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https://www.sueddeutsche.de/auto/sz-serie-radl-metropolen-jeder-radweg-muss-erkaempft-werden-1.4143151 | Insbesondere die Grünen in der Wiener Stadtregierung würden gerne mehr für den Radverkehr tun, scheitern dabei aber an einem vielstimmigen Widerstand. | Der österreichische Dramatiker Franz Grillparzer soll einmal gesagt haben: "Es muss was geschehen, aber es darf nix passieren." Das Zitat bemühen Wiener gerne, wenn sie ihre eigene Grundhaltung beschreiben sollen. Veränderung, die mag der Wiener nicht so gern; sich über den Status Quo ärgern hingegen umso mehr. Daran sei zu denken, wenn man mit dem Rad durch Wien fährt. Die Kulisse: traumhaft. Wie auf der Ringstraße, wo man unter Kastanien fahrend fast alle großen Sehenswürdigkeiten der Stadt abfahren kann. Hier sind die Radwege breit, nur ein paar Touristen, die sich als Fußgänger auf den Radweg verirren, müssen manchmal energisch zur Seite geklingelt werden. Aber es lässt sich nicht überall in dieser Stadt so vorbildlich und sicher radeln wie auf dem Prachtboulevard. "Knochenbrecherstrecke" haben die Einheimischen beispielsweise den Getreidemarkt genannt, weil für Radfahrer dort einfach keine Spur eingeplant war. Wer den Platz mit dem Fahrrad passieren wollte, musste sich zunächst zwischen den Autos durchkämpfen, die gerne mit bis zu 70 Stundenkilometern herunterbretterten. Als die Stadt dort im vergangenen Herbst endlich einen Radweg eröffnen wollte, waren viele nicht begeistert. Nein, sie waren dem Nervenzusammenbruch nahe. Die rechte FPÖ etwa bekämpfte die Pläne vehement und hatte einige Boulevardblätter und viele Autofahrer auf ihrer Seite. Es half alles nichts, die rot-grüne Wiener Stadtregierung setzte sich durch. Beruhigt haben sich die Gemüter inzwischen nicht, nur verlagert. Nun soll nämlich ein anderer Radweg an der Wienzeile beim Naschmarkt errichtet werden. Damit würden den derzeit für Autofahrer reservierten acht Spuren zwei weggenommen. Auch hier sind die Proteste wieder enorm. "Jeder einzelne Radweg muss in Wien erkämpft werden", seufzt der zuständige grüne Stadtrat Christoph Chorherr. Radfahren sei zu einem politischen Symbol geworden, sagt Chorherr und schiebt ein "leider" hinterher. "Wer in Wien Rad fährt, gilt als weltfremder Linker." Um zu zeigen, wie gefährlich es derzeit an der Wienzeile ist, hat sich Chorherr kürzlich selbst auf ein Fahrrad gesetzt und ist publikumswirksam mit angespanntem Gesicht vor ein paar Journalisten an Bussen und Autos vorbeigeschlängelt. "Die Verkehrsplanung dort ist aus den Fünfzigerjahren", sagt der Kommunalpolitiker. "Alles ist nur auf das Auto ausgerichtet. Das kann ja so nicht bleiben." Bis zur nächsten Kommunalwahl im Herbst 2020, nach der die Grünen unter Umständen nicht mehr in der Stadtregierung sitzen könnten, wollen sie noch so einiges durchsetzen. Das Radfahren als eine der "günstigsten und umweltfreundlichsten Fortbewegungsmittel", wie Chorherr sagt, soll dabei besonders gestärkt werden. Auch für die Zukunft: Denn Wien wächst alle zehn Jahre um etwa 200 000 Einwohner - also in etwa der Größe von Mainz. Aber wenn die bekannten Straßen und Plätze plötzlich anders aussehen sollen, müssen viele in Wien erst einmal schlucken. Das ist kein neues Phänomen: So gab es schon Proteste, als der berühmte Jugendstil-Architekt Otto Wagner um das Jahr 1900 herum ein Kaiser-Franz-Josef-Stadtmuseum am Karlsplatz bauen wollte. Eine Fürstin soll ihren Wohnzimmerausblick gefährdet gesehen haben und initiierte eine erfolgreiche Bürgerinitiative, die dem Projekt schließlich ein Ende setzte. Ebenso kritisch waren die Bewohner, als im Jahr 1990 gegenüber vom Stephansdom das verspiegelte Haas-Haus (von einigen auch "Schaas-Haus" genannt) errichtet wurde, das heute fast ebenso als Sehenswürdigkeit gilt wie der Dom selbst. Oder als 2015 die zentrale Einkaufsstraße, die Mariahilfer Straße, zu einer Fußgänger-Zone umgebaut wurde. Damals kannten die Boulevardzeitungen monatelang kein anderes Thema als die bald fehlenden Parkplätze. Vielleicht liegt es an diesem immer noch tobenden Glaubenskrieg zwischen Auto- und Fahrradfahrern, dass der Anteil der Radfahrer am allgemeinen Transportaufkommen in Wien seit Jahren bei etwa sieben Prozent stagniert. Zum Vergleich: In München sind es 17,4 Prozent, in Berlin 13 Prozent. Die Stadt Wien will den Anteil nun auf zehn Prozent steigern. Veränderungen dürfen in Wien durchaus mal sein - sofern sie unter der Erde stattfinden Das gestaltet sich aber nicht nur wegen des Widerstands mancher Autofahrer als schwierig. Die große Konkurrenz ist nämlich gar nicht das Automobil, sondern die U-Bahn. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind in Wien sehr gut ausgebaut, in den Stoßzeiten fahren die unterirdischen Züge alle zwei Minuten. Mit 365 Euro für das Jahresticket sind sie zudem relativ günstig; mittlerweile schielen auch deutsche Politiker auf das Wiener Modell und fragen sich, ob und wie sie es adaptieren könnten. Fast 40 Prozent der Wiener nutzen daher bevorzugt die "Öffis", wie sie die öffentlichen Verkehrsmittel nennen, um sich in der Stadt zu bewegen. Und die Stadt investiert weiter massiv in den Ausbau ihres U-Bahn-Angebots. Eine komplett neue Linie bekommt Wien bis zum Jahr 2024. Gegenstimmen wurden bislang keine laut. Veränderungen dürfen also in der österreichischen Hauptstadt durchaus manchmal sein - nur am besten unter der Erde. | mlsum-de-1 |
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/allianz-der-grosse-vereinfacher-1.3974244 | Allianz-Chef Oliver Bäte verordnet dem Unternehmen eine radikale Vereinfachungskur: weniger Tarife, weniger Fragen, schnellere Antworten. | Wer früher bei der Allianz Deutschland eine Autoversicherung abschließen wollte, musste 25 Fragen beantworten. Seit 2017 sind es nur noch elf. "Nach 90 Sekunden oder schneller erhalten die Kunden eine Preisauskunft", begeistert sich Konzernchef Oliver Bäte. Die Folge: 2017 ist die Allianz in der Autoversicherung dreimal so schnell gewachsen wie im Vorjahr. Bäte nutzt die Hauptversammlung in der Münchener Olympiahalle, um einen radikalen, weltweiten Wandel in der Sachversicherung anzukündigen. Dabei geht es um Gebäude, Autos, Hausrat, Unfall- und Haftpflichtrisiken. "Wir müssen einfacher werden", fordert er. "Komplexität ist sehr unbeliebt bei Kunden, teuer für das Unternehmen und demotivierend für Mitarbeiter und Vertriebspartner." Schließlich will der Kunde heute alles über sein Smartphone abwickeln, nicht über Formulare. Beispiel Italien: Früher standen 15 Fragen zwischen dem potenziellen Kunden und dem Abschluss einer Kfz-Police. Heute reichen das Geburtsdatum und ein Foto des Kennzeichens. Das gehe nicht zu Lasten der Gewinne, sagt Bäte. "Wir sind dort nicht nur der schnellste, sondern auch der profitabelste Sachversicherer." In der Vermögensverwaltung habe die Gruppe ihre Probleme gelöst, auch in der Lebensversicherung sei man viel weiter. Jetzt kommt die Sachversicherung dran. "Unsere Kostenquote ist seit 2015 weiter gestiegen", moniert Bäte. Über alle Töchter und Länder waren es 2017 immerhin 28,7 Prozent der Prämieneinnahmen, die für Vertrieb und Verwaltung draufgingen. Das will Bäte drastisch senken. Das heißt natürlich auch Personalabbau, aber das sagt er nur indirekt: Das ganze werde "nicht geräuschlos vonstattengehen". "Wir werden das Direktgeschäft mit den Endkunden bündeln." Gelingt Bäte der Durchbruch, wird das den gesamten Versicherungsmarkt massiv verändern, nicht nur in Deutschland. Die Branche ist ohnehin unter Druck durch die niedrigen Zinsen, Versicherer werden von Start-ups angegriffen. Außerdem bereitet sich Amazon auf den Markteintritt vor. Bisher gibt es wenig Konkretes. Doch machen sich die etablierten Anbieter zu Recht Sorgen, dass Amazon oder ein anderer Internet-Gigant seine Daten über die Kunden auch für Versicherungsangebote nutzt. Es gehe nicht in erster Linie um Technologie, sagt Bäte, sondern um die radikale Vereinfachung von Tarifen und internen Prozessen. Damit die Allianz das nicht bei allen Töchtern neu erfinden muss, hat er das Vorstandsressort "Transformation" eingerichtet, das Iván de la Sota führt. Zur Strategie gehört, dass die Allianz alle Direktversicherer bündeln und einheitliche Angebote einführen will - weltweit. In Deutschland ist davon die Tochter Allsecur betroffen. "Wir werden das Direktgeschäft mit den Endkunden bündeln", erklärt Bäte. "Wir bauen erst in Europa und dann weltweit ein einheitliches Angebot." Bätes Vereinfachungsoffensive ist die zentrale Nachricht auf der Hauptversammlung. Bei sonst kritischen Punkten bleibt es ruhig. Umweltschützerin Regine Richter von Urgewald gratulierte der Allianz zum gerade angekündigten Ausstieg aus der Versicherung von Kohle und kritisiert nur die langen Übergangsfristen. Allianz-Aufsichtsratschef Michael Diekmann lobt Rednerinnen, die für mehr Frauen in der Führung eintreten. Er sei für einen Frauenanteil von 50 Prozent in den Aufsichtsräten. Kontrovers wird die Erhöhung der Aufsichtsratsvergütungen um 25 Prozent diskutiert. Diekmann begründet dies damit, dass die Bezüge seit sieben Jahren nicht angehoben worden seien und seither bei anderen Dax-Konzernen um 26 Prozent gestiegen seien. Not leiden müssen die Aufsichtsräte auch bisher nicht: Sie erhalten zwischen 100 000 und 366 000 Euro im Jahr für ihre nebenberufliche Tätigkeit. | mlsum-de-2 |
https://www.sueddeutsche.de/politik/neue-ausfuhren-regierung-genehmigt-ruestungs-exporte-nach-saudi-arabien-1.2336402 | Zuletzt hieß es, alle Waffen-Deals mit den Scheichs seien gestoppt. Doch der Bundessicherheitsrat hat nun unter anderem die Ausfuhr von Schieß-Simulatoren genehmigt. In Regierungskreisen heißt es, das sei kein Widerspruch. | Die Bundesregierung genehmigt weiterhin Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien. Das geht aus einer Übersicht der Exportgenehmigungen hervor, die der Bundessicherheitsrat in seiner jüngsten Sitzung erteilt hat. Die Liste, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, wurde am Mittwoch dem Bundestag zur Verfügung gestellt. Demnach dürfen vier Schieß-Simulationssysteme vom Typ "Gladio" samt Zubehör nach Saudi-Arabien ausgeführt werden, außerdem "Zieldarstellungsgeräte für Infanteriewaffen", die für ein "Übungsgelände" bestimmt sind. Zudem dürfen weiterhin Teile für eine Grenzsicherungsanlage ausgeführt werden, deren Ausfuhr bereits vor längerer Zeit genehmigt wurde. Die Bild am Sonntag hatte zuletzt berichtet, wegen der Menschenrechtslage habe der Bundessicherheitsrat sämtliche Waffen-Geschäfte mit Saudi-Arabien gestoppt. In Regierungskreisen wurde nun darauf verwiesen, dies sei kein Widerspruch, da sich unter den für den Export freigegebenen Gütern keine Waffen befänden. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Jan van Aken griff die Regierung dennoch an: "Angela Merkel bleibt sich treu. Menschenrechte zählen für diese Bundesregierung weniger als Rüstungsexporte." Er forderte, Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien vollständig zu stoppen: "Die kürzliche Auspeitschung des Bloggers Raif Badawi hat wieder einmal deutlich gemacht, mit was für einem menschenverachtenden Regime die deutsche Rüstungsindustrie und die Regierung Merkel da paktieren", sagte van Aken. "Es ist schön und gut, dass jetzt erstmal keine Kampfpanzer nach Saudi-Arabien geliefert werden. Aber das ist kaum mehr als ein Anfang. An Staaten, die die Menschenrechte mit Füßen treten, darf kein Panzer, kein Gewehr, nicht einmal eine Schraube für eine Waffe geliefert werden." Transportpanzer für Kuwait, Funkgeräte für Ägypten Die Grünen-Abgeordnete Agnieszka Brugger sagte: "Erst kürzlich wurde behauptet, dass die Bundesregierung alle Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien vorerst stoppen würde. Wie die jetzt erteilten Genehmigungen des Bundessicherheitsrates zeigen, kann davon keine Rede sein." Stattdessen liefere "Schwarz-Rot auch bei dieser Genehmigungsrunde Waffen und andere Rüstungsgüter an Drittstaaten, in denen Menschenrechte systematisch verletzt werden", sagte Brugger. "Frieden, Sicherheit und Menschenrechte müssen mehr als kurzfristige deutsche Wirtschaftsinteressen zählen." Der Bundessicherheitsrat genehmigte darüber hinaus die Ausfuhr von zwölf Fuchs-Transportpanzern nach Kuwait. Ägypten soll 240 Funkgeräte samt Zubehör bekommen. | mlsum-de-3 |
https://www.sueddeutsche.de/politik/polizei-und-social-media-beruhigen-und-warnen-1.3302967 | Die Polizei steckt bei ihrer Informationspolitik in einem Dilemma: Sie muss die Öffentlichkeit zur Vorsicht mahnen und zugleich Panik verhindern. Doch sie hat aus dem Münchner Amoklauf gelernt. | Die Polizeipräsidien in Berlin und München sind seit mehr als zwei Jahren in Deutschland führend, was die Nutzung sozialer Medien angeht - und tauschen sich regelmäßig über ihre Erfahrungen aus. Es ist eine schlimme Ironie des zu Ende gehenden Jahres, dass beide das im Ernstfall unter Beweis stellen mussten - die Münchner Polizei beim Amoklauf des 18-jährigen David S. im Juli, die Berliner Polizei nach dem Anschlag vom Montag. Am 22. Juli erschießt David S. neun Menschen am und im Münchner Olympia-Einkaufszentrum am nördlichen Stadtrand. Wenig später herrscht Chaos in der Innenstadt. Polizeihubschrauber kreisen über dem Hauptbahnhof, Beamte in schwerer Montur riegeln den Karlsplatz ab, im Hofbräuhaus bricht Panik aus. Aus dem Amoklauf eines Einzelnen ist in den sozialen Medien ein Terroranschlag mit mehreren Zielen geworden. Die Münchner Polizei - insbesondere ihr Sprecher Marcus da Gloria Martins - ist dafür gefeiert und mehrmals preisgekrönt worden, die Menschen in dieser Nacht vorbildlich informiert zu haben. Das ist aber nur der eine Teil der Wahrheit. Wer sich die Tweets und Facebook-Posts der Münchner Beamten in den ersten beiden Stunden nach dem Amoklauf genau anschaut, der stellt fest: Die Polizei hat es damals nicht unbedingt geschafft, die vielen Gerüchte zu entkräften. Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz hat die Berliner Polizei die Fakten, so schnell sie konnte, selbst verbreitet, hat die ganze Nacht verlässlich auf Deutsch und auf Englisch via Twitter informiert. Sie hat - und das ist entscheidend - die Informationshoheit über den Anschlag behalten. Die Berliner Polizei tat alles dafür, Gerüchten keine Chance zu geben. Mehr noch: Der Twitter-Account @PolizeiBerlin_E wurde im Laufe des Abends auch für Medien eine der wichtigsten Informationsquellen. Wer aktuelle Details über den Anschlag haben wollte, musste sich hier informieren. Die Lage beim Amoklauf in München und die Situation vom Montagabend in Berlin sind nicht direkt vergleichbar. In München glaubten Augenzeugen, in zwei Zivilbeamten Attentäter "mit Langwaffen" erkannt zu haben, es gingen unzählige Notrufe über Schießereien am Stachus und an angeblich 70 weiteren Orten im ganzen Münchner Stadtgebiet ein. Aus der heutigen Perspektive betrachtet, wirkte die Münchner Polizei zunächst überfordert: Sie dementierte auf den eigenen Accounts die Falschmeldung von der Schießerei am Stachus nicht, sie blieb sehr lange bei der beunruhigenden Einschätzung, man fahnde nach "bis zu drei Tätern", sie kommunizierte den Suizid des Amokläufers erst sehr spät. Die Berliner Polizei hingegen hinterließ am Montagabend den Eindruck, alles im Griff zu haben. Sie trat zwei Stunden nach dem Anschlag beruhigend auf. Allerdings um den Preis, nichts von der Flucht des mutmaßlichen Täters zu schreiben. Einen Tag später ist klar, dass der Fahrer des Lastwagens entgegen ursprünglicher Meldungen auf freiem Fuß ist. Am Dienstagmittag, 17 Stunden nach dem Anschlag, twitterte die Berliner Polizei: "Der festgenommene Tatverdächtige streitet derzeit die Tat am Breitscheidplatz ab. Wir sind daher besonders wachsam. Seien Sie es bitte auch." Und einige Stunden später muss die Bundesanwaltschaft einräumen, dass sie den falschen Mann hatte, sie ließ den Verdächtigen frei. Beruhigend ist das nicht. Möglicherweise, weil die Wirklichkeit eben beunruhigend ist. Die Münchner Polizei stand im Juli vor dem Problem, lange nicht zu wissen, womit sie es zu tun hatte. Zwar war ebenfalls nach gut zwei Stunden ein Mann gefunden worden, der sich vor den Augen der Polizei erschoss - der später als Amokläufer identifizierte 18-Jährige. Es dauerte jedoch weitere drei Stunden, ehe der Tote untersucht wurde. So lange hatten Sprengstoffexperten des Landeskriminalamts gebraucht, um sich der Leiche zu nähern. Man hatte befürchtet, der Rucksack des Mannes könnte eine Sprengfalle enthalten. Die Polizei hat in den vergangenen Monaten viel gelernt im Umgang mit Social Media. Sie hat vor allem erkennen müssen, dass die in den Polizeilehrbüchern festgeschriebene klare Trennung zwischen einer Terrorlage und einer Amoklage in den ersten Stunden oft gar nicht vorzunehmen ist. Und sie hat verstanden, welche Wirkung Mitteilungen in sozialen Netzwerken entfalten und wie sie diese nutzen kann. Bis Ende 2017 sollen alle bayerischen Polizeipräsidien Facebook und Twitter nutzen. Im Münchner Präsidium denkt man bereits darüber nach, künftig auch Cell Broadcast zu nutzen - SMS-Mitteilungen an alle Handynutzer im Bereich einer bestimmten Funkzelle. Die Berliner Polizei wiederum hat am Montag eine Nummer für Hinweise und eine Hotline für Angehörige verbreitet, auf den Facebook Safety-Check verwiesen und - wie die Münchner Kollegen im Juli - ein Portal eingerichtet, über das Augenzeugen Bilder und Videos von der Tat hochladen können. Jetzt müssen die Menschen mit ihren Handykameras nur noch lernen, im Notfall Verletzten zu helfen, statt Videos von ihnen zu drehen. | mlsum-de-4 |
https://www.sueddeutsche.de/reise/ende-der-reise-warten-auf-die-schneeschmelze-1.2731880 | Die Temperaturen steigen auf Frühsommer, trotzdem halten manche Skigebiete daran fest, jetzt den Winter zu eröffnen. | Das Internet ist auch nicht mehr als ein fleißiger Depp, und wer das nicht glaubt, muss nur einmal ins Gebirge schauen. Nicht mit dem bloßen Auge oder mit dem Ofenrohr, sondern - so wie man das heute macht - per Webcam. Also: Webcam Davos, Chalet Güggel, 2500 Meter. Man sieht: eine Hütte, braune Landschaften, ein weißer Fleck im Hintergrund, der ein Schneefeld sein könnte, aber vielleicht auch nur ein Sinnes- oder Bildschirmtäuschung ist. Danach weiter zur Webcam Hochgurgl, Top Mountain Crosspoint, 2175 Meter. Man sieht: eine sehr große Hütte, braune Landschaften und ein paar weiße Flecken im Hintergrund, aus denen sich mit viel Mühe vielleicht ein Schneemännchen zusammenkratzen lässt. Die Menschen in den Tourismusverbänden von Davos und Hochgurgl-Obergurgl behaupten auf Nachfrage dennoch steif und fest: "Bei uns kann man tatsächlich schon Ski fahren." Hochgurgl-Obergurgl hatte am vergangenen Wochenende sein sogenanntes Skigebiets-Preopening, also die Eröffnung vor der Eröffnung (klingt komisch, aber das macht man heute so); in der Nähe von Davos sind sogar schon 1,2 Kilometer Langlaufloipe präpariert. Bei überzeugten Flachlandtirolern und Hügellandpreußen mag das die Frage aufwerfen, wie so etwas angesichts subtropischer November-Temperaturen und brauner Webcam-Landschaften möglich ist. Erklären lassen sich die weißen Schneisen mit der entsprechenden Vorbereitung. Die Gurgler haben schon während einer günstigen Oktoberphase mit dem Beschneien begonnen und laut Tourismusverband 70 Kilometer Piste in die Hänge gebügelt. In Davos hielt man sich an eine von der Reisebranche adaptierte Fußballweisheit der alten Aphorismenschleuder Sepp Herberger ("Nach der Saison ist vor der Saison") und hat massenhaft Schnee vom vergangenen Winter eingelagert. Snowfarming nennt sich dieses Prinzip, was ebenso wie der "maschinell erzeugte Schnee" wunderbar illustriert, dass der Tourismus auch nicht anders funktioniert als Landwirtschaft und Industrie. Fragt sich, wann im Frühjahr die super-leistungsstarken "Mountain Melter" (umgangssprachlich: Bergheizung) angeworfen werden, damit wir als notorische Wintermuffel endlich auch im April hoch hinaus wandern können. | mlsum-de-5 |
https://www.sueddeutsche.de/politik/sommerinterview-merkel-setzt-auf-dialog-mit-erdogan-1.3072764 | Die Kanzlerin will sich weiter für eine Aufhebung des Besuchsverbots für deutsche Abgeordnete auf der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik einsetzen. Den Brexit hält sie für unumkehrbar. | Im Streit um das Besuchsverbot für deutsche Abgeordnete bei Bundeswehrsoldaten auf der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik setzt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf weitere Gespräche mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan. Das Treffen mit Erdoğan am Rande des Nato-Gipfels in Warschau sei "konstruktiv" verlaufen, sagte Merkel im Sommerinterview der ZDF-Sendung "Berlin direkt". Diese Gespräche müssten nun weitergeführt werden, damit die Abgeordneten die Möglichkeit bekämen, die Soldaten zu besuchen. Auf die Frage, ob auch ein Abzug der Bundeswehr aus Incirlik in Frage komme, antwortete die Kanzlerin ausweichend. "Jetzt muss man weiter arbeiten, noch ist die Lösung nicht da", sagte Merkel. Aus den Reihen der Koalitionspartner CSU und SPD hatte es zuvor geheißen, dass eine dauerhafte Weigerung der Türkei zur Beendigung der deutschen Beteiligung an dem Nato-Einsatz führen müsse. Die Bundeswehr ist in Incirlik, unweit der syrischen Grenze, am Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat beteiligt. Ende Juni verweigerte die Türkei die Erlaubnis für eine Reise von Verteidigungsstaatssekretär Ralf Brauksiepe mit einer Gruppe von Abgeordneten nach Incirlik. Zuvor hatte der Bundestag die Massaker an Armeniern auf dem Gebiet der heutigen Türkei vor etwa hundert Jahren als Völkermord eingestuft. Nach Brexit: Kein Verbleib Großbritanniens in der EU Bei der Frage nach einem Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union nach dem dem Brexit-Votum sagte Merkel, sie sehe dafür keine Möglichkeit. Der nächste Schritt sei, dass London den Austritt aus der EU nach Artikel 50 beantrage. "Ich befasse mich mit den Realitäten und ich gehe davon aus, ganz fest, dass dieser Antrag gestellt wird." Merkel wies Vorwürfe zurück, dass ihre Politik in Europa mit für die Entscheidung der britischen Bevölkerung verantwortlich sei. Zu Strukturreformen und der Konsolidierung der Haushalte in überschuldeten Mitgliedstaaten habe es in der Eurokrise keine Alternative gegeben. Die Kanzlerin verwies dabei auf die unter ihrem Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) in Deutschland eingeleitete Agenda 2010, die zu mehr Wachstum und Arbeitsplätzen geführt habe: "Diesen Weg, den haben wir genommen und den müssen andere auch nehmen." Beim EU-Referendum der Briten hätten diese Fragen außerdem kaum eine Rolle gespielt, fügte Merkel hinzu. Vielmehr sei es um die Möglichkeit von Menschen aus anderen EU-Ländern gegangen, sich in Großbritannien niederzulassen. Die Freizügigkeit sei allerdings eine Grundvoraussetzung für den europäischen Binnenmarkt, deshalb seien hier auch keine Kompromisse gemacht worden. In der Flüchtlingskrise habe Europa eine "humanitäre Verantwortung" zur Aufnahme der Schutzsuchenden aus Syrien und dem Irak gehabt, sagte Merkel. Das sei ihre "feste Überzeugung". Außerdem habe Griechenland mit dem Andrang von Flüchtlingen nicht alleine gelassen werden können. Selbstkritik übte die Kanzlerin bei der Bekämpfung der Fluchtursachen, die lange nicht ausgereicht habe: "Da haben wir vielleicht alle miteinander nicht ausreichend genug hingeschaut." | mlsum-de-6 |
