkt sowie der in Betracht fallenden Art der Verfahrenserledigung hätte erkundigen können, ist aufgrund der dargelegten Umstände und nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 3 Abs. 2 lit. a StPO) die Beschwerdelegiti- mation zu bejahen. Der aus dem Vorfall vom 4. April 2010 geschä- digte Beschwerdeführer ist durch die Einstellung des Verfahrens un- mittelbar in seinen Rechten betroffen, da ihm dadurch die Geltend- machung von Parteirechten (Art. 119 Abs. 2 StPO) verwehrt wird. Demnach ist er im Hinblick auf die groben Verkehrsregelverletzun- gen zur Ergreifung der Beschwerde legitimiert.
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2001 Obergericht/Handelsgericht 66 B. Anwaltsrecht 19 Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen durch einen Anwalt, insbesondere Verbot des Parteiwechsels (§ 15 AnwG) Aufgrund der Treuepflicht (§ 15 AnwG) ist dem Anwalt im Allgemeinen untersagt, widerstreitende Interessen zu vertreten. Ausschlaggebend ist nicht die Verwirklichung einer tatsächlichen Interessenkollision, vielmehr ist es schon verpönt, den Anschein einer solchen durch die reine Über- nahme des Mandates zu begründen. Fall eines Anwaltes, der im Rahmen eines Bauhandwerkerprozesses ein Mandat des Bauhandwerkers übernommen hat, obwohl er in einem früheren Bauhandwerkerprozess betreffend dieselbe Überbauung einen Eigentümer vertreten hat, der zwar nicht als Gegenpartei in der von ihm neu verfassten Klageschrift aufgeführt ist, gegen den der Bauhandwerker aber gleichzeitig mit der vom Anwalt verfassten, gegen die anderen Eigentümer gerichteten Klage eine selbst unterzeichnete, dem Wortlaut entsprechende Rechtsschrift eingereicht hat. Entscheid der Anwaltskommission vom 16. August 2001
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2002 Obergericht/Handelsgericht 36 D. Mietrecht 5 Art. 267 Abs. 1 OR. Ungültigkeit einer Beweislastklausel. Eine vorformulierte allgemeine Ver- tragsklausel, welche den Mieter verpflichtet, allfällige Mängel der Mietsa- che innert 10 Tagen nach Mietantritt zu melden, andernfalls das Mietob- jekt als in gutem Zustand übernommen gilt, ist ungültig. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 4. Zivilkammer, vom 12. November 2002 in Sachen S. AG gegen B. und G. R. Aus den Erwägungen 3. Will der Vermieter die Haftung des Mieters aus Art. 267 Abs. 1 OR in Anspruch nehmen, muss er beweisen, dass er einen Schaden erlitten hat und dass der Schaden durch einen Mangel an der Mietsache entstanden ist, der während der Mietdauer eingetreten ist und für welchen der Mieter einzustehen hat (Peter Higi, Zürcher Kommentar, N 119 zu Art. 267 OR). Der Vermieter muss somit nicht nur beweisen, dass die Mietsache Mängel aufweist, für welche der Mieter aufzukommen hat, sondern auch, dass diese Mängel bei Miet- beginn noch nicht vorhanden waren, das heisst dass er die Mietsache in einem guten bzw. mängelfreien Zustand übergeben hat (Lachat/Stoll/Brunner, Mietrecht für die Praxis, 4. Aufl., Zürich 1999, S. 601 f.). Die Klägerin verlangt im Gerichtsverfahren von den Beklagten die Bezahlung von Malerarbeiten (Verhandlungsprotokoll der Vorin- stanz S. 4). Diese umfassen einerseits das Streichen der Wände in der Wohnung, anderseits das Streichen der Wände und des Bodens im Luftschutzraum. Sie stützt sich für ihre Forderung auf die Malerrech- nung und das Abnahme-/Übergabeprotokoll vom 11. Januar 2001, welches von der Beklagten unterzeichnet wurde. Darin werden an verschiedenen Wänden Dübellöcher und Flecken als übermässige 2002 Zivilrecht 37 Abnutzung festgestellt und deren Beseitigung zu 80% den Mietern angelastet. Die Beklagten nahmen mit Schreiben vom 15. Januar 2001 Ab- stand von der Unterzeichnung des Protokolls und bestritten die über- mässige Abnutzung der Wände. Es seien keine Schmierereien der Kinder vorhanden gewesen und die Dübellöcher seien von einem Baufachmann zugefüllt worden. Zudem sei beim Einzug kein Proto- koll verfasst worden. An diesen Ausführungen hielten sie im gericht- lichen Verfahren fest. Die Klägerin verwies in ihrem Antwortschreiben vom 18. Ja- nuar 2001 auf Ziff. 9.1 des Mietvertrags, wonach der Mieter ver- pflichtet ist, allfällige Mängel innert 10 Tagen zu melden, andernfalls das Mietobjekt als in gutem Zustand übernommen gelte. Damit ist die Frage gestellt, ob diese Vertragsklausel gültig ist. Es handelt sich bei dieser Klausel um einen Beweislastvertrag, mit welchem die aus Art. 8 ZGB bzw. Art. 256 OR folgende Beweis- last des Vermieters für den Zustand der Mietsache bei Übergabe auf den Mieter überwälzt wird. Die Zulässigkeit solcher Verträge ist um- stritten. Im Allgemeinen wird sie unter Vorbehalt von Art. 27 ZGB bzw. Art. 20 OR bejaht, soweit die Parteien über das fragliche Rechtsverhältnis disponieren können (BGE 85 II 504; Hans Schmid, Basler Kommentar, N 91 zu Art. 8 ZGB mit Hinweisen). Max Kum- mer führt dagegen in seinem Kommentar zu Art. 8 ZGB aus, der die Beweislast Übernehmende wolle nicht auf ein Recht verzichten, son- dern setze sich vielmehr einem erhöhten Prozessrisiko aus, dessen Bedeutung er meist gar nicht zu überschauen, geschweige denn zu ermessen vermöge und dessen Verwirklichung er nicht erwäge, weil er weder mit einem Prozess und noch weniger mit einer Beweislosig- keit rechne. Solche Verträge seien daher höchst bedenklich und ihre Gültigkeit sei abzulehnen. Zudem habe die vom Gesetz getroffene Beweislastverteilung nicht bloss die Qualität ergänzenden Vertrags- rechts oder inhaltlicher Festlegung der gegenseitigen Rechte und Pflichten, die in weitem Rahmen ausgehandelt werden könnten. Sie stehe ungleich höher und müsse privater Willkür überhoben sein, weil sie die allein angemessene und gerechte Regelung zu sein bean- spruche und beanspruchen könne und weil jede Beweislastumkehr 2002 Obergericht/Handelsgericht 38 unbegründeten Ansprüchen zum Prozesssieg verhelfen könne (Max Kummer, Berner Kommentar, N 376 zu Art. 8 ZGB). Weiter führt er aus, auf dem Boden der herrschenden Meinung sei jedenfalls zu be- achten, dass das Zuschieben der Beweislast sehr bald in unsittliche Knebelung ausarte. Die Unsittlichkeit sei evident, wenn der eine Partner kraft seines sozialen Übergewichts, seines Marktmonopols oder seiner verbandsmässig geschützten Stellung dem andern die Ge- schäftsbedingungen diktieren könne und sich hierbei Beweislastvor- teile erwirke. Diktierte Abkehr von der gesetzlichen Beweislastver- teilung zum Nachteil des in der Verhandlung Schwächeren sei aus den vorgenannten Gründen schlechthin untragbar, was BGE 85 II 504 völlig verkenne (Kummer, a.a.O., N 377 zu Art. 8 ZGB). Ob diesen gewichtigen Argumenten von Max Kummer für eine generelle Unzulässigkeit von Beweislastverträgen zu folgen ist, mag hier offen bleiben. Im Bereich des Mietrechts kann davon ausgegan- gen werden, dass wegen der beschränkten Möglichkeiten der Mieter, auf wirtschaftlichen und anderen Druck zu reagieren, zwischen den Mietvertragsparteien ein starkes Ungleichgewicht zu Ungunsten der Mieter besteht, sodass die Vermieter dazu verleitet werden, ihre Vor- machtstellung gegenüber den Mietern missbräuchlich auszunutzen (Botschaft des Bundesrats zur Revision des Miet- und Pachtrechts vom 27. März 1985, BBl 1985 I 1398). Deshalb ist das geltende schweizerische Mietrecht wesentlich Sozialrecht mit dem hauptsäch- lichen Ziel eines verstärkten staatlichen Schutzes der Mieter vor missbräuchlichen Forderungen der Vermieter (BBl 1985 I 1397; Lachat/Stoll/Brunner, a.a.O., S. 2 mit Hinweisen; SVIT-Kommentar Mietrecht II, N 29 zu Art. 256 OR). Die fragliche Vertragsklausel im Mietvertrag der Parteien ist nun aber nachgerade ein Paradebeispiel für die "diktierte Abkehr" von der gesetzlichen Beweislastverteilung zum Nachteil der schwächeren Vertragspartei und aus diesem Grund nicht zu schützen. Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber bei der letzten Re- vision des Mietrechts im Jahre 1989 die altrechtliche Vermutung, dass der Mieter die Mietsache in gutem Zustand empfangen habe, gestrichen hat. In der Botschaft wird zu Recht darauf hingewiesen, dass es Aufgabe des Vermieters sei, die Mietsache in gutem Zustand 2002 Zivilrecht 39 zu übergeben und sie während des Mietverhältnisses in demselben zu erhalten. Es sei deshalb nicht vertretbar, wenn dem Mieter die Be- weislast für eine Verpflichtung auferlegt werde, die den Vermieter treffe (BBl 1985 I 1455). Wenn aber der Gesetzgeber mit guten Gründen auf eine Umkehr der Beweislast, welche durch die altrecht- liche Vermutung herbeigeführt worden war, ausdrücklich verzichtet, geht es nicht an, diese durch Vertrag wieder einzuführen (a.M. SVIT- Kommentar Mietrecht II, N 32 zu Art. 267 - 267a OR). Vielmehr hat der Vermieter die Folgen zu tragen, wenn der ursprüngliche Zustand der Mietsache nicht mehr bewiesen werden kann (BBl 1985 I 1456). Dafür spricht auch, dass es sich bei Art. 256 OR, welcher die Hauptverpflichtung des Vermieters statuiert, um eine zwingende Be- stimmung des Mietrechts handelt, welche zum Nachteil des Mieters nicht vertraglich eingeschränkt oder gar wegbedungen werden darf, d.h. der Parteidisposition entzogen ist (Higi, a.a.O., N 4 zu Art. 256 OR; SVIT-Kommentar Mietrecht II, N 6 und 7 zu Art. 256 OR), und dass sich das Verbot der abweichenden Bestimmungen zum Nachteil der Mieter nicht nur auf die eigentliche Hauptleistungspflicht des Vermieters, sondern auf alle vertraglichen und gesetzlichen Bestim- mungen, die an die Hauptleistungspflicht des Vermieters anknüpfen, auswirken (Higi, a.a.O., N 68 zu Art. 256 OR; SVIT-Kommentar Mietrecht II, N 30 zu Art. 256 OR), d.h. auch für die entsprechende Beweislastverteilung gelten muss. Im Übrigen ist höchst unwahrscheinlich, dass die Mieter vor Vertragsunterzeichnung alle vorformulierten Vertragsbestimmungen lesen und in ihrer Tragweite erfassen. Sie können sich deshalb auch auf die Ungewöhnlichkeitsregel berufen, da die Beweislastumkehr in Ziff. 9.1 des Mietvertrags der Parteien derart aus dem zu erwartenden Rahmen fällt, dass sie damit nach Treu und Glauben nicht rechnen mussten (Guhl/Koller, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl., Zürich 2000, S. 117 mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall wurde kein Antrittsprotokoll erstellt. Die Klägerin vermag deshalb nicht zu beweisen, dass die von ihr im Ab- nahme-/Übergabeprotokoll beanstandeten übermässigen Abnützun- gen der Wohnungswände nicht bereits bei Mietantritt durch die Be- klagten bestanden. Zwar handelte es sich um eine Erstvermietung, 2002 Obergericht/Handelsgericht 40 doch schliesst dies nicht aus, dass zumindest die festgestellten Fle- cken und geflickten Löcher durch Bauhandwerker verursacht, von den Beklagten aber nicht gerügt worden waren, weil diese das Miet- objekt als in einem zum vereinbarten Gebrauch tauglichen Zustand angesehen haben. Die im Entrée, Zimmer 1 und 3 festgehaltenen Dü- bellöcher, deren Verursachung die Beklagten nicht bestreiten, müssen als ordentliche Abnutzung des Mietobjekts betrachtet werden, die auch bei normalem und sorgfältigen Gebrauch der Mietsache entste- hen und von den Mietern deshalb lediglich fachgerecht ausgebessert werden müssen (Higi, a.a.O., N 92 zu Art. 267 OR; Lachat/Stoll/Brunner, a.a.O., S. 598, SVIT-Kommentar Mietrecht II, N 11 zu Art. 267 - 267a OR). Nach dem Gesagten vermochte die Klägerin nicht zu beweisen, dass die Beklagten für das Streichen der Wände haftbar sind. Sie muss sich deshalb die entsprechende Versicherungsleistung von Fr. 1'601.60 auf die Kosten für das Streichen des Bodens und des So- ckels im Luftschutzraum von Fr. 1'083.10 bzw. Fr. 128.35 und den Selbstbehalt von Fr. 200.-- anrechnen lassen, so dass sie von den Be- klagten nichts mehr zu fordern hat und ihre Klage deshalb abzuwei- sen ist.
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2011 Zivilprozessrecht 35 [...] 6 Art. 326 ZPO. An der in den AGVE 1997 Nr. 27 S. 88 publizierten Praxis, in der vorbehaltlosen Stellungnahme zu unzulässigen Noven der Gegen- partei einen konkludenten Verzicht auf das Novenverbot zu sehen, kann im Beschwerdeverfahren unter der Geltung der Schweizerischen Zivil- prozessordnung nicht festgehalten werden. Aus dem Entscheid der 4. Zivilkammer des Obergerichts vom 29. Septem- ber 2011 in Sachen M.L. gegen F.L. (ZSU.2011.216). 2011 Obergericht 36 Aus den Erwägungen 3. Die Parteien haben in Beschwerde und Beschwerdeantwort ver- schiedene neue Behauptungen aufgestellt und neue Beweismittel ein- gereicht oder angerufen, welche als unzulässige Noven unbeachtlich sind (Art. 326 Abs. 1 ZPO). Der anwaltlich vertretene Beklagte hat zwar in der Beschwerdeantwort zu den neuen Behauptungen in der Beschwerde des Klägers Stellung genommen, ohne die Verspätung zu rügen, doch kann an der unter der kantonalen Zivilprozessordnung publizierten Rechtsprechung, wonach darin ein konkludenter Ver- zicht auf das Novenverbot zu sehen sei (AGVE 1997 Nr. 27 S. 88), im Beschwerdeverfahren unter der Geltung der Schweizerischen Zi- vilprozessordnung nicht festgehalten werden, da die Beschwerde ge- mäss Art. 319 ff. ZPO als ausserordentliches Rechtsmittel, wie er- wähnt, im Wesentlichen lediglich der Rechtskontrolle dient.
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2004 Obergericht/Handelsgericht 72 20 Art. 220 StGB, Entziehen von Unmündigen: Der alleinige Inhaber der elterlichen Obhut kann, selbst wenn er das Be- suchsrecht des andern Elternteils vereitelt, nicht Täter im Sinne von Art. 220 StGB sein. Der Tatbestand schützt nicht die elterliche Sorge als solche, sondern das Recht, über den Aufenthalt des Unmündigen zu be- stimmen. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 2. Strafkammer, vom 22. Juni 2004 i.S. Staatsanwaltschaft gegen B. S. Aus den Erwägungen 2. Gemäss Art. 220 StGB (in der seit 1. Januar 1990 gültigen, gegenüber der früheren geringfügig geänderten Fassung, AS 1989 III S. 2449 ff.) wird, auf Antrag, mit Gefängnis oder mit Busse bestraft, wer eine unmündige Person dem Inhaber der elterlichen oder der vormundschaftlichen Gewalt entzieht oder sich weigert, sie ihm zu- rückzugeben. Täter kann nach dieser Bestimmung grundsätzlich jedermann sein, der die elterliche Sorge oder vormundschaftliche Gewalt nicht allein und uneingeschränkt ausübt. Das bedeutet zunächst, dass ein Aussenstehender, d.h. eine Person, welche gänzlich unabhängig von der Familie ist, das Delikt verüben kann. Unter bestimmten Umstän- den kann aber auch ein Elternteil Täter sein (A. Eckert in: Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, Basel/Genf/München 2003, N 7 zu Art. 220). Gegenüber X. und Y. erging am 19. Juni 2002 durch den Ge- richtspräsidenten von Z. gestützt auf Art. 175 f. ZGB ein Eheschutz- entscheid. In dessen Ziff. 2a wurden die Kinder A. und B., beide geboren am 3. November 1991, für die Dauer der Trennung unter die Obhut der Angeklagten gestellt und dem Kläger ein Besuchsrecht, namentlich am ersten und dritten Wochenende eines jeden Monats, sowie ein Ferienrecht eingeräumt. Gemäss den Erwägungen im ange- fochtenen Strafurteil erwuchs dieser Entscheid erst am 23. August 2002 in Rechtskraft, somit nach den hier zu beurteilenden Vorfällen 2004 Strafrecht 73 vom 19. - 21. Juli und 2. - 4. August 2002. Ebenfalls laut dem ange- fochtenen Strafurteil hatte der Gerichtspräsident aber mit vorsorglich sofortiger Verfügung vom 20. Dezember 2001 im Rahmen des mit Klage von X. vom 21. Oktober 2001 eingeleiteten Eheschutzverfah- rens die beiden Kinder unter die Obhut der Angeklagten gestellt und dem Vater ein Besuchsrecht eingeräumt. Damit steht fest, dass die Angeklagte im Zeitpunkt der hier zu beurteilenden Vorfälle allein obhutsberechtigt war. Nach massgebender Lehrmeinung kann nun der (alleinige) In- haber der Obhut nicht Täter im Sinne von Art. 220 StGB sein, na- mentlich auch dann nicht, wenn er das Besuchsrecht des andern El- ternteils vereitelt. Denn Art. 220 StGB schützt nicht die elterliche Sorge als solche, sondern das Recht, über den Aufenthalt des Un- mündigen zu bestimmen. Das Besuchsrecht ist nicht Ausfluss dieses Rechts. Hinzu kommt, dass bei anderer Betrachtungsweise der El- ternteil, der das Besuchsrecht vereitelt, während des Scheidungsver- fahrens als Täter(in) in Frage kommt, nach Eintritt der rechtskräfti- gen Scheidung eine Strafbarkeit derselben Person aber ohnehin ent- fällt (wenn nach Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes im Ehe- schutzverfahren oder bei vorsorglichen Massnahmen im Scheidungs- oder Trennungsverfahren die elterliche Sorge beider Eltern aufgrund von Art. 297 Abs. 2 ZGB weiterbesteht [es sei denn, sie werde vom Richter einem Elternteil übertragen], nach der Scheidung die elterli- che Sorge indessen aufgrund von Art. 297 Abs. 3 i.V. mit Art. 133 Abs. 1 ZGB nur einem Elternteil zusteht [es sei denn, die Eltern hätten gemäss Art. 133 Abs. 3 ZGB das gemeinsame Sorgerecht]). Diese unterschiedliche Behandlung des gleichen Elternteils - einfach zu verschiedenen Zeitpunkten - ist schwer begründbar (Basler Kom- mentar, a.a.O., N 12 f. zu Art. 220; s.a. Schubarth, Kommentar zum Schweizerischen Strafrecht, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Be- sonderer Teil, 4. Band, Bern 1997, N 38 zu Art. 220). Im zitierten Basler Kommentar wird unter Hinweis auf BGE 98 IV 37 erwähnt, dass die Praxis die Frage der Anwendbarkeit von Art. 220 StGB auch auf den obhutsberechtigten Elternteil zu bejahen scheine, vorausge- setzt, dass das Besuchsrecht durch bindende Konvention der Parteien oder richterlichen Entscheid festgelegt wurde. 2004 Obergericht/Handelsgericht 74 Im neuesten Entscheid des Bundesgerichts vom 2. Juli 2002 zur Frage der Anwendbarkeit von Art. 220 StGB auf einen Elternteil (BGE 128 IV 154 Erw. 3.2 S. 159) wurde unter Hinweis auf frühere Urteile ausgeführt, es könne sich auch ein Elternteil der Entziehung eines Unmündigen strafbar machen, der seinem Ehepartner das Kind vorenthalte. Das gelte namentlich für den Fall, dass ein Elternteil, dem im Rahmen vorsorglicher Massnahmen im Scheidungsverfahren ein Besuchsrecht zugesprochen worden sei, dieses Besuchrecht über- schreite bzw. sich weigere, das Kind dem Inhaber der elterlichen Ob- hut zurückzubringen. Es wurde dazu auf BGE 110 IV 35 Erw. 1c S. 37, 108 IV 22 S. 24 sowie auf den bereits erwähnten Entscheid 98 IV 35 Erw. 2 S. 37 f. verwiesen, ferner auf BGE 125 IV 14 Erw. 2b S. 16 und 118 IV 61 Erw. 2a S. 63. Dass der Obhutsinhaber Täter nach Art. 220 StGB sein könne, wird in den dem BGE 98 IV 35 nachfolgenden Urteilen allerdings nie ausdrücklich gesagt, und in je- nem Entscheid aus dem Jahre 1972 (Pra 61 [1972] Nr. 153), der nach der zitierten Meinung im Basler Kommentar die Strafbarkeit des Obhutsinhabers zu bejahen scheine, wurde vorausgesetzt, dass dem sein Besuchsrecht geltend machenden Elternteil die (nicht ausgeübte) elterliche Gewalt gemeinsam mit dem andern Elternteil oder sogar ausschliesslich zustand, was im hier zu beurteilenden Fall nicht zu- traf. Weiter wurde ausgeführt, dass ein Ehegatte (gemeint: mit teil- weiser oder ausschliesslicher, aber nicht ausgeübter elterlicher Ge- walt), der befürchte, die Ausübung seines Besuchsrechts werde vom andern Gatten erschwert oder vereitelt, den Richter gemäss Art. 145 aZGB ersuchen müsse, vorsorgliche Massnahmen zu treffen, um die Ausübung seines Besuchsrechts unter Androhung der Strafen von Art. 292 StGB sicherzustellen. Diese Auffassung wird auch im er- wähnten Basler Kommentar vertreten, wenn ausgeführt wird, es sei dem Besuchsberechtigten unbenommen und ohne weiteres zuzumu- ten, sein Recht auf zivilprozessualem Weg durchzusetzen, wobei der zuständige Richter immer noch den Hinweis auf die Strafdrohung des Ungehorsamstatbestands (Art. 292 StGB) machen könne (a.a.O., N 13 zu Art. 220). Beizufügen ist, dass anlässlich der StGB-Revision von 1989, die zur heutigen Formulierung von Art. 220 StGB führte, in der Botschaft des Bundesrates die Auffassung vertreten wurde, es 2004 Strafrecht 75 bestehe keine Notwendigkeit, das Besuchsrecht jenes Elternteils, der keine elterliche Gewalt mehr habe, durch Art. 220 StGB besonders zu schützen; Art. 292 StGB (Ungehorsam gegen amtliche Verfügun- gen) dürfte zur Durchsetzung dieser Rechte genügen (BBl 1985 II S. 1060). 3. Es steht somit auch nach der bundesgerichtlichen Praxis nicht fest, dass der (alleinige) Obhutsinhaber Täter nach Art. 220 StGB sein kann (vgl. auch Basler Kommentar, a.a.O., N 14 zu Art. 220, mit dem Hinweis auf BGE 104 IV 90 und 125 IV 14, wonach Täter nur derjenige sein könne, dem die Kinder nicht zugesprochen wurden). Lehnt zusätzlich die aktuelle Lehre die Anwendbarkeit von Art. 220 StGB in diesem Sinne mit guten Gründen ab (s.a. Donatsch/Wohlers, Strafrecht IV, 3. Aufl., Zürich 2004, S. 25; Stratenwerth, Schweizeri- sches Strafrecht, Besonderer Teil II, 5. Aufl., Bern 2000, N 5 zu § 27), kann der (allein) obhutsberechtigte Elternteil, der dem andern das Besuchsrecht verweigert, nicht nach Art. 220 StGB bestraft wer- den. Stratenwerth (a.a.O.) weist zwar darauf hin, dass der Vorentwurf der Expertenkommission zur Teilrevision von 1989 vorgesehen habe, Täter des Delikts könne nur noch sein, wer nicht Inhaber der elterli- chen Gewalt sei, wobei aber der Gesetzgeber diesem Vorschlag nicht gefolgt sei, weshalb die veränderte Schutzrichtung des Tatbestands als geltendes Recht hinzunehmen sei. Schubarth (a.a.O.) führt indes- sen zu Recht an, daraus könne nicht geschlossen werden, dass die Rechtsprechung zur Vereitelung des Besuchsrechts vor der rechts- kräftigen Scheidung vom Gesetzgeber sanktioniert worden sei; die Ablehnung des Expertenvorschlags sei ja nicht im Hinblick auf die Fälle der Vereitelung des Besuchsrechts erfolgt. Zusammenfassend führt Schubarth aus, die Ausübung des Besuchsrechts durch den Mit- inhaber der elterlichen Gewalt werde von Art. 220 StGB nicht ge- schützt. Demzufolge kann die Angeklagte, der die Vereitelung des Be- suchsrechts vorgeworfen wird, nicht aufgrund dieser Bestimmung bestraft werden.
2,088
1,703
AG_HG_001
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
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417
870,077
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2,008
de
2008 Obergericht 36 [...] 5 § 4 Abs. 1 und 4 AnwT Für die Berechnung des Streitwertes und somit des Grundhonorars des unentgeltlichen Rechtsvertreters wird nicht auf den geltend gemachten Wert der Liegenschaft abgestellt, wenn dieser offensichtlich nicht dem Wert der Liegenschaft entspricht. Entscheid der Inspektionskommission vom 13. Juni 2008 i.S. X. gegen Ge- richtspräsidium B. (IVV.2007.16) Aus den Erwägungen 3.1.3. Der Beschwerdeführer klagte somit, was die güterrechtlichen Ansprüche betreffend die Liegenschaft angeht, eine bestimmte Geld- summe ein. Es ist nun zu prüfen, ob er bezüglich der Berechnung des Streitwertes diese Summe in guten Treuen hat geltend machen dür- fen. Gemäss dem den Akten beiliegenden Grundbuchauszug war der Beklagte als Eigentümer der Liegenschaft eingetragen (vgl. [...]). Der Beschwerdegegner stellt sich auf den Standpunkt, der Be- schwerdeführer hätte, wenn er sich schon der Notwendigkeit eines Grundbuchauszuges bewusst gewesen sei (vgl. [...]), aufgrund der ihm obliegenden prozessualen Sorgfaltspflicht, im Zeitpunkt der 2008 Anwaltsrecht 37 Einleitung der Klage einen aktuellen Auszug anfordern müssen. Da- durch wäre ihm bewusst geworden, dass die Liegenschaft mittlerwei- le mit Verlust verkauft worden sei. Aufgrund der vom Beschwerdeführer in der Kostenbeschwerde aufgeführten Umstände (Verkauf der Liegenschaft an den Bruder, Beklagter blieb in Liegenschaft wohnen) ist ihm beizupflichten, dass er nicht zwingend den neusten Grundbuchauszug als Beweis hat einreichen müssen. Die Klägerin bzw. der Beschwerdeführer konnte davon ausgehen, dass sich die Besitzverhältnisse nicht verändert haben, weshalb der alte Grundbuchauszug als Beweis, dass der Be- klagte Eigentümer der Liegenschaft war, ausreichte. Die Hauptbe- gründung des Beschwerdegegners, es hätte ein Grundbuchauszug beigezogen werden müssen, kann daher bei einer ehelichen Liegen- schaft, welche weiterhin von einem Ehegatten bewohnt wird, als nicht in der angeführten Absolutheit als den Grundsatz der guten Treuen verletzend erachtet werden. Der Beschwerdeführer durfte in guten Treuen noch von einem Eigentum des Ehemannes an der Liegenschaft ausgehen. Das Spiel des Ehemannes, die eheliche Liegenschaft mit einem Steuerwert von Fr. 392'900.00 bei einer Hypothekarbelastung von Fr. 574'000.00 für einen Preis von Fr. 280'000.00 an den eigenen Bruder zu verkaufen, und diese gleich wieder zurückzumieten, er- scheint mehr als fragwürdig. Es muss dem Beschwerdeführer zu Gute gehalten werden, dass nicht einfach auf dieses "Manöver" abge- stellt werden konnte. Allerdings erscheint der klageweise geltend gemachte Verkehrs- wert von Fr. 650'000.00 aus anderen Gründen trotz "Manöver" nicht mehr als in guten Treuen vertretbar. Auf welche Grundlagen der Be- schwerdeführer in seiner Klage den geschätzten Wert der Liegen- schaft von Fr. 650'000.00 stützt, legt er in seiner Klage nicht dar. Er führt lediglich aus, der Klägerin sei der exakte Wert der Liegenschaft nicht bekannt, sie schätze diesen aber auf Fr. 650'000.00. Die Liegenschaft wurde 1989 in einer absoluten Hochpreis- und Spekula- tionsphase gekauft. Die Hypothekarbelastung dürfte daher nahe oder über der Grenze des objektiven Verkehrswertes gelegen haben. Auch hat ein Augenschein ergeben, dass es sich bei der Liegenschaft um 2008 Obergericht 38 ein älteres Haus handelt, welches sich zwar heute in einem guten Zustand präsentiert, an dem aber viele Renovationen offenbar erst neueren Datums nach dem Verkauf getätigt wurden. Nachdem sich in der Klageantwort auch herausgestellt hat, dass die Liegenschaft zu einem Wert von lediglich Fr. 280'000.00 verkauft worden ist, hat der Beschwerdeführer in seiner Klage einen Wert für die Liegenschaft geltend gemacht, welcher offenbar absolut nicht dem Verkehrswert der Liegenschaft entsprochen hat. Aufgrund dieser Umstände war die Einklagung eines Verkehrswertes von Fr. 650'000.00 ohne weitere Abklärungen zu tätigen trotz Spielchen der Gegenpartei die guten Treuen verletzend. Der Beschwerdeführer hat demnach bezüglich des Wertes der Liegenschaft gestützt auf § 4 Abs. 4 AnwT ein offen- sichtlich zu hohes Begehren gestellt. Es ist somit bezüglich des Streitwertes auf den Wert des in den Akten ausgewiesenen Verkaufs- preises abzustellen. Nachdem die Liegenschaft überdies überschuldet war, weist diese keinen Nettowert mehr auf. [...] [...] 3.2. Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass der Beschwerdeführer den güterrechtlichen Anspruch betreffend die Liegenschaft in der Höhe von Fr. 38'000.00 in guten Treuen nicht hat geltend machen dürfen, weshalb dieser Betrag für die Streitwertbe- rechnung nicht einberechnet werden kann. Der Streitwert berechnet sich demnach nach den übrigen geltend gemachten Ansprüchen in der Höhe von Fr. 15'000.00. Es ist somit von einem Grundhonorar gemäss § 3 Abs. 1 lit. a AnwT in der Höhe von Fr. 4'100.00 auszuge- hen.
1,101
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AG_HG_001
AG_HG
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Northwestern_Switzerland
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2,001
de
2001 Obergericht/Handelsgericht 64 [...] 18 Vorbefassung (§ 2 lit. c. ZPO) Keine Vorbefassung des Gerichtspräsidenten im ordentlichen Verfahren zur Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts, wenn dieser bereits zuvor das Summarbegehren um vorsorgliche Vormerkung des Pfand- rechts beurteilt hat. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 21. September 2001 i.S. X. Aus den Erwägungen 4. Die Gesuchsteller rügen, Gerichtspräsident X. und damit alle Richter seien aufgrund der Vorkommnisse im Zusammenhang mit der vorläufigen Eintragung des Pfandrechts voreingenommen. Eine Besorgnis der Voreingenommenheit und damit Misstrauen in das Ge- richt kann dann entstehen, wenn der Richter sich bereits in einem früheren Zeitpunkt mit der Angelegenheit befasste. Ausschlaggebend ist in solchen Fällen von Vorbefassung, dass das Verfahren in Bezug auf den konkreten Sachverhalt und die konkret zu beurteilenden Fra- gen gleichwohl als offen erscheint und kein Anschein der Vorbe- stimmtheit erweckt wird (BGE 119 Ia 221 E. 3 S. 226, 120 Ia 184 E. 2 S. 187). a) Art. 839 Abs. 2 ZGB verlangt die Eintragung des Bauhand- werkerpfandrechtes innert 3 Monaten nach Vollendung der Arbeiten. 2001 Zivilprozessrecht 65 Das mit dem Hauptprozess befasste Gericht muss die Rechtmässig- keit und Rechtzeitigkeit der Anmeldung zur Eintragung der Bau- handwerkerpfandrechts prüfen. Gegenstand des Summarverfahrens ist die vorsorgliche Vormerkung des Pfandrechts, wobei der Bau- handwerker seinen Anspruch auf Eintragung lediglich glaubhaft zu machen hat. Gegenstand des ordentlichen Verfahrens hingegen ist die Prüfung des Anspruches auf die Werklohnforderung und die entspre- chende definitive Eintragung des Pfandrechts, das Vorliegen von deren Voraussetzungen hat der Bauhandwerker nunmehr zu bewei- sen. Der Gegenstand der beiden Verfahren ist somit nicht identisch. Die Konstellation, dass ein Gerichtspräsident im Summarverfahren einen Sachverhalt provisorisch beurteilen muss und nachher im or- dentlichen Verfahren wiederum mit der Sache befasst ist, stellt zu- dem keine Besonderheit dar (vgl. Präliminar- und Scheidungsverfah- ren, Vermittlungsverhandlung im Arbeitsgerichtsverfahren, Pri- vatstrafverfahren) und begründet für sich auch keinen Ablehnungs- grund (BGE 114 Ia 50 E. 3d S. 57 f.). Eine Vorbefassung liegt dem- entsprechend nicht vor.
