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Zweitliga-Tabellenführer Ingolstadt gewinnt 1:0 in Heidenheim und macht einen wichtigen Schritt im Rennen um den Aufstieg in die Bundesliga. Der Vorsprung auf Platz vier beträgt sechs Spieltage vor Saisonende sieben Punkte. | Ralph Hasenhüttl war nach dem nächsten kleinen Schritt des FC Ingolstadt Richtung Fußball-Bundesliga total geschafft. "Für mich war es brutal anstrengend", gestand der Trainer des Zweitliga-Tabellenführers nach dem erkämpften 1:0-Erfolg in Heidenheim. Der Vierkampf um die zwei direkten Aufstiegsplätze und den Relegationsrang drei zwischen dem FC Ingolstadt (55 Punkte), dem SV Darmstadt 98, dem 1. FC Kaiserslautern (beide 49) und dem Karlsruher SC (48) spitzt sich von Woche zu Woche weiter zu. "Wir haben gezeigt, dass wir auch fighten können", sagt Özcan Ingolstadts Matchwinner in Heidenheim hieß einmal mehr Pascal Groß. Das siebte Saisontor des Spielmachers reichte am Freitagabend für die angestrebten drei Punkte. "Solche Siege zu holen, ist für uns ein Riesending, heute war es wirklich intensiv", sagte Hasenhüttl. "Für uns war wichtig, den Heimsieg hier zu vergolden." Vor der Rekordkulisse von 13 600 Zuschauern hielt Heidenheim die Partie in den ersten 20 Minuten offen, dann bekam der Spitzenreiter mehr Zugriff auf das Spiel. Groß trat wieder einmal als Denker und Lenker auf. Nachdem er in der 23. Minute im Zweikampf mit Robert Strauß noch elfmeterreif zu Fall gekommen war, nutzte er vier Minuten später seine Freiheiten zur Ingolstädter Führung. Von Marcel Titsch-Rivero nicht entschlossen genug angegriffen, traf er per Rechtsschuss aus 19 Metern zum 1:0. Nach der Pause machten die Heidenheimer enormen Druck, brachten den Ball aber nicht im Ingolstädter Tor unter. "In der ersten Halbzeit haben wir ein überragendes Spiel abgeliefert. Zum Schluss hatten wir körperliche Probleme", gab Hasenhüttl zu. Seine Mannschaft sei in der zweiten Halbzeit "ein bisschen ohnmächtig" gewesen und habe sich nur schwer aus der Umklammerung lösen können: "Lange hätten wir dem Druck nicht mehr standgehalten." Torwart Ramazan Özcan stellte dementsprechend fest: "In der Vorwoche gegen den FSV Frankfurt waren wir cool. Heute haben wir gezeigt, dass wir auch fighten können. Das war das Wichtigste." | https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-vergoldet-1.2431955 | mlsum-de-201 |
Das Land kennt der Bundespräsident noch von früher, doch es hat sich verändert: Peking hat die Kontrolle im Internet und im öffentlichen Raum ausgeweitet. | Sechs Tage nimmt sich Frank-Walter Steinmeier für seine erste China-Reise als Bundespräsident. In keinem Land blieb er bisher länger. Das Programm, heißt es aus dem Bundespräsidialamt, sei Ausdruck der "Komplexität und Vielfalt" der deutsch-chinesischen Beziehungen. Die Verklausulierung lässt bereits erahnen, wie schwierig die Reise für Steinmeier werden wird. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind eng. China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner. Bei einem Besuch von Kanzlerin Angela Merkel in Peking im Mai sprach Chinas Präsident Xi Jinping von einer "nie dagewesenen Breite und Tiefe" der Beziehungen. Aber diese sind mindestens so eng wie kompliziert. Durch den Handelskonflikt zwischen den USA und China hofft Peking zwar auf die Unterstützung Deutschlands und der Europäischen Union. Nicht zuletzt deshalb flog der chinesische Vize-Premier Liu He vor einer Woche nach Berlin und nicht nach Washington, um den G-20-Gipfel in Argentinien vorzubereiten. Das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass auch in Deutschland die Skepsis über den ostasiatischen Partner wächst. Die Regierung hat die Kontrolle im Internet und im öffentlichen Raum massiv ausgeweitet Dauerthema ist der fehlende Marktzugang für europäische Firmen in China. Seit Jahren fordert Berlin faire Spielregeln für ausländische Hersteller. Passiert sei bisher "zu wenig und zu spät", wie Peter Helis von der Europäischen Handelskammer in China jüngst sagte. 40 Jahre nach der Öffnungspolitik unter Deng Xiaoping seien Reformen nicht nur ins Stocken geraten - in einigen Bereichen verschließe sich die Wirtschaft wieder. Dazu wächst die Sorge vor der Übernahme deutscher Technologie durch chinesische Firmen, finanziert durch staatliche Fonds, sowie eine immer schärfer geführte Auseinandersetzung über technologische Fragen. Darunter über die Bereitstellung des Mobilfunk-Standards 5G durch chinesische Anbieter. Schwerpunkt von Steinmeiers Reise wird neben der internationalen Ordnung, dem Freihandel und dem Klimaschutz vor allem die Digitalisierung im Land sein. Dabei gehe es dem Bundespräsidenten weniger um die neuen Möglichkeiten und Fortschritte, die China in den vergangenen Jahren in diesem Bereich erreicht hat. Sondern vielmehr um die Folgen dieser Entwicklung für die Menschen und die Gesellschaft, wie es aus dem Bundespräsidialamt heißt. Dafür trifft sich Steinmeier mit Unternehmern und Vertretern der chinesischen Zivilgesellschaft. Die sechstägige Reise beginnt der Bundespräsident in der südchinesischen Stadt Guangzhou. Von dort reist er nach Chengdu in Westchina und anschließend in die Hauptstadt Peking, wo er Xi Jinping treffen wird. Die beiden kennen sich. Kurz nach seiner Amtseinführung im März 2017 hatte Steinmeier Xi in Berlin empfangen. In diesem Zusammenhang hatte Chinas Präsident auch die Einladung zu einem Gegenbesuch in China ausgesprochen. Steinmeier kennt das Land und die Stationen, die er in den kommenden Tagen besucht, aber auch aus seiner Zeit als Chef des Bundeskanzleramts. Vor 15 Jahren war er in dieser Funktion bereits nach China gereist. Seither hat sich viel verändert in dem Land. Peking hat in den vergangenen Jahren die Kontrolle und Überwachung im chinesischen Internet und im öffentlichen Raum massiv ausgeweitet. Bis 2020 will die Regierung ein landesweites Kreditsystem aufbauen, das Menschen nicht nur aufgrund ihrer finanziellen Lage bewertet, sondern auch anhand ihrer politischen Einstellung sowie ihrer Kommentare in sozialen Netzwerken, in der Öffentlichkeit und am Arbeitsplatz. In einigen Städten gibt es erste Testversuche für dieses System. In einer Rede vor Studenten der Universität von Sichuan dürfte der Bundespräsident auch das Thema Menschenrechte ansprechen. Zuletzt hatte Außenminister Heiko Maas bei seinem Besuch im November die Lage der muslimischen Uiguren thematisiert. Nach einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sollen eine Million Uiguren in Umerziehungslagern festgehalten werden. Zu Verstimmung in Peking hatte Anfang November eine Bundestagsdebatte über die Menschenrechtslage in der betroffenen Provinz Xinjiang geführt. Damit knüpft der Bundespräsident auch an seinen Vorgänger Joachim Gauck an, der vor zweieinhalb Jahren an einer Universität in Shanghai über die schwierige Menschenrechtslage sagte: "Manche fragen sich, was jenen Menschen widerfährt, die gänzlich eigene Wege gehen und der offiziellen Linie im Wege zu stehen scheinen." Seine Rede war später zensiert und sein Besuch mit wenigen Zeilen in den Staatszeitungen abgekanzelt worden. Was mit eben jenen Menschen passiert, will auch Bärbel Kofler diese Woche herausfinden. Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung reist zu einem zweitägigen deutsch-chinesischen Menschenrechtsdialog nach Lhasa. Dieser fand zuletzt 2016 in Deutschland statt. Vor einem Jahr sagte China den Dialog ab. Kofler wird sich der Delegation von Steinmeier in Peking anschließen. Vor ihrer Reise betonte sie, dass der "regelmäßige, enge und direkte Austausch" mit Chinas Regierung wichtig sei. Zugleich sei sie allerdings "sehr besorgt" über die Menschenrechtslage im Land, die sich in den vergangenen Jahren "weiter verschärft" habe. Besonders spürbar sei das, so Kofler, für die kritische Zivilgesellschaft, für Menschenrechtsanwälte, Journalisten und Blogger. "Mich schockieren Berichte über den Umgang mit der turkstämmigen Minderheit der Uiguren". Sie bedauere zudem, dass sie im Rahmen des Dialogs nicht nach Xinjiang habe reisen dürfen, um sich selbst einen Überblick zu verschaffen. Aber auch Tibet sei ein adäquater Ort für einen Dialog über Menschenrechte, fügte sie hinzu. Aus der Nachbarprovinz gebe es zahlreiche Berichte über "überbordende Kontrolle, Sippenhaft und die Unterbindung normaler Religionsausübung". | https://www.sueddeutsche.de/politik/steinmeier-china-1.4239041 | mlsum-de-202 |
Julian Green steht nicht im Kader des HSV, Karl-Heinz Rummenigge sorgt sich. Ralf Rangnick bestätigt das Interesse RB Leipzigs an einer Verpflichtung von Thomas Tuchel. Werder freut sich über die Vertragsverlängerung von Zlatko Junuzovic. | Hamburger SV, Julian Green: Angreifer Julian Green vom Fußball-Bundesligisten Hamburger SV steht nach dem Facebook-Wirbel der vergangenen Tage nicht im Kader für das Duell am Samstag (15.30 Uhr/Sky) bei seinem Stammverein Bayern München. Auch in der U23 der Hanseaten kommt die Leihgabe des deutschen Rekordmeisters nicht zum Einsatz - er hat auch offenkundig keine Lust, für die Reserve zu spielen. "Spielpraxis ist immer wichtig. Aber die U23 ist kein Thema für mich", sagte Green am Freitag dem Münchner Merkur. Er bestätigte seinen umstrittenen Facebook-Eintrag vom Mittwoch, der einige Unruhe ausgelöst hatte. "Mit mir hat keiner geredet, ich habe das aus der Presse erfahren", sagte er. Nach einem Gespräch mit Sportdirektor Peter Knäbel trainiere er "wie gehabt bei den Profis mit". Zuvor hatte die Bild Knäbel mit den Worten zitiert, Green solle sich in der U23 aufdrängen: "Ich erwarte, dass die Spieler dann auch da spielen. Schließlich ist die U23 kein Abfallkübel, sondern das Flaggschiff der Ausbildung." Überrascht von der Entwicklung zeigte sich Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge: "Wir leihen unsere Spieler aus, damit sie in der höchsten Klasse zum Einsatz kommen und sich weiterentwickeln. Das ist nun nicht der Fall", sagte der 59-Jährige: "Wir können und wollen dem Trainer des HSV natürlich nicht in seine Aufstellung reinreden. Nichtsdestotrotz ist diese Entwicklung bedauerlich." 2. Liga, RB Leipzig: Sportdirektor Ralf Rangnick hat erstmals Thomas Tuchel offiziell als Trainer-Kandidaten beim Fußball-Zweitligisten RB Leipzig bestätigt. "Er ist einer der talentiertesten Trainer in Deutschland. Selbstverständlich ist es ein Name, mit dem wir uns ab jetzt beschäftigen", sagte Rangnick am Freitag zu "Sport1". Tuchel erfülle das Anforderungsprofil von RB Leipzig, aber das würden auch andere Kandidaten tun. Gespräche mit ihm hat es laut Rangnick noch nicht gegeben. Der Name des 41-jährigen Tuchel kursiert seit längerem als möglicher Kandidat für die Sachsen. Tuchels bis 30. Juni datierter Vertrag mit dem Bundesligisten FSV Mainz 05 ruht, weil der Coach seit dem vergangenen Sommer auf eigenen Wunsch eine Auszeit nimmt. Am Mittwoch hatte sich Leipzig von Alexander Zorniger getrennt, mit dem RB aus der vierten Liga in die 2. Bundesliga aufgestiegen war. Bis zum Sommer übernimmt der bisherige U17-Trainer Achim Beierlorzer das Traineramt. Bundesliga, Werder Bremen: Der umworbene Fußball-Profi Zlatko Junuzovic bleibt beim Bundesligisten Werder Bremen. Der Österreicher verlängerte seinen auslaufenden Vertrag bei den Hanseaten bis zum 30. Juni 2018. Das teilte Werder am Freitag mit. "Es ist ein positives Signal auf dem Weg, den wir eingeschlagen haben, weiterzugehen. Er ist ein Gesicht des SV Werder", sagte Werder-Geschäftsführer Thomas Eichin. Junuzovic war in den vergangenen Wochen auch mit den Bundesliga-Konkurrenten Borussia Mönchengladbach, Schalke 04, dem Hamburger SV und dem 1. FC Köln in Verbindung gebracht worden. "Werder ist für mich in den letzten Jahren eine zweite Heimat geworden und man kann erkennen, dass wir sportlich auf einem guten Weg sind", erklärte der Freistoß-Spezialist. "Er ist ein wichtiger Bestandteil dieses Teams. An Spielern wie Zlatko Junuzovic können sich junge Kollegen orientieren", meinte Werder-Coach Viktor Skripnik. Junuzovic kam im Januar 2012 für rund 800 000 Euro von Austria Wien zu Werder, bestritt seitdem 90 Bundesligaspiele und erzielte neun Treffer. In dieser Saison konnte der 32-fache Nationalspieler vier Freistöße direkt verwandeln und bereitete sieben Treffer vor. Basketball, Euroleague: Alba Berlin hat für eine große Überraschung gesorgt. Der Bundesliga-Tabellenführer gewann bei Titelverteidiger Maccabi Tel Aviv nach einer starken Leistung mit 66:59 (35:36). Mit drei Siegen aus sieben Spielen der Top-16-Runde darf das Team von Trainer Sasa Obradovic sogar wieder vom Viertelfinale träumen. Vor 11.060 Zuschauern behielt Alba kühlen Kopf und ließ den 51-maligen israelischen Meister nie ins Spiel kommen. Die Grundlage zum Sieg legten die Albatrosse zu Beginn der zweiten Halbzeit, als sie mit einem 7:0-Spurt die Führung übernahmen. Auch vom zwischenzeitlichen Ausgleich zum 53:53 ließ sich Berlin, das in der Vorrunde zwei Niederlagen gegen Maccabi kassiert hatte, nicht mehr aus der Ruhe bringen. Bester Werfer des Bundesligisten, der schon Anfang Januar mit einem Heimsieg gegen den FC Barcelona überrascht hatte, war der Amerikaner Jamel McLean mit 18 Punkten. Der Kroate Marko Banic kam auf elf Zähler. Im nächsten Spiel geht es am 27. Februar nach Barcelona. Leichtathletik: Russlands Stabhochsprung-Weltrekordlerin Jelena Issinbajewa wird Ende 2016 ihrer Karriere beenden. Das bestätigte die 32 Jahre alte zweimalige Olympiasiegerin bei einer Pressekonferenz in Moskau. "Ich weiß zu 100 Prozent, dass 2016 mein letztes Jahr in der Leichtathletik sein wird", sagte Issinbajewa: "Ich habe alle möglichen Titel gewonnen und kann nichts mehr verlieren. Aber ich denke, es wäre einfach cool, noch einmal bei Olympia zu starten." Issinbajewa hatte nach ihrem dritten WM-Titel 2013 in Moskau eine Babypause eingelegt und daher die komplette vergangene Saison verpasst. In Rio de Janeiro würde die 5,06-m-Springerin ihre fünften Olympischen Spiele erleben. "Das wäre für mich eine Art Ferien, nach denen ich dann endgültig zurücktrete", sagten Issinbajewa. Tennis, Memphis: Dustin Brown ist beim ATP-Turnier in Memphis bereits in der zweiten Runde ausgeschieden. Der 30-Jährige aus Winsen/Aller unterlag am Donnerstagabend (Ortszeit) dem an Nummer sechs gesetzten US-Amerikaner Steve Johnson mit 6:4, 5:7, 6:7 (3:7). Die Hartplatzveranstaltung in Memphis ist mit 659 700 Dollar dotiert. Tennis, Frauen: Mona Barthel hat beim WTA-Turnier in Antwerpen für eine Überraschung gesorgt. Die 24-Jährige aus Neumünster bezwang am Donnerstag die topgesetzte Kanadierin Eugenie Bouchard mit 4:6, 6:1, 6:2 und zog ins Viertelfinale ein. Dort trifft sie nun auf die Tschechin Barbora Zahlavova Strycova. Dagegen scheiterte die an Nummer zwei gesetzte Angelique Kerber bei der mit 731 000 Dollar dotierten Hartplatzveranstaltung bereits im Achtelfinale. Die Weltranglistenzehnte aus Kiel unterlag der Italienerin Francesca Schiavone am Donnerstag in nur 57 Minuten glatt mit 1:6, 1:6. Auch Annika Beck schied aus. Die 20-Jährige aus Bonn verlor gegen die Tschechin Karolina Pliskova mit 3:6, 3:6. Am Vorabend hatte Andrea Petkovic durch einen schwer erkämpften Dreisatzsieg gegen Alison van Uytvanck aus Belgien das Viertelfinale erreicht. Erst nach 3:20 Stunden verwandelte die Fed-Cup-Spielerin aus Darmstadt ihren ersten Matchball zum 6:7 (7:9), 7:6 (7:5), 6:2. Petkovic spielt nun gegen die Slowakin Dominika Cibulkova. FC Bayern, Dante: Bayern Profi Dante hadert mit seinen Kritikern. In der Bild-Zeitung wehrte sich der 31 Jahre alte Abwehrspieler aus Brasilien gegen seine Kritiker - unter anderen Bayern-Ehrenpräsident Franz Beckenbauer. "Ich bin sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr enttäuscht ...", sagte der Brasilianer dem Blatt. "Schimpft! Jederzeit! Aber nur wenn es berechtigt ist." Dante fühlt sich unfair behandelt und führt die Kritik auch auf die 1:7-Pleite Brasiliens gegen die deutsche Nationalmannschaft im vergangenen Sommer zurück. "Seit dem 1:7 im WM-Halbfinale gegen Deutschland sehen die Leute mich schlechter. Mit weniger Respekt", klagte er. "Da wird gesagt: "Der hat nur 4,5 Millionen gekostet, der kam vom kleinen Gladbach. Der hat sieben Tore bei der WM kassiert."" Der Brasilianer fürchtet um seine Laufbahn. "Niemand denkt darüber nach, ob man damit meine Karriere kaputt machen könnte", sagte er. Er habe noch einen Vertrag über zweieinhalb Jahre in München. Und er würde gern länger beim deutschen Rekordmeister bleiben. "Aber momentan verselbstständigt sich ein falsches Bild von mir." | https://www.sueddeutsche.de/sport/leihgabe-des-fc-bayern-rummenigge-bedauert-entwicklung-von-green-1.2351031 | mlsum-de-203 |
Über die filmreife Flucht aus einem US-Hochsicherheitsgefängnis im Juni werden immer mehr Details bekannt: Einer der Ausbrecher spricht nach seiner erneuten Festnahme über neue Mordpläne. | Es war einer der spektakulärsten Gefängnisausbrüche der vergangenen Jahrzehnte, mit dem die beiden verurteilten Mörder Richard Matt und David Sweat Anfang Juni Schlagzeilen machten: Im Stile des Sechzigerjahrefilms "Die Flucht aus Alcatraz" bohrten sie Löcher in Zellwände und Schächte und entkamen durch die Kanalisation. Die Blätter für die Eisensäge soll eine der Aufseherinnen der Strafanstalt im Bundesstaat New York in gefrorenem Hackfleisch versteckt haben. Sie muss sich jetzt wegen Fluchthilfe verantworten. Drei Wochen nach dem Ausbruch wurde Matt von der Polizei erschossen, Sweat, der andere Flüchtige, wurde zwei Tage später gefasst. Offenbar ist er im Gefängniskrankenhaus, wo er sich derzeit befindet, sehr aussagefreudig. Denn inzwischen werden immer mehr Details über die Vorbereitungen bekannt. So soll Richard Matt sich wohl ziemlich sicher gewesen sein, dass die Flucht gelingen würde. Das ergibt sich aus einem Brief, den Matts der Zeitung Buffalo News zufolge aus dem Gefängnis an seine Tochter geschrieben hat: "Ich habe Dir immer verspochen, dass ich dich draußen wiedersehen würde und ich bin ein Mann, der sein Wort hält." Die Frau habe den Brief am 9. Juni erhalten, drei Tage nach der Flucht. Abgestempelt worden sei er jedoch bereits vor dem 6. Juni, dem Datum des Ausbruchs. In dem Zeitungsbericht heißt es, dass Matts Tochter wohl nichts von den Fluchtplänen ihres Vaters wusste oder ihm in irgendeiner Weise dabei geholfen hat. Der US-Sender CNN berichtet unter Berufung auf einen nicht namentlich genannten Ermittler über den Plan für ein weiteres Verbechen: So sollen die beiden Ausbrecher geplant haben, sich an der Stelle, wo sie über einen Kanaldeckel in die Freiheit gelangen, mit Joyce Mitchell, der Aufseherin, zu treffen. Die Frau hätte sie mit ihrem Auto abtransportieren sollen. Gemeinsam hätten die Flüchtigen den Ehemann von Mitchell töten und nach Mexiko fliehen wollen. Sweat soll den Ermittlern erzählt haben, dass es Mitchells Idee war, ihren Mann zu töten. Doch die Frau bestreitet das und sagt, dies sei die Idee der beiden Ausbrecher gewesen. Mitchell erschien ohnehin nicht am vereinbarten Treffpunkt, so dass Matt und Sweat wohl gezwungen waren, bei ihrer weiteren Flucht zu improvisieren. Sweat berichtete den Ermittlern, dass sich die beiden Ausbrecher nach der Flucht gestritten haben. Matts habe in ihrem Versteck, einer kleinen Hütte, begonnen, sehr viel Alkohol zu trinken. Daraufhin hätten sich die beiden Männer getrennt. Wie die Boulevardzeitung New York Daily News berichtet, bestreitet Sweat außerdem, im Gefängnis Sex mit Aufseherin Mitchell gehabt zu haben. Lediglich sein Komplize Matt sei eine intime Beziehung mit der Aufseherin eingegangen. Das widerspricht den Aussagen eines früheren Zellengenossen von Sweat, der angegeben hatte, dass dieser mit Mitchell mehrmals in der Woche Geschlechtsverkehr gehabt haben soll. | https://www.sueddeutsche.de/panorama/us-bundesstaat-new-york-gefaengnisausbrecher-soll-flucht-angekuendigt-haben-1.2549336 | mlsum-de-204 |
Etwa 77 000 Demonstranten der "Gelbwesten" sind auf Frankreichs Straßen, kontrolliert von noch mehr Polizisten. In Paris ist die Situation angespannt. | In Paris hat die Polizei rund um die Massenproteste der "Gelbwesten" nach Angaben der Polizei fast 1000 Menschen vorläufig festgenommen, mehr als 720 davon wurden von der Polizei in Gewahrsam genommen. Verdächtige hatten nach Angaben der Polizei Masken, Steinschleudern, Hammer und Pflastersteine bei sich getragen. Überall in und um die Hauptstadt forderten Beamte die Passanten auf, ihre Rucksäcke und Taschen zu öffnen. Wichtige Straßen im Zentrum der Stadt waren abgesperrt, die meisten Geschäfte waren geschlossen, deren Eigentümer hatten Fenster und Eingänge mit Holzplatten verbarrikadiert. Die Behörden sprachen von einer präventiven Aktion, um ähnliche Ausschreitungen wie vor einer Woche zu verhindern. Damals war die Situation vor allem in Paris eskaliert, mehr als 130 Menschen waren verletzt und mehr als 400 festgenommen worden, Geschäfte geplündert, Autos angezündet. Eine Gruppe von mehreren hundert Demonstranten versammelte sich schon früh auf der Champs-Élsysées. Die Personen in gelben Westen kamen am Arc de Triomphe zusammen und zogen dann begleitet von einem großen Polizeiaufgebot den Boulevard entlang. Andernorts blockierten mehrere hundert Demonstranten zeitweise die wichtige Ringautobahn Périphérique. Die Polizei löste die Blockade auf, ohne dass es zu Zusammenstößen kam. Eine örtliche Gelbwesten-Sprecherin betonte den friedlichen Charakter der Autobahn-Blockade: "Wir wollen uns Gehör verschaffen, keine Randale machen", sagte Laetitia Dewalle. Die Polizei rechnet an diesem Samstag noch mit schweren Ausschreitungen bei den Protesten, insbesondere in der Hauptstadt. In einer Seitenstraße der Champs-Élysées setzte die Polizei Tränengas ein, als einige Demonstranten versuchten, zum Präsidentenpalast durchzudringen. Die meisten Gelbwesten blieben aber friedlich. Die Regierung hat landesweit 89 000 Sicherheitskräfte mobilisiert, in Paris sind es 8000. Das sind rund ein Drittel mehr als am vergangenen Samstag. Dennoch blieb die Situation in der Stadt am Nachmittag angespannt. Immer wieder rückte die Polizei gegen Demonstranten vor, die Mülltonnen anzündeten oder Pflastersteine warfen. Bisweilen sah man Wasserwerfer oder Tränengaspatronen. Eiffelturm und Louvre bleiben geschlossen Die Protestbewegung fordert den Rücktritt von Präsident Emmanuel Macron sowie allgemeine Steuersenkungen, höhere Renten und Löhne. Die bisherigen Zusagen der Regierung reichen den Aktivisten nicht aus. Ausgelöst wurden die Proteste von Macrons Ankündigung, die Kraftstoffsteuern anzuheben. Einzelne Aktivisten rufen zur Einnahme des Elysée-Palasts auf. An diesem Wochenende bleiben trotz des Weihnachtsgeschäfts hunderte Geschäfte geschlossen, auch der Eiffelturm und der Louvre öffneten nicht. Das öffentliche Leben ist im Stadtzentrum weitgehend zum Erliegen gekommen. Manche sprachen von einer "Geisterstadt". Zudem bleiben 36 Stationen der U-Bahn und der Vorortbahnen RER geschlossen. Rund 50 Buslinien wurden unterbrochen oder umgeleitet. Am Nachmittag kam es in Paris wie in vielen anderen Städten zu weiteren Demonstrationen - diesmal für den Schutz des Klimas. Die Organisatoren versprachen, friedlich bleiben zu wollen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/gelbwesten-proteste-paris-1.4244961 | mlsum-de-205 |
Andere Hersteller haben Angst vor Partnerschaften mit Google - Fiat dagegen hat nicht viel zu verlieren. | Nicht schön genug für die Zukunft. Google setzt auf Zusammenarbeit mit Fiat und nicht mehr auf die wenig gelungenen Fahrzeuge aus der eigenen Entwicklung. Matthias Müller kann sich eine Menge Partnerschaften vorstellen. Nur nicht mit den üblichen Verdächtigen. "Wir unterhalten uns nicht mit Apple und Google", sagt der VW-Chef. Die Digitalkonzerne Apple und Google sind die Tabu-Zonen der Autoindustrie: Seit Monaten rätseln die alten Autobauer, VW, Daimler, BMW, ob man nicht mit den Neuen zusammenarbeiten müsste. Wir haben die Autos, ihr die Computer und die Sensoren; alles, was man für die selbstfahrenden Autos der Zukunft braucht. "Vieles ist denkbar", sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche. "Es kann zu unterschiedlichen Formen der Zusammenarbeit kommen." BMW-Chef Harald Krüger findet, dass beide Partner "von einer Kooperation profitieren" müssten, sonst funktioniere die Sache nicht. Die Frage ist: Wer profitiert, wer verliert, wenn die unterschiedlichen Welten aufeinandertreffen? Eigentlich würden alle gerne mitspielen, wäre da nicht die Angst, bei der Umarmung mit den IT-Kolossen von der Westküste erdrückt und zu reinen Blechbiegern degradiert zu werden. Ein Auftragsfertiger von Apple werden wie der chinesische iPhone-Zusammenschrauber Foxconn? In der Bedeutungslosigkeit versinken, weil die IT-Konzerne gleich auch den Kontakt zum Kunden übernehmen? Sich mit den großen Datenkraken einlassen? Für Fiat Chrysler und Google ist es eine Premiere Es geht um mehr als 100 Jahre Autogeschichte, und die gibt man nicht einfach auf. Außer, man heißt Fiat Chrysler, kurz "FCA". Der italo-amerikanische Autokonzern hat nun mit Google jenen Pakt geschlossen, den andere bislang abgelehnt hatten. Es ist ein kalkulierter Tabubruch: Google und FCA wollen gemeinsam an selbstfahrenden Autos arbeiten. Das ist eine Kooperation zweier sehr unterschiedlicher Industrie-Kulturen und ein spannendes Experiment, das man sich in Wolfsburg und München genau anschauen wird. Für beide ist es eine Premiere. Für Google, weil der Konzern zum ersten Mal seine Software-Systeme und Sensoren in echte Autos packen kann. Und für Fiat Chrysler: Der fusionierte Autobauer war bislang nicht als technologische Avantgarde bekannt, im Gegenteil. Das mit sechs Milliarden Euro hochverschuldete Unternehmen gilt als technisch rückständig. Es fehlen die großen Investitionen, es fehlen seit Jahren wichtige neue Modelle. Und anders als die Wettbewerber aus Deutschland, Frankreich und Asien ist FCA auf dem Gebiet des autonomen Fahrens noch ziemlich blank. Da passt es, wenn man zusammen mit Google in einer eigenen Fabrik im US-Bundesstaat Michigan zusammenarbeiten kann. Vorerst geht es nur um Tests; die Autos werden nicht verkauft. Aber was nicht ist, kann noch kommen. Man arbeite "erstmals mit einem Autohersteller zusammen", teilte die Google-Mutter Alphabet mit. Das klingt nach Durchbruch und Triumph: Google und FCA, es könnte der Beginn einer neuen, sehr intensiven Beziehung sein. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kooperation-fiat-chrysler-und-google-ein-kalkulierter-tabubruch-1.2980775 | mlsum-de-206 |
Gegentor in der 96. Minute: Bröndby verspielt auf dramatische Weise die dänische Meisterschaft. Alex Zorniger, der deutsche Trainer, spricht vom "härtesten sportlichen Schlag" seiner Karriere. | Die dänischen Zeitungen heißen Berlingske Tidende oder Jyllands-Posten. Am Sonntag waren ihre Webseiten voll mit Fotos, die gelb-blau gekleidete Menschen zeigten. Alle lachten und reckten die Arme nach oben. Schweden war in Kopenhagen Eishockey-Weltmeister geworden. Am Montagabend zeigten die Seiten wieder gelb-blaue Fans. Aber diese waren entsetzt, sie weinten oder schlugen die Hände vors Gesicht. Bröndby IF - Vereinsfarben gelb und blau - hatte die dänische Fußball-Meisterschaft dramatisch vergeigt. Den Titel holte der FC Midtjylland. Als am Dienstagmorgen der Handel an der Börse in Kopenhagen begann, brach die Bröndby-Aktie in fünf Minuten um 46 Prozent ein. "Der härteste sportliche Schlag in meiner Karriere" Bröndby hat einen deutschen Trainer, den Schwaben Alexander Zorniger. Er sagte am Dienstag: "Das ist der härteste sportliche Schlag in meiner Karriere." Sein Team habe in den letzten vier Spielen nachgelassen. Die Spieler seien nicht mehr so enthusiastisch gewesen. Nicht mehr so dominant. Vielleicht hätten sie, den Erfolg vor Augen, zu viel überlegt. Bröndby hatte freilich auch Pech, und wenn das späte 1:2 der Bayern gegen Manchester 1999 eine Tragödie war (natürlich nur im sportlichen Sinne), so war das Finish in der dänischen Superliga ein Bröndby-Drama in vier Akten - mit dem Höhepunkt eines Gegentores in der 96. Minute. Bröndby und Midtjylland lagen lange gleichauf; von einem "Paarlauf durch die Saison" schrieben die Blätter. Dann schwächelte Midtjylland, vor zwei Wochen hatte Bröndby plötzlich fünf Punkte Vorsprung, und die Fans sangen ihr Lieblingslied: "Gul og blå, du er alt jeg tænker på" ("gelb und blau, du bist alles, woran ich denke"). Bröndy-Legenden lobten die Elf - und vor allem den Super-Trainer aus Deutschland, der den Verein wachgeküsst habe. Bröndby IF, beheimatet in einem Vorort von Kopenhagen, wurde in den Neunzigerjahren fünfmal Meister und brachte viele Europameister von 1992 hervor, etwa Brian Laudrup, Peter Schmeichel und Faxe Jensen. Ex-Trainer Ebbe Skovdahl lobte Zorniger nach dem Pokalsieg gegen Silkeborg Anfang Mai. "Zu meiner Zeit spielten wir Überfall-Fußball auf dem ganzen Feld - wie Zorniger", sagte er. "Das funktioniert, weil er die Mannschaft, die knallhart arbeitet, in Topform gebracht hat." Für alle, die den Namen Zorniger vergessen oder verdrängt haben (etwa Fans des VfB Stuttgart): Alexander Zorniger ließ beim VfB im Herbst 2015 - damals offenbar noch unausgereiften - Vollgas-Fußball spielen. Die Schwaben schossen viele Tore und kassierten noch mehr, und hätten die Funktionäre nicht die Notbremse gezogen (vulgo: Zorniger gefeuert), wäre der VfB wohl mit einem Torverhältnis von 146:187 abgestiegen. Dann ging Zorniger nach Dänemark, wurde ruhiger, wurde Vater einer Tochter, wurde Vizemeister 2017 und Pokalsieger 2018. Und fast ... | https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-in-daenemark-das-broendby-drama-in-vier-akten-1.3988963 | mlsum-de-207 |
In seinen besten Momenten lenkte Xabi Alonso das Spiel wie eine Marionette - mit seinen Pässen als Fäden. Zum Karriereende des großen Strategen. | Wer über Xabi Alonso redet, der muss über die Langsamkeit sprechen. Am Samstag wird der 35-Jährige seine Karriere in München beenden und in dieser Saison haben viele Menschen, die sich Fußballspiele des FC Bayern angeschaut haben, bemerkt, dass Xabi Alonso irgendwie zu spät kam. Bei einer Grätsche, bei einem Kopfball, bei einem Sprint sowieso. Carlo Ancelotti, sein Trainer bei Bayern und Jahre zuvor auch schon bei Real Madrid, sagte im Oktober: "Dass Alonso langsam ist, ist die Wahrheit." Langsamkeit im Fußball, das ist in Zeiten von Vollgasphilosophie, Umschaltmomenten und Gegenpressing fast schon ein Schimpfwort. Aber Langsamkeit kann vieles bedeuten. Trägheit - aber auch Geduld. Xabi Alonso ist Baske, er liebt das Hochseefischen und wie jeder Angler kennt er die Kraft des Wartens. Sein Körper ist mit den Jahren träger geworden, aber er war sowieso nie der größte Sprinter des Platzes. Alonso, der Trainer-Sohn, war immer ein Spieler, der Fußball mit dem Kopf gespielt hat. Denn die Wahrheit, wie Carlo Ancelotti dann auch gesagt hat, ist nicht nur, dass Xabi Alonso langsam ist. Die Wahrheit ist: Er ist immer noch der Regisseur des FC Bayern, obwohl er so langsam ist. Am Wochenende wird ein Spieler aufhören, der das Fußball-Spiel in seinem Innersten verstanden hat. Alonso und der Diagonalpass Es gibt einen Spielzug, den sie beim FC Bayern seit Alonso da ist, immer mal wieder spielen. Es ist einer dieser Spielzüge, um eine tiefstehende Abwehrreihe zu knacken. Er geht so: Xabi Alonso bekommt den Ball. Er spielt ihn flach auf die rechte Seite zu Philipp Lahm. Lahm läuft nach vorne, Thomas Müller kommt meist dazu, Arjen Robben steht bereit. Der Gegner muss viele Abwehrspieler auf die Seite ziehen, um diese Dreierkombination zu verteidigen. Wenn die Abwehr des Gegners auf die eine Seite des Spielfeldes gerückt ist, bekommt Alonso wieder den Ball. Er schlägt ihn mit seinem starken rechten Fuß lang und präzise nach links, wo meist Franck Ribéry und David Alaba warten. Auf ihrer Seite sind keine Abwehrspieler mehr und sie können aufs Tor zulaufen. Der Diagonalpass, er war so einprägsam für Xabi Alonsos Spiel, dass ihn viele Quarterback nannten. Wer ihn beobachtete bei seinen Spielen, der sah, wie er immer wieder den Kopf drehte und wendete. Er scannte den Platz wie eine Eule mit Laseraugen. Er schaute sich um: Wo stehen Mitspieler? Wo stehen Gegenspieler? Wo ist der halbe Meter freier Raum, in den ich meinen Pass schlagen kann? Alonso versuchte in jeder Sekunde, das Chaos auf dem Fußballplatz zu begreifen und in seinem Kopf zu ordnen. In seinen besten Momenten lenkte er das Spiel wie eine Marionette - mit seinen Pässen als Fäden. Spielverständnis ist eine der wichtigsten Fähigkeiten im Fußball und es gibt keine statistische Größe, um es zu messen. Beim FC Bayern gibt es mit Philipp Lahm und Thomas Müller höchstens noch zwei andere Spieler mit einem ähnlichen Gefühl für Raum, Zeit und Ball. Wobei Thomas Müller, weil er im Körper von Thomas Müller steckt, natürlich niemals spielsortierende Bälle spielen kann. Laut den Statistikern hat Alonso in drei Jahren Bundesliga übrigens 6127 Pässe gespielt - natürlich sind das viel mehr als jeder andere Spieler in diesem Zeitraum. | https://www.sueddeutsche.de/sport/xabi-alonso-beim-fc-bayern-der-quarterback-der-das-chaos-ordnete-1.3511110 | mlsum-de-208 |
Partei-Chef Gabriel will die SPD-Frauen stärken. Für Sozialdemokraten bringt er daher eine Doppelspitze ins Gespräch. Nach dem Vorbild anderer Parteien. | Bekommt die SPD nun eine Doppelspitze? Wird Sigmar Gabriel demnächst dauerhaft Seit' an Seit' mit Manuela Schwesig, Hannelore Kraft oder Andrea Nahles auftreten, so wie es die Parteivorsitzenden bei Grünen und Linken tun? So weit ist es noch nicht, und so weit wird es fürs Erste wohl auch nicht kommen. Dennoch ist beachtlich, was Gabriel am Donnerstag über die Zeitungen der Funke-Mediengruppe mitzuteilen hatte. Demnach unterstützt er einen Antrag der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) für den SPD-Bundesparteitag im Dezember. Die ASF will dort über eine Satzungsänderung abstimmen lassen, die künftig paritätische Doppelspitzen in der SPD ermöglichen, allerdings nicht, wie etwa bei den Grünen, verpflichtend machen soll. Wenn man Gabriel richtig versteht, soll sich das vorerst allerdings vor allem auf die unteren Ebenen der Partei beziehen, etwa die Ortsvereine. Die Doppelspitzen-Idee, sagte er der Süddeutschen Zeitung, habe ihren Ursprung "in den Schwierigkeiten, ehrenamtliche Vorsitzende zu finden". Die Arbeitsbelastung schrecke viele ab. So sei die von ihm ausdrücklich unterstützte Idee entstanden, "es zu zweit machen zu können". Allerdings schränkte der Parteichef sogleich ein: Zwar sei die Arbeitsteilung "prinzipiell" auch bei Landes- und Bundesspitzen möglich, wenn sich dafür "irgendwann mal" ein "Pärchen" finde, so Gabriel. "Nur sind diese Funktionen weit politischer. Und es vermischen sich dabei oft das ehrenamtliche Amt des oder der Vorsitzenden mit dem Amt einer Spitzenkandidatur für ein Regierungsamt oder mit dem Regierungsamt selbst." Dann stellten sich ganz andere Fragen: "Kristallisieren sich dann quasi erste und zweite Vorsitzende heraus wie bei der IG Metall? Welche Rolle würden dann die Generalsekretäre auf Landes- und Bundesebene spielen? Drei Führungspersonen sind vermutlich etwas zu viel des Guten." Und schließlich: "Welche Rolle würden die stellvertretenden Vorsitzenden auf Landes- und Bundesebene in einem solchen Modell dann spielen?" Diese Fragen würden nun sicher "im Vorfeld des SPD-Parteitags im Dezember diskutiert". Detailansicht öffnen Auf diesem Bild stimmt die Mischung - eine Frau und ein Mann teilen sich eine Bank im Bundestag, es sind Manuela Schwesig und Sigmar Gabriel. (Foto: Michael Kappeler/dpa) Die Diskussion hat schon begonnen, jedenfalls löste Gabriel mit seinem Bekenntnis einiges Kopfschütteln in der Partei aus: Warum, so wurde gefragt, müsse Gabriel eigentlich schon wieder eine neue Debatte eröffnen? Andere vermuteten, er habe sich nicht vor dem für ihn entscheidenden Parteitag gegen die SPD-Frauen stellen wollen. Von seinen Stellvertretern aber bekam Gabriel Unterstützung für die Linie, die Doppelspitze grundsätzlich zu ermöglichen. Parteivize Ralf Stegner sah den Vorstoß jedenfalls gelassen: "Es gibt viele Dinge, die man machen kann, aber nicht machen muss", sagte er der SZ. "Wir können laut Satzung zum Beispiel Mitgliederentscheide über Kanzlerkandidaten abhalten. Das machen wir aber nicht, wenn wir nicht mehr als einen geeigneten Kandidaten haben." Genauso sei es mit der Doppelspitze: "Voraussetzung dafür sind zwei ernsthafte Kandidaten." Der Hesse Thorsten Schäfer-Gümbel, ein weiterer von Gabriels Stellvertretern, nannte den ASF-Vorschlag "sinnvoll mit Blick auf die Aufgaben etwa in den Ortsvereinen". Eine "zwingende Einführung" des Modells Doppelspitze hingegen "überzeugt mich überhaupt nicht", sagte Schäfer-Gümbel. Davon allerdings scheinen die Sozialdemokraten derzeit auch ungefähr so weit entfernt zu sein wie von einer Ko-Vorsitzenden an der Seite Sigmar Gabriels. | https://www.sueddeutsche.de/politik/spd-der-mann-fuer-die-quote-1.2703783 | mlsum-de-209 |
Deutsche Fußballfrauen präsentieren sich kurz vor der EM verbessert. Tiger Woods muss eine einmonatige Zwangspause einlegen. Angelique Kerber scheitert beim Tennisturnier in Eastbourne. Dem schottischen Klub Heart of Midlothian werden 15 Punkte abgezogen. | DFB, Frauen: Die deutschen Fußball-Frauen haben auf dem Weg zur EM-Titelverteidigung mit dem Sieg über Kanada ein Ausrufezeichen gesetzt. Die DFB-Auswahl bezwang am Mittwochabend in Paderborn den Olympia-Dritten von London hochverdient mit 1:0 (0:0) und zeigte sich spielerisch stark verbessert. Mit ihrem ersten Länderspieltor im achten Einsatz gelang Leonie Maier (53. Minute) vor 9781 Zuschauern in der Benteler-Arena der goldene Treffer. Im vorletzten Testspiel auf dem Weg zur Fußball- Europameisterschaft in Schweden zeigte das junge DFB-Team eindrucksvoll, dass es sich selbst von großen Verletzungspech bei sechs Ausfällen nicht von seinem Ziel abringen lassen will. An diesem Donnerstag wird Bundestrainerin Silvia Neid ihren 23 Spielerinnen umfassenden Kader für das Turnier in Schweden (10. bis 28. Juli) bekanntgeben. Zwei Akteurinnen muss sie noch streichen. Bis zur Abreise nach Växjo am 7. Juli steht für den Titelverteidiger nur noch der Abschlusstest am 29. Juni gegen Weltmeister Japan in München an. Fußball, USA: Der "Lebenstraum" von Oka Nikolov ist in Erfüllung gegangen. Der 39 Jahre alte Fußball-Torhüter wechselt wie erwartet in die nordamerikanische Profiliga MLS und schließt sich Philadelphia Union an. Über Vertragsdetails machte der Verein aus dem US-Bundesstaat Pennsylvania keine Angaben. "Wir freuen uns sehr, dass ein Spieler wie Oka Nikolov zu uns stößt. Wir denken, dass er uns mit seiner Erfahrung weiterhilft", sagte Trainer John Hackworth. Nikolov hatte am Dienstag seinen erst im Mai um ein weiteres Jahr verlängerten Vertrag beim Bundesligisten Eintracht Frankfurt aufgelöst. Der "ewige Oka" kehrt damit nach 19 Jahren und 379 Spielen der Eintracht den Rücken. Fußball, Schottland: Dem finanziell angeschlagenen schottischen Fußball-Erstligisten Heart of Midlothian droht auch das sportliche Aus. Dem Klub werden wegen der Einsetzung eines Insolvenzverwalters in der kommenden Saison 15 Punkte abgezogen, teilte die Premier League am Mittwoch mit. Zudem darf der Club aus Edinburgh vorerst keine Spieler verpflichten. Die Hearts stehen mit 25 Millionen Pfund (30 Millionen Euro) in der Kreide. Zuletzt hatte der Vorstand des 1874 gegründeten Clubs seine gesamte Fußball-Mannschaft zum Verkauf angeboten. Die Verantwortlichen wollten damit die bedrohliche finanzielle Situation des Tabellenzehnten der vergangenen Saison verbessern. Tennis, Eastbourne: Angelique Kerber hat eine durchwachsene Generalprobe für Wimbledon erlebt. Die derzeit beste deutsche Tennisspielerin verlor beim WTA-Turnier in Eastbourne nach ihrem Auftaktsieg tags zuvor am Mittwoch im Achtelfinale gegen Jekaterina Makarowa aus Russland 3:6, 4:6. Das Turnier in Eastbourne ist mit 690 000 Dollar dotiert, Kerber war an Nummer drei gesetzt. Das Grand-Slam-Turnier in Wimbledon beginnt am kommenden Montag. Tennis, Wimbledon: Vier deutsche Tennis-Männer haben über die Qualifikation den Einzug ins Hauptfeld von Wimbledon geschafft. Dustin Brown (Winsen/Aller), Bastian Knittel (Ditzingen), Julian Reister (Reinbek) und Jan-Lennard Struff (Warstein) feierten am Mittwoch ihre jeweils dritten Siege in der Qualifikation. Der 29 Jahre alte Knittel steht zum ersten Mal überhaupt im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers. Die traditionsreiche Rasen-Veranstaltung in London beginnt am kommenden Montag. Golf, Tiger Woods: Wegen einer Verletzung des Ellenbogens legt Golfstar Tiger Woods eine einmonatige Wettkampfpause ein. Das teilte die amerikanische Nummer Eins der Weltrangliste am Mittwoch auf seiner Internetseite mit. Die Ärzte hätten ihm "geraten, ein paar Wochen auszusetzen, auszuruhen und behandeln zu lassen. Ich werde für die British Open bereit sein und ich freue mich darauf in Muirfield zu spielen." Das Turnier findet am 18. bis 21. Juli statt. Bereits in der vergangenen Woche hatte sich bei den US Open eine Verletzung von Woods angedeutet, mehrfach hatte er sich das Handgelenk gehalten und nur den 32. Platz belegt. Die Blessur sei das erste Mal bei der Players Championship aufgetreten, berichtete Woods. Trotzdem hatte sich der 37-Jährige am 12. Mai dabei noch den vierten Sieg dieses Jahres gesichert. Durch die Auszeit kann er seinen Titel beim National-Golfturnier in der kommenden Woche in Congressional nicht verteidigen. Fechten, EM: Deutschlands Fechter sind zum Abschluss der EM-Einzelwettbewerbe in Zagreb ohne Medaille geblieben. Die vier Degendamen mit der Olympia-Zweiten Britta Heidemann an der Spitze waren am Mittwoch ebenso vorzeitig ausgeschieden wie das männliche Säbel-Quartett. Neue Degen-Europameisterin wurde die Rumänin Ana Maria Branza mit 15:11 im Finale gegen Francesca Quandamcarlo aus Italien. Der russische Säbelfechter Alexej Jakimenko konnte seinen Titel von Legnano 2012 mit dem 11:15 gegen Tiberiu Dolniceanu aus Rumänien nicht erfolgreich verteidigen. | https://www.sueddeutsche.de/sport/dfb-frauen-gegen-kanada-testspielsieg-trotz-verletzungspech-1.1701223 | mlsum-de-210 |
Warum ist der Posteingang voller Datenschutz-E-Mails? Wie kann ich mich gegen unerwünschte Nachrichten wehren? Ist die Angst vor Abmahnungen gerechtfertigt? Fünf Antworten zur DSGVO. | Eigentlich gilt die DSGVO bereits seit zwei Jahren. Vom 25. Mai 2018 an greifen die Datenschutz-Regeln endgültig, weil jetzt auch Bußgelder drohen. Wer in diesen Tagen sein E-Mail-Postfach öffnet, wird meist von einer Nachrichtenflut überrollt: "Datenschutz ist uns wichtig", "Änderung der Datenschutzrichtlinien", "Wir aktualisieren unsere Datenschutzerklärung" - so oder ähnlich lauten die Betreffzeilen der Mails. Verschickt haben sie meist Unternehmen, die Nutzer auf die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU vorbereiten. Sie greift von Freitag an und regelt neu, wie Firmen und andere Organisationen mit den Daten ihrer Kunden umgehen dürfen. Hier die wichtigsten Auswirkungen für Verbraucher. Warum verschicken derzeit Firmen, Verbände oder Vereine diese Mails an viele Bürger? Mit der DSGVO erhalten Nutzer erweiterte Rechte und können genauer erfahren, was mit ihren Daten geschieht. Sie können ihre Daten zudem löschen lassen oder sie einfacher zu anderen Diensten übertragen und sie etwa von Facebook herunterladen. Unternehmen drohen hohe Strafen, wenn sie gegen die neuen Regeln verstoßen: Datenschutzbehörden können Bußgelder in Höhe von bis zu 20 Millionen Euro verhängen oder aber vier Prozent des weltweit erzielten Jahresumsatzes des Unternehmens - je nachdem, welcher Betrag höher ausfällt. Um den neuen Regeln zu entsprechen, haben viele Unternehmen ihre Datenschutzrichtlinien neu gefasst und müssen ihre Nutzer darüber informieren. Anders sieht es bei E-Mail-Newslettern aus: Oft müssen Nutzer ausdrücklich zustimmen, damit sie weiterhin regelmäßig Mails von einer Webseite oder einem Unternehmen erhalten. Für Hajo Rauschhofer, Fachanwalt für IT-Recht, reichen in vielen Fällen die bisherigen Einwilligungserklärungen aus - sofern die Daten datenschutzkonform erhoben worden seien. Trotzdem gingen die Unternehmen mit der erneuten Einwilligung auf Nummer sicher und demonstrierten den Nutzern gleichzeitig, welchen Stellenwert Datenschutz für sie habe. Inwiefern schützt die neue Verordnung gegen unerwünschte Mails? Gegen klassische Spam-Mails, die Viagra oder Online-Kasinos anpreisen, ist jede Verordnung machtlos, auch die DSGVO. Die Absender sitzen im Ausland und sind nicht zu ermitteln. Aber die neue Verordnung schützt immerhin gegen Werbemails seriöser Unternehmen, die der Nutzer nicht haben will. Denn dafür brauchen sie in Zukunft die explizite Zustimmung der Nutzer; es sei denn, es besteht ein "berechtigtes Interesse" des Unternehmens. Datenschutz auf SZ.de SZ.de nimmt Datenschutz ernst. Lesen Sie hier, welche Daten wir von Ihnen wie speichern und wie wir diese Daten nutzen. Allerdings lockt die DSGVO auch Kriminelle an: "Aktuell nutzen Betrüger die Datenschutz-Grundverordnung, um an Daten von Verbrauchern zu kommen", warnt die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg: Sie verschickten Fake-Mails im Namen seriöser Unternehmen und verlangten die Eingabe von persönlichen Daten oder Passwörtern. Was können Nutzer tun, wenn sie weiter unerwünschte Mails erhalten? Dann sollten die Empfänger zuerst den Absender kontaktieren und ihn auf die lästigen Mails hinweisen. Hilft das nicht, können Nutzer die Datenschutzbeauftragten oder Verbraucherzentralen um Hilfe bitten. Zudem ist es möglich, auf Unterlassung und Schadenersatz zu klagen. Nutzt ein Unternehmen unerlaubterweise personenbezogene Daten, etwa in Form von Werbemails, kann es zudem wegen Wettbewerbsverletzung abgemahnt werden. Werden die neuen Regeln dubiose Anwälte auf den Plan rufen? IT-Anwalt Rauschhofer rechnet damit, dass Anwaltskanzleien versuchen werden, aus der DSGVO Profit zu schlagen: "Wenn eine Einnahmequelle für Abmahnungen identifiziert wird, dann gibt es auch eine Abmahnwelle." Johannes Caspar, Datenschutzbeauftragter für Hamburg, bleibt eher gelassen: "Dass hier künftig stärker zum Mittel der Abmahnung gegriffen wird, erscheint angesichts der bisherigen Situation eher unwahrscheinlich." Aber einige wittern offenbar schon jetzt Geschäfte: Der Journalist Stefen Niemeyer postete auf Twitter den Screenshot einer E-Mail, in der eine Firma den Empfänger auf eine drohende Abmahnung hinweist. Natürlich nicht, ohne "kostengünstige" Abhilfe anzubieten. Langfristig sieht Rauschhofer das jedoch nicht als Problem: "In den meisten Fällen fallen die Massenabmahner hinten runter", sagt er. Die Abmahnungen seien nicht immer rechtmäßig, und Betroffene könnten klagen. Oft hätten die Betroffenen dennoch den Schaden, auch wenn sie vor Gericht gewinnen. Welche weiteren Schwierigkeiten können Unternehmen nun bekommen? Wer sich bisher an das ohnehin strenge deutsche Bundesdatenschutzgesetz gehalten habe, für den ändere sich nicht viel, sagt Rauschhofer. Um die Abmahngefahr zu reduzieren, sei vor allem wichtig, dass Betreiber ihre Homepage sichtbar datenschutzkonform gestalten. Verwenden sie zum Beispiel ein Kontaktformular, muss in der Datenschutzerklärung festgehalten sein, in welcher Form und zu welchem Zweck personenbezogene Daten gespeichert werden. In Zukunft wird es für Unternehmen zudem schwieriger, gezielt mögliche neue Kunden via E-Mail anzusprechen. Denn diese müssen erst ihr Einverständnis erteilen, dass Unternehmen ihre E-Mail-Adressen speichern dürfen. | https://www.sueddeutsche.de/digital/dsgvo-was-die-neuen-regeln-fuer-nutzer-bedeuten-1.3991231 | mlsum-de-211 |
Erst stellt die Ministerin fünf Milliarden für die Digitalisierung der Schulen in Aussicht, dann schweigt sie. Jetzt gibt es Zweifel, was vom Digitalpakt übrig bleibt. | Wenn es um die Digitalisierung der Schulen geht, dann gilt Deutschland vielen als Entwicklungsland. Smartphones und Computer bestimmen längst den Alltag von Kindern und Jugendlichen und die Arbeitswelt, auf die sie vorbereitet werden sollen. Doch die Schulen befänden sich noch in der Kreidezeit. Studien zeigen: Ihre technische Ausstattung hinkt hinterher, die Lehrer sind kaum dafür ausgebildet, der Unterricht weitgehend analog. Die Schulen, so wird seit Jahren gewarnt, drohen den Anschluss zu verpassen und die Zukunft zu verschlafen. Viele Experten drängen zur Eile. Als Johanna Wanka (CDU) im Oktober 2016 ihren "DigitalPakt#D" präsentierte, schien der oft blassen Bundesbildungsministerin deshalb ein echter Coup gelungen zu sein. Fünf Milliarden Euro aus Berlin kündigte Wanka an, um Deutschlands Schulen "fit für die digitale Welt" zu machen. Schüler müssten auch digital lernen und arbeiten können, statt nur zu daddeln, forderte die Ministerin - und erhielt Beifall von vielen Seiten. Zehn Monate später und nur wenige Wochen vor der Bundestagswahl im September aber sieht es so aus, als habe die Ministerin ein Versprechen abgegeben, das sie nicht halten kann. Zunächst schien alles nach Plan zu verlaufen. Im Januar hatte eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern die Verhandlungen aufgenommen, denn Schulen sind grundsätzlich Ländersache; für den 1. Juni luden Kultusministerkonferenz (KMK) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zu einer gemeinsamen Pressekonferenz nach Stuttgart ein. Dort sollten die Eckpunkte präsentiert werden, die von den Staatssekretären erarbeitet worden waren. Als der Digitalpakt verhandelt wurde, war Wanka nicht da Wer nicht kam, war Wanka. Sie war wegen eines Termins in Berlin kurzfristig verhindert, auch keiner ihrer Staatssekretäre erschien. Ihr Ministerium forderte, den Termin abzusagen, die Vertreter der Länder, reichlich brüskiert, stellten das Papier trotzdem vor - und den Deal, den es formuliert: Der Bund investiert in die digitale Infrastruktur, die Länder kümmern sich um die Lehrerausbildung und die pädagogische Umsetzung. Und Wanka? Sie ließ mitteilen, die Eckpunkte seien nur vorläufig. Die KMK musste das Papier von ihrer Homepage entfernen. Seitdem schweigt die Ministerin. Bis heute hat sie sich nicht zu der Einigung bekannt. Warum? Aus dem BMBF erhält man darauf keine Antwort. Das Ministerium teilt nur mit, dass der Zeitplan sich nicht verändert habe. Bis Ende des Jahres solle die Bund-Länder-Vereinbarung stehen. Und es verweist auf ein Zitat Wankas aus dem Juni: "Der Digitalpakt Schule geht auf meinen Vorschlag zurück; er ist für unsere Schulen sehr wichtig. Deshalb will ich ihn zu einem Erfolg machen." Ties Rabe (SPD) hat große Zweifel, dass ihr das gelingt. Wanka habe sich "offensichtlich verspekuliert", sagt Hamburgs Bildungssenator. Immer deutlicher werde, dass die Ministerin die versprochenen fünf Milliarden nicht habe und nicht bekommen werde. | https://www.sueddeutsche.de/bildung/digitalisierung-in-der-schule-hat-wanka-den-schulen-zu-viel-geld-versprochen-1.3620868 | mlsum-de-212 |