https://www.sueddeutsche.de/karriere/depressive-arbeitnehmer-ausgebrannt-und-angefeindet-1.513333 | Einer von zehn kranken Beschäftigten leidet unter psychischen Störungen - aber nur in wenigen Unternehmen wird offen darüber geredet. | Thomas Meier weiß genau, was die Leute sagen. "Psychisch krank, da denkt man gleich an Irrenhaus. Vor so einem schließt man die Kinder weg", sagt er. Deshalb bleibt er lieber anonym und tritt unter anderem Namen auf. Thomas Meier hat Depressionen. Seit ein paar Wochen erst kennt der Arbeiter von Alstom Power in Mannheim-Käfertal seine Diagnose; nun er will darüber reden. Aber inkognito, beim Betriebsrat, gleich nach der Schicht. Detailansicht öffnen "Das ganze Thema ist doch wie ein Stück Seife" - im Berufsleben will keiner was von psychischen Problemen wissen. (Foto: Foto: dpa) Depressionen sind eines der teuersten Tabus in deutschen Unternehmen. Laut Techniker-Krankenkasse führen "depressive Störungen" zu 18 Millionen Arbeitsfehltagen. Jedes Jahr werden es fünf Prozent mehr. Inzwischen leidet einer von zehn kranken Beschäftigten an psychischen Störungen. Sie sind, so weiß die Krankenkasse, der zweithäufigste Grund für Krankschreibungen - gleich nach Rückenschmerzen. Jetzt, wo bei Alstom wieder einmal Übernahmegerüchte kursieren, flüchten viele der über zweitausend Beschäftigten zum Betriebsrat, für ein Gespräch. Hier im Backsteingebäude in den grauen Gängen trifft man sich nach Schichtwechsel: Arbeiter im Blaumann aus der Turbinenproduktion ebenso wie Ingenieure, die am Computer neue Kraftwerke planen. Ein Kommen und Gehen. Thomas Meier fällt nicht weiter auf. Unendlich müde wirkt er, obwohl er noch jung ist. Wie jung, das will er nicht preisgeben Die Hosenträger ziehen seine Schultern weit nach unten. Vor drei Jahren hat Meier angefangen, eine Last auf sich zu spüren. Es begann, als er in eine andere Abteilung versetzt wurde. Der neue Chef führte nicht, er trieb seine Leute durch die unsicheren Zeiten. Die Jobs waren bedroht, die Belastung wuchs und wuchs. Bald kam es in der Abteilung fast täglich zu Konflikten. Meier engagiert sich für Kollegen, streitet mit dem Chef - und verliert dabei seine Energie. Nach ein paar Monaten fällt es ihm schwer, den Arbeitsrhythmus zu halten. Zu jedem Handgriff muss er sich überreden. "Irgendwann fühlt man sich wie eine zusammengeschossene Burg. Jeden Tag eine Kanonenkugel mehr, die reindonnert. Am Ende ist alles kaputt. Innen drin ist nur eine riesige Leere und totale Verzweiflung." Der Chef merkt, dass Meier nicht mehr funktioniert. Er wirft ihm Faulheit vor und lässt ihn von Kollegen überwachen. Die sollen ihm sogar folgen, wenn er aufs Klo geht. "Schikane", sagt Meier. Im Frühling schaltet der Chef den Betriebsrat ein. Hier im Backsteinbau kann Meier sich vor Betriebsrat Wolfgang Alles erklären, kann reden ohne zu brüllen: "Da hab ich die Anspannung gespürt", erzählt er. Es ist Betriebsrat Alles, der Meiers Chef gerade rechtzeitig aus dem Zimmer bugsiert, bevor sich Meier den Druck von der Seele weint. Ein paar Tage später geht er "ins Irrenhaus", fährt freiwillig auf Anraten von Wolfgang Alles in die Ambulanz der psychiatrischen Klinik in Mannheim. | mlsum-de-7 |
https://www.sueddeutsche.de/bildung/medienpaedagogik-kita-erziehern-fehlt-wissen-ueber-digitale-medien-1.2262518 | Sollen schon Kinder an Computer, Tablets und Smartphones herangeführt werden? Ergebnis einer Allensbach-Studie: Eltern und Erzieher haben große Vorbehalte gegenüber digitalen Medien - und können nicht mit ihnen umgehen. | Die Hände wischen auf dem Hochglanz-Cover herum, immer wieder sticht ein kleiner Finger auf das Papier ein. In einem anderthalbminütigen Youtube-Clip lässt ein Vater und bekennender Apple-Fan seine damals einjährige Tochter mit einem iPad und diversen Zeitschriften spielen - wobei letztere das Baby offenkundig einfach nur frustrieren. Das Video belegt: Digitale Medien sind auch im Alltag von Kleinkindern präsent. Brauchen wir also eine digitale Früherziehung? Das Institut für Demoskopie Allensbach hat jetzt im Auftrag der Deutsche Telekom Stiftung untersucht, wie es in Deutschland um die digitale Medienpädagogik in Kitas und Grundschulen bestellt ist. Dazu befragten die Meinungsforscher bundesweit mehr als 1500 Eltern von Kindern im entsprechenden Alter, Erzieherinnen, Erzieher und Grundschullehrkräfte. Dabei zeigte sich: Eltern wie Erzieher sehen die Kita nicht als den Ort, an dem Kinder an Computer, Tablets und Smartphones herangeführt werden sollten - im Gegenteil. Sie befürchten eine Überforderung der Kleinen. Die Ergebnisse im Überblick - so nutzen Kinder Medien Nach Angabe von Müttern und Väter ist der Fernseher für ihre Kinder immer noch wichtiger als sämtliche digitalen Endgeräte. So gaben 94 Prozent der Eltern von Grundschulkindern an, ihr Kind sehe in der Freizeit fern; bei den Eltern von Kindergartenkindern waren es immerhin noch 86 Prozent. Auf den Plätzen zwei und drei folgt bei beiden Gruppen die Beschäftigung mit Büchern und Hörmedien (Kassetten, CDs, MP3) - erst auf Platz vier kommen potenziell Computer, Tablets und Smartphones ins Spiel: 67 Prozent der Eltern von Grundschulkindern gaben an, ihr Kind schaue regelmäßig Filme und Videos; bei den Kindergartenkindern ist diese Freizeitbeschäftigung etwas weniger verbreitet (25 Prozent). Mehrfachnennungen waren möglich. Zumindest nach Einschätzung der Eltern spiegelt das Nutzungsverhalten die Beliebtheit der einzelnen Medien: So rangiert hier ebenfalls der Fernseher ganz vorne, gefolgt von Büchern. Je älter das Kind, desto präsenter sind digitale Medien Bei der Nutzung digitaler Medien ist das Alter ein entscheidender Faktor: So spielt mehr als jeder zweite Grundschüler in seiner Freizeit Computerspiele - aber nur jedes vierte Kindergartenkind. Ähnlich ist es bei der Beschäftigung mit Handys und Smartphones und der Internetnutzung - hier gilt: Je älter das Kind, desto präsenter sind digitale Medien in der Freizeit. Sind es bei den Kindern unter fünf Jahren noch knapp 70 Prozent, die nach Aussage der Mütter und Väter im Alltag gar nicht mit digitalen Medien in Berührung kommen, sinkt dieser Anteil bei den über Fünfjährigen auf 34 Prozent. Knapp jedes fünfte Kind im Grundschulalter beschäftigt sich schon mehr als eine Stunde täglich mit Computer, Tablet und/oder Smartphone. Und 82 Prozent der über Achtjährigen nutzen das Internet. | mlsum-de-8 |
https://www.sueddeutsche.de/politik/brexit-gipfel-freundlich-im-ton-unkonkret-in-der-sache-1.4173874 | Die britische Premierministerin Theresa May reist ohne neue Vorschläge nach Brüssel. Dennoch zeigt sie sich zuversichtlich, "einen Deal" erreichen zu können. | Bundeskanzlerin Angela Merkel hat auf eine Einigung in den Brexit-Verhandlungen gedrungen. "Das wäre für alle Seiten besser", sagte sie beim EU-Gipfel in Brüssel. "Ich gehe mit dem Geist an die Sache heran, immer alles zu versuchen, eine Übereinkunft zu finden." Die Staats- und Regierungschefs berieten am Mittwoch über das weitere Vorgehen. Die britische Premierministerin Theresa May zeigte sich zuversichtlich: "Jeder am Tisch will einen Deal. Und wir können einen Deal erreichen." Nach Angaben von EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani machte May aber keine neuen Vorschläge: "Ich habe inhaltlich nichts substanziell Neues erkannt." Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz sagte nach den Beratungen: "Vieles, was sie gesagt hat, war uns bekannt." Im Zentrum der Brexit-Gespräche stand die Frage, wie sich Kontrollen an der Grenze zwischen Irland und Nordirland verhindern lassen. Auf Beamtenebene hatten sich London und Brüssel darauf verständigt, dass das Vereinigte Königreich nach dem EU-Austritt in einer Zollunion verbleiben könnte; Nordirland solle zudem weiter dem Binnenmarkt angehören. Strittig war allerdings, wie lange diese Auffanglösung (Backstop) gelten soll. May ließ in einem Gespräch mit dem irischen Premier Leo Varadkar Verständnis dafür erkennen, dass eine zeitlich befristete Absicherung keine Absicherung sei. Zuvor hatte sie stets erklärt, dass ihr Land einer Lösung nur zustimmen könne, wenn sie ein Enddatum habe. Der Backstop soll nach einer Übergangsphase so lange gelten, bis ein Freihandelsvertrag vereinbart ist. Haushaltsstreit mit Italien überschattete den Brüsseler Gipfel Im Kreis der Staats- und Regierungschefs sagte die Premierministerin, dass sie bereit sei, eine mögliche Verlängerung der Übergangszeit in Erwägung zu ziehen. Eine solche hatte die EU in Aussicht gestellt, um mehr Zeit für die Verhandlungen zu bekommen. Voraussetzung dafür ist aber, dass zunächst ein Austrittsabkommen vereinbart wird, in dem auch die irische Frage gelöst ist. In der Übergangsphase, die nach bisherigem Plan bis Ende 2020 dauern soll, würde Großbritannien im Binnenmarkt und der Zollunion verbleiben. Angesichts stockender Verhandlungen treibt die Bundesregierung Vorkehrungen für den Fall voran, dass London ohne ein Abkommen aus der EU austritt. Es gehöre "zu einer verantwortungsvollen und vorausschauenden Regierungsführung dazu, dass wir uns auf alle Szenarien vorbereiten", sagte Merkel im Bundestag. Ein Deal müsste spätestens im Dezember stehen, um einen "harten" Brexit zu verhindern. Auch der Haushaltsstreit mit Italien beschäftigte den Gipfel. Auf die Frage, ob es Spielraum gebe, den Budgetentwurf anzupassen, sagte Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte: "Nein." Er sei aber zuversichtlich, dass es einen "konstruktiven Dialog" mit der EU-Kommission gebe. Die Behörde debattierte am Mittwoch eine mögliche Ablehnung des Budgetplans. "Es gab dazu aber keine Entscheidung", sagte eine Sprecherin. Brüssel will Rom zunächst zu einer Erklärung auffordern. Italien muss darauf antworten. Danach wäre wieder Brüssel an der Reihe. Der Streit könnte sich mehrere Wochen hinziehen. EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici will am Donnerstag nach Rom reisen. | mlsum-de-9 |
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/airline-air-berlin-vor-dem-umbruch-1.2607503 | Die kommenden Wochen könnten für Air-Berlin-Mitarbeiter ungemütlich werden. Chef Stefan Pichler deutet einen radikalen Umbau der Airline an. | Air-Berlin-Chef Stefan Pichler ist bekanntlich nicht auf den Mund gefallen, doch wenn es um die Kernpunkte der geplanten Neuausrichtung angeht, wird er ziemlich kleinlaut. Die müsse er erst einmal mit dem Aufsichtsrat bei der nächsten Sitzung im Herbst besprechen. Und will sie deshalb nicht schon vorab ausführen, obwohl er vieles davon ganz offensichtlich für sich schon entschieden hat. "Das kann ich nicht machen", sagt er. Nur so viel: "Nach dem Sommer geht der Umbau los." Es deutet vieles darauf hin, dass die Zeiten relativer Ruhe bei Air Berlin in einigen Wochen vorbei sind. Wenn der Aufsichtsrat - sprich Hauptanteilseigner Etihad Airways - den im Frühjahr installierten neuen Chef machen lässt, dann wird es für viele Mitarbeiter ungemütlich: Teile des Unternehmens wie etwa die Wartung oder administrative Funktionen könnten ausgegliedert werden, die billiger operierende österreichische Tochter Niki könnte ganz nach dem Vorbild von Eurowings bei Lufthansa mehr Strecken übernehmen, die sich für die Hauptmarke nicht mehr rentieren. Vor allem aber dürfte das eigene Streckennetz deutlich ausgedünnt und umgebaut werden - die interne Studie ist seit einigen Wochen fertig. Nach menschlichem Ermessen wird Air Berlin am Ende deutlich zu viele Mitarbeiter für das Restprogramm haben und es wird sich die Frage stellen, wie das Unternehmen die Situation meistert, ohne ähnliche Verwerfungen wie beim Konkurrenten Lufthansa entstehen zu lassen. "Dialog statt Klassenkampf" will Pichler einführen, doch angesichts möglicherweise massiver Einschnitte sind Konflikte kaum zu vermeiden. Zumal der neue Chef seit Amtsantritt auf den ersten drei Managementebenen Tabula rasa gemacht hat, ein Prozess der jetzt "zu 75 Prozent" abgeschlossen ist. Es gibt also immer noch etliche Abteilungsleiter, die um ihre Jobs fürchten müssen. Die Verunsicherung ist entsprechend groß und Geschäftspartner rätseln, ob ihre Ansprechpartner noch etwas zu sagen haben oder bald verschwunden sind. Viele gute Leute, die vom alten Vorstandschef Wolfgang Prock-Schauer nur ausgebremst worden waren, sind schon weg, sagt ein Air-Berlin-Kenner. Vielerlei Anlass zur Sorge Pichler und Air-Berlin-Finanzchef Arnd Schwierholz müssen versuchen, gleichzeitig die bilanziellen und operativen Probleme zu lösen. Und die wirtschaftlichen Ergebnisse des ersten Halbjahres machen deutlich, dass das Unternehmen bestenfalls auf der Stelle tritt. Das Eigenkapital, das Anfang des Jahres mit minus 415 Millionen Euro schon negativ war, hat sich noch einmal auf minus 575 Millionen Euro verringert. Schwierholz warnt, dies habe "nichts mit Insolvenz zu tun", denn es gelte nur für die Gruppe, nicht aber die operativen Gesellschaften. Anlass zur Sorge muss sein, dass Air Berlin im zweiten Quartal die Kapazität bereits deutlich um 7,1 Prozent zurückgefahren hat, die Nachfrage aber sogar noch stärker (um 7,6 Prozent) rückläufig war. Deswegen ist der sogenannte Yield, also der Umsatz pro verkauften Sitz, noch geringer geworden. Für die ersten sechs Monate ist die wichtige Kenngröße um 0,7 Prozent gestiegen, allerdings auf immer noch zu niedrigem Niveau. Der Umsatz war um zwei Prozent auf 1,86 Milliarden Euro zurückgegangen, der operative Verlust um sieben Prozent geringer (175 Millionen). Das Netto-Ergebnis verschlechterte sich noch weiter (um 23 Prozent auf 247 Millionen), weil die Airline im Vorjahr positive Effekte bei Sicherungsgeschäften einrechnen konnte. Damit sich die Lage bessert, müssen Pichler und sein Vorstand schnell handeln. Operativ ist die entscheidende Frage, wie das künftige Streckennetz aussehen wird. Pichler hat bereits angekündigt, dass sich Air Berlin auf die großen Flughäfen konzentrieren und Nebenstrecken, auf denen kein Geld zu verdienen ist, aufgeben wird. Von der Strategie dürfte vor allem der Flughafen Düsseldorf profitieren, der bislang schon die größte Basis ist und ein vergleichsweise starkes Geschäftsreiseaufkommen hat. Die Langstreckenverbindungen stehen offenbar nicht zur Disposition, denn "unsere Langstrecken sind im Gesamtbild weiter positiv". | mlsum-de-10 |
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/badminton-in-der-nische-nichts-neues-1.1031425 | Aufstieg ist derzeit kein Thema: Die Badminton-Zweitligisten Neuhausen und Neubiberg geraten im Kampf um Nachwuchs und Sponsoren ins Hintertreffen. | Es war ein Prestigeduell zweier Könner aus demselben Land, hatte irgendwie aber auch den Charakter einer Freundschaftspartie. Da reiste der Finne Markus Heikkinen, einzig verbliebener Legionär im Kader des Badminton-Zweitligisten TSVNeubiberg-Ottobrunn, mit dem Flieger von Helsinki nach München an, um im Spitzeneinzel gegen Viernheim auf seinen Landsmann Aki Kananen zu treffen. Kananen ist sein bester Freund und Trauzeuge, beide spielten gemeinsam für den finnischen Verein Tapion Solka und viele Male auch schon gegeneinander. Detailansicht öffnen "In den nächsten Jahren wird es für uns deutlich schwerer": Neubibergs Kapitän Sebastian Strödke (Foto: JOHANNES SIMON) Über Sieg oder Niederlage entscheidet die Tagesform, diesmal hatte der Linkshänder Heikkinen in einem an taktischen und technischen Finessen reichen Match die Nase vorn: 21:15 und 21:18 lautete das Ergebnis für ihn. Doch kaum hatte Heikkinen den Glückwunsch Kananens entgegengenommen, sah man ihn schon wieder am Spielfeldrand sitzen und mit seinen Mannschaftskollegen im Mixed fiebern. Die Szene war charakteristisch: Beim Badminton steht der Teamgeist im Vordergrund. Bei aller sportlichen Rivalität geht es meist kameradschaftlich zu, mitunter fast schon familiär. Das ist auch eine Folge des Nischendaseins, Geld gibt es in der Zweiten Liga kaum zu verdienen. Das sportliche Niveau hängt in erster Linie von der Nachwuchsarbeit und der Eigeninitiative in den Vereinen ab. In Neubiberg ist das mit der Familie Hauber sowie dem langjährigen Sportleiter Trevor Stewart verknüpft, belohnt mit dem Aufstieg in die Zweite Liga vor acht Jahren. Eine Saison mischte man sogar im Oberhaus mit, dabei blieb es aber. Die Zuschauerzahl lag in den Anfangsjahren bei etwa 200 im Schnitt, jetzt sind es noch etwa 50, die ihre Mannschaft, darunter den indischen Nationalspieler Arvind Bhat, unterstützen. Und jetzt? "Es wird immer schwieriger, die Zuschauer bei der Stange zu halten", sagt Michael Hauber, Zweiter Abteilungsleiter des TSV, und blickt auf die spärlich besetzten Ränge beim Heimspiel gegen den Tabellenzweiten Viernheim. "Als Vierter spielen wir momentan weder oben mit noch befinden wir uns in der Abstiegszone. Damit kann man die Leute nicht anlocken", konstatiert er ernüchtert. Nicht anders ergeht es dem langjährigen Lokalrivalen TSV Neuhausen-Nymphenburg, der nach Abschluss der Hinrunde mit ebenfalls 7:7 Punkten auf Platz fünf steht. Neuhausen behauptet sich ohne Unterbrechung seit 25 Jahren in der zweithöchsten deutschen Spielklasse und hält damit den "Rekord in Deutschland", wie der langjährige, ehemalige Teammanager Herbert Menacher stolz anmerkt. Neuhausen spielte zwar noch nie erstklassig, ist mit altgedienten einheimischen sowie mit ausländischen Kräften wie dem Engländer Neil White, der Weißrussin Vlada Chernjawskaja und deren Landsmann Yauheni Ykauchuk jedoch zu einer festen Größe in der Zweiten Liga geworden. Wie die Neubiberger sind allerdings auch die Neuhauser inzwischen in die Jahre gekommen: Konstantin Dubs und Thomas Nirschl sind 35, Jessica Willems 33, Chernjawskaja 44. Immerhin: Alexandra Langley, Zugang aus England, ist gerade 19 Jahre jung. Auch Neubibergs Kapitän Sebastian Strödke zählt sein Team mittlerweile zu den älteren in der 2. Bundesliga. Der Finanzmathematiker ist 30, die angehende Immobilienfachwirtin Julia Hauber 27, der frisch gebackene Arzt Timo Courage 26 und Offizier Jan Patrick Helmchen 25 Jahre alt. Wie sie geht auch Markus Heikkinen, 31, einem zivilen Beruf nach; er fährt in Helsinki Eiscreme für ein Lkw-Unternehmen aus. "Küken" im Team ist die 22-jährige Medizinstudentin Julia Schmidt. "In den nächsten Jahren wird es für uns deutlich schwerer", meint Strödke mit Blick auf die Ligakonkurrenten. Die Talente aus Fischbach etwa können am Olympiastützpunkt in Saarbrücken trainieren. Sich mit neuen jungen Kräften zu verstärken, kommt für Neubiberg laut Michael Hauber derzeit nicht in Frage. Vielmehr will man auf das Reservoir guter eigener Stammspieler zurückgreifen. Um einen Kader für den Aufstieg in die 1.Bundesliga zu schmieden, fehlt Neubiberg ohnehin das Geld. Auch in Neuhausen ist der Aufstieg derzeit kein Thema. Herbert Menacher hat schon viele Vereine erlebt, die nach einem Jahr Erstligazugehörigkeit den höheren Kostenaufwand für Spieler und Flüge nicht mehr bewältigen konnten. Und so ist man in Neuhausen wie in Neubiberg vorerst weiterhin auf die Unterstützung des Hauptvereins sowie kleinerer Sponsoren angewiesen. In München mit seinem großen Sport- und Freizeitangebot sei es schwierig, für die speziell im Fernsehen kaum präsente Sportart Badminton einen Hauptsponsor zu gewinnen, sagt Menacher. "Eine unterklassige Fußballmannschaft ist leichter zu sponsern als ein Zweitligateam im Badminton", sagt Michael Hauber. Die Gage der Spieler in den beiden Münchner Vereinen, die sich am Sonntag, 14 Uhr, in Neuhausen (Stievestr. 15) gegenüberstehen, beschränke sich mehr oder weniger auf eine Aufwandsentschädigung. Neidvoll blickt man gelegentlich auf den "großen Bruder" Tennis, wo es zum Teil schon für Bezirksligaspieler Antrittsprämien gibt. Zum Vergleich: Während bei den USOpen im Tennis 20 Millionen Dollar ausgeschüttet werden, sind es bei den All England Open im Badminton gerade einmal 200000 Dollar. | mlsum-de-11 |
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bakomidou-1.2545956 | Die Miete muss bezahlt werden, der Lohn kommt nicht: Die Griechin und Akademikerin Agoritsa Bakomidou muss wohl bald in der Suppenküche essen. | Wie geht es den Griechen? Wir haben bei einigen nachgefragt. Agoritsa Bakomidou, 49, ist eine von ihnen. Sie lebt als freie Übersetzerin und Publizistin in Athen. "Ich verspüre im Augenblick eine Unsicherheit, wie ich sie bislang nie erlebt habe. Ich habe keine Vorstellung davon, wie es weitergehen soll. Es gibt nur eine Gewissheit: Was immer auf mich zukommt, wird auch den Rest von uns betreffen. Das beruhigt mich immerhin ein bisschen. Ich habe noch 500 Euro in der Tasche. Von dem Geld muss ich erst mal auskommen, denn auf dem Konto liegt nichts mehr. Spätestens bis übermorgen werden 250 Euro Miete fällig, aber ich weiß noch nicht, ob ich zahlen werde. Denn an Einkünften kommt auch nichts mehr rein. Ich warte auf Geld für eine Übersetzung, doch der Verlag hat mir mitgeteilt, dass er nicht zahlen wird. Er könne den Betrag nicht überweisen, weil die Bank zu sei. Bei einer anderen Übersetzung habe ich um eine Verlängerung der Abgabefrist gebeten. Man hat mir geantwortet, dass sei überhaupt kein Problem - ich könne mir ruhig Zeit lassen. Im Klartext heißt das wohl, dass das ganze Projekt jetzt auf der Kippe steht. So wie es aussieht, wird hier jetzt alles gestoppt. "Ich vertraue Tsipras" Ich werde mich wohl oder übel damit auseinandersetzen müssen, wie man Suppenküchen und Armenspeisungen in Anspruch nehmen kann. Als Akademikerin bin ich bislang nie auf die Idee gekommen, dass ich davon einmal betroffen sein könnte, und offizielle Ratschläge gibt es dafür im Augenblick nicht. Das meine ich überhaupt nicht vorwurfsvoll. Denn die Leute in der Regierung arbeiten alle bis zum Umfallen, um ein Chaos zu verhindern und das Referendum auf die Beine zu stellen. Die sind noch mehr im Alarmzustand als wir Bürger. Die schlafen überhaupt nicht mehr. Ich vertraue Tsipras, auch wenn mir natürlich klar ist, dass ich nicht alles über ihn weiß. Mein Glaube an die Vertreter der EU ist allerdings restlos zerstört. Ich habe immer den Eindruck, die wissen gar nicht, was sie von uns fordern. Wir könnten beim Referendum natürlich für ein Ja stimmen, doch danach dafür einzustehen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Die Jahre der Krise haben uns so ausgeblutet, dass wir nichts mehr haben. "Mein Vater hat noch 50 Euro" Ich glaube, es ging aus Sicht der Gläubiger bei den Verhandlungen mit unserer Regierung immer nur darum, uns zu bestrafen. 'Wie konnten wir es wagen, eine linke Regierung zu wählen, die tatsächlich zum ersten Mal Nein sagt?' Das sollte auf keinen Fall belohnt werden. Mein Vater wirft mir vor, ich trage eine Mitschuld an der jetzigen Misere, weil ich im Januar für Syriza gestimmt habe. Er ist ein Konservativer, der immer auf der Seite von Samaras stand. Jetzt hat er mit 82 noch 50 Euro in der Tasche. Seinen Lebensabend hat er sich anders vorgestellt." | mlsum-de-12 |
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/streit-um-milchpreise-aerger-im-stall-1.2636464 | Milchbauern kämpfen um ihre Existenz und fordern lautstark Hilfe. Landwirtschaftsminister Schmidt gerät in Bedrängnis. Aber was hilft gegen den Preisverfall? | Christian Schmidt spürt den Druck, der vom Land her kommt, das kann er nicht leugnen. Der Bundesagrarminister von der CSU hängt eigentlich der Vorstellung an, dass der Markt der Landwirtschaft sich selbst reguliert. Er findet es gut, dass die EU im April die Milchquote abschaffte, mit der sie ab 1984 30 Jahre lang versucht hatte, die Milchpreise stabil zu halten. Aber der Markt hat eben seine Launen. Das Russland-Embargo kostet Abnehmer, die Nachfrage in China ist eingebrochen, und die Bauern haben zu eifrig investiert in ihre neue Freiheit, so viel Milch zu produzieren, wie sie wollen. Jetzt ist zu viel Milch da. Die Preise sind verfallen. Die Bauern fordern lautstark Hilfe von der Politik. Und Christian Schmidt blickt ohne Illusion auf die Sondersitzung des EU-Agrarrats an diesem Montag in Brüssel. "Wenn wir Montagnacht nichts haben, das wir auf den Tisch legen können", sagt er, "wird die Enttäuschung groß sein." Aber was hilft den Landwirten in der Milchpreiskrise? Das ist die Frage, und Schmidt hat dabei noch keine sehr entschlossene Figur gemacht. Die Direktzahlungen aus dem EU-Fördertopf würde er gerne vorzeitig ausschütten, damit die Bauern wieder flüssig sind - auch wenn das für die Länderverwaltungen schwer umzusetzen wäre. Aber sonst? Am Freitag schaute Schmidt beim schleswig-holsteinischen Landesbauerntag in Rendsburg vorbei und hinterließ ein paar Gedanken zur Krisenbewältigung, die selbst Werner Schwarz, der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), "nicht konkret genug" fand. "Keiner ist da, der wirklich ein Rezept hat", sagte Schmidt in seiner Ansprache, seine Botschaft lautete: Es wird nicht leicht, im Agrarrat eine gemeinsame Lösung zu finden. Später stand Schleswig-Holsteins Agrarminister Robert Habeck von den Grünen ratlos in der Veranstaltungshalle und sagte: "Ich habe nicht begriffen, wie die Verhandlungsstrategie für Montag sein soll. Wahrscheinlich bin ich zu doof dafür." Habeck selbst hat eine klare Position in der aktuellen Debatte. Er teilt sie mit den anderen sechs grünen Landes-Agrarministern. Gemeinsam haben Ulrike Höfken (Rheinland-Pfalz), Priska Hinz (Hessen), Alexander Bonde (Baden-Württemberg), Joachim Lohse (Bremen), Christian Meyer (Niedersachen), Johannes Remmel (Nordrhein-Westfalen) und er ihrem Bundeskollegen einen Brief mit auf den Weg nach Brüssel gegeben. "Leider hat die Entwicklung der letzten Monate unsere seit längerem vorgetragene Position bestätigt, dass das verbliebene Kriseninstrumentarium auf EU-Ebene nach Wegfall der Milchquote nicht ausreicht", heißt es darin, und: "Setzen Sie sich dafür ein, die erheblichen Mittel aus der Superabgabe, 2014/2015 für die Milchwirtschaft und für EU-Maßnahmen der freiwilligen Mengenreduktion im Milchangebot zu verwenden." | mlsum-de-13 |