521
405
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2,007
de
2007 Zivilprozessrecht 49 [...] 10 Art. 12 lit. c BGFA Tätigkeit als Notar bei Grundstückkaufvertrag und anschliessend als Parteivertreter einer der Parteien des Kaufvertrages in einem Streit ge- 2007 Obergericht/Handelsgericht 50 gen die andere Partei: Abgrenzung der Zuständigkeit der Anwaltskom- mission gegenüber der Notariatskommission; Interessenkollision Entscheid der Anwaltskommission vom 14. November 2007 i.S. M. S. Aus den Erwägungen 1. 1.1. Im vorliegenden Fall ist der beanzeigte Anwalt ebenfalls Notar, und der erhobene Vorwurf ergibt sich aus der Kombination beider Tätigkeiten. Da die Anwaltskommission Aufsichtsbehörde über die Anwälte und die Notariatskommission / der Regierungsrat Aufsichts- behörde über die Notare ist, stellt sich vorab die Frage der aufsichts- rechtlichen Zuständigkeit. Nachdem keine Bestimmung für solche Sachverhalte ein gemeinsam durchzuführendes Verfahren oder allenfalls die Kompe- tenzattraktion bei der einen Behörde vorsieht, bedarf es einer Abgrenzung. Abgrenzungskriterium ist, zu welchen Berufspflichten (Anwalt oder Notar) die nähere sachliche Beziehung besteht (AGVE 2002, Nr. 86, S. 371). 1.2. [...] 1.3. [...] 1.4. Die Streitigkeit zwischen den Käufern (Anzeiger) und dem ehe- maligen Verkäufer hinsichtlich der Stützmauer ist nicht gestützt auf den vom beanzeigten Anwalt beurkundeten Vertrag (Kaufvertrag be- treffend Parzelle 4291, vgl. Beilage zur Eingabe vom 23. März 2007 des beanzeigten Anwaltes [Kaufvertrag]) entstanden. So wurde we- der die Gültigkeit des Kaufvertrages bestritten, noch geht es um den Inhalt oder die Folgen dieses Vertrages. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens betreffend Baubewilligung und Beseitigung, 2007 Zivilprozessrecht 51 in welchem der beanzeigte Anwalt den damaligen Verkäufer vertre- ten hat, war die Terrainaufschüttung und die Grenzmauer auf der Nachbarparzelle Nr. 4289/4290 (Beilage 1 zur Stellungnahme vom 13. März 2007). Damit kann festgehalten werden, dass die Streitigkeit zwischen Käufer und Verkäufer nicht den beurkundeten Vertrag und auch nicht die Vertragsfolgen betroffen haben, weshalb vorliegend auch nicht die Unabhängigkeitspflicht des Notars tangiert wird. Demzufolge be- steht bezüglich der Frage einer allfälligen Interessenkollision die nähere sachliche Beziehung nicht zu den Berufspflichten des Notars, sondern zu denjenigen des Anwaltes, weshalb die Überprüfung einer allfälligen Berufsregelverletzung in die Zuständigkeit der Anwalts- kommission fällt. [...] 3. 3.1. 3.1.1. [...] 3.1.2. Auch wenn sich das BGFA nicht über eine Treuepflicht des An- waltes gegenüber Klienten, die er zuerst als Notar betreut hatte, aus- spricht, so wurde mit der Mandatsübernahme für den ehemaligen Verkäufer eine Situation geschaffen, in der der beanzeigte Anwalt unter Umständen gegen die Interessen der Käufer Kenntnisse aus dem früheren Notariatsmandat zur Ausübung des neuen Mandates hätte verwenden können (vgl. auch M ARTIN S TERCHI , Kommentar zum bernischen Fürsprechergesetz, Bern 1992, N 4 zu Art. 13: Ver- bot der Vertretung entgegengesetzter Interessen trifft alle in einer Bü- rogemeinschaft stehende Anwälte auch hinsichtlich der Notariatsge- schäfte eines Kollegen). Es besteht somit ein enger Zusammenhang zwischen der Tätigkeit als Urkundsperson und dem Rechtsanwalts- beruf, weshalb vorliegend zu prüfen ist, ob der beanzeigte Anwalt durch sein Verhalten als Notar und dann als Anwalt das Verbot der Interessenkollision verletzt hat. 2007 Obergericht/Handelsgericht 52 3.2. 3.2.1. Gegenstand des vom beanzeigten Anwalt beurkundeten Kauf- vertrages vom 14. Dezember 2001 war das Kaufsobjekt ,,Grundbuch E. Nr. 3604, Kat. Plan 44, Parzelle 4291. Im Kaufpreis von Fr. 629'000.-- waren der Kaufpreis für die Parzelle 4291 und das schlüs- selfertige Wohnhaus sowie die Garage enthalten. Des Weiteren wur- de im Kaufvertrag unter der Rubrik ,,Dienstbarkeiten und Grundla- sten" ein Näherbaurecht mit Parz. 4290 und ein Grenzbaurecht mit Parz. 4292 vereinbart. Im Weiteren enthält der Kaufvertrag verschie- dene Vertragsbestimmungen, welche u.a. Besitzantritt, Leistungsum- fang des Verkäufers betreffend die schlüsselfertige Erstellung eines Wohnhauses, Garantieansprüche etc. regeln. 3.2.2. Der Rechtsstreit zwischen den Anzeigern und dem ehemaligen Verkäufer (im Verfahren vor Verwaltungsgericht des Kantons Aargau Baukonsortium O. als Beschwerdeführer 1) bezog sich auf die Um- gebungsgestaltung (Terrainaufschüttung und Stützmauer) auf der Parzelle 4290 (Eigentümer: J.). [...] Dem Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Aar- gau ist Folgendes zu entnehmen: ,,Gegenstand des vorliegenden Ver- fahrens ist somit ausschliesslich die Stützmauer auf der Parzelle Nr. 4290, welche entlang der südöstlichen Parzellengrenze verläuft." Die Beschwerdegegner (Anzeiger) verneinten die Rechtmässigkeit der Stützmauer, weil der erforderliche Grenzabstand nicht eingehalten worden sei. Im Entscheid wurden u.a. die Fragen der Höhe der Mauer und des Abstandes zur Nachbarsgrenze nach den gesetzlichen Grundla- gen geprüft. Das Verwaltungsgericht stellte u.a. fest, dass die Stütz- mauer nicht im Sinne des Umgebungsplans, sondern - entsprechend ihrem Mehrmass - bloss mit einem vom Mauerfuss aus gemessenen Grenzabstand von 60 cm hätte genehmigt werden dürfen. Das Ver- waltungsgericht hat schliesslich mit Entscheid vom 6. Juni 2006 den Umgebungsplan für die Umgebungsgestaltung auf den Parzellen 4289 und 4290 mit einer Änderung betreffend die Stützmauer (diese muss gemäss Entscheid zurückversetzt werden) genehmigt. 2007 Zivilprozessrecht 53 3.3. 3.3.1. Aus dem Gesagten lässt sich schliessen, dass die Streitigkeit, in welcher der beanzeigte Anwalt den ehemaligen Verkäufer der Anzei- ger vertreten hat, in keinem engen Zusammenhang mit dem damali- gen notariellen Mandat (beurkundeter Vertrag) steht. Es handelte sich um eine Streitigkeit, die nicht den beurkundeten Kaufvertrag (und auch nicht Folgen daraus), sondern eine Stützmauer auf der Parzelle 4290 betroffen hat. Den beurkundeten Vertrag vom 14. Dezember 2001 hat das Verwaltungsgericht in seinem Entscheid nicht erwähnt, und er war nicht Gegenstand des Verfahrens. Dem Kaufvertrag ist insbesondere auch keine Regelung betreffend eine allfällige Stütz- mauer auf Parzelle 4290 zu entnehmen. Das Verfahren betreffend die Stützmauer tangiert somit die im beurkundeten Vertrag abgehandel- ten Tatsachen und Rechtsfragen nicht. 3.3.2. [...] 3.3.3. Es ist somit kein Sachzusammenhang zwischen dem notariellen Mandat und der Mandatsübernahme für den Verkäufer hinsichtlich der Streitigkeit betreffend die Stützmauer ersichtlich. Dass der bean- zeigte Anwalt seine erlangten Kenntnisse bezüglich des beurkunde- ten Vertrages in der Streitigkeit betreffend die Stützmauer auf dem Nachbarsgrundstück verwertet oder erörtert hätte, kann ausgeschlos- sen werden. Die Anzeiger behaupten auch nicht, der beanzeigte An- walt habe als ihr Notar Erkenntnisse gewonnen, die er beim späteren Verfahren betreffend die Stützmauer gegen sie ausgewertet hätte. Es lag somit kein verbotener Parteiwechsel vor.
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AG_HG_001
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2006 Zivilprozessrecht 41 [...] 7 § 176 ZPO; Prozessüberweisung und Kostenfolgen Hält der Kläger an der Zuständigkeit des von ihm angegangenen Richters fest, ist über die Zuständigkeitsfrage urteilsmässig zu befinden und es er- geht im Falle der Unzuständigkeit ein formeller und kostenpflichtiger Nichteintretensentscheid. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 3. Zivilkammer, vom 27. Februar 2006, i.S. K.K. ca. V.S. AG Aus den Erwägungen 2.2. Gemäss § 176 Abs. 1 ZPO wird der Prozess bei fehlender Zuständigkeit auf Antrag des Klägers ohne Unterbrechung der Rechtshängigkeit dem von ihm als zuständig bezeichneten Richter überwiesen, sofern dieser nicht offensichtlich unzuständig ist. Mit dieser Bestimmung soll der Verzögerung und Verteuerung des Pro- zesses durch Zuständigkeitsstreitigkeiten vorgebeugt werden (Büh- ler/Edelmann/Killer, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessord- nung, 2. Aufl., Aarau/Frankfurt am Main/Salzburg 1998, N 1 zu § 176 ZPO). Eine Prozessüberweisung an den zuständigen Richter erfolgt jedoch nur auf Antrag des Klägers (AGVE 1994, S. 95). Hält der Kläger demgegenüber - sei es auf Anfrage des Instruktionsrich- ters nach § 173 Abs. 2 ZPO, sei es auf Bestreitung der Zuständigkeit durch den Beklagten - an der Zuständigkeit des von ihm angegange- nen Richters fest, ist über die Zuständigkeitsfrage urteilsmässig zu befinden und ergeht im Falle der Unzuständigkeit ein formeller 2006 Obergericht 42 Nichteintretensentscheid (Urteil der 1. Zivilkammer des Obergerichts vom 12. Juni 1998, OR.98.00027; Bühler/Edelmann/Killer, a.a.O., N 10 zu § 176 ZPO). Mit diesem Prozessurteil (§ 273 ZPO) sind auch die Kosten zu verlegen (§ 121 Abs. 1 ZPO). 2.3. An der Vermittlungsverhandlung vom 7. Dezember 2004 erhob die Beklagte rechtzeitig die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des Arbeitsgerichts Lenzburg (Bühler/Edelmann/Killer, a.a.O., N 2 f. zu § 373 ZPO). Ein aufgrund der umstrittenen örtlichen Zuständig- keit vom Gericht unterbreiteter Vergleichsvorschlag wurde vom Klä- ger abgelehnt. Die folgenden Rechtsschriften beschränkten sich ge- mäss richterlicher Anordnung auf die Frage der örtlichen Zuständig- keit. Der Kläger beantragte replicando nur im Eventualbegehren die kostenlose Überweisung ans Arbeitsgericht Zürich. In seinem Haupt- antrag verlangte er die Feststellung der Zuständigkeit des angerufe- nen Arbeitsgerichts unter Kostenfolge für die Beklagte. Aufgrund dieses Hauptantrages und des fortgeschrittenen Verfahrens hatte die Vorinstanz nach Abschluss des Schriftenwechsels und Durchführung der Hauptverhandlung urteilsmässig über die Zuständigkeitsfrage zu befinden. Im alsdann ausgefällten Endentscheid in der Form eines Prozessurteils (Nichteintretensentscheid) hat sie demnach zu Recht einen Kostenentscheid gefällt.
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AG_HG_001
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2000 Strafprozessrecht 81 26 § 184 Abs. 2 StPO In der Privatstrafklage wegen Übertretung eines allgemeinen Verbotes muss der Kläger den Beklagten namentlich bezeichnen. Unterlässt er dies, liegt in der Nichtanhandnahme der Klage und Weigerung des Ge- richtspräsidenten, ein Ermittlungsverfahren gemäss 183 StPO einzulei- ten, keine Rechtsverweigerung. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 1. Dezember 2000 i.S. Y. Aus den Erwägungen 2. Der Beschwerdeführer macht sinngemäss eine Rechtsverwei- gerung von Gerichtspräsident X. geltend, weil dieser seine Pri- vatstrafklagen vom 9. respektive 11. Juni 2000 nicht an die Hand nehmen wolle. (...) a) (formelle Rechtsverweigerung; vgl. AGVE 2000 16 61, Ziff. 2/a) b) Gerichtspräsident X. führte in seinem Schreiben an den Be- schwerdeführer vom 16. Juni 2000 aus (...), eine Anhandnahme der Klagen sei nicht möglich, wenn der Kläger die fehlbaren Lenker nicht namentlich bezeichne, da dem Richter die Ermittlung der Lenker nicht obliege. Diese Gesetzesauslegung ist nicht zu beanstan- den. Die Strafprozessordnung (StPO; SAR 251.100) verweist die Ahndung der Übertretung eines allgemeinen Verbotes gemäss §§ 309 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO; SAR 221.100) in das Privat- strafverfahren (§ 181 Abs. 1 Ziff. 9 StPO) und § 184 Abs. 2 StPO verlangt vom Kläger im Privatstrafverfahren, den Beklagten zu bezeichnen sowie einen Antrag bezüglich des Strafmasses zu stellen. Die richterliche Anordnung eines Ermittlungsverfahrens bei unbe- kannter Täterschaft kann nur bei einem schweren Angriff auf die Ehre, den Kredit oder ein anderes Rechtsgut, welches durch die in § 181 Abs. 1 Ziff. 1-6 StPO aufgeführten Gesetzesbestimmungen 2000 Obergericht 82 geschützt ist, erfolgen. Für die Ermittlung des unbekannten Lenkers, der ein richterliches Parkverbot missachtet (§ 181 Abs. 1 Ziff. 9 StPO), kann hingegen kein Ermittlungsverfahren angeordnet werden. Dessen Ermittlung obliegt vielmehr dem Eigentümer respektive Klä- ger. Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass diesem nur beschränkte Möglichkeiten zur Verifizierung des Lenkers zur Verfügung stehen, besteht angesichts des klaren Wortlautes kein Raum für eine andere Anwendung der massgebenden Gesetzesbestimmungen. Das Verhal- ten von Gerichtspräsident X., die Klagen des Beschwerdeführers nicht zu behandeln, solange dieser die Beklagten nicht namentlich zu bezeichnen vermag, ist demzufolge rechtmässig. Somit kann festge- stellt werden, dass keine Rechtsverweigerung vorliegt.
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2002 Strafprozessrecht 91 V. Strafprozessrecht 29 §§ 100 Abs. 1, 103 Abs. 1 und 2 sowie 105 Abs. 2 StPO Zeugnisverweigerungsrecht. Die Bestimmung, wonach ein Zeuge über die Zeugnisverweigerungsgründe aufzuklären ist, ist sinngemäss auch bei polizeilichen Einvernahmen zu beachten, und deren Missachtung führt grundsätzlich zur Ungültigkeit bzw. Unverwertbarkeit der betreffenden Aussagen. Möglichkeit der Beseitigung der Ungültigkeit dieser Aussagen. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 3. Strafkammer, vom 1. Juli 2002 in Sachen Staatsanwaltschaft gegen S.B. Aus den Erwägungen 2. c) Die Ehefrau des Angeklagten wurde ein erstes Mal am 21. Juli 2001 durch die Polizei befragt. Eine zweite Einvernahme erfolgte vor Vorinstanz. Der Angeklagte stellt sich in seiner Berufung u.a. auf den Standpunkt, dass seine Ehefrau anlässlich der Befragung durch die Polizei nicht auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht aufmerk- sam gemacht worden sei, weshalb deren damaligen Aussagen nicht verwertbar seien. aa) Gemäss § 100 Abs. 1 StPO ist der Zeuge über die Zeugnis- pflicht und die Zeugnisverweigerungsgründe aufzuklären. Die vorge- schriebene Belehrung ist Gültigkeitserfordernis, weshalb bei Unter- lassung die betreffende Erklärung formell keine Zeugenaussage ist (Beat Brühlmeier, Aargauische Strafprozessordnung, 2.A., Aarau 1980, N. 2 zu § 100 Abs. 1 StPO; Robert Hauser/Erhard Schweri, Schweizerisches Strafprozessrecht, 4. A., Basel/Genf/München 1999, N 9 zu § 60). Gestützt auf § 103 Abs. 1 StPO ist das Versäumte nachzuholen und dem Zeugen Gelegenheit zur Verweigerung oder Änderung der Aussage zu geben, wenn der einvernehmende Beamte feststellt, dass der Zeuge über die Zeugnisverweigerungsgründe oder 2002 Obergericht/Handelsgericht 92 die Wahrheitspflicht nicht belehrt worden ist. Ist die Nachholung nicht möglich oder ändert oder verweigert der Zeuge die Aussage, so ist die ursprüngliche Aussage wie diejenige einer Auskunftsperson zu behandeln (§ 103 Abs. 2 StPO). Zwar kann nach der Aargauischen Strafprozessordnung eine Person, der ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, von der Polizei als Auskunftsperson befragt werden, ohne dass sie darauf hingewie- sen werden müsste, dass sie die Aussage verweigern könne, da ge- mäss § 105 Abs. 2 StPO auf die Einvernahme von Auskunftsperso- nen die Bestimmungen über die Vernehmung des Beschuldigten sinngemäss anwendbar sind. Allerdings gehen Lehre und teilweise auch die Praxis davon aus, dass die Bestimmung betreffend das Zeugnisverweigerungsrecht - soll ihr Sinn und Zweck nicht ausge- höhlt werden - sinngemäss auch bei polizeilichen Einvernahmen zu beachten sei und deren Missachtung zur Ungültigkeit bzw. Unver- wertbarkeit der betreffenden Aussagen führe. Immerhin könne ein diesbezüglicher Mangel bzw. die Ungültigkeit der Aussagen dadurch beseitigt werden, dass die betreffende Befragung unter Nachholung des seinerzeit unterbliebenen Hinweises sowie unter der zusätzlichen Bedingung, dass der Betroffene bei dieser Gelegenheit auf die Aus- übung seines Aussageverweigerungsrechts verzichte, in ihrer Ge- samtheit wiederholt werde. Verweigere oder ändere der Zeuge dabei die Aussage, so sei das ursprüngliche Zeugnis insoweit als ungültig zu behandeln (vgl. zum Ganzen ZR 96 [1997] Nr. 45, S. 120 ff. mit Hinweisen). bb) Der in den Akten vorhandene Polizeirapport enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ehefrau des Angeklagten anlässlich der polizeilichen Befragungen auf das Aussageverweigerungsrecht hingewiesen worden wäre. Fest steht hingegen, dass sie anlässlich der vorinstanzlichen Verhandlung unter Hinweis auf ihr Zeugnisver- weigerungsrecht Aussagen gemacht hat, wobei die vor Vorinstanz gemachten Angaben teilweise anders ausgefallen sind als jene, wel- che sie noch vor der Polizei gemacht hat. Gestützt auf die oben dar- gelegte Meinung der Lehre und teilweise auch der Praxis sind die §§ 103 Abs. 2 und 105 Abs. 2 StPO auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar und ist nach Meinung des Obergerichts - soll Sinn und 2002 Strafprozessrecht 93 Zweck des Zeugnisverweigerungsrechts nicht umgangen werden - von der Unverwertbarkeit der Aussagen der Ehefrau des Angeklagten vor der Polizei auszugehen. Abzustellen ist demnach einzig auf ihre vor Gericht gemachten Angaben.
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2004 Strafrecht 67 IV. Strafrecht 18 Art. 29 StGB; §§ 52 Abs. 2 Satz 2, 119 Abs. 3 und 181 Abs. 1 StPO. 1. Die Strafantragsfrist des Art. 29 StGB ist auch mit einer fristgemässen Strafanzeige bei einer Strafverfolgungsbehörde wegen eines im Privat- strafverfahren zu verfolgenden Antragsdelikts gewahrt. 2. Eine solche Strafanzeige kann mit ihrer vorgeschriebenen Erledigung durch Nichteintretensverfügung nicht von Amtes wegen an den zur Ein- leitung bzw. Durchführung des Strafverfahrens zuständigen Friedens- richter oder Gerichtspräsidenten weitergeleitet werden. Aus dem Entscheid des Obergerichts, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 21. Juni 2004 i.S. S. AG. Aus den Erwägungen 3. Die Strafanzeige hat nur, soweit damit unlauterer Wettbewerb (Art. 5/9 UWG) geltend gemacht und deswegen die Strafverfolgung des Beschuldigten verlangt wurde, gestützt auf § 181 Abs. 1 Ziff. 6 StPO durch Nichteintretensverfügung erledigt werden müssen, wobei allerdings mit dieser die Akten nicht dem Präsidenten des Bezirksge- richts L. zur Abwandlung der Straftat der UWG-Verletzung im Pri- vatstrafverfahren (§ 181 Abs. 1 Ziff. 6 StPO) hätten überwiesen werden dürfen. a) Die StPO sieht in § 52 Abs. 2 unter dem Titel "Fristen, a) Be- rechnung ..." vor, dass eine Frist nur mit einer innerhalb derselben vorgenommenen Handlung eingehalten (Satz 1), auch mit einer in- nert Frist bei einer im ersten Teil dieses Gesetzes erwähnten nicht zuständigen Behörde eingereichten Eingabe gewahrt (Satz 2) und eine solche Eingabe unverzüglich an die zuständige Amtsstelle wei- terzuleiten (Satz 3) ist. § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO besagt, dass eine 2004 Obergericht/Handelsgericht 68 straf- oder strafverfahrensrechtliche Frist mit einer während ihrer Dauer bei einer Behörde im Sinne der StPO eingereichten Eingabe jedenfalls und ohne Rücksicht auf die Zuständigkeit der angeschrie- benen Behörde gewahrt ist. Das gilt insbesondere auch für die Straf- antragsfrist (Art. 29 StGB) in einem Fall wie dem vorliegenden, in welchem wegen einer behaupteten, im Privatstrafverfahren (§ 181 Abs. 1 Ziff. 1 bis 9 StPO) zu verfolgenden Straftat der Verletzung des UWG (Art. 5/9 UWG), anstatt ein solches eingeleitet (§ 184 StPO), bei einer Strafverfolgungsbehörde Strafanzeige erstattet worden ist. Eine solche Strafanzeige für ein im Privatstrafverfahren zu verfol- gendes Delikt (§ 181 Abs. 1 Ziff. 1 bis 9 StPO) kann indessen nicht in Anwendung des § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO an die zuständige Amts- stelle weitergeleitet werden. b) Die Strafverfolgung wegen eines im Privatstrafverfahren ab- zuwandelnden Delikts (§ 181 Abs. 1 Ziff. 1 bis 9 StPO), wie es hier mit der Verletzung des UWG (Art. 5/9 UWG) geltend gemacht wird (§ 181 Abs. 1 Ziff. 6 StPO), ist gestützt auf eine Privatstrafklage (§ 184 StPO), allenfalls nach vorangegangenem Sühneversuch beim Friedensrichter des Begehungsorts (§ 182 StPO), als Zweipartei- enverfahren des Privatstrafklägers gegen den Beklagten (vgl. §§ 184/185 StPO) durch den Gerichtspräsidenten des Begehungsorts als Instruktionsrichter durchzuführen (§§ 186 ff. StPO) und durch das Bezirksgericht zu erledigen (§§ 190 ff. StPO). Die bei einer Strafverfolgungsbehörde des ersten Teils der StPO (§§ 1 bis 23 StPO) und damit auch bei einem Bezirksamt als Untersuchungsrich- ter (§ 2 Abs. 1 und 2 StPO) eingereichte oder einem solchen zuge- leitete Strafanzeige (vgl. § 52 Abs. 2 StPO) wegen einer solchen Straftat ist weder ein Sühne- noch ein Privatstrafklagebegehren im Sinne des § 182 bzw. 184 StPO und kann daher auch nicht als sol- ches von Amtes wegen dem zuständigen Friedensrichter (§ 182 StPO) oder Gerichtspräsidenten (§ 184 StPO) des Begehungsorts überwiesen werden, sondern ist als Strafanzeige, die im ordentlichen Strafverfahren nicht verfolgt werden kann, ausschliesslich durch beschwerdefähige Nichteintretensverfügung (§ 119 Abs. 3 und 4 i.V.m. § 213 Abs. 1 StPO) zu erledigen.
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Urteil/Entscheid Handelsgericht 2. Kammer HSU.2020.55 Entscheid vom 26. Juni 2020 Besetzung Oberrichter Vetter, Vizepräsident Gerichtsschreiber Schneuwly Gesuchstellerin K. GmbH, _ vertreten durch lic. iur. Ilhan Gönüler, Rechtsanwalt, Universitäts- strasse 47, 8006 Zürich Gesuchsgegne- rin I. AG., _ Gegenstand Summarisches Verfahren betreffend vorsorgliche (superprovisorische) Verfügungsbeschränkung/Grundbuchsperre - 2 - Der Vizepräsident entnimmt den Akten: 1. Die Gesuchstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in M. (AG). Sie bezweckt im Wesentlichen den Erwerb, die Veräusserung, die Vermietung, die Verwaltung und die Überbauung von Grundstücken und Liegenschaften sowie die Ausführung von Generalunternehmeraufträ- gen (Gesuchsbeilage [GB] 2). 2. Die Gesuchsgegnerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in S. (LU). Sie hat insbesondere die Durchführung von Immobiliengeschäften aller Art im In- und Ausland zum Zweck (GB 3). 3. Mit Gesuch vom 25. Juni 2020 (persönlich überbracht) stellte die Gesuch- stellerin folgende Rechtsbegehren: " 1. Es sei das Grundbuchamt A., [...], Tel. [...], Fax [...] ("Grundbuchamt A."), i.S.v. Art. 262 lit. c ZPO provisorisch anzuweisen, keine oder verfügungsähnliche Vorgänge betreffend das Grundstück G., H. (Grundstück-Nr. 987; "Grundstück") zuzulassen, bzw. [es] sei dem Grundbuchamt A. i.S.v. Art. 262 lit. c ZPO provisorisch zu verbieten, Verfügungen oder verfügungsähnliche Vorgänge betreffend das Grundstück im Grundbuch vorzunehmen und/oder einzutragen (). 2. Es sei die Anordnung gemäss vorstehender Ziffer 1 vorsorglich als An- merkung i.S.v. Art. 56 lit. b GBV in das Grundbuch einzutragen (; Verfügungssperre). 3. Es seien die Anordnungen gemäss den vorstehenden Ziffern 1 und 2 superprovisorisch, d.h. sofort und ohne Anhörung der , zu erlassen. 4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. MWST) zu Lasten der Gesuchsgegnerin." - 3 - Der Vizepräsident zieht in Erwägung: 1. Zuständigkeit Das Gericht prüft die Prozessvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 60 ZPO). Darunter fallen insbesondere die örtliche und die sachliche Zustän- digkeit des angerufenen Gerichts (Art. 59 Abs. 2 lit. b ZPO). 1.1. Örtliche Zuständigkeit Für den Erlass vorsorglicher Massnahmen ist das Gericht am Ort, an dem die Zuständigkeit für die Hauptsache gegeben ist oder am Ort, wo die Mas- snahme vollstreckt werden soll, zwingend örtlich zuständig (Art. 13 ZPO). Dies gilt auch für den Erlass superprovisorischer Massnahmen. Vorliegend beantragt die Gesuchstellerin, es sei das Grundbuch Wohlen anzuweisen keine Verfügungen oder verfügungsähnliche Vorgänge betref- fend das Grundstück G., H. vorzunehmen. Diese Massnahme wäre im Kan- ton Aargau zu vollstrecken, weshalb die aargauischen Gerichte örtlich zu- ständig sind.1 1.2. Sachliche Zuständigkeit Die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts für den Erlass vorsorgli- cher Massnahmen ergibt sich aus Art. 6 Abs. 2 ZPO i.V.m. Art. 6 Abs. 5 ZPO i.V.m. § 12 Abs. 1 lit. a EG ZPO. Sie ist gegeben, da die geschäftli- chen Tätigkeiten beider Parteien betroffen sind, der behauptete Streitwert Fr. 2'196'566.73 beträgt (vgl. Gesuch Rz. 27), gegen den Entscheid die Be- schwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht gemäss Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG im allfälligen Hauptsacheverfahren offen steht und beide Parteien im schweizerischen Handelsregister eingetragen sind. 2. Voraussetzungen vorsorglicher Massnahmen 2.1. Allgemeine Voraussetzungen Gemäss Art. 261 Abs. 1 ZPO trifft das Gericht die notwendigen vorsorgli- chen Massnahmen, wenn die gesuchstellende Partei glaubhaft macht, dass ein ihr zustehender Anspruch verletzt ist oder eine Verletzung zu be- fürchten ist (lit. a) und ihr aus der Verletzung ein nicht leicht wieder gutzu- machender Nachteil droht (lit. b). Art. 265 Abs. 1 ZPO sieht vor, dass bei besonderer Dringlichkeit, insbesondere Vereitelungsgefahr, das Gericht die vorsorgliche Massnahme sofort und ohne Anhörung der Gegenpartei anordnen kann (sog. superprovisorische Massnahmen). Voraussetzungen zum Erlass superprovisorischer Massnahmen sind folg- lich a) die Verletzung oder Gefährdung eines materiellen Anspruchs (sog. Hauptsachenprognose bzw. Verfügungsanspruch), b) der Umstand, dass 1 Vgl. auch SUTTER-SOMM/LÖTSCHER, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger (Hrsg.), Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2016, Art. 29 N. 30a f. m.w.N. - 4 - die drohende Verletzung des zu schützenden Rechts einen nicht leicht wie- der gutzumachenden Nachteil zur Folge hat (sog. Nachteilsprognose bzw. Verfügungsgrund) sowie c) eine qualifizierte zeitliche Dringlichkeit vorliegt.2 Schliesslich hat die anzuordnende vorsorgliche Massnahme verhältnis- mässig zu sein.3 2.2. Glaubhaftmachung Das Vorliegen der den Erlass vorsorglicher Massnahmen begründenden Tatsachen muss der Gesuchsteller glaubhaft machen.4 Glaubhaft gemacht ist eine Behauptung, wenn der Richter von ihrer Wahrheit nicht völlig über- zeugt ist, sie aber überwiegend für wahr hält, obwohl nicht alle Zweifel be- seitigt sind. Für das Vorhandensein der behaupteten Tatsachen müssen folglich gewisse Elemente sprechen, auch wenn das Gericht noch mit der Möglichkeit rechnet, dass diese sich nicht verwirklicht haben könnten.5 3. Hauptsachenprognose Zu prüfen ist vorerst, ob eine positive Hauptsachenprognose vorliegt. 3.1. Behauptungen der Gesuchstellerin Die Gesuchstellerin behauptet, sie habe einen Anspruch auf Übertragung des Eigentums am Grundstück G., H.(Gesuch Rz. 33 ff.). Alternativ habe sie Anspruch auf Schadenersatzzahlung bzw. aus ungerechtfertigter Berei- cherung (Gesuch Rz. 37 ff.). 3.2. Rechtliches Durch den Kaufvertrag verpflichten sich der Verkäufer, dem Käufer den Kaufgegenstand zu übergeben und ihm das Eigentum daran zu verschaf- fen, und der Käufer, dem Verkäufer den Kaufpreis zu bezahlen (Art. 184 Abs. 1 OR). Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstande haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung (Art. 216 Abs. 1 OR). Vorverträge sowie Verträge, die ein Vorkaufs-, Kaufs- oder Rück- kaufsrecht an einem Grundstück begründen, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung (Art. 216 Abs. 2 OR). 3.3. Würdigung Die Gesuchstellerin behauptet, mit der Gesuchsgegnerin am 31. Oktober 2018 einen formgültigen Kaufvertrag vereinbart zu haben (Gesuch Rz. 6). 2 Vgl. hierzu HUBER, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger (Fn. 1), Art. 261 N. 17 ff. und Art. 265 N. 7 ff.; BSK ZPO-SPRECHER, 3. Aufl. 2017, Art. 261 N. 10 ff. und Art. 265 N. 6 ff.; ZÜRCHER in: Brunner/Gasser/Schwander (Hrsg.), Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2016, Art. 261 N. 5 ff. 3 HUBER (Fn. 2), Art. 261 N. 23; BSK ZPO-SPRECHER (Fn. 2), Art. 261 N. 10 ff.; ZÜRCHER (Fn. 2), Art. 261 N. 33 ff. 4 HUBER (Fn. 2), Art. 261 N. 25. 