Am Montagabend platzte unter spektakulären Umständen die Rettung des angeschlagenen Fernsehgeräteherstellers Loewe. Nach SZ-Informationen steht nun ein neuer Investor bereit. | An oder Aus? Die Loewe-Mitarbeiter bangen, ob sich ein Investor findet, der künftig Fernseher in Oberfranken produzieren will. Der Münchner Finanzinvestor Stargate Capital soll den angeschlagenen Fernsehgerätehersteller Loewe retten. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung laufen entsprechende Verhandlungen mit der auf Investments in mittelständische Unternehmen spezialisierten Private-Equity-Firma. Hinter Stargate stehen die beiden Finanzunternehmer Boris Levin und Mark Hüsges. Sie wollten Loewe dem Vernehmen nach bereits seit Ende 2013 kaufen, doch der Gläubigerausschuss zog damals Panthera vor. Jene Firma, die Loewe jetzt trotz eines unterzeichneten Kaufvertrages doch nicht übernehmen will. Am Montagabend platzte der Panthera-Deal unter spektakulären Umständen. Der federführende Panthera-Gesellschafter Stefan Kalmund wirft den Banken vor, Sicherheiten nicht, wie im Kaufvertrag vereinbart, freigegeben zu haben. Deswegen werde man den Ende Januar unterzeichneten Kaufvertrag nicht vollziehen. Aus Verhandlungskreisen heißt es jedoch, Kalmund und Panthera hätten es nicht geschafft, eine Finanzierungsbestätigung für den auf etwa zehn Millionen Euro taxierten Kaufpreis vorzulegen und nachzuweisen, dass man auch das laufende Loewe-Geschäft finanzieren könnten. Was stimmt, darüber streiten die Beteiligten nun erbittert. Kalmund sagte am Dienstag der SZ, laut Kaufvertrag habe Panthera eine solche Finanzierungsbestätigung gar nicht vorlegen müssen. Doch, sagen andere Insider, im Zuge von Nachverhandlungen über die Zahlungsmodalitäten sei das vereinbart worden. Leidtragende des Debakels sind etwa 420 Loewe-Mitarbeiter am Firmensitz im fränkischen Kronach, die nun mehr denn je um ihre Arbeitsplätze bangen. "Wir brauchen schnellstens ein Erwerberkonzept, dass die Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigt", sagt Jürgen Apfel von der IG Metall. Viele Hoffnungen ruhen nun auf einer schnellen Übernahme durch einen anderen Retter. Offiziell mag niemand bestätigen, dass Verantwortliche der Gläubigerbanken und der Loewe AG bereits die Verhandlungen mit Stargate Capital aufgenommen haben. Das Unternehmen selbst war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Nach Angaben auf der Firmen-Homepage hat die Firma in den vergangenen zehn Jahren Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von 350 Millionen Euro strukturiert. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/insolventer-tv-geraetehersteller-aus-oberfranken-neuer-retter-fuer-loewe-1.1898241 | mlsum-de-213 |
Ministerpräsident Fico will, dass der Europäische Gerichtshof bindende Quoten "für ungültig erklärt". Die Slowakei müsste laut EU-Beschluss weniger als 2300 Flüchtlinge aufnehmen. | Die Slowakei geht juristisch gegen die EU-Quotenregelung zur Aufnahme von Flüchtlingen vor. Das Land reichte am Mittwoch Klage beim Europäischen Gerichtshof ein. "Wir fordern das Gericht auf, die Entscheidung zur Verpflichtung auf bindende Quoten für ungültig zu erklären,", sagte Ministerpräsident Robert Fico. Die Verteilungsschlüssel seien "unsinnig und technisch unmöglich". Die EU-Innenminister hatten am 22. September die Umverteilung von 120 000 Asylbewerbern in Europa in einer Mehrheitsentscheidung gegen den Widerstand der Slowakei, Tschechiens, Ungarns und Rumäniens beschlossen. Zuvor war bereits die Umverteilung von 40 000 Flüchtlingen vereinbart worden. Dem Plan der EU zufolge müsste die Slowakei weniger als 2300 Flüchtlinge aufnehmen. Fico hatte die Entscheidung der EU-Innenminister als "Diktat" kritisiert. Fico sagte, die Entscheidung hätte einstimmig und nicht entsprechend eines Mehrheitsbeschlusses getroffen werden müssen. Das Quotensystem sei ein "totales Fiasko". Bislang haben nur wenige Flüchtlinge die Slowakei durchquert, noch weniger haben sich entschlossen, in dem Land zu bleiben. Der slowakische Innenminister Robert Kalinak hatte am Montag erklärt, Bratislava setze auf eine freiwillige Aufnahme und plane die Unterbringung von 149 christlichen Flüchtlingen aus dem Irak. Fico strebt im März eine Wiederwahl an. Zuletzt hatte er gewarnt, dass mit den Flüchtlingen auch "Terroristen" in die Slowakei kommen könnten. Nach den islamistischen Anschlägen in Paris sagte er, die Behörden würden "jeden Muslim in der Slowakei beobachten". Neben der Slowakei hatte auch Ungarn bereits eine Klage gegen die Quotenregelung vor dem EU-Gerichtshof angekündigt. | https://www.sueddeutsche.de/politik/slowakei-klage-wegen-fluechtlingsquote-1.2764904 | mlsum-de-214 |
Die Vereinten Nationen prüfen, ob die Rechte behinderter Menschen in Deutschland geachtet werden. Behindertenvertreter und die Opposition sehen noch Verbesserungsbedarf. | Als die Bundesregierung im Jahr 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention ratifizierte, versprachen sich viele Betroffene davon Verbesserungen im Alltag. Doch wenn es nach Behindertenvertretern und der Opposition geht, hat sich zu wenig getan. Nun muss sich Deutschland dem prüfenden Blick der Vereinten Nationen stellen, in Genf beginnt an diesem Donnerstag eine zweitägige Anhörung vor dem zuständigen Fachausschuss. Valentin Aichele, Leiter einer Monitoring-Stelle am Deutschen Institut für Menschenrechte in Berlin, warf der Regierung vor, "die bestehenden Probleme ausgeblendet" zu haben. Dabei geht es um den Ausbau inklusiver Einrichtungen, die Unterbringung Behinderter in Psychiatrien und Fragen des Gewaltschutzes. Deutlicher äußerte sich Corinna Rüffer, Sprecherin der Grünen für Behindertenpolitik. Rüffer hielt der Koalition vor, sich bei der Umsetzung der Behindertenpolitik "durchzumogeln". Hintergrund ist eine parlamentarische Anfrage zu den Ergebnissen der Behindertenpolitik, die Antwort der Regierung liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Vor vier Jahren kündigte sie ein Konzept zur Barrierefreiheit an. "Davon scheint nicht mehr die Rede zu sein", rügte Rüffer. Lediglich "eine einzige Vorlesungsreihe" sei gefördert worden. Uwe Schummer, behindertenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, will das so nicht stehen lassen. "Zahlreiche Programme und Initiativen" seien erarbeitet worden, sagte er. Zugleich machte er die Unternehmen dafür verantwortlich, dass nicht mehr Menschen mit Behinderungen einen Job finden. "Der Arbeitsmarkt bleibt weit hinter seinen Möglichkeiten." | https://www.sueddeutsche.de/politik/inklusion-leichter-gesagt-als-getan-1.2409699 | mlsum-de-215 |
Skifahren ist ein teures Vergnügen. Zum Glück gibt es auch noch kleinere Wintersportorte, die nicht nur auf Pistenkilometer, sondern auf gute Angebote für Eltern mit Kindern setzen. | Wie in Grönland Das Kinderland heißt "Palüd", ein Restaurant heißt "Goona", das andere "Frööd". Obwohl es sich so anhört, befinden wir uns nicht in Grönland, sondern im Brandnertal, dem westlichsten Zipfel Österreichs. Goona ist ein alter Walser Ausdruck und bezeichnet einen Schöpflöffel - und Frööd bedeutet Freude. Besonders Familien und Anfänger haben ihre Frööd im Skigebiet Brand, es gibt fast nur blaue und rote Pisten. Wer es anspruchsvoller mag, kann eine der unpräparierten Skirouten wählen oder eine Skitour auf die Schesaplana machen. Auch für Familien mit Teenagern ist das Gebiet mit 55 Pistenkilometern ideal, denn an der Glattjochbahn gibt es einen Funpark. Mit 30 Sprüngen und Hindernissen wird er jedes Jahr neu aufgebaut. Das Skigebiet besteht aus den zwei Teilen Bürserberg und Brandnertal, verbunden mit einer Seilbahn, zwischen 900 und 2000 Metern. Für Nichtskifahrer ist Bürserberg besonders nett: Neben den beiden Skirouten beginnen hier einige Loipen und ein Netz an Winterwanderwegen. Titus Arnu Tagesskipass 46 Euro, Kinder 26,50 Euro, www.vorarlberg-alpenregion.at Geht eh alles Das Modell "Großfamilienskiferien" mit Großeltern, Onkels, Tanten, Cousins und Cousinen ist eigentlich perfekt: Man sieht die Verwandten, die Kinder rennen kreischend herum, man kann mal was mit dem Partner unternehmen, und die Unterkunft ist so auch noch billiger. Dumm nur, wenn jeder in der Sippe etwas anderes will: schwere Pisten, leichte Pisten, Wandern, Skitouren, Langlaufen, Schlittenfahren, Iglubauen. Das ist das Tolle am Kleinwalsertal: Da geht eh alles, so dass am Ende auch fast jeder alles ausprobiert. Klar, anderswo gibt es mehr Pistenkilometer (aber sind die Berge da so schön?), längere Loipen (aber sind die auch so einsam?), steilere Schlitten-Abfahrten (aber sind die auch so lustig?); na und? Obendrein liegt das Tal zwar eher niedrig, aber so günstig, dass doch ein Haufen Schnee herunterkommt. Was da noch fehlt, braucht kein Mensch. Marlene Weiß Tagesskipass: 39,50 Euro, Kinder 17,50 Euro, www.kleinwalsertal.com Rentiere in den Dolomiten Die Südtiroler werden gern gelobt: gutes Essen, schönes Wetter, toller Service. Hinzu kommt das Überschaubare, Authentische. Mögen sie nördlich des Brenners ein Riesenskigebiet nach dem anderen erschaffen, durch Zusammenschlüsse und neue teure Bahnen, hier im Süden war alles noch eine Nummer kleiner, auch günstiger. Das ändert sich gerade. Offensichtlich hält man Skigebietsvergrößerungen auch hier für überlebenswichtig. Was vor wenigen Jahren noch Helm, Haunold und Rotwand hieß, nach den Bergen, an deren Flanken die Lifte hinaufführten, nennt sich seit diesem Winter "Drei Zinnen Dolomites" und ist nur noch mit einem teuren Skipass benutzbar. So weit, so gut - oder schlecht. Das Gebiet bei Sexten ist trotzdem für eine Familie mit kleineren Kindern zu empfehlen. Bis acht müssen die nämlich nichts zahlen. Und auch wenn sie noch nicht Ski fahren, lässt sich eine simple Rechnung machen: Man nimmt etwa am Rotwandlift am Eingang des hübschen Fischleintals nur eine Tageskarte und dazu eine Berg- fahrt. Der Rodel kommt mit in die Gondel. Oben an der Bergstation gibt es einen großen Spielplatz mit hölzernen Hütten und Hängebrücke. Daneben steht eine Riesenschneemannfamilie. An einer fest installierten Fotoanlage kann man einen Knopf drücken, schnell hinrennen zu den Schneekameraden und das Familienfoto später aus dem Internet ziehen. Zudem gibt es hier ein Gatter mit Streichel-Rentieren, wo jeden Donnerstag um 14 Uhr Fütterung ist und Kinder Wissenswertes zu den nordischen Hirschen erfahren; zwei Hütten mit guter Küche stehen hier auch herum. Während also der eine Elternteil mit größerem Kind die Pisten des 93-Kilometer-Skigebiets testen und von wenigen Stellen sogar die Drei Zinnen sehen kann, gibt es für den anderen und die Kleinere genug zu tun. Am Abend geht es auf der Rodelbahn ins Tal. Hans Gasser Skipass: 51 Euro, Kinder von 8 bis 16 Jahre 35,50 Euro, www.dreizinnen.com Kein Notschrei Tief im Schwarzwald befindet sich ein kleines Widerstandsnest gegen den Après-Ski-Wahnsinn. Auf einer Piste an einem Pass mit dem schönen Namen Notschrei können Kinder das Skifahren lernen, ohne dass ihre Eltern derweil mit Party-Stampfern zugedröhnt werden, die von einer Snow-Schnapsbar herübernerven. Stattdessen bieten die feinen Loipen gleich nebenan den Erwachsenen die Möglichkeit, auf Langlaufskiern durch den stillen Wald zu gleiten, während die Kinder einen Skikurs machen. Der Hang bietet zwei Schlepplifte und eine für Anfänger perfekte Abfahrt. Gleich neben dem Lifthäuschen liegt das neu gebaute Gletscherstüble, von wo aus durch Panoramascheiben die Eltern ihre Kinder beim Skifahren beobachten können. Direkt hinter dem Gasthaus befindet sich ein Rodelhang, an dem sich ebenfalls angenehm die Zeit vertreiben lässt. Notschrei klingt bedrohlich, doch ist es hier so entspannt, dass niemand plärren muss. Nicht mal die Eltern. Sebastian Herrmann Tagesskipass für Erwachsene 29 Euro, für Kinder 16,50 Euro, www.notschrei-skilifte.de Zeit messen Wie viele Pistenkilometer brauchen Kinder? 50, 100, 200? Für den ganz jungen Nachwuchs tun es als erstes Testterrain jedenfalls schon die zwei Hektar präparierten Hanges wie in Sportis Kinderland an der Seefelder Rosshütte. Das ist vom Parkplatz mit wenigen Schritten erreichbar und kostet für drei Stunden sieben Euro. Stufe zwei der Ausbildung besteht aus Brandl-Lift mit anschließender Brandlabfahrt. Beim dritten Level wird es schon richtig hochalpin: erst den Slalomparcours inklusive Zeitnahme unterhalb des Rosshüttenexpress' testen, anschließend die sehr familiäre Familienabfahrt mit ihrer langen Ziehpassage absolvieren. Wem bei der Hochegg-Alm die Kraft ausgeht, der wird entweder mindestens ein Level zurückgestuft - oder muss einsehen, dass ihm die Kinder in Sachen Skifahren nun auch voraus sind. Dominik Prantl Skipass: 42 Euro, Kinder bis 15 Jahre 29 Euro, www.seefeld-sports.at | https://www.sueddeutsche.de/reise/winter-in-den-bergen-fuenf-guenstige-skigebiete-fuer-familien-1.3387032 | mlsum-de-216 |
Der Vize-Meister verpasst die Playoffs: Nach zwei Pleiten gegen die Straubing Tigers endet die Saison für Ingolstadt unerwartet früh. Dem Team fehlt in den entscheidenden Momenten der Killerinstinkt. | Wie genau das passiert war, was soeben passiert war, wusste im ersten Moment keiner so recht. Timo Pielmeier, Torhüter des ERC Ingolstadt, schaute sich ratlos um, während zwei vor ihm liegende Teamkollegen noch damit beschäftigt waren, wieder auf die Beine zu kommen. Fakt war: Die Scheibe lag 113 Sekunden vor Ende des Spiels im Kasten der Ingolstädter. Selbst in der TV-Wiederholung musste ganz genau hinschauen, wer erkennen wollte, dass sie vom Stock des ERC-Angreifers Alexander Barta ins eigene Tor abgelenkt worden war. Straubings Kapitän Sandro Schönberger sprach hinterher von einem "Scheiß-Tor", das einfach "reingekullert" sei. Dieser Gegentreffer war der Anfang vom Ende des ERC in den Pre-Playoffs der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Die Straubing Tigers erzwangen durch das späte 1:1-Ausgleichstor am Freitagabend die Verlängerung - und sorgten dort in Person von Maury Edwards nach knapp sechs Minuten für die Entscheidung. Straubing steht im Viertelfinale der DEL; für Ingolstadt, den Meister 2014 und Vize-Meister 2015, ist die Saison vorbei. "Momentan ist alles leer", sagte Kapitän Patrick Köppchen, sein Trainer Kurt Kleinendorst erklärte, er habe nicht gedacht, "dass diese Saison so schnell endet." Kleinendorst gratulierte den Tigers aber artig, sie hätten "die Serie verdient gewonnen". Ingolstadts Sportdirektor Jiri Ehrenberger steht in der Kritik Um das frühe Scheitern des ERC zu erklären, muss man die komplette Spielzeit betrachten. Köppchen verwies bereits nach der Hauptrunde darauf, dass die Saison "alles andere als wunschgemäß" verlaufen sei. Spieler wie Brian Lebler, Danny Irmen, Tomas Kubalik, Brian Salcido, Barta oder Köppchen riefen ihr Potenzial selten oder zu unregelmäßig ab, wodurch Sportdirektor Jiri Ehrenberger, der vor der Saison Salcido, Lebler, Irmen und Kubalik verpflichtet hatte, schon während der Hauptrunde in die Kritik geriet. Diese war turbulent verlaufen. Nach einem katastrophalen Saisonstart, der den ERC erstmals seit 2003 auf den letzten Platz der DEL-Tabelle geführt hatte und Teile der Fans dazu brachte, vom Ingolstädter "Eisballett" zu sprechen, wurde Trainer Emanuel Viveiros, der das Amt von seinem vorherigen Cheftrainer Larry Huras im Sommer übernommen hatte, im November entlassen. Die Mannschaft zweifelte damals derart an sich selbst, dass Interimstrainer Peppi Heiß öffentlich darauf hinwies, Selbstvertrauen sei nicht an der Tankstelle oder beim Supermarkt an der Ecke zu kriegen. Ende November übernahm Trainer Kurt Kleinendorst, der Ende der 80er-Jahre für den ERC in der Oberliga gespielt hatte, die Mannschaft. Er stabilisierte sie und führte sie, auch dank einer Serie von fünf Siegen in Serie im Februar, in die Pre-Playoffs. Das Fehlen des verletzten Topscorers Brandon Buck macht sich bemerkbar In den zwei Spielen gegen Straubing musste der ERC verletzungsbedingt auf Brandon Buck, den Topscorer und wichtigsten Angreifer des Teams, verzichten. Ein herber Verlust, der das Ausscheiden aber nicht alleine rechtfertigen kann. Natürlich habe Buck gefehlt, sagte Kapitän Köppchen, "was aber keine Ausrede sein soll, dass es nur daran lag. Wir hätten das als Team auch so kompensieren müssen." Das frühe Aus schmerzt umso mehr, da der ERC zu Beginn der Saison in der Champions Hockey League (CHL) gezeigt hatte, dass Potenzial und Qualität im Kader durchaus vorhanden sind. Damals hatten den Ingolstädtern in der K.o.-Runde nur wenige Sekunden gefehlt, um den späteren Turniersieger Frölunda Göteborg aus Schweden auszuschalten. Auch deshalb sagte Kleinendorst am Freitag zu Recht: "Mit dieser Mannschaft war mehr möglich." Vor Spiel zwei hatte der 55-jährige Amerikaner betont, Meisterschaftsanwärter fänden einen Weg, auf "Alles oder Nichts"-Situationen zu reagieren. Seine Botschaft lautete: "Wir werden nun herausfinden, ob wir ein Meisterschaftsanwärter sind." Seit Freitagabend ist klar: Der ERC 2015/16 ist es nicht. Ingolstadts Manko, das sich durch die ganze Saison gezogen hatte, war der fehlende Killerinstinkt. Kein einziges der sieben Spiele, das in die Verlängerung oder ins Penaltyschießen ging, gewannen sie - das achte am Freitag in Straubing besiegelte folgerichtig ihr Saisonende. Damit bewahrheiteten sich auch die Worte von Torwart Pielmeier. Der hatte zum Start der Serie erklärt, in den Playoffs gewinne jene Mannschaft "mit mehr Herz und mehr Kampf". Straubing hatte mehr davon. | https://www.sueddeutsche.de/sport/erc-ingolstadt-unterliegt-straubing-zeit-fuer-ballett-1.2903438 | mlsum-de-217 |
Im Achtelfinale der Europa League steht der BVB vor einer großen Herausforderung. Der Gegner aus London erinnert an die Borussia unter Klopp. | Die Spurs hatten schon drei Mal gewechselt, als der Schiedsrichter in der Nachspielzeit Hugo Lloris vom Platz stellte. Gänzlich ohne Torwart konnten die Gastgeber das Europa-League-Spiel gegen Asteras Tripolis aber trotz 5:0-Führung schlecht zu Ende bringen. So kam es, dass sich Stürmer Harry Kane, dem zuvor ein Hattrick gelungen war, mit jugendlichem Draufgänger-Mut in die fachfremde Aufgabe stürzte. Sekunden später hatte er sich als Behelfstorwart großartig blamiert: Der schlaffe Freistoß der Griechen rutschte ihm durch die Arme ins Netz. Die Zuschauer an der White Hart Lane quittierten das Malheur mit aufmunterndem Applaus. Dann stimmten sie, zum ersten Mal, den Schlachtruf "Harry Kane, he's one of your own" an. Der damals 21-Jährige ist unweit des Stadions, im Arbeiterviertel Walthamstow, aufgewachsen und kam mit elf Jahren zu den Lilywhites, den Lilienweißen. Damit erfüllte er alle formalen Voraussetzungen eines Publikumslieblings. In den vergangen 20 Jahren landeten die Spurs in der Tabelle nie vor den verhassten Arsenal-Rivalen Doch erst das Malheur im Tor im Oktober 2014 ließ die Fans vollends begreifen, dass dieser schlaksige Kerl wirklich einer von ihnen ist, ein echter Held Spurs'scher Prägung. Der tragikomische Moment passte einfach zu gut zu einem Klub, der seit knapp hundert Jahren immer wieder an eigenen Unzulänglichkeiten und unverschuldeten Rückschlägen verzweifelt ist, sich aber von solchen Kleinigkeiten nicht den Spaß an der Freude verderben lässt. Europa League Achtelfinale – Hinspiele Donnerstag, 10. März Borussia Dortmund - Tottenham Hotspur (Sky / 19.00 Uhr) FC Villarreal - Bayer Leverkusen (Sport 1/ 21.05 Uhr) Schachtjor Donezk - RSC Anderlecht 19.00 FC Basel - FC Sevilla 19.00 Fenebahce Istanbul - Sporting Braga 19.00 Athletic Bilbao - FC Valencia 21.05 FC Liverpool - Manchester United 21.05 Sparta Prag - Lazio Rom 21.05 Rückspiele: Donnerstag, 17. März. Das Unglück der Spurs begann, als der FC Arsenal 1913 vom Süden Londons in die Nähe der White Hart Lane umzog und sechs Jahre später nach einem dubiosen Geschacher anstelle der sportlich besseren Nachbarn in die damals neu formierte erste Liga aufgenommen wurde. An diesem Schicksalstag verstarb auch noch das langjährige Vereinsmaskottchen Tottenhams, ein südamerikanischer Papagei. In der Folge entwickelten sich die Gunners zur erfolgreichsten Mannschaft der Hauptstadt; in den vergangenen 20 Jahren landeten die Spurs in der Tabelle nicht ein einziges Mal vor den verhassten Arsenal-Rivalen. Kane ist zum Gesicht der Mannschaft und Nationalhelden in spe aufgestiegen Das könnte in dieser Saison anders werden. Nach dem 2:2 im Nord-London-Derby am Samstag steht die Elf von Trainer Mauricio Pochettino, 44, auf Platz zwei, fünf Punkte hinter Tabellenführer Leicester City - und weiterhin drei Zähler vor dem FC Arsenal. Stürmer Kane, ein Mann mit vorbildlicher Arbeitseinstellung und einem feinen Gefühl für Räume, hat mit seinen 17 Ligatreffern großen Anteil daran, dass die Fans von der ersten Meisterschaft nach 55 Jahren träumen. Sein fantastisches Tor gegen Arsenal, ein Schlenzer ins Eck aus vollem Lauf, hat das Zeug zum Tor des Jahres. Seit seinem Missgriff gegen Tripolis ist Kane vom Talent zum Gesicht der Mannschaft und Nationalhelden in spe aufgestiegen. In der von ausländischen Stars beherrschten Premier League ist in dieser Saison allerdings ein Engländer, Leicesters Jamie Vardy (19 Tore), treffsicherer als er. | https://www.sueddeutsche.de/sport/tottenham-hotspur-lilienweisse-wucht-1.2899578 | mlsum-de-218 |
Nach der Eskalation beim Spiel vor acht Monaten wollen Dortmunder Anhänger wieder protestieren. Der Bürgermeister lädt dagegen Leipziger Fans ein. | Die Ultras des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund haben vor dem brisanten Spiel gegen RB Leipzig am Samstag (18.30 Uhr/Sky) zu einem Fan-Protestmarsch aufgerufen. Vor acht Monaten waren Leipziger Fans in Dortmund attackiert worden, auf der Südtribüne wurden verunglimpfende Plakate gezeigt. Als Strafe musste die Südtribüne für ein Spiel leer bleiben. "Dietrich Mateschitz' Projekt ist heute genauso abzulehnen wie damals. Wir dürfen es niemals hinnehmen, dass ein Konzern den Fußball als Werbeplattform für sein Produkt missbraucht, allen Hofierungen und Anbiederungsversuchen der Medien- und Sportlandschaft zum Trotz", teilte die Gruppierung "The Unity" in einem gemeinsamen Auftritt mit dem Fanclub-Zusammenschluss "Südtribüne Dortmund" mit. "Alles, woraus unser Sport seine Faszination zieht, wird von RasenBallsport mit Füßen getreten." Mit dem Fanmarsch solle "ein starkes Zeichen" gesetzt werden: "Im Westfalenstadion und auf der Südtribüne gilt dieselbe Devise wie in der letzten Saison: Zeigen wir, was den Fußball für uns ausmacht! Zeigen wir, dass man Fanatismus, Treue und eine freie und mündige Fankultur mit keinem Geld der Welt kaufen kann!" Der Verein und Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) setzen auf Deeskalation. Der Politiker hat Leipziger Fans eingeladen, die im Februar Anzeige erstattet hatten. Die Dortmunder Polizei hat für den Fall erneuter Ausschreitungen ein hartes Vorgehen angekündigt.d Die Dortmunder Polizei will mit einem Großaufgebot erneute Ausschreitungen verhindern. Am Samstag seien mehr als doppelt so viele Polizisten im Einsatz wie bei der Begegnung im Februar, teilte die Polizei am Mittwoch mit. Damals waren Anhänger der Gästemannschaft unter anderem mit Steinen und Flaschen beworfen worden. Auf der Südtribüne des Stadions wurden diffamierende Spruchbänder gegen den Leipziger Verein gezeigt. Eine Ermittlungskommission der Dortmunder Polizei hat in den vergangenen Monaten versucht, die Straftaten vom 4. Februar aufzuklären. Die Ermittlungen seien in 168 Strafverfahren gemündet, teilte die Behörde mit. Dafür seien unter anderem 170 Stunden Videomaterial ausgewertet worden. Gegen fünf Täter seien Strafbefehle bereits rechtskräftig. Das Konzept der Polizei sei nun darauf ausgerichtet, Fußballfans aus Leipzig und Dortmund vor Angriffen durch Gewalttäter und Kriminelle zu schützen. | https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-bvb-fans-rufen-zum-protestmarsch-gegen-rb-leipzig-auf-1.3704828 | mlsum-de-219 |
Der Berliner SPD-Vize Mark Rackles fordert regionale Absprachen mit der Linkspartei. Eine Annäherung sei angesichts der Wahlergebnisse notwendig. | Nach der Wahlniederlage bei der Bundestagswahl fordert ein führendes Mitglied der Berliner SPD jetzt eine starke Annäherung an die Linkspartei. Als ein Ziel werden direkte Absprachen für regionale Kooperationen zwischen beiden Parteien genannt. So sollen Erfolge linker Politiker gesichert werden. Langfristig soll nach den Vorstellungen des stellvertretenden SPD-Landesvorsitzenden Mark Rackles auch über die Bildung gemeinsamer Organisationen von SPD und Linken nachgedacht werden. Rackles spricht sich in einem Thesenpapier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, dafür aus, "das Schisma im sozialdemokratisch bis linkssozialistischen Milieu zumindest mit dem Willen zur Veränderung" anzugehen. Die Annäherung von SPD und Linke sei angesichts der Wahlergebnisse notwendig, auch wenn dies "auf beiden Seiten den Charakter eines Tabubruchs haben dürfte". Der Berliner SPD-Vize analysiert in seinem Papier die Ergebnisse in den Direktwahlkreisen für den Bundestag in Ostdeutschland. Die SPD holte nur ein Direktmandat in den ostdeutschen Ländern, die CDU dagegen 45 von 49 Mandaten. Laut Rackles wählte jedoch in 29 dieser Wahlkreise eine Mehrheit mit der Erststimme entweder die SPD oder die Linkspartei. Demnach gebe es also potenziell in diesen Wahlkreisen eine rot-rote Mehrheit, schreibt Rackles. Er fordert, dass von der SPD "dieser Befund organisationspolitisch in den Fokus genommen wird". So hätten seiner Rechnung zufolge etwa in Thüringen SPD und Linke von einer Verständigung gleichgewichtig profitieren und jeweils zwei Mandate gewinnen können. Dort holte die CDU alle Direktmandate. Die Abgrenzung der SPD gegen die Linke habe nicht gewirkt Rackles spricht sich deshalb für Absprachen aus, die eine regional ausdifferenzierte Kooperation "in Analogie zur CDU/CSU" ermöglichen. Langfristig fordert der linke SPD-Politiker die "Prüfung einer gemeinsamen organisationspolitischen Option" der beiden Parteien. Er beklagt mit Blick auf beide Parteien, dass die Doppelung von Strukturen, Inhalten und Zielgruppen "dauerhaft die Mehrheitsfähigkeit der gesellschaftlichen Linken gefährdet". Rackles räumt ein, dass seine Forderungen eine Herausforderung für die SPD seien angesichts der Geschichte beider Parteien. Dagegen hält der Partei-Vize, dass die dauerhafte Konfrontation und die Abgrenzungsstrategie der SPD gegen die Linke in drei Jahrzehnten nicht gewirkt habe "und die SPD im Gegenteil immer schwächer geworden ist". Rackles fordert in dem Papier auch eine neue Medienstrategie der Partei, zu der eine Konzentration der Medien-Etats im Wahlkampf auf Investitionen in digitale Plattformen und Kanäle gehören könne. Das Thesenpapier soll zunächst im Berliner Parteivorstand unter dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller diskutiert werden. | https://www.sueddeutsche.de/politik/spd-so-wie-cdu-und-csu-1.3696311 | mlsum-de-220 |
Eine abstruse Transferpolitik, ein schlechter Trainer, Finanzprobleme und Katsche Schwarzenbeck. Auf Atlético Madrid wartet der Schmerz stets an der nächsten Ecke. | Eine Frage aus dem Fond eines Autos ist bis heute die unübertreffliche Definition dessen, was Atlético Madrid bedeutet. In einem Werbespot wurde sie von Kindermund gestellt: "Papaaaa?" - "Ja, Sohn!" - "Wieso sind wir eigentlich für Atlético?" Was als Antwort folgte, sprach Bände: die hilflose Stille eines Mannes, dem nicht eine einzige Antwort einfällt. Und sei sie noch so irrational. Detailansicht öffnen José Antonio Reyes, einer der feinsten, aber auch launischsten Fußballer, die Spanien je hervorgebracht hat. (Foto: Foto: AP) An diesem Mittwoch wird Atlético Madrid versuchen, gegen den FC Fulham im Europa-League-Finale die erste Trophäe seit 14 Jahren zu gewinnen. Für den Beweis, dass Atlético eine Allegorie auf die absurde Unvorhersehbarkeit des Lebens an sich darstellt, auf das stets unvollkommene Glück, sorgte in diesem Jahr: ein isländischer Vulkan. Tausende Atlético-Fans, von denen nicht wenige in den Banken Kredite aufgenommen haben (und sie trotz Kreditklemme gewährt bekamen), bangten am Dienstag um die Reise nach Hamburg. Pech? I wo! Teil des Atlético-Wesens. Ein einziges Mal hatte Atlético das Finale im Landesmeister-Cup erreicht; seither ist Madrid einer der raren nicht-deutschen Orte, wo man einen Namen, der in spanischen Ohren wie ein Niesanfall klingt, korrekt buchstabieren kann: Schwarzenbeck. Der Verteidiger des FC Bayern hatte 1974 in der letzten Minute der Nachspielzeit ein Tor aus gefühlt 7566 Metern geschossen - und damit ein Wiederholungsspiel erzwungen, das die Münchner 4:0 gewannen. "Wir sind halt el Pupas", sagte der damalige Klubchef Vicente Calderón. "Pupas", das ist eine unübersetzbare Schöpfung, die von "pupa" herrührt, sie heißt so viel wie: aua. Der Schmerz lauert immer an der nächsten Ecke. Nur zwei Sommer, nachdem Atlético letztmals Titel gewann (1996: Meisterschaft und Pokal), war der Klub abgestiegen. Ein Tor hätte am letzten Spieltag die Rettung bedeutet, es gab sogar einen Elfmeter. Er wurde verschossen. "Reyes verrecke!" Aus "einem Jährchen in der Hölle" der zweiten Liga, wie damals eine Werbekampagne lautete, wurden schließlich zwei Jahre. Mittlerweile ist der neunmalige Meister "Atleti" wieder in der Primera División etabliert. Zu Beginn dieser Saison jedoch musste der Klub um den Klassenerhalt bangen, eine abstruse Transferpolitik, ein schlechter Trainer und Finanzprobleme brachten das Team in Not. Die Abwehr war eine derart zirkusreife Attraktion, dass ein Radioreporter sie "die bärtige Frau" taufte. Vorne verzweifelten Klassestürmer wie Simao, Diego Forlán oder Sergio Agüero. Zugang José Antonio Reyes, einer der feinsten, aber auch launischsten Fußballer, die Spanien je hervorgebracht hat, kämpfte mit den Anhängern. "Reyes, muérete", schrien sie, "Reyes verrecke!", weil er früher beim verhassten, erfolgreichen Stadtrivalen Real gespielt hatte. Mittlerweile spielt Reyes so dermaßen gut, dass ihm das Publikum Ovationen spendiert, wenn er ausgewechselt wird. Überhaupt, das Stadion: Der kleinere Teil, die Ultras also, ist nicht bloß philofaschistisch wie der frühere Klubchef Jesús Gil, sie sind echte Nazi-Schläger. Aber: die Stimmung im Calderón-Stadion ist spanienweit unübertroffen. Leidenschaftlich, fast argentinisch. Es war nicht überraschend, dass die Anwohner des Neptuno-Brunnens nach dem Einzug ins Europa-League-Finale kein Auge zubekamen. Dort, wo traditionell die Erfolge Atléticos gefeiert werden, ließen Tausende mit Fahnen, Tröten und Böllern ihrer Freude freien Lauf, darunter Industrieminister Miguel Sebastián. Unter Berücksichtigung der melodramatischen Ader Atléticos ist eine herzzerreißende Pleite wahrscheinlicher als ein Triumph. So wie 1996 hat Atlético wieder zwei Titel zum Greifen nahe, kommende Woche spielt der Klub in Barcelona gegen den FC Sevilla um den Königspokal. Ob das ein gutes Omen ist? Der Bürgermeister hat vorsorglich den Neptuno-Brunnen umzäunen lassen, das historische Bauwerk soll nicht leiden, wenn es Tausende Atlético-Fans stürmen. Sollte dies geschehen, dürfte Minister Sebastián wieder vorbeischauen - allein schon um Leibwächter und Chauffeur zu quälen. Sie sind, so verriet er, Real-Madrid-Fans. | https://www.sueddeutsche.de/sport/europa-league-aua-madrid-1.943312 | mlsum-de-221 |
Der FC Bayern tätigt doch noch einen internationalen Toptransfer und leiht James Rodríguez von Real Madrid aus. Der Kolumbianer spielte schon einmal unter Trainer Carlo Ancelotti. | Der FC Bayern hat mit der Verpflichtung von James Rodríguez von Real Madrid einen spektakulären Transfer gelandet. Die Münchner leihen den kolumbianischen Fußball-Nationalspieler zunächst für zwei Jahre aus. Laut Mitteilung vom Dienstag vereinbarte der deutsche Rekordmeister eine Kaufoption für den 25-Jährigen. Rodríguez spielte bereits unter dem jetzigen Bayern-Coach Carlo Ancelotti beim spanischen Rekordmeister, ist mit seiner aktuellen Reservistenrolle beim Champions-League-Sieger aber schon länger nicht zufrieden. "Wir sind sehr glücklich, dass wir diesen Transfer umsetzen konnten. Die Verpflichtung von James Rodríguez war der große Wunsch unseres Trainers Carlo Ancelotti, nachdem beide bereits in Madrid erfolgreich zusammengearbeitet hatten", sagte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge. "James ist ein vielseitig einsetzbarer Spieler. Er ist selbst torgefährlich, bereitet viele Treffer vor und schießt obendrein tolle Standards. Mit diesem Transfer haben wir die Qualität unserer Mannschaft ohne Frage noch einmal erhöhen können." Dem Vernehmen nach bezahlen die Bayern zehn Millionen Euro Leihgebühr, die feste Verpflichtung 2019 würde 35 Millionen Euro kosten. Die Vertragsunterschrift erfolgt nach dem Medizincheck. James soll bei der am Sonntag beginnenden Asien-Tour schon dabei sein. Der offensive Mittelfeldspieler wurde bei der WM 2014 in Brasilien Torschützenkönig. Anschließend wechselte er für 80 Millionen Euro von AS Monaco zu Real. Dort wurde er in drei Jahren je zweimal Champions-League-Sieger und Club-Weltmeister. Einmal holte er den spanischen Meistertitel. Insgesamt absolvierte James 111 Pflichtspiele für Madrid, erzielte dabei 36 Treffer und gab 41 Torvorlagen. Seine beste Saison spielte er bei Real unter Ancelotti. James ist der fünfte Neuzugang der Münchner. Corentin Tolisso (22 Jahre) wechselte für die Rekordsumme von 41,5 Millionen Euro von Olympique Lyon zu Bayern. Von 1899 Hoffenheim kamen die Confed-Cup-Sieger Sebastian Rudy (27) und Niklas Süle (21). U21-Europameister Serge Gnabry (21) wechselt von Werder Bremen an die Isar, liebäugelt allerdings mit einer schnellen Ausleihe. | https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-fc-bayern-holt-james-rodriguez-1.3582855 | mlsum-de-222 |
Der erneute Eintritt in eine große Koalition hat die SPD Genossen gekostet - in fast zwei Monaten an die 6000. Trotzdem ist die Zahl der Parteimitglieder insgesamt gestiegen. | Die SPD verliert nach dem Votum über den erneuten Eintritt in die große Koalition an die 6000 Mitglieder. Die Partei hatte Ende März insgesamt 457 700 Mitglieder, wie ein Sprecher mitteilte. Zum Stichtag am 6. Februar, vor dem Mitglieder eingetreten sein mussten, um an dem Koalitionsvotum teilnehmen zu können, waren es noch 463 723. Im Vergleich zu der Zeit des Votums über eine erneute Regierungsbildung mit der Union von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die SPD damit exakt 6023 Mitglieder weniger. Zur Erinnerung: Rund 66 Prozent stimmten bei dem Mitgliedervotum für die Neuauflage der großen Koalition. Gerade die Jusos und der linke Flügel hatten zuvor aber für ein Nein gekämpft, da sie einen weiteren Profilverlust fürchten. Einige Verfechter der "NoGroKo"-Kampagne warben gezielt für einen Parteieintritt, um mit einem Nein die Koalition zu verhindern. In der Partei hieß es dazu, man habe damit gerechnet, dass einige Mitglieder wieder austreten. Dennoch sei die Mitgliederzahl seit Anfang des Jahres unterm Strich um fast 15 000 Genossen gestiegen, betonte der Parteisprecher. Damit halte ein positiver Wachstumstrend an: schon 2017 sei die Zahl im Saldo um rund 10 000 SPD-Mitglieder gewachsen. Besonders nachdem Anfang des vergangenen Jahres Martin Schulz Parteichef und damit Kanzlerkandidat geworden war, waren auffällig viele Menschen in die Partei eingetreten. Die SPD ist nun wieder vor der CDU mitgliederstärkste Partei Deutschlands. | https://www.sueddeutsche.de/politik/grosse-koalition-spd-verliert-tausende-mitglieder-1.3932792 | mlsum-de-223 |
Sigmar Gabriel will die Parteibasis fragen, bevor es zu einem Kampfeinsatz der Bundeswehr in Syrien kommt. Ein gefährliches Versprechen. | Was gab es für Debatten, als SPD-Chef Sigmar Gabriel die Mitglieder seiner Partei nach der Wahl 2013 über die große Koalition abstimmen ließ. Dürfen die das?, war die Frage. Dürfen Parteien, Parteimitglieder eine Entscheidung fällen, die nach der Verfassung der Bundestag zu treffen hat? Ja, das dürfen sie. Koalitionen werden von den Parteien ausgehandelt. Die Parteien laden sich gegenseitig zu den Verhandlungen ein. Koalitionsverträge werden von den Parteivorsitzenden unterschrieben. Es ist gute Tradition, dass vorher Parteitage diese Koalitionsverträge absegnen. Wenn eine Partei zusätzlich zum Parteitag ihre Basis befragen will, ist das ihr gutes Recht. Was Gabriel aber jetzt den Delegierten auf dem Parteitag in Berlin verspricht, geht deutlich darüber hinaus. Er will der Parteibasis erlauben, per Mitgliederentscheid zu bestimmen, ob Deutschland im Zweifel in einen Kampfeinsatz gegen die Terrormilizen des Islamischen Staates geschickt wird. Das wiederum geht nicht. Gabriels Versprechen untergräbt das Vertrauen in die Abgeordneten Gabriel unterhöhlt so die repräsentative Demokratie. Das Volk wählt Vertreter, die in seinem Namen politische Entscheidungen fällen. Auch und gerade dann, wenn es um Leben und Tod geht. Gabriels Versprechen untergräbt das Vertrauen in die Abgeordneten. Eine Regierung muss ein Bundeswehrmandat sehr präzise mit dem Bundestag abstimmen, bevor es zur Entscheidung vorgelegt wird. Die Regierung ist abhängig von der Zustimmung des Parlaments. Das ist eine wichtige parlamentarische Errungenschaft. Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Keine SPD-Armee. Darum war es auch richtig, dass der Bundestag am vergangenen Freitag - wenn auch in kurzer Frist - über das Bundeswehrmandat entschieden hat. 1200 Soldaten sollen Frankreich im Kampf gegen den Terror des IS unterstützen. Die Parteien dürfen, sie müssen darüber streiten. Sie tragen zur Meinungsbildung im Land bei. Aber zu entscheiden hat der Deutsche Bundestag. Das ist eine gute Arbeitsteilung. Sie hat sich bewährt. Ein Parteivotum kann das nicht ersetzen. Es kann und darf die Gewissensfreiheit der Abgeordneten nicht ersetzen. Die Parteien müssen aushalten, wenn ihre Leute im Bundestag nicht die reine Lehre vertreten. Dann gibt es Streit. Wenn er produktiv ist, verändert er Politik. Am Ende aber müssen sich die Abgeordneten für ihr Abstimmungsverhalten rechtfertigen. Vor ihren Wählern und vor der Öffentlichkeit. Wer das den Parteimitgliedern überlässt, macht sich in der Politik einen schlanken Fuß, der gibt Verantwortung ab, für die er gewählt ist. Wer Entscheidungen über Krieg und Frieden tatsächlich demokratisch breiter legitimieren will, als das im Bundestag möglich ist, der muss einen Schritt weiter gehen. Der muss Volksentscheide in solchen Fragen zulassen. Auch darüber ließe sich trefflich streiten. Aber es wäre ein bedenkenswerter Vorschlag - anders als Gabriels Idee, das Parteivolk über Kriegseinsätze entscheiden zu lassen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/spd-parteitag-in-berlin-die-bundeswehr-ist-keine-spd-armee-1.2778706 | mlsum-de-224 |
Frankreichs Konservative entscheiden an diesem Sonntag über ihren Spitzenkandidaten. Auf dem Sieger ruhen die Hoffnungen, Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl zu schlagen. | Fillon gilt als konservativer, Juppé als moderater. Beide Kandidaten müssen sich vor allem vor einer fürchten: Front-National-Chefin Marine Le Pen. Offiziell wählen die Franzosen erst in fünf Monaten einen neuen Präsidenten. De facto jedoch dürfte sich bereits an diesem Wochenende entscheiden, wer im Mai in den Élysée-Palast einzieht: Am Sonntag küren die Republikaner, Frankreichs bürgerliche Oppositionspartei, per Vorwahl ("Primaire") ihren Spitzenkandidaten - und gemäß allen Prognosen hat der konservative Aspirant die besten Chancen, die Stichwahl am 7. Mai 2017 zu gewinnen. Es steht viel auf dem Spiel, für die Nation wie für Europa. Denn diesmal haben die Franzosen nicht wie üblich die Qual der Wahl zwischen rechts und links - sie könnten auch für Marine Le Pen votieren, die Chefin des Front National. Triumphiert die Rechtspopulistin, zerbricht Europa: Le Pen wünscht Euro und EU den Tod. Die "Primaire" von Frankreichs Republikanern wird so zur vorgezogenen Schicksalswahl. Umfragen prophezeien für Sonntag einen Sieg von François Fillon. Der 62 Jahre alte Ex-Premier galt lange als Außenseiter im Rennen um die Spitzenkandidatur. Im ersten Wahlgang am vorigen Sonntag errang er aber 44 Prozent und lag weit vor dem favorisierten Alain Juppé (28,6). Ex-Präsident Sarkozy hat sich für den Außenseiter Fillon ausgesprochen Die 4,2 Millionen Vorwähler zwangen Nicolas Sarkozy als Drittplatzierten zum endgültigen Rückzug aus der Politik. Die meisten von Sarkozys Anhängern dürften der Empfehlung des Ex-Präsidenten folgen und in der Stichwahl Fillon unterstützen. (siehe Grafik). Detailansicht öffnen SZ-Grafik; Quelle: ifop-Fiducial Fillon präsentiert sich als konservativer Katholik - und er will "als französischer Thatcher" dem Land eine wirtschaftspolitische Rosskur verordnen: eine spätere Rente, ein Ende der 35-Stunden-Woche, 500 000 weniger Stellen im Staatsdienst. Fillon nennt sein Programm "radikal" und erklärt den Sozialstaat für gescheitert: "Das französische Sozialmodell existiert nicht mehr", sagte er am Donnerstagabend beim TV-Duell mit Alain Juppé, seinem moderateren Widersacher. Auch Juppé strebt marktorientierte Veränderungen und "weniger Staat" an. Aber er möchte "keine Brüche", er will "den Sozialstaat konsolidieren". Beide Kandidaten präsentieren sich als Reformer - aber als Handwerker mit unterschiedlichen Werkzeugen: Fillon verspricht "einen Schock" und greift zum Vorschlaghammer, Juppé dagegen will das System modernisieren und per Schraubenzieher justieren. | https://www.sueddeutsche.de/politik/wahl-in-frankreich-juppe-gegen-fillon-eine-vorgezogene-schicksalswahl-1.3266765 | mlsum-de-225 |
Steve Pinizzotto, Münchens Mann fürs Grobe, gibt gegen Straubing wieder einmal den Wirbelwind. Den 7:1-Sieg verfolgt der 32-Jährige von der Strafbank aus, für das Spitzenspiel gegen Nürnberg ist er gesperrt | Die Ruhe nach dem Sturm ist oft noch unheimlicher als die Unheil kündende Stille davor. Als seine Mannschaft am Sonntag in nur acht Minuten vier Tore gegen die Straubing Tigers schoss, saß Steve Pinizzotto, Stürmer beim deutschen Eishockeymeister EHC Red Bull München, auf der Strafbank und verzog keine Miene. Der Tabellenführer gewann das ober-niederbayerische Derby 7:1 - aber Pinizzotto zuckte nicht einmal mit einer Wimper. Sein Aufbrausen war längst abgeflaut. Knapp 42 Minuten lang war dieses Derby ein temporeiches mit vielen Torchancen gewesen, in dem München nach dem mittlerweile fast traditionellen 0:1-Rückstand schon 3:1 geführt hatte. Dann kam Pinizzotto in Wallung. In der Straubinger Zone fuhr der Münchner Angreifer mit Tempo auf den scheibenführenden James Bettauer zu und checkte den Verteidiger mit voller Härte. Die Schiedsrichter ahndeten die Aktion nicht. "Das hätte man, glaube ich, schon pfeifen müssen", fand indes Straubings Thomas Brandl. Bettauer sei "ein bisschen weit von der Bande weg gestanden", etwa einen Meter. Die Gefahr von Kopf- und Schulterverletzungen ist aus diesem Abstand besonders hoch. Bettauers Teamkollege Mike Cornell wollte auf metrische Diskussionen verzichten. Er fuhr direkt auf Pinizzotto zu und sprang ihn quasi an, Handschuhe und Fäuste flogen durch die Luft. Den Kampf entschied Pinizzotto für sich, Cornell fuhr mit blutverschmiertem Gesicht in die Kabine, seine Strafe saß Stefan Loibl für ihn ab. Pinizzotto aber hatte noch lange nicht genug. Auf dem Weg Richtung Strafbank fuhr er demonstrativ an der Straubinger Kurve vorbei und warf seinen Helm in das Fangnetz. Dann saß er regungslos seine 14 Strafminuten ab und verfolgte, mit dem Kopf an die Wand gelehnt, ebenso regungslos die vier EHC-Treffer von Jason Jaffray, Derek Joslin, Daryl Boyle und Konrad Abeltshauser, die dem EHC einen deutlichen Siegbescherten. "Im letzten Drittel ist alles in unsere Richtung gelaufen", fand Trainer Don Jackson. Knapp vier Minuten vor Spielende kehrte Pinizzotto demonstrativ gelangweilt auf die Spielerbank zurück, seine nächsten Aktionen hatte er sich für die Zeit nach Spielschluss aufgespart. Bei der Ehrenrunde verneigte er sich provokativ vor der Straubinger Kurve, danach schnappte er sich auch noch die Bullenmaske, die Daryl Boyle als Zeichen für den besten Mann des Abends getragen hatte, winkte noch einmal in den Gästeblock und feierte dann mit dem Münchner Anhang. Jackson nahm Pinizzotto hinterher in Schutz. Er zollte dem 32-Jährigen für dessen Verhalten in jener Situation "großen Respekt". Pinizzotto habe nicht kämpfen wollen, sagte Jackson, er wolle Eishockey spielen. Deshalb sei er selbst am meisten enttäuscht gewesen, dass er das im Schlussdrittel nicht mehr konnte. Was Jackson zu diesem Zeitpunkt anscheinend noch nicht wusste: Auf dem Weg in die Kabine hatte Pinizzotto einmal mehr die Schiedsrichter zugetextet und dafür noch eine 20-minütige Disziplinarstrafe erhalten. Es waren seine Strafminuten 89 bis 108 in dieser Saison, in gerade einmal 20 Spielen. In den Wochen zuvor war es ziemlich ruhig um Pinizzotto gewesen. Knapp drei Wochen hatte der Stürmer verletzt gefehlt. Nach seiner Rückkehr Mitte Januar spielte er unauffällig und sammelte in sechs Partien lediglich einen Assist-Punkt. In dieser Phase verlor er auch seinen angestammten Platz in der Angriffsformation um Keith Aucoin und Mads Christensen an Brooks Macek, Pinizzotto steht seitdem mit Yannic Seidenberg und Jerome Flaake auf dem Eis. Seidenberg, der mit seinen zwei Toren im Startdrittel die Partie innerhalb von nur 19 Sekunden zugunsten der Münchner gedreht hatte, musste grinsen, als er auf Pinizzottos Disziplinarstrafe angesprochen wurde. Die hätte "nicht unbedingt" sein müssen, sagte er, "aber das werden dann andere mit ihm besprechen." Michael Wolf hatte all das nicht mehr miterlebt. Der 36-Jährige verschwand nach einem Schlag auf die Hand Mitte der Partie in die Kabine. Wolfs Finger sei nicht gebrochen, sagte Jackson nachher, er rechne dennoch mit mindestens einer Woche Pause für seinen Kapitän. Das würde bedeuten, das Wolf am Freitag beim Topspiel in Nürnberg, wo der Liga-Primus auf den Zweiten trifft, fehlen wird. Er teilt dieses Schicksal mit Steve Pinizzotto. Der Deutschkanadier ist gesperrt. | https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/eishockey-ein-stuermen-und-aufbrausen-1.3356688 | mlsum-de-226 |
Der "Fall Lisa" um ein angeblich vergewaltigtes russlanddeutsches Mädchen hatte hohe politische Wellen geschlagen. Selbst Moskau meldete sich zu Wort. Nun suchte ein Berliner Gericht nach der Wahrheit. | Den "Fall Lisa" gibt es in sehr unterschiedlichen Versionen. Es geht entweder um kriminelle Flüchtlinge, um Behördenversagen, Vertuschung auf höchster politischer Ebene oder aber um eine trostlose Kindheit in Berlin. Nur eine Version ist richtig, was den Fall zusätzlich kompliziert macht. Da wäre einmal die Geschichte des Mädchens: Lisa kommt aus einer Familie von Russlanddeutschen und ist 13 Jahre alt, als sie Anfang Januar 2016 auf dem Weg zur Schule in Berlin-Marzahn verschwindet. Als sie nach 30 Stunden wieder auftaucht, erzählt Lisa ihren Eltern, sie sei von drei Flüchtlingen verschleppt, in einer Wohnung festgehalten und mehrmals vergewaltigt worden. Es ist der Höhepunkt der Flüchtlingskrise, der Fall schlägt international Wellen, vor allem in Russland. Dort wird in den Medien und sozialen Netzwerken Lisas Geschichte in folgender Version verbreitet: Deutschland werde von einer Welle der Gewalt überrollt, die von Flüchtlingen ausgehe. Hunderte Russlanddeutsche demonstrieren daraufhin, rechte Gruppen hetzen gegen Flüchtlinge, Eltern haben Angst, ihre Kinder morgens allein aus dem Haus gehen zu lassen. Diese Geschichte wird immer größer, auch dann noch, als die Berliner Staatsanwaltschaft herausfindet, dass Lisas Version gar nicht stimmen kann. Das Mädchen hatte keine Verletzungen, bei der Polizei hat es vier verschiedene Geschichten von seinem Verschwinden erzählt. Irgendwann gestand Lisa, dass sie Schulprobleme hatte und große Angst, nach Hause zu den strengen Eltern zu gehen. Stattdessen war sie bei einem Freund untergeschlüpft. Das alles hält den russischen Außenminister Sergej Lawrow allerdings nicht davon ab, seine Version des Falles zum Besten zu geben. Lawrow schaltet sich Ende Januar 2016 höchstpersönlich ein und beschuldigt die deutschen Behörden, sie würden Probleme mit kriminellen Migranten vertuschen. Diplomatische Spannungen sind die Folge, der Fall Lisa wird zum Lehrbuchbeispiel für die Macht von Gerüchten und dafür, welche Kreise Fake News auf der ganzen Welt ziehen können. Auch die Supermarktkette Real und die Deutsche Post filmen und identifizieren ihre Kunden Der Wahrheit am nächsten kommt nun das Amtsgericht Tiergarten. Dort sitzt Dienstagmorgen Ismet S. auf der Anklagebank, Berliner mit türkischer Staatsbürgerschaft. Ein untersetzter Mann, 24 Jahre alt, mit weißem Hemd und kurzen Haaren. Sonst sieht man nicht viel von ihm, weil er sich die ganze Zeit eine Aktenmappe vor das Gesicht hält. Auf S. stießen die Ermittler, als sie im Fall Lisa das Handy des Mädchens auswerteten. Sie fanden darauf die Namen von zwei Männern, mit denen Lisa einige Monate vor ihrem Abtauchen Sex gehabt hatte. Ein 20-Jähriger entging der strafrechtlichen Verfolgung, weil er glaubhaft machen konnte, dass er dachte, Lisa sei schon 16 Jahre alt. Der zweite Mann war Ismet S. Er hatte mit Lisa schon länger über Whatsapp Kontakt, die beiden freundeten sich an und chatteten, sehr oft ging es dabei um Sex. Ende Oktober 2015 trafen sich die beiden schließlich mit einer Bekannten in der Wohnung von Ismet S. Es kam zu sexuellen Handlungen, die S. mit dem Handy filmte. Beides ist strafbar, sexuelle Handlungen mit Kindern unter 14 sind Erwachsenen verboten, auch wenn sie einvernehmlich geschehen. Und Ismet S. wusste genau, wie alt Lisa war. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Kindesmissbrauch und die Herstellung von Kinderpornografie vor. Der Gerichtssaal ist voll, zahlreiche Journalisten wollen das letzte Kapitel im Fall Lisa mitverfolgen, einige von ihnen sind aus Russland. Lisa selbst ist nicht gekommen, ihr Anwalt sagt nur, dass er nicht mit deutschen Medien spreche, weil diese auf dem "Mädchen herumgetreten" hätten. Bevor Ismet S. seine Schuld einräumt und das Gericht eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verhängt, stellt der Richter fest, dass im Fall Lisa "Tatsachen aus der Intimsphäre" erörtert würden, die außerhalb des Gerichtssaals niemanden etwas angehen. Die Öffentlichkeit wird ausgeschlossen - das wäre wohl im gesamten Fall Lisa das Beste gewesen. | https://www.sueddeutsche.de/panorama/berlin-alles-luege-1.3553258 | mlsum-de-227 |