https://www.sueddeutsche.de/politik/meldungen-von-faehren-und-schleusern-1.2609380 | Dutzende Menschen ersticken im Laderaum eines Schiffes auf dem Mittelmeer. Und in Deutschland stecken Unbekannte ein Haus in Brand, in dem Asylbewerber wohnen. Eine Wochenend-Übersicht. | Mittelmeer: Auf dem Mittelmeer sind am Wochenende erneut Dutzende Flüchtlinge ums Leben gekommen. Mindestens 49 Tote wurden nach Angaben der italienischen Marine im Laderaum eines Schiffes entdeckt. Sie erstickten vermutlich unter Deck, als Wasser in den Laderaum drang und giftige Dämpfe aufstiegen. Mehr als 300 Menschen seien gerettet worden. Kos: Auf der griechischen Ägäis-Insel Kos ist am Sonntag die Unterbringung von Flüchtlingen an Bord einer Fähre angelaufen. Wie der staatliche Rundfunk ERT berichtete, wurden mehr als 300 Menschen auf der Eleftherios Venizelos einquartiert. Das Schiff soll bis zu 2500 Flüchtlingen für etwa zwei Wochen eine provisorische Unterkunft bieten. Die Behörden hatten aus Sicherheitsgründen entschieden, dass nur Syrer auf dem Schiff untergebracht werden. Damit sollte verhindert werden, dass Streitigkeiten zwischen Flüchtlingen verschiedener Nationalitäten ausbrechen. Die Behörden auf der Insel sind seit Wochen mit der hohen Zahl der Flüchtlinge überfordert. Die Einwanderer warten dort oft tagelang unter widrigsten Bedingungen auf ihre Registrierung. Tausende Menschen mussten unter freiem Himmel schlafen, weil die Insel kein Aufnahmezentrum hat. Niederstedem: Unbekannte haben in der Eifel ein von Asylbewerbern bewohntes Haus in Brand gesetzt. Die Bewohner des Hauses in Niederstedem (Kreis Bitburg-Prüm) waren zur Tatzeit in der Nacht zum Donnerstag nicht anwesend, wie die Polizei mitteilte. Das Haus wurde seit mehreren Wochen von Asylbewerbern bewohnt. Wegen der Brandstiftung "beziehen Staatsanwaltschaft und Polizei einen fremdenfeindlichen Hintergrund der Tat in die Ermittlungen ein", erklärten die Behörden. Berlin: Im Zuge der aktuellen Flüchtlingskrise werden in Deutschland einem Zeitungsbericht zufolge immer mehr Schleuser gefasst. Im ersten Halbjahr seien 1420 mutmaßliche Schleuser festgenommen worden, berichtete die Welt am Sonntag unter Berufung auf Angaben der Bundespolizei. Im ersten Halbjahr 2014 seien es noch 773 gewesen. Damit hat sich die Zahl der von der Polizei gefassten Schleuser im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast verdoppelt. Insgesamt habe die Polizei im vergangenen Jahr 2149 Schleuser aufgegriffen. 2013 waren es demnach noch 1535. | mlsum-de-14 |
https://www.sueddeutsche.de/stil/dem-geheimnis-auf-der-spur-sehr-verlockend-1.3759708 | Die niedersächsische Stadt Hameln weiß, wie man sein eigenes Märchen vermarktet. Aber wer war der mysteriöse Rattenfänger wirklich? | Die Form,in der die Brüder Grimm diese Geschichte 1816 in ihre Sagensammlung aufgenommen haben, wurde ein Welterfolg, jeder kennt sie. Der Rattenfänger von Hameln wurde zur berühmtesten deutschen Sagengestalt mit globaler Ausstrahlung bis in die USA und nach China. Doch schon in der frühen Neuzeit machte die Geschichte vom "Bunting", so wird der ominöse Pfeifer in einer Version des 16. Jahrhunderts genannt, der erst Mäuse und Ratten aus der Stadt führt mithilfe magischer Flötentöne und dann die Kinder auf Nimmerwiederehen fortlockt, weil ihm der Stadtrat seinen Lohn verweigert, die Runde. Für Hameln jedenfalls ist die Sage ein wirtschaftlicher Segen, denn die Legende lockt alljährlich Abertausende von Touristen aus aller Welt in die kleine Stadt an der Weser, um jenen Ort schaudernd zu besuchen, in dem einst der bunte Rattenfänger sein gutes Werk verrichtete, vor allem aber grausame Rache übte an den wortbrüchigen Hamelnern. "Ein Jüngling von 30 Jahren, schön und überaus wohl gekleidet, trat über die Brücke." "Anno 1284 am Dage Johannis et Pauli war der 26. Juli/ Dorch einen Piper mit Allerley Farve bekledet gewesen CXXX Kinder verledet binnen Hameln geboren/ To Calvarie bi den Coppen verloren." So lautet die Inschrift aus dem 17. Jahrhundert am so genannten Rattenfängerhaus in Hameln, einem herrlichen Beispiel der Weserrenaissance. Frühere Belege des für die Kindseltern grausamen Geschehens gibt es in der Lüneburger Handschrift von 1430: "Zu vermelden ist ein höchst seltenes Wunderzeichen, das sich in der Stadt Hameln [...] im Jahre des Herrn 1284 gerade am Tage des Johannes und Paulus ereignete. Ein Jüngling von 30 Jahren, schön und überaus wohl gekleidet, [...] trat über die Brücke und durch das Wesertor (in die Stadt) ein. Auf einer silbernen Flöte von wundersamer Form begann er sodann durch die ganze Stadt hin zu pfeifen. Und alle Kinder, die diese Flöte hörten, an Zahl etwa 130, folgten ihm zum Ostertore hinaus zur sogenannten Kalvarien- und Gerichtsstätte. Dort verschwanden und entwichen sie, daß niemand aufspüren konnte, wo eines von ihnen geblieben war. [...] Dieses habe ich in einem alten Buche gefunden. Und die Mutter des Herrn Dekans Johann von Lüde sah die Kinder fortziehen." Immerhin wird hier sogar eine Zeugin benannt, die zur Tatzeit etwa 10 bis 14 Jahre alt war. Also gibt es früh eine mündliche Erzähltradition. Keine Rede ist allerdings in den alten Zeugnissen von Ratten. Dieser Teil der Sage wurde erst 1565 mit dem Hamelner Kinderverlust verbunden. Geschichten von sonstigen Rattenfängern waren damals weit verbreitet. Erst in der kombinierten Form wurde daraus die unsterbliche Legende vom erfolgreichen Rattenfänger von Hameln, der aus Rache zum Kinderentführer wird und in der Rezeptionsfolge rasch Teufelszüge annahm. Zugleich aber begann die Suche nach einer realen Vorgeschichte ohne mythische Fantasie. Gottfried Wilhelm Leibniz etwa spekulierte, ob der Auszug der 130 Kinder vielleicht auf den Kinderkreuzzug von 1212 hindeute. Andere vermuteten für das Kinderverschwinden eine Pestepidemie oder Naturkatastrophen. Die schwärzeste These: der Versuch, die Kinder als lästige Mitesser auf immer los zu werden Neuere Untersuchungen gehen davon aus, dass die Hamelner Kinder vielleicht Werbern für die Kolonisation im Osten folgten. Die traten meist in Begleitung eines Trommlers und Pfeifers auf. In der Version der Brüder Grimm ist von Siebenbürgen die Rede, wo die Kinder wieder aufgetaucht sein sollen. Andere Forscher wollten anhand von Personennamen die Auswanderer in Mähren vermuten. Die in dieser Hinsicht haltbarste These hat der Namensforscher Jürgen Udolph entwickelt. Nach seinen Recherchen und Überlegungen sind die Hamelner wohl in die Gegenden nördlich von Berlin in die Prignitz und die Uckermark gezogen. Das beweisen nach Udolph dortige Ortsnamen, Auswanderer würden gerne in der neuen Heimat die alten Ortsbenennungen wieder verwenden. So findet sich etwa in der Wesergegend Hamelspringe, wo die Hamel entspringt und bei Hameln in die Weser mündet. In der Uckermark gibt es Hammelspring, obwohl dort keine Hamelquelle existiert. Dass es Auswanderer aus dem Weserbergland in diese östlichen Gegenden gezogen hat, gilt als sicher. Das ist trotzdem kein absoluter Beweis für den Grund des Verschwindens. In der Trauer der Eltern schimmert nämlich noch etwas quälend Traumatisches durch, so, als werde da nicht nur von einem langen Abschied erzählt, sondern gebe es im Hintergrund eine irgendwie düstere Schuld am Verlust der Kinder. Die schwärzeste These entwickelt Fanny Rostek-Lühmann literaturpsychoanalytisch. Sie sieht in der Sage den Wunsch der Eltern verborgen, die Kinder, im Mittelalter oft hungrige, lästige Mitesser, auf immer los zu werden. Im Hamelner Messbuch "Passionale", der frühesten Überlieferung angeblich aus dem 14. Jahrhundert, gibt es keinen Kinderfänger, sondern nur lateinisch "rei", Schuldige. Liegt der Sage womöglich ein Unglück, gar eine Untat zugrunde, für die man den Rattenfänger dringend als entlastenden Sündenbock erfinden musste? | mlsum-de-15 |
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ende-des-quotensystems-milchbauern-warnen-vor-der-katastrophe-1.2277054 | Sie sind nicht zimperlich, wenn es darum geht, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Jetzt protestieren die Milchbauern gegen das Ende der Milchquote. Dabei hat auch die Quote das Sterben der Höfe nicht verhindert. | Wovor die Milchbauern warnen Wenn es darum geht, Aufmerksamkeit zu erzeugen, sind Milchbauern nicht zimperlich. Selbst vor drastischen Aktionen schrecken sie nicht zurück. Zurzeit ist es mal wieder so weit. Weil der Preis, den die Landwirte für ihre Milch erhalten, in den vergangenen Monaten deutlich gefallen ist und weil sie überzeugt sind, dass das erst der Anfang ist, zogen sie vor ein paar Tagen nach Brüssel. Vor dem Gebäude der EU-Kommission legte der europäische Milchbauernverband einen Milchsee an. Damit wollten die Landwirte symbolisieren, dass Milcherzeuger "untergehen" würden. Ohne neue Kriseninstrumente drohe eine "Katastrophe am EU-Milchmarkt"! Das klingt beängstigend. Schließlich kann niemand wollen, dass Milchbauern in großem Umfang ihre Existenz verlieren und auf den Weiden in Niedersachsen oder den Almen in Bayern in Zukunft keine Kühe mehr grasen. Doch so weit wird es nicht kommen. Weder steht eine Katastrophe unmittelbar bevor, noch droht sie am Horizont. Was hinter den Protesten steckt Hintergrund der jüngsten Proteste ist ein Datum, das einigen Milchbauern bereits seit geraumer Zeit Angst macht: der 31. März 2015. An diesem Tag läuft endgültig die Regelung zur Milchquote aus. Mit dieser Quote hatte die EU in den vergangenen 30 Jahren strikt festgelegt, welcher Landwirt wie viel produzieren darf. Wollte ein Bauer mehr Milch liefern, musste er sich erst von einem anderen Landwirt für viel Geld weitere Quotenanteile besorgen. Andernfalls drohten ihm Strafzahlungen. Als die EU dieses System 1984 einführte, reagierte sie auf eine gewaltige Überschussproduktion, die Milchseen und Butterberge hatte entstehen lassen. Die Quote sollte das verhindern, und anfangs hat das sogar funktioniert. Doch schon vor einigen Jahren hatte die EU erkannt, dass staatliche Produktionsbegrenzungen auf der einen Seite und freier Welthandel auf der anderen schlecht vereinbar sind. Die Quote kostet Europas Landwirte viel Geld; Geld, das Konkurrenten aus anderen Ländern nicht bezahlen müssen, sodass diese auf dem Weltmarkt im Vorteil sind. Deshalb beschloss die EU, die Quote schrittweise zu erhöhen und Ende März 2015 komplett auslaufen zu lassen. Wie Milchbauern die Produktion kontrollieren wollen Das aber lässt nun bei einigen Landwirten die Sorge aufkommen, dass in der Zeit danach die Produktion in die Höhe schießen wird, mit der Folge, dass der Milchpreis noch stärker unter Druck gerät. Sie fordern daher, eine Monitoringstelle einzurichten, welche die Nachfrage und die Produktionsmenge europaweit im Auge behält. Zeichnet sich eine Krise ab, sollen die Bauern ihre Produktion nicht mehr ausweiten dürfen. Das aber ähnelt nicht nur der bisherigen Quote, es würde auch einen Außenschutz der EU voraussetzen. Denn bei diesem Modell würde der Preis im Krisenfall künstlich hoch gehalten, sodass Drittländer den europäischen Markt mit billigen Milchprodukten überschwemmen könnten. Würde die EU aber einen Außenschutz errichten, ließen andere Länder sich ebenfalls etwas einfallen, um europäische Produkte von ihrem Markt fernzuhalten. Die Folgen wären verheerend für Europas Wirtschaft. Die Milchbauern sollten sich daher lieber an den Gedanken gewöhnen, dass es von April an keine Begrenzungen mehr gibt. Nachtrauern müssen sie der Quote ohnehin nicht. Auch in den vergangenen 30 Jahren hat sie nicht verhindert, dass drei von vier Milchbauern aufgegeben haben. Heute existieren in Deutschland noch 78 000 Betriebe. Genauso wenig hat sie die Milchkrise 2008 verhindert. Damals war der Preis so stark gefallen, dass die Bauern ihre Milch aus Protest einfach wegschütteten. Genützt hat ihnen das nichts. Nachhaltig gestiegen ist der Preis erst, als die weltweite Nachfrage nach der Finanzkrise wieder anzog. Worauf sich Landwirte einstellen müssen Auch in Zukunft wird der Preis wieder steigen. OECD und Weltagrarorganisation FAO sind überzeugt, dass die Nachfrage nach Milchprodukten in den kommenden Jahrzehnten weltweit zunimmt. Europas Landwirte müssen die Chance haben, darauf zu reagieren. Einfach zu beschließen, dass man nicht wachsen will, wie viele Milchbauern das offenbar gern hätten, kann sich niemand leisten. Denn eines ist klar: Die Produktionskosten werden in jedem Fall steigen. Wem es nicht gelingt, seinen Umsatz zu erhöhen, erzielt Jahr für Jahr weniger Einkommen. Ganz allein lässt der Staat die Bauern ohnehin nicht. Natürlich wird es auch weiterhin Extrageld beispielsweise für Weidehaltung und Almbewirtschaftung geben. Auch muss sich die EU in extremen Krisen das Recht zur Intervention vorbehalten. Dank solch flankierender Maßnahmen aber besteht für die Milchbauern kein Grund, den 31. März zu fürchten. | mlsum-de-16 |
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/abgasskandal-milliardenklage-gegen-bosch-1.3964245 | Volkswagen-Aktionäre werfen dem Zulieferer Beihilfe zum Diesel-Betrug vor. Dem Landgericht Stuttgart liegt eine Klageschrift vor, die Firmenchef Volkmar Denner eine Mittäterschaft vorwirft. | Bosch-Chef Volkmar Denner wird gerade als Retter des Diesels gefeiert. Vergangene Woche präsentierte er eine Entwicklung des Stuttgarter Autozulieferers, die den Schadstoffausstoß von Dieselmotoren drastisch senken soll. Dafür gab es viel Beifall. Doch seit Mittwoch liegt dem Landgericht Stuttgart eine etwa 150 Seiten umfassende Klageschrift vor, die dem 61-jährigen Manager eine andere Rolle zuzuschreiben versucht: Denner als vermeintlicher Mittäter des Dieselskandals. Es ist bekannt, dass in den meisten Autos, die eine Betrugssoftware verwenden, Bosch-Systeme laufen. Die Staatsanwaltschaft in Stuttgart führt deshalb mittlerweile vier Verfahren gegen Bosch und prüft die Einleitung von vier weiteren. Und nun gibt es in Deutschland auch noch zivilrechtlichen Ärger für den größten Zulieferer der Welt - und Milliardenforderung. Die Kanzlei Tilp wirft der Robert Bosch GmbH Beihilfe zur Täuschung vor. "Ohne Bosch hätte es Dieselgate nicht gegeben", sagt Andreas Tilp. Der Anwalt aus Kirchentellinsfurt bei Stuttgart treibt mit seinen Schadenersatzklagen bereits die Volkswagen AG und deren Haupteigentümerin Porsche SE vor sich her. Nun attackiert er auch Bosch. Der Konzern habe als Lieferant der Motorsteuergeräte die Betrügereien der Autohersteller in Kauf genommen und sogar Beihilfe geleistet, sagt Tilp. Für Bosch gelte, was diverse Landgerichte für VW festgestellt hätten: Das Verhalten sei gekennzeichnet durch "besondere Verwerflichkeit". Bosch habe "Verbraucher, Anleger und Investoren in sittenwidriger Weise geschädigt". Daher hafte Bosch auch für die Verluste der Autoaktien; die Kurse waren nach Bekanntwerden des Dieselskandals im Herbst 2015 eingebrochen. Für Aktionäre wie die Sparkassen-Tochter Deka Investment versucht Anwalt Tilp nun entsprechenden Schadenersatz einzutreiben. Vor Gerichten in Braunschweig und Stuttgart hat er Klagen eingereicht, in denen er VW und Porsche Verstöße gegen das Wertpapiergesetz vorwirft. Beide Unternehmen hätten Anlegern die Schummelei verschwiegen, deshalb müssten sie deren Verlust tragen. Von VW fordert Tilp neun Milliarden Euro, von Porsche eine Milliarde. Und Bosch, so sein Argument, hafte "gesamtschuldnerisch" mit, weil das Unternehmen "von Beginn an federführend an der Entwicklung und Verschleierung" beteiligt gewesen sei. Bosch schien den Schlamassel zu ahnen und wollte offenbar von der Haftung befreit werden Die Indizien, die Tilp in der Klage anführt, sind großteils bereits vor US-Gerichten eingebracht worden. So etwa das Schreiben, mit dem Bosch im Juni 2008 von VW die "Freihaltung von jeglicher Haftung" forderte, die sich aus Abschalteinrichtungen ergebe. Wobei Bosch bestreitet, dass es da um Dieselmotoren gehe. Ebenfalls führt Tilp wieder das Treffen zwischen Denner und dem damaligen VW-Boss Martin Winterkorn auf: Am 28. Mai 2014 trafen die beiden in Wolfsburg aufeinander und sprachen über Akustik-Themen. Mit dem ähnlichen Begriff "Akustikfunktion" bezeichneten Ingenieure jene Schummelsoftware, die erkennt, wenn ein Fahrzeug auf einem Prüfstand steht und dann den Abgasausstoß reduziert. Wegen dieser Abschaltung hat VW in den USA mehr als 24 Milliarden Euro an Strafen und Schadenersatz bezahlt. Und in vielen der US-Akten fällt der Name Bosch. Auch der Zulieferer ficht juristische Kämpfe in den USA, hat 2017 mit Zivilklägern einen Vergleich geschlossen und dabei etwa 304 Millionen Euro bezahlt. Das Unternehmen betont aber stets, diese Zahlung stelle kein Schuldeingeständnis dar. Auch betont Bosch, Winterkorn und Denner hätten sich 2014 mitnichten über Betrugssoftware ausgetauscht. Tatsächlich sei es um Motorenlärm gegangen. Seit Januar ist in Detroit eine weitere Sammelklage anhängig: Diese wirft Ford vor, für Pick-up-Wagen illegale Abschalteinrichtungen entwickelt zu haben; Bosch sei dabei im "Herzen des Skandals". Für den 13. Juni ist eine Gerichtsanhörung geplant. Anders als mancher Autohersteller streitet das Unternehmen Bosch nicht einfach vehement ab, sondern erklärt stets, Vorwürfe sehr ernst zu nehmen. Man kooperiere "vollumfänglich" mit den Behörden, verteidige jedoch in Klageverfahren "seine Interessen". Das gelte auch für die neuerliche Zivilklage, teilt Bosch auf Anfrage mit. Dessen Chef, Volkmar Denner ist seit Juli 2012 Vorsitzender der Bosch-Geschäftsführung. Zuvor war er mehrere Jahre lang mit Motorsteuergeräten befasst. Ermittelt wird gegen ihn nicht. Aber zumindest Anwälte haben Zweifel, ob er am Ende als Retter des Diesels durchgeht. Wobei sie in der Kanzlei Tilp nicht nur das Tun und die Moral von Bosch-Managern im Blick haben, sondern die Prozesstaktik: Als Beklagte könne sich Bosch nicht mehr auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen, wenn ein Gericht die Vorlage von Akten anordnet. Die Klage erhöhe damit auch den Druck auf die Autobauer VW und PSE. | mlsum-de-17 |
https://www.sueddeutsche.de/politik/praesidentschafts-einigung-gedankenspiele-nach-dem-coup-1.3250718 | Eine Personalie zieht die nächste nach sich. Steinmeier ist Kandidat fürs Bundespräsidentenamt - doch wer zieht ins Außenamt ein? | Der Jubel über die eine Personalie war bei der SPD noch nicht verklungen, als bereits das Nachdenken über die nächste begann. Der Sozialdemokrat Frank-Walter Steinmeier soll Bundespräsident werden - doch wer wird an seiner Stelle Außenminister? Die Frage ist nicht ganz trivial, weil von der Antwort ein paar weitere Fragen abhängen, die man bei der SPD in den nächsten Wochen beantworten muss. Eines vorweg: Trotz anderslautender Wortmeldungen aus der Union zieht niemand ernsthaft in Zweifel, dass auch der nächste Außenminister ein Sozialdemokrat sein wird - schließlich ist die Verteilung der Ministerien im Koalitionsvertrag geregelt. Für die Frage, wer es sein wird, will sich die SPD nun etwas Zeit nehmen. Doch der erste Name kursierte in Berlin bereits am Montagmittag: Martin Schulz. Der Präsident des Europäischen Parlaments bringt nicht nur eine Menge außenpolitischer Erfahrung mit, sondern hat auch innerhalb der Partei eine beträchtliche Anzahl an Fans. Obendrein soll Anfang nächsten Jahres seine Amtszeit als Parlamentspräsident enden, da es eine Vereinbarung mit den Konservativen gibt, ihnen den Posten für die zweite Hälfte der europäischen Legislaturperiode zu überlassen. Aus sozialdemokratischer Sicht wirkt Schulz also wie der ideale Kandidat. Doch von da an wird es kompliziert. Denn Schulz hat immer wieder klargemacht, dass er sich an die Vereinbarung mit den Konservativen am liebsten nicht halten und stattdessen das Amt des Parlamentspräsidenten gern behalten würde. Die Konservativen wiederum wollen auf der Vereinbarung bestehen - wobei immer wieder spekuliert wird, ob es noch eine Hintertür geben könnte. In den nächsten Wochen dürfte eine Entscheidung fallen. Sollten sie Schulz einen Strich durch die Rechnung machen, wäre das ein Dämpfer für ihn. Sollte die SPD ihn also zum Außenminister machen wollen, sollte sie damit nicht allzu lange warten - sonst könnte es wirken, als werde da einer, dessen Karriere in Brüssel und Straßburg vorbei ist, mit dem Auswärtigen Amt als Trostpreis versorgt. Und andersherum: Sollte Schulz doch noch die Chance auf eine Verlängerung seiner Amtszeit bekommen - sähe es dann nicht seltsam aus, wenn er, der so oft die Bedeutung der Europapolitik betont hat, trotzdem nach Berlin entschwände? Detailansicht öffnen Martin Schulz (SPD) bringt als Präsident des Europaparlaments eine Menge außenpolitischer Erfahrung mit. Und in der Partei hat er viele Fans. (Foto: dpa) Und damit zur Frage, ob Parteichef Sigmar Gabriel, seit Montag schwer obenauf, Schulz überhaupt zum Außenminister machen will. Noch vor Monaten, vielleicht sogar vor Wochen, hätte man das umstandslos bejahen können - schließlich hatte Gabriel in der Vergangenheit immer mal wieder versucht, seinen Freund oder jedenfalls Verbündeten Schulz nach Berlin zu holen. Zuletzt allerdings registrierten Gabriel und seine Leute aufmerksam, dass Schulz sich mehr oder weniger dezent als möglicher SPD-Kanzlerkandidat ins Spiel brachte. Es ist nicht ganz klar, wie begeistert sie davon waren - und wie eilig Gabriel es vor diesem Hintergrund derzeit noch hat, Schulz ins schwarz-rote Kabinett zu holen. Überhaupt, die Kanzlerkandidatur: Auch für die Frage, wer die SPD in den Bundestagswahlkampf führen soll, ist die Besetzung des Auswärtigen Amts nicht ganz unerheblich. Für einen möglichen Kanzlerkandidaten Schulz wäre das Amt des Außenministers die Chance, sich nach all den Jahren auf der europäischen Bühne noch einmal ein paar Monate lang ins Bewusstsein der Wähler einzuprägen - einerseits. Andererseits wäre er dann unter Kanzlerin Angela Merkel, die er aller Wahrscheinlichkeit nach im Wahlkampf zu attackieren hätte, in die Kabinettsdisziplin eingebunden. Gauck lächelt Bundespräsident Joachim Gauck ist erfreut über die Einigung der großen Koalition auf einen Kandidaten für seine Nachfolge. "Ich werde mich hüten, meinem Nachfolger Ratschläge zu geben. Ein so erfahrener homo politicus braucht meine Ratschläge nicht", sagte Gauck am Dienstag Journalisten in Tokio über Frank-Walter Steinmeier. "Ich bin erfreut, dass es jetzt eine Regelung in der Kandidatenfrage gegeben hat, dass Konsens hergestellt worden ist in der Koalition", betonte er. Mehr wolle er dazu nicht sagen - nur so viel noch: "Sie sehen einen Präsidenten mit einem Lächeln im Gesicht." dpa Aber was wäre eigentlich, wenn Gabriel selbst Außenminister werden wollte? Schließlich dürfte er seine Entscheidung für das Wirtschaftsministerium nach all dem Ärger um Freihandel, Rüstungsexporte und Supermarktfusionen schon mehrmals bereut haben. Als Außenminister wäre er diese Dinge los und könnte obendrein versuchen, noch ein wenig an seinem Image zu arbeiten. Andererseits dürften die unangenehmen Sachthemen im Wirtschaftsministerium demnächst größtenteils abgeräumt sein, obendrein wäre das Manöver ziemlich durchsichtig. Und falls Gabriel sich dafür entscheiden sollte, die Kanzlerkandidatur jemand anderem zu überlassen, würden ihm höhere Popularitätswerte ohnehin nicht mehr viel nützen. Welche weiteren Namen bleiben? Thomas Oppermann, dem Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, trauen die meisten Genossen so ziemlich jedes Amt zu, also auch das des Außenministers. Doch sein Sprecher lässt ausrichten: "Thomas Oppermann ist gerne Fraktionsvorsitzender und will das auch bleiben." Bleiben noch die führenden SPD-Außenpolitiker im Parlament, Rolf Mützenich und Niels Annen. Oder SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan. Wobei Sigmar Gabriel stets für eine Überraschung gut ist. Mit einem Justizminister Heiko Maas jedenfalls hatte nach der Bundestagswahl 2013 kaum jemand gerechnet. | mlsum-de-18 |
