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https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-in-england-claudio-pizarro-hofft-trotz-verletzung-1.1401438
mlsum-de-9901
Bayerns neuer Stürmer hat große Ambitionen, obwohl er vorerst ausfällt, der frühere Chelsea-Trainer Villas-Boas übernimmt Tottenham, Bonner Basketballer verpflichten Patrick Ewing, Slowake Peter Sagan gewinnt die dritte Etappe der Tour de France, Deutscher Eishockey-Bund trennt sich endgültig von Jakob Kölliker.
Detailansicht öffnen Ein Neuer, der den Bayern voerst fehlt: Claudio Pizarro. (Foto: dapd) Claudio Pizarro, Verletzung: Bayern-Rückkehrer Claudio Pizarro hofft, dass er nach einer Anfang Juni erlittenen Muskelverletzung spätestens im Trainingslager des Rekordmeisters voll in die Saison-Vorbereitung einsteigen kann. "Ich möchte in zehn Tagen ins Mannschaftstraining einsteigen", sagte der ablösefrei aus Bremen nach München gewechselte Stürmer am Mittwoch. Die Bayern absolvieren ihr Trainingscamp vom 15. bis 20. Juli in Italien. Der 34-Jährige hatte sich im vergangenen Monat in der Vorbereitung auf WM-Qualifikationsspiele mit der Nationalmannschaft von Peru einen Muskelfaserriss zugezogen. Diesen konnte er bis zum Trainingsstart beim FC Bayern nicht vollständig auskurieren. "Gut ist, dass wir eine lange Vorbereitung haben", erklärte Pizarro, der bereits von 2001 bis 2007 für den Rekordmeister gespielt hatte. Den Konkurrenzkampf im Münchner Angriff mit Torjäger Mario Gomez und dem kroatischen Millionen-Neuzugang Mario Mandzukic vom VfL Wolfsburg will Pizarro annehmen: "Das Ziel ist immer zu spielen." Mit den Bayern möchte er hoch hinaus: "Alles zu gewinnen, was es gibt. Das ist das Ziel." Fußball, England: Andre Villas-Boas ist neuer Teammanager des englischen Spitzenklubs Tottenham Hotspur. Der 34 Jahre alte Portugiese, der im Frühjahr vom Champions-League-Sieger FC Chelsea entlassen worden war, unterschrieb in London einen Vertag über drei Jahre und wird damit Nachfolger von Harry Redknapp. Das teilte der Premier-League-Klub am Dienstag mit. Tottenham hatte sich nach Saisonschluss überraschend von Redknapp getrennt, dem bei der Besetzung des Trainerpostens der englischen Nationalmannschaft Roy Hodgson vorgezogen worden war. "Tottenham Hotspur ist ein großartiger Klub mit einer langen Tradition und tollen Fans. Ich fühle mich geehrt, Teammanager dieses Vereins zu werden", sagte Villas-Boas: "Das ist ein Team, mit dem jeder Trainer auf der Welt gerne zusammenarbeiten würde." Laut englischer Medienberichte war auch der ehemalige Bundesliga-Trainer Ralf Rangnick bei Tottenham im Gespräch gewesen. BBL, Telekom Baskets: Basketball-Bundesligist Bonn hat Patrick Ewing Junior für die kommende Saison verpflichtet. Dies gab der Klub am Mittwoch bekannt. Der 28 Jahre alte Powerforward ist der Sohn der gleichnamigen Sportlegende aus der NBA. Der 2,03 Meter große Amerikaner erhält beim letztjährigen Playoff-Viertelfinalisten einen Einjahresvertrag. "Mit der Verpflichtung von Patrick haben wir einen weiteren Grundpfeiler für die nächste Saison in unserem Kader. Patrick ist ein sehr variabler Spieler, der aufgrund seiner Physis und Athletik auf mehreren Positionen eingesetzt werden kann", sagte Bonns Trainer Michael Koch. Ewing begann seine College-Karriere an der Indiana University und wechselte später über die Houston Rockets zu den New York Knicks, bei denen auch sein Vater spielte, in die NBA. Zu einem Einsatz in einem regulären Spiel kam er dort allerdings bisher nicht. Eishockey, Jaromir Jagr: Eishockey-Legende Jaromir Jagr ist innerhalb der NHL von den Philadelphia Flyers zu den Dallas Stars gewechselt. Der 40-jährige unterzeichnete einen Einjahresvertrag und kassiert dafür umgerechnet 3,6 Millionen Euro. Der tschechische Stürmer mit dem berühmten Handgelenkschuss soll den Stanley-Cup-Gewinner von 1999, der zuletzt viermal in Folge die Play-offs verpasste, wieder in die Erfolsspur führen. "Ich hoffe, wir werden gemeinsam Großes erreichen", twitterte Jagr. "Jaromir ist einer der besten Spieler der Ligageschichte. Wir sind sehr froh, dass wir einen Spieler seines Kalibers verpflichten konnten", sagte Dallas-Geschäftsführer Joe Nieuwendyk. Jagr ist mit 665 Toren und insgesamt 1653 Scorer-Punkten aus 1346 NHL-Spielen der erfolgreichste noch aktive Spieler der nordamerikanischen Profiliga. 1991 und 1992 gewann der Stürmer mit den Pittsburgh Penguins den Stanley Cup. Fußball, DFB: Trotz der Halbfinalniederlage bei der EM gegen Italien (1:2) hat sich Deutschland in der Nationenwertung des Fußball-Weltverbandes FIFA um einen Platz auf Rang zwei verbessert. In der am Mittwoch veröffentlichten Weltrangliste behauptete Spanien seinen souveränen ersten Rang, während die Italiener durch ihren Finaleinzug um sechs Plätze auf Rang sechs kletterten. Rang drei belegt Uruguay, das seine Position mit der DFB-Auswahl tauschte. Um ganze fünf Plätze verbesserten sich die im Halbfinale ausgeschiedenen Portugiesen auf Rang fünf, während Holland als großer Verlierer der EM vier Plätze abrutschte und nun Achter ist. Tour de France: Peter Sagan hat seinen zweiten Tagessieg gefeiert und Tony Martin die nächste Etappe seines Leidenswegs bei der 99. Tour de France gemeistert. Der verletzte Zeitfahr-Weltmeister passierte die Ziellinie der 3. Etappe, die wieder von Massenstürzen im Finale überschattet war, lange nach dem Tagessieger aus der Slowakei. Der Träger des Grünen Trikots setzte sich am Dienstag nach 197 Kilometern auf der 700 Meter langen und stark ansteigenden Zielgeraden in Boulogne-sur-Mer unwiderstehlich gegen den Norweger Edvald Boasson-Hagen und Landsmann Peter Velits durch. Er feierte seinen überlegenen Erfolg - den bereits 15. in dieser Saison - mit einem angedeuteten Disko-Tanz im Sattel. Prolog-Sieger Fabian Cancellara (Schweiz), Vierter der Tageswertung, verteidigte sein Gelbes Trikot ohne Probleme - obwohl es auch auf der Zielgerade zu einem Massensturz kam. Wie am Vortag fuhr Martin fast gemütlich hinten im Feld. Er biss auf die Zähne. Seine gebrochene linke Hand, wieder mit einer Kunststoffmanschette geschützt und fixiert, schmerzte vom ersten bis zum letzten Tritt der fünfstündigen Schinderei. An Martins Seite fuhr meist der ebenfalls verletzte Spanier Luis-Leon Sanchez. Fußball, Russland: Guus Hiddinks Club Anschi Machatschkala hat sich mit einem offenen Brief an die Europäische Fußball-Union (Uefa) gewendet. Darin beschwert sich der russische Erstligist nach eigenen Angaben über den Beschluss, seine Heimspiele in der Europa League nicht zuhause austragen zu dürfen. Man sei "tief betrübt und überrascht" von der Uefa-Entscheidung, hieß es auf der Internetseite des Clubs am Dienstag. Anschi trage seine Heimspiele seit mehr als 20 Jahren in Machatschkala aus, nie es zu schweren Zwischenfällen gekommen. Anschi greift erst in der 2. Qualifikationsrunde (19./26. Juli) ein und trifft dann auf den Sieger der Partie Flamurtari aus Albanien gegen die Ungarn von Honved Budapest. Als Ligafünfter hatte sich der niederländische Coach Hiddink mit dem neureichen Anschi für die Europa League qualifiziert und der Krisenregion Nordkaukasus in der kommenden Saison internationale Spiele beschert. Machatschkala ist Hauptstadt der Teilrepublik Dagestan, in der sich islamistische Terroristen, kremltreue Truppen und kriminelle Banden fast täglich Gefechte liefern. Eishockey, DEB-Team: Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft steht nach der Trennung von Bundestrainer Jakob Kölliker vorerst führungslos da. Kölliker bestätigte am Dienstag offiziell sein Aus beim Deutschen Eishockey-Bund (DEB). "Fakt ist, dass mein Vertrag nicht erneuert wird. Ich werde nicht mehr für den DEB tätig sein", sagte der 58-Jährige am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa. Wer die DEB-Auswahl künftig betreuen soll, ist noch unklar. Der Verband gab auch bis Dienstagnachmittag keine Stellungnahme zur Trennung von Kölliker ab, obwohl diese bereits am Wochenende durchgesickert war. Nach einem Bericht der Fachmagazins "Eishockey News" sollen die beiden DEL-Manager Peter-John Lee (Berlin) und Karl-Heinz Fliegauf (Wolfsburg) zusammen mit DEB-Generalsekretär Franz Reindl und Torwarttrainer Klaus Merk vorerst die Geschicke der Nationalmannschaft leiten und vor allem einen Sportdirektor suchen. Dieser soll dann für die Turniere jeweils einen Trainer benennen. Ursprünglich sollte Kölliker nach der WM im Mai das Amt des Sportdirektors übernehmen. Angesichts der verkorksten Titelkämpfe hatte der Schweizer allerdings keinen Rückhalt mehr. Reitsport, Ludger Beerbaum: Ludger Beerbaum wird nicht an den Olympischen Spielen in London teilnehmen. Nach dem Einlaufspringen mit Gotha am Dienstagmorgen beim CHIO in Aachen entschied Beerbaum, das Pferd während der Woche nur noch in Rahmenspringen vorzustellen. "Die Stute ist einfach nicht in Form. Damit ist für mich auch klar, dass ich nicht mehr für die Teilnahme an den Olympischen Spielen zur Verfügung stehe", ließ Beerbaum über seine Pressereferentin Susanne Strübel wissen. Im Falle einer Olympia-Qualifikation wäre der 48-Jährige zum insgesamt siebten Mal bei Olympischen Spielen dabei gewesen.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/fluechtlingsklassen-mangelware-deutschlehrer-1.2762406
mlsum-de-9902
Die Kultusminister suchen dringend nach Lehrern, die junge Migranten unterrichten. Dadurch entstehen neue Chancen für Absolventen des Studienfachs "Deutsch als Fremdsprache".
Franziska Stahlmeier ist aufgeregt, die 36-Jährige wartet auf ihr Bewerbungsgespräch im Berliner Bezirk Charlottenburg, wo derzeit künftige Lehrer für Willkommensklassen gecastet werden. Stahlmeier ist Deutschlehrerin - allerdings für Deutsch als Fremdsprache (DaF). Das heißt: Sie unterrichtet nicht an einer staatlichen Schule, sondern an Volkshochschulen oder privaten Sprachschulen, die ausländischen Sprachschülern in Kursen von zwei bis acht Wochen die deutsche Sprache näherbringen. Durch die Flüchtlingskrise eröffnen sich Stahlmeier neue Möglichkeiten. Knapp 100 000 Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter sind nach einer repräsentativen Studie im Jahr 2014 aus dem Ausland nach Deutschland zugewandert. "In 2015 kommen schätzungsweise noch einmal doppelt so viele hinzu", schätzt Professor Michael Becker-Mrotzek, Direktor des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache. Das in Köln ansässige Institut hat für die Studie gemeinsam mit dem Zentrum für LehrerInnenbildung an der Universität Köln erstmals einen bundesweiten Überblick über die schulische Situation neu zugewanderter Kinder und Jugendlicher recherchiert. Gegenüber 2006 hat sich die Zahl 2014 vervierfacht, und sie wächst weiter. "Diese Schnelligkeit stellt Schulen vor große Herausforderungen." Der Philologenverband geht von 25 000 Lehrkräften aus, die man bräuchte, um die bereits in Deutschland befindlichen Flüchtlingskinder an Schulen zu betreuen und zu unterrichten - und von circa 10 000 Lehrern zusätzlich pro Jahr. Die Gewerkschaft Erziehung und Bildung spricht gar von 38 000 Erziehern und Lehrern, die für eine schnelle Integration durch Spracherwerb und Bildung vonnöten wären. Geringe Anerkennung, schlechte Bezahlung: Als DaF-Lehrer zu arbeiten, war bislang hartes Brot Menschen wie Stahlmeier, die wissen, wie man Schülern aus einem anderen Sprachkreis das "ch" und das "ck" beibringt. Oder wie man den Übergang von der arabischen Schrift in lateinische Buchstaben meistert und wie man Brücken baut zwischen bereits erworbener Sprache und dem Deutschlernen. Das Problem: DaF-Lehrer sind rar. Die gut 40 DaF/DaZ-Studiengänge (Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweitsprache) an deutschen Universitäten generieren nach Schätzungen des Fachverbands Deutsch als Fremd- und Zweisprache (FaDaF) jährlich nur etwa 750 Absolventen, die danach im deutschen Inland unterrichten. Doch von diesen wandert nach Aussage des Vorsitzenden Matthias Jung "etwa ein Drittel nach zwei bis drei Jahren wieder ab und sucht sich andere Betätigungsfelder". Er wird fast ein bisschen ungehalten, wenn man ihn nach dem Grund dafür fragt: "Jahrelang führte DaF/DaZ ein Schattendasein, obwohl es offensichtlich ist, wie wichtig die sprachliche Erstintegration von Migranten für unsere Gesellschaft ist." Die Lehren aus den Gastarbeiterwellen der Sechzigerjahre und der Zuwanderung durch die Balkankriege seien in Vergessenheit geraten. "DaF-Lehrer arbeiten derzeit unter kaum zumutbaren Arbeitsbedingungen, ihre Perspektiven sind frustrierend, eine Anerkennung im öffentlichen Schuldienst ist nicht gegeben, weil es immer noch kein Staatsexamen für das Fach gibt." Jung wundert es nicht, dass viele Lehrer da das Handtuch werfen. Auch Franziska Stahlmeier hat sich das schon überlegt. In manchen Monaten kommt sie kaum über den Hartz-IV-Satz. Sie schlägt sich seit Jahren mit Honorarverträgen durch, alles auf selbständiger Basis, Festanstellungen gibt es kaum. Ihr Stundenlohn: 15 Euro im Durchschnitt. Also maximal 1500 Euro pro Monat bei einer Vollzeitstelle. Vor Steuern. Ohne Beitrag zur Krankenkasse. Ohne Fortzahlung im Krankheitsfall. Ohne Garantie auf Weiterbeschäftigung, wenn der Kurs endet. Ohne Urlaub und ohne Rentenversicherung, die kann sie sich nicht leisten. "Dabei hab' ich vier Jahre studiert", sagt sie kopfschüttelnd. "Hätte ich gewusst, wie prekär die Situation für DaF-Lehrer hinterher ist, hätte ich mich auf ein anderes Fach konzentriert. Wenn die Arbeit mit den Schülern nicht so viel Spaß machen würde, wäre es gescheiter, mich arbeitslos zu melden." Doch nun soll sich ja alles ändern. Allein Berlin hat seit Beginn des Schuljahres im September mehr als 100 Willkommensklassen für Flüchtlingskinder eingerichtet und dafür 95 neue Lehrer eingestellt - immer noch zu wenig für die im August prognostizierten 3000 Kinder und Jugendlichen. Mittlerweile ist diese Zahl längst wieder überholt, der Senat geht jetzt von circa doppelt so vielen Kindern und Jugendlichen aus, die in Willkommensklassen untergebracht werden müssen. Diese Klassen besuchen die Migranten, um Deutsch zu lernen, einige Monate bis zu eineinhalb Jahren - je nach persönlichem Fortschritt. Anschließend wechseln sie in Regelklassen. Am häufigsten werden solche Einführungsklassen an Grundschulen eingerichtet, aber auch an einigen Gymnasien. Für Flüchtlingsklassen können sich neben DaF-/DaZ-Lehrern nun auch Anwärter mit einem Diplom-, Magister- oder Masterstudium bewerben, auch Fachhochschulabschlüsse sind zugelassen. Und sogar Lehrer, die keine Muttersprachler sind, aber sehr gut Deutsch sprechen. "Die Qualität darf dabei natürlich nicht leiden", erklärt Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD). Ihre Not ist groß, denn Scheeres will ihrem Anspruch gerecht werden, dass jedes Kind von Anfang an sein Recht auf Bildung wahrnehmen kann. Während in anderen Bundesländern die Schulpflicht für Flüchtlingskinder hinausgezögert wird und erst nach drei beziehungsweise sechs Monaten einsetzt oder gar an die Erteilung des Aufenthaltsrechts gebunden ist, was derzeit dauern kann, gilt in Berlin und dem Saarland die gesetzliche Schulpflicht für alle Flüchtlingskinder von Anfang an. Doch auch die anderen Länder wissen: Den Kopf in den Sand stecken hilft nicht. Bald schon werden die neu zugewanderten Kinder in die Schulen drängen. Hessen bildet deshalb seit Anfang des Schuljahres 120 Lehrer in DaF/DaZ weiter, Nordrhein-Westfalen hat 300 zusätzliche Stellen geschaffen, Bayern holt pensionierte Lehrer aus dem Ruhestand und qualifiziert nach. Angesichts der genannten Zahlen an benötigten Lehrkräften wird das kaum reichen. "Die Schwierigkeit liegt nicht nur darin, genügend Lehrer zu finden, sondern auch darin, genügend geeignete DaF-/DaZ-Fortbilder zur Verfügung zu stellen", erklärt Michael Becker-Mrotzek vom Mercator-Institut. "Wir wissen aus vielen Forschungen, dass die Lernleistung der Schüler eng mit der Ausbildungsqualität der Lehrer zusammenhängt." Mindeststandards für den Schulbesuch junger Flüchtlinge sind noch Wunschdenken Lehrer aus Regelklassen oder Seiteneinsteiger mal eben nachzuqualifizieren, hält Becker-Mrotzek aus pädagogischer Sicht für höchst problematisch, "vor allem bei dieser Zielgruppe". Es ist eben ein Unterschied, ob man deutsche Kinder unterrichtet, die in Friedenszeiten aufgewachsen sind, oder Kinder aus Syrien, die einen Vormittag lang nicht unter dem Tisch hervorkommen, weil draußen ein Flugzeug geflogen ist, Kinder, die womöglich gar nichts sagen oder still vor sich hinweinen. Mrotzek sieht den Handlungsdruck, hat aber auch den Eindruck: Statt langfristiger Konzepte und gemeinsamer Verfahren seien die Landesregierungen momentan nur damit beschäftigt, Willkommensklassen einzurichten. "Das Thema ist kein Projekt für eine Taskforce auf Zeit, sondern eine langfristige Aufgabe. Migrationsbewegungen, wie wir sie gerade erleben, sind ein wiederkehrendes Phänomen. Gerade deshalb sollten auch Mindeststandards für den Schulbesuch neu zugewanderter Kinder und Jugendlicher gelten." Der Direktor des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache bemängelt, dass Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache bisher nur in Nordrhein-Westfalen verpflichtend Teil des regulären Lehramtsstudiums ist. Nur etwa die Hälfte der angehenden Deutschlehrer erhält einen Einblick in die Thematik. Bei allen anderen Unterrichtsfächern, darunter Mathematik, sind es lediglich gut 40 Prozent der angehenden Pädagogen. Dabei ist es sehr sinnvoll, Mathelehrer für die Arbeit mit Flüchtlingen zu sensibilisieren. Denn Probleme im Fach Mathematik, etwa mit Textaufgaben, müssen nicht bedeuten, dass die Schüler mit dem Rechnen an sich Probleme haben. Becker-Mrotzek empfiehlt den Bundesländern eine konkrete Verankerung in der Lehramtsausbildung. Außerdem Regelungen zur Größe der Klassen, zur Erfassung der Kenntnisse der Schüler und zu deren Übergang in Regelklassen. In vielen Bundesländern werde noch nicht einmal systematisch erhoben, wie viele neu zugewanderte Kinder und Jugendliche ohne Deutschkenntnisse tatsächlich an den Schulen sind. Das macht Planbarkeit schwierig. Auch FaDaF-Chef Matthias Jung ist von Euphorie weit entfernt: "Crashkurse von zweifelhafter Qualität, fehlende Standards und Zeitverträge sind keine Perspektive. Wir müssen in Modellen denken, die Hand und Fuß haben." Franziska Stahlmeier wünscht sich eine Festanstellung und vielleicht sogar eine Verbeamtung - das wäre ein Traum nach fast zehnjähriger Berufserfahrung. Leider war sie an diesem Tag nicht eine der drei Glücklichen, die die Schulleiter in Berlin-Charlottenburg auswählten. Aber sie kommt wie alle Bewerber auf eine Prioritätenliste, so Schulrätin Karin Babbe, und wird angeschrieben, sobald neue Lerngruppen eröffnet werden. Und das wird schon sehr bald sein.
https://www.sueddeutsche.de/geld/umnutzung-urlaub-in-der-kunstwelt-1.3630456
mlsum-de-9903
Erst Investment-Ruine, jetzt Touristenattraktion: In einer der ungewöhnlichsten Immobilien Deutschlands wurde die Badelandschaft Tropical Islands geschaffen. Jetzt soll die Anlage noch größer werden.
Nun ist es offiziell: In der Lausitz steht der weltweit größte Indoor-Wasserpark. Die schrille Nachricht aus der Welt der Guinness World Records von 2017 tut der stillen Landschaft gut, die sich von Görlitz im Südosten bis hoch an den Spreewald bei Berlin zieht. Mittendrin noch immer bizarre Mondlandschaften, die für den untauglichen Versuch der DDR stehen, sich mittels heimischer Braunkohle von den zu jener Zeit explodierenden Ölpreisen unabhängiger zu machen. Und es wurde nicht besser, als die Marktwirtschaft in das ehemalige Energie-, Chemie-, Glas- und Textilzentrum des untergegangenen zweiten deutschen Staates zog - industrieller Abbruch allerorts: Bis auf einige Tagebaue und Kraftwerke verschwanden fast sämtliche Großbetriebe, und mit ihnen viele ihrer Beschäftigten - in die Arbeitslosigkeit oder in den Westen, immer der Arbeit nach. Jahrelang schien auf diesem Flecken der Erde das Lebenstempo heruntergedreht. Es schlurfte sich so dahin zwischen Kiefern und Kohl, Tagebauen und Teichlandschaften. Dann aber die Wende nach der Wende. Auf dem Gelände des ehemaligen Militärflugplatzes in Brand, einem Ortsteil der Gemeinde Halbe im Landkreis Dahme-Spreewald, versuchte ein selbsternannter Luftfahrtpionier die Zeppelin-Ära wiederzubeleben, und damit wenigstens einen Teil der Lausitz aus dem wirtschaftlichen Off zu holen. Die größten Luftschiffe der Welt wollte er bauen, mit deren Hilfe man Frachten bis zu 160 Tonnen in alle Ecken und Enden der Welt transportieren konnte. Montiert werden sollten sie in einer riesigen Halle, die mit 360 Metern Länge, 210 Meter Breite und 107 Meter Höhe zu den größten freitragenden Hallen der Welt gehört. 1998 begannen die Arbeiten an diesem Konstrukt, für das Brandenburg tief in die Steuerkasse griff. Fast 78 Millionen Euro kostete das Bauprojekt, knapp 40 Millionen Euro steuerte die öffentliche Hand bei. Im Jahr 2000 waren 14 000 Tonnen Stahl verbaut, die Halle war fertig. Doch das Projekt stürzte ab, lange bevor einer der Luftschiffkolosse gen Wolken aufsteigen konnte. 2002 war die Cargolifter AG pleite. Zurück blieben enttäuschte Mitarbeiter, enteignete Aktionäre und eine Monsterhalle, in der man gut und gerne die Freiheitsstatue (stehend), den Eiffelturm (liegend) oder fünfmal das Brandenburger Tor (nebeneinander) hätte unterbringen können. Nur wurde sie dafür nun wirklich nicht gebraucht. Anfangs wurde viel gemeckert: die Halle zu zugig, die Besucher zu laut, das Eintrittsgeld zu hoch Das Schicksal als Investment-Ruine schien besiegelt. Bis, ja bis die Manager des malaysischen Mischkonzerns Tanjong mit der Idee in die Lausitz kamen, die fünf Fußballfelder große zugige und schwer beheizbare Halle in eine Tropenlandschaft zu verwandeln. Die Idee war so ausgeflippt, dass Insolvenzverwalter Klaus-Dieter Mönning die Herren aus Kuala Lumpur umgehend wieder nach Hause schickte. Doch sie kamen wieder, diesmal mit einem ausgearbeiteten Businessplan, der dann auch Mönning überzeugte - nicht zuletzt mangels seriöser Alternativen. Im Sommer 2003 erwarb Tanjong für 17,5 Millionen Euro die Halle und strich dafür vom Land Brandenburg rund 13 Millionen Euro Subventionen ein. Anfang Februar 2004 hatte der Investor die Baugenehmigung in der Tasche, noch im selben Jahr kurz vor Weihnachten eröffnete er sein Tropical Islands mit dem größten Indoor-Regenwald der Welt, mit Bade- und Saunalandschaften im Südseeflair, mit Safari-Zelten und Holz-Lodges zum Übernachten, mit Restaurants, Bars und Lounges - geöffnet rund um die Uhr und außer am Weihnachtstag das ganze Jahr über. Und das alles am Rande des Spreewaldes gelegen, nicht mal eine Stunde von Berlin entfernt. Genörgelt wurde unter den Brandenburgern und Berlinern trotzdem: Die Halle zu zugig, die Besucher zu laut, das Eintrittsgeld zu hoch. Häme machte sich breit über die Südsee am Spreewald. Schlimmer noch, die Besucher blieben weg. In den ersten zehn Jahren machte das Badeparadies hohe Verluste, etwa sechs Millionen Euro pro Jahr. Nur die Malaysier selbst schienen noch an ihre "fixe Idee" mit Südseeflair zu glauben. Sie steckten nicht nur die Verluste weg, sondern investierten weiter in ihre tropische Urlaubswelt - zwischen 2003 und 2015 mehr als 170 Millionen Euro. Jan Janssen kann sich noch genau an den Augusttag im Jahr 2013 erinnern, als er mit seiner Frau in der Tropenhalle übernachtete. Nach langem Rundgang durch die Halle habe er am Abend zu seiner Frau gesagt: "Das hier ist es nicht", erzählt er. "Am nächsten Morgen aber bin ich dann noch einmal herumgelaufen und habe plötzlich alles gesehen, was man hier drinnen und auch draußen auf dem 640 Hektar großen Stück Land machen könnte. Und alles hatte auch mit mir und meinen bisherigen Jobs zu tun." Das Berufsleben des jetzt 62-jährigen Niederländers ist fast so bunt wie die Tropenwelt, die er seit November 2013 als Geschäftsführer der Tropical Islands Management GmbH leitet. Bereits mit 14 Jahren verließ er die Schule, lernte Bäcker, wurde Koch und nebenbei auch noch aufmüpfiger Hippie der Flower-Power-Bewegung. Seitdem habe er "Aversionen gegen Autoritäten", sagt er. Nur hielt das den Freigeist später nicht davon ab, eine Hotel-Managementschule zu besuchen. "Die eigentliche Lehre aber habe ich in der Praxis absolviert", sagt er. "Mit 24 habe ich das erste Hotel übernommen - das Kasteel Vaalsbroek vor den Toren Aachens." Hotels in Frankfurt, München, Paris, Brüssel oder in Barcelonas folgten. Später dann hat er für die französische Unternehmensgruppe Pierre & Vacances SA die strategische Entwicklung von Center Parcs übernommen. Das jüngste Projekt dabei war der Freizeitpark in Leutkirch (Allgäu). Für das 360-Millionen-Euro-Ferienlandprojekt, das 2018 fertig sein wird, betreute Janssen das Baugenehmigungsverfahren. Dann die Beratungstätigkeit mit eigener Firma. Dort hat er dann auch den Anruf eines Headhunters erhalten, der ihn von dem Job bei Tropical Islands überzeugte. "Übernachtungsgäste geben vier mal so viel aus wie Tagesgäste." Also wird weiter investiert "Nur um den Ist-Zustand zu verwalten, wäre ich nicht dahingegangen", sagt Janssen. "Gereizt hat mich, was man aus Tropical Islands machen kann." 100 Tage hat er sich damals Zeit genommen für seinen Masterplan, mit dessen Hilfe er aus dem aufgeblasenen Freizeitbad in Berlins Umgebung ein exklusives Freizeitressort machen wollte, das sich nicht nur mit den großen Themenparks wie Phantasialand oder Europapark messen kann, sondern aufgrund seiner einmaligen Exotik zur attraktiven Feriendestination für ganz Deutschland und darüber hinaus aufsteigt. "Erst damit", das wusste der erfahrene Manager genau, "war mit der Anlage auch Geld zu verdienen." Davon aber musste er zunächst die Tanjong-Leute und zugleich auch die fast 750 Mitarbeiter der Anlage überzeugen. Denn dieser Qualitätssprung würde noch einmal Geld und viel mehr Engagement der Belegschaft kosten. Überzeugt hat er beide. Noch einmal flossen 56 Millionen Euro in Renovierung und Aufrüstung der Halle, die dadurch noch bunter wurde. Der "Dom", wie Janssen die Monsterhalle nennt, ist jetzt penibel sauber, die Temperaturen sind konstant, der Durchzug ist längst weg, und es wurden noch mehr Urlauberwünsche erfüllt. "Zu Spitzenzeiten haben wir jetzt bis zu 6000 Gäste", sagt Janssen. Die kommen mehr und mehr auch aus dem Ausland. Und die Gäste planen für ihren Deutschland-Besuch gleich ein paar Tage für Tropical Islands ein, weil sie von hier aus auch Berlin, Potsdam oder Dresden besuchen können. "Das rechnet sich immens", sagt Janssen. "Übernachtungsgäste geben vier mal soviel aus wie Tagesgäste." Weil dem so ist, hat er weiter aufgerüstet und außerhalb der Halle mehr als 80 sogenannte Mobile Homes aufstellen lassen, Holzhäuser für bis zu sechs Gäste. Überhaupt draußen: Auf Brachflächen neben dem Dom ist 2015 "Amazonia" entstanden, eine 1350 Quadratmeter große Wasserlandschaft, mit Wildwasserkanal und einer fast 30 Meter hohen Wasserrutsche. In diesem Jahr werde man hier auf 1,3 Millionen Besucher kommen, rechnet Janssen hoch. "Und was immens wichtig ist", sagt er, "wir schreiben seit zwei Jahren schwarze Zahlen." Janssen sieht überhaupt keinen Grund, diesen jetzt positiven Ist-Zustand nur zu verwalten. Warum auch, auf dem weitläufigen Gelände ist noch viel Platz für neue ehrgeizige Pläne, die unter anderem den Bau eines Kongresszentrums mit Hotel vorsehen. Den Masterplan dazu hat er bereits fertig. "Mein Plan liegt jetzt bei Tanjong in Kuala Lumpur vor" sagt Janssen. "Ich hoffe, Ende des Jahres haben wir auch das Baugenehmigungsverfahren durch." Janssen bekennt, dass das noch einmal ein "gehöriges" Investment erfordern werde. Das Ziel aber sei klar, sagt der ehrgeizige "Insulaner": "Wir wollen uns zu einem der führenden Ferienorte in Europa entwickeln."
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/im-testbetrieb-die-schlaue-fabrik-1.3476110
mlsum-de-9904
Die Digitalisierung verändert Produktion und Arbeit. Den Takt geben die Kunden vor, die nach Maß bestellen. In der Smart Factory Kaiserslautern testen Unternehmen, wie das funktioniert. Ein Besuch.
Heute produzieren sie Etuis für Visitenkarten in der Smart Factory Kaiserslautern. Ein einfaches Produkt. Ein Gehäuse aus Metall und Kunststoff, zwischen Deckel und Boden steckt eine Klammer, damit die Karten nicht rausrutschen. Aber das simple Ding hat es in sich, die Produktionsanlage auch. Ihre Module sind angeordnet wie ein schiefes Ypsilon. In der Smart Factory KL machen sie vor, wie die digitale Produktion funktioniert - und wo es hakt. Sie ist eine Lehrwerkstatt der deutschen Industrie. Jede Firma, die etwas auf sich hält, jongliert derzeit mit Begriffen wie Industrie 4.0, digitale Produktion, Internet der Dinge, Big Data, künstliche Intelligenz oder Augmented Reality (erweiterte Realität). So auch dieser Tage auf der Hannover- Messe Industrie. Wortreich reden Menschen über lernende, "smarte" Maschinen - die gleichermaßen schlau, geschickt und intelligent sind. Die Erwartungen sind groß: Experten des Beratungsunternehmens Roland Berger schätzen, dass die Digitalisierung allein für Deutschland bis 2025 ein zusätzliches Wertschöpfungspotenzial von insgesamt 425 Milliarden Euro eröffnet. Die jährliche Effizienzsteigerung veranschlagen sie auf 3,3 Prozent. Die digitale Transformation greift in alle Lebensbereiche ein - sie verändert die Produktion ebenso wie die Arbeit und den Wettbewerb. Es hat ein wenig gedauert, bis die Politik sich des Themas angenommen hat. Nun tut sie es umso heftiger. 2016 veröffentlichte das Bundeswirtschaftsministerium ein Grünbuch, im März 2017 folgte das Weißbuch. "Die Digitalisierung stellt vieles infrage. Kaum etwas bleibt so", heißt es im ersten Kapitel: "Die Welt wird neu vermessen." Detailansicht öffnen Die Technologie-Initiative Smart Factory KL wurde 2005 als gemeinnütziger Verein gegründet und ist im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern angesiedelt. (Foto: SmartFactory-KL/C.Arnoldi) Ein paar Jahrzehnte länger als Politiker widmet sich Detlef Zühlke, 67, diesem Wandel. Er ist Initiator der Technologie-Initiative Smart Factory Kaiserslautern und Wissenschaftlicher Direktor Innovative Fabriksysteme am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Wie eine smarte Fabrik funktioniert, kann Zühlke ganz einfach erklären. Er greift zu einem roten Legostein für Kleinkinder und einem Mikroprozessor, etwa so groß wie drei Stück Würfelzucker. Die beiden Dinge liegen immer auf seinem Schreibtisch. Zühlke steckt sie zusammen. Im Grunde funktioniert die digitale Fabrik so einfach. Jede Anlage ist ein Legostein, ausgerüstet mit einem Mikroprozessor. Die Steine können in fast jeder erdenklichen Reihenfolge zusammengesteckt werden, je nachdem was gerade produziert werden soll. Sie kommunizieren über ein Netzwerk miteinander und mit den Teilen, aus denen dann am Ende das Produkt entsteht. Das kann ein Auto sein, ein Kühlschrank, Seife oder eine Zahnbürste. Im Prinzip ist alles machbar und - das ist eine der großen Verheißungen der digitalen Produktion - in jeder Menge. Auch Einzelstücke, weil die digitale Produktion flexibler ist als die analoge. Für die Unternehmen ist es künftig wenig sinnvoll, Produkte in China herstellen zu lassen Andere industrielle Revolutionen gingen von Unternehmern und ihren Erfindungen aus. Dieses Mal ist das anders. Treiber der digitalen Transformation sei der Markt, sagt Zühlke. "Die Kunden sitzen vor dem Computer, konfigurieren ihr Produkt, bestellen und wollen es sofort haben." Deshalb sei es für die Unternehmen künftig weniger sinnvoll, die Produkte in China herstellen zu lassen. Der Transport nehme zu viel Zeit in Anspruch und lohne sich nur bei großen Mengen. "Der Markt zwingt uns zu kleineren Stückzahlen, zu personalisierten Produkten und zu mehr Varianten", erläutert Zühlke. Vielleicht werde es weiterhin noch ein Grundprodukt geben, das in größeren Stückzahlen hergestellt und dann personalisiert wird, so wie die Etuis in Kaiserslautern. Die Arbeit werde den Menschen nicht ausgehen, ist der Wissenschaftler überzeugt. "Wir werden nicht weniger Arbeit bekommen, sondern mehr", auch weil die Systeme komplexer werden. Probleme würden nur Menschen bekommen, die eine schlechte Ausbildung haben. "Wir brauchen sicher mehr Facharbeiter mit IT-Kompetenzen", so Zühlke. Zurück in die Fertigungshalle: Hier organisiert sich die Produktion selbst. Insgesamt besteht die Anlage aus acht Modulen auf zwei Inseln. Zwischen ihnen verkehrt ein kleiner selbstfahrender Roboter, er transportiert die halb fertigen Etuis hin und her. Auf den einzelnen Modulen stehen die Namen von Firmen. Mittelständler und Konzerne. Das Lagermodul stammt von der Firma Pilz. Sobald der Auftrag für die Herstellung der Etuis eingeht, nimmt das Modul ein leeres Werkstück aus dem Lager. Wenn der Vorrat im Lager zur Neige geht, melden die Module dem Lieferanten, dass er neue Metalldeckel, Heftklammern oder Kunststoffböden liefern muss. Im zweiten Modul, es stammt von der Firma Festo, wird der RFID-Chip im Etui-Boden mit allen Daten programmiert, die für die Fertigung nötig sind, auch die persönlichen Daten des Auftraggebers. Der Chip enthält den kompletten Auftrag, er kennt den nächsten Schritt. Der Verein Die Technologie-Initiative Smart Factory KL wurde 2005 als gemeinnütziger Verein gegründet und ist im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern angesiedelt. Der Verein hat knapp 50 Mitglieder, darunter Siemens, Bosch Rexroth, Wittenstein, Harting, SAP, Cisco und IBM. Es ist eine bunte Mischung: Mittelständler, Konzerne, Software-Unternehmen, Hersteller von Anlagen und Maschinen und ihre Zulieferer. Einer liefert Kabel, ein anderer Sensoren oder Maschinen oder die Software. Die digitale Produktion läuft nur dann, wenn alle Teile zusammenarbeiten. Initiator und Vorstandsvorsitzender des Vereins ist Detlef Zühlke, 67, Wissenschaftlicher Direktor Innovative Fabriksysteme am DFKI. Er hat an der RWTH Aachen Elektrotechnik und Technische Informatik studiert. Zum Maschinenbau sei er in einer langen Nacht in einer Kneipe von zwei Maschinenbauingenieuren "konvertiert" worden. Die suchten für ihr Institut einen wie Zühlke. Er vergleicht die Smart Factory gerne mit einem großen Bild, das aus vielen Puzzlesteinen besteht. Es ist wie in jedem Verein, es gibt passivere und aktivere Mitglieder. An der Anlage in Kaiserslautern arbeiten gegenwärtig 18 Firmen mit. Elisabeth Dostert In einem weiteren Modul, es stammt von der Firma Harting (siehe Interview), werden Deckel und Boden miteinander verbunden. Den Deckel gibt es in zwei Farben, ein Stück Personalisierung. Kleine Losgrößen sind eine Herausforderung für die Mitarbeiter. "Sie müssen ganz unterschiedliche Aufgaben übernehmen", sagt Zühlke. Auch dabei kann die Anlage helfen, weil die Mitarbeiter über virtuelle Brillen, sogenannte Smart Glasses, oder kleine Videos am Arbeitsplatz sehen, wie der nächste Arbeitsschritt ausgeführt werden muss. Im fünften Modul wird auf dem Deckel ein QR-Code aufgebracht. Das kleine Quadrat aus schwarzen und weißen Flächen ist die digitale Visitenkarte. Im sechsten Modul wird die Qualität überprüft. In der digitalen Fabrik arbeiten Familienunternehmen wie Lapp Kabel oder Phoenix Contact mit börsennotierten Konzernen wie IBM zusammen, kleine und große Firmen, Hersteller von Sensoren und Kabeln, Produzenten von Maschinen und Anlagen mit Softwareentwicklern wie Eplan. Für das Netzwerk und die Server sorgt der US-Konzern Cisco. "Industrie 4.0 kennt keine nationalen Grenzen", sagt Zühlke. Die digitale Fabrik läuft nur, wenn manchmal selbst Konkurrenten zusammenarbeiten. Die vierte industrielle Revolution zwingt zu neuen Allianzen. Sie müssen sich auf eine "Sprache" einigen, damit die Komponenten unterschiedlicher Hersteller miteinander kommunizieren können. "Sich darauf einzulassen, fällt größeren Unternehmen mit einem breiten Sortiment gelegentlich schwerer", sagt Zühlke. In der intelligenten Fabrik in Kaiserslautern haben sie Infrastrukturboxen entwickelt. Sie sehen aus wie sehr große Stecker mit vielen Kabeln, über die die Versorgung mit Strom, Druckluft und Daten läuft. Die Boxen sind kompatibel mit allen Modulen. Was die Verbraucher schon vom Computer zu Hause kennen und wünschen, "Plug and Play" - neue Geräte einstecken und spielen ohne weitere Installationen -, soll auch in der Fabrik funktionieren: Plug and Produce - Einstecken und Produzieren. Detailansicht öffnen Detlef Zühlke, 67, ist Initiator der Technologie-Initiative Smart Factory Kaiserslautern und Wissenschaftlicher Direktor Innovative Fabriksysteme am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). (Foto: SmartFactory-KL/C.Arnoldi) Es ist Ende März. Noch läuft die Anlage nicht ganz rund. Am Rande der Produktinseln sitzen Mitarbeiter an ihren Laptops, Maschinenbauingenieure neben Elektrotechnikern und Softwareentwicklern. Die digitale Fabrik ist eine interdisziplinäre Aufgabe. Zühlke hat sie zusammengebracht. Etwas abseits der beiden Inseln steht ein sogenannter Hand-Arbeitsplatz, die Firma Minitec hat ihn eingerichtet. Es werde noch eine ganze Weile Arbeiten geben, die so individuell sind, dass sich eine Automatisierung nicht lohne, sagt Zühlke: "Auch dafür brauchen wir Menschen." "Wir müssen schneller werden, um den Vorsprung zu halten", warnt der Wissenschaftler Bis die Digitalisierung auf breiter Front in die Fabrikhallen einziehe, werde es noch zehn Jahre dauern, "mindestens", so der Wissenschaftler. In den Fabriken stehen Anlagen mit einer langen Lebensdauer. Sie können nicht von heute auf morgen ersetzt werden und dann ein halbes Jahr später wieder. Es wird Unternehmen geben, die schneller vorangehen, und andere, die hinterherhinken. Im internationalen Vergleich stehe Deutschland gar nicht so schlecht da. Auf zwei, drei Jahre schätzt Zühlke den Vorsprung. "Aber die anderen sind schneller", sagt er: "Kann sein, dass die uns einholen." Die anderen, das sind zum einen die USA. "Die geben richtig Gas im IT-Bereich und bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle." Als Aufholjäger in der Fabrikautomation sieht Zühlke Japan, weniger China. Das Land sei immer noch auf Masse ausgelegt. Was Zühlke Sorgen macht: Die Deutschen seien sehr detailverliebt. Es gebe jede Menge Arbeitsgruppen, wie die Plattform Industrie 4.0 zeige, die vom Bundeswirtschaftsministerium finanziert wird. Sie bringt Unternehmen, Verbände, Wissenschaft und Politik zusammen. "Da wird in vielen Gremien in einem demokratischen Prozess alles tief ausdiskutiert", sagt Zühlke: "Typisch deutsch." In den USA würden sich dagegen ein paar Leute an einen Tisch setzen und einfach loslegen. So funktioniert im Grunde auch die Smart Factory KL. Die Entscheidungen fallen manchmal an einem Tag. Zühlke ist ein Fan des amerikanischen Weges. "Wir müssen schneller werden, um unseren Vorsprung zu halten." Die Anlage aus Kaiserslautern wird auch in Hannover gezeigt. Zühlke und seine Mitarbeiter sind vor Ort, so wie in den vergangenen Jahren. Der Wissenschaftler hat viele Termine. Ein paar Minister haben sich auch angemeldet. Es gibt viel zu erklären und zu reden.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/report-herr-xu-und-sein-auto-1.4262679
mlsum-de-9905
Vor 40 Jahren entdeckte Volkswagen den chinesischen Markt. Los ging es mit dem Modell Santana, der zum Käfer Chinas wurde. Dann kamen Ratten und Sascha Hehn.
Sie reisten mit dem D-Zug an, gut ein Dutzend Chinesen, einen Termin hatten sie nicht. Vom Bahnhof liefen sie zur Wache Sandkamp - fast eine halbe Stunde zu Fuß. Dann standen sie fröstelnd in ihren blauen Mao-Anzügen vor dem Wolfsburger Stammwerk, es war November 1978. Einer der Männer sprach den Pförtner an. "Ich bin der chinesische Maschinenbauminister und möchte einen Verantwortlichen von VW sprechen", sagte er, sein Dolmetscher übersetzte. Die Wache telefonierte aufgeregt: ein Minister mit Delegation vor dem Haupteingang, und das ohne Termin. Sie hatten Glück: Ein Mitglied des Vorstandes hob ab und erklärte sich bereit, den Besuch zu empfangen, es wurde ein Treffen, das die Geschichte von Volkswagen verändern sollte. 40 Jahre ist das nun her. Heute ist der Konzern der wichtigste Hersteller in China, dem größten Automarkt der Welt. 4,2 Millionen Fahrzeuge setzt das Unternehmen pro Jahr in der Volksrepublik ab. Vier von zehn Fahrzeugen verkauft Volkswagen in China. Bei der Kernmarke VW ist es sogar jedes zweite Auto. Die Ergebnisse aus China retten seit Jahren schon die Zahlen. Ohne den Erfolg in Fernost wären die Auswirkungen der Dieselaffäre viel stärker in der Bilanz zu spüren. Es ist keineswegs übertrieben, wenn man behauptet, dass Volkswagen inzwischen nicht nur ein deutscher, sondern auch ein chinesischer Konzern ist. Und wie in Deutschland, ist der Aufstieg mit einem Auto verbunden. Der Käfer war der Wirtschaftswunderwagen, erst ein Erfolg in Deutschland und dann in der ganzen Welt. In China war es der Santana. Seit 1981 auf dem Markt, benannt, wie der Golf oder der Passat nach einem Wind, dem "Santa-Ana", einem Föhn, der zwischen der Sierra Nevada und den Rocky Mountains entsteht und trockene warme Luft nach Südkalifornien trägt. Den Teufelshauch nennen die Amerikaner ihn. Ein großer Name für ein eher unspektakuläres Auto: Der Santana ist eine solide, aber eher spießige Limousine. In Deutschland war rasch Schluss. Mit der Modellpflege 1985 verschwand er nach vier Jahren wieder aus dem Angebot. Da ging es in China überhaupt erst los. Jeder Mitarbeiter erhielt zunächst das gleiche Gehalt Der "Sangtana", wie er auf Chinesisch heißt, wurde zum roten Käfer. Millionenfach gebaut, inzwischen in der fünften Generation, ist er für viele Chinesen zum Inbegriff des Automobils geworden. Als alles anfing, vor 40 Jahren war Volkswagen in China unbekannt. Die bleiernen Mao-Jahre waren gerade vorüber, eine neue Führung hatte in Peking die Macht übernommen. Nach Jahrzehnten der Isolation, die ersten Reisen, der erste Austausch. 1978 sollte die Exkursion des Ministers nach Stuttgart führen. Die Deutschen fahren schließlich Mercedes. Das wusste man selbst im abgeschotteten China der Siebzigerjahre. In der Bundesrepublik angekommen, sahen die Chinesen Autos - viel mehr als zu Hause. Doch wo waren die Mercedes-Modelle? Auf den Straßen stattdessen lauter Kleinwagen und auf den Kühlern zwei Buchstaben eng verschlungen, ein V und ein W. "Was ist das für eine Marke?", fragte sich die Delegation. "Volkswagen", hieß es in Stuttgart. Nach einer Höflichkeitsvisite bei Daimler setzte sie sich in den Zug und fuhr nach Wolfsburg. Fünf Jahre verhandelten Chinesen und Deutsche, dann war man sich einig. Volkswagen eröffnete als erster deutscher Autokonzern eine Produktion in China. Detailansicht öffnen Chinesische Taxifahrer bekommen in Nanjing, im Osten Chinas neue Fahrzeuge. Das Modell: ein VW-Santana. Das Bild wurde 2005 aufgenommen, den Wagen gibt es in China mittlerweile in der fünften Generation. (Foto: China Daily CDIC/Reuters) Am 11. April 1983 fertigen Arbeiter der Shanghaier Traktoren und Automobilfabrik (STAC) den ersten Volkswagen. Auf dem Dach ein Schild: "1. VW Santana Assembeld by STAC." Im Jahr darauf wurde das Joint Venture von Volkswagen in Shanghai gegründet, das noch heute besteht. Einer der ersten Mitarbeiter damals war Xu Zhirong, 57 Jahre alt. Inzwischen ist er der letzte Mann der ersten Stunde, der noch immer für Volkswagen in China arbeitet. Er hat Fahrzeugtechnik studiert, sein Jahrgang war der erste, der nach der Kulturrevolution wieder an die Universität gehen durfte. 1979 fing er bei STAC an. Im Vorort Anting fertigten sie den "Phoenix", den Nachbau eines Mercedes aus dem Jahr 1956. Vielleicht 300 Stück im Monat - alles in Handarbeit. Heute ist Anting das chinesische Wolfsburg. Der Formel-1-Zirkus macht einmal im Jahr Station. Mehrere Werke wurden hochgezogen. Volkswagen, Škodas und bald auch Audis werden hier hergestellt. In unmittelbarer Nachbarschaft hat General Motors seine Fabriken errichtet. Im Sog von Volkswagen siedelten sich etliche deutsche Firmen an. Erst die Zulieferer, die Türen, Scharniere, Bremsen anfertigten. Bald kamen auch die großen Unternehmen, wie die BASF. Das Volkswagen-Joint-Venture brauchte schließlich jede Menge Lack. Xu Zhirong sitzt in einem Besprechungsraum der chinesischen VW-Zentrale, die Halle, in der der erste Santana zusammengeschraubt wurde, ist gleich um die Ecke. Einer der Deutschen, erinnert er sich, habe damals eine Ansprache gehalten: "In einigen Jahren wird jeder von euch sich einen Santana kaufen können", sagte der Mann. "Wir dachten, der spinnt", sagt Xu. 46 Yuan verdiente er damals pro Monat. Für einen Santana hätte er mehr als 100 Jahre sparen müssen. Private Käufer gab es in den ersten Jahren nicht, ausgestattet wurden Taxibetriebe und Behörden. Mehrmals reiste Xu nach Deutschland. Nach Emden und nach Ingolstadt, dort lernte er die moderne Produktion kennen mit Fließbändern und Schweißrobotern. Auch ein paar deutsche Wörter kann er seitdem. "Bier" zum Beispiel oder "Toilette" und "Zählpunkt acht". Einen Ort, den es in jedem Volkswagenwerk der Welt gibt - die Qualitätskontrolle ganz zum Schluss. Grelle Neonlampen leuchten jeden Quadratzentimeter aus. Kratzer im Lack? Schließt der Kofferraum? Und wie steht es um die Spaltmaße, also den Abstand, zwischen Kotflügel und Motorhaube, der Ex-Patriarch Ferdinand Piëch immer so wichtig war? Zehn Jahre baute Xu Autos, ohne selbst fahren zu können, 1989 machte er den Führerschein. Acht Monate in der betriebseigenen Fahrschule. Dann kaufte er sein erstes Auto, natürlich einen Santana. Zunächst hatten die Chinesen überlegt, den Audi 100 zu produzieren, und den Kadern hätte der größere Audi vermutlich auch besser gefallen, letztlich siegte aber der Verstand über den Komfort, weil sich beim Santana die Produktion in kürzerer Zeit auf chinesischen Boden umsetzen ließ. Möglichst viel Wertschöpfung im eigenen Land, genau darum ging es der Regierung in Peking schon damals. "Ich habe direkt mit Ministern, häufig sogar den Premiers verhandelt. Autos aus Deutschland, das war ein großes Thema", erinnert sich Carl Hahn. Der Santana in China, das war seine Idee. Von 1982 bis 1992 war Hahn Vorstandschef von Volkswagen. Heute ist er 92 Jahre alt. Wer ihn als "rüstig" bezeichnet, beleidigt ihn. Er ist agil, wie eh und je und empfängt in seinem Büro, gleich neben dem Wolfsburger Kunstmuseum. Er hat noch immer ein Sekretariat, einen Assistenten und eine E-Mail-Adresse von Volkswagen. Manchmal kommt er sechs Mal die Woche ins Büro. "Ich mache viele verrückte Dinge", sagt er. Hahn berät den Präsidenten Kirgistans, ist stellvertretender Aufsichtsratschef einer isländischen Geothermikfirma. Er ist Pate mehrerer Schulen und seit einiger Zeit interessiert er sich auch für Genetik. Erst vor ein paar Tagen ist er aus Peking zurückgekehrt. Ein chinesisches Magazin hat ihm den Titel "Impact China Person of the Year" verliehen. Die Plakette liegt in einem der Schaukästen im Flur. Detailansicht öffnen Ein altes Santana-Modell: Der „Sangtana“, wie er in China heißt, wurde für viele Chinesen zum Inbegriff des Automobils – wie der VW-Käfer in Deutschland. Ließ sich der Erfolg von Volkswagen in China Anfang der Achtzigerjahre erahnen? "Im ersten Jahr hatten wir 27 Prozent Marktanteil. Mit insgesamt 5000 Autos. Meinen Kritikern habe ich bewiesen, dass es großer Blödsinn war, nach China zu gehen", sagt Hahn und zwinkert. "Nein im Ernst: Meine Rechnung damals war simpel. Ich bin davon ausgegangen, dass China im schlechtesten Fall eine ähnlich hohe Motorisierung wie Nigeria erreichen würde." 70 000 Neuwagen bei damals 70 Millionen Einwohnern. "Auf die Volksrepublik übertragen wären das bei einer Milliarde Chinesen eine Million Autos pro Jahr gewesen. Da lohnt sich ein Werk." Und wie: Heute unterhält der Konzern 33 Fabriken in China. Jedes Jahr werden hier 24 Millionen Pkws verkauft. Der chinesische Automarkt ist genauso groß, wie der amerikanische und europäische zusammen. Als ersten Chef setzte Hahn Martin Posth ein. Damals Anfang 40 und ein Überflieger im Konzern. Bevor er nach China versetzt wurde, war er Personalvorstand bei Audi. Viele im Unternehmen sahen das damals als Degradierung. Posth aber wollte es genau so, vor ein paar Jahren hat er ein Buch über seine Zeit in Shanghai geschrieben, vergangenes Jahr ist er früh gestorben. Auch Hahn verteidigt Posth: "China hatte Priorität, es ging darum, die besten Leute nach Shanghai zu schicken." Als technischen Leiter stellte Volkswagen Posth Hans-Joachim Paul zur Seite, als Chef des Werks in Kassel war er dafür genau der Richtige. Posth und Paul bauten die Fertigung mit einer eigenen Ausbildung auf. Und Wolfsburg ließ sie gewähren. 1986 etwa führten sie einen Tarifvertrag mit 18 Lohngruppen ein. Ausgerechnet in dem Land, das noch Maos "eiserne Reisschüssel" gewohnt war. Zuvor hatte noch jeder Mitarbeiter das gleiche Gehalt bekommen. Die Putzfrau genauso viel, wie der Kranführer. Der Hilfsarbeiter erhielt die identischen Bezüge, wie ein Ingenieur. Wer nun gute Arbeit leistete oder höhere Stückzahlen als gefordert produzierte, der bekam eine Prämie - in China war das vollkommen neu. Zwei Jahre später ließ Posth gar eine Volkswagen-Anleihe auflegen - ebenfalls Neuland. Das Joint Venture brauchte Geld. "Meine Vorgabe war damals, das Geschäft muss sich selber tragen", sagt Hahn. Statt Devisen überlegte man in Wolfsburg, auch Naturalien zu akzeptieren. Eine Shanghaier Werft baute extra zwei Frachtpötte, um eventuell chinesische Kohle nach Deutschland zu schippern. Die größte Belastung für das Budget waren allerdings die deutschen Mitarbeiter, in den Anfangstagen verdienten sie zweihundert Mal mehr als ihre chinesischen Kollegen. Auch die Wohnungen kosteten ein Vermögen. Die Miete für das schäbige japanische Fertighaus, das Statthalter Posth mit seiner Familie bewohnte, betrug mehrere Tausend Dollar im Monat. Eine deutsche Schule gab es noch nicht, auch keine Supermärkte mit importierten Lebensmitteln. Wurden irgendwo in der Stadt wieder einmal Konserven angeboten, machten sich die VW-Mitarbeiter auf den Weg. Abends trafen sie sich meist im Hengshan-Hotel, an der Rattenbar, die so hieß, weil man häufiger irgendwelche Nager sah. Über das Problem mit beschwerte sich sogar Chinas Ministerpräsident An der Straße zum Flughafen stellte Volkswagen ein handgemaltes Plakat auf: "Santana the Trendsetter for Motoring" stand darauf, es war eine der ersten Werbetafeln in Shanghai. Und bald kannte das ganze Land Volkswagen: Für wenig Geld sicherte sich das Unternehmen die Nutzungsrechte an einer Staffel der ZDF-Serie Traumschiff - Sascha Hehn synchronisiert auf Chinesisch. Das bot man dem Staatsfernsehen an. Einzige Bedingung: begleitende Volkswagen-Werbung im Fernsehen. Noch heute erinnern sich ältere Chinesen an das Traumschiff, und natürlich den Santana, das Auto von Volkswagen. Detailansicht öffnen Hergestellt wird der Santana noch immer, einige Hundert Kilometer nördlich von Shanghai, tief in der Provinz Jiangsu, und weit weg im Nordwesten Chinas, in Urumqi. (Foto: Alamy/mauritius images) Ohne Veränderungen für den chinesischen Kunden ging es aber nicht. "Das Auto wurde verlängert", erinnert sich Hahn. Schwierigkeiten machte die Hupe. Die Chinesen wollten sie am liebsten selbst herstellen. Das Problem: Nach 50 000 Hupvorgängen gaben die chinesischen Sirenen klein bei. In Europa wäre das kein Problem gewesen, wer hupt schon 50 000-mal? In China war das der Alltag, vor allem in den Achtzigerjahren, als sich die Fahrer noch Wege durch Heerscharen von Radlern bahnen mussten. Volkswagen verlangte, die Hupen müssen bis zu 120 000-mal zu hören sein. Auf chinesischer Seite verstand man nicht, warum der deutsche Standard sogar übertroffen werden sollte. "Am Ende hat sich sogar der chinesische Ministerpräsident am Rande einer UN-Sitzung bei Bundeskanzler Helmut Kohl über die Hupen beschwert", erinnert sich Hahn. Der Konzern blieb hart, die Hupen mussten importiert werden; dafür gab es keinen Verschleiß. "Xin Sangtana" (Neuer Santana) heißt das aktuelle Modell. Hergestellt wird es in zwei Werken, einige Hundert Kilometer nördlich von Shanghai, in der Provinz Jiangsu, und weit weg im Nordwesten Chinas, in Urumqi - ausgerechnet in der Autonomen Region Xinjiang, in der bis zu einer Million Uiguren in Umerziehungslagern festgehalten werden. Das Werk in Urumqi ist unerreichbar, Journalisten werden bei Recherchen auf Schritt und Tritt vom Geheimdienst verfolgt, die Fabrik in Jiangsu aber kann man besuchen. Ein Auto pro Minute bauen sie hier. 85 Prozent der Produktion sind automatisiert, 3400 Angestellte arbeiten in zwei Schichten. Mit Golfwägelchen wird man durch die Fertigung gefahren, in der es aussieht, wie in so vielen anderen VW-Werken der Erde. Seit einigen Jahren werden die Fabriken nur noch nach demselben Muster gebaut. Wie die Filialen von McDonald's an der Autobahn - nur deutlich komplexer. Es gibt eine Lackiererei, ein Stanzwerk, Bänder, Roboter und natürlich eine Teststrecke, die auf Deutsch ausgeschildert ist: "Belgisches Pflaster. Länge: 60 m. Geschwindigkeitsbegrenzung: 20 km/h." Jeder Santana muss darüber. Das Auto, das China mobilisiert hat, fährt noch immer.
https://www.sueddeutsche.de/politik/krise-in-der-ukraine-prorussische-aktivisten-greifen-polizeizentrale-in-odessa-an-1.1949523
mlsum-de-9906
+++ Außenminister Steinmeier wirbt für eine neue Ukraine-Konferenz in Genf +++ Russlands Präsident Putin fordert in Telefonat mit Kanzlerin Merkel Kontrahenten zum Dialog auf +++ OSZE-Chef Burkhalter reist am Mittwoch nach Moskau +++
Außenminister Steinmeier fordert zweite Ukraine-Konferenz Kremltreue Anhänger haben die Zentrale der Polizei in der südukrainischen Stadt Odessa angegriffen. Die Sicherheitskräfte lassen daraufhin prorussische Separatisten frei, die nach Ausschreitungen am vergangenen Freitag festgenommen worden waren Putin telefoniert erneut mit Kanzlerin Merkel und mahnt einen Dialog an Jazenjuk beklagt russischen "Plan zur Zerstörung der Ukraine" Russland befürchtet nach der Freilassung der OSZE-Militärbeobachter Großangriff gegen Separatisten Kiew setzt "Anti-Terror-Einsatz" im Osten der Ukraine fort, Schusswechsel in Lugansk, Mariupol, Kramatorsk und Slawjansk Steinmeier fordert zweite Ukraine-Konferenz: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) fordert eine zweite Genfer Konferenz zum Konflikt in der Ukraine. Er habe bereits in vielen Gesprächen unter anderem mit US-Außenminister John Kerry und seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow dafür geworben, "dass man dem ersten Genfer Treffen jetzt ein zweites Genfer Treffen folgen lässt", sagte Steinmeier in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Dort müssten "endlich klare Verabredungen getroffen werden", um eine politische Lösung des Konflikts zu erreichen. Als Vorschläge für eine Entschärfung der Krise in der Ukraine nannte er eine Stärkung der Vermittlungsrolle der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und lokale runde Tische. Prorussische Aktivisten gehen gegen Polizei vor: Hunderte Demonstranten haben die Zentrale der Sicherheitskräfte in der südukrainischen Stadt Odessa angegriffen. Mehr als 2000 Demonstranten schlagen Fenster ein und durchbrechen ein Tor mit zwei Lastwagen. Die Polizisten kommen ihrer Forderung nach und lassen einige kremltreue Anhänger wieder frei, die nach Ausschreitungen festgenommen worden waren. Am vergangenen Freitag hatten sich Anhänger Kiews und Moskaus Straßenschlachten geliefert. Dabei starben mindestens vier Menschen, 38 weitere kamen bei einem Brand im Gewerkschaftshaus um, unter ihnen waren vor allem prorussische Aktivisten. Der ukrainische Übergangspremier Arsenij Jazenjuk hatte die Polizei für die Eskalation verantwortlich gemacht. Die Kritik am Verhalten der Sicherheitskräfte in dem aktuellen Konflikt ist im gesamten Land groß. Für ihr Versagen gibt es vielerlei Gründe: ihre oft schlechte Ausbildung und mangelnde Loyalität gegenüber Kiew, miserable Bezahlung und daraus resultierende hohe Korruption sowie auch die Angst, zu Sündenböcken gemacht zu werden, sollte etwas schiefgehen (ein ausführlicher Bericht über den Zustand der Polizei in der Ukraine von SZ-Autor Florian Hassel). Putin fordert in Telefonat mit Merkel zu Dialog auf: In einem Krisentelefonat hat Russlands Präsident Wladimir Putin erneut mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gesprochen. Putin bekräftigte seine Haltung, wonach die prowestliche Führung in Kiew dringend das Gespräch mit den moskautreuen Protestführern im Südosten des Landes suchen müsse. Merkel habe sich indessen "erleichtert über die Freilassung der OSZE-Inspekteure" gezeigt, teilte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz mit. Schwerpunkt des Gesprächs war laut Wirtz die Vorbereitung des geplanten Besuchs des Schweizer Bundespräsidenten und OSZE-Vorsitzenden Didier Burkhalter am kommenden Mittwoch in Moskau. Dabei solle unter anderem die Einrichtung Runder Tische unter der Schirmherrschaft der OSZE erörtert werden. Jazenjuk macht Russland für Ausschreitungen in Odessa verantwortlich: Der ukrainische Übergangspremier ist nach Odessa gereist und richtet scharfe Worte an Russland. Die tödliche Gewalt sei Teil eines russischen "Plans zu Zerstörung der Ukraine", sagt er während einer Pressekonferenz. Die Ausschreitungen seien sehr gut organisiert gewesen. "Russland hat Leute hierher geschickt, um für Chaos zu sorgen", sagt Jazenjuk. Er ruft seine Landsleute dazu auf, sich zu vereinen und zu versöhnen, um "die von Moskau unterstützten Terroristen" an der Spaltung der Ukraine zu hindern. Dabei ist die Informationslage in Odessa zu den Ausschreitungen derzeit unklar: Einem vorläufigen Bericht des Innenministeriums zufolge waren es prorussische Aktivisten, die das Gewerkschaftshaus in Brand steckten. So sollen sie vom Dach Molotowcocktails auf "Zivilisten" geworfen und dadurch das Feuer verursacht haben. Ein Video auf Youtube zeigt dagegen, wie Unbekannte von der Straße aus Brandsätze auf das Gebäude warfen. Die ukrainische Zeitung Kyiv Post hat versucht die Ereignisse zu rekonstruieren. Russland befürchtet Großangriff gegen Separatisten: Nach dem Ende des Geiseldramas befürchtet Moskau eine Großoffensive der ukrainischen Sicherheitskräfte gegen die prorussischen Separatisten im Osten des Landes. Das sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow in einem Telefongespräch mit seinem deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier, wie das russische Außenministerium mitteilte. Beide Minister hätten ihre Bereitschaft bekundet, gleichberechtigte Verhandlungen zwischen der Zentralmacht in Kiew und den "Repräsentanten" im Südosten des Landes zu ermöglichen, hieß es aus Moskau. Die Gespräche sollten unter Führung der OSZE geführt werden. In einem weiteren Telefongespräch mit US-Außenminister John Kerry forderte Lawrow zudem die USA auf, "das Regime in Kiew zu zwingen", den Militäreinsatz in der Ostukraine zu stoppen. Die ukrainische Regierung führe einen "Krieg gegen das eigene Volk". Kiew setzt "Anti-Terror-Einsatz" fort: Mit Kampfhubschraubern und gepanzerten Fahrzeugen gehen ukrainische Sicherheitskräfte bei ihrem "Anti-Terror-Einsatz" gegen prorussische Separatisten vor. In der Großstadt Lugansk im Osten des Landes starb bei Schusswechseln laut dem ukrainischen Innenministerium mindestens ein Aktivist, zwei weitere wurden verletzt. In Mariupol begannen die Regierungseinheiten mit dem Sturm auf ein besetztes Verwaltungsgebäude. In Konstantinowka wurden mehrere Angehörige der Sicherheitskräfte beim Kampf um einen wichtigen Fernsehturm verletzt. "Die Terroristen verwenden schwere Waffen. Aber wir halten die Stellung", teilte Innenminister Arsen Awakow mit. Aus Kramatorsk und aus Slawjansk wurden vereinzelte Schüsse gemeldet. Die ukrainische Armee hat ihre Präsenz in Slawjansk am Sonntag noch einmal verstärkt. Soldaten mit sieben gepanzerten Fahrzeugen errichteten außerhalb der 160 000-Einwohner-Stadt einen Kontrollposten auf der Hauptverbindungsstraße in die Regionalmetropole Donezk, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet. "Die Stadt ist vollkommen umstellt", sagte die Rebellen-Sprecherin Stella Choroschewa der AFP. In Slawjansk hatte es bereits in den vergangenen Tagen schwere Kämpfe gegeben. Bei den Zusammenstößen seien mindestens sechs Menschen umgekommen, heißt es aus Kiew. Nach Angaben von moskautreuen Aktivisten hätten ukrainische Soldaten 15 Menschen getötet, darunter elf Zivilisten. Von der Leyen verteidigt heikle Mission: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen widerspricht dem Vorwurf, die OSZE-Militärbeobachter, die sich eine Woche in der Gewalt prorussischer Separatisten im Osten der Ukraine befunden hatten, seien in einer viel zu gefährlichen Mission unterwegs gewesen. "Die Entführung der Inspektoren ist ja der Anfang der Eskalation in der Region gewesen", sagt die Ministerin im ZDF. CSU-Vizechef Peter Gauweiler hatte zuvor den Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Zivilkleidung kritisiert. Die sieben OSZE-Militärbeobachter sind derweil wohlbehalten in Berlin-Tegel gelandet. Sie waren am Samstag freigelassen worden, nachdem sich Wladimir Lukin, Sondergesandter des russischen Präsidenten Wladmir Putin, und Thorbjørn Jagland, Generalsekretär des Europarates, in die Verhandlungen eingeschaltet hatten. (Mehr zu ihrer Rolle in diesem Artikel von Cathrin Kahlweit.) Auch die fünf ukrainischen Soldaten, die die OSZE-Beobachter bei ihrer Mission begleitet hatten, sind wieder frei. Außerdem kündigt von der Leyen an, die von der Bundeswehr geführte Mission nachträglich überprüfen lassen zu wollen. "Wir werden sicherlich die Situation - diese spezifische - nochmal analysieren müssen", sagt die Ministerin in der ZDF-Sendung "Berlin direkt" und ergänzt: "Vor allem müssen wir uns die Frage stellen, wie man stärker darauf pochen kann, dass das Gastland die Sicherheitsgarantien auch umsetzen kann." OSZE-Militärbeobachter im Interview: Der Leiter der befreiten OSZE-Inspektoren, der deutsche Oberst Axel Schneider, hat sich erleichtert über das Ende der Geiselnahme in der Ostukraine geäußert. "Von uns fällt im Moment ein beträchtlicher Druck", sagte Schneider noch in Kiew. "Die Anspannung war enorm", berichtete er in einem vom Bundesverteidigungsministerium verbreiteten Audiomitschnitt. "Wir sind sehr froh, sehr glücklich, aber auch beträchtlich erschöpft." Schneider sagte weiter, in den vergangenen Tagen habe es für das OSZE-Team eine "ständig steigende Bedrohung" gegeben. Nach Beginn der Offensive von Regierungseinheiten gegen die prorussischen Separatisten "kam sprichwörtlich das Feuer von Handwaffen und von Artillerie immer näher. Und wir waren hier zur Untätigkeit verurteilt". Der Zusammenhalt im OSZE-Team sei "ausgesprochen diszipliniert" gewesen. "Das hat uns durch die Tage gebracht." Linktipps:
https://www.sueddeutsche.de/sport/verletzter-diskuswerfer-harting-klammert-sich-an-kleine-wm-hoffnungen-1.2126881
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Bis März kann er nicht trainieren, trotzdem will Robert Harting um eine Teilnahme an der Leichtathletik-WM 2015 kämpfen. Die US-Basketballer überrennen auch Litauen. Deutschlands Volleyballer sind bei der WM kaum zu schlagen.
Leichtathletik, Diskus: Diskus-Olympiasieger Robert Harting kämpft nach einem Riss des vorderen Kreuzbandes und des Innenbandes im linken Knie um die Teilnahme an der WM 2015 in Peking. "Es wird sehr schwer, aber ich werde nichts unversucht lassen. Spätestens Mitte November fängt eigentlich die Vorbereitung an. Das fehlt mir natürlich. Momentan versuche ich aber erst einmal, einen guten Plan für die Reha zu erarbeiten", sagte Harting im exklusiven Telefon-Interview mit dem Sport-Nachrichtensender Sky Sport News HD: "Ich habe schon zwei Knie-Operationen hinter mir. Die Reha ist sehr wichtig und macht mindestens 50 Prozent des Erfolges aus. Ich muss sehr sorgsam sein, sehr genau arbeiten und brauche ein bisschen Geduld." In der Zwischenzeit wird der 29 Jahre alte Berliner, der am vergangenen Freitag das Diamond-League-Finale in Brüssel gewonnen hatte, sein Studim beenden: "Die Bundeswehr erlaubt mir, dass ich studieren darf. Ich bin in den letzten Zügen und gehe nun in den Endspurt. Am Dienstag werde ich meine Bachelor-Arbeit abgeben und habe dann fünf Jahre Studium hinter mir." Tennis, Davis Cup: Richard Gasquet hat Frankreich im Davis-Cup-Halbfinale gegen Tschechien im Stade Roland Garros in Paris mit 1:0 in Führung gebracht. Der 28-Jährige gewann das Auftakteinzel gegen Tomas Berdych mit 6:3, 6:2, 6:3. Das zweite Match bestreiten Jo-Wilfried Tsonga und Lukas Rosol. Gasquet rechtfertigte mit seinem Sieg das Vertrauen von Teamchef Arnaud Clement. Der frühere Tourprofi hatte ihm überraschend den Vorzug vor US-Open-Viertelfinalist Gael Monfils gegeben. Begründet hatte Clement seine Entscheidung damit, dass Gasquet sich bereits seit einiger Zeit auf Sand vorbereitet habe, während Monfils nach seiner Rückkehr aus New York gerade mal zwei Tage mit der Mannschaft trainieren konnte. Bundesliga, HSV: Der Hamburger SV muss im Spiel bei Hannover 96 am Sonntag auf Kapitän Rafael van der Vaart wegen einer Wadenverletzung verzichten. "Schade, dass er nicht dabei sein kann. Er hat gezeigt, dass er auf einem sehr guten Weg ist", sagte Trainer Mirko Slomka am Freitag. Es handele sich um eine neue Verletzung. Ein Problem an anderer Stelle derselben Wade hatte ihn vor Monaten um einen WM-Einsatz im niederländischen Team gebracht. Wie lange van der Vaart pausieren muss, ist unklar. Zudem klagte Ivo Ilicevic über Probleme. "Das müssen wir genau untersuchen", sagte Slomka, der am Freitag seinen 47. Geburtstag beging. Basketball, WM: Die Titelfavoriten aus den USA haben das Endspiel der Basketball-WM in Spanien erreicht. Die NBA-Spieler bezwangen im ersten Halbfinale Litauen souverän 96:68 (43:35) und treffen nun am Sonntag auf den Sieger der Begegnung zwischen Frankreich und Serbien, die sich am Freitag (22.00 Uhr) in Madrid gegenüberstehen. Die Franzosen hatten in der Runde der letzten Acht Gastgeber Spanien ausgeschaltet. Bester Werfer bei Titelverteidiger USA war Kyrie Irving von den Cleveland Cavaliers mit 18 Punkten, bei den Balten kamen NBA-Legionär Jonas Valanciunas von den Toronto Raptors und Mindaugas Kuzminkas von Unicaja Malaga auf jeweils 15 Zähler. Im Palau Sant Jordi traten sich die Amerikaner zunächst schwer und konnten sich erst spät im ersten Viertel (21:16) etwas absetzen. Auch zur Halbzeit lagen die Litauer, WM-Dritter von 2010, gegen den viermaligen Weltmeister noch in Schlagdistanz und mit acht Punkten zurück. Erst im dritten Viertel machte das US-Team dann ernst, legte einen vorentscheidenden 33:11-Zwischenspurt hin und sorgte damit für klare Verhältnisse. In der Schlussphase konnten die Amerikaner dann einen Gang zurückschalten, verwalteten den Vorsprung aber dennoch souverän. Volleyball, WM: Die deutschen Volleyballer haben bei der WM in Polen einen ganz großen Schritt in Richtung dritter Runde gemacht. Gegen Angstgegner Bulgarien setzte sich die Mannschaft von Bundestrainer Vital Heynen hochverdient mit 3:1 (25:16, 25:15, 23:25, 25:17) durch und feierte in Kattowitz im siebten Spiel der Titelkämpfe bereits den sechsten Sieg. Zur Qualifikation für die Runde der besten Sechs fehlt nun nur noch ein Erfolg. "Unsere Spiele gegen Bulgarien waren immer hart, und wir haben sie meist verloren. Aber heute waren wir einfach die bessere Mannschaft", sagte Georg Grozer, der einmal mehr als erfolgreichster Scorer glänzte: "Wir waren sehr fokussiert und haben sehr stark gespielt. Wir werden jetzt versuchen, uns zu erholen und dann mit Energie an die nächsten Aufgaben zu gehen." Nach zwei Begegnungen in der zweiten Gruppenphase hat die Auswahl des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV) nach einer erneut hochkonzentrierten Vorstellung zwölf Punkte auf dem Konto und kann mit breiter Brust in das Duell mit Olympiasieger und Goldfavorit Russland am Samstag (20.25 Uhr) gehen. Diskuswerfen, Robert Harting: Diskus-Olympiasieger Robert Harting hat sich kurz nach seinem letzten Saisonwettkampf einen Kreuzbandriss zugezogen. Dies gab der 29-Jährige via Facebook und Twitter bekannt. "When a world goes down - soviel gekämpft und nun das", schrieb der Berliner, der am Freitag noch beim Diamond-League-Finale in Brüssel gewonnen hatte. Harting, der sich das vordere Kreuzband und das Innenband im linken Knie gerissen hat, sagte der Bild: "Ich bin am Dienstag beim Laufen im Boden hängen geblieben und gestürzt. Ich wusste sofort, dass das Kreuzband durch sein wird. Doch ich habe mir auch sofort gesagt: 'Junge, das war noch nicht das Ende für dich.'" Dem dreimaligen Weltmeister droht nun eine halbjährige Verletzungspause. Ob Harting seinen Titel bei der WM 2015 in Peking verteidigen kann, ist damit offen. Fußball, Ali Daei: Nach der Entlassung von Trainer Ali Daei ist es in Teheran zu Fanausschreitungen gekommen. Der Vorstand von Persepolis Teheran hatte den ehemaligen Bundesligaprofi nach schwachen Leistungen des Teams beurlaubt. Der Titelaspirant belegt in Irans Fußball-Liga mit zehn Punkten Rückstand auf den Erzrivalen Esteghlal Teheran derzeit nur den enttäuschenden neunten Platz. Der frühere Spieler von Arminia Bielefeld und Bayern München warf dem Vorstand Mafiamethoden vor. Der iranische Rekord-Nationalspieler will solange Trainer bleiben, bis er eine schriftliche Erklärung für seine Entlassung bekommt. Viele der Fans des Klubs stehen auf Daeis Seite und sind gegen den neuen Trainer Hamid Derachschan. Am Donnerstag versuchten Hunderte gewaltbereiter Fans das Tor zum Trainingsplatz in Teheran aufzubrechen. Sie wollten Medienberichten zufolge das Abschlusstraining des Teams vor dem nächsten Ligaspiel am Freitag verhindern. Außerdem fordern sie eine Intervention von Präsident Hassan Ruhani zugunsten Daeis und gegen den Vorstand. Die Persepolis-Funktionäre schalteten die Polizei ein, die alle Straßen rund um den Trainingsplatz sperrte. Auch Daei selbst wurde der Zutritt zum Trainingsplatz untersagt, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Bundesliga, Borussia Dortmund: Das Comeback von Jakub Blaszczykowski beim Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund lässt weiter auf sich warten. Wie der polnische Nationalspieler am Mittwoch auf seiner Facebook-Seite bekanntgab, muss er wegen einer Muskelverletzung im Oberschenkel vier Wochen pausieren. Er hatte am Vortag das Training abgebrochen. Wie schwerwiegend die Verletzung ist, soll eine medizinische Untersuchung am Donnerstag ergeben. Der von einem Kreuzbandriss genesene Flügelspieler sollte ursprünglich in der Partie gegen den SC Freiburg am Samstag wieder zum Kader gehören. Es wäre sein erstes Pflichtspiel seit Ende Januar gewesen. Ringen, WM: Aline Focken (23) hat mit dem Gewinn der Goldmedaille bei den Ringer-Weltmeisterschaften im usbekischen Taschkent ihren größten Karriere-Erfolg gefeiert und dem Deutschen Ringer-Bund (DRB) am dritten Tag der Titelkämpfe das erste Edelmetall beschert. In der olympischen Klasse bis 69 kg setzte sich Focken (KSV Krefeld) gegen die Japanerin Sara Dosho durch. "Ich kann es noch gar nicht begreifen", sagte Focken, die sich erst in den Schlusssekunden mit dem letzten Angriff die entscheidenden Punkte zum 5:4-Sieg gesichert hatte. "Diese Goldmedaille ist das Ergebnis einer kontinuierlichen, zielstrebigen Arbeit", sagte DRB-Sportdirektor Jannis Zamanduridis. "Das ist der absolute Hammer. Für Aline ist das die Krönung nach einer extrem guten und extrem konstanten Leistung", sagte DRB-Präsident Manfred Werner dem SID: "Nach den überhaupt nicht zufriedenstellenden Leistungen im Freistil, worüber noch zu reden sein wird, fällt mir jetzt natürlich ein Stein vom Herzen." Auf dem Weg in den Endkampf hatte Focken souverän ihre drei Duelle gegen die Kasachin Elmira Syzdykowa, Diana Gonzales aus Mexiko und die Lettin Laura Skujina gewonnen. Im Limit bis 48 kg war Jaqueline Schellin (TV Mühlacker) im ersten Duell mit der Polin Iwona Matkowska chancenlos. In der Hoffnungsrunde folgte gegen Emilia Vuc (Rumänien) das Aus. Die Gewichtsklassen 55 kg und 60 kg ließ Bundestrainer Patrick Loes unbesetzt. Tennis, Québec: Fed-Cup-Spielerin Julia Görges (Bad Oldesloe/Nr. 5) hat beim WTA-Turnier in Québec/Kanada die nächste Gegnerin im Eiltempo ausgeschaltet. Die 25-Jährige setzte sich im Achtelfinale nach nur 62 Minuten mit 6:2, 6:2 gegen Melanie Oudin (USA) durch. Görges, die schon zum Auftakt ohne Satzverlust geblieben war, trifft in ihrem dritten Viertelfinale des Jahres auf Andrea Hlavackova (Tschechien) oder Ajla Tomljanovic (Kroatien). Bereits zuvor war Tatjana Maria (Bad Saulgau) in die Runde der letzten Acht eingezogen. Die 27-Jährige bezwang Madison Brengle aus den USA mit 4:6, 6:4, 6:0 und könnte nun mit einem Erfolg gegen deren Landsfrau Shelby Rogers (USA) erstmals in ein WTA-Halbfinale einziehen. Für die ehemalige Fed-Cup-Spielerin Tatjana Maria ist es die erste Viertelfinal-Teilnahme bei einem WTA-Turnier seit April 2010, damals schied sie in Marbella gegen die Spanierin Carla Suárez Navarro aus. Volleyball, WM:Die deutschen Volleyballer sind bei der WM in Polen erfolgreich in die zweite Runde gestartet. Die Mannschaft von Bundestrainer Vital Heynen bezwang am Mittwochabend in Kattowitz den Weltranglisten-19. China mit 3:0 (25:19, 25:22, 25:17) und holte damit in Gruppe F den erwarteten Pflichtsieg. Der Olympia-Fünfte zeigte gegen die unbequemen Asiaten eine konzentrierte Leistung und untermauerte damit seine Ambitionen auf eine Medaille. Auf Georg Grozer und seine Teamkollegen wartet nun am Donnerstag (20.25 Uhr) Angstgegner Bulgarien. Bei Olympia 2012 und der EM 2013 war gegen den aktuellen Weltranglisten-Achten jeweils im Viertelfinale Schluss. Handball, Bundesliga: Die Rhein-Neckar Löwen haben ihre Tabellenführung in der Handball-Bundesliga gefestigt. Nach dem 32:27 (16:15) beim VfL Gummersbach bleibt das Team von Trainer Nikolaj Jacobsen als einziges Team verlustpunktfrei. Vor 3119 Zuschauern in der Schwalbe Arena sorgten Andy Schmid (11) und Patrick Groetzki (5) am Mittwochabend für die meisten Tore der Gäste. Die besten Schützen der Oberbergischen waren Raul Santos (6) und Andreas Schröder (5). Im ersten Spiel nach dem 28:26 über den HSV Hamburg am vergangenen Wochenende mit einem Weltrekord-Besuch von über 44 000 Fans in Frankfurt taten sich die Rhein-Neckar Löwen nur in der ersten Halbzeit schwer. Nach der Pause übernahmen sie die Kontrolle und bauten ihren Vorsprung kontinuierlich aus. Der Erfolg in Gummersbach, wo die Gäste vor knapp vier Monaten trotz eines 40:35-Erfolges den Meistertitel am letzten Spieltag verspielt hatten, war der fünfte Sieg der Löwen im fünften Saisonspiel.
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Der Herrensalon ist zurück in den Innenstädten. Nirgendwo sonst können sich Männer heutzutage so schön um ihre Oberfläche kümmern - und dabei eine Reise antreten.
Wer einen Barbershop betritt, geht nicht einfach nur zum Friseur. Er will an ein viel größeres Versprechen glauben, das ihm die alten Lederstühle mit der waghalsigen Kippfunktion, die ehrwürdige Einrichtung oder die Tätowierungen des Barbiers hier geben. Es lautet: Mann sein dürfen. Für den Preis einer Rasur oder eines Haarschnitts tritt man eine Reise an, von der man vielleicht schon träumte, seit man an Opas Rasierwasser genippt hat. Die warme Baumwolle des Gesichtstuches, der pastöse Rasierschaum, die ruhigen Bewegungen der Klinge, die kühle Schärfe des Stahls, die so wenig mit dem plastikgefassten Rasierer zu Hause zu tun hat, und schließlich das herbe Brennen des Tonikums, das einen den ganzen Tag begleiten wird - das sind die markanten Annehmlichkeiten dieses Besuches. Dazu kommt das Ausgeliefertsein, das ein stilles Vertrauensverhältnis zwischen Barbier und Kunde herstellt. Geborgenheit unter Männern, gelassen gepflegt zu werden, das sind ungewohnte Erfahrungen. Aber sie fühlen sich urrichtig an, egal ob beim Traditionsbarbier in Istanbul oder bei einem seiner hippen Derivate in Berlin oder Stockholm. Und was gibt es Beruhigenderes als die Gewissheit, in einer Zeitkapsel zu sitzen, in der nie etwas anderes zelebriert wird, als die ewige Abfolge von Haare wachsen und Haare schneiden? In den 90er-Jahren hatte der deutsche Zentralverband des Friseurhandwerks aufgehört, Salons in Herren- und Damensalons einzuteilen. Damals war scheinbar zusammengewachsen, was zusammen geschnitten gehört. Heute ist der Herrensalon zurück, als Barbershop und akzeptierte Entschuldigung, wenn ein Mann sich zurückziehen und um die eigene Oberfläche kümmern möchte. Ein Lifestyle-Trend wäre das, sagt Jörg Müller, der Vorsitzende des Zentralverbandes. Aber ein gewichtiger. Schließlich würden fast 40 Prozent der deutschen Männer heute wieder Bart tragen, da sei es nur lobenswert, dass die Bartpflege auch wieder in den Mittelpunkt gerückt werde. Und nicht nur sie. Mit den Zusatzangeboten, die mit den neuen Barbieren oft einhergehen, mit Craft Beer im Kühlschrank, Rock 'n' Roll im Lautsprecher und der Option auf Maniküre, Zigarre oder selbsthergestellte Rasierseife, soll der Besuch zum gediegenen All-inclusive-Herrenpäuschen werden. Und damit noch viel weniger an den schnöden "Alles kürzer!"-Akt von früher erinnern. ‹ › Ich bin Grieche, aber in Ägypten aufgewachsen. In beiden Ländern ist es normal, dass Männer zum Barbier gehen. So wie Frauen zum Friseur. Als kleiner Junge hat mich mein Vater immer mitgenommen. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich auch immer rasiert werden wollte, obwohl ich noch gar keinen Bart hatte. Ich bin nach Athen gekommen, um Marketing und Betriebswirtschaft zu studieren. Während dieser Zeit fiel mir auf, dass immer mehr Barbershops in der Stadt geschlossen wurden. Sie konnten sich nicht gegen die großen Ladenketten behaupten. Deshalb habe ich vor acht Jahren einen Shop wiedereröffnet (Fotos links). Er heißt "1900", weil er zu dieser Zeit gegründet wurde. Einige Spiegel und Stühle stammen noch vom allerersten Besitzer. Den Rest habe ich auf Antikmärkten dazu gekauft, um das Gefühl von früher neu aufleben zu lassen. Das Handwerk dazu haben mir befreundete Barbiere beigebracht. Einige von ihnen sind mittlerweile bei mir angestellt. Das Geschäft läuft seit drei Jahren so gut , dass ich allein nicht mehr hinterherkomme. Zu uns kommen hauptsächlich Geschäftsmänner, die meisten von ihnen einmal die Woche. Sie wollen einen klassischen Kurzhaarschnitt - und immer eine Nassrasur. ‹ › Viele Männer, die zum ersten Mal zu mir kommen, fühlen sich wie beim Zahnarzt. Zumindest sagen sie das, wenn die Rückenlehne nach hinten geschoben wird. Um bei einer Rasur gründlich arbeiten zu können, gehört diese Position dazu. Ich habe das von einem türkischen Barbier aus Berlin gelernt, wo ich direkt nach meiner Friseurausbildung arbeitete. Vor zwei Jahren habe ich meinen Shop "Barber's" in Charlottenburg eröffnet. Am Anfang war ich allein, mit knapp vier bis fünf Kunden am Tag. Heute habe ich fünf Angestellte. Ich selbst kümmere mich jetzt um zehn bis zwölf Kunden am Tag. Am beliebtesten ist der "Pompadour"-Schnitt, superkurz an den Seiten mit zurückgelegtem Deckhaar. Manche lassen sich sogar einen Scheitel einrasieren, damit es noch mehr retro wirkt, wie in den Fünfzigerjahren. Neben der Rasur wird auch die Entfernung der Ohrhaare immer häufiger gebucht. In Zukunft wollen wir bei uns auch noch Maniküre und Pediküre anbieten. Die Idee des Barbershops ist ausbaufähig als ein richtiger Beautysalon für Männer, würde ich sagen. ‹ › Ich komme aus Kuba. Nach der Friseurschule habe ich mit 20 Jahren noch eine Schule für Barbiere in Havanna besucht. Massage, Hautpflege, Anatomie: Alles von der Brust aufwärts wurde dort gelehrt. 1994 bin ich mit meiner Schwester nach Schweden gekommen. Zunächst habe ich als Friseurin gearbeitet. Seit etwa zwei Jahren bin ich nun aber im Barbershop "Roy & Son". Ich mag es, in dieser Männerdomäne zu arbeiten. Es gibt weniger Klatsch und Tratsch als bei den Frauen. Die Kollegen sind mehr geradeaus. Ich schneide auch lieber Männern die Haare als Frauen. Bei den kurzen Schnitten müssen die Details stärker ausgearbeitet werden, da kommt es auf die Technik an. Weil es in Stockholm nicht so viele Barbiere gibt, sind wir eigentlich immer ausgebucht. In acht Stunden schafft man ganz genau acht Haarschnitte oder 16 Rasuren. Die meisten unserer Kunden kommen regelmäßig, sie sind sehr trendbewusst und wollen rasiert beziehungsweise gestutzt werden. Momentan sind lange Bärte angesagt. Eigentlich wissen immer alle genau, was sie wollen. Das ist auch anders als bei den Frauen. ‹ › Das erste Mal Barbier war ich mit neun Jahren, als ich im Salon meines kleinen Heimatdorfs aushalf. Als Beruf habe ich mir das später nicht ausgesucht. Es war eine Notlösung, etwas anderes brachte kurz nach dem Zweiten Weltkrieg kaum Geld ein. Seit Januar 1960 stehe ich in meinem eigenen Betrieb, "Antica Barbiera Colla". Er liegt direkt neben der Mailänder Scala. Ich habe ihn mit einem Kollegen von seinem verstorbenen Gründer übernommen, der ihn 1904 aufgemacht hatte. Ein Barbier zu sein, das bedeutet Traditionen aufrechtzuerhalten. Viele der Anwendungen haben sich über die Jahrzehnte nicht verändert, die Rasur mithilfe eines heißen Handtuchs zum Beispiel, das die Barthaare für das Messer geschmeidig macht. Oder der Schnitt "Italian Style", bei dem die Seiten raspelkurz sind und das fingerlange Deckhaar nach oben moduliert wird. Bis heute wird das am häufigsten von unseren Kunden gebucht. Noch vor vier Jahren war ich einer der letzten Barbiere in der Stadt. Mittlerweile gibt es wieder viele. Unsere Kunden haben sich nie verändert. Gentleman bleibt eben Gentleman. ‹ › Der Großteil unserer Kundschaft sind CEOs und Leute aus der Medienbranche. Männer, die maßgeschneiderte Anzüge tragen. Auch Daniel Craig und Robbie Williams saßen schon auf meinem Stuhl. Wir bieten keine gängigen Frisuren und Bartschnitte an, sondern stimmen alles auf die Wünsche der Kunden ab. Die meisten wollen ihren aktuellen Look lediglich ein wenig auffrischen. Manche kommen auch nur vorbei, um dem einen oder anderen Bekannten oder Kollegen mal wieder über den Weg laufen zu können. Diese Männer bleiben gern unter sich. Aus dem Grund haben wir im "Pankhurst" in Mayfair vor Kurzem auch eine Whiskey-Lounge eingerichtet. Meinen Beruf übe ich aus, seitdem ich 16 Jahre alt bin. Ich wollte nie etwas anderes machen, weil mich der Stil von Steve McQueen so faszinierte. Gelernt habe ich, dass alles um Kopf- und Barthaar mit einer Schere zu erledigen ist. Die Benutzung von elektrischen Rasierapparaten war früher verpönt. In den meisten der nun eröffneten Shops werden sie heute eingesetzt, um mehr Kundschaft in kürzerer Zeit abfertigen zu können. Wird geladen ...
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Eine Skitour zum höchstgelegenen Gebäude Berlins, dem Brandenburger Haus, führt in eine wilde, vereiste Landschaft - und in die braune Vergangenheit der Alpenvereins-Sektion.
Der Winter, dieser alte Taugenichts, mag heutzutage ja nur noch ein Schatten vergangener Tage sein. Doch hier, im hintersten Teil des Ötztals, kühlt er den Morgen vor dem Sonnenaufgang dann doch auf minus neuneinhalb Grad herunter. "Beim Gehen wird uns warm werden", sagt deshalb Paul Walser, aber der kann das natürlich mal so locker sagen, weil einem Bergführer aus dem nahen Obergurgl wie ihm rein kälteresistenzmäßig höchstens noch die Inuit was vormachen. Das Handy zeigt 6.23 Uhr; echte Berliner wackeln gerade eher vom Berghain oder einem anderen, richtig schönen Club nach Hause ins Bett als auf Skiern zum höchstgelegenen Gebäude Berlins. Man wäre jetzt eigentlich nur zu gerne ein echter Berliner. Paul Walser schultert also die Skier mit den Tourenfellen an der Unterseite, meint noch: "Sechseinhalb Stunden werden wir bis zur Hütte wohl brauchen." Dann läuft er die asphaltierte Straße durch den kleinen Ort Rofenhöfe oberhalb von Vent in Richtung Schnee und startet eine Skitour für sehr überzeugte Bergliebhaber - oder Masochisten. Zum Brandenburger Haus, das zwischen Gletschern in 3277 Metern Höhe auf einem Felsriegel liegt, sind es 13 Kilometer und 1500 Höhenmeter, ohne Rückweg. Wir sind an diesem Tag die einzigen Masochisten. Was hat sich Berlin bei diesem Standort bloß gedacht? Vom "elenden Dorf" zum Stützpunkt für Bergsteiger: In Vent beginnt der Aufstieg Auch wenn es sich in der Einsamkeit der Morgenstunden anders anfühlt, hat der Alpintourismus in diesem Talschluss durchaus eine gewisse Tradition. Die Rofenhöfe, auf 2015 Metern der am höchsten gelegene ständig besiedelte Weiler Österreichs, war schon im 19. Jahrhundert der Geburtsort einiger namhafter Bergführer, was dem Hauptort Vent früh den Ruf eines Bergsteigerdorfes eingebracht hat. Nur hatte die Wortwahl in dem 1834 erschienenen "Handbuch für Reisende durch die österreichische Monarchie" noch wenig mit der PR-Sprache in heutigen Werbeprospekten gemein: "Vent ist ein elendes, aus sechs Hütten bestehendes Dörfchen." Detailansicht öffnen Winter auf die harte Tour: Vom Oberen Guslarjoch aus muss ein weites Gletschermeer bis zum Brandenburger Haus überquert werden. (Foto: Dominik Prantl) Im Februar 2016 ist Vent noch immer ein Dörfchen mit 150 Einwohnern und wenigen Häusern, aber das Elend ist nicht mehr da. Dafür gibt es rund 1000 Gästebetten im Ort, dazu weitere 800 Schlafplätze in den Berghütten rund um Vent, einen großen Parkplatz und einen Sessellift, dazu eine Franz-Senn-Stub'n und einen Franz-Senn-Weg. Franz Senn ist für den Tiroler Tourismus nämlich ungefähr das, was Steve Jobs für die Computerindustrie ist: Mastermind und Übervater einer ganzen Bewegung. Der Priester Senn kam 1860 als Kurat und eine Art Entwicklungshelfer nach Vent. Sein Credo lautete, dass ein gut funktionierendes Gastgewerbe langfristig den besten Nährboden für ein sicheres Einkommen bildet. Unter dem Spitznamen Gletscherpfarrer bestieg Senn zudem jede Menge Gipfel. Und weil Senn als Seelsorger, Lehrer, Tourismuspionier und Bergführerausbilder offenbar noch nicht ausgelastet war, trieb er auch noch die Gründung des Alpenvereins im Frühjahr 1869 mit an. Noch im gleichen Jahr entstand die Berliner Sektion des Alpenvereins, und Bernd Schröder ist überzeugt: "Da wird Senn wohl sanften Druck ausgeübt haben." Schröder ist Geschäftsführer der Sektion Berlin, seit Oktober 1992 schon. Er weiß, wie vorsichtig man mit der Geschichte und Überliefertem umgehen muss, vor allem, wenn es um die Geschichte des Alpenvereins und der Berliner Hütte geht, und selbst dann, wenn man sich mit Geschichte, Alpenverein und Hütten so gut auskennt wie er. Schröder leitet seine Erzählungen gerne mit Sätzen ein wie: "Das kann man wohl genau so sagen." Oder: "Ich würde jetzt mal frech behaupten, dass . . . " Schröder würde jetzt also mal frech behaupten, dass "der Senn damals das Kapital aus den Großstädten wie eben Berlin in die Täler bringen wollte". Detailansicht öffnen Heute sind es gut 70 Höhenmeter vom Gletscher bis zur Hüttentür. Früher waren es deutlich weniger, wie die historische Postkarte zeigt. (Foto: Deutscher Alpenverein Sektion Berlin) Berlin ist aber gerade weit weg, genau 851 Straßen- und acht Tourenskikilometer; Bergführer Paul Walser meint: "Hier beginnt der Gletscher. Anseilen." Normalerweise sei das im Ötztal im Winter nicht nötig, aber dieser Winter ist nicht normal. Die Gämsen sind noch so fett wie sonst im Herbst; bis weit oberhalb von 2000 Metern schimmert der braune Untergrund durch die selten geschlossene Schneedecke. Ohne Schneefüllungen reißen die Gletscher ihre Eismäuler selbst im Hochwinter auf. Ganz langsam führt die Tour vom Gletscherrand auf 3000 Metern zum Oberen Guslarjoch auf 3361 Metern, durch eine Landschaft, die aussieht wie jene nördlich der Mauer in der Fantasy-Serie "Game of Thrones": alles nur Fels, Schnee, Eis. Als Franz Senn und Julius Scholz, Mitbegründer der DAV-Sektion Berlin, bei ihrer gemeinsamen Erstbesteigung des Fluchtkogels 1869 über dieselbe Scharte kamen, gab es das heute jenseits eines Gletschermeeres sichtbare Brandenburger Haus noch nicht. Es wurde 1909 errichtet, von der Sektion Mark Brandenburg, die sich 1899 von der Berliner Sektion abgespalten hatte. "Als offizieller Grund wurde mir immer noch erzählt, dass man sich nicht einigen konnte, ob ein Tiroler Volkstanz nun rechts- oder linksrum gedreht wurde", sagt Bernd Schröder, wobei man sich freilich fragen darf, warum sich Berliner Bergkameraden überhaupt die Meinungshoheit über Tiroler Volkstänze anmaßten. Der wahre Grund war aber sowieso ein anderer und zeigt die Schizophrenie jener Menschen, die in vorauseilendem Gehorsam eine Trennlinie zwischen Rassen zogen und nur wenige Zeilen später gerne von der Freiheit in den Bergen schwärmten. In der Festschrift anlässlich ihres 25-jährigen Bestehens rückten die Brandenburger nämlich mit der Wahrheit heraus. Ziel sei damals die Gründung einer Sektion gewesen, "die nur deutsche Volksgenossen aufnahm". Die Berliner Sektion habe wiederum einen "nicht unerheblichen Prozentsatz semitischer Mitglieder" gezählt. Oder anders: Lange bevor Hitler und die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei überhaupt an die Macht kam, gaben im Alpenverein mancherorts schon Nazis den Ton vor. Und die Abteilung Mark Brandenburg, die in den Zwanzigerjahren die Muttersektion Berlin mit 3000 Mitgliedern überflügelte, war das Nazi-Sammelbecken schlechthin. Detailansicht öffnen "Die Brandenburger gingen richtig auf Einkaufstour", sagt Schröder. Unter anderem erwarben sie in den Ötztaler Alpen 470 Hektar nutzloses Land zwischen Almen und Gletschern, "nicht zusammenhängend, mit lächerlicher Grundsteuer, weil als Ödland eingestuft", so Schröder. Sie kauften das Hochjochhospiz, die Weißkugelhütte, und die alte Samoarhütte kauften sie auch gleich noch dazu. Weil Letztere bald zu klein wurde, planten sie noch vor dem Zweiten Weltkrieg einen Ersatzbau mit dem Namen Hermann-Göring-Haus. Und als der Bau des Brandenburger Hauses, ein bis heute im Kern unveränderter dreistöckiger Steinklotz mit kleinen Fenstern, 1905 ins Stocken geriet, hieß es, man müsse die Kräfte im Kampf mit den Naturelementen stählen, denn sie dienten "vornehmlich dem Vaterland als Stärkung seiner Volkskraft". Schröder sagt: "Das war schon ideologiebehaftet." Paul Walser meint: "Die letzten Meter ziehen wir die Ski besser aus." Er muss es wissen, denn er war hier von 2006 bis 2008 selbst Hüttenwirt. Durch Blockgestein geht es vom Kesselwandferner in Skischuhen und dünner Luft bergauf, mehr stolpernd als steigend, rund 70 Höhenmeter. Auf alten Gemälden wirkt der Abstand vom Gletscher zum Haus noch wesentlich geringer, denn auch der Kesselwandferner ist geschrumpft. "In dem Moment, wenn Sie durch die Tür treten, sind Sie in Berlin", hat Schröder gesagt. Hinter der ersten Türe liegt - ein gewaltiger Haufen Schnee. Die Hütte ist nur knapp drei Monate im Sommer bewirtschaftet, den Rest des Jahres hat nur der Winterraum geöffnet. Beim Anfeuern des Ofens zieht der Rauch nicht richtig ab, schon bald riecht es wie in einer Speckkammer. "Es gibt bessere Winterräume. Aber auch schlechtere", meint Walser. Auf den acht Matratzen des Lagers stapeln sich mehrere Decken, im Regal stehen Trinktassen mit rosa Elefantenhintern, daneben liegen Sonnenmilch, Bepanthen und Zeitschriften wie Der Rennwagen, Jahrgang 2000. Der letzte Eintrag im Hüttenbuch datiert vom 2. Januar. An der Wand hängen Bilder von den sechs Hütten der Berliner Alpenvereins-Sektion. Drei davon stehen in den Ötztaler Alpen. Zum Zähneputzen gibt es keinen schöneren Platz als den Waschraum hier oben 1956 fielen das Brandenburger Haus wie auch das Hochjochhospiz und die Martin-Busch-Hütte an die neu gegründete Sektion Berlin, der gemeinhin ein sensibler Umgang mit dem schwierigen Erbe attestiert wird. Nur manchmal, wenn man genau hinsieht, schimmert die braune Vergangenheit noch immer durch. Der teilweise drahtseilgesicherte Weg vom Hochjochhospiz durch die Rofenschlucht, für den Paul Walser beim Abstieg wieder die Tourenfelle aufzieht, wurde erst im Jahr 2003 in Cyprian-Granbichler-Weg umbenannt. Bis dahin trug er den Namen von Waldemar Titzenthaler, dem völkisch gesinnten Vorsitzenden der Sektion Mark Brandenburg. Dessen Urne wurde nach seinem Tod 1937 in einer Felsnische am Anfang der Rofenschlucht beigesetzt; die darüber liegende Bronzetafel enthält den Satz: "Ein Kämpfer für das Deutschtum." Erst vor eineinhalb Jahren brachten der Deutsche und der Österreichische Alpenverein auf Anregung der Berliner Sektion eine kommentierende Tafel dazu an. Reiseinfo Anreise: Von der Inntalautobahn ins Ötztal und bis zu den Rofenhöfen bei Vent fahren. Wegen Parkmöglichkeiten (Gebühr) am besten beim Berggasthaus Rofenhof fragen, Tel.: 00 43/52 54/81 03, www.rofenhof.at Unterkünfte: Das Brandenburger Haus (3277 m) hat nur in den Sommermonaten geöffnet, ansonsten steht der Winterraum offen, www.dav-berlin.de. Bergführer: Alpincenter Obergurgl, Paul Walser, Tel.: 00 43/664/88 67 56 93, alpincenter-obergurgl.com, [email protected] Schröder mag die Gegend trotz der schwierigen Vergangenheit gerne, und besonders gerne mag er das Brandenburger Haus. Da kann es wegen der kurzen Öffnungszeiten und der hochalpinen Lage noch so viele Subventionen fressen. "Als höchstes Haus des Deutschen Alpenvereins ist es schon ein Objekt des Stolzes", sagt Schröder. Er wird im Sommer zwei Wochen lang hier sein und freut sich schon aufs Zähneputzen: "Wenn man im Waschraum steht und nach draußen blickt, gibt es dafür keinen schöneren Platz." Paul Walser hat dagegen erst einmal genug vom Brandenburger Haus, nachdem selbst die Abfahrt die meiste Zeit nur ein Abstieg auf Skiern war. "Mir reicht's", sagt er - und wird dennoch zurückkehren.
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Auf Marshmallow und Nougat folgt Oreo. Spannender als der Name sind die neuen Funktionen. Insbesondere "Project Treble" könnte entscheidend für die Zukunft von Googles Betriebssystem sein.
Android ist eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Android hat aber auch ein gewaltiges Problem. Drei Zahlen reichen, um das Dilemma des mobilen Betriebssystems auf den Punkt zu bringen. Sie lauten: 86. 86,5. 87. 86 Prozent beträgt der weltweite Marktanteil von Android. Es ist das mit Abstand am weitesten verbreitete Betriebssystem für Smartphones und Tablets. 86,5 Prozent stehen für den Anteil der Android-Nutzer, die Geräte mit veralteten Versionen verwenden. Anders ausgedrückt: Lediglich 13,5 Prozent von ihnen haben das Upgrade auf Android 7 ("Nougat") erhalten. 87 Prozent sind dagegen das Traumergebnis des einzigen verbleibenden Konkurrenten iOS: So viele der Apple-Kunden nutzen bereits die neueste iOS-Version 10. Am ersten Wert will Google selbstverständlich nichts ändern. Android soll seine marktbeherrschende Stellung halten. Am Verhalten der Apple-Nutzer kann Google nichts ändern. Was sich dagegen dringend ändern muss: die Upgrade-Rate des eigenen Betriebssystems. Das soll die neueste Android-Version schaffen, die Google am Montagabend vorgestellt hat. Mit Project Treble versucht Google, das Problem der unzähligen Android-Geräte und den jeweiligen Software-Anpassungen der Hersteller in den Griff zu bekommen. Es ist die wohl ambitionierteste Neuerung, die Googles nächstes mobiles Betriebssystem bringt. Das Projekt ändert zwar nichts an der Fragmentierung der Android-Welt, könnte aber deren negative Folgen abmildern. Google will es Herstellern erleichtern, Updates schneller anzubieten. Während Apple immer nur wenige iPhone- und iPad-Modelle im Blick behalten muss, gibt es Zehntausende unterschiedliche Android-Geräte von Tausenden Herstellern, die das Betriebssystem jeweils nach Lust und Laune verändern. Optimieren, wie sie es selbst nennen, verschlimmbessern, wie es viele Nutzer nennen. Alle wichtigen Fakten zur neuen Android-Version im Überblick: O steht für Oreo Google benennt alle Android-Versionen in alphabetischer Reihenfolge. Nach Lollipop, Marshmallow und Nougat musste dieses Jahr eine Süßigkeit gefunden werden, die mit dem Buchstaben O beginnt. Von Anfang an galt Oreo als Favorit, ein Großteil der Nutzer wünschte sich die Bezeichnung, und kurz vor der offiziellen Präsentation veröffentliche Google ein (schnell wieder gelöschtes) Video mit vielsagendem Name: "GoogleOreo_Teaser_0817_noDroids (1).mp4". Das war keine falsche Fährte, sondern ein versehentlicher Leak. Android 8 wird nach dem schwarz-weißen, gefüllten Doppelkeks benannt - eine Enttäuschung für Oatmeal- und Orangina-Fans, ein netter Werbegag für den US-Konzern Nabisco, und für die meisten Nutzer vollkommen egal. Project Treble soll das Update-Problem lösen Mit der Initiative verhält es sich genau umgedreht wie beim Rätselraten um den finalen Namen: Sie erfährt kaum öffentliche Aufmerksamkeit, ist mittelfristig aber entscheidend für die Zukunft des gesamten Android-Projekts. Es lässt sich streiten, wie sinnvoll es ist, dass viele Hersteller unbedingt eigene Funktionen implementieren und das eigentlich recht schicke Material-Design des nackten Androids mit knalligen Farben und fragwürdigen Icons verunstalten wollen. Fest steht jedenfalls: Am Ende leiden die Nutzer, denn viele der Geräte erhalten Updates wegen der nötigen Software-Anpassungen gar nicht oder nur mit großer Verspätung. Wenn Google Android lediglich praktische Verbesserungen spendiert, ist das für Nutzer, denen sie vorenthalten werden, ärgerlich. Wenn Google kritische Sicherheitslücken stopft, ist es gefährlich. Vereinfacht gesagt bietet Project Treble eine Schnittstelle, die es Geräte-Herstellern wie Samsung, Sony und Lenovo ermöglicht, einen Großteil des neuen Codes ohne grundlegende Anpassungen zu übernehmen. In der Theorie sollte es damit einfacher und günstiger werden, Googles monatliche Sicherheitsupdates schnell an Nutzer zu verteilen. (Ausführlicher und technischer haben es die Kollegen von Golem.de erklärt.) Smartphones starten schneller und halten länger durch Googles Entwickler haben den Code verbessert, sodass Geräte nun deutlich schneller booten. Auf einem Google Pixel mit einer Betaversion von Android O hat sich die Startzeit beinahe halbiert. Generell hat sich die Performance verbessert, Verzögerungen beim Aufrufen von Apps treten seltener auf. Dafür erhöht sich die Laufzeit des Smartphones spürbar, da das Betriebssystem Hintergrundprozesse frühzeitig beendet, damit diese nicht unbemerkt den Akku leersaugen. Am Design ändert sich nur wenig Das Material-Design hat sich bewährt und wirkt nach wie vor modern. Google sieht zurecht wenig Anlass, am minimalistischen Gestaltungsstil mit seinen farbigen Flächen und zurückhaltenden Tiefeneffekte zu rütteln. Oreo ähnelt optisch seinem Vorgänger, die wenigen Änderungen sind aber nützlich. App-Icons erhalten sogenannte Notification Dots. Nutzer können dann bereits am Symbol auf dem Startbildschirm sehen, ob sie neue E-Mails oder Facebook-Benachrichtigungen haben. Im Gegensatz zu iOS blendet Android aber nur Punkte ein und informiert nicht über die genaue Zahl - ein Homescreen, der bereits auf den ersten Blick von Tausenden ungelesenen E-Mails zeugt, bleibt Android-Nutzern also vorerst erspart. Detailansicht öffnen Links das überarbeitete Einstellungs-Menü, rechts die neu gestalteten Schnelleinstellungen. (Foto: SZ.de) Außerdem wurde das Einstellungsmenü überarbeitet. Die Kategorien für die einzelnen Optionen erscheinen logischer, das Design aufgeräumter. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase fällt es leichter, bestimmte Einstellungen zu finden. Die Quick Settings, die erscheinen, wenn man vom oberen Bildschirmrand nach unten wischt, sind nun monochrom schwarz auf grau und wirken dadurch übersichtlicher. Ganz und gar nicht monochrom sind dagegen die neuen Emojis. Google verabschiedet sich von den eigenwilligen Blobs und kehrt zur klassischen, runden Form zurück. Benachrichtigungen lassen sich auf später verschieben Die Snooze-Funktion des Weckers kennt jeder. Mit Android Oreo können Nutzer auch Benachrichtigungen zurückstellen. Statt Wisch-und-weg heißt es jetzt: Schieb-und-später. Nach einem sanften Schubser zur Seite öffnet sich ein Menü, um die Einblendung in einem selbstgewählten Zeitraum von 15 Minuten bis zwei Stunden erneut anzuzeigen. Das kann praktisch sein, wenn man gerade keine Zeit hat, auf eine wichtige E-Mail zu reagieren, die Antwort aber keinesfalls vergessen möchte. Detailansicht öffnen Wer Benachrichtigungen sanft zur Seite wischt, kann sie "snoozen". (Foto: SZ.de) Eine weitere nützliche Funktion sind die sogenannten Notification Channels. Bislang konnten Nutzer nur auf App-Ebene entscheiden, ob die Apps Benachrichtigungen anzeigen dürfen, ob das Smartphone klingelt und vibriert und in welchem Zeitraum der "Bitte nicht stören"-Modus aktiv ist. In Zukunft erhalten App-Entwickler - und in der Folge auch Nutzer - mehr Kontrolle. So wäre es etwa möglich, Whatsapp nur bei neuen Nachrichten in der Familien-Chatgruppe Alarm schlagen zu lassen und alle anderen Benachrichtigungen auszublenden. Multitasker können während des Arbeitens parallel Videos schauen Android Nougat brachte einen Split-Screen-Modus, bei dem zwei Apps nebeneinander auf dem Bildschirm angeordnet werden können. Android Oreo optimiert diese Funktion für Videos. Nutzer können dann beispielsweise Youtube-Clips oder Whatsapp-Videochats in einer Ecke des Displays fixieren, während sie im Hintergrund eine andere App geöffnet haben. Endlich lohnen sich hochwertige Bluetooth-Kopfhörer Zugegeben: Es mag eine Neuerung sein, die nur wenige Nutzer herbeigesehnt haben, und die kaum jemand bemerken wird. Wer es aber tut, freut sich dann aber wirklich. Android Oreo unterstützt endlich hochauflösende Bluetooth-Codecs, darunter Sonys LDAC und Apt-X, dessen Lizenzrechte beim Chiphersteller Qualcomm liegen. Wenn Smartphone und Kopfhörer den entsprechenden Standard unterstützen, können Audiodateien in deutlich besserer Qualität übertragen werden, als das beim alten SBC-Codec der Fall war. Viele Bluetooth-Kopfhörer in der Preisklasse ab etwa 100 Euro bieten diese Möglichkeit, auch die meisten Smartphone Hersteller statten ihre Spitzenmodelle mit Apt-X-Unterstützung aus. Die Kompression der gestreamten Musik ist nur einer von vielen Faktoren für guten Klang, und ein Bluetooth Kopfhörer wird auf absehbare Zeit schlechter klingen als ein Kopfhörer mit Kabeln, der ähnlich viel kostet. Dennoch können sich Nutzer freuen, die bereits Apt-X-fähige Hardware besitzen und durch ein simples Software-Update bessere Tonqualität bekommen. Fazit Google erfindet Android nicht neu, das ist aber auch gar nicht nötig. Die Entwickler haben die Leistung und die Akkulaufzeit verbessert, die Designer wenige, aber sinnvolle Änderungen vorgenommen. Nach mehreren Monaten mit der Beta-Version von Android Oreo lässt sich eindeutig sagen: Das neueste Android ist auch das Beste. Die große Frage bleibt aber, ob und wann die Hersteller das Upgrade anbieten. Während Googles Nexus- und Pixel-Smartphones im Laufe der nächsten Tage mit Android Oreo ausgestattet werden sollen, kann das bei den Spitzenmodellen von Samsung, LG, Motorola, Sony und Co. locker bis Ende des Jahres dauern. Mittelklassegeräte bleiben vermutlich gänzlich außen vor. Umso wichtiger ist Project Treble. Falls es Google damit gelingt, dass Hersteller ihre fahrlässige Update-Praxis überdenken und sowohl Sicherheitsupdates als auch Funktionsupgrades schneller umsetzen, wäre das der wichtigste Erfolg der vergangenen Jahre. Wenn im kommenden Jahr Android P ansteht, reicht ein Blick auf die Verbreitung von Android Oreo, um Googles Bemühungen zu beurteilen: Es gilt, die 13,5 Prozent von Android Nougat zu schlagen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/handel-warum-die-quelle-versiegte-1.3488249
mlsum-de-9911
Vor 40 Jahren starb Gustav Schickedanz. Er hat den Versandhandel revolutioniert - die Fortsetzung dieses Wirtschaftswunder-Erfolgs aber ist den Erben nicht gelungen.
Jetzt ist es also endgültig vorbei. 90 Jahre nachdem Gustav Schickedanz eines der größten und bekanntesten deutschen Unternehmen aus der Taufe gehoben hatte, einigte sich seine älteste Tochter Madeleine mit rund einem Dutzend vormaliger Geschäftspartner auf einen außergerichtlichen Vergleich. Von einem milliardenschweren Imperium blieb am Ende ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag. Der Grundstein für dieses Imperium war in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts gelegt worden. Anfang 1923 hatte der damals 28-jährige Gustav Schickedanz in seiner Heimatstadt Fürth einen "Großhandel mit Kurzwaren" ins Leben gerufen, im November 1927 gefolgt von einem Versandhaus, das in den kommenden Jahrzehnten unter dem Namen "Quelle" in der ganzen Bundesrepublik und darüber hinaus bekannt wurde. In den Dreißigerjahren erweiterte der Unternehmer das Handelsgeschäft um eine Reihe von Industriebetrieben, nach dem Zweiten Weltkrieg kamen schließlich die Kaufhäuser hinzu. Am Ende noch ein Rekord: die größte Unternehmenspleite der Bundesrepublik Als Gustav Schickedanz im April 1977 starb, hinterließ er eine Unternehmensgruppe, die rund 8,3 Milliarden D-Mark umsetzte, davon etwa 750 Millionen im Ausland. Mehr als 43 000 Menschen waren bei Schickedanz in Lohn und Brot, die allermeisten in der Handelsgruppe, die es auf einen Umsatz von gut 7,3 Milliarden D-Mark brachte. Mit jährlich fast 25 Millionen Päckchen und Paketen war die Quelle der größte Einzelkunde der Bundespost. In der vor-digitalen Welt war das eine kaum vorstellbare Dimension. Jeder zweite Haushalt in der Bundesrepublik bezeichnete sich als Quelle-Kunde. Der rund 930 Seiten starke Jubiläumskatalog 1977 mit seinen 80 000 Artikeln erreichte eine Auflage von mehr als 7,5 Millionen Exemplaren und war damit das auflagenstärkste Druckwerk in deutscher Sprache. Selbst in der Todesstunde stellte das einstmals größte Versandhaus Europas noch einen Rekord auf: Es war die größte Unternehmenspleite in der Geschichte der Bundesrepublik. Als der Handelskonzern, der seit Juli 2007 als "Arcandor" firmierte, am 9. Juni 2009 den Antrag auf Eröffnung eines Planinsolvenzverfahrens stellte, meldeten nicht weniger als 39 Einzelgesellschaften Insolvenz an; die Liste der Gläubiger umfasste circa 50 000 - in insgesamt 37 Verfahren; die Summe ihrer Forderungen lag bei rund 19 Milliarden Euro. Der Ausverkauf, der Ende Oktober dort mit fast 4300 Mitarbeitern begann, war der größte im deutschen Einzelhandel. Detailansicht öffnen Quelle-Callcenter in Berlin wenige Jahre vor der Insolvenz. (Foto: SZ Photo) Das Debakel hatte viele Ursachen. Zu ihnen gehörte, dass die Nachfolger nie aus dem Schatten des Unternehmensgründers herausgetreten sind. Auch nicht Grete Schickedanz, seine Witwe und Nachfolgerin, die 1927 als Lehrmädchen in den Großhandel ihres späteren Mannes eingetreten war und nach dessen Tod nicht nur die operative Führung, sondern auch die Aufsicht über das Imperium übernahm. Als sie 1994 starb, hatte das Lebenswerk des Gustav Schickedanz seine Glanzzeit hinter sich, wenn das auch für die meisten Außenstehenden noch nicht erkennbar war. Kurz vor ihrem Tod stimmte Grete Schickedanz noch dem Verkauf der Quelle-Warenhäuser und der Industriegruppe zu. Beim Abschied von den produzierenden Betrieben blieb es. Bei den Warenhäusern hingegen entschieden sich die Nachfolger wenig später, im Sommer 1997, zum schrittweisen Einstieg bei Karstadt und verloren dabei innerhalb weniger Jahre zusehends ihre unternehmerische Selbständigkeit: Am 1. Januar 2001 trat der Gewinnabführungsvertrag mit der Karstadt-Quelle AG in Kraft, wie das neue Unternehmen bis zu seiner Umbenennung in Arcandor AG hieß. Für die Rückkehr ins Warenhausgeschäft gab es durchaus einige gute Gründe. Denn mit dem Einstieg bei Karstadt verfügten die zu diesem Zeitpunkt drei Gesellschafter aus dem Kreis der Familie Schickedanz erstmals über bewegliches, an der Börse realisierbares Vermögen, konnten darüber selbständig entscheiden und für den Fall, dass einmal keine Einigung über die Ausrichtung des Konzerns mehr möglich sein sollte, getrennt ihrer Wege gehen. Als der Fall schneller als erwartet eintrat, verabschiedeten sich zwei von ihrem Engagement bei Karstadt und kappten damit zugleich die Verbindung zur Quelle. Es waren die Kinder von Louise Dedi, der älteren Tochter von Gustav Schickedanz und seiner ersten Ehefrau Anna, die 1929 bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Detailansicht öffnen Die Geschichte von Quelle ist auch die der Wirtschaftswunderzeit: moderne elektronische Datenverarbeitung in Nürnberg 1960. (Foto: SZ Photo) Die dritte Gesellschafterin blieb nicht nur bei ihrem Engagement, sondern griff dem inzwischen strauchelnden Konzern durch den Zukauf weiterer, kreditfinanzierter Arcandor-Aktien unter die Arme. Madeleine Schickedanz ist das einzige Kind aus der Ehe von Gustav und Grete Schickedanz, und auf ihren Schultern ruhte nach dem Tod der Mutter das Gewicht des Unternehmens und eines großen Namens. Die Verpflichtung und Loyalität gegenüber diesem Namen waren es auch, die Madeleine Schickedanz bis zuletzt und ohne Wenn und Aber zum Lebenswerk der Eltern stehen ließen. Dass sie schließlich fast alles verlor, gehört zu den tragischen Kapiteln dieser Geschichte. Zu ihr gehört allerdings auch, dass Madeleine Schickedanz seit Mitte der 1990er-Jahre offenkundig auf die falschen Leute setzte. Eben weil die Tochter zweier überragender Unternehmerpersönlichkeiten klug genug war, sich vom operativen Geschäft fernzuhalten, wog diese Entscheidung besonders schwer. Das Versagen, die Überheblichkeit und die Selbstgefälligkeit, wohl auch die Gier jener Manager, die seit dem Tod von Grete Schickedanz an der Spitze von Karstadt-Quelle beziehungsweise Arcandor standen, trugen maßgeblich zum Kollaps des Konzerns und zum Untergang der Quelle bei. Detailansicht öffnen Claudia Schiffer mit und auf dem Quelle-Katalog 2003. (Foto: dpa) Was blieb, war der Name. Ein Name mit Strahlkraft, auch Jahrzehnte nach dem Tod des Namensgebers. Dass sich am Ende der Konkurrent Otto aus der Konkursmasse die Rechte an der Marke Quelle sicherte, war mehr als eine Fußnote der Geschichte. Und es war ein Beleg, dass man in dem raschen Wandlungen unterworfenen Handelsgeschäft auch fast alles richtig machen kann. So zeigte Werner Otto, der Gründer des Unternehmens, dass man sich nicht wie Gustav Schickedanz bis zuletzt an die Führungsposition im Unternehmen klammern muss, um es in der Erfolgsspur zu halten, im Gegenteil: Nach Ottos Rückzug aus dem aktiven Geschäft wurde 1966 ein familienfremder Manager zum Vorstandschef berufen. Sohn Michael musste erst zeigen, was in ihm steckte, bis ihm Anfang März 1981 der Vorsitz übertragen wurde. Kaum in der neuen Position, wagte der nicht einmal 40-jährige Michael Otto den Sprung über den Atlantik und erwarb Anfang 1982 als erster europäischer Versender ein amerikanisches Unternehmen. Den Mut hatte die deutlich ältere Grete Schickedanz nicht, obgleich es mehrere Gelegenheiten gab. Gewiss, als es seit den ausgehenden Fünfzigerjahren darum gegangen war, in fremden Ländern Verkaufs- und dann auch - beginnend mit Hongkong - Einkaufsagenturen zu gründen, war Grete Schickedanz sogar eine der treibenden Kräfte gewesen. Aber ein weit reichendes Engagement im Ausland konnte und wollte sie nicht verantworten. Otto war 1994, dem Todesjahr von Grete Schickedanz, in 13 Ländern mit eigenständigen Auslandsgesellschaften vertreten und erwirtschaftete jenseits der deutschen Grenzen rund die Hälfte seines Umsatzes. Quelle hingegen verlor den Anschluss an die Konkurrenz. Gustav Schickedanz und Quelle waren für ihre Zeit gemacht. Und nur für diese Vergleichbares galt für den zögernden Abschied von den Warenhäusern. Hier ging der Trend zu Fachmärkten, Spezialgeschäften und zu großen Einkaufszentren, die zunächst vor allem an der Peripherie der Metropolen entstanden, bevor sie Einzug in die Innenstädte hielten und dort in unmittelbare Konkurrenz zum klassischen Kaufhaus traten. Auch hier erkannte Otto rechtzeitig die Zeichen der Zeit und verkaufte 1974 seine Warenhäuser an Horten. Anders als 2006 das Management von Arcandor veräußerte Otto allerdings nur den Vertrieb - und behielt die Immobilien. Dort errichtete er innerstädtische Gemeinschaftswarenhäuser, wie die Shopping-Center anfänglich noch hießen. Das erste übrigens 1969 ausgerechnet in Nürnberg-Langwasser, also vor der Haustür des damals noch wesentlich größeren Konkurrenten Schickedanz. Detailansicht öffnen Packzentrum im österreichischen Linz. (Foto: dpa) Nicht minder konsequent war der Gang der Ottos ins Internet. Die Hamburger begriffen, dass der traditionelle Katalog und das Internet nur schwer miteinander vereinbar sind. Der Katalogkunde verlässt sich darauf, dass der Preis der Ware während der Laufzeit des Katalogs - also bis zu einem Jahr lang - stabil bleibt. Das war eines der stärksten Argumente von Gustav Schickedanz. Der Internetkunde dagegen setzt auf den günstigen Tagespreis. Die Versuche der Quelle, diesen Angriff der Konkurrenz mit punktuellen Modernisierungsmaßnahmen wie dem begleitenden Gang ins Internet zu parieren, kamen zu spät, waren halbherzig und schon deshalb zum Scheitern verurteilt, weil der Konkurrent aus Hamburg rascher, flexibler und couragierter reagierte. So hatte Otto wie schon bei der Expansion ins Ausland und beim Abschied vom Warenhausgeschäft auch im Internet-Handel die Nase vorn - und übernahm endgültig die Rolle, die Schickedanz über Jahrzehnte gespielt hatte. Gustav Schickedanz hat den Versandhandel revolutioniert, der Konsumgesellschaft ihr Gesicht gegeben und das Bild des gleichermaßen erfolgreichen und verantwortlichen Unternehmers nachhaltig geprägt. Mit seinem Namen verbinden sich nicht nur die "einzigartige Kommunikation", die er - nach einer schönen Formulierung von Walter Henkels - über seine Kataloge "mit den Massen" geführt hat, sondern auch die diskrete, aber ungemein wirkungsvolle Art und Weise, auf die er damit den Geschmack und den Habitus seiner Landsleute weit über den Bereich der Mode hinaus geprägt hat. Nicht zuletzt aber steht der fränkische Unternehmer für die bahnbrechende Integration von Automatisierung und elektronischer Datenverarbeitung in die Handelsabläufe, die er im Vertrauen auf die Möglichkeiten wie im Wissen um die Grenzen des technisch Machbaren forciert hat. Detailansicht öffnen Gregor Schöllgen, 66, war bis 2017 Ordinarius für Geschichte in Erlangen. Als Autor von Standardwerken hatte er einen exzellenten Ruf. Sein "Zentrum für Angewandte Geschichte" ist umstritten. (Foto: Glasow/oh) Das war nicht wiederholbar, es war nicht kopierbar und es war auch nicht fortsetzbar. Es ist wohl so, dass Gustav Schickedanz und seine Quelle für ihre Zeit gemacht waren - und nur für diese. Die Zeit des Wirtschaftswunders, die Zeit der aufbrechenden Konsum- und sich dabei nivellierenden Mittelstandsgesellschaft, hat offenbar auf einen wie diesen Gustav Schickedanz und seine Quelle gewartet. Weder vorher noch nachher hätten die beiden eine vergleichbare Erfolgsgeschichte schreiben können.
https://www.sueddeutsche.de/reise/aethiopien-neu-geboren-1.3979638
mlsum-de-9912
Seit dem 17. Jahrhundert feiern orthodoxe Christen in Äthiopien das Timkat-Fest, eine Taufe des gesamten Volkes. Doch so selbstverständlich wie früher ist auch hier nichts mehr.