Der FC Liverpool gewinnt durch ein Tor in der fünften Minute der Nachspielzeit die spektakuläre Partie gegen Norwich. Beim Jubeln zerbricht die Sehhilfe des Trainers. | Dem spektakulärsten Spiel der Saison in der Premier League folgte der spektakulärste Glasbruch des Jahres. Als Liverpools Adam Lallana in der Nachspielzeit das 5:4 gegen Norwich City gelang, rannte er völlig euphorisiert zu seinem mindestens ebenso euphorischen Coach und sprang ihm in die Arme. Es folgten alle anderen Liverpooler Spieler. Und als die Menschentraube sich nach einer Weile wieder löste, stand Jürgen Klopp ohne Brille da. In der Jubeltraube hatte Christian Benteke seinem Trainer versehentlich die Sehhilfe vom Gesicht geschlagen. Die Brille überlebte den Aufprall nicht. Klopp ging halbblind in die Pressekonferenz und scherzte: "Ich habe eigentlich immer eine zweite Brille dabei, aber ich kann sie nicht finden, weil es schwer ist, eine Brille ohne Brille zu finden." Klopp, 2008 in Deutschland zum Brillenträger des Jahres gewählt, kennt sich mit im Jubel zerstörten Brillen mittlerweile aus. Als er im Februar 2011 mit Dortmund 3:1 beim FC Bayern gewann und in München den Grundstein zur späteren Meisterschaft legte, hatte ihm Mats Hummels versehentlich die Sehhilfe zerstört. Die Meisterschaft werden Klopp und Liverpool in dieser Saison wohl nicht mehr gewinnen, dafür spielt seine Mannschaft nicht konstant genug. Aber am Samstag sorgten die Spieler zumindest schon mal für ein total verrücktes Spiel, machten aus einem 1:3 in der 54. Minute noch ein 5:4. "Verdiente Gewinner in einer sensationellen Begegnung" Die Führung durch den Ex-Hoffenheimer Roberto Firmino in der 18. Minute gaben die Reds wegen ihrer schon bekannten Abwehrschwächen aus der Hand. Dieumerci Mbokani (29.), Steven Naismith (41.) und Wes Hoolahan (54./Foulelfmeter) trafen danach für Norwich. "Wir waren mitten im Chaos und haben dann reagiert", sagte Klopp. Kapitän Jordan Henderson (55.), erneut der überragende Firmino (63.) und James Milner (75.) drehten das Match wieder. Bis zur furiosen Schlussphase: Denn noch einmal geriet Liverpools erster Erfolg nach drei sieglosen Partien in Gefahr, als Norwich-Verteidiger Sebastien Bassong mit seinem Tor zum 4:4 in der zweiten Minute der Nachspielzeit das Stadion endgültig in ein Tollhaus verwandelte. Doch es war noch immer nicht vorbei. In allerletzer Sekunde kam der große Auftritt von Lallana (90.+5). "Ein unglaubliches Spiel", schwärmte Klopp. "Auch wenn all unsere Probleme durch den Sieg nicht gelöst sind, bleibt das eine unvergessliche Begegnung. Ich denke, wir sind auch der verdiente Gewinner in einer sensationellen Begegnung." Ganz zufrieden konnte er aus Trainersicht aber natürlich nicht sein mit der Leistung seiner Mannschaft. "Solch ein Spiel haben wir nicht zum ersten Mal erlebt, und wir müssen darüber nachdenken, warum immer uns so etwas passiert. Nach 90 Minuten Sieger zu sein, nach 93 Minuten nur einen Punkt zu haben und nach 95 Minuten doch wieder Sieger zu sein, ist absolut ungewöhnlich, aber es ist auch nicht gut, dass wir vier Gegentore kassiert haben", sagte er. | https://www.sueddeutsche.de/sport/liverpool-gewinnt-5-4-brille-ueberlebt-klopps-jubel-nicht-1.2831526 | mlsum-de-228 |
Nach Google ist Gazprom dran: Die EU-Kommission treibt das Kartellverfahren gegen den Moskauer Energiekonzern voran. Dabei geht es nicht nur um wirtschaftliche Macht, es ist auch ein Angriff auf Putin. | EU-Kommission leitet vertieftes Kartellverfahren ein Nach mehr als zweieinhalbjährigen Ermittlungen leitet die dänische EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager ein vertieftes Wettbewerbsverfahren gegen den russischen Konzern Gazprom ein. Sie sandte dem Unternehmen die Beschwerdepunkte zu und droht mit einem Bußgeld von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes. Das gab die Kommission am Mittwoch in Brüssel bekannt. "Gazprom hat seine Marktmacht missbraucht", sagte Vestager. In fünf Ländern - Estland, Lettland, Litauen, Polen und Bulgarien - komme es zu "unfair hohen Preisen", die manchmal um bis zu 40 Prozent höher lägen als in anderen Ländern der EU. Der Grund dafür seien unter anderem Ausfuhrverbote: In acht osteuropäischen Ländern ist es Großkunden vertraglich verboten, eingekauftes Erdgas in andere Länder zu exportieren. Vestager kritisierte zudem Ölpreisbindung. Das bedeutet, dass der Preis des Erdgases an den des Erdöls gekoppelt ist. "Die Ölpreisbindung ist nicht grundsätzlich ein Problem. Es kommt aber darauf an, wie sie in bestimmten Verträgen ganz konkret umgesetzt wird", sagte sie. Drohende politische Verwerfungen Brüssel knöpft sich damit nach dem US-Internetkonzern Google innerhalb kurzer Zeit ein zweites weltweit dominierendes Unternehmen vor - und dürfte den Streit zwischen Russland und der EU in der Ukraine-Krise so weiter befeuern. Auch wenn Wettbewerbskommissarin Vestager immer wieder betonte, dass ihre Ermittlungen rein wirtschaftlich motiviert seien, ist sie sich der Brisanz bewusst: "Der Fall ist politischer als andere." Trotz der drohenden Verstimmungen lässt die EU keine Zweifel an ihrem Ziel, den Kampf gegen die Marktmacht des Moskauer Rohstoffimperiums zu verschärfen: Förmlich geprüft wird der Fall schon seit September 2012, weil der Kreml-nahe Konzern seine Marktmacht in Osteuropa auf unfaire Weise ausspielen soll. Drei Vorwürfe stehen im Raum: Gazprom soll den freien Fluss des Gases zwischen einzelnen Staaten behindert und die Reduzierung der Abhängigkeit Europas von russischen Lieferungen verhindert haben. Daneben soll der Konzern eine unlautere Preispolitik betreiben, möglicherweise zum Nachteil europäischer Verbraucher. Gazprom ist Russlands wichtigster Devisenbringer Falls Gazprom Verstöße gegen das europäische Recht nachgewiesen werden, sind die Strafen empfindlich. Dann drohen Geldbußen bis zur Höhe von zehn Prozent eines Jahresumsatzes - also im zweistelligen Milliardenbereich. Dass die russische Regierung diesen Angriff auf ihren wichtigsten Devisenbringer unbeantwortet lässt, gilt als unwahrscheinlich. In Brüssel weiß man um die Bedeutung des Falls: Gazprom sorgt für etwa ein Drittel der europäischen Gasimporte. Und auch für Russland selbst hat das Unternehmen eine überragende Bedeutung. Das Gazprom-Logo, die blaue Flamme, steht für ein weitverzweigtes Reich aus mehr als 400 000 Angestellten, 160 000 Pipeline-Kilometern, geschätzten tausend Tochterfirmen - und einen Umsatz von mehr als 100 Milliarden Euro. Die Entscheidung aus Brüssel folgt einer Machtdemonstration Moskaus. Gazprom hatte zuletzt den seit Jahren geplanten Bau der Pipeline South-Stream nach Westeuropa abgeblasen, um das Gas in die Türkei umzuleiten. Eine jüngste Annäherung von Gazprom an Griechenland wurde in Brüssel als Versuch gewertet, mit dem Hebel Gas die Europäische Union zu spalten. Nach einem Besuch von Gazprom-Chef Miller am Dienstag in Athen, erklärte der griechische Energieminister Panagiotis Lafazanis, die Verhandlungen zwischen Athen und Moskau über das Pipeline-Projekt Turkish Stream seien auf einem guten Weg. "Wir haben sehr konstruktive und gehaltvolle Gespräche geführt", sagte Lafazanis am Dienstag in Athen. Er hoffe auf eine Einigung in dieser für Griechenlands Wirtschaft wichtigen Frage, sagte Lafazanis. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wettbewerbsverfahren-eu-geht-schaerfer-gegen-gazprom-vor-1.2446915 | mlsum-de-229 |
Baseball-Zweitligist München Caribes verzichtete vergangene Saison auf sein Aufstiegsrecht ins Oberhaus. Nun hat der Klub erneut die Chance - und ziert sich wieder. Auch wegen der schwierigen Rahmenbedingungen | Steve Walker sagt, er habe sich noch nicht entschieden, in welcher Liga er mit seiner Mannschaft im kommenden Jahr gerne spielen würde. Bis zum späten Samstagnachmittag kann er sich darüber Gedanken machen. Mindestens. Vielleicht wird es dann auch so sein, dass alles Kopfzerbrechen umsonst war, dass es dann gar keine Entscheidung mehr zu treffen gibt. Walker, der Spielertrainer von Baseball-Zweitligist München Caribes, weiß es nicht. Walker muss warten. Drei Heimspiele absolvierten die Caribes am vergangenen Wochenende, für Walkers Mannschaft waren es die letzten drei Auftritte in dieser Saison. Erst gewannen die Münchner gleich zweimal deutlich gegen die Darmstadt Whippets (11:1, 16:0). Ihr letztes Saisonspiel am Sonntag verloren die Caribes dann gegen die Saarlouis Hornets knapp mit 6:7. "Ich bin zufrieden mit der Gesamtleistung meines Teams in dieser Saison", sagt Walker. Nach 16 Siegen und zwölf Niederlagen belegen die Münchner aktuell Tabellenplatz vier und haben damit weiter die Chance, in die erste Baseball-Bundesliga aufzusteigen, zu deren Mitgliedern aus der Region derzeit einzig die Haar Disciples zählen. Erst vor zwei Jahren war den Caribes der Sprung in die Südstaffel der zweithöchsten Spielklasse gelungen, als erstem Team innerhalb der Münchner Stadtgrenzen überhaupt. Walkers Team ist nun abhängig von den Ergebnissen der anderen Mannschaften, die ihre letzten Saisonspiele teilweise erst Mitte September bestreiten. In die erste Liga darf dann zwar nur ein Verein aufsteigen, die vor den Münchnern liegenden Reserve-Teams der Buchbinder Legionäre aus Regensburg und der Mainz Athletics dürfen aber nicht, weil beide Klubs schon in Liga eins vertreten sind. Sollte Saarlouis mindestens drei seiner vier ausstehenden Spiele verlieren, würden die Caribes in der Tabelle an den Hornets vorbeiziehen und dürften aufsteigen. Und selbst wenn die Saarländer ihre beiden Spiele bei den Neuenburg Atomics am Samstagnachmittag gewinnen sollten, ist der Aufstieg für die Caribes noch nicht endgültig vom Tisch. Verzichten die Hornets auf ihr dann sicheres Aufstiegsrecht, kämen abermals die Münchner zum Zug. Erst vor einem Jahr verzichteten die Caribes selbst auf den Sprung ins Oberhaus, nachdem sie Dritter hinter Regensburg und Mainz geworden waren. Und auch jetzt ist Walker nicht restlos von einem Aufstieg überzeugt. "Wenn wir den ersten Platz geschafft hätten, wäre die Situation eine andere. Als Drittplatzierter aufzusteigen, finde ich schon grenzwertig", sagt Walker. Der Leistungsunterschied zwischen Liga eins und Liga zwei sei groß. "Ich will nicht einfach irgendwelche Spieler kaufen, um das nötige Niveau zu erreichen", sagt er und erklärt, das Mannschaftsgefüge, das funktionierende Miteinander, nicht aufs Spiel setzen zu wollen. Auch finanziell müssten sich die Caribes bei einem Aufstieg strecken. Die Lizenzkosten würden sich verdoppeln, die Schiedsrichtergebühren steigen und auch die Heimstätte der Münchner, der Ballpark Oberwiesenfeld, müsste aufgerüstet werden. "Da kommen viele Kleinigkeiten zusammen", meint Walker, sagt aber: "Ich schließe den Aufstieg nicht aus." Dass der Spielertrainer dennoch dazu tendiert, mindestens ein weiteres Jahr in der zweiten Liga zu spielen, dafür spricht auch das vergangene Wochenende. Ursprünglich war das verlorene Nachholspiel gegen Aufstiegskonkurrent Saarlouis für den 10. September angesetzt. Walker aber stimmte einer vom Gegner gewünschten Vorverlegung der sportlich bedeutenden Partie zu, obwohl er wusste, dass seine Mannschaft tags zuvor gleich zweimal gegen Darmstadt spielen würde. Neuen Schwung in Walkers Überlegungen könnte ausgerechnet die zweite Mannschaft der Münchner bringen. Die spielt in den kommenden Wochen um den Titel in der viertklassigen Bayernliga und könnte somit das Recht erwerben, in die derzeit drittklassige Regionalliga aufzusteigen. Diese wiederum wird zur neuen Saison mit der zweiten Bundesliga zu einem dann sechsgleisigen Unterhaus verschmolzen. Ein Aufstieg der zweiten Münchner Mannschaft ist daher nur möglich, wenn das erste Team der Caribes den Weg frei macht und die Liga Richtung Oberhaus verlässt. Walker sagt, er sehe da keinen Zwang, er könne sich auch vorstellen, dass beide Teams auf einen möglichen Aufstieg verzichten. Walker weiß noch nicht, ob es überhaupt soweit kommt, er kann noch nicht entscheiden. Walker muss warten. | https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/baseball-es-ist-kompliziert-1.3144285 | mlsum-de-230 |
Neueste Forschungen zeigen: Wer Schokolade isst, lebt gesünder. Noch auf der Suche nach Geschenken? Nur zu! | Hoffentlich ist es noch nicht zu spät. Es ist Heiligabend, ein paar Stündchen sollten die Geschäfte noch geöffnet haben - für Spätentschlossene. Damit ist es die allerletzte Gelegenheit, aus journalistischer Fürsorgepflicht heraus noch ein bisschen Einfluss zu nehmen auf all das süße Beiwerk, das in wenigen Stunden wieder neben großen und kleinen Geschenken unter den Christbäumen liegen wird - oder eben nicht. Letzteres (wegen der gebotenen Eile muss man es leider knallhart und ohne Umschweife sagen) wäre ein Fehler. Wer seiner Figur, seiner Gesundheit oder Fitness zuliebe in diesem Jahr darauf verzichtet hat, kiloweise Schokolade unter den Baum zu schaufeln, unterliegt einem Irrglauben. Denn diese rangiert im Reigen der gesündesten Lebensmittel neuerdings offenbar irgendwo zwischen Rotbarsch, Chia-Samen und Kürbiskernen. Mindestens. Behauptet nicht etwa eine von der Süßigkeitenindustrie freundlich unterstützte Studie, sondern die Kaufmännische Krankenkasse. Deren Pressemitteilung vom 6. Dezember hätten wir um ein Haar ausgerechnet den sportlichsten unserer Leser vorenthalten. Puh! Hier die Zusammenfassung: Forscher aus Halle (von dort kommen die Hallorenkugeln) haben entdeckt, dass Schokolade "hohe Mengen des lebenswichtigen Vitamins D" enthält, "wichtig für die Knochengesundheit". (Um den Tagesbedarf nur durch Schokolade zu decken, wären allerdings fünf Tafeln nötig, was angesichts von Zucker- und Fettgehalt wohl doch "nicht ratsam" wäre - aber das nur am Rande). Zudem könne Bitterschokolade "zellschädigende freie Radikale bekämpfen, das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall reduzieren und den Blutdruck senken". Und das Allerbeste: Ihr Genuss kann "gerade in der dunklen Jahreszeit" Trübsinn vertreiben, dank stimmungsaufhellender Inhaltsstoffe. Wer also noch Geschenke sucht für Fußballer in Heimstetten, Pipinsried, Ismaning, Unterföhring, Oberweikertshofen oder Neuried, für Volleyballerinnen in Planegg, Handballerinnen in Gräfelfing, für Judofans des TSV Großhadern oder andere von Trübsal Geplagte, gerade in dunklen Zeiten: Auf, auf, die Zeit drängt. Am besten eine Schubkarre mitnehmen. Und genügend Vorräte anlegen. Die Trainingslager werden lang sein. | https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/linksaussen-letzte-chance-gegen-den-truebsinn-1.4265167 | mlsum-de-231 |
Gemeinsam mit internationalen Spitzenpolitikern gedenkt Frankreichs Präsident des Endes des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren. Er warnt vor Nationalismus und Abschottung in der heutigen Zeit. | Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hat beim Pariser Weltkriegsgedenken die versammelten Staats- und Regierungschefs eindringlich aufgerufen, für Frieden und eine bessere Welt zu kämpfen. Ein Rückzug auf sich selbst oder Gewalt seien keine Lösung, sagte Macron in seiner Rede bei der Feier zum 100. Jahrestag des Waffenstillstandes vom 11. November 1918. "Patriotismus ist genau das Gegenteil von Nationalismus." Macron warnte vor Bedrohungen für den Frieden. "Die alten Dämonen steigen wieder auf - bereit, ihr Werk von Chaos und Tod zu vollenden", sagte er. Als konkrete Bedrohungen nannte er die Klimaerwärmung, Armut, Hunger und Ungleichheit. Im Gedenken an die Soldaten, die im Ersten Weltkrieg für Frankreich fielen, entzündete Macron die Ewige Flamme unter dem Pariser Triumphbogen symbolisch neu. Das Feuer brannte 1923 zum ersten Mal und gehört zu einem Grabmal, in dem 1921 der Leichnam eines nicht identifizierten Gefallenen bestattet wurde. Das sogenannte Grabmal des unbekannten Soldaten soll an die etwa 1,4 Millionen französischen Soldaten erinnern, die im Ersten Weltkrieg getötet wurden oder verschollen sind. "In diesen vier Jahren hat sich Europa fast umgebracht", sagte Macron mit Blick auf die Kriegsjahre von 1914 bis 1918. Der französische Präsident bekannte sich ausdrücklich zur deutsch-französischen Freundschaft, zur Europäischen Union und den Vereinten Nationen. Zu der Gedenkveranstaltung, die am Arc de Triomphe im Regen und unter hohen Sicherheitsvorkehrungen stattfand, waren auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin. Trump und Putin schüttelten sich nach Putins Ankunft kurz die Hände, wie auf Übertragungen zu sehen war. Putin gab ein Daumen-hoch-Zeichen in Trumps Richtung und berührte ihn am Arm. Femen-Aktivistin läuft vor Trumps Wagenkolonne Zu Beginn der Gedenkfeier las eine Schülerin Auszüge aus einem Roman des deutschen Soldaten und Schriftstellers Erich Maria Remarque. "Da stehen wir und sollten lachen und brüllen vor Vergnügen - und haben doch ein flaues Gefühl im Magen", lautete einer der Sätze aus "Der Weg zurück", der Fortsetzung von Remarques weltberühmtem Antikriegsroman "Im Westen nichts Neues" von 1929. "Das war eine furchtbare Welt und ein schweres Leben", las die Schülerin auf Deutsch vor. Zuvor war eine Demonstrantin mit nackten Brüsten und auf den Oberkörper geschriebenen Slogans in die Wagenkolonne von US-Präsident Donald Trump gerannt. Der Frau sei es gelungen, Sicherheitsbarrieren am Gehsteig zu überwinden, berichteten Reporter in der Kolonne. Auf einem Video ist zu sehen, wie die Frau - die französischen Medienberichten zufolge der Frauenrechts-Organisation Femen angehörte - auf die Champs-Élysees rennt. Sicherheitskräfte hielten die Frau fest und drängten sie von der Straße. | https://www.sueddeutsche.de/politik/erster-weltkrieg-gedenken-paris-macron-1.4206315 | mlsum-de-232 |
Früherer Bundestrainer findet einen neuen Job. Bremens neuer Trainer Robin Dutt deutet Rückkehr des suspendierten Arnautovic an. Abwehrspieler Michal Kadlec verlässt Bayer Leverkusen. Max Hoff holt Silber bei der Kanu-EM. | Fußball in der Schweiz: Michael Skibbe ist neuer Trainer des Schweizer Fußball-Erstligisten Grashoppers Zürich. Der 47-Jährige erhielt einen Einjahresvertrag, der sich im Erfolgsfall automatisch um ein weiteres Jahr verlängern kann. Dies gab der Meisterschafts-Zweite der vergangenen Saison am Samstag bekannt. "Michael Skibbe hat ein starkes Auftreten und ein großes Beziehungsnetz im internationalen Fußball. Dieses kommt auch GC zugute", sagte Sportchef Dragan Rapic. Mit den Zürchern wird Skibbe in der Qualifikation zur Champions League antreten. Zuletzt hatte er den türkischen Club Kardemir Karabükspor trainiert, dem war ein kurzes Engagement in der Bundesliga bei Hertha BSC vorausgegangen. Auch Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen und Eintracht Frankfurt trainierte Skibbe bereits, 2002 führte er als Trainer im Gespann mit Teamchef Rudi Völler die deutsche Nationalmannschaft zur Vizeweltmeisterschaft. Bundesliga, Werder Bremen: Werders neuer Trainer Robin Dutt hat den zuletzt suspendierten Marko Arnautovic nicht abgeschrieben. "Warum sollte ich negativ herangehen? Ich werde mir ein eigenes Urteil bilden. Und vielleicht überrascht er uns ja", sagte er im Interview der Bild-Zeitung. Als gegnerischer Trainer habe er immer Respekt vor ihm gehabt. "An einem guten Tag kann Marko eine ganze Abwehr auseinandernehmen", lobte er den österreichischen Fußball-Profi. Arnautovic und sein niederländischer Teamkollege Eljero Elia waren nach einer nächtlichen Autofahrt Ende April von Dutt-Vorgänger Thomas Schaaf wegen Disziplinlosigkeit bis zum Saisonende verbannt worden. Die Bremer standen zu dem Zeitpunkt im Bundesliga-Abstiegskampf. "Elia und Arnautovic sind zwei spezielle Gewürze, die einem Gericht gut tun können", sagte Dutt: "Aber nicht jeder Mahlzeit. Wenn wir es gut hinbekommen, bereichern sie jedes Essen." Der 48-Jährige wollte über konkrete Saisonziele nicht sprechen. "Ich glaube, dass die Bremer Erfolg als Prozess sehen. Nicht, ob es ein, zwei Plätze nach oben geht", sagte er lediglich: "Sie wollen das Gefühl haben, da entwickelt sich etwas Positives. Etwas, das mittelfristig nach oben führt." 2. Bundesliga, Aue: Fußball-Zweitligist Erzgebirge Aue hat Torhüter Sascha Kirschstein vom Ligakonkurrenten FC Ingolstadt verpflichtet. Der 33-Jährige unterschrieb in Aue einen Zweijahresvertrag bis Juni 2015. Das teilte der Klub am Samstag mit. Über die Ablösemodalitäten vereinbarten beide Vereine Stillschweigen. "Mit Sascha bekommen wir einen Torhüter, der sowohl national als auch international eine Menge Erfahrung auf hohem Niveau gesammelt hat. Er wird unseren Kader qualitativ aufwerten", sagte Trainer Falko Götz. | https://www.sueddeutsche.de/sport/wechsel-zu-grashoppers-michael-skibbe-wird-trainer-in-zuerich-1.1697303 | mlsum-de-233 |
Für einen Abzug der Soldaten aus dem türkischen Stationierungsort ist nach Ansicht der Regierung und der Koalitionsfraktionen kein neues Votum des Bundestags nötig. | Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen spricht bei ihrem Besuch des deutschen Einsatzkontingents Counter DAESH auf der Air Base in Incirlik zu den Soldaten. Die Bundesregierung wird an diesem Mittwoch den Abzug der deutschen Tornados aus Incirlik auf den Weg bringen. Wie am Dienstag aus Regierungskreisen zu erfahren war, soll es dazu in der Kabinettssitzung keinen förmlichen Beschluss geben. Stattdessen wird angestrebt, über die Verlagerung der sechs Aufklärungs- Tornados vom bisherigen türkischen Stationierungsort Incirlik auf den jordanischen Luftwaffenstützpunkt al-Asrak "Einvernehmen zu erzielen". Was sperrig klingt, betrachtet die Regierung als ausreichende Basis, um Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) freie Hand für eine Verlegung der Soldaten zu geben. Außerdem wurde am Dienstag bekannt, dass die Bundesregierung kein neues Mandat für den neuen Standort anstrebt. Ursprünglich hatte es in der Regierung entsprechende Überlegungen gegeben, unter anderem von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD). Am Dienstag setzte sich zwischen Kanzleramt, Auswärtigem Amt und Bundesverteidigungsministerium aber die Auffassung durch, dass es keines neuen Mandats durch den Bundestag bedürfe, weil im ursprünglichen Mandat zwar der Einsatzort (der Luftraum über Syrien und seinen Anrainerstaaten), aber nicht der Stützpunkt genannt wird, auf dem die 260 Soldaten, die sechs Tornados und ein Tankflugzeug stationiert sind. Ob die Opposition das Vorgehen mitträgt, ist ungewiss Diese Auffassung wird von der Führung der Unionsfraktion geteilt, obwohl es einzelne prominente Stimmen wie die des Außenpolitikers Norbert Röttgen gibt, die ein Mandat verlangen. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann tendierte wie Gabriel zunächst ebenfalls zu dieser Position. Am Dienstagnachmittag aber signalisierten die Sozialdemokraten, dass sie die Haltung der Bundesregierung mittragen. Als wahrscheinlich gilt inzwischen, dass der Bundestag in seiner nächsten Sitzungswoche einen Entschließungsantrag verabschieden wird, in dem er die Verlegung unterstützt. Damit hätte das Parlament sein Ja signalisiert, ohne formal ein neues Mandat zu beschließen. Ob die Opposition das Vorgehen mitträgt, ist ungewiss. Grünen-Chef Cem Özdemir plädiert dafür, noch einmal neu über das alte Mandat abzustimmen. Die Linkspartei hält den Abzug für richtig, lehnt einen neuen Einsatz aber ab. Nach den Plänen der Regierung werden Außenminister Gabriel und Verteidigungsministerin von der Leyen am Mittwoch im Kabinett über Gabriels jüngste Reise in die Türkei und die Vorbereitungen für eine Verlegung berichten. Anschließend wird das Kabinett der Ministerin einvernehmlich den Auftrag erteilen. Dabei setzt die Regierung darauf, dass der Prozess schnell vonstatten geht, um als Partner in der Anti-IS-Koalition nicht allzu lange auszufallen. Nicht wenige in der Bundesregierung befürchten, dass Deutschland ausgerechnet in der Phase abseits stehen könnte, in der die Allianz ihren geplanten Angriff auf die wichtigste IS-Hochburg im syrischen Raqqa startet. Deshalb ist die Bundesregierung froh über das Signal aus Ankara, dass die türkische Seite der Bundeswehr beim Umzug - bislang - keine Steine in den Weg legen möchte. | https://www.sueddeutsche.de/politik/tuerkei-kabinett-will-abzug-der-bundeswehr-aus-incirlik-billigen-1.3535466 | mlsum-de-234 |
Bewerber geben freiwillig private Informationen in die Online-Formulare von Unternehmen und Stellenbörsen ein. Was geschieht mit all den Angaben? | Nur ein paar Klicks und schon ist die Sache erledigt: Die deutsche Telekom bietet Kandidaten auf Jobsuche eine App an, mit der sie ihr Profil aus einem Karrierenetzwerk wie Xing oder Linked-in in den Bewerberpool des Unternehmens übertragen können. Auch die Bayer AG will Ende des Jahres eine Anwendung herausbringen, mit der Bewerber entweder direkt in ihr soziales Netzwerk verlinken oder der Firma einmalig Unterlagen aus der Cloud zur Verfügung stellen. Bewerben im digitalen Zeitalter ist einfach geworden. Ohne Kosten für Porto, Foto oder Mappe können Jobsuchende ihr Profil beliebig weit streuen. Doch was passiert eigentlich mit all den persönlichen Angaben, die so auf den Servern unzähliger Unternehmen landen? Da personenbezogene Daten unter das Bundesdatenschutzgesetz fallen, sind Firmen verpflichtet, verantwortungsvoll mit ihnen umzugehen. Das gilt schon lange, nicht erst in Zeiten der Internetbewerbung. Großunternehmen, die über die entsprechenden Ressourcen verfügen, gehen hier mit gutem Vorbild voraus. Bei der Hamburger Otto Group zum Beispiel werden alle Papierbewerbungen eingescannt, ins Bewerbermanagement-System eingepflegt und dann in ihrer Papierform vernichtet oder zurückgeschickt. Für E-Mail-Bewerbungen gibt es ein Postfach, das verschlüsselte Mails in Empfang nimmt und auf das nur eine Person Zugriff hat - ebenfalls mit dem Zweck, die Mails in den Bewerberpool zu überführen. Sind sie dort erst einmal angekommen, greift die "Standardisierung der Wäschekörbe". So nennt Bernd Schmitz, Leiter des Personalmarketings der Bayer AG, ein kompliziertes System aus Zugangsrechten, welches in seinem Unternehmen ganz ähnlich abläuft. Es regelt detailliert, welche Mitarbeiter welche Daten aus dem Pool abfragen dürfen. Um solche Prozesse korrekt zu gestalten, haben manche Arbeitgeber wie zum Beispiel die Allianz sogar einen eigenen Datenschutzbeauftragten für Human Ressources. Es gibt aber viele andere, für die der Bewerberdatenschutz keine große Rolle spielt, meint Thomas Kranig, Präsident des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht. Da werden Bewerbungsmails von Abteilung zu Abteilung geschickt, mit sensiblen Daten und Dokumenten wie Zeugnissen im Anhang. Recruiter führen Bewerber-Interviews über unsichere Skype-Verbindungen und elektronisch verschlüsselte Bewerber-Mails werden zurückgewiesen, weil sie keiner lesen kann. Nicht erlaubt, aber in der Praxis üblich. "Die Gesetzgebung wird hier oft nicht ernst genommen", sagt Kranig. | https://www.sueddeutsche.de/karriere/bewerbung-suche-job-biete-daten-1.3762322 | mlsum-de-235 |
Premier Netanjahu ist erfreut über die Entlassung des Spions Jonathan Pollard in den USA. Jetzt will er ihn nach Israel holen. | Keine Fanfaren, kein großer Bahnhof, nur Dunkelheit empfing Jonathan Pollard, als er am Freitag mitten in der Nacht vor die Tore des Gefängnisses von Butner, North Carolina, trat. 30 Jahre, exakt 10 956 Tage, hat er abgesessen wegen Spionage. Besonders schwer wog dieser Fall, weil er nicht für den Feind spionierte, sondern für einen der engsten Verbündeten der USA: für Israel. Als Nachrichtenoffizier der US-Marine lieferte er dem Mossad die Geheimpapiere gleich kofferweise. In den USA gilt er deshalb als Verräter. In Jerusalem aber versetzte die nächtliche Nachricht Premier Benjamin Netanjahu in pathetische Hochstimmung: "Das israelische Volk begrüßt die Freilassung von Jonathan Pollard", erklärte er. "Von diesem Tag habe ich lange geträumt." Netanjahu befeuert damit den Heldenmythos, der sich um den heute 61-jährigen Pollard rankt. Dabei hatte sich Israel anfangs alles andere als dankbar gezeigt für die Dienste dieses jüdischen Texaners, der es als seine "moralische Pflicht" bezeichnete, den jüdischen Staat vor Bedrohungen aus der arabischen Welt zu warnen. Gewiss, er hatte Geld und Schmuck erhalten für seine Informationen. Doch als er am 21. November 1985 in die Washingtoner Botschaft Israels flüchten wollte, weil ihm die Ermittler auf den Fersen waren, blieb die Pforte fest verriegelt. Er wurde festgenommen und zwei Jahre später zu lebenslanger Haft verurteilt. Netanjahu will den Agenten unbedingt ins Gelobte Land holen Drei Jahrzehnte lang hat dieser Fall das amerikanisch-israelische Verhältnis belastet - erst wegen des Verrats, dann wegen Israels beharrlicher Forderung, den Verräter frei zu lassen. Noch als Oppositionschef wirkte Netanjahu darauf hin, ihm 1995 die israelische Staatsbürgerschaft zu verleihen, 2002 besuchte er ihn im Gefängnis. Der Mann mit dem Zottelbart wurde zur Ikone der Rechten aufgebaut, Siedlungen ernannten ihn zum Ehrenbürger, Unterstützerkomitees trommelten für seine Entlassung. Vor anderthalb Jahren wurde Pollard sogar zum Joker im Friedensprozess, als die USA erfolglos seine Freilassung im Gegenzug für israelische Zugeständnisse anboten. Dass er nun entlassen wird, werten manche als Trost für Israel nach dem Atomabkommen mit Iran. Offiziell wird das natürlich dementiert. Die Entlassung ist allerdings an strenge Bewährungsauflagen geknüpft. Pollard darf mindestens fünf Jahre die USA nicht verlassen. In New York wurde für ihn eine Wohnung angemietet, ein erstes Foto aus dem neuen Heim fand am Freitag gleich Verbreitung. Auch einen Job soll er bereits in Aussicht haben als Analyst bei einer Finanzfirma. Doch in Israel werden schon alle Hebel in Bewegung gesetzt, ihn ins Gelobte Land zu holen. Netanjahu soll bereits bei US-Präsident Barack Obama angefragt haben. Die Hoffnung ist groß, dass die USA sich gnädig zeigen - nach 30 langen Jahren. | https://www.sueddeutsche.de/politik/israel-pathos-nach-10-956-tagen-1.2746577 | mlsum-de-236 |
Killerkommandos jagen seit seinem Amtsantritt Drogendealer. Kritik der UN daran weist der philippinische Präsident Duterte scharf zurück. | Der neue philippinische Präsident Rodrigo Duterte hat nach der Kritik der Vereinten Nationen an seinem rigorosen Anti-Drogenkampf mit einem Austritt seines Landes aus der Staatengemeinschaft gedroht. Er wirft den UN und ihren Experten Einmischung in die inneren Angelegenheiten seines Landes vor. "Ich will euch nicht beleidigen, aber vielleicht werden wir einfach entscheiden müssen, uns von den Vereinten Nationen zu trennen", sagte Duterte in seiner Heimatstadt Davao. Der Nachrichtenagentur AFP zufolge sagte er zudem über die UN: "Wenn du so respektlos bist, Hurensohn, dann werde ich dich einfach verlassen." Seit Dutertes Amtsantritt als Präsident Ende Juni sind nach Polizeiangaben mehr als 600 mutmaßliche Drogendealer getötet worden. Niemand wurde für die Tötungen zur Rechenschaft gezogen, weil sich viele der Verdächtigen angeblich bei der Festnahme wehrten. Menschenrechtler werfen Duterte vor, Todesschwadronen zu dulden. Auch die UN-Beauftragte Agnes Callamard hatte ein Ende der "ungesetzlichen Tötungen" mutmaßlicher Drogenhändler gefordert und Duterte scharf kritisiert, weil er diese hinnehme. Die UN hätten beim Kampf gegen Hunger und Terrorismus versagt Der Präsident erhob im Gegenzug schwere Vorwürfe gegen die UN: "Wenn ihr etwas Schlechtes über mich sagen könnt, kann ich zehn Dinge (gegen Euch) dagegen halten." Die Vereinten Nationen hätten ihre Ziele bei der Bekämpfung von Hunger und Terrorismus und der Gewalt in Syrien und im Irak verfehlt, kritisierte er. Duterte war im Mai unter anderem aufgrund des Wahlkampfversprechens, die Drogenkriminalität radikal zu bekämpfen, mit großer Mehrheit zum Präsidenten der Philippinen gewählt worden. Er schwor, das mehrheitlich katholische Land mit seinen mehr als 100 Millionen Bewohnern innerhalb von sechs Monaten von Drogenkriminalität und Korruption zu befreien. Menschenrechtler werfen ihm vor, indirekt zu Verbrechen aufzurufen. Schon im Wahlkampf hatte der 71-Jährige den Einsatz von Todesschwadronen befürwortet. Bereits während seiner Zeit als Bürgermeister von Davao waren dort Hunderte Kleinkriminelle umgebracht worden, ohne dass je jemand dafür verurteilt wurde. | https://www.sueddeutsche.de/politik/anti-drogen-kampf-praesident-der-philippinen-attackiert-vereinte-nationen-1.3129889 | mlsum-de-237 |
Der FC Bayern verliert in Freiburg und greift damit in den Abstiegskampf ein. Ist das schon Wettbewerbsverzerrung? Die Spieler gehen auf die Vorwürfe nicht ein. Sie sind sauer auf sich selbst. | Es war ein recht gebrauchter Nachmittag für Robert Lewandowski gewesen in Freiburg. Nach engagiertem Beginn hatte sich Bayerns Stürmer Nummer 1 zunehmend aufgerieben gegen kompakt stehende und ebenso leidenschaftlich wie konzentriert verteidigende Freiburger. Im Verlauf des Spiels war Lewandowski mehr und mehr zu einem meist querpassenden und auch sonst eher unglücklich wirkenden Spielmacher am Rand des Strafraums geworden, um dann in der Schlussphase fast völlig abzutauchen. Doch als die dritte Niederlage der Bayern im dritten Spiel seit der rechnerisch feststehenden Meisterschaft besiegelt war, als der Meister mit 1:2 gegen Freiburg verloren hatte, da zeigte Lewandowski klare Kante. Er sprach Klartext: "Das war zu wenig heute. Wir wollen, wir müssen jetzt gegen Mainz gewinnen. Diese Serie in der Bundesliga ist nicht gut. Wir müssen jetzt wirklich Gas geben und gewinnen. Wir sind deutscher Meister und müssen das zeigen." In Freiburg haben die Bayern das tatsächlich nicht so wirklich gezeigt. Klar, sie waren überlegen, hatten einen Ballbesitzanteil von 78 Prozent, auch die Passgenauigkeit war mit 91 Prozent mehr als ordentlich. Und nach Bastian Schweinsteigers Treffer in der 13. Minute hatten die Münchner noch genug Chancen, um das Spiel vorzeitig zu entscheiden. Aber sie sind auch nicht richtig in die Zweikämpfe gekommen, waren streckenweise unkonzentriert und sind viel weniger gelaufen als die Freiburger. Und sie haben eben verloren — unglücklich, aber dennoch: schon wieder. Und dann auch noch gegen einen Abstiegskandidaten - dem durch den Sieg nun ein Pünktchen gegen Hannover reicht, um die Klasse zu halten. Vor dem Spiel war viel darüber gesprochen worden, ob es die Bayern vielleicht etwas lockerer angehen lassen würden in Freiburg. Trainer Pep Guardiola hatte ja letzten Samstag nach dem 0:1 gegen Augsburg sein Bundesliga-ist-vorbei-Mantra noch um den Zusatz erweitert, die kommenden Spiele gegen Freiburg und Mainz seien "egal. Wir haben kein Ziel mehr, wir sind schon deutscher Meister." Damit die Bayern nicht allzu sorglos dem Ende der Saison entgegentrudeln, hatte Paderborns Trainer André Breitenreiter via Sport-Bild eine besorgte Note gen München geschickt. "In so einer entscheidenden Phase sollten sie dafür sorgen, dass alle Chancen gleich bleiben. Man darf nie die Mannschaften aus den Augen verlieren, die um ihre Existenzen kämpfen", hatte er gesagt. Bitte, strengt euch an, sollte das heißen. Die Münchner hätten gegen Paderborn schließlich auch zweimal "volle Kapelle" gespielt, also sollten sie nun keine Regionalligamannschaft nach Freiburg schicken. Bitte keine Wettbewerbsverzerrung! Bayerns Sportvorstand Matthias Sammer hatte auf diese Aufrufe mit "Verständnis" reagiert und in Freiburg vor dem Anpfiff gesagt: "Dieser Verantwortung sind wir uns bewusst. Wir versuchen immer, es so optimal wie möglich zu machen. Aber wir haben auch nie gesagt, dass wir immer perfekt sind." | https://www.sueddeutsche.de/sport/bayern-niederlage-in-freiburg-boeser-vorwurf-kurz-vor-dem-urlaub-1.2480941 | mlsum-de-238 |
"Nach derzeitigem Stand" wechselt der Münchner nicht nach Leipzig, sagt der RB-Trainer. Ist dafür Schalke eine Option? Pogba fällt derweil in Uerdingen durch. | Leipzig, Sebastian Rudy: RB Leipzigs Trainer Ralf Rangnick hat einen Wechsel von Nationalspieler Sebastian Rudy vom FC Bayern München zu RB dementiert. "Ich kann allen klar noch mal sagen, Sebastian Rudy wechselt nach derzeitigem Stand bisher nicht zu Leipzig", sagte Rangnick am Mittwoch. In den zurückliegenden Wochen hatte es mehrfach Meldungen über einen Transfer gegeben. Zuletzt war auch der FC Schalke 04 als möglicher Kandidat genannt worden. Schalke, Domenico Tedesco: Der Schalke-Trainer konnte schlecht leugnen, dass er in München war. Es gibt Fotos, die dies eindeutig belegen. Doch dass ein Treffen mit Sebastian Rudy vom FC Bayern der Grund war für seinen überraschenden Besuch, bei dem der Trainer seinen Assistenten Peter Pechtold und Videoanalyst Lars Gerling im Schlepptau hatte, wollte er erwartungsgemäß nicht bestätigen. Sämtliche "Spekulationen" und "Gerüchte" werde er nicht kommentieren, sagte Tedesco am Mittwoch mit einem Lächeln. Es sei auf alle Fälle "ein Fall von Arbeit" gewesen, der ihn nach Bayern geführt habe, er sei "nicht zum Vergnügen" dort gewesen. Manager Christian Heidel bestätige kurz darauf immerhin, dass "wir Bauchschmerzen auf der linken Seite haben" und deshalb diesbezüglich "konkrete Gespräche" liefen. Das hieße: Tedesco war nicht wegen Rudy in München. Dann schon eher wegen: Juan Bernat, Linksverteidiger, FC Bayern. Oder dem etwas weiter westlich wohnenden Philipp Max, Linksverteidiger, FC Augsburg. Ein Sebastian Rudy würde fraglos jeder Mannschaft guttun, doch auf der "Sechs" könnten für Schalke Zugang Omar Mascarell, Nabil Bentaleb oder Benjamin Stambouli spielen. Uerdingen, Mathias Pogba: Der ältere Bruder von Frankreichs Weltmeister Paul Pogba ist beim Probetraining des Fußball-Drittligisten KFC Uerdingen durchgefallen. "Mathias hat für einen Neuner einen guten Körper, ist groß. Aber er hat noch zu viele Kilos auf den Hüften", sagte KFC-Trainer Stefan Krämer der Bild. Der 27 Jahre alte und derzeit vertragslose Angreifer hatte zu Wochenbeginn versucht, sich beim ambitionierten Aufsteiger zu empfehlen. Er spielte zuletzt für Sparta Rotterdam. "Mathias hätte der Mannschaft nicht weiterhelfen können. Er ist schon wieder weg", sagte Krämer. | https://www.sueddeutsche.de/sport/rudy-leiptig-rangnick-1.4093797 | mlsum-de-239 |
+++ Explosion erschüttert Istanbuler Touristenviertel Sultanahmet +++ Mindestens zehn Tote, 15 Verletzte +++ Außenminister bestätigt acht deutsche Todesopfer und neun Verletzte +++ Einige der Toten sollen mit Berliner Reiseveranstalter unterwegs gewesen sein +++ | Acht Deutsche tot, neun verletzt Das historische Zentrum Istanbuls ist von einem Terroranschlag erschüttert worden. Mindestens zehn Menschen wurden getötet, 15 Verletzt. Unter den Toten sind acht Deutsche, das bestätigte Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Weitere neun Deutsche seien zum Teil schwer verletzt. Unter den Toten ist auch ein Peruaner, das meldet das peruanische Außenministerium. Neun der Verletzten sind laut Auswärtigem Amt Deutsche. Zudem sollen ein Norweger und ein Peruaner verletzt worden sein. Einige der Verletzten - auch Deutsche - sollen in kritischem Zustand in Kliniken eingeliefert und notoperiert worden sein. Einige der Toten waren mit einem Berliner Reiseveranstalter unterwegs, heißt es in einer Pressemitteilung des Unternehmens. Insgesamt war demnach eine 33-köpfige Gruppe zum Zeitpunkt des Anschlags in Istanbul. Wieviele davon unter den Toten sind, ist noch nicht bekannt. Auch die Herkunft der Reisenden in Deutschland ist nicht geklärt. In einem Amateur-Video auf der Doğan-Webseite sind mehrere Rettungswagen und Feuerwehrautos unweit des Sultanahmet-Platzes zu sehen. Bilder, die auf Twitter verbreitet werden, zeigen Polizisten, die sich ihren Weg zwischen regungslosen Körpern auf der Straße bahnen. Das Gelände um den Sultanahmet-Platz wurde kurz nach dem Anschlag weiträumig abgesperrt. Selbstmordanschlag inmitten von Touristen Medien berichten unter Berufung auf Augenzeugen, es habe sich um einen Selbstmordanschlag gehandelt. Auch Präsident Erdoğan sagte in einer Ansprache, ein syrischer Selbstmordattentäter habe den Anschlag verübt. Der Selbstmordattentäter sei als ein 1988 geborener Syrer identifiziert worden. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu macht die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) für den Anschlag verantwortlich. Der Syrer habe dem IS angehört. Auch der Nachrichtenagentur Reuters zufolge halten es türkische Sicherheitsbehörden nach Worten von zwei Insidern für "sehr wahrscheinlich", dass der IS hinter der Explosion steckt. Davutoğlu berief ein Dringlichkeitstreffen ein, an dem der Innenminister und die Chefs der Sicherheitsdienste teilnahmen. Die türkischen Behörden verhängten zudem eine Nachrichtensperre, über die sich viele türkische Medien jedoch hinwegsetzen. Der Hohe Rat des Rundfunk und Fernsehens (RTÜK) hat ein entsprechendes Schreiben mit der Unterschrift des Vize-Ministerpräsidenten Numan Kurtulmuş auf seiner Internetseite veröffentlicht. Eine ebensolche Nachrichtensperre wurde auch nach dem verheerenden Anschlag in Ankara verhängt. Der Sultanahmet-Platz liegt auf der europäischen Seite der Millionenstadt. Dort befinden sich unter anderem die Sehenswürdigkeiten Hagia Sophia und die Blaue Moschee. Dem Nachrichtensender CNN Türk zufolge soll sich die Detonation auf dem Gelände des antiken Hippodroms in unmittelbarer Nähe eines von zwei Obelisken ereignet haben. Ganz in der Nähe befindet sich auch der "Deutsche Brunnen". Die Explosion soll bis in angrenzende Stadtviertel zu hören gewesen sein. Das Auswärtige Amt rät inzwischen "dringend", Menschenansammlungen in Istanbul zu meiden. Reaktionen auf den Anschlag Kanzlerin Merkel äußerte sich zu dem Anschlag: "Die Terroristen sind Feinde aller freien Menschen, ja, sie sind Feinde aller Menschlichkeit", sagte sie. Die Kanzlerin betonte: "Genau diese Freiheit und unsere Entschlossenheit, gemeinsam mit unseren internationalen Partnern, gegen diese Terroristen vorzugehen, werden sich aber durchsetzen." Möglicherweise könne es noch weitere Todesopfer geben. "Wir können zur Stunde noch nicht wissen, ob es bei dieser Zahl bleibt." "Wir stehen in diesen Stunden fest an der Seite der Türkei", sagte Außenminister Steinmeier. Man stehe zur Aufklärung des Anschlags in engstem Kontakt mit den türkischen Behörden. Präsident Erdoğan sagte bei seiner Ansprache: "Ich protestiere zutiefst gegen diesen Terror. Dieser Anschlag zeigt noch einmal, dass wir in Einigkeit dem Terror entgegentreten müssen." Er sagt außerdem, dass gerade die Türkei das erste Ziel aller aktiven Terrororganisationen sei. Der ehemalige türkische Präsident Abdullah Gül drückte sein Mitgefühl für die Familien der Opfer und appellierte an das Volk: "Unsere Bürger sollten nun die Regierung und den Staat unterstützen." Die USA verurteilen den Terroranschlag auf das Schärfste. "Dieser abscheuliche Angriff in Istanbuls historischem Herzen hat Türken und ausländische Touristen gleichermaßen getroffen", erklärte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates Ned Price in Washington. Die USA stünden an der Seite der Türkei als ihrem starken Verbündeten, Nato-Partner und geschätzten Alliierten im Kampf gegen den Islamischen Staat. Auch und gerade angesichts der Attacke von Istanbul versprächen die USA ihre andauernde Unterstützung im Kampf gegen den Terrorismus. Die Europäische Union hat der Türkei ihre Unterstützung im Kampf gegen den Terror zugesagt. Beide Seiten müssten noch mehr gegen extremistische Gewalt tun, erklärte EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini. Es handele sich um ein "verachtenswertes Verbrechen", sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon laut Mitteilung. Den Angehörigen der Opfer sprach er sein Beileid aus und forderte, dass die Verantwortlichen für den Anschlag zur Rechenschaft gezogen werden müssten. | https://www.sueddeutsche.de/politik/anschlag-in-istanbul-acht-der-todesopfer-in-istanbul-sind-deutsche-tuerkei-verdaechtigt-is-1.2814412 | mlsum-de-240 |
Eklat um Glyphosat: Die Bundesregierung ist heillos zerstritten. Das stellt auch die Neuzulassung des von vielen gefürchteten Pestizids infrage. | Die Neuzulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat steht überraschend auf der Kippe. Nach neuen Auseinandersetzungen innerhalb der Bundesregierung muss sich Deutschland - bislang als Zünglein an der Waage gehandelt - bei der entscheidenden Abstimmung kommende Woche auf EU-Ebene enthalten. Am Donnerstag wurde bekannt, dass Umweltministerin Barbara Hendricks und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sowie die beteiligten SPD-Minister einen ausgehandelten Kompromiss der großen Koalition aufgekündigt haben. Da nur das CSU-geführte Landwirtschaftsministerium den Stoff erlauben will, muss sich die Bundesregierung in Brüssel enthalten. Damit ist unklar, ob es eine Verlängerung für Glyphosat in Europa geben wird. "Es dürfte eine Herausforderung werden, dafür die Mehrheit zu bekommen", verlautete am Donnerstag aus der Bundesregierung. Frankreichs Umweltministerin Ségolène Royal hat bereits vergangene Woche angekündigt, dass das große EU-Land am 18. Mai gegen das Pestizid stimmen wird. Ein erster Abstimmungsversuch war im März gescheitert, weil sich die Mitgliedsländer uneinig waren. Brüssel will den Stoff für neun Jahre zulassen, ohne große Einschränkungen Grund für den Streit um das meistverkaufte Pestizid der Welt sind vor allem ungeklärte Risiken. Während etwa Experten der Weltgesundheitsorganisation Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend" für Menschen einstufen, kommen die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) und das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zu der Einschätzung, es sei bei sachgerechter Anwendung nicht gesundheitsschädlich. Weitere Risikobewertungen laufen derzeit noch, etwa die der europäischen Chemikalienbehörde Echa. Umweltministerin Hendricks bekräftigte ihre ablehnende Haltung: "Vor dem Hintergrund nach wie vor bestehender Unsicherheiten über die gesundheitlichen Risiken von Glyphosat werden die SPD-geführten Ressorts einer Verlängerung für die Zulassung von Glyphosat nicht zustimmen." Umweltschützer begrüßten die Entscheidung. "Das ist ein starkes Signal für den Umwelt- und Verbraucherschutz in Europa", sagte BUND-Vorsitzender Hubert Weiger. In Berlin löst der Schwenk der SPD-Ministerien im Ressort von Agrarminister Christian Schmidt (CSU) dagegen großen Ärger aus und könnte einen neuen Streit in der Regierung entfachen. Nach Angaben aus Kreisen der beteiligten Ministerien hatte die SPD-Fraktion auf ihrer jüngsten Sitzung Druck auf die eigenen Minister ausgeübt, der in der Öffentlichkeit umstrittenen Zulassung schärfer entgegenzutreten. Zumindest das Wirtschaftsministerium habe bis vor kurzem noch erklärt, keine Einwände gegen eine Neuzulassung zu haben, hieß es in Berlin. "Ich habe überhaupt kein Verständnis für die "Rolle rückwärts" der Kollegen Gabriel und Hendricks", sagte Agrarminister Schmidt. Es habe eine gemeinsame Position gegeben. Für die EU-Kommission würde eine Enthaltung Deutschlands einen herben Rückschlag bedeuten. Sie hatte gehofft, ihr neuer Vorschlag werden auf breite Zustimmung stoßen. Dieser sieht vor, Glyphosat für neun anstatt 15 Jahre zuzulassen - ohne größere Einschränkungen, wie sie zuletzt das Europäische Parlament gefordert hat. Die Abgeordneten wollten unter anderem untersagen, dass das Mittel in öffentlichen Parks, auf Kinderspielplätzen, auf Schulgeländen und Bahnanlagen eingesetzt wird. Ein klares Verbot sieht die Vorlage der Kommission nicht vor. Darin heißt es lediglich, die Länder sollten darauf achten, den Einsatz in diesen sensiblen Bereichen "zu minimieren oder zu verbieten". Klare Auflagen für den Einsatz in der Landwirtschaft enthält der Vorschlag ebenfalls nicht. Der besonders umstrittene Einsatz kurz vor der Ernte, um etwa die Reife von Getreide zu beschleunigen, bleibt weiterhin erlaubt. Auch hier beschränke sich der Vorschlag auf unverbindliche Empfehlungen, kritisiert der EU-Abgeordnete Martin Häusling von den Grünen. Theoretisch könnte sich die EU-Kommission auch über ein ablehnendes Votum der Länder hinwegsetzen, so sehen es die Regularien vor. Die Regierung in Brüssel hat jedoch in der Vergangenheit anklingen lassen, dass sie ihre Mitglieder in dieser Frage nicht übergehen werde. Eine Abstimmung werde es nächste Woche nur geben, wenn sich eine klare Mehrheit für eine Neuzulassung abzeichne, teilte die Kommission am Donnerstag auf Anfrage mit. Bauernverbände und Hersteller drängen unterdessen auf eine Genehmigung. Für die Landwirtschaft sei das Pestizid ein unverzichtbares Hilfsmittel, heißt es dort. Doch die Produzenten stehen unter Druck, Rückstände des Mittels lassen sich inzwischen in vielen Lebensmitteln nachweisen. Die Entscheidung Brüssels über die Zukunft von Glyphosat wurde deshalb auch immer wieder zur Entscheidung über künftige Methoden der Landwirtschaft erklärt. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/glyphosat-zulassung-auf-der-kippe-1.2991160 | mlsum-de-241 |