https://www.sueddeutsche.de/politik/terrorbekaempfung-de-maiziere-will-offenbar-aerztliche-schweigepflicht-aufweichen-1.3115282 | Im Kampf gegen den Terror sollen die Sicherheitsgesetze drastisch verschärft werden. Der Bundesinnenminister plant Berichten zufolge nicht nur schnellere Abschiebungen. | Als Reaktion auf die jüngsten Anschläge in Deutschland will Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Donnerstag einen neuen Maßnahmenkatalog im Kampf gegen den Terror vorstellen, berichten Bild und der Kölner Stadt-Anzeiger. Demnach soll die ärztliche Schweigepflicht aufgeweicht werden. Eine Gesetzesänderung würde damit Ärzten künftig ermöglichen, die Behörden über geplante Straftaten ihrer Patienten rechtzeitig zu informieren. De Maizière will der Bild zufolge zudem erreichen, dass ausländische Gefährder und straffällige ausreisepflichtige Ausländer schneller abgeschoben werden können. Dafür könne es bald Schnellverfahren bei der Entscheidung über Abschiebungen und über Asylanträge geben. Auch sei ein Entzug des Bleiberechts für Personen vorgesehen, die sich ihrer Abschiebung widersetzen oder sie mutwillig verzögerten. Dem Kölner Stadt-Anzeiger zufolge will de Maizière ein Paket vorlegen, das noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden soll und der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf. Das Blatt beruft sich auf führende Koalitionskreise. Damit werde er den kürzlich von Bundeskanzlerin Angela Merkel präsentierten Neun-Punkte-Plan konkretisieren, zitierte das Blatt einen SPD-Parlamentarier. Merkel hatte Ende Juli nach mehreren Gewalttaten in Deutschland ein entschiedeneres Vorgehen des Staates gegen islamistische Extremisten angekündigt. "Berliner Erklärung": Vom Burka-Verbot bis zur Vorratsdatenspeicherung Weitere Maßnahmen zur Erhöhung der inneren Sicherheit wollen die Innenminister der CDU/CSU nach einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland bei einem Treffen am 18. August verlangen. Im Entwurf einer "Berliner Erklärung" finden sich demnach Forderungen nach mehr Polizeipräsenz, mehr Video-Überwachung im öffentlichen Raum und schnelleren Abschiebungen. Gefordert würden auch der Aufbau eines Cyberabwehrzentrums beim Bundeskriminalamt und die Nutzung der Vorratsdatenspeicherung durch die Geheimdienste. Diese sollten zudem die Möglichkeit erhalten, bereits gegen 14-jährige Verdächtige zu ermitteln. Bis 2020 sollten 15 000 zusätzliche Polizisten bei Bund und Ländern eingestellt werden, heißt es in dem Medienbericht weiter. Die doppelte Staatsbürgerschaft würde demnach abgeschafft, weil sie ein großes Integrationshindernis sei. Die Bundesregierung allerdings plant nach eigenen Worten keine Änderung der gesetzlichen Regeln für eine doppelte Staatsbürgerschaft. Eine Vollverschleierung solle ebenso verboten werden wie die Finanzierung von Moscheen durch extremistische Organisationen. Nichtdeutsche Hassprediger sollten umgehend ausgewiesen werden. Deutschen, die für eine terroristische Vereinigung kämpfen und mindestens eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen, solle man die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen dürfen. | mlsum-de-19 |
https://www.sueddeutsche.de/auto/monaco-yacht-show-alles-im-schiff-1.793429 | Mehr Luxus war selten: ein Spaziergang über die Monaco Yacht Show. Mit erstaunlichen Ein- und Ausblicken. | Rote Teppiche sind in Monaco nichts besonderes, aber dieser hier ist selbst für das Land der Grimaldis ungewöhnlich lang: In leuchtendem Rubin schlängelt er sich durch den gesamten Hafen, kreuzt Brücken und Anleger, umwindet Luxusyachten und schwimmende Paläste und verhindert trotzdem, dass auch nur ein einziger Millionär im Taumel aus Prunk und Protz die Orientierung verliert. Die Menschen im Hafen aber wissen das nicht zu schätzen - sie wollen einfach nicht auf dem Teppich bleiben. Ständig biegen sie nach links oder rechts ab, um ein dort ankerndes Schiff zu besichtigen oder gar zu kaufen. Detailansicht öffnen Immer schön auf dem roten Teppich bleiben, denn der führt auf der "Monaco Yacht Show" an Booten im Gesamtwert von etwa 3,5 Milliarden Euro vorbei. Wer den Teppich verlassen und auf einen der kostbaren Kähne überwechseln will, sollte allerdings mehr mitbringen als vages Interesse und ein wenig Sensationslust. (Foto: Foto: AFP) Es ist "Monaco Yacht Show", und wie jeden Herbst seit 17 Jahren lockt sie vier Tage lang Millionäre und Milliardäre aus aller Welt an. Dazwischen mogeln sich ein paar gewöhnliche Bootsliebhaber und Schaulustige, so dass es die Veranstaltung inzwischen auf 26.000 Besucher bringt. Damit stellt sie nach dem berühmten Formel-Eins-Rennen mittlerweile das zweitgrößte internationale Gesellschaftsereignis des Fürstentums dar und ist eine der renomiertesten Yachtshows weltweit. Das teuerste Schiff hier kostet mehr als hundert Millionen Euro. Aber dorthin führt einen der rote Teppich noch längst nicht. Bevor es überhaupt an die Anleger geht, geleitet er den Besucher durch 9000 Quadratmeter Standfläche - schließlich will so eine Yacht auch anständig ausgerüstet sein. | mlsum-de-20 |
https://www.sueddeutsche.de/politik/hamburg-178-rechte-und-10-000-gegendemonstranten-1.4118875 | Nach den Ausschreitungen in Sachsen kündigt das rechte "Merkel muss weg"-Bündnis in der Hansestadt wieder Kundgebungen an. Tausende kommen - allerdings zur Gegendemonstration. | Etwa 10 000 Menschen haben nach Angaben der Polizei am Mittwoch in Hamburg gegen Fremdenhass und rechte Hetze demonstriert. In Hamburg sind am Mittwoch tausende Demonstranten gegen eine Versammlung auf die Straße gegangen, die unter dem Motto "Merkel muss weg" stattfand. Auf dem Jungfernstieg zählte die Polizei am frühen Abend etwa 10 000 Menschen, die an den Demos "Nazis und Rassisten entgegentreten!" und "Hamburger Stimmen gegen Rechts!" teilgenommen hatten, wie die Beamten über Twitter mitteilten. Zur "Merkel muss weg"-Demonstration kamen lediglich 178 Teilnehmer. Wir haben nachgezählt", sagte ein Polizeisprecher. In zwei getrennten Lagern zogen Demonstranten und Gegendemonstranten durch die Innenstadt in Richtung Gänsemarkt, wo die Kundgebung des "Merkel muss weg"-Bündnisses am frühen Abend stattfinden sollte. Die Polizei sperrte den Platz mit Gittern ab, auch Wasserwerfer und die Reiterstaffel standen bereit. Hochrangige Pegida-Vertreter aus Sachsen in Hamburg Zu den Teilnehmern der rechten Kundgebung gehörten mehrere Hooligans, aber auch hochrangige Pegida-Vertreter aus Sachsen wie Vize-Chef Siegfried Däbritz, der Landessprecher der AfD aus Mecklenburg-Vorpommern, Dennis Augustin, sowie Redner aus Stuttgart und Mainz. Anfang des Jahres hatten in Hamburg jeden Montagabend bis zu 300 Menschen unter dem Motto "Merkel muss weg" demonstriert. Danach war es ruhig geworden um das Bündnis. Nun sollen wieder regelmäßig Kundgebungen stattfinden. Nach Angaben des Verfassungsschutzes stammten die Initiatoren teilweise aus der rechtsextremistischen Szene, die auch Verbindungen zur AfD haben sollen, sowie aus Personen aus dem Türsteher- und Hooliganmilieu. Nach den Ausschreitungen von Chemnitz stand die Kundgebung an diesem Mittwochabend unter verstärkter Beobachtung. Wie die Polizei mitteilte, liefen die Demonstrationen weitgehend störungsfrei ab. Ein rechter Demonstrant warf demnach einen Stein auf einen Journalisten, es wurde ein Strafverfahren eingeleitet. Von Seite der Gegendemonstranten wurden vereinzelt Steine und Eier geworfen, die Polizei setzte Wasserwerfer ein. Ein Teilnehmer der Demonstration "Merkel muss weg!" wurde nach dem Verlassen der Demonstration angegriffen und verletzt. Ein Tatverdächtiger wurde festgenommen. Insgesamt waren rund 1000 Polizeibeamte im Einsatz. | mlsum-de-21 |
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/zinsen-kommt-das-boese-erwachen-auf-dem-immobilienmarkt-1.3840537 | Vor 2019 will die EZB die Zinsen nicht erhöhen. Das billige Geld sorgt zunehmend für Risiken - zum Beispiel bei Baukrediten in Deutschland. | Frankfurt/München - Europa muss noch eine ganze Weile mit den niedrigen Zinsen leben. "Auf Basis der heutigen Daten sehe ich wenig Chancen, dass die Zinsen in diesem Jahr noch angehoben werden", sagte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag. Das waren ungewöhnlich deutliche Worte. Über den Zeitpunkt einer möglichen Zinserhöhung hatte sich Draghi bislang kaum ausgelassen. Damit scheint sicher, dass die Notenbank den Leitzins frühestens 2019 erhöhen wird. Der Boom auf dem deutschen Immobilienmarkt dürfte damit weitergehen. Seit 2016 liegt der Leitzins in der Euro-Zone bei null Prozent. Darüber hinaus kauft die EZB Staats- und Firmenanleihen im Wert von 2,7 Billionen Euro, was die Marktzinsen auch für Hauskredite niedrig hält. Dieses Kaufprogramm läuft noch mindestens bis September. Die Leitzinsen, so Draghi, würden erst "eine ganze Weile nach Ende des Kaufprogramms" angehoben. Die lockere Geldpolitik der EZB hat Europas Wirtschaft einen Wachstumsschub gebracht. Die neue Stärke spiegelt sich an den Devisenmärkten. Der Euro notierte am Donnerstag mit 1,25 US-Dollar auf dem höchsten Stand seit drei Jahren. Draghi nannte den jüngsten Anstieg "eine Quelle der Unsicherheit". Mittlerweile erzeugt die lockere Geldpolitik auch neue Gefahren. Es drohen Preisblasen. So treibt Draghis Nullzinspolitik Anleger an die Börsen, weil Anleihen kaum mehr etwas abwerfen. Der Deutsche Aktienindex (Dax) notiert mit 13 400 Punkten nahe an seinem Rekordstand. Und auf dem deutschen Immobilienmarkt steigen die Preise seit Jahren in einem atemberaubenden Tempo. Denn von den niedrigen Zinsen profitieren alle, die bauen oder modernisieren wollen und dafür ein Hypothekendarlehen benötigen. Bei einer Laufzeit von zehn Jahren liegt nach Angaben des Verbraucherportals biallo.de der durchschnittliche nominale Zinssatz bei 1,34 Prozent, bei einer Laufzeit von 15 Jahren sind es 1,81 Prozent. Dass es für private Bankkunden und gewerbliche Investoren Geld so günstig gibt, treibt auch die Geschäfte auf dem Bau an. Zahlreiche Handwerker haben so viele Aufträge, dass sie mit der Arbeit nicht mehr hinterherkommen. Die Bauindustrie erwartet in diesem Jahr einen Umsatz von gut 117 Milliarden Euro - das sind vier Prozent mehr als 2017. Nach Angaben des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie ist das Umsatzplus aber vor allem auf höhere Baupreise zurückzuführen. Diese dürften 2018 um 3,5 Prozent zulegen. Die Bundesbank warnt Bankkunden regelmäßig davor, allzu sorglos zu sein Der Bauboom setzt sich also fort, wenn auch wohl etwas gebremster als zuletzt. Die Zahl der Baugenehmigungen ist bereits rückläufig. 2016 wurden 278 000 Wohnungen neu in Deutschland errichtet. 2017 dürften es um die 300 000 gewesen sein, 2018 könnten es 320 000 werden. Aber kann das immer so weitergehen? Und wie sicher sind die Baufinanzierungen überhaupt? Die Bundesbank warnt Bankkunden regelmäßig davor, allzu sorglos zu sein und gibt zu bedenken, dass die Zinsen wieder steigen könnten und eine Anschlussfinanzierung dann teurer wird. Auch Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ-Bank, sagt: "Nicht jede Immobilienfinanzierung ist wetterfest." Wenn nach Ablauf der Zinsbindungsfrist höhere Zinsen fällig würden, dabei aber nur rund ein Zehntel der Schuld abgetragen sei, könnte das für viele schwierig werden. "Zudem führt die relativ niedrige Tilgung zu langen Kreditlaufzeiten von 35 und mehr Jahren", warnt Bielmeier. | mlsum-de-22 |
https://www.sueddeutsche.de/sport/leichtathletik-em-berlin-lueckenkemper-1.4085484 | Deutschlands schnellste Frau zeigt sich bei der EM über 100 Meter sehr stark. Im Finale muss sie sich nur einer Britin geschlagen geben. Kugelstoßer Storl holt Bronze. Auch im Zehnkampf glänzt ein Deutscher. | Sprinterin Gina Lückenkemper hat bei der Leichtathletik-EM in Berlin Silber über 100 m und damit die erste Medaille für das deutsche Team gewonnen. Die 21-Jährige aus Leverkusen musste sich im Finale im Olympiastadion in 10,98 Sekunden nur der ungefährdeten Britin Dina Asher-Smith (10,85) geschlagen geben und feierte den größten Erfolg ihrer Karriere. Bronze ging an Dafne Schippers (Niederlande/10,99).Es war das erste deutsche Edelmetall über 100 m seit Verena Sailers Gold 2010 in Barcelona. Die Gold-Serie von Kugelstoßer David Storl bei Leichtathletik-Europameisterschaften ist dagegen gerissen. Der Leipziger musste sich mit Bronze und einer Weite von 21,41 Metern begnügen. Damit verpasste es der 28-Jährige nach seinen Triumphen 2012, 2014 und 2016, als erster Kugelstoßer vier EM-Titel hintereinander zu gewinnen. Dem zweimaligen Weltmeister fehlten 31 Zentimeter auf den neuen Europameister Michal Haratyk aus Polen. Zweiter wurde dessen Landsmann Konrad Bukowiecki (21,66). Schon bei vergangenen großen internationalen Stadien-Wettkämpfen hatte Storl geschwächelt, war nur Olympia-Zehnter und WM-Siebter geworden. Zehnkampf-Hoffnung Arthur Abele strebt derweil eine Medaille an - und darf sogar auf Gold hoffen. Der Ulmer liegt nach fünf Disziplinen mit 4285 Punkten auf Rang zwei und peilt knapp 8600 Zähler an. In Führung liegt nach den 400 m der Brite Tim Duckworth (4380), Frankreichs Topfavorit Kevin Mayer ist hingegen völlig überraschend bereits aus dem Rennen. Der Weltmeister leistete sich drei ungültige Versuche im Weitsprung.Abele zeigte bisher einen Wettkampf ohne Wackler auf hohem Niveau. Im Vergleich zu seiner Leistung von Ratingen, als er 8481 Punkte schaffte, hat er 68 Zähler mehr gesammelt. Außerdem gilt Abele als Mann des zweiten Tages im Zehnkampf, Duckworth hat dort Schwächen."Es ist ein schwarzer Tag für mich, für meine Fans tut es mir wahnsinnig leid", sagte Mayer, der nach der ersten Disziplin in Führung gelegen und dabei mit 10,64 Sekunden über 100 m eine persönliche Bestleistung aufgestellt hatte. Durch seinen Fauxpas sind die Medaillenchancen Abeles gestiegen.Abeles Ulmer Vereinskollege Mathias Brugger sorgte hingegen für eine Enttäuschung und fabrizierte wie Mayer drei ungültige Versuche im Weitsprung. Immerhin setzte Brugger anders als der Franzose den Wettkampf fort. Der erst 20 Jahre alte Aufsteiger Niklas Kaul (Mainz) blieb zum Auftakt seiner ersten großen Meisterschaft bisher im Rahmen seiner Möglichkeiten. Kaul liegt auf Platz 13 (4089).Vizeweltmeister Rico Freimuth (Halle/Saale) und der WM-Dritte Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied) sind in Berlin nicht am Start. Freimuth hatte seine Saison wegen fehlender Motivation frühzeitig beendet, Kazmirek musste seinen Berlin-Start wegen muskulärer Probleme kurzfristig absagen. | mlsum-de-23 |
https://www.sueddeutsche.de/politik/prostitutionsgesetz-spd-und-union-wollen-freier-bestrafen-1.1823791 | Die mögliche große Koalition will das Prostitutionsgesetz verschärfen. Erstmals sollen Freier unter bestimmten Umständen bestraft und Zwangsprostituierten leichter Aufenthalt in Deutschland gewährt werden. | SPD und Union haben im Rahmen ihrer Koalitionsverhandlungen beschlossen, das Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2002 drastisch zu verschärfen. Erstmals sollen nun auch Freier unter bestimmten Umständen bestraft werden. Außerdem ist geplant, Opfern von Zwangsprostitution, die aussteigen wollen, ein Aufenthaltsrecht zu gewähren, auch wenn sie nicht bereit sind, vor Gericht gegen ihre Peiniger auszusagen. Beide Punkte waren in den Verhandlungen bis zuletzt umstritten. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wurde der Konflikt jedoch bei einem Frühstück der führenden Innen- und Frauenpolitiker von Union und SPD am vergangenen Dienstag aus der Welt geschafft. In dem entscheidenden Passus, der inzwischen auch von der großen Runde der Koalitionsverhandlungen verabschiedet wurde, heißt es, "unter Berücksichtigung ihres Beitrags zur Aufklärung, ihrer Mitwirkung im Strafverfahren sowie ihrer persönlichen Situation" werde man das Aufenthaltsrecht von Opfern der Zwangsprostitution verbessern und eine "intensive Unterstützung, Betreuung und Beratung gewährleisten". Trotz der formulierten Bedingungen fällt damit der vor allem von Innenpolitikern bisher hochgehaltene Grundsatz, nur bei der Bereitschaft zur Aussage vor Gericht könne ein Aufenthaltsrecht in Deutschland gewährt werden. Auch die Verhandlungsführer der AG Innen, Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann, hatten diese Position vertreten. Bei einem Treffen mit den Unionspolitikerinnen Annette Widmann-Mauz und Beate Merk sowie Manuela Schwesig und Brigitte Zypries von der SPD hatten sie sich jedoch auf den Kompromiss eingelassen. Details sollen im Gesetzgebungsverfahren beschlossen werden Gleiches gilt für den zweiten Punkt: die Entscheidung, auch Freier ins Visier zu nehmen. In ihrem Beschluss schreiben Union und SPD: "Wir werden nicht nur gegen die Menschenhändler, sondern auch gegen diejenigen, die wissentlich und willentlich die Zwangslage der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution ausnutzen und diese zu sexuellen Handlungen missbrauchen, vorgehen." Obwohl beispielsweise die ehemalige Bundesjustizministerin Zypries bis zuletzt davor gewarnt hatte, dass der Nachweis in diesem Fall juristisch äußerst schwerfallen könnte, stimmte auch sie am Ende zu. Wie es aus Verhandlungskreisen heißt, kam die Wende vor allem mit der Begründung, dass es eben doch einen Unterschied mache, unter welchen Umständen Prostitution angeboten werde. "Ein Club, der vorne und hinten von Rockern überwacht wird und in dem vor allem junge Frauen aus Osteuropa angeboten werden, muss jeden Menschen mit gesundem Menschenverstand misstrauisch machen", sagte ein Teilnehmer aus den Gesprächen der SZ. Die Details der Strafen und die Kriterien für eine Bestrafung sollen nicht in den Koalitionsverhandlungen, sondern - so es zu einer großen Koalition kommen sollte - im Gesetzgebungsverfahren beschlossen werden. Mit der jetzigen Einigung ist der Weg frei für eine umfassende Neuregelung des Prostitutionsgesetzes aus dem Jahr 2002. Damals hatte die rot-grüne Koalition beschlossen, Prostitution als normalen Beruf zu legalisieren, um den Prostituierten so unter anderem den Weg in die Sozialversicherung zu öffnen. | mlsum-de-24 |
https://www.sueddeutsche.de/sport/bastian-schweinsteiger-ploetzlich-laechelt-mourinho-1.3356204 | Bastian Schweinsteiger war bei Manchester United auf die Tribüne verbannt worden. Nun meldet sich der Weltmeister mit Tor und Vorlage zurück - und gilt unversehens wieder als "Option". | Will Grigg ist immer noch "on fire", wenn er mit Nordirlands Nationalelf auf Tour geht. Der Kurven-Hit der EM 2016 ist bis heute die Begleitmelodie des Profis, und am Sonntag bekam Grigg wieder einen Anlass, sich der guten Tage von Frankreich zu erinnern. Denn er traf auf einen Mann, dem er auch bei der EM im Pariser Prinzenpark begegnet war. Das Wiedersehen löste in der englischen Presse ein großes Echo aus - aber wegen des Deutschen, von dem man zuletzt wenig gehört und den man noch seltener auf dem Spielfeld gesehen hatte. Auf der einen Seite also: Will Grigg für Wigan Athletic, den 21. der zweithöchsten englischen Liga. Auf der anderen Seite: Bastian Schweinsteiger für Manchester United, der erstmals seit 385 Tagen in der Startelf stand. Und wenn es auch nicht die Premier League war, so doch immerhin der traditionsreiche FA Cup - wie üblich vor vollen Rängen (75 000 Zuschauer). Zeugen versichern, dass es an diesem Nachmittag keinen lauteren Moment gab als in der 84. Minute, als Schweinsteiger sein Comeback mit dem Tor zum 4:0 garnierte - selbst der strenge José Mourinho erlaubte sich ein Lächeln. In ersten Berichten wurde das Tor als "Fallrückzieher" qualifiziert, das war allerdings eine Übertreibung. Tatsächlich verlängerte Schweinsteiger, mit dem Rücken zum Tor im Fünfmeterraum stehend, den Kopfball eines Mitspielers ins Netz. Geschickt, aber nicht direkt im Stil eines Artisten. Zuvor hatte er bereits Uniteds 1:0 mit der Flanke auf Fellaini aufgelegt - die Gegner aus Wigan hielten respektvoll Abstand, wie sie ihn auch sonst im Mittelfeld freundlich gewähren ließen. Das hielt die Juroren nicht davon ab, den 32 Jahre alten DFB-Weltmeister zum Mann des Tages zu küren. Schweinsteiger ist zurück im Spiel, nicht in den USA, in China oder Abu Dhabi, wie es ihm vorhergesagt wurde, nachdem United-Trainer Mourinho im Sommer erklärt hatte, für den Deutschen werde es "schwierig" werden in Manchester. Sondern auf dem heiligen Rasen von Old Trafford, mit guten Aussichten auf Weiterbeschäftigung. Mourinho hat wieder Verwendung für Schweinsteiger, dessen Haltung während der langen Wartezeit der Coach besonders lobte: "Er hat sich professionell benommen", sagte Mourinho und kündigte an, Schweinsteiger für die Europa League zu melden, wo die Gegner Gladbach oder Schalke sein könnten. Auch die Premier League sei "eine Option", erklärte Mourinho. Dank der Weggänge Depay und Schneiderlin ist wieder Platz im Mittelfeld. Schweini is on fire again. | mlsum-de-25 |
https://www.sueddeutsche.de/panorama/papst-franziskus-erhaelt-den-karlspreis-2016-1.2795321 | Anders als üblich, soll die Verleihung des Europa-Preises im nächsten Jahr nicht in Aachen, sondern in Rom stattfinden. | Zum zweiten Mal geht der Aachener Karlspreis an einen Papst. Franziskus sei eine "Stimme des Gewissens" Der Karlspreis 2016 geht an Papst Franziskus. Das gaben das Karlspreisdirektorium und die Stadt Aachen bekannt. Die Preisverleihung soll - anders als üblich - 2016 nicht in Aachen stattfinden, sondern in Rom. Ein genauer Termin steht noch nicht fest. Der Preis wird seit 1950 für besondere Verdienste um die europäische Einigung verliehen. Die Europäische Union habe in den vergangenen Jahren Krisen und Rückschläge erlebt, stellte das Karlspreisdirektorium in der Begründung fest. "In dieser Zeit, in der viele Bürgerinnen und Bürger in Europa Orientierung suchen, sendet Seine Heiligkeit Papst Franziskus eine Botschaft der Hoffnung und der Ermutigung aus", hieß es wörtlich. Der Papst sei eine "Stimme des Gewissens", die mahne, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Und die daran erinnere, dass Europa verpflichtet sei, Frieden, Freiheit, Recht, Demokratie und Solidarität zu verwirklichen - aufbauend auf den Idealen seiner Gründungsväter. 2015 hatte EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz die Medaille erhalten. Auch ein Papst wurde schon mal ausgezeichnet - Johannes Paul II. erhielt 2004 in Rom einen "außerordentlichen" Karlspreis. Bei Franziskus handelt es sich hingegen um die traditionelle Auszeichnung. Er ist der 58. Träger des Preises, welcher nach Karl dem Großen (747/748-814) benannt ist. | mlsum-de-26 |
