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https://www.sueddeutsche.de/politik/europa-auf-einmal-verteidigungsbuendnis-1.2741778
mlsum-de-101
Die EU stellt den Bündnisfall fest und sichert Frankreich Unterstützung zu. Der Schritt scheint wohl durchdacht zu sein.
Jean-Yves Le Drian ist nach Brüssel gekommen, um Geschichte zu schreiben. Gesprochen wird erst einmal nicht, wortlos betritt der französische Verteidigungsminister das Ratsgebäude. Für die Kollegen im Saal hat er einen Lagebericht mitgebracht, den sie so noch nicht gehört haben, und einen Artikel aus den EU-Verträgen, den sie vor Kurzem womöglich noch nicht kannten. Jetzt aber ist er da, der europäische Bündnisfall. Und Le Drian fordert ihn nun ein. Eindringlich schildert er die Terroranschläge vom Freitag und die dramatische Lage im Land. Auf die EU-Verteidigungsminister macht das Eindruck. Emotional versichern sie Frankreich ihre Solidarität, etliche auf Französisch. "Frankreich ist angegriffen worden", stellt die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini fest. Es ist eine Feststellung, die von großer Bedeutung ist für das, was Le Drian aus dem Saal heraus per Twitter verkündet:"In Brüssel nehme ich gleich im Namen Frankreichs den Artikel 42.7 in Anspruch." Das ist der historische Moment. Nie zuvor in der Geschichte der Europäischen Union ist dieser oder ein vergleichbarer Artikel mit Leben erfüllt worden. Wörtlich lautet die Bestimmung: "Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen." Deshalb ist die Feststellung eines Angriffs auf Frankreich so wichtig. Sie ist Voraussetzung für das französische Hilfeersuchen. Unter den Verteidigungsministern ist keiner, der Frankreich diese Bitte abschlagen würde. Mogherini kann volle Zustimmung feststellen, ohne dass es eine formelle Abstimmung gegeben hätte. Per Kopfnicken ruft die Europäische Union den Bündnisfall aus. Nur: Was bedeutet das? Bei der Nato weiß man so was. Wenn, wie bisher nur einmal nach dem 11. September 2001 geschehen, der Bündnisfall nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrags festgestellt wird, müssen die Alliierten dem Angegriffenen zu Hilfe kommen. Die fast vergessene Formulierung im EU-Vertrag klingt da ganz ähnlich, wirft aber deutlich mehr Fragen auf. "Europa ist einig. Heute hat Frankreich die Hilfe und Solidarität von ganz Europa erbeten. Und heute hat ganz Europa vereint Ja gesagt", sagt Mogherini vor der Presse. In Gestalt der Verteidigungsminister hätten alle EU-Minister "jede benötige Unterstützung" zugesagt. Sie stellt aber auch klar: Es geht um bilaterale Hilfe, also ganz ausdrücklich nicht um eine bewaffnete EU-Mission. Und, wie sie betont, vor allem um ein politisches Signal. Das kann viel sein oder auch nichts. Frankreich verlangt Entlastung bei Auslandseinsätzen. Von der Leyen sagt, wo man schon hilft Der französische Verteidigungsminister wird dann aber doch recht konkret. "Ich habe meinen Kollegen gesagt: Frankreich kann nicht alles auf einmal stemmen - die Einsätze in der Sahel-Zone, in der Zentralafrikanischen Republik, in der Levante und in Libanon, und darüber hinaus das eigene Territorium absichern", berichtet er. Darum also geht es zunächst einmal: Frankreich erwartet Entlastung . Es will alle 27 EU-Staaten ansprechen und Angebote abfragen. "Jetzt sind alle Europäer gefragt", sagt Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Deutschland war so wenig eingeweiht in die französischen Pläne wie alle anderen. Dennoch will von der Leyen keinen Zweifel daran lassen, dass Deutschland Antwort gibt. Sie verweist auf die deutsche Waffenhilfe für die Peschmerga im Nord-Irak, auf geplante Ausrüstungshilfe für die Zentralafrikanische Republik und den angestrebten Ausbau des deutschen Engagements in Mali. Ansonsten aber ist die Ministerin bemüht, die Dramatik des Moments zu dämpfen. Auf die Frage, was die Aktivierung des Artikels 42.7 denn für Deutschland bedeute, wiegelt sie eher ab: "Ich glaube, es ist jetzt ganz wichtig in die vertieften bilateralen Gespräche mit den Franzosen einzutreten." Dabei geht die Bedeutung des französischen Ersuchens über die mögliche Länge des aktuellen Pariser Wunschzettels weit hinaus. Nach dem Flüchtlingsschlamassel bietet sich der EU die Chance, den Bürgen ihren Nutzen in der Not zu demonstrieren - eine Wehrhaftigkeit nach außen. Doch dabei bewegt sie sich auf einem Terrain, das für sie immer schwierig war. Zwar hat es immer wieder Versuche gegeben, das europäische Einigungsprojekt mit einer Verteidigungskomponente zu versehen, nur wirklich erfolgreich waren sie nie. Anfang der 1950er-Jahre scheiterte die Gründung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft am Misstrauen in Frankreich gegen Deutschland. Stattdessen wurde eine Westeuropäische Union geschaffen, die nie wirklich mit Leben erfüllt werden konnte. 2011 wurde sie aufgelöst, der nun berühmt gewordene Artikel 42.7 gehört gewissermaßen zur Erbmasse. Und er berührt das heikle Verhältnis zur Nato. Versuche, die EU mit einer Verteidigungskomponente zu versehen, waren bisher erfolglos Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der an der ursprünglich routinemäßig angesetzten Sitzung der EU als Gast teilnimmt, arbeitet gegen den Eindruck an, die Allianz werde von den Franzosen verschmäht. "Es hat keine Bitte gegeben, Artikel 5 zu aktivieren, aber viele Nato-Verbündete haben Frankreich Unterstützung und Hilfe zugesagt", betont er. Im Elysée-Palast habe es, so ist zu hören, zwei Schulen gegeben. Durchgesetzt hat sich schließlich jene, die von Artikel 5 abgeraten hat. Dahinter steht womöglich die traditionelle französische Skepsis der US-dominierten Allianz gegenüber. Hinzu kommt die Einschätzung, dass eine Beteiligung der Nato die Russen verprellen würde. Präsident François Hollande aber will genau das Gegenteil. Ebenso wichtig: In der EU ist Frankreich militärische Führungsmacht; es bittet aus einer Position der Stärke um Hilfe. Die Franzosen haben sich den Artikel 42.7 sorgfältig ausgesucht. Zur Auswahl gestanden hätte auch der Artikel 222 im EU-Vertrag. Dort ist geregelt, dass Union und Mitglieder "gemeinsam im Geiste der Solidarität" handeln, wenn ein Mitgliedstaat von einem Terroranschlag oder einer Naturkatastrophe betroffen ist. "Die Union mobilisiert alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel, einschließlich der ihr von den Mitgliedstaaten bereitgestellten militärischen Mittel", heißt es da. Frankreich wünscht zwar Solidarität. Es soll aber nicht so aussehen, als brauche es Schutz.
https://www.sueddeutsche.de/sport/leverkusen-angreifer-chicharito-kleine-erbse-grosser-koenner-1.2649473
mlsum-de-102
Leverkusen hatte lange nicht daran geglaubt, Chicharito von Manchester United zu bekommen. Dass der Mexikaner nun für Bayer stürmt, liegt auch am Gesichtsausdruck von Louis van Gaal.
Am Tag, als Bayer 04 Leverkusen gegen Lazio Rom um das Erreichen der Champions League spielte, schickte Javier Hernández, genannt "Chicharito", dem Leverkusener Manager Jonas Boldt eine SMS mit unverfänglichem Inhalt - er wünschte dem deutschen Klub viel Glück. Nachdem Leverkusen 3:0 gewonnen und sich für die Hauptrunde in Europas Eliteliga qualifiziert hatte, schickte Chicharito wieder eine SMS, und diesmal übermittelte der 27 Jahre alte mexikanische Nationalspieler nicht nur seine Glückwünsche, sondern auch eine Bitte. Sinngemäß: Wir sollten miteinander reden. Dieser 26. August war ein Tag, an dem sich die Ereignisse in Leverkusen ziemlich geballt und ziemlich bedeutungsvoll zuspitzten: Hier das Rückspiel gegen Lazio, in dem es galt, den 0:1-Rückstand aus der ersten Begegnung zu übertreffen; dort das entfesselte Transfergeschäft, das die Bayer-Verantwortlichen kurzfristig zu gravierenden Umbauten am Spielerkader nötigte. Frohe Botschaft per SMS aus Manchester Zwar hat der Klub die 30 Millionen Euro herzlich willkommen geheißen, die Tottenham Hotspur mehr oder weniger plötzlich für die Übernahme von Heung-Min Son spendierte, aber bei der Fahndung nach der Ersatzlösung für den koreanischen Angreifer herrschte hoher Zeitdruck: In fünf Tagen sollte das Transferfenster schließen. Noch am selben Tag holte Boldt aus Dortmund das Einverständnis für den Wechsel von Kevin Kampl ein. Dann kam die SMS aus Manchester, die Boldt als frohe Botschaft betrachtete. Dass "Chicharito" - die kleine Erbse - Hernández am Mittwochabend die Leverkusener Startelf beim Champions-League-Spiel gegen Bate Borisow schmücken wird, beruht auf einer langen Vorgeschichte und auf dem langen Gesicht von Manchester Uniteds Trainer Louis van Gaal. Den Kontakt mit dem kleinen Angreifer, der nach fünf Jahren bei United an den Rand der Besetzungsliste geraten war, hatte Boldt schon vor Monaten aufgenommen, aber diese Anbahnung empfand er selbst als Anflug von Größenwahn. Zu prominent, zu teuer, zu begehrt war dieser Fußballer, "anfangs bestand eigentlich keine realistische Chance", erzählt Boldt. Aber die Verbindung hielt, und am besagten 26. August kamen die Dinge rasant in Bewegung. Während Bayer dank Son und der geschafften Königsklassen-Teilnahme schlagartig mit Einnahmen von circa 50 Millionen Euro rechnen durfte, rutschte Hernández beim Duell zwischen dem FC Brügge und Manchester United im Strafraum aus, weshalb sein Elfmeterschuss kläglich am Tor vorbeiflog und Louis van Gaal eine Miene aufsetzte, die Boldt als "Schleich-dich-Gesicht" klassifiziert. Chicharito hatte in Manchester keine Zukunft mehr. Schließlich machte Bayer gegen die Konkurrenz aus England und der Türkei das Rennen um den Stürmer.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/china-aus-fuer-billigloehne-1.989810
mlsum-de-103
Gehofft, gekämpft - und gewonnen: Chinas Fabrikarbeiter fechten eine bessere Bezahlung durch. Aber verlagern jetzt ausländische Investoren ihre Produktion in Drittländer?
Streiks und Unzufriedenheit unter Arbeitern haben Arbeitgeber in China gezwungen, höhere Gehälter zu zahlen. Die Steigerungen der Mindestlöhne erreichen nun auch die rückständigen Provinzen und erhöhen den Druck auf die Zentralregierung. Nur noch vier von 31 Provinzen und Regionen im Land haben sich bislang dem aktuellen Trend entzogen. Zuletzt verkündete die Provinz Qinghai, auch sie werde die Löhne ab dem 1. September anheben. Die steigenden Lohnkosten bereiten Peking jedoch neue Sorgen, weil der Exportsektor besonders von billigen Arbeitskräften profitiert. Die Ausfuhren sind ein Stützpfeiler des chinesischen Wachstumsmodells; sie drohen einzubrechen, wenn Arbeit in China zu teuer wird. Detailansicht öffnen Der Mindestlohn macht die Produktion teurer - wandern demnächst Investoren ab? (Foto: AFP) Auch ausländische Investoren könnten sich nach Drittländern umschauen und ihre Produktion verlagern. Zuletzt hat der taiwanesische Elektronikhersteller Foxconn in Erwägung gezogen, Teile seiner Produktion aus dem südchinesischen Shenzhen zurück in die Heimat zu verlegen. Der iPhone-Produzent Foxconn hatte der Debatte um die chinesischen Billiglöhne Ende Mai neuen Schwung verliehen, weil sich 13 Mitarbeiter des Unternehmens seit Jahresbeginn das Leben genommen haben. Die Suizide waren mit schlechten Arbeitsbedingungen sowie geringen Löhnen in Verbindung gebracht worden. Im Zuge der öffentlichen Diskussion hatten Arbeiter in diversen Fabriken anderer Branchen im ganzen Land Streiks angefacht, auch sie forderten höhere Löhne. Besonders betroffen war der japanische Automobilhersteller Honda. In einer seiner Zulieferfabriken in Foshan erkämpften sich die Arbeiter 25 Prozent mehr Geld. "Kurzfristig werden die steigenden Löhne negative Auswirkungen auf die Wirtschaft haben. Mittelfristig aber könnten die Steigerungen der Wirtschaft einen Schub geben", sagt der Ökonom Yao Zhongqiu vom unabhängigen Unirule Institut in Peking. Die Hoffnung der Regierung ist, dass die Unternehmer zu Aufwertungen ihrer Produktionen gezwungen werden und technologische Innovationen entwickeln. Nur so kann die Volksrepublik ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den anderen Exportnationen behaupten. Vielen klein- und mittelständischen chinesischen Unternehmern bleibt nichts anderes übrig, als in neue Technik und Maschinen zu investieren, wenn sie nicht pleitegehen wollen. Trotz zum Teil deutlicher Erhöhungen von 20 Prozent und mehr bleiben die Mindestlöhne im Reich der Mitte vergleichsweise niedrig. In Shanghai wird noch am meisten gezahlt. Dort verdienen die Arbeiter jetzt mindestens 1120 Yuan im Monat, das entspricht knapp 128 Euro. Auch in den Autonomen Regionen Xinjiang und Tibet, die in den vergangenen Jahren von Unruhen mit zahlreichen Toten erschüttert wurden, stiegen rückwirkend zum 1. Juni die Mindestlöhne. Staatliche Medien berichten, in Xinjiang würden bis zu 960 Yuan gezahlt, zuvor waren es 630 Yuan. Allerdings gelte die Regelung nicht flächendeckend für die gesamte Region. In Tibet gab es einen Zuschlag von bis zu 35 Prozent. Global rangiert die zweitgrößte Volkswirtschaft mit ihren Mindestlöhnen auf Rang 159 - 15 Prozent unterhalb des Durchschnitts. "Der Grund, weshalb China so billige Arbeitskräfte hat, ist nicht nur das Übermaß an Menschen, das zur Verfügung steht. Es ist auch durch eine ganze Reihe politischer Entscheidungen so weit gekommen", sagt Ökonom Yao. Dazu zähle unter anderem das System der Meldebescheinigungen, der Hukou. Arbeitern, die auf dem Land geboren sind, wird konsequent die Stadtbürgerschaft verwehrt, selbst wenn sie jahrelang in einer der Metropolen ihr Geld verdienen. So werden ihnen die Rechte eines Stadtbürgers wie subventionierte Bildung für die Kinder oder bessere gesundheitliche Versorgung vorenthalten.
https://www.sueddeutsche.de/sport/hsv-gegen-fc-bayern-wie-hoch-diesmal-1.3718040
mlsum-de-104
Der HSV bekennt sich zu Trainer Markus Gisdol, fürchtet aber eine hohe Niederlage gegen den FC Bayern. Die Stimmung könnte dann kippen.
Wird es wieder happig? Die Frage zu stellen, wie hoch der Hamburger SV am Samstag gegen den von Jupp Heynckes aufgepäppelten FC Bayern untergehen darf, mag auf den ersten Blick unfein erscheinen - sie trifft den Punkt leider nur allzu genau. Zwar hegt kaum einer Zweifel daran, dass das Heimspiel am Samstagabend gegen die laut Branchengesetz übermächtigen Münchner verloren gehen wird, und bei einem achtbaren 0:1, 0:2 oder 1:2 hätte die Vereinsführung auch keinerlei Probleme, öffentlich weiter am geschätzten Trainer Markus Gisdol festzuhalten. Aber was passiert, wenn es so ganz schlimm wird? Wenn das halbe Land wieder über den HSV lacht, weil er sich den Bayern wieder ergibt? Gut, die schlimmsten Spiele ereigneten sich nie im eigenen Stadion, sondern auswärts: 0:5, 0:6 (beides 2011), 2:9 (2013), 0:8 (2015) und erneut 0:8 vor wenigen Monaten, da bereits unter Gisdol. Doch was, wenn es dem HSV ergeht wie 2014? Damals verlor der Klub daheim binnen drei Monaten zweimal gegen München - 0:5 im Pokal, 1:4 in der Liga. Die Gefahr ist, dass die Stimmung dann kippt. Bruchhagen sorgt sich um das Image des HSV Beim HSV wissen sie um die Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios, deshalb wird verbal vorgebaut. Nein, es gäbe keine Trainerdebatte, verkündeten Sportdirektor Jens Todt und Vorstandschef Heribert Bruchhagen in dieser Woche unisono. "Wir reden mit unserem Trainer, nicht über ihn", sagte Todt. "Wir beteiligen uns an einer Trainerdiskussion mit keinem Satz", sagte Bruchhagen. Auch sie wissen, dass die Situation langsam ungemütlich wird. Nach sechs sieglosen Spielen in Serie, die den HSV auf Rang 15 haben stürzen lassen, gerät das Hauptziel - endlich einmal eine sorgenfreie Spielzeit zu erleben - zunehmend in Gefahr. Die Trainerdebatte soll trotzdem eine reine Medienfiktion sein. Bruchhagen wettert eine Kampagne gegen seinen Klub, er vermisse den Respekt, bei allem, was er höre und lese. "Jeder nimmt sich inzwischen das Recht raus, über den HSV zu spotten", sagte der 69-Jährige dem kicker. Anders als die Konkurrenten, etwa Werder Bremen oder der 1. FC Köln, die noch weiter unten in der Tabelle stehen, werde der HSV medial viel härter angegangen. "Das ist offenbar chic und stört mich ganz massiv", so Bruchhagen. Der Vorstandschef kämpft, und Trainer Gisdol spürt diese Art der Rückendeckung offenbar. "Es ist vielleicht eine ungewohnte Situation, dass man trotz einer sportlich schwierigen Lage hinter dem Trainer steht", bemerkte er süffisant in der Pressekonferenz vor dem Spiel. Doch der Verein werde "geschlossen durch diese ganzen Dinge durchkommen". Dabei ahnt Gisdol, dass er für die Partie gegen den FC Bayern vielleicht noch Artenschutz genießt. Danach reist die Mannschaft aber zur ebenfalls mäßig gestarteten Berliner Hertha, für dieses Spiel rechnen sich die Hamburger deutlich mehr aus. Spätestens in Berlin muss Gisdol zeigen, dass er der richtige Trainer in der aktuellen Situation ist. Es ist kein Geheimnis, dass die Vorbereitung nach einem 0:1 oder 1:2 gegen München deutlich leichter fiele als nach einem 0:5, 0:8 oder 2:9.
https://www.sueddeutsche.de/politik/haftbefehl-der-bundesanwaltschaft-scharia-polizist-hinter-gittern-1.2783747
mlsum-de-105
Als selbsternannter Sittenwächter machte der salafistische Prediger Sven Lau von sich reden, nun steht er unter Terrorverdacht.
Vielleicht verflucht Sven Lau nun den Moment, an dem er und seine Mitstreiter auf die Idee kamen, sich orangefarbene Warnwesten mit der Aufschrift "Shariah-Police" auf dem Rücken überzuziehen, durch Wuppertal zu streifen und das nächtliche Ausgeh-Publikum vor Alkohol, Glücksspiel und Pornografie zu warnen. Die Aktion war insofern ein voller Erfolg, als dem Salafistenprediger Lau mit einem Schlag mehr Aufmerksamkeit zuteil wurde als all seinen Youtube-Schnipseln: Die gesamte Republik regte sich im vergangenen Jahr über den damals 34-jährigen Bartträger auf. Das Landgericht Wuppertal hat den Auftritt gerade erst als nicht strafbar eingestuft. Polizei und Verfassungsschutz aber interessierten sich nur noch mehr für das Leben des Sven Lau, der sich vor zehn Jahren vom ziellosen Kleinkriminellen zum islamistischen Extremisten gewandelt hatte. Am Dienstagmorgen nun ist Lau festgenommen worden: Als er in Mönchengladbach ins Polizeipräsidium kam, um beschlagnahmte Gegenstände abzuholen, habe man die "günstige Gelegenheit" genutzt, sagt Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Mittag den Journalisten und nennt Lau einen der "führenden Köpfe der salafistischen Szene" in Nordrhein-Westfalen. Der Vorwurf der Karlsruher Bundesanwaltschaft gegen Lau wiegt schwer: Er soll in vier Fällen den terroristischen Flügel der Organisation "Jaish al-muhajirin wa-l-ansar" (Armee der Auswanderer und Helfer, kurz: Jamwa) unterstützt haben, die seit zweieinhalb Jahren eng mit den Islamischen Staat in Syrien und Nordirak verbunden ist. Neue Erkenntnisse über diese Organisationen habe die Bundesanwaltschaft nun zu Laus Festnahme veranlasst, sagte Jäger, und es sei "nicht unmöglich", dass deshalb bald noch weitere Haftbefehle folgen könnten. Den Ermittlungen zufolge ist Lau "der verlängerte Arm" der Jamwa in Deutschland gewesen und "eine Anlaufstelle für Kampf- und Ausreisewillige" aus dem Großraum Düsseldorf. Im Spätsommer 2013 habe er zwei Männer an eine syrische Kampfeinheit vermittelt. Kurz darauf sei Lau selbst nach Syrien gereist und habe einem der Männer, Ismail I. aus Stuttgart, 250 Euro Bargeld gebracht. Einen Monat später, im Oktober 2013, habe er dann über eine Kontaktperson drei Nachtsichtgeräte im Wert von 1440 Euro beschafft und ihren Transport nach Syrien organisiert. Ismail I. wurde 2014 in Stuttgart für seinen Syrien-Einsatz zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Jäger sagt, es sei jetzt deutlich geworden, dass es sich bei Laus Engagement um die Unterstützung von Terror gehandelt habe und nicht um Wohlfahrtsspenden, wie Lau behauptet hatte. Detailansicht öffnen In seinen Youtube-Predigten verzichtete Lau alias "Abu Adam" auf allzu aggressive Töne. (Foto: Sascha Schuermann/Getty Images) "Eine der Stimmen der salafistischen Szene ist still geworden", so der Innenminister. Der gelernte Industriemechaniker und Feuerwehrmann Lau war gemeinsam mit dem Prediger Pierre Vogel das bekannteste Gesicht der Salafisten in Deutschland. Als "Abu Adam" missionierte er über den Verein "Einladung zum Paradies" in Mönchengladbach vorwiegend junge Leute für einen radikalen Islam, der alle Regeln aus dem siebten Jahrhundert wörtlich genommen sehen will. Empörte Anwohner liefen Sturm gegen den Verein, mit dessen Auflösung kam Lau vermutlich dem Verbot zuvor. In seinen Predigten verzichtet Lau auf allzu aggressive Töne, er erscheint dort eher als der Kumpel, der zu einem gottgefälligen Leben mahnt. Er hat immer betont, dass er nicht zu Gewalt und Hass aufrufe und gesetzestreu sei; sein Engagement in Syrien sei rein humanitär. An dieser Version gibt es schon länger Zweifel. Internet-Videos zeigten Lau bereits im Jahr 2013 in Bürgerkriegsgebieten in Syrien. Auf einem Foto ist er sogar auf einem Panzer mit einer Kalaschnikow um den Hals zu sehen. Vergangenes Jahr saß er schon einmal wegen des Verdachts, den IS zu unterstützen, in Untersuchungshaft. Nach drei Monaten kam er wieder frei, die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hatte den Vorwurf nicht ausreichend belegen können. Seinen Reisepass allerdings zogen die Behörden ein - es bestehe der Verdacht, dass Lau sich nach Syrien absetze, lautete die Begründung. Lau klagte dagegen und verlor. Die Landesregierung schätzt die salafistische Szene in Nordrhein-Westfalen auf mittlerweile 2500 Personen. 500 von ihnen gelten als gewaltbereit, rund 50 seien bereits in Syrien gewesen. Viele Kämpfer stammen aus dem Umfeld Laus - er selber aber gehört Innenminister Jäger zufolge nicht zur gewaltbereiten Gruppe. Erhärtet sich der Vorwurf der Bundesanwaltschaft, dass Lau ein Helfer der IS-nahen Jamwa ist, drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft. Von Sven Laus Anwalt gab es an diesem Dienstag keine Stellungnahme zu den Beschuldigungen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/industriegas-machtwechsel-1.2742688
mlsum-de-106
Im Markt für Industriegase werden die Karten neu gemischt. Air Liquide will den US-Anbieter Airgas kaufen.
Rauf die Treppe: Viele Jahre war Air Liquide die Nummer zwei auf dem Weltmarkt hinter Linde. Die Deutschen hatten sich 2006 an die Spitze gesetzt. Vom Industriegas-Anbieter Linde ist der breiten Öffentlichkeit nicht viel bekannt, das Münchner Unternehmen agiert gerne unter der Wahrnehmungsschwelle des Normalverbrauchers. Aber der zurückhaltende Dax-Konzern gefiel sich lange in der Rolle, der größte Gaseanbieter für Industrie und Medizin in der Welt zu sein. Das wird sich bald ändern. In der Branche steht eine Übernahme an. Der französische Konzern Air Liquide schickt sich an, den amerikanischen Anbieter Airgas zu übernehmen. Darauf haben sich beide Unternehmen verständigt. Dadurch entsteht ein neuer Weltmarktführer. Allerdings müssen die Wettbewerbsbehörden dem Plan noch zustimmen. Air Liquide, der bislang hinter Linde zweitgrößte Konzern der Branche, will für das US-Unternehmen 13,4 Milliarden Dollar (12,5 Milliarden Euro) ausgeben. Diese Summe wird von Analysten als hoch eingestuft, an der Börse war die Reaktion am Mittwoch denn auch eindeutig. Die Kurse von Airgas stiegen, die von Air Liquide gerieten dagegen stark unter Druck. Aber auch die von Linde gaben deutlich nach. Es gibt nicht mehr viele Möglichkeiten für Zusammenschlüsse Insgesamt könnte der Griff über den Atlantik die Franzosen aber durchaus stärken. Airgas ist stark auf dem wichtigen US-Markt vertreten. Zudem wollen die Franzosen mit dem Zukauf der bisherigen Nummer fünf auf dem Gasmarkt Kosten in der Höhe von 300 Millionen Dollar sparen. Die geplante Übernahme ist eine der letzten möglichen Fusionen in einem Markt, der schon lange von Zusammenschlüssen geprägt ist. Auch Linde selbst hatte in jüngerer Zeit zur Konsolidierung dieser Branche beigetragen. Der langjährige Vorstandsvorsitzende Wolfgang Reitzle hatte Linde durch den Verkauf des Geschäfts mit Kühlanlagen und Gabelstaplern zum reinen Industriegase-Anbieter und Gasanlagenbauer gemacht. Zu den spektakulärsten Transaktionen in der Branchen- und Firmengeschichte gehörte 2006 die Übernahme des britischen Gasherstellers BOC durch Linde für zwölf Milliarden Euro. Damit hatte sich Linde an die Spitze des Weltmarktes gesetzt. Auch die künftige US-Tochter von Air Liquide entstand durch Aufkäufe. Airgas-Gründer und -Verwaltungsratschef Peter McCausland wurde mit dem Zukauf Hunderter kleinerer Firmen zum größten Anbieter für Gase in den USA. 98 Prozent des Umsatzes von Airgas von 5,3 Milliarden Dollar entfällt auf die USA. Neben Industrie- und Medizingasen bietet das Unternehmen auch Spezialgase an. Der US-Markt ist wegen des billigen Schiefergases zu einem attraktiven Markt für europäische Industriebetriebe geworden. Der Weltmarkt für Industriegase ist von starkem Wettbewerb geprägt. Das führt zu starkem Druck auf die Preise und das wiederum ist ein Anreiz für Zusammenschlüsse, um mit größeren Unternehmen die Kosten weiter zu senken. Das Vorgehen von Air Liquide wird von der Börse aber auch zögerlich aufgenommen, weil die Franzosen für diesen Milliardendeal zusätzliches Kapital von ihren Aktionären brauchen. Die Rede ist im Markt von drei bis vier Milliarden Euro, die mit Hilfe einer Kapitalerhöhung hereingeholt werden sollen. Es könnte auch sein, dass sich die Fusionspartner auf Druck der Wettbewerbsbehörden Teile abgeben müssen - Linde könnte da zugreifen. Air Liquide hatte sich nach einem kräftigen Umsatzplus im Sommer zuletzt optimistisch für das Gesamtjahr geäußert. Vor allem das Geschäft in Schwellenländern, der florierende Gesundheitssektor und die einsetzende Erholung in einigen Industriebranchen in Europa habe für steigende Einnahmen gesorgt. Linde wollte sich zu der Fusion nicht äußern.
https://www.sueddeutsche.de/digital/internet-fernsehen-gucken-und-kochen-1.345388
mlsum-de-107
Der Internetdienst Zattoo bringt Fernsehen ins Netz - als "Nebenbeimedium". ARD und ZDF wollen auch dabei sein.
Während der Fernseher läuft, kann man bekanntlich auch viele halbwegs sinnvolle Dinge tun. Kochen, Spülmaschine ausräumen oder bügeln zum Beispiel. Wenn es nach Dominik Schmid geht, sollen die Menschen in Zukunft ruhig noch mehr lästige Pflichten hinter sich bringen, während sie sich berieseln lassen. Sie sollen ihren täglichen Spam aus dem E-Mail-Ordner löschen, die Telefonrechnung per Online-Banking zahlen. Detailansicht öffnen Ein Nebenbeimedium: das Internet-Fernsehangebot Zattoo (Foto: Screenshot: sueddeutsche.de) Schmid, 48, Deutschland-Chef des neuen Internet-TV-Dienstes Zattoo, spricht viel über "Multitasking", wenn er über die Zukunft des Fernsehens philosophiert: "Unsere Nutzer schauen während der Arbeit oder sie nutzen den Dienst zuhause, während sie eigentlich etwas anderes machen." So offen haben bisher wenige Fernsehmanager ihr Angebot zum Nebenbeimedium erklärt. Schmid ist Schweizer und arbeitete vorher in Zug für die Sportrechteagentur Infront, bei der auch Günther Netzer als Geschäftsführer tätig ist. Fernsehen und Internet wachsen zusammen. Eine Symbiose ist seit dem 13. September in Deutschland auf Sendung. Der Name Zattoo (sprich: satu) stammt aus dem Japanischen und heißt so viel wie: "Menschenmenge". Das amerikanisch-schweizerischen Start-up bietet TV auf dem Computer ohne interaktiven Schnickschnack. Zu sehen gibt es in der deutschen Version bisher 21 Programme: Comedy Central, MTV, Viva, Tier TV, DMAX, internationale Sender wie CNN oder die englische Al Dschasira-Version. Das klassische Fernsehen wird eins zu eins auf den Computerbildschirm durchgeleitet, die Nutzung ist kostenlos. Finanzieren will sich Zattoo durch Werbung. Beim Umschalten dauert es ein paar Sekunden, bis sich das Bild des nächsten Senders aufbaut. Diese Werbezeit soll an Unternehmen verkauft werden. Die Häfte schaut aktiv Auf Sendung ist der Neustarter bisher auch in der Schweiz, Spanien, Dänemark und in einer abgespeckten Version in Großbritannien. In den nächsten Monaten sollen Belgien, Frankreich, Österreich, Polen und die USA ans Netz gehen. Bereits eine Million registrierte Nutzer zählt Zattoo. Etwa die Hälfte schaue aktiv, im Durchschnitt 180 Minuten in der Woche, berichtet Schmid. Die Installation auf dem Computer ist einfach: Nicht mal fünf Minuten dauert es, bis das orange Zattoo-Logo - ein runder Fernseher mit zwei Antennen - auf dem Bildschirm leuchtet. Die Bilder ruckeln ein wenig, es dauert fünf bis zehn Sekunden bis man bei Tattoo-Tipps im Männersender DMAX oder bei Berichten aus der Zweiten Fußball-Bundesliga im DSF landet. In Bierdeckelgröße läuft das Programm fast problemlos. Ein DSL-Anschluss reicht für den Empfang aus. Wenn man den Zattoo-Bildschirm vergrößert, leidet die Qualität allerdings erheblich. Das soll sich ändern: "Wir werden auch im großen Format bald DVD-Qualität bieten", behauptet Schmid. Zattoo schickt seinen Live-Videostream per peer-to-peer-Technologie (P2P) um die Welt. Einer Technik also, die bisher bei Musiktauschbörsen zum Einsatz kommt und auch von Zattoos Internet-TV-Konkurrenten Joost und Babelgum eingesetzt wird. Dabei greifen die Zuschauer nicht auf einen zentralen Server zu, sondern schicken, vereinfacht gesagt, die Inhalte von Rechner zu Rechner weiter. Bei Joost, dem neuen Projekt des schwedischen Internetunternehmers Niklas Zennström, und beim irischen Babelgum kann der Zuschauer TV-Serien, Shows, Nachrichten selbst zusammenstellen, wann immer er sie sehen will.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/abgaskandal-vw-muss-womoeglich-teil-seiner-autos-zurueckkaufen-1.2746158
mlsum-de-108
Die kalifornische Umweltbehörde Carb setzt den Konzern unmittelbar vor Ablauf eines Ultimatums enorm unter Druck. Auch Bosch gerät in den Fokus der Ermittler.
Autoproduktion im Stammwerk von VW in Wolfsburg. Viele Fahrzeuge laufen wegen des Streiks zweier Zulieferer nicht mehr wie gewohnt vom Band. VW drohen in den USA Diesel-Rückkäufe Volkswagen muss sich möglicherweise darauf einstellen, einen Teil seiner vom Abgasskandal betroffenen Dieselfahrzeuge in den USA zurückzukaufen. Das sagte Mary Nichols, die Chefin der kalifornischen Umweltbehörde Carb, dem Handelsblatt. Insgesamt seien drei Generationen von Fahrzeugen mit der Software zur Manipulation von Abgaswerten ausgestattet. "Es scheint, als ob die jüngste Generation mit einer neuen Software zurück zu den vorgeschriebenen Emissionsstandards gebracht werden kann", sagte Nichols. "Die mittlere Generation dürfte zusätzlich zur Software auch eine Hardware-Komponente erfordern. Und die ältesten Autos, die der ersten Generation, könnten nachgerüstet werden müssen." Genau das aber funktioniere ihrer Erfahrung nach oft nicht so gut wie geplant, sagte Nichols. "Deshalb denke ich, es ist ziemlich wahrscheinlich, dass VW wenigsten einen Teil der Flotte von den Besitzern zurückkaufen muss." Klar ist wohl bereits, dass die Nachrüstung mit Hardware-Komponenten in den USA den Konzern einen dreistelligen Dollar-Betrag je Fahrzeug kosten wird, schreibt das Handelsblatt. Das ergebe sich allein schon aus den Kosten für die Arbeitsstunden. An diesem Freitag läuft für Volkswagen in den USA eine erste wichtige Frist ab. Der Konzern muss der Umweltbehörde Carb einen Rückrufplan mit einer technischen Lösung vorlegen - sonst drohen dem Konzern "drakonische Strafen", wie Nichols bereits am Donnerstag gewarnt hatte. Sie sprach erstmals davon, die betroffenen Autos notfalls aus dem Verkehr zu ziehen - etwa bei der jährlichen Erneuerung der Registrierung. Heute trifft sich außerdem der VW-Aufsichtsrat. Bei seiner Sitzung in Wolfsburg will das 20-köpfige Kontrollgremium sich unter anderem mit den Investitionsplänen befassen. Am Donnerstagabend hatte sich in Wolfsburg bereits das dem Aufsichtsrat vorgeschaltete Präsidium mit den Finanzplanungen auseinandergesetzt. VW-Chef Matthias Müller hatte bereits kurz nach seiner Amtsübernahme erklärt, wegen der Dieselkrise alle Investitionen auf den Prüfstand stellen zu wollen. Offen ist, wie groß die Kürzungen ausfallen. Aus dem Umfeld des Aufsichtsrates hieß es im Vorfeld, dass sie vermutlich nicht im zweistelligen Milliardenbereich liegen werden. Vor Wochen hatte Volkswagen bereits für die Marke VW Einsparungen von einer Milliarde Euro angekündigt. Vor einem Jahr hatte VW für die Jahre bis 2019 noch Ausgaben von 85,6 Milliarden Euro angepeilt. Das Geld sollte in neue Modelle und Werke sowie umweltfreundliche Technologien fließen. Auch Zulieferer Bosch gerät ins Visier der Ermittler Insidern zufolge steht in den USA nun auch der Zulieferer Bosch im Visier der Ermittler. Staatsanwälte im US-Justizministerium prüften, ob der Konzern von den jahrelangen Manipulationen von VW gewusst habe oder daran beteiligt gewesen sei. Von Bosch kommen wichtige Bauteile in dem Dieselmotor, der in sechs betroffenen Volkswagen-Modellen und in einem betroffenen Audi-Modell genutzt wird. Bislang gibt es keine Belege für ein Fehlverhalten des Zulieferers. Rechtsexperten zufolge ist aber die entscheidende Frage, ob das Bosch-Management gewusst habe, dass seine Technologie für Manipulationen eingesetzt wird. "Wenn man weiß, dass ein Vergehen begangen wird, und man aktiv dazu beiträgt, dass es zu dem Vergehen kommt, sitzt man in der Patsche", sagte der auf Umweltrecht spezialisierte Anwalt Daniel Riesel.
https://www.sueddeutsche.de/politik/possen-claranoia-1.3234198
mlsum-de-109
Clara-Zetkin-Straße? Der Name der Kommunistin hebt nicht die Steuermoral, sagt Sachsens Finanzminister Georg Unland. Aber ist "Waisenhausplatz" tatsächlich besser? Wie das Pirnaer Finanzamt eine passende Anschrift sucht.
Das Finanzamt im sächsischen Pirna hat 23 Millionen Euro gekostet, noch in diesem Jahr soll es eröffnen. Zweitgrößte Sorge: Es gab Pfusch. Statt regionalem Postaer Elbsandstein ist außen offenbar Günstiges aus Polen verbaut worden. Noch leidenschaftlicher aber wird gerade debattiert, unter welcher Anschrift das Amt künftig zu erreichen sein wird. Schon beim Richtfest hatte Sachsens Finanzminister Georg Unland (CDU) gesagt, er störe sich an der Adresse Clara-Zetkin-Straße, ein solcher Name motiviere nicht dazu, Steuern zu zahlen. Weil das Amt gegenüber dem Bürger aber vor allem in Briefköpfen und auf Visitenkarten sichtbar werde, müsse man diesen Aspekt im Blick haben. Und weil eines der sanierten Gebäude einst ein Waisenhaus war, hatte Unland gleich selbst eine neue Anschrift vorgeschlagen: Waisenhausstraße. Zunächst wurde Unland belächelt und sein Anliegen vom Volk mit klimpernden Alternativ-Vorschlägen beschieden ("Taschengreif-Palais"). Dann verfolgte der Minister seinen Wunsch mit tatsächlichem Nachdruck, der Ältestenrat des Pirnaer Stadtrat aber lehnte ab. Nun versucht Unland, die Sache über den Staatsbetrieb "Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB)" zu regeln. Sein Plan: Die nach der Frauenrechtlerin, Friedensaktivistin und Kommunistin Clara Zetkin benannte Straße bliebe unberührt, ein beim Bau entstandener Vorplatz würde neu und zusätzlich als "Waisenhausplatz" ausgewiesen. Die (wahrscheinliche) Zustimmung soll der Pirnaer Stadtrat zu Beginn der neuen Woche geben. In der Sache dürfte sich Unland damit am Ende durchsetzen, in der Kategorie PR hat er auf dem Weg dahin nun eine weitere Niederlage einstecken müssen. Die lokalen Jusos forderten die Umbenennung des Dresdner Carolaplatzes, an dem Unlands Finanzministerium sitzt, in Clara-Zetkin-Platz. Begründung: Das unter der letzten sächsischen Königin Carola herrschende Königshaus habe kaum Steuern gezahlt. Ein solcher Name motiviere nun wirklich "definitiv nicht" zum Zahlen von Steuern.
https://www.sueddeutsche.de/sport/olympia-russland-am-doping-pranger-putin-streitet-ab-1.3308388
mlsum-de-110
Das IOC leitet Verfahren gegen 28 russische Olympiateilnehmer ein, sechs Langläufer werden bereits gesperrt. Russlands Präsident greift die Anti-Doping-Kämpfer an.
Das Internationale Olympische Komitee hat ein Disziplinarverfahren gegen 28 russische Teilnehmer der Winterspiele 2014 in Sotschi wegen Dopingverdachts eingeleitet. Das IOC reagiert damit auf die Erkenntnisse aus dem zweiten McLaren-Report Anfang des Monats. Der Chefermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) hatte 95 Proben russischer Athleten von Sotschi untersucht und sie dem IOC zur Verfügung gestellt. Bei 28 Sportlern hätten sich laut McLaren Beweise für eine Manipulation der Proben ergeben. Namen wurden nicht genannt. McLaren hatte bereits bei der Vorstellung seiner Untersuchung am 9. Dezember in London davon gesprochen, dass Dopingproben von insgesamt zwölf Medaillengewinnern der Sotschi-Spiele 2014 manipuliert wurden. Vier Olympiasieger seien dabei gewesen. Das IOC bemächtigte den Internationalen Ski-Verband (FIS) in diesem Zusammenhang sechs russische Ski-Langläufer vorläufig zu sperren. Die Namen der betroffenen Athleten, deren Sperre seit Donnerstag in Kraft ist, wurden nicht genannt. Man sei entschlossen, die nötigen Maßnahmen zur Bestrafung möglicher Verstöße zu ergreifen, sagte FIS-Präsident Gian Franco Kasper. Gleichzeitig verteidigte Wladimir Putin sein Sportland. Der russische Präsident stritt eine staatliche Beteiligung am massenhaften Doping russischer Sportler ab. "In Russland hat es nie ein staatliches Dopingsystem oder Doping-Unterstützung gegeben, das ist einfach unmöglich", sagte er bei seiner Jahrespressekonferenz in Moskau. Es werde alles dafür getan, dass das auch so bleibe. Er räumte aber ein, dass Russland wie jedes Land ein Problem mit gedopten Sportlern habe. Putin forderte die Wada auf, "transparent, offen und nachprüfbar" zu arbeiten. Der kürzlich von Chefermittler Richard McLaren verfasste Report hatte den Russen Staatsdoping vorgeworfen. Die nationale Anti-Doping-Agentur Rusada, das Moskauer Kontrolllabor und der Inlands-Geheimdienst FSB hätten Sportlern geholfen, Dopingtests zu manipulieren. Russland werde ständig von allen Seiten zu mehr Transparenz aufgefordert, so Putin. Die Wada sei selbst "ein Bereich, in dem Transparenz wirklich nötig ist". Putin griff den Wada-Informanten Grigori Rodschenkow an und bezichtigte ihn der Kollaboration mit ausländischen Auftraggebern. Rodschenkow war Chef des Moskauer Anti-Doping-Labors und hat nach seiner Flucht in die USA die Manipulationen auch in Sotschi die Praktiken geschildert. "Sein Verhalten wirkt auf mich, als ob ihn jemand von außen instruiert hätte." Im Zuge der Ermittlungen gegen russische Biathleten forderte der Deutsche Skiverband ein rigoroses Durchgreifen des Weltverbandes. "Wir haben Verständnis dafür, dass die IBU für eine seriöse Aufarbeitung dieser rund 30 Fälle mehr Zeit benötigt und deshalb noch keine Namen und weiteren Fakten nennt", erklärte DSV-Präsident Franz Steinle. "Unser dringender Wunsch ist es aber, dass die notwendigen Schritte und Untersuchungen zügig durchgeführt werden, um im Sinne des Sports größtmögliche Transparenz zu erhalten. Ohne weitere Details zu kennen, gehen wir aktuell davon aus, dass die IBU dann zeitnah weitere Konsequenzen ziehen wird."
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/frankreich-der-tabubruch-1.2869270
mlsum-de-111
Überraschend legt die Regierung in Paris eine Arbeitsmarktreform vor. Pate steht dabei ein deutscher Autokonzern.
Das Vorbild heißt Daimler. Der deutsche Konzern ist es, der Frankreichs Regierung die Blaupause zu ihrer womöglich wichtigsten wirtschaftspolitischen Reform geliefert hat: Im Herbst ließ Daimler die Belegschaft jenes Werks in Lothringen, das den Kleinwagen Smart baut, über Mehrarbeit ohne vollen Lohnausgleich abstimmen. Im Gegenzug gab der Konzern eine Jobgarantie. In der Abstimmung errang Daimler eine knappe Mehrheit für den umstrittenen Plan, sehr zum Ärger der Gewerkschaften. Dennoch stellt sich die sozialistische Regierung in Paris genau so die Zukunft von Arbeitszeitverhandlungen in Frankreich vor. Die Flexibilisierung von Arbeitsrecht und Arbeitszeit, deren Eckpunkte jetzt von der zuständigen Ministerin Myriam El Khomri vorgestellt wurden, wirkt wie ein Angriff auf die protesterprobten französischen Gewerkschaften. "Die Debatte wird sehr lebhaft", das ist El Khomri klar. "Wir vollziehen hier eine grundlegende Änderung in der Philosophie." Sie wolle Blockaden in der Gesellschaft lösen, so die junge Ministerin. Sie könnte auch gleich sagen, dass sie den doppelten Bruch will: Den Bruch eines Tabus der Linken, die Aufweichung der Regelarbeitszeit von 35 Stunden pro Woche. Und den Bruch der Macht der Gewerkschaften, die nicht auf hohen Mitgliederzahlen gründet, sondern auf Vetorechten, die das Gesetz ihnen einräumt. Die geplante Reform sieht eine Abkehr von den bisherigen Prinzipien vor: Während heute Abweichungen von der gesetzlichen Norm mittels Betriebsvereinbarungen in Frankreich erschwert werden, sollen künftig Deals zwischen Arbeitgebern und Belegschaft auf Unternehmensebene Vorrang haben. Auf diese Weise soll die Anpassung von Urlaubsansprüchen, Feiertagsarbeit und auch der Arbeitszeit an die Bedürfnisse der Firmen erleichtert werden. Neues Gesetz enthält viele Zugeständnisse an Arbeitgeber Die 35-Stunden-Woche - im Jahr 2000 als Errungenschaft einer sozialistischen Regierung gefeiert - bleibt zwar auf dem Papier die Regel. In Zeiten hoher Erwerbslosigkeit, wie sie Frankreich erlebt, könnten Unternehmen die Forderung nach längeren Arbeitszeiten in betriebsinternen Referenden aber deutlich leichter durchsetzen als bisher. Und die Umgehung der 35-Stunden-Woche soll nicht nur für Unternehmen in Existenznot möglich sein. Sondern auch, wenn es um die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit - wie beim Smart-Werk. Schon werfen Kritiker der Regierung vor, dies sei das Ende der 35-Stunden-Woche. El Khomri bestreitet das. Tatsächlich enthält die Gesetzesvorlage, die sie im Auftrag von Präsident François Hollande und Premierminister Manuel Valls erarbeitet hat, viele Zugeständnisse an die Arbeitgeber. Auch bei der Lockerung des Kündigungsschutzes. Hollande hatte vor Kurzem in Anlehnung an eine dänische Arbeitsmarktreform aus den Neunzigerjahren von einem "Flexicurity-Modell à la française" gesprochen. Das Vorhaben soll Sicherheit für Arbeitnehmer und Flexibilität für Unternehmen verbinden. Und so helfen, die hohe Arbeitslosenquote von mehr als zehn Prozent zu senken. Denn gut ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl steht Hollande unter massivem Druck, sein wichtigstes Versprechen einzulösen: die Senkung der Erwerbslosigkeit. Die Reform des Arbeitsrechts, die Anfang März ins Kabinett eingebracht wird, soll dazu beitragen, indem sie die Konkurrenzfähigkeit der Firmen fördert. Im Einzelnen soll das Vetorecht, mit dem Gewerkschaften betriebliche Bündnisse zu Arbeitszeiten und Löhnen blockieren konnten, durch die Einführung bindender Referenden stark beschnitten werden. So kann im Streitfall unter bestimmten Bedingungen eine Mehrheit der Mitarbeiter entscheiden. Eine Überschreitung der 35-Stunden-Woche ist künftig aus einer Vielzahl von Gründen erlaubt. Das Tagespensum soll auf bis zu zwölf Stunden steigen können, wenn eine Betriebsvereinbarung darüber erzielt wurde. Ruhezeiten sollen entsprechend gekürzt werden können. Der gesetzliche Zuschlag für Mehrarbeit jenseits der 35-Stunden-Grenze kann von 25 auf zehn Prozent gestutzt werden. Sinkender Umsatz soll betriebsbedingte Kündigungen möglich machen Den Kündigungsschutz wollen Hollande und El Khomri so lockern, dass eine betriebsbedingte Trennung schon möglich ist, wenn der Umsatz eines Unternehmens innerhalb eines Jahres sinkt. Teils soll sogar ein Erlösrückgang über ein halbes Jahr ausreichen. Dies entspricht einer alten Forderung der Wirtschaft, vor deren Umsetzung einst die konservativen Ex-Präsidenten Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy zurückgeschreckt waren. Hollande erfüllt den Arbeitgebern zusätzlich noch den Wunsch nach einer Deckelung der Abfindungen im Kündigungsfall. El Khomri sagt, das werde Firmen "die Angst nehmen, Leute einzustellen". Unangetastet bleibt der gesetzliche Mindestlohn in Höhe von derzeit 9,67 Euro pro Stunde. Die für Hollandes Verhältnisse radikale Reform dürfte zu einer Belastungsprobe für das Regierungslager werden und könnte die Gewerkschaften auf die Straße treiben. Zumal parallel zum Gesetzesverfahren die Sozialpartner wegen eines Milliardenlochs bei der Arbeitslosenversicherung über Kürzungen bei Leistungen für Erwerbslose verhandeln müssen. Während Frankreichs Arbeitgeberpräsident und die konservative Opposition El Khomris Plan also loben, bricht bei den Sozialisten Streit aus: Sogar Parteichef Jean-Christophe Cambadélis erklärt, er werde Probleme haben, für das Gesetz zu stimmen. Parteilinke sprechen von einem "Skandal". Und Parteiinterne Unterstützer beklagen, die Reform komme zu spät. Die Erfahrung lehrt, dass Hollande den Anspruch tief greifender Veränderungen nicht immer einlöst, wenn der Widerstand stark ist. El Khomri droht dennoch, das Gesetz notfalls mithilfe eines Sonderparagrafen der Verfassung in Kraft zu setzen. Jedenfalls schließt sie das in einem Interview mit der Zeitung Les Echos nicht aus. Der Paragraf macht ein Votum des Parlaments überflüssig. El Khomri sagt: "Wir wollen einen neuen Maßstab erreichen."
https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-bayern-plaedoyer-fuer-pep-1.2843694
mlsum-de-112
Mit dem 2:0 gegen Hoffenheim kann der FC Bayern die Debatte um einen Maulwurf beruhigen. Trainer Guardiola hat sogar eine exotische Lösung für das Problem in der Innenverteidigung parat.
Die uneingeschränkte Aufmerksamkeit wurde Robert Lewandowski wegen der zusätzlichen Abwehrsorgen durch die neuerliche Verletzung von Javier Martínez zwar nicht zuteil, doch zumindest seine Landsleute widmeten sich dem Mann des Sonntagabends in aller Ausführlichkeit. Noch lange nach seinen beiden Toren im Spiel gegen die TSG Hoffenheim stand der polnische Nationalstürmer im Bauch der Münchner Arena und beantwortete geduldig all die Fragen der Reporter aus seiner Heimat. Entspannt stützte sich der 27-Jährige auf seinen Rollkoffer und sprach über seine Saisontore 18 und 19 aus der 32. und 64. Minute, mit denen er sich beim souveränen 2:0 (1:0)-Sieg des FC Bayern im Fernduell mit Pierre-Emerick Aubameyang wieder bis auf einen Treffer an den Angreifer von Borussia Dortmund angenähert hatte. Jedenfalls durfte vermutet werden, dass Lewandowski nun auf Polnisch erneut auf die für ihn angenehmen Aspekte dieser debattenreichen Tage beim FC Bayern einging. "Ich freue mich, dass wir gewonnen haben und ich zwei Tore geschossen habe", hatte Lewandowski zuvor auf Deutsch wissen gelassen und die Gelegenheit genutzt, nach der Unruhe durch einen ominösen Maulwurf und den weiteren Ausfall von Martínez einen Appell zu formulieren, der vor allem nach innen gerichtet war. "Egal, welche Probleme wir haben: Wir müssen Charakter zeigen", sagte er. Zumindest gegen die weitgehend harmlosen und akut abstiegsbedrohten Hoffenheimer war den Münchnern das gelungen. Spielerisch verbessert präsentierte sich der Tabellenführer im Vergleich zum noch recht unrunden Rückrundenauftakt vor zehn Tagen beim Hamburger SV. Und auch der gute Vertretungsdienst des eigentlich fachfremden Joshua Kimmich in der Abwehr ließ sich als Zeichen deuten, dass die Bayern ihrem vierten Meistertitel in Folge zur Not wohl auch ohne hauptamtliche Verteidiger entgegen streben. Zumal allein Lewandowski mit seinen zwölf Torschüssen für ein deutlich höheres Resultat hätte sorgen können, wenngleich noch unangenehmere Gegner als Hoffenheim auf die Münchner warten.
https://www.sueddeutsche.de/sport/olympia-schwere-stuerze-im-skicross-1.3876384
mlsum-de-113
Mehrfach müssen die Sanitäter eingreifen. Im Eishockey gibt es eine Riesen-Überraschung. Auch im Snowboard verpassen einige Medaillenanwärter das Finale.
Skicross: Die drei deutschen Skicrosser sind bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang bereits im Achtelfinale ausgeschieden. Der zum erweiterten Kreis der Medaillenanwärter zählende Paul Eckert scheiterte am Mittwoch ebenso bereits in der ersten K.o.-Runde wie Tim Hronek und Florian Wilmsmann. Eckert wurde nur Dritter seines Laufs. Der 27-Jährige hatte bei der Olympia-Generalprobe im kanadischen Nakiska seinen ersten Weltcup-Sieg gefeiert. Auch Tim Hronek schied als Dritter aus, Florian Wilmsmann wurde nur Vierter und damit Letzter. "Das ist jetzt bitter, aber es ist manchmal schnell vorbei", sagte Hronek im ZDF. Jeweils die besten zwei Skicrosser eines Laufs ziehen in die nächste Runde ein. Auch Weltmeister Victor Öhling Norberg aus Schweden schied aus. Der Franzose Terence Tchiknavorian, der Österreicher Christoph Wahrstötter und der Kanadier Christopher Delbosco stürzten jeweils schwer und musste von Sanitätern von der Strecke gebracht werden. Tchiknavorian und Delbosco verloren bei Sprüngen in der Luft jeweils die Kontrolle und knallten anschließend heftig in den Schnee. Sieger wurde letztlich der Kanadier Brady Leman, der nach der Enttäuschung von Sotschi diesmal Gold gewann. Der 31-Jährige, vor vier Jahren in Russland Vierter, setzte sich im Finale vor dem Schweizer Marc Bischofberger durch, Sergej Ridsik von den Olympischen Athleten aus Russland (OAR) holte Bronze. Eishockey: Der zweimalige Olympiasieger USA ist mit dem Zweitliga-Verteidiger James Wisniewski von den Kassel Huskies bei den Winterspielen in Pyeongchang bereits im Viertelfinale ausgeschieden. Die Amerikaner unterlagen dem zwölfmaligen Weltmeister Tschechien mit 2:3 (1:1, 1:1, 0:0, 0:0, 0:1) nach Penaltyschießen und verpassten erstmals seit zwölf Jahren die Runde der letzten Vier.Die Tschechen, Olympiasieger 1998, treffen am Freitag entweder auf Rekordweltmeister Russland oder Außenseiter Norwegen. Mit seinem fünften Turniertor brachte der 21 Jahre alte Collegespieler Ryan Donato die USA in Führung (7.). Jan Kolar (16.) und Thomas Kundratek (29.) drehten das Spiel zugunsten der Tschechen. Jim Slater (31.) erzwang die Verlängerung. Den entscheidenden Penalty verwandelte Petr Koukal. Snowboard: Einige der Medaillenanwärter haben beim ersten olympischen Big-Air-Wettbewerb der Snowboarder den Sprung ins Finale verpasst. Weltmeister Staale Sandbech, bei den Spielen 2014 in Sotschi bereits Zweiter im Slopestyle, scheiterte als Siebter seiner Qualifikationsgruppe um 0,25 Punkte am geforderten sechsten Rang. Ebenfalls nicht im Finale am Samstag (10.00 Uhr OZ/2.00 MEZ) dabei sind der Japaner Yuri Okubo, derzeit Zweiter im Weltcup, und der zweimalige Weltmeister Roope Tonteri aus Finnland. Ansprüche auf mindestens eine Medaille meldete im Skisprungstadion von Pyeongchang unterdessen der Neuseeländer Carlos Garcia Knight an: Er erzielte mit 97,50 Punkten die Höchstpunktzahl in der Qualifikation. Im Finale dabei sind in Olympiasieger Red Gerard (USA), Max Parrot und Mark McMorris (beide Kanada) auch die Medaillengewinner des Slopestyle-Wettbewerbs. Eistanz: Die Team-Olympiasieger Tessa Virtue und Scott Moir haben bei den Winterspielen von Pyeongchang ihre zweite Goldmedaille gewonnen. Acht Tage nach ihrem Erfolg im Teamwettbewerb mit Kanada siegten die Weltmeister auch in der Eistanz-Konkurrenz. Nach bislang noch nie erreichten 83,67 Punkten im Kurztanz am Montag sowie 122,40 Zählern im Kürfinale verwiesen Virtue/Moir mit insgesamt 206,70 Punkten die französischen Europameister Gabriella Papadakis und Guillaume Cizeron (205,28) auf Platz zwei. Bronze ging an die US-Geschwister Maia Shibutani und Alex Shibutani (192,59).Die deutschen Meister Kavita Lorenz und Joti Polizoakis aus Oberstdorf erreichten mit 150,49 Punkten (59,99+90,50) den 16 Rang. Für Virtue/Moir war es nach Eistanz-Gold in Vancouver 2010 und Silber im Eistanz sowie in der Teamkonkurrenz in Sotschi 2014 bereits die fünfte olympische Medaille.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-barcelona-neues-vom-ideenautomat-1.2453587
mlsum-de-114
Lionel Messi erzielt im Derby gegen Espanyol Barcelona sein 400. Pflichtspiel-Tor für den FC Barcelona, er wirkt vital wie selten zuvor und scheint seine Ernährungsprobleme überwunden zu haben.