5 BGE 130 III 321 E. 3.3; BÜHLER, Beweismass und Beweiswürdigung bei Gerichtsgutachten, in: Fell- mann/Weber (Hrsg.), Tagungsband HAVE, Der Haftpflichtprozess, Tücken der gerichtlichen , 2006, S. 43; HUBER (Fn. 2), Art. 261 N. 25. - 5 - Diese Behauptung macht sie allerdings nicht glaubhaft. Es wäre zu erwar- ten gewesen, dass die Gesuchstellerin zumindest über eine Kopie der öf- fentlichen Urkunde verfügt und diese dem Gericht vorweist. Da sie dies un- terlässt, ist nicht glaubhaft, dass die Parteien am 31. Oktober 2018 tatsäch- lich einen formgültigen Kaufvertrag abgeschlossen haben. Zudem bringt die Gesuchstellerin einzig Vertragsentwürfe (GB 4-6) ins Verfahren ein und legt nicht dar, wann und wie sich die Parteien geeinigt haben sollen. Es ist demnach nicht glaubhaft gemacht worden, dass der Gesuchstellerin ein Anspruch auf Übertragung des Eigentums am Grundstück G., H. (AG), zusteht. Demnach fällt in diesem Umfang die Hauptsachenprognose nega- tiv aus. Ob die Hauptsachenprognose in Bezug auf die geltend gemachten Alter- nativansprüche besteht, kann offengelassen werden, da die Nachteilsprog- nose zu verneinen ist. 4. Nachteilsprognose 4.1. Behauptungen der Gesuchstellerin Die Gesuchstellerin führt aus, es würde ihr verunmöglicht mit dem umstrit- tenen Grundstück ein Gewinn von Fr. 2'196'566.73 zu erwirtschaften, da zu befürchten ist, dass die Gesuchsgegnerin vertragsbrüchig wird (Gesuch Rz. 27 f.). Falls die Gesuchsgegnerin das umstrittene Grundstück an eine Drittpartei verkaufen könnte und würde, würde sich ein nicht wieder leicht gutzumachender Nachteil realisieren, da die Gesuchsgegnerin der Ge- suchstellerin das besagte Eigentum nicht mehr übertragen könnte (Gesuch Rz. 29). Es wäre zu befürchten, dass die Gesuchsgegnerin den Verkaufs- preis auf ein unbekanntes Drittkonto oder gar auf ein Konto im Ausland abdisponieren würde und ein Vollzug der November-19-Vereinbarung zu- mindest erheblich erschwert würde, weil sich S.S., Inhaber der Gesuchs- gegnerin, in den Kosovo absetzen könnte. Die Einforderung von Geldbe- trägen wäre zudem erheblich erschwert, weil bei der Gesuchsgegnerin höchstwahrscheinlich gar kein Haftungssubstrat vorhanden wäre (Gesuch Rz. 30). 4.2. Rechtliches Neben der Hauptsachenprognose hat die Gesuchstellerin glaubhaft zu ma- chen, dass ihr aus der Verletzung eines ihr zustehenden Anspruchs ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht (Art. 261 Abs. 1 lit. b ZPO). Zu beantworten sind damit die beiden Fragen, ob Nachteile drohen, wenn keine vorsorgliche Massnahmen angeordnet werden und, für den Fall, dass keine vorsorglichen Massnahmen angeordnet werden und der befürchtete Nachteil daher eintritt, ob dieser mit einem anschliessenden - 6 - Hauptsacheverfahren leicht wieder gutzumachen ist.6 Nachteile sind jegli- che Beeinträchtigungen der gesuchstellenden Partei sowohl tatsächlicher wie auch rechtlicher Art, materieller als auch immaterieller Natur.7 Auch bloss faktische Erschwernisse genügen.8 Ferner kann auch die drohende Zahlungsunfähigkeit eines Beklagten im Falle des Unterliegens im Prozess gegebenenfalls ein solcher Nachteil sein.9 Ausreichend ist bereits die Ge- fährdung oder Verzögerung der Vollstreckung eines in erster Linie auf Re- alerfüllung gerichteten Anspruchs. Als Nachteil kommt insbesondere auch eine Beeinträchtigung in der Ausübung absoluter Rechte in Betracht.10 Der Nachteil muss ein zukünftiger sein. Bei bereits eingetretenen Nachteilen können vorsorgliche Massnahmen nur dann Platz haben, wenn eine wei- tere Benachteiligung droht.11 Weiter muss der Nachteil nicht leicht wieder gutzumachen sein. Dies ist dann nicht der Fall, wenn das Hauptsachenurteil abgewartet werden kann und dieses der gesuchstellenden Partei hinreichenden Rechtsschutz bie- tet.12 Nachteile sind etwa dann nicht leicht wieder gutzumachen, wenn sie später nicht mehr ermittelt, bemessen oder ersetzt werden können, etwa weil sie durch Geldleistung nicht oder nur unvollständig aufgewogen wer- den können, d.h. wenn ein rein ökonomischer Ausgleich keinen vollwerti- gen Ersatz begründet.13 Rein finanzielle Nachteile sind hingegen regelmäs- sig nicht schwer zu ersetzen.14 Bei rein finanziellen Nachteilen ist zusätzlich vorausgesetzt, dass bei der Gegenpartei beispielsweise mangelnde Zah- lungsfähigkeit zu befürchten respektive die Vollstreckung finanzieller An- sprüche zweifelhaft wäre oder der Schaden später nur schwer nachgewie- sen oder eingefordert werden könnte.15 6 BK ZPO II-GÜNGERICH, 2012, Art. 261 N. 30 ff. 7 HUBER (Fn. 2), Art. 261 N. 20 m.w.N.; BK ZPO II-GÜNGERICH (Fn. 6), Art. 261 N. 34; BSK ZPO- SPRECHER (Fn. 2), Art. 261 N. 29; ZÜRCHER (Fn. 2), Art. 261 N. 25; STAEHELIN/STAEHELIN/ GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 2019, § 22 N. 10. 8 BK ZPO II-GÜNGERICH (Fn. 6), Art. 261 N. 34. 9 HUBER (Fn. 2), Art. 261 N. 20 m.w.N.; BSK ZPO-SPRECHER (Fn. 2), Art. 261 N. 28b. 10 HUBER (Fn. 2), Art. 261 N. 20 m.w.N.; BSK ZPO-SPRECHER (Fn. 2), Art. 261 N. 28b. 11 HUBER (Fn. 2), Art. 261 N. 21; BK ZPO II-GÜNGERICH (Fn. 6), Art. 261 N. 35; BSK ZPO-SPRECHER (Fn. 2), Art. 261 N. 28a; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND (Fn. 7), § 22 N. 10. 12 BK ZPO II-GÜNGERICH (Fn. 6), Art. 261 N. 36. 13 HUBER (Fn. 2), Art. 261 N. 20 m.w.N.; BSK ZPO-SPRECHER (Fn. 2), Art. 261 N. 34; ZÜRCHER (Fn. 2), Art. 261 N. 29; BAUDENBACHER/GLÖCKNER, in: Baudenbacher (Hrsg.), Lauterkeitsrecht, 2001, Art. 14 N. 22. 14 BGer 5P.104/2005 vom 18. Juli 2005 E. 1.2; so wohl auch: HUBER (Fn. 2), Art. 261 N. 20. 15 ZR 112/2013 Nr. 67 S. 243 E. 7; HGer ZH HE130180 vom 27. September 2013 E. 2.3.1 und 2.3.4; vgl. auch BSK ZPO-SPRECHER (Fn. 2), Art. 261 N. 34; SHK ZPO-TREIS, 2010, Art. 261 N. 8; , Die Nachteilsprognose als Voraussetzung des vorsorglichen Rechtsschutzes, in: sic! 4/2000 S. 265-274, 270 f m.w.N. - 7 - 4.3. Würdigung Ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil wäre zwar zu bejahen, wenn die Gesuchsgegnerin das umstrittene Grundstück tatsächlich an ei- nen Dritten verkaufen würde. Vorliegend ist jedoch nicht glaubhaft darge- legt worden, dass solches droht. Es sind schlicht keine Anhaltspunkte vor- gebracht worden, wonach glaubhaft erscheint, dass die Gesuchsgegnerin das umstrittene Grundstück demnächst an einen Dritten verkaufen wird. Die Gesuchstellerin mutmasst auch selbst bloss über was die Gesuchsgeg- nerin alles tun könnte. Blosse Mutmassungen stellen jedoch keine rechts- genüglichen Tatsachenbehauptungen dar.16 Diese genügen nicht, um dem Gericht eine Tatsache glaubhaft zu machen. Soweit die Gesuchstellerin ferner behauptet, der Nachteil liege auch darin, dass sie – wohl anstelle des fraglichen Grundstücks – auch den Gewinn von Fr. 2'196'566.73 nicht mehr werde herausverlangen können, weil bei der Gesuchsgegnerin höchstwahrscheinlich kein Haftungssubstrat mehr vorhanden wäre, kann ihr ebenfalls nicht gefolgt werden: Es genügt auch im vorsorglichen Massnahmeverfahren nicht, blosse Hypothesen und Mut- massungen anzustellen. Weshalb die Gesuchsgegnerin über kein Haf- tungssubstrat mehr verfügen sollte, bleibt völlig unklar. Auch die Behaup- tung, S.S. könnte sich in den Kosovo absetzen oder den vereinnahmten Kaufpreis auf ein unbekanntes Konto überweisen bleiben unbelegt und wurden nicht glaubhaft dargelegt. Es ist daher nicht ersichtlich, weshalb der hypothetische Nachteil, die Fr. 2'196'566.73 nicht vereinnahmen zu kön- nen, nicht leicht in einem Hauptsacheverfahren wieder gutzumachen wäre. 5.Fazit Zusammenfassend ergibt sich, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer vorsorglichen Massnahme gestützt auf den behaupteten Sachverhalt nicht erfüllt sind. 6. Zustellung Die Zustellung des Gesuchs erfolgt ausschliesslich an die Gesuchsgegnerin selber, weil dem Handelsgericht keine Vollmacht eines allfälligen Rechtsvertreters der Gesuchsgegnerin vorliegt. 7. Prozesskosten Die Prozesskosten, bestehend aus den Gerichtskosten und der Parteient- schädigung, werden der unterliegenden Partei auferlegt (Art. 95 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 1 ZPO). Da das Gesuch abgewiesen wird, unterliegt die Ge- suchstellerin vollumfänglich. 16 BGer 4A_667/2014 vom 12. März 2015 E. 3.2.2. - 8 - 7.1. Gerichtskosten Unter Berücksichtigung des verursachten Aufwands sowie des Umfangs der Streitigkeit werden die Gerichtskosten auf Fr. 2'500.00 festgesetzt (§ 8 VKD, SAR 221.150). Die Gesuchstellerin hat diese mit dem beiliegenden Einzahlungsschein zu bezahlen. 7.2. Parteientschädigung Der Gesuchsgegnerin ist mit vorliegendem Gesuch kein Aufwand entstan- den. Ihr ist daher keine Parteientschädigung zuzusprechen. Der Vizepräsident erkennt: 1. Das Gesuch vom 25. Juni 2020 wird abgewiesen. 2. 2.1. Die Gerichtskosten im Umfang von Fr. 2'500.00 werden der Gesuchstelle- rin auferlegt. 2.2. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. Zustellung an: die Gesuchstellerin (Vertreter; zweifach) die Gesuchsgegnerin (mit Doppel des Gesuchs vom 25. Juni 2020 [inkl. Beilagen]) Mitteilung an: die Obergerichtskasse Rechtsmittelbelehrung für die Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff., Art 90 ff. BGG) Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen, von der schriftlichen Eröff- nung der vollständigen Ausfertigung des Entscheids an gerechnet, die Be- schwerde an das Schweizerische Bundesgericht erhoben werden. Die Beschwerde ist schriftlich oder in elektronischer Form beim Schweize- rischen Bundesgericht einzureichen. Die Beschwerdeschrift ist in einer - 9 - Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit An- gabe der Beweismittel und die Unterschriften bzw. eine anerkannte elekt- ronische Signatur zu enthalten. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid verfassungsmässige Rechte (Art. 98 ff. BGG) verletzt. Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in den Händen hat; ebenso ist der angefochtene Entscheid beizulegen (Art. 42 BGG). Aarau, 26. Juni 2020 Handelsgericht des Kantons Aargau 2. Kammer Der Vizepräsident: Der Gerichtsschreiber: Vetter Schneuwly
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2002 Zivilprozessrecht 75 [...] 23 Streitwert im Arbeitsgerichtsverfahren Massgebend für den Streitwert im Arbeitsgerichtsverfahren ist der einge- klagte Betrag, unabhängig davon, ob es sich um den Brutto- oder Netto- lohn handelt. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 18. November 2002 i.S. S. S. gegen Arbeitsgericht des Bezirks Muri Aus den Erwägungen 2. a) Das Bundesrecht sieht in Art. 343 Abs. 2 und 3 OR vor, dass die Kantone das Arbeitsgerichtsverfahren bis zu einem Streit- wert von Fr. 30'000.-- als einfaches und rasches Verfahren auszuge- stalten haben, in welchem keine Gerichtskosten auferlegt werden dürfen, unter Vorbehalt mutwilliger Prozessführung. Bei der Streit- wertberechnung nicht zu berücksichtigen ist ein allfälliges Widerkla- gebegehren. Bezüglich der Parteikosten enthält das Bundesrecht keine Regelung. b) § 369 ZPO übernimmt die Regelung gemäss Art. 343 Abs. 2 OR und hält fest, dass bis zu einem Streitwert von Fr. 20'000.-- (der Betrag im OR wurde per 1. Juni 2001 auf Fr. 30'000.-- erhöht) keine Gerichtskosten erhoben werden. Über die bundesrechtliche Regelung hinaus wird ausserdem festgehalten, dass bis zum Betrag von Fr. 20'000.-- auch keine Parteikosten ersetzt werden. Dieser Betrag gilt bezüglich der Parteikosten - trotz Änderung des Bundesrechts - weiterhin, da das Bundesrecht diesbezüglich, wie bereits erwähnt, keine Regelung enthält. 2002 Obergericht/Handelsgericht 76 c) Für die Berechnung des massgeblichen Streitwertes ist grundsätzlich kantonales Recht massgebend, mit Ausnahme der im Bundesrecht vorgesehenen Nichtberücksichtigung von Widerklage- begehren (Art. 343 Abs. 2 a.E. OR; A. Bühler / A. Edelmann / A. Killer, Kommentar zur aargauischen ZPO, Aarau 1998, § 369 N 1; a.M. Zürcher Kommentar, Der Arbeitsvertrag [Art. 319 - 362 OR], 3. A., Zürich 1996, Art. 343 N 22 [vollumfänglich nach unge- schriebenem Bundesrecht]). Abzustützen ist demnach auf die §§ 16 - 23 ZPO. Sowohl § 16 ZPO wie auch Art. 343 Abs. 2 OR verweisen für den Streitwert auf die "angehobene Klage" bzw. die "eingeklagte Forderung". Gemäss Lehre ist dabei vom eingeklagten Bruttolohn, also ohne Abzug der Arbeitnehmerbeiträge auszugehen. Allerdings hielt Rehbinder fest, der Bruttolohn sei mit dem Hinweis zuzuspre- chen, dass sich dieser Betrag reduziere, soweit der Arbeitgeber nach- weise, dass und in welchem Umfang er Sozialabzüge an die zu- ständigen Instanzen abgeführt habe (M. Rehbinder, Berner Kom- mentar, Der Arbeitsvertrag [Art. 331-355 OR], Bern 1992, Art. 343 N 13 a.E.; ebenso U. Streiff / A. von Kaenel, Arbeitsvertrag, 5. A., Zürich 1992, Art. 343 N 6 a.E.; Zürcher Kommentar, a.a.O., Art. 343 N 22). Weiter ist zu beachten, dass das Aargauische Obergericht in ei- nem im Vergleich zu den erwähnten Kommentaren neueren Ent- scheid von 1999 zum Schluss kam, die Pflicht des Arbeitgebers, die Arbeitnehmerbeiträge an die Sozialwerke weiterzuleiten, bestehe ge- genüber den Sozialwerken. Nicht der Arbeitnehmer sei Gläubiger, sondern die Sozialwerke. Demzufolge könne dem Arbeitnehmer im Urteil nur der Nettolohn zugesprochen werden (AGVE 1999 S. 40). Das Bundesgericht hat sich, soweit ersichtlich, zu dieser Frage bis jetzt noch nie geäussert. Es ist somit in Fällen, in welchen der Bruttolohn eingeklagt wurde, von diesem eingeklagten Bruttolohn als Streitwert auszuge- hen. An diesem Grundsatz ändert der Entscheid des Aargauischen Obergerichts nichts, denn auch in anderen Fällen mit Überklagung, sei dies nun mangels Aktivlegitimation oder mangels materieller Be- gründung des Anspruchs, ist immer der eingeklagte Betrag für die Streitwertberechnung massgebend. 2002 Zivilprozessrecht 77 Das im Vergleich zur einschlägigen Literatur zeitlich jüngere aargauische Urteil muss jedoch konsequenterweise zur Folge haben, dass sich der Streitwert nach dem eingeklagten Nettolohn bemisst, wenn nur dieser eingeklagt wurde. Massgebend ist immer der einge- klagte Betrag, erst recht, wenn die Sozialabzüge, welche ohnehin nicht zugesprochen werden können, nicht eingeklagt wurden. (...) 3. a) Der Beschwerdeführer reichte am 16. November 2001 beim Arbeitsgericht Muri Klage ein. Es ging dabei grundsätzlich um seinen Lohn für die Zeit von Juli bzw. September 2001 bis Januar 2002. Er beschränkte aber seine Klage ausdrücklich auf den Septem- ber-Lohn. Bei einem Bruttomonatseinkommen von Fr. 30'769.-- er- rechnete er einen Netto-Lohnanspruch von zwischen Fr. 26'153.-- und Fr. 28'753.--, welchen er im Klagebegehren geltend machte, zu- züglich Verzugszinsen. Von diesen Zahlen ist für die Berechnung des Streitwertes auszugehen, wobei gemäss § 18 Abs. 2 ZPO die Ver- zugszinsen als Nebenforderung bei der Bestimmung des Streitwertes nicht in Betracht fallen.
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AG_HG_001
AG_HG
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AG_HG_001_AGVE-2002-23_2002-11-18
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2000 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht 41 II. Schuldbetreibungs- und Konkursrecht 6 Art. 56, 63 und 174 SchKG. Die Mitteilung des Konkursentscheids ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts keine Betreibungshandlung und hat ohne Rücksicht auf die Betreibungsferien (Art. 56 SchKG) zu erfolgen. Die Betreibungsferien sind deshalb für die Berechnung der Weiterziehungsfrist gemäss Art. 174 SchKG ohne Bedeutung. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 4. Zivilkammer, vom 4. Mai 2000 in Sachen A. Kranken- und Unfallversicherung gegen P. S. Aus den Erwägungen 1. Gemäss Art. 174 Abs. 1 SchKG kann der Entscheid des Kon- kursgerichts innert zehn Tagen nach seiner Eröffnung an das obere Gericht weitergezogen werden. Der Konkursentscheid der Gerichts- präsidentin 4 des Bezirksgerichts B. vom 6. April 2000 wurde dem Beklagten am 11. April 2000 zugestellt und damit eröffnet. Die zehn- tägige Weiterziehungsfrist gemäss Art. 174 Abs. 1 SchKG begann so- mit am 12. April 2000 zu laufen (Art. 31 Abs. 1 SchKG) und endete infolge der gesetzlichen Osterfeiertage am 25. April 2000 (Art. 31 Abs. 3 SchKG). Die Mitteilung des Konkursentscheids ist keine Be- treibungshandlung und hat ohne Rücksicht auf die Betreibungsferien zu erfolgen (BGE 120 Ib 250; Bauer, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/München 1998, N. 40 zu Art. 56 SchKG). Die Betreibungsferien sind deshalb entge- gen den Ausführungen in der Weiterziehung für die Berechnung der Weiterziehungsfrist ohne Bedeutung. Die Weiterziehung vom 26. April 2000 erweist sich demnach als verspätet, weshalb darauf nicht einzutreten ist.
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AG_HG_001
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2001 Zivilrecht 39 D. Das Grundbuch 5 Art. 950 und Art. 9 ZGB, § 19 GVD; Amtliche Vermessung Gegenstand und Verfahren der amtlichen Vermessung (Erw. 1 und 3b) Wesen und Inhalt der zivilrechtlichen Klage nach § 19 GVD; Passivlegi- timation (Erw. 2a und 3b) Allfällige Fehler des Geometers oder der Vermessungskommission bilden im zivilrechtlichen Verfahren lediglich Vorfrage, können aber je nach Ausgang eine Berichtigung des Vermessungswerkes oder des Grundbuch- eintrages erfordern (Erw. 3b) Die rechtskräftige Vermessung erbringt für die durch sie bezeugten Tat- sachen nur solange vollen Beweis, als nicht die Unrichtigkeit ihres Inhal- tes nachgewiesen ist. Dem Grundeigentümer ist es unbenommen, vor dem Zivilrichter vorbehältlich des Schutzes des gutgläubigen Erwerbers das Eigentum bis zu der von ihm als richtig nachgewiesenen Grenze zu er- streiten. Ein Stillschweigen im Vermessungsverfahren kann ihm nicht entgegengehalten werden (Erw. 3c). Aus dem Entscheid des Obergerichts, 3. Zivilkammer, vom 26. Februar 2001 i.S. E.S. gegen Einwohnergemeinde X. Aus den Erwägungen 1. a) Gemäss Art. 950 ZGB erfolgt die Aufnahme und Be- schreibung der einzelnen Grundstücke im Grundbuch auf Grund eines Planes, der in der Regel auf einer amtlichen Vermessung beruht (Abs. 1). Der Bundesrat bestimmt, nach welchen Grundsätzen die Pläne anzulegen sind (Abs. 2). Gestützt auf diese Bestimmung hat der Bundesrat in der Verordnung über die amtliche Vermessung vom 18. November 1992 (VAV) Grundsätze über den Inhalt der Vermes- sung, die Vermarkung sowie die Ersterhebung, Erneuerung und Nachführung der Vermessung erlassen; der Erlass weiterer Ausfüh- 2001 Obergericht/Handelsgericht 40 rungsvorschriften wurde den Kantonen übertragen (vgl. z.B. Art. 12 und 28 Abs. 3 VAV). b) Die amtliche Vermessung gliedert sich in die Vermarkung und die eigentliche Vermessung. Die Vermarkung umfasst die Grenz- feststellung und das Anbringen von Grenzzeichen (Art. 11 VAV). Sie wird gemäss § 11 des kantonalen Dekretes über die Grundbuchver- messung vom 5. März 1915 (GVD) unter Aufsicht des Geometers und unter Mitwirkung der Vermessungskommission vorgenommen (Abs. 1). Den Grundeigentümern wird anschliessend eine allgemeine Einspruchsfrist von 30 Tagen eröffnet (Abs. 3). Soweit die Vermar- kung nicht innert der Einspruchsfrist durch Klage beim zuständigen Richter angefochten wird, gilt sie als anerkannt und rechtskräftig (Abs. 4). Der Vermarkung folgt die Parzellarvermessung (§ 15 GVD). Die vom kantonalen Vermessungsamt verifizierten Vermes- sungswerke sind während einer peremtorischen Frist von 30 Tagen zur Geltendmachung allfälliger Einsprachen öffentlich aufzulegen (Art. 28 Abs. 1 VAV; § 17 Abs. 1 GVD). Einsprachen sind dem Ge- meinderat einzureichen, der eine mündliche Verhandlung durchführt (§ 18 GVD). Kann keine Einigung erzielt werden, hat der Einspre- cher binnen 30 Tagen seine Begehren durch Klage beim zuständigen Zivilrichter geltend zu machen (§ 19 Abs. 2 GVD). Nach Durchfüh- rung der gemeinderätlichen Vermittlungsverhandlung genehmigt das Departement des Innern, - unter Vorbehalt der bestrittenen und ge- richtlich zu erledigenden Fälle - das Vermessungswerk (§ 22 GVD). 2. a) Mit Einsprache gegen die Parzellarvermessung hatte der Kläger die Rückversetzung des Grenzmarksteins von seiner Parzelle 4624 um 10 cm zur Nachbarparzelle 4625 (neu 6289) hin verlangt. Nach erfolglos verlaufener Vermittlungsverhandlung vor dem Ge- meinderat X. machte er das gleichlautende Begehren mit Zivilklage beim Bezirksgericht Y. anhängig. Dieses Begehren zielt auf eine Verschiebung der durch den streitigen Grenzstein ausgewiesenen Grundstücksgrenze in Richtung der Nachbarparzellen 4625/6289 ab, was bei Gutheissung eine Verkleinerung der letzteren respektive eine Vergrösserung der klägerischen Parzelle 4624 zur Folge hätte. Die im Vermessungswerk dargestellten Eigentumsgrenzen ent- falten - im Gegensatz zu Angaben rein tatsächlicher Natur, wie z.B. 2001 Zivilrecht 41 über die Art der Bodennutzung oder die Lage von Bauten etc. - Rechtswirkungen für Dritte. Dem Interesse des Klägers an der Be- richtigung des angeblich fehlerhaft ausgewiesenen Grenzverlaufes steht somit das Interesse desjenigen gegenüber, der durch diese Kor- rektur in seiner Rechtsstellung verschlechtert werden könnte. Die Behebung solcher Fehler mit Rechtswirkungen für Dritte darf des- halb von den Vermessungsorganen nur mit Zustimmung der durch das betreffende Recht berührten Personen oder - falls deren Einwilli- gung nicht vorliegt - aufgrund eines gegen diese gerichteten Urteiles vorgenommen werden. Die zivilrechtliche Klage hat sich daher nicht gegen das kommunale Vermessungsorgan, d.h. vorliegend gegen die Einwohnergemeinde X., sondern gegen die betroffenen Eigentümer der anderen Grundstücke und die daran dinglich Berechtigten zu richten (RBOG 1983 Nr. 16; Friedrich, Fehler in der Grundbuchver- messung, ihre Folgen und ihre Behebung, in ZBGR 1977 S. 131 ff., insb. S. 149 ff.; Homberger, Zürcher Kommentar, 1938, N 5 zu Art. 950 ZGB). (...) 3. a) Der vorinstanzliche Richter hat die Klage abgewiesen, weil der streitige Grenzmarkstein in den Jahren 1995 und 1996 ver- markt worden sei, ohne dass der Kläger damals Einsprache erhoben habe. Das Vermessungswerk stütze sich auf diese rechtskräftige Vermarkung und sei daher bezüglich der Lage des Marksteins nicht mehr anfechtbar. Der Kläger bestreitet in der Appellation, dass eine Vermarkung des fraglichen Grenzzeichens mit öffentlicher Auflage und Eröffnung der Einsprachefrist erfolgt sei; das Vermarkungsver- fahren sei entweder überhaupt nicht oder rechtsfehlerhaft durchge- führt worden. b) Einsprachen gegen das Vermessungswerk werden in einem Verwaltungsverfahren beurteilt; Gegenstand dieses Verfahrens bildet nicht die Eigentumsfeststellung, sondern die richtige Übernahme der Vermarkung in das Vermessungswerk (Schmid, Basler Kommentar, 1998, N 20 zu Art. 950). So können unrichtige Eintragungen in den aufgelegten Plänen und Akten gerügt werden (§ 19 GVD), nament- lich eine unzutreffende Flächenermittlung oder eine planerisch fal- sche, d.h. nicht mit der rechtsverbindlichen Vermarkung überein- 2001 Obergericht/Handelsgericht 42 stimmende Aufnahme des Grenzverlaufs; hingegen kann in diesem Verfahren kein Begehren um Änderung einer längst rechtsverbind- lich gewordenen Grenzvermarkung gestellt werden (AGVE 1999 S. 32). (...) Der Einsprecher, über dessen Einsprache gegen das Vermes- sungswerk keine gütliche Einigung erzielt wird, kann gemäss § 19 GVD einzig Klage beim Zivilrichter erheben, da der Kanton Aargau den in Art. 28 Abs. 3 lit. e VAV vorgeschriebenen Beschwerdeweg gegen Einspracheentscheide im Auflageverfahren eines Vermes- sungswerkes bis anhin nicht geschaffen hat. Dabei richtet sich die Klage nicht gegen die Vermessungsorgane, sondern gegen die durch die anbegehrten Änderungen in ihren dinglichen Rechten betroffenen Dritten (Erw. 2a hievor). Je nach gestelltem Begehren handelt es sich dabei um eine Grenzscheidungsklage (zur Feststellung einer - z.B. infolge von Bodenverschiebungen oder mangelhafter Grundbuchun- terlagen - ungewiss gewordenen Grenze), um eine Eigentumsklage (zur Erlangung des Eigentums am strittigen Grenzstreifen; Art. 641 ZGB), um eine Grundbuchberichtigungsklage (zur Korrektur eines bereits erfolgten falschen Grundbucheintrages; Art. 975 ZGB) oder um eine Kombination dieser Klagen (zum Ganzen: Rey, Grundlagen des Sachenrechts und das Eigentum, Bd. I, 2. A., Bern 2000, S. 489 ff; Tschümperlin, Grenze und Grenzstreitigkeiten im Sachen- recht, Diss. Freiburg 1984, S. 161 ff., 173 ff.). Allfällige Fehler des Geometers oder der Vermessungskommission bilden in diesen zi- vilrechtlichen Verfahren lediglich Vorfrage, können aber je nach Ausgang eine Berichtigung des Vermessungswerkes oder des Grund- bucheintrages erfordern (vgl. § 21 Abs. 3 GVD). (...) c) Der rechtskräftigen Vermessung kommt die Beweiskraft öf- fentlicher Urkunden i.S.v. Art. 9 ZGB zu (Art. 29 Abs. 2 VAV). Ge- mäss Art. 668 ZGB werden die Grenzen durch die Grundbuchpläne und durch die Abgrenzungen auf dem Grundstücke selbst angegeben (Abs. 1), wobei die Richtigkeit der Grundbuchpläne vermutet wird, wenn sich diese und die Abgrenzungen widersprechen (Abs. 2; Rey, Basler Kommentar, 1998, N 1 ff. zu Art. 668; Haab, Zürcher Kom- 2001 Zivilrecht 43 mentar, 1977, N 7 zu Art. 668/669). Die grössere Glaubwürdigkeit des Grundbuchplanes ist deshalb gerechtfertigt, weil Grenzzeichen leicht verschoben werden können, während die unberechtigte Ände- rung des Planes erschwert ist (Rey, a.a.O., N 10 zu Art. 668). Öffent- liche Urkunden erbringen aber gemäss Art. 9 ZGB für die durch sie bezeugten Tatsachen nur solange vollen Beweis, als nicht die Un- richtigkeit ihres Inhaltes nachgewiesen ist (Abs. 1); dieser Nachweis ist an keine besondere Form gebunden (Abs. 2). Dem Grundeigen- tümer ist es daher unbenommen, vor dem Zivilrichter vorbehältlich des Schutzes des gutgläubigen Erwerbers (Art. 973 ZGB) das Ei- gentum bis zu der von ihm als richtig nachgewiesenen Grenze zu erstreiten; insbesondere kann ihm ein allfälliges Stillschweigen im Vermessungsverfahren nicht entgegengehalten werden, denn nach der im Bundesrecht abschliessend geregelten Ordnung des Erwerbs von Grundeigentum gibt es keine Eigentumsübertragung von einem Nachbarn auf den anderen durch Unterlassen einer Einsprache bei der (fehlerhaften) Grundbuchvermessung (ZGBR 1991 S. 263 ff., PKG 1981 S. 59 ff.; Schmid, a.a.O., N 28 zu Art. 951 ZGB; Huser, Schweizerisches Vermessungsrecht, Diss. Freiburg 1994, S. 96; teil- weise abweichend: AGVE 1999 S. 32). Dem Kläger kann daher mit dem Hinweis auf eine rechtskräftige Vermarkung nicht verwehrt werden, im zivilrechtlichen Verfahren gegen seinen Nachbarn einen davon abweichenden Grenzverlauf nachzuweisen, es sei denn jener habe sein Eigentum in gutgläubigem Vertrauen auf die Richtigkeit des Grundbucheintrages erworben.
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2007 Obergericht/Handelsgericht 34 [...] 5 § 321 Abs. 1 ZPO, Art. 84 Abs. 2 SchKG. Novenrecht im Rechtsöffnungs- verfahren. Auch im summarischen Rechtsöffnungsverfahren kann vom Gläubiger nicht verlangt werden, zu Einwendungen des Schuldners, mit welchen er nicht rechnen konnte bzw. musste, bereits im Rechtsöffnungsbegehren Stellung zu nehmen, und es ist ihm daher im Beschwerdeverfahren Gele- genheit dazu zu geben, sofern er dies nicht schon mit Replik im erstinstanzlichen Verfahren tun konnte. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 4. Zivilkammer, vom 21. August 2007 in Sachen S.H.-H. gegen G.J.H.-H. Aus den Erwägungen 1.1 Gemäss Art. 84 Abs. 2 SchKG gibt der Richter des Betrei- bungsorts, welcher über Gesuche um Rechtsöffnung entscheidet, dem Betriebenen sofort nach Eingang des Gesuchs Gelegenheit zur mündlichen oder schriftlichen Stellungnahme und eröffnet danach innert fünf Tagen seinen Entscheid. Die Parteien haben deshalb ihre Behauptungen und Beweismittel mit dem Rechtsöffnungsbegehren bzw. der Stellungnahme vorzubringen und sind damit im Beschwer- deverfahren ausgeschlossen, sofern sie nicht darlegen, dass sie diese 2007 Zivilprozessrecht 35 im erstinstanzlichen Verfahren nicht mehr vorbringen konnten (§ 321 Abs. 1 ZPO). 1.2 Die Klägerin stellte in ihrer Beschwerde verschiedene neue Behauptungen auf und legte neue Beweismittel ins Recht. Der Be- klagte nahm zu diesen neuen Behauptungen der Klägerin in seiner Beschwerdeantwort Stellung, doch kann bei ihm als juristischem Laien nicht von einem konkludenten Einverständnis, auf die Einhal- tung des Novenverbots zu verzichten, ausgegangen werden (Ent- scheid der 4. Zivilkammer vom 27. April 1999 [ZSU.1999.129] Erw. 2c). Umgekehrt kann von der Klägerin nicht verlangt werden, Einwendungen des Beklagten, mit welchen sie nicht rechnen konnte oder musste, bereits in ihrer Rechtsöffnungsklage zu widerlegen. Soweit sie Kenntnis hatte von dem, was der Beklagte gegen ihr Rechtsöffnungsbegehren vorbrachte (Anrechnung von Steuerschul- den, Nebenkosten und eines Kontos auf den Namen von R.), äusserte sie sich in der Klageschrift. Hingegen konnte und musste sie die weiteren Einwendungen des Beklagten (Anrechnung der Direktzah- lungen der IV und der Banküberweisung vom 27. Dezember 2006) nicht voraussehen und dazu bereits im Rechtsöffnungsbegehren vor Vorinstanz Stellung nehmen. Sie ist daher mit diesen neuen Be- hauptungen und Beweismitteln zuzulassen.