https://www.sueddeutsche.de/sport/wm-kompakt-ballack-leistet-beistand-1.957656 | Der verletzte Kapitän will die Mannschaft besuchen, wenn sie die Vorrunde übersteht, Drogba trainiert mit Schiene, Maradona fordert Fairplay, ein Hollywood-Star macht Australien Mut. | Trotz Vereinssuche und Verletzung wird Michael Ballack die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der WM in Südafrika nach einem möglichen Einzug ins Achtelfinale vor Ort als Edel-Fan unterstützen. "Meine Pläne, zur deutschen Mannschaft zu reisen, helfen mir sehr. Wenn ich in der Vergangenheit verletzt oder gesperrt war, bin ich immer zur Mannschaft in die Kabine gegangen. Und so wird es auch in Südafrika sein", sagte der 33-Jährige in einer Kolumne für die englische Tageszeitung Times. Bundestrainer Joachim Löw habe er bereits über seine Reisepläne informiert. Ballack musste eingestehen, dass ihm das Aus für die WM in Südafrika noch immer weh tut. "Es ist schwer für mich, zum ersten Mal seit Frankreich 1998 eine WM-Endrunde zu verpassen. Aber ich liebe den Fußball und werde so viele Spiele wie möglich sehen", sagte Ballack, der von zahlreichen Klubs aus dem In- und Ausland umworben wird. Als erste Kandidaten gelten insbesondere Spaniens Rekordmeister Real Madrid, der FC Liverpool sowie Schalke 04. Detailansicht öffnen Michael Ballack will die deutsche Mannschaft in Südafdrika besuchen - aber erst zum Achtelfinale. (Foto: ag.ddp) Superstar Didier Drogba steht der Elfenbeinküste möglicherweise schon im ersten WM-Spiel gegen Portugal wieder zur Verfügung. Nicht einmal eine Woche nach seinem Ellbogenbruch nahm der Stürmer des FC Chelsea am Donnerstagabend überraschend am Training der Ivorer teil. "Wäre das Spiel heute oder morgen, wäre er nicht in der Lage, dabei zu sein. Aber es ist erst in ein paar Tagen. Er könnte spielen", sagte Trainer Sven-Göran Eriksson im Anschluss an die erste Übungseinheit seines Teams in Südafrika. Drogba trug zum Schutz eine Schiene an seinem rechten Unterarm und wurde nicht voll belastet. Bei allen Übungen, bei denen er in Kontakt mit einem Gegenspieler hätte geraten können, schaute er nur zu. Der 32-Jährige hatte sich am vergangenen Freitag im Testspiel gegen Japan (2:0) den Ellbogen gebrochen. Zunächst ging er selbst davon aus, die Weltmeisterschaft zu verpassen, doch nach seiner Operation am Wochenende wuchs bei ihm die Hoffnung, zum ersten Spiel seiner Mannschaft am 15. Juni in Port Elizabeth wieder fit zu sein. Hollywood-Star John Travolta hat mit witzigen Show-Einlagen der australischen Fußball-Nationalmannschaft Mut für ihr WM-Auftaktmatch gegen Deutschland gemacht. Der amerikanische Schauspieler, seit Jahren Edelfan der "Socceroos", besuchte das Team am Freitag in der prachtvollen Kloofzicht Lodge in Muldersdrift. "Ich will eine Inspiration für Euch sein und Euch wieder Glück bringen", rief Travolta den Profis zu, ehe er sie mit einer Tanz- und Singeinlage begeisterte. Kapitän Lucas Neill überreichte Travolta ein Nationaltrikot mit der 10. "Hoffentlich ist es ein gutes Omen", sagte Keeper Mark Schwarzer über den Besuch. Der frühere Bundesliga-Stürmer Marko Pantelic hat den WM-Auftakt des deutschen Gruppengegners Serbien gegen Ghana als "Alles-oder-nichts-Spiel" bezeichnet. "Das ist das wichtigste Match für uns", sagte der 31 Jahre alte Angreifer der serbischen Fußball-Nationalmannschaft vor seinem WM-Debüt am Sonntag in Pretoria. Für den weiteren Verlauf der Weltmeisterschaft in Südafrika werde viel von dieser Partie abhängen, betonte der ehemalige Profi von Hertha BSC am Freitag. Über das zweite Gruppenspiel gegen Deutschland wollte Pantelic noch nicht reden. "Das einzige, was jetzt in meinem Kopf ist, ist Ghana. Da geht es um alles oder nichts." Nach dem nahezu sicheren Ausfall von Arjen Robben wird der ehemalige Hamburger Rafael van der Vaart am Montag im ersten Fußball-WM-Match der Niederlande gegen Dänemark mit großer Wahrscheinlichkeit in der Stammformation stehen. Beim Training am Freitag nahm van der Vaart im Abschlussspiel Elf gegen Elf den frei gewordenen Platz ein. Bondscoach Bert van Marwijk setzt nach den Eindrücken der Übungseinheit in der Offensive auf Robin van Persie als einzige Spitze. Dahinter sollen van der Vaart, Wesley Sneijder und Dirk Kuyt im Mittelfeld für Wirbel sorgen. Nach Aussage des Ex-Trainers von Borussia Dortmund wird Robben am Freitagabend nach Südafrika fliegen. Einen Einsatz von Beginn an gegen Dänemark hatte van Marwijk nach dem Muskelfaserriss im linken Oberschenkel bei Robben aber so gut wie ausgeschlossen. Ob der Bayern-Star gegen die Skandinavier zumindest auf der Reservebank sitzen wird, will van Marwijk noch abwarten. Diego Maradona hat vor dem WM-Start der argentinischen Nationalmannschaft zum Fairplay aufgerufen. "Wir wollen guten Fußball sehen, wir wollen die Weltmeisterschaft genießen. Wer Fußball nicht sauber spielt, soll auf die Tribüne gehen", betonte der 49-Jährige am Freitag in den Katakomben des WM- Stadions in Pretoria. Er forderte den Weltverband FIFA auf, darauf ein besonderes Augenmerk zu richten. Argentinien bestreitet an diesem Samstag in Johannesburg sein erstes WM-Match gegen Nigeria. Knapp vier Stunden vor dem Anpfiff des WM-Eröffnungsspiels in Johannesburg zwischen Gastgeber Südafrika und Mexiko musste der Paradeplatz ("Grand Parade") in Kapstadt, auf dem die Stadt zum Public Viewing einlädt, wegen Überfüllung geschlossen werden. "Wir lassen niemanden mehr hinein. Es befinden sich jetzt 25. 000 Menschen auf dem Gelände", sagte Pierre le Roux vom örtlichen WM-Büro. Bereits um 10.00 Uhr standen die ersten Menschen in Warteschlangen vor den Eingangstoren, um zum offiziell so bezeichneten FIFA-Fanfest eingelassen zu werden. Der Eintritt ist kostenlos. Italiens Fußball-Nationaltrainer Marcello Lippi könnte nach der Weltmeisterschaft seinem Kapitän Fabio Cannavaro in die Wüste folgen. Denn Cannavaros neuer Club Al Ahli Dubai soll den 62 Jahre alten Coach verpflichten wollen, hieß es am Freitag im "Casa Azzurri" in Südafrika. Der Champion der Emirate-Liga biete dem Weltmeister-Trainer von 2006 einen Vierjahresvertrag mit einem Netto- Jahresgehalt von vier Millionen Euro. Der in England als künftiger Coach des FC Liverpool gehandelte Italiener wird seinen Posten bei der "Squadra Azzurra" nach der WM in Südafrika auf eigenen Wunsch räumen. Sein Nachfolger wird Cesare Prandelli. Der Topfavorit kam zum Schluss: Fußball-Europameister Spanien ist am Freitag um 9.19 Uhr als letzter WM-Teilnehmer in Südafrika gelandet. Mit "Oberfan" Manolo an Bord erreichte die Seleccion nach zehnstündigem Flug Johannesburg und machte sich umgehend auf den Weg ins 135 Kilometer entfernte WM-Quartier in Potchefstroom. Vor dem Abflug war das Team von Vicente Del Bosque am Madrider Flughafen von Hunderten von Fans verabschiedet worden. | mlsum-de-27 |
https://www.sueddeutsche.de/reise/chiang-saen-schwarzes-gold-1.3726172 | Im Nebelwald Nordthailands produziert ein Kanadier den teuersten Kaffee der Welt. Die Bohnen werden vor dem Rösten von Elefanten gefressen und ausgeschieden. | Vor ein paar Minuten noch hat Blake Dinkin belustigt zugeschaut, wie amerikanische Touristinnen auf den Rücken von Elefanten in einen mannstiefen, trüben Teich tauchen und sich hysterisch kreischend von Rüsseln vollspritzen lassen. Jetzt kniet er mit seinen taubengrauen Bermudas und dem blütenweißen Hemd am Ufer im nassen Gras. In der rechten Hand hält er einen Stock, mit dessen Hilfe er einen ordentlichen Batzen Elefantendung aus der Brühe zu sich dirigiert. Die linke Hand ist schon im Wasser, nimmt das triefende Teil auf und bringt es an Land. In Sicherheit sozusagen. Blakes Gesicht überzieht das Strahlen eines Siegers, als habe er soeben ein gut gefülltes Portemonnaie ergattert. Irgendwie ist das auch so, denn der Elefantenkot ist durchsetzt mit braunen Kaffeekirschen. Das ist Blakes Kapital. Rohstoff für den teuersten Kaffee der Welt. 1800 Dollar kostet zurzeit das Kilo "Black Ivory Coffee", "Schwarzer Elfenbeinkaffee". Wenn es ihn überhaupt zu kaufen gibt. Blake ist Kanadier, Abenteurer und Unternehmer, am liebsten beides zugleich. Mit seinem kantigen Gesicht, der spitzen Nase, den schwarzen gekräuselten Haaren, seinen langen Geheimratsecken und den gleichermaßen neugierigen wie warmherzigen Augen hätte der 47-Jährige vermutlich auch eine Schauspielerkarriere einschlagen können. Er sieht gut aus und ist sympathisch, einer, den man im Englischen als "handsome guy" bezeichnet. Statt am Set zu stehen, fischt er Elefantendung aus dunkler Urwaldbrühe. "Vielleicht ist das der Grund, warum ich immer noch Single bin", sagt er. Breites Grinsen. Ein Kanadier mit Humor, mitten im thailändischen Dschungel im Goldenen Dreieck; ein Selfmademan, der täglich zwischen der Welt der Mahouts, der einheimischen Elefantentreiber und ihrer Familien, und einem Fünf-Sterne-Hotel mit stinkreicher Klientel hin- und herwandert. Ein Heimatloser, weit weg von Familie und Freunden. Und das alles für einen sündteuren Kaffee, der lauwarm im Cognac-Glas getrunken wird und vom Geschmack her am ehesten als "Kreuzung zwischen Kaffee und Tee" daherkommt, wie er selbst sagt? 80 Dollar die Tasse, serviert im Cognac-Schwenker. Man nippt sorgsam und bewusst Es ist mehr. Blake hat eine Mission. Er ist viel herumgekommen in seinem Leben. Er hat Betriebswirtschaft studiert und wollte irgendwo in der weiten Welt eine Geschäftsidee entwickeln, die ihm ein sorgenfreies Auskommen ermöglicht, aber gleichzeitig etwas Gutes unterstützt. Der Trick mit der Veredelung von Nahrungsmitteln durch tierische Fermentation hat ihn seit jeher fasziniert. Also experimentierte er zuerst mit Affen in Äthiopien. Blake kannte die Geschichte von dem indonesischen Kaffee "Kopi Luwak", der zuvor die Mägen von asiatischen Zibetkatzen durchläuft. Durch die Fermentation in den Mägen werden die Kaffeekirschen verändert, bevor sie wieder ausgeschieden werden. Weniger Bitterstoffe, mehr Aroma. So viel wusste er bereits vor seinem Abenteuer. Detailansicht öffnen Die Bohnen, die die Elefanten wieder ausscheiden, müssen von Hand aufgesammelt werden. (Foto: Paula Bronstein/Getty) Mit den äthiopischen Affen hatte er allerdings wenig Erfolg. "Die Tiere haben Krankheiten übertragen." Also ließ er die Finger davon. Frustriert und praktisch pleite. Auf die Idee mit den Elefanten brachte ihn der Zufall. In einem Zeitungsbericht las er über äthiopische Kaffeebauern, die vergiftete Melonen in ihren Plantagen auslegten. Elefanten hatten sich über die Kaffeebüsche hergemacht und ganze Felder vertilgt. "Elefanten sind nicht gerade zimperlich, was ihr Fressverhalten betrifft." Aber konnte man das Fressverhalten nicht in geordnete Bahnen lenken? Blake schält Bananen. Viele Bananen. Er sitzt zusammen mit der Frau eines Mahout und deren Tochter auf einer Holzterrasse unter einem Palmdach, das die drei vor der Tropensonne schützt. Die Bananen wirft er in eine große Blechschüssel, in der die beiden Frauen die Früchte mit den Händen zu Brei zerquetschen. Aus einem Korb schüttet Blake zwei Kilo thailändische Kaffeekirschen dazu, Sorte Arabica. Blake kauft den Rohkaffee bei Bauern in Nordthailand ein. Noch ein wenig mischen, eine Prise einer Zutat, die er streng geheim hält, dann ist der Brei fertig. Zweites Frühstück für die Elefanten. Die Blechschüssel trägt der Kanadier zu einem der Elefantenunterstände, und schon macht sich ein Rüssel über den Brei her. "Es gibt Genießer und es gibt Völler", erklärt Blake. Diese Elefantenkuh scheint eher zur ersten Kategorie zu gehören. Genüsslich nimmt sie immer wieder Happen auf und steckt sie sich ins Maul. Der erste Teil wäre geschafft. Alles Weitere ist nun ein Spiel der Zeit, der Zyklen und der Zufälle. 15 bis 17 Stunden braucht es, bis die Kaffeekirschen den Elefantenmagen und den Darmtrakt wieder verlassen. Äußerlich unverändert. Dass innerlich etwas mit den Kirschen passiert, ist unbestritten. Blake beschreibt es so: "Bestimmte Proteine werden aufgespalten, die dem Kaffee das Bittere nehmen." Zudem würde durch die Fermentation im Elefantenmagen Süße und Fruchtigkeit in die Bohne gebracht. Alles in allem hat der Kanadier fast zehn Jahre lang herumexperimentiert, erst mit unterschiedlichen Tieren, dann mit Elefanten. Und sich von Veterinärmedizinern bestätigen lassen, dass die Kaffeekirschen unschädlich für die Elefanten sind. Eigens dafür hat er ein Video auf seine Homepage gestellt. Detailansicht öffnen Im Nebelwald des Goldenen Dreiecks verwirklicht der kanadische Unternehmer Blake Dinkin seine ungewöhnliche Geschäftsidee. "Am Anfang schmeckte der Kaffee nach Dung", berichtet er. "Disgusting" - widerlich. Irgendwann hatte er die Formel aus Kaffeesorte, Futterbeigabe, Wasch- und Trocknungs- sowie Röstprozess heraus. Seit fünf Jahren verkauft Blake seinen "Black Ivory" nun, und zwar fast ausschließlich an Luxushotels in Thailand, Malaysia und auf den Malediven. Das hat seinen Grund im Preis. Er ist astronomisch. Bis zu 80 Dollar zahlen Hotelgäste für eine Tasse frisch gebrühten Kaffee. Den Preis wiederum rechtfertigt Blake mit dem gewaltigen Aufwand, den er betreibt. Denn die insgesamt 20 Elefanten kommen ja nicht extra zum Ausscheiden ins kleine Mahout-Dorf in der Nähe des Anantara-Hotels. Nachts sind sie im Außengehege, tagsüber sind einige Tiere auch für Touristen-Ausflüge auf dem Hotelgelände unterwegs. Zum Baden beispielsweise, was ihre Darmtätigkeit stimuliert - zum Leidwesen von Blake. So versinken viele der Kaffee-Kilos irgendwo im Urwald. Viele Kirschen würden auch beim Kauen zerstört. Diejenigen, die sichtbar im Dung herumliegen, werden per Hand (freilich mit Gummihandschuhen) herausgepickt. Blake zahlt fürs Betreuen der Tiere sowie fürs Picken, Waschen, Sonnentrocknen und Schälen des Kaffees gut, weit mehr, als die Mahout-Familien sonst in Thailand bekommen würden. Er ist ein beliebter Arbeitgeber. Ungefähr 33 Kilo hochwertigen Arabica-Kaffee verfüttern die Mahout-Familien unter Blakes Anleitung an die Elefanten, um am Ende ein Kilo "Black Ivory Coffee" in der Sonne zum Trocknen ausbreiten zu können. 150 Kilo hat er 2017 produziert, in seinem ersten Jahr waren es gerade einmal 70. Die Nachfrage ist schon jetzt größer als das Angebot. In der Regenzeit wird pausiert. Dann reist Blake zu Fünf-Sterne-Hotels und preist seine Ware an. Acht Prozent des Umsatzes spendet er an die "Golden Triangle Asian Elephant Foundation". Diese Stiftung kümmert sich nicht nur um geschundene, verletzte, traumatisierte und kranke Elefanten, verstoßen von ihren früheren Besitzern. Sie bieten für Schulklassen Fahrten in Nationalparks an, um ihnen Wissen über die sensiblen Tiere zu vermitteln. Und sie schult angehende Mahouts im richtigen Umgang mit Elefanten. Inzwischen ist es Nachmittag, Zeit für die Kaffee-Zeremonie. Vom Hotel aus überblickt man das einst verrufene Gebiet des Goldenen Dreiecks am Zusammenfluss der Flüsse Ruok und Mekong. Die Luft ist drückend und schwer, die Hügelkette am Horizont, Staatsgebiet von Myanmar, ist im Dunst nur schemenhaft auszumachen. "Früher schwammen hier regelmäßig Leichen vorbei", erzählt ein Mitarbeiter des Hotels, der aus der Gegend stammt. Früher, das waren vor allem die 1970er- und 1980er-Jahre, als das Dreiländereck das weltweit größte Anbaugebiet für Schlafmohn war - Grundstoff für Opium und Heroin. Bis heute wirkt der Mythos des Verbotenen nach, Busse halten am Mekong für Fotos des Golden Triangle. Detailansicht öffnen Die Kaffeebohnen werden den Elefanten mit Bananen dargereicht. (Foto: Paula Bronstein/Getty) Man kann der Fantasie freien Lauf lassen am Infinity Pool des Luxushotels, während Blake den Kaffee per Hand mahlt. Die Syphon-Kaffeemaschine, dem französischen Original aus dem Jahr 1840 nachgebaut, erhitzt per Flamme im rechten Kupfergefäß Mineralwasser, links füllt der Kanadier den gemahlenen Kaffee in einen Glaskolben. Nach ein paar Minuten strömt durch eine strohhalmdicke Leitung kochendes Wasser über den Kaffee. Kurzes Verwirbeln, dann zapft Blake den fertigen Kaffee in einen Cognac-Schwenker. Er lässt ihn etwas abkühlen, riecht daran wie bei einer Weinprobe und reicht das Glas. Der erste Schluck überrascht: Das Getränk schmeckt nicht wie gerösteter Kaffee, erinnert von der Textur am Gaumen ein wenig an Tee. Der Black Ivory Coffee kommt sanft daher, blumig. Der Kenner schätzt Anklänge von dunkler Schokolade, Kirsche, Malz und Gras. 80 Dollar verteilen sich in kleinen Schlucken im Mund. Es wird wohl ein einmaliger Genuss bleiben, der alsbald vergangen ist. Anreise: zum Beispiel mit Oman Air ab Frankfurt nach Bangkok ab 586 Euro oder mit Lufthansa direkt ab 933 Euro. Weiter mit Bangkok Airways nach Chiang Rai: Hin- und Rückflug ab 70 Euro. Das Elefanten-Projekt liegt circa 60 km entfernt. Unterkunft: Das Fünf-Sterne-Hotel Anantara Golden Triangle Elephant Camp & Resort ab 860 Euro pro Zimmer/Nacht; goldentriangle.anantara.com Günstiger schläft man zum Beispiel in der Greater Mekong Lodge: das DZ inkl. Frühstück ab 28 Euro, [email protected] Beste Reisezeit: während der Dry Season zwischen November und Februar. Weitere Informationen: blackivorycoffee.com | mlsum-de-28 |
https://www.sueddeutsche.de/politik/nationalist-thierry-baudet-der-waehlbarere-rechte-1.3913958 | Chic, smart und mit filouartigem Charme steht Thierry Baudet in Niederlanden für eine Generation von extremen Rechten, die noch erfolgreicher werden könnte. | Ein Filmchen, es läuft im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Dramatische Musik, große, rote Schrift. "Der Islam ist Gewalt", steht da, "der Islam ist Terror". "Ist Krieg", "ist Judenhass", immer weiter. Am Ende - "der Islam ist tödlich" - tropft sogar Blut aus den Buchstaben. Geert Wilders greift nicht zum ersten Mal zu dieser Art von Propaganda. Aber so extrem war der Rechtspopulist noch nie. An diesem Mittwoch sind Kommunalwahlen in den Niederlanden, er braucht Aufmerksamkeit um jeden Preis. Es funktioniert: Empörung allerorten, Strafanzeigen. In Wahrheit trieft auch Verzweiflung aus dem Werbespot. Denn für Wilders interessiert sich kaum noch jemand. Rechtsaußen hat ihm ein anderer den Rang abgelaufen. Der Schrecken der Liberalen ist nicht mehr Wilders, sondern Thierry Baudet, 35. Kein Tag, an dem sein Name nicht in der Zeitung steht. Es gibt wilde Angriffe gegen ihn, vehemente Verteidigungen, Porträts, Interviews, Homestorys, Klatschgeschichten, die Medien arbeiten sich ab an dem telegenen Politiker. Baudet sells. Auch bei den Wählern. Wenn jetzt Parlamentswahl wäre, würde Baudets Forum für Demokratie laut einer Umfrage mit 16 Mandaten Platz zwei erreichen, hinter den Rechtsliberalen von Ministerpräsident Mark Rutte; Wilders wäre Siebter. Bei der Wahl vor einem Jahr hatte das erst kurz zuvor gegründete Forum zwei Sitze errungen. In Amsterdam, der einzigen Stadt, in der die Partei nun antritt, könnte sie die Sozialdemokraten überholen. Die Konkurrenz sieht in Baudet, der 2017 von der Nachrichtensendung "EenVandaag" zum "Politiker des Jahres" ernannt wurde, einen neuen Gegner. "Baudet ist gefährlicher als Wilders", warnt Alexander Pechtold, Chef der linksliberalen Regierungspartei D66, "bei Wilders waren wir zu spät dran, deshalb muss Baudet jetzt gestoppt werden." Auch Wilders selbst wittert den Rivalen. Im Parlament belehrte er Baudet neulich barsch, er verhalte sich schon wie die von ihm kritisierten "Kartellparteien". Politisch unterscheiden sich die beiden kaum. Auch Baudet ist ein erklärter Nationalist und will die "Masseneinwanderung" stoppen. Er wettert gegen die Europäische Union, gegen die "Mainstream-Medien" und "politische Korrektheit", gegen die "Übermacht linksliberaler Eliten" in allen Bereichen der Gesellschaft. Aber während Wilders über die Jahre verbissener geworden ist und mit seinem Hass auf den Islam gemäßigtere Rechte verschreckt, wirkt Baudet verbindlicher, weniger radikal. Er zeigt sich viel öfter, geht in die Talkshows, die Wilders meidet. Dort kommen Baudets Aussehen und seine Eloquenz zur Geltung, sein filouartiger Charme, der unschuldige Augenaufschlag. Sein Auftreten signalisiert Harmlosigkeit. Baudet steht für eine andere Generation von Populisten Wie viele neurechte Bewegungen hat das Forum Strategien der anderen Seite gekapert: Um Gegendemonstranten auszutricksen, schipperte die Parteispitze am Wochenende auf einem "Loveboat" durch Amsterdams Grachten. Augenzwinkernd. Gerne kokettiert Baudet auch mit seiner Intellektualität, seiner Kultiviertheit. Ein oft gedrucktes Bild zeigt ihn räkelnd auf einem Piano; zur Freude der Medien hievte er sein privates Klavier ins Abgeordnetenbüro im Haager Parlament. Einem Fernsehteam erzählte er, was er zu Hause kocht und wie gern er an dem Lavendelsäckchen schnuppert, das im Wohnzimmer hängt. Seine erste Parlamentsrede begann er auf Lateinisch. Er ist für viele Niederländer der nettere, der wählbare Rechte, vor allem bei Jüngeren, die er gezielt über Facebook anspricht. Chic, smart, sexy: Dieser Mann steht für eine andere Generation europäischer Populisten, die noch erheblich höhere Stimmenzahlen erzielen könnten, als es etwa Marine Le Pen oder Alexander Gauland bisher schafften. Zusätzliche Wählerschichten zieht Baudet mit seinem Einsatz für mehr direkte Demokratie an. Er war einer der Initiatoren des Referendums gegen das EU-Abkommen mit der Ukraine im Jahr 2016. Mit einem klaren Sieg brachten sie die Regierung in eine missliche Lage. Dass Rutte das Nein der Bürger ignorierte, machte Baudet noch populärer. Bald darauf beschloss er, Politiker zu werden und seinen Thinktank, das Forum, in eine Partei umzuwandeln. | mlsum-de-29 |
https://www.sueddeutsche.de/sport/kommentar-im-lauwarmen-bereich-1.3322993 | Der Ausfall von Severin Freund offenbart, woran es im deutschen Skispringen gerade hakt: Seine Kollegen springen weder gut noch schlecht. Das wird zum Problem, weil Bundestrainer Schuster nun Ergebnisse erwartet. | Es sah danach aus, als würde dieses Finale doch noch zum Startschuss werden. Andreas Wellinger aus Ruhpolding hatte nach seinem Qualifikationssieg und dem Schanzenrekord in Bischofshofen gezeigt, welche Fähigkeiten in ihm stecken, und weil auch alle anderen deutschen Skispringer beste Platzierungen hatten, stand die Wende im deutschen Skispringen quasi bevor. Vielleicht ein Sieg, mindestens ein Podestplatz, oder ein Signal für den Aufschwung deutete sich an. Dann kam der Abend. Die Deutschen hatten wieder nichts mit den vorderen Plätzen zu tun, und Wellinger erreichte nicht mal den zweiten Durchgang. Das letzte Springen der Vierschanzentournee offenbarte noch einmal die Lage dieser Mannschaft. Sie kann sich zurzeit nicht hinter einem Besten verstecken, weil der Titelsammler der vergangenen Jahre, Severin Freund, selber erst wieder in Form kommen muss. Sie steht also plötzlich im Rampenlicht, und wenn dieses besonders hell strahlt, wenn es darauf ankommt, dann hakt es im Sprungablauf. Bis auf wenige Ausnahmen gelang den Sportlern von Bundestrainer Werner Schuster bei dieser Tournee immer nur einer von zwei Sprüngen. Sie deuteten an, was sie können, vollendeten es aber nicht. Bis auf Markus Eisenbichler, der noch bis Innsbruck um das Podest mitsprang, geht die Mannschaft als Verlierer von der Schanze. Das Problem: Das Prinzip Tritt-in-den-Hintern ist eher kontraproduktiv Wellinger, Richard Freitag, Stephan Leyhe und Karl Geiger haben teils exzellente, teils solide Springer-Anlagen, sie waren zuletzt nicht richtig schlecht, aber auch nicht richtig gut. Sie platzierten sich verlässlich zirka zwischen Rang 23 und Rang acht. Das ist besser als zum Beispiel die Finnen, die zwar bald WM-Gastgeber sind, aber in einer schweren Krise stecken. Und es ist schlechter als die siegreichen Polen oder die Österreicher mit ihren Top-Springern Stefan Kraft und Michael Hayböck. Die Deutschen springen im sicheren, lauwarmen Bereich. Das Problem besteht darin, dass es im Skispringen nicht möglich ist, schleppenden Formaufbau mit Auswechsel-Drohungen oder Medizinball-Training anzutreiben. Springer brauchen ja gerade die innere Stabilität, das Prinzip Tritt-in-den-Hintern ist eher kontraproduktiv. Andererseits merkte man Schuster bei der Tournee an, dass er langsam auch ein bisschen ungeduldig wird mit seinen Springern. Er kann zwar, wie bei Freund zu sehen war, lange warten, bis ein Athlet reift, aber irgendwann hängt dessen Vollendung nur noch vom Betreffenden selber ab. Und nun erwartet Schuster Ergebnisse. Meistens finden Sportler zum zuverlässigen Erfolg, wenn sie ihre Karriere in die Hand nehmen, bei Eisenbichler war dies in den vergangenen Monaten zu beobachten. Sie riskieren mehr und pendeln zwischen Rückschlägen und Bestleistungen, aber sie verlassen die Sicherheitszone. Andreas Wellinger befand sich demnach in Bischofshofen immerhin auf dem richtigen Weg. Er war am ersten Tag mit Leichtigkeit Erster und am zweiten Tag Einunddreißigster, weil er am Sprungtisch zu früh zu viel wollte. Das war einmal ganz heiß und einmal ganz kalt - aber immerhin nicht mehr lauwarm. | mlsum-de-30 |