Nach dem Scheitern des Referendums über den Friedensvertrag in Kolumbien hat Präsident Santos keine Zeit verloren, ein neues Abkommen auszuhandeln. Es muss noch das Parlament passieren. | Menschen tanzen auf den Straßen der kolumbianischen Hauptstadt Bogota. Sie feiern die Einigung auf den zweiten Friedensvertrag für das Land, nachdem das erste Abkommen vor sechs Wochen bei einem Referendum durchfiel. Sechs Wochen ist es her, dass der Frieden in Kolumbien völlig überraschend an einem Referendum scheiterte. Doch Präsident Juan Manuel Santos hat nicht aufgegeben. Mit dem Friedensnobelpreis im Rücken hat seine Regierung nun mit den Rebellen der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) einen neuen Vertrag ausgehandelt, der den Kritikern der alten Version entgegenkommt. Nicht nur in Kolumbien war darüber bei vielen Menschen, die nach fünf Jahrzehnten Bürgerkrieg auf Frieden hoffen, Erleichterung zu spüren. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, offenbar noch immer unter dem Trump-Schock, sagte am Sonntag: "In einer Welt aus den Fugen ist die neue Einigung auf einen Friedensvertrag in Kolumbien ein Zeichen der Hoffnung." "Wir haben einen neuen Vertrag für alle erreicht", sagte Präsident Santos. Er betonte, dass mehr als 500 Änderungsvorschläge von allen gesellschaftlichen Gruppen eingegangen seien; eine besondere Rolle spielten Geistliche, oft die einzigen, denen sowohl Rebellen wie Regierung vertrauen. Auch mit seinem härtesten Widersacher, dem Ex-Präsidenten Álvaro Uribe, hat Santos sich getroffen. Sein Vorgänger und früherer Chef bestand auf einer sehr viel härteren Gangart gegenüber den Rebellen. Uribe sagte nun, er brauche Zeit, um den neuen Vertrag zu prüfen. Farc-Verhandlungsführer Ivan Márquez betonte, die Guerilla habe viele Zugeständnisse gemacht. "Das neue Friedensabkommen ist ein Sieg für Kolumbien", fügte er hinzu. Besonders umstritten war die Aburteilung von Kämpfern. Dafür soll es Sondergerichte geben, die maximal acht Jahre Haft verhängen. Das war Uribe zu weich. Landreform und Entschädigung der Opfer Laut der neuen Version soll sichergestellt werden, dass die Verurteilten ihre Strafen wirklich im Gefängnis verbüßen und nicht in einer Art Arrest. Außerdem soll die Möglichkeit, Widerspruch gegen Urteile einzulegen, erweitert werden. Neben einer Landreform sieht der neue Vertrag eine Entschädigung der Opfer vor. Die Guerilla muss dafür ihr gesamtes Vermögen offenlegen. Der schwierigste Punkt aber bliebt eine politische Beteiligung der Rebellen. Die Kritiker lehnen ab, dass Farc-Kämpfer künftig als Abgeordnete im Kongress sitzen. "Ich sage es mit aller Offenheit. In diesem Punkt haben wir keine Einigkeit erreicht", gab Santos zu. Eine neue Volksabstimmung wird der Präsident wohl kaum riskieren, die Zustimmung des Parlaments reicht. Auch in diesem Punkt muss er auf harte Kritik gefasst sein. | https://www.sueddeutsche.de/politik/kolumbien-mit-gottes-hilfe-1.3247316 | mlsum-de-242 |
Bis 2016 soll die Hälfte der Güterzüge in Deutschland mit neuen, leisen Bremsen ausgestattet sein - sonst drohen Nachtfahrverbote und Tempolimits. Die könnten aber Millionen zusätzliche Lkws auf die Straßen treiben. | Man muss sich das mal ernsthaft vorstellen: Jede Nacht geht alle drei Minuten einen Meter vom Bett entfernt ein Drucklufthammer los. Was nach Albtraum klingt, ist unerträgliche Realität für viele Anwohner im Rheintal. Zwar ist es dort kein Drucklufthammer, der sie vom Schlafen abhält, dafür sind es unzählige Güterzüge, etwa alle drei Minuten einer. In der Spitze erreichen sie mehr als 100 Dezibel. So wie im Rheintal leben in ganz Deutschland Tausende Menschen in der Nähe von Güterzugstrecken. Sie alle leiden darunter, dass ihnen ein tiefer, erholsamer Schlaf nicht möglich ist - mit allen gesundheitlichen Folgen, die damit verbunden sind. Güterzüge sind deshalb besonders laut, weil die meisten von ihnen noch mit den alten Graugussbremsen ausgestattet sind. Diese rauen die Räder bei jedem Bremsvorgang auf, sodass der Zug insgesamt laut wird, selbst wenn er nicht bremst. Doch im Koalitionsvertrag gibt es eine Passage, die den lärmgeplagten Anwohnern Hoffnung macht. Sinngemäß lautet sie: Bis 2020 wolle man den Schienenlärm in Deutschland halbieren. Bis 2016 bereits müsse die Hälfte aller Güterzüge auf leise Bremsen umgerüstet sein. Gelinge das nicht, würden Nachtfahrverbote oder Geschwindigkeitsbegrenzungen angeordnet. Das klingt ganz danach, als sei ein Ende der Not in Sicht, schließlich sind es bis 2016 nur gut 14 Monate. Doch die Hoffnung trügt. Betreiber und Verleiher von Güterwagen sagen mittlerweile einhellig: Das Ziel, bis 2016 die Hälfte aller Züge auf sogenannte Flüsterbremsen umzurüsten, ist unerreichbar - schon allein deshalb, weil gar nicht genügend leise Bremsen hergestellt werden. Millionen zusätzliche Lkw-Ladungen Sollte die Regierung dann wirklich, wie angekündigt, Nachtfahrverbote und Geschwindigkeitsreduzierungen anordnen, wäre das für die Anwohner zwar eine Erleichterung. Es hätte aber andere schwerwiegende Folgen. Das zeigt eine Studie, die der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), der Verband der Güterwagenhalter in Deutschland (VPI) sowie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in Auftrag gegeben haben und die an diesem Montag veröffentlicht wird. Das Ergebnis: Dürften Güterzüge von 22 bis sechs Uhr statt durchschnittlich mit 100 nur noch mit 70 Kilometern pro Stunde fahren, könnten im Lauf einer Nacht über alle Strecken betrachtet 20 Prozent weniger Züge fahren als bisher. Das wiederum hätte zur Folge, dass in Zukunft "vier Millionen zusätzliche Lkw-Ladungen pro Jahr benötigt würden", schreiben die Experten des privaten Beratungsunternehmens Via Consulting & Development, das auch für das Eisenbahn-Bundesamt arbeitet. Würde zudem ein Nachtfahrverbot für laute Züge verhängt, müsste "ein Großteil der Güterzüge entfallen, da ihre Einbindung in den Tagesfahrplan nicht möglich ist". Soll heißen: Man kann die vom Nachtfahrverbot betroffenen Güterzüge nicht stattdessen einfach tagsüber fahren lassen, denn tagsüber werden die Trassen vom Personenverkehr genutzt. "Außerdem sind unsere Logistikketten darauf ausgerichtet, dass Güter morgens ankommen", sagt Dieter Schweer, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung. Andererseits kann man aber auch nicht einfach alles auf Lkws verladen. "Erze und Kohle beispielsweise können nicht per Lkw transportiert werden. Und was ist mit Gefahrgut?", fragt Schweer. "Wollen wir wirklich, dass das in Zukunft über unsere Straßen transportiert wird?" Zun wenige Bremsen All diese Folgen ließen sich natürlich verhindern, wenn es der Branche doch noch gelänge, bis 2016 die Hälfte der Wagen umzurüsten. Doch das halten alle Beteiligten, darunter auch die Deutsche Bahn, für ausgeschlossen. Denn derzeit fahren 180 000 Güterwagen in Deutschland. Um die Hälfte davon umzurüsten, bräuchte man mehr als zwei Millionen Flüsterbremsen. Hergestellt werden pro Jahr aber nur etwa 300 000. "Das reicht vorn und hinten nicht", sagt VDV-Vizepräsident Joachim Berends. Doch warum produzieren die Hersteller nicht einfach mehr? "Weil für diese speziellen Bremsen nur noch eine begrenzte Zeit lang Bedarf besteht", sagt Berends. "Man kann mit ihnen alte Güterzüge umrüsten. Neue Züge aber werden schon seit einer Weile mit anderen Flüsterbremsen ausgestattet, die für den nachträglichen Einbau wirtschaftlich nicht geeignet sind." Hinzukommt, dass die ausländischen Güterzugbetreiber, die immerhin ein Drittel der durch Deutschland fahrenden Güterwagen ausmachen, "das Thema überhaupt noch nicht auf dem Schirm haben", sagt Jürgen Tuscher, Geschäftsführer des VPI. "Wenn der Bund 2016 aber den Anteil der leisen Züge evaluiert, zählt er die ausländischen Wagen mit." Seine große Sorge ist: "Wenn von 2016 an tatsächlich Nachtfahrverbote und Geschwindigkeitsbegrenzungen verhängt werden, kostet das die Güterwagen-Branche eine Menge Geld." Geld, das sie dringend benötigen würde, um die übergeordnete Zielvorgabe des Koalitionsvertrags umzusetzen: dass bis 2020 alle Züge leise sind. "Noch können wir dieses Ziel erreichen", sagt Tuscher. "Aber je mehr Steine uns in den Weg gelegt werden, umso schwerer wird es." | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/fluesterbremsen-fuer-gueterzuege-leiser-wird-s-nicht-1.2180622 | mlsum-de-243 |
Erste rote Karte im letzten Champions-League-Spiel: Juve-Torwart Buffon tritt schimpfend, aber mit Würde ab - und hat eine Empfehlung für den Schiedsrichter parat. | Was für ein Abgang: furios, ungezähmt und stolz wie ein Löwe. Von wegen Tränen, von wegen Trauer. In seinen mutmaßlich letzten Sekunden in einem Champions-League-Spiel protestierte Gianluigi Buffon, der Torwart von Juventus Turin, zunächst vehement gegen jenen Strafstoß, den der Schiedsrichter Michael Oliver gerade gegen Turin verhängt hatte. Oliver zog die rote Karte - Buffon kassierte damit den ersten Platzverweis nach 117 internationalen Einsätzen. "Ma vai a cagare", schnaubte der 40 Jahre alte Italiener dem sieben Jahre jüngeren Briten ins Gesicht, eine vermutlich auch international verständliche Einladung zur unverzüglichen Darmentleerung. Dann schritt Buffon wild mit den Händen fuchtelnd, aber erhobenen Hauptes vom Platz, unter dem Applaus des Publikums, das ihn schon vorher gefeiert hatte bei seinen drei großartigen Paraden gegen Real Madrids Angreifer. Und überhaupt zum Dank für so viele gemeinsam verbrachte große Fußballabende mit Gigi Grandezza im Bernabéu-Stadion. Der Elfmeter war gerechtfertigt, die rote Karte nicht Real Madrid gegen Juventus Turin, das ist längst ein Klassiker des europäischen Spitzenfußballs, zuletzt trugen diese beiden Teams im vergangenen Juni das Champions-League-Finale aus. Die Spanier gewannen und sind jetzt zum dritten Mal in Serie auf Titelkurs. Zuvor aber waren Gigi und seine Juve in Madrid wieder mal ein Ereignis: In 61 Minuten hatten die nach der 0:3-Klatsche im Hinspiel vorzeitig totgesagten Italiener Real die drei Gegentore heimgezahlt, hatten auf Augenhöhe gespielt, ihre ganze Klasse gezeigt. Es stand 3:0 für Juventus, die Sensation musste nur noch in die Verlängerung gehen, als in der Nachspielzeit Medhi Benatia seinen Gegenspieler Lucas Vázquez im Strafraum berührte. Oliver entschied auf Elfmeter, eine durchaus nachvollziehbare Entscheidung. Die rote Karte gegen Buffon aber: Die war einfach nur irre. Ein 33 Jahre alter Referee stellt den Juve-Kapitän vom Platz, weil der in einer emotionalen Ausnahmesituation protestiert hat und nimmt diesem Spieler so auch noch die Chance, selbst den Fehler des Kollegen Benatia wettzumachen - im Tor, gegen Cristiano Ronaldo. Für Buffon kam der Pole Szczęsny. Ronaldo traf zum 1:3, Real war weiter. "Ich will hier nicht die Entscheidung zum Elfmeter beurteilen", sagte Buffon später, als er sich etwas abgekühlt hatte, wenn auch noch nicht auf Normaltemperatur: "Aber man kann sich nicht derart zum Protagonisten aufschwingen, wenn man nicht die nötige Persönlichkeit für eine solche Bühne hat. Mensch, wenn du das nicht hast, setz dich auf die Tribüne, neben deine Frau, und iss eine Tüte Chips!" Um anschließend ... siehe oben! Diesmal fügte Buffon hinzu: "Um so etwas zu machen, muss man anstelle des Herzens einen Mülleimer eingepflanzt haben. Der hat nicht kapiert, wo er sich befand. Der hat nicht kapiert, welche Mannschaften da spielten. Der hat einen Scheiß kapiert." | https://www.sueddeutsche.de/sport/champions-league-setz-dich-neben-deine-frau-und-iss-eine-tuete-chips-1.3941350 | mlsum-de-244 |
Wer folgt auf Europas Notenbankchef Draghi? Der Bundesbank-Präsident ist im Gespräch, doch seine Berufung ist alles andere als ein Selbstläufer. | In der nun 20-jährigen Geschichte der Europäischen Zentralbank (EZB) hatte jeder Präsident seine eigene pikante Aufgabe. Der erste, Wim Duisenberg, hatte der neuen Währung Euro von 1998 an Respekt zu verschaffen in der internationalen Finanzwelt. Der zweite, Jean-Claude Trichet, musste - von der globalen Finanzkrise 2007 kalt erwischt - Europas Banken mit unbegrenzt viel Notenbankgeld versorgen. Mario Draghi, seit 2011 der dritte an der EZB-Spitze, verhinderte mit einem einzigen Satz den Kollaps der Euro-Zone, führte Nullzinsen ein und kauft bis heute Anleihen der Euro-Zone, bislang im Wert von 2,5 Billionen Euro. Die zweitwichtigste Notenbank der Welt ist also von einem Niederländer, einem Franzosen und einem Italiener geführt worden. Nur Deutschland, das wirtschaftlich stärkste Mitglied der Währungsunion, ging bei der Spitzenposition in der EZB bislang leer aus. Eigentlich scheint die Sache klar: Der nächste Zentralbankchef müsste ein Deutscher werden. Mit Bundesbankpräsident Jens Weidmann ist auch ein deutscher Kandidat im Gespräch. Doch seine Berufung ist alles andere als ein Selbstläufer. Die Staats- und Regierungschefs der EU müssen 2019 zahlreiche Top-Posten neu besetzen, darunter die neuen Präsidenten der EU-Kommission und des Europäischen Rates. In Frankfurt hört Danièle Nouy, Chefin der Europäischen Bankenaufsicht, Ende des Jahres auf. Darüber hinaus werden im EZB-Direktorium gleich vier Stellen frei. Der portugiesische Notenbank-Vizepräsident Vítor Constâncio geht Ende Mai, EZB-Chefvolkswirt Peter Praet, ein Belgier, genau ein Jahr später. Draghis Vertrag endet im Oktober 2019, und der Franzose Benoît Cœuré verlässt Europas Zentralbank Ende des kommenden Jahres. Das EZB-Direktorium verliert in relativ kurzer Zeit vier von sechs Mitgliedern. Das gab es noch nie. Die Notenbank muss in der abrupten Rochade einen Erfahrungsverlust verdauen. "Wenn in dieser Phase des Führungswechsels eine unerwartete Finanzkrise aufkäme, dann wäre eine erfahrene und gut eingespielte Führungsspitze nötig, um diese unsichere Situation optimal zu meistern", sagt der Managementberater Eberhard Hauser, Geschäftsführer von Hauserconsulting. Doch das Tagesgeschäft der Notenbank hat es auch ohne Finanzkrise in sich. Die EZB versucht, so geräuschlos wie möglich ihre lockere Geldpolitik zu straffen. Das zieht sich schon viel zu lange hin, weil die Inflation in der Euro-Zone nach Ansicht von Draghi noch zu niedrig ist. Weidmann will die umstrittenen Anleihekäufe der EZB so schnell wie möglich beenden, doch Draghi zögert noch. Der Notenbankpräsident und sein potenzieller Nachfolger sind sich nicht einig. Dieser Zwist strahlt auch nach Brüssel ab, wo das Geschacher über die Personalentscheidungen begonnen hat. Die irische Regierung hat ihren Notenbank-Chef Philip Lane offiziell ins Rennen um den Posten als EZB-Vizepräsident geschickt. Damit gibt es nun zwei Interessenten, denn auch Spanien hat offiziell einen Kandidaten ernannt: Spaniens Wirtschafts- und Finanzminister Luis de Guindos. Für Irland wäre es der erste EZB-Direktoriumsposten überhaupt, die Spanier sind seit 2012 außen vor, damals endete der Direktoren-Vertrag von José Manuel Gonzalez-Paramo. Die Euro-Finanzminister wollen schon bei ihrem nächsten Treffen am 19. Februar einen Kandidaten wählen, der nach Anhörung durch das Europaparlament und den EZB-Rat von den Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfeltreffen im März bestätigt werden soll. Eigentlich galt bei der Besetzung lange die Proporzregel, dass die Spitze des EZB-Direktoriums aus einem Nord- und Südländer bestehen soll, wobei dem Nord-Vertreter eine strenge Einstellung zur Geldpolitik, dem Süd-Länder eine lockere unterstellt wird. In den vergangenen sieben Jahren standen mit Draghi und Constâncio zwei Südeuropäer an der Spitze. Die EZB fuhr die lockerste Geldpolitik aller Zeiten. Erhöht dieser Umstand die Chancen für den strengen Weidmann? Der frühere Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel gilt als fachlich versierter Geldpolitiker, er ist im persönlichen Umgang angenehm und verbindlich, gleichzeitig kann Weidmann aber in der Sache unangenehm hart sein. Der Volkswirt hat sich in den vergangenen Jahren ein paar Mal öffentlich gegen Draghis lockere Geldpolitik gestellt, das nehmen ihm einige Politiker in Italien und Frankreich bis heute übel. Außerdem, so sieht man es dort, hätten die Deutschen ihre Chance gehabt. Der frühere Bundesbankpräsident Axel Weber galt 2011 als wahrscheinlicher Nachfolger von Trichet, doch Weber trat damals zurück, weil er Trichets lockere Geldpolitik nicht mittragen wollte. Viele der 25 EZB-Ratsmitglieder wollen die lockere Geldpolitik fortsetzen - Weidmann nicht Als EZB-Präsident müsste Weidmann den Rat der Notenbank für sich gewinnen. Doch die meisten der 25 EZB-Ratsmitglieder möchten die lockere Geldpolitik mit den niedrigen Zinsen noch lange fortsetzen - und das, obwohl Europas Wirtschaft mittlerweile so stark wächst wie seit 2007 nicht mehr. "Die geldpolitische Meinung von Weidmann ist im EZB-Rat nicht mehrheitsfähig, er wird sich damit auch als EZB-Präsident kaum durchsetzen können", sagt Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank. Die Bundesregierung werde Weidmann daher wohl nicht mit allen Mitteln durchsetzen, zumal man dafür auch einen Preis bezahlen müsste, etwa die Zustimmung zur Gründung eines Europäischen Währungsfonds. Wer könnte Draghi sonst noch beerben? Der französische Notenbankpräsident François Villeroy de Galhau und der Niederländer Klaas Knot gelten als mögliche Kandidaten. Wieder ein Franzose, wieder ein Niederländer - geht das? Und was ist mit den anderen Direktorenposten? Der EZB-Rat ist immer noch ein Männer-Club. Unter den 25 Mitgliedern sind gerade einmal zwei Frauen: Die EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger und die zyprische Notenbankchefin Chrystalla Georghadji. Das stößt EU-Parlamentariern bitter auf. Viele Abgeordnete wollen mehr Frauen im EZB-Direktorium sehen. Im Jahr 2012 hatte sich das EU-Parlament gegen die Nominierung von Yves Mersch ausgesprochen, um ein Zeichen zu setzen - pro femina. Mersch kam am Ende doch ins Amt, aber der Druck, mehr Frauen an die EZB-Spitze zu hieven, ist weiter gewachsen. Vielleicht hat der französische Staatspräsident Emmanuel Macron deshalb die ehemalige französische Verteidigungsministerin Sylvie Goulard ins Amt der Vizegouverneurin der französischen Notenbank berufen. Dort kann sie bis 2019 Erfahrung sammeln und - schwupp - haben die Franzosen eine aussichtsreiche Kandidatin für die EZB im Rennen. So geht das. Oder auch nicht. 2019 steht im Frühjahr die Europawahl an. Mit ihr ist die Postenverteilung fast aller wichtigen EU-Spitzenämter verknüpft. Die Verteilung der Top-Jobs wird im Paket beschlossen werden, wobei gemäß der Brüsseler Macht-Arithmetik alle irgendwie zum Zug kommen müssen. Linke, liberale und rechte Parteien, Frauen und Männer, große und kleine Länder - nicht zu vergessen alle Himmelsrichtungen. Bereits im Herbst steht der erste Schritt an. Dann wählen die europäischen Parteienfamilien ihre Spitzenkandidaten für die Europawahl. Ob der oder die Siegreiche aber automatisch Kommissionspräsident wird, ist längst nicht ausgemacht. Die Parteien werden sich vermutlich erst ihre Mehrheiten im EU-Parlament suchen müssen. Steht der neue Kommissionspräsident aber einmal fest, wählen die EU-Staaten danach den neuen Präsidenten des Europäischen Rates. Diese beiden Personalien haben Einfluss auf die Draghi-Nachfolge. Der neue EZB-Präsident darf auf keinen Fall aus demselben Land kommen wie einer der beiden Präsidenten im Brüsseler Europaviertel. Ein deutscher Kandidat für diese zwei Ämter ist zurzeit eher unwahrscheinlich. Von dem her wäre es gut möglich, dass Draghis Nachfolger aus Deutschland käme. Das kann so kommen. Muss es aber nicht. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ezb-widerstand-gegen-weidmann-1.3857547 | mlsum-de-245 |
Trennung, Arbeitslosigkeit, Verschuldung. Schicksalsschläge können auch zum finanziellen Risiko werden. Entscheidend ist die richtige Beratung. | Beim Betreten der Schuldnerberatungsstelle der Diakonie in Berlin-Kreuzberg blickt man auf eine Reihe Schwarz-Weiß-Fotografien. Eine zeigt Martin D., der auf seinen Schultern eine Tochter und auf dem Arm seine zweite trägt. Er wurde arbeitslos, seine Frau verließ ihn, die Schulden wuchsen, er konnte sie nicht zurückzahlen. Daneben hängt das Bild einer Frau, alleinerziehende Erzieherin, bis sie von einem Autofahrer auf dem Fahrrad angefahren wurde. Sie lag mehrere Monate im Koma und kann ihren Beruf bis heute nicht mehr ausüben. Wer bei den Beratern Rat sucht, hat meist Schicksalsschläge hinter sich, die die finanzielle Basis erschüttert haben. Die Altersvorsorge ist dabei oft das Letzte, über das sie sich Gedanken machen. Von Schicksalsschlägen ist zwar häufig in der Werbung der Finanzindustrie die Rede, wenn es darum geht, den Schaden von Unfällen oder Krankheiten abzufedern. Aber gerade Altersvorsorgeprodukte würden meist von uniformen Lebensläufen ausgehen, die es immer seltener gebe, sagt Dirk Ulbricht, Geschäftsführer des Instituts für Finanzdienstleistungen. Er kritisiert eine "mangelhafte Berücksichtigung der Wechselfälle des Lebens". Beratung ist nicht immer billig - weshalb ihn viele scheuen Wer überstürzt handele, mache jedoch schnell Fehler, die ihm finanziell noch weiter schaden könnten. Zum Beispiel, wenn jemand seine Lebensversicherung übereilt kündige, statt sie beitragsfrei zu stellen oder sich mit dem Versicherer auf eine Modifizierung zu einigen und seinen Beitrag möglicherweise so zu senken, dass er die Police in eingeschränktem Maße fortführen kann. "Ruhig Blut", lautet der Ratschlag von Ulbricht, aber natürlich sei dies für Menschen gerade nach Schicksalsschlägen sehr schwierig. Guter Rat in Altersvorsorgefragen ist rar, denn die Verkäufer von Versicherungen, Fonds und diverser anderer Produkte haben oft eher ihre eigenen Provisionen als das Wohl des Kunden im Blick. Das gilt auch in Krisensituationen. "Unabhängige Beratung" sei in solchen Fällen das A und O, sagt Axel Kleinlein, Chef beim Bund der Versicherten. Fündig würden Ratsuchende unter anderem bei Verbraucherzentralen oder unabhängigen Honorarberatern. Allerdings kostet solcher Rat bisweilen etwas, weswegen ihn dann doch viele scheuen, gerade bei knapper Kasse. Auch Kleinlein, ein dezidierter Kritiker der kapitalbildenden Lebensversicherung, rät vom überstürzten Kündigen solcher Policen im Krisenfall ab. Mal könne die Kündigung, mal das Weiterführen die richtige Lösung sein, "das muss man ganz individuell sehen". | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schicksalsschlaege-wenn-das-leben-anders-spielt-1.3105948 | mlsum-de-246 |
Neue Vorwürfe gegen Berlins CDU-Sozialsenator Czaja: Hat er Warnungen aus dem Lageso ignoriert, gar Flüchtlingsunterkünfte auf Druck von Parteifreunden verhindert? | Die Flüchtlingskrise hat uns alle kalt erwischt: So begründen der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und sein Sozialsenator Mario Czaja (CDU), das anhaltende Chaos rund um das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso). Nun erhebt die Boulevardzeitung B.Z. schwere Vorwürfe gegen den Sozialsenator: Nicht nur habe der schon lange von der sich zuspitzenden Lage gewusst. Er habe auch noch Flüchtlingsheime verhindert - um Parteifreunden einen Gefallen zu tun. Die B.Z. beruft sich auf eine Reihe von vertraulichen Dokumenten aus dem Lageso, die Czajas Verantwortung für das Chaos beweisen sollen. Bereits 2013 habe Lageso-Chef Franz Allert, der inzwischen von seinem Posten zurückgetreten ist, den Sozialsenator gewarnt, dass es bald knapp werde mit den Flüchtlingsunterkünften in Berlin. Czaja habe darauf allerdings nicht wie gewünscht reagiert, sondern vielmehr mehrere Immobilien für Tabu erklärt, schreibt die Zeitung unter Berufung auf Lageso-Mitarbeiter. Angeblich auf Drängen von CDU-Parteifreunden, die in der Gegend wohnten oder dort ihren Wahlkreis hätten. Chronologie von Chaos und Versagen Auch der Spiegel berichtete von neuen Vorwürfen gegen Sozialsenator Mario Czaja. Demnach habe der Landesrechnungshof dem Sozialsenator und der ihm unterstellten Behörde in einem internen Bericht vorgeworfen, jahrelang rechtswidrige Praktiken bei der Unterbringung geduldet beziehungsweise praktiziert zu haben. "Trotz jahrelanger Kenntnis der steigenden Flüchtlingszahlen hat die zuständige Verwaltung weder auf ministerieller noch auf operativer Ebene die Unterbringung geplant und gesteuert", heißt es dort. Das Magazin zeigt außerdem auf, wie private Unternehmer von Missmanagement und dem Chaos in der Behörde profitierten. Es sind nicht die ersten Vorwürfe gegen Czaja - der Skandal um das Lageso dauert nun schon mehrere Monate. Eine Chronologie. November 2014: Verdacht auf Vetternwirtschaft Bereits im November 2014 geriet das Landesamt für Gesundheit und Soziales anhaltend in die Schlagzeilen. Der Vorwurf: Vetternwirtschaft. Behördenchef Franz Allert soll sein Patenkind Tobias Dohmen, den Geschäftsführer einer Betreiberfirma, bei der Auftragsvergabe für Flüchtlingsheime bevorzugt haben. Ein anderer Betreiber soll zu hohe Baukosten für eine Unterkunft berechnet haben. Schon damals beklagte die Opposition das intransparente Vergabeverfahren. Sozialsenator Czaja kündigte eine Überprüfung an, nahm den Behördenchef aber in Schutz. Die Prüfung bewies dann zwar nicht die konkreten Vorwürfe gegen Allert, wies allerdings auf die intransparente Vergabepraktiken in der Behörde hin. April 2015: Erneute Vorwürfe von Vetternwirtschaft Ein knappes halbes Jahr später folgen neue Vorwürfe, diesmal gegen Lageso-Mitarbeiter. Sie sollen dem privaten Betreiber PeWoBe, der wegen mangelnder Qualitätsstandards in der Kritik stand, zu einem Millionendeal verholfen haben. Chef des Unternehmens ist Helmuth Penz, der auch in der aktuellen Spiegel-Geschichte eine wichtige Rolle spielt. Abermals weist Allert die Vorwürfe zurück. Medien berichten über ein Disziplinarverfahren. Juni 2015: Zu hohe Rechnungen, doppelte Personalkosten Eine externe Wirtschaftsprüfung ergibt, dass seitens der kritisierten Unternehmen Gierso und PeWoBe zu hohe Rechnungen gestellt, Personalkosten doppelt abgerechnet worden seien und Verträge unvollständig seien. Lageso-Chef Allert lässt daraufhin Vertragsstrafen verhängen und fordert Geld zurück. Die Rückforderungen sollen mit künftigen Leistungen verrechnet werden. Trotz der massiven Vorwürfe wurde Allert persönlich von den Wirtschaftsprüfern entlastet. Sozialsenator Czaja entzieht Allert daraufhin die Flüchtlingsunterbringung und unterstellt sie einem neuen Referat. Juli 2015: Flüchtlinge in Hostels Mehr und mehr Flüchtlinge kommen in die Hauptstadt - und das Lageso kommt mit ihrer Unterbringung nicht mehr hinterher. Die Behörde verteilt zwar Gutscheine, mit denen Flüchtlinge in Hostels übernachten können. Doch bis sie die dazugehörigen Rechnungen begleicht, dauert es lange - so dass viele Hostelbetreiber die Flüchtlinge nicht mehr annehmen wollen. Der Berliner Flüchtlingsrat wirft dem Lageso daraufhin vor, schutzbedürftige Flüchtlinge in die Obdachlosigkeit zu schicken. | https://www.sueddeutsche.de/politik/vorwuerfe-gegen-czaja-chronologie-des-versagens-am-lageso-1.2790521 | mlsum-de-247 |
Antibürgerlich und konsumkritisch, so gibt sich Papst Franziskus in seinem neuen Interviewbuch. Streitthemen wie das Frauenpriestertum fehlen, stattdessen spricht er über Haustiere, Alkohol und Raffgier. | "Vorglühen" vor Partys - also nachmittags Alkohol trinken, um abends angetrunken und ausreichend locker aufzutauchen? Der Papst hält nichts davon: "Es bedeutet, voller Illusionen anzukommen, in Begleitung eines Körpers, der einem nicht gehorcht", sagt Franziskus. Das Internet? Das hat seine guten Seiten, aber "es lässt die Jugendlichen in der Luft hängen und macht sie daher extrem flatterhaft". Schönheitsoperationen hält das Kirchenoberhaupt für eine Verwischung der eigenen Identität; die Verhätschelung von Haustieren für den schalen Ersatz fehlender Menschenliebe. Junge Leute sollten ausreichend verdienen, dürften aber nicht der Raffgier verfallen und erst recht nicht der Korruption - "als ob sich das Geld in Seelennahrung verwandeln würde". Ein freundlicher und lebenskluger älterer Herr von 81 Jahren gibt den jungen Leuten einen Sack voller Lebensweisheiten mit auf den Weg - so lesen sich die vorab veröffentlichten Zitate des Interviews, das der 32-jährige italienische Schriftsteller und Journalist Thomas Leoncini mit Papst Franziskus geführt hat und das an diesem Dienstag in zehn Sprachen veröffentlicht wurde, auf Deutsch mit dem Titel "Gott ist jung". Und tatsächlich zieht sich durch das Buch ein locker plaudernder Ton, bei dem der Papst seinen Frager ein bisschen kumpelhaft duzt, woraufhin der auf allzu kritische Fragen zur katholischen Kirche verzichtet, weshalb sich dort nichts zu den gegenwärtigen Streitthemen wie Sexualmoral oder Frauenpriestertum findet. Doch man erfährt auf den 140 Seiten Gespräch einiges über den Papst aus Argentinien, über seinen Blick auf Junge - und darüber, wie er die Zukunft seiner Kirche sieht. Schon das Zitat, das der Papst dem Buch voranstellt, dürfte strengen Katholiken den Atem stocken lassen - geschrieben hat es im 19. Jahrhundert Walt Whitman, der schwule amerikanische Dichter: "Jugend, groß, lustvoll, liebend - Jugend voller Anmut, Stärke, Bezauberung. Weißt du, dass nach dir das Alter kommen könnte mit gleicher Anmut, Stärke, Bezauberung?" Jugendliche sollen hinausgehen, zu "Antikonformisten" werden, sagt das Kirchenoberhaupt Jugendliche und junge Erwachsene sollen, so der Papst, in besonderer Weise vorwärtsdrängend sein; sie seien "vielleicht sogar die wichtigsten Propheten der Welt". Sie sollen hinausgehen, die Welt verändern, zu "Antikonformisten" werden und eine "Revolution der Zärtlichkeit" anzetteln, gegen Atomwaffen eintreten und für den Umweltschutz. Franziskus zitiert den Psychoanalytiker Erich Fromm: "Der moderne Kapitalismus braucht Menschen, die in großer Zahl reibungslos funktionieren" - und dabei sollen die jungen Leute nicht mitmachen. Zugleich sieht Franziskus gerade Jugendliche bedroht von der zunehmenden Verzweckung des Menschen und den Ungerechtigkeiten der Welt; gerade sie würden häufig zu "Weggeworfenen", sagt er. Der Papst kritisiert die niedrigen Geburtenraten in Europa und dass eine von Abstiegsängsten geplagte Mittelschicht ihren Zorn nicht nach oben, sondern nach unten richte, gegen die Armen, die Flüchtlinge. Es ist ein ziemlich antibürgerlicher und kapitalismus- und konsumkritischer Papst, der in dem Buch auftritt, einer, der die Generation, die in ein paar Jahren die Welt bestimmen wird, an die Gefahren jeder Machtausübung erinnert - und seine Weihnachts-Gardinenpredigt an die Kurie von den 15 Krankheiten der allzu Ehrgeizigen wiederholt, unter anderem Narzissmus, übertriebener Arbeitseifer, Planungswahn, Geltungssucht, Griesgrämigkeit und "spirituelles Alzheimer". Kein Zufall, dass das Interviewbuch zeitgleich zu einem großen Treffen im Vatikan herauskommt, bei dem mehrere Hundert meist junge Delegierte die Bischofssynode zum Thema Jugend vorbereiten sollen, die im Herbst stattfinden wird. Am Montag besuchte Franziskus das Treffen, plauderte und scherzte mit den Teilnehmern dieser Vorsynode. Schön und gut, dass der Papst zuhöre, sagte die deutsche Delegierte Alina Öhler der Deutschen Presse-Agentur, denn "viele Frauen entfernen sich von der Kirche, weil es für sie eine Institution alter Männer ist". Deshalb solle man auch im Herbst nicht nur die Bischöfe in Rom versammeln, sondern auch junge Menschen einladen. Nimmt man die Aussagen des Papstes in seinem Interviewbuch ernst, müsste er das genauso sehen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/vatikan-altersweisheiten-fuer-junge-leute-1.3914159 | mlsum-de-248 |
Der Bundestagspräsident lehnt den von Wolfgang Schäuble verhandelten Kompromiss zu den Bund-Länder-Finanzen ab - aus Angst um den Föderalismus. | In der Unionsfraktion ist es am Donnerstag zu einer der ungewöhnlichsten Auseinandersetzungen seit Jahren gekommen. Überraschend stellte sich in der Sitzung Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) gegen den von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verhandelten Kompromiss zu den Bund-Länder-Finanzen. Lammert kündigte sogar an, im Parlament gegen den Kompromiss stimmen zu wollen. Der Bundestagspräsident sieht durch die Neuregelungen den deutschen Föderalismus in Gefahr. Selbst altgediente Abgeordnete konnten sich nach der Sitzung nicht an ein vergleichbaren Konflikt zwischen den Granden der Fraktion erinnern. Lammert sitzt seit 37 Jahren im Bundestag, seit 2005 ist er dessen Präsident. Schäuble ist der dienstälteste Abgeordnete in der Geschichte des Parlaments, er gehört ihm bereits seit 1972 an. Die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzen ist eines der größten Projekte der vergangenen Jahrzehnte. Sie beinhaltet auch 13 Grundgesetzänderungen. Die Bundesregierung und die Länder hatten sich im Oktober 2016 nach langen Verhandlungen auf eine Neuordnung ihrer Finanzbeziehungen verständigt. Der Länderfinanzausgleich in seiner jetzigen Form soll abgeschafft werden. Dafür bekommen die Länder, und hier vor allem die "ärmeren", deutlich mehr Geld vom Bund. Im Jahr 2020 soll dieser Zuschuss 9,75 Milliarden Euro betragen - in den folgenden Jahren steigt er weiter. Der Bund bekommt dafür mehr Eingriffsrechte, etwa bei Fernstraßen, in der Steuerverwaltung und bei Investitionen in Schulen. Durch eine Änderung des Grundgesetzes kann der Bund künftig finanzschwache Kommunen etwa bei der Sanierung von Schulen unterstützen. Damit wird das sogenannte Kooperationsverbot im Grundgesetz aufgebrochen, das bisher direkte Hilfen des Bundes weitgehend untersagt. Für die Neuregelung ist auch eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und damit die Unterstützung der Koalitionsfraktionen notwendig. Die Spitzen der Fraktionen hatten am Mittwoch ihren Dissens über letzte Details beigelegt. Am Donnerstag kam die Unionsfraktion zu einer Sondersitzung zusammen, um darüber zu beraten. Lammert sagte dabei, die Änderung des Kooperationsverbots heble einen Grundpfeiler des Föderalismus aus, wonach die Länder verantwortlich für die Schulen seien. Auch die Abschaffung des Finanzausgleiches in seiner jetzigen Form, in dem sich die Länder vor allem untereinander helfen, schwäche den Föderalismus. Außerdem würden jetzt zu viele Änderungen, die in einfachen Gesetzen geregelt werden sollten, im Grundgesetz verankert. Schäuble hatte den Kompromiss zuvor verteidigt und dabei auch auf Zwänge hingewiesen, unter denen man gestanden habe. So hätten sich die Länder mit 16 zu null auf eine Lösung verständigt - diese wieder aufzubrechen sei praktisch unmöglich. Zudem seien die Sozialdemokraten nach den drei Niederlagen bei Landtagswahlen in einem Zustand, in dem das Risiko bestehe, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt gar nicht mehr kompromissbereit gewesen wären. Die Abstimmung soll nun erst in zwei Wochen stattfinden Fraktionschef Volker Kauder wies darauf hin, dass die geplante Neuregelung bereits Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) geholfen habe, Ministerpräsidentin des Saarlandes zu bleiben, da der Kompromiss dem finanzschwachen Land viel Geld bringe - was Kramp-Karrenbauer im Wahlkampf als ihren Verhandlungserfolg habe darstellen können. Auch eine Regierung Armin Laschets (CDU) in Nordrhein-Westfalen sei für einen guten Start auf das Geld aus der Neuregelung angewiesen. Um die Situation in der Fraktion zu beruhigen, verzichtete Kauder darauf, die Abgeordneten gleich über die Neuregelung abstimmen zu lassen. Dies soll jetzt erst in der nächsten Sitzung in zwei Wochen geschehen. Dabei wird, trotz der Unzufriedenheit vieler Abgeordneter, mit einem positiven Votum gerechnet, da jeder Änderungswunsch das gesamte Paket zum Scheitern bringen würde. | https://www.sueddeutsche.de/politik/bund-laender-finanzen-lammerts-kampfansage-an-schaeuble-1.3511874 | mlsum-de-249 |
Die Munich Cowboys haben sich zu einem finanziellen Kraftakt entschlossen und einen weiteren Quarterback geholt: Dylann Rauch soll für die verletzten Spielmacher der Münchner einspringen - vielleicht schon am Samstag. | Gut möglich, dass es gleich zur Begrüßung am Münchner Flughafen einen kleinen Rüffel geben wird. Bei den Munich Cowboys sind sie vorsichtig geworden, eine Spielerverpflichtung bekannt zu geben, ehe der Vertrag unterschrieben und die betreffende Person wirklich gelandet ist. Doch Dylann Rauch, der neue Spielmacher des Football-Bundesligisten, hat schon vor seinem Abflug aus Madison im US-Bundesstaat Wisconsin auf einer einschlägigen Spieler-Website gepostet, dass er zu den Cowboys nach München wechseln wird. Schon am Samstag könnte er sein Debüt gegen die Comets geben Es ist verständlich, dass die Cowboys diese Verpflichtung vorsichtshalber noch nicht bestätigen wollen. Denn vergangene Woche dachten sie schon, Jake Schaefer, der Quarterback der Vorsaison, könnte zurückkehren. Doch er erhielt keine Freigabe von seiner Universität, es stehen noch Prüfungen an. Jetzt ist dennoch - so gut wie sicher - Ersatz für den seit dem ersten Spieltag verletzten Benjamin Wilkerson gefunden. Viel bekannt ist über den 24-jährigen Quarterback Dylann Rauch freilich noch nicht, immerhin, John Simon, ein Spieler der zweiten Mannschaft, kommt aus der gleichen Gegend und kennt ihn flüchtig. Planmäßig soll der athletische Spieler mit dem starken Wurfarm am Dienstag gelandet sein, und wenn bei den Behörden alles den üblichen Gang geht, könnte Rauch schon am kommenden Samstag im wichtigen Derby gegen die Allgäu Comets (Dantestadion, 16 Uhr) sein Debüt geben. Am vergangenen Wochenende war noch einmal deutlich geworden, dass die Cowboys wohl nur ein, zwei Schlüsselspieler mehr bräuchten, um endlich einmal zu gewinnen. Obwohl sie bei den Stuttgart Scorpions zwei Minuten vor Schluss wenige Meter vor der gegnerischen Endzone die große Chance zur Führung hatten, setzte es schon die dritte Saisonniederlage (Endstand 17:26). Dass es erneut knapp wurde, lag zum größten Teil an Larry Maluia. Der US-Amerikaner spielte diesmal nicht nur in der Abwehr, sondern stand auch noch als Passempfänger und als Quarterback auf dem Rasen und steuerte so zwei Touchdowns sowie einen Safety, also fast alle Punkte bei. Dem Vernehmen nach hatte Allrounder Maluia aber schon bei der Niederlage fünf Tage zuvor gegen die Ingolstadt Dukes Krämpfe gehabt - höchste Zeit also, dass er von seiner Doppel- und Dreifachbelastung entbunden wird. Interims-Quarterback Jari Koperski habe "ein paar Dinge sehr gut gemacht, ein paar Dinge aber nicht so gut", findet Cowboys-Präsident Werner Maier. Er hofft also, dass sich Rauch und Wilkerson, der voraussichtlich im Juni wieder spielen kann, gut ergänzen, zumal die Verpflichtung "budgetmäßig ein richtiger Kraftakt ist". Oder Stand jetzt: wäre. Denn bestätigt ist es ja noch nicht, dass Rauch tatsächlich ein Cowboy wird. | https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/american-football-hilfe-aus-wisconsin-1.3496467 | mlsum-de-250 |
Schwankende Brücken, vibrierende Böden, schaukelnde Ränge: Ingenieure tragen die Verantwortung dafür, dass Bauwerke bei außergewöhnlicher Belastung nicht einstürzen. | Gerade noch hatte die Hochzeitsgesellschaft ausgelassen getanzt und gefeiert. Plötzlich tat sich der Boden auf. Im Mai 2001 endete eine Hochzeitsparty im Süden Jerusalems mit einer Katastrophe: Durch die Bewegungen der Tanzenden hatte sich die Decke des Festsaals zu so großen Schwingungen aufgeschaukelt, dass sie einbrach. Durch mehrere Stockwerke stürzten Menschen in die Tiefe, wurden von herabfallenden Betonteilen getroffen und verschüttet. 24 Gäste starben, mehr als 300 wurden schwer verletzt. Eine Tragödie. "Eine der Einsturzursachen waren die dynamischen Zusatzlasten beim Tanzen", sagt Michael Kasperski. Er ist Dozent an der Fakultät für Bau- und Umweltingenieurwissenschaften der Ruhr-Universität Bochum und beschäftigt sich schon seit 1992 mit Einsturzunglücken, die durch Personen verursacht wurden, und damit, wie man sie vermeiden kann. Ursprünglich hatte er sich auf Windingenieurwesen spezialisiert, genauer gesagt darauf, welche Auswirkung die Kraft des Windes auf das statische Gesamtsystem von Bauwerken hat. Als sein Vorgesetzter vor ein paar Jahren gebeten wurde, im Fußballstadion des 1. FC Nürnberg die Oberränge der Tribünen auf ihre Schwingungsanfälligkeit zu untersuchen, startete Kasperski dort einen Feldversuch. Das Fußballstadion sollte auch für Open-Air-Konzerte genutzt werden. Für seine Untersuchungen holte Kasperski zwanzig Berufsschüler auf die Tribüne. Zu rhythmischer Musik ließ er die Jugendlichen auf der Tribüne hüpfen und maß die Schwingungen, die dabei entstanden. Als die Frequenz der hüpfenden Schüler die Eigenfrequenz des Oberrangs traf, bauten sich innerhalb weniger Sekunden riesige Schwingungen mit etwa 50 Prozent der Erdbeschleunigung auf. Die Schüler schrien vor Angst. "Für sie fühlte sich das an wie bei einer Achterbahnfahrt", sagt Kasperski. Schließlich wurden im Stadion Schwingungsdämpfer eingebaut, allerdings nicht im Bereich der Nordkurve. Das hielt man nicht für vorrangig: Bei Open-Air Konzerten sollte die Nordkurve sowieso nicht genutzt werden, da die Zuschauer von dort aus nicht auf die Bühne sehen können. Bei Fußballspielen war sie aber nach wie vor voll besetzt. Weil sich in den folgenden Jahren das Verhalten der Fußballfans änderte, kam es im Herbst 2005 fast zu einer Katastrophe. Statt eher passiv auf ihren Plätzen zu sitzen, tanzten und hüpften die Fans im Rhythmus ihrer Gesänge. "Im Herbst 2005 trafen die Fans mit ihrer Hüpffrequenz die Eigenfrequenz des Oberrangs der Nordkurve", sagt Kasperski. Teile der Betonabdeckung platzen ab und regneten auf die Zuschauer im Unterrang. Glücklicherweise wurde niemand ernsthaft verletzt. Inzwischen sorgen Stützen für mehr Sicherheit. Mit seinem Forschungsteam misst Kasperski, welche Auswirkungen hüpfende Menschenmengen auf die Statik von Gebäuden haben. "Wir haben uns von unseren Sportwissenschaftlern eine Kraftmessplatte ausgeliehen. Dort wird die Platte eingesetzt, um etwa die Schnellkraft bei verschiedensten sportlichen Aktivitäten zu bestimmen. Wir messen damit mit unglaublicher Präzision den Kraft-Zeit-Verlauf, der beim Hüpfen entsteht", sagt Kasperski. Deshalb lässt er seine Studenten zu Forschungszwecken hüpfen. Die erfassten Daten rechnen die Forscher hoch. Fußballfans lernen dazu: Am Ende der Saison hüpfen sie synchroner als am Anfang Kasperski und sein Team unterscheiden vier verschiedene Typen von Hüpfern: Erstens die rhythmisch begabten Hüpfer, die genau die Frequenz beim Hüpfen treffen, zweitens die halbwegs begabten, bei denen es bezüglich des Mittelwertes etwas hapert, außerdem die zu schnellen und die besonders langsamen. Fußballfans, hat das Forscherteam herausgefunden, trainieren unbewusst während der Saison alle vierzehn Tage das rhythmische Hüpfen in großen Gruppen. "Dadurch werden sie von Mal zu Mal besser und hüpfen immer synchroner", sagt Kasperski. "All das kann man mit unseren Forschungsergebnissen im Rechner simulieren und entsprechende Vorschläge für die Normung für Stadien ausarbeiten." Leider gebe es für deutsche Stadien keine Normen, die dynamische Lasten durch hüpfende Fans berücksichtigen würden, sagt Kasperski. Wer Fußballstadien neu baue, halte sich meist an die Richtlinien aus Großbritannien. Dort sei man der Meinung, Fußballfans würden nicht hüpfen. "Unsinn", meint der Bochumer Ingenieur, "hier drohen im schlimmsten Fall die nächsten Katastrophen." Brücken sind ein weiteres Forschungsgebiet von Bauingenieur Michael Kasperski. "Viele Fußgängerbrücken haben ihre eigenen, mehr oder weniger großen Schwingungsprobleme", sagt er. Wenn die Schwingungen groß genug sind, tendiere der Mensch dazu, sich der Bewegung der Brücke anzupassen. Bei vertikalen Schwingungen wechsele man unwillkürlich mit der Schrittfrequenz in die Schwingfrequenz der Brücke, bei horizontalen Schwingungen vergrößere sich die Schrittweite, ähnlich wie bei einem Seemann auf einem schwankenden Schiff. "Wozu das führen kann, hat man am Beispiel der Millennium-Brücke sehr deutlich gesehen", sagt Kasperski. Kurz nach der Fertigstellung der Londoner Fußgängerbrücke erkannte man, dass sie vor allem zur Seite hin schwankte. Passanten versuchten unwillkürlich, diese Schwankungen durch ihre eigene Bewegung auszugleichen. Die Schwingung verstärkte sich schließlich derart, dass die Menschen stehen bleiben mussten. Die Brücke wurde gesperrt, ein spezielles Dämpfersystem wurde diagonal unter den Brückenfeldern befestigt und horizontal und vertikal fixiert. "Schwingungsdämpfer beanspruchen nur einen Bruchteil der Gesamtkosten und können enorm viel bewirken", sagt Kasperski. "Für die Zukunft sollten sie daher bereits im Entwurf mit vorgesehen werden." Er kann nur hoffen, meint er, dass seine Studierenden lernen, welche große Verantwortung ein entwerfender Ingenieur trägt. | https://www.sueddeutsche.de/karriere/bauwerke-und-ihre-statik-schwingkraefte-1.2732746 | mlsum-de-251 |
Bester deutscher Tennisprofi besiegt den Kroaten Ivan Dodig in drei Sätzen, Kohlschreiber enttäuscht. Alex Rasmussen gewinnt die erste Etappe der Bayern-Rundfahrt. Die Uefa schließt den rumänischen Meister Rapid Bukarest aus dem Europapokal aus. | Tennis, Düsseldorf: Tommy Haas ist beim neuen ATP-Turnier in Düsseldorf nur mit viel Mühe ins Viertelfinale eingezogen. Die deutsche Nummer eins gewann am Mittwoch seine Auftaktpartie gegen den Kroaten Ivan Dodig mit 3:6, 6:4, 7:5. Nach 1:59 Stunden verwandelte der 35-Jährige seinen ersten Matchball. Der an Nummer zwei gesetzte Haas, der in der ersten Runde ein Freilos hatte, trifft nun auf Jarkko Nieminen. Der Finne setzte sich gegen Roberto Bautista Agut aus Spanien mit 6:4, 5:7, 6:3 durch. Überraschend ausgeschieden ist indes Philipp Kohlschreiber. Nach einem Freilos zum Auftakt unterlag der Augsburger am Mittwoch dem Niederländer Igor Sijsling mit 6:3, 3:6, 4:6. Nach gewonnenem ersten Satz verlor Kohlschreiber bei nasskaltem Wetter völlig den Faden und musste sich nach 1:30 Stunden geschlagen geben. Sijsling trifft im Viertelfinale auf den Tschechen Jan Hajek, der dem Deggendorfer Daniel Brands beim 6:1, 6:0 keine Chance gelassen hatte. Bayern-Rundfahrt: Der Däne Alex Rasmussen hat den Auftakt der 34. Bayern-Rundfahrt gewonnen und den deutschen Radprofis um Sanremo-Sieger Gerald Ciolek die Show gestohlen. Nach 193,8 Kilometern von Pfaffenhofen/Ilm nach Mühldorf am Inn behielt der Garmin-Fahrer im Sprint gegen den Briten Ben Swift (Sky) und den Spanier Juan Jose Lobato (Euskaltel) die Oberhand. Ciolek (Köln/MTN) wurde als Vierter bester Deutscher, Nikias Arndt (Buchholz/Argos) belegte Rang sechs. Rasmussen hatte erst Ende März eine 18-monatige Sperre wegen dreier verpasster Dopingtests abgesessen und daraufhin einen neuen Vertrag bei Garmin-Sharp unterschrieben. Die zweite Etappe der Bayern-Rundfahrt führt am Donnerstag über 194,5 Kilometer von Mühldorf nach Viechtach. Am Sonntag endet das höchstdotierte deutsche Etappenrennen in Nürnberg. FC Málaga, Manuel Pellegrini: Der vom entthronten englischen Fußball-Meister Manchester City umworbene Trainer Manuel Pellegrini hat seinen Abschied vom FC Málaga trotz noch eines bis 2015 laufenden Vertrages bestätigt. "Beruflich sind das hier meine letzten Stunden in Málaga. Und am Sonntag werde ich gegen La Coruna zum letzten Mal im Rosaleda auf der Bank sitzen", sagte der Chilene bei einer Ehrung am Mittwoch in der andalusischen Stadt. Für eine festgeschriebene Ablösesumme von vier Millionen Euro kann Pellegrini den Verein vorzeitig verlassen. Der 59 Jahre alte Ex-Coach von Real Madrid hatte den Klub im November 2010 übernommen und 2011/12 mit Platz vier in La Liga in die Champions League geführt. Dort scheiterte Málaga erst im Viertelfinale unglücklich an Borussia Dortmund. Uefa, Rapid Bukarest: Die Europäische Fußball-Union UEFA hat den dreimaligen rumänischen Meister Rapid Bukarest für eine Saison aus dem Europapokal ausgeschlossen. Die Sanktion wird wirksam, sobald sich der Klub in den drei kommenden Spielzeiten bis zur Saison 2015/16 für einen internationalen Wettbewerb qualifiziert. Die rechtsprechende Kammer der UEFA-Finanzkontrollkammer für Klubs (FKKK) stellte fest, dass Rapid mit Ablauf der Frist am 31. März die "beträchtlichen überfälligen Verbindlichkeiten" nicht nacherfüllt hat. Damit treten die im Dezember zunächst zur Bewährung ausgesetzten Sanktionen in vollem Umfang in Kraft. Der ukrainische Erstligist Arsenal Kiew muss aus dem gleichen Grund 75.000 Euro Geldstrafe zahlen. Sechs weitere Vereine, darunter der spanische Erstligist FC Málaga, konnten die Verbindlichkeiten zum 31. März wie auferlegt erfüllen, die zur Bewährung ausgesetzten Strafen werden daher nicht vollstreckt. Der Auschluss Málagas für die kommende Saison bleibt allerdings bestehen, über die Klage des Klubs gegen die Sperre will der internationale Sportgerichtshof CAS am 4. Juni entscheiden. Tennis, Andy Murray: Olympiasieger Andy Murray muss wegen einer Hüftverletzung auf seinen Start bei den French Open in Paris (26. Mai bis 9. Juni) verzichten. Das gab der Weltranglistenzweite aus Großbritannien am Dienstag nach einer eingehenden Untersuchung bekannt. "Das war eine wirklich schwere Entscheidung. Ich liebe es, in Paris zu spielen. Aber ich habe mir ärztlichen Rat geholt, ich bin nicht fit für einen Wettkampf", sagte Murray der britischen Nachrichtenagentur PA. Murray hatte sich die Verletzung in der vergangenen Woche in der zweiten Runde des ATP-Masters in Rom zugezogen. Im Match gegen den Spanier Marcel Granollers gab der 26-Jährige beim Stand von 3:6, 7:6 (7:5) auf. Die Sandplatzsaison verläuft für den US-Open-Champion des vergangenen Jahres ohnehin holprig. Beim Masters in Monte Carlo verlor Murray im Achtelfinale gegen Stanislas Wawrinka (Schweiz), beim Masters in Madrid scheiterte er im Viertelfinale an Tomas Berdych (Tschechien). Auch der frühere US-Open-Champion Juan Martín del Potro (Argentinien) musste seinen Start wegen einer Viruserkrankung absagen. VfL Bochum, Peter Neururer: Fußball-Zweitligist VfL Bochum hat den Vertrag mit Trainer Peter Neururer erwartungsgemäß verlängert. Der 58-Jährige erhalte einen Kontrakt bis zum 30. Juni 2015, teilte der Club am Dienstag mit. Neururer hatte die Mannschaft erst am 8. April übernommen und mit zwölf Punkten aus sechs Spielen vor dem Abstieg gerettet. "Wie viel mir der VfL bedeutet, weiß jeder. Darüber hinaus sehe ich das sportliche Potenzial, das in diesem Verein und in dieser Mannschaft steckt", sagte Neururer. "Wir wollen mittelfristig in die Bundesliga zurück." Hertha BSC, Jos Luhukay: Trainer Jos Luhukay hat wie erwartet seinen Vertrag bei Bundesliga-Aufsteiger Hertha BSC bis 2016 verlängert. Das teilte der Klub am Abend auf seiner Mitgliederversammlung unter großem Beifall der Anhänger mit. Auch seine beiden Assistenztrainer Rob Reekers und Markus Gellhaus bleiben bis 2016. Zuvor hatten die Berliner bereits die Verpflichtung des japanischen Fußball-Nationalspielers Hajime Hosogai und erhebliche Ausgabensteigerungen in der kommenden Saison bekannt gegeben. | https://www.sueddeutsche.de/sport/tennis-in-duesseldorf-haas-steht-im-viertelfinale-kohlschreiber-raus-1.1678525 | mlsum-de-252 |