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2000 Obergericht 78 [...] 23 § 58 Abs. 1 lit. a StPO. Amtliche Verteidigung. Voraussetzung der in dieser Bestimmung zwingend vorgeschriebenen amtlichen Verteidigung ist ein dem Beschuldigten zur Last gelegter ge- setzlicher Straftatbestand, in dessen Strafandrohung ausdrücklich eine Mindeststrafe von sechs Monaten Gefängnis oder ausschliesslich eine Zuchthausstrafe vorgesehen ist. Aus dem Entscheid des Obergerichts, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 20. August 1999 i.S. M.P.L. Sachverhalt Der Beschwerdeführer ist in einem vor Obergericht hängigen Strafverfahren wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit einem Kind, mehrfacher Schändung u.a.m. amtlich verteidigt. In einem gegen ihn später wegen Verdachts des betrügerischen Bezugs von Sozialhilfeleistungen (Art. 146 StGB) angehobenen Strafverfahren, in welchem die Staatsanwaltschaft beim Bezirksgericht B. Anklage mit dem Antrag auf Ausfällung einer unbedingten Zusatzstrafe von zwei Monaten Gefängnis und Fr. 300.-- Busse erhob, hat das Be- zirksamt B. sein Begehren um Bestellung eines amtlichen Verteidi- gers in der Person seines Anwalts mit Verfügung vom 21. Juni 1999 abgewiesen. Das Obergericht, Beschwerdekammer in Strafsachen, wies die dagegen eingelegte Beschwerde mit Entscheid vom 20. August 1999 ab. 2000 Strafprozessrecht 79 Aus den Erwägungen 1. Entgegen der Begründung zur Beschwerde sind die Voraus- setzungen für die amtliche Verteidigung gemäss § 58 StPO im vor- liegenden Fall nicht erfüllt, da die Mindeststrafdrohung gemäss Art. 146 StGB Gefängnis beträgt und eine Zuchthausstrafe nur alter- nativ in Betracht fällt. Die in der Begründung zur Beschwerde vor- genommene Auslegung von § 58 StPO geht fehl, da die abschlies- send aufgezählten Anspruchsvoraussetzungen zur Bestellung eines amtlichen Verteidigers gestützt auf die Strafandrohung zu dem Be- schuldigten zur Last gelegten Tatbestand gemäss Buchstabe a nur so verstanden werden kann, dass es sich dabei um die Mindeststrafdro- hung oder die einzige überhaupt in Betracht fallende Strafart zum jeweiligen Tatbestand handeln muss. Ansonsten bestünde etwa bei jedem einfachen Ladendiebstahl oder bei anderen offensichtlichen Bagatelldelikten, namentlich bei solchen gegen das Vermögen wie etwa der Veruntreuung, der Hehlerei oder der unrechtmässigen Ent- ziehung von Energie mit alternativer Strafandrohung von Zuchthaus in jedem Fall Anspruch auf amtliche Verteidigung, was dem Willen des Gesetzgebers offensichtlich widerspricht. Dass die vom Be- schwerdeführer vorgenommene Auslegung zu unvernünftigen Er- gebnissen führen müsste, erhellt gerade aus dem vorliegenden Fall mit einem Strafantrag von zwei Monaten Gefängnis, welcher bei gesetzlicher Mindeststrafandrohung von drei Tagen Gefängnis (Art. 146 Abs. 1 i.V.m. Art. 36 StGB) die Mindeststrafdrohung gemäss § 58 lit. a StPO bei Weitem unterschreitet. Der gesetzgeberi- sche Wille, wie er sich aus dem Wortlaut von § 58 lit. a StPO ergibt, besteht gerade darin, die Anspruchsvoraussetzungen für die Bewilli- gung einer amtlichen Verteidigung auf gravierende Tatvorwürfe zu beschränken und Bagatelldelikte davon auszunehmen. 2. (Prüfung und Verneinung der Anspruchsvoraussetzungen nach Art. 4 BV und Art. 6 Ziff. 1 Bst. c EMRK)
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Handelsgericht 2. Kammer HOR.2018.13 / as / as Art. 80 Urteil vom 7. Mai 2019 Besetzung Oberrichter Vetter, Vizepräsident Ersatzrichterin Fischer Handelsrichter Amacher Handelsrichterin Baumann Handelsrichter Bäumlin Gerichtsschreiber Schneuwly Rechtspraktikant Humbel Klägerin und Widerbeklagte J. AG, _ vertreten durch Dr. iur. Michael Hunziker und MLaw Rebecca Wyniger, Rechtsanwälte, Hintere Bahnhofstrasse 6, Postfach, 5001 Aarau Beklagte und Widerklägerin S. AG, _ vertreten durch lic. iur. Stephan Stulz, Rechtsanwalt, Hahnrainweg 4, Postfach, 5400 Baden Gegenstand Ordentliches Verfahren betreffend Forderung - 2 - Das Handelsgericht entnimmt den Akten: 1. Die Klägerin und Widerbeklagte (Klägerin) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Zug. Sie bezweckt hauptsächlich die Erbringung von Speditions- dienstleistungen (Klagebeilage [KB] 28). 2. Die Beklagte und Widerklägerin (Beklagte) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in S. Ihr Zweck besteht hauptsächlich in der Herstellung von, dem Handel mit und dem Vertrieb von Haushaltgeräten, chemischen und tech- nischen Erzeugnissen [...] in der Schweiz (KB 27). 3. Die Beklagte verkauft CO2 in Gaszylindern [...]. Die Klägerin erbrachte zeitweise für die Beklagte Speditionsleistungen. Sie war dabei mit der Auslieferung der Gaszylinder der Beklagten an deren Kunden beauftragt. Die Kunden sollten die leeren Gaszylinder (Leergut) jeweils wieder zum Rücktransport bereitstellen, da nicht der Gaszylinder an sich, sondern dessen Inhalt (CO2) von der Beklagten an deren Kunden verkauft wurde (Klage, Ziff. 3; Klageantwort, Rz. 11 ff.; Replik, Ziff. 4.8). Der Rücktrans- port des Leerguts sollte ebenfalls durch die Klägerin erfolgen. Diese liess die Transportleistung grösstenteils durch die S. T. AG ausführen (Replik, Ziff. 4.8; Widerklageduplik, Rz. 7). 4. Die Beklagte hat diverse Rechnungen für Transportleistungen der Kläge- rin nicht beglichen, weshalb diese die Beklagte betreiben liess. Der Zah- lungsbefehl des Betreibungsamts S. vom 24. April 2017 in der Betreibung Nr. _ wurde der Beklagten am 28. April 2017 zugestellt. Gleichen- tags erhob die Beklagte Rechtsvorschlag (nicht nummerierte Klagebeila- ge: Zahlungsbefehl). 5. 5.1. Mit Klage vom 28. März 2018 (Postaufgabe: 5. April 2018) stellte die Klä- gerin folgende Rechtsbegehren: " 1. Die beklagte Partei wird verurteilt der klagenden Partei € 36.200,99 samt 14,4% Zinsen seit 30.06.2016 aus € 34.809,50 samt 14.4% Zinsen seit 9.3.2017 aus € 674,64 samt 14.4% Zinsen seit 7.4.2017 aus € 716,85; zu bezahlen. - 3 - 2. Der Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. _ des S. ist aufzuheben. 3. Dies alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Partei." Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es handle sich um Ansprüche aufgrund erbrachter Speditionsleistungen. 5.2. Nach Ausübung der richterlichen Fragepflicht teilte die Klägerin mit Ein- gabe vom 16. April 2018 mit, im Rechtsbegehren sei versehentlich das Währungskennzeichen € (Euro) angeführt worden, tatsächlich handle es sich jedoch um Schweizer Franken, was sich auch aus den sonstigen Vorbringen in der Klage ergebe. 6. Mit Klageantwort und Widerklage (Klageantwort oder Widerklage) vom 29. Juni 2018 stellte die Beklagte die folgenden Rechtsbegehren: " 1. Es sei auf die Klage nicht einzutreten und die Klage sei unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Klägerin abzuweisen. Über diesen Antrag sei im Sinne eine[s] prozessleitenden Entscheides vorab zu befinden. 2. Eventualiter, nämlich falls Antrag 1 nicht gutgeheissen wird, so sei die Klage, soweit darauf eingetreten werden kann, unter Kosten- und zu Lasten der Klägerin abzuweisen. 3. Es sei die Kläger[in] im Sinne einer Widerklage zur Zahlung von nachfolgenden Teilforderungen zu verpflichten: CHF 9'513,25 mit Verzugszins von 5% seit dem 31.12.2013 CHF 15'192,00 mit Verzugszins von 5% seit dem 31.12.2014 CHF 13'594,00 mit Verzugszins von 5% seit dem 31.12.2015 CHF 10'641,00 mit Verzugszins von 5% seit dem 31.12.2016 4. D[ie] Beklagte sei zur Zahlung einer praxisgemässen zu verpflichten. 5. Die Beklagte behält sich ausdrücklich vor, die Anträge nach Vorliegen des Beweisergebnisses zu modifizieren[.] - 4 - 6. Ansonsten alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zuzüglich Mehrwertsteuer zulasten de[r] Beklagten." Zur Begründung wurde hauptsächlich ausgeführt, der klägerische Rechtsanwalt sei nicht zur Rechtsvertretung zugelassen und die Beklagte habe Anspruch auf eine Entschädigung aus Warenverlust, der von der Klägerin zu verantworten sei. 7. Mit Replik und Widerklageantwort (Replik oder Widerklageantwort) vom 10. September 2018 stellte die Klägerin die folgenden Rechtsbegehren: " 1. Es sei auf die Widerklage nicht einzutreten und diese unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Widerklägerin abzuweisen. Über diesen Antrag sei im Sinne eines prozessleitenden Bescheides vorab zu befinden. 2. Eventualiter, nämlich falls der Antrag zu 1. nicht gutgeheißen werden sollte, so sei die Widerklage, soweit darauf eingetreten werden kann, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Widerklägerin abzuweisen. 3. Es sei die Beklagte im Sinne der Klage zu verurteilen (verpflichten) der Klägerin mindestens CHF 36.200,99 samt 14,4 % Verzugszinsen seit 30.6.2016 aus CHF 34.809,50, samt 14,4 % Zinsen seit 9.3.2017 aus CHF 674,64 und samt 14,4 % Zinsen seit 7.4.2017 aus CHF 716,85 zu bezahlen. 4. Der Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. 40170431 des S. sei aufzuheben. 5. Die Beklagte sei zur Zahlung einer praxisgemäßen zu verpflichten. 6. Die Klägerin behält sich ausdrücklich vor, die Anträge nach Vorliegen der Beweisergebnisse zu modifizieren. 7. Dies alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zuzüglich zu Lasten der Beklagten." Zur Begründung hält die Klägerin an ihren Ausführungen in der Klage fest. Sie bestreitet zudem sowohl den beklagtischen Einwand gegen die Vertretungsbefugnis von Dr. Wolfgang Zarl als auch die geltend gemach- ten Forderungen. Die diesbezüglichen Vorbringen der Beklagten seien - 5 - nicht substantiiert, nicht schlüssig und unvollständig. Zudem seien die wi- derklageweise geltend gemachten Ansprüche verwirkt und verjährt. 8. Die Beklagte erstattete am 6. November 2018 ihre Duplik und Widerkla- gereplik (Duplik oder Widerklagereplik) mit folgenden Rechtsbegehren: " 1. An den gestellten Anträgen wird festgehalten. 2. Die Klägerin sei - zusätzlich - zu eine[m] vom Gericht festzulegenden Schadenersatz von mindestens CHF 11'750.-- an die Beklagte zu , mit einem mittleren Verzugszinsdatum 1.1.2014 zu 5% (, Image- und Kundenverlust, etc.). 3. D[ie] Beklagte sei zur Zahlung einer praxisgemässen zu verpflichten. 4. Die Beklagte behält sich ausdrücklich vor, die Anträge nach Vorliegen des Beweisergebnisses zu modifizieren[.] 5. Ansonsten alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zuzüglich Mehrwertsteuer zulasten des Beklagten." Zur Begründung hält die Beklagte an ihren Ausführungen in der Kla- geantwort fest und macht zudem Schadenersatz wegen Image- und Kun- denverluste bzw. Zusatzaufwänden geltend. 9. Mit Widerklageduplik vom 14. Dezember 2018 stellte die Klägerin folgen- de Rechtsbegehren: " 1. Die Beklagte/Widerklägerin sei zu verurteilen, der Klägerin CHF 36'200.99 zuzüglich 14.4 % Zins seit dem 30. Juni 2016 auf CHF 34'809.50, 14.4 % Zins seit dem 9. März 2017 auf CHF 674.64 und 14.4 % Zins seit dem 7. April 2017 auf CHF 716.85, zu bezahlen. 2. Der Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. 40170431 des S. sei im Umfang des gemäss Antrag Nr. 1 zugesprochenen aufzuheben. 3. Die Widerklage sei vollumfänglich abzuweisen. - 6 - 4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der /Widerklägerin." Zudem stellte die Klägerin folgenden Verfahrensantrag: " Die S. T. AG, Industriestrasse 38, 4415 Lausen, wird im Sinne der ein- fachen Streitverkündung gemäss Art. 78 ZPO aufgefordert, die Klägerin und Widerbeklagte im vorliegenden Verfahren zu unterstützen. Das Gericht habe diese Erklärung der Streitberufenen mitzuteilen und sie über ihre Rechte und Pflichten zu orientieren." Zur Begründung hielt die Klägerin im Wesentlichen an ihren Ausführun- gen in der Klage und Replik fest. Zum Verfahrensantrag führt die Klägerin aus, sie werde im Falle eines Unterliegens einen Anspruch gegen die S. T. AG geltend machen, da diese die Transportleistungen für die Klägerin erbracht habe. 10. Mit Eingabe vom 8. November zeigte Dr. iur. Michael Hunziker an, dass er das Mandat von Dr. Wolfgang Zarl übernommen habe. 11. 11.1. Mit Verfügung vom 17. Dezember 2018 teilte der Vizepräsident der S. T. AG die Streitverkündung der Klägerin mit und setzte ihr Frist bis zum 16. Januar 2019, um sich zur Streitverkündung zu erklären. 11.2. Mit Verfügung vom 21. Januar 2019 informierte der Vizepräsident die Par- teien, dass sich die streitberufene S. T. AG nicht vernehmen liess und der Prozess ohne Rücksicht auf diese fortgesetzt werde. 12. 12.1. Am 31. Januar 2019 verfügte der Vizepräsident: " Die Parteien haben dem Handelsgericht bis 13. Februar 2019 mitzuteilen, ob sie a) an der Durchführung einer interessiert sind sowie b) falls keine durchgeführt wird, auf eine Hauptverhandlung verzichten (Art. 233 ZPO) bzw. die Einreichung schriftlicher Schlussvorträge (Art. 232 Abs. 2 ZPO). Stillschweigen innert Frist gilt als Antrag auf Durchführung einer Haupt-verhandlung." 12.2. Mit Eingabe vom 6. Februar 2019 teilte die Beklagte mit, sie sei an einer Vergleichsverhandlung interessiert. Sollte sich kein Vergleich finden las- - 7 - sen, so halte sie an der Durchführung einer ordentlichen Hauptverhand- lung fest. 12.3. Mit Eingabe vom 11. Februar 2019 verzichtete die Klägerin sowohl auf die Durchführung einer Vermittlungs- als auch einer Hauptverhandlung. 13. 13.1. Mit Verfügung vom 12. Februar 2019 ordnete der Vizepräsident die Durchführung einer Hauptverhandlung an. 13.2. Mit Verfügung vom 19. Februar 2019 wurde die Streitsache ans Handels- gericht überwiesen und die Zusammensetzung des Gerichts bekannt ge- geben. 13.3. Am 27 Februar 2019 lud der Vizepräsident die Parteien zur Hauptver- handlung vor und erliess die Beweisverfügung. 14. Am 7. Mai 2019 fand die Hauptverhandlung statt. Anlässlich dieser wies sich MLaw Rebecca Wyniger mit einer gültigen Substitutionsvollmacht als Rechtsvertreterin der Klägerin aus. Die Parteien hielten ihre Schlussvorträge und konnten sich dabei je zwei Mal äussern. 15. Daraufhin zog sich das Handelsgericht zur Beratung zurück und fällte das Urteil. Das Handelsgericht zieht in Erwägung: 1. Zuständigkeit Das Gericht prüft die Prozessvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 60 ZPO). Darunter fallen insbesondere die örtliche und die sachliche Zustän- digkeit des angerufenen Gerichts (Art. 59 Abs. 2 lit. b ZPO). 1.1. Örtliche Zuständigkeit Die Beklagte lässt sich auf die Klage und die Klägerin auf die Widerklage i.S.v. Art. 18 ZPO ein, weshalb die aargauischen Gerichte örtlich zustän- dig sind. - 8 - 1.2. Sachliche Zuständigkeit Die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts ergibt sich sowohl für die Klage als auch die Widerklage aus Art. 6 Abs. 2 ZPO, da die geschäftliche Tätigkeit beider Parteien betroffen ist, der Streitwert je über Fr. 30'000.00 liegt und die Prozessparteien im Handelsregister eingetragen sind. 2. Formelles 2.1. Vertretung der Klägerin 2.1.1. Parteibehauptungen Die Beklagte führt aus, die Vertretung der Klägerin durch Dr. Wolfgang Zarl sei unzulässig, da sie nicht mit den Bestimmungen des Anwaltsge- setzes (BGFA) vereinbar sei. Auf die Klage sei demnach nicht einzutreten (Klageantwort, Rz. 4). Die Klägerin bestreitet dies (Replik, Rz. 3.1 ff.). 2.1.2. Rechtliches Angehörige von EU- oder EFTA-Mitgliedstaaten, die berechtigt sind, den Anwaltsberuf in ihrem Herkunftsstaat auszuüben, sind im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs berechtigt, in der Schweiz Parteien vor den Gerichtsbehörden zu vertreten (Art. 21 Abs. 1 BGFA i.V.m. Art. 5 Abs. 1 FZA). Dienstleistungserbringende Anwälte haben unter ihrer ursprüngli- chen Berufsbezeichnung in der Amtssprache ihres Herkunftsstaates auf- zutreten (Art. 24 BGFA). Eine Eintragung bei einer kantonalen Aufsichts- behörde über die Anwältinnen und Anwälte ist nur bei ständiger Vertre- tung vorausgesetzt (Art. 27 Abs. 1 BGFA). Ob die Anwaltstätigkeit "stän- dig" i.S.v. Art. 27-29 BGFA oder lediglich vorübergehend im Rahmen des Dienstleistungsverkehrs (Art. 21-26 BGFA) und damit ohne Eintragung sowie ohne Aufenthaltserlaubnis ausgeübt werden kann, ist nach ihrer Häufigkeit und Dauer zu beurteilen.1 Die Ausübung im Rahmen des Dienstleistungsverkehrs zeichnet sich dadurch aus, dass sie nur punktuell und vorübergehend erfolgt.2 2.1.3. Würdigung Dr. Wolfgang Zarl ist als Rechtsanwalt in der Liste der Rechtsanwälte der Salzburger Rechtsanwaltskammer eingetragen (KB 31). Er tritt, wie im Anhang zum BGFA für Österreich vorgesehen, unter der Berufsbezeich- nung "Rechtsanwalt" auf. Mit Eingaben vom 16. und 18. April 2018 erklär- te Dr. Wolfang Zarl, er vertrete die Klägerin bereits seit Jahren. Seine an- waltliche Tätigkeit übe er fast ausschliesslich in Österreich aus und er werde in der Schweiz nur tageweise forensisch tätig, jedenfalls weniger als 90 Tag pro Jahr (Eingabe vom 16. April 2018, Ziff. 2). Dass Dr. Wolf- gang Zarl in der Schweiz noch anderweitig anwaltlich tätig ist, ist dem Handelsgericht weder bekannt noch wird dies von der Beklagten vorge- bracht. Zudem sind weder Anstalten von Dr. Wolfgang Zarl ersichtlich, die 1 BGer 2A.536/2003 vom 9. August 2004 E. 3.2.1 f. m.w.N. 2 DREYER, in: Fellmann/Zindel (Hrsg.), Kommentar zum Anwaltsgesetz, 2. Aufl. 2011, Art. 21 N. 5. - 9 - auf die Ausübung einer ständigen gerichtlichen Vertretung i.S.v. Art. 27- 29 BGFA hinweisen würden (Büroeinrichtung, ständige Adresse in der Schweiz, etc.) noch wurden entsprechende Behauptungen von der Be- klagten vorgebracht. Demnach liegt betreffend Dr. Wolfgang Zarl keine ständige Vertretung i.S.v. Art. 27-29 BGFA vor. Da die ZPO keinen An- waltszwang kennt,3 kommt Art. 23 BGFA, entgegen der Ansicht der Be- klagten, vorliegend nicht zur Anwendung. Die von Dr. Wolfgang Zarl vorgenommenen Verfahrenshandlungen sind damit nicht zu beanstanden. 2.2. Formelle Anforderung an die Klageschrift 2.2.1. Parteibehauptungen Die Beklagte behauptet, die Klage enthalte keine Tatsachenbehauptun- gen, kein Beweismittelverzeichnis und keine genauen Verweise auf die eingereichten Beilagen. Auf die Klage sei demnach nicht einzutreten (Kla- geantwort, Rz. 4 f.). 2.2.2. Rechtliches Nach Art. 221 Abs. 1 ZPO hat eine Klage die Bezeichnung der Parteien und deren allfällige Vertreter, das Rechtsbegehren, die Angabe des Streitwerts, die Tatsachenbehauptungen, die Bezeichnung der einzelne Beweismittel zu den behaupteten Tatsachen, das Datum und die Unter- schrift zu enthalten. Als Beilagen sind zudem a) bei einer Vertretung die Vollmacht, b) die verfügbaren Urkunden, die als Beweismittel dienen sol- len, und c) ein Verzeichnis der Beweismittel einzureichen (Art. 221 Abs. 2 ZPO). Bei Einreichung einer mangelhaften Klage kann der Klägerin eine Nachfrist zur Verbesserung angesetzt werden, innert der die Mängel zu beheben sind. Bei Säumnis gilt die Eingabe als nicht erfolgt (Art. 132 Abs. 1 ZPO). Betreffend die Anforderung an die Behauptungs- und Substantiierungslast und die Frage der Beweismittelverbindung wird auf die Ausführungen un- ten in E. 3 verwiesen. Ein nicht schlüssiger oder nicht substantiierter Tat- sachenvortrag führt zur Abweisung der Klage und nicht zu einem Nicht- eintreten. 2.2.3. Würdigung Die Klage vom 28. März 2018 enthält sämtliche in Art. 221 ZPO geforder- ten Elemente. Zwar fehlte anfänglich ein Beweismittelverzeichnis. Dieses wurde jedoch mit Eingabe vom 16. April 2018 nachgereicht. Was die Tat- sachenbehauptungen angeht, so sind diese zwar äusserst kurz gehalten, doch beziehen sie sich auf die mit den Rechtsbegehren geltend gemach- ten Forderungen. 3 BK ZPO I-STERCHI, 2012, Art. 68 N. 8. - 10 - Die Klage erfüllt demnach die formellen Anforderungen. 2.3. Zulässigkeit der Widerklage Die Widerklage der Beklagten ist zulässig, da sie in der gleichen Verfah- rensart wie die Hauptklage zu beurteilen ist (ordentliches Verfahren; Art. 224 Abs. 1 ZPO) und die Beurteilung der Widerklage angesichts des Streitwertes von Fr. 60'690.25 (Klageantwort, Rechtsbegehren Ziff. 3), des Eintrags der Klägerin im Handelsregister (KB 28) sowie der Betrof- fenheit deren geschäftlichen Tätigkeit in die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts fällt.4 2.4. Zulässigkeit der Klageänderung 2.4.1. Rechtliches Eine Klageänderung ist nach Art. 227 Abs. 1 ZPO zulässig, sofern der geänderte oder neue Anspruch nach der gleichen Verfahrensart zu beur- teilen ist und a) mit dem bisherigen Anspruch in einem sachlichen Zu- sammenhang (sog. Konnexität) steht oder b) die Gegenpartei zustimmt. Zur Beurteilung des für die anwendbare Verfahrensart relevanten Streit- werts wird bei der Klageänderung auf den Gesamtstreitwert abgestellt, wie er sich nach der Erhöhung des Streitwerts ergibt.5 Der sachliche Zu- sammenhang eines geänderten Rechtsbegehrens ist dann gegeben, wenn die beiden prozessualen Ansprüche dem gleichen oder benachbar- ten Lebensvorgang entstammen. Zu fragen ist, a) ob die prozessualen Ansprüche dem gleichen (identischen) Lebensvorgang entstammen, b) ob sie aus verschiedenen, aber immerhin gleichartigen (konnexen) Klage- gründen hergeleitet werden oder c) ob bloss eine enge rechtliche Bezie- hung zwischen den Parteien besteht, ohne dass sich die Ansprüche im ursprünglichen eingeklagten Sachverhalt berühren, wobei im letzten Fall der sachliche Zusammenhang zu verneinen wäre.6 Wird die Klageänderung erst nach Aktenschluss vorgenommen, so muss sie zudem auf neuen Tatsachen oder Beweismitteln beruhen (Art. 230 Abs. 1 lit. b ZPO). 2.4.2. Würdigung 2.4.2.1. Änderung in der Widerklagereplik Die Beklagte erweitert in der Widerklagereplik ihr in der Widerklage ge- stelltes Rechtsbegehren dahingehend, dass die Klägerin zusätzlich zu ei- nem "Schadenersatz von mindestens CHF 11'750.-- an die Beklagte [...], mit einem mittleren Verzugszinsdatum 1.1.2014 zu 5 % [...]" zu verpflich- ten sei. Auch dieser Schadenersatzanspruch wäre unter Berücksichtigung 4 Vgl. VETTER, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger (Hrsg.), Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), 3. Aufl. 2016, Art. 6 N. 40 m.w.N. 5 BSK ZPO-WILLISEGGER, 3. Aufl. 2017, Art. 227 N. 38. 6 BSK ZPO-WILLISEGGER (Fn. 5), Art. 227 N. 29 ff. - 11 - des Gesamtstreitwertes im ordentlichen Verfahren zu behandeln. Sowohl der widerklageweise geltend gemachte Anspruch (Klageantwort, Rechts- begehren Ziff. 3) als auch die geänderten Widerklageansprüche (Duplik, Rechtsbegehren Ziff. 2) sind auf die Speditionsleistungen der Klägerin zu- rückzuführen (Klageantwort, Rz. 27; Duplik, Rz. 36). Damit ist auch der erforderliche sachliche Zusammenhang gegeben. Die Änderung der Widerklage ist demnach zulässig. 2.4.2.2. Änderungen anlässlich der Hauptverhandlung Die Beklagte ändert in ihrem ersten Parteivortrag anlässlich der Haupt- verhandlung ihre in der Klageantwort und Widerklage gestellten Rechts- begehren Ziff. 2 und 3 wie folgt: "Ziffer 2: Klageabweisung aufgrund von Verrechnung basierend auf den widerklageweise beantragten Teilforde- rungen und der eventualiter erhobenen Verrechnu[n]gsforderung von mindestens 11'750.-- gemäss Ziffer 2 der Klageduplik/Widerklagereplik." und "Ziffer 3:Gutheissung der Widerklage soweit diese nicht bereits auf- grund der Verrechnung gemäss Ziff. 2 berücksichtigt/getilgt worden sind (Eventualbegehren)." (Plädoyernotizen S. 1 f. [Bestandteil des Protokolls der Hauptverhandlung vom 7. Mai 2019]). Zwar liegt auch hier der erforderliche sachliche Zusammenhang vor (Art. 230 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 227 Abs. 1 lit. a ZPO). Die Beklagte führt allerdings nirgends aus und es ist auch nicht ersichtlich, gestützt auf wel- che neuen Tatsachen oder Beweismittel diese Klageänderungen fussen. Entsprechend sind die Anforderungen an eine Klageänderung nach Ak- tenschluss nicht erfüllt (Art. 230 Abs. 1 lit. b ZPO). Die anlässlich der Hauptverhandlung vorgebrachten Klageänderungen sind demnach unzulässig. 2.5. Auslegung der beklagtischen Rechtsbegehren Soweit die Beklagte anlässlich der Hauptverhandlung Hinweise zur Aus- legung ihrer Rechtsbegehren Ziff. 4 der Klageantwort und Ziff. 3 der Kla- geduplik betreffend die Parteientschädigung gibt (Plädoyernotizen S. 2 [Bestandteil des Protokolls der Hauptverhandlung vom 7. Mai 2019]), ist hiergegen nichts einzuwenden. Da es sich in beiden Fällen um offensicht- lich irrtümliche Bezeichnungen handelt, sind diese Rechtsbegehren nach Treu und Glauben so auszulegen, dass die Parteientschädigung zuguns- ten der Beklagten und Widerklägerin und zulasten der Klägerin und Wi- derbeklagten auszusprechen wären. 2.6. Noven anlässlich der Hauptverhandlung Die Beklagte reicht in ihrem ersten Parteivortrag anlässlich der Hauptver- handlung drei neue Dokumente ein (aktualisierte Fehlliste per 07.05.2019, Aufnahme einer Verpackungseinheit zum (bildlichen) Verständnis des - 12 - Geschäftsprozesses und Auszug der "J. " Website – Standorte) (Protokoll der Hauptverhandlung vom 7. Mai 2019, S. 3). Es wird weder behauptet, dass die eingereichten Fotographien und der Auszug der klägerischen Website erst nach Abschluss des Schriften- wechsels entstanden sind noch weshalb es der Beklagten trotz zumutba- rer Sorgfalt nicht möglich gewesen sein soll, diese vor Aktenschluss vor- zubringen. Diese Noven sind daher nicht zulässig. Dasselbe gilt für die neu vorgetragenen Tatsachenbehauptungen, soweit diese nicht bereits in den Rechtsschriften enthalten waren. Die aktualisierte "Fehlliste" ist so- dann für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens alleine schon deshalb irrelevant, weil sie sich auf eine vorliegend nicht relevante Zeitperiode be- zieht. Die Frage, ob sie in zulässiger Weise vorgebracht wurde, braucht daher nicht beantwortet zu werden. 3. Verhandlungsmaxime Vorliegend gilt die Verhandlungsmaxime (Art. 55 Abs. 1 ZPO). Auf die sich daraus ergebenden Obliegenheiten der Parteien ist vorab einzuge- hen: 3.1. Behauptungslast Gemäss Art. 55 Abs. 1 ZPO haben die Parteien dem Gericht die Tatsa- chen, auf die sie ihre Begehren stützen, darzulegen und die Beweismittel anzugeben. Den Prozessparteien obliegt die Behauptungslast.7 Die Auf- teilung der Behauptungslast zwischen den Parteien folgt der Beweislast- verteilung nach Art. 8 ZGB.8 Somit trägt die Behauptungslast für rechtser- zeugende Tatsachen, wer ein Recht oder Rechtsverhältnis behauptet; für rechtsaufhebende Tatsachen, wer die Aufhebung oder den Untergang ei- nes Rechts behauptet (z.B. Verwirkung, Erlass etc.) und für rechtshin- dernde Tatsachen, wer sich darauf beruft (z.B. Verjährung, Stundung etc.).9 Dementsprechend hat das Bestehen einer vertraglichen Verpflich- tung zu behaupten, wer einen vertraglichen Anspruch erhebt.10 Eine Tatsachenbehauptung hat nicht alle Einzelheiten zu enthalten; es genügt, wenn die Tatsachen, die unter die das Begehren stützenden rechtlichen Normen zu subsumieren sind, in einer den Gewohnheiten des Lebens entsprechenden Weise in ihren wesentlichen Zügen oder Umris- sen behauptet werden.11 Was offensichtlich in anderen, ausdrücklich vor- gebrachten Parteibehauptungen enthalten ist, muss nicht explizit behaup- 7 Vgl. BGer 4A_264/2015 vom 10. August 2015 E. 4.2.2, 4A_210/2009 vom 7. April 2010 E. 3.2. 8 BGE 132 III 186 E. 4. 9 Vgl. SUTTER-SOMM/SCHRANK, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger (Fn. 4), Art. 55 N. 18. 10 BGE 128 III 271 E. 2.a.aa. 11 BGer 4A_443/2017 vom 30. April 2018 E. 2.1, 4A_195/2014 und 4A_197/2014 vom 27. November 2014 E. 7.3.2 m.w.N. (nicht publ. in BGE 140 III 602). - 13 - tet werden (sog. implizite bzw. mitbehauptete Tatsachen).12 Blosse Mut- massungen stellen jedoch keine rechtsgenüglichen Tatsachenbehaup- tungen dar.13 Ist ein Tatsachenvortrag im erwähnten Sinne vollständig, so wird er als schlüssig bezeichnet, da er bei Unterstellung, er sei wahr, den Schluss auf die anbegehrte Rechtsfolge zulässt.14 Tatsachenbehauptungen sind grundsätzlich in den Rechtsschriften aufzu- stellen (Art. 221 Abs. 1 lit. d und Art. 222 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Der bloss pauschale Verweis auf Beilagen genügt in aller Regel nicht.15 Durch einen Verweis auf Urkunden können Sachverhaltselemente jedoch ausnahms- weise als behauptet gelten, wenn es überspitzt formalistisch wäre, eine Übernahme des Urkundeninhalts in die Rechtsschrift zu verlangen. Das ist jedoch nicht bereits dann der Fall, wenn die verlangten Informationen in einer Beilage in irgendeiner Form vorhanden sind. Weil ein Verweis auf Akten nicht dazu führen darf, dass die Gegenpartei und das Gericht die relevanten Tatsachen aus der Beilage selbst zusammensuchen müssen, muss auf die fragliche Information bzw. Tatsache problemlos zugegriffen werden können und es darf kein Interpretationsspielraum bestehen.16 Der entsprechende Verweis in der Rechtsschrift muss spezifisch ein bestimm- tes Aktenstück nennen und aus dem Verweis muss selbst klar werden, welche Teile des Aktenstücks als Parteibehauptung gelten sollen.17 Ein problemloser Zugriff ist gewährleistet, wenn eine Beilage selbsterklärend ist und genau die verlangten (bzw. in der Rechtsschrift bezeichneten) In- formationen enthält. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, kann ein Verweis nur genügen, wenn die Beilage in der Rechtsschrift derart kon- kretisiert und erläutert wird, dass die Informationen ohne weiteres zugäng- lich werden und nicht interpretiert und zusammengesucht werden müs- sen.18 Die in der Praxis beliebten Pauschalverweise auf eingereichte Ak- ten bzw. die allgemeine Erklärung, diese würden "integrierenden Bestand- teil" der Rechtsschrift bilden, stellen deshalb keine hinreichenden Be- hauptungen dar bzw. können fehlende Behauptungen nicht ersetzen.19 3.2. Bestreitungslast Die Kehrseite der Behauptungslast ist die sog. Bestreitungslast: Bestreitet eine Partei eine Tatsachenbehauptung ihres Gegners nicht, gilt diese als unbestritten und die betreffende Tatsache kann dem Entscheid ohne wei- teres zugrunde gelegt werden, da über nicht bestrittene Tatsachen kein 12 BGer 4A_625/2015 vom 29. Juni 2016 E. 4.1, 5P.445/2004 vom 9. März 2005 E. 2.3.2, 5C.26/1991 vom 30. September 1991 E. 3a. 13 BGer 4A_667/2014 vom 12. März 2015 E. 3.2.2. 14 BGer 4A_443/2017 vom 30. April 2018 E. 2.1, 4A_195/2014 und 4A_197/2014 vom 27. November 2014 E. 7.3.2 m.w.N. (nicht publ. in BGE 140 III 602). 15 BGer 4A_443/2017 vom 30. April 2018 E. 2.2.1 m.w.N. 16 BGer 4A_443/2017 vom 30. April 2018 E. 2.2.2, 4A_281/2017 vom 22. Januar 2018 E. 5.2 f. 17 BGer 4A_443/2017 vom 30. April 2018 E. 2.2.2. 18 BGer 4A_443/2017 vom 30. April 2018 E. 2.2.1 m.w.N. 19 BK ZPO I-HURNI, 2012 Art. 55 N. 21 m.w.N. - 14 - Beweis geführt zu werden braucht (vgl. Art. 150 Abs. 1 ZPO).20 Art. 222 Abs. 2 ZPO verlangt von der beklagten Partei, darzulegen, welche Tatsa- chenbehauptungen der klagenden Partei im Einzelnen anerkannt oder bestritten werden. Es ist deshalb empfehlenswert, die Tatsachenbehaup- tungen der Klägerin detailliert, d.h. Punkt für Punkt zu bestreiten. Bestrei- tungen sind dabei so konkret zu halten, dass sich bestimmen lässt, wel- che einzelnen Behauptungen damit bestritten werden; die Bestreitung muss ihrem Zweck entsprechend so bestimmt sein, dass die Gegenpartei weiss, welche einzelne Tatsachenbehauptung sie beweisen muss. Der Grad der Substantiierung einer Behauptung beeinflusst insofern den er- forderlichen Grad an Substantiierung einer Bestreitung; je detaillierter ein- zelne Tatsachen eines gesamten Sachverhalts behauptet werden, desto konkreter muss die Gegenpartei erklären, welche dieser einzelnen Tatsa- chen sie bestreitet. Je detaillierter mithin ein Parteivortrag ist, desto höher sind die Anforderungen an eine substantiierte Bestreitung. Diese sind zwar tiefer als die Anforderungen an die Substantiierung einer Behaup- tung; pauschale Bestreitungen reichen indessen selbst dann nicht aus, wenn sie explizit erfolgen. Erforderlich ist eine klare Äusserung, dass der Wahrheitsgehalt einer bestimmten gegnerischen Behauptung infrage ge- stellt wird.21 Auch ein implizites Bestreiten genügt unter diesen Voraus- setzungen den Anforderungen der rechtsgenügenden Bestreitung.22 3.3. Substantiierungslast Bestreitet aber der Prozessgegner den schlüssigen Tatsachenvortrag der behauptungsbelasteten Partei in rechtsgenüglicher Weise, so greift eine über die Behauptungslast hinausgehende Substantiierungslast. Die Vor- bringen sind diesfalls nicht nur in den Grundzügen, sondern in Einzeltat- sachen zergliedert so umfassend und klar darzulegen, dass darüber Be- weis abgenommen oder dagegen der Gegenbeweis angetreten werden kann.23 Das Beweisverfahren darf nicht dazu dienen, ein ungenügendes Parteivorbringen zu vervollständigen.24 Der nicht oder nicht substantiiert vorgebrachte Sachverhalt ist im Geltungsbereich der Verhandlungsmaxi- me dem nicht bewiesenen Sachverhalt gleichzusetzen.25 3.4. Bezeichnung der Beweismittel Die Parteien haben im Rahmen der Verhandlungsmaxime die einzelnen Beweismittel zu bezeichnen (vgl. Art. 221 Abs.1 lit. e ZPO, wonach die 20 BK ZPO I-HURNI (Fn. 19), Art. 55 N. 37 mit Verweis auf Art. 150 Abs. 1 ZPO. 21 BGE 141 III 433 E. 2.6; BGer 4A_443/2017 vom 30. April 2018 E. 4.1, 4A_284/2017 vom 22. Janu- ar 2018 E. 3.3. 22 SCHMID/HOFER, Bestreitung von neuen Tatsachenbehauptungen in der schriftlichen Duplik, ZZZ 2016, S. 285 m.w.N. 23 BGer 4A_443 vom 30. April 2018 E. 2.1, 4A_195/2014 und 4A_197/2014 vom 27. November 2014 E. 7.3.2 m.w.N. (nicht publ. in BGE 140 III 602). 24 DOLGE, Anforderungen an die Substanzierung, in: Dolge (Hrsg.), Substantiieren und Beweisen, 2013, S. 21; vgl. auch BGE 108 II 337 E. 3. 25 BGer 4A_210/2009 vom 7. April 2010 E. 3.2; KUKO ZPO-OBERHAMMER, 2. Aufl. 2013, Art. 55 N. 12. - 15 - Klage die Tatsachenbehauptungen sowie die Bezeichnung der einzelnen Beweismittel zu den behaupteten Tatsachen zu enthalten hat). Dazu ge- hört auch, dass aus dem Zusammenhang klar wird, inwiefern die angeru- fenen Beweismittel den angestrebten Beweis erbringen sollen. Es genügt nicht, in der Klage Behauptungen aufzustellen und pauschal auf die Kla- gebeilagen zu verweisen.26 Ein Beweismittel ist nur dann formgerecht an- geboten, wenn sich die Beweisofferte eindeutig der damit zu beweisenden Tatsachenbehauptung zuordnen lässt und umgekehrt.27 Deshalb sind die einzelnen Beweisofferten unmittelbar im Anschluss an die entsprechen- den Tatsachenbehauptungen aufzuführen, welche durch sie bewiesen werden sollen ("Prinzip der sog. Beweismittelverbindung").28 Es ist hinge- gen unzureichend, einen ganzen Sachverhaltskomplex zu behaupten und lediglich pauschal auf eine Vielzahl von Urkunden oder eine Anzahl Zeu- gen zu verweisen.29 Bei umfangreichen Urkunden ist zudem die für die Beweisführung erhebliche Stelle zu bezeichnen (Art. 180 Abs. 2 ZPO).30 4. Klage 4.1. Offene Rechnungen 4.1.1. Parteibehauptungen Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe sie mit der Ausführung spediti- oneller Leistungen beauftragt. Diese habe die Klägerin auftrags- und ord- nungsgemäss erbracht und dafür insgesamt Fr. 34'809.50 in Rechnung gestellt. Die Rechnungen seien sogleich (Klage, Rz. 3) bzw. binnen 30 Tagen (Replik, Rz. 4.11) zur Zahlung fällig gewesen. Die Beklagte habe trotz Mahnung nicht bezahlt (Klage, Rz. 3; Replik, Rz. 4.11). Die Beklagte bestreitet pauschal sämtliche klägerischen Behauptungen (Klageantwort, Rz. 3 und 23; Duplik, Rz. 4 und 35). Weiter bestreitet die Beklagte, dass die Klägerin den Vertrag ordnungsgemäss und sorgfältig ausgeführt habe (Klageantwort, Rz. 25). Ferner habe sie der Klägerin im Jahre 2016 bereits Zahlungen von über Fr. 40'000.00 geleistet (Kla- geantwort, Rz. 7) sowie am 9. März 2016 eine Zahlung von Fr. 4'188.35. Diese finde sich nirgends in den Gutschriften (Duplik, Rz. 35). 26 BGer 4A_195/2014 und 4A_197/2014 vom 27. November 2014 E. 7.3.3 m.w.N. (nicht publ. in BGE 140 III 602). 27 BGer 4A_370/2016 vom 13. Dezember 2016 E. 3.3 m.w.N. 28 BK ZPO II-KILLIAS, 2012, Art. 221 N. 29; PAHUD, in: Brunner/Gasser/Schwander, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2016, Art. 221 N. 16. ff. Das "Prinzip der sog. Beweismittelverbindung" galt auch schon in der aarg. Zivilprozessordnung (EDELMANN, in: Bühler/Edelmann/Killer, zur aargauischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 1998, § 167 N. 5). 29 BK ZPO II-KILLIAS (Fn. 28), Art. 221 N. 29. 30 BK ZPO II-RÜETSCHI (Fn. 28), Art. 180 N. 17 ff.; WEIBEL, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger (Fn. 4), Art. 180 N. 10 ff. je m.w.N. - 16 - 4.1.2. Rechtliches Für die rechtsaufhebende Einwendung der Tilgung trägt jene Partei die Beweislast, welche die Tilgung einwendet.31 Zum Entlastungsbeweis ge- hört der Nachweis der Erfüllung der eingeklagten Forderung, nicht ein- fach, dass etwas geleistet wurde. 