Von einem Stadtderby erwartet man ja gemeinhin, dass es den Wettbewerb überdreht und überspitzt. Nicht nur sportlich, sondern auch mal unsportlich - mit Provokationen vorab, mit körperlichen Gehässigkeiten während und viel Polemik nach dem Duell - ach was: der Schlacht! In Barcelona ist das in der Regel auch so, obschon das Qualitäts- und Erfolgsgefälle zwischen den beiden Mannschaften der Stadt, zwischen Barça und Espanyol eben, über die Jahrzehnte oft recht groß war. Kompensiert wurde mit Politik: Der FC Barcelona ist und gerierte sich immer als katalanischer und katalanistischer Verein, während Espanyol nun mal eher der Klub der Spanier ist, früher mal franquistisch, mit königlichem Siegel obendrein: Real Club Deportivo Español. Man fiebert der Aufgabe in der Champions League entgegen, dem Halbfinale gegen "El Baierrrr" Und so gehört das Derby von Barcelona zu den härtesten der Liga, jenes mit den meisten roten und gelben Karten in der Geschichte. Die Rivalität ist gar so groß, dass Espanyol nur eigene, eingetragene Fans ins Power 8 Stadium in Cornellà de Llobregat kommen lässt. Wohl in der Sorge, es kämen sonst mehr Anhänger Barças. Und so war das neue, schmucke Stadion in der schmucklosen Vorstadt am Samstag wieder bei Weitem nicht voll - trotz warmer Temperaturen, trotz verheißungsvoller Saisonform der "Pericos", trotz prominenter Gäste in Galaformation. Mit 30 000 verkauften Karten erreichte man nicht einmal den Saisonrekord. Das Stadion könnte 40 000 fassen. "Katalonien", stand auf einem Spruchband der Aficionados von Espanyol, "ist mehr als ein Klub." Ein origineller, hübscher Slogan. Er dreht das Lebensmotto Barças um, das sich für "mehr als einen Klub" hält - auf Katalanisch: "Més que un club." Nun, lange dauerte das Gebalge um den Hoheitsanspruch über Stadt und Region wieder nicht. Tabellenführer Barça überrollte Espanyol, den Zehnten der Meisterschaft, in der ersten Halbzeit mit solcher Furie und Dominanz, dass die Statistiker einen schier unwirklichen Wert errechneten: 82 Prozent - so hoch fiel der Ballbesitz der Gäste aus. Im Rückblick war es, als habe Espanyol das Spielgerät während 45 Minuten nie am Fuß geführt. Neymar hatte nach einer Stafette über 25 Stationen das erste, Lionel Messi nach Zuspiel von Luis Suárez das zweite Tore erzielt. In der zweiten Halbzeit ließ es Barça ruhiger angehen, der Ballbesitz sank auf 69 Prozent, das Spiel endete 2:0. Natürlich gab es noch viele Karten, zehn Stück insgesamt, darunter zwei rote, je eine für unbotmäßiges Maulen gegen den Schiedsrichter: Jordi Alba (Barça) kurz nach der Pause und Héctor Moreno (Espanyol) vor dem Abpfiff. Und doch war dieses 162. Derby von Barcelona viel zu einseitig, als dass sich ein Wettbewerb hätte entwickeln können. Es verkam zu einer Demonstration Barças. Messi übrigens hat nun in seiner Karriere schon 400-mal getroffen für Barça, eine Marke, die ebenfalls eine statistische Ergänzung verdient: 328-mal traf er mit seinem starken linken Fuß, 53-mal mit dem rechten Fuß, 18-mal mit dem Kopf, einmal mit der Brust. Der Argentinier war wieder überall, spiellustig und fantasievoll, der totale Fußballer, ein einziger Ideenautomat. Und er ist plötzlich stark bemalt. Zwei neue, recht flächendeckende und in ihrer Ästhetik zumindest diskussionswürdige Tätowierungen erfuhren eine öffentliche Erstaufführung. Am rechten Unterarm trägt Messi nun ein blumiges Motiv mit übergroßer Uhr, am linken Wadenbein einen ebenfalls floristisch umrankten Ball. Offensichtlich findet Messi in diesen fordernden Wochen auch Zeit für Außerberufliches - und für Ausflüge nach Italien. Jüngst erschien ein Foto Messis mit seinem Bruder in den Netzwerken, das die beiden in der norditalienischen Kleinstadt Sacile zeigt. Messi besuchte dort bereits zum dritten Mal in kurzer Zeit den Sportarzt und Ernährungsberater Giuliano Poser. Dem diskreten Italiener, Vertrauensmann vieler Sportler, soll es gelungen sein, Messis Magenverstimmungen und häufige Brechreize zu beheben. Man sieht dem Spieler an, dass er Körpergewicht verloren hat, seit ihn Poser berät. Wohl drei, vier Kilo. Im vorigen Jahr, so plauderte es ein Direktionsmitglied des Vereins aus, hatte Messi dem schweren Essen etwas arg stark zugesprochen - mit einer Vorliebe für Pizza und, natürlich, für rotes Fleisch. Es war auch Messis bescheidenstes Jahr. Nun soll er disziplinierter sein, zur richtigen Zeit. Fünf Runden verbleiben noch in der Liga. Barça kann aus eigener Kraft Meister werden. Außer dem Auswärtsspiel gegen Atlético Madrid am vorletzten Spieltag steht nichts Kompliziertes mehr an, während Verfolger Real Madrid ein schwierigeres Restprogramm erwartet. Man fiebert schon den Aufgaben in der Champions League entgegen, zumal in den Medien - diesem Halbfinale gegen "El Baierrrr". So, etwas verwirrend fürs deutsche Fußballerohr, hört sich das phonetisch an, wenn die Spanier (und mithin die Katalanen) vom FC Bayern reden. Das Schluss-n geht im gerollten "r" unter, nicht aber die Achtung. Die Zeitung Sport wählte nach der Auslosung im Titel etwas aus dem Schrank der knalligen Metaphern: "Bombazo!" Messi ließ ausrichten, gegen "El Baierrrr" seien "110 Prozent" nötig. Das klingt nach einer Floskel, ist in seinem Fall aber vielleicht sogar arithmetisch möglich.
https://www.sueddeutsche.de/politik/polen-es-belustigt-mich-1.3098746
mlsum-de-115
Jarosław Kaczyński, Chef der Pis-Partei und zur Zeit mächtigster Mann in Warschau, weist die Kritik der EU an seinem Staatsumbau zurück. Mit den tatsächlichen Zuständen in seinem Land habe sie nichts zu tun.
Der Chef der polnischen Regierungspartei Pis, Jarosław Kaczyński, hat die Kritik der EU am Umgang Warschaus mit dem Verfassungsgericht zurückgewiesen. Der Bild sagte er zu dem von der EU-Kommission eingeleiteten Rechtsstaatsverfahren: "Das ist nichts als ein fröhliches Schaffen zum Vergnügen der EU-Kommission und ihrer Beamten." Auf die Frage, ob er die Kritik aus Brüssel ernst nehme, sagte Kaczyński: "Es belustigt mich. Denn diese Kritik hat mit dem aktuellen Zustand unseres Landes nichts gemein." Im Streit über die Beschneidung der Befugnisse des polnischen Verfassungsgerichts hatte die EU-Kommission Warschau am Mittwoch ein Ultimatum gestellt. Die nationalkonservative Regierung in Polen habe drei Monate Zeit, um von Brüssel beschlossene Empfehlungen umzusetzen, sagte der Vize-Präsident der EU-Kommission, Frans Timmermans. Brüssel wirft der Warschauer Regierung vor, rechtswidrig die Ernennung mehrerer Verfassungsrichter rückgängig gemacht, die Unabhängigkeit des Gerichts eingeschränkt und seine Beschlüsse missachtet zu haben. "Deutschland bei Wohlstand und Wirtschaftskraft einholen" Der Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien erteilte Kaczyński erneut eine strikte Absage. "Ich kann mir keine Situation vorstellen, in der es dazu käme", sagte er und fügte mit Verweis auf die Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel hinzu: "Ich würde gerne von Frau Bundeskanzlerin erfahren, was sie sich dabei gedacht hat, als sie die Grenzen öffnete. Denn da lässt mich meine Vorstellungskraft im Stich." Unter Hinweis auf den Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen 1939 sagte er: "Unsere Geschichte verbindet uns nicht, sie trennt uns eher." Zwar seien Polen und Deutsche heute durch intensive Handelsbeziehungen verbunden. Doch "die Völker" werden "Zeit brauchen, um Wunden zu heilen". Kaczyński warf Berlin indirekt ein Vormachtstreben in der EU vor. Er rief Deutschland zu Fairness auf: "Wir wollen das Recht auf Entwicklung in einem fairen Markt und dadurch eines Tages auch Deutschland bei Wohlstand und Wirtschaftskraft einholen."
https://www.sueddeutsche.de/sport/basketball-runde-baeuche-1.2288083
mlsum-de-116
FC-Bayern-Trainer Svetislav Pesic beendet das Jahr der Basketballer mit einer wütenden Rede - als Nächstes wartet Bamberg.
Svetislav Pesic rollt den Zettel mit den schlimmen Zahlen zu einer kleinen Röhre zusammen. Dann hebt er seinen linken Arm in die Lüfte und lässt Arm, die dazugehörige Hand und den Zettel mit den schlimmen Zahlen niedersausen, immer wieder, im Takt seiner Worte: "Ich bin heute nicht hier, um zu feiern. Ich will am Ende der Saison feiern!" Hoch mit dem Zettel mit den schlimmen Zahlen, und wieder runter mit dem Zettel mit den schlimmen Zahlen. "Wir haben heute Weihnachtsgeschenke verteilt. Warum unterschätzen wir eine Mannschaft wie Ulm? Gibt keinen einzigen Grund!" Hoch, und wieder runter. "Ich bin stinksauer! Das ist offiziell. Am Ende des Jahres kritisiere ich die Einstellung meiner Spieler!" Hoch, runter. Svetislav Pesic sah nach diesem 100:93 (44:50) am Dienstagabend ein bisschen aus wie ein wütender Dirigent. Einer, der den Hummelflug in seinen Rhythmus bringt, jenes wilde orchestrale Interludium von Nikolai Rimski-Korsakow aus der romantischen Oper "Das Märchen vom Zaren Saltan". Sein schönes, stets ungezähmtes Haar. Dazu der gerollte Zettel mit den Statistiken der Basketballer des FC Bayern zum Dirigieren. Pesic war tatsächlich erbost. Aber jetzt bot er eine Show für die Journalisten, damit diese sicher schrieben: Coach Pesic ist stinksauer! An diesem Sonntag spielen die Bayern in Bamberg (17 Uhr/Sport 1). Und sollten sie dort wieder so lethargisch, in der Defensive so ungeordnet und lustlos auftreten wie in den ersten zwei Vierteln am Dienstag gegen Ulm, dann wird es wohl schwierig bis unmöglich werden, in der brodelnden Arena zu bestehen. "Wenn du mit so einer Einstellung nach Bamberg reist, dann wird das nicht reichen", sagt auch Sportchef Marko Pesic: "Ich persönlich war schon zur Halbzeit stinksauer. Das erste Viertel gegen Ulm war gar nichts. " "Ich bin stinksauer. Das ist offiziell." Nun gibt es wahrlich gute Gründe für die miese Stimmung im Hause Pesic zu Jahresbeginn. Dass die Münchner Basketballer im ersten Viertel 30 Punkte der Ulmer kassierten, lässt sich anders als mit mangelnder Hingabe an die Defensivordnung kaum erklären. "Ich kritisiere die Haltung meiner Spieler. Wir haben keine Verantwortung gezeigt", sagt der Trainer. "Wir wollen nicht die Spiele mit unserer Offensive entscheiden, fünf Dreier in der Schlussphase gelingen uns in Bamberg nicht", sagt der Sportchef. In der Tat. Die Bamberger konnten sich am Dienstag vier Tage nach ihrem beeindruckenden 98:69 gegen den bis dahin unbesiegten Tabellenführer Alba Berlin auch gegen Bayreuth mit 69:50 (37:31) Punkten durchsetzen. Es war ihr sechster Sieg in Serie. Vor allem aber ließ ihre Defense nur 50 Punkte zu. Sie ließ sich nicht austricksen und vorführen wie die der Münchner, die 20 Minuten lang hilflos dabei zugesehen hatte, wie die Ulmer Spielgestalter Per Günther (neun Assists) und Jaka Klobucar (fünf Assists, 20 Punkte) mit ihren platzierten Pässen fast einen Überraschungssieg angeleitet hätten. Fast. Erst eine Willensleistung im letzten Viertel, eine Schlussoffensive zwei Minuten vor Ende - und fünf erfolgreiche Distanzwürfe von Bo McCalebb, Heiko Schaffartzik, John Bryant und Dusko Savanovic - leiteten noch die Wende ein. Die Dreier-Quote (exakt notiert auf den Zetteln mit den schlimmen Zahlen) stieg innerhalb eines Viertels von 13 auf 30 Prozent. Und 13 Prozent Dreier-Quote sind im Basketball absolut unzureichend. Trainer Pesic wollte am späten Dienstagabend zwar nicht gelten lassen, dass es an den 15 aus der Distanz erzielten Punkten im Schlussviertel gelegen habe ("dann hätten wir die Punkte eben mit Zwei-Punkte-Würfen erzielt"), doch die drängendste aller Fragen bleibt ohnehin, weshalb "Ulm in unserem Dome einen Spaziergang machen darf", wie es der Trainer ausdrückte. Aus Überheblichkeit gar? Weil die Münchner ihre Gegner unterschätzen? Marko Pesic erhebt diesen Vorwurf indirekt, er sagt: "Es besteht keinerlei Anlass, Ulm im ersten Viertel zu testen." Grundsätzlich gelte vor allem für die drei Spitzenmannschaften München, Bamberg und Berlin: "Wenn du nicht hungrig bist, dann kannst du auch nicht deine Qualitäten ausspielen." Fahren die Bayern nun also schön gesättigt und mit runden Bäuchen nach Bamberg? Die zweite Jahreshälfte 2014 lief nicht gerade optimal für die Münchner: Es gab viele Verletzte, einige chancenlose Auftritte und ein Vorrundenaus in der Euroleague - vier Punkte liegt Pesic' Truppe zudem in der Bundesliga hinter Tabellenführer Berlin. Aber ist es nicht auch eine bedenkliche Entwicklung, dass sich die Mannschaft immer mehr an ihren überragenden Gestalter Bo McCalebb gewöhnt? Der Amerikaner war gegen Ulm mal wieder bester Münchner, sein um fünf Wochen verlängerter Zeitvertrag ist vorerst aber nur gültig bis Ende Januar. Sportchef Pesic will da keine Probleme erkennen, aus drei Gründen, wie er sagt. "Wir wissen nicht definitiv, ob er den Klub verlassen wird. Außerdem muss man einen Spieler mit solcher Klasse verpflichten, wenn man die Chance dazu hat. Und unsere Verletztenlage im Kader hat uns gar keine andere Wahl gelassen." Überhaupt sei es ja offensichtlich, dass sich McCalebb prächtig entwickelt beim FC Bayern: "Wenn er sich weiter so gut entwickelt, dann sehe ich die Chance, dass er bleibt. Er ist charakterlich eine Eins. Ich habe nicht das Gefühl, dass er dem Geld hinterherläuft." Die charakterliche Eins wird gegen Bamberg sicher wieder benötigt, gegen Ulm sorgte sie für die erfreulichsten Ziffern auf Svetislav Pesic' Dirigentenzettel: 19 Punkte, sieben Assists.
https://www.sueddeutsche.de/digital/smartphone-nokia-will-handy-marke-wiederbeleben-1.2565038
mlsum-de-117
Gibt es bald wieder Nokia-Handys? Der finnische Konzern will nach dem Verkauf der Handy-Sparte an Microsoft offenbar wieder Mobiltelefone entwerfen.
Entwurf: Nokia, Vermarktung und Produktion: Partner Die Marke Nokia könnte Ende kommenden Jahres ins Geschäft mit Mobiltelefonen zurückkehren. Nokia würde die Geräte dann aber nur entwerfen und Produktion, Vermarktung sowie Kundenservice einem Partner überlassen, wie der finnische Konzern am Dienstag erklärte. Der einstige Handy-Weltmarktführer Nokia hatte im Smartphone-Markt vor einigen Jahren den Anschluss an Samsung und insbesondere Apple mit seinem iPhone verloren. Im April vergangenen Jahres übernahm Microsoft die Handy-Sparte und ließ sich den Deal am Ende knapp 9,5 Milliarden Dollar kosten. 7,6 Milliarden Dollar Verlust, 7800 gestrichene Stellen Doch die Kombination brachte dem Windows-Riesen bisher nicht die erhofften Gewinne an Marktanteilen im Smartphone-Geschäft. Vergangene Woche schrieb Microsoft 7,6 Milliarden Dollar im Zusammenhang mit dem Geschäft ab, 7800 weitere Mitarbeiter der Sparte verlieren ihren Job. Nokia konzentrierte sich nach dem Verkauf auf das Geschäft als Netzwerk-Ausrüster. Der Konzern betonte, dass nach den Vereinbarungen mit Microsoft ein Telefon unter dem Nokia-Markennamen frühestens im vierten Quartal 2016 auf den Markt kommen könnte. Spekulationen über solche Überlegungen für die Rückkehr ins Geschäft mit einem Partner gibt es schon seit Monaten. Nach diesem Kooperations-Modell kam bereits das Tablet Nokia N1 auf den Markt, das bisher nur in wenigen Ländern verfügbar ist. Es läuft mit dem Google-Betriebssystem Android.
https://www.sueddeutsche.de/politik/kaufhaeuser-tummelplatz-der-immobilienhaie-1.2521600
mlsum-de-118
Dass Kaufhof an einen ausländischen Investor verkauft wird, ist keine schlechte Nachricht. Bitter ist etwas anderes: Wo Kaufhäuser schließen, zieht Leere ein.
Jetzt auch noch Kaufhof. Wieder ist ein heimischer Kaufhauskonzern an einen ausländischen Investor verkauft worden. Die allpräsente Marke in den deutschen Innenstädten geht an den kanadischen Konzern Hudson's Bay. Der taumelnde Konkurrent Karstadt war schon 2010 zunächst an den US-Investor Nicolas Berggruen verkauft worden, der die heruntergewirtschaftete Kette im vergangenen Jahr an den österreichischen Unternehmer René Benko weiterreichte. Problematisch ist nicht, dass Ausländer die beiden schon im vorletzten Jahrhundert gegründeten Traditionsfirmen kauften, die zur Grundausstattung der Nachkriegs-Bundesrepublik gehörten. Ratlos macht allerdings, dass von der alten Idee des Kaufhauses nicht mehr viel übrig zu sein scheint. Das wirtschaftlich Interessante an Kaufhäusern ist heute nicht mehr der Inhalt, also das Warenangebot und der Service. Es sind vor allem die Gebäude selbst, die meist in den besten Lagen der Städte liegen. Der Handel wird zum Tummelplatz von Immobilienhaien. Hudson's Bay mag ein fast 350 Jahre altes Handelsunternehmen sein, das auch Kaufhäuser betreibt, unter anderem die edle US-Kette Saks Fifth Avenue. Der Konzern, hinter dem ein internationaler Finanzinvestor steht, ist auch im Immobiliengeschäft engagiert. Der zahlte den größten Teil des Kaufpreises von 2,8 Milliarden Euro für die 61 Laden-Immobilien von Kaufhof, auf die er ein besonderes Auge geworfen hat. Von den Kaufhof-Filialen werden auf die Dauer nur ausgewählte Häuser überleben. Ähnlich dürfte es der Karstadt-Käufer Benko machen. Er wird ein paar der Filialen in guten Lagen großer Städte weiterführen, der Rest wird irgendwie zu Geld gemacht, entwickelt, wie man das im modernen Immobilien-Deutsch nennt. Wo Kaufhäuser schließen, zieht die Leere ein Es mag der Lauf der modernen Welt, der Globalisierung und des Internets sein, dass heute Immobilienspekulationen mehr Gewinn versprechen als Handelsgeschäfte des buchstäblich ehrbaren Kaufmanns, der in guter Innenstadtlage alles unter einem Dach anbietet, was Menschen brauchen, vom Hosenknopf bis zur Tube Zahnpasta. Es ist aber nicht nur für Nostalgiker bedauerlich, dass kreative Internet-Unternehmer wie der Amazon-Macher Jeff Bezos die Errungenschaft von Einzelhandelspionieren wie Georg Wertheim oder Hermann Tietz mit neuen Ideen und Technologien ablösen. Kaufhäuser bringen Leben in die Städte. Wo sie schließen, zieht die Leere ein, die Immobilien-Entwickler kaum wieder füllen können. Sie sorgen für Büros von Unternehmensberatern und Anwaltskanzleien und vielleicht noch für ein paar Wohnungen für Gutverdiener, die es zunehmend in die Städte zurückzieht. Diese Entwicklung ist auch zu beklagen, weil das Kaufhaus nicht tot ist, wie man in anderen Ländern sehen kann. Der steile Abwärtstrend hat auch mit Fehlern der Kaufhaus-Konzerne selbst zu tun. Die haben lange die moderne Welt des Handels ignoriert. Karstadt wie Kaufhof haben die Bedürfnisse und Gewohnheiten der jungen Kunden übersehen, das Internet-Geschäft vernachlässigt und die Modernisierung ihrer Sortimente wie der Läden versäumt. Jetzt beklagen sie, dass ihre Kundschaft überaltert ist, und sie reagieren darauf mit Sparmaßnahmen und mit Entlassungen. Dass es Kaufhof besser geht als dem Wettbewerber, liegt nur daran daran, dass Karstadt noch mehr Fehler gemacht hat als Kaufhof. Von Kaufhof wie von Karstadt wird in zehn Jahren wahrscheinlich nicht mehr viel übrig sein. Nur noch ein paar Ausnahme-Läden werden noch Kaufhäuser sein und ein paar entkernte Bürogebäude in Innenstädten werden daran erinnern, dass es einmal eine große Zeit deutscher Kaufhäuser gab.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-bahn-bahn-verspricht-kostenloses-wlan-und-stoerungsfreies-telefonieren-1.3236949
mlsum-de-119
Für viele Kunden sei Wlan so wichtig wie die Toilette, sagt Vorstandschef Grube. Für Vielsurfer gelten allerdings Einschränkungen.
Anfang 2017 soll auch die 2. Klasse kostenlos in allen ICEs surfen können - allerdings nicht mit unegrenztem Volumen. Bahnreisende sollen sich im ICE bald nicht mehr über abgebrochene Telefonate ärgern müssen - das verspricht zumindest Rüdiger Grube. "2018 wird die Telefonie kein Problem mehr sein", sagte der Vorstandschef der Deutschen Bahn der dpa. Der erste Satz eines Telefonats laute derzeit häufig: "Hallo, ich bin im Zug. Wenn die Leitung zusammenbricht, rufe ich zurück". Im 21. Jahrhundert, im Zeitalter der Kommunikation und Digitalisierung, dürfe das nicht mehr sein. Bis Ende 2017 sollen die meisten Züge mit neuen Repeatern ausgerüstet werden, die Mobilfunksignale verstärken. Das ist notwendig, da die Karosserie der Züge kaum Signale der Netzanbieter durchlässt. Die aktuell eingesetzte Repeater-Generation ist für den veralteten Mobilfunkstandard GSM ausgelegt. Die neuen Geräte sollen auch UMTS- und LTE-Signale übertragen. "In den Zügen, die wir jetzt umgerüstet haben, ist es um den Faktor zehn besser geworden", sagte Grube. "Die Leitungen sind stabil. Auch wenn Sie mit 250 km/h durch einen Tunnel oder durch dünn besiedelte Gegenden fahren - vorausgesetzt die Mobilfunkabdeckung stimmt." Die Netzabdeckung wiederum ist Sache der Provider, die ebenfalls an Verbesserungen arbeiten. "Wlan im Zug ist so wichtig wie die Toilette" Grube versprach erneut, zum Jahreswechsel auch die zweite Klasse im ICE mit kostenlosem Wlan auszustatten. "Wir werden am 1. Januar 2017 in allen ICE-Zügen Wlan haben und zwar in einer deutlich besseren Qualität." Den Bahnkunden steht allerdings kein unbegrenztes Datenvolumen zur Verfügung. Ab einer bestimmten Grenze wird die Geschwindigkeit gedrosselt; wer danach schnell weitersurfen will, muss zahlen. Genaue Volumengrenzen oder Kosten nannte Grube nicht und versicherte lediglich, dass die Datenmenge für "das übliche Arbeiten und Kommunizieren" ausreichen werde. Das klingt nicht so, als könnten Bahnreisende in Zukunft längere Videos streamen. Dazu dürfte das Volumen kaum reichen - zumal dafür auch wirklich stabile, schnelle und flächendecke Netzabdeckung nötig wäre. Immerhin sollen Fahrgäste von Februar an über das ICE-Portal auf Angebote der Online-Videothek Maxdome zugreifen können. Die Filme und Serien sollen kostenlos verfügbar sein und das Datenkontingent der Kunden nicht belasten, da sie auf einem lokalen Server im Zug gespeichert werden. Um Wlan auch in Regionalzüge zu bringen, müssen sich die jeweiligen Bundesländer oder die regionalen Verkehrsverbünde beteiligen. Gemeinsam mit diesen beiden Parteien arbeite die Bahn daran, Wlan "baldmöglichst" auch in Regionalzügen anbieten zu können, sagte Grube. "Wlan im Zug ist für viele Kunden mittlerweile so wichtig wie die Toilette."
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tesla-der-sonne-entgegen-1.3045663
mlsum-de-120
Wieder einen Schritt weiter: Der E-Auto-Hersteller Tesla will eine Solarfirma kaufen, in der Chef Elon Musk bereits präsent ist.
Elon Musk, 44, gilt als Multitalent. So baut er nicht nur reine Elektrofahrzeuge der Marke Tesla, er engagiert sich auch mit Space-X in der Raumfahrt, und er hat 2006 die Solarfirma Solar City mitgegründet. Dort ist der Mann aus dem Silicon Valley bislang Vorsitzender des Verwaltungsrats, aus dem Tagesgeschäft hält er sich aber weitgehend raus. Das überließ er bislang Mitgründer Lyndon Rive, der ist ein Cousin von Musk. Aus der bisher eher losen Verbindung soll jetzt mehr werden. Tesla will Solar City übernehmen, der Autohersteller bietet bis zu 2,8 Milliarden Dollar. Während zum Beispiel Daimler und Volkswagen noch diskutieren, wie sie künftig den Bau von E-Autos forcieren können, geht Musk damit schon einen Schritt weiter. Nach der Milliarden-übernahme will er mit Tesla auch in den Markt für Ökostrom einsteigen. Solar City gilt mittlerweile als der führende Installateur von Solaranlagen auf Wohnhäusern in den USA. Künftig könne Tesla den Kunden Elektroautos, Stromspeicher und Solaranlagen aus einer Hand anbieten, sagte Musk. Zwar sei nicht bekannt, wie viele Käufer eines Elektroautos von Tesla bereits eine Solaranlage auf dem Dach hätten. Er gehe aber davon aus, dass die meisten von ihnen umweltbewusst eingestellt und damit auch an Ökostrom interessiert seien. Geplant sei, auch die Solar-Systeme künftig unter der Marke Tesla zu vertreiben. Zwischen den beiden Firmen gibt es bereits enge Verbindungen. Musk ist bei beiden größter Anteilseigner und steht seit Langem dem Verwaltungsrat von Solar City vor. Das börsennotierte Unternehmen weist jedoch regelmäßig Verluste aus, die Aktie hat in diesem Jahr fast 60 Prozent an Wert eingebüßt. Tesla bietet jetzt zwischen 26,50 und 28,50 Dollar je Solar-City-Aktie, was einem Aufschlag von bis zu 35 Prozent auf den Schlusskurs des Papiers am Dienstag entspricht. Damit liegt das Volumen der Transaktion, die in Aktien abgewickelt werden soll, bei 2,6 bis 2,8 Milliarden Dollar. Auch wenn Musk betonte, bei dem Deal gebe es nicht mehr viel zu überlegen, zeigten sich Anleger skeptisch. Tesla-Aktien verloren nach der Mitteilung mehr als 13 Prozent, was einem Wertverlust von 4,3 Milliarden Dollar gleichkam. Solar-City-Papiere gingen um 18 Prozent in die Höhe. Musk hält 19 Prozent an Tesla und 22 Prozent an Solar City, er will sich bei der Abstimmung über die Übernahme aber zurückhalten. "Wir wären in der Lage, die Kernkompetenzen beider Unternehmen zu maximieren und auszubauen", schrieb das Tesla-Management. Nach der Autoindustrie will Tesla also nun den Energiemarkt aufmischen. Das Unternehmen bietet schon Stromspeicher für Haushalte und Unternehmen an. Ende Juli will Tesla zudem eine riesige Batteriefabrik in Nevada eröffnen. Tesla hatte zuletzt mit der Präsentation des neuen "Model 3" für Begeisterung gesorgt. Obwohl sich das Fahrzeug noch in der Planung befindet, haben bereits viele Kunden eine Vorbestellung abgegeben und sogar eine Anzahlung geleistet.
https://www.sueddeutsche.de/digital/musikplayer-apple-verabschiedet-sich-von-ipod-nano-und-shuffle-1.3607447
mlsum-de-121
Künftig gibt es nur noch den größeren iPod touch. Schuld an dieser Entwicklung ist ein anderes Apple-Produkt.
Der iPod ist tot, lang lebe das iPhone. Apple hat den Verkauf zweier iPod-Modelle stillschweigend gestoppt. Im Onlineshop werden iPod Nano und iPod Shuffle nicht mehr gelistet. Nostalgiker, Sammler und Jogger, die beim Laufen kein Smartphone mit sich herumtragen wollen, müssen sich beeilen: Händler verkaufen noch Restbestände, bald werden die letzten Modelle vergriffen sein. Der einzige verbleibende Musikplayer in Apples Produktpalette ist damit der iPod Touch. Apple hat die Preise gesenkt und verkauft ihn jetzt für 229 (32 GB) oder 339 Euro (128 GB). Die Varianten mit 16 und 64 GB Speicher gibt es nicht mehr, an der Hardware wurde nichts verändert. Das iPhone als Totengräber für iPods und Kompaktkameras Dieser Schritt war bereits 2007 absehbar. In diesem Jahr stellte Apple das erste iPhone vor, das ebenfalls Musik abspielen konnte. Von diesem Moment an gingen die Verkaufszahlen der iPods stetig zurück, während der weltweite Siegeszug der Smartphones begann. Das Schicksal der iPod gleicht dem allmählichen Verschwinden klassischer Kompaktkameras und vieler E-Book-Reader: Musik hören, Fotos machen, Bücher lesen, all das geht mit Smartphones - nicht ganz so gut wie mit den Spezialgeräten, aber eben gut genug, um sich kein zweites Produkt kaufen zu müssen. iPod Shuffle und iPod Nano kamen beide 2005 auf den Markt und wurden seit mehreren Jahren nicht mehr aktualisiert. Während der iPod Touch den Dienst Apple Music unterstützt, können die beiden klassischen Modelle keine Musik streamen, da ihnen die Wlan-Funktion fehlt. Sie mussten ganz analog mit einem Kabel angeschlossen und befüllt werden. "Das ergibt Sinn: kein Platz für iPod Nano & Shuffle, wenn Musik gleichbedeutend mit Apple Music ist", schreibt die renommierte Tech-Analystin Carolina Milanesi auf Twitter. Aus Apples Sicht mag die Entscheidung komplett nachvollziehbar sein. Nutzer, die sich noch an Steve Jobs Satz "1000 Songs in Deiner Tasche" erinnern, mit dem der frühere Apple-Chef vor mehr als 15 Jahren den ersten iPod vorstellte, dürften aber ein bisschen wehmütig werden. Zwar bleibt noch der iPod Touch - aber der ist mittlerweile gar kein richtiger iPod mehr, sondern eher ein iPhone light.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ernaehrung-usa-leiden-unter-schwerem-bacon-notstand-1.3607742
mlsum-de-122
Acht Kilo gebratenen Speck verspeist jeder US-Bürger im Jahr. Die Preise explodieren, die Reserven schrumpfen - auch, weil Bacon neuerdings für Sushi, Eis und Schokolade herhalten muss.
Wenn es leise zu zischen beginnt in der Küche, wenn der Duft von Fleisch und Räucherholz die Sinne benebelt, wenn sich die eben noch labberige Scheibe in der Pfanne langsam wellt und in eine salzig-krosse Köstlichkeit verwandelt, dann weiß der gewöhnliche Amerikaner: Der Bacon ist fertig - der Tag kann kommen. Kaum ein Produkt ist so typisch für ein echtes amerikanisches Frühstück wie der gebratene Speck vom Schweinebauch. Während in anderen Industriestaaten wie Deutschland der Fleischkonsum zurückgeht, verputzt jeder US-Bürger im Schnitt allein acht Kilogramm Bacon pro Jahr. Seit 2013 ist der Konsum um mehr als 14 Prozent gestiegen - zuletzt so stark, dass jetzt eine Art nationaler Notstand ausgebrochen ist: Obwohl die US-Fleischindustrie ihre Schweineherde auf 72 Millionen Tiere ausgeweitet hat und zudem in großem Stil aus Kanada, Dänemark, Polen importiert, kommt sie mit der Speckproduktion kaum nach. Allein seit Jahresbeginn sind die Schweinebauchpreise um 80 Prozent in die Höhe geschnellt, die Reserven in den Tiefkühltruhen der großen Handelshäuser haben den niedrigsten Stand seit 60 Jahren erreicht. Bacon-Sushi, Bacon-Eis - und sogar Bacon-Schoko-Käsekuchen Grund ist, dass sich die Speckscheiben nicht nur zum morgendlichen Rührei und als wichtigster Bestandteil des National-Sandwichs BLT (Bacon-Lettuce-Tomato, Speck-Salat-Tomate) ungebrochener Beliebtheit erfreuen, sondern mittlerweile zu allen Tageszeiten gefuttert werden. Längst bekannt sind etwa Burger oder Buttermilch-Pfannkuchen mit Speck. Dazu haben aber auch die Chefs großer Restaurants das einstige Arme-Leute-Produkt für sich entdeckt: Jakobsmuscheln mit Spargel und Speck, knusprige Ferkel-Lende mit Speck und Apfel-Variationen, Bacon-Schoko-Käsekuchen - nichts ist unmöglich, alles ist erlaubt. Dass der Frühstücksspeck wegen seines hohen Fettanteils im Verdacht steht, Herzkrankheiten, Diabetes und sogar Krebs zu befördern, tut der Begeisterung ebenso wenig Abbruch wie die steigenden Verkaufspreise im Supermarkt. Zwar sind manche Restaurants wegen der zunehmenden Kosten dazu übergegangen, den Speck dünner zu schneiden oder stattdessen Würstchen zu offerieren. Doch im ganz überwiegenden Teil des Landes geht das Specktakel weiter. Es gibt Whiskey, Cocktails und Zahnpasta mit Bacon-Geschmack, Bacon-Eis, Bacon-Kaugummi und Bacon-Nachtisch, Bacon-Partys und Bacon-und-Bourbon-Festivals. Ein koreanisches Restaurant im New Yorker Stadtteil Williamsburg bietet ausschließlich Schweinebauch-Gerichte an, darunter Bacon-Sushi, und in Brooklyn verkauft ein Sandwichladen gar Bacon am Stil. Zwei Drittel der Amerikaner würden Umfragen zufolge eine Petition unterschreiben, in der gefordert wird, Bacon offiziell zum US-Nationalgericht zu erklären. Allein sind die Amerikaner mit ihrer Affenliebe zum Bacon übrigens nicht. Auch die Briten sind Speck-Enthusiasten, ebenso die Kanadier. In einer nicht ganz ernst gemeinten Umfrage wollte vor Jahren ein kanadischer Konzern von den Menschen im Land wissen, was sie - könnten sie nur eines von beiden haben - bevorzugen würden: Bacon oder Sex. 43 Prozent antworteten: Bacon.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/justiz-20-jahre-haft-fuer-geklaute-schokoriegel-1.2937582
mlsum-de-123
Hohe Strafen für relativ geringe Vergehen gibt es in den USA immer wieder. Ein Fall aus Louisiana schockiert nun selbst abgebrühte Amerikaner.
Weil er Schokoriegel im Wert von umgerechnet 30 Euro mitgehen ließ, drohen einem Ladendieb 20 Jahre Haft. Die Nachricht sorgte dieser Tage für Aufsehen, und sie stammte nicht aus einer Diktatur, sondern aus den Vereinigten Staaten. Dort, in einem Supermarkt in New Orleans, hatte sich der Angeklagte im Dezember beim Klauen erwischen lassen; vergangene Woche erschien er vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft drohte mit einer solch drakonischen Strafe, dass sogar dem Richter mulmig wurde. "Ist das nicht ein bisschen überzogen?", fragte er. Die USA bezeichnen sich in ihrer Nationalhymne als "Land der Freien", aber in keinem anderen Staat sind im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung so viele Menschen eingesperrt. Nicht einmal in autoritär regierten Ländern wie China oder Russland. Im Prinzip liegt es daran, dass Straftäter in Amerika schlicht sehr lange Haftstrafen absitzen, auch für kleinere Delikte. Aber selbst für US-Verhältnisse ist der Fall aus New Orleans extrem. "Für den mutmaßlichen Täter Jacobia Grimes ist der Süßigkeitenpreis deutlich in die Höhe geschossen", bemerkte die Zeitung New Orleans Advocate. Wie kann ein Dieb bloß 20 Jahre für ein bisschen Schokolade bekommen? Es liegt am Täter, der als unbelehrbar gilt, vor allem aber an Strafgesetzen, die seit den Siebzigerjahren unentwegt verschärft wurden. Der Angeklagte Grimes, Mitte 30, fällt nicht zum ersten Mal wegen Diebstahls auf. Er ist bereits fünf Mal verurteilt worden, immer wieder hat er Ladenketten bestohlen, wobei der Schaden stets überschaubar blieb. Seit 2001 hat Grimes fast neun Jahre im Gefängnis verbracht, erst ein Jahr, dann anderthalb, dann drei, dann noch einmal gut drei Jahre. Aus Sicht der Ankläger ist er ein Karrieredieb, oder, weniger nett gesagt, ein hoffnungsloser Fall. Bei Wiederholungstätern sind Richter weniger nachsichtig, das ist in Deutschland nicht anders. Detailansicht öffnen (Foto: imago/Schöning) In Louisiana aber kommen ein paar Besonderheiten hinzu. In kaum einem anderen US-Staat sind die Strafgesetze so unerbittlich, eines gilt speziell für Wiederholungstäter: Wird jemand demnach zum dritten Mal beim Klauen erwischt, kann ihn der Staat wie einen Verbrecher behandeln und mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bestrafen; Bewährung oder vorzeitige Entlassung sind ausgeschlossen. Da Grimes nicht nur zwei, sondern schon fünf Mal vorbestraft ist, kann die Haftdauer sogar auf 20 Jahre steigen. Der Staatsanwalt Leon Cannizzaro hat sich in diesem Fall entschieden, den Verdächtigen nach dem härtesten Gesetz anzuklagen, und es lässt dem Richter kaum Ermessensspielraum. "Das ist nicht lustig", sagte der Richter: "20 Jahre bis lebenslang - für ein paar Snickers." "Three-strikes laws" heißt die gnadenlose Regel. Sie lässt den Richtern kaum Spielraum Strafgesetze wie dieses nennt man in den USA "three-strikes laws"; der Ausdruck stammt vom Baseball, wo der Schlagmann nach dem dritten Fehlschlag vom Feld muss. Nach dieser Logik sollen auch Wiederholungstäter nach dem dritten Mal sozusagen aus dem Verkehr gezogen werden. Während dieser Gedanke nicht ganz neu ist, fallen moderne Gesetze dieser Art in den US-Staaten dadurch auf, dass sie dem Richter kaum noch Entscheidungsfreiheit gewähren. Das Gericht kann dann gar nicht anders, als den Täter zu langjähriger Haft zu verurteilen; es raubt der Strafjustiz jede Flexibilität. Eines der ersten Gesetze wurde 1993 im Bundesstaat Washington für Schwerverbrecher erlassen, 1994 folgte Kalifornien mit einem Gesetz, das für Gewalttäter beim dritten Mal faktisch lebenslang vorschrieb. Mittlerweile gelten Strafvorschriften dieser Art in etwa der Hälfte aller amerikanischen Staaten. Aber der Trend zu immer längerer Haft ist noch älter, er geht zurück auf die Sechzigerjahre, als eine Welle der Gewalt das Land heimsuchte; die Mord- und Totschlagrate stieg von da an mehr als 20 Jahre lang so drastisch wie die der Vergewaltigungen und Raubüberfälle. Besonders die Innenstädte waren betroffen: Drogenbanden kämpften mit Waffen um Reviere; und während die ärmeren Bewohner bleiben mussten, flüchtete die Mittelschicht in die Vororte. Politiker in Washington und in etlichen US-Staaten reagierten mit immer schärferen Gesetzen, und von den Siebzigerjahren an stieg die Zahl inhaftierter Amerikaner dramatisch. Wie sich heute zeigt, hat die Politik in all den Jahren nicht nur reagiert, sondern überreagiert. Detailansicht öffnen Dem Ladendieb Jacobia Grimes aus New Orleans droht eine hohe Gefängnisstrafe, weil er Wiederholungstäter ist. (Foto: Courtesy of Orleans Parish Sheriff's Office) Der Fall des Ladendiebs Jacobia Grimes offenbart, welch absurde Ergebnisse die Haft-Inflation hervorbringt. Der Staatsanwalt hätte ihn nach einem milderen Gesetz wegen eines Vergehens anklagen können, er wählte aber das schärfere Gesetz, weil er ein Geständnis erzwingen wollte. Nun muss der Verdächtige wegen einer Lappalie womöglich zwei Jahrzehnte in Haft leben, was den Staat jedes Jahr 19 000 Dollar kostet. "Das zeigt die Absurdität dieser Gesetze für Wiederholungstäter", sagt Grimes' Anwalt Miles Swanson. "Der Staat verschwendet seine Zeit damit, jemanden über Jahre wegzusperren wegen Süßigkeiten im Wert von 31 Dollar. Es ist lächerlich." Viele junge schwarze Amerikaner wie Grimes geraten früh im Leben in einen schier endlosen Kreislauf von Drogen, Kriminalität und Haft. Viele wachsen schon in einem Haushalt ohne Vater auf, weil der Vater selbst im Gefängnis sitzt. Schwarze Männer konsumieren in den USA zwar nicht mehr Drogen als weiße, doch werden sie von der Polizei öfter gefilzt und landen dann oft wegen harmloser Delikte wie dem Besitz von etwas Marihuana monate- oder sogar jahrelang in Haft. Auch in diesen Fällen haben die Richter wegen der Gesetzeslage kaum Ermessensspielraum. Und wie im Fall von Grimes tut der Staat wenig dafür, um junge Straftäter aufzufangen, auszubilden, zu betreuen. Alles, was die Allgemeinheit bietet, ist eine Haftstrafe nach der nächsten. Doch kündigt sich nun immerhin eine Wende an: Im ganzen Land debattieren Politiker und Juristen über eine Strafrechtsreform; auch deswegen, weil Verbrechen das öffentliche Bewusstsein heute viel weniger beherrschen als einst. Die Mordrate ist von mehr als zehn pro 100 000 Einwohnern Anfang der Achtzigerjahre auf etwa drei gesunken. Präsident Barack Obama verlangt eine Milderung der US-Bundesgesetze, die hohe Mindeststrafen bei Drogendelikten vorschreiben. Sogar etliche der sonst eher strengen Republikaner sind einverstanden: Aus ihrer Sicht ist das Strafvollzugswesen schlicht zu teuer geworden. Allein die Staaten zahlen für ihre Gefängnisse etwa 50 Milliarden Dollar im Jahr. Die Zweifel am System der Unerbittlichkeit haben inzwischen sogar Louisiana erreicht. Vom Sommer an soll eine Kommission die Statistiken über Strafurteile und Häftlinge auswerten. Für den Ladendieb Grimes dürfte eine Reform allerdings zu spät kommen. Im Augenblick sieht es so aus, als könne ihm nicht einmal der wohlwollende Richter helfen.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/gastronomie-oesterreichisches-parlament-kippt-rauchverbot-1.3916856
mlsum-de-124
In Österreichs Kaffeehäusern und Heurigen dürfen weiter Zigaretten konsumiert werden. Ein bisserl deppert fühlt sich nun die regierende ÖVP.
Eine Momentaufnahme aus dem Café Hawelka in Wien - seit 1945 ein Anziehungspunkt für Einheimische und Touristen. Heinz-Christian Strache war 15, als er mit dem Rauchen angefangen hat. Heimlich, mit Klassenkameraden, auf dem Heimweg nach dem Samstagsunterricht. "Wir kamen uns supercool vor, aber am Anfang war mir vor allem schlecht", sagte Strache der Süddeutschen Zeitung im September. Der Vorsitzende der radikal rechten FPÖ ist dann doch noch auf den Geschmack gekommen und wurde ein berüchtigter Raucher, der gerne seinen Mitsüchtling und langjährigen Grünen-Chef Alexander Van der Bellen um Zigaretten anschnorrte. Van der Bellen ist nun Bundespräsident, Strache regiert als Vizekanzler seit Dezember in der neuen österreichischen konservativ-rechten Koalition. Pünktlich zum anstehenden 100-Tage-Jubiläum konnte Strache seine Tabak-Liebe mit Regierungspolitik verbinden. Mit der Mehrheit der Koalitionsparteien kippte das österreichische Parlament am Donnerstag das geplante generelle Rauchverbot in Gaststätten. Für Strache und seine Leute ist das ein großartiger Tag. Das für Mai angedachte Verbot zu stoppen, war ein zentrales Wahlversprechen der FPÖ, bei den Koalitionsverhandlungen pochten die Rechtspopulisten darauf. Entsprechend deutlich frohlocken die FPÖ-Strategen wegen der Abstimmung. Dieser Punktsieg ist ein Zuckerl für die eigene Anhängerschaft. Ein bisserl deppert fühlt man sich wegen dieser Causa beim konservativen Koalitionspartner, der ÖVP. Aus Regierungskreisen wird zwar darauf verwiesen, dass man ja auch die blaue FPÖ dazu gebracht habe, schwarze Kröten zu schlucken. Aber so richtig vermittelbar ist der Stopp des Rauchverbotes für die Partei von Bundeskanzler Sebastian Kurz nicht. Denn erst vor drei Jahren hatte die ÖVP in der Vorgänger-Regierung das Gesetz zusammen mit den Sozialdemokraten selbst auf den Weg gebracht. Mehr als zwei Dutzend Abgeordnete, die damals dafür gestimmt haben, mussten nun dagegen votieren. 543 000 Unterschriften für ein Verbot Die Gegenbewegung ist enorm: Die Opposition und beträchtliche Teile der Zivilgesellschaft protestieren seit Wochen gegen das Vorhaben der Regierung, selbst ÖVP-Politiker und ehemalige konservative Kabinettsmitglieder haben sich dafür ausgesprochen, das Rauchverbot beizubehalten. Für ein geplantes Volksbegehren für ein Rauchverbot wurden bereits mehr als 543 000 Unterschriften gesammelt - Österreich hat 8,7 Millionen Bürger. Im Regierungslager hofft man, dass sich die Aufregung nun legt. Man verweist darauf, dass man ja auch Details verschärft habe: Jugendliche dürften nun zum Beispiel keine Zigaretten mehr kaufen. Und das Volksbegehren? In der FPÖ, die sich sonst selbst lautstark für mehr direkte Demokratie starkmacht, signalisiert man Entgegenkommen. Strache spricht davon, dass ein Volksentscheid über das Raucherthema möglich sein könnte, wenn mehr als 900 000 Menschen unterschrieben hätten. Der FPÖ-Chef hat übrigens einmal vier Monate aufgehört mit dem Rauchen, aber den Nikotin-Entzug nicht geschafft, wie er der SZ erzählte: "Es ist leider mein Laster geblieben."
https://www.sueddeutsche.de/panorama/fahren-ohne-fuehrerschein-reus-muss-540-000-euro-zahlen-1.2272827
mlsum-de-125
"Das war eine Dummheit": Er soll mindestens sechsmal ohne Führerschein Auto gefahren sein. Nun muss Fußball-Nationalspieler Marco Reus eine hohe Strafe bezahlen.
Halbe Million Euro Strafe für Marco Reus Fußball-Nationalspieler Marco Reus hat ein schlechtes Jahr hinter sich. Mehrfach fehlte er verletzt bei seinem Club und auch die WM verpasste er. Nun muss er wegen Fahrens ohne Führerschein 540 000 Euro Strafe zahlen. "Das war eine Dummheit", sagte der Mittelfeldspieler von Borussia Dortmund der Bild-Zeitung. Der Dortmunder Oberstaatsanwalt Henner Kruse bestätigte der Zeitung die Vorwürfe gegen Reus, er sei mindestens sechsmal vorsätzlich ohne Fahrerlaubnis mit dem Auto unterwegs gewesen sein soll. "Ihm ist deshalb ein Strafbefehl von 90 Tagessätzen in einer Gesamthöhe von 540 000 Euro zugestellt worden", sagte Kruse. Er gilt aber trotz eines Strafbefehls nicht als vorbestraft. "Wer verurteilt worden ist zu nicht mehr als 90 Tagessätzen, der darf sich als unbestraft bezeichnen", sagte Oberstaatsanwältin Barbara Vogelsang der Nachrichtenagentur dpa. Der 25-jährige hat den Strafbefehl nach Angaben der Anklagebehörde akzeptiert. Demnächst bekomme er die Rechnung. Mehrfach wegen überhöhter Geschwindigkeit geblitzt Reus hat dem Bild-Bericht zufolge nie die Führerschein-Prüfung absolviert. "Ich habe mich damals leider entschieden, diesen Weg zu gehen. Die Gründe kann ich heute selbst nicht mehr nachvollziehen", sagte er. Mehrfach sei Reus bei Geschwindigkeitskontrollen aufgefallen, sagte die Oberstaatsanwältin. Teils liegen Fotos vor. Dabei sei ermittelt worden, dass er ohne Fahrerlaubnis unterwegs gewesen sei. Gegenstand des Strafbefehls seien sechs Fahrten ohne Fahrerlaubnis und zwar in einem Zeitraum von September 2011 bis März 2014."Ich habe meine Lehren daraus gezogen. So etwas passiert mir nie wieder", beteuerte Reus nun.
https://www.sueddeutsche.de/digital/gamescom-die-games-branche-hat-immer-noch-ein-problem-mit-sexismus-1.4101862
mlsum-de-126
"Vielfalt gewinnt" lautet das Motto der Gamescom. Für Frauen gilt das nur bedingt. In vielen Chatrooms schlägt ihnen Ablehnung und Hass entgegen.
Ninja mag nicht mit Mädchen spielen. Ninja heißt eigentlich Tyler Blevins. Er ist der erfolgreichste Streamer der Internetplattform Twitch, die zu Amazon gehört. Zehntausende schauen zu, wenn er dort live Fortnite spielt und kommentiert. Ninja hat nun öffentlich erklärt, er spiele nicht mehr mit Frauen zusammen. Kein Filmemacher, kein Theaterintendant, kein Verleger käme mit einer solchen Ansage durch. In der Computerspielszene, die sich gerade auf der weltgrößten Messe Gamescom in Köln trifft, geht das immer noch - obwohl inzwischen, wenn man Handyspiele dazuzählt, mehr als die Hälfte der Computerspieler Frauen sind. Ninja begründet die Entscheidung damit, er wolle sich und seine Familie schützen. Immer wenn er mit Frauen gespielt habe, seien ihm Affären angedichtet worden. Die Onlinegemeinschaft kann gnadenlos sein, Twitter, Facebook, Twitch und die Chatfunktionen, über die die meisten Spiele verfügen, erlauben ein Dauerbombardement mit Drohungen und Beleidigungen. Dass man sich dem nicht aussetzen möchte, ist begreiflich. Doch mit seiner Absage an das gemeinsame Spielen fördert er Vorurteile, die in vielen Chatrooms zum Alltag gehören. Manche Spielerinnen geben sich deshalb Onlinenamen, die sie nicht als Frauen identifizierbar machen. Sie benutzen keinen Voice-Chat, damit niemand ihre Stimme hört. Oder sie machen es wie Nina Kiel und meiden Spiele gleich ganz, in denen man andere Spieler treffen kann. Kiel arbeitet als Journalistin, Wissenschaftlerin und Spieleentwicklerin. Auf der Gamescom trifft man sie nicht an den Ständen der großen Publisher, sondern bei den kleinen, unabhängigen Entwicklern. Die Multiplayer-Spiele, erklärt sie, sind nur eines der Probleme: "Ich erlebe Sexismus in der Spieleszene und bei Messen. Man traut mir weniger zu als meinen männlichen Kollegen. Die Standbetreuer wollen mir oft über die Schulter schauen. Das ist natürlich keine Beschimpfung, aber das ist positiver Sexismus." Das Sexismusproblem wird auf der Gamescom oft kleingeredet Beschimpft wurde Kiel allerdings auch schon, und es gab Hackerangriffe auf ihre Website. Kiel schreibt über Geschlechterverhältnisse und Sex in Spielen. Für manche Gamer ist das Anlass genug, sich danebenzubenehmen. Vor ein paar Jahren veröffentlichte die amerikanische Bloggerin Anita Sarkeesian eine Reihe kluger Videos, in denen sie auf Stereotype in Spielen hinwies. Es folgten Einladungen zu Vorträgen an Universitäten, aber auch eine beispiellose Hasskampagne, Mord- und Vergewaltigungsdrohungen. Bis heute gelten diese Gamergate genannten Pöbler als der radikale, reaktionäre und sexistische Arm der Gamerszene. Auch manche Entwickler wie der Tscheche Daniel Vávra haben Sympathien für die Bewegung ausgedrückt. Felix Falk, Geschäftsführer von Game, dem Verband der deutschen Games-Branche, verkündete dagegen bei der Messeeröffnung in Köln, in Computerspielen "spielen alle friedlich gemeinsam und bilden eine großartige Gemeinschaft". Das Mobbing- und Sexismusproblem an den Bildschirmen wird oft kleingeredet oder ignoriert. Es gibt keine grundsätzliche Ablehnung von Frauen, aber einen zähen strukturellen Sexismus.
https://www.sueddeutsche.de/politik/grossbritannien-may-wahl-1.4251999
mlsum-de-127
Sie würde es zwar "von Herzen lieben", 2022 Tory-Spitzenkandidatin zu sein, respektiere aber die Wünsche ihrer Partei, sagt die britische Premierministerin.