Das Tauffest Jesu beginnt für Tashagar Sartadengar, den alle nur Teshe nennen, früh am Morgen. Er macht sich auf den Weg: von seinem Haus in den Hügeln von Gondar, der früheren äthiopischen Königstadt, hinunter zur Piassa, dem zentralen Platz. Das Wort leitet sich vom italienischen Piazza ab - mit Schreibfehler. Ein Überbleibsel aus den 1930er-Jahren, als das faschistische Italien Äthiopien sechs Jahre lang besetzt hielt. Auch die senfgelben Steinhäuser entlang der Straßen im Zentrum sind noch aus der Besatzungszeit. Ansonsten dominieren in Gondar Holz- und Wellblechhütten. Hirten treiben ihre Ziegen durch die Straßen, Händler bringen ihre Ware auf dem Rücken von Eseln zum Markt, knorrige Männer in schlichten Umhängen lehnen auf Hirtenstäben. Denkt man sich die wenigen Autos weg, das Wirrwarr an Strom- und Funkkabeln, das die Straßen überspannt, und die Unmengen an dreirädrigen Moped-Taxis, dann wähnt man sich im Altertum. Die Piassa ist nicht viel mehr als ein Parkplatz. Sonst halten hier die Reisebusse, die Gondar mit der 730 Kilometer entfernten Hauptstadt Addis Abeba im Süden verbinden. Und mit den Grenzstädten zum Sudan im Norden. Jetzt aber ist die Piassa voller Menschen, die trommeln, tanzen, singen. Von überall strömen sie herbei, gekleidet in Weiß. Die Frauen in langen, kunstvoll bestickten Gewändern, die Männer in Kaftan und Pluderhose. Das eigentliche Tauffest, "Timkat" auf Amharisch, der Sprache Äthiopiens, beginnt erst um zwei Uhr nachmittags mit einer Prozession zum Bad des Kaisers Fasilides. Aber die Menschen tanzen sich schon jetzt gruppenweise in Stimmung: jeweils einer in der Mitte, die anderen kreisförmig um ihn herum. Ein seltsamer Tanz ist das, bei dem nur die Schultern im Rhythmus der Trommeln vor und zurück zucken. Das Timkat hat seinen Ursprung im 17. Jahrhundert. Kaiser Sissinios konvertierte unter dem Einfluss der im Land missionierenden Jesuiten zum Katholizismus und erklärte ihn zur Staatsreligion - anstelle des orthodoxen Christentums. Das führte zu Unruhen mit vielen Toten. Dadurch kam sein Sohn Fasilides an die Macht. Er verwies die Jesuiten des Landes und kehrte zur Orthodoxie zurück. Weil dadurch nach orthodoxem Glauben eine neue Taufe des gesamten Volkes erforderlich war, ließ er außerhalb von Gondar ein Bad anlegen. Seit jener Massentaufe wird das Timkat gefeiert. An jedem 19. Januar, in Schaltjahren am 20. Januar. Überall in Äthiopien. Aber in Gondar ist der historische Bezug greifbar. Und nirgends ist die Feier größer; bis zu 10 000 Teilnehmer kommen zum Timkat in die Stadt. Teshe kehrt bei Freunden ein. Adono, der Hausherr, lebt mit seiner Mutter, seiner Schwester und seinem jüngeren Bruder und dessen Familie in einem Hinterhof. Drei Häuschen gruppieren sich um einen Affenbrotbaum, dazu ein Holzverhau, der als Küche dient. Und ein fensterloses Kabuff mit Loch im Boden - die Toilette. Fließendes Wasser gibt es nicht, zwei Plastiktonnen speichern Regenwasser. Zwei der Häuschen bestehen nur aus einem Schlafraum. Das dritte hat zusätzlich ein Wohnzimmer. Dort hat sich die Familie versammelt, alle sind weiß gekleidet. Adonos Nichte Jordan kocht Kaffee. Sie röstet Bohnen in einer Pfanne, zerstampft sie dann mit einem Mörser und brüht sie in einem bauchigen Tonkrug auf. Kaffee kommt ursprünglich aus Äthiopien. Und dies ist die traditionelle Zubereitung. Dazu reicht Jordan Popcorn: "So beginnen wir jeden Tag, so bewirten wir Gäste. Und so beginnt für uns die Feier des Timkat. Wir alle lieben dieses Fest", sagt Adono. "Es bringt die ganze Familie zusammen. Wir lachen viel, wir bekommen Besuch. Alle sind glücklich. Und das heilige Wasser gibt uns Kraft. Es wäscht uns rein von Sünden." Priester tragen Kopien der Bundeslade auf dem Kopf. Das Original soll im Land sein Die Prozession beginnt. Vorneweg tanzen die jungen Leute. Hinten die Priester in ihren bunten Roben; auf dem Kopf tragen sie einen länglichen Gegenstand, der in kunstvoll verzierte Tücher gewickelt ist. "Das ist der Tabot", erklärt Teshe, eine Nachbildung der Bundeslade der Israeliten. Nach biblischer Darstellung enthielt die Bundeslade unter anderem zwei Steintafeln mit den Zehn Geboten. Eine Nachbildung der Lade schmückt den Altar jeder orthodoxen Kirche in Äthiopien - allerdings verdeckt. Der Legende zufolge hat Menelik I., der Begründer des äthiopischen Kaiserhauses, das Original um das Jahr 1000 vor Christus ins Land gebracht. Seine Mutter soll die Königin von Saba gewesen sein, die damals von Aksum aus über weite Teile Äthiopiens und Jemens herrschte, sein Vater Salomon, der weise König der Israeliten. Aufgewachsen in Aksum sei Menelik, kaum volljährig geworden, nach Jerusalem gereist, um sich von seinem Vater in der Kunst des Regierens unterrichten zu lassen. Seit seiner Rückkehr befinde sich die Lade in einer Kapelle neben der Kirche der Heiligen Maria von Zion in Aksum. Diese Geschichte ist nicht belegt. Die Königin von Saba wird zwar in der Bibel und im Koran erwähnt - ob es sich um eine historische Person handelt, ist umstritten. Es gibt im Alten Testament keine Nachricht über eine Zerstörung der Bundeslade, auch nicht im Zusammenhang des Berichts von der Plünderung des Tempels durch die Babylonier Anfang des 6. Jahrhunderts vor Christus. Das spurlose Verschwinden der Lade erlaubte die Entstehung der Legende, dass Jeremia sie in einer Höhle versteckt hatte - so steht es im zweiten Buch der Makkabäer. Ob die Bundeslade tatsächlich in Aksum aufbewahrt wird, lässt sich nicht überprüfen: Bis heute darf nur ein auf Lebenszeit zum Wächter ernannter Priester das dort aufbewahrte Kultobjekt unverhüllt sehen. Die Prozession wälzt sich aus Gondar hinaus. Adono und seine Familie sind längst im Menschengewirr verschwunden. Von überallher strömen weitere Gruppen hinzu. Ein großes, fröhliches Chaos. Unten im Tal ein Exerzierplatz, angelegt während der sozialistischen Militärdiktatur. Das Militär herrschte vom Sturz Haile Selassies im Jahr 1975 bis 1991. Er war der letzte Kaiser Äthiopiens, der sich auf die salomonische Abstammung berief. Seitdem wird Äthiopien von der Revolutionären Demokratischen Front der Äthiopischen Völker regiert, einer linken Sammelbewegung. Hinter dem Exerzierplatz ist ein von Steinmauern eingefasstes Gelände. In dessen Mitte steht ein Turm, ebenfalls von Mauern umgeben. Er ragt aus einem Tümpel hervor und ist über eine Brücke zugänglich: das Bad des Fasilides. Auch hier: Menschen über Menschen. Einer der Priester spricht ein Gebet. Dann verschwinden die Tabots im Turm. Die meisten Gläubigen machen sich auf den Heimweg. Aber ein paar Hundert tanzen und singen weiter. Wer nicht mehr kann, legt sich schlafen. Im Freien, gehüllt in weiße Tücher. Gondar liegt auf einer Höhe von 2100 Metern - nachts ist es empfindlich kühl. Auch Jordan, die Nichte Adonos, verbringt hier die Nacht. Zum ersten Mal. Sie ist stolz: "Endlich haben meine Eltern es mir erlaubt. Jetzt kann ich das Timkat so begehen, wie es unsere Tradition vorschreibt." Die Prozessionen sind bunt, laut und fröhlich - und am Ende nass Das eigentliche Tauffest beginnt mit einem Gottesdienst im Morgengrauen. Teshe wischt sich die Müdigkeit aus den Augen. Besonders gut hat er nicht geschlafen. Die Priester lesen die Messe im Turm. Man sieht sie nicht, aber man hört sie: Der Gottesdienst wird über Lautsprecher nach draußen übertragen. Immer mehr Gläubige strömen herbei. Noch liegt die Kälte der Nacht über dem Bad des Fasilides. Als die Sonne aufgeht, treten die Priester aus dem Turm. Mittlerweile ist die Anlage voller Menschen. Sie sitzen auf Mauern, drängen sich an den Rand des Wassers. Ein junger Mann hat einen Banyan-Baum erklommen, dessen Äste weit hinein ins Bad reichen. "Er will als Erster im Wasser sein", erläutert Teshe. "Einer der Priester wird eine Kerze schwimmen lassen, in einer Schale aus Tierkot. Wer sie als Erster erreicht, dessen Wünsche gehen in Erfüllung." In seiner Jugend hat Teshe das oft versucht, aber nie geschafft. Er lächelt: "Ich schwimme einfach zu schlecht." Kaum hat der Priester das Wasser gesegnet, gibt es kein Halten mehr. Von überall springen Menschen hinein, Männer und Frauen. Die einen freiwillig, die anderen werden von der nachrückenden Masse ins Becken geschoben. Es wird gespritzt, geplanscht, geschwommen. Priester erklimmen die Mauern, Wasserschläuche in Händen. Sie richten den Strahl auf die Menge draußen, auf diejenigen, die es nicht hinter die innere Mauer geschafft haben. "Einen Moment bitte", sagt Teshe. Auch er möchte mit dem heiligen Wasser besprenkelt werden. Als er ein paar Minuten später zurückkommt, ist er klitschnass. Und selig: "Ich habe den Segen Jesu empfangen. Jetzt bin ich gereinigt." Später Nachmittag. Die Tabots sind längst wieder in den Kirchen. Dorthin gebracht in einer Prozession, die so bunt und laut und fröhlich ist, wie jene hinaus zum Bad des Fasilides. Teshe ist bei einer Freundin eingeladen, einer älteren Dame namens Teshager Sertsedingel. Unter den Gästen sind Männer in Lumpen, barfuß und zahnlos. "Timkat heißt teilen", sagt Teshe, "auch mit jenen, die auf der Straße leben." Es gibt geröstete Nüsse und Injera, das äthiopische Fladenbrot. Dazu Hackfleisch in Tomatensoße. Teshe hat seit gestern nichts gegessen. Jetzt nimmt er reichlich, auch von den Getränken. Vor ihm steht ein randvoller Becher mit Tella, selbstgebrautem Hirsebier. Die Getränke werden von einer jungen Frau serviert. Sie trägt ein langes Kleid - in Schwarz. "Betehali", sagt Teshe, "Teshagers Tochter". Betehali hat sich vom orthodoxen Christentum ab- und einer evangelikalen Gemeinde zugewandt. Mit dem Timkat kann Betehali nichts mehr anfragen: "Ich glaube an die Taufe. Aber wo in der Bibel steht geschrieben, dass wir Jesu Taufe feiern sollen, indem wir tanzen und uns schubsen und betrinken?" Teshe runzelt die Stirn. Früher waren die Dinge in Äthiopien einfach: Zwei Drittel der Menschen waren orthodoxe Christen, ein Drittel Muslime. Doch seit Freikirchen aus den USA ihre Missionare ins Land schicken, verliert die orthodoxe Kirche mehr und mehr Mitglieder. Heute machen orthodoxe Christen nur noch etwa die Hälfte der Bevölkerung aus. Das kratzt am Selbstverständnis eines Landes, für das die Orthodoxie über Jahrhunderte Staatsreligion war. Hinweis Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen. "Gut so", sagt Betehali. Als sie vor 15 Jahren zum Protestantismus konvertierte, war das in Gondar ein Skandal. "Die Leute haben mich gehasst, niemand hat mehr mit mir geredet. Meine Eltern haben mich rausgeworfen. Sie dachten, der Hunger würde mich zurücktreiben. Aber ich habe durchgehalten." Heute lebt Betehali in Addis Abeba. Dort, so sagt sie, ist es freier. Mit ihrer Mutter hat sie sich ausgesöhnt. Auch wenn sie weder an den Prozessionen noch am Tauffest selbst teilnimmt, hilft sie bei der Bewirtung des Gäste. "Das bin ich meiner Mutter und ihrem Glauben schuldig." Das Fest neigt sich dem Ende zu. Betehali ruft sich ein Tuk Tuk, eines der dreirädrigen Moped-Taxis. Sie fliegt noch am selben Abend zurück nach Addis Abeba. Erschöpft lässt sich ihre Mutter auf einen Schemel fallen. Teshe schenkt ihr ein Bier ein. "Ach ja, Betehali...", sagt sie seufzend. "Das war eine schlimme Zeit damals. Jetzt sorge ich mich, weil sie über 30 ist und noch unverheiratet." Sie blickt Teshe an, fragt, ob der Reporter ihre Tochter nicht nach Deutschland mitnehmen möchte. "Besser, sie ist weit weg, als dass ich eines Tages schlimme Dinge über sie höre."
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Borussia Dortmund muss noch länger auf Ilkay Gündogan verzichten. Mario Gomez gewinnt mit Florenz zum Serie-A-Auftakt gegen Catania.Gegen Idrissou von Kaiserslautern ist eine Anzeige wegen Bedrohung und Beleidigung erstattet worden. Real Madrid schafft einen knappen Sieg gegen Granada.
Borussia Dortmund, Ilkay Gündogan: Schlechte Nachricht für Borussia Dortmund: Der Champions-League-Finalist muss weitere vier Wochen auf Fußball-Nationalspieler Ilkay Gündogan verzichten. Bei einer Kernspintomographie im Dortmunder Knappschaftskrankenhaus wurde eine Überlastungsreaktion im Lendenwirbel-Bereich festgestellt. Zuvor war von einer Stauchung der Wirbelsäule die Rede gewesen. Beim Länderspiel gegen Paraguay (3:3) vor zwei Wochen war Gündogan wegen Rückenbeschwerden ausgewechselt worden und hat seitdem kein Spiel mehr bestritten. Zuerst war der BVB von einer Pause von zwei Wochen ausgegangen, Trainer Klopp hatte zuletzt gesagt, Gündogan werde erst dann wieder in die Mannschaft zurückkehren, wenn dieser komplett schmerzfrei sei. Fußball in Italien: Fußball-Nationalstürmer Mario Gomez ist bei seinem Debüt in der italienischen Serie A im Trikot des AC Florenz ohne Torerfolg geblieben. Aber auch ohne ein Gomez-Tor gewann Florenz am Montagabend das erste Punktspiel der Saison mit 2:1 (2:1) gegen Calcio Catania. Giuseppe Rossi (14.) und David Pizarro (28.) erzielten die Treffer für die Gastgeber. Pablo Barrientos (22.) gelang der zwischenzeitliche Ausgleich. Der vom Triplesieger FC Bayern München gekommene Gomez ackerte bei seinem Serie-A-Debüt unermüdlich. In der 41. Minute hätte er beinahe jubeln können, doch er traf nur den rechten Pfosten. Bereits der 16. Minute sah Gomez die Gelbe Karte nach überhartem Einsteigen. Zweite Liga, Kaiserslautern: Mohamadou Idrissou vom Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern droht juristischer Ärger. Gegen den 33-Jährigen wurde am 25. Juni im Polizei-Revier 1 in Frankfurt/Main Anzeige wegen Bedrohung und Beleidigung erstattet, die Ermittlungen laufen. Ein Polizeisprecher bestätigte dem SID einen entsprechenden Bericht der Bild-Zeitung. Demnach soll der Stürmer, der in der Bundesliga auch für Hannover 96, den SC Freiburg, Borussia Mönchengladbach und Eintracht Frankfurt spielte, seine Ex-Freundin per Handy mehrfach bedroht haben. Fußball in Spanien: Unbeeindruckt vom Transferwirrwar um Gareth Bale hat der spanische Fußball-Rekordmeister Real Madrid Schritt mit dem großen Konkurrenten FC Barcelona gehalten. Mit Nationalspieler Mesut Özil in der Startelf gewannen die Königlichen am Montagabend 1:0 (1:0) beim FC Granada und verbuchten wie die Katalanen tags zuvor (1:0 beim FC Málaga) ihren zweiten Saisonsieg. Karim Benzema (10.) traf früh, anschließend vergab Real mehrere Großchancen. Özils angeschlagener Nationalmannschaftskollege Sami Khedira gehörte nicht zum Kader, der fünfmalige Welttorwart Iker Casillas saß erneut nur auf der Bank. Özil, der auf seiner bevorzugten Zehnerposition spielte, hatte einige gute Szenen. In der 16. Minute wurde sein Treffer nach einem gefühlvollen Lupfer über Granada-Torwart Roberto nicht anerkannt, da beim Freistoß zuvor der Ball noch gerollt hatte. Fußball in England: Beim Startelf-Debüt von Nationalspieler André Schürrle hat der englische Fußball-Erstligist FC Chelsea bei Titelverteidiger Manchester United einen Punkt erkämpft. Beim 0:0 im Old Trafford durfte der Ex-Leverkusener bis kurz vor dem Abpfiff für das Team von Star-Trainer José Mourinho mitwirken, biss sich trotz guter Leistung aber wie seine Kollegen an der Manchester-Defensive die Zähne aus. Mit sieben Punkten aus drei Spielen führen die Blues nach der Generalprobe für den Supercup gegen Triple-Sieger Bayern München am Freitag in Prag (20.45 Uhr/ZDF und Sky) die Tabelle der Premier League vor dem FC Liverpool und Tottenham Hotspur (6) an. ManUnited hat nach zwei Spielen als Vierter vier Punkte auf dem Konto. Vor dem Anpfiff hatte Mourinho im Transferstreit um den umworbenen englischen Nationalstürmer Wayne Rooney angekündigt, nach dem Top-Duell ein weiteres Gebot für den 27-Jährigen abzugeben. Sein Gegenüber David Moyes reagierte bei seinem Heim-Debüt im Old Trafford auf seine Weise - und ließ Rooney von Beginn an auflaufen. Bundesliga, Borussia Dortmund: Die Rückkehr von Ilkay Gündogan in den Kader von Borussia Dortmund lässt weiter auf sich warten. Entgegen ersten Prognosen von einem zweiwöchigen Ausfall droht dem Fußball-Nationalspieler eine längere Zwangspause. Der durch eine Stauchung der Wirbelsäule gehandicapte Mittelfeldspieler ist zwar mittlerweile von einer Reha in Donaustauf nach Dortmund zurückgekehrt, nahm aber auch am Montag nicht am Mannschaftstraining des Bundesligisten teil. Damit wird unwahrscheinlich, dass Gündogan seinem Team am Sonntag in der Partie bei Eintracht Frankfurt wieder zur Verfügung steht. Sein Einsatz in den WM-Qualifikationsspielen der DFB-Auswahl gegen Österreich (6. September) und vier Tage später gegen die Färöer Inseln ist damit ebenfalls in Gefahr. Gündogan fehlt der Borussia seit seiner frühen Auswechslung im Länderspiel am 14. August gegen Paraguay. Eine Behandlung bei einem Rückenspezialisten am Bodensee und eine anschließende Reha in Donaustauf sollte die Genesung vorantreiben. DFB, Wolfgang Niersbach: Zwei Monate vor dem DFB-Bundestag in Nürnberg ist Präsident Wolfgang Niersbach die Unterstützung aller Regional- und Landesverbände innerhalb des Deutschen Fußball-Bundes sicher. Die 21 Präsidenten schlugen Niersbach am Montag bei ihrer turnusmäßigen Sitzung in Frankfurt am Main einstimmig zur Wiederwahl vor. "Wolfgang Niersbach hat in seiner Arbeit deutlich gezeigt, wie wichtig ihm die Zusammenarbeit zwischen Basis und Spitze, zwischen Amateuren und Profis ist. Er steht für die Einheit des deutschen Fußballs", sagte der Präsident des Fußball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen, Hermann Korfmacher. Niersbach war im März 2012 als Nachfolger von Theo Zwanziger zum DFB-Präsidenten gewählt worden. Der 62-Jährige steht am 24./25. Oktober in Nürnberg zur Wiederwahl. Beim Bundestag muss auch ein Nachfolger für den ausscheidenden Schatzmeister Horst R. Schmidt gefunden werden. Für diesen Posten schlugen die Regional- und Landesverbände am Montag Reinhard Grindel, den Vizepräsidenten des Niedersächsischen Fußballverbandes, vor. Fußball, Dritte Liga: Drittliga-Fußballer Clément Halet hat nach seinem Zusammenbruch am vergangenen Samstag Entwarnung gegeben und will schon am kommenden Wochenende wieder für Preußen Münster spielen. "Es ist alles in Ordnung. Ich fühle mich gut, habe keine Beschwerden und kann alles machen", sagt der 29-jährige Franzose nach einem Arztbesuch im Interview mit DFB.de und fügte an: "Wenn der Arzt grünes Licht gibt, möchte ich gerne wieder ins Lauftraining einsteigen. Mein Ziel ist es, schon am Samstag im Spiel bei der SV Elversberg wieder zum Kader zu gehören." Halet war in der 82. Minute des Drittliga-Spiels zwischen den Westfalen und Holstein Kiel (0:3) nach einem Zusammenprall bewusstlos liegen geblieben und musste ärztlich notversorgt werden, bevor er ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Am Mittwoch oder Donnerstag will er möglichst wieder ins Training einsteigen, nachdem der behandelnde Arzt ihm Mut gemacht habe. America's Cup: Die Segler des Teams New Zealand fordern Titelverteidiger Oracle Racing (USA) im Kampf um den 34. America's Cup heraus. Die Neuseeländer gewannen am Sonntag das achte Rennen des Herausforderer-Finals vor San Francisco gegen die Luna Rossa (Italien) mit einem souveränen Vorsprung von 3:20 Minuten und gewannen damit die Serie "Best of 13" mit 7:1. Das Team New Zealand hatte am Samstag bei ihrem sechsten Erfolg sogar einen Geschwindigkeitsrekord aufgestellt. Kurz vor Rennende erreichte die Crew von Steuermann Dean Barker mit ihrem Katamaran 47,18 Knoten (87,37 km/h). "Schade, dass wir nicht die 50 Knoten geknackt haben. Es wäre schön gewesen, das als erstes Team zu schaffen", sagte Bugmann Adam Beashel. Bei den Italienern machte sich derweil bereits Resignation breit. Zwar segelte die Luna Rossa mit 43,46 Knoten (80,49 km/h) ebenfalls so schnell wie nie zuvor, doch gegen den Favoriten hatten die Europäer keine Chance. "Diese Boote sind einfach verrückt. Um die Yacht unter Kontrolle zu halten, muss man unglaublich viele Dinge gleichzeitig beachten", sagte Steuermann Chris Draper aus Großbritannien. Basketball, Alba Berlin: Basketball-Pokalsieger Alba Berlin hat sein Team für die kommende Saison zusammen. Der kanadische Nationalspieler Levon Kendall kommt als letzter Neuzugang zum Bundesligisten. "Big Man" Kendall wechselt vom spanischen Erstligisten Obradoiro CAB nach Berlin, der 29-Jährige erhält einen Vertrag über ein Jahr mit der Option auf ein weiteres. "Der Klub hat eine große Reputation und Geschichte, die Stadt ist weltklasse", sagte Kendall. Alba-Trainer Sasa Obradovic freut sich über die Verstärkung: "Levon Kendall ist ein athletischer und erfahrener Spieler, der die Power Forward- und die Center-Position spielen kann. Levon hat bei all seinen bisherigen Klubs mit seinem Ehrgeiz und seiner Verlässlichkeit überzeugt."
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Nach Niederlage verpassen deutsche Nachwuchsspieler die EM und Olympia, Hollands Fußballverband wusste offenbar von Robbens Verletzung, ehemaliger Sprintstar Pettigrew wird tot im Auto gefunden. Sport kompakt.
Ein Jahr nach dem Gewinn der Europameisterschaft haben die U 21-Fußballer des DFB die Qualifikation für die Endrunde 2011 verpasst. Der Titelverteidiger unterlag am Mittwochabend in Hafnarfjördur Island überraschend deutlich mit 1:4 (0:1) und hat somit keine Aussichten mehr, als einer der vier besten Gruppenzweiten noch in die Playoffs einzuziehen. Auch die Chance auf die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2012 ist dahin. Vor etwa 1000 Zuschauern im Kaplakriki Stadion erzielte Kevin Großkreutz den Treffer für das deutsche Team (49.), Birkir Bjarnason (5.), Gylfi Thor Sigurdsson (53.), Kolbeinn Sightorsson (55.) und Alfred Finnbogason (84.) trafen für Island. In der Tabelle der Gruppe 5 rangiert die deutsche Mannschaft mit 8 Punkten auf Rang drei hinter Island (16) und Tschechien (18). Detailansicht öffnen Nicht erfolgreich: U21-Trainer Rainer Adrion. (Foto: dpa) Laut Oliver Bierhoff ist Michael Ballack unabhängig von allen Kapitäns-Debatten heiß auf sein Comeback in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. "Aus den Aussagen von Michael spüre ich, dass er weiter große Lust auf die Nationalelf hat. Er steht unmittelbar vor seinem 100. Länderspiel und will sicherlich noch eine starke EM spielen", sagte der Auswahl-Manager in Bild online. Bierhoff glaubt, dass Ballack eine Rückkehr in die Nationalelf nicht davon abhängig machen wird, "ob er Kapitän bleibt". Sicher ist er sich allerdings auch nicht: "Das kann ich nicht beurteilen." Ballack, der die WM in Südafrika wegen einer Fußverletzung verpasst hatte, untermauerte bereits mehrmals seinen Anspruch, das DFB-Team weiter als "Capitano" zu führen. Doch auch WM-Kapitän Philipp Lahm meldete seinen Wunsch an, das Amt langfristig auszuüben. Bundestrainer Joachim Löw will die Kapitäns-Frage bis zum Start in die EM-Qualifikation Anfang September in Belgien entscheiden. Zunächst muss Ballack jedoch für seinen neuen Club Bayer Leverkusen wieder fit und spielfähig sein. Laut Bierhoff könnte es für den 33-jährigen Ballack bei seiner Rückkehr sogar von Vorteil sein, nicht weiter als Kapitän zu fungieren. Manchmal sei es gut, "dieses Amt nicht zu haben, um sich ganz auf die eigene Leistung konzentrieren zu können, frei von ständigen Diskussionen. Ich weiß das aus eigener Erfahrung als Kapitän", sagte der ehemalige DFB-Spielführer. Ballack selbst hat die EM 2012 bereits als letzte Station seiner Auswahl-Karriere bezeichnet. Auftakt nach Maß für die deutschen Beachvolleyballerinnen: Angeführt von den Gold-Anwärterinnen Sara Goller/Laura Ludwig haben drei deutsche Duos bei der Heim-EM in Berlin nach jeweils zwei Erfolgen vorzeitig das Achtelfinale erreicht. Goller/Ludwig setzten sich vor heimischem Publikum zunächst mit 2:0 (21:13, 21:11) gegen das schwedische Team Camilla Nilsson/Tora Hansson durch. Anschließend bezwangen sie in einer Neuauflage des letztjährigen Finals die Titelverteidigerinnen Inguna Minusa und Inese Jursone aus Lettland ebenfalls 2:0 (21:16, 21:13). "Ich bin froh, dass wir die Europameister geschlagen haben", sagte Laura Ludwig. Katrin Holtwick/Ilka Semmler (Essen) gewannen erst 2:0 (21:9, 21:16) gegen Stefanie Hüttermann/Anni Schumacher aus Dresden, dann 2:0 (21:6, 21:14) gegen die Polinnen Monika Brzostek/Karolina Sowala. Der Einzug in die Runde der letzten 16 ist ihnen ebenso nicht mehr zu nehmen wie Jana Köhler/Julia Sude. Das Duo aus Hamburg und Friedrichshafen besiegte die Russinnen Anastassia Wassina/Jekaterina Chomjakowa 2:0 (23:21, 27:25) sowie die Medaillenanwärterinnen Emilia und Erika Nyström aus Finnland 2:1 (16:21, 21:19, 15:7). Im Fall Arjen Robben hat sich der schwerwiegende Verdacht des FC Bayern München bewahrheitet: Die Verletzung, die den Fußballer des Jahres zu einer Pause bis mindestens Mitte Oktober zwingt, ist identisch mit jener, die er vor der WM bei einem Test-Länderspiel der Niederlande erlitten hatte. Dies berichtete der Münchner Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge am Mittwoch. Seit Montag dieser Woche hat der FCB die Aufnahmen der Kernspintomographie vorliegen, die von Robbens linkem Oberschenkel nach des Spiel gegen Ungarn am 5. Juni gemacht wurden. Das Ergebnis nach Lesart der Münchner: Der Muskelriss, das fünf Zentimeter große Loch im Oberschenkel, hätte nicht erst am Montag vergangener Woche durch Bayern-Klubarzt Müller-Wohlfahrth erkannt werden müssen. "Der Status ist derselbe", berichtete Rummenigge, heißt: Die neuen Bilder sind praktisch eine Kopie der alten, Robben hat bei der WM mit jener Verletzung gespielt, wegen der er nun ausfällt. "Es ist ein klarer Fall, dass dieser Spieler bei der WM nicht hätte spielen dürfen", konstatierte Rummenigge, "die Verletzung war da, und ist noch immer vorhanden. Unser Ziel ist es, und da mache ich keinen Hehl daraus, dass die Holländer die Gehaltszahlungen für die Dauer des Ausfalls kompensieren." Antonio Pettigrew ist im Alter von 42 Jahren gestorben. Pettigrew sei am Dienstag tot in seinem Auto gefunden worden, teilte die University of North Carolina mit. Dort hatte Pettigrew zuletzt als Assistenztrainer gearbeitet. Über die genauen Umstände seines Todes wurde zunächst nichts bekannt. Nach Polizeiangaben gab es jedoch Anzeichen, dass er Schlaftabletten genommen habe. Pettigrew hinterlässt Ehefrau Cassandra und Sohn Antonio Junior. Nach seiner Karriere hatte der Sprinter im Mai 2008 im Meineid- Prozess gegen seinen Ex-Trainer Trevor Graham Dopingmissbrauch zugegeben. Seine bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney mit der 4 x 400 Meter-Staffel der USA gewonnene Goldmedaille gab er ebenso zurück wie die WM-Goldmedaillen von 1997, 1999 und 2001 mit der US- Staffel. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte der Staffel von 2000, der neben Pettigrew noch Michael Johnson und die Zwillinge Alvin und Calvin Harrison angehörten, im Jahr 2008 auch formal die Medaillen aberkannt. In dem Prozess gegen Graham hatte er erklärt, von 1997 an mit EPO und Wachstumshormonen gedopt zu haben. Ein deutscher Schwimm-Bundestrainer ist nach einem Bericht der Mainpost wegen angeblichen sexuellen Missbrauchs ins Visier der Justiz geraten. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Würzburg bestätigte am Mittwoch lediglich Vorwürfe gegen einen "Würzburger Schwimmtrainer", ohne eine Namen zu nennen. Dieser stehe im Verdacht, eine Schutzbefohlene sexuell missbraucht und genötigt zu haben, heißt es in einer Mitteilung der Anklagebehörde. "Weitere Auskünfte können derzeit aus ermittlungstaktischen Gründen und aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes der Beteiligten nicht gegeben werden", sagte der stellvertretende Behördensprecher Burkhard Pöpperl. Der Trainer soll sich bei einem Wettkampf im November in Essen und während eines Trainingslager-Aufenthalts Ende März 2010 in Singapur an einer 15-jährigen Schwimmerin vergangen haben. Die Mutter des Mädchens habe den Schwimmtrainer angezeigt. Er sei daraufhin nach seiner Rückkehr von der Schwimm-EM in Ungarn am Montag in Würzburg festgenommen worden. Mario Basler hat einen neuen Job: Der frühere Fußball-Nationalspieler bestätigte nach SZ-Informationen sein Engagement beim Drittligisten Wacker Burghausen, wo er am Mittwoch offiziell vorgestellt werden soll. Der frühere Bundesliga-Profi leitete am Vormittag bereits das erste Training bei den Oberbayern und wird am Mittag der Öffentlichkeit vorgestellt. Der 41- jährige Basler ist Nachfolger von Jürgen Press, der nach nur vier Spieltagen in der 3. Liga am Dienstag entlassen worden war. Möglicherweise übernimmt Basler ebenso wie sein Vorgänger den Posten des Sportdirektors, der vorerst von Geschäftsführer Florian Hahn ausgefüllt wird. Alba Berlin hat den serbischen Basketball-Profi Tadija Dragicevic verpflichtet. Der 24-Jährige kommt vom italienischen Euroleague-Team Lottomatica Rom zum Bundesligisten aus der Hauptstadt. Der Power Forward erhält einen Einjahresvertrag und wird Ende der Woche in seiner neuen Wahlheimat erwartet. Berlins Team-Manager Mithat Demirel sagte in einer Presseerklärung am Mittwoch, dass man sich nun Zeit nehmen und sehen werde, "ob wir auf den Flügelpositionen noch einen weiteren Spieler verpflichten". Ansonsten stehe der Kader auf allen entscheidenden Positionen. Lance Armstrong hat seine geplante Teilnahme am Mountainbike-Rennen Leadville 100 am kommenden Samstag abgesagt und seine Saison für beendet erklärt. Sein Manager Mark Higgins sagte im Gespräch mit VeloNews, der siebenmalige Tour-Sieger leide an den Folgen einer Hüftverletzung, die er sich bei der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt zugezogen hatte. Armstrong hatte das 100-Meilen-Rennen in Leadville/Colorado im vergangenen Jahr mit Streckenrekord gewonnen. Für den 38-Jährigen stehen in diesem Jahr keine Rennen mehr auf dem Programm. Armstrong wird sich lediglich bei zwei Veranstaltungen seiner Krebsorganisation Livestrong in Philadelphia Ende August und in Austin Ende Oktober auf das Rad setzen. Zudem ist unklar, ob er im kommenden Jahr überhaupt noch an größeren Rennen teilnehmen wird. Im Vordergrund dürften für ihn im Moment ohnehin die Untersuchungen von Drogenfahnder Jeff Novitzky stehen. Dieser ermittelt gegen Armstrong wegen des Verdachts auf Betrug und Verschwörung in dessen früherem Team US Postal. Holger Osieck ist neuer Nationaltrainer in Australien. Das verkündete der australische Fußball-Verband FFA am Mittwoch. Der 61-Jährige wird Nachfolger des Niederländers Pim Verbeek, der bei der Weltmeisterschaft in Südafrika mit den "Socceroos" in der Gruppenphase ausgeschieden war. Osieck, der von 1998 bis 2003 die kanadische Fußball-Nationalmannschaft betreut hatte, war vereinslos. Zuletzt hatte er bis März 2008 das japanische Team Urawa Red Diamonds trainiert. Seinen größten Erfolg hatte Osieck als Assistent von Deutschlands Teamchef Franz Beckenbauer beim Gewinn der Weltmeisterschaft 1990 in Italien gefeiert. Der Fußball-Weltverband Fifa wird im Oktober über die mögliche Einführung einer Torkamera diskutieren. Das bestätigte Fifa-Präsident Joseph S. Blatter bei einer Pressekonferenz am Mittwoch in Singapur. Das Fifa-Board, zuständig für das Reglement des Spiels und dessen Weiterentwicklung, habe einige Firmen eingeladen, ihre Technologie auf diesem Gebiet zu präsentieren. Die Forderung nach technischen Hilfsmitteln im Torraum war nach einigen krassen Fehlentscheidungen bei der WM in Südafrika erneut laut geworden. Unter anderem hatte Schiedsrichter Jorge Larrionda im Achtelfinale zwischen Deutschland und England einem klaren Treffer von Frank Lampard die Anerkennung verweigert. Im ersten Länderspiel nach dem blamablen Vorrunden- Aus bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika hat Italiens Nationalelf erneut eine Niederlage kassiert. Die "Squadra Azzurra" unterlag mit ihrem neuen Trainer Cesare Prandelli am Dienstagabend in London WM- Teilnehmer Elfenbeinküste mit 0:1 (0:0). Den einzigen Treffer im Upton-Park-Stadion erzielte Kolo Touré per Kopf in der 55. Minute. Bei der WM war sowohl der viermalige Weltmeister Italien als auch die Elfenbeinküste um Superstar Didier Drogba nach der Vorrunde ausgeschieden. Drogba war gegen die Italiener nicht im Aufgebot. Mano Menezes hat ein erfolgreiches Debüt als Trainer der brasilianischen Fußball-Nationalmannschaft gefeiert. Der 48-Jährige kam mit seinem Team am Dienstagabend (Ortszeit) im Meadowlands-Stadium von East Rutherford/New Jersey zu einem hoch verdienten 2:0-Sieg im Freundschaftsspiel gegen die USA. Menezes, der nach dem enttäuschenden Viertelfinal-Aus der Brasilianer bei der Weltmeisterschaft in Südafrika den Posten des entlassenen Carlos Dunga übernahm, setzte bei seiner Premiere vor 77.223 Zuschauern vor allem auf Neulinge. Mit Dani Alves und Robinho waren nur zwei Akteure in der Startelf, die auch bei der 1:2- Niederlage im WM-Viertelfinale gegen die Niederlande auf dem Rasen standen. Die bosnische Fußball-Nationalmannschaft hat sich in einem Testspiel nur 1:1 (1:0) von Katar getrennt. Der frühe Führungstreffer von Vedad Ibisevic vom Bundesligisten 1899 Hoffenheim in der 9. Minute reichte den Gastgebern in Sarajevo nicht. Wisam glich in der 58. Minute für Katar per Elfmeter aus.
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Dortmunds Weltmeister begründet sein Formtief nach der WM mit einer Verletzung. Miroslav Klose gelingt nach mehr als zwei Monaten wieder ein Tor für Lazio Rom. Ein lettischer Biathlet wird des Dopings überführt.
Bundesliga, Mats Hummels: Weltmeister Mats Hummels vom Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund sieht seine Probleme nach dem Triumph von Brasilien zu Saisonbeginn nicht im mentalen Bereich. "Ich hatte die WM weniger im Kopf als im Knie", berichtete der BVB-Kapitän im Trainingslager im südspanischen La Manga. Für den Absturz des BVB bis auf Tabellenplatz 17 am Ende der Bundesliga-Hinrunde sieht Hummels das fehlende Selbstvertrauen der Mannschaft als Hauptgrund: "Das wollen wir durch Erfolgserlebnisse wieder tanken, wieder unseren Fußball spielen." Die Arbeit im Trainingslager sieht er optimistisch: "Man sieht, dass alle besser werden wollen. Wir sind auf gutem Weg." Der 26-Jährige hofft, dass der BVB von Verletzungen verschont bleibt. Derzeit fehlen in der Vorbereitung Sven Bender und Weltmeister Erik Durm. "Das ist nicht optimal. Aber wenn's dabei bleibt, geht's noch. Der Fußball wird immer schneller, alle Teams haben mehr Verletzungen." Fußball, Italien: Mit dem ersten Tor von Weltmeister Miroslav Klose seit mehr als zwei Monaten ist Lazio Rom ins Viertelfinale des italienischen Fußball-Pokals eingezogen. Der WM-Rekordtorschütze erzielte am Mittwoch den zweiten Treffer zum 3:1 (2:0) beim FC Turin. Für Klose, der zuletzt häufig nur auf der Ersatzbank saß, war es das erste Tor seit dem 3. November 2014, als er beim 3:0 gegen Cagliari Calcio zweimal getroffen hatte. Neben Klose trafen außerdem Baldé Diao Keita (13.) und Cristian Ledesma per Foulelfmeter (57.) für Lazio. Die Gastgeber konnten nur durch Josef Martinez zwischenzeitlich verkürzen (49.). Außerdem sah Turins Torhüter Daniele Padelli die Rote Karte, nachdem er Klose im Strafraum gefoult hatte, was zum Elfmeter führte. Biathlon, Doping: Biathlet Edgar Piksons ist vom Weltverband IBU wegen Dopings für zwei Jahre gesperrt worden. Dies teilte die IBU am Donnerstag mit. Die Sperre gilt vom 28. Oktober 2014 an. Der Lette war im September bei einer Trainingskontrolle positiv getestet worden. Der 31-Jährige hatte auf die Öffnung der B-Probe verzichtet. Der WM-Achte im Sprint von 2011 hat seine Karriere bereits beendet. Erst am Montag hatte die IBU mit dem Ukrainer Sergej Sednew und dem Russen Alexander Loginow die Namen von zwei weiteren Dopingsündern öffentlich gemacht. Das Duo war allerdings mit neu analysierten alten Proben überführt worden. Basketball, Eurocup: Die Basketballer von Bayern München haben das deutsche Duell in der Eurocup-Zwischenrunde bei den Brose Baskets Bamberg überraschend klar für sich entschieden und dem Südrivalen eine Lehrstunde erteilt. Der deutsche Meister gewann am Mittwochabend mit 90:52 (46:20) und feierte im zweitwichtigsten Europapokal-Wettbewerb damit den zweiten Sieg im zweiten Spiel. Zudem gelang den Bayern eindrucksvoll die Revanche für die klare Niederlage in der Bundesliga vor zehn Tagen. Beste Werfer bei den Münchnern waren Vladimir Stimac und Nihad Djedovic mit je 16 Punkten. Bei den desolaten Bambergern, für die es die erste Niederlage in der Zwischenrunde war, kam Bradley Wanamaker ebenfalls auf 16 Zähler. Den Brose Baskets fehlte vor 6800 Zuschauern in der Brose Arena von Beginn an jegliche Einstellung. Im ersten Viertel lagen die Franken schnell mit 0:13 zurück. Erst nach knapp viereinhalb Minuten gelangen Wanamaker die ersten Punkte für die Hausherren, die nach den ersten zehn Minuten schon mit 6:22 hinten lagen. Die Bayern, die auf die verletzten Vasilije Micic, Robin Benzing und Bo McCalebb verzichten mussten, zeigten dagegen über die kompletten 40 Minuten eine starke Leistung. Nach dem Seitenwechsel führten sie die Gastgeber phasenweise sogar vor. Tennis, Sydney: Deutschlands beste Tennis-Spielerin Angelique Kerber (26) hat den Sprung ins Finale des WTA-Turniers in Sydney verpasst. Die an Nummer fünf gesetzte Kielerin unterlag Karolina Pliskova 3:6, 2:6, bereits nach 55 Minuten verwandelte die Tschechin ihren ersten Matchball. Pliskova trifft im Endspiel auf die Siegerin der Begegnung zwischen Wimbledonsiegerin Petra Kvitova (Tschechien) und Zwetana Pironkowa (Bulgarien). Kerber hatte auf dem Weg ins Halbfinale zuvor in jedem Match über drei Sätze gehen müssen. Besonders der Achtelfinalsieg gegen die Russin Darja Gawrilowa hatte Kraft gekostet. Kerber entschied das Spiel nach zweieinhalb Stunden erst um drei Uhr morgens für sich. Ski Alpin, Wengen: Die legendäre Lauberhorn-Abfahrt im schweizerischen Wengen ist durch den Ski-Weltverband Fis vom kommenden Samstag auf den Sonntag verschoben worden. Grund sind erwartete starke Schneefälle am Freitagabend. Anstelle des mit 4,4 Kilometer längsten Abfahrtsrennens im Weltcup soll am Samstag der eigentlich für den Sonntag geplante Slalom stattfinden. Die Super-Kombination soll wie geplant am Freitag ausgetragen werden. Basketball, NBA: Ohne Kapitän Dirk Nowitzki haben die Dallas Mavericks eine bittere Niederlage in der nordamerikanischen Basketballliga kassiert. Das Team verlor am Mittwochabend (Ortszeit) bei den Denver Nuggets 107:114. Es war die dritte Pleite in den vergangenen vier Spielen. Richard Jefferson war mit 16 Punkten noch bester Werfer der ersatzgeschwächten Texaner, die erst im Schlussviertel mit den Nuggets mithalten konnten. Dallas ist trotz der 13. Saisonniederlage bei 27 Siegen Fünfter in der Western Conference und weiter auf Playoff-Kurs. Nach dem Sieg in der Verlängerung einen Tag zuvor bei den Sacramento Kings gönnte Trainer Rick Carlisle außer Nowitzki auch den angeschlagenen Tyson Chandler und Rajon Rondo eine Pause. Die Atlanta Hawks eilen indes weiter von Sieg zu Sieg. Das Team mit dem Braunschweiger Dennis Schröder kam bei den Boston Celtics zu einem 105:91 und feierte den zehnten Erfolg nacheinander. Schröder kam auf vier Punkte und 16:25 Minuten Spielzeit. DeMarre Carroll und Jeff Teague steuerten als beste Werfer ihres Teams je 22 Zähler zum Sieg bei. Mit 31 Erfolgen bei acht Niederlagen führen die Hawks weiter überlegen die Eastern Conference an. Fußball, Inter Mailand: Der Schweizer Fußball-Nationalspieler Xherdan Shaqiri konnte zuletzt sein Bankdrückerdasein bei Bayern München nicht mehr ertragen und ist deshalb zu Inter Mailand in die italienische Serie A gewechselt. "In München war ich nicht glücklich. Ich will spielen und Freude am Fußball empfinden. Ich hungere nach Erfolgen", sagte der 23-Jährige am Mittwoch bei seiner Vorstellung bei den Lombarden. Bei den Bayern habe er jedoch auch Positives erlebt, da er mit großartigen Fußballern zusammenspielen konnte. "Sie sind alle großartige Spieler, jeder hat seine Eigenschaften. Ich habe viel von ihnen gelernt. Bei Inter will ich jedoch meinen Beitrag leisten. Ich hoffe, dass wir viel gewinnen werden", betonte der Eidgenosse, der bei den Blauschwarzen einen Vierjahresvertrag bis 2019 unterschrieben hat und Teamkollege von Weltmeister Lukas Podolski ist. Das Ziel sei Inters Rückkehr in die Champions League. Shaqiri: "Ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen werden." Der Mittelfeldspieler wird bis zum Ende der laufenden Saison vom deutschen Rekordmeister FC Bayern an Inter ausgeliehen. Die Ablösesumme für den endgültigen Wechsel liegt angeblich bei insgesamt 18 Millionen Euro. "Ich habe auch andere Angebote aus Deutschland, Italien und England erhalten, doch ich habe mit Inter-Trainer Roberto Mancini gesprochen und dessen Worte haben mich beeindruckt. So habe ich mich für den Wechsel zu Inter entschlossen", äußerte Shaqiri. Inter sei für ihn die richtige Entscheidung: "Ich will dem Klub zu neuen Höhenflügen verhelfen." Er hoffe, schon beim nächsten Meisterschaftsspiel gegen Empoli Calcio am kommenden Sonntag zum Einsatz zu kommen. Radsport, Tour de France: Das zweitklassige deutsche Profi-Radteam Bora-Argon wird auch in diesem Jahr bei der Tour de France an den Start gehen. Wie die Tour-Veranstalter am Mittwoch mitteilten, erhielt das Pro-Continental-Team erneut eine der fünf begehrten Wildcards für die Frankreich-Rundfahrt. "Ein Traum geht in Erfüllung. Die Rückkehr zur Tour de France war unser Ziel Nummer eins für diese Saison. Das war ambitioniert, aber wir haben es erreicht", wird Team-Manager Ralph Denk in einer Mitteilung des Rennstalls zitiert. Damit starten erstmals seit 2008 wieder zwei deutsche Teams beim wichtigsten Radrennen der Welt. Die neu gegründete Giant-Alpecin-Mannschaft ist als eines von 17 World-Tour-Teams automatisch startberechtigt. Vor sieben Jahren gehörten die Mannschaften von Gerolsteiner und Milram zum Teilnehmerfeld. Fußball, FC Barcelona: Trainer Luis Enrique kann sich eine Zukunft der Katalanen ohne den momentan offenbar unzufriedenen Lionel Messi nicht vorstellen. "Wir alle glauben, dass Messi in den nächsten Jahren in Barcelona spielt", sagte Enrique am Mittwoch: "Wir denken nicht an eine Mannschaft ohne Messi." Der argentinische Stürmer hatte zuletzt im Rahmen der Verleihung des Goldenen Balles erneut Wechsel-Gerüchte befeuert. "Ich weiß noch nicht, wo ich nächstes Jahr bin", sagte der 27-Jährige in Zürich, wo er Cristiano Ronaldo erneut zur Wahl als Weltfußballer gratulieren musste. Messi wird unter anderem mit dem FC Chelsea und Manchester City in Verbindung gebracht. Der viermalige Weltfußballer steht noch bis 2018 bei Barça unter Vertrag. Und Enrique glaubt, dass der Ausnahmestürmer auch bis dahin in seinem Klub bleiben könnte. "In unserer Kabine herrscht Geschlossenheit. Wir vermeiden Streitigkeiten und sind bemüht um die bestmögliche Atmosphäre", sagte der 44-Jährige, dem zuletzt ein Konflikt mit Messi nachgesagt wurde: "Ich sehe eine Übereinstimmung in allen Punkten." Fußball, England: Der frühere Nationalspieler Robert Huth muss sich wegen seiner sexistischen Aktivitäten im sozialen Netzwerk Twitter vor der Sportgerichtsbarkeit des englischen Fußball-Verbandes (FA) verantworten. Die FA gab am Mittwoch bekannt, dass sie gegen Huth Anklage erhoben hat. Dem 30-Jährigen drohen eine Sperre und eine Geldstrafe. Huth hat bis zum 21. Januar Zeit, auf die Klage zu antworten. Dem Verteidiger des Premier-League-Klubs Stoke City wird nach Abschluss der Untersuchungen "Fehlverhalten in einem schweren Fall" vorgeworfen. Huth habe gegen mehrere FA-Regeln verstoßen. Sein Verhalten sei "ungebührlich" und bringe den Fußball "in Verruf". Dass sich Huth über "Geschlechter und/oder Geschlechtsumwandlungen" ausgelassen habe, mache sein Fehlverhalten noch schlimmer. Huth hatte mit seinem Account auf einer Seite, die Menschen in abgeschnittenem Bildformat in mitunter expliziten Posen darstellt, zwölf Tipps zu deren Geschlecht abgegeben. Als sich im Netz Kritik regte, löschte Huth seine Tweets. Anschließend entschuldigte sich der 19-malige Nationalspieler in dem Netzwerk: "Es war ausdrücklich kein Angriff auf irgendjemanden. Aber es tut mir leid, sollte ich jemanden gekränkt haben." Erst im Herbst war der frühere englische Nationalspieler Rio Ferdinand (Queens Park Rangers) wegen eines sexistischen Tweets mit drei Spielen Sperre und einer Geldstrafe in Höhe von rund 32.000 Euro belegt worden.
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Miroslav Klose trifft beim 2:2 seines Klubs Lazio Rom gegen den AC Mailand zur Saisoneröffnung in Italien, die SpVgg Greuther Fürth setzt ihren Siegeszug in der 2. Liga fort, Tennisprofi Philipp Petzschner greift nach seinem zweiten Grand-Slam-Titel im Doppel.
Miroslav Klose ist der erste Torschütze der neuen Saison in der Serie A. Der Fußball-Nationalspieler erzielte am Freitag für seinen neuen Verein Lazio Rom im Eröffnungsspiel beim Meister AC Mailand den Führungstreffer. Sein Treffer in der 12. Minute reichte aber nicht zum Sieg. Detailansicht öffnen Miroslav Klose bejubelt seinen ersten Treffer für Lazio Rom. (Foto: REUTERS) Am Ende trennten sich die Teams 2:2. Klose wurde in der 68. Minute ausgewechselt. Der 33-Jährige war vor der Saison vom FC Bayern München zu den Römern gewechselt. Die Römer hatten sogar 2:0 geführt, nachdem der Franzose Djibril Cissé (21.) ebenfalls traf. Der Schwede Zlatan Ibrahimovic (29.) und Antonio Cassano (33.) schafften mit einem Doppelschlag für die Mailänder noch vor der Pause den Ausgleich. Die Saison in Italien begann wegen des Streiks der Profis mit einer zweiwöchigen Verspätung. Die SpVgg Greuther Fürth hat ihre Siegesserie fortgesetzt und die Tabellenführung in der 2. Fußball-Bundesliga gefestigt. Mit dem 2:1 (0:0) gegen den Pokalfinalisten MSV Duisburg feierten die Franken den sechsten Dreier in Folge, während sich die "Zebras" mit nur fünf Punkten und einem Saisonsieg weiter in unteren Tabellenregionen orientieren müssen. Zumindest vorübergehend verbesserte sich Aufsteiger Eintracht Braunschweig durch ein 0:0 im Aufsteiger-Duell bei Hansa Rostock mit nunmehr 14 Zählern auf Platz zwei. Die Niedersachsen ließen nach zwei Auswärtssiegen damit erstmals Punkte auf fremdem Platz liegen. Rostock scheint dagegen noch nicht im Unterhaus angekommen und wartet auch nach sieben Spieltagen weiter auf den ersten Erfolg. Zum vierten Mal in den letzten fünf Ligapartien spielte Hansa zudem 0:0. Unterdessen konnte auch der eingewechselte Ex-Nationalspieler David Odonkor Alemannia Aachen nicht zum erhofften Befreiungsschlag führen. Die Alemannia kam beim SC Paderborn nach enttäuschender Leistung nicht über ein 0:0 hinaus und bleibt sieglos Liga-Schlusslicht. Die Gastgeber sicherten ihren Platz im Tabellenmittelfeld, blieben aber trotz zahlreicher Torchancen auch im dritten Heimspiel der Saison ohne Dreier. In Fürth hatten Stephan Fürstner (57.), Christopher Nöthe (64.) die Gastgeber in Führung gebracht, bevor Jürgen Gjasula (66.) der Anschlusstreffer gelang. Die 8000 Zuschauer sahen einer erst in der zweiten Halbzeit unterhaltsame Begegnung, in der sich der MSV nie aufgab. Tennisprofi Philipp Petzschner greift nach seinem zweiten Grand-Slam-Titel im Doppel. Ein Jahr nach dem Wimbledonsieg zogen der Bayreuther und sein österreichischer Partner Jürgen Melzer am Freitag in das Endspiel der US Open ein. Das Duo gewann in New York 6:4, 6:7 (3:7), 6:1 gegen die Italiener Simone Bolelli und Fabio Fognini. Als bisher einzige Deutsche standen 1937 Henner Henkel und Gottfried von Cramm im Endspiel der US Open und holten vor 74 Jahren auch den Titel. Auch Petzschner will sich mit der Endspiel-Teilnahme nicht zufriedengeben. Petzschner und Melzer waren im Einzel jeweils in der zweiten Runde ausgeschieden, spielten aber im Doppel stark auf. Im Finale treffen sie auf das polnische Duo Mariusz Fyrstenberg und Marcin Matkowski. Im Halbfinale gelangen Petzschner und Melzer zwei frühe Breaks zur 5:1-Führung, Bolelli und Fognini kamen allerdings noch einmal heran, ehe Melzer den ersten Satzball nutzte. Im zweiten Durchgang drohte ein 1:5-Rückstand, doch Petzschner wehrte drei Breakchancen ab. Nach dem Ausgleich zum 4:4 ging der Tiebreak jedoch schnell verloren. Zwei Breaks und ein enges Aufschlagsspiel von Petzschner bedeuteten im letzten Durchgang die 4:0-Führung und die Entscheidung. Nach 2:09 Stunden war der Sieg perfekt, der Finaleinzug beschert Petzschner und Melzer 210.000 Dollar, der Titel würde sogar das Doppelte bringen. Andy Murray steht zum zweiten Mal im Halbfinale der US Open. Der Schotte setzte sich am Freitag in New York nach hartem Kampf in 3:24 Stunden mit 7:5, 6:4, 3:6, 7:6 (7:2) gegen den Amerikaner John Isner durch. In der Runde der besten Vier des Grand-Slam-Tennisturniers in Flushing Meadows bekommt es Murray am Samstag mit Titelverteidiger Rafael Nadal aus Spanien oder dem amerikanischen Champion von 2003, Andy Roddick, zu tun. Otto Rehhagel hat sich selbst als neuer Trainer der österreichischen Nationalelf ins Spiel gebracht. Was er den Griechen beigebracht habe, könne er doch in Österreich wiederholen, sagte Rehhagel. Allerdings ist die Liste der möglichen Kandidaten auf die Nachfolge des glücklosen Teamchefs Didi Constantini lang. Unter anderem werden in den österreichischen Medien neben Rehhagel zwei weitere deutsche Kandidaten gehandelt: Franco Foda und Christoph Daum. Der frühere Bundesligaprofi Foda arbeitet seit Jahren bei Sturm Graz. Und Daum hat sich in der Alpenrepublik durch den Double-Gewinn mit Austria Wien 2003 einen Namen gemacht. In den nächsten Wochen will Leo Windtner, der Präsident des Österreichischen Fußball-Bundes (ÖFB), dem sechsköpfigen Verbandsdirektorium mögliche Kandidaten vorstellen. Spätestens Mitte November soll dann die Entscheidung fallen, damit der neue Nationaltrainer zügig die Qualifikation zur Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien planen kann. Der FC Bayern muss im Heimspiel gegen den SC Freiburg am Samstag (15.30 Uhr) wie erwartet erneut auf Arjen Robben verzichten. Der niederländische Dauerpatient trainiert aufgrund einer hartnäckigen Schambeinentzündung nach wie vor individuell. Auch der Einsatz des 27-Jährigen beim Auftakt der Gruppenphase der Champions League am kommenden Mittwoch (20.45 Uhr) beim FC Villarreal ist fraglich. "Ich kann einfach nicht sagen, wann er wieder spielen kann. Er hat bei Extrembelastungen noch Probleme", sagte Trainer Jupp Heynckes am Freitag in München, zeigte sich aber "zuversichtlich, dass die Verletzung bald behoben ist". Eine definitive Prognose wollte der 66-Jährige dennoch nicht abgeben. Robben hat aufgrund anhaltender Beschwerden in der laufenden Bundesliga-Saison erst zwei Spiele bestritten. Der Kapitän des Fußball-Drittligisten Chemnitzer FC, Andreas Richter, hat im Training einen Herzinfarkt erlitten. Das ergaben die Untersuchungen im Krankenhaus, nachdem der 33-Jährige am Donnerstag beim Warmlaufen am Vormittag zusammengebrochen war. "Die medizinische Situation ist ernst, aber stabil", hieß es in einer gemeinsamen Pressemitteilung des Vereins und des Klinikums Chemnitz am Freitag. Richter werde auf der Intensivstation betreut, zum weiteren Verlauf könnten noch keine Aussagen getroffen werden, hieß es weiter. Seine Teamkollegen und der Physiotherapeut hatten nach dem Kollaps am Donnerstag sofort erste Hilfe geleistet, Richter war wieder bei Bewusstsein, als der Notarzt am Sportplatz eintraf. Es habe zuvor nie Anzeichen für Herzprobleme bei seinem Kapitän gegeben, sagte CFC-Trainer Gerd Schädlich dem Mitteldeutschen Rundfunk. Das Europa-League-Spiel von DFB-Pokalsieger Schalke 04 bei Steaua Bukarest am 15. September ist nach Cluj verlegt worden. Das entschied die Europäische Fußball-Union (UEFA) am Freitag, nachdem der Rasen im Nationalstadion beim Länderspiel zwischen Rumänien und Frankreich (0:0) schwer in Mitleidenschaft gezogen worden war und deshalb nicht bespielbar ist. "Das ist sehr ärgerlich, aber wir müssen uns der Entscheidung beugen", sagte Schalke-Manager Horst Heldt. Die Königsblauen hatten noch vorgeschlagen, das Spiel in einem anderen Bukarester Stadion auszutragen, was von der UEFA aber wegen Sicherheitsbedenken verworfen worden war. Heldt sicherte den Schalker Fans unterdessen Hilfe bei der Umdisponierung der Reise zu. Den Anhängern sollen keine Mehrkosten entstehen. Cluj liegt immerhin 420 Kilometer von Bukarest entfernt. Nationalmannschafts-Kandidat Marco Reus von Borussia Mönchengladbach schließt für seine weitere Karriere einen Wechsel zu Bayern München aus. In einem Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung bezeichnete der 22-Jährige einen Transfer als nicht vorstellbar. "Ich bin glücklich in Gladbach, und mit anderen Dingen beschäftige ich mich erst gar nicht", fügte Reus hinzu. Gleichwohl scheint der Mittelfeldspieler der Borussen nicht seine komplette Karriere beim fünfmaligen Meister zu planen. Zumindest ließ Reus, der in seinem bis 2015 laufenden Vertrag für 2013 eine Klausel für den Ausstieg zu einer nicht genannten Summe besitzt, Sympathien für den englischen Ex-Champion FC Arsenal erkennen. Ein Wechsel zu den Londonern wäre zwar nicht eine Frage des Schwachwerdens, aber "jeder hat seinen Lieblingsklub aus der Jugend, und ich war immer Fan von Arsenal, weil ich die Spielkultur so schätze". Hammerwerferin Betty Heidler hat für die beste Leistung bei den Wurfduellen im Historischen Olympischen Dorf in Elstal nahe Berlin gesorgt. Die bei der Weltmeisterschaft in Daegu auf den Silberrang verwiesene Weltrekordlerin schleuderte den Hammer 77,53 Meter weit und gewann den Vergleich nach dem Modus "Best of seven" mit Exweltmeisterin Anita Wlodarczyk aus Polen eindeutig. Insgesamt setzte sich das deutsche Team gegen eine internationale Auswahl mit 4:1 Siegen durch. Speerwerferin Christina Obergföll gewann einen Tag nach ihrem Triumph in Zürich mit 4:2 gegen Weltmeisterin Maria Abakumowa aus Russland, ihr weitester Versuch endete bei 65,01 Metern. Auch Robert Harting setzte seine Siegesserie fort. 24 Stunden nach Zürich flog der Diskus des Weltmeisters 66,50 Meter weit. Matthias de Zordo hielt wie in Daegu Andreas Thorkildsen nieder. Der beste Wurf des Weltmeisters wurde mit 79,86 Metern gemessen. Nur Vizeweltmeisterin Nadine Müller musste sich aus dem deutschen Team geschlagen geben. Sie unterlag der Kubanerin Yarelis Barrios. Für Weltmeister Sebastien Loeb und Citroen-Kollege Sebastien Ogier hat die Australien-Rallye mit einem Crash begonnen. Auf der zweiten Tagesprüfung überschlug sich zunächst das Auto von Loeb, der Fahrer blieb unverletzt und will schon am Samstag wieder starten. Wenig später streifte sein französischer Landsmann Ogier mit seinem Fahrzeug einen Baum. Für beide war der erste Tag vorzeitig beendet. Loeb überstand den Überschlag ebenso wie Co-Pilot Daniel Elena (Monaco) ohne große Blessuren. Mehr Sorgen macht das Auto. "Bevor wir das nicht gecheckt haben, können wir nicht sagen, ob er am Samstag wieder starten kann", teilte ein Sprecher des Teams mit. Ogier konnte nach seiner Baum-Berührung zunächst weiterfahren, stellte den Wagen einen Kilometer später aber ab. Doping-Sünder Kolo Touré darf wieder Fußball spielen. Sechs Monate war der Ivorer gesperrt, nun will er wieder einen Stammplatz bei Bayern Münchens Champions-League-Gegner Manchester City. Dabei, so behauptet Touré, hatte er doch gar nicht gedopt. Eine Diätpille seiner Frau soll schuld gewesen sein. Die enthielt verbotene Substanzen, der Test fiel positiv aus. Seit dem 2. September ist er wieder spielberechtigt. Einen Tag später stand der Abwehrspieler im Aufgebot der Nationalmannschaft der Elfenbeinkünste, wurde aber nicht eingesetzt. Am Samstag könnte Touré erstmals wieder für seinen Club im Heimspiel gegen Wigan Athletic auflaufen. "Ich will es allen zeigen, die gesagt haben, Kolo Touré braucht eine Tablette, um ein besserer Fußballer zu sein", sagte der 30-Jährige. Wegen der Fäkalien-Attacken auf Fans des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 hat das Sportgericht des DFB den 1. FC Köln mit einer Geldstrafe von 10.000 Euro belegt. Das teilte der DFB am Freitag mit. Während des Kölner Bundesliga-Spiels bei Schalke am 13. August waren aus dem Kölner Stehplatzbereich mit Urin und Fäkalien gefüllte Becher in den darunterliegenden Sitzplatzbereich geworfen worden. Köln hat dem Urteil zugestimmt. Außerdem wurde Werder Bremen mit einer Geldstrafe von 4000 Euro belegt. Werder-Anhänger hatten während des DFB-Pokal-Spiels beim 1. FC Heidenheim (1:2) Feuerwerkskörper gezündet. Für den entstandenen Schaden wird der Bundesligist einen Täter, der aufgrund von Bildmaterial eindeutig identifiziert werden konnte, in Regress nehmen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/interview-in-wirklichkeit-bin-ich-ein-ganz-pflegeleichter-typ-1.882984
mlsum-de-9917
Michael Ballack im Gespräch über schwierige Zeiten beim FC Bayern, die Kritik an seinem Spiel und seine Erwartungen an die Europameisterschaft.
SZ: Herr Ballack, wie geht es denn Ihrer Wadenprellung? Ballack: Ich hab' im Training bei Bayern einen Schlag im Zweikampf mit Roque Santa Cruz abbekommen. Es tut noch weh. Nach dem Abschlusstraining wird entschieden, aber ich will auf jeden Fall gegen Rumänien spielen. Detailansicht öffnen Klassenfahrt nach Bukarest: Ballack im Gespräch mit Nationaltrainer Völler vor dem Rumänienspiel. (Foto: Foto:) SZ: Hier bei der Nationalmannschaft wirken Sie, anders als im Verein, sehr gelöst. Sind Sie mitunter froh, der Hektik beim FC Bayern entgehen zu können? Ballack: Eigentlich nicht. Bei Bayern ist das ein Tagesgeschäft, an die Gegebenheiten gewöhnt man sich. Wenn man oben steht, ist das ja auch positiv. Ist man aber nicht Erster, gibt es permanent Kritik, selbst wenn man gute Spiele abliefert. Das geht schon das ganze Jahr so. "Es wurde ein Sündenbock gesucht" SZ: Dies ist Ihr erstes umfangreicheres Interview nach langer Zeit. Sie haben sich zuletzt sehr rar gemacht. Weshalb? Ballack: Das ist bedingt durch die letzten Wochen, speziell nach unserem Ausscheiden gegen Real Madrid in der Champions League, als die Kritik losging. Ich habe, wie andere auch, im Hinspiel ein sehr gutes Spiel gemacht und im Rückspiel eben nicht... SZ: ...da waren Sie durch eine fiebrige Erkrankung geschwächt. Ballack: Ja. Es wurde ein Sündenbock gesucht, und der war ich. Ich musste unheimlich viel Polemisches und Unsachliches schlucken. Was mich ärgerte, war, dass ich vom FC Bayern öffentlich keine Unterstützung erhielt, nur vom Trainer. Außerdem haben sich wie immer Leute zu Wort gemeldet, die ihr Fähnchen sowieso nur in den Wind halten. SZ: Meinen Sie mit unsachlicher Kritik, dass Ihnen trotz wichtiger Tore vorgeworfen wurde, Sie seien in schweren Spielen nicht zu sehen? Ballack: Ich habe meine Wichtigkeit für den Verein und die Nationalmannschaft oft genug unter Beweis gestellt. SZ: Sind sie überempfindlich gegen Kritik? Ballack: Ich stelle mich berechtigter Kritik, aber ich kann differenzieren. Beim FC Bayern sagt man, er sei ein schwieriger Spieler SZ: Tatsächlich wurden sie von Boulevardzeitungen und speziell von Sport-Bild bei jeder Gelegenheit hart angegangen. Gibt es dafür einen persönlichen Hintergrund? Ballack: Ja, das ist auffällig. Das war schon zu meiner Leverkusener Zeit so, aber ich kenne den Hintergrund nicht. SZ: Beim FC Bayern heißt es, Sie seien ein schwieriger Spieler. Was könnte damit gemeint sein? Ballack: Das kann nur ein Kompliment sein, sie wollen ja immer schwierige Typen. Ich habe mich halt manchmal gegen öffentliche Aussagen gewehrt, das zeigt doch, dass ich Charakter habe. Wenn sich bestimmte Leute zu Wort melden, deren Meinung mir wichtig ist, wie Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß, Ottmar Hitzfeld oder Franz Beckenbauer, sage ich eben manchmal was dazu. Vielleicht gilt das als schwierig. Aber in Wirklichkeit bin ich ein ganz pflegeleichter Typ ohne Allüren. SZ: Gerade auch von den Verantwortlichen des FC Bayern sind Sie oft kritisiert worden. Liegt das daran, dass die in ihren Erwartungen enttäuscht sind? Ballack: Glaub' ich nicht, die haben ja einen torgefährlichen Mittelfeldspieler gesucht. Diese Erwartung habe ich in der vergangenen und in der laufenden Saison erfüllt. Aber sie verlangen halt noch mehr von mir, das ist auch in Ordnung. Natürlich waren die Erwartungen an die Mannschaft in dieser Saison größer. Wir wollten in der Champions League weiter kommen nach der Enttäuschung des vergangenen Jahres. Aber gegen Real Madrid auszuscheiden ist keine Schande. Seine Saisonleistung: "Durchwachsen" SZ: Dennoch, an Ihnen wird besonders herumgemäkelt. ARD-Kritiker Günter Netzer hat Ihnen sinngemäß einmal die Befähigung zu einer Führungsrolle abgesprochen, weil Sie dem Erziehungssystem des DDR-Sports entsprungen sind. Ballack: Das hat mich nicht getroffen. Ich hab' damals gesagt, ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Grimme-Preisträger so etwas gesagt hat. Dabei bleibe ich auch. SZ: Sehr diplomatisch...Bayern-Chef Rummenigge hat zur Winterpause erklärt, nun, da Sie verletzungsfrei seien, werde man den besten Ballack seiner Karriere erleben. Sie spielen eine durchwachsene Rückrunde, mit guten, aber auch mit mäßigen Spielen. Ballack: Er hat gleichzeitig gesagt, wir müssen ihn mal in Ruhe lassen und dürfen nicht jede Woche an ihm herumnörgeln. Daraufhin habe ich gesagt: Das ist aber ein guter Vorsatz vom FC Bayern, mal gucken, wie lange der vorhält. Vier Wochen später war es das alte Lied. SZ: Wie sehen Sie Ihre Saisonleistung? Ballack: Durchwachsen eben, mit guten und weniger guten Spielen. SZ: Neben Oliver Kahn sind Sie der Star des FC Bayern, auch in der Werbung. Hat das Neid im Team ausgelöst? Ballack: Ich spüre das nicht. Ich gehe davon aus, dass alle Spieler des FC Bayern Topspieler sind und dasselbe wollen. Alle verdienen genug, wenngleich der eine oder andere etwas mehr präsent ist, wie das bei Olli (Kahn) und mir der Fall ist. Aber wir haben ja nicht mit dem Finger geschnippt und gesagt, jetzt schreibt mal etwas mehr über uns. Andere sind vielleicht sogar ganz froh, nicht so im Rampenlicht zu stehen, wenn's mal nicht so läuft. Ansonsten kriegt doch jeder von uns mehr als genug Aufmerksamkeit. SZ: Haben Sie bei all dieser Kritik nicht mal gedacht: Das habe ich nicht nötig, ich gehe weg aus München? Ballack: Nein. Ich habe hier einen Vierjahres-Vertrag und will mit Bayern noch viel erreichen. Wenn ich irgendwann weggehen sollte, dann deshalb, weil mich das Ausland reizen würde. Er trägt die Nummer 13, wie einst Gerd Müller SZ: Streitigkeiten gibt es jedenfalls um Ihre Position auf dem Platz. Viele Leute glauben noch immer, sie seien eine Nummer 10, der klassische Spielmacher. Sie tragen die Nummer 13 - wie einst Gerd Müller. Manager Uli Hoeneß hält sie für eine Nummer 6, vor der Abwehr spielend. Und Ihr Kollege Bixente Lizarazu meinte, Sie seien eher eine Nummer 8. Was ist denn nun Ihre Idealposition? Ballack: Das weiß Uli Hoeneß am besten, er hat mich ja verpflichtet, zusammen mit dem Trainer. SZ: Sie haben ja in Leverkusen... Ballack: ...eben, wir spielen ja ganz anders. Bei Bayer hatte ich eine Zwischenposition, einen vor mir, Bastürk, und einen hinter mir. Bayern hat das nicht, wir spielen ein 4-4-2-System, in Leverkusen war das mehr so ein 3-5-2, das ist etwas ganz anderes. SZ: Welche Nummer wäre das dann, die Sechseinhalb? Ballack: Meine 13 finde ich gut. SZ: Macht es denn generell einen Unterschied, ob man bei Bayer oder bei Bayern spielt? Ballack: Natürlich, Bayern hat ganz andere Erfolge, das ist ein Weltklub. Das geht beim Präsidium los, über die Spieler, die Struktur des Vereins, zudem ist München ist eine Medienstadt. SZ: Hat sich Ihr Leben verändert? Ballack: Klar, man rückt als Person viel mehr in den Mittelpunkt. Man wird in allen Situationen mehr beäugt. Aber ich hab' das ja gesucht. Wenn ich meine Ruhe hätte haben wollen, wäre ich in Leverkusen geblieben. Es wäre naiv, zum FC Bayern zu gehen und zu glauben, hier passiert den ganzen Tag nix. Manchmal ist das jedoch schon hart. "Wenn wir die Vorrunde überstehen, ist alles möglich" SZ: Zurück zur Nationalmannschaft. Die galt vor der WM 2002 als chancenlos - und kam ins Finale. Zur EM im Juni in Portugal gilt sie wieder als aussichtslos, zumal die Konkurrenz mit den Niederlanden und Tschechien schwierig ist. Ist ein ähnlicher Erfolg trotzdem denkbar? Ballack: Weil wir die Spiele gegen die namhaften Fußballnationen in den letzten Jahren verloren haben, traut man uns nicht so viel zu. Sobald aber ein Spiel angepfiffen wird, dreht sich das öffentliche Anspruchsdenken komplett. Wenn wir die EM-Vorrunde überstehen, ist alles möglich. SZ: Da in den vergangenen zwei Jahren viele junge Leute zum Nationalteam hinzugekommen sind, kann man auf die Idee kommen, diese EM sei nur Durchgangsstation auf dem Weg zur WM 2006. Ballack: Das denke ich nicht. Es ist wie jedes andere Turnier ein absolutes Highlight, für die Spieler und die Fans. Für einige der jungen Leute kann die Europameisterschaft der Durchbruch sein. SZ: Ist diese junge Mannschaft vielleicht erst 2006 auf Ihrem Zenit? Ballack: Vom Papier her ist das denkbar - wenn die jungen Spieler sich so weiter entwickeln. Sie müssen sich halt ein paar Jahre behaupten, auch international. Sie müssen das mal mitgemacht haben, weil es nicht sein kann, dass die Verantwortung bei einer WM im eigenen Land auf ein, zwei Spieler verteilt ist. Das muss ein Kern von fünf, sechs, sieben Spielern sein. Sie müssen lernen, mit Niederlagen und positiven Erlebnissen klar zu kommen. Da hilft so eine EM ungemein, egal, wie es dabei ausgeht.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/missbrauchs-studie-wenn-beten-nicht-mehr-hilft-1.4130036
mlsum-de-9918
Deutschlands Bischöfe wollen nicht aufklären, zumindest nicht schonungslos, wie ihre nun vorgelegte Missbrauchs-Studie zeigt. Der Bericht verkennt das wahre Ausmaß der sexualisierten Gewalt in der katholischen Kirche.
Kardinal Karl Lehmann, der im Frühjahr gestorbene Bischof von Mainz, war ein kluger Mann - in dieser Angelegenheit aber irrte er fundamental. "Den amerikanischen Schuh müssen wir uns nicht anziehen," sagte 2002 der damalige Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz dem Spiegel . Gerade hatte der Boston Globe aufgedeckt, dass im US-Bistum Boston Dutzende Kleriker Hunderten Kindern und Jugendlichen sexuelle Gewalt angetan hatten und dies über viele Jahre hinweg vertuscht worden war. Das sei ein amerikanisches Problem, führte Lehmann aus. Dabei waren auch da schon zahlreiche Missbrauchsfälle in Deutschland bekannt geworden - Einzelfälle, hieß es damals. Nun, 16 Jahre später, erschüttert der Skandal die katholische Kirche weltweit und bis hinauf zum Papst; erschüttert sie in ihren heiligsten Grundsätzen. Kardinal George Pell, des Papstes Finanzminister, steht in Australien vor Gericht, weil er Minderjährige bedrängt haben soll; der dortige Erzbischof von Adelaide ist schon zu einem Jahr Haft verurteilt. Gerade ist der US-Bischof Michael Bransfield zurückgetreten, der Erzbischofsstuhl von Kardinal Wuerl in Washington wackelt, den Bundesstaat Pennsylvania bewegt der Report einer unabhängigen Kommission, dem zufolge über 70 Jahre hinweg mehr als 300 katholische Priester Jungen und Mädchen sexuell missbrauchten. Die australische Royal Commission hat fast 2500 Opfer identifiziert; in Chile hat eine ganze Bischofskonferenz den Rücktritt angeboten. Und in Rom hat der ehemalige Papst-Botschafter in Washington, Carlo Maria Viganò, Papst Franziskus zum Rücktritt aufgefordert, weil er den Missbrauchsvorwürfen gegen den Washingtoner Kardinal Theodore McCarrick zunächst nicht nachgegangen sei. Die Krise ist ganz oben angekommen. Vor wenigen Wochen erst hat Franziskus in einem dramatischen Brief "Scham und Reue" angesichts der vieltausendfachen Gewalt bekundet - und doch wirkt der Pontifex von der Wucht der Skandale gelähmt, die da die Kirche überrollen. Ein Forscherverbund mehr als 38 000 Akten durchforstet Kaum anders ergeht es den deutschen Bischöfen, deren Studie zur sexualisierten Gewalt in der Kirche diese Woche die Zeit und der Spiegel in Teilen vorab veröffentlichten; die hilflosen Äußerungen der Erschütterung und Scham einiger Bischöfe gingen in der Aufregung genauso unter wie die Empörung des Missbrauchsbeauftragten und Trierer Bischofs Stephan Ackermann über die Durchstecherei. ‹ › Empörte Gläubige, ratlose Bischöfe und ein schweigender Papst: Wieder einmal wühlen Fälle sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche die katholische Kirche auf. Bild: imago stock&people ‹ › Mit einem öffentlichen Bußakt reagierte die deutsche Bischofskonferenz 2011 auf die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Nach einer Prozession knieten alle Bischöfe im Paderborner Dom nieder. Bild: imago stock&people ‹ › In Deutschland nahm der Skandal im Berliner Canisius-Kolleg der Jesuiten 2010 seinen Anfang. Bild: picture alliance / dpa ‹ › Der Papst hat die Vorsitzenden der nationalen Bischofskonferenzen zu einem Krisengipfel in den Vatikan eingeladen. Bild: Giorgio Perottino/Reuters Wird geladen ... Der Bericht selbst zeigt die Möglichkeiten und Grenzen der Selbstaufklärung einer Institution. Mehr als vier Jahre lang hat ein interdisziplinärer Forscherverbund mehr als 38 000 Akten durchforstet, mit Betroffenen und - vergleichsweise wenigen - Tätern geredet, hat herauszufinden versucht, wie sehr Opfer unter den Folgen der Taten leiden und was die Ursachen dafür sein könnten, dass die Täter so oft geschützt und so selten bestraft wurden. Es sei ein großer Fortschritt, dass die Perspektive der Betroffenen einen wichtigen Platz in der Studie einnehme, heißt es bei den Kennern des Forschungsprozesses. Das wahre Ausmaß der sexualisierten Gewalt in der katholischen Kirche erfasse der Bericht aber bei Weitem nicht. Das liegt an den Kompromissen, die das Team 2014 eingegangen ist, als die Untersuchung erneut ausgeschrieben wurde, nachdem ein erster Versuch mit dem Kriminologen Christian Pfeiffer krachend am Streit um die Freiheit des Forschers gescheitert war. Das Konsortium aus Mannheim, Heidelberg und Gießen akzeptierte, was Pfeiffer abgelehnt hatte: Es gab keinen direkten Zugang zu den kirchlichen Personalakten; die Forscher drückten Kirchenmitarbeitern Fragebögen in die Hand, die gingen dann das Archiv durch. Die Kirche gab den Zugriff auf ihre Akten nicht auf, auch um jene Bischöfe von dem Projekt zu überzeugen, die am liebsten gar keinen Forscher in der Nähe ihres Archivs gesehen hätten. "Ich hätte mich darauf nicht eingelassen", sagt einer, der in der Erforschung von Missbrauch erfahren ist. Er kenne sogar einen Fall, im dem der Leiter des Archivs einer der Beschuldigten war. Nicht richtig pädophil, aber vereinsamt, alkoholabhängig und sexuell unreif Auch sonst aber liegt in den Akten nur bedingt die Wahrheit. Als das Erzbistum München 2010 alle Akten untersuchen ließ, offenbarten sich umfangreiche Vernichtungsaktionen und ein unfassbar laxer Umgang gerade mit brisanten Akten - einige fand man auf dem Dachboden eines Mitarbeiters, nach dessen Tod. In der jetzigen Studie berichten die Forscher ebenfalls von Aktenvernichtungen, in zwei Bistümern seien sie systematisch gewesen. Sie sprechen von einer "Hellfeldstudie"; dem Dunkelfeld des Missbrauchs nähert sie sich nicht an. Die Zahlen von 1670 Tätern und 3677 Betroffenen sind Mindestannahmen. Nach SZ-Informationen kam eine Beraterin der von der Bischofskonferenz geschalteten Hotline mit rund 50 Verdachtsfällen zu den Forschern - zu spät, um Eingang in die Studie zu finden. Ein bisschen Licht ins Dunkel hätte eine Untersuchung bringen können, wie sie eine unabhängige Kommission in den Niederlanden 2011 in Auftrag gab. Dort fragten Forscher insgesamt 34 000 Menschen, ob ihnen je ein sexueller Übergriff widerfahren sei, und wenn ja, von wem. Die Auswertung ergab, dass in dem Land mit 17 Millionen Einwohnern bis zu 20 000 Kinder und Jugendliche Opfer sexueller Übergriffe in der katholischen Kirche und ihren Einrichtungen wurden. Eine solche Studie fand in Deutschland nicht statt. Auch wurden die Orden nicht einbezogen, die viele Internate und Heime betrieben - Orte, wo es besonders oft Gewalt gab. So wird die Studie kaum den von vielen Bischöfen erhofften Frieden bringen, wenn sie am 25. September in Fulda offiziell vorgestellt wird. Andere Forschungs- und Aufarbeitungsprozesse waren da erfolgreicher, beim Benediktinerkloster Ettal zum Beispiel oder den Regensburger Domspatzen - auch, weil dort externe und unabhängige Ermittler eine größere Rolle spielten. Die Verbindung zum Auftraggeber wird, bei aller seriös geleisteten Arbeit, die Zweifel nie ganz ausräumen können. Wohl aber wird sie die Debatte befeuern, inwieweit die hohe Zahl der Missbrauchsfälle und die Neigung zum Vertuschen nicht doch mit einem übersteigerten Verständnis von der unfehlbaren Institution und der Heiligkeit des zölibatär lebenden, männlichen Priesters zu tun hat. Sexualisierte Gewalt kommt überall vor, in Sportvereinen wie auch der evangelischen Kirche - die Anfälligkeit katholischer Milieus ist jedoch auffällig. Der Essener Forensiker Norbert Leygraf untersuchte 2012 die Akten 80 einschlägig straffällig gewordener katholischer Priester und fand heraus, dass die große Mehrheit nicht fixiert pädophil war, wohl aber vereinsamt, alkoholabhängig, sexuell unreif, psychisch labil. Der Zölibat kann ein Fluchtort sein für Männer, die nicht mit ihrem Leben, ihrer Sexualität zurechtkommen - und ihre Probleme heiligen wollen. Er befördert Männerbünde, die sich gegenseitig schützen. Und eine Kirche, die sich als Hüterin des Heils sieht, wird eher dazu neigen, Taten zu vertuschen, um unbeschädigt dazustehen. Den ersten Schritt der Veränderung hat Franziskus in seiner Programmschrift "Evangelii Gaudium" beschrieben: Die Kirche darf nicht blank und unversehrt bleiben, sie muss lernen, sich verbeulen zu lassen, um der Menschen willen, für die sie da ist. Sie wird in den kommenden Jahren einige Beulen abbekommen, will sie ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Eine Möglichkeit wäre, die vatikanischen Archive zu öffnen. Im Jahr 2001 ordnete Kardinal Joseph Ratzinger, damals Präfekt der Glaubenskongregation, an, dass weltweit Kopien aller Unterlagen über sexuelle Gewalt von Klerikern gegen Kinder und Jugendliche an seine Behörde geschickt werden müssten. Forschern und Strafverfolgern sind sie nicht zugänglich. Die Kirche könnte auch ihr Gesetzbuch ändern, den Codex Iuris Canonici - dort gilt sexueller Missbrauch bislang als Verfehlung und nicht als Verbrechen. Und dann müsste die Debatte über den Zölibat und das Selbstverständnis der Priester geführt werden, wie das inzwischen so mancher Bischof fordert, über das Verhältnis der katholischen Kirche zur Sexualität und zur Homosexualität, zur Verbindung von Religion, Autorität und Macht. Für Ende Februar 2019 hat nun Papst Franziskus die Vorsitzenden aller nationalen Bischofskonferenzen nach Rom geladen; sie sollen beraten, wie die Kirche sich in einer ihrer tiefsten Krisen verhalten soll, was sie tun muss im Angesicht der traumatisierten, manchmal fürs Leben geschädigten Opfer ihrer Priester. Fünf Monate sind es noch bis dahin, eine lange Zeit - zumal vom 3. Oktober an sich die Bischöfe der Welt in Rom versammeln, um über die Jugend zu reden und über Priesterberufungen. Die sexuelle Gewalt durch Priester an Jugendlichen steht nicht offiziell auf dem Programm. Es dürfte eine höchst eigentümliche Veranstaltung werden.
https://www.sueddeutsche.de/sport/sport-kompakt-brasilien-bangt-1.1118377
mlsum-de-9919
Sturzserie bei der Tour de France: Alexander Winokurow und ein belgischer Mitfavorit müssen verletzt aufgeben, ein Begleitfahrzeug rammt zwei Ausreißer vom Rad. Außerdem: zwei Weltbestzeiten beim Ironman in Roth, Salihamidzic bricht sich den Arm.
Die unheimliche Sturzserie der Tour de France hält an und hat zwei weitere Spitzenfahrer zur Aufgabe gezwungen. Routinier Alexander Winokurow und Podiumskandidat Jürgen Van Den Broeck verletzten sich am Sonntag bei einem dramatischen Sturz schwer und mussten das Rennen beenden. Für Winokoruw, der seine letzte Tour bestritt, dürfte die Radprofi-Karriere vorzeitig zu Ende sein. Eine Schrecksekunde erlebte eine fünfköpfige Ausreißergruppe, als ein Auto des französischen Fernsehens bei voller Fahrt Juan Antonio Flecha von der Seite rammte. Der Spanier vom Team Sky stürzte und riss Johnny Hoogerland mit sich. Dieser wirbelte dramatisch durch die Luft und wurde auf gerader Strecke in einen Weidezaun geschleudert. Nach bangen Sekunden konnte er - trotz etlicher Bandagen blutüberströmt - weiterfahren. Um den möglichen Etappensieg hatte der Fahrer des Wagen die beiden Profis mit seiner Aktion aber bereits gebracht. Das Gelbe Trikot eroberte auf der 9. Etappe Lokalmatador Thomas Voeckler, der nach 208 Kilometern in Saint-Flour Zweiter einer Fluchtgruppe hinter Luis Leon Sanchez wurde. Europcar-Profi Voeckler selbst, der schon 2005 kurz das Gelbe getragen hatte, lancierte die Attacke im Anstieg zum ersten von insgesamt sieben Bergen. (Hier geht's zu den Ergebnisse, den Wertungen und dem Liveticker.) Der ehemalige Münchner Roque Santa Cruz und der frühere Dortmunder Nelson Valdez haben mit ihren Toren Copa-America-Favorit Brasilien in arge Bedrängnis gebracht. Dank der Treffer der beiden Stürmer führte Paraguay bei der Copa América bis kurz vor Schluss gegen den Nachbarn verdient mit 2:1, ehe dem eingewechselten Fred in der 89. Minute doch noch der 2:2-Ausgleich gelang. "Fred verhinderte einen Skandal für die Seleção", brachte die Sportzeitung Lance! in ihrem Internetportal die Stimmung im Land des fünfmaligen Weltmeisters auf den Punkt. Die Folha de São Paulo schrieb von einem erneut "desaströsen Auftritt" und warnte: "Am Mittwoch muss der auserwählte fünffache Weltmeister gegen Ecuador gewinnen, um sich für das Viertelfinale zu qualifizieren. Ein Scheitern könnte das vorzeitige Aus bedeuten, was eine historische Schande wäre." Titelverteidiger Brasilien wartet nach dem torlosen Remis im Auftaktspiel gegen Venezuela bei der Copa 2011 in Argentinien weiter auf den ersten Sieg. Fans und Medien werden ungeduldig. Nationalcoach Mano Menezes gerät unter Druck. "Wir haben Fehler gemacht und fast verloren", sagte der Coach. Er sieht sein Team jedoch im Aufwärtstrend. "Die dritte Partie (gegen Ecuador) wird besser als die zweite (gegen Paraguay), die schon besser als die erste (gegen Venezuela) war", rechnete Menezes vor. Unterdessen besiegte Venezuela Ecuador am Samstag mit 1:0 und übernahm damit die Führung in der harten Gruppe B. Das Tor erzielte Cesar Eduardo Gonzalez in der 61. Minute. Triathletin Chrissie Wellington aus Großbritannien hat über die Ironman-Distanz in 8:18:13 Stunden bei der Challenge Roth ihre eigene Weltbestzeit verbessert. Die 34-Jährige Britin unterbot am Sonntag über 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer Laufen ihre Marke aus dem Vorjahr um exakt eine Minute. Zuvor hatte schon der Potsdamer Andreas Raelert nach 7:41:36 Stunden die Weltbestmarke der Männer um über vier Minuten verbessert. Der Karlsruher Sebastian Kienle (7:57:06) sicherte sich bei dem Rekordrennen Rang zwei vor dem Neuseeländer Keegan Williams (8:16:03). Das deutsche Davis-Cup-Team ist für die absolute Weltspitze nicht gut genug. Das Aus im Viertelfinale gegen Frankreich stand bereits nach dem Doppel am Samstag fest, am Sonntag sicherte Philipp Petzschner (Bayreuth) der deutschen Auswahl in Stuttgart dann immerhin einen Ehrenpunkt. Im bedeutungslosen Einzel gegen Michael Llodra siegte der 27-Jährige 6:3, 6:4. Philipp Kohlschreiber verlor im letzten Duell gegen Wimbledon-Halbfinalist Jo-Wilfried Tsonga 6:7 (3:7), 6:7 (5:7). Damit feierte Frankreich einen 4:1-Gesamtsieg. Petzschner zeigte sich am Wochenende aber nicht nur über das Ausscheiden enttäuscht. Er war auch sauer über die kritischen Worte von Nicolas Kiefer. Der ehemalige Weltranglisten-Vierte wurde am Samstag ein halbes Jahr nach seinem Karriereende offiziell vom DTB verabschiedet und erklärte dabei, dem Herren-Tennis fehle es hierzulande derzeit "an Typen. Das ist zu blass". Das sei der Grund für die geringe Unterstützung auf dem nur halbvollen Stuttgarter Weissenhof. "Da könnte ich ausflippen", sagte Petzschner in Richtung Kiefer, denn er sieht sich als "Typ". Die Strafen des internationalen Tennisverbands (ITF) seien aber so hoch, dass er sich unbequeme Auftritte und Bemerkungen lieber spare als zu zahlen. Nationaltorhüter Manuel Neuer lässt sich von den erneuten Schmähungen einiger unverbesserlicher Fans von Bayern München nicht beirren. "Das ist kein Problem für mich", sagte der 25-Jährige am Rande des 4:2 im Testspiel gegen Katar am Samstagabend in Arco (Italien). Bayern München habe 165.000 Mitglieder: "Wenn 30 eine Aktion gegen mich machen, ist das kein Problem. Wären es 100.000, würde ich mir Gedanken machen", erklärte der ehemalige Schalker in der Bild am Sonntag. Dass ihn die Anfeindungen einiger weniger Bayern-Anhänger "kalt lassen", führte Neuer indirekt auf seine Persönlichkeit zurück. "Ich weiß nicht, ob es richtig ist zu sagen: Das kann man nicht lernen", sagte der 20-malige Nationalspieler. Als Fußballprofi habe er seinen Job zu erledigen: "Da ist es nicht angebracht, sich auf Nebensächlichkeiten zu konzentrieren". Auch in den vergangenen Monaten hatte er trotz enormer Anfeindungen während des Transferpokers seine Leistung gebracht: "Dann habe ich gemerkt, es war der richtige Weg, den ich gewählt habe." Zé Roberto hat nach seinem Abschied vom Hamburger SV einen Zweijahresvertrag beim Al Gharafa Sporting Club in Katar unterschrieben. Der ehemalige brasilianische Nationalspieler werde seinen Landsmann Juninho ersetzen, teilte der Verein auf seiner Homepage mit. Juninho wechselte zu Vasco da Gama. Der 37 Jahre alte Zé Roberto hatte sich zuvor nicht mit dem HSV auf eine Verlängerung einigen können. Wie sein früherer Club Bayern München wollte der Hamburger Bundesligist nur für ein Jahr verlängern, der Mittelfeldspieler war an einem langfristigen Vertrag interessiert. Der Bosnier Hasan Salihamidzic hat sich bei einem Testspiel des VfL Wolfsburg einen Armbruch zugezogen und fällt für unbestimmte Zeit aus. Das Unglück geschah am Samstag in der 18. Minute eines Auftritts bei SW Bismark/Altmark, das der Bundesligist schließlich mit 16:2 gewann. Die erste Diagnose seiner Verletzung lautet: Bruch der Elle des linken Unterarms. Der 34-Jährige Salihamidzic war erst am Montag als Neuzugang für das Team von Felix Magath präsentiert worden. Die US-amerikanischen Tennis-Herren haben im Davis-Cup-Viertelfinale gegen Spanien auf 1:2 verkürzt. Das Doppel Bob Bryan und Mike Bryan besiegte im texanischen Austin das Duo Marcel Granollers und Fernando Verdasco mit 6:7 (3:7),6:4,6:4,6:4. Damit bringen die abschließenden Einzel am heutigen Sonntag die Entscheidung. Am Freitag hatten sich die Spanier die Auftakteinzel geholt. Feliciano Lopez besiegte Mardy Fish in fünf Sätzen, David Ferrer setzte sich in drei Sätzen gegen Andy Roddick durch. Das deutsche Beachvolleyball-Duo Julius Brink und Jonas Reckermann hat beim Grand-Slam-Turnier in Gstaad (Schweiz) das Halbfinale erreicht. Im Viertelfinale setzten sich die auf Position Zwei gesetzten Deutschen in beinahe einer Stunde Spielzeit mit 2:1-Sätzen (22:24, 21:18, 15:12) gegen Reinder Nummerdor und Richard Schuil aus den Niederlanden durch. Im Halbfinale am Sonntag treffen Brink/Reckermann auf das an Nummer Vier gesetzte US-Duo Rogers/Dalhausser. Zwei weitere deutsche Teams waren im Achtelfinale gescheitert: David Klemperer und Eric Koreng unterlagen Nummerdor/Schuil, Jonathan Erdmann und Kay Matysik verloren ebenfalls in zwei Sätzen gegen die Brasilianer Marcio Araujo und Ricardo. Fifa-Präsident Joseph Blatter begrüßt die Entscheidung des mexikanischen Fußball-Verbandes (FMF), die fünf unter Dopingverdacht geratenen Nationalspieler nicht bestrafen zu wollen. "Wir stimmen vollkommen mit diesem Entschluss überein", sagte der Chef des Fußball-Weltverbandes (FIFA) im mexikanischen Pachuca am Rande der U-17-WM. Beim Gold-Cup vor rund vier Wochen waren fünf Mexikaner positiv auf das Kälbermastmittel Clenbuterol getestet und vom Turnier ausgeschlossen worden. Die Kicker hatten den Befund mit dem Verzehr von kontaminiertem Rindfleisch begründet. "Es handelt sich garantiert um verseuchte Nahrung", mutmaßte Blatter.
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mlsum-de-9920
Atletico Madrids Stürmer schafft sagenhafte fünf Treffer gegen La Coruna, Robin van Persie entscheidet dramatisches Manchester-Derby. Mesut Özil ist der große Gewinner beim Sieg von Madrid gegen Valladolid. Inters Wesley Sneijder könnte bald nach Paris wechseln, bei Arsenal gibt es Gerüchte um eine Rückkehr von Thierry Henry.
Spanien, Rekord: Radamel Falcao von Atletico Madrid hat im Kampf um die Torjägerkrone der Primera Division eine eindrucksvolle Kampfansage an Lionel Messi und Cristiano Ronaldo gesendet. Beim 6:0 (3:0)-Heimsieg über Deportivo La Coruina erzielte der Kolumbianer fünf Treffer, darunter einen Hattrick in der zweiten Halbzeit. Madrid bleibt damit erster Verfolger von Spitzenreiter FC Barcelona, der bei Betis Sevilla am späten Sonntagabend 2:1 (2:1) gewann. Ein Fünferpack war in Spaniens Eliteklasse zuletzt im Februar 2002 Fernando Morientes beim 7:0 des FC Valencia gegen UD Las Palmas gelungen. Den Liga-Rekord halten mit sieben Treffern Agustin "Bata" Sauto beim 12:1 von Athletic Bilbao gegen den FC Barcelona in der Saison 1930/31 und Barca-Legende Ladislao Kubala beim 9:0 gegen Sporting Gijon in der Saison 1951/52. In der Torjägerliste liegt Falcao mit 16 Treffern in 15 Spielen hinter Barcas Messi (23), der gegen Betis zweimal traf und mit nun 86 Toren Gerd Müllers Bestmarke von 85 Toren in einem Kalenderjahr übertraf. Real Madris Ronaldo liegt bei 13 Toren. Inter Mailand, möglicher Transfer: Wesley Sneijder ist in aller Munde, nur Inter-Trainer Andrea Stramaccioni redet nicht mehr gern über den niederländischen Nationalspieler. Seitdem der 36-Jährige bei Inter das Sagen hat, ist der Mittelfeldmann zum Problemfall verkommen und nun anscheinend kur vor dem Abschied Richtung Paris. Der plötzlich sparsame Nobelclub will ihm das Gehalt um ein Drittel kürzen. Akzeptiert der 28-Jährige nicht, kann er gehen. Sneijder empfindet das als Erpressung, seine Verbannung aus dem Team als Mobbing. Als Inter seine Aufholjagd am Sonntag mit dem 2:1-Sieg im Verfolgerduell gegen den SSC Neapel krönte und sich vier Punkte hinter Titelverteidiger Juventus Turin auf Platz zwei verbesserte, schaute der Niederländer wieder nur genervt zu. Sneijder will im Januar in Paris anheuern. Laut der L'Équipe hat er bereits Paris Saint Germains Sportdirektor Leonardo angerufen. Ein erfolgloser Hilferuf, mutmaßte das französische Sportblatt am Montag. Italiens Fußballbibel Gazzetta dello Sport meldete am selben Tag dagegen ein erstes Angebot: PSG wolle Inter 12 Millionen Euro Ablöse und "Wes" ein Netto-Spielergehalt von 6,5 Millionen für drei Jahre zahlen. FC Arsenal, Thierry Henry: Der ehemalige Weltmeister steht anscheinend vor einer erneuten Rückkehr zu seinem kriselnden Ex-Verein FC Arsenal in die Premier League. Wie verschiedene britische Medien berichten, soll der 35 Jahre alte Stürmer auf Leihbasis vom US-Klub New York Red Bulls zum Verein der deutschen Nationalspieler Lukas Podolski und Per Mertesacker kommen und könnte bereits am 6. Januar im FA Cup gegen Swansea eingesetzt werden. Teammanager Arsene Wenger würde den Franzosen gerne bis zum Saisonende im Mai behalten, New York drängt aber auf eine Rückkehr im März, wenn die MLS-Spielzeit beginnt. Nach acht Jahren im Trikot der Gunners von 1999 bis 2007 sowie einer Ausleihe zu Beginn dieses Jahres, als Henry in vier Ligaspielen zwei Tore erzielte, wäre es Henrys drittes Engagement bei den Londonern. In der Liga liegt Arsenal mit 15 Punkten Rückstand auf Spitzenreiter Manchester United (39 Punkte) nur auf dem siebten Tabellenrang. England, Premier League: Manchester United hat seine Tabellenführung in der englischen Premier League ausgebaut. Nach dem 3:2 (2:0)-Sieg im Stadtderby beim Titelverteidiger und direkten Verfolger Manchester City beträgt der Vorsprung der Mannschaft von Teammanager Alex Ferguson nunmehr sechs Punkte auf die Citizens, die vier Tage nach dem blamablen Vorrunden-Aus in der Champions League ihre erste Saisonniederlage kassierten. Mit seinem dritten Doppelpack und den Saisontoren fünf und sechs legte Englands Nationalspieler Wayne Rooney (16. und 29.) den Grundstein zum Sieg bereits vor der Halbzeitpause, den entscheidenden Treffer setzte Robin van Persie mit einem abgefälschten Freistoß in der Nachspielzeit. Zuvor hatten Yaya Toure (60.) und Pablo Zabaleta (86.) für den zwischnzeitlichen 2:2-Ausgleich gesorgt. Nach dem Siegtreffer sorgte ManUniteds Nationalspieler Riu Ferdinand für ein Kuriosum. Der Abwehrchef bejubelte das Tor, indem er sich sein Trikot über den Kopf zog, dabei rammte er sich allerdings seine Hand ans linke Auge. Die Folge war ein blutiger Cut an der Augenbraue. Der FC Arsenal um die deutschen Fußball-Nationalspieler Lukas Podolski und Per Mertesacker hatte bereits am Samstag seine Mini-Krise beendet. Zum Auftakt des 16. Spieltages kamen die Gunners nach zuletzt vier Spielen ohne Sieg am Samstag zu einem wichtigen 2:0 (1:0) gegen West Bromwich Albion und haben wieder Kontakt zu den internationalen Plätzen aufgenommen. Die Treffer erzielte der Spanier Mikel Arteta jeweils per Elfmeter (26./64.). Mit 24 Zählern kletterte die Mannschaft von Teammanager Arsene Wenger vor den Sonntagsspielen auf den sechsten Rang hinter West Bromwich (26). Podolski wurde in der 87. Minute eingewechselt, Mertesacker stand erneut in der Startelf und spielte durch. Derweil hat Fernando Torres das Trainer-Engagement seines spanischen Landsmannes Rafael Benitez beim FC Chelsea offenbar beflügelt. Drei Tage nach seinem Doppelpack beim 6:1 der Blues in der Champions League gegen den FC Nordsjaelland leitete der Stürmer mit zwei Treffern im ersten Durchgang (11./45.+2) das 3:1 (2:0) beim FC Sunderland ein. Es war der erste Liga-Sieg unter Benitez, der im November das Amt von Teammanager Roberto Di Matteo übernommen hatte. In der Tabelle festigte der Champions-League-Sieger mit 29 Punkten den dritten Rang. Italien, Serie A: Der italienische Rekordmeister Juventus Turin bleibt in der Serie A souveräner Spitzenreiter. Juve gewann am 16. Spieltag durch einen Treffer des Schweizer Abwehrspielers Stephan Lichtsteiner (50.) 1:0 (0:0) bei US Palermo und hat nach dem zwölften Saisonsieg nun 38 Punkte auf dem Konto. Am Abend trafen im Verfolgerduell noch der Tabellendritte Inter Mailand (31) und der zweitplatzierte SSC Neapel (33) aufeinander. Miroslav Klose tritt mit Lazio Rom erst am Montag (21.00 Uhr) beim SSC Neapel an. Im Aufwärtstrend bleibt unterdessen der AC Mailand, der beim 4:2 (1:1)-Auswärtssieg über den FC Turin den dritten Dreier in Serie verbuchte und den siebten Platz festigte. Der frühere U21-Nationalspieler Kevin-Prince Boateng fehlte rotgesperrt. Spanien, Primera Division: In der spanischen Liga hat hat Mesut Özil Real Madrid in der spanischen Fußball-Meisterschaft mit einem Doppelpack den zehnten Saisonsieg beschert. Beim 3:2 (2:2) des Titelverteidigers bei Real Valladolid erzielte der deutsche Nationalspieler am Samstagabend kurz vor der Pause den Ausgleich zum 2:2 und in der 72. Minute den Siegtreffer. Der Mittelfeldspieler, der seinen zweiten Doppelpack in der Primera Division erzielte, steht nun bei vier Saisontoren, allesamt erzielt in den jüngsten vier Spielen. Die Mannschaft von Trainer José Mourinho verkürzte den Rückstand auf Tabellenführer FC Barcelona, der erst am Sonntag bei Betis Sevilla antreten muss, damit zunächst auf acht Punkte. Die Gastgeber gingen durch Manucho Goncalves (7. und 22.) zweimal in Führung, den Ausgleich für Real zum 1:1 besorgte Karim Benzema (12.). Dann schlug Özil zweimal zu. Bei Valladolid musste der ehemalige Herthaner Patrick Ebert nach 30 Minuten ausgewechselt werden. Hannover 96, Mirko Slomka: Nach monatelangem Hin und Her hat Trainer Mirko Slomka seinen Vertrag um drei weitere Jahre verlängert. Er unterschrieb am Samstag ebenso wie Clubchef Martin Kind und Geschäftsführer Jörg Schmadtke den neuen Kontrakt, der bis 2016 gilt. Bereits während der Woche hatten Vereinsverantwortliche und Trainer die grundsätzliche Einigung auf einen neuen Vertrag bestätigt. Zuvor hatte es bei den zähen Verhandlungen mehrfach Irritationen gegeben. Slomka ist seit dem 19. Februar 2010 Cheftrainer in Hannover. Der 45 Jahre alte Coach führte den Club zunächst zum Klassenerhalt und danach zweimal in Folge in die Europa League. Das Bundesliga-Heimspiel gegen Bayer 04 Leverkusen am Sonntag (17.30 Uhr) war das 100. des Fußball-Lehrers bei 96. Vor der Unterschrift am Samstag gab es einige Probleme zwischen den Verhandlungsparteien, der Club hatte dem Trainer schließlich ein Ultimatum gestellt. Slomka selbst hatte geklagt: "Hier ist immer Riesen-Theater." Bereits vor der bisher letzten Verlängerung im Januar 2011 hatte es Verzögerungen und öffentliche Vorwürfe gegeben. Niersbach, EM 2020: DFB-Präsident Wolfgang Niersbach sieht in Deutschland mindestens neun Kandidaten für die Austragung von Spielen der "Europa-EM" 2020. Im Interview mit der Bild am Sonntag skizzierte der Chef des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zudem erstmals mögliche Kriterien. "Die Uefa wird klare Vorgaben machen, aber sie überlässt die Wahl der Kandidaten dem jeweiligen Verband. Ein entscheidender Faktor wird die Stadion-Kapazität sein, da rechne ich mit mindestens 50.000 Sitzplätzen", sagte Niersbach. "Dazu kommen ein internationaler Flughafen und die Bereitschaft, Fan-Zonen einzurichten." Neben Berlin und München, die bereits Interesse bekundet haben, nannte Niersbach Hamburg, Frankfurt, Stuttgart, Dortmund, Gelsenkirchen, Düsseldorf und Köln. "Wir werden ab März 2013 eine Ausschreibung machen und am Ende eine Stadt benennen", sagte der 62-Jährige. Michel Platini, Präsident der Europäischen Fußball-Union, hatte die revolutionäre Idee einer EM präsentiert, die über ganz Europa verteilt in zwölf bis 13 Metropolen ausgespielt wird. Das Exekutivkomitee der Uefa stimmte dem Vorschlag am Donnerstag zu. Zweite Liga, Trainerentlassung: Dynamo Dresden hat auf seine sportliche Talfahrt reagiert und Trainer Ralf Loose mit sofortiger Wirkung beurlaubt. Diese Entscheidung traf die Klubführung in der Nacht nach der 0:3-Heimniederlage gegen den VfL Bochum. Nach zuletzt vier Spielen ohne Sieg haben sich die Abstiegssorgen des achtmaligen DDR-Oberliga-Meisters nochmal verschärft. Dynamos Sportlicher Leiter Steffen Menze wird die Mannschaft am kommenden Sonntag bei 1860 München als Interimstrainer betreuen. Ihm zur Seite stehen Co-Trainer Nico Däbritz und Torwarttrainer Gunnar Grundmann. Zur Vorbereitung auf die Rückrunde soll jedoch ein neuer Chefcoach verpflichtet werden. "Nachdem wir im bisherigen Saisonverlauf schon einige kritische Situationen gemeinsam überstanden hatten, sahen wir uns nach der Niederlage gegen einen direkten Konkurrenten dazu gezwungen, unsere Situation neu zu überdenken", sagte Menze. Zweite Liga, Gewalt: Ein brisanter Vorfall nach dem Zweitliga-Duell Dynamo Dresden gegen den VfL Bochum (0:3) beschäftigt die Verantwortlichen beider Vereine. Nach Aussagen von VfL-Manager und Sportvorstand Jens Todt sowie VfL-Sprecher Christian Schönhals soll Bochums Profi Holmar Örn Eyjolfsson von einem Ordner tätlich angegriffen worden sein. Der zuvor des Feldes verwiesene Eyjolfsson habe nach dem Abpfiff die Mauer von der Tribüne zum Innenraum übersprungen, um mit seinen Teamkollegen den Auswärtssieg zu feiern. Ordner hätten ihn daraufhin festgehalten, einer habe ihn gewürgt. Dies hatte zuvor bereits die Bild am Sonntag berichtet. "Wenn man das Gefühl haben muss, dass ein Spieler vor einem Ordner geschützt werden muss, ist etwas grundsätzlich schief gelaufen", sagte Todt am Sonntag auf dpa-Nachfrage. Schönhals ergänzte: "Ordner sind dazu da, deeskalierend zu wirken. Das war aber sehr aggressiv." Von Dynamo Dresden war keine Stellungnahme zu bekommen. Die Verantwortlichen wollten sich zunächst mit den Beteiligten besprechen. Zu klären ist, ob Eyjolfsson als Teammitglied des VfL Bochum auszumachen war oder ihn die Ordner für einen enttäuschten Fan hielten. Schönhals betonte: "Er war klar als VfL-Spieler zu erkennen", da er einen Wintermantel des Zweitligisten getragen habe. Klub-WM, Japan: Al-Ahly Kairo und CF Monterrey aus Mexiko haben am Sonntag das Halbfinale bei der Fußball-Club-Weltmeisterschaft erreicht. Der afrikanische Champions League-Sieger aus Ägypten gewann im Viertelfinale in Toyota 2:1 gegen den japanischen Meister Sanfrecce Hiroshima. In der Vorschlussrunde am Mittwoch trifft Al-Ahly auf Corinthians Sao Paulo, den Gewinner der südamerikanischen Copa Libertadores. Monterrey misst sich nach dem 3:1 im Viertelfinale gegen den südkoreanischen Vertreter Hyundai Ulsan mit Champions League-Sieger FC Chelsea, der nach dem 3:1-Sieg gegen AFC Sunderland in der Premier League noch am Samstag nach Japan geflogen war. Russland, Kuranyi: Ex-Nationalspieler Kevin Kuranyi hat Dynamo Moskau mit einem Doppelpack beim 2:1 (1:0) gegen Terek Grosny ganz nah an die Europapokalränge heran geschossen. Der frühere Schalker traf am Sonntag (12., 67.) jeweils nach Eckbällen des österreichischen Nationalspielers Jakob Jantscher und erzielte damit bisher sechs Saisontore in der russischen Fußball-Meisterschaft. "Das war gegen einen wirklich starken Gegner ein hartes Stück Arbeit", sagte Kuranyi. Dynamo liegt nach dem fünften Sieg in Serie nur noch zwei Punkte von einem Europapokalrang entfernt. Nicht im Aufgebot des Tabellen-Achten stand der Ex-Wolfsburger Zvjezdan Misimovic, der möglicherweise zum ukrainischen Verein Metallist Charkow wechselt.
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Sebastian Vettel erwischt einen schlechten Start ins Rennwochenende in Barcelona. Real-Innenverteidiger Pepe erleidet einen Muskelfaserriss. Serena Williams muss wegen einer Oberschenkelverletzung das Viertelfinale in Madrid absagen.
Formel 1, Barcelona: Sebastian Vettel hat einen denkbar schlechten Start ins Rennwochenende erwischt. Im ersten freien Training zum Großen Preis von Spanien in Barcelona blieb der Heppenheimer in seinem Red Bull RB10 nach nur vier Runden mit einem technischen Defekt auf der Strecke liegen und musste abgeschleppt werden. Später gab der Rennstall bekannt, dass Vettel auch nicht zum zweiten Training am Freitagnachmittag antreten könne. "Wegen eines elektrischen Problems, bei dem ein Kabelbaum beschädigt wurde, kann Sebastian nicht am zweiten Training teilnehmen", twitterte Red Bull. Das Team werde die Zeit nutzen, das Auto für das dritte Training am Samstagmorgen zu reparieren. Vettel griff, nachdem er seine "Suzie" zusammen mit den Streckenposten an den Rand geschoben hatte, persönlich zum Feuerlöscher, um für Abkühlung bei seinem Boliden zu sorgen. Anschließend wurde er auf einem Motorroller zurück in die Boxengasse gefahren. Laut Teamchef Christian Horner war die gesamte Elektrik an Vettels Wagen ausgefallen und verhinderte eine Rückkehr auf die Strecke am Vormittag. "Die Stromversorgung wurde unterbrochen, es ist simpler Effekt mit großer Wirkung", sagte zudem Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko bei Sky und hoffte: "Bis zum nächsten Training ist das behoben. Es wurde ein Kabel gewechselt, wir müssen hoffen, dass es keine Folgeschäden an irgendwelchen Aggregaten gibt." Es sollte sich irren. Auch WM-Spitzenreiter Nico Rosberg (28) musste seinen Mercedes frühzeitig in der Box abstellen, beim Silberpfeil des Wiesbadeners gab es laut Mercedes Probleme mit der Kühlung des ERS. Derweil unterstrich der dreimalige Saisonsieger Lewis Hamilton (29/England) die derzeitige Dominanz der Silberpfeile und setzte in 1:27,023 Minuten die erste Bestzeit des Wochenendes. Dahinter platzierten sich Ex-Weltmeister Jenson Button (34/England) im McLaren und Vettels Red-Bull-Teamkollege Daniel Ricciardo (24/Australien). Nico Hülkenberg (26/Emmerich) im Force India und Adrian Sutil (31/Gräfelfing) im Sauber verpassten die Top 10. Fußball, Real Madrid: Weiterer Rückschlag für den spanischen Fußball-Rekordmeister Real Madrid: Innenverteidiger Pepe hat sich nach Klub-Angaben am Mittwoch in Valladolid (1:1) einen Muskelfaserriss in der linken Wade zugezogen und muss nun um seine Teilnahme am Champions-League-Finale bangen. In Lissabon treffen die Königlichen am 24. Mai auf den Lokalrivalen Atlético. Für das Team von Trainer Carlo Ancelotti wäre es der zweite bittere Ausfall nach der Gelbsperre für Xavi Alonso. Am Mittwoch war außerdem Superstar Cristiano Ronaldo bereits in der neunten Minute wegen Oberschenkelbeschwerden ausgewechselt worden. Tennis, Madrid: Die Tennis-Weltranglisten-Erste Serena Williams hat wegen einer Oberschenkelverletzung für das Viertelfinale beim WTA-Turnier in Madrid abgesagt. Die Amerikanerin trat am Freitag nicht gegen die frühere Wimbledonsiegerin Petra Kvitova aus Tschechien an. Die 32-Jährige will aber in der kommenden Woche in Rom wieder aufschlagen und ab dem 25. Mai auch ihren Titel bei den French Open verteidigen. Williams hatte sich nach eigenen Angaben am Sonntag in Madrid in ihrem ersten Match gegen das Schweizer Talent Belinda Bencic am linken Oberschenkel verletzt. "Es begann, besser zu werden, aber im Moment ist es am wichtigsten, dass ich Zeit zum Ausruhen und zur Erholung brauche", erklärte sie und zeigte sich enttäuscht: "Dafür gibt es keine Worte. Es ist so frustrierend." Sabine Lisicki verpasste das Viertelfinale des WTA-Tennisturniers in Madrid. Die letztjährige Wimbledon-Finalistin, die seit Wochen ihrer Bestform hinterherläuft, verlor am Donnerstag im Achtelfinale gegen die Rumänin Simona Halep mit 7:5, 3:6, 2:6. Damit ist auch die letzte deutsche Spielerin ausgeschieden. Halep bekommt es dagegen nun mit der Serbin Ana Ivanovic zu tun. Die Sandplatz-Veranstaltung ist mit 3,67 Millionen Euro dotiert. Fifa, Joseph Blatter: So klar wie noch nie hat Fifa-Präsident Joseph Blatter erklärt, dass er für eine fünfte Amtszeit als Chef des Fußball-Weltverbandes kandidieren will. Bei einer Podiumsdiskussion der Schweizer Zeitung Blick sagte der 78-Jährige am Donnerstagabend auf die Frage, ob er den Fifa-Kongress im Mai 2015 bitten werde, ihn erneut zu wählen: "Ich will es machen. Weil es noch nicht vorbei ist. Meine Amtszeit ist zwar zu Ende, aber meine Mission ist noch nicht fertig!" Einziger offizieller Gegenkandidat ist bisher der Franzose Jérôme Champagne. Der Präsident der Europäischen Fußball-Union (Uefa), Michel Platini, hat eine Kandidatur bislang offen gelassen. Golf, Players Championship: Golfprofi Martin Kaymer hat einen furiosen Start in die Players Championship in Ponte Vedra/Florida erwischt. Der ehemalige Weltranglistenerste stellte auf dem Par-72-Kurs mit einer grandiosen 63 den Platzrekord ein. Nach der ersten Runde liegt Kaymer beim "fünften Major" vor dem Amerikaner Russell Henley (65) und Bae Sang-Moon aus Südkorea (66) in Führung. "Heute war eine sehr besondere Runde. Ich habe keine Fehler gemacht", sagte Kaymer. Vor Kaymer hatten nur Fred Couples (1992), Greg Norman (1994) und Roberto Castro (2013) den schwierigen Kurs ebenfalls mit einer 63 absolviert. Der 29-Jährige aus Mettmann kam auf seiner Runde immer besser in Schwung, spielte alleine an den letzten neun Löchern sieben Birdies und ließ große Namen wie Lee Westwood, Justin Rose (beide England) und Sergio Garcia (Spanien) hinter sich. Titelverteidiger Tiger Woods (USA) ist wegen seiner Rückenprobleme nicht bei der mit 10,0 Millionen Dollar (7,16 Millionen Euro) dotierten Konkurrenz am Start. Tennis, Roger Federer: Der vierfache Familienvater Roger Federer wird aller Voraussicht nach bei den French Open in Paris aufschlagen. Das bestätigte sein Manager Tony Godsick am Donnerstag auf der Homepage der ATP. Federer hatte wegen der Geburt seiner Zwillinge Leon und Lenny zuletzt für das Sandplatzturnier in Madrid abgesagt, seinem Start in Roland Garros (ab 25. Mai) steht allerdings nichts im Wege. Sein Comeback könnte der Grand-Slam-Rekordsieger aus der Schweiz bereits beim Vorbereitungsturnier in Rom in der kommenden Woche geben. "Darüber wird er im letzten Moment entscheiden", sagte Godsick, "es hängt davon ab, wie es seiner Familie geht". Der 32 Jahre alte Federer und seine Frau Mirka sind am Dienstag zum zweiten Mal Eltern von Zwillingen geworden. Die Mädchen Myla Rose und Charlene Riva werden im Juli fünf Jahre alt. NBA, Playoffs: Champion Miami Heat und Vizemeister San Antonio Spurs sind in den Playoffs der Basketball-Profiliga NBA auf dem besten Weg Richtung Halbfinale. Miami gewann gegen die Brooklyn Nets mit 94:82 und führt in der best-of-seven-Serie mit 2:0. Auch San Antonio, das die Dallas Mavericks um Supertsar Dirk Nowitzki im Achtelfinale ausgeschaltet hatte (4:3), feierte beim 114:97 über die Portland Trail Blazers den zweiten Sieg im zweiten Duell. LeBron James war mit 22 Punkten bester Werfer der Heat, die saisonübergreifend das achte Play-off-Spiel in Folge gewannen. Bei den Spurs hieß der Topscorer Kawhi Leonard. Die beiden Favoriten sind nun zweimal auswärts gefordert. Am Samstag geht es in Brooklyn und Portland weiter. Italien, Serie A: Das Spitzenspiel der italienischen Fußball-Serie-A zwischen dem AS Rom und Juventus Turin beginnt am Sonntag aus Sicherheitsgründen bereits um 17.45 Uhr. Die Partie der 37. und vorletzten Runde zwischen dem römischen Tabellenzweiten und dem Rekordmeister war ursprünglich für 20.45 Uhr geplant. Die Vorverlegung wurde vom römischen Polizeichef Giuseppe Pecoraro beschlossen, nachdem es beim Pokalfinale am vergangenen Samstag zu Krawallen rund um das Olympiastadion in Rom gekommen war. Das Endspiel zwischen dem SSC Neapel und dem AC Florenz (3:1) war von schweren Ausschreitungen mit zehn Verletzten überschattet worden. Frauenfußball, Osnabrück: Die deutschen Fußball-Frauen haben auch ihr achtes Qualifikationsspiel für die WM 2015 gewonnen. Beim 9:1-Erfolg gegen die Slowakei in Osnabrück glänzte vor allem Fatmire Alushi mit drei Treffern. Der Gegentreffer durch Alexandra Biroova hatte nur statistischen Wert. "Insgesamt waren es sehr schön herausgespielte Tore. Gutes Kombinationsspiel und mit einem 9:1 kann man sehr zufrieden sein", sagte Bundestrainerin Silvia Neid im ZDF. Nach dem achten Erfolg im achten WM-Qualifikationsspiel führt die Neid-Elf ihre Gruppe weiterhin souverän als Spitzenreiter an und steht kurz davor, das Ticket für die WM 2015 endgültig zu lösen. Die Entscheidung dürfte spätestens in der nächsten Partie beim Verfolger Russland im September fallen.
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Ausgerechnet Jan Ullrich attackiert seinen Rivalen Lance Armstrong massiv. Argentinien spielt in der WM-Qualifikation nur unentschieden, Klinsmanns US-Team schlägt Panama. Timmy Simons verlässt überraschend den 1. FC Nürnberg. Frank Rost wird Geschäftsführer der Hamburger Handballer.
Jan Ullrich, Radsport: Ausgerechnet Jan Ullrich hat seinen Dauerrivalen Lance Armstrong massiv attackiert. Der tiefe Fall des texanischen Dopingsünders habe dem Radsport einen "Riesenschaden" zugefügt, aber überrascht habe ihn die Causa nicht, sagte der 39-Jährige der Sport Bild. "Ich gönne niemandem etwas Schlechtes, auch Lance nicht. Aber ich habe immer gesagt. Lance wird nicht davonkommen. Der liebe Gott richtet alles", sagte Ullrich, selbst umstrittener Tour-Sieger von 1997. "Lance hat sich zu viele Feinde gemacht. Er wollte immer der Boss sein und hat seine Untergebenen teilweise gnadenlos geführt. Das war schon extrem." Armstrong hatte gestanden, bei seinen sieben Tour-de-France-Siegen gedopt zu haben. Die Titel wurden ihm nachträglich aberkannt. Eine umfassende eigene Doping-Beichte lehnte Ullrich erneut ab: "Der Radsport hat sich selbst aufgeklärt. Ich war auch Teil des Systems. Je mehr herauskam, umso besser haben die Leute meine Aussagen von damals verstanden." Er hatte stets betont, niemanden betrogen zu haben. Weil alle das Gleiche gemacht haben, fragte die Sport Bild?. "Genau", antwortete Ullrich. Im Vorjahr wurde er vom Internationalen Sportgerichtshof CAS wegen seiner Verwicklung in den Skandal um Dopingarzt Eufemiano Fuentes zu einer zweijährigen Sperre verurteilt, die rückwirkend vom 22. August 2011 an ausgesprochen wurde. Außerdem wurden ihm alle Resultate vom 1. Mai 2005 an gestrichen. Roque Santa Cruz, Hamburger SV: Torjäger Heung-Min Son könnte beim Fußball-Bundesligisten Hamburger SV durch einen namhaften Kollegen ersetzt werden. Wie die Bild-Zeitung am Mittwoch berichtete, sind die Norddeutschen an Roque Santa Cruz interessiert. "Santa Cruz passt voll in unser Anforderungsprofil. Er kann allein in der Spitze spielen, vorne die Bälle festmachen und bringt eine gewisse Erfahrung mit. Dazu ist er ablösefrei", sagte HSV-Sportdirektor Oliver Kreuzer der Zeitung. Der 31 Jahre alte Stürmer von Manchester City war zuletzt an den FC Malaga ausgeliehen. Der Angreifer aus Paraguay spielte beim FC Bayern München vier Jahre lang mit HSV-Trainer Thorsten Fink in einer Mannschaft. Nach dem Abschied von Son, der zu Leverkusen wechseln soll, will der HSV einen adäquaten Ersatz holen. Zudem sollen ein bis zwei Innenverteidiger kommen. Timmy Simons, 1. FC Nürnberg: Fußball-Bundesligist 1. FC Nürnberg verliert kurz vor dem Saisonstart völlig überraschend seine wichtigste Führungsfigur im Team: Der 36 Jahre alte Timmy Simons wechselt trotz eines Vertrags bis 2014 in seine belgische Heimat zum FC Brügge. Der defensive Mittelfeldspieler war drei Jahre lang das Herzstück der jungen Club-Mannschaft. In Brügge erhält der Routinier, in der abgelaufenen Saison ältester Feldspieler der Bundesliga, einen Zweijahresvertrag mit Anschlussoption für einen Wechsel in den Trainerstab. Über die Ablösesumme wurde Stillschweigen vereinbart, sie dürfte aber bei rund einer Million Euro liegen. "Timmy Simons ist ein Spieler mit Persönlichkeit und Erfahrung, der einen hohen Stellenwert innerhalb der Mannschaft genossen hat. Seine vorzeitige Rückkehr nach Belgien bedauern wir sehr", sagte FCN-Sport-Vorstand Martin Bader. Simons sei vergangene Woche "überraschend mit dem Wunsch auf uns zugekommen, zu dem Verein zurückgehen zu können, in dem er groß geworden ist. Wir haben alles versucht, ihn zu halten. Aber der Lockruf aus der Heimat war zu reizvoll", führte Bader weiter aus. Diese Chance habe man "einem verdienten Spieler" nicht verbauen wollen. Simons sprach von "drei tollen und erfolgreichen Jahren" in Nürnberg: "Das habe ich nie bereut. Ich habe dem 1. FC Nürnberg viel zu verdanken, auch, dass er mir jetzt die Möglichkeit gibt zu gehen." Der Belgier war 2010 von der PSV Eindhoven zum fränkischen Traditionsklub gewechselt, für den er 102 Bundesligaspiele (11 Tore) bestritt. In Brügge hatte er von 2000 bis 2005 unter Vertrag gestanden und in dieser Zeit zweimal die belgische Meisterschaft und einmal den Pokalsieg gefeiert. Robert Almer, Energie Cottbus: Nach monatelanger Torwart-Suche ist Fußball-Zweitligist FC Energie Cottbus fündig geworden. Der österreichische Nationaltorwart Robert Almer wechselt ablösefrei von Bundesliga-Absteiger Fortuna Düsseldorf in die Lausitz, teilten die Cottbuser am Mittwoch mit. Der 29-Jährige habe einen Zweijahresvertrag unterschrieben. Die Cottbuser mussten einen neuen Stammkeeper verpflichten, nachdem die bisherige Nummer eins, Thorsten Kirschbaum, zum Erstligisten VfB Stuttgart gwechselt war. "Robert stand von Anfang an auf unserer Liste, und wir sind sehr froh, dass der Transfer nun geklappt hat", wird Trainer Rudi Bommer in einer Mitteilung des Vereins zitiert. "Er ist im besten Alter für einen Torwart, bringt sehr gute körperliche Voraussetzungen mit und kann sogar auf internationale Einsätze verweisen. Das Warten hat sich gelohnt." Zuletzt hatten mehrere Kandidaten Energie abgesagt oder aber Cottbus von einer Verpflichtung Abstand genommen. Argentinien, Fußball: Ein Profi-Fußballer ist in Argentinien wegen Tierquälerei vom Platz gestellt worden. Jose Jimenez sah bei einem Ligaspiel zwischen San Juan and Bella Vista in der nordargentinischen Provinz Tucumán die Rote Karte, nachdem er einen streunenden Hund unsanft vom Platz befördern wollte. Der Spieler hatte das Tier im Nacken gegriffen und es gegen eine Bande am Spielfeldrand geworfen. Während der Hund offenbar unverletzt floh, musste sich Jimenez vor aufgebrachten Gegenspielern und Zuschauern in Sicherheit bringen. HSV Hamburg, Frank Rost: Der ehemalige Fußball-Torhüter Frank Rost soll noch in dieser Woche als Geschäftsführer beim Handball-Champions-League-Sieger HSV Hamburg vorgestellt werden. Wie Hamburger Zeitungen übereinstimmend berichten, wird Rost sich in Zukunft um die Akquise von Sponsoren kümmern, Trainer Martin Schwalb wird seinen Geschäftsführerposten aufgeben und sich auf das Sportliche konzentrieren. Der 39 Jahre alte Rost hat Betriebswirtschaft und Management studiert und war zuletzt bei den Fußball-Frauen des HSV als Trainer tätig. Der langjährige HSV-Schlussmann und viermalige Nationalspieler hat Berührungspunkte zum Handball. Seine Eltern Christina und Peter Rost waren Handball-Nationalspieler der DDR. Der Vater ist Olympiasieger (1980), die Mutter holte mit ihrem Team Olympia-Silber (1976) und -Bronze (1980). Tennis, Halle: Der Russe Michail Juschni hat beim Tennis-Turnier im westfälischen Halle als erster Spieler das Viertelfinale erreicht. Der 30-Jährige setzte sich am Mittwoch bei den Gerry Weber Open gegen den an Nummer vier gesetzten Japaner Kei Nishikori mit 6:1, 6:7 (4:7), 6:3 durch. Juschni trifft nun auf den Sieger des deutschen Duells zwischen Philipp Kohlschreiber und Tobias Kamke, das bei der mit 779 665 Euro dotierten Rasen-Veranstaltung an diesem Donnerstag stattfindet. Juschni startete auf dem Centre Court furios und sicherte sich nach gerade einmal 29 Minuten den ersten Satz. Danach fand sich Nishikori bei seinem ersten Einsatz auf Rasen in diesem Jahr aber besser zurecht und schaffte nach 1:27 Stunden den Satzausgleich. Im dritten Abschnitt gelang dem Russen dann zum 5:3 das entscheidende Break. Nach 2:04 Stunden verwandelte die Nummer 29 der Welt ihren ersten Matchball. TSV 1860 München: Otto Steiner, Aufsichtsratschef von Fußball-Zweitligist 1860 München, hat mögliche Gespräche im Dauerstreit mit Investor Hasan Ismaik an klare Bedingungen geknüpft. "Wenn Hasan Ismaik über Sach-Themen zurück in den Dialog geht, dann können wir den jederzeit fortsetzen. Wir haben ihm aber klar mitgeteilt, dass wir nicht bereit sind, den Dialog über personelle Konsequenzen fortzuführen. Außerdem erwarten wir in irgendeiner Form eine Entschuldigung von Hasan Ismaik", sagte Steiner im Interview mit dem Münchner Merkur. Der jordanische Unternehmer habe die Verantwortlichen der Löwen als "Bande" und "Schmarotzer" bezeichnet, "das war schon weit unter der Gürtellinie. das ist ein Niveau, das wir nicht akzeptieren", führte Steiner weiter aus. Ismaik hatte nach ständigen Querelen seine Zahlungen eingestellt und rund zehn Millionen Euro vom Verein zurückgefordert. Zuvor hatte er den Rücktritt des ehemaligen Präsidenten Dieter Schneider, dann den von Geschäftsführer Robert Schäfer gefordert. Die finanziell angeschlagenen Münchner erhielten aber auch ohne die Hilfe von Ismaik die Lizenz für die kommende Saison. Dank eines zwei Millionen Euro schweren Deals mit der Sportmarketing-Firma Infront konnte 1860 die Lizenzauflagen der Deutschen Fußball Liga (DFL) erfüllen. Zur Ruhe kommt der deutsche Meister von 1966 aber deshalb noch lange nicht. WM-Qualifikation: Zlatan Ibrahimovic hat Schweden in der Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien wieder auf Kurs gebracht. Vier Tage nach der 1:2-Niederlage in Wien gegen Österreich erzielte Ibrahimovic in Solna beide Treffer (35./82. Minute) zum 2:0 (1:0)-Sieg des Drei-Kronen-Teams gegen den Fußball-Zwerg Färöer. Durch den erwarteten Sieg schloss Schweden in der deutschen Gruppe C mit elf Punkten zu den DFB-Verfolgern Österreich und Irland auf. Wegen der schlechteren Tordifferenz liegen die Skandinavier auf Platz drei hinter dem Austria-Team. Die Auswahl von Bundestrainer Joachim Löw führt die Gruppe vor dem nächsten Spieltag am 6. September mit 16 Zählern souverän an. Dagegen hat sich Dänemark praktisch aus dem Rennen um die WM-Tickets verabschiedet. Der Europameister von 1992 blamierte sich in Kopenhagen beim 0:4 (0:2) gegen Armenien und liegt in der Gruppe B mit sechs Punkten weiter acht Zähler hinter Spitzenreiter Italien zurück. Armenien verdrängte die Dänen sogar von Platz vier. Argentinien hat gegen Ecuador nur 1:1 (1:1) gespielt, seine Führung in der südamerikanischen Qualifikation allerdings damit behauptet. Ein frühes Elfmeter-Tor von Sergio Kun Aguero (4.) brachte die Argentinier am Dienstag nach einem Torwart-Foul in der Höhenluft Quitos kurz nach dem Anstoß in Führung. Segundo Castillo glich in der 17. Minute per Kopf für Ecuador aus. Damit führen die Argentinier nach dem 14. Spieltag der südamerikanischen WM-Qualifikation mit 26 Punkten. Für Ecuador spielten Jefferson Montero und Luis Valencia auf den Flügeln nach dem Ausgleich noch zahlreiche Torgelegenheiten heraus. Deren Umsetzung scheiterte aber an der argentinischen Abwehr. Argentiniens Superstar Lionel Messi konnte mit seinem Einsatz in der letzten halben Stunde dem Spiel keine entscheidende Wende mehr geben. Dem Weltfußballer, der sich noch von einer Oberschenkelverletzung erholt, machte offenbar auch die Luft in dem auf 2800 Meter Höhe gelegenen Atahualpa-Stadion zu schaffen. Zweiter in der südamerikanischen Qualifikation bleibt mit 23 Punkten die Elf aus Kolumbien, die sich am Dienstag in Barranquilla dank eines Foulelfmeters von Radamel Falcao (12.) und eines Treffers von Teófilo Gutiérrez (45.) mit 2:0 (2:0) gegen Peru durchsetzte. Ecuador behält mit 21 Punkten das dritte WM-Ticket im Auge, während Chile mit 18 Punkten an vierter Stelle liegt, die ebenfalls noch eine direkte Qualifikation sichert. In der Nord- und Mittelamerika-Gruppe hat der amerikanische Fußball-Nationaltrainer Jürgen Klinsmann einen wichtigen Sieg eingefahren und die Tabellenführung übernommen. In Seattle im US-Bundesstaat Washington setzte sich Klinsmanns Team ohne den verletzten Schalker Jermaine Jones gegen Panama mit 2:0 (1:0) durch und feierte damit den dritten Erfolg im fünften Spiel. Jozy Altidore (36.) mit seinem dritten Tor im dritten Spiel nacheinander und Eddie Johnson (53.) erzielten die Treffer für den Gastgeber. Dieser liegt mit zehn Punkten in der Tabelle vor Costa Rica (8) und Mexiko (8), die sich im direkten Duell 0:0 trennten. Die ersten drei Mannschaften der Gruppe lösen das Ticket für die WM-Endrunde in Brasilien. Das nächste Spiel steht für das US-Team in der kommenden Woche an. Am 19. Juni geht es dann gegen Honduras. In der Asien-Ausscheidung haben Südkorea, Australien und Iran besten Chancen, Japan zur WM-Endrunde zu begleiten. In der Gruppe A feierten die Südkoreaner in Seoul einen 1:0 (1:0)-Erfolg gegen Usbekistan und behaupteten mit 14 Punkten ihre Spitzenposition vor dem Team des Iran (13), das Libanon mit 4:0 (2:0) das Nachsehen gab. In der Gruppe B eroberte Australien dank des 4:0 (1:0)-Erfolges gegen Jordanien mit zehn Zählern Rang zwei hinter den bereits für die WM qualifizierten Japanern (17). Der Asienmeister schloss die WM-Entscheidung durch ein Tor des Stuttgarter Bundesliga-Profis Shinji Okazaki (89. Minute) mit einem 1:0-Sieg im Irak ab. NBA, Playoff-Finale: Das Starensemble der Miami Heat ist nach einer deutlichen Pleite in der Finalserie der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA erneut in Rückstand geraten. Beim viermaligen Champion San Antonio Spurs kassierte der Titelverteidiger eine 77:113-Niederlage und liegt in der best-of-seven-Serie mit 1:2 zurück. Vor dem nächsten Duell in der Nacht zum Freitag steht die Mannschaft um Superstar und "MVP" LeBron James damit erneut unter Druck. Vor 18.581 Zuschauern entschieden die Gastgeber die Partie durch zwei beeindruckende Phasen in der zweiten Halbzeit. Im dritten Viertel zogen die Spurs zunächst durch einen 23:8-Lauf vorentscheidend davon, spätestens der 13:0-Lauf zu Beginn des letzten Viertels beseitigte die letzten Zweifel am verdienten Sieg. Beste Werfer aufseiten von San Antonio waren überraschend Danny Green mit 27 Punkten und Gary Neal (24). "Die Jungs haben sensationell getroffen. Sie haben uns die nötigen Verschnaufpausen verschafft, wenn wir sie benötigt haben", sagte Altstar Tim Duncan. Der 37-Jährige blieb zwar mit zwölf Punkten blass, besaß mit einem Double-Double und weiteren 14 Rebounds maßgeblichen Anteil am Erfolg. Ähnlich durchwachsen gestaltete sich die Partie für Superstar James. Auch ihm gelang ein Double-Double, neben den elf Rebounds blieb er mit nur 15 Zählern aber erneut unter seinen Möglichkeiten. Dwyane Wade (16) war Miamis erfolgreichster Werfer. Fabian Götze, SpVgg Unterhaching: Fußball-Nationalspieler Mario Götze kann bei seinem anstehenden Start beim FC Bayern München auf familiäre Unterstützung bauen. Bruder Fabian wechselt zum Nachbarn SpVgg Unterhaching, wie der Drittligist mitteilte. Der Defensivmann kommt vom VfL Bochum II und erhält bei den Münchner Vorstädtern einen Einjahresvertrag mit Option auf eine weitere Saison. "Für Fabi hat es sicher eine Rolle gespielt, dass Mario auch hier ist", zitierte die Abendzeitung Unterhachings Präsident Manfred Schwabl. Italien, Freundschaftsspiel: Der viermalige Fußball-Weltmeister Italien hat seine Generalprobe für den Confed Cup in Brasilien (15. bis 30. Juni) gehörig verpatzt. Die Azzurri kamen mit einer "B-Elf" nur zu einem 2:2 (1:0) gegen Haiti in Rio de Janeiro, wo sie am Sonntag in ihrem ersten Gruppenspiel auf Mexiko treffen. Emanuele Giaccherini (1.) und Claudio Marchisio (73.) trafen für Italien, Pascal Millien per Foulelfmeter (85.) und Jean Philippe Peguero (90.+2) glichen sensationell für den krassen Außenseiter aus. Gegen den 63. der FIFA-Weltrangliste trat Italien ohne Leistungsträger wie Gianluigi Buffon, Andrea Pirlo oder Giorgio Chiellini an. Mario Balotelli, der im Qualifikationsspiel am Freitag in Tschechien Gelb-Rot gesehen hatte, saß bis zur 54. Minute auf der Bank. Gespielt wurde nicht wie im Confed Cup im "Problem-Stadion" Maracanã, sondern im Estádio Club de Regatas Vasco da Gama. Jesús Navas, Manchester City: Der Transfer des spanischen Fußball-Nationalspielers Jesús Navas vom FC Sevilla zum englischen Vize-Meister Manchester City ist perfekt. Wie die Citizens am Dienstag mitteilten, bestand der 27 Jahre alte Flügelspieler den obligatorischen Medizincheck. Für Navas, der einen Fünf-Jahres-Vertrag unterzeichnete, soll Manchester wohl rund 17,5 Millionen Euro an Ablöse zahlen. In der Vorwoche hatte sich City bereits die Dienste des brasilianischen Mittelfeldspielers Fernandinho (28) vom ukrainischen Fußball-Serienmeister Schachtjor Donezk für rund 35 Millionen Euro gesichert. U21-EM: Außenseiter Norwegen hat den letzten freien Platz im Halbfinale der U21-EM in Israel erobert. Den Skandinaviern reichte ein 1:1 (0:0) gegen Italien, um hinter den "Azzurrini" in die Runde der letzten Vier einzuziehen. Gastgeber Israel schied dagegen trotz eines 1:0 (0:0) gegen England aus. In der Gruppe B hatten zuvor Titelverteidiger Spanien und die Niederlande das Halbfinal-Ticket gelöst. Philipp Kohlschreiber, Halle: Philipp Kohlschreiber ist beim Tennis-Turnier im westfälischen Halle ohne Mühe ins Achtelfinale eingezogen. Der Augsburger gewann am Dienstag gegen den Argentinier Carlos Berlocq mit 6:3, 6:1 und trifft nun auf Tobias Kamke. Der Lübecker setzte sich zuvor gegen den Polen Lukasz Kubot mit 6:4, 6:0 durch. Insgesamt stehen bei der mit 779.665 Euro dotierten Rasen-Veranstaltung damit sechs deutsche Profis im Achtelfinale. Titelverteidiger Tommy Haas greift nach einem Freilos in der ersten Runde am Donnerstag ins Geschehen ein. Tennis, Nürnberg: Angeführt von Marseille-Siegerin Andrea Petkovic hat ein deutsches Tennis-Trio das Achtelfinale des neuen WTA-Turniers in Nürnberg erreicht. Die Darmstädterin setzte ihren Aufwärtstrend beim 6:3, 6:2 gegen Sofia Arvidsson (Schweden) fort und fordert nun am Mittwoch ihre Freundin Julia Görges (Bad Oldesloe/Nr. 4). Die Weltranglisten-36. Görges gewann ihr Auftaktmatch gegen Alexandra Cadantu mit 6:4, 7:5, musste im zweiten Durchgang aber zwei Satzbälle abwehren. Auch Annika Beck (Bonn) gab sich keine Blöße und hatte beim 6:2, 6:2 gegen die Russin Nina Bratschikowa kaum Mühe. Ein zweites deutsches Achtelfinal-Duell verhinderte Karin Knapp. Die Italienerin bezwang Dinah Pfizenmaier in einem dramatischen Match in 2:27 Stunden mit 6:2, 7:6 (7:0), 7:5 und spielt jetzt gegen Beck. Pfizenmaier lag im zweiten Satz bereits mit 5:1 in Führung. Die 21-Jährige aus Bochum hatte durch ihren Drittrunden-Einzug bei den French Open vor knapp zwei Wochen für Aufsehen gesorgt. Das Nürnberger Turnier wird in diesem Jahr zum ersten Mal ausgerichtet und ist neben Stuttgart das zweite deutsche Tournament im WTA-Kalender 2013. Zu Hochzeiten des Tennis-Booms gab es in einem Jahr sogar sechs WTA-Turniere in Deutschland. Außer beim Grand Prix in Filderstadt spielten die Damen auch in Hamburg, Berlin, Leipzig, München und Hannover. WTA-Präsidentin Stacey Allaster ist hocherfreut über die Nürnberger Initiative. "Ich bin begeistert. Europa ist ein wichtiger Markt, auf dem wir auch sehr stark sind. Von dort kommen die besten Spielerinnen. Deutschland spielt zweifellos eine Schlüsselrolle, weil es hier immer mehr gute Profis gibt", hatte Allaster jüngst erklärt.