https://www.sueddeutsche.de/sport/1-1-zwischen-berlin-und-freiburg-videoschiedsrichter-nimmt-elfmeter-zurueck-1.4179678 | Kurz vor Schluss bekommt Hertha BSC gegen Freiburg einen Strafstoß durch ein vermeintliches Foul an Palko Dardai - doch Schiedsrichter Cortus korrigiert die Entscheidung. | Hertha BSC hat im Duell mit dem SC Freiburg seine makellose Heimbilanz in der Festung Olympiastadion eingebüßt. Nach Siegen über den FC Bayern und Borussia Mönchengladbach kamen die Berliner am Sonntag vor 53 716 Zuschauern nicht über ein 1:1 (1:1) gegen die Breisgauer hinaus und verpassten den möglichen Sprung auf Platz zwei der Fußball-Bundesliga. Ondrej Duda (7. Minute) brachte das Team von Trainer Pal Dardai zwar mit seinem sechsten Saisontreffer in Führung, per abgefälschtem Schluss glich Robin Koch (36.) jedoch für die Gäste aus. In der 88. Minute nahm Schiedsrichter Benjamin Cortus einen zunächst verhängten Foulelfmeter für die Hausherren nach Videobeweis wieder zurück. Damit blieb Hertha im vierten Heimspiel dieser Saison erstmals ohne Sieg und feierte nur einen Erfolg in den vergangenen elf Aufeinandertreffen mit den Freiburgern. Die Mannschaft von Coach Christian Streich setzte sich dank einer Leistungssteigerung nach schwachem Start weiter im Mittelfeld der Tabelle fest. Freiburg präsentierte sich zu Beginn defensiv noch völlig konfus, brachte sich durch ungenaue Pässe selbst in Bedrängnis. Keeper Alexander Schwolow rief seine Vorderleute früh lautstark zur Ordnung. Die verdiente frühe Hertha-Führung resultierte aber aus einem feinen Angriff: Kapitän Vedad Ibisevic legte im Mittelfeld für Per Skjelbred auf, der Norweger schickte Duda in die Tiefe. Der Slowake tanzte den überforderten Lukas Kübler aus und versenkte überlegt. Duda traf damit wie schon in den vorigen Heimspielen gegen den Bayern (2:0) und Mönchengladbach (4:2). Freiburg konnte zunächst nicht mithalten. Neben Florian Niederlechner und Kapitän Mike Frantz fehlte in Jerome Gondorf (Muskelfaserriss) kurzfristig ein weiterer Etablierter. In seinem zweiten Startelf-Einsatz der Saison kam U21-Nationalspieler Luca Waldschmidt lange kaum zur Geltung. Bei der Rückkehr nach Schultereckgelenkprellung saß Nils Petersen zunächst auf der Bank. So ließen Kalou (28.), Duda (29.) und Valentino Lazaro (33.) gute Chancen aus, für Hertha zu erhöhen. Doch mit der Überlegenheit schlich sich bei den Berlinern auch eine gewisse Lässigkeit ein. Und diese bestrafte Freiburg sofort. Der erstmals von Beginn eingesetzte Derrick Luckassen spitzelte Waldschmidt den Ball vom Fuß, den Knaller von Koch aus mehr als 20 Metern fälschte Arne Maier unglücklich und unhaltbar für Torwart Rune Jarstein ins eigene Netz ab. Zur Halbzeit reagierte SCF-Trainer Streich auf die Harmlosigkeit seines Teams, brachte Petersen für den ineffektiven Marco Terrazzino. Und nach nur 50 Sekunden hatte der Olympia-Silbergewinner die große Chance zur Führung, Lazaro lenkte aus kurzer Distanz aber noch zur Ecke. Es entwickelte sich ein Duell auf Augenhöhe, in dem beide Teams immer wieder Nadelstiche setzen konnten. Die beste Chance zum Hertha-Sieg vergab Ibisevic auf Flanke des ansonsten wirkungslosen Javairo Dilrosun nach gut einer Stunde. Die Berliner drückten weiter auf den vierten Heimerfolg, ließen aber die letzte Konsequenz vermissen. In der 83. Minute rettete Hertha-Keeper Rune Jarstein aus kurzer Distanz gegen Waldschmidt zumindest noch einen Punkt. Dann sorgte Referee Cortus noch einmal für Aufregung, als er nach einem angeblich Foul von Manuel Gulde an Palko Dardai zunächst auf Strafstoß entschied. Nach einem Blick auf die Videobilder aber revidierte er sich - und besiegelte so das Remis. | mlsum-de-31 |
https://www.sueddeutsche.de/sport/ski-alpin-nebel-und-quarkwickel-1.3324153 | Felix Neureuther verpasst auch beim Slalom in Adelboden einen Podestplatz. Gut fünf Wochen vor der WM suchen noch alle Deutschen nach ihrer Form. Fritz Dopfer ist verletzt und Stefan Luitz hat Probleme mit der Hocke. | Der Skirennfahrer Felix Neureuther hat früher einige Winterurlaube in der Schweiz verbracht, er hat sich dort einen reichhaltigen Wortschatz angeeignet, den er am Wochenende in Adelboden wieder routiniert einbrachte: "Chhure geil" sei die Stimmung gewesen (für Nicht-Schweizer: extrem geil). "Felix, Felix, Felix", schwappte es prompt von der Tribüne herunter. Der Stadionsprecher beschloss, Neureuther gleich einzugemeinden, "du bist einer von uns", krächzte er. Das hatte den schönen Effekt, dass der Tag aus Schweizer Sicht gleich viel besser aussah, Neureuther war im Riesenslalom just Achter geworden, die Schweizer dagegen hatten es beim traditionsreichen Weltcuphalt im Berner Oberland nicht unter die besten Zehn geschafft. Mal wieder, stöhnte die Skination. Neureuther reichte im Slalom am Sonntag dann noch einen vierten Platz ein, und er wusste nicht so recht, ob er damit jetzt zufrieden sein sollte oder nicht. Chhhuregeil fand er es jedenfalls nicht. Felix Neureuther gesteht: "Diese freche Selbstverständlichkeit fehlt einfach noch" Neureuthers Wochenende hatte zäh begonnen, mit gewagten Schräglagen im Riesenslalom, einem Bluterguss im Oberschenkel und Quarkwickeln am Samstagabend. Auch der erste Lauf beim Slalom begann lauwarm, "kein Punch", befand Neureuther; er profitierte aber davon, dass nach ihm dichter Nebel in die Strecke kroch. "Ich hab halt gedacht, ich mach langsamer, dass es fair ist", scherzte er. Der zweite Lauf gelang besser, Neureuther verschlug es allerdings fünf Hundertstel hinter Marcel Hirscher, den Dritten; Sieger Henrik Kristoffersen hatte sich sogar um 2,24 Sekunden abgesetzt. Und jetzt? Neureuther sagte: "Arbeit, Arbeit, Arbeit." Ein neuer Neureuther, das war sein Vorsatz fürs neue Jahr gewesen. Er wollte plagiieren bei den Hirschers und Kristoffersens, "die fahren mit so einer Dynamik, Kraft und Konsequenz". Adelboden brachte allerdings nur zarte Fortschritte. Wenn Slalomfahrer mit voller Schubkraft operieren, überlassen sie ihren Instinkten die Kontrolle; die Tore fliegen viel zu schnell auf sie zu, als dass die Fahrer sich im Rennen eine Lösung zurechtlegen können. Neureuther ist derzeit ein Fahrer, der seinen Instinkten etwas misstraut, der oft mit sich im Selbstgespräch ist. "Ich muss noch zu viel drüber nachdenken, was ich zu tun habe", sagte er, "diese freche Selbstverständlichkeit fehlt einfach noch." Er habe zuletzt immerhin fleißig trainiert, das war in den schmerzerfüllten Wintern davor nicht immer der Fall gewesen. Doch, dem Rücken gehe es gut, beteuerte er. Der zweite Platz in Zagreb habe zuletzt ja gezeigt, "dass ich doch funktioniere, wenn es um die Wurscht geht", sagte er, auch in vier Wochen bei der WM in St. Moritz. Und die Kollegen? Nun ja. Es gibt kaum noch Selbstverständlichkeiten im Skirennsport, wer früher fehlerlos fuhr und gewann, den weht es jetzt oft ins Mittelfeld zurück. "Bei allem Respekt vor Skispringern und Biathleten", sagte der deutsche Alpindirektor Wolfgang Maier, "aber Ski alpin ist noch mal zwei oder drei Klassen härter in der absoluten Spitze. Jedes Rennen bei den Jungs ist ein Krimi, noch brutaler." Wobei die Deutschen in diesem Winter nur vereinzelt tragende Rollen abbekommen. Linus Straßer schaffte am Sonntag sein zweitbestes Karriere-Resultat (10.), Dominik Stehle schied mit starker Zeit aus, wie Stefan Luitz am Samstag. Was Maier in Adelboden für eine kleine Inventur nutzte. Die Weltspitze zeichne sich durch eine "ganz eigene Charakterstruktur der Typen" aus, in der Härte und Konsequenz. Da stelle man derzeit nur zwei Fahrer, Neureuther und Viktoria Rebensburg; Fritz Dopfer fällt bis zum Ende der Saison aus. Zu wenig, befand Maier, er hatte sich vor einem Jahr ja vorgenommen, bei den Männern bald die "weltbeste Technikmannschaft" zu stellen. "Mein großes Anliegen ist, dass die Ära Neureuther nicht zu Ende gehen darf, ohne dass wir Junge nachschieben. Das ist eine große Herausforderung", sagte er jetzt. Und in keiner Personalie spiegelt sich diese Herausforderung derzeit so wider wie bei Luitz, "mein Unvollendeter", sagte Maier, "schon seit Jahren." Skifahren, sagt Henrik Kristoffersen, sei für ihn derzeit eher eine Ablenkung Luitz, hat Cheftrainer Mathias Berthold einmal gesagt, sei "superschnell", aber er streut auch immer wieder Fehler ein - vor allem einen, den er sich in seinen Lehrjahren eingefangen habe. "Das sitzt so tief drin, das ist wahnsinnig schwer rauszubekommen", sagt Berthold, er müsse da nicht nur einen Fehler austreiben, sondern ein Bewegungsmuster. Und das flamme immer halt wieder auf, wenn der Fahrer verunsichert sei oder vom Lärm umspült wird, wie am Zielhang in Adelboden, wo Luitz die Kontrolle verlor. "Das sind Fehler, die uns zu oft passiert sind in letzter Zeit, das müssen wir ganz schnell abstellen", sagte Neureuther. Luitz assistierte: "Das darf einfach nicht passieren." Absolute Spitze, das sind derzeit die anderen. Im Riesenslalom bricht das Feld gerade auseinander, zwischen Adelboden-Sieger Alexis Pinturault, Marcel Hirscher und dem Rest. Beide würzen ihre Läufe mit der richtigen Dosis Attacke, je nach Gelände, bei den Wellen etwa, die die Fahrer auf dem naturbelassenen Hang in Adelboden aus dem Fluss werfen. Und im Slalom frischte der Norweger Kristoffersen seine Dominanz auf, mit 1,83 Sekunden Vorsprung vor dem Italiener Manfred Mölgg. Dabei ringt Kristoffersen noch immer mit seinem Verband, er will mit seinem eigenen Kopfsponsor werben, eine erste Klage vor Gericht verpuffte. Skifahren, bekräftigte Kristoffersen in Adelboden, sei für ihn derzeit eher eine Ablenkung. | mlsum-de-32 |
https://www.sueddeutsche.de/politik/verkehr-die-bahn-kommt-zu-oft-zu-spaet-1.3433275 | Mehr als 20 Prozent der Züge im Fernverkehr sind unpünktlich. Konzernchef Lutz verspricht "Jagd nach jeder verlorenen Minute". | Mehr als jeder fünfte Passagier in Fernzügen der Deutschen Bahn kommt zu spät an. Wie der Konzern am Donnerstag einräumte, verfehlte er im vergangenen Jahr sein selbst gestecktes Ziel von 80 Prozent pünktlichen Zügen im Fernverkehr. Die ICEs und ICs der Bahn seien zu 78,9 Prozent nach Fahrplan unterwegs gewesen, sagte der neue Vorstandschef Richard Lutz auf der Bilanz-Pressekonferenz des Staatskonzerns in Berlin. Das waren zwar fast fünf Prozentpunkte mehr als im katastrophalen Jahr 2015, aber weniger, als das Unternehmen sich zum Ziel gesetzt hat. Mittelfristig sollen 85 Prozent der Fernzüge pünktlich ankommen. Die dürftigen Werte haben auch mit einer Rekordzahl an Baustellen zu tun. Die Bahn muss ihr veraltetes Netz derzeit vielerorts sanieren. Das Ziel von 85 Prozent hat für Fahrgäste große Bedeutung, weil dann der Großteil der Reisenden einen Anschlusszug erreicht. Die besten Bahnen international schaffen deutlich höhere Werte. Zudem gilt zum Beispiel in Japan schon wenig Verzug als Verspätung, die Deutsche Bahn dagegen wertet bis zu sechs Minuten Verspätung noch als pünktlich. Auf den kürzeren Regionalverkehrsstrecken der Bahn sind immerhin fast 95 Prozent der Züge pünktlich. Bei seinem ersten großen öffentlichen Auftritt kündigte Lutz an, den Kampf gegen die Uhr zu einem zentralen Ziel zu machen. "Unsere Mitarbeiter machen sich auf die Jagd nach jeder verlorenen Minute." Dennoch bleibt eine Reihe von Problemen. So soll es auch in diesem Jahr in Spitzenzeiten bis zu 850 Baustellen pro Tag geben, die Fahrten verzögern können. Im Fernverkehr mit ICE- und Intercity-Zügen verzeichnete die Bahn 2016 dennoch einen Passagierrekord mit 139 Millionen Reisenden. Nach einem leichten Minus im Vorjahr stieg die Zahl der Reisenden insgesamt um fünf Prozent auf 2,37 Milliarden. Die meisten Passagiere der Bahn sind im Nahverkehr unterwegs, etwa als Pendler auf meist kurzen Strecken. Mehr Fahrgäste bedeuteten auch bessere Geschäftszahlen: Nach Zinsen und Steuern blieben gut 700 Millionen Euro Gewinn bei einem Umsatz von fast 41 Milliarden Euro. Die Bahn war noch im Jahr zuvor wegen der tiefen Krise ihrer Güterverkehrssparte in die roten Zahlen gerutscht. Weil Treibstoffe günstig sind, werden immer mehr Waren über die Straße transportiert. Der Verlust fiel mit 1,3 Milliarden Euro bei der Bahn sogar so groß aus, dass die Bundesregierung mit einer Milliarden-Spritze helfen musste. Schon seit vielen Jahren geht der Anteil der auf der Schiene bewegten Güter zurück. 2015 war er halb so groß wie in den sechziger Jahren. Zeitgleich hat sich der Anteil der auf der Straße transportierten Güter verdoppelt. Zudem hat die Bahn Geschäfte an die Konkurrenz verloren. Der einstige Monopolist DB Cargo hat mittlerweile einen Marktanteil von nur noch 60 Prozent und baut derzeit Tausende Stellen ab. Verkehrsminister Alexander Dobrindt hat für die kommenden Monate ein Hilfsprogramm für die Branche angekündigt. | mlsum-de-33 |
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/juncker-und-merkel-bruessler-irritationen-1.2377122 | Das Verhältnis soll freundschaftlich sein, zumindest nach außen: Doch inhaltlich reiben sich Kanzlerin Merkel und EU-Kommissionspräsident Juncker inzwischen enorm. Er ist nicht der Einzige in Brüssel, der die Bundesregierung irritiert. | Als Jean-Claude Juncker von dem "Vergnügen, der Freude und auch der Ehre" sprach, die er angesichts der "Merkel-Woche" empfinde, sah die neben dem EU-Kommissionschef stehende Kanzlerin nicht unfreundlich, aber unbewegt nach vorn. Es sei ein harmonisches Gespräch gewesen, "wie immer", sagte Juncker, man habe schon Montag miteinander geredet, ebenfalls freundschaftlich, und er bewundere "die Starrsinnigkeit deutscher überregionaler Medien", die stets versuchten, diese Tatsache ins Gegenteil zu verkehren. Merkel beendete die gegenseitigen Freundschaftsbekenntnisse ein wenig ungeschickt mit dem Hinweis, über das gute Verhältnis zu reden, hieße, "Eulen nach Athen zu tragen". Offenbar fand sie das Bild angesichts der dramatischen Krise mit Griechenland schon während des Sprechens nicht optimal, sodass sie eine englische Übersetzung nachschickte: "oder Kühlschränke an Eskimos zu verkaufen". Argwohn über Junckers Kurs Das nette Klima nach dem ersten Treffen einer Regierungschefin eines EU-Staates mit der Juncker-Kommission kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Junckers Entscheidungen in der Wirtschaftspolitik in Berlin nicht gerade enthusiastisch gefeiert werden. Juncker hat sich die Wirtschaftspolitik ganz oben auf seine Agenda gesetzt - was beinahe zwangsläufig zu Rangeleien mit der Bundesregierung führen muss. Schließlich gibt Berlin als stärkste Volkswirtschaft Europas auf diesem Gebiet den Ton vor. Der Kommissionspräsident, der letztendlich mit Merkels Unterstützung in sein Amt gelangte, hat der Behörde in den vier Monaten seiner Amtszeit einen klaren Schwenk hin zu den Mitgliedsländern verpasst, die seit Jahren gefordert hatten, den Stabilitäts- und Wirtschaftspakt flexibler auslegen zu können. Er hat einen französischen Sozialisten gegen den ausdrücklichen Willen Berlins zum Wirtschaftskommissar gemacht. Er erlaubt, dass Frankreich erneut zwei Jahre mehr Zeit bekommen soll, um das Haushaltsdefizit unter die erlaubte Drei-Prozent-Grenze, bezogen auf die Wirtschaftsleistung, zu drücken. Er hat ein 315-Milliarden-Euro-Investitionspaket aufgelegt, das für drei Jahre gelten sollte, im Gesetzestext aber unbegrenzt angelegt ist. Auch die Vermittlungsversuche Junckers zwischen Athen und Berlin sind einigen deutschen Politikern zu weit gegangen. Bei dem Treffen in Brüssel haben Merkel und Juncker kein Wort darüber verloren, dass in Berlin sehr wohl der Ärger über die neue Kommission und insbesondere deren Chef wächst. Während Juncker mit dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras turtle und gegenüber Defizitsündern wie Frankreich eine überbordende Großzügigkeit an den Tag lege, nehme er die Bundesrepublik wegen ihres hohen Exportüberschusses ins Visier, heißt es in Regierungskreisen. Es könne nicht sein, dass Brüssel einerseits beide Augen zudrücke, zugleich aber Staaten, die sich mustergültig verhielten, attackiere. "Wir haben den Eindruck, dass die Kommission schrittweise von der bisher akzeptierten stringenten Auslegung der europäischen Regeln abrückt", klagt ein hoher Regierungsvertreter. Die Kommission hatte Deutschland Ende Februar wegen der großen Lücke zwischen Im- und Exporten sowie der niedrigen Investitionsquote kritisiert und das laufende "Ungleichgewichte-Verfahren" gegen Berlin verschärft. Detailansicht öffnen Nicht immer einer Meinung: EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Bundeskanzlerin Angela Merkel. (Foto: Michael Sohn/AP) Eigenständig agiert auch Ratspräsident Tusk - er will Außenpolitik machen Ganz anders läuft es in der Außenpolitik. Juncker entwickelt keinen Ehrgeiz, persönlich Punkte zu sammeln, das überlässt er Federica Mogherini. Die Italienerin hat schon nach Monaten eine Präsenz erreicht, mit der sie sich deutlich von ihrer Vorgängerin Catherine Ashton abhebt. Juncker kommt dabei entgegen, dass Mogherini anders als Ashton den "Doppelhut" ausfüllen will, den die Funktion als Außenbeauftragte und Vizepräsidentin der Kommission bedeutet. Nicht im Neubau des Europäischen Auswärtigen Dienstes hat sie ihr Quartier aufgeschlagen, sondern gegenüber bei Juncker, eben im eigentlichen Machtzentrum. Aus deutscher Sicht geht das in Ordnung, solange in zentralen Feldern der Außenpolitik aus Brüssel keine Einmischung droht. Inzwischen ist klar, dass Mogherini die Führung in der größten sicherheitspolitischen Krise Europas seit Jahrzehnten Berlin und Paris überlässt mit der Bitte, informiert gehalten zu werden. Nach Beratungen mit Franzosen, Russen und Ukrainern unterrichtet Außenminister Frank-Walter Steinmeier die Außenbeauftragte, die erleichtert zu sein scheint, nicht selbst die Verhandlungen führen zu müssen. In der Russland-Frage ist sie Steinmeier nahe. Beide sind zurückhaltend, was neue Sanktionen angeht, schließen sie auch nicht aus. Unerwartet eigenständig agiert in Brüssel ein anderer: EU-Ratspräsident Donald Tusk. "Wieder einmal ermutigt Appeasement den Aggressor zu noch schwereren Gewalttaten", twitterte Tusk nach dem Raketenangriff auf die ukrainische Hafenstadt Mariupol. Der frühere polnische Ministerpräsident sieht sich im Kreis der Staats- und Regierungschefs nicht bloß als Moderator. Er will Politik machen, und das nicht nur bei Russland. Potenzial für Ärger mit Berlin droht auch - etwa bei der von Tusk forcierten Energieunion. Dort liegt der Ratspräsident auf einer Linie mit Kommissionschef Juncker. Tusk will, dass die 28 Staaten sich zu einer Einkaufsgemeinschaft zusammenschließen, um zu günstigen Konditionen Gas einkaufen zu können. Für die osteuropäischen Staaten bedeutete dies, dass sie russisches Gas billiger und sicherer bekommen könnten. Im Sinne der deutschen Konzerne ist eine europäische Einkaufsgemeinschaft dagegen kaum, sie haben selbst langfristige Lieferverträge abgeschlossen zu besten Konditionen. | mlsum-de-34 |
https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlingskrise-merkel-geht-auf-abstand-zu-wir-schaffen-das-1.3166670 | Der Satz sei "fast zu einer Leerformel geworden", sagt die Kanzlerin. Sie wolle ihn "kaum noch wiederholen". | "Wir schaffen das." Die drei Wörter sind zu den wichtigsten von Angela Merkels Kanzlerschaft geworden. Bisher stand sie fest zu dem Satz, den sie am 31. August 2015 das erste Mal in der Bundespressekonferenz sagte und der seither die Flüchtlingskrise für Deutschland prägte - und für den sie auch viel kritisiert wurde. Erst im vergangenen Juli bekräftigte die Kanzlerin ihr 'Wir schaffen das' bei der Jahrespressekonferenz in Berlin. Nun geht sie erstmals vorsichtig auf Abstand. Die CDU-Chefin betont, dass dem Satz zu große Bedeutung beigemessen werde und sie ihn nicht mehr so oft wiederholen wolle. "Er ist Teil meiner politischen Arbeit, weil ich davon überzeugt bin, dass wir ein starkes Land sind, das auch aus dieser Phase gestärkt herauskommen wird. Er ist Ausdruck einer Haltung, wie sie sicher viele aus ihrem beruflichen und privaten Leben kennen. Manchmal denke ich aber auch, dass dieser Satz etwas überhöht wird, dass zu viel in ihn geheimnist wird. So viel, dass ich ihn am liebsten kaum noch wiederholen mag, ist er doch zu einer Art schlichtem Motto, fast zu einer Leerformel geworden", sagt sie der Wirtschaftswoche laut einem Vorabbericht. Das komplette Interview erscheint in einem Sonderheft am 26. September. Bereits in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte sie Ende August, dass sie nicht mit dieser Wirkung der Worte gerechnet hatte. "Wenn Sie mich vorher gefragt hätten, ob ich einen bestimmten Satz mitgebracht habe, der sehr viel zitiert werden wird, dann hätte ich diesen einen Satz nicht genannt." Sie habe ihn aber aus "tiefer Überzeugung" gesagt. Satz sollte anspornen, nicht provozieren Merkel geht in der Wirtschaftswoche auch auf die Skepsis der Kritiker ihrer Flüchtlingspolitik ein: "Manch einer fühlt sich von dem Satz sogar provoziert. So war er natürlich nie gemeint, sondern anspornend." Komplett distanzieren wolle sie sich aber nicht. Eine diesbezügliche Frage verneinte Merkel und betonte: "Es heißt, dass ich persönlich diesen Satz nicht wie eine Phrase jeden Tag immer wieder vor mir hertragen und wiederholen werde." | mlsum-de-35 |
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/opel-lena-ein-hauch-von-glamour-fuer-opel-1.1096179 | Die Sängerin Lena Meyer-Landrut soll die Automarke Opel vom angestaubten Image befreien. Darum setzen beim Eurovision Song Contest die Rüsselsheimer ihrer Hoffnung auf Lena. | Es wäre ein Erfolg für Opel, wenn auch nur ein kleiner. Wenn Lena Meyer-Landrut am Samstag in Düsseldorf um den Sieg beim Eurovision Song Contest kämpft, dann singt sie nicht nur für sich selbst. Die Schlagersängerin singt auch für den angeschlagenen Rüsselsheimer Autobauer. Als die Opel-Manager die junge Chanteuse im vergangenen Jahr als Markenbotschafterin einkauften, stapelten sich in Rüsselsheim die Studien der Marketing-Strategen. Sie waren vernichtend: Opel, eine alte, eine verstaubte Marke. Weit weg von der Jugend. Lena sollte die Lösung sein. Detailansicht öffnen Würde Lena am Wochenende gewinnen, könnte ein wenig vom Glamour der Schlager-Lena auch auf Opel abstrahlen. (Foto: dapd) Würde Lena am Wochenende gewinnen, würde Opel wohl kaum über Nacht mehr Autos verkaufen. Aber ein wenig vom Glamour der Schlager-Lena, so das Kalkül, dürfte dann auch auf Opel abstrahlen. Mal wieder gewinnen, die Nummer eins sein - das hat es bei Opel lange mehr nicht gegeben. Schwachstelle im Konzern Dabei sind die Ziele bei Opel bislang bescheiden. Die Konzernmutter General Motors gibt sich schon damit zufrieden, wenn die Europa-Tochter in 2011 aus den roten Zahlen kommt. Im ersten Quartal lag GM in Europa mit 400 Millionen Dollar im Minus, das allein verbuchten die Manager schon als einen Erfolg. Denn es waren 600 Millionen Dollar weniger Verlust als im Vorjahresquartal. Opel, das ist nach wie vor die Schwachstelle im großen General-Motors-Konzern. Der US-Koloss war vor zwei Jahren pleite, inzwischen macht er nach einem erfolgreichen Börsengang wieder Milliardengewinne, allein im ersten Quartal waren es 3,2 Milliarden Dollar. Hohe Verluste in Europa, satte Gewinne in den USA: Experten überrascht es daher kaum, dass GM auf dem Heimatmarkt nun wieder kräftig investieren will. Zwei Milliarden Dollar will der Konzern in die Hand nehmen, um insgesamt 17 Fabriken in der Heimat zu modernisieren. 4000 neue Arbeitsplätze sollen dabei geschaffen werden. "Wir tun das, weil wir zuversichtlich sind, was die Nachfrage nach unseren Autos und die Wirtschaft angeht", sagte Konzernchef Dan Akerson. Der Autoboss hat allen Grund zur Freude: GM-Marken wie Chevrolet und Cadillac verkaufen sich wieder gut wie seit Jahren nicht mehr, der Absatz brummt, die US-Kunden wollen neue, auch spritsparende Autos. Nun sollen gerade diejenigen wieder in Lohn und Brot geholt werden, die im Zuge der Insolvenz 2009 ihre Arbeit verloren hatten. Es waren Zehntausende, die damals gehen mussten. Während die Amerikaner in der Heimat wieder Jobs schaffen, bleibt es in Europa beim harten Kurs. 8000 Stellen streicht GM bei seiner Europatochter, 4000 davon allein in Deutschland. Dabei soll es auch nach der Ankündigung von Akerson bleiben. "Es ist so, wir sind von den Aufbauplänen nicht betroffen", sagte ein Opel-Sprecher. Im Gegenteil: Während GM in Detroit seine jüngsten Erfolge mit neuen Jobs feiert, verhandeln Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Bochum weiterhin noch über die Zukunft von 1200 Mitarbeitern - 600 Jobs sind hier im Ruhrgebiets-Werk bereits gestrichen worden. Opel bietet den Mitarbeitern Abfindungen und die Möglichkeit an, gegen Zahlung einer Prämie ins Rüsselsheimer Stammwerk zu wechseln. Sollten nicht ausreichend Einigungen zustande kommen, drohen bis zum Jahresende Kündigungen im großen Stil. "Wir rechnen in den nächsten vier bis sechs Wochen mit Entscheidungen", heißt es bei Opel. Im Bochumer Betriebsratsbüro hofft man, dass die Konzernpläne zum Stellenabbau noch einmal überprüft werden. "Die Erde hat sich weiter gedreht", sagte Rainer Einenkel, Betriebsrats-Chef des Bochumer Opel-Werks, der Süddeutschen Zeitung. "Und die Pläne, nach denen wir hier saniert werden, sind inzwischen zwei Jahre alt." Doch entschieden wird über die Bochumer Jobs in Detroit. Dort hat man bisher nur neue Stellen für die USA angekündigt - am Sanierungsplan für das Werk in Bochum dagegen hält man aber fest. | mlsum-de-36 |