Die britische Premierministerin Theresa May hat bestätigt, dass sie bei der nächsten Wahl nicht mehr antreten will. Kurz nach ihrer Ankunft beim EU-Gipfel in Brüssel erklärte May Reportern gegenüber: "Ich würde es von Herzen lieben, die Konservative Partei in die nächste Parlamentswahl zu führen. Aber ich glaube, es ist richtig, dass die Partei lieber unter neuer Führung in die Wahl gehen würde." Sie respektiere diesen Wunsch. Gerüchte, sie wolle nach dem Brexit zurücktreten, bestätigte sie nicht. Die Premierministerin hat am Mittwochabend ein Misstrauensvotum überstanden. Mays konservative Fraktion im Unterhaus sprach ihr das Vertrauen aus. Dennoch ist die Premierministerin geschwächt, da eine beträchtliche Zahl von 117 konservativen Abgeordneten gegen sie gestimmt hat. In einer Rede vor Abgeordneten ihrer Tory-Partei soll May nach dem Votum bereits ihren Rückzug angekündigt haben: Wenn man sie weitermachen und weiter über den Brexit verhandeln lasse, versicherte sie nach Angaben zahlreicher anwesender Parteifreunde, dann werde sie darauf verzichten, die Partei in die nächsten Wahlen im Jahr 2022 zu führen. May steht seit Monaten innenpolitisch massiv unter Druck und hatte eine für Dienstag geplante Abstimmung über den Brexit-Vertrag im britischen Unterhaus wegen fehlender Mehrheiten verschieben müssen. Denn die Brexit-Hardliner in Mays Konservativer Partei befürchten, dass das Vereinigte Königreich nach dem Austrittsabkommen auf Dauer in der Auffanglösung zu Nordirland verhaftet bleiben könnte. Die EU-Partner lehnen Nachverhandlungen zu dem fertigen Brexit-Abkommen ab, wollen May aber im Ringen um die Zustimmung im Londoner Unterhaus unterstützen. Die EU-Staats- und Regierungschefs kommen am Donnerstag in Brüssel zu ihrem letzten Gipfel in diesem Jahr zusammen. Sie wollen unter anderem über Wege beraten, wie sie durch Klarstellungen in der umstrittenen Nordirland-Frage den Ratifizierungsprozess in Großbritannien aus der Sackgasse holen können. May hat die EU kurz vor Beginn des Gipfels zu einem Entgegenkommen im Streit um die Nordirland-Klausel aufgefordert. Sie benötige "rechtliche und politische Zusicherungen", um die Kritiker im britischen Parlament zu überzeugen, sagte May. "Heute geht es darum, was wir brauchen, um die Vereinbarung zum Ziel zu führen." Einen "unmittelbaren Durchbruch" erwarte sie vom Brüsseler Treffen aber nicht. Zu grundlegenden Änderungen am Abkommen sind die EU-Staaten nicht bereit. Auch der Bundestag hat sich am Donnerstag klar gegen solche Änderungen ausgesprochen. "Es muss allen klar sein, dass das fein ausbalancierte Gesamtpaket nicht wieder aufgeschnürt werden kann", heißt es in einem Antrag, der am Donnerstag mit den Stimmen der Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD beschlossen wurde. Bundeskanzlerin Angela Merkel bekräftigte diese Haltung kurz vor Beginn des Gipfels. "Ich sehe nicht, dass wir dieses Austrittsabkommen noch einmal verändern können", sagte sie am Donnerstag in Brüssel. "Man kann natürlich darüber reden, ob es noch zusätzliche Versicherungen geben soll." Hier würden die anderen EU-Staaten "sehr gemeinsam auftreten".
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/hsh-prozess-bgh-kassiert-freisprueche-fuer-ehemalige-hsh-banker-1.3201967
mlsum-de-128
Vor mehr als zwei Jahren waren der frühere Chef Dirk Nonnenmacher und seine Kollegen vom Verdacht der Untreue freigesprochen worden. Nun wird der Fall neu aufgerollt.
Dieser Mittwoch war ein schlechter Tag für Dirk Nonnenmacher. Der frühere Vorstandschef der HSH Nordbank, 53 Jahre alt, Mathematiker, Ikone der Gelfrisur, musste sich noch einmal mit dem Prozess auseinandersetzen. Seinem Prozess. Vor mehr als zwei Jahren war Nonnenmacher, ebenso wie fünf seiner früheren Kollegen im HSH-Vorstand, vom Vorwurf der Untreue freigesprochen worden. Es war ein langer Weg bis dahin: Nonnenmacher, Spitzname "Dr. No", war in einem quälend langen Prozess in der öffentlichen Wahrnehmung längst zum Paradebeispiel für den verantwortungslosen Gier-Banker geworden. Der Freispruch war für viele Prozessbeobachter eine Überraschung - auch für die Anklage. Und weil die Staatsanwälte diesen Freispruch nicht hinnehmen wollten, beschäftigte sich am Mittwoch der Bundesgerichtshof in Leipzig mit diesem Fall. Und damit auch mit der Frage: Müssen Nonnenmacher und seine Kollegen vielleicht doch noch ins Gefängnis? Die Antwort lautet: Es sieht nicht gut aus für den prominenten Angeklagten und seine Kollegen. Der Bundesgerichtshof hat am späten Mittwochnachmittag alle sechs Freisprüche aufgehoben. Das Urteil sorgt bis heute für Diskussionen Die Banker, unter ihnen auch Nonnenmachers Vorgänger im Amt des HSH-Chefs, Hans Berger, waren angeklagt wegen eines komplizierten Deals, den die HSH im Dezember 2007 abgeschlossen hatte. Das Geschäft mit der Bezeichnung "Omega 55" hatte von Anfang an keinen wirtschaftlichen Nutzen, sondern sollte lediglich die Bilanz der HSH Nordbank besser aussehen lassen. Der gesamte HSH-Vorstand hatte diesem Geschäft damals zugestimmt. Am Ende verursachte "Omega 55" einen Millionenschaden. Es habe eben alles sehr schnell gehen müssen damals, argumentieren die Verteidiger später. Die Staatsanwaltschaft beeindruckte das nicht, sie warf den Angeklagten Untreue vor, zwei Vorstände waren außerdem wegen Bilanzfälschung angeklagt. Ein Jahr dauerte der Prozess. Am Ende sprach das Hamburger Landgericht die Beschuldigten frei. Zwar hätten die Vorstände ihre Pflichten verletzt, hieß es in der Urteilsbegründung, für eine Verurteilung seien diese Verstöße allerdings nicht gravierend genug gewesen. Dieses Urteil sorgt bis heute für Diskussionen, auch unter Juristen. "Der Straftatbestand der Untreue gehört zu den problematischsten im deutschen Recht", sagt etwa Sascha Kuhn, Experte für Wirtschaftsstrafrecht bei der Kanzlei Simmons & Simmons. Grundsätzlich müsse auch für Laien immer nachvollziehbar sein, ob sie sich gerade strafbar machten oder nicht. Beim Vorwurf der Untreue bewege man sich aber oft in einer rechtlichen Grauzone. "Wo hört einfaches Versagen auf, wo fängt Strafbarkeit an, das ist nicht immer eindeutig", sagt Kuhn. Ob Nonnenmacher eine Haftstrafe befürchten muss, ist ungewiss Bislang hätten die Höchstrichter meist zur Voraussetzung gemacht, dass die Verstöße der Beschuldigten schwerwiegend und absichtlich erfolgt sein mussten. Von dieser Interpretation dürften Nonnenmacher und seine Kollegen bei dem ersten Freispruch profitiert haben: "Die Vorstände haben sich nicht selbst bereichert, sondern im vermeintlichen Interesse der Bank gehandelt", sagt Kuhn. Dass der BGH den Freispruch nun aufgehoben hat, könnte die Rechtsprechung in Deutschland "stark beeinflussen", glaubt der Jurist: "Dann steht jeder Vorstand, jeder Geschäftsführer bei einer Fehlentscheidung stärker noch als bisher mit einem Bein im Gefängnis." Ob Nonnenmacher eine Haftstrafe befürchten muss, ist ungewiss. Beim ersten Prozess vor dem Hamburger Landgericht hatten die Ankläger am Ende eine Gefängnisstrafe gefordert, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollte: Ein Jahr und drei Monate lautete die Forderung für Nonnenmacher, dazu 150 000 Euro Geldbuße. Nun aber wird der ganze Prozess noch einmal neu aufgerollt. Auf mehr als 52 Millionen Euro bezifferte die Anklage den Schaden, der durch das Fehlverhalten der Bankvorstände entstanden sei. All das wird nun neu bewertet. Es wird, erneut, ein quälend langer Prozess werden. Viele schlechte Tage für Dr. No.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/agrarhandel-brueckenbauer-aus-bruessel-1.2782077
mlsum-de-129
Die Europäische Union dringt beim Ministertreffen der Welthandelsorganisation auf einen Abbau der Exportförderungen beim Agrarhandel. Und die EU muss in Nairobi zwischen den USA und Indien vermitteln.
Manchmal ist die Wahrheit ziemlich schlicht. Fragt man Cecilia Malmström, ob es nicht doch möglich sei, einen Durchbruch beim globalen Doha-Abkommen zu erreichen, sagt sie: "Es gibt kein inhaltliches oder wirtschaftliches Problem, das uns von einem Deal abhalten könnte." Es gehe rein um Politik, erklärt die EU-Handelskommissarin, eben darum, den Kampf vom Juli 2008 zu wiederholen und zu sehen, wer diesmal die Schuld trägt. Damals, vor sieben Jahren in Genf, scheiterten die Verhandlungen der Doha-Runde. Mal wieder. Malmström und ihr Kommissarskollege Phil Hogan, zuständig für Landwirtschaft, reisen von Brüssel nach Nairobi. Sie vertreten die Interessen der Europäischen Union. Doch bereits vor ihrem Abflug dämpfen sie die Erwartungen. Sie beschreiben die Erfolgsaussichten als sehr unsicher und richten sich mit einem ungewöhnlichen Appell an die Mitglieder der Welthandelsorganisation: "Wir fühlen uns gezwungen, unsere WTO-Partner aufzufordern, im guten Glauben an den Verhandlungstisch zu kommen." Dieser Aufruf an sich hat schon etwas Hilfloses und sagt eigentlich fast alles über die gegenseitigen Vorurteile der WTO-Partner. Inhaltlich dringen die beiden EU-Kommissare vor allem darauf, wettbewerbsverzerrende Exportförderungen im Agrarhandel abzuschaffen. Zusammen mit Brasilien, Argentinien, Neuseeland, Paraguay, Peru und Uruguay hat die Europäische Union einen Vorschlag gemacht, wie Agrarsubventionen und andere Förderungen bekämpft werden könnten. Seien es nun Zuschüsse, Kredite oder staatliche Nahrungsmittelhilfen. Die EU selbst ist dazu bereit, ihr Recht auf Exportsubventionen aufzugeben - allerdings nur, wenn andere ebenso handeln, um staatliche Eingriffe bei Ausfuhren zu stoppen. Dieses Ziel mag kleinteilig anmuten - und das ist es auch. Denn im Mittelpunkt der Verhandlungen steht ja nicht mehr die Frage, welche Teilabkommen zur weiteren Handelsliberalisierung doch noch verabschiedet werden könnten, sondern die Frage, ob und wie die Doha-Runde fortgesetzt werden kann. Die EU sträubt sich dagegen, Doha für gescheitert oder gar für beendet zu erklären. Die Europäer wollen vielmehr den Rahmen der Verhandlungen erweitern. Es soll künftig auch um Bereiche wie den digitalen Handel oder Investitionen gehen. Im Grunde wird die EU erneut die Rolle des Brückenbauers spielen müssen. Die Europäer werden weiter versuchen, zwischen den extremen Positionen der USA und etwa Indiens zu vermitteln. Denn in Brüssel wollen sie im Grundsatz das Gleiche wie in Washington: Dass Schwellenländer wie Indien, China und Brasilien künftig mehr Konzessionen machen als die übrigen Entwicklungsländer. Die EU lehnt allerdings das radikale Vorgehen der USA ab. Anstatt die Schwellenländer schriftlich zu zwingen, sollen diese auf informellem Wege immer stärker eingebunden werden. Diese Taktik habe bereits mit China schon ganz gut funktioniert, heißt es in Brüssel.
https://www.sueddeutsche.de/politik/italien-das-boese-als-souvenir-1.3665184
mlsum-de-130
Weine, Shirts, Mussolini-Büsten: In Italien floriert das Geschäft mit dem Andenken an den Diktator. Jetzt soll ein Gesetz die Verherrlichung des Faschismus unter Strafe stellen. Doch es hat viele Gegner.
Ein Schaufenster im italienischen Predappio, dem Geburtsort des Diktators Benito Mussolini: Köpfe des "Duce" und andere faschistische Symbole kann man hier erstehen. Die regierenden Sozialdemokraten wollen solche Geschäfte unter Strafe stellen. In Italien kann es einem ständig passieren, dass man dem "Duce" begegnet, dem Faschistenführer Benito Mussolini. Nicht leibhaftig natürlich, aber doch recht lebendig. Man braucht dafür nicht in ein Museum zu gehen. Sein rundes Gesicht mit dem kantigen Kinn schaut grimmig von Kalendern, die an jedem Zeitungsstand hängen, nicht selten neben solchen mit Bildern des Papstes. Manche Supermärkte an der Adria führen in ihren Regalen Weine mit Etiketten, auf denen Mussolini abgebildet ist. Oder Hitler. Oder Stalin. Das mag die Touristen aus dem Ausland verwundern, die Italiener aber wundern sich nicht mehr. Der Produzent dieser "nostalgischen Weine" verkauft seine trüben Tropfen vor allem online - und das mit Erfolg, wie er immer wieder versichert. In Predappio, der Geburtsstadt des Duce, gibt es gleich mehrere Souvenirläden, die alles bieten, was die Wallfahrer begehren: Büsten, Bildchen, Anhänger, Hemden und T-Shirts mit deftigen Sprüchen, Fahnen mit Kreuzen aus einer anderen Zeit, Fläschchen mit Rizinusöl, das damals, während der zwanzigjährigen Herrschaft der Faschisten, den Regimegegnern zur Folter in hoher Dosis verabreicht wurde. Sie würden eigentlich schon lange verboten gehören, diese Geschäfte. Sie wirken wie Kultstätten, wie schmuddelige Schreine, in denen das Böse offen kommerzialisiert und verherrlicht wird. Italiens Abgeordnetenkammer hat nun in erster Lesung ein Gesetz verabschiedet, das zum ersten Mal mit klarer Sprache faschistische Symbole und Gesten strafrechtlich verbietet. Das Gesetz sieht Haftstrafen von bis zu zwei Jahren vor Kommt der Artikel auch durch den Senat, dann müssen Leute mit Haftstrafen von sechs Monaten bis zwei Jahren rechnen, die in der Öffentlichkeit faschistisch grüßen, wie das bei Kundgebungen und in den Kurven der Fußballstadien dann und wann vorkommt, und solche, die Devotionalien mit einschlägigen Motiven produzieren, vermarkten oder verkaufen. Für den Fall, dass sie ihre faschistische Propaganda auch in den Medien oder im Netz verbreiten, könnte der Richter den Freiheitsentzug noch um ein Drittel erhöhen. Das Gesetz trägt den Namen von Emanuele Fiano, einem Abgeordneten des sozialdemokratischen Partito Democratico. Für ihn war die Arbeit an dem Gesetz mehr als nur Parlamentsgeschäft: Sein Vater hatte als einziges Mitglied der Familie das KZ von Auschwitz überlebt. Doch es ist nicht sicher, ob die "Legge Fiano" den Senat auch passieren wird. Es liegen dort nämlich gerade 63 Gesetze, über die noch vor dem Ende der laufenden Legislaturperiode beschieden werden soll - vor kommendem Januar also. Knapp könnte es aber auch werden, weil die Stimmen im Senat, wo die Linke nur auf eine sehr schmale Mehrheit zählen kann, vielleicht am Ende gar nicht ausreichen werden. Im Abgeordnetenhaus hatten nicht nur die Postfaschisten von Fratelli d' Italia dagegen gestimmt, von denen man nichts anderes erwartet hatte: In ihrem Parteilogo züngelt eine trikolore Flamme auf einem symbolischen Sarg - Mussolinis Sarg. Das Gesetz wolle das Denken verbieten, tobt ein Abgeordneter - und hebt den Arm Dagegen waren auch die bürgerliche Forza Italia, die fremdenfeindliche Lega Nord und selbst die Protestbewegung Cinque Stelle. Argumentiert wurde unterschiedlich, im Nein waren sich die Gegner aber einig. Manche finden, die Legge Fiano sei unnötig, weil sie sich inhaltlich überlappe mit älteren Gesetzen. Andere sehen im neuen Gesetz eine Einschränkung der freien Meinungsäußerung. Alessandra Mussolini, die Enkelin des Duce, Mitglied von Silvio Berlusconis Forza Italia, mochte sich nicht lange aufhalten mit der Wahl passender Worte: Sie nannte das Gesetz "einen Haufen Scheiße". Für einen denkwürdigen Moment sorgte auch der Auftritt von Ignazio La Russa von den Fratelli d' Italia. Es sei doch unerhört, sagte der frühere Verteidigungsminister, dass "dieses politische Regime" (gemeint war die sozialdemokratische Regierung Italiens) nicht nur das Denken verbieten wolle, sondern auch das Gestikulieren. Und so stand La Russa mitten in der Parlamentsaula und simulierte den "Saluto romano", den faschistischen Gruß mit ausgestrecktem, rechtem Arm - zur Veranschaulichung dessen, was wirklich keiner Veranschaulichung bedurft hätte. Man werde wohl bald auch das Kinn nicht mehr anheben dürfen, weil das an "dieses Monster eines Benito Mussolini" erinnern könnte, rief er zum Schluss, und seine Stimme zitterte dabei dramatisch vor historischer Ergriffenheit: "Schämt euch!" Mit Denkmälern aus der Zeit des Faschismus befasst sich das neue Gesetz nicht, obschon das eine oder andere es durchaus verdient hätte. Vor dem Olympiastadion in Rom zum Beispiel steht bis heute ein Obelisk mit der Inschrift: "MVSSOLINI DVX" - so, in Versalschrift und mit dem lateinischen V für ein U. Da verklärte sich der Duce im Stil der Kaiser des antiken Rom. Mit einer Steinfräse ließe sich die Inschrift leicht entfernen. Ohne Drama und Tremolo der Nostalgiker ginge das aber wohl kaum vonstatten. Gut möglich, dass sich Mussolinis Enkelin an den Obelisken ketten würde, um der Fräse zu wehren.
https://www.sueddeutsche.de/sport/sc-paderborn-der-seltsame-vorfall-im-paderborner-trainingslager-1.2833570
mlsum-de-131
Nick Proschwitz, Stürmer des SC Paderborn, soll eine Frau sexuell belästigt haben. Die widerspricht: Stimmt alles gar nicht. Der Stürmer muss trotzdem gehen.
Was ist denn nun passiert? Hat er, oder hat er nicht? Hat Nick Proschwitz, Spieler des Fußball-Zweitligisten SC Paderborn, im Trainingslager sein Geschlechtsteil gezeigt und eine Frau sexuell belästigt? Am Sonntag hieß es: Hat er. An diesem Montag sagt die Frau, um die es geht: Stimmt nicht. Trotzdem trifft sich der Fußballklub zu Krisengesprächen. Am Montagabend gab der Verein dann bekannt: Nick Proschwitz wird suspendiert. Stefan Effenberg bleibt Trainer. "Mir ist völlig egal, wie tief die Hose hing. Als Spieler des SC Paderborn, als Gast in einem muslimisch geprägten Land, ist dafür einfach kein Platz. Ich verurteile und verabscheue dieses Verhalten", sagte Paderborns Präsident Wilfried Finke. "Der Spieler Nick Proschwitz wird das Trikot des SC Paderborn nicht wieder überstreifen." Dies sei, so Finke, das Ergebnis seiner intensiven Recherche zu den Vorfällen im Trainingslager des SCP. Was war passiert? Am Sonntag berichteten die beiden Zeitungen Neue Westfälische und Westfalenblatt von dem Vorfall. In einer Hotelbar im türkischen Belek soll sich Proschwitz vor einer Frau entblößt haben, die als Mitarbeiterin einer Agentur das Trainingslager des SC Paderborn mitorganisierte. Sie meldete sich an diesem Montag bei der Nachrichtenagentur dpa und dementierte, dass sie sexuell belästigt worden sei: "Als ich gestern Morgen aufstand, wusste ich nicht, dass ich in der Nacht zum Samstag angeblich sexuell belästigt worden bin. Ich erfuhr es erst aus der Zeitung", sagte die Frau. "Sexuell belästigt worden, das sei hier noch einmal definitiv gesagt, bin ich zu keinem Zeitpunkt. Belästigt hat mich erst die falsche Berichterstattung", zitiert die Agentur die Frau. "Davon, dass ein Paderborner Spieler eintrat, in zwei Metern Abstand an seiner Hose zog und sofort wieder ging, nahmen wir kaum Notiz." Weitere Disziplinlosigkeiten im Hotel Zeugen der Szene an der Bar widersprechen dieser Darstellung: Proschwitz soll vor der Frau seine Hose herunter gezogen haben und sie etwa 20 Sekunden lang unten gelassen haben. Die Frau habe daraufhin nicht sichtbar reagiert, sie sei jedenfalls nicht aufgesprungen oder habe geschrien. Allerdings soll es über diesen Vorfall hinaus mehrere Disziplinlosigkeiten im Hotel gegeben haben. Blumenkübel seien in den Hotelpool geflogen, einige Spieler sollen offenbar stark alkoholisiert gewesen sein. Laut der Zeitung Neue Westfälische soll es zwischen der Agentur, dem SC Paderborn und Hotelmanagement nach der Nacht ein Krisengespräch gegeben haben. Dabei habe man sich geeinigt, außer dem Vorfall mit den Blumenkübeln sei nichts weiter geschehen. Paderborn steht nach 19 Spieltagen auf dem 16. Tabellenplatz. Der Bundesligist der vergangenen Saison ist akut abstiegsgefährdet. Anfang Oktober übernahm Stefan Effenberg den Klub. Es ist die erste Trainerstation des Ex-Nationalspielers.
https://www.sueddeutsche.de/geld/deutschland-ausgebucht-1.2669873
mlsum-de-132
Die Hotels hierzulande sind gut ausgelastet und bringen stabile Erträge. Kein Wunder, dass sie bei Investoren so beliebt sind.
HSV-Förderer und Milliardär Klaus-Michael Kühne hat im Sommer 2016 Großes vor. Dann eröffnet er an der Hamburger Binnenalster das Hotel "The Fontenay", das er zum "besten Hotel Deutschlands" machen will. Ob ihm das gelingt, wird sich zeigen - um die Auslastung jedenfalls wird er sich wenig Sorgen machen müssen. Wenig Auslastungsprobleme dürften auch zwei weitere Luxushotels haben, die in den nächsten zwei Jahren eröffnen werden, das Westin im Gebäude der Elbphilharmonie und das Suitehotel der Frasers Group in der denkmalgeschützten Alten Oberpostdirektion. Denn Hamburger Hotels sind bestens gebucht. Wer hier spontan das Wochenende verbringen will, hat häufig schlechte Karten. Der Tourismusverband beklagt, dass es in Hamburg zu wenig Fünf-Sterne-Häuser gibt Wenn das Wetter gut ist und ein "Event" stattfindet, müssen Touristen sogar nach Lüneburg oder Kiel ausweichen, klagt die Hamburg Tourismus GmbH. Die Auslastung liegt bei 79 Prozent, das ist bundesweit Platz eins, obwohl die Konkurrenz mit 315 Hotels und fast 50 000 Betten groß ist. Immer wieder moniert der Tourismusverband, dass es zu wenig Fünfsternehotels in Hamburg gebe. Sie geben der Stadt Glanz, bringen den Kongressstandort voran und fördern den Ausbau neuer Flugverbindungen, heißt es bei den Experten. Für das erste Halbjahr 2015 meldete Hamburgs Tourismus neue Rekordzahlen. 5,5 Millionen Übernachtungen hat es gegeben, ein Plus von 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 2014 wurden zwölf Millionen Übernachtungen gezählt. Um die Unterbringung der Touristen muss man sich wenig Sorgen machen: In den kommenden zwei Jahren sollen in der Stadt über 25 neue Hotels mit 6300 Betten in allen Kategorien eröffnen, vom Hotel über dem Discounter Lidl in der Ladenzeile bis zum Luxushotel. Allein die HafenCity bekommt fünf neue Häuser. Detailansicht öffnen Anziehungspunkt für Touristen: die kleine Alster in der Hamburger Innenstadt. Die Hotels dort werden gut gebucht. (Foto: imago stock&people) Die Stadt brauche aber keine Angst vor einem Hotel-Überangebot zu haben, sagt Tourismus-Chef Dietrich von Albedyll. Bisher wurden die zusätzlichen Kapazitäten gut aufgenommen. Dabei werden die Hotelkonzepte immer differenzierter und origineller, das Markenspektrum- vor allem in der günstigen Kategorie - immer breiter. "Für jeden Bedarf gibt es inzwischen ein Angebot", meint auch Ursula Kriegl, Hotelspezialistin des Immobilienunternehmens JLL. Auch andere Städte ziehen immer mehr Gäste an. Deutschlandweit haben Hotels und andere große Beherbergungsbetriebe im vergangenen Jahr den fünften Übernachtungsrekord in Folge erzielt. Für dieses Jahr gehen die Statistiker von 424 Millionen Übernachtungen aus. Knapp jeder fünfte Gast kam aus dem Ausland. Ihre Zahl wuchs mit einem Plus von fünf Prozent schneller als die der inländischen Besucher. "Deutschland ist in die Top-Liga internationaler Ziele aufgestiegen", sagt die Chefin der Deutschen Tourismuszentrale (DZT), Petra Hedorfer. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern biete Deutschland in allen Preisklassen ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis, ergänzt Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). Das ist also der Grund, weshalb für neue Hotelprojekte so viel Geld wie nie zuvor bereitsteht. 389 Hotels seien derzeit in Deutschland im Bau, schreibt der Informationsdienstleister Tophotelprojects. Dabei entstehen 80 Prozent der neuen Flächen in Frankfurt, Berlin und München, wie eine Recherche der Hochtief Projektentwicklung ergab. Am Transaktionsmarkt herrscht bereits ein Hype. Nach einem starken Jahresstart haben Investoren im zweiten Quartal 890 Millionen Euro in Hotelimmobilien fließen lassen, wie den Marktberichten von JLL und CBRE zu entnehmen ist. Mit 44 Transaktionen und 1,48 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2015 ist ein Plus von zehn Prozent gegenüber dem Ergebnis des Vorjahres zu verzeichnen. Zu den größten Einzeltransaktionen - sie machten 69 Prozent des investierten Kapitals aus - gehörten der Verkauf des Sofitel-Hotels Alter Wall im Zentrum von Hamburg und der Verkauf des Hotels Le Méridien am Hauptbahnhof in Frankfurt, die von unterschiedlichen Verkäufern an die Projektentwicklungs- und Investmentgesellschaft Art-Invest aus Köln gingen. Detailansicht öffnen Die größte Transaktion war aber der Verkauf eines Portfolios im Rahmen eines Sale-and-Franchise-Back-Deals von 29 Hotels (davon 18 in Deutschland) mit mehr als 5500 Zimmern zu einem Preis von 209 Millionen Euro an die Event Gruppe, die auch Betreiber der Immobilien sein wird. 27 dieser 29 Hotels stammen aus dem ehemaligen Moor-Park-Portfolio, das Accor erst im vergangenen Jahr erworben hatte. Event ist einer der größten Franchisenehmer von Accor in Deutschland. Bei dem zweitgrößten Deal handelt es sich um den Verkauf eines 22 Hotels umfassenden B&B Hotel Portfolios für rund 128 Millionen Euro von der US-amerikanischen Carlyle Gruppe an Foncière des Murs aus Frankreich. Die Chinesen beobachten intensiv den hiesigen Markt, stellen Experten fest Etwa 53 Prozent des investierten Kapitals flossen in die fünf größten deutschen Städte, vor allem nach Hamburg und München. Knapp 60 Prozent des Investmentvolumens fielen auf Vier- bis Fünfsternehotels. "Neben A-Standorten besteht auch eine starke Nachfrage nach B- sowie C-Standorten", heißt es im Hotelreport von CBRE. Wieder waren internationale Investoren, hauptsächlich aus Frankreich, Großbritannien und den USA, für über 80 Prozent des Volumens oder 1,2 Milliarden Euro verantwortlich. Auch die Chinesen beobachten nach Meinung von CBRE intensiv den deutschen Markt, nachdem die Restriktionen für Auslandsinvestitionen gelockert wurden. In New York hatte beispielsweise ein chinesischer Versicherungskonzern das Waldorf Astoria für 1,95 Milliarden US-Dollar gekauft, die größte Einzeltransaktion eines Hotels in den USA. Die wichtigsten Käufergruppen waren neben Hotelbetreibern insbesondere Fondsgesellschaften und Immobilien-Aktiengesellschaften/Reits. Auf Verkäuferseite waren die Akteure hauptsächlich Projektentwickler, Hotelgesellschaften sowie Fonds. "Die rasante Fahrt geht weiter", beschreibt Ursula Kriegl das Investitionsklima für Hotels, "obwohl wir uns bereits auf einem extrem hohen Niveau bewegen". Immer mehr Investoren beschäftigten sich mit Hotels, stellen Experten ein oder kauften sich Expertise hinzu, Hotels fänden sich in vielen Portfolios institutioneller Anleger als eigene Asset-Klasse oder als Ergänzung zum Bestand aus Büro und Einzelhandel. "Hotels sind weniger volatil und sichern stabile Erträge", nennt Ursula Kriegl die wichtigsten Kaufmotive. Die Rendite liege 50 bis 100 Basispunkte über vergleichbaren Bürorenditen, im Budget-Bereich ließen sich in Sekundärmärkten Renditen zwischen sieben und acht Prozent erwirtschaften, in Top-Lagen deutscher Großstädte und bei bonitätsstarken Betreibern auch unter fünf Prozent. Der Appetit auf Hotels dürfte weiter anhalten, so die einhellige Meinung. "Die positiven wirtschaftlichen Rahmendaten mit dem niedrigen Zinsumfeld, die hohe Liquidität, die hohen Steigerungsraten im Tourismus sowie die Suche von Investoren nach einer Anlageklasse, die vergleichsweise hohe Renditen verspricht, sorgen dafür, dass die Nachfrage nach Hotels weiter ansteigt", sehen die Analysten von CBRE voraus. Auch die beiden Immobilienunternehmen, die weitere Marktstudien vorgelegt haben, gehen für das Gesamtjahr 2015 von einem "zweitbesten Jahresergebnis aller Zeiten, deutlich jenseits der zwei Milliarden-Euro-Schwelle" aus (BNP Paribas Real Estate) oder sagen sogar eine "Überschreitung der Drei-Milliarden-Euro-Marke" (Colliers International Hotel) vorher. Die Renditen gerieten aber weiter unter Druck.
https://www.sueddeutsche.de/sport/premier-league-leicester-ist-noch-nicht-englischer-meister-1.2976004
mlsum-de-133
Ein 1:1 bei Manchester United reicht Leicester City nicht, um vorzeitig den Titel zu holen. Robert Huth sorgt für eine unschöne Szene.
Der Moment, in dem das Wunder vertagt wurde, begann mit einem Griff von Danny Drinkwater. Sein linker Arm schnellte nach vorne an die Schulter von Memphis Depay, nicht schlimm, aber der Niederländer spürte die Berührung und fiel zu Boden. Drinkwater schaute unschuldig, der Nieselregen von Manchester tropfte von seinem Gesicht, als ihm Schiedsrichter Michael Oliver die gelb-rote Karte zeigte. Leicester City hatte dabei Glück: Es gab nur Freistoß, es hätte auch Elfmeter für Manchester United geben können, vermutlich war das Foul knapp innerhalb des Strafraums. Leicesters Torhüter Kasper Schmeichel hielt dann noch seine Fäuste in zwei Schüsse, warf sich einmal mutig in einen langen Pass und hätte sich dabei fast auch noch Rot abgeholt. Dann war Schluss, es blieb beim 1:1. Und Leicester City ist nicht englischer Meister. Noch nicht. Nächste Woche am Samstag hat der vielleicht größte Außenseiter der Geschichte noch eine Chance. Dann im Heimspiel gegen Everton. Die Briten lieben ja Wetten, man kann auf der Insel auf alles setzen und daher diskutierte die BBC vor dem Spiel die Quote auf eine Meisterschaft von Leicester vor der Saison: Sie lag bei 5000:1. Die gleiche Quote bekommt man übrigens, wenn man auf Nordirland als Weltmeister 2018 setzt oder darauf, dass Justin Bieber irgendwann mal Präsident der USA wird (man kann wirklich auf alles wetten). Nächstes Jahr steht die Quote für einen Abstieg von Leicester trotz allem noch schlechter als auf eine erneute Meisterschaft. Jamie Vardy fehlt Leicester Jamie Vardy fehlte im Spiel bei Manchester United, der Top-Torjäger saß eine Sperre ab, weil er gegen West Ham erst umstrittenerweise mit Gelb-Rot vom Platz flog und dann den Schiedsrichter arg beschimpfte. Leonardo Ulloa ersetzte ihn, der Argentinier ist aber ungleich langsamer als Vardy. Bei United fehlte Bastian Schweinsteiger immer noch, ob er vor der Europameisterschaft nochmal fit wird, ist fraglich. Und Manchester spielte den Tabellenführer zunächst an die Wand. Jeder Pass und jeder Zweikampf der Truppe von Trainer Louis van Gaal sagte: "In unserem Stadion, im Heim des englischen Rekordmeister, im Theatre of Dreams, da holt ihr nicht den Pokal." In der achten Minute war es dann Christian Fuchs, der als Linksverteidiger in der Leicester-Abwehr plötzlich alleine gegen Adolfo Valencia stand und sich allzu leicht auswackeln ließ. Die Flanke von Valencia traf auf einen völlig alleingelassenen Anthony Martial, der locker zur Führung einschoss. Fünf Minuten Später musste Kasper Schmeichel mit einem Reflex gegen einen Schuss von Jesse Lingard das 2:0 verhindern. Aber Leicester ist Leicester. In der 17. Minute schoss Danny Drinkwater einen Freistoß und im Getümmel tankte sich Wes Morgan mit seinen 93 Kilogramm im Strafraum durch die Spielertraube wie ein Rugbyspieler durch die letzte Verteidigungslinie. Morgan blieb dabei fair und wuchtete den Ball mit seinem Schädel über die Linie. 1:1 - alles wieder drin.
https://www.sueddeutsche.de/politik/tuerkei-erdogan-wenn-ich-will-komme-ich-nach-deutschland-1.3406150
mlsum-de-134
Der türkische Präsident zeigt sich entschlossen, gegebenenfalls bei den Türken in Deutschland für sein Präsidialsystem zu werben. Deutschen Behörden unterstellt er "Nazi-Praktiken".
Im Streit über Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland hat sich Präsident Recep Tayyip Erdoğan entschlossen gezeigt, gegebenenfalls hierzulande aufzutreten. "Wenn ich will, komme ich nach Deutschland", sagte Erdoğan am Sonntagabend bei einer Veranstaltung in Istanbul. Bislang ist nicht bekannt, ob der Staatschef in Deutschland für das geplante Präsidialsystem werben will. Mitte April entscheiden die Türken in einem Referendum über den künftigen Machtzuschnitt des Präsidenten. Mehrere Auftritte von türkischen Ministern waren in den vergangenen Tagen abgesagt worden. "Wenn Ihr mich an der Tür stoppt und mich nicht sprechen lasst, werde ich die Welt aufmischen", sagte Erdoğan bei seinem Auftritt. Der Präsident äußerte sich erneut zum Fall des inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel. Dieser sei ein "Terrorist". Von deutscher Seite wurden Forderungen laut, er müsse sich dafür entschuldigen. Forderungen nach einem "Redeverbot" für türkische Minister wies aber etwa Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) zurück. Er sei nicht generell gegen Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland. "Wer bei uns reden will, muss uns nicht nach dem Mund reden, aber er muss unsere Regeln respektieren", schrieb Gabriel in einem Gastbeitrag für die Bild am Sonntag. Die Spannungen zwischen Berlin und Ankara haben über das Wochenende weiter zugenommen. Erdoğan unterstellte deutschen Behörden "Nazi-Praktiken", weil diese Wahlkampfauftritte seiner Minister in Deutschland unterbunden hatten. Er habe gedacht, diese Zeit sei in Deutschland längst vorbei, doch "wir haben uns geirrt". Deutschland habe "in keinster Weise ein Verhältnis zur Demokratie", sagte Erdoğan bei seinem Auftritt vor einer regierungsnahen Frauenorganisation. Die baden-württembergische Stadt Gaggenau hatte eine Kundgebung des türkischen Justizministers Bekir Bozdağ mit Hinweis auf mangelnde Parkgelegenheiten abgesagt. Dem türkischen Wirtschaftsminister Nihat Zeybekçi hatte die Stadt Köln zunächst eine Absage für den Rathaussaal erteilt. Auch im nahegelegenen Frechen durfte er nicht auftreten. Zeybekçi will jedoch am Sonntagabend in einem Hotel in der Kölner Innenstadt sprechen. Bundesjustizminister Heiko Maas hatte Bozdağ in einem Brief seine Besorgnis über einen drohenden "Abbau des Rechtsstaats" in der Türkei mitgeteilt. Er sei in "großer Sorge um die deutsch-türkische Freundschaft", hieß es in dem Schreiben.
https://www.sueddeutsche.de/sport/schach-amis-statt-aliens-1.2844336
mlsum-de-135
Der internationale Schach-Präsident Kirsan Iljumschinow darf deswegen nicht in die USA einreisen. Aber ausgerechnet dort ist die kommende WM geplant.
Es ist noch nicht lange her, da fühlte sich Kirsan Iljumschinow zu neuen Aufgaben in der Sportwelt berufen. Im Herbst hieß es, der langjährige Präsident der internationalen Schach-Föderation (Fide) erwäge allen Ernstes eine Kandidatur fürs Chefamt im Fußball-Weltverband (Fifa). Daraus wurde nichts - jetzt ist sogar ungewiss, ob der so skurrile wie reiche Geschäftsmann aus Kalmückien/Russland sein bisheriges Amt behalten kann. Und ähnlich wie bei den aktuellen Vorgängen in der Fifa hat auch das viel mit der Arbeit amerikanischer Behörden zu tun. Iljumschinow, 53, ist ein besonders schlecht beleumundeter Sportführer. Er selbst beteuert, seit seiner Amtsübernahme 1995 viele Millionen ins Schach gesteckt zu haben, seine Kritiker klagen über Intransparenz und finanzielle Unregelmäßigkeiten. Oft kam es zu Eklats, wenn sich Iljumschinow zu Partien mit Diktatoren wie Libyens Muammar al-Gaddafi ans Brett setzte. Und in der Funktionärswelt einmalig ist wohl seine Geschichte, früher von Außerirdischen entführt worden zu sein. Die internationale Schach-Familie wählte Iljumschinow trotz aller Kapriolen immer wieder zum Chef - zuletzt 2014 nach einem schmutzigen Wahlkampf gegen Ex-Weltmeister Garry Kasparow. Iljumschinow darf nicht mehr in die USA einreisen Doch Ende des vergangenen Jahres kamen statt den Aliens die Amerikaner. Seitdem steht Iljumschinows Name auf der Sanktionsliste des amerikanischen Finanzministeriums. Er soll mit seinen Geschäften nicht nur Syriens Regime, sondern auch die Terrororganisation IS unterstützt haben. Iljumschinow bestreitet das - und will die Amerikaner auf 20 Milliarden Dollar verklagen. Aber fürs Erste darf er weder mit US-Bürgern Geschäfte machen noch auf amerikanische Konten zugreifen noch in die USA einreisen. Und diese Sanktionen sind in diesen Tagen für einen führenden Schach-Funktionär besonders ungünstig. Denn es ist schon seit geraumer Zeit fest abgemacht, dass der nächste WM-Kampf Ende 2016 in den Vereinigten Staaten stattfindet; Mitte Februar soll der exakte Austragungsort klar sein. Nicht zuletzt Weltmeister Magnus Carlsen gilt als Befürworter dieses Plans. Fabiano Caruana, der das Spitzenturnier in Wijk aan Zee am Wochenende hinter Carlsen als Zweiter abschloss und beim Kandidatenturnier in der zweiten März-Hälfte als Favorit gilt, wechselte zuletzt aus dem italienischen Verband zurück in den amerikanischen. Der Präsident kündigt an, sein Amt ruhen zu lassen In jedem Fall ist es kaum vorstellbar, einen Verbandspräsidenten zu haben, der nicht ins WM-Land einreisen kann. Vor dieser Lage debattiert die Schachszene nun über die Konsequenzen. Bei der letzten Vorstandssitzung kündigte Iljumschinow an, sein Amt ruhen zu lassen. Ende März kommt das Gremium erneut zusammen. Dass Iljumschinow bis dahin seinen Konflikt mit den amerikanischen Behörden beendet hat, ist nahezu unmöglich. Selbst langjährige Vertraute sinnieren über negative Folgen der Sanktionen ihres Chefs für etwaige Sponsoren. Es hält sich das Gerücht, dass Iljumschinow im Hintergrund daran arbeitet, das Turnier den USA zu entziehen; aber das gilt als schwierig. In jedem Fall müsste selbst ein Rückzug von der Spitze nicht bedeuten, dass der reiche Kalmücke all seinen Einfluss verliert - und sich seine langjährigen Kritiker freuen dürfen. Als eine Möglichkeit gilt, dass der Grieche Giorgios Makropoulos dauerhaft übernimmt: Der ist derzeit Fide-Vize und seit Jahren einer der engsten Vertrauten Iljumschinows.
https://www.sueddeutsche.de/auto/autonomes-fahren-selbstfahrender-audi-a7-wie-ein-uebervorsichtiger-fahrschueler-1.2990171
mlsum-de-136
Nervöses Pendeln, langes Zögern und kurzsichtige Sensoren: Eine Testrunde im autonomen Prototypen zeigt, wie viel Arbeit Audi noch vor sich hat.
Zukunft, die schon heute fährt: Auf der A 9 ist Audi mit Forschungsautos für das pilotierte Fahren unterwegs. "Jack" wird der Audi A7 genannt, der dort selbstständig Gas geben, lenken, bremsen und die Umwelt erkennen kann. Vor dem Überholen setzt der Roboter zum Beispiel nicht nur den Blinker, sondern drängt auch leicht zur linken Fahrbahnmarkierung: "Jack" benimmt sich also wie ein menschlicher Fahrer, der den anderen signalisieren will, was er als nächstes vorhat. Das soll Vertrauen schaffen - auch bei den Passagieren an Bord: Wer Leib und Leben einer Maschine anvertraut, will sich schließlich sicher fühlen. Doch wirklich entspannen kann der Autor dieser Zeilen während der einstündigen Testfahrt auf der A9 nicht - obwohl oder gerade weil er schon in einigen autonomen Prototypen unterwegs war. Übervorsichtig und trotzdem nicht gerade vertrauensbildend Statt wie ein versierter Chauffeur benimmt sich "Jack" mit seinem Kofferraum voller Computer wie ein übervorsichtiger Fahrschüler. Zum Beispiel indem er Lkws in großem Bogen umfährt. Irritierend ist auch das nervöse Pendeln in der Fahrspur und erst Recht das Fahren auf den Linien zur Spurbegrenzung. Da verhält sich der Wagen so, wie man es von einem Fahrer mit dem Handy in der Hand kennt. Ein altbekanntes Problem ist auch das lange Zögern, bis die Maschine eine Lücke zum Überholen findet. Nichts gegen die defensive Fahrweise und das Vermeiden von zackigen Lenkmanövern. Doch genauso unkomfortabel ist "Jacks" häufiges Bremsen vor Hindernissen. Oder er wird auf der linken Spur selbst zum Ärgernis, weil er sich stur an die Autobahnrichtgeschwindigkeit hält. Das mag im gleichmäßigen Fahrzeugfluss auf US-Highways passen. Auf deutschen Autobahnen wirkt es nicht gerade vertrauensbildend - weder bei anderen Fahrern noch beim Tester, der seinen Blick nicht von den Rückspiegeln loseisen kann. Kurzsichtige Sensoren Die Entwickler nennen viele Gründe für die schwammige Spurführung: Spurrillen und geneigte Fahrbahnen machen dem Testwagen ebenso zu schaffen wie die beschränkten Sichtweiten heutiger Sensoren. Halbwegs erschwingliche, autotaugliche Lidar-Scanner können Objekte zwar in Sekundenbruchteilen erkennen und den Abstand messen. Noch schauen sie aber weniger als hundert Meter weit. Angesichts des hohen Tempos auf deutschen Autobahnen kommen die optischen Systeme also schnell an ihre Grenzen. Audi will im kommenden A8 ab Ende des nächsten Jahres erstmalig einen Lidar-Scanner im Automobil anbieten. Mit einem optionalen "Autopiloten" kann das Flaggschiff die Fahraufgabe im Stop-and-go-Verkehr auf der Autobahn bis 60 km/h komplett übernehmen. Der Fahrer darf währenddessen Fernsehen schauen oder E-Mails beantworten. Sobald der Wagen menschliche Hilfe braucht, meldet er sich per Gong und Warnleuchte. Binnen zehn Sekunden muss der Fahrer dann wieder die Kontrolle übernehmen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nahaufnahme-ratenfrau-1.2916730
mlsum-de-137
RatePay-Gründerin Miriam Wohlfarth mischt die Fintech-Szene auf, bei Kongressen ist sie oft die einzige Frau. Ihre Bezahlung auf Raten gehört inzwischen zur Otto Group.
Träume verblassen mit der Zeit. Oft werden sie von der Vernunft wegrationalisiert, noch häufiger schlicht und einfach vom Alltag aufgefressen. Letzteres geschah auch mit dem Traum von Miriam Wohlfarth: Einmal ein eigenes Unternehmen gründen und selbständig sein, das wollte sie zwar schon immer; doch dann fand sie einen tollen Job, wurde schwanger - und lehnte immer wieder dankend ab, wenn sie von Kollegen gefragt wurde, ob sie nicht bei einem neuen Start-up mitmachen wolle. So ganz verblasste ihr Traum aber doch nie, und mit 39 Jahren wurde ihr bewusst, dass jetzt vielleicht die letzte Chance sei, noch einmal etwas ganz Neues anzufangen. Gleichzeitig war ihr aufgefallen, dass Ratenzahlungen im Internet immer beliebter zu werden schienen, die bestehenden Systeme der Banken aber eine "Vollkatastrophe" waren, wie sie sagt. Studien zeigten zudem, dass die angebotenen Zahlungsarten in einem Online-Shop signifikanten Einfluss auf die Kaufentscheidung, also die Konversionsrate, und damit auf den Erfolg eines Shops haben. Je mehr Bezahlmöglichkeiten, desto mehr Umsatz. Also gründete sie RatePay: Einen Anbieter für Ratenzahlungen im Internethandel. Aber ihr Timing hätte nicht schlechter sein können: Gerade war Lehman Brothers pleite gegangen, die Finanzkrise damit auf einen Schlag zu einem globalen Problem geworden und niemand hatte mehr Geld übrig, um es um es in ein beliebiges Fintech zu stecken. Abgesehen davon, dass das Wort "Fintech" in Deutschland im Jahr 2008 noch gar nicht existierte. Aber Wohlfarth war es gewohnt, Dinge zu verkaufen, hatte fast 15 Jahre lang Erfahrung im Vertrieb gesammelt, unter anderem bei Hapag-Lloyd und dem Payment Service Provider Ogone. Nur hatte sie dieses Mal kein Produkt, das sie an den Mann und die Frau bringen konnte. "Plötzlich musste ich eine bloße Idee verkaufen - meine Idee." Es war mühsam: RatePay war kein klassisches Start-up mit Wagniskapital, es gab keine großen Investorengelder - und damit auch kein Marketingbudget. Ihre Idee vermarktete Wohlfarth lediglich über direkten Vertrieb, mit hundert Prozent Kaltakquise. "Ich hatte wirklich Glück, dass ich noch viele Nummern von früher hatte und diese Menschen sich meine Idee anhören wollten", sagt Wohlfarth. Ein Jahr nach der Unternehmensgründung beteiligte sich schließlich die Otto Group an RatePay. Das gab ihrem Team die Möglichkeit, in Ruhe das System zu perfektionieren, ganz ohne Druck. Den spürte Wohlfarth trotzdem. Ein Großteil ihres Gehalts ging damals für "Hausmitarbeiter" drauf, wie sie sagt. Denn eine Unternehmensgründung frisst viel Zeit, und die verbleibende habe sie mit ihrer Familie verbringen wollen. "Oh Gott, hoffentlich kriegt sie kein Burn-out", hätten sich damals ihre Eltern gesorgt. Aber Miriam Wohlfarth machte weiter. Lernte, dass manchmal auch 85 statt 100 Prozent Energie reichen - reichen müssen. Heute ist RatePay eine hundertprozentige Tochter der Otto Group, die Gründerin als Geschäftsführerin weiter dabei. Die Umsätze haben sich im letzten Jahr mehr als verdoppelt, seit November schreibt das Unternehmen schwarze Zahlen. Zu den Kunden zählen etwa Germanwings, Butlers oder Villeroy & Boch. Und Wohlfarth, die einzige weibliche Gründerin eines Fintech-Start-ups in Deutschland, spricht plötzlich auf Panels, wird zu Diskussionen eingeladen - und ist fast überall die einzige Frau unter vielen Männern. Persönlich stört sie das mittlerweile nicht mehr, aber sie versucht mit dem Vorurteil aufzuräumen, die Internetbranche sei nichts für Frauen. "Ich selbst kann schließlich auch nicht programmieren", sagt sie, "aber dann suche ich mir halt jemanden, der das kann."
https://www.sueddeutsche.de/politik/sondierungsgespraeche-jamaikas-erste-woche-der-wahrheit-1.3719599
mlsum-de-138
Wenn Union und die Grünen ihre Sondierungsgespräche in den nächsten Tage überstehen, sind sie weiter als 2013. Damals scheiterte die Zusammenarbeit an inhaltlichen Differenzen - mit Folgen.
Vor ziemlich genau vier Jahren, am 16. Oktober 2013, tagten bis in den späten Abend hinein die Sondierungsteams von Union und Grünen. CDU und CSU, die damals gerade in großer Eintracht sowohl die Wahlen im Bund wie auch in Bayern gewonnen hatten, traten weitaus geschlossener auf als sie es 2017 tun. Bei den Grünen war das eher andersrum. Sie wirken in diesem Jahr geeinter als vor vier Jahren. Nach sechsstündigen Gesprächen setzten sich seinerzeit um kurz vor Mitternacht die Gegner einer schwarz-grünen Regierung um Jürgen Trittin durch. Es kam zur zweiten großen Koalition unter Angela Merkel. Trittin nannte später drei Themen, in denen sich die Union keinen Millimeter bewegt habe, als ausschlaggebend für den Gesprächsabbruch durch die Grünen: die Energiepolitik, Steuern und Europa. Er sei "erschüttert" gewesen, dass man sich "Punkt für Punkt nicht einigen" konnte. Die Union hingegen verbreitete danach, der damalige Fraktionschef und Spitzenkandidat Trittin habe bewusst unbezahlbare und inakzeptable Forderungen auf den Tisch gelegt, weil er die Koalition mit CDU und CSU nicht wollte. Befürworter wie Co-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hätten sich gegen Trittin nicht durchsetzen können. Wichtige Woche für die Sondierer So gesehen kommt auf die Sondierer von Union, Grünen und FDP und das bislang mäßig faszinierte Publikum eine wichtige, vielleicht sogar wegweisende Woche zu: Denn in den nächsten Gesprächsrunden werden in kleinerer Besetzung, dafür aber mit mehr Detailtiefe zunächst am Dienstag die Themen Europa und Finanzen aufgerufen. Am Donnerstag geht es dann um Klima, Energie und Umwelt. Dann liegt alles auf dem Tisch, was 2013 zum Ende der Gespräche führte. Wenn die Sondierungsgespräche in Richtung Jamaika 2017 fortgesetzt würden, wäre man zumindest zwischen Union und Grünen schon mal weiter als vor vier Jahren. Und das, obwohl nun auch die FDP dabei ist. Es sind eben sehr kleine Schritte, in denen die Regierungsbildung vorankommt. Die erste große Runde mit allen vier beteiligten Parteien einer potenziellen Jamaika-Koalition währte am Freitagabend gut fünf Stunden. Zu zwölf Themen trug je ein Vertreter von CDU, CSU, FDP und Grünen vor, wodurch insgesamt 48 Referate abzuarbeiten waren. Vielleicht auch mit Blick auf solche gruppendynamischen Erlebnisse antwortete der scheidende Finanzminister und am Dienstag zu wählende Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) jetzt der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung auf die Frage, ob ihm künftig die Regierungspolitik nicht fehlen werde: "Ach, wissen Sie, wenn ich mir die gerade begonnenen Sondierungen anschaue, habe ich wenig Entzugserscheinungen." Fruchtspieße Twitter-Botschaften aus dem Sondierungssaal: CDU-Generalsekretär Peter Tauber postete ein Foto, auf dem ein Teller mit Ananas-Melone-Trauben-Kiwi-Fruchtspießchen zu sehen war sowie eine Tasse Kaffee im Vordergrund. "Fruchtspieße in Grün-Gelb. Aber Hauptsache starker schwarzer Kaffee!", so Tauber. FDP-Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann twitterte ein Foto eines Handys, das an einen tragbaren Akku angeschlossen war, mit dem Kommentar: "Mit der Länge der Sitzung steigt die Nachfrage nach Handy-Ladekabeln bei der #Sondierung." AFP Als eine der wichtigsten Differenzen gilt der Familiennachzug für Flüchtlinge Ebenfalls am Donnerstag steht das Thema auf dem Programm, das nach monatelangen Streitereien vor der Bundestagswahl in den Wochen danach erst einmal zwischen CDU und CSU verhandelt werden musste: Flucht, Asyl, Migration, Integration. "Unser Kompromiss muss der Kern der Migrationspolitik von Jamaika sein", sagte CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn der Welt am Sonntag mit Blick auf die Verständigung von Angela Merkel und Horst Seehofer auf das Ziel von nicht mehr 200 000 Migranten pro Jahr. FDP und Grüne könnten den Kompromiss aber noch "mit guten Ideen ergänzen", ergänzte Spahn. Als eine der wichtigsten Differenzen gilt bei diesem Thema der Familiennachzug für Flüchtlinge. Allerdings gibt es auch kaum ein anderes Thema, bei dem es aus allen Richtungen, vornehmlich aber aus der Union, bereits Ideen für Kompromissvorschläge hagelt. Ausgerechnet bei einem der schwierigsten Streitpunkte wird mithin offenkundig, dass es sich bei den ersten Gesprächen durchaus um das ernsthafte Bemühen um eine Regierungsbildung handelt. Erst in der nächsten Woche kommt das Thema Sozialpolitik auf den Tisch. Das könnte auch daran liegen, dass die Union noch Abstimmungsbedarf hat. Wegen der langwierigen Verhandlungen über den Zuwanderungskompromiss waren die Gespräche der Schwesterparteien insbesondere um die Rentenpolitik erst einmal aufgeschoben worden. Die CSU will hier vor allem Verbesserungen für Senioren mit niedrigen Renten.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/volkswagen-bei-vw-ist-jetzt-mit-allem-zurechnen-1.3941297
mlsum-de-139
Bei VW ist gerade alles im Fluss: Die Lkw-Sparte zieht zurück nach München, weitere Top-Manager treten ab. Einige sprechen bereits vom "größten Umbau der Konzerngeschichte".