4.1.3. Würdigung Die Parteien standen unbestrittenermassen in einem Vertragsverhältnis zueinander, das die Besorgung des Transports von Gaszylindern umfass- te. Die Klägerin behauptet knapp, dass sie ihren vertraglichen Pflichten nachgekommen sei, diese in Rechnung gestellt, gemahnt bzw. die Be- klagte betreiben lassen habe und die Beklagte nicht geleistet habe. Ein solcher Tatsachenvortrag gilt als schlüssig, weil sämtliche Tatbestandse- lemente des materiellen Anspruchs abgedeckt sind. Was die Beklagte hiergegen vorbringt, überzeugt nicht: Soweit sie nur pauschal bestreitet, werden die prozessualen Anforderungen nicht erfüllt (vgl. oben E. 3). Ist die Beklagte der Ansicht, es könne ihr keine still- schweigende Anerkennung i.S.v. Art. 222 Abs. 2 ZPO entgegengehalten werden, so verkennt sie, dass die Bestreitungslast ihr die Obliegenheit aufbürdet, die von der Klägerin ausgeführten Tatsachenbehauptungen, im Einzelnen zu bestreiten. Erforderlich ist eine klare Äusserung, dass der Wahrheitsgehalt einer bestimmten gegnerischen Behauptung infrage ge- stellt wird. Diese Anforderung kann eine pauschale Bestreitung nicht erfül- len (vgl. oben E. 3.2). Damit gelten die von der Klägerin behaupteten massgebenden Tatsachen (Vertragsbestand, Erfüllung der vertraglichen Pflichten, Rechnungstellung, Fälligkeit zum heutigen Zeitpunkt, Mahnung, Betreibung) als unbestritten und können dem Entscheid ohne Weiteres zugrunde gelegt werden. Soweit die Beklagte behauptet, sie habe der Klägerin bereits Fr. 40'000.00 und Fr. 4'188.35 bezahlt, unterlässt sie es zu behaupten, welche der klägerischen Forderungen sie damit bezahlt habe bzw. aus "auftragsrechtlicher Sorgfaltspflicht" verrechnet werden soll (Duplik Rz. 35). Ihr Vortrag ist diesbezüglich nicht schlüssig. Somit ist betreffend die Klage von einem schlüssigen und nicht bestritte- nen Tatsachenvortrag auszugehen, weshalb der Klägerin die eingeklag- ten Forderungen im Umfang von Fr. 34'809.50 zuzusprechen sind. 31 Vgl. BSK ZGB I-LARDELLI/VETTER, 6. Aufl. 2018, Art. 8 N. 58. - 17 - 4.2. Verzugszins 4.2.1. Parteibehauptungen 4.2.1.1. Zum Verzugszins Die Klägerin verlangt für die eingeklagten Forderungen von insgesamt Fr. 34'809.50 ab dem 30. Juni 2016 einen Verzugszins von 14.4 % p.a. Sie behauptet einerseits, die von ihr gestellten Rechnungen seien so- gleich (Klage, Ziff. 3) bzw. gemäss Art. 27 AB SPEDLOGSWISS (AB Sped) mit Rechnungsstellung (Replik, Ziff. 4.11) zur Zahlung fällig gewe- sen, und anderseits, die Rechnungen seien vereinbarungsgemäss innert 30 Tagen zur Zahlung fällig gewesen (Replik, Ziff. 4.11). Ab Inverzugset- zung sei gemäss Art. 27 AB Sped pro angebrochenem Monat 1.2 % (14.4 % p.a.) Verzugszins geschuldet. Die Beklagte habe trotz Fälligkeit und Mahnungen keine Zahlung geleistet (Klage, Rz. 3; Replik Rz. 4.11). Zur Fälligkeit und zu den behaupteten Mahnungen der Klägerin äussert sich die Beklagte nicht. 4.2.1.2. Zur Geltung der AB Sped Zur Geltung der AB Sped behauptet die Klägerin, diese seien zwischen den Parteien vereinbart worden (Klage, Ziff. 3). Auf die Verwendung der AB Sped als Geschäftsgrundlage sei während der mehrere Jahre dauern- den Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien gut lesbar auf sämtlichen Offerten, Rechnungen und E-Mails hingewiesen worden. Der Geltung der AB Sped habe die Beklagte nie widersprochen (Replik, Rz. 4.2). Die AB Sped gälten auch aufgrund stillschweigender Vereinbarung, wenn in einer Geschäftsbeziehung Aufträge laufend unter Hinweis auf die Einbeziehung dieser Bestimmungen erteilt würden. Dies sei hier der Fall (Replik, Rz. 4.3). Die Beklagte bestreitet, dass die AB Sped Vertragsbestandteil geworden seien (Klageantwort, Rz. 24; Duplik, Rz. 33). Die von der Klägerin aufge- führte Offerte vom 22. Dezember 2015, die in der Periode 2016 zur An- wendung gelangt sei (KB 1), erwähne die AB Sped nicht. Diese seien nie Gegenstand der Vertragsverhandlungen und der Offerten gewesen (Kla- geantwort, Rz. 24; Duplik, Rz. 33). 4.2.2. Rechtliches Nach Art. 104 Abs. 1 OR hat der Schuldner Verzugszins zu leisten, wenn er sich mit der Zahlung der Geldschuld im Verzug befindet. Der gesetzli- che Verzugszins beträgt 5 % p.a. (Art. 104 Abs. 1 OR). Falls die Parteien einen höheren Zinssatz als 5 % p.a. vereinbart haben, kann gemäss Art. 104 Abs. 2 OR dieser auch während des Verzugs gefordert werden.32 32 BK OR-WEBER, 2000, Art. 104 N. 71 m.w.N. - 18 - Der Schuldnerverzug setzt die Fälligkeit der Forderung voraus (Art. 102 Abs. 1 OR). Fällig ist eine Forderung dann, wenn deren Gläubiger die Leistung fordern und einklagen darf.33 Dabei gilt der Grundsatz, dass eine Forderung sofort fällig wird, sofern nichts anderes verabredet wurde oder sich aus der Natur des Rechtsverhältnisses ergibt (Art. 75 OR). Ist eine Verbindlichkeit fällig, wird der Schuldner grundsätzlich durch Mahnung des Gläubigers in Verzug gesetzt (Art. 102 Abs. 1 OR), sofern nicht be- reits ein bestimmter Verfalltag verabredet wurde (Art. 102 Abs. 2 OR). Die Mahnung ist eine an den Schuldner gerichtete Erklärung des Gläubigers, durch die er in unmissverständlicher Weise, die unverzügliche Erbringung der fälligen Leistung beansprucht.34 In der Mahnung muss der Gläubiger den Schuldner daher unmissverständlich zur Leistung auffordern35 und klar angeben, in welchem Umfang er Leistung fordert. Geldforderungen sind daher zu beziffern.36 Ohne vorgängige Mahnung laufen die Zinsen erst ab Zustellung des Zahlungsbefehls, dem dann die Funktion einer Mahnung zukommt.37 Bei den AB Sped handelt es sich um sog. Allgemeine Geschäftsbedin- gungen (AGB).38 Diese sind Vertragsbestimmungen, die im Hinblick auf eine Vielzahl von Verträgen eines bestimmten Typs generell vorformuliert wurden.39 AGB können nur Geltung erlangen, wenn sie von den Parteien übernommen wurden ("Keine Geltung ohne Übernahme"). Der Einbezug der AGB bedarf folglich des Konsenses durch die Parteien.40 Die Abrede über den Einbezug der AGB muss jedoch nicht zwingend ausdrücklich, sondern kann auch stillschweigend erfolgen. Ein stillschweigender Einbe- zug ist dann anzunehmen, wenn beide Parteien die Geltung der betref- fenden AGB als selbstverständlich voraussetzen. Unter Kaufleuten gilt in- dessen der aus Treu und Glauben (Art. 2 Abs. 1 ZGB) ergehende Grund- satz, dass AGB, auf die Bezug genommen wird, jeweils Vertragsinhalt werden, wobei dies selbst bei grundsätzlich regelmässig erfolgter, im Ein- zelfall aber unterbliebener Verwendung der AGBs gelte. Bei einem Kauf- mann, welcher regelmässig die Beförderungswirtschaft in Anspruch nimmt und um den Bestand solcher AGB weiss, darf gar erwartet werden, dass er diese selbst wegbedingt, wenn er sie nicht zur Anwendung kommen lassen will.41 Nach SCHULER ist deshalb der Kunde, der vom Verwei- 33 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Band 1, 10. Aufl. 2014, N. 45; GAUCH/SCHLUEP/ EMMENEGGER, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, Band 2, 10. Aufl. 2014, N. 2153 ff. 34 BSK OR I-WIEGAND, 6. Aufl. 2015, Art. 102 N. 5. 35 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER (Fn. 33), N. 2705. 36 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER (Fn. 33), N. 2708. 37 GUHL/KOLLER, Das Schweizerische Obligationenrecht mit Einschluss des Handels- und Wertpapier- rechts, 9. Aufl. 2000, § 32 N. 11. 38 Vgl. BGE 77 II 154; ISLER, ZSR 1982, S. 379. 39 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID (Fn. 33), N. 1117. 40 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID (Fn. 33), N. 1128. 41 ISLER (Fn. 38), S. 384, unter Verweis auf BGE 77 II 154 E. 4. - 19 - sungswillen auf die betreffenden AGB Kenntnis haben musste, gehalten, den Widerspruch dem Verweisenden zu erklären, wenn er die Geltung der AGB verhindern will.42 Was deren Inhalt angeht, genügt es, dass die an- dere Partei, die in nicht zu übersehender Weise, auf das Bestehen allge- meiner Geschäftsbedingungen aufmerksam gemacht wird, die Möglichkeit hat, sich von deren Inhalt Kenntnis zu verschaffen. Ob sie sich dazu die Mühe macht, ist rechtlich bedeutungslos.43 4.2.3. Würdigung 4.2.3.1. Geltung AB Sped Soweit die Klägerin in ihrer Klage in allgemeiner Weise auf "Aufträge", "Rechnungen", "Transportunterlagen", "Kontoauszug", "AB SPEDLOG- SWISS", "Zeugen" und "Parteienvernehmung" als Beweismittel verweist, um die Geltung der AB Sped zu beweisen, genügt sie ihrer Obliegenheit, die Beweismittel mit den zu beweisenden Tatsachen in eine sinnvolle Verbindung zu bringen ("Prinzip der sog. Beweismittelverbindung"; vgl. oben E. 3.4), nicht: Es ist weder die Aufgabe des Gerichts noch der Ge- genpartei, aus einer solchen Vielzahl an Beweismitten jene herauszusu- chen, welche die klägerischen Behauptungen beweisen sollen. Aus der Klage kann die Geltung der AB Sped somit nicht nachgewiesen werden. In ihrer Replik führt die Klägerin aus, Hinweise auf die AB Sped hätten sich gut lesbar während der mehrere Jahre dauernden Geschäftsbezie- hung auf sämtlichen Offerten sowie auf allen Rechnungen, E-Mails etc. der Klägerin befunden. Als Beweismittel nennt sie auch hier nur pauschal "AB SPEDLOGSWISS", "Offerte", "Rechnungen", "Korrespondenz der Klägerin", "Zeuge G.G.", "Parteienbefragung". Auch hier handelt es sich um einen pauschalen Verweis auf zahlreiche Beweismittel, womit die Klä- gerin ihrer Obliegenheit zur Bezeichnung der Beweismittel nicht nach- kommt. Es ist weder die Aufgabe des Gerichts noch der Gegenpartei, herauszufinden, welche konkreten Beweismittel die Klägerin mit solch pauschalen Bezeichnungen meint. In Bezug auf den Zeugen G.G. ver- passt es die Klägerin ferner auszuführen, inwiefern dieser Hinweise zur Vereinbarung der AB Sped liefern können soll. Kommt hinzu, dass die Parteien bereits mit Verfügung vom 12. Juli 2018 eingehend auf die aus der Verhandlungsmaxime folgenden Obliegenheiten aufmerksam ge- macht wurden. Weil die Beklagte besonders auf die Offerte für das Jahr 2016 (KB 1) ein- geht, sei an dieser im Sinne eines Beispiels zudem festgehalten, dass diese keinen Verweis auf die AB Sped enthält. Diese Offerte kann daher den Einbezug der AB Sped für das Jahr 2016 nicht beweisen. Im Übrigen 42 SCHULER, Über Grund und Grenzen von AGB, 1978, S. 26 f. 43 BGE 77 II 154 E. 4; ISLER (Fn. 38), S. 383. - 20 - behauptet die Klägerin auch nicht, dass die Beklagte um das Bestehen der AB Sped wusste oder hätte wissen müssen. Soweit die Klägerin in ihrer Widerklageduplik weitere Ausführungen zur Geltung der AB Sped macht und zusätzliche Beweismittel einreicht, ist sie nicht zu hören: Der Aktenschluss fiel für die Klage mit Erstattung der Dup- lik durch die Beklagte. Später können Tatsachen und Beweismittel nur noch unter den Einschränkungen des Novenrechts nach Art. 229 ZPO vorgebracht werden. Es ist weder ersichtlich noch begründet die Klägerin, weshalb es sich bei den neuen Tatsachenbehauptungen und Beweismit- teln in der Widerklageduplik um zulässige echte oder unechte Noven handeln soll. Die entsprechenden Behauptungen in der Widerklageduplik sind daher für die Klage nicht zu beachten. Es kann damit festgehalten werden, dass die AB Sped im Zusammen- hang mit den vorliegend zu beurteilenden Forderungen der Klägerin nicht Vertragsbestandteil geworden sind. 4.2.3.2. Verzugszins Die Klägerin behauptet nur in widersprüchlicher Weise, wann ihre in Rechnung gestellten Forderungen fällig geworden sein sollen. Damit liegt für die behauptete Parteiabrede kein schlüssiger Tatsachenvortrag vor. Da die AB Sped nicht gültig einbezogen wurden (vgl. oben E. 4.2.3.1), richtet sich die Fälligkeit nach dispositivem Recht, womit die Forderungen gemäss Art. 75 OR sofort fällig wurden, d.h. die letzte Rechnung am 31. Januar 2017. Auf weitere Ausführungen zu den Fälligkeiten der davor gestellten einzelnen Rechnungen der Klägerin kann daher verzichtet wer- den. Ein Anspruch auf Verzugszins entsteht jedoch erst per Verzugseintritt (vgl. Art. 104 OR). Die Klägerin erwähnt zwar, dass sie die Beklagte ge- mahnt habe, behauptet jedoch nicht, wann diese Mahnung ausgespro- chen wurde bzw. der Beklagten zugegangen ist. Daran vermag der offe- rierte Beweis "Mahnungen" nach Rz. 4.12 der Replik nichts zu ändern: Weder genügte die Beweisofferte dem Erfordernis des Prinzips der Be- weismittelverbindung (vgl. oben E. 3.4) noch lässt die Beweisbezeichnung einen zweifellosen Schluss auf das betreffende Dokument in den Beweis- unterlagen zu. Demnach wurde die Beklagte erst mit Zustellung des Zahlungsbefehls am 28. April 2017 in Verzug gesetzt. Ein gesetzlicher Verzugszins im Umfang von 5 % ist damit erst ab dem 28. April 2017 geschuldet. - 21 - 4.3. Mahn- und Betreibungskosten 4.3.1. Parteibehauptungen Die Klägerin macht neben der Forderung aufgrund erbrachter Speditions- leistungen und den Verzugszinsen Mahnkosten von Fr. 674.64 und für den Verzug vereinbarte Betreibungskosten von Fr. 716.85, jeweils zzgl. 14.4 % Zinsen seit dem 9. März 2017 bzw. dem 7. April 2017 geltend (Klage, Rechtsbegehren Ziff. 1 und Rz. 3). Die Beklagte bestreitet diese Forderungen nur pauschal (vgl. dazu oben E. 4.1.3). 4.3.2. Rechtliches und Würdigung 4.3.2.1. Mahnkosten Befindet sich der Schuldner im Verzuge, so hat er Schadenersatz wegen verspäteter Erfüllung zu leisten (Art. 103 Abs. 1 OR). Er kann sich von dieser Haftung durch den Nachweis befreien, dass der Verzug ohne jedes Verschulden von seiner Seite eingetreten ist (Art. 103 Abs. 2 OR). Hat der Gläubiger einen grösseren Schaden erlitten, als ihm durch die Verzugs- zinsen vergütet wird, so ist der Schuldner zum Ersatze auch dieses Scha- dens verpflichtet, wenn er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle (Art. 106 Abs. 1 OR). Art. 103 OR und Art. 106 OR sind dis- positives Recht.44 Da der Schuldner erst mit Mahnung in Verzug fällt, sind die mit der Mah- nung verbundenen Kosten vom Gläubiger selber zu tragen. Ist der Schuldner jedoch in Verzug, muss er die Kosten für weitere Mahnungen tragen, es sei denn, diese erscheinen überflüssig oder aussichtslos.45 Die Klägerin behauptet nicht, wofür die Mahnkosten geschuldet sein sol- len. Es ist nicht ersichtlich, ob diese sich auf Kosten vor oder nach Ver- zugseintritt der Beklagten beziehen. Der klägerische Tatsachenvortrag ist daher nicht schlüssig, weshalb die Klage insoweit abzuweisen ist. 4.3.2.2. Betreibungskosten Gemäss Art. 68 Abs. 1 SchKG trägt der Schuldner die Betreibungskosten; der Gläubiger hat diese lediglich vorzuschiessen. Der Gläubiger ist be- rechtigt, von den Zahlungen des Schuldners die Betreibungskosten vorab zu erheben (Art. 68 Abs. 2 SchKG). Diese Bestimmung ist so zu verste- hen, dass diese Kosten im Ergebnis zur Schuld geschlagen werden und vom Schuldner zusätzlich zu dem dem Gläubiger zugesprochenen Betrag zu bezahlen sind. Da die Betreibungskosten dem Gläubiger bei erfolgrei- cher Betreibung von Gesetzes wegen zustehen, bedarf es zur Durchset- 44 BK OR-WEBER (Fn. 32), Art. 103 N. 8 und Art. 106 N. 8. 45 CHK OR-FURRER/WEY, 3. Aufl. 2016, Art. 102 N. 32, m.w.N. - 22 - zung der Kostenersatzpflicht weder eines Urteils noch eines Rechtsöff- nungsentscheids.46 Entsprechend steht der Klägerin kein Anspruch auf Ersatz der Betrei- bungskosten zu, den sie mittels Klage durchsetzen könnte. 4.4. Verrechnungsforderung Die Beklagte macht im Sinne einer Eventualverrechnung für jede noch of- fene Fehlmengenposition einen pauschalen Schadenersatz von Fr. 250.00, insgesamt Fr. 11'750.00, aufgrund von Umtrieben, Imagever- lust, Kundenverlust etc. geltend (Klageantwort Rz. 22). Die Beklagte bleibt dabei jedoch jegliche diesbezüglichen Ausführungen schuldig. Sie zeigt nicht auf, welche Kunden ihr abgesprungen sein sollen, wie hoch der ausgebliebene Gewinn pro abgesprungenem Kunden gewesen sei und weshalb dies in irgendeiner Relation zur Menge an fehlendem Leergut stehen sollte. Ebenso unklar bleibt, weshalb der Ruf der Beklagten durch das allenfalls nicht zurücktransportierte Leergut geschädigt worden sein soll. Auf die Verrechnungsforderung der Beklagten ist daher nicht weiter einzugehen. 5. Widerklage 5.1. Parteibehauptungen Die Beklagte behauptet, aufgrund der unsorgfältigen Arbeitsweise der Klägerin sei es regelmässig zu grösseren Fehlmengen im Leergut der Be- klagten gekommen. Die Klägerin habe es teilweise unterlassen, von den Kunden der Beklagten zum Rücktransport bereitgestelltes Leergut wieder zurückzunehmen. Weiter sei Leergut verloren gegangen. Dies sei der Klägerin zuzuschreiben und diese habe ihr den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen (Widerklage, Rz. 16). Der Betrag der Fehlmenge für die Jahre 2013-2016 belaufe sich auf gesamthaft Fr. 53'762.50 (Wider- klage, Rz. 19). Weiter behauptet die Beklagte, sie habe Listen mit fehlen- den Retouren geführt. Diese seien laufend aktualisiert und zusammen mit Fehlmeldungen und Reklamationen der Klägerin zugestellt worden (Dup- lik- und Widerklagereplikbeilagen [DRB] 13-21). Vor diesem Hintergrund beantragt die Beklagte in ihrer Widerklage, die Klägerin sei zur Zahlung von gesamthaft Fr. 48'940.25 (zzgl. jeweils 5 % Zinsen auf den einzelnen Teilforderungen) zu verpflichten (Widerklage, Rechtsbegehren 3). Die Beklagte macht in ihrer Widerklageänderung ein zusätzliches Rechts- begehren geltend, wonach die Klägerin zur Zahlung von Fr. 11'750.00 zzgl. 5 % Zinsen seit mittlerem Verzugszinsdatum 1.1.2014 zu verpflich- ten sei. In der Widerklagereplik führt sie dazu aus, die Korrespondenz aufgrund der unsorgfältigen Ausführung der Fracht zähle über 550 Positi- onen (Widerklagereplik, Rz. 36; DRB 33). Für jede Position sei durch- 46 BSK SchKG I-EMMEL, 2. Aufl. 2010, Art. 68 N. 16 m.w.N. - 23 - schnittlich ein Arbeitsaufwand von 30 Minuten für die Entgegennahme der Reklamation, die Recherche, das Telefonat an die Klägerin etc. zu rech- nen. Damit ergebe sich ein Administrativaufwand von 275 Stunden, der, mit einem Sachbearbeiterstundenlohn von Fr. 48.00 multipliziert, ein Total von Fr. 13'200.00 ergebe (Widerklagereplik, Rz. 36). Die Klägerin bestreitet die Forderungen der Beklagten und behauptet, es seien sämtliche Aufträge der Beklagten ordnungsgemäss ausgeführt wor- den (Replik, Rz. 5.1 und Rz. 5.27 ff.). Während der Geschäftsbeziehung sei es oftmals vorgekommen, dass sie bei den Kunden der Beklagten zwar Leergut habe mitnehmen wollen, dies jedoch nicht habe tun können, weil der betreffende Kunde kein Leergut zum Abtransport bereitgestellt habe. Solche Zylinder seien sodann in der Liste der Beklagten als Fehl- position eingebucht bzw. bei tatsächlicher Rückgabe als Sollstand nicht wieder ausgebucht worden. Dementsprechend zeige die beklagtische Lis- te lediglich eine vorübergehende Fehlmenge, die ohnehin nicht korrekt sei; die fehlenden Zylinder seien jeweils zum erstmöglichen Zeitpunkt wieder zurückgeführt worden. Somit sei der Beklagten gar kein Schaden entstanden (Widerklageduplik, Rz. 17 ff.). Ohnehin würde sie allenfalls gemäss Art. 21 AB Sped nur für die sorgfältige Auswahl und Instruktion der von ihr unterbeauftragten S. T. AG haften. Sie habe dieses Unter- nehmen mit höchstmöglicher Sorgfalt ausgewählt (Widerklageduplik, Rz. 62 f.). Hinzu komme, dass die Forderungen der Beklagten aufgrund deren vorbehaltlosen Annahme der Güter und Bezahlung der Fracht nach Art. 452 OR verwirkt seien, da die Beklagte bis 2016 die Fehlmengen niemals fristgerecht – bei äusserlich erkennbaren Mängeln also innert 8 Tagen – gerügt und zudem vorbehaltlos bezahlt habe (Widerklagedup- lik, Rz. 64 ff.). Zudem seien sämtliche geltend gemachten Ansprüche längst verjährt (Widerklageduplik, Rz. 67 ff.). In Bezug auf das geänderte Rechtsbegehren der Widerklage führt die Klägerin aus, es sei nicht ersichtlich, wer Empfänger bzw. Absender der Nachrichten sei. Zudem sei weder klar, dass die Lieferungen von ihr aus- geführt worden seien noch dass die Korrespondenz auf ihr Verschulden zurückzuführen sei (Replik, Rz. 5.14; Widerklageduplik, Rz. 59 ff.). 5.2. Würdigung Die Beklagte genügt ihren prozessualen Obliegenheiten zur Geltendma- chung eines Schadenersatzanspruchs nicht: Soweit sie behauptet, die Klägerin habe es häufig unterlassen, Leergut zurückzunehmen, und die Dienstleistungen der Klägerin hätten regelmässig grosse Ausfälle und Fehlmengen verursacht, bleibt sie unbestimmt und substantiiert ihren Tat- sachenvortrag, obwohl bestritten, in keiner Weise (vgl. oben E. 3.3). Es kann auf folgendes Beispiel aus der Widerklage hingewiesen werden: - 24 - Es ist weder die Aufgabe des Gerichts noch der Gegenpartei, die als Sammelbeilage eingereichten Lieferscheine zu durchsuchen und die sich daraus ergebenden Verluste an Leergut zusammenzurechnen (vgl. oben E. 3.1). Es hätte der Beklagten oblegen, mindestens zu behaupten, wann die Klägerin für sie Transportaufträge ausführte oder ausführen liess, wie- viel Leergut dabei pro Transportauftrag hätte mitgenommen werden sollen und wieviel Leergut tatsächlich bei der Beklagten angekommen ist, und diese Behauptungen im Einzelnen mit tauglichen Beweismitteln zu unter- mauern. Soweit die Beklagte in ihrem Parteivortrag anlässlich der Haupt- verhandlung vorträgt, dies obliege nicht ihr, sondern der Klägerin, da es ihre Vertragspflicht gewesen sei, über das Leergut Listen zu führen (Pro- tokoll der Hauptverhandlung vom 7. Mai 2019, S. 6 f.), verwechselt sie die allfälligen materiellrechtlichen Vertragspflichten mit der Beweislast. Es ist die Beklagte, die aus dem Umstand des fehlenden Leerguts Ansprüche ableitet, weshalb auch ihr und nicht der Klägerin der diesbezügliche Be- weis obliegt (vgl. auch Ziff. 4.1 der Beweisverfügung vom 27. Februar 2019). Auch soweit die Beklagte behauptet, aufgrund der von ihr geführten Lis- ten ergebe sich betreffend die Jahre 2013-2016 eine Fehlmenge im Um- fang von Fr. 53'762.50, und auf andere Sammelbeilagen verweist, genügt sie ihrer Behauptungsobliegenheit nicht. Tatsachenbehauptungen sind grundsätzlich in den Rechtsschriften aufzustellen. Der bloss pauschale Verweis auf Beilagen genügt nicht. Es ist weder die Aufgabe des Gerichts noch der Gegenpartei, sich die erforderlichen Tatsachen aus Beilagen zu- sammenzusuchen (vgl. oben E. 3.1). In diese Kategorie gehört auch fol- gendes Beispiel aus der Widerklagereplik, wobei zu beachten ist, dass die Sammelbeilagen DRB 13-21 über hundert Seiten enthalten: - 25 - Weil die Beklagte damit nicht substantiiert behauptet, für welches fehlen- de Leergut die Klägerin verantwortlich ist, sind dazu auch keine Beweise abzunehmen. Im Geltungsbereich der Verhandlungsmaxime ist der nicht oder nicht substantiiert vorgebrachte Sachverhalt dem nicht bewiesenen Sachverhalt gleichzusetzen (vgl. oben E. 3.3). Bei diesem Aktenstand kann von einer unsorgfältigen Tätigkeit der Klägerin keine Rede sein. Insoweit die Beklagte behauptet, die von der Klägerin beauftragten Per- sonen hätten kriminell gehandelt, indem sie für Druckbehälter ein Depot verlangt hätten, lässt sie jegliche Ausführung zu dem ihr dadurch entstan- den Schaden vermissen. Auch in Bezug auf das angeblich fehlende Leergut unterlässt es die Be- klagte, substantiierte Ausführungen zur Schadenshöhe zu machen: Sie führt zwar aus, diese betrage Fr. 53'762.50. Obwohl bestritten, finden sich aber nirgends Ausführungen zur Anzahl Leergut, das fehlt, und zum Wert des Leerguts, sodass auch hier eine Beweisabnahme zu unterbleiben hat. Kommt hinzu, dass die Beklagte selbst ausführt, die in der entsprechen- den Liste genannten Totalsummen und Bezeichnungen könnten Unge- nauigkeiten enthalten, die Einzeleinträge seien jedoch korrekt. Es ist we- der die Aufgabe des Gerichts noch der Gegenpartei, fehlerhafte Scha- denslisten nachzurechnen und von Amtes wegen zu korrigieren, was die Beklagte in Rz. 8 ihrer Klageantwort selbst festhält. Was die Beklagte in - 26 - Rz. 32 der Widerklagereplik mit der Behauptung, der Warenwert sei mit den vorhandenen Unterlagen ausgewiesen, aufzeigen will, bleibt unklar. Es ist nicht ersichtlich, auf welche Unterlagen sich die Beklagte hier be- ziehen will. Selbst wenn daher die unsorgfältige Tätigkeit der Klägerin nachgewiesen wäre, mangelte es jedenfalls am Nachweis des behaupte- ten Schadens. Soweit die Beklagte widerklageweise eine Schadenersatzforderung für ei- nen Administrativaufwand von 275 Stunden à Fr. 48.00 geltend macht, führt sie gleich selbst aus, dieser Aufwand sei nur geschätzt. Dabei unter- lässt sie aber erneut jegliche Ausführungen zu den konkreten Positionen. Weiter unterlässt es die Beklagte auch jene Behauptungen aufzustellen, welche es dem Gericht ermöglichen würden, einen Schaden nach Art. 42 Abs. 2 OR schätzen zu können.47 Die Widerklage ist demnach vollumfänglich abzuweisen. 6. Prozesskosten 6.1. Verlegung und Streitwert Die Prozesskosten bestehen aus den Gerichtskosten und der Parteient- schädigung (Art. 95 Abs. 1 ZPO). Die Prozesskosten werden der unterlie- genden Partei auferlegt. Hat keine Partei vollständig obsiegt, werden die Prozesskosten nach Ausgang des Verfahrens verteilt (Art. 106 Abs. 1 und 2 ZPO). Der Klägerin obsiegt mit ihrer Klage zu mehr als 96 % (Fr. 34'809.50 / Fr. 36'200.99). Zugleich unterliegt die Beklagte mit ihrer Widerklage voll- umfänglich, weshalb es sich rechtfertigt, sämtliche Prozesskosten der Be- klagten aufzuerlegen. Sofern sich Klage und Widerklage nicht gegenseitig ausschliessen, wer- den die Streitwerte zur Bestimmung der Prozesskosten zusammenge- rechnet (Art. 94 Abs. 2 ZPO). Vorliegend schliessen sich Klage und Wi- derklage nicht gegenseitig aus, da beide unabhängig voneinander hätten gutgeheissen bzw. abgewiesen werden können. Die klägerischen Rechtsbegehren weisen einen Streitwert von Fr. 36'200.99 auf (Art. 91 Abs. 1 i.V.m. Art. 93 Abs. 1 ZPO) und die Widerklage einen Streitwert von Fr. 60'690.25 (Art. 91 Abs. 1 i.V.m. Art. 93 Abs. 1 ZPO). Zusammenge- rechnet resultiert ein Gesamtstreitwert von Fr. 96'891.24. 6.2. Gerichtskosten Die Gerichtskosten bestehen einzig aus der Entscheidgebühr (Art. 95 Abs. 2 lit. b ZPO). Diese bemisst sich nach dem Streitwert. Der Grundan- satz für die Gerichtsgebühr beträgt bei einem Streitwert von Fr. 96'891.24 47 Vgl. zu den Anforderungen von Art. 42 Abs. 2 OR BGE 143 III 297 E. 8.2.5.2. - 27 - gemäss § 7 Abs. 1 Zeile 5 VKD rund Fr. 7'550.00. Die Gerichtskosten von Fr. 7'550.00 werden im Umfang von Fr. 4'225.00 mit dem von der Beklag- ten geleisteten und im Umfang von Fr. 3'325.00 mit dem von der Klägerin geleisteten Kostenvorschuss verrechnet (Art. 111 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Beklagte hat dem Kläger den Betrag von Fr. 3'325.00 direkt zu ersetzen (Art. 111 Abs. 2 ZPO). Ein allfälliger Überschuss steht der Klägerin zu. 6.3. Parteientschädigung Die Klägerin reicht anlässlich der Hauptverhandlung eine Kostennote ein. Diese basiert grundsätzlich auf dem AnwT, weshalb die Parteientschädi- gung nach diesem zu berechnen ist. Soweit die Klägerin Barauslagen im Umfang von Fr. 1'870.10 geltend macht, unterlässt sie es darzulegen, für welche Tätigkeiten diese notwendig wurden (bspw. Anzahl Kopien zu welchem Preis pro Blatt, Porti für welche Eingaben), sodass sie nicht nachvollziehbar sind. Einzig für die Kosten des DHL-Kurierdienst im Um- fang von Fr. 215.30 gibt die Klägerin das Datum des 7. Dezembers 2018 an. An diesem Tag hat die Klägerin allerdings lediglich ein Fristerstre- ckungsgesuch eingereicht, weshalb nicht nachvollziehbar ist, weshalb hierfür derart hohe Kosten angefallen sein sollen, zumal das Büro der Rechtsvertreter der Klägerin bloss ca. 200 Meter vom Handelsgericht ent- fernt liegt. Bei einem Streitwert von Fr. 96'891.24 bemisst sich die Parteientschädi- gung nach § 3 Abs. 1 lit. a Ziff. 5 AnwT. Die Grundentschädigung beträgt rund Fr. 12‘790.00. Damit sind gemäss § 6 Abs. 1 AnwT unter anderem eine Rechtsschrift und die Teilnahme an einer Verhandlung abgegolten. Für die zusätzliche Rechtsschrift infolge doppelten Schriftenwechsels ist praxisgemäss ein Zuschlag von 20 % gerechtfertigt (vgl. § 6 Abs. 3 AnwT). Sowohl im Klage- als auch im Widerklageverfahren wurde je ein zweiter Rechtsschriftenwechsel angeordnet, weshalb grundsätzlich von einem Zuschlag von 40 % auszugehen ist. Jedoch war die Klageschrift derart kurz und konnten die Klagereplik und Widerklageantwort in einer Rechtsschrift zusammengefasst werden, sodass sich ein Zuschlag von maximal 30 % rechtfertigen lässt. Zusätzlich der Kleinkostenpauschale von praxisgemäss 3 % (vgl. § 13 Abs. 1 AnwT) resultiert damit eine Par- teientschädigung von gerundet Fr. 17'125.80. Soweit die Klägerin eine höhere Parteientschädigung bzw. einen Mehrwertsteuerzuschlag geltend macht, sind diese abzuweisen. Die Klägerin ist selbst mehrwertsteuer- pflichtig48 und damit auch für eine allfällige Bezugssteuer vorsteuerab- zugsberechtigt.49 48 https://www.uid.admin.ch/_ (zuletzt besucht am 7. Mai 2019). 49 Merkblatt zur Frage der Berücksichtigung der Mehrwertsteuer bei der Bemessung der Parteient- schädigung der Gerichte des Kantons Aargau vom 11. Januar 2016: https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/jb/dokumente_6/obergerichte/handelsgericht/Merkblatt_M wSt.pdf (zuletzt besucht am 7. Mai 2019). https://www.uid.admin.ch/_ https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/jb/dokumente_6/obergerichte/handelsgericht/Merkblatt_MwSt.pdf https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/jb/dokumente_6/obergerichte/handelsgericht/Merkblatt_MwSt.pdf - 28 - Das Handelsgericht erkennt: 1. 1.1. In teilweiser Gutheissung der Klage wird die Beklagte und Widerkläge- rin verpflichtet, der Klägerin und Widerbeklagten Fr. 34'809.50 zzgl. 5 % Zins p.a. seit dem 28. April 2017 zu bezahlen. 1.2. Der Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. _ des Betreibungsamtes S. (Zahlungsbefehl vom 24. April 2017) wird im Umfang von Fr. 34'809.50 zzgl. 5 % Zins p.a. seit 28. April 2017 beseitigt. 2. Die Widerklage wird abgewiesen. 3. Die Gerichtskosten von Fr. 7'550.00 werden der Beklagten und Widerklä- gerin auferlegt und im Umfang von Fr. 4'225.00 mit dem von dieser ge- leisteten und im Umfang von Fr. 3'325.00 mit dem von der Klägerin und Widerbeklagten geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. Die Beklagte und Widerklägerin hat der Klägerin und Widerbeklagten den Betrag von Fr. 3'325.00 direkt zu ersetzen. 4. Die Beklagte und Widerklägerin hat der Klägerin und Widerbeklagten eine gerichtliche festgesetzte Parteientschädigung in Höhe von Fr. 17'125.80 zu bezahlen. Zustellung an: die Klägerin (Vertreter; zweifach mit Abrechnung und Protokoll der Hauptverhandlung vom 7. Mai 2019) die Beklagte (Vertreter; zweifach mit Abrechnung und Protokoll der Hauptverhandlung vom 7. Mai 2019) 1. Rechtsmittelbelehrung für die Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff., Art. 90 ff. BGG) Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen, von der schriftlichen Er- öffnung der vollständigen Ausfertigung des Entscheides an gerechnet, die Beschwerde an das Schweizerische Bundesgericht erhoben werden. - 29 - Die Beschwerde ist schriftlich oder in elektronischer Form beim Schweize- rischen Bundesgericht einzureichen. Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschriften bzw. eine anerkannte elektronische Signatur zu enthalten. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht (Art. 95 ff. BGG) verletzt. Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel be- ruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in den Händen hat; ebenso ist der angefochtene Entscheid beizulegen (Art. 42 BGG). Aarau, 7. Mai 2019 Handelsgericht des Kantons Aargau 2. Kammer Der Vizepräsident: Der Gerichtsschreiber: Vetter Schneuwly
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2001 Zivilprozessrecht 57 [...] 14 § 284 ZPO. Res iudicata. Mit einem Vergleich können Parteien auch Streitfragen rechtskräftig er- ledigen, welche nicht Prozessgegenstand bilden. Deshalb muss sich ein Kläger einen in einem früheren gerichtlichen Verfahren geschlossenen Vergleich entgegenhalten lassen, der in Überschreitung des damaligen Streitgegenstandes den mit der zweiten Klage ins Recht gesetzten An- spruch mit erfasste, dies selbst dann, wenn jenes frühere Verfahren als 2001 Obergericht/Handelsgericht 58 zufolge Klagerückzugs statt Vergleichs erledigt abgeschrieben wurde. Denn der Charakter eines Endentscheides (Sachurteil, Abschreibungsbe- schluss, Prozessurteil) richtet sich nach der wirklichen Rechtslage und nicht nach der allenfalls falschen Formulierung im Dispositiv. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 1. Zivilkammer, vom 29. Juni 2001 in Sachen W. M.-R. gegen A. K. Aus den Erwägungen 2. Der Kläger macht mit der Appellation geltend, die Vorinstanz sei zu Unrecht wegen Vorliegens einer res iudicata nicht auf die Klage eingetreten. Das frühere Verfahren sei zufolge Klagerückzugs und nicht zufolge Vergleichs erledigt worden. Der Klagerückzug ist wie die Klageanerkennung eine einseitige Parteierklärung an eine gerichtliche Instanz, welcher zivilrechtliche wie prozessuale Wirkungen zukommt. Ein Prozessvergleich ist dem- gegenüber die gegenseitige Einigung der Parteien über die im Rechtsstreit auszutragende Differenz nach Prozesseinleitung (Wal- der, Zivilprozessrecht, 4. A. Zürich 1996, § 25 Rz. 14 ff.; ders. Pro- zesserledigung ohne Anspruchsprüfung, Zürich 1966, S. 142 Fn 2). Gegenseitiges Nachgeben gilt als Begriffsmerkmal des Vergleichs (Bühler/Edelmann/Killer, Kommentar zur aargauischen Zivilpro- zessordnung, 2.A. Aarau 1998, N 1 zu § 285; Leuch/Marbach/Keller- hals/Sterchi, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 5. A. Bern 2000, N 2b zu Art. 207 BE ZPO; Vogel, Grundriss des Zivilprozessrechts, 6.A. Bern 1999, 9. Kap. N. 52; BGE 121 III 404 Erw. 2c; 105 II 277 Erw. 3a). Der Vergleich als gegenseitige Parteierklärung macht die Fortsetzung des Prozesses und den richterlichen Entscheid unnötig. Ein zivilrechtlicher Vertrag tritt an dessen Stelle, erfährt aber deshalb, weil der Prozess eingeleitet ist, die Bekräftigung durch einen gerichtlichen Beschluss. Materiell liegt kein Vergleich vor, wenn eine Klage zurückgezogen oder anerkannt wird, die Parteien aber eine Abweichung mit Bezug auf die Kostentragung vereinbaren (Walder, Prozesserledigung, a.a.O., 2001 Zivilprozessrecht 59 S. 142 Fn. 2). Der Vergleich ist nicht auf den Gegenstand des Pro- zesses beschränkt, es können damit vielmehr auch gleichzeitig vor- handene Pendenzen erledigt werden (BGE 110 II 49 f.; Büh- ler/Edelmann/Killer, a.a.O., N 7 zu Art. 285 ZPO; Guldener, Schwei- zerisches Zivilprozessrecht, 3. A., Zürich 1979, S. 393). Der auf Grund eines Vergleichs ergangene Abschreibungsbeschluss des Ge- richts schafft einen Vollstreckungstitel für jede einzelne Verpflich- tung des Vergleichs, unabhängig davon, ob sie Gegenstand des Rechtsstreits gebildet hat oder nicht (Walder, Prozesserledigung, a.a.O., S. 155). Auch einer solchen Verpflichtung in einem gerichtli- chen Vergleich kommt die volle Rechtskraftwirkung eines gerichtli- chen Vergleichs zu (Walder, Prozesserledigung, a.a.O., S. 142 Fn. 1a). b) In der von den Parteien vor Gerichtspräsidium K. abge- schlossenen Vereinbarung vom 19. Februar 1998 ist der Passus ent- halten, dass der Kläger die Klage und die Betreibung vorbehaltlos zurückziehe. Des Weitern erklären die Parteien gegenseitig Verzicht auf weitere Ansprüche aus den Arbeiten am Ausbau des klägerischen Dachgeschosses, soweit es sich nicht um verdeckte Mängel handelt. Die Vereinbarung regelt schliesslich die Tragung der Prozesskosten. Im Dispositiv des Abschreibungsbeschlusses und zweimal in den Erwägungen (Ziff. 5.2 und Ziff. 5.3) ist immer nur die Rede von Klagerückzug. Es wurde auch von keiner Partei eine Berichtigung des Urteilsdispositivs verlangt. Aufgrund des Wortlauts liegt ein Klagerückzug vor. Materiell handelt es sich demgegenüber um einen Vergleich, da nicht nur die Klage zurückgezogen wurde, sondern die Parteien darüber hinaus vereinbarten, dass sie aus den Arbeiten be- treffend Dachgeschoss in der Liegenschaft des Klägers keinerlei gegenseitige Ansprüche mehr haben. Dadurch haben die Parteien eine Vereinbarung in einem Streitpunkt getroffen, der nicht Gegen- stand des Prozesses gewesen ist. Ausserdem haben sie eine Regelung betreffend Tragung der Prozesskosten getroffen. Inhaltlich wurde demnach mehr vereinbart als ein blosser Klagerückzug. Es handelt sich deshalb materiell klarerweise um einen Vergleich und keinen Klagerückzug. 2001 Obergericht/Handelsgericht 60 Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass eine Divergenz zwischen dem Dispositiv des Abschreibungsbeschlusses (Klage- rückzug) und den Erwägungen (Vergleich) vorliegt, wobei es sich bei der Bezeichnung im Dispositiv als Klagerückzug um einen klaren Fehler handelt. Ein solcher Fehler rein formaler Art bezüglich des Grundes des Abschreibungsbeschlusses ändert nichts am Charakter des Beschlusses vom 19. Februar 1998 als Abschreibungsbeschluss infolge gerichtlichen Vergleichs. In diesem Sinn hat auch das Bun- desgericht bei der Beurteilung einer ähnlichen Problematik entschie- den, indem es ausführte, dass nicht die Bezeichnung des Entscheides massgeblich sei, ob ein Prozess- oder ein Sachurteil vorliege, son- dern allein der Gehalt des Entscheides. Ein Prozessurteil ändere sei- nen Charakter nicht, wenn im Dispositiv eine Klage fälschlicherwei- se abgewiesen, anstatt wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung auf sie nicht eingetreten werde (BGE 115 II 187 E. 3b). Gleich ver- hält es sich im vorliegenden Fall, so dass die fehlerhafte Bezeich- nung "Klagerückzug" nichts daran ändert, dass das Verfahren infolge Vergleichs abgeschrieben wurde.