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Ein geiziger Klubbesitzer, zwei sehr teure Torhüter, noch ein Deutscher in Huddersfield: ein Überblick über die neuen Attraktionen der Premier League.
Wechselt Paul Pogba noch von Manchester United zum FC Barcelona? Wechselt Eden Hazard noch vom FC Chelsea zu Real Madrid? Bleibt Harry Maguire bei Leicester City? Und wie viele Rekorde wird Manchester City in dieser Spielzeit aufstellen? Es gibt noch offene Fragen vor dem Saisonstart der Premier League an diesem Wochenende - doch es sind weniger als in den anderen europäischen Ligen. Am Donnerstag endete für Englands Klubs die Frist für Einkäufe - verkauft werden darf allerdings noch, zumindest ins Ausland (siehe: Paul Pogba). Als Favorit auf den Titel gilt Manchester City nach einer Saison voller Bestmarken: die meisten Punkte (100), der größte Vorsprung (19 Punkte), die meisten Tore (106). Im Gegensatz zu seinen Kollegen hat sich Trainer Pep Guardiola bei Transfers zurückgehalten, er verpflichtete dafür Wunschspieler Riyad Mahrez für knapp 70 Millionen Euro aus Leicester. Auch ohne Unterstützung durch den Titelverteidiger hat sich die Liga wieder ein paar Attraktionen gesichert. Ein Überblick. Der zweitteuerste Torwart Detailansicht öffnen Der teuerste Torwart der Welt: Kepa Arrizabalaga. (Foto: Gabriel Bouys/AFP) 17 Jahre lang war der unvergleichliche Gianluigi Buffon Der teuerste Torwart der Welt. 2001 war der Italiener für 54,1 Millionen Euro vom AC Parma zu Juventus Turin gewechselt, dass diese Marke nie übertroffen wurde, lag auch daran, dass Buffon nie wechselte. Als er dann doch wechselte, in diesem Sommer nach Paris, war er ablösefrei. Prompt ging Ende Juli der Brasilianer Alisson Becker für 62,5 Millionen Euro plus bis zu zehn Millionen Euro an Bonuszahlungen vom AS Rom zum FC Liverpool, sein neuer Trainer Jürgen Klopp sagte ehrfürchtig: "Alisson hat nichts mit dem Preis zu tun, wir haben nichts mit dem Preis zu tun - es ist der Markt." Den Zusatztitel Der teuerste Torwart der Welt behielt Alisson allerdings keine drei Wochen, dann wechselte der bisher nicht wirklich unvergleichliche Kepa Arrizabalaga für 80 Millionen Euro von Athletic Bilbao zu Chelsea. Dort wird er Nachfolger des Belgiers Thibaut Courtois, der zu Real Madrid wechselt, für gerade einmal 35 Millionen Euro. Einkaufen in Barcelona Wenn man die Liga in Transfergewinner und Transferverlierer aufteilt, gehörte der FC Everton in den vergangenen Jahren eher zu letzteren: 2016 ging in John Stones der beste Abwehrspieler, 2017 in Romelu Lukaku der beste Stürmer, immerhin jeweils für sehr viel Geld. Doch in diesem Sommer hat Everton viel ausgegeben - und sich bei keinem geringeren Klub als dem FC Barcelona bedient. Nach Außenverteidiger Lucas Digne kamen am Donnerstag Mittelfeldspieler André Gomes zur Leihe und Yerry Mina für angeblich mehr als 30 Millionen. Der Innenverteidiger, 1,95 Meter groß, hatte für Kolumbien bei der WM in Russland drei Kopfballtore erzielt. Das Erbe des Asteroiden Arsène Wenger hat dreimal die englische Meisterschaft gewonnen, sieben Mal den FA Cup, er stand im Finale von Champions League und Uefa-Cup, er wurde zum Officer of the Order of the British Empire ernannt, außerdem ist er Namensgeber eines Asteroiden des mittleren Hauptgürtels, des (33179) Arsènewenger. Vor allem aber ist dieser Arsène Wenger auf alle Ewigkeiten Trainer des FC Arsenal ... Moment, Letzteres ist er seit diesem Sommer nicht mehr, nach 22 Jahren im Verein, in denen er dessen Spielweise prägte, wie selten ein Trainer zuvor einen Verein geprägt hat. Übernommen hat die Mannschaft um Mesut Özil der Baske Unai Emery, nach dem noch kein Asteroid benannt wurde. Er stand dafür dreimal mit Sevilla im Finale der Europa League - und gewann dreimal. Bei den Sauriern An Gartenkunst hat der Schalker Max Meyer wohl zuletzt gedacht, als er einen Vertrag in der englischen Liga unterschrieb. Aber ohne einen Hauch von botanischem Interesse erschließt sich der Charme des südlichsten Londoner Premier-League-Klubs kaum. Crystal Palace wäre nichts ohne den Gartenarchitekten Paxton, der 1851 zur Weltausstellung im Hyde Park eine Art gewaltiges Gewächshaus schuf: 600 Meter lang, ganz aus Gusseisen und Glas. Nach der Ausstellung wurde die Kristallkathedrale der industriellen Revolution nach Sydenham verfrachtet, wo sie einem Stadtteil und einem Park ihren Namen gab - sowie dem Klub, der in den Anlagen spielte, in denen damals auch der FA Cup stattfand. Der Kristallpalast ist abgebrannt. Der Klub ist ins Selhurst-Stadion umgezogen. Aber im alten Park samt Labyrinth und Saurier-Statuen kann Meyer alles lernen, was er auf der Insel wissen muss: über England, Fußball und Gartenkunst. Detailansicht öffnen Einer der letzten Meister von 2016 in Leicester: Jamie Vardy. (Foto: Getty Images) Letzter Partygast Als Leicester City im Mai 2016 zum unwahrscheinlichsten Meister der jüngeren englischen Fußballgeschichte wurde, fand die Party bei Jamie Vardy statt, dem unwahrscheinlichen Torschützenkönig. Der Stürmer lud die Kollegen in sein Wohnzimmer ein, die Fotos gingen um die Welt. Die Kurzfassung seiner Biografie: aussortiert, im Pub geprügelt, vorbestraft, immer weiter Tore geschossen. Nun, rund zwei Jahre später, ist der Gastgeber noch da - aber die meisten Gäste nicht mehr. Der Ausverkauf ging auch in diesem Jahr weiter, Rechtsaußen Mahrez wechselte zu ManCity. Auch Robert Huth aus Berlin ist weg, allerdings noch auf Vereinssuche. Dafür kam in Caglar Söyüncü vom SC Freiburg am Donnerstag ein anderer ehemaliger Bundesligaprofi. Und Jamie Vardy? "Is having a party", so geht das Lied der Leicester-Fans. In der Sparfalle Es könnte alles wunderbar sein in Newcastle. United ist ein Verein mit Tradition, der St. James Park zählt zu den schönsten Stadien, er ist immer noch regelmäßig ausverkauft, trotz allem. Denn es ist nichts wunderbar. Trainer Rafael Benitez sagte: "Die Fans sollten sich Sorgen machen. Ich mache mir große Sorgen." Es laufe "alles" falsch. Besitzer Mike Ashley führt den Klub scheinbar ohne sportliche Ambitionen nach kaufmännischen Kriterien; mit so wenig Investment wie möglich. Der Sportartikel-Milliardär bereut sein Engagement, sein Geld sei verloren. Benitez bekommt Verstärkungen nur im Ausnahmefall, der Mainzer Muto durfte nur kommen, weil der Serbe Mitrovic teurer nach Fulham ging. Es gibt in der Liga noch ein paar Leidende, "eine absolute Tortur", so beschrieb ein Fan von Tottenham im Guardian, wie sich das Transferfenster anfühle. Die Spurs und ihr sparsamer Boss Daniel Levy haben gar nicht eingekauft. Allerdings bislang auch keinen wichtigen Spieler verkauft, Stürmer Harry Kane ist noch da. Im Vergleich mit Newcastle ist beim Vorjahres-Dritten also: alles wunderbar. Detailansicht öffnen Berät in Wolverhampton Klub und Spieler: Jorge Mendes. (Foto: imago/China Foto Press) Der Deal der Discokumpels Ende der 90er war Jorge Mendes ein wenig erfolgreicher DJ und Barkeeper, bis er in einer Nacht in einer Disco den Torwart Nuno Herlander Simões Espírito Santo kennenlernte. Mendes und Nuno verstanden sich gut, und so bat Nuno seinen Freund, für ihn den Transfer zu Deportivo La Coruña abzuwickeln. Es war der Auftakt der Karriere eines der einflussreichsten Spielerberater der Geschichte. James Rodríguez, Ángel di Maria und Cristiano Ronaldo - in manchen Transferperioden verdiente Mendes eine mittlere achtstellige Summe an Provisionen. Außerdem berät Mendes den chinesischen Multikonzern Fosun, der Besitzer der Wolverhampton Wanderers ist, des Aufsteigers in die Premier League. Mendes soll auch Geschäftspartner der Chinesen sein, auch ein paar andere Dinge in dieser Zusammenarbeit wirken so seriös wie ein Deal im Nachtklub. Mendes hat manchen seiner Klienten zu den Wanderers transferiert, darunter Rúben Neves, der von zahlreichen europäischen Spitzenklubs umworben wurde. Und der Trainer heißt seit 2017: Nuno. Detailansicht öffnen Soll den Niedergang des FC Chelsea stoppen: Maurizio Sarri. (Foto: imago) Ohne Zigarette Maurizio Sarri raucht 60 Zigaretten am Tag, er lässt sich vor dem Training einen Espresso an die Seitenlinie servieren, er soll sich gegenüber einer Journalistin sexistisch verhalten haben, er bezeichnete die italienische Serie A als "eine Homosexuellen-Liga"; Maurizio Sarri ist also ein ziemliches Ekel. Bis zu diesem Sommer trainierte er den SSC Neapel, manchmal rauchte er dabei an der Seitenlinie. Dieser bedingt sympathische Mann soll nun den Niedergang des neureichen FC Chelsea stoppen, der sich in der vergangenen Saison nicht einmal für die Champions League qualifiziert hat. Verzichten muss er dabei auf seine geliebten Zigaretten, die sind in der Premier League an der Seitenlinie verboten. Auch sportlich ist es für Sarri eine schwere Aufgabe (siehe: Courtois, siehe: Hazard), und es gibt nicht wenige, die sich über ein Scheitern des Italieners freuen würden. In feiner Gesellschaft Detailansicht öffnen Eine der traditionsreichsten Tribünen der Welt: Aus einer Jagdhütte entstand einst das Craven Cottage des FC Fulham – Klub und Stadion sind in die Premier League zurückgekehrt. (Foto: mauritius images/United Archives) Wäre Fußball die Freiheit, man könnte Huddersfield Town das anspruchsvollste Resozialisierungsprogramm der Welt nennen. Der deutsche Trainer David Wagner verpflichtet mit Vorliebe Profis, die in Deutschlands erster Liga nicht mehr oder noch nicht eingesetzt wurden - und führt sie in der Premier League in die nobelste Gesellschaft ein. Was in der vergangenen Saison als Aufsteiger mit Profis wie Christopher Schindler (ehemals 1860 München) oder Elias Kachunga (Ingolstadt) funktionierte, soll nun mit einem Weltmeister klappen. Erik Durm, 2014 in Brasilien Nationalspieler ohne Einsatz, verlor in Dortmund seinen Stammplatz, fiel in Stuttgart durch den Medizincheck, war lange verletzt. Wagner schrieb dem Verteidiger eine SMS. Er kam ablösefrei. Mit Themse-Blick Von den drei Aufsteigern in dieser Saison wurde der FC Fulham mit dem größten Wohlwollen begrüßt, was nicht als Respektlosigkeit gegenüber Cardiff City und Wolverhampton zu missverstehen ist, sondern mit der Lage des sechsten Londoner Erstligisten entschuldigt wird. Dort, wo demnächst André Schürrle Flanken schlägt, ritten in der Renaissance die englischen Könige zur Jagd. Das Stadion Craven Cottage, im Westen der Stadt, liegt direkt an der Themse. Und damit ebenso nahe am Fluss wie zum Beispiel Shakespeare's Globe-Theatre weiter im Osten, mit dem es eine natürlich Achse der Freiluft-Unterhaltung bildet. Vom Riverside Stand, der Haupttribüne, könnte man auch den Ruderern zusehen, deren Klubhäuser auf der anderen Uferseite, in Putney, stehen. Anderseits sollte Fulhams Elf diese Saison genug Attraktionen bieten, was nicht nur an Schürrle liegt, sondern auch am 18-jährigen Mittelfeldspieler Ryan Sessegnon, der schon mit 16 sein erstes Zweitligator schoss. Wie neu Es ist kein Geheimnis, dass sich Trainer José Mourinho einen Königstransfer für Manchester United gewünscht hat. Doch unabhängig davon, was in den Abendstunden vor dem Ende der Transferfrist passierte - der Königstransfer war längst da. Mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass er schon seit Jugendzeiten da ist. Allerdings: Im vergangenen Sommer war Jesse Lingard noch ein 24-Jähriger, etwas zu alt für ein Talent, etwas zu unerprobt für mehr. Nun ist er einer der auffälligsten Nationalspieler Englands , ein Stammspieler in der Premier League, in der Offensive variabel einsetzbar, torgefährlich, trickreich, aufregend. Und wem das alles nicht glamourös genug klingt für Manchester United, dem sei gesagt: Jesse Lingard, 25, aus Warrington nennen sie auf der Insel inzwischen den englischen Andrés Iniesta.
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Der Abwehrspieler wird den Schanzern vorerst fehlen. DFB bestraft Schalke und Bayern. Rio wirbt kurzzeitig mit Oscar Pistorius für Paralympics.
Fußball, Verletzung: Rutschpartie mit unglücklichem Ende: Fußball-Profi Tobias Levels hat sich bei einer Eishockey-Einheit des Bundesligisten FC Ingolstadt am Donnerstag eine Verletzung am Sprunggelenk zugezogen und fällt wohl für den Rückrundenauftakt der Schanzer aus. Über die Schwere der Verletzung sollte eine Untersuchung am Freitag Aufschluss geben. Dass Levels, der die Halle auf Krücken verließ, das erste Spiel nach der Winterpause am 23. Januar gegen den FSV Mainz 05 verpassen wird, gilt jedoch als sicher. Der FCI ist neben dem 1. FC Köln der einzige Bundesligist, der auf ein Trainingslager verzichtet hat. Stattdessen schickte Trainer Ralph Hasenhüttl seine Spieler bereits zum Langlaufen nach Seefeld/Tirol oder zum Fahrsicherheitstraining auf Schnee und Eis - und jetzt zum Eishockey mit den Profis des DEL-Klubs ERC Ingolstadt in die Saturn-Arena. "Die Jungs haben danach gelechzt, mal etwas anderes zu machen. Da bot sich so eine Einheit mit unserem Partnerklub an", sagte Hasenhüttl dem Donaukurier. Auch der Coach selbst mischte mit. Nach einigen vergebenen Chancen flachste der 48 Jahre alte Österreicher: "Ich bin schon genauso blind wie meine Stürmer." Fußball, Bundesliga: Das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat die Bundesligisten Schalke 04 und Bayern München wegen unsportlichen Verhaltens ihrer Anhänger zu Geldstrafen verurteilt. Die Schalker müssen wegen Becherwürfen auf Bayer Leverkusens Hakan Calhanoglu und den Schiedsrichter-Assistenten beim Auswärtsspiel im November 10.000 Euro zahlen. Der Rekordmeister wird mit 5000 Euro zur Kasse gebeten, weil ein Flitzer gegen Hertha BSC auf das Spielfeld gelaufen war, um Thomas Müller zu umarmen. Die Vereine haben den Urteilen zugestimmt. Sie sind damit rechtskräftig. Paralympics, Oscar Pistorious: Die Organisatoren der Paralympischen Spiele in Rio de Janeiro haben mit dem wegen Totschlags verurteilten früheren Sprinter Oscar Pistorius für das Sportereignis im September geworben. Wie das Portal UOL berichtete, wurde ein Internet-Video, in dem der Südafrikaner auftaucht, nach knapp einer halben Stunde aber wieder entfernt. Zu den Bildern war demnach der Slogan zu lesen gewesen: "Mit der Liebe deines Lebens." Pistorius hatte am Valentinstag 2013 in seinem Haus seine damalige Freundin Reeva Steenkamp erschossen und wurde dafür später vor Gericht verurteilt. 2012 startete er als erster beinamputierter Sportler der Olympia-Geschichte mit einer Karbon-Prothese bei den Olympischen Spielen. Er wurde Achter mit der Staffel über 4 x 400 Meter und kam als Einzelstarter bis ins 400-Meter-Halbfinale. Bei den Paralympics holte er Doppel-Gold. Tennis, Australian Open: Die Stimmungslage nach der Auslosung für die am Montag beginnenden Australian Open in Melbourne (bis 31. Januar) konnte bei den deutschen Tennisprofis unterschiedlicher kaum sein. Im Linkshänderinnen-Duell trifft die an Position sieben gesetzte Kerber zum Auftakt des ersten Grand-Slam-Turniers des Jahres auf die nur 1,59 Meter große Japanerin Misaki Doi (WTA-Nr. 65). Die Kielerin, die am Montag 28 Jahre alt wird und 2015 in Down Under in der ersten Runde gescheitert war, hatte vor knapp einer Woche bei ihrer Melbourne-Generalprobe überzeugt und erst im Finale von Brisbane gegen Wiktoria Asarenka verloren. Mit der formstarken Weißrussin, die die Australian Open bereits zweimal gewann, könnte es Kerber im Viertelfinale des mit 28,38 Millionen Euro dotierten Majors zu tun bekommen. "Ich fühle mich fit und bin bereit", sagte die deutsche Nummer eins, die am Freitag gleich zwei Übungseinheiten einlegte. Unter anderem trainierte Kerber mit ihrer Fed-Cup-Kollegin Andrea Petkovic. Die Weltranglisten-24. aus Darmstadt ist zum Auftakt gegen Elisaweta Kulitschkowa (Russland/WTA-Nr. 108) hohe Favoritin. Die Berlinerin Sabine Lisicki trifft auf die Tschechin Petra Cetkovska (WTA-Nr. 131). "Insgesamt ist es eine vermeintlich gute Auslosung", sagte Bundestrainerin Barbara Rittner. Bei den Männern wartet auf die deutsche Tennis-Hoffnung Alexander Zverev in der ersten Runde gleich eine Herkulesaufgabe: Der 18-Jährige aus Hamburg fordert den Weltranglistenzweiten und Davis-Cup-Sieger Andy Murray (Großbritannien) heraus. Ähnlich schwer wird es vermutlich für die deutsche Nummer eins Philipp Kohlschreiber (Augsburg), der gegen den ehemaligen US-Open-Finalisten Kei Nishikori (Japan/ATP-Nr. 7) spielt. Insgesamt stehen vor dem Abschluss der Qualifikation am Samstag 13 deutsche Profis im Hauptfeld der "Aussie Open" - zehn Frauen und drei Männer. Drei weitere DTB-Starter könnten noch dazu kommen. Fußball, FC Ingolstadt: Diese Abwechslung tat weh. Tobias Levels vom Fußball-Bundesligisten FC Ingolstadt hat sich bei einer Eishockey-Einheit des Aufsteigers verletzt. Der Verteidiger erlitt eine Sprunggelenkverletzung und wird den Oberbayern bis auf weiteres fehlen. Eine genaue Diagnose stand noch aus. Trainer Ralph Hasenhüttl hat in der Winter-Vorbereitung auf eine Reise in wärmere Gefilde verzichtet und sorgt stattdessen zu Hause für ein unterhaltsames Übungsprogramm seines Teams. Seine Profis durften sich nicht nur in Anwesenheit der Spieler des Eishockey-Clubs ERC Ingolstadt auf dem Eis versuchen, sondern kürzlich bereits bei einer Einheit auf Langlaufski. Formel 1, Michael Schuhmacher: Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher erhält für seine Genesung nach seinem schweren Ski-Unfall aus dem Dezember 2013 auch moralische Unterstützung aus dem Vatikan. Der FIA-Präsident und Schumacher-Vertraute Jean Todt erklärte im Gespräch mit Radio Vatikan, Papst Franziskus habe ihm am Donnerstag bei seinem Besuch in Rom "mit Freuden zugesagt", für Schumacher zu beten. Nach einem halbjährigen Krankenhausaufenthalt befindet sich der 47-jährige Schumacher seit September 2014 in seiner Schweizer Wahlheimat in der Rehabilitation. In seiner Funktion als Vorsitzender des Automobil-Weltverbandes stellte Todt dem Oberhaupt der katholischen Kirche am Donnerstag eine Kampagne der FIA zur Reduzierung der Todesfälle von Kindern im Straßenverkehr vor. "Ich denke, es hat großen Eindruck auf ihn gemacht", sagte der Franzose: "Wir haben den Papst informiert, dass jeden Tag 500 Kinder im Straßenverkehr sterben und 20.000 verletzt werden." Fußball, FC Bayern: Der FC Bayern München muss vorerst auf Ersatztorwart Sven Ulreich verzichten. Wie der Fußball-Rekordmeister am Donnerstag mitteilte, hatte sich der 27-Jährige bei der letzten Einheit im Trainingslager in Doha eine Zerrung des Syndesmosebandes zugezogen. Damit fällt Ulreich für das Testspiel am Samstag beim Karlsruher SC aus. Es ist die Generalprobe der Bayern vor ihrem Rückrundenauftakt am nächsten Freitag beim Hamburger SV. Wie Ulreich fehlten am Donnerstag beim ersten Training nach dem Camp in Katar auch die Rekonvaleszenten Mario Götze, Franck Ribéry und Medhi Benatia. Sie drehten einige Runden ums Trainingsgelände. Fußball, Messi-Beleidigungen: Dem spanischen Erstligisten Espanyol Barcelona droht nach beleidigenden Fangesängen und Bannern gegen Popstar Shakira, Weltfußballer Lionel Messi und dessen Sturmpartner Luis Suarez im Derby gegen den FC Barcelona ein rechtliches Nachspiel. Wie der spanische Sportgerichtshof (CSD) am Donnerstag bekannt gab, sei gegen den katalanischen Klub aufgrund der Vorfälle im Achtelfinal-Rückspiel (0:2) der Copa del Rey am Mittwoch ein Verfahren eröffnet worden. "Die Banner und Gesänge, die wir gestern Abend im Cornella-Stadion gehört haben, waren absolut inakzeptabel und werden von unserer Anti-Gewalt-Kommission untersucht", sagte CSD-Präsident Miguel Cardenal. Die Kolumbianerin Shakira ist die Lebensgefährtin des Barcelona-Verteidigers Gerard Piqué. Bereits nach dem ersten von zuletzt drei Duellen der beiden Lokalrivalen am 2. Januar war Espanyol wegen rassistischer Fangesänge in Richtung von Barca-Star Neymar ins Visier des CSD geraden. Fußball, Clemens Fritz: Der ehemalige Fußball-Nationalspieler Clemens Fritz beendet im Sommer seine Profikarriere. "Ich habe mir in den vergangenen Tagen und Wochen ausführlich Gedanken über meine persönliche Zukunft gemacht. Nach reiflicher Überlegung bin ich zu der Entscheidung gelangt, dass ich meine sportliche Laufbahn nach dieser Saison beenden werde", erklärte der 35 Jahre alte Kapitän des SV Werder Bremen in einem offenen Brief am Rande des Trainingslagers im türkischen Belek: "Weder kommt für mich ein letzter Wechsel ins Ausland, noch das Verlängern meines Vertrages in Bremen in Frage." Es sei ihm stets ein Anliegen gewesen, das Ende seiner Laufbahn selbst bestimmen zu können: "Ein unfreiwilliger Abschied war für mich immer ein Alptraum." Der Kontrakt des gebürtiges Erfurters läuft nach zehn Jahren in der Hansestadt im Sommer aus. "Es ist eine Verbindung entstanden, die sich selbstverständlich auch durch das Ende meiner sportlichen Laufbahn nicht lösen wird", schrieb Fritz. "Ich bin mit der Stadt, den Menschen hier und natürlich vor allem dem Verein verwachsen." Bislang kommt Fritz auf 523 Pflichtspiele, 299 (6 Tore) davon in der Bundesliga. Der Abwehrspieler bestritt 22 Partien für die Nationalmannschaft, in denen er zwei Tore erzielte. Von Rot-Weiß Erfurt wurde Fritz 2001 durch seinen Wechsel zum Zweitligisten Karlsruher SC zum Profi. 2003 kam er zu Bayer Leverkusen und ging von dort 2006 zu Werder. Schon im vergangenen Sommer hatte Fritz ein Ende seiner Laufbahn erwogen, ließ sich dann aber noch einmal zum Weitermachen überreden.
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mlsum-de-9925
Titelverteidiger Bamberg und der FC Bayern versuchen, die Erwartungen zu dämpfen. Die anderen bayerischen Klubs starten ambitioniert.
Bayern hat sich zur Basketball-Hochburg entwickelt, das belegen die sieben Meistertitel, die seit 2010 in den Freistaat gegangen sind, sechs nach Bamberg, einer nach München (2014). Zudem befinden sich unter den 18 Klubs der Basketball-Bundesliga (BBL) vier bayerische Teams, drei davon erreichten im vorigen Jahr die Playoffs der besten Acht. Auch in dieser Saison richtet sich der Fokus auf die hiesigen Mannschaften: Der TV-Sender Sport 1 hat an den ersten sieben Spieltagen, die er bis jetzt angesetzt hat, stets einen bayerischen Klub im Programm, selbst Außenseiter Medi Bayreuth wird zu sehen sein. Ein Ausblick auf die an diesem Freitag beginnende Saison. Unterwegs in zwei Ligen Man könnte glauben, Rolf Beyer habe einen ruhigen Sommer verbracht als Manager von Meister Brose Bamberg, schließlich musste er nach dem Titelgewinn nur einen Weggang kompensieren, den von Spielmacher Brad Wanamaker zu Darussafaka Istanbul. Aber diesem Eindruck widerspricht der 45-Jährige: "Es ist schwerer, einen bestehenden Kader zusammenzuhalten, als einen neuen aufzubauen." Bambergs erfolgreiches Auftreten in der vorigen Saison, vor allem in der Euroleague, hatte allüberall Begehrlichkeiten geweckt, denen es entgegenzuwirken galt. Das ist Beyer im Zusammenspiel mit Sportdirektor Daniele Baiesi und Trainer Andrea Trinchieri gelungen. Sie haben das Team sogar noch verstärkt mit dem deutschen Nationalspieler Maodo Lo, 23, der vom Columbia-College aus New York kam, dem französischen Regisseur Fabien Causeur, 29, vom spanischen Spitzenklub Laboral Kutxa Vitoria sowie dem weißrussischen 2,11-Meter-Mann Vladimir Veremeenko, 32, der zuletzt in Italien tätig war. Bamberg hat dabei das Kunststück geschafft, acht Ausländer aus acht Ländern in seinem Kader unterzubringen; dass in der Bundesliga höchstens sechs eingesetzt werden dürfen, nimmt man in Kauf. "Wir werden unter dem Strich in zwei Ligen spielen", sagt Beyer. Zu den 34 Partien (ohne Playoffs) in der Bundesliga kommen mindestens 30 in der reformierten Euroleague dazu, dafür braucht man einen tiefen Kader. "Die Euroleague ist die wirkliche sportliche Challenge für Trainer, Betreuer und Mannschaft", sagt Aufsichtsratschef Michael Stoschek. Und weil nach aktuellem Stand auch künftig nur der deutsche Meister an der Euroleague teilnehmen darf, gibt Stoschek die Titelverteidigung vor: "Das ist unser erstes Ziel." Etwas anderes würde man den Bambergern auch nicht glauben nach ihrer fulminanten Vorsaison. Aber: "Wir fangen jetzt wieder bei Null an", warnt Geschäftsführer Beyer vor dem Auftaktspiel am Freitag (19 Uhr/Sport 1) gegen Frankfurt: "Die Mannschaft ist fähig, einiges zu leisten. Aber das ist keine Garantie für gar nichts." Ernsthaft und leger Der prominenteste Neuling dieser BBL-Saison stellte sich am Donnerstag offiziell beim FC Bayern München vor. Aleksandar Djordjevic - als Spieler Welt- und Europameister, als Trainer zuletzt WM- und Olympia-Zweiter mit Serbien - kam im dunkelblauen, zugeknöpften Sakko über dem offenen, weißen Hemd, aus den Jeans schauten nackte Beine heraus, die in Freizeitschuhen steckten. Der 49-Jährige versprühte eine Mischung aus Seriosität und Lässigkeit, und so beschreiben auch die Spieler ihren neuen Coach: ernsthaft bei der Sache, leger im Umgang. Detailansicht öffnen Bambergs Fabien Causeur (r., im Testspiel gegen Bayreuths Zugang Trey Lewis) kam vom spanischen Spitzenklub Laboral Kutxa Vitoria. (Foto: Eibner/imago) Als Nachfolger des aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen Svetislav Pesic soll Djordjevic das Münchner Ensemble in Form bringen, das generalüberholt worden ist nach der enttäuschenden Saison 2015/16 mit Platz vier nach der Hauptrunde und dem zügigen Halbfinal-Aus in den Playoffs gegen Bamberg. Neben Reggie Redding (1,93 Meter) kamen noch Alex King (2,01), Vladimir Lucic (2,04), Devin Booker (2,05), Danilo Barthel (2,08) und Ondrej Balvin (2,17). "Wir haben das Augenmerk auf Spieler gelegt, die in der Defensive besser und variabler sind", erklärt Sportdirektor Marko Pesic die Strategie. Die Münchner würden gern noch einen Spielmacher engagieren, wie Djordjevic sagt, der diese Position einst selbst ausfüllte: "Aber wir haben keine Eile. Es geht uns nicht darum, einfach einen Spieler aufs Feld zu stellen. Er muss schon passen." Wenn man einen Point Guard hole, ergänzt Pesic, "muss es der beste Verteidiger sein". Aber im Grunde, so der Sportdirektor, fehle den neu formierten FC-Bayern-Basketballern nur eins: "Noch eine Woche Zeit, um uns einzuspielen." Doch wegen des aufgeblähten internationalen Terminkalenders fängt die Bundesliga-Saison in diesem Jahr zehn Tage früher an. "Wir müssen uns so schnell wie möglich zusammenfinden", nennt Pesic daher als erste Aufgabe. Die zweite: "Immer das nächste Spiel am wichtigsten zu nehmen." Das nächste Spiel ist zunächst einmal das erste dieser Saison, am Samstag (20.15 Uhr) in Oldenburg, beim Hauptrundenzweiten des Vorjahres. "Die sind eingespielt", warnt Kapitän Bryce Taylor vor überzogenen Erwartungen. Zwar halten alle anderen Klubs den FC Bayern für den schärfsten Konkurrenten von Meister Bamberg. Aber nach den Erfahrungen des Vorjahres halten sie sich in München lieber zurück. "Die Spieler sind vorsichtiger geworden mit Aussagen, den Titel gewinnen zu wollen", hat Pesic festgestellt. Dauerthema Hallenneubau Zumindest in einer Hinsicht befindet sich s.Oliver Würzburg in einem elitären Kreis mit den Vorjahresfinalisten aus Bamberg und Ulm: Die drei Klubs sind die einzigen der Liga, die in der vorigen Saison eine hundertprozentige Hallenauslastung verzeichnet haben. Was im Fall von Würzburg aber nicht schwer war. Nur in Crailsheim (3000 Zuschauer) und Tübingen (3132) sowie nun beim Aufsteiger Jena (3000) gibt es noch kleinere Hallen als in Würzburg (3140). "Um den nächsten Schritt zu machen, muss eine neue Halle her", weiß Geschäftsführer Steffen Liebler: "Wir wollen uns langfristig im oberen Drittel etablieren." Detailansicht öffnen Bayern-Trainer Aleksandar Djordjevic war als Spieler Welt- und Europameister, als Trainer zuletzt WM- und Olympia-Zweiter mit Serbien. (Foto: Wolter/imago) Eine neue Halle für die Basketballer - das ist ein Dauerthema in der Heimatstadt von Dirk Nowitzki, Deutschlands bestem Basketballer; seit Jahren wird es in der unterfränkischen Stadt diskutiert. Zum aktuellen Stand mag Liebler nichts sagen, nur so viel: "Wir sind sehr positiv, dieses Ziel zu erreichen." Die Frage ist halt bloß: wann? Ungeachtet der Antwort wollen die Würzburger in sportlicher Hinsicht schon jetzt den nächsten Schritt machen. "Wir wollen wieder in die Playoffs kommen", sagt Liebler, "lieber auf dem siebten als auf dem achten Platz", so wie in der vorigen Saison. Da war der Aufsteiger in der ersten Playoff-Runde chancenlos gewesen gegen den späteren Meister Bamberg. Für die kommende Spielzeit hat Trainer Doug Spradley aus Bayreuth den Spielmacher Jake Odum, 25, geholt, aus Berlin den Center Kresimir Loncar, 33, aus Tübingen den Shooting Guard Vladimir Mihailovic, 26, dazu aus Schweden den Guard Charles Barton, 24, und aus der zweiten italienischen Liga den Forward Marshawn Powell, 26. Der hat sich gleich mal verletzt und einer Fingeroperation unterziehen müssen; wie Kapitän Sebastian Betz (Sprunggelenk) fällt er mehrere Wochen aus. Im Auftaktspiel am Freitag (20.30 Uhr) gegen Ludwigsburg wird für ihn der nachverpflichtete James Southerland, 26, auflaufen. Helden von gestern und morgen Es ist bald dreißig Jahre her, dass Bayreuth zum ersten und einzigen Mal einen deutschen Basketball-Meister hervorgebracht hat. 1989 holte die unter dem Namen Steiner Bayreuth firmierende Mannschaft sogar das Double, also auch noch den Pokal. Eine zwischenzeitliche Insolvenz und mehr als ein Jahrzehnt in der Unterklassigkeit haben die Erinnerung an die glorreiche Zeit nicht getrübt und die Erwartung an eine Fortsetzung nicht gedämpft. "Bayreuth ist bekannt dafür, mit großen Ambitionen in die Saison zu starten und dann nicht abzusteigen", sagt Philipp Galewski, der Geschäftsführer von Medi Bayreuth. Der zwölfte Rang in der vorigen Saison war immerhin die beste Platzierung seit der Bundesliga-Rückkehr 2010 und für Galewski das Zeichen, nun zumindest "eine Stabilisation erreicht" zu haben. Von dieser Basis ausgehend hat Galewski die Ambitionen für die am Sonntag (18 Uhr) mit einem Heimspiel gegen den Vorjahresfinalisten Ulm beginnende Spielzeit so formuliert: "Wir möchten den Kader erweitern, Talente entwickeln, uns im Mittelfeld etablieren und eher nach oben schauen." Diese Perspektive erschien dem neuen Trainer Raoul Korner, 42, offenbar besser als diejenige in Braunschweig, wo dem letztjährigen Zehnten keine Unterstützung des VW-Konzerns mehr zuteil wird. Der Österreicher wechselte lieber nach Bayreuth, wo er auf Michael Koch folgt. Aus Braunschweig brachte er die Talente Robin Amaize, 22, und Moritz Trieb, 18, mit. Von der Mannschaft des Vorjahres sind nur drei deutsche Spieler geblieben, Regisseur Bastian Doreth, Center Andreas Seiferth, beide 27, sowie Forward Steve Wachalski, mit 33 der Älteste im Team. Das ist mit seinem Durchschnitt von 23,7 Jahren eines der jüngsten in der Liga, nicht umsonst präsentiert Medi sein Team als "Heroes of Tomorrow", als Helden von morgen. Gemessen werden sie in Bayreuth freilich immer noch an den Helden von gestern.
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mlsum-de-9926
Ein Meteorit hat im Norden Kanadas ein ebenmäßiges Kraterloch geschlagen, das sich mit besonders klarem Wasser gefüllt hat. Lange wussten nur Inuit von dessen Existenz.
Die Twin Otter fliegt dröhnend über die Tundralandschaft. Unten Seen, Sumpf und Felsplateaus. "Achtung, jetzt gleich!", ruft Maali Tukirqi der Gruppe zu, die sie in den Pingualuit-Nationalpark im arktischen Norden Kanadas begleitet. Sekunden später erscheint der See, rund wie ein Vollmond, ein fast perfekter Kreis um tiefblaues Wasser, das im Sonnenlicht schimmert. Die Passagiere sind euphorisch. Wegen dieses Kratersees haben sie die Trekkingreise nach Nunavik gebucht, wie das Territorium der Inuit in der Provinz Quebec offiziell heißt. Der Krater war nach dem Aufprall eines Meteoriten vor 1,3 Millionen Jahren entstanden. Lange wussten nur herumziehende Inuit-Jäger von seiner Existenz. Er birgt einen der saubersten und klarsten Seen der Welt. Pingualuk nennen ihn die Inuit, Pickel oder Beule. Seine Flanken sind von Steinbrocken übersät, die bei der Explosion des Meteoriten viele Kilometer weit geschleudert wurden. Die damals freigesetzte Energie soll 8500 Mal stärker gewesen sein als die der Atombombe, die über Hiroshima abgeworfen wurde. Maali Tukirqi führt ihre fünfköpfige Gruppe den Hang hinauf. Die Wanderer müssen auf den spitzen Kanten der Steinbrocken über Spalten balancieren. Sie rollen die Gesichtsnetze, die sie vor den Mückenschwärmen schützen, immer wieder zurück, um die Lücken besser zu sehen. Jamie Yaaka dagegen, ein 14-jähriger Inuit-Junge, der zum Wanderführer ausgebildet wird, lässt sich von den Stechmücken nicht aus der Ruhe bringen. Sein noch junger Vater ist vor einem Jahr bei der Jagd umgekommen. Jamie Yaaka rät den Touristen immer wieder, die Füße mit Bedacht aufzusetzen, um auf diesem Trümmerfeld nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Vor einigen Tagen ist Mary Pilurtuut, die Direktorin der Parkverwaltung, beim Krater auf den vom Regen noch feuchten Steinen ausgerutscht. Sie spüre die Prellung immer noch, hat sie am Morgen in ihrem Büro erzählt. Sie arbeitet im 120 Kilometer entfernten Kangiqsujuaq, wo alle Häuser wegen des Permafrosts auf Stelzen stehen. Ihre Vorfahren, die wie sie an der Küste lebten, hätten erst im 19. Jahrhundert Kunde vom wundersamen Kratersee erhalten, erzählt sie. Die Menschen im Landesinnern dagegen kannten den Pingualuk-See schon seit Menschengedenken, weil sie in der Gegend Karibus jagten. "Der Mann, der uns davon erzählt hat", berichtet Mary Pilurtuut, "hieß Makiggaq und war ein Freund meines Urgroßvaters." Noch viel länger dauerte es, bis die Welt außerhalb Nunaviks vom Pingualuk-See hörte: Erst als amerikanische und kanadische Militärpiloten den Kratersee während und nach dem Zweiten Weltkrieg fotografierten, tauchten nach und nach Bilder auf. Wissenschaftler begannen sich dafür zu interessieren, erforschten den See und machten ihn dadurch weiteren Kreisen bekannt. Aber immer noch finden nur wenige Touristen ihren Weg nach Camp Manarsulik, eine Reise, die vier Stunden Flugzeit von Montreal über Kuujjuaq und Kangiqsujuaq erfordert. Im Pingualuit-Park ist derweil die Sonne hinter Wolken verschwunden. Maali Tukirqi findet die Richtung dank der Inuksuks - Steinmännchen, die als Wegweiser dienen. Blicken die Wanderer zurück, sehen sie eine endlose Steinwüste. Über eine Stunde ist vergangen, seit die Gruppe die Unterkünfte hinter sich gelassen hat. Das Terrain ist jetzt flacher, man geht über Geröll mit kurzen harten Gräsern dazwischen. Plötzlich taucht unten eine blaue Scheibe aus Wasser auf. Genau in diesem Moment kommt die Sonne wieder hinter den Wolken hervor. Es passiert so unvermittelt, dass alle erst einmal sprachlos sind. 267 Meter tief ist der See; er ist einer der tiefsten Seen Nordamerikas. Sein Durchmesser beträgt nur 3,4 Kilometer, aber er wirkt endlos - das Auge folgt immer wieder diesem perfekten Kreis. An Tagen, an denen es windet und die Sonne scheint, nimmt der See ein besonders intensives Blau an. Im kleinen Museum in Kangiqsujuaq wird die Bedeutung erklärt, die der See für die Inuit hat: "Nunavingmi Pikkuminartuq - ein besonderer Ort in Nunavik, der unsere Herzen berührt und unsere Seelen nährt." Die Ureinwohner sehen es als Privileg an, sein Wasser trinken zu dürfen, denn ein so reines Wasser gibt es in kaum einem anderen See der Welt. Der Krater wird nur von Schnee und Regen gefüllt, da es keine Zu- und Abflüsse gibt. Experten schätzen, dass es rund 330 Jahre dauert, bis sich das Wasser des Sees vollständig erneuert hat. Es ist so klar, dass man bis zu 35 Meter in die Tiefe sehen kann. Maali Tukirqi weist auf eine deutliche Erhebung auf der linken Seite des Kraters hin. Der Meteorit sei von rechts auf die Erdoberfläche geschossen, erklärt sie. In wissenschaftlichen Berichten ist zu lesen, dass er mit einem Tempo von 90 000 Kilometer pro Stunde auf die Erde zugerast ist und dass sein Durchmesser zwischen 110 und 130 Meter betragen hat. Es geht dem Abend zu und die Wanderer steigen zum Camp Manarsulik ab. Am kommenden Tag zeigt ihnen der 42-jährige Inuitführer Charlie Alaku archäologische Stätten, an denen früher die nomadischen Inuit, die die Gegend seit 4000 Jahren durchwandern, ihre Zelte im Sommer aufstellten. Dabei erwähnt Alaku die Fische im Pingualuk-See. Die hier lebenden Arktischen Saiblinge hätten große Köpfe und relativ kleine Körper, sie leben ja in einer nährstoffarmen Umgebung. Für die Inuit war es lange ein Rätsel, wie die Fische ohne Zu- und Abflüsse in den See kamen. Experten nehmen an, dass ein Ozean die Gegend nach der letzten Eiszeit bedeckte, bevor er sich zurückzog. Charlie Alaku ist ein moderner Inuk, Vater von vier Kindern, der in Kangiqsujuaq lebt, mit Leidenschaft Golf spielt, sich aber mit der Tradition seiner Vorfahren stark verbunden fühlt. Er trekkt mit den Besuchern stundenlang über die Tundra. Er zeigt ihnen eine essbare wilde Pflanze, Qungilik, die wichtiges Protein enthält. Er brät mit ihnen Bannock, den althergebrachten Brotfladen. Er zeigt ihnen, wie man eine Öllampe, Qulliq, aus Speckstein mit Hilfe von getrocknetem Moos am Brennen hält, wie einst in den Iglus, in denen die Menschen in dieser Gegend noch bis zu den Fünfzigerjahren lebten. Er führt zusammen mit Jamie Yaaka traditionelle Spiele der Inuit vor, mit denen Geschicklichkeit und Kraft gefördert wird. Er gibt den Gästen rohes Walfett, Mattak, zum Probieren. Und er erzählt viele Geschichten und Mythen seiner Vorfahren. Zum Beispiel die Legende von den streitsüchtigen Schamanen: "Es gab gute und schlechte Schamanen und manchmal stritten sie miteinander." Die Inuit wollten aber nicht, dass es Streit auf Erden gibt. So schickten sie die Schamanen auf den Mond. Dort kämpften sie so heftig weiter, dass sie die Oberfläche aufwühlten. "Deshalb gibt es Krater auf dem Mond", schließt Charlie. Um den eigenen Krater rankt sich keine Legende. Dafür gibt es seit 2004 den 1134 Quadratkilometer großen Nationalpark, um den Pingualuk-See zu schützen. Fischen, tauchen oder ihn mit Booten befahren ist verboten. Die drei von den Inuit verwalteten Naturparks in Nunavik bringen Arbeit und Einkommen. In Kangiqsujuaq steht ein neues Hotel, das den achthundert Dorfbewohnern gehört. Sie versuchen ein Gleichgewicht zwischen Tourismus und den eigenen Bedürfnissen zu finden. Der Pingualuit-Nationalpark, der auch im Winter geöffnet ist, wird häufig von jungen und alten Inuit besucht, die eine Verbindung mit den Jagdgründen ihrer Ahnen suchen. Und die in der Natur die Wunden heilen wollen, die der allzu rasche Übergang vom Nomadentum zur technisierten Welt schlug. Im Camp Manarsulik wartet Brigitte Coutu, eine Frau aus der Gruppe, auf besseres Wetter. Ursprünglich wollte sie den Krater in acht Stunden zu Fuß umrunden. Jetzt würde sie sich damit zufrieden geben, Wasser aus dem klaren See zu schöpfen und es nach Hause zu tragen. Doch Regengüsse vereiteln einen weiteren Aufstieg. Am Tag vor dem Abflug hüllt sich der Krater in dicken Nebel. Als ob er nicht noch mehr von sich preisgegeben möchte.
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mlsum-de-9927
Der irakische Oberleutnant Abdelaziz al-Amir spürt Sprengsätze der Terrormiliz IS auf: in Autos, hinter Türen und Fenstern. Hunderte Bomben hat er schon entschärft. Für Todesangst bleibt dabei keine Zeit.
Oberleutnant Abdelaziz al-Amir hängt mit dem Oberkörper im Fond eines weißen Autos. Wo einmal die Rücksitze waren, haben die Terroristen des Islamischen Staates (IS) eine Art Regal aus Stahlträgern in den Kia Sportage geschweißt. Der Oberleutnant knipst gerade mit einem Seitenschneider die letzten Zündkabel und Sprengschnüre durch. "Sie nehmen immer Pick-ups oder Geländewagen", sagt er. Andere Autos können die Last der aufgeschweißten Panzerplatten aus Stahl und den Sprengstoff gar nicht tragen. 400 Kilogram Ammoniumnitrat in 20 Plastikeimern hat al-Amir aus dem Wagen geholt, selbst gemischter Sprengstoff aus Dünger. "Wenn das in einer Straße explodiert, stürzen die Häuser daneben ein", sagt er. Der IS schickt Selbstmord-Attentäter mit diesen fahrenden Bomben los; die Front ist bis auf einen Schlitz aus Panzerglas mit Stahlplatten verstärkt. Sie rasen so nah an die irakischen Truppen heran, wie sie nur können und sprengen sich in die Luft. Oder inmitten von Zivilisten. Selbst gepanzerte Fahrzeuge halten dem nicht stand. Und im Westen von Mossul müssen die Sondereinheiten in den engen Straßen zu Fuß vorrücken, Haus für Haus. Je näher sie den verwinkelten Gassen der Altstadt kommen, desto mehr Sprengfallen haben die Terroristen gelegt, in Straßen, Häusern, unter Kanaldeckeln und in Bäumen. Überall. Tückische Konstruktionen, die so viele Soldaten und Zivilisten töten sollen, wie nur möglich. Und Oberleutnant Abdelaziz muss sie entschärfen. Detailansicht öffnen Es ist die Aufgabe von Oberleutnant Abdelaziz al-Amir, Bombenanschläge zu verhindern. (Foto: PKR) "Es ist ein sehr gefährlicher Job, aber man gewöhnt sich dran" "Man muss schnell sein", sagt er, "sonst muss die ganze Einheit warten." Das ist gefährlich, weil es dem Feind Zeit gibt zum Angreifen, um seine Autobomber zu schicken. Abdelaziz gehört zu den Krisen-Reaktionskräften des Innenministeriums, einer Elite-Truppe, die zusammen mit der direkt dem Premierminister unterstellten Antiterror-Einheit der Goldenen Division an der Font gegen den IS kämpfen. "Es ist ein sehr gefährlicher Job", sagt Abdelaziz, "aber man gewöhnt sich dran. Und dann wird es immer einfacher." Einfacher, nicht dauernd daran zu denken, dass eine falsche Bewegung den Tod bedeutet? "Dafür hast du gar keine Zeit", sagt er. Der 31-Jährige ist ein drahtiger, durchtrainierter Mann, die schwarzen Haare von den Schläfen abwärts rasiert. Die braunen Augen kneift er im Zwielicht des bedeckten Himmels zu Schlitzen zusammen, das lässt ihn streng und unerbittlich aussehen. Er hat ein sehr nüchternes, fast distanziertes Verhältnis zu seinem Job, der Vater von zwei Töchtern, fünf und ein Jahr, und einem Sohn, drei. Seine Kinder wissen nicht, was er tut; sie sind zu jung. Seine Frau findet es "okay", sagte er. Job ist nun mal Job, und Militär ist Militär, da "führt man Befehle aus", sagt Oberleutnant Abdelaziz. Er erzählt all das, ohne eine Miene zu verziehen, fast regungslos mit ruhiger, leiser Stimme. Kurze Handbewegungen hier und dort. Dieser Mann hat sich extrem gut unter Kontrolle. Wahrscheinlich geht das auch gar nicht anders. Er spricht fließend Englisch, er hat die Sprache mal studiert, aber den amerikanischen Akzent hat er sich in Filmen abgeschaut. "Ich habe mir das meiste selber beigebracht", sagt er. So war es auch mit dem Bomben entschärfen. Er war noch normaler Offizier, Zugführer und damit Vorgesetzter von einem Dutzend Soldaten, als seine Einheit im Juni 2014 vom IS eingeschlossen wurde auf dem Gelände der Raffinerie von Baiji, 150 Kilometer südlich von Mossul. Vier Monate waren sie von Dschihadisten umringt. Wenn sie überleben wollten, blieb ihnen nichts, als die Sprengfallen unschädlich zu machen. Sie hatten keine Spezialisten dabei. "Irgendwer musste es machen", sagt Abdelaziz al-Amir. "Wenn du weißt, wie es funktioniert, ist es immer das Gleiche", fährt er fort. "Jede Bombe besteht aus einer Stromquelle, einem Zünder und explosivem Material, nur in unterschiedlichsten Ausführungen." Der IS habe ein paar Leute, die es verstünden, die Dinge kompliziert zu machen, Mehrfachsprengsätze und andere Finten. Aber alle ließen sich nach dem gleichen Muster unschädlich machen. "Du suchst die Stromquelle. Wenn du sie entfernen kannst, passiert in der Regel nichts mehr", dann den Zünder aus dem Sprengstoff ziehen und diesen an einem sichern Ort unschädlich machen. Auch das sagt Abdelaziz, als wäre er ein Elektriker, der den ganzen Tag kaputte Boiler repariert. Keine Schutzkleidung, keine Panzerung, nur seine normale Uniform Er trägt bei der Arbeit keine Schutzkleidung, keine Panzerung, nur seine normale Uniform. "Gegen die Wucht der Explosion gibt es bei diesen Bomben keinen Schutz", sagt er. "Die zerfetzt dich so oder so." Der einzige Schutz ist seine Erfahrung, maximale Aufmerksamkeit und absolute Konzentration. "Ich habe schon viele Dinge gesehen", sagt er und fischt eine Einweg-Spritze aus Plastik aus seiner Hosentasche. Der Kolben ist durch ein Metallplättchen ersetzt, das an einem Gummiring hängt. An das Plättchen ist eine durchsichtige Angelschnur gebunden, hinausgeführt durch die Düse an der Spitze. Kurz davor sind zwei blanke Kupferdrähte durch den Plastikzylinder hindurchgebohrt. Abdelaziz zieht an der Schnur, das Plättchen berührt die Drähte, die rote Leuchtdiode blinkt auf. "Und Bumm", sagt er trocken. Ein Zünder. "Sie verminen damit Türen und Fenster", erklärt er, "oder sie bauen mehrstufige, komplexe, Sprengfallen." Das Offensichtliche lässt ihn stutzig werden. Wenn ein Sprengsatz gut sichtbar herumliegt, dann hat das einen Sinn. Meist knüpfen die Terroristen einen zweiten daran. Manchmal einen dritten. Bewegt er die erste Bombe, fliegt die andere Ladung hoch. "Das wichtigste sind deine Augen. Man muss sich das jedes Mal ganz genau ansehen", sagt er. Die Umgebung, die Kabel, jede Winzigkeit, die auf eine neue tückische List der Bombenbauer hindeuten könnte. Noch einmal schauen, wenn sich auf den ersten Blick einfache Lösungen bieten. Nur mit einem Drahtschneider in der Hand muss er binnen Minuten entscheiden, welchen der Drähte er kappt. In jedem Viertel von Mossul fand die irakische Armee Bombenfabriken Hinter einem einfachen Zaun neben dem Haus, in dem seine Einheit Quartier bezogen hat, liegen am Boden die Bomben, die sie in den vergangenen Wochen entschärft haben. Es sind Hunderte. Stahlzylinder, die der IS in seinen Werkstätten zusammengeschweißt hat. In jedem Viertel von Mossul, das sie befreit haben, fanden sie solche Fabriken. Daneben verrostete Mörser- und Artilleriegranaten, zu Sprengfallen umfunktioniert. Plastikeimer und Reifen, die mit TNT befüllt sind, Minen, Rohrbomben und Zünder, die vergraben werden und auf Druck reagieren. Und Selbstmordwesten. Sprengstoffpakete, auf der einen Seite mit Metallkugeln gespickt, auf der anderen die Sprengschnur, die das Paket zur Explosion bringt, alles mit durchsichtigem Klebeband eingepackt. "Wir sammeln das hier, und das meiste bringen wir nach Bagdad", sagt er. Zu Ausbildungszwecken. Die meisten seiner Soldaten haben, anders als er, ihr Handwerk systematisch gelernt. "Manche von ihnen sind inzwischen besser als ich", sagt er, und lächelt zum ersten Mal. Sie lernen die Theorie, trainieren mit Attrappen. Doch das wichtigste ist Zuschauen. Wie ein Sushi-Lehrling die Fingerfertigkeit des Meisters durch Beobachten zu verstehen beginnt. "Die ersten hundert Mal machen sie nichts, sie stehen nur daneben", sagt Abdelaziz. Viel zu nervös sind die Anfänger. "Beim ersten Mal zittert man noch, mit der Zeit wird man zum Experten", sagt er. Und doch hat auch er manchmal Angst. Neulich, als sie einen Kleinlaster mit einem blauen Tank auf der Ladefläche entdeckten. Mit einer unbekannten Flüssigkeit darin. Und verdächtigen Kabeln. Er wusste, dass es eine Bombe war - nur was für eine. War die Flüssigkeit ein Sprengstoff? Oder Chemiewaffen-Brühe? Er weiß es bis heute nicht; die Armee hat die Analyse übernommen. Er weiß nur, dass es unheimlich war. Und dass er das richtige Kabel durchgeschnitten hat. Seine Erfahrungen hält er auf seinem Laptop fest, er schreibt an einem Buch. Nicht nur über die Sprengfallen, sondern eine Innenansicht über den Kampf gegen den IS. Er will es veröffentlichen, wenn der Krieg gegen den IS vorbei ist. Wenn er dann noch lebt.
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mlsum-de-9928
Cayman Islands: Krokodil-Dandys und eine wunderschöne Welt, in der man lieber abtaucht: Nirgendwo ist das ereignislose Leben so angenehm wie hier
(SZ vom 6.3.2001) - Von oben gesehen ist das Paradies recht flach. Auf Thekenhöhe ist das Paradies einigermaßen langweilig. Wenigstens von unten betrachtet ist das Paradies, nun ja, immerhin, paradiesisch. Detailansicht öffnen Mit dem Boot auf Rochenschau (Foto: Foto: Corbis) Sumpfiges Land, ein paar struppige Sträucher, Grasbüschel, Bäume, Riffe, Meer und Sand: Mehr braucht es heute nicht, und schon kann man einen Ort mit dem Paradies verwechseln - einen Ort, der in einer anderen Zeit gerade mal gut genug war, dass dort einige versprengte Piratenbanden ihr trauriges Leben verbrachten. Immerhin schien auch damals die Sonne wie heute, wenn nicht gerade mal wieder einer jener tropischen Regenfälle niederging, die immer noch jedes offen gelassene Cabrio in ein Elendsbild von nassen Polstern und ruinierten Gastgeschenken verwandeln. Es waren ja andere Zeiten damals, als zum Beispiel ein Segler namens Columbus auf dem Weg von Panama rüber nach Hispaniola an diesem sumpfigen Etwas vorbei segelte, die Hand vor die Augen hielt, weil ihn schon damals die Sonne blendete, und feststellte, dass diese kleine, flache Insel voll von Schildkröten war, großen, braunen Schildkröten, genau wie die beiden anderen Inseln in der Nähe, rund 95 Kilometer südlich von Cuba und 300 Kilometer nordwestlich von Jamaika mitten in der Karibik. Auch das Meer um die größte dieser Inseln war voll davon, und was er anfangs für Felsen eines Riffs gehalten hatte, das, so merkte er jetzt, waren auch Schildkröten. Da ihn aber Schildkröten nicht so sehr interessierten, weil er hinter lukrativeren Dingen her war, holte er nur sein Tagebuch heraus und schrieb dort hinein, dass die Inseln von nun an die "Tortugas" genannt werden sollten, weil man Schildkröten in seinen Breiten eben so nannte. 1503 war das, und irgendetwas muss schief gegangen sein in den Jahren, die danach folgten, denn als Sir William Dampier die Inseln 1675 besuchte, da hießen sie plötzlich Caimans oder auch Cayman Islands. Immerhin, stellte der Sir fest, gab es dort reichlich Krokodile, und so machte dieser Name durchaus Sinn. Die einzige Schildkröte, die man dieser Tage auf einer der Inseln findet, ist ein grinsendes Ding mit einem Holzbein, einem Degen und einem gestreiften Seglerhemd, ein Symbol, das sich sicher das Cayman Islands Department of Tourism ausgedacht hat, eine Institution, die sich keine Sorgen machen muss über ihre Zukunft. Denn wenn man den Inseln heute einen Namen geben müsste, dann würde man sie nach jenen Wesen nennen, die heute so träge im Wasser treiben wie vor 500 Jahren die Schildkröten: la isla de los Gringos palidos, Insel der käsigen Amerikaner. Die Cayman Islands sind der Beweis, dass Geld oben schwimmt. Denn eigentlich schaut es von oben aus dem Flugzeug so aus, als lägen da drei verschrumpelte Dollar-Scheine in der Karibik. Das gleiche verwaschene Grün, die gleiche verheißungsvolle Aura, die gleiche vorprogrammierte Enttäuschung. Von Dollar-Scheinen, das ist die erste Lektion, hat man immer zu wenig, vor allem, und das ist die zweite Lektion, auf den Cayman Islands. Und drittens: Selbst wenn man genug davon dabei hat, wer will schon dauernd Hummer essen? Aber so ist das, zumindest auf der größten der drei Inseln, auf Grand Cayman, wo 40 000 Menschen wohnen, die Hälfte davon in George Town, der Hauptstadt dieser drei Inseln, die als britische Kronkolonie von einem Gouverneur regiert werden und durch ihren Sonderstatus Freiheiten der besonderen Art genießen. Freiheiten von der Sorte, dass es hier ziemlich viele Leute gibt, denen es nichts ausmacht, knapp 50 US-Dollar zu bezahlen für einen Hummer und ein Stück Schildkröte aus der großen Zuchtfarm. Das Ganze eben noch untermalt von Harfenmusik auf der prächtigen Terrasse direkt am Meer, Blick auf das Blau, das langsam zu Schwarz wird, bis auf einmal Lichter im Wasser angehen, damit man die exotischen Fische sehen kann, die da gerade herum schwimmen. Dann kommt vielleicht auch mal der Chef persönlich vorbei, der ebenfalls Österreicher ist und einem davon erzählt, wie das am Anfang war hier auf den Cayman Islands, vor zwanzig Jahren zum Beispiel, als noch Mick Jagger hier war oder auch der Milliardär Kaschoggi, der immer Leute dabei hatte, die die Geldkoffer mit Handschellen an den Gelenken sicherten. So war das damals, als der Jet Set noch nicht unter das Volk geraten war und sich praktisch jeder eine Reise ins Paradies leisten konnte. Die alleinstehenden Arbeitsdronen etwa, die hierher geflogen werden als Bonustrip für ihr Engagement in einer der Anwaltskanzleien oder Brokerbanken in Minneapolis, Chicago oder New Jersey. Wenn sie wirklich was geleistet haben, dann wohnen sie zum Beispiel im Grand Cayman Marriott Beach Resort direkt am Seven Mile Beach, der nur sechs Meilen lang ist. Und wenn sie nicht ganz so viel geleistet haben, dann wohnen sie in einem der Motels auf der anderen Seite der West Bay Road, der einzigen Straße, die den Nordteil der Insel mit George Town verbindet. Aber egal, ob sie einen Bonus von 10 000 Dollar oder 100 000 Dollar erhalten, am Abend sind alle gleich hier, jeden Tag der Woche, ganz besonders aber Samstag und Sonntag. Um Mitternacht ist dann Schluss mit Bier, Musik und Party, die Cayman Islands sind schließlich nicht nur einer der größten Bankenplätze der Welt mit über 500 Banken, sie haben auch ungefähr so viele Kirchen hier. Gottesfürchtiges Land also, da soll keiner die Kirche verschlafen. "Wenn ihr Spaß haben wollt", hatte das Mädchen gesagt, als sie die Heineken-Flaschen auf den Tisch stellte, "dann müsst ihr schon nach Miami fliegen". Und so kommen dann wirklich gegen viertel vor zwölf drei, vier nette, aber strenge und beeindruckend ausstaffierte Polizisten in die paar Lokale, in denen so etwas wie Stimmung im Entstehen begriffen war, und bieten einem freundlich einen durchsichtigen Plastikbecher an. Ob man sein Bier da nicht rein schütten wolle, um es draußen auszutrinken? Gehen muss man ja sowieso. Und so verlässt man auch diesen Ort, wo es zwar hervorragendes Sushi gegeben hatte, dann aber eine Armada von Angestellten Ende dreißig eingefallen war, die unbedingt zur Musik von Abba etwas Exzess üben wollte. "Money, money, money", hatten sie alle gesungen und auf den Tischen getanzt, "must be funny in a rich man's world". "Must be funny in a rich man's world" Überhaupt ist die Musikregie von einer stillen Komik auf dieser größten der drei Inseln. Wenn man etwa aus der Tiefkühltruhe, die die Eingangshalle jedes teuren Hotels ist, in die klebrige Hitze der Karibik hinaus stolpert, um sich an den Pools und Bars vorbei seinen Weg zum Seven Mile Beach zu suchen, an dem Leute auf und ab stolzieren, die entweder aussehen wie Lottomillionäre mit zu viel Zeit oder Internetvisionäre mit zu viel Geld, dann ist es doch von einer angenehmen, wenn auch unbeabsichtigten Ironie, dass dazu "I shot the sheriff" gespielt wird, in gedämpfter Lautstärke und in einer Fassung für Steeldrum. Aber Kitsch ist nur das andere Gesicht der Wahrheit, und so schieben sich bei einem "Mudslide" oder einem anderen Cocktail die verschiedenen Ebenen ineinander, die das Leben in der Karibik so lebenswert machen: Rausch, Rhythmen, Revolution und natürlich reaktionäres Denken, Reichtum und Rassenkonflikt. Must be funny in a rich man's world. Rochen zum Streicheln und Füttern Grand Cayman ist eine Insel der gut gelaunten Geheimnislosigkeit und der schönen Oberflächenreize, die ihre eigentliche Schönheit unter der Oberfläche entfalten. Aber selbst die bedrohliche Macht des Meeres, die Peter Matthiessen so grandios beschrieben hat in seinem kürzlich in der deutschen Übersetzung erschienenen Cayman-Roman "Far Tortuga" (Europäische Verlagsanstalt), selbst diese Urgefahr des Menschen wird hier zum Zoo verniedlicht. "Stingray City" heißt die Sandbank mitten im North Sound der Insel, und wenn man sich diesem Ort mit dem Boot nähert, dann sieht es aus, als sei man auf dem Weg zu einer Massentaufe der Moon-Sekte. Drei stattliche Schiffe ankern da, Hunderte Menschen stehen bis zur Hüfte im Wasser, schauen, staunen und stoßen schrille Schreie aus: Rochen! Zehn, zwanzig, dreißig Rochen, die da lustig auf dem Sandboden herumliegen oder träge hin und her gleiten. Ganz brav sind die Dinger, man kann sie in den Arm nehmen, streicheln oder füttern - eine sehr lustige, wenn auch leicht absurde Übung, die immerhin zur Folge hat, dass man sich nicht mehr ganz so sehr erschreckt, wenn beim Schnorcheln in den seichten Riffrevieren plötzlich ein grau-schwarzer Flügelschlag etwas Sand aufwirbelt und der doch eigentlich, wie man das einmal gelernt hatte, so gefährliche Rochen seinen Stachel nimmt und davon schwebt. Heineken und CNN halten Einzug So ist das auf Grand Cayman, einer Insel, die berühmt ist für ihre schönen Tauch- und Schnorchelplätze, aber auch als Steuerparadies und als idealer Ort für die Geldwäsche aus dem einen oder anderen Drogengeschäft zum Beispiel. Geld ist das Mittel, das diesen Kreislauf von Frömmigkeit, Heuchlerei, Erfolg und Luxus antreibt - und wenn man in einer der kleinen Maschinen der Cayman Airlines auf dem holprigen Grasfeld landet, das auf der rund 140 Kilometer nordöstlich von Grand Cayman gelegenen Insel Little Cayman als Flugbahn dient, dann kann man sich fast ein wenig illegal fühlen, als transportiere man mehr als nur ein paar Flossen, eine Badehose und schmutzige Wäsche. So aber lässt man sich von einer netten Französin die Tasche abnehmen, geht so langsam wie möglich durch die Hitze zu einer der kleinen weißen Holzhütten, die neben dem Flugfeld gebaut sind, wirft sich in dem kühlen Zimmer aufs Bett, schaltet CNN ein, holt ein Heineken aus dem Kühlschrank, öffnet die Tür zur Veranda, sieht einen Leguan gerade noch hinter den mächtigen Palmen verschwinden, zwischen denen eine Hängematte gespannt ist, lässt sich auf einen Stuhl im Schatten fallen und stößt erst einmal darauf an, dass das Paradies immer dann am schönsten ist, wenn es dort auch ein kühles Bier gibt. Eine Pirateninsel in moderner Form Ein Ort also wie die Hütten der Paradise Villas auf Little Cayman oder auch die wundersame Bar "Aunt Sha's Kitchen" auf Cayman Brac, der am wenigsten flachen Insel im Sortiment. Wer tagsüber kommt, der kann aufs weite Meer schauen, zähen Hummer essen, Bier trinken und den Arbeitern, Cops und Inselschönheiten bei ihrem Tun zuschauen. Und wer abends kommt, der braucht nicht lange zu fragen, warum der Laden heißt, wie er heißt: sharks. Haie, drei, vier, zehn, etwa zwei Meter lang und sehr zur Begeisterung des alten Clifford, der an der Mauer lehnt und vom Leben erzählt, von Stürmen, Schiffen und Frauen. Eigentlich, das versteht man in solchen Momenten, sind die Cayman Islands auch heute noch, was sie immer waren: eine Pirateninsel, nur der moderneren Form. Jemand bringt noch eine Runde Heineken. Man schweigt und starrt hinaus aufs Meer, einem Ort, der so flach ist wie nur das Paradies.
https://www.sueddeutsche.de/reise/antillen-curacao-sz-curacao-salz-auf-unserer-haut-1.244545
mlsum-de-9929
Meergestein und Pflanzenwuchs bedrohen die Häuser der Antillen-Insel: Die Unesco muss eines ihrer größten Architekturprojekte bewältigen.
(SZ vom 05.12.2000) - Fenster auf, Fenster zu. Türen auf, Türen zu. Und das mindestens 60-mal am Tag. Ein eigenes Dienstmädchen hatte Familie Römer einzig dafür angestellt, alle Fenster und Türen in Bewegung zu halten. Familie Römer, so scheint es, hatte es komfortabel getroffen mit ihrem Kolonialhaus im Willemstader Stadtteil Otrobanda auf der Karibikinsel Curaçao. Der vermeintliche Traumjob ihres Dienstmädchens - der reine Albtraum. Nicht etwa, dass die Hausherren ihre Bedienstete mit ausgiebigem Tür- und Fensterdienst schikaniert hätten oder gar Horden von Piraten jedes Mal die Stadt bedrohten. Nicht Kanonenboote setzten Willemstad zu, sondern die dampfenden, rußenden Schlote der Handelschiffe, die in den 50-er Jahren alle naselang durch den Hafen kreuzten. Höchste Alarmstufe, wann immer das Schiffshorn tutete. Dann hieß es, schnell alle Häuseröffnungen verrammeln, bevor eine schwarze Wolke das ganze Viertel mit öligem Ruß bedeckte. Detailansicht öffnen Die Handelsarkaden in Punda zählen zu den Meisterwerken niederländischer Kolonialarchitektur (Foto: Foto: Margit Kohl) Die typischen niederländischen Kaufmannshäuser mit ihren treppen- und glockenförmigen Giebeln, weißen Stuckverzierungen und roten Ziegeldächern haben ziemlich gelitten, seit die Niederländer 1634 Curaçao für sich beanspruchten und sich ganz kolonialherrentypisch verhielten: Man bringt die Sitten und Gebräuche von zu Hause mit und baut die Heimat in der Ferne neu. Kein Wunder, dass die Niederländer auf Curaçao besonders in der Architektur bleibende Spuren hinterlassen haben. Hatten sich die Spanier noch mit einfachen Steinhäusern begnügt, begann mit den Niederländern eine andere Art des Bauens. Aufstrebende protestantische Kaufleute bauten Wohn- und Lagerräume und Büros. Das Gesamtbild der kleinen, rechtwinklig angelegten Straßen von Punda hat sich im Lauf der Jahrhunderte bis heute kaum verändert. Die ersten schmalen, engen Gebäude waren exakte Nachbauten der Häuserzeilen, wie sie sich an den Kanälen Amsterdams finden. Im Hafen von Willemstad entstanden die Handelsarkaden. Klein-Amsterdam in der Karibik, bunt gestrichene Bauten in niederländischer Kolonialarchitektur, hauptsächlich im 17. und 18. Jahrhundert erbaut. Das Penha-Haus an der Handelsarkade ist das bekannteste in diesem Stil. Otrobanda - ein Irrgarten Seit 1997 ist Willemstad Unesco-Weltkulturerbe. Die Vermischung von niederländischem Baustil und karibischer Bauweise war Grund für die Aufnahme in die Liste der Welterbestätten. Doch schon bevor die niederländische Regierung die Hauptstadt Curaçaos auf der Prioritätenliste der Restaurierungsarbeiten ganz nach oben gesetzt hatte, gab es Bestrebungen, verfallende Stadtteile wie Otrobanda, Pietermaai und Scharloo zu retten. Etwa ein halbes Dutzend öffentlicher und privater Träger hatten sich zusammengetan. Einer, der seit mehr als zehn Jahren an der Restaurierung historischer Gebäude arbeitet und sich dafür eingesetzt hatte, dass Willemstad in die Unesco-Liste aufgenommen wurde, ist der Architekt Anko van der Woude. Aufgewachsen in Curaçao, studierte van der Woude Architektur in Holland. Zurück auf der Antillen-Insel hat er als Mitglied der Willemstad-Unesco-Kommission bisher an der Renovierung von etwa 30 Weltkulturerbe-Objekten mitgearbeitet. "Willemstad ist einzigartig. Zum ersten Mal muss die Unesco mit einem so großen Schutzgebiet umgehen. Es sind etwa 750 Einzelgebäude. Alle verteilt auf die Stadtteile Punda, Otrobanda, Pietermaai und Scharloo. Dazwischen gibt es viele offene Gebiete - Zonen in sehr schlechtem Zustand. Die müssen mit Gebäuden aufgefüllt werden. Und alles muss mit den historischen Bauten harmonieren. Das dauert. Das kostet. Es gilt, keine Zeit zu verlieren", sagt van der Woude. Und Zeit ist das, was er am allerwenigsten hat. Immer, wenn der Architekt von Architektur redet, tut er das in rasender Geschwindigkeit, ohne Punkt, ohne Komma und ohne Luft zu holen. Nebensätze - reine Zeitverschwendung. Viel muss in kurzer Zeit gesagt werden, wenn Anko van der Woude einmal in der Woche eine Gruppe Architekturinteressierter durch die Stadt führt. Zentrum der aufstrebenden Mittelklasse Durch Otrobanda zum Beispiel. Otrobanda bedeutet "andere Seite", das Viertel der Einheimischen jenseits des Kanals, wo früher die Hütten der Sklaven vor sich hinrotteten. Im Gegensatz zu Pundas geradlinigem Straßennetz gleicht Otrobanda einem Irrgarten mit gewundenen Straßen und Alleen. Kaufleute errichteten hier standesgemäße Villen, mit denen sie ihre herausgehobene Position dokumentieren wollten. Sie missachteten Bauvorschriften und kommerzielle Erwägungen, wie sie in Punda noch eine wesentliche Rolle spielten, wichen dem Wohnkomfort. Da die andere Seite nie als Stadtfestung angelegt war, gab es genügend Platz, sich auszubreiten. Die Villen glichen in Größe und Bauweise denen, die zur gleichen Zeit auf dem Land entstanden. Im Vergleich zum überfüllten Punda ein unvorstellbarer Luxus mit Gärten und getrennten Wohnquartieren für die Bediensteten. Im 18. und 19. Jahrhundert kamen viele freie Schwarze vom Land in die Stadt, um hier zu arbeiten. Otrobanda wurde zu einem Zentrum der aufstrebenden schwarzen Mittelklasse. Kaufleute des Mittleren Ostens siedelten sich Anfang des 20. Jahrhunderts an. Da Otrobanda als Ausweichquartier von Punda schon fest in protestantischer Hand war, orientierte sich die zweitgrößte Gruppe von Kaufleuten, die sephardischen Juden, nach Scharloo auf die andere Seite des Waaigats. Im Unterschied zu Otrobanda dominieren hier leuchtende Farben und verschlungene Formen, neoklassizistische Eleganz. Noble Villen im italienischen Stil entstanden. Reiche Verzierungen erforderten neue Bautechniken. Ziegel wurden säulenförmig um Eisenträger gemauert, feine Mauerarbeiten mit kleinen Ziegelstücken ausgeführt. Passatwinde nehmen Küchengerüche mit sich Im Lauf der Zeit passten die Niederländer ihre mitgebrachten Architekturvorstellungen den Gegebenheiten des tropischen Klimas an. Der karibische Einfluss ließ Terrassen, Veranden und Fenstergitter entstehen. So sind die Wohnhäuser durch je eine überdachte Galerie vor und hinter dem Haus zusätzlich vor der sengenden Sonne geschützt. Die Wohnbereiche waren so angelegt, dass sich der kühlende Passatwind seinen Weg durchs Haus bahnen musste und die Küchengerüche aus dem Haus hinauswehte. Anko van der Woude hastet weiter und spricht in einer Geschwindigkeit, bei der er sich gleichsam selbst überholt. Schließlich muss er in kurzer Zeit möglichst viel erklären. Etwa, dass die Renovierungsarbeiten bisher fast 100 Millionen gekostet haben, bezahlt von privater Hand und von Stiftungen. 300 weitere Millionen sollen noch nötig sein, um den Rest der Stadt zu sanieren. Und das kann dauern. Van der Woude deutet nach oben: "Auf den Dächern von Otrobanda haben die Bäume ihre Wurzeln im Dachstuhl", und damit beliebt der Architekt nicht zu scherzen. Was auf den ersten Blick aussieht wie ein Dachterrassengarten, entpuppt sich fatalerweise als Parasit. Den Übeltäter haben die Restaurateure schnell ausgemacht: Bis 1920 verwendete man Korallen und Bruchsteine, die mit einem Mörtel aus Lehm, Kalk und Meersand zusammengehalten wurden. Damit trugen die Häuser den Keim des Todes in sich. Baustoffe waren wegen der kargen Bodenbeschaffenheit auf Curaçao knapp, und Ziegel aus Holland einzuführen war zu teuer. Das Salz des Seegesteins und des Sandes sickerte mit den Jahren nach außen und zersetzte die Hauswände. An vielen zerbröckelnden Fassaden kann man den Mauerkrebs, wie ihn die Einheimischen nennen, erkennen. Mit dem Schlamm setzten sich dann auch noch Pflanzensamen fest. Aus den Dächern wachsen inzwischen Bäume und Sträucher, deren Wurzeln ganze Häuser zersprengen. "Inzwischen verhindert nach der Renovierung eine Schutzschicht das Keimen der Pflanzen, und ein spezieller Putz kann auch die Ausdehnung durch das Salz etwas abfedern", sagt Anko van der Woude und holt zum ersten Mal tief Luft. Zumindest diese Tatsache scheint ihn zu beruhigen. Aschenputtel wird zur Prinzessin Weil sich immer weniger Familien die Instandsetzung ihrer Häuser leisten können, übernimmt die Monumental Foundation 30 Prozent der Kosten. Manchmal reicht das nicht. Dann können sich, wie in Punda, nur noch Banken und Geschäfte das Prestige leisten, sich in renovierte Gebäude einzumieten. In Otrobanda aber leben noch viele Einheimische. Der Maler zum Beispiel, der sich mit seinem Kumpel nach der Arbeit auf die Farbeimer zu einer Partie Dame setzt und dazu eine Zigarre raucht. Oder, wenn an Sonntagen die letzten Kirchgänger durch die Straße des Gewissens, den Conscientiesteeg, zur Kirche schleichen, weil sie wieder mal zu spät dran sind. Viele Prominente aus Otrobanda, die dort zu einer Zeit aufwuchsen, als das Stadtviertel noch ein kulturelles Zentrum der Stadt war, spielen heute eine wichtige Rolle bei der Förderung der Restaurierungsarbeiten. Aschenputtel putzt sich zur Prinzessin raus, das Armenviertel mausert sich zur Ausgehmeile. Sind die Häuser erstmal restauriert, stellt sich die Frage nach geeigneten Nutzungskonzepten. Die etwa 90 Landhäuser tun sich damit besonders schwer. Meist auf einem Hügel gelegen, umweht sie eine angenehme Brise, die einst lediglich den Plantagenbesitzern das Leben angenehmer machte. In solch exponierter Position konnten sie sich von Landhaus zu Landhaus leicht verständigen, wenn ein Sklave entlaufen war. "Sklave, Hui, Hui . . ." klang es dann wie ein Echo von Hügel zu Hügel. Von Landhäusern und Legenden Jan Kocks Landhaus ist eines dieser Überbleibsel der einstigen Sklavenwirtschaft. Die spätere Eigentümerin Madame Jeanette, deren Vorfahren noch als Sklaven in den Tümpeln Salz für die holländische Heringswirtschaft schaufeln mussten, sahen ihre Nachbarn mit vielen bösen Geistern im Bunde. So, als könne es nicht mit rechten Dingen zugehen, dass nun eine Schwarze das prächtige Landhaus bewohnte. Zumindest musste Madame Jeanette bei ihrem nächtlichen Auftritt als schwarzes Gespenst in weißem Nachthemd eine Einbrecherbande so verschreckt haben, dass sie seither Fenster und Türen auch dann offen stehen lassen konnte, wenn sie gerade nicht zu Hause war. Doch ihre Geschichten von Landhäusern, Legenden und Gespenstern konnten den Unterhalt des Gehöfts nicht sichern. Vor allem private Eigentümer sind gezwungen, sich um neue Konzepte zu bemühen. Renovierungsarbeiten sind teuer, müssen doch denkmalgeschützte Häuser mit Originalmaterialien restauriert werden. War der Fußboden aus Mahagoni, das damals aus Afrika billig beschafft werden konnte, wird die Restaurierung heute zum kostspieligen Unterfangen. Deshalb musste Jeanette Leito ihr Anwesen schließlich verkaufen. Auch andere Landhäuser haben inzwischen eine neue Nutzung als Museum oder Restaurant gefunden. Wer Schuhe trug, musste zahlen Die Zeit ist um, es ist dunkel geworden. Anko van der Woude beendet seinen Stadtspaziergang. Er will noch die "Schwingende alte Lady" erreichen. 168 Meter lang, auf 16 Pontons im Wasser schwimmend, verbindet die Königin Emma Brücke Otrobanda und Punda. Immer, wenn ein Schiff in den Hafen einläuft, fährt oder besser gesagt schwingt die Fußgängerbrücke zur Seite. Gebaut hat diese Lady 1888 der amerikanische Konsul L.B. Smith. Um die Baukosten zu finanzieren, verlangte er Gebühren von allen Brückenüberquerern, die Schuhe trugen. Um die Armen zu schonen, die sich keine Schuhe leisten konnten, mussten diese nichts bezahlen. Doch die noble Geste des Konsuls ging nicht auf. Denn die Armen wollten sich ihre Armut nicht ansehen lassen und liehen sich Schuhe aus. Die Reichen dagegen waren so geizig, dass sie die Schuhe auszogen, nur um nichts bezahlen zu müssen. Wer reich war auf Curaçao, ließ sich stets etwas einfallen, damit das auch immer so blieb. So finden sich auf der Insel so gut wie keine weißen Häuser. Gouverneur Kekkert, der vor mehr als 170 Jahren in der holländischen Kolonie das Sagen hatte, soll weiße Farbe unter Strafe gestellt haben, weil er durch die starke Sonneneinstrahlung von Weiß derart geblendet war, dass er ständig unter Kopfschmerzen litt. Nach seinem Tod kam der wahre Grund ans Licht. Der Gouverneur war Eigentümer einer Farbenfabrik. Informationen: Fremdenverkehrsamt Curaçao, Arnulfstraße 44, 80335 München, Telefon 089/598490, Fax: -/592391, Internet: http://www.curacao.de Oder vor Ort: Curaçao Tourism Development, Pietermaai 19 Willemstad, Telefon 00599/94616000. Hier werden auch Stadtspaziergänge durch architektonisch interessante Viertel organisiert.
https://www.sueddeutsche.de/politik/medizinprodukte-eu-gesetz-implant-files-1.4223924
mlsum-de-9930
Seit Mai 2017 ist das neue europäische Regelwerk zur Zertifizierung von Medizinprodukten in Kraft. Ärzte und Patientenvertreter sind jedoch enttäuscht - denn viele Schwachstellen bleiben.
Auch im EU-Parlament rangen die Abgeordneten um die neue Medizinprodukteverordnung. Die Befürworter von strengeren Regeln konnten sich aber in vielen Punkten nicht durchsetzen. Mit Brustimplantaten fing alles an.Zur Jahrtausendwende verloren mit Sojaöl gefüllte Brustkissen das CE-Zertifikat, gleichbedeutend mit der Marktzulassung für die EU. Der Grund: Die Kissen konnten reißen oder undicht werden, was Schwellungen und Entzündungen auslöste. Die EU-Kommission stellte deshalb 2001 fest, "dass Maßnahmen, die sich ausschließlich auf die technischen Anforderungen an Brustimplantate beziehen, nicht ausreichen, um den bestmöglichen Gesundheitsschutz sicherzustellen". Mit anderen Worten: Das bisherige europäische Regelwerk zur Zertifizierung von solchen Medizinprodukten hatte Lücken. Doch erst als im Frühjahr 2010 ein zweiter Brustimplantate-Skandal rund um die französische Firma Poly Implant Prothèse (PIP) die Öffentlichkeit erschütterte, wurden die EU und ihre Mitgliedsstaaten wirklich aktiv. In einer neuen Verordnung, die im Mai 2017 in Kraft trat und im Mai 2020 ihre volle Wirkung entfaltet, wurden die Regeln für medizinische Geräte europaweit neu gefasst. "Die neue Verordnung ist gut für die Patienten", lobte der CDU-Politiker Peter Liese, und stärke "die seriösen Hersteller". Die Menschen in Deutschland und Europa hätten "ein Recht darauf, dass wir die richtigen Konsequenzen aus den Skandalen, zum Beispiel um schadhafte Brustimplantate, ziehen". Dass Liese die neue Verordnung rühmt, kommt nicht von ungefähr. Schließlich war der gesundheitspolitische Sprecher der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament maßgeblich an den jahrelangen Verhandlungen beteiligt. Doch hält die neue Medizinprodukteverordnung, was Liese verspricht? Fraglos ist es ein Erfolg, dass nun jedes einzelne Medizinprodukt in der EU eine eigene Nummer hat und eindeutig zu identifizieren ist. Auch dass nicht mehr nur eine privatwirtschaftlich organisierte, sogenannte Benannte Stelle hochriskante Implantate allein zulässt, sondern ein Expertengremium dabei Ratschläge erteilt, klingt gut. Zudem müssen die Benannten Stellen nun unangemeldet bei den Herstellern kontrollieren - mindestens einmal alle fünf Jahre. Bisher gab es keine solch verbindliche Anweisung. Allerdings gibt es viele Punkte, die Experten und Patientenanwälte kritisieren: Implantate und andere Medizinprodukte kommen weiter ohne eine Zulassung durch eine staatliche Behörde auf den Markt. Stattdessen entscheidet wie bisher eine kommerziell arbeitende so genannte Benannte Stelle wie der TÜV oder die Dekra als Geschäftspartner der Hersteller darüber, ob ein Produkt implantiert werden darf. Dadurch können sich Medizintechnikunternehmen weiterhin in irgendeinem Land in Europa eine Benannte Stelle aussuchen, um ihr Produkt dort zertifizieren zu lassen. Wenn es in einem EU-Mitgliedsstaat nicht klappt, können sie es so lange anderswo probieren, bis es funktioniert. So wie es auch schon vor der neuen Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation, MDR) beim schnurlosen Herzschrittmacher Nanostim passiert ist: Damals lehnte der TÜV das Produkt ab. Also ging der Hersteller einfach zur British Standards Institution (BSI) ins Vereinigte Königreich. Dort bekam er sein CE-Zertifikat. Auf Anfrage von SZ, NDR und WDR teilte BSI mit, dass das Produkt den damals geltenden Vorschriften entsprochen habe. Zudem habe man nicht gewusst, dass eine andere Behörde Nanostim abgelehnt habe. So erreichen Sie uns Wenn Sie Fragen zum Thema Implantate oder Medizinprodukte haben, können Sie sich bei Ihrem Arzt melden oder bei der SZ. Sie erreichen uns per E-Mail unter [email protected]. Benannte Stellen haben Interessenkonflikte: Die Hersteller der Medizinprodukte beauftragen TÜV, Dekra und andere damit, ihr Gerät zu prüfen, und bezahlen sie dafür. Heißt: Die Unternehmen finanzieren die Prüfinstanzen. Das ist ein Problem, denn einerseits sollen die Qualitätsstandards bei den Produkten eingehalten werden, andererseits könnten zu scharfe Kontrollen dazu führen, dass sich die Hersteller eine andere Benannte Stelle suchen. Die Grünen-Abgeordnete im Europäischen Parlament, Michèle Rivasi, kritisiert dies scharf: "Ich habe überhaupt kein Vertrauen, wenn eine private Einrichtung ein privates Unternehmen bewertet. Dann besteht das Risiko, dass die Zertifizierungsstelle Produkte nur genehmigt, um daran Geld zu verdienen." Den Benannten Stellen fehlt das medizinische Fachwissen. Dabei müssten sie eigentlich laut Artikel 36 der Verordnung "ausreichend administratives, technisches und wissenschaftliches Personal" sowie "Personal mit einschlägiger klinischer Erfahrung" beschäftigen. Laut verschiedenen Quellen, die das Internationale Konsortium für Investigative Journalisten (ICIJ), das die Implant-Files-Recherche koordiniert, befragte, stellen die großen Benannten Stellen zwar sehr viele neue Leute ein. Dennoch arbeiten dort offenbar kaum Ärzte, sondern eher Chemiker, Physiker oder Ingenieure. "Das Problem ist, dass ein Ingenieur oder ein Techniker die Aussagekraft einer klinischen Prüfung nur begrenzt beurteilen kann. Ein medizinischer Sachverstand ist bei vielen dieser Fragen unerlässlich", sagt Kurt Racké, der als stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises Medizinischer Ethikkommissionen in Deutschland klinische Prüfungen bei Arzneimitteln und Medizinprodukten bewertet. So aber werden Medizinprodukte meist von Leuten zertifiziert, die nicht wissen, ob so ein Gerät medizinisch wirklich einen Nutzen bringt. Auf eine Anfrage von SZ, WDR und NDR antwortete die europäische Interessenvertretung der Benannten Stellen nicht. Die britische Prüfbehörde BSI sagte auf Anfrage, dass man "klinisch qualifizierte Spezialisten" beschäftige. Von Medizinern ist jedoch keine Rede. An Arzneimittel wird ein viel strengerer Maßstab angelegt als an Medizinprodukte. Medikamente können nur auf den Markt gelangen, wenn umfangreiche Studien mit menschlichen Patienten ihre Wirksamkeit belegen. Silikonkissen oder andere risikoreiche Medizinprodukte können hingegen implantiert werden, ohne dass sie hinreichend getestet sind. "Wenn wir die Ansprüche anlegen würden, wie wir sie für Arzneimittel haben, dann fällt das weit dahinter zurück. Der Patientennutzen in geeigneten Studien wird eigentlich vor der CE-Zertifizierung, die ja so etwas wie der Markteintritt ist für Medizinprodukte, nicht wirklich systematisch geprüft", sagt Jürgen Windeler, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), das unter anderem den Nutzen von Medizinprodukten bewertet. Medikamente können nur auf den Markt gelangen, wenn umfangreiche Studien mit menschlichen Patienten ihre Wirksamkeit belegen. Silikonkissen oder andere risikoreiche Medizinprodukte können hingegen implantiert werden, ohne dass sie hinreichend getestet sind. "Wenn wir die Ansprüche anlegen würden, wie wir sie für Arzneimittel haben, dann fällt das weit dahinter zurück. Der Patientennutzen in geeigneten Studien wird eigentlich vor der CE-Zertifizierung, die ja so etwas wie der Markteintritt ist für Medizinprodukte, nicht wirklich systematisch geprüft", sagt Jürgen Windeler, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), das unter anderem den Nutzen von Medizinprodukten bewertet. Die Anforderungen an klinische Studien sind zu vage. Bevor ein Implantat oder ein anderes Medizinprodukt in Europa verkauft werden kann, benötigt es einen "ausreichenden klinischen Nachweis". So steht es in der neuen Verordnung. Racké hält diesen Terminus für "sehr schwammig" und fügt hinzu: "Es ist nicht wirklich klar erkennbar, was als ausreichend anzusehen ist." Was die die neue Verordnung überdies sogar bei hochriskanten Geräten nicht vorschreibt: randomisierte Studien, bei denen die Probanden nach dem Zufallsprinzip in zwei oder mehr Gruppen aufgeteilt werden, große Stichprobenumfänge oder andere wissenschaftlich bewährte Verfahren. Das ist ein großer Unterschied zur amerikanischen staatlichen Medizinaufsicht FDA, die oft Studien von hoher Qualität verlangt. Bevor ein Implantat oder ein anderes Medizinprodukt in Europa verkauft werden kann, benötigt es einen "ausreichenden klinischen Nachweis". So steht es in der neuen Verordnung. Racké hält diesen Terminus für "sehr schwammig" und fügt hinzu: "Es ist nicht wirklich klar erkennbar, was als ausreichend anzusehen ist." Was die die neue Verordnung überdies sogar bei hochriskanten Geräten nicht vorschreibt: randomisierte Studien, bei denen die Probanden nach dem Zufallsprinzip in zwei oder mehr Gruppen aufgeteilt werden, große Stichprobenumfänge oder andere wissenschaftlich bewährte Verfahren. Das ist ein großer Unterschied zur amerikanischen staatlichen Medizinaufsicht FDA, die oft Studien von hoher Qualität verlangt. Medizinprodukte können weiterhin ganz ohne vorherige klinische Tests auf den Markt gelangen. Nämlich dann, wenn der Hersteller argumentiert, dass das neue Gerät so ähnlich ist oder funktioniert wie eines, das bereits einmal auf dem Markt war. Dieses sogenannte Äquivalenzprinzip wurde schon vor der Einführung der neuen Medizinprodukteverordnung gerne genutzt: In einer E-Mail aus der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU vom März 2016, die das Implant-Files-Projekt einsehen konnte, heißt es, dass es bei 90 Prozent der Hochrisiko-Geräte der Klasse III keine klinischen Daten gebe, sondern nur Daten von "ähnlichen Geräten". Zwar wurden die Kriterien durch die neue MDR verschärft; so können Hersteller nun de facto nur noch auf eigene Vorgängerprodukte, nicht mehr auf Geräte von Konkurrenten verweisen. Allerdings hat die EU das Schlupfloch des Äquivalenzprinzips durch die neue Verordnung eben nicht ganz geschlossen. Aus Sicht von Experten ist das Äquivalenzprinzip ohnehin realitätsfremd: "Das entscheidende Problem ist, dass ein Gerät gar nicht mehr äquivalent sein kann, weil der Hersteller selbst behauptet, dass es eine Verbesserung ist", sagt Jürgen Windeler vom IQWiG. "Sonst kauft es doch keiner." Die Empfehlungen eines Expertengremiums sind nicht bindend. Berufen sich Hersteller bei neuen hochriskanten Produkten wie Implantaten nicht auf das Äquivalenzprinzip, sind die Vorschriften der neuen Medizinprodukteverordnung tatsächlich schärfer: Die Hersteller bekommen das CE-Zertifikat dann nicht mehr so einfach von der Benannten Stelle. Stattdessen muss vorher ein Expertengremium befragt werden. In dieses werden von den EU-Mitgliedsstaaten Personen entsandt, die Fachwissen im Bereich Medizinprodukte haben. Allerdings steht in der neuen Verordnung, dass die Benannte Stelle den Ratschlägen des Gremiums nicht folgen muss. Tut sie dies tatsächlich nicht, muss sie dies jedoch begründen. Zudem wird der Vorgang öffentlich gemacht. Michèle Rivasi von den Grünen stört noch etwas anderes: "Wer kontrolliert die Experten? Wir haben keine Garantien dafür, ob die Experten nicht doch für die Pharmakonzerne arbeiten." Von einer Verpflichtung der Medizinproduktefirmen zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung ist keine Rede. Mit einer solchen wären Patienten im Schadensfall finanziell definitiv abgesichert gewesen. Allerdings hätte sie Kosten für die Hersteller verursacht. Einige EU-Parlamentarier wollten eine solche Pflichtversicherung einführen, konnten sich aber nicht durchsetzen: "Ich wollte, dass die Hersteller eine Haftpflichtversicherung haben, wenn ein Produkt schadhaft war oder die Zertifizierung nicht ausreichend war", sagt die SPD-Politikerin Dagmar Roth-Berendt, die von 1989 bis 2014 für die SPD im EU-Parlament saß und dort den Entwurf zur neuen Medizinprodukteverordnung mit ausarbeitete: "Aber insgesamt hat man das im Parlament und in den Mitgliedsländern wie hier im Bundesgesundheitsministerium für eine ziemlich abstruse Idee gehalten." Deshalb heißt es in der neuen Verordnung nur noch, dass die Hersteller freiwillig eine Versicherung abschließen oder Rücklagen bilden sollen, damit sie bei Schäden durch fehlerhafte Produkte haften können. Welche Daten wirklich jedermann einsehen kann, ist unklar. Die neue Medizinprodukteverordnung verspricht mehr Transparenz. Bisher war die Eudamed-Datenbank, in der seit Mai 2011 europaweit unter anderem Daten von klinischen Studien beziehungsweise Geräten oder Vorfälle mit Produkten erfasst werden, nur für Gesundheitsbehörden oder Benannte Stellen einzusehen. Nun sollen zumindest Teile der Datenbank für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Allerdings ist nicht sicher, ob zum Beispiel Vorfälle mit einzelnen Medizinprodukten wirklich öffentlich sichtbar sind. "In Sachen Transparenz ist die Eudamed das Kernstück der EU-Verordnung. Der Aufbau scheint aber in Verzug zu sein. Wenn die Datentransparenz nicht zeitnah und vor allem im festgelegten Umfang hergestellt und öffentlich wird, wäre das für die Patientensicherheit kritisch", gibt Sigrun Most-Ehrlein vom Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen zu bedenken. Es sei spannend, ob am Ende Abstriche gemacht würden bei Aufbau, Zugang und der Art, wie Daten einpflegt werden.
https://www.sueddeutsche.de/stil/parkkultur-im-gruenen-bereich-1.2948630
mlsum-de-9931
Städtische Parks waren mal Orte des Müßiggangs. Heute sind sie Büro, Fitnessstudio und Leergutsammelstelle in einem. Wo bleibt die Entspannung, die wir hier doch eigentlich suchen?
Der erste Sonnenstrahl ist kaum draußen, da hocken sie schon wieder dicht an dicht auf der leicht abschüssigen Wiese, die im Grunde keine Wiese ist, sondern eine eher gräulich plattgetretene Masse aus Halmresten, Kippen und Glassplittern: der Weinbergspark in Berlin-Mitte. Ein Park der Kontraste, oder gleich: ein Park der Extreme. Während sich die superfitte Yogamutter hier mit ihren tausend Euro teuren Rick-Owens-Sneakerstiefeln eine Bank sucht und ihre Kinder zum Eisholen schickt, kommt der neunte vermutliche Hartz-IV-Empfänger vorbei und steckt den Arm in den Mülleimer - keine Flasche mehr drin. Eine Gruppe australischer Touristen bringt aus dem Superfood-Laden um die Ecke Matcha-Lattes mit und zündet am müffelnden Teich unten einen Joint an. Kinder schreien, Hunde bellen, und oben auf der immer überfüllten Panoramaterrasse des Fünfzigerjahre-Pavillons mit dem chichimäßigen Restaurant Nola's bestellt sich der Fernsehmensch und Abnehm-Unternehmer Detlef D! Soost ein kleines Frühstück. Alles wie immer also in der großen Menschenmischmaschine namens Park? In diesem Fall ist es eher eine kleine Maschine, denn der Weinbergspark - gelegen auf einer ehemaligen Maulbeerplantage in der Nähe des Rosenthaler Platzes, zwischen Hostels, Spätis, Cafés, Seniorenheim und Polizeiwache - ist nur 4,3 Hektar groß. Winzig also im Vergleich zum Großen Tiergarten (210 Hektar) oder zum Tempelhofer Feld (355 Hektar), oder auch zum Münchener Englischen Garten (375 Hektar). Doch gerade hier, in der Verdichtung und Durchmischung der diversen Nutzertypen, werden schon im Frühjahr, ohne brütende Hitze und Sonnenkoller, die jüngeren Entwicklungen im Parkleben deutlich. Man könnte auch sagen: die neue Parkkultur. Okay, die Mülleimer sind ohnehin voll, aber könnte man seinen Müll nicht doch zumindest in die Nähe eines Mülleimers bringen? Wer um die Jahrtausendwende häufiger hier war, sah jedenfalls nicht nur deutlich weniger Menschen, sondern auch deutlich mehr Entspannung. Kaum jemand tippte auf einem Laptop, kaum jemand starrte ständig aufs Handy - die Technik und die Netze waren noch nicht so weit, klar, aber man war eben auch im Park, um nicht zu arbeiten. Inzwischen hält so manche Gruppe hier öffentlich ihr Projektmeeting ab, und auch sonst ist nicht so klar, wer hier eigentlich abhängt oder doch jobbt. Die Jungs mit den Fixie-Bikes jedenfalls sind Essens-Kuriere für Deliveroo oder Foodora, die Start-ups, die sich seit einigen Monaten ein Rennen ums hungrige Berlin liefern. Per App warten sie auf den nächsten Auftrag, und anscheinend befindet sich genau hier, im Freien, die rechnerisch ermittelte Ideal-Wartezone zwischen jenen Restaurants, die gleich besonders stark gefragt sein werden. Später am Abend, die Massen sind abgezogen: eine Situation, die nicht nur in Berlin zu beobachten ist, hier allerdings in Eskalation: Man stolpert über Berge von Flaschen, Plastiktüten, Pappbechern. O.k., die Mülleimer sind ohnehin voll, aber könnte man seinen Müll nicht doch zumindest in die Nähe eines Mülleimers bringen, damit das Reinigungsteam, das es - wie sich gleich herausstellen wird - gar nicht gibt, jedenfalls nicht am Wochenende, weniger Arbeit hat? Offenbar nein. Was schon irgendwie komisch ist, denn sind nicht genau die jungen Leute, die hier vorhin chillten, jene Leute, die so gerne hübsche Interior-Shots von ihren supergeschmackvoll aufgeräumten und toll arrangierten Designerwohnungen auf Instagram posten? Drinnen hui, draußen pfui? Es scheint sich einiges verschoben zu haben im Verhältnis zwischen privatem Innenraum und Selbstrepräsentation in der Öffentlichkeit, zwischen Gemeinschaftssinn und dringendem Bedürfnis nach Grün. "Wir leben in einer Outdoor-Gesellschaft, niemanden hält es mehr in seinen vier Wänden", sagt Harald Büttner, der Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes von Berlin-Mitte. Er ist verantwortlich für den Weinbergspark, für den Großen Tiergarten, für alle Grünflächen, die Mitte zu einer der grünsten Innenstädte Deutschlands und Europas machen. Allerdings kann Büttner seiner Verantwortung gerade kaum mehr nachkommen, denn: "Das Bezirksamt hatte vom Senat die Vorgabe, innerhalb der letzten drei Jahre 223 Stellen einzusparen. So sind denn auch die 40 Reinigungskräfte weggefallen, die wir noch hatten." Seitdem versucht Büttner, mit einem Minibudget von 1,1 Millionen Euro aus der Senatsverwaltung sowie mit outgesourcten Reinigungsfirmen irgendwie Ordnung zu halten - aber nicht am Wochenende, denn da würde es Zulage kosten. Eine Situation, die, so Büttner, kompletter Wahnsinn ist, denn die Stadt verdichtet sich ja enorm: Pro Jahr ziehen 50 000 Menschen neu nach Berlin (aktuelle Einwohnerzahl: knapp 3,5 Millionen), der Tourismus boomt. 1993 zählte die Stadt drei Millionen Touristen, 2015 waren es 12,4 Millionen. In anderen boomenden Großstädten wir München gibt es ähnliche Probleme. Fast könnte man sich da zurück ins alte Preußen wünschen, damals schien die Obrigkeit jedenfalls Grünanlagen noch nicht als notdürftig wegzuverwaltende Flächen zu betrachten, sondern als Gelegenheit, durch die Gestaltung von Natur auch die Gesellschaft zum Schönen hin zu gestalten: Der Große Tiergarten in Berlin entstand, weil Friedrich der Große fürs Schießen auf Tiere wenig übrig hatte und den Landschaftsgestalter Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff 1741 beauftragte, aus dem ehemaligen kurfürstlichen Jagdgebiet einen Lustgarten für die Bevölkerung zu machen - für alle, die zum Frische-Luft-Schnappen nicht raus aufs Land fahren konnten oder wollten. Es wurden Rabatte, Spaliere und Zierteiche angelegt, Skulpturen aufgestellt, und entlang den Alleen entstanden Salons - mit Hecken umfasste kleine Plätze, in denen man sich kommunikativ separieren konnte. Sogar mit Flüchtlingen ging man im Tiergarten nett um: Als 1745 die beiden hugenottischen Réfugiés Esaias Dortu und Martin Thomassin um Erlaubnis baten, im gut besuchten Tiergarten Erfrischungen anbieten zu dürften, wurde ihnen gestattet, zwischen Brandenburger Tor und Schloss Bellevue Leinenzelte aufzustellen und Gastronomie zu betreiben. Darauf wies auch bis zum Jahr 2002, bis zur Fertigstellung des heutigen Regierungsviertels, noch ein Straßenschild hin: "In den Zelten". Heute bereitet dem Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes Büttner eine andere Art von Zelten eher große Sorge: Seit drei, vier Jahren beobachtet er einen "sprunghaften Anstieg des Obdachlosenproblems". Vor allem am Rand des Großen Tiergartens, zum Zoologischen Garten hin, sind Zeltstädte entstanden, in denen vor allem osteuropäische Obdachlose leben, ohne jegliche hygienische Versorgung. Auch Kinder seien darunter, inmitten von Spritzbesteck und Fäkalien, sagt Büttner. Diese Zeltstädte müssten alle sechs bis acht Wochen geräumt werden, stünden danach aber schnell wieder da. Und warum sollte es auch wundern, dass sich gesellschaftliche Entwicklungen wie Verarmung und Verwahrlosung in Parks zeigen, ja geradezu in sie drängen? Andere Entwicklungen zeigen sich dort ja auch. Von der Digitalisierung, Stichwort: Büro auf der Wiese, war bereits die Rede. Eventisierung und Entsolidarisierung wären ebenfalls zu nennen. Büttner jedenfalls erzählt von den "Extremsportlern", die er aber nicht so nennt, weil sie ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen, sondern eher das ihrer Mitmenschen. Die Freegolfer zum Beispiel, die denken, dass es schon okay sei, im Tiergarten abends mit beleuchtetem Ball zu spielen und diesen ahnungslosen Joggern mit 180 Sachen an den Kopf zu schießen. Oder die Open-Workout- und Sundowner-Yoga-Gruppen, die sich spontan über soziale Netzwerke organisieren und anderen den Platz streitig machen: "Wenn sich Initiativgruppen im Park treffen, die gemeinsam draußen etwas machen wollen - Tai-Chi, Klangschalentherapie -, das ist kein Problem", sagt Büttner, "aber bei den Yoga-Trupps passiert es, dass andere Besucher gebeten werden, sich zu entfernen und dass jemand, der spontan mitmachen will, nicht mitmachen darf, weil er nicht bezahlt hat. Das ist eine kommerzielle Nutzung des Parks, für die braucht man nach dem Grünanlagengesetz eine Ausnahmegenehmigung." Als habe sich eine unsichtbare Folie zwischen die Anwesenden gelegt, als betrachteten sie sich mehr als Akteure eines Films, und weniger als Teil einer Gemeinschaft An der öffentlichen Ressource Park zerren inzwischen also alle möglichen Interessenten aus allen möglichen Richtungen. Da überrascht es fast, dass es noch Leute gibt, die in den Park gehen, um ein Buch lesen zum Beispiel, sich zu sonnen oder zu schmusen. Im Park sind sie in Gesellschaft - aber eben nur ein bisschen. Unter Leuten - aber doch anonym. Im Freien, aber nicht zu weit draußen. Dieses Verhältnis hat Parks ja seit jeher attraktiv gemacht. Auch wenn man sich heute wegen der Dichte manchmal näherkommt als eigentlich gewünscht. Im Weinbergspark zumindest scheint es, als habe sich eine unsichtbare Folie zwischen die Anwesenden gelegt, als betrachteten sie sich mehr als Akteure eines Berlin-Films, und weniger als Teil einer Gemeinschaft. Das mag damit zu tun haben, dass der Park aufgrund seiner Hanglage ohnehin etwas von einem Kinosaal hat, oder daran, dass viele Touristen da sind, die ja nicht unbedingt gleich ein Verantwortungsgefühl gegenüber dem Park entwickeln, oder daran, dass die Leergutsucher mit derart apathischen Gesichtern durchs Geschehen huschen, dass man sie kaum wahrnimmt und deswegen auch kaum auf die Idee kommt, sie zu bemitleiden. Irgendjemand wird sich wohl um sie kümmern, so wie sich auch irgendwer schon um den Müll kümmern wird? Nein, es würde nicht wundern, wenn der bevorstehende Sommer auch der Sommer wäre, in dem man dann zum ersten Mal Menschen mit Virtual-Reality-Brillen im Park sah. Warum sollte sich nicht ausgerechnet hier am besten künstliche Realität spielen lassen? Man würde visuell vom Park-Kollaps nicht so viel mitbekommen und wäre doch inmitten anderer Leute allein mit sich und seinem Fun. Man wäre an der frischen Luft, aber ohne große Aufmerksamkeit dafür, dass man sich diese mit anderen teilt. Man wäre im Jahr 2016. Der Sommer kann kommen!
https://www.sueddeutsche.de/service/11-juli-2009-der-markt-ist-kreativ-1.109369
mlsum-de-9932
...aber nicht unkontrollierbar. SZ-Leser diskutieren darüber, ob verantwortliches Wirtschaften und Wachstum sich ausschließen oder nicht.
Zu "Die Stunde der Vereinfacher" (4. Juli) und "Der unsichtbare Gott" (3. Juli) schreiben Leser: Detailansicht öffnen Alt-Präsident Bill Clinton brachte zu Regierungszeiten mittellose Amerikaner in Eigenheime: Ist er Schuld an der Krise? (Foto: Foto: ap) "Wenn der Staat sich nicht von der Rechtsstaatlichkeit verabschieden und seine Zukunft als kriminelle Vereinigung fristen will, dann hat er die Aufgabe, die Machenschaften kritisch aufzuarbeiten, die zum Kollaps der Finanzwirtschaft geführt haben. Dann darf er auf Vereinfacher, die zwischen Innovation und Irreführung nicht unterscheiden können, nicht hören. Dann muss er sehr genau prüfen, wo die Kreativität des Marktes dem Horizont der Legislative davongelaufen ist und wo die Judikative vor der Komplexität der Verfahren in die Knie geht. Wo immer das der Fall ist, hat er entschlossen gegenzusteuern. Das ist kein Widerspruch zum Grundprinzip der Wirtschaft. Selbstverständlich entsteht Wohlstand durch Innovation. Innovation mit den unmoralischen Machenschaften der Finanzwirtschaft gleichzusetzen ist eine Ohrfeige für alle Ingenieure und Erfinder, ein Fußtritt für alle Konstrukteure und Facharbeiter, eine Beleidigung für alle, die anständig und verantwortungsvoll am Wirtschaftsprozess mitwirken." Josef Wittmann Tittmoning Was Krisen auszeichnet "Viele Krisen (Eisenbahn in England, Tulpen in Holland, Banken 1931 in Deutschland und Weltwirtschaftskrise von 1929) hatten zwei herausragende Merkmale: Erstens den unverantwortlichen und skrupellosen Umgang mit Kundengeld durch die verschiedensten Geld-Institute und zweitens einen laschen Staat, der notwendige und Sicherheit gebende Vorschriften und Regeln aufweichte, abschaffte oder oder garnicht erst erlassen hatte. Das gilt auch für die gegenwärtige Krise. Natürlich wollen alle Anleger möglichst viel Profit machen. Aber wenn Marc Beise besorgte und geschädigte Menschen in seinem Artikel beschimpft, ist das ungehörig." Klaus Friedrich München Das Einmaleins guter Geschäfte "Welchen Mitarbeiter oder Aktionär interessiert schon, ob der Vorstand der IKB ein 'Schuft' ist? Er ist als Geschäftsleiter Risiken bei der Finanzierung der irischen Zweckgesellschaften eingegangen, deren Höhe in keinem Verhältnis zum haftenden Kapital stehen. Dabei gehört das Vermeiden von Klumpenrisiken zum Einmaleins der Geschäftsführung und ein Verstoß hat nichts mit 'unternehmerischen Risiken' zu tun. Diese Missachtung der Begrenzung von Risiken kann nur vorsätzlich geschehen sein und wäre somit strafrechtlich zu würdigen. Außerdem ist zu prüfen, ob die Höhe der Bürgschafts- und Kreditverpflichtungen nicht ein Verstoß gegen das Kreditwesengesetz darstellen." Wolfgang Jilli Hagen Maßvolles Risiko "Vor Jahren schallte es aus allen Ecken und aus vielen Gazetten: Deregulierung, Liberalisierung, Befreiung der Marktkräfte von politischen Fesseln. War das keine Vereinfachung? Warnende Stimmen vor zu viel Deregulierung wurden seinerzeit als vorsintflutliche Hinterwäldler kritisiert. Beise hat in einem Recht: Risiken dürfen nicht dämonisiert werden. Aber es geht wie so oft um das richtige Maß an Risiken. Vor allem aber dürfen Banken bei gescheiterter Geschäftspolitik nicht ihre Probleme der Politik und der Gesellschaft vor die Füße kippen." Werner Seeliger Stuttgart Ignorante Politiker "Die Blase in Amerika war sicher eine wesentliche Ursache. Aber beteiligt waren nicht nur 'böswillige' Manager, sondern viele ignorante und verantwortungslose Manager. Beteiligt waren auch ignorante und verantwortungslose Politiker in Regierungen und Parlamenten. Natürlich auch dumme und leichtsinnige private Investoren, aber nicht allein die Amerikaner. Folgen wir doch dem Gedanken von Albert Einstein, der empfiehlt: Macht alles so einfach wie möglich, aber nicht einfacher." Dieter Brandes Hamburg Die Akteure der Ökonomie "Das Kapital muss gar nichts, auch nicht in den Bereich der unsicheren Anlagen vorstoßen. Jeder Anleger kann bei geringerer Rendite sein Geld sicher anlegen. Damit würde er die Krise nicht vermeiden, aber ihre Auswirkungen begrenzen helfen. Die Gier der Finanzmärkte ist auch alles andere als unausweichlich. Die Krise kann sich nämlich auch relativ harmlos als Wertberichtigung oder 'Bereinigung der Märkte' darstellen. Wenn allerdings Schuldverschreibungen in einem betrügerischen System von der Sicherung abgekoppelt werden, und Banken mit dem begrenzten Eigenkapital von mehreren hundert Millionen darauf einen Schuldenberg von über hundert Milliarden aufbauen, hat das nichts mit unsichtbaren Göttern oder unausweichlichen Zyklen zu tun. Das ist schlicht kriminelle Energie, und es ist das Versagen der Politik, wenn die Delinquenten strafrechtlich nicht belangt werden können oder sollen. Die Nähe der Politiker zum Geldmarkt ist einfach zu groß. Moralische Bewertungen dieses Versagens sind daher angebracht, im Gegensatz zum Gerede vom 'überirdischen Schauspiel' von Herrn Müller, bei dem sich der arme Marx den Bart raufen würde. Schließlich sollte im 'Kapital' der Mensch gerade begreifen, dass nicht natürliche oder gottgegebene Phänomene das Wirtschaftgebaren bestimmen, sondern die Taten von Menschen." Walter Franzmeier Dörverden Clinton als Verursacher "Marc Beise ist bei seiner Ursachenforschung bezüglich der Finanzkrise auf völlig neue Erkenntnisse gestoßen: Wenn überhaupt ist Bill Clinton der Verursacher, weil er mittellosen Amerikanern Wohnungseigentum verschaffte. Wenn eine Bank ein Darlehen vergibt, obwohl der Darlehensnehmer Geringverdiener ist und nicht einmal eine Anzahlung leistet, kann der Bankmanager dann verantwortlich sein, wenn unglücklicherweise die Zahlungen ausbleiben? Die Bank hat kein Problem, denn sie verkauft das Darlehen ja gleich weiter an eine Investmentbank. Also die Bankmanager können nichts dafür. Die Investmentbank stapelt und verbrieft die faulen Darlehen, steckt ein paar gute dazu, und bekommt von der Ratingagentur ein feines Rating, am liebsten 'AAA'. Die Investmentbank sorgt für eine exzellente Verzinsung der faulen Papiere und tut damit der ungeprüft kaufenden - oft deutschen - (Landes-) Bank was Gutes. Was ist da an der Ratingagentur oder an der Investmentbank auszusetzen? Wie soll die kaufende Bank wissen, dass das Investment faul ist? Die können alle ganz bestimmt nichts dafür. Eigenartig ist nur, dass die weltweit kreativsten und erfolgreichsten Investoren, Warren Buffett und George Soros, keinen Cent in solche Papiere investierten, und stattdessen zeitweise flüssige Mittel in niedrigverzinsten Staatsanleihen anlegten. Was Herr Beise nicht zu wissen scheint, ist, dass es nicht nur ein Strafrecht sondern auch ein Zivilrecht gibt. Wenn sich auch da die Unschuld herausstellt, bleibt ja immerhin noch der Zugriff auf den schuldigen Steuerzahler. Diese Banker mit innovativen Unternehmensgründern gleichzusetzen, denen angeblich 99 von 100 fixen Ideen misslingen, ist eine Frechheit." Helmut Schell Gersthofen Keine falschen Tränen, sie machen nur zornig. "Den Armen in den USA (Bill Clinton) behilflich zu sein zu Wohneigentum zu kommen, kann nicht verwerflich sein. Dies mit 'Ein Herz für Arme' zu überschreiben ist töricht. Entscheidend bleibt immer das wie. Dass sich Banken in den USA haben drängen lassen Kredite an Menschen zu vergeben deren Sicherheiten gegen Null tendierte, erscheint sonderbar. Schwer fällt es mir die so bedrängten Banken zu bedauern. Wer vermag eine Bank zu drängen. Banken, wie Unternehmer allerorten wittern Geschäfte und folgen dieser Spur. Zu wünschen wäre, die Banken ließen sich heute drängen die Wirtschaft mit den nötigen Krediten zu versorgen. Ein solches Rad dreht sich nicht von alleine. Es bedarf der Schmierer. Zu einem Problem wurde der 'Trick' der Geldbeschaffung, dieser Umverteilung der Lasten über die Welt mit Hilfe von Renditeerwartungen von 20% und mehr. Die Banken Europas handelten grob fahrlässig, sie wussten vom gewissenlosen Verhalten der US-Banken, im blinden Wahn fühlten sie sich mit ihren Investments an der ewigen Quelle. Aus welchen Gründen auch immer. Torheit oder Gier. Jeder konnte wissen, dass bei einem realen Wachstum von Null bis max .3% in der Weltwirtschaft, Renditeziele von 20% und mehr utopisch und extrem risikoreich sind. 'Augen zu' war bei den Fachleuten Trend, in der trügerischen Hoffnung man werde die rote Linie erkennen um rechtzeitig auszusteigen. Bei der Deutschen Bank scheint dies auch teilweise funktioniert zu haben, wie ihr Vorstandschef sich dereinst rühmte. Wer am Spiel der Zocker, das über Jahre mit lebhaften Gewinnen lief, nicht teilnahm, machte sich bei den Smarten lächerlich. Die Zeche allerdings, dies konnte jeder Marktteilnehmer wissen, wird bezahlt werden müssen. Fachleute, Banker und Manager, Aufsichträte und Vorstände, Politiker und Verwaltungsräte die am Spiel teilgenommen haben, schlecht kontrolliert haben und/oder das pokern auf phantastischen Gewinn schweigend geduldet haben, tragen besondere Verantwortung. Verantwortungslos wird es, derartige Produkte zu streuen, diese dem unbedarften, vertrauensvollen Laien zu empfehlen um mit hohen Renditeversprechen beim Kunden Lob zu ernten. Heute geben die Finanzinstitute an die Wirtschaft keinen Kredit. Warum: Es war höchst ertragreich zu spekulieren. Gewaltige Summen wurden auf diese Weise vernichtet. Sie wurden in der Vergangenheit und werden heute der Wirtschaft entzogen. Wo stünde die Weltwirtschaft, wären die verzockten Summen in verlässlichen Werten gelandet. Hinter jeder gescheiterten Bank stehen Menschen die in der Bank Verantwortung tragen, die verantwortungsvoll mit Kundengeldern umgehen müssen. Diese Menschen zu absolvieren, den Kunden aber mit seinen Verlusten ratlos zu lassen ist zynisch. Wohl war, 'Wohlstand entsteht durch Innovation'. Hier allerdings ist kein Wohlstand entstanden und Innovation war hier nicht das Ziel. Übermäßige Rendite war das Ziel und dies auf einem Feld von dem die Verantwortlichen wissen mussten, dass es nur für die Cleveren und für diese auch nur für eine vergängliche Frist fruchtbar sein konnte. '..das Prinzip von Risiko und Erfolg (hat) lange bestens funktioniert.' Leider muss man sagen. Eine schlechte Begründung für das Desaster, eine Entschuldigung aber kann das nicht sein. Dreist dies zu behaupten. Bill Clinton und das 'Herz für Arme' haben hier nichts zu suchen. Auch nicht die unternehmerischen Risiken, die unbestritten notwendigen, auch nicht die 'Wirtschaft aus Hasenfüßen' die wir fraglos nicht wollen, oder deren öffentliche Hinrichtung, welche von der öffentlichen Hand bestenfalls mit Milliarden befördert wird. Keine falschen Tränen, sie machen nur zornig. Es gehr hier um diejenigen die getäuscht und gelogen haben, diejenigen die des vordergründigen Erfolges und der kurzfristigen Boni willen unermesslichen Schaden angerichtet haben. Den Rest werde ich mir aus Höflichkeit verbeisen" Siegfried Hegel Abtsgmünd
https://www.sueddeutsche.de/politik/spd-groko-zukunft-1.3857011
mlsum-de-9933
Verlieren die Sozialdemokraten durch die Groko weiter an Unterstützung - oder müssen sie sich nur besser verkaufen?
Vor einiger Zeit hat es sich Ralf Stegner zur Gewohnheit gemacht, auf Twitter Musiktipps zu versenden. Jeden Morgen schickt der SPD-Vizechef den Leuten "da draußen im digitalen Orbit" den Link zu einem Lied. Dieses ist akkurat ausgewählt, es soll etwas über Stegners Gefühlslage verraten, und manchmal auch über die Gefühlslage seiner Partei. Vergangenen Sonntag etwa, es hakte gerade gewaltig in den Koalitionsverhandlungen, teilte der Mann aus Schleswig-Holstein "Stranded" von Van Morrison. Mittwoch, als es nach einer durchverhandelten Nacht endlich eine Einigung mit der Union gab: Hans Hartz, "Die Weißen Tauben sind müde". Die meisten Likes aber bekam Stegner am Tag zuvor. Er twitterte "Rolling Stones - Sympathy for the devil", und er machte auch keinen Hehl daraus, wen er damit meinte. Nämlich die Union. Aus Stegners Sicht ist das Bündnis mit den Schwarzen ein Pakt mit dem Teufel, schließlich hat die SPD in den zurückliegenden großen Koalitionen viel an Wählerzustimmung eingebüßt. Dass die große Koalition, die jetzt nur noch die Parteibasis per Mitgliederentscheid verhindern könnte, den Sozialdemokraten schaden wird, gar muss, glaubt nicht nur Stegner. Es glauben wohl auch viele Tausend Mitglieder der SPD. 43,4 Prozent der Delegierten stimmten auf dem Bonner Parteitag schon gegen die Aufnahme der Koalitionsverhandlungen mit der Union. Auch außerhalb der SPD sind entsprechende Ansichten verbreitet. "Der Erfolg dieser Koalition wird das Ende der SPD sein", schreibt zum Beispiel ein Spiegel-Kolumnist. Und Linken-Chefin Sahra Wagenknecht unkte gleich nach der Einigung, damit habe sich die SPD "ihr eigenes Grab geschaufelt." Aber stimmt das so wirklich? Die jüngeren Wahlergebnisse der SPD mögen das vielleicht nahelegen. Mit 34,2 Prozent war die Partei 2005 in die Groko gegangen, mit 23 Prozent kam sie vier Jahre später wieder heraus. 2013 dann ging man wieder mit der Union zusammen, und am Ende der stand mit 20,5 Prozent das schlechteste SPD-Wahlergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik. Dass der Abstieg der Sozialdemokraten in der Groko aber kein Automatismus ist, zeigt sich schon, wenn man den Blick etwas weitet. Denn das erste Bündnis zwischen Union und SPD, 1966 geschlossen unter dem CDU-Kanzler Kurt Georg Kiesinger, bescherte den Sozialdemokraten ein Plus bei den Wählern - und kein kleines. Mit 42,7 Prozent der Stimmen kam sie bei den Bundestagswahlen 1969 auf den bis dahin besten Wert in der Nachkriegszeit. Ganz so weit zurückblicken müsste die SPD aber gar nicht. Sie könnte sich auch fragen, was genau in den vergangenen Groko-Tagen eigentlich schief gelaufen ist, beim Regieren und im Wahlkampf. Wer sich umhört im Umfeld der Partei, kommt nicht zu dem Schluss, dass der Teufel für die SPD in der Union steckt. Sondern in der eigenen Kommunikation. Frühere Wahlkampfmanager und Kommunikationsfachleute nennen immer wieder drei Bereiche, in denen die Partei enormen Verbesserungsbedarf hat. Mehr Visionen Wer das Wort Visionen in den Mund nimmt, ist schnell beim ehemaligen Bundeskanzler und SPD-Politiker Helmut Schmidt, der Menschen mit Visionen zum Arzt schicken wollte. Für den Politikberater Frank Stauss fehlt es der Partei aber genau daran. "Die potenziellen Wähler erwarten von der SPD, dass sie die Partei ist, die die Zukunft gestaltet", sagt Stauss, der für die SPD bereits viele Wahlkampagnen entworfen hat, unter anderem 2005 für Gerhard Schröder. Diese Erwartung sei bei SPD-Wählern stärker ausgeprägt als bei eher konservativen Parteien, so Stauss. Schließlich habe die Partei seit ihrer Gründung immer für den gesellschaftlichen Fortschritt gekämpft. Aber: "Den Anspruch, eine Zukunftspartei zu sein, hat die SPD in den letzten Jahren vernachlässigt." Stattdessen habe sie sich zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Und dabei versäumt, eine große gesellschaftliche Vision zu entwerfen, die auch bei den Bürgern ankommt. Stauss glaubt, dass die Zukunft der Arbeit dafür das passende Thema sein könnte. Schließlich brächten Digitalisierung, Globalisierung und die wachsenden Unterschiede zwischen Stadt und Land einen radikalen Wandel. Im Arbeitsministerium unter Andrea Nahles sei das durchaus erkannt worden, die entsprechende Kampagne "Arbeiten 4.0" sei aber nicht intensiv genug von der Parteiführung aufgegriffen und verbreitet worden. Stauss ist nicht der Einzige, der das so sieht. Lucas Gerrits glaubt ebenfalls, dass sich die Partei wieder stärker als Zukunftspartei inszenieren müsse. Er arbeitet als Politikberater und Campaigner für die Grünen und die SPD. "Die SPD sollte wieder gesellschaftliche Grundsatzdebatten anstoßen und die politische Agenda bestimmen". Gerrits warnt: "Die SPD wird dann gewählt, wenn sie Reformen anpacken will. Sind diese, wie zum Beispiel der Mindestlohn, umgesetzt, müssen neue Vorstöße kommen." Besser kommunizieren Es geht aber nicht nur um Visionen für die Zukunft. Die SPD sollte ihre Kommunikation nach Ansicht einiger Fachleute grundsätzlich überdenken. Ein Fehler bestehe darin, dass die Spitze der SPD viele ihrer potenziellen Wähler schlicht überschätze. "Die Menschen hören nicht jeden Tag Deutschlandfunk, lesen Qualitätszeitungen oder sehen die Tagesschau", sagt etwa Georg Brockmeyer, ein ehemaliger SPD-Wahlkampfmanager, der inzwischen für die österreichischen Sozialdemokraten arbeitet. Viele SPD-Politiker nutzten aber genau diese Medien, um ihre Botschaften zu platzieren. So ließe sich erklären, warum sich erfolgreiche Regierungsprojekte, etwa die Einführung des Mindestlohns oder der Ehe für alle, nicht in mehr Wählerstimmen niederschlügen. "Die SPD braucht ein kontinuierliches Kommunikationsmanagement. Die Parteispitzen müssen ihre Botschaften so lange wiederholen, bis sie ihnen aus den Ohren qualmen", sagt Brockmeyer. Lautstark ausgetragene Debatten, bei denen die SPD mit unterschiedlichen Botschaften in die Öffentlichkeit tritt, seien hingegen schädlich. "Für manchen ist die Sprache der Sozialdemokraten auch einfach zu kompliziert. In den Koalitionsverhandlungen etwa forderten sie unter anderem Nachbesserungen bei der "sachgrundlosen Befristung" und beim "Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige". "Das ist nicht nur kompliziert. Da kann sich auch kaum jemand etwas darunter vorstellen", sagt Politikberater Gerrits. "Die SPD sollte diese Begriffe in eine verständliche, sozialdemokratische Sprache übersetzen, um Menschen emotional zu erreichen." Statt "Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige" sollte sie sagen: "Wir führen Familien zusammen von Menschen, die von Folter und Tod bedroht sind." Bei der CDU klappe dies manchmal besser. In der schwarz-gelben Koalition etwa bewarben die Christdemokraten die sogenannte "Lebensleistungsrente" für Geringverdiener. "Ein großes Wort für einen Rentenaufschlag, der letztlich zehn bis fünfzehn Euro pro Monat betragen sollte", sagt Gerrits. "Bei den Menschen ist der Begriff aber trotzdem hängen geblieben. Und die SPD konnte nur schwer gegen eine 'Lebensleistung' argumentieren." Mehr Vorbereitung Besonders wichtig wird die Kommunikation dann, wenn die nächste Bundestagswahl ansteht. "Einen vernünftigen Wahlkampf sollte man zwei Jahre lang vorbereiten", sagt Brockmeyer. Vor seinem Wechsel nach Österreich hatte der 42-Jährige 2017 die Kampagne des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil organisiert - eine der wenigen, die in den vergangenen Jahren erfolgreich war. Bei der Bundes-SPD hingegen stand erst Ende Januar vergangenen Jahres fest, dass Martin Schulz Spitzenkandidat der Sozialdemokraten wird. Der damalige Parteichef Sigmar Gabriel hatte die Entscheidung so lange hinausgezögert, dass bis zur Wahl noch acht Monate blieben. "Das war miserabel organisiert", sagt Brockmeyer. "Das reicht nicht, um eine vernünftige Strategie zu entwickeln." Programm und Person müssten zusammenpassen, die Partei müsse geeint dahinterstehen. "Alles das gab es nicht." Das Thema Gerechtigkeit sei daher ein Schnellschuss gewesen. Hätte er entscheiden dürfen, so der 42-Jährige, hätte er Schulz als den großen Europäer inszeniert. Manche Wahlkampfmethoden hält Brockmeyer zudem für veraltet. "Der Infostand am Samstagnachmittag ist für viele noch immer das Mittel der Wahl", sagt er. Dabei ließen sich dadurch nur wenige Leute erreichen, ebenso wie durch klassischen Häuserwahlkampf. "Hausbesuche können ein gutes Mittel sein. Sie müssen aber gezielt eingesetzt werden." In Niedersachsen habe sein Team Datensätze ausgewertet, um zu sehen, wo die Besuche sich lohnen könnten. "Im Bund ist das nicht passiert."
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/italiener-machen-dem-champagner-konkurrenz-13-millionen-perlen-pro-flasche-1.1040951
mlsum-de-9934
In der Franciacorta gärt es erst seit 40 Jahren, doch ihren Aufstieg betreibt die junge Weinregion zielsicher: Wettbewerber greift sie mit strengen Qualitätsvorgaben an.