Noch bevor der Aufsichtsrat von Volkswagen am Donnerstag zusammenkam, sickerten die Nachrichten aus Wolfsburg heraus. Herbert Diess, der Matthias Müller an der Konzernspitze ablöst, wird noch mächtiger werden als gedacht - und soll neben dem Konzern und der Hausmarke Volkswagen auch noch die Marken Seat und Škoda dirigieren. Der Spanier Francisco Javier Garcia Sanz, seit Jahren Vorstand für Beschaffung, nebenbei Aufsichtsratschef beim Fußball-Bundesligisten VfL Wolfsburg und ein Vertreter der alten VW-Garde, ist zusammen mit Müller raus, und auch Finanzvorstand Frank Witter, wie Sanz ein alter Intimus von Müller und mit den Umbaumaßnahmen und dem neuen Chef Diess nicht wirklich einverstanden, soll schlecht gelaunt sein. Auch, wie es heißt, weil er sich selbst zu Höherem berufen gefühlt hatte. Und, auch dieses: Die Nutzfahrzeugsparte des VW-Konzerns mit den Marken MAN und Scania zieht von Braunschweig weg und ist auf der Suche nach einem neuen Büro-Domizil in München, um von da aus in Ruhe an ihren Börsenplänen arbeiten zu können. Rücktritte, Rauswürfe, Weggänge, Umzüge - so sieht es aus, wenn ein Großkonzern wie VW groß umbaut. Im dritten Jahr nach dem Dieselskandal ist bei dem Autobauer alles im Fluss. Wenn Vorstandschefs über Nacht stürzen können, mit dem Ex-Betriebsratssprecher Gunnar Kilian der engste Vertraute des obersten Arbeitnehmervertreters Bernd Osterloh Personalvorstand werden soll, andere Vorstände kommen und gehen und dabei noch die gesamte Struktur des Unternehmens zur Debatte steht - dann darf man mit allem rechnen. Vor allem mit heftigen Diskussionen. Am frühen Nachmittag kam das Präsidium des Aufsichtsrats zusammen, dann die Anteilseigner - dann gegen 20 Uhr die Nachricht, dass Herbert Diess neuer VW-Chef wird. Es gab viel Gesprächsbedarf, heißt es. Für einen Konzern wie VW, in dem die Familien Porsche und Piëch, Politiker des Landes Niedersachsen und Betriebsräte das Sagen haben und nicht immer unbedingt einer Meinung sind, bedeutete das konkret: Es wurde heftig verhandelt. Zum Beispiel die heiß diskutierte Aufteilung des Konzerns in sogenannte Markengruppen - sie war zunächst noch nicht klar entschieden. Der künftige VW-Chef Diess wünscht sich eine Unterteilung in Alltags-, Sport- und Luxusmodelle, dazu die Lastwagen, die in einer eigenen Firma an die Börse gehen sollen. Andere sehen diese Pläne skeptisch. Jeder hat seine Gründe, kritisch zu sein. Zum Beispiel der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Dass die VW-Nutzfahrzeugsparte ihren Hauptsitz von Braunschweig nach München verlagern will, muss dem Politiker aus Hannover ein Dorn im Auge sein. Es geht um Jobs, um Steuern und um Standortpolitik. Am Donnerstagabend stand dazu noch nichts in der Meldung. Aus Kreisen des Aufsichtsrats hieß es am Donnerstag, die Zentrale des unter dem Namen "Volkswagen Truck & Bus GmbH" firmierenden Geschäfts werde aus Weils Bundesland nach Oberbayern verlagert - darauf hätten sich die Arbeitnehmer und Arbeitgeber bereits geeinigt. Hier in München sollen dann nach SZ-Informationen Bereiche wie Finanzen, Marketing, Kommunikation, Strategie, Recht und Personal angesiedelt werden. In Södertälje, am schwedischen Stammsitz der Lkw-Schwester Scania, sollen dann Produktplanung, Forschung und Entwicklung sowie der Einkauf des Bereichs angesiedelt werden.
https://www.sueddeutsche.de/sport/dfb-pokal-reus-verhindert-blamage-1.4098861
mlsum-de-140
Borussia Dortmund hat sich in die zweite Pokalrunde gezittert. Gegen den Zweitligisten SpVgg Greuther Fürth mühte sich der BVB zu einem 2:1-Sieg nach Verlängerung. Erst in letzter Minute sorgte Marco Reus für die Entscheidung.
Axel Witsel und Marco Reus haben Borussia Dortmund beim Aufbruch in eine neue Ära vor einer Blamage bewahrt. Im ersten Pflichtspiel unter Trainer Lucien Favre sicherten der belgische Neuzugang und der deutsche Nationalspieler den Westfalen gegen den tapferen Zweitligisten SpVgg Greuther Fürth den Einzug in die zweite Runde des DFB-Pokals. Beim 2:1 (1:1, 0:0) nach Verlängerung erzielte Witsel 30 Sekunden vor Ablauf der Nachspielzeit (90.+5) den Ausgleich. Kurz vor Ende der Verlängerung traf Reus (120., Foto) zum schmeichelhaften Sieg. Fürth war durch Sebastian Ernst in der 77. Minute in Führung gegangen, davor und danach hatte Torhüter Sascha Burchert mit zahlreichen starken Paraden die Fürther von der Überraschung träumen lassen. Sechs Tage vor ihrer Auftaktbegegnung in der Bundesliga gegen RB Leipzig offenbarte sich dabei das größte Problem der neuformierten Dortmunder: Ohne echten Mittelstürmer fehlte die Durchschlagskraft im Angriff, wo sich in zentraler Position meist Marco Reus mühte. In Thomas Delaney, Abdou Diallo und Marius Wolf standen drei Dortmunder Neuzugänge in der Startformation, Witsel, mit Belgien WM-Dritter, kam erst in der 74. Minute, aber gerade noch rechtzeitig. Das Bemühen der Dortmunder Angreifer war groß, doch richtig zwingend waren sie nicht. Abgesehen von einer Dreifachchance, bei der Marcel Schmelzer, Reus und Mahmoud Dahoud den Ball aus kurzer Distanz nicht im Tor unterbrachten (8.), blieb Dortmund zunächst ungefährlich. Das lag auch am energischen Einsatz der Fürther, die auf ihren verletzten Abwehrchef und Kapitän Marco Caligiuri verzichten mussten. Schwerer als der Ausfall von Caligiuri wog beim Kleeblatt die Abwesenheit von Trainer Damir Buric: Er fehlte wegen eines Trauerfalls in der Familie, vertreten wurde er durch Assistent Oliver Barth. Dieser sah jeweils zu Beginn der Halbzeiten auch mutige Angriffe seiner Mannschaft, so richtig gefährlich aber wurde es für das von Roman Bürki gehütete Tor nicht. Erstaunlicherweise verhielt sich der BVB nach dem Wechsel eher passiv, erst nach einem Pfostenschuss von Pulisic (60.) und der Einwechslung von Maximilian Philipp für Götze lief es wieder etwas besser. In der packenden Verlängerung vergab Fabian Reese die große Chance zum Fürther Sieg (113.) Weiter im Wettbewerb sind auch der SC Freiburg und Hertha BSC, die am Montag ebenfalls mit viel Mühe weiterkamen. Von den 18 Bundesligisten sind nur Eintracht Frankfurt, der Titelverteidiger, und der VfB Stuttgart ausgeschieden. Freiburg setzte sich am Montag erst mit 5:3 im Elfmeterschießen bei Drittligist Energie Cottbus durch, nach 120 Minuten hatte es 2:2 (1:1, 0:0) gestanden. Dass die Breisgauer überhaupt die Verlängerung erreichten, hatten sie Mike Frantz zu verdanken; ihm war in der Nachspielzeit der 1:1-Ausgleich gelungen. Im Elfmeterschießen war dann der Cottbuser Tim Kruse der Unglückliche, der als Einziger verschoss. Auch Hertha BSC zog nur durch ein mühsam erkämpftes 2:1 beim Eintracht Braunschweig in die zweite Pokalrunde ein.
https://www.sueddeutsche.de/politik/europaeische-union-besorgt-ueber-den-schwaecheanfall-1.3762872
mlsum-de-141
Vor dem EU-Ost-Gipfel macht sich in Brüssel eine neue Stimmung breit: Deutschlands Probleme drohen plötzlich auch die Europäische Union zu lähmen.
Sie kommt. Das ist schon mal was. Beim Sozialgipfel kürzlich in Göteborg hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel gefehlt, wegen der Endphase der dann gescheiterten Jamaika-Sondierungen. Für den EU-Gipfel mit den Ländern der östlichen Partnerschaft an diesem Freitag hat die Deutsche ihre Teilnahme zugesagt und wird damit bei dem Treffen zur inoffiziellen Attraktion. Man hat sich zwar schon gesehen seit der Bundestagswahl, erst beim Digitalgipfel in Tallinn und dann beim Europäischen Rat im Oktober. Beide Male aber wirkte Merkel nicht wirklich geschwächt. Die Kollegen vertrauten auf ihr Verhandlungsgeschick und darauf, dass sie eine Koalition zustande bringen würde. Nun aber erleben sie erstmals eine fast entmachtete Merkel. Beim Gipfeltreffen wird das öffentlich vermutlich nicht sichtbar werden. Das verbieten unter Staats- und Regierungschefs schon die Regeln des Anstands. Der Imageverlust sei aber beträchtlich, konstatiert der Chef der Europa-Grünen, Reinhard Bütikofer. Erschüttert sei der Glaube, dass Merkel "immer irgendwie eine Lösung findet". EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger erlebt "jeden Tag Mitgliedstaaten, die mich fragen: Wo ist die deutsche Position?" Der CDU-Politiker bangt nach dem Zusammenbruch der Jamaika-Sondierungen um den deutschen Einfluss. Gerade arbeitet er am Rahmen für die nächste Haushaltsperiode. Es geht ums Geld und damit um Machtfragen in der EU. Oettinger würde da gerne auch aus Berlin "Erwartungen, Prioritäten, aber auch Grenzen" hören. Auch die Reformagenda der EU sieht er in Gefahr. Weitreichende Entscheidungen seien zu treffen, das Thema der Vertiefung der Europäischen Währungsunion stehe "unmittelbar an". Die Europäer mahnten daher die möglichst rasche Bildung einer handlungsfähigen Bundesregierung an, sagt er. Denn: "Interimsweise kann man bei diesen großen europäischen Themen nur eingeschränkt mitreden." Neben Oettinger steht sein baden-württembergischer Landsmann Winfried Kretschmann. Der grüne Ministerpräsident weilt auf Brüssel-Besuch und ist nach seinen Gesprächen alarmiert. Alle seien "sehr besorgt". Besonders misslich ist die Lage für EU-Ratspräsident Donald Tusk. Er hat im Oktober eine "Leaders' Agenda" präsentiert, die eine Liste von Streitthemen wie Migration und Euro enthält und einen Zeitplan für deren Klärung. In seinem von deutscher Seite von vornherein skeptisch beäugten Plan ging Tusk offenkundig davon aus, dass es gegen Ende des Jahres eine neue Bundesregierung geben würde und die europäische Karawane nach den Wahlen in Frankreich und Deutschland endlich würde weiterziehen können. Für den Europäischen Rat Mitte Dezember setzte er einen Euro-Sondergipfel an, der eine Diskussionsgrundlage für Entscheidungen Ende Juni schaffen sollte. Nun muss Tusk befürchten, dass nach möglichen Neuwahlen überhaupt erst dann eine voll handlungsfähige Regierung ihre Geschäfte aufnimmt. EU-Ratspräsident Tusk überlegte, ob er den Sondergipfel absagen solle. Tusk stand daher vor der Frage, ob er den Sondergipfel absagen soll, entschied sich aber schließlich dagegen. Seine Berater sind der Meinung, dass die Konflikte lange genug unter den Teppich gekehrt worden seien und zumindest der Start der Diskussion nun keinen Aufschub mehr dulde. Bleibt die Frage, wo die Diskussion über einen europäischen Finanzminister, die Umwandlung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) in einen Währungsfonds und eine Art Euro-Haushalt ohne handlungsfähige Bundesregierung hinführen kann. Nirgendwohin, meint Oettinger. "Die Fragen kann man nicht ohne Deutschland entscheiden", sagt er. Deutschland sei der "größte Träger aller entsprechender Instrumente". Mit Sorge verfolgt auch Emmanuel Macron Merkels Machtverlust. Frankreichs Präsident wünsche, dass sein "wichtigster Partner stark und stabil ist", lässt er verbreiten. Stark und stabil - solche leicht arroganten Mahnungen musste sich Frankreich jahrelang von deutscher Seite anhören. Jetzt ist es umgekehrt. In einem US-Magazin versicherte Macron jüngst, er wolle nicht Merkels Schwäche ausnutzen, um sie als einsame Führungskraft Europas abzulösen. "Ich glaube, das wäre ein Fehler", sagte er. In Pariser Regierungskreisen verlautet nach der gescheiterten Koalitionsbildung in Berlin aber auch, dass "Frankreich damit mehr Verantwortung in Europa zuwächst". Vom nahenden "Ende des Merkel-Zyklus" ist die Rede. In Paris hoffen sie jetzt, dass ihnen die Kanzlerin trotzdem irgendwie noch einige Jahre als verlässliche Partnerin erhalten bleibt. Denn ohne stabile und klar proeuropäische Bundesregierung haben auch Macrons große Pläne für tief greifende EU-Reformen und eine Stärkung der Euro-Zone keine Chance. In Paris wie Brüssel richten sich die Blicke nun in Richtung der deutschen Sozialdemokratie. "Im Augenblick sind die Chancen auf eine Mehrheitsregierung größer als null. Deswegen sollte man diese Chancen ausloten", fordert Oettinger. Eine Minderheitsregierung - etwa Schwarz-Grün - und Neuwahlen seien "vorletzte und letzte Überlegungen". Auch er sei nicht "allergrößter Anhänger" einer Minderheitsregierung, ergänzt Kretschmann. "Aber wir wollen natürlich nichts ausschließen."
https://www.sueddeutsche.de/panorama/japan-katzen-museum-1.4215892
mlsum-de-142
Die Katzen Go und Ken versuchen seit fast drei Jahren immer wieder aufs Neue, in ein japanisches Kunstmuseum zu kommen. Süße Geschichte. Oder?
Go und Ken möchten ins Kunstmuseum von Onomichi, einer Kleinstadt unweit von Hiroshima. Fast täglich versuchen sie es, aber der uniformierte Türsteher schickt sie weg. Manchmal krault er sie freundlich, aber wenn sie an ihm vorbeizuhuschen versuchen, verscheucht er sie. So geht das seit bald drei Jahren. Go und Ken sind Katzen, sie gehören einem Restaurant, das in der Nähe des Museums liegt. Mit ihrem unbefriedigten Kunstsinn wurden sie in Japan bekannt, der Twitter-Account @bijutsu1 dokumentiert ihre fehlgeschlagenen Versuche, eingelassen zu werden. In vielen Fällen mit Fotos oder kurzen Filmchen. Katzenvideos und -geschichten gehören schließlich zu den populärsten Themen in den sozialen Medien, in Japan mehr noch als anderswo. "Süß" oder "niedlich" ist das wertvollste Attribut, das die Japaner für Babys und Tiere (und immer noch für junge Frauen) haben. @bijutsu1 hat 47 600 Follower, die Beiträge sind millionenfach geteilt worden - das genügt für eine Schmonzette aus Japan. Oder? Die Ingwer-farbene Go und der schwarze Ken haben es in den vergangenen Tagen jedenfalls bis in die Weltpresse geschafft. Mehrere Medien mit sehr vielen Lesern und Followern, etwa der britische Guardian, haben über die Kätzchen berichtet. Eine süße, kuriose Anekdote, zufällig entstanden? Ganz so niedlich ist die Geschichte dann doch nicht. Go und Ken sind in Wahrheit vierbeinige Marken-Botschafter, wenn auch sehr begabte. Bald nachdem das losgegangen war mit den Katzen und Wärtern, begann der Museumsladen, Jute-Taschen mit den beiden Ausgesperrten zu verkaufen. Im ersten Katzen-Eintrag auf @bijustu1 vor drei Jahren hieß es bloß: "Die Katze des benachbarten Restaurants ruht sich auf dem Museumsareal aus." Inzwischen ist der Twitter-Account - der offizielle und einzige des Kunstmuseums - fast ausschließlich Go und Ken gewidmet. Ein anderer Twitterer berichtet, die Museumsleute hätten die beiden Vierbeiner schon lange gekannt. Dann sei jemand auf Idee gekommen, mit ihnen auf das zu wenig besuchte Museum aufmerksam zu machen. Der Kurator organisierte also eine Katzenausstellung. Er ließ hinter einer Glaswand, von außen gut sichtbar, drei naturalistische schwarze Katzenskulpturen durch die Museumshalle spazieren. Damit soll er das Interesse von Go und Ken, auch eingelassen zu werden, gewissermaßen zusätzlich geschürt haben. Onomichi will mit seiner Kultur Touristen anziehen Die Kleinstadt Onomichi spielte in der japanischen Kultur des 20. Jahrhunderts eine wichtige Rolle, insbesondere in der Literatur. Der bedeutende Schriftsteller Naoya Shiga, den die Japaner heutzutage nur noch in der Schule lesen (müssen), wohnte einige Zeit hier und beschrieb das Städtchen. Onomichi ehrt ihn und seine Kollegen mit einem Schriftstellerpfad, mit der Kultur will man Touristen anziehen. Auch Onomichis Tempel sind berühmt, vor allem der 1100 Jahre alte Senkoji. Das Kunstmuseum nun thront gleich in der Nähe des Tempels auf dem Takahama, 200 Meter über Onomichi. Und - Zufälle gibt's! - unten, am Fuße des Takahama, führt seit 1997 eine sogenannte "Katzengasse" an 108 steinernen Katzenskulpturen ins Viertel mit den Kunstgalerien und Gartencafés. In dieser Gasse liegt auch das Maneki-Neko-Museum. Maneki-Neko nennt man jene berühmten Katzenskulpturen, die eine Vorderpfote in die Höhe halten. Sie sind in Japan ein Talisman und sollen Glück bringen. Und, wenn es irgendwie geht, auch gute Geschäfte.
https://www.sueddeutsche.de/politik/studie-zur-ukraine-krise-buerger-in-nato-staaten-stellen-buendnisfall-infrage-1.2514011
mlsum-de-143
Was tun, sollte Russland einen östlichen Nato-Partner angreifen? Die Antwort von Befragten einer US-Studie dürfte in Brüssel schlecht ankommen.
Seit Beginn der Ukraine-Krise Ende 2013 hat sich das Ansehen westlicher Staaten und der Nato in Russland erheblich verschlechtert. Zu diesem Ergebnis kommt eine umfangreiche Befragung des Washingtoner Pew-Forschungszentrums (Pew Research Center). Pew zufolge bewerten derzeit nur noch 35 Prozent der Russen Deutschland positiv. Im Jahr 2013 - im November dieses Jahres begannen die proeuropäischen Proteste auf dem Maidan in Kiew - lag dieser Wert noch bei etwa 60 Prozent. Deutschland ist damit immerhin beliebter als die EU (31). Wesentlich schlechter schneiden die USA (15) und die Nato (12) ab. Umgekehrt ist das Ansehen Russlands in ausgewählten Nato-Staaten von einem ohnehin niedrigen Niveau aus weiter gesunken. Derzeit liegt der Mittelwert derer, die von Russland ein positives Bild haben, bei 25 Prozent. Dazu passt, dass die Befragten in wichtigen Staaten der Nato überwiegend Russland für den Konflikt im Osten der Ukraine verantwortlich machen. Besonders hoch sind die Werte hier in den USA (42 Prozent), Frankreich (44) und Großbritannien (40). In Deutschland wird Russland zwar auch als wichtigster Aggressor gesehen (29), doch fast genauso viel Verantwortung wird hierzulande den prorussischen Separatisten zugewiesen. Der Mittelwert liegt bei den Befragten in den Nato-Mitgliedsstaaten für Russland als Hauptschuldigem bei 39 Prozent, für die Separatisten bei 18 Prozent. Bisher liefern die westlichen Staaten keine Waffen an die Ukraine, obwohl dies beispielsweise in den USA sehr umstritten ist. Immerhin 46 Prozent der befragten US-Amerikaner und 44 Prozent der Kanadier sind dafür, dass die Nato Waffen schickt. In Polen sind es sogar 50 Prozent, hier wird Russland als wesentlich größere außenpolitische Gefahr wahrgenommen als in Zentral- und Westeuropa. Nur 19 Prozent der deutschen Befragten wollen Waffenlieferungen an die Ukraine, 22 Prozent der Italiener und 25 Prozent der Spanier. In Großbritannien und Frankreich sind es dagegen erheblich mehr. Die Sorgen der Polen mögen zum einen an der geografischen Nähe zum russischen Nachbarn liegen. Zum anderen ist Polen erst seit 1999 Mitglied der Nato, die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sogar erst seit 2004. Auch diese drei Staaten haben eine gemeinsame Grenze mit Russland und fürchten sich vor einer aggressiven Außenpolitik. Was wäre, sollte tatsächlich ein östlicher Nato-Partner von Russland angegriffen werden? Laut Artikel 5 des Nordatlantikvertrages müssten die anderen Mitgliedsstaaten dann im Notfall auch militärisch helfen. Was die Pew-Studie in diesem Zusammenhang zutage fördert, dürfte im Nato-Hauptquartier nicht für Begeisterung sorgen und auch die östlichen Mitgliedsstaaten beunruhigen. Pew fragte Menschen in wichtigen Nato-Staaten, ob sie für ein militärisches Eingreifen ihres eigenen Landes seien - für den Fall, dass Russland tatsächlich einen östlichen Bündnispartner angreift. In Deutschland (58), Frankreich (53) und Italien ist die Mehrheit der Befragten dagegen. Nur in den USA (56) und Kanada (53) ist eine Mehrheit dafür. Der Mittelwert unter allen Befragten ergibt ein 48 zu 42 für ein militärisches Eingreifen. Vor allem deutsche Befragte sehen die Nato zunehmend skeptisch. Selbst nach Beginn der Ukraine-Krise sank hierzulande der Anteil derer, die ein positives Bild von der Nato haben, weiter. In Polen ist dagegen von 2013 bis 2015 ein deutlicher Anstieg zu sehen. Das Pew-Institut befragte für die Studie in den Nato-Staaten Kanada, USA, Deutschland, Polen, Italien, Frankreich, Spanien, Italien und Großbritannien im Frühjahr 2015 jeweils etwa 1000 repräsentativ ausgewählte Menschen im Alter von mindestens 18 Jahren. Das Gleiche gilt für die Befragung in Russland. (Sehen Sie hier die Übersicht für Deutschland). Weitere Ergebnisse der umfangreichen Studie können Sie hier nachlesen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/qualifying-in-suzuka-hamilton-rast-mit-rundenrekord-zur-japan-pole-1.3698994
mlsum-de-144
Der WM-Führende startet in Suzuka erstmals von Platz eins. Sein Konkurrent Sebastian Vettel profitiert von einer Strafe gegen Valtteri Bottas.
Mercedes-Pilot Lewis Hamilton hat seinem Rivalen Sebastian Vettel und Ferrari im Qualifying zum Großen Preis von Japan keine Chance gelassen - und kann dem Deutschen im Rennen am Sonntag nun einen Schlag versetzen, von dem sich Vettel im WM-Endspurt wohl nicht mehr erholen würde. Hamilton sicherte sich mit dem Streckenrekord von 1:27,319 Minuten die Pole Position in Suzuka. Vettel wird nur deswegen vom zweiten Rang ins Rennen gehen, weil Valtteri Bottas im zweiten Silberpfeil durch eine Strafe nach hinten rückt. "Das Qualifying war eigentlich okay, wir wären gerne schneller gewesen, aber mehr war nicht drin", sagte Vettel: "Die erste Startreihe ist sehr gut." Mit seiner schnellsten Runde lag der Ferrari-Pilot rund vier Zehntel hinter Hamilton. Für den Briten war es bereits die zehnte Pole der laufenden Saison, zudem darf er nun auch hinter Suzuka einen Haken machen: Es ist die letzte Strecke im aktuellen Kalender, auf der Hamilton noch nie von Rang eins gestartet war. "Ich hatte hier nie gute Qualifyings, nie hat die Balance gestimmt", sagte Hamilton: "Aber dieses Mal hat das Team mein Auto sehr gut eingestellt." Räikkönen und Bottas bestraft Der Spitzenreiter geht mit 34 Punkten Vorsprung auf Vettel in das Rennen am Sonntag (Sonntag, 7.00 Uhr im SZ-Liveticker). Zieht er weiter davon, ist eine erfolgreiche Aufholjagd für Vettel in den verbleibenden vier Rennen nicht mehr realistisch. In Japan werden beide Titelkandidaten an der Spitze des Feldes zunächst auf die Hilfe ihrer Teamkollegen verzichten müssen: Valtteri Bottas war Zweiter im Qualifying, muss wegen eines unerlaubten Getriebewechsels aber um fünf Plätze zurück. Die gleiche Strafe wegen des gleichen Vergehens ereilte Kimi Räikkönen (beide Finnland) im Ferrari, der sich eigentlich für den sechsten Platz qualifizierte. Auf dem dritten Rang steht damit Daniel Ricciardo im Red Bull. Der zuletzt so starken dritten Kraft waren auf dem kurvigen Kurs in Japan durchaus Chancen eingeräumt worden. "Das ist kein Duell mehr zwischen Ferrari und Mercedes, drei Teams kämpfen hier um den Sieg", hatte Vettel gesagt. Allerdings schnitten die Red-Bull-Fahrer bislang etwas schwächer ab als erwartet. Im Qualifying sind sie mit dem Renault-Motor zwar ohnehin grundsätzlich schwächer als Ferrari und Mercedes, aber auch die Longruns ließen im Training nicht unbedingt auf eine starke Renngeschwindigkeit schließen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/griechenland-spiel-mit-dem-feuer-1.2492752
mlsum-de-145
Athens Premier Tsipras setzt sich in seiner Partei durch und kann einen Zahlungsstopp für die IWF-Schulden verhindern. Gleichzeitig sorgt sein Finanzminister Varoufakis mal wieder für Aufregung.
Premier Alexis Tsipras konnte sich am Wochenende gegen den ultralinken Flügel seiner Syriza-Partei durchsetzen, allerdings war die Mehrheit mit 95 zu 75 Stimmen nicht allzu groß. Es kommt öfters vor, dass Alexis Tsipras einen seiner Kollegen zurückpfeifen muss. An diesem Montag traf es den Innenminister, der im griechischen Fernsehen damit gedroht hatte, dass Athen die nächste Kreditrate an den Weltwährungsfonds nicht zahlen würde. "Ich will klar sein: Dieses Geld werden wir nicht geben, weil wir es nicht haben", sagte Nikos Voutsis am Wochenende. Athens Premier Tsipras ließ daraufhin über seinen Regierungssprecher verlauten, dass Griechenland seine Verpflichtungen sehr wohl gegenüber den Gläubigern erfüllen werde. "In dem Maße, in dem wir in der Lage sind, unsere Schulden zu begleichen, werden wir sie begleichen." Es sei die Pflicht der Regierung, alle Schulden zurückzuzahlen. "Jetzt ist Europa dran" Bereits am Sonntagabend hatte Tsipras einen wichtigen Sieg errungen, er setzte sich in seiner Partei durch. Das Zentralkomitee der Syriza hatte einen vom ultralinken Parteiflügel vorgeschlagenen Zahlungsstopp für griechische Schulden beim Internationalen Währungsfonds abgelehnt - mit 95 zu 75 Stimmen. Das Parteigremium verabschiedete stattdessen einen Beschluss, den Tsipras vorgelegt hatte. Darin heißt es, wer glaube, er könne die Griechen demütigen, der spiele "mit dem Feuer". Athens Regierung werde kein neues Memorandum, also Sparprogramm, unterschreiben. Das Begehren der "Austeritätsfanatiker" werde zurückgewiesen. Dies alles bedeute aber nicht, dass keine Lösung angestrebt werde, die zum Vorteil beider Seiten - der internationalen Geldgeber und Griechenlands - sei. "Wir haben getan, was wir tun mussten, jetzt ist Europa dran", sagte Tsipras vor dem Zentralkomitee. Seine Regierung werde keine "irrationalen Forderungen" erfüllen und darauf bestehen, dass bestimmte "Linien nicht überschritten werden". So werde Athen nicht über eine "groß angelegte" Deregulierung des Lohnsystems diskutieren und auch keiner generellen weiteren Senkung der Renten zustimmen. Zugeständnisse im Detail schloss er damit allerdings nicht aus. Schäuble sieht Athen weiterhin vor "ziemlich vielen Anstrengungen" Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte am Sonntag im Deutschlandfunk: "Griechenland hat noch ziemlich viele Anstrengungen vor sich, um das zu erfüllen, wozu es sich verpflichtet hat." Das Thema werde beim G-7-Finanzministertreffen von Mittwoch bis Freitag in Dresden "sicher" auf der Tagesordnung stehen. "Aber gelöst werden muss das Problem in Griechenland." Varoufakis räumt Tonband-Mitschnitte ein Am Sonntag sorgte Schäubles griechischer Finanzminister-Kollege erneut für Aufregung. Yanis Varoufakis bestätigte auf seinem persönlichen Blog unter der Überschrift "Die Wahrheit über Riga", dass er während des Treffens der Euro-Gruppe im April in Lettland Tonmitschnitte gemacht hat. Er nehme mit seinem Mobiltelefon öfters seine Statements und die entsprechenden Antworten auf, teilte Varoufakis mit. Sein Ziel sei, sich an seine exakten Aussagen erinnern zu können. "Damit ich meinen Ministerpräsidenten, den Ministerrat und das Parlament informieren kann", schrieb Varoufakis. "Das habe ich auch während des Treffens der Euro-Gruppe in Riga gemacht", fügte er hinzu. Als vergangene Woche ein Bericht über Varoufakis' Mitschnitt erschien, reagierte Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem mit dem Hinweis, dass Treffen der Euro-Gruppe vertraulich seien. Aus deutschen Regierungskreisen verlautete: "Wir erwarten, dass der Sachverhalt aufgeklärt wird." Immerhin das hat Yanis Varoufakis nun getan.
https://www.sueddeutsche.de/sport/mesut-oezil-feigheit-1.4050311
mlsum-de-146
In der Politik wächst die Kritik an der DFB-Spitze in der Erdoğan-Affäre. Sogar Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble beklagt eine "Eskalation".
Die Fußball-Weltmeisterschaft in Russland endet aus deutscher Sicht so, wie sie vor nahezu vier Wochen begonnen hat: mit der Debatte um die Erdoğan-Fotos, die an Schärfe in den letzten Tagen sogar noch zugenommen hat. Bundestrainer Joachim Löw schweigt weiter in der Angelegenheit: Seine Analyse der drei WM-Spiele in Russland wird wohl erst am 24. August, pünktlich zum Bundesliga-Start, vorliegen, wie die Sport-Bild berichtet. In den Fokus der Kritik rückt unterdessen das Führungspersonal des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit Präsident Reinhard Grindel und Direktor Oliver Bierhoff an der Spitze, denen nun auch aus der Politik Versäumnisse vorgeworfen werden. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble gehört zu jenen, die dem DFB Fehler im Krisenmanagement bescheinigen. Schäuble geht nicht so weit, einen kausalen Zusammenhang zwischen dem frühen Scheitern der DFB-Elf und den Fotos der deutschen Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Staatspräsidenten zu ziehen. "Ein solches Foto mit Erdoğan zu machen, war wahrscheinlich nicht klug", sagte er in der Zeit. Er verstehe nicht, "warum die sogenannten Experten sagen, das sei einer der Gründe für das Ausscheiden der deutschen Mannschaft in der Vorrunde gewesen". Allerdings fügte Schäuble hinzu: "Irgendjemand beim DFB, in dem lauter kluge und hoch bezahlte Leute sind, hätte dafür sorgen müssen, dass das nicht so eskaliert." Der Grünen-Politiker Cem Özdemir geht einen Schritt weiter und hat die Ablösung der Verbandsverantwortlichen ins Gespräch gebracht. "Wir brauchen dringend einen sportpolitischen Neustart beim DFB, gerne mit neuen Gesichtern", schreibt Özdemir in einem Gastbeitrag für das Wochenblatt Zeit. Grindel und Bierhoff lastet er "verbandsinterne Feigheit" an. "Dieser Verband irrlichtert in der Causa Özil von Anfang an", führt Özdemir aus: Özil werde seit Wochen zu einem Sündenbock gemacht: "Gegen diese Anwürfe muss man ihn genauso verteidigen wie gegen Angriffe von rechts." Zwar hält auch der Grünen-Politiker die Fotos und das anhaltende Schweigen des Spielers des FC Arsenal für einen schweren Fehler. "Aber Özils unmögliches Agieren entschuldigt in keiner Weise das Verhalten des DFB." Ähnlich argumentiert der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, der Konsequenzen aus den umstrittenen Äußerungen Bierhoffs und Grindels zu Özil fordert. "Nachtreten wird im Sport mit einer roten Karte bestraft", schrieb Mazyek auf seiner Facebookseite: Bierhoff und Grindel sollten "zurücktreten, wenn sie in ihrer langen Karriere nichts anderes gelernt haben als: Man verliert als Özil, anstatt: Man verliert als Mannschaft". Die Debatte, so fürchtet Mazyek, schade der Integrationspolitik. Das Bundeskanzleramt wollte die Vorgänge um Özil nicht kommentieren. Das sei Angelegenheit des DFB, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz am Mittwoch in der Bundespressekonferenz; für Kanzlerin Angela Merkel gelte, dass man als Mannschaft gemeinsam gewinne und gemeinsam verliere. Auch der Sprecher von Innen- und Sportminister Horst Seehofer sagte, man glaube nicht, dass eine einzelne Person Verantwortung für das WM-Aus trage. Aus dem Umfeld des Fußballs hat sogar Philipp Lahm, DFB-Botschafter für die EM 2024, Zweifel an der Taktik des Verbands geäußert: "Die Frage ist: Hat man allen Spielern immer genau aufgezeigt, wofür man steht? In Zukunft muss das jedenfalls so sein", forderte der frühere Kapitän der Nationalelf. Die Vermittlung der Werte des DFB "hätte man sicher besser machen können". Lahm ließ in der Zeit durchblicken, dass ihm Bierhoffs Äußerungen zu Özil missfielen. "Jetzt ist die Zeit zu analysieren: die Leistungen auf dem Platz, den Umgang mit dieser Affäre. Und danach muss man mit seiner Haltung an die Öffentlichkeit gehen. Das wäre die richtige Aufarbeitung", sagte er.
https://www.sueddeutsche.de/sport/eintracht-frankfurt-marco-russ-spielt-trotz-tumor-1.2998931
mlsum-de-147
Der Verteidiger von Eintracht Frankfurt sieht sich vor dem Relegationsspiel gegen Nürnberg mit einer schlimmen Diagnose konfrontiert. Genesungswünsche kommen auch vom Gegner.
Innenverteidiger Marco Russ steht im Relegations-Hinspiel gegen den 1. FC Nürnberg trotz der niederschmetternden Tumor-Diagnose in der Startelf des Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt. Dies gaben die Hessen eine gute Stunde vor dem Anpfiff der brisanten Partie ebenso bekannt wie den Einsatz von Kapitän und Torjäger Alexander Meier. Am Mittwoch war als Folge einer positiven Dopingprobe bekannt geworden, dass bei dem 30-jährigen Russ eine schwere Tumorerkankung diagnostiziert wurde. Die Eintracht war von der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) zuvor über den positiven Test informiert worden, daraufhin wurde Russ von einem urologischen Facharzt untersucht. Der Befund wurde durch die sofort eingeleiteten Blutuntersuchungen von einem biochemischen Labor bestätigt. Im Anschluss stand dem Verteidiger der gesamte deutsche Fußball zur Seite. "Unsere Duelle mögen noch so wichtig sein, noch viel wichtiger ist aber, dass Marco wieder gesund wird", twitterte Relegations-Gegner Nürnberg. Ähnliches schrieben viele weitere Klubs und Spieler. "Manchmal rückt der Fußball in den Hintergrund", schrieb Absteiger Hannover 96, auch Lokalrivale Darmstadt 98 wünschte Russ "von Herzen alles Gute". Ex-Mannschaftskollege Kevin Trapp (Paris Saint-Germain) äußerte bei Facebook: "Mein Freund, die Nachricht hat uns alle sehr getroffen und geschockt! Ich weiß, dass du ein Kämpfer bist und schon viel durchgestanden hast. Deswegen weiß ich, dass du auch diese schwierige Situation meistern und kämpfen wirst!" Welche weiteren medizinischen Schritte für Russ nun folgen werden, oder müssen, blieb zunächst offen. Laut der Eintracht gaben die Ärzte zumindest für Donnerstagabend aber grünes Licht für den Fußballprofi. "Die Spieler werden auch für Marco Russ spielen" "Man wird ja mit vielen Fragen konfrontiert im Laufe eines Fußballdaseins und alles ist neu, und auch das ist ein Sachverhalt, den ich so nicht einschätzen kann und welche Auswirkungen er auf die Mentalität unserer Spieler hat", sagte Bruchhagen: "Aber es wird gespielt, es muss gespielt werden und da kann man einfach nur erwarten, dass sie hochkonzentriert in das Spiel gehen und möglicherweise auch für Marco Russ spielen." Die Ermittlungen der Frankfurter Staatsanwaltschaft erfolgten nach den Vorgaben des relativ neuen Anti-Doping-Gesetzes. Die Beamten klopften in dem Hotel, in dem die Eintracht vor dem Relegationsspiel übernachtet hat. Zum Zeitpunkt der Durchsuchung habe aber noch kein ärztliches Gutachten mit der Diagnose vorgelegen, bestätigte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft dem SID. "Wir mussten tätig werden", sagte sie. Die Durchsuchung sei völlig unspektakulär verlaufen, Russ habe keinerlei Einwände gehabt.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/pullach-gewinnt-derby-der-osterhase-macht-das-rennen-1.4090373
mlsum-de-148
Spät, aber verdient sichert sich die Schmöller-Elf drei Punkte gegen 1860 II. Dabei gelang Pullach lange wenig, erst in der zweiten Halbzeit konnte das Team aufholen.
Sebastian Lubojanski ahnte, was gleich passieren würde, und trat in Erwartung dessen schon einmal die beiden Plastikstühle um, auf denen er und sein Assistent zuvor gesessen hatten. "Ugur, ach Mann", rief der Trainer des TSV 1860 München II und mutmaßte dann, wieder in normaler Lautstärke, seine Mannschaft werde gleich in Unterzahl spielen. Pullachs Alexander Benede hatte Sechzigs Ugur Türk gefoult. Der wiederum hatte seinen Gegenspieler anschließend getreten. Rudelbildung. Die Schiedsrichter dazwischen. Gelb für Benede. Dann Rot für Türk. Trainer Lubojanski (deutlich über normaler Lautstärke): "Aaaaah, so unnötig!" Anschließend kam es, wie Lubojanski schon zu befürchten schien: Obwohl die U21 des TSV 1860 München zum Zeitpunkt des Platzverweises geführt hatte, verlor sie gegen den SV Pullach noch 1:2 (1:0). Lubojanski sagte nach einem bewegten Bayernliga-Spiel: "Ich will gar nicht viel sagen, ich bin einfach platt. Diese Niederlage ist sehr enttäuschend. Alles, was ich jetzt sage... Es war einfach völlig überflüssig." Nach dem Platzverweis für Türk nutzt der SV Pullach die sich öffnenden Räume Pullachs Trainer Frank Schmöller fand hingegen, der Sieg seiner Mannschaft sei "am Ende mehr als verdient" gewesen. Die Betonung hätte er dabei gar nicht arg genug auf "am Ende" legen können. Pullach war in der ersten Halbzeit defensiv ungewohnt anfällig und offensiv erstaunlich harmlos. Schmöller sagte: "Wir verlieren mehrfach 30, 40 Meter vor dem eigenen Tor den Ball. So entsteht dann auch der Gegentreffer." Dennis Dressel zog nach einem Pullacher Ballverlust links raus bis an die Grundlinie und spielte den Ball flach nach innen, wo Michael Hutterer den Ball ins eigene Tor abfälschte (15.). Zuvor hatten die Pullacher Dressel erst im letzten Moment von einem Torschuss aus kurzer Distanz abgehalten (3.). Im Angriff gelang Pullach lange wenig, trotz Lukas Dotzler, der in der vergangenen Saison immerhin 23 Tore erzielt hatte und damit Dritter in der Torschützenliste der Bayernliga Süd geworden war. Im Eins-gegen-eins brachte er den Ball nicht am Münchner Torhüter Tom Kretzschmar vorbei (12.). Eine Flanke köpfelte er völlig freistehend genau auf den Keeper, den Nachschuss setzte er über das Tor (26.). Pullach spielte in der ersten Halbzeit selten über die Flügel. "Die wollten, dass wir durch die Mitte kommen", erkannte Schmöller. "Der Trainer hat doch sogar mehrfach reingerufen, dass sie uns in den Trichter lotsen sollen. Und wir sind auch noch ständig reingelaufen wie die Osterhasen." Auch nach dem Seitenwechsel gehörte die erste große Chance den kleinen Löwen. Pullachs nach längerem Urlaub zurückgekehrter Stammtorhüter Marijan Krasnic wehrte einen Schuss von Oliver Stefanovic ab, Krasnics Vorderleute blockten Nachschüsse von Cottrell Ezekwem und Leon Klassen (51.). Sechzigs Kapitän Dressel sagte später: "Die Niederlage ist sehr bitter. Aber es lag nicht nur an der roten Karte, wir hatten die Chance, mit 2:0 in Führung zu gehen." Anschließend wurde Pullach stärker. Dusan Jevtic kam aus zentraler Position auf Höhe der Strafraumlinie zum Abschluss. Der Schuss war zwar hart, kam aber mittig auf das Tor, Keeper Tom Kretzschmar parierte (54.). Jevtic, 26, zentrales Mittelfeld, hat sich gerade erst dem SV Pullach angeschlossen, es war sein erstes Spiel für den Klub, ausgerechnet gegen den TSV 1860 München, bei dem er einst ausgebildet worden war. Jevtic spielte für den MSV Duisburg zweimal in der zweiten Bundesliga, für den TSV Buchbach und zuletzt ein halbes Jahr für den VfR Garching in der Regionalliga. "Er hat sich gut bewegt, angedeutet, was er kann", sagte Schmöller. Er sei nach drei, vier Trainingseinheiten mit der Mannschaft körperlich noch nicht bei hundert Prozent. "Es war ein gewisses Risiko, ihn heute schon zu bringen, aber er braucht die Spielpraxis, weil wir ihn schon bald fit brauchen. Ein fitter Dusan kann bei uns schon mal den Unterschied machen." Gegen 1860 München waren für den Unterschied noch andere verantwortlich. Zunächst Ugur Türk, der seiner Mannschaft mit dem Platzverweis (67.) eine Schlussphase in Unterzahl einbrockte. Dann Martin Bauer und Lukas Dotzler, die die dadurch entstandenen Räume für zwei Tore nutzten und so das Spiel zugunsten des SV Pullach drehten. Schmöller sagte: "Meine Spieler sind alle intelligent genug, zu wissen, dass die erste Halbzeit nicht so optimal war. Wir lagen zurück, aber in der zweiten Halbzeit haben wir eine super Reaktion gezeigt und drei Punkte geholt. Das zählt erst mal." Bauer kam nach einer Hereingabe von Hutterer im Strafraum an den Ball und schoss aus kurzer Distanz ein (80.). Und Dotzler traf nach einem Freistoß doch noch per Kopf (88.).
https://www.sueddeutsche.de/politik/wahlkampf-fuer-verfassungsreform-gaggenau-und-koeln-stoppen-auftritte-tuerkischer-minister-1.3402463
mlsum-de-149
Sie wollten in Deutschland Wahlkampf für die türkische Verfassungsreform machen. Ein geplantes Treffen mit seinem deutschen Kollegen Maas sagt der türkische Justizminister daraufhin ab.
Die Stadt Gaggenau hat den für Donnerstagabend geplanten Auftritt des türkischen Justizministers Bekir Bozdağ in ihrer Festhalle untersagt. Das teilte das Rathaus der baden-württembergischen Gemeinde mit. Ein Treffen mit Bundesjustizminister Heiko Maas sagte Bozdağ aus Protest ab. Die deutsche Seite habe um das Gespräch gebeten, meldete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu. Die Stadt Gaggenau begründet die Absage des Auftritts unter anderem mit dem erwarteten Besucherandrang: "Aufgrund der nun überregional bekannt gewordenen Veranstaltung rechnet die Stadt mit einem großen Besucherandrang, für den die Festhalle Bad Rotenfels, die dortigen Parkplätze und auch die Zufahrten nicht ausreichen." Der zuständige Bürgermeister von Gaggenau, Michael Pfeiffer, betonte, dass es sich nicht um eine politische Entscheidung handele. "Wir gehen davon aus, dass die Situation zu gefährlich werden könnte", sagte er. Der Beschluss sei nicht mit höheren politischen Ebenen abgesprochen. "Das ist unsere Entscheidung." Der Veranstalter, die Union europäisch-türkischer Demokraten (UETD), war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Auch der Auftritt des türkischen Wirtschaftsministers in Köln wird wohl nicht stattfinden Minister Bekir Bozdağ ist in der Türkei zuständig für Gerichte, Gefängnisse, mithin auch für die Verfolgung von Journalisten wie Deniz Yücel. Bei seinem Auftritt sollte es sich nach Angaben der türkischen Regierungspartei AKP um einen Wahlkampfauftritt handeln, bei dem der Minister um Zustimmung für ein Präsidialsystem beim umstrittenen bevorstehenden Referendum in der Türkei werben wollte. Auch der Auftritt des türkischen Wirtschaftsministers Nihat Zeybekçi am Sonntag in Köln wird nach Angaben der Stadt nicht wie geplant stattfinden können: Für den Rathaussaal im Stadtbezirk Porz, in dem Zeybekçi auftreten sollte, habe zwar eine Anfrage vorgelegen, sagte einer Sprecherin der Stadt der SZ, "es gibt aber keinen gültigen Mietvertrag". Deshalb war es für die Stadt Köln juristisch leicht, dies noch zu stoppen. Auch Minister Zeybekçi wollte bei dem Auftritt für ein Ja bei der Volksabstimmung über das von Staatschef Recep Tayyip Erdoğan angestrebte Präsidialsystem in der Türkei werben. Bei dem für den 16. April geplanten Referendum sind auch rund 1,4 Millionen Türken in Deutschland wahlberechtigt. Zeybekçi soll nun jedoch in einem anderen Saal in Köln auftreten, sagte der deutsch-türkische AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroğlu in Istanbul. Er äußerte sich nicht dazu, wann und wo der Auftritt Zeybekçis nun geplant sei. Yeneroğlu nannte es einen "Skandal", dass Gaggenau den Auftritt des türkischen Justizministers gestoppt hat. "Dass so ein Verbot in einem Land ausgesprochen wird, in dem knapp 1,5 Millionen Türkeistämmige Wahlberechtigte leben, hätte ich von der selbst ernannten Hochburg der Meinungsfreiheit nicht für möglich gehalten", teilte er mit.
https://www.sueddeutsche.de/politik/frankreich-ein-land-macht-mobil-1.2741190
mlsum-de-150
Präsident Hollande präsentiert Vorschläge, wie sein Land auf die Angriffe reagieren soll. Juristen warnen vor einem "französischen Guantanamo".
Das Staatstheater im Schloss von Versailles ging feierlich zu Ende. Stramm wie ein Soldat stand François Hollande hinter dem Rednerpult, als sich die mehr als 1000 Abgeordneten und Senatoren des französischen Kongresses zur Hymne erhoben: "Zu den Waffen, Brüder, formt eure Truppen", sangen Sozialisten wie Liberale und Republikaner, "Marchons, marchons!" Der Präsident hatte am Montagabend eine staatstragende Rede gehalten, mit einem Schlusswort voller Pathos: "Der Terrorismus wird nicht die Republik vernichten - sondern es wird die Republik sein, die ihn vernichtet!" Aber Hollande bewies auch, dass er geblieben ist, was er immer war: ein flinker, clever abwägender Taktiker. Er präsentierte vor Frankreichs verfassungsgebender Versammlung Vorschläge, mit denen er seine Nation aufrüsten will. "Le tournant securitaire" nennen Élysée-Berater die politische Wende nach rechts, hin zu mehr Sicherheit und Härte. Der Sozialist griff sogar Vorschläge auf, die vor dem Horror des 13. November nur Republikaner oder Vertreter des rechtsextremen Front National (FN) äußerten. Aberkennung Staatsbürgerschaft Diese Idee, seit Jahren von FN-Chefin Marine Le Pen propagiert, ist ein eher symbolischer Akt: Franzosen, die als Gotteskrieger zu Feinden des Vaterlandes werden, sollen nicht länger Bürger der Republik sein dürfen. Nun wird die Ausbürgerung erleichtert. Doch diese Ächtung kann nur Franzosen treffen, die noch eine zweite Staatsangehörigkeit haben. Menschenrechtsnormen verbieten es, Staatenlose zu schaffen. Zugleich sollen Doppelstaatler, die als Terrorverdächtige zurück nach Frankreich wollen, an der Grenze abgewiesen werden. Umgang mit Flüchtlingen Eher gemäßigte Töne schlug Hollande zum Umgang mit Flüchtlingen an. Führende Republikaner und der FN fordern, vorläufig oder völlig die Aufnahme von Asylbewerbern zu stoppen. Oppositionsführer Nicolas Sarkozy, potenzieller Präsidentschaftskandidat und Mann von "law and order", verlangt jede Woche, das Schengen-Abkommen aufzukündigen. Hollande betonte hingegen, die Zuwanderer aus dem Irak und Syrien seien "Opfer desselben Terrorsystems" wie die Toten von Paris. Strenger denn je verlangte der Präsident jedoch, Europas Außengrenzen zu schützen. Dies sei derzeit nicht der Fall. Falls das nicht endlich gelinge, drohten Mauern "und der Zerfall Europas". Notstand in der Verfassung Zur Überraschung der Opposition schlug Hollande vor, die Verfassung um eine Notstands-Klausel zu ergänzen. Bisher kennt die Verfassung nur zwei Kriegs- und Krisen-Artikel, die als Antwort auf die Terrorgefahr wenig taugen. Der aktuelle Notstand wurde vom Ministerrat nur dekretiert. Bis Ende dieser Woche soll das Parlament per Gesetz den "état d'urgence" um drei Monate verlängern und so ermöglichen, Hausarreste und Hausdurchsuchungen ohne richterliche Kontrolle zu verfügen. Liberale und linke Kritiker fordern, derartige Beschränkungen der Freiheiten sauber in der Verfassung zu verankern. Oppositionschef Sarkozy lehnt eine solche Reform als symbolisches Manöver ab. Er verdächtigt Hollande, mit einer aufwendigen Verfassungsänderung nur seinen Status als Krisen-Präsident verlängern zu wollen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/radsport-umstrittenes-astana-team-bekommt-lizenz-1.2262408
mlsum-de-151
Fünf Radfahrer werden positiv getestet, Teammitglieder sollen sich mit Dopingarzt Ferrari getroffen haben: Dennoch darf Astana weiterfahren. Der Weltverband UCI vergibt dem umstrittenen Team die Lizenz.
Astana bekommt die Lizenz für die WorldTour Tour-de-France-Sieger Vincenzo Nibali ist bei der kommenden Frankreich-Rundfahrt automatisch startberechtigt - seine umstrittene Astana-Mannschaft erhielt offenbar im zweiten Durchgang die Lizenz für die WorldTour. Das teilten die Kasachen am Mittwochabend auf ihrer Webseite mit. Eine offizielle Bestätigung des Weltverbandes UCI gab es zunächst nicht. Das von Olympiasieger Alexander Winokurow geleitete Team darf nun trotz fünf aufgedeckter Dopingfälle in den vergangenen drei Monaten weiterfahren. Im Fall Astana stand die UCI auf dem Prüfstand, neue Härte im Anti-Doping-Kampf unter dem neuen Präsidenten Brian Cookson unter Beweis zu stellen. Sie scheiterte. Fünf bekanntgewordene Dopingfälle innerhalb von drei Monaten, die belastete Vergangenheit des Team-Managers Winokurow und dessen Umgang mit den Themen Doping und Bestechung konnten dem Team nichts anhaben. Ermittlungs-Ergebnisse der Staatsanwaltschaft Padua Auch die Ermittlungs-Ergebnisse der Staatsanwaltschaft Padua vom vergangenen Wochenende, die Verbindungen zwischen Astana und dem auf Lebenszeit wegen Dopings gesperrten Mediziner Michel Ferrari aufzeigte, konnten die UCI-Lizenz-Kommission nicht umstimmen. Nach Angaben der Gazzetta dello Sport soll es Fotos aus dem Vorjahr geben, auf denen Winokurow und Ferrari in Bergamo im Astana-Trainingslager zu sehen sind. Nibali hatte sich Ende 2012 - trotz Winokurows Vorgeschichte als Blutdoper - für Astana entschieden. Bei der Lizenz-Verweigerung und der Zurückstufung in die ProContinental-Klasse wäre er bei großen Rennen auf Wildcards der Veranstalter angewiesen gewesen - oder hätte versuchen müssen, kurzzeitig das Team zu wechseln. Der Einnahme verbotener Steroide überführt Bei Astana wurde fein unterschieden zwischen dem WorldTour-Team und dem inzwischen geschlossenen Continental-Team. Im Elitebereich waren die Iglinskye-Brüder positiv auf Epo getestet und gesperrt worden, im Mannschafts-Unterbau waren Ilja Dawidenok, Viktor Okischew and Artur Fedossejew positiv der Einnahme verbotener Steroide überführt worden. Alles Einzelfälle, hatte Winokurow behauptet und Verantwortung für das Continental-Team abgelehnt.
https://www.sueddeutsche.de/politik/seenotretter-im-mittelmeer-was-italien-den-rettern-im-mittelmeer-vorwirft-1.3619851
mlsum-de-152
Jugendliche Aktivisten, Rechtsextreme und italienische Staatsanwälte streiten über die Rettung von Flüchtlingen in Seenot. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Warum hat Italiens Küstenwache ein NGO-Schiff beschlagnahmt? Sie erwarteten eine Routine-Kontrolle, stattdessen wurden die Seenotretter verhört und ihr Schiff muss seither im Hafen bleiben: Die italienische Küstenwache hat das Rettungsschiff Iuventa vergangene Woche vor Lampedusa abgefangen und aus dem Verkehr gezogen. Die Iuventa gehört der deutschen Nichtregierungsorganisation "Jugend Rettet", die sich aus Spenden finanziert. Seit 2016 fährt ein Dutzend junger Menschen mit dem Schiff unter niederländischer Flagge Rettungseinsätze im Mittelmeer. Flüchtlinge, die von Nordafrika aus losfahren und in Seenot geraten, nimmt die Iuventa an Bord und bringt sie nach Lampedusa. Die Überfahrt von Libyen nach Lampedusa ist einer der kürzesten Wege in die EU - aber auch einer der gefährlichsten. Detailansicht öffnen Karte von Lampedusa (Foto: SZ-Grafik) Die Staatsanwaltschaft im sizilianischen Trapani hat angeordnet, das Schiff aus dem Verkehr zu ziehen. Die jungen Ehrenamtler werden der "Beihilfe zur illegalen Migration" beschuldigt. Sie sollen mehrmals Flüchtlinge an Bord genommen haben, die von Schleppern eskortiert wurden und sich nicht in unmittelbarer Seenot befanden, sagte Staatsanwalt Ambrogio Cartosio in einer Pressekonferenz. Außerdem sollen die Seenotretter nicht mit den Behörden kooperiert haben. Es habe aber keinen "gemeinsamen Plan zwischen NGOs und Schleusern" gegeben. Stimmen die Vorwürfe gegen "Jugend Rettet"? Die Polizei hat mittlerweile einen Audio-Mitschnitt veröffentlicht, auf dem ein Jugend-Rettet-Mitglied zu hören sein soll. Die Person, deren Stimme verzerrt ist, ordnet in der Aufnahme an: "auf jeden Fall keine Fotos weitergeben", auf denen Menschen zu erkennen sind. Denn Ermittlungen wegen illegaler Einwanderung sollten die Seenotretter nicht unterstützen, das sei "nicht der Auftrag". Die Ermittler leiten daraus ab, dass "Jugend Rettet" nicht mit Behörden kooperieren will. Fotos sollen Beweise dafür zeigen, dass die Iuventa mit Schleppern zusammenarbeitet und leere Flüchtlingsboote nicht versenkt, wie es unter NGOs üblich ist. Auf einem Bild mit Polizei-Logo ist zu sehen, wie auf hoher See ein Flüchtlingsboot und ein Schlauchboot von der Iuventa zusammentreffen - und ein drittes Boot, das auf dem Foto mit "Trafficanti" überschrieben ist. Ob es sich tatsächlich um Schlepper handelt, ist unklar. Der Fotograf und Grünen-Politiker Erik Marquardt hat schon mehrere Rettungseinsätze auf dem Mittelmeer begleitet, um Fotos zu machen. Den Einsatz, den das Bild zeigt, hat er nicht miterlebt. Trotzdem erklärt Marquardt unter anderem in einem langen Facebook-Post, dass er die vermeintlichen Schlepper für Engine-Fisher hält: Banditen, die die Motoren von Flüchtlingsbooten stehlen und sie dann womöglich wieder an Schlepper verkaufen. Manche Engine-Fisher seien bewaffnet und bedrohten die Retter, so Marquardt. Die Crewmitglieder der Iuventa wurden wieder freigelassen und dazu aufgefordert, die Gegend zu verlassen. Anklage wird wohl nicht erhoben. Beides spricht für einen Mangel an Beweisen. Ist das die Strafe, weil "Jugend Rettet" den neuen Verhaltenskodex nicht unterschreibt? Die italienische Regierung hat vergangene Woche einen Verhaltenskodex erarbeitet, der die private Seenotrettung regulieren soll. Hilfsorganisationen lehnen den Kodex aber ab; auch Ärzte ohne Grenzen verweigert die Unterschrift. Der Kodex sieht unter anderem vor, dass Rettungsschiffe bewaffnete Polizisten mitnehmen müssen. Die Organisationen sehen sich dadurch kriminalisiert und ihre Neutralität in Gefahr. Außerdem dürfen auf hoher See in Sicherheit gebrachte Flüchtlinge nicht mehr von einem Schiff auf ein anderes transferiert werden. Das würde, fürchten die NGOs, die Rettungseinsätze behindern - und dazu führen, dass viele Kapitäne, die Flüchtlinge aufsammeln, den nächstbesten Hafen ansteuern würden, um sie dort abzusetzen. "Mit unserer Nicht-Unterzeichnung wollten wir uns aber nie prinzipiell gegen die italienischen Behörden stellen. Wir waren und sind immer gesprächsbereit", betonte Philipp Külker von "Jugend Rettet" am Samstag zu jetzt.de. Ein Gutachten, das die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages erstellt haben, gibt ihnen recht: Den Experten zufolge verstößt der Kodex gegen das Völkerrecht, das Hilfe in Seenot gebietet. Außerdem habe der Kodex "keine rechtsverbindliche Wirkung". Italiens Innenminister Marco Minniti sagte in einem Interview mit der Zeitung La Stampa, Helfer könnten ihre Arbeit nicht fortsetzen, solange der Kodex nicht unterschrieben sei. Trotz dieser öffentlichen Drohung hat die Beschlagnahme der Iuventa nichts mit dem Kodex zu tun, verkündete die Staatsanwaltschaft. Schließlich werde schon seit Herbst vergangenen Jahres gegen "Jugend Rettet" ermittelt. Helfen NGOs im Mittelmeer Schleppern? Die aktuelle Vertrauenskrise geht auf den Vorwurf zurück, dass Retter so weit wie möglich in Richtung Nordafrika fahren, dort die Flüchtlinge von Schleppern in Obhut nehmen und in die EU bringen. Dafür, dass NGOs freiwillig Fähre spielen oder sich mit Schleppern absprechen, gibt es aber keinerlei Beweise. Die Zeit hat Positionsdaten von privaten Rettungsschiffen über zwei Wochen hinweg beobachtet und festgestellt, dass sie nur in Küstennähe fahren, wenn es mit den Behörden abgesprochen ist. Die Grenzschutzagentur Frontex hat im Februar die Ansicht publiziert, dass "alle Parteien, die an Rettungsaktionen im zentralen Mittelmeer beteiligt sind, unbeabsichtigt den Verbrechern" helfen. Nachweislich im Mittelmeer ertrunken sind seit 2014 bereits 15 000 Flüchtlinge, so das UN-Flüchtlingshilfswerk. Die Überfahrt geschafft haben unterdessen 600 000 Menschen. Mindestens jeden Dritten rettete eine NGO aus der Seenot. Was haben rechtsextreme Hipster mit der ganzen Sache zu tun? "Wir brauchen ein Schiff, einen Kapitän und eine Mannschaft. Wir sind bereit, Europa zu verteidigen" - so warben Österreichs Identitäre online für ein Crowdfunding-Projekt. Die rechtsextremen, überwiegend jungen Identitären sind europaweit vernetzt und auf Social Media als hippe Lifestyle-Rechte präsent. Eigenen Angaben zufolge haben sie online etwa 167 000 Euro Spenden gesammelt, um ein Schiff zu chartern, das Retter im Mittelmeer von ihrer Arbeit abhält. Der Plan: "Wir fahren vor libysche Gewässer und bieten der Küstenwache unsere Hilfe bei der Beendigung des NGO-Wahnsinns an." Das Schiff soll vor Ort die Funksprüche der Retter abhören und ihre Arbeit dokumentieren. Außerdem wollen die Rechtsextremen mit der Küstenwache zusammenarbeiten - und sie "greifen ein, wenn etwas Illegales geschieht". Wie genau dieses Eingreifen aussieht, ist unklar, Gerüchten zufolge wollen sie Schiffe rammen und abdrängen. Ihr Schiff, die C-Star, ist Anfang Juli in See gestochen. Auf dem Weg wurde die C-Star zunächst in Nordzypern festgesetzt, wo Mitglieder der gecharterten Crew gleich Asyl beantragt haben. In Tunesien behinderten Fischer und Hafenmitarbeiter sie beim Anlegen. Am Samstag ist das Schiff vor der libyschen Küste angekommen und hat dort ein Rettungsschiff verfolgt. Der italienische Investigativjournalist Andrea Palladino schreibt in einer Wochenzeitschrift, es bestehe eine Verbindung zwischen den Identitären und den Ermittlungen gegen "Jugend Rettet". Palladino zufolge soll eine private Sicherheitsfirma die Retter angeschwärzt und den Behörden Beweismaterial zugespielt haben. Die offizielle Facebookseite der Sicherheitsfirma ist eine Gruppe, zu deren Mitglieder mehrere Rechtsextreme gehören - unter anderem ein Identitärer, der auf der C-Star arbeitet.
https://www.sueddeutsche.de/politik/antikorruptionsgesetz-rumaenen-protestieren-weiter-gegen-regierung-1.3365657
mlsum-de-153
Die Demonstrationen reißen nicht ab, trotz der Rücknahme des umstrittenen Dekrets zur Strafminderung bei Korruption. Es sind die größten Proteste in der Geschichte des Landes.