Die Munich Cowboys haben lange gebraucht, um sich zu finden. Nach einer Saison voller Widrigkeiten stehen sie nun im Playoff-Viertelfinale | Es war das letzte Mal in dieser Saison, dass die Mannschaft durch den engen Gang zwischen den Tribünen in Richtung Kabine lief, und diesen Lauf werden einige Spieler so schnell nicht vergessen. Gut 100 der mehr als 1000 Zuschauer formten ein Spalier, sie jubelten und klopften den Spielern voll Anerkennung auf ihre Schulterpolster, und einige sangen sogar: "Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin." Wie im Fußball wird auch im American Football alljährlich in Berlin das Finale ausgetragen, und theoretisch können die Munich Cowboys es auch noch erreichen, immerhin haben sie nun das Playoff-Viertelfinale erreicht. Wahrscheinlicher ist zwar, dass sie als Zuschauer nach Berlin reisen werden. Aber: Es ist schon jetzt eine erfolgreiche Saison gewesen. Und das war lange Zeit nicht unbedingt zu erwarten. Es ist schwer, eine Football-Mannschaft bei Laune zu halten. Das Testosteron ist ja immer noch da, wenn man kurz an die Seitenlinie geschickt wird, und schnell führt da ein Wort zum anderen, zum Beispiel mit den Schiedsrichtern. Im Falle der Cowboys soll auch schon einmal eine Sitzbank durch die Luft geflogen sein. Dann wäre da noch die schiere Kadergröße, die jegliche Planungen erheblich erschwert. Wenn die Zahl der anwesenden Spieler im Training zudem stark schwankt, zum Beispiel zwischen 20 und 50, kann schnell Missgunst aufkommen. Das Training selbst war dieses Jahr bei den Cowboys auch ein großes Problem. Zum Saisonauftakt hatten sie keinen Platz gehabt und sich zwischen Fußball spielenden Studenten an der Pinakothek oder im Englischen Garten fit gehalten. Die Ansprüche an die eigene Leistung waren hoch, das Ambiente amateurhaft, kurz: Die Stimmung war schlecht. Das schlug vor allem auf die Leistung im Angriff durch. "Wir hatten in dieser Saison wirklich einige Herausforderungen zu meistern", sagt Quarterback Blake Bolles. Aber: "In den letzten vier Spielen hat sich gezeigt, wie belastbar dieses Team wirklich ist", meint der US-Amerikaner. Die Playoff-Chance sei schon fast weg gewesen, man habe alle vier Spiele gewinnen müssen. Und so kam es dann auch. Detailansicht öffnen "In den letzten vier Spielen hat sich gezeigt, wie belastbar das Team wirklich ist": Cowboys-Quarterback Blake Bolles denkt wie ein Profi. (Foto: Johannes Simon) Gegen Ende der Saison war irgendetwas passiert. Das konnte man auch am letzten Spieltag in der Partie gegen die Marburg Mercenaries sehen. Nicht nur auf dem Spielfeld, wo die Cowboys dank einer erstarkten Offensive 54:29 gewannen. Auch am Seitenrand fiel etwas auf: Der gesamte Trainerstab trug Lederhosen. "Gekauft, nicht geliehen, selbstverständlich", sagte Headcoach James Craig. Er habe die Idee zunächst albern gefunden, als die Spieler damit ankamen. "Aber am letzten Spieltag habe ich mir gedacht: Vielleicht ist das gar nicht so blöd. Und als wir vor dem Spiel in die Kabine kamen, waren die Spieler ganz euphorisch", erzählt der Coach. Erst am Ende der Saison wurden sie zu der eingeschworenen Gemeinschaft, die sie von Beginn an sein wollten. Dazu passte dann auch der Auftritt von Daniel Martin, Abwehrspieler und Schatzmeister der Cowboys, bei der Pressekonferenz nach dem Marburg-Spiel. Dies sei wahrscheinlich seine letzte Partie gewesen, es werde aus zeitlichen Gründen immer schwerer. "Ich spiele jetzt seit 18 Jahren Football, der Sport wird immer in meinem Herzen bleiben", sagte er. Und kämpfte mit den Tränen. Es ist nun noch lange nicht alles harmonisch bei den Cowboys. Es habe dieses Mal "Probleme mit der Defensive Line" gegeben, deutete Craig an. Wie sehr die Mannschaft wirklich zusammengewachsen ist, wird das Viertelfinale am 20. September beim Nord-Meister Braunschweig zeigen. Dort wolle man sich gut verkaufen, sagen die Cowboys. Insgeheim hoffen sie, von den Lions unterschätzt zu werden. Der Münchner Teamgeist wird auch schlicht an der Zahl der Spieler ablesbar sein, die für ein fast hoffnungsloses Unterfangen das Wochenende opfern und in den Reisebus steigen. Einer sendet schon einmal ein Zeichen: Kicker Robert Werner, am vergangenen Wochenende bei zwei missratenen Extrapunkt-Versuchen schmerzlich vermisst, will seinen viermonatigen USA-Aufenthalt unterbrechen und einfliegen. Gleich nach dem Spiel steht für einige der zweite Treuetest an. Quarterback Blake Bolles sagt zum Beispiel, er habe seinen Rückflug in die USA erst für die Zeit nach der German Bowl in Berlin gebucht. Bis dahin will Bolles auch ein weiteres Detail geklärt haben: ob er im kommenden Jahr wiederkommt. | https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/american-football-andere-ansprueche-1.2120721 | mlsum-de-253 |
Der US-Präsident zweifelt vor Beginn der Verhandlungen daran, dass es eine Einigung mit der EU geben könnte. Bundesaußenminister Maas appelliert erneut an den europäischen Zusammenhalt. | Kurz vor ihrem Treffen zum Handelsstreit haben sich US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker skeptisch gezeigt, einen Durchbruch im Handelsstreit erreichen zu können. Trump wiederholte über Twitter einen früheren Vorschlag, sowohl die USA wie die Europäer sollten alle Zölle, Handelshindernisse und Beihilfen fallenlassen. "Das wäre dann endlich ein freier Markt und fairer Handel", schrieb Trump. Er sei dazu bereit und hoffe, Europa auch. "Aber sie werden es nicht sein." The European Union is coming to Washington tomorrow to negotiate a deal on Trade. I have an idea for them. Both the U.S. and the E.U. drop all Tariffs, Barriers and Subsidies! That would finally be called Free Market and Fair Trade! Hope they do it, we are ready - but they won’t! — Donald J. Trump (@realDonaldTrump) July 25, 2018 Juncker besucht Trump am Mittwochabend europäischer Zeit, um den Handelsstreit zu entschärfen. Ein konkretes Angebot zur Deeskalation des Konflikts bringen Juncker und EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström allerdings nicht ins Weiße Haus mit. Juncker kündigte im ZDF selbstbewusste Gespräche "auf Augenhöhe" an, äußerte sich aber ebenfalls nur vorsichtig zu den Erfolgsaussichten. "Ich bin nicht übermäßig optimistisch. Ich kenne Herrn Trump relativ gut", sagte er. Es gehe darum, eine Beruhigung der Gesamtlage zu erreichen. Europa müsse sich nicht verteidigen, sondern er wolle die Position der EU erklären und Wege ausloten, wie ein Handelskrieg vermieden werden könnte. Die nächsten Strafzölle könnten Deutschland hart treffen Bundesaußenminister Heiko Maas schrieb am Mittwoch auf Twitter, die USA seien kein Gegner, sondern ein wichtiger Verbündeter. "Amerika ist größer als das Weiße Haus. Daran wird auch Trump nichts ändern, da kann er so viel twittern, wie er will." Für mich sind die USA kein Gegner, sondern unser wichtigster Partner und Verbündeter außerhalb der EU. Amerika ist größer als das Weiße Haus. Daran wird auch Trump nichts ändern, da kann er so viel twittern, wie er will. — Heiko Maas (@HeikoMaas) July 25, 2018 Maas appellierte erneut an die EU, sich nicht erpressen zu lassen. Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagt er, die EU solle zusammenhalten und sich gemeinsam selbstbewusst gegen Strafzölle wehren. "Wir müssen der Methode Trump Grenzen setzen. Er muss sehen, dass es ihm nicht gelingt, Europa zu spalten", so Maas. Trump müsse verstehen, dass auch die USA nur verlieren könnten, "wenn wir uns gegenseitig mit Strafzöllen überziehen". Trump hatte Anfang Juni Strafzölle auf EU-Importe von Stahl und Aluminium verhängt. Die EU reagierte mit Aufschlägen auf diverse US-Produkte. Der US-Präsident lässt nun als möglichen nächsten Schritt prüfen, auch Autoimporte aus Europa mit hohen neuen Zöllen zu belegen. Dieser Schritt würde besonders die deutsche Wirtschaft hart treffen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/vor-treffen-mit-juncker-trump-zeigt-sich-skeptisch-1.4068600 | mlsum-de-254 |
Mit dem dritten Sieg in Serie ist Ingolstadt im Kampf gegen den Abstieg zurück im Rennen. Das 3:2 gegen Darmstadt eröffnet neue Chancen. | Gemeinsamkeiten verbinden. Die Bundesliga lieferte dafür am frühen Sonntagabend ein Beispiel, als der Tabellenvorletzte FC Ingolstadt den Letzten SV Darmstadt 98 zum Abschluss des 28. Spieltags empfing. Gemeinsam waren die Schanzer und die Lilien 2015 in die erste Liga aufgestiegen, gemeinsam schafften sie im Sommer darauf die überraschende Versetzung. Und auch in dieser Saison gingen die Parallelen weiter, zum Missfallen beider Vereine am Tabellenende. Allerdings, und das war bei der Verabredung nun klar zu erkennen, wollte der FCI die Wahrscheinlichkeit maßgeblich erhöhen, dass sich die beschrittenen Wege nach dieser Saison trennen - und nicht der Gang zurück in die zweite Liga mit dem bereits abgeschlagenen Tabellenletzten Darmstadt angetreten werden muss. Am Ende hatten es die Ingolstädter durch ein wendungsreichen 3:2 tatsächlich geschafft, den Rückstand auf Augsburg (Platz 16) und Mainz (Platz 15) auf einen Punkt zu verkürzen. Pascal Groß brachte Ingolstadt verdientermaßen in Führung (20.), ehe Mario Vrancic die Partie binnen fünf Minuten mit einem Doppelpack wie aus dem Nichts drehte (34./39., Foulelfmeter). Almog Cohen (68.) und Markus Suttner (72.) mit einem wunderschön gezirkelten Freistoß führten die erneute Volte und damit den dritten Sieg hintereinander herbei. Verloren hatten die Ingolstädter allerdings Romain Brégerie durch einen Platzverweis (87.). Rasch war zu beobachten, dass die Ingolstädter ihre plötzliche Chance auf Rettung weiter erhöhen wollten. Mutig griff die Elf von Trainer Maik Walpurgis an, bestärkt von zwei Siegen binnen vier Tagen gegen die Abstiegskonkurrenten Mainz (2:1) und Augsburg (3:2). Eine Chance nach der anderen erspielten sich der FCI. Belohnt wurde der Elan der Gastgeber, als Groß nach einem Zuspiel von Cohen freistehend zum 1:0 einschob. Der Jubel beim Großteil der 14 081 Zuschauer nahm Züge einer Versetzungsfeier an. Und die Hochstimmung hielt zunächst an, da der FCI klar spielbestimmend agierte. Der Jubel beim Großteil der 14 081 Zuschauer nahm Züge einer Versetzungsfeier an Das Manko war aber ebenfalls ein bekannter Gefährte in dieser Saison. Einige aussichtsreiche Gelegenheiten zum zweiten Tor ließ der FCI liegen. Hinzu kamen ziemlich glückliche Fügungen für das in dieser Saison zuvor auswärts noch punktlose Darmstadt. Nicht nur vor dem eigenen Tor, sondern auch vor dem der Gastgeber. Wie nach einer guten halben Stunde, als der Elf von Trainer Torsten Frings ein ansehnlicher Spielzug genügte, um auszugleichen, begünstigt durch die Ingolstädter Laxheit im Defensivverhalten. Felix Platte legte den Ball mit der Brust auf Vrancic ab, der präzise zum 1:1 abschloss. Und als fünf Minuten später Schiedsrichter Manuel Gräfe ähnlich unerwartet einen Elfmeter verhängte, nachdem Marcel Tisserand den Darmstädter Antonio Colak allenfalls touchiert hatte, war die Hoffnung der Ingolstädter auf das Wunder der Rettung dem Entsetzen gewichen. Denn Vrancic hatte den Strafstoß lässig eingeschoben. Die Ingolstädter versuchten nach diesem Schock wieder zu jenem selbstbewussten Angriffsstil zurückzufinden, mit dem sie die Partie zunächst geprägt hatten. Doch die Last, eigentlich gewinnen zu müssen, spielte nun erkennbar mit. Erst die Ingolstädter Stärke bei Standardsituationen erhöhte die Wahrscheinlichkeit wieder, dass der Weg mit den Lilien in die zweite Liga vielleicht doch nicht angetreten werden muss. Zunächst vollendete Cohen nach einem Freistoß, dann traf Suttner mit seinem direkt verwandelten Freistoß. "Die Zuschauer haben heute drei Spiele zum Preis von einem bekommen. Das war eine Achterbahnfahrt", sagte Ingolstadts Trainer Maik Walpurgis, immer noch etwas gezeichnet vom Spielverlauf. Sein Darmstädter Kollege Torsten Frings bilanzierte enttäuscht: "Wenn man so lange führt, muss man auch was mitnehmen. Ich habe der Mannschaft die ganze Woche gesagt, wie stark Ingolstadt bei Standards ist. Umso schlimmer ist es, wenn man mit zwei Standard-Toren verliert." Während Darmstadt drei Außenseiter-Chancen hat, wenigstens einen Auswärtspunkt in dieser Saison zu ergattern (Hamburg, München, Mönchengladbach), beschert der Spielplan dem FCI am Ostersamstag das nächste Duell mit Finalcharakter: Der Klub reist zu den Wolfsburgern, die nun in Reichweite und nur noch zwei Punkte entfernt sind. Der Lohn für eine wundersame Aufholjagd. | https://www.sueddeutsche.de/sport/ingolstadt-darmstadt-neun-punkte-woche-1.3458627 | mlsum-de-255 |
Eigentlich hat Eidur Gudjohnsen im Fußball alles erlebt, aber jetzt ist sein Land erstmals für eine EM qualifiziert. Der alte Isländer ist eine der erstaunlichsten Figuren dieser EM. | Eidur Gudjohnsens Vater war ebenfalls Nationalspieler - und seine Söhne könnten es auch werden. Arnor Gudjohnsen gab seinem Sohn einen Kuss auf die Wange, als er für ihn Platz machte. Es war der 24. April 1996, die isländische Nationalmannschaft spielte in Estland. Und nach 62 Minuten wurde der isländische Stürmer Gudjohnsen ausgewechselt - für seinen damals 17 Jahre alten Sohn Eidur: "Das war ein großer Moment in der Geschichte des Fußballs", sagt Eidur Gudjohnsen. Der Angreifer, der in den 20 Jahren danach zum besten Fußballer in der Geschichte Islands reifte, hat ein Gespür für solche Momente. In Frankreich ist Islands Nationalteam erstmals bei einer EM dabei. Ein Land, in dem kaum mehr als 300 000 Menschen leben - also so viele wie in Bielefeld. Eine sportliche Sensation ist das, und das passende Ende für die Karriere des inzwischen 37 Jahre alten Eidur Gudjohnsen. Schon in seiner Jugend hatte sich abgezeichnet, dass er das Talent seines Vaters nicht nur geerbt hatte, sondern ihn übertreffen würde. Sein Sohn habe die bessere Technik, hat Arnor, 55, jüngst einem Videoteam der Fifa erzählt, das eine Homestory über die Gudjohnsens in Reykjavik drehte. Eidur wechselte mit 16 zu PSV Eindhoven, mit 19 ging er nach England zu den Bolton Wanderers, mit 21 zum FC Chelsea. Er kam mit dem großen Geld zunächst nicht klar, machte seine Spielsucht öffentlich. Doch auf dem Platz war er nicht zu halten, seine Bewegungen am gegnerischen Strafraum waren wie aus einem Guss, er traf aus allen Lagen, nach Dribblings, per Fallrückzieher. Gudjohnsen zog weiter nach Barcelona, wo Ronaldinho nach seinen Toren oft erster Gratulant war. Der brasilianische Ballartist respektierte die Fertigkeiten seines Kollegen, der nach Treffern höflich zu jubeln pflegt, die Arme ausbreitet wie ein Künstler vor dem Knicks. Er jubelte oft, wurde englischer und spanischer Meister, gewann die Champions League. Einzig im Nationalteam schienen ihm die Höhepunkte verwehrt zu bleiben, ähnlich wie den großen Fußballern George Best in Nordirland und Ryan Giggs in Wales - die Mitspieler waren nicht gut genug. Doch der isländische Fußball entwickelte sich. Gudjohnsen spielte als Kind auf Kies, inzwischen gibt es Kunstrasenhallen. 2013 spielte Island eine starke WM-Qualifikation, scheiterte erst in den Playoffs an Kroatien. Nach dem Rückspiel trat Gudjohnsen vor die Kameras und weinte. Er verkündete das Ende seiner Nationalmannschaftskarriere. Doch als sich vor einem Jahr die EM-Qualifikation 2016 abzeichnete, holte Trainer Lars Lagerbäck seinen berühmtesten Spieler zurück; dessen Ballbehandlung sei "magisch", sagt er. Gudjohnsen, in insgesamt 86 Länderspielen 26-mal erfolgreich, traf gleich im ersten Spiel. Obwohl er inzwischen von der Bank kommt, wirke er fitter als in den vergangenen Jahren, er sei nach einem missglückten Kapitel in China bei seinem norwegischen Klub Molde FK in Form gekommen, berichten Beobachter. Falls er nach der EM aufhört, wird der Name Gudjohnsen bleiben. Auch, weil alle seine Söhne Fußball spielen: der älteste für Islands U 19, der jüngste, 10, im Nachwuchs des FC Barcelona. Im Februar erzielte jener ein Tor, das im Internet die Runde machte: Es war so schön, als hätte es sein Vater geschossen. | https://www.sueddeutsche.de/sport/island-bei-der-fussball-em-eidur-gudjohnsen-das-talent-liegt-in-der-familie-1.3025444 | mlsum-de-256 |
27:37 in der Champions League: Nach der Demontage im Nordderby gegen die SG Flensburg-Handewitt hadern die Verantwortlichen des THW Kiel. | Die Fans geschockt, die Stars frustriert und der Trainer bedient: Die Derby-Demontage in der Champions League hat den THW Kiel schwer getroffen. So hoch wie im 87. Nordduell bei der SG Flensburg-Handewitt hatte der deutsche Rekordmeister noch nie gegen seinen großen Rivalen verloren. "Von der zweiten Hälfte bin ich maßlos enttäuscht", sagte THW-Trainer Alfred Gislason nach dem 27:37 (14:17): "Die Abwehr war gar nicht präsent, und der Angriff bestand eigentlich nur aus Domagoj Duvnjak." Die Vorherrschaft der Kieler wackelt, der Weg Richtung Final Four wird steinig. Was sein Team geboten hatte, entsprach so gar nicht dem Anspruchsdenken des Meistertrainers. Hinten anfällig, im Angriff ohne die nötige Durchschlagskraft - der THW offenbarte ohne seine Europameister Steffen Weinhold und Christian Dissinger zu Beginn der entscheidenden Saisonphase Baustellen. "Ich hatte mir mehr erwartet von den Neuen und den Spielern, die bisher nicht so oft zum Einsatz kamen", sagte Gislason. Doch der zweite Anzug mit den Neuzugängen Dener Jaanimaa und Ilja Brozovic sitzt noch nicht. Der von Verletzungen gebeutelte Klub - auch Nationalspieler Patrick Wiencek und Kapitän René Toft Hansen fehlen nach Kreuzbandrissen - verspielte damit die Chance auf Rang drei der Gruppe A. Im Achtelfinale droht nun ein unangenehmes Duell mit Vardar Skopje, im Viertelfinale könnte der Gegner FC Barcelona heißen. "Das ist natürlich kein schöner Tag für uns. Wir müssen das schnellstmöglich abhaken", sagte Dominik Klein. Der 32-Jährige forderte nach der fünften Niederlage in der Königsklasse eine deutliche Reaktion: "Wir müssen die Gruppe mit drei Siegen abschließen." Flensburg sieht sich dagegen für den Saisonendspurt bestens gerüstet. Das Team von Trainer Ljubomir Vranjes hat große Chancen, sich auf dem angepeilten Weg ins Final Four als Gruppensieger direkt für das Viertelfinale zu qualifizieren. Für die Mannschaft war es der achte Sieg in Serie in der Königsklasse. "Es kommt nicht oft vor, dass ich so zufrieden bin wie heute", sagte Vranjes. | https://www.sueddeutsche.de/sport/handball-masslos-enttaeuscht-1.2864911 | mlsum-de-257 |
Eine Anhörung im britischen Parlament stellt die Fairness der Klassifizierungen im Para-Sport in Frage. Auch in Deutschland regt sich Kritik. | Wenn ein Sportler an einem Tag im Rollstuhl sitzt und an einem anderen aufsteht, dann könnte das eine schöne Geschichte sein. Doch es ging vorige Woche in London nicht um medizinische Wunder. Es ging um Betrug. In einer Anhörung beschäftigte sich im Unterhaus des britischen Parlaments der Ausschuss für Digitales, Kultur, Medien und Sport mit dem Klassifizierungssystem im Behindertensport. Tanni Grey-Thompson, 48, war als Zeugin geladen, eine der erfolgreichsten paralympischen Athletinnen der Geschichte Großbritanniens, und Michael Breen, der Vater einer Weitspringerin und Kritiker des Systems, das Behindertensportler ihren Wettkampfklassen zuordnet. Grey-Thomspon und Breen beschuldigten britische Sportler, mit manipulierten Untersuchungen in schwerer behinderte Schadensklassen gelangt zu sein. Sie warfen Trainern und Funktionären vor, den Betrug zu begünstigen und kritische Athleten unter Druck zu setzen, zu schweigen. Das Klassifizierungssystem des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC), sagte Grey-Thompson, erfülle seinen Zweck nicht. Die Vorwürfe halten die einen für einen Skandal, die anderen für eine Hexenjagd. Breen nannte Namen, etwa jenen der Paralympics-Siegerin Hannah Cockroft, die in der Klasse T34 für cerebrale Lähmungen seit Jahren Rollstuhlrennen dominiert. Sie sei auf Wirken ihres Trainers in eine Klasse versetzt worden, die ihr Handicap nicht rechtfertige. Peter Eriksson, ihr früherer Trainer, bezichtigte Breen der Lüge. Der Sprecher einer weiteren beschuldigten Athletin sprach Breen die Glaubwürdigkeit ab und nannte die Vorwürfe "haltlos". Breen hat vor allem Konkurrentinnen seiner Tochter beschuldigt. Das IPC hatte die bereits 2016 formulierten Vorwürfe eigenen Angaben zufolge geprüft und entkräftet. Und trotzdem beschäftigt nun ein altes Problem den paralympischen Sport, über das Athleten seit Jahren raunen. Ein Problem, das nun wohl eine Bühne findet. Die BBC hatte schon im September über Manipulationstechniken berichtet: über Schwimmer mit Cerebralparese, die vor den rund einstündigen Untersuchungen vor Wettkämpfen mit Kälte konfrontiert werden, um Spasmen zu verschlimmern; über Athleten, die zur Klassifizierung im Rollstuhl erscheinen, obwohl sie ihn im Alltag nicht nutzen. Am Donnerstag, zwei Tage nach der Anhörung, berichtete der Guardian über weitere Zeugen, die in Schreiben an den Sportausschuss die Vorwürfe bestätigen. "Das System der Klassifizierung", schreibt ein früherer Sprinter, "muss komplett erneuert werden, um es sicher und fair zu machen." Es ist solche Kritik, die auch in Deutschland Fürsprecher findet. Helmut Hoffmann ist Sportarzt für Leichtathletik beim Deutschen Behindertensportverband (DBS). Er hat die Geschehnisse in England aus der Ferne verfolgt, überrascht sei er nicht, sagt er: "Es wird betrogen, das ist so." Vielen Athleten werde gesagt, wie sie sich bei Klassifizierungen zu verhalten haben, um möglichst günstig für ihren Erfolg eingeordnet zu werden. "Da wird alles probiert." Schließlich sei die Klassifizierung entscheidend für die Karrieren der Athleten, die vom Sport leben wollen. Auch in Deutschland sei das vorstellbar. "Das macht unseren Sport kaputt", sagt Hoffmann. Den Fehler sieht er jedoch im System, beim Weltverband. Das IPC genießt nicht erst seit den Paralympics in Rio 2016 einen guten Ruf. Anders als das olympische IOC beschlossen die Behindertensport-Funktionäre den Ausschluss Russlands wegen staatlich geförderten Dopings. Der Verband wurde gelobt für eines der im Weltsport seltenen Zeichen im Kampf gegen Betrug. Doch Fehler bei der Klassifizierung und Athleten, die gegen schwerer behinderte Konkurrenz gewinnen, könnten der Glaubwürdigkeit der Paralympics schaden. Diese stehen für inspirierende Geschichten, für Fairness und Sportsgeist. Die Debatte könnte zu einer Art Dopingproblem des Behindertensports werden, glaubt Hoffmann. Fehler passieren am häufigsten bei der komplexen Untersuchung von Athleten mit spastischen Störungen, die den Klassen von T/F38 bis T/F31 zugeordnet werden. Jeder Athlet wird national und international klassifiziert, oft weichen die Einschätzungen ab. Die Körperfunktionen können sich anders als bei Amputationen auch über Jahre verändern. Dass Fehler vorkommen, ist für Kritiker wie Hoffmann nicht der Kern des Problems. Doch Fehler, sagt er, würden in Kauf genommen: "Manipulation sind Tür und Tor geöffnet." Hoffmann, der früher selbst Klassifizierer war, fordert mehr Mediziner bei den Kontrollen, bei denen zunehmend Physiotherapeuten eingesetzt werden. Und vor allem fordert er deren Unabhängigkeit: Es bräuchte eine Institution analog zur Welt-Anti-Doping-Agentur Wada, die eigenständig Klassifizierungen vornimmt, sagt er. Nun ist es nicht so, dass das IPC die Kritik ignoriert. Zwar weist der Verband die Anklage zurück, das Klassifizierungssystem erfülle seinen Zweck nicht. Doch man habe die Pflicht erkannt, "Prozesse weiterzuentwickeln", heißt es in einer Stellungnahme im Guardian. Jüngst verkündete der Verband Klassifizierungsänderungen, die am stärksten die Athleten der Klassen T/F38 bis T/F31 betreffen: Vom 1. Januar 2018 an müssen sie alle mit neuen Testmethoden evaluiert werden und sich einer neuen Klassifizierung unterziehen, bevor sie bei internationalen Wettkämpfen starten. Hoffmann hält das für "Aktionismus". DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher sagt, es sei ein "wichtiger Schritt". Doch die Debatte wird weitergehen. Sätze wie die des früheren paralympischen Sprinters Kyle Powell werden bleiben. "Als ich die Welt des Para-Sports kennenlernte, war ich beeindruckt und inspiriert von all den Champions", schreibt er: "Aber nach ein paar Jahren sah ich, dass manche Helden scheinbar unfaire Vorteile durch falsche Klassifizierungen erlangt hatten." Das Wort Helden hat Powell in Anführungszeichen gesetzt. | https://www.sueddeutsche.de/sport/behindertensport-das-macht-unseren-sport-kaputt-1.3734939 | mlsum-de-258 |
Vor der zweiten Runde der Regionalwahlen warnt Frankreichs Premier mit drastischen Worten vor dem rechtsextremen Front National. | Frankreichs Regierungschef Manuel Valls hat vor dem zweiten Durchgang der Regionalwahlen vor einem "Bürgerkrieg" gewarnt. Falls der rechtsextreme Front National (FN) am Sonntag in einer der insgesamt 13 Regionen die Mehrheit erobern sollte, so regiere im Land fortan "eine Vision, die die Spaltung propagiert". Valls fügte hinzu: "Diese Spaltung kann zum Bürgerkrieg führen." Der sozialistische Premier warf FN-Chefin Marine Le Pen vor, die Wähler mit unhaltbaren Versprechen zu "täuschen". Im Interview mit dem Radiosender France Inter nannte Valls den FN "eine rassistische, antisemitische Partei". Beim ersten Wahlgang am vorigen Sonntag war der FN mit 27,7 Prozent der Stimmen landesweit stärkste Partei geworden, vor den konservativen Republikanern (26,7 Prozent) und den Sozialisten (23,1 Prozent). In sechs Regionen lag der FN vorn, in den Landstrichen Nord-Pas-de-Calais-Picardie sowie Provence-Alpes-Côte-d'Azur sogar mit mehr als 40 Prozent. Allerdings trüben Umfragen die Hoffnung der Rechtspopulisten, bei der Stichwahl am Sonntag mehrere Regionen erobern zu können: Im Norden, wo Parteichefin Marine Le Pen selbst antritt, wie auch im Südosten, wo ihre Nichte Marion Maréchal Le Pen kandidiert, scheint ein Sieg der Republikaner wahrscheinlicher. Grund für die Trendwende ist, dass in beiden Regionen die Sozialisten ihre Listen zurückzogen und zur Wahl der bürgerlichen Opposition aufriefen. Bessere Chancen hat der FN im Osten Frankreichs. In der Region Elsass-Champagne-Ardenne-Lothringen hielt der regionale Parteifürst der Sozialisten, Jean-Pierre Masseret, trotz gegenteiliger Parteiorder aus Paris seine Kandidatur aufrecht. Deshalb könnten dem republikanischen Bewerber Philippe Richert am Sonntag entscheidende Stimmen der Linken fehlen, um den FN-Kandidaten Florian Philippot abzufangen. Der 34 Jahre alte Partei-Vize, ein Absolvent französischer Elite-Universitäten, gilt als einflussreichster Vertrauter von Parteichefin Le Pen. Von hoher symbolischer Bedeutung ist der Wettlauf um den Großraum Paris. Zwar hatte die Republikanerin Valérie Pécresse im ersten Wahlgang hier mehr als fünf Prozentpunkte vor ihrem sozialistischen Konkurrenten Claude Bartolone gelegen. Dennoch gilt der PS-Bewerber und Präsident der Nationalversammlung als Favorit. Seit Sonntag haben sich die Grünen und die rivalisierende Linksfront der PS-Liste angeschlossen. Präsident François Hollande vermied vor dem zweiten Wahlgang öffentliche Äußerungen. Nach der absehbaren Niederlage seiner Sozialisten dürfte auf der Linken jedoch eine Diskussion beginnen, ob der Amtsinhaber erneut bei den Präsidentschaftswahlen 2017 antreten soll. Premier Valls, der laut Umfragen weitaus populärer ist, hat bisher jeden Gedanken an eine eigene Kandidatur abgestritten. Sollte der FN am Sonntag in keiner der 13 Regionen siegen, könnte Valls dies als persönlichen Erfolg für seinen aggressiven Kurs gegen die Rechtsextremisten verbuchen. Eine Debatte um Kurs und Köpfe erwartet ab Montag die Republikaner. Parteichef Nicolas Sarkozy, der FN-Wähler umworben hatte, sah sich durch die Triumphe der Le-Pen-Partei vorigen Sonntag blamiert. | https://www.sueddeutsche.de/politik/frankreich-alle-gegen-le-pen-sonst-droht-der-buergerkrieg-1.2778711 | mlsum-de-259 |
Die Terrorgruppe Boko Haram verschleppt Hunderte Frauen und Kinder - wenige Tage vor der Präsidentenwahl. | Unmittelbar vor der Wahl in Nigeria an diesem Samstag hat die islamistische Terrormiliz Boko Haram im Nordosten des Landes offenbar erneut Hunderte Frauen und Kinder entführt. Ein Beamter im Bundesstaat Borno sprach von bis zu 350 Geiseln, in Medienberichten war sogar von bis zu 500 Verschleppten die Rede, die die Terroristen aus dem Ort Damasak entführt hätten. Soldaten aus Niger und Tschad hatten Boko Haram Anfang März nach dreieinhalb Monaten aus Damasak vertrieben. Der erneute Angriff der Miliz wird als Racheakt interpretiert. Ein Regierungssprecher wies die Berichte zurück: Es gebe keine neuen Entführungen in Damasak. Die Milizionäre hätten aber weiterhin jene Bewohner in ihrer Gewalt, die sie bei ihrem ersten Angriff auf den Ort als Geiseln genommen hätten. Weibliche Geiseln werden von Boko Haram als Sklaven gehalten oder zwangsweise mit Kämpfern verheiratet. Viele der oft minderjährigen Selbstmordattentäter der vergangenen Monate sollen Entführte gewesen sein. Boko Haram terrorisiert seit 2009 vorrangig den Nordosten Nigerias und hat seither mindestens 13 000 Menschen getötet. Beobachter und große Teile der Bevölkerung werfen der Regierung und der Armee des Landes vor, die Bedrohung zu lange ignoriert zu haben. Seit wenigen Wochen beteiligen sich Einheiten aus den Nachbarländern Niger, Tschad und Kamerun an dem Kampf der nigerianischen Armee gegen die Gruppe, die dadurch militärisch stark unter Druck geraten ist. Die Präsidentschaftswahl sollte bereits im Februar stattfinden, war wegen der anhaltenden Gewalt aber um sechs Wochen verschoben worden. Umfragen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem amtierenden Staatschef und seinem Herausforderer Muhamadu Buhari voraus. Der Christ Jonathan und der Muslim Buhari stehen für die Spaltung des Landes in den christlich geprägten, ölreichen Süden und den muslimischen Norden. Amtsinhaber Jonathan hatte sich vor allem durch seine Entscheidung Respekt verschafft, bewährte Technokraten ins Kabinett zu holen. Zur Last gelegt wird ihm seine Untätigkeit gegenüber Boko Haram. Zudem muss ein Großteil der Menschen in Afrikas größter Wirtschaftsmacht mit weniger als 90 Cent pro Tag auskommen. Buhari gilt als persönlich integer, doch Gegner erinnern auch an seine autoritäre Militärherrschaft in den Achtzigerjahren. | https://www.sueddeutsche.de/politik/nigeria-massenentfuehrung-vor-der-wahl-1.2409691 | mlsum-de-260 |
70 Tage vor den Olympischen Spielen in Turin beendet die Eisschnellläuferin Monique Garbrecht-Enfeldt ihre Karriere. | Einzig ihr hektischer Augenaufschlag verriet, wie nahe sie den Tränen war, ebenso der verzweifelte Griff an das mit Wasser gefüllte Glas, das sie hastig leerte, um die Nerven zu beruhigen. Detailansicht öffnen Kämpft mit den Tränen: Monique Garbrecht-Enfeldt. (Foto: Foto: dpa) "Es ist ganz gut, dass sie meinen Herzschlag nicht hören können", sagte die Eisschnellläuferin Monique Garbrecht-Enfeldt zu den Journalisten, die sie ins Haus der Bundespressekonferenz am Berliner Spreeufer geladen hatte. Dass sie dies ohne Angabe von Gründen tat, legte den Gedanken nahe, sie würde ihren Rücktritt verkünden; es war dem dann auch so. Die Entscheidung, sagte sie, sei ihr nicht leicht gefallen, nun jedoch beginne "endgültig ein neues Kapitel in meinem Leben". Dann schluckte sie. Ein Päckchen Papiertaschentücher hatte ihr Berater ihr auf den Tisch gelegt, öffnen musste sie es schließlich nicht, weil sie sich "auf neutralem Boden" wähnte. Auf einer Eisbahn, wo sie alles außer einer olympischen Goldmedaille gewonnen hat, hätte sie nach eigener Einschätzung wohl ebenso geweint wie vor zehn Tagen beim Weltcup in Salt Lake City. Zwar sei ihr da noch nicht gewahr gewesen, dass sie ihre 15-jährige Profikarriere beenden würde, wohl aber, dass sie sich vermutlich letztmalig am Salzsee aufhielt und daher so manche Freunde eher nicht mehr wiedersehen würde. Unwissender Trainer Auch dass sie die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) nicht eingeweiht hatte und diese somit nur über ihren Medienreferenten eine improvisierte Ergebenheitsadresse statt emotionsschwangerer Reden überbringen konnte, halfen Garbrecht-Enfeldt dabei, die Fassung zu wahren. Sogar ihrem Trainer Joachim Franke hatte sie den Schritt erst am Donnerstagvormittag anvertraut, kurz vor ihrer Presseunterrichtung. "Monique ist eine der ganz großen Athletinnen. Für mich zählte zu ihren und meinen Sternstunden vor allem der zweite Platz bei Olympia 2002. Wie sie sich nach vielen Aufs und Abs im Vorfeld durchgebissen hat, ist kennzeichnend für sie", sagte Franke der Deutsche Presse-Agentur. Beim Weltcup in den USA hatte die frühere Sprintkönigin vor zwei Wochen die Plätze 22 und 23 erreicht. Auch wenn sie eingestand, dass diese Ergebnisse mit ihrem Anspruchsdenken unvereinbar waren und ihr offenbarten, dass sie von einer Olympiaform weit entfernt war, so beteuerte sie dennoch, dass sie nicht der Grund für den Rücktritt gewesen seien. "Eigentlich war meine Leistung angesichts meiner Knieprobleme gar nicht so schlecht", sagte sie. Ihr Ehemann Magnus Enfeldt, ehedem selbst Eisschnellläufer, habe sogar diagnostiziert, dass "die Flamme wieder da ist". Sie jedoch habe schon länger das Gefühl gehabt, "dass diese Flamme" nie durchgängig aufflackerte, sondern "immer mal wieder aus- und dann wieder anging. Jetzt ist sie aus", sagt Monique Garbrecht-Enfeldt. "Das war mein Leben" Vor allem während der Saisonvorbereitung im Sommer habe sie an sich gezweifelt, zumal das Knie zwickte, seit Jahren plagt sie ein Knorpelschaden. Offenbar war es weniger der Gedanke vom Abschied, der sie am vergangenen Wochenende "etwas kalt erwischte", sondern die Erkenntnis, dass sie sich schon jetzt bereit sieht, etwas anderes mit ihrem Leben anzufangen, als auf Kufen durch ein Eisoval zu jagen. "Immerhin war das mein Leben", sagte sie: "So wie ich 1996 das Gefühl hatte, du kannst es besser als vorher, hatte ich nun ein Gefühl, das mir sagte, das Kapitel Leistungssport abzuschließen." 1995 unterbrach sie ihre Karriere, um ihre berufliche Entwicklung zu forcieren. Zwar wird Garbrecht-Enfeldt binnen zehn Tagen ihren 37. Geburtstag begehen, doch das ist für Wintersportler mittlerweile nur bedingt ein gehobenes Alter. Eine weitere Größe Sports, Gunda Niemann-Stirnemann, hat erst vor fünf Wochen mit 39 Jahren ihren Rücktritt erklärt, Bobpilot Christoph Langen war sogar schon 43, als er, wie nun auch Garbrecht-Enfeldt, eine Teilnahme an den Winterspielen von Turin ausschloss, die in rund 70 Tagen beginnen werden. Wobei: Nach Turin wird Garbrecht-Enfeldt in jedem Fall reisen. Vor einiger Zeit war ihr Gatte nach Italien ausgewandert. Er arbeitet dort als Wettkampfmanager für das Olmypia-Organisationskomitee. Garbrecht-Enfeldt selbst will nun für die Medien tätig werden. Im Oktober hat sie eine Weiterbildung angetreten, in zehn Tagen wird sie beim Weltcup in Turin dem italienischen Fernsehen als Expertin helfen. Womöglich nimmt sie sogar an Olympia teil, als Medienschaffende. "Wenn es die Chance noch geben sollte, sich zu akkreditieren, würde ich das gerne tun", sagte sie. | https://www.sueddeutsche.de/sport/abschied-von-einem-gedanken-kalt-erwischt-1.927567 | mlsum-de-261 |
Das sagt Boris Becker in einem Interview. Aus der Zentralafrikanischen Republik kommen dagegen widersprüchliche Aussagen, sogar von einer "Fälschung" des Diplomatenpasses ist die Rede. | Ist Boris Becker nun Attaché der Zentralafrikanischen Republik oder nicht? Am Dienstag wurde der Fall noch verwirrender: Der Büroleiter des zentralafrikanischen Außenministers, Chérubin Mologbama, sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Nummer auf Beckers Ausweis gehöre zu einem von mehreren Blanko-Dokumenten, "die 2014 gestohlen wurden". Auch sei auf dem Pass nicht seine Funktion als "Sonderattaché für Sport und kulturelle Angelegenheiten in der Europäischen Union" aufgeführt, er werde vielmehr als ein "Beauftragter für Finanzfragen" ausgewiesen. "Herrn Beckers Stellenbeschreibung gibt es nicht", sagte Mologbama. Becker selbst meldete sich am Dienstagabend in einem Video-Interview zu Wort und wies die Vorwürfe von sich. Dem Top Magazin Frankfurt sagte er: "Es ist eine Realität, ist ein Fakt, dass ich heute Diplomat von Zentralafrika bin". "In der Tat wurde ich im April dieses Jahres von seiner Exzellenz, Präsident (Faustin Archange) Touadéra zum Attaché für Sport, Kultur und humanitäre Angelegenheiten ernannt", so Becker. Er fühle sich "sehr geehrt für diese verantwortungsvolle Aufgabe". Es sei "richtig, dass mein Diplomatenstatus einige Privilegien beinhaltet, zum Beispiel Immunität bei besonderen Fällen". Allerdings sei ihm dies "nicht vordergründig wichtig". Mit diplomatischer Immunität gegen ein Insolvenzverfahren Mit Blick auf ein laufendes Insolvenzverfahren hatten Beckers Anwälte in der vergangenen Woche Aufsehen erregt - mit der Mitteilung, der Ex-Sportstar sei rechtlich nicht mehr zu belangen, und zwar wegen diplomatischer Immunität. Sie beriefen sich dabei auf den ehrenamtlichen Posten für das ärmste Land der Welt. Für ein Verfahren brauche es jetzt unter anderem die Erlaubnis des Außenministers der Zentralafrikanischen Republik. Eben jener Außenminister, Charles-Armel Doubane, hatte sich allerdings von dem ehemaligen Weltklasse-Tennisspieler distanziert. Der Welt sagte er: "Boris Becker ist kein offizieller Diplomat der Zentralafrikanischen Republik." Seine Unterschrift sei nötig, um Becker als Diplomaten zu ernennen. Entsprechende Dokumente habe er nicht unterzeichnet. "Der Präsident hat mich nie darum gebeten, die entsprechenden Schritte im Falle von Boris Becker einzuleiten", sagte Doubane. Der Botschafters der Zentralafrikanischen Republik in Brüssel, Daniel Emery Dede, hatte dagegen erklärt, seiner Ansicht nach habe Becker einen zentralafrikanischen Diplomatenausweis - und dadurch "müsste er diplomatische Immunität genießen". Becker kündigte in dem Interview vom Dienstag auch an, er wolle bald nach Bangui fliegen "und dort mit den Herrschaften sprechen". | https://www.sueddeutsche.de/panorama/boris-becker-diplomat-zentralafrika-interview-1.4023573 | mlsum-de-262 |
Wissenschaftler begleiten Touristen beim Tauchen mit Mantas auf den Malediven. Dort, im Baa-Atoll, halten sich die Tiere besonders gern auf. | Die Beschreibung der Mantas jenseits von wissenschaftlichen Erkenntnissen fällt kurz aus bei Guy Stevens: "anmutig, charismatisch, schön". Im Jahr 2003 kam der 37-jährige Meeresbiologe auf die Insel Landaa Giraavaru, um Touristen die Unterwasserwelt zu erklären. Damals entdeckte er einen Ort, der sein Leben verändern sollte: Hanifaru, einen auf den ersten Blick unsichtbaren Platz. Eine geologische Besonderheit, die von der Unesco 2011 zusammen mit dem gesamten Baa-Atoll zum Biosphären-Reservat erklärt wurde: ein Unterwasser-Riff, nur einen Meter unter der Meeresoberfläche, etwa so groß wie ein Fußballfeld, in der Form eines Sacks mit nur einer einzigen schmalen Öffnung. Durch diese maritime Sackgasse werden in der Regenzeit von Mai bis Oktober durch den Südwest-Monsun große Mengen Plankton gespült. Wenn die Strömung, die Mondphase und die Gezeiten stimmen, dann ist der Tisch für die Mantas reich gedeckt. Beim "Manta Talk" im Salon des Tauchbootes Explorer erklärt Guy Stevens seine Erkenntnisse über die schwarzen Schatten. Für die schnorchelnden und tauchenden Gäste ist das eine Gelegenheit, ganz nah an der Feldforschung über Mantas zu sein, die bei jeder der mehrtägigen Expeditionen mit dem Boot mit neuen Ergebnissen gefüttert wird. Ermöglicht wird Stevens Arbeit durch einen Hotel-Konzern, der seit mehr als zehn Jahren eine Forschungsstation unterstützt und im Gegenzug seinen Gästen die Begegnung mit den Mantas unter wissenschaftlicher Begleitung bieten kann. Detailansicht öffnen Unter Mantas: Der weiße Bauch der Tiere ist mit mehr oder weniger schwarzen Flecken in unterschiedlicher Anordnung individuell ausgeprägt. (Foto: imago) Besonders gut lassen die Tiere sich beim Fressen und in der "Cleaning Station" beobachten. Dort sind, zum einzigen Mal auf dieser Reise, die Taucher im Vorteil gegenüber den Schnorchlern, denn reinigen lassen sich die Mantas in einer Wassertiefe von acht bis 20 Metern. Im Riff von Dighu Thila zum Bespiel, das zum Baa-Atoll gehört. Nahe der Insel Landaa Giraavaru gleiten die Taucher ins Wasser. Unter ihnen tut sich ein Meeresgebirge von etwa 300 Metern Länge auf. Auf dem Kamm befindet sich "das Spa, die Zahnarztpraxis und der Pub der Mantas", wie Guy Stevens das nennt. Im Zeitlupentempo gleiten die Tiere über das Riff, flankiert von Putzerfischen, die hier auf Nahrung warten. Während sich die Mantas mit der Strömung durch die Waschanlage treiben lassen, fressen ihnen die schwimmenden Dienstleister Schuppen und Pilze von der Haut, aus dem Maul und den Kiemen. Eine gesundheitserhaltende Maßnahme und eine soziale dazu, denn nur hier und beim Fressen kommen die Riesenrochen ihren Artgenossen nahe. Ansonsten verbringen sie ihr Leben allein, sieht man vom Akt der Zeugung ab. Für uns die Gelegenheit, fünf Riff-Mantas hintereinander durchs Riff gleitend zu sehen. Seltener auf den Malediven werden die Riesenmantas gesichtet, die hauptsächlich im offenen Meer leben. Je drei Tauch- und Schnorchelgänge können die 20 Gäste auf der einwöchigen Reise mit der Explorer durch das Baa-, Rasdú- und Ari-Atoll pro Tag erleben. Darunter ist auch ein nächtlicher Schnorchel-Ausflug. Der Forscher erklärt den Fischern, dass ein lebendiger Manta mehr Einkommen bringt als ein toter Ziel des Beibootes ist das dunkle Wasser vor der Insel Fesdu. Zwei starke Lampen locken das Plankton an. Als Erster kommt ein Shrimp vorbei, der sich fortan für den Hauptdarsteller des Abends hält. Schließlich tauchen sie aus der Tiefe auf: zwei große Mantas mit einer Spannweite von weit über drei Metern. Viele Feinde haben sie nicht. Nur den Orca und den Tigerhai, die sie aber schon von Weitem sehen können dank ihres 270-Grad-Sehradius. Der größte Feind der Mantas ist der Mensch - und das, obwohl die Fleischqualität der Tiere als minderwertig gilt. Wären da nicht die Kiemen, deren Verzehr in China eine große Wirkung im Ausfiltern von Umweltgiften zugeschrieben wird. Viele Tiere verenden außerdem in Treibnetzen, denn Mantas können trotz aller Beweglichkeit nicht rückwärts schwimmen und haben keine Chance, der tödlichen Falle zu entkommen. Guy Stevens sieht den Manta-Schutz, der unter der einheimischen Bevölkerung umstritten ist, pragmatisch: "Ich frage die Manta-Jäger und -Fischer einfach: "Wie viel sind Fleisch und Kiemen eurer toten Mantas wert und wie viel eure lebendigen Tiere, die all die Touristen auf die Malediven locken?" Laut der Schutzorganisation Manta Trust werden weltweit jährlich mehr als 140 Millionen Dollar mit Manta-Tourismus erwirtschaftet, 8,1 Millionen Dollar davon auf den Malediven. Informationen Reisearrangement: Mantas kann man auf den Malediven nur von Mai bis Oktober sehen. Die "Gentle Giant Expedition" mit der Explorer findet in dieser Zeit statt. Zweimal pro Jahr, von 1. 9. bis 8. 9. und von 15. bis 22. 9. 2016 begleitet sie Guy Stevens selbst, sonst sind es Meeresbiologen aus seinem Team. Die Tour kostet inkl. Transfers, Vollpension, Ausrüstung sowie täglich drei Tauch- oder Schnorchelgängen 2422 Euro für drei, 3254 Euro für vier und 5691 Euro für sieben Nächte. Buchbar über Four Seasons, www.fourseasons.com (Extraordinary Experiences / Manta Trust Expeditions). Hinzu kommt der Flug, der vom Veranstalter Airtours zum tagesaktuellen Preis gebucht wird, Tel.: 05 11/56 78 61 90, www.airtours.de. Weitere Auskünfte: www.visitmaldives.com Kernpunkt der wissenschaftlichen Arbeit, von der die Gäste auf der Explorer profitieren, ist die Identifikation der Mantas. Mit rund 2000 genau zugeordneten Exemplaren, deren Wege und Gewohnheiten er seit mehr als zehn Jahren verfolgt, verfügt Stevens über einen wissenschaftlichen Schatz. Der "Ausweis" der Tiere ist dabei deren weiße Bauchunterseite: Sie ist mit mehr oder weniger schwarzen Flecken in unterschiedlicher Anordnung bestückt. Verletzungen, die durch den Kontakt mit Schiffsschrauben oder Harpunen entstanden sind, ergeben weitere unveränderliche Kennzeichen. Die besten Beobachtungen lassen sich bei schlechtem Wetter machen. "Manta-Wetter" - das bedeutet Wellengang und Wind. "Wir haben bei unseren Forschungen eine eindeutige Korrelation zwischen Windgeschwindigkeiten, Fressaktivität und Fortpflanzungshäufigkeit festgestellt", sagt Guy Stevens. Und wenn solche Bedingungen vorherrschen, fährt er mit dem kleinen Schlauchboot raus. Vor Hanifaru sichtet er eines Mittags 30 Mantas und meldet das per Funk. Wieder so eine Situation, in der die Schnorchler im Vorteil sind: Während die Taucher sich noch mit allerlei Technik behängen, nehmen die Schnorchler Brille und Flossen und schwimmen hinein in die einzigartige Szenerie: Schwarze Schatten huschen an ihnen vorbei. Dann kommen die Tiere auf die Beobachter zu, mit weit aufgerissenen Mäulern, die aussehen wie Kühlergrills, untereinander geringfügig versetzt wie eine Düsenjägerstaffel ohne Lärm. Man nennt dieses Sozialverhalten "Chain Feeding", Fressen in der Kette. So grasen die Tiere jeden Kubikzentimeter Wasser nach Plankton ab. Dabei kommen die Mantas den Menschen sehr nah, berühren sie sogar - und fühlen sich an wie nasses Leder. Spielerisch wirkt die zweite Fresstechnik: Die Rochen durchpflügen das Wasser vertikal vom Meeresgrund zur Oberfläche und schlagen dabei Saltos, um sich die Kleinstlebewesen mit höherem Wasserdruck einverleiben zu können. Ein Gefühl, das wir als Schnorchler gut nachvollziehen können, als wir gegen die Strömung zurück zum Boot schwimmen. Die Faszination für die Tiere nach dieser Begegnung ist groß. Aber ihre Geheimnisse bleiben. Am Ende eines seiner "Manta Talks" zeigt Guy Stevens eine besondere Seite seiner Powerpoint-Präsentation. Darauf stehen Fragen wie "Wie alt können Mantas werden?", "Wann werden Mantas trächtig?" oder "Wie schnell wachsen sie?". Stevens sagt: "Diese Seite ist schon fünf Jahre alt. Ich konnte seither nicht eine dieser Fragen beantworten." | https://www.sueddeutsche.de/reise/malediven-ein-rochenjob-1.2982784 | mlsum-de-263 |
Lange halten die Belgier im vorletzten Champions-League-Gruppenspiel überraschend gut mit. Doch dann trifft der Franzose zum Auswärtserfolg. | Der deutsche Fußball-Rekordmeister Bayern München hat dank seiner individuellen Klasse und viel Glück seine Mini-Chance auf den Gruppensieg in der Champions League gewahrt. Die bereits zuvor für das Achtelfinale qualifizierten Münchner gewannen am 5. Spieltag beim RSC Anderlecht mit 2:1 (0:0) und dürfen nach dem neunten Sieg im neunten Spiel unter Trainer Jupp Heynckes noch vorsichtig auf Platz eins in der Gruppe B schielen. Dafür muss der Bundesliga-Tabellenführer Paris Saint-Germain zum Abschluss der Vorrunde am 5. Dezember allerdings mit mindestens vier Toren Unterschied besiegen. Ihre Pflichtaufgabe beim punktlosen belgischen Meister lösten die Münchner alles andere als souverän. Ulreich verhinderte gleich mehrfach einen Rückstand, nach einer Leistungssteigerung im zweiten Durchgang trafen Lewandowski (51.) und Tolisso (77.) zum unverdienten Erfolg. Überschattet wurde der Sieg durch die Verletzungen von Arjen Robben und Thiago. Sofiane Hanni (63.) hatte zwischenzeitlich mit dem ersten RSC-Tor in dieser Saison in der Königsklasse ausgeglichen. Thiago und Robben müssen verletzt raus Heynckes schonte mit Blick auf das schwere Auswärtsspiel am Samstag (18.30 Uhr) bei Borussia Mönchengladbach einige Stammkräfte, so kam der erst 19-jährige Marco Friedl zu seinem Profi-Debüt bei den Bayern. Weltmeister Jérôme Boateng kehrte nach überstandenen muskulären Problemen in die Innenverteidigung zurück. Doch die Gäste begannen unkonzentriert. Nach einem groben Fehler von Boateng verhinderte Ulreich gegen Lukasz Teodorczyk einen Rückstand (8.). Die Münchner agierten auch in der Folge fehlerhaft, die Gastgeber kamen durch ihr Pressing immer wieder zu Ballgewinnen. Dem Spiel des deutschen Meisters mangelte es an Ideen, Tempo und Engagement. Immerhin war auf Ulreich Verlass. Der Vertreter von Manuel Neuer parierte auch gegen Dennis Appiah (17.). Teodorczyk vergab zudem auch seine zweite große Möglichkeit frei vor dem Münchner Tor kläglich (30.) und scheiterte dann wieder an Ulreich (39.). Es lag einzig am Unvermögen der Belgier, dass der FC Bayern vor der Pause nicht in Rückstand geriet. Es passte zudem ins Bild, dass Thiago kurz vor Ende der mit Abstand schwächsten Halbzeit unter Heynckes verletzt vom Platz musste. Für den Spanier kam James Rodriguez. Das Verletzungspech blieb den Münchnern auch im zweiten Durchgang treu. Robben humpelte nach einem Foul mit Oberschenkelproblemen vom Feld. Der Niederländer wurde durch Javi Martinez ersetzt, weil Offensivoptionen nach den Ausfällen von Thomas Müller, Kingsley Coman und Franck Ribery fehlten. Dennoch gingen die Münchner mit ihrem bis dahin besten Angriff in Führung. Tolisso legte mit viel Übersicht quer auf Lewandowski, der Torjäger schob locker zu seinem zweiten Champions-League-Treffer in dieser Saison ein.Anderlecht zeigte sich geschockt. Die Bayern hatten nun mehr Zugriff, ihre Kombinationen gewannen an Sicherheit. Lewandowski vergab aber die Möglichkeit zum 2:0 (58.). Nach dem Ausgleich durch Hanni traf Tolisso nach einer Flanke von Joshua Kimmich per Kopf. In der Schlussphase verpassten Lewandowski (84.) und Tolisso (86.) einen höheren Sieg. | https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-bayern-in-der-champions-league-tolisso-rettet-den-sieg-in-anderlecht-1.3762203 | mlsum-de-264 |