Nein, sagt Maurizio Zanella, bequem ist die Position der Winzer aus der Franciacorta nicht. Auf dem umkämpften Weinmarkt müssen sich die Anbieter aus der italienischen Gegend am Rande der Alpen zwischen dem populären Prosecco und dem ehrwürdigen Champagner behaupten. Der perlende Prosecco aus dem benachbarten Venetien sei frischer, einfacher zu konsumieren. Der französische Champagner dagegen trage den klangvolleren Namen, räumt Zanella ein. Dennoch macht der Gründer der Kellerei Ca' del Bosco einen hochzufriedenen Eindruck. Detailansicht öffnen Weinernte: Die Gegend ist der Aufsteiger unter Italiens Weinregionen. (Foto: REUTERS) Er sagt: "Wir haben ein Wunder vollbracht." Zanella ist ein Pionier der Franciacorta. Sie erstreckt sich südlich des Iseo-Sees bis an die Grenzen der lombardischen Römerstadt Brescia. Der Begriff steht zugleich für das Anbaugebiet und für seinen durch Flaschengärung erzeugten, fein schäumenden Wein. Wie die Champagne und ihr gleichnamiger Tropfen. Auch die vom großen Bruder aus Frankreich erzielten Preise erreichen Spitzenetikette aus Norditalien bereits. Darauf ist Zanella stolz, zumal die Franciacorta noch ein junges Anbaugebiet ist. Die fabelhafte Karriere des schäumenden Franciacorta und die Erfolgsgeschichte des 54-jährigen Mailänders sind verwoben. Das Waldhaus, das dem Gut Ca' del Bosco den Namen gibt, steht noch. 1964 erwarb es die Mutter als Landsitz, um die Kinder am Wochenende aus dem Mailänder Industriemief zu holen. Ein kleiner Weinberg gehörte zu dem zwischen Bäumen versteckten Haus. Die verwunschene Märchenszenerie ist inzwischen einer Hightech-Kellerei gewichen, der Kastanienwald machte gepflegten Weingärten Platz. Statt in die Spedition seiner Familie einzusteigen, entdeckte der junge Zanella den Spaß am Weinbau. Die Marke Franciacorta existierte damals noch nicht, die romantische Gegend war eher für die Schönheit ihrer Villen und Landschaft bekannt als für ihre Weine. An den heute mit Weingärten überzogenen Hügeln schätzte man die mittelalterlichen Abteien und Burgen, die Paläste des Brescianer Adels, der hier seine Ländereien und Sommerresidenzen besaß, den fischreichen Iseo-See als blauen Farbtupfer. Zwar hatten elf Winzer schon 1968 die erste Flaschengärung namens "Pinot di Franciacorta" abgefüllt. Doch erst 1978 schrieb Ca' del Bosco als eine der ersten Kellereien Franciacorta aufs Etikett. Heute ist Zanella mit einer Jahresproduktion von 1,1 Millionen Flaschen mit der Nachbarkellerei Bellavista einer der beiden Großerzeuger des Weines. "Franciacorta ist heute chic" Seine Rebfläche wuchs von 30 Hektar in den neunziger Jahren auf 150 Hektar. Zugleich führt der Winzer als Präsident des Franciacorta-Konsortiums die inzwischen 100 Kellereien der Gegend an. Zanella ist damit der Boss von Italiens jüngstem und trendigsten Anbaugebiet. Der Erfindung des Schaumweins aus der Franciacorta kann sich aber das Haus Berlucchi rühmen. 1961 begann Guido Berlucchi in der Burg von Borgonato mit der Spumante-Produktion. Erstmals erwähnt wurde der Name Franzacurta 1277 in den Annalen der Gemeinde Brescia. 1991 ließ man den Markennamen Franciacorta für Wein registrieren. Seit 1995 führt der Perlwein die kontrollierte und garantierte Herkunftsbezeichnung DOCG. Die Produktion schwoll seither von zwei Millionen auf mehr als zehn Millionen Flaschen an. Nicht einmal das Krisenjahr 2009, als die Rezession den Champagner-Absatz dezimierte, warf die Rivalen aus Italien großartig zurück. Nach einem Rückgang um zwei Prozent zog das Geschäft 2010 wieder zweistellig an. Man habe Glück, denn Bläschen lägen im Trend, sagt Zanella. "Franciacorta ist heute chic." Noch trinken die Italiener ihn selbst. Das soll sich ändern, denn das Angebot wird wachsen. Die Anbaufläche nahm in zehn Jahren um 170 Prozent auf 2479 Hektar zu. Wenn alle angepflanzten Weinreben in sechs Jahren voll produzieren, müssen die Winzer 16 Millionen Flaschen platzieren. Derzeit verkaufen sie nur zwölf Prozent des Weins ins Ausland. Wenig gegenüber den 60 Prozent, die im Schnitt von italienischen Qualitätsweinen exportiert werden. Franciacorta ist ein Musterfall der Renaissance des italienischen Weins. Nach der Methanol-Panscherei, die 1986 23 Menschen umgebracht hat, durchlebte die Branche eine Katharsis. Das Ergebnis ist beachtlich: Die italienische Weinproduktion ging in 24 Jahren um 40 Prozent zurück, gleichzeitig stieg der Umsatz um 300 Prozent. Klasse statt Masse. Der Franciacorta mit seiner cremigen Schaumkrone verkörpert die Besinnung auf Qualität. Er wird aus Chardonnay-Trauben und Pinot Nero oder Pinot Bianco gekeltert. "Wir gaben uns das strengste Reglement der Welt", sagt Zanella. Nirgendwo sonst dürfen weniger Trauben geerntet werden als in der Franciacorta. Den Ertrag begrenzte das Konsortium in Erbusco auf 10000 Kilo Trauben pro Hektar. Die Reifezeit auf der Hefe dauert mindestens 18 Monate. In der Zeit bringt man den Brut durch die zweite Gärung in der Flasche zum Schäumen. Vittorio Moretti ist einer der herausragenden Namen in der Franciacorta. Wie die Mehrheit der Winzer hier ist der Gründer der Kellerei Bellavista kein geborener Weinbauer. "Ich habe als Hobby angefangen, Wein zu machen", sagt der Bauunternehmer. Er begann sein Abenteuer 1977. Moretti glaubte früh an die Karriere des ins Grünliche schillernden, strohgelben Franciacorta, in dem feinste Perlchen tanzen - 13 Millionen pro Flasche. Das Mikroklima am Alpenfuß gilt als ideal. Der Iseo-See mildert die Nordwinde, der Berg Monte Orfeo im Süden stoppt die feuchte Sommerhitze aus der Po-Ebene, sagt man bei Bellavista. Franciacorta habe darum wenig Säure, sei gut verträglich und weich am Gaumen. Ihren Aufstieg hat die junge Weinregion zielsicher betrieben. Unaufhaltsam schoben sich die Winzer unter die Spitzenerzeuger Italiens. Erstaunlich für das individualistische Italien ist, dass sie sich in einer konzertierten Aktion bemühten, ihr Niveau zu heben. Ein Qualitätswettlauf der Kellereien begann. "Hier schaffen wir es, ein System zu bilden", sagt Winzer-Chef Zanella. Von Vorteil sei, dass es keine Genossenschaften gebe. Jedes Weingut verfügt über eigene Reben, einen eigenen Keller und eine eigene Abfüllung. Diese Gemeinsamkeit verleiht den Winzern jene Geschlossenheit, die dem Wachstum förderlich ist. Das Anbaugebiet lebt von seinen starken Persönlichkeiten und frischen Ideen. So wie in der Kellerei Ferghettina in Corte Franca, wo Laura Gatti in Leggins und Turnschuhen herumführt. "Wir tanzen aus der Reihe", sagt sie strahlend. Die junge Agronomin präsentiert den Prototyp einer kantigen Flasche. Die Idee dazu war ihrem noch studierenden Bruder in einer Ökonomie-Vorlesung gekommen. Im April bringt die Familie Gatti ihren Jahrgangswein Franciacorta Brut Millesimato in der neuen Flasche auf den Markt. Denn die Kanten, zunächst als ästhetische Revolution gedacht, hielten eine Überraschung bereit. "Die Hefe lagert sich auf einer größeren Oberfläche ab, das fördert die Qualität", sagt Gatti. Ihr Vater Roberto Gatti hat Ferghettina 1991 gegründet, nach vielen Jahren als Kellermeister eines großen Franciacorta-Gutes. "Papa hat uns seine Leidenschaft weitergegeben und lässt uns viel Raum", erzählt die Winzertochter. Die Farbe der Frauen Landschaftlich besonders reizvoll liegt das Gut Bersi Serlini, das seit 1886 in Familienbesitz ist. Der Großvater produzierte noch Rotwein, Vater Arturo stieg in den siebziger Jahren auf die Flaschengärung um. Von Traditionalismus ist wenig zu spüren. Maddalena Bersi Serlini, 42, ist eine von zwölf Winzerinnen der Franciacorta. Sie übernahm die Führung der Kellerei zusammen mit ihrer Schwester Chiara. Die beiden brachten vor acht Jahren Farbe auf die Etiketten in den vornehmen Franciacorta-Regalen. "Das Bunte ist dem Wein, den wir Frauen machen, näher. Da steckt viel Energie drin", sagt Bersi Serlini, die in Padua Internationale Beziehungen studiert hat. Doch nicht nur das Etikett ist bunt. Die Schwestern ließen die zum Gutshaus gehörende Mönchsherberge aus dem 12.Jahrhundert restaurieren und ergänzten den Originalkeller aus dem 15. Jahrhundert durch extravagante Glas- und Holzbauten. Dies sei ihre Visitenkarte, sagt die Chefin. Mit einer Jahresproduktion von 220.000 Flaschen hat das Gut Bersi Serlini eine typische Kellereigröße für die Franciacorta. "Im Vergleich zu den Champagnerhäusern sind wir Winzlinge", erklärt Präsident Zanella. Rund um das französische Reims bringt ein normaler Hersteller zwei Millionen Flaschen auf den Markt. Bersi Serlini wagte sich vor zwei Jahren dennoch ins Ausland. Der Franciacorta sei inzwischen bekannter geworden, begründet die Chefin den Schritt. Mühsam bleibe die Markterweiterung dennoch. "Du hast nicht den Ruf des Champagner", sagt sie, "und nicht den Preis des Prosecco."
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mlsum-de-9935
Der Deutsche wirft den French-Open-Sieger in Halle raus. Die Miami Heat holen einen wichtigen Sieg in Oklahoma. Gennaro Gattuso heuert beim FC Sion an, BVB-Boss Watzke ist finanzielle Stabilität wichtiger als internationaler Erfolg. Martin Kaymer startet durchschnittlich in die US Open, besser macht es Tiger Woods.
Detailansicht öffnen Philipp Kohlschreiber serviert seinem Gegner Rafal Nadal eine krachende Vorhand. (Foto: Bongarts/Getty Images) ATP-Turnier in Halle, Philipp Kohlschreiber: Tennis-Profi Philipp Kohlschreiber hat bei den Gerry Weber Open in Halle (Westfalen) für eine Überraschung gesorgt und im Viertelfinale French-Open-Gewinner Rafael Nadal besiegt. Titelverteidiger Kohlschreiber setzte sich 6:3 und 6:4 gegen den Weltranglisten-Zweiten aus Spanien durch. Im Halbfinale könnte es nun zu einem deutschen Duell kommen, wenn Thomas Haas seine Partie gegen Tomas Berdych (Tschechien) gewinnt. Zuvor spielt noch der fünffache Turniersieger Roger Federer (Schweiz) gegen Milos Raonic (Canda). Im ersten Spiel des Tages besiegte Michail Juschni (Russland) den Tschechen Radek Stepanek mit 6:4, 4:6 und 6:4. NBA, Finale: Das Duell um die Meisterschaft in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga (NBA) ist wieder ausgeglichen. Die Miami Heat egalisierten ihre Niederlage aus dem Auftaktspiel der Best-of-Seven-Serie mit einem 100:96-Auswärtserfolg bei den Oklahoma City Thunder. Forward LeBron James steuerte für seine von Beginn an überlegenen Heats 32 Punkte bei. James zeigte sich nach dem Match zufrieden und sagte: "Als sie gepunktet haben, haben wir den Kopf nicht hängen lassen. Wir sind einfach wieder nach vorn gegangen und haben zurückgeschlagen." Auch Superstar Kevin Durant kam wie James auf 32 Punkte, vergab jedoch in einer entscheidenden Spielphase einen Wurf, der das Spiel wieder ausgeglichen hätte. Das nächste Finalmatch findet am frühen Montagmorgen deutscher Zeit in Miami statt - und auch in den folgenden beiden Spielen hat Miami den Heimvorteil auf seiner Seite. FC Sion, Gennaro Gattuso: Der Schweizer Fußball-Erstligist FC Sion hat den italienischen Ex-Nationalspieler Gennaro Gattuso, Weltmeister von 2006, für zwei Jahre verpflichtet. Der 34 Jahre alte Mittelfeldspieler stand seit 1999 in Diensten des AC Mailand. Am Freitag wird der Azzurri im Wallis auf einer Pressekonferenz vorgestellt. Der letzte Weltmeister in der Schweiz war der Franzose Christian Karembeu, der 2004/2005 für Servette Genf gespielt hatte. Golf, US Open: Martin Kaymer hat zum Auftakt der 112. US Open in San Francisco einen ernüchterten Start hingelegt. Er schloss die 18 Löcher auf dem Par-70-Kurs mit 74 Schlägen ab. Mit vier Schlägen über Par lag er auf Position 52. An die Spitze setze sich mit vier Schlägen unter Par der Amerikaner Michael Thompson. Titelverteidiger Rory McIlroy enttäuschte und rangierte elf Schläge hinter ihm. Natürlich richteten sich jedoch alle Augen erneut auf Tiger Woods: Der 36-Jährige eröffnete den Kurs mit einem Schlag unter Par und sicherte sich Rang zwei. Schottland, Glasgow Rangers: Der vom Zwangsabstieg bedrohte schottische Rekordmeister Glasgow Rangers hat einen neuen Besitzer. Ein Konsortium um den Geschäftsmann Charles Green übernahm laut einer Mitteilung auf der Internetseite des Vereins am Donnerstag die Geschäfte des insolventen Vereins. Der frühere Teammanager Walter Smith hatte zwar noch ein konkurrierendes Angebot unterbreitet und Green zum Rückzug aufgefordert, blieb aber mit seinem Ansinnen erfolglos. Green kündigte bereits Gespräche mit Smith an. Der neue Boss forderte breite Unterstützung, damit der 54-malige schottische Meister auch in der kommende Saison in der Premier League antreten kann. "Wenn mich Leute nicht unterstützen wollen, wenn sie unsicher sind oder Zweifel haben, ist das in Ordnung. Ich werde enttäuscht sein, aber so ist das im Leben", sagte Green, der einst Geschäftsführer des englischen Vereins Sheffield United war. Fußball, Borussia Dortmund: Bei Borussia Dortmund zieht die Führung finanzielle Stabilität weiterhin internationalen Erfolgen vor. "Für uns ist entscheidend, dass wir alles mir null Risiko machen. Wir wollen international erfolgreich sein. Doch nicht um den Preis, dass wir danach wieder einen kompletten Neustart hinlegen müssten. Das würden wir nicht überleben", sagte Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke im kicker-Interview. Zur Geschäftsphilosophie der Westfalen passend legte Watzke zur bevorstehenden Saison die Messlatte für die zweite Champions-League-Teilnahme des Klubs im Vergleich zum kläglichen Vorrunden-Aus in der zurückliegenden Spielzeit nur geringfügig höher: "Natürlich möchten wir international erfolgreicher auftreten als im vergangenen Jahr. Vor dem dritten wollen wir aber erst einmal den ersten und zweiten Schritt machen, sonst kommt man leicht ins Stolpern. Ich bin überzeugt, dass wir besser abschneiden werden als 2011 und in der Gruppenphase mehr als vier Punkte holen." Watzke setzt nach der erfolgreichen Verteidigung des Meister-Titels und des Gewinns des DFB-Pokals bei den Bemühungen um eine Rückkehr in den Kreis der europäischen Top-Klubs auf eine kontinuierliche Weiterentwicklung. Dabei spielen die schon unter Vertrag stehenden BVB-Profis eine zentrale Rolle. "Es ist doch völlig klar, dass wir diese Mannschaft weitestgehend zusammenhalten wollen. Das lässt ihre Altersstruktur zu. Die normale Fluktuation, die es immer gibt, versuchen wir, in Grenzen zu halten. Dass mal ein Leistungsträger geht, sollte die Ausnahme, nicht die Regel sein." Fußball, Premier League: Harry Redknapp ist nicht länger Trainer von Tottenham Hotspur. Wie der Premier-League-Verein mitteilte, habe man sich von dem 65 Jahre alten Fußballlehrer getrennt. "Harry kam in einer Zeit, als seine Vorgehensweise und seine Erfahrung dringend benötigt wurden", sagte Vorstand Daniel Levy. "Diese Entscheidung soll in keiner Form von der hervorragenden Arbeit ablenken." In den knapp vier Spielzeiten seit Oktober 2008 war Tottenham nach einem achten Platz dreimal in Folge im europäischen Wettbewerb vertreten. In der abgelaufenen Saison verpassten die Londoner zum Missfallen der Clubführung mit Redknapp die Teilnahme an der Champions League knapp um einen Punkt. Redknapp dagegen soll sich vor der Trennung um einen neuen Vier-Jahres-Vertrag bemüht haben. Zwischenzeitlich war er auch als neuer Nationaltrainer Englands im Gespräch. Tennis, Halle: Titelverteidiger Philipp Kohlschreiber und Tommy Haas stehen beim Rasenturnier in Halle/Westfalen im Viertelfinale. Nachdem sich der 28 Jahre alte Tennisprofi aus Augsburg gegen den Polen Lukasz Kubot 6:7 (5:7), 6:1, 6:3 in die Runde der besten Acht gekämpft hatte, bezwang Haas den Spanier Marcel Granollers 6:3, 6:4. Kohlschreiber darf nun auf ein Duell mit dem spanischen Sandplatzkönig Rafael Nadal hoffen. Nach einem Freilos in der ersten Runde spielte der siebenmalige Roland-Garros-Champion am Nachmittag sein Auftaktmatch gegen Lukas Lacko (Slowakei). Der 34-jährige Haas, der bei den Gerry Weber Open mit einer Wildcard ins Hauptfeld gerückt war, trifft auf den Wimbledonfinalisten von 2010, Tomas Berdych (Tschechien). Fußball, FC Chelsea: Der FC Chelsea hat dreieinhalb Wochen nach dem historischen Sieg in der Champions League seinen Trainer Roberto di Matteo mit einem Zweijahresvertrag belohnt. Di Matteo war seit März als Interimstrainer tätig, nachdem der Portugiese Andre Villas-Boas entlassen worden war. Clubbesitzer Roman Abramowitsch zögerte lange mit einem Vertragsangebot. Dann gewann Di Matteo den englischen FA-Cup und die Champions League. Fußball, Premier League: Frankreichs Nationalstürmer Olivier Giroud hat sich nach Angaben der L'Équipe für den FC Arsenal entschieden und steht vor einem Wechsel zum neuen Club von Lukas Podolski. Der Angreifer vom französischen Meister HSC Montpellier könne noch bis zum Ende dieser Woche einen Vertrag bei den Londonern unterschreiben, berichtet die Zeitung. Der 25-Jährige wurde diese Saison mit 21 Treffen Liga-Torschützenkönig und stand beim ersten EM-Spiel gegen England (1:1) nicht auf dem Platz. An Giroud hatte auch der FC Bayern München Interesse gezeigt, aber von einem Transfer wegen einer zu ähnlichen Spielweise im Vergleich zu Mario Gomez Abstand genommen. Die festgeschriebene Ablösesumme soll bei etwa zwölf Millionen Euro liegen, Giroud hat in Montpellier noch einen Kontrakt bis 2014. Bei Arsenal würde er von seinem Landsmann Arsène Wenger trainiert und neben dem früheren Kölner Podolski voraussichtlich auch auf Robin van Persie treffen. Der Niederländer wollte seinen noch ein Jahr laufenden Vertrag bislang allerdings noch nicht verlängern und wurde zuletzt mit Juventus Turin in Verbindung gebracht. Fußball, Fortuna Düsseldorf: Ein "Geisterspiel" und eine Geldstrafe in sechsstelliger Höhe - der Platzsturm-Skandal im Relegationsrückspiel gegen Hertha BSC wird den Bundesliga-Aufsteiger Fortuna Düsseldorf wohl teuer zu stehen kommen. Der Kontrollausschuss des DFB fordert für den zweimaligen DFB-Pokal-Sieger ein Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu Beginn der neuen Saison und zudem 100.000 Geldbuße. Tausende Fans der Fortuna hatten beim 2:2 in der heimischen Esprit-Arena am 15. Mai schon vor Beendigung der siebenminütigen Nachspielzeit den Platz gestürmt. Schiedsrichter Wolfgang Stark unterbrach das Spiel für 20 Minuten, ehe er es noch einmal für rund 90 Sekunden fortsetzte. Über den Aufstieg der Fortuna wurde nach einem Einspruch der Berliner gegen die Spielwertung in zweiter Instanz vor dem Bundesgericht des DFB entschieden. Auch der Zweitliga-Absteiger Karlsruher wird wahrscheinlich ein Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit austragen müssen. Nach dem Relegationsrückspiel gegen Jahn Regensburg, in dem der Abstieg besiegelt wurde, war es zu schweren Ausschreitungen rund um das Wildparkstadion gekommen. Dabei wurden nach Angaben der Polizei insgesamt 76 Personen verletzt. Jeweils Teilausschlüsse der Zuschauer zu Beginn der neuen Saison müssen wegen verschiedener Verfehlungen die Hertha, Bundesliga-Absteiger 1. FC Köln, Aufsteiger Eintracht Frankfurt und der Zweitligist Dynamo Dresden befürchten. Zudem wurden gegen Double-Gewinner Borussia Dortmund, Bayern München und Jahn Regensburg Geldstrafen beantragt. Alle Vereine haben nun Zeit bis Anfang nächster Woche, den jeweiligen Strafanträgen des DFB-Kontrollausschusses zuzustimmen. Tun sie dies, sind die Urteile rechtskräftig. Fußball, WM 2014: Bei Stadionbauarbeiten für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 ist in der brasilianischen Hauptstadt Brasilia ein 21 Jahre alter Arbeiter ums Leben gekommen. Der junge Mann fiel am Montag aus 30 Metern Höhe von einem Gerüst des neuen Mane-Garrincha-Stadions und war sofort tot. Laut einer offiziellen Stellungnahme untersuchen die federführenden Baugesellschaften den Todesfall: Nach ersten Erkenntnissen sei davon auszugehen, dass der Arbeiter zum Zeitpunkt des Unglücks die erforderliche Schutzausrüstung trug. In der 70.000 Zuschauer fassenden Arena sollen im kommenden Jahr drei Spiele des Confederation Cups ausgetragen werden, 2014 finden in Brasilia sieben WM-Partien statt. Peter Neururer: Fußball-Trainer Peter Neururer ist nach seinem Herzinfarkt am Samstagnachmittag außer Lebensgefahr. Der 57-Jährige war beim Golfspielen auf der Anlage Haus Leythe in Gelsenkirchen zusammengebrochen und musste noch vor Ort reanimiert werden. Sein Herz arbeitet anscheinend wieder selbstständig, die Medikamentendosis ist bereits reduziert worden. "Sein Herz scheint stabil zu sein, wir können wohl sagen, dass er Glück im Unglück gehabt hat", sagte auch Dr. Karl-Heinz Bauer, ein enger Freund Neururers, am Montag dem Reviersport: "Wichtig war, dass er in den ersten Stunden nach dem Infarkt gut versorgt worden ist. Alles weitere kann man aber erst sagen, wenn er aus dem künstlichen Koma geholt wird." Neururer, der einen doppelten Hinterwandinfarkt erlitten hatte, war umgehend ins Krankenhaus Bergmannsheil und von dort ins Marienhospital zum Herzspezialisten Professor Heinrich Blanke transportiert worden. Wie die Bild-Zeitung berichtet, sei Neururer sogar schon wieder aus dem Koma erwacht: Der 57-Jährige habe am Montag kurz nach 17.00 Uhr die Augen geöffnet und seine Angehörigen erkannt. Diese Informationen sind allerdings noch nicht bestätigt.
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mlsum-de-9936
Ein Tag mit dem blinden Hobbykoch Hans Maier: Als Sehender lernt man, wie sehr man das Riechen, Schmecken, Hören und Tasten am Herd vernachlässigt.
Es gibt Momente, in denen man sich dabei ertappt, Hans Maier beim Kochen helfen zu wollen. Zum Beispiel, wenn er mit den Fingerkuppen über das Ceranfeld gleitet und sich gefährlich nah an die voll erhitzte Herdplatte herantastet. So prüft er, ob die Pfanne, in der gerade das Kalbfleisch brät, an der richtigen Stelle steht (tut sie). Kann man sich dabei nicht leicht verbrennen? "Nicht, wenn ich vorsichtig bin, ich kann ja fühlen, dass es immer etwas heißer wird", sagt er da und lacht, "meine Frau verbrennt sich öfter in der Küche als ich, und die kann sehen." Natürlich passiert das öfter bei einem Tag am Herd mit Hans Maier. Dass Situationen, die man für gefährlich gehalten hatte, sich als unproblematisch erweisen. Schalotten mit einem scharfen Messer in feine Ringe schneiden? Das geschieht in Maiers Küche so akkurat wie das Würfeln von Zucchini oder das Schälen und Hacken von frischem Ingwer. Die Unsicherheiten von Sehenden, die noch nie mit einem Blinden zusammen gekocht haben, weiß Maier charmant zu zerstreuen ("Prüfen Sie mal, ob da Tomaten in der Dose sind, es wäre ja schlecht, wenn ich versehentlich das Katzenfutter erwischt hätte.") Er kennt die Befangenheit schon. Auch dem Spitzenkoch Michael Hoffmann ging es nicht anders. "Als ich zum ersten Mal mit Hans gekocht habe, war ich extrem nervös", sagt er. "Ich wusste gar nicht, wie ich mich in der Küche bewegen sollte." Alles unnötig, wie sich schnell herausstellte. Detailansicht öffnen Gemüse schneidet Hans Maier gern am Esstisch. (Foto: Stefanie Preuin) Hans Maier, 46, ist IT-Spezialist; wenn er als Hobbykoch über die Jahre immer ambitionierter geworden ist, dann liegt das auch an Michael Hoffmann. Beide zusammengeführt hat eine Verlegerin, die ihnen vorschlug, gemeinsam ein Kochbuch für Blinde und Sehende zu erarbeiten, ein aufwendiges Werk mit anspruchsvollen Rezepten und bis heute das einzige seiner Art in Deutschland ("Trust in Taste", Justina-Verlag). Das Erscheinen des Buches ist nun fünf Jahre her. Doch interessant ist auch, was beide aus dieser Erfahrung gemacht haben. Man könnte nun all die Politiker und Verbände zitieren, die auf den Stellenwert der Inklusion hinweisen. Sehr viel eingängiger aber ist es, von der kulinarischen Freundschaft des blinden Münchner IT-Fachmanns Hans Maier mit dem Berliner Gourmetkoch Michael Hoffmann zu erzählen und zu verstehen, wie viel beide Seiten voneinander gelernt haben. Ein Kochtag mit Hans Maier beginnt im Bio-Markt in München-Moosach, auf dem Plan stehen Tomatenrisotto mit Reisnudeln und Zürcher Geschnetzeltes mit Rösti. Und schon beim Einkauf wird klar, dass das Thema keine Idealisierung verträgt. Die engen Gänge, all die größengenormten Becher und Dosen verschiedenen Inhalts, die langen Glasfronten vor den Kühlregalen - für Blinde sind deutsche Supermärkte eine Zumutung. Sich im Laden auszukennen ist für Hans Maier so unabdingbar wie sich durchzufragen, allen Hilfsmitteln wie Apps mit Barcode-Scannern zur Warenerkennung zum Trotz. Detailansicht öffnen Ein Kochbuch für Blinde und Sehende ist aufwendig. Die Seiten sind fotografisch unterlegt und speziell laminiert, damit sie beim Lesen der Brailleschrift nicht abnutzen. (Foto: Stefanie Preuin) Leichter ist es bei der Frischware. Mühelos ertastet Maier Qualität und Reifegrad der Strauchtomaten, legt durchweg einwandfreie Exemplare in den Korb. Anderswo kam es vor, dass er wegen des Abtastens von Obst oder Gemüse vom Personal zurechtgewiesen wurde. Das sei Unwissenheit, sagt er großzügig. "Man kommt leichter durchs Leben, wenn man Menschen erst mal gute Absichten unterstellt." Seine Sicht der Dinge ist da freundlich und pragmatisch. Und unsentimental. Er war zwei Jahre alt, als Ärzte einen Tumor am Sehnerv diagnostizierten, der auf das Gehirn überzugreifen drohte. Beide Augäpfel wurden entfernt. "Im Grunde gerade noch zur rechten Zeit", sagt Maier nur. Weil er so keine Erinnerung an die Zeit als Sehender habe. So habe er sich leichter getan, als wenn er sich später hätte umstellen müssen. Hans Maiers kleine Küche wirkt nicht viel anders als andere Küchen. Sie sei womöglich ungeordneter, als es das Klischee für Blinde vorsehe, sagt Maier, "aber ich weiß, wo alles steht". Und er hat viele der Möbel selbst gebaut. Das Kochen dauert für Menschen mit Sehbehinderung länger, und es ist anstrengender, wegen der Konzentration. Doch wer Maier am Herd zusieht, ist auch überrascht, wie weit einen die anderen Sinne dort bringen: Ins Fleisch drückt er vorsichtig einen Finger; es sei gar, wenn es sich anfühle wie ein Unterarm, weich und fest zugleich, erklärt er eine Faustregel. Dass die Tomaten simmern, erkennt er am leichten Dampf, den er spürt, wenn er die Hand über den Topf hält. Und manche Garpunkte kann man riechen: "Wenn Zwiebeln nussig, butterig und leicht karamellig duften, sind sie gut." Detailansicht öffnen Wer nicht sehen kann, muss riechen. (Foto: Stefanie Preuin) Diese Konzentration auf Produkte und Technik habe ihn sehr beeindruckt, sagt Michael Hoffmann am Telefon. "Hans kann hören, wie heiß das Fett in der Pfanne ist." Hoffmann, 49, ist bekannt für seine avantgardistische Gemüseküche, der frühere Sternekoch hat bei Eckart Witzigmann gelernt, beim Meister sei es noch üblich gewesen, alle Sinne am Herd einzusetzen, sagt Hoffmann ein wenig sarkastisch, "heute gibt es leider viele Köche, die nicht mal mehr an einem Produkt riechen". Hoffmann hat versucht, seine Sinne zu schärfen, sich mit geschlossenen Augen in der Küche zu orientieren. Nach der sechsmonatigen Arbeit am Kochbuch habe er mit dem Rücken zum Personal stehen und hören können, ob die Temperatur für das Sautieren von Spinat in Butter korrekt war. Tatsächlich hat sich die Küche zuletzt im nie gekannten Maß an Äußerlichkeiten orientiert. Die Dominanz des Sehsinns ist ohnehin enorm, er liefert dem Gehirn 80 Prozent aller Informationen über die Umwelt. Seit dem Siegeszug der Gourmetküche und dem Boom der Foodfotografie, seit Restaurant-Gäste ihr Menü rituell bei Instagram einstellen, rückt die Optik von Speisen immer extremer in den Mittelpunkt. Köche reagieren darauf. Da macht längst nicht jede Soßentupferorgie geschmacklich Sinn. Selbst brave Gasthöfe versuchen heute, mit inflationären Sprenkelmustern aus Balsamico-Creme und Hollandaise den Eindruck zu erwecken, an der Spargeltheke stünde Jackson Pollock. Detailansicht öffnen Arbeiten mit dem Messer gehören natürlich zu den Tätigkeiten, bei denen Maier besonders aufpassen muss. (Foto: Stefanie Preuin) Michael Hofmann findet schon länger, dass "der Geschmack da manchmal auf der Strecke bleibt". Die "immer aufwendigere Architektur auf den Tellern" habe ihn "stark eingeschränkt", erzählt Hoffmann. "Wenn es im Garten tolle Bohnen gab und ich am liebsten Eintopf gekocht hätte, dann ging das nicht." Bohnensuppe, egal wie gut, in einem Gourmetlokal am Brandenburger Tor? "Völlig undenkbar." Es war "einer der Gründe", warum er sein Restaurant inzwischen geschlossen hat. Und nein, Hoffmann findet, "dass wir da von blinden Köchen einiges lernen können". Hans Maier wiederum mag die Kompromisslosigkeit des Spitzenkochs. Früher hat er sich gern mal Aufbackpizza in den Ofen geschoben; und natürlich sind Lieferdienste und Fertiggerichte vor allem für blinde Menschen verführerisch praktisch. "Aber Michael hat mich in der Hinsicht ziemlich versaut", sagt Hans Maier. Pizza und Tütenparmesan kommen nicht mehr ins Haus, dafür setzt Maier für Suppen und Eintöpfe jetzt seinen eigenen Gemüsefond an, "ist aufwendig, schmeckt aber viel besser". Hoffmann zeigte ihm auch, wie man subtiler würzt; dass man ein Gefühl für die Menge eines Gewürzes entwickelt, wenn man es über die empfindliche Daumenwurzel in den Topf rieseln lässt. Detailansicht öffnen Um die korrekte Hitze zu erreichen, muss der Hobbykoch fühlen und hören. (Foto: Stefanie Preuin) Nun ist so ein Profi-Coaching eher Glücks- als Regelfall. Schon viele Sehende plagen sich in der Küche mit Schwellenängsten. Und das Angebot für die geschätzt gut eine Million Menschen mit Sehbehinderung in Deutschland (als blind gelten Menschen mit höchstens zwei Prozent Sehfähigkeit) ist selbst in Großstädten sehr klein, auch Role Models gibt es kaum. Das bekannteste Vorbild dürfte die vietnamesischstämmige Amerikanerin Christine Hà sein, die ihr Augenlicht mit Anfang 20 durch eine Autoimmunerkrankung verlor. 2012 setzte sich die heute 38-jährige Hobbyköchin überraschend bei der anspruchsvollen Koch-Casting-Show "Masterchef" durch - gegen ausschließlich sehende Konkurrenten. Seitdem hat Hà Karriere gemacht: ein Blog, Kochbücher und eine eigene Kochshow ("Four Senses") auf einem kanadischen Spartenkanal. Sie möchte Blinde zum Kochen animieren. Ihrem erstaunten Publikum erklärt sie so geduldig wie unprätentiös, warum sie (fast) ohne Sehvermögen so gut kocht ("Es ist wie mit jeder Herausforderung. Du stellst dich ihr immer wieder und hoffst, dass es gut geht"). Vor laufender Kamera bearbeitet Hà wie selbstverständlich Fisch und Gemüse, in Fernsehshows lässt sie sehende Profis am Kochen mit verbundenen Augen scheitern und in Wettbewerben beweist sie ihren überlegenen Geschmackssinn. Hans Maier glaubt nicht, dass er einen besseren Geschmackssinn hat als etwa seine Frau. Er beschäftigt sich viel mit Wahrnehmung und Neuropsychologie. Es sei wohl eher so, dass das Gehirn einem so dominanten Sinn wie dem Auge alles unterordne. "Ich kann mich auf Geschmack besser konzentrieren, meine Frau kann ihn besser in Metaphern übersetzen." Beim Kochen geht es ihm um Gemeinsamkeit, vor allem von Blinden und Sehenden. Um alles, was das Gemeinsame erleichtert. Wie die Tassen-Maße, die Hoffmann für das Kochbuch zum besseren Portionieren entwickelt hat. "Ich will ja nicht jedes Mal die sprechende Waage mitnehmen, um woanders zu kochen", sagt Maier. In der Küche sind Tomatenrisotto und Geschnetzeltes fertig. Den Rösti hat Maier mithilfe zweier Teller gewendet. Alles sehr gut. Und wenn das Kalb eine Idee zu fest geworden ist, dann nur, weil der sehende Assistenzkoch trotz Maiers Bedenken irrigerweise dazu geraten hatte, es etwas länger in der Pfanne zu lassen. "Kalbfleisch bestraft das natürlich sofort", sagt Maier. Ein paar schmutzige Töpfe, die auf dem Herd im Weg waren, verstaut Maier kurzerhand im Ofen. "Mich würden die ja nicht stören", sagt er kichernd, "aber so denkt meine Frau, wir hätten aufgeräumt."
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mlsum-de-9937
Bis 2035 werden mindestens 25 000 Leute in das ehemalige Hafenviertel der finnischen Hauptstadt ziehen. Die Blocks mit kleinen Wohnungen, viel Glas und Balkonen sollen nicht nur von außen futuristisch sein.
Sie hat gehört, dass es jetzt auch Roboter gibt, die aussehen wie kuschelige Robben. Zum Streicheln für einsame Senioren. "Wenn Sie uns so ein Ding ins Haus bringen, erschieße ich es", sagt Marjut Helminen trocken. Gemeinsam mit Leena Vahtera vom Verband "Aktiiviset Seniorit" sitzt sie im Wintergarten auf ihrer Dachterrasse in Helsinki, hoch über den Baustellen, die sie umgeben. Sie haben schon alles Mögliche getestet, auch nutzlose Roboter. Doch einen, der ihnen den schweren Topf mit 20 Litern Wasser auf den Herd setzen könnte, hat noch niemand geschickt. Den könnten sie mal echt gebrauchen, sagen die Frauen. Marjut Helminen und Leena Vahtera leben in einem besonderen Haus in dem besonderen Stadtteil Kalasatama, das heißt Fischereihafen. Dort baut die Stadt ein Smart-City-Viertel auf. Mindestens 25 000 Menschen sollen bis 2035 ins alte Hafenviertel ziehen, etwa 3000 sind schon da. Marjut Helminen und Leena Vahtera gehören zu den ersten. Das Besondere an Kalasatama ist, dass die Bewohner das smarte Viertel mitgestalten sollen. Genauso wie die Senioren von Anfang an gemeinsam bestimmt haben, wie ihr Haus aussehen soll. Das Senioren-Haus heißt Kotisatama, Heimathafen, 63 Wohnungen, 85 Bewoh-ner, Durchschnittsalter 70 Jahre. Der Ver-band der Aktiven Senioren hat es geplant, es ist das zweite seiner Art in Helsinki. Vor sechs Jahren haben sie angefangen, sich jeden Monat einmal zu treffen und darüber zu reden, wie sie zusammen leben wollen. Vor vier Jahren begann der Bau, vor zwei sind sie einzogen. Jeder besitzt sein eige-nes Apartment, wichtiger aber sind die 500 Quadratmeter Gemeinschaftsraum. Die Senioren organisieren alles selbst. In wechselnden Arbeitsgruppen kochen, put-zen und kaufen sie für alle ein. Eine Gruppe ist für das schwarze Brett zuständig. Es hängt als großer Touchscreen neben den Aufzügen. Jeder kann sich auch mit dem Computer einloggen und schauen, wann sich die anderen zum Kartenspielen oder fürs Kino treffen. Mit der Technik haben ihnen Studenten geholfen. Universitäten interessieren sich sowieso sehr für das Haus, die Senioren nehmen immer wieder an Studien teil. Dabei ist es ganz einfach, sagt Leena Vahtera: "Man muss nicht allein sein. Einsamkeit ist ein großes Problem bei alten Leuten." Bald sind sie mittendrin in Helsinkis modernstem Stadtteil, um sie herum wachsen Häuser und ein Einkaufszentrum mit Kino. Die Großbaustellen nehmen sie gelassen hin. Nur der Staub sei für manche ein Problem. Detailansicht öffnen In Kalasatama, dem neuen Stadtteil der finnischen Hauptstadt, wird Vernetzung groß geschrieben. Das moderne Quartier zieht nicht nur viele junge Familien an. (Foto: Alamy/mauritius images) An manchen Ecken sieht Kalasatama fast fertig aus, futuristische Blocks mit kleinen Wohnungen, viel Glas und Balkone. In einem der Blocks haben Veera Mustonen und ihr Team für den Vormittag einen klei-nen Konferenzraum gemietet. In Kalasatama soll so viel Platz wie möglich für alle offen stehen, Räume zum Arbeiten, für Treffen oder Sport. Den Platz kann man stundenweise im Internet buchen (siehe Interview). Der Konferenzraum mit dem giftgrünen Boden gehört einer Hausgemeinschaft, die ihn nicht immer nutzt. Veera Mustonen arbeitet für Forum Virium, eine Agentur der Stadt Helsinki, die sich generell um Digitalisierung kümmert und seit 2013 dafür zuständig ist, Kalasatama smart zu machen. Helsinki baut, weil es besonders schnell wächst: Zu den heute 635 000 Einwohnern werden bis 2050 wohl noch mehr als 120 000 hinzukommen. Kalasatama ist nicht das einzige Neubaugebiet. Doch es ist das einzige, das die Stadt zum Labor für Smart-City-Experimente erklärt hat, die sich Unternehmen, Hochschulen und Einwohner einfallen lassen. Von den 3000 Menschen die schon heute hier leben, haben 800 bereits an Experimenten teilgenommen, Fragebögen ausgefüllt und sich getroffen, um über die Zukunft ihres Viertels zu diskutieren. Dafür organisiert Forum Virium jede Woche Workshops zu bestimmten Fragen. Einmal ging es zum Beispiel um die Nachbarinsel, die man von Kalasatama über eine Brücke erreicht: Sie heißt Mustikkamaa, Blaubeer-Land, und besteht vor allem aus Bäumen, Steinen und Kiesstrand. Die Frage war, wie man sie durch smarte Beleuchtung auch im Winter und Herbst besser zugänglich machen könnte, mit einem Lichtsystem, das sich an die Besucher anpasst. Seniorin Marjut Helminen wünscht sich, dass sie auch im Winter auf der Insel baden kann. Dafür braucht sie nicht nur Licht, sondern jemanden, der das Eis offen hält, und vielleicht eine Hütte zum Umziehen. War sie im falschen Workshop? "Man weiß nie, wem man bei diesen Treffen begegnet", sagt Veera Mustonen. "Gerade wenn man die falschen Leute trifft, denen man sonst nicht begegnet, kommt oft etwas dabei heraus." In Kalasatama gibt es auch das Pflichtprogramm für Smart Cities: ein intelligentes Stromnetz mit Stromzähler. Außerdem ein Müllsammelsystem, das über unterirdische Pipelines Müll ansaugt und zur Sammelstelle leitet, ohne Tonnen und Müllabfuhr. Das System weiß, welcher Haushalt was verbraucht und wegwirft. So werden viele Daten gesammelt und mit Erlaubnis der Bewohner für Studien genutzt. Einer der fleißigsten Studienteilnehmer im Viertel ist Petja Partanen. Er wohnt mit Frau und Kind in einem der oberen Stockwerke in der Junonkatu. Die Straßen sind nach den Schiffen benannt, die früher hier ihren Heimathafen hatten, die Schiffe hatten ihre Namen oft von Himmelskörpern. Die Wohnung von Petja Partanen ist neu und hell, die Aussicht noch unverbaut. Etwa alle zwei Monate bekommt er per E-Mail eine Einladung zu einer neuen Studie. Er macht nicht immer mit, weil das oft zeitaufwendig ist. Etwa das Experiment zu seinem CO₂-Fußabdruck: Da musste er wochenlang zusätzlich zu den Müll- und Stromdaten aufschreiben, was er isst und wie er sich fortbewegt. Er versucht jetzt, das Auto noch öfter stehen zu lassen. In die Innenstadt seien es nur acht Minuten mit dem Fahrrad, sagt er. Detailansicht öffnen Verkehr, Sicherheit, Umwelt - wie verändert die Digitalisierung das Leben in den Städten? SZ-Serie Folge 18 und Schluss. Illustration: Sead Mujic Petja Partanen ist Ingenieur und verdient sein Geld mit Fachartikeln. Schon bevor er vor zweieinhalb Jahren eingezogen ist, hat er eine Software für den städtischen Energieversorger getestet, er führt sie auf dem Laptop vor. Dort ist zu lesen, dass seine Familie an diesem Tag bisher zwei Kilowattstunden Strom, 23 Liter heißes und 55 Liter kaltes Wasser verbraucht hat. Außerdem gibt es ein Feld für jedes Gerät in der Wohnung. Er klickt auf das für die rote Espressomaschine, ein Klacken von der Küchenzeile und die Maschine ist aus. "Ziemlich cool", sagt er, trotzdem sei das Programm veraltet. In der Testgruppe hatte er angeregt, dass es auch Alarm schlägt, etwa wenn irgendwo Wasser leckt. Warum ist er hergezogen? Als sein Sohn auf die Welt kam, wurde die Wohnung im alten Arbeiter- und Hipsterviertel von Hel-sinki, in Kallio, zu klein. Von dort kommen nun viele junge Familien ins benachbarte Kalasatama. Für sie zählt die Anbindung, die Stadt baut eine neue Trambahnlinie. Außerdem gibt es viele Kinder; Kindergarten und Schule sind für Petja Partanen nur 50 Meter die Straße runter. Das Versprechen von Forum Virium ist, dass es den Bewohnern des Viertels eine Stunde Zeit am Tag spart, durch kürzere Wege und besseren Service. 600 Millionen Euro investiert die Stadt in Kalasatama, dazu kommen geschätzte fünf Milliarden Euro privater Investitionen. Deswegen hat Petja Partanen eine Großbaustelle vor dem Fenster, dort wird die nächste Landzunge des Hafens bebaut. Die Presslufthammer und die Warnsignale der Bagger dröhnen über den Balkon ins Wohnzimmer. Er sagt, er schaut den Baufahrzeugen gerne von oben zu, genauso wie sein Dreijähriger. Den Zoo auf der Nachbarinsel kann man von hier zwar auch sehen. Aber da waren sie so oft, dass ihn der Sohn schon langweilig findet. Eine einfache Sauna ist zur Attraktion für Touristen geworden Wo jetzt Baustelle ist, war früher Brach-land. "Leeres Land" haben sie es genannt, sagt Maija Bergström von Forum Virium. Sie führt Besuchergruppen durch das Viertel, herum um die wandernden Bauzäune. Das "leere" Land war Platz für Kreative, für Skater, für Kulturveranstaltungen. Dort steht die berühmte Sompasauna, eine grob gezimmerte Sauna am Wasser, für die man selbst Holz mitbringen und anheizen muss. Die Stadt hat die früher ein paar Mal abgerissen, weil es keine Genehmigung gab. Heute ist sie eine Touristenattraktion. Maija Bergström zeigt über die Baustelle hinweg in Richtung Bucht, dort sieht man die Innenstadt, den weißen Dom, die Eisbrecher am Hafen von Katajanokka. Gab es keine Proteste, weil das Kreativenviertel eher teuren Wohnblocks weichen muss? Es sei ja von Anfang klar gewesen, sagt Maija Bergström, dass sich das Viertel verändern würde. Außerdem bleibe genug Raum für Kultur, etwa das alte Kraftwerk Suvilahti. Dort findet jeden Sommer das Flow-Festival statt. Die Besichtigung endet an der Zukunfts-Schule, wo die Kinder weniger an festen Schreibtischen lernen und sich freier bewegen sollen. Noch ist es still auf dem Schulhof, Ferienzeit. Maija Bergström will hier eines der Pilotprojekte zeigen, die jedes Jahr in einer Art Wettbewerb für Kalasatama ausgewählt werden: Eine Wand aus Pflanzentöpfen, an der das Regenwasser vom Dach in einen großen bepflanzten Kasten läuft. Wiesenblumen locken Bienen und andere Insekten in die sonst eher betonlastige Umgebung, damit die nicht zu steril wird für die Kinder. Die Senioren im Kotisatama-Haus nebenan haben sich auch Blumenkästen auf ihre Dachterrasse gesetzt. Marjut Helminen führt auch das Kaminzimmer vor, den Fitnessraum, die Sauna, die Bücherei, den Hobbyraum, den Waschraum. In der Profi-Küche ist die frühere Radiojournalistin selbst als Köchin eingeteilt. Wer mitessen will, zahlt 4,50 Euro fürs Drei-Gänge-Menü. Im Speiseaal gibt es einen Beamer für Filmvorführungen. Die Gruppe, die für die Möbel zuständig war, habe 80 verschiedene Stühle getestet, erzählt sie amüsiert. Und was ist nun smart an ihrem selbstdesignten Haus? Smart, findet Marjut Helminen, habe nicht nur mit IT zu tun. Smart sei, wenn man die Menschen einbezieht.
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Mit 19 beendet die Diskuswerferin Amelie Döbler ihre Laufbahn. Sie war zuletzt nicht mehr bereit, alles in den Sport zu investieren.
Kugel oder Scheibe? Die Welt war für Amelie Döbler schon immer mehr als das. Die beiden Wurfgeräte, mit denen sie deutsche Meisterin war, will die Preisträgerin der SZ-Talentiade von 2015 künftig gar nicht mehr in die Hand nehmen. Ihr innerer Abschied dauerte lange, man konnte ihn von außen kaum bemerken. Jetzt, da es ein offizieller Abschied geworden ist, sieht man ihn deutlich. In einem Jeansjäckchen sitzt Amelie Döbler auf einem dieser Sprungkästen, die man aus dem Sportunterricht kennt; die Beine in schwarzen Leggings, an den Füßen glitzernde Sneakers, lange, rot lackierte Fingernägel, noch längere, blondierte Haare. Viele Jahre lang war dies hier ihr zweites Zuhause, bis vor wenigen Wochen. Nun wirkt sie fast fremd in der Münchner Werner-von-Lindehalle, zu der nur Kaderleichtathleten Zutritt haben. Die jungen Männer, die man im Hintergrund im Kraftraum sieht, tragen Shirts und Sporthosen, einer läuft auf Krücken. "Ich bin hier nach wie vor gerne", erklärt Amelie Döbler, wieso sie nun ausgerechnet diese Halle als Treffpunkt gewählt hat. Wegen der alten Gefühle. "Hier fällt es mir leichter, darüber zu sprechen", sagt die einst so hoffnungsvolle Münchner Diskuswerferin, die nun erklären will, wieso sie nicht länger eine hoffnungsvolle Diskuswerferin sein will. Amelie Döbler ist erst 19 Jahre jung. Vor vier Jahren war sie deutsche U-16-Meisterin im Kugelstoßen und Diskuswerfen. 2016 war sie deutsche U-18-Meisterin mit dem Diskus. Im selben Jahr wurde sie Zweite bei der U-18-Europameisterschaft in Tiflis, ihr größter Erfolg. Und in der Altersklasse U20 gewann sie die deutsche Winterwurf-Meisterschaft, das ist erst wenige Monate her. Doch schon lange vorher, erzählt sie, habe sie immer mal wieder mit dem Gedanken ans Aufhören gespielt. "Ich habe das schon so oft gesagt, dass ich mir irgendwann selber nicht mehr geglaubt habe." Inzwischen kann sie sich wieder glauben. Vor etwa sechs Wochen ging sie zu ihrem Trainer Gerhard Neubauer, es war kein leichter Weg. Schon ihrem Vater, der "diesen Sport bis heute lebt", wie Amelie Döbler es ausdrückt, hat Neubauer einst das Kugelstoßen beigebracht, und auf dessen Bitte hin unterrichtete er auch die nächste Generation, die Kinder Valentin und Amelie. "Gerd hat immer gesagt, mein Papa war sein erster Sportler und wir würden seine letzten sein", erzählt Amelie Döbler. Sie spielt nervös mit einem silbernen Armreif, als sie von dem Gespräch mit ihrem Trainer erzählt, dem 64-Jährigen, der seit Kurzem Präsident des Bayerischen Leichtathletik-Verbands ist und der viel in sie und ihren Bruder investiert hat. Es war nicht das erste solche Gespräch, es gab schon eines, nach dem verkorksten 46-Meter-Freiluftauftakt in Germering im Mai. Doch ihr hätten viele Freunde zum Weitermachen geraten, und auch ihr Trainer habe ihr Zuversicht gegeben und ihr signalisiert, dass er an sie glaube. All die Wettkämpfe standen da ja erst bevor. Die Zweifel begleiten den Teenager aber schon länger. Vor etwas mehr als einem Jahr hatte Döbler zwei Bänderverletzungen am Knöchel kurz nacheinander, die bislang einzigen größeren Blessuren. Auch damals habe sie sich gefragt: "Was bringt das eigentlich alles?" Sie habe dann die U-20-EM in Grosseto zur Motivation gehabt, die sie trotz der Verletzungen auf den letzten Drücker erreichte. "Das war noch eine richtig gute Erfahrung", erinnert sie sich: nicht aufgegeben zu haben. Doch am Ende verpasste sie als Neunte das Finale. Und so rettete sie sich von Anlass zu Anlass: deutsche Meisterschaft, ein Länderkampf in Nantes ("davor aufzuhören, wäre blöd"), die Winterwurf-DM, bei der ihr in Halle an der Saale 51 Meter gelangen. Als Nächstes wäre die U-20-Europameisterschaft in Tampere gekommen, erneut ein großes Ereignis. Die Qualifikation hätte sie packen können. Und dann die deutschen Meisterschaften in Nürnberg am kommenden Wochenende, ihren Wettkampfplan hat sie noch immer in ihrem Handy. "Im Februar hätte ich gesagt, 54, 55 Meter können wir im Sommer schaffen", sagt Trainer Neubauer. Doch seine Athletin zog den Schlussstrich früher. Seit Februar, März habe sie sich nur noch in jedes Training "geschleppt", stellte sie fest. Und das habe an niemandem als ihr selbst gelegen - das zu betonen ist ihr wichtig. Die Sache ist die: Amelie Döblers Diskus-Bestmarke von 51,20 Meter ist etwas älter als zwei Jahre, seither stagniert sie. "Wenn ich etwas mache, will ich Erfolg haben", erklärt sie, "zu den Besten gehören" - zumal wenn dieses Etwas neun Mal Training pro Woche erfordert. Ihr sei es schon immer schwer gefallen, Kraft aufzubauen in Armen und Beinen, egal was sie probierte. Sie sieht das im Vergleich mit ihren Konkurrentinnen, denen sie etwa im Bankdrücken unterlegen sei. Und sie hat ja den direkten Vergleich zu ihrer Trainingspartnerin Selina Dantzler, mit der sie seit vielen Jahren zusammen übt, mit der sie gut befreundet ist und die nun im Kugelstoßen alleine bei der EM in Tampere antrat, wo sie vergangenen Mittwoch Vierte wurde. Dantzler ist jünger als Döbler, kleiner, und obwohl sie dafür eigentlich zu leicht sein müsste, hält sie am Kugelstoßen fest, statt auf den Diskus auszuweichen. "Ich habe sie immer dafür bewundert, dass sie sich nicht beirren lässt", sagt Döbler. Ihr selbst aber wurde irgendwann klar: "Die Erfolge, die ich hatte, werden im Erwachsenenbereich nicht mehr möglich sein." Und die unbedingte Motivation, täglich an die eigenen Grenzen zu gehen, war verschwunden. Früher hatte Amelie Döbler einen sprichwörtlich riesigen Vorteil: Sie ist 1,93 Meter groß. "Man kann alles lernen - außer wachsen", hatte ihr Trainer Neubauer stets gesagt. Doch Döbler hat sich nicht nur innerlich verändert, auch äußerlich. Vor fast drei Jahren nahm sie mehr als 30 Kilo ab. Sie war dadurch schneller, aber auch ein wenig zu leicht, zumindest fürs Kugelstoßen. Sie machte das für sich, nicht für ihren Sport. "Ich habe mich in meiner Haut nicht mehr wohlgefühlt." In diesem Frühjahr hat sie wieder Diät gemacht, im Training fehlte ihr dann natürlich "jede Energie". Auch das spielte eine Rolle. Und dann gibt es ja noch das Leben nach dem Leistungssport: Schon als Kind habe sie einen Berufswunsch gehabt, der sich zufälligerweise gut mit dem Sport hätte vereinbaren lassen: "Als die anderen Prinzessinnen werden wollten, habe ich gesagt, ich will zur Polizei", erzählt sie. Doch dieser Traum platzte wegen eines Augenleidens. Aktuell beendet sie ein Freiwilliges Soziales Jahr beim TSV München-Ost, danach beginnt sie eine Ausbildung zur Erzieherin. "Ich will nicht irgendwann ohne alles dastehen." Amelie Döblers Entscheidung ist logisch und durchdacht. Und doch fiel sie ihr schwer. Da ist ihr Bruder Valentin, 21, mit dem sie jedes Training verbracht hat und der nun alleine weitermacht: "Wir haben immer gesagt: Wir ziehen das gemeinsam durch, und irgendwann stehen wir zusammen bei Olympia." Da ist ihr Trainer, der traurig ist, es ihr aber nicht verübelt, "jetzt für ihr Leben zu sorgen". Ihre Freunde, fast alle aus der Leichtathletik. Und natürlich die Eltern, die sie über so viele Jahre unterstützt haben. Zur EM in Tiflis, erinnert sich Döbler, habe sich ihr Vater extra freigenommen und sei mitgeflogen. "Das hat mir viel Kraft gegeben. Ich weiß heute noch, was er damals anhatte." Auch er sei zunächst "schockiert" gewesen von ihrem Entschluss. "Ich habe das die Hälfte meines Lebens gemacht", erklärt Döbler. Was ihr all der Aufwand im Nachhinein gebracht hat? Amelie Döbler zögert keine Sekunde. "Alles", sagt sei. Der Sport habe ihr Selbstvertrauen gegeben, er habe ihr viele Freunde und tolle Erlebnisse beschert. Mit ihrem Bruder habe sie oft über das Aufhören gesprochen, er habe sie dann gefragt, wer sie denn überhaupt wäre ohne ihren Sport; wenn sie plötzlich nicht mehr Amelie, die erfolgreiche Werferin ist. Darauf will sie nun eine Antwort suchen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/abhoer-skandal-das-betrogene-parlament-1.2736350
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Der Bundestag soll die Geheimdienste kontrollieren. Doch in der BND-Affäre wurden die Abgeordneten bewußt falsch informiert - ihr Unmut ist nun groß.
Am vergangenen Mittwoch trat in einem abhörsicheren Raum des Bundestags das Parlamentarische Kontrollgremium zusammen. Die Abgeordneten beugten sich über einen ersten Zwischenbericht, der darlegt, in welchem Umfang der Bundesnachrichtendienst (BND) bis zum Herbst 2013 Freunde abhörte. Die Liste ist lang: Der französische Außenminister Laurent Fabius gehört dazu, der deutsche Diplomat Hansjörg Haber, Botschaften aus EU-Ländern, das amerikanische Außenministerium, Unicef, das FBI, der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag. Die Liste wird noch länger werden. Die Auflistung kam nicht von der Bundesregierung, das Kontrollgremium - kurz PKGr - hatte erstmals eigene Leute in Gang gesetzt, um die Unterlagen zu sichten. Abgeordnete und eine Task-Force von Bundestagsbeamten sichten die Papiere, die inzwischen im Kanzleramt lagern. Das Entsetzen über das Ausmaß der BND-Spionage ist groß. Aber mindestens so groß ist das Entsetzen der Parlamentarier über das Verhalten der Bundesregierung. Spätestens jetzt ist klar, dass die Merkel-Regierung das Parlament seit Beginn der Snowden-Enthüllungen unvollständig, irreführend oder sogar bewusst falsch informierte. Wesentliche Informationen wurden unterschlagen oder erst dann den Kontrolleuren mitgeteilt, als Medien recherchierten. Die Empörung darüber ist groß, nicht nur in der Opposition, sondern auch in der großen Koalition: "Die Kommunikation gegenüber dem PKGr war unzureichend," kritisiert Stephan Mayer, innenpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion. "Sie geben nur zu, was nicht mehr zu leugnen ist, das ist ungeheuer frustrierend," sagt der derzeitige Vorsitzende des Gremiums, der Linken-Abgeordnete André Hahn. "Ich zweifele am Sinn meines Jobs der parlamentarischen Kontrolle", gesteht der dienstälteste Kontrolleur, Hans-Christian Ströbele: "Wenn ich jetzt die Akten lese, werde ich immer mehr verbittert und wütend. Ich sehe die unschuldigen Gesichter der Vertreter der Bundesregierung vor mir. Wie wurden wir im Sommer und Herbst 2013 an der Nase herumgeführt und belogen." Ähnlich macht der heutige Fraktionsvorsitzende der SPD, Thomas Oppermann seinem Ärger Luft. Oppermann saß 2013, zu Beginn der NSA-Affäre im Kontrollgremium und erfuhr nichts. "Das sind schwere Verstöße der Bundesregierung gegen die Berichtspflicht", sagt Oppermann. "Ich habe mehrfach nachgefragt, ob wir auch Spionage gegen befreundete Staaten betreiben." Oppermann sei "stinksauer" heißt es in der SPD-Fraktion. Schon einmal geriet die Regierung in Verdacht, es nach den Snowden-Enthüllungen mit der Wahrheit nicht so genau genommen zu haben: Die Aussichten auf ein No-Spy-Abkommen mit den USA wurden übertrieben dargestellt, um der Affäre vor der anstehenden Bundestagswahl 2013 die politische Wucht zu nehmen. Man habe stets nach "bestem Wissen und Gewissen" gehandelt und informiert, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert damals. "Die haben uns hinter die Fichte geführt", sagt ein Mitglied der G-10-Kommission Nicht einmal in der Regierung behaupten sie heute noch, das Parlament nach bestem Wissen und Gewissen informiert zu haben. Selbst im Kanzleramt räumen Verantwortliche ein, dass man das Kontrollgremium und die für Abhöraktionen gegen deutsche Staatsbürger zuständige G-10-Kommission viel früher und vollständig hätte unterrichten müssen. "Das ist einfach nicht gut gelaufen", räumt ein hoher Regierungsbeamter ein. Frank Hofmann, ein ehemaliger BKA-Beamter und Mitglied der G-10-Kommission, formuliert es drastischer: "Die haben uns hinter die Fichte geführt, das Vertrauen ist erschüttert." Detailansicht öffnen Mauern vor dem Bundestag: BND-Chef Gerhard Schindler im NSA-Untersuchungsausschuss. (Foto: Gregor Fischer/dpa) Eine kurze Geschichte der Täuschung des Parlaments geht so: Im Sommer 2013 tauchte erstmals der Verdacht auf, dass die NSA auch in Deutschland Daten abzapft, vor allem am weltweit größten Internet-Knotenpunkt in Frankfurt. Die Regierung schickte Delegationen nach Washington, angeblich um herauszufinden, ob dies denn auch wahr ist. Pressekonferenzen und Erklärungen gab es beinah jeden Tag. Die Kontrolleure des Bundestages, darunter Oppermann, wurden informiert: Alles in Ordnung, in Frankfurt spioniert nur der BND und das ganz legal. Selbst Kabinettsmitglieder, die besorgt nachfragten, wurden mit unvollständigen Erklärungen abgespeist. Die Regierung wollte nicht zugeben, dass der BND jahrelang in einer auch intern hoch umstrittenen Operation namens "Eikonal" die abgezapften Daten mit der NSA teilte. Der Vorgang war mindestens in der Regierungszentrale bekannt, darunter dem früheren Kanzleramtsminister Thomas de Maizière. Erst durch einen Medienbericht wurde die Sache ein Jahr später öffentlich, aber die Regierung änderte auch dann nichts an ihrer Methode, das Parlament in die Irre zu führen. Inzwischen hatte die Kanzlerin mit ihrem Satz, dass Ausspähen unter Freunden gar nicht gehe, einen moralischen Maßstab für das Abhörgeschäft vorgegeben. Jedes Eingeständnis, sich selbst nicht an diese Regeln gehalten zu haben, hätte die Kanzlerin beschädigt. Auch Bundespräsident Joachim Gauck ließ erklären, "dass sich Abhöraktionen gegen hohe Repräsentanten eng befreundeter Nationen nicht rechtfertigen lassen". Gauck hatte niemand gesagt, was der eigene Geheimdienst so angestellt hatte. Um eine öffentliche Blamage von Kanzlerin und Staatsoberhaupt zu verhindern, schien vielen in der Regierung Mauern nun Pflicht zu sein. So erfuhren die Kontrolleure im Bundestag nicht, dass nach dem Wort der Kanzlerin beim BND die Suchbegriffe systematisch auf Abhöraktionen gegen Freunde durchforstet wurden - Tausende sogenannte Selektoren wurden aussortiert. Direkt nach dem Diktum der Kanzlerin hatte BND-Präsident Gerhard Schindler Kanzleramtsminister Ronald Pofalla darüber informiert, dass es solche Praktiken auch im BND gibt. Pofalla ordnete an, solche Abhöraktionen sofort zu beenden. Die aussortierten Suchbegriffe - darunter Fabius - kamen auf eine sogenannte Quarantäneliste. Was tat Pofalla? Behielt er sein brisantes Wissen für sich? Teilte er es mit der Kanzlerin oder seinem Nachfolger, Peter Altmaier? Auf jeden Fall schwieg der Kanzleramtschef gegenüber den Parlamentarischen Kontrolleuren - dabei schreibt das Gesetz ausdrücklich vor, dass das Kontrollgremium über "besondere Vorkommnisse" zu unterrichten ist. Nur einmal gab die Regierung ihre Blockadehaltung gegenüber dem Parlament auf, allerdings offenbar nicht freiwillig, sondern notgedrungen. Die Abgeordneten wurden darüber informiert, dass der BND ein Gespräch zwischen der früheren Außenministerin Hillary Clinton und dem damaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan abgehört hatte. Der Vorgang ließ sich nicht mehr verbergen, ein CIA-Spion beim BND hatte eine Abschrift des Gesprächs seinen amerikanischen Führungsoffizieren übergeben, eine Kopie davon war zu einem Teil der Prozessakten geworden. Nur weil die Sache ohnehin auffliegen würde, erfuhr das Parlament davon. Aber selbst bei dieser Gelegenheit teilten weder BND noch Kanzleramt mit, dass unbeabsichtigte und gezielte Lauschangriffe auf befreundete Politiker und Staaten Methode hatten. Oder auch nur, dass das Abhören von Clinton nur einer von Hunderten Fällen war, wo amerikanische Politiker ins Visier gerieten. Im BND hatte man für solche Fälle tatsächlich ein eigenes Meldesystem etabliert: Weil die USA als Geburtshelfer des BND gelten, wurden die Abschriften abgehörter Telefonate amerikanischer Spitzen-Politiker nur dem Präsidenten auf den Tisch gelegt. Auf so viel Fürsorge durfte kein anderer Freund aus EU und Nato hoffen. Clemens Binninger, CDU "Man kann kritisieren, dass wir nicht umfangreich informiert worden sind. Aber wir müssen auch selbstkritisch feststellen, dass wir hartnäckiger nachfragen müssen." Noch bei seiner Vernehmung vor dem NSA-Untersuchungsausschuss im Juli diesen Jahres brachte es Pofalla fertig, von der "sehr erfolgreichen" Aufklärung der NSA-Affäre zu schwärmen, das sei im Sommer 2013 für ihn das "zeitlich aufwendigste Arbeitsfeld" gewesen. Von der Bespitzelung enger Freunde sagte Pofalla auch bei dieser Gelegenheit kein Wort. Stattdessen ließ er erahnen, warum man dem Parlament nichts gesagt hatte: Zu viel sei aus dem geheim tagenden Gremium nach außen getragen worden: "Das geheim tagende PKGr tagt längst nicht mehr geheim." Selbst schuld, sollte das wohl heißen. Auch die Geschichte von der deutschen Abhöraktion hätte das Parlament womöglich nie erfahren, hätten nicht Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR am 18. September Regierungssprecher Seibert mit den Ergebnissen einer Recherche über die Löschaktion konfrontiert. Die Regierung verweigerte einen Kommentar, mit Ausnahme der üblichen Floskel: Man äußere sich "grundsätzlich nur gegenüber den zuständigen Gremien des Deutschen Bundestages". Dabei hieß es in der Anfrage ausdrücklich, dass die Gremien des Bundestages von der Regierung über eben diese Vorgänge nicht unterrichtet worden waren. Erst nach der Anfrage entschied man im Kanzleramt, das Parlament umfassend zu informieren. Bei den Grünen werden nun die ersten Rufe nach Rücktritten laut, der für die Geheimdienstkontrolle zuständige Staatssekretär im Kanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, und BND-Chef Schindler stehen oben auf der Liste. Selbst in Union und SPD sehen das manche so. Die Erkenntnis, dass es "nun reicht", ist fraktionsübergreifend. Aber statt Rücktritte einzufordern, setzen Parlamentarier der großen Koalition lieber auf eine Reform der Geheimdienstkontrolle. In praktisch allen Demokratien führten erst Skandale und Grenzüberschreitungen zu einer parlamentarischen Kontrolle. In den USA war es 1974 die Erkenntnis, dass Agenten amerikanische Bürgerrechtsorganisationen unterwandert und ausgespäht hatten - Martin Luther King war das prominenteste Opfer. Neue Gesetze sollen es schwerer machen, die Kontrolleure zu täuschen Die jetzigen Erkenntnisse haben die Wucht, eine umfassende Reform der hierzulande nicht oder nicht gut genug funktionierenden Kontrolle auf den Weg zu bringen. Nach amerikanischem Vorbild sollen Experten, ein ständiger Bevollmächtigter und ein großer Arbeitsstab künftig vor allem dem PKGr und der G-10-Kommission zuarbeiten. Nur so könne Kontrolle verbessert werden, sagt der CDU-Abgeordnete Clemens Binninger: "Man kann kritisieren, dass wir nicht umfangreich informiert worden sind, aber wir müssen auch selbstkritisch feststellen, dass wir hartnäckiger nachfragen müssen." Erste Gesetzentwürfe kursieren bereits, im kommenden Jahr soll das Gesetz verabschiedet werden. Dann wird es der Regierung künftig sehr viel schwerer fallen, das Parlament zu täuschen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/volkert-ruhe-vom-verbrecher-zum-sozialen-unternehmer-1.3310982
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Er saß wegen Drogenschmuggels in Santa Fu. Heute macht er jungen Menschen klar, was sie riskieren, wenn sie kriminell werden.
Es war eine beschissene Kindheit und Jugend damals in dem Kaff am Rande des Harzes. Er und seine jüngste Schwester mussten die Alkohol- und Prügelexzesse des Vaters ertragen. Doch seiner verkorksten Jugend gibt Volkert Ruhe nicht die Schuld daran, dass er kriminell wurde. "Ich hatte aufgrund meiner Vorgeschichte nur eine höhere Wahrscheinlichkeit abzurutschen als Menschen aus wohlbehüteten Familien." Verantwortlich sei er aber trotzdem selbst - "und diese Verantwortung habe ich auch übernommen." 1996 wurde er zu 13 Jahren Haft verurteilt. Knapp acht Jahre davon verbüßte er im Knast, den Großteil in der berüchtigten Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel. Als er 15 war, überraschte Ruhe seinen Vater dabei, wie er sich an seiner jüngeren Schwester verging. Daraufhin schmiss ihn sein Vater aus der Wohnung. Fast zwei Jahre schlief er in einer verlassenen Gartenlaube, wusch sich in der Regentonne und ging trotzdem jeden Morgen zu seiner Ausbildungsstätte. Doch der Lohn war zu wenig, um davon leben zu können. "Mitte des Monats war ich pleite, hatte Hunger und begann, Lebensmittel zu stehlen." Später klaute er Zigaretten und räumte einen Kiosk aus. "Mit 18 musste ich zum ersten Mal für drei Monate in den Jugendknast." Detailansicht öffnen "Meine Kindheit ist nicht der Grund, warum ich kriminell wurde. Ich hatte aufgrund meiner Vorgeschichte nur eine höhere Wahrscheinlichkeit abzurutschen als Menschen aus wohlbehüteten Familien", sagt Volkert Ruhe. (Foto: Christian Stollwerk) Ruhe beendete seine Lehre als Landmaschinenmechaniker ohne Abschluss und heuerte mit 20 bei einer Drückerkolonne an. Nach sieben Jahren verließ er "dieses von Lügen, Gewalt und Angst geprägte Klima". Es folgten fast zehn Jahre, in denen er sich nach eigener Aussage abstrampelte, um auf ehrliche Weise Geld zu verdienen. Dann kaufte er eine Autowerkstatt, doch dieselben Leute, die sie ihm verkauft hatten, brachen kurz nach der Eröffnung ein und klauten alle neuen Werkzeuge. "Der Versicherungsschutz war noch nicht gültig. Ich war wieder am Boden." Abermals pleite, arbeitslos und null Antrieb. Untypisch für ihn, dem Disziplin und Pünktlichkeit eingeprügelt wurden. Als ihn ein Freund zum Urlaub nach Kolumbien einlud, gefiel es ihm da so gut, dass er sich in Südamerika eine Existenz aufbauen wollte. Beim zweiten Besuch brachte ihn ein Freund in Kontakt mit Leuten vom Cali-Kartell, für die er zehn Kilo Kokain, versteckt in einem Koffer, in Blitzgeräten für Fotoapparate, nach Deutschland schmuggelte. Trotz Angst- und Panikattacken. Die Ware sei damals insgesamt rund 600 000 Dollar wert gewesen, sagt er. "Zwei Kilo durfte ich selbst behalten, zusätzlich bekam ich 20 000 Dollar Transporthonorar." Es blieb sein einziger persönlicher Schmuggel, danach suchte er sich Leute für diesen Job. Menschen, die oft selbst in einer finanziellen Notlage waren. "Wenn ich darüber heute nachdenke, wird mir klar, wie schäbig das war." Dreieinhalb Jahre organisierte er die Kuriere und Klein-Dealer für den deutschen Markt. Zu dieser Zeit jedoch hatte er kein schlechtes Gewissen wegen der Drogen. "Koks war für mich etwas, dass sich Yuppies in die Nase zogen, um Party zu machen, sonst nichts. Was diese Drogen mit den Menschen machen, was mit dem Zeug auf dem Weg nach Deutschland passiert, wie viele Menschen in Mitleidenschaft gezogen werden und an ihrer Abhängigkeit zugrunde gehen - all das wurde mir erst viel später bewusst." Mehrfach kam er in brenzlige Situationen. Einmal hatte er eine Pistole am Kopf, als einer seiner Leute mit einem Koffer voller Koks verschwand. "Ich wusste, dass ich tot bin, wenn ich die falsche Antwort gebe." Die kolumbianischen Drogenbarone ließen ihn leben - mit der Auflage, für den Schaden gerade zu stehen. Das bedeutete, dass er die nächsten Transporte umsonst machen musste. "Erst da wurde mir bewusst, in welcher Scheiße ich steckte." Gefangene helfen Jugendlichen Seit Volkert Ruhe 2001 mit drei Mitstreitern das Projekt "Gefangene helfen Jugendlichen" (GHJ), gründete, sind die Aufgaben des Vereins gewachsen. Am Anfang stand die persönliche Begegnung von Ex-Häftlingen mit Jugendlichen, die selbst schon einmal mit Polizei und Justiz in Berührung geraten waren, im Vordergrund. Bei diesen Jugendlichen geht es vor allem darum, dass sie nicht noch weiter abstürzen, und um Unterstützung bei der Resozialisierung. Bei anderen Heranwachsenden hat das Projekt rein präventiven Charakter. Es kommen nie ganze Schulklassen in die JVA, sondern nur speziell ausgewählte Jugendliche, maximal zwölf. Oder aber Ruhe und seine Mitstreiter besuchen Schulen. Inzwischen bietet der Verein mit Sitz in Hamburg auch Antigewalt- und Deeskalationstraining sowie pädagogisches Boxen an, er klärt über Cybermobbing auf und organisiert Gespräche mit ehemaligen Suchtkranken. GHJ ist vor allem in Norddeutschland verbreitet, mit Ablegern in Hannover, Bremen und neuerdings auch in Nordrhein-Westfalen. Ruhe führt den Erfolg des Projekts auf Kontinuität, die persönliche Überzeugung seiner Mitarbeiter und die positiven Rückmeldungen der jugendlichen Teilnehmer zurück. "Klar gibt es da auch Leute, die wir nicht erreichen. Aber ich lasse mich davon nicht runterziehen, sondern setze auf die, denen wir helfen konnten." Lars Langenau Damals aber lebte er ein gutes Leben mit seiner kolumbianischen Freundin, die von seiner Existenz als Krimineller nichts wusste. "Als ich verhaftet wurde, war sie dabei. Meine Lüge war aufgeflogen. Ich schämte mich in Grund und Boden." Ein Jahr brach er den Kontakt zu ihr ab, weil er sie schützen wollte. Doch sie schrieb ihm all die Jahre ins Gefängnis, heute ist sie seine Ehefrau und Mutter seines Sohnes. In Kolumbien fühlte er sich sicher, da kein Auslieferungsabkommen mit Deutschland bestand. Doch zwei seiner Leute flogen auf und sagten als Kronzeugen gegen ihn aus. Bei einem Ausflug nach Panama schlugen die Ermittler von Interpol zu. Ruhe war 40, als er verhaftet, zu der langen Haftstrafe verurteilt wurde und nach Santa Fu kam. Besonders die ersten Monate seien hart gewesen: Seine Psyche spielte verrückt. Dann gewöhnte er sich an die Realität hinter Gittern, ging "den Psychopathen und Gewalttätern" aus dem Weg, übernahm viele Zusatzaufgaben, "um nicht ständig ins Grübeln zu kommen" - und machte im Knast einen Schulabschluss und begann ein Fernstudium. "Der Knast hat mich nicht zum schlechten Menschen gemacht, sondern brachte die guten Seiten in mir zum Vorschein", sagt er. Eines Tages sei er auf einen Zeitungsartikel über ein Projekt in den USA gestoßen, bei dem jugendliche Straftäter zu einem eintägigen Knastbesuch verdonnert wurden. Von dieser Schocktherapie hielt er nichts, doch es entstand dabei die Idee, dass Jugendliche freiwillig ins Gefängnis kommen und ins Nachdenken kommen. Gegen viele Widerstände, aber mit dem Segen der Gefängnisleitung, entwickelte er die Idee mit drei Mitstreitern zum Projekt. Als dann im Mai 1999 zum ersten Mal eine Gruppe Jugendlicher erschien, saßen ihm Menschen gegenüber, die ihn nicht als Verbrecher sahen, sondern als jemanden, der ihnen helfen konnte. "Erstmals in meinem Leben hatte ich das Gefühl, gebraucht zu werden - ein verdammt gutes Gefühl." 2001 wurde Ruhe Freigänger und gründete den Verein "Gefangene helfen Jugendlichen". Eine Idee, die Schule machte: Der Verein bekommt heute Zulauf von zahlreichen Behörden, etwa 40 freien Trägern sowie etwa 100 Schulen. "Inzwischen hat unsere Initiative wegen unseres Erfolgs bei der Kriminalprävention viele Preise bekommen und wurde sogar von Angela Merkel geehrt." Seither bezieht er von seinem Verein sogar ein Gehalt: 1700 Euro brutto im Monat. Soeben hat er ein Buch über seine Geschichte veröffentlicht. Darin schildert er die flüchtige Begegnung mit einem ziemlich verlotterten jungen Mann. Ihn berührte dieser Kontakt, denn der Typ erinnerte ihn an jemanden. An ihn selbst in diesem Alter. "Da verstand ich plötzlich, warum ich mich um all die Jugendlichen und ihr tristes Leben kümmere. Es geht dabei nicht zuletzt auch um die Verarbeitung meines eigenen Lebens."
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400 Gamer, 2000 Zuschauer und jede Menge virtuelle Schlachten - in Köln fand eine Europameisterschaft besonderer Art statt.
(SZ vom 21.5.2002) - Der Tagungssaal des vornehmen Kölner Hotels ist bis zum Anschlag gefüllt, die meisten Besucher der Wochenendveranstaltung verfolgen das auf Leinwände übertragene Geschehen im Stehen. Ab und zu geht ein Raunen durch den Raum. Dann wird applaudiert, und alle schauen artig weiter. Kein Jubiläum wird hier gefeiert, keine Firmenpräsentation und kein Hochzeitspaar - der Applaus gilt Matthias Donker. Detailansicht öffnen Der 18-jährige Azubi aus dem niedersächsischen Papenburg hat gerade in einer waghalsigen Rettungsaktion eine Bombe entschärft. Dem martialischen Vorgang entsprechend bebt die Leinwand in militärischem Grün. Auch in den Folgeminuten generiert sie immer wieder bedrohliche Ereignisse und zeigt zuletzt nur Nebelwelten: Matthias Donker ist Scharfschütze, virtuell betrachtet. Und die Bombe, die er mit seinem Team Calusha sucht, ist Bestandteil des Online-Computerspiels Counter-Strike, das seit dem Schul-Massaker von Erfurt durch einen verzweifelten Fan namens Robert Steinhäuser Schlagzeilen macht. Was also hier veranstaltet wird, wenige Wochen nach einer schrecklich realen Tat, ist ein Wettkampf der "CPL Europe", der "Cyberathlete Players League", eine Art Europa-Meisterschaft im Counter-Strike-Spielen. 400 Spieler aus zwölf Ländern betreiben hier "E- Sport"; 2000 Besucher, die meisten um die 20 Jahre alt, schauen sich das Ganze auf Leinwänden an. Und richtig, es wird auch ins Netz übertragen. Ist diese Zusammenkunft nun eine Art internationaler Konferenz potentieller Amokläufer? Immerhin gehört Counter-Strike zum Genre der Ego-Shooter, die meist miteinander vernetzten Spieler ballern aus der Perspektive eines Kämpfers vor sich hin. Kritiker sprechen von einem Killer-Spiel und einer Software, die aus Menschen Waffen mache. Für den Scharfschützen Matthias Donker, im wahren Leben ein Schmalhans, die Augen klein wie Rosinen, führt kein Kabel von der Festplatte zur Wirklichkeit. Wenn das so einfach wäre mit den Waffen im Spiel und im Leben, dann wären die so genannten Gamer die besten Piloten, sagt er. Sie könnten die besten Autorennen fahren. "Die Presse interessiert sich nur für uns, wenn es Sensationen gibt. Aber abgesägte Schrotflinten wird hier niemand finden." Dann setzt er seinen Kopfhörer auf und entschwindet zum Probekampf. Bolzplätze der Bewegung Auf der Suche nach abgesägten Schrotflinten treffen wir Alexander "The Slash" Müller. Der CPL-Organisator schaut aus wie ein Stratege aus den goldenen Tagen der New Economy, er tritt offensiv auf. "Unsere Community muss sich nicht verstecken", sagt Herr Müller, der sich "auch ganz generell" fragt, ob "der Bundeskanzler Schröder noch bei Verstand ist, wenn der sich hinstellt und sagt: 'Counter-Strike muss verboten werden'." Müller hat nämlich ausgerechnet, dass es in Deutschland derzeit eine Million Gamer gibt, Leute also, die sich online mit Spielen wie Counter-Strike, aber auch "Quake 3" oder "Unreal Tournament" die Zeit vertreiben. Überraschenderweise weist Herr Müller darauf hin, dass dies zwei Prozent des Potentials an Wählerstimmen bei der nächsten Bundestagswahl entspreche. Darüber, dass die meisten Spieler weit unter Wahlalter sind, möchte er sich aber nicht mehr unterhalten. Ein Kamerateam wartet bereits. Die Gemeinschaft der Gamer wächst tatsächlich; gerade im Bereich der Online-Spiele sind Rekorde zu verzeichnen. Allein in Deutschland treffen sich bis zu 500.000 meist sehr junge Menschen monatlich auf so genannten LAN-Partys, den Bolzplätzen der Bewegung. LAN steht für "Local Area Network", ein Netzwerk aus mitgebrachten Rechnern, die in Turnhallen zusammengeschlossen werden. Zum Flackern der Bildschirme, unterstützt durch einen Überschwang aus jugendlicher Emphase und Red Bull, wird ganze Wochenenden lang in Endlosschleifen durchgespielt. An die 200 Turnhallenpartys finden monatlich statt, wobei die Profispieler in einem Team oder Clan zusammengeschlossen sind. Die besten Clans konkurrieren in Wettkämpfen wie der "CPL Europe" miteinander; etliche Gamer können vom Counter-Strike-Spielen leben. Das Team Calusha beispielsweise kann bei diesem Turnier 10.000 Euro Preisgeld mit nach Hause nehmen; der Amerikaner Jonathan "Fatality" Wendel, ein Shootingstar der Community, verdient an Preisgeldern und Werbeeinnahmen 80.000 Dollar pro Jahr, Sachwerte nicht eingerechnet. Amateure wie Matthias Donker, der erst seit einem Jahr spielt, sind auf der CPL eine Seltenheit. Hier treffen sich die Stars der Community, sportlich gekleidete Schlakse, die ihre Tastaturen wie Surfbretter unter dem Arm tragen und von ihren Sponsoren zu Meisterschaften nach Dallas oder Brasilien geflogen werden. Kai Hering aus Hamburg ist so ein Star. Der 18-Jährige trägt ein T-Shirt, auf dem der martialische Name seines Clans steht: Er ist Nahkampfprofi bei MTW, was hier einmal nicht für Musikfernsehen, sondern für Mortal Teamwork steht. In realen Welten wirkt Kai Hering nicht martialisch, sondern wie die Miniaturausgabe eines Rennfahrers - wie Trophäen trägt er viele kleine Sponsorenlogos auf seinem T-Shirt. Während der Reporter noch andere Spieler mit den Markenzeichen von Computerfirmen wie Dell oder Alternate, aber auch von Burger King, Sprite und der dänischen Telekom entdeckt, bekommt er von Kai Hering die Counter-Strike-Regeln erklärt, denn gleich beginnt die nächste Runde. Das Spiel, so Kai Hering mit ruhiger Stimme, stelle drei Landschaften zur Verfügung, in denen zwei Mannschaften gegeneinander kämpfen. Die eine Gruppe, bestehend aus Terroristen, legt eine Bombe, die von den anderen entschärft werden muss. Das Ganze wird über zwölf Runden gespielt, jede Runde dauert meist nur eine halbe Minute. Dann tauschen die Mannschaften die Rollen, aus Terroristen werden Counterterroristen und umgekehrt, Adrenalinstoß garantiert. Und ja, es fließt auch Blut. Aber: "Wer nicht im Team spielt", Kai Hering nimmt einen Schluck Cola, "der hat keine Chance, zu gewinnen." Es geht darum, gemeinsam eine Taktik zu finden, es geht um Reaktionsvermögen und räumliches Denken. Sagt Kai Hering. Ob er ganz sicher ist, dass er gewinnt? Immerhin spielt der Azubi in der deutschen Counter-Strike-Nationalmannschaft. "Ich hoffe, dass wir nicht in der ersten Runde rausfliegen." Kai grinst uns freundlich ins Gesicht. Freundlich sind sie fast alle, unaufdringlich und etwas still. Auf der Suche nach Schrotflinten oder seltsamen Subjekten wird auf der CPL wohl niemand fündig; Besucher und Teilnehmer benehmen sich, als feierten sie einen ruhigen Rave. Selbst die Leitung des Maritim-Hotels ist überrascht, dass bei einer derartigen Massierung untergewichtiger Teenagerkörper derart viel Ordnung sein kann. Es ist schon Samstagnachmittag, und noch immer ist nichts kaputtgegangen. Etwas gelangweilt findet sich zu diesem Zeitpunkt auch der Calusha-Clan wieder in der Hotelhalle ein. "Wir gewinnen niemals", sagt Matthias Donker, "wir spielen gleich gegen MTW, das sind die Besten. Da fliegen wir sofort wieder raus." Aber die Calusha-Kämpfer sind nicht unbedingt hier, um zu gewinnen: "Es gibt ein paar ganz hübsche Mädchen. Und wir suchen Kontakte zu Spielern aus anderen Ländern." Die Russen und die Iren Wer sich genauer umsieht, merkt, dass die Teilnehmer tatsächlich mehr englisch sprechen als deutsch. Unübersehbar die kleinen Eigenarten der Länderteams: Die Russen spielen wie zu Hause, mit der Tastatur auf den Beinen, den Bildschirm auf fünfzehn Zoll verkleinert. Die Iren sind schon am frühen Samstagabend aus dem Rennen und betrinken sich auf äußerst professionelle Art. Das bulgarische Team ist Freitagnacht wegen Überbelegung aus seinem Hotel geworfen worden, auch das ein absoluter Klassiker. Kubrat "Kobretti" Tsakov, der 19-jährige Kapitän, klärt gern darüber auf, dass Counter-Strike in seinem Land ein Nationalsport ist, wichtige Kämpfe würden im Fernsehen übertragen. Die besten Spieler aber kommen aus den skandinavischen Ländern: "Die haben die schnellsten Internetverbindungen. Und am meisten Zeit zum Trainieren", schmunzelt Kai Hering. Der sich jetzt verabschiedet: "Gleich muss ich ins Turnier." Erstmal wird noch viel gewartet. Das Spiel Calusha gegen MTW wird zwei Mal um eine Stunde verschoben. Endlich dürfen die Clans zum Weiterwarten in einen Zwischenraum. Dann geht es in den abgesperrten Bereich, den nur Spieler betreten dürfen. Man kann sich hier leicht in das Hauptbüro einer Weltraumbehörde versetzt fühlen. 80 Rechner schnurren vor sich hin, die Teilnehmer nehmen nebeneinander Platz und treffen ihre letzten Vorbereitungen mit ernsthafter Konzentration. Immer noch sind es 30 Minuten bis zum Start. Matthias Donkers Unterkiefer geht, verdächtig mahlend, vor und zurück. Nervös nestelt der Junge an seiner Hose herum. Letzte Strategiebesprechung. Dann setzt er die Kopfhörer auf: Spielstart. Grillen zirpen, gleich wird er das vertraute Knirschen auf Kieswegen hören. Seine Mitspieler tragen dunkelblaue Kampfanzüge. Sie sind vermummt. Ein aufgeregtes Stimmengewirr wie aus einem Wettbüro kommt von gegenüber, von der gegnerischen Mannschaft: "Kollege! Bombe! Eine Rampe von hinten! Ich brauch- einen Flash. Kai! Schau endlich auf den Monitor!" Matthias Donker geht in Deckung. Wo ist sein Teamgefährte, der Counterterrorist, der gerade noch neben ihm war? Verdammt. Da tauchen plötzlich aus dem Nichts zwei Terroristen auf. Intuitiv hat Matthias Donker sein Gewehr in Anschlag gebracht, er mäht die Gegner blitzschnell um - bevor es plötzlich neblig wird und grün. Ihm ist jetzt klar, dass er in einen Hinterhalt gelockt wurde. Drei Terroristen laufen auf ihn zu. Scharfschütze Donker wird mit einem Kopfschuss niedergestreckt. Dann geht das Ganze wieder von vorn los, zwei Dutzend Mal, bis Matthias dem Nahkampfprofi Kai von MTW müde die Hand zum Sieg schüttelt. Müde und glücklich: Immerhin hat er gerade gegen einen Meister gespielt. Soldatisches ist in den Spielkabinen nicht zu entdecken. Hier geht es eher um das Erkennen von Gegnern und Gefahren, die ungeheuerlichen Reaktionszeiten, die Handmotorik (das so genannte Tapping), das Zusammenwirken einer Mannschaft. "Wir sehen uns als Sportler, nicht als Kämpfer," sagt Kai Hering. Er könnte gerade im Trainingsraum seines Handballvereins stehen und genau das Gleiche sagen. Die Kritik an Ego-Shootern will trotzdem nicht verstummen. "Das Spiel übt Gewalt ein", so sagt der Neurophysiologe Henner Ertl vom Münchener Institut für rationelle Psychologie, der am bislang größten Forschungsauftrag über Medieneinwirkungen auf Jugendliche mitgearbeitet hat. "Imitationslernen zwingt die Spieler auch im wirklichen Leben zu Gewalthandlungen." Ist also die "CPL Europe" doch eine Ausbildungsstätte für Amok-Schützen? Hier lenkt Henner Ertl ein: "Die Enthemmung in der Wirklichkeit findet nur bei Vorgeschädigten statt." Ähnlich wie die polizeilichen Profiler macht auch Medienforscherin Claudia Esser von der Fachhochschule Köln im Fall Steinhäuser ein fehlendes soziales Netz verantwortlich - und nicht Counter-Strike: "Die Konsumenten", so Esser, "ziehen aus dem Spiel nur das heraus, was für sie von Bedeutung ist." Junger Mann in Rage Während des Schlussduells in Köln am Sonntag, das zwischen der französischen Mannschaft Against All Authorities und der skandinavischen Nordic Division ausgetragen und von letzterer gewonnen wird, kommen einige Spieler richtig in Fahrt. Da sitzen ein paar Leute von Calusha mit dem 23-jährige Systemadministrator Nicolaj "Ak not" Kristensen aus Kopenhagen zusammen. Und der schimpft: Weil viele Ungerechtes über die zehn Millionen registrierten Online-Gamer verbreitet werden, die es auf der Welt gibt. "Wenn einer eine schlimme Tat verüben will", sagt Rotschopf Kristensen, "warum soll ihn dann ausgerechnet ein Spiel zur Waffe machen?" Der junge Mann redet sich in Rage, die anderen geben ihm recht. Sie meinen, junge Menschen seien kein Gefäß, in das ein böses Spiel Botschaften hineinstopfen könne. Dass Erfurt zum Anlass genommen werde, ihre Community zu zerstören, die doch so vielen Menschen etwas bedeute, können sie nicht verstehen. Einer sagt, das läge daran, dass das von Usern entwickelte Spiel Counter-Strike keine Lobby habe. "Niemand verdient an Counter-Strike, jeder kann es aus dem Netz herunterladen. Niemand macht sich dafür stark." Auch Nicolaj Kristensen ist ratlos: "Ich finde es schön, dass in dem Internetcafé in Kopenhagen, in das ich gehe, ganz verschiedene Dinge möglich sind: Studenten schreiben Essays, Geschäftsleute bereiten Powerpoint-Präsentationen vor, junge Leute spielen Counter-Strike." Matthias Donker redet nicht mit. Er hat sich fünf Mädchen zugewandt, die vor dem Eingang des Hotels wie weiße Kerzen in der Sonne stehen. Und flirtet mit Dorothee "Teufelchen" Adams vom Frauenclan Iron. Kai Hering steht daneben und telefoniert mit jemandem aus dem heimatlichen Handballverein.
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Der Tournee-Zweite will aber beim Finale am Mittwoch springen. Deutsche Skilangläuer überraschen bei Tour de Ski. Serena Williams gibt in Perth mit Knieproblemen auf.
Skispringen, Severin Freund: Skisprung-Weltmeister Severin Freund muss nach seinem Sturz in Innsbruck auf das Training und die Qualifikation für das letzte Springen der Vierschanzentournee in Bischofshofen am Dienstagnachmittag verzichten. "Heute macht es keinen Sinn, der Ruhetag hat nicht ausgereicht, um ihn sprungfertig zu machen", sagte Bundestrainer Werner Schuster: "Severin wird aber im Wettkampf am Mittwoch springen und eine gute Leistung bringen." Der 27 Jahre alte Freund, der mit rund 20 Punkten auf den führenden Slowenen Peter Prevc ins Finale geht, war am Sonntag in der Probe zu Fall gekommen und hatte sich diverse Prellungen zugezogen. Skilanglauf, Tour de Ski: Sebastian Eisenlauer hat bei der Tour de Ski mit seiner bisher besten Weltcup-Platzierung für eine Überraschung gesorgt. Im Klassik-Sprint in Oberstdorf schaffte Eisenlauer erstmals den Sprung ins Finale und wurde am Dienstag starker Sechster. Auch Sandra Ringwald schaffte als Achte ihr bisher bestes Saisonergebnis. Ihre jeweils ersten Weltcupsiege sicherten sich der Norweger Emil Iversen und die US-Amerikanerin Sophie Caldwell. Die drittplatzierte Norwegerin Ingvild Flugstad Oestberg baute ihren Vorsprung in der Gesamtwertung vor ihrer Teamkollegin Therese Johaug ebenso aus wie Martin Johnsrud Sundby aus Norwegen, der Vierter wurde. Tennis, Serena Williams: Die Tennis-Weltranglisten-Erste Serena Williams hat vor den Australian Open einen gesundheitlichen Rückschlag erlitten. Bei ihrem ersten Saison-Auftritt beim Hopman Cup in Perth gab die 34-Jährige am Dienstag wegen einer Knieverletzung auf. Beim Stand von 5:7, 1:2 konnte die US-Amerikanerin die Partie gegen die Australierin Jarmila Wolfe nicht weiterspielen. "Ich habe eine Entzündung im Knie, die sehr langsam weggeht. Sie verschwindet, aber es braucht noch ein bisschen mehr Zeit", sagte die ältere Williams-Schwester. Ob sie am Donnerstag gegen Tschechien antrete, wolle sie kurzfristig entscheiden. Schon am Montag hatte sie ihr erstes Match bei der inoffiziellen Mixed-Weltmeisterschaft gegen Jelina Switolina aus der Ukraine abgesagt. Beim ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres ist die Nummer eins der Tennis-Welt Titelverteidigerin. Die Australian Open beginnen am 18. Januar in Melbourne. Für die vorentscheidende 2:0-Führung für das Team Australia Gold sorgte Routinier Lleyton Hewitt mit einem 7:5, 6:4 über Jack Sock. Der 34-jährige Hewitt will seine Karriere bei den Australian Open beenden. Das deutsche Duo beim Hopman-Cup bestreitet in der Nacht zum Mittwoch seine zweite Partie gegen Frankreich. Zum Auftakt hatten Sabine Lisicki und Alexander Zverev gegen Australia Green 0:3 verloren. Slalom, Santa Caterina: Skirennfahrerin Maren Wiesler hat mit Rang elf beim Slalom in Santa Caterina das beste Weltcup-Ergebnis ihrer Karriere erreicht. Wie Christina Geiger auf Platz 16 sammelte Wiesler am Dienstag damit zudem wichtige Zähler, um nach der bislang durchwachsenen Saison in der Startliste nicht aus den Top 30 zu fallen. Der Sieg im Ersatzrennen für Zagreb ging an Nina Løseth. Die Norwegerin war bei ihrem Premierenerfolg 1,12 Sekunden schneller als Sarka Strachova aus Tschechien. "Das wurde auch langsam Zeit, oder?", fragte die glückliche Sportlerin. "Wir fahren heute noch sechseinhalb Stunden, aber vielleicht öffne ich im Auto eine Flasche Champagner." Dritte wurde Veronika Velez-Zuzolova aus der Slowakei. Lena Dürr, Elisabeth Willibald und Barbara Wirth hatten die Qualifikation für den zweiten Durchgang verpasst. Fußball, Spanien: Der ehemalige Basketballer Steve Nash, sechs Jahre lang Mannschaftskollege von Dirk Nowitzki bei den Dallas Mavericks, hat zusammen mit einigen Geschäftspartnern die Aktienmehrheit beim spanischen Fußball-Zweitligisten Real Mallorca übernommen. Der deutsche Manager und bisherige Besitzer Utz Claasen wird einen Großteil seiner Aktien abgeben, jedoch weiter Präsident des akut abstiegsbedrohten Klubs bleiben. Nash und seine Partner, zu denen die Eigentümer des NBA-Klubs Phoenix Suns gehören, erwarben im Rahmen einer Kapitalerhöhung Anteile im Wert von knapp 21 Millionen Euro. Sie halten damit 80 Prozent der Aktien. Claasen gehören künftig noch 20 Prozent. Fußball, FC Bayern: Bayerns langzeitverletzter Flügelspieler Franck Ribéry hat sich für das Jahr 2016 nicht nur selbst viel vorgenommen, sondern erwartet auch, dass sein väterlicher Freund Uli Hoeneß für Furore sorgt. "2016 wird für ihn und mich ein wichtiges Jahr - wir wollen beide wieder angreifen!", sagte der Franzose der Sport Bild über den einstigen Patron des Fußball-Rekordmeisters. Ribéry (32) fügte hinzu, dass er viel Kontakt zu Hoeneß habe, der mittlerweile als Freigänger eine Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung verbüßt. "Wir sehen uns häufig. Er ist wieder voll aktiv, es freut mich zu sehen, wie gut es ihm geht", sagte Ribéry über den früheren Präsidenten, der am Dienstag seinen 64. Geburtstag feierte. Bereits in diesem Frühjahr könnte Hoeneß auf Bewährung aus dem Gefängnis kommen. Basketball, NBA: Die Utah Jazz mit dem deutschen Nationalspieler Tibor Pleiß haben in der US-Profi-Liga NBA ihr Heimspiel gegen die Houston Rockets mit 91:93 verloren. In der engen Begegnung am Montag (Ortszeit) stand Pleiß 12:36 Minuten auf dem Feld, holte fünf Rebounds und erzielte zwei Punkte. Utah kassierte die 18. Saisonniederlage. Bester Werfer beim Gastgeber war Rodney Hood mit 23 Punkten, bei Houston kam James Harden auf 30 Zähler. Cricket, Indien: Ein Schüler im indischen Mumbai hat wohl einen mehr als 100 Jahre alten Rekord im Kricket übertroffen. Der 15-jährige Pranav Dhanawade habe in einem zweitägigen Schulturnier 1009 Punkte (Runs) erzielt, sagte ein Sprecher der Kricket-Vereinigung Mumbais am Dienstag. Bisheriger Rekordhalter ist laut indischen Medien der Brite A.E.J. Collins, der im Jahr 1899 im Clifton College 628 Punkte holte. Der Sprecher der Kricket-Vereinigung sagte, es sei noch unklar, ob das Spielfeld den Regularien entsprochen habe und der Rekord anerkannt werde. Dhanawade ist laut der indischen Zeitung "dna" der Sohn eines Auto-Rikscha-Fahrers. "Nach seinem riesigen Innings (Spielphase, in der eine der beiden Mannschaften Punkte erzielt) hat er Krämpfe bekommen", sagte sein Vater der Zeitung. Dabei soll sein Kricket-Schläger sogar gebrochen gewesen sein, wie der Youngster der Zeitung "Mid-Day" berichtete: "Da das Ende meines Schlägers einen Riss hatte, habe ich versucht, den Ball in der Mitte zu nehmen und gegen die Spielfeldgrenze zu schlagen." Schließlich habe er seinen Schläger getauscht. Und seine Mitspieler hätten ihm auch Zuckerwasser gegeben, damit er die vielen Stunden durchhalten konnte. Skispringen, Gregor Schlierenzauer: Für den formschwachen Skispringer Gregor Schlierenzauer ist die 64. Vierschanzentournee vorzeitig beendet. Österreichs Nationaltrainer Heinz Kuttin verzichtet beim Finale am Mittwoch in Bischofshofen kurzfristig auf den 25-Jährigen, der sowohl in Oberstdorf als auch Innsbruck den zweiten Durchgang verpasst hatte. Für Schlierenzauer wird der ebenfalls formschwache Thomas Diethart, Tournee-Sieger von 2013/2014, ins ÖSV-Team rücken. Diethart hat in dieser Saison noch kein Weltcup-Springen bestritten. "Ich habe längst akzeptiert, dass ich hinterherspringe", schrieb Schlierenzauer auf seiner Homepage: "Sie nehmen mir damit eine Last von den Schultern, die zuletzt immer größer geworden ist. Ich wollte die Tournee unbedingt durchspringen, aber es passt so ganz und gar nichts zusammen, und mir fallen auch keine Antworten mehr ein." Ein Start bei der Skiflug-WM am Kulm (14. bis 17. Januar) ist für den Weltmeister von 2008 kaum denkbar. "Wie es weitergeht, wird man sehen", schrieb der Rekord-Weltcupsieger und zweimalige Tournee-Gewinner. Vor der Tournee hatte er bereits die Weltcups in Kuusamo/Finnland und Nischni Tagil/Russland ausgelassen. Tennis, Auckland: Fed-Cup-Spielerin Julia Görges (Bad Oldesloe) ist beim WTA-Turnier im neuseeländischen Auckland mühelos ins Achtelfinale eingezogen. Die 27-Jährige gewann ihr Auftaktmatch gegen die Tschechin Lucie Hradecka in nur 58 Minuten mit 6:0, 6:3 und trifft in der nächsten Runde auf Hradeckas Landsfrau Barbora Strycova. Neben Görges steht auch Carina Witthöft bei dem mit 250.000 Dollar dotierten Hartplatzturnier in der Runde der letzten 16. Die Hamburgerin hatte bereits am Montag das deutsche Duell mit Tatjana Maria (Bad Saulgau) 6:2, 7:6 (7:3) für sich entschieden. Im Achtelfinale bekommt es Witthöft mit der Amerikanerin Sloane Stephens zu tun. Volleyball, Olympia-Qualifikation: Deutschlands Volleyballerinnen haben gegen ihren inzwischen ungeliebten Erfolgstrainer Giovanni Guidetti einen ersten Schritt in Richtung Olympia 2016 gemacht. Zum Auftakt des Qualifikations-Turniers in Ankara gewann die DVV-Auswahl gegen den von Guidetti trainierten EM-Zweiten Niederlande nach großem Kampf mit 3:2 (26:28, 25:22, 25:22, 20:25, 15:11) und verbuchte die ersten beiden Punkte. Nur der Sieger des Acht-Nationen-Turniers löst das Ticket für Rio. Der Zweit- und Drittplatzierte des Turniers erhält bei einem Achterturnier in Japan (Zeitraum 14. Mai bis 5. Juni) eine zweite Chance. Die Mannschaft von Guidettis Nach-Nachfolger Felix Koslowski trifft in ihrem nächsten Spiel am Dienstag (18.30 MEZ) auf Gastgeber Türkei, zum Abschluss dann am Mittwoch (15.30) auf Kroatien. Die ersten beiden jeder Gruppe erreichen die Finalrunde am 8. und 9. Januar.
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Detroit stand für den Niedergang der US-Automobilindustrie, jetzt wird wieder investiert in der Stadt. Nicht alle profitieren davon. Doch die Menschen kämpfen für ihre City.
In Detroit brennt wieder Licht. 65 000 LED-Straßenlampen hat die Stadt seit dem Ende der Zwangsverwaltung im Dezember 2014 aufstellen lassen. Die Zeiten, in denen sich ein gutes Stadtviertel dadurch auszeichnete, dass wenigstens jede zweite Laterne brannte, sind vorbei. Es fahren wieder mehr und öfter Busse, die Polizei kommt zuverlässiger, Straßen werden geteert. Die Stadt ist nicht mehr dunkel. Sie ist auch nicht mehr leer. Die Stadt, die in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts die reichste Amerikas war, verlor mit dem Niedergang der Automobilindustrie auch viele ihrer Einwohner. Zum ersten Mal seit 60 Jahren geht die Bevölkerungszahl jetzt nicht mehr zurück. Optimisten, darunter Bürgermeister Mike Duggan, glauben: Die Stadt wird im nächsten Jahr über ihre 670 000 Einwohner hinauswachsen. Auch wenn Detroit wohl nie wieder 1,8 Millionen Einwohner haben wird, so wie 1950: Die Talsohle soll durchschritten sein. Lonely Planet, der Reiseführer schlechthin, hat die Motor City sogar auf Platz zwei der Orte gesetzt, die man 2018 unbedingt besuchen sollte. Die ewige Frage nach den Ruinen können die Einwohner nicht mehr hören. Sie wollen nach vorn sehen Die Stadt räumt auf. Innerlich und äußerlich. Es wird erinnert, nach Ursachen gesucht und gleichzeitig nach vorn geschaut. Die ewige Frage nach den Ruinen können die Einwohner nicht mehr hören. Die Erinnerung an die Autostadt ist glanzvoll, aber auch schmerzlich. Zwar steht die Stadt noch immer für Autos, Mitte Januar beginnt hier die Detroit Auto Show, eine immer noch bedeutende Automobilmesse. Doch von den Big Three, den drei großen US-Autoherstellern Chrysler, Ford und General Motors, produziert einzig GM noch in der Stadt. Detroit will jetzt die Stadt der Macher sein, der Tüchtigen und der Stehaufmännchen. Allenthalben gründen die Menschen, sehr oft Nonprofit, fast immer mit dem Anspruch, was auch immer - Jeans, Kuchen, Schmuck, Gitarren - lokal, vielleicht von Langzeitarbeitslosen, ehemaligen Drogenabhängigen oder früheren Gefängnisinsassen produzieren zu lassen. Die Botschaft: Wir kümmern uns umeinander, wir beleben unsere Nachbarschaft. Bei allem amerikanischen Hang zur Corporate Identity hat der Besucher das Gefühl, hier noch mehr Menschen mit T-Shirts ihrer Stadt herumlaufen zu sehen. Beliebter Spruch: "Detroit hustles harder". Detroit strengt sich mehr an. Die Kehrseite: Detroit ist auch schlimmer gescheitert. Natürlich ist die Stadt in Michigan nicht die einzige, die mit Abwanderung und Arbeitslosigkeit zu kämpfen hat und sich fragt, was sie mit ihren Industrieruinen anfangen soll. Doch kaum eine andere Stadt wurde so schlimm getroffen wie Detroit. Viele ziehen den Umkehrschluss, dass Detroit deshalb auch bessere, nachhaltigere und allgemein gültigere Lösungen anbieten könne. Eine ist universell. Sie heißt: Geld. Davon gibt es mit drei aus Detroit stammenden Milliardären und deren Familien einiges. Wiederbelebung der Stadt bedeutet für sie: viel Geld investieren. Dan Gilbert mit seinen Immobilienfirmen Quicken Loans und Bedrock kam als einer der ersten in die verwahrloste Innenstadt. Kaufte, riss ab, renovierte, baute wieder auf. Dann ist da die Familie Ilitch, die mit der Pizzeria-Kette Little Caesars reich wurde und eine gleichnamige Multifunktionsarena am Rande Downtowns erbauen ließ. Im September eröffnete sie und wurde zur Spielstätte der Eishockeymannschaft Red Wings, die zur Ilitch Holding gehört. Bleibt noch Manny Maroon, Besitzer des 1988 geschlossenen, denkmalgeschützten alten Bahnhofs und der Ambassador-Brücke über den Detroit River zum kanadischen Nachbarort Windsor. Reiche Detroiter Unternehmer investieren kräftig in ihre Stadt. Nicht jedes Projekt kommt gut an Was Dan Gilbert für die Stadt tut, lässt sich in Downtown gut sehen: Seit Sommer präsentiert sich der neoklassizistische Book Tower mit seinen Säulen und Bögen und dem Spitzdach mit sauberer, heller Fassade. Als nächstes ist der Klinkerbau des David-Stott-Hochhauses an der Reihe. In Detroit lässt sich Geld verdienen, das zeigen Gilberts Unternehmungen. Und, das rechnen ihm die Bürger an: Sein Name steht auf fast jeder Spendenliste. Der alte Bahnhof im Besitz von Manny Maroon hingegen: eingezäunt, abweisend, keine Perspektive. Im September wurde er zwar erstmals für eine Veranstaltung geöffnet, doch sein weiteres Schicksal ist ungewiss. Die Ilitch-Familie gilt als unzugänglich. Und hat sich mit ihrem Stadion, das der Kern eines neuen Viertels mit etwa 50 Geschäfts- und Wohnhäusern werden soll, nicht nur Freunde gemacht. Auch, weil bei ihren Bauprojekten schon mal etwas zusammenfällt, das eigentlich erhalten werden sollte. Detailansicht öffnen Rapper in Detroit. Die Graffiti erinnern an die goldenen Zeiten der Stadt; in den 1920er Jahren mauserte sie sich dank der Autoindustrie zur reichsten Stadt der Vereinigten Staaten. In den folgenden Jahrzehnten folgte der Verfall. (Foto: ZUMA Press/imago) Detroit baut, Detroit holt auf. An manchen Stellen viel zu schnell. Soziologen wie Larry Gant sehen die Gefahr, dass die rasante Entwicklung hin zu einer vordergründig aufgeräumten, belebten City eines der ältesten Probleme der Stadt nochmals verschärft: die Rassentrennung. Es braucht nur einen kurzen Spaziergang in Downtown oder im hippen Midtown rund um die West Canfield Street oder die Wayne State Universität, um zu sehen, dass die Stadt dort, wo sie schicker wird, zugleich auch weiß wird. Detroits Bevölkerung ist zu 80 Prozent schwarz. Eine sichtbare weiße Mehrheit ist kein gutes Zeichen: Sie bedeutet Ungleichheit. "Das Ziel muss sein, dass vom Aufschwung der Stadt alle profitieren", sagt Larry Gant, Professor an der University of Michigan im benachbarten Ann Arbor. Obwohl sich die Arbeitslosigkeit seit den Krisenjahren vom zweistelligen in den einstelligen Bereich verringert hat, ist das Haushaltseinkommen drastisch gesunken - bei Schwarzen noch mehr als bei Weißen. Die Armutsrate liegt laut der Organisation Detroit Future City bei 40 Prozent. Das heißt, eine vierköpfige Familie hat im Jahr weniger als 24 339 Dollar zur Verfügung. Noch immer werden Häuser abgerissen. Noch immer verlieren Menschen ihr Zuhause. Etwa 50 000 Häuser hat die Stadt abreißen lassen, jedes für etwa 15 000 Dollar. Während gleichzeitig in Downtown und Midtown neue Wohnungen entstehen - neue Spekulationsobjekte zu einer Zeit, da die Folgen der früheren Spekulation noch allzu sichtbar sind. Jene, die ihre Grundsteuern nicht bezahlen können, werden nicht dorthin ziehen. Steuern, die den Wert der Häuser bei Weitem übersteigen, aber nie angepasst wurden. Mittlerweile gibt es Möglichkeiten, die Steuern neu berechnen und die Schulden reduzieren zu lassen. Doch nicht jeder erfährt davon. Kayana Sessoms will solchen Menschen eine Heimat und deren Kindern eine Ausbildung geben. Die 34-jährige Soziologin mit den langen Rastalocken und tellergroßen Ohrringen steht im Stadtteil Osborn, sieben Meilen vom Büro des optimistischen Bürgermeisters entfernt, und stellt einen umgefallenen Phönix auf die Füße. Den bunten Feuervogel aus bemalten Spanplatten und vier Rädern haben Jugendliche gebastelt. Das Tier, das sich aus der Asche erhebt, symbolisiert das Motto Detroits, das seit 1805 lautet: "Speramus meliora, resurget cineribus - Wir hoffen auf Besseres, Auferstehen wird sie aus der Asche." Zugleich soll es auch für einen Neubeginn in Osborn stehen. Sessoms arbeitet im Gemeindezentrum des Stadtteils. Noch bis vor Kurzem galt es als größte Leistung der dortigen Nachbarschaftsinitiativen, Türen und Fenster leer stehender Häuser mit Spanplatten zu sichern, Gestrüpp zu entfernen, Rasen zu mähen - auch, um Kriminellen keine Verstecke zu bieten. Detailansicht öffnen Sie steht für das wiederbelebte Detroit: Die Soziologin Kayana Sessoms kümmert sich im Problemstadtteil Osborn um die Belange der Bürger. (Foto: Peter Neitzsch) Nun geht die Neighborhood Alliance in Osborn einen großen Schritt weiter: Sie hat ein Haus gekauft. Eines jener hübschen roten Ziegelhäuser, wie sie die gesamte Stadt prägen. Mit Veranda vor dem Haus, Rasen ringsherum. 10 000 Dollar hat es gekostet, für ungefähr 65 000 Dollar wird es renoviert. Zwei Familien sollen hier einmal wohnen können. "Wir möchten, dass die Leute bleiben. Sie sollen wieder Eigentümer werden", sagt Sessoms. Nach und nach soll so die gesamte Mapleridge Street hergerichtet werden. So sieht hier in Osborn die Hoffnung auf Wiederbelebung aus. Sie kostet Zeit und unendliche viele gering bezahlte oder ehrenamtliche Arbeitsstunden. Unterstützt wird Sessoms zwar auch von der Stadt, aber in erster Linie von der Skillman-Stiftung. Ohne Stiftungen geht in dieser Stadt gar nichts. Kresge, Knight oder Ford stecken hinter fast jedem Projekt - von der Stadtentwicklung über den Kinderchor bis zum Straßenkunstmarkt. Skillman engagiert sich vor allem für Bildung und versucht, Einfluss auf die Politiker in der Regierung von Michigan zu nehmen. Denn die sind für die Schulen zuständig. "So lange die Schulen nicht gut sind, bleibt die Mittelklasse - ob schwarz oder weiß - nicht hier", sagt William Hanson von der Stiftung. Die ganz normalen Wohnviertel könnten mit dem Aufschwung Downtowns nicht mithalten. "Weiße Neubürger finden hier viele Chancen. Für die, die hier leben, ist es nicht so einfach." Einer, der das Beste aus den Chancen macht, die so eine Stadt im Umbruch bietet, ist Wayne Ramocan. Auch er ein fester Teil dieses Netzes aus gegenseitiger Hilfe. Noch vor drei Jahren hat Wayne Ramocan in Osborn als Vorgänger von Kayana Sessoms mal einen leer stehenden Laden angestrichen - einfach, damit es nicht so trostlos aussieht. Mittlerweile hat der Mittdreißiger sich selbständig gemacht und eine ziemlich typische Detroiter Karriere hingelegt. Nach seiner Zeit in Osborn arbeitete der Uni-Absolvent im Detroit Build Institute - noch ein Nonprofit - und brachte anderen bei, wie man ein Unternehmen gründet. Dann baute er selbst eines auf: die Musikerplattform D-Cipher. Zum Gründungstreffen in einem schicken Co-Working-Space an der Woodward Avenue in Dowtown kamen nur schwarze Musiker: DJs, Rapperinnen, die Gründerin eines Plattenlabels. Ramocan hat damit sein Hobby, die Musik, zum Beruf gemacht und verbindet sie mit der Jugendarbeit von früher. Die Musiker von Detroit sollen wieder Gehör finden. Wenn mal wieder jemand vorbei kommt, um in den Ruinen Detroits einen Film zu drehen, dann soll er es leicht haben, die örtlichen Experten für Ton, Aufnahme und Musik zu finden. Auch Unterricht und Engagement an Schulen gehören zu Ramocans Vorhaben, für die er Unterstützung von der Knight-Stiftung erhält. "Ohne guten Musikunterricht an den Schulen wäre Motown nicht möglich gewesen", sagt er. "Der Abstieg Detroits begann, als Motown Anfang der Achtziger die Stadt verließ." Schwarze wurden in Detroit lange systematisch benachteiligt. Das droht sich zu wiederholen Jeder in dieser Stadt scheint seinen persönlichen Tiefpunkt zu definieren. Daraus ergibt sich eine ganze Kette von Rückschlägen. "Zwei Tage", sagt Professor Larry Gant. "Ich denke oft über diese zwei Tage im Jahr 1967 nach." Wesentlich für den Untergang der Stadt ist laut Gant ein bürokratischer Akt aus den Dreißigerjahren, der es der Stadt Detroit verbot, kleinere Orte einzugemeinden. So kommt es, dass es mitten im Stadtgebiet zwei eigenständige Kommunen gibt - Hamtramck und Highland Park - städtische Enklaven. "Zogen früher Menschen oder Firmen aus der Stadt weg, dann hat sich die Stadt diese einverleibt", erklärt der schwarze Professor in seinen raschen Sätzen mit ausschweifenden Gesten. In Weltwirtschaftskrisenzeiten wurde das untersagt. Die Stadt musste zusehen, wie Ford nach Dearborn zog - einen eigenständigen Nachbarort. Die Stadt verlor Einwohner, Industrie, Geld. 1967 sollte der Bann aufgehoben werden, der Staat Michigan hatte seine Zustimmung signalisiert. Die beschließende Sitzung stand noch aus. Detailansicht öffnen In Downtown symbolisiert die von ortsansässigen Investoren errichtete Little Caesars Arena Detroits neuen Wohlstand. (Foto: Steven King/AP) "Dann begannen die Riots", sagt Gant und hebt bedauernd die Schultern. Die Straßenunruhen, die erst nicht und dann mit äußerster Gewalt niedergeschlagen wurden, sind eines der einschneidendsten Ereignisse in der Stadtgeschichte, die den Absturz beschleunigten. Jahrelange Unterdrückung der Schwarzen war ein Auslöser der Unruhen. Langsam setzt sich heute die Erkenntnis durch, dass die jahrzehntelange systematische und durch Gesetze gestützte Benachteiligung der schwarzen Bevölkerung auch ihren Teil zur Verarmung der Stadt beigetragen hat. Besonders die weißen Bewohner verließen nach 1967 die Stadt - jene, die es sich leisten konnten. Viele Menschen zogen und ziehen bis heute nur wenige Meilen weiter über die Stadtgrenzen. Die Metropolregion hat in den vergangenen Jahrzehnten kaum Einwohner verloren - Detroit die Hälfte. Seit 2015 gehört Detroit nicht mehr zu den 20 größten amerikanischen Städten. Die viertgrößte war sie mal 1940. "Wir haben eine Art unerklärten Krieg erlebt", sagt Gant. Es werde Jahrzehnte dauern, Detroit wieder aufzubauen. "Dann wird die Stadt eine andere sein." Die neue Tram nutzt nicht allen. Eine reine Touristenattraktion sei sie, schimpfen manche Eine Stadt mit sicheren Fahrradwegen mitten durch Grüngürtel, mit einer Kilometerlangen Promenade am Detroit River, mit sehr viel Erfahrung in urbaner Landwirtschaft. Wie das mit den öffentlichen Verkehrsmitteln funktioniert, das lernen die Leute gerade. Seit Quicken Loans die erste Tram seit den Fünfzigern über die Magistrale Woodward Avenue fahren lässt. Die Q-Line. Schilder in der Bahn erklären genau, wie man Straßenbahn fährt. Trotzdem scheint einigen das Geruckel noch etwas unheimlich zu sein. Als reine Touristenattraktion kritisieren Leute wie Kayana Sessoms die Tram. Sie erreiche die Wohnviertel nicht. In der Autostadt Detroit haben wenige Leute ein eigenes Auto - zu teuer, auch wegen der Versicherung. Fahrradfahren wurde zur Notwendigkeit. Und dann auch schick. Das reicht natürlich nicht. Es müssen auch mehr Busse fahren - die nicht an der Stadtgrenze enden. Auch dazu ist es nötig, dass Detroit und seine Nachbarorte endlich zusammenarbeiten. Irgendwie müssen die Leute zur Arbeit kommen. Besser noch, die Arbeit kommt endlich wieder zu ihnen. Ein bisschen Textilindustrie siedelt sich an. Detroit Denim oder Empowerment Plan, die Mäntel herstellen, die sich in Schlafsäcke verwandeln lassen - und dabei obdachlose Frauen in Arbeit bringen. Es gibt Hoffnungen, dass durch die Forschung zu abgasfreien und fahrerlosen Automobilen, Arbeitsplätze zurück kommen. Die Big Three wären gefragt. "Wir brauchen große Arbeitgeber", sagt Gant. "Siemens, BMW, so wie ihr in München - sie schaffen die Grundlage für den Wohlstand vieler." Die vielen kleinen Start-ups werden das große Problem nicht lösen, glaubt er. Immerhin ihren Teil zur Belebung leisten sie. Detroit mit seinen günstigen Mieten und Immobilienpreisen bietet gute Voraussetzungen für Gründer. Start-ups, Millioneninvestitionen, Arbeitsplätze, Schulen, bezahlbare Häuser, Nahverkehr, Musik - das sind die Lösungen zur Rettung einer Stadt, die noch immer zu den kriminellsten und ärmsten der USA zählt. Detroit soll auferstehen. Daran arbeiten die Lokalpatrioten.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/us-wirtschaftspolitik-der-retter-den-keiner-braucht-1.3362589
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Der US-Präsident will mit Gewalt Jobs nach Amerika zurückholen. Dabei kommen sie schon längst ohne ihn.
Donald Trump ist besessen von China. In Hunderten Tweets und Youtube-Videos hat der Wahlkämpfer und heutige US-Präsident klargemacht, dass er die Chinesen für Diebe hält. "Sie stehlen unsere Arbeitsplätze, sie nehmen unser Geld. Sie töten uns." Diese bissige Rhetorik, die den freien Warenhandel mit anderen Nationen für Raub oder Betrug hält und nicht als Vorteil der globalen Wirtschaft für die eigenen Bürger sieht, hat bei Trump-Wählern verfangen. Seine Kampfansage an den freien Handel, der angeblich Arbeitsplätze kostet, trifft den Nerv vieler Amerikaner, vor allem derjenigen, die von der Globalisierung nicht profitieren und sich abgehängt fühlen. Aber stimmt es, dass die US-Wirtschaft in Agonie liegt, die Globalisierung in der amerikanischen Gesellschaft ein Blutbad angerichtet hat und ganze Landstriche verödet sind, weil die Arbeitsplätze ins billige Ausland gewandert sind? Trump übertreibt hier maßlos. Tatsächlich zieht die Zahl der Beschäftigten in der amerikanischen Industrie schon seit Jahren überraschend wieder an. Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise hatte die Zahl der Stellen im verarbeitenden Gewerbe mit 11,5 Millionen ihren Tiefpunkt erreicht. Das war im Jahr 2010. Seither entstanden beinahe eine Million neuer Arbeitsplätze, die meisten gut entlohnt. Im Durchschnitt zahlen die Unternehmen einfachen Angestellten knapp 23 Dollar die Stunde, mehr als für die Dienstleistungsjobs, die über viele Jahre hinweg zwar Ersatz für wegfallende Industriearbeitsplätze boten, aber weitaus schlechter bezahlt wurden. Seit sich die Industrie wiederbelebt, ist auch das Defizit, das die USA im Handel mit China ausweisen, nicht weitergewachsen - immerhin. Die Statistiken zeichnen also ein viel freundlicheres Bild als Trump: Sie zeigen, dass China nicht die räuberische Wirtschaftsmacht ist, die allein Schuld an den Problemen der US-Wirtschaft trägt. Sie zeigen auch, dass Amerika gerade einen industriellen Wiederaufstieg erlebt, der vor einem Jahrzehnt noch unvorstellbar erschien. Und all das gelang ohne Trump. Der technische Fortschritt hat wohl mehr Industrie-Jobs gekostet, als alle Verlagerungen Zur Wahrheit gehört aber auch, dass im verarbeitenden Gewerbe seit 1979, als die Zahl der Beschäftigten mit 19,5 Million den höchsten Stand erreichte, sieben Millionen Jobs verloren gingen. Die Herstellung einfacher Dinge - Turnschuhe, Toaster - wurde nach China oder in andere Billiglohnländer wie Mexiko verlagert. Das lässt sich am rapiden Anstieg der Importe aus diesen Ländern ablesen. Wahr ist auch, dass viele Industriearbeitsplätze wegrationalisiert wurden, weil moderne Fabriken dank Automatisierung und flexibler Arbeitszeiten nur noch einen Buchteil der Beschäftigten von einst brauchen. Und es stimmt ebenfalls, dass viele amerikanische Produkte im Ausland nicht wettbewerbsfähig sind. Autos aus Detroit beispielsweise, die mit europäischen Qualitätsstandards kaum mithalten können, haben in Europa keine Chance. Detailansicht öffnen Gute Nachrichten vom amerikanischen Arbeitsmarkt: Es gibt mehr Jobs, auch in der Industrie. Dort wurden seit dem Jahr 2010 eine Million neuer Stellen geschaffen. (Foto: Blend Images) Der neue Präsident hat es wohl noch nicht bemerkt: US-Firmen holen verstärkt Arbeitsplätze aus dem Ausland ins eigene Land zurück. Das gilt auch für anderes Industrienationen. Trump hält sich für die Spitze einer Bewegung, die längst ohne ihn läuft. Fachleute sprechen von "Reshoring". Es lohnt sich, seit die Kostenunterschiede zwischen der Fertigung daheim und im Ausland schrumpfen. Zahlen der amerikanischen Reshoring Initiative, einer gemeinnützigen Organisation, zeigen, dass in den vergangenen sechs Jahren 265 000 Fabrikjobs in die USA zurückgeholt wurden, die meisten aus China. Die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) hat in mehreren Umfragen bei US-Unternehmen herausgefunden, dass sich Firmen zunehmend an den Kosten für die komplizierte Logistik bei langen Transporten aus Übersee stören, an den Lagerhaltungskosten und an der Komplexität der Zulieferkette. "In einem Kühlschrank stecken zwei Stunden Arbeit", sagt etwa der Chef von General Electric, Jeffrey Immelt. "Es ist also wirklich egal, ob sie den in Mexiko, den USA oder China herstellen. Es geht heute nicht um Outsourcing, sondern um Globalisierung, also darum, Märkte schneller zu erobern als die Konkurrenz." Die Automatisierung der Fabriken tut ein Übriges. Wo zunehmend Roboter die Arbeiter in den Fabriken ersetzen, wird das Personal als Kostenfaktor immer unbedeutender. Ohnehin ist auch China längst kein Billiglohnland mehr. Die Löhne haben sich im produzierenden Gewerbe zwischen 2004 und 2014 beinahe verfünffacht. Zieht man auch noch die Produktivität und Energiekosten ins Kalkül, schrumpft der vermeintliche Vorsprung dramatisch: Die durchschnittlichen Produktionskosten in der Volksrepublik sind dann nur noch um fünf Prozent geringer als in den USA. "Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit der USA im Vergleich zu China und vielen anderen großen Exportwirtschaften kurzfristig weiter verbessern wird", sagt BCG-Partner Michael Zinser. Die Wut des US-Präsidenten auf die vermeintlich vaterlandslosen Konzernchefs ist nicht zu begründen. Ja, Unternehmen lagern Arbeit aus, um ihren Kunden näher zu kommen, auch um Kosten zu sparen. Andererseits bringen ausländische Firmen auch Jobs in die USA. Allein die deutschen Autohersteller BMW, Daimler und VW haben in den vergangenen Jahrzehnten Fabriken mit 33 000 Arbeitsplätzen auf grüne Wiesen in den Südstaaten gestellt, wo es zuvor kaum Industrie gab. Deren Zulieferer schufen noch einmal 77 000 Stellen. Mit allen Folgejobs in anderen Branchen sorgte allein die Deutschen in den USA für mehr als 250 000 Stellen. GE-Chef Jeffrey Immelt "In einem Kühlschrank stecken zwei Stunden Arbeit. Es ist also wirklich egal, ob sie den in Mexiko, den USA oder China herstellen. Es geht heute nicht um Outsourcing, sondern um Globalisierung, also darum, Märkte schneller zu erobern als die Konkurrenz." Was der Präsident wohl auch übersieht: Mehr als die Hälfte der BMWs oder Daimlers, die in den USA gebaut werden, gehen in den Export, zum Teil nach Deutschland. Das stärkt die Außenhandelsbilanz der USA. Von Betrug an den amerikanischen Arbeitern kann nicht die Rede sein. Denn auch die US-Wirtschaft profitiert vom Verkauf im Ausland. Autos der Konzerne GM, Ford und Fiat-Chrysler haben in Deutschland einen Marktanteil von 15 Prozent. Die Deutschen kommen in den USA nur auf 7,3 Prozent. Warum nur hat Trump dann so viel Erfolg mit seinen Tiraden von schlechten Deals mit ausländischen Handelspartnern, wenn Jobs nach Amerika zurückkehren, wenn die Löhne steigen und sich die Lage der Industrie verbessert? Die Antwort ist: Nicht alle Arbeiter haben am Aufschwung teil. Gewinner sind vor allem Beschäftigte mit hoher Qualifikation, die computergesteuerte Produktionsanlagen steuern können. Ungelernte Arbeiter aber, die früher in der Textil-, Möbel- oder Stahlindustrie waren und die der Präsident zu den "vergessenen Männern und Frauen unseres Landes" zählt, schlagen sich heute mit miesen Jobs durch oder sind arbeitslos. Denn T-Shirts oder Pressholz-Möbel lassen sich in den USA nicht rentabel produzieren, jedenfalls nicht zu anständigen Löhnen. Aber längst nicht alle Jobs, die verschwunden sind, wurden "gestohlen", wie Trump unterstellt. Wissenschaftler wie Daron Acemoğlu, David Autor und andere schätzen, dass von den 5,8 Millionen Stellen im verarbeitenden Gewerbe, die zwischen 1999 und 2011 verloren gingen, lediglich eine Million nach China gingen. Es muss also noch andere, gewichtigere Gründe geben für den Schwund der Fabrikarbeitsplätze. Vieles spricht dafür, dass der technische Fortschritt mehr Menschen den Job gekostet hat als die Verlagerung ins Ausland. Der Beitrag der Autoindustrie zur US-Wirtschaftsleistung etwa sank seit 1994 um rund zehn Prozent - gleichzeitig schrumpfte die Zahl der Beschäftigten dort um 30 Prozent. Selbst wenn es Trump gelänge, die Jobs aller US-Arbeiter, die ins Ausland gingen, zurückzuholen - in den Automobilfabriken wären trotzdem weitaus weniger Menschen beschäftigt als 1994, weil die Produktivität dramatisch gestiegen ist. Und die ärmeren Amerikaner, die von staatlichen Lebensmittelkarten oder Billigjobs leben müssen, eignen sich auch nicht als reine Opfer der Globalisierung. Es gehört ebenso zur Wahrheit, dass die US-Verbraucher von den Billigimporten aus China und anderen Ländern profitiert haben, gerade jene mit geringen Einkommen, die fast ihr ganzes Geld fürs alltägliche Leben ausgeben müssen. Kleider zum Beispiel kosten heute genauso viel wie 1986 und Möbel sind so günstig wie vor 35 Jahren. Der globale Handel macht es möglich.
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Die türkische Bevölkerung besteht aus verschiedenen Ethnien, Glaubensrichtungen und politischen Lagern - die Grenzen fließen. Eine Übersicht.
Lange Zeit gab es in der Türkei vermeintlich zwei große Lager: Die "Konservativen" und die "Modernen". Als die Konservativen galten die Religiösen, die Menschen vom Land, Frauen mit Kopftuch, die weniger Gebildeten. Subsummiert wurden sie unter dem Begriff İslamcı. Als die Modernen sahen sich hingegen die Städter, die Gebildeten, die Laizisten und dem Westen zugewandten: die Laikçi. Gesammelt wurden sie auch unter dem Begriff: Kemalisten - also diejenigen, die den Geist des Gründers der Republik, Mustafa Kemal Atatürk, atmeten und sein Erbe fortschrieben. Heute bemüht sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan wieder um eine neue stark vereinfachende und verfälschende Bipolarität. Es gibt nur noch "Wir" und "die anderen", also nur noch Menschen, die für Erdoğan sind oder gegen ihn. Wer gegen ihn ist, ist nach Meinung des Staatschefs und seiner Anhänger automatisch ein Fetö'cü, ein Unterstützer der Gülen-Bewegung. Fetö (Fethullahçı Terör Örgütü, zu Deutsch: Terror-Organisation der Fethullah-Anhänger) ist in der Türkei mittlerweile eine offizielle Bezeichnung und sie wird für alles verwendet, was der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen zugeschrieben wird. Die Bezeichnung wird auch von den meisten Medien unkritisch übernommen. Seit die Welle der Festnahmen und Suspendierungen rollt, heißt es meist: Soundso viele Fetö'cü wurden festgenommen. Dabei scheint es keine Rolle mehr zu spielen, welcher politischen Richtung und welcher Religion man zugerechnet wird - oder ob man überhaupt einem Lager anhängt. Der Mikrokosmos der Akteure in der Türkei aber ist sehr viel komplexer, wie in diesen Tagen wieder deutlich wird. Nur eine Woche nach dem Putschversuch lud die CHP, die größte und kemalistische Oppositionspartei der Türkei, die AKP ein, mit ihnen ein Fest auf dem Taksim-Platz in Istanbul zu feiern. Schon vorher war klar, dass die CHP auch innerlich zu gespalten ist, um noch einen echten Gegenpol zur AKP und den Konservativen zu bilden. Eine Einteilung in Gruppen und Strömungen ist schwer. Oft sind die Grenzen fließend, manche Gruppen haben in bestimmten Fragen große Schnittmengen. Der Putschversuch hat dies noch verstärkt. Die folgende Übersicht erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Sie ist der Versuch, die größten Gruppen zu charakterisieren sowie ein- und zuzuordnen. "Konservative" Die Gruppe der Konservativen, in der Türkei auch oft İslamcı genannt, galt lange Zeit als geschlossener Gegenpol zu den Kemalisten. Das kann man heute nicht mehr sagen, seit sich ein Dualismus zwischen Gülen-Bewegung und Anhängern Erdoğans herausgebildet hat. Der Großteil der Bevölkerung in der Türkei ist mehr oder weniger religiös. Einen politischen Islam vertreten die meisten deshalb aber nicht automatisch. Was Anhänger von Erdoğan​ (oder auch seiner Partei, der AKP) vor allem auch verbindet, ist, dass sie durch die kemalistische Staatsdoktrin benachteiligt wurden. Die ländliche, kaum gebildete und eben oftmals religiöse Bevölkerung wurde als rückständig abgestempelt. Eine Teilhabe am politischen Leben stand ihr weitgehend nicht offen. Als Begründer des politischen Islam in der Türkei gilt Necmettin Erbakan, er war Erdoğans politischer Ziehvater. In der Geschichte der modernen Türkei wurden mehrere islamisch geprägte Parteien gegründet, fast alle wurden verboten. Sobald die Macht einer Partei zu groß wurde, intervenierte die Armee mit einem Putsch - bis die AKP es schaffte, sich dauerhaft als politische Kraft mit islamischer Prägung zu etablieren. Seitdem gehören viele der "Konservativen" zur aufstrebenden Mittelschicht. Beispielhaft stehen dafür die "Anatolischen Tiger", das sind wirtschaftlich starke, anatolische Städte wie Konya, Denizli oder Kayseri, in denen sich ein muslimisch geprägtes mittleres Unternehmertum etabliert hat. Angelehnt ist der Name an die wirtschaftlich starken, asiatischen Tigerstaaten wie etwa Südkorea oder Taiwan. Als zweite Gruppe daraus herausgeschält hat sich die Gülen-Bewegung. Zunächst waren Gülen und seine Anhänger sowie AKPler in einem Lager. Gülen und Erdoğan waren einst aufgrund ihres konservativen sunnitischen Glaubens natürliche Verbündete. Die Gülen-Bewegung hat sich vor allem Bildung als Mittel zum Aufstieg auf die Fahnen geschrieben. Der inoffizielle Slogan der Gülenisten lautet "Baut Schulen statt Moscheen". Der Aufstieg der AKP und Erdoğans und damit die Verdrängung der laizistischen Eliten wäre ohne die Gülen-Anhänger, die im Staatsapparat, im Bildungssektor, in Krankenhäusern und der Justiz arbeiteten, nicht möglich gewesen. 2013 allerdings kam es zum Bruch. Es wird vermutet, dass Gülen und seine Anhänger immer mehr Macht für sich in Anspruch nahmen, was Erdoğan missfiel. Als Gülen nahestehende Staatsanwälte breite Korruptionsermittlungen gegen das Umfeld in der AKP einleiteten, die auch Ministerkinder und den Sohn Erdoğans betrafen, kam es zur endgültigen Spaltung der "Konservativen". Der Präsident verteufelte den einstigen Freund und seine Anhänger. Nun stehen die Gülenisten für die Staatsmacht in der Türkei synonym für Putschisten und Terroristen. Kemalisten Der Kemalismus bzw. die Kemalisten gehen auf den Gründer der türkischen Republik, Mustafa Kemal Atatürk, zurück. Bestimmende Elemente des Kemalismus waren vor allem der Laizismus und der Nationalismus. Der Islam wurde von den Kemalisten in der Türkei tendenziell eher als Gefahr für den Staat gesehen, er sollte reine Privatsache sein. Gleichzeitig diente er aber auch als vereinendes Element, mit dem die verschiedenen Völker, die in der heutigen Türkei leben, zu einem Nationalstaat geeint werden sollten. Wichtig im Kemalismus war zudem die Hinwendung zum Westen. Atatürk führte das lateinische Alphabet ein, religiöse Schulen wurden geschlossen, religiöse Kleidung wie etwa das Kopftuch wurde aus öffentlichen Einrichtungen verbannt. Vieles wurde über die Jahrzehnte jedoch revidiert. Der Kemalismus entwickelte sich weg von einer Ideologie, die den Islam eher ablehnte. Und hin zu einem Verständnis von Islam, der als wichtiger Teil der Nation anerkannt, aber gleichzeitig vom Staat kontrolliert wird. Hort des Kemalismus war das Militär, Atatürk selbst war schließlich Soldat. Die Armee sah sich seit jeher als Hüterin der Verfassung, was sich in der Vergangenheit in vier Putschen äußerte (1960, 1971, 1980 und - in friedlicherer Form - 1997). Meist richteten sie sich gegen den aufstrebenden politischen Islam und die ihn vertretenden Parteien. Heute gelten vor allem Mitglieder und Anhänger der CHP, der größten Oppositionspartei, als Kemalisten. Allerdings konnte die Partei seit Jahren nicht mehr mit einem Kandidaten aufwarten, der die AKP-Gegner einen oder Erdoğan in Sachen Charisma das Wasser reichen könnte. Zwar hat Erdoğan die Macht der Generäle in den vergangenen Jahren massiv eingedämmt und wichtige Positionen mit seinen Verbündeten besetzt. Doch könnte der Putsch gezeigt haben, dass kemalistisches Gedankengut dort noch sehr präsent ist. Als Rädelsführer wird General Akın Öztürk, der frühere Chef der Luftwaffe, verdächtigt. Gerade die Luftwaffe galt innerhalb der Armee schon immer als besonders kemalistisch. Erdoğan freilich sieht das anders. Er betrachtet die des Putschversuches verdächtigten Generäle als Anhänger Gülens. CHP und AKP, eigentlich die offensichtlichsten Vertreter zweier konträrer Weltanschauungen, treffen sich also nun zu einem gemeinsamen Fest auf dem Taksim-Platz in Istanbul. Kurden Auf Geheiß Erdoğans führt das türkische Militär einen unerbittlichen Kampf gegen bewaffnete Kurden im Südosten des Landes, im Norden Syriens und im Nordirak. Erklärtes Ziel der Angriffe sind die Kämpfer der PKK, der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei, die in Türkei und Europa als Terroristen gelten. Doch ein Blick in die mehrheitlich kurdischen Provinzen Mardin, Şırnak und Diyarbakır in Südostanatolien zeigt, das vor allem die Zivilbevölkerung unter dem von Erdoğan ausgerufenen "Krieg gegen Terroristen" zu leiden hat. Kurdische Politiker kritisieren indes aufs Schärfste den "Krieg gegen die eigene Bevölkerung", wie sie die militärische Auseinandersetzung nennen. Bewaffnet oder unbewaffnet, politisch aktiv oder nicht, religiös in die eine oder die andere Richtung - die Kurden sind ein in sich vielschichtiger Teil der türkischen Bevölkerung. Die PKK kämpft seit mehr als 30 Jahren gegen den türkischen Staat und für die politische Autonomie, zeitweise auch für einen unabhängigen Staat der von ihnen besiedelten Gebiete. Noch vor drei Jahren sah es so aus, als könnte der Dauerkonflikt befriedet werden, doch seit vergangenem Jahr sind die Kämpfe wieder aufgeflammt. Die HDP - zu deutsch: Demokratische Partei der Völker - die politische Stimme der Kurden und anderer Minderheiten im Land. Die linksgerichtete Kraft schaffte bei ihren ersten Parlamentswahlen vergangenes Jahr überraschend den Sprung über die Zehn-Prozent-Hürde in die Große Nationalversammlung. Bei den von Erdoğan erzwungenen Neuwahlen verlor sie wiederum mehr als zwanzig Sitze. Sie blieb aber die zweitgrößte Oppositionspartei hinter der kemalistischen CHP. Zuletzt hat das Parlament auf Drängen Erdoğans die Verfassung geändert und damit die politische Immunität der Abgeordneten aufgehoben. Vor allem Abgeordnete der HDP bringt dieser Verlust in Bedrängnis - Erdoğan rückt sie in die Nähe der PKK und beschuldigt sie der Nähe zu der terroristischen Vereinigung oder gar deren Unterstützung. Trotz der Ausmaße des Konflikts zwischen der herrschenden AKP und der kurdischen Minderheit, gibt es Kurden die AKP wählen und Erdoğan unterstützen. Es gibt Kurden, die dem alevitischen Islam anhängen, einer schiitischen Glaubensrichtung. Die Mehrheit aber ist sunnitischen Glaubens. Seit dem Putschversuch von Teilen der Armee ist der Kurdenkonflikt medial in den Hintergrund gerückt. Dabei setzte die türkische Armee nur wenige Tage nach dem vereitelten Staatsstreich ihre Offensive in den Kurdengebieten fort. Es sind zudem vor allem in den Kurdengebieten ansässige Anwaltsvereine und Menschenrechtsorganisationen, die von Inhaftierten berichten, die unter Putschverdacht stehen und denen der Zugang zu Anwälten und Verwandte verwehrt wird.
https://www.sueddeutsche.de/politik/kommunalpolitik-reden-wir-ueber-was-anderes-1.3153673
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Flüchtlingspolitik? AfD? Kanzlerdämmerung? In Niedersachsen finden gerade 2200 Wahlkämpfe parallel statt. Die Menschen interessieren sich für mehr als nur immer Flüchtlingspolitik.