Der Druck auf die erst seit einem Monat amtierende rumänische Regierung lässt nicht nach. Obwohl sie am Wochenende nach Massenprotesten ihr umstrittenes Dekret zur Strafminderung bei Korruption zurückgenommen hatte, gingen am Sonntag erneut Hunderttausende Menschen gegen die Regierung auf die Straße. Landesweit beteiligten sich nach Schätzungen mehrerer Fernsehsender 500 000 Menschen an den Protesten, allein in der Hauptstadt Bukarest waren es bis zu 300 000 Teilnehmer. Ministerpräsident Sorin Grindeanu von der Sozialdemokratischen Partei (PSD) hatte die Rücknahme des Dekrets am Samstag angekündigt, am Sonntag folgte das Kabinett mit dem entsprechenden Beschluss. Grindeanu kündigte statt der Eilverordnung einen neuen Gesetzentwurf an, der dieses Mal dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden solle. Die Kehrtwende begründete er damit, er wolle eine "Spaltung" des Landes verhindern. Grindeanu lehnte in einem Fernsehinterview einen Rücktritt ab. Er habe eine "Verantwortung" gegenüber den Menschen, die seine Partei bei der Parlamentswahl am 11. Dezember gewählt hätten. Die Menschen rufen "Rücktritt" und "Diebe" Doch die Regierungsgegner strömten auch am Sonntag auf die Straßen und forderten den Rücktritt der Regierung: Auf dem Siegesplatz in Bukarest, wo sich der Regierungssitz befindet, versammelten sich am Abend den Schätzungen der TV-Sender zufolge zwischen 200 000 und 300 000 Regierungsgegner. Zwischen rumänischen Flaggen, EU-Flaggen und Protestschildern hielten viele Teilnehmer ihre leuchtenden Smartphones hoch und riefen "Rücktritt" und "Diebe". Die Regierung wollte es mit der Eilverordnung schwieriger machen, Fälle von Amtsmissbrauch zu bestrafen. Unter anderem sollte Amtsmissbrauch nur noch mit Gefängnis geahndet werden, wenn der Streitwert über umgerechnet 44 000 Euro liegt. Nach Angaben von Grindeanu wird die 44 000-Euro-Grenze in dem nun angekündigten Gesetz "vermutlich" wieder fallengelassen. Der Chef der Regierungspartei vermutet einen Plan der Opposition Die Regierung hatte die Maßnahmen nach nicht einmal einem Monat im Amt am vergangenen Dienstag erlassen. Sie argumentierte, sie wolle damit die überbelegten Gefängnisse entlasten und die Strafgesetze mit der Verfassung in Einklang bringen. Von den Regeln hätten allerdings auch unzählige Politiker und Behördenvertreter profitiert - von denen viele der PSD angehören. Der Parteichef der regierenden PSD, Liviu Dragnea, reagierte empört auf die Fortsetzung der Proteste und warf der Opposition vor, die Regierung stürzen zu wollen. "Wenn die Proteste nach der Rücknahme des Dekrets weitergehen, dann wird klar, dass es sich um einen nach den Parlamentswahlen (im Dezember) geschmiedeten Plan handelt." Das Ziel sei, die Regierung zu stürzen. Der Regierung aus Sozialdemokraten und Liberalen steht Staatspräsident Klaus Iohannis gegenüber, der zum Mitte-rechts-Lager gehört. Er hatte sich selbst an den Protesten gegen das Dekret beteiligt.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/fussball-landesligist-deisenhofen-projekt-halbgas-1.2611808
mlsum-de-154
Unter seinem einstigen Trainer Dieter Meixelsberger kannte der FC Deisenhofen nur eine Richtung: voll nach vorne. Der neue Coach Peter Schmidt vermittelt dem Landesligisten eine defensivere Philosophie - mit erstaunlichem Erfolg
Zum Abschied haben sie ihm im Mai eine selbst gemachte Chronik seiner Zeit als Fußballtrainer des FC Deisenhofen überreicht, und eine Collage mit besonders schönen Schnappschüssen. Dann wurde gefeiert, ehe Dieter Meixelsberger, den alle "Katsche" nennen, nach Hause ging - und damit als Coach abtrat, nach zehn Jahren beim FCD, davon viereinhalb als Chef der ersten Mannschaft. Die Verantwortlichen wollten möglichst ohne den ganz großen Schnitt weitermachen, hatte sich der Klub doch in den vergangenen Jahren mehr und mehr als eines der besten Teams in der Landesliga Südost etabliert. Und so lag es nahe, die Position des Übungsleiters intern zu besetzen. Der Start in die neue Saison zeigt, dass das Präsidium mit der Entscheidung, den bisherigen A-Juniorencoach Peter Schmidt, 32, zu befördern, richtig gelegen haben könnte. "Er ist ja im Verein kein Unbekannter und zudem einfach voll motiviert", sagt Manager Franz Perneker, der aber auch dem Vorgänger ein gutes Zeugnis ausstellt: "Katsche hat eine total intakte Mannschaft übergeben, auch wenn Peter nun etwas am System gefeilt hat." Damit spielt Perneker auf die defensivere Ausrichtung an, die Schmidt seinen Spielern vermittelt, während Meixelsberger immer Vollgas nach vorne spielen ließ. "Er geht es etwas strategischer an." Und bislang funktioniert das Rezept: Die ersten fünf Partien gewann Deisenhofen allesamt, eine davon gegen den vermeintlichen Aufstiegskandidaten Hallbergmoos (3:1). "Das muss man relativieren: Beim Stand von 2:1 läuft Benny Held alleine auf unser Tor zu und vergibt. Im Gegenzug machen wir das 3:1", sagt der Manager. Eng geht es zu in der neuen Saison, Perneker rechnet mit einem ausgeglichenen Titelkampf. Favorit ist für ihn Ismaning, gegen das der Tabellenzweite Deisenhofen am sechsten Spieltag erstmals verlor, mit 1:2. Der FCI sei zum Aufsteigen verdammt, glaubt er, denn sein Kader "kann 700 bis 800 Spiele in der zweiten, dritten und vierten Liga vorweisen. Bei uns haben alle zusammen vielleicht 700 Landesligaspiele". Die Deisenhofener setzen sich selbst überhaupt nicht unter Druck, obwohl die Bayernliga durchaus eine Option für die Zukunft darstellt, wie man in der Führungsebene des Vereins klargestellt hat. Aber vorerst komme es darauf an, "den fünften Tabellenplatz aus der Vorsaison zu bestätigen, weiter attraktiven Fußball zu spielen und den Trainerwechsel zu bewerkstelligen", wie Perneker sagt. Alle drei Aspekte laufen bislang gut, auch wenn Coach Peter Schmidt zugleich nicht zu viel Euphorie entfachen will. "Wir haben noch nichts erreicht", sagt er. "Die Liga ist so ausgeglichen, da könnten wir genauso gut hinten drin stehen." Tun sie aber nicht, und weil derjenige, der oben steht, oftmals das nötige Quäntchen Glück hat, feierten Schmidt und seine Elf am Wochenende den nächsten Sieg: Beim 1:0 gegen Gerolfing entschied Marco Finster die Partie durch einen fragwürdigen Handelfmeter. "Ein hundsgemeines Spiel von uns, unsere schlechteste Saisonleistung", fand der Trainer. Eines ist klar: Im Toto-Pokalspiel gegen Regionalligist FC Memmingen an diesem Mittwoch (18.15 Uhr) muss eine Steigerung her, sonst droht eine böse Packung. Dass man beim FCD auf Kontinuität setzt, zeigen die moderaten Transfertätigkeiten im Sommer: Der Kader entspricht im Großen und Ganzen dem aus der Vorsaison. Lediglich Andreas Petermeier (Grünwald), Alexander Rojek (Garching) und Eigengewächs Simon Richter (Aying) verließen den Verein. Neben einigen nach oben gezogenen U-19-Spielern gibt es nur zwei externe Zugänge: Mittelfeldspieler Felix Heil (TSV Neudrosselfeld) und Verteidiger Florian Radlmaier, 20, der in der vergangenen Saison beim Bayernligisten 1860 Rosenheim Stammspieler war. Beide haben sich einen Platz in Schmidts erster Elf erkämpft. Sie treffen dort auf allerlei Deisenhofener Urgesteine, allen voran die Mayer-Brüder, von denen drei auch in der neuen Saison zum Aufgebot gehören. Mittelfeldantreiber und Leitfigur bleibt Martin Mayer. Bruder Markus, der noch immer unter den Folgen einer Schulteroperation leidet, muss derzeit mit Kurzeinsätzen vorliebnehmen. Er macht das Beste daraus: In den ersten sechs Saisonspielen wurde er jeweils in der letzten halben Stunde eingewechselt und erzielte dabei drei Tore.
https://www.sueddeutsche.de/politik/terrormiliz-is-kabinett-beschliesst-anti-terror-einsatz-der-bundeswehr-1.2762354
mlsum-de-155
Tornado-Aufklärungsjets, ein Kriegsschiff und bis zu 1200 Soldaten sollen Frankreich im Kampf gegen die Terrormiliz IS helfen.
Ministerrunde bittet Bundestag um Zustimmung Die Bundesregierung hat den Syrien-Einsatz der Bundeswehr beschlossen und den Antrag auf das Mandat des Bundestages auf den Weg gebracht. Die Ministerrunde stimmte nach Angaben aus Regierungskreisen der Vorlage zu, die die Entsendung von Aufklärungs-Tornados, Tankflugzeugen, einer Fregatte und die Abstellung von Stabspersonal vorsieht. Der Einsatz wird zunächst auf ein Jahr befristet. Als Einsatzgebiet werden in dem Antrag Syrien sowie Länder genannt, die die Nutzung ihres Territoriums - etwa für die Luftwaffen-Flugzeuge - zusagen. Zudem werden das östliche Mittelmeer, der Persische Golf, das Rote Meer und angrenzende Seegebiete genannt. Der Bundestag wird in dem zehnseitigen Antrag um die Zustimmung zu einem Einsatz von bis zu 1200 Bundeswehrsoldaten für den Kampf gegen die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) gebeten. Die Bundesregierung hatte Frankreich diese Beteiligung nach den IS-Anschlägen von Paris zugesagt. Als Einsatzgebiet werden in dem Antrag Syrien sowie die Länder genannt, die die Nutzung ihres Territoriums - etwa für die Luftwaffen-Flugzeuge - zusagen. Zudem werden das östliche Mittelmeer, der Persische Golf, das Rote Meer und angrenzende Seegebiete als Einsatzgebiet genannt. Abstimmung am Freitag? Der Bundestag wird nach CSU-Angaben wahrscheinlich am Freitag über den geplanten Einsatz abstimmen. Die erste Beratung solle an diesem Mittwoch und die zweite und dritte Lesung am Freitagmorgen stattfinden, teilten CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt und der Parlamentarische CSU-Geschäftsführer Max Straubinger in Berlin mit. Opposition bemängelt fehlende Strategie Die Linkspartei lehnt den Syrien-Einsatz ab, auch bei den Grünen gibt es Vorbehalte. Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter kritisiert das Fehlen einer politischen Strategie sowie eines UN-Mandats für den geplanten Einsatz der Bundeswehr in Syrien. Ohne "umfassende Strategie" könne es im Bundestag keine Zustimmung geben, sagte Peter im ARD-"Morgenmagazin". Für die Grünen wäre eine UN-Resolution sowie eine politische Konzeption ein Minimum. Es müssten Fragen geklärt werden, wie lange der Einsatz dauert, wer genau die Freunde und wer die Feinde sind, und wie die Bundeswehr am Ende wieder rauskommt. Die EU-Beistandsklausel aus Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrags sei keine rechtliche Grundlage für einen militärischen Einsatz auf fremden Territorium, sagte Peter. Dafür bedürfe es eine UN-Mandats nach Artikel 7 der UN-Charta, die den Einsatz von Gewalt erlaubt. Auch der Bundeswehrverband fordert, klare Ziele für den Einsatz der Bundeswehr gegen den IS zu definieren. Es brauche ein "Ordnungsziel", sagte der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, Oberstleutnant André Wüstner, im "Morgenmagazin". Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) arbeite daran, dieses Ziel mit den Verbündeten zu definieren, doch sei dies noch nicht geschehen. "Krieg ist kein Selbstzweck", mahnte Wüstner. Er forderte, aus früheren Einsätzen im Irak, Libyen oder Afghanistan zu lernen.
https://www.sueddeutsche.de/bildung/gymnasien-in-deutschland-abiturnoten-sind-kaum-vergleichbar-1.2514039
mlsum-de-156
Das Abitur wird "in Deutschland zu sehr unterschiedlichen Preisen vergeben", bemängelt ein Lehrerverband. Nun wollen die Kultusminister die Abi-Aufgaben bundesweit stärker vereinheitlichen.
Philologenverband fürchtet Entwertung des Abiturs Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, befürchtet eine zunehmende Entwertung des Abiturs. "Generell muss tatsächlich bezweifelt werden, ob heute noch in vielen Fällen hinter der durch das Abitur verliehenen Studienberechtigung auch eine Studienbefähigung steht", sagte er Nachrichtenagentur dpa. "Das ist übrigens kein bloßes Bauchgefühl, sondern auch das Ergebnis von seriösen Studien wie etwa der Tosca-Studie, die Leistungen von Oberstufenschülern in verschiedenen Bundesländern miteinander verglichen hat." Zu einem Spiegel-Bericht über die Häufung von Top-Abiturnoten zwischen 2006 und 2013 sagte der langjährige Chef der Gewerkschaft der Gymnasiallehrer: "Die nachweisbare massive Zunahme von Einser-Schnitten liegt mit Sicherheit nicht daran, dass in Deutschland bei Abiturienten plötzlich eine Leistungsexplosion stattgefunden hat." Er denke zwar, dass man sich auch heute noch in den meisten Bundesländern für ein sehr gutes Abitur ordentlich anstrengen müsse. "Allerdings ist sicher auch wahr, dass das Abitur in Deutschland zu sehr unterschiedlichen Preisen vergeben wird, das heißt die Anforderungen nicht immer vergleichbar sind. Die eigentlich Gelackmeierten der Bestnoten-Inflation sind die Spitzenschüler, weil deren Spitzenleistung in der Einser-Schwemme untergeht." Kultusminister debattieren Vereinheitlichung von Abi-Aufgaben Dem Spiegel zufolge weicht der Anteil der Einser-Abiturienten, aber auch der Durchfaller in manchen Ländern regelmäßig deutlich vom Bundesdurchschnitt ab. Das Magazin hatte Daten der Kultusministerien und des Statistischen Bundesamtes zu den Abiturgesamtnoten 2006 bis 2013 ausgewertet. Danach schlossen 2013 in Thüringen 37,8 Prozent aller Kandidaten mit der Eins vor dem Komma ab, in Niedersachsen nur 15,6 Prozent. Die Kultusministerkonferenz (KMK) will sich an diesem Donnerstag und Freitag in Berlin mit einer stärkeren Vereinheitlichung von Abituraufgaben zwischen den Bundesländern befassen. Grundsätzlich gibt es bereits seit einigen Jahren Bestrebungen der KMK, das Abitur deutschlandweit vergleichbarer zu machen. So bedienen sich bereits einige Bundesländer aus einem gemeinsamen Aufgabenpool für die Fächer Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch. Im Schuljahr 2016/2017 soll das Abitur erstmals überall nach den neuen Kriterien abgelegt werden. Noch besteht jedoch das Problem, dass Länder die Aufgaben aus dem gemeinsamen Pool abändern dürfen und so eine Vergleichbarkeit nur bedingt gewährleistet ist. Meidinger vermutet, dass Schulen, die besonders gute Abi-Noten vergeben, dies "nicht ohne politische Vorgaben oder zumindest das Gefühl, dass das von oben so gerne gesehen wird", tun. Der Philologenverbands-Vorsitzende weiter: "Das ist ja ein Prozess auf Gegenseitigkeit. Die Schule steht gut da, weil sie so gute Ergebnisse erzielt, und die Landesregierung steht gut da, weil ihre Abiturienten generell so gute Ergebnisse erzielen, was ein Beweis für die erfolgreiche Qualität der betriebenen Bildungspolitik ist." In den vergangenen Jahren seien Oberstufen- und Abiturreformen immer so konzipiert gewesen, "dass dadurch auch strukturell die Leistungen besser geworden sind - durch schülerfreundliche Wahloptionen, eine Verstärkung der mündlichen Noten oder eben auch einfachere Prüfungsformate". Fallbeispiel: Niedersachsen Immer mehr niedersächsische Abiturienten schließen das Gymnasium mit der Bestnote 1,0 ab - im bundesweiten Vergleich landet Niedersachsen mit einem Notendurchschnitt von 2,6 jedoch auf dem letzten Platz. Etwa ein Drittel der Abiturienten erreicht nur ein Ergebnis zwischen 3,1 und 4,0. Das geht aus einer Statistik des Kultusministeriums hervor. Die Zahl der Schüler, die in Niedersachsen ihr Abitur mit 1,0 abschließen, hat sich in den vergangenen sieben Jahren fast verdoppelt. Erreichten im Jahr 2007 noch etwa 130 Abiturienten die Bestnote, waren es im vergangenen Jahr bereits etwa 250. Etwa 16 Prozent der mehr als 32 000 niedersächsischen Abiturienten schlossen 2014 die Schule mit einer Note unter 2,0 ab. Insgesamt - auch das muss beim Anstieg der Einser-Abis berücksichtigt werden - stieg aber auch die Zahl der Kinder, die ein Gymnasium besuchen: Im vergangenen Jahr waren fast 7000 Schüler mehr als noch 2008 zur Abi-Prüfung zugelassen.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/leichtathletik-horizontalverschiebung-1.3383788
mlsum-de-157
Die Spanierin Aauri Bokesa, zweimalige Olympia-Starterin über 400 Meter, kam nach München, um sich weiterzuentwickeln - und der Liebe wegen. Die sportliche Entwicklung stagniert. Die Liebe bleibt
Dies war wieder so ein Morgen. Sie wachte auf und bemerkte, dass sie das Falsche geträumt hatte. Auch sieben Jahre danach passiert ihr das noch oft. Bis sie die Augen aufschlug, tat Aauri Bokesa das, was sie "all my life" getan hat, wie sie sagt, ihr ganzes Leben lang: Sie spielte Basketball. "I played fantastic", erzählt sie und lacht. Dabei ist Bokesa gar keine Basketballerin. Nicht mehr. Sie ist 400-Meter-Läuferin, Mitglied der LG Stadtwerke München. Bei zwei Olympischen Spielen ist sie gestartet, in London und in Rio. Aber wer träumt schon 400-Meter-Läufe. Aauri Bokesa, 28, ist in Madrid geboren, ihre Eltern kamen Anfang der Siebziger aus Guinea. Nach München zog sie im vergangenen September, zu ihrem Freund Pedro Garcia Fernandez, einem Hürdensprinter der LG Stadtwerke, der hier an der Technischen Universität Maschinenbau studiert und für die TU gerade wieder deutscher Hochschulmeister geworden ist. Nun sitzen beide in seinem Appartement im Olympischen Dorf, er auf einem Stuhl, sie auf der Kante des Betts, recht viel mehr passt nicht hinein in dieses Kämmerchen. Es wirkt für beide viel zu klein, auch für Bokesa, die 1,83 Meter groß ist, in grauen Joggingklamotten dasitzt, die schwarze Mähne nach hinten gebunden, die Füße in neongelben Sneakersocken. Die Enge hier passt so gar nicht zu dem, was sie gerade über sich erzählt. Denn sie kam her, um sich neue Horizonte zu erschließen, neue Einflüsse und Sichtweisen zu bekommen, sich im besten Falle neu zu erfinden. Zehn spanische Meistertitel hat Aauri Bokesa gewonnen, ihre 400-Meter-Bestleistung im Freien liegt bei 51,66 Sekunden. Doch sie stammt aus dem Juli 2014. "Es ist hart für den Kopf, wenn die persönliche Bestzeit schon mehrere Jahre zurückliegt", erklärt Pedro Garcia Fernandez, 24. Er weiß das, ihm geht es ähnlich, bei ihm liegt es daran, dass er sich mehr auf sein Studium als auf den Sport konzentriert. Bei seiner Freundin Aauri hat es andere Gründe. Bis sie 20 war, hat sie Basketball gespielt, als Small Forward gewann sie mit dem spanischen Junioren-Nationalteam bei drei Europameisterschaften Medaillen. Ihr Traum, die Olympischen Spiele, schien dennoch weit weg. Dann habe sie der damalige Athletiktrainer ihres Teams über 400 Meter laufen sehen und gesagt: "In der Leichtathletik schaffen wir das." Zwei Jahre später startete sie in London. Basketball spielt Aauri Bokesa seitdem nur noch in ihren Träumen, die Verletzungsgefahr ist zu groß. Als Sprinterin entwickelte sie sich rasant - anfangs. "In zwei Jahren von null bis Olympia", erzählt sie, "da war keine Zeit für die Basics", für technische Grundlagen also. Ohne die komme sie nun aber nicht weiter. Ein Quereinstieg mit Anfang 20 ist im Langsprint nicht völlig ungewöhnlich, bleibt aber schwierig: "Vieles lernt man als Kind leichter." In Tokio 2020 will Bokesa ihre dritten Olympischen Spiele erleben, dazwischen gibt es zwei Europameisterschaften (2018 und 2020), die sie sogar motivierender empfinde, weil sie mit Finalchancen starte. Achte, Neunte und Zehnte war sie schon bei Europameisterschaften. Nun, in diesem nacholympischen Jahr, habe sie die Möglichkeit, einiges auszuprobieren, neue Trainer und Methoden kennenzulernen, irgendetwas zu finden, was ihr weiterhilft. Das hat sie nach München gebracht, wo sie für die LG bereits an den südbayerischen Meisterschaften und am Munich Indoor teilnahm. Das, und ihr Freund Pedro natürlich. Seit fast zweieinhalb Jahren sind sie ein Paar. So recht gefunden hat sie bisher nicht, was sie suchte. Die Münchner Leichtathletik-Gemeinschaft hat eine starke Trainingsgruppe um die 800-Meter-Spezialistinnen Christina Hering und Fabienne Kohlmann, doch die hat die nacholympische Hallensaison nahezu ignoriert. "Wir haben vor allem ausdauerorientiert trainiert und waren kaum auf der Bahn", erläutert Trainer Daniel Stoll. "Im Herbst hatten wir uns mit Aauri ausgetauscht, aber zu wenige Überschneidungen gefunden, deshalb kam das nicht zusammen." Vielleicht passe es in diesem Sommer besser. Aauri Bokesa wirkt etwas enttäuscht. Sie hat nun weitgehend nach den Plänen ihres spanischen Coaches trainiert, sich bisweilen den Langsprintern von André Naumann angeschlossen, Trainer beim München Road Runners Club, der sie als "tolle Inspiration für die Gruppe" lobt. Und nun hat sich auch schon Abschiedsstimmung breit gemacht in dem kleinen Zimmer. An diesem Wochenende starten sie und Pedro Garcia Fernandez bei den spanischen Hallenmeisterschaften - Bokesa wird danach erst einmal in Spanien bleiben. Sie tritt dort ein Leistungssportstipendium an. Detailansicht öffnen Enttäuschte Erwartungshaltung: Aauri Bokesa, 28, Mitglied der LG Stadtwerke München, darf nicht bei der deutschen Meisterschaft starten. (Foto: Imago) An diesem Wochenende finden auch die deutschen Hallenmeisterschaften statt, bei denen Garcia Fernandez im Vorjahr in Leipzig Siebter war. In diesem Jahr darf er nicht teilnehmen, ebenso wenig wie Bokesa, weil der Deutsche Leichtathletik-Verband seine Regularien geändert hat und nur noch deutsche Staatsbürger zulässt. Das ist einer der Gründe, wieso die LG Stadtwerke nicht mal eine Pressemitteilung verschickte, als die zweimalige Olympiastarterin Bokesa Mitglied wurde. "Das ist uns medial durchgerutscht", entschuldigt Geschäftsführer Christian Gadenne, weist aber auch gleich auf die neuen Regeln hin. Denn die bedeuten: Mit Bokesa ist bei nationalen Meisterschaften nicht mal für die Staffel etwas anzufangen. Die Regeländerung ist umstritten. Pedro Garcia Fernandez findet sie gut. Im vergangenen Jahr hätten ihn spanische Journalisten gefragt, wieso er an deutschen Meisterschaften teilnehme. "Weil ich es darf", habe er geantwortet. "Aber ich fand es falsch. Wenn ich ein Finale erreiche, heißt das doch, dass ein Deutscher es verpasst." Künftig dürfe er nur noch bis zum DM-Halbfinale mitlaufen, so werde das auch in Spanien gehandhabt. Dort, wo er ein ganz anderes Problem hat: Nur eine nationale Medaille hat er gewonnen, Silber 2013 - fünf oder sechs hätten es sein können, würde sein Heimatverband nicht immer wieder Kubaner oder Ecuadorianer einbürgern. Er findet es richtig, wenn ein Verband seine eigenen Talente stärkt. Die Kehrseite: Auch in Deutschland lebende Kinder und Jugendliche mit anderen Staatsbürgerschaften fallen unter die Neuregelung, sie dürfen künftig nicht mehr mitmachen. "Das ist für sie und die Vereine schwierig", weiß Trainer Stoll. Eine Reihe LG-Athleten sind davon betroffen. Aauri Bokesa ist sicher kein Härtefall. Noch spricht sie kein Wort Deutsch, ihr Freund übersetzt für sie. Sie bleibt weiter auf der Suche nach neuen Einflüssen und Trainingspartnern, künftig wird sie diese vielleicht eher in Frankfurt suchen oder in der Schweiz. Spanien hat für 400-Meter-Läuferinnen nicht viel zu bieten. Nach München will sie natürlich auch zurückkehren, schon wegen ihres Freundes, der hier im Anschluss an sein Studium einige Jahre lang arbeiten will. Dann wird sie nachts in diesem kleinen Zimmerchen auch wieder Traumbasketball spielen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/tv-debatte-der-republikaner-jeb-bush-verzockt-seine-kandidatur-1.2710725
mlsum-de-158
Die Republikaner stellen ihre Wirtschaftspläne in einer chaotischen TV-Debatte vor. Marco Rubios Stern steigt weiter, Jeb Bush ist der Verlierer des Abends.
Was sind die wirtschaftlichen Ziele der republikanischen Präsidentschaftskandidaten des Jahrgangs 2015? Mehr Wachstum, weniger Steuern, weniger Regierung. Wie wollen sie das erreichen? Nach der dritten TV-Debatte ist niemand schlauer - obwohl der Abend in Boulder, Colorado, doch einzig der Wirtschaftspolitik gewidmet war. Die zweistündige Sendung sei für die zehn Anwärter "ein Bewerbungsgespräch beim amerikanischen Volk", kündigten die Moderatoren des Wirtschaftssenders CNBC vollmundig an. Doch leider war das Trio um John Harwood selbst schlecht auf dieses Gespräch vorbereitet. Die Fragen waren selten zielführend, und wenn, dann konnten die Kandidaten ihnen meist leicht ausweichen, in Antworten sogar unwidersprochen lügen. Ted Cruz bemängelte die steigende Inflationsrate - die es gar nicht gibt. Donald Trump bestritt, Marco Rubio wegen seiner Nähe zur Technologie-Branche als "Mark Zuckerbergs persönlichen Senator" bezeichnet zu haben. Dabei steht es wörtlich so in seinem Wahlprogramm (immerhin wurde später darauf hingewiesen). Carly Fiorina behauptete fälschlicherweise, dass in der Rezession 92 Prozent der arbeitslos gewordenen US-Bürger Frauen gewesen seien. Und Chris Christie konnte von einem "Ferguson-Effekt" erzählen, der die Proteste gegen Polizeigewalt für einen Anstieg der Gewalttaten verantwortlich macht - und für den es bislang keine Belege gibt. Jeb Bush dürfte bald am Ende angekommen sein Doch Fakten sind in den ideologisierteren Sphären amerikanischer Politik ohnehin nur ein Nebenaspekt - es geht im Spiel um Sympathie und Aufmerksamkeit um den präsidialen Eindruck. Nach diesen Maßstäben dürfte Jeb Bush bald am Ende seiner Kandidatur angekommen sein: Das Mitglied der Politiker-Dynastie galt vor der Debatte als angeschlagen, wirkte dann aber weniger engagiert als vielmehr überfordert. Zur Legalisierung bestimmter Glücksspiele wusste er zu erzählen, dass er im Football-Managerspiel ungeschlagen sei. Dem jungen Konkurrenten Marco Rubio warf er vor, Abstimmungen zu verpassen und mit nur drei Tagen eine "französische Arbeitswoche" zu haben. Dessen trockene Antwort: "Jemand hat dich davon überzeugt, dass es dir helfen wird, mich anzugreifen." Rubio waren schon vor der Debatte weiter steigende Chancen prognostiziert worden - dies dürfte sich erfüllen. Immer wieder betonte der Sohn zweier Exilkubaner seine Herkunft aus bescheidenen Verhältnissen und verband es klug mit dem Schicksal von "kleinen Geschäften, die kämpfen müssen und Millionen, die von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck leben". Das ist das Gegenteil zum Narrativ des Donald Trump: Der Immobilien-Magnat verkauft sich weiterhin als teuflisch guter Geschäftsmann, ohne seinen Geschäftsplan im Detail zu verraten. Seine Strategie, um Jobs zu schaffen? "Ich habe Tausende Arbeitsplätze geschaffen." Als Präsident würden es eben Millionen sein. "Und ich werde Jobs zurückbringen, aus Japan, China, Mexiko." Seiner Vagheit blieb der 69-Jährige wie in den vorherigen Debatten treu - und er darf darauf hoffen, dass das weiterhin in den Umfragen keine Rolle spielt, weil er den Außenseiter- und Macher-Bonus genießt.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/stralsund-sprengstoff-und-stockschlaege-fischbroetchenkrieg-beschaeftigt-die-justiz-1.2317951
mlsum-de-159
In Stralsund wird mit allen Mitteln gekämpft. Darum, wer Fischbrötchen verkaufen darf. Nun geht der Fall zum zweiten Mal vor Gericht. Diesmal könnte der Prozess mit einem Freispruch enden.
Ein angezündetes Auto, ein brennendes Schiff, Sprengstoff vor dem Bauamt. Dann wird der Vize-Oberbürgermeister der vorpommerschen Stadt angegriffen. In diesem Kampf sind offenbar alle Mittel Recht, um die Konkurrenz und die Behörden einzuschüchtern. Das Geschäft ist ziemlich einträglich, da stören Mitbewerber nur. Was nach der Handlung eines Kriminalromas klingt, ist Realität in Stralsund. "Hier ist genügend Platz für uns alle", sagt eine Verkäuferin am Stralsunder Hafen. Doch das sehen offenbar nicht alle so. Die Kulisse mag friedlich wirken. Die sanfte Brandung der Ostsee an der Hafenmauer, darüber ziehen Dutzende Möwen krächzend ihre Kreise. Die berühmte Gorch Fock mit ihren weißen Seegeln, dahinter eine Reihe schmucker Backsteinhäuser. Stralsund ist stolz auf sein Erbe als Hansestadt und auf seinen Ruf als ruhiger Erholungsort, der Touristen anlockt. Doch inmitten der Ostseestadt tobt ein erbitterter Kampf. Ausgerechnet unter den Betreibern der berühmten Stralsunder Fischkutter. Im Mittelpunkt steht die wohl begehrteste Ware am Hafen: das Fischbrötchen. Mit der Eröffnung des Deutschen Meeresmuseums Ozeaneum im Jahr 2008 pilgerten immer mehr Touristen zum Hafen. Potentielle Kunden für die dort vor Anker liegenden Kutter, aus denen Händler laut rufend frische Fischbrötchen verkaufen. Bis zu 500 000 Euro Umsatz im Jahr sollen sie pro Kutter machen, schreibt die niedersächsische Zeitung Die Harke. Der NDR berichtet von bis zu 200 000 Euro. Viel Geld in jedem Fall. Die mecklenburg-vorpommersche Hansestadt wollte deshalb unter der Leitung von Vize-Oberbürgermeister Heinz-Dieter Hartlieb die Zahl der Lizenzen zum Fischbrötchenverkauf im Hafen stark anheben, um die "Luxusstellung" einzelner Kutter abzuschwächen und ein gesundes Konkurrenzgefühl zwischen den Inhabern zu schaffen. Doch einige Fischkutterbesitzer sahen ihre Einnahmen offenbar in Gefahr. Bombenattrappe und Schlagstock Kurz darauf wurde Hartlieb mit einem Schlagstock verprügelt. Vor dem Bauamt, dessen Leiter er ist, lag eine Bombenattrappe. Mit 400 Gramm TNT-Sprengstoff, jedoch ohne Zünder. Beiliegend ein Drohbrief mit der Botschaft "Hartlieb, du korruptes Schwein. Verpiss dich aus unserem Amt". Seit diesen Vorfällen steht der Politiker unter ständigem Polizeischutz, wie Oberstaatsanwalt Ralf Lechte auf Anfrage von SZ.de bestätigt. Doch damit nicht genug. Das Auto und der Fischkutter eines Händlers brannten, ein anderer bekam ein Glas mit stinkender Buttersäure ins Hotelzimmer geworfen. Unter Verdacht: Ein Männertrio, das von einer Fischkutterbesitzerin beauftragt worden sein soll, Stadt und Konkurrenz bei der Vergabe der Lizenzen zu manipulieren. Im April 2013 begann der Prozess, an dessen Ende die drei Verdächtigen vom Landgericht in Stralsund zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Der Frau allerdings konnte keine Tatbeteiligung nachgewiesen werden. Jetzt wird der Fall neu aufgerollt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob im Mai 2014 das Urteil auf. Der Grund: Mängel in der Beweiswürdigung. Die Eltern des Hauptverdächtigen, der den Vize-Oberbürgermeister attackiert haben soll, gaben ihrem Sohn erst im späten Prozessverlauf ein Alibi. Der Richter wertete dieses unter Berufung auf seine eigene Berufs- und Lebenserfahrung als Falschaussage. Nach Meinung des BGH beging der Stralsunder Richter damit jedoch einen Rechtsfehler: Zeugenaussagen dürften nicht interpretiert werden. Zudem hätten die Eltern das Recht selbst zu entscheiden, ob und wann sie eine Aussage machten. Auch die Glaubwürdigkeit der für den zweiten Prozess verbliebenen Zeugen sei fragwürdig, berichtet die Ostsee-Zeitung. Dadurch ist nun eine drastische Wende im Prozess denkbar, der zu einem Freispruch aller drei Angeklagten führen könnte. An diesem Mittwoch ist ein weiterer Zeuge geladen. Anfang Februar könnte ein Urteil fallen. In Kriminalromanen werden die Täter meist überführt, ihre Verbrechen aufgeklärt. In der Realität des Stralsunder Hafenviertels sieht es derzeit danach aus, als bliebe der Kampf um die Fischbrötchen ohne rechtliche Folgen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/ukraine-der-oligarch-zieht-sich-zurueck-1.2652221
mlsum-de-160
Mit großem Pomp wurde im März die "Agentur für die Modernisierung der Ukraine" aus der Taufe gehoben. Nun ist das Geld aus - weil einer der Initiatoren, ein ukrainischer Oligarch, keine Lust mehr auf seine Heimat hat.
Die "Agentur für die Modernisierung der Ukraine" (AMU) wird am Samstag ihre Arbeitsergebnisse präsentieren. 400 Seiten, 300 Maßnahmen, in 200 Tagen erstellt. Allerdings wird das Konvolut nicht in einem Wiener Palais unter großem Medienaufgebot vorgestellt - so, wie die Gründung der Agentur im März im Beisein internationaler Prominenz aus der Taufe gehoben worden war. Damals waren der deutsche Ex-Finanzminister Peer Steinbrück und Ex-EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen angereist, Frankreichs Ex-Außenminister Bernard Kouchner und Polens Ex-Premier Włodzimierz Cimoszewicz. Viel "Ex" also, angeführt von Österreichs Ex-Finanzminister Michael Spindelegger, der seit dem Rücktritt mit einer Unternehmensberatung Geld verdient. Der Mann im Hintergrund, der Mann mit den vollen Taschen, der Mann mit der Idee für die Agentur, die ukrainische Reformer mit "Analysen, Empfehlungen, Leuchtturm-Projekten" begleiten will, war der Oligarch Dmytro Firtasch gewesen. Er saß wegen eines Ermittlungsverfahrens und eines Auslieferungsgesuchs aus den USA in Österreich fest, nachdem er für die Rekordsumme von 125 Millionen Euro auf freien Fuß gesetzt worden war. Ein österreichisches Gericht hat aber mittlerweile die Auslieferung untersagt. Die AMU galt von Anfang an als Imageverbesserungsprojekt von Firtasch, der sein Vermögen mit russischem Gas gemacht hat und als einer der größten Profiteure der Ära von Ex-Präsident Viktor Janukowitsch gilt. Der Kiewer Journalist und Parlamentsabgeordnete Sergej Leschtschenko, der gerade einen ganzen Bericht zur AMU, dem Oligarchen und den Hintergründen veröffentlicht hat, sagte schon im März: "Das ist der Versuch von Firtasch, seine Reputation wiederherzustellen und künstlich Grundlagen für eine Diskussion zu schaffen, dass er nicht dem FBI übergeben wird, sondern als wertvoller Bürger in die Ukraine zurückkehren kann." Nur: Inzwischen machen Gerüchte die Runde, Firtasch habe vor, ganz in Österreich zu bleiben. Obwohl auch in der neuen Kiewer Regierung Oligarchen sitzen, ist das Klima für einen wie ihn rauer geworden. Zumal, seit Firtasch behauptete, er habe Petro Poroschenko überhaupt erst zum Präsidentenamt verholfen. Braucht er also seine Image-Maschine nicht mehr? Oder ist alles ganz anders? Nach einem halben Jahr Vorarbeit will Spindelegger, Präsident der Agentur, jetzt deren Arbeitsergebnisse auf die Homepage stellen. Um zu zeigen, "was westliche Experten, aber auch Mitglieder der ukrainischen Zivilgesellschaft", unterstützt vom ukrainischem Arbeitgeberverband wie den Gewerkschaften, sich überlegt hätten, um das Land zu reformieren und wieder Investoren ins Land zu locken. Online also. Es ist eher ein kleiner Auftritt, der da geplant ist. Spindelegger selbst erklärt das in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung damit, dass "wir unsere Arbeit gemacht haben. Jetzt liegt der Ball im Feld der anderen." Eine große Kampagne sei angesichts des anlaufenden Wahlkampfes in der Ukraine - am 25. Oktober finden dort Kommunalwahlen statt - nicht "die richtige Zeit". Kiew ließ Österreichs Ex-Minister Spindelegger mehr als einen Monat warten Kommunalwahlen in sechs Wochen? Vielleicht ist der wahre Grund für die neue Bescheidenheit ein anderer: Das Image der Agentur für die Erneuerung der Ukraine ist im Keller, Steinbrück und andere Experten haben längst ihre Mitarbeit aufgekündigt; sie wollten wohl nicht als nützliche Idioten eines Oligarchen gelten, der als "bad guy" das Land verließ und davon träumte, als "good guy" zurückzukehren. Die Regierung in Kiew, bei der westliche Experten aus den USA, von der EU-Kommission, der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds ohnehin ein- und ausgehen, hat auch nicht gerade auf die Helfer gewartet, die nun ihre Arbeit auch in Brüssel vorlegen und dort um Unterstützung werben wollen. Der stellvertretende Leiter der Kiewer Präsidialkanzlei jedenfalls, bei dem Spindelegger um einen Termin gebeten hatte, ließ den Österreicher warten; "mehr als einen Monat, glaube ich". Fast kann einem der Mann leid tun. Alle lästern, völlig zu Recht, über Struktur und Vorgeschichte. Keiner schaut auf die Ergebnisse. Das Projekt ist wohl vorerst beendet. Auch wenn Spindelegger das so nicht gelten lassen will. "Wir haben einen ersten Schritt gemacht. Bevor unsere Ideen implementiert werden, müssen aber in der Ukraine erst einmal die Voraussetzungen geschaffen werden. Kein Investor geht hin, wenn die Korruption weiter endemisch ist und das Rechtssystem nicht funktioniert." Aber hatte Oligarch Firtasch nicht 300 Millionen Euro für die AMU versprochen und gesagt, er habe auch andere ukrainische Oligarchen ins Boot geholt, die sich finanziell an der Rettung des Vaterlandes beteiligen wollten? Der habe nur die ersten 200 Tage bezahlt, sagt der Ex-Finanzminister, nun müsse man sehen, wie es weitergehe. "Ich habe meine persönliche Planung nicht darauf ausgerichtet, meine Zukunft damit zu finanzieren." Diejenigen, die mitgearbeitet hätten, seien unabhängig, auch "ich bin nicht der Angestellte von Herrn Firtasch". Er möchte über Inhalte reden, nicht über den Mann, über den alle reden. Außerdem: "Nicht alles, was ein Oligarch in die Hand nimmt, muss amoralisch sein." Daher auch die Idee für einen Oligarchenfonds, in den die Reichen einzahlen sollen, um Reformprojekte zu finanzieren. Die Voraussetzungen dafür müsste aber das Parlament schaffen - genauso wie für eine neue Parteienfinanzierung, Genossenschaftsbanken, private Gerichtsvollzieher. Alle Details sind ab Samstag unter http://reform-agenda.amukraine.org zu finden. Wo Spindelegger zu finden sein wird? Er ist ehrlich. "Wir fahren unsere Ressourcen stark zurück."
https://www.sueddeutsche.de/auto/verkehr-koeln-ist-die-neue-stauhauptstadt-1.2619183
mlsum-de-161
Seit Jahren war es Stuttgart, jetzt ist es Köln: In keiner anderen Stadt stehen Autofahrer einer Studie zufolge länger im Stau. Im Europa-Vergleich liegen zwei Länder vor Deutschland.
22 Ballungsräume untersucht Köln hat Stuttgart als Stadt mit den längsten Staus abgelöst. Das geht aus einer Studie des Verkehrsdatenanbieters Inrix hervor, die den Stuttgarter Nachrichten vorliegt. Inrix hat dafür 22 Ballungsräume in der Bundesrepublik untersucht. Der Studie zufolge verbrachten Autofahrer in Köln 2014 durchschnittlich 65 Stunden im Stau - neun Stunden mehr als im Vorjahr. Stuttgart, das 2013 noch bei 60 Stunden lag, blieb mit nun 64 Stunden knapp dahinter. Damit habe Köln Stuttgart zum ersten Mal seit Jahren als Stauhauptstadt abgelöst. Am stärksten wuchs die Verkehrsmenge in Magdeburg (ein Plus von 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr), gefolgt von Karlsruhe (21 Prozent). Staudauer hat städteübergreifend zugenommen Eher wenig Zeit verloren Verkehrsteilnehmer mit 20 Stunden in Augsburg in Bayern. In 17 der 22 untersuchten deutschen Ballungsräume hat die Staudauer im vergangenen Jahr zugenommen. Hauptgründe dafür waren der Studie zufolge die starke Wirtschaft, das Bevölkerungswachstum und die wachsende Urbanisierung. Zudem sei Deutschland als Transitland nach wie vor attraktiv. Durchschnittlich haben Autofahrer im vergangenen Jahr 39 Stunden im Stau verbracht. Das waren vier Stunden mehr als 2013. Im europaweiten Vergleich lag Deutschland den Angaben zufolge damit auf Platz drei hinter Belgien mit 51 und den Niederlanden mit 41 Stunden. Lediglich fünf Stunden seien es in Ungarn. Kritik an der Datenerhebung Im Stuttgarter Rathaus verweist man auf die geringe Aussagekraft der Studie; die Stadtspitze bemängelt die Genauigkeit der Daten, berichten die Stuttgarter Nachrichten. So würde das Navigationssystem Tomtom, mit dem die Zahlen der Studie erhoben worden seien, seine Daten auch auf den Autobahnen rund um Stuttgart sammeln. Diese würden aber nicht zum von der Stadt beeinflussbaren Straßennetz gehören und auf weiten Strecken gar nicht auf der Gemarkung der Landeshauptstadt verlaufen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/basketball-diesmal-eindeutig-1.2883886
mlsum-de-162
Bayerns Basketballer dominieren Alba Berlin beim 96:65-Sieg in der Bundesliga. Die Reibereien auf dem Parkett dürften sich im Eurocup am Dienstag fortsetzen.
Man mag es kaum glauben, dass die Basketball-Abteilung des FC Bayern München schon seit 70 Jahren existiert. Die Mannschaft ist ja erst 2011 wieder ins Blickfeld geraten, nach der maßgeblich vom damaligen Klubpräsidenten Uli Hoeneß geförderten Rückkehr in die Bundesliga. Das Jubiläum feierten die FC-Bayern-Basketballer am Sonntag passenderweise beim Heimspiel gegen Alba Berlin, den größten Rivalen der jüngeren Vergangenheit. Doch der erwies sich als Spielverderber, allerdings nicht in sportlicher Hinsicht: Dafür fiel der Sieg der Münchner mit 96:65 (55:33) Punkten zu deutlich aus. Zu Beginn des letzten Viertels, als die Partie längst entschieden war, beging erst Albas Akeem Vargas eine Unsportlichkeit gegen den Münchner Paul Zipser (33.), als er ihn beim Zug zum Korb unterlief; das hatte noch zwei weitere Technische Fouls zur Folge, weil Vargas und sein Coach Sasa Obradovic das Reklamieren nicht lassen konnten. Weil sich die Stimmung in der mit 6700 Zuschauern ausverkauften Halle aufgeheizt hatte, folgte eine Minute später ein richtiger Tumult: Berlins Dragan Milosavljevic hatte beim Positionskampf um einen Rebound Zipser regelrecht gewürgt, woraufhin sich der ansonsten besonnene Münchner mit einem Schubser befreien wollte; sein Kollege Alex Renfroe kam zu Hilfe, ein Schiedsrichter ging bei dem Gerangel zu Boden. Die Situation endete damit, dass Milosavljevic disqualifiziert wurde und auch Zipser und Renfroe vom Feld mussten, weil sie sich bei der Gelegenheit ihr jeweils fünftes Foul einhandelten. FC-Bayern-Trainer Svetislav Pesic wollte die Sache nachher nicht groß kommentieren, aber er sprach von "Provokationen" und "absichtlichen Fouls" gegen den gerade 22 Jahre alt gewordenen Zipser und wies darauf hin: "Es ist nicht das erste Mal, dass so was passiert." Sein Center/Forward Deon Thompson erklärte das Verhalten der Berliner so: "20 Punkte zurück und frustriert." "Wir müssen mehr Konzentration und Physis an den Tag legen", wusste FCB-Trainer Pesic vorab Für gewöhnlich enden die Partien zwischen dem FC Bayern und Alba Berlin ja knapper, das war beim dritten Duell im dritten Wettbewerb binnen einer Woche allerdings nicht der Fall. Aus dem Pokalfinale am vorigen Sonntag (67:65 für Alba) und dem 82:82 am Mittwoch in Berlin im Achtelfinal-Hinspiel des Eurocups hatte Bayern-Trainer Pesic offenbar die richtigen Lehren gezogen für den Bundesliga-Vergleich. In der Defensive legten seine Akteure von Anfang an eine Intensität an den Tag, die man eher von den sehr körperbetont verteidigenden Alba-Profis gewohnt ist. Vor allem verwehrten sie dem Trio Elmedin Kikanovic, Dragan Milosavljevic und Jordan Taylor diesmal die Wurfchancen, welche diese in den ersten beiden Treffen weidlich ausgenutzt hatten. Und im Angriff setzten sich Thompson und John Bryant (je 14 Punkte) ein ums andere Mal in Korbnähe durch und schafften dadurch auch den Platz für Distanzschützen wie Bryce Taylor (19), Justin Cobbs und Dusko Savanovic (je 16). Bereits im furiosen ersten Viertel überrumpelten die Münchner ihre Gäste und zogen fast auf 20 Punkte davon (30:12/10.), da konnte Alba-Coach Obradovic so viel zetern, hadern, fuchteln und wechseln, wie er wollte. "Wir haben so weich gespielt, als ob wir gar nicht gewinnen wollten", resümierte er danach. Auch Pesic hatte beobachtet: "Alba hatte nicht mehr so die Spannung wie in den ersten beiden Spielen." Es war bezeichnend, dass diesmal die Ergänzungsspieler Kresimir Loncar (15 Punkte) und Ismet Akpinar (10) die erfolgreichsten Korbjäger der Gäste waren; Milosavljevic kam vor seiner Disqualifikation auch auf eine zweistellige Ausbeute (10). Der FC Bayern festigte mit dem Prestigeerfolg und nun 36:10 Punkten seinen zweiten Tabellenplatz in der Bundesliga hinter Bamberg. Die Berliner (30:16) stecken inmitten des dicht gedrängten Verfolgerfeldes, das um die bestmögliche Ausgangsposition für die Playoffs rangelt. Elf Spieltage vor dem Ende der Hauptrunde trennen nur sechs Zähler den Dritten Oldenburg (34:12) vom Achten Würzburg (28:18). Die Mini-Serie des Duells zwischen München und Berlin endet im Übrigen erst am Dienstag beim Eurocup-Rückspiel in München. Dafür verspricht Sasa Obradovic schon mal: "Wir werden dieses Spiel ganz anders anfangen." Noch besser wäre es freilich, wenn sie es anders beenden.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/guerilla-bewerbungen-der-lebenslauf-auf-der-klopapierrolle-1.1050255
mlsum-de-163
Das Anschreiben im Pizzakarton oder der Lebenslauf als Puzzle: Guerilla-Bewerbungen können Personaler total begeistern - aber auch mächtig nerven. Kuriose Beispiele.
Meinen die das wirklich ernst? Da schreiben Bewerber ihren Lebenslauf auf Klopapierrollen und verteilen sie auf öffentlichen Toiletten. Männer zwängen sich für ihr Bewerbungsfoto in einen Pamela-Anderson-Badeanzug und ziehen eine blonde Perücke auf. Witzigkeit kennt halt keine Grenzen - der Humor von Personalern allerdings schon. Trotzdem können Guerilla-Bewerbungen in manchen Branchen eine Chance sein, um aus der Masse der Kandidaten hervorzustechen. Wer aus der Reihe tanzt, kann damit auf sich aufmerksam machen. Detailansicht öffnen Anschreiben im Pizzakarton: Guerilla-Bewerbungen fallen auf - nicht jeder Personaler steht aber darauf. (Foto: dpa) Der Karrierecoach Jürgen Hesse aus Berlin hat dafür einige kuriose Beispiele auf Lager: Eine 19-Jährige hat einmal auf YouTube alle Nutzer aufgefordert, einem Radiosender zu schreiben, dass sie genau die Richtige für ein Praktikum sei. Der Sender erhielt so viel Fanpost, dass die junge Frau den Job bekam. Oder der Koch, der seine Bewerbung in einer Bratpfanne verschickte - und prompt eine Einladung zum Vorstellungsgespräch erhielt. Eine Grafikerin schickte ihrem Wunsch-Arbeitgeber an Weihnachten einen Schoko-Osterhasen - mit dem Kommentar, sie sei ihrer Zeit eben voraus. Gerade für Leute bis Mitte 20, die einen kreativen Job mit einem Bruttoeinkommen bis 40.000 Euro suchen, seien Guerilla-Bewerbungen durchaus eine Chance, sagt Hesse. Und mit der Bewerbung nach Schema F in einer dunklen DIN-A4-Mappe gehe man auf dem Schreibtisch der Personaler einfach unter. Allerdings können solche kreativen Einfälle auch nach hinten losgehen, wie das Beispiel einer Marketing-Frau aus Hessen zeigt. Sie fügte ihrer Bewerbung einige kulinarische Spezialitäten bei - dumm nur, dass die Adressatin gerade Urlaub hatte und das Paket nach einigen Wochen im Warmen ekelerregend stank. Eine andere Frau bewarb sich bei einer Werbeagentur mit einem Fön und dem Slogan: "Ich bringe frischen Wind in Ihr Unternehmen." Die Antwort kam prompt: "Heiße Luft können wir selbst produzieren." Eine Kreativ-Bewerbung sei auf jeden Fall eine Gratwanderung, sagt Hesse. Wer den Geschmack des Arbeitgebers nicht trifft, hat alle Chancen verspielt. Und zum Clown sollte man sich erst recht nicht machen. "Stellen Sie sich vor, ein 50-jähriger gestandener Betriebswirt, der seit Jahren Bereichsleiter in einer Firma war, kommt nun mit einer völlig schrägen Bewerbung daher - da hat er sehr schlechte Karten."
https://www.sueddeutsche.de/sport/stuerze-bei-olympia-gerissene-baender-gebrochene-knochen-1.3873815
mlsum-de-164
In den Freestyle-Disziplinen verletzten sich bei Olympia überproportional viele Fahrer - eine Debatte um den Kursbau ist entbrannt. Wollen die Veranstalter zu viel Spektakel?