Fünf Länder streiten um das Öl in der Arktis - um Gebietsansprüche und viel Geld. Denn Geologen vermuten dort mehr als ein Fünftel aller weltweiten Reserven. | Dem schweren Wintersturm war die Bohrinsel Kulluk nicht gewachsen. Der Schlepper, der sie vom Nordmeer entlang der amerikanischen Küste bis nach Seattle bringen sollte, musste die Taue kappen, um nicht selbst zu kentern. Die Bohrinsel strandete auf einer einsamen Insel im Golf von Alaska. Kurz zuvor war sie noch in arktischen Gewässern eingesetzt, um nach Öl zu suchen. Der Eigentümer der Plattform, der britisch-niederländische Ölkonzern Shell, hatte Glück: Das Öl in der Bohrinsel lief nicht aus. Doch Umweltschützer sahen ihre Bedenken gegen eine Ölförderung in eiskalten Gewässern bestätigt: Der Vorfall sei ein weiteres Beispiel dafür, dass die Risiken nicht beherrschbar seien, argumentierten sie. Detailansicht öffnen SZ-Karte; Quellen: International Boundaries Research Unit/Durham University; Wood Mackenzie Agro Robertson; Eigene Recherche All das liegt gut zweieinhalb Jahre zurück. Doch die US-Behörden, die dem Unternehmen damals eine mangelhafte Risikoeinschätzung bescheinigte, haben offenbar wieder Vertrauen gefasst. Das Innenministerium in Washington erteilte Shell die Genehmigung für ein Vorhaben, um das lange gerungen wurde. Der Konzern darf nun in der ölreichen Tschuktschensee vor der Nordwestküste Alaskas Öl fördern, gut zwei Jahre, nachdem Shell seine Vorhaben in der Region wegen des Vorfalls mit der Kulluk und anderen Pannen aufgeben musste. Bedingung war, dass Shell eine spezielle Sicherheitsausrüstung anschaffte, die Lecks verhindern soll. Das Projekt gilt als eines des ehrgeizigsten, die es derzeit in der Ölindustrie gibt. Dass Shell nun erneut eine Erlaubnis erhält, ist Zeichen dafür, dass auch die Vereinigten Staaten im Wettlauf um die letzten großen Ölreserven Flagge zeigen wollen. Es geht um ein Milliardengeschäft. Geologen vermuten in den eisigen Regionen um den Nordpol 20 bis 30 Prozent der verbliebenen weltweiten Vorkommen. Zwar gelten die Risiken einer Förderung als kaum kontrollierbar, doch noch größer ist der Druck, den Schatz zu heben. Unter den fünf Anrainerstaaten USA, Russland, Kanada, Norwegen und Dänemark tobt ein erbitterter Streit, wem die Vorkommen gehören. Umstritten ist vor allem, wo die Grenzen in der Tiefsee verlaufen (Grafik). Russland baut seine Förderung in der Arktis trotz des Ölpreisverfalls weiter aus Eine Ölproduktion unter widrigen Bedingungen, wie sie in arktischen Regionen herrschen, ist technisch aufwendig und teuer. Shell investiert viel. Bisher flossen nach Firmenangabe sieben Milliarden Dollar in das Eismeerprojekt, weitere 1,4 Milliarden Dollar sollen in diesem Jahr dazukommen. Eine geregelte Förderung ist frühestens vom Jahr 2030 an vorgesehen. Dabei hat der Konzern gerade erst drastische Sparmaßnahmen angekündigt, noch in diesem Jahr will Shell 6500 seiner knapp 100 000 Stellen streichen. Zudem will der Konzern die Investitionen im Vergleich zum Vorjahr um ein Fünftel kürzen. Detailansicht öffnen Bohrinsel von Shell: Jetzt hat der Konzern die Genehmigung, in der ölreichen Tschuktschensee vor der Nordwestküste Alaskas Öl zu fördern. (Foto: AP) Durch den anhaltenden Ölpreisverfall werde man sich nicht abschrecken lassen, sagte eine Shell-Sprecherin am Dienstag. Die Arbeiten an dem Ölfeld mit dem Namen "Burger J" seien bereits am 30. Juli angelaufen. Bei Shell geht man davon aus, dass die Ölförderung in der Tschuktschensee pro Fass etwa 55 Dollar kosten soll. Andere Experten in der Branche schätzen die Förderkosten allerdings auf mindestens 100 Dollar je Barrel. Das dürfte auch der Grund sein, warum andere große Ölfirmen wie der US-Konzern Exxon oder die norwegische Statoil Projekte im hohen Norden erst einmal hintenangestellt haben. Denn ein Barrel der amerikanischen Ölsorte WTI kostete am Dienstag weniger als 42 Dollar und war damit so billig wie seit gut sechs Jahren nicht mehr. Russland stört das nicht. Trotz des Ölpreisverfalls baut das Land seine Förderung in der Arktis aus. Im April 2014 wurde erstmals Öl von der umstrittenen Plattform Priraslomnaja geliefert. Weil es Jahre dauert, bis eine Anlage die volle Kapazität erreicht, werde das Projekt wegen des niedrigen Preises nicht unterbrochen, hieß es. Konflikte zwischen Anrainerstaaten der Arktis sind nichts Neues. Jahrzehntelang stritten sich Russland und Norwegen um die Barentssee. Allein dort vermuten die Norweger 43 Prozent ihrer unentdeckten Erdöl-Ressourcen. 2010 teilten beide das umstrittene Gebiet in der Mitte. Erst seitdem kann Norwegen dort nach Öl bohren. Doch Russland gibt sich damit nicht zufrieden. Der russische Festlandsockel am Meeresboden reiche so weit, dass Moskau den Nordpol beanspruchen dürfe, hieß es vor Kurzem. Das Land demonstriert derzeit erneut, dass es auch bereit ist, diese Ansprüche militärisch durchzusetzen. Zu Beginn der Woche brach ein Schiffsverband der Marine vom Hafen Seweromorsk in die Barentssee auf. Offiziell hieß es, die Fahrt diene dazu, die Nordflanke Russlands zu kontrollieren, wo durch die Klimaerwärmung das Eis schneller schmelze. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/rohstoffe-wettlauf-am-nordpol-1.2611846 | mlsum-de-265 |
Es ist ein weiterer Versuch, die Hinrichtung zu verhindern: Für die beiden in Indonesien zum Tode verurteilten Australier will die australische Außenministerin nun einen Gefangenenaustausch. Doch indonesische Behörden lehnen umgehend ab. | Indonesische Behörden lehnen Austausch ab Der indonesische Generalstaatsanwalt Prasetyo hat einen Vorschlag der australischen Außenministerin zurückgewiesen, wonach zwei zum Tode verurteilte Australier gegen inhaftierte Indonesier ausgetauscht werden sollten. Häftlinge, die "unser Land vergiftet haben", dürften nicht ausgetauscht werden, sagte er. Auch Sicherheitsminister Tedjo Edhy Purdijatno sagte, die Hinrichtungen würden wie geplant vollstreckt. Die beiden Australier Andrew Chan und Myuran Sukumaran sind in Indonesien wegen Heroinschmuggels zum Tode verurteilt - ihre Hinrichtung könnte kurz bevorstehen. Nichts unversucht lassen Die australische Außenministerin Julie Bishop hatte zuvor dem Radiosender ABC gesagt, sie habe mit ihrer indonesischen Kollegin Retno Marsudi ein "sehr angespanntes" Telefongespräch geführt. Dabei habe sie angemerkt, dass es "australische Gefangene in Jakarta und indonesische Gefangene in Australien" gebe. Sie habe einen Austausch vorgeschlagen und Marsudi habe versichert, ihre Bitte an den indonesischen Präsidenten Joko Widodo weiterzuleiten. Sie wolle nichts unversucht lassen, um das Leben von Andrew Chan und Myuran Sukumaran zu retten, sagte Bishop. Präsident Widodo äußerte sich bislang nicht zu dem Vorschlag. Verlegung der Gefangenen gilt als Indiz für bevorstehende Hinrichtung Zuletzt wurden die 31 und 33 Jahre alten Männer aus dem Gefängnis in Bali abgeholt und auf die Insel Nusakambangan gebracht, wo sie hingerichtet werden sollen. Ein Termin für die Exekution steht noch aus. Die Verlegung gilt aber als Indiz, dass sie kurz bevorsteht. Auf der Insel werden Hinrichtungen durch Erschießungskommandos vollstreckt. Protest der Abgeordneten Mit einer Mahnwache protestierten Parlamentsabgeordnete in Australien gegen die bevorstehende Hinrichtung. Dutzende Abgeordnete zündeten vor dem Parlament in Canberra Kerzen an. Auch Premierminister Tony Abbott und Oppositionsführer Bill Shorten nahmen daran teil. | https://www.sueddeutsche.de/panorama/nach-todesurteil-australien-schlaegt-gefangenenaustausch-vor-indonesien-lehnt-ab-1.2378816 | mlsum-de-266 |
Dank eines Doppelpacks von Robin Quaison gewinnt der FSV nach drei Liga-Niederlagen in Serie drei Punkte im Abstiegskampf - und versöhnt sich anschließend mit den eigenen Anhängern. | Dieses Mal hatten die mitgereisten Fans des FSV Mainz 05 nicht Hohn und Spott für ihre Mannschaft übrig, sondern brüllten unüberhörbar durchs riesige Olympiastadion: "Auswärtssieg! Auswärtssieg!" Mit dem 2:0 (1:0) bei Hertha BSC gewann der Abstiegskandidat das erste Spiel seit fast einem Jahr auf fremdem Platz und konnte die zuletzt so aufgebrachte Anhängerschaft etwas besänftigen. "Das war ein ganz wichtiges Lebenszeichen", sagte Sport-Vorstand Rouven Schröder und beobachtete zufrieden, wie seine Profis sich mit den Fans am Zaun abklatschten: "Das tut einfach gut." Die Lage beim Tabellen-16. der Fußball-Bundesliga ist zwar weiter prekär, aber nach zuletzt drei Niederlagen sowie dem 0:3 im DFB-Pokal-Viertelfinal-Derby bei Eintracht Frankfurt zeigten die Mainzer dieses Mal eine konzentrierte Vorstellung. Robin Quaison erzielte vor 30 908 Zuschauern beide Tore (40. und 65. Minute), da er einfach handlungsschneller agierte als die an diesem Abend zerfahrenen Berliner. "Das ist wohl einer der glücklichsten Tage, seit ich in Mainz bin", sagte der schwedische Stürmer nach seinem ersten Doppelpack im Oberhaus. "Wir haben ein wichtiges Spiel gewonnen." Hertha-Stürmer Ibisevic muss mit Nasenbeinbruch ins Krankenhaus Nach der 2:4-Niederlage in Hoffenheim und den Schmähgesängen ihres Publikums am Wochenende zuvor, als die Mainzer nach dem Abpfiff den den Gang in die Kurve verweigerten, hatten die Spieler in einem offenen Brief für Zusammenhalt und Unterstützung geworben. Mit dem Sieg von Berlin wollte Sandro Schwarz das Thema aber nicht schnell abhaken. "Wir müssen weiter vorleben, was die Nähe und Kommunikation zu den Fans angeht", sagte der Trainer, von dem einige Last abfiel: "Das war ein blitzsauberer Auftritt nach einer schweren Woche." Sportchef Schröder hatte Schwarz vor der Partie die "volle Rückendeckung" zugesagt, jetzt lobte er den 39-jährigen, der seine erste Saison als Chefcoach im Oberhaus erlebt: "Er ist sehr entschlossen und hat auch eine gewisse Ruhe. Dazu gibt er auch der Mannschaft ein sehr gutes Gefühl. Er ist in Mainz geboren, das spürst du. Ich kann absolut erkennen, dass alle an einem Strang ziehen." Die Mainzer hatten allerdings das Glück, am Freitagabend auf eine Hertha zu treffen, die selbst von ihrem Trainer kaum wiedererkannt wurde. Pal Dardai hatte keine Lust, dieses Auftritt öffentlich groß aufzuarbeiten. Mit wenigen Sätzen hakte er bei der Pressekonferenz die unansehnlichen 94 Minuten ab. "Ich finde, das war das schlechteste Heimspiel, seit ich da bin", sagte er nach dreijähriger Amtszeit. "Wir müssen das runterschlucken, morgen ein bisschen diskutieren, ein bisschen Meinung austauschen. Das war nicht in Ordnung heute." Zu allem Übel musste Kapitän Vedad Ibisevic mit Nasenbeinbruch ins Krankenhaus.Die Ankündigung "Ganz großes Kino im Berliner Olympiastadion" als Titel auf dem Stadionmagazin klang nach dem Duell zweier nicht einmal mittelmäßiger Mannschaften wie ein schlechter Witz. | https://www.sueddeutsche.de/sport/mainz-siegt-2-0-zurueck-am-zaun-1.3871752 | mlsum-de-267 |
Wolfsburgs Fußballerinnen treffen im Champions-League-Finale auf das favorisierte Olympique Lyon - jenen Klub, der die Deutschen seit Jahren inspiriert. | Wer sich mit Ralf Kellermann auf ein Fachgespräch über Fußball einlässt, muss beweglich sein. Zumindest gedanklich. Kellermann, seit 2008 beim VfL Wolfsburg Frauenfußball-Cheftrainer, webt in seine Arbeit immer wieder Anleihen und Ideen ein, die er bei anderen Klubs und Mannschaften beobachtet hat. Olympique Lyon etwa kennt der Frauenfußball-Welttrainer von 2014 nur zu gut: Als er vor acht Jahren die VfL-Fußballerinnen übernahm, galt die stete und auf professionelle Strukturen bedachte Aufbauarbeit von Frankreichs Double-Sieger als beispielhaft im Frauenfußball. Auch für Kellermann, 47, der sich Olympique Lyon also zum Vorbild nahm, um in Wolfsburg ein ähnlich dauerhaftes Erfolgsmodell zu installieren. Das Ergebnis ist nun an diesem Donnerstag (18 Uhr/Eurosport) im Stadio Città del Tricolore in Reggio Emilia zu sehen: Im Champions-League-Finale zwischen dem VfL Wolfsburg und eben jenem Olympique Lyon treffen jene beiden Klubmannschaften Europas aufeinander, die den Frauenfußball mit ihrer Professionalität und Spielkultur geprägt und angetrieben haben. "In Lyon wird seit Jahren eindrucksvolle Arbeit gemacht, da steckt Substanz und Qualität drin", sagte Kellermann einmal in einem Gespräch. Substanz und Qualität: Das sind die Richtlinien, die Kellermann auch beim VfL einfordert, und damit meint er nicht nur die Spielerinnen und die sportliche Planung, sondern auch den Ausbau der Infrastruktur, in der er und seine Fußballerinnen arbeiten können. Exzellente Trainingsbedingungen und physiotherapeutische Betreuung, angemessen bis gut honorierte Verträge und eine auch innerhalb des Vereins kommunizierte Verbundenheit zum Frauenfußball zeichnen inzwischen den VfL wie Olympique aus. Seit Kellermann dazu vergangenen Sommer die Schweizer Offensivspielerin Ramona Bachmann aus Malmö sowie aus Lyon die Mittelfeldspielerinnen Lara Dickenmann und Élise Bussaglia in sein gut besetztes Team geholt hat, spielt der VfL noch einmal direkter und variantenreicher. In der nationalen Bundesliga fand der VfL damit nur im defensiv noch kompakter arbeitenden FC Bayern seinen Meister, international aber spielen die Wolfsburgerinnen ihre gewachsene Erfahrung regelmäßig aus. Viermal in Serie hat der VfL nun mindestens das Halbfinale der Champions League erreicht, 2013 (gegen Lyon) und 2014 (gegen Tyresö) gewann er sie auch. Lyons Trainer Gérard Prêcheur findet denn auch nur lobende Worte über den Gegner: "Beide Teams kennen sich gut. Wolfsburg ist eines der besten europäischen Teams." Die Stärke des VfL sieht er mit Respekt und Hoffnung zugleich: Wolfsburg spiele "gerne offensiv, sie verwalten nicht, sie berechnen nicht", sagt Prêcheur. "Es wird für uns defensiv härter, aber ich denke, dass wir dadurch offensiv auch mehr Räume haben." Ein Vorzug, den seine Mannschaft in der französischen Liga nur sehr selten genießt. Gerade erst hat Lyon seinen zehnten Meistertitel in Serie geholt, die Dominanz des Klubs beschert der Liga regelmäßig einseitige Ergebnisse. Selbst der nationale Widerpart Paris St. Germain, vergangene Saison noch europäischer Überraschungssieger, musste im diesjährigen Champions-League-Halbfinale ein 0:7 hinnehmen. Natürlich hat Kellermann auch in dieser Saison Olympique beobachtet. "Über die Stärken von Lyon zu sprechen, könnte den Rahmen etwas sprengen", meinte Kellermann vor dem Endspiel in einem Interview mit dem Weltverband Fifa: "Aus meiner Sicht ist Lyon als Vereinsmannschaft aktuell das Maß aller Dinge. Sie spielen technisch, taktisch und auch physisch auf einem so hohen Niveau. Sie sind mit absoluter Weltklasse besetzt und haben uns gegenüber den Vorteil, das sie in dieser Besetzung, vielleicht mit ein, zwei Änderungen, schon länger zusammenspielen. Man merkt, dass alles automatisiert ist." Dazu, erzählte er vor dem Pokalsieg seiner Elf, habe Lyon etwas, was die Mannschaft über Frankreichs viel gerühmte, bislang aber titellose Nationalelf erhebt: Olympique habe dank seiner internationalen Besetzung auch den offensiven Punch, der der oft noch zu verspielten französischen Nationalelf fehlt. Vergangenes Wochenende haben nun drei Topspielerinnen angekündigt, Lyon zu verlassen: Stürmerin Lotta Schelin, 32, Symbol des Aufstiegs, kehrt nach Schweden zurück, wo sich ihr alter Verein aus Göteborg um sie bemüht. Mittelfeldspielerin Amandine Henry, 26, sucht bei den Portland Thorns in den USA eine neue Herausforderung. Spielmacherin Louisa Necib, 29, will noch das Olympiaturnier spielen und dann wohl die Karriere beenden, Frankfurts Dzsenifer Marozsan soll sie ersetzen. Davor will Lyon dem Trio in Reggio Emilia einen rauschenden Abschied bereiten, möglichst mit dem Titel. Doch auch Wolfsburg geht selbstbewusst in das Duell: In Kellermanns Ära hat der VfL keines seiner fünf Endspiele verloren. Er ist eben vorbereitet. | https://www.sueddeutsche.de/sport/frauen-champions-league-duell-mit-dem-vorbild-1.3005711 | mlsum-de-268 |
Die baskische Stadt an Frankreichs Atlantikküste hat einen rauen Charme - und gerade deshalb so viele Verehrer. | Das Meer und die Küste gehören zusammen auf Gedeih und Verderb. Ist der Ozean ein lauwarmes, wellenloses Süppchen, sehen auch die Strände schlapp aus; ist er rau und wild, wird die Küste es auf Dauer auch. Wenn man von Biarritz aus aufs Meer schaut, sieht man, dass der Atlantik es hier schon immer bitterernst gemeint hat. Die bizarr geschliffenen Felsen, die steilen Klippen sind sein Werk; sie stehen wie Warnungen vor den langen, weißen Sandstränden. Ich kann auch anders, soll das wohl heißen. Nur, dass hier in Biarritz der Einfluss des Meeres nicht am Strand aufhört. Die ganze Stadt ist ein Abbild des Ozeans. An jedem idyllischen Sandstrand erinnert ein scharfkantiger Felsklotz unsanft daran, dass man bitte schön an der Biskaya ist und nicht in der Karibik; und in fast jeder Jugendstil- oder Second-Empire-Häuserzeile tritt einem eine Bausünde brutal vors Schienbein. Der alte Hafen ist mit seinen Fischerhütten sehr malerisch, aber für allzu nostalgische Gefühle ist er dann doch zu rostig und abgerockt. Herber Charme, deine Heimat heißt Baskenland. Und wenn das Meer sich eine ganze Stadt zu eigen gemacht hat, warum sollte es bei den Menschen aufhören? Tut es nicht. Jedenfalls nicht bei René Sibers, einem drahtigen, ergrauten Rentner, der morgens bei grauem Wetter die Küstenpromenade entlangjoggt, vorbei an prächtigen Palästen und Siebzigerjahre-Klötzen, aber wer hier nicht aufs Meer schaut, ist sowieso selber schuld. "Also meine Meinung ist: Die haben zu viel Werbung für die baskische Küste gemacht", sagt er, noch etwas atemlos. "Jetzt kommen immer mehr Touristen." Streng genommen ist außer der Reporterin allerdings kein einziger zu sehen, jetzt, an einem Morgen in der Vorsaison, aber zugegeben, im Hochsommer werden es mehr. ‹ › Besonders Surfer... Bild: mauritius images ‹ › ...und die Ganzjahresschwimmer von den "Eisbären" erfreuen sich der besonderen Perspektive. Bild: Bob Edme/AP Wird geladen ... Nicht, dass das nicht verständlich wäre. "Wenn man hier lebt, dann bleibt man, ist doch klar", sagt Sibers. Schließlich sei es nirgendwo schöner als in Biarritz. 1962 hat er hier mit Surfen angefangen. Da war Biarritz gerade der erste Surf-Spot Europas geworden. Angeblich nachdem die Hollywood-Schauspielerin Deborah Kerr ihren Ehemann mit herbrachte und der seinerseits ein Surfbrett. Bis heute ist die Gegend ein bekannter Spot. Es soll sogar Australier geben, die hier nach Abwechslung suchen; und ganze Bettenburgen am Strand sind offensichtlich auf Surfer ausgerichtet. Südlich von Biarritz bricht zuweilen - wenn die Bedingungen passen - Belharra, eine der größten Wellen der Welt. Besser nicht googeln: In dem Hotelzimmer wohnte schon einmal ein Diktator Taucher-Neoprenanzüge hatten René Sibers und seine Kumpels damals beim Surfen an, weil es noch keine Surf-Anzüge gab, die Bretter baute der Schreiner. Inzwischen kann er nicht mehr aufs Wasser, die Schulter. "Aber jetzt sind es eh zu viele geworden", sagt er missmutig. "Mit diesen neuen Brettern meint ja jeder, dass er surfen kann." Dann muss er weiter, "Ciaociao", sagt er, schon im Davonjoggen, und winkt. Das Meeresrauschen übertönt ihn. Ein paar Schritte weiter liegt der alte Aussichtspunkt, an dem die Fischer einst nach Walen Ausschau hielten, wenn sie nicht gerade mit Schmuggeln über die nahe spanische Grenze beschäftigt waren. Wurde ein Wal gesichtet, rannte man zu den Booten und fuhr hinaus. Biarritz war bettelarm. Irgendwann blieben sie weg, die Wale. Stattdessen kam Eugénie, die junge, hübsche und legendär fromme Gattin von Napoléon III. Sie überredete ihren Mann, in Biarritz eine Residenz zu bauen, und Biarritz wurde zum Badeort. Eugénies Palast ist heute das Hotel du Palais, ein elegantes Haus direkt am Strand. In den prachtvollen Zimmern voller antiker Möbel hängt die Geschichte so samtig und schwer wie die Vorhänge, aber man muss nur ein Fenster öffnen, um direkt über dem Meer im Wind zu stehen wie ein siegreicher Flottenadmiral. Im eigenen Zimmer, so liest man im Archiv der New York Times, residierte einst Mobutu Sese Seko, langjähriger Kleptokrat von Zaire. Lehre für die Zukunft: Nicht das Hotelzimmer googeln. Diktatoren müssen eben auch irgendwo schlafen. Detailansicht öffnen SZ-Karte Später kommt die Sonne heraus, es wird doch noch ein heißer Sommertag, der Wetterbericht hatte Kälte und Dauerregen vorhergesagt. Typisch, sagt jeder, bei dem man sich darüber beschwert, die irren sich hier immer. Muss an der Biskaya liegen. Immerhin ließen die tückischen Verhältnisse hier früher reihenweise Schiffe untergehen, was will man da vom Wetterbericht erwarten. Egal, auf welche Witterung man eingestellt ist - ein Besuch im Aquarium lohnt sich bei Sonne oder Regen. Es ist eine erstaunliche Erfahrung. Stéphane Connole, der hier arbeitet, führt an springenden Rochen, zauberhaften Seeanemonen und einer meterlangen grünen Muräne vorbei, die dem Basilisken bei Harry Potter beängstigend ähnlich sieht. Aber dann kommt das meterhohe Becken mit den Haien, und Connole erzählt, wie die Tierpfleger zu zweit tauchen, um die Wände zu reinigen; einer putzt, einer achtet auf die Tiere. Wie friedlich die Haie sind. Dass andere Fische in dem Becken viel gefährlicher sind, weil sie einfach so angreifen, was Haie nie tun würden. | https://www.sueddeutsche.de/reise/frankreich-launische-schoenheit-1.3053129 | mlsum-de-269 |
15 Fahrräder mit Elektromotor prüft Stiftung Warentest, ein Drittel fällt komplett durch. Nicht nur die billigen Modelle zeigen erhebliche Mängel. | Immer mehr Autos und überfüllte Straßen in deutschen Städten haben dazu geführt, dass der Fahrradmarkt seit Jahren boomt. Und immer mehr Verkehrsteilnehmer lassen sich dabei elektrisch unterstützen. Der Verkauf von E-Bikes und Pedelecs steigt kontinuierlich. Die Stiftung Warentest hat für die Juli-Ausgabe ihres Magazins Test 15 Pedelecs getestet, also Räder, die bis zu einem Tempo von 25 km/h von einem Elektromotor unterstützt werden. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Fünf Pedelecs wurden mit der Note "mangelhaft" bewertet, drei weitere sind lediglich "Befriedigend". Unter den mangelhaften Rädern befinden sich die beiden billigsten Bikes von Aldi (900 Euro) und Fischer (1200 Euro). Sie wiesen zum Teil eklatante Mängel auf. Bei beiden brach die Sattelstütze bzw. die Sattelklemmung. Passiert das während der Fahrt, könnte sich der Radler schwer verletzen. Bei Aldis Pedelec reichte die Bremswirkung zudem nicht für das zulässige Gesamtgewicht, die elektrische Reichweite ist mit 47 Kilometern unterdurchschnittlich. Ebenfalls mit "mangelhaft" bewertet wurden drei teurere Räder. Beim Kettler Traveller E Tour FL für 2550 Euro brach die Sattelklemme, die Pedelecs von Stevens und Pegasus bremsten so schlecht, dass die Tester die Bikes nicht empfehlen können. Das teuerste Rad ist am besten Der Testsieger bei Stiftung Warentest ist am teuersten. Das Flyer B8.1 (3300 Euro) ist eines von sieben Pedelecs mit der Wertung "gut". Es ist komfortabel und fährt am besten, auch wenn der Akku schon leer ist. Zudem lässt es sich als einziges Rad einfach einstellen. Das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bietet Stiftung Warentest zufolge das Decathlon/Riverside City Nexus (1800 Euro). Es ist "hochwertig und gut ausgerüstet", schreiben die Tester. Schwächen zeigten fast alle Räder am Berg. Beim Zurückschalten sorgten die Nabenschaltungen für Probleme: Unter Last schalteten sie nicht. Besondere Rätsel gaben den Testern die Räder von Kalkhoff und Raleigh auf. Obwohl sie vom gleichen Anbieter stammen (Derby Dycles) und den gleichen Rahmen, Antrieb und Reifen besitzen, ist die Fahrstabilität unterschiedlich. Zufrieden ist Stiftung Warentest zumindest mit den Ladezeiten. Sie liegen zwischen drei und fünf Stunden. Das reicht zwar nicht für ein schnelles Aufladen zwischendurch, aber zumindest für einen problemlosen Ladevorgang über Nacht. Den kompletten Test von Stiftung Warentest finden Sie hier. | https://www.sueddeutsche.de/auto/stiftung-warentest-das-pedelec-von-aldi-ist-mangelhaft-1.3047275 | mlsum-de-270 |
Mindestlohn, Mietpreisbremse, Elterngeld Plus, teureres Briefporto und höheres Bußgeld für Schwarzfahrer: Das Jahr 2015 bringt zahlreiche Neuerungen. Die wichtigsten im Überblick. | Über Nacht wird alles anders. Nichts soll mehr so sein, wie es war. Nie wieder rauchen, mehr Sport, gesündere Ernährung. Besonders beliebt für solch radikale Brüche: die Silvesternacht. Was aus den meisten dieser hehren Vorsätze wird, ist allerdings leidlich bekannt. Deutlich konsequenter als der durchschnittliche Bürger ist da der Gesetzgeber. Hat er sich zu einer Entscheidung durchgerungen, wird sie auch durchgezogen. Und für 2015 hat er sich vieles vorgenommen. Arbeit und Soziales Jahrelang haben die Gewerkschaften gekämpft, jetzt kommt der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro. 3,7 Millionen Menschen werden davon im neuen Jahr erstmals profitieren - sofern keiner arbeitslos wird. Die neue Untergrenze gilt zunächst bis Ende 2016, dann soll die erste Erhöhung kommen. Ausnahmen gibt es nur für frühere Langzeitarbeitslose, Praktikanten oder Auszubildende. Abweichungen nach unten sind außerdem in einer dreijährigen Übergangszeit in Jobs erlaubt, für die ein allgemein verbindlicher Branchenmindestlohn etwas anderes regelt. Auch die mehr als sechs Millionen Hartz-IV-Empfänger bekommen mehr Geld. Der Regelsatz für Alleinstehende steigt von 391 auf 399 Euro monatlich. Leben zwei Hilfe-Bezieher zusammen, erhalten sie je 360 statt 353 Euro. Für Kinder zahlt der Staat je nach Alter zwischen 234 und 302 Euro. Zugleich sinkt der Beitragssatz für die gesetzliche Rentenversicherung von 18,9 auf 18,7 Prozent des sozialversicherungspflichtigen Bruttoeinkommens. Die Bemessungsgrenze, bis zu der Beiträge eingezogen werden, steigt allerdings: für die Renten- und Arbeitslosenversicherung im Westen um 100 auf 6050 Euro monatlich, im Osten um 200 auf 5200 Euro. Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung steigt ab Januar um 0,3 Prozentpunkte auf 2,35 Prozent. Wer kein Kind hat, muss 2,6 Prozent zahlen. Mit dem Aufschlag soll die erste Stufe der großen Pflegereform finanziert werden, die zeitgleich in Kraft tritt. Damit werden alle Leistungen der Pflegeversicherung um vier Prozent angehoben, um die Preissteigerungen der vergangenen Jahre zu berücksichtigen. Demenzkranke erhalten zudem mehr als bislang und Angehörige sollen die Pflegeleistungen besser kombinieren können. Wenn Eltern schon früher wieder in den Job einsteigen und in Teilzeit arbeiten wollen, bekommen sie dafür künftig länger Elterngeld. Bisher gab es die Leistung für bis zu 14 Monate, nun soll es bei reduzierter Stundenzahl laut Familienministerium statt eines Elterngeld-Monats zwei Elterngeld-Plus-Monate geben. Außerdem kann die Elternzeit flexibler gestaltet werden, weil nun zwei Jahre mit Zustimmung des Arbeitgebers auf den Zeitraum zwischen dem dritten und achten Lebensjahr eines Kindes übertragen werden können. Steuern Die hoch verschuldeten Länder Nordrhein-Westfalen und das Saarland drehen zum Jahreswechsel kräftig an der Steuerschraube: Wer dort ein Grundstück, ein Haus oder eine Wohnung kauft, muss von Januar an 6,5 Prozent Grunderwerbsteuer zahlen - das sind anderthalb (NRW) beziehungsweise ein Prozentpunkt (Saarland) mehr als bisher. An Rhein und Ruhr steigt die Steuerbelastung beim Kauf einer Immobilie für 300 000 Euro von 15 000 auf 19 500 Euro. Gemeinsam mit Schleswig-Holstein liegen beide Länder damit künftig bundesweit an der Spitze. Zum Vergleich: Bayern und Sachsen verlangen gerade einmal 3,5 Prozent Grunderwerbsteuer. Wenn sich Steuerhinterzieher - ob aus Reue oder Angst - stellen, haben sie es ab Januar schwerer, ungeschoren davonzukommen. Zwar honoriert der Fiskus auch künftig, wenn sich ein Delinquent selbst anzeigt - straffrei bleibt er aber nur, wenn die verschwiegene Steuerschuld unter 25 000 Euro liegt. Bisher lag das Limit bei 50 000 Euro. Oberhalb von 25 000 Euro werden nun zehn Prozent Strafzuschlag fällig, ab 100 000 Euro sind es 15 und ab einer Million 20 Prozent. Zudem muss der Steuerhinterzieher rückwirkend für zehn statt fünf Jahre reinen Tisch machen. Unklar ist dagegen weiterhin, wie der Fiskus mit einer ganzen Reihe von Kosten umgehen muss, etwa den Anwaltsgebühren bei einer Scheidung oder den Auslagen für eine Erstausbildung. Im letzteren Fall werden die gesetzlichen Kriterien zum Januar sogar verschärft. Trotzdem sollten Auszubildende und Studenten die Kosten der Erstausbildung oder des Erststudiums geltend machen - und dann gegen den zu erwartenden ablehnenden Steuerbescheid Widerspruch einlegen. Denn womöglich hilft ihnen das Bundesverfassungsgericht, das sich derzeit mit dieser Frage befasst. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/neue-gesetze-und-regeln-wer-2015-profitiert-und-wer-verliert-1.2284863 | mlsum-de-271 |
Wegen der ungünstigen Perspektiven für Ärzte in Österreich gehen viele junge Mediziner ins Ausland oder in andere Branchen. | Fünf bis sieben Stunden für knapp zweihundert Aufgaben: Chemie, Biologie und Physik, Körper und Seele, Planen und Organisieren, Lernen und Erinnern, Leseverständnis, taktile Fähigkeiten, Logik - wer den Medizinertest an einer der vier österreichischen Universitäten Wien, Graz, Innsbruck und neuerdings auch Linz geschafft hat, fühlt sich im siebten Himmel. Ärztin, Arzt werden dürfen - ohne 1,0-Abitur oder jahrelange Wartezeiten, das geht, wenn man nicht Tausende Euro pro Jahr in Budapest oder Riga ausgeben will, für deutsche Studenten nach wie vor am besten in Österreich. Neuerdings wollen zwar mehrere Unis eine Anmeldegebühr von 110 Euro für den Aufnahmetest verlangen. Und nach wie vor werden nur 20 Prozent aller Medizinstudiumsplätze an Europäer und damit auch an deutsche Aspiranten vergeben; 75 Prozent bleiben Inländern, fünf Prozent Bewerbern von außerhalb der EU vorbehalten. Trotzdem ist der Andrang ungebrochen: Je nach Hochschule kommen bei jedem Test immer noch bis zu 60 Prozent der Bewerber aus Deutschland. Im siebten Himmel, geschafft, den schwersten Schritt gemeistert - österreichische Medizinstudenten können diese Begeisterung oft nicht nachempfinden. Klar, Arzt werden ist auch in Tirol, Vorarlberg oder Kärnten immer noch ein Traumberuf vieler Maturanten. Aber immer mehr Einheimische, die den Aufnahmetest schaffen und das lange, harte Studium durchstehen, enden zum Schluss gar nicht in der Medizin. Zu schlecht ist mittlerweile der Ruf der Ausbildung für Jungärzte, zu niedrig sind im Vergleich zu anderen europäischen Gehältern die Einkommen, zu hierarchisiert sind die Aufstiegswege an heimischen Krankenhäusern. Von 1400 fertigen Medizinern, die alljährlich ihre Examina an österreichischen Medizin-Unis machen, erscheinen, wie das Magazin Profil recherchiert hat, später nur 900 in den ärztlichen Berufsverzeichnissen, real sind es sogar nur 700, weil viele Frauen nicht Vollzeit arbeiten. Die anderen wandern ab. In die Pharma-Industrie, ins Ausland. Nur weg aus einem System, das zwar theoretisch die höchste Ärztedichte und die höchste Zahl von Krankenhaustagen pro Kopf in Europa hat, aber oft fast irrsinnige Wartezeiten in den Ambulanzen. In einer Kinderklinik-Ambulanz in Wien warteten im Januar während der Grippezeit an einem Wochenende manche Eltern mit ihren Kleinkindern bis zu 16 Stunden auf eine Behandlung. Eine neue Arbeitszeitregelung, nach der Klinikärzte maximal 48 Stunden in der Woche arbeiten dürfen, wurde - nach mehreren Jahren Vorlauf und einer früheren Umsetzung in einigen anderen Bundesländern - jetzt schließlich auch in Wien eingeführt. Was dazu dienen sollte, Überarbeitung und Fehler zu minimieren, hat nun, weil nicht entsprechend zusätzliche Kräfte eingestellt wurden, zu mehr Stress, geschlossenen Operationssälen, langen Wartezeiten für Eingriffe und frustrierten Ärzten geführt: Zwar gibt es mehr Geld, sodass Mediziner nicht mehr 60 bis 70 Stunden arbeiten müssen, um auf ein durchschnittliches Akademikergehalt zu kommen, aber es gibt noch mehr Übergaben, noch weniger Zeit für Patienten- und noch weniger Zeit für die Ausbildung der Turnus-Ärzte. Der Vizepräsident der österreichischen Ärztekammer, Harald Mayer, fordert "Ausbildungs-Assistenten", damit Jungärzte im Job angeleitet werden, aber das sind Blütenträume. Der Nachwuchs mag sich nicht mehr in die stark hierarchisierte Fließband-Medizin begeben und bleibt weg. 200 Millionen Euro jährlich koste das Österreichs Volkswirtschaft, haben Fachleute ausgerechnet. Viele gehen in die Schweiz oder nach England, wo die Gehälter höher sind. Und die Deutschen gehen überwiegend - zurück nach Deutschland. Gut möglich, dass diese Schieflage bald noch schiefer wird. Im Jahr 2006 hatte Österreich den Eingangstest für Mediziner eingeführt, um das Land vor allzu vielen Deutschen zu schützen, die Studienplätze besetzten, aber nicht vorhatten, nach der Ausbildung im Land zu bleiben. Bis 2006 hatten Deutsche nur im Nachbarland studieren können, wenn sie einen Studienplatz in Deutschland vorweisen konnten; diese Regel kippte der Europäische Gerichtshof 2005. Die Nachwuchsmediziner sind mit ihren Gehältern und den Arbeitszeiten unzufrieden Zehn Jahre hatte Österreich nun Zeit, um zu beweisen, dass deutsche Studenten nach dem Studium wirklich wieder nach Deutschland gehen, und Patienten wie Krankenhäuser in Österreich das Nachsehen haben. Nur dann erlaubt es die EU-Kommission, auch weiterhin 75 Prozent der Studienplätze für Human-und Zahnmedizin mit Landsleuten zu besetzen. Gleichbehandlungsgrundsatz und Freizügigkeit verlangen nämlich eigentlich, dass EU-Bürger alle gleich behandelt werden. Nur wenn die Beachtung der Grundsätze nachweisbar zu einem Notstand - zu einem Mediziner-Mangel in diesem Fall - führt, darf ein Land mit dem Segen der Kommission davon abweichen. Mitte 2016 soll die Regierung in Wien ihre Zahlen und ihre Argumente vorlegen, damit die Sonderregelung bleiben kann. Umfragen im Vorfeld machen schon jetzt klar, dass die Lage mutmaßlich noch dramatischer wird, als sie war - ein trauriger Trost für den Wissenschaftsminister: Eine Umfrage der Studentenvertretungen (ÖH) an den Medizin-Unis in Wien, Graz und Innsbruck zeigt, dass die meisten Nachbarn tatsächlich nicht gekommen sind, um zu bleiben. Nach einer Befragung durch das Wiener Wissenschaftsministerium Ende 2014 arbeiteten von den aus Deutschland stammenden Medizin-Absolventen 79 Prozent nicht in Österreich. Aber auch knapp 53 Prozent der befragten Österreicher im letzten Studienabschnitt wollen, wie verschiedene Zeitungen berichten, nach dem Abschluss ins Ausland gehen. Laut ÖH-Umfrage sind die Nachwuchsmediziner unter anderem mit dem zu erwartenden Gehalt, mit der weiteren Ausbildung, mit den Arbeitsbedingungen und den Arbeitszeiten unzufrieden. An mehreren österreichischen Unis hängen mittlerweile Plakate, in denen deutsche Krankenhausbetreiber um Absolventen werben - mit guten Aussichten. | https://www.sueddeutsche.de/karriere/medizinstudium-gekommen-um-wieder-zu-gehen-1.2940743 | mlsum-de-272 |
Der Weltcup in Garching zieht mehr als 700 Schützen an. Viele starten gelassen in den Wettkampf. | Sie sind wieder gekommen. Etwas brauner gebrannt als im Vorjahr, die Augenringe kleiner, der Zeitplan entspannter. Und passend dazu scheint nach schneebedeckten Ostertagen plötzlich sogar noch die Sonne. So harmonisch wie diesmal geht es selten zu beim Schützen-Weltcup in München (17. bis 24. Mai). Keine Olympischen Spiele, kein Kampf um Quotenplätze, keine internen Ausscheidungsduelle. Über der Schießanlage in Garching-Hochbrück liegt die frühsommerliche Gelassenheit eines nacholympischen Jahres. Soll heißen: Nur kein Stress! "Die Atmosphäre ist heuer sicher lockerer, ein fast schon freundschaftliches Flair", beobachtet Ralf Horneber, Sportdirektor des Bayerischen Sportschützenbunds. Er selbst wirkt ganz entspannt, auch wenn er in diesen Tagen als Wettkampfleiter viel zu tun hat. Denn trotz aller Gemütlichkeit gilt: Die Veranstaltung in München zählt zu den größten Schießwettbewerben auf der ganzen Welt. Knapp 700 Schützen aus 75 Ländern treten an, um eine der begehrten Glastrophäen zu gewinnen. "Wir haben fast genauso viele Starter wie die restlichen drei Weltcups zusammen", erklärt Horneber. Aufgrund der außergewöhnlichen Größe der Anlage und der guten Organisation hat München gegenüber Austragungsorten wie Baku oder Neu Delhi einen klaren Vorteil - und erfreut sich bei den Schützen besonderer Beliebtheit. Die vielen Stände und die pünktlichen Starts werden geschätzt. In der Qualifikation sind weniger Durchgänge nötig, was den Ablauf vereinfacht. Dazu ist die Anlage in einem sehr guten Zustand, gerade erst wurde der Boden der Luftdruckhalle saniert. Verband und das Land Bayern investieren regelmäßig in die Erhaltung der Olympiastätte von 1972, so dass die Wettkampfstätte auf dem neuesten Stand ist. Olympiamedaillengewinner wie Christian Reitz (Schnellfeuerpistole) oder Monika Karsch (Sportpistole) wollen den Wettbewerb nutzen, um nach kurzer Auszeit wieder zu ihrer Form zu finden. "Man kann das ein oder andere ausprobieren", meint Horneber. Noch sind die sportlichen Ergebnisse nicht essenziell für die nächsten Spiele 2020 in Tokio. Daran orientiert sich auch bei den Schützen alles. Gleichzeitig ist der diesjährige Wettbewerb eine Chance für die jüngeren Athleten. Gerade bei den deutschen Gewehr-Schützen, die am Freitag den Anfang machten, findet derzeit ein Umbruch statt. Nach den Rücktritten von Olympiasiegerin Barbara Engleder und Henri Junghänel ruhen die Hoffnungen auf Michael Janker (Hochstetten), 25, und Maximilian Dallinger (Lengdorf), 20, sowie bei den Frauen auf Selina Gschwandtner, (Reischach), 22. Sie sind die Nachfolger in der bei den Spielen bekannt gewordenen Trainingsgruppe "Burning Eyes", die gleich mehrere Medaillen hervorbrachte und unter der Anleitung von Bayernkader-Trainer Mario Gonsierowski regelmäßig in München zusammenkommt. Erfahrungsaustausch sei leistungsfördernd, meint Janker. Die junge Generation setzt auf ein Mit- statt auf ein Gegeneinander. Beim Heimwettkampf sprang jetzt aber vorerst keine Medaille heraus. Im Internet werden erstmals alle Entscheidungen übertragen Bei den Pistolenschützen gehört Michelle Skeries (Frankfurt/Oder) zu den aussichtsreichsten Talenten. Sie gewann gleich bei ihrer ersten Weltcupteilnahme in Neu Delhi Bronze mit der Sportpistole und erzielte jüngst in Hannover einen inoffiziellen Finalweltrekord mit 40 Treffern. Der Münchner Michael Heise geht nach Formschwankungen in den vergangenen Monaten eher als Außenseiter an den Start. Reitz und Karsch sind bei den Pistolenschützen nach wie vor die Führungsfiguren. Wen man dann in der Finalhalle zwischen den vielen Zelten der Aussteller sehen wird, ist dieses Jahr "noch weniger vorhersehbar als sonst", meint Horneber. Vorhersehbar sind dagegen die Finalansetzungen - und hier sind die Schützen so sichtbar wie selten. Ein neu geschaffener Olympic Channel, ins Leben gerufen vom IOC, wird alle zehn Entscheidungen (zwei pro Tag) live im Internet übertragen. Der Modus hat sich dabei leicht verändert: Im Finale der besten Acht werden nun 20 statt 24 Schüsse abgegeben. Konstanz ist also noch wichtiger. Aber was heißt das schon im nacholympischen Jahr, wo mancher noch seine Form und anderer schon die Sonnencreme sucht? "Ein bissl was geht immer", sagt Horneber. Er freut sich auf viele entspannte Gesichter. | https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/sportschiessen-nacholympisches-feuer-1.3513904 | mlsum-de-273 |
Frankreichs Präsident hatte versprochen, dass er bis 2016 die Arbeitslosigkeit senken werde. Das klappt nun höchstens noch mit Tricks. | Es ist François Hollandes wichtigstes Versprechen an die Franzosen. Der Staatschef hat seine politische Zukunft darauf verpfändet. Er habe "keinen Grund, zu kandidieren" bei der nächsten Präsidentenwahl, sollte es ihm nicht gelingen, bis dahin die Arbeitslosenquote zu senken. Das sagte er 2014. Die Wahl drei Jahre später schien weit weg zu sein. Vor einigen Monaten aber wiederholte Frankreichs Präsident das Versprechen, präzisierte es sogar: "Im Jahr 2016 muss dieser Rückgang auf glaubhafte Weise erkennbar werden." 2016, das ist jetzt. Und bis zur Präsidentenwahl ist es nur noch gut ein Jahr. Umfragen zeigen, dass Frankreichs Jobmisere die Hauptsorge der Wähler ist - noch vor dem islamistischen Terror. Also hat Hollande nach dem Terror-Notstand kürzlich auch einen "wirtschaftlichen und sozialen Notstand" ausgerufen. "Der Kampf gegen die Erwerbslosigkeit ist meine erste Priorität", beteuerte Hollande vor zwei Wochen in seiner Neujahrsansprache. Am Montag nun will der Präsident ein milliardenschweres Paket aus Fortbildungsprogrammen für Langzeitarbeitslose und Hilfen für Firmen präsentieren, das die Erwerbslosigkeit nach Jahren des Anstiegs plötzlich und deutlich senken soll. Das Jobpaket ist zugleich Rettungspaket für Hollande selbst. Von dem Programm hängt ja erklärtermaßen ab, ob er zur Wiederwahl antreten darf. Es ist zudem entscheidend dafür, ob er seine tief gespaltene sozialistische Partei einen kann. Andernfalls wird es für Hollande - der nach einem Zwischenhoch nach den Terroranschlägen wieder im Zustimmungstief versinkt - schwer, angesichts der Stärke des rechtsextremen Front National in die entscheidende Stichwahl einzuziehen. Einer Umfrage zufolge glauben 84 Prozent der Franzosen nicht, dass es Hollande gelingt, in den nächsten Monaten die Erwerbslosenquote zu senken. Die ist mit 10,2 Prozent, die strukturschwachen Überseegebiete nicht mitgezählt, so hoch wie seit 20 Jahren nicht. Die absolute Zahl der Erwerbslosen liegt bei 3,6 Millionen. Sie ist seit Hollandes Amtsantritt 2012 um 700 000 gestiegen, nachdem sie unter dem konservativen Amtsvorgänger Nicolas Sarkozy schon um 750 000 zugelegt hatte. Besonders dramatisch ist die Jugendarbeitslosigkeit, deren Quote bald 25 Prozent erreicht. "In den vergangenen zwölf Monaten haben 24 der 28 EU-Staaten die Arbeitslosigkeit gesenkt", so Hollandes Wirtschaftsminister Emmanuel Macron selbstkritisch. "Wir gehören zu den vier, denen das nicht gelungen ist." Dabei war der Konjunkturrahmen 2015 ideal für einen Aufschwung, der Jobs schafft. Billiges Öl, niedrige Zinsen und die exportfördernde Euro-Schwäche reichten trotzdem nur für ein Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent - während der deutsche Nachbar unter denselben Bedingungen 1,7 Prozent schaffte. Immerhin sagen die Frankreich-Prognosen für 2016 ein Plus von 1,5 Prozent voraus, die Investitionen der Unternehmen und der private Konsum springen an. In der Folge werde auch die Arbeitslosenquote sinken, sagt beschwörend Arbeitsministerin Myriam El Khomri. "Wir sind in einer Stabilisierungsphase." Doch die Experten der Arbeitslosenversicherung sagen für 2016 nur einen minimalen Rückgang der Quote voraus. Das liegt auch daran, dass die absolute Zahl Erwerbsfähiger durch die dynamische französische Bevölkerungsentwicklung jedes Jahr steigt. Auf die Schnelle hilft also nur eins: Die Regierung muss mit Steuergeld nachhelfen, wenn sie einen starken, Rückgang der Arbeitslosigkeit sicherstellen will, den viele Wähler wahrnehmen. Einiges von dem, was Hollande verkünden will, wird noch in der Regierung verhandelt. Auch die Gesamtkosten sind unklar. Das wichtigste Instrument Hollandes ist aber schon bekannt: Das staatliche Programm für Langzeitarbeitslose, mit dem derzeit jährlich 680 000 Menschen fortgebildet werden, wird um 500 000 Plätze aufgestockt. So sollen Zukunftsberufe in der Digitalwirtschaft und den erneuerbaren Energien gefördert werden, aber auch das Handwerk, das heute viele freie Stellen nicht besetzen kann. Der politische Vorteil für Hollande ist unmittelbar: Die 500 000 Empfänger von Fortbildung fallen heraus aus der Hauptstatistik der Arbeitslosenzahlen. Experten zweifeln allerdings an der Wirksamkeit des alten Rezepts, Arbeitsmarktprobleme mit Sozialmitteln lösen zu wollen. Und die Kosten des Programms dürften mit einer Milliarde Euro eher zu niedrig angesetzt sein. Für die Jugend will Hollande die Zahl der Lehrstellen steigern und die Mittel für einen sozialen Freiwilligendienst massiv aufstocken. Die Teilnehmerzahl des Freiwilligendiensts soll so von 60 000 auf 350 000 im Jahr 2018 steigen. Auch das bessert die Statistik. Frankreichs Unternehmen schließlich, die jenseits aller Staatsprogramme das Gros der Jobs schaffen, sollen dafür Anreize erhalten. Die Regierung plant Zuschüsse für Neueinstellungen gering Qualifizierter. Arbeitgebern soll zudem die Hemmung vor Einstellungen genommen werden, indem die Höhe der Abfindung im Fall späterer Kündigung gedeckelt wird. Das ist ein alter Wunsch der Arbeitgeber, den die Gewerkschaften strikt ablehnen. Der Forderung, betriebsbedingte Kündigungen an sich zu erleichtern, dürfte die Regierung aber nicht folgen. Die Mischung aus Zugeständnissen an Gewerkschaften und Arbeitgeber offenbart die Uneinigkeit, die in Hollandes Lager darüber herrscht, was eigentlich schuld ist an der Jobmisere: das rigide Arbeitsrecht und hohe Sozialabgaben - oder übertriebenes Gewinnstreben der Firmen? Klar ist dagegen, dass es bei Hollandes Job-Offensive allein darum geht, die Quote zu drücken. Nicht darum, die tatsächliche Zahl der Arbeitslosen zu senken auf den Stand bei der letzten Wahl. Das hat Hollande schon Mitte 2015 eingeräumt: "Es ist unmöglich", so der Präsident damals, "das Arbeitslosen-Niveau von 2012 wiederzuerlangen." | https://www.sueddeutsche.de/politik/frankreich-kosmetik-soll-s-richten-1.2818231 | mlsum-de-274 |
Nach sechs Spieltagen findet sich der SC Magdeburg überraschend auf Platz eins der Bundesliga-Tabelle wieder. Das weckt Erinnerungen an den Titelgewinn des Klubs im Jahre 2001. | Matthias Musche ist kein Isländer, das muss erwähnt werden, weil in Magdeburg schon ein paar blonde Kerle mit üppiger Gesichtsbehaarung große Erfolge gefeiert haben. Nein: Matthias Musche ist Magdeburger. Einer, der nicht unbedingt zu der glattgebügelten Sorte Mensch gehört, was für den Zuhörer in durchautorisierten Zeiten durchaus einen Mehrwert bringen kann. Vor ein paar Monaten etwa war Musche kein gutes Spiel geglückt im Viertelfinale des DHB-Pokals, die Magdeburger hatten trotzdemknapp gegen die Füchse Berlin gewonnen, und dann sagte der 26-Jährige am Fernsehmikrofon nach der Partie: "Ich habe heute nach allen Regeln der Kunst verkackt und bin froh, dass meine Mannschaft mir den Arsch gerettet hat." Kategorie: unübliche Selbstkritik. Und eine Art, die bei Geschäftsführer Marc-Henrik Schmedt so gut ankommt, dass er sagt: "Ich glaube, dass Musche nach Stefan Kretzschmar die zweite Marke im Handball werden kann." "Diese Welle des Erfolges tut gerade sehr gut", sagt der Trainer Bennet Wiegert Nun geht es natürlich nicht nur ums Reden, sondern auch um sehr viele Tore, die der Linksaußen in der noch kurzen Saison geworfen hat und um diesen Tabellenplatz der Magdeburger: Rang eins, nach sechs Spieltagen. Wer ein gutes Erinnerungsvermögen besitzt, dem fällt mit Blick auf die Tabellenspitze nur eine Jahreszahl ein: 2001. Als im SCM erstmals eine ostdeutsche Team die gesamtdeutsche Meisterschaft im Handball gewann. Und danach keine mehr. "Wir sollten diese Welle des Erfolges versuchen weiterzuschwimmen, die tut gerade sehr gut", sagte Trainer Bennet Wiegert nach dem Spiel gegen den THW Kiel; den großen Titelfavoriten haben die Magdeburger kürzlich 35:30 besiegt. Man weiß ja nie, wann die Welle wieder abebbt. Allerdings macht Magdeburg derzeit sehr viel richtig. Und das hat auch mit Matthias Musche zu tun. Die Statistiken in der noch jungen Saison sprechen für die Magdeburger, Torhüter Jannick Green führt die Liste der parierten Bälle an, und mit 55 Toren in sechs Spielen kommt Musche auf einen Wert, der in der Liga unübertroffen ist. 32 Feldtore sind darunter, vornehmlich durch Tempogegenstöße zustande gekommen, die aus einer kompakten Abwehr resultieren. "Wir hatten im Sommer nur einen Personalwechsel, dadurch ist der Innenblock perfekt eingespielt", sagt Geschäftsführer Schmedt, der darin die Erklärung für den formidablen Start sieht. Und natürlich in Musche, der sich noch mehr in den Vordergrund gespielt hat als in den vergangenen Jahren und gerade erst seinen Vertrag verlängert hat - bis 2024. Mit acht Jahren kam der gebürtige Magdeburger 2000 in den Verein, Schmedt - der 1991 aus dem Rheinland nach Magdeburg zog - begann damals ein Ehrenamt beim SCM, er kennt den Spieler seit seinem Start in der Jugendmannschaft. "Die Verbundenheit ist natürlich da", sagt Schmedt, "das mit Musche ist eine tolle Geschichte." Und es braucht nicht mal eine Grübelpause, bevor er folgenden Satz anschließt: "Er ist der beste Linksaußen der Bundesliga." Nationalspieler Uwe Gensheimer verdient sein Geld bei Paris Saint-Germain, er ist gesetzt als Nummer eins in der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB), was die Nationalmannschaftskarriere von Matthias Musche bisher erschwert hat. 2015 war er unter Dagur Sigurdsson bei der WM dabei, unter Christian Prokop ist er erst nach der vermaledeiten EM wieder in den Kader gerückt; er darf auf die WM hoffen im Januar in Dänemark und Deutschland. An diesem Donnerstag spielen die Magdeburger gegen GWD Minden, in eigener Halle könnten sie mit dem siebten Sieg einen neuen Klub-Startrekord aufstellen, und auch wenn viele der Magdeburger Verantwortlichen beste Erinnerungen an das Jahr 2001 haben, meiden sie das Thema Meisterschaft beharrlich. Die vergangene Saison war auch schon eine tolle für den SCM, am Ende stand Rang vier. Aber es gab eben auch zwei Endrunden-Teilnahmen im DHB- und im EHF-Pokal, die beide ohne Titel endeten. "Die wären die Kerze auf der Torte gewesen", sagt Schmedt. Und: "Für mich bleiben der THW Kiel, die Rhein-Neckar Löwen und Flensburg die Top-Meisterschaftsfavoriten, wir müssen gucken, wie lange wir im Konzert mitmachen können." Flensburg ist bisher ebenfalls unbesiegt, hat allerdings eine Partie weniger absolviert, der THW Kiel hat bereits gegen Magdeburg und Flensburg verloren, die Rhein-Neckar Löwen gaben überraschend gegen den SC DHfK Leipzig einen Punkt ab. Das gehört auch zur Geschichte dieser Tabellenführung der Magdeburger dazu. Was sie wert ist, wird man vor allem dann sehen, wenn die Partie gegen Flensburg ansteht: Am 1. November trifft der SCM auf den deutschen Meister, der von Maik Machulla trainiert wird. Machulla war 2001 noch als Spieler mit Magdeburg Meister geworden. Bennet Wiegert, der heutige SCM-Trainer, hatte in der damaligen Saison seine ersten Bundesliga-Partien im Verein absolviert. Man kommt an diesem Meisterjahr einfach nicht vorbei. Dass es mit dem SC Magdeburg in den vergangenen 17 Jahren auch ganz anders hätte kommen können, dass es unter dem ehemaligen Manager Bernd-Uwe Hildebrandt mal sehr schlecht um die Finanzen stand, merkt man dem Klub heute nicht mehr an. Auch wegen Schmedt, der stolz ist auf die 400 Geldgeber, die den Verein mittlerweile unterstützen. Dass mit dem 1. FC Magdeburg nun ein Fußball-Zweitligist das Sportinteresse in der Stadt verstärkt auf sich zieht, sieht Schmedt nicht negativ, "es ist definitiv Platz für beide Vereine da". Die Zuschauerzahl beim Handball ist mit 6200 im Durchschnitt momentan höher als im Vorjahr. | https://www.sueddeutsche.de/sport/handball-die-kerze-auf-der-torte-1.4136712 | mlsum-de-275 |