Angela Merkel strahlt diese majestätische Langsamkeit aus, die über jede Party-Laune erhaben ist. Am Großen Plan in Celles Innenstadt weht rhythmische Anfeuer-Musik, wie man sie von Sportveranstaltungen kennt. Aber aus der Gasse, die durch die Menschenmenge führt, eilen keine Athleten. Sondern die Bundeskanzlerin spaziert seelenruhig zur Wahlkampf-Bühne der CDU. Sie ist gut aufgelegt. Aus einer Ecke des Platzes dringen Buh-Rufe und Pfiffe, Plakate fordern das Ende des Freihandelsabkommens mit Kanada und den USA. Angela Merkel sagt beim Small Talk am Rande: Freude an der Arbeit hält fit. Und dann hält sie eine Rede, in der es um Zukunft und Zusammenhalt geht, um Celles ersehnte Ostumgehung, um eine bessere Altenpflege. "Menschen, die andere Menschen pflegen, gehören zu den Helden unserer Gesellschaft", sagt sie. Die Merkel-Gegner schreien weiter, aber bald liegt warmer Applaus über der Szene. Die Kanzlerin bittet um Stimmen für die CDU und deren Oberbürgermeister-Kandidaten Jörg Nigge. Und am Ende wird nicht ein einziges Mal das Wort Flüchtlinge gefallen sein und auch nicht das Kürzel AfD. Die Kommunalwahl in Niedersachsen an diesem Sonntag gilt vielen als weiterer Test für die Stimmung im Land. Die Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern haben in dieser Hinsicht zuletzt einen tiefen Eindruck hinterlassen. Dass die CDU dort so sehr absackte und die AfD 20,8 Prozent erreichte, deuten viele als Absage an Merkels Flüchtlingspolitik. Wer weiß, was am 18. September bei den Wahlen in Berlin passiert. Und dazwischen liegt also die Mammut-Abstimmung für 6,5 Millionen Niedersachsen mit 2200 Entscheidungen zu den politischen Kräfteverhältnissen in Städten und Gemeinden. Folgt hier der nächste AfD-Triumph, weil Flüchtlinge die Kommunen belasten? Übergeht Angela Merkel die Befindlichkeiten, wenn sie dazu gar nichts sagt? Dirk-Ulrich Mende ist unverdächtig, der Kanzlerin nach dem Mund zu reden. Er ist der Oberbürgermeister von Celle. 2008 durchbrach der SPD-Mann hier die CDU-Regentschaft. Er ist einer von 37 Verwaltungschefs, die am Sonntag auch persönlich zur Wahl stehen, und damit der Mann, den Merkel gerne durch ihren Parteifreund Nigge ersetzt sähe. Trotzdem kann er nachvollziehen, dass die Kanzlerin in Celle keine bundespolitische Debatte aufmacht. "Kommunalwahlen in einem Land wie Niedersachsen lassen sich nicht als Stimmungstest wahrnehmen", sagt er. Detailansicht öffnen Fachwerkbau in Celle. Für Neubauten wird dieser Stil künftig nicht mehr zwingend vorgeschrieben. Die entschärfte Regelung soll Investoren anlocken. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa) Niedersachsen ist das zweitgrößte deutsche Flächenland. Es weist sehr unterschiedliche Landschaften auf: Nordseeküste, Inseln, weite ländliche Räume, Mittelgebirge. Jede Region hat ihre eigenen Herausforderungen. Wenn man übers Land an den Wahlplakaten vorbeifährt, hat man sogar den Eindruck, jedes Dorf hat sein eigenes Thema, seine eigene Wählergemeinschaft, und die Wahlbezirke sind so klein, dass die Kandidaten für die ehrenamtlichen Posten oft nicht entfernte Politiker sind, sondern Nachbarn. Allein die Stadt Celle ist in fünf Wahlbereiche gegliedert. Dabei hat sie nur 70 000 Einwohner. In der Kommunalpolitik interessiert der konkrete Bedarf am Ort. Es geht um neue Brücken, Umgehungsstraßen, Bauvorhaben, um Dinge, die aus der Berliner Perspektive winzig aussehen, im lokalen Alltag aber riesengroß sind. Die Flüchtlingssituation empfinden viele dabei offensichtlich nicht mehr also so dringend. Im Kampf ums Rathaus in Celle spielt das Thema jedenfalls keine große Rolle. Mendes Verwaltung musste im vergangenen Herbst auch von Freitag auf Montag eine Zeltstadt für 500 Geflüchtete aufbauen. Sie schaffte das. Die Reihen der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe schlossen sich. Die Stadt gründete eine Zuwanderungsagentur als zentrale Anlaufstelle mit qualifiziertem Bildungsangebot, richtete Sozialstationen in den Ortsteilen ein, organisierte die dezentrale Unterbringung im Stadtgebiet und gibt bis heute Dialogveranstaltungen, um Chancen und Schwierigkeiten des Zuzugs zu diskutieren. Mende räumt ein, dass Universitätsstädte wie Hannover oder Lüneburg anfangs in größeren Raumnöten steckten. Celle hatte eine frühere britische Kaserne, die man als Flüchtlingsunterkunft nutzen konnte. Aber Mende hat den Eindruck, dass die Bürger einverstanden sind mit dem Vorgehen der Stadt. Kritik an Merkel hört man bei ihm allenfalls leise. "Ich habe nicht die Grenze aufgemacht", sagt er, aber: "Ich habe mich nicht überfordert gefühlt, ich habe mich herausgefordert gefühlt." Und der Gegenkandidat? Jörg Nigge hat bei der CDU-Wahlkampfveranstaltung kurz von innerer Sicherheit gesprochen und von den Ängsten, die man ernst nehmen müsse. Aber in seinem Programm geht das Flüchtlingsthema auf unter der Rubrik "Vielfalt". Rechtspopulisten im Stadtrat? "Belanglos und beliebig auf jede andere Stadt kopierbar." Celler Themen drehen sich um Verkehrsprojekte, den Leerstand in der Innenstadt, die Wirtschaftskraft. Celle ist so hoch verschuldet wie wenige andere Städte in Niedersachsen. Die Erdöl- und Erdgas-Industrie, von der die Stadt abhängig ist, hat keine gute Zeit wegen des niedrigen Erdölpreises, des Russland-Embargos, des Fracking-Verbots. Und Mende treibt die Struktur der kommunalen Finanzverteilung um, die zu stark zulasten einer selbständigen Kreisstadt wie Celle gehe. Er wäre für eine gesplittete Kreisumlage. Nigge plädiert dafür, Aufgaben an den Landkreis abzutreten. Und er beklagt, Mende habe "in den letzten sieben Jahren weitere 60 Millionen Euro Schulden" gemacht. "Das stimmt", sagt Mende, "aber das Vermögen der Stadt hat sich auch um 30 Millionen verbessert." Man spürt: Celle ist gerade mehr mit sich als mit der Bundespolitik beschäftigt. Die AfD, Farbballons und ein Ei Die Alternative für Deutschland (AfD) fühlt sich von politischen Gegnern im niedersächsischen Kommunalwahlkampf massiv behindert. Sie will deshalb die Wahlen anfechten. Geprüft werde nun, in welcher Form dies möglich ist, sagte der Landesvorsitzende Paul Hampel am Donnerstag in Hannover. "Wir werden das deshalb tun, weil uns zu keinem Zeitpunkt während des Wahlkampfs eine Chancengleichheit gewährt wurde." So wurde bei einer Kundgebung in Lingen am Mittwoch die AfD-Bühne mit farbgefüllten Ballons und einem Ei beworfen, wie die Polizei mitteilte. "Ich bin nicht bereit, meine Gesundheit zu riskieren", sagte der stellvertretende Parteivorsitzende Alexander Gauland. An einer Wahlkampfveranstaltung an diesem Freitag in Northeim werde er nur teilnehmen, wenn die Polizei bereit sei, linke Demonstranten auf Abstand zu halten. "In Lingen ist gestern ein hartgekochtes Ei dicht an meinem Auge vorbeigeflogen", sagte der 75-Jährige. Am Vortag sei er bereits bei einer öffentlichen Veranstaltung in Uelzen niedergebrüllt worden. Die Polizei hatte aus Lingen weiter berichtet, die Redebeiträge der AfD-Funktionäre seien von "DGB-Mitgliedern, sonstigen Teilen des bürgerlichen Spektrums sowie einigen linken Gegendemonstranten, lautstark begleitet" worden. Ei- und Farbballon-Würfe hätten die AfD-Funktionäre verfehlt. dpa Aber natürlich ist die AfD da. Ihr Wesen, das zwischen ökonomischer Strenge und menschenrechtsfeindlicher Parolen-Politik schwankt, gehört ja im Grunde auch schon zum Establishment. Mit Interesse hat Mende Hessens Kommunalwahlen im März verfolgt. Damals war die Flüchtlingslage noch akut. Er sah "große Stimmengewinne" der AfD: "Das ist heute in einer etwas unaufgeregteren Zeit so nicht mehr möglich." Trotzdem rechnet Mende mit einem AfD-Mitglied im nächsten Stadtrat. Dessen Positionen? "Belanglos und beliebig auf jede andere Stadt kopierbar." Thomas Ehrhorn, der Vorsitzende des AfD-Kreisverbands Celle, sieht das natürlich anders und verweist auf das online verfügbare elfseitige Kreiswahlprogramm. Ehrhorns online verfügbarer Wahlaufruf dreht sich allerdings vor allem um Sabotageakte gegen Plakate, Stände und Wahlveranstaltungen seiner Partei. "Wir sind hier einer großen Anzahl von Repressionen ausgesetzt", sagt Ehrhorn. Aber nicht nur wegen dieser Straftaten stellt er fest, dass die AfD in Niedersachsen schlechter ankommt als in den neuen Bundesländern. Für Ehrhorn hat das damit zu tun, dass die Menschen, die im autoritären DDR-Staat groß geworden sind, ein feineres Gespür für die Willkür von Obrigkeiten hätten. Vielleicht hat es aber auch damit zu tun, dass Menschen, die in einer freien Gesellschaft aufgewachsen sind, ein feineres Gespür für die populistischen Entgleisungen von AfD-Rednern haben. Der Kommunalwahlkampf von Niedersachsen zeichnet jedenfalls ein ziemlich buntes Stimmungsbild im Land. Die Leute hier haben noch was anderes zu tun, als sich die Angst vor der Zuwanderung einreden zu lassen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/qualifikation-in-austin-unwetter-bremst-die-formel-1-aus-1.2707001
mlsum-de-9947
Die Qualifikation in Austin wird auf Sonntag verschoben. Arne Gabius läuft deutschen Marathon-Rekord in Frankfurt.
Formel 1: Die Formel-1-Qualifikation für den Großen Preis der USA ist am Samstag abgesagt worden. Sie soll am Sonntag fünf Stunden vor dem Rennen nachgeholt werden. Nachdem der Beginn der K.o.-Ausscheidung fünfmal verschoben worden war, führten heftiger Regen und Sturm zur kompletten Absage am Samstag. Am Freitag war auch schon ein Training den Ausläufern des Hurrikans Patricia zum Opfer gefallen. Das Qualifying wird um 09.00 Uhr Ortszeit (15.00 Uhr MEZ) stattfinden. Der Rennbeginn ist für 14.00 Uhr (20.00 Uhr MEZ) geplant. Beim 16. Saisonlauf kann WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton im Mercedes vorzeitig seinen dritten WM-Titel perfekt machen. Marathon: Arne Gabius ist in Frankfurt wie angekündigt deutschen Marathon-Rekord gerannt. Der 34-Jährige vom LT Haspa Hamburg belegte am Sonntag über die 42,195 Kilometer in 2:08:33 Stunden den vierten Platz. Damit unterbot er die Uralt-Bestmarke des Dresdners Jörg Peter aus dem Jahr 1988 um 14 Sekunden. Der Mediziner gewann auch den Titel des deutschen Meisters und blieb deutlich unter der Olympia-Norm von 2:12:15 Stunden für Rio de Janeiro 2016. Damit qualifizierte sich Gabius als erster Deutscher für die Sommerspiele. Das Rennen in Frankfurt gewann der Äthiopier Sisay Lemma Kasaye in 2:06:26 Stunden. Ski alpin, Sölden: Ski-Rennläuferin Viktoria Rebensburg hat nach einer beherzten Aufholjagd einen ordentlichen Start in die neue Weltcup-Saison hingelegt. Beim Riesenslalom auf dem Rettenbachgletscher im österreichischen Sölden fuhr die Olympiasiegerin von 2010 nach einem verpatzten ersten Lauf mit Bestzeit im zweiten Durchgang noch von Platz zwölf auf sechs vor. Ihren ersten Sieg im 99. Weltcup-Rennen sicherte sich die Italienerin Federica Brignone mit 0,85 Sekunden Vorsprung auf Slalom-Olympiasiegerin Mikaela Shiffrin (USA), Dritte wurde die Liechtensteinerin Tina Weirather (+1,25). Rebensburg lag 2,28 Sekunden hinter Brignone. Im ersten Lauf hatte sich Rebensburg bereits 2,95 Sekunden Rückstand auf die Italienerin eingehandelt. "Ehrlich gesagt, habe ich mich schon erschrocken", sagte die mit Nummer 1 gestartete Oberbayerin, als sie die Zeit der unmittelbar nach ihr fahrenden Brignone sah. Mit klarer Laufbestzeit im zweiten Durchgang gelang Rebensburg aber noch Schadensbegrenzung. Für die drei weiteren deutschen Starterinnen war das Rennen nach dem ersten Lauf bereits zu Ende. Simona Hösl (Berchtesgaden/36.), Lena Dürr (Germering/41.) und Susanne Weinbuchner (Lenggries/44.) konnten sich mit hohen Startnummern nicht für den zweiten Lauf der besten 30 qualifizieren. Das nächste Rennen findet am 14. November beim Slalom im finnischen Levi statt, der nächste Riesenslalom wird am 28. November in Aspen/USA ausgetragen. Fifa: Der Südafrikaner Tokyo Sexwale will ins Rennen um die FIFA-Präsidentschaft einsteigen. Der langjährige Vertraute von Nelson Mandela kündigte seine Kandidatur zwei Tage vor Abschluss der Bewerbungsfrist am 26. Oktober an. Sexwale muss dafür fünf Unterstützerstimmen vorweisen. Sexwale hat es am Kap als erfolgreicher Geschäftsmann mit Platin, Gold und Diamanten zum Multimillionär gebracht und gilt als exzellenter Netzwerker mit guten Verbindungen in die Welt von Politik, Business und Showgeschäft. Mit Mandela hatte er während der Apartheid gemeinsame Haftjahre auf der Gefängnisinsel Robben Island verbracht. Erst am Freitag hatte der frühere stellvertretende Generalsekretär Jérôme Champagne als vierter Anwärter seine Kandidatur für die Nachfolge von Amtsinhaber Joseph Blatter erklärt. Auch der gesperrte UEFA-Präsident Michel Platini, der zuletzt Blatter unterlegene Prinz Ali bin al-Hussein aus Jordanien und der frühere Fußballprofi David Nakhid aus Trinidad und Tobago haben nach eigenen Angaben ihre Bewerbung mit ausreichenden Stimmen der Mitgliedsverbände eingereicht. Tennis, Luxemburg: Tennisspielerin Mona Barthel hat kurz vor dem Ende der Saison ihr zweites Finale auf der WTA-Tour in diesem Jahr erreicht. Die Weltranglisten-55. aus Neumünster zog am Samstag durch einen 6:2, 6:3-Erfolg über die Schweizerin Stefanie Vögele ins Endspiel in Luxemburg ein. Der Sieg über Vögele stand nach nur 58 Minuten fest. Am Sonntag trifft Barthel entweder auf die Japanerin Misaki Doi oder die Belgierin Alison Van Uytvanck. Dann greift die Norddeutsche nach ihrem insgesamt vierten Turniersieg. Den Titel im schwedischen Bastad hatte sie in diesem Jahr verpasst. Das Hallenturnier in Luxemburg ist mit gut 225 000 Euro dotiert. Tennis, Moskau: Philipp Kohlschreiber hat das Finale beim ATP-Turnier in Moskau verpasst. Die deutsche Nummer eins unterlag am Samstag im Halbfinale 4:6, 4:6 gegen den spanischen Tennisprofi Roberto Bautista Agut, der an Nummer zwei gesetzt ist. Die Partie war nach 1:19 Stunden entschieden. Kohlschreiber stand in diesem Jahr bei den Turnieren in München und Kitzbühel im Endspiel. In seiner österreichischen Wahlheimat hatte der Augsburger den sechsten Titel seiner Karriere geholt. Das Turnier in Moskau ist mit 770 000 Dollar dotiert. Leichtathletik der Behinderten: Mit einem fantastischen Weltrekord und dem WM-Titel-Hattrick hat Markus Rehm seine Ausnahmestellung im paralympischen Sport eindrucksvoll unterstrichen. Der unterschenkelamputierte Leverkusener schraubte am Freitag bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften der Behindertensportler in Katar seinen Weitsprung-Weltrekord auf 8,40 Meter und sprang zu seinem dritten WM-Gold nach 2011 und 2013. Im dritten Versuch gelang dem Paralympicssieger von London 2012 der perfekte Sprung, mit dem er seine Bestmarke um elf Zentimeter verbesserte. Rehm ist damit seit seinem ersten WM-Titel vor vier Jahren in seiner Paradedisziplin bei Großereignissen ungeschlagen. Youngster Felix Streng wurde mit 6,77 Metern Fünfter. Franziska Liebhardt aus Leverkusen, die durch eine Bewegungsstörung infolge einer frühkindlichen Hirnschädigung eingeschränkt ist und mit einer transplantierten Lunge und Niere lebt, holte sich im Kugelstoßen Silber. Die 33-Jährige stieß zwischenzeitlich mit 13,39 Meter gar Weltrekord. Doch die Chinesin Mi Na konterte umgehend und schnappte Liebhardt die Bestmarke und Gold mit 13,56 Meter weg. Nach Gold durch Vanessa Low, die im Weitsprung ebenfalls Weltrekord sprang, und Sebastian Dietz im Kugelstoßen am Vortag haben sich die Deutschen bereits vier Startplätze für die Paralympics im kommenden Jahr in Rio de Janeiro gesichert. Fußball, Uefa: Deutschland hat in dieser Woche als Zweiter der UEFA-Fünfjahreswertung seinen Vorsprung auf England ausgebaut. Trotz der Niederlage von Bayern München beim FC Arsenal in der Champions League holte die Bundesliga mit 1,285 Punkten mehr als die Premier League (0,875). Auch der Vierte Italien, der auf einen Punkt kam, wurde vor allem dank der Unentschieden von Leverkusen und Mönchengladbach in den direkten Vergleichen auf Distanz gehalten. Ein Abrutschen der Bundesliga auf Platz vier würde den Verlust eines Startplatzes in der Champions League bedeuten. An der Spitze zieht Spanien (1,571 Punkte) weiter einsam seine Kreise. Mit den zusätzlichen Bonuspunkten für das Erreichen der jeweiligen K.o.-Runden wird den Iberern inzwischen sogar zugetraut, in dieser Saison die 100-Punkte-Marke in der Fünfjahreswertung zu knacken. Deutschland hat am 3. Spieltag die 70-Punkte-Hürde überwunden. - Die UEFA-Fünfjahreswertung 2015/16 (maßgeblich für die Vergabe der Startplätze 2017/18) Tennis, Moskau: Philipp Kohlschreiber steht beim Tennisturnier in Moskau unter den letzten Vier. Der 32 Jahre alte Augsburger gewann am Freitag im Viertelfinale gegen den Niederländer Robin Haase mit 6:2, 6:4. Im Halbfinale trifft Kohlschreiber auf Roberto Bautista Agut aus Spanien. Das Hartplatz-Turnier in Russlands Hauptstadt ist mit gut 771 000 Dollar dotiert. Fußball, Fifa: Der frühere FIFA-Funktionär Jérôme Champagne (Frankreich) hat seine Kandidatur für das Präsidenten-Amt beim Fußball-Weltverband bestätigt. "Ich habe meine Unterlagen abgegeben und die Unterstützung von fünf Mitgliedsländern", sagte der 57-Jährige drei Tage vor Ablauf der Bewerbungsfrist am Montag (26. Oktober) der Nachrichtenagentur AFP. Champagne ist für die am 26. Februar angesetzte Wahl eines Nachfolgers für den suspendierten FIFA-Boss Joseph S. Blatter (Schweiz) der vierte Bewerber. Vor dem ehemaligen Diplomaten hatten auch schon sein Landsmann Michel Platini, der derzeit ebenfalls suspendierte Chef der Europäischen Fußball-Union (UEFA), sowie der jordanische Prinz Ali bin Al Hussein und der frühere Fußball-Profi David Nakhid (Trinidad und Tobago) ihren Hut auch offiziell in den Ring geworfen. Champagne sieht seine frühere Tätigkeit bei der FIFA als Empfehlung, nicht als Makel. "Um die benötigten Reformen bei der FIFA durchzuführen, muss es jemanden geben, der die Institution kennt. Ich schäme mich auch nicht für die Jahre, die ich bei der FIFA war. Sie sind kein Nachteil, im Gegenteil", sagte Champagne im AFP-Gespräch. Champagne war von 1999 bis 2010 in verschiedenen beratenden Funktionen für die FIFA tätig und war lange Zeit einer der engsten Blatter-Vertrauten. Tischtennis, Warschau: Der zwölfjährige Japaner Tomokazu Harimoto hat als jüngster Spieler aller Zeiten auf der Tischtennis-World-Tour das Hauptfeld im Herren-Einzel erreicht. Dies gelang dem Youngster bei den hochkarätig besetzten Polish Open durch ein 11:9 im entscheidenden siebten Satz gegen den früheren EM-Finalisten Tan Ruiwu aus Kroatien, wie der Weltverband ITTF am frühen Freitagmorgen mitteilte. "Ich bin glücklich, der Jüngste überhaupt zu sein, der es ins Hauptfeld schafft", sagte der stolze Harimoto. "Ich habe schon mit zwei Jahren mit Tischtennis angefangen wegen meiner Eltern, die auch Tischtennisspieler waren", berichtete der Zwölfjährige. "Als kleiner Junge habe ich auf einem Stuhl gesessen und versucht, Tischtennis zu spielen. Heute trainiere ich jeden Tag neun Stunden." Aus Deutschland überstand nur der Bergneustädter Ricardo Walther die Qualifikation. Am Freitagnachmittag greift auch Europameister Dimitrij Ovtcharov (Orenburg/Russland) in den Wettbewerb ein.
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Mehr als 2000 Lügen, eine boomende US-Wirtschaft, Dutzende Besuche auf Golfplätzen und viele Tweets am Vormittag. Ein Rückblick auf Trumps erstes Jahr im Weißen Haus.
Am 20. Januar 2017 wurde Donald John Trump als 45. US-Präsident vereidigt, weshalb dem Republikaner seit einigen Tagen überall ein Zwischenzeugnis ausgestellt wird. SZ.de zieht hier eine etwas andere Bilanz, anhand von Zahlen, Grafiken und Daten - und in einer subjektiven Auswahl. Natürlich geht es um Umfragewerte und Arbeitslosenzahlen, aber eben auch um Trumps Besuche auf Golf-Plätzen, die Lügen und seine allerliebsten Bundesstaaten. Ein Jahr Präsident Trump, das ist auch ein Jahr Twitter als wichtigstes Kommunikationsmittel. Mehr als 2500 Tweets wurden seit der Inauguration von @realDonaldTrump abgesetzt - inklusive der berüchtigten und höchst gefährlichen Drohungen über seinen "großen und mächtigen Atomknopf" in Richtung des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un, alias "Little Rocket Man". Die Zahl seiner Follower ist von 15,1 Millionen auf mehr als 42 Millionen gestiegen, doch genauere Analysen zeigen, dass Präsident Trump seltener tweetet als Kandidat Trump. Eines ist aber unübersehbar (und auch nicht durch den strengen Ex-General John Kelly als Büroleiter zu stoppen): Nichts und niemand inspiriert Trump mehr als "FOX & friends", die Morgensendung des konservativen Kabelsenders Fox News. Im ersten Amtsjahr hat sich Trump kaum bemüht, seine Kritiker zu überzeugen - weder durch staatsmännisches Auftreten noch durch inhaltliche Kompromisse. Er will weiter die Grenzmauer zu Mexiko bauen, die Krankenversicherung Obamacare abschaffen und sieht die Demokraten als Feinde. Trumps Impulsivität zeigt sich in den Tweets - in mehr als 60 Prozent (!) der Botschaften verwendet er ein Ausrufezeichen. Und ganz offensichtlich verbleibt er bei Twitter in einer Blase aus Familie, Gleichgesinnten und seinem Lieblingsfernsehsender. Trumps Tweets stellen Journalisten vor Herausforderungen: Da sie oft ungefiltert das Denken des mächtigsten Manns der Welt zeigen und alle sie sehen können, lassen sie sich nicht ignorieren. Experten wie der Linguist George Lakoff betonen, dass Trump so die Agenda bestimmt: Er lenkt von unangenehmen Dingen ab, indem er neue Skandale provoziert oder testet, wie bestimmte Themen ankommen. Was besonders oft per Retweet weitergeleitet wird, gefällt seiner Basis: 2017 waren das die Kritik an Football-Spielern, die bei der Nationalhymne aus Protest niederknien ("Hurensöhne") und ein Video, das Trump als Wrestler im Kampf mit CNN zeigt. Das Dauer-Getwittere ist nicht das Einzige, was Trump von seinen Vorgängern unterscheidet. Sein Umgang mit Fakten und seine Bereitschaft, Lügen zu verbreiten irritieren nicht nur die Bürger - weltweit zerbrechen sich Politiker den Kopf, welche Aussagen aus Washington nun ernst zu nehmen sind. Den Fact-Checkern von Politifact zufolge sind zwei Drittel der überprüften Aussagen Trumps "mehr oder weniger oder komplett falsch" und die Washington Post hat für das erste Amtsjahr mehr als 2000 "falsche oder irreführende Behauptungen" dokumentiert. Manche hat Trump Dutzende Male wiederholt. Donald Trump nur als "kontrovers" zu beschreiben, wäre untertrieben. Verachtung oder Bewunderung, dazwischen gibt es wenig. In den USA haben fast alle Menschen eine klare Meinung über ihren Präsidenten - und das Urteil fällt schlecht aus. Mit knapp 40 Prozent Unterstützung ist Trump deutlich unbeliebter als es seine Vorgänger Barack Obama (50 Prozent), George W. Bush (86), Bill Clinton (54) und George Bush Senior (71) am Ende ihres jeweils ersten Amtsjahres waren. Diese Unpopularität erstaunt umso mehr, weil die US-Wirtschaft weiter boomt. Die Verbraucher sind so zufrieden wie seit Herbst 2000 nicht mehr, die Wirtschaftsleistung wächst um fast drei Prozent pro Quartal, die Arbeitslosenquote fällt und fällt. Als Wahlkämpfer hatte Trump Amerika schlechtgeredet und diese Werte als manipuliert bezeichnet, als Präsident lässt er sich dafür feiern. Wie heuchlerisch Trump ist, illustriert die nächste Zahl. Als Reality-TV-Star kritisierte er Vorgänger Barack Obama in Interviews und Twitter permanent dafür, dass dieser zu oft Golf spiele. In seinem ersten Amtsjahr tat der Demokrat dies 26 Mal - während Trump zwischen dem 2. Februar 2017 und Neujahr 2018 mindestens 88 Mal seine eigenen Golfplätze besuchte. Die exakte Zahl, wie oft Trump dabei wirklich einen Schläger in die Hand nahm, ist schwer zu ermitteln, weil Reporter schlecht informiert werden (meist posten andere Gäste Beweisfotos des Präsidenten im Sport-Outfit bei Facebook oder Instagram). Zudem hält der US-Präsident auch Arbeitstreffen in seinen Hotels ab. Shinzo Abe aus Japan war ebenso in Mar-A-Lago zu Gast wie Chinas Präsident Xi Jinping - damals bekamen er und die Gäste mit, wie Trumps Team die Bombardierung Syriens plante. Solche Aktionen sind nur ein Faktor, warum die Welt Trump als Präsidenten weniger vertraut als Obama. Zu Trumps Jahresbilanz gehört auch (was im Ausland oft ignoriert wird), dass die konservative Basis weiter zu ihm hält. Diese Republikaner freuen sich, dass Trump mit Neil Gorsuch einen konservativen Richter an den Supreme Court geschickt und eine Steuerreform durchgesetzt hat. Sie sagen sich außerdem: "Jeder ist besser als ein Demokrat." Ebenso eindeutig ist das negative Urteil der progressiven Amerikaner über Trump - und ob es den Demokraten gelingen wird, bei den midterm elections im November die Mehrheit im Kongress zu erobern, hängt vor allem davon ab, welche Partei besser mobilisiert. Zur Realität von Trumps erstem Jahr gehört auch, dass 60 Prozent der US-Bürger der Meinung sind, dass sich unter dem Republikaner-Präsidenten das Verhältnis zwischen Weißen und Schwarzen, Latinos und asiatischstämmigen Amerikanern verschlechtert habe. Wie vielfältig die Assoziationen zu Trump sind, illustriert das Ergebnis dieser NBC-Umfrage. Dies waren die Adjektive, mit denen die US-Amerikaner ihren Präsidenten am häufigsten beschrieben: Der Politiker Trump ist untrennbar mit Barack Obama verknüpft. Trump war der Kopf der unsäglichen Birther-Bewegung, die anzweifelte, dass der Demokrat in den USA geboren wurde ("seine Präsidentschaft ist unrechtmäßig!") und Christ sei ("in Wahrheit ist er Muslim!"). Oft hat es den Eindruck, dass Präsident Trump am liebsten das Gegenteil dessen macht oder sagt, was sein Vorgänger tat. Im ersten Jahr hat Trump nicht nur viele konservative Richter auf Lebenszeit eingesetzt, deren Urteile zahlreiche von Obamas Errungenschaften einkassieren dürften. Mindestens 800 Auflagen und Vorschriften wurden zurückgenommen - stets zugunsten von Konzernen und Investoren und auf Kosten von Natur und Verbrauchern. Zu Trumps Dauerkritik an Obama gehörte der Vorwurf, dass dieser zu viele Präsidialdekrete erlasse. Executive orders unterhöhlten die Macht des Parlaments, Obama handele wie ein "Kaiser", schrien Trump und andere Republikaner. In den ersten zwölf Monaten im Weißen Haus hat Trump das Mittel schätzen gelernt - am Kongress vorbei versuchte er etwa, per Dekret seinen "Travel Ban" durchzusetzen. Der Vergleich zu seinen Vorgängern ergibt ein gemischtes Bild, wobei anzumerken wäre, dass Trump und Obama anders als George W. Bush und Bill Clinton im ersten Jahr über Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus verfügten. Als Kandidat kündigte Trump oft an, den "Sumpf in Washington" auszutrocknen. Experten klagen, dass seine Regierung für mehr als 200 Top-Positionen noch nicht mal Kandidaten nominiert habe - der Senat muss Botschafter, Vize-Minister oder Unterstaatssekretäre bestätigen. Dieser Prozess braucht Zeit, aber Obama und Bush jr. waren hier viel effektiver. Er besetze Stellen nicht, weil diese "überflüssig" seien, tönt Trump. Viel Geld einsparen lässt sich so nicht, stattdessen wird effektive Arbeit in vielen Behörden - etwa im wichtigen Außenministerium - erheblich erschwert. Aussagekräftig ist auch Trumps Reiseverhalten in den USA. Am häufigsten besuchte er die Staaten Virginia (27), Florida (14) und New Jersey (10), wo sich seine Golfplätze befinden. Mehrmals reiste er nach Pennsylvania, Ohio und Wisconsin - also zu seinen Fans im Rust Belt. Mit Kritikern will sich Trump nicht auseinandersetzen: Er ignoriert die progressiven Westküsten-Staaten Washington, Oregon und Kalifornien, obwohl allein dort 40 Millionen Menschen leben. Damit ist Trump seit 64 Jahren der erste US-Präsident, der nicht im ersten Amtsjahr Kalifornien besucht. Vielleicht traut er sich ja in Jahr zwei.
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mlsum-de-9949
Viele SPD-Wähler wechseln zur AfD, die Gründe reichen von der Abneigung gegen Akademiker bis zur Angst um die Rente. Eine Motivsuche an Münchner Stammtischen und im Berliner Kiez.
Viel zu viele Menschen drängen sich in dem dunklen Hinterraum im Gasthaus "Zum Alten Wirt" im Münchner Stadtteil Obermenzing. Auf den karierten Tischdecken stehen "Mut zur Wahrheit"-Wimpel, über der Holzvertäfelung hängen Hirschgeweihe. Die Veranstalter hatten ein Dutzend Gäste erwartet, gekommen sind zum Infoabend des AfD-Kreisverbands München-West mehr als 40. Und das, obwohl es ein heißer Sommertag ist, die Grillen zirpen durchs Fenster herein. Am Nebentisch sitzt Frau Kraft, eine Rentnerin mit kurzen grauen Haaren. Sie war früher in der SPD aktiv, ist nun AfD-Mitglied, geht zu Pegida-Demos - auch wenn sie dort von Antifa-Aktivisten angebrüllt wird. "Ich bin nicht fremdenfeindlich. Mein Vater war im KZ", sagt sie. Aber die SPD habe sich stark verändert. "Die SPD war mal eine Arbeiterpartei. Aber das ist lange her." Ganz vorbei sei es für sie gewesen, als die SPD mit den Grünen koalierte. "Das sind ja Kommunisten mit Uni-Abschluss." Dagegen sei die AfD "die neue Partei der Mittelschicht". Dann wird Frau Kraft laut: "Wir haben uns etwas erarbeitet! Das darf man uns nicht wegnehmen. Nur die AfD hat das erkannt." Dass in der SPD Arbeiter und soziale Aufsteiger seltener werden, bringt auch Bruni Wildenhein-Lauterbach zum Seufzen. Die Berliner SPD-Politikerin kandidierte bei den Landtagswahlen in der roten Hochburg Wedding, zum dritten Mal schon. In ihrem Kiez bleibt die SPD trotz Verlusten stärkste Kraft, aber Wildenhein-Lauterbachs Konkurrent von der AfD bekommt auf Anhieb 14,3 Prozent der Stimmen, in vielen sozial schwachen Bezirken am Stadtrand sind es noch weit mehr. In ganz Berlin verliert die SPD 24 000 Stimmen an die Alternative für Deutschland, 12 000 wechselten von der Linkspartei zur AfD. Die Rechtspopulisten sind überproportional bei Arbeitslosen und klassischen Arbeitern vertreten, eigentlich die Stammklientel linker und sozialdemokratischer Parteien. Aufsteiger aus einfachen Verhältnissen sind heute selten in der SPD Dass es diese Leute nun zur AfD treibt, beschäftigt auch Bruni Wildenhein-Lauterbach. Sie kennt das Milieu gut, das Frau Kraft aus München in der AfD vertreten sehen will - weil sie ihm selbst entstammt. Ihr Vater, der während der Nazi-Zeit im Widerstand aktiv war, wurde im chaotischen Nachkriegs-Berlin erschlagen, als die Mutter gerade mit Bruni schwanger war. Wildenhein-Lauterbach weiß, wie es ist, sich etwas zu erarbeiten. Sie machte erst eine Ausbildung zur Verkäuferin, heiratete, bekam Kinder. Dann schulte sie um auf Altenpflegerin, trennte sich von ihrem Mann. Und war über die Zustände in der Pflege so empört, dass sie sich der Gewerkschaft anschloss. Ende der 80er-Jahre trat sie der SPD bei. Seit 2006 sitzt die 69-Jährige im Abgeordnetenhaus und wird dort noch fünf weitere Jahre den Wedding vertreten. Aufsteiger aus einfachen Verhältnissen, das gibt sie zu, seien heute allerdings selten in der SPD. "Ich würde sagen: Gefühlt haben 80 Prozent Abitur, die meisten sind Akademiker." Dass die SPD keine Arbeiterpartei mehr ist, findet Wildenhein-Lauterbach grundsätzlich nicht schlecht. "Ich hatte damals als Tochter einer Alleinerziehenden gar nicht die Möglichkeit, Abitur zu machen. Es ist doch gut, wenn heutzutage Leute diese Chance haben und ergreifen." Aber es gibt ja auch noch jene, die den Aufstieg nicht schaffen, keinen Bildungsabschluss haben und erst recht keine Ausbildung. Unter diesen Leuten kennt Wildenhein-Lauterbach einige, die ihr stolz verkündeten, die AfD wählen zu wollen. "Junge Männer, die Hartz IV beziehen." Auch viele ältere Menschen sympathisierten mit der AfD. "Die frage ich: Sie wollen doch nur, dass mal jemand für Ordnung sorgt, oder?" Meistens hat Wildenhein-Lauterbach recht. "Die Leute sind in einer ganz anderen Zeit aufgewachsen", sagt sie. Einer Zeit- wie Frau Kraft meint -, in der ehrliche Maloche mehr wert war als ein Wischiwaschi-Studium. Wildenhein-Lauterbach teilt diese Nostalgie nicht. Doch sie weiß auch, woher sie kommt. Viele seien heute im Alter einsam, die Kinder sind aus dem Haus, die Rente ist gering. "Den Anschluss an die heutige Zeit finden sie maximal noch über den Fernseher", sagt sie. Und was sie dort zu sehen bekämen, sei Gewalt, Krieg, Chaos, Unsicherheit, Flüchtlinge. Wer allerdings Zeit mit AfD-Sympathisanten verbringt, erkennt, dass Menschen wie Frau Kraft nur für einen Teil der Unterstützer stehen. Zu den vielen AfD-Stammtischen in Berlin und München kommen vor allem Vertreter eines gutbürgerlichen, gebildeten Milieus. Da sitzt der Finanzberater mit Rolex neben dem Anwalt im Ruhestand, neben der Hausfrau, die sich im Alter engagieren will. Sie diskutieren über Putin, zitieren Ökonomen, verteufeln die USA und wünschen sich die Flüchtlinge weg. Die meisten am Stammtisch sind älter als 50 Jahre, die Männer leicht in der Überzahl, die Hemdenträger auch. Zwischen ihnen sitzt hin und wieder jemand wie Frau Kraft, der sich ein wenig Wohlstand erwirtschaftet hat - und panische Angst verspürt, diesen wieder zu verlieren. Detailansicht öffnen Vergebliches Werben: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller verlor 24 000 SPD-Wähler an die AfD. (Foto: Fabrizio Bensch/Reuters) "Aus allen Schichten und Altersklassen strömen die Leute zur AfD", sagt auch der Sozialwissenschaftler David Bebnowski vom Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam. "Den Rassismus darf man nicht wegdiskutieren. Aber viele ihrer Wähler sehen sich vor allem ihrer eigenen Lebenschancen beraubt. Sie sind frustriert über das politische System. Die AfD ist für sie ein Stachel im Fleisch der etablierten Parteien, eine Möglichkeit zum Protest." Allen gemeinsam ist eine Ablehnung von Merkels Flüchtlingspolitik, ein großes Unbehagen der EU gegenüber, ein nostalgisches Schwärmen, wenn es um die Vergangenheit geht. "Wir waren mal Exportweltmeister", wird am Stammtisch in Obermenzing geklagt. Dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland auf dem tiefsten Stand seit 25 Jahren ist, sei "alles nur Lüge". Etwa zwei Drittel der Mitglieder im Kreisverband München-West waren vorher in keiner Partei, fanden erst in der AfD ihre Heimat, sagt Markus Walbrunn, der Organisator des Infoabends. Motive für den Parteieintritt seien die "Masseneinwanderung", die Probleme mit der Integration. Der Bürokaufmann studiert derzeit, für die AfD, die im bayerischen Landtag bisher nicht vertreten ist, führt er ehrenamtlich den Kreisverband. Und er sagt: "Die meisten von uns spüren eine Entfremdung von der Heimat. Es verändert sich vieles in eine Richtung, die uns nicht gefällt." Ähnliches beobachtet der Berliner Jungpolitiker Andreas Wiedermann. Der 34-Jährige ist wie Wildenhein-Lauterbach ein Aufsteiger, wie es die SPD gerne sieht. Seine Eltern sind ungelernte Arbeiter, er selbst machte Abitur und studierte Geschichte und Philosophie. Als Teenager stieß er zur SPD, kandidierte für das Abgeordnetenhaus. Doch zu einem Sitz reichte es nicht in der Stadt, in der die SPD so viele Stimmen verlor. Und so manches, was die SPD-Stammklientel umtreibt, befremdet ihn. "Zurzeit höre ich von vielen ehemaligen SPD-Wählern: Warum sollen wir eigentlich arbeiten, und die Flüchtlinge kriegen ihr Geld einfach so?", erzählt er aus dem Wahlkampf. Mehr noch als Hartz IV verärgere die alten SPDler der Vorschlag einer Rente mit 67. "Damit haben wir die Arbeiter vergrault, die stolz auf ihre Lebensleistung sind." Auch AfD-Experte Bebnowski sagt, die SPD habe sich in den 90er-Jahren von der Arbeiterschicht verabschiedet. "Sie hat sozusagen ihren Markenkern aufgegeben. Die sogenannten kleinen Leute fühlen sich und ihre Interessen nicht mehr in der SPD vertreten." Das Versprechen vom "Aufstieg durch Bildung" komme bei vielen nicht an. Dass der soziale Status von Bildung abhängen solle, werde von Arbeitern und Arbeitslosen, die ja als Bildungsverlierer gälten, eher als Bedrohung angesehen. Die AfD-Wähler eint auch das Gefühl, für ihre Einstellung geächtet zu werden Und viele vom alten SPD-Markenkern sitzen nun gemeinsam mit Rechtsanwälten und Professoren an einem Stammtisch in München und sagen: Wir haben uns alles hart erarbeitet. Das nimmt uns keiner weg. Egal ob Flüchtlinge, der Staat oder sonst irgendwer. Wenn der Name Merkel fällt, lachen sie höhnisch und buhen. Es ist auch der Protest gegen ihre Politik, der die Menschen aus allen Lagern und Schichten herbringt. Zusätzlich eint sie eines: das Gefühl, für ihre politische Einstellung geächtet zu werden. "Wenn die AfD scheitert, ist es aus mit uns!" Mit Deutschland sei es dann aus, meint die Stammtischrunde natürlich. Und zwar nicht mit dem heutigen Deutschland, an dem sie so viel auszusetzen hat, sondern mit einem Deutschland, das sie sich mit verklärtem Blick zurückerträumt.
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In der luxemburgischen Provinz entstehen internationale Studiengänge und neue Institute, die Erwartungen sind hoch. Doch braucht ein Land mit der Einwohnerzahl von Essen eine eigene Universität? Ein Besuch.
Über den Bauzäunen hängen Planen, dahinter türmt ein Bagger Schutt. Hinter Sperrholzplatten schleppen Männer Säcke mit Zement, sie zersägen Stelen. Über allem kreisen Kräne. Die Baustelle ist gut versteckt, aber nicht gut genug. Es staubt, es rumort. Auf eine Folie, die Dichtungsplatten zusammenhält, hat jemand in Großbuchstaben ihren Bestimmungsort gekritzelt: "Maison du Livre" - Haus der Bücher. Noch erinnert das Gebäude, das einmal eine Bibliothek sein soll, an das, was es einmal war: eine Möllerei, der Teil eines Stahlwerks, in dem Koks und Erz vermischt wurden. Das luxemburgische Belval, etwa zwanzig Autominuten südlich der Hauptstadt, nahe der Grenze zu Frankreich. Hier pochte auf einer Fläche von knapp 200 Hektar das industrielle Herz des Landes, Hochöfen, Sinteranlagen, die schwere Industrie. Erz und Kohle wurden von Belval aus nach Norden gepumpt, wer hier lebte, lebte von Eisen und Stahl. Zwei der ehemals sechs Hochöfen ragen noch immer in den Himmel, Hochofen A und B, sie sind knapp 90 Meter hoch. Aber nichts kracht mehr, nichts wummert - und wenn doch, dann sind es nur die Maschinen der Bauarbeiter. Seit 1997 ist der letzte Hochofen dicht. Auf der ehemaligen Industriebrache steht nun die erste und einzige öffentliche Universität des Großherzogtums Luxemburg. Mittlerweile ist das erste Semester vorbei, und die Baustellen sind überschaubar in Zahl und Größe. Wer hier lebt, soll fortan von Forschung und Lehre leben. Eros Ramazzotti war schon hier; ansonsten ist das bunte Leben der Kleinstadt noch bescheiden Braucht ein Land wie Luxemburg, das in etwa so viele Einwohner hat wie die Stadt Essen, überhaupt eine eigene Universität? Lange war um diese Frage gerungen worden. Doch die Studenten zum Studieren ins Ausland zu schicken, barg die Gefahr, dass sie nicht zurückkommen, wenn Staatsexamen und Master bestanden sind. Also der Entschluss: Ja, das Großherzogtum will eine eigene öffentliche Universität. Aber wo? Die Stadt Luxemburg, das sind der Europäische Gerichtshof, der Europäische Rechnungshof, Teile der Europäischen Kommission. Dann unzählige Investmentbanken mit Türmen aus Glas. Hohe Gehälter, steile Karrieren. Von Montag bis Freitag pulsiert die Stadt, gerade mittags sind die Boulevards verstopft, ein hektisches Gewusel. Die neue Universität sollte ein Gegengewicht zu diesem Zentrum sein, das bislang immer auch für das gesamte Land stand. Eine Industriebrache in der Provinz kam da gelegen. Gegründet wurde die Universität bereits 2003, damals noch an drei Standorten im Land. Eine Übergangslösung. Im vergangenen September wurde dann der neue Campus Belval eingeweiht; Hörsäle und Seminarräume, alles Nötige war fertig. Der Kern dieses Campus ist das "Maison du Savoir", was "Haus des Wissens" heißt. Die Gänge sind weit, die Wände puristisch karg in Grau und Schwarz, Teppiche dämpfen die Schritte, die Lampen an der Decke sehen aus wie Ufos. Eine Rolltreppe bringt die Studenten in die Cafeteria. In jeder Etage zeigen Bildschirme, wann und wo welcher Kurs läuft: Theorie der Interkulturalität, Salle 4.520, Luxembourgeois, Language Center. Detailansicht öffnen Wer einst im Süden des Großherzogtums lebte, der lebte von Eisen und Stahl. Fortan sollen die Luxemburger und internationales Publikum von Wissenschaft leben. Esch-sur-Alzette, Stadtteil Belval, ist im Umbruch. (Foto: Philippe Bourguet/laif) "Maison du savoir", das lässt sich auch mit "Haus der Weisheit" übersetzen; ein Name, der den ambitionierten Zielen entspricht. Hier, in Belval, soll die Elite des Landes gepäppelt werden, die Uni versteht sich als Forschungsstandort: Es gibt deutlich mehr Master- als Bachelorstudiengänge, Biomedizin, europäisches Recht, Informations- und Kommunikationstechnologie. Sieben Doktorschulen. Auf dem Campus forschen etwa international renommierte Biomediziner daran, dass Parkinson früher erkannt werden kann. Hier sitzt die Royal Bank of Canada (RBC). Insgesamt 960 Millionen Euro lässt sich der Staat diesen Campus bis 2018 kosten. Auch mit deutschen Köpfen: Der Rektor, der Ökonom Rainer Klump, amtiert seit Anfang 2015, er war zuvor Vizepräsident der Universität Frankfurt. Oder Georg Mein. Er ist der Dekan der geisteswissenschaftlichen Fakultät, kariertes Hemd, beigefarbener Anzug. Er hat in Bonn promoviert und in Bielefeld habilitiert, und als er 2006 nach Luxemburg kam, raunte die deutsche Lokalpresse schon über die "Turbo-Uni" im Nachbarland, dem "neuen Wissenschaftsmotor". Diesen Motor sollte Mein zum Laufen bringen, indem er das Institut für Germanistik aufbaut. Kurspläne entwerfen, Dozenten anheuern ist das eine. Doch wie formt man die Seele einer Uni? "Wir erleben hier ohne Frage eine Laborsituation", sagt Mein. Gewachsene deutsche und französische Unis wie die Eberhard-Karls-Universität in Tübingen oder die Sorbonne in Paris könnten sich wohl auf jahrhundertealte Tradition berufen, auf Absolventen wie den Schriftsteller Christoph Martin Wieland oder die Philosophin Simone de Beauvoir. Aber diese Tradition gehe allzu oft mit der Verpflichtung einher, nichts zu verändern. Hier, in Belval, sei der Fokus auf die Zukunft gerichtet, und genau das mache diese europäische Universität auf luxemburgischem Boden aus. Zukunft, das heißt für ihn und seine Kollegen: Smart Solutions, SAP, E-Learning-Plattformen. Internationale Exzellenz, interdisziplinäre Forschung; ein Teil der Studenten etwa lernt auf einem kleinen Campus in der Stadt, weil sie von dort zu den Institutionen der Europäischen Union spazieren können. Das alles, sagt Mein, schätzten die Dozenten, die ihre Kurse auch deshalb nach ihren Vorlieben gestalten können, weil das vor ihnen noch keiner getan hat. Viele Studiengänge sind gleich mehrsprachig angelegt. "Das ist wichtig, damit unsere Studenten nach Master oder Staatsexamen in einem globalisierten Arbeitsmarkt problemlos anfangen können", sagt Mein. Zumal in einem Land wie Luxemburg mit einem Ausländeranteil von 45 Prozent. Hier, zwischen Beiler im Norden und Düdelingen im Süden, leben knapp 550 000 Menschen, darunter allein 92 000 Portugiesen (ehemalige Gastarbeiter - die größte Minderheit im Land), viele Italiener, einige Briten. Und so sind mehr als die Hälfte der Studenten an der Uni nicht aus Luxemburg. Sicher, viele kommen aus der Großregion, auf dem Parkplatz stehen Autos mit Trierer und Saarbrücker Kennzeichen, dann französische, belgische. Insgesamt aber stammen die Studenten hier aus 115 Ländern. Die meisten kommen nicht nur nach Belval, um Materialwissenschaften oder Erziehungswissenschaften auf hohem Niveau zu lernen, sondern auch, weil sie das hier im internationalen Kontext tun können. ‹ › Rainer Klump ist 2015 als Uni-Chef angetreten. Da sagte der Ökonom dem Luxemburger Wort: "Meine Zielvorstellung ist die Universität Luxemburg als Modell einer europäischen Forschungsuniversität für das 21. Jahrhundert." Foto: Luc Deflorenne Bild: Luc Deflorenne Wird geladen ... Doch die Männer und Frauen sollen nicht nur an die Uni pendeln, um dort zu lernen. Sie sollen in Belval bleiben. Langfristig erwartet der Ort etwa 7000 Studenten und 3000 Forscher. Und deshalb verändert sich nicht nur der Campus - um ihn herum entsteht ein komplett neues Stadtviertel. Auf einer Fläche von 15 Hektar werden in der "Cité des Sciences", der Stadt der Wissenschaften, Studentenwohnungen gebaut; das WG-Zimmer gibt es ab 360 Euro. 220 Leute sind bereits eingezogen, manche Häuser sind noch im Rohbau. 2017 soll auch hier alles fertig sein. Damit Studenten und Dozenten nicht nur zwischen dem Hörsaal und ihrer Wohnung hin- und herlaufen, sondern auch den Ort beleben, sich wohlfühlen, gehört zum Gelände die Rockhal, eine Konzerthalle, Eros Ramazzotti war schon hier. Zudem eine Shopping-Mall, kleine Cafés, ein neuer Bahnhof empfängt die Studenten, er sieht von außen aus wie eine weiße Raupe, drinnen stehen Palmen. Von hier können sie am Wochenende nach Luxemburg fahren; in Belval selbst fehlt es noch an Clubs und Bars. Ein Sportzentrum wird geplant. Dreisprachige Studiengänge gibt es hier - gerade das lässt junge Leute aber aufhorchen "Das Drumherum ist noch ein Problem", sagt eine junge Deutsche. Sie ist gerade auf dem Weg zu einer Vorlesung, Psychologie, drittes Semester. Als die Uni im vergangenen Jahr nach Belval gezogen ist, ist sie mitgezogen. Nun wohnt sie in einer der Studentenwohnungen, 590 Euro Miete, zehn Minuten Fußweg. "Man spürt schon, wie international die Uni ist", sagt sie, und deshalb sei sie hier. Ihr Studiengang ist dreisprachig, Seminare und Vorlesungen hat sie auf Englisch und Deutsch, für die nächste Übung schleppt sie einen Ordner mit Fragebögen auf Französisch. Abends, erzählt sie, sitze sie oft noch am Computer, an den Wochenenden fährt sie meist nach Hause. "Hier ist ja kaum was los", sagt sie. Stille. "Noch." Man könne schließlich nicht einfach so eine Kleinstadt aus dem Boden stampfen, wo vorher nur Schutt und Gemäuer waren. Es sei nur natürlich, dass das dauert. Nur Schutt und Gemäuer? Denis Scuto sieht das anders. Er ist Historiker, Industriekultur und die Geschichte Luxemburgs sind seine Schwerpunkte. In Belval überschneiden sie sich. Hier ist er eine Art Wächter, er hütet das Erbe der Stahlindustrie. Und er wirkt besorgt. Die ehemaligen Granulierbecken etwa mussten weichen. Der Highway, eine Verbindungsstraße für die Eisenwaggons zwischen den Hochöfen, wurde erst abgerissen und dann in Teilen neu gebaut. Auch der Verbleib der Gebläsehalle aus dem Jahr 1912 ist unklar. Auf zehn Jahre mietet sie das luxemburgische Kulturministerium. Aber danach? Scuto zuckt die Achseln. "Es ist schon richtig", sagt er "in ehemaligen Hüttenstädten wie Völklingen oder Duisburg steht der Denkmalschutz stärker im Fokus." Dort wird auf dem Gelände aber auch keine Uni gebaut. Und so bemühen sich die Luxemburger, Neues zu schaffen und Altes zu bewahren: Architekturwettbewerbe wurden ausgeschrieben, Pläne durchdacht. Die vermoosten Betonpfeiler stehen noch, über die früher die Erzloren fuhren. Auch die Wasserbassins sind erhalten, hier wuchern Gräser. Die neuen Gebäude in Grau, die gelben Sonnenblenden, dann die Banken in knalligem Rot - das alles wirkt dagegen futuristisch chic. Aber auch hier müsse noch getüftelt werden, sagt Scuto: Die Idee, die Gebäude mit Geraden zu verbinden, habe auf dem Papier geordnet ausgesehen. Ein Campus fast wie ein Schachbrett. In der Praxis pfiff dann der Wind zu harsch durch jene langen Fluchten. Jetzt stehen dem Wind kleine Birken im Weg. Ihre Stämme sind noch schmal, sie tragen keine Blätter, es ist ja kaum Frühling. Auch sie brauchen Zeit.
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Ein Food-Hype jagt den nächsten. Doch warum stehen Menschen freiwillig über Stunden für das angeblich weltbeste Croissant an? Eine Spurensuche im kulinarikverrückten Melbourne.
Ein unscheinbarer Bau in einer unscheinbaren Straße in Melbourne, die Sonne brennt, es ist Mittag, es ist heiß, aber vor allem ist es zu spät. Eddie steht vor verschlossener Tür, schon wieder. Auf dem Zettel, den er da liest, steht handgeschrieben: "Sorry, we're sold out". Eddie murmelt verärgert vor sich hin, ein böses "Putain" ist zu hören, gefolgt vom Namen der geschlossenen Bäckerei, er schimpft also über das verdammte "Lune". Es war das zweite Mal in dieser Woche, dass er es versuchte, das zweite Mal, dass er es nicht rechtzeitig schaffte. Dabei erwarteten seine Freunde daheim ein Urteil, sagt der junge Koch aus Frankreich, "ganz Paris spricht darüber, seit die New York Times darüber berichtet hat". Worüber? "Über das beste Croissant der Welt". Das beste Croissant der Welt, das ist natürlich der größte Hokuspokus im Universum. Nicht das Gebäck selbst, sondern der Titel. Plumpe Superlative sind auch in der Kulinarik inflationär geworden, auch wenn sie dort eigentlich nichts zu suchen hätten. Zumindest wenn es um Geschmack geht und nicht um Marketing-Gags wie die größte Pizza (die sich diesen Sommer über 1,8 Kilometer zog). Zumal bei einem weltweit und in unzähligen Variationen hergestellten Nahrungsmittel wie dem Croissant. Wer will die alle probiert haben? Die Unvergleichlichen sind in Wirklichkeit nur unvergleichbar. Detailansicht öffnen Begehrte Box: Wer Süßes vom "Lune" möchte, muss mit einer langen Schlange rechnen. (Foto: A Friend of Mine) Aber um Glaubwürdigkeit und Vernunft geht es natürlich nicht bei einem Hype wie diesem, es geht vielmehr um "besonders spektakuläre, mitreißende Werbung". So zumindest lautet eine von drei Bedeutungen des Wortes, wie sie der Duden auflistet. Eine "Unsere Besten"-Auszeichnung ist schließlich so aufsehenerregend und damit gewinnbringend wie der Pizza-Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde (wo mag es wohl das beste Guinness der Welt geben?). Ob man nun den Croissant-Donut-Hybriden "Cronut" nimmt, der 2013 in New York zusammengebastelt wurde und es in jede europäische Lokalzeitung schaffte, den in Deutschland kurzzeitig hippen Bubble-Tea (†) oder die temporär omnipräsenten Cupcakes - wenn ein Hype um ein bestes oder eben ein neues Produkt erst mal Fahrt aufgenommen hat, sind nicht mehr Appetit oder Hunger oder kulinarisches Interesse die treibenden Kräfte der Nachfrage, sondern der unbedingte Wille, Teil der Bewegung zu werden. So lebt ein Food-Hype von den Beglückten, die lächelnd hinausblicken aus dem Zeitfenster, das ihnen die Mode geschenkt hat, und die da draußen eine bemitleidenswerte Welt sehen, die nicht weiß, was sie verpasst - bis sie die schicken Fotos sieht, die zum Beweis der eigenen Partizipation gemacht und veröffentlicht werden. Food-Hype durch Food-Porn, Distinktion durch Degustation. Einmalige Kosten für einmaliges Kosten - der Cronut, im Laden für fünf US-Dollar erhältlich, wurde damals schwarz für 50 gehandelt - werden dabei in Kauf genommen. Und ein Hype, wenn er vom Raren lebt, nährt sich bekanntlich auch von der Sehnsucht jener, die gerne dabei wären, aber nicht dürfen. Etwa, weil sie zu spät sind. Wer im "Lune" ein Croissant kaufen will, muss so früh aufstehen wie sonst nur die Bäcker. Im Morgengrauen bildet sich derzeit in der Rose Street im Stadtteil Fitzroy regelmäßig die längste Schlange des Schlangenlandes Australien. Und das, obwohl man denken müsste, nach der Cronut-Hysterie wären die Leute endlich mal durch mit überschätztem Plunderteig. Detailansicht öffnen Lange Schlange vor dem Lune. (Foto: A Friend of Mine) Wie entsteht so ein Food-Hype? Wer sich auf Rezeptsuche begibt und als Beispiel das beste Croissant der Welt wählt, landet also an deren Arsch. Und da geht es schon los: Während den Pizza-Rekord, natürlich, eine italienische Stadt (Neapel) hält, soll das formidabelste Croissant, exotisch, in Melbourne zu haben sein. So ein Widerspruch reizt den Gaumen schon mal vor. Betrug sei das, findet Eddie, der französische Koch: "Unmöglich! Das Wasser, das Mehl, nichts ist so gut wie in Frankreich!". Doch dass die Franzosen nun aufgebracht sind, macht die Angelegenheit nur pikanter. Ist Hype nicht auch eine "aus Gründen der Publicity inszenierte Täuschung"? Das ist zumindest die zweite Bedeutung, die der Duden anbietet. Der Ort des wundersamen Geschehens ist indes kein willkürliches Nicht-Frankreich, sondern Melbourne, mithin eine Stadt, die auf der Hipster-Skala bald zum Cronut-New-York aufschließt. Die Metropole wurde, explizit auch wegen ihrer "Foodie Scene", fünf Mal in Folge zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt - noch so ein wirkmächtiger Schnulli-Superlativ, diesmal vergeben vom Economist. In der Stadt hypt es sich recht flugs, weil das Publikum hier ein dankbarer Multiplikator der Aufgeregtheit ist. Jüngstes Beispiel, im Netz vielfach geteilt und geliked: Sushi in Donut-Form. Detailansicht öffnen Wer es nach drinnen geschafft hat, kann Kate Reid (am Tisch hinten) und ihrem Bruder, Cam, beim Arbeiten zusehen. (Foto: A Friend of Mine) Der inneraustralische Konkurrent Sydney übrigens hält wacker dagegen, erst diese Woche kam dort "The Bourbon Burgel" groß raus - ein Burger, bei dem das obere Brötchen durch einen Bagel ersetzt wird, in dessen Loch ein mit Bourbon gefülltes Schnapsglas steckt. Sein Erfinder spricht von einer Eingebung im Schlaf. Der Bourbon-Burgel ist Sydneys Renner. Halb Burger, halb Bagel - und im Loch ein Whiskey-Glas Auch die "Lune"-Chefin, Kate Reid, will einst eine Neuheit geschaffen haben: den Cruffin, eine Mischung aus Croissant und Muffin und ziemlich auffälliger Wiedergänger des Cronut. "Ich war damals leider sehr beschäftigt und hatte keine Zeit, ein Patent anzumelden", erzählt sie an diesem Mittag im geschlossenen "Lune", in das sie den Journalisten gelassen hat, während Eddie leider draußen bleiben muss. Jedenfalls findet heute, wer nach Cruffin googelt, nicht Kate Reid, sondern "den neuen Foodtrend aus den USA". Kate Reid ist keine betagte Bäckerin, die mit mehligen Händen aufgewachsen ist und Jahrzehnte lang am perfekten Croissant-Rezept gearbeitet hat. Sie ist Anfang 30 und Luft- und Raumfahrttechnikerin; als solche hat sie jahrelang an Formel-1-Autos geschraubt. Beim Urlaub in Paris entdeckte sie ihr Faible für Croissants, in der legendären Bäckerei "Du Pain des Idees" erkämpfte sie sich ein Praktikum, obwohl sie kein Französisch sprach. "Ich ging nach Melbourne zurück, fand hier aber nirgends Croissants, die ich mochte", sagt sie. Zusammen mit Cam, ihrem Bruder, der als Geschäftsführer zweier Cafés die kalkulatorische Erfahrung mitbrachte, eröffnete sie vor vier Jahren eine Croissanterie, damals noch in einem anderen Stadtteil. Die Croissants (und die Cruffins) lösten bald einen lokalen Hype aus, der den Geschwistern 2014 den nächsten Schritt erlaubte: den Umzug in ein leerstehendes Warenhaus, das äußerlich kaputten Charme vermittelt, drinnen aber mit einer modernen Küche im Glaswürfel protzt. Detailansicht öffnen Eine attraktive Frau mit einer ungewöhnlichen Biografie, die in einem edel verranzten Viertel in einer Art Backquarium sehr beliebte Croissants für sehr hippe Leute machte - das war schon mal ein gutes Grundstöckchen, über das nun nur noch der entscheidende Testimonial springen musste, um den Hype zu einem überregionalen zu machen. Im Fall von "Lune" war das Oliver Strand, einschlägiger Kolumnist der New York Times. Er schrieb Mitte April einen Artikel mit der Überschrift: "Wird das beste Croissant der Welt in Australien gemacht?" Die meisten Leser dieses markerschütternden Satzes waren so perplex und spontangierig, dass sie das Fragezeichen am Ende gar nicht mehr wahrnahmen. Seither gilt es, sich anzustellen. "Früher waren die Croissants um 13 Uhr ausverkauft, seit dem Artikel sind sie um 11 Uhr weg", sagt Kate, "und das obwohl wir die Produktion erhöht haben." Das Paar steht hier um sechs Uhr früh an. Auch, um die Idioten in der Schlange mal zu erleben Ein Faktor sollte vielleicht nicht ganz übersehen werden: das Croissant. Es kostet 5,50 australische Dollar, etwa 3,75 Euro. Kate hat dem Reporter eines aufgehoben, es liegt nun einsam und makellos auf dem Tisch, ein Goldbarren von einem Gebäck, ein Hörnchen Wahrheit. Das Rezept für den Teig ist natürlich streng geheim, auch wird es eh alle zwei Wochen geändert. Was Kate aber verrät: "Drei Tage dauert es, so ein Croissant zu machen. Schau, die Oberfläche hat keine Brüche, sie glänzt schön. Es ist luftig, ein normales Croissant wiegt 130 Gramm, dieses wiegt 56, bei gleicher Größe." Wie sie da in ihren Birkenstock steht, ihr Werk betrachtend und analysierend, kann man sie sich auch gut vor einem Motorblock vorstellen. New York Times-Kolumnist Strand spekulierte, Reids Erfahrung mit Präzisionsmaschinen würden ihr beim Backen nützen. Draußen steht immer noch Eddie und unterhält sich mit einem älteren Pärchen, das in der Gegend wohnt. Konnten die beiden das Croissant bereits probieren? "Ja, wir haben dafür um sechs in der Früh angestanden", sagt die Frau. Ihr Mann ergänzt, das sei wahrlich ein Spaß gewesen. Das Croissant hat sie weniger interessiert als, und das ist der dritte Duden-Vorschlag für Hype: der Rummel. War es denn wenigstens lecker? "Ach", sagt die Frau, "nichts geht über die Croissants aus dem Supermarkt." Da lachen sie, über sich und über die Narren, die hier so lange anstehen. Es lacht nicht: Eddie. Er will sich auf den Heimweg machen. Doch der netteste Journalist der Welt hält ihn auf und gibt ihm ein Stück des letzten Croissants ab. Eddie bedankt sich herzlich, er schnuppert am Croissantfetzen und nickt: "Riecht sehr gut." Ist da ein Anflug von Schock in seinen Augen? Er beißt vorsichtig hinein, kaut, das ältere Paar und der Journalist warten nun so gespannt auf sein Urteil wie seine Landsleute in Paris. Eddie schluckt und sagt erleichtert: "Nichts Besonderes".
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Saint Lucia blieb von den jüngsten Hurrikans in der Karibik verschont. Die Einheimischen fürchten eine andere Bedrohung: durch Investoren.
Die Pitons - im Bild der Petit Peton -, spitze Berge im Südwesten der Insel, sind das Wahrzeichen von Saint Lucia. In den Wäldern, durch die Führungen angeboten werden, leben seltene Vogelarten. Es ist kalt im Regenwald. Nirgendwo auf der Insel ist es so kühl wie hier, nur wenig Licht fällt auf den Pfad, und hoch droben verzweigen sich die Äste zu einer grünen Decke. Stille. Dann ist ein Knirschen zu hören, es sind die Stiefel eines Mannes, der jeden Tag durch diesen Wald stapft. Der keinen Ort so gut kennt wie diesen. Smith Jean Philip bleibt stehen, er lauscht, ob er ihn noch einmal hört, den Papagei von Saint Lucia. Doch wieder Stille. Der Pfad führt nach oben, an einem Fels entlang ins Freie, Blick über einen Wald, wie er in einem Kinderbuch gemalt wäre, in allen Grüntönen, mit Palmen, so breit wie ein Fluss, und Farnen, so hoch wie ein Baum. Smith Jean Philip, 32, lehnt sich gegen das hölzerne Geländer und schaut hinüber zu den Bergen, den Pitons. Den Wahrzeichen seiner Insel. Der Süden, sagt er, sei für ihn das echte Saint Lucia. Der Norden sei ihm zu touristisch. Er ist sich nur nicht sicher, wie lange der Süden noch so bleibt. Die Insel Saint Lucia liegt zwischen Martinique und Barbados, zwischen zwei Inseln also, deren Namen man fern der Karibik kennt, aber auch Saint Lucia hat sich in den lvergangenen Jahren verändert. Am Rand der Straßen weisen Schilder den Weg zu Luxusresorts, in den Häfen fahren Kreuzfahrtschiffe ein. Und wenn es nach der Regierung geht, soll der Tourismus noch viel mächtiger werden. Der Premierminister der Insel, Allen Chastanet, war zuvor Tourismusminister. Er plant im Norden der Insel gerade einen Delfinpark, und im Süden will er Land an chinesische Investoren verpachten. Ein Acre, also etwa 4000 Quadratmeter, soll gerade mal einen Dollar kosten. Dabei hat Saint Lucia ohnehin alles, was sich ein Urlauber von der Karibik erhofft. Man muss sich ja nur einmal umsehen. Der Regenwald, die Berge, die Strände. Smith Jean Philip sieht sich um und sagt dann: "Natürlich habe ich Angst um die Insel." Er pflügt weiter durch den Regenwald, mit Polohemd, langer Kette um den Hals und schweren Wanderschuhen. Er führt an manchen Tagen hier Touristen entlang, an anderen Schulklassen, um ihnen zu zeigen, wie der Wald funktioniert und wie wertvoll er ist. Schon als Kind sprang Philip morgens auf die Transporter der Förster auf, statt in die Schule zu gehen, und fuhr mit ihnen die Pfade ab - wer auf Saint Lucia auf der Ladefläche eines Autos steht und den Kopf in den Wind hält, fällt ohnehin nicht auf. Das machen alle. Philip deutet nach oben zu den Baumwipfeln, in guten Momenten sind dort die seltenen Vögel zu sehen, fünf bedrohte Arten leben auf der Insel. Er zählt sie auf, als spreche er ein Gebet: die Blaumaskenamazone, auch Papagei von Saint Lucia genannt, der Rostbauchtyrann, der Luciawaldsänger, der Saint-Lucia-Gimpelfink und der Saint-Lucia-Trupial. Der Wald, sagt Philip, sei sein Leben. Die Rotfeuerfische haben sich zu stark vermehrt. Jetzt kommen sie auf den Teller Auch im Regenwald gibt es Rastplätze, und so setzt sich Philip nun auf eine der Holzbänke abseits des Pfades und beginnt zu erzählen. Seine Frau arbeitet auf einer Kakaoplantage, er als offizieller Guide bei der Verwaltung von Saint Lucia, und nebenbei bietet er auch eigene Touren an, vor allem für Vogelbeobachter. Auch er macht die Natur zum Geschäft, aber behutsam. Er sieht sich als Botschafter, will bewahren. Denn auf Saint Lucia hat sich in den vergangenen Jahren viel verändert. Da sind noch immer die bunten Häuser, meist auf Stelzen gebaut, oft aus Holz, selten aus Stein. Die Imbissstände der Rastafari, es gibt dort vegane Pizza zu kaufen und Mangosaft. Da sind die Händlerinnen mit ihren Plastikplanen, auf denen sie Kokosnüsse anbieten, frisch aufgeschnitten, oder Bananen in ganzen Bündeln. Die Strände, an denen sich die Familien treffen, am Sonntag zum Picknick, und die Boote, die zum Fischen rausfahren, jeden Tag. Gerade versuchen die Männer, möglichst viele Feuerfische zu fangen, denn die Tiere mit dem Gift in den Flossen vermehren sich zu schnell. "Eat them to beat them" steht auf Schildern auf der ganzen Insel - "iss sie, um sie zu besiegen". Da sind jetzt aber eben auch die Luxusresorts, in denen Kellner diese Feuerfische zum Dinner servieren. In denen Rikschas zwischen Privatvillen mit Pool umherfahren und manche Gäste mit dem eigenen Hubschrauber anreisen. Beim Frühstück sitzen dann an den Tischen vor allem Touristen aus den USA, aus Kanada und aus England, der früheren Kolonialmacht. Saint Lucia stand im 17. und 18. Jahrhundert immer abwechselnd unter französischer und britischer Herrschaft, von Beginn des 19. Jahrhunderts an sicherten sich die Engländer die Macht, und heute ist die Insel noch immer Mitglied im Commonwealth. In manchen der Resorts hängt ein gerahmtes Porträt von Königin Elisabeth II. an der Wand. Die Gäste dieser luxuriösen Hotels wollen außer von der Queen lieber nicht beobachtet werden, und so haben sich viele der Resorts in Buchten geschmiegt, wo Prominente wie der Designer Tommy Hilfiger dann ungestört mit ihrer Yacht einlaufen können. Der Vorteil für alle Urlauber auf der Insel ist, dass diese Resorts von den Straßen aus nicht zu erkennen sind, und wenn man vom Flughafen im Süden der Insel Richtung Norden fährt, sieht man vor allem Natur. Cashewbäume und Kokosnüsse und Zimtbäume und Mangobäume und Passionsfrüchte. Es fahren auch viele kleine Boote, auf dem Wasser sieht man mit ein wenig Glück Delfine, Wale - und spätestens dann stellt sich die Frage, warum die Regierung überhaupt noch einen Delfinpark bauen will. Die Delfine sind doch bereits da. Smith Jean Philip sagt dazu nur: "Ich hätte nicht gedacht, dass die Politik so verrückt ist." Während er noch viele Jahre mit Blick auf die Pitons durch den Regenwald stapfen wird, sitzt etwa 50 Kilometer weiter auf einem Dorfplatz ein Mann, der dort sein Leben verbracht hat. Der frühere Förster wartet im Schatten gerade darauf, dass der Gottesdienst in der katholischen Kirche vorbei ist, er selbst ist Rastafari, glaubt eher an die Natur als an die Zehn Gebote - er will seine Frau abholen. Der Mann sitzt mit Polohemd und Flipflops vor der Grundschule von Babonneau, seit einem Jahr ist er jetzt in Rente, und er erinnert sich noch gut daran, wie dieser Ort aussah, bevor die Touristen nach Saint Lucia kamen. "Alles, was man hier sieht, war früher Feld, es gab kein Wasser und keinen elektrischen Strom. Alles, was du essen wolltest, musstest du selber anbauen." Gegenüber verkauft eine Frau frittierten Thunfisch in einem Imbiss, der Verschlag war früher einmal die Bücherei des Ortes, und das zeigt ganz gut, wie sich Saint Lucia entwickelt hat. Heute nämlich stehen die Bücher in dem großen, neu gebauten, hell gestrichenen Gemeinschaftshaus. An einer Wand hängt ein Schild, auf dem steht: "Hurricane Shelter". Wenn es stürmt, kommen die Menschen hierher. In der Karibik gibt es keine Winter, stattdessen das ganze Jahr über Wärme, von Juni bis November aber ziehen Hurrikans über die Inseln. In den vergangenen Jahren traf es immer wieder die Nachbarinsel Dominica, Menschen starben, Häuser fielen zusammen, Wälder wurden umgefegt - Touristen kamen erst einmal keine mehr. Die Hotels auf Saint Lucia waren dann voller, allerdings nur, weil Gäste von anderen Inseln kamen, die dort keine Bleibe mehr hatten. Aus der Ferne machen die meisten keinen Unterschied zwischen den karibischen Inseln, wenn sie in den Nachrichten die Bilder sehen, buchen sie lieber keine Reise dorthin, weder nach Saint Lucia noch nach Dominica. Und genau das bereitet dem früheren Förster am Dorfplatz und vielen anderen auf der Insel Unbehagen. Sie fürchten, dass sich Saint Lucia zu abhängig vom Tourismus macht. Der Mann in Babonneau, sein Gesicht von feinen Falten durchzogen, war in seinem Leben so viel im Regenwald, er kennt jeden Baum und jede Pflanze. Gleich neben dem neuen Gemeinschaftshaus steht ein Cashewbaum, auch ein Zimtbaum. Ein paar Straßen weiter tragen die Äste grünweiße Noni-Früchte, großen Beeren gleich. Der Saft soll gegen Krebs helfen, erzählen sich die Menschen hier. Die Natur sei doch das Wertvollste auf der ganzen Insel, sagt der frühere Förster, und trotzdem werde sie zu wenig geschützt. Die Menschen verließen sich viel zu sehr auf die Touristen, auf die Kreuzfahrtschiffe, die Hotels. Er schüttelt den Kopf, steht auf und klopft sich die Hose ab. Die Kirchenglocken läuten. Der Gottesdienst ist aus. Die Türen der Kirche öffnen sich, die Menschen verlassen die Reihen, viele von ihnen sind fein gekleidet, mit Sakko und Kostüm. Der Innenraum der Kirche ist in verschiedenen Blautönen gestrichen, der ganze Ort kam damals zusammen, um das Haus zu renovieren. Der frühere Förster geht mit seiner Frau hinüber zu seinem Transporter, dreht sich noch einmal um und sagt: "Wissen Sie, wir haben nichts, was wir auf den Weltmarkt bringen können. Wir haben nur Sonne und Wasser." Vielleicht aber ist das viel mehr wert. Reiseinformationen Anreise: British Airways fliegt von Frankfurt über London nach Saint Lucia, ab circa 820 Euro. Condor fliegt ab November wieder nach Saint Lucia, von Frankfurt oder München geht es über Manchester, hin und zurück ab circa 830 Euro. Unterkunft: z. B. im Balenbouche Estate im Süden der Insel auf einer ehemaligen Plantage vermietet eine ausgewanderte Deutsche fünf Cottages - die frühere Scheune ist jetzt für Yoga gedacht. Ab circa 100 Euro die Nacht, www.balenbouche.com Weitere Auskünfte: Vogelbeobachtungen zum Beispiel unter www.excitingtoursstlucia.com/bird-watching. Zur Insel allgemein: www.stlucia.org oder www.my-stlucia.org
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Georg Weizsäcker beschäftigt sich als Volkswirt mit dem, was Menschen bewegt: Angst, Glück, Unsicherheit. Den Homo oeconomicus hält er für "hanebüchen".
Er will raus aus seinem Elfenbeinturm. "Wir sind hier noch zu sehr in alten Strukturen gefangen", sagt Georg Weizsäcker. Hier, das ist die Humboldt-Universität, wo Weizsäcker Professor für Volkswirtschaftslehre ist. Mit Vorzimmer für die Sekretärin, eigenem Lehrstuhl samt eigenen Mitarbeitern, großzügigem Eckbüro und neuen Möbeln. Braucht man so was? Weizsäcker braucht es nicht. Als er mit der Uni verhandelte, wollte er das Lehrstuhlprinzip abschaffen, seine Mittel mit denen anderer Kollegen poolen - und scheiterte. Nun sitzt er mit offenem Hemd, grauer Chino und Espadrilles hinter seinem großen Schreibtisch in Berlin-Mitte und sagt: "Es gibt vieles, was ich ändern will." Sein erster Wunsch: Der akademische Nachwuchs soll eine Perspektive bekommen in Deutschland. Damit gute Leute nicht andere Karrierewege gehen und die Uni verlassen, brauche es mehr Professuren und mehr Geld. So ließen sich auch Frauen fördern, die in der Volkswirtschaftslehre noch immer viel zu selten anzutreffen sind. "Vor allem aber müssen wir in der Forschung besser werden", ist Weizsäcker überzeugt. "In der VWL liegt Deutschland auf einem international guten Niveau, aber viele amerikanische und englische Universitäten sind besser." Er weiß, wovon er spricht. Nach dem VWL-Studium in Berlin ging Weizsäcker als Stipendiat an die University of California. 1999 machte er in Berlin sein Diplom. Danach erhielt er Doktoranden-Stipendien für Harvard, wo er 2004 promovierte. Er wechselte an die London School of Economics and Political Science (LSE), zunächst als Assistenzprofessor, dann als Professor. 2010 erhielt er einen Lehrstuhl für das Fach Economics. In all den Jahren im Ausland hielt er den Kontakt nach Deutschland und half schließlich dem Berliner Wirtschaftsforschungsinstitut DIW aus der Krise. Nun will er mithelfen, die Humboldt-Universität von innen zu modernisieren. Um die äußerlichen Renovierungsarbeiten kümmert sich bereits der Berliner Senat, der das vergilbte Treppenhaus sanieren lässt, in dem Weizsäcker als Student noch geraucht hat. Einfach ist seine Mission nicht. "Wenn man aus dem Ausland kommt und sagt 'Ich habe das Licht gesehen', kommt das nicht gut an." Dass Deutschland international nicht mithalten kann, hat auch historische Gründe. Nach dem Krieg war das Fach sehr stark auf Ordnungspolitik ausgerichtet. Ökonometrie, Mikro- und Makroökonomie wurden lange Zeit vernachlässigt. Viele Forschungsarbeiten von internationalem Rang stecken heute aber voller Formeln und Zahlen. Da machen die Arbeiten des Verhaltensökonomen Weizsäcker keinen Unterschied. Das Whiteboard in seinem Zimmer ist mit Gleichungen übersät. Detailansicht öffnen (Foto: Valentin Birkner) An der mathematischen Formalisierung von Argumenten will er nicht rütteln; er sieht sie als Test, ob ein Argument wasserdicht ist. Im Zentrum seiner Forschungsarbeit stehen aber der Mensch und sein Verhalten. Längst haben die Wissenschaftler begonnen, den Homo oeconomicus weiterzuentwickeln. Die Annahme, dass Menschen stets rationale Erwartungen haben, sagt Weizsäcker, "ist vollkommen hanebüchen". Das neue Menschenbild der Ökonomen kennt Gefühle, Angst und Glück, falsche Erwartungen, Selbstüberschätzung und Unsicherheit. Dem Homo oeconomicus fällt es sehr schwer, die unsichtbaren Marktkräfte zu verstehen Weizsäcker beschäftigt sich viel mit der Frage, wie Menschen ihre Finanzen regeln. Da zeigt sich ihre ganze Irrationalität. Wenn jemand zur Bank geht und eine Lebensversicherung abschließt, wie viel bekommt er später raus? Nach Lehrbuch versteht der Kunde, was ihn erwartet. In der Praxis hat nur die Bank eine konkrete Vorstellung davon. Der Kunde weiß nur, was Finanzberater oder Werbung suggeriert haben: Er weiß nichts. Das ist dann die Abweichung von den rationalen Erwartungen. Dass Wunsch und Wirklichkeit auseinanderklaffen, zeigen die hohen Stornoraten von Policen. Und die hohen Gebühren, die dann anfallen: "Daran sieht man, dass die Versicherer das naive Verhalten der Kunden schon antizipiert haben", sagt Weizsäcker. "Die Verträge sind so konstruiert, dass die Kunden nur schwer rauskommen und hohe Verluste in Kauf nehmen müssen." Was macht der Forscher in diesem Fall? Er versucht erst mal nachzuweisen, dass seine Hypothesen wahr sind. Experimentalökonomie nennt sich das dann, es ist Weizsäckers Spezialgebiet. Was nach hoher Mathematik klingt, bedeutet in der Praxis: In einem kleinen weißen Raum stehen zwei Dutzend Rechner, abgetrennt durch graue Stellwände. Hier werden keine Klausuren geschrieben, sondern ökonomische Experimente durchgespielt. Versuchspersonen klicken sich am Bildschirm durch Fragenkataloge. Sie haben 90 Minuten Zeit. So lässt sich zum Beispiel prüfen, wie Menschen reagieren, wenn der Kurs einer Aktie plötzlich an Wert verliert - oder gewinnt. "Ich kann nicht sicherstellen, dass Menschen am Computer genauso entscheiden wie in der richtigen Welt", gesteht der Forscher ein. "Aber es sind echte Daten von Menschen." Es zeigt sich: Der Homo sapiens hat massive Schwierigkeiten, sich Erträge vorzustellen, die weit in der Zukunft liegen und in jeder Periode Zufälligkeiten unterworfen sind. Er vermag vielfach auch nicht zu erkennen, welch unsichtbare Kräfte auf Renditen wirken. Er unterschätzt den Zinseszins ebenso wie die Asymmetrien von Gewinnen und Verlusten. Die Verhaltensökonomen haben die Forschung näher rangerückt ans wirkliche Leben. Belächelt werden sie schon lange nicht mehr. "Wir müssen aber schauen, dass wir uns mit Dingen befassen, die ökonomisch wichtig sind und weiter in die Mitte des Faches rücken." Dorthin also, wo man sich zum Beispiel mit Arbeits- und Finanzmärkten beschäftigt, den großen Fragen der Wirtschaftswissenschaft. ‹ › Wischen und schieben statt blättern? Lieber nicht! "Ich lese immer nur gedruckte Bücher", sagt Georg Weizsäcker. Es stört ihn, dass man bei elektronischen Büchern sieht, wie viele Leute sich eine bestimmte Stelle markiert haben. Schrecklich! Hier also seine Buchtipps. Für das Sachbuch muss er nicht lange überlegen: "The Mind in the Cave" von David Lewis-Williams. Es geht um Höhlenmalerei und beschreibt, wie wichtig dem Menschen das Immaterielle schon in seiner Frühgeschichte gewesen ist. ‹ › Über die Belletristik muss Weizsäcker einen Moment nachdenken und nennt dann: "Some Do Not" von Ford Madox Ford (1873 - 1939). Das Thema? Ein englischer Gentleman, der seine fast absurde Haltung bewahrt. Wird geladen ... Hier gibt es noch viel zu tun. Nach der Finanzkrise war die Kritik an der Zunft groß. Allenthalben war zu hören: Die Ökonomen haben zu lange an falschen Gewissheiten festgehalten. Weizsäcker wirkt betroffen. Er ist zwar kein Verfechter von neoklassischem Gedankengut. Aber es schmerzt ihn, dass der Ruf seines Faches so gelitten hat. In der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten ließ sich die Bundesregierung vor allem von Juristen beraten. "Von akademischen Volkswirten kamen zu wenig intelligente Beiträge zur öffentlichen Diskussion", sagt Weizsäcker. Die meisten schwiegen. Auch er drängte sich nicht vor Fernsehkameras, um die Welt zu erklären. Das "von" in seinem Namen lässt er konsequent weg Weizsäcker hält sich lieber im Hintergrund. Das "von" in seinem Namen lässt er konsequent weg. Geboren wurde er am 10. Oktober 1973 in München. Sein Vater Heinrich Wolfgang von Weizsäcker begann in jenen Jahren seine Universitätslaufbahn in München und wurde später Professor für Mathematik in Kaiserslautern. Dessen Vater, also der Großvater von Georg Weizsäcker, war der Kernphysiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker, ein Bruder des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. "Ich bin eher der Typ, der ein Jahr lang an einem Papier sitzt und sich dann freut: 'Mensch, jetzt habe ich was rausgefunden!'" So lange über etwas nachzudenken, sei "herrlich", erzählt er. Wenn er das gemeinsam mit seiner Frau tun kann: umso schöner. Dorothea Kübler ist wie er Spezialistin für experimentelle Wirtschaftsforschung; seit 2003 lehrt sie als Professorin an der Technischen Universität Berlin. "Die Kinder finden das ganz schrecklich, wenn wir beim Abendessen über die Arbeit reden", erzählt Weizsäcker. Er weiß: Kinder leiden darunter, wenn man den Beruf mit nach Hause nimmt. Auf der anderen Seite sei man flexibler, wenn man nicht ins Büro gehen müsse, um über die Arbeit nachzudenken. Überhaupt sei der Professorenberuf wie gemacht fürs Kinderkriegen - vorausgesetzt, man ist keine Frau. "Die Mutter ist immer noch ein Heiligtum in Deutschland. Das erzeugt Druck, dem man sich nicht leicht widersetzen kann", sagt Weizsäcker, der gern mehr Frauen für die Wirtschaftswissenschaften gewinnen will. Im Studium seien es noch recht viele, doch Professorin würden nur wenige. "Wir versuchen, die Karriere von jungen Menschen so aufzubauen, dass die Schwangerschaft kein Schadensfall ist." Die Schwangerschaft ein Schadensfall? Vielleicht ist das ja der Grund, warum er geholfen hat, den Kinderladen vor der Pleite zu retten, in den auch eines seiner Kinder ging. "Die Lage war angespannt; da wollte ich anpacken."
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-neymars-traenen-brasiliens-sorgen-1.3884789
mlsum-de-9954
Der Fußballer von Paris St. Germain fehlt in der Champions League und vielleicht auch gegen Deutschland. Gigi Buffon plant ein Comeback für Italien. Dennis Schröder wird Besitzer eines Basketballklubs.
Fußball, Brasilien: Der verletzte Neymar von Paris St. Germain wird sich entgegen anders lautender Medienberichte zunächst nicht operieren lassen. Dies teilte PSG-Trainer Unai Emery am Dienstag auf einer Pressekonferenz mit. "Bei Neymar gibt es keine Entscheidung für eine Operation. Wir werden sehen, wie es sich in den nächsten Tagen entwickelt", sagte der Coach.Neymar hatte sich am Sonntag im Ligaspiel gegen Olympique Marseille (3:0) einen Haarrisses im Mittelfuß und eine Verstauchung im rechten Fußgelenk zugezogen und war unter Tränen vom Feld getragen worden. Zuvor hatte das brasilianische Internetportal Globoesporte berichtet, Neymar habe sich für eine OP entschieden, bei welcher der Haarriss mit einer Schraube fixiert wird, um einen Einsatz bei der WM in Russland (14. Juni bis 15. Juli) nicht zu gefährden. Das Portal sprach zunächst von einer Ausfallzeit von zwei Monaten. Durch eine längere Pause wäre der Einsatz Neymars im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League gegen Real Madrid am 6. März unmöglich. Das Hinspiel hatte Real mit 3:1 gewonnen. Auch das Länderspiel der Brasilianer gegen Deutschland am 27. März in Berlin scheint jetzt für Neymar in Gefahr zu sein, falls sich die Verletzung noch beschwerlicher gestaltet. Fußball, Italien: Gianluigi Buffon von Juventus Turin wird ein Kurzzeit-Comeback in der italienischen Nationalmannschaft feiern. "Aus Verantwortungsbewusstsein und Liebe zur Nationalelf leiste ich gern wieder meinen Beitrag in dieser Übergangsphase", sagte der 40-Jährige als Gast der von der Mediengruppe Mediaset ausgestrahlten TV-Show Tiki Taka am Montagabend. Nach dem Aus der Azzurri in der WM-Qualifikation im vergangenen November hatte der Kapitän seinen Abschied von der Squadra Azzurra verkündet. Doch nach einem Appell des Interimscoaches der Nationalelf, Luigi Di Biagio, will der Routinier in zwei Länderspielen im März wieder dabei sein. "Wenn die Nationalelf mich braucht, muss man bereit sein. Das ist eine Form von Treue und Verantwortungsbewusstsein gegenüber Italien. Eine neue Nationalelf entsteht, und die ersten Länderspiele gegen Argentinien und England sind nicht gerade einfach. Einige erfahrene Spieler können anfangs nützlich sein", äußerte das Juve-Ass. Am 23. März findet die Partie der Italiener gegen Argentinien in Manchester statt, am 27. März treffen die Azzurri in London auf England. Ab Juni werde er dann über seine Zukunft entscheiden. "Jetzt will ich mich lediglich auf das Saisonende konzentrieren. Ich werde im richtigen Moment in Einstimmung mit Juventus meine Entscheidung treffen", betonte Buffon, Teamkollege der Weltmeister Sami Khedira und Benedikt Höwedes bei Juve. Basketball, NBA: Dirk Nowitzki hat seinem Klubbesitzer Mark Cuban in Bezug auf die Strategie der Dallas Mavericks widersprochen. "Man will hier wirklich keine Kultur haben, wo man aufgibt und nicht hart spielt", sagte der 39-Jährige nach dem 109:103-Sieg der Texaner gegen die Indiana Pacers am Montag (Ortszeit) bei ESPN: "Ich denke, das setzt das falsche Zeichen für die Zukunft."Cuban hatte wegen der besseren Chancen bei der kommenden Talenteverteilung das Verlieren zuletzt "als beste Option" bezeichnet und dafür von der Profiliga NBA eine Strafe von 600.000 Dollar (ca. 488.000 Euro) bekommen. Mittlerweile hat er sich für seine Aussage entschuldigt.Mit einer Bilanz von 19 Siegen und 42 Niederlagen belegt Dallas im Westen den zwölften Platz, das Erreichen der Play-offs ist für den Meister von 2011 schon 21 Spiele vor Ende der Hauptrunde nahezu unmöglich. Je schlechter die Bilanz am Ende Saison ist, desto größer ist die Chance, sich im Draft auf dem Papier ein besseres Talent zu sichern."Es ist wichtig für unsere jungen Spieler, dass sie lernen, sich ständig dem Wettbewerb zu stellen und hart zu spielen", sagte Nowitzki weiter. "Das ist der einzige Weg, wie man in dieser Liga spielen sollte." Basketball, Deutschland: Dennis Schröder (24) wird offenbar Mehrheitseigner seines Heimatvereins Basketball Löwen Braunschweig. Wie die Braunschweiger Zeitung am Dienstag berichtete, soll der Nationalspieler Mehrheitsgesellschafter der Löwen GmbH werden. Der Verein selbst ließ über seine Pressesprecherin mitteilen, dass man sich mit Herrn Schröder zwar in Gesprächen befände, aber noch nichts unterschrieben sei. Laut Zeitungsbericht soll der Topscorer der Atlanta Hawks die Anteile von Staake Investment kaufen und zudem 150.000 Euro zu dem in der kommenden Saison in der Basketball Bundesliga (BBL) notwendigen Eigenkapital von insgesamt 250.000 Euro beisteuern. Der Verein wollte dieses Modell auf Nachfrage jedoch nicht bestätigen. "Das gesamte Konstrukt ist noch nicht in Stein gemeißelt", sagte die Sprecherin dem SID. Gesichert ist jedoch die Information, dass sich in den vergangenen Tagen Vertreter des Aufsichsrats der Löwen gemeinsam mit Schröders Entdecker Livio Calin zu Gesprächen in Atlanta befanden.Dennis Schröder hatte bereits Mitte Februar während eines Heimatbesuchs am Rande eines Spiels der Löwen angekündigt, den Verein kaufen zu wollen. "Wir wollen hier auf jeden Fall ein Top-Fünf-Team in Deutschland aufbauen. Das ist mein Traum, weil ich aus Braunschweig komme. Daran werden wir auf jeden Fall arbeiten." Olympia, Rückkehr: Die deutschen Olympioniken haben wieder heimischen Boden unter den Füßen. Um 16.41 Uhr setzte die Lufthansa-Maschine LH 713 am Montag am Flughafen Frankfurt/Main auf. Mit rund 85 der insgesamt 154 deutschen Athleten an Bord war der Flieger nach dem Ende der Olympischen Winterspiele von Pyeongchang am frühen Montagmorgen deutscher Zeit in Südkoreas Hauptstadt Seoul gestartet. Unter den Passagieren, die nach der Landung zu einer großen Willkommensfeier im Flughafen erwartet wurden, befanden sich unter anderem das Eiskunstlauf-Traumpaar Aljona Savchenko und Bruno Massot (Gold im Paarlauf), Kombinations-Ass Eric Frenzel (zweimal Gold und einmal Bronze) und einige Eishockey-Silbermedaillengewinner um Kapitän Marcel Goc. "Es ist schon speziell. So einen Aufmarsch haben wir nicht alle Tage. Das genießen wir", sagte Goc in der ARD. Nachdem die Eishockey-Nationalmannschaft am Sonntag zwar das Finale gegen die Olympischen Athleten aus Russland mit 3:4 nach Verlängerung verloren hatte, war lange im Deutschen Haus gefeiert worden. Entsprechend müde waren alle Beteiligten auf dem 10:45 Stunden langen Flug. "Die erste Hälfte haben wir, glaube ich, alle verpasst", sagte Goc. Am Sonntag waren die Winterspiele mit dem hervorragenden Ergebnis von 14 Goldmedaillen, zehnmal Silber und siebenmal Bronze für Deutschland zu Ende gegangen. Im Medaillenspiegel belegte das deutsche Team Rang zwei hinter Norwegen. Fußball, Champions League: UEFA-Präsident Aleksander Ceferin hat schon vor der entscheidenden Sitzung des International Football Association Board (IFAB) eine Einführung des Videoschiedsrichters in der Champions League ausgeschlossen. "Wir werden den Videoassistenten in der nächsten Saison in der Champions League nicht nutzen", sagte Ceferin nach dem UEFA-Kongress am Montag in Bratislava. Er sei nicht grundsätzlich gegen die technische Hilfe für Referees, aber: "Ich sehe hin und wieder eine große Konfusion", betonte der Slowene. Bei der IFAB-Sitzung am Samstag in Zürich rechnet auch Ceferin mit einer Einführung des Videobeweises durch die Fußball-Regelhüter, trotz großer Diskussionen in der Bundesliga und anderen europäischen Ländern. Den Verbänden wird jedoch sicher freigestellt werden, ob sie den Videoassistenten bei ihren Wettbewerben nutzen wollen. Laut Ceferin ist sicher mit dem Einsatz von Videoreferees bei der WM im Sommer in Russland zu rechnen. FIFA-Chef Gianni Infantino gilt als großer Befürworter. Die UEFA wolle zunächst ihre Schiedsrichter adäquat schulen, bevor man sich für eine Einführung in den Club-Wettbewerben entscheide, betonte Ceferin. Fußball, Frankreich: Die Verletzung von Fußballer Neymar soll nicht so schlimm wie befürchtet sein. "Nach ersten Untersuchungen in der Kabine hat er sich nur den Knöchel verdreht", sagte Unai Emery, Trainer von Paris St. Germain. Er sei durchaus optimistisch, dass der Brasilianer beim Achtelfinal-Rückspiel in der Champions League gegen Real Madrid (Hinspiel 1:3) am 6. März wieder einsatzfähig sei. Neymar (26) hatte am Sonntag beim 3:0 (1:0) gegen Olympique Marseille zehn Minuten vor Schluss ohne gegnerische Einwirkung eine Verletzung am rechten Knöchel erlitten. Der 222-Millionen-Mann war vom Platz getragen worden. Er verließ das Prinzenpark-Stadion später auf Krücken. Noch in der Nacht war Neymar in einem Pariser Krankenhaus untersucht worden. Eine Knochenverletzung ist dabei offenbar ausgeschlossen worden. Nun sollen weitere Untersuchungen folgen. Ein Einsatz am Mittwoch im Achtelfinale des französischen Pokals erneut gegen Marseille scheint allerdings ausgeschlossen. "Sein Knöchel war dick geschwollen", sagte PSG-Kapitän Thiago Silva.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/europaeisches-patentamt-der-erfundene-skandal-1.2695424
mlsum-de-9955
Ein Richter am Europäischen Patentamt soll das eigene Haus jahrelang diffamiert haben. So wollte er die größte Reform der Amtsgeschichte verhindern.
Das Corpus delicti ist unscheinbar, gerade einmal fünf Zentimeter lang. Doch der Inhalt des grauen USB-Sticks mit der Aufschrift "Work" hat Sprengkraft. Er könnte Fäden in einer Geschichte zusammenführen, in der es viele Wahrheiten gibt. Einer Geschichte, die das Europäische Patentamt (EPA) vor drei Jahren in eine schwere Krise gestürzt hat, in einen schier unlösbaren Konflikt zwischen der Amtsleitung, dem Franzosen Benoît Battistelli, und Teilen der Belegschaft, zu der etwa 7000 Mitarbeiter in München, Den Haag, Wien und Berlin gehören. Manche sprechen von einem Vernichtungskrieg. Einer Schlacht, die sich nicht nur hinter der gläsernen Fassade der Münchner Zentrale abspielt, sondern in aller Öffentlichkeit. Auf den Straßen, durch die immer wieder Tausende Mitarbeiter mit Transparenten ziehen. In zahlreichen Blogs der Patentszene. In politischen Zirkeln in Berlin und Brüssel. In Zeitungen. Wer will hier wen vernichten? Und warum? Das sind Fragen, auf die "USB-Stick Alpha" zumindest Hinweise liefern kann. Der Besitzer dieses Sticks, ein irischer Patentrichter, darf das EPA seit 3. Dezember letzten Jahres nicht mehr betreten. Präsident Battistelli hat ihm Hausverbot erteilt, obwohl der Richter - die Unabhängigkeit der Justiz ist ein hohes Gut - ihm disziplinarisch nicht untersteht. Der Beschuldigte soll mit mehr als 20 Tarnnamen gearbeitet haben Es folgte ein Aufruhr der internationalen Patentszene, eine Debatte um fehlende Gewaltenteilung. Der Verwaltungsrat, das höchste Gremium der EPA-Welt, trug die Entscheidung jedoch nachträglich mit. Warum? Das könnte an den bisher unbekannten Inhalten des vertraulichen Ermittlungsberichtes zu Fall C-62 liegen, den die Süddeutsche Zeitung nun einsehen konnte. Demnach soll der Richter seit Anfang 2013 unter mehr als 20 Tarnnamen und -adressen Tausende E-Mails, Blog-Einträge, Drohschreiben, gar eine Petition beim Europäischen Parlament lanciert haben. Diese Schreiben landeten bei Journalisten nahezu aller großen deutschen Medien, und der Verfasser zeigte sich verärgert, wurden diese nicht aufgegriffen, ist dem Bericht zu entnehmen. Bei den Mailadressen soll er Namen von Freiheitskämpfern wie Andreas Hofer oder Robin Hood benutzt haben. Mehr als 3000 solcher Dokumente fanden sich dem Bericht zufolge auf dem fraglichen USB-Stick, den die Ermittler dem Mann laut Bericht abnahmen, als sie ihn an einem öffentlichen Computer in einem Warteraum im EPA stellten und abführten. Auch eine Verschlüsselungssoftware soll sich auf dem Speicher befunden haben. Zwei Rechner hatten sie zuvor als diejenigen identifiziert, von denen unaufhörlich diffamierende Schreiben abgeschickt wurden. Die Computer hatten sie mehrere Tage lang mit Überwachungssoftware ausgestattet. Ein Vorgehen, das dem Amt scharfe Kritik einbrachte, weil auch andere Nutzer Zugang zu den Computern hatten. Selbst der Rechtsausschuss des Bundestages beschäftigte sich mit dem Datenschutz am Europäischen Patentamt. Die Aktion verlief für die Ermittler jedoch erfolgreich: Die Software schlug Alarm, als eine der fraglichen E-Mail-Adressen benutzt wurde - und Sicherheitsleute griffen sofort zu, führten den Mann ab, den sie seitdem für den Urheber all dieser Schreiben halten. Rechtsradikales Propagandamaterial im Büro Den Stick konfiszierten sie, wogegen der Richter sich wehrte, es handle sich um Privateigentum, soll er gesagt haben. Im Büro des Mannes, das die Ermittler danach durchsuchten, fanden sie dem Untersuchungsbericht zufolge Unglaubliches: zwei Schlagstöcke - und nationalsozialistisches Propagandamaterial. CDs mit völkischem Liedgut sind darunter, ein NS-Propagandafilm, verbotene Embleme samt dem Schriftzug "Ich kämpfe". Auch in den Schreiben, die sich zuhauf gegen die Integrität des kroatischen EPA-Vizepräsidenten Zejlko Topić richteten, sahen die Ermittler Formulierungen, in denen sie einen rassistischen Unterton gegen den Kroaten Topić erkennen. Dutzende der inkriminierenden Schreiben berichteten davon, dass dieser angeblich korrupt sei. Andere Briefe, zum Beispiel an den deutschen EPA-Vize Raimund Lutz, enthielten massive Drohungen. Unter dem Absender "Internal Oddity Department" und einer kroatischen Email-Adresse werden diesem unerfreuliche Konsequenzen angedroht, sollte er sich weiter zugunsten der Amtsleitung äußern. Dies sei das erste und letzte Warnschreiben. Der Fall beschäftigt seit einem Jahr alle Instanzen der Patentwelt. 38 Einzelstaaten haben Fragen geistigen Eigentums ausgegliedert, in einen Staat im Staat, mit eigenen Gesetzen. Am Donnerstag hat sich der Verwaltungsrat, die Regierung dieses Staats, dafür votiert, den Besitzer des USB-Sticks, Mitglied der sogenannten Großen Beschwerdekammer, der Judikative, zu entlassen. Vollziehen kann der Rat dies aber erst, wenn die Kammer, in der der Mann Mitglied ist, eine entsprechende Empfehlung abgegeben hat. Sie hat sich bislang geweigert, sich zu dem Fall zu äußern. Vergleichbares hat es in 40 Jahren europäischer Patentgeschichte noch nicht gegeben. Bisher war der Richter bei vollen Bezügen suspendiert; nun werden diese halbiert. Die Schlagstöcke in seinem Büro habe er für Rückenübungen benutzt Der Beschuldigte, der sich weigerte, vor den Ermittlern auszusagen, dementiert jegliche Schuld: Er sei nicht Verfasser der Dokumente; er habe diese nur zu privaten Zwecken gesammelt. Aus demselben Grund habe er in Pausen an dem öffentlichen Rechner gesurft. Zudem sei der Stick juristisch nicht verwertbar, weil illegal beschlagnahmt, argumentiert seine Rechtsanwältin Senay Okyay. Sie sieht "zahlreiche erhebliche Rechtsverstöße" - auch gegen die Vertraulichkeit; denn das Rechtsverfahren gegen den Richter sei nicht abgeschlossen. Die Schlagstöcke in seinem Büro habe er für Rückenübungen benutzt. Bei den fraglichen CDs, Büchern und Filmen handle es sich, sagt die Anwältin, um historisches Material, das ihr Mandant aus privatem Interesse gesammelt und im Onlineversand bestellt habe. Verwaltungsrat und Ermittler sehen dies völlig anders. Sie sind überzeugt, dass der Mann als zentraler Drahtzieher eine Kampagne gegen das Amt koordiniert habe. Diese, so sind sich die Ermittler sicher, soll nicht nur Battistelli und Vize Topić gegolten haben, sondern der Reputation des Amtes - um Behörde und Leiter als untragbar zu diskreditieren. Und um so zu verhindern, dass das Amt den größten Wandel seiner Geschichte durchläuft: den Übergang zum europäischen Einheitspatent und einer neuen Gerichtsbarkeit, mit Gerichtshof in Paris samt Außenstellen, auch in München. Die Große Beschwerdekammer würde abgelöst, sobald alle Staaten das Abkommen ratifiziert haben. Der Mann und seine Kollegen würden ihre Positionen einbüßen. 140 Millionen Das Europäische Patentamt ist eine Internationale Organisation. Das Recht der Gastgeberländer oder der EU gilt hier nicht, sie hat eine eigene Rechtsgrundlage: Das Europäische Patentübereinkommen, das 1973 geschlossen wurde. 38 Nationalstaaten gehören heute dazu - an der Spitze steht der Präsident des Amtes. Höchstes Gremium ist der Verwaltungsrat, dem der Präsident untergeordnet ist. Das Amt soll nun profitabler werden und damit im Wettbewerb gegen internationale Konkurrenz bestehen. Patente bringen Geld: 140 Millionen Euro soll allein Deutschland zuletzt bekommen haben. Trotz hoher Ausgaben des Amtes. Der Prozess läuft seit drei Jahren, 28 von 38 Staaten haben zugestimmt, Deutschland noch nicht. Fast zeitgleich begannen die Diffamierungen: wenige Wochen, nachdem erst das Einheitspatent, dann der Gerichtshof beschlossen wurden. Für ein solches Motiv spricht aus Ermittlersicht, dass der Richter kurz vor der Enttarnung einem reformkritischen Patentanwalt vertrauliches Material zugespielt haben soll, darunter das Protokoll einer Sitzung der Beschwerdekammer. Zwischen dem Informanten und dem Patentanwalt soll sich ein reger Briefwechsel entwickelt haben. Auch auf dessen Homepage sollen sich entsprechende Einträge wiedergefunden haben. Ein einziger Mann also, der die Amtsleitung attackiert und das EPA beinahe aus den Angeln gehoben haben soll? Diese Lesart dürfte vor allem Präsident Battistelli wie gerufen kommen. Ist der Richter, wie immer man seinen Fall beurteilen mag, mitnichten der Einzige, der Battistelli und den ihm eigenen Umgang mit seiner Machtfülle heftig kritisiert. Patentprüfer hatten Angst, das EPA könne eine reine Geldmaschine werden Der Franzose, der gestartet ist, das Amt auf Effizienz zu trimmen, ist diesem Auftrag eifrig nachgekommen; er sollte mit manchen Pfründen aufräumen, zu denen enorm hohe Durchschnittsgehälter gehören - und das hat er auch gemacht, in Rekordgeschwindigkeit. International trägt ihm das Renomeé ein - intern aber wird ihm vorgeworfen, Fehler gemacht zu haben. Gegenstimmen hat er stets mit einem Federstrich weggewischt. Er hat ein neues Beförderungssystem eingeführt, das auf Geschwindigkeit setzt, weniger auf Gründlichkeit und Tiefe. Davon profitiert haben dürften auch enge Vertraute, mit wahren Blitzkarrieren, wie Gegner anführen. Für manchen lang gedienten Patentprüfer ist das ein Affront, die Reformen werten sie als Eingriff in ihre Grundrechte. Wer krank ist, bekommt Punktabzüge. Und muss sich ganztags in seiner Wohnung aufhalten, weil das EPA sich Prüfungen vorbehält. Mitarbeiter erzählen, dass sie Angst hätten, Druck spürten. Und dass sie um die Qualität ihrer Arbeit fürchten. Sie glauben, das EPA könne zu einer reinen Geldmaschine werden. Allein Deutschland soll zuletzt 140 Millionen Euro aus Patentgebühren bezogen haben. Ein privates Ermittlungsunternehmen soll aufklären Angeführt wird diese kritische Bewegung von der Suepo, einer Gewerkschaft, die bisher nicht anerkannt war. Erst seit dem Frühjahr hat der Verwaltungsrat dem EPA einen Sozialen Dialog verordnet. Die Suepo soll anerkannt werden, nach mehr als 30 Jahren. Und alle Mitarbeitervertreter sollen mit der Amtsleitung an einem Tisch sitzen. Doch der Dialog ist gescheitert. Auch, weil jetzt sogar gegen die Vorsitzende der Gewerkschaft ein internes Ermittlungsverfahren läuft, das sie ihren Job kosten könnte. Nach den Statuten kann jeder Mitarbeiter gegen einen anderen ein solches Verfahren anstoßen. Inzwischen hat die Gewerkschaftschefin den dänischen Verwaltungsratschef Jesper Kongstad angeschrieben und sich zur Wehr gesetzt. Darin bestreitet sie jegliche Vorwürfe. Sie beklagt, kontinuierlich bedroht worden zu sein: "Ich war das Ziel vieler feindlicher, hochgradig einschüchternder Attacken der Verwaltung unter diesem Präsidenten." Das Amt will sich zum laufenden Verfahren nicht äußern. Diese Ermittlungen führt die interne Abteilung nicht selbst; sie sei personell überlastet, heißt es. Engagiert wurde die Control Risks Group, ein privates Ermittlungsunternehmen. Diese, so schreibt sie selbst, sei hoch spezialisiert. Darauf, "Organisationen zu helfen, mit politischen und Sicherheitsrisiken in komplexen und feindlichen Umgebungen umzugehen".
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mlsum-de-9956
Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft gewinnt den Deutschland-Cup. Alex Márquez ist neuer Moto3-Weltmeister. Kei Nishikori hat beim ATP-Finale überraschend wenig Mühe mit Andy Murray.
Tennis, ATP-Finale: Der Japaner Kei Nishikori hat das Auftaktspiel bei den ATP-World-Tour-Finals gewonnen. Der 24-Jährige setzte sich am Sonntag in London im ersten Match der Gruppe B gegen den Briten Andy Murray mit 6:4, 6:4 durch. Nishikori, für den es die erste Teilnahme beim Saisonabschluss der Tennis-Herren ist, benötigte 1:35 Stunden für seinen verdienten Erfolg. In der zweiten Partie des ersten Spieltages stehen sich am Abend (ab 21.00 Uhr) der Schweizer Roger Federer und Milos Raonic aus Kanada gegenüber. Titelverteidiger Novak Djokovic greift an diesem Montag ins Geschehen ein. Der Serbe trifft zum Auftakt auf den kroatischen US-Open-Sieger Marin Cilic. Eishockey, Deutschland-Cup: Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft hat den angestrebten Turniersieg beim 25. Deutschland-Cup vorzeitig geschafft. Das Team von Bundestrainer Pat Cortina holte mit einem 2:1 (1:0, 1:0, 0:1) gegen die Slowakei den zweiten Erfolg im zweiten Spiel und profitierte anschließend vom 2:1-Erfolg der Schweiz gegen Kanada. Es ist der insgesamt sechste Triumph beim Heimturnier. Das abschließende Duell mit den Ahornbättern am Sonntag (16.45 Uhr/Sport1) hat nur noch statistischen Wert. In der Münchner Olympia-Eishalle erzielte der Ingolstädter Patrick Hager (2.) den Führungstreffer gegen den Weltmeister von 2002, der zum Auftakt die Kanadier mit 4:1 bezwungen hatte. Das 2:0 gelang dem Mannheimer Christoph Ullmann (40.). Einen großen Anteil am Erfolg hatte Timo Pielmeier. Der Torhüter des deutschen Meisters ERC Ingolstadt wurde erst vier Minuten vor Schluss von Adam Lapsansky überwunden, hatte bei zwei Schüssen ans Torgestänge aber auch das nötige Glück. Die Schweizer gingen im Anschluss gegen Kanada zunächst durch Samuel Walser (12.) in Führung. Finnland-Legionär Zach Hamill (35.) glich später für die Ahornblätter aus, bevor Dino Wieser (60.) den Sieg der Eidgenossen sicherte. Fußball, Spanien: Der ehemalige Manchester-United-Teammanager David Moyes wird laut spanischen Medienberichten vom Sonntag neuer Trainer des Erstligisten Real Sociedad San Sebastian. Die Basken hatten vor Wochenfrist Jagoba Arrasate entlassen, nachdem die Mannschaft in zehn Spielen nur einen Sieg erreicht hatte. Auch der ehemalige Mainzer Coach Thomas Tuchel war zunächst als neuer Trainer in San Sebastian gehandelt worden. Der Schotte Moyes war im April bei ManUnited nach schwachen Leistungen des Rekordmeisters entlassen worden. Britische Fußballlehrer stehen in San Sebastian seit jeher hoch im Kurs. Allein dreimal war der Waliser John Toshack Coach bei den Basken. Moto3, WM: Alex Márquez hat als neuer Moto3-Weltmeister Geschichte geschrieben. Der Spanier sicherte sich den Sieg in der Gesamtwertung mit einem dritten Platz beim Saisonfinale in Valencia und sorgte dafür, dass erstmals zwei Brüder in einer Motorrad-Saison Titel holten. Vor dem 18-Jährigen hatte bereits Marc Márquez (21) in der Königsklasse MotoGP triumphiert. Alex Márquez (Honda) war mit elf Punkten Vorsprung auf seinen einzigen Konkurrenten Jack Miller (KTM) ins 18. und letzte Rennen gegangen. Der Australier gewann vor Isaac Viñales (Spanien/KTM), konnte den Spitzenreiter aber nicht mehr abfangen. "Ich habe mich während des gesamten Rennens gut gefühlt. Es ist unglaublich", sagte Márquez und kündigte an: "Heute gibt es eine große Party." Beide lieferten sich einen heißen Kampf, gleich mehrfach kam es zu Berührungen. Im spannenden Duell hatte der Spanier das bessere Ende für sich. Der "kleine" Márquez fährt im kommenden Jahr in der Moto2, Miller überspringt diese Klasse und steigt direkt in die MotoGP auf. Das Ergebnis des letzten Grand Prix war aus deutscher Sicht sinnbildlich für das gesamte Jahr. Der WM-24. Philipp Öttl (Ainring/10 Punkte) schied nach wenigen Runden aus, Luca Grünwald (Waldkraiburg/beide Kalex) wurde 22. und beendete die Saison ohne Punkt. Beachvolleyball, World Tour: Tim Holler und Jonas Schröder (Fellbach/Mainz) haben überraschend die Doha Open gewonnen und damit ihren ersten Turniersieg auf der World-Tour-Open-Serie gefeiert. Das Duo, das seit Ende 2013 zusammenspielt, setzte sich am Samstag im Endspiel gegen die an Nummer zwei gesetzten Kanadier Josh Binstock und Sam Schachter mit 2:0 (21:18, 21:13) durch und kassierte dafür einen Siegerscheck über 11.000 Dollar, umgerechnet gut 8800 Euro. "Wir haben hier nichts erwartet", sagte Holler: "Zuerst waren wir in der Qualifikation, dann haben wir es mit ein bisschen Glück ins Hauptfeld geschafft, und jetzt haben wir die Goldmedaille. Ich kann das noch gar nicht glauben." Im Halbfinale der mit 75.000 Dollar dotierten Premieren-Veranstaltung in Doha hatten sich die als Nummer 14 eingestuften Holler/Schröder gegen die Franzosen Youssef Krou und Edouard Rowlandson mit 2:0 (21:17, 21:13) durchgesetzt, die am Ende Platz drei belegten. Die Kieler David und Bennet Poniewaz waren im Viertelfinale an Krou/Rowlandson gescheitert und erhielten als Prämie 3375 Dollar. In der ersten K.o.-Runde ausgeschieden waren Max Betzien/Niklas Rudolf (Leipzig/Berlin). Handball: Nur mit großer Mühe haben die Rhein-Neckar Löwen ihre Tabellenführung in der Bundesliga behauptet. Die Mannheimer setzten sich am Samstagabend knapp mit 35:34 (16:16) gegen den TBV Lemgo durch. Ohne Probleme meisterten die Nordclubs ihre Auswärtsaufgaben. Der THW Kiel siegte 32:20 (16:11) beim Bergischen HC, die SG Flensburg-Handewitt gewann beim TSV GWD Minden 31:22 (18:12). In der Tabelle liegen Mannheim und Kiel mit je 22:4 Punkten gleichauf, allerdings haben die Löwen jetzt nur noch ein um drei Treffer besseres Torverhältnis. Reitsport: Felix Haßmann hat bei dem internationalen Drei-Sterne-Springturnier das Championat von München gewonnen. In der Hauptprüfung des Samstags siegte der 28-Jährige aus Lienen im Sattel von Balzaci mit einer fehlerfreien Runde im Stechen der besten Neun. Haßmann brauchte für den Stechparcours 41,14 Sekunden und war damit fast zwei Sekunden schneller als der zweitplatzierte Mannschafts-Olympiasieger Lars Nieberg aus Sendenhorst auf Casallora. "Mein Pferd ist sehr grundschnell" sagte Haßmann. "Außerdem kennen wir uns in- und auswendig. Wir haben ihn schon als Fohlen gekauft, und ich habe ihn ausgebildet. Balzaci und ich sind fast wie ein altes Ehepaar!" Platz drei ging an David Will aus Pfungstadt mit Colorit. Der ältere Bruder des Siegers und dreimalige Derby-Gewinner Toni Haßmann landete mit Classic Man auf Platz vier. Am Sonntag steht für die internationalen Springreiter der mit 80 000 Euro dotierte Große Preis auf dem Programm. Die Prüfung ist zugleich das Finale der Riders-Tour-Serie. Holger Wulschner aus dem mecklenburgischen Groß-Viegeln geht als Gesamterster in das Springen. Nur Toni Haßmann kann Wulschner den Gesamtsieg der Tour noch streitig machen. Haßmann muss am Sonntag siegen, um Wulschner den Gesamterfolg noch wegzuschnappen. Allerdings müsste Wulschner dann schlechter als als Platz 14 abschneiden. Im Championat von München drehte der durch eine Verletzung gehandicapte 50-Jährige auf Cavity eine ruhige Runde mit einem Abwurf. Cavity wird auch sein Partner im Großen Preis sein. Fußball, 3. Liga: Arminia Bielefeld hat es im Spitzenspiel der 3. Fußball-Liga verpasst, Tabellenführer SV Wehen Wiesbaden abzulösen. Im direkten Duell am 17. Spieltag trennten sich die Spitzenteams 1:1 (0:0), die Arminia ist nun Dritter. Erster Verfolger bleibt Preußen Münster nach einem 1:1 (1:0) bei den Stuttgarter Kickers. Die Liga ist aber weiter extrem eng, Platz eins und zehn trennen nur drei Zähler. So sprang der frühere Bundesligist MSV Duisburg durch einen 2:0 (0:0)-Sieg gegen Rot-Weiß Erfurt auf Rang fünf. Im Keller darf Hansa Rostock aufatmen, die Kogge siegte 4:1 (2:0) gegen den VfB Stuttgart II. Es war der erste Sieg seit dem 20. September und sechs Spielen ohne Dreier. Gute Chancen auf den Aufstieg haben auch weiterhin der Chemnitzer FC, der gegen Schlusslicht Jahn Regensburg 4:1 (3:0) gewann und Dynamo Dresden trotz einer deutlichen 0:3 (0:0)-Niederlage bei der SpVgg Unterhaching. Zudem bezwang der Tabellensechste VfL Osnabrück Aufsteiger FSV Mainz 05 II 2:0 (1:0), der Hallescher FC unterlag Aufsteiger SG Sonnenhof Großaspach 0:1 (0:0). Golf, Shanghai: Nach der besten Runde des Tages hat Deutschlands bester Golfer Martin Kaymer eine gute Chance auf seinen dritten Turniersieg in diesem Jahr. Der 29-Jährige aus Mettmann spielte bei der World Golf Championship in Shanghai am Samstag eine starke 66er Runde und verbesserte sich vor der Schlussrunde mit insgesamt 207 Schlägen auf den geteilten dritten Rang. An der Spitze der mit 8,5 Millionen Dollar (etwa 6,8 Millionen Euro) dotierten Veranstaltung liegt weiter Graeme McDowell (205) aus Nordirland vor dem Japaner Hiroshi Iwata (206). Der Ratinger Marcel Siem (220) rutschte nach einer 76er Runde auf den 45. Platz ab. Kaymer spielte auf dem Par-72-Kurs des Sheshan International Golf Clubs sieben Birdies. Allerdings musste der zweimalige Major-Sieger mit einem Bogey auch einen Schlagverlust hinnehmen. Bereits 2011 hatte er das WGC-Turnier auf diesem Platz gewonnen. Der Sieger kassiert ein Preisgeld von 1,4 Millionen Dollar (1,1 Millionen Euro). Das Veranstaltung in Shanghai ist die zweite der europäischen Finalserie Race to Dubai. Der Führende und Weltranglistenerste Rory McIlroy (Nordirland) greift erst in der kommenden Woche in der Türkei ins Geschehen ein. Tennis, Taiwan: Tennisspielerin Anna-Lena Friedsam aus Neuwied hat beim WTA-Turnier in Taiwans Hauptstadt Taipeh das Finale verpasst. Die an Nummer eins gesetzte 20-Jährige unterlag in der Vorschlussrunde der Lokalmatadorin Chan Yung-Jan mit 3:6, 6:4, 3:6. Weitere Deutsche waren bei der mit 125.000 Dollar dotierten Veranstaltung nicht am Start.
https://www.sueddeutsche.de/sport/praesidentenamt-der-fifa-blatter-bekraeftigt-erneute-kandidatur-1.2120542
mlsum-de-9957
Joseph Blatter bestätigt, für eine fünfte Amtszeit als Präsident der Fifa zu kandidieren. Schachspieler Magnus Carlsen unterzeichnet den WM-Vertrag. Brasiliens Trainer Carlos Dunga verbannt Fußballspieler Maicon aus der Nationalmannschaft.
Fußball, Fifa: Fifa-Präsident Joseph S. Blatter hat seine Absichten auf eine fünfte Amtszeit an der Spitze des Fußball-Weltverbandes in aller Deutlichkeit bekräftigt. "Ich werde Kandidat sein, ich bin bereit", sagte der 78-jährige Schweizer in einer Videobotschaft während eines Fußball-Kongresses in Manchester - elf Tage nachdem Blatters bis dahin härtester Konkurrent Michel Platini (59), Präsident der Europäischen Fußball-Union (Uefa), seinen Verzicht auf den Wahlkampf gegen den Fifa-Boss verkündet hatte. Bei der Wahl am 29. Mai 2015 in Zürich warten auf Blatter keine ernstzunehmende Gegenkandidaten. Ebenfalls um das Präsidentenamt bewirbt sich der Franzose Jérôme Champagne (56), dem allerdings gegen Blatter keine Chancen gegeben werden. Schach-WM, Magnus Carlsen: Die Schach-Weltmeisterschaft zwischen Titelverteidiger Magnus Carlsen aus Norwegen und den Inder Viswanathan Anand kann wie geplant im November stattfinden. Der 23 Jahre alte Norweger unterschrieb kurz vor Ablauf der Frist am Sonntag den WM-Vertrag. Die Unterschrift von Anand liegt seit längerer Zeit vor. Das Duell soll nun vom 7. bis 28. November in der russischen Olympia-Stadt Sotschi stattfinden. Carlsen hatte die Unterzeichnung des Vertrages lange hinausgezögert. Vor dem Hintergrund der Situation in der Ukraine und den daraus entstandenen Konflikten mit Russland war der Norweger mit der Wahl von Sotschi als Austragungsort sehr unzufrieden. Außerdem missfielen ihm die finanziellen Konditionen des WM-Duells. Sein Versuch, den Zweikampf mit Anand an einen anderen Ort zu verlegen, scheiterte. Carlsen, der vorige Woche bei einem Turnier in St. Louis/USA gespielt hatte, unterzeichnete den Vertrag nur wenige Stunden vor Ende der Frist, die ihm der Internationale Schachverband Fide eingeräumt hatte. Auf Twitter kommentierte er seine Unterschrift: "Es war ein Vergnügen, für die Fans in St. Louis Autogramme zu schreiben. Nach dem Turnier habe ich nun Zeit für ein weiteres." Hätte sich der Champion geweigert, wäre der WM-Titel für ihn verloren gewesen. Radsport, Tony Martin: Der dreimalige Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin ist bei der 69. Spanien-Rundfahrt ausgestiegen. Der 28 Jahre Radprofi trat am Montag zum Start der 16. Etappe in San Martin de Rey Aurelio nicht mehr an. Nach Mitteilung seines sportlichen Leiters Davide Bramati wollte Martin bei den gefährlichen Abfahrten der Königsetappe im Hinblick auf die Weltmeisterschaften in zwei Wochen in Ponferrada, Spanien, keine Sturz-Risiken eingehen. Martin hatte die zehnte Vuelta-Etappe, ein Zeitfahren nach Borja, gewohnnen. Der Kapitän des belgischen Omega Pharma-Quickstep-Teams kann als erster Radprofi zum vierten Mal in Serie Weltmeister im Zeitfahren werden. Fußball, Brasilianische Nationalmannschaft: Carlos Dunga hat vor dem zweiten Länderspiel seiner neuen Amtszeit als Nationaltrainer Verteidiger Maicon aus dem Kader der brasilianischen Nationalmannschaft verbannt. Laut lokalen Medien begründete der Technische Direktor der Auswahl, Gilmar Rinaldi, die Entscheidung mit "Disziplinlosigkeit" des Fußball-Profis vom AS Rom. Maicon wird beim Testspiel der Seleção am Dienstag gegen Ecuador nicht dabei sein. Beim 1:0-Auftaktspiel von Dunga nach seiner Rückkehr auf die Trainerbank hatte Maicon noch zur Startformation gegen Kolumbien gezählt. Genauere Gründe für den Ausschluss des 33 Jahre alten Rechtsverteidigers gab der Verband nicht an. Es handle sich um eine "interne Angelegenheit". Anstelle von Maicon soll Nachwuchsspieler Fabinho in der Partie in New Jersey auflaufen. Ebenfalls fehlen wird dort nach Verbandsangaben Defensivkraft David Luiz wegen einer Knieverletzung aus der Partie am vergangenen Freitag Kolumbien. Fußball, Bayern München: Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender des FC Bayern München, hat sich über die Warnung von Uefa-Präsident Michel Platini in Richtung Frank Ribéry verwundert gezeigt. Ihm drohe eine Sperre, wenn er Einladungen zur Nationalmannschaft ausschlage, hatte Platini am Wochenende verkündet. Ribéry hatte im August seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärt. "Es ist doch alles geklärt", sagte Rummenigge der Bild. Der Offensivspieler habe die Situation bereits mit Nationaltrainer Didier Deschamps besprochen. "Er wird doch gar nicht mehr eingeladen! Alles in Ordnung und Fifa-konform." Laut Statuten des Weltverbandes Fifa ist ein Spieler verpflichtet, zur Nationalmannschaft zu reisen, wenn er berufen wird. Die Regelungen zielen aber in erster Linie auf die generelle Abstellungspflicht der Vereine ab. Platini hatte gesagt, dass Ribéry bei Zuwiderhandlung eine Sperre von drei Bayern-Partien erwarte. Bundesliga, Hamburger SV: Fußball-Bundesligist Hamburger SV und sein früherer Sportdirektor Oliver Kreuzer haben die für diesen Montag angesetzte Verhandlung vor dem Arbeitsgericht abgesagt. Das teilte das Hamburger Gericht wenige Stunden vor dem Termin mit, beide Seiten einigten sich außergerichtlich. Nach Informationen Hamburger Medien soll Kreuzer eine Abfindung von rund 800 000 Euro erhalten. Der HSV hatte seinem Sportdirektor nach nur einer Saison im Verein bis zum 31. August 2014 gekündigt. Sein Dreijahresvertrag ist bis zum 30. Juni 2016 datiert. Die Trennung hatte der neue Vorstandsvorsitzende Dietmar Beiersdorfer vorgenommen, einen Nachfolger gibt es bislang nicht. Fußball, Nationalmannschaft: Für Lukas Podolski stand nach dem WM-Sieg ein Rücktritt aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft nie zur Debatte: "Der Hunger ist immer noch da, mein nächstes großes Ziel ist die Europameisterschaft", sagte Podolski dem kicker. Selbst die Tatsachen, dass er während der WM in Brasilien gerade mal 53 Minuten gespielt hat und aktuell ebenfalls kein Stammspieler in der DFB-Auswahl ist, könnten an seiner Einstellung etwas ändern. "Ich habe immer noch Spaß daran, für Deutschland zu spielen. Ich bin mit Freude dabei, und dies ändert sich nicht." Dass er zurzeit einen schweren Stand in der Nationalmannschaft hat, für die er am Sonntag beim 2:1 gegen Schottland in der Schlussphase zu seinem 118. Länderspiel kam, verunsichert ihn offenbar nicht: "Ich brauche mich in unserer Mannschaft vor niemanden verstecken. Und ich bin nicht nur hier, weil ich der Spaßvogel Podolski bin und für gute Laune sorge. Ich bin hier, weil ich es verdient habe." Dasselbe gelte auch für den FC Arsenal, er sei sich sicher, auch in der Premier League wieder seine Einsätze zu bekommen. Golf, Cherry Hills: Der Golfer Martin Kaymer hat beim dritten Play-off-Turnier um den FedEx-Cup in Cherry Hills/Colorado auf der Schlussrunde seine Siegchancen verspielt und einen Top-10-Platz verpasst. Als Dritter gestartet, gelang dem 29-Jährigen aus Mettmann auf dem Par-70-Kurs am Sonntag lediglich eine 73er-Runde. Mit 275 Schlägen belegte der US-Open-Sieger im Endklassement den 16. Platz. "Der Tag heute war ein wenig enttäuschend, aber ich werde nächste Woche noch einmal alles geben, was ich habe", sagte Kaymer auf seiner Facebook-Seite. Ab Donnerstag findet in Atlanta das Tour-Finale der besten 30 Spieler statt, hierfür hatte sich der Rheinländer zuvor bereits qualififiziert. Führender im Kampf um den Jackpot von zehn Millionen Dollar (7,58 Millionen Euro) bleibt der US-Amerikaner Chris Kirk trotz Rang 36 in Cherry Hills. Direkt dahinter ist Landsmann Billy Horschel, der mit 266 Schlägen Bubba Watson um zwei Schläge distanzierte und für den Sieg in Cherry Hills 1,44 Millionen Dollar Preisgeld (rund 1,11 Millionen Euro) einstrich. Der Weltranglisten-Erste Rory McIlroy (Nordirland) zeigte sich nach seiner 72 einschließlich eines Vier-Putts an der 12 vom Samstag gut erholt und beendete das Turnier der besten 70 Golfer in der FedEx-Cup-Wertung auf Platz acht (272 Schläge). Fußball, Fernsehen: Fast zwölf Millionen Zuschauer haben RTL beim 2:1 von Fußball-Weltmeister Deutschland zum Auftakt in der EM-Qualifikation gegen Schottland ein gutes Debüt als neuer TV-Sender für die Ausscheidungsspiele beschert. 11,71 Millionen Fans sahen am Sonntagabend in der zweiten Hälfte das erste Pflichtspiel der DFB-Elf nach dem Weltmeistertitel und sorgten für einen Marktanteil (MA) von 39,7 Prozent. Im ersten Durchgang hatten zunächst 9,98 Millionen Fans eingeschaltet (MA: 28,6 Prozent). Vier Tage zuvor hatte das ZDF mit seiner Übertragung vom ersten Auftritt der deutschen Mannschaft nach dem WM-Triumph beim 2:4 in der Neuauflage des WM-Endspiels gegen Argentinien bis zu 10,44 Millionen Zuschauer erreicht. Der höchste Marktanteil der Mainzer während des Spiels in Düsseldorf lag bei 37,4 Prozent. Beim WM-Finale am 13. Juli hatten in der Spitze bis zu 36,41 Millionen Zuschauer die Liveübertragung von Deutschlands 1:0-Sieg nach Verlängerung aus Rio verfolgt und damit einen Rekord in der deutschen Fernseh-Geschichte aufgestellt. RTL verbuchte mit der Fußball-Übertragung am Sonntagabend seine Tagesbestmarke. Die vorangegangene Übertragung vom Großen Preis von Italien der Formel-1-WM aus Monza sahen bis zu 4,06 Millionen Zuschauer (MA: 30,2).
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Dem deutschen Weltmeister gelingt ein Tor für Lazio Rom beim Sieg im Pokal-Achtelfinale. Überraschend klar schlagen die Bayern-Basketballer die Brose Baskets Bamberg im Eurocup. Müde Angelique Kerber verpasst beim Tennisturnier in Sydney den Finaleinzug.