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/hyperloop-hamburg-hafen-1.4240082 | Container sollen im Hamburger Hafen künftig mit 1200 Kilometern pro Stunde durch eine Röhre ins Hinterland geschossen werden. Das könnte Tausende Lkw pro Tag überflüssig machen. | Wenn so ein Containerschiff am Hamburger Hafen anlegt, hat es schon einiges durchgemacht. Mitunter war es wochenlang auf den Weltmeeren unterwegs. Hat schweren Seegang überstanden. Brutale Hitze. Schließlich hat es sich durch die Elbe gequetscht. Alles nur, um endlich hier anzulegen: an der Hamburger Kaikante. Für die vielen Tausend Container, die auf so einem Schiff sind, war das aber erst der Anfang. Sie werden einzeln vom Schiff geholt und dann auf dem Festland weitertransportiert - mit der Bahn oder öfter mit dem Lkw. Genau dieser Transport ins Hinterland soll in ein paar Jahren deutlich schneller gehen, so stellt sich das zumindest die HHLA vor, der wichtigste Terminalbetreiber im Hamburger Hafen. Die HHLA präsentierte am Mittwoch eine Kooperation mit dem US-amerikanischen Unternehmen Hyperloop Transportation Technology. Das Ziel: Container künftig in einer Röhre mit 1200 Kilometern pro Stunde vom Hafen ins Hinterland zu schießen. Ihr sei klar, dass so ein Projekt immer auch viele Kritiker auf den Plan rufe, sagte die HHLA-Chefin Angela Titzrath. Aber man können nicht immer nur jammern, dass Deutschland bei der digitalen Entwicklung hinterherhinke. Es brauche eben auch den Mut, visionäre Projekte zu verfolgen. "Ein mutiger Beginn ist der halbe Gewinn", sagte Titzrath. Hyperloop TT ist eines von mindestens vier Unternehmen, die an der Umsetzung des Hyperloop-Konzepts arbeiten. Das Konzept wurde ursprünglich vom Tesla-Gründer Elon Musk vorgestellt, er steht aber mit Hyperloop TT in keiner Verbindung. Die Technologie sei bereits weit fortgeschritten, sagte Hyperloop TT-Chef Dirk Ahlborn - bezog sich damit aber auf den Personentransport. Das Hyperloop-System sieht vor, Menschen in einer Kapsel, vergleichbar mit dem Rumpf eines Flugzeugs, zu transportieren. Die Kapsel befindet sich in einer Röhre, in der mit Hilfe von Pumpsystemen Unterdruck erzeugt wird. Das verringert den Luftwiderstand und soll Reisen mit sehr hoher Geschwindigkeit - die Rede ist von 1200 Stundenkilometern - bei gleichzeitig geringem Energieaufwand ermöglichen. Schon "im kommenden Jahr" werde das System erstmals Menschen transportieren, kündigte Ahlborn an. Der Schritt, das Hyperloop-Konzept für den Gütertransport anzupassen, sei eine vergleichsweise überschaubare Herausforderung. Zwar wären Container deutlich schwerer als Menschen, dafür ist der Personentransport viel komplexer. Anders ausgedrückt: Dem Container wird während der Fahrt nicht übel. "Wer Menschen transportieren kann, kann auch Güter befördern", sagte Ahlborn. Zur Umsetzung gründen die HHLA und Hyperloop TT ein Joint Venture. Die Verträge wurden am Mittwoch unterschrieben, ein Geschäftsführer für das Gemeinschaftsunternehmen soll noch benannt werden. Sieben Millionen Euro wollen beide Partner zusammen in das Projekt stecken. Das erste Ziel ist die Entwicklung einer Transportkapsel für den Gütertransport, der Bau einer Übergabestation und die Errichtung einer etwa 100 Meter langen Teststrecke direkt im Hafen, voraussichtlich am Containerterminal Altenwerder, das schon jetzt hochautomatisiert betrieben wird. Der Zeitplan sei ambitioniert, räumte HHLA-Chefin Titzrath ein, allerdings brauche Deutschland mehr Mut und den Innovationsgeist, "den man am Silicon Valley immer so bewundert". Für die Umsetzung werden zudem einige neue gesetzliche Regelungen nötig sein, weil die Technologie neu ist, sagte die Vorstandschefin. Das deutsche Bau- und Planungsrecht mache Infrastrukturmaßnahmen oft besonders schwer realisierbar - wie sich bei der Elbvertiefung gezeigt habe. Detailansicht öffnen Ab durch die Röhre: So sieht das Konzept aus, das der Terminalbetreibers HHLA und die US-Gesellschaft Hyperloop TT entwickeln. (Foto: HHLA/Hyperloop) Die Hafengesellschaft könnte das Konzept weiterverkaufen Titzrath, früher Personalvorständin bei der Deutschen Post, ist seit zwei Jahren Chefin der HHLA. Der Zeithorizont, den sie nun für das Hyperloop-Projekt abgesteckt hat, ist wohl kein Zufall: 2021 ist Hamburg Austragungsort des ITS Weltkongresses, einer für die Branche besonders wichtigen Messe für intelligente Transportsysteme. Kann Titzrath bis zu dieser Veranstaltung eine Hyperloop-Teststrecke präsentieren, schmückt das nicht nur ihre Bilanz als HHLA-Chefin, sondern ermöglicht vielleicht auch den Verkauf der Technologie an andere Hafenstandorte weltweit. Die HHLA und ihre ambitionierte Chefin könnten dann also gleichzeitig glänzen und Geld verdienen - und damit vielleicht auch gleich den Ausbau der eigenen Hyperloop-Verbindungen ins Umland finanzieren. Perspektivisch könnten an einem Hyperloop-Terminal etwa 4100 Container pro Tag abgefertigt werden, sagte Titzrath. Viele Tausend Lkw-Fahrten würden dadurch eingespart und die Abgasbelastung verringert. Hyperloop-TT-Chef Ahlborn sagt: Manchmal brauche man im Leben eben auch ein bisschen Vorstellungskraft. | mlsum-de-37 |
https://www.sueddeutsche.de/sport/champions-league-viertelfinale-messi-4-arsenal-1-1.22207 | Lionel Messi schießt den FC Barcelona beim 4:1 gegen Arsenal London mit vier Treffern im Alleingang ins Halbfinale der Champions League. Dort kommt es zum Showdown mit José Mourinhos Inter Mailand. | Gerade sah es so aus, als würde der große FC Barcelona in Schwierigkeiten geraten. Als würde der FC Arsenal die Superlativ-Kicker aus Spanien im Rückspiel des Champions-League-Viertelfinales tatsächlich in Bedrängnis bringen. Da tauchte plötzlich Messi vor dem Tor der Engländer auf. Es war die 21. Minute, aber Arsenal führte bereits mit 1:0. Messi dribbelte von rechts in die Mitte, zog von der Strafraumlinie ab - und drosch den Ball ins Toreck. Schon stand es 1:1, und Messi hatte Lust auf mehr: Der Argentinier erhöhte noch in der ersten Hälfte per Hattrick auf 3:1 und traf in der zweiten Halbzeit noch einmal - 4:1, Endstand. Messi hatte Arsenal alleine aus dem Wettbewerb geschossen. Im Gegensatz zum Hinspiel war es zu Beginn eine Fußballpartie von zwei Mannschaften. In London noch hatten die Statistiker nach zwanzig Minuten zwölf Torschüsse für Barcelona gezählt - Arsenal hatte zum gleichen Zeitpunkt noch nicht einmal auf das gegnerische Tor geschossen. Im Camp Nou war es zunächst anders. Klar, Barcelona hatte mehr Ballbesitz und auch hier die ersten Möglichkeiten: Messi schoss knapp rechts und einmal links am Tor vorbei, Xavi probierte es vergeblich mit der Hacke. Arsenal geht in Führung Aber Arsenal spielte mit und versuchte vor allem, Barças zwei Ersatz-Innenverteidiger Gabriel Milito und Rafael Márquez unter Druck zu setzen - was in der 18. Minute ganz vorzüglich gelang. Abou Diaby erkämpfte an der Mittellinie den Ball gegen Milito und schickte Theo Walcott steil, der im Strafraum auf seinen Partner Nicklas Bendtner querlegte - im Nachschuss erzielte der Arsenal-Stürmer schließlich das 1:0 für sein Team. Doch es wurde nur drei Minuten still im ausverkauften Camp Nou, denn dann kam ja Messi - und fortan feierte das Publikum den Argentinier bis zur 90. Minute mit Sprechchören. Barcelona kontrollierte die Partie nach dem Ausgleich ähnlich wie die erste Halbzeit im Hinspiel, Arsenal war bis zum Seitenwechsel nur noch selten in der gegnerischen Hälfte zu sehen. Messi münzte die Überlegenheit in Tore um: In der 37. Minute legte Silvestre Pedro im Strafraum ab, Messi umkurvte noch einen Verteidiger und hob den Ball allein vor Arsenal-Keeper Manuel Almunia zum 2:1 ins Netz. In der 42.Minute dann köpfte Seydou Keita an der Mittellinie in den Lauf von Messi, wieder lupfte der Weltfußballer die Kugel über Almunia - 3:1. Mourinho und Inter warten In der zweiten Hälfte ließen es die Katalanen etwas ruhiger angehen. Am Samstag steht ja schon das Spitzenspiel der Primera División gegen das punktgleiche Real Madrid an. Arsenal hatte deshalb ohne die Verletzten Cesc Fàbregas, William Gallas und Andrej Arschawin mehr Raum für sein Offensivspiel - jedoch praktisch keine Chancen, um wie beim 2:2 in London noch einen Zwei-Tore-Rückstand aufzuholen. Stattdessen setzte Messi mit seinem vierten Treffer den Schlusspunkt (88.). Im Halbfinale trifft Barcelona nun auf Inter Mailand. Der italienische Meister setzte sich in Moskau gegen ZSKA mit 1:0 (1:0) durch. Dieses Spiel war schon nach sechs Minuten nicht mehr unbedingt spannend: Da traf Wesley Sneijder mit einem flachen Freistoß, der am Fuß des unglücklichen ZSKA-Keeper Igor Akinfejew vorbei ins Netz rauschte - nach dem 1:0-Hinspielsieg der Italiener benötigten die Russen drei Tore, wovon sie bis zum Ende weit entfernt blieben. | mlsum-de-38 |
https://www.sueddeutsche.de/politik/asyl-gutscheine-statt-taschengeld-1.2609376 | Innenminister Thomas de Maizière will geringere Barleistungen für Asylbewerber aus den Balkanstaaten - und erntet dafür sowohl Kritik als auch Lob aus den Reihen des Koalitionspartners SPD. | In Deutschland ist der Himmel grau, das Wetter nass und kalt, an Schneeresten vorbei stapfen Menschen mit verpixelten Gesichtern zu einem Bus. Der wird sie zu einem Flugzeug bringen - das Video der Bundespolizei zeigt, wie abgelehnte Asylbewerber abgeschoben werden. "Vertrauen Sie keinesfalls auf Versprechungen", warnt eine Stimme aus dem Off vor Schleusern und wiederholt mehrmals, was zu befürchten hat, wer aus wirtschaftlichen Gründen auf Asyl in Deutschland hofft: Abschiebung, Wiedereinreiseverbot und eine dicke Rechnung für die Kosten des erzwungenen Rückflugs. Die Botschaft gibt es auf Albanisch, Serbisch, Bosnisch und Mazedonisch - sie richtet sich an Menschen aus den Balkanländern. Die Asylsuchenden aus den sechs Nicht-EU-Staaten Südosteuropas standen am Wochenende im Zentrum der politischen Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte eine europaweite Festlegung sogenannter sicherer Herkunftsstaaten. Die EU-Staaten bräuchten in dieser Frage "gemeinsame Einschätzungen", sagte die Bundeskanzlerin am Sonntag im ZDF. Die Lage sei "extrem nicht zufriedenstellend". Merkel warb zudem für kürzere Asylverfahren in Deutschland: "Wir müssen alle Personalreserven versuchen zu mobilisieren." Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach sich in der Bild am Sonntag dafür aus, Albanien, Mazedonien und Kosovo als sichere Herkunftsstaaten einzustufen - schließlich suchten diese Länder die Annäherung an die EU und könnten "schon deshalb nicht gleichzeitig als Verfolgerstaaten behandelt werden". Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) plädierte dafür, Asylbewerbern vom Balkan weniger Geld zu geben. Stattdessen sollten sie Gutscheine, Fahrkarten und andere Sachleistungen erhalten. "Wir müssen das Sachleistungsprinzip bei ihnen so konsequent wie möglich anwenden", sagte Manfred Schmidt der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Mit seiner Forderung, das sogenannte Taschengeld zu senken, will der Bamf-Präsident erreichen, dass Deutschland weniger attraktiv für Menschen wird, die aus wirtschaftlichen Gründen ins Land kommen und zu mehr als 99 Prozent nicht als Flüchtling anerkannt werden. "Das ist nötig, damit wir Platz haben für die wirklich Schutzbedürftigen", sagte er. Im ersten Halbjahr 2015 beantragten mehr als 80 000 Menschen aus den sechs Staaten des westlichen Balkans Asyl. Das war fast die Hälfte aller Zufluchtsuchenden. Als Flüchtlinge werden sie nur in wenigen Einzelfällen anerkannt. Taschengeld Kinder bekommen Taschengeld - 18,13 Euro im monatlichen Schnitt die Sechs- bis Neunjährigen, 33,34 Euro im Alter von zehn bis 13 Jahren. Das ist weniger als im Vorjahr, wie eine Verbraucheranalyse eines Comic-Verlages berechnet hat. Aber davon spricht niemand in der Politik. Wenn dort von Taschengeld die Rede ist, geht es um Flüchtlinge - und um das, was das Amtsdeutsche deren "Bargeldbedarf" nennt. Er dient "zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens" und ist im Asylbewerberleistungsgesetz auf den Euro genau festgeschrieben: 143 Euro erhält ein Alleinstehender, je 126 Euro ein Paar, zwischen 84 und 95 Euro je nach Alter ein Kind oder Jugendlicher. Das muss für alles reichen, was über Unterkunft und Gemeinschaftsverpflegung in der Aufnahmeeinrichtung hinausgeht, für Kleidung wie Zahnpasta. Viel Geld ist das nicht - aber womöglich genug Anreiz für arme Menschen aus den Balkanstaaten, so meint etwa Bundesinnenminister Thomas de Maizière, um einen Bus Richtung Deutschland zu besteigen und dort Asyl zu beantragen. Niedriger dürfen die Leistungen nicht sein, das hat das Bundesverfassungsgericht 2012 verboten. Der Gesetzgeber hat jedoch Spielräume, statt Geld etwa Gutscheine auszugeben. Allerdings hatten Länder und Kommunen von dieser Praxis zuletzt zunehmend Abstand genommen - um Flüchtlinge eben nicht wie kleine Kinder zu behandeln. Jan Bielicki Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte kurz zuvor ankündigt, man werde sich "das Taschengeld genauer anschauen". Es geht dabei um die bis zu 143 Euro, die Asylbewerber pro Monat in bar erhalten. Das Geld ist für Kleidung und Hygieneartikeln gedacht. Bamf-Präsident Schmidt hält diese Bargeld-Leistung für einen der Gründe, warum es bei vielen Bewerbern vom Balkan einen "Drehtüreffekt" gebe: "Viele, die ausreisten, kamen nach kurzer Zeit wieder. Denn mit dem Geld von einem drei- oder viermonatigen Aufenthalt in Deutschland ließ sich das Leben im Herkunftsland neun oder zehn Monate lang bestreiten." Das Nettoeinkommen in Ländern wie Albanien und Mazedonien liegt laut nationalen Statistiken im Schnitt bei 350 bis 360 Euro im Monat. Detailansicht öffnen Viele ausgereiste Bewerber "kamen nach kurzer Zeit wieder", sagt der Präsident des Bundesamts für Flüchtlinge: Asylsuchende im bayerischen Sonthofen. (Foto: AFP) Aydan Özoğuz nennt den Vorschlag "ärgerlich" und spricht von "Scheinlösungen" Aus den Kommunen bekam de Maizières Vorstoß Unterstützung. "Es sollte geprüft werden, ob das deutsche System zu viele Anreize bietet (z. B. Taschengeld, Ausreisevergütung)", heißt es in einem Positionspapier des Deutschen Städte- und Gemeindetags zur Flüchtlingspolitik. Skeptisch äußerte sich dagegen Nordrhein-Westfalens CDU-Chef Armin Laschet: "Ich kann vor Schnellschüssen nur warnen: Das Bundesverfassungsgericht hat uns aufgegeben, das Existenzminimum von Flüchtlingen sicherzustellen. Das müssen und werden wir tun", sagte er der Nordwest-Zeitung. Auch Aydan Özoğuz (SPD), die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, nannte de Maizières Vorschlag "ärgerlich". Es würden "Scheinlösungen im Sozialleistungsrecht propagiert", statt sich um die Beschleunigung der Asylverfahren zu kümmern. | mlsum-de-39 |
https://www.sueddeutsche.de/politik/anschlag-in-tunis-dann-haben-wir-ploetzlich-schuesse-gehoert-1.2400372 | In Tunesiens Hauptstadt Tunis sind beim Angriff auf das Bardo-Museum mindestens 19 Menschen getötet worden, darunter viele Touristen. Die Studentin Nedra Jouini lebt um die Ecke. Sie berichtet, wie sie den Tag des Anschlags erlebt hat. | Nedra Jouini, 23, lebt zusammen mit ihren Eltern nur 300 Meter entfernt vom Bardo-Museum in der tunesischen Hauptstadt Tunis. Am Mittwoch greifen Bewaffnete das Gebäude an, erschießen mindestens 19 Menschen, darunter viele Touristen. Dann greift eine Spezialeinheit ein und tötet die Agreifer. Am Telefon berichtet die Chemie-Studentin, wie sie den Tag des Anschlags erlebt hat. "Meine Mutter und ich saßen im Wohnzimmer auf dem Sofa und haben uns unterhalten. Dann haben wir plötzlich Schüsse gehört. Wir dachten die Schüsse kommen von der benachbarten Militärakademie, von Soldaten, die irgendwelche Übungen abhalten. Wie gewöhnlich schaltete meine Mutter vor dem Mittagessen das Radio ein. So haben wir innerhalb von wenigen Minuten erfahren, was wirklich passiert ist. Wir konnten es nicht fassen. Bald darauf flogen Helikopter über unsere Wohnung - wie 2011. Sie erinnerten mich an die Revolution und die Gewalt von damals. Ich wurde nervös, machte mir Sorgen: Wie schlimm ist es wirklich? Ist es sicher, rauszugehen? Seit 2011 ist hier nichts derart Gefährliches mehr passiert - schon gar nicht direkt in meiner Nähe. Ich hoffe, dass es keine weiteren Anschläge geben wird. Aber wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen. Wir wissen, dass der Terrorismus bereits in Tunesien ist. Davon sind wir heute Zeugen geworden. Ich setzte aber auch Hoffnung in die tunesische Regierung. Ich hoffe sie tut ihr Bestes, um weitere Anschläge zu verhindern. Sie sollte zum Beispiel die Sicherheitsvorkehrungen erhöhen. Ich glaube, dass unsere Stadt derzeit nicht sicher ist. Für die Tourismusbranche hat der Anschlag sicher schlimme Folgen. Hätte ich eine Reise nach Tunesien geplant, würde ich sie auf jeden Fall absagen. Ich bin schon wieder kurz nach draußen gegangen. Jetzt ist es ja zum Glück vorbei. Aber dieser Tag hat gezeigt, dass derzeit in Tunesien alles passieren kann. Ich würde gerade niemandem empfehlen, auf die Straße zu gehen." | mlsum-de-40 |
https://www.sueddeutsche.de/geld/altglas-schluss-mit-dem-geschepper-1.3637456 | Haushaltsglas kann auch ganz leise im Untergrund entsorgt werden. Der Nachteil: Es ist ziemlich teuer. | Wenn das mal nicht nach infernalischem Lärm klingt: In Deutschland warten 300 000 igluförmige Altglascontainer auf ständige Fütterung - und bekommen auch oft jenseits der erlaubten Einwurfzeiten von sieben bis 19 Uhr an Werktagen jährlich etwa zweieinhalb Millionen Tonnen Altglas in den gummibelappten Rachen geworfen. So steht es jedenfalls in der Statistik des Bundesverbands Glasindustrie. Abgesehen vom nervtötenden Geschepper an den Tonnen, die mindestens, aber sehr überschaubare zwölf Meter vom nächsten Wohnhaus entfernt stehen müssen, riecht es aus ihnen auch manchmal ziemlich übel heraus. Wie bei anderen Lärmschutzmaßnahmen gibt es seit einigen Jahren auch für die disziplinierten, aber lärmempfindlichen deutschen Recycling-Anhänger probate, aber teurere Alternativen. Bamberg hat sie schon und Frankfurt auch, ebenso Trier (bereits seit 2009). Stuttgart plant sie, und zahlreiche andere Städte haben sie ebenfalls an ausgewählten Standorten installiert: sogenannte Unterflurcontainer, alias unterirdische Glascontainer. Die fügen sich viel diskreter ins Straßenbild, sind mit ihren niedrigen Einfüllstutzen barrierefrei, weil lediglich ein Rohr mit Einwurfschacht aus dem Boden hervorsprießt. Beim Einwurf scheppert nichts, und in den unterirdischen Container passt die dreifache Glasmenge, gemessen an den herkömmlichen Plastik-Iglus: 1800 Kubikmeter Altglas passen jeweils in den grünen, weißen oder braunen Auffangbehälter statt wie bisher etwa 900. Weniger Lärm, kein Gestank, dezente Optik - was will der lärmgeplagte Anwohner mehr? Kommunen und die von ihnen beauftragten Entsorgungs- beziehungsweise Recyclingbetriebe wollen und können indessen nicht flächendeckend in die leisen Entsorgungsstationen investieren. Beispiel Bamberg: Zwischen 20 000 und 40 000 Euro musste die Stadt für jeweils einen Dreierverbund investieren. Die Preisspanne variiert natürlich und reicht inklusive Installationsarbeiten seitens der Städte bis zu einem Preis von 70 000 Euro, weil es darauf ankommt, welche Arbeiten im Untergrund nötig sind. Sind herkömmliche Einwurf-Iglus schon für etwa 5000 Euro für das Grün-Braun-Weiß-Trio zu haben, erfordern die unterirdischen Container also weitaus höhere Investitionen. Da heißt es, genau auf unterirdische Infrastruktur-Verhältnisse zu achten: Verlaufen an der gewünschten Containerstelle wichtige unterirdische Versorgungsleitungen und -rohre? Gibt es Telefonkabel, Abwasserleitungen, Kanalisation oder Starkstromkabel, Wurzeln großer, erhaltenswerter Bäume? Dann ist, bei allem guten Willen, das unterirdische Versteck für die gläsernen Lärmverursacher obsolet. Aber auch oben im Luftraum können sich bei den innovativen Containern Hürden auftun - Stichwort "Hubhöhe": Das Fahrzeug der Entsorgerfirma muss einen Kran ausfahren, um die Container aus ihren Schächten herauszuheben. Laternen oder Bäume dürfen dabei also nicht im Weg sein. Auch wenn die Glasflaschen-Abholer seltener und damit kostengünstiger entsorgen müssen, weil die "leisen" Altglasbehälter größer sind als die alten Iglus, sie müssen ja erst mal dort hinkommen. | mlsum-de-41 |