Spaß? Na klar, sagt der Skicrosser Paul Eckert, das müsse nach den Debatten der vergangenen Tage ja auch mal gesagt werden: Sein Sport bereite ihm schon auch noch Freude. Der olympische Kurs ist ja auch eine prächtige Spielwiese, die Fahrer plumpsen am Start dreieinhalb Meter in die Tiefe, es geht eine Rampe hinunter, wieder hinauf und noch über eine Menge Traversen, Sprünge und durch Steilkurven. Vier Fahrer werfen sich in den K.o.-Runden gleichzeitig auf den Kurs, "das Gemeinsame macht es aus", sagt Eckert. Der 27-Jährige, der zuletzt in Nakiska seinen ersten Weltcup gewann, hat sich auch deshalb für diesen Sport entschieden: Weil es anders war als das alpine Skifahren, das er kannte. Die Freestyle-Athleten, wie die Skicrosser, treten in diesen Tagen aus ihren Nischen ins olympische Rampenlicht. Das bringt ihnen mehr Fernsehzeit und mehr Publikum ein, aber auch kritische Blicke, wenn die Dinge aus den Fugen geraten. Es begann mit den Slopestyle-Snowboarderinnen, die vor einer Woche trotz heftiger Windböen in den Hindernisparcours geschickt wurden. Das Resultat waren Kreuzbandrisse und gebrochene Knochen. Bei den Snowboardcrossern: gebrochene Unterschenkel und Unterarme, kaputte Ellenbogen, gerissene Kreuzbänder. Der Österreicher Markus Schairer brach sich nach einem Sprung den fünften Halswirbel, er kam ohne bleibende Schäden davon. Die New York Times berichtete, dass die Freestyle-Sportarten bis zum zweiten Wochenende für 33 von 50 Krankentransporten verantwortlich waren (der Weltverband Fis schrieb auf Anfrage, ihm lägen keine Zahlen vom Veranstalter vor). Der Deutsche Konstantin Schad, Athletensprecher der Fis, polterte nach seinem Snowboardcross-Rennen: Er habe keine Lust, sein Leben zu riskieren. Ab Mittwoch sind die Skicrosser dran, sie nutzen denselben Hang wie die Snowboarder. Lebensgefährlich? Das glaube er nicht, sagt Paul Eckert, als er am Montag über seinen ersten olympischen Einsatz berichtet. Aber gefährlich sei es schon. Beim ersten Training sei alles gut gegangen, aber im Training und in der Qualifikation fährt jeder Athlet den Kurs alleine, in den gemeinsamen Läufen wird es dann so sein: Die Fahrer lauern im Windschatten, rangeln, überholen, sind bis zu zehn Stundenkilometer schneller und springen schon mal 50 Meter weit. Und der Wind, sagt Heli Herdt, im Deutschen Skiverband verantwortlich für den Skicross, sei da noch nicht einberechnet. Bei Rückenwind, sagt Herdt, "ist das hier eher wie Skispringen". Der Kursbau ist bei den Freestyle-Wintersportlern mittlerweile ein Geschäftsfeld, mit freien Baumeistern und Agenturen, die um Aufträge buhlen. Wie die Kanadier von White Industries, die die Cross-Strecke in Pyeongchang hochzogen. Sie hatten einen Monat Zeit (statt der üblichen zehn Tage im Weltcup), sie verbauten so viel Schnee wie noch nie: 280 000 Kubikmeter, vier Mal mehr als sonst.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/nach-drei-wochen-auf-der-flucht-zweiter-gefaengnisausbrecher-in-den-usa-gefasst-1.2542375
mlsum-de-165
Wochenlang hielt die Jagd nach zwei ausgebrochenen Schwerverbrechern den US-Staat New York in Atem, nun ist das Drama vorbei. Nachdem sein Komplize erschossen wurde, konnte David Sweat verletzt festgenommen werden.
Zweiter entflohener Mörder gefasst Gut drei Wochen lang hatten zwei nach dem aus einem Hochsicherheitsgefängnis ausgebrochene Mörder die Öffentlichkeit im US-Bundesstaat New York in Atem gehalten. Nun wurde auch der zweite geflohene Straftäter gefasst: David Sweat wurde am Sonntag (Ortszeit) im Ort Constable unweit der Grenze zu Kanada gesichtet, angeschossen und dann in eine Klinik in Malone gebracht, wie die Polizei mitteilte. Erst vor zwei Tagen war Sweats Komplize Richard Matt bei einer Konfrontation mit Polizisten erschossen worden. "Der Albtraum ist jetzt endlich vorbei", erklärte Gouverneur Andrew Cuomo auf einer Pressekonferenz. DNA auf Pfefferstreuer führte zu Sweat Sweat lief in Constable eine Straße entlang, als ihn ein Polizist erkannte, wie Gouverneur Cuomo mitteilte. Daraufhin sei Sweat auf ein Waldstück zugerannt. Der Beamte habe geschossen, als ihm klar geworden sei, dass er ihn zu Fuß nicht mehr hatte einholen können, sagte Cuomo. Demnach wurde Sweat zwei Mal in den Rumpf getroffen. Er sei aber in stabilem Zustand. Der örtliche Polizeichef Joseph D'Amico sagte, die flüchtigen Männer hätten mit Pfeffer ihre Spuren verwischt. Die auf einem Pfefferstreuer gefundene DNA von Sweat habe letztlich zu einem Lager geführt, in dem die Ausbrecher offenbar einige Zeit verbracht hätten. Cuomo sprach von vielen ungelösten Fragen. Es seien bereits umfassende Ermittlungen eingeleitet worden. "Doch der heutige Tag endet mit guten Nachrichten. Das waren gefährliche, gefährliche Männer." Sweat verbüßte eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes an einem Hilfssheriff. Matt war zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er 1997 seinen 76 Jahre alten Ex-Chef entführt, gefoltert und mit einer Metallsäge zerstückelt haben soll. Komplize wurde am Freitag erschossen Lange war die Jagd nach beiden Ausbrechern erfolglos geblieben. Die Großfahndung konzentrierte sich zunächst auf die unwegsamen Wälder des Adirondack-Gebirges rund um die Haftanstalt. Nach und nach wurde die Suche auf umliegende Bezirke ausgeweitet. Am Freitag dann spürten Grenzschützer den flüchtigen Matt in der Nähe einer Waldhütte rund 50 Kilometer von der Haftanstalt entfernt auf. Als dieser nicht auf Aufforderungen reagierte, sich zu ergeben, wurde er von einem Beamten erschossen. Flucht durch die Kanalisation Die als extrem gefährlich eingestuften Häftlinge Sweat und Matt hatten sich am 6. Juni aus dem Gefängnis in Dannemora nahe der Grenze zu Kanada den Weg in die Freiheit gebahnt. Dazu bedienten sie sich schwerer Werkzeuge, mit denen sie Löcher in Zellenwände und Schächte bohrten. Sie entkamen durch die Kanalisation. Eine Aufseherin muss sich wegen Fluchtbeihilfe verantworten. In gefrorenem Hamburgerfleisch soll sie Sägeblätter, einen Bohreinsatz und Schraubenzieher versteckt haben, wie aus der Anklageschrift hervorgeht. Ein zweiter Angestellter, der erst kürzlich festgenommen wurde, soll den Häftlingen die Schmuggelware dann zugesteckt haben. Gegen beide Gefängnismitarbeiter läuft ein Strafverfahren.
https://www.sueddeutsche.de/sport/tsv-1860-muenchen-kurzbesuch-mit-konsequenzen-1.3335946
mlsum-de-166
Investor Ismaik taucht für zwei Stunden im Trainingslager auf, es wird über Neuzugänge spekuliert. Wegen der Übertragung weiterer Anteile tagt der Verwaltungsrat.
Am Montagmorgen um 10.40 Uhr verließ Präsident Peter Cassalette das Trainingslager des TSV 1860 München und machte sich auf den Weg zum Flughafen; am Abend stand in München schließlich eine Verwaltungsratssitzung des e.V. auf dem Programm. Und auch Allesfahrer Franz Hell hatte keine Lust mehr, auf die mittlerweile fünfte angekündigte Ankunft von Investor Hasan Ismaik zu warten. Also machte sich auch Hell auf den Weg nach Lissabon, zur Stadtbesichtigung - doch er kehrte eilends um, als er um 11.10 Uhr am Telefon von seinem Kumpel Roman Wöll erfuhr, dass Ismaik in einer Limousine am Trainingsgelände erschien. Cassalette kehrte nicht um - er hatte Ismaik um eine halbe Stunde versäumt. "Dann sehe ich Hasan eben nicht mehr", sagte der Präsident der Abendzeitung. "Heutzutage gibt es glücklicherweise andere Wege der Kommunikation." Das stimmt zwar - dennoch ist es kurios, dass Cassalette sechs Tage zuvor überhastet nach Troia aufgebrochen war, in der Meinung, Ismaik erscheine bereits am vergangenen Dienstag - um ihn dort gar nicht zu sehen. Ismaik sitzt am Pool - ohne Cassalette, dafür mit Bruder Yahya und Berater Joorabchian Stattdessen unterhielt sich Ismaik angeregt mit Trainer Vitor Pereira und begrüßte die anwesenden Anhänger. Ohne Cassalette, dafür mit seinem Bruder Yahya Ismaik, dem beratenden Fußball-Geschäftsmann Kia Joorabchian und Geschäftsführer Anthony Power, saß der Investor anschließend am Pool im Mannschaftshotel und diskutierte angeregt - vermutlich auch über Zugänge. Etliche Namen machten auf Troia bereits die Runde. Globo Sports hatte berichtet, dass der TSV 1860 den Brasilianer Luiz Gustavo Tavares Conde von Palmeiras Sao Paulo ausleihen wird. Der 22-Jährige spielt auf der Innenverteidiger-Position oder im defensiven Mittelfeld. Er war in den vergangenen Jahren an drei verschiedene brasilianische Klubs verliehen und in einem Probetraining beim FC Arsenal durchgefallen. "Ich bin sehr glücklich, zu 1860 zu wechseln", wurde Gustavo zitiert, "das ist eine große Chance für mich." Der Brasilianer soll möglicherweise schon an diesem Dienstag auf Troia mittrainieren. Die Bild-Zeitung nannte den portugiesischen Offensivspieler André Claro, 25, vom nächsten Testspielgegner Vitoria Setubal als Kandidaten; er stammt aus dem Nachwuchs des FC Porto, bei dem auch Pereira sozialisiert wurde, und könnte ein Wunschkandidat des Trainers sein. Und auch der norwegische Rundfunk NRK trug einen Namen bei: Er berichtete, Sechzig werde den norwegischen Nationalspieler Vegard Forren von Molde FK verpflichten, einen 28-jährigen Innenverteidiger, der 33 Länderspiele und über 230 Erstligaspiele in Norwegen absolviert hat. Nach nur zwei Stunden verließ Ismaik die Halbinsel Troia schon wieder und reiste zurück nach Lissabon. In jene Stadt, die Cassalette soeben mit dem Flieger verlassen hatte - zur e.V.-Verwaltungsratssitzung. Dort ging es nach SZ-Informationen unter anderem um die Frage, ob und wie man Ismaiks Wunsch erfüllen könnte, sich mehr Anteile an der KGaA zu sichern - bislang gehören ihm 60 Prozent, dem e.V. noch 40. In jedem Fall ist zu einer Anteilsübertragung nach der Satzungsänderung mittlerweile eine Mehrheit bei einer Mitgliederversammlung nötig. Was sich der Investor vorstellt, wird Cassalette jedenfalls schon rechtzeitig erfahren haben - auf den Wegen der Kommunikation, die es heutzutage eben so gibt.
https://www.sueddeutsche.de/geld/reden-wir-ueber-geld-20-alexander-drumm-einer-drohte-mir-sogar-schlaege-an-1.579646
mlsum-de-167
Alexander Drumm spürt Versicherungsbetrüger auf - ein Gespräch über renitente Kunden, dilettantische Brandstifter und weihnachtliche Finanznöte.
Alexander Drumm, 38, ist ein Mann der langen Distanzen. Jeden Monat spult er mit seinem Opel Vectra bis zu 8000 Kilometer ab. Der Versicherungskaufmann schaut sich Wohnungen an, in denen eingebrochen wurde. Er wird gerufen, wenn ein Brand einen Bauernhof vernichtet hat. Und er ertappt Menschen, die die Versicherung reinlegen wollen. Seit 16 Jahren prüft Drumm, ob und wie viel die Allianz für Schäden zahlen muss, die das Unternehmen versichert hat. Drumm ist ein "Schadenregulierer", so heißt es im Fachjargon. In seinem Auto liegen Helm und Gummistiefel, die bis zur Hüfte gehen ("Die sind bei Hochwasser besser"). Jetzt sitzt er mit schwarzem Anzug und Krawatte in einem Konferenzraum der Allianz in Unterföhring bei München - und erzählt Geschichten mitten aus dem Leben. Detailansicht öffnen Alexander Drumm: "Die weit überwiegende Mehrheit unserer Kunden ist ehrlich." (Foto: Foto: Robert Haas) SZ: Sind Sie eigentlich notorisch misstrauisch? Drumm: Überhaupt nicht, warum sollte ich das sein? SZ: Sie haben doch den ganzen Tag mit Leuten zu tun, die Sie womöglich übers Ohr hauen und der Allianz möglichst viel Geld aus der Tasche ziehen wollen. Drumm: Da übertreiben Sie aber ziemlich. Die weit überwiegende Mehrheit unserer Kunden ist ehrlich. SZ: Umfragen, die teilweise aus der Versicherungswirtschaft selbst stammen, besagen eher das Gegenteil. Mehr als die Hälfte der Deutschen meint: Versicherer sind gierig beim Kassieren, aber knausrig beim Auszahlen von Leistungen. Jeder Vierte gibt zu, schon einmal eine Versicherung betrogen zu haben. Drumm: Mir scheinen diese Zahlen zu hoch gegriffen. Richtig ist, dass Versicherungsbetrug in weiten Kreisen der Bevölkerung als Kavaliersdelikt gilt. Dabei ist das ganz klar eine Straftat. Wenn Sie in einen Laden gehen und werden beim Klauen erwischt, sind Sie sicherlich nicht überrascht, dass es zu einer Strafanzeige kommt. Wenn man aber die Versicherung um ein paar hundert Euro betrügen will oder betrogen hat, soll das nicht so schlimm sein. Das ist wirklich nicht einzusehen. SZ: Viele Menschen denken aber: Ich habe jahrelang bei der Versicherung eingezahlt, da muss ich irgendwann auch mal etwas zurückbekommen. Drumm: Das höre ich auch immer wieder, dies ist allerdings ein Trugschluss. Wir sind keine Bank mit Sparvertrag. Die Versicherungsprämie ist auch keine Anzahlung. Wir decken über einen langen Zeitraum Risiken, das kostet Geld. Und wenn es in dieser Zeit einen Schaden gibt, erstatten wir das dem Kunden. SZ: Nicht immer. Drumm: Wir übernehmen das, wozu wir auf Grund des Vertrages verpflichtet sind. Betrügereien sind damit natürlich nicht abgedeckt. SZ: Wann werden Sie eigentlich misstrauisch? Drumm: Ich gehe zunächst einmal davon aus, dass das, was mir die Menschen sagen, der Wahrheit entspricht. Wenn es anders wäre, würde mir mein Beruf keinen Spaß machen. Doch es gibt Momente, da werde ich hellhörig. Das ist ein Gefühl meistens, dass da etwas nicht zusammenpasst. SZ: Können Sie ein Beispiel nennen? Drumm: Ich war beispielsweise bei einem Brandschaden in einem Hochhaus mit Ein-Zimmer-Appartements. Ein Allianz-Kunde gab an, das Feuer habe unter anderem Hummer in der Tiefkühltruhe, Pelzmäntel und teure Skianzüge vernichtet. Da frage ich mich natürlich schon, ob sich derjenige das wirklich leisten kann. Ich habe dann nach Belegen und Fotos gefragt. Aber die gab es nicht, und verkohlte Hummerscheren habe ich auch nicht gefunden. Der Mann hat dann seine Forderung ziemlich schnell zurückgezogen.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/geldstrafe-unter-vorbehalt-eltern-sperrten-nacktes-kind-im-keller-ein-1.2271652
mlsum-de-168
Die Polizei in Schleswig-Holstein befreite ein in seinem Kot sitzendes Kind aus einem Keller. Der Junge war nackt und völlig verängstigt. Nun sind die Eltern wegen Freiheitsberaubung zu einer Geldstrafe unter Vorbehalt verurteilt worden.
Geldstrafe unter Vorbehalt Der Fall in Bad Segeberg erregte bundesweit Aufsehen: Die Polizei befreit ein Kind aus einem Keller. Der Junge ist nackt und völlig verängstigt. Die Eltern hatten ihren damals dreijährigen Sohn am 13. Juni 2012 stundenlang in das völlig verdreckte Loch gesperrt. Unter großem Medienandrang fand nun der Prozess gegen die Eltern aus Bad Segeberg statt. Das Gericht verurteilte die beiden wegen Freiheitsberaubung zu einer Geldstrafe von jeweils 160 Euro (20 Tagessätze zu je acht Euro). Die Geldstrafe verhängte das Bad Segeberger Amtsgericht aber unter Vorbehalt - sie muss nur gezahlt werden, wenn sich die Angeklagten innerhalb einer Bewährungszeit von einem Jahr noch einmal etwas zu Schulden kommen lassen. Prozessbeteiligte verständigten sich auf Deal Die Richterin folgte damit den Anträgen von Staatsanwalt, Nebenklage und Verteidigern. Alle Prozessbeteiligten hatten sich zuvor auf einen sogenannten Deal verständigt. Die Mutter hatte als Teil des Deals eingeräumt, ihren Sohn mehrere Stunden lang in dem Kellerraum eingeschlossen zu haben. Ihr 47 Jahre alter Mann habe davon gewusst, aber nichts dagegen unternommen. Nach Feststellungen des Gerichtswar der zugemüllte Kellerraum, in dem der kleine Junge eingeschlossen war, mit Spanplatte und Schloss gesichert. Davor dröhnte ein Radio. Das Fenster war zugehängt. Als die Beamten den Dreijährigen fanden, saß er auf dem Beton in seinem Kot. Beide Eltern bekundeten vor Gericht Reue. Sie sind minderbegabt und wurden mit ihren sechs Kindern seit langem von den Ämtern betreut. Seit der Polizeiaktion wurden alle Kinder in Pflegefamilien untergebracht. Bis dahin lebten noch zwei Töchter und der kleine Sohn bei ihnen. Gericht hält Verwarnung für ausreichend Die Geständnisse der Angeklagten waren von den Verteidigern vorbereitet. Die Eltern verlasen sie mit stockender, emotionsloser Stimme vom Blatt. Emotionen waren auch nicht hörbar, als sie mitteilten, dass ihnen ihre Kinder fehlten. Beide leben inzwischen getrennt in Neumünster, haben aber auch auf Wunsch der Kinder wieder zu ihnen Kontakt, teilweise unter Aufsicht. Da die Kinder in sicherer Obhut seien und eine derartige Tat nicht mehr vorkommen könne, halte das Gericht eine Verwarnung für ausreichend, sagte die Amtsrichterin. Dass das Jugendamt am Tag der Polizeiaktion alle Kinder aus der Familie nahm, mache "deutlich, dass so ein Verhalten nicht hingenommen wird". Die Geständnisse der Angeklagten wertete sie positiv. Zugunsten der Eltern sprach dem Urteil zufolge auch, dass sie nicht vorbestraft sind. Der Oberstaatsanwalt hatte in seinem Plädoyer betont, dass Rechtsmediziner sowie Kinder- und Jugendärzte keine Spuren von Misshandlungen bei den Kindern festgestellt hätten. Auch bei dem kleinen Jungen seien keine körperlichen Schäden festgestellt worden, sagte die Richterin. "Dazu, ob es zu seelischen Schäden komme, haben keine Feststellungen getroffen werden können", sagte sie. "Wenn Sie nicht weiter wissen, holen Sie sich Hilfe" Da beide Eltern Hartz-IV-Empfänger sind, sei die Geldstrafe entsprechend niedrig anzusetzen gewesen. An die Eltern gewandt meinte die Richterin: "Lassen Sie sich diese Sitzung dazu dienen, dass sie einen positiven Umgang vom Herzen aus mit ihren Kindern pflegen. Und wenn Sie nicht weiter wissen, holen Sie sich Hilfe." Der Oberstaatsanwalt hatte zuvor auf die Grenzen des Strafrechts verwiesen, das nicht alles regeln könne. Er habe nicht zu urteilen, ob die Erziehung gut oder die Kinder ausreichend geschützt gewesen seien, dafür seien die Behörden zuständig. "Wenn man unter Strafe stellen wollte, dass Kinder von ihren Eltern nicht ausreichend gefördert werden, müsste man die halbe Republik einsperren."
https://www.sueddeutsche.de/sport/em-u19-scheidet-als-gruppenletzter-aus-1.2565018
mlsum-de-169
Die erhoffte Titelverteidigung verpassen die deutschen Junioren klar. Jürgen Klinsmann und die USA schaffen beim Gold Cup nur ein Unentschieden gegen Panama. Kugelstoß-Weltmeister David Storl stößt fast 22 Meter.
U19: Die Durststrecke des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ohne Titel im männlichen Nachwuchs-Bereich seit dem WM-Triumph der Nationalmannschaft setzt sich fort. Als viertes Junioren-Team des DFB im laufenden Kalenderjahr scheiterte die U19-Auswahl in Griechenland bei einer EM-Endrunde durch ein 2:2 (1:2) im entscheidenden Gruppenspiel gegen Russland vorzeitig. Damit musste die DFB-Auswahl schon nach der Vorrunde als Schlusslicht der Gruppe punktgleich mit den Halbfinalisten Spanien und Russland sowie den Niederlanden ihre Hoffnungen auf eine erfolgreiche Titelverteidigung begraben. "Wenn man mit allen Mannschaften punktgleich ist und trotzdem ausscheidet, ist das natürlich sehr bitter", meinte DFB-Trainer Marcus Sorg kurz nach dem Abpfiff: "Die Enttäuschung ist entsprechend groß. Aber die Jungs haben in allen Spielen eine gute Mentalität gezeigt und bei diesem Turnier unbezahlbare Erfahrungen gemacht. Es wird sie in ihrer Entwicklung weiterbringen, das ist im Moment ein kleiner Trost." Vor Sorgs Mannschaft, die nach ihren vorherigen Duellen mit Spanien (0:3) und den Niederlanden (1:0) einen Sieg zum Sprung ins Semifinale benötigte, hatten bereits die U17 (1:4 im EM-Finale gegen Frankreich), die U20 (Viertelfinal-Aus bei der WM) und die U21 (Halbfinal-Aus bei der EM) bei diesjährigen Turnieren Titelchancen ungenutzt gelassen. Damit ist die U17-WM in Chile (17. Oktober bis 8. November) für den Weltmeister-Nachwuchs die letzte Chance des Jahres auf einen Erfolg. Gold Cup: Außenseiter Haiti und ohne Spiel auch schon Jamaika mit Trainer Winfried Schäfer haben Jürgen Klinsmanns US-Boys ins Viertelfinale des Fußball-Gold-Cups begleitet. Die Haitianer besiegten Honduras zum Abschluss der Gruppe A mit 1:0 (1:0) und eroberten noch Rang zwei. Die bereits qualifizierten US-Amerikaner kamen zum Abschluss in Kansas zu einem 1:1 (0:1) gegen Panama, das nach drei Unentschieden in drei Spielen noch hoffen darf, als einer der besten Gruppendritten in die Runde der besten Acht einzuziehen. Sicher im Viertelfinale stehen damit auch schon die Jamaikaner, die in der Gruppe B nicht mehr Letzter werden können und sicher schon einer der beiden besten Gruppendritten sind. Titelverteidiger USA spielt bei der Kontinental-Meisterschaft der Region Nord- und Mittelamerika sowie der Karibik am Samstag im ersten Achtelfinale gegen den Dritten der Gruppe B oder C, was nach aktuellem Stand El Salvador oder Guatemala wären. Danach trifft Haiti auf den Sieger der Gruppe B, die aktuell von Schäfers Jamaikanern angeführt wird. Die Fußballer Haitis sind beim 13. Gold Cup erst zum fünften Mal vertreten und stehen zum dritten Mal nach 2002 und 2009 im Viertelfinale. Haitis Siegtreffer erzielte Duckens Nazon bereits in der 13. Minute. Die USA waren durch den beim FC Dallas spielenden Blas Perez in Rückstand geraten, der frühere Mönchengladbacher Michael Bradley rettete mit seinem Tor in der 55. Minute den Punkt. Klinsmann hatte seine vier Bundesliga-Profis John Brooks (Hertha BSC), Timothy Chandler (Frankfurt), Alfredo Morales (FC Ingolstadt) und Fabian Johnson (Gladbach) wieder in die Startelf beordert, nachdem sie beim 1:0 gegen Haiti noch allesamt auf der Bank gesessen hatten und nur Johnson eingewechselt worden war. Kugelstoßen: Kugelstoß-Weltmeister David Storl hat mit 21,84 Metern das Meeting in Biberach gewonnen. Vier Tage, nachdem der Leipziger beim Diamond Meeting in Lausanne erstmals in seiner Karriere die 22-Meter-Marke geknackt hatte, war Storl nicht ganz zufrieden. "Es ging etwas schleppend los. Nach dem Wettkampf in Lausanne habe ich mich nicht so fit gefühlt wie erhofft", sagte der 24-Jährige. Olympiasieger Tomasz Majewski (Polen/20,18) wurde Zweiter vor Tobias Dahm (Sindelfingen/19,65). Dagegen überzeugte Christina Schwanitz sechs Wochen vor der WM in Peking (22. bis 30. August) vor 2200 Zuschauern auf dem Bieberacher Marktplatz mit der zweitbesten Weite ihrer Karriere. Die Europameisterin blieb mit 20,60 Metern nur 17 Zentimeter unter ihrer im Mai erzielten Bestleistung (20,77). Fifa, Ozeanien: Neuseeland kann bei seinem Kampf um eine nachträgliche Chance auf die Olympia-Teilnahme nicht auf Unterstützung durch den Weltverband FIFA zählen. Ein Einspruch der Neuseeländer gegen ihre Disqualifikation bei den als ozeanische Rio-Qualifikation geltenden Pazifik-Spielen in Papua-Neuguinea müsste beim Kontinentalverband OFC eingereicht werden, teilte die FIFA am Montag vorsorglich mit: "Deswegen wird die Disziplinarkommission sich nicht einschalten." Der OFC hatte Neuseeland den 2:0-Sieg im Halbfinale der Pazifikspiele gegen Vanuatu wegen des Einsatzes eines nicht spielberechtigten Spielers bei den "Kiwis" aberkannt und Vanuatu zum 3:0-Sieger erklärt. Die Neuseeländer beharren jedoch darauf, dass der betroffene Spieler allen Vorschriften entsprechend zum Einsatz gekommen ist und haben eine Anfechtung der Olympia-Qualifikation angekündigt. Auf sportlichem Weg lösten die Fidschi-Inseln im Finale gegen Vanuatu durch ein 4:3 im Elfmeterschießen das Ticket zu den Sommerspielen 2016 in Rio.
https://www.sueddeutsche.de/auto/oldtimer-1989-h-kennzeichen-1.4180863
mlsum-de-170
Mutiges Design, technisch revolutionär - für 1989: Mercedes SL, BMW 8er oder der Opel Calibra bekommen ab Januar das H-Kennzeichen. Aber nicht alle Oldtimer sind echte Schnäppchen.
Opel Calibra (1989 bis 1997) Jedem, der in den Achtziger- und Neunzigerjahren aufwuchs, ist der Opel Manta immer noch ein Begriff. Allerdings dürften die wenigsten Erinnerungen an das sportliche Coupé besonders schmeichelhaft ausfallen. Vor allem, weil es die Fahrer des Manta mit dem Begriff "sportlich" etwas zu genau nahmen: Sie verschandelten ihre Opel mit Spoilern, grellen Farben, Plüsch, Fell und gigantischen Stereoanlagen bis zur Unkenntlichkeit. Für den Rest der Bevölkerung taugte der Manta danach nur noch zum Witz. Sogar zwei Kinofilme wurden über den Opel und seine Besitzer gedreht. Der Nachfolger des Sport-Coupés sollte Sprüche wie "Steht ein Manta vor der Uni" endlich beenden. 1989 stellte Opel den Calibra vor, ein Auto, das sich gänzlich von seinem Vorgänger unterschied. Generell wirkte der Calibra moderner. Die ganz auf Aerodynamik getrimmte Karosserie ermöglichte einen sensationellen Luftwiderstandswert von 0,26 Cw. Auch beim Antrieb änderte sich etwas: Der Motor wurde im Gegensatz zum Manta vorne quer eingebaut und leistete bereits als Einstiegs-Zweiliter-Vierzylinder 116 PS. Das Topmodell erschien 1992: der 4x4 Turbo mit 204 PS. Aufgrund seines zeitlosen Designs ließ der Calibra die Opel-Hasser auch tatsächlich verstummen, das Coupé wurde zu einem Erfolg. Eine Viertelmillion Exemplare verkauften die Rüsselsheimer in acht Jahren. Deswegen werden es in den Gebrauchtwagenbörsen immer noch viele Exemplare gehandelt, oft aber sind sie verbastelt oder getuned. Calibras im Originalzustand sind selten. Gerade die Sechszylinder haben das Zeug zum Klassiker. Ebenso vielversprechend sind im Lauf der Jahre immer wieder aufgelegte Sondereditionen wie "Color Selection", "DTM Edition" oder "Cliff Motorsport Edition". Die Preise beginnen bei 1000 Euro, Calibras in gutem Zustand kosten laut dem Oldtimer-Spezialisten Classic-Analytics zwischen 3000 und 6000 Euro.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-bundesliga-boateng-trifft-frankfurt-ist-zweiter-1.3843448
mlsum-de-171
Durch das 2:0 gegen Mönchengladbach springt Eintracht Frankfurt für eine Nacht auf Tabellenrang zwei. Gladbach schießt einen Elfmeter an die Latte.
Eintracht Frankfurt hat sich mit viel Glück auf Platz zwei der Fußball-Bundesliga vorgearbeitet. Kevin-Prince Boateng (43.) und Luka Jovic (90.+2) schossen im Freitagabendspiel die beiden Tore zum 2:0 (1:0)-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach. Vor 47 500 Zuschauern vergaben die Gladbacher in der zweiten Halbzeit allerdings zahlreiche gute Chancen und verschossen durch Thorgan Hazard in der 78. Minute sogar einen von Boateng verursachten Foulelfmeter. Trotzdem ist die Eintracht in dieser Form ein ernsthafter Europa-League-Kandidat, weil sie neben ihrer starken Physis zumindest vor der Pause auch immer mehr spielerische Qualitäten zeigte. Zudem gelang diesem bislang nur auswärts so erfolgreichen Team endlich auch der dritte Heimsieg der Saison. Boateng trifft kurz vor der Halbzeitpause Beide Teams suchten zu Beginn den schnellen Weg nach vorne. In der sechsten Minute hätte Marius Wolf die Eintracht nach einem Konter in Führung bringen können. Der bisher nur ausgeliehene 22 Jahre alte Spieler, dessen feste Verpflichtung Frankfurt kurz vor dem Anpfiff bekanntgegeben hatte, verfehlte das Tor von Keeper Yann Sommer jedoch knapp. Der Schlussmann der Borussia musste bereits nach 17 Minuten angeschlagen vom Platz, für ihn kam Tobias Sippel. Kurzfristig hatte Hecking bereits auf den an der Wade verletzten Offensivkünstler Raffael verzichten müssen. In der Halbzeit musste auch noch Oscar Wendt raus. Die Gäste taten sich gegen die gut sortierte Eintracht-Defensive schwer. In Strafraumnähe fehlte Gladbach zunächst die nötige Präzision beim letzten Pass.Das Kovac-Team präsentierte sich gewohnt robust in den Zweikämpfen und überschritt dabei manchmal die Grenzen des Erlaubten. Nach einem harten Einsteigen von Ante Rebic gegen Patrick Herrmann im Mittelfeld, echauffierte sich Hecking, der vor der Begegnung eine aus seiner Sicht manchmal "provozierende Spielweise" der Eintracht angemahnt hatte, lautstark an der Seitenlinie (30.). Kurz vor der Pause dürfte sich die Laune des Coaches weiter verschlechtert haben. Timothy Chandler setzte sich links stark gegen Herrmann durch, spielte in die Mitte und zentral vor dem Tor schoss Boateng, der schon im Hinspiel das 1:0 erzielt hatte, die Eintracht in Front. Zwei Tage vor der mit Spannung erwarteten Mitgliederversammlung der Frankfurter, bei der Präsident Peter Fischer wegen seiner deutlich geäußerten Haltung gegen die AfD im Blickpunkt stehen wird, hatte die Eintracht auch im zweiten Durchgang die erste Chance. Ein abgefälschter Schuss von Rebic flog jedoch am Tor vorbei (49.). Dann wurde Gladbach stärker: Mickaël Cuisance scheiterte mit der ersten echten Borussen-Gelegenheit an SGE-Torwart Lukas Hradecky (53.), Herrmann traf die Latte (57.). 13 Minuten vor dem Ende foulte Boateng Gladbachs Kapitän Lars Stindl im Strafraum, doch Hazard drosch den fälligen Elfmeter an den Querbalken (78.). In der Nachspielzeit sorgte Jovic dann für die Entscheidung.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-in-italien-adler-und-suppenhuehner-1.2442384
mlsum-de-172
Juventus Turin besiegt Lazio Rom 2:0 und bleibt Tabellenführer - aber alle reden nur vom merkwürdigen Torjubel des Carlos Tevez.
Weil Juventus im Grunde genommen seit Monaten den vierten Meistertitel in Serie sicher hat, hat sich das Interesse in Italien auf Platz zwei verlagert. Dort überholte unlängst Lazio Rom die Lokalrivalin Roma um einen Punkt, was die Partie am Samstag im "Juventus Stadium" zum angeblichen Spitzenspiel machte: der Erste gegen den aktuellen Zweiten. Und die Tatsache, dass Lazio zuletzt acht Siege aufeinander stapeln konnte, während Juve ausgerechnet gegen den bereits abgestiegenen Tabellenletzten Parma gestolpert war, verlieh der Begegnung zusätzlich ein wenig Reiz: Würden die Römer jetzt mit einer atemberaubenden Aufholjagd beginnen? Am Anfang sah es ganz so aus. Mit rasanter Ruppigkeit warf sich Lazio in die erste Viertelstunde, grimmig entschlossen, es den Turinern jetzt mal so richtig zu zeigen. Und die Siegesserie mit einem sensationellen Erfolg in der feinen Bonbonschüssel der feinen alten Signora zu krönen. Aber der 22 Jahre alte Brasilianer Felipe Anderson, mit zehn Saisontoren der Schrecken der gegnerischen Hintermannschaften, wurde von der Juve-Abwehr schnell entzaubert. Genau 27-mal ließ das Jungtalent sich den Ball abnehmen - wenn er denn überhaupt mal drankam. Zu aufgeregt, zu nervös war Anderson an diesem Abend, doch sein erfahrener Sturmpartner Miroslav Klose machte es auch nicht besser. Klose zeigte zwar Kampfgeist, aber auch eine bestürzende Einfallslosigkeit. Nie sah der Veteran in dieser Saison so alt aus wie gegen Juventus. Wo Arturo Vidal die Gäste bereits zähnefletschend im Mittelfeld empfing und ihnen mit der üblichen Zackigkeit den Durchmarsch verweigerte. Weiter hinten mussten Giorgio Chiellini, Andrea Barzagli und Leonardo Bonucci wenig mehr zeigen als hoch gezogene Augenbrauen. Er wisse noch nicht genau, was die Zukunft bringe, erklärt Tevez. Vermutlich einstweilen mehr Geld Nach 17 Minuten war die Illusion von einem Donnerschlag gegen den ewigen Tabellenführer schon zerstoben. Es reichte ein langer Blindschuss von Barzagli in Richtung Lazio-Tor, den Vidal mit dem Kopf annahm. Er gab den Ball an Carlos Tevez weiter, der ihn nur noch einschieben musste: 1:0 für Juventus. Davon hatten sich die Römer noch nicht erholt, als Verteidiger Bonucci elf Minuten später das Lazio-Mittelfeld durchlief. 40, 50 Meter, ungestört, in aller Seelenruhe, bis zum kraftvollen Abschluss: 2:0. Eine halbe Stunde war um, und Lazio soweit bedient. Juventus konnte jetzt einen Gang herunterschalten, dem Gegner den Ball überlassen (Lazio hielt ihn zu 60 Prozent) und gewohnt umsichtig verteidigen. Schließlich kommt am Mittwoch, im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League in Monaco, ein saisonentscheidendes Spiel. Und das 1:0 im Hinspiel zu Hause bietet kein dickes Polster. Dass auch das glatte 2:0 gegen Lazio für Klub und Fans nicht in jeder Hinsicht beruhigend ist, liegt ausgerechnet am besten Torjäger der letzten Jahre. Und am Jubel von Carlos "Carlitos" Tevez für seinen Saisontreffer Nummer 26. Kaum hatte nämlich der Argentinier den Ball neben dem armen Lazio-Schlussmann Federico Marchetti versenkt, da spreizte Tevez die Ellbogen vom Körper und spitzte den Mund: "Put, put, puuut..." Kein Zweifel, Carlitos ahmte eine Henne nach. Nun ist Lazios Wappentier ein Adler und kein Suppenhuhn, zu Heimspielen pflegt Adlerin "Olimpia" sogar über dem römischen Olympiastadion zu schweben. Was den AS Rom maßlos erbost, darf er doch keine echte Wölfin auf den Rasen schicken. Nur elf Pseudo-Wölfe, die zuletzt aussahen wie handzahme Hündchen. Die Henne von Tevez, so fand man schnell heraus, war eine "Gallina", das Maskottchen von Atletico River Plate. Schon einmal hatte der Spieler aus einem Elendsviertel von Buenos Aires nach einem Treffer ein Huhn gemimt, nämlich 2004, beim Lokalderby zwischen Boca Juniors und River Plate. Damals flog Tevez wegen der öffentlichen Verhöhnung des Gegners vom Platz, diesmal versetzte er den eigenen Anhang in Angst und Schrecken: Ist das Gegacker ein Zeichen dafür, dass Carlitos schon zum Saisonende zurück nach Argentinien will? Dass er seine Karriere beim Herzensklub Boca Juniors beenden wolle, daran hatte Tevez bereits bei Vertragsabschluss in Turin im Sommer 2013 keinen Zweifel gelassen - und dann für drei Jahre unterschrieben. Doch Stunden vor der Partie gegen Lazio blies Boca-Präsident Daniel Angelici zum Halali. Tevez habe sich entschlossen, nach Buenos Aires zurückzukehren, erklärte Angelici, "aus Heimweh zu uns". Postwendend antwortete Juve-Manager Giuseppe Marotta, der Argentinier habe sich allzu weit aus dem Fenster gelehnt, "ohne mit uns zu sprechen. Tevez hat uns nie gesagt, er wolle zum Saisonende zurück." Der Agent des Spielers mühte sich ebenfalls, die Wogen zu glätten: "Carlos wird später zurückkehren, noch gibt es einen gültigen Vertrag." Doch Tevez selbst denkt nicht daran, eindeutig zu werden. Nach dem Schlusspfiff erklärte er freudestrahlend, er wisse noch nicht so genau, was die Zukunft bringe. Vermutlich einstweilen mehr Geld, schließlich will man ihn in Turin unbedingt noch halten. Was die Zukunft sonst noch bringen wird: Juves vierten Meistertitel im Mai, denn derzeit beträgt der Abstand zum Zweitplatzierten fette 15 Punkte. Und die Champions League für Rom. Ob mit Lazio, der Roma oder mit beiden, wird man dann noch sehen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/thomas-middelhoff-abschied-aus-saint-tropez-1.2881364
mlsum-de-173
Das Anwesen in Südfrankreich, in dem der Ex-Manager einst residierte, ist verkauft. Seine Gläubiger werden von dem Geld nichts sehen.
Es ist der 30. September 2015, ein Mittwoch. In einem Notariat an der Traverse du Marbrier, ganz in der Nähe des Jachthafens von Saint-Tropez, wechselt eine luxuriöse Immobilie in bester Lage den Eigentümer. 36 Seiten umfasst der Kaufvertrag, vieles ist darin geregelt. Zum Beispiel, wer nötigenfalls für die Schwarzbauten auf dem Grundstück haftet. Oder wer den Hausmeister und die Hausdame bezahlt, deren Arbeitsverträge noch bis Jahresende laufen. Und wer für die notwendige Sanierung der Klärgruben aufkommt. Natürlich wird auch der Kaufpreis festgelegt: 22 987 370 Euro, zahlbar sofort. In welche Kanäle das Geld fließen soll, wird ebenfalls notariell beurkundet. Als alle Beteiligten den Vertrag unterschreiben ist ziemlich klar: Die Gläubiger von Thomas Middelhoff werden leer ausgehen. Darauf lassen der Kaufvertrag und andere Unterlagen schließen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Es ist die Villa Aldea, die an diesem Spätsommertag 2015 verkauft wird. Jenes 28 000 Quadratmeter große Anwesen am Pierre Plantée, dem "bepflanzten Stein" hoch über der Bucht von Saint-Tropez. Middelhoff residierte hier jahrelang. Sogar den Hauptwohnsitz hatten er und seine Frau Cornelie zeitweise aus Bielefeld hierher verlegt. An der Côte d'Azur verbrachten sie ihre Sommerferien; gleich unterhalb lag einmal die Privatyacht Medici samt Crew vor Anker. Hier feierte Middelhoff mit Freunden und Managern von Karstadt-Quelle, als er dort Vorstandschef war. Und hier erholte er sich von den zehrenden Tagen auf der Anklagebank im Landgericht Essen. 50 Gläubigern schuldet der einstige Top-Manager einen dreistelligen Millionenbetrag Noch im Sommer 2014 behauptete Thomas Middelhoff im Gespräch mit der SZ, die Villa Aldea sei sein hundertprozentiges, schuldenfreies Eigentum. Das erwies sich im Nachhinein als falsch. Wenig später wurde Middelhoff im Essener Prozess wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Gefängnis verurteilt; das Urteil ist seit wenigen Tagen rechtskräftig. Er selbst ist krank und anscheinend pleite, es läuft ein Privatinsolvenzverfahren. Etwa 50 Gläubigern schuldet der einstige Bertelsmann- und Karstadt-Quelle-Chef einen dreistelligen Millionenbetrag. Im Zuge all dessen stellt sich auch die Frage, wie viel von der Villa Aldea ihm jemals wirklich gehört hat. Ob ihr Verkauf nun beiträgt, Middelhoffs exorbitante Schulden zu begleichen. Oder ob sie nur Blendwerk war, wie so vieles im Leben dieses einstigen Superstars unter den deutschen Managern. Ob er das mondäne Anwesen ebenso wie anderes Millionenvermögen im Angesicht des drohenden Insolvenzverfahrens mit Hilfe eines raffinierten Konstruktes rechtzeitig vor seinen Gläubigern in Sicherheit gebracht hat, wie Kritiker ihm vorwerfen. "Unsere Ermittlungen diesbezüglich dauern noch an", sagt Insolvenzverwalter Thorsten Fuest. Seit zehn Monaten versucht er, sich einen Überblick über die wirtschaftliche Situation von Thomas Middelhoff zu verschaffen und herauszufinden, wo noch Geld ist. Und wohin es wann und warum abgeflossen ist. Der Preis purzelte Fuest kommt nur langsam voran. Middelhoffs Verhältnisse sind, gelinde gesagt, verworren. Das gilt auch für die Villa Aldea. Ob er glaube, etwas von den knapp 23 Millionen Euro Verkaufserlös für die Gläubiger herauszuschlagen? "Das lässt sich derzeit nicht seriös einschätzen", sagt Fuest vorsichtig. "Aber vordergründig ist da nichts zu erwarten". Thomas Middelhoff war zuletzt nicht mehr an jener französischen Immobiliengesellschaft SCI Aldea beteiligt, die bis zum Verkauf am 30. September als Eigentümerin des Anwesens firmierte. Lange schon hatte er seinen Anteil, den er über eine andere, zwischengeschaltete Firma gehalten hatte, abgetreten. Er sei nun "zugunsten einer Bank verpfändet", sagt Thorsten Fuest. Wer kassiert dann aber die 23 Millionen Euro, die das neue Eigentümerpaar - der Londoner Investment-Manager und frühere Goldman-Sachs-Banker Edward Eisler und seine Frau Maryam - umgehend am 30. September bezahlten? Ursprünglich waren für das einstige Middelhoff-Anwesen mit dem sandfarbenen Haupthaus, den Nebengebäuden und Pools sowie Tennis- und Hubschrauberlandeplatz 35 Millionen Euro Kaufpreis aufgerufen. Doch die Suche nach Käufern geriet zäh, gleich zwei Makler mühten sich. Der Preis purzelte. 35 Millionen, 30, bald war von "mindestens 25 Millionen Euro" die Rede. Middelhoffs einstige Hausbank Sal. Oppenheim hatte den Wert der Villa 2010 auf 26 Millionen Euro taxiert.
https://www.sueddeutsche.de/politik/gaza-heiliger-dunkler-monat-1.3548020
mlsum-de-174
Die Palästinenser im Gazastreifen leiden unter Stromausfällen. Die Hamas gerät in Bedrängnis, weil durch die Golfkrise auch die Hilfe aus Katar ausbleibt.
Acht schwarze Schornsteine ragen in den Himmel über Gaza. Stahlblau ist dieser Himmel, kein Wölkchen entweicht aus den Schloten, und kein Mensch ist zu sehen hinter dem meterhohen Stacheldrahtzaun, der das einzige Kraftwerk im palästinensischen Küstenstreifen umgibt. Seit April steht die Anlage schon still, weil die Hamas-Regierung den zum Betrieb nötigen Diesel-Treibstoff nicht mehr bezahlen kann. An den 10. Jahrestag ihrer Machtübernahme durch einen blutigen Putsch im Juni 2007 erinnern die islamistischen Herrscher ihre zwei Millionen Untertanen deshalb nicht mit einem Feuerwerk oder einer Militärparade, sondern mit einem Blackout. Das still liegende Kraftwerk und die Schornsteine ohne Rauch stehen für eine Dekade des Versagens. Was die Hamas den Menschen gebracht hat, sind drei Kriege gegen Israel und eine allgemeine Verelendung. Asmahan al-Taluli wird das später in ihrer ärmlichen Behausung noch wütend bekräftigen. Und im Glanze seiner Macht wird ihr Mustafa Sawaf von der Hamas widersprechen. Doch jeder kann sehen, dass es hier an Jobs fehlt, an Perspektiven und auch an Freiheit. Und ganz dringend fehlt es derzeit an Strom. Vier Stunden höchstens gibt es ihn täglich, bald dürften es noch weniger sein. Ohne Strom kann auch das salzige Trinkwasser nicht mehr behandelt werden, und alle Abwässer fließen ungeklärt ins Meer. Es ist ein trauriges Jubiläum im Fastenmonat Ramadan. Doch womöglich ist das erst der Anfang, es kann noch schlimmer kommen. Unter Druck hat die Hamas immer einen Ausweg gewählt: Krieg Über der Hamas braut sich gerade ein Sturm zusammen, wie sie ihn in den zehn Jahren ihrer Herrschaft noch nicht zu gewärtigen hatte. Die Kampfansagen kommen von vielen Fronten, von außen wie von innen. Ihre Macht scheint erstmals ernsthaft bedroht zu sein - und wenn es eng wird für die Hamas, dann wird es gefährlich für die ganze Region. Denn unter Druck haben ihre Führer noch nie den Rückzug angetreten, sondern immer nur einen Ausweg gewählt: Krieg. Schockwellen nach Gaza sendet zum einen die Katar-Krise. Das Reich der Hamas hängt schon lange am Tropf aus Doha. Der Emir hat Milliarden gezahlt für den Wiederaufbau, er lässt gerade eine neue Küstenstraße bauen, und auch den notwendigen Dieselkraftstoff bei der letzten Stromkrise im Januar hat er gezahlt. Nun aber fordert der saudische Außenminister Adel al-Dschubeir die Katarer ultimativ auf, die Verbindung zur Hamas zu kappen. Als erstes Zeichen des Nachgebens wurden bereits mehrere hochrangige Hamas-Funktionäre, die es sich im katarischen Exil gut gehen ließen, des Landes verwiesen. In der arabischen Welt droht der Hamas nun die komplette Isolation, und selbst eine aus der Not geborene neue Hinwendung zu Iran dürfte ihre Lage kaum verbessern. Zum Angriff bläst zehn Jahre nach der Vertreibung aus Gaza plötzlich auch die von Präsident Mahmud Abbas geführte Fatah in Ramallah. Der greise Abbas setzt darauf, die Hamas in die Knie zu zwingen, in dem er die humanitäre Krise im Gazastreifen anheizt. Stärkstes Druckmittel: der Strom. So erzwang er zum einen mit einer neuen Dieselsteuer die Stilllegung des Kraftwerks. Zum anderen hat er bekanntgegeben, dass seine Autonomiebehörde künftig nur noch stark eingeschränkt für den Strom zahlen werde, der von Israel aus als letzte Rettung nach Gaza geliefert wird. Der UN-Sondergesandte für den Nahost-Friedensprozess Nickolay Mladenov hat angesichts dieser "einzigartigen Energiekrise" bereits vor einer "Explosion" im Gazastreifen gewarnt. "Wenn nicht sofort etwas unternommen wird zur Deeskalation", so erklärte er, "droht die Krise außer Kontrolle zu geraten - mit verheerenden Folgen für Palästinenser und Israelis." Dennoch beschloss das israelische Sicherheitskabinett zu Wochenbeginn, den harten Kurs von Abbas gegen die Hamas zu unterstützen und die Elektrizitätslieferungen um 40 Prozent zu kürzen. Der Stromstreit sei "eine interne palästinensische Angelegenheit", argumentiert Premierminister Benjamin Netanjahu. Und der für Innere Sicherheit verantwortliche Minister Gilad Erdan hofft, dass dieser Hebel Wirkung zeigt: "Es kann sein, dass die Palästinenser nun anfangen zu begreifen, welche Katastrophe die Hamas für sie bedeutet." Als ob sie das nicht schon längst wüssten. Gewiss, bei den letzten Wahlen 2006 hatte eine Mehrheit für die Hamas gestimmt. Doch die darauf folgende israelische und mittlerweile auch ägyptische Blockade haben den Gazastreifen zum Elendsgebiet gemacht, und die Menschen mussten erkennen, dass ihre Not den Herrschern weitgehend egal ist. Proteste werden brutal niedergeschlagen. Doch einer wie Mohammed al-Taluli will sich selbst davon nicht mehr abschrecken lassen. Im Januar hatte der 25-Jährige einige Protestkundgebungen wegen der aufziehenden Stromkrise organisiert. Tausende gingen auf die Straße, es waren die bislang größten öffentlichen Demonstrationen gegen die Hamas-Herrschaft - und sie wurden niedergeknüppelt. Mohammed al-Taluli kam ins Gefängnis, wurde freigelassen und wieder verhaftet. Nun sitzt seine Mutter Asmahan al-Taluli in seinem Zimmer, an der Wand hängen Bilder von Jassir Arafat und dem Hamas-Gründer Ahmed Scheich Yassin, von Nelson Mandela und Che Guevara, und ihre Wut, die Wut einer Mutter, ist längst größer als die Furcht. "Ich war gerade bei der Polizei und habe gefragt, was wollt ihr denn schon wieder von meinem Sohn", ruft sie. "Er redet zu viel, haben sie gesagt." Natürlich hat sie Angst um ihn, natürlich hat sie ihn früher oft bekniet, sich vom Ärger fernzuhalten. "Du weißt doch nichts vom Leben in Gaza", hat er gesagt. "Zehn Jahre habe ich verloren unter der Hamas, und wenn keiner etwas tut, dann geht das Leiden immer weiter." Das hat auch die Mutter überzeugt. Auch sie will sich nicht mehr den Mund verbieten lassen, und den Polizisten, die ihren Sohn eingesperrt haben, hat sie gesagt: "Die Hamas-Führer haben doch alle Strom zu Hause, nur wir haben keinen." "Wie sehr auch immer die Leute leiden in Gaza, sie werden den Widerstand niemals aufgeben." "Nein, das stimmt nicht", sagt Mustafa Sawaf, als man ihn mit Volkes Stimme konfrontiert. Er bittet in sein schummriges Wohnzimmer und sagt fast triumphierend: "Auch ich habe keinen Strom." Sawaf verantwortet die Kulturpolitik der Hamas in Gaza, die Wohnungseinrichtung verrät, dass er geschmacklich eher dem palästinensischen Barock verhaftet ist. Politisch gilt er als vergleichsweise moderat, doch das sollte niemand mit nachgiebig verwechseln. Gegen die Strom-Proteste müsse man "mit harter Hand vorgehen", erklärt er - und zieht einen Vergleich zu den Verhaftungswellen nach Terrorangriffen in Europa. "Das gleiche Recht zur Verteidigung des Volkes haben wir auch." Von seinem gediegenen Wohnzimmer aus sieht die Lage anders aus als von draußen. "Bei dieser Krise geht es doch gar nicht um Essen oder Strom, das sind nur kleine Probleme", versichert er. "In Wirklichkeit geht es um die Frage, ob wir uns der israelischen Besatzung ergeben oder ob wir standhaft bleiben." Standhaft bleiben, das sei Aufgabe der Hamas - deshalb stehe das Volk auch noch voll und ganz hinter der Führung. "Wie sehr auch immer die Leute leiden in Gaza, sie werden niemals den Widerstand aufgeben", sagt er. Wenn sich die Familie al-Taluli am Abend zum Iftar, dem Fastenbrechen, versammelt, dann sitzen sie bei Kerzenschein oder im kalten Licht von batteriegetriebenen Lampen. Es gibt Gemüse und Reis, alles andere würde ohne Strom und Kühlung verderben. 14 Kinder sitzen an der Tafel, doch ein Platz bleibt leer, solange Mohammed im Gefängnis sitzt. Er sitzt dort, weil er den Widerstand nicht aufgegeben hat. Den Widerstand gegen die Hamas.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/finanzkrise-in-griechenland-tsipras-wirft-schaeuble-spiel-mit-dem-feuer-vor-1.3374749
mlsum-de-175
Der griechische Premier vergleicht den deutschen Finanzminister indirekt mit einem Brandstifter - nach Schäubles Kritik an Griechenlands mangelnder Reformbereitschaft.
Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hat in der Auseinandersetzung um die Schuldenkrise des Landes scharfe Worte Richtung Berlin geschickt. "Ich möchte die Kanzlerin bitten, die abfälligen Äußerungen von Finanzminister Schäuble gegen Griechenland sowie Verweise, die Griechen lebten über ihre Verhältnisse, zu unterbinden", sagte Tsipras auf einem Parteitag seiner Regierungspartei Syriza. "Wer mit einer 'Eurozone der zwei Geschwindigkeiten' spielt, mit Spaltung und Teilung, der spielt mit dem Feuer", sagte der Regierungschef weiter. Er könne sich nicht vorstellen, dass es im Sinne der (deutschen) Regierung sei, Brandstifter mit Streichhölzern in ein Munitionslager zu schicken. Tsipras bezog sich auf jüngste Äußerungen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Griechenland leiste sich einen höheren Lebensstandard als es selbst erwirtschaften könne. Nötig seien weitere Reformen. "Sonst können sie nicht in der Währungsunion bleiben", sagte Schäuble. Tsipras kritisiert Gläubiger Tsipras machte die Positionen Schäubles und des Internationalen Währungsfonds (IWF) für die derzeitige Blockade in den Verhandlungen zwischen Athen und seinen Gläubigern verantwortlich. Die ständigen Unstimmigkeiten zwischen den Gläubigern verhinderten ein Vorankommen. Man sei bereit, über alles zu diskutieren, was angemessen sei und sich innerhalb des Rahmens der Vereinbarungen bewege - jedoch nichts darüber hinaus. Man werde keine Forderungen seitens der Gläubiger unterschreiben, die nicht auf der Basis von Logik und Zahlen erfolgten. Welche Punkte Tsipras genau meinte, blieb offen. Zudem kritisierte Tspipras, der IWF habe nicht den Mut, zu seiner Meinung zu stehen - also gegenüber den anderen Gläubigern Erleichterungen beim Schuldendienst für Griechenland durchzusetzen. Die EU wiederum sei beeinflusst von den anstehenden Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland, sagte Tsipras mit Blick auf die stockenden Reformverhandlungen. Eigentlich sollten die Verhandlungen am 20. Februar abgeschlossen werden, nun sei es sogar fraglich, ob es im März klappen könnte, hieß es aus Regierungskreisen. Das pleitebedrohte Land und seine internationalen Gläubiger ringen derzeit in zähen Verhandlungen um das laufende Spar- und Reformprogramm. Nach einem Sondertreffen der Geldgeber mit dem griechischen Finanzminister hatte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem am Freitagabend zunächst von "erheblichen Fortschritten" gesprochen, die den Weg für weitere Hilfszahlungen freimachen könnten. Ein positiver Abschluss der Überprüfung griechischer Reformen ist Voraussetzung dafür, dass die Euro-Länder weitere Kredite freigeben. Athen braucht Geld aus 86-Milliarden-Hilfsprogramm Das Euro-Mitglied Griechenland ist hochverschuldet und wird seit Jahren nur durch internationale Finanzhilfen vor dem Bankrott bewahrt. Mitte 2015 hatten sich die Euro-Partner mit Griechenland auf ein drittes Hilfsprogramm im Umfang von bis zu 86 Milliarden Euro geeinigt. Anders als bei den Vorläufer-Programmen ist der IWF daran aber bisher nicht mit eigenen Finanzmitteln beteiligt. Der IWF macht seine Beteiligung von der langfristigen Tragfähigkeit der griechischen Schulden abhängig und fordert deshalb weitere Schuldenerleichterungen für das Land. Deutschland fordert aber eine IWF-Beteiligung und lehnt zugleich eine weitere Schuldenerleichterung ab. Im Sommer stehen für Athen Schulden-Rückzahlungen von sieben Milliarden Euro an. Sie können nur beglichen werden, wenn aus dem 86-Milliarden-Hilfsprogramm weitere Zahlungen freigegeben werden. Dafür müsste es aber bei den seit Monaten festgefahrenen Verhandlungen der internationalen Geber einen Durchbruch geben.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/aktienmaerkte-es-geht-weiter-aufwaerts-1.2830269
mlsum-de-176
EZB-Chef Mario Draghi gibt dem Dax zum Wochenschluss einen kräftigen Schub nach oben. Zudem sorgen steigende Ölpreise für Erleichterung.
In der Hoffnung auf weitere Geldspritzen der Europäischen Zentralbank (EZB) haben Anleger am Freitag bei Aktien beherzt zugegriffen. Für Erleichterung sorgte außerdem der wieder anziehende Ölpreis. Dessen rasanter Verfall hat zuletzt viele Anleger verunsichert. Der Dax notierte zum Handelsende um zwei Prozent höher bei 9765 Punkten. Befeuert wurden die Spekulationen auf zusätzliche Wertpapierkäufe der EZB von Warnungen des Notenbank-Chefs Mario Draghi vor den Risiken für die Wirtschaftsentwicklung. Auf dem Wirtschaftsforum in Davos unterstrich Draghi daher seine Bereitschaft, im Kampf gegen die aus seiner Sicht viel zu niedrige Inflation nicht nachzulassen: "Wir haben reichlich Instrumente. Insbesondere haben wir die Entschlossenheit, den Willen und die Fähigkeit zu handeln und diese Instrumente einzusetzen." Der Aufschwung am Rohstoffmarkt schob die Ölwerte europaweit an. So gewannen die Aktien von BP, Royal Dutch Shell, Total, OMV und Repsol bis zu sieben Prozent. In Russland, das stark von Energieexporten abhängig ist, legte der Leitindex RTS um 9,4 Prozent zu. Im Dax hinkten SAP-Aktien mit einem Plus von 0,4 Prozent dem Markt hinterher. Der starke Schlussspurt des letzten Jahres macht den Softwarehersteller zwar optimistischer für die Geschäfte über das laufende Jahr hinaus. Allerdings bewege sich SAP laut Händlern mit seinen Zielen nur im Rahmen der Erwartungen. Die Titel der Immobilienkonzerne stachen mit deutlichen Kursgewinnen hervor. Sie profitierten von Spekulationen, dass die EZB mehr billiges Geld zur Verfügung stellen wird. Das würde Immobilienkredite noch günstiger machen. Vonovia führten mit einem Aufschlag von 5,3 Prozent die Dax-Gewinner an. Deutsche-Wohnen-Aktien zogen im MDax um 3,9 Prozent an, während Ado Properties bei den kleineren Werten im SDax mit einem Plus 3,8 Prozent im Mittelfeld rangierten. Anteilsscheine der Lufthansa gewannen 2,6 Prozent an Wert. Die Airline und ihre Flugbegleiter einigten sich auf Tarifverträge zum Gehalt und zur Altersversorgung. Auch an den US-Börsen ging es aufwärts. Der Dow Jones schloss um 1,3 Prozent höher bei 16 093 Zählern. Gegen den Trend verloren die Aktien von American Express zwölf Prozent. Dem Kreditkarten-Anbieter macht der starke Dollar zu schaffen. Der Gewinn brach im vierten Quartal um 38 Prozent ein.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/prinz-harry-in-nepal-royales-schmettern-1.2919053
mlsum-de-177
Aufschlag, Annahme, Abwehr: Prinz Harry ist zu Besuch in Nepal und spielt mit Schulkindern Volleyball. Und sonst? Fährt er mit einem Schlauchboot durch die Gegend und imitiert einen Tiger.
Körperspannung? Vorhanden. Die Haltung? Gar nicht so schlecht. Und auch an Motivation scheint es Seiner Königlichen Hoheit Prinz Harry von Wales nicht zu mangeln. Die Nummer fünf in der britischen Thronfolge, sonst eher als begeisterter Polospieler und Skifahrer bekannt, hat sich zur Abwechslung mal im Volleyball versucht. Aufschlag, Annahme, Abwehr - klappte alles schon ganz ordentlich beim Spiel mit den Schülern der Gaunda Sekundarschule im nepalesischen Okhari. Bei einer Körpergröße von 1,89 Metern nicht verwunderlich, obwohl seine Kleidung alles andere als sporttauglich war. Ob sich Harry als Mittelblocker, Außenangreifer, Zu- oder Diagonalspieler verstand, war nicht zu erkennen und ist eigentlich auch egal, er wurde von den Schülern ohnehin pausenlos angespielt. Während seiner fünftägigen Reise durch Nepal besuchte der 31-jährige Prinz verschiedene Regionen des von dem schweren Erdbeben 2015 noch immer gezeichneten Landes. Harry traf Regierungsvertreter, fuhr zu kulturellen Stätten, in das Dorf eines früheren Gurkha-Elitekämpfers und zum Bardia-Nationalpark, wo er nicht nur über den Erhalt der Artenvielfalt sprach und mit einem Schlauchboot durch die Gegend fuhr, sondern auch einen Tiger imitierte. Natürlich nur, um testweise eine automatische Kamera zu aktivieren. Wie talentiert das Mitglied der britischen Königsfamilie als Tiger ist, blieb unkommentiert. Eine Wiederholung gab es jedenfalls nicht, Prinz Harry verzichtete auf Tiernachahmungen beim Volleyball.
https://www.sueddeutsche.de/sport/leichtathletik-yohan-blake-verzichtet-auf-wm-1.1723398
mlsum-de-178
Sprinter Yohan Blake muss seine Teilnahme an der WM wegen einer Verletzung absagen. Der Fitnesstrainer von Asafa Powell weist Vorwürfe zurück, am Doping beteiligt gewesen zu sein. Florian Mayer erreicht die nächste Runde beim Turnier in Hamburg, Tobias Kamke scheidet aus.
Leichtathletik-WM, Absage: 100-m-Weltmeister Yohan Blake wird wegen seiner hartnäckigen Verletzung im rechten Oberschenkel seinen Titel bei der Leichtathletik-WM in Moskau (10. bis 18. August) nicht verteidigen können. "Seine im April erlittene Blessur hat es ihm nicht erlaubt, rechtzeitig wieder in Form zu kommen", gab sein Manager Cubie Seegobin am Dienstag offiziell bekannt. Der 23 Jahre alte Blake, der 2011 in Daegu/Südkorea gesiegt hatte, nachdem sein Landsmann und Topfavorit Usain Bolt wegen Fehlstarts disqualifiziert worden war, hatte bereits auf seine Teilnahme an den jamaikanischen Trials verzichten müssen. Allerdings hätte er als Titelverteidiger eine Wildcard für Moskau erhalten. Yohan Blake ist mit seinen Bestleistungen von 9,69 Sekunden über 100 m und 19,26 Sekunden über 200 m jeweils zweitschnellster Läufer aller Zeiten hinter Bolt (9,58 - 19,19). Bei den Olympischen Spielen in London hatte Blake im vergangenen Jahr in den Sprints jeweils Silber hinter Bolt gewonnen und mit diesem in der Staffel Gold geholt. Mit dem Verzicht von Blake fehlt den Sprintentscheidungen in Moskau eine weitere Attraktion, nachdem zuvor bereits US-Star Tyson Gay und Jamaikas Ex-Weltrekordler Asafa Powell in den A-Proben positiv auf Doping getestet worden waren. Leichathletik, Doping: Der umstrittene Fitnesstrainer der unter Dopingverdacht geratenen jamaikanischen Leichtathleten Asafa Powell und Sherone Simpson hat sich zur Wort gemeldet und jede Schuld von sich gewiesen. "Beide Athleten sind eindeutig auf der Suche nach einem Sündenbock. Ich habe Asafa Powell und Sherone Simpson nicht mit verbotenen oder illegalen Substanzen versorgt. Alle von mir empfohlenen Vitaminpräparate wurden in seriösen Läden gekauft und waren große Marken. Die bei mir gefundenen Präparate wurden von der italienischen Polizei als legal befunden. Ich weiß nicht, was die Athleten zusätzlich genommen haben", teilte der Kanadier Christopher Xuereb in einer Stellungnahme mit. Am Dienst hatte der Manager der beiden Sprintstars den Coach für die positiven Tests verantwortlich gemacht. Es müsse mit den von Xuereb verabreichten Nahrungsergänzungsmitteln zusammenhängen, sagte Paul Doyle der Nachrichtenagentur AP. Man wolle nicht Chris die Schuld für alles geben, aber er sei derjenige gewesen, der die Präparate zur Verfügung gestellt hat. Der frühere 100-Meter-Weltrekordhalter Powell und Simpson gehören zu den fünf jamaikanischen Leichtathleten, die bei den nationalen Meisterschaften im Juni positiv getestet worden waren. Tennis, Turnier in Hamburg: Florian Mayer ist beim ATP-Turnier am Hamburger Rothenbaum ins Achtelfinale eingezogen. Der 29-Jährige aus Bayreuth setzte sich mit 6:3, 6:4 gegen den an Nummer sieben gesetzten Alexander Dolgopolow (Ukraine) durch und überstand als erster Deutscher die zweite Runde. Dort war zuvor Tobias Kamke (Lübeck) am starken Spanier Nicolas Almagro gescheitert. "Ich war hier in den letzten drei Jahren immer mindestens im Viertelfinale und da will ich wieder hin", sagte Mayer, der am Donnerstag auf den Sieger des Duells zwischen Jan-Lennard Struff (Warstein) und Feliciano López (Spanien/Nr. 11) trifft. "Es ist schade, aber ich glaube, dass er verdient gewonnen hat", sagte Kamke nach der Niederlage gegen Almagro: "Er ist ein Spieler, der in die Top Ten gehört und liegt deutlich über meinem Durchschnittslevel." Der 27-Jährige unterlag dem an Nummer drei gesetzten Spanier mit 3:6, 3:6. Zuvor waren bereits Lokalmatador Julian Reister und Matthias Bachinger (München) in der ersten Runde ausgeschieden. Neben Mayer sorgte Wildcard-Starter Struff für einen Lichtblick, als er Leonardo Mayer (Argentinien) ausschaltete. Der 23-Jährige siegte mit 3:6, 6:4, 6:4. Die Turnierfavoriten Tommy Haas und Roger Federer bestreiten gegen Blaz Kavcic (Slowenien) und Daniel Brands (Deggendorf) am Mittwoch in der zweiten Runde ihre ersten Matches. Tennis, Comeback: Die frühere Weltranglistenerste Martina Hingis plant eine Rückkehr auf die WTA-Tour. Die Schweizerin will beim Tennisturnier in Carlsbad im US-Bundesstaat Kalifornien zusammen mit der Slowakin Daniela Hantuchova im Doppel antreten. Die 32-Jährige habe für das Ende Juli beginnende Turnier eine Wildcard akzeptiert, teilte die WTA am Dienstag mit. Für Hingis wäre es ihr erster Auftritt bei einer WTA-Veranstaltung seit September 2007. Ihr Kampfgeist sei immer noch sehr lebendig, und sie liebe es auf dem Tennisplatz zu stehen, sagte Hingis. Für Hingis steht damit die zweite Rückkehr auf die WTA-Tour an. Im Januar 2006 war sie nach einer mehr als dreijährigen Pause zurückgekehrt. Ende 2007 beendete sie ihre Profikarriere dann erneut, nachdem sie in Wimbledon positiv auf Kokain getestet worden war. Die fünfmalige Grand-Slam-Siegerin hatte stets ihre Unschuld beteuert. Basketball, Tim Ohlbrecht: Der deutsche Basketball-Nationalspieler Tim Ohlbrecht bekommt eine zweite Chance in der nordamerikanischen Top-Liga NBA. Der 24 Jahre alte Center erhält einen Vertrag bei den Philadelphia 76ers. Dies teilte der Klub offiziell mit. Ohlbrecht war zuvor von den Houston Rockets auf die Waiver List gesetzt worden und damit vereinslos. Die Sixers werden den ursprünglich bis 2015 laufenden Vertrag von Ohlbrecht übernehmen. Der Wuppertaler war in der abgelaufenen Saison nur zwölf Minuten zum Einsatz gekommen und erzielte drei Punkte. Mit Houstons Farmteam Rio Grande Valley Vipers holte Ohlbrecht den Titel in der D-League. Ohlbrecht ist nach Christian Welp (1987 bis 1989) der zweite Deutsche bei den 76ers. Auch der später eingebürgerte deutsche Nationalspieler Shawn Bradley spielte von 1993 bis 1995 für Philadelphia.
https://www.sueddeutsche.de/sport/italien-bei-der-fussball-wm-der-alte-caesar-ist-nackt-1.3746287
mlsum-de-179
Wäre es für Italien sogar besser, die Fußball-WM zu verpassen? Vor dem Relegations-Rückspiel gegen Schweden zeigen sich die Azzurri verstörend ratlos.
Vom Jüngsten Gericht gibt es in Italiens Kirchen die wundervollsten, schrecklichsten, bizarrsten Darstellungen. In Todi wird die Hölle liebevoll drapiert und wie mit Neonlicht ausgeleuchtet, in San Gimignano sehen die Sünder quicklebendig aus, in Padua empfängt ein Buddha-hafter Riesenteufel die Verdammten. Am Montagabend soll im Meazza-Stadion zu Mailand dann eine ganz neue Version hinzu kommen, eine Performance mit elf Männern in gelben und elf Männern in blauen Hemden. Noch weiß man nicht, wer in den WM-Himmel und wer in die Hölle der zum Zuschauen Verdammten fahren wird, obwohl sich nach dem vorletzten Gericht, das am Freitag in Stockholm stattfand, durchaus erste Vorahnungen verbreiten. Da sah man Italiener, die sich fast willenlos in ihr Schicksal ergaben und von den geradezu entfesselt kampfesmutigen Schweden ein 0:1 kassierten. Man sah den türkischen Schiedsrichter Cüneyt Cakir, der nicht allzu oft von seinen Instrumenten Gebrauch machte, auch nicht, als Ola Toivonen seinen Gegenspieler Leonardo Bonucci 30 Sekunden nach Anpfiff mit einem kräftigen Ellbogenstüber die Nase brach. Und man sah ein Rumpelstilzchen, das unermüdlich vor der italienischen Bank herumsprang und dazu wild gestikulierte: Gian Piero Ventura, den Trainer der Azzurri. Nach Russland quälen, um dort zu zittern? In Mailand werden die meisten wieder mit von der Partie sein, auch Bonucci, mit einer Schutzmaske. Referee Cakir wird indes durch den Spanier Antonio Mateu Lahoz ersetzt, auf dem Italiens Hoffnungen ruhen. "Auf dass sie uns genauso viel erlauben, wie den Schweden erlaubt wurde," lautet das Stoßgebet des Signor Ventura. "Die Italiener spielen zu viel Theater und sind dabei noch schlechte Schauspieler", kontert darauf der Schwede Marcus Berg. Mit allen Mitteln hätten die Gegner versucht, für ihn eine gelb-rote Karte zu erwirken. Derart hochgerüstet zieht man also zum "Jüngsten Gericht in San Siro" (La Repubblica), und während man die italienischen Maler von Himmel und Hölle getrost im Paradies wähnen darf, werden die Azzurri schon jetzt gegrillt. Medien und Publikum ergehen sich in Debatten darüber, ob es nicht am Ende sogar besser wäre, erstmals seit 60 Jahren eine WM zu verpassen - um im Fegefeuer einer längst überfälligen Reform eine dringend notwendige Läuterung zu vollziehen. Sich nach Russland zittern, um sich dort weiter zu quälen und wie schon 2010 und 2014 nach der Vorrunde rauszufliegen, das wäre ja wohl erst recht unerträglich. Dass eine Nationalmannschaft aber auch Spaß und Freude machen kann, hat man in Italien noch nicht ganz vergessen. Es ist erst 16 Monate her, da hatte die Squadra Azzurra Schweden bei der EM in Frankreich besiegt, ebenfalls 1:0. Und wie jetzt in Stockholm war das knappe Ergebnis trügerisch. Denn das Spiel, das diesmal die Schweden bestimmten, machten damals die Italiener. Im Mittelpunkt der Kritik steht vor allem Ventura, und die Abrechnung mit dem 69-Jährigen ist gnadenlos. "Ein Trainer, der sich von anderen führen lassen muss", stichelt die Gazzetta dello Sport, und die anderen, das seien die "Senatoren", jene alte Garde um Kapitän Gianluigi Buffon und die Abwehrveteranen Giorgio Chiellini, Andrea Barzagli, und Leonardo Bonucci, die nach dem erbärmlichen 1:1 gegen Mazedonien den Trainer einfach aus der Kabine drängten. Der Torwart Buffon hielt die notwendige Ruckrede damals lieber selbst. In Stockholm sollen die "Senatoren" das Taktikschema 3-5-2 durchgesetzt haben, sie kannten und schätzten das von Venturas äußerst beliebtem Vorgänger Antonio Conte. Ventura gab nach und scheiterte. Als er in der zweiten Halbzeit auf das von ihm bevorzugte 4-4-2 zurückgriff und den Neapolitaner Lorenzo Insigne für den verstörend verunsicherten Marco Verratti einwechselte, war es schon zu spät. Schweden hatte das einzige Tor der Partie gemacht (Jakob Johansson, 58.), Italien seinen einzigen gefährlichen Torschuss an den linken Pfosten gesetzt. Matteo Darmian von Manchester United war das, der beste Azzurro auf dem Platz, wie sein Klub-Trainer José Mourinho im Stadion feststellen konnte.
https://www.sueddeutsche.de/stil/designermode-fuer-billigmarke-uniqlo-ungewoehnliche-fast-fashion-1.2682485
mlsum-de-180
Der französische Luxusdesigner Christophe Lemaire hat für die japanische Billig-Kette Uniqlo eine Kollektion entworfen. Das Beste daran: Sie ist schlicht.
Hinter der Kollektion "Uniqlo and Lemaire" stehen Christophe Lemaire und seine Partnerin Sarah-Linh Tran, der man einen großen Einfluss auf die Entwürfe nachsagt. Treffen sich ein japanischer Textilriese und ein leiser französischer Luxusdesigner. Sagt der Textilriese: "Konnichiwa! Du und ich, wir sind einander ähnlich. Wir sollten uns zusammentun." Sagt der leise französische Luxusdesigner: "Avec plaisir. Lass es uns versuchen." Ungefähr so, glaubt man Christophe Lemaire und den Verantwortlichen bei Uniqlo, ist der Deal vor einem Jahr eingefädelt worden, ein kurzes Kennenlernen, ein paar höfliche Gespräche, am Ende der Handschlag. Dann fünf oder sechs Flüge zwischen Paris und Tokio, die Verzahnung der Designteams, und neun Monate später hängt die Musterkollektion in einem von atmosphärischem Geklimper durchwehten Showroom im Pariser Marais. Es ist der 7. Juli 2015, Couture-Woche. Wer zwischen zwei Terminen noch eine Viertelstunde übrig hat, drängt sich hier schwätzend, tweetend und grünen Tee schlürfend an zwei prall gefüllten Kleiderstangen vorbei. Eine für die Damen. Eine für die Herren. Hosen, Blusen, Röcke, Pullis, Jacken, Mäntel. Alles Basics in unkomplizierten Farben, wenig aufregend auf den ersten Blick, gut gemacht auf den zweiten, raffiniert auf den dritten. Auf den Etiketten steht: "Uniqlo and Lemaire". Lemaires Kollektion ist erst auf den zweiten Blick raffiniert Auf einer Couchgarnitur im Eck sitzt diskret lächelnd der Designer, 50, er trägt ein safarigrünes Hemd, eine ebensolche Hose und einen ins Rötliche changierenden Vollbart. In der freien Wildnis wäre Christophe Lemaire praktisch unsichtbar, und auch hier, inmitten des allgemeinen Geschnatters und der übersteigerten Wichtigkeit, fällt er praktisch nicht auf. Zweimal schiebt man das Aufnahmegerät näher ran, weil seine Worte auf ihrem Weg durch den Raum zu versickern drohen. Was sagt einer, wenn er der dicke Fisch ist, den ein noch gewichtigerer Angler aus dem Wasser gezogen hat? Der in diesem Moment auch noch neben ihm sitzt in Gestalt von Yuki Katsuta, Head of Research & Design bei Uniqlo? Klar, er sagt all die richtigen Sätze. Dass es eine Ehre gewesen sei, mit einem Team aus Japan zu arbeiten, das so hingebungsvoll der Qualität verpflichtet sei. Dass man die Philosophie teile, die auf Tragbarkeit, Zeitlosigkeit, Hochwertigkeit beruhe. Dass man als Designer am Ende niemals ganz zufrieden sei, "aber das Konzept steht, und es ist gut". Lemaire nickt und lächelt. Herr Katsuta nickt und lächelt auch. Uniqlo ist ein hierzulande noch kaum bekannter (und im Deutschen auch etwas unglücklich klingender) Name, hinter dem ein Global Player steht: Fast Retailing, die hyperaktive Unternehmensgruppe von Tadashi Yanai, dem reichsten Mann Japans. Zu Fast Retailing gehören Marken wie Helmut Lang, Comptoir des Cotonniers und Theory, aber das wertvollste Pferd im Stall ist Uniqlo. 1984 wurde der erste Laden für Alltagskleidung unter dem Namen "Unique Clothing Warehouse" in Hiroshima eröffnet, heute betreibt das Unternehmen weltweit mehr als 1400 Filialen und beschäftigt 30 000 Mitarbeiter. An der Berliner Tauentzienstraße, vis-à-vis dem KaDeWe, ging vor einem Jahr der erste deutsche Store an den Start. Und so unerquicklich man sich den hiesigen Markt zwischen all den Zaras, Mangos und H&Ms auch vorstellen mag: Am Freitag eröffnet am Leipziger Platz bereits die zweite Dependance; weitere Filialen an anderen Standorten sind geplant.
https://www.sueddeutsche.de/auto/fiat-cinquecento-das-maeuschen-das-sich-in-der-stadt-am-wohlsten-fuehlt-1.614139
mlsum-de-181
Der Nachfolger des 'Toppolino' ist von August an in Deutschland lieferbar / Später folgt eine elektrifizierte Spezialvariante
(SZ vom 29.01.1992) In Sachen Kleinwagen reicht die Tradition bis in die 30er Jahre zurück. Fiat begann damals, die italienische Nation zu bewegen, indem man den ersten kleinen, für die breite Masse bezahlbaren Serienwagen auf die Räder stellte. Er hatte die Typenbezeichnung 500, in (italienischen) Worten Cinquecento. Aus der nüchternen Typenzahl, die für den Hubraum in Kubikzentimetern steht, machten die begeisterten Kunden bald den Kosenamen Toppolino, zu deutsch das Mäuschen. Mit der kleinen, italienischen Maus haben auch im Nachkriegsdeutschland viele angefangen. Ich erinnere mich gut an meine ersten Fahrten mit dem frischem Führerschein in einem nicht mehr so frischen Toppolino. Man hockte auf kunstlederbezogenen Stühlchen, ein dürres Bakelit-Lenkrad in der Hand. Die Gänge wurden mit einem langen Schalthebel (mit Zwischengas), der irgendwo weit vorn unter dem blechernen Armaturenbrett verschwand, sortiert. Auf diese Tradition sind die Fiat-Leute stolz und so knüpfen sie, wenigstens bei der Namensgebung, mit ihrem jüngsten Produkt daran an. Den Namen Cinquecento wollen die Marketing-Fachleute auch auf den Auslandsmärkten beibehalten. Er mag ja für Pizza und Pasta gewohnte Deutsche aussprechbar sein, für Franzosen beispielsweise ist er es nicht. Eine Journalistin aus Paris befand unter dem Beifall ihrer Kollegen, daß Tschinkwetschento erstens unaussprechlich sei - und zweitens von der Mehrheit ihrer Landsleute für einen beachtlichen Niesanfall gehalten würde. Wir Deutsche werden mit dem Namen zurecht kommen, doch stimmt er nicht. Denn bereits der kleinste Motor (ein Zweizylinder, der nicht nach Deutschland importiert wird) hat 704 Kubikzentimeter. Wir bekommen hingegen einen Vierzylindermotor mit Katalysator, 903 ccm und 30 kW (41 PS) Leistung. Für die Kfz-Steuer ist der 500er bei uns also ein 1000er. Diesen Eindruck unterstreicht der Kleine (3,23 m lang, 1,49 m breit, 1,43 hoch) beim Fahren. Laut Werksangaben beschleunigt der Cinquecento cat in 18 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100, Höchstgeschwindigkeit 'ungefähr 140'. Auf den ersten Testkilometern rund um Rom erscheint der neueste Fiat als durchaus flottes Auto. Er hält sowohl im Stadtverkehr wie auf der Stadtautobahn ohne Mühe mit. Dazu muß der Fahrer allerdings fleißig zwischen den fünf Gängen hin und her schalten. Im fünften fährt er selten, denn dieser ist als die Drehzahl und den Verbrauch senkender Spargang ausgelegt. Mit einer direkten und leichtgängigen Lenkung bugsiert man den neuen 500er mühelos durch die winkeligen Altstadtgassen von Frascati. Ungewöhnlich die Armaturentafel. Sie besteht im wesentlichen aus einer sehr großen, niedrig angeordneten Ablage. Die reicht nicht nur für Kleinkram, der ständig herumrutscht. Im Cinquecento paßt auch eine Einkaufstasche darauf. Die vorderen Sitze erinnern an ältere Fiat-Konstruktionen. Sie haben zu kurze Sitzflächen, zu niedrige Rückenlehnen und einen etwas mickrigen Verstellmechanismus. Dennoch macht der neue 500er insgesamt einen ordentlich verarbeiteten Eindruck. Den erwartet man nicht ohne weiteres von einem italienischen Auto, das in Polen gebaut wird. Bereits Ende 1987, lange vor den weltbewegenden Veränderungen im Ostblock, schloß Fiat mit FSM (Fabrika Samochodw Malolytrazowych) in Tychy nahe Krakau den Vertrag zur Fertigung des Cinquecento. Das italienische Unternehmen hat seit 1921 Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Polen, baut dort seit 1932 Autos. Der Fiat 126 kam in den letzten Jahren ausschließlich aus polnischer Produktion. Für den Anfang werden 160 000 Wagen pro Jahr in Tychy gebaut. Wenn der Kleine ein Erfolg wird, kann die Produktion auf 240 000 Stück gesteigert werden. Alle Märkte, auch der italienische, werden aus Polen beliefert. Dazu hat Fiat eine Milliarde Lire investiert. Wie bei der Fertigung des Tipo im süditalienischen Cassino wird der Cinquecento in Tychy weitgehend automatisch gestanzt, gepreßt, geschweißt, lackiert und zusammengesetzt. Autowerker aus Polen haben monatelang an einem Trainings-Band in Italien geübt. Heute schauen 200 Italiener ihren polnischen Kollegen in Tychy auf die Finger. Nach dem ersten Eindruck mit Erfolg, denn der kleinste Fiat ist alles andere als eine Rappelkiste. Für die Geräuschdämmung haben die Konstrukteure einen Aufwand getrieben, wie er längst nicht in allen Mittelklasse-Autos üblich ist. Weder dröhnt der Motor laut im Innenraum, noch poltern die Reifen. Erstaunlich gut ist das Schluckvermögen der Federung. Über Kopfsteinpflaster-Pisten mit enormen Löchern hoppelt der Cinquecento nicht wie ein Kleinwagen. Und das ist er auch nicht. Fiat sieht ihn als Vertreter einer neuen Klasse, der der Stadtwagen. Diese Autos müssen zwar kompakt und handlich, aber dennoch bequem sein. Mit dem Kleinwagen-Image hat der Stadtwagen jedoch auch den Kleinwagen-Preis abgelegt. Obwohl noch keine exakten Beträge feststehen - der Cinquecento soll erst im August/September nach Deutschland kommen - wird mit 11 000 bis 11 400 Mark Einstandspreis spekuliert. Deutlich teurer wird eine Spezial-Ausführung, der Cinquecento Elettra, der ab 1993 das Programm erweitert. Mit seinem 9 kW (12,5 PS) starken Elektromotor schafft er Tempo 85. Alle 100 Kilometer muß der Elettra an die Steckdose. Für die große Einkaufstour eignet er sich ohnehin nicht, denn Kofferraum und Rücksitz mußten den Batterien weichen. Die Zuladung des Elektro-Karrens beträgt nur noch 150 Kilogramm, gegenüber 400 Kilogramm beim Benziner. Von Peter Behse
https://www.sueddeutsche.de/sport/jahreshauptversammlung-des-fc-bayern-fc-hollywood-ist-passe-1.2758394
mlsum-de-182
Der FC Bayern trägt nüchtern seine Rekordzahlen vor und fordert mehr TV-Gelder. Aber: Uli Hoeneß ist nicht da und Pep Guardiola wird mit keinem Wort erwähnt.
Kommt er oder kommt er nicht? Schleicht er inkognito in die Halle, trägt sich in die Rednerliste ein, hört sich dann den Bericht des 2. Vizepräsidenten an ("Tischtennisabteilung platzt aus allen Nähten"), beklatscht die Rekordzahlen (23,8 Millionen Euro Gewinn), wartet dann still bis zum Tagesordnungspunkt "Sonstiges" - um schließlich das Podium zu besteigen? Gerade noch in der Haftanstalt, jetzt schon wieder auf der Showbühne? Dem Vernehmen nach hat sich Uli Hoeneß gewundert über die Spekulationen, er könne den Umstand, dass er nur noch von Montag bis Donnerstag im Gefängnis schlafen muss, nutzen, um am Freitagabend erstmals wieder öffentlich aufzutreten - bei der Mitgliederversammlung seines FC Bayern. Das wäre ja schon deshalb unklug gewesen, weil Hoeneß' Anwälte kürzlich beantragt haben, dem ehemaligen Bayern-Präsidenten die Hälfte seiner Strafe zu erlassen. Hoeneß käme dann schon im kommenden Frühjahr frei; und da ist jetzt zwingend noch ein bisschen Demut angesagt. "Das war's noch nicht" - das waren Hoeneß' Worte bei seinem bisher letzten Auftritt bei der roten Familie, im Mai 2014. Was das genau für die Zukunft bedeutet, bleibt offen. Denn Hoeneß kam nicht. (Ebenso wenig übrigens wie der Trainer Pep Guardiola, der aus privaten Gründen nach Spanien geflogen war. Und auch die Mannschaft war nicht da.) Und so musste die jährliche Versammlung des FC Bayern zum zweiten Mal in Serie ohne den Mister Bayern auskommen. Und damit ohne größere Pointen und Emotionen, wenn man mal davon absieht, dass in Einspielfilmchen wieder viel gejubelt und gefeiert wurde, meistens in Zeitlupe. "Wir wollen keine große Show abziehen" - das war die Ansage des Vorstandschefs Karl-Heinz Rummenigge. Und es gab ja auch keine Nachricht öffentlichkeitswirksam für die Fans zu inszenieren. Keine spektakuläre Vertragsverlängerung, sei es nun mit Jérôme Boateng oder gar mit Guardiola. Es gab lediglich wieder eine "sehr gute Saison" zu bilanzieren und, so Rummenigge, "ein harmonisches, ruhiges, sympathisches Auftreten, das uns gut zu Gesicht steht". Aussagen, an die man sich erinnern wird? Vielleicht diese: "Schlagzeilen werden auf dem Platz geschrieben, die Zeiten des FC Hollywood sind passé - und ich finde das auch gut so." Sagte Rummenigge. Mitgliederversammlungen sind immer ein Spagat zwischen Turnhallenmief und Allianz Arena. Da berichtet der Vizepräsident Dieter Mayer aus den Amateurabteilungen. Vier Kegelmannschaften in den neu eingeteilten Spielklassen etabliert! Deutsche Meisterschaft im Blitzschach der Frauen! Da berichtet der Präsident Karl Hopfner über ein Online-Voting zu der Frage, welches Motiv auf den Mitgliedsausweis gedruckt wird. Immerhin: auf 270 329 Ausweise; der FC Bayern ist ja der größte Sportverein der Welt.
https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-slowenien-will-keine-fluechtlinge-mehr-durchlassen-1.2898586
mlsum-de-183
Ab Mitternacht will das Land nur noch Migranten mit gültigen Papieren einreisen lassen. Auch Serbien macht dicht. Es droht die faktische Schließung der Balkanroute.
Slowenien wird in Kürze an seinen Grenzen EU-Visa für die Einreise verlangen. Diese Maßnahme werde am Dienstag um Mitternacht in Kraft treten, teilte das serbische Innenministerium nach einer entsprechenden Information aus Slowenien mit. Serbien werde sich dem Schritt anschließen und seine Grenzen mit Bulgarien und Mazedonien schließen, hieß es weiter. Damit dürfte die Balkanroute für Migranten und Flüchtlinge nun gänzlich geschlossen sein. Mazedonien hat in den vergangenen Tagen kaum noch Flüchtlinge von Griechenland aus Richtung Westeuropa passieren lassen. Streit um Schließung der Balkanroute Mit den neuen Maßnahmen kämen Flüchtlinge und Migranten ohne EU-Visa nicht mehr nach Serbien, Kroatien, Slowenien und Österreich. Serbien könne es sich nicht erlauben, selbst kollektives Zentrum für Flüchtlinge zu werden, so das Innenministerium. Der slowenische Regierungschef Miro Cerar sagte am Dienstag, der EU-Gipfel vom Vortag habe die "sehr klare Botschaft an alle Schlepper und illegalen Migranten gesandt, dass diese Route nicht länger existiert, sie ist geschlossen." Nur noch Migranten mit Dokumenten, die im Schengen-Raum nötig seien, werde die Einreise erlaubt. Über die Frage, ob die Balkanroute geschlossen werden solle oder nicht, hat es auf dem in der Nacht zuende gegangenen EU-Gipfel noch Meinungsverschiedenheiten gegeben. Eine entsprechende Formulierung war auf Druck von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Bundeskanzlerin Angela Merkel aus dem Entwurf des Abschlusspapiers gestrichen worden.
https://www.sueddeutsche.de/politik/emilie-lieberherr-tod-einer-unbeugsamen-1.1042994
mlsum-de-184
Energische Vorkämpferin für das Frauenwahlrecht und eine der streitbarsten Figuren in der Schweizer Politik: Zum Tod von Emilie Lieberherr
Es hat lange gedauert, bis sich auch in der Schweiz die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass Frauen höhere Bildung und politische Mitsprache zusteht. Im Jahr 1990 zwang das Schweizer Bundesgericht den Kanton Appenzell-Innerrhoden, den Frauen auch das kantonale Stimmrecht zu gewähren - die Appenzeller Stimmbürger sprachen sich bis zuletzt dagegen aus. Emilie Lieberherr hat sich immer geweigert, diese mittelalterlichen Zustände zu akzeptieren. Sie war Politikerin der ersten Stunde und vielleicht die energischste Vorkämpferin überhaupt für Frauenrechte in der Schweiz: Am Montag ist Emilie Lieberherr, eine der streitbarsten Figuren der Schweizer Politik, in Zürich gestorben. Im März 1969 führt sie den "Marsch nach Bern" an: 5000 Frauen ziehen, mit Trillerpfeifen bewaffnet, gegen das Bundeshaus und fordern ihre Rechte ein. Der laute Auftritt, ein historisches Ereignis auf dem steinigen Weg der Schweizerinnen zum Wahlrecht, trägt Lieberherr später eine Überwachungsakte bei der Schweizer Polizei ein. Darum schert sich das Objekt der Überwachung herzlich wenig, zumal der Marsch letztlich Erfolg hat, 1971 erhalten die Schweizerinnen das Wahlrecht auf eidgenössischer Ebene. "Wenn sie etwas wollte, tat man besser daran, sich ihr nicht in den Weg zu stellen", sagte der schweizerische Sozialdemokrat Koni Loepfe über Emilie Lieberherr. Schon in jungen Jahren zeigt sie einen unbeugsamen Willen. 1924 im Schweizer Kanton Uri geboren, studiert sie in den fünfziger Jahren Wirtschaft in Bern, als Frauen an Schweizer Universitäten noch Seltenheitswert haben. Später reist Lieberherr nach Amerika, arbeitet als Kindermädchen für Henry Fonda und macht mit dessen Tochter Jane - der späteren Aerobic-Berühmtheit - Morgengymnastik zu Grammophonmusik. 1970 zieht sie für die Zürcher Sozialdemokraten (SP) als erste Frau in den Stadtrat ein, von 1978 bis 1983 ist sie auch eine der ersten Frauen im Schweizer Ständerat. In den achtziger Jahren überwirft sie sich mit ihrer Partei wegen der Jugendpolitik. Als sie 1990 auch noch statt ihres Parteikollegen den Kandidaten der liberalen FDP für das Stadtpräsidium unterstützt, reicht es der SP endgültig, und Lieberherr wird hochkant aus der Partei geworfen. Diese kleineren Spannungen sind heute längst vergessen: "Sie ist eine von uns", heißt es aus der SP inzwischen.
https://www.sueddeutsche.de/auto/bmw-x3-2010-aufbruch-in-die-moderne-1.974993
mlsum-de-185
Die Zeiten rustikaler Innenraumgestaltung und schwacher Vierzylindermotoren sind vorbei: BMW stellt endlich den neuen X3 vor.
Der neue BMW X3 wird Ende des Jahres zu den europäischen Händlern kommen. Die Chancen auf eine Wiederholung des Verkaufserfolgs scheinen vielversprechend, denn wie schon bei der ersten X3-Generation ist BMW mit seinem Mittelklasse-SUV früher als die Konkurrenz dran. Audi, Mercedes und Volvo gerade erst die Generation Eins ihrer Crossover mit Namen GLK, Q5 oder XC 60 auf den Markt gebracht, da legen die Bayern bereits die zweite Generation auf. Der BMW X3 genoss jahrelang die Gunst der frühen Geburt: Weil die Konkurrenz den Trend zu kleineren SUV komplett verschlief, sahnte BMW mit der ersten X3-Generation mächtig ab - bisher wurden mehr als 600.000 Fahrzeuge verkauft. Abgesehen von den allzu müden Vierzylinder-Benzinern, der rustikalen Innenraum-Haptik und der strammen Federung gab es am bei Magna in Graz produzierten BMW auch kaum etwas auszusetzen. Am 20. November kommt der neue BMW X3 zu den deutschen Händlern - wie X5 und X6 eingeschifft aus Spartanburg / South Carolina. Mit der Neuauflage sind die Bayern der Konkurrenz wieder einen Schritt voraus. Der gefährlichste Gegner könnte daher der kleine Bruder X1 sein, der dem Mittleren der X-Modelle von unten wertvolle Kunden klaut. Der X1 ist elf Zentimeter kleiner als der X3, wiegt weniger und bietet zu großen Teilen die gleichen Triebwerke. Dabei ist der 4,65 Meter lange neue X3 im Vergleich zum alles andere als enttäuschendem X1 das bessere Auto. Besonders in Sachen Fahrdynamik, Antrieb und Innenraum haben die BMW-Entwickler gegenüber der ersten Generation deutlich draufgesattelt. Die elektromechanische Lenkung ist nicht nur auf kurvenreicher Landstraße Referenzklasse. "Besonders breit konnten wir das Fahrwerk mit den optional erhältlichen elektronischen Dämpfern abstimmen", so Heinz Krusche, seit Jahren für die Fahrdynamik im Hause BMW verantwortlich, "hier hat der Fahrer die Wahl zwischen komfortabel und besonders sportlich. Das sind zwei völlig unterschiedliche Autos." Außerdem wird das neue X-Modell der erste BMW sein, bei dem alle Modelle über eine Start-Stopp-Automatik verfügen. Neben dem manuellen Sechsgang-Getriebe gibt es eine Achtstufen-Automatik aus dem Hause ZF.
https://www.sueddeutsche.de/politik/boko-haram-nigeria-hofft-auf-spur-zu-entfuehrten-1.2998728
mlsum-de-186
Ein zweites der entführten Mädchen von Chibok konnte aus der Gefangenschaft von Boko Haram gerettet werden. Die Islamisten stehen möglicherweise unter Druck.
Über 700 Tage dauerte ihre Gefangenschaft. Jetzt sind Amina Ali Nkeki und ein weiteres Mädchen frei. Vor mehr als zwei Jahren wurden sie aus ihrem Internat in Chibok im Nordosten Nigerias gemeinsam mit 274 Mädchen verschleppt. Die Täter bekannten sich damals per Videobotschaft: Kämpfer der Terrormiliz Boko Haram. Die entführten Mädchen gelten als wertvollstes Faustpfand der nigerianischen Islamisten - obwohl sie nicht die ersten und auch nicht die letzten Entführungsopfer der Miliz waren. Doch es war ihr Schicksal, das zum Symbol wurde für das Versagen des Staates im Kampf gegen die Terrormiliz, die seit Jahren den Norden Nigerias und inzwischen auch die Nachbarstaaten mit Gewalt überzieht. An den Schülerinnen von Chibok wird gemessen, ob Boko Haram besiegt werden kann oder nicht. Am Dienstag konnte Amina Ali Nkeki, die erste der verbliebenen 219 Geiseln, entkommen, am Freitag befreiten Nigerias Streitkräfte 97 Gefangene von Boko Haram, unter ihnen eine weitere Schülerin aus Chibok. Sie soll die Tochter eines Pastors sein. Derzeit wird sie medizinisch betreut. Terrororganisation unter Druck Dass die beiden Mädchen gerettet werden konnten, ist zumindest ein Hinweis darauf, dass die Islamisten unter Druck stehen. Eine Bürgerwehr, die mit der nigerianischen Armee zusammenarbeitet, entdeckte Amina Ali Nkeki am Dienstag in der Nähe des Sambisa-Waldes, dem wichtigsten Rückzugsgebiet von Boko Haram. Offenbar war die heute 19-Jährige aus einem Lager der Miliz geflohen, das unter Beschuss der Armee geraten war. Sie hatte ein vier Monate altes Mädchen bei sich. Wie das Militär berichtet, sei auch ein Mann bei ihr gewesen, der sich als ihr Ehemann bezeichnete. Das Militär hat ihn inzwischen als mutmaßlichen Boko-Haram-Kämpfer in Gewahrsam genommen. Die Bürgerwehr, die die junge Frau als eine der entführten Schülerinnen erkannt hatte, brachte Nkeki und ihr Baby zunächst nach Chibok, wo sie von ihrer Mutter und ihrem Bruder eindeutig identifiziert wurde. Mehrere nigerianische Zeitungen zitieren Bewohner der Stadt, denen Nkeki gesagt haben soll, dass sie alle noch im Sambisa-Wald festgehalten würden - bis auf sechs, die nicht mehr am Leben seien. Derzeit werden immernoch 217 Schülerinnen vermisst. Hinweise erhofft Angehörige und Aktivisten erhoffen sich nun von den befreiten Geiseln Hinweise zum Aufenthaltsort der übrigen Mädchen. Am Mittwoch wurde Amina Ali Nkeki mit ihrem Baby in ein Militärkrankenhaus im Nordosten des Landes geflogen, und wurde dort untersucht und befragt. Nach Angaben eines Militärsprechers sind beide wohlauf. Die Armee veröffentlichte ein Foto, das eine junge, gesund aussehende Frau mit Kopftuch zeigt, auf dem Arm ein Baby. Viel Zeit zum Ausruhen blieb Nkeki nicht. Noch am Donnerstag traf sie Präsident Muhammadu Buhari in der Hauptstadt Abuja. Er sei traurig wegen der Grausamkeiten, die das Mädchen durchleben musste, sagte der Staatschef und versprach: "Amina wird die beste Versorgung bekommen, die Nigeria leisten kann." So wie früher wird das Leben der beiden Mädchen wohl nie mehr werden. Noch ist unklar, unter welchen Umständen Nkeki Mutter geworden ist. Glaubt man den Video-Drohungen des Boko-Haram-Anführers, ist davon auszugehen, dass Amina Ali Nkeki wie viele verschleppte Frauen von den Milizionären als Sexsklavin missbraucht wurde.
https://www.sueddeutsche.de/sport/formel-1-valencia-vettel-wieder-auf-wm-kurs-1.966145
mlsum-de-187
Der Red-Bull-Pilot gewinnt das Formel-1-Rennen in Valencia und macht Boden auf Hamilton gut. Webber übersteht einen spektakulären Crash unverletzt. Schumacher landet im Niemandsland.
Sebastian Vettel ist unbeeindruckt vom Horror-Crash seines Teamkollegen Mark Webber wieder auf WM-Kurs gerast. Dagegen fährt Rekordweltmeister Michael Schumacher weiter im Niemandsland der Formel 1. Detailansicht öffnen Wieder oben: Sebastian Vettel jubelt über seinen Sieg in Valencia. (Foto: afp) Während Vettel im Hafen von Valencia nach einem glimpflich verlaufenen Salto des Australiers Webber im zweiten Red Bull die Konkurrenz mit einem Start-Ziel-Sieg nass machte, ging Schumacher am Sonntag nach einem Strategiefehler an der Box mit Rang 16 baden. Nach den 308,833 Kilometern beim Großen Preis von Europa kam neben Vettel nur noch Adrian Sutil im Force India als Sechster von den deutschen Piloten in die Punkte. Nico Rosberg im zweiten Mercedes belegte Rang 12, Timo Glock im Virgin belegte Platz 18. Sechs Runden vor Schluss musste Nico Hülkenberg seinen Williams abstellen. Schumachers einstiger Zögling Vettel fuhr 1:40:29,571 Stunden souverän zu seinem zweiten Saisonerfolg. Auch das Chaos in der Safety-Car-Phase nach dem bösen Abflug seines Teamrivalen in der zehnten Runde hielt den 22-Jährigen nicht auf. Zwar nutzte er erstmals in dieser Saison eine Pole Position zum Erfolg, doch zur WM-Führung reichte es für Vettel, der mit 115 Punkten Gesamt-Dritter ist, nicht. McLaren-Pilot Lewis Hamilton (127) rettete vor 83.443 Zuschauern seine Spitzenposition mit Platz zwei trotz Durchfahrtsstrafe vor dem britischen Weltmeister Jenson Button (121) im McLaren. Attacke von Hamilton Vettel hatte nach dem Start Platz eins behalten. Auch eine Attacke Hamiltons, der von Position drei aus gekommen war, wehrte er ab. Dabei krachte der Brite, Sieger der beiden letzten Rennen in Istanbul und in Montréal, mit dem linken Vorderrad seines McLaren ans rechte Hinterrad von Vettels Red Bull. "Vettel hat mich getroffen", funkte der WM-Spitzenreiter an die Box. Doch der Deutsche war schuldlos. Größter Glückspilz aber war Webber: Er fuhr in der zehnten Runde auf Heikki Kovalainen im Lotus auf. Der Australier flog ab, drehte sich in der Luft und krachte ungebremst in einen Reifenstapel. Der bisherige WM-Dritte blieb bei dem spektakulären Crash unverletzt. Auch 1999 hatte er in Le Mans im Sportwagen einen ähnlichen Flug glimpflich überstanden. In Valencia schied auch sein finnischer Unfallgegner aus. Schumacher hätte sich ins Bett legen können Danach begann eine Safety-Car-Phase, in der beinahe alle Fahrer zum Reifenwechsel an die Box kamen. So wurde Schumacher bis auf Rang drei gespült. Völlig unverständlich, dass ihn sein Mercedes-Team in Runde zwölf an die Box holte, um von harten auf weiche Reifen zu wechseln. Doch nur zwei Runden später kam Schumacher zum erneuten Reifenwechsel wieder. Nach dem neuerlichen Stopp fand sich der siebenmalige Weltmeister am Ende des Feldes wieder. Schumacher hätte auch gleich zu Tisch gehen und sich dann ins Bett legen können. Als das Safety Car das Rennen wieder freigab, hätte der bis dahin souverän auftrumpfende Vettel beinahe seine Führung verspielt. Beim Beschleunigen kam er ins Schleudern, doch Hamilton durfte den Ausrutscher dem Reglement entsprechend nicht nutzen. Weil der Brite nach dem Webber-Crash das Safety-Car überholt hatte, wurde er mit einer Durchfahrtsstrafe belegt. Zwar behielt er seinen zweiten Platz, doch das Rennen war entschieden. Titelchancen steigen Vettel, der zum neunten Mal in seiner Karriere von der Pole-Position gestartet war, baute seinen Vorsprung auf komfortable 15 Sekunden aus. Nach dem 9. der 19 Rennen des Jahres sind Vettels Chancen auf den Titelgewinn wieder gestiegen. Für Schumacher dagegen war der Grand Prix schon zur Hälfte des Rennens gelaufen. Nach seinem dritten Boxenstopp nutzte der Altmeister den Großen Preis zum Testlauf und überraschte mit schnellen Runden. Doch mehr ging nicht.
https://www.sueddeutsche.de/politik/putin-zur-krim-annexion-wir-muessen-beginnen-die-krim-zurueck-zu-russland-zu-holen-1.2384310
mlsum-de-188
Ganz offen spricht Kremlchef Putin im Trailer einer TV-Dokumentation über seinen Befehl zur militärischen Übernahme der ukrainischen Halbinsel Krim vor einem Jahr. Damals hatte Moskau die Beteiligung russischer Soldaten noch abgestritten.
In einer TV-Dokumentation äußert sich Wladimir Putin zur Annexion der Krim, hier begeht er den Weltfrauentag. Putin spricht in TV-Doku über nächtliche Sitzung mit Geheimdienstchefs Russlands Präsident Wladimir Putin hat in einer Fernsehdokumentation offen über den Befehl zur Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim vor einem Jahr gesprochen. In dem Trailer der Dokumentation, der am Sonntag von dem Staatssender Rossija 1 gezeigt wurde, berichtet Putin von einer nächtlichen Sitzung mit den Leitern der Sicherheitsdienste. "Wir beendeten die Sitzung etwa um sieben Uhr morgens", erzählt Putin über die Nacht zum 23. Februar 2014. "Als wir uns trennten, sagte ich zu meinen Kollegen: Wir müssen beginnen, die Krim zurück zu Russland zu holen." Vier Tage später übernahm eine schwer bewaffnete Kommandoeinheit die Kontrolle über das Regionalparlament der Krim. Dieses stimmte daraufhin in einer kurzfristig angesetzten Sitzung für die Abhaltung eines Referendums über den Anschluss an Russland. Die Ukraine warf Moskau daraufhin eine "Invasion" vor. Obwohl sich die Hinweise mehrten, dass es sich bei den Truppen ohne Hoheitskennzeichen, die strategische Orte auf der Krim besetzten, um russische Soldaten handelte, bestritt Moskau damals eine direkte Beteiligung. Nach einer umstrittenen Volksabstimmung wurde die Krim am 18. März von Russland offiziell annektiert - ein Schritt, der von Kiew und dem Westen bis heute als rechtswidrig betrachtet wird. Später gab Putin zu, russische Truppen eingesetzt zu haben. Rettungseinsatz für Janukowitsch In dem Film, dessen Sendetermin noch nicht genannt wurde, spricht Putin auch über die Flucht des ehemaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch und einen russischen Einsatz zu seiner Rettung. Der prorussische Politiker war am 22. Februar angesichts heftiger Straßenkämpfe in Kiew ins ostukrainische Donezk geflohen. "Er wäre getötet worden", sagt Putin. "Wir bereiteten uns vor, ihn per Land, per Wasser oder per Luft aus Donezk zu holen." Es seien schwere Maschinengewehre installiert worden, um "nicht zu viel reden" zu müssen. Janukowitsch tauchte später im südrussischen Rostow am Don auf. Seitdem ist der Ex-Präsident nicht wieder in die Ukraine zurückgekehrt.
https://www.sueddeutsche.de/sport/europa-league-ein-pokal-der-manchester-vereint-1.3520517
mlsum-de-189
Manchester United ist beim Europa-League-Triumph anzumerken, welche Last das Team nach dem Anschlag in der Heimat mit sich herumschleppte. Trainer Mourinho geht nach Abpfiff zu Boden.
Aus dem Pulk heraus hielt Wayne Rooney die Trophäe der Europa League nach oben. Seine Mitspieler tanzten auf dem Podest um ihn herum, und Josè Mourinho, der Vordenker des Teams, tanzte aus der Reihe. Auf den ersten Blick waren das gewöhnlichen Feierlichkeiten, die der englische Rekordmeister dem 2:0 (1:0) im Finale gegen Ajax Amsterdam folgen ließ. Wer allerdings die Siegerehrung über das Muster vergangener Jubelarien legte, dem konnte nicht entgehen, dass der europäische Fußballverband diesmal auf jeglichen Klamauk verzichtete: keine Konfetti-und Nebelkanonen, keine künstlichen Lichteffekte, keine Einspielfilme auf den Videowänden. Nicht mal der Gassenhauer "We are the champions" dröhnte aus den Stadionlautsprechern. Zwei Tage nach dem terroristischen Anschlag auf ein Popkonzert in Manchester, bei dem 22 Menschen ihr Leben verloren, steckte in diesem Sportevent am Mittwochabend im Stockholmer Vorort Solna mehr als einfach nur ein Fußballspiel. Schon vor der Partie sagten die Veranstalter die geplante Eröffnungszeremonie ab. Stattdessen gab es eine Schweigeminute, die in rührenden Applaus überging, begleitet von den "Manchester, Manchester"-Rufen der Zuschauer. In der Kabine hielten ManUniteds Spieler ein Spruchband hoch, auf dem in Großbuchstaben geschrieben stand: "A City United". Diesen Slogan hatte kurz zuvor auch Uniteds Stadtrivale City über die eigenen Medienkanäle verbreitet, die beiden Kürzel "City" und "United" jeweils unterlegt in den Vereinsfarben. Bei aller sportlichen Rivalität, bei all dem Streben nach Internationalisierung und noch mehr Geld zeigte diese Botschaft, dass die größten Markenträger der Stadt im Kern zusammen halten. Mourinho wird umgerissen Der Triumph in der Europa League sichert ManUnited nach Platz sechs (und 24 Punkten Rückstand auf Meister Chelsea) in der Premier League einen Startplatz in der Champions League und vervollständigt die eigene Trophäensammlung. Nach dem Sieg in der Königsklasse vor acht Jahren unter Trainer Alex Ferguson ist ManU nun wieder im Besitz eines Europapokals. Doch persönliche Interessen gerieten an diesem Mittwochabend zur Nebensache. Als Rooney gegen 23 Uhr Ortszeit den Pokal überreicht bekam, nahm er ihn stellvertretend für alle Mancunians entgegen. "Wenn wir die Trophäe für Menschenleben eintauschen könnten, würden wir nicht lange überlegen", sagte Mourinho. An der Erleichterung nach Abpfiff ließ sich erahnen, welche Last die Beteiligten mit sich herumschleppten. Auf einmal legte der am Kreuzband verletzte Zlatan Ibrahimović seine Krücken ab und ging über den Rasen, als hätte er eben vor den Augen seiner schwedischen Landsleute selbst mitgespielt. Am Seitenrand lag sich Uniteds Trainerteam in den Armen. Die Assistenten warfen Mourinho mehrmals in die Luft, bevor sein Sohn ihn in einem Freudentanz zu Boden riss. Immer wieder streckte der Portugiese den Kameras vier Finger entgegen - so viele europäische Titel hat er nun eingesammelt. Überhaupt hat Mourinho in seiner Karriere nie ein internationales Finale verloren, nicht einmal geriet seine Elf dabei in den vier Partien in Rückstand.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/saudi-arabien-freie-fahrt-1.4026595
mlsum-de-190
Das weltweit einzigartige Frauen-Fahrverbot in Saudi-Arabien ist seit diesem Sonntag Geschichte. Zwei Frauen und zwei Männer erzählen, was das für sie bedeutet.