Das chancenarme, intensive Derby zwischen Ismaning und Pipinsried endet 1:1 - und für die Pipinsrieder Hürzeler und Berger im Krankenhaus | Der Krankenwagen mit den beiden Verletzten stand noch neben dem Spielfeld, als die nächste Szene die Gemüter erhitzte. Pipinsrieds Ünal Tosun hatte im Derby beim FC Ismaning gerade Tobias Killer gefoult. Dann standen die beiden Kopf an Kopf aneinander, Killer stieß nach vorne, dann wurde er mit Gelb-Rot des Feldes verwiesen (82.). All das geschah wenige Meter von der Haupttribüne entfernt, wo sich Ismaninger und Pipinsrieder Zuschauer hitzige und lautstarke Wortgefechte lieferten. Die schwere Verletzung des Pipinsrieder Spielertrainers Fabian Hürzeler (70.), wegen der er minutenlang das Bewusstsein verloren hatte, war einer Beruhigung des Geschehens natürlich auch nicht dienlich. Trotzdem waren sich die Verantwortlichen hernach einig, dass eine gewisse Aggressivität schon in Ordnung sei. "Ich will ja, dass meine Spieler giftig sind", sagte Ismanings Trainer Xhevat Muriqi nach dem Spiel. "Ich mache niemandem einen Vorwurf", sagte Hürzeler einen Tag später unter starken Kopfschmerzen. Die Partie war auch nicht übermäßig unfair gewesen, beide hatten allerdings ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit agiert. Dass die Partie, wie Hürzeler später erfuhr, nach 1:0-Führung für Pipinsried noch 1:1 endete, habe ihn "fast noch mehr aufgeregt" als seine Verletzung. Wie es zu dieser gekommen war, daran konnte sich der 23-Jährige nicht mehr erinnern. "Ich weiß nur noch, dass ich gegrätscht bin", sagte er. Dabei hatte ihn das Knie von Manuel Ring unterhalb des Auges getroffen. Hürzeler ging k.o., konnte später aber gestützt selbst vom Platz gehen. Im Krankenhaus wurden eine Gehirnerschütterung und eine Jochbeinprellung festgestellt, die Schwellung verhinderte eine endgültige Diagnose. Abgesehen davon, dass die Bayernliga sehr ausgeglichen ist und ein Punktverlust ein Abrutschen um mehrere Plätze bedeuten kann, hatten sich beide Mannschaften ohnehin viel vorgenommen. Ismaning war vor der Partie seit acht Spielen ungeschlagen und konnte sich trotzdem noch nicht entscheidend von den Abstiegsrängen entfernen. Pipinsried wollte nach sieben ungeschlagenen Spielen unbedingt den zweiten Platz verteidigen, "das habe ich der Mannschaft vorher eingetrichtert", sagte Hürzeler. Heraus kam ein Spiel, in dem sich beide Teams auf ihre Stärken konzentrierten: Ismaning stand defensiv gut, Pipinsried suchte die Lücken. In der ersten Halbzeit hatten lediglich die Gäste durch Tosun zwei gute Möglichkeiten, auch wenn Ismanings Coach Muriqi meinte, man habe den Gegner "gut vom eigenen Tor weggehalten". Auch vor dem Seitenwechsel (34.) hatte es eine Verletzungspause gegeben: Darko Dankic und Pipinsrieds Kapitän Thomas Berger waren mit den Köpfen zusammen gestoßen. Später fuhr Berger bei Hürzeler im Krankenwagen mit, um sich ebenfalls untersuchen zu lassen - auch er erlitt eine Gehirnerschütterung. Nach der Pause kassierte Ismaning, die drittbeste Abwehr der Liga, ein ungewöhnliches Tor: "Der Darko hat den Ball eigentlich schon, dann verliert er ihn wieder", sagte Muriqi über den mit Turban spielenden Dankic. Doch eigentlich bettelte die gesamte Abwehr um das Gegentor, bis Atdhedon Lushi aus kurzer Distanz einschob (59.). Danach verletzte sich Hürzeler; auch deshalb verlor sein Team ein wenig die defensive Stabilität, Ismaning kam zu Chancen. Und traf kurz vor der zehnminütigen Nachspielzeit zum Ausgleich: Luan da Costa Barros verlängerte eine scharfe Flanke mit dem Kopf ins ferne Eck. Muriqi fand die Punkteteilung gerecht, Hürzeler hingegen "unglücklich und völlig unverdient" - auch wenn er einen Großteil des Spiels nicht gesehen hatte. Er selbst geht im Übrigen davon aus, dass er nicht lange fehlen wird: "Wer mich kennt, weiß: Ich kann nicht lange im Bett bleiben. Da spiele ich lieber mit Schmerztabletten", erklärt Hürzeler. Es gehe erst einmal wirklich nur darum, den zweiten Platz zu festigen. Ob man gegebenenfalls aufsteigen wolle, sagte Hürzeler, darüber werde man erstmals im Winter sprechen. | https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/fussball-bayernliga-brummschaedel-1.3197638 | mlsum-de-276 |
Sind die Hartz-IV-Sätze hoch genug? Darüber wird erbittert gestritten. Besser wäre es, die wirklichen Schwachstellen dieses Systems zu beheben. | Der Alltag ist voller kleiner schwarzer Löcher, in denen das Geld verschwindet. In der Mittagspause ein Salat aus dem Laden nebenan, nachmittags die Vorfrühlingsfrage "Papa, können wir ein Eis?", die Kita sammelt das Turngeld ein, und der Ferienhaus-Vermieter erinnert per Mail an die Anzahlung. Für sehr viele Menschen in Deutschland ist die Masse an Finanzmaterie, die diese schwarzen Löcher verschlingen, kein Problem - oder zumindest ein lösbares. Wer aber von Hartz IV leben muss, für den sind derlei Gravitationsfelder Sperrgebiet. Hartz IV ist das, was es sein sollte: eine Grundsicherung. Nicht mehr und nicht weniger. Hartz IV bedeutet nicht Hunger, da hat der neue Gesundheitsminister Jens Spahn schon recht. Es bedeutet aber durchaus ein Leben, in dessen Zentrum die Mangelverwaltung und der Satz "Nein, das geht nicht" stehen. Ist das Armut? Verglichen mit der Lebenswirklichkeit in Burkina Faso, Bangladesch oder Haiti natürlich nicht. Das aber wäre auch ein grotesker Maßstab. Armut ist zu Recht ein relatives Konzept. In einem reichen Land ist auch arm, wer nicht mitmachen und mithalten kann bei dem, was das Leben schön, bunt, verheißungs- und hoffnungsvoll macht. Das ist kein Kitsch, keine Romantik, sondern einleuchtend für jeden, der hin und wieder sein Zimmer verlässt. Natürlich ließe sich mehr Teilhabe erkaufen mit höheren Hartz-IV-Sätzen. Gerecht aber wäre auch das nicht. Weder gegenüber denen, die in der Grundsicherung feststecken, noch gegenüber denen, die gerade so noch ohne sie zurechtkommen. Ziel staatlicher Fürsorge sollte eigentlich sein, sich überflüssig zu machen. Besser als Hartz IV ist nicht mehr Hartz IV, sondern kein Hartz IV mehr zu brauchen. Die Welt der Regelbedarfe sollte für niemanden ein Zuhause werden, in dem er dann vergessen werden kann. Sie sollte nur eine Station auf der Durchreise sein. Das aber ist allzu oft nicht der Fall. Sechs Millionen Hartz-IV-Empfänger, darunter etwa eine Million Langzeitarbeitslose - das ist der eigentliche Skandal. Seit Jens Spahn gesagt hat, Hartz IV sei nicht Armut, sondern die Antwort der Solidargemeinschaft auf Armut, wird viel gezankt darüber, ob das System wahlweise mies und ungerecht, völlig am Ende oder goldrichtig ist. Besser wäre es, den Schaum vorm Mund abzuwischen und die Schwachstellen im System zu beheben. Aus Hartz IV herauszukommen ist schwierig und, auch das gehört zur Wahrheit, nicht immer attraktiv. Für eine Familie mit zwei oder drei Kindern ergeben Regelbedarf und die vom Jobcenter übernommenen Wohn- und Heizkosten eine Summe, die auf dem Arbeitsmarkt nicht so einfach zu verdienen ist - vor allem nicht, wenn die Betroffenen schon länger arbeitslos und schlecht qualifiziert sind. Umgekehrt würden jene, die es heute aus eigener Kraft knapp über die Grundsicherung schaffen, in Hartz IV rutschen, wenn die Leistungen deutlich erhöht würden. Die Jobcenter sind unterfinanziert Ja, höhere Löhne auf dem freien Arbeitsmarkt würden den notwendigen Abstand zur Grundsicherung vergrößern. Direkten Einfluss jedoch hat der Staat nur auf den Mindestlohn und - mit Einschränkungen - auf die Ausweitung von Tarifverträgen. Beides birgt zudem das Risiko, dass reguläre, wenn auch gering bezahlte Arbeitsplätze verloren gehen könnten. Vielleicht nicht sofort, womöglich aber im nächsten Abschwung. Dringend geboten ist daher etwas anderes: Hartz-IV-Empfänger müssen mehr davon haben, wenn sie zusätzlich zur Grundsicherung Geld verdienen. Bislang dürfen sie 100 Euro einfach so dazuverdienen. Bei jedem weiteren Einkommen bis 1000 Euro aber werden 80 Prozent mit den Transferzahlungen verrechnet. Unterm Strich: Wer als Hartz-IV-Empfänger 1000 Euro dazuverdient, hat am Ende nur 280 Euro mehr als ohne Arbeit. Ein irrwitziger Fehlanreiz. Die zweite Fehlkonstruktion betrifft die Jobcenter. Sie sind für die schwierigen Fälle zuständig; die Langzeitarbeitslosen, die oft schlecht ausgebildet sind, teilweise Gesundheitsprobleme haben und einen Arbeitsalltag nicht mehr kennen. Ausgerechnet diese Jobcenter aber sind unterfinanziert und müssen laufende Kosten teils aus Mitteln bestreiten, die für die Vermittlung in den Arbeitsmarkt gedacht sind. Maßnahmen-Hopping, falsche Angebote für Alleinerziehende, ein zerrüttetes Verhältnis zwischen Hartz-IV-Empfängern und ihren Beratern, die mit Sanktionen drohen und gleichzeitig individuell betreuen sollen - das sind Baustellen, die nicht nur besichtigt, sondern beseitigt werden müssen. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/sozialleistungen-hartz-iv-darf-fuer-niemanden-ein-zuhause-werden-1.3915088 | mlsum-de-277 |
Israels Ministerpräsident nennt die Aussage seines polnischen Amtskollegen Morawiecki "empörend". Die Stimmung zwischen beiden Ländern ist seit Wochen äußerst angespannt. | Der diplomatische Konflikt zwischen Polen und Israel spitzt sich zu. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu ist "empört" über seinen polnischen Amtskollegen. Mateusz Morawiecki hatte am Rande der Sicherheitskonferenz in München von "jüdischen Tätern" gesprochen. Polens neues "Holocaust-Gesetz" stellt es unter Strafe, das polnische Volk oder den polnischen Staat für Nazi-Verbrechen während des Dritten Reichs mitverantwortlich zu machen. Ein israelischer Journalist hatte Morawiecki am Samstag in München gefragt, ob er nun in Polen als kriminell angesehen würde. Schließlich habe er berichtet, dass polnische Nachbarn einst seine jüdische Familie bei der Gestapo verraten hätten. "Natürlich wird es nicht strafbar sein, nicht als kriminell angesehen werden, wenn man sagt, dass es polnische Täter gab", antwortete Morawiecki und fuhr fort: "So wie es jüdische Täter, russische, ukrainische und nicht nur deutsche Täter gab." Kurz darauf reagierte Netanjahu auf die Aussage Morawieckis. Am Samstagabend nannte er die Äußerungen "empörend". Polen Regierungschef sei offenbar unfähig, Geschichte zu verstehen. Ihm mangele es am "Gefühl für die Tragödie unseres Volkes", schrieb Netanjahu auf Twitter. Darüber müsse er dringend mit Morawiecki reden. "Wir werden immer für die Wahrheit kämpfen" In seiner Rede vor den Konferenzteilnehmern am Sonntag sprach Netanjahu das Thema nicht explizit an. Es kamen auch keine entsprechenden Fragen aus dem Publikum. Der Premier betonte die besondere und tragische Beziehung Israels zu München. Er erinnerte an die elf israelischen Sportler, die während der Olympischen Spiele 1972 ermordet wurden. Außerdem sei 1938 hier das Münchner Abkommen unterzeichnet worden, das dem Deutschen Reich das Sudetenland zusprach. Eigentlich sollte das Abkommen die Kriegsambitionen des NS-Regimes einhegen, doch ein Jahr später griff Deutschland Polen an. Netanjahu erinnerte an die 60 Millionen Opfer des Zweiten Weltkriegs. Sechs Millionen Juden seien von den "Nazis und ihren Kollaborateuren" ermordet worden. Das werde Israel nie vergessen. Es folgen zwei Sätze, die sich als weitere Kritik an Polens Regierung deuten lassen: "Wir lassen es nicht zu, dass die Geschichte umgeschrieben wird. Wir werden immer für die Wahrheit kämpfen." Scharfe Kritik aus Israel Auch der Jüdische Weltkongress (WJC) verurteilte Morawieckis Aussage scharf. Dieser habe "erschreckende Ignoranz gezeigt mit seiner unverschämten Behauptung, dass sogenannte jüdische Täter zum Teil verantwortlich waren für den Versuch der Nazis, das europäische Judentum auszurotten", schrieb WJC-Präsident Ronald Lauder in einer Erklärung. Dies komme einem Versuch der Geschichtsfälschung gleich. Jair Lapid, Chef der israelischen Oppositionspartei Jesch Atid, forderte seine Regierung auf, ihren Botschafter sofort aus Warschau abzuziehen. Morawieckis Aussagen zeugten von "Antisemitismus der ältesten Sorte", sagte er am Samstag. Avi Gabbay von der Arbeiterpartei sagte, Morawiecki klinge wie jeder andere Holocaust-Leugner. Premier @MorawieckiM złożył wieniec i zapalił znicz na grobach żołnierzy Brygady Świętokrzyskiej Narodowych Sił Zbrojnych. pic.twitter.com/anPcpGrJa2 — Kancelaria Premiera (@PremierRP) 17. Februar 2018 Morawiecki löste noch mit einer weiteren Unruhe aus. Sein Büro verbreitete auf Twitter ein Foto, das ihn an einem Grab in der Region München zeigt. Morawiecki legte dort Blumen nieder und entzündete eine Kerze, um Soldaten der Heilig-Kreuz-Brigade zu ehren. Die Brigade kämpfte gegen Kriegsende vor allem gegen die Rote Armee und traf dabei auch Absprachen mit der Wehrmacht. So gelang es ihr, sich über Böhmen nach Deutschland durchzuschlagen. Polen fordert Landsleute zur Denunziation auf Die Beziehung zwischen Polen und Israel ist seit Wochen angespannt. Anfang Februar hatte Polens Präsident Andrzej Duda das Holocaust-Gesetz unterschrieben, obwohl es heftige internationale Proteste dagegen gab. Gegner des Gesetzes halten es für unpräzise formuliert. Die Regierung könne es nutzen, um Fälle zu leugnen, bei denen die Verantwortung von Polen für Verbrechen an Juden bereits nachgewiesen wurde. In der vergangenen Woche rief die polnische Regierung Landsleute im Ausland zur Denunziation auf. "Bitte dokumentieren Sie alle antipolnischen Äußerungen, Darstellungen und Meinungen, die uns schaden, und reagieren Sie darauf", schrieb Senatsmarschall Stanislaw Karczewski in einem Brief an Staatsbürger im Ausland. "Informieren Sie unsere Botschaften, Konsulate und Honorarkonsulate über jede Verleumdung, die den guten Ruf Polens beeinflusst." Das Schreiben wurde weltweit über die Botschaften und Konsulate verbreitet. | https://www.sueddeutsche.de/politik/muenchner-sicherheitskonferenz-polens-regierungschef-spricht-von-juedischen-taetern-und-erzuernt-netanjahu-1.3871993 | mlsum-de-278 |
Clevere Berliner festigen mit einem geduldig herausgespielten Sieg ihren erstaunlichen dritten Tabellenplatz. Die Kölner ärgern sich mal wieder über Schiedsrichterentscheidungen. | Jörg Schmadtke bekam einen Wutanfall von beinahe Völlerschen Ausmaßen. Vor dem zeternden Kölner Sportdirektor musste sich stellvertretend für den Spielleiter Tobias Stieler und dessen gesammelte Versäumnisse der vierte Schiedsrichter Robert Schröder verantworten. Dass Stieler einige Minuten zuvor einen Handelfmeter übersehen hatte, den er dem 1. FC Köln hätte zuerkennen müssen, das war aber gar nicht mal der Grund, warum Schmadtke so außer sich geriet - obwohl dieser Elfmeter in der 83. Minute geeignet gewesen wäre, die 0:1-Niederlage gegen Hertha BSC doch noch abzuwenden. Schmadtke ist es allerdings längst gewohnt, dass die Kölner Mannschaft in ihrer Heimat im Stadtteil Müngersdorf regelmäßig durch Missgeschicke der Schiedsrichter benachteiligt wird. Leon Andreasens dreistes Hand-Tor beim Spiel gegen Hannover (0:1) war nur das auffälligste Exempel einer frappierenden Serie von Justizirrtümern zu Lasten der Kölner. "Fakt ist, dass wir langsam das Gefühl haben, in der größten Handballarena Deutschlands zu spielen", höhnte Schmadtke später, "bei uns ist das schon extrem mit den Fehlentscheidungen." Hertha BSC spielt "Slow Football" Was den Manager des FC gegen Ende der Partie so richtig aufregte, das war die Dauer der Nachspielzeit, die Tobias Stieler zugeteilt hatte. Vier Minuten Zugabe waren Schmadtke nicht genug, das machte ihn zornig, und tatsächlich wäre in Anbetracht des mutwilligen strategischen Zeitdiebstahls, den Hertha BSC an diesem Abend betrieben hatte, die Verlängerung um eine halbe Stunde nicht übertrieben gewesen. Detailansicht öffnen Umkämpftes Spiel: Genki Haraguchi (M.) wird von Dominic Maroh und Matthias Lehmann (r.) zu Fall gebracht. (Foto: imago/Moritz Müller) Für all ihre Erledigungen nahmen sich die Berliner so viel Zeit, als ob sie nach dem kulinarischen Genießerkult des "Slow Food" nun das Prinzip Slow Football ersonnen hätten. Einwürfe, Freistöße und Auswechslungen zelebrierte die Hertha in einem Tempo, gegen das die herkömmliche Zeitlupe wie ein Schnelldurchlauf wirkt. Marvin Plattenhardt, der linke Verteidiger, bekam sogar die gelbe Karte zu sehen, als er die Ausführung eines Eckstoßes für Hertha enervierend in die Länge zog. Das kalkuliert subversive Zeitspiel der Hertha machte die Kölner Verlierer später doppelt wütend. "Das hat nichts mit Fußball zu tun", klagte der junge Verteidiger Dominique Heintz aufgebracht. Die erfahreneren FC-Profis dagegen suchten die Schuld bei sich selbst, "die Herthaner tun zwar nicht viel fürs Spiel, aber sie sind sehr effektiv vor dem Tor", stellte Torhüter Timo Horn fest. Berlin ist die reifere Mannschaft Auch Trainer Peter Stöger wollte keine Beschwerde vorbringen über das Benehmen der Gäste. "Solange das Spiel läuft, ist das erlaubt, und wenn es unterbrochen ist, dann gibt's jemanden, der nachschauen kann" - den Schiedsrichter nämlich, der die Autorität besitzt, bei der Beschleunigung nachzuhelfen. Was er am Freitagabend nur sporadisch tat. Stöger hat aus dem Nervenkrieg, den Hertha inszenierte, aber vor allem eines gelernt: "Das ist ein Beleg dafür, dass es abgebrühtere Mannschaften gibt als unsere." Denn dass an diesem Abend die reifere und cleverere Mannschaft gewonnen hatte, daran gab es trotz des Kölner Pechs mit dem Schiedsrichter und einer Handvoll ordentlicher Ausgleichschancen (Anthony Modeste traf den Pfosten) nichts zu deuteln. Es erscheint einem als Laune des Durcheinanders in der Liga, dass anstelle von Gladbach, Wolfsburg, Leverkusen oder Schalke die im Vorjahr beinahe abgestiegenen Berliner einigermaßen solide auf dem dritten Platz stehen. Aber eine gewisse Klasse ist der Mannschaft nicht abzusprechen. Das zeigten die Herthaner in Köln vor allem während der ersten Halbzeit, als sie einerseits das Spiel bis zur Unkenntlichkeit verschleppten - die beiden Innenverteidiger John Brooks und Niklas Stark hatten Ballbesitzzeiten von Bayern-München-artigen Ausmaßen -, und andererseits im passenden Moment für Tempo und scharfes Pass-Spiel sorgten. Detailansicht öffnen Frohe Berliner: Die Hertha holt in Köln die ersten drei Punkte im Jahr 2016. (Foto: Patrik Stollarz/AFP) "Gewinnen in Köln, das ist schon was" Der starke Per Skjelbred dirigierte die spontanen Rhythmus-Wechsel aus der Tiefe. Das Tor, das die Partie entschied, beruhte allerdings auf einem Kölner Aufbaufehler, den die Routiniers Salomon Kalou (als Passgeber) und Vedad Ibisevic (als Torschütze) sofort zu nutzen wussten (43. Minute). Hertha-Trainer Pal Dardai wäre vermutlich auch ohne dieses Tor zufrieden gewesen. Er hatte vor dem Anpfiff ein 0:0 geweissagt und lag tendenziell ganz richtig damit. Knapp 49.000 Zuschauer mussten in der ersten Halbzeit dafür büßen, dass beide Teams von ihren Kommandeuren die Order erhalten hatten, das Risiko zu meiden, zwischenzeitlich war das Spiel statischer als eine Partie Memory mit Grundschulkindern. Aber Dardai fühlt sich nicht verantwortlich für das Amüsement der Zuschauer. Er war zufrieden mit seinen Leuten und erst recht mit dem Resultat, nachdem es 2016 noch keinen Sieg gegeben hatte. "Gewinnen in Köln, gegen eine gute Mannschaft, gegen einen guten Trainer, das ist schon was", sagte der Hertha-Trainer. Es klang, als plante er schon die nächste List. | https://www.sueddeutsche.de/sport/herthas-1-0-gegen-den-fc-slow-football-1.2881529 | mlsum-de-279 |
Eigentümer dürfen das Waschen und Trocknen in der Wohnung nicht verbieten. Überall dürfen Mieter ihre Hemden und Hosen aber auch nicht aufhängen. | Die Toleranz mancher Nachbarn hört manchmal schon beim Schleudern und Trocknen auf. So beklagte sich ein Mieter darüber, dass in der Wohnung nebenan so oft die Waschmaschine und der Trockner liefen. Der Vermieter änderte daraufhin tatsächlich die Hausordnung und verbot den Gebrauch der Haushaltsgeräte - alle Mieter sollten ihre Wäsche künftig nur noch in der Waschmaschine im Keller waschen. Vor Gericht kam er damit freilich nicht durch: Das Landgericht Freiburg entschied, dass es zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Wohnung gehört, dort auch eine Waschmaschine und einen Trockner zu benutzen. Zumindest solange vertraglich nicht von Anfang an ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist. Eine Hausordnung jedenfalls könne das Waschen und Trocknen in der Wohnung nicht verbieten. Darin könnten lediglich die Ruhezeiten und das Gebot der Rücksichtnahme festgehalten werden (Landgericht Freiburg, 9 S 60/13). Andere Gerichte sind noch einen Schritt weiter gegangen: Mieter dürfen zum Wäschewaschen und Trocknen nicht auf einen gemeinschaftlichen Wasch- und Trockenraum verwiesen werden. Das Amtsgericht Köln führte aus, dass zur Nutzung einer Wohnung auch die Möglichkeit gehört, seine Kleidung in den gemieteten vier Wänden zu reinigen (207 C 221/00). Nicht nur das Waschen, auch das Trocknen ist innerhalb der Mietwohnung erlaubt. Das gilt sowohl für Wäscheleinen und Wäscheständer als auch für fachgerecht aufgestellte Abluft- oder Kondenstrockner. In jedem Fall muss der Mieter aber durch ausreichendes Lüften dafür sorgen, dass keine Schäden durch Feuchtigkeit entstehen. Handtuch oder Unterwäsche? Das spielt vor Gericht keine Rolle Auch auf dem Balkon dürfen Hosen und Hemden hängen. Dort darf die Wäsche auch dann getrocknet werden, wenn es der Mietvertrag verbietet (Amtsgericht Euskirchen, 13 C 663/94). Die Wäsche sollte allerdings nicht oberhalb der Balkonbrüstung zu sehen sein, falls sich die Nachbarn am Anblick stören. Der Mieter darf dort auch sämtliche Wäsche trocknen. "Es macht keinen Unterschied, ob es sich um Handtücher oder Unterwäsche handelt", betont Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. Allerdings sollten die Wäschestücke nicht übers Balkongeländer hängen und nicht auf die Terrasse des Nachbarn im darunterliegenden Stockwerk tropfen. Das gilt in der WEG Auch in einer Eigentumswohnanlage muss es erlaubt sein, dass die täglich anfallende Wäsche gewaschen werden kann. Die Möglichkeit, Wäsche zu waschen und zu trocknen, gehört zum Kernbereich des Wohnungseigentums. Deshalb wäre ein Mehrheitsbeschluss nichtig, der das Aufstellen einer Waschmaschine und das Trocknen der Wäsche in der Eigentumswohnung verbietet. Die Einrichtung einer Waschküche im Keller des Wohnhauses ist nur als zusätzliches Angebot für die Hausbewohner gedacht. Wohnungseigentümer dürfen deshalb in ihrer Wohnung eine Waschmaschine aufstellen und die Wäsche dort trocknen oder auf dem Balkon aufhängen, selbst wenn die Hausordnung festlegt, dass Maschinen und Trockner im Keller zu nutzen sind (OLG Frankfurt, 20 W 414/99). Ein Mieter darf auf dem Balkon Leinen ziehen und Wäsche aufhängen, auch wenn der Vermieter eine Wäschespinne im Garten oder auf dem Hof als Trockenplatz anbietet. Dafür können jedoch Benutzungsregelungen für die gemeinschaftlichen Wasch- und Trockenräume und die darin aufgestellten Geräte mehrheitlich getroffen werden. Zeitliche Beschränkungen müssen aber so ausfallen, dass berufstätigen Wohnungseigentümern die Nutzung möglich ist. Auch wenn ein Gemeinschaftswaschkeller vorhanden ist, kann nicht daraus der Schluss gezogen werden, dass die Wohnungseigentümer diesen auch benutzen müssen und ein Miteigentümer dafür nicht seinen im Sondereigentum stehenden Kellerraum verwenden darf (Amtsgericht Nürnberg, 1 UR II 365/03 WEG). Anders aber hier das OLG Düsseldorf: Das Aufstellen von Wäsche- beziehungsweise Kondensationstrocknern in den jeweils zum Sondereigentum gehörenden Kellern kann verboten werden, wenn allen Wohnungseigentümern spezielle Wasch- und Trockenräume zur Verfügung stehen (3 W 105/85). Zulässig ist es weiter, die Erlaubnis zum Betrieb von Wäschetrocknern von einer gleichzeitigen Entlüftung sowie Vermeidung unzumutbarer Geräusch- und Geruchsemissionen abhängig zu machen (OLG Frankfurt, 2/9 T 113/92). Mieter oder Eigentümer können auch nicht gezwungen werden, sich einen Wäschetrockner anzuschaffen. Demgegenüber hat das OLG Hamm entschieden, dass ein Dachboden ausschließlich als Trockenraum genutzt wird und gleichzeitig die Wäschetrocknung in der Wohnung, auf Balkonen und Loggien verboten wird (OLG Hamm, 15 W 164/98). Andrea Nasemann Der Mieter muss dafür sorgen, dass die Waschmaschine ordnungsgemäß angeschlossen ist. Schäden, die aus einem grob fahrlässigen Verhalten des Mieters entstehen, übernimmt in der Regel keine Versicherung. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Mieter vergessen hat, nach dem Ende des Waschvorgangs den Wasserhahn zuzudrehen. "Wer die laufende Waschmaschine aber nur für die Dauer des Waschvorgangs zwei bis drei Stunden unbeaufsichtigt in der Wohnung lässt, handelt nicht grob fahrlässig", so Ropertz. Falls dann ein Wasserschaden entsteht, muss die Hausratversicherung für Schäden in der eigenen Wohnung einspringen. Der Mieter darf also in der Wohnung waschen und trocknen, dennoch sind ihm einige Grenzen gesetzt. Zwar sind laut Bundesgerichtshof die durch Haushaltsmaschinen verursachten Geräusche durch andere Hausbewohner hinzunehmen (VIII ZR 244/02). Aber im Mehrfamilienhaus muss auf Nachbarn Rücksicht genommen werden: Während der Ruhezeiten ist der Betrieb der Waschmaschine und des Trockners in der Regel nicht erlaubt. Dies gilt vor allem für die Nachtruhe zwischen 22 Uhr und 7 Uhr morgens (Landgericht Frankfurt, 2/25 O 359/89). Das Oberlandesgericht Köln entschied, dass die üblichen Geräusche einer modernen Waschmaschine auch an Sonntagen zulässig ist (16 Wx 165/00). Das entschied auch das Amtsgericht Eschweiler, das ausführte: "das Interesse des Mieters, die Wäsche in seinen eigenen Räumen nach seinen jeweiligen zeitlichen Möglichkeiten waschen zu können, wenn auch unter Beachtung der im Hause allgemein einzuhaltenden Ruhezeiten, ist grundsätzlich als hoch zu bewerten" (26 C 268/12). Doch selbst von der grundsätzlichen Pflicht, die Ruhezeiten einzuhalten, kann es Ausnahmen geben. "Ein gelegentliches Wäschewaschen auch innerhalb der Ruhezeiten müssen die Mitmieter unter Umständen dulden, wenn der Mieter dies berufsbedingt nicht außerhalb der Ruhezeiten erledigen kann und die anderen Mieter dadurch nicht unzumutbar beeinträchtigt werden", erklärt der Münchener Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Michael Koch. Detailansicht öffnen So wild wie in diesen italienischen Straßen geht es hierzulande nicht zu. In Deutschland darf zwar auch auf Balkonen Wäsche aufgehängt werden, von außen soll sie aber nicht zu sehen sein – steht in einem Gerichtsurteil. (Foto: Johannes Simon) Auch ein gemeinschaftlich genutzter Wasch- und Trockenraum kann zu Auseinandersetzungen zwischen Mietern und Vermietern beziehungsweise auch zwischen Mitbewohnern führen. Sind dort Gemeinschaftswaschmaschinen aufgestellt, sollten die Nutzungszeiten genau geregelt sein. Die Waschmaschinen werden in der Regel mit Chips oder Geldmünzen betrieben, die vorher erworben werden müssen. Wer nicht rechtzeitig fertig wird oder Maschinen und Räumlichkeiten nicht sauber hinterlässt, muss mit Ärger in der Hausgemeinschaft rechnen. "Eine bessere Lösung wären Stellplätze, auf denen jede Mietpartei ihre eigene Waschmaschine aufstellen kann", erklärt Rechtsanwalt Koch. Dafür müssten genügend Anschlüsse vorhanden sein. Einen Anspruch gegenüber dem Vermieter auf einen eigenen Waschmaschinenanschluss im Keller hat der Mieter nicht. "Grundsätzlich kann der Mieter vom Vermieter nur den Standard verlangen, der bei seinem Einzug in die Wohnung vorhanden war", sagt Koch. Auch für einen Trockenraum ist eine räumliche und zeitliche Aufteilung der Nutzungszeiten üblich. Will der Mieter dort einen Ablufttrockner aufstellen und sind dafür weder geeignete Fenster noch Abluftschächte vorhanden, kann der Vermieter den Betrieb eines solchen Geräts im Waschkeller untersagen. | https://www.sueddeutsche.de/geld/haushalt-zieh-leine-1.3781879 | mlsum-de-280 |
Sara Mardini schwamm um ihr Leben, rettete mit ihrer Schwester Dutzende Menschen - und sitzt nun in einem griechischen Gefängnis. Das Drama einer jungen Frau, die nur eines wollte: helfen. | Bessere Zeiten: Sara Mardini (rechts) mit ihrer Schwester Yusra, die ebenfalls aus Syrien geflüchtet ist, bei der Bambi-Verleihung 2016 in Berlin. Eigentlich ist alles gut, als sich Sara Mardini am 21. August auf den Weg nach Berlin macht. In der deutschen Hauptstadt wartet ein Studienplatz am deutsch-amerikanischen Bard College. Private Spender haben ihr ein Stipendium ermöglicht. Und auf Lesbos, wo sie gerade herkommt, hat sie über Wochen das gemacht, was sie am liebsten tut: Sie hat Flüchtlingen bei der Erstversorgung geholfen. Das Herz der jungen Syrerin also ist voll, als sie aufbricht. Sie hat gute Laune im Gepäck und ein bisschen Vorfreude - bis die griechische Polizei sie am Flughafen festnimmt. Seither sitzt die 23-Jährige in U-Haft, mit ihr festgenommen wurde ein junger Deutscher, der 24-jährige Sean Binder. Beide haben seit Jahren immer wieder in der Flüchtlingshilfe auf der griechischen Insel Lesbos gearbeitet; beide haben das unter dem Dach der Nichtregierungsorganisation ERCI (Emergency Response Center International) getan. Und die Vorwürfe, die die griechische Polizei gegen sie richtet, sind dramatisch. Von Spionage ist die Rede, von enger Zusammenarbeit mit Schleusern und damit verknüpft von Menschenhandel. Es geht nicht um Lappalien, sondern um Straftaten, auf die - so sie nachgewiesen werden - lange Haftstrafen folgen können. Kein Wunder, dass die beiden nun Angst haben. Und kein Wunder, dass ihre Angehörigen zuhause in größter Sorge sind. Das gilt für Binders Eltern, der Vater ist einst als vietnamesischer Bootsflüchtling nach Deutschland gekommen. Mittlerweile leben die Eltern in Irland. Und es gilt für Saras Angehörige, die in Berlin ihr Zuhause gefunden haben. Sara und ihre jüngere Schwester Yusra sind nicht nur Flüchtlinge, die wie viele andere 2015 einem zerstörerischen Krieg entfliehen konnten. Beide sind über ihre Flucht auch noch berühmt geworden. Kurz nach ihrer Ankunft in Berlin im Herbst 2015 wurde bekannt, dass die beiden jungen Frauen während der Flucht über die Ägäis nach einem Motorenausfall ins Wasser gesprungen waren und das komplette Schlauchboot mit fast zwei dutzend Flüchtlingen über viele Kilometer schwimmend an die Küste Griechenlands gezogen hatten. Beide Mädchen gehörten damals der syrischen Schwimm-Nationalmannschaft an; auf der Flucht rettete das jahrelange Training plötzlich vielen Menschen das Leben. Kein Wunder, dass ihre Geschichte den Weg in viele Medien fand. Die Konsequenz: Beide wurden ziemlich bekannt. Und Yusra, die jüngere Schwester, schaffte es mit Hilfe des Berliner Schwimmtrainers Sven Spannekrebs sogar ins Olympia-Team für Flüchtlinge bei den Olympischen Spielen 2016. Es folgten die Reise nach Rio de Janeiro und Treffen mit US-Präsident Barack Obama und Papst Franziskus. Auch Sara reiste damals mit nach Brasilien. Unmittelbar danach aber begann sie, sich in der Flüchtlingshilfe zu engagieren. "Sie will helfen, sie will was zurück geben, sie will sich fürs eigene Glück bedanken", erzählt Schwimmtrainer Spannekrebs, der bis heute die Olympiaschwimmerin Yusra betreut und sich jetzt für ihre Schwester Sara einsetzt. "Ich weiß nicht, was da plötzlich für Kräfte wirken, aber eines ist sicher: Sara hasst die Schlepper. Sie hält niemanden für schlimmer. Deshalb ist es für mich nicht vorstellbar, dass sie mit Schleppern und Menschenhändlern kooperiert haben könnte." Den gleichen Eindruck vermittelt Florian Becker, der Direktor des Bard-College Berlin. "Wir können uns nicht vorstellen, dass die Anschuldigungen gegen Sara richtig sind. Deshalb versuchen wir alles, um ihr zu helfen", sagt Becker. Das deutsch-amerikanische College vergibt Stipendien an seine Studenten; Sara ist eine von 30, die ein Vollstipendium für Flüchtlinge erhalten hat. | https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlingshelferin-geflohen-gefeiert-verhaftet-1.4110188 | mlsum-de-281 |
Lewis Hamilton ist zum dritten Mal Weltmeister: In Austin zeigt der Brite schon in der ersten Kurve ein wegweisendes Manöver. Sein Teamkollege Nico Rosberg macht einen verhängnisvollen Fehler. | Die Szene, die am meisten erzählte über das entscheidende Rennen der Formel-1-Saison, ereignete sich kurz nach dem Rennen. Sie spielte in dem Raum, in dem sich die drei schnellsten Fahrer auf die Siegerehrung vorbereiten. Zugegen waren Sebastian Vettel, in seinem Ferrari Dritter beim Grand Prix in Austin/Texas, dazu die beiden Mercedes-Teamkollegen Lewis Hamilton und Nico Rosberg. Mit einem Fahrfehler hatte der 30 Jahre alte Deutsche in Runde 49 von 56 den Weg frei gemacht für den gleichaltrigen Briten. Hamilton war an ihm vorbeigejagt, auf und davon, dem Sieg entgegen, der ihn seinen dritten WM-Titel brachte. "Das ist der größte Moment meines Lebens", hatte Hamilton hörbar bewegt unmittelbar hinter der Ziellinie am Funk gesagt. In dem Raum mit Rosberg und Vettel musste er sich dann erst einmal sammeln. Lange stützte Hamilton seinen Kopf auf ein Möbelstück. Dann kamen die Schildkappen, die die drei bei der Champagner-Dusche tragen sollten. Hamilton griff sich die mit der Nummer eins auf der Seite und zog sie auf. Die Mütze mit der eingewirkten Nummer zwei warf er mit leichter Hand dem in der Nähe in einem Sitz mümmelnden Rosberg zu. Rosberg feuerte sie umgehend zurück. Es war keine freundschaftliche Geste. Aber freundschaftlich war es auf der Strecke zuvor ja auch nicht zugegangen. Wochenende verläuft turbulent Das Wochenende war generell turbulent verlaufen. Ausläufer des Hurrikans Patricia hatten am Samstag dazu geführt, dass die Qualifikation abgesagt worden war. Sie fand am Sonntagvormittag statt. Wieder regnete es. So sehr, dass der dritte Durchgang gestrichen wurde. Mit seiner Bestzeit im zweiten Durchgang sicherte sich Nico Rosberg die Pole-Position. Zum dritten Mal in Serie parkte er auf dem begehrtesten Startplatz. Neben ihm nahm Hamilton Aufstellung. Vettel parkte seinen Ferrari - nach einer Strafversetzung wegen eines Motorenwechsels - auf Position 15. Hamilton 302 Punkte, Vettel 236, Rosberg 229 - so lautete die Ausgangssituation. Kein anderer hatte mehr Titelchancen. Als die Startampel ausging, veränderte sich die Situation schlagartig: Der Protagonist stürmte ins Rampenlicht. Schnell, entschlossen, manche werden auch sagen: rücksichtslos. In der ersten Kurve, die in Austin nach links führt, setzte Hamilton sich innen neben Rosberg und drängte diesen Zentimeter um Zentimeter weiter von der Ideallinie, bis er sich dort befand, wo die Traktion deutlich nachließ: auf der rot-weiß lackierten Streckenbegrenzung. Dort angelangt, fiel Rosberg weit zurück. "Ich finde, ich habe ein Recht auf ein Stück Strecke", brodelte es nach dem Rennen aus ihm heraus: "Dass mein Teamkollege extra versucht, mich verhungern zu lassen und sogar so weit geht, dass er in mich reinfährt, das ist ein Schritt zu weit." Die Mercedes-Gewaltigen stimmten Rosberg zu. "Das war zu hart", fand Teamchef Toto Wolff. "Das wäre nicht nötig gewesen", urteile Team-Aufsichtsratschef Niki Lauda. Selbst den Teamkollegen zur Seite gedrängt - hätte es noch eines Beispiels bedurft, wie dieser Lewis Hamilton tickt, was ihn auszeichnet, wie er diesen WM- Titel an sich gerissen hat: Hier war es! | https://www.sueddeutsche.de/sport/formel-1-weltmeister-hamilton-draengt-alle-zur-seite-1.2708230 | mlsum-de-282 |
Die britische Labour-Partei hat über ihren nächsten Vorsitzenden abstimmen lassen - die Wahl ist nun abgeschlossen. Der Linke Jeremy Corbyn ist Favorit für den Vorsitz. | Die britische Labour-Partei hat am Donnerstag die Urwahl ihres neuen Vorsitzenden abgeschlossen. Rund 610 000 eingeschriebene Wähler hatten die Möglichkeit, zwischen den männlichen Bewerbern Jeremy Corbyn und Andy Burnham sowie den Kandidatinnen Yvette Cooper und Liz Kendall auszuwählen. Das Wahlverfahren wurde gegen eine Gebühr von umgerechnet vier Euro für Nicht-Partei- und Gewerkschaftsmitglieder geöffnet. Nach Umfragen von Mitte August lag der radikale Linke Corbyn mit 53 Prozent Unterstützern klar vorne. Der bisherige Parteichef Ed Miliband reichte nach der schweren Niederlage bei der Parlamentswahl im Mai den Rücktritt ein. Die Labour-Partei steckt seit Jahren in einer Orientierungskrise. Unter dem langjährigen Premier Tony Blair war sie stark in die Mitte gerückt. Corbyn steht eher für einen radikalen linken Kurs. Corbyn sprach sich nicht eindeutig für einen Verbleib in der EU aus Corbyn, 66, besuchte als einziger der Kandidaten keine Universität. Seit 1983 ist er Abgeordneter von Islington im Norden Londons. Er gilt als authentisch und zu seinem Wort stehend. Corbyn ist dafür, Britanniens Atomwaffen abzuschaffen, er setzt sich für Staatsinvestitionen ein, für mehr Steuern auf höhere Einkommen und die Verstaatlichung der Bahn. In einem Punkt vermied er jede Festlegung: Er sagte nicht, wie er bei der von Premier Cameron für spätestens 2017 angekündigten Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft stimmen werde. | https://www.sueddeutsche.de/politik/grossbritannien-labour-schliesst-urwahl-ab-1.2642154 | mlsum-de-283 |
Der Trainer des SC Paderborn bekommt nach dem 0:4 gegen Kaiserslautern noch eine Chance. Tabellenführer RB Leipzig unterliegt St. Pauli, Fürth feiert nach langem wieder einen Erfolg. | Effenberg bekommt noch eine Chance Paderborns Trainer Stefan Effenberg wird nach eigener Aussage auch im nächsten Spiel bei Arminia Bielefeld auf der Bank sitzen. "So war das Gespräch", sagte Effenberg am Samstagmorgen im TV-Sender Sky über eine Unterredung, die er nach dem 0:4 gegen den 1. FC Kaiserslautern am Telefon mit Vereinschef Wilfried Finke geführt hatte. "Wir haben uns ganz normal unterhalten. Natürlich ist die Situation nicht einfach, aber es ist wichtig, dass man zusammenhält", sagte der umstrittene Coach des Fußball-Zweitligisten. Die Partie in Bielefeld am kommenden Sonntag sei "von enormer Bedeutung. Ob es ein Endspiel ist, müssen andere beurteilen". Am Freitag unterlagen die Ostwestfalen im Heimspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern mit 0:4 (0:2) und stecken nach dem neunten Liga-Match in Serie ohne Sieg weiter tief im Abstiegskampf. Vor 9653 Zuschauern trat Paderborn lange mit hohem Engagement auf, nutzte aber seine Chancen nicht. FCK-Keeper Marius Müller parierte die guten Möglichkeiten von Moritz Stoppelkamp (51. Minute) und Niclas Helenius (51./61.). Kaiserslautern war effektiver: Stipe Vucur (22./77.), Ruben Jenssen (35.) und Mateusz Klich (56.) erzielten die Tore zum FCK-Sieg. RB Leipzig verliert bei St. Pauli Tabellenführer RB Leipzig hat die erste Auswärtsniederlage in der laufenden Saison der 2. Fußball-Bundesliga kassiert. Beim Tabellenvierten FC St. Pauli unterlag die Mannschaft von Trainer Ralf Rangnick am Freitag nach zuletzt sechs Siegen in Folge und trotz zahlreicher Chancen mit 0:1 (0:1). Das Tor des Tages erzielte Marc Rzatkowski (8.). "Wir haben uns diesen Sieg heute erarbeitet", sagte St. Paulis Torhüter Robin Himmelmann bei Sky: "Wir sind einfach stark, wenn wir in Führung gehen und standen auch heute wieder defensiv gut." Leipzigs Marcel Sabitzer meinte: "Wenn du frühes Tor kassierst, wird es ganz schwer hier. Wir haben sie am Anfang zu sehr ins Spiel kommen lassen." Während Leipzig trotz der Pleite auch nach dem 21. Spieltag souveräner Spitzenreiter bleibt, schaffte St. Pauli, das bereits das Hinspiel im August 1:0 gewonnen hatte, nach zuletzt zwei Heimniederlagen in Folge wieder einen Sieg vor eigenem Publikum und zog zumindest vorübergehend mit dem 1. FC Nürnberg auf dem Relegationsplatz gleich. Fürth kann doch noch gewinnen Die SpVgg Greuther Fürth hat dank Sebastian Freis ihren Abwärtstrend gestoppt. Die Franken setzten sich nach zuletzt fünf Spielen ohne Sieg beim FSV Frankfurt mit 2:1 (2:0) durch und verbesserten sich mit 28 Punkten ins gesicherte Mittelfeld. Matchwinner war Freis mit zwei Treffern (12. und 30.). "Wir haben extrem unter Druck gestanden. Die Ergebnisse waren nicht gut. Da haben wir uns zusammen rausgekämpft", sagte Doppel-Torschütze Freis bei Sky. Frankfurt muss nach der vierten Begegnung in Serie ohne Erfolg mit 23 Zählern weiter nach unten schauen. Das Anschlusstor durch Dani Schahin (49.) gegen seinen Ex-Klub war zu wenig. | https://www.sueddeutsche.de/sport/2-bundesliga-effenberg-darf-vorerst-bleiben-1.2862385 | mlsum-de-284 |
Ihnen werden Straftaten angehängt oder Alkohol untergejubelt: Obwohl der Arbeitsmarkt glänzt, gehen Firmen mit fragwürdigen Methoden auf ihre Mitarbeiter los - und zahlen Detektiven sogar "Abschussprämien". | In den meisten Firmen funktioniert der Umgang zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Dennoch scheint der Kampf gegen unbequeme Arbeitnehmervertreter generell in Mode zu kommen. Den Verdacht, dass Provokateure am Werk waren, hegte Stefan Schneider von Anfang an. Nur Beweise dafür hatte er keine. Nicht vorstellen konnte sich der Fachanwalt für Arbeitsrecht jedoch, "dass es in Deutschland einen Markt für solch zweifelhafte Dienstleister wie professionelle Lügner und Fallensteller gibt". Nun aber, fünf Jahre nachdem Schneider in Bad Nauheim Betriebsrätinnen eines Seniorenheims gegen ihren Arbeitgeber vertreten hatte, stellte sich genau das heraus: Seine Mandantinnen waren Opfer von Detektiven, die ihnen am Arbeitsplatz Fallen stellten, um vermeintliches Belastungsmaterial gegen sie zu sammeln, mit dem ihr Arbeitgeber sie loswerden wollte. Das Heim schweigt sich dazu bis heute aus. Ein besonders krasser Einzelfall? Ja und nein. Zweifellos funktioniert in den meisten Firmen der Umgang zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Konflikte werden zwar manchmal ausgetragen, am Ende aber rauft man sich zum Wohle aller wieder zusammen. Aber es ist eben nicht überall so. Und auch wenn zweifellos nicht jeder Betriebsrat immer ehrlich, fair und korrekt spielt, scheint der Kampf gegen unbequeme Arbeitnehmervertreter generell in Mode zu kommen. "Weitgehende Entsolidarisierung im Arbeitsleben" Darauf deutet hin, dass allein der Detektiv, der im Gespräch mit Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR über sein jahrelanges Treiben auspackte, seine fragwürdigen Dienste nicht nur in einem Pflegeheim, sondern in mehr als einem Dutzend Unternehmen leistete. Auf Geheiß ihrer Arbeitgeber wurden arglose Beschäftigte bespitzelt, heimlich gefilmt und fotografiert, selbst im Privatbereich ausgeforscht und dafür gerne mal Peilsender an ihre Autos geklebt. "Abschusslisten" wurden so abgearbeitet und "Abschussprämien" kassiert. Wenn nötig, wurden Straftaten erfunden und Unschuldigen angehängt. Im Altenheim-Fall schlug ein Detektiv dem anderen absichtlich und heftig ins Gesicht, um die Verletzungen anschließend einer angeblich gewalttätigen Altenpflegerin in die Schuhe zu schieben. Dergleichen Methoden passen nicht ins Bild der heilen Arbeitswelt im Wirtschaftswunderland. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten jagt von Rekord zu Rekord, es gibt so viele offene Stellen wie selten zuvor und immer weniger Erwerbslose. In manchen Regionen herrscht sogar Vollbeschäftigung. Der Arbeitsmarkt, sagen Experten, habe sich gewandelt. Nicht mehr Arbeitgeber diktieren in vielen Regionen und Branchen die Bedingungen, sondern Arbeitnehmer. Denn vor allem gut ausgebildete Fachkräfte können sich aussuchen, wo und wie sie arbeiten. Hinter alldem jedoch leben und arbeiten viele Menschen, deren Arbeitswirklichkeit die breite Öffentlichkeit nicht auf dem Schirm hat. "Vieles was an Unrecht vor allem im Niedrig- und Niedrigstlohnbereich geschieht, kommt nicht ans Tageslicht", sagt Jens Peter Hjort, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg. "Weil die Betroffenen sich scheuen, einen Anwalt einzuschalten oder die Presse zu informieren." | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kuendigung-unliebsamer-mitarbeiter-fertiggemacht-vom-eigenen-chef-1.3572840 | mlsum-de-285 |
Gehirndoping am Arbeitsplatz ist längst verbreitet, nun kommt aus Kalifornien offenbar ein fragwürdiger Trend: Verdünntes LSD soll Kreativität und Konzentrationsfähigkeit verbessern. | Es ist Mittagszeit in der Zürcher Bar Basso. Hungrige Businessleute strömen herein. Einer von ihnen ist Lars Stadelmann (Name geändert), der bei einer großen Schweizer Firma im mittleren Management angestellt ist. Der Mittvierziger bestellt einen Caesar Salad. Dann nimmt er ein Spray mit verdünntem LSD aus seiner Tasche und sprüht sich ein paar Mal in den Mund. "Acht bis zehn Mikrogramm", sagt er, "ist die ideale Dosis." LSD? Ist das nicht die Droge, die einen rosarote Elefanten sehen lässt oder bei der schon Menschen aus dem Fenster gesprungen sind? Jene Substanz, die Hippies von Alleinheitserfahrungen schwärmen und auch manchen rationellen Zeitgenossen tief in seine Seele blicken ließ? Dass LSD zwischen Himmel und Hölle so ziemlich alles auslösen kann, weiß jeder, der selber schon mal einen Trip eingeworfen hat. Aber genau das machen Leute wie Lars Stadelmann nicht. Sie konsumieren extrem niedrige Dosierungen, ungefähr ein Zehntel eines LSD-Trips, zwei bis dreimal pro Woche. Die Kosten sind lächerlich tief: 30 Rappen für eine Dosis. "Microdosing" heißt das in Amerika, wo der entsprechende Trend hohe Wellen schlägt. "Der neue Businesstrip", schreibt das Rolling Stone Magazine. Und Forbes konkretisiert: "Microdosing ist der Arbeitsturbo im Silicon Valley." Eine niedrige LSD-Dosis, berichten die Anwender, habe den gegenteiligen Effekt einer hohen Dosierung. Man verliert sich nicht in seinen Gedanken, sondern verbessert die Konzentrationsfähigkeit und die Kreativität - unabdingbare Eigenschaften gerade für jemanden, der es in der Techbranche zu etwas bringen will. Zumal dort jedem das Bekenntnis von Apple-Gründer Steve Jobs bekannt ist: LSD zu nehmen, sei eine der wichtigsten Entscheidungen in seinem Leben gewesen. Der Druck in der kalifornischen Start-up-Kultur lässt viele ihren Körper und Geist optimieren, mit Yoga etwa oder Meditation. Auch ein digitaler Stimmungsmodulator, der über die Nervenzellen im Hirn Beruhigung oder Energie spendet, steht im Angebot. Es ist ironisch, dass auch der neueste Trend des Microdosing ausgerechnet aus Kalifornien stammt, wo die Gegenkultur einst den LSD-Slogan "Turn on, tune in, drop out" prägte. Nun verwenden die Kinder der Aussteiger die Substanz als leistungssteigerndes Mittel. Gehirndoping am Arbeitsplatz ist bereits verbreitet So interessant wie die Wirkung einer Droge ist ihre Aussage über die Gesellschaft, in der sie konsumiert wird. Was Kokain für die Wallstreet in den 80er-Jahren war, könnte Microdosing für die heutige Leistungsgesellschaft werden. Denn Gehirndoping am Arbeitsplatz ist bereits verbreitet. Das geht aus einer Befragung hervor, welche die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) vor drei Jahren in der Schweiz durchführen ließ. Vier Prozent der Befragten gaben an, mindestens einmal verschreibungspflichtige Medikamente wie Modafinil oder Ritalin konsumiert zu haben, um leistungsfähiger zu sein oder um Stress abzubauen. Bei Umfragen an deutschen Unis gaben zwischen fünf und 20 Prozent aller Studenten an, solche Stimulanzien zu schlucken. Und ihre wissenschaftlichen Lehrer stehen ihnen offenbar in nichts nach: In einer Erhebung des Fachblatts Nature gestand einer von fünf Abonnenten den Gebrauch von Neuro-Enhancern. Im Unterschied zu diesen Substanzen hat LSD ein geringeres Raubbau- und Abhängigkeitspotenzial. Ist LSD-Microdosing eine "gesunde" Alternative zu solchen Medikamenten? James Fadiman ist überzeugt davon. Der 77-jährige US-Psychologe untersucht seit Jahrzehnten die Wirkung von psychedelischen Substanzen. 1966 wollte er herausfinden, ob LSD und Meskalin es Wissenschaftlern ermöglichen, schwierige physikalische oder maschinenbauliche Probleme zu lösen. 27 Wissenschaftler nahmen am Experiment teil - und das Resultat war verblüffend: 40 der 44 Probleme wurden gelöst oder teilweise gelöst. | https://www.sueddeutsche.de/karriere/job-noch-eine-dosis-lsd-vor-dem-meeting-1.3274964 | mlsum-de-286 |
Die Deutsche Bank muss dringend sparen. Investmentbanker gönnen sich dennoch verlängerte Wochenenden und Limousinen-Fahrten auf Kosten des Hauses. | U-Bahn-Fahren? Nicht als Investmentbanker der Deutschen Bank in London. Dort waren edle Limousinen (hier ein Rolls Royce) gerade gut genug. Dass die Deutsche Bank im vergangenen Jahr mal wieder Verlust machte und ihre Ertragsziele riss, das war ja nur das eine. Mindestens ebenso erstaunt waren die Anleger, dass Deutsche-Bank-Chef John Cryan die alltäglichen Kosten des Konzerns nicht in den Griff bekommt. Seit das Geldhaus in der vergangenen Woche seine Jahreszahlen präsentierte, rauscht die Aktie der Bank Tag für Tag immer weiter ab. Am Donnerstag fiel der Kurs zeitweise auf 13 Euro und damit auf den niedrigsten Wert seit der großen Vertrauenskrise der Bank im Jahr 2016. Warum aber fällt es dem größten deutschen Geldhaus eigentlich so schwer, Kosten zu sparen? Liegt es nur an den Boni, ohne die viele Investmentbanker angeblich sofort das Weite suchen würden? Wohl nicht nur das: Wie eine interne Bank-Präsentation zeigt, die das britische Onlineportal Dealbreaker.com veröffentlicht hat, pflegen gerade die Investmentbanker des Instituts offenbar immer noch einen erstaunlich sorglosen Umgang mit dem Spesenbudget. Demnach waren die Spesenkosten einer Abteilung (mit etwa 800 Leuten) im vergangenen Jahr schlankweg um 40 Prozent explodiert - auf 22 Millionen pro Jahr, also gut 27 000 Euro pro Mitarbeiter. Das aber war dem zuständigen Chef der Sparte, Alasdair Warren, nun zu viel, weswegen er auf einer Mitarbeiterversammlung ein Ende der barocken Spesenpraxis forderte. So geht es aus der Präsentation hervor. Allein für Taxifahrten und Ähnliches gab die Abteilung demnach rund eine Million Euro pro Jahr aus. Einzelne Mitarbeiter verfuhren jährlich enorme 30 000 Euro, was selbst bei den vergleichsweise hohen Londoner Taxi-Preisen schwer zu erreichen sein dürfte. Es sei daher nicht mehr erlaubt - man hört richtig - einen "Limousinen-Service" zu nutzen; für Taxifahrten möge man bitte auf einen günstigen Vertragspartner zurückgreifen. Aber auch bei Flugreisen und Hotelbuchungen nahmen es viele in der Abteilung offenbar nicht wirklich ernst mit der Kostendisziplin. Während die eigenen Aktionäre für 2017 wohl wieder mit einer Mini-Dividende abgespeist werden, leben viele Investmentbanker weiterhin ihre gehobenen Ansprüche aus: Bei 3700 Flügen und 8100 Hotelbuchungen, die jeweils überdies nicht den Kunden in Rechnung gestellt werden konnten, hätten die Mitarbeiter offenbar eigenhändig ihr vorgegebenes Spesenlimit überschritten. Flüge sollten daher künftig möglichst günstig, und zwar ohne Rücksicht auf die bevorzugte Fluglinie, gebucht werden. Bei der Hotelauswahl möge man sich ebenfalls auf Vertragspartner konzentrieren. John Cryan fliegt Economy Mehr noch: Offenbar nutzen viele Banker ihre Dienstreisen für ein verlängertes Wochenende am Zielort der Reise. Auch das soll ein Ende haben: Wer in Zukunft am Freitag eine Reise buche und nicht am selben Tag zurückkehre, werde "systematisch" überwacht, ließ Alasdair Warren seine Leute wissen. Die Deutsche Bank wollte sich nicht dazu äußern. John Cryan übrigens kann man nicht vorwerfen, in Sachen Sparkultur ein schlechtes Beispiel abzugeben. Der Brite, der 2015 mit dem Ruf des harten Sanierers vom Aufsichtsrat an die Spitze des Geldhauses wechselte, reiht sich am Flughafen laut Augenzeugen oft brav in die Economy-Schlange ein, wenn er von Frankfurt nach London fliegt. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/spesen-bei-der-deutschen-bank-die-barocke-spesenpraxis-der-deutschbanker-1.3859716 | mlsum-de-287 |