Fußball, Italien: Mit dem ersten Tor von Weltmeister Miroslav Klose seit mehr als zwei Monaten ist Lazio Rom ins Viertelfinale des italienischen Fußball-Pokals eingezogen. Der WM-Rekordtorschütze erzielte am Mittwoch den zweiten Treffer zum 3:1 (2:0) beim FC Turin. Für Klose, der zuletzt häufig nur auf der Ersatzbank saß, war es das erste Tor seit dem 3. November 2014, als er beim 3:0 gegen Cagliari Calcio zweimal getroffen hatte. Neben Klose trafen außerdem Baldé Diao Keita (13.) und Cristian Ledesma per Foulelfmeter (57.) für Lazio. Die Gastgeber konnten nur durch Josef Martinez zwischenzeitlich verkürzen (49.). Außerdem sah Turins Torhüter Daniele Padelli die Rote Karte, nachdem er Klose im Strafraum gefoult hatte, was zum Elfmeter führte. Basketball, Eurocup: Die Basketballer von Bayern München haben das deutsche Duell in der Eurocup-Zwischenrunde bei den Brose Baskets Bamberg überraschend klar für sich entschieden und dem Südrivalen eine Lehrstunde erteilt. Der deutsche Meister gewann am Mittwochabend mit 90:52 (46:20) und feierte im zweitwichtigsten Europapokal-Wettbewerb damit den zweiten Sieg im zweiten Spiel. Zudem gelang den Bayern eindrucksvoll die Revanche für die klare Niederlage in der Bundesliga vor zehn Tagen. Beste Werfer bei den Münchnern waren Vladimir Stimac und Nihad Djedovic mit je 16 Punkten. Bei den desolaten Bambergern, für die es die erste Niederlage in der Zwischenrunde war, kam Bradley Wanamaker ebenfalls auf 16 Zähler. Den Brose Baskets fehlte vor 6800 Zuschauern in der Brose Arena von Beginn an jegliche Einstellung. Im ersten Viertel lagen die Franken schnell mit 0:13 zurück. Erst nach knapp viereinhalb Minuten gelangen Wanamaker die ersten Punkte für die Hausherren, die nach den ersten zehn Minuten schon mit 6:22 hinten lagen. Die Bayern, die auf die verletzten Vasilije Micic, Robin Benzing und Bo McCalebb verzichten mussten, zeigten dagegen über die kompletten 40 Minuten eine starke Leistung. Nach dem Seitenwechsel führten sie die Gastgeber phasenweise sogar vor. Tennis, Sydney: Deutschlands beste Tennis-Spielerin Angelique Kerber (26) hat den Sprung ins Finale des WTA-Turniers in Sydney verpasst. Die an Nummer fünf gesetzte Kielerin unterlag Karolina Pliskova 3:6, 2:6, bereits nach 55 Minuten verwandelte die Tschechin ihren ersten Matchball. Pliskova trifft im Endspiel auf die Siegerin der Begegnung zwischen Wimbledonsiegerin Petra Kvitova (Tschechien) und Zwetana Pironkowa (Bulgarien). Kerber hatte auf dem Weg ins Halbfinale zuvor in jedem Match über drei Sätze gehen müssen. Besonders der Achtelfinalsieg gegen die Russin Darja Gawrilowa hatte Kraft gekostet. Kerber entschied das Spiel nach zweieinhalb Stunden erst um drei Uhr morgens für sich. Ski Alpin, Wengen: Die legendäre Lauberhorn-Abfahrt im schweizerischen Wengen ist durch den Ski-Weltverband Fis vom kommenden Samstag auf den Sonntag verschoben worden. Grund sind erwartete starke Schneefälle am Freitagabend. Anstelle des mit 4,4 Kilometer längsten Abfahrtsrennens im Weltcup soll am Samstag der eigentlich für den Sonntag geplante Slalom stattfinden. Die Super-Kombination soll wie geplant am Freitag ausgetragen werden. Basketball, NBA: Ohne Kapitän Dirk Nowitzki haben die Dallas Mavericks eine bittere Niederlage in der nordamerikanischen Basketballliga kassiert. Das Team verlor am Mittwochabend (Ortszeit) bei den Denver Nuggets 107:114. Es war die dritte Pleite in den vergangenen vier Spielen. Richard Jefferson war mit 16 Punkten noch bester Werfer der ersatzgeschwächten Texaner, die erst im Schlussviertel mit den Nuggets mithalten konnten. Dallas ist trotz der 13. Saisonniederlage bei 27 Siegen Fünfter in der Western Conference und weiter auf Playoff-Kurs. Nach dem Sieg in der Verlängerung einen Tag zuvor bei den Sacramento Kings gönnte Trainer Rick Carlisle außer Nowitzki auch den angeschlagenen Tyson Chandler und Rajon Rondo eine Pause. Die Atlanta Hawks eilen indes weiter von Sieg zu Sieg. Das Team mit dem Braunschweiger Dennis Schröder kam bei den Boston Celtics zu einem 105:91 und feierte den zehnten Erfolg nacheinander. Schröder kam auf vier Punkte und 16:25 Minuten Spielzeit. DeMarre Carroll und Jeff Teague steuerten als beste Werfer ihres Teams je 22 Zähler zum Sieg bei. Mit 31 Erfolgen bei acht Niederlagen führen die Hawks weiter überlegen die Eastern Conference an. Fußball, Inter Mailand: Der Schweizer Fußball-Nationalspieler Xherdan Shaqiri konnte zuletzt sein Bankdrückerdasein bei Bayern München nicht mehr ertragen und ist deshalb zu Inter Mailand in die italienische Serie A gewechselt. "In München war ich nicht glücklich. Ich will spielen und Freude am Fußball empfinden. Ich hungere nach Erfolgen", sagte der 23-Jährige am Mittwoch bei seiner Vorstellung bei den Lombarden. Bei den Bayern habe er jedoch auch Positives erlebt, da er mit großartigen Fußballern zusammenspielen konnte. "Sie sind alle großartige Spieler, jeder hat seine Eigenschaften. Ich habe viel von ihnen gelernt. Bei Inter will ich jedoch meinen Beitrag leisten. Ich hoffe, dass wir viel gewinnen werden", betonte der Eidgenosse, der bei den Blauschwarzen einen Vierjahresvertrag bis 2019 unterschrieben hat und Teamkollege von Weltmeister Lukas Podolski ist. Das Ziel sei Inters Rückkehr in die Champions League. Shaqiri: "Ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen werden." Der Mittelfeldspieler wird bis zum Ende der laufenden Saison vom deutschen Rekordmeister FC Bayern an Inter ausgeliehen. Die Ablösesumme für den endgültigen Wechsel liegt angeblich bei insgesamt 18 Millionen Euro. "Ich habe auch andere Angebote aus Deutschland, Italien und England erhalten, doch ich habe mit Inter-Trainer Roberto Mancini gesprochen und dessen Worte haben mich beeindruckt. So habe ich mich für den Wechsel zu Inter entschlossen", äußerte Shaqiri. Inter sei für ihn die richtige Entscheidung: "Ich will dem Klub zu neuen Höhenflügen verhelfen." Er hoffe, schon beim nächsten Meisterschaftsspiel gegen Empoli Calcio am kommenden Sonntag zum Einsatz zu kommen. Radsport, Tour de France: Das zweitklassige deutsche Profi-Radteam Bora-Argon wird auch in diesem Jahr bei der Tour de France an den Start gehen. Wie die Tour-Veranstalter am Mittwoch mitteilten, erhielt das Pro-Continental-Team erneut eine der fünf begehrten Wildcards für die Frankreich-Rundfahrt. "Ein Traum geht in Erfüllung. Die Rückkehr zur Tour de France war unser Ziel Nummer eins für diese Saison. Das war ambitioniert, aber wir haben es erreicht", wird Team-Manager Ralph Denk in einer Mitteilung des Rennstalls zitiert. Damit starten erstmals seit 2008 wieder zwei deutsche Teams beim wichtigsten Radrennen der Welt. Die neu gegründete Giant-Alpecin-Mannschaft ist als eines von 17 World-Tour-Teams automatisch startberechtigt. Vor sieben Jahren gehörten die Mannschaften von Gerolsteiner und Milram zum Teilnehmerfeld. Fußball, FC Barcelona: Trainer Luis Enrique kann sich eine Zukunft der Katalanen ohne den momentan offenbar unzufriedenen Lionel Messi nicht vorstellen. "Wir alle glauben, dass Messi in den nächsten Jahren in Barcelona spielt", sagte Enrique am Mittwoch: "Wir denken nicht an eine Mannschaft ohne Messi." Der argentinische Stürmer hatte zuletzt im Rahmen der Verleihung des Goldenen Balles erneut Wechsel-Gerüchte befeuert. "Ich weiß noch nicht, wo ich nächstes Jahr bin", sagte der 27-Jährige in Zürich, wo er Cristiano Ronaldo erneut zur Wahl als Weltfußballer gratulieren musste. Messi wird unter anderem mit dem FC Chelsea und Manchester City in Verbindung gebracht. Der viermalige Weltfußballer steht noch bis 2018 bei Barça unter Vertrag. Und Enrique glaubt, dass der Ausnahmestürmer auch bis dahin in seinem Klub bleiben könnte. "In unserer Kabine herrscht Geschlossenheit. Wir vermeiden Streitigkeiten und sind bemüht um die bestmögliche Atmosphäre", sagte der 44-Jährige, dem zuletzt ein Konflikt mit Messi nachgesagt wurde: "Ich sehe eine Übereinstimmung in allen Punkten." Fußball, England: Der frühere Nationalspieler Robert Huth muss sich wegen seiner sexistischen Aktivitäten im sozialen Netzwerk Twitter vor der Sportgerichtsbarkeit des englischen Fußball-Verbandes (FA) verantworten. Die FA gab am Mittwoch bekannt, dass sie gegen Huth Anklage erhoben hat. Dem 30-Jährigen drohen eine Sperre und eine Geldstrafe. Huth hat bis zum 21. Januar Zeit, auf die Klage zu antworten. Dem Verteidiger des Premier-League-Klubs Stoke City wird nach Abschluss der Untersuchungen "Fehlverhalten in einem schweren Fall" vorgeworfen. Huth habe gegen mehrere FA-Regeln verstoßen. Sein Verhalten sei "ungebührlich" und bringe den Fußball "in Verruf". Dass sich Huth über "Geschlechter und/oder Geschlechtsumwandlungen" ausgelassen habe, mache sein Fehlverhalten noch schlimmer. Huth hatte mit seinem Account auf einer Seite, die Menschen in abgeschnittenem Bildformat in mitunter expliziten Posen darstellt, zwölf Tipps zu deren Geschlecht abgegeben. Als sich im Netz Kritik regte, löschte Huth seine Tweets. Anschließend entschuldigte sich der 19-malige Nationalspieler in dem Netzwerk: "Es war ausdrücklich kein Angriff auf irgendjemanden. Aber es tut mir leid, sollte ich jemanden gekränkt haben." Erst im Herbst war der frühere englische Nationalspieler Rio Ferdinand (Queens Park Rangers) wegen eines sexistischen Tweets mit drei Spielen Sperre und einer Geldstrafe in Höhe von rund 32.000 Euro belegt worden.
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Basketballer Philipp Schwethelm muss wegen Rückenproblemen auf die EM verzichten. Ein Testspiel zwischen St. Pauli und Besiktas Istanbul wird wegen Pyrotechnik im Gästeblock beinahe abgebrochen. Frankreichs Fußballfrauen feiern den ersten Sieg bei der EM.
Basketball, EM-Absage: Philipp Schwethelm wird der deutschen Basketball-Nationalmannschaft in diesem Sommer nicht zur Verfügung stehen. Der Ulmer muss wegen Rückenbeschwerden passen und sagte am Freitagabend seine Teilnahme an der Europameisterschaft in Slowenien ab. "Ich hatte schon in den Playoffs Probleme mit dem Rücken", berichtete Schwethelm, der deshalb nach Saisonende einige Wochen komplett pausierte. Allerdings wurden die Schmerzen in dieser Zeit nicht weniger. "Es ist leider nicht absehbar, dass ich in ein, zwei Wochen wieder komplett fit bin", sagte der 24-Jährige enttäuscht. Für den neuen Bundestrainer Frank Menz bedeutet die Absage des Small Forwards einen weiteren Rückschlag. Der Nachfolger von Svetislav Pesic muss in diesem Sommer bereits unter anderem auf Steffen Hamann, Jan-Hendrik Jagla und Tim Ohlbrecht verzichten. Superstar Dirk Nowitzki hatte bereits vor langer Zeit seine Auszeit im Nationalteam angekündigt. Die EM findet vom 4. bis 22. September statt. FC St. Pauli, Testspiel: Dem FC St. Pauli ist eine Woche vor dem Saisonstart in der 2. Fußball-Bundesliga ein Achtungserfolg gelungen. Die Hamburger besiegten am Freitagabend in einem Testspiel den türkischen Spitzenklub Besiktas Istanbul mit 1:0 (1:0). Das Tor des Tages erzielte St. Paulis Kapitän Fabian Boll in der 41. Minute. Das Testspiel stand vor 18 017 Zuschauern im heimischen Millentorstadion nach einer Stunde vor dem Abbruch. Besiktas-Fans hatten in ihrem Zuschauerblock bengalische Feuer und Feuerwerkskörper gezündet. Schiedsrichter Patrick Ittrich aus Hamburg unterbrach die Partie für drei Minuten und schickte die Teams in die Kabinen. Bereits in der ersten Halbzeit hatte es einen Ordner- und Polizeieinsatz im Besiktas-Fanblock gegeben. Nach der Unterbrechung beruhigten sich die erhitzten Gemüter im türkischen Fanblock wieder. Im neunten und letzten Testspiel vor der neuen Saison gelang St. Pauli ein verdienter Erfolg. Es war der achte Sieg bei einem Remis. In der Startelf der Hamburger standen drei Zugänge: Als Rechtsverteidiger kam Marcel Halstenberg zum Einsatz, die Rolle des Spielgestalters übernahm Marc Rzatkowski, Christopher Nöthe bildete im 4-2-3-1-System von Trainer Michael Frontzeck die Spitze. Der FC St. Pauli startet am kommenden Freitag mit einem Heimspiel gegen den TSV 1860 München in die neue Zweitligasaison. Frauenfußball, EM: Titelanwärter Frankreich hat bei der Fußball-Europameisterschaft der Frauen in Schweden als erste Mannschaft einen Sieg gelandet. Das Team von Trainer Bruno Bini gewann am Freitag in Norrköping sein Auftaktspiel in der Gruppe C gegen Russland souverän 3:1 (2:0). Starstürmerin Marie-Laure Delie mit einen Doppelpack in der 21. und 33. Minute und Eugenie Le Sommer (67.) schossen den hochverdienten Erfolg fast mühelos heraus. Jelena Morosowa (83.) gelang in der Schlussphase noch das 1:3. Anschließend setzte sich Spanien in Linköping nach einer spannenden Schlussphase mit drei Toren 3:2 (1:1) gegen England durch. Nach dem 2:1 durch Jennifer Hermoso (85.) sahen die Spanierinnen schon wie die Siegerinnen aus, doch Laura Bassett (89.) glich aus. In der Nachspielzeit sorgte Alexia Putellas unter Mithilfe von Englands Torhüterin Karen Bardsley doch für den spanischen Erfolg. In der Anfangsphase hatten Verónica Boquete (4.) und Eniola Aluko (8.) getroffen. Basketball, NBA: Der frühere NBA-Champion Dallas Mavericks um den deutschen Ausnahme-Basketballer Dirk Nowitzki hat auf dem Spielermarkt zugeschlagen: Die Mavs sicherten sich Monta Ellis von den Milwaukee Bucks für drei Jahre, in denen der Guard bis zu 30 Millionen Dollar (23,3 Millionen Euro) verdienen soll. Der 27 Jahre alte Ellis kam in der abgelaufenen Saison in 82 Spielen auf durchschnittlich 19,2 Punkte für die Bucks, ehe er den noch ein Jahr laufenden Vertrag per Option beendete. Die Verpflichtung von Ellis schließt bei den Mavericks allerdings nicht die Lücke in vorderster Front, die sich nach dem Abgang von Center Chris Kaman zu den Lakers noch vergrößert hat. Während Dallas mittlerweile fünf neue Guards verpflichtet hat, fehlt angesichts der Absage von Dwight Howard (nach Houston) und dem Verzicht auf Andrew Bynum (nach Cleveland) weiterhin der dringend benötigte zweite starke "Big Man" neben Nowitzki. US-Medienberichten zufolge sollen die Mavs nun sogar bei Greg Oden (zuletzt Portland) vorgefühlt haben. Der Nummer-1-Pick der Draft von 2007 hat verletzungsbedingt seit 2009 kein einziges Spiel bestritten. Zudem müssen die Mavs den längerfristigen Ausfall von Guard Shane Larkin verkraften. Der Erstrunden-Pick der Texaner in der abgelaufenen Draft zog sich im Training einen Knöchelbruch zu und wird mindestens drei Monate fehlen. Radsport, Tour de France: Der britische Radprofi Mark Cavendish hat die 13. Etappe der 100. Tour de France gewonnen und die deutsche Siegesserie gebrochen. Der 28-Jährige vom Team Quick Step setzte sich am Freitag nach 173 Kilometern zwischen Tours und Saint-Amand-Montrond vor Peter Sagan (Slowakei/Cannondale) durch. Das Gelbe Trikot trägt weiter der britische Top-Favorit Christopher Froome (Sky), der jedoch überraschend viel Zeit auf die Verfolger Alberto Contador (Spanien/Saxo-Tinkoff) und Bauke Mollema (Niederlande/Belkin) einbüßte. Lothar Matthäus, Bundesliga: Der Rekordnationalspieler sieht seine bisweilen grenzwertigen Boulevard-Auftritte als größtes Hindernis auf dem Weg zu einem Trainerjob in der Bundesliga. "Man macht Fehler. Ich habe das Leben gelebt, wie ich es innerlich gefühlt habe. Ganz sicher hat das dazu beigetragen, dass die Bundesliga-Vereine Abstand genommen und gesagt haben, wir wollen einen Trainer, der sich von morgens bis abends auf Fußball konzentriert", sagte der 52-Jährige in der ARD-Sendung Ligafieber, die am Samstag ab 18.50 Uhr ausgestrahlt wird. Sich für eine Doku-Soap über sein Leben herzugeben, sei "ganz sicher ein Fehler gewesen", sagte der Weltmeister von 1990. Dadurch sei ein falscher Eindruck entstanden, selbstverständlich sei er auf den Fußball fokussiert: "Aber wenn man natürlich ein Jahr lang ohne Job ist, kann man sich nicht zu Hause einsperren." Wo er gearbeitet habe, könne man ihm "schwer etwas vorwerfen". Derzeit arbeitet Lothar Matthäus unter anderem als Experte für Sky. Tennis, ATP-Tour: Tommy Haas hat das Halbfinale beim Stuttgarter Turnier überraschend verpasst. Der an Nummer eins gesetzte Tennisprofi unterlag am Freitag dem Italiener Fabio Fognini 2:6, 4:6. Der Weltranglisten-Elfte Haas fand gegen seinen Kontrahenten nie den Rhythmus und verlor verdient nach 1:14 Stunden. "Es lief unglücklich für mich", sagte der Weltranglisten-Elfte. "Ich habe sicher nicht meinen besten Tag erwischt. Ich habe versucht, mich reinzukämpfen." Haas, der kommende Woche in Hamburg an den Start geht, haderte mit einigen kniffligen Entscheidungen des Unparteiischen. "Es ist immer ein Mist mit den Schiedsrichtern auf Sand", sagte er. "Schade, dass es nicht mehr weitergeht." Fognini bekommt es am Samstag bei der mit 467.800 Euro dotierten Sandplatzveranstaltung mit Roberto Bautista Agut zu tun. Der Spanier profitierte von der verletzungsbedingten Aufgabe von Lokalmatador Michael Berrer. Als einziger Deutscher hat Philipp Kohlschreiber das Halbfinale erreicht. Der an Nummer zwei gesetzte Augsburger bezwang den Franzosen Gael Monfils nach einer starken Vorstellung mit 6:4, 6:4. Der 29-jährige Kohlschreiber trifft am Samstag auf den Rumänen Victor Hanescu. Bei den French Open hatte sich Kohlschreiber zuletzt klar gegen Hnaescu durchgesetzt. Insgesamt waren acht Deutsche in Stuttgart an den Start gegangen. Bestechungsvorwürfe, Gold Cup: Vor dem 1:6 der Fußball-Nationalmannschaft von Belize gegen die USA soll es einen Bestechungsversuch gegeben haben. Belizes Trainer Ian Mork berichtete nach Angaben der Agentur AP, drei seiner Spieler sei vor ihrem Auftaktspiel beim Gold Cup in den USA eine hohe Summe geboten worden. Das Trio habe das Angebot "das Spiel zu verkaufen" abgelehnt und ihn sofort informiert. Ein Vertreter des durch Mork unterrichteten Kontinentalverbandes Concacaf habe den Spielern daraufhin ein Foto eines Mannes gezeigt, der wegen versuchter Spielmanipulationen in anderen Ländern beobachtet wird. Seine Spieler hätten den Mann erkannt. Der Kontinentalverband und der Weltverband Fifa haben Ermittlungen aufgenommen. Die zwei Spieler Ian Gaynair und Woodrow West, denen im Vorfeld des Spiels beim Gold Cup gegen die USA (1:6) eine hohe Geldsumme geboten worden war, haben die verdächtigte Person auf einem Foto identifiziert. Der Mann soll bereits in anderen Ländern versucht haben, Spiele zu manipulieren.
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Österreichs letzter Tournee-Gewinner Andreas Widhölzl über die Kunst des Laufenlassens, den Wandel im Skispringen und sein Verhältnis zu den Deutschen.
SZ: Herr Widhölzl, haben Sie den Höhepunkt Ihrer Karriere schon hinter sich, oder kommt da noch was? Widhölzl: Ääh. Sagen wir mal so, ich habe schon große Erfolge feiern dürfen, aber meine Karriere ist noch nicht am Ende. Da werden sicherlich noch einige Erfolge kommen. Aber es wird von Jahr zu Jahr schwieriger. Weil das Feld näher zusammenrückt. Detailansicht öffnen Immer noch heiss auf Erfolg: Andreas Widhölzl. (Foto: Foto: dpa) SZ: 2000/2001 die Tournee zu gewinnen war also einfach? Widhölzl: Naa, aber seit 2000 hat sich vom Material her total viel verändert. Man hat damals die weiteren Anzüge gehabt, was meinem Stil sicher entgegengekommen ist. Man muss heute technisch besser springen als damals. SZ: Ist Ihre Technik jetzt wirklich besser oder einfach nur anders? Widhölzl: Jetzt ist es die bessere Technik, weil mit dem heutigen Material die alte Technik nicht mehr so funktionieren würde. Früher hatte man durch den größeren Anzug mehr Halt in der Luft. Das war gut für meinen Stil. Heute muss man kraftvoller wegspringen. SZ: Wie war Ihre Technik damals? Widhölzl: Früher war bei mir die Phase nach dem Absprung immer kritisch. Wenn die gepasst hat, war alles geritzt, wenn nicht - wenn möglicherweise auch noch der Wind von hinten kam - war das immer eine Zitterpartie. Es ist einfach so, dass jeder Springer seinen eigenen Stil hat. Und mein Stil war einfach, sehr viel Geschwindigkeit zu machen und stark in die Richtungslinie des Schanzentisches zu springen. Und damit das funktioniert, muss sehr viel zusammenpassen. Ich war immer gefürchtet, wenn Aufwind war. Aber mein Ziel war, den Gesamtweltcup zu gewinnen. Und das geht nur, wenn ich das ganze Jahr gut springe, auch bei schwierigen Verhältnissen. Das war der Ansatzpunkt. SZ: Ist das nicht schwierig, bewährte Bewegungsmuster zu verändern? Widhölzl: Das Wichtigste ist, dass man es selber erkennt. Und dann hat es sicherlich ein Dreivierteljahr gedauert, bis ich gesagt habe, das passt. Man hat eben ein System, das sich über Jahre eingeschliffen hat - da einzugreifen, ist immer schwierig. Man kann nicht von einem Sprung auf den anderen sagen: So, jetzt springe ich ganz anders. SZ: Fällt es einem schwer, von seinem Stil Abschied zu nehmen? Widhölzl: Naa, naa, der Stil ist schon noch da. Ich werde immer meinem Stil treu bleiben. Aber man muss ihn immer anpassen und daran feilen. Vor allem, wenn eine neue Regel kommt. Bei mir waren das etwas radikalere Eingriffe, aber das hat mir meine Stärken sicherlich nicht genommen. SZ: Und wie ist der Absprung jetzt? Widhölzl: Es ist nicht mehr ganz so in die Richtung des Schanzentisches. Ich springe höher weg, das ist sicherer. SZ: Es heißt, die Schanzen der Tournee werden immer gleicher. Widhölzl: Das stimmt. Oberstdorf war früher ganz anders als Garmisch-Partenkirchen und Innsbruck, und Bischofshofen war wieder das krasse Gegenteil zu Innsbruck. Die Bergiselschanze hatte einen ganz steilen Anlauf und einen ganz kurzen Tisch, Bischofshofen hatte einen langen Anlauf mit einem langen Tisch. Man hat sich umstellen müssen in kurzer Zeit. Die Profile der Schanzen sind harmonischer geworden vom Anlauf her, und vom Radius zum Tisch, und damit auch ähnlicher. Es ist zwar schön, dass es immer neue Schanzen gibt, aber diese gewissen Tücken sind nicht mehr da. SZ: Verliert die Tournee dadurch? Widhölzl: Naja, in Oberstdorf geht es schon weiterhin anders als in Innsbruck zum Beispiel. Also, ich denke, dass das Flair nach wie vor gleich bleibt. SZ: Ja? Widhölzl: Jaja. SZ: Ihre wievielte Tournee ist das? Widhölzl: (Er überlegt) Die elfte oder zwölfte Tournee. SZ: Verändert sich mit der Zeit das Verhältnis zur Tournee? Widhölzl: Schon, erstens brauch' ich nicht mehr zu sagen, ich muss die Tournee gewinnen, weil ich sie schon gewonnen hab. Zweitens fiebert man nicht mehr so hin. Früher hat man über Weihnachten fast nicht mehr abschalten können, weil man wusste, in ein paar Tagen kommt das große Highlight. Jetzt sehe ich das mehr wie einen normalen Weltcup. Das ist auch besser so. Das kommt der Form zugute. SZ: Wie sehen Sie das Verhältnis Deutschland/Österreich? Widhölzl: Tjaa. Also, es ist definitiv so, dass wir Athleten uns sehr gut verstehen. Und der Konkurrenzkampf ist von den Medien immer ... ich weiß nicht, es wird gerne als Aufhänger hergenommen, dass wir uns bekämpfen. Von mir aus kann man es so weiterbetreiben. Ich muss auch sagen, früher war das bei der Tournee schlimmer, gerade vom Publikum her. Es war oft nimmer schön zu springen. Weil wenn du niemandem was getan hast, und in Deutschland alle die Österreicher auspfeifen und in Österreich die Blindenfahnen für die Deutschen geschwungen werden, dann ist das nimmer fein. SZ: Haben Sie profitiert von dem, was man in den großen Zeiten von Martin Schmitt und Sven Hannawald den deutschen Skisprung-Boom nannte? Also diese mehr nach dem Publikumsgeschmack ausgerichtete Präsentation des Sports? Widhölzl: Der ganze Skisprungsport hat davon profitiert. Und ich hab das Glück gehabt, dass ich im Jahr des Schmitt-Booms sogar die Tournee gewonnen hab. Aber neidisch bin ich nie gewesen auf Schmitt oder Hannawald. Weil es mir einfach zu lästig gewesen wäre, diese ganze Star-Aufmacherei. Ich bin auch nicht der Typ, der dazu tauglich ist, aber ich würde es auch nicht mit mir machen lassen, weil ich auch ein Privatleben hab, eine Frau und drei Kinder, und mich das gar nicht interessiert, ständig verfolgt zu werden von den Medien. SZ: Was interessiert Sie denn? Widhölzl: Skispringen. SZ: 2001 haben Sie die Tournee gewonnen, bei der nächsten Auflage sind sie dann zum Auftakt auf dem Vorbau gelandet. Wie geht man damit um? Widhölzl: Das muss man einfach lernen über die Jahre hinweg. Ich denk', dass die Niederlagen genauso dazugehören im Sport wie die Siege und dass es wichtig ist, dass man mit der Situation umgeht, auch mit dem Frust. Das bringt einen als Sportler und als Mensch weiter. Ich kann mich auch noch erinnern an die Tournee 2001/02. Ich war sehr enttäuscht, ich war nämlich gar nicht so schlecht in Form und hab gleich im ersten Durchgang einen Aussetzer gehabt. Da war die Tournee für mich vorbei. Seitdem war ich bei der Tournee auch nie mehr so stark. Aber vielleicht wird heuer wieder ein Jahr des Andi Widhölzl. SZ: Glaubt man vor so einer Tournee daran, dass man sie gewinnen kann? Widhölzl: Auf jeden Fall, sonst bräuchte ich da nicht hinzufahren. SZ: Aber es könnte ja auch Situationen geben, in denen man sagt: Auf einen Tournee-Sieg zu setzen, wäre vermessen. Widhölzl: Klar, wenn die Form nicht passt, geht man sicher nicht hin und sagt: Du, ich reiß' jetzt alles nieder. Aber ich bin jetzt Fünfter im Gesamtweltcup, ich hab eine recht stabile Form. Insofern geht man mit einer gewissen Erwartungshaltung da rein. Aber die ist sicher nicht so hoch angesetzt, dass ich mich unter Druck setzen würde. Ich kann ruhig reingehen. Wenn es passiert, passiert es. Das muss man eh laufen lassen. Wenn man zu viel eingreift in das Ganze, geht es meistens in die Hose. SZ: Man darf nicht eingreifen? Widhölzl: Im Wettkampf sollte man nicht überkonzentriert und zu verbissen sein. Man hat ja Tausende von Sprüngen gemacht im Training, da muss man sich keine Gedanken mehr darüber machen, ob die Technik hinhaut oder das Timing. Man bremst sich immer selbst. Im Skispringen ist die große Kunst, dass man das, was man gelernt hat, automatisch ablaufen lässt. SZ: Das ging 2000/01. Widhölzl: Das ging schon öfters. Aber 2000/01 ist es halt besonders gut gegangen. Da war ich in der gleichen Situation wie jetzt. Da bin ich hingegangen und hab gesagt, ich bin gut drauf, schau mer mal, was passiert. Dann bin ich in Oberstdorf Dritter geworden, Martin Schmitt hatte gewonnen, und alle haben gesagt, dass der Schmitt die Tournee gewinnen wird. Ich war der einzige, der gesagt hat: Jetzt wartet mal. Da haben sie alle blöd geschaut, aber in Partenkirchen war ich dann der Führende. SZ: Wenigstens kann diesmal niemand ernsthaft glauben, dass Schmitt gewinnt, zuletzt sprang er hinterher. Widhölzl: Wer weiß. SZ: Naja, also das ist jetzt ein freundliches Understatement oder? Widhölzl: Man weiß eh, wer die Favoriten sind, die stehen vorne im Weltcup. Viele werden die Zeit über Weihnachten genutzt haben, noch einmal einen Schritt nach vorne zu machen, und dann mit Selbstvertrauen zur Tournee kommen. Es wird eine spannende Tournee.
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Lukas Podolski kommt beim Sieg des FC Arsenal gegen Southampton zu seinem ersten Ligaeinsatz seit mehr als vier Wochen. Der FC Barcelona siegt im spanischen Pokal. Der Präsident des FC Augsburg tritt überraschend zurück.
Fußball in England: Das Spitzenduo FC Chelsea und Manchester City marschiert, der FC Arsenal mit dem erstmals seit mehr als einem Monat eingesetzten Lukas Podolski rückt heran: Zum Abschluss des 14. Spieltags in England gewannen die in der Vorwoche gegen Bundesligisten siegreichen Champions-League-Teilnehmer allesamt. Chelsea (36 Punkte) siegte ohne den 90 Minuten auf der Bank sitzenden Weltmeister André Schürrle mit 3:0 (2:0) gegen die Tottenham Hotspurs und führt weiterhin mit sechs Punkten Vorsprung auf ManCity, das sich beim FC Sunderland mit 4:1 (2:1) durchsetzte. Arsenal ist nach dem 1:0 (0:0) durch ein spätes Tor von Alexis Sanchez (88.) gegen den FC Southampton Sechster und hat nur noch drei Zähler Rückstand auf den drittplatzierten Gegner vom Mittwoch. Per Mertesacker führte die Gunners wieder als Kapitän aufs Feld, der wechselwillige Podolski kam immerhin zu seinem ersten Liga-Einsatz seit dem 1. November - wenn auch nur für neun Minuten. Chelsea siegte durch einen Doppelschlag von Eden Hazard (19.) und Didier Drogba (22.) sowie einen Treffer von Loic Rémy (73.). Manchester geriet durch Connor Wickham (19.) in Rückstand, doch der beim 3:2 in der Champions League gegen Bayern München dreimal erfolgreich Sergio Agüero, der nach einem Doppelschlag (21./71.) nun mit 14 Treffern die Torjägerliste einsam anführt, Stefan Jovetic (39.) und Pablo Zabaleta (55.) drehten die Partie. Fußball in Spanien: Der FC Barcelona steht so gut wie im Achtelfinale des spanischen Fußball-Pokals. Die Katalanen mit Torhüter Marc-André ter Stegen in der Startelf gewannen das Hinspiel in der 4. Runde der Copa del Rey beim Drittligisten SD Huesca 4:0 (3:0). Die Tore für Barças bessere B-Elf, die ohne die Superstars Lionel Messi, Luis Suarez und Neymar angetreten war, erzielten der Ex-Schalker Ivan Rakitic (12.), Andres Iniesta (16.), Pedro (39.) und Rafinha (72.). Das Rückspiel findet am 16. Dezember (20.00 Uhr) in Barcelona statt. Ebenfalls auf dem Sprung unter die letzten 16 Teams des Pokals steht Champions-League-Finalist Atlético Madrid. Der Tabellendritte der Primera División gewann bei Drittligist CE L'Hospitalet 3:0 (0:0). Antoine Griezmann (67.), Gabi (81./FE) und Cristian Rodriguez (90.+1) sorgten für die eindeutige Ausgangsposition vor dem Rückspiel (18. Dezember/20.00 Uhr). Bundesliga, FC Augsburg: Mitten in den sportlichen Höhenflug hat der Macher des Erfolges am Mittwoch überraschend seinen Rücktritt erklärt. "Ich möchte es kurz machen: Heute ist mein letzter Arbeitstag für den FCA", sagte der 73 Jahre alte Walther Seinsch am Mittwoch vor 600 Mitgliedern und der versammelten Mannschaft. "Es gibt keinen besseren Zeitpunkt als jetzt, mein Amt niederzulegen. Außerdem muss ich an meine Gesundheit denken", sagte der ehemalige Unternehmer, der auf der Versammlung mit Standing Ovations gefeiert wurde: "Ich bin schon ein alter Sack. Jetzt seid ihr mich los, ihr kriegt einen jungen, gut aussehenden Mann." Seinsch hatte den Verein im November 2000 auf dem sportlichen Tiefpunkt in der Bayernliga übernommen. Dass die Schwaben nun erstmals auf einem Champions-League-Platz stehen und ein neues, modernes Stadion haben, ist zu einem großen Teil sein Verdienst. Aktuell ist der Klub auch finanziell erfolgreich. Im abgelaufenen Geschäftsjahr machten die Schwaben einen Gewinn von 2,028 Millionen Euro vor Steuern. Seinschs Nachfolge übernimmt der bisherige Stellvertreter Klaus Hofmann. "Ich bin traurig", erklärte dieser zu Beginn seiner Rede und würdigte seinen Vorgänger in den höchsten Tönen: "Wir können alle von Walther Seinsch lernen. Er wird immer mein größter Held bleiben." Auch Geschäftsführer Peter Bircks wurde emotional. "Walther, Du wirst immer mein Freund und ein Freund des FCA bleiben", erklärte er und erinnerte schmunzelnd an das erste Zweitliga-Auswärtsspiel, "das mir in Erinnerung bleiben wird". Basketball, NBA: Nach dem erneuten Last-Second-Treffer von Monta Ellis hielt es auch Dirk Nowitzki nicht mehr auf seinem Stuhl. Im dunkelgrauen Anzug stürmte Nowitzki auf das Parkett, um mit seinen Teamkollegen den vierten Auswärtssieg in Serie und Matchwinner Ellis zu feiern. Wie schon einen Tag zuvor beim Erfolg in Chicago nach doppelter Verlängerung übernahm Ellis im entscheidenden Moment Verantwortung und sorgte mit einem eigentlich Nowitzki typischen Wurf im Rückwärtsfallen für das 107:105 bei den Milwaukee Bucks. "Ich denke, er wird schon seine gesamte Karriere über unterschätzt. Er ist ein Crunch-Time-Spieler, er will in den entscheidenden Momenten den Ball haben", lobte Nowitzki den 29 Jahre alten Shooting Guard, der 2013 von den Bucks zu den Mavs gewechselt war und nun an alter Wirkungsstätte mit 23 Punkten bester Dallas-Werfer war. Nowitzki selbst bekam am Mittwoch (Ortszeit) eine erneute Auszeit, nachdem er im Anschluss an das kräftezehrende Duell bei den Bulls am Tag zuvor über Rückenprobleme geklagt hatte. Mit Blick auf die nächste Partie gegen die Phoenix Suns am Freitag gab der Würzburger aber Entwarnung. "Uns stehen in der kommenden Woche ein paar schwere Spiele bevor, von daher war es einfach vernünftig zu sagen, dass ich heute aussetze", sagte Nowitzki. Wenn es ein Playoff-Spiel gewesen wäre, hätte er gespielt, meinte der Würzburger. "Ich mag es nicht, Spiele zu verpassen. Ich will nie aussetzen. Aber du musst vernünftig sein." In Chicago hatte Nowitzki 42 Minuten auf dem Parkett gestanden, zuvor hatte er bereits die Partie in Philadelphia ausgelassen. "Ich habe nun bereits einige Kilometer in meinen Beinen, und ich hoffe, dass wir mit dem Team in dieser Saison lange dabei sind", begründete der Kapitän seine erneute Pause. Ohne Nowitzki überzeugte neben Ellis vor allem Tyson Chandler. Der Center kam auf 18 Zähler und 20 Rebounds. Weiter in Topform befindet sich auch Dennis Schröder. Der ehemalige Braunschweiger gewann mit den Atlanta Hawks bei den Miami Heat mit 112:102 und verbesserte mit 16 Punkten seine bisherige Bestleistung um einen Zähler. Einen Tag zuvor hatte der Point Guard 15 Zähler beim Sieg gegen die Boston Celtics erzielt. Wie schon gegen Boston stand Schröder auch in Miami in der entscheidenden Phase des Spiels auf dem Parkett. Dieses Mal vertraute Coach Mike Budenholzer im Schlussviertel sowohl seinem Stamm-Aufbauspieler Jeff Teague als auch Schröder. "Jeff und Dennis waren zusammen in der Lage, uns in der Offensive viel zu geben", lobte Budenholzer das Duo. Für die große Überraschung des Tages sorgten die Philadelphia 76ers. Sie gewannen bei den Minnesota Timberwolves mit 85:77 und sicherten sich ihren ersten Saisonsieg nach zuvor 17 Niederlagen. Bei einer neuerlichen Pleite hätten die 76er den Negativ-Startrekord der New Jersey Nets aus der Saison 2009/2010 eingestellt. Basketball, FC Bayern München: Der deutsche Basketballmeister Bayern München hat seine letzte Chance auf die Zwischenrunde der Euroleague verspielt. Das Team von Trainer Svetislav Pesic unterlag bei Armani Mailand 81:83 (38:37) und muss sich im kommenden Jahr mit der Runde der letzten 32 im zweitklassigen Eurocup zufrieden geben. In Mailand kassierten die Bayern, bei denen Nationalspieler Heiko Schaffartzik mit 15 Punkten bester Werfer war, bereits die siebte Niederlage im achten Spiel. Bei ihrem Euroleague-Debüt im vergangenen Jahr hatten die Münchner die Top-16-Runde erreicht. "Jetzt sind wir leider aus der Euroleague ausgeschieden, das ist sehr enttäuschend. Vor allem, weil wir das Gefühl haben, dass Mailand das Spiel nicht gewonnen hat, sondern wir es selbst aus der Hand gegeben haben. Das macht diese Niederlage und unser Ausscheiden noch bitterer", sagte Aufbauspieler Schaffartzik. Pesic meinte: "Meine Jungs haben heute mit zusätzlichem Einsatz gespielt und großen Charakter gezeigt. In dieser vollen Halle haben wir das Spiel kontrolliert und unsere Chance gehabt." Die Gäste aus München kämpften verbissen und lagen kurz vor Schluss sogar in Führung. Top-Scorer Daniel Hackett (25 Punkte) traf allerdings zwei Sekunden vor der Schlusssirene für Mailand, auf der Gegenseite vergab Zugang Bo McCalebb die Chance zum Sieg. Zum Abschluss der Gruppenphase spielt der Tabellenzweite der Bundesliga gegen Turow Zgorzelec (11. Dezember) und bei Fenerbahce Istanbul (19. Dezember).
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Jahre vor den Attentaten von Paris trafen sich Amédy Coulibaly und Chérif Kouachi im Knast von Fleury-Mérogis. Er ist das größte Gefängnis Europas. Die Hoffnung, dass Häftlinge als bessere Menschen wieder rauskommen, ist gering. Ein Besuch.
Das Gefängnis von Fleury-Mérogis ist die größte Haftanstalt Europas. Für 2800 Häftlinge gebaut sitzen oft 4000 Männer ein. Für die Gefangenen muslimischen Glaubens gibt es genau einen Seelsorger ihrer Religion. So geht es schon mal los an dem Ort, wo die Attentäter von Paris sich kennenlernten. Aus der Luft betrachtet wirkt der Bau wie ein kantiges Herz. Wer davor steht, sieht nur hunderte Meter Waschbeton und einen Wachturm mit burgartigen Zinnen. In Fleury-Mérogis trafen sich 2005 Chérif Kouachi und Amédy Coulibaly. Und dort trafen sie auf den Mann, der ihnen an Terrorerfahrung weit voraus war und der ihr Mentor werden sollte: Djemal Beghal. Der Geheimdienst hält ihn für eine wichtigen Al-Qaida-Verbindungsmann mit der Aufgabe, neue Mitglieder anzuwerben. Auch im Knast. Die Inhaftierten drehen im Knast heimlich ein Video Kouachi verlässt schon 2006 das Gefängnis wieder, Coulibaly bleibt. 2008 schmuggelt er gemeinsam mit vier anderen Männern Kameras in die Haftanstalt. Zweieinhalb Stunden heimlich gedrehtes Filmmaterial geben die Inhaftierten an die Zeitung Le Monde. Die Amateurfilmer wollen zeigen, "dass es wirklich Scheiße ist da drin und das man dort verrückt wird". Die Gefängnisverwaltung zeige immer nur " schöne" Bilder. Das Leben der Attentäter von Paris Die drei Attentäter von Paris und ihre mutmaßliche Komplizin haben durch ihre Taten Frankreich und die Welt erschüttert. Ein Rechercheteam der SZ hat die Lebenswege von Chérif und Saïd Kouachi, von Amédy Coulibaly und Hayat Boumeddiene akribisch nachgezeichnet, ist an die Orte ihrer Kindheit gereist, hat die Stationen besucht, an denen die Radikalisierung begann. Sie haben eine Geschichte zusammengetragen über charmante Jungs, begeisterte Fußballer, über große Liebe und über das Ende aller Träume. Lesen Sie die Reportage in der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung und in der digitalen Ausgabe für Tablet, Smartphone und Windows 8. Das Video wird im Dezember 2008 das erste Mal auf der Internetseite von Le Monde gezeigt. Es zeigt zugemüllte Außenanlagen, in denen ein schlaffer Fußball neben einer alten Packung Kekse verrottet. Es zeigt Waschräume, deren Wände vor lauter Schimmel grün sind. Im Innenhof des Gefängnisses stehen die Häftlinge in kleinen Grüppchen zusammen. Kapuzenpulli, graue Jogginghosen. Einer trägt eine weiße Adidas-Ballonseidehose mit schwarzen Streifen. Kochen ist im Gefängnis verboten. In einer Szene stellt ein Mann vier Cola-Dosen zusammen und macht darunter in seiner Zelle ein kleines Feuer. Auf die Cola-Dosen legt er eine Pfanne. "Das ist hier alles hausgemacht. Das wird gut." Im Hintergrund gibt Hip Hop den Rhythmus zum Umrühren vor. Medien und Politik diskutierten über die Zustände Coulibaly ist in dem Video nicht zu erkennen, Le Monde hat die Aufnahmen damals anonymisiert. Doch Coulibaly gehört zu den Männern, die filmten. Das Video machte das Gefängnis von Fleury-Mérogis schon damals berühmt. Medien und Politik diskutierten über die überfüllten Zellen, über den schlechten Zustand des Gebäudes. Im Januar 2015 ist das Gefängnis erneut in der Diskussion: als der Ort, an dem die Terroranschläge von Paris ihren Anfang nahmen. Ein Besuch. Marie kennt Amédy Coulibaly nicht. Aber die Frau, die ihren vollen Namen nicht nennen will, sieht sein Gesicht seit ein paar Tagen jeden Abend, bevor sie einschläft. "Ich drehe den Kopf auf dem Kissen, und dann sehe ich ihn" - Marie rührt ein wenig in dem kleinen Kaffeeplastikbecher. 50 Cent kostet der hier in dem Glaspavillon, in dem Freunde und Angehörige der Inhaftierten von "Maison d'arrêt de Fleury-Mérogis" warten. Draußen ist Nieselregen, drinnen stehen sie dicht gedrängt. 35 Frauen, vier Männer, drei Säuglinge, die in Plastiktrageschalen mitgeschleppt werden, zwei Kleinkinder. Sie warten auf die Besucherstunde im Gefängnis. Die Angehörigen der Inhaftierten haben Angst Der Neffe von Marie ist seit Ende November hier. 23 ist er, so alt wie Kouachi damals . "Ein Freund von ihm hatte Drogen im Auto, mein Neffe saß nur auf dem Beifahrersitz. Er hat trotzdem vier Monate gekriegt", sagt Marie. Seit Coulibaly und Chérif und Saïd Kouachi vergangene Woche 17 Menschen umgebracht haben, hat Marie Angst. Angst davor, wen ihr Neffe im Gefängnis alles kennenlernen könnte. Denn Fleury-Mérogis ist genau der Ort, an dem Chérif Kouachi und Amédy Coulibaly einander mutmaßlich das erste Mal begegneten. Und an dem sie Djamel Beghal kennenlernten, der Mann, der seit 2001 eine Gruppe von Islamisten im Gefängnis aufbaute. Drei Mal die Woche kommt Marie aus Saint Denis nach Fleury-Mérogis. Beide Orte gehören zum Pariser Banlieu. Es dauert drei Stunden, bis man mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Saint Denis nach Fleury gereist ist. Marie fährt trotzdem hin. Heute hat sie eine große Tüte mit Jogginghose und Daunenjacke dabei. "Mein Neffe macht im Gefängnis viel Sport und geht im Hof spazieren". Aber wichtiger als die Daunenjacke sind die Gespräche. Am wichtigsten sei doch, sagt Marie, dass man miteinander rede. Und wenn sie an Coulibaly denkt, dann ist das ihre wichtigste Frage: Wer hat eigentlich mit dem geredet? "Die Brüder Kouachi waren Waisen, das ist eine ganz andere Geschichte. Aber Coulibaly, der hatte doch Familie. Der hatte einen Job. Konnte da niemand Kontakt mit ihm aufnehmen, bevor er durchgedreht ist?" "Natürlich können die alle bei mir beten" Marie war 13 Jahre alt, als sie mit ihrer Familie von Togo nach Frankreich gezogen ist. Heute ist sie 60 und Beamtin im Ruhestand. Dass Menschen einander wegen ihrer Religion verachten, das habe sie erst in Frankreich kennengelernt, sagt Marie. Ihre drei Kinder sind in Paris aufgewachsen. Sie ist Katholikin, die Freunde ihrer Kinder sind meist Muslime. "Natürlich können die alle bei mir beten. Wenn einer dafür seine Ruhe braucht, schicke ich den einfach ins Nebenzimmer." Es spräche doch nichts dagegen, dass Christen und Muslime sich gut verstehen sagt Marie: "Ich frage mich seit Tagen, wie jemand wie Coulibaly so verbittert werden konnte." Die Probleme in Saint Denis sind ähnlich wie die in Grigny, wo Coulibaly aufwuchs und wo Marie nun ihren Neffen im Gefängnis besucht. Es gibt an diesen Orten wenig Grund zu hoffen, dass die Tage sich einmal ändern könnten. Dass das Geld auf dem Konto mehr werden könnte. Dass die eigene Wohnung mal im Zentrum und nicht in Kilometern entfernten Trabantenstädten liegen könnte. Dennoch, sagt Marie, könne es einem doch gut gehen. Ihr Neffe ist eigentlich Student. Seine vier Monate im Gefängnis unterbrechen sein BWL-Studium. "Er selber ist ein guter Mensch, ich bin mir nur nicht so sicher, wie klug er seine Freunde aussucht." Marie wartet mehr als 40 Minuten Maries kleiner Kaffeebecher ist längst leer. Sie stellt ihn auf den Boden, dann schaut sie auf die Uhr. "Schon zehn Minuten zu spät." Sie macht sich jedes Mal Sorgen, dass etwas Schlimmes passiert ist, wenn sie nicht rechtzeitig für das halbstündige Gespräch mit ihrem Neffen ins Gefängnis gelassen wird. 40 Minuten wartet sie jetzt schon. Neben Marie steht eine Frau mit roten Haaren, schwarzen Riemchensandalen, weißem Mantel und genug Falten im Gesicht, um 50 Jahre als zu sein. Sie hat gehört, dass Marie von Coulibaly spricht. "Glaubt ihr, das ist jetzt ein neues Hobby, dieser Terror?", fragt sie. Sie habe ja schon 2000 gedacht, dass die Welt unterginge. Und jetzt das. "Aber vielleicht kommt ja auch noch ein großer Krieg, an dem wir alle sterben." Sie wackelt ein wenig auf ihren hohen Absätzen und lacht umso lauter, als sie es bemerkt. Dann öffnet sich endlich die Tür zum Besuchertrakt und ein Wachmann in schusssicherer Weste winkt Marie und die anderen zu den Schließfächern, in denen sie ihre Taschen und Mäntel verstauen. "Noch vier Wochen", sagt Marie zum Abschied. Dann ist ihr Neffe wieder bei ihr. Sie hofft, dass er derselbe sein wird wie vor dem Gefängnis.
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Seitdem Martin Schulz als Kanzlerkandidat feststeht, sind rund 10 000 Menschen der SPD beigetreten. Fünf Neue erzählen, warum.
In den fünf Wochen seit der Nominierung von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten hat die SPD nach eigenen Angaben über 10 000 neue Mitglieder registriert. Die Sozialdemokraten erleben einen Höhenflug, nicht nur in den Umfragen. Der sogenannte Schulz-Effekt bestätigt sich. Hier erzählen fünf Neu-Mitglieder, warum sie gerade jetzt der Partei beigetreten sind. Lena Schaffhauser, 21, Kellnerin aus Baden-Württemberg, Ortsverein Efringen-Kirchen (36 Mitglieder, davon zwei neue seit der Schulz-Nominierung am 24. Januar) Ich lebe in einer 8000-Seelen-Gemeinde, man kennt sich, man sieht sich. Schaue ich genau hin, erkenne ich Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben und jetzt im Park Flaschen sammeln. Neulich hat mir ein Fernkraftfahrer erzählt, was er verdient. 100 Euro mehr als das Existenzminimum - und das bei Arbeit in Vollzeit. Das demütigt doch. In solchen Momenten denke ich: Politik betrifft mich, sie ist greifbar. Detailansicht öffnen Lena Schaffhauser sieht im Alltag viele Menschen, denen es schlecht geht. (Foto: Lena Schaffhauser) Ich will in einer Gesellschaft leben, in der sich die Menschen umeinander kümmern und freundlich zueinander sind - an der Supermarktkasse, in der Nachbarschaft, im Bus-Wartehäuschen. Das klingt vielleicht etwas romantisch, aber genau solch ein poetischer Ruck müsste durch die Gesellschaft gehen. Dann wäre sie gerechter. Mein Vater ist Getränkehändler, meine Mutter arbeitet in einer Mediathek. Sie sind einfache, aufrichtige Menschen. Mit den Werten der SPD identifiziere ich mich schon lange, aber jetzt, mit Martin Schulz, hat die Partei endlich auch ein glaubwürdiges Zugpferd. Ich fand ihn schon super, als er einen griechischen Abgeordneten wegen rassistischer Äußerungen aus dem Plenum des Europaparlaments geworfen hat. Merkel mit ihrer Raute macht mich müde. Schulz ist ein Macher, der Tacheles redet. Er ist zwar kein Sunnyboy wie Trudeau in Kanada oder Macron in Frankreich, aber in puncto Charisma steht er ihnen in nichts nach. Er strahlt etwas Warmherziges, Onkelhaftes aus. Müsste ich ihm einen Tipp für den Wahlkampf geben, wäre das der: Bitte nichts am Bart oder der Brille verändern, so wie du jetzt bist, bist du mir sympathisch. Gerhard Schulz, 77, Rentner aus Bayern, SPD-Ortsverein Kolbermoor (80 Mitglieder, davon vier neue seit der Schulz-Nominierung) Ich weiß schon, viele Schulz-Anhänger sind noch ziemlich jung, um die 30. Aber auch unter uns Älteren gibt es die, die brennen. Ich freue mich auf den Wahlkampf, aufs Plakate kleben, mich an den Infostand stellen, mit den Jungen diskutieren - ich will helfen, wo ich kann. Ich fühle mich topfit für die Demokratie. Detailansicht öffnen Gerhard Schulz hat zehn Minuten nach der Antrittsrede des neuen SPD-Kanzlerkandidaten einen Mitgliedsantrag gestellt. (Foto: privat) Mein Leben lang habe ich Lehrer in den Fächern Geschichte und politische Bildung ausgebildet, aber nie war ich in einer Partei, die SPD hab ich nicht ein einziges Mal gewählt. Hier in Bayern kann man die Sozialdemokraten nicht ganz ernst nehmen, zu viele Leichtgewichte. Aber dann kam Schulz. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass ich ihn für das Beste halte, was der SPD seit Willy Brandt passiert ist. Zehn Minuten nach seiner Antrittsrede habe ich den Aufnahmeantrag gestellt. Mich hat einfach alles beeindruckt. Seine Ausstrahlung und alles, was er gesagt hat. Das ist SPD pur. Schulz begreift, dass sich die Würde des Menschen an der sozialen Frage entscheidet. Er hat nicht nur Erfahrung, er hat auch Herz. Im Wahlkampf sollte Schulz viel in den neuen Bundesländern unterwegs sein. Gerade um die Menschen dort muss er kämpfen. Um diejenigen, denen der Westen seit Jahren sagt: Ihr seid zu blöd, zu banal, zu unkultiviert. Deshalb ist die AfD dort so stark. Wenn es einem gelingt, diese Menschen wieder für die SPD zu begeistern, dann ihm. Daniel Wiedensohler, 15, Schüler aus Sachsen, SPD-Ortsverein Brandis-Borsdorf-Naunhof (35 Mitglieder, davon zwei neue seit dem 24. Januar) Letzten Sonntag habe ich Martin Schulz live gesehen, bei einer Wahlkampfveranstaltung. Ich dachte nur: Wow. Wie er da so auf der Bühne stand und die Leute mitgerissen hat, das hat mich überzeugt. Ich finde, jetzt ist die Zeit gekommen, mitzuhelfen; es herrscht zu viel Hass und Vorurteil. Wir brauchen mehr Respekt. Detailansicht öffnen Daniel Wiedensohler sah Schulz bei einer Wahlkampfveranstaltung und war gleich beeindruckt. (Foto: privat) Das erste Juso-Treffen war toll, ich war der Jüngste und trotzdem wurde ich gefragt. Ich glaube, mit vereinter Kraft können wir die Menschen davon überzeugen, dass es die SPD es mit der sozialen Gerechtigkeit ernst meint. Wir sind hochmotiviert, die Stimmung ist super. Schulz ist ja auch nicht mehr der Jüngste, er kann Unterstützer wie mich gebrauchen. Ich bin nicht auf den Kopf gefallen, in meiner Familie gibt es einen starken Zusammenhalt, und den sollte es auch wieder in der ganzen Gesellschaft geben. Dafür will ich micht einsetzen, nach der Schule und am Wochenende. Ich hoffe, den ein oder anderen meiner Klassenkameraden anstiften zu können, auch in der Politik mitzumachen. Es gibt einfach so viel in unserer Gesellschaft zu verbessern. Ich glaube, zu viele Menschen haben Angst vor dem Fremden, statt neugierieg darauf zu sein und es kennenzulernen. Wir sind alle Menschen. Wo ist da der Unterschied? Ich kann doch niemanden besonders behandeln, nur weil er das Glück hatte, in Deutschland geboren zu sein. Deshalb ist Schulz auch so wichtig. Er nimmt die Sorgen und Ängste der Menschen ernst und holt sie runter von der Couch. Martina Güth, 52, Mediengestalterin aus Rheinland-Pfalz, SPD-Ortsverein Montabaur (70 Mitglieder, davon drei neue seit dem 24. Januar) In den letzten Jahren habe ich immer die Linken gewählt. Nicht weil mich ihre Inhalte überzeugen, sondern weil sie unbequem sind, der Stachel im Fleisch des Establishments. Jahrzehntelang hab ich mich nach jemandem in der SPD gesehnt, der eine linke Politik vertritt. Stattdessen wurde sie zum Anhängsel von Merkels CDU. Und dann kam Martin Schulz. Ein Mensch, der es schafft, geradeheraus zu sprechen. Er gibt einem das Gefühl, dass er mit den Menschen spricht, nicht über sie. Die Politiker sprechen "vom Menschen im Mittelpunkt des Handelns", Schulz nehme ich das ab. Detailansicht öffnen Der Lebensweg von Martin Schulz erinnert Martina Güth an ihren eigenen. (Foto: privat) Und dann ist da noch seine Biografie, die mir imponiert. Diese Brüche im Leben, kein Abitur, der Alkohol. Ich glaube, Menschen, die im Leben nicht nur auf der Überholspur gefahren sind, sondern auch Krisen erlebt haben, verstehen die Schwächen und Sorgen anderer Menschen besser. Sie haben mehr Profil. In Schulz finde ich deswegen auch mich selbst wieder. Ich weiß, wie hart das Leben sein kann. Alleinerziehend, drei Kinder, eines von ihnen leidet am Asperger-Syndrom. Unterhaltszahlungen bekomme ich nicht. Da ist jeder Tag ein Kampf. Ohne das Mitgefühl und die Hilfe von anderen hätte ich es nicht geschafft. Ich treffe viele Menschen, die aus ihrem Hass, ihrer Angst und ihrer Verurteilung des Fremden keinen Hehl machen. Ich will nicht irgendwann von meinen Enkeln gefragt werden: "Und du? Warum hast du nichts gemacht?" Am 29. Januar, nach Schulz' Auftritt bei "Anne Will", bin ich in die SPD eingetreten. Achim Schindler, 48, Arzt aus Nordrhein-Westfalen, SPD-Ortsverein Würselen-Mitte (152 Mitglieder, davon neun neue seit dem 24. Januar) Eines muss man der AfD lassen: In einem Punkt legt sie den Finger in die richtige Wunde. Viele Menschen sind frustriert, weil sie sich von den Politikern nicht mehr gehört und ernst genommen fühlen. Martin Schulz schert aus diesem Bild aus. Er ist von einem anderen Schlag. Er redet nicht um den heißen Brei, er weicht nicht aus, er benennt Fehler der Vergangenheit, er zeigt klare Kante. Wie jüngst mit der Hartz-IV-Reform, als er sagte, sie sei früher richtig gewesen, jetzt aber müsse sie korrigiert werden. Mit dieser Haltung ist er der richtige Frontmann für die SPD. Ob er besser ist als Merkel, weiß ich nicht. Aber es wäre mal etwas anderes, und allein das ist schon gut. Veränderung tut gut. Detailansicht öffnen Für Achim Schindler ist Martin Schulz der Mann, der wieder für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt sorgen könnte. (Foto: Achim Schindler) Nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten wurde mir eine Sache klar: Weiter wie bisher, einfach zuschauen, das geht jetzt nicht mehr. Und die SPD ist die Partei, die der Wurzel allen populistischen, fremdenfeindlichen, marktschreierischen Übels das Richtige entgegensetzt: soziale Gerechtigkeit. Der Neoliberalismus bewirkt im Kern genau das, was Marx prophezeit hat: die Akkumulation von Kapital in den Händen von Wenigen. Das schafft Profit, aber keine Zufriedenheit, kein Glück und auch nicht Zusammenhalt. Das ist nicht meine Utopie einer guten Gesellschaft. Die braucht weniger Marktliberalismus und mehr Humanismus, dringender denn je. Die urdemokratische Idee des echten Diskurses muss wieder lebendig werden. Damit meine ich: Ob wir uns auf dem Stadtmarkt oder einem Internetmarktplatz treffen, ist egal. Aber wir müssen uns wieder zuhören, miteinander reden und den Kompromiss finden wollen. Dafür ist Schulz der richtige Mann.
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Der frühere Profi und Kurzzeit-Nationalspieler Benny Lauth kommentiert heute Fußballspiele. Und ein bisschen fiebert er auch mit Sechzig.
Benjamin Lauth, den gemeinhin alle als Benny kennen, ist im Sinne der Work-Life-Balance, derentwegen man sich im Privatleben mit etwas anderem beschäftigen sollte als im beruflichen Alltag, kein Vorbild. Der frühere Löwen-Stürmer und Kurz-Nationalspieler ist auch eineinhalb Jahre nach dem Ende seiner aktiven Karriere im wahrsten Sinne des Wortes am Ball geblieben. "Ich bin immer schon interessiert gewesen, am deutschen Fußball sowieso, aber auch international", sagt er. Seit einem knappen Jahr arbeitet Lauth als Experte und Co-Kommentator beim neuen Internet-Sport-Streamer DAZN, der sich gerade um die Übertragungsrechte für die Champions League von 2018 an bewirbt und bereits die großen europäischen Ligen aus England, Spanien, Italien und Frankreich live berichtet. Bevorzugtes Einsatzgebiet sind die englische Premier League und die spanische Primera Division, auch WM-Qualifikationsspiele begleitet er regelmäßig. Bei der ungarischen Auswahl kennt sich der 35-Jährige besonders gut aus, dort setzte er in der Saison 2014/15 den Schlusspunkt unter seine Karriere - als Pokal- und Ligapokalsieger mit dem Traditionsverein Ferencváros Budapest. Er mag die Erinnerung nicht missen, die Europa-League-Qualifikation, in der man knapp am FC Rijeka scheiterte, die Zusammenarbeit mit Trainer Thomas Doll, der ihn zuvor schon beim Hamburger SV gefördert hatte. Die positiven Erinnerungen überwiegen, auch wenn der Meistertitel verpasst und sein Engagement ein Jahr vor Vertragsende beendet wurde, weil der ungarische Verband die Ausländerregelung strenger fasste. "Sensationell waren die Fans, der Verein hat einen unglaublich treuen Anhang", sagt der ehemalige Profi. Am Ende des Jahres hatte er 31 Pflichtspiele für Budapest bestritten, dabei 16 Tore erzielt. "Die Familie konnte mit dem Direktzug zu Besuch kommen, das war alles nicht so schlimm", erinnert sich Lauth an diese Zeit des Pendelns nach Ungarn. Es hätte auch anders kommen können, denn 2014 hatte ihn neben Budapest auch Australiens Meisters Brisbane Roar gelockt. Die schickten Thomas Broich vor, der unter anderem bei der SpVgg Unterhaching gespielt hatte und in Australien zum "Spieler des Jahrzehnts gewählt wurde. "Thomas hat mir viele tolle Dinge erzählt, aber nach Australien fliegt man halt nicht einfach mal so." Benny Lauth, geboren in Hausham, aufgewachsen in Fischbachau, ist immer bodenständig geblieben - und angenehm zurückhaltend. Er brachte es auf 188 Zweitliga- und 140 Bundesligapartien sowie fünf Länderspiele, in denen er unter anderem auf Größen wie Gianluigi Buffon und Francesco Totti oder auf Rául und Xavi traf. Womöglich wäre mehr drin gewesen, darüber spricht er ungern, es ist sein kleines persönliches Trauma: "Ich habe immer sehr hohe Erwartungen geweckt, dabei finde ich, dass man das, was ich erreicht habe, erst einmal hinkriegen muss." Jeder kleine Junge, der im Verein spielt, wünsche sich doch, irgendwann Bundesliga und Nationalmannschaft zu spielen - "und genau das habe ich geschafft, so verkehrt kann es nicht gewesen sein". Dann merkt er aber an: "Dass ich mehr Zweitliga- als Erstligaspiele gemacht habe, das habe ich mir anders vorgestellt." Was natürlich auch an seiner besonderen Beziehung zum TSV 1860 München lag, zu dem er als Elfjähriger fand und gleich nach dem Abitur in die zweite Mannschaft kam. Insgesamt 18 Jahre verbrachte Lauth bei den Löwen, natürlich beobachtet er die aktuelle Situation emotional: "Ich habe jedes Jahr Hoffnung, dass es besser wird, aber plötzlich sind wir dann doch wieder mittendrin im Abstiegskampf." Das Wörtchen "wir" ist ihm rausgerutscht, eigentlich versucht er trotz aller Verbundenheit, Abstand zu wahren. "Das gehört dazu, wenn man nicht mehr für einen Verein spielt. Ich rumpel auch nicht mehr zu jedem Heimspiel." Das könnte sich aber ändern, er kann sich gut vorstellen, irgendwann in offizieller Funktion an die Grünwalder Straße zurückzukehren: "Wenn ich dem Verein helfen kann, tue ich das gerne." Die Voraussetzungen hat er schon während seiner Zeit in Budapest geschaffen, als er ein Fernstudium in Sportmanagement abschloss. Lauth besitzt die Uefa-Youth-Trainerlizenz, den A-Schein. Und trainiert die F-Jugend des TSV Grünwald, in der sein älterer Sohn spielt. "Ich nehme überall etwas mit, um für meine zweite Karriere gut vorbereitet zu sein", sagt Lauth, der sich eher im Managementbereich als auf der Trainerbank sieht. "Das Geschäft ist so brutal geworden, selbst wenn du ein Team zum Aufstieg führst, kann es sein, dass sie dich nach ein paar Wochen in der neuen Liga feuern." Bei Sechzig sieht er trotz der prekären Lage gute Ansätze. Er schätzt Trainer Vítor Pereira, auch die Vereinsführung wähnt er auf einem guten Weg, schließlich habe man mit vernünftigen Transfers wie Aigner oder Ba, sowie der Verpflichtung des neuen Geschäftsführers Ian Ayre vom FC Liverpool, viel auf den Weg gebracht: "Es reicht nicht, die Mannschaft auf Biegen und Brechen in die erste Liga zu bringen. Man muss auch erstligareife Bedingungen schaffen, etwa was das Trainingsgelände angeht." Als Profi war Lauth zweimal bei Sechzig unter Vertrag, zunächst von 2002 bis 2004, als er in der Bundesliga in 61 Spielen 22 Mal traf und vor einer Teilnahme an der Europameisterschaft 2004 stand. Doch er brach sich im Saisonendspurt den Fuß und musste tatenlos zusehen, wie zunächst die Löwen abstiegen und schließlich Schweinsteiger und Podolski, neben denen er nicht wenigen als Hoffnungsträger des deutschen Fußballs galt, zur großen Karriere ansetzten. Ohne ihn. Schon damals geriet der TSV 1860 finanziell ins Schlingern, der talentierte Mittelstürmer wurde an den Hamburger SV verkauft - mehr oder weniger ohne gefragt zu werden. Wegen Verletzungen spielte Lauth im Norden erst eine durchwachsene Saison, der er eine richtig gute mit Platz vier und der Qualifikation für die Champions League folgen ließ. Danach lief es wieder schlecht, richtig schlecht: Zum Jahreswechsel 2006/07 war der HSV Letzter, Lauth spielte unter Trainer Doll, mit dem er später in Ungarn wieder zusammenarbeiten sollte, kaum mehr eine Rolle - und wechselte zum VfB Stuttgart. "Die richtige Entscheidung", sagt Benny Lauth im Rückblick. Immerhin gewannen die Schwaben in jener Saison unter der Leitung von Trainer Armin Veh die Meisterschaft - und dieser Titel steht damit auch in Lauths sportlicher Biografie, er trug elf Einsätze und ein Tor bei. Vom damaligen Coach Veh war er vor allem wegen seiner gnadenlosen Ehrlichkeit beeindruckt: "Wenn er im Trainingslager in Südeuropa mit den Platzbedingungen nicht zufrieden war, hat er dem Leiter der Anlage Bescheid gegeben: ,Entweder ihr richtet den Platz her oder wir fahren wieder heim'", erzählt Lauth. Schließlich spielte er noch eine Saison bei Hannover 96, "die einzige Station, wo es sportlich nicht so gepasst hat", erinnert er sich, nimmt allerdings seinen damaligen Trainer Dieter Hecking von dieser Kritik aus: "Er ist ein richtig guter Trainer." Lauth ging zurück zu 1860, absolvierte in sechs Jahren seine 188 Zweitligaspiele (63 Tore, 27 Vorlagen) - und wurde dann 2014 für ihn reichlich überraschend vor die Tür gesetzt. "Wenn man sportlich andere Wege gehen will, mag das in Ordnung sein. Aber wie man es verpackt, ist eine Frage des Charakters", sagt der 35-Jährige heute. Er wurde eines Montags ins Büro der Verantwortlichen gerufen, dort teilte man ihm mit, dass der Vertrag nicht verlängert wird - das war's. "Die Leute von damals sind alle nicht mehr da", sagt Lauth. Weswegen er auch kein grundsätzliches Problem mit dem Verein hat. Dass er nach dem Ungarn-Abenteuer seine Karriere beendete, passt zu seiner Lebensplanung. Nichts soll erzwungen werden, er blickt gelassen in die Zukunft. Und einmal pro Woche schnürt er auch noch die Fußballschuhe, er spielt regelmäßig mit einer Gruppe ehemaliger Profis, die sich in München angesiedelt haben - wie Miroslav Klose oder Torben Hoffmann. "Mein Terminkalender für die Woche ist voll", sagt Lauth. "Aber Stress ist etwas anderes."
https://www.sueddeutsche.de/reise/parkgebuehren-fuer-schiffe-es-wird-eng-am-kai-1.3390330
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Immer mehr Schiffe steuern die gleichen Häfen an. Die Reedereien müssen reservieren - möglichst schon auf Jahre voraus.
Der Kreuzfahrtmarkt boomt - auch hierzulande: Laut Porgnose des Weltverbands der Kreuzfahrtindustrie CLIA rückt 2017 die Zahl von zwei Millionen Buchungen allein aus dem deutschen Markt in greifbare Nähe. Immer mehr Schiffe, immer mehr Angebote und immer mehr Ziele: Die Reedereien stehen dabei vor dem Problem, dass die Fahrtgebiete durch politische Veränderungen kleiner und die Häfen nicht größer werden. In den Häfen werden die Liegeplätze knapp. Etwa 550 Anläufe von Kreuzfahrtschiffen drängen sich von April bis September in den deutschen Häfen. Der Kieler Hafen ist erfolgsverwöhnt. 2007 riss Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt beim Kreuzfahrtgeschäft erstmals die Marke von 100 Anläufen von Traumschiffen - lange vor Hamburg. Doch in diesem Jahr sieht es anders aus. Nach Anläufen gerechnet, droht dem Kieler Hafen ein Rückgang von 147 auf 135 Schiffsbesuche. Kiels Hafenchef Dirk Claus ist dennoch gut gelaunt. Das liegt an drei Buchstaben, die für das Ergebnis wichtig sind. "Wir stellen unsere Rechnungen nach der BRZ der Schiffe. Und da sieht es für 2017 in Kiel sehr gut aus", sagt Claus. BRZ ist die Bruttoraumzahl, eine Kennzahl der Raumvermessung der Schiffe. Bis 1982 vergleichbar mit der alten Bruttoregistertonne. Diese Vermessungen sind die Grundlage für die Berechnung der Liegekosten: Weltweit berechnen fast alle Häfen und künstliche Kanäle die Abgaben der Schiffe nach dem Raumgehalt. Und die Zahl der BRZ hat sich in der Hafenstatistik in Kiel innerhalb weniger Jahre von vier Millionen BRZ auf fast 9,3 Millionen BRZ mehr als verdoppelt, während die Zahl der Schiffsanläufe seit 2012 nahezu konstant zwischen 120 und 140 pendelt. Für die Reedereien sind die Kosten für den Liegeplatz einer der Eckpfeiler in der Kalkulation bei den Hafenanläufen. Für ein durchschnittliches Schiff mit 2000 Betten liegen die Anlaufkosten fast immer im fünfstelligen Bereich. Weltweit zu den teuersten Häfen gehören St. Petersburg, Sydney oder die großen Metropolen der USA. In diesen Häfen fallen je nach Schiffsgröße pro Anlauf und Dauer bis zu 100 000 Euro Gebühren und Kosten an. Zum Vergleich: In dieser Preisklasse liegen auch die Kosten für die Passage des Panamakanals. Aber auch exotische Ziele wie Havanna, Mumbai oder Ushuaia zählen zu den hochpreisigen Häfen für Kreuzfahrtschiffe. Neben den reinen Liegeplatzgebühren addieren sich andere Gebühren und Dienstleistungen für einen Anlauf zu einer Gesamtkalkulation. Lotsen, Schlepper und die Agentur, die für die Reederei die Formalitäten vor dem Anlauf klärt und auch Teile der Abfertigung übernimmt, werden zusammengerechnet. Bei der Nutzung von Terminals mit Abfertigungshallen kommen zusätzliche Mieten für Nutzung und Sicherheitstechnik hinzu. Besonders teuer wird es beim Reisewechsel. Das Check-in der Passagiere und auch der Umschlag der Koffer sowie die Überprüfung der einzelnen Gepäckstücke schlagen hier zu Buche. Die Übersicht der Kosten ist meist geheime Verhandlungssache. In vielen Häfen werden Rabatte ausgehandelt oder auch Pauschalpreise gemacht, die vom Verhandlungsgeschick der jeweiligen Reederei abhängen. In Deutschland sind die großen Häfen meist im Besitz der Städte. Durch die öffentliche Beteiligung müssen auch die Gebührensatzungen transparent sein. Gebühren und Preistabellen sind im Netz einsehbar. Unterschiedlich sind nur die Abrechnungsmodalitäten. Mal wird von Anlauf zu Anlauf abgerechnet, mal aufs Jahr bezogen. Und es gibt auch dort ein Rabattsystem. So wird beim Seehafen Kiel das Hafengeld nicht pro Anlauf berechnet, sondern pro Reederei für das gesamte Jahr. Dabei addiert der Seehafen Kiel die Zahl der Anläufe und der Schiffsgrößen pro Reederei. Hafengeld, Kaigeld und Terminalnutzung sind jeweils getrennt aufgeschlüsselt. MSC Cruises schickt 2017 mit der MSC Fantasia ihr bislang größtes Schiff nach Kiel. Die 20 Anläufe des 137 936 BRZ großen Schiffes ergeben am Ende der Saison eine Summe von 2,75 Millionen BRZ. Damit liegt MSC in der Gebührentabelle in Kiel im Bereich zwei bis 3,5 Millionen BRZ und muss so 15 Cent pro Bruttoraumzahl an den Seehafen zahlen. Das sind 413 000 Euro Hafengeld für das Jahr 2017 und 20 690 Euro pro Anlauf in Kiel. Hinzu kommt das Kaigeld, das für die Abfertigung der Passagiere entrichtet werden muss. In Kiel schwankt das von der Reederei zu entrichtende Kaigeld je nach Passagierzahl zwischen 50 Cent und 2,55 Euro pro Passagier. Auch hier summiert der Seehafen Kiel die Zahl der Passagiere aufs ganze Jahr pro Reederei. Bei der MSC Fantasia beträgt die Passagierzahl bei Belegung der Unterbetten (100 Prozent) 3274 Passagiere. Bei 20 Anläufen kommen dann 65 480 Reisende nach Kiel. Damit landet MSC in der Gebührenliste beim Kaigeld in der Kategorie 3 (50 000 bis 100 000 Passagiere) und muss 1,50 Euro pro Passagier entrichten. Macht für die ganze Saison 98 220 Euro. Bei voller Auslastung käme die MSC Fantasia auf über 80 000 Urlauber - bliebe aber in der Kategorie 3 und müsste 120 000 Euro Kaigeld zahlen. Erst mit dem Einsatz der MSC Meraviglia ab Kiel könnte MSC über die Marke von 100 000 Passagieren springen und würde pro Fahrgast nur noch einen Euro zahlen. Dann wäre der Einsatz des größeren Schiffes für die Reederei sogar günstiger. "Wer häufig kommt und viele Passagiere bringt, der wird bei den Gebühren belohnt", sagt Ulf Jahnke vom Seehafen Kiel. Mit Kaigeld und Liegeplatzgebühren nimmt der Seehafen Kiel durch die MSC Fantasia 2017 bis zu 26 650 Euro ein. Die Kosten für Lotsen, Schifffahrtsverwaltung, Schlepper und Agenturen für Anmeldungen, Ausflüge und Gepäckabfertigung kommen da noch oben drauf. In Hamburg ist bei den Liegegebühren ebenfalls die BRZ die Berechnungsgrundlage. Dort wird jedoch jeder Anlauf pauschal mit 0,2325 Cent berechnet. Hier müsste MSC gemäß der Tariftabelle der Hamburg Port Authority für die MSC Fantasia pro Anlauftag demnach 32 883 Euro an Hafengeld zahlen - fast 12 000 Euro mehr als in Kiel. Hinzu kommen dann Terminalgebühren von etwa 4500 Euro. Pro 100 BRZ eines Schiffes werden in Hamburg 3,25 Euro berechnet. Hinzukommt dann noch eine "Terminal Occupancy Fee" pro Passagier von 6,60 Euro. Bei der MSC Fantasia käme bei voller Auslastung allein durch die "Kopfpauschale" noch einmal ein Betrag von 26 400 Euro zusammen. Ergebnis: "Hamburg ist schon deutlich teurer als andere Häfen", heißt es bei der Reederei TUI Cruises, die in Hamburg sitzt, ihre Schiffe in diesem Jahr aber vorwiegend von Kiel und Bremerhaven aus fahren lässt. Hinzu kommt bei Hamburg die mehr als fünfstündige Revierfahrt auf der Elbe in den Hafen und dann wieder fünf Stunden elbabwärts in die Nordsee. Auch hier kommt ein fünfstelliger Betrag an Lotsgeld und Lotsabgabe (für Seezeichen und Infrastruktur) zusammen. Zum Vergleich: In den Ostseehäfen Kiel und Lübeck liegt die Revierfahrt vom Terminal bis auf die See bei weniger als einer Stunde. Dabei ist Hamburg längst nicht mit New York oder St. Petersburg vergleichbar. Die mit Abstand größte Vergleichsmöglichkeit hat die Reederei Hapag-Lloyd Kreuzfahrten. Die Schiffe Europa, Bremen oder Hanseatic steuern Destinationen von Samoa bis Sylt an. "Grundsätzlich sind die Hafengebühren in den großen beliebten Kreuzfahrthäfen wie Hongkong, Sydney, Venedig oder Buenos Aires sehr hoch", sagt Gabi Haupt, Leiterin Produktmanagement der Europa. Die Kosten seien aber nicht das wichtigste Kriterium. Vor allem Sydney steche da hervor, so lässt sich der Hafen mittlerweile von jeder Reederei eine "Headtax", eine Prokopfpauschale zahlen. Und was Reedereien wie Hapag-Lloyd besonders trifft: Bei kleineren Schiffen wird eine erhöhte Headtax für eine Mindestpassagieranzahl von 1200 Passagieren gefordert. "Und zwar für jeden Tag." Eine allgemeingültige Formel für die Berechnung der Liegegebühren gibt es nicht Einen generellen Schlüssel gibt es bei der Zusammensetzung der Kosten nicht, da die Einzelkosten von Hafen zu Hafen nach Gegebenheiten, Leistungsumfang und Anforderungen variieren. So sind bei der Elbeinfahrt in Hamburg mehrere Lotsen notwendig, in Miami aber ist es ein Lotse für wenige Meilen. Bei Hapag-Lloyd gilt: "Wir suchen die Häfen unserer Reiserouten danach aus, unseren Gästen das bestmögliche Kreuzfahrterlebnis zu bieten. Dazu gehört auch, beispielsweise einen Overnight in St. Petersburg oder Sydney einzuplanen, obwohl die Kosten dafür deutlich höher als ein Tagesanlauf sind", sagt Gabi Haupt. Bei Deutschlands ältester Kreuzfahrtreederei ist es bisher noch nicht vorgekommen, dass eine Destination aus Kostengründen nicht angelaufen wurde. Irgendwie wird immer eine Lösung gefunden. Doch rechtzeitige Planung ist wichtig. Da die Nachfrage nach Liegeplätzen steigt, gehen bei Häfen die Reservierungen inzwischen schon bis zu drei Jahren im Voraus ein.
https://www.sueddeutsche.de/politik/weimarer-republik-fraenzchen-und-das-krokodil-1.3964664
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Rüdiger Barth und Hauke Friederichs schildern in einer "dokumentarischen Montage" Adolf Hitlers Machtübernahme - mit Fokus auf Hinterzimmer-Intrigen.
Herrengedeck auf Gut Neudeck: Reichspräsident Paul von Hindenburg (2.v.re.) im Sommer 1932 mit Reichskanzler Franz von Papen (links), Innenminister Wilhelm Freiherr von Gayl (Mitte), dem Chef des Büros des Reichspräsidenten, Otto Meissner (Rückenansicht) und Reichswehrminister Kurt von Schleicher (rechts). Der Titel des Buches heißt "Die Totengräber". Es will erzählen vom "letzten Winter der Weimarer Republik". Auf dem Cover vier Personen, im Zentrum Hitler. Doch wer sind die anderen drei? Wer ein bisschen blättert, findet schnell heraus: es sind Franz von Papen, Joseph Goebbels und Kurt von Schleicher. Die vier haben also der Republik 1932/33 das Grab geschaufelt. Doch wenn der Totengräber kommt, ist der Patient in aller Regel schon gestorben. Besonders in diesem speziellen Fall trifft das ohne Zweifel zu. Wozu also ein weiteres zu den Tausenden schon geschriebenen Büchern über das Ende der Demokratie und den Aufstieg Hitlers in seinem "Dritten Reich"? Weil es anders ist als alle anderen - lautet die Begründung. Weil es lebendig zugehe und mitreißend. Weil es letztlich eine Reportage sei, aus den Hinterzimmern der Macht - und weil es gleichzeitig die Vorlage für ein Drehbuch sein könnte. Goebbels ist prominent vertreten - er war exzessiver Tagebuchschreiber Zwischenfrage: Wo ist eigentlich Paul von Hindenburg abgeblieben? Aufs Cover hat es der greise Reichspräsident jedenfalls nicht geschafft. Nach allem, was man weiß, hatte er damals das letzte Wort. Die Journalisten Rüdiger Barth und Hauke Friederichs kennen sich aus mit Reportagen und mit Geschichte. Friederichs war Redakteur bei PM History und schreibt auch für Geo Epoche; Barth schrieb für den Stern. Aber nun haben sie ein Buch vorgelegt, dessen Stoff sie tatsächlich mit der TV-Serie "House of Cards" vergleichen, das einen (lediglich zweiseitigen) Vorspann als Einleitung hat und ansonsten ganz und gar chronologisch daherkommt: vom 17. November 1932 geht es Tag für Tag bis zum 30. Januar 1933. Das Stilmittel nennen die Autoren "dokumentarische Montage". Und hier beginnt das Problem. Historische Collagen sind "in". Sie verkaufen sich gut, sie lesen sich leicht. Ein paar wenige Beispiele aus jüngerer Zeit: Oliver Hilmes, Berlin 1936. 16 Tage im August (Siedler); Daniel Schönpflug, Kometenjahre. 1918: Die Welt im Aufbruch (Fischer), Éric Vuillard, Die Tagesordnung (Matthes & Seitz) - das in wenigen Szenen die NS-Zeit erklären will; oder auch Volker Weidermann, Träumer - Als die Dichter die Macht übernahmen (KiWi), der gar als "historischer Thriller" über die Jahre 1918/19 verkauft wurde. Allen diesen - viel gelobten - Büchern ist gemeinsam, die längst in den historischen Kontext eingebetteten und analysierten Ereignisse noch mal neu aus der Perspektive von Beteiligten und Beobachtern zu erzählen, stets in schnellem Tempo und ohne Eingriff oder eigene Kommentierung. Authentizität pur sozusagen. Die wissenschaftlichen Standards bleiben dabei aber auf der Strecke. Der Einwand dürfte sein: Wir wollen ja gar kein wissenschaftliches Buch schreiben, sondern eben eine spannende Reportage. Doch Authentizität stellt sich nicht automatisch ein, indem man jede kritische Anmerkung, jede noch so nötige Fußnote und fast jede Angabe über die Herkunft und Seriosität von Quellen einfach weglässt. Joseph Goebbels jedenfalls ist in den "Totengräbern" wohl nicht zuletzt deshalb so prominent vertreten, weil er ein exzessiver Tagebuchschreiber war und seine Ergüsse der Nachwelt erhalten blieben. Ob die Relevanz stets dafürsteht, bleibt spätestens an dem Punkt offen, an dem es um einen dramatischen Klinikaufenthalt von Magda Goebbels geht. Andere hinterließen weniger bis nichts und auch die offiziellen Akten geben nicht über alles Auskunft. Lücken muss man auch benennen. Barth und Friederichs versammeln ein eindrucksvolles Personal: außer den Hauptprotagonisten Hindenburg, den beiden Kanzlern Papen und Schleicher und natürlich Hitler die unvermeidlichen "Strippenzieher" Oskar von Hindenburg (Sohn) und Otto Meissner (Staatssekretär bei Hindenburg); aber dazu auch noch jede Menge Politiker, Diplomaten und vor allem Journalisten. Viele schrieben ihre Erlebnisse spontan in Tagebücher, andere erinnerten sich erst nach dem Krieg - selten wird klar, was aus welchen Aufzeichnungen stammt. Detailansicht öffnen Rüdiger Barth, Hauke Friederichs: Die Totengräber. Der letzte Winter der Weimarer Republik. S. Fischer-Verlag Frankfurt 2018, 418 Seiten. 24 Euro. E-Book: 19,99 Euro. Das Gute daran: Die zahllosen Quellen bieten in der Tat ein breites Panoptikum der damaligen Verhältnisse, vor allem in Berlin. Dabei liegt der Fokus oft (auch das ist der Quellenlage geschuldet) auf Events der High Society: Theaterpremieren, Galadinner, solche Sachen. Über Strukturen, gesellschaftliche Zusammenhänge, die schwere Geburt der Republik aus der Niederlage des Weltkriegs und die Verachtung der Demokratie in weiten Kreisen der Bevölkerung erfährt man dagegen nur punktuell - diese Puzzleteile zu einem Bild zu formen, erfordert Konzentration. Was passiert also in der Reportage? A geht zu B und spricht mit ihm über C. Dann wird C hinterbracht, was A und B diskutiert haben. Darauf spricht C mit B, was man gegen A unternehmen könnte. Und so weiter. Hier, in diesen Details hat das Buch seine größten Stärken: Wie der Wehrminister und spätere Kanzler über Franz von Papen spottet: "Mein Fränzchen, du hast schon wieder einen Schnitzer begangen", wie Schleicher vergeblich versucht, die Gewerkschaften und den linken Flügel der NSDAP für eine "Querfront" zu gewinnen, wie Hitler sich gedemütigt fühlt vom Reichspräsidenten, der ihn am 13. August 1932 bereits in die Regierung holen wollte. Wie Details der ja nicht-öffentlichen Treffen an die Presse durchgestochen werden. Immer wieder geht es um "Rache" und "Verschwörung". Und doch ist es ein bisschen wie im Kasperletheater. Immer tritt jemand auf, ventiliert oder konspiriert und marschiert dann wieder ab. Der gute Polizist, der die Demokratie verteidigen hätte können, der taucht nicht auf. In Weimar setzte allerdings seit den Präsidialkabinetten von Brüning kaum noch jemand auf die Demokratie - das bleibt im Buch leider unterbelichtet. Hindenburg ging es längst darum, den Parlamentarismus auf formal legale Art zu liquidieren. Und den konservativen Machteliten - etwa Großagrarier, Industrielle, Militär - auch. Bei aller Uneinigkeit der Forschung über die Interpretation der Ereignisse der Epochenzäsur 30. Januar 1933 (manche sehen Hindenburg als alleinigen Entscheider, Hitler die Kanzlerschaft zu übertragen, andere sehen das taktische Geschick des NSDAP-Chefs als entscheidenden Grund), sind sich doch fast alle einig: die Hinterzimmer-Intrigen und Einflüsterungen spielten eine weniger entscheidende Rolle, als es in "Die Totengräber" suggeriert wird. Dort wimmelt es nur so von Wörtern wie "Verschwörung" und "Rache" und sei es in Form von rhetorischen Fragen. Und weil die Autoren alle Treffen für sich stehen lassen, weil sie nicht einordnen, nicht kommentieren, sind alle Protagonisten irgendwie gleich wichtig. So bleibt alles subjektiv und alles wird zu einem Brei. Fehlte nur noch der Auftritt eines bösen Krokodils auf der Berliner Bühne. Die spannende Frage nach möglichen Alternativen zu Hitlers Kanzlerschaft wird nur angerissen, aber nicht vertieft. Wie etwa die Handelnden stets nach einem Weg suchten, die Demokratie zu suspendieren, ohne einen Verfassungsbruch zu riskieren. Hindenburg wollte endlich wieder seine Ruhe Hier verengten sich im Januar die Handlungsspielräume. So standen die Zeichen entweder auf Verfassungsbruch (Vertagung des Reichstags auf unbestimmte Zeit) oder gar auf Bürgerkrieg. Eine Kanzlerschaft Hitlers, der immerhin eine Massenbewegung hinter sich hatte, ließ beide Gefahren weniger groß erscheinen. Und um es salopp zu sagen: Hindenburg wollte endlich wieder seine Ruhe von dem Gezerre, sich zurückziehen aus dem Tagesgeschäft, weg von Notverordnungen und Reichstagsauflösungen. Barth und Friederichs Buch ist trotz allem spannend, man kann das "Fieber" das die eigentlich schon verstorbene Republik in jenen Wochen erfasste, durchaus spüren. Man bekommt eine Ahnung, was die Menschen umtrieb - die enorme Arbeitslosigkeit, die ständigen blutigen Schlachten zwischen Nazis und Kommunisten, die Armut auf den Straßen. Ja, es waren dramatische Tage, aber deshalb muss man daraus nicht gleich ein Bühnenstück machen. Womöglich kommt ja wirklich jemand auf die Idee, dieses Drehbuch zu verfilmen. Aber die Vorgänge sind wohl zu komplex, um ein Prequel von "Der Untergang" zustande zu bringen.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/qz8501-was-fuer-eine-notwasserung-spricht-1.2288789
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Warum ist der Air-Asia-Flug QZ8501 verunglückt? Ist die Maschine vertikal ins Meer gestürzt? Oder gelang dem Piloten eine Notwasserung? Auskunft können die Flugschreiber geben. Nun hat sich das Wetter gebessert - und die Bergungsmannschaften vermelden einen Erfolg.
Fünf Tage nachdem Air-Asia-Flug QZ8501 mit 162 Menschen an Bord in der Javasee zwischen den indonesischen Inseln Borneo und Belitung verunglückt ist, bessert sich endlich das Wetter - und erleichtert die Suche nach den Opfern. Etwa 30 Leichen konnten bislang geborgen werden, Hoffnung auf Überlebende gibt es nicht. Hoher Wellengang und immer wieder auflebender Wind hatten die Bergungsarbeiten zunächst erheblich behindert. Nun konzentriert sich die Suche auch auf den Flugschreiber. Wie läuft die Suche nach QZ8501? Die Bergungsmannschaften können einen möglichen Erfolg vermelden. Am Freitag entdeckte ein indonesisches Marineschiff nach Angaben des Kapitäns ein großes Teil des Airbus A320. "Wir konnten das Heck des Flugzeugs mittels Seitensicht-Sonar orten", sagte Schiffskommandant Yayan Sofyan dem Sender Metro TV. Die Trümmer liegen demnach auf dem Meeresboden in etwa 29 Metern Tiefe. "Wir konzentrieren uns auf die Bergung des Flugzeugrumpfes sowie der Flugschreiber", sagte des indonesischen Suchteam-Leiter Bambang Sulistyo Wie verliefen die letzten Minuten? Genau lässt sich das erst sagen, wenn die Flugschreiber geborgen werden können - also sowohl das Instrument, das die Flugdaten aufzeichnet als auch der Stimmenrekorder, der Aufschluss über die Kommunikation der Piloten gibt. Sicher ist bisher nur, dass der Pilot wegen schlechten Wetters darum gebeten hatte, seinen Kurs ändern und von 32 000 Fuß auf 38 000 Fuß steigen zu dürfen. Doch die Änderung der Flughöhe wurde ihm wegen dichten Verkehrs nicht genehmigt. Dann brach plötzlich der Kontakt zu QZ8501 ab, ohne dass der Pilot vorher einen Notruf abgesetzt hatte. Wie der britische Independent berichtet, gibt es zwei mögliche Erklärungsansätze für den Absturz. Der indonesische Luftfahrtexperte Gerry Soejatman und sein australischer Kollege Peter Marosszeky glauben, dass extreme Wetterbedingungen das Flugzeug in eine Lage gebracht haben, in der es nicht mehr steuerbar war. Aus Daten des offiziellen Untersuchungsteams, zu denen er Zugang habe, wisse er, dass QZ8501 zunächst mit 6000 bis 9000 Fuß pro Minute gestiegen und dann mit 11 000 bis 24 000 Fuß gefallen sei, sagte Soejatman. In einem Airbus A320 könne ein Pilot solche Werte niemals selbst herbeiführen. "Das sind Werte, die normalerweise nur Kampfjetpiloten erreichen", sagte auch Marosszeky der Zeitung Sydney Morning Herald. Dagegen steht die Theorie, die er frühere indonesische Verkehrsminister Jusman Syafii Djamal und der Chefredakteur des Luftverkehrs-Fachblattes Angkasa vertreten. Beide glauben, dass dem Air-Asia-Piloten eine Notwasserung auf der Javasee geglückt ist. Das Flugzeug sei beim Aufkommen auf der Wasseroberfläche wahrscheinlich noch intakt gewesen und erst danach wegen der hohen Wellen untergegangen, sagte Djamal. Er glaube, dass die Crew noch versucht habe, die Evakuierung der Maschine einzuleiten. Darauf deuteten auch die Einstiegstür und eine Notrutsche hin, die an der Unglücksstelle im Meer gefunden wurden. "Womöglich haben hohe Wellen das Flugzeug und dessen Spitze erfasst und zum Sinken gebracht", erklärte Djamal. Angkasa-Chefredakteur Sudibyo ist überzeugt, dass es dem Piloten von QZ8501 gelungen ist, den Airbus A320-200 auf der Meeresoberfläche zu landen. Der Peilsender, der sogenannte Emergency Locator Transmitter (ELT), habe offenbar kein Signal gefunkt, weil "es bei der Landung keinen größeren Aufprall gab", so der Luftfahrt-Experte. Der frühere Luftwaffenkommandeur Chappy Hakim schloss sich dieser Analyse an. Er gehe davon aus, dass "das Flugzeug nicht in der Luft explodierte". Bei der Landung sei die Maschine offenbar nicht zerstört worden. Darauf deute auch der Zustand der bislang geborgenen Leichen hin. Wie funktioniert eine Notwasserung? Eine Notwasserung zählt zu den schwierigsten Manövern, mit denen eine Cockpitbesatzung konfrontiert sein kann. Nur in sehr seltenen Fällen gelingt sie, wie etwa im Januar 2009, als Chesley Sullenberger es schaffte, einen Airbus A320 im New Yorker Hudson River zu landen und alle Passagiere gerettet wurden. Bei einer erfolgreichen Notwasserung müssen die Piloten das Flugzeug zunächst einmal so stark wie möglich abbremsen, um dem Aufprall zu minimieren. Allerdings auch nicht zu stark, denn sonst kommt es zum Strömungsabriss und das Flugzeug fällt wie ein Stein ins Wasser. Außerdem muss der Pilot darauf achten, die Nase des Flugzeugs möglichst oben und die Tragflächen möglichst genau waagerecht zu halten, so dass die Maschine mit dem Heck zuerst aufsetzt. Selbst wenn dem Piloten das alles gelingt, kommt die Maschine am Ende mit mindestens 200 Stundenkilometern auf dem Wasser auf. Dabei wirken enorme Kräfte, die dazu führen, dass das Flugzeug zerschellen kann. "Bei Wellengang oder gar Sturm ist es, als wolle man ohne Fahrwerk auf einer sich ständig bewegenden Landebahn aufsetzen. Das zu schaffen, ohne dass Schäden am Flugzeug entstehen, ist eine große Kunst", sagt Markus Wahl von der Pilotenvereinigung Cockpit, der seit zwölf Jahren im Dienst ist. Wie werden Piloten auf eine Notwasserung vorbereitet? Allgemeine flugtechnische Notfälle trainiert jeder Pilot ungefähr zwei bis vier Mal pro Jahr. "Eine Notwasserung ist da nicht immer dabei, da es, Gott sei Dank, ein sehr unwahrscheinliches Szenario ist", sagt Pilot Wahl. Die Vorbereitung auf alle erdenklichen Landeszenarien ließen sich sehr gut trainieren, so Wahl. Das Aufsetzen im Wasser lasse sich allerdings nur sehr schlecht simulieren. Was passiert, wenn die Notwasserung geglückt ist? Dann muss das Flugzeug so schnell wie möglich evakuiert werden. Kurz vor dem Aufsetzen können die Piloten den sogenannten ditch mode aktivieren und den unteren Flugzeugbereich weitgehend gegen Wassereintritt abdichten. Dann bleibt das Flugzeug zumindest eine Weile schwimmfähig und die Passagiere können über die Notausgänge auf die Tragflächen klettern. Doch all das funktioniert nur bei ruhiger See. Bei hohen Wellen taucht die Maschine mit hoher Wahrscheinlichkeit asymmetrisch ein, was zwangsläufig im Desaster endet. Außerdem wirken bei starkem Seegang, wie er im Falle von QZ8501 herrschte, Kräfte, die die Maschine unter Wasser drücken können. Bei der Notwasserung auf dem Hudson River hatte Pilot Sullenberger vergessen, den ditch mode zu aktivieren. Dadurch drang schnell Wasser in die Kabine ein. Doch die Crew verhielt sich extrem routiniert und schaffte es, sämtliche Passagiere auf die Tragflächen zu bringen. Allerdings wurde die Rettung auch durch den Umstand begünstigt, dass auf dem Hudson River innerhalb weniger Minuten, Schiffe zu Hilfe kamen. Warum werden nicht längst Echtzeit-Daten übermittelt? Black Boxes sind eine im Grunde sehr antiquierte Form der Datenaufzeichnung. "Es ist die alte Technik der fünfziger und sechziger Jahre", sagt zum Beispiel Stephen Trimble, der für den US-Markt zuständige leitende Redakteur des Luftfahrtportals flightglobal.com. Angesichts der technischen Möglichkeiten, die es heute gibt, sind moderne Passagiererflugzeuge erstaunlich wenig vernetzt. Schon ein normales Smartphone sei wesentlich leistungsfähiger als die Computersysteme, die im Cockpit relevante Angaben sammeln, schrieb ein Kommentator des britischen Guardian unmittelbar nachdem MH370 im März verschwunden war. Zwar übertragen Transponder regelmäßig die Position des Flugzeugs, doch sie funktionieren nur mit Radar. Bereits nach dem Absturz einer Air France Maschine vor Brasilien im Jahr 2009 kam deshalb die Forderung auf, Flugdaten aus dem Cockpit per Satellit automatisch an eine Bodenstation zu übertragen. So wären Aufzeichungen über die Leistung der Triebwerke, die elektronischen Systeme an Bord, die Flugmanöver des Piloten und das korrekte Arbeiten des Autopilots zeitnah verfügbar. Diese Daten würden es im Falle einer Katastrophe erlauben, bereits vor Auffinden der Flugschreiber mit der umfassenden Analyse zu beginnen. Außerdem wüssten die Bergungsmannschaften sofort, wo sich die Absturzstelle befindet, könnten viel schneller helfen und möglicherweise Leben retten. Doch viele Airlines scheuen die Kosten, die ein solches System bei weltweit täglich mehr als 20 000 kommerziellen Flügen verursachen würde. Eine Möglichkeit wäre es, nicht permanent Daten zu übertragen, sondern nur dann, wenn es an Bord zu einer Notsituation kommt. Genau das macht ein kleines Gerät, das nach einem Bericht der Washington Post die kanadische Firma Flyht Aerospace Solutions entwickelt hat und das jetzt in den Maschinen der kanadischen First Air erstmals zum Einsatz kommt. Wenn an Bord alles normal läuft, unternimmt das System: gar nichts. Doch wenn es zum Beispiel zu einer abrupten Höhenänderung kommt oder die Triebwerksleistung rapide abfällt, zeichnet das System die Daten auf und überträgt sie per Satellit - und das jede Sekunde. Das Gerät ist gerade mal so groß wie ein normaler Hotelsafe, doch der Einbau kostet 120 000 US-Dollar pro Flugzeug, hinzu kommen die Kosten für die Wartung und die Ausbildung der Piloten - Kosten, die gerade Airlines mit großen Flotten scheuen.
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Der selbstfahrende Mini-Bus soll zu einem wichtigen Transportmittel in der Stadt werden. Der Zulieferer Bosch attackiert mit seinem "Roboter-Shuttle" das Geschäft der klassischen Autohersteller.
Wenn in 50 Jahren ein Großvater seinem Enkel eine Geschichte erzählen will, die für den Knirps wirklich unglaublich klingen soll, dann könnte sich das so anhören: "Früher habe ich mir ein Auto der Marke BMW oder Mercedes gekauft. Wenn ich damit in die Stadt fuhr, stand ich lange im Stau. Und fürs Abstellen im Parkhaus musste ich dann viel Geld bezahlen." Der Enkel wird große Augen machen und fragen: "Was ist ein Stau? Was ist ein Parkhaus?" Dann wird er ungläubig den Kopf schütteln und den Großvater verspotten: "Wie kann man so irre sein und sich ein eigenes Auto kaufen?" Dann werden beide lachen. Und falls sich der Enkel gut mit Autos auskennt, könnte er auch noch fragen: "Sind BMW und Mercedes diese Firmen aus Süddeutschland, die für den Shuttle-Service die Fahrgestelle liefern und das Blech biegen?" Ja, wird der Großvater antworten, "die waren mal riesig und weltbekannt und sehr reich." Dann wird das gescheite Kerlchen aufspringen und sagen: "So wie Bosch und Continental heute?" Es muss, wohlgemerkt, nicht so kommen. Aber es könnte. Der Stuttgarter Technologie-Konzern Bosch will im Januar auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas ein Konzeptfahrzeug vorstellen, das ein Vorbote sein könnte für eine komplett andere Auto-Welt. In dieser Welt sind die Menschen in den Innenstädten überwiegend in Minibussen unterwegs, die elektrisch betrieben, autonom gesteuert und per App geordert werden. Mehrere Mitfahrer können unabhängig voneinander ein- und aussteigen. In dieser Welt sind die bisherigen Auto-Zulieferer die mächtigen Unternehmen, weil sie alle wichtigen Bestandteile wie Sensoren, Halbleiter, Antrieb und Software selbst herstellen. Nur Komponenten wie Kunststoff- oder Blech-Verkleidung, Chassis und Sitze lassen sie sich von den bisherigen Autoherstellern liefern. PS und Design sind dann als Statussymbol nicht mehr wichtig, jedenfalls nicht für Bewohner der Städte. Klingt unrealistisch? Tatsache ist, dass die großen Zulieferer schon länger an ihrer Emanzipation arbeiten. Und sie sind inzwischen so weit, dass sie demnächst vielleicht mehr erreichen als nur ihre Gleichberechtigung mit den bisher übermächtigen Autoherstellern. Neben Bosch und Continental hat auch ZF Friedrichshafen - völlig unabhängig von den Herstellern - ein Vehikel entwickelt, das bald ganz autonom durch die Straßen kurven soll. Der neue Bosch-Minibus hat vier Sitze und bietet dem Fahrgast ein Komplettangebot inklusive Infotainment. "Bosch entwickelt ein weltweit einzigartiges Paket aus Hardware, Software und Mobilitätsdiensten für die Shuttle-Mobilität der Zukunft", sagt Bosch-Manager Markus Heyn. Das sind ungewohnt markige Töne für den ansonsten eher zurückhaltenden schwäbischen Stiftungs-Konzern. Das Selbstbewusstsein ist nicht ganz unbegründet. Denn als größter Auto-Zulieferer der Welt liefert Bosch fast alles, was so ein fahrerloser E-Minibus braucht: den elektrischen Achsantrieb, die 360-Grad-Rundum-Sensoren, die Mikroprozessoren, die App-Plattform, auf der die Passagiere ihre Fahrten bestellen und abrechnen können. Und demnächst auch: die künstliche Intelligenz. "Ohne digitale Services von Bosch wird in Zukunft kein Fahrzeug mehr unterwegs sein", tönt Heyn. Detailansicht öffnen Die Serie "Unterwegs in die Zukunft. Leben ohne eigenes Auto" ist im SZ-Wirtschaftsteil zwischen 15. Dezember 2018 und 2. Februar 2019 erschienen. Was für eine Ansage. Wer Bosch bisher nur als Hersteller von Bohr- und Waschmaschinen wahrgenommen hat, mag das gar als Größenwahn empfinden. Doch was viele nicht wissen: Bosch gilt längst als Weltmarktführer bei der Produktion sowohl von Sensoren als auch von Kfz-Halbleitern. In jedem neue Auto der Welt sind im Durchschnitt neun Bosch-Chips verbaut. Und es werden immer mehr - nicht nur wegen der zunehmend leistungsfähigeren Fahrassistenz-Systeme. "Der Hunger an Halbleitern ist enorm", sagt Dirk Hoheisel, der in der Bosch-Geschäftsführung unter anderem die Auto-Elektronik verantwortet. "Wir erwarten zehn Prozent Wachstum pro Jahr." Die zwei Prozessoren-Fabriken in Reutlingen seien inzwischen voll ausgelastet, deshalb baut Bosch derzeit für eine Milliarde Euro ein weiteres Werk in Dresden, das Ende 2019 in Betrieb gehen soll. Es ist die größte Einzelinvestition in der 132-jährigen Firmengeschichte. 700 Mitarbeiter werden dort von Beginn an tätig sein. Und weitere werden folgen. "Wir werden früher oder später auch eine Entwicklung in Dresden hochziehen", verrät Hoheisel. "Diese wird nach und nach eine dreistellige Mitarbeiter-Zahl erreichen." Zudem gebe es in Dresden die Möglichkeit, den Standort noch weiter auszubauen. Auch bei Radar-, Video-, Ultraschall und Laser-Sensoren für Autos ist Bosch gut im Geschäft. Sogar direkte Konkurrenten im Wettbewerb um das erste Roboterauto kaufen in Stuttgart ein. Die Sensoren sind so etwas wie die Augen des Autos, die Halbleiter entsprechen den Nervenzellen und Synapsen. Und damit das Auto eines Tages ganz allein fahren kann, bastelt Bosch am letzten fehlenden Element: dem Hirn. An einer künstlichen Intelligenz, die alle Daten der diversen Sinnesorgane mit den Signalen der GPS-Satelliten und den gespeicherten Landkarten verknüpft und eine Millisekunde später selbständig entscheidet: Bremsen oder Gas geben? Geradeaus fahren oder abbiegen? In der Fahrzeugentwicklung geht es um Software - nicht um Hardware Wer als erstes ein solches Hirn bauen kann, das auch im Dunkeln oder bei tief stehender Sonne keine Fehler macht, der darf sich auf große Umsätze und Gewinne freuen. Weil die jungen Großstadtbewohner keinen Wert mehr auf ein eigenes Auto legen, das ohnehin die meiste Zeit ungenutzt herumstehen würde, prophezeit die Unternehmensberatung Roland Berger eine stark wachsende Nachfrage nach autonomen Mitfahr-Minibussen. Es entsteht das neue Fahrzeugsegment "Shuttle". Allein in Europa, in den USA und in China sollen schon im Jahr 2020 etwa eine Million solcher Busse unterwegs sein, bis 2025 sogar 2,5 Millionen. Und spätestens ab 2025 sollen die Wagen ganz ohne Fahrer auskommen, prophezeit Berger. Es ist ein Milliardenmarkt, in den Bosch neben vielen anderen Herstellern, Zulieferern, Tech-Konzernen und Start-ups drängt. Wer am Ende siegt, wird sich wohl an der Frage der künstlichen Intelligenz (KI) entscheiden. Hier gelten die Firmen aus den USA und China derzeit als weltweit führend, während die deutschen noch hinterherhinken. Aber Bosch-Konzernchef Volkmar Denner gibt sich nicht geschlagen: "Unser Ziel ist es, in der künstlichen Intelligenz weltweit führend zu werden." KI sei eine "Schlüsseltechnologie, um aus unseren Produkten intelligente Assistenten zu machen", sagte Denner jüngst bei der Bosch-KI-Konferenz "AICon" auf dem Forschungscampus in Renningen. Detailansicht öffnen Das neue Shuttle-Konzeptfahrzeug will Bosch Anfang Januar auf der CES in Las Vegas vorstellen. (Foto: oh) Nach der Eröffnung entschwand Denner nicht sogleich zum nächsten Termin. Sondern blieb, um den Referaten zu lauschen und sich mit jungen Forschern auszutauschen. Das zeigt, wie wichtig dem promovierten Physiker das Thema ist. Erst 2017 hat er das Bosch Center for Artificial Intelligence (BCAI) gegründet. Die meisten der 170 Mitarbeiter forschen in Renningen bei Stuttgart, einige von ihnen sitzen in Pittsburgh, Sunnyvale (beide USA) und Bangalore (Indien). Ein fünfter Standort in China wird schon geplant, bald soll das BCAI 400 Mitarbeiter haben. "Lieber Geld verlieren als Reputation." Denner treibt seit Jahren den Wandel seines Konzerns vom reinen Hardware-Produzenten zum Software-Haus voran. Weil die Zeit der Zündkerzen und Diesel-Einspritzpumpen zu Ende geht, beschäftigt sich inzwischen ein Drittel aller Entwickler im Auto-Bereich mit Software. Das sind 18 000 Menschen. Wie viele davon an KI basteln, verrät Denner nicht, aber der Anteil dürfte stetig größer werden. Bosch hat es mit mächtigen Konkurrenten zu tun. Das Unternehmen gehört einer dem Gemeinwohl verpflichteten Stiftung und kämpft gegen Hightech-Konzerne aus den USA und gegen chinesische Staatsunternehmen, die über nahezu unbegrenzte Finanzmittel verfügen und in Ethik-Fragen wenig Vorbehalte kennen. Die Schwaben dagegen berufen sich auf den Leitspruch ihres Firmengründers Robert Bosch: "Lieber Geld verlieren als Reputation." Dennoch sehen sich die Stuttgarter auf der Suche nach den besten Talenten der KI-Welt gut gerüstet. "Unsere Algorithmen kommen als Ergebnis in konkreten Produkten auf den Markt, im Auto oder in der Küche", sagt Michael Bolle, der neue Technikgeschäftsführer von Bosch. "Das ist unser entscheidender Vorteil." Besonders stolz ist Bolle auf ein weiteres Projekt, mit dem das Unternehmen ebenfalls neue Wege geht: Im Mai 2019 wird Bosch voraussichtlich ein Gerät ins Weltall schicken. Das Sensorsystem Soundsee soll auf der internationalen Raumstation ISS eingesetzt werden. Die sogenannte Astrobiene (englisch Astrobee) wird autonom durch das Raumschiff fliegen und über Sensoren alle Geräusche aufnehmen, die dann von künstlicher Intelligenz analysiert werden. Sobald ein Teil der ISS schwächelt und ausgetauscht werden muss, schlägt das Roboterhirn made in Schwaben Alarm. So könnte die Weltraumbiene künftig verhindern, dass in der Raumstation etwas kaputtgeht oder gar das Leben der Besatzung gefährdet wird. "So ein spannendes Projekt zieht viele junge Menschen an", sagt Bolle. Nicht viele Software-Ingenieure hätten die Chance, für die Raumfahrt zu programmieren. Klingt gut, aber dies allein wird wohl nicht genügen, um das Tauziehen um die besten KI-Experten der Welt gegen namhaftere und reichere Konzerne wie Google, Amazon oder Baidu zu gewinnen. Deshalb braucht es weitere Initiativen, um die besten Köpfe zu locken und dann auch zu halten.
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Vom FC Bayern zum Hamburger SV: Ludwig Trifellner hat in 40 Jahren als Torwart, Trainer und Talentspäher die entferntesten Pole bereist. Sein nächstes Abenteuer: Scout bei Werder Bremen
Das Erlebnis sei einzigartig. Wenn im Volksparkstadion Lotto King Karl zur großen HSV-Hymne ansetzt, "läuft es mir kalt den Rücken runter", sagt Ludwig Trifellner. Man müsse dann einfach mitsingen, das gehe gar nicht anders. Nun ist Trifellner alles andere als ein Nordlicht. Geboren in Niederbayern, folgte als Jugendlicher der Umzug nach München. Schließlich kam er beim FC Bayern unter, zunächst als Feldspieler der dritten Mannschaft, später als Torwart der Amateure und Stellvertreter von Manfred Müller und Walter Junghans bei den Profis. Trifellners Affinität für den Hamburger Sportverein hat andere Gründe: Elf Jahre lang war er als Scout für den Bundesligisten tätig. Erst im Juli trennte man sich, "in beiderseitigem Einvernehmen", wie Trifellner sagt. Man habe unterschiedliche Vorstellungen, wie es mit dem Scouting weitergehen soll, dennoch bleibe er dem Klub und seinem Spezi, Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer, freundschaftlich verbunden: "Wenn du über viele Jahre alles miterlebst in einem Verein, alle Höhen und Tiefen, dann ist es ganz normal, dass du dich richtig identifizierst", sagt Trifellner. Er, der seit mehr als 25 Jahren Mitglied bei den Bayern ist, trägt die HSV-Raute im Herzen. Die Liebe des 58-Jährigen zum Fußball ist viel zu groß für einen einzigen Verein, das spürt man bei vielen seiner Aussagen. "Wenn ich eines Tages aufwache und nicht an Fußball denke und mich darauf freue, ein Spiel anzuschauen, dann mag ich aufhören", hat er einmal in einem Fernsehporträt gesagt. Doch es dürfte noch lange dauern, bis dieser Zustand bei Ludwig Trifellner einsetzt. Erst seit wenigen Wochen hat er wieder einen Job als Scout - wieder bei einem Traditionsverein aus dem Norden, nämlich bei Werder Bremen. Trifellner soll wie beim HSV den Bereich der U17 bis zum Lizenzspielerbereich für Österreich, Schweiz und Süddeutschland im Blick halten. Womit sein Tagesablauf auch weiterhin fast ausschließlich aus Fußball bestehen dürfte. Der ehemalige Torwart ist seit 14 Jahren im Bayerischen Fußball-Verband (BFV) aktiv, zunächst vor allem in der Ausbildung von Torwarttrainern, seit geraumer Zeit auch als Prüfer von Absolventen der B-Lizenz und Abnehmer von Eignungsprüfungen. Zwei bis drei Mal die Woche kommt er in die Sportschule Oberhaching, entwickelt Konzepte für die Schulung der Übungsleiter. "Wir in Bayern waren die ersten, die eine spezielle Ausbildung für Torwarttrainer ins Leben gerufen haben, das war vor elf Jahren." Der DFB habe erst vor drei, vier Jahren nachgezogen. Gemeinsam mit Thomas Roy, der später für zwei Jahre im Auftrag des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) auf den Philippinen arbeitete, mit dem heutigen Garchinger Cheftrainer Daniel Weber und mit Harry Huber, ehemals aktiv bei Bayern, 1860 und Burghausen, legte Trifellner den Grundstein für diesen Ausbildungszweig. Dass sich der Experte für den Platz zwischen den Pfosten nicht nur in jenem Bereich auskennt, in dem er selbst einst aktiv war, zeigt sich schon daran, dass er auch Sichtungen für die Nominierung der Regionalauswahlen abhält. Detailansicht öffnen Im Jahr 1985 mit Manfred Binner und Trainer Peter Grosser (von links) bei der SpVgg Unterhaching. (Foto: Imago) Für Trifellner ist es freilich nicht nur wichtig, dass junge Spieler fachlich geschult werden. Er hält die Begleitung der Talente im wirtschaftlichen und persönlichen Bereich für ebenso wichtig. Deshalb bietet er eine entsprechende Hilfe bei der Karriereplanung an. Weniger als klassischer Spieleragent, vielmehr versucht er, Jugendliche an geeignete Berater zu vermitteln. "Es bleiben so viele Jungs auf der Strecke, etwa weil sie mit dem Trainer nicht zurecht kommen, schulische oder sonstige Probleme haben. Denen stehe ich zur Seite und versuche herauszufinden, wem man den jeweiligen jungen Spieler an die Hand geben kann." Trifellner kennt zahlreiche Agenten und weiß durch seine langjährige Erfahrung zu unterscheiden zwischen den "90 Prozent, die nur Blödsinn erzählen, und ein paar seriösen". Dabei schließt er mit den Talenten oder deren Eltern selbst keinen Vertrag. "Es ist eher ein Gentlemen's Agreement." Erst beim ersten Profivertrag werde eine Prämie fällig. Sollte es damit nichts werden, fließt für ihn auch kein Geld. Ob einer das Zeug zu höheren Weihen besitzt, dafür hat Trifellner einen Blick. Beileibe nicht alles hängt von den fußballerischen Voraussetzungen ab, sagt der gebürtige Niederbayer: "Charakter frisst Talent, sage ich immer", sagt Trifellner und nennt ein Beispiel: "Wenn ich einen Treffpunkt am nächsten Morgen um acht Uhr in Aue ausmache, da fährt der charakterstarke Spieler sofort los. Derjenige, der nur über Talent verfügt, fragt mich, ob es nicht auch um zwölf reicht." Kriterien, die er auch in seiner Arbeit als Talentspäher anwendet. Als Trifellner das Scouting bei der SpVgg Greuther Fürth aufbaute, lernte er Dietmar Beiersdorfer kennen, der 2002 Sportchef in Hamburg wurde. "Er rief mich an und holte mich in ein kleines Team, um auch beim HSV eine Scouting-Abteilung zu gründen." Unter anderem war auch der langjährige Bundesligaprofi Harald Spörl dabei, mit dem Trifellner längst eine enge Freundschaft pflegt. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Mehr als 40 Millionen Euro Transferüberschuss erwirtschaftete der Verein in den ersten Jahren. Beiersdorfer erhielt von der Boulevardpresse den Spitznamen "Dukaten-Didi". "Spieler wie de Jong oder Boulahrouz haben wir billig geholt und teuer verkauft", sagt Trifellner. Später, als Bernd Hoffmann das Ruder beim HSV übernahm und Frank Arnesen Sportlicher Leiter wurde, habe er sich mit seinen Vorschlägen nicht recht durchsetzen können, berichtet Trifellner: "Arnesen hat viele Leute geholt, die er selbst von seiner Tätigkeit bei Chelsea kannte." So seien einige potenzielle Transfers nicht zustande gekommen: Fabian Johnson, die Bender-Zwillinge, Christian Träsch, ja sogar Mats Hummels - sie alle kannte Trifellner von klein auf, sie alle empfahl er den Hanseaten. Doch keiner wurde geholt. "Das Problem über viele Jahre war die fehlende Kontinuität. Ich habe in 14 Jahren 15 Trainer erlebt, vier Vorstände, jeweils fünf Manager und Leiter des Nachwuchsleistungszentrums." Mittlerweile ist Beiersdorfer als Vorstandsvorsitzender zurück - und entließ diese Woche Trainer Bruno Labbadia. Detailansicht öffnen Mit den Jahren gingen die Haare: Ludwig Trifellner, 58. (Foto: Privat/oh) Für Trifellner gibt es aber auch noch den Fußball abseits von Bundesliga und BFV: Er ist Sportchef beim Landesligisten SB Chiemgau Traunstein, trainiert auch dort die Keeper. "So bin ich wenigstens einmal die Woche in Bewegung", sagt er. Der ehemalige Jugendtrainer des FC Bayern, Rainer Hörgl, hatte ihn als Interimscoach geholt, ist mittlerweile aus zeitlichen Gründen aber als Abteilungsleiter zurückgetreten. Auch Hörgl ist als Spielerberater tätig. Über mangelnde Beschäftigung muss sich Trifellner nicht beschweren. Jedes Jahr ist er rund 60 000 Kilometer unterwegs, zwischen Norddeutschland, Traunstein, Oberhaching und Kufstein, wo er mit seiner Lebensgefährtin wohnt. Dorthin hatte es ihn 2005 verschlagen, als er beim örtlichen FC für zweieinhalb Jahre Sportlicher Leiter wurde. Damals ließ er sich von Dieter Schönberger nach Tirol locken, einem seiner Schüler aus vergangenen Zeiten beim SV Lohhof. Dort, beim kleinen Klub aus Unterschleißheim im Landkreis München, feierte der Niederbayer seine größten Erfolge als Trainer: 1999 wurde er mit einer weitgehend unterschätzten Mannschaft Bayernliga-Meister. Auch wenn die folgende Regionalligasaison zum Vergessen war und Trifellner nach einer frustrierenden Niederlagenserie seinen Posten räumen musste, ist dieser Triumph für ihn unvergessen. "Wir treffen uns nach wie vor", sagt er und betet seine Mannschaft herunter: "Heckl, Rosenwirth, Haußmann, Schnell, Oßwald, Kalichmann, Himsl, Anderl, Reichel und natürlich Stefan Leitl." Bis auf Letzteren fahren sie alle jedes Jahr zu einem Ü 40-Turnier in Tirol und haben dort ihren Spaß. "Der Stefan wird aber auch bald dabei sein. Wenn er endlich 40 ist." Letzter Teil. Bisher erschienen: Wolfgang Schwamberger (24.9.), Helmut Stahl (22.9.), Monika Gawenus (15.9.), Horst Schwanke (10.9.), Daniel Brode (7.9.), Sebastian Gimbel (3.9.), Karl-Heinz Schulz (31.8.), Norbert Wagner (27.8.), Gerd Coldewey (25.8.), Norbert Demmel (19.8.), Gerd Biendl (18.8.), Carlo Thränhardt (9.8.), Rudi Vogt (6.8.), Michael Hahn (4.8.), Monika Schäfer (30.7.), Kurt Szilier (28.7.), Andrea Eisenhut (23.7.)
https://www.sueddeutsche.de/politik/umgang-mit-der-ns-geschichte-speer-und-maer-1.3532118
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Magnus Brechtken hat die lange überfällige, kritische Biografie über Hitlers Rüstungsminister Albert Speer vorgelegt. Er dekonstruiert dessen zahllose Legenden und rechnet mit der Historikerzunft ab.
Der Reichsminister war sehr unzufrieden. Bei seinem Besuch im KZ Mauthausen am 30. März 1943 sah er Baracken aus Naturstein für die Häftlinge, "alles sehr sauber und ordentlich". Sogleich beschwerte er sich bei Heinrich Himmler: "Wir müssen für den Ausbau von Konzentrationslagern eine neue Planung unter dem Gesichtspunkt des höchsten Wirkungsgrades bei Einsatz geringster Mittel zur Erzielung des größten Erfolges für die augenblicklichen Rüstungsforderungen durchführen, das heißt, dass wir sofort zur Primitivbauweise übergehen müssen." Es ging jetzt - nach der Niederlage der Wehrmacht bei Stalingrad - darum, alle vorhandenen Arbeitskräfte für den Krieg zu mobilisieren und keine Ressourcen zu verschwenden. Im Jahr zuvor hatte der Minister "die Vergrößerung des Barackenlagers Auschwitz" genehmigt und ein Bauvolumen von 13,7 Millionen Reichsmark bereitgestellt, "um die vorhandene Arbeitskraft nunmehr für Rüstungsaufgaben von Großformat" einzusetzen. Dieser Minister jedoch, so stellte sich nach 1945 heraus, wollte vom KZ-System und dem dort verübten industriellen Massenmord gar nichts gewusst haben. In seinen "Erinnerungen" schreibt er: "Zwölf Jahre hatte ich im Grunde gedankenlos unter Mördern gelebt." Und die Deutschen glaubten ihm gern, viele konnten sich in dieser Erzählung wiedererkennen. Sie lasen hier von einem Dritten Reich ohne Rassepolitik, ohne Vernichtungskrieg und ohne Judenverfolgung. Das machte die Sache doch irgendwie erträglicher. Dabei war Albert Speer (1905 - 1981) der größte Märchenerzähler über die NS-Zeit. Magnus Brechtken hat seine lange erwartete Speer-Biografie mit dem Untertitel "Eine deutsche Karriere" versehen, nicht nur, weil Hitlers Architekt nach seiner Haftzeit eine fragwürdige zweite Laufbahn als extrem beliebter Zeitzeuge begann, sondern weil er hier den "Typus des bürgerlichen Deutschen, der bewusst zum Nationalsozialisten wurde und nach 1945 nicht den Willen und die Einsicht hatte, sich über seine Taten eine ehrliche Rechenschaft zu geben", beschreiben will. Die zentrale These lautet: Speers Karriere war repräsentativ. "Speer ragte heraus und ist doch zugleich exemplarisch für all jene, die sich mit ähnlichen, wenngleich bescheideneren Ambitionen so wie er für den Nationalsozialismus engagierten, ihn trugen und gestalteten." Brechtken, stellvertretender Direktor am Münchner Institut für Zeitgeschichte, hat mehr als zehn Jahre an dem Thema geforscht und sich viel vorgenommen: Speer-Biografie, Betrachtung der manipulativen Macht politischer Memoiren, Analyse der Nachkriegsgesellschaft und eine zum Teil sehr harte Abrechnung mit der eigenen Zunft. Und das alles in einer schwungvollen Darbietung. Detailansicht öffnen Hier sitze ich und kann nicht anders: Albert Speer im Jahr 1975 in seinem Elternhaus in Heidelberg. Reporter und Historiker lud er gern zu sich nach Hause ein und plauderte stundenlang über die NS-Zeit - wie er sie sah. (Foto: Sven Simon/imago) Über Jahrzehnte hinweg, auch lange nach seinem Tod im Jahr 1981, war Albert Speer für die meisten Deutschen ein ganz und gar unpolitischer Techniker und Architekt, ein Fachmann, der die Rüstung auf Vordermann brachte, und der sich in den Nürnberger Prozessen als Einziger zu einer Art Gesamtverantwortung für die Verbrechen des NS-Staates bekannt hatte. Für einige war er nicht mal ein richtiger Nazi. Speer als reuiger Sünder, Speer als verführter Bürger, Speer als Planer eines Attentats auf Hitler, Speer als Nichtsahnender - all diese Legenden gehen auf ihn selbst zurück. Das Bild von sich, das er in seinen Millionenbestsellern "Erinnerungen" (1969) und den "Spandauer Tagebüchern" (1975) zeichnete, beherrschte die öffentliche Meinung. Noch heute verkaufen sich diese Memoiren gut. Brechtkens großes Verdienst ist die Dekonstruktion dieser Lügengebäude. Der Münchner Historiker fasst im ersten Teil die Taten und Untaten Speers brillant zusammen und kontrastiert sie zugleich mit den späteren Legenden. Die bewusste Entscheidung, sich im Nationalsozialismus zu engagieren, sein ehrgeiziges Streben nach Machterweiterung, seine enge Zusammenarbeit mit Himmler und Joseph Goebbels, seine Nähe zu Adolf Hitler, sein "unermüdlicher Einsatz zur Aufrechterhaltung der Rüstungsproduktion", etwa durch den Einsatz Zehntausender Sklavenarbeiter in unterirdischen Produktionsstätten wie Mittelbau-Dora, seine Durchhaltereden und seine "Propagandafiktionen von Rüstungsrekorden und Wunderwaffen". Dazu wurden unter anderem auch selten beachtete Quellen wie die Zeitschrift Der Frontarbeiter und die PR-Illustrierte Signal ausgewertet, die Speer als fürsorglichen zivilen Manager präsentierten, der gleichwohl für die völkische Sache und neuen "Lebensraum" agitierte. Auf wenigen Seiten wird die Legende vom "Rüstungswunder" entzaubert, die Erfindung vom geplanten Attentat auf Hitler bloßgelegt und die wahre Rolle Speers bei der Verlängerung des Krieges herausgestellt. Kurzum: Speer agierte als eine "Zentralfigur des Eroberungs- und Vernichtungskrieges". Ein Manko ist allerdings, dass bei Brechtken immer nur der "offizielle" Speer auftritt, also Dokumente im Zusammenhang mit seinen Taten oder Selbststilisierungen - fast nie aber der private. Über die Motive für sein Handeln, etwa den Beitritt zur NSDAP 1931, oder die Beweggründe für seine späteren Märchenstunden, erfährt der Leser außer ein paar eher spekulativen Andeutungen nichts. Auch das gesellschaftliche Klima in der Bundesrepublik im Umgang mit dem Dritten Reich wird eher skizziert als genau beschrieben. Am schärfsten geht Brechtken mit Joachim C. Fest und Wolf Jobst Siedler ins Gericht Fast die Hälfte des Buches verwendet Brechtken darauf, detailliert nachzuweisen, auf welchen Wegen es Speer gelang, mit seiner Selbststilisierung die deutsche Nachkriegsgesellschaft zu täuschen und seinen wahren Beitrag zu den Verbrechen des Nationalsozialismus zu verschleiern. So hatte Speer nicht nur gute Freunde und Bekannte, die belastendes Material verschwinden lassen konnten, und während seiner 20 Jahre dauernden Haftzeit auch zahllose Fürsprecher, die sich (vergeblich) für eine Verkürzung der Strafe aussprachen. Vor allem hatte er ein bereitwilliges Publikum, das gerne glauben wollte, was er ihm zu erzählen hatte - und durchaus unkritische Medien, die es gar nicht so genau nahmen mit der Wahrheit. Und nicht zuletzt hatte Speer bei der Abfassung seiner "Erinnerungen" zwei Mitstreiter, deren Rolle laut Brechtken gar nicht überschätzt werden kann: den Verleger Wolf Jobst Siedler (damals Ullstein Propyläen) und als eine Art Mitkomponisten den Publizisten Joachim C. Fest. Detailansicht öffnen Magnus Brechtken: Albert Speer. Eine deutsche Karriere. Siedler-Verlag München 2017, 900 Seiten, 40 Euro. E-Book: 32,99 Euro. Wie ein "Geschenk der Götter" sei ihm Speer "ins Haus geschneit", erzählte Fest später - und so begann eine Zusammenarbeit, die das Bild des einstigen Rüstungsministers in der Öffentlichkeit entscheidend prägen sollte. Brechtkens Urteil über dieses Dreierbündnis ist hart, teilweise polemisch, aber gut belegt. Die "Erinnerungen" nennt er ein Gemeinschaftsprodukt: Speer lieferte das Material, Siedler und Fest besorgten die Komposition. Ihr Ziel: "Speer als Repräsentanten des deutschen Bürgertums zu porträtieren, der aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten zwar Karriere im Dienste Hitlers gemacht, aber mit dem Nationalsozialismus, wie sie ihn gesehen wissen wollten, nichts zu tun hatte." Siedler, so Brechtken, hoffte auf eine Geschichte, die den Erwartungen des Publikums entsprach (der Erfolg gab ihm recht). Fest hoffte auf ein paar schöne "Originalzitate" für seine Hitler-Biografie (1973), die dann auch stark vom Zeitzeugen Speer geprägt war. "Erheblichen Einfluss" auf Speers Text attestiert Brechtken den beiden Freunden und die "Steuerung bestimmter Themen"; Fest leistete "konkrete Hilfe zum eloquenteren Ausmalen des Täuschungsbildes". Und vor allem: Es sei aus der Überlieferung nicht erkennbar, dass Fest oder Siedler die Behauptungen Speers durch eigene Recherchen geprüft hätten. Beihilfe zur Geschichtsklitterung lautet also der Vorwurf. Auch im weiteren Verlauf gerät Fest immer wieder in den Fokus scharfer Kritik, etwa mit seiner Speer-Biografie (1999), die Brechtken eine "Verharmlosungsgeschichte" nennt, in der der Mitherausgeber der FAZ einen "beinahe autistisch wirkenden Drang, sein Speer-Bild zu verteidigen" an den Tag gelegt habe - inzwischen längst bekannte Fakten kalt ignorierend. Wie ein roter Faden zieht sich auch die Kritik am "langwährenden Unvermögen der Historikerzunft im Umgang mit Speer" durch den zweiten Teil des Buches. Viele renommierte Kollegen - er nennt Golo Mann, Hans Mommsen oder Eberhard Jäckel - hätten naiv die von Speer konstruierten Geschichten einfach nachgeplappert, ohne sie zu überprüfen, oder wären gar zu bequem gewesen, um selbst in die Archive zu gehen. Dort hätte man, betont Brechtken, schon sehr bald nach 1945 Dokumente finden können, die Speers Lügen entlarvt hätten. Tatsächlich war etwa die Sache mit der Baubewilligung für Auschwitz schon 1948 Gegenstand in einem Prozess gegen Oswald Pohl, Leiter des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes. Doch weder die Öffentlichkeit noch die Forschung hakten nach, auch nicht, als das Dokument 1968 in einer Doktorarbeit von Gregor Janssen erwähnt wurde. Speer blieb unbehelligt und konnte bis zu seinem Tod leugnen, mit Auschwitz verantwortlich verbunden gewesen zu sein. Ein allzu genauer Blick auf die NS-Gräuel war gesellschaftlich nicht erwünscht Brechtken beklagt dies wortreich und meint, dass man Speer nicht eher auf die Schliche gekommen sei, liege auch daran, dass sich lange Zeit kein Historiker ernsthaft mit einer Biografie Speers befasst habe. Dabei gab es ja durchaus Lebensbeschreibungen, etwa von Matthias Schmidt (1982), doch diese wurde überdeckt durch eher kontraproduktive Werke von Gitta Sereny (1995), Dan van der Vat (1997) oder Fest (1999). Die Erkenntnisse über Speers Verbrechen kamen vor allem durch Doktorarbeiten ans Licht. Doch erst durch Heinrich Breloers TV-Vierteiler "Speer und Er" (2005) sei die Wahrheit über Albert Speer einem breiten Publikum bekannt geworden. Und erst jetzt musste sich Fest unangenehme Fragen anhören. Eine sehenswerte Ausstellung im Nürnberger Dokumentationszentrum Reichsparteitaggelände erinnert mit Brechtkens Unterstützung bis zum 26. November an Speer und den Umgang mit ihm in der Bundesrepublik. Gleichwohl muss die Frage gestellt werden, ob Historiker durch Quellenfunde wirklich gegen die vorherrschende Meinung vom Edel-Nazi angekommen wären. Dafür macht Brechtken ja das gesellschaftliche Klima verantwortlich, in dem ein allzu genaues Hinsehen über Jahrzehnte nicht für wünschenswert erachtet wurde und die wenigen Kritiker mundtot gemacht wurden. So waren sicher auch zahme und naive Historiker schuld, dass nicht eher am Ruf dieses Speer-Kartells gekratzt wurde, aber womöglich musste sich auch erst der gesellschaftliche Rückhalt für die gern gelesenen Speer-Legenden auflösen, ehe unvoreingenommen die Wahrheit erforscht werden konnte. Beigetragen haben dazu zahlreiche Historiker, die sich intensiv mit der Täter- und Holocaust-Forschung und der Etablierung einer Erinnerungskultur beschäftigt haben. Spät, aber nicht zu spät kommt nun Magnus Brechtkens furiose Biografie, nach deren Lektüre niemand mehr Speers Märchen als Quelle für den Nationalsozialismus ansehen kann. Zu Ende erforscht ist die Speer-Saga aber noch lange nicht.