Das weltweit einzigartige Frauen-Fahrverbot in Saudi-Arabien galt lange als Symbol schlechthin für die Rückständigkeit und Frauenfeindlichkeit des Königreichs. Dabei gibt es kein Gesetz, kein religiöses Gebot, das ihnen verbietet, Fahrzeuge zu steuern - der Staat stellte Frauen einfach keinen Führerschein aus. Versuchten sie, das mit einer im Ausland erworbenen Fahrerlaubnis zu umgehen, wurden sie inhaftiert, zum Beispiel die Aktivistin Loujain al-Hathloul, die im November 2014 aus den Emiraten kommend nach Saudi-Arabien gefahren war und sich selbst filmte. Proteste von Frauen gegen das Verbot hatte es bereits seit den Neunzigern gegeben. Kronprinz Mohammed bin Salman, der seinem Land wirtschaftliche und gesellschaftliche Reformen verordnet hat, sagte noch im April 2016, Saudi-Arabien sei nicht bereit für Fahrerinnen. Er gilt aber als entscheidende Figur hinter dem königlichen Dekret vom September 2017, das die weltweit kritisierte Praxis beendete. Seit einigen Tagen stellen die Behörden Führerscheine an Frauen aus, von diesem Sonntag an dürfen sie damit fahren. Der Kronprinz will Frauen stärker in die Arbeitswelt integrieren. Bisher waren sie von einem Chauffeur oder Mitfahrdiensten abhängig. ‹ › "Ich bin gespannt auf die Atmosphäre. Meine Freundinnen und ich werden uns auf jeden Fall ans Steuer setzen, ich werde zum ersten Mal mit dem Auto zur Arbeit fahren. Ich habe acht Jahre lang in den USA studiert und bin dort jeden Tag Auto gefahren. Ich hatte keine andere Wahl, wir haben außerhalb der Stadt gelebt, die Busverbindungen waren so schlecht, dass mein Vater mich überredet hat, einen Führerschein zu machen, damit ich unabhängiger bin. Und jetzt geht das in Saudi-Arabien. Mein Leben wird sich zwar nicht schlagartig verändern, aber ich freue mich für all die Saudis, deren ganzes Gehalt für einen Chauffeur draufgegangen ist und deren Leben jetzt leichter wird. Bislang hatte ich immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich im Restaurant saß und mein Chauffeur draußen in der Hitze warten musste. Jetzt kann ich freier entscheiden, wie lange ich wo bleibe. Außerdem sparen wir als Familie Geld, die Benzinpreise sind in den letzten Monaten stark gestiegen. Früher ist der Chauffeur wegen mir oft viermal hin- und hergefahren. Ich habe mir noch kein Auto gekauft, aber wenn, dann muss es ein Geländewagen sein: Je höher ein Auto ist, desto sicherer fühle ich mich." (Foto: privat) ‹ › "Dem Sonntag sehe ich gelassen entgegen. Ich arbeite seit acht Jahren für eine Familie und werde das auch in Zukunft machen. Selbst wenn die Frauen in der Familie ab Sonntag selbst das Steuer übernehmen, werde ich eben die Männer und Kinder weiter zur Arbeit oder in die Schule fahren. Ich mache meine Arbeit gerne und hatte nie Sorge, dass mir gekündigt wird. Am liebsten fahre ich den Mercedes, die Familie hat aber noch einen BMW und einen Lexus. Bei anderen Chauffeuren höre ich eine gewisse Verunsicherung heraus, aber wie es dann wirklich für sie ausgeht, werden wir erst ab Sonntag erfahren. Ich jedenfalls werde meinen Chef am Sonntag ganz normal zur Arbeit fahren." Chef, aus dem Hintergrund rufend: "Ich könnte auf alle Frauen und Männer dieser Welt verzichten, aber nicht auf meinen Mohamed. Er ist loyal, zuverlässig und immer für mich da. Er ist ein Teil der Familie, den gibt man nicht so schnell her. Aber natürlich finden wir es gut, dass die Frauen nun Autofahren können. So werden sie selbständiger und tragen mehr Verantwortung - und dann wissen sie auch, wie stressig wir Männer es oft im Alltag haben." (Foto: privat) ‹ › "Ich bin etwas besorgt, wie das alles ab Sonntag ablaufen wird. Saudi-Arabien hat eine der höchsten Unfallraten in der arabischen Welt. Ich behandle häufig Patienten, die schwer verletzt sind, weil sie waghalsige Stunts oder Autorennen veranstaltet haben, die schief gegangenen sind. Wenn sich nun viele unerfahrene Frauen ans Steuer setzen, könnte sich die Situation noch verschlechtern. Man darf nicht vergessen, dass in Saudi-Arabien eine sehr strenge Geschlechtertrennung herrscht. Bislang war es so geregelt, dass Familien die hinteren Scheiben im Auto verdunkeln konnten, um die Frauen vor Männerblicken zu schützen. Ich komme aus Ägypten, meine Mutter fährt Auto seitdem ich denken kann, deshalb ist das für mich persönlich kein großes Ding. Aber für meine saudischen Freunde, die andere Traditionen haben als wir Ägypter, wird es schon eine Umgewöhnung, denke ich. Die saudische Regierung hat allerdings vorgesorgt: Die ganze Autodienstleistungsbranche ist weiblicher geworden. Hat eine Frau eine Autopanne, hilft ihr ein weiblicher Pannendienst. Wir werden ab Sonntag sehen, ob sich das Geschlechterverhältnis dadurch insgesamt irgendwie verändert." (Foto: privat) ‹ › "Ich habe mich schon vor längerer Zeit in einer Fahrschule angemeldet, habe aber noch keine Bestätigung bekommen. Die Wartezeiten sind lang, weil im Moment natürlich viele Frauen den Führerschein machen wollen. Tatsächlich gibt es zwei Lager: Auf der einen Seite die Leute, die wahnsinnig toll finden, was da gerade passiert und den Führerschein am liebsten schon in der Tasche hätten. Auf der anderen Seite Frauen, die nicht davon ausgehen, dass sich für sie viel verändert und die sich das Ganze erst mal in Ruhe anschauen wollen, bevor sie in ein, zwei Jahren entscheiden, ob sie am Steuer sitzen wollen oder nicht. Ich selbst gehöre zur ersten Kategorie. Am liebsten würde ich sofort losfahren. Ich versuche zwar, geduldig zu sein, aber es fällt mir schwer. Deshalb habe ich schon mal heimlich auf einem Parkplatz geübt. Gesellschaftlich wird sich durch die Aufhebung des Verbots einiges ändern. Frauen werden sich auf dem Arbeitsmarkt neue Bereiche erschließen. Ich kenne mehrere, die gut ausgebildet sind, aber nicht arbeiten, weil der Arbeitsweg ohne eigenes Auto zu beschwerlich ist. Auch wenn ich meinen Führerschein noch nicht habe, werde ich am Sonntag nach draußen gehen, um diesen historischen Tag mitzuerleben." (Foto: privat) Bild: privat Wird geladen ... Freiheit aber gewährt der Prinz nicht: Seit Mitte Mai nahm der Sicherheitsapparat mindestens neun Frauen in Haft, die für eine Ende des Fahrverbots gekämpft hatten und fordern, das System der männlichen Vormundschaft zu beenden. Staatsnahe Medien bezichtigten die Aktivistinnen des Verrats. Sie werden den Tag ihres Triumphes wohl hinter Gittern verbringen. Dennoch ist der Sonntag ein Tag, der das Leben der Menschen im Land verändern dürfte. Die SZ hat zwei Frauen und zwei Männer in Saudi-Arabien befragt.
https://www.sueddeutsche.de/reise/urlaub-in-israel-ein-gefuehl-von-sicherheit-1.260606
mlsum-de-191
Jahrtausendealte Geschichte und weite Sandstrände: Nach Jahren der Zurückhaltung machen wieder mehr ausländische Touristen Urlaub in Israel.
Eigentlich bräuchte Dani Neumann keine Werbung für sein Land zu machen. Jeder weiß, dass es in Israel Jahrtausende an Geschichte zu erleben gibt - schließlich steht hier gewissermaßen die Wiege dreier Weltreligionen. Für Badeurlauber ist die Sandstrandküste von Haifa ein begehrtes Ziel, Naturfreunde können die insgesamt 42 Nationalparks des Landes erkunden. An Angeboten für einen ausgiebigen Bildungs- oder Erholungsurlaub fehlt es in Israel also nicht. Und trotzdem hat der Direktor des Staatlichen Israelischen Verkehrsbüros in Berlin ein Problem: Das Land gilt als unsicher wegen des Nahost-Konflikts und drohender Selbstmordattentate. "Das ist aber nur ein Image-Problem", sagt Neumann. Es sei doch schließlich ein gutes Zeichen, dass gerade die Zahl der Urlauber, die zum wiederholten Male nach Israel fahren, sehr groß sei. "Man würde ja nicht wiederkommen, wenn man sich unsicher gefühlt hat." Mit der zweiten Intifada im Jahr 2000 waren die Besucherzahlen drastisch eingebrochen. Viele deutsche Veranstalter nahmen Israel-Reisen aus dem Programm. Jetzt hat sich der Trend aber umgekehrt: Knapp 2,3 Millionen ausländische Gäste reisten im vergangenen Jahr ins Land, 2008 rechnet man mit bis zu drei Millionen, darunter 135.000 aus Deutschland. Mitte der 1990er Jahre waren es zwar noch fast doppelt so viele, aber im Vergleich zu den vergangenen Jahren erlebt Israel im 60. Jahr seit der Staatsgründung einen regelrechten Ansturm von deutschen Besuchern. Bei Studiosus-Reisen sind die Frühjahrstermine komplett ausgebucht, für den Herbst werden zusätzliche Angebote geschaffen. Bei Dertour und Meier's Weltreisen spricht man gar davon, dass die Nachfrage aufgrund begrenzter Flugkapazitäten kaum zu bewältigen sei. Nachdem es in letzter Zeit nun weniger Anschläge gab, fühlen die Touristen sich offenbar wieder sicher genug. Für die Veranstalter sind Israel-Reisen grundsätzlich ein schwieriges Geschäft, denn die Reisefreudigkeit hängt stark von der jeweils aktuellen Nachrichtenlage ab. Die Urlauber buchen kurzfristig. Kommen Meldungen über Anschläge, wollen viele sofort umbuchen oder stornieren. Da spielt es kaum eine Rolle, wo genau der Anschlag war und dass Touristen keine Ziele sind. "Das ist wie bei einem Jojo", erklärt Manfred Schreiber, der bei Studiosus-Reisen als Gebietsleiter für den Nahen Osten arbeitet. "Das geht ganz schnell hoch und runter." Weil das touristische Interesse auch die palästinensischen, von Israel besetzten Gebiete mit einschließt, müssen Israelis und Palästinenser in irgendeiner Form kooperieren. "Im Tourismus funktioniert die Zusammenarbeit auch sehr gut", sagt Dani Neumann vom israelischen Verkehrsbüro. Aber wie sieht das in der Praxis aus? Viele Veranstalter verzichten aus Sicherheitsgründen ganz auf Abstecher in die palästinensischen Gebiete. Während Touristen im ganzen Land vom Auswärtigen Amt zu "erhöhter Vorsicht" aufgefordert werden, wird vor Reisen ins Westjordanland "grundsätzlich abgeraten". Wenn ein Ziel im Reiseprogramm steht, ist es meist Bethlehem mit der Geburtskirche - der Besuch sei laut Auswärtigem Amt "derzeit vertretbar". Der Verlauf sieht dann zumeist so aus: Der Tourist wird mit einem israelischen Bus bis zum Checkpoint gefahren. Mit einem deutschen Pass darf er ohne Visum ins Westjordanland. Für jüdisch-israelische Busfahrer und Reiseleiter gilt das nicht, deshalb wartet auf der anderen Seite des Zaunes der palästinensische Kollege. Zumindest der Bus muss inzwischen in den meisten Fällen nicht mehr gewechselt werden. Später wiederholt sich das Prozedere in umgekehrter Richtung - länger als einen Tag bleibt kaum jemand in den Palästinensergebieten. Um dem entgegen zu wirken, wurde Ende 2007 die Internetseite visitpalestine.ps gestartet, auf der für das Touristenziel Palästina Werbung gemacht wird. Ein Problem sei, dass bislang nicht viele israelische und palästinensische Reiseveranstalter kooperieren, sagt Nabil Darwish von der Marketing-Agentur ABS Tourism, welche die Seite betreibt. Das Bayerische Pilgerbüro stellt in dieser Hinsicht eine Ausnahme dar. Man biete auch Übernachtungen in Bethlehem an, sagt Direktor Bernhard Meyer. Er beobachte keinerlei Berührungsängste zwischen den Partnern auf israelischer und palästinensischer Seite, mit denen man gleichermaßen kooperiere. Jason Damon ist überzeugt davon, dass die Friedenschancen steigen, wenn im Tourismus zusammengearbeitet wird. Damon ist Generalsekretär des "Tourism4Peace Forum", einer Initiative, die vom israelischen und vom palästinensischen Hotelverband getragen wird. Man trifft sich - auch mit Vertretern aus Ägypten und Jordanien - auf Konferenzen, gibt Schulungen für Tourismus-Mitarbeiter im Tourismussektor und versucht ein gemeinsames Marketing auf die Beine zu stellen. In Kürze erscheint eine Broschüre, in der das "Heilige Land" mit all seinen Facetten in Europa beworben werden soll.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/bundeskanzlerin-beim-papst-warum-merkel-und-franziskus-so-viel-laecheln-1.3548952
mlsum-de-192
38 Minuten dauert die vierte Audienz der Bundeskanzlerin beim Papst. Und damit neun Minuten länger als die von Trump. Und auch beim Thema Klimawandel sind sich die beiden einig.
Auch ein Lächeln kann ein politisches Statement sein. Vor allem in diesen Zeiten, in denen die Körpersprache in der Weltpolitik dank Trump und seinen Schubsern und zupackenden Handshakes wieder eine gewisse Bedeutung erlangt hat. Papst Franziskus und Kanzlerin Angela Merkel haben ihre vierte Begegnung im Rahmen einer Privataudienz auch dafür genutzt, sehr viel und sehr herzlich in die Kameras zu lachen. Vielleicht haben sie auch ein bisschen demonstrativ gelächelt. Vor drei Wochen war Donald Trump beim Papst gewesen, in derselben Bibliothek im zweiten Stock des Apostolischen Palasts, und damals hat nur der Gast aus Washington gelacht. Franziskus zog eine Miene, wie man sie von ihm noch selten gesehen hatte. Das Foto vom griesgrämigen Papst ging um die Welt. 38 Minuten dauerte nun das Treffen mit Merkel, obschon der Papst ein volles Tagesprogramm hatte. Auf der Skala solcher Audienzen, die von den Vatikanexperten jeweils mit der Stoppuhr gemessen werden, sind 38 Minuten ein herausragender Wert. Normal sind zwanzig Minuten, gut sind dreißig. Was darüber ist, ist außergewöhnlich. Bei Trump blieb die Uhr bei 29 Minuten stehen. Die evangelische Pfarrerstochter aus dem Osten Deutschlands und der katholische Oberhirte aus Argentinien sehen die Welt in einigen zentralen Belangen ähnlich. Franziskus lobte die Kanzlerin einst ausdrücklich für ihren Umgang mit der Flüchtlingsfrage. Und auch beim Thema Umwelt ist man sich einig. Merkel war diesmal nach Rom gereist, um mit dem Papst über die Agenda des G-20-Gipfels zu reden, der am 7. und 8. Juli in Hamburg stattfinden wird und Spitzenvertreter der führenden Industrie- und Schwellenländer zusammenbringt. Merkel sagte nach der Audienz, es sei ein "sehr ermutigendes Gespräch" gewesen. Der Papst und sie seien sich einig, dass die Welt - auch nach dem Bruch der USA, die "bedauerlicherweise" ihren Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen beschlossen hätten - zusammenarbeite, dass sie Mauern einreiße statt neue aufzubauen. Franziskus habe sich gefreut, dass Afrika im Zentrum des Gipfels stehe. Merkel sprach von "Europas Nachbarkontinent". Franziskus überreichte Merkel zudem ein Kondolenztelegramm, in dem er des verstorbenen Kanzler Helmut Kohl gedachte. Der Tod des "Kanzlers der Einheit", steht darin, habe ihn "tief bewegt". Kohl sei ein großer Staatsmann und überzeugter Europäer gewesen. Merkel bringt "Dulce de leche" und Beethoven mit Zum Ritual von Privataudienzen gehört auch, dass sich Gast und Gastgeber beschenken. Merkel brachte dem Papst aus dessen Heimat drei Gläser "Dulce de leche" mit, ein süßer Brotaufstrich aus Milch, je 830 Gramm. Dazu einen Koffer mit den gesammelten Werken Beethovens, dirigiert von Wilhelm Furtwängler. Der Papst schenkte Merkel drei seiner Schriften auf Deutsch, dazu eine kleine Skulptur aus Bronze - ein Olivenzweig, das Symbol für Frieden. Nach der Begegnung besuchte Merkel die Ausstellung "La Menorà" in den Vatikanischen Museen, die gemeinsam von der jüdischen Gemeinde und dem Vatikan organisiert wurde und die Geschichte der Menora nachzeichnet, des siebenarmigen jüdischen Leuchters und Symbols. Die Kanzlerin hätte die Ausstellung schon am Vorabend, nach ihrer Ankunft in Rom, besuchen wollen, erfuhr dann aber vom Tod Helmut Kohls und bereitete stattdessen ihre Erklärung vor. Es handle sich um eine großartige Ausstellung, sagte Merkel, die von der Verbundenheit des Judentums und des Christentums zeuge. Die Programmänderung sorgte kurzfristig dafür, dass tausende Pilger und Touristen auf dem Petersplatz in streng einzäunten Sektoren ausharren mussten, bis der Tross der Dienstautos mit Merkel und Gefolgschaft endlich losfuhr. Unter der Mittagssonne, bei mehr als 30 Grad.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/grexit-europas-riskantes-spiel-1.2516172
mlsum-de-193
Im Schuldenstreit mit Athen deutet sich keine Lösung an. Wer haftet bei einer Pleite Griechenlands? Ist der Grexit noch zu verhindern? Und um wie viel Geld geht es?
Die Schuldenkrise in Griechenland nimmt kein Ende. Straßenkünstler Gion hat den Euro auf einem Wandbild in Athen bereits zu Grabe getragen. Die Lage ist ernst. Griechenland braucht frisches Geld, sonst muss die Regierung in Athen Bankrott anmelden. Sollte es dazu kommen, bekämen vor allem Europas Steuerzahler die Rechnung präsentiert. So weit, so klar. Doch die wirklichen Abläufe eines Grexit kennt niemand. Ein solches Ereignis gab es noch nicht. Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen. Wie viel Zeit hat Athen noch? Die griechische Regierung und die Gläubiger müssen sich bis spätestens 30. Juni auf eine Lösung im Schuldenstreit einigen, denn an diesem Tag läuft das aktuelle Hilfsprogramm aus. Gibt es eine Übereinkunft, kann der Gouverneursrat des Euro-Rettungsfonds ESM die Hilfen in Höhe von 7,2 Milliarden Euro an Griechenland auszahlen. Bevor das passiert, müssen die Regierung in Athen und die Geldgeber sich aber auf einen Reformkatalog einigen. Dieser muss dann von der Euro-Gruppe, die turnusgemäß am 18. Juni tagt, genehmigt werden. Der Deutsche Bundestag und alle anderen nationalen Parlamente der Eurozone müssten dem dann noch zustimmen. Wann spricht man vom Grexit? Der Grexit müsste in einem Ausstiegsvertrag zwischen Athen und der EU beschlossen werden, schließlich wurde die Eurozone für die Ewigkeit gegründet. In den Verträgen der Währungsunion ist deshalb nicht geregelt, wie der Ausstieg eines Mitgliedslandes zu vollziehen ist. Die Eurozone kann Griechenland nicht rauswerfen. Was ist die größte Gefahr? Viele Politiker und Notenbanker befürchten, dass der Grexit schmutzig abläuft. Denn was würde passieren, wenn Griechenland seine Schulden nicht mehr bedienen kann, aber dennoch in der Eurozone bleiben möchte und sich einem Ausstiegsvertrag verweigert? Wie ginge man damit um, würde Griechenland eine Parallelwährung einführen? Auch um dieses Durcheinander zu verhindern, sucht man seitens der Geldgeber nach einer Einigung. Wie viel Geld steht auf dem Spiel? Insgesamt haben die Geldgeber Griechenland etwa 321 Milliarden Euro geliehen. Gläubiger sind der Internationale Währungsfonds (IWF), die Europäische Zentralbank (EZB) und vor allem der Euro-Rettungsschirm EFSF (siehe Grafik). Deutschland steht für 50 Milliarden Euro gerade. Griechenland hat die drei im Juni anstehenden Tilgungszahlungen an den IWF zu einer einzigen zusammengefasst, die erst Ende des Monats fällig wird. Kann Athen weitere Zahlungen aufschieben? Nein. Eine in den Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts geschaffene Regelung erlaubt es einem IWF-Mitgliedsstaat, mehrere in einem Kalendermonat anstehende Tilgungsraten zu einer zu vereinen - nicht mehr und nicht weniger. Dabei reicht es, wenn die betreffende Regierung den Fonds über ihr Vorhaben informiert, einer Zustimmung der IWF-Gremien bedarf es nicht. Der letzte Staat, der diese Möglichkeit in Anspruch nahm, war Sambia - vor drei Jahrzehnten. Detailansicht öffnen SZ-Grafik; Quelle: IWF, Eurostat Was passiert, wenn Griechenland tatsächlich eine Kreditrate an den IWF nicht zurückzahlt? Technisch betrachtet läuft zwei Wochen nach einem Zahlungsausfall ein mehrstufiges Verfahren an, das mit einer Mahnung an die Regierung in Athen beginnen würde. Nach vier Wochen müsste IWF-Chefin Christine Lagarde den 24-köpfigen Exekutivrat informieren. Nach drei Monaten könnte den Griechen der Zugang zu ihren Kapitaleinlagen beim IWF gekappt werden, nach zwölf bis 15 Monaten würde der Fonds dann jede Unterstützung des Landes einstellen. Nach insgesamt zwei Jahren würde ein Ausschlussverfahren eingeleitet, das im Rauswurf des Landes aus dem Fonds gipfelte.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/jagd-nach-ausserirdischen-sind-wir-wirklich-allein-1.2575459
mlsum-de-194
Die Welt ist nicht genug. Darum stellt der Milliardär Jurij Milner nun viel Geld für die Suche nach Außerirdischen zur Verfügung.
Noch ist sein Hauptwohnsitz in Moskau, doch die Mentalität von Jurij Milner ist längst US-amerikanisch. Die Welt zu erobern reicht dem Investor nicht, das Universum steht an. Das plant der 53 Jahre alte Russe nicht im stillen Kämmerlein. "Sind wir allein?", fragte er in einer ganzseitigen Anzeige am Dienstag im Wall Street Journal und fügte an: "Jetzt ist es an der Zeit, das herauszufinden." Obwohl es wahrscheinlich viele der Erde ähnliche Planeten gebe, so der Anzeigentext, habe die Suche danach für Politiker keine Priorität. Den Zustand der Unwissenheit will Milner beenden, unterstützt von Physikern wie Stephen Hawking, aber auch Schachweltmeister Magnus Carlsen und Schauspieler Seth MacFarlane. Für 100 Millionen Dollar sollen Forscher zehn Jahre lang nach Signalen aus dem All suchen. "Der Umfang unserer Forschung wird von beispiellosem Ausmaß sein - eine Million benachbarte Sterne, das Zentrum der Milchstraße und Hunderte benachbarte Galaxien", sagt Milner. Einst bei der Weltbank Es ist nicht das erste Mal, dass Milner mit großen Summen von sich reden macht. Der in Moskau geborene Mann ist weltweit bekannt als einer der wenigen, auf die der Begriff Internetpionier tatsächlich zutrifft. Der Sohn eines Ökonomen und einer Labormitarbeiterin hat bereits nach seinem Physikstudium in den 1980er-Jahren mit Computern gehandelt. 1990 ging er in die USA. Er arbeitete für die Weltbank und beteiligte sich seit den späten 1990er-Jahren an Internetfirmen. Sein 2005 gegründetes Unternehmen Digital Sky Technologies, heute Mail.ru Group, hat vielen Firmen Geld gegeben, die digitale Erfolgsgeschichten geschrieben haben. Er finanzierte etwa das Einkaufsportal Zalando, die sozialen Netzwerke Facebook und Twitter sowie den Zimmervermittler Airbnb. In den vergangenen Jahren erwies er sich als vorausschauend, als er in Xiaomi investierte, einen der größten Smartphone-Anbieter der Welt. Das Vermögen des zweifachen Vaters wird auf eine Milliarde Dollar geschätzt. Auf der Forbes-Milliardärsliste schafft er es damit nur auf Platz 557. Doch es reicht, um das Allgemeinwohl zu fördern, wie es sich für Reiche in seiner zweiten Heimat, dem Silicon Valley, gehört: Eine seiner Stiftungen vergibt hoch dotierte Preise an Physiker. Eine andere mit dem sprechenden Namen Breakthrough Prize Foundation fördert die jetzige Initiative für die Erforschung extraterrestrischen Lebens. Hinter ihr stecken neben Milner auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und Google-Gründer Sergej Brin. Weniger eindrucksvoll erscheinen die 100 Millionen Dollar in Relation zu Milners bisherigen Ausgaben: Die gleiche Summe hat er vor vier Jahren für einen Palast von 2300 Quadratmetern in den Bergen von Los Altos im Silicon Valley ausgegeben. Damals hieß es, er habe sich verzockt. Bei der Suche nach Außerirdischen beugt er dieser Kritik schon einmal vor. Es sei das "ultimative Win-win-Unterfangen".
https://www.sueddeutsche.de/panorama/gelsenkirchen-scheinbar-tote-seniorin-erwacht-beim-bestatter-1.2407624
mlsum-de-195
Kurz vor Feierabend hören zwei Mitarbeiter eines Bestattungsunternehmens Schreie aus dem Kühlraum: Eine für tot erklärte 92-Jährige wacht auf. Inzwischen ist sie in einem Krankenhaus tatsächlich gestorben.
Schreie kurz vor Feierabend Die Mitarbeiter des Bestattungsunternehmens wollten gerade Feierabend machen. Kurz zuvor hatten sie den Körper einer 92-Jährigen in den Kühlraum gebracht, die schwere Tür verschlossen und noch Dokumente ausgefüllt. Plötzlich hört einer der Angestellten Geräusche aus dem Inneren des Kühlraums. Als sie die Tür öffnen, entdecken sie die vermeintlich Tote schreiend und mit offenen Augen im geöffneten Leichensack auf der Liege. Stefan Menge, Geschäftsführer des Bestattungsunternehmens Bergermann in Gelsenkirchen, erzählt, was am Samstagabend geschehen ist: "Gegen 19 Uhr rief das Seniorenzentrum an. Eine Bewohnerin sei verstorben", sagt Menge. Zwei Mitarbeiter holen die 92-Jährige eine Stunde später ab. "Der Arzt hatte den Totenschein ausgestellt und als Todeszeitpunkt 16.30 Uhr angegeben." Eine Pflegerin hatte die Seniorin zuvor offenbar ohne Atmung in ihrem Bett gefunden, wie ein Polizeisprecher bestätigt. "Die Frau war schwer pflegebedürftig und man hatte mit ihrem Tod gerechnet." Nachdem die Angehörigen sich von der Frau verabschiedet hatten, nahmen die beiden Angestellten des Bestattungs-Unternehmens die scheinbar Tote mit. "Die Frau war ansprechbar" "Der Schock bei meinen Mitarbeitern sitzt tief", sagt Menge. Nachdem die Männer festgestellt hatten, dass die Frau lebte, riefen sie einen Notarzt und die Polizei. "Die Frau war ansprechbar und konnte auf Fragen des Notarztes reagieren", sagt Menge. Seit dem vermeintlichen Todeszeitpunkt waren bereits viereinhalb Stunden vergangen. Die 92-Jährige wurde in ein Krankenhaus gebracht. "In einigen Tagen kann sie zurück ins Seniorenheim", sagt der Bestatter. Er informierte die Angehörigen darüber, dass die Frau doch nicht tot ist: "Sie konnten das gar nicht glauben, sagt Menge. "Ich kenne keinen ähnlichen Fall" Für den Bestatter ist es unerklärlich, wie es zu einem solchen Fehler kommen kann. "Es gibt klare Vorgaben, nach denen ein Arzt eine Todesdiagnose zu stellen hat. Das Aussetzen von Puls und Atmung allein reicht dafür nicht", so Menge. Das Bestattungsunternehmen existiert seit 1873 - "aber so etwas ist noch nie vorgekommen. Und ich kenne auch keinen ähnlichen Fall". "Ich bin einfach nur froh, dass meine Angestellten noch da waren, als die Frau aufgewacht ist", sagt der Bestatter. Die Kriminalpolizei ermittelt nun, ob es ein Versäumnis beim Feststellen des Todes gegeben habe Tod im Krankenhaus Zwei Tage nach ihrem unheimlichen Erwachen bei einem Gelsenkirchener Bestatter ist die Frau im Krankenhaus gestorben. Das teilte die Polizei am Dienstag mit.
https://www.sueddeutsche.de/sport/handball-wm-der-handball-verliert-die-gesichter-1.3340548
mlsum-de-196
Ruckelfreie HD-Qualität, kundige Kommentatoren, gute Zuschauerzahlen - das ist die Zwischenbilanz zum DKB-Livestream. Dennoch setzt die neue Übertragungsform der WM die Zukunft des deutschen Handballs aufs Spiel.
Natürlich gab es vor dieser Handball-WM ein paar Witzchen. "Übertragung gesichert: DKB zeigt Handball-WM live auf Geldautomaten" schrieb das Satiremedium Der Postillon in Anlehnung an die Bank, die sich kurz vor Turnierstart die Übertragungsrechte für Livebilder in Deutschland gesichert hatte. Ein amüsantes Szenario, an das man beim ersten Spiel der deutschen Handballer erinnert wurde. Da fiel der Livestream plötzlich aus, zwischen der fünften und 23. Minute ging nichts mehr. Nur ein schwarzer Bildschirm statt Sprungwürfen und Torhüterparaden. Ein übertragender Geldautomat in der Nähe wäre da sehr praktisch gewesen. Das Projekt Handball-WM im Internet ist ein Novum: Beinahe hätten die Spiele des amtierenden Europameisters unter Ausschluss der deutschen Öffentlichkeit stattgefunden, erst in letzter Minute kam die Notlösung zustande, einen Livestream im Internet anbieten zu können. Die deutschen Handballer sind mittlerweile ins Achtelfinale eingezogen, auch das Zwischenfazit für die Handball-WM im Internet fällt - bis auf den ersten Aussetzer, der am katarischen Rechtegeber beIN Sports gelegen haben soll - positiv aus: Die Übertragung klappt wunderbar. Statt vor dem Fernseher sitzen viele Fans nun vor dem Computer. Für den Sport ist die Notlösung dennoch ein Problem. Zwei der kundigsten Handballexperten im TV kommentieren Die Internetadresse dkb.de und zwei Mausklicks braucht es, dann ist der handballwillige Zuschauer im Livestream angekommen: Zwischen zwei und drei Spiele täglich werden übertragen, auch Partien ohne deutsche Beteiligung und davon in der Regel die sportlich attraktivsten. In HD-Qualität und ruckelfrei, wenn die Internetverbindung das hergibt. Da die DKB schon seit Jahren Großsponsor der Handball-Bundesliga ist, hatte sie schnell eine Besetzung für die Kommentatoren-Posten gefunden: Mit Uwe Semrau und Markus Götz transferierte man die kundigsten Handballexperten des deutschen Fernsehens in den eigenen Livestream. Beide moderieren sonst abwechselnd die Bundesliga bei Sport1 - besser hätte es die Zuschauer der Handball-WM nicht treffen können. Trotzdem wird klar, wie sehr die Sportart von einer Übertragung bei den öffentlich-rechtlichen Sender profitiert hätte. Doch die Bemühungen der ARD (und anderer Sender) waren an den komplizierten Vorgaben des katarischen Rechtsinhabers gescheitert. beIN verlangte, dass die deutschen Sender ihr Signal verschlüsselt versenden, so dass die Spiele nur im Inland zu sehen sind. Technisch nicht umsetzbar, erklärte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky im Gespräch mit dem NDR-Magazin Zapp: "Jeder Deutsche hätte sich eine 2,50-Meter-Schüssel aufs Dach stellen müssen." Oder die ARD hätte ihre Satelliten abschalten müssen. Da lehnte der Sender lieber ab. 15 Minuten vor Anpfiff starten die Live-Bilder im Internet, die Kamera starr aufs Spielfeld gerichtet. Unkommentiert, unterlegt mit Musik aus der Sporthalle, genauso während der Halbzeitpause. Vor- und Nachberichte gibt es im Stream nicht - und der wohl schmerzhafteste Verlust: auch keine Interviews. Persönliche Identifikation ist in einem Mannschaftssport ohnehin schon schwierig, ohne die Präsentation einzelner Gesichter fast unmöglich. Handball im Fernsehen, das waren bei der EM vor einem Jahr auch Interviews in der Halbzeitpause, zumeist sprach Teammanager Oliver Roggisch über die Befindlichkeiten der Truppe. Die bleiben nun auf der Bank oder gleich in der Kabine. Wenn der Ball ruht, sind die Handballer und ihre Emotionen unsichtbar.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-vergoldet-1.2431955
mlsum-de-197
Zweitliga-Tabellenführer Ingolstadt gewinnt 1:0 in Heidenheim und macht einen wichtigen Schritt im Rennen um den Aufstieg in die Bundesliga. Der Vorsprung auf Platz vier beträgt sechs Spieltage vor Saisonende sieben Punkte.
Ralph Hasenhüttl war nach dem nächsten kleinen Schritt des FC Ingolstadt Richtung Fußball-Bundesliga total geschafft. "Für mich war es brutal anstrengend", gestand der Trainer des Zweitliga-Tabellenführers nach dem erkämpften 1:0-Erfolg in Heidenheim. Der Vierkampf um die zwei direkten Aufstiegsplätze und den Relegationsrang drei zwischen dem FC Ingolstadt (55 Punkte), dem SV Darmstadt 98, dem 1. FC Kaiserslautern (beide 49) und dem Karlsruher SC (48) spitzt sich von Woche zu Woche weiter zu. "Wir haben gezeigt, dass wir auch fighten können", sagt Özcan Ingolstadts Matchwinner in Heidenheim hieß einmal mehr Pascal Groß. Das siebte Saisontor des Spielmachers reichte am Freitagabend für die angestrebten drei Punkte. "Solche Siege zu holen, ist für uns ein Riesending, heute war es wirklich intensiv", sagte Hasenhüttl. "Für uns war wichtig, den Heimsieg hier zu vergolden." Vor der Rekordkulisse von 13 600 Zuschauern hielt Heidenheim die Partie in den ersten 20 Minuten offen, dann bekam der Spitzenreiter mehr Zugriff auf das Spiel. Groß trat wieder einmal als Denker und Lenker auf. Nachdem er in der 23. Minute im Zweikampf mit Robert Strauß noch elfmeterreif zu Fall gekommen war, nutzte er vier Minuten später seine Freiheiten zur Ingolstädter Führung. Von Marcel Titsch-Rivero nicht entschlossen genug angegriffen, traf er per Rechtsschuss aus 19 Metern zum 1:0. Nach der Pause machten die Heidenheimer enormen Druck, brachten den Ball aber nicht im Ingolstädter Tor unter. "In der ersten Halbzeit haben wir ein überragendes Spiel abgeliefert. Zum Schluss hatten wir körperliche Probleme", gab Hasenhüttl zu. Seine Mannschaft sei in der zweiten Halbzeit "ein bisschen ohnmächtig" gewesen und habe sich nur schwer aus der Umklammerung lösen können: "Lange hätten wir dem Druck nicht mehr standgehalten." Torwart Ramazan Özcan stellte dementsprechend fest: "In der Vorwoche gegen den FSV Frankfurt waren wir cool. Heute haben wir gezeigt, dass wir auch fighten können. Das war das Wichtigste."
https://www.sueddeutsche.de/politik/steinmeier-china-1.4239041
mlsum-de-198
Das Land kennt der Bundespräsident noch von früher, doch es hat sich verändert: Peking hat die Kontrolle im Internet und im öffentlichen Raum ausgeweitet.
Sechs Tage nimmt sich Frank-Walter Steinmeier für seine erste China-Reise als Bundespräsident. In keinem Land blieb er bisher länger. Das Programm, heißt es aus dem Bundespräsidialamt, sei Ausdruck der "Komplexität und Vielfalt" der deutsch-chinesischen Beziehungen. Die Verklausulierung lässt bereits erahnen, wie schwierig die Reise für Steinmeier werden wird. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind eng. China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner. Bei einem Besuch von Kanzlerin Angela Merkel in Peking im Mai sprach Chinas Präsident Xi Jinping von einer "nie dagewesenen Breite und Tiefe" der Beziehungen. Aber diese sind mindestens so eng wie kompliziert. Durch den Handelskonflikt zwischen den USA und China hofft Peking zwar auf die Unterstützung Deutschlands und der Europäischen Union. Nicht zuletzt deshalb flog der chinesische Vize-Premier Liu He vor einer Woche nach Berlin und nicht nach Washington, um den G-20-Gipfel in Argentinien vorzubereiten. Das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass auch in Deutschland die Skepsis über den ostasiatischen Partner wächst. Die Regierung hat die Kontrolle im Internet und im öffentlichen Raum massiv ausgeweitet Dauerthema ist der fehlende Marktzugang für europäische Firmen in China. Seit Jahren fordert Berlin faire Spielregeln für ausländische Hersteller. Passiert sei bisher "zu wenig und zu spät", wie Peter Helis von der Europäischen Handelskammer in China jüngst sagte. 40 Jahre nach der Öffnungspolitik unter Deng Xiaoping seien Reformen nicht nur ins Stocken geraten - in einigen Bereichen verschließe sich die Wirtschaft wieder. Dazu wächst die Sorge vor der Übernahme deutscher Technologie durch chinesische Firmen, finanziert durch staatliche Fonds, sowie eine immer schärfer geführte Auseinandersetzung über technologische Fragen. Darunter über die Bereitstellung des Mobilfunk-Standards 5G durch chinesische Anbieter. Schwerpunkt von Steinmeiers Reise wird neben der internationalen Ordnung, dem Freihandel und dem Klimaschutz vor allem die Digitalisierung im Land sein. Dabei gehe es dem Bundespräsidenten weniger um die neuen Möglichkeiten und Fortschritte, die China in den vergangenen Jahren in diesem Bereich erreicht hat. Sondern vielmehr um die Folgen dieser Entwicklung für die Menschen und die Gesellschaft, wie es aus dem Bundespräsidialamt heißt. Dafür trifft sich Steinmeier mit Unternehmern und Vertretern der chinesischen Zivilgesellschaft. Die sechstägige Reise beginnt der Bundespräsident in der südchinesischen Stadt Guangzhou. Von dort reist er nach Chengdu in Westchina und anschließend in die Hauptstadt Peking, wo er Xi Jinping treffen wird. Die beiden kennen sich. Kurz nach seiner Amtseinführung im März 2017 hatte Steinmeier Xi in Berlin empfangen. In diesem Zusammenhang hatte Chinas Präsident auch die Einladung zu einem Gegenbesuch in China ausgesprochen. Steinmeier kennt das Land und die Stationen, die er in den kommenden Tagen besucht, aber auch aus seiner Zeit als Chef des Bundeskanzleramts. Vor 15 Jahren war er in dieser Funktion bereits nach China gereist. Seither hat sich viel verändert in dem Land. Peking hat in den vergangenen Jahren die Kontrolle und Überwachung im chinesischen Internet und im öffentlichen Raum massiv ausgeweitet. Bis 2020 will die Regierung ein landesweites Kreditsystem aufbauen, das Menschen nicht nur aufgrund ihrer finanziellen Lage bewertet, sondern auch anhand ihrer politischen Einstellung sowie ihrer Kommentare in sozialen Netzwerken, in der Öffentlichkeit und am Arbeitsplatz. In einigen Städten gibt es erste Testversuche für dieses System. In einer Rede vor Studenten der Universität von Sichuan dürfte der Bundespräsident auch das Thema Menschenrechte ansprechen. Zuletzt hatte Außenminister Heiko Maas bei seinem Besuch im November die Lage der muslimischen Uiguren thematisiert. Nach einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sollen eine Million Uiguren in Umerziehungslagern festgehalten werden. Zu Verstimmung in Peking hatte Anfang November eine Bundestagsdebatte über die Menschenrechtslage in der betroffenen Provinz Xinjiang geführt. Damit knüpft der Bundespräsident auch an seinen Vorgänger Joachim Gauck an, der vor zweieinhalb Jahren an einer Universität in Shanghai über die schwierige Menschenrechtslage sagte: "Manche fragen sich, was jenen Menschen widerfährt, die gänzlich eigene Wege gehen und der offiziellen Linie im Wege zu stehen scheinen." Seine Rede war später zensiert und sein Besuch mit wenigen Zeilen in den Staatszeitungen abgekanzelt worden. Was mit eben jenen Menschen passiert, will auch Bärbel Kofler diese Woche herausfinden. Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung reist zu einem zweitägigen deutsch-chinesischen Menschenrechtsdialog nach Lhasa. Dieser fand zuletzt 2016 in Deutschland statt. Vor einem Jahr sagte China den Dialog ab. Kofler wird sich der Delegation von Steinmeier in Peking anschließen. Vor ihrer Reise betonte sie, dass der "regelmäßige, enge und direkte Austausch" mit Chinas Regierung wichtig sei. Zugleich sei sie allerdings "sehr besorgt" über die Menschenrechtslage im Land, die sich in den vergangenen Jahren "weiter verschärft" habe. Besonders spürbar sei das, so Kofler, für die kritische Zivilgesellschaft, für Menschenrechtsanwälte, Journalisten und Blogger. "Mich schockieren Berichte über den Umgang mit der turkstämmigen Minderheit der Uiguren". Sie bedauere zudem, dass sie im Rahmen des Dialogs nicht nach Xinjiang habe reisen dürfen, um sich selbst einen Überblick zu verschaffen. Aber auch Tibet sei ein adäquater Ort für einen Dialog über Menschenrechte, fügte sie hinzu. Aus der Nachbarprovinz gebe es zahlreiche Berichte über "überbordende Kontrolle, Sippenhaft und die Unterbindung normaler Religionsausübung".
https://www.sueddeutsche.de/sport/leihgabe-des-fc-bayern-rummenigge-bedauert-entwicklung-von-green-1.2351031
mlsum-de-199
Julian Green steht nicht im Kader des HSV, Karl-Heinz Rummenigge sorgt sich. Ralf Rangnick bestätigt das Interesse RB Leipzigs an einer Verpflichtung von Thomas Tuchel. Werder freut sich über die Vertragsverlängerung von Zlatko Junuzovic.
Hamburger SV, Julian Green: Angreifer Julian Green vom Fußball-Bundesligisten Hamburger SV steht nach dem Facebook-Wirbel der vergangenen Tage nicht im Kader für das Duell am Samstag (15.30 Uhr/Sky) bei seinem Stammverein Bayern München. Auch in der U23 der Hanseaten kommt die Leihgabe des deutschen Rekordmeisters nicht zum Einsatz - er hat auch offenkundig keine Lust, für die Reserve zu spielen. "Spielpraxis ist immer wichtig. Aber die U23 ist kein Thema für mich", sagte Green am Freitag dem Münchner Merkur. Er bestätigte seinen umstrittenen Facebook-Eintrag vom Mittwoch, der einige Unruhe ausgelöst hatte. "Mit mir hat keiner geredet, ich habe das aus der Presse erfahren", sagte er. Nach einem Gespräch mit Sportdirektor Peter Knäbel trainiere er "wie gehabt bei den Profis mit". Zuvor hatte die Bild Knäbel mit den Worten zitiert, Green solle sich in der U23 aufdrängen: "Ich erwarte, dass die Spieler dann auch da spielen. Schließlich ist die U23 kein Abfallkübel, sondern das Flaggschiff der Ausbildung." Überrascht von der Entwicklung zeigte sich Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge: "Wir leihen unsere Spieler aus, damit sie in der höchsten Klasse zum Einsatz kommen und sich weiterentwickeln. Das ist nun nicht der Fall", sagte der 59-Jährige: "Wir können und wollen dem Trainer des HSV natürlich nicht in seine Aufstellung reinreden. Nichtsdestotrotz ist diese Entwicklung bedauerlich." 2. Liga, RB Leipzig: Sportdirektor Ralf Rangnick hat erstmals Thomas Tuchel offiziell als Trainer-Kandidaten beim Fußball-Zweitligisten RB Leipzig bestätigt. "Er ist einer der talentiertesten Trainer in Deutschland. Selbstverständlich ist es ein Name, mit dem wir uns ab jetzt beschäftigen", sagte Rangnick am Freitag zu "Sport1". Tuchel erfülle das Anforderungsprofil von RB Leipzig, aber das würden auch andere Kandidaten tun. Gespräche mit ihm hat es laut Rangnick noch nicht gegeben. Der Name des 41-jährigen Tuchel kursiert seit längerem als möglicher Kandidat für die Sachsen. Tuchels bis 30. Juni datierter Vertrag mit dem Bundesligisten FSV Mainz 05 ruht, weil der Coach seit dem vergangenen Sommer auf eigenen Wunsch eine Auszeit nimmt. Am Mittwoch hatte sich Leipzig von Alexander Zorniger getrennt, mit dem RB aus der vierten Liga in die 2. Bundesliga aufgestiegen war. Bis zum Sommer übernimmt der bisherige U17-Trainer Achim Beierlorzer das Traineramt. Bundesliga, Werder Bremen: Der umworbene Fußball-Profi Zlatko Junuzovic bleibt beim Bundesligisten Werder Bremen. Der Österreicher verlängerte seinen auslaufenden Vertrag bei den Hanseaten bis zum 30. Juni 2018. Das teilte Werder am Freitag mit. "Es ist ein positives Signal auf dem Weg, den wir eingeschlagen haben, weiterzugehen. Er ist ein Gesicht des SV Werder", sagte Werder-Geschäftsführer Thomas Eichin. Junuzovic war in den vergangenen Wochen auch mit den Bundesliga-Konkurrenten Borussia Mönchengladbach, Schalke 04, dem Hamburger SV und dem 1. FC Köln in Verbindung gebracht worden. "Werder ist für mich in den letzten Jahren eine zweite Heimat geworden und man kann erkennen, dass wir sportlich auf einem guten Weg sind", erklärte der Freistoß-Spezialist. "Er ist ein wichtiger Bestandteil dieses Teams. An Spielern wie Zlatko Junuzovic können sich junge Kollegen orientieren", meinte Werder-Coach Viktor Skripnik. Junuzovic kam im Januar 2012 für rund 800 000 Euro von Austria Wien zu Werder, bestritt seitdem 90 Bundesligaspiele und erzielte neun Treffer. In dieser Saison konnte der 32-fache Nationalspieler vier Freistöße direkt verwandeln und bereitete sieben Treffer vor. Basketball, Euroleague: Alba Berlin hat für eine große Überraschung gesorgt. Der Bundesliga-Tabellenführer gewann bei Titelverteidiger Maccabi Tel Aviv nach einer starken Leistung mit 66:59 (35:36). Mit drei Siegen aus sieben Spielen der Top-16-Runde darf das Team von Trainer Sasa Obradovic sogar wieder vom Viertelfinale träumen. Vor 11.060 Zuschauern behielt Alba kühlen Kopf und ließ den 51-maligen israelischen Meister nie ins Spiel kommen. Die Grundlage zum Sieg legten die Albatrosse zu Beginn der zweiten Halbzeit, als sie mit einem 7:0-Spurt die Führung übernahmen. Auch vom zwischenzeitlichen Ausgleich zum 53:53 ließ sich Berlin, das in der Vorrunde zwei Niederlagen gegen Maccabi kassiert hatte, nicht mehr aus der Ruhe bringen. Bester Werfer des Bundesligisten, der schon Anfang Januar mit einem Heimsieg gegen den FC Barcelona überrascht hatte, war der Amerikaner Jamel McLean mit 18 Punkten. Der Kroate Marko Banic kam auf elf Zähler. Im nächsten Spiel geht es am 27. Februar nach Barcelona. Leichtathletik: Russlands Stabhochsprung-Weltrekordlerin Jelena Issinbajewa wird Ende 2016 ihrer Karriere beenden. Das bestätigte die 32 Jahre alte zweimalige Olympiasiegerin bei einer Pressekonferenz in Moskau. "Ich weiß zu 100 Prozent, dass 2016 mein letztes Jahr in der Leichtathletik sein wird", sagte Issinbajewa: "Ich habe alle möglichen Titel gewonnen und kann nichts mehr verlieren. Aber ich denke, es wäre einfach cool, noch einmal bei Olympia zu starten." Issinbajewa hatte nach ihrem dritten WM-Titel 2013 in Moskau eine Babypause eingelegt und daher die komplette vergangene Saison verpasst. In Rio de Janeiro würde die 5,06-m-Springerin ihre fünften Olympischen Spiele erleben. "Das wäre für mich eine Art Ferien, nach denen ich dann endgültig zurücktrete", sagten Issinbajewa. Tennis, Memphis: Dustin Brown ist beim ATP-Turnier in Memphis bereits in der zweiten Runde ausgeschieden. Der 30-Jährige aus Winsen/Aller unterlag am Donnerstagabend (Ortszeit) dem an Nummer sechs gesetzten US-Amerikaner Steve Johnson mit 6:4, 5:7, 6:7 (3:7). Die Hartplatzveranstaltung in Memphis ist mit 659 700 Dollar dotiert. Tennis, Frauen: Mona Barthel hat beim WTA-Turnier in Antwerpen für eine Überraschung gesorgt. Die 24-Jährige aus Neumünster bezwang am Donnerstag die topgesetzte Kanadierin Eugenie Bouchard mit 4:6, 6:1, 6:2 und zog ins Viertelfinale ein. Dort trifft sie nun auf die Tschechin Barbora Zahlavova Strycova. Dagegen scheiterte die an Nummer zwei gesetzte Angelique Kerber bei der mit 731 000 Dollar dotierten Hartplatzveranstaltung bereits im Achtelfinale. Die Weltranglistenzehnte aus Kiel unterlag der Italienerin Francesca Schiavone am Donnerstag in nur 57 Minuten glatt mit 1:6, 1:6. Auch Annika Beck schied aus. Die 20-Jährige aus Bonn verlor gegen die Tschechin Karolina Pliskova mit 3:6, 3:6. Am Vorabend hatte Andrea Petkovic durch einen schwer erkämpften Dreisatzsieg gegen Alison van Uytvanck aus Belgien das Viertelfinale erreicht. Erst nach 3:20 Stunden verwandelte die Fed-Cup-Spielerin aus Darmstadt ihren ersten Matchball zum 6:7 (7:9), 7:6 (7:5), 6:2. Petkovic spielt nun gegen die Slowakin Dominika Cibulkova. FC Bayern, Dante: Bayern Profi Dante hadert mit seinen Kritikern. In der Bild-Zeitung wehrte sich der 31 Jahre alte Abwehrspieler aus Brasilien gegen seine Kritiker - unter anderen Bayern-Ehrenpräsident Franz Beckenbauer. "Ich bin sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr enttäuscht ...", sagte der Brasilianer dem Blatt. "Schimpft! Jederzeit! Aber nur wenn es berechtigt ist." Dante fühlt sich unfair behandelt und führt die Kritik auch auf die 1:7-Pleite Brasiliens gegen die deutsche Nationalmannschaft im vergangenen Sommer zurück. "Seit dem 1:7 im WM-Halbfinale gegen Deutschland sehen die Leute mich schlechter. Mit weniger Respekt", klagte er. "Da wird gesagt: "Der hat nur 4,5 Millionen gekostet, der kam vom kleinen Gladbach. Der hat sieben Tore bei der WM kassiert."" Der Brasilianer fürchtet um seine Laufbahn. "Niemand denkt darüber nach, ob man damit meine Karriere kaputt machen könnte", sagte er. Er habe noch einen Vertrag über zweieinhalb Jahre in München. Und er würde gern länger beim deutschen Rekordmeister bleiben. "Aber momentan verselbstständigt sich ein falsches Bild von mir."
https://www.sueddeutsche.de/panorama/us-bundesstaat-new-york-gefaengnisausbrecher-soll-flucht-angekuendigt-haben-1.2549336
mlsum-de-200
Über die filmreife Flucht aus einem US-Hochsicherheitsgefängnis im Juni werden immer mehr Details bekannt: Einer der Ausbrecher spricht nach seiner erneuten Festnahme über neue Mordpläne.
Es war einer der spektakulärsten Gefängnisausbrüche der vergangenen Jahrzehnte, mit dem die beiden verurteilten Mörder Richard Matt und David Sweat Anfang Juni Schlagzeilen machten: Im Stile des Sechzigerjahrefilms "Die Flucht aus Alcatraz" bohrten sie Löcher in Zellwände und Schächte und entkamen durch die Kanalisation. Die Blätter für die Eisensäge soll eine der Aufseherinnen der Strafanstalt im Bundesstaat New York in gefrorenem Hackfleisch versteckt haben. Sie muss sich jetzt wegen Fluchthilfe verantworten. Drei Wochen nach dem Ausbruch wurde Matt von der Polizei erschossen, Sweat, der andere Flüchtige, wurde zwei Tage später gefasst. Offenbar ist er im Gefängniskrankenhaus, wo er sich derzeit befindet, sehr aussagefreudig. Denn inzwischen werden immer mehr Details über die Vorbereitungen bekannt. So soll Richard Matt sich wohl ziemlich sicher gewesen sein, dass die Flucht gelingen würde. Das ergibt sich aus einem Brief, den Matts der Zeitung Buffalo News zufolge aus dem Gefängnis an seine Tochter geschrieben hat: "Ich habe Dir immer verspochen, dass ich dich draußen wiedersehen würde und ich bin ein Mann, der sein Wort hält." Die Frau habe den Brief am 9. Juni erhalten, drei Tage nach der Flucht. Abgestempelt worden sei er jedoch bereits vor dem 6. Juni, dem Datum des Ausbruchs. In dem Zeitungsbericht heißt es, dass Matts Tochter wohl nichts von den Fluchtplänen ihres Vaters wusste oder ihm in irgendeiner Weise dabei geholfen hat. Der US-Sender CNN berichtet unter Berufung auf einen nicht namentlich genannten Ermittler über den Plan für ein weiteres Verbechen: So sollen die beiden Ausbrecher geplant haben, sich an der Stelle, wo sie über einen Kanaldeckel in die Freiheit gelangen, mit Joyce Mitchell, der Aufseherin, zu treffen. Die Frau hätte sie mit ihrem Auto abtransportieren sollen. Gemeinsam hätten die Flüchtigen den Ehemann von Mitchell töten und nach Mexiko fliehen wollen. Sweat soll den Ermittlern erzählt haben, dass es Mitchells Idee war, ihren Mann zu töten. Doch die Frau bestreitet das und sagt, dies sei die Idee der beiden Ausbrecher gewesen. Mitchell erschien ohnehin nicht am vereinbarten Treffpunkt, so dass Matt und Sweat wohl gezwungen waren, bei ihrer weiteren Flucht zu improvisieren. Sweat berichtete den Ermittlern, dass sich die beiden Ausbrecher nach der Flucht gestritten haben. Matts habe in ihrem Versteck, einer kleinen Hütte, begonnen, sehr viel Alkohol zu trinken. Daraufhin hätten sich die beiden Männer getrennt. Wie die Boulevardzeitung New York Daily News berichtet, bestreitet Sweat außerdem, im Gefängnis Sex mit Aufseherin Mitchell gehabt zu haben. Lediglich sein Komplize Matt sei eine intime Beziehung mit der Aufseherin eingegangen. Das widerspricht den Aussagen eines früheren Zellengenossen von Sweat, der angegeben hatte, dass dieser mit Mitchell mehrmals in der Woche Geschlechtsverkehr gehabt haben soll.