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/zuwaechse-fuer-online-haendler-brillenkauf-im-netz-immer-beliebter-1.1789317 | Konkurrenz für Fielmann, Apollo und Co.: Online-Anbieter machen mit Brillen Millionenumsätze. Traditionelle Optiker warnen vor Qualitätsproblemen - und geraten doch unter Druck. | Loriot hat den Beruf des Optikers schon vor Jahren in Frage gestellt: In einer Zeichnung des Künstlers ist zu sehen, wie eines seiner berühmten Knollennasen-Männchen mit der Ehefrau ins Brillengeschäft geht. Nachdem ihm der Ladenbesitzer eine Brille zum Anprobieren gegeben hat, legt der Mann die Gläser schnell wieder ab. So genau will er seine Frau gar nicht erkennen. Unter der Zeichnung steht: "Optiker Nolte zog sich zwei Jahre später aus dem Geschäftsleben zurück". Hätte der 2011 verstorbene Loriot die Situation heute karikiert, wäre das Knollennasen-Männchen vielleicht gar nicht mehr in einen Laden gegangen - sondern hätte vor dem Computer gesessen. Denn Online-Händler verkaufen immer mehr Brillen. Mister Spex, der beliebteste der Shops im Netz, hat im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben 26 Millionen Euro umgesetzt. Das sind 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Spex sieht sich nicht nur als Online-Händler: "Wir verstehen uns als Optiker", sagt die Sprecherin des Berliner Unternehmens - und fordert mit diesem Selbstverständnis Ketten wie Fielmann oder Apollo heraus. Auch wenn das Anprobieren der Brillengestelle bei dem Shop im Netz natürlich anders abläuft als im Laden. Wer zum Beispiel eine Webcam hat, kann sich durch eine 3D-Darstellung seine Favoriten aus mehr als 5000 verschiedenen Brillen auf die Nase setzen. Die Sprecherin sagt selbst, das Konzept sei noch nicht ganz ausgereift. Doch bei den Käufern scheint es schon anzukommen. An manchen Tagen verschickt das Unternehmen bis zu 6000 Pakete, es hat in seiner Kundendatei nach eigenen Angaben mittlerweile mehr als 600.000 Menschen registriert. "Rückfall ins Mittelalter" Dabei galt gerade die Brille lange als ein Produkt, das online nicht verkauft werden kann. Die Anpassung der Gestelle an die Kopfform, die Justierung des Abstands zwischen Gläsern und Augen - das könnten die Shops im Netz nicht leisten, hieß es von Seiten der traditionellen Optiker. Günther Fielmann, Chef des gleichnamigen Marktführers im Brillengeschäft, sagte erst im vergangenen Jahr deutlich in einem Gespräch mit der Tageszeitung Welt, was er von den Shops im Netz hält: "Das ist ein Rückfall ins Mittelalter. Damals gab es auf den Märkten auch nur Fertigbrillen". Dass Fielmann einen so drastischen Vergleich wählte, kommt nicht von ungefähr. Seine Optiker-Kette rühmt sich damit, den Kunden immer den günstigsten Preis anzubieten. Doch mit der Konkurrenz aus dem Netz kann die Hamburger Firma nun teils nicht mehr mithalten. Spex und seine Mitstreiter drücken die Preise nach unten. Denn allein die Kosten, um wie Fielmann etwa 600 Filialen am Laufen zu halten, haben die Online-Händler nicht. Zwar geht es nicht ganz ohne persönlichen Service, das hat auch Spex erkannt. Das Unternehmen hat sich deswegen ein Partnernetzwerk mit bundesweit etwa 340 Optikern aufgebaut. Wenn die Brille nicht passt, kann der Kunde zum nächstgelegenen Partner gehen: Doch "für die meisten Leute, die bei uns kaufen, ist es natürlich sowieso nicht der erste Brillenkauf", so die Sprecherin. Brille24 setzt dagegen klar nur auf den billigen Preis. Kooperationen mit Optikern wie bei Spex gibt es nicht. Die meisten Sehhilfen kosten gerade einmal 39,90 Euro. Den Vorwurf mancher traditioneller Optiker, dass eine mit so wenig Informationen bestellte Brille nicht passen könnte, sieht eine Sprecherin der 2007 gegründeten Firma nicht bestätigt: "Wir haben eine Retour-Quote von etwa zwei Prozent und liegen damit weit unter dem Durchschnitt von anderen Online-Shops". Plötzliches Schweigen Ob man von diesem Prozentsatz aber wirklich auf die Qualität der Brillen schließen kann, ist umstritten. Die niedrige Zahl an Rücksendungen müsse nicht darin begründet sein, dass die Brille wirklich passe, kritisiert der Zentralverband der Augenoptiker (ZVA). Viele Kunden würden die nötigen Korrekturen vielleicht gar nicht bemerken. "Das Auge versucht die Defizite dann automatisch auszugleichen und strengt sich mehr an", so ein Sprecher des ZVA. Traditionelle Optikerketten wie Fielmann oder Apollo seien durch die neue Konkurrenz wie Brille24 oder Mister Spex aber nicht im Zugzwang, online zu gehen. Selbst Online-Marktführer Spex ist mit seinen 26 Millionen Euro Umsatz noch weit von Fielmanns Größenordnung entfernt: Im vergangenen Jahr machte die Hamburger Kette fast 900 Millionen Umsatz. Doch dass sich die traditionellen Betriebe durchaus mit der Konkurrenz im Netz auseinandersetzen, zeigt ihr plötzliches Schweigen zu dem Thema. Während der Fielmann-Chef im vergangenen Jahr die Online-Shops noch frei heraus als obsolet bezeichnete, gibt man sich nun zurückhaltender. Bei Nachfragen verweist das hanseatische Unternehmen lediglich auf den Geschäftsbericht aus dem vergangenen Jahr. Dort ist zu lesen, dass die Anpassung der Brille über das Internet ein "reines Zufallsprodukt" sei. "Deshalb verkauft Fielmann Korrektionsbrillen nicht per Internet", heißt es weiter. Allerdings ist es der Geschäftsbericht für das vergangene Jahr - ob Fielmann diesen Satz auch im kommenden übernimmt, wird sich zeigen. Bei Apollo, nach Fielmann der Zweitgrößte in der Branche, will man sich zum Thema Online-Handel gar nicht äußern. Mister Spex sieht einen möglichen Start von Fielmann oder Apollo im Netz gelassen. Man vertraut auf die Erfahrung im E-Commerce der vergangenen Jahre und das eigene Wachstum. Erst im Mai haben drei Großinvestoren 16 Millionen Euro in die Firma gesteckt, im Juli hat Spex zwei schwedische Onlineshops gekauft. Die Berliner Firma würde es insgeheim wohl auch freuen, Recht behalten zu haben. Den anderen bewiesen zu haben, dass Brillen im Netz eben doch zu verkaufen sind. Die Spex-Sprecherin sagt dazu ganz klar: "Wenn die Großen nachziehen, wäre das für die Online-Optik wie ein Ritterschlag." | mlsum-de-42 |
https://www.sueddeutsche.de/politik/ukraine-angst-vor-der-naechsten-offensive-1.2505764 | Kämpfe in der Ostukraine zeigen, dass der Konflikt zwischen Armee und prorussischen Rebellen wieder aufflammen könnte. Und es häufen sich Belege für eine Beteiligung Russlands. | Feuerwehrleute löschen einen Markt am Rande von Donezk, der am Mittwoch bei einem Gefecht zwischen prorussischen Separatisten und der ukrainischen Armee zerstört worden ist. Kampf- und Schützenpanzer, Flugabwehrgeschütze, Granat- und Raketenwerfer: Es war ein beachtliches Arsenal der prorussischen Rebellen, das Fachleute der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Nacht auf den 3. Juni in der Nähe von Donezk beobachteten. Als der Tag graute, begannen die Rebellen mit einem Angriff auf die von der ukrainischen Armee gehaltene Kleinstadt Marinka. Erst als Antwort feuerten die Ukrainer ihrerseits Stunden später auf die Rebellen, so beschreibt es die OSZE. Nach dem Gefecht, einem der schwersten seit Monaten, sprach der ukrainische Generalstab von fünf toten Soldaten und etlichen Verletzten, die Rebellen meldeten mindestens 19 Tote. Ein Fall der verkehrstechnisch wichtigen Stadt wäre die größte Niederlage Kiews seit dem Verlust von Debalzewe im Februar. Ab Mittwochabend kehrte zunächst Ruhe in Marinka ein. An anderer Stelle wurde weiter gekämpft: etwa in der Hafenstadt Mariupol. Anzeichen für eine mögliche Offensive Russlands Außenminister Sergej Lawrow schob die Schuld an den neuen Gefechten Kiew zu. "Die Feuerpause vom Februar ist ständig durch Handlungen der Kiewer Behörden bedroht, die ihren Verpflichtungen entgehen wollen, einen direkten Dialog mit dem Donbass zu fördern", sagte Lawrow. Diese Darstellung widerspricht nicht nur den OSZE-Beobachtungen. Auch andere Berichte unterstreichen die entscheidende Rolle Russlands im Krieg in der Ostukraine - und Anzeichen für eine mögliche neue Offensive. So legten sowohl der Atlantic Council in Washington als auch die britische Organisation Bellingcat detaillierte Berichte über die Organisation des Ukrainekriegs durch Moskau vor. Am Montag dieser Woche präsentierte Ivan Šimonović, Vize-Generalsekretär für Menschenrechte der Vereinten Nationen, einen weiteren Report. Es gebe "wachsende Belege, dass Soldaten im aktiven Dienst der russischen Armee in der Ukraine operieren", so Šimonović. "Der Rückzug ausländischer Kämpfer und der Stopp des Waffenzuflusses aus der Russischen Föderation hätte einen bedeutenden Einfluss auf Gesetz und Ordnung", sagte der Vize-Generalsekretär. Detailansicht öffnen Ein ukrainischer Soldat in Marinka, das am 3. Juni von Rebellen angegriffen wurde. (Foto: Evgeniy Maloletka/AP) Russland sammelt Soldaten und Ausrüstung für den Krieg in der Ukraine in den grenznahen Regionen Rostow oder Belgorod, in großen Militärcamps wie Kujbischewo, Pawlowka oder Kusminskij. Allein in Kusminskij und dem nahen Bahnhof Matwejew Kurgan zählte eine Reporterin der Agentur Reuters Ende Mai Dutzende neu eintreffender Kampfpanzer, Granat- und Raketenwerfer. In der Nähe von Donezk hat das russische Militär im Dorf Petriwske ein Trainingslager in einem ehemaligen Feriencamp eingerichtet, legt ein OSZE-Bericht vom 28. Mai nahe. Ukrainischer Präsident Poroschenko zeigt sich pessimistisch Ein ehemaliger Rebellenführer aus Donezk hatte der SZ bereits im März gesagt, der Krieg werde vom Aufklärungs- und Sabotagedienst des russischen Generalstabes (GRU) gesteuert, jede Handlung der Separatisten von Moskau genehmigt. Ende Mai sprachen die BBC und Reuters in Kiew mit zwei von den Ukrainern gefangen genommenen GRU-Offizieren: Ihnen zufolge bestand alleine ihre in die Ukraine geschickte Einheit aus 200 Mann. Schon der Beginn des Krieges vor einem Jahr wurde von Igor Girkin kommandiert, der von EU und USA als aktiver GRU-Offizier identifiziert wurde. Girkin zufolge kontrolliert der Kreml das Geschehen sehr direkt: Am 31. Mai etwa soll Wladislaw Surkow, ein führender Politmanipulator des Kreml, zur weiteren Instruktion der Separatistenführer nach Donezk gereist sein. Hausverbot Als Reaktion auf die von Russland verhängten Einreiseverbote für europäische Politiker hat EU-Parlamentspräsident Martin Schulz russischen Diplomaten Hausverbot erteilt. Die Behörden in Moskau hätten bisher keine vernünftige Erklärung dafür geliefert, warum sie 89 Politiker, Beamte und Militärs aus EU-Staaten auf eine "schwarze Liste" gesetzt haben, erklärte Schulz. Ausgenommen von dem Hausverbot sind Russlands EU-Botschafter Wladimir Tschischow sowie ein Mitarbeiter. Aus Russland kam prompt Kritik. Dies sei eine "Rückkehr zur Inquisition", kommentierte Maria Sacharowa vom Außenministerium. dpa Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko schätzt die Zahl russischer Soldaten in der Ostukraine auf 9000. Sollte Russland eine Offensive beschließen, stünden die Chancen der Ukraine schlecht: In Mariupol haben die dort stationierten Nationalgardisten nur Schusswaffen zur Verfügung und Berichten zufolge nicht einmal effektive Schützengräben ausgehoben. Poroschenko gab sich am Donnerstag pessimistisch: "Wir sind immer noch ein Staat mit minimaler Verteidigungsfähigkeit." | mlsum-de-43 |
https://www.sueddeutsche.de/politik/syrien-mit-voller-haerte-1.2673965 | Luftangriffe in Syrien folgen einem Muster: Sie richten sich nicht nur gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. | Talbiseh ist Angriffe gewohnt. Immer wieder hat das syrische Regime von Baschar al-Assad den von gemäßigten Rebellen kontrollierten Ort nördlich der Großstadt Homs bombardiert. Doch diesmal war alles anders. Die Flieger flogen viel höher als die der syrischen Luftwaffe, die Explosionen der Raketen waren viel stärker. Es waren russische Kampfjets. Gemäß Verlautbarungen des Kremls bombardierten sie Ziele der Terrormiliz Islamischer Staat. Doch den gibt es in Talbiseh ebenso wenig wie die mit al-Qaida verbündete Nusra-Front. Das Gleiche gilt für die benachbarten Orte Zafarana und Rastan, die ebenfalls bombardiert wurden. Mindestens 15 Zivilisten seien in Talbiseh getötet worden, berichten Aktivisten des Medienzentrums dort, die mit der deutschen Organisation Adopt a Revolution kooperieren. Nach den Jets kamen die Hubschrauber des Regimes und warfen wieder Fassbomben ab. Artillerie feuerte Granaten in die von Regierungstruppen umstellte Stadt. Ähnliche Berichte gibt es aus der Provinz Hama, wo die Russen Ziele am Rand von Lataminah bombardierten. Der Ort wird von einer zur Freien Syrischen Armee gehörenden Gruppe kontrolliert, die von den Amerikanern unterstützt wird. Getroffen wurde das Hauptquartier der Gruppe, wie ihr Kommandeur Jamil al-Saleh in einem im Internet verbreiteten Video berichtete. Die nächsten Stellungen des Islamischen Staats sind mehr als 50 Kilometer entfernt; syrische Staatsmedien hatten in den vergangen Tagen noch berichtet, dass sich die Dschihadisten weiter Richtung Raqqa zurückgezogen hätten, ihrer Hauptstadt. Amerikanische Regierungsquellen sagten der Washington Post, es gebe keine Gründe, an Berichten zu zweifeln, denen zufolge in der Provinz Hama Gruppen getroffen worden seien, die mit der von den USA geführten Anti-IS-Koalition verbündet seien. Die Schäden durch Russlands Luftangriffe seien "nicht gering", sagte ein anderer Beamter der New York Times. Sucht man nach einem Muster in den 20 Luftangriffen am Mittwoch, die auch Zielen in der Provinz Latakia galten, schält sich heraus: Die russischen Kampfjets attackierten überwiegend gemäßigte Rebellen-Gruppen, die gegen Gewaltherrscher Baschar al-Assad kämpfen, Moskaus Verbündeten. Diese Gruppen kämpfen aber ebenso gegen den Islamischen Staat, der ja vorgeblich das Ziel der russischen Bomben ist. In den Provinzen Hama und Latakia ist das Regime jüngst in Bedrängnis geraten. Russland flog am Donnerstag erneut etwa 30 Angriffe, auch nahe Dschisr al-Schughur, wo ein Bündnis islamistischer Rebellengruppen unter Beteiligung der Nusra-Front den alawitischen Kerngebieten in der Provinz Latakia gefährlich nahegekommen ist. Folglich teilte die Regierung in Moskau mit, das Bombardement richte sich "generell gegen eine Reihe bekannter Islamistenorganisationen", während es am Vortag noch hieß, es gehe "ausschließlich" gegen den Islamischen Staat. Russland leistet dem Anschein nach also eher Luftnahunterstützung für die überdehnten Truppen des Assad-Regimes, was Moskau nicht einmal in Abrede stellt. Präsident Wladimir Putin stört es dabei offenkundig nicht, dass sich das Regime über eine von Moskau mitgetragene Resolution des UN-Sicherheitsrates vom Januar 2014 hinwegsetzt. Sie verbietet die unterschiedlose Anwendung von Gewalt in bewohntem Gebiet sowie ausdrücklich den Einsatz von Fassbomben. Organisationen wie Human Rights Watch werfen dem Regime vor, Kriegsverbrechen zu begehen, indem es systematisch zivile Gebiete in von der Opposition gehaltenen Regionen bombardiert, um sie zu entvölkern. Putin hat allerdings vor der UN-Generalversammlung klargemacht, dass er zwischen den verschiedenen Gruppen der Assad-Gegner nicht differenziert: Er sagte über die "sogenannte gemäßigte syrische Opposition, die vom Westen unterstützt wird", sie werde "bewaffnet und trainiert, um überzulaufen und sich dem sogenannten Islamischen Staat anzuschließen". Experten und westliche Politiker warnen, dass eine offene Intervention Russlands an der Seite des Regimes genau dies zur Folge haben wird. | mlsum-de-44 |
https://www.sueddeutsche.de/digital/eugh-urteil-zum-urheberrecht-quellenangabe-reicht-nicht-1.4085267 | Wer Bilder online zeigen will, muss immer zuerst den Fotografen fragen, hat das Gericht entschieden. Im konkreten Fall ging es um ein publiziertes Schülerreferat. | Auch wenn ein Foto im Internet frei zugänglich ist, kann es nicht ohne neue Zustimmung des Fotografen auf einer anderen Website veröffentlicht werden. Das bedeutet: Wer ohne Erlaubnis Bilder von anderen Webseiten auf seine Seite stellt, verletzt Urheberrecht - auch wenn er dabei die Quelle angibt. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag entschieden. (Az. C-161/17) Worum ging es in dem Fall? Um ein Foto, das auf der Homepage einer Gesamtschule im nordrhein-westfälischen Waltrop eingestellt worden war. Eine Schülerin hatte das Foto der spanischen Stadt Córdoba für ein Referat aus einem Reiseportal im Internet kopiert. Sie hatte das Portal auch als Quelle benannt. Mitsamt dem Foto wurde das Referat auf der Homepage der Schule veröffentlicht. Der Fotograf hatte deshalb dann das Land Nordrhein-Westfalen verklagt. Er wollte die Verwendung des Bildes verbieten lassen und 400 Euro Schadenersatz. Er hatte den Betreibern des Portals erlaubt, auf ihrer Website das Foto zu veröffentlichen - auch ohne Nennung seines Namens. Für die Schule galt diese Erlaubnis seiner Meinung nach allerdings nicht. Durch die Kopie seien Urheberrechte verletzt. Der Bundesgerichtshof (BGH) war sich nicht sicher und legte den Fall dem EuGH vor. Warum ist das wichtig? In dem Fall ging es darum, ob Bilder ohne Konsequenzen von Webseiten kopiert und wieder im Netz veröffentlicht werden dürfen. Der BGH wollte von den Luxemburger Richtern wissen, wie die Urheberrechtslinie der Europäischen Union in einem solchen Fall auszulegen ist. Handelt es sich auch dann um eine "öffentliche Wiedergabe", wenn ein Foto auf einer Website eingestellt wird, wenn dieses zuvor ohne Beschränkung und mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers auf einer anderen Seite veröffentlicht wurde? Der EuGH sagte nun: Ja, das zählt als erneute "öffentliche Wiedergabe". Denn dadurch werde das Bild einem "neuen Publikum" zugänglich gemacht. Und bei jeder Wiedergabe muss der Urheber vorher um Erlaubnis gefragt werden. Der EuGH machte hier auch einen Unterschied zwischen kopierten Fotos und Hyperlinks zu urheberrechtlichen Fotos. Denn Links, die Web-Adressen miteinander verbinden, seien nötig, damit das Internet "gut funktioniere". Das gelte nicht für das bloße Kopieren von Inhalten. Der EuGH-Generalanwalt, der dem Gericht Empfehlungen gibt, hatte zuvor argumentiert: Das Foto sei "allen Internetnutzern frei und kostenlos zugänglich" und sei "ohne Gewinnerzielungsabsicht und unter Angabe der Quelle auf der Internetseite einer Schule" veröffentlicht worden. Es sei also nicht als eigene öffentliche Wiedergabe zu werten. Das Gericht folgte ihm nicht und wollte auch für Schulen keine Ausnahme gelten lassen. | mlsum-de-45 |
https://www.sueddeutsche.de/politik/israel-netanjahu-spricht-sich-fuer-begnadigung-elor-azarias-aus-1.3320814 | Der Soldat wurde am Mittwoch von einem israelischen Militärgericht verurteilt. Er erschoss im März einen palästinensischen Angreifer, der bereits am Boden lag. | Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat sich nach dem Schuldspruch für den israelischen Soldaten Elor Azaria für dessen Begnadigung ausgesprochen. "Ich unterstütze eine Begnadigung von Elor Azaria", schrieb Netanjahu am Abend auf Facebook. Es sei "ein schwieriger und schmerzlicher Tag für uns alle - vor allem für Elor und seine Familie, unsere Soldaten und Zivilisten, mich eingeschlossen." Zuvor hatte ein israelisches Militärgericht in Tel Aviv Azaria wegen Totschlags verurteilt. Die Verkündung des Strafmaßes wird in den kommenden Wochen erwartet. Azaria drohen bis zu 20 Jahre Haft. Der zum Zeitpunkt der Tat noch 18-jährige Militärsanitäter Azaria hatte im März 2016 einem am Boden liegenden Attentäter in Hebron in den Kopf geschossen. Azaria erklärte im Prozess, er habe befürchtet, der Attentäter könne eine Sprengstoffweste tragen. Der Palästinenser hatte zuvor einen anderen Soldaten mit einem Messer verletzt. Zeugen sagten hingegen aus, Azaria habe ihnen gegenüber angegeben, den Attentäter aus Rache getötet zu haben. Die Tatsache, dass der am Boden liegende Mann ein Terrorist gewesen sei, rechtfertige nicht die unverhältnismäßige Reaktion des Soldaten, urteilte das Gericht. Es ist extrem selten, dass ein israelisches Militärgericht gegen einen Soldaten entscheidet, der im Dienst tödliche Gewalt angewendet hat. Kurz nach Verkündung des Schuldspruchs hatte das Büro des israelischen Präsidenten Reuven Rivlin in einer Erklärung gewarnt, eine Debatte über eine Begnadigung Azarias sei verfrüht. Nur Azaria selbst, sein Anwalt oder seine nächsten Angehörigen könnten darum bitten - und das auch erst nach Abschluss des Prozesses.Wenn eine Begnadigung beantragt werde, werde Rivlin sie "nach der üblichen Praxis und nach Empfehlungen der zuständigen Behörden" prüfen, hieß es in der Erklärung. Das Urteil, das live im israelischen Fernsehen übertragen wurde, beendet eine neunmonatige Kontroverse, die in Israel zu schweren Meinungsverschiedenheiten geführt hat. Militärkommandeure hatten das Verhalten des Soldaten kritisiert, während ihn große Teile der israelischen Öffentlichkeit unterstützten, darunter auch Mitglieder der Regierungskoalition. Ein palästinensischer Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation B'Tselem hatte den Vorfall gefilmt. Verteidigungsminister Lieberman fordert Respekt für die Gerichtsentscheidung Die Familie des getöteten Palästinensers zeigte sich zufrieden mit der Gerichtsentscheidung. "Es ist gerecht. Es ist eine Errungenschaft des Gerichts, dass es den Soldaten verurteilt hat", sagte Jusri al-Scharif, der Vater des Getöteten, in seiner Heimatstadt Hebron im Westjordanland. Ein Repräsentant der Angehörigen des Verurteilten warf den Richtern vor, Beweismittel ignoriert zu haben, die auf eine Unschuld des Soldaten hingewiesen hätten. "Ich hatte das Gefühl, dass das Gericht das Messer vom Boden aufgehoben hat und es in den Rücken aller Soldaten gestoßen hat", sagte ein Sprecher der Familie. Die Verteidigung kündigte Berufung an. Verteidigungsminister Avigdor Lieberman fordert Respekt für die Gerichtsentscheidung. Auch er finde das Urteil "schwierig", sagt er. Die Armee müsse jedoch aus politischem Streit herausgehalten werden. Sein Ministerium werde alles tun, um den Soldaten und seine Familie zu unterstützen. Auch Kulturministerin Miri Regev, die früher mehrere Jahre lang eine Sprecherin des Militärs gewesen war, forderte wie andere Politiker der Regierung und der Opposition eine Begnadigung. Vor der Verkündung der Gerichtsentscheidung versammelten sich Hunderte Demonstranten vor dem Militärhauptquartier in Tel Aviv, um die Freilassung des Soldaten zu fordern. Wie die Jerusalem Post berichtet, skandierten sie "Freiheit für Azaria" und "Terroristen müssen sterben". Demonstranten stürmten eine Polizeibarrikade, zwei Personen wurden festgenommen. | mlsum-de-46 |
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-boerse-halbherzige-rueckendeckung-1.3666528 | Aufsichtsrat und Vorstand haben einem Millionen-Bußgeld zugestimmt, aber Börsen-Chef Carsten Kengeter hat kaum noch Rückhalt. | Detailansicht öffnen Carsten Kengeter, Chef der Deutschen Börse, hatte kaum noch Rückhalt in seinem Unternehmen (Foto: Boris Roessler/dpa) Man sehnt sich nach Ruhe bei der Deutschen Börse und möchte endlich raus aus den Negativschlagzeilen. Deshalb haben sich Aufsichtsrat und Vorstand am späten Mittwochabend dazu durchgerungen, ein Bußgeld in Höhe von 10,5 Millionen Euro zu bezahlen. Die Gremien betonten, dass dies kein Schuldeingeständnis sei. Mit der Überweisung, so hofft man, würde die Staatsanwaltschaft Frankfurt auch die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Deutsche-Börse-Vorstandschef Carsten Kengeter einstellen. Im Dezember 2015 hatte Kengeter für 4,5 Millionen Euro Aktien des Börsenbetreibers gekauft, um spezielle Aktien zum gleichen Wert als Bonus zu erhalten. Er machte das Geschäft zwei Monate bevor die später gescheiterten Fusionspläne mit der Londoner Börse LSE bekannt wurden. Da daraufhin der Aktienkurs stark gestiegen war, witterten die Behörden ein strafbares Insidergeschäft. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft gab es zum Zeitpunkt des Kaufs bereits fortgeschrittene Gespräche mit der LSE, was den Verdacht auf Insiderhandel erhärtet hätte. Die Deutsche Börse hat das stets zurückgewiesen. Der zweite Vorwurf: Die Börse habe die Pläne zu spät öffentlich gemacht und damit den Markt manipuliert. Dass die Deutsche Börse nun 10,5 Millionen Bußgeld bezahlt, war im Aufsichtsrat jedoch höchst umstritten. Es seien Bedingungen gestellt worden: Zustimmung zum Bußgeld nur dann, wenn Kengeters Vertrag nicht verlängert werde. Arbeitnehmervertreter und auch einige Aufsichtsräte der Kapitalseite hätten sich bei der Abstimmung enthalten, heißt es in Finanzkreisen. Aufsichtsratschef Joachim Faber stimmte dem Bußgeld zu. Das ist pikant, weil Faber das umstrittene Aktienoptionsprogramm für den ehemaligen Investmentbanker eingefädelt und ihm angeboten hatte. Der Vertrag von Kengeter läuft im März 2018 aus. Vor allem Faber hat sich immer dafür eingesetzt, dass Kengeter länger bleibt. Doch der Widerstand wächst. "Wir gehen nicht davon aus, dass Kengeter noch lange im Amt bleibt", sagt ein Großaktionär der Deutschen Börse. Faber bliebe nichts anderes übrig, als Kengeter zu opfern, weil der Vorstandschef kaum noch Rückendeckung im Unternehmen habe. "Es ist zudem inakzeptabel, dass die Deutsche Börse und damit die Aktionäre das Bußgeld bezahlen müssen", so der Miteigentümer. "Wenn man sagt, man ist unschuldig, dann sollte man auch kein Bußgeld bezahlen. Faber und Kengeter haben der Börse Schaden zugefügt." Die Deutsche Börse geht davon aus, dass das Ermittlungsverfahren gegen Kengeter nun eingestellt wird. Einen Entscheidungstermin gibt es laut Staatsanwaltschaft noch nicht. Gleichzeitig überprüfen die Finanzaufsichtsbehörde Bafin und das hessische Wirtschaftsministerium, ob Kengeter für seinen Posten überhaupt noch zuverlässig genug ist. Der Aufsichtsrat der Deutschen Börse teilte mit, man werde sich erst nach dieser Entscheidung mit der Vertragsverlängerung von Kengeter befassen. Jetzt wird gemunkelt, die Aufsicht und das Ministerium könnten auf Zeit spielen und die Zuverlässigkeitsprüfung erst im nächsten Jahr abschließen. Dann müsste Faber zwangsläufig einen neuen Chef suchen. | mlsum-de-47 |
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(1): Aumiller, D., Fan, J., & Gertz, M. (2023). On the State of German (Abstractive) Text Summarization. arXiv preprint arXiv:2301.07095.
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