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2001 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht 45 II. Schuldbetreibungs- und Konkursrecht 6 Art. 80 ff. SchKG, Art. 265a SchKG; Rechtsöffnung Die Einrede "kein neues Vermögen" ist zu beseitigen, bevor über die Rechtsöffnung entschieden werden kann. Das Betreibungsamt muss den Rechtsvorschlag von Amtes wegen dem dafür zuständigen Richter vorlegen. Der Rechtsöffnungsrichter hat nicht vorfrageweise zu prüfen, ob die Einrede in formeller Hinsicht zulässig ist (Peter Stücheli, Die Rechtsöffnung, Zürich 2000, S. 88 f.; ZR 96 Nr. 56; a.M. Staehelin/Bauer/Staehelin, Basler Kommentar, Basel 1998, N 8 zu Art. 84 SchKG). Aus dem Entscheid des Obergerichts, 3. Zivilkammer, vom 23. April 2001 i.S. W.G. gegen H.J.
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2004 Strafprozessrecht 95 [...] 25 § 134 StPO, endgültiger Entscheid des Untersuchungsrichters über Anträge auf Ergänzung der Untersuchung. Ausnahmsweise Zulässigkeit der Beschwerde dagegen. Seit der Teilrevision der StPO vom 2. Juli 2002 (in Kraft seit 1. Januar 2003) entscheidet der Untersuchungsrichter endgültig über Anträge auf Ergänzung der Untersuchung. Dennoch ist das Beschwerderecht insbe- sondere dann zu gewähren, wenn der Entscheid gegen grundlegende ge- setzliche Bestimmungen verstösst oder willkürlich ist. Aus dem Urteil des Obergerichtes, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 13. Mai 2004 i.S. W gegen Verfügung des Bezirksamtes Aarau Aus den Erwägungen 2. Nach altem Recht konnten die Parteien die nach der Aktener- öffnung durch den Untersuchungsrichter ergangenen Verfügungen über Anträge auf Ergänzung der Untersuchung mit Beschwerde an- fechten. Seit der Teilrevision der StPO vom 2. Juli 2002 (in Kraft seit 1. Januar 2003) entscheidet indessen der Untersuchungsrichter end- gültig über solche Ergänzungsanträge (§ 134 StPO). Die Beschwerde ist demnach in solchen Fällen ausdrücklich ausgeschlossen worden. Ein solcher Ausschluss kann jedoch nur für den Regelfall und nicht ausnahmslos gelten. Bei Rechtsverweigerung, insbesondere, wenn der Entscheid gegen grundlegende gesetzliche Bestimmungen ver- stösst oder willkürlich ist, kann das Beschwerderecht nicht ausge- schlossen werden. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ver- sucht wird, die Strafuntersuchung nur noch rudimentär zu führen und wichtige Untersuchungshandlungen ins Gerichtsverfahren zu verla- gern. Solches verletzt den Anspruch des Beschuldigten auf Beurtei- lung der Strafsache durch ein unabhängiges und unparteiisches Ge- 2004 Obergericht/Handelsgericht 96 richt (Art. 30 Abs. 1 BV, a. Art. 58 Abs. 1 BV, 6 Ziff. 1 EMRK; vgl. AGVE 1993 Nr. 49 139 ff. mit der Verweisung auf BGE 115 Ia 222 f.). Auch in der Botschaft des Regierungsrates vom 21. März 2001 zur Teilrevision der KV und der StPO wird ausgeführt (S. 27, Ziff. 2.15), da die Parteien ihren Antrag jederzeit vor dem urteilen- den Gericht wiederholen könnten, sei ihre Rechtsposition kaum be- rührt, auch wenn nicht übersehen werden dürfe, "dass faktisch in gewissen Fällen der Entscheid des Gerichts durch das Ergebnis der Untersuchung vorgespurt" werde. Die dann weiter implizit geäus- serte Auffassung (Botschaft, a.a.O.), bei Gutheissung der Beweisan- träge durch das Gericht bestehe die Möglichkeit, die Akten an die Untersuchungsbehörden zurückzuweisen, ist nicht richtig, denn nach erfolgter Anklageerhebung ist allein das Gericht für die weiteren Beweismassnahmen zuständig, und eine Rückweisung ist nicht mehr möglich (mit Ausnahme von § 162 Abs. 3 StPO, wonach eine Ergän- zung der Untersuchung angeordnet werden kann, wenn dringender Verdacht auf das Vorliegen einer weiteren, in der Anklage nicht ge- nannten Straftat besteht; selbstverständlich kann die Beschwerde- kammer des Obergerichts auch gemäss § 141 Abs. 2 StPO auf Be- schwerde hin eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft aufheben und die Fortführung der Untersuchung anordnen). 3. Eine solche Rechtsverweigerung liegt hier nicht vor. Die Untersuchung ist eingehend geführt worden, und die Akten bieten eine genügende Entscheidungsgrundlage, ob das Verfahren einge- stellt oder Anklage erhoben werden soll. Im Falle einer gerichtlichen Beurteilung kann es dem Gericht überlassen bleiben, ob es weitere beantragte Beweismassnahmen zulassen will oder nicht. Auf die Beschwerde ist demnach nicht einzutreten.
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Urteil/Entscheid Handelsgericht 2. Kammer HSU.2020.48 Entscheid vom 20. Juli 2020 Besetzung Oberrichter Vetter, Vizepräsident Gerichtsschreiber Schneuwly Gesuchstellerin R. GmbH, _ vertreten durch lic. iur. Reto Diggelmann, Rechtsanwalt, Neugasse 14, 9401 Rorschach Gesuchsgegne- rin A. AG, _ vertreten durch MLaw Lukas Müller, Rechtsanwalt, Bahnhofplatz 1, Post- fach, 5400 Baden Gegenstand Summarisches Verfahren betreffend Bauhandwerkerpfandrecht - 2 - Der Vizepräsident entnimmt den Akten: 1. Die Gesuchstellerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in R. (SG). Sie be- zweckt insbesondere das Führen eines General- und Totalunternehmungs- betriebes [...] (Gesuchsbeilage [GB] 2). 2. Die Gesuchsgegnerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in L. (AG). Sie hat im Wesentlichen den Kauf, den Verkauf, die Vermietung und die Verwal- tung von Immobilien und Grundstücken sowie [...] zum Zweck (GB 3). Die Gesuchsgegnerin ist Alleineigentümerin der Grdst.-Nrn. [...] (E-GRID: CH [...]; GB 1). 3. Mit Gesuch vom 16. Juni 2020 (persönlich überbracht am 16. Juni 2020) stellte die Gesuchstellerin die folgenden Rechtsbegehren: " 1. Das Grundbuchamt Baden sei gerichtlich anzuweisen, auf den im Eigentum der Gesuchsgegnerin stehenden Grundstücken Nr. [...] (E-GRID CH [...]) und [...] (E-GRID [...]), [...], zugunsten der Gesuchstellerin Bauhandwerkerpfandrechte in Höhe vorläufig einzutragen: - Zulasten Grundstück Nr. 1850: CHF 22'619.22 nebst Zins zu 5 % seit 3. Juli 2020; - Zulasten Grundstück Nr. 2117: CHF 52'303.98 nebst Zins zu 5 % seit 3. Juli 2020. 2. Die Anweisung sei superprovisorisch, das heisst sofort nach Eingang des Gesuches und ohne Anhörung der Gegenpartei, im Sinne von Art. 265 ZPO zu verfügen und dem Grundbuchamt die vorläufige Eintragung im Grundbuch mitzuteilen. 3. Der Gesuchstellerin sei eine angemessene Frist, gerechnet ab Rechtskraft des Entscheides betreffend vorläufige Vormerkung, anzusetzen, um Klage auf definitive Eintragung des gemäss Ziff. 1 hiervor zulasten der der Gesuchsgegnerin einzureichen. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Ge- suchsgegnerin. " - 3 - 4. Am 16. Juni 2020 erliess der Vizepräsident folgende Verfügung: 1. In Gutheissung des Gesuchs um Erlass superprovisorischer Mas- snahmen vom 16. Juni 2020 wird der Gesuchstellerin die Vormer- kung je einer vorläufigen Eintragung eines Bauhandwerker- pfandrechts gemäss Art. 837/839 i.V.m. Art. 961 ZGB wie folgt Fr. 22'619.22 zuzüglich. Zins zu 5 % seit 3. Juli 2020 auf Grdst.- Nr. [...] (E-GRID: [...]) Fr. 52'303.98 zuzüglich Zins zu 5 % seit 3. Juli 2020 auf Grdst.- Nr. [...] (E-GRID: [...]). superprovisorisch bewilligt. 2. Das Grundbuchamt Baden wird angewiesen, die Vormerkung ge- mäss vorstehender Dispositiv-Ziff. 1 sofort einzutragen. 3. Die Gesuchstellerin hat mit beiliegendem Einzahlungsschein bis zum 30. Juni 2020 einen Gerichtskostenvorschuss von Fr. 2'00.00 zu leisten. 4. Zustellung des Doppels des Gesuchs (inkl. Beilagen) vom 16. Juni 2020 an die Gesuchsgegnerin zur Erstattung einer schriftlichen Antwort bis zum 30. Juni 2020. 5. Fristerstreckungen werden grundsätzlich nicht gewährt. Aus- nahmsweise ist eine Fristerstreckung beim Vorliegen zureichender Gründe möglich (Art. 144 Abs. 2 ZPO). Als solche gelten die Zustim- mung der Gegenpartei oder von der Partei nicht vorhersehbare oder nicht beeinflussbare Hinderungsgründe. 6. Der Stillstand der Fristen gemäss Art. 145 Abs. 1 ZPO gilt nicht (Art. 145 Abs. 2 lit. b ZPO). 5. Das Grundbuchamt Baden merkte die vorläufigen Eintragungen am 16. Juni 2020 (Tagebuchnummer 2020/[...]) im Tagebuch vor. - 4 - 6. Mit Gesuchsantwort vom 30. Juni 2020 stellte die Gesuchsgegnerin fol- gende Rechtsbegehren: " 1a. Das Gesuch sei abzuweisen. 1b. Eventualiter sei ein Bauhandwerkerpfandrecht wie folgt im Grundbuch einzutragen: - CHF 16'000.00 auf dem Grundstück Nr. [...] des [...] (E-GRID: [...]). 2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen, zzgl. MWST, zu der Gesuchstellerin." Der Vizepräsident zieht in Erwägung: 1. Zuständigkeit Der Einzelrichter am Handelsgericht ist örtlich und sachlich zur Beurteilung der im summarischen Verfahren zu behandelnden Streitigkeit zuständig (vgl. dazu E. 4 der Verfügung vom 16. Juni 2020). 2. Allgemeine Voraussetzungen der vorläufigen Eintragung 2.1. Die Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts setzt im Wesentlichen die Forderung eines Bauhandwerkers oder Unternehmers für die Leistung von Arbeit und allenfalls von Material zugunsten des zu belastenden Grundstücks sowie die Wahrung der viermonatigen Eintragungsfrist voraus (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 und 839 Abs. 2 ZGB). 2.2. Die Eintragungsvoraussetzungen sind im Verfahren betreffend vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts lediglich glaubhaft zu ma- chen. An diese Glaubhaftmachung werden zudem weniger strenge Anfor- derungen gestellt, als es diesem Beweismass für vorsorgliche Massnah- men (Art. 261 ff. ZPO) sonst entspricht.1 Die vorläufige Eintragung darf nur verweigert werden, wenn der Bestand des Pfandrechts ausgeschlossen o- der höchst unwahrscheinlich erscheint. Im Zweifelsfall, bei unklarer Be- weis- oder Rechtslage, ist die vorläufige Eintragung zu bewilligen und die 1 BGE 137 III 563 E. 3.3, 86 I 265 E. 3; vgl. auch SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, 3. Aufl. 2008, N. 1394; BSK ZGB II-THURNHERR, 6. Aufl. 2019, Art. 839/840 N. 37. - 5 - Entscheidung dem Richter im ordentlichen Verfahren zu überlassen.2 Letzt- lich läuft es darauf hinaus, dass der gesuchstellende Unternehmer nur die blosse Möglichkeit eines Anspruchs auf ein Bauhandwerkerpfandrecht nachzuweisen hat.3 3. Pfandsumme 3.1. Parteibehauptungen 3.1.1. Gesuchstellerin Die Gesuchstellerin behauptet, die Gesuchsgegnerin habe auf den beiden Grundstücken Nrn. [...]je ein Einfamilienhaus nach dem Konzept eines Fer- tighaustyps der albanischen Unternehmung [...] bauen wollen. Zunächst habe die Gesuchsgegnerin hierfür im Jahr 2019 bei der deutschen A. GmbH eine Offerte eingeholt (Gesuch Rz. III/2; GB 4). Mangels eigener Ka- pazitäten habe die A. GmbH der Gesuchsgegnerin vorgeschlagen, die Häuser von der Gesuchstellerin erstellen zu lassen, woraufhin diese der Gesuchsgegnerin am 21. März 2019 das Angebot 2019-13 über ein Haus zu Fr. 242'858.90 (exkl. MwSt.) gesandt habe (Gesuch Rz. III/3; GB 6). Zwar habe die Gesuchsgegnerin dieses Angebot nie unterzeichnet, die bei- den Häuser aber mündlich bestellt, von der Gesuchstellerin errichten las- sen und dieser auch entsprechende Geldbeträge überwiesen (Gesuch Rz. III/4 ff.; GB 7 ff.). Auf die Mehrwertsteuer habe die Gesuchstellerin ent- gegenkommenderweise verzichtet (Gesuch Rz. III/6). Von den Pauschal- beträgen seien derzeit noch Fr. 24'455.90 für das Haus 2 (Grdst.-Nr. [...]) offen (Gesuch Rz. III/7). Darüber hinaus habe die Gesuchsgegnerin die Gesuchstellerin mit Regie- arbeiten beauftragt. Für das Haus 1 (Grdst.-Nr. [...]) seien Arbeiten für das Dachgeschoss (Fr. 12'000.00), den Sockel (Fr. 2'197.08), den Umbau Wand/Dachgeschoss (Fr. 1'098.54) sowie die Vorbereitung Elektro und Heizung (Fr. 7'323.60) angefallen. Für das Haus 2 (Grdst.-Nr. [...]) seien Arbeiten für das Dachgeschoss (Fr. 12'000.00), den Sockel (Fr. 2'197.08), den Umbau Wand/Dachgeschoss (Fr. 1'098.54), die Vorbereitung Elektro und Heizung (Fr. 7'323.60), die Aussenfassade (Fr. 5'000.00) sowie die Vorbereitungen für Wasserzuleitungen (Fr. 228.86) angefallen (Gesuch Rz. III/8 f.). Kurz vor der Fertigstellung der beiden Häuser sei es dann zu einer Ausei- nandersetzung zwischen den Parteien gekommen und der Gesuchstellerin seien die Arbeiten entzogen worden (Gesuch Rz. III/10 ff.; GB 13 ff.). 2 BGE 86 I 265 E. 3, 102 Ia 81 E. 2b.bb; BGer 5A_426/2015 vom 8. Oktober 2015 E. 3.4, 5A_924/2014 vom 7. Mai 2015 E. 4.1.2; SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, zur 3. Auflage, 2011, N. 628. 3 SCHUMACHER (Fn. 1), N. 1395. - 6 - 3.1.2. Gesuchsgegnerin Die Gesuchsgegnerin macht geltend, sie sei nicht mit der Gesuchstellerin, sondern mit der deutschen A. GmbH ein Vertragsverhältnis eingegangen (Antwort Rz. 5 und 7). Die seitens der Gesuchstellerin als GB 6 einge- reichte Offerte befinde sich nicht in ihren Akten (Antwort Rz. 6). Richtig sei zwar, dass die Gesuchstellerin für die deutsche A. GmbH – wohl als Sub- unternehmerin – Arbeiten an den umstrittenen Grundstücken ausführte. Mit den Zahlungen verhalte es sich allerdings so, dass die Gesuchsgegnerin sämtliche Arbeiter auf der eigenen Baustelle selbst habe bezahlen wollen, unabhängig davon, ob sie mit den entsprechenden Unternehmen in einem Vertragsverhältnis gestanden habe (Antwort Rz. 7). Die Gesuchstellerin habe unstrittig bereits EUR 427'567.05 und damit mehr erhalten, als ihr nach Art. 377 OR zustehe (Antwort Rz. 7). Die Gesuchstel- lerin selbst habe mitgeteilt, die offene Forderung belaufe sich noch auf Fr. 16'000.00 (Antwort Rz. 7; Antwortbeilage [AB] 6), was als Schulderlass zu qualifizieren sei (Antwort Rz. 12). Die Gesuchstellerin mache ihre Arbeiten nicht glaubhaft. So habe sie im Haus 2 keine Trockenbauarbeiten geleistet. Diese seien von der L. GmbH erbracht und von der Gesuchsgegnerin bezahlt worden (Antwort Rz. 10; AB 7 f.). Die Gesuchsgegnerin habe die Gesuchstellerin nicht mit Regiear- beiten beauftragt. Solche seien auch nicht von der A. GmbH in Auftrag ge- geben worden. Die Gesuchstellerin könne ihre angeblichen Regiearbeiten nicht nachweisen. Sie habe im Dachgeschoss der beiden Häuser keine von der Offerte der A. GmbH abweichende Arbeiten ausgeführt. Die Sockelar- beiten seien zudem Teil des Pauschalpreises gewesen und nicht regiebe- rechtigt. Die XPS-Platten seien von der L. GmbH angebracht worden. Die Elektroarbeiten seien von der F. GmbH erledigt worden, die Heizungsar- beiten und die Wasseranschlüsse von der A. H. GmbH. An den Hausfas- saden seien keine von der Offerte abweichenden Arbeiten vorgenommen worden. Mit der Wasserzuleitung zum Haus 2 habe die Gesuchstellerin nichts zu tun gehabt, da die Sanitärarbeiten von der A. H. GmbH und die Wasserzuleitungen von der R. GmbH erledigt worden seien (Antwort Rz. 11, AB 9 ff.). 3.2. Rechtliches Pfandberechtigt sind die Forderungen der Handwerker oder Unternehmer, die auf einem Grundstück zu Bauten oder anderen Werken, zu Abbruchar- beiten, zum Gerüstbau, zur Baugrubensicherung oder dergleichen Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB). Die mit dem Bauhandwerkerpfand zu sichernde bzw. die gesicherte Forde- rung besteht entsprechend in der Vergütungsforderung des Handwerkers oder Unternehmers. Sie ist mit dieser identisch. Für die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts im Grundbuch ist daher nach Art. 794 Abs. 1 - 7 - i.V.m. Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB eine bestimmte Pfandsumme anzuge- ben.4 Der Eintragungsanspruch richtet sich gegen diejenige Person, die im fraglichen Zeitpunkt Eigentümerin des zu belastenden Grundstücks ist.5 Werden auf mehreren Grundstücken pfandberechtigte Leistungen er- bracht, so ist die Pfandsumme auf die einzelnen Parzellen zu verteilen.6 Die Aufteilung hat derart zu erfolgen, dass jedes einzelne Grundstück nur mit demjenigen Anteil belastet wird, der dem Anteil an den Bauarbeiten entspricht, die tatsächlich für das betreffende Grundstück erbracht worden sind. Die sich aus der Aufteilung ergebenden Teilbeträge sind in der Folge als Teilpfandrechte i.S.v. Art. 798 Abs. 2 ZGB einzutragen.7 Der Unterneh- mer hat grundsätzlich nachzuweisen, welche konkreten Leistungen an Ar- beit und Material er zu welchen Preisen für jedes einzelne Grundstück er- bracht hat.8 Im Verfahren betreffend vorläufige Eintragung ist indes – auf- grund der drohenden Verwirkung bei Nichteintragung innerhalb der Frist von Art. 839 Abs. 2 ZGB – eine Aufteilung auf die einzelnen Liegenschaften nach Bruchteilen (etwa auf der Grundlage von Quadrat- oder Kubikmeter- zahlen) statthaft. Die im Grundbuch vorläufig eingetragenen Teilpfandsum- men sind dann im Verfahren betreffend definitive Eintragung aufgrund kon- kreter Nachweise der auf den verschiedenen Grundstücken erbrachten Leistungen zu berichtigen.9 3.3. Würdigung Die Frage, ob die Gesuchstellerin mit der Gesuchsgegnerin oder mit der A. GmbH in einem Vertragsverhältnis stand, kann vorliegend offenbleiben, da die Gesuchsgegnerin als Grundstückeigentümerin auch dann passivlegiti- miert ist (Drittpfandverhältnis), wenn die Gesuchstellerin nicht mit ihr, son- dern mit einer anderen Gesellschaft in einem Vertragsverhältnis stand.10 3.3.1. Regiearbeiten Die Gesuchstellerin substantiiert in ihrem Gesuch nirgends, wann und von wem sie mit Regiearbeiten beauftragt worden sein soll und welche Arbeiten sie genau an den beiden umstrittenen Häusern in Regie ausgeführt haben will und wie sich diese zum Hauptauftrag verhalten. Die Gesuchsgegnerin bestreitet eine solche Arbeitsausführung detailliert und behauptet und be- legt, dass die entsprechenden Arbeiten von anderen Unternehmen ausge- führt wurden (AB 10 ff.) oder unter den Hauptvertrag fielen. Die von der 4 SCHUMACHER (Fn. 1), N. 436, 438 und 547. 5 BGE 134 III 147 E. 4.3; BSK ZGB II-THURNHERR (Fn. 1), Art. 839/840 N. 22. 6 BSK ZGB II-THURNHERR (Fn. 1), Art. 839/840 N. 18 m.w.N. 7 SCHUMACHER (Fn. 1), N. 593, 837; vgl. BRITSCHGI Das belastete Grundstück beim Bauhandwerker- pfandrecht, Luzerner Beiträge zur Rechtswissenschaft, Band/Nr. 30, 2008, S. 103-118, 105, 113 f.; vgl. auch MATHIS, Das Bauhandwerkerpfandrecht in der Gesamtüberbauung und im , 1988, S. 150, 152. 8 SCHUMACHER (Fn. 1), N. 593; BRITSCHGI (Fn. 7), S. 114; MATHIS (Fn. 7), S. 152. 9 Vgl. SCHUMACHER (Fn. 1), N. 840; BRITSCHGI (Fn. 7), S. 115; MATHIS (Fn. 7), S. 150 f. 10 BSK ZGB II-THURNHERR (Fn. 1), Art. 839/840 N. 10 m.w.N. - 8 - Gesuchstellerin geltend gemachten Ansprüche aus Regiearbeiten müssen daher aufgrund des im vorliegenden Verfahren behaupteten Tatsachenfun- daments als geradezu aussichtslos oder zumindest als höchst unwahr- scheinlich bezeichnet werden, sodass das Gesuch in diesem Umfang ab- zuweisen ist. 3.3.2. Pauschalpreis Demgegenüber ist unbestritten, dass die Gesuchstellerin für die Erstellung der beiden Häuser ursprünglich beauftragt wurde und hierfür ein Werkpreis von Fr. 242'858.90 (exkl. MwSt.) pro Haus (vgl. GB 6), d.h. total Fr. 485'717.80, vereinbart wurde. Unbestritten ist auch, dass die Zahlungen in Euro zu erfolgen hatten und vom Pauschalpreis EUR 22'821.00 noch unbezahlt blieben. Sowohl die Umrechnung in Schweizer Franken als auch der Wechselkurs blieben unbestritten, weshalb von einem noch unbezahl- ten Betrag von Fr. 24'455.90 ausgegangen werden kann. Die Gesuchsgeg- nerin argumentiert zwar, der Gesuchstellerin stünde dieser Betrag gestützt auf Art. 377 OR nicht zu, weil die Trockenbauarbeiten am Haus 2 nicht von der Gesuchstellerin, sondern von der L. GmbH ausgeführt worden seien. Im Gegensatz zu den Regiearbeiten ist betreffend diese Position immerhin unbestritten, dass die Gesuchstellerin mit besagten Arbeiten ursprünglich beauftragt wurde. Demnach kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Gesuchstellerin diesbezüglich noch eine Restforderung zusteht, womit das Gesuch in diesem Umfang gutzuheissen ist. Über den genauen Umfang der Restforderung und damit der Pfandsumme werden sich die Parteien im Hauptsacheverfahren auseinanderzusetzen haben. Die Gesuchsgegnerin macht zwar geltend, die Gesuchstellerin habe ihre Forderung vorprozessual selbst nur auf Fr. 16'000.00 beziffert. Allerdings kann die E-Mail vom 19. Februar 2020, 10:07 Uhr (AB 6) nicht ohne jene vom 19. Februar 2020, 12:43 Uhr (GB 15) betrachtet werden. Daraus wird klar, dass die Gesuchstellerin die Fr. 16'000.00 als Vergleichsangebot of- feriert hatte und dass die E-Mails auch als solches verstanden werden mussten. Da die Gesuchsgegnerin nicht behauptet, auf dieses Ver- gleichsangebot eingegangen zu sein, wurde die Gesuchstellerin diesbe- züglich wieder frei (Art. 5 OR) und kann vorliegend die gesamten Fr. 24'455.90 als Pfandsumme geltend machen. Der Behauptung der Gesuchstellerin, die Fr. 24'455.90 würden sich auf das Haus Nr. 2 (Grdst.-Nr. [...]) beziehen, hält die Gesuchsgegnerin nichts mit Substanz entgegen. Ihr Antrag, die allenfalls einzutragende Summe dem Grundstück Nr. [...] zuzuweisen, blieb unbegründet genauso wie der Hin- weis, mit einer hälftigen Zuweisung auf beiden Grundstücken eventualiter einverstanden zu sein (Antwort Rz. 12). Die Vormerkung des Bauhandwer- kerpfandrechts ist somit auf dem beantragten Grundstück Nr. [...] aufrecht- zuerhalten. - 9 - 3.4. Verzugszinsen Gegen die Berücksichtigung der Verzugszinsen bringt die Gesuchsgegne- rin nichts vor, weshalb es vorläufig bei der Würdigung gemäss der Erwä- gung 5.3 der Verfügung vom 16. Juni 2020 bleibt. Im Grundbuch sind dem- nach 5 % Verzugszinsen seit dem 3. Juli 2020 vorzumerken. 4. Eintragungsfrist Die Einhaltung der viermonatigen Eintragungsfrist wird von der Gesuchs- gegnerin nicht bestritten, weshalb es vorläufig bei der Würdigung gemäss der Erwägung 5.2 der Verfügung vom 16. Juni 2020 bleibt. 5. Ergebnis Zusammenfassend ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts für eine Pfandsumme von Fr. 24'455.90 zuzüglich Zins zu 5 % ab dem 3. Juli 2020 auf dem Grund- stück Nr. [...] erfüllt sind und die mit Verfügung vom 16. Juni 2020 super- provisorisch angeordnete Vormerkung der vorläufigen Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts in diesem Umfang zu bestätigen ist. 6. Prosequierung Ist eine Klage auf definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts noch nicht rechtshängig, ist der gesuchstellenden Partei nach Art. 263 ZPO eine Frist zur Einreichung der Klage mit der Androhung anzusetzen, dass die Vormerkung der vorläufigen Eintragung im Grundbuch bei ungenutztem Ablauf der Frist ohne Weiteres und ersatzlos gelöscht werde.11 Die Prose- quierungsfrist beträgt nach handelsgerichtlicher Praxis bei Fällen der vor- liegenden Grösse rund drei Monate. Der Fristenstillstand gemäss Art. 145 Abs. 1 ZPO ist bei der Prosequierungsfrist nach Art. 263 ZPO i.V.m. Art. 961 Abs. 3 ZGB ausgeschlossen.12 7. Prozesskosten Die Prozesskosten, bestehend aus Gerichtskosten und Parteientschädi- gung, werden der unterliegenden Partei auferlegt (Art. 95 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 1 ZPO). Ausgangsgemäss sind sie zu zwei Dritteln von der Gesuchstellerin und zu einem Drittel von der Gesuchsgegnerin zu tragen (Fr. 24'455.90 / Fr. 74'923.20 [Fr. 22'619.22 + Fr. 52'303.98]). 7.1. Unter Berücksichtigung des verursachten Aufwands sowie des Umfangs der Streitigkeit werden die Gerichtskosten auf Fr. 2'000.00 festgesetzt (§ 8 VKD; SAR 221.150). Gestützt auf Art. 111 Abs. 1 Satz 1 ZPO werden sie vorab mit dem von der Gesuchstellerin geleisteten Gerichtskostenvor- schuss in Höhe von Fr. 2'000.00 verrechnet. Die Gesuchsgegnerin hat der 11 SCHUMACHER (Fn. 1), N. 672 ff. 12 BGE 143 III 554 E. 2.5.2 m.w.H.; vgl. auch SCHUMACHER (Fn. 1), N. 688. - 10 - Gesuchstellerin ihren Anteil an den Gerichtskosten, d.h. gerundet Fr. 666.65, direkt zu ersetzen (vgl. Art. 111 Abs. 2 ZPO). 