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Armes Almeria: Barcelona trifft auswärts achtmal, Chelsea verliert zum zweiten Mal hintereinander, Golf-Ikone Bernhard Langer greift Parteien wegen Ryder-Cup-Bewerbung an, Jenny Wolf siegt wieder. Sport kompakt
Der spanische Fußball-Meister FC Barcelona hat bei einem Fußball-Fest in Almeria den Klubrekord für den höchsten Auswärtssieg eingestellt. Das Team um Weltfußballer Lionel Messi feierte bei UD Almeria einen 8:0 (5:0)-Kantersieg und schaffte damit dasselbe Ergebnis wie die Barca-Elf, die am 25. Oktober 1959 UD Las Palmas deklassierte. Barca ist in den Rekordbüchern der Primera Division auch am höchsten Ergebnis überhaupt beteiligt, allerdings auf der Verlierer-Seite. Am 8. Februar 1931 unterlagen die Katalanen 1:12 bei Athletic Bilbao. Die Liga existiert seit 1928. Messi und Co. gaben damit auch Herausforderer Real Madrid eine deutliche Kampfansage. Die Katalanen zogen mit 31 Punkten zunächst an den Königlichen (29) vorbei. Das Team der deutschen Nationalspieler Mesut Özil und Sami Khedira spielte am späten Samstagabend gegen Athletic Bilbao. Weltfußballer Messi eröffnete in der 17. Minute mit seinem 100. Ligator das Torfestival und ließ später in seinem 154. Spiel im Dress des Titelverteidigers noch zwei weitere Treffer folgen. Außerdem trafen Bojan Krkic (2), Andreas Iniesta, Pedro sowie Santiago Acasiete per Eigentor. Nach den Pleiten von Spitzenreiter FC Chelsea und Verfolger FC Arsenal ist Manchester United der lachende Dritte des 14. Spieltages in der englischen Premiere League. Der als einziges Team immer noch ungeschlagene Rekordmeister zog mit dem 2:0 (1:0) gegen Wigan Athletic nach Punkten mit Chelsea gleich, das 0:1 (0:1) bei Birmingham City verlor. Dritter bleibt Arsenal nach der unerwarteten 2:3 (2:0)-Heimniederlage im Derby gegen den Erzrivalen Tottenham Hotspur. Lee Bowyer (17.) sorgte in Birmingham für die zweite Niederlage von Doublegewinner Chelsea in Folge. Zuvor hatten die Blues 0:3 zu Hause gegen Sunderland verloren. Vor 74.181 Zuschauern im Old Trafford brachte Patrice Evra Manchester in der 45. Minute in Führung. Der mexikanische Nationalpieler Javier Hernandez machte mit dem 2:0 (77.) alles klar. Im North-London-Derby zeigte der ehemalige Hamburger Rafael van der Vaart eine überragende Vorstellung für Tottenham. Der Niederländer war mit einem Tor und zwei Vorlagen Matchwinner bei der Aufholjagd zum 3:2 im 147. Liga-Duell. Für Tottenham war es der erste Sieg beim Angstgegner seit dem 3:1 im Mai 1993, damals noch in Highbury. Deutschlands Golf-Ikone Bernhard Langer hat das Verhalten der deutschen Politiker bei der Bewerbung um den Ryder Cup 2018 stark kritisiert. "Ich habe mir mehr Unterstützung von der Politik gewünscht. Aber das ist kleinkariert und zu kurz gedacht nach dem Rückzieher bei der finanziellen Unterstützung", sagte der 53- jährige Schwabe vor dem außerordentlichen Verbandstag des Deutschen Golf Verbandes (DGV) in Frankfurt am Main. "Man muss den Mut haben, zehn Millionen Euro zu investieren, um dann garantiert mit 60 bis 80 Millionen Euro vom Ryder Cup zu profitieren. Das sind Zahlen und Fakten. Ich denke sie mir nicht aus", betonte Langer. Die Bundesregierung und die bayerische Staatsregierung hatten zuletzt eine finanzielle Beteiligung an der Ryder Cup-Bewerbung endgültig abgelehnt. Aus steuerrechtlichen Gründen ist eine direkte finanzielle Unterstützung des DGV für den Profisport nicht möglich. So engagiert sich der Verein der clubfreien Golfer (VcG) als Sponsor und stellt in den kommenden zwölf Jahren insgesamt neun Millionen Euro für die Lizenzgebühren bereit ­ in Tranchen à 750 000 Euro bis 2022 - aber nur, wenn Deutschland im April 2011 den Zuschlag erhält. Jenny Wolf hat auch am zweiten Tag des Eisschnelllauf-Weltcups in Berlin souverän die 500 Meter gewonnen und damit den 54. Weltcup-Erfolg ihrer Karriere gelandet. Nach ihrem Vortagstriumph machte die 31-jährige Berlinerin am Samstag ihren Doppelsieg perfekt und war in 37,98 Sekunden noch 1/10 Sekunde schneller als am Freitag. Die Olympia-Zweite kam damit im vierten Saisonrennen zum vierten Erfolg und ist nun schon acht Rennen in Serie im Weltcup unbezwungen. Auf ihrer Hausbahn siegte sie vor der Niederländerin Margot Boer (38,46) und Olympiasiegerin Lee Sang-Hwa (38,56) aus Südkorea. Judith Hesse (39,06) aus Erfurt wurde Achte. Der ehemalige Eishockey-Bundestrainer Hans Zach hat sich sechs Jahre nach seinem Rücktritt im Sommer 2004 erneut für das Amt ins Gespräch gebracht. "Wenn man mich ruft, wäre ich sicher da", sagte der 61-Jährige am Freitagabend als Gast bei Sky. Er sei bereit, die Nachfolge von Uwe Krupp anzutreten, der mit Ablauf seines Vertrages nach der WM 2011 zu den Kölner Haien wechselt. Krupp wies am Freitag bei Sky noch einmal darauf hin, dass er in Köln definitiv auch als Headcoach an der Bande stehen wird. Zach hatte die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes bereits von 1998 bis 2004 betreut. Unter seiner Regie erreichte die deutsche Mannschaft dreimal das Viertelfinale einer WM und belegte bei den Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City den achten Platz. Als Vereinstrainer hatte Zach zuletzt in der Saison 2009/2010 mit den Hannover Scorpions die deutsche Meisterschaft geholt und sich danach in den vorläufigen Ruhestand verabschiedet. Der für ein Jahr von allen Fußball-Aktivitäten suspendierte FIFA-Funktionär Reynald Temarii will um seine Ehre kämpfen. "Ich will meinen Namen von den Anschuldigungen reinwaschen, außerdem möchte ich die Fußball-Familie Ozeaniens schützen", sagte der 43 Jahre alte Tahitianer in Auckland/Neuseeland. Er habe in den vergangenen sieben Jahren dafür gekämpft, dass der Fußball zur Bildung der Jugend und zur Verständigung zwischen den Menschen beiträgt, versicherte Temarii. "Ich fühle mich wie ein Opfer. Man muss mich doch verstehen." Temarii war Vizepräsident und damit Exekutiv-Mitglied des Internationalen Fußball-Verbandes (FIFA). Er amtierte auch als Chef des Kontinental-Verbandes Oceania Football Confederation (OFC). Wegen Verletzungen des Ethikcodes wurde Temarii für ein Jahr von allen Aktivitäten im Fußball ausgeschlossen. Der Tahitianer soll sich in einem Gespräch mit Reportern der britischen Zeitung Sunday Times bereiterklärt haben, seine Stimme bei der Vergabe der WM 2018 und 2022 für drei Millionen neuseeländische Dollar (rund 1,6 Millionen Euro) zu verkaufen, um eine Fußball- Akademie in Auckland zu gründen. Die Journalisten hatten sich als amerikanische Geschäftsleute ausgegeben, die die Weltmeisterschaft 2022 in die USA holen wollten. Die FIFA vergibt die beiden WM- Endrunden am 2. Dezember in Zürich. Scharf kritisierte Temarii die Untersuchungsmethoden der Ethik- Kommission. Von dem bewussten Gespräch mit den Reportern existiere ein 90 Minuten langes Video, davon habe sich die Kommission in seinem Fall aber nur vier Minuten angeschaut. Zweiter Tag, zweiter Reifenschaden: Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel hatte auch am zweiten Testtag auf den neuen Pirelli-Reifen einen "Platten". Nachdem am Freitag der rechte Hinterreifen von einem Gegenstand auf der Strecke aufgeschlitzt wurde, war am Samstag aus noch unbekannten Gründen der linke Vorderreifen beschädigt. "Die Strecke ist recht schmutzig, da kann man sich schnell mal etwas einfangen", sagte Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery. Am Samstag kam es auch zum ersten Aufeinandertreffen mit Ferrari-Pilot Fernando Alonso, dem er am vorigen Sonntag noch den Titel weggeschnappt hatte. Vettel war nach dem Feiermarathon in Abu Dhabi, Salzburg und Milton Keynes schon am Mittwoch wieder zurück in das Wüstenemirat gekehrt, wo er am Sonntag seinen ersten WM-Titel gewonnen hatte. Für Sonntag ist ein großer Empfang in seiner Heimatstadt Heppenheim geplant. Am Wochenende darauf (27. und 28. November) steht für Vettel in Düsseldorf das Race of Champions auf dem Programm. Adam Szalais gute Leistungen beim Fußball-Bundesligisten FSV Mainz 05 haben bei seinem früheren Arbeitgeber Real Madrid angeblich neue Begehrlichkeiten geweckt. Informationen der spanischen Sportzeitung Marca zufolge wollen die Königlichen den ungarischen Stürmer am Saisonende mittels einer Rückkauf-Option für fünf Millionen Euro verpflichten, nachdem der spanische Rekordmeister den Angreifer Mainz im vergangenen Sommer nach einem halbjährigen Leihgeschäft für eine Ablöse von geschätzt 500.000 Euro überlassen hatte. Marca zufolge will der berühmte Klub der deutschen Nationalspieler Mesut Özil und Sami Khedira jedoch nur von Szalais Wertsteigerung profitieren und den 22-Jährigen mit Gewinn weiterverkaufen. Der junge Tim Tscharnke hat beim Langlauf-Weltcup im schwedischen Gällivare den Sprung unter die besten Zehn knapp verfehlt. Der 20 Jahre alte Teamsprint-Olympiazweite aus Biberau lief über die 15 km Freistil auf Rang elf und verbuchte damit die halbe Norm für die WM in Oslo Ende Februar. Nur 2,1 Sekunden fehlten Tscharnke zu Platz zehn. Axel Teichmann (Bad Lobenstein) und Tobias Angerer (Vachendorf) enttäuschten beim klaren Sieg des Schweden Marcus Hellner auf den Plätzen 37 und 44. Jens Filbrich (Frankenhain) belegte Rang 26. Hinter Hellner sicherten sich der Schweizer Dario Cologna und Daniel Rickardsson aus Schweden die weiteren Plätze auf dem Podium. Bei den Frauen hatte Nicole Fessel (Oberstdorf) die WM-Norm um einen Platz verpasst. Über 10 km lief die 27-Jährige auf Rang neun, zu Platz acht und damit dem Oslo-Ticket fehlten nur sechs Sekunden. Den Sieg sicherte sich die dreimalige Olympiasiegerin Marit Björgen (Norwegen) überlegen vor Charlotte Kalla (Schweden) und Arianna Follis (Italien). Evi Sachenbacher-Stehle (Reit im Winkl) lief als zweitbeste Deutsche nur auf Platz 26. Um das WM-Ticket sicher in der Tasche zu haben, müssen die Athleten des Deutschen Skiverbandes (DSV) einmal unter die Top 8 oder zweimal unter die Top 15 laufen. Auch ein überragender Dirk Nowitzki hat die vierte Saisonniederlage der Dallas Mavericks in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA nicht verhindern können. Zwei Tage nach dem 97:99 bei den New Orleans Hornets verloren die Texaner am Freitag (Ortszeit) auch ihr Heimspiel gegen die Chicago Bulls mit 83:88. Nowitzki war mit dem persönlichen Saisonrekord von 36 Punkten der beste Mann auf dem Parkett; dazu kamen acht Rebounds und drei Assists für den deutschen Nationalspieler. Nationalspieler Jochen Hecht hat beim 4:2 der Buffalo Sabres gegen die Los Angeles Kings sein zweites Tor in der laufenden Saison der nordamerikanischen Eishockey-Profiliga NHL erzielt. Hecht traf in der 16. Spielminute des letzten Drittels mit einem Schlagschuss zum 4:2-Endstand für Buffalo. Überschattet wurde der Spieltag vom Tod des früheren Startrainers Pat Burns. Der 58-Jährige, der mit den New Jersey Devils 2003 den Stanley Cup gewonnen hatte, starb am Freitag nach jahrelangem Kampf gegen den Krebs. 2004 war bei Burns Darmkrebs diagnostiziert worden, ein Jahr später wurden ihm Metastasen aus der Leber entfernt, 2009 tauchten dann erneut Metastasen in der Lunge auf. Burns hinterlässt seine Ehefrau Line. Im Alter von 87 Jahren starb bereits am Donnerstag der zweimalige Stanley-Cup-Gewinner Gaye Stewart. Das Urgestein der Toronto Maple Leafs hatte einst mit knapp 17 Jahren seine Heimatstadt Fort William/Ontario verlassen, um gegen den Willen seiner Eltern Eishockey zu spielen. Noch bevor er 1943 die Calder-Trophäe für den besten Nachwuchsspieler der Saison erhielt, hatte er 1942 als 19-Jähriger mit Toronto erstmals den Stanley Cup geholt. Sieben Jahre nach den Olympischen Spielen 2008 wird Peking erneut Schauplatz eines Sport-Weltereignisses sein. 2015 werden die Leichtathletik-Weltmeisterschaften in der chinesischen Hauptstadt ausgetragen. Dies teilte der Weltverband IAAF am Samstag in Monte Carlo mit. Peking war der einzige WM-Bewerber, nachdem London die Kandidatur kurzfristig zurückgezogen hatte. Die Welttitelkämpfe 2011 und 2013 sind nach Daegu/Südkorea beziehungsweise Moskau vergeben worden. Ausgerechnet das ruhmreiche Tennis-Grand-Slam-Turnier in Wimbledon erweist sich für den Kandidaten England rund zwei Wochen vor der Vergabe der Fußball-WM 2018 als zusätzliches Hindernis. In ihrem Bericht monierte die Bewertungskommission des Weltverbandes FIFA die voraussichtliche Gefahr einer nicht erlaubten Terminkollision der WM-Endrunde mit dem wichtigsten Tennis-Turnier der Welt in der Zeit von Ende Juni bis Anfang Juli. WM-Turniere finden bei einer Austragung in Europa regelmäßig im Juni und Juli statt. Die Austragung von Wimbledon ist seit 1877 von der letzten Juni-Woche bis zum Sonntag des ersten Juli-Wochenendes fixiert. "Es ist eine FIFA-Vorgabe, dass während einer WM keine andere wichtige Sportveranstaltung in einem Spielort stattfindet. Der Umstand, dass Wimbledon von Anfang Juni bis Anfang Juli in London stattfindet, kann Auswirkungen auf das öffentliche Interesse an der WM haben", heißt es dazu in dem FIFA-Bericht. Die FIFA-Exekutive vergibt am 2. Dezember (Donnerstag) in Zürich die WM-Endrunden 2018 und 2022. Das Fußball-Mutterland England kandidiert für 2018 gegen Russland sowie die Partner-Bewerbungen von Spanien/Portugal und Niederlande/Belgien.
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In Kärnten gibt es die erste offizielle Slow-Food-Reiseregion der Welt. Die Bauern sehen darin eine Bestätigung ihrer althergebrachten Lebensweise.
Für den Panoramablick, den Hubert Zankls Kühe von ihrer Weide aus genießen, reisen Touristen viele Hundert Kilometer weit ins beschauliche Gailtal. Das braunweiß gescheckte Fleckvieh aber interessiert sich kein bisschen für die Aussicht auf den Mooskofel oder die Hohe Warte. Sondern einzig und allein für all die frischen Grashalme und die würzigen Wildkräuter, die auf der Wiese wachsen. Zankls zehn Tiere sind das, was man glückliche Kühe nennt. Den Bergsommer verbringen sie in freier Natur; im Winter stehen sie im Stall und bekommen Heu zu fressen - niemals Silage oder Getreide und Soja, wie sie in der Turbomast verfüttert werden, um möglichst viel aus den Tieren herauszuholen. Hubert Zankl will nicht wachsen, mit seinem Bauernhof hat er vier Kinder großgezogen, er ist glücklich, so wie es ist - und wenn man auf seiner blumengeschmückten Veranda sitzt und selbstgemachte Holunderlimonade trinkt, kann man ihn verstehen. Seit das Gail- und das Lesachtal zur weltweit ersten "Slow Food Travel"-Region gekürt wurden, kommen immer öfter Besucher zu den Zankls auf den Stollwitz oberhalb von St. Daniel. Die Städter schauen zu, wie der wettergegerbte Bauer in einem großen Kessel seinen würzigen Bergkäse "dicklegt", indem er der Milch das Lab zuführt. Und sie dürfen selbst Hand anlegen, wenn es darum geht, den cremigen Frischkäse zu salzen und in Kräutern zu wenden. Die Slow-Food-Philosophie findet Hubert Zankl gut, denn: "So arbeiten wir eh schon immer." Wie Zankl denken viele Bauern, Züchter und Handwerker in den abgeschiedenen Gebirgstälern. Eine "Reise zu den Wurzeln des guten Geschmacks", das möchte die Non-Profit-Organisation Slow Food mit ihrem neuesten Projekt bieten. Gegründet wurde sie 1986 im Piemont, aus Protest gegen die Eröffnung der ersten McDonald's-Filiale in Italien. In 130 Ländern ist die Organisation heute aktiv, mehr als eine Million Menschen engagieren sich für ihre Ziele. Im Zentrum steht dabei, das Bewusstsein für den Wert handwerklich erzeugter Lebensmittel wieder zu wecken und Erzeuger zu fördern, die im Einklang mit der Umwelt arbeiten. Das ist auch die Idee hinter "Slow Food Travel": Wenn man den Gast in die Produktion von Lebensmitteln aktiv einbezieht, dann kann er besser nachvollziehen, welchen Wert es hat, wenn Lebensmittel nach überlieferter Tradition von Hand gemacht werden, ohne Stabilisatoren, Emulgatoren und anderen Errungenschaften der Nahrungsmittelindustrie. Doch wie kam es, dass ausgerechnet zwei vergleichsweise unbekannten Gebirgstälern in Kärnten die Ehre zukommt, das neue Siegel tragen zu dürfen? "Im südöstlichen Kärnten gab es den Glücksfall, dass sich auf relativ engem Raum viele kleine Produzenten fanden, die noch ihr überliefertes Handwerk pflegen und so dem Slow-Food-Gedanken gerecht werden", sagt Eckart Mandler, Projektleiter der "Slow Food Travel"-Region. Dazu kam mit der Kärnten-Werbung ein touristischer Partner, der das Projekt begleitete und finanzierte - ein Aspekt, der bei dem Zuschlag keine ganz unerhebliche Rolle gespielt haben dürfte. Rund 100 essbare Wildpflanzen in einer Wiese - das gibt guten Salat Zu den frühen Befürwortern des Projekts zählt auch die Familie Daberer, in deren Bio-Hotel am Waldrand oberhalb von St. Daniel der Slow-Food-Gedanke schon vor Jahren eine Heimat gefunden hatte. Nicht nur beim hausgebackenen Brot und dem Bio-Bier vom Fass, sondern auch in der Küche. Seniorchefin Inge Daberer ist eine im ganzen Tal bekannte Kräuterexpertin. Besucher führt sie am liebsten zum Anschauungsunterricht auf die große Wiese neben dem Haus. Für Städter einfach eine blühende Wiese, für Inge Daberer aber eine reich gefüllte Speisekammer und Apotheke, ein Mikrokosmos an Aromen und Wirkstoffen, den die Natur ihr zum Geschenk macht. Im knöchellangen, blauen Dirndl, auf dem Kopf einen Strohhut gegen die Mittagssonne, so geht sie mit energischen Schritten voran, nur um sich bei nächster Gelegenheit wieder zu bücken und ein violett blühendes Kraut zu schneiden: "Eine Gundelrebe, sie schmeckt herb-aromatisch und passt zu Kartoffelgerichten. Und sie ist gut für die Nieren!" Detailansicht öffnen Brote, Säfte, Salate: Alles, was im Hotel Daberer aufs Buffet kommt, ist in der Region hergestellt. (Foto: Biohotel Daberer) Rund 100 essbare Wildpflanzen hat Inge Daberer auf ihrer Wiese schon identifiziert. In dem Wildkräutersalat, der im Hotel Daberer auf den Tisch kommt, sind Brennnessel und Giersch mit von der Partie, die Taubnessel mit ihren weißen Blüten, junge Schafgarbe und Vogelmiere, die ein wenig nach Mais schmeckt. Überhaupt bescheren die wilden Kräuter dem Gaumen so manche Überraschung. Irene Daberer zieht ihre Kräuterschere aus der Rocktasche ("die ist mir wichtiger als mein Lippenstift") und schneidet ein Kraut mit weißen Blüten: Es ist eine Wasabi-Rauke, die mit ihrem scharf-würzigen Geschmack tatsächlich sehr an die japanische Wurzel erinnert. Auch der Schabziegerklee sei das reinste Chamäleon, sagt Inge Daberer: "Roh hat er kein Aroma, aber getrocknet schmeckt er verblüffend nach Curry." Im Hotel bietet die gelernte Köchin für ihre Gäste einmal pro Woche einen Kochworkshop an. Dort zeigt sie ihnen, wie man die Wasabi-Rauke zu einem knallgrünen Pesto verarbeitet oder aus dem leicht bitteren Meisterwurz, der auf den Almen über 1500 Meter wächst, einen aromatisch-kräftigen Sirup kocht, der mit Prosecco aufgegossen einen ungewöhnlichen Aperitif abgibt. Nicht nur beim Kräuterspaziergang ist der wahre Held die ursprüngliche Natur der Karnischen und Gailtaler Alpen. Man wandert zu Almen, auf denen Senner noch wie vor 100 Jahren den Gailtaler Almkäse herstellen. Oder ins "Tal der hundert Mühlen" rund um den hoch gelegenen Wallfahrtsort Maria Luggau, wo noch die historischen Mühlen klappern. Viele Bauernhöfe sind für Besucher offen, und so kann man am Jörgishof in Tscheltsch mit der Bergbäuerin buttern, im Bauernhof Brandstätter in Würmlach erleben, wie Weißer Landmais zu köstlicher Polenta wird, oder in Kirchbach mit Heimo Oberrauner die dunkelvioletten Kartoffeln der heimischen Sorte Violetta eigenhändig ernten. Im alten Bauernhaus gibt es jetzt Eis, das nach Marille schmeckt. Und bald wohl auch nach Fichte "Als Bauer kann man heute mit nur einem Standbein nicht überleben", sagt Elisabeth Neuwirth, die in ihrem mehr als 400 Jahre alten Bauernhaus am Ortsrand von Gunderschach "Lissis Bauerneis" verkauft. Das Erdbeereis leuchtet intensiver rot als jedes Industrieeis, obwohl es keine Farbstoffe enthält, sondern nur die Früchte von den eigenen Beeten. 22 Kühe liefern Milch und Rahm, der üppige Bauerngarten hinter dem Haus beste Rohstoffe: je nach Saison Marillen und Zwetschgen, Himbeeren und Kirschen, nicht zu vergessen die Gravensteiner Äpfel von dem alten Baum. Im Sommer, wenn Hochsaison ist, verarbeitet die Bäuerin bis zu 150 Liter Milch am Tag. Abnehmer sind nicht nur die Wanderer und Radler, die sich auf dem Hof ein erfrischendes Joghurt-Ribisleis oder ein Hollersorbet holen, sondern zunehmend auch Gastronomen aus dem Tal. Sie schätzen nicht nur die regionale Bio-Qualität, sondern auch Elisabeth Neuwirths Experimentierlust - zurzeit denkt sie über ein Fichtennadeleis nach. Dass ausgerechnet ein weitgehend unbekannter Zipfel im Süden Österreichs das Rennen um die Auszeichnung machte, hat auch damit zu tun, dass die Region kulinarisch eine ganz eigene Handschrift zu bieten hat: Von jeher treffen hier maritime und alpine Küche aufeinander. Gail- und Lesachtal gehören zur sogenannten Alpe Adria, jener Gegend, die den Übergang von den Alpen zum Meer darstellt und die Kärnten, Friaul-Venetien sowie Teile Sloweniens umfasst. Wie stark hier, nur 20 Kilometer von der italienischen Grenze entfernt, die südlichen Einflüsse in der Küche spür- und schmeckbar sind, zeigt ein Besuch im Gasthof Grünwald in St. Daniel. Er ist berühmt für seine guten "Nudln", die typischen Kärntner Teigtaschen, die ihre Verwandtschaft zu italienischen Ravioli nicht leugnen können. Die Kärntner Variante allerdings erkennt man an der kunstvollen Art, wie die Teigtaschen verschlossen werden, mit einem Rand, der an gehäkelte Spitze erinnert. Die Wirtinnen Ingeborg und Gudrun Daberer zeigen alle zwei Wochen montags Besuchern, wie man Nudlteig macht, ihn hauchdünn auswellt, mit einer von rund 20 verschiedenen Füllungen bestreicht, zusammenfaltet und dann mit Daumen und Zeigefinger "krendlt", sodass der Rand sich wie ein Zopf um die köstliche Teigtasche legt. "Zu meinen schönsten Kindheitserinnerungen gehört das Freitagmittagessen", sagt Gudrun Daberer. "Dann gab es immer Kas- und Kletznudeln mit Krautsalat und einem Glas Milch." Noch heute stehen die Kletznudeln mit ihrer Füllung aus Quark und Dörrbirnen auf der Speisekarte. Die Birnen, die sich gut zum Trocknen eignen, bekommen die Schwestern von einer alten Bäuerin bei Hermagor. In deren Garten haben noch einige Bäume der alten Sorte Lederbirne überlebt. Und so bleibt auf den Tellern im Gasthof Grünwald wieder ein Stück Geschmacksvielfalt erhalten, ganz im Sinne von "Slow Food Travel". Reiseinformationen Anreise: Die abgelegenen Täler sind am besten per Auto zu erreichen, z.B. von München in ca. dreieinhalb Stunden über A 8 und A 93. Übernachten: Im Bio-Hotel Daberer ab 117 Euro p. P. im DZ mit HP und Mittagsimbiss, www.biohotel-daberer.at Einkehren: Gasthof Grünwald in Dellach, www.gruenwald.dellach.at, Landhaus Kellerwand Sonnleitner, www.sissy-sonnleitner.at Einkaufen: Edelgreißlerei Herwig Ertl in Kötschach-Mauthen, www.herwig-ertl.at, Bäckerei Matitz, Kötschach-Mauthen Weitere Auskünfte: zur "Slow Food Travel"-Region unter www.slowfood.travel, zum Lesach- und Gailtal: www.nlw.at
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Bundesliga hält Premier League in der Uefa-Wertung auf Abstand. Tennisspieler Philipp Kohlschreiber erreicht das Halbfinale von Moskau. Skifahrerin Lindsey Vonn sagt Weltcup-Auftakt ab.
Fußball, Uefa: Deutschland hat in dieser Woche als Zweiter der UEFA-Fünfjahreswertung seinen Vorsprung auf England ausgebaut. Trotz der Niederlage von Bayern München beim FC Arsenal in der Champions League holte die Bundesliga mit 1,285 Punkten mehr als die Premier League (0,875). Auch der Vierte Italien, der auf einen Punkt kam, wurde vor allem dank der Unentschieden von Leverkusen und Mönchengladbach in den direkten Vergleichen auf Distanz gehalten. Ein Abrutschen der Bundesliga auf Platz vier würde den Verlust eines Startplatzes in der Champions League bedeuten. An der Spitze zieht Spanien (1,571 Punkte) weiter einsam seine Kreise. Mit den zusätzlichen Bonuspunkten für das Erreichen der jeweiligen K.o.-Runden wird den Iberern inzwischen sogar zugetraut, in dieser Saison die 100-Punkte-Marke in der Fünfjahreswertung zu knacken. Deutschland hat am 3. Spieltag die 70-Punkte-Hürde überwunden. - Die UEFA-Fünfjahreswertung 2015/16 (maßgeblich für die Vergabe der Startplätze 2017/18) Tennis: Philipp Kohlschreiber steht beim Tennisturnier in Moskau unter den letzten Vier. Der 32 Jahre alte Augsburger gewann am Freitag im Viertelfinale gegen den Niederländer Robin Haase mit 6:2, 6:4. Im Halbfinale trifft Kohlschreiber auf Roberto Bautista Agut aus Spanien. Das Hartplatz-Turnier in Russlands Hauptstadt ist mit gut 771 000 Dollar dotiert. Mona Barthel steht zudem zum zweiten Mal in dieser Saison im Halbfinale eines WTA-Turniers. Die Weltranglisten-55. aus Neumünster setzte sich in Luxemburg gegen Mirjana Lucic-Baroni aus Kroatien 6:3, 6:4 durch und spielt am Samstag gegen Stefanie Vögele um den Einzug ins Endspiel. Die Schweizerin verhinderte ein deutsches Halbfinale mit ihrem 6:4, 2:6, 6:1-Sieg gegen Laura Siegemund (Metzingen). Ski Alpin, Lindsey Vonn: Olympiasiegerin Lindsey Vonn verzichtet wegen der Nachwirkungen ihrer Knöchelverletzung auf einen Start beim Weltcup-Auftakt in Sölden/Österreich. Das erklärte die Amerikanerin einen Tag vor dem Riesenslalom auf dem Rettenbachferner am Samstag (9.30/12.45 Uhr, ARD und Eurosport), mit dem der Ski-Winter traditionell eröffnet wird. "Die eisigen Bedingungen auf dem Berg gepaart mit der Tatsache, dass es erst zehn Wochen her ist, seit ich mir den Knöchelbruch zugezogen habe, machen mich leicht zögerlich", erklärte Vonn am Freitag: "Aus diesem Grunde habe ich entschieden, nicht am Rennen teilzunehmen. In dieser Phase meiner Karriere glaube ich, dass es besser ist, auf Nummer sicher zu gehen." Vonn steht nach dem neuerlichen Rückschlag in der Vorbereitung auf eine Saison ohne Großereignisse erst seit Donnerstag wieder auf Skiern. Nach nur zwei Trainingstagen in Sölden sieht sie sich aber noch nicht bereit, schon wieder Rennen zu fahren. Ihr Comeback ist nun für die ersten Übersee-Rennen in Aspen/US-Bundesstaat Colorado und Lake Louise/Kanada Ende November/Anfang Dezember geplant. Vor ihrem Knöchelbruch hatte Vonn mit schweren Knieverletzungen zu kämpfen. Fußball, Fifa: Der frühere FIFA-Funktionär Jérôme Champagne (Frankreich) hat seine Kandidatur für das Präsidenten-Amt beim Fußball-Weltverband bestätigt. "Ich habe meine Unterlagen abgegeben und die Unterstützung von fünf Mitgliedsländern", sagte der 57-Jährige drei Tage vor Ablauf der Bewerbungsfrist am Montag (26. Oktober) der Nachrichtenagentur AFP. Champagne ist für die am 26. Februar angesetzte Wahl eines Nachfolgers für den suspendierten FIFA-Boss Joseph S. Blatter (Schweiz) der vierte Bewerber. Vor dem ehemaligen Diplomaten hatten auch schon sein Landsmann Michel Platini, der derzeit ebenfalls suspendierte Chef der Europäischen Fußball-Union (UEFA), sowie der jordanische Prinz Ali bin Al Hussein und der frühere Fußball-Profi David Nakhid (Trinidad und Tobago) ihren Hut auch offiziell in den Ring geworfen. Champagne sieht seine frühere Tätigkeit bei der FIFA als Empfehlung, nicht als Makel. "Um die benötigten Reformen bei der FIFA durchzuführen, muss es jemanden geben, der die Institution kennt. Ich schäme mich auch nicht für die Jahre, die ich bei der FIFA war. Sie sind kein Nachteil, im Gegenteil", sagte Champagne im AFP-Gespräch. Champagne war von 1999 bis 2010 in verschiedenen beratenden Funktionen für die FIFA tätig und war lange Zeit einer der engsten Blatter-Vertrauten. Tischtennis, Warschau: Der zwölfjährige Japaner Tomokazu Harimoto hat als jüngster Spieler aller Zeiten auf der Tischtennis-World-Tour das Hauptfeld im Herren-Einzel erreicht. Dies gelang dem Youngster bei den hochkarätig besetzten Polish Open durch ein 11:9 im entscheidenden siebten Satz gegen den früheren EM-Finalisten Tan Ruiwu aus Kroatien, wie der Weltverband ITTF am frühen Freitagmorgen mitteilte. "Ich bin glücklich, der Jüngste überhaupt zu sein, der es ins Hauptfeld schafft", sagte der stolze Harimoto. "Ich habe schon mit zwei Jahren mit Tischtennis angefangen wegen meiner Eltern, die auch Tischtennisspieler waren", berichtete der Zwölfjährige. "Als kleiner Junge habe ich auf einem Stuhl gesessen und versucht, Tischtennis zu spielen. Heute trainiere ich jeden Tag neun Stunden." Aus Deutschland überstand nur der Bergneustädter Ricardo Walther die Qualifikation. Am Freitagnachmittag greift auch Europameister Dimitrij Ovtcharov (Orenburg/Russland) in den Wettbewerb ein. Basketball, Bayern München: Basketball-Vizemeister Bayern München hat nach einer glänzenden Leistung sein Heimdebüt in der Euroleague gewonnen. Die Mannschaft von Trainer Svetislav Pesic setzte sich am zweiten Spieltag vor 6015 Zuschauern gegen den amtierenden Eurocup-Champion BK Chimki mit 69:60 (45:31) durch. Zum Auftakt hatten die Bayern eine Woche zuvor beim türkischen Starensemble von Fenerbahce Istanbul unglücklich mit 67:74 (39:30) verloren, Chimki hatte Titelverteidiger Real Madrid klar 84:70 geschlagen. Weitere Gegner der Münchner in der stark besetzten Gruppe A sind Adria-Liga-Meister Roter Stern Belgrad und SIG Straßburg. Vor allem in der ersten Halbzeit dominierten die Bayern überraschend und lagen zwischenzeitlich mit 18 Punkten in Führung. Bester Werfer des Bundesliga-Dritten war Nihad Djedovic mit 16 Punkten, bei Chimki kam der ehemalige NBA-Star Alexej Schwed ebenfalls auf 16 Zähler. Fußball, Karl-Heinz Rummenigge: Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hat wegen mangelnder medizinischer Betreuung der Nationalspieler des Vereins Kritik an den südamerikanischen Verbänden geäußert. Die Spieler seien "zum Teil nicht seriös behandelt worden. Ich appelliere gerade an die Südamerikaner, die medizinische Versorgung deutlich zu verbessern", schrieb Rummenigge im Vorwort des Bayern-Magazins zum Bundesligaspiel des Rekordmeisters am Samstag (15.30 Uhr/Sky) gegen den 1. FC Köln. "Wir mussten das gerade wieder bei Douglas Costa erleben: Er wurde von den Brasilianern nach dem Länderspiel einfach ins Flugzeug gesetzt, nach dem Motto: 'Nach uns die Sintflut'. Seine Verletzung am Fuß hätte zumindest einen Druckverband erfordert", schrieb Rummenigge. Man wolle und könne den Südamerikanern die langen Reisen zu Länderspielen nicht verbieten, führte Rummenigge weiter aus: "Für diese Spieler ist das auch eine Frage der Ehre. Aber es kann nicht angehen, dass die Verbände die Spieler ohne professionelle Versorgung zurück zu ihren Klubs schicken." Die Bayern stellen derzeit aus ihrem Kader Costa für Brasilien und Arturo Vidal für Chile ab. Fußball, Wolfsburg: In der Wolfsburger Innenstadt hat es eine Massenschlägerei zwischen Fußballfans gegeben. Vor dem Champions-League-Vorrundenspiel des VfL Wolfsburg gegen den niederländischen Klub PSV Eindhoven gerieten 40 bis 50 Menschen in einer Geschäftsstraße aneinander, wie ein Polizeisprecher am Mittwochabend sagte. Zunächst war noch nicht bekannt, was der Anlass für die Auseinandersetzung zwischen den Gruppen gewesen war und ob es Verletzte gegeben hat. Sechs Beteiligte wurden in Gewahrsam genommen. Fußball, U17-WM: Die deutschen U 17-Fußballer haben vorzeitig das Achtelfinale bei der Weltmeisterschaft in Chile erreicht. Die Mannschaft von Trainer Christian Wück gewann nach dem 4:1-Auftaktsieg gegen Australien auch das zweite Gruppenspiel gegen Argentinien am Mittwoch (Ortszeit) mit 4:0 (3:0) und steht damit vor der letzten Partie gegen Mexiko am Sonntag schon in der nächsten Runde. Die Treffer für die DFB-Auswahl erzielten Vitaly Janelt (5.), Johannes Eggestein (32.), Felix Passlack (45.+2/Foulelfmeter) und Niklas Schmidt (67.). Fußball, Jürgen Klopp: Jürgen Klopp hat knapp zwei Wochen nach seinem Antritt beim FC Liverpool den englischen Fußballverband FA kritisiert. Der 48-Jährige ist verärgert, weil Liverpools 18 Jahre altes Talent Jordan Rossiter nach einer U19-Länderspielreise der Engländer mit einer Oberschenkelverletzung zurückkehrte. "Ich habe noch von keinem 18-Jährigen gehört, der drei Spiele innerhalb von fünf Tagen absolvieren muss", sagte Klopp auf der Pressekonferenz vor der Europa-League-Partie gegen Rubin Kasan am Donnerstag (21.05 Uhr/Sky): "Diese jungen Spieler sind unsere Zukunft. Wenn wir sie wie Pferde behandeln, werden sie auch zu Pferden. Ich weiß nicht, mit wem ich über diese Sache reden muss, aber ich werde einen Weg finden, denn das ist nicht in Ordnung." Mittelfeldspieler Rossiter hatte Anfang des Monats drei Partien über 90 Minuten in der EM-Qualifikation der englischen U19 absolviert. Für die Reds kam er zweimal in der Europa League zum Einsatz. Ski Alpin, Anna Fenninger: Skirennfahrerin Anna Fenninger hat sich vor dem ersten Weltcup-Rennen im Training eine schwere Knieverletzung zugezogen und wird die gesamte Saison ausfallen. Wie der österreichische Skiverband (ÖSV) am Mittwoch mitteilte, muss die Gesamtweltcupsiegerin der beiden vergangenen Jahre operiert werden. "Es handelt sich um einen Riss des inneren Seitenbandes und des vorderen Kreuzbandes. Außerdem hat sie sich im rechten Knie auch einen Riss der Patellasehne zugezogen, der ebenfalls operativ behandelt werden muss", berichtete ÖSV-Arzt Christian Hoser. Die 26-Jährige war am Morgen beim Training auf dem Rettenbachgletscher in Sölden gestürzt. Tennis, WTA-Finale: Deutschlands beste Tennisspielerin Angelique Kerber hat ihre dritte Teilnahme an den WTA-Finals in Singapur definitiv sicher. Kerbers Qualifikation stand nach einer Niederlage ihrer Konkurrentin Lucie Safarova aus Tschechien gegen die Russin Anastasia Pawljutschenkowa am Mittwoch in Moskau fest. "Ich hatte eine großartige Saison und habe mich wirklich angestrengt, um mich für Singapur zu qualifizieren", sagte die 27-Jährige in einer am Mittwoch verbreiteten Mitteilung der Damen-Profivereinigung WTA. An den WTA-Finals nehmen die acht besten Spielerinnen der Saison teil, Kerber war schon 2012 und 2013 dabei und im Vorjahr Ersatzspielerin. Golf, Tiger Woods: Tiger Woods muss erneut eine lange Auszeit fürchten. Nach seiner Rückenoperation vor einem Monat habe er noch nicht mit dem Aufbautraining begonnen, sagte der 39 Jahre alte Amerikaner am Dienstag (Ortszeit) am Rande eines Einladungsturniers in Mexiko-Stadt. "Die Reha wird bald sein, und sie wird zäh und lang", sagte Woods. "Einige Spieler auf der Tour haben dieselbe Prozedur durchgemacht, und frei von Rückenschmerzen zu werden hat bei ihnen länger als ein Jahr gedauert." Woods machte vor der Operation ein eingeklemmter Nerv zu schaffen. Bereits im März 2014 war der Gewinner von 14 Major-Titeln am Rücken operiert worden. Diese Woche war Woods in der Weltrangliste auf Rang 334 abgerutscht. Sein bislang letztes Turnier spielte er beim Wyndham Championship in Greensboro/North Carolina im August, als er Zehnter wurde. Seinen letzten Turniersieg feierte er 2013.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/weltwirtschaft-warum-eine-neue-finanzkrise-immer-wahrscheinlicher-wird-1.2616383
mlsum-de-9974
Eine toxische Mischung lässt die Weltbörsen zittern: China schwächelt, die Schwellenländer ebenso und die Zinsen sind niedrig. Diesmal fehlt das Gegengift.
Der Blick auf die Kurse lässt nichts Gutes erahnen, und zusammen mit der jüngeren Geschichte ist der Blick nach vorn nicht gerade beruhigend. Schlechte Nachrichten aus China und Sorgen um die Weltkonjunktur lasten auf den Börsen, die wichtigsten Indizes sind zuletzt stark gefallen. Der deutsche Leitindex Dax steht wieder auf dem Niveau von Mitte Januar, am Freitag rutschte er drei Prozent ab. Der Dow Jones velor am gleichen Tag im Wochenvergleich um 5,8 Prozent, der japanische Nikkei fiel allein in fünf Tagen mehr als fünf Prozent. Das ist mehr als nur schlechte Stimmung. Ende August 2015 haben die Finanzmärkte eine der längsten Boom-Phasen ihrer Geschichte erlebt. Jetzt sind entscheidende Wochen angebrochen: Ist dieser Boom vorbei? Droht gar ein Absturz, der eine weltweite Krise zur Folge hat? Um ihre Exportwirtschaft zu stützen, überbieten sich die Zentralbanken mit Abwertungen Darüber lässt sich spekulieren, und sollte ein Crash bevorstehen, wird es danach wie immer Menschen geben, denen man nachsagt, ihn vorausgesagt haben. Was aber sicher ist: Die Risiken sind zuletzt deutlich gestiegen. Das hat derzeit viel mit China zu tun, der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Dort sind die Börsen im laufenden Jahr dramatisch eingebrochen, was die Regierung nur zeitweise durch Stützkäufe auffangen konnte. Die Börse Shanghai stürzte binnen einer Woche erneut um mehr als ein Zehntel ab. Zuvor hatte die chinesische Zentralbank Mitte des Monats die Landeswährung Yuan stark abgewertet und ihr den größten Wertverlust der Währung seit 1994 bereitet. Das entlastet die chinesischen Exporteure, verteuert allerdings Importe und erzeugt damit Druck auf ausländische Unternehmen, die ihre Waren in China verkaufen. Zuletzt mehrten sich angesichts schlechter Daten zu Investitionen, Exporten und der Industrieproduktion auch die Sorgen, China könne seine Wachstumsziele verfehlen. "Die Entwicklung der Weltkonjunktur hängt jetzt weiterhin sehr stark von China ab", sagt Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank. Diese Unsicherheit hat sich zu einer der größten Risiken für die Entwicklung der Weltbörsen angestaut. Wer jetzt nach einer Finanzkrise Ausschau hält, muss indes nicht lange suchen: In etlichen Schwellenländern ist sie bereits Realität. Die Börsen in Ländern wie Malaysia, der Türkei und Südkorea sind stark gefallen; insgesamt finden sich mehr als 20 Märkte aus der zweiten Reihe, an denen die Kurse binnen Monatsfrist abgestürzt sind. Vor allem rohstoffabhängige Volkswirtschaften sind stark unter Druck geraten, nachdem die Preise für die wichtigsten Industrierohstoffe einhergehend mit dem Ölpreis einbrachen. Zugleich werteten die Währungen zahlreicher Schwellenländer stark ab, jüngst reihte sich Kasachstan in die Gruppe der Länder ein, die mit Abwertungen auf den drohen Abschwung reagieren. Hinzu kommt der arge Kapitalabfluss: Bis zu einer Billion Dollar könnten Investoren in den vergangenen 15 Monaten aus Schwellenländern abgezogen haben. Das setzt die Währungen zusätzlich unter Druck. Schon ist vor allem in den Ländern, welche Waren nach China exportieren, von einem Abwertungswettlauf die Rede: Um ihre Exportwirtschaft zu stützen, überbieten sich die Zentralbanken mit Abwertungen. Herdenverhalten ließ den Dax steigen Bank-Volkswirt Bielmeier warnt, die Sorgen an den Finanzmärkten könnten sich auf die Realwirtschaft ausdehnen und zu Konsum- und Investitionszurückhaltung vor allem in Industrieländern führen. "Man darf nicht vergessen, dass die weltwirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre von diesen Ländern getragen war", sagt er. An einen Crash glaubt er nicht - für zu gut hält er die Mischung aus niedrigen Energiekosten und Nullzinsen. Bislang waren die meisten davon ausgegangen, dass die Aktienkurse weiter steigen würden, ganz einfach, weil es an Investment-Alternativen mangelt. Das Argument: Pensionskassen und Fonds müssen Renditen für die Kundschaft erwirtschaften, doch seit die wichtigsten Zentralbanken der Welt den Zins praktisch bei null Prozent fixiert haben, werfen Anleihen viel zu wenig ab. Die Profis sprechen vom Anlagenotstand, das heißt, vom Zwang, soviel Geld wie möglich in Aktien zu stecken, weil dort die höchsten Profite möglich sind. Das Herdenverhalten führte jüngst dazu, dass beispielsweise der Dax bis April mit mehr als 12 000 Punkten auf ein neues Rekordhoch gestiegen war. Doch nun geht es abwärts. Das Wirtschaftswachstum lässt auf sich warten. Im Grunde sollten niedrige Zinsen dazu führen, dass mehr investiert und konsumiert wird, was die Unternehmensgewinne steigert. So ließen sich auch steigende Aktienkurse erklären. Doch dieser erhoffte Effekt blieb weitgehend aus. Trotz Nullzinspolitik wird insgesamt weniger investiert und weniger konsumiert - aber mehr gespart. "Deshalb leidet die Welt unter einer mangelnden Nachfrage", sagt Joachim Fels, Berater der Fondsgesellschaft Pimco. Ein Dilemma: Investoren müssen Aktien kaufen - weil festverzinsliche Anlagen zu wenig Rendite bringen. Zugleich geben die niedrigen Zinsen zu wenig Wachstumsimpulse, um stetig steigende Kurse zu rechtfertigen. Sinken die Investitionen, rotieren die Ersparnisse im Finanzsystem und können dort Preisblasen erzeugen. Kommt es Mitte September zum Zinsschritt, dürfte der Dollar deutlich an Wert gewinnen Die bisher letzte Blase platzte 2008. Damals sprangen die wichtigsten Zentralbanken als Retter in der Not ein und senkten die Zinsen. Das können sie bei der nächsten Krise nicht mehr tun, weil die Zinsen schon bei null liegen. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, die Zentralbank der Zentralbanken, warnt in ihrem Jahresbericht: Die weltweit extrem niedrigen Zinsen seien Anzeichen "einer größeren Malaise". Das Wirtschaftswachstum sei unausgewogen, die Schulden und die finanziellen Risiken noch immer zu hoch. Zum Schicksalstag für die Börsianer könnte der 17. September werden. An diesem Tag entscheidet die US-Notenbank Fed darüber, ob sie an ihrer Null-Zins-Politik zur Stützung der Konjunktur festhält, oder ob die wirtschaftliche Lage in den Vereinigten Staaten mittlerweile so robust ist, dass sie es wagen kann, erstmals seit neun Jahren die Leitzinsen wieder anzuheben. Wie die Entscheidung auch ausfällt - angesichts des unruhigen Umfelds könnte es für die Aktienmärkte erst einmal weiter bergab gehen: Strafft die Fed wie erwartet die Geldpolitik, bedeutet das, dass die Zeit des billigen, die Börsen immer weiter befeuernden Geldes tatsächlich zu Ende geht. Belässt sie den Leitzins hingegen bei null, würde das als Beweis dafür gewertet, dass die Notenbank der Stabilität der US-Konjunkturentwicklung immer noch misstraut. Beides wäre, zumindest auf kurze Sicht, gleich schlecht für die Märkte. Die Notenbank muss beweisen, dass Normalität möglich ist Kommt es zum Zinsschritt, dürfte der Dollar merklich an Wert gewinnen, manche Experten halten einen raschen Anstieg um zehn Prozent für nicht ausgeschlossen. Das würde US-Exportfirmen und deren Aktienkurse belasten, käme zugleich aber den Bemühungen der Europäischen Zentralbank (EZB) entgegen, den Euro-Kurs möglichst niedrig zu halten. Spiegelbildlich zur Entwicklung in den USA könnten die Kurse europäischer Exportunternehmen somit steigen. Da Anlagen in Dollar bei einer Zinserhöhung attraktiver würden, bestünde die Gefahr, dass Investoren Geld aus den Schwellenländern abzögen, was die vielerorts ohnehin schwierige Lage noch einmal verschärfen würde. Die Entscheidung der Fed hat jedoch noch eine ganz andere Dimension, die weit über die Frage einer Zinserhöhung um 0,25 oder 0,5 Punkte hinausgeht. Die Notenbank muss grundsätzlich beweisen, dass nach einer geldpolitischen Extremphase mit Niedrigstzinsen und gigantischen Programmen zum Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren, eine Rückkehr zur Normalität möglich ist. Genau das haben prominente Kritiker immer bezweifelt, unter ihnen Bundesbankpräsident Jens Weidmann: Er hatte schon früh gewarnt, die Politik des billigen Geldes, wie sie die Fed und die EZB betrieben, könne "süchtig machen wie eine Droge". Sollte sich erweisen, dass der Entzug dieser Droge tatsächlich problematisch ist, könnte das an den Märkten für weitere erhebliche Verwerfungen sorgen. Das Potenzial dazu ist groß. Das nach einer Formel des Wirtschaftsprofessors Robert Shiller berechnete Kurs-Gewinn-Verhältnis für den S&P-500-Index - ein um jährliche Schwankungen bereinigtes Bewertungsmaß für Aktien - notiert deutlich über seinem historischen Mittel, und nur dreimal seit 1882 stand es höher: in den Jahren 1929, 2000 und 2007.
https://www.sueddeutsche.de/stil/werbelyrik-geschwaetzig-ding-1.2660972
mlsum-de-9975
Firmen verwenden viel Mühe darauf, ihre Produkte mit blumigen Worten zu versehen. Aber wozu eigentlich Werbung, wenn man doch bereits gekauft hat?
Das Mundwasser Odol wurde vor 120 Jahren ins deutsche Markenregister eingetragen. Auf der Homepage der Firma ist heute eine mutmaßlich heitere Zusammenrottung von Menschen abgebildet, zu der immer neue Leute strömen. Als Motto steht darüber: "Wir sind nicht geboren, um allein zu sein", zwei Sprechblasen aus der Menge heraus sagen: "Schön, dass du da bist" und ferner: "Komm doch näher & erlebe die sympathische Odol-Frische." Die Form der Odol-Flasche ist geblieben, doch hielt die in der Anfangszeit übliche Produktbeschreibung nicht annähernd so locker wie heute die Mitte zwischen menschlicher Zuwendung und philosophischem Anspruch. Damals war auf dem Etikett in strohtrockener Prosa zu lesen: "Nach dem heutigen Stande der Wissenschaft ist Odol nachweislich zur Pflege der Zähne und des Mundes besonders zu empfehlen." Das Wort "nachweislich" war unterstrichen. Dass der Hersteller sein Produkt lobt, liegt in der Natur der Sache, und wenn er beim Lob übers Ziel hinausschießt, nimmt ihm das kein Mensch übel. Die Arbeit des Lobs wird in aller Regel von Werbeagenturen geleistet, wobei es nicht jeder von ihnen gelingt, die damit verbundene Mühe unbemerkt bleiben zu lassen. Als Rama noch Rahma hieß, schaltete ihr Hersteller, die Deutschen Jurgenswerke AG, eine Anzeigenseite, deren obere Hälfte durchaus passend von Kühen und einer adretten Maid bestritten wurde. Darunter fand sich allerdings ein betuliches Gebrumme über die Ernährung als "Hüterin der Gesundheit" und darüber, dass die Hausfrau Rahma "ihrem Haushalt unbedingt zunutze machen" müsse. Zu allem Überfluss war daneben der Margarine-Erfinder Hippolyte Mège-Mouriès abgebildet, ein grämlich blickender und außerdem noch ungesund wirkender Mann. Die Produkte selbst müssten ihr eigenes Lob nicht mehr singen, da sie ja bereits vergeben sind Beschäftigt man in der Werbung noch Dichter? Wahrscheinlich nicht, was inso-fern auch kein Schaden ist, als diese mit den professionellen Werbetextern meist nicht mithalten können. Goethe hat 1810 ein Gedicht auf die Ankunft der österreichischen Kaiserin Maria Ludovica in Karlsbad geschrieben, in dem sich auch ein längerer Einschub zugunsten des Kurorts findet: "Hier im waldbewachsnen Tale, / Das so mancher Fremde segnet, / Weil mit heilsam heißer Schale / Die Genesung ihm begegnet" - und so fort, das geht noch ein paar Zeilen. Heute wirbt Karlovy Vary mit dem Slogan "Eine Kurstadt wie keine andere". Das Gelbe vom Ei ist das auch nicht, aber sachlich ist dagegen jedenfalls nichts einzuwenden. Detailansicht öffnen Wenn es um Dichter geht, die sich in der Produktverherrlichung hervorgetan haben, tritt sofort Frank Wedekind aus der Kulisse. Mittlerweile weiß fast jeder, dass Wedekind sich nach einem heftigen Familienkrach eine Weile selber fortbringen musste und dass ihm da der Werbejob bei Julius Maggi sehr zupass kam. Sein diesbezügliches Œuvre ist gut dokumentiert und weist Perlen auf wie dieses deutlich von Goethes "Erlkönig" inspirierte Gedicht, das man gern mal vom Team des Maggi-Kochstudios vorgetragen bekäme: "Vater, mein Vater! / Ich werde nicht Soldat, / Dieweil man bei der Infantrie / Nicht Maggi-Suppen hat! // Söhnchen, mein Söhnchen! / Kommst du erst zu den Truppen, / So ißt man dort auch längst nur Maggi's / Fleischconservensuppen." Und was isst man beim Boxtraining? Unter einem Foto Max Schmelings stand einmal: "Bei Kampf und Training allerwegs - / Nicht überlegs! / Iss Bahlsen-Keks!" Als das erschien, war Wedekind freilich schon ein paar Jahre tot. Der Sinn der Werbung ist doch wohl der, Produkte so anzupreisen, dass sie gekauft werden und dass im Käufer die Bereitschaft geweckt wird, ebendieses Produkt immer wieder zu kaufen. Die Produkte selbst müssten nach dieser Logik ihr eigenes Lob nicht mehr singen, da sie ja bereits vergeben sind. Ein Gang durch die Regale zeigt jedoch, dass sich die Werbung auf den Produkten fortsetzt, eine Werbung freilich, die nicht länger der Erweckung und Rekrutierung des Kunden dient, sondern offenkundig dessen sanfter, softiger Einlullung, einer Art von Konditionierung. Wie anders wäre zu erklären, was auf der Duschcreme one ginger morning ge-schrieben steht? Dort steht: "Aufgewacht Prinzessin und raus aus den Federn . . . Ich strecke mich, gähne ins Kissen und hasche nach dem Traum . . . voll Neugier auf den neuen Tag." Der Text geht, unbeschadet allfälliger literarischer Qualitäten, derart ins Leere, dass es schon wieder ein Jammer ist. Erstens gähnt selbst die schläfrigste Prinzessin beim Duschen nicht mehr ins Kissen, und zweitens ist der Duschvorgang selbst von der Art, dass man dabei keine Gaga-Texte von der Plastikflasche abliest. Wer auf der Toilette sitzt, liest ebenfalls nicht, zumindest nicht die Plastikhülle für die Klopapierrollen. Dennoch hat auf der Verpackung von Zewa Ultra Soft ein Wortspielkünstler seinen Fußabdruck hinterlassen: "Gönnen Sie Ihrem Po ein Wohlfühl-,PO'gramm, denn er ist immer für Sie da." Was für ein POet! ‹ › "Noch von Tau bedeckt öffnen sich die Blüten in der Morgensonne und entfalten in der ersten Wärme des Tages ihren zauberhaft jugendlichen Duft." Bild: x ‹ › "In der warmen Sonne badend, glücklich die Welt umarmend, werden Sie diese Sommerliebe nie wieder loslassen wollen. Gönnen Sie sich kuschelweiche Wäsche mit dem verführerischen Duft von feiner Vanille und einem geheimnisvollen Extra." Bild: x ‹ › "Gönnen Sie Ihrem Po ein Wohlfühl-"PO"gramm, denn er ist immer für Sie da." Bild: x ‹ › "Sauer macht lustig, dachten sich Bob Banane und Alfred Apfel. Daher luden sie Hansi Himbeere ein und die drei wurden enge Freunde! Was für eine freche Mischung!" Bild: x ‹ › "Der süße Nektar der Kokosblüte verwandelt sich im Kessel über dem Holzfeuer zu einem feinen kristallinen Zucker mit sanften Karamell-Aromen. Java Kiss ist wie eine indonesische Rarität, die wie ein zarter Kuss das Leben bereichert." Bild: Jörg Strombach; x ‹ › "Aufgewacht Prinzessin und raus aus den Federn... Ich strecke mich, gähne ins Kissen und hasche nach dem Traum... voll Neugier auf den neuen Tag." Bild: x ‹ › "Warum Luftschlösser bauen, wenn man mit dieser fruchtigen Komposition auf Traumreise gehen kann?" Bild: x Wird geladen ... Auch hier wird die blanke Produktinformation auf leisen Pfoten umgangen An derlei Kitsch hat es auf den Verpackungen in jüngster Zeit keinen Mangel. Wir kennen den Kitsch am Bau, den literarischen Kitsch, den patriotischen Kitsch und den Gebrauchskitsch, nicht zu reden vom philosophischen Kitsch, der Adorno zufolge fassbaren Lehren aus dem Weg geht und es vorgezogen hat, in die Sprache abzurutschen. Hier, zwischen Dusche und Klo, scheint es sich um einen Kitsch zu handeln, der mit dem Begriff Wohlfühl- oder Wellnesskitsch am ehesten zu fassen wäre. Auch hier wird die "Lehre", also die blanke Produktinformation, auf leisen Pfoten umgangen, dafür suhlt man sich in einer Prosa, die in unserem Alltag zuverlässig immer dann zur Stelle ist, wenn dem leidigen Baumeln der Seele ein adäquates Umfeld geschaffen werden soll. Vor gut dreißig Jahren widmete sich Harry Pross' "Kornhaus-Seminar" dem Thema Kitsch. Die neue Wellnesspoesie wäre sicher für einen kleinen Exkurs gut gewesen, am besten für einen aus dem Mund des Medien- und Kommunikationsphilosophen Vilém Flusser. Dessen Erörterungen gingen damals unter anderem dahin, dass Kitsch eine Methode sei, "dank welcher der überzufließen drohende Abfall in die Kultur zurückgeführt wird", und als das Faszinierende am Kitsch definierte er den Umstand, dass es bei ihm "um eine Absage an das Gespräch und um eine Bejahung des Geredes geht". Freilich gab es seinerzeit Produkte wie die Pflegedusche Blütenmeer - "Noch von Tau bedeckt öffnen sich die Blüten in der Morgensonne" - noch nicht, und wenn doch, so wäre Flusser der Letzte gewesen, unter der Dusche so einer Lektüre zu obliegen.
https://www.sueddeutsche.de/reise/israel-tanzen-bis-zum-marschbefehl-1.18369
mlsum-de-9976
Wer in Jerusalem ausgeht, sucht vor allem Normalität: Hedonismus statt Heiligkeit, Beats statt Bomben. Denn wenn es Nacht wird, dann beginnt für manche erst das richtige Leben.
Wenn es Nacht wird in Jerusalem, wenn das letzte Gebet gesprochen und der letzte Stein geflogen ist, dann legt sich Ruhe über diese Stadt. Der Sabbat hat begonnen mit Sonnenuntergang, die Uhr geht gegen zwölf, und Andrej Levit genehmigt sich im "Putin-Pub" einen Wodka. Im "Sira" um die Ecke tapst ein weißer Hund über die Tanzfläche - oder sind hier alle nur so bekifft, dass sie schon weiße Hunde sehen? Vor dem "Toy Club" stehen die Reichen und Schönen Schlange, und unten im Industriegebiet Talpiot, zwischen schäbigen Werkstätten und grell beleuchteten Einkaufszentren, gibt sich die junge Soldatin Paulina Schipow im "Haoman 17" den Bässen hin. Wenn es Nacht wird in Jerusalem, dann beginnt auch in dieser Stadt für manche erst das richtige Leben. Ein Nachtleben in Jerusalem? Zur religiösen Erbauung kommt man hierher - die Juden zur Klagemauer, die Muslime zur Al-Aksa-Moschee, die Christen zur Grabeskirche. Das Stadtbild prägen die Frommen: die jüdischen Haredim mit Schläfenlocken und schwarzen Anzügen; und in der Osterwoche auch die christlichen Pilger, die in Massen durch die Gassen ziehen. Alles ist voll Viele tragen ihr eigenes Kreuz - und oft genug hat diese Stadt schwer zu tragen an ihrer heftig umkämpften Heiligkeit. Jerusalem ist für viele der Nabel der Welt, doch eigentlich lappt die Stadt mit all ihren Gebetsstätten und den riesigen Friedhöfen deutlich ins Transzendentale. Religiöse Regeln und Riten bestimmen das diesseitige Leben. Doch Adi Talmor sagt nur: "Der Freitagabend ist gut zum Ausgehen. Da sind die Straßen leer, weil wegen der Sabbat-Ruhe keine Busse und weniger Autos fahren. Aber wenn du in Clubs und Bars kommst, ist alles voll." Er muss es wissen, seit 15 Jahren betreibt er in Jerusalem die Plätze, an denen man bei Dunkelheit gesehen werden muss. Angefangen hat es mit dem "Haoman 17", der Laden ist Legende - nun ja, er war es. "Einer der bekanntesten Clubs nicht nur in Israel, sondern in der ganzen Welt", sagt Adi Talmor mit der Bescheidenheit des Ex-Besitzers. Von einem "Mega-Club" mit "Mega-Partys" und "Mega-DJs" spricht er, und es stimmt tatsächlich, dass die Gäste sogar aus dem feierversessenen Tel Aviv zum Tanzen ins Jerusalemer "Haoman 17" fuhren, bis 2005 an der Küste eine Dependance aufmachte. Heute gelangt man ins "Haoman 17", wenn man sich an ein paar muskelbepackten Wachmänner vorbeidrückt und gleich hinter dem Eingang über kollabierte Teenies klettert. Es ist "Soldiers Night", 30 Schekel (umgerechnet sechs Euro) kostet der Eintritt für die Wehrpflichtigen, Getränke sind verbilligt. Der DJ spielt House-Musik, die Gäste tragen Uniform: Enge T-Shirts und Jeans die Jungs, kurze Röcke und knappe Tops die Mädchen, die Stiefel sind aus Knautsch-Lack. Paulina Schipow, 19 Jahre alt, kommt jedes zweite Wochenende hierher, dann hat sie Ausgang. Ansonsten verbringt sie ihre Nächte in einer Militärbasis nahe Jerusalem, und an den Tagen bewacht sie die Grenze zu den Palästinenser-Gebieten. Die Disko ist Kampfzone "Ich will nur tanzen und trinken", sagt sie, und so geht es hier allen. Die Stimmung ist aufgeheizt bis aggressiv, die Disko ist Kampfzone, und wer will, kann hier bei den jungen Soldaten das erste Motiv finden fürs Ausgehen in Jerusalem: Feiern gegen die Furcht; Tanzen bis zum Marschbefehl. Vielleicht ist es aber auch ganz anders. Vielleicht geht es auch hier nur um Liebe und Triebe, um Spaß und den ganz normalen Frustabbau. Leider kann dazu keiner mehr wirklich Auskunft geben, weil ja die Getränke in dieser Nacht verbilligt sind. "Die ganze Clubszene hat sich verändert", meint Adi Talmor, der Ex-Besitzer des "Haoman 17". "Früher war jeder happy", alles sei so leicht gewesen, spielerisch. Das waren die neunziger Jahre, und die meisten waren happy - wohl auch dank Ecstasy. Aber es war tatsächlich eine Zeit der Hoffnung, nach den Oslo-Verträgen schwelgten viele im Frieden, und auch das hat die Party beflügelt. "Doch irgendwann sind wir aufgewacht und es war Intifada", sagt Talmor. Die Bomben drehten die Stimmung, und bis heute sei es nie mehr so geworden, wie es war. Mit solch grundsätzlichen Gedanken jedoch mag sich natürlich kaum einer befassen, der nachts ausgeht. Wer feiert, will überall auf der Welt den Alltag vergessen. Mag sein, dass es in Jerusalem mehr zu vergessen gibt als anderswo. Aber es gilt dasselbe zu beachten: Wo spielt die beste Musik? Wo sind die tollsten Frauen/Männer? Wo gehöre ich hin? Andrej Levit gehört in den Putin-Pub. "Wie zu Hause ist das hier", sagt er. Auf der Tafel stehen die Angebote in kyrillischen Lettern, die Bilder sind russisch, die Gäste sind russisch. Acht verschiedene Sorten Wodka gibt es - "nicht viel", meint der Thekenmann. Aber es gibt ja auch noch anderen Schnaps, es gibt Wein, und es gibt Bier in großen Gläsern. Stammgäste bevölkern den Putin-Pub. Je voller es wird, desto lauter wird die Musik, und es kann sehr voll werden." Levit kommt alle zwei Wochen vorbei, sagt er. 35 Jahre ist er alt, seit 20 Jahren lebt er in Israel, Russland aber ist die Heimat. Mit jedem Glas kommt man der Heimat näher - auch das kann ein Motiv sein fürs Ausgehen in Jerusalem. Leider kann auch dazu kaum noch einer wirklich Auskunft geben, es gibt ja acht verschiedene Sorten Wodka im Putin-Pub. Doch für fast jeden findet sich ein Platz, für manchen auch nur eine Nische im Nachtleben von Jerusalem. Die Araber, die ein knappes Drittel der 800 000 Einwohner der Stadt ausmachen, haben im Ostteil Jerusalems eine eigene, sehr beschauliche Szene. Die säkularen Juden treffen sich im alten Westen, dort gibt es für die klammen Studenten die Wasserpfeifen-Kneipen rund um die Schlomzion-Hamalka-Straße, für die Schwulen die "Indoor Street Party" im versteckt liegenden "The Edge", für die Äthiopier eine Kaschemme mit Fernsehen und Neonlicht, und für die Bärtigen und Batikbetuchten das "Sira". Dort hinter dicken Mauern aus dem hellen Jerusalem-Stein konserviert die ewige Stadt die siebziger Jahre mit Reggae und Rauchschwaden. Das Motiv? Irgendwie geht alles, man kann im frommen Jerusalem so freakig sein wie überall auf der Welt. Tanzen und trinken Und auch so chic und so hip. "Wie in New York", sagt Adi Talmor, und er meint damit seinen neuesten Club, den "Toy Club", der früher tatsächlich einmal ein großes Spielwaren-Geschäft auf drei Etagen war. Heute wird im Tiefgeschoss getanzt, in Parterre und auf der Galerie getrunken. Wer hier hin geht, der kommt, um sich selbst zu feiern. Hier ist die heilige Stadt ganz hedonistisch. "Der da ist ein Basketball-Profi", sagt Talmor, "da drüben ist eine bekannte Schauspielerin." Mittendrin steht Alon Tayeb, den keiner kennt, der aber gerne jemanden kennenlernen würde. "Hier sind die hübschesten Frauen", sagt er, "der Laden ist einzigartig für Jerusalem." Viel kann er dem Nachtleben dieser Stadt ansonsten nicht abgewinnen, er hat bis vor kurzem noch in Tel Aviv gelebt. "Alle Jungen gehen nach Tel Aviv, da kann man viel besser ausgehen", meint er. Doch nun ist er 34, und wie manch anderer kommt er zurück in die Heimat, müde und ernüchtert. "Die Mädchen in Jerusalem sind etwas schwierig", sagt er, "aber es ist okay, wenn du weißt, wie du es machen musst." Erst wenn es hell wird, will er nach Hause gehen, nach einer ganz normalen Nacht in Jerusalem. Der Muezzin hebt dann wieder an zu seinem Ruf an die Muslime, die Juden streben zum Sabbat-Gebet in die Synagoge, die Christen rüsten zum Ostermarsch. Dafür ist Jerusalem berühmt. Doch wenn die Stadt in den Mittelpunkt der Welt gestellt wird - von den Gläubigen wie von den Politikern - , dann wird ganz schnell gestritten und geschossen. Wenn aber einfach nur getrunken wird, getanzt und gefeiert, dann kann Jerusalem eine Stadt sein wie alle anderen auch. Mal ein bisschen schräg, mal ein bisschen schillernd. Mal ein bisschen lässig, mal ein bisschen laut - und einfach einmal nicht so überschätzt. Jerusalem könnte so schön langweilig sein.
https://www.sueddeutsche.de/politik/rechtspopulismus-in-ungarn-cdu-und-csu-muessen-verhindern-dass-orban-die-demokratie-in-ungarn-aushoehlt-1.4003004
mlsum-de-9977
Die Europäische Volkspartei muss Orbáns Fidesz-Partei klare Grenzen setzen, fordert der Politologe Péter Krekó. Ungarns Premier verrate die Werte der EU - und von seiner Rhetorik profitierten vor allem AfD und FPÖ.
Von heute an treffen sich die Abgeordneten der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) zur Klausur in München. Drei Tage lang soll die Arbeit der vergangenen vier Jahre im Europaparlament bilanziert sowie über die Europawahl 2019 diskutiert werden. Unter den 219 Politikern, zu denen auch Kanzlerin Angela Merkel sprechen wird, sind auch zwölf Abgeordnete des nationalkonservativen Fidesz-Parteienbündnisses aus Ungarn, das von Viktor Orbán dominiert wird. Der Budapester Politikwissenschaftler Péter Krekó fordert insbesondere Merkel auf, Fidesz endlich klare Grenzen zu setzen - und die Partei notfalls aus der EVP auszuschließen. Sowohl CDU als auch CSU trügen eine Mitverantwortung dafür, dass Orbán die Demokratie in Ungarn immer mehr abbaut. SZ: Vor zwei Monaten hat Ungarns Premier Viktor Orbán die Wahl klar gewonnen. Nun bringt er ein Gesetz ins Parlament ein, das Nichtregierungsorganisationen und Flüchtlingshelfer kriminalisiert. Warum redet er weiter so viel über Migration? Péter Krekó: Warum sollte er aufhören, wenn er damit so viel Erfolg hat? Es ist wie in der Wirtschaft: Wer ein populäres Produkt anbietet, der verändert er es auch nicht, sondern freut sich über die Profite. Ohne Druck von außen wird Viktor Orbán nie aufhören. Im Parlament hat seine Fidesz-Partei eine Zweidrittelmehrheit, es gibt keine Protestbewegung gegen ihn und nur wenige Gesetze, die noch seine Macht einschränken. Die Lage ist ernst: die Korruption nimmt zu, die Rechtsstaatlichkeit nimmt ab und bürgerliche Freiheiten sind bedroht. Was der Rest der EU wissen muss: Die Wahl im April war "frei, aber unfair", denn die Regierungspartei hat so viele Vorteile und der Staat hilft Fidesz systematisch. Der internationale Druck hat immerhin dazu geführt, dass das Anti-NGO-Gesetz etwas entschärft wurde. Wenn Orbán die Regeln und Werte der EU offenbar egal sind, warum ist Ungarn dann weiterhin Mitglied? Die EU ist für Orbán weiterhin wichtig, vor allem wegen der Fördergelder. Er genießt es aber auch, am Tisch der Mächtigen zu sitzen. Dass Fidesz zur Europäischen Volkspartei (EVP) gehört, ist entscheidend für ihn. In der EVP sind besonders die deutschen Konservativen die wichtigsten Akteure und tragen eine Verantwortung für das, was hier passiert. Die EVP und vor allem CDU und CSU müssen verhindern, dass Orbán die Demokratie in Ungarn aushöhlt. Bisher haben sie vieles aus taktischen und persönlichen Gründen toleriert. Der CSU-Politiker Manfred Weber, der EVP-Fraktionschef im Europäischen Parlament, möchte 2019 Spitzenkandidat werden und hofft auf die Stimmen von Fidesz. Mit deren zwölf oder gar mehr Sitzen möchte die EVP nach der Europawahl stärkste Fraktion bleiben. Und natürlich weiß ich, dass Ungarn ein toller Standort für die deutsche Autoindustrie ist, wo riesige Gewinne erwirtschaftet werden. Aber all das ist sehr kurzsichtig - die Politiker in Berlin sollten endlich erkennen, was auf dem Spiel steht. Orbáns Einfluss geht weit über Ungarn hinaus. Vor allem seine Beziehungen zur nationalkonservativen PiS-Partei in Polen sind sehr eng. Das stimmt, aber Ähnliches gilt auch für Tschechien und die Slowakei. Gerade erst hat er sich in Slowenien ganz klar für den rechten Populisten und Zuwanderungsgegner Janez Janša eingesetzt, der am Sonntag die Wahl gewonnen hat. Zunehmend spielt er auch eine größere Rolle in Mazedonien und Serbien und wirbt dort für seine Agenda. Was noch wichtiger ist: Ungarische Oligarchen, die loyal zu Orbán stehen, kaufen Medien auf dem Westbalkan, um seine Botschaften zu verbreiten. Und in ganz Europa betrachten ihn die Rechtsextremen als Inspiration. Orbáns wichtigste Aussage lautet seit 2015: Flüchtlinge sind potenzielle Terroristen und ein Gesundheitsrisiko. Glaubt er das wirklich? Im Vergleich zu Jarosław Kaczyński in Polen ist Orbán weniger Ideologe als Pragmatiker. Ihm sind Geld und Macht wichtiger - und die Anti-Migranten-Kampagne ist eben sehr effektiv. Zuletzt war das offizielle Narrativ nicht mehr nur gegen die EU gerichtet, sondern auch antideutsch. Das ist neu, denn Deutschland wurde immer als Ungarns wichtigster Partner im Westen angesehen. Orbán hält weiter enge Kontakte zur deutschen Industrie, aber in der Politik hören wir plötzlich Sätze wie "Wir wollen keine Kolonie Berlins sein." In Polen sind wegen der Geschichte solche Gefühle verbreiteter, aber in Ungarn ist so etwas neu. Es wäre sehr kurzsichtig, wenn der Westen denken würde, dass diese wieder verschwinden würden oder keine Folgen auf die öffentliche Meinung hätten. Putin ist in Ungarn beliebter als Merkel. Die Propaganda macht hier keine Pause und die ungarische Regierung hat mehr Geld für ihre Anti-Soros- und Anti-EU-Kampagnen ausgegeben, als die ganze Brexit-Kampagne gekostet hat. Für mich ist mein Land ein "post-truth laboratory", ein Experimentierfeld. Staatliche Medien verbreiten hier täglich erfundene Nachrichten und Verschwörungstheorien. Wie wird Deutschland dargestellt? Es geht meist darum, dass Berlin mittlerweile genauso verkommen ist wie Paris oder Wien. Es sind Städte, die extrem gefährlich sind und wo du von Horden von Einwanderern erstochen oder vergewaltigt wirst. Es ist ein rechtsfreier Raum und dein Leben ist angeblich permanent in Gefahr. Orbán argumentiert auch ähnlich wie Putin und spricht von einem Konflikt der Zivilisationen: Toleranz und Multikulti hätten die christlichen Werte in der EU zerstört und es brauche jemanden, der die "traditionelle Familie" und das Christentum in Europa verteidigt. Detailansicht öffnen Der Sozialpsychologe und Politikwissenschaftler Péter Krekó ist Direktor von "Political Capital" in Budapest und einer der renommiertesten Polit-Analysten Ungarns. (Foto: privat) Das klingt, als gingen Orbáns Ambitionen weit über Ungarns Grenzen hinaus. Absolut, er möchte nicht nur Ungarn umbauen, sondern Europa. Die wichtigen Akteure in der EVP müssen endlich erkennen, dass Orbán ihnen nicht hilft, ihre Wählerbasis zu vergrößern oder diese zu stützen. Er ist das Symbol der extremen Rechten, also von Leuten wie Geert Wilders, der ihn regelmäßig trifft. Orbán steht doch der AfD oder der FPÖ viel näher als etwa CDU/CSU oder der ÖVP in Österreich. Er hat gerade mit Italiens neuem Innenminister Matteo Salvini von der Lega am Telefon darüber gesprochen, wie sie Europa umbauen wollen. Ich denke, dass er die EVP erpressen will: Sollten sie ihn rauswerfen, dann würde er einen neuen Block bilden. Dennoch ist es ein enormes Risiko, dass sie ihn gewähren lassen, denn mit seiner illiberalen Agenda verrät und untergräbt er die europäischen Werte. Für mich steht fest: Für Europas Mitte-rechts-Parteien ist Orbán mehr Fluch als Segen. Was sollten konservative Politiker wie Angela Merkel und Sebastian Kurz tun? Die EVP muss Orbán endlich rote Linien ziehen und diese durchsetzen. Das kann wirken: Als ihm deutlich gemacht wurde, wo die Grenze läuft, hat Orbán aufgehört, über die Todesstrafe zu reden. Er weiß, dass er an der Seite der "Europäischen Konservativen und Reformer" mit der polnischen PiS weniger Einfluss hätte. Vor einem Jahr hat die EVP allerdings die eigene Glaubwürdigkeit schwer beschädigt, als sie zwei rote Linien zog. Als "No-go" galt das Gesetz, wonach Nichtregierungsorganisationen als "ausländische Agenten" registriert werden sollten und die Schikanen gegenüber der von George Soros gegründeten Central European University (CEU). Was Orbán hat gemacht? Sie haben ein Gesetz verabschiedet, wonach sich NGOs registrieren müssen. Und obwohl die CEU die neuen Auflagen erfüllt hat, tut die Regierung nichts. Fidesz mauert und will so lange Zeit gewinnen, bis die Professoren und Studenten der CEU so frustriert sind, dass sie nach Wien und anderswo hin umziehen. Die EVP und ganz Europa müssen sich bewusst machen: Es gibt kaum mehr institutionelle Kontrollen für Orbán. Er allein kann entscheiden, wer welche Ausschreibung gewinnt oder welchen Business-Deal machen darf. Wie steht es eigentlich um die Opposition? Kann sie Orbáns Agenda etwas entgegensetzen? Die Opposition liegt am Boden. Es gibt vier Probleme. Erstens gibt es keinen Anführer, der die Opposition vereinen könnte. Zum Zweiten sind die linken und die liberalen Parteien extrem zersplittert und streiten nur darüber, wie sie ideologisch rein bleiben können. Dann gibt es riesige ideologische Differenzen mit der rechtsradikalen Jobbik-Partei. Deren neuer Chef ist ein Ex-Skinhead - und gehört zu den Moderaten! Und Punkt vier: Einige in der Opposition erinnern mich an Putins Russland: Sie haben sich mit dem Regime arrangiert und machen es sich bequem. Als Abgeordnete verdienen sie gut und sie können Kritik üben, ohne je Verantwortung zu übernehmen. Schon 2016 haben viele hinter vorgehaltener Hand gesagt, dass Orbán 2018 nicht zu besiegen sei und sie sich daher auf 2022 konzentrieren. Aber dann wird das System noch unfairer sein. Deswegen ist es eben so wichtig, dass das Ausland und vor allem Deutschland unserem Premier seine Grenzen zeigt.
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mlsum-de-9978
Flanieren am Wasser, Feuerwerke am 26. Januar, Hitzepausen und jede Menge gute Laune: Zehn Gründe, warum die Australian Open so ein außergewöhnliches Grand-Slam-Turnier sind.
Aus allen Richtungen waren sie eingeflogen, aus Europa, Nordamerika, Südamerika, Asien, Afrika, vor zwei Wochen, weil ja in Australien und Neuseeland die ersten Turniere der neuen Tennissaison stattfanden. Alles steuerte auf den Höhepunkt zu, der nun mit der Leistungsmesse in Melbourne an diesem Montag beginnt. Bei der Verteilung von Ruhm und inzwischen 27,9 Millionen Euro gilt es dabei zu sein. "The Grand Slam of Asia-Pacific", so werben die Australian Open für sich. Der Titel bringt das Alleinstellungsmerkmal auf den Punkt: So abgelegen ist keines der vier wichtigsten Turniere der Welt, zu denen noch Paris, Wimbledon und New York zählen. Aber nicht nur deshalb hebt sich die Veranstaltung ab. Hier folgen zehn Gründe, warum die Australian Open für etwas Außergewöhnliches stehen. Happy Slam Roger Federer fing der Legende nach damit an, die Australian Open nicht Grand Slam, sondern Happy Slam zu nennen. Weil in Melbourne so viele Menschen gute Laune haben und eben glücklich sind. Zumindest wirkt es so in dem Land, in dem einem ständig ein "No worries" um die Ohren fliegt - alles paletti, mach dir keine Sorgen, passt alles, kein Stress. Eine Wohltat ist diese Lebenseinstellung, die abstrahlt auf Spielerinnen und Spieler. Tatsächlich findet man hier unfreundliche oder gar schlecht gelaunte Bürger so häufig wie Schnee in der Sahara. Für die Profis könnte die Saison demnach nicht besser beginnen als mit Matches in der Sonne und angenehm entspannten Menschen, die Sport grundsätzlich lieben. Sogar rüstige Omis verfolgen Partien, löffeln währenddessen mitgebrachten Reissalat und beklatschen zwischendurch Spieler, von denen sie noch nie etwas gehört haben und nie mehr hören werden. Fans Die allerbeste Zeit, was die Fans betrifft, ist leider schon vorbei, zumindest die lauteste und wildeste. In den Achtziger- und Neunzigerjahren reisten Horden von Schweden an, um die Erfolge von Stefan Edberg, Mats Wilander, Mikael Pernfors und Joakim Nyström zu feiern. Wilander kreierte damals das berühmte Handzeichen namens "Vicht". Wenn er einen Punkt gewann, winkelte er die Hand ab den Köcheln ab und streckte sie im 90-Grad-Winkel mit den Fingerspitzen sich entgegen. Die schwedischen Fans machten auf den Tribünen eine Stimmung wie in englischen Fußballstadien und tranken gerne ein, zwei oder eher mehr der leckeren Biere. Seitdem den Skandinaviern die Topspieler ausgegangen sind, fallen ihre Landsleute indes nicht mehr in Horden ein. Schade ist das, aber nicht schlimm. Inzwischen springen andere Fanlager ein, unzählige Splittergruppen, je nach Nationalität, machen fröhlichen Lärm. So kann es schon mal sein, dass ein Match zwischen einem Italiener und einem Polen auf einem der hinteren Plätze die Gemüter auf den Zuschauerrängen mehr erhitzt als ein Spitzenduell in einer der drei Arenen. Großartig sind natürlich stets die kurzen Lieder, die die Australier zum Besten geben. Und in Sachen Verkleidung macht den Einheimischen keiner etwas vor, beliebt sind sämtliche Tierklassiker des Landes. Ja, auch der Mensch gewordene Wombat wurde hier schon gesichtet. Das Klassikerkostüm aber ist weltweit seit Jahren das McEnroe-Outift - Lockenperücke, Stirnband, Holzschläger, fertig. Lage Kurz: Sie ist grandios. Bei vielen Tennisstadien ist man es gewöhnt, dass man lange mit der U- und S-Bahn anreisen muss. In Melbourne lässt es sich vortrefflich entlang des Yarra River hinüber zum Tennis Park flanieren. Wer Lust hat, kann sogar mit einem Wassertaxi anreisen, was so bei keinem anderen Grand Slam möglich ist. Für die, die eines buchen wollen oder Fragen haben - die Hotline hat die Melbourner Nummer 131963. Menschen, Menschen, Menschen Bei aller lässig-entspannten Atmosphäre: Der Happy Slam ist ein gigantisch großes Turnier. Nachdem die Australian Open ihre Krisenzeit überwunden haben und sich Ende der 1980er neu erfanden, auch dank des Wechsels von Rasen- auf Hart-Plätze, pilgern mehr und mehr Menschen auf die Anlage. 2015 kamen 703 899 - Rekord. Mehr als 650 Journalisten und Fotografen berichteten täglich, allein aus Japan waren zuletzt 37 Reporter abgestellt, aus China immerhin 25, obwohl die Chinesen jetzt nicht wahnsinnig erfolgreich im Tennis sind. Die Zahl der Teilnehmer war noch höher: 704 Spieler in allen Wettbewerben wurden gezählt. Kein Wunder, dass jedes Mal rund 50 000 Bälle verschlissen werden. 4500 Personen packen insgesamt beim Turnier mit an. Fortschritt Craig Tiley heißt der wichtigste Mann in Melbourne. Er ist der Turnierchef und auch Kopf des mächtigen australischen Verbandes. Unermüdlich treibt der in Südafrika geborene Manager seine Veranstaltung voran, Stillstand duldet er nicht. Damit unterscheiden sich die Australian Open massiv etwa von Wimbledon, das auf den Erhalt vieler bewährter Traditionen besteht. Eine Auswahl, was in diesem Jahr alles neu ist: Digitalwände in der Rod-Laver-Arena und Hisense Arena, den beiden größten Stadien. Snapchat. Sieben zusätzliche Restaurants. Noch mehr Akku-Aufladestationen überall auf der Anlage. Und: eine Zone für Tennisfans, von der aus die Profis bei der Ankunft auf der Anlage bestaunt werden können. Night Sessions Nur zwei der vier Grand Slams führen Night Sessions, Nachtmatches durch. In Paris und Wimbledon fehlt das Flutlicht, aus Prinzip wird bislang an diesem Defizit festgehalten (wobei in Wimbledon der Center Court Kunstlicht hat, auf das im äußersten Notfall zurückgegriffen werden kann). Abendspiele sind eine Attraktion, das haben sie hier von den US Open übernommen. Zunächst zögerlich, doch seit zehn Jahren werden auch die Endspiele abends ausgetragen, praktischerweise also zur besten TV-Sendezeit. Die Möwen fliegen dann über der Rod-Laver-Arena, der Wind vom Port Philip Bay ist spürbar. Die Profis auf dem Platz wirken mit der Nacht als Kulisse noch näher, noch authentischer. Großes Sportkino. Heat Policy Die sogenannte Hitzepolitik existiert nur in Melbourne und bei keinem anderen Grand Slam. Sie ist inzwischen auch keine Symbolpolitik, sondern wird, gerade nach dem heißen Sommer 2014, streng gelebt. Damals verwandelte eine Hitzeglocke, die aus dem Outback vorbeischaute, die Stadt eine Woche lang in eine Sauna. Auch in den Tagen vor der diesjährigen Ausgabe spielte das Wetter verrückt. Vergangenen Mittwoch stieg das Thermometer auf 45 Grad Celsius. Ab 40 Grad kann der Oberschiedsrichter entscheiden, ob die Heat Policy greift. Am Mittwoch bei den ersten Qualifikationsmatches, da griff sie. Neue Spiele wurden nicht mehr angesetzt. Laufende Matches wurden nur noch bis zu einer geraden Anzahl gespielter Spiele zu Ende gespielt, dann wurde abgebrochen. Tie-Breaks wurden ebenfalls noch ausgespielt - und dann abgebrochen. Die Spieler sollen so geschützt werden. Musik Es ist ja nicht so, dass alle Angereisten rund um die Uhr nur Tennis sehen wollen. Für die Happening-Interessierten treten jeden Tag Bands auf, die in diesem Jahr zum Beispiel Saskwatch, Hot Dub Time Machine, Diesel oder The Bombay Royale heißen. Das Vergnügungsviertelchen wurde auf den Namen Grand Slam Oval getauft. Auf dem Weg zur Anlage findet 14 Tage lang überdies das "Australian Open Festival at Birrarung Marr" statt, der Eintritt ist frei und der Blick auf die Stadt-Skyline und den Yarra River ist es auch. Digitalisierte Tenniswelt In diesem Bereich sind die AusOpen, wie der Happy Slam hier gerne abgekürzt wird, Vorreiter. Die Verantwortlichen haben das Potential erkannt, das in Social-Media-Angeboten steckt. Allein die Turnier-App wurde 2015 fast 1,2 Millionen Mal heruntergeladen. Der Event ist auf allen erdenklichen Kanälen vertreten, in diesem Jahr gibt es auch ein Forum auf Chinesisch, in dem das bevölkerungsreichste Land ausgelassen über Tennis diskutieren und sich informieren soll. Markierte Selfie-Zonen sind längst ein alter Hut, und wenn etwas Besonderes bevorsteht, wie nun die letzte Turnierteilnahme des australischen Tennisrecken Lleyton Hewitt, bekommt der einfach einen eigenen Hashtag auf Twitter. Australia Day Keines der Grand-Slam-Turniere kann einen Nationalfeiertag vorweisen - außer Melbourne. Am 26. Januar begehen die Australier ihren Australia Day. Mit einem Feuerwerk am Abend, das die Night Session schon mal zehn Minuten stoppen kann. Grillend, trinkend, feiernd huldigen die Menschen an diesem Tag der Ankunft der First Fleet im Jahre 1788, als das Schiff aus England kommend mit Strafgefangenen und Besatzungsmitgliedern an Bord anlegte, um den Kontinent zu besiedeln. Und wer nicht mehr den genauen Grund kennt, warum schul- und arbeitsfrei an diesem Jahrestag ist, ist das auch egal - no worries gilt auch an Feiertagen!
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mlsum-de-9979
Mehr Landschaft für den Quadratmeter gibt es nirgendwo: Warum der Sehnsuchtsort der Fünfziger neuerdings auch die Jüngeren begeistert.
Die besten Tage sind die Tage nach dem Sturm. Und die Stürme kommen, im Frühjahr und im Herbst, das ist schon mal das Gute, und sie gehen schnell vorüber, was noch besser ist, und das Beste dabei ist das Meer, das sich noch lang nicht beruhigt, wenn der Wind nach Osten weitergezogen ist. Detailansicht öffnen Der Hafen von Capri an einem ruhigen Sonnentag. (Foto: Foto: go4sun.de) Das sind nämlich die Tage, da stehen die Kapitäne auf den Brücken ihrer Tragflügelboote in den Häfen von Ischia und Sorrent, und dort können sie auch lang stehen bleiben; denn die Pauschaltouristen und die Reisegruppen, alle jene, die Capri auch mal gern betreten wollen, trauen sich heute nicht an Bord, weil das Wasser hier im Golf von Neapel und im Tyrrhenischen Meer, wenn es aufgewühlt ist, einen deutschen Magen durcheinander bringen kann. Das hat, im Frühjahr 1787, schon Goethe erfahren, was man aber nicht unbedingt wissen muss als deutscher Tourist. Dass es ein guter Tag für Capri wird, merkt einer schon morgens gegen zehn, wenn er den Weg vom Hotel zur Piazzetta durch Capris Hauptstraßen, die in Wirklichkeit schmale Gassen sind, in ein paar Minuten schafft und dabei kein einziges Mal im Stau hängen bleibt. Er merkt es in den Läden, wo jetzt vorwiegend italienisch gesprochen wird. Und in den Cafés kriegt er einen sonnigen Platz. "Dueschpress" sagt der Kellner im hiesigen Dialekt, wenn er die Bestellung bestätigt, und nicht "Zweiämaläespresso" wie an den Touristentagen. Es gibt wohl keine gesetzliche Grundlage dafür, irgend jemandem den Zutritt zu der Insel Capri zu verwehren, und man möchte ja auch jedem den schönen Anblick gönnen - es hat sich aber eingebürgert, dass die Tagestouristen immer in Gruppen von mindestens 25 Menschen kommen, was viel ist für die Gassen, die dann schnell verstopft sind - und wo sich die Enge der Altstadt ein wenig öffnet, vor dem noblen Hotel Quisisana zum Beispiel, da stauen sich gleich mehrere Reisegruppen, und ein Führer brüllt in die Menge: "Otelläquisisana isdä älteste Otellä aufä Capri." (Auch wenn die Führer eine italienische Gruppe betreuen, scheinen sie mit italienischem Akzent zu sprechen.) Gegen fünf bringen die letzten Boote ihre Fracht zurück in die Hauptquartiere des Tourismus, und mancher mag froh sein darüber, dass er hier nicht länger bleiben musste. Was schon daran liegt, dass er in Capri noch nicht einmal die Simulation von Folklore und authentischem einheimischen Leben geboten kriegt: In den Hauptstraßen, die, wie gesagt, nur Gassen sind, in der Via Camerelle und Via Vittorio Emanuele, dort, wo es eigentlich Blumenläden geben müsste und Bäcker und Metzger, dort gibt es mehr Modeläden als auf der Münchner Maximilianstraße; sie sind nur noch ein bisschen teurer, und wenn einer vor so einem Schaufenster stehen bleibt und etwas genauer die Preise studiert, dann lächeln die hübschen Verkäuferinnen noch ein bisschen spöttischer, als sie das eh schon tun, und natürlich sind diese Mädchen so hübsch angezogen, als ob sie nur in solchen Geschäften kauften. Irgendwelche Kunden sind in diesen Geschäften eigentlich gar nicht vorgesehen, so wie Touristen auf der Insel Capri eigentlich nicht vorgesehen sind - und woran das liegt und wie das zusammenhängt: Das spürt man ganz genau erst nach fünf, wenn die Boote abgelegt haben; und die richtige Jahreszeit muss es außerdem sein. Der späte Herbst ist gut, das frühe Frühjahr vielleicht noch besser, und wenn es überhaupt einen Anlass für Kulturpessimismus gibt, dann ist es der Umstand, dass auch hier die Hotels über den Winter schließen. Der Winter wäre die beste Zeit, und wer hier schon mal miterlebt hat, wie in der ersten Novemberwoche ein Restaurant, ein Hotel nach dem anderen zumacht: Der wird nochmal ziemlich wütend auf F. Scott und Zelda Fitzgerald, oder wer auch immer die verrückten Amerikaner waren, die den Sommerurlaub erfanden und Schluss machten mit der schönen Tradition, dass man im Winter in den Süden fährt, weil es im August auch im Norden ganz menschliche Temperaturen hat. Capri, nach fünf, an einem hellen Frühlingstag: Die Gassen sind nicht leer, aber ziemlich ruhig, die Mädchen aus den teuren Geschäften sitzen jetzt in der Bar gegenüber, trinken einen Kaffee und beaufsichtigen die schönen Sachen aus der Ferne, und als Besucher steht man ratlos vor den Schaufenstern und fragt, für wen das alles gut sein soll, die Kleider von Gucci, die Prada-Taschen und die Schuhe, wo doch noch niemand da ist, der das kaufen will. Die Antwort kennt man am nächsten Tag, wenn morgens die Sonne über den theatralischen Felsen der Faraglioni aufgeht; oder wenn man nachmittags selber einen Felsen bestiegen hat und hinunterschaut auf ein Meer, dessen Bläue überwältigend ist; man kennt die Antwort, wenn man zum Meer hinunter gestiegen ist, und im flimmernden Licht des Mittags sieht das Boot, das die Touristen einmal rund um die Insel steuert, so aus, als wäre Odysseus an Bord und würde gleich an Land gehen und im Café eine Limonade bestellen: Es ist hier soviel Naturschönheit auf so engem Platz konzentriert, dass die Menschen sich ganz schön anstrengen müssen. Dieser Schönheit sollte man in Freizeitkleidung eigentlich nicht gegenübertreten - und wenn einer hier ein Schaufenster hat, darf er da nicht Brote hinein legen oder ein paar Kofferradios. Eine Handtasche für fünf Millionen Lire kann auch nicht wirklich bestehen gegen die Farbe des Himmels und die Schönheit der Felsen. Aber es ist immerhin ein ehrenwerter Versuch. Und das ist es, was auch der Besucher auf Capri lernen kann: Die Schönheit hier ist eher eine Herausforderung als eine Ware, die sich konsumieren ließe; sie macht mehr Arbeit, als dass sie bloß erholsam wäre - und am besten beginnt man diese Arbeit damit, dass man sich in ein Café setzt und den Leuten zuguckt, die hier zuhause sind. Die Frauen tragen lieber Röcke als Blue Jeans, lieber hohe Hacken als flache Schuhe - was ihnen, wenn sie einen Hügel hinaufgehen, den Anstieg leichter macht, und wenn es abwärts geht, nehmen sie die Schuhe in die Hand und laufen barfuß, und natürlich wissen auch sie, welche Anforderungen diese Insel stellt an die Haltung derer, die hier spazieren gehen. Dass für Touristen eigentlich kein Platz mehr bleibt, das ergibt sich zwingend aus der Grundfläche der Insel: Zehn Quadratkilometer; das ist ungefähr zweieinhalbmal der Englische Garten in München - mit dem Unterschied, dass es vermutlich nirgendwo mehr Landschaft pro Quadratkilometer gibt. Der Dramatiker Moritz Rinke hat einmal eine sehr schöne Geschichte über seine (vergebliche) Suche nach dem Theaterwunder von Capri geschrieben; und je genauer man diese Insel kennen lernt, desto mehr neigt man der These zu, dass hier (und nicht in griechischeren Gegenden) das Theater überhaupt erfunden wurde. Fast jeder Punkt, an dem man stehen bleibt und sich umsieht, scheint der beste Platz in einem Amphitheater zu sein - und ist zugleich doch Schauplatz und Kulisse für die Blicke derer, die woanders stehen: So glaubt der Besucher, mitten in dieser Naturschönheit, er betrete ein Kunstwerk, er werde womöglich selber ein Teil dieses Werks. Und vielleicht ist es dieses Bühnenwerk, dessen Geist und Kulissen anscheinend Homer entworfen hat, dessen Kostüme aber von Miuccia Prada sind - diese magische Mischung ist es wohl, was neuerdings so viele Jüngere an den Sehnsuchtsort der fünfziger Jahre lockt, dass man fast von der Generation Golf von Neapel sprechen möchte. So viele: das ist natürlich relativ, weil hier weniger immer mehr ist, und im Sommer, wenn zur Hitze die Enge der Überfüllung kommt, ist die Insel kein angenehmer Ort - was zum klassischen Nebensaison-Paradoxon führt: Kämen alle im April, wäre der April kein Vergnügen. In den vergangenen Jahren kam - keiner weiß, woher - das Gerücht in die Welt, dass die Capresen der Schönheit ihrer Insel nicht mehr gewachsen seien. Von hohen Selbstmordraten war da die Rede, und die Arbeitshypothese ging ungefähr so, dass die Leute im Sommer zu viel zu tun hätten, als dass Zeit für trübsinnige Gedanken wäre. Aber im Winter, wenn es ruhig wird auf Capri, hielten viele Capresen ihre Insel nicht mehr aus. Naturgemäß sagt jeder Caprese: er wisse von nichts, so etwas gebe es höchstens in Anacapri, dem zweiten Inselort; und die Anacapresen antworten umgekehrt. Auch dieses Rätsel löst sich auf, wenn man auf einen der vielen Felsen steigt. Man möchte hier nicht sterben. Aber manchmal glaubt man, dass man jetzt losfliegen könnte. Oder der Wind wehte einen fort.
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mlsum-de-9980
Philipp Lahm besitzt das Trikot vom WM-Finale noch, weil er keinen Tauschpartner fand. Liverpool und Chelsea erreichen nur knapp die nächste Pokalrunde. Andrea Petkovic enttäuscht schon wieder.
Fußball, Philipp Lahm: Philipp Lahm, zurück getretener Fußballweltmeister, besitzt sein Trikot aus dem Finale gegen Argentinien noch. "Niemand wollte mit mir tauschen", erzählt er in einem Gespräch mit dem Magazin der Süddeutschen Zeitung über seine Karriere in der Fußball-Nationalmannschaft. Rückblickend sei er froh, in der Nationalmannschaft noch die alte Generation Spieler wie Oliver Kahn oder Michael Ballack erlebt zu haben. "Heute haben wir überragende junge Kicker. Aber manchmal denke ich, dass es den Jungen, die so talentiert sind, vielleicht ganz gut getan hätte, mal das Tor tragen zu müssen." Nach seinem Rücktritt aus der Nationalmannschaft musste sich Lahm noch nicht sehr umstellen, nur die Pünktlichkeit muss er neu lernen: "Es ist so, dass mir meine Frau im Urlaub erst wieder erklären musste, dass man nicht Punkt sieben erscheinen muss, wenn die Küche ab sieben geöffnet ist." Konkrete Pläne hat Lahm schon für 2016: "Ich freue mich jetzt schon drauf, die nächste EM mit Freunden beim Grillen anzuschauen." Fußball, England: Premier-League-Spitzenreiter FC Chelsea und sein Ligarivale FC Liverpool haben knapp das Viertelfinale im englischen Fußball-Ligapokal erreicht. Chelsea mit dem Weltmeister André Schürrle in der Startformation setzte sich beim Viertligisten Shrewsbury Town mit viel Glück 2:1 (0:0) durch. Liverpool gewann in letzter Sekunde 2:1 (0:0) gegen den Tabellennachbarn Swansea City. Chelsea-Torjäger Didier Drogba hatte den Champions-League-Gegner von Schalke 04 in der 48. Minute in Führung gebracht, ehe Andrew Mangan in der 77. Minute der Ausgleich für den Underdog gelang. Ein Eigentor von Jermaine Grandison (81.) besiegelte dann die Niederlage für den Gastgeber. In Liverpool war Swansea City mit dem deutschen Torwart Gerhard Tremmel durch Marvin Emnes in der 65. Minute in Führung gegangen, ehe Mario Balotelli sieben Minuten nach seiner Einwechslung in der 86. Minute gegen die Waliser ausglich. Nach einer Roten Karte für Swanseas Federico Fernández (90.) gelang Dejan Lovren in der fünften Minute der Nachspielzeit der Siegtreffer für die Reds. Zweitligist AFC Bournemouth setzte sich unterdessen gegen Premier-League-Klub West Bromwich Albion mit 2:1 (0:0), und Felix Magaths ehemaliger Klub FC Fulham mit dem früheren Hertha-Torwart Gabor Kiraly zwischen den Pfosten unterlag im Duell der Zweitligisten Derby County 2:5. Der englische Meister und Titelverteidiger Manchester City spielt am Mittwoch gegen Ligarivale Newcastel United. Tennis, Andrea Petkovic: Elf Tage vor dem Fed-Cup-Finale in Prag präsentiert sich Andrea Petkovic weiter in desolater Verfassung. Beim "WTA Tournament of Champions" in Sofia war die 27 Jahre alte Darmstädterin zum Auftakt der Gruppenphase gegen die Spanierin Carla Suarez Navarro beim 0:6, 4:6 chancenlos. Erst im zweiten Satz fand Petkovic ins Spiel, musste sich aber nach 1:21 Stunden geschlagen geben. In ihrem zweiten Match trifft Petkovic, die laut Bundestrainerin Barbara Rittner für das Endspiel gegen Tschechien (8./9. November) gesetzt ist, am Mittwoch auf Dominika Cibulkova. Die Slowakin hatte ihr erstes Spiel beim mit 750.000 Dollar dotierten Hallenturnier gegen Swetana Pironkowa (Bulgarien) 6:3, 7:6 (8:6) gewonnen. Petkovic ist seit Wochen außer Form, bei den Turnieren in Linz und Luxemburg kassierte die deutsche Nummer zwei jeweils deutliche Erstrundenpleiten und sprach anschließend von privaten Problemen. In Sofia sollte sich ihr Endspurt im Tennisjahr 2014 zum Guten wenden. Fußball, Oliver Kreuzer: Der ehemalige Sportdirektor Oliver Kreuzer geht gegen seine fristlose Kündigung beim Hamburger SV erneut gerichtlich vor. In einem vorangegangenen Verfahren hatte Kreuzer bereits Kündigungsschutzklage erhoben. Danach hatten sich die Parteien aber gütlich geeinigt. Nach kritischen Äußerungen in der Öffentlichkeit besonders gegen HSV-Investor Klaus-Michael Kühne hatte der Verein Kreuzer fristlos gekündigt. Auf diesem Weg will der Fußball-Bundesligist die Abfindung in Höhe von rund 800 000 Euro erheblich reduzieren. Das Hamburger Arbeitsgericht beraumte einen erneuten Gütetermin für den 17. November an. Auch der ehemalige Co-Trainer Nikola Vidovic geht gegen seine Kündigung vor. Der Termin vor dem Arbeitsgericht ist für den 21. November festgelegt. Fußball, Mario Gomez: Rund fünf Wochen nach seiner Oberschenkelverletzung trainiert der deutsche Fußball-Nationalstürmer Mario Gomez wieder mit der Mannschaft. Der 29-Jährige absolvierte eine erste komplette Einheit mit dem Team, wie sein Club AC Florenz am Montagabend mitteilte. Der Angreifer hatte sich Ende September eine Verletzung am Oberschenkel zugezogen und zuletzt etwas länger als ursprünglich vorgesehen nur individuell trainiert, um kein Risiko einzugehen. Im Kader für die Partie in der Serie A bei Udinese Calcio am Mittwoch wird Gomez aller Voraussicht nach noch fehlen, am Sonntag bei Sampdoria Genua könnte er erstmals wieder mit dabei sein. Gomez, der bereits vergangene Saison wegen mehrerer Knieverletzungen insgesamt sieben Monate pausieren musste, hatte wegen der Verletzung auch die Länderspiele gegen Polen und Irland verpasst. Für seinen Club hat er in dieser Saison in drei Ligaspielen noch kein Tor erzielt. Einen Schritt weiter ist Gomez' Teamkollege Marko Marin. Der frühere deutsche Nationalspieler könnte nach seinem Debüt für Florenz in der Europa League vergangene Woche gegen Udinese Calcio auch erstmals für seinen neuen Club in der Serie A zum Einsatz kommen. Schwimmen, Tokio: Steffen Deibler hat am ersten Tag des Kurzbahn-Weltcups in Tokio als einziger deutscher Schwimmer Podestplätze erreicht. Zunächst musste sich der Hamburger am Dienstag über 100 Meter Freistil in 47,35 Sekunden dem Japaner Katsumi Nakamura (47,30) und dem Russen Sergej Fesikow (47,31) nur knapp geschlagen geben. Anschließend lagen über 50 Meter Schmetterling die Südafrikaner Chad Le Clos (22,20) und Roland Schoeman (22,66) vor dem Weltrekordhalter Deibler (22,72). Dagegen musste sich Paul Biedermann über seine Weltrekordstrecke 400 Meter Freistil in 3:42,26 Minuten beim Sieg des Südafrikaners Myles Brown (3:37,96) mit Platz sechs begnügen. Ebenfalls Sechster wurde Christian Diener (Potsdam) in 51,18 Sekunden über 100 Meter Rücken. Der schon als Weltcup-Gesamtsiegerin feststehenden Katinka Hosszu scheint langsam die Luft auszugehen. Die Ungarin konnte lediglich Siege über 200 Meter Freistil (1:52,45), 200 Meter Rücken (2:01,97) und 200 Meter Lagen (2:05,18) einfahren, steuert aber trotzdem auf die Rekordsumme von einer Million US-Dollar Preisgeld zu. In den vergangenen drei Jahren kam die "Iron Lady" auf bislang 113 Siege in Weltcuprennen. Bei den Männern steht Chad Le Clos (Südafrika) vor der Titelverteidigung. Fußball, Hannover 96: Martin Kind will in drei Jahren bei Hannover 96 die Verantwortung abgeben. "Ich habe einen Zeitplan aufgestellt, bis zur Saison 2017/18 den Übergang zu organisieren. Dann höre ich auf", sagte der Geschäftsführer des Fußball-Bundesligisten und Präsident des Stammvereins der "Sportbild". Kind schränkte am Dienstag allerdings ein: "Ich bin da flexibel." Er wolle abtreten, wenn das Nachwuchsleistungszentrum fertig und der Umzug auf das neue Vereinsgelände an der Stammestraße in Hannover abgeschlossen seien. "Ich gehe davon aus, dass das bis dahin klappt", sagte Kind zu seinem Zeitplan. Er wolle dann in den Aufsichtsrat wechseln. Kind, der mit kurzer Unterbrechung seit 1997 bei Hannover 96 in verantwortlicher Position tätig ist, sucht derzeit einen Geschäftsführer für den wirtschaftlichen Bereich. "Ich schaue mir verschiedene Kandidaten an", erklärte der 70 Jahre alte Unternehmer. In drei Jahren könnte Kind dann die Mehrheit der Anteile an Hannover 96 übernehmen, ungeachtet der sogenannten 50+1-Regel. Er hatte vor dem DFB-Schiedsgericht eine Ausnahmeregelung erstritten, derzufolge dieser Sperrpassus nicht für Investoren gilt, die sich mindestens 20 Jahre lang bei einem Verein engagiert haben. Diese Vorgabe hat Kind dann erfüllt. Fußball, Zinédine Zidane: Zinédine Zidane ist als Coach des Reserveteams von Real Madrid wegen fehlender Trainerlizenz für drei Monate gesperrt worden. Zidanes Mitarbeiter Santiago Sánchez sei vom Wettbewerbskomitee des spanischen Verbandes (RFEF) mit der selben Strafe belegt worden, weil er mit seiner Lizenz die illegale Arbeit des Franzosen ermöglicht habe, berichtete die Onlineausgabe der Sportzeitung Marca am Montag unter Berufung auf den RFEF. Nachdem Zidane in der vergangenen Saison bei den Königlichen als Assistent von Cheftrainer Carlo Ancelotti gearbeitet hatte, coacht der Franzose in dieser Spielzeit die in der dritten spanischen Liga spielende Reserve von Real. Dafür benötige der 42-Jährige den Trainerschein vom "Niveau 3", den er noch nicht habe, so Marca. Zidane, der den Trainer-Lehrgang in Frankreich absolviert, kann gegen das Urteil Berufung einlegen. Er gab vorerst keine Stellungnahme ab. In einem Interview mit der Zeitung Le Figaro hatte er am Samstag gemutmaßt, das Vorgehen gegen ihn habe mit "Eifersucht" zu tun. In Spanien gebe es viele Trainer, die alle Prüfungen in drei Monaten machen dürften. "Ich lerne aber seit drei Jahren in Frankreich und habe Diplome erlangt", hatte Zidane gesagt. In Spanien seien viele Trainer in einer ähnlichen Lage wie er, "aber da sagt niemand etwas". "Zizou" war wegen der fehlenden Lizenz unter anderem auch von Nationaltrainer Vicente del Bosque kritisiert worden. Fußball, Argentinien: Carlos Tévez steht nach mehr als drei Jahren wieder in einem Aufgebot des argentinischen Fußball-Nationalteams. Der Stürmer von Juventus Turin solle bei den Testspielen gegen Kroiatien in London am 12. November und sechs Tage später gegen Portugal in Manchester spielen, sagte Trainer Gerardo Martino am Montag. Tévez zeigte beim italienischen Tabellenführer Turin bislang eine starke Saison. Er trug am 16. Juli 2011 zuletzt das Trikot des späteren WM-Finalisten. Fußball, SC Freiburg: Fritz Keller bleibt Präsident des SC Freiburg. Der 57 Jahre alte Winzer wurde am Montagabend bei der Mitgliederversammlung des Fußball-Bundesligisten mit nur zwei Gegenstimmen zum Vorsitzenden des neu strukturierten SC-Vereinsvorstands gewählt. Die 466 stimmberechtigten Mitglieder verabschiedeten im Freiburger Paulussaal mit 457 Ja-Stimmen auch eine Neufassung der Vereinssatzung. Diese sieht bei der Neuordnung der Vereinsgremien und eine neue Zusammensetzung des Vorstands sowie die Einführung eines Aufsichts- wie Ehrenrates vor. Fußball auf Kreta: Rolle rückwärts durch Gennaro Gattuso: Der italienische Fußball-Weltmeister von 2006, der am Sonntag beim griechischen Erstligisten OFI Kreta nach nur sieben Spielen sowie einer 2:3-Heimniederlage gegen Asteras Tripolis zurückgetreten war, hat seine Demission zurückgezogen. Als entscheidend erwies sich der Druck der Fans, die sich an der Wohnung des 36-Jährigen versammelt hatten, um ihn zum Verbleib zu überreden. Daraufhin verzichtete Gattuso auf den Rücktritt. "Nach langen Gesprächen mit dem Klubmanagement und den Fans habe ich mich zum Verbleib entschlossen. Wir fangen stärker und geschlossener als jemals zuvor wieder an", betonte Gattuso. Der Süditaliener hatte zuvor den FC Sion in der Schweiz sowie US Palermo in Italien betreut. Kreta belegt nach sieben Spieltagen mit neun Punkten nur den elften Platz.
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mlsum-de-9981
Früher aß er Roadkill vor der Kamera, heute will er mit seinen Selbstversuchen die Welt etwas besser machen: zu Besuch bei Hugh Fearnley-Whittingstall.
Diese Geschichte muss mit einer Frage beginnen. Oft gestellt von Menschen, denen der Name des hier Porträtierten nichts sagt. Ein fast gestelzt komplizierter Name dazu. Warum also Hugh Fearnley-Whittingstall? Fernsehkoch und Engländer, ausgerechnet, als ob nicht schon zu Hause genügend leidlich bekannte Leute vor der Kamera irgendetwas anrühren. Zu treffen ist der Mann auch noch auf einem Hof im Nirgendwo, in der Grafschaft Devon, endlose drei Zugstunden südwestlich von London. Eine wichtige Antwort ist, dass man gar nicht oft genug nach England pilgern kann, um sich abzugucken, wie das Prinzip Fernsehkoch funktioniert. Weil viele Deutsche ja immer noch glauben, eine Kochshow entstehe, wenn ein 55-plus-Typ vor einem Topf Spargelcremesuppe herumwitzelt oder ein 35-minus-Fuzzi Zoten reißt und bei 29 hilflosen Umschnitten pro Minute die Küche zerlegt. Ähnlich beliebt: blasse Experten, Pop-Klangteppich, künstliche Spannung und - bei Privatsendern offenbar unverzichtbar - die pädagogische Blödelstimme aus dem Off. In England dagegen erfindet sich die Kochshow seit Jahrzehnten immer wieder neu, was das Publikum gern mit Traumquoten belohnt. Das Rezept: gutes Storytelling und interessante Menschen, die ein Konzept tragen; oft, weil es für sie erfunden und mit ihnen erst populär wurde. Das mag selten große Küche sein, aber verlässlich: großartige Unterhaltung. Da sind nicht nur der nette Jamie Oliver oder der großspurige Gordon Ramsay, deren Geschichten so oft erzählt wurden. Da ist auch die mütterliche Mary Berry, "Queen of Cakes", von der zwei Sätze genügen, damit die halbe Nation über Himbeertorte diskutiert. Das wasserdichte Konzept ihrer Show hat übrigens Sat 1 gekauft und unter dem Namen "Das große Backen" nach allen Regeln der Kunst hingerichtet. Da ist auch der schwule Israeli Yotam Ottolenghi, der mit dem Palästinenser Sami Tamimi kochend den Nahost-Konflikt zu lösen schien. Dann gibt es noch den sanften Obstgarten-Literaten Nigel Slater oder die mondäne Nigella Lawson, die auf der Vogue eine so gute Figur macht wie am Herd. Ihr Gegenentwurf war die gerade verstorbene Clarissa Dickson Wright, Juristin und Tochter des Leibarztes der Queen. Die korpulente Dickson Wright brachte ihr Millionenerbe im Suff durch und lebte auf der Straße, ehe sie fürs Fernsehen entdeckt wurde - als eine von "Zwei fetten Damen", die den Engländern glaubwürdig Kalorienbomben andienten. Detailansicht öffnen Eine Frage der Perspektive: der Brite Hugh Fearnley-Whittingstall. (Foto: Neale Haynes/Getty) Kurzum: Das britische Koch-TV ist voller brillanter Geschichten, und eine der zeitgemäßesten und beliebtesten erzählt seit mehr als zehn Jahren Hugh Fearnley-Whittingstall, ein Erfolg, der auch noch auf sanfter Pädagogik fußt. Seine Farm "River Cottage" dürfte in Großbritannien bald ähnlich bekannt sein wie Buckingham Palace. Sie ist Bauernhof und Spielplatz, Fernsehkulisse und Markenname in einem und steht für Nachhaltigkeit und die Idee vom guten Landleben. "Genuss, Inspiration und Verhaltensänderung" nennt der Chef selbst als wichtigste Bildungsziele. Im besten Fall heiße das: Wenn der Stadtmensch am Abend erschöpft auf die Couch sinkt, kriegt er auf dem Schirm blauen Himmel, grüne Wiesen und nützliche Anregungen serviert, danach beschließt er, die eigene Lebensqualität zu verbessern, in kleinen Schritten natürlich, "und wenn er nur anfängt, in einem Topf auf der Fensterbank Kräuter zu ziehen." Der Eskapismus-Teil funktioniert auch vor Ort schon einmal glänzend. Wer sich vom Parkplatz aus der Farm nähert, muss einige Hundert Meter ins Tal hinabsteigen, über einen mäandernden Sandweg, mit Blick über Wälder, Felder und die Hobbithügel von Devon. 27 Hektar und 35 Mitarbeiter habe der Hof nun schon, immer mehr Bauern hier hätten "auf Bio" umgestellt, schwärmt ein Assistent. Unten geht es vorbei an uralten Steinhäuschen wie dem zur Kochschule umgebauten Stall, wo gerade die Grundzüge der Käserei gelehrt werden; ein Stück weiter liegen Lokal und Testküche, die heute Besuch vom Leibkoch des Thronfolgers hat. Prinz Charles interessiert sich, wie jeder Brite weiß, für ökologischen Landbau, man kennt sich. Und allen hier gemeinsam ist eine beinahe programmatische Freundlichkeit und eine Produkthuldigung, die ans Religiöse grenzt ("Hallo Andy, wie geht's? Wo willst du mit diesem fantastischen Lauch hin?" - "Ja, danke, sieht er nicht toll aus?"). Der Chef bittet in eine Kaminklause, auf Schreinerstühle aus recyceltem Holz. Er trägt schwarze Hornbrille zum blütenweißen, kragenlosen Leinenhemd, was seltsam stimmig die Rolle unterstreicht, die er im Kreis der vielen britischen TV-Köche spielt: Elite-Internat Eaton, Abi-Schwerpunkt englische Literatur, Doppelstudium in Oxford, Psychologie und Philosophie - Hugh Fearnley-Whittingstall, kurz HFW, ist der intellektuelle Missionar in der Küche, berühmt geworden auch durch seine herzliche Nachdenklichkeit: Viele Journalisten hätten "River Cottage" anfangs als Life-Style-Show betrachtet, sagt er. "Das ist völlig berechtigt, aber es geht auch um Politik. Es gibt kein politischeres Thema als Essen. Was sollte uns umtreiben, wenn nicht die Frage, wie wir künftig auf verträgliche Art neun Milliarden Menschen ernähren?" HFW sieht sich eher als Journalist denn als Koch, er stand zwar mal im berühmten River Café am Herd, aber "wenn du im entspanntesten Laden Londons nach acht Monaten gefeuert wirst, weil du zu langsam und zu unordentlich bist, solltest du dir Gedanken machen", sagt er. Spätestens jetzt weiß man: Ethik, Sendungsbewusstsein und fast schon vorsätzliche Tiefstapelei sind die wichtigsten Zutaten seines Erfolges. Detailansicht öffnen Seine Street Credibility hat sich der 50-Jährige aber hart verdient. Trotz der kulinarisch versierten Mutter und seiner Backleidenschaft als Kind kam er über Umwege zur Küche. Nach einer Zeit als freier Gastro-Autor landete er beim Fernsehen, wo er vor der Kamera bald Roadkill, Tierhoden und Plazenta verspeiste, was ihm Titel wie "Hugh Fearlessly Eats It All" oder "Mr. Selbstversuch" einbrachte. Das war nicht nur nett gemeint, über Jahre sei er für viele nun "der Typ mit der Plazenta" gewesen, sagt er. HFW beteuert bis heute, dass es ihm bei solchen Aktionen nie allein um Aufregung gegangen sei. Und tatsächlich wurden seine Selbstversuche schnell ernsthafter. Er stellte sich in Fußgängerzonen, um Fisch aus nachhaltigem Fang zuzubereiten und auf die Überfischung der Meere aufmerksam zu machen. In "River Cottage" baute er sein eigenes Gemüse an, zog Schweine vor der Kamera groß und schlachtete sie auch dort, um zu zeigen, dass Fleisch mit Leben und Leben mit Tod zusammenhängt. Und er zog eine Mastanlage nach industriellem Vorbild hoch, mit 2500 Hühnern, für mehrere Monate. Als er den schockierten Zuschauern schließlich die Gräuel des Lebens als Hühnerbaron vor Augen führte, da brach er einmal vor der Kamera in Tränen aus. Sollte das Kalkül gewesen sein, dann war es sehr effektiv. Der Markteinteil von Biohuhn im Land sei danach von fünf auf knapp 15 Prozent gestiegen, erzählt Fearnley-Whittingstall stolz. Beweise, dass das an seiner Sendung gelegen habe, gebe es natürlich nicht. Aber die brauche er auch gar nicht. Während er erzählt, bringen Mitarbeiter kleine Gerichte aus seinem neuen Kochbuch herein, jeder Handgriff begleitet vom Lob des Chefs, der selbst für die Gartenerbsen vor ihm auf dem Teller (mit Hackbällchen vom Biolamm) freundliche Worte übrig hat - "eben gerade geerntet, unglaublich, diese Frische!" Das mag eine Inszenierung sein, aber eine irritierend überzeugende, auch, weil HFW vollkommen mit der Situation zu verschmelzen scheint. Auch deshalb ist die Idee "River Cottage" mit jedem Projekt, mit jeder Sendung, ein wenig größer geworden. Und oft hat der Chef die Rollen gewechselt, hat ein Grundlagenbuch über Fleisch geschrieben und später, für ein anderes Buch, fünf Monate lang vegetarisch gelebt. Das sei kein Widerspruch, findet er, sondern ein Lernprozess. Fleisch werde zum Luxusprodukt, und sein Credo, die Menschen müssten ihr Essverhalten ändern, gelte da zuallererst für ihn selbst. Gerade plant er einen Film über das Wegwerfen von Lebensmitteln. Außerdem hat er vier neue Restaurants eröffnet, die im River-Cottage-Duktus bescheiden "Kantinen" heißen. Und allein für die nächsten acht Begleitbücher zur Sendung soll Bloomsbury fast zwei Millionen Pfund gezahlt haben. Sind Wachstum und Nachhaltigkeit ein Widerspruch? "Nein", sagt Fearnley-Whittingstall da entschieden, das Wachstum für River Cottage sei zunächst mal positiv, vorausgesetzt, "wir bleiben unserer Idee treu"; so gut man das eben könne. Er sagt auch, dass er nicht so naiv sei, nicht zu wissen, wie unendlich schwer es ist, den Großteil der Bevölkerung zu erreichen. Oder Erfolge gegen die Industrie und ihre süchtig machende Fertignahrung zu erringen. Versuchen sollte man es aber trotzdem. Nach einer guten Stunde erinnert ihn seine Assistentin daran, dass er dringend los müsse. Menü abschmecken, Meetings, Termin in London. Nach einer fast herzlichen Verabschiedung ist HFW dann weg. Und für einen kurzen Moment hängt man einem Gedanken nach: Je größer die Idee vom schönen Landleben wird, desto weniger hat ihr Erfinder vielleicht selbst von ihr. Hugh Fearnley-Whittingstall: Drei gute Dinge, 180 genial einfache Rezepte aus dem River Cottage, AT-Verlag.
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Das Pariser Hotel Ritz versteigert Teile seines alten Mobiliars: Warum uns die Zeiten von Hemingway und Coco Chanel so faszinieren und Gegenstände eine solche Magie entfalten können.
Wahrscheinlich ist die Verlegenheit der einzig angemessene Ausdruck für einen Menschen, der zum ersten Mal das Ritz in Paris betritt. So wie sich dieser junge Vater unverstellt verlegen zeigt, als er die mahagoniverkleideten Decken des hoteleigenen Café Vendôme sieht, die gleichzeitig eleganten und dezenten Leuchtkörper, die Fotos an den Wänden - Porträts berühmter Ritz- Gäste: Coco Chanel, Jean Cocteau, F. Scott Fitzgerald. Es müssen ja immer Namen fallen, wenn es um legendäre Hotels wie das Ritz geht, die Geister wollen beschworen werden, denn ohne belastbaren Mythos könnte man für einen einzigen normalen Café Crème schließlich keine sechzehn Euro verlangen. Die beiden Töchter, sie tragen Jeans und regenabweisende Übergangsjacken wie ihr staunender Vater, schlagen die Bar als Aufenthaltsort vor. Da sitzen die drei jetzt auf den Hockern, von denen jeder einzelne vermutlich schon dem Hintern einer Legende gedient hat. Drei staunende Gäste des verschwenderischen Lebens, schauen sie auf die mild beleuchteten Whisky- und Cognac-Flaschen im gläsernen Regal. Ja, ruhig noch ein bisschen verstohlen umheräugen: Hinter dem Café Vendôme liegt der Wintergarten, dessen bacchantische Allzeitbereitschaft in der silbernen Schale mit gekühlten Weißwein- und Champagnerflaschen ein schönes Symbol findet. Es sitzen nicht viele Gäste hier, allerdings ist es auch früher Nachmittag, also zu spät für den Lunch, zu früh für das Dinner. Wie mag sich wohl Erich Maria Remarque gegeben haben, als er das Ritz zum ersten Mal betrat? Er hat ja gesagt, dass jeder, der aus einfachen Verhältnissen stamme wie er, ein Leben lang einen Minderwertigkeitskomplex mit sich herumtrage. Hat er seine Verlegenheit überspielt mit im Mundwinkel baumelnder Zigarette, die Hand lässig in die Hosentasche gesteckt, weil er wusste, dass der perfekt geschneiderte Zweireiher keine Falten werfen würde? Remarques Foto hängt auch an der Wand - ein gerade noch junger Mann, vom Erfolg seines Buches "Im Westen nichts Neues" komplett überwältigt. Fünf Tage lang dauert die Auktion, 10 000 Stücke aus der guten alten Zeit kommen unter den Hammer Geriet man zu Remarques Zeiten leichter in die mondäne Welt, weil eine gewisse Grundeleganz der prägende Stil jener Jahre war? Haben Zelda und Scott Fitzgerald in ihrer Suite ihre Champagnerlaune - bei Zelda wurde sie zur bösen Sucht - in Ironie und Nonchalance umgemünzt und sich über den überzuckerten Louis-Seize-Stil lustig gemacht? War andererseits dafür nicht Scotts poetische Feier des Mondänen zu todesernst und Zeldas weltliche Feier des Rauschhaften zu todesverliebt? Das Hotelzimmergefühl des stets am Abgrund feiernden Schriftsteller-Pärchens ist heute schwer nachzumessen, und aus der Literatur Rückschlüsse aufs Leben zu ziehen ist bekanntlich verboten. Dafür kann man sich dieser Tage einen Eindruck vom Mobiliar der F.-Scott-Fitzgerald-Suite schaffen: Das liegt daran, dass Teile davon zusammen mit vielen anderen Schränkchen, Tischchen, Betten, Spiegeln aus dem Ritz - insgesamt sind es wohl an die 10 000 Stücke - vom 17. April an in einer auf fünf Tage gestreckten Auktion verkauft werden sollen. Seit der vergangenen Woche sind die Sachen im Auktionshaus Artcurial an den Champs-Élysées ausgestellt. Auf zwei Etagen überall kostbares Gerümpel, Betten, in denen Menschen aus dem Hause Windsor geschlafen haben, ein Humidor, in den vielleicht Edward VII. seine suchenden Raucherhände gesteckt hat. Dann der Louis-Seize-Sessel mit vergoldetem Holzrahmen, in dem F. Scott Fitzgerald mit einem Glas Whisky (seinem wievieltem, seinem zehnten, elften?) gesessen hat, während sich Zelda am Frisiertisch die Haare machte und Champagner (ihren wievielten, ihren elften, zwölften?) trank. Hat nicht der böse Freund des Paares, Ernest Hemingway, in seinem berühmten Paris-Buch ausgeplaudert, dass Zelda vom ewigen Champagner-Saufen Darmprobleme bekommen hat? Vielleicht begab sich Zelda zum Trinken deshalb auch lieber hinter den Paravent à trois feuilles. Er ist bei der Auktion mit 350 bis 400 Euro veranschlagt, man kann gespannt sein, wer mehr bietet. Derart ausgemustert kommen einem die schönen alten Möbel wie amputierte Glieder eines großen Ganzen vor, das man im digitalen Spätkapitalismus nach Belieben an die Meistbietenden verteilt. Das muss jetzt aber nicht zu attacartigen Aufwallungen führen - die Sachen müssen einfach raus, nach der Renovierung im Jahr 2016 war kein Platz mehr für sie. So erklärt es jedenfalls François Tajan, der dem für die Verscherbelung zuständigen Auktionshaus Artcurial vorsteht. Und seien wir ehrlich: Möchte ein Gast, der mindestens 1000 Euro pro Nacht für ein Zimmer bezahlt hat, von Sesseln und Stühlen umgeben sein, auf denen ein Zettel liegt mit der Bitte, sich nicht draufzusetzen? Selbst der leidenschaftlichste Liebhaber von gebrauchten Zeugen glanzvoller Tage möchte nicht ernsthaft unter jener Dusche stehen, die als allererste Dusche des Ritz unter den Hammer gehen wird: Armaturen wie in einem Kriegs-U-Boot; ein kleiner unverstellbarer Duschkopf und ein von Rost und Zeitläuften versiffter Wannenboden - das Alter ist ein Massaker. Und dennoch dürften all die Paire des chaises, die Lampadaires en bois laqué noir et doré, die Weinspendemaschine mit fünf Hähnen und die kitschigen Chopin-Porträts für sehr viel Geld verkauft werden. Möglicherweise werden die Möbel in anderen Hotels, fachmännisch renoviert und aufpoliert, eine Menge hermachen. Vielleicht kommen sie in einer schönen Privatwohnung unter, und deren Besitzer können dann interessierten Gästen Provenienz und Restaurationsaufwand erörtern. Warum wir diese alten Sachen mögen? Vielleicht, weil wir die vergangenen Zeiten immer für die glücklicheren halten? Immerhin hatte ja, wer auf diesen Chaisen saß und an jener alten Rezeption stand, zumindest in großen Teilen ein spritziges Leben geführt. So wie Prinzessin Diana, die gemeinsam mit ihrem Freund Dodi Al-Fayed (dem Sohn des Hoteleigentümers) 1997 im Ritz abgestiegen war, bevor sie zu ihrer letzten, tödlichen Fahrt ins nächtliche Paris aufbrach. Detailansicht öffnen Ein Bild von Coco Chanel, aus der Chanel-Suite. Die Modeschöpferin lebte viele Jahre im Ritz - und starb dort 1971. (Foto: dpa) Detailansicht öffnen Die Modeschöpferin Chanel wohnte viele Jahre lang im Ritz, wo sie 1971 auch starb. Sie war nicht die einzige Prominente, für die das Pariser Hotel zur zweiten Heimat wurde. (Foto: Interfoto) Vielleicht noch ein paar Takte zum Geschmack: Die Möbel und Accessoires, die man ersteigern kann, haben nicht den retroschicken Vintage-Charme wie so viele alte Sachen aus der Art-déco-Zeit, die ja eigentlich die fulminante gebrauchsästhetische Epoche des zwanzigsten Jahrhunderts war. Die Gäste des Ritz saßen schon in den irren Zwanzigern auf nachgemachten, mit ihrem Zierrat und ihren Schnörkeln unzeitgemäßen Sofas und Hockern. Eine üppige Glanzzeit wurde damals aufgerufen; nicht die Belle Époque, die lag nicht weit genug zurück und hatte einen bürgerlichen Anklang; nein, es musste schon das aristokratische Frankreich sein. Rokoko mit ein bisschen Restbarock - das waren eben die Zeiten, als die Nation ihr bürgerliches Selbstbewusstsein noch nicht mit blutigen Revolutionen geschärft hatte. In Grandhotels wie dem Ritz herrscht das Gesetz der Ästhetik, flankiert vom Recht auf Diskretion. Das ist auch der Grund, warum so viele berühmte Menschen ihre letzten Lebensjahre in Hotels verbracht haben: Vladimir Nabokov im Montreux Palace Hotel, Georges Simenon im Beau Rivage in Lausanne, Coco Chanel eben im Ritz, sie starb dort 1971. Der Auktionskatalog listet das Inventar der Modegöttin auf den hinteren Seiten auf, diskret annonciert unter "Suite Mademoiselle C." Man kann jedes Teil daraus erwerben, den kleinen Schreibtisch, den chinesischen Schnickschnack, die Flakons aus dem Bad, die japanischen Vasen, die Sessel. Vermutlich wird das alles elend verblühen, wenn man es bei sich zu Hause aufstellt. Organe des mondänen Lebens sind sie eben nur im Ritz. Hemingway feuerte mit einer Maschinenpistole auf das Foto seines Konkurrenten Hätte Ernest Hemingway in den Fünfzigerjahren nicht eine seiner fast tödlichen Schreibkrisen gehabt, wären vermutlich auch seine beiden alten Koffer bei Artcurial zu finden gewesen. Aber die Leitung des Ritz bat Hemingway im Herbst 1956, die alten Dinger endlich mitzunehmen. Der Schriftsteller ließ sich stattdessen einen großen Louis-Vuitton-Schiffskoffer geben, packte die im Ritz gelagerten Notizen, Tagebücher und Manuskripte ein und ließ alles mit dem Schiff Ile de France auf seine Finca nach Kuba bringen. Das Buch, das daraus entstand, erschien drei Jahre nach seinem Tod: A Moveable Feast, zu Deutsch: Paris - ein Fest fürs Leben. Das Ritz kommt in der wunderschönen Erzählung nicht vor, obwohl Hemingway hier seine Bar hatte, die nach ihm benannt ist. Vielleicht liegt es daran, dass Hemingway ansonsten diese Geschichte mit seiner späteren Frau Mary Welsh hätte erzählen müssen, die damals noch mit einem anderen Mann verheiratet war. Das Porträtfoto dieses Mannes, der sich von Mary partout nicht scheiden lassen wollte, stellte Hemingway auf die Kloschüssel und feuerte mit der Leidenschaft des Liebenden sowie mit einer Maschinenpistole auf das Bild. Auf diese Weise haben es zwei schöne Stücke aus dem Ritz, das Porträt eines Herrn und die alte Kloschüssel von Hemingway, nicht mehr in die Auktion geschafft.
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Felipe Massa hat einen neuen Rennstall gefunden. Jan Ullrich muss wieder vor Gericht. Weltfußballer Lionel Messi wird dem FC Barcelona wegen einer Oberschenkelverletzung sechs bis acht Wochen fehlen.