Bei Ausschreitungen in Italien werden zehn Polizisten verletzt. Andrea Petkovic klettert in der Tennis-Weltrangliste, Tommy Haas rutscht um zwei Positionen ab. Der THW Kiel verpflichtet Domagoj Duvnjak vom HSV Hamburg. | Fußball in Italien: Nach dem verpassten Klassenverbleib in der 2. italienischen Fußball-Liga haben Fans von US Lecce randaliert. Wie die Gazzetta dello Sport am Montag berichtete, wurden dabei zehn Polizisten, mehrere Ordner und ein Fotograf verletzt, ein Randalierer wurde festgenommen. Rund 250 gewalttätige Anhänger des Clubs hatten nach dem Relegationsspiel gegen Carpi am Sonntag das Spielfeld gestürmt. Sie zerstörten Überwachungskameras, Sitzplätze, Absperrungen und Scheiben. Danach gingen die Ausschreitungen vor dem Stadion weiter. Dabei ging ein Polizeiwagen in Flammen auf. Carpi gelang mit dem 1:1 im Relegations-Rückspiel in Lecce erstmals der Aufstieg in die 2. Liga. Das Hinspiel hatten die Norditaliener mit 1:0 gewonnen. 2. Bundesliga, Wechsel: Fußball-Zweitligist Energie Cottbus hat zum Trainingsauftakt am Montag seine nächste Spielerverpflichtung unter Dach und Fach gebracht. Der slowakische Nationalspieler Erik Jendrisek unterschrieb bei den Lausitzern einen Dreijahresvertrag bis Ende Juni 2016. Der 26 Jahre alte Stürmer sollte am Nachmittag bereits erstmals mit der Mannschaft trainieren. Der konterstarke Angreifer kommt ablösefrei vom Bundesligisten SC Freiburg, wo er keinen neuen Vertrag mehr bekommen hatte. "Erik hat seine Klasse bereits nachgewiesen, jetzt will er beim FC Energie angreifen", sagte Trainer Rudi Bommer. Jendrisek bestritt in seiner Karriere bislang 48 Bundesliga- und 90 Zweitligaspiele für Hannover 96, den 1. FC Kaiserslautern, Schalke 04 und Freiburg. Basketball, NBA: Die San Antonio Spurs benötigen im Finale der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA noch einen Sieg zum fünften Titel. Die Texaner gewannen am Sonntagabend in eigener Halle Spiel 5 gegen Titelverteidiger Miami Heat mit 114:104 und gingen in den Serie best of seven mit 3:2 in Führung. San Antonio hat nun zwei Matchbälle. Die Finals 6 und eventuell 7 finden am Dienstag und Donnerstag jeweils in Florida statt. Überragend bei den Spurs, die zuletzt 2007 Champion wurden, waren der Franzose Tony Parker mit 26 Punkten, der Argentinier Manu Ginobili mit 24 Punkten und 10 Assists sowie Tim Duncan mit 17 Zählern und 12 Rebounds. Bei Miami erzielten LeBron James und Dwyane Wade jeweils 25 Punkte. Handball, HBL: Rückraumspieler Domagoj Duvnjak vom HSV Hamburg wechselt im Sommer 2014 zum deutschen Handball-Rekordmeister THW Kiel. Der kroatische Nationalspieler unterschrieb einen Dreijahresvertrag bis 2017 beim THW, teilte der HSV am Montag mit. In der nächsten Saison wird der 25-Jährige weiterhin für die Hamburger spielen, die als Ersatz den spanischen Nationalspieler Joan Canellas von 2014 an verpflichten. Canellas, 26 Jahre alter Rückraumakteur von Atletico Madrid, ist mit 1,98 Meter und 100 Kilogramm körperlich sehr stark. In 85 Länderspielen erzielte er 204 Tore. "Mit seinem guten Auge, seiner Durchsetzungsfähigkeit und seiner Willensstärke wird er den HSV nach vorn bringen", betonte HSV-Trainer Martin Schwalb. "Wir freuen uns, mit Domagoj Duvnjak einen der besten Rückraumspieler der Welt von einem Engagement in Kiel überzeugt zu haben", sagte THW-Geschäftsführer Klaus Elwardt den Kieler Nachrichten. Der HSV wollte Duvnjak, der seit 2009 für die Hanseaten spielt, unbedingt halten. "Wir haben alles versucht, was möglich war, und ihm in den Verhandlungen ein wirklich sehr, sehr gutes Angebot unterbreitet", erklärte Präsident Matthias Rudolph. Tennis, Weltrangliste: Andrea Petkovic gehört nach ihrer Finalteilnahme beim Nürnberger Versicherungscup als neue Nummer 75 wieder zu den Top 100 der Weltrangliste. Die 25-jährige Darmstädterin, die das Endspiel von Nürnberg mit 3:6, 3:6 gegen die Rumänin Simona Halep verloren hatte, war bis dato an Position 103 notiert gewesen. In der Weltrangliste der ATP ist Deutschlands Nummer eins Tommy Haas nach der Halbfinal-Niederlage gegen Roger Federer bei den Gerry Weber Open in Halle von Platz elf auf 13 abgerutscht. Es führt weiterhin Novak Djokovic (Serbien) vor Andy Murray (Großbritannien) und Halle-Sieger Roger Federer (Schweiz). Hinter Haas bleibt Philipp Kohlschreiber (Augsburg) als 18. der zweitbeste Deutsche vor Florian Mayer (Bayreuth/33.). Bei den Frauen führt French-Open-Gewinnerin Serena Williams (USA) die Rangliste weiter vor Wiktoria Asarenka (Weißrussland) und der drittplatzierten Russin Maria Scharapowa an. Beste Deutsche ist Angelique Kerber (Kiel) auf dem siebten Platz. | https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-in-italien-krawalle-in-lecce-nach-verpasstem-aufstieg-1.1698167 | mlsum-de-288 |
Im syrischen Palmyra wurde erneut wertvolles Kulturgut zerstört. Drei Grabtürme sollen Dschihadisten der Terrormiliz Islamischer Staat zum Opfer gefallen sein. | Die Terrormiliz Islamischer Staat soll erneut einen Anschlag auf die syrische Oasenstadt Palmyra verübt und dabei wertvolles Kulturgut zerstört haben. Behördenangaben zufolge wurden drei berühmte Grabtürme gesprengt. Es seien "die am besten erhaltenen, die schönsten" der Türme gewesen, sagte der Leiter der syrischen Antikenverwaltung, Maamun Abdelkarim der Nachrichtenagentur AFP. Die antiken Grabmonumente erhoben sich in über 20 Metern Höhe und waren somit seit der Antike markante Pfeiler des Stadtbilds. Sie wurden den Bauinschriften zufolge zwischen den Jahren neun vor und 128 nach Christus errichtet. Baaltempel am Montag gesprengt Erst am Montag hatten IS-Dschihadisten in Palmyra mit der Sprengung des 2000 Jahre alten Baaltempels für Empörung gesorgt. Die Anschläge reihen sich in eine Serie von Zerstörungen wertvollen Kulturguts ein. Auch in Syriens Nachbarland Irak hatte die Extremistengruppe zuvor Anschläge auf altorientalische Kunstwerke und Kulturgüter verübt. In den Grabtürmen wurden etliche Menschen bestimmter Familien oder Stämme beigesetzt. Möglicherweise wurden die Gräber Ziele der Terroristen, da sie aufgrund ihrer Architektur und ihren Bildern der Verstorbenen bei den fundamentalistischen Sunniten des IS den Eindruck von Heiligenverehrung und Götzendienst erwecken - was die Extremisten ablehnen. Nicht die ersten zerstörten Grabstätten in Palmyra Aus diesem Grund hatten sie syrischen Behörden zufolge bereits im Juni zwei Mausoleen in Palmyra in die Luft gesprengt, darunter die Grabstätte eines Verwandten von Ali ibn Abi Talib - dem Cousin und Schwiegersohn des Propheten Mohammed und vierten der ersten Kalifen. Die Ruinenstadt Palmyra ist Unesco-Weltkulturerbe. Der IS eroberte sie im Mai. Anfang August hatte die Extremistengruppe den Chefarchäologen der Stadt, Khaled al-Asaad, getötet. | https://www.sueddeutsche.de/politik/syrien-is-terroristen-sprengen-nach-baaltempel-auch-grabtuerme-in-palmyra-1.2634251 | mlsum-de-289 |
Das Kindermusik-Duo Sternschnuppe Margit Sarholz und Werner Meier und die Münchner Philharmoniker laden ins "Ristorante Allegro" nach München ein. | Irgendwo zwischen "Ein Kühlschrank ging spazieren" und "Der Sommer ist da", ist Ulrich Haider die Idee gekommen. Plötzlich war sie da, auf einem Kinderfest in der Dorfener Eishalle, als seine Söhne laut mitsangen bei der Musik des Kinderlieder-Duos Sternschnuppe. "Sie waren so begeistert, da bin ich hingegangen zu den Sternschnuppen und hab gesagt ,Ich bin auch Musiker und es wäre doch sehr schön, wenn man mal was gemeinsam machen würde'." Detailansicht öffnen Werner Meier und Margit Sarholz aus Ottenhofen: die Kindermusik-Gruppe Sternschnuppe (Foto: Bauersachs Peter) Das ist nun fast drei Jahre her und weil Haider nicht irgendein Musiker ist, sondern Solohornist bei den Münchner Philharmonikern, hat dieses kurze Gespräch zu einem großen Projekt geführt, das im Oktober in München zu seinem Finale kommt: das "Ristorante Allegro". Ein "philharmonisches Musical" nennen es die Veranstalter, damit niemand zu kurz kommt, denn es ist ein gemeinsames Werk: Es ist ein Musiktheaterstück für Kinder, mit bekannten und neuen Liedern von Sternschnuppe - Margit Sarholz und Werner Meier - und orchestraler Unterstützung von 80 Musikern der knapp 120 Münchner Philharmoniker. "Meine Idee war einfach die, dass Kinder so ein großes Orchester erleben müssen, damit sie auch spüren, was das Besondere ist an einem Orchester", sagt Haider. Am 9. Oktober 2011 wird "Ristorante Allegro" nun in der Münchner Philharmonie uraufgeführt, am 6. November gibt es eine zweite Vorstellung. Um ein Restaurant soll es gehen, in dem die Grenzen zwischen Kochen und Musik verschwimmen: "Kochen, das ist auch Klang und Zusammenklang", sagt Sarholz. "Manchmal sind Instrumente und Töne für sich allein nicht so schön, aber wenn sie in der richtigen Kombination sind, können sie ganz wunderbar sein - genau wie Zutaten beim Essen." Das Restaurant "Allegro" wird natürlich von Kindern geführt, damit die sich im Musical gut aufgehoben fühlen: "Das Stück soll ihnen schon entgegenkommen. Es ist Musik für Kinder, aber in ganz klassischen Bearbeitungen", sagt Sternschnuppe Sarholz. "Wir wollen die Ohren der Kinder öffnen für klassische Musik." Allerdings ist das wieder nur die eine Hälfte des Projektes: Auch das Orchester musste sich öffnen für die Idee, klassische Musik in großem Stil mit Kinderliedern zu kombinieren. "Im Angebot der Philharmoniker und auch allgemein gibt es wenig Musik für Kinder, wo sie ein richtiges Orchester erleben", sagt Haider. Sarholz und Meier war das auch schon aufgefallen, die Kollegen in der Philharmonie und den Intendanten Paul Müller überzeugte der Gedanke ebenfalls. Doch es geht noch weiter: Es ging darum, sich nicht einfach für Kinder zu öffnen, sondern vor allem für Eltern und Kinder, die sonst nicht klassikaffin sind. "Wir wollen auch Kinder gewinnen, die noch keinen Zugang zur Klassik beispielsweise über ihre Eltern haben. Wir wollen das Sternschnuppe-Publikum in die Philharmonie kriegen." Wie beispielsweise einige Klassen des Landshuter Förderzentrums für geistig behinderte Kinder: Die befassen sich schon jetzt in Projekttagen mit "Ristorante Allegro" - um auf den Oktober vorbereitet zu sein. | https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/sternschnuppe-erding-grosses-orchester-erleben-1.1061691 | mlsum-de-290 |
Der Franzose Kingsley Coman beim FC Bayern und der Belgier Adnan Januzaj von Borussia Dortmund sind zwei junge Spieler, die eine alte Erkenntnis beleben sollen: Frechheit siegt! | Er sei "ein Spieler, der den Unterschied macht, und zwar in jeder Minute des Spiels" - mit diesem recht bescheidenen Satz hat sich der Franzose Kingsley Coman, 19, in dieser Woche beim FC Bayern vorgestellt. Man kann diese Selbsteinschätzung gerne stichprobenartig überprüfen, zum Beispiel anhand des letzten großen Spiels, das von Kingsley Coman aktenkundig ist. Am 6. Juni 2015 wurde er, damals noch im Trikot von Juventus Turin, in der 89. Minute des Champions-League-Finales eingewechselt, und weil der Schiedsrichter sieben Minuten nachspielen ließ, hatte Kingsley Coman also genau acht Minuten Zeit, um den Unterschied zu machen. Und was soll man sagen? Er hat nicht zu viel versprochen. Er hat das Spiel tatsächlich verändert. Als Coman ins Spiel kam, lag seine Mannschaft 1:2 hinten. Acht Minuten später hatte sie 1:3 verloren. Man kann festhalten, dass es sich bei Kingsley Coman um einen selbstbewussten jungen Herrn handelt. Der Franzose sagt Sätze, die noch nicht so viele 19-Jährige gesagt haben, die neu zum FC Bayern gekommen sind. Nach Lage der Dinge war das diesmal aber wohl eine Einstellungsvoraussetzung, denn selbst beim hierarchisch geprägten Führungsspieler-Verein aus München sind Neulinge, die viel von sich halten, zurzeit ausdrücklich erwünscht. Kingsley Coman steht für eine Erkenntnis, gegen die sich der moderne, gruppendynamisch durchorganisierte Fußball nicht mehr wehren kann. Die Erkenntnis heißt: Frechheit siegt. Er könne ein Spiel "in jedem Moment rausreißen", hat Coman bei seinem ersten Auftritt in München übrigens auch noch gesagt. Früher hätten sie so einen erst mal das Tor tragen lassen, und Stefan Effenberg oder Mark van Bommel hätten genüsslich hin und her überlegt, mit welcher Art von Foul man so einen Rotzbengel im Training am besten willkommen heißt. Im Jahr 2015 würden sie sich mit solchen pädagogischen Maßnahmen beim Trainer aber ziemlich unbeliebt machen, denn zurzeit stehen die Rotzbengel unter Artenschutz. Man braucht sie dringend. Sie sind es doch, die ein Spiel entscheiden. | https://www.sueddeutsche.de/sport/fluegelstuermer-coman-und-januzaj-sie-zerstoeren-systeme-1.2644063 | mlsum-de-291 |
Der US-Präsident hatte den Republikanern im Repräsentantenhaus ein Ultimatum gestellt, seinen Gesetzentwurf durchzuwinken. Doch noch immer gibt es offenbar keine Mehrheit. | Donald Trump will am Abend über das Gesetz abstimmen lassen - auch wenn er keine Mehrheit hat. Offenbar ist es für Donald Trump schwieriger eine Mehrheit für seinen Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform zu organisieren, als gedacht. Nachdem eine Abstimmung im Repräsentantenhaus über seinen American Health Care Act am Donnerstagabend verschoben wurde, ist auch am Freitag ungewiss, ob die Vorlage zur Reform des Gesundheitssystems überhaupt zur Abstimmung kommt. Wie CNN und die Washington Post übereinstimmend berichten, ist der Sprecher des Repräsentantenhauses Paul Ryan am Freitagmittag im Weißen Haus gewesen, um Trump über die fehlenden Stimmen bei den Republikanern zu informieren. Seine Partei hat eigentlich eine Mehrheit. Im Vorfeld hatten sich jedoch einige Republikaner gegen den Entwurf gestellt, der die von Trump verhasste Krankenversicherung Obamacare ablösen sollte. Die Demokraten haben angekündigt, sich geschlossen verwehren zu wollen. Bei den Republikanern darf es damit höchstens 22 Abtrünnige geben. Während die Debatte im Kongress läuft, erklärt Trumps Sprecher Sean Spicer vor Journalisten, dass es keine weitere Verschiebung der Wahl geben werde. "Das ist es", so Spicer. Präsident Trump habe die vergangenen Tage mit Dutzenden Abgeordneten gesprochen. Er habe sich sehr für das Gesetz eingesetzt. "Nun ist es keine Frage der Verhandlungen mehr", so Spicer. Trumps kommende Projekte in Gefahr Trump ließ die Rebellen bei den Republikanern im Vorfeld wissen, dass es entweder eine Zustimmung zu der Vorlage gebe - oder gar keine Reform. Sollte er bei der Gesundheitsversicherung eine Niederlage einfahren, könnte das schwerwiegende Folgen für seine weitere Amtszeit haben. Schließlich war die Ablösung von Obamacare eines seiner zentralen Wahlversprechen. Lagerkämpfe innerhalb der Partei könnten ihm bei seinen Vorhaben wie der geplanten Steuerreform Probleme bereiten. Vor sieben Jahren hatte Trumps Vorgänger im Amt, Barack Obama, den Patient Protection and Affordable Care Act eingeführt. Das Gesetz regelt den Zugang der Amerikaner zur Krankenversicherung und ist damit wesentlicher Bestandteil des Gesundheitssystems. Bereits während Obamas Amtszeit war das Gesetz umstritten. Im Rennen um die Präsidentschaft hatte Trump es zu seinem zentralen Wahlversprechen erhoben, Obamacare "am ersten Tag" seiner Amtszeit abschaffen und ersetzen zu wollen. "Obamacare ist ein Desaster", hatte er wiederholt erklärt, ohne ein besseres Modell präsentieren zu können. | https://www.sueddeutsche.de/politik/abloesung-von-obamacare-trumps-gesundheitsreform-wackelt-1.3436219 | mlsum-de-292 |
Über Monate fiel der Mann der Behörde nicht auf. Als Flüchtling war er in Erding registriert. | Nach der Festnahme des unter Terrorverdacht stehenden Bundeswehroffiziers werden Vorwürfe gegen die zuständigen Behörden laut. Zudem entwickelt sich eine neue Debatte über die Sicherheitsstandards im Asylverfahren. Aus CDU und CSU kamen am Freitag Forderungen, solche Fälle, in denen Zweifel an der Identität von Asylbewerbern bestehen, nochmals zu überprüfen. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, für eine anlasslose Überprüfung aller Asylbescheide gebe es keine rechtliche Grundlage. Gebe es aber Anhaltspunkte für Fehler, sollten Entscheidungen rasch überprüft werden. Während parteiübergreifend Einigkeit dahingehend herrschte, dass beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) schwere Fehler gemacht worden seien, warfen SPD, Grüne und Linke auch dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) Versagen vor. Am Donnerstag war bekannt geworden, dass ein 28 Jahre alter Oberleutnant der Bundeswehr sich eine zweite Identität als syrischer Flüchtling zugelegt und in dieser Rolle einen sogenannten subsidiären Schutz erhalten sowie staatliche Leistungen bezogen hatte. Er wird verdächtigt, aus rechtsextremistischen Motiven einen Anschlag geplant zu haben. Ebenfalls verdächtigt wird ein 24 Jahre alter Student. Obwohl der Soldat sich bereits Ende 2015 bei einer Behörde als syrischer Flüchtling ausgegeben hatte, begannen Ermittlungen gegen ihn erst in diesem Jahr. Auslöser war eine Festnahme Anfang Februar, als der Soldat am Flughafen Wien-Schwechat eine Pistole aus einem Versteck holen wollte, in dem er sie deponiert hatte. Er gibt an, die Pistole zufällig gefunden zu haben. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er "eine schwere staatsgefährdende Straftat" plante. Mit anderen Flüchtlingen auf englisch oder französisch kommuniziert Als Flüchtling war der Soldat in einer Erdinger Flüchtlingsunterkunft, einer von privat vermieteten Wohnung, registriert. Der Oberleutnant habe sich jedoch nur selten darin aufgehalten, sagte der Vater der Vermieterin, der den Mann dort zweimal angetroffen hat, der Süddeutschen Zeitung. Seinen Mitbewohnern habe er gesagt, er halte sich überwiegend in München auf und hole in Erding nur seine Post ab. Er habe mit weiteren vier Flüchtlingen in einem Zimmer gewohnt, darunter auch ein Syrer aus Damaskus. Mit den Flüchtlingen habe der Offizier nur englisch oder französisch gesprochen. Als der Vater der Vermieterin ihn einmal angesprochen habe, weil es Probleme gegeben habe, habe er sich stumm gestellt. Am Freitag wurde das Parlamentarische Kontrollgremium über Hintergründe des Falls informiert. Nach der Sitzung sagte dessen Vorsitzender Clemens Binninger (CDU), die "Qualitätsmechanismen" im Bamf hätten versagt. Niemand habe die offenkundig fingierte Geschichte des Soldaten hinterfragt. Der SPD-Abgeordnete Burkhard Lischka kritisierte, "simpelste Dinge" hätten nicht funktioniert. Der Soldat habe nicht einmal seinen Namen auf Arabisch schreiben müssen. Für die Linke fragte der Abgeordnete André Hahn, was der MAD tue, wenn es um Rechtsextremismus in der Truppe gehe. Der Offizier ist jedoch offenbar nicht öffentlich, etwa in sozialen Netzwerken, einschlägig in Erscheinung getreten - im Gegensatz zu Chats, die sich auf seinem Mobiltelefon fanden und von den Ermittlern ausgewertet werden. Hier offenbarte er sein Gedankengut. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wies Generalinspekteur Volker Wieker an, das militärische Umfeld des Verdächtigen zu beleuchten. | https://www.sueddeutsche.de/politik/terrorverdaechtiger-soldat-bundeswehroffizier-stellte-sich-in-fluechtlingsunterkunft-stumm-1.3483783 | mlsum-de-293 |
Josefa Schmid arbeitet seit heute in der Bamf-Außenstelle Deggendorf - just einen Tag nachdem ihr kritischer Untersuchungsbericht zu den Vorfällen in der Bremer Behörde öffentlich wurde. | Josefa Schmid (Bild aus dem Jahr 2012), ehrenamtliche Bürgermeisterin von Kollnburg, wurde am Dienstag mit sofortiger Wirkung in die Bamf-Außenstelle Deggendorf in Niederbayern versetzt. Die Leiterin der Außenstelle Bremen des Asyl-Bundesamtes (Bamf) ist versetzt worden. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wurde Josefa Schmid am Dienstag mit sofortiger Wirkung in die Bamf-Außenstelle Deggendorf in Niederbayern versetzt. Dort soll sie bereits an diesem Mittwoch ihren Dienst antreten. Schmid war seit Anfang Januar interimsweise Leiterin der Bamf-Filiale Bremen, die im Fokus der Staatsanwaltschaft steht. Die frühere Leiterin dort wird verdächtigt, über Jahre Asyl-Akten manipuliert zu haben, um Flüchtlingen unrechtmäßig einen Schutzstatus zu verschaffen; gegen sie und weitere Verdächtige wird ermittelt. "An einer echten Aufklärungsarbeit kein gesteigertes Interesse" Josefa Schmid wurde just an dem Tag von Bremen wegversetzt, an dem ihr Untersuchungsbericht zu den Geschehnissen in Bremen öffentlich bekannt wurde. Die zeitliche Nähe ist auffällig, Bamf-Insider halten die Versetzung für eine Strafmaßnahme. Dem widerspricht das Asyl-Bundesamt: "Von einer Strafversetzung kann keine Rede sein", betonte ein Sprecher. In Abstimmung mit dem Innenministerium habe das Bamf entschieden, "aus Gründen der Fürsorge" die Abordnung Schmids zur Außenstelle Bremen vorzeitig zu beenden. Nun sei sie wieder in ihre bisherige Dienststelle in Deggendorf zurückkehrt. "Diese Maßnahme war in der aktuellen Situation geboten, um die Beamtin, die Gegenstand öffentlicher Berichterstattung ist, zu schützen", so der Sprecher. Es sei geplant, einen erfahrenen Referatsleiter aus dem Bamf vorübergehend mit der Leitung der Außenstelle Bremen zu beauftragen. Die Aufklärung der Causa Bremen erfolge "weiterhin auf Hochdruck unter Einbeziehung aller relevanten Erkenntnisquellen". Dazu gehörten laut Bamf weiterhin auch die Erkenntnisse der vorübergehenden Außenstellen-Chefin. Es gebe "enge Abstimmungen" zwischen dem Asyl-Bundesamt und dem für das Bamf zuständigen Innenministerium. Dieses äußerte sich wortgleich. Schmid hatte am 4. April ein 99-seitiges, überaus kritisches Papier direkt an den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU) geschickt. Darin listet sie ihre vorläufigen Rechercheergebnisse in der Außenstelle Bremen auf und macht die Bamf-Zentrale in Nürnberg mitverantwortlich für das mutmaßlich illegale Treiben in Bremen. Es dränge sich der Verdacht auf, schreibt sie, "dass an einer echten Aufklärungsarbeit kein gesteigertes Interesse besteht, um nicht dem Ansehen des Bundesamtes zu schaden". Sie vermute zudem, "dass auch die Zentrale selbst in die Angelegenheit verstrickt ist". Dies stützt sie darauf, dass nach ihrer Erkenntnis immer wieder Bamf-Mitarbeiter auf mutmaßliche Unregelmäßigkeiten hingewiesen hätten, ohne dass dies zu konsequentem Durchgreifen geführt habe. Zwar betrachtet Schmid die mutmaßlichen Verfehlungen in Bremen weitgehend als erwiesen; tatsächlich aber handelt es sich bislang lediglich um einen Verdacht seitens der Ermittler. Das Bundesinnenministerium hatte am Dienstag nach Bekanntwerden des Schmid-Berichts erklärt, dass "nach derzeitigem Kenntnisstand" für die Behauptung Schmids, die Zentrale sei in die Geschehnisse in Bremen verwickelt, "keine substantiierte Tatsachengrundlage" bestehe. Das Innenministerium arbeite prioritär an einer unabhängigen Aufklärung. | https://www.sueddeutsche.de/politik/josefa-schmid-bremer-bamf-leiterin-nach-niederbayern-versetzt-1.3973744 | mlsum-de-294 |
Krise in Liverpool, Pleiten für Arsenal und Chelsea, Kritik an Özil und Khedira bei Real, auch Inter verliert erstmalig. Dazu beklagt der FC Bayern Verletzte - im Fußball und im Basketball. Sport kompakt | Generalprobe verpatzt: Inter Mailand hat vor dem Champions-League-Duell mit Werder Bremen am Mittwoch (20.45 Uhr) erstmals in der laufenden Saison Schwäche gezeigt. Der Titelverteidiger in der Königsklasse und der Serie A kassierte am Samstagabend im Spitzenspiel bei Bayern Münchens Champions-League-Gegner AS Rom eine bittere 0:1-Niederlage. Den Siegtreffer für die Roma, um deren Coach Claudio Ranieri es zuletzt Entlassungsgerüchte gegeben hatte, erzielte Mirko Vucinic in der 90. Minute. "Es ist nicht akzeptabel, in der letzten Minute zu verlieren. Aber das Hauptroblem war nicht das Gegentor, sondern dass wir 15 Mal aufs Tor geschossen habe, ohne zu treffen", sagte Inters spanischer Trainer Rafa Benitez nach dem Tiefschlag in der Schlussminute. Erleichtert gab sich Roma-Trainer Ranieri. Nach der 1:2-Niederlage am Mittwochabend in Brescia hatten italienische Medien schon wild über Pläne des Klubs berichtet, dass Ex-Nationaltrainer Marcello Lippi Ranieri ersetzen soll. "Die Krise ist überwunden", stellte Ranieri zufrieden fest: "Für uns beginnt die Saison jetzt von Neuem." Mut hatte der Trainer mit der Auswechslung von Kapitän Francesco Totti fünf Minuten vor dem Ende beweisen. Der Weltmeister von 2006 verließ wütend das Feld, doch Ranieri behielt Recht: Der für Totti gekommene Vucinic wurde zum Matchwinner. (Ergebnisse und Tabelle der Serie A) Detailansicht öffnen Mesut Özil, r., bekommt die harten Madrider Medien zu spüren. (Foto: AFP) Ausrutscher im Armenhaus: Real Madrid, der reichste Fußballverein der Welt, kam beim Aufsteiger UD Levante, dem ärmsten Club der spanischen Liga, nur zu einem torlosen Remis. Die Madrider Presse machte nach dem enttäuschenden 0:0 die deutschen Real-Profis Mesut Özil und Sami Khedira als Schwachstellen aus. Der Ex-Bremer und der frühere Stuttgarter mussten sich vorhalten lassen, nicht genügend für den Spielaufbau getan zu haben. Real (11 Punkte) musste die erst am Dienstag eroberte Tabellenführung in der Primera División wieder an den FC Valencia (13) abtreten, der bei Sporting Gijón 2:0 gewann. Titelverteidiger FC Barcelona (12) zog mit einem 3:1-Sieg bei Athletic Bilbao ebenfalls an den "Königlichen" vorbei. Besonders hart ging die Sportzeitung As mit Sami Khedira ins Gericht. "Der Deutsche war praktisch von der Bildfläche verschwunden. Sein Beitrag zum Spielaufbau war gleich null", meinte das Blatt und stufte Khedira als schlechtesten Spieler auf dem Platz ein. Özil wurde vorgeworfen, als Spielmacher kleine Verantwortung übernommen zu haben und ebenfalls in der Versenkung verschwunden zu sein. "Er zeigt zunehmend Anzeichen von Unbeständigkeit, vor allem in den Auswärtsspielen", hielt das Sportblatt Marca dem Ex-Bremer vor, der nach 62 Minuten ausgewechselt wurde. (Ergebnisse und Tabelle der Primera Division) Der FC Liverpool steckt tief in der Krise, der FC Chelsea ist seine "weiße Weste" los, der FC Arsenal gibt sich selbst Rätsel auf: Bei den drei Top-Klubs aus der englischen Premier League herrschte am Wochenende kollektive Ernüchterung. Doch während bei den Reds und den Gunners Alarmstimmung herrschte, nahm der FC Chelsea das 0:1 bei Manchester City gelassen als Betriebsunfall hin. "Die Mannschaft hat nicht gut gespielt, aber ich finde es schwierig, die Jungs nach dieser ersten Niederlage zu verurteilen. Grundsätzlich läuft es gut bei uns", sagte Chelseas Teammanager Carlo Ancelotti. Citys neuer Kapitän Carlos Tevez hatte die Gastgeber in der 59. Minute mit seinem vierten Tor in den vergangenen drei Spielen zum Sieg geschossen. Nationalspieler Jerome Boateng hatte erstmals Anteil am Erfolg des Teams aus Manchester. Der deutsche WM-Teilnehmer, der seine Knieverletzung auskuriert hat, wurde kurz vor Schluss eingewechselt. Die Stimmung beim FC Liverpool ist im Vergleich zu jener bei Chelsea explosiv. Nach dem peinlichen Aus im Elfmeterschießen im Ligapokal gegen den Viertligisten Northampton Town kamen die Reds gegen den FC Sunderland nicht über ein 2:2 hinaus. Nach nur einem Sieg aus sechs Liga-Spielen konzentrierte sich der Protest der Fans allerdings nicht auf den neuen Teammanager Roy Hodgson, sondern auf die ungeliebten amerikanischen Klubbesitzer Tom Hicks und George Gillett. Der FC Arsenal versäumte es durch ein 2:3 gegen West Bromwich Albion, bis auf einen Punkt zum Tabellenführer Chelsea aufzuschließen - und Teammanager Arsene Wenger war restlos bedient. "Unerklärlich, wie schwach wir waren. Ich habe meine Mannschaft nicht wiedererkannt. Diese Leistung ist mir ein Rätsel", sagte der Franzose. West Brom führte durch Tore von Peter Odemwingie (50.), Gonzalo Jara (52.) und Jerome Thomas (73.) schon 3:0, ehe Samir Nasri (75. /90.+1) wenigstens noch verkürzte. (Ergebnisse und Tabelle der Premier League) Bayern München muss in den kommenden Wochen auch noch ohne Abwehrspieler Diego Contento auskommen. Der 20 Jahre alte Links-Verteidiger ist am Sonntag an der linken Leiste operiert worden, wie Trainer Louis van Gaal berichtete. Contento werde dem deutschen Fußball-Meister vier bis sechs Wochen fehlen, sagte van Gaal. Wegen Leistenproblemen hatte Contento bereits am Samstag bei der 1:2-Niederlage gegen Bundesliga-Spitzenreiter FSV Mainz 05 pausieren müssen. Im Champions-League-Spiel am Dienstag beim FC Basel muss van Gaal neben dem Abwehrspieler auch auf die ebenfalls verletzten Arjen Robben, Franck Ribéry, David Alaba und Breno verzichten, der nach einem Kreuzbandriss aber wieder im Mannschaftstraining ist. Basketball-Nationalspieler Steffen Hamann hat sich bei seinem Punktspieldebüt für den Zweitligisten FC Bayern München den Mittelfuß gebrochen. Der 29-Jährige hatte beim 97:69-Auftaktsieg der ambitionierten Münchner gegen den USC Heidelberg am Samstagabend in der 32. Minute einen Schlag auf den rechten Fuß bekommen und wird nach den Ergebnissen der Untersuchungen im Klinikum rechts der Isar bis Ende November ausfallen. Ob die Münchner auf den Ausfall des Spielmachers mit einer weiteren Verpflichtung reagieren, wollte Trainer Dirk Bauermann noch nicht sagen. | https://www.sueddeutsche.de/sport/sport-kompakt-probleme-fuer-die-grossen-klubs-1.1004725 | mlsum-de-295 |
Lemar, Mbappé, Pogba, Kanté: Beim 4:0 gegen die Niederlande zeigt die Équipe tricolore, dass sie bei der WM zu den Favoriten zählen wird. | Am Ende dieses Abends ging es vor allem um Träume. Ob es ein Traumtag für ihn sei, ist zum Beispiel Kylian Mbappé am Donnerstag gefragt worden, der Mann, dessen Transfer zu Paris Saint-Germain kurz zuvor verkündet worden war - und der keine drei Stunden nach seinem Vereinswechsel mal eben ein Tor für die Nationalelf schoss. Naja, sagte Mbappé also, er wisse nicht, was ein typischer Traumtag sei, aber ein sehr schöner Tag, ja, doch, das sei es schon. Und als Didier Dechamps, Frankreichs Nationaltrainer sich dazu äußern sollte, ob das Spiel wie ein Traum gewesen sei, da sagte er: "Nicht ein Traum, aber es ging gut." Das war eine glatte Untertreibung. Dieses 4:0 (1:0) in der WM-Qualifikation zwischen Frankreich und den Niederlanden enthielt zwei Geschichten, und beide brachten eine ordentliche Fallhöhe mit. Die eine handelt von den Niederländern, die nochmal ein bisschen mehr kriseln als ohnehin, die nun in der WM-Qualifikationsrunde auf Platz vier liegen, hinter Frankreich, hinter Schweden und, das auch: hinter Bulgarien. Die andere Geschichte handelt von Frankreich, von einer Mannschaft, die in den vergangenen Jahren immer für einen großen oder mittelgroßen Skandal zu haben war. Aber die nun einen derart berauschenden Fußball spielte, dass man nicht mal mutig sein muss, um sie als ernsthaften Kandidaten für den WM-Titel 2018 zu zählen. "Tout bon", titelte die Sportzeitung L'Equipe am Freitag, alles gut. So konnte man das natürlich auch sagen. Wer verstehen will, was diese französische Mannschaft auszeichnet, der muss sich nur die Statistiken und die Tore vom Donnerstag anschauen. Ein Mal schoss Holland aufs Tor, in der ersten Halbzeit hatte das Team von Dick Advocaat eine einzige (!) Ballaktion in Frankreichs Strafraum. Die Franzosen dagegen führten ein Lehrstück des Offensivfußballs auf, sie zeigten Angriffe, die wie eine Leuchtrakete in Richtung der Konkurrenten wirkten. Hallo, ihr lieben Spanier, Deutschen und Brasilianer, ihr seid zwar ganz gute Mannschaften. Aber so wie wir müsst ihr erst mal spielen. Das begann schon nach 13 Minuten, als Antoine Griezmann einen Doppelpass mit Olivier Giroud spielte und Hollands Abwehr aussehen ließ wie einen Haufen unterdurchschnittlicher Kreisligaverteidiger. Er tunnelte Jasper Cillessen, schon stand es 1:0. Und nachdem Kevin Strootman nach 62 Minuten (unberechtigterweise) Gelb-Rot sah, sezierte Frankreich die Niederländer noch erbarmungsloser. Thomas Lemar sah in der 72. Minute eine verunglückte Kopfballabwehr auf sich zufliegen. Volley schoss er vom Strafraum und unterschnitt den Ball derart fachgerecht, dass es eine Beleidigung gewesen wäre, wenn der Schuss nicht in den Winkel gerauscht wäre. Anstandshalber sprang Cillessen noch hinterher, aber vermutlich nur, damit das Tor noch formvollendeter aussah. Halten konnte er den Ball eh nicht. Und als Lemar dann nach einem Konter und nach Vorlage von Griezmann das 3:0 erzielte, warf das vor allem eine Frage auf. In diesem Sommer wird ja viel über die Wahnwitzigkeit des Transfermarkts gesprochen, aber ist das nicht die größte Irrationalität: dass noch niemand diesen 21 Jahre alten Außenstürmer des AS Monaco für 120 oder wievielauchimmer Millionen Euro gekauft hat? Dazu muss man wissen: Liverpool und der FC Arsenal sollen Interesse gehabt haben, konnten den Transfer aber am letzten Tag des Transferfensters nicht mehr realisieren. Dieser Abend kannte eben auch Verlierer. 10:1 als Ergebnis? Wäre angemessen gewesen Mit Mbappé schoss dann ein Profi das 4:0, der bis wenige Stunden vor Anpfiff noch für Monaco gespielt hatte, aber unter eigenwilligen Bedingungen nach Paris gewechselt war - auf Leihbasis und mit Kaufoption im kommenden Jahr über 180 Millionen Euro (Financial Fairplay!). Die Volkskrant lag jedenfalls vollkommen richtig, als sie schrieb, dieses Spiel hätte auch 10:1 ausgehen können. 16 Punkte hat Frankreich nun, drei mehr als Verfolger Schweden, und es muss schon viel passieren, dass die Franzosen sich nicht für die WM qualifizieren bei drei ausstehenden Spielen. Wer den Kader durchgeht, kommt gar nicht vorbei an der Frage, wie diese Mannschaft im Juni gegen Schweden hatte verlieren können (Antworten: Naivität und ein Torwartfehler). Es wirkt, als wäre Frankreich das neue Deutschland, eine Auswahl mit endlos vielen Talenten und/oder fast vollendeten Spieler. Da ist der wuchtige Paul Pogba, im vergangenen Sommer für 105 Millionen zu Manchester United gewechselt. Da sind die Dribbler Mbappé und Lemar und Griezmann, da ist Dembélé, der mal eben für 105 Millionen und hohen Bonuszahlungen vom BVB nach Barcelona ging. Und da sind auch noch Verteidigungskünstler: N'Golo Kanté vom FC Chelsea oder Arsenals Laurent Koscielny. Es ist die Geschichte einer großen Erneuerung. Vor Jahren handelten die Schlagzeilen über die Equipe tricolore ja noch von einer Mannschaft, die sich in schöner Regelmäßigkeit selbst zerlegte. 2008 und 2010 schied sie als Gruppenletzter in den Vorrunden von EM und WM aus. Es ging um Auseinandersetzungen zwischen Spielern und Trainern, um eine Mannschaft, die zwar herausragende Profis aufwies wie Ribéry, Benzema oder Malouda - die aber nicht mal im Ansatz in der Lage war, einen Titel zu gewinnen. 2012 trat Didier Dechamps als Trainer an, und mal abgesehen davon, dass das Schicksal und eine neue Jugend-Strategie ihm Europas größte Talente in den Kader warfen, gelang es ihm, eine funktionierende Mannschaft aufzubauen. 2014 schied sein Team bei der WM im Viertelfinale nur knapp gegen Deutschland aus; 2016 verpasste es erst im Finale den EM-Titel gegen Portugal. Und nun? Ob er sich an ein französisches Team erinnere, das derart reich an Offensivpotenzial gewesen sei wie das jetztige, ist Dechamps noch gefragt worden. "Frankreich hatte immer sehr große Offensivspieler", sagte Dechamps also, Michel Platini etwa, Thierry Henry oder David Trezeguet; man solle nun nicht anfangen, seine Spieler "mit anderen zu vergleichen, die sieben, acht, zehn Jahre gespielt haben und Titel gewonnen haben". Aber er sagte auch diesen Satz: "Es gibt viel Qualität. Ich werde mich nicht über diese Fülle beschweren." | https://www.sueddeutsche.de/sport/wm-qualifikation-frankreich-demonstriert-seine-macht-1.3649217 | mlsum-de-296 |
In einer japanischen Klinik sterben auffällig viele ältere Patienten, 46 binnen drei Monaten. Bis sich mal jemand die Infusionsbeutel genauer anschaut. | Die Männer wurden vergiftet, das ergab die Obduktion zweier 88-jähriger Patienten, die kurz hintereinander im Krankenhaus Oguchi in Yokohama im vierten Stock gestorben sind. Die Polizei suchte nicht lange: Sie fand zehn noch unbenutzte Infusionsbeutel mit winzigen Löchern in der Gummidichtung. Die Infusionslösung war mit einem tödlichen Desinfektionsmittel versetzt. Der Täter ist unbekannt. Im vierten Stock des Krankenhauses sind seit Anfang Juli 46 Patienten gestorben, an einem einzigen Augusttag fünf, im September einmal vier. Das Oguchi-Krankenhaus in Yokohama pflegt viele todkranke Alte, die Häufung der Todesfälle fiel deshalb erst nicht auf. Bis Klinikchef Yoichi Takahashi eine Krankenhausinfektion befürchtete. So kam es zur Obduktion der beiden vergifteten 88-Jährigen. Seit die Polizei ihre Untersuchung aufgenommen hat, ist im vierten Stock niemand mehr gestorben. Weil in Japan die Toten meist verbrannt werden, lassen sich die Todesumstände der anderen Patienten nicht mehr zurückverfolgen. Das Personal vieler japanischer Krankenhäuser und Altersheime ist überfordert und unterbezahlt. Dazu kommt eine in der Gesellschaft tief sitzende Verachtung von chronisch Kranken, Behinderten und Greisen. Die Japaner sollen sich nützlich machen, auch im Alter noch. Können sie das nicht mehr, sagte Vize-Premier Taro Aso vor einiger Zeit, dann sollten sie lieber bald sterben, statt dem Staat zur Last zu fallen. Das Gesundheitsministerium registriert jedes Jahr mehr Misshandlungen alter Patienten. Voriges Jahr stieß ein junger Pfleger drei alte Patienten vom Balkon eines Krankenhauses. Sie seien ihm auf die Nerven gegangen, sagte er bei seiner Verhaftung. Im Juli erstach ein geistesgestörter ehemaliger Pfleger in einer Klinik 19 Schwerbehinderte. Er habe sie von ihrem miserablen Leben erlöst, sagte er. In der japanischen Mythologie gibt es das "Ubasute", das "Wegwerfen" alter Frauen. Laut der Legende wurden sie in den Bergen ausgesetzt. Nachweise, dass dies tatsächlich einmal geschah, gibt es keine. Insbesondere keine Skelettfunde dort, wo es nach der Legende getan worden sein soll. Aber die Mär sitzt weiter tief im Bewusstsein Japans. | https://www.sueddeutsche.de/panorama/yokohama-vergiftete-infusion-1.3191833 | mlsum-de-297 |
Die Geschworenen im Prozess gegen Boston-Attentäter Dschochar Zarnajew haben sich zur Beratung zurückgezogen. Ein Schuldspruch gilt als sicher. Doch wenn es um die Todesstrafe geht, ist alles offen. | Eine Gerichtszeichnung zeigt Staatsanwalt Aloke Chakravarty bei seinem Schlussplädoyer vor der Jury. Hinter ihm sitzt der Angeklagte Dschochar Zarnajew zwischen zwei Anwälten. Geschworene beraten über Schuldspruch Der Prozess gegen Boston-Attentäter Dschochar Zarnajew geht an diesem Dienstag in eine neue Phase: Die Geschworenen beginnen mit ihren Beratungen. Sie sollen darüber entscheiden, ob der junge Mann schuldig ist, bei dem Anschlag auf den Boston-Marathon im April 2013 gemeinsam mit seinem Bruder Tamerlan drei Menschen getötet und 260 zum Teil sehr schwer verletzt zu haben. Ein Schuldspruch gilt als sicher. Selbst die Verteidigung hat eingeräumt, dass Zarnajew im Zielbereich des Marathons zwei Bomben gezündet hat. Ihre Strategie besteht darin, die Todesstrafe für ihren Mandanten zu verhindern. Um das Strafmaß geht es aber erst in der nächsten Phase des Prozesses. Schlussplädoyers: normaler Schüler oder Dschihadist? Im Schlussplädoyer am Montag versuchten Zarnajews Verteidiger, den Angeklagten als ganz normalen Schüler hinzustellen, der nicht die Hauptschuld an der Tat trägt. Nicht der heute 21-Jährige habe den Anschlag geplant, sondern sein älterer Bruder Tamerlan, der wenige Tage nach der Tat bei einer Verfolgungsjagd von der Polizei erschossen wurde. Es sei falsch, ihren Mandanten als Dschihadisten hinzustellen, sagte Zarnajews Anwältin Judy Clarke. "Ohne Tamerlan wäre das nie passiert." Die Staatsanwaltschaft hält dem Angeklagten dagegen terroristische Motive vor. Dschochar Zarnajew und sein Bruder hätten sich als islamistische Gotteskrieger verstanden und kaltblütig Menschen umgebracht, sagte Staatsanwalt Aloke Chakravarty in seinem Schlussplädoyer. Der Angeklagte habe seine Ideologie über das Leben der Leute gestellt, die ihn umgaben. Er habe Amerika "bestrafen" wollen und dabei bewusst auch kleine Kinder zu Opfern gemacht. Die Anklage zeigte ein drastisches Video, das zum Zeitpunkt des Anschlags aufgenommen wurde. Darauf sind CNN zufolge chaotische Szenen zu sehen, überall liegen Verletzte, ein Kind schreit. Seit Prozessbginn am 4. März hat die Staatsanwaltschaft 92 Zeugen aufgerufen, die Verteidigung nur vier. Auch das zeigt die Konzentration der Zarnajew-Anwälte auf das Strafmaß - erst in dieser Phase wollen sie weitere Zeugen hören. Todesstrafe - ja oder nein? Zarnajew ist in 30 Punkten angeklagt. 17 dieser Punkte wiegen so schwer, dass sie mit der Todesstrafe geahndet werden könnten. Der Anschlag auf den Boston-Marathon war das schlimmste Attentat in den USA seit dem 11. September 2001. Der US-Bundesstaat Massachusetts, dessen Hauptstadt Boston ist, hat Exekutionen in den frühen 1980er Jahren abgeschafft, doch Zarnajew muss sich in einem Bundesverfahren verantworten, und das Bundesrecht erlaubt generell die Todesstrafe. Zu Zarnajews Verteidigerteam gehören mehrere erklärte Gegner der Todesstrafe. Anwältin Judy Clarke etwa hat bereits mehrere Straftäter vor der Exekution bewahrt, darunter Una-Bomber Ted Kaczynski und Eric Rudolph, der 1996 einen Anschlag auf die Olympischen Spiele in Atlanta verübte. | https://www.sueddeutsche.de/panorama/prozess-gegen-dschochar-zarnajew-jury-beraet-ueber-schuld-des-boston-bombers-1.2424213 | mlsum-de-298 |
168 000 Migranten müssten das Land eigentlich verlassen, so wie der Terrorverdächtige Anis Amri. Die Gründe, an denen die Abschiebung scheitert, sind vielfältig - und manchmal ganz banal. | Der Terrorverdächtige von Berlin, der Tunesier Anis Amri, lebte als Geduldeter in Deutschland. Die sogenannte Duldung ist der schwächste Aufenthaltsstatus eines Zuwanderers. Genau genommen ist es gar kein Aufenthaltstitel. Die Duldung besagt nur, dass er Deutschland verlassen müsste, die Abschiebung aber vorübergehend ausgesetzt ist. Dass er sich in Deutschland aufhält, sei "rechtswidrig", sagt Hubert Heinhold, einer der führenden Asylexperten. Dies wird aber nicht kriminalisiert, also auch nicht bestraft. Davor schützt ein grün-rosafarbenes Papier, zweimal gefaltet wie der alte Führerschein, das mit Bundesadler, Foto und Behördenstempel aussieht wie ein Ausweis - aber eben bloß die Duldung bescheinigt. "Der Inhaber ist ausreisepflichtig", steht auf der Vorderseite. Ende Juni dieses Jahres lebten laut Bundesregierung 168 000 Geduldete in Deutschland. Etwa zwei Drittel davon sind Männer, 55 000 sind minderjährig. Mit etwa 18 000 und 15 000 stammen die meisten von ihnen aus Serbien und Afghanistan, es folgen in der Rangliste der Herkunftsländer: Kosovo, Syrien, Albanien, Mazedonien. Die Zahl der Geduldeten dürfte seit Juni weiter gestiegen sein. Duldungen werden nicht zentral ausgestellt, sondern von den örtlichen Ausländerbehörden. Entsprechend regional unterschiedlich fällt die Duldungspraxis aus: Mit gut 46 000 lebten Mitte des Jahres die meisten Geduldeten in Nordrhein-Westfalen, im offenbar restriktiver agierenden Bayern waren es nur knapp 9300. Die Gründe für eine Duldung sind vielfältig, sagt der Münchner Rechtsanwalt Heinhold. Häufig werde ein Migrant nicht abgeschoben, um Ehe und Familie zu schützen. Hat ein Elternteil einen Aufenthaltstitel und kümmert sich auch der Ausreisepflichtige um das gemeinsame Kind, so darf dieser meist in Deutschland bleiben. Etwa ebenso häufig komme es vor, schätzt Heinhold, dass jemand nicht abgeschoben werden kann, weil seine Identität nicht geklärt ist. In welches Land sollte man ihn schicken? Und selbst wenn ein Flüchtling ein Herkunftsland angibt, weigert sich dieses mitunter, nach dem Motto: Da könnte ja jeder kommen. 37 000 Ausländer sind wegen fehlender Reisedokumente geduldet, so die Bundesregierung. In diese Kategorie dürfte der Terrorverdächtige Anis Amri fallen: Laut NRW-Innenminister Ralf Jäger hat man ihn abschieben wollen, aufgrund fehlender Papiere habe ihn Tunesien aber nicht zurückgenommen. Manchmal scheitert eine Abschiebung aus ganz banalen Gründen Häufig wird jemand auch deshalb geduldet, weil seine Abschiebung aus ganz banalen Gründen scheitert: Wenn es keine Flugverbindung ins Herkunftsland gibt, weil die Lage dort zu unsicher ist. Dies war jahrelang in Afghanistan der Fall, als Kabul nicht angeflogen wurde. Derzeit gehört Somalia zu den höchst unsicheren Ländern ohne Flugverbindung. Und eine Route über einen anderen Staat sei kompliziert oder ganz unmöglich, sagt Heinhold. Ein zwischen Ärzten und Behörden besonders umstrittenes mögliches Abschiebehindernis ist die Reiseunfähigkeit: Wenn ein Flüchtling aufgrund seiner Abschiebung erhebliche gesundheitliche Nachteile zu befürchten hätte, darf er bleiben. Bei traumatisierten Kriegsflüchtlingen oder Folteropfern ist dies immer wieder der Fall. Neuerdings gibt es auch die sogenannte Ausbildungsduldung: Wer in Deutschland eine Ausbildung beginnt, darf vorübergehend bleiben. Ausgestellt wird eine Duldung von den Ausländerbehörden für maximal ein halbes Jahr. Mitunter, sagt Heinhold, seien die Fristen aber deutlich kürzer, wenn ein Amt etwa den Eindruck habe, dass die Person bei der Beschaffung von Papieren nicht kooperiere. Dann muss er zur "Strafe" alle paar Wochen aufs Amt und sich einen neuen Stempel holen. Im Ermessen der Behörden liegt es zudem, ob ein Geduldeter eine Arbeitserlaubnis bekommt. Die Duldung soll maximal eineinhalb Jahre dauern, dann soll der Ausländer die Chance auf eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Voraussetzung ist, dass er selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommt und straffrei ist. Noch immer aber komme es zu Kettenduldungen über mehrere Jahre: Laut Bundesregierung sind mehr als 21 000 Menschen länger als zehn Jahre geduldet. Heinhold fordert, dass die Ämter differenzierter auf die einzelnen Fälle schauen: Wenn klar ist, dass eine Abschiebung auf absehbare Zeit nicht möglich ist, sollte man diesen Menschen die Integration ermöglichen. Die Grundlage sei ein Sprachkurs. Der sei für Geduldete eigentlich nicht vorgesehen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/abgelehnte-asylbewerber-auf-widerruf-1.3304732 | mlsum-de-299 |
Ein Start-up wie Whatsapp war zehn Mal so teuer wie der deutsche Autobauer. Doch der Vergleich ist trügerisch. | Sieht vielleicht modern aus, ist aber "Old Economy": In der Wirtschaft gelten für die Bewertung von Unternehmen wie Opel ganz andere Regeln als für Start-ups. 1,3 Milliarden Euro - das klingt nach einer Menge Geld. Aber für eine Traditionsfirma wie Opel? Ist das nicht ein bisschen wenig? So oder so ähnlich waren die Reaktionen, als am Montag offiziell wurde, dass die französische Gruppe PSA Peugeot Citroën etwa 1,3 Milliarden Euro für die Opel-Übernahme zahlen will. Schnell kursierte in sozialen Medien ein Vergleich: Facebook zahlte für den Messaging-Dienst Whatsapp einen Preis von etwa 14 Milliarden Euro. Für eine Firma, die gerade mal 50 Mitarbeiter hatte - und am Ende war der Deal wegen der steigenden Aktienkurse sogar noch mehr wert. Doch der Vergleich zwischen Whatsapp und Opel trügt. Denn anders als Opel war Whatsapp ein junges Unternehmen mit enormer weltweiter Reichweite und dem Potenzial, noch sehr schnell weiter zu wachsen. Außerdem gab es mehrere Interessenten, die um den Kauf konkurrierten. "Wenn Sie ein Unternehmen wie Whatsapp kaufen, bezahlen Sie nicht den reellen Wert. Sie kaufen zunächst einmal die Fantasie, dass dieses Unternehmen bald viel Geld einbringt", sagt Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance and Management. Er ist Experte für Übernahmen und Fusionen von Unternehmen und rät dazu, den aktuell kursierenden Kaufpreis für Opel nicht mit dem geschätzten Wert des Unternehmens gleichzusetzen. "Dieser Preis ist bei so einem Unternehmen nur die Spitze des Eisbergs", sagt Schalast. Unter der Oberfläche warteten möglicherweise versteckte Kosten: Opel ist ein klassisches Industrieunternehmen, sogenannte "Old Economy" mit Fabriken, Stahl und handfesten Produkte. Gerade solche Firmen haben aufgrund ihrer Historie oft viele Verpflichtungen, die den Kaufpreis drücken können - und die eine junge, aufstrebende Internetfirma wie Whatsapp meist nicht hat. Das können je nach Unternehmen Pensionsverpflichtungen, Arbeitsplatzgarantien, Schulden, Verluste, Lizenzkosten oder bestehende Verträge mit Zulieferern sein. "All das muss ein Käufer in den Preis mit einkalkulieren, wenn er ein Unternehmen übernimmt", erklärt Schalast. Sind diese Faktoren mit einberechnet, steht am Ende eine Zahl als Kaufpreis, die aber nicht den tatsächlichen Wert des Unternehmens widerspiegelt. Im Fall Opel sind derzeit noch wenige Details zur Übernahme bekannt. Doch der Käufer PSA verkündete bereits, er plane mit der Übernahme insgesamt etwa 1,7 Milliarden Euro einzusparen, unter anderem weil doppelte Strukturen abgebaut werden könnten und beide Unternehmen vom Wissen des jeweils anderen profitieren sollen. Auch ein negativer Kaufpreis ist bei Übernahmen möglich Ein Extremfall solcher Übernahmen ist ein negativer Kaufpreis. Das klingt kurios, ist aber durchaus üblich: "Vor allem bei Restrukturierungskäufen kommt das häufiger vor", sagt Übernahme-Experte Schalast. Ein angeschlagenes Unternehmen wird dann aufgekauft, um zum Beispiel Prozesse zu optimieren, andere Märkte zu erschließen oder schlicht, um Wissen zu teilen und Kosten zu senken. Im Idealfall profitieren dann sowohl der Käufer als auch das übernommene Unternehmen davon. Beispiele für so einen negativen Kaufpreis gibt es viele. Im Jahr 2014 wollten asiatische Interessenten zum Beispiel die angeschlagene deutsche Solarfirma Aleo übernehmen. Die gehörte damals zum Bosch-Konzern - und der legte sogar noch einen zweistelligen Millionenbetrag drauf, um Aleo endlich loszuwerden und zugleich möglichst einen Teil der Arbeitsplätze zu sichern. Für die Käuferfirma SAS aus Taiwan war der Kaufpreis also negativ, und Aleo erholte sich wieder, expandierte zuletzt sogar. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/uebernahmen-warum-opel-nur-1-3-milliarden-euro-kostet-1.3407293 | mlsum-de-300 |