7.2. Die Gesuchstellerin hat der Gesuchsgegnerin zudem eine Parteientschä- digung zu bezahlen (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Die Parteientschädigung wird nach dem Streitwert – vorliegend Fr. 74'923.20 – bemessen (vgl. § 3 AnwT; SAR 291.150). Ausgehend von einer Grundentschädigung von Fr. 10'813.09 (§ 3 Abs. 1 lit. a Ziff. 9 AnwT) resultiert nach Vornahme eines Summarabzugs von 75 % (§ 3 Abs. 2 AnwT) ein Betrag von rund Fr. 2'703.27. Damit sind insbesondere eine Rechtsschrift und die Teil- nahme an einer behördlichen Verhandlung abgegolten (vgl. § 6 Abs. 1 AnwT). Nach einem weiteren Abzug von 20 % wegen der nicht durchge- führten Verhandlung (§ 6 Abs. 2 AnwT) und Hinzurechnung der Auslagen- pauschale (§ 13 Abs. 1 AnwT) von praxisgemäss 3 %, resultiert ein Betrag in Höhe von gerundet Fr. 2'227.50. Nach Verrechnung der Anteile am Ob- siegen hat die Gesuchstellerin der Gesuchsgegnerin hiervon einen Drittel, d.h. Fr. 742.50, als Parteientschädigung zu bezahlen hat. Die Gesuchsgegnerin beantragt zudem einen Mehrwertsteuerzuschlag. Dieser ist ihr zuzusprechen, da sie gemäss UID-Register13 über keine Mehrwertsteuernummer verfügt und folglich nicht vorsteuerabzugsberech- tigt ist.14 7.3. Eine abweichende Verlegung der Prozesskosten im allenfalls vor Handels- gericht stattfindenden Hauptprozess im ordentlichen Verfahren oder auf- grund separater Verfügung bleibt vorbehalten. 13 Vgl. [...] (zuletzt besucht am 20. Juli 2020). 14 Vgl. Merkblatt zur Frage der Berücksichtigung der Mehrwertsteuer bei der Bemessung der Partei- entschädigung der Gerichte des Kantons Aargau vom 11. Januar 2016: https://www.ag.ch//kanton_aargau/jb/dokumente_6/obergerichte/handelsgericht/Merkblatt_MwSt.pdf (letztmals am 20. Juli 2020). https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/jb/dokumente_6/obergerichte/handelsgericht/Merkblatt_MwSt.pdf https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/jb/dokumente_6/obergerichte/handelsgericht/Merkblatt_MwSt.pdf - 11 - Der Vizepräsident erkennt: 1. In teilweiser Gutheissung des Gesuchs vom 16. Juni 2020 werden die mit Verfügung vom 16. Juni 2020 zugunsten der Gesuchstellerin wie folgt Fr. 22'619.22 zuzüglich. Zins zu 5 % seit 3. Juli 2020 auf Grdst.- Nr. [...] (E-GRID: [...]), und Fr. 52'303.98 zuzüglich Zins zu 5 % seit 3. Juli 2020 auf Grdst.- Nr. [...] (E-GRID: [...]). superprovisorisch angeordneten Vormerkungen vorsorglich teilweise wie folgt bestätigt: Fr. 24'455.90 zuzüglich Zins zu 5 % seit 3. Juli 2020 auf Grdst.- Nr. [...] (E-GRID: [...]). 2. Das Grundbuchamt Baden wird gemäss Dispositiv-Ziff. 1 angewiesen, die Vormerkung auf dem Grdst.-Nr. [...] (E-GRID: [...]) vollständig zu löschen, und die Vormerkung auf dem Grdst.-Nr. [...] (E-GRID: [...]) im Umfang von Fr. 24'455.90 zuzüglich Zins zu 5 % seit 3. Juli 2020 aufrecht- zuerhalten und im darüber hinausgehenden Umfang zu löschen. 3. 3.1. Die Gesuchstellerin hat bis zum 21. Oktober 2020 beim zuständigen Ge- richt im ordentlichen Verfahren Klage auf definitive Eintragung des Bau- handwerkerpfandrechts anzuheben. 3.2. Im Säumnisfall fällt die in der vorstehenden Dispositiv-Ziff. 1 angeordnete vorsorgliche Massnahme dahin, wobei die Vormerkung im Grundbuch nur auf entsprechendes Gesuch hin gelöscht wird. 3.3. Es gilt kein Stillstand der Fristen. 4. 4.1. Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 2'000.00 sind zu zwei Dritteln von der Gesuchstellerin und zu einem Drittel von der Gesuchsgegnerin zu tragen - 12 - und werden mit dem von der Gesuchstellerin geleisteten Gerichtskosten- vorschuss in Höhe von Fr. 2'000.00 verrechnet. Die Gesuchsgegnerin hat die von ihr zu tragenden Gerichtskosten im Umfang von Fr. 666.65 der Ge- suchstellerin direkt zu ersetzen. 4.2. Die Gesuchstellerin hat der Gesuchsgegnerin deren Parteikosten in rich- terlich festgesetzter Höhe von Fr. 742.50 (zzgl. MwSt.) zu ersetzen. 4.3. Eine abweichende Verlegung der Prozesskosten mittels separater Verfü- gung oder im ordentlichen Verfahren bleibt vorbehalten, falls dieses vor dem Handelsgericht stattfindet. Zustellung an: die Gesuchstellerin (Vertreter; zweifach mit Abrechnung) die Gesuchsgegnerin (Vertreter; zweifach) Zustellung an: das Grundbuchamt Baden (nach Ablauf der Rechtsmittelfrist) Rechtsmittelbelehrung für die Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff., Art 90 ff. BGG) Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen, von der schriftlichen Eröff- nung der vollständigen Ausfertigung des Entscheids an gerechnet, die Be- schwerde an das Schweizerische Bundesgericht erhoben werden. Die Beschwerde ist schriftlich oder in elektronischer Form beim Schweize- rischen Bundesgericht einzureichen. Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit An- gabe der Beweismittel und die Unterschriften bzw. eine anerkannte elekt- ronische Signatur zu enthalten. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid verfassungsmässige Rechte (Art. 98 ff. BGG) verletzt. Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in den Händen hat; ebenso ist der angefochtene Entscheid beizulegen (Art. 42 BGG). - 13 - Aarau, 20. Juli 2020 Handelsgericht des Kantons Aargau 2. Kammer Der Vizepräsident: Der Gerichtsschreiber: Vetter Schneuwly
6,558
4,634
AG_HG_002
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_HG_002_-Handelsrecht-Bauhan_2020-06-20
https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/jb/dokumente_6/gesetze___entscheide/gesetze_2/handelsrecht/Entscheid_des_Handelsgerichts_vom_20._Juni_2020.pdf
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c4e8c54e-c238-52e5-bf1b-024061cfb7b7
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871,700
1,057,276,800,000
2,003
de
2003 Zivilprozessrecht 59 14 § 9 ZPO. Privatrechtliche Streitsache. Der Streit um die Ausweisung des Wohnungsinhabers aus einer diesem durch die Gemeinde im Rahmen der Sozialhilfe zur unentgeltlichen Be- nutzung zugewiesenen Wohnung ist keine privatrechtliche Streitsache und nicht durch Mietausweisungsentscheid des Zivilrichters, sondern durch beschwerdefähigen Räumungsentscheid der Sozialbehörde der Gemeinde (§ 44 Abs. 2 SPG) zu erledigen. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 4. Zivilkammer, vom 11. Juli 2003 in Sachen Gemeinde R. gegen R. S. Sachverhalt Die Gemeinde R. wies vor zehn Jahren der damals bedürftigen Beklagten St. im Rahmen der Sozialhilfe eine gemeindeeigene Woh- nung zur unentgeltlichen Benutzung zu. Sie erachtete anfangs 2000 die Bedürftigkeit nicht mehr als gegeben und forderte die Beklagte zur Räumung der Wohnung und Bezahlung eines monatlichen Woh- nungskostenanteils von Fr. 100.-- bis zum Auszug auf, kündigte, als die Beklagte der Räumungsaufforderung nicht nachkam, am 28. Ok- tober 2002 mit amtlichem Formular (Art. 266l Abs. 2 OR) die Woh- nung auf den 31. März 2003 und reichte am 1. Mai 2003 beim Ge- richtspräsidium B. ein Mietausweisungsbegehren ein. Das Gerichtspräsidium B. erledigte dieses Begehren in Erwä- gung, dass kein privatrechtliches Mietverhältnis vorliege und daher der Rechtsweg nicht offen stehe, durch Nichteintretensentscheid vom 21. Mai 2003. Das Obergericht, 4. Zivilkammer, hat diesen Nichtein- tretensentscheid in Abweisung der Beschwerde der Gemeinde R. mit Entscheid vom 11. Juli 2003 bestätigt. 2003 Obergericht/Handelsgericht 60 Aus den Erwägungen 1. Die Zivilgerichte sind zuständig, privatrechtliche Streitigkei- ten zu entscheiden (§ 9 Abs. 1 ZPO). Die Zulässigkeit des Rechts- wegs ist als Prozessvoraussetzung von Amtes wegen zu prüfen (§ 72 Abs. 2 ZPO; Bühler/Edelmann/Killer, Kommentar Zivilprozessord- nung, N 29 zu § 9 und N 8 zu § 72). 2. Die Gemeinde R. hat der Beklagten die Wohnung auf Grund- lage und im Rahmen der Sozialhilfegesetzgebung zugewiesen. a) Materielle Hilfe wird regelmässig durch Geldleistungen ge- währt (§ 9 Abs. 1 des Gesetzes vom 6. März 2001 über die öffentli- che Sozialhilfe und die soziale Prävention [Sozialhilfe- und Präven- tionsgesetz, SPG; SAR 851.200]; § 14 altSozialhilfegesetz vom 2. März 1982 [altSHG; AGS Bd. 11 Nr. 5]), kann aber unter besonde- ren Umständen auch auf andere Weise erbracht werden (§ 9 Abs. 2 SPG; § 14 altSHG), namentlich durch Direktzahlungen oder Sach- leistungen (§ 8 Abs. 3 der Sozialhilfe- und Präventionsverordnung vom 28. August 2002 [SPV; SAR 851.211]; § 16 altSozialhilfever- ordnung vom 18. April 1983 [altSHV; AGS 11 Nr. 6]). In der Regel wird der Anspruch auf Obdach (§ 3 Abs. 1 SPV) als Teil des An- spruchs auf Existenzsicherung (Kathrin Amstutz, Das Grundrecht auf Existenzsicherung, Diss. Bern 2002, S. 212 ff.) dadurch sicherge- stellt, dass die Sozialbehörde die erforderlichen Kosten für die Miete einer Wohnung bei der Bemessung der materiellen Hilfe berücksich- tigt und Geldleistungen gewährt, welche der unterstützten Person die Miete einer angemessenen Wohnung auf dem Wohnungsmarkt erlau- ben. b) Möglich ist aber auch die Unterbringung in einer gemeinde- eigenen Wohnung. Dabei ist denkbar, dass die Gemeinde einerseits einen privatrechtlichen Mietvertrag mit der unterstützten Person mit einem marktkonformen Mietzins abschliesst und andererseits die Mietkosten im Sozialhilfebudget berücksichtigt. Diesfalls läge ein Mietverhältnis vor, das dem Obligationenrecht unterliegt. Davon ab- gekoppelt würde die Sozialhilfe durch Geldleistung erbracht, was der unterstützten Person die Bezahlung der Miete in der gemeindeeige- nen Wohnung erlaubt. Wenn in einem solchen Fall die Voraussetzun- 2003 Zivilprozessrecht 61 gen der materiellen Hilfe nicht mehr gegeben sind, so hätte dies kei- nen Einfluss auf das Mietverhältnis, das fortbestehen würde und nur unter den mietrechtlichen Voraussetzungen des Obligationenrechts geändert oder gekündigt werden könnte. c) Vorliegend wurde mit der Beklagten aber kein Mietvertrag abgeschlossen. Vielmehr wurde ihr eine Wohnung zugewiesen, ohne dass sie dafür eine Entschädigung leisten musste. Sozialhilferechtlich wurde der Beklagten Obdach durch Sachleistung gewährt. Ein pri- vatrechtliches Vertragsverhältnis wurde nicht begründet. Einen An- teil an die Nebenkosten verlangte die Klägerin erst, nachdem sie die Beklagte aufgefordert hatte, sich nach einer neuen Wohnung umzuse- hen, weil die Voraussetzungen der Gewährung von materieller Hilfe nicht mehr erfüllt seien. d) Damit aber liegt, wie das Gerichtspräsidium B. zutreffend er- kannt hat, keine zivilrechtliche Streitigkeit über die Beendigung ei- nes Mietvertrags vor, sondern ein öffentlich-rechtlicher Streit da- rüber, ob die Klägerin der Beklagten weiterhin Obdach zu gewähren hat und ob, falls dies nicht mehr der Fall ist, die Beklagte die Woh- nung räumen muss. Darüber aber hat die Sozialbehörde zu entschei- den (§ 44 Abs. 2 SPG), deren Entscheid beim Bezirksamt und dem Verwaltungsgericht angefochten werden kann (§ 58 SPG).
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AG_HG_001
AG_HG
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Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2003-14_2003-07-04
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2006 Strafprozessrecht 57 IV. Strafprozessrecht 12 § 67 Abs. 2 StPO; § 76 Abs. 3 StPO; § 213 StPO Gegen die Anordnung von Haft zur Sicherung des Strafvollzugs gemäss § 67 Abs. 2 StPO durch das Bezirksamt ist das Rechtsmittel der Be- schwerde nicht gegeben. Vielmehr ist beim Präsidenten der Beschwerde- kammer ein Haftentlassungsgesuch zu stellen (Erw. 1). Ist ein Strafbefehl in Rechtskraft erwachsen und ist der Verurteilte in Haft, sind für die Entlassung die Vollzugsbehörden zuständig (Erw. 2). Aus dem Entscheid des Obergerichts, Beschwerdekammer in Straf- sachen, vom 3. März 2006 i.S. M.C. Sachverhalt 1. M.C. wurde mit Strafbefehl des Bezirksamts X. vom 1. Feb- ruar 2006 wegen rechtswidrigen Aufenthalts gemäss Art. 23 Abs. 1 ANAG mit 90 Tagen Gefängnis unbedingt, unter Anrechnung von ei- nem Tag Untersuchungshaft, bestraft. Der Strafbefehl wurde ihm am 1. Februar 2006 zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen. 2. Am 1. Februar 2006 verfügte das Bezirksamt X. zudem: "1. Der Beschuldigte wird gemäss § 67 Abs. 2 StPO zur Sicherung des Strafvollzugs in Haft gesetzt. 2. Diese sicherheitspolizeiliche Anordnung folgt im Anschluss an die Untersuchungshaft mit Beginn am 01.02.2006, 18:00 Uhr. 3. Erhebt der Verurteilte gegen den die Sicherheitshaft begründenden Strafbefehl Einsprache, bleibt die bisherige Untersuchungshaft beste- hen. 2006 Obergericht 58 4. [Zustellung]" 3. Gegen die Verfügung vom 1. Februar 2006 betreffend Anord- nung von Haft zur Sicherung des Strafvollzugs reichte M.C. am 3. Februar 2006 innert gesetzlicher Frist Beschwerde ein mit den An- trägen: "1. Unter der Bedingung, die Schweiz sofort zu verlassen, umgehende Entlassung aus der Haft. 2. [...]." Aus den Erwägungen 1. Entgegen der Rechtsmittelbelehrung auf der Verfügung des Bezirksamts X. vom 1. Februar 2006 ist gegen die Haftanordnung des Bezirksamts der Beschwerdeweg nicht gegeben, und der Be- schuldigte wäre gehalten gewesen, beim Präsidenten der Beschwer- dekammer ein Haftentlassungsgesuch zu stellen. Auf seine Be- schwerde ist folglich nicht einzutreten. 2. Nachdem in der Zwischenzeit der Strafbefehl in Rechtskraft erwachsen ist, sind für Haftfragen nicht mehr der Präsident der Be- schwerdekammer, sondern die Vollzugsbehörden zuständig. Es erüb- rigt sich demnach eine Überweisung der Eingabe des Verurteilten als Haftentlassungsgesuch an den Präsidenten der Beschwerdekammer. Der Verurteilte hat allfällige Haftentlassungsgesuche beim Departe- ment für Volkswirtschaft und Inneres, Sektion Straf- und Massnah- menvollzug, zu stellen.
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AG_HG_001
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AG
Northwestern_Switzerland
AG_HG_001_AGVE-2006-12_2006-03-03
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2002 Zivilrecht 33 C. Erbrecht 4 Art. 517 ZGB; Willensvollstrecker Dem Willenvollstrecker kann auch eine Erbbescheinigung als Legitima- tionsurkunde dienen. Wird die Willensvollstreckerstellung bestritten, ist ein entsprechender Hinweis aufzunehmen. Die ausstellende Behörde hat keine Kognitionsbefugnis, ob die Ernennung des Willensvollstreckers rechtsgültig ist. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 3. Zivilkammer, vom 9. Juli 2002 i.S. T.B. Sachverhalt Im Erbvertrag zwischen M.A. (Erblasser) und seiner Ehefrau, E.A. vom 18. April 1985 wurde Notar L. als Willensvollstrecker und Erbschaftsliquidator bestimmt. Am 11. November 2001 schloss der Erblasser mit Frau R. ebenfalls einen Erbvertrag ab. In Ziffer III.1. des Vertrages hoben die Parteien sämtliche, allfällig errichteten Verfügungen von Todes wegen auf und setzten in Ziffer IV als Wil- lensvollstrecker je einzeln und letztwillig den Beschwerdeführer ein. Der Beschwerdeführer rügt die Einsetzung von L. in der Erbgangsur- kunde. Aus den Erwägungen 3. a) Im Erbfall ist dem Willensvollstrecker seine Ernennung von Amtes wegen mitzuteilen. Dieser hat sich binnen 14 Tagen, von der Mitteilung an gerechnet, über die Annahme des Auftrages zu erklären, wobei sein Stillschweigen als Annahme gilt (Art. 517 Abs. 2 ZGB). Die behördliche Mitteilung ist nicht konstitutiv, da die Ernennung bereits durch die Verfügung von Todes wegen erfolgt. Die 2002 Obergericht/Handelsgericht 34 behördliche Mitteilung setzt lediglich das ordentliche Annahmever- fahren in Gang (Karrer, Basler Kommentar, Basel 1996, N 14 zu Art. 517 ZGB). Die handelnde Behörde hat dabei keine Kog- nitionsbefugnis, ob die Einsetzung des Willensvollstreckers rechts- gültig ist oder nicht. Die Mitteilung hat daher auch dann zu erfolgen, wenn die Behörde die letztwillige Verfügung als ungültig oder an- fechtbar erachtet oder wenn mehrere Verfügungen vorliegen und in einer jüngeren die frühere Ernennung eines Willensvollstreckers wi- derrufen wird (Karrer, a.a.O., N 11 zu Art. 517 ZGB mit Hinweis auf BGE 74 I 423 ff. und 91 II 177 ff.). Die Behörde darf daher auch nicht prüfen, welche von mehreren Verfügungen rechtsgültig ist, wenn der Erblasser nacheinander oder gleichzeitig mehrere Willensvollstrecker eingesetzt hat; dies ist Sache des ordentlichen Richters. Sie hat vielmehr allen eingesetzten Willensvollstreckern von deren Ernennung Mitteilung zu machen. Die Vorinstanz hat da- her zu Recht sowohl L. als auch den Beschwerdeführer auf ihre Ernennung hingewiesen. b) Der eingesetzte Willensvollstrecker hat Anspruch auf ein Willensvollstreckerzeugnis, d.h. auf eine behördliche Legitimations- urkunde über seine Stellung. Das Willensvollstreckerzeugnis hat nur deklaratorischen Charakter und dient dem Willensvollstrecker zum Beweis für seine Ernennung und seine Annahme (Karrer, a.a.O., N 18 zu Art. 517 ZGB). Wird die Willensvollstreckung bestritten, so ist die Bescheinigung nicht vorbehaltlos auszustellen. Es sind darin vielmehr die bestrittenen Punkte zu vermerken, damit der Ausweis Dritten nicht eine unumstrittene und rechtskräftige Willensvoll- streckerstellung vortäuscht (Karrer, a.a.O., N 19 zu Art. 517 ZGB mit Hinweis auf BGE 91 II 177 ff.; Piotet, Erbrecht, in: SPR IV/1, Basel 1978, S. 158; Wetzel, Interessenskonflikte des Willensvollstreckers, Zürich 1985, N 120 f.). Dies hat zur Folge, dass sich die Aufgabe des (bestrittenen) Willensvollstreckers auf sichernde und sonstige zur or- dentlichen Verwaltung gehörende Massnahmen beschränkt (Wetzel, a.a.O., N 120 f.; Studer, Beginn, Abwicklung und Beendigung des Willensvollstreckermandats, in: Druey/Breitschmid [Hrsg.], Willens- vollstreckung, Bern/Stuttgart/Wien 2001, S. 73). 2002 Zivilrecht 35 Neben dem Willensvollstreckerausweis kann dem Willensvoll- strecker auch die Erbbescheinigung nach Art. 559 ZGB zur Legiti- mation dienen, da diese notwendigerweise die Willensvollstreckung und den Namen des Willensvollstreckers enthalten muss (Karrer, a.a.O., N 20 zu Art. 517 ZGB). Wie das Willensvollstreckerzeugnis hat auch die Erbbescheinigung bei bestrittener Stellung des Willens- vollstreckers einen entsprechenden Hinweis zu enthalten. c) In der - in der Erbgangsurkunde integrierten - Erbbescheini- gung vom 20. März 2002 hielt das Gerichtspräsidium B. fest, dass als Willensvollstrecker Notar L. designiert wurde und dieser sein Amt stillschweigend angenommen habe. Den Beschwerdeführer erwähnt die Erbbescheinigung trotz seiner Ernennung durch den Erblasser im Erbvertrag bzw. in der letztwilligen Verfügung vom 11. November 2001 nicht. Nach dem vorstehend Ausgeführten ist dieser aber eben- falls als Willensvollstrecker aufzunehmen und zwar mit dem Hin- weis, dass die Person des Willensvollstreckers bestritten wird. Die Vorinstanz hat daher die Erbbescheinigung vom 20. März 2002 zu- rückzuziehen und durch eine neue, korrigierte bzw. ergänzte zu erset- zen (vgl. auch Karrer, a.a.O., N 47 zu Art. 559 ZGB).
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AG_HG_001
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AG_HG_001_AGVE-2002-4_2002-07-03
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2000 Obergericht 42 [...] 8 Art. 84 SchKG. Der Gesetzgeber hat mit dem in Art. 84 SchKG statuierten Beschleuni- gungsgebot eine Einschränkung des rechtlichen Gehörs vorgesehen, so 2000 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht 43 dass der Rechtsöffnungsrichter nach Einholung der schriftlichen Stel- lungnahme des Betriebenen ohne Ansetzung einer Verhandlung und ohne Berücksichtigung nachträglich eingereichter Beweismittel seinen Ent- scheid fällen darf. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 4. Zivilkammer, vom 19. Oktober 2000 in Sachen N.A.B. gegen S. L. Aus den Erwägungen 1. a) Gemäss Art. 84 Abs. 2 SchKG gibt der Rechtsöffnungs- richter dem Betriebenen sofort nach Eingang des Gesuches Gelegen- heit zur mündlichen oder schriftlichen Stellungnahme und eröffnet danach innert fünf Tagen seinen Entscheid. Diese Regelung lässt den Kantonen die Wahl zwischen dem schriftlichen und dem mündlichen Verfahren (Daniel Staehelin, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/München 1998, N. 41 zu Art. 84 SchKG mit Hinweisen). Aus der Formulierung geht klar her- vor, dass der Bundesgesetzgeber für das im Summarverfahren abzu- wandelnde Rechtsöffnungsverfahren im Vergleich zum ordentlichen Verfahren auch in Bezug auf den Gehörsanspruch Einschränkungen vornehmen wollte. Hätte der Bundesgesetzgeber den Parteien das volle rechtliche Gehör gewähren wollen, so hätte er den Rechtsöff- nungsrichter nicht dazu angehalten, seinen Entscheid in der kurzen Frist von fünf Tagen zu erlassen. Der Anspruch auf Gewährung des vollen rechtlichen Gehörs und das Beschleunigungsgebot gemäss Art. 84 Abs. 2 SchKG sind nicht miteinander vereinbar. In diesem Interessenkonflikt hat sich der Gesetzgeber klar für die zeitliche Be- schleunigung und damit die Beschränkung des rechtlichen Gehörs ausgesprochen. Darauf weist auch die Verwendung des Wortes "da- nach" in der erwähnten Bestimmung hin. Nach Eingang des Gesuchs ist der Gegenpartei Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme zu geben oder es ist zu einer mündlichen Verhandlung vorzuladen. Das 2000 Obergericht 44 kantonale summarische Verfahren stellt dem Ermessen des Summar- richters anheim, welchen dieser beiden Wege er wählt (§ 292 ZPO). b) Bei der gesetzlich genannten Frist von fünf Tagen zur Eröff- nung des Entscheids handelt es sich um eine Ordnungsvorschrift, die gemäss Lehre und Praxis nur dahin ausgelegt werden kann, dass Art. 84 SchKG jeden Verfahrensaufschub verbietet (Staehelin, a.a.O., N. 62 zu Art. 84 SchKG mit Hinweisen). Damit im Einklang steht auch Art. 82 Abs. 2 SchKG, gemäss welchem der Betriebene Ein- wendungen, welche die Schuldanerkennung entkräften, sofort glaub- haft zu machen hat. Unter diesem Aspekt sind die Beweismittel, die von den Parteien angerufen werden können, beschränkt (Staehelin, a.a.O., N. 56 zu Art. 84 SchKG mit Hinweisen). Im provisorischen Rechtsöffnungsverfahren gelangen von Bundesrechts wegen grund- sätzlich alle Beweismittel zur Verwertung, soweit das Rechtsöff- nungsverfahren dadurch keine Verzögerung erfährt. Der Rechtsöff- nungsrichter wird aber aufgrund des Rechtsöffnungsbegehrens oder einer Stellungnahme des Betriebenen keine Beweisanordnung im Sinne von § 205 ZPO erlassen und gestützt darauf Zeugen vorladen, da ein derartiges Vorgehen wegen der damit verbundenen zeitlichen Verzögerung Art. 84 SchKG verletzte. Hingegen hat er die an der Gerichtsverhandlung oder im schriftlichen Verfahren offerierten und sofort abnehmbaren Beweismittel zu berücksichtigen. Auf diese Wei- se ist gewährleistet, dass der Betriebene Einwendungen im Sinne von Art. 82 Abs. 2 SchKG sofort glaubhaft machen kann. c) Aus vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die Vorin- stanz nach Einholung der Stellungnahme (Klageantwort) beim Be- klagten auf die Ansetzung einer Verhandlung verzichten durfte. Das rechtliche Gehör wurde dadurch nicht verletzt. Falls keine Verhand- lung durchgeführt wird, hat der Schuldner, der seine Einwendungen mit Zeugenbeweis führen will, in der Klageantwort schriftliche Er- klärungen dieser Personen einzureichen (Staehelin, a.a.O., N. 56 zu Art. 84 SchKG mit Hinweisen), auch wenn der Beklagte in der Be- schwerde zu Recht darauf hinweist, dass die vorgängige Kontaktie- 2000 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht 45 rung von Zeugen und Einholung von schriftlichen Erklärungen einen negativen Einfluss auf den Beweiswert der Aussagen haben kann (Beschwerde S. 5). Allerdings stellt diesbezüglich das Gewicht der Zeugenaussage unter Strafdrohung in einem späteren Prozess nach wie vor ein genügendes Gegengewicht dar. Ein Anspruch auf Durch- führung einer Verhandlung unter Vorladung der angebotenen Zeugen besteht wegen des Beschleunigungsgebotes nicht.
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AG_HG_001
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Urteil/Entscheid Handelsgericht 2. Kammer HSU.2020.76 / as / mv Entscheid vom 16. September 2020 Besetzung Oberrichter Vetter, Vizepräsident Gerichtsschreiber-Stv. Stich Gesuchstellerin M. AG, _ vertreten durch lic. iur. Christian Bär, Rechtsanwalt, Hintere Bahn- hofstrasse 6, 5001 Aarau Gesuchsgegne- rin I. AG, _ vertreten durch Rechtsanwalt Luc André, Av. Montbenon 2, 5475, 1002 Lausanne Gegenstand Summarisches Verfahren betreffend Bauhandwerkerpfandrecht - 2 - Der Vizepräsident entnimmt den Akten: 1. Die Gesuchstellerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in O. (SO). Sie be- zweckt insbesondere die _ (Gesuchsbeilage [GB] 2). 2. Die Gesuchsgegnerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in F. Sie hat fol- genden Zweck: _" (GB 6). Die Gesuchsgegnerin ist Alleineigentümerin der Grdst.-Nrn. 1 GB R. (E- GRID: CH 123; GB 3), 2 GB R. (E-GRID: CH 456; GB 5) und 3 GB R. (E- GRID: CH 789; GB 4). 3. Mit Gesuch vom 31. August 2020 (am 31. August 2020 persönlich über- bracht) stellte die Gesuchstellerin die folgenden Rechtsbegehren: [...] 4. Am 1. September 2020 erliess der Vizepräsident des Handelsgerichts folgende Verfügung: 1. Der Eingang des Gesuchs vom 31. August 2020 wird den Parteien bestä- tigt. 2. Die Streitsache gehört ins summarische Verfahren (Art. 248 ZPO). 3. Das Gesuch um Erlass superprovisorischer Massnahmen vom 31. August 2020 wird abgewiesen. 4. Die Gesuchsstellerin hat bis 15. September 2020 einen Kostenvorschuss von Fr. 12'000.00 an die Obergerichtskasse mit beiliegendem Einzah- lungsschein zu bezahlen (Art. 98 ZPO i.V.m. Art. 101 ZPO). 5. Der Gesuchsgegnerin wird Frist bis 15. September 2020 für die Erstat- tung einer schriftlichen Antwort angesetzt. 6. Fristerstreckungen werden grundsätzlich nicht gewährt. Ausnahmsweise ist eine Fristerstreckung beim Vorliegen zureichender Gründe möglich (Art. 144 Abs. 2 ZPO). Als solche gelten die Zustimmung der Gegenpartei oder - 3 - von der Partei nicht vorhersehbare oder nicht beeinflussbare Hinderungs- gründe. 7. Der Stillstand der Fristen gemäss Art. 145 Abs. 1 ZPO gilt nicht (Art. 145 Abs. 2 lit. b ZPO). 5. Am 15. September 2020 reichte die Gesuchstellerin eine (sprachlich schwer verständliche) Gesuchsantwort ein. Sie stellte darin weder ein Rechtsbegehren, noch bestritt sie den Tatsachenvortrag der Gesuchstelle- rin. Der Vizepräsident zieht in Erwägung: 1. Zuständigkeit 1.1. Bei der vorläufigen Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts handelt es sich um einen Anwendungsfall des vorsorglichen Rechtsschutzes i.S.v. Art. 261 ff. ZPO.1 Für den Erlass superprovisorischer und vorsorglicher Massnahmen ist deshalb das Gericht am Ort, an dem die Zuständigkeit für die Hauptsache gegeben ist oder am Ort, wo die Massnahme vollstreckt werden soll, zwingend örtlich zuständig (Art. 13 ZPO). Für Klagen auf Er- richtung gesetzlicher Pfandrechte ist das Gericht am Ort, an dem das Grundstück im Grundbuch aufgenommen ist, zuständig (Art. 29 Abs. 1 lit. c ZPO). Die Grundstücke der Gesuchsgegnerin, auf welchen die Gesuchstel- lerin Bauhandwerkerpfandrechte vorläufig eintragen lassen will, befinden sich in R. (AG) (GB 3-5). Die örtliche Zuständigkeit der aargauischen Ge- richte ist gegeben. 1.2. Die sachliche Zuständigkeit des Einzelrichters am Handelsgericht für den Erlass superprovisorischer und vorsorglicher Massnahmen ergibt sich aus Art. 6 Abs. 2 und 3 ZPO i.V.m. Art. 6 Abs. 5 ZPO und § 13 Abs. 1 lit. a EG ZPO AG, da die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei betroffen ist, gegen den Entscheid – bei einem behaupteten Streitwert von zusam- mengerechnet Fr. 6'785'318.45 (vgl. Art. 51-53 BGG) – die Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht offensteht und die Parteien im schwei- zerischen Handelsregister eingetragen sind. 1 BGE 137 III 563 E. 3.3. - 4 - 2. Allgemeine Voraussetzungen der vorläufigen Eintragung 2.1. Die Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts setzt im Wesentlichen die Forderung eines Bauhandwerkers oder Unternehmers für die Leistung von Arbeit und allenfalls von Material zugunsten des zu belastenden Grundstücks sowie die Wahrung der viermonatigen Eintragungsfrist voraus (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 und 839 Abs. 2 ZGB). 2.2. Die Eintragungsvoraussetzungen sind im Verfahren betreffend vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts lediglich glaubhaft zu ma- chen. An diese Glaubhaftmachung werden zudem weniger strenge Anfor- derungen gestellt, als es diesem Beweismass für vorsorgliche Massnah- men (Art. 261 ff. ZPO) sonst entspricht.2 Die vorläufige Eintragung darf nur verweigert werden, wenn der Bestand des Pfandrechts ausgeschlossen o- der höchst unwahrscheinlich erscheint. Im Zweifelsfall, bei unklarer Be- weis- oder Rechtslage, ist die vorläufige Eintragung zu bewilligen und die Entscheidung dem Richter im ordentlichen Verfahren zu überlassen.3 Letzt- lich läuft es darauf hinaus, dass der gesuchstellende Unternehmer nur die blosse Möglichkeit eines Anspruchs auf ein Bauhandwerkerpfandrecht nachzuweisen hat.4 3. Pfandsumme 3.1. Parteibehauptungen 3.1.1. Gesuchstellerin Die Gesuchstellerin behauptet gestützt auf eine Endkostenprognose eine Pfandsumme von total Fr. 5'654'432.06 (Gesuch Ziff. 1.10). Aufgeteilt auf die drei Grundstücke würden sich die massgebenden Pfandsummen pro Parzelle inklusive einer Sicherheitsmarge von 20 % wie folgt zusammen- setzen (Gesuch Ziff. 1.11 und 2.9): Grdst.-Nr. 2 GB R. Fr. 5'088'988.85 Grdst.-Nr. 3 GB R. Fr. 1'017'797.75 Grdst.-Nr. 1 GB R. Fr. 678'531.85 2 BGE 137 III 563 E. 3.3; 86 I 265 E. 3; vgl. auch SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, 3. Aufl. 2008, N. 1394; BSK ZGB II-THURNHERR, 6. Aufl. 2019, Art. 839/840 N. 37. 3 BGE 86 I 265 E. 3; 102 Ia 81 E. 2b.bb; BGer 5A_426/2015 vom 8. Oktober 2015 E. 3.4; 5A_924/2014 vom 7. Mai 2015 E. 4.1.2; SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, Ergänzungsband zur 3. Aufl., 2011, N. 628. 4 SCHUMACHER (Fn. 2), N. 1395. - 5 - 3.1.2. Gesuchsgegnerin Die Gesuchsgegnerin hält in ihrer Gesuchsantwort lediglich fest, dass sie die Forderung der Gesuchstellerin "sowohl in seinem Grundsatz als auch in ihrem Anteil völlig angefochten". Eine konkrete Bestreitung der einzelnen von der Gesuchstellerin behaupteten Forderungen unterlässt sie. 3.2. Rechtliches Art. 219 i.V.m. Art. 222 Abs. 2 ZPO verlangen von der gesuchsgegneri- schen Partei, darzulegen, welche Tatsachenbehauptungen der gesuchstel- lenden Partei im Einzelnen anerkannt oder bestritten werden. Es ist des- halb empfehlenswert, die Tatsachenbehauptungen der Gesuchstellerin de- tailliert d.h. Punkt für Punkt zu bestreiten.5 Bestreitungen sind dabei so kon- kret zu halten, dass sich bestimmen lässt, welche einzelnen Behauptungen damit bestritten werden; die Bestreitung muss ihrem Zweck entsprechend so bestimmt sein, dass die Gegenpartei weiss, welche einzelne Tatsachen- behauptung sie beweisen muss. Pauschale Bestreitungen reichen indes- sen selbst dann nicht aus, wenn sie explizit erfolgen. Erforderlich ist eine klare Äusserung, dass der Wahrheitsgehalt einer bestimmten gegneri- schen Behauptung infrage gestellt wird.6 Pfandberechtigt sind die Forderungen der Handwerker oder Unternehmer, die auf einem Grundstück zu Bauten oder anderen Werken, zu Abbruchar- beiten, zum Gerüstbau, zur Baugrubensicherung oder dergleichen Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB). Die mit dem Bauhandwerkerpfand zu sichernde bzw. die gesicherte Forde- rung besteht entsprechend in der Vergütungsforderung des Handwerkers oder Unternehmers. Sie ist mit dieser identisch. Für die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts im Grundbuch ist daher nach Art. 794 Abs. 1 i.V.m. Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB eine bestimmte Pfandsumme anzuge- ben.7 Werden auf mehreren Grundstücken pfandberechtigte Leistungen er- bracht, so ist die Pfandsumme auf die einzelnen Parzellen zu verteilen.8 Die Aufteilung hat derart zu erfolgen, dass jedes einzelne Grundstück nur mit demjenigen Anteil belastet wird, der dem Anteil an den Bauarbeiten entspricht, die tatsächlich für das betreffende (belastete) Grundstück er- bracht worden sind. Die sich aus der Aufteilung ergebenden Teilbeträge 5 Ähnlich DROESE, Bestreitungsbedürftige Beilagen – ein Hinweis zur bundesgerichtlichen Speise- karte, Note zu Urteil 4A_11/2018, SZZP 2019, S. 19. 6 BGE 141 III 433 E. 2.6; BGer 4A_9/2018 vom 31. Oktober 2018 E. 2.3; SCHNEUWLY, Lange Rechtsschriften – Wieso? und was tun?, Anwaltsrevue 2019, S. 445 f. 7 SCHUMACHER (Fn. 2), N. 436, 438 und 547. 8 BSK ZGB II-THURNHERR (Fn. 2), Art. 839/840 N. 18 m.w.H. - 6 - sind in der Folge als Teilpfandrechte i.S.v. Art. 798 Abs. 2 ZGB einzutra- gen.9 Der Unternehmer hat grundsätzlich nachzuweisen, welche konkreten Leistungen an Arbeit und Material er zu welchen Preisen für jedes einzelne Grundstück erbracht hat.10 Im Verfahren betreffend vorläufige Eintragung ist indes – aufgrund der drohenden Verwirkung bei Nichteintragung inner- halb der Frist von Art. 839 Abs. 2 ZGB – eine Aufteilung auf die einzelnen Liegenschaften nach Bruchteilen (etwa auf der Grundlage von Quadrat- o- der Kubikmeterzahlen) statthaft. Die im Grundbuch vorläufig eingetragenen Teilpfandsummen sind dann im Verfahren betreffend definitive Eintragung aufgrund konkreter Nachweise der auf den verschiedenen Grundstücken erbrachten Leistungen zu berichtigen.11 Ein Sicherheitszuschlag bzw. eine Sicherheitsmarge von 10 bis 20 % ist im Rahmen der vorläufigen Eintra- gung von Bauhandwerkerpfandrechten bei Gesamtüberbauungen von Lehre und Rechtsprechung bei der Bemessung der Teilpfandsummen zu- lasten der einzelnen Parzellen anerkannt.12 3.3. Würdigung Mangels Bestreitung der Gesuchsgegnerin ist von folgenden Pfandsum- men (inklusive Sicherheitsmarge von je 20 %) für die drei Grundstücke aus- zugehen: Grdst.-Nr. 2 GB R. Fr. 5'088'988.85 Grdst.-Nr. 3 GB R. Fr. 1'017'797.75 Grdst.-Nr. 1 GB R. Fr. 678'531.85 3.4. Verzugszinsen 3.4.1. Parteibehauptungen Die Gesuchstellerin behauptet, ab dem Zugang der Kündigung des TU- Vertrags am 15. Juli 2020 (GB 114) seien die jeweiligen Beträge fällig ge- worden. Ab diesem Zeitpunkt sei somit der Verzugszins im Grundbuch ein- zutragen (Gesuch Ziff. 2.10). Die Gesuchsgegnerin äussert sich nicht zu den Verzugszinsen. 3.4.2. Rechtliches Befindet sich der Forderungsschuldner in Verzug, können auch Verzugs- zinsen eingetragen werden.13 Die pfandberechtigte Forderung erhöht sich 9 SCHUMACHER (Fn. 2), N. 593, 837; vgl. BRITSCHGI, Das belastete Grundstück beim Bauhandwerker- pfandrecht, Luzerner Beiträge zur Rechtswissenschaft, Band/Nr. 30, 2008, S. 103-118, 105, 113 f.; vgl. auch MATHIS, Das Bauhandwerkerpfandrecht in der Gesamtüberbauung und im , 1988, S. 150, 152. 10 SCHUMACHER (Fn. 2), N. 593; BRITSCHGI (Fn. 9), S. 114; MATHIS (Fn. 9), S. 152. 11 Vgl. SCHUMACHER (Fn. 2), N. 840; BRITSCHGI (Fn. 9), S. 115; MATHIS (Fn. 9), S. 150 f. 12 Vgl. SCHUMACHER (Fn. 2), N. 850 f.; BRITSCHGI (Fn. 9), S. 110 je m.w.N. 13 SCHUMACHER (Fn. 2), N. 468; vgl. auch BGE 121 III 445 E. 5a; 142 III 73 E. 4.4.2. - 7 - entsprechend um die Verzugszinse ohne zeitliche Beschränkung. Bei der vorläufigen Eintragung hat der Unternehmer seinen Vergütungsanspruch und seine Forderung auf Verzugszins (inkl. Beginn des Zinsenlaufes) glaubhaft zu machen (Art. 961 Abs. 3 ZGB).14 Der Schuldner einer fälligen Forderung gerät entweder durch Mahnung (Art. 102 Abs. 1 OR) oder, so- fern die Parteien einen bestimmten Verfalltag verabredet haben, schon mit dessen Ablauf (Art. 102 Abs. 2 OR) in Verzug. Praxisgemäss gerät er auch mit Ablauf einer in einer Rechnung gesetzten Zahlungsfrist, wie z.B. "zahl- bar 30 Tage netto", ohne weitere Mahnung in Verzug.15 3.4.3. Würdigung Voraussetzung für den Anspruch auf Verzugszins ist, dass der Forderungs- schuldner sich in Verzug befindet. Die Fälligkeit ist eine Voraussetzung für den Schuldnerverzug, ist jedoch mit diesem nicht gleichzusetzen.16 Für die- sen ist vielmehr eine Mahnung oder ein bestimmter Verfalltag erforderlich. Die Gesuchstellerin behauptet weder das eine noch das andere. Auch aus den Akten ist dies nicht ersichtlich. Die Kündigung des TU-Vertrags am 15. Juli 2020 (GB 114) durch die Gesuchsgegnerin als Forderungsschuld- nerin ist weder eine Mahnung noch löste sie einen Verfalltag aus.17 Folglich trat der Verzug der Gesuchsgegnerin erst mit Zustellung des Gesuchs vom 31. August 2020 ein, d.h. am 2. September 2020.18 4. Eintragungsfrist 4.1. Parteibehauptungen Die Gesuchstellerin behauptet, die Arbeiten gemäss TU-Vertrag und Pro- jektänderungen seien noch nicht vollendet gewesen, als die Gesuchsgeg- nerin den TU-Vertrag mit Schreiben vom 14. Juli 2020 gekündigt habe (Ge- such Rz. 1.14). Die Viermonatsfrist von Art. 839 Abs. 2 ZGB sei damit ge- wahrt (Gesuch Rz. 2.7). Die Gesuchsgegnerin äussert sich nicht zur Eintragsfrist von Art. 839 Abs. 2 ZGB. 4.2. Rechtliches Die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts muss bis spätestens vier Monate nach der Arbeitsvollendung erfolgen, andernfalls verwirkt der An- spruch (Art. 839 Abs. 2 ZGB).19 Die Eintragungsfrist berechnet sich nach 14 SCHUMACHER (Fn. 2), N. 555. 15 AGVE 2003, S. 38; VETTER/BUFF, Verzugszinsen bei «zahlbar innert 30 Tagen», SJZ 2019, S. 151 f. m.w.N.; BSK OR I-WIDMER LÜCHINGER/WIEGAND, 7. Aufl. 2019, Art. 102 N. 9b; KOLLER, Schweizerisches Obligationenrecht: Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 2017, N. 55.32. 16 BK OR-WEBER/EMMENEGGER, 2020, Art. 102 N. 55; BSK OR I-WIDMER LÜCHINGER/WIEGAND (Fn. 15), Art. 102 N. 3 und 4 ff. 17 Siehe zur Kündigung des Forderungsgläubigers BK OR-WEBER/EMMENEGGER (Fn. 16), Art. 102 N. 123 ff. m.w.N. 18 Vgl. BSK OR I-WIDMER LÜCHINGER/WIEGAND (Fn. 15), Art. 102 N. 9. 19 BGE 126 III 462 E. 4c.aa; BSK ZGB II-THURNHERR (Fn. 2), Art. 839/840 N. 29. - 8 - Art. 7 ZGB i.V.m. Art. 77 Abs. 1 Ziff. 3 i.V.m. Abs. 2 OR. Sie endet somit an demjenigen Tag des letzten Monats, der durch seine Zahl dem Tag der Arbeitsvollendung entspricht.20 Zudem tritt der Fristenlauf gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung auch vor der Vollendung der geschuldeten Arbeiten ein, wenn der Unter- nehmer oder der Besteller den Vertrag vorzeitig auflösen,21 wobei es sei- tens des Unternehmers genügt, wenn er die Arbeit endgültig einstellt.22 Da- raus folgt, dass die Eintragungsfrist gemäss Art. 839 Abs. 2 ZGB ihren Lauf grundsätzlich noch nicht mit Eintritt des Schuldnerverzugs des Unterneh- mers nimmt,23 da die Vertragsauflösung neben dem Schuldnerverzug (von Ausnahmen nach Art. 108 OR abgesehen) auch dem Ansetzen einer Nach- frist sowie einer Rücktrittserklärung bedarf (Art. 107 OR). Demzufolge läuft die Eintragungsfrist gemäss Art. 839 Abs. 2 ZGB vor Arbeitsvollendung all- gemein nur mit einem rechtsgültigen Rücktritt vom Vertrag.24 Grundsätzlich hat der Unternehmer, welcher für mehrere Bauwerke auf ver- schiedenen Grundstücken arbeitete, die Eintragungsfrist für jedes Grund- stück gesondert einzuhalten. Die Frist beginnt deshalb für jedes Grund- stück bzw. Bauwerk mit der Vollendung der dafür geleisteten Arbeiten se- parat zu laufen, trotz einer allfälligen einheitlichen Vergebung in einem ein- zigen Werkvertrag. Indessen gilt ausnahmsweise auch für mehrere Bau- werke auf verschiedenen Grundstücken ein einheitlicher Fristbeginn, wenn die Bauwerke oder die Arbeiten bzw. Leistungen hierzu eine funktionelle Einheit bilden und die Bauarbeiten in einem Zug ausgeführt worden sind.25 4.3. Würdigung Die Einhaltung der viermonatigen Eintragungsfrist gemäss Art. 839 Abs. 2 ZGB ist aufgrund des unbestritten gebliebenen Tatsachenvortrags der Ge- suchstellerin nachgewiesen. 5. Ergebnis Damit ergibt sich zusammenfassend, dass die Voraussetzungen für die vorläufige Eintragung der Bauhandwerkerpfandrechte in der jeweils bean- tragten Höhe nebst Zins zu 5 % seit dem 2. September 2020 erfüllt sind und das Grundbuchamt Z. anzuweisen ist, diese Vormerkungen entspre- chend ins Grundbuch einzutragen. 20 BSK ZGB II-THURNHERR (Fn. 2), Art. 839/840 N. 31a. 21 BGE 120 II 389 = Pra 84 (1995) Nr. 199 E. 1.a und b; BGE 102 II 206 = Pra 65 (1976) Nr. 220 E. 1.a. 22 BGer 5A_683/2010 vom 15. November 2011 E. 4.1; SCHUMACHER (Fn. 2), N. 1125. 23 Anderer Ansicht SCHUMACHER (Fn. 2), N. 1129 ff. 24 BGE 120 II 389 = Pra 84 (1995) Nr. 199 E. 1.a und b; BGE 102 II 206 = Pra 65 (1976) Nr. 220 E. 1.a. 25 SCHUMACHER (Fn. 2), N. 1204 ff.; BSK ZGB II-THURNHERR (Fn. 2), Art. 839/840 N. 30.; BRITSCHGI, Das belastete Grundstück beim Bauhandwerkerpfandrecht, 2008, S. 55 f. - 9 - 6. Prosequierung Ist eine Klage auf definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts noch nicht rechtshängig, ist der gesuchstellenden Partei nach Art. 263 ZPO eine Frist zur Einreichung der Klage mit der Androhung anzusetzen, dass die Vormerkung der vorläufigen Eintragung im Grundbuch bei ungenutztem Ablauf der Frist ohne weiteres und ersatzlos gelöscht werde.26 Die Prose- quierungsfrist beträgt nach handelsgerichtlicher Praxis bei Fällen der vor- liegenden Grösse rund drei Monate. Der Fristenstillstand gemäss Art. 145 Abs. 1 ZPO ist bei der Prosequierungsfrist nach Art. 263 ZPO i.V.m. Art. 961 Abs. 3 ZGB ausgeschlossen.27 7. Prozesskosten Die Prozesskosten, bestehend aus Gerichtskosten und Parteientschädi- gung, werden der unterliegenden Partei auferlegt (Art. 95 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 1 ZPO). Ausgangsgemäss sind sie von der Gesuchsgegnerin zu tragen. 7.1. Unter Berücksichtigung des verursachten Aufwands sowie des Umfangs der Streitigkeit werden die Gerichtskosten auf Fr. 8'000.00 festgesetzt (§ 8 VKD; SAR 221.150). Gestützt auf Art. 111 Abs. 1 Satz 1 ZPO werden sie vorab mit dem von der Gesuchstellerin geleisteten Gerichtskostenvor- schuss in Höhe von Fr. 12'000.00 verrechnet. Die Gesuchsgegnerin hat der Gesuchstellerin die Gerichtskosten, d.h. Fr. 8'000.00, direkt zu ersetzen (vgl. Art. 111 Abs. 2 ZPO). Ein allfälliger Überschuss steht der Gesuchstel- lerin zu. 7.2. Die Gesuchsgegnerin hat der Gesuchstellerin zudem eine Parteientschä- digung zu bezahlen (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Die Parteientschädigung wird nach dem Streitwert – vorliegend Fr. 6'785'318.45 – bemessen (vgl. § 3 AnwT; SAR 291.150). Ausgehend von einer Grundentschädigung von rund Fr. 136'933.20 (§ 3 Abs. 1 lit. a Ziff. 12 AnwT) resultiert nach Vornahme ei- nes Summarabzugs von 75 % (§ 3 Abs. 2 AnwT) ein Betrag von rund Fr. 34'233.30. Damit sind insbesondere eine Rechtsschrift und die Teil- nahme an einer behördlichen Verhandlung abgegolten (vgl. § 6 Abs. 1 AnwT). Nach weiteren Abzügen von 20 % wegen der nicht durchgeführten Verhandlung (§ 6 Abs. 2 AnwT) und von 50 % wegen der gemessen am Streitwert nur geringfügigen Aufwendungen (§ 7 Abs. 2 AnwT), resultiert ein Betrag in Höhe von Fr. 13'693.30. Nach Hinzurechnung einer Ausla- 26 SCHUMACHER (Fn. 2), N. 672 ff. 27 BGE 143 III 554 E. 2.5.2 m.w.H.; vgl. auch SCHUMACHER (Fn. 2), N. 688. - 10 - genpauschale (§ 13 Abs. 1 AnwT) von praxisgemäss 3 % resultiert ein Be- trag in Höhe von gerundet Fr. 14'100.00, den die Gesuchsgegnerin der Gesuchstellerin als Parteientschädigung zu bezahlen hat. Dem gesuchstellerischen Antrag auf Zusprechung des Mehrwertsteuerzu- schlags ist nicht zu entsprechen. Die Gesuchstellerin ist gemäss UID-Re- gister28 selber mehrwertsteuerpflichtig. Sie kann die ihrem Anwalt bezahlte Mehrwertsteuer als Vorsteuer von ihrer eigenen Mehrwertsteuerrechnung in Abzug bringen (Art. 28 MWSTG).29 Die Mehrwertsteuer stellt somit kei- nen zusätzlichen Kostenfaktor dar und ist bei der Bemessung der Partei- entschädigung deshalb nicht zu berücksichtigen. 7.3. Eine abweichende Verlegung der Prozesskosten im allenfalls vor Handels- gericht stattfindenden Hauptprozess im ordentlichen Verfahren oder auf- grund separater Verfügung im vorliegenden Verfahren bleibt vorbehalten. Der Vizepräsident erkennt: 1. In teilweiser Gutheissung des Gesuchs vom 31. August 2020 wird der Gesuchstellerin die Vormerkung je einer vorläufigen Eintragung eines Bau- handwerkerpfandrechts gemäss Art. 837/839 i.V.m. Art. 961 ZGB wie folgt Fr. 678'531.85 zuzüglich Zins zu 5 % seit 2. September 2020 auf Grdst.-Nr. 1 GB R. (E-GRID: CH 123) Fr. 5'088'988.85 zuzüglich Zins zu 5 % seit 2. September 2020 auf Grdst.-Nr. 2 GB R. (E-GRID: CH 456) Fr. 1'017'797.75 zuzüglich Zins zu 5 % seit 2. September 2020 auf Grdst.-Nr. 3 GB R. (E-GRID: CH 789) bewilligt. 2. Das Grundbuchamt Z. wird angewiesen, die Vormerkung gemäss vorste- hender Dispositiv-Ziff. 1 sofort einzutragen. 28 Vgl. <https://www.uid.admin.ch/_> (zuletzt besucht am 16. September 2020). 29 Vgl. Merkblatt zur Frage der Berücksichtigung der Mehrwertsteuer bei der Bemessung der Partei- entschädigung der Gerichte des Kantons Aargau vom 11. Januar 2016 <https://www.ag.ch//kanton_aargau/jb/dokumente_6/obergerichte/handelsgericht/Merkblatt_MwSt.pdf> (zuletzt am 16. September 2020). - 11 - 3. 3.1. Die Gesuchstellerin hat bis zum 17. Dezember 2020 beim zuständigen Gericht im ordentlichen Verfahren Klage auf definitive Eintragung des Bau- handwerkerpfandrechts anzuheben. 3.2. Im Säumnisfall fällt die in der vorstehenden Dispositiv-Ziff. 1 angeordnete vorsorgliche Massnahme dahin, wobei die Vormerkung im Grundbuch nur auf entsprechendes Gesuch hin gelöscht wird. 3.3. Es gilt kein Stillstand der Fristen. 4. 4.1. Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 8'000.00 sind von der Gesuchsgegnerin zu tragen und werden mit dem von der Gesuchstellerin geleisteten Gerichtskostenvorschuss in Höhe von Fr. 12'000.00 verrech- net. Die Gesuchsgegnerin hat die von ihr zu tragenden Gerichtskosten der Gesuchstellerin direkt zu ersetzen. 4.2. Die Gesuchsgegnerin hat der Gesuchstellerin deren Parteikosten in rich- terlich festgesetzter Höhe von Fr. 14'100.00 (inkl. Auslagen) zu ersetzen. 4.3. Eine abweichende Verlegung der Prozesskosten mittels separater Verfü- gung oder im ordentlichen Verfahren bleibt vorbehalten, falls dieses vor dem Handelsgericht stattfindet. Zustellung an: die Gesuchstellerin (Vertreter; zweifach mit Abrechnung und Doppel der Gesuchsantwort vom 15. September 2020. Vorab per E-Mail: [email protected]) die Gesuchsgegnerin (Vertreter; zweifach. Vorab per E-Mail: [email protected]) Zustellung an: das Grundbuchamt Z. (vorab per E-Mail: [email protected]) mailto:[email protected] mailto:[email protected] mailto:[email protected] - 12 - Rechtsmittelbelehrung für die Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff., Art 90 ff. BGG) Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen, von der schriftlichen Eröff- nung der vollständigen Ausfertigung des Entscheids an gerechnet, die Be- schwerde an das Schweizerische Bundesgericht erhoben werden. Die Beschwerde ist schriftlich oder in elektronischer Form beim Schweize- rischen Bundesgericht einzureichen. Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit An- gabe der Beweismittel und die Unterschriften bzw. eine anerkannte elekt- ronische Signatur zu enthalten. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid verfassungsmässige Rechte (Art. 98 ff. BGG) verletzt. Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in den Händen hat; ebenso ist der angefochtene Entscheid beizulegen (Art. 42 BGG). Aarau, 16. September 2020 Handelsgericht des Kantons Aargau 2. Kammer Der Vizepräsident: Der Gerichtsschreiber-Stv.: Vetter Stich
6,501
4,488
AG_HG_002
AG_HG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_HG_002_-Handelsrecht-Bauhan_2020-09-16
https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/jb/dokumente_6/gesetze___entscheide/gesetze_2/handelsrecht/Entscheid_des_Handelsgerichts_vom_15.09.2020.pdf
null
nan
c83fa58a-4c3a-5f64-afca-43f2bf2ca64c
1
417
870,786
1,303,948,800,000
2,011
de
2011 Jugendstrafrecht 49 V. Jugendstrafrecht 12 Art. 25 Abs. 2 lit. b JStG, Art. 156 Ziff. 3 i.V.m. 140 Ziff. 3 Abs. 3 StGB Der erhöhte Strafrahmen von Art. 25 Abs. 2 lit. b JStG findet aufgrund des Verweises in Art. 156 Ziff. 3 StGB auf die Bestrafung nach Art. 140 StGB auch auf die räuberische Erpressung gemäss Art. 156 Ziff. 3 i.V.m. Art. 140 Ziff. 3 StGB Anwendung, sofern der Jugendliche zur Zeit der Tat das 16. Altersjahr vollendet hat und die Tat mit besonderer Skrupel- losigkeit begangen hat. Aus dem Entscheid des Obergerichts, Jugendstrafkammer, vom 28. April 2011 i.S. Jugendanwaltschaft des Kantons Aargau gegen M.H. (SJU.2010.1). Aus den Erwägungen 5.3. 5.3.1. Der Strafrahmen eines Freiheitsentzuges reicht bei Jugendlichen über 15 Jahren von einem Tag bis zu einem Jahr (Art. 25 Abs. 1 JStG), gemäss Art. 25 Abs. 2 lit. b JStG jedoch bis zu vier Jahren, so- fern der Jugendliche zum Zeitpunkt der Tat über 16 Jahre alt war, besonders skrupellos gehandelt hat und sich unter anderem des Rau- bes gemäss Art. 140 Ziff. 3 StGB strafbar gemacht hat. Nach dem Gesagten ist der Angeklagte nicht wegen Raubes, sondern wegen räuberischer Erpressung gemäss Art. 156 Ziff. 3 StGB schuldig zu sprechen. Die Strafe für räuberische Erpressung gemäss Art. 156 Ziff. 3 StGB richtet sich nach jener des Raubes ge- mäss Art. 140 StGB, was auch die Qualifikationen von Art. 140 Ziff. 2 und 3 StGB miteinschliesst. Der Gesetzgeber wollte mit die- ser Gleichsetzung der Strafen bei beiden Tatbeständen erreichen, dass räuberische Erpressung aufgrund ihres gleichen Unrechtsgehalts mit der gleichen Härte bestraft wird wie Raub. Begeht somit ein dem 2011 Obergericht 50 Erwachsenenstrafrecht unterstellter Angeklagter eine räuberische Erpressung und erfüllt er eine Qualifikationen von Art. 140 Ziff. 2-4 StGB, gilt für ihn der erweiterte Strafrahmen, wie wenn er einen Raub begangen hätte. Im Jugendstrafrecht kann nichts anderes gel- ten: Aufgrund des Verweises von Art. 156 Ziff. 3 StGB auf die Be- strafung nach Art. 140 StGB inklusive der erhöhten Strafrahmen für die qualifizierte Begehung ist der auf vier Jahre erhöhte Strafrahmen von Art. 25 Abs. 2 lit. b JStG auch auf eine räuberische Erpressung anzuwenden, sofern der Täter die Tat in qualifizierter Weise begeht. Es wäre nicht einzusehen und würde dem Willen des Gesetzgebers, Taten nach den beiden Tatbeständen aufgrund ihres gleichen Un- rechtsgehalts mit der gleichen Härte zu bestrafen, widersprechen, wenn für dieselbe Tat aufgrund der rechtlichen Qualifikation als räu- berische Erpressung anstatt als Raub ein Strafrahmen von einem Tag bis zu einem Jahr anstatt bis zu vier Jahren gelten würde. Daran än- dert auch der Umstand nichts, dass die Liste der in Art. 25 Abs. 2 lit. b JStG genannten Tatbestände eine abschliessende ist und die Be- stimmung restriktiv gehandhabt werden soll. Die Anwendung von Art. 25 Abs. 2 lit. b JStG wird hierdurch nicht um den Tatbestand der Erpressung gemäss Art. 156 StGB ergänzt, sondern er findet auf- grund des Verweises in Art. 156 Ziff. 3 auf die Bestrafung nach Art. 140 Ziff. 3 StGB Anwendung. Der erhöhte Strafrahmen von Art. 25 Abs. 2 lit. b JStG ist somit auch auf die mit besonderer Skrupellosigkeit begangene besonders gefährliche räuberische Erpressung gemäss Art. 156 Ziff. 3 i.V.m. Art. 140 Ziff. 3 Abs. 3 StGB anwendbar.
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AG_HG_001
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AG_HG_001_AGVE-2011-12_2011-04-28
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2011-12.html
https://agve.weblaw.ch/pdf/AGVE-2011-12.pdf
AGVE_2011_12
null
nan
c94b6b8a-eae9-5ef4-b4fa-75d3050f855f
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2009 Strafprozessrecht 53 IV. Strafprozessrecht 10 §§ 164 Abs. 1, 169, 217 Abs. 2 StPO; § 94 Abs. 1 GOG, § 33 Abs. 1 lit. g GOD Gegen den Entscheid eines Gerichts, mit welchem es einem Veruteilten nach Rechtskraft des Urteils zusätzliche Verfahrenskosten auferlegt, steht dem Verurteilten nicht die Kostenbeschwerde im Sinne von § 94 Abs. 1 GOG i.V.m. § 33 Abs. 1 lit. g GOD, sondern die Berufung im Sinne von § 217 Abs. 2 StPO zur Verfügung. Muss das Gericht im Zeitpunkt der Urteilsfällung damit rechnen, dass zu einem späteren Zeitpunkt weitere Verfahrenskosten anfallen werden, so muss es einen entsprechenden Vorbehalt im Urteilsdispositiv anbringen. Anderfalls können diese Kosten dem Veruteilten nachträglich nicht mehr auferlegt werden. Nach Rechtskraft des Urteils können einem Veruteilten nicht Kosten auferlegt werden, welche durch das Rechtsmittelverfahren eines Mitver- urteilten entstanden sind. Aus dem Urteil des Obergerichts, 2. Strafkammer, vom 12. Mai 2009, i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau gegen R.S. (SST.2009.14). Sachverhalt In einem Strafverfahren gegen mehrere Angeklagte auferlegte das Bezirksgericht X. mit Urteil vom 12. Juni 2003 dem Angeklagten R.S. u.a. 15% der gesamten Verfahrenskosten. Dieses Urteil erwuchs in Rechskraft. Einer der Mitverurteilten, R.B., erhob gegen das gegen ihn ausgesprochene Urteil Berufung. Bestimmte beschlagnahmte Ge- genstände mussten während dieses Rechtsmittelverfahrens weiterhin aufbewahrt werden, wodurch zusätzliche Mietkosten entstanden. Nach dessen Abschluss auferlegte das Bezirksgericht mit Ergän- zungsurteil vom 28. August 2008 die zusätzlichen Kosten anteils- 2009 Obergericht 54 mässig auf alle Mitverurteilten. Gegen dieses Ergänzungsurteil erhob R.S. Beschwerde. Aus den Erwägungen 2. 2.1. Die Vorinstanz versah ihr Urteil vom 28. August 2008 mit einer Rechtsmittelbelehrung gemäss § 94 GOG (Gerichtsorganisationsge- setz; Gesetz über die Organisation der ordentlichen richterlichen Be- hörden vom 11. Dezember 1984). Gemäss § 94 GOG können u.a. Verfügungen und Entscheide des Bezirksgerichts über die Festsetzung der Höhe von Gerichtskos- ten innert 20 Tagen von der Mitteilung an gerechnet beim Oberge- richt mit Beschwerde angefochten werden. 2.2. Die Vorinstanz auferlegte dem Verurteilten mehr als fünf Jahre nach Rechtskraft des gegen ihn in der Sache ergangenen Urteils vom 12. Juni 2003 einen Anteil der gesamten Mietkosten betreffend die J. S. G. in W., welche ihr bis zum Abschluss des vom Mitangeklagten R.U.B. angestrengten Rechtsmittelverfahrens angefallen waren. Gegenstand des vorinstanzlichen Urteils bildet somit nicht die Festsetzung der Höhe von Gerichtskosten, sondern deren nachträgli- che Auferlegung. Gegen einen solchen Entscheid der Vorinstanz steht dem Verur- teilten die Kostenbeschwerde im Sinne von § 94 Abs. 1 GOG i.V.m. § 33 lit. g GOD nicht zur Verfügung. 2.3. Gemäss § 217 Abs. 2 StPO können mit Berufung auch Mängel des vorinstanzlichen Verfahrens gerügt werden, soweit sie nicht mit dem Rechtsmittel der Beschwerde gesondert anfechtbar sind. Urteile der Bezirksgerichte können nicht mit dem Rechtsmittel der Be- schwerde im Sinne von § 213 StPO angefochten werden. Die Beschwerde des Verurteilten ist demnach als Berufung im Sinne von § 217 StPO an die Hand zu nehmen. 2009 Strafprozessrecht 55 3. Die Vorinstanz auferlegte dem Verurteilten mit Urteil vom 28. August 2008 in Ergänzung der Ziffer 7 ihres Urteils vom 12. Juni 2003 zusätzliche Verfahrenkosten mit der Begründung, dass dem Verurteilten gemäss Ziffer 7 dieses Urteils 15 % der Auslagen aufer- legt worden seien. Auslagen seien jene Kosten, welche dem Gericht während der Dauer des Verfahrens anfielen. Während der ganzen Dauer des Verfahrens seien Mietkosten betreffend die J.S.G.. in W. angefallen. Nachdem die Vernichtung der darin gelagerten Infra- struktur erst nach Rechtskraft des Verfahrens habe erfolgen können und die gesamte Miete 13 500 Franken (18 mal 750 Franken) aus- mache, seien dem Verurteilten somit 2025 Franken aufzuerlegen. 4. 4.1. Gerichte sind - anders als Verwaltungsbehörden - an ihre einmal verkündeten oder zugestellten Sach- oder Prozessurteile ge- bunden und dürfen diese nicht in Wiedererwägung ziehen bzw. wi- derrufen. Einmal erlassene Entscheidungen dürfen folglich durch die erlassende Instanz aus eigener Macht weder aufgehoben noch er- gänzt werden. Dies kann nur durch eine übergeordnete richterliche Instanz erfolgen. Diesem Prinzip folgt auch das aargauische Prozess- recht (vgl. Beat Brühlmeier, Kommentar zur aargauischen Strafpro- zessordung, 2. Auflage, Aarau 1980, Ziffer 5 zu § 166 StPO; Bühler/ Edelmann/Killer, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, 2. Auflage, Aarau/Frankfurt am Main 1998, § 280 ZPO N 1 ff.; Hau- ser/Schweri/Hartmann, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Auf- lage, Basel 2005, § 45 N 19; Häfelin/ Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Auflage, Zürich/Basel/Genf/St. Gallen 2006, N 994 S. 206 f.). 4.2. Ausnahmsweise hat der Richter gemäss § 169 Abs. 2 erstem Satz StPO die Möglichkeit, nach Eintritt der Rechtskraft eines Ur- teils, von Amtes wegen oder auf Gesuch hin, Missschreibungen und Missrechnungen sowie offenbare Irrtümer von Amtes wegen zu be- richtigen. Dabei ist es dem Richter nicht gestattet, am Entschei- dungsinhalt seines Urteils Korrekturen vorzunehmen, was dann der Fall ist, wenn dadurch etwas Neues ausgedrückt wird. Eine Än- 2009 Obergericht 56 derung ist nur insoweit zulässig, als das Urteil unklar ist oder ein- zelne unklare oder sich widersprechende Anordnungen enthält (vgl. Brühlmeier, a.a.O., § 169 Abs. 2 lit. c). Wenn der Richter hingegen Kosten nicht richtig verteilt, liegt ein Fehler in der Willensbildung des Richters vor, welcher einer Urteilsergänzung in diesem Sinne nicht zugänglich ist (vgl. Bühler/Edelmann/Killer, a.a.O., § 281 N 6 und 8), und für nachträgliche Änderungen eines eröffneten Ent- scheids bleibt kein Raum. 5. 5.1. Die Vorinstanz hatte dem Verurteilten mit Urteil vom 12. Juni 2003 die bis zu jenem Zeitpunkt angefallenen Verfahrenskosten in der Höhe von insgesamt Fr. 12 270.05 abschliessend und vorbehalt- los auferlegt. Den vorinstanzlichen Erwägungen im Urteil vom 28. August 2008 ist zu entnehmen, dass dieses nicht die Berichtigung von Missschreibungen und Missrechnungen im Sinne von § 169 Abs. 2 erster Satz StPO zum Zweck hatte. Namentlich wurde die mit Ur- teil vom 12. Juni 2003 festgesetzte Höhe der Verfahrenskosten weder falsch berechnet noch unrichtig geschrieben. 5.2. Die nachträgliche Auferlegung von zusätzlichen Kosten ist un- ter diesen Umständen nicht möglich. Soweit die Vorinstanz im Zeit- punkt der Urteilsfällung am 12. Juni 2003 tatsächlich damit hätte rechnen müssen, dass bei Ergreifung eines Rechtsmittels durch einen oder mehrere Angeklagte weitere Mietkosten betreffend die J. S.G. in W. anfallen würden, hätte sie einen entsprechenden Vorbehalt im Ur- teilsdispositiv anbringen müssen. 5.3. Ungeachtet dessen können einem Verurteilten nach Rechtskraft des ihn betreffenden erstinstanzlichen Urteils nicht Kosten auferlegt werden, welche durch das Rechtsmittelverfahren eines Mitangeklag- ten entstanden sind. Ein solches Vorgehen widerspräche dem Verur- sacherprinzip, da die Straftat des Verurteilten unter diesen Um- ständen nicht mehr als Ursache des Rechtsmittelverfahrens gelten kann. Der Zeitpunkt der Rechtskraft des den Verurteilten betreffen- den erstinstanzlichen Urteils unterbricht die Kausalität zwischen sei- 2009 Strafprozessrecht 57 ner Straftat und einem nicht von ihm selbst in Gang gebrachten Rechtsmittelverfahren.
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2005 Strafprozessrecht 85 [...] 20 § 139 f. StPO; Kosten und Entschädigung bei Einstellung des Strafverfah- rens. Die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft nach § 139 Abs. 1 und § 140 Abs. 1 StPO gilt auch für Teileinstellungsverfügungen. Der Entscheid über die Kostentragung und eine allfällige Entschädigung darf nicht ohne Not dem Sachrichter überbunden werden. Aus dem Entscheid des Obergerichts, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 29. November 2005 i.S. H.H. Aus den Erwägungen 1. Gemäss § 139 Abs. 1 StPO entscheidet die Staatsanwaltschaft bei Einstellung der Untersuchung in der Einstellungsverfügung zugleich über die Untersuchungskosten, und gemäss § 140 Abs. 1 StPO hat sie auch über ein Entschädigungsbegehren zu befinden, das vom Beschuldigten, gegen den das Verfahren eingestellt worden ist, innert 30 Tagen seit Zustellung der Einstellungsverfügung einzurei- chen ist (§ 140 Abs. 3 StPO). 2005 Obergericht 86 Dies gilt selbstverständlich auch für Teileinstellungsverfügun- gen, wo die Einstellung nur für Teile der durchgeführten Untersu- chung erfolgt und im Übrigen Anklage erhoben wird. Angesichts des klaren Gesetzeswortlauts darf der Entscheid über die Kostentragung und eine allfällige Entschädigung in solchen Fällen nicht ohne Not (und schon gar nicht generell) dem Sachrichter überbunden werden, es sei denn, eine Beurteilung hänge wesentlich vom Ausgang des Ge- richtsverfahrens ab und sei durch die Staatsanwaltschaft gar nicht möglich. Keinen Grund, die Beurteilung dem Sachrichter zu überlas- sen, bieten Schwierigkeiten bei der Kostenausscheidung. Eine pflichtgemässe Ausscheidung und Abschätzung der Kosten für den eingestellten Teil der Untersuchung ist von der zuständigen Instanz ohnehin vorzunehmen. An den aufgeführten Grundsätzen vermag die von der Staatsan- waltschaft geltend gemachte "langjährige Praxis", bei Teileinstellun- gen den Sachrichter über die gesamten Kosten entscheiden zu lassen, nichts zu ändern. Der Gesetzeswortlaut bietet keinen Raum für eine derartige Auslegung; es liegt - entgegen der Auffassung der Staatsan- waltschaft - selbstverständlich keine Gesetzeslücke vor. Dass die Staatsanwaltschaft grundsätzlich auch bei Teileinstellungen entschei- det, ist im Übrigen auch folgerichtig, hat sie sich doch mit den Akten der eingestellten Untersuchung eingehend befasst.
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