Formel 1, Felipe Massa: Formel-1-Pilot Felipe Massa fährt in der kommenden Saison für Williams. Dies gab der englische Rennstall am Montag in Grove bekannt. Der 32-Jährige wird damit 2014 neuer Partner des Finnen Valtteri Bottas und nimmt den Platz von Pastor Maldonado ein. Wohin der Venezolaner wechselt, ist noch nicht bekannt. Massa fährt in dieser Saison für Ferrari, muss aber seinen Platz für den Finnen Kimi Räikkönen räumen. Der Brasilianer war 2006 von Sauber zur Scuderia gewechselt. 2008 verpasste er den WM-Titel nur um einen Punkt. Am Sonntag war Massa vor rund 15 000 Fans beim italienischen Rennstall verabschiedet worden. Klage, Jan Ullrich: Jan Ullrich steht wieder vor Gericht: Fünf Jahre nach seinem Prozess-Erfolg gegen Günther Dahms vor dem Düsseldorfer Landgericht hat sein früherer Sponsor den einstigen Rad-Star in einem Zivilverfahren auf Rückzahlung von 300.000 Euro verklagt. Der frühere Chef des längst insolventen Rennstalls Coast sieht gute Chancen, sich die finanziellen Mittel zurückzuholen, die Jan Ullrich im November 2008 zugesprochen worden waren. Damals hatte die Justiz geurteilt, Dahms habe die zurückgehaltenen Sponsorengelder an Ullrich zu zahlen. Entscheidend für das Urteil war die Tatsache, dass der heute 39-Jährige damals unter Eid aussagte, in dem betreffenden Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2003 keine Dopingmittel genommen zu haben. In Essen ist zunächst ein Zivilprozess anhängig. Dem soll sich ein Strafprozess anschließen, wenn Dahms Recht erhält. Der Düsseldorfer Anwalt Knut Marel, der Ullrich 2008 vor dem OLG vertrat, sagte dem Sport-Informations-Dienst (SID): "Bewusstes Anlügen des Gerichts ist ein Verbrechens-Tatbestand. Darauf steht Gefängnis nicht unter einem Jahr." Der Anti-Doping-Experte Werner Franke sieht die Dinge so: "Es wird Zeit für einen Prozess wegen Meineids gegen Jan Ullrich. Dafür reichen schon die Aussagen seines früheren Masseurs Jef D'hont vor dem Hamburger Landgericht." D'hont hatte in Hamburg ausgesagt, Ullrich habe das Blutdopingmittel Epo eingenommen. Fußball, FC Barcelona: Weltfußballer Lionel Messi wird dem spanischen Fußball-Meister FC Barcelona sechs bis acht Wochen lang fehlen. Der 26-jährige Argentinier hat beim 4:1 (2:0)-Auswärtserfolg gegen Betis Sevilla am Sonntag eine Muskelverletzung im linken Oberschenkel erlitten. Das gab der Klub am Montag bekannt. Messi wird somit auf jeden Fall die Länderspiele gegen Ecuador (15. November) und Bosnien-Herzegowina (18. November) in den USA sowie die ausstehenden Champions-League-Gruppenspiele mit Barca bei Ajax Amsterdam und gegen Celtic Glasgow verpassen. Länderspiel, Italien: Mit Mario Balotelli, Andrea Pirlo und Gianluigi Buffon tritt der viermalige Fußball-Weltmeister Italien am Freitag gegen Deutschland an. Insgesamt 28 Spieler hat Nationalcoach Cesare Prandelli in seinen Kader für die Länderspiele gegen die DFB-Elf am Freitag in Mailand und drei Tage später gegen Nigeria in London berufen, wie Italiens Fußballverband (FIGC) mitteilte. Das Nationalteam kommt am Dienstagnachmittag zusammen und beginnt dann mit der Vorbereitung auf die beiden Freundschaftsspiele. Neben zahlreichen erfahrenen Nationalspielern wie dem Ex-Wolfsburger Andrea Barzagli, dem Deutsch-Italiener Ricardo Montolivo und Routinier Alberto Gilardino erhalten dieses Mal auch Marco Parolo vom FC Parma und Domenico Criscito von Zenit St. Petersburg eine neue Chance. Criscito ist einer von nur vier Spielern im Kader, die ihr Geld nicht in Italien verdienen. Die meisten Akteure stellt Rekordmeister Juventus Turin mit sechs Spielern. Olympia, Winterspiele 2022: Die schwedische Hauptstadt Stockholm bewirbt sich gemeinsam mit der Stadt Åre um die Olympischen Winterspiele 2022. Das gab das Nationale Olympische Komitee von Schweden am Montag bekannt. "Wir können der Welt ein spannendes, innovatives Projekt bieten", teilte das SOK mit. "Aber es muss wirtschaftlich machbar sein." Ob alle Voraussetzungen stimmen, wollen die Schweden nun prüfen. Mitte März 2014 müssen alle Unterlagen vorliegen. Stockholm ist nach Oslo, Peking, Krakau, Lwiw und Almaty der sechste Bewerber für 2022. Im Juli 2015 entscheidet die Exekutive des IOC über die offiziellen Kandidatenstädte. Erst am Sonntag war das Münchner Olympia-Projekt bei den Bürgern durchgefallen. Bei einem Bürgerentscheid stimmte eine knappe Mehrheit gegen eine Bewerbung der bayerischen Stadt um die Winterspiele 2022. Formel 1, Fahrerwechsel: Felipe Massa fährt in der kommenden Saison für Williams. Dies gab der englische Rennstall am Montag in Grove bekannt. Der 32-Jährige wird damit 2014 neuer Partner des Finnen Valtteri Bottas und nimmt den Platz von Pastor Maldonado ein. Wohin der Venezolaner wechselt, ist noch nicht bekannt. Massa fährt in dieser Saison für Ferrari, muss aber seinen Platz für den Finnen Kimi Räikkönen räumen. Der Brasilianer war 2006 von Sauber zur Scuderia gewechselt. 2008 verpasste er den WM-Titel nur um einen Punkt. Am Sonntag war Massa vor rund 15 000 Fans beim italienischen Rennstall verabschiedet worden. Radfahren, Lance Armstrong: Lance Armstrong will bei der Aufklärung der Doping-Vergangenheit im Radsport mit "100 Prozent Transparenz und Ehrlichkeit" mithelfen. Allerdings forderte der Texaner, dem im Zuge der Doping-Ermittlungen alle Toursiege von 1999 bis 2005 aberkannt worden waren, eine faire Behandlung. Einige Akteure, die in die Doping-Kultur involviert waren, hätten einen "Freifahrtschein" erhalten, andere eine "Todesstrafe", sagte Armstrong in einem Interview des englischen TV-Senders BBC. Nach seiner Verurteilung als Dopingsünder und seinem Geständnis sei es "sehr hart" gewesen. "Ich habe einen hohen Preis in Bezug auf meine Stellung im Radsport, meinen Ruf und auch in finanzieller Hinsicht gezahlt, weil sich die Klagen weiter häufen", ergänzte Armstrong. Von seinem Vermögen, das einst 125 Millionen Dollar betragen haben soll, habe er "massiven Verlust" hinnehmen müssen, während andere durch diese Geschichte Profit geschlagen hätten. Armstrong betonte, dass er bei den angehenden Untersuchungen alles tun werde, "um das Kapitel zu schließen". Er habe nichts zu verlieren. In Bezug auf die Rolle des Radsport-Weltverbandes mit den umstrittenen Ex-Präsidenten Hein Verbruggen und Pat McQuaid habe es Dinge gegeben, die ein wenig "schattig" gewesen seien. Trotzdem seien die Offenbarungen vielleicht nicht so "pikant", wie die Leute vermuten. Fußball, VfL Wolfsburg: Volkswagen-Boss Martin Winterkorn hat sich für eine Verlängerung des auslaufenden Vertrages mit Starspieler Diego ausgesprochen - und den VfL-Sportdirektor Klaus Allofs damit unter Druck gesetzt. "Ich bin eindeutig jemand, der ungern einen guten Spieler gehen lässt, und Diego ist ein guter Spieler", wird der Konzernchef in Wolfsburger Zeitungen zitiert. "Die Mannschaft ist mit Diego eindeutig stärker, auch wenn sie diesmal auch ohne ihn gut gespielt hat", sagte Winterkorn zum 2:1-Sieg des niedersächsischen Fußball-Bundesligisten gegen Vize-Meister Borussia Dortmund. Allofs hatte zuvor mehrfach gesagt, dass es für eine Entscheidung zu früh sei. Der VfL-Manager hatte erklärt, dass die Zukunft des Brasilianers in erster Linie von einer Europapokal-Qualifikation abhänge. "Diese Entscheidung ist eine entscheidende Weichenstellung", sagte Allofs: "Auf der einen Seite, welche sportliche Entwicklung der VfL nimmt, aber auch welche finanzielle Verpflichtung der Verein eingeht." Der brasilianische Mittelfeldstar soll beim VfL nach übereinstimmenden Medienangaben rund acht Millionen Euro kassieren. Eishockey, DEB: Die deutschen Eishockey-Cracks haben die angestrebte Titelverteidigung beim Deutschland Cup in München verpasst. Am Sonntag verlor das stark ersatzgeschwächte Team von Bundestrainer Pat Cortina das letzte und entscheidende Spiel gegen die USA mit 4:7 (2:1,2:4,0:2). Tore von Patrick Hager (1. Minute), Michael Wolf (4./22.) und Marcus Kink (26.) reichten vor 6000 Zuschauern im ausverkauften Olympia-Eisstadion nicht zum sechsten Turnersieg Deutschlands. Stattdessen machten Jeremy Dehner (11.), Grant Lewis (22.), Peter Mueller (24.), Chad Kolarik (35.), Pete MacArthur (39.), Steve Moses (44.) und Dan Sexston (55.) den dritten Cup-Gewinn für die USA nach 2003 und 2004 perfekt. Mit sieben Punkten sicherte sich der WM-Dritte vor der Schweiz (5), Deutschland (4) und der Slowakei (2) den Cup. Basketball, NBA: Die Los Angeles Lakers um Nationalspieler Chris Kaman haben in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA die fünfte Saisonniederlage kassiert. Gegen die Minnesota Timberwolves unterlagen die Kalifornier 90:113 und belegen in der Western Conference nur den zwölften Platz. Kaman brachte es auf acht Punkte sowie fünf Rebounds. Der deutsche Rookie Elias Harris stand bei den Lakers zwar im Kader, kam aber nicht zum Einsatz. Die Nummer eins im Westen bleiben die San Antonio Spurs nach einer Gala-Vorstellung. Der viermalige Meister feierte bei den New York Knicks einen überlegenen 120:89-Erfolg und damit den sechsten Sieg im siebten Spiel. In der NBA hat nur Ost-Primus Indiana Pacers (7:0) eine bessere Bilanz. Oklahoma City Thunder siegte gegen die Washington Wizards 106:105 nach Verlänerung und bleibt im Westen mit fünf Siegen aus sechs Spielen erster Verfolger San Antonios. Eishockey, NHL: Die Florida Panthers um den deutschen Eishockey-Nationalspieler Marcel Goc kommen in der nordamerikanischen Profiliga NHL auch unter Interimstrainer Peter Horachek nicht in Schwung. Bei den New York Rangers verlor das Team aus dem Sunshine State 3:4 und kassierte damit bereits die neunte Niederlage in Folge und die zweite seit der Entlassung von Headcoach Kevin Dineen. Stürmer Goc stand 17:18 Minuten auf dem Eis, steuerte jedoch weder Tor noch Assist bei. Mit nur zehn Punkten aus 18 Spielen bleiben die Panthers das zweitschwächste Team in der Eastern Conference. Schlechter sind nur die Buffalo Sabres (7). Die Mannschaft des derzeit verletzten Verteidigers Christian Ehrhoff war am Sonntag nicht im Einsatz. Gut läuft es derweil weiter für die Anaheim Ducks. Die Mannschaft aus dem US-Bundesstaat Kalifornien setzte sich gegen die Vancouver Canucks 3:1 durch und führt die Tabelle im Westen mit 31 Punkten an. Handball, Bundesliga: Der deutsche Handball-Meister THW Kiel hat seine Bundesliga-Tabellenführung gefestigt, die SG Flensburg-Handewitt das Verfolgerduell mit dem HSV Hamburg für sich entschieden. Nach dem Sieg im Spitzenspiel gegen die Rhein-Neckar Löwen (31:28) am Mittwoch gewann das Kieler Team von Trainer Alfred Gislason am 13. Spieltag mit 30:24 (15:10) beim TSV Hannover-Burgdorf. Im Spitzenspiel zog Flensburg-Handewitt durch ein 31:29 (16:13) gegen Champions-League-Sieger Hamburg wieder an den Füchsen Berlin vorbei auf Rang zwei. Hamburg fiel auf den fünften Platz zurück. Die nun viertplatzierten Löwen, die für die kommende Saison den deutschen Nationalspieler Stefan Kneer verpflichtet haben, zeigten sich unbeeindruckt von der bitteren Niederlage unter der Woche. Der EHF-Pokalsieger bezwang den stark gestarteten Aufsteiger Bergischer HC in heimischer Halle mit 35:28 (21:13). Die Kieler ließen in ihrem Auswärtsduell nichts anbrennen und verbuchten den zwölften Saisonsieg bei erst einer Niederlage. Bester Werfer war der Serbe Marko Vujin mit sechs Toren. Im ersten von drei aufeinanderfolgenden Spielen zwischen den Nordteams ragte Flensburgs Torwart Mattias Andersson mit ganz starken Paraden heraus. Erfolgreichster Werfer auf dem Feld war Hamburgs Hans Lindberg (12). Am kommenden Samstag empfängt der HSV die Flensburger in der Champions League. Bei den Löwen, die den Anschluss an die Spitzengruppe hielten, traf der deutsche Nationalspieler Uwe Gensheimer (6) am häufigsten. Hannover-Burgdorf und der Bergische HC bleiben im Tabellen-Mittelfeld. GWD Minden feierte derweil den ersten Saisonsieg. Das Team aus Nordrhein-Westfalen siegte gegen den zwölfmaligen Meister VfL Gummersbach mit 27:24 (13:13) und rückte in der Tabelle um einen Rang auf Platz 16 vor. Matchwinner war Nenad Bilbija mit neun Treffern. Zudem gewann die HSG Wetzlar vor allem dank Rückraumspieler Kent Robin Tönnesen (9) mit 28:27 (12:14) beim SC Magdeburg.
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Barcelonas Stürmer muss sich gegen schwere Vorwürfe wehren. Karl-Heinz Rummenigge missfällt die Fan-Aussperrung beim Spiel gegen ZSKA - für Mario Götze findet er warme Worte. Beim 1. FC Nürnberg bleibt die sportliche Leitung vorerst im Amt.
Fußball, Spanien: In Spanien gibt es Wirbel um Stürmer Lionel Messi vom FC Barcelona. Der Vizeweltmeister von Barça soll Gegenspieler Weligton im Punktspiel am Mittwoch beim FC Malaga (0:0) als "Hurensohn" beleidigt haben. Das zumindest behauptet der Brasilianer, der damit gleichzeitig seine Reaktion begründete, als er Messi an den Unterkiefer griff und zu Boden stieß. Weligton sah dafür die Gelbe Karte. "Das war in einer hektischen Phase. Er rief mich Hurensohn und ist zu mir gekommen. Ich wollte ihn nicht verletzen", so Weligton, der sich bereits in den Spielen zuvor gegen Barça hitzige Duelle mit Messi geliefert hatte. 1. FC Nürnberg, Führungskrise: Valerien Ismael bleibt vorerst Trainer des kriselnden Zweitligisten. Dies ist das Ergebnis einer fünfstündigen Sitzung am Donnerstag mit Aufsichtsratschef Klaus Schramm, Sportvorstand Martin Bader und dem Sportlichen Leiter Wolfgang Wolf. Ismael wird am Montag gegen den 1. FC Kaiserslautern auf der Bank sitzen, auch der umstrittene Bader bleibt im Amt. Es sei "nicht das Ansinnen von mir oder Herrn Bader, eine Veränderung herbeizuführen", es gebe deshalb "keinen Anlass, über den Trainer zu diskutieren, das würde der Sache nicht guttun", sagte Schramm. Der Club ist nach dem 0:3 (0:2) bei Aufsteiger 1. FC Heidenheim und zuletzt drei Niederlagen nacheinander derzeit nur Tabellen-16. Von acht Pflichtspielen in dieser Saison gingen sechs verloren. Schramm sah sich außerdem dazu veranlasst, sich für den Auftritt seines Stellvertreters Günther Koch zu entschuldigen. Koch hatte am Donnerstag öffentlich den Rücktritt von Bader gefordert. Das sei "kein guter Stil", kritisierte Schramm und nannte das Verhalten des ehemaligen Radioreporters "vereinsschädigend". Eine weitere Zusammenarbeit sei nun "nur noch schwer möglich". Fußball, Champions League: Karl-Heinz Rummenigge verspürt keine große Vorfreude auf das Geisterspiel des FC Bayern am Dienstag in der Champions League bei ZSKA Moskau. "Ich bin jetzt 40 Jahre im Fußball dabei, so etwas habe ich aber noch nicht erlebt. Fußball ist Atmosphäre, Fußball ist Emotion", erklärte der Vorstandsboss des FCB auf der vereinseigenen Internetseite. "Dort werden bis auf ein Häuflein Funktionäre und Journalisten keine Menschen im Stadion sein. Das ist einfach nur schade, das braucht niemand", urteilte Rummenigge. Der russische Verein war wegen wiederholter rassistischer Ausfälle seiner Fans von der Uefa dazu verurteilt worden, das Heimspiel gegen die Münchner vor leeren Rängen auszutragen. Leid tue ihm das vor allem für die Bayern-Fans, sagte Rummenigge. "Einige unserer Anhänger haben seit 25 Jahren kein Auswärtsspiel verpasst", berichtete er. "Sie haben alles versucht, zum Beispiel der Uefa einen Brief geschrieben. Am Ende leider ohne Erfolg." Dagegen sieht der Klubboss die Eingewöhnungszeit von Mario Götze als beendet an. "Ich glaube, jetzt gibt es die gute Chance, dass der Knoten bei ihm total geplatzt ist. Ich wünsche ihm und uns, dass er da weitermacht, wo er in den letzten Spielen angesetzt hat", sagte er. "Wenn man mit 21 Jahren zum FC Bayern kommt, ist man natürlich noch nicht am Ende der Fahnenstange angelangt. Man muss einem jungen Mann wie ihm einfach die Zeit geben, sich hier zu akklimatisieren", kommentierte Rummenigge. VfB Stuttgart, Führungskrise: Trainer Armin Veh und Sportdirektor Jochen Schneider werden beim VfB übergangsweise die Aufgaben des bisherigen Sportvorstandes Fredi Bobic übernehmen. Dies teilte Präsident Bernd Wahler am Donnerstag mit. Veh und Schneider würden bis zu einer Neubesetzung des Postens die Geschäfte in enger Abstimmung mit ihm führen, erklärte Wahler. Bobic sei über die Trennung am Mittwochabend in einem persönlichen Gespräch unterrichtet und nicht am Telefon von ihm entlassen worden, betonte der Präsident. Der Aufsichtsratsvorsitzende Joachim Schmidt räumte ein, die Trennung von Bobic sei nicht ideal abgelaufen. Volleyball, Frauen-WM: Die deutschen Volleyballerinnen haben sich so gut wie sicher für die zweite Runde in Italien qualifiziert. Gegen Außenseiter Tunesien fuhr das Team von Bundestrainer Giovanni Guidetti mit dem 3:0 (25:7, 25:12, 25:7) den zweiten Sieg im dritten Vorrundenspiel ein und hat nun sieben Punkte auf dem Konto. Sollte Argentinien am Abend gegen Gastgeber und Mitfavorit Italien die erwartete Niederlage kassieren, hat Deutschland zumindest Platz vier in der Gruppe A in der Tasche. Die besten vier Teams der vier Sechserpools ziehen in die nächste Phase ein. Nach einem Ruhetag wartet am Samstag Gastgeber Italien im Topspiel (20 Uhr/Sport1). Zum Abschluss der ersten Gruppenphase bekommen es die Deutschen am Montag mit den Kroatinnen zu tun. Fußball, Eintracht Frankfurt: Eintracht Frankfurt hat auf die schwere Verletzung von Stammtorwart Kevin Trapp reagiert und Ex-Nationaltorhüter Timo Hildebrand verpflichtet. Der 35-Jährige trainierte am Donnerstag bereits bei den Hessen mit und soll beim Fußball-Bundesligisten um 12.00 Uhr auf einer Pressekonferenz vorgestellt werden. Hildebrand stand zuletzt beim FC Schalke 04 unter Vertrag, hatte bei den Königsblauen aber keinen neuen Kontrakt erhalten. Trapp hatte sich am Dienstag beim 2:2 gegen den FSV Mainz 05 einen Riss in der vorderen Syndesmose im linken Sprunggelenk zugezogen und fällt rund drei Monate aus. Basketball, Protest: Aus Protest gegen ein Kopftuchverbot hat sich die Frauen-Basketball-Nationalmannschaft aus Katar von den Asienspielen im südkoreanischen Inchon zurückgezogen. Das Team habe die Entscheidung zum Rückzug getroffen und bereite sich auf die Rückkehr in die Heimat vor, zitierte die Nachrichtenagentur AP am Donnerstag den katarischen Delegationsleiter Khalid al-Jabir. In anderen Sportarten sind Kopftücher erlaubt. Der Basketball-Weltverband FIBA dagegen hat das Tragen der Tücher bisher nicht genehmigt. Eishockey, DEL: Nach dem schlechtesten Saisonstart der Clubgeschichte haben die Hamburg Freezers am Donnerstag Trainer Benoit Laporte mit sofortiger Wirkung beurlaubt. Wie der Club aus der Deutschen Eishockey Liga (DEL) mitteilte, leitete das Vormittagstraining bereits der bisherige Co-Trainer Serge Aubin. Der 39-Jährige soll ab sofort das Amt des Cheftrainers übernehmen. Unter dem 54-jährigen Kanadier Laporte sind die Freezers in der DEL nach vier Niederlagen Tabellenletzter. Auch in der Champions Hockey League sind die Norddeutschen noch punktlos und haben mit fünf Pleiten das Achtelfinale klar verpasst. Tennis, Wuhan: Angelique Kerber ist beim WTA-Turnier im chinesischen Wuhan als letzte deutsche Tennisspielerin ausgeschieden. Die 26-Jährige aus Kiel verlor am Donnerstag im Viertelfinale gegen Jelina Switolina aus der Ukraine mit 4:6, 6:7 (3:7). Kerber war bei der mit 2,44 Millionen Dollar dotierten Hartplatz-Veranstaltung an Nummer sieben gesetzt. Zuvor waren bereits Sabine Lisicki, Andrea Petkovic, Mona Barthel und Annika Beck frühzeitig gescheitert. Tennis, Kuala Lumpur: Benjamin Becker steht beim ATP-Turnier in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur im Viertelfinale. Der 33-Jährige aus Orscholz bezwang den Franzosen Pierre-Hugues Herbert mit 6:4, 7:6 (7:4) und darf auf ein deutsches Duell hoffen. Becker trifft in der Runde der letzten Acht auf seinen Landsmann Philipp Petzschner (Bayreuth) oder Ernests Gulbis (Lettland/Nr. 2). Petzschner hatte sich über die Qualifikation bis ins Achtelfinale gekämpft. Becker war zuletzt sowohl bei den US Open in New York als auch in Metz in der ersten Runde gescheitert. Fußball, Spanien: Der FC Barcelona hat in der Primera Division erstmals Punkte liegen gelassen. Am fünften Spieltag der spanischen Fußball-Liga kam das Starensemble um den viermaligen Weltfußballer Lionel Messi nur zu einem 0:0 beim FC Malaga. Mit 13 Punkten bleiben die Katalanen, die weiter ohne Gegentor sind, dennoch an der Tabellenspitze. Nationaltorhüter Marc-André ter Stegen kam nicht zum Einsatz. Unmittelbar hinter Barcelona liegt der FC Sevilla auf Rang zwei, der nach dem 1:0 (0:0) im Heimspiel gegen Real Sociedad San Sebastian ebenfalls 13 Zähler auf dem Konto hat. Gerard Deulofeu (18.) schoss den Europa-League-Champion zum vierten Sieg nacheinander. Zuvor hatte Meister Atlético Madrid einen glanzlosen 1:0 (0:0)-Pflichtsieg bei UD Almería gefeiert. Der Champions-League-Finalist liegt mit zwei Punkten Rückstand auf das Spitzenduo auf Rang drei. Weiterhin achtbar schlägt sich Sensations-Aufsteiger SD Eibar. Gegen Europa-League-Starter FC Villarreal kam der Klub aus dem Baskenland zu einem 1:1 (1:0) und befindet sich mit sieben Punkten im gesicherten Mittelfeld. Fußball, England: Der englische Fußball-Meister Manchester City steht im Achtelfinale des Ligapokals. Der Titelverteidiger und Champions-League-Gruppengegner von Bayern München kam am Mittwochabend zu einem 7:0 (0:0)-Kantersieg gegen Zweitligist Sheffield Wednesday. Auch Premier-League-Spitzenreiter FC Chelsea ist mit André Schürrle in der Starrelf nach einem 2:1 (1:1) gegen die Bolton Wanderers eine Runde weiter. In Manchester trafen Frank Lampard (47./90.), Ex-Bundesligaprofi Edin Dzeko (52./77.), Jesus Navas (55.), Yaya Touré (60./FE) und Jose Angel Pozo (88.). Für den FC Chelsea, in der Königsklasse Gegner von Schalke 04, waren Kurt Zouma (25.) und Oscar (56.) erfolgreich. Den zwischenzeitlichen Ausgleich erzielte Matthew Mills (32.). Fußball, Italien: Titelverteidiger Juventus Turin hat in der italienischen Fußball-Meisterschaft die Tabellenführung von AS Rom übernommen. Der Rekordmeister gewann am Mittwochabend am vierten Spieltag daheim 3:0 gegen Aufsteiger AC Cesena und zog dank der besseren Tordifferenz vorbei. Auch die Römer sind durch einen späten 2:1-Erfolg beim AC Parma weiter ohne Punktverlust in dieser Saison. Champions-League-Teilnehmer und Bayern-Gegner Rom ging durch Adem Ljajic (27.) in Führung, Gastgeber Parma schaffte durch Paolo de Ceglie (56.) den Ausgleich. Der Bosnier Miralem Pjanic ließ in der 88. Minute erneut die Gäste jubeln. Matchwinner für Juventus war der Chilene Arturo Vidal. Der frühere Leverkusener leitete mit einem verwandelten Elfmeter in der 18. Minute sowie einem weiteren Treffer in der 64. Minute den Erfolg ein. Der Schweizer Stephan Lichtsteiner (85.) sorgte für den Endstand. Tabellen-Dritter ist Inter Mailand nach dem 2:0-Heimsieg gegen Atalanta Bergamo, auch Sampdoria Genua und Hellas Verona haben jeweils acht Punkte. Der AC Florenz kam ohne den erneut verletzten Mario Gomez zu Hause nicht über ein 0:0 gegen Sassuolo Calcio hinaus. Die Fiorentina liegt mit fünf Punkten schon ein gutes Stück hinter den beiden Spitzenteams zurück. Pokalsieger SSC Neapel musste mit einem 3:3 gegen US Palermo zufrieden sein. Neapel hat den Saisonstart mit bisher erst vier Punkten verpatzt. Baseball, MLB: Baseballstar Derek Jeter geht vorzeitig in den Ruhestand. Der Shortstop hat in der nordamerikanischen Profiliga MLB mit Rekordmeister New York Yankees die Play-offs verpasst und wird schon am Sonntag bei den Boston Red Sox seine erfolgreiche Karriere beenden. Die Yankees, 27-maliger Gewinner der World Series, verspielten durch ein 5:9 gegen die Baltimore Orioles ihre Chancen auf eine Teilnahme an der Meisterrunde. Die Yankees fehlen zum ersten Mal seit 1993 wieder in zwei aufeinanderfolgenden Jahren in den Play-offs. Damit geht die große Laufbahn des fünfmaligen Titelgewinners Jeter unwürdig zu Ende. Am Donnerstag wird der 40-Jährige in einem weiteren Duell mit den Orioles zum letzten Mal im Yankee Stadium auflaufen. Jeter führt gleiche mehrere Klubstatistiken an. "Mr. November" hat die meisten Spiele im Yankees-Trikot absolviert, stand am häufigsten am Schlagmal und führt mit weit über 3000 Treffern auch bei den Hits. Jeter hat in der MLB seit seinem Debüt im Jahr 1995 ausschließlich für die Yankees gespielt. Der 14-malige Allstar hatte im Februar angekündigt, dass er nach der laufenden Saison aufhören wird. Nun ging es schneller als ursprünglich gedacht. "Das ist hart", sagte Jeter: "Wir haben einfach nicht gut genug gespielt."
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US-Truppen legten im Koreakrieg ganze Städte in Schutt und Asche. Warum Nordkoreas Feindschaft gegen die Vereinigten Staaten so tief verwurzelt ist.
Am Ufer des Potong in Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang liegt ein altes Schiff vertäut, die USS Pueblo. Junge Soldatinnen führen die Besucher an Bord, auf das "siegreiche Kriegsmuseum". Die Pueblo, ein ehemaliger Frachter, war ein amerikanisches Spionageschiff, das Nordkorea kaperte. Sogar Diktator Kim Jong-un machte dem verrotteten Boot seine Aufwartung, 2013 wurde der rote Teppich für ihn ausgerollt. Nordkorea präsentiert die Pueblo als Zeuge seines heroischen Kampfes gegen die "US-Imperialisten". Das Schiff kreuzte 1968 vor Nordkoreas Ostküste, um das Land und seine Armee mit Radioempfängern auszuspähen. Pjöngjang behauptet, sie habe sich in seiner Hoheitszone befunden, als nordkoreanische Schiffe sie am 23. Januar stellten. Washington erklärt dagegen, sie sei in internationalen Gewässern gewesen. Die Pueblo versuchte noch zu entkommen, war aber zu langsam. Es fielen Schüsse, ein Crew-Mitglied starb. Die übrigen 82 blieben elf lange Monate in Nordkorea gefangen, bis Pjöngjang sie nach einer Entschuldigung der USA entließ. Seit 1998 wird das Schiff in Pjöngjang als Siegestrophäe ausgestellt. Es ist ein Symbol für den Hass der Nordkoreaner auf die USA. Dieser Hass wird meist mit dem Koreakrieg (1950 - 53) erklärt, der offiziell bis heute nicht beendet, sondern nur durch einen Waffenstillstand unterbrochen ist. Doch die Vorgeschichte reicht weiter zurück. Am Ende des Zweiten Weltkriegs war die Sowjetunion in den Krieg gegen Japan eingetreten, die Kolonialmacht in Korea. Die Rote Armee rückte im August 1945 schnell nach Süden vor. Die USA fürchteten, Stalin könnte ganz Korea unter seine Kontrolle bekommen, sie definierte deshalb die südliche Hälfte der Halbinsel als ihre Einflusssphäre, mit dem 38. Breitengrad als Grenzlinie. Noch heute ist sie die innerkoreanische Grenze. Im Koreakrieg starben allein im Norden etwa 1,5 Millionen Menschen Dabei war niemandem in Washington bewusst, dass die verhasste Kolonialmacht Japan diese Linie schon einmal 1896 als Grenze von Einflusssphären definiert hatte, damals mit dem Zarenreich. Nach seinem Sieg im russisch-japanischen Krieg 1905 machte Tokio dann die Halbinsel, die strategische Mitte Nordostasiens, nach der auch Russland und China gegriffen hatten, zu seinem Protektorat, 1910 zur Kolonie. Bauern aus Japan siedelten nach Korea um, sie annektierten mehr als die Hälfte des Agrarlandes. Koreanische Schulen und die Sprache wurden verboten, die Menschen mussten japanische Namen annehmen. Allerdings kollaborierten viele Angehörige der Elite mit den Japanern. Manche Kollaborateure arbeiteten später für die Amerikaner und spielten beim Aufbau von Südkorea eine tragende Rolle, allen voran Militärdiktator Park Chung-hee. Er war einst ein Offizier der japanischen Armee. Der Zweite Weltkrieg befreite Korea von den japanischen Besatzern, aber er spaltete es auch. Gespräche, das besetzte Land zu vereinen, scheiterten. Von 1948 an reklamierte auf beiden Seiten eine Regierung die Souveränität über die ganze Halbinsel. Ein Beauftragter Josef Stalins stülpte die Gesellschaft der nördlichen Hälfte nach sowjetischem Muster um und installierte Kim Il-sung, den Großvater des heutigen Machthabers, 1949 als Chef der "Arbeiterpartei Koreas". Kim hatte sich im Widerstand gegen die Japaner einen Namen gemacht und später in der Roten Armee gedient. Nordkorea beanspruchte das Erbe dieses Widerstands von Anfang an für sich. Es betrachtet die Regierung im Süden bis heute als Marionette Washingtons. Und die Amerikaner, auch weil sie sich auf die alten Kollaborateure stützten, als Nachfolger der japanischen Kolonialherren. Das verstärkt den Abscheu gegen die USA. Am 25. Juni 1950 marschierte Kim Il-sung nach Südkorea ein, um das ganze Land unter seine Kontrolle zu bringen. Binnen weniger Wochen kontrollierten seine Truppen fast die ganze Halbinsel. Dann aber landete US-General Douglas MacArthur, gestützt durch ein Mandat der UN, im September 1950 und fiel den Nordkoreanern in die Flanke. In wenigen Wochen überrannten seine Truppen Nordkorea. An der Seite der Amerikaner kämpften 15 weitere Länder, unter ihnen Großbritannien, Belgien, Luxemburg, Neuseeland, Thailand, Äthiopien, Kolumbien und Griechenland. Als die Soldaten im Spätherbst 1950 Chinas Grenze erreichten, eilte dessen Volksarmee den Nordkoreanern zu Hilfe. Im Januar 1951 schlugen sie die Amerikaner hinter den 38. Breitengrad zurück. Ein übler Vernichtungskrieg folgte, bei dem die Amerikaner alle Städte Nordkoreas zerstörten. Sie warfen 635 000 Tonnen Bomben über dem kleinen Land ab, mehr als im Zweiten Weltkrieg in allen Schlachten um den Pazifik. Etwa 1,5 Millionen Nordkoreaner kamen ums Leben. Die Frontlinie jedoch verschob sich kaum mehr. Im Juli 1953 unterzeichneten Nordkorea und China mit den USA als Vertreter der UN in Panmunjom den Waffenstillstand, der bis heute gilt. Südkorea machte nicht mit, sein damaliger Autokrat Syngman Rhee wollte die Wiedervereinigung mit Gewalt erkämpfen. Aus der Sicht des Nordens hat Südkorea sich damit als Verhandlungspartner disqualifiziert. Die Pueblo-Affäre 1968 brachte Nordkorea und die USA dann erneut an den Rand eines bewaffneten Konflikts. Zur gleichen Zeit kämpften die USA in Vietnam gegen die Tet-Offensive des Vietcong, eine der größten Schlachten des Kriegs. Über Vietnam warfen die USA vier mal mehr Bomben ab als über Nordkorea. Dennoch haben sich Vietnamesen und Amerikaner später versöhnt. Pjöngjang dagegen pflegt seinen Groll weiter. Vielleicht, weil es, anders als Hanoi, den Krieg nicht gewonnen hat. ‹ › Szenen eines Jahrzehnte schwelenden Konflikts: Der Koreakrieg zerstörte zahlreiche Städte (im Bild das verwüstete Inchon). Bild: Corbis Historical/Getty Images ‹ › 1976 erschlugen nordkoreanische Soldaten zwei Amerikaner mit der Axt. Bild: Popperfoto/Getty Images ‹ › Der Besuch von US-Außenministerin Madeleine Albright bei Kim Jong-il im Jahr 2000 ließ Hoffnung auf Entspannung keimen. Bild: David Guttenfelder/AP ‹ › Heute dominiert wieder die Wut, etwa beim Kult um das 1968 gekaperte US-Schiff Pueblo. Bild: AP Wird geladen ... Korea ist eine von den japanischen Kolonialherren und vom Krieg geschundene Nation; der herrschende Nationalismus, im Süden wie im Norden, kultiviert das Bewusstsein als Opfer der Geschichte. Dabei hat das Regime im Norden den unversöhnlichen Autoritarismus der Japaner übernommen - und deren Personenkult, nach dessen Vorbild die Verehrung der Kim-Dynastie geformt ist. Wie das Vorkriegs-Japan ist das Regime Nordkoreas zu stolz für Kompromisse. Die eigenen Gräuel dagegen verharmlost Nordkorea, oder es feiert sie sogar, etwa den "Axt-Zwischenfall" 1976. Damals schlugen nordkoreanische Soldaten an der "Brücke ohne Wiederkehr" an der Grenze zwei US-Offiziere tot, die eine Pappel fällen wollten. Das verhalf Nordkorea zum nächsten Heldenmythos des Widerstands gegen Amerika. Und löste die nächste Krise aus. Sie sind bisher alle nach ähnlichen Mustern abgelaufen. Nordkorea provoziert oder fühlt sich provoziert und schlägt zurück. Beim Axt-Zwischenfall soll die Pappel, die die Amerikaner fällen wollten, von Kim Il-sung gepflanzt worden sein. Man hackt verbal immer schärfer aufeinander ein, bis beide Seiten erkennen, dass sie sich verrannt haben. Bereits 1994 kam es zur ersten Krise wegen des Atomprogramms Diktaturen brauchen Feindbilder, vor allem Regime, die nicht in der Lage sind, die Grundbedürfnisse ihres Volkes zu befriedigen. In den Jahren nach dem Koreakrieg stand der Norden wirtschaftlich besser da als der Süden; doch spätestens mit dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums, das den Verbündeten im Osten stützte, litten die Nordkoreaner unter Mangel und Hunger. Pjöngjang war plötzlich allein; seither pflegt seine Propaganda das Feindbild Amerika erst recht. Unklar ist, wie sehr die Menschen abseits von Staats- und Parteiführung Amerika hassen. Die ständige Propaganda dürfte aber kaum spurlos an ihnen vorübergehen. 1994 entdeckte Washington, dass Pjöngjang dabei ist, Atomwaffen zu entwickeln. Diese "erste Nuklearkrise" führte fast zum Krieg, der damalige US-Präsident Bill Clinton erwog einen Präventivschlag gegen die Atomanlagen in Yongbyon. Dann lief die Krise nach dem bekannten Muster ab. Im "Genfer Rahmenabkommen" vom Herbst 1994 verzichtete Pjöngjang auf Atomwaffen, die USA versprachen dafür zwei Leichtwasserreaktoren. Tauwetter setzte ein, US-Außenministerin Madeleine Albright besuchte Pjöngjang, selbst über eine Visite Clintons wurde nachgedacht. Allerdings hielten sich weder Washington noch Pjöngjang genau an das Abkommen, die USA lieferten nie die Reaktoren, Pjöngjang stoppte sein Atomprogramm nur teilweise. Clintons Nachfolger George W. Bush ließ das Abkommen platzen. Sein Vize Dick Cheney forderte einen gewaltsamen Regimewechsel in Pjöngjang. Robert Carlin, langjähriger CIA-Experte für Nordkorea, hält Bushs Platzenlassen des Genfer Abkommens für einen der größten Fehler der US-Außenpolitik. Es habe ein ständiges Forum für Gespräche geboten und vor allem Vertrauen geschaffen. Seither werde der Ton zwischen beiden Ländern immer schriller. Das vermochten auch die Sechs-Parteien-Gespräche, der von China initiierte Versuch, Nordkorea mit Hilfe seiner Nachbarn zu denuklearisieren, nicht mehr zu ändern. Der gegenwärtige verbale Schlagabtausch ist nur der jüngste Höhepunkt dieser ewigen Krise.
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Vor zehn Jahren verließ Jakob Paulicks die Unterhachinger Turner, um die erste Liga zu erobern. Nun kehrt er als deutscher Meister in die zweite Liga zurück.
Er habe da etwas läuten hören. Es war Frühjahr, einer der wohl aufregendsten Tage in seinem Leben war noch einige Monate entfernt, die Saison in der Deutschen Turnliga (DTL) hatte noch gar nicht richtig begonnen. Doch Jakob Paulicks verlor keine Zeit, um seine alten Freunde mit den unerhörten Neuigkeiten zu versorgen: Es gehe das Gerücht um, berichtete er, dass die KTV Obere Lahn, für die er seit 2014 in der ersten Liga turnt, ihre Mannschaft nach der Saison abmelden wolle. Das Gerücht stellte sich bald als wahr heraus. Eigentlich war damals schon irgendwie klar, was das für Paulicks' Zukunft bedeuten dürfte. Er würde zurückkehren, zu den alten Trainingskollegen in Unterhaching, die mit dem Team Exquisa Oberbayern in der zweiten Liga antreten. Die er vor zehn Jahren verlassen hat. Bis seine Rückkehr dann wirklich feststand, kurz vor Weihnachten, verging aber noch eine lange Zeit. Paulicks bekam mehrere Angebote, auch aus der ersten Liga - schließlich hatte er dann ja Anfang Dezember den deutschen Meistertitel geholt mit der KTV Obere Lahn. Doch eigentlich war die Sache für ihn schon lange klar: Er wollte zurück. Als er zum FC Bayern ging, war sein Vater nicht begeistert. Dann kam dort das Aus Paulicks hatte den TSV Unterhaching ja nie wirklich verlassen, er war über all die Jahre für jenen Verein angetreten, bei dem er als Fünfjähriger anfing und dessen Turnabteilung sein Vater Oskar Paulicks leitet. Nur in der Liga turnte er eben nicht mehr für dessen Wettkampfgemeinschaft Exquisa Oberbayern. Anfang dieses Jahres zog er mit seinem Umzug nach Köln dann sogar noch einen weiteren dicken Strich. "Die Jungs in München zurückzulassen, war hart", sagt er. Schon damals, 2008, als er sich zu seinem ersten Wechsel entschlossen hatte, habe sich das angefühlt, "als würde ich jemanden im Stich lassen". Darum, sagt Jakob Paulicks, habe er auch immer im Hinterkopf gehabt, dass er eines Tages wieder zurückkehren wolle. Nun ist es also soweit, zu einem Zeitpunkt, an dem Jakob Paulicks sagen kann: "Ich habe in der DTL fast alles miterlebt, was man erleben kann." Paulicks' erster Schritt weg aus Unterhaching war damals kein großer, zumindest nicht geografisch. Mit 15 hatte er seinen ersten Wettkampf für Exquisa Oberbayern gemacht, mit 18, nach dem Aufstieg in die zweite Liga, gab er dem Werben des benachbarten FC Bayern nach. Sein Vater, klar, der war nicht begeistert, zumal auch noch sein gerade 15-jähriger Trainingskollege Lukas Dauser mitging. Aber sie hätten eben in die erste Liga gewollt, sagt Jakob Paulicks, er empfinde den Schritt bis heute als logisch. Nach einigen schlaflosen Nächten habe er sich durchgesetzt. "Die waren ja noch so jung", erinnert sich sein Vater heute. "Und wir haben mit Exquisa dann natürlich Probleme bekommen. Uns hat das letztlich die Liga gekostet." Detailansicht öffnen Am Reck dürfte Jakob Paulicks in der zweiten Liga künftig einer der Besten sein. Mit ihm will Exquisa Oberbayern den Aufstieg probieren. (Foto: Bernd König/imago) Der FC Bayern war damals gerade abgestiegen, mit den beiden Talenten ging es gleich wieder nach oben. Im ersten Zweitligawettkampf für die Bayern allerdings, da trafen Paulicks und Dauser ausgerechnet auf ihren alten Verein. "Besser hätte man sich das nicht ausdenken können", sagt Jakob Paulicks, "es ging gleich zur Sache. Das war natürlich nicht leicht für mich." 2012 ging es erneut runter mit den Bayern, 2013 wieder hinauf. Und dann kam diese Jahresabschlussfeier, die Jakob Paulicks sicher nie vergessen wird, mitten in der größten Euphorie, zwei Tage nachdem sie den Wiederaufstieg klargemacht hatten. Statt der erwarteten Lobeshymne, vielleicht eines Ausblicks auf neues Personal, verkündete der langjährige Abteilungsleiter Ulrich Hager völlig unerwartet, dass der Hauptverein die ganze Abteilung dichtmachen werde. Alle standen unter Schock, schwiegen. Irgendwann begannen sie krampfhaft nach Auswegen zu suchen, nach Ideen, wie man den Verein umstimmen könne. "Es war ein Debakel für alle Beteiligten", erinnert sich Paulicks, der damalige Mannschaftsführer. Kurz darauf fing er dann bei der KTV Obere Lahn an. Dieser unfreiwillige zweite Wechsel war der geografisch größere Schritt. Knappe 600 Kilometer fuhr er fortan vom Münchner Süden aus, wo er weiterhin trainierte, zu den Heimwettkämpfen in Biedenkopf bei Marburg, nördliches Mittelhessen. Trotzdem, sagt er, habe es für ihn "keine andere Adresse" gegeben. "Es geht auch ums Mannschaftsgefüge", erklärt er, "um Jungs, mit denen man Spaß hat, die nicht alles nur bierernst sehen." Eigentlich sehr ähnliche Gründe wie die, die ihn nun zurück nach Unterhaching führen. Damals habe alles für das Team um Fabian Hambüchen gesprochen, mit dem er gleich im ersten Jahr den dritten Platz erreichte. Ab und zu sind seine Eltern zu den Wettkämpfen gekommen. "Die Stimmung, die wir in Biedenkopf erlebt haben, war phänomenal", erzählt Oskar Paulicks, "jedes Mal ausverkauft mit 1400 Zuschauern." Künftig werden es Jakob Paulicks' Eltern nicht mehr weit haben zu den Heimwettkämpfen - der Sohn allerdings schon. Sein Studium (Umweltingenieurwesen) ist fertig, er ist nach Köln gezogen, arbeitet dort im Bereich Ladenbau - für eine Firma, die Sushi-Shops baut. Zu "Leberkas und Weißbier", das ihm der Exquisa-Vorsitzende und Teamkapitän Michael Bastier in Aussicht gestellt hat, wird er künftig also von Sushi und Kölsch aus pendeln. Das neue Saisonziel hat Bastier, den Paulicks schon kennt, seit er fünf ist, bereits ausgegeben: Zweitliga-Meister wollen sie werden nach Rang drei in diesem Jahr; und wenn es möglich ist, dann auch in die erste Liga aufsteigen. Am Kader wird sich ansonsten nichts ändern, sagt Bastier, außer dass sie vielleicht noch ein, zwei weitere junge Talente einbauen. Paulicks werde sicherlich "der beste Deutsche" sein an den Geräten, die er für die Hachinger turnt, an Barren und Reck und vielleicht noch ein oder zwei mehr. "Mal sehen, wie er mit dem Training klarkommt." Alles rausgehauen: Mit ihrem ersten Meistertitel verlässt die KTV Obere Lahn die Liga Paulicks trainiert nun in Köln, sein Pensum, sagt er, sei seit dem Eintritt ins Berufsleben gar nicht so stark gesunken. Zumindest sei das nun nicht der Grund gewesen, Angebote aus der ersten Liga auszuschlagen. Sondern das Verlangen danach, wieder zu den alten Freunden zurückzukehren, die er seit Kindertagen kennt. Einige der Jüngeren wie Fabian Dauth oder Jonas Olbrich habe er selbst trainiert. Der verlorene Sohn kehrt zurück - das ist eine andere Weihnachtsgeschichte als damals im Dezember 2013 die beim FC Bayern. Detailansicht öffnen Zwei Weggefährten im Freudentaumel: Auch Lukas Dauser (vorne) tritt außerhalb des Ligabetriebs bis heute für den TSV Unterhaching an. Anfang Dezember wurde er zum zweiten Mal deutscher Mannschaftsmeister. Für die KTV Obere Lahn und Jakob Paulicks (Mitte) war es dagegen der erste Titel. (Foto: Michael Ruffler/imago) Und Jakob Paulicks hat nun einiges zu erzählen, vor allem von diesem wahnsinnigen Finale mit der KTV Obere Lahn. "Wir wussten ja schon lange, dass es zu Ende geht", erzählt er. Der Verein hatte sich früh dazu bekannt, sich künftig auf die bisherige zweite Mannschaft zu konzentrieren, in der noch heimische Talente turnen und die nun in die zweite Liga aufgestiegen ist. Quasi die KTV Untere Lahn. "Die Frage war nur: Lässt man sich hängen oder versucht man noch mal alles rauszuhauen?" Sie haben alles rausgehauen, Paulicks, Dauser und die anderen. Hambüchen war nur noch als Betreuer dabei. Im Finale gegen die KTV Straubenhardt mit dem Unterhachinger Marcel Nguyen galten sie eher als Außenseiter und lagen nach zwei Stürzen am Boden gleich mal deutlich mit 1:7 zurück. Vor dem letzten Gerät, dem Reck, stand es dann unentschieden. Paulicks begann gegen Brian Gladow, seinen ehemaligen Kollegen vom FC Bayern - ebenfalls unentschieden. Erst die allerletzte Übung sollte über den Titel entscheiden - den ersten für die KTV Obere Lahn; den ersten für Jakob Paulicks. "Es war ein Wahnsinnsgefühl", schwärmt er. "Das Größte, was man im deutschen Mannschaftsturnen erreichen kann", betont sein Vater, der in der Halle mitjubelte. Zweimal Gold also, dazu gab es Silber für Nguyen und Bronze für Felix Remuta, die anderen Hachinger, die in der ersten Liga turnen. Dauser hat sich nun der TG Saar angeschlossen. Nicht ausgeschlossen, dass auch von diesen dreien irgendwann jemand zu seinem Heimatteam zurückkehren will. "Natürlich redet man immer mal drüber", sagt Paulicks, "aber konkret tut sich da nichts." Vielleicht ja nach einem Aufstieg in die erste Liga. Den, sagt Jakob Paulicks, würde er seinen neuen Kameraden wünschen, dieser jungen Riege "mit viel Potenzial". Er weiß noch, wie aufgeregt er selbst bei seinem Erstliga-Debüt war: "Die Atmosphäre ist völlig anders, es geht gegen die Topstars. Da musst du schon schauen, dass du deinen Körper fest kriegst, dass du nicht einbrichst im Stütz oder mit schlackernden Knien am Boden turnst." Damals beim FC Bayern, da hätten all die Routiniers ihn und Dauser prima unterstützt. Eine wichtige Aufgabe, die künftig in Unterhaching wohl auf ihn selbst zukommen wird.
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Ein neues Video zeigt den Beginn der Polizeikontrolle, die mit dem Tod des flüchtenden Walter Scott endete. Welche Erkenntnisse über den Fall in South Carolina inzwischen gesichert sind - und was noch immer unklar ist.
Genau vier Minuten dauert das Video, das die Behörden von South Carolina jetzt veröffentlicht haben. Aufgenommen wurde es von einer Kamera, die im Streifenwagen des Polizisten Michael Slager montiert war und durch die Windschutzscheibe das Geschehen vor dem Auto filmte. Es sind die ersten vier Minuten eines Polizeieinsatzes, der mit dem Tod eines Menschen endete. Walter Scott, 50 Jahre alt, starb an fünf Kugeln aus Slagers Waffe. Der Polizist schoss Scott in den Rücken, als dieser flüchtete. Es ist die zweite Filmaufnahme, die von dem Vorfall in der Stadt North Charleston, South Carolina, öffentlich wird. Das erste Video hatte ein Augenzeuge mit der Handykamera gefilmt. Es zeigt die tödlichen Schüsse auf Walter Scott und wurde von mehreren US-Medien am Dienstag veröffentlicht. Dazu kommt jetzt das Material aus der Dashcam des Streifenwagens. Die Frage, auf die es auch nach der Analyse beider Sequenzen keine vollständige Antwort gibt: Wie konnte eine zunächst harmlos anmutende Verkehrskontrolle derart eskalieren? Das Bild bleibt unvollständig - weil ein entscheidender Moment fehlt, der zeitlich genau zwischen dem Ende der Aufnahme aus der Polizeiauto-Kamera und dem Beginn des Handy-Amateurvideos liegt. Es wird nicht klar, warum Walter Scott vor dem Polizisten geflüchtet ist. Was das Video aus dem Polizeiauto zeigt Das jetzt veröffentlichte Video beginnt damit, wie ein anthrazitfarbener Mercedes - Baureihe W124 - auf den Parkplatz eines Autoteile-Händlers einbiegt. Der Mercedes bremst, die linke Bremsleuchte brennt. Ob die rechte defekt ist, lässt sich nicht zweifelsfrei erkennen. In Medienberichten hatte es zuvor geheißen, ein kaputtes Rücklicht sei der Grund für die Polizeikontrolle gewesen. Allerdings sind die Rücklichter des Wagens ausgeschaltet, es ist Samstagvormittag. Bei Minute 0:22 des Videomaterials steigt der Polizist aus seinem Wagen und geht an das Fenster auf der Fahrerseite des Mercedes. Slager will die Wagenpapiere sehen. Einen Führerschein kann der Fahrer vorlegen, nicht aber einen Versicherungsnachweis. Im anschließenden Gespräch erklärt Walter Scott, dass er beabsichtige, das Fahrzeug zu kaufen, das Geschäft aber wohl erst "am Montag" abgewickelt werde und er deshalb die Versicherungsunterlagen noch nicht besitze. Slager stellt ein paar Fragen, Scott antwortet. Polizeiroutine. "I'll be right back with you" - "Ich bin gleich wieder bei Ihnen", sagt der Polizist bei Minute 1:40. Der Polizist geht zu seinem Wagen zurück, offensichtlich, um Scotts Führerschein zu überprüfen. Bei Minute 2:09 öffnet sich die Tür des Mercedes, Scott will aussteigen, aber Polizist Slager fordert ihn mit bestimmenden Worten auf, im Auto zu bleiben. Minute 2:33. Die Mercedes-Tür öffnet sich erneut und Scott rennt schnell nach links davon. In den nächsten eineinhalb Minuten gibt nur noch die Tonspur Hinweise auf das Geschehen. Offenkundig rennt Slager dem Flüchtenden hinterher. An einer Stelle sagt er: "Taser, Taser, Taser!" (Das Elektroschock-Gerät, das US-Polizisten häufig mit sich führen). Kurz darauf befiehlt Slager offensichtlich, dass sich Scott auf den Boden legen soll. Dann endet die Aufnahme. Was auf dem zuerst veröffentlichten Video zu sehen ist Schauplatz des Videos, das der zufällig anwesende 23-jährige Feidin Santana mit seinem Smartphone gemacht hat, ist eine Grünanlage, offenbar unweit des Parkplatzes, auf dem zuvor die Polizeikontrolle stattfand. Es beginnt damit, wie Scott vor dem Polizisten steht, sich dann umdreht und erneut davonrennt. Auffallend ist, dass er relativ langsam läuft. Möglicherweise ist er noch benommen, weil er von einem Elektroschock getroffen wurde. Slager feuert mehrere Male mit seiner Schusswaffe auf den Flüchtenden. Nach einigen Schritten bricht Scott zusammen und bleibt auf dem Gras liegen. Man erkennt, wie Slager im Gehen offenbar über Funk Verstärkung herbeiruft. "Put your hands behind your back" - "Legen Sie die Hände auf den Rücken", sagt er zu Scott und fesselt ihn schließlich mit Handschellen. Danach geht er an die Stelle zurück, von der aus Scott flüchtete, hebt vom Boden einen Gegenstand auf, geht zurück und platziert ihn neben den am Boden liegenden Scott. Allem Anschein nach handelt es sich dabei um das Elektroschock-Gerät. Weder Slager noch seine beiden Kollegen, die wenig später eintreffen, leisten erste Hilfe. Kurze Zeit später ist Scott seinen Verletzungen erlegen. Welche Erkenntnisse über den Fall inzwischen gesichert sind Konsequenzen : Nach den Schüssen auf den unbewaffneten Scott wurde Slager wegen Mordes angeklagt und aus dem Polizeidienst entlassen. Bei einer Verurteilung droht ihm gemäß dem Recht von South Carolina die Todesstrafe. : Nach den Schüssen auf den unbewaffneten Scott wurde Slager wegen Mordes angeklagt und aus dem Polizeidienst entlassen. Bei einer Verurteilung droht ihm gemäß dem Recht von South Carolina die Todesstrafe. Massive Zweifel an der Version des Polizisten: Slager hatte sich auf Notwehr berufen und gesagt, dass er "um sein Leben" gefürchtet habe. Im Polizeibericht gab er ursprünglich an, Scott habe ihm seinen Taser entrissen. Diese Version erscheint durch das Augenzeugenvideo jedoch zweifelhaft. Slager hatte sich auf Notwehr berufen und gesagt, dass er "um sein Leben" gefürchtet habe. Im Polizeibericht gab er ursprünglich an, Scott habe ihm seinen Taser entrissen. Diese Version erscheint durch das Augenzeugenvideo jedoch zweifelhaft. Slagers Vergangenheit: Aus der Personalakte ergibt sich, dass der Polizist bereits 2013 wegen übermäßiger Gewalt gegen einen Schwarzen angezeigt wurde. Die Behörden, die den Fall überprüften, kamen jedoch zu dem Schluss, Slager habe sich richtig verhalten. Jetzt soll der Fall noch einmal untersucht werden. Aus der Personalakte ergibt sich, dass der Polizist bereits 2013 wegen übermäßiger Gewalt gegen einen Schwarzen angezeigt wurde. Die Behörden, die den Fall überprüften, kamen jedoch zu dem Schluss, Slager habe sich richtig verhalten. Jetzt soll der Fall noch einmal untersucht werden. Aktenlage zu Walter Scott: Der Getötete war nicht vorbestraft oder einschlägig polizeibekannt. Wie die örtliche Zeitung The Post and Courier schreibt, sei er nur ein einziges Mal unter dem Verdacht der Körperverletzung festgenommen worden, und zwar im Jahr 1987. In den Akten steht nichts, was auch nur ansatzweise auf eine Gewaltbereitschaft hindeuten würde. Was nach wie vor unklar ist Warum ist Scott vor der Polizei geflüchtet? Auf diese Frage gibt es bisher keine Gewissheit. Der Vater des Erschossenen äußerte in Medienberichten die Vermutung, dass sein Sohn weggelaufen sei, weil er mit den Unterhaltszahlungen für seine Kinder im Rückstand sei und möglicherweise eine Festnahme befürchtete. Wie die New York Time s schreibt, war Scott in der Vergangenheit tatsächlich häufiger in diesem Zusammenhang vor Gericht geladen worden. Auf diese Frage gibt es bisher keine Gewissheit. Der Vater des Erschossenen äußerte in Medienberichten die Vermutung, dass sein Sohn weggelaufen sei, weil er mit den Unterhaltszahlungen für seine Kinder im Rückstand sei und möglicherweise eine Festnahme befürchtete. Wie die s schreibt, war Scott in der Vergangenheit tatsächlich häufiger in diesem Zusammenhang vor Gericht geladen worden. Warum wurde Scott angehalten? Der Grund für die Polizeikontrolle liegt im Dunkeln. Ob es das defekte Rücklicht war, erscheint zweifelhaft. Der Grund für die Polizeikontrolle liegt im Dunkeln. Ob es das defekte Rücklicht war, erscheint zweifelhaft. Was hat es mit dem Auto auf sich? Scotts Familie und seine Unterstützer haben bislang angegeben, dass Scott das Auto gehört habe. Sein Gespräch mit dem Polizisten, so wie es aus dem jetzt veröffentlichten Video hervorgeht, widerspricht dieser Version. Scotts Familie und seine Unterstützer haben bislang angegeben, dass Scott das Auto gehört habe. Sein Gespräch mit dem Polizisten, so wie es aus dem jetzt veröffentlichten Video hervorgeht, widerspricht dieser Version. Was passierte zwischen der Flucht und den Schüssen? In verschiedenen Medienberichten hieß es bisher, es habe ein Handgemenge zwischen beiden Männern gegeben, bevor die tödlichen Schüsse fielen. Das hat auch Feidin Santana ausgesagt, der die Szene mit seinem Handy filmte. "Der Polizist hatte die Lage unter Kontrolle und Scott versuchte nur, sich dem Elektroschocker zu entziehen", sagte Santana in einem Interview mit dem Sender NBC am Mittwoch. Die Polizei von South Carolina will sich derzeit nicht offiziell zu dem Vorfall äußern und verweist auf die laufenden Ermittlungen, in die sich auch die US-Bundespolizei FBI und das US-Justizministerium eingeschaltet haben. Der Fall Walter Scott hat nationale Bedeutung erlangt. Er steht in einer Reihe mit anderen Fällen tödlicher Polizeigewalt in den USA - etwa dem Fall Michael Brown in Ferguson oder dem Fall Eric Garner in New York. Die Familie von Scott hofft, dass sein Tod jetzt zu Reformen bei der Polizei führt. Experten beklagen schon lange die unzureichende Ausbildung und inadäquates Verhalten in Krisensituationen. "Etwas wird sich ändern, etwas muss sich ändern", sagte der Bruder des Opfers, Anthony Scott, in North Charleston. Polizisten müssten zwei Mal überlegen, bevor sie ihre Waffen abfeuerten. Und dann stellt der Bruder eine Forderung, die indirekt an das ganze Land gerichtet ist: "Wir wollen nicht, dass Walter einfach ein weiteres Opfer ist" - ein weiteres Opfer in der Liste von insgesamt mehr als 300 Menschen, die bisher in diesem Jahr in den USA durch Polizeigewalt ums Leben kamen.
https://www.sueddeutsche.de/digital/google-pixel-3-diese-smartphone-kamera-soll-das-iphone-abhaengen-1.4163604
mlsum-de-9988
Google hat das neue Pixel 3 vorgestellt. Vor allem bei der Fotoqualität will Google der Konkurrenz voraus sein. Ein kurzes Hands-on zeigt: Das könnte gelingen.
Das Google Pixel 3 ist das am schlechtesten gehütete Geheimnis der Tech-Branche. Das Blog 9to5Google hat seit Juni jeden einzelnen Leak des Smartphones dokumentiert. Es sind mittlerweile mehr als zwei Dutzend, der Artikel gleicht einem Fortsetzungsroman. Zwischendurch ging eine Charge mutmaßlicher Testexemplare verloren, die daraufhin auf dem ukrainischen Schwarzmarkt angeboten wurden. Sogar Google selbst machte sich mit einem selbstironischen Video darüber lustig. Selbst das leak-geplagte Apple schafft es besser, seine iPhones geheim zu halten. Wer seine Freizeit vorzugsweise auf Techblogs verbringt und den bekannten Brancheninsidern auf Twitter folgt, erfährt beim Google-Event am Dienstagabend also kaum etwas Neues. Für alle anderen gibt es diesen Überblick. Wie schon im vergangenen Jahr stellt Google jede Menge neue Hardware vor, darunter ein smartes Display (Home Hub) und ein Tablet mit Chrome-OS-Betriebssystem (Pixel Slate). Allerdings ist noch offen, ob und wann diese Geräte auf den deutschen Markt kommen. Was bei der Präsentation auffiel: Auf der Bühne waren Menschen unterschiedlicher Herkunft zu sehen, Frauen hatten viel Redeanteil. Das hat Google einigen Konkurrenten schon mal voraus. Das zentrale Produkt des Google-Events wird zeitnah in Deutschland erhältlich sein: Der Verkauf des Google Pixel 3 startet hierzulande am 2. November. Es ist Googles Antwort auf andere 1000-Euro-Handys wie das iPhone XS oder Samsungs Galaxy S9. Die SZ konnte das Smartphone vorab ausprobieren. Hier sind die ersten Eindrücke. Zahlen und Fakten Google bietet erneut zwei Smartphones in unterschiedlichen Größen an. Das 5,5-Zoll-Display des normalen Pixel 3 löst mit 2160 x 1080 Pixel auf, die XL-Version bietet 2960 x 1440 Pixel auf 6,3 Zoll. Beide Smartphones setzen auf Oled-Technologie. Der Bildschirm des Pixel 2 XL hatte Probleme mit Einbrennen und einen Blaustich bei bestimmten Blickwinkel. Diese Mängel sollen behoben sein. Google hat diesmal noch enger mit Lieferanten zusammengearbeitet und verspricht, dass das gesamte Smartphone aus einer Hand kommt. Der Snapdragon 845 kann auf dem Papier nicht mit Apples aktuellem A12-Prozessor mithalten, und viele andere Hersteller verbauen mittlerweile mehr als 4 GB Arbeitsspeicher. In der Praxis dürfte sich das aber kaum bemerkbar machen. Bereits der Vorgänger gehörte zu den Android-Smartphones, bei dem Apps am schnellsten starteten und sich das Betriebssystem am flüssigsten bedienen ließ. Letztendlich ist das Zusammenspiel aus Hard- und Software wichtiger als die Leistungsdaten der verbauten Komponenten. Optik und Haptik Eigenwillig. So lassen sich die Entscheidungen von Googles Designern wohl am besten beschreiben. Eine massive schwarze Einbuchtung dominiert die Frontansicht des Pixel 3 XL. Diese sogenannte Notch bietet am oberen Displayrand Platz für einen der beiden Stereo-Lautsprecher und zwei Kameras. Apple hatte den Trend im vergangenen Jahr mit dem iPhone X gestartet (andere Hersteller waren noch früher dran, aber erst Apple machte das Design massentauglich) und löste damit erst Spott aus. Mittlerweile kommt kaum noch ein Smartphone ohne Notch auf dem Markt. Viele integrieren die Kerbe aber dezenter, als Google es tut. Zusätzlich zum Notch am oberen Ende spendiert Google der XL-Version auch noch ein schwarzes Kinn unterhalb des Bildschirms. Auch das normale Pixel 3 weist schwarze Streifen an beiden Seiten auf. Andere Hersteller sind dem komplett randlosen Display schon deutlich nähergekommen. Wenn überhaupt, ist das ein ästhetischer Kritikpunkt: Im Alltagsgebrauch fallen die wenigen Millimeter verschenkte Bildschirmfläche kaum ins Gewicht. Insgesamt ähneln beide Smartphones ihren Vorgängern. Die Verarbeitung wirkt beim ersten Anfassen gewohnt hochwertig. Das ist in diesem Preisbereich aber Standard. Die Rückseite ist diesmal komplett mit Gorilla-Glas überzogen, beim Pixel 2 kam teilweise Aluminium zum Einsatz. Das Smartphone liegt damit gut in der Hand, dürfte einen Falltest aber kaum ohne Schaden überstehen. Dementsprechend empfiehlt sich eine Schutzhülle, die das Handy zumindest hinten und an den Seiten umschließt. Der Fingerabdrucksensor befindet sich nach wie vor auf der Rückseite. Auf eine Technik ähnlich der von Apples Face-ID, die das Smartphone per Gesichtserkennung entsperrt, müssen Nutzer verzichten. Kamera Die größte Stärke des Pixel 2 war die Qualität der Fotos. Ein Jahr nach Verkaufsstart zählt die Kamera immer noch zu den besten. Glaubt man Google, wird der Nachfolger nochmal deutlich hochwertigere Fotos liefern. Der Weg, den Google dabei geht, ist ungewöhnlich: Im Gegensatz zu fast allen anderen Premium-Smartphones, die in diesem Jahr herausgebracht wurden, kommt das Pixel 3 ohne Dual-Kamera auf der Rückseite. Stattdessen verbaut Google zwei Frontkameras. Zwei Kameras haben zwei entscheidende Vorteile: Das zusätzliche Tele-Objektiv ermöglicht echten optischen Zoom, der im Gegensatz zum Digitalzoom nicht nur den Bildausschnitt verändert und dann digital vergrößert, sondern den Bildinhalt tatsächlich näher heranholt. Außerdem können Smartphones mit unterschiedlichen Brennweiten und Blendenöffnungen Fotos mit Tiefenschärfe produzieren. Google nutzt Machine Learning, um diesen sogenannten Bokeh-Effekt nachträglich zu berechnen. Das klappte beim Pixel 2 erstaunlich gut. Mitunter gingen aber Details wie Haare oder Wassertropfen verloren, weil die Software Vorder- und Hintergrund nicht richtig unterscheiden konnte. Die Bilder, die beim Hands-on entstanden, wiesen diese Problematik nicht mehr auf. Um die Fotoqualität abschließend zu beurteilen, sind aber ausführliche Tests mit unterschiedlichen Lichtverhältnissen nötig. Auch den fehlenden optischen Zoom will Google mit leistungsfähiger Software wettmachen. Das Smartphone nutzt das leichte Zittern der Hände kurz vor und nach dem Auslösevorgang, um mehrere Einzelfotos zu erstellen. Die Informationen, die beim Zoomen verloren gehen, sollen durch Kombination der Bilder kompensiert werden. Das funktioniert auch auf einem Stativ, da sich der optische Bildstabilisator minimal bewegt. Warum Google stattdessen nicht einfach zwei Kameras verbaut, so wie es fast alle anderen Hersteller machen, konnten die Mitarbeiter beim Vorführtermin nicht beantworten. Falls die Software-Lösung aber so gut funktioniert wie versprochen, müssen sich Nutzer nicht darüber ärgern. An einer grundsätzlichen Abneigung gegenüber Dual-Kameras kann es jedenfalls nicht liegen: Das zusätzliche Weitwinkelobjektiv vergrößert den Bildausschnitt. So können Menschen, die sich weigern, Selfie-Sticks zu benutzen, trotzdem Gruppenfotos machen. Als praktisch könnten sich außerdem mehrere neue Funktionen erweisen, die Google seiner Kamera-App spendiert. Ähnlich wie bei Apple und Samsung lässt sich die Stärke des Bokeh-Effekts nachträglich anpassen. Der sogenannte Top-Shot-Modus erstellt bei jedem Foto ein kurzes Video, woraufhin künstliche Intelligenz daraus ein oder mehrere Bilder auswählt. Ein anderer Modus entscheidet selbstständig, wann der beste Moment ist, um die Aufnahme auszulösen. Die Machine-Learning-Technologie soll lächelnde Menschen erkennen und das bekannte Problem verhindern, dass auf dem schönsten Foto immer jemand blinzelt. Software Alle iPhones erhalten jedes iOS-Update zur gleichen Zeit: unmittelbar nach der Veröffentlichung. Je nach Hersteller kann es bei Android-Geräten auch mal ein halbes Jahr dauern, weil Unternehmen wie Samsung und Huawei darauf beharren, das pure Android optisch und funktional anzupassen - nicht immer zum Guten. Oft werden Smartphones bereits zwei Jahre nach Veröffentlichung gar nicht mehr mit Updates versorgt. Bei Google laufen die Updates dagegen ähnlich reibungslos wie bei Apple. Das Pixel 3 wird mit dem unveränderten Android 9 ausgeliefert und integriert zusätzlich einige Pixel-exklusive Funktionen. Wer das Smartphone etwa umdreht und die flache Hand kurz auf der Rückseite ablegt, schaltet es stumm und versetzt es in den Do-Not-Disturb-Modus. Das könnte peinlichem Handyklingeln in Konferenzen ein Ende bereiten. Überhaupt legt Google gerade viel Wert auf ablenkungsfreie Smartphone-Nutzung. Technik solle den Menschen dienen, nicht umgekehrt, ist es seit einiger Zeit aus dem gesamten Silicon-Valley zu hören. Nach dem "Techlash" und Warnungen vor angeblicher Smartphone-Sucht reagieren die Firmen und wollen Nutzern Möglichkeiten an die Hand geben, den Umgang mit ihren Geräten zu kontrollieren und zu begrenzen. Apple hat dafür in iOS 12 die Screen-Time-Funktion integriert, Google setzt auf die App "Digital Wellbeing". Nutzer erfahren, wie viele Benachrichtigungen sie erhalten und wie lange sie täglich auf ihr Smartphone schauen. Sie können Limits für einzelne Apps setzen und zu bestimmten Zeiten automatisch Push-Nachrichten deaktivieren oder das Display auf schwarz-weiß schalten. Bislang war Digital Wellbeing nur in einer Beta-Version auf Pixel-Geräten erhältlich. Mit dem Start des Pixel 3 will Google die Funktion bekannter machen. Akkulaufzeit Das normale Pixel 3 hat einen Akku mit 2915 Milliampere-Stunden. Beim XL wächst auch der Akku, hier misst er 3430 mAh. Die Laufzeit hängt stark von der individuellen Nutzung ab. Die beiden Vorgänger kommen mit einer Ladung problemlos durch den Tag, oft reicht auch ein Ladevorgang alle zwei Tage. Im Lieferumfang befindet sich ein Schnelllade-Adapter, um das Pixel mit 18 Watt über USB-C aufzuladen. 15 Minuten an der Steckdose sollen Strom für bis zu sieben Stunden Nutzungszeit liefern. Beim Vorgänger kommt dieselbe Technik zum Einsatz. Hier reicht tatsächlich bereits kurzes Laden, um den Akku um 20 oder 30 Prozent zu füllen. Preis Das Pixel 3 kostet in der Einstiegsversion 849 Euro, der große Bruder ist 100 Euro teurer. Ebenfalls jeweils 100 Euro Aufschlag verlangt Google für eine Verdopplung des Speicherplatzes von 64 auf 128 GB. Geräte mit 256 oder 512 GB, wie sie Apple beim iPhone anbietet, fehlen leider. Das Pixel kommt in drei Farben: Schwarz, Weiß und ein zartes Rosa, das Google "not Pink" nennt. Diese neue Farbvariante gibt es in beiden Größen nur mit 64 GB. Neben dem Ladegerät liegen dem Pixel USB-C-Kopfhörer und ein Adapter bei, um alte Kopfhörer mit Klinkenanschluss weiter nutzen zu können. Detailansicht öffnen Mit dem Pixel Stand wird das Pixel 3 XL drahtlos geladen und verwandeln sich in eine Art Smart-Display. (Foto: SZ) Pixel Stand Das Pixel 3 kann erstmals drahtlos geladen werden. Das macht sich der Pixel Stand zunutze. Wer das Smartphone darauf platziert, lädt es auf und verwandelt es automatisch in einer Art smartes Display. Die Stereo-Lautsprecher auf der Vorderseite klangen beim kurzen Probehören für Smartphone-Verhältnisse durchaus brauchbar. Da Google den Home Hub vorerst nicht nach Deutschland bringt, könnte die Kombination aus Pixel und Pixel Stand könnte für einige Nutzer eine Alternative sein. Der Stand muss separat gekauft werden und kostet 79 Euro.
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Stühle aus Holzabfall, Tische aus Verschnittmaterial oder Untersetzer aus Marmor-bruch: Immer mehr Designer verwerten so Reste.
Bei manchen war es Marmor. Bei anderen Leder. Bei Helle Herman Mortensen war es Stoff. Die dänische Designerin fing irgendwann damit an, Stoffreste aufzuheben. Ohne großes Ziel, nur, weil sie es nicht übers Herz brachte, hochwertiges Textil einfach wegzuwerfen. Erst später kam die Idee mit der Decke. "Ich hatte schon einige Stoffstücke gesammelt, aber bei Weitem nicht genug für eine Decke. Also ging ich zu einem Lagerverkauf für Reststoffe. Und plötzlich war da mehr als genug", erzählt Helle Herman Mortensen heute, nachdem sie mit ihrem Label Herman CPH die neunte Edition aus Resten des Stoffherstellers Kvadrat in die Läden gebracht hat. Aus der Liebe zum Überbleibsel ist ein Designkonzept geworden. Stoffreste, Holzverschnitt, Steinfragmente: Immer mehr Firmen beschäftigen sich mit Produkten, die aus Resten hergestellt werden. Dabei ist das "Restsein" an sich ja zunächst nichts Positives; Übriggebliebenes, "Leftovers", das will doch eigentlich niemand. Selbst Materialien, die vormals luxuriös waren, liegen in der Ecke der Lagerhalle, sobald sie zu Resten geworden sind. Die Tasche, der Tisch, das Tablett sind teuer, der Verschnitt aber ist auf dem Weg in die Tonne. Oder eben in die Hände von Designern wie Helle Herman Mortensen. Denn jetzt, da Nachhaltigkeit die Allzweckwaffe jeder Marketingkampagne ist, erfährt der Rest auch in Mode und Design eine Aufwertung. Reste sind nicht mehr nur etwas, das man loswerden will. Ziel soll es nun sein, jedes Material vollständig zu verwerten. Von der Wegwerfgesellschaft zur Resteverwertungsgesellschaft. Bei den Entwürfen mit Resten geht es auch um den Charme, das Besondere von Ausschuss Klar, unter dem Oberbegriff Upcycling wird schon seit Längerem wie wild aufbereitet. Es werden Geldbeutel aus alten Fahrradschläuchen und Taschen aus Lkw-Planen genäht und aus PET-Flaschen Lampen gebaut, die zwar ökologisch vorbildlich sind, über deren ästhetischen Wert man jedoch streiten kann. Beim Resteverwerten wird aber nicht aus dem ausrangierten Produkt A ein neues Produkt B gemacht, sondern zum Beispiel aus den enormen Materialresten im Möbelbau ein weiteres Möbelstück. Bereits 2009 brachte Tom Dixon seinen "Offcut Stool" auf den Markt: einen Hocker, der den Holzverschnitt als besonderen Charakter verkauft, die Tatsache also, dass das Material nahe der Rinde geschnitten wurde und Unregelmäßigkeiten aufweist. Genau darum geht es bei der Verarbeitung von Resten: um den Charme, das Besondere von Ausschuss - und dazu gibt's eine Portion Nachhaltigkeit oben drauf. Der "Offcut Stool" gilt bereits als Klassiker, die Idee ist aktueller denn je. Denn natürlich kann man auch einen gewöhnlichen Hocker kaufen - aber ein Stuhl mit einer Geschichte ist doch wesentlich interessanter. Detailansicht öffnen Nicht nur zum Resteessen: Ein Tisch aus Überbleibseln des Verbundwerkstoffes Corian, gebaut vom britischen Designer Rabih Hage. Fotos: Pim Top, Tina Stepensen, Leo Torri Produkte aus Resten sind aber nicht zwangsläufig billiger. Schließlich ist vor allem die Massenproduktion auf unkompliziertes Rohmaterial ausgelegt. Unregelmäßigkeiten, also gerade das, was den Charakter von Leftovers ausmacht, stören dabei eher. "Im Produktionsprozess macht Resteverwertung nur dann Sinn, wenn sie von der Primärstückzahl losgelöst ist", gibt der Möbelmacher Nils Holger Moormann aus dem Chiemgau zu bedenken. "Im Fall einer starken Nachfrage kann es vorkommen, dass man zu wenig Reste zur Verfügung hat und sie künstlich erzeugen muss." Auch für Fehler gibt es bei Entwürfen aus Resten keinen Spielraum. So konnte bei Herman CPH ein Kissen nur deshalb nicht produziert werden, weil der Stoff falsch zugeschnitten wurde und von diesem Material dann nichts mehr auf Lager war. Unerfreulich für ein kleines Label - für eine große Firma wäre dieses Risiko untragbar. Bei Ikea beispielsweise wird auf Nachfrage zwar betont, wie vorbildlich man in Sachen Recycling sei. Was konkrete Resteverwertung anbelangt, werden bei den Schweden aber höchstens Sägeabfälle mit Kunststoffgemisch weiterverarbeitet, und aus eingeschmolzenem PET entstehen Kissenfüllungen. Es wird also neues Grundmaterial hergestellt, anstatt mit individuellen Resten zu arbeiten. Gerade diese Individualität ist es aber, die kleine Designstudios an der Arbeit mit Überbleibseln reizt. In Rotterdam fertigt das Earnest Studio Servierbretter oder Untersetzer aus schönsten Marmorbruchstücken, die ansonsten einfach entsorgt würden. In London entwirft der Architekt Rabih Hage aus Verschnitten des Verbundwerkstoffes Corian ganze Tische, Stühle und Regale. Ursprünglich nur zur Präsentation der neuen Farbpalette des Materials gedacht, stahl seine "Leftover Collection" dem eigentlichen Rohstoff auf Messen sofort die Schau. "Ich wollte den sogenannten Abfall als genauso wertvolles Material behandeln wie das Original", so Hage. "In der Unvollkommenheit wirkt Schönheit für mich noch stärker. Und sie entfaltet sich bei einem Restmaterial gerade aufgrund seiner Herkunft und der Geschichte, die es erzählen kann." Das gilt natürlich nicht nur für edle Rohstoffe wie Marmor. Klemens Schillinger, ein Designer aus Österreich, verwendet Beton und Holzreste, um seine "Leftover Stools" herzustellen - die Idee entstand aus angetrockneten Gipsresten in einem Eimer. Das junge deutsche Duo Stine Paeper und Angelina Erhorn von Moij Design webt aus Furnierstreifen, einem Abfallprodukt, ebenfalls einen Stuhl. Gemeinsam haben die meisten dieser Entwürfe die geringe Zahl. Es handelt sich entweder um Einzelstücke (wie bei Hage und Moij), oder sie kommen nur selten über zweistellige (Earnest Studio und Schillinger) beziehungsweise maximal dreistellige Stückzahlen (Herman CPH) hinaus. ‹ › Rachel Griffin fertigt für Earnest Studios Tischware aus Marmor-Überschuss. ‹ › Stoffreste- Kissen aus der "Limited"-Serie von Herman CPH. ‹ › Ein Lounge Chair aus Furnierstreifen des Hamburger Labels Moij Design. ‹ › Effizienter Das Regal FNP von Nils Holger Moormann. Wird geladen ... Auch wenn sich in der Mode große Namen wie Hermès an ihre hochwertigen Reste wagen, ist das doch eher die Ausnahme. Das französische Traditionshaus verarbeitet für sein Projekt "petit h" Restmaterialien und Produkte mit kleinen Makeln. Da wird schon mal eine Kelly Bag mit einer kleinen Kuckucksuhr verziert, um eine Stelle mit Materialfehler zu kaschieren oder eine riesige Bärenskulptur mit übrig gebliebenem Leder bezogen, um den Luxusmaterialien ein zweites Leben zu schenken. Doch auch dieses Kreativatelier konzentriert sich vor allem auf kunstvolle Einzelstücke, die eher ausgestellt als verkauft werden. So ist das eben mit Dingen, die etwas Besonderes sind: Sie sind mitunter auch besonders schwer zu verarbeiten. "Natürlich hat man mehr Aufwand, wenn man mit Resten arbeitet", sagt Helle Herman Mortensen. "Du kannst nicht einfach am Schreibtisch eine Farbauswahl treffen. Du musst selbst ins Lager fahren, schauen was verfügbar ist und davon abhängig dein Design entwerfen. Das macht die Sache aber auch sehr interessant." "Ich denke schon, dass nachhaltige Resteverwertung ein Kaufargument ist." Gewinnorientiert produzieren sieht allerdings anders aus. Wenn es einfacher, schneller und kostengünstiger ist, Reste zu recyceln oder wegzuwerfen, braucht es andere Gründe, um sich die Mühe zu machen, sie stattdessen zu verarbeiten. Und hier liegt das letzte Wort wie so oft beim Kunden. Wenn der vorbildliche Umgang mit Ressourcen von ihm so sehr geschätzt wird, dass sich der Mehraufwand rechnet, haben Entwürfe aus Resten auch ohne ideelle Subventionen eine Chance. "Ich denke schon, dass nachhaltige Resteverwertung ein Kaufargument ist", so Helle Herman Mortensen. Doch wirklich erfolgreich können solche Produkte nur sein , wenn es wie bei Herman, Dixon und Co. vor allem um eines geht: das Design. "Für Gestalter zählt es heute zu den wichtigsten Herausforderungen, mit Material verantwortlich und ökologisch umzugehen", sagt auch Nils Holger Moormann. "Allerdings gelingt aus meiner Sicht unter dem Vorsatz der 'Resteverwertung' nur in seltenen Fällen ein originäres, losgelöstes Projekt. Wir versuchen deshalb stets den Weg, Reste von vornherein zu vermeiden." Wie bei seinem legendären Regal FNP, das fast verschnittfrei hergestellt wird. Fast, denn so Moormann: "Wenn das Design darunter leidet, gilt es besonders sorgfältig abzuwägen. Im Zweifel würde ich mich immer fürs Design entscheiden, auch unter dem Aspekt, dass ein hervorragendes Produkt wiederum nicht so schnell zum Abfall und Rest wird." Um beim Entwerfen mit Ausschussmaterial restlos glücklich zu werden, gilt also die Regel: Der Rest muss in den Dienst des Designs gestellt werden - und nicht umgekehrt.
https://www.sueddeutsche.de/sport/olympia-in-paris-grandeur-ohne-geld-1.3665209
mlsum-de-9990
Paris feiert den Zuschlag für Olympia 2024. Doch manche Verheißungen für eine bessere Stadt bleiben wohl Wunschdenken.
Natürlich geht es nicht ohne große Worte, das hier ist schließlich Frankreich. "Die Spiele von Paris werden ein einzigartiges Fest des Sports und des olympischen Gedankens, und es wird der Bevölkerung ein großes Erbe hinterlassen", sagt Tony Estanguet. Wochenlang hatte sich der Chef der Pariser Bewerbung und dreifache Kanu-Olympiasieger bemüht, den Überschwang zu unterdrücken, obwohl seit Ende Juli alles klar ist. Aus Respekt vor dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC), wie er sagt; er ist seit 2013 selbst IOC-Mitglied. Auch Bürgermeisterin Anne Hidalgo, die anfangs gar keine Anhängerin dieser olympischen Idee war, und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hielten sich zurück, so gut sie konnten. Kurz vor der offiziellen Vergabe der Sommerspiele 2024 durch das IOC am Mittwochabend in Lima gab es bei den Pariser Vertretern aber kein Halten mehr. Der Zuschlag an die Seine-Metropole sei "der Höhepunkt eines fabelhaften Abenteuers", jubelte Estanguet. Zu Hause waren am Trocadéro Großleinwände aufgebaut, auf dass die Bürger trotz ungemütlichen Herbstwetters den Sieg gemeinsam verfolgen. Werden Vorstädte wie Saint-Denis durch Olympia aufgewertet? Die Einwohner zweifeln Es ist kein glanzvoller Sieg, den sie aus Peru heimbringen. Viele Mitbewerber - Hamburg, Boston, Rom oder Budapest - hatten das Rennen vorzeitig aufgegeben, weil ihnen Geld oder Unterstützung ihrer Bevölkerung fehlten, oder beides. Zuletzt waren nur noch Paris und Los Angeles im Rennen, und mit diesen beiden verabredete das IOC schon vor Monaten einen Deal: Die Amerikaner bekommen den Zuschlag für 2028, die Pariser für 2024. Jetzt kommen die Spiele - hundert Jahre nach der letzten Austragung an der Seine - wieder nach Hause, in die Geburtsstadt ihres Gründers Pierre de Coubertin. So sehen sie das in Paris. Doch den Zuschlag zu bekommen, war wohl der einfachste Teil. Das Schwierige kommt jetzt, weil Estanguet und Hidalgo ziemlich viel auf einmal versprochen haben, und diese Versprechen leicht zur versuchten Quadratur des Kreises werden können: Olympia 2024, das sollen bescheidene Spiele vor der ganz und gar unbescheidenen Kulisse von Paris sein. Einerseits nutzen und inszenieren die Organisatoren das reiche Architekturerbe der Stadt. Es wird Leichtathletik am Eiffelturm geben, Fechten im Grand Palais oder Reitwettbewerbe am Königsschloss von Versailles. Andererseits soll das Ereignis dem gesamten Großraum der französischen Hauptstadt einen willkommenen Modernisierungsschub verleihen - und das alles für vergleichsweise günstige 6,8 Milliarden Euro. Das ist deutlich billiger als die Sommerspiele von London 2012 oder als das, was Tokio 2020 kostet. Detailansicht öffnen Eiffelturm als Litfaßsäule: Paris heißt die Welt für 2024 willkommen - Mittwochabend bekam es den offiziellen Zuschlag. (Foto: Patrick Kovarik/Getty) Mit dieser Zusicherung, bei aller Grandeur Maß zu halten, hat das Bewerberkomitee nicht nur beim IOC gepunktet. Auch die Pariser, die sonst gern und viel meckern, sträubten sich im Gegensatz zu den Bürgern anderer Städte zumindest nicht. Und das hat nicht nur damit zu tun, dass ihnen versprochen wird, man werde dank Olympia wieder in der Seine baden können. Anders als die Sportfunktionäre und die Politiker, die die treibende Kraft hinter der Bewerbung waren, ist die Stadt jetzt zwar nicht von Euphorie erfasst. Dazu sind die Pariser zu blasiert. Zu selbstverständlich ist es für sie, einen Ort zu bewohnen, der für sich genommen schon ein permanentes Großereignis ist. Der Zuschlag war außerdem ja keine Überraschung mehr. Aber die Pariser haben sich die intensive PR von Estanguet, Hidalgo und Macron gefallen lassen, die darin gipfelte, dass im Sommer sogar eine leuchtend rote Tartanbahn auf dem Fluss schwamm. Nicht einmal der Umstand, dass der Slogan für 2024 auf Englisch ist ("Made for Sharing"), führt in der Kulturnation Frankreich zu nennenswerter Entrüstung. Landesweit 83 Prozent der Bevölkerung hält einer Umfrage zufolge die Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele für eine gute Sache. Zwei Drittel erwarten eine positive Auswirkung auf die Verkehrsinfrastruktur. Dabei ist absehbar, dass manche Verheißungen kaum einzulösen sind - etwa die von der sauberen Seine. In dem Fluss sollen manche Schwimmwettbewerbe stattfinden. Seit 1923 herrscht aber ein Badeverbot, und die Gesundheitsbehörden haben zuletzt alle Anträge abgeblockt, es aufzuheben: Es fließen viel zu viele Abwässer voller Kolibakterien in die Seine. Um 2024 darin schwimmen zu dürfen, müsste die Kloake gemäß EU-Vorschriften schon in drei Jahren saniert sein. Das wird sportlich. Frédéric Viale vom Bündnis "Nein zu Olympia" hat auch sonst Zweifel. Vor allem an den Plänen der Organisatoren, die berühmt-berüchtigten nordöstlichen Vorstädte von Paris lebenswerter zu machen. Das betrifft Le Bourget, wo ein Medienzentrum für 20 000 Journalisten entsteht, und vor allem den sozialen Brennpunkt Saint-Denis. Dort steht seit der Fußball-WM 1998 schon das Stade de France, das auch zentraler Schauplatz der Spiele 2024 sein wird. Die Bürogebäude, die rund um das Stadion hochgezogen wurden, brachten keine Jobs für Geringqualifizierte. Viale befürchtet, dass die Verdrängung weitergeht, wenn in Saint-Denis nun das Olympische Dorf gebaut wird. "Obwohl ein Teil der Gebäude später für Sozialwohnungen genutzt wird, werden die Preise für Arme unbezahlbar sein, das beschleunigt die Gentrifizierung", sagt er. Tatsächlich erwarten die Makler einen Preisanstieg um 30 Prozent, zumal Saint-Denis besser angebunden wird. Viale mag außerdem nicht glauben, dass die Banlieue etwas von der geplanten Schwimmarena haben wird - weil sie nach 2024 weiter für Leistungssport genutzt werde. Die Olympia-Organisatoren sagen hingegen, das Schwimmzentrum werde helfen, die hohe Nichtschwimmer-Quote in der Gegend zu senken. Zum dritten Mal Paris Die Olympischen Sommerspiele der Neuzeit I. 1896 Athen II. 1900 Paris III. 1904 Saint Louis IV. 1908 London V. 1912 Stockholm VI. 1916 ausgefallen VII. 1920 Antwerpen VIII. 1924 Paris IX. 1928 Amsterdam X. 1932 Los Angeles XI. 1936 Berlin XII. 1940 ausgefallen XIII. 1944 ausgefallen XIV. 1948 London XV. 1952 Helsinki XVI. Melbourne XVII. 1960 Rom XVIII. 1964 Tokio XIX. 1968 Mexiko-Stadt XX. 1972 München XXI. 1976 Montreal XXII. 1980 Moskau XXIII. 1984 Los Angeles XXIV. 1988 Seoul XXV. 1992 Barcelona XXVI. 1996 Atlanta XXVII. 2000 Sydney XXVIII. 2004 Athen XXIX. 2008 Peking XXX. 2012 London XXXI. 2016 Rio de Janeiro XXXII. 2020 Tokio Fragen gibt es auch zur Modernisierung des Nahverkehrs. Viele Pariser Metro-Stationen, die teils wirken wie anno 1900, werden trotz Paralympics auch 2024 nicht behindertengerecht sein. So viel ist schon klar. Der Zuschlag soll dafür dem Megaprojekt Grand Paris Schub verleihen: Das - ohnehin geplante - 108 Milliarden Euro teure Vorhaben, vier Metro-Linien um die Stadt zu bauen, soll jetzt großteils schon zu Olympia fertig werden anstatt erst 2030. Doch diese Beschleunigung, warnt Viale, wird zusätzliche Steuermilliarden nötig machen. Überhaupt, die Kosten. Bewerbungschef Estanguet sagt, sein Budget (6,8 Milliarden Euro) sei ehrlich: "95 Prozent der Spielstätten gibt es schon, ich wüsste nicht, was da aus dem Ruder laufen sollte." Wie das Stade de France wird Paris 2024 viele bestehende Einrichtungen nutzen. Nicht nur das Schloss Versailles. In einem alten Stadion, in dem die Sommerspiele 1924 eröffnet wurden, etwa soll Hockey gespielt werden. Manche Experten wie der Ökonom Alexandre Delaigue bestreiten die Kalkulation dennoch. Weil Olympia-Budgets immer überschritten werden, einer Studie zufolge durchschnittlich um 179 Prozent. "Da kann es gar keine gute Überraschung geben", sagt Delaigue. Das IOC verleite die Bewerberstädte zum Schönrechnen. Viele Ausgaben sind auch nicht richtig absehbar, zum Beispiel die für Sicherheit, die für London 2012 vier Mal mehr kosteten als ursprünglich veranschlagt. Auch für Paris ist die Sicherheit angesichts der - zumindest heute - akuten Terrorgefahr ein schwer kalkulierbarer Posten. Aber das Schlimmste daran, dass sich Paris so um die Spiele 2024 gerissen habe, sei die systemerhaltende Wirkung für das IOC, findet Delaigue: "Das ermöglicht, mit der Verschwendung weiterzumachen, als sei nichts." Die Franzosen scheinen solche Einwände wenig zu stören. Bis hierher finden sie Paris 2024 gut. Und Tony Estanguet verspricht ihnen ja "ein großes Erbe".
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Wer Cuba und die Cubaner kennen lernen möchte, sollte sich ein Auto mieten- und Anhalter mitnehmen
(SZ vom 30.05.2000) - Im Morgengrauen, als der Dunst noch schwer über den Hügeln und Tabakfeldern der Sierra lag, waren sie aufgebrochen. Drei Stunden lang marschierten sie die schlaglochübersäte, völlig ausgestorbene Asphaltpiste bergauf, bergab Richtung Süden, bis der rote Staub der ausgetrockneten Erde sich mit dem Schweiß ihrer Hosen zu einer zähen Kruste vermengt hatte. In einem lieblichen, von einem Nebenfluss des Rio Agabama durchflossenen Seitental erklommen die drei jungen Guajiros die stattlichen Palmen, um die kopfgroßen Früchte zu ernten und erfrischten sich an der kühlenden Kokosmilch. Detailansicht öffnen Autos aus den 40er und 50er Jahren kurven auf den Strassen von Havanna wie Schiffe. In Cuba selbst werden keine Autos produziert. Der Import ist gegen teure Devisen möglich. (Foto: Foto: SWR) Jeder von ihnen schleppte einen vollen Sack zurück zur Straße, um sich auf den Heimweg unter der nun sengenden Nachmittagssonne zu machen - als sich plötzlich bergab von Süden her eine einsame braune Hyundai-Limousine nähert, die verzweifelt versucht, die schubkarrengroßen Schlaglöcher zu umkurven, die der Sommerregen der vergangenen Hurrikansaison in die Fahrbahn gefressen hat. Mehr so zum Spaß streckt Reynaldo die Hand heraus. Der Wagen stoppt. Drinnen sitzen zwei schwitzende Touristen und bieten unerwarteterweise eine Mitfahrt an. Raúl ziert sich, als er am Steuer eine zierliche, blonde Frau entdeckt. Weibliche Chauffeure sind trotz vier Jahrzenten Sozialismus mindestens so ungewöhnlich wie klimatisierte Hyundais im Land der Guajiros - der kubanischen Bauern, denen der Dichter und Freiheitsheld José Marti im Unabhängigkeitskrieg von Spanien 1895 mit dem Text zum Lied "Guajira Gantanamera" ein Denkmal gesetzt hat. Hinweisschilder und Nahrung sind rar Doch der Rückweg bis Güina de Miranda ist weit, und so lässt Raúl sich von seinen beiden Freunden überreden, im Fond hinter den turistas Platz zu nehmen. Die Mitfahrer revanchieren sich mit Kokosnüssen - und amüsieren sich köstlich über die Unfähigkeit der alemanes, sie mit der Klinge der Machete zu spalten, die Reynaldo mit lautem ziiing! aus der Scheide zieht. Zum Abschied führen sie nicht nur vor, wie's geht und loben die Fahrkünste der Chauffeurin, sondern erklären auch den Weg nach Manicaragua. Für Jemanden, der im Mietwagen durch Cuba kurvt, eine unverzichtbare Hilfestellung: Nach Wegweisern sucht man nicht nur hier in der Sierra de Escambray, sondern auch an der achtspurigen, von den Sowjets gebauten Zentralautobahn oder den Ausfallstraßen der Städte meist vergeblich. Auch die Kokosnüsse sind überaus willkommen, gestaltet es sich doch außerhalb der Touristenzentren in Cuba nicht immer einfach, an eine akzeptable Mahlzeit zu kommen. Von all dem hatten wir keine Ahnung, als wir eine Woche zuvor wenige Kilometer hinter dem Touristenflughafen von Varadero begannen, unseren eben übernommenen Hyundai zu einer Art kostenlosem, privaten Transportservice umzufunktionieren. Wegen jener weiß gekleideten alten Frau, die uns auf der mittleren Spur der fast nur von Touristenbussen befahrenen Autobahn nach Havanna die Hände entgegen streckte, auf dass wir sie mitnähmen, weg von ihrem staubigen Warteplatz unter sengender Sonne. Immer wieder stand da jemand, wie das personalisierte schlechte Gewissen. Wie kann man im komfortablen Mietwagen an den Menschen vorbeirauschen, die im knappen Schatten jeder Autobahnbrücke, an jeder Kreuzung und jeder Ortsausfahrt auf Mitfahrt warten? Die Oma muss mit Seit Fidel Castro nach dem Versiegen des russischen Versorgungstropfes 1992 die periodo especial ausgerufen hat, sind die Cubaner zu einem Volk der Radfahrer, Reiter und Anhalter geworden. Das wenige selbst geförderte Öl fließt ausschließlich in die Kraftwerke wie das von Santa Cruz del Norte, das seine schwarze, nach schlecht verbranntem Petroleum stinkende Rauchfahne in den azurblauen Himmel schickt. Importiertes Benzin gibt es nur gegen Dollars, von denen ein Akademiker ohne Kontakte zum Fremdenverkehr im Monat höchstens 15 verdienen kann. Also kurven die Cubaner auf chinesischen Fahrrädern ohne Licht über die Autobahn, zwängen sich zu Dutzenden auf die Ladefläche von Kieslastern, stehen tagelang für die raren Bustickets an oder halten den Daumen hinaus: um zur Arbeit zu fahren, Verwandte zu besuchen oder sich auf die Suche nach den einfachsten Gütern des Lebens wie Seife oder Socken zu machen, die die finsteren Höhlen der staatlichen Geschäfte kaum jemals feilbieten. An offiziellen puntos de recogida, Zusteigestellen, verteilen Uniformierte die Wartenden auf staatseigene Fahrzeuge, die verpflichtet sind, Anhalter mitzunehmen. Als Ausländer kann man, so man sich dazu entschließt, seine Mitfahrer aussuchen. Wir tun das mit wachsender Freude - und können nach einer Woche darauf zurückblicken, mit Hilfe unseres Autos einen Querschnitt der Menschen Cubas kennen gelernt zu haben: Ärzte und Zuckerrohrbauern, Schulmädchen und Hausfrauen, Studenten und Greise, den zahnlosen Veteran des Abwehrkampfes gegen die Schweinebucht-Invasoren genauso wie die proppere, lebenslustige Alte mit blond gefärbten Haaren, die uns in ihr Haus einlädt. Die Polizisten lassen Fremde in Ruhe Verwirrung stiften anfangs die Polizisten, die - so cool wie Polizisten das eben tun - am Straßenrand stehen und in Kniehöhe zwei Finger abspreizen. Doch die Staatsorgane, die ihre Landsleute so oft filzen, wie sie können, lassen Ausländer in Frieden. Wir stoppen nur vorsichtshalber. Ob er nach Havanna mitfahren kann, will der junge uniformierte Schwarze schüchtern lächelnd wissen. Auf der Fahrt machen wir den Fehler, ihm eine ganze Packung der für europäische Raucherlungen nur schwer erträglichen Popular-Zigaretten zu schenken. Nun fühlt er sich verpflichtet, sich zu revanchieren. Er tut es mit einem Passfoto, das er verlegen aus der Ledertasche an seinem Pistolengurt hervorkramt, und einer Einladung zum Auftritt des Polizeiorchesters von Playas del Este. Denn eigentlich, erklärt er, sei er ja Musiker, und klopft den Takt eines Mambos von Beny Moré mit, der aus dem Autoradio schallt. Auf fremde Hilfe - zumal die von Ausländern - bei einem so elementaren Bedürfnis wie dem täglichen Transport angewiesen zu sein, ist vielen Cubanern peinlich. Manche offenbaren erst, wenn man sie nach dem Weg fragt, schüchtern, dass sie in die gleiche Richtung wollen. "Darf die Oma auch mit?", fragt ein hagerer, sonnengegerbter Mann undefinierbaren Alters an der Autobahnausfahrt in Santa Clara und deutet auf eine in sich zusammengesunkene Alte, die an einem blattlosen Jacaranda-Baum auf ihren Bündeln in der Sonne schmort. Kokosnüsse und Küsse Wir bekommen weit mehr zurück, als wir gegeben haben: Belohnt werden wir nicht nur mit Kokosnüssen, Küssen, Segenswünschen, Adressen, Fotos und Einladungen, sondern auch mit unbezahlbaren Einblicken in den Alltag der Cubaner. Manolo, der in einer Zuckerfabrik im verarmten Cárdenas schuftet, wird zwar von Verwandten aus Miami mit Dollars versorgt. Doch der 28-Jährige reagiert skeptisch auf die Frage, ob er selbst gern nach Florida möchte, wo Milch und Honig fließen, wie Exilcubaner ihren zurück gelassenen Landsleuten unablässig versichern. "Dazu müsste ich erst mit eigenen Augen sehen, wie es da ist", meint Manolo, der trotz aller Engpässe stolz daruf ist, Cubaner zu sein. Entdeckungsreisen in die USA aber werden von der Passbehörde nicht gefördert. So offenherzig wie Manolo plaudern nur wenige. Fragen nach der Versorgungskrise werden meist ausweichend beantwortet; zu klagen verbietet der Stolz. Man sei halt "auf dem Weg der Entwicklung", meint der Internist aus Pinar del Rio, und plaudert dann lieber über europäischen Fußball. Gerne hingegen zeigen sie, was sie haben: wie Manolo, der uns selbst gefischte, prachtvolle Seeschneckenhäuser ins Hotel bringt; oder die beiden Guajiros mit den breitkrempigen Cowboyhüten und den dicken Dollarbündeln unklarer Herkunft, die uns im Kolonialstädtchen Remedios auf ein Bier in der renovierten Dollarkneipe einladen - nicht etwa in die finstere Rum-Schwemme für Pesos nebenan. Dunkle Geschäfte mit Anhaltern In manchen Etablissements sollte man sich ähnlich wie vor Touristenhotels jeden potentiellen Anhalter genau ansehen. Man läuft sonst Gefahr, sich jineteros, Schlepper, ins Auto zu laden, die die Mitfahrt zur Anbahnung eines nicht immer willkommenen Geschäfts mit Zigarren, Unterkünften oder sonstigen Dienstleistungen nutzen. Das passiert uns zum Glück nur einmal, im Ausflugsziel Trinidad, und zwar mit drei redseligen, gesund aussehenden Herren, die sich als "Fischer" ausgeben, die vom Arztbesuch kommen. Mit ein paar freundlich-bestimmten Worten wird man cubanische jineteros jedoch leicht los. Vor dem Nepp der Touristenfalle Trinidad rettet uns unser fahrbarer Untersatz in die Sierra de Escambray, von wo aus Che Guevara 1958 zum Marsch auf die Provinzstadt Santa Clara aufbrach, der der Revolution zum Sieg verhalf. An der Bar des Hotels am Hanabanilla-Stausee, eine kubanischen Peso-Unterkunft, in die auch Ausländern dürfen, diskutiert eine Gruppe junger Leute mit Holländern: "Alles, was diesem Land fehlt, sind Öl und Elektrizität", meint einer der Cubaner. Wir blicken von der Dachterrasse auf die fernen Lichter von Manicaragua und Güina de Miranda. Seit Touristen Geld ins Land bringen, sind die nächtlichen Stromsperren seltener geworden, heißt es. Irgendwo dort schlafen jetzt auch unsere drei Guajiros unter ihrem Dach aus getrockneten Kokoswedeln. Morgen früh werden sie wieder losziehen. Dann wahrscheinlich hin und zurück zu Fuß.
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Von ganz früh bis sehr spät: Vier Tage lang bieten die Munich Indoors ein Programm mit vielen Facetten. Auch die Weltmeisterinnen Simone Blum und Jessica von Bredow-Werndl sind in der Olympiahalle.
Am Samstagabend in der Münchner Olympiahalle sitzen zwei bayerische Weltmeisterinnen strahlend und winkend auf zwei Pferden, auf denen man sie nie zuvor hat sitzen sehen; hübsch anzusehen (sowohl die Pferde als auch die Reiterinnen), jeweils in einem Dirndl (nur die Reiterinnen), auf zwei Kaltblütern vom Landgestüt Schwaiganger, auf denen - ohne den Tieren zu nahe zu treten - Simone Blum ihren Titel im Springreiten im September wahrscheinlich eher nicht geholt hätte, und auch Jessica von Bredow-Werndl in der Dressur wohl etwas Mühe gehabt hätte. Jedenfalls werden die beiden am Rande der Munich Indoors mit einer eigenen Gala geehrt. Sportlich nutzt Blum die Großveranstaltung, um ihre jungen Pferde Erfahrung sammeln zu lassen, und Bredow-Werndl coacht in München ihren Bruder zum Gewinn im Grand Prix Special. Und sonst? Die Deutsche Victoria Michalke gewinnt eine besondere Dressurserie, und vier vollgepackte Wettbewerbstage werfen einige Fragen auf, etwa: Bekommen Turnierpferde eigentlich genügend Schlaf? Und wer sorgt für verletzte Tiere? Fünf Episoden aus vier Tagen Reitsport. Detailansicht öffnen Ungewohntes Bild: Am Samstag lassen sich die Weltmeisterinnen Simone Blum und Jessica von Bredow-Werndl auf zwei Kaltblütern feiern. (Foto: Stefan Lafrentz/imago) Tierschutz vor Sport Routiniert nimmt Rüdiger Brems dem verschwitzten Pferd die Bandagen ab und tastet die empfindlichen Fesseln des Tieres nach Schwellungen und Druckschmerzen ab. "Vor und nach jedem Wettbewerb überprüfen wir den Zustand der Tiere", sagt der Tierarzt. Der Gesamteindruck muss stimmen. Ohne Brems und neun seiner Kollegen von der Pferdeklinik Wolfesing in Zorneding findet bei den Munich Indoors kein Wettbewerb statt. Der Tierarzt arbeitet seit 21 Jahren im Auftrag des Weltverbandes im Reitsport (FEI) bei der Veranstaltung in München. Sein Team steht ständig auf Abruf. So wie am Freitag, als ein Pferd samt Reiter vor einem Hindernis stürzt. Beide sind zum Glück wohlauf. Oder bei Verdachtsmomenten. Ein Reiter spürt, dass sich sein Pferd beim Springen nicht wohl fühlt und kontaktiert Brems. Die Untersuchung ergibt, dass sich das Tier einen Muskel im Rücken gezerrt hat. Der Reiter entscheidet sofort, aus dem Wettbewerb auszusteigen. "Das wäre vor 20 Jahren anders abgelaufen", sagt Brems. Heute stehe der Tierschutz vor dem Sport. Der Wert der Tiere ist mittlerweile sehr hoch. Ein Pferd auf Turnierlevel kostet 50 000 Euro aufwärts. Daher werden schon zu Beginn des Turniers alle Pferde untersucht, später führt eine externe Ärztin dann auch Dopingkontrollen durch. Erfolge seien schon sichtbar, sagt Brems: "Bei der Weltmeisterschaft in Tryon gab es keinen positiven Test bei den Sportpferden." Der goldene Glanz Beim Reiten wird Simone Blum den neuen Goldhelm bestimmt nicht aufsetzen, einen Platz dafür wird sie aber finden. Sie und ihre Dressur-Kollegin Jessica von Bredow-Werndl bekommen am Samstagabend eine ganze Palette solcher Präsente, neben dem Goldhelm gibt es Ehrenpreise und ganz profane T-Shirts für das Team. "Es war schon toll, damit habe ich nicht gerechnet", sagt Blum. Der Helm steht symbolisch für ihr Jahr 2018. Alles was Blum anfasste, wurde zu Gold. "Ein tolles Ereignis jagt das andere", weiß Blum. Die Zollingerin hat sich mit ihrer Stute Alice in die absolute Weltspitze des Springreitens geritten. Der Nationenpreis beim CHIO in Aachen, der Weltmeistertitel in den USA, die Auszeichnung des Weltreiterverbandes als "Best Athlete" - Blum ist das neue Gesicht des deutschen Springreitens. Die Veranstalter hatten die Munich Indoors entsprechend massiv mit Blum beworben, die gestiegenen Ticketverkäufe machen sie nicht zuletzt an der 29-Jährigen aus dem Landkreis Freising fest. Als neue Weltmeisterin wird mehr gezogen und gezerrt an ihr als früher: "Das ist auf jeden Fall extrem anstrengend", sagt Blum. "Aber ich denke, das wird auch wieder ein bisschen ruhiger werden." Bei den Munich Indoors reitet Blum dann nicht mit Alice auf Sieg, sie setzt andere Pferde ein, um auch diese allmählich an das neue Niveau heranzuführen. In zwei Wochen wird sie noch ein Turnier in der Schweiz mitmachen, dann ist das Gold-Jahr für sie vorbei. Die Indoors sind als Heimturnier aber "auf jeden Fall" auch für die Zukunft gesetzt. Detailansicht öffnen Christian Ahlmann muss sich als Rider of the Year nassspritzen lassen. (Foto: Sven Simon/imago) 13 Jahre Harmonie Dance On sieht noch oft Gespenster. Das Dressurpferd ist umweltorientiert, vieles ist ihm unheimlich. "Wir reisen deswegen immer einen Tag früher bei Turnieren an, damit er sich an die neue Umgebung gewöhnen kann", erklärt Victoria Michalke. Andere Pferde brauchten den Turniertrubel, um gute Leistungen zu erbringen. "Pferde haben schon echt einen Charakter", weiß die 29-Jährige. Als guter Reiter sollte man die Eigenheiten seines Pferdes kennen. Ihr Wallach Dance On ist 16 Jahre alt, Michalke trainiert ihn seit 13 Jahren. Und ihr Trainingskonzept ist aufgegangen: Michalke wird bei den Indoors zum Champion of Honour gekürt, sie ist Gesamtsiegerin der Serie. Die Auszeichnung erhalten Reiter, die mit ihrem Pferd harmonieren, mit anderen Reitern kollegial umgehen und deren Pferde Zufriedenheit ausstrahlen. Es ist ein Preis, der gezielt nicht Leistungen bewertet, sondern die Partnerschaft zwischen Pferd und Reiter. Das seien die richtigen Signale, findet Michalke. Einfach tanzen lassen Detailansicht öffnen Jessica von Bredow-Werndl feiert dann auch noch den Sieg ihres Bruders Benjamin Werndl. (Foto: Stefan Lafrentz/imago) Famoso, der neunjährige Wallach, beschert Benjamin Werndl einen Rekord nach dem anderen. Den Grand Prix Special am Sonntag gewinnt das Duo mit starken 76,7 Prozent. Das ist das beste Ergebnis, dass der 34-Jährige bisher in einer Dressurprüfung auf diesem Niveau erzielt hat. Von der Leistung seines Pferdes sei er "überwältigt", sagt Werndl. Mitte Dezember steht in Frankfurt das Finale für die bedeutendsten Nachwuchspferde im Grand Prix an - Famoso hat die anspruchsvolle Generalprobe in München bestanden. Die Aufgabe des Special ist sehr lang. Schwierige Lektionen wie die Piaffe-Passage, ein Wechsel aus trabartiger Bewegung auf der Stelle und Trab in Slowmotion, sowie der Einerwechsel, der Galoppwechsel von Sprung zu Sprung, kommen gleich mehrfach vor. "Das Special ist aber auch gleichzeitig die schönste Aufgabe der Welt", findet Werndl, der gerne in Superlativen spricht. Es sei der fließende Ablauf, der ihn fasziniere. Anders als bei der Kür ist beim Special die Abfolge der Lektionen vorgegeben. Das Training in seinem Reitstall in Aubenhausen, den er gemeinsam mit seiner Schwester Jessica von Bredow-Werndl, der Mannschaftsweltmeisterin in der Dressur, betreibt, sei so angelegt, dass die Pferde Eigeninitiative zeigten und Spaß daran hätten, ihre Leistungen im Viereck zu präsentieren. "Wir sitzen nur da, halten uns möglichst ruhig und lassen die Pferde tanzen", sagt Werndl. Am Sonntag beobachtet die 32-Jährige von Bredow-Werndl ihren Bruder im Viereck. Danach erwartet sie ihn auf dem Weg zum Abreiteplatz. Ihr Lob mutet eher technisch-nüchtern an: Ihr Bruder hätte das richtige Maß fürs Tempo in der kompletten Trabtour gehabt. Werndl klingt euphorischer: "Die Piaffe-Passage-Touren waren der Hammer!" Drei Stunden Schlaf Abends spät ins Bett, morgens früh raus, wenig Schlaf, ungewohnte Umgebung, viel Trubel - für einen Menschen wären das keine guten Voraussetzungen, um Leistungssport zu betreiben. Bei den Munich Indoors ist das Programm dicht, es beginnt schon morgens halb acht in einer ziemlich leeren Halle und geht bis abends. Für die Pferde ist das kein Problem, sagt Veranstalter Volker Wulff: "Pferde führen ein anderes Leben als Menschen." Mit drei bis vier Stunden Schlaf kämen sie aus, sagt er. Neben den physischen Grundvoraussetzungen spiele auch die Gewöhnung eine große Rolle. "Routine gehört dazu", sagt Wulff. Internationale Klassepferde würden seit dem Alter von fünf, sechs Jahren an das Turnierleben gewöhnt. Und auch die Menschen sind diese Abläufe gewohnt. Die vielen Wettbewerbe gäben ihnen auch die Möglichkeit, jüngere Pferde heranzuführen. "Deswegen sind die Reiter bereit, morgens und abends zu reiten. Es sind lange Tage, aber das ist auch der Job der Reiter." Die meisten Zuschauer kommen trotzdem etwas später.
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Matthias Rath und Totilas starten in Aachen nicht in der Kür. Franz Reindl ist neuer Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes. Der spanische Stürmer Alvaro Morata wechselt von Real zu Juve.
Reitsport, Aachen: Totilas wird am Sonntag beim CHIO in Aachen nicht in der Kür starten. Nach acht Starts seit dem Comeback vor zwei Monaten soll das Dressurpferd eine Pause erhalten. "Nach Absprache mit dem Trainer und der Familie wird er nicht antreten", sagte Bundestrainerin Monica Theodorescu am Samstag. Matthias Rath hatte bei acht Starts seit der Rückkehr in den Turniersport acht Siege gefeiert. Zuvor hatte das Paar zwei Jahre lang pausiert. Durch den Verzicht kann Kristina Sprehe mit Desperados die Kür reiten. Weitere deutsche Starter sind Helen Langehanenberg aus Billerbeck mit Damon Hill und Isabell Werth aus Rheinberg mit Bella Rose. Tennis, Bastad: Fed-Cup-Spielerin Mona Barthel (Bad Segeberg) hat im schwedischen Bastad mit einem Kraftakt erstmals in diesem Jahr das Finale eines WTA-Turniers erreicht. Gegen die Spanierin Silvia Soler-Espinosa gewann die 24-Jährige nach 2:24 Stunden mit 6:2, 4:6, 7:5. Am Sonntag kämpft Barthel gegen Chanelle Scheepers (Südafrika) um ihren dritten Titel auf der Tour. Nach einer starken Vorstellung im ersten Satz hatte die Weltranglisten-61. im zweiten Durchgang einige Probleme mit ihrer zwei Jahre älteren Gegnerin. Im entscheidenden dritten Satz kassierte Barthel ein Break zum 2:4, kämpfte sich aber zurück und hatte am Ende die größeren Kraftreserven. Durch den Einzug in ihr ingesamt viertes Finale auf der WTA-Tour hat Barthel ein Preisgeld von 21.400 Dollar (15.825 Euro) sicher. Titel hat die Rechtshänderin bisher im australischen Hobart (2012) und in Paris (2013) gewonnen. In Bastad waren zuvor Julia Görges (Bad Oldesloe), Annika Beck (Bonn), Laura Siegemund (Filderstadt) und Dinah Pfizenmaier (Bochum) ausgeschieden. Eishockey, DEB: Franz Reindl ist neuer Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB). Die Mitglieder wählten den 59 Jahre alten Ex-Nationalspieler am Samstag in Frankfurt/Main mit 73,5 Prozent der Mitgliederstimmen zum Nachfolger des umstrittenen Uwe Harnos. Der 53 Jahre alte Harnos hatte zuvor überraschend seine Kandidatur zurückgezogen. Einen Gegenkandidaten für Reindl gab es danach nicht mehr. Reindl nahm das Amt vor der Wahl der Vize-Präsidenten an. Fußball, Transfer: Der spanische Fußball-Stürmer Alvaro Morata wechselt von Real Madrid zum italienischen Meister Meister Juventus Turin. Der 21-Jährige unterschrieb bei Juve einen Fünfjahresvertrag, wie der Club aus der Serie A am Samstag mitteilte. Juventus zahlt an den spanischen Traditionsclub eine Ablösesumme von 20 Millionen Euro. Real besitzt jedoch die Option, den Youngster nach einem oder zwei Jahren für rund 30 Millionen Euro zurückzukaufen. Dabei kommt es darauf an, wie viele Spiele der Angreifer absolviert. Morata könnte bei Juventus eine Alternative zu Carlos Tevez und Fernando Llorente im Sturm sein. Der neue Juve-Trainer Massimiliano Allegri soll auch Interesse am argentinischen Mittelfeldspieler Roberto Pereyra von Udinese haben. Volleyball, Europaliga: Die deutschen Volleyballerinnen haben die erfolgreiche Titelverteidigung in der Europaliga verpasst. Das Team von Bundestrainer Giovanni Guidetti unterlag am Samstag in Rüsselsheim der Türkei mit 1:3 Sätzen (19:25, 23:25, 25:20, 20:25). Bereits im Hinspiel hatte sich das Team vom Bosporus mit 3:1 durchgesetzt. Das Finale war bereits nach den ersten beiden Sätzen entschieden. Das junge Team des Deutschen Volleyball-Verbandes hätte mit 3:0 oder 3:1 gewinnen müssen, um die Titelverteidigung im sogenannten "golden set" noch möglich zu machen. 2. Bundesliga, Testspiel: Fußball-Zweitligist RasenBallsport Leipzig hat am Freitag ein internationales Testspiel gegen Paris Saint-Germain gewonnen. Der Aufsteiger siegte gegen den stark ersatzgeschwächten französischen Meister 4:2 (1:2). Vor 35 796 Zuschauern trafen Terrence Boyd (25.), Yussuf Poulsen (50.), Denis Thomalla (64.) und Stefan Hierländer (76.) für Leipzig. Hervon Ongenda (10.) und Jean-Christophe Bahebeck (27.) hatten die Gäste zweimal in Führung gebracht. PSG-Trainer Laurent Blanc musste auf 13 Nationalspieler, darunter elf WM-Fahrer verzichten. Superstar Zlatan Ibrahimovic spielte eine Halbzeit. Bei RB Leipzig stand zwei Wochen vor dem Saisonstart gegen den VfR Aalen mit dem US-Amerikaner Boyd ein Neuzugang in der Startformation. In der zweiten Halbzeit wechselte Trainer Alexander Zorniger komplett durch. Trotzdem konnte Leipzig, das schon in der ersten Halbzeit mehr Chancen und Spielanteile hatte, die Partie noch drehen. Bei Paris schwanden dagegen bei hohen Temperaturen spürbar die Kräfte. Fechten, WM: Florett-Ass Peter Joppich hat eine bittere Niederlage hinnehmen müssen. Der viermalige Einzel-Weltmeister aus Koblenz unterlag bei der WM in Kasan/Russland dem international nahezu unbekannten Russen Timur Safin unter den besten 32 mit 6:15. Sebastian Bachmann überraschte positiv: Der Vorjahressiebte aus Tauberbischofsheim schaltete in Runde zwei Titelverteidiger Miles Chamley-Watson (USA) mit 15:7 aus und steht im Achtelfinale. Beim Weltchampionat 2013 in Budapest hatte sich Bachmann dem späteren Gesamtsieger Chamley-Watson nach umstrittenen Entscheidungen im Viertelfinale noch mit 14:15 beugen müssen. Der deutsche Meister Moritz Kröplin aus Bonn scheiterte in Kasan in Runde eins mit 3:15 an dem Franzosen Erwann le Pechoux. Mit klaren Achtelfinalniederlagen beendeten Katja Wächter und Anne Sauer ihre Auftritte. Wächter, Olympia-Achte von 2008, war gegen Italiens EM-Zweite Martina Batini beim 3:15 chancenlos. Die EM-Siebte Sauer unterlag der Olympia-Fünften Lee Kiefer aus den USA 9:15. Die Wege des Tauberbischofsheimer Quartetts hatten sich früh getrennt. Die Vorjahreszweite Carolin Golubytskyi verlor unter den besten 64 gegen Kelleigh Ryan (Kanada) 11:15. Sandra Bingenheimer schied trotz hoher Führung mit 14:15 nach Verlängerung gegen Gabriella Varga (Ungarn) gleichfalls in Runde eins aus. Golf, British Open: US-Open-Sieger Martin Kaymer ist auch am dritten Tag der 143. British Open im Royal Liverpool Golf Club hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Bei wechselhaften Wetterbedingungen spielte der 29-Jährige aus Mettmann auf dem Par-72-Kurs wie am Freitag eine Runde auf Platzstandard und konnte mit insgesamt 217 Schlägen nicht nennenswert zum vorderen Mittelfeld aufschließen. Dabei begann der Tag für den früheren Weltranglistenersten mit einem Birdie an seinem ersten Loch verheißungsvoll. Angesichts von vier Bogeys waren aber auch zwei Birdies zum Abschluss nicht mehr als Ergebniskosmetik. Vor dem Schlusstag hat Kaymer damit keine Chance mehr, sein bestes Open-Ergebnis aus dem Jahr 2010 zu toppen. Damals wurde er im schottischen St. Andrews Achter. An der Spitze musste der Nordire Rory McIlroy nach zwei 66er-Runden zuvor um seine Führung bangen. Der zweimalige Major-Sieger spielte auf seinen ersten elf Löchern einen Schlag unter Par, während sein ärgster Verfolger Rickie Fowler (England) zum gleichen Zeitpunkt sechs Schläge unter Platzstandard lag und sich McIlroy immer weiter annäherte. Wie Kaymer trat auch US-Superstar Tiger Woods auf der Stelle. Durch ein Doppel-Bogey an Loch elf machte der langjährige Branchenprimus nicht nennenswert Boden gut. Wegen einer Schlechtwetterwarnung mit Gewittern wurde erstmals in der Open-Geschichte von zwei Tees gespielt, sodass alle Starter bereits am späten Nachmittag das Klubhaus erreichen sollten. Fußball, Transfer: Der Wechsel des senegalesischen Stürmer Demba Ba vom FC Chelsea zum türkischen Erstligisten Besiktas Istanbul ist perfekt. Der frühere Bundesliga-Profi der TSG 1899 Hoffenheim erhält beim türkischen Traditionsclub einen Vierjahresvertrag und soll pro Saison 2,5 Millionen Euro plus einer 10 000 Euro-Prämie für jedes absolvierte Spiel verdienen. Besiktas gab am Freitag bekannt, dass es sechs Millionen Euro an den englischen Premier-League-Club zahlen wird. Bereits am Mittwoch hatte sich der 29-Jährige einem Medizin-Check unterzogen. Derzeit befindet sich Ba mit der Mannschaft in einem Trainingslager im englischen Leeds. Ba sagte: "Besiktas ist ein großartiger Verein und ich will ein Teil davon sein." Der Stürmer hat es in der vergangenen Saison nicht geschafft, sich bei Chelsea zu etablieren, nachdem er unter anderem bei Hoffenheim und Newcastle United starke Saisons gespielt hatte. Leichtathletik, Monte Carlo: Der US-Amerikaner Justin Gatlin hat beim Diamond-League-Meeting der Leichtathleten in Monte Carlo auch über 200 Meter ein Ausrufezeichen gesetzt. In 19,98 Sekunden lief er am Freitag eine Weltjahresbestzeit. Gatlin ist in 9,80 Sekunden auch der aktuell schnellste Sprinter über 100 Meter. Im ersten 200-Meter-Rennen nach Ablauf seiner Doping-Sperre wurde sein Landsmann Tyson Gay in 20,22 Sekunden nur Fünfter. Basketball, NBA: Die Dallas Mavericks aus der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA haben Small Forward Eric Griffin verpflichtet. Der 24-Jährige hat in der NBA Summer League zuletzt vier Spiele für das Team von Superstar Dirk Nowitzki gemacht und dabei im Schnitt 9,8 Punkte verbucht. Über die Vertragslaufzeit machten die Texaner keine Angaben. Griffin ist in der besten Liga der Welt ein unbeschriebenes Blatt. Vor der abgelaufenen Saison hatte der US-Amerikaner sieben Testspiele für Miami Heat absolviert, doch der damalige Meister setzte ihn schnell wieder vor die Tür. Danach spielte Griffin für Gauros de Lara in Venezuela und Leones de Ponce in Puerto Rico.
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Bayer verteidigt heftig seinen Zugang, fordert aber Leistung. Lance Armstrong steht vor dem Karriereende, Olic stützt seinen Bayern-Kollegen Gomez, DFB-Chef Zwanziger hat neuen Ärger.
In der öffentlichen Diskussion um Michael Ballacks Kapitänsamt im deutschen Fußball-Nationalteam bezieht Bayer Leverkusens Trainer Jupp Heynckes klar Stellung. Es sei doch "Wahnsinn, Ballack überhaupt infrage zu stellen", sagte Heynckes dem Kicker. Kein anderer deutscher Spieler erreiche Ballacks Extraklasse, fügte der 65-Jährige hinzu. Die Diskussionen um Ballacks künftige Rolle in der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hatten sich daran entzündet, dass WM- Kapitän Philipp Lahm nach dem Turnier in Südafrika die Kapitänsbinde nicht freiwillig wieder abgeben wollte. Ballack hatte wegen einer Verletzung auf die WM-Endrunde in Südafrika verzichten müssen. Bayer-Sportdirektor Rudi Völler vermisst in der Diskussion um den nach Leverkusen zurückgekehrten Ballack den "Respekt vor einem Spieler, der jahrelang die Führungsfigur im Nationalteam war". Eine "Lex Ballack" wolle Bayer Leverkusen indes nicht: "Die Leistung muss stimmen, das ist klar." Heynckes erregte sich in dem Kicker-Interview jedoch über einen Trend: "Erst wird einer zum Superstar gemacht. Und wenn er dann, hier auch noch unverschuldet, die kleinste Schwäche zeigt, kommen alle aus den Löchern und wollen ihm ans Leder. Das ist typisch", sagte der Bayer-Chefcoach. Ballack gehe mit der Lage allerdings "souverän" um, meinte Heynckes. "Aber solch eine Diskussion kann schon demotivierend sein." Der Bayer-Trainer zeigte sich erfreut über die Aussage von Bastian Schweinsteiger, der klar gesagt habe, Ballack sei nach wie vor der Kapitän der Nationalmannschaft: "Das ist eine starke Aussage gegen die derzeit veröffentlichte Meinung. Aber ich weiß, dass viele Insider so denken wie er", sagte Heynckes über den Mittelfeldspieler des deutschen Meisters Bayern München. Schweinsteiger verkörpere nach einer "herausragenden Saison ebenfalls Weltklasse-Niveau". Alberto Contador hat mit seinem dritten Sieg bei der Tour de France den spanischen Sportsommer perfekt gemacht. "Er ist eine Legende des spanischen Sports. Er ist über sich hinausgewachsen", sagte Spaniens Sportminister Jaime Lissavetzky. Die Zeitung El Mundo stimmte mit ein: "Contador regiert wieder in Paris. Er ist einer der größten spanischen Sportler aller Zeiten." In der Bestenliste der Tour stehen nur noch fünf Fahrer vor Contador. Doch es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis der 27-Jährige mit dem großen Spanier Miguel Indurain gleichzieht, der es auf fünf Siege brachte. Contador selbst will davon nichts wissen: "Ich denke nicht an fünf oder an sieben Siege. Ich denke nur von Jahr zu Jahr." Am Montagabend war Contador von Jose Luis Zapatero in den Moncloa-Palast eingeladen worden. Der Premierminister kommt derzeit aus dem Händeschütteln nicht mehr raus. In den vergangenen drei Wochen hat Rafael Nadal Wimbledon, Spanien die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika und Contador die Tour gewonnen. Fernando Alonsos Sieg beim Formel-1-Rennen in Hockenheim verkam da fast zur Randnotiz. "Wir haben die perfekte Formel gefunden. Es ist unvorstellbar, einen Juli zu erleben, wie wir ihn erlebt haben", sagte der stolze Lissavetzky. Allerdings heftet vielen spanischen Erfolgen ein fader Beigeschmack an. Nicht zuletzt wegen des laschen Umgangs mit der Dopingaffäre um den Arzt Eufemiano Fuentes, aus dessen Akten das Kürzel A.C. wie von Geisterhand verschwand. Auch Lissavetzky hatte sich in der Affäre nicht gerade als großer Aufklärer hervorgetan. Außerdem waren da noch diese ominösen 39 Sekunden, um die Contador den Luxemburger Andy Schleck distanzierte. Jene 39 Sekunden, die er durch eine Attacke in den Bergen gewann, als Schleck gerade die Kette abgesprungen war. Nach einer für ihn sportlich desaströsen Tour de France zweifelt Lance Armstrong an der Fortsetzung seiner Karriere. "Ich habe noch nicht endgültig entschieden, was ich im nächsten Jahr mache", sagte der Texaner. Ursprünglich hatte Armstrong angekündigt, auch 2011 im Sattel sitzen zu wollen, auch wenn er in Europa keine Rennen mehr bestreiten wolle. Seine letzte Tour de France hatte der 38-Jährige am Sonntag auf Platz 23 beendet. Mit dem Ende der Tour ist für Armstrong auch die Saison vorbei. "Ich werde dieses Jahr nur noch bei Hobbyrennen fahren. Und in Austin seht ihr mich mit meinen Kindern auf dem Rad", sagte der siebenmalige Tour-Sieger: "Das Comeback 2.0 ist vorbei. Ich baue jetzt Sandburgen, bin bei meiner Familie und will sorgenfrei leben." Ganz ohne Wettkämpfe könne er allerdings nicht leben. Allerdings gebe es andere Sportarten wie beispielsweise Marathon, für die sich Armstrong persönliche Ziele setze. Außerdem will er an einem Triathlon teilnehmen. In den USA erwarten Armstrong womöglich unangenehme Fragen von Ermittler Jeff Novitzky, der Vorwürfe des Betrugs und der Korruption gegen Armstrong und weitere Mitglieder der früheren Mannschaft US Postal untersucht. Ex-Teamkollege Floyd Landis hatte die Ermittlungen durch sein Geständnis ausgelöst. Am Freitag wird Armstrongs Intimfeind Greg LeMond vor einer Grand Jury aussagen. Armstrong gab zu, dass die Anschuldigungen von Landis seine Leistungen beeinflusst hätten. Es habe seine Tour zwar nicht ruiniert, aber gestört. "Er ist nur jemand, der die Leben von anderen zerstören will. Das ergibt keinen Sinn. Ich bereue nichts", sagte Armstrong. Seine politischen Ambitionen spielte Ex-Weltmeister Armstrong herunter: "Man soll niemals nie sagen, aber die Chancen sind gering." Gerüchten zufolge wurde er in politischen Kreisen schon mehrfach als künftiger Gouverneur von Texas ins Spiel gebracht. Bayern Münchens Angreifer Ivica Olic ist überzeugt, dass Mitspieler und Sturm-Konkurrent Mario Gomez nach dem Urlaub wieder zur Form findet. "Wartet ab: Mario wird wieder aus dem Tief kommen. Er hat alles, was ein perfekter Stürmer braucht", sagte Olic in einem Interview der Bild. Für ihn selbst sei es in der vergangen Saison einfacher gewesen beim Fußball-Rekordmeister zu starten, meinte Olic, denn im Gegensatz zu Gomez sei er ohne Ablöse gekommen und habe nicht diesen Druck gehabt. "Wenn für mich 30 Millionen bezahlt worden wären, wäre ich vielleicht auch nicht so locker gewesen." Der 30 Jahre alte Kroate konnte sich in der Vorbereitung auf die neue Saison einen Vorsprung auf die anderen Bayern-Angreifer erarbeiten, die noch bis zur nächsten Woche in WM-Urlaub sind. "Ich glaube, dass ich eine gute Startposition habe", befand der einsatzfreudige Fußball-Profi. Nach der verpassten WM mit seiner Nationalmannschaft will Olic unbedingt die Qualifikation für die Europameisterschaft schaffen - und danach die Laufbahn im Nationaltrikot beenden. "Mein Ziel ist, 2012 mit Kroatien die EM zu spielen. Dann will ich in der Nationalmannschaft aufhören. Im Verein kann ich dann aber noch lange spielen", sagte der Stürmer. Ferrari wird gegen die 100.000-Dollar-Strafe wegen verbotener Teamorder beim Großen Preis von Deutschland in Hockenheim keinen Einspruch einlegen. "Was die Entscheidung der Rennkommissare betrifft, haben wir im Interesse des Sports beschlossen, nicht den Weg in die Berufung zu gehen", sagte Teamchef Stefano Domenicali: "Wir sind zuversichtlich, dass das World Council weiß, wie es die vorliegenden Fakten einordnen muss." Die Rennkommissare waren am Sonntagabend überzeugt, dass der führende Felipe Massa seinen Teamkollegen Fernando Alonso vorbeigelassen und ihm damit den Sieg ermöglicht hatte. Dafür verhängten sie 100.000 US-Dollar (77.500 Euro) Strafe gegen die Scuderia und verwiesen den Fall zudem für weitere Entscheidungen an das World Motor Sport Council des Automobil-Weltverbandes FIA. Ein Termin für eine entsprechende Sitzung steht noch nicht fest. Das nächste turnusmäßige Treffen des World Council findet erst am 10. September statt. Es ist aber davon auszugehen, dass die FIA versucht, das Gremium schon früher zusammenzurufen. Kurz vor der zukunftsweisenden Präsidiumssitzung am Freitag droht DFB-Boss Theo Zwanziger in der Schiedsrichter-Affäre erneuter Druck. Sollte der DFB die Schadenersatzansprüche des ehemaligen Schiedsrichterbeobachters Manfred Amerell in sechsstelliger Höhe bis zum 2. August nicht anerkennen, wird eine Klage gegen den Verband eingereicht. Zudem ist nach Angaben von Amerells Anwalt Jürgen Langer weiteres belastendes Material aufgetaucht. "Die Komplott-Theorie scheint sich zu manifestieren", sagte Langer dem Sport-Informations-Dienst (SID) am Montag und legte Zwanziger den Rücktritt nahe: "Wenn man sich die Abläufe ansieht, ist ein Präsident, der den Fall so behandelt, nicht mehr tragbar." Zwanziger, der am Freitag im Rahmen des Präsidiumstreffens in Frankfurt seine Entscheidung über eine weitere Kandidatur bekannt geben wird, und auch der DFB wollten die neuerlichen Vorwürfe nicht kommentieren. Auf Anfrage teilte der DFB mit, dass es über die Inhalte der Tagesordnung bei der Sitzung am Freitag nichts zu sagen gebe. Das kroatische Pokalfinale 2009 zwischen Dinamo Zagreb und Hajduk Split (3:0) soll nach Medienberichten manipuliert worden sein. Der Schiedsrichter der Partie habe im Auftrag der Wettmafia dazu beigetragen, berichteten die Zeitung Jutarnji list und die Sportzeitung Sportske Novosti am Montag in Zagreb. Anstifter des Betruges soll Ante S. aus Berlin sein. Sportske novosti veröffentlichte einen "Ermittlungsbericht" der Bochumer Staatsanwaltschaft vom 8. Juni 2009. Darin wird beschrieben, wie S. den Referee für dieses Spiel einteilen ließ. Dabei soll ihm der Bruder des stellvertretenden Dinamo-Präsidenten Zdravko Mamic geholfen haben. Zdravko Mamic gilt als mächtigster Mann im kroatischen Fußball. Der bestochene Schiedsrichter hatte im Hinspiel des Finales am 13. Mai 2009 bereits in der ersten Halbzeit zwei Hajduk-Spieler vom Platz gestellt und der Zagreber Mannschaft einen Elfmeter zugesprochen. S. soll als Anstifter und Hauptorganisator dieses Betruges allein an Wetten in Asien 1,4 Millionen Euro verdient haben. Nach Darstellung der Zeitungen ist in diesem Zusammenhang mit Verhaftungen namhafter Beschuldigter zu rechnen. Der kroatische Fußballverband habe von dem Betrug gewusst und versucht, ihn zu vertuschen. Ritterschlag für Armin Veh: Stürmer Ruud van Nistelrooy hat seinen neuen Coach beim Fußball-Bundesligisten Hamburger SV mit der schottischen Trainer-Ikone Sir Alex Ferguson vom englischen Rekordmeister Manchester United verglichen. "Er erinnert mich an Ferguson. Veh beobachtet viel und sieht vieles. Auf dem Platz lässt er seine Assistenten viel Arbeit machen. Er ist offen und hat eine klare Ansprache. Man spürt seine große Erfahrung, er bringt Ruhe rein. Er weiß, wie man Titel holt", sagte der Niederländer. Veh, der den VfB Stuttgart 2007 zur deutschen Meisterschaft geführt hatte, war vom HSV als Nachfolger des im vergangenen April entlassenen Bruno Labbadia engagiert worden und bereitet seine Mannschaft derzeit im österreichischen Längenfeld auf die kommende Saison vor. Van Nistelrooy ist optimistisch, dass die Hamburger unter dem neuen Coach in den internationalen Wettbewerb zurückkehren werden. "Wir sind in der Pflicht, den HSV wieder dahin zurückzubringen, wo er hingehört. Aber was bringt das Gerede? Das ist doch alles blablabla. Wir müssen unsere Schuhe anziehen und es jede Woche auf dem Platz beweisen", sagte der Torjäger. Die vergangene Saison hatten die Hamburger auf dem siebten Tabellenplatz abgeschlossen. Der FC Bayern München treibt sein ambitioniertes Basketball-Projekt weiter voran und hat seinen Kader mit zwei Jungtalenten ergänzt. Wie der Club am Montag mitteilte, sollen Alexander Blessig und Bogdan Radosavljevic die Entschlossenheit der Münchner untermauern, vielversprechende Sportler an höhere Aufgaben heranzuführen. Das erst 17 Jahre alte Ausnahmetalent Bogdan Radosavljevic, deutscher Junioren-Nationalspieler, soll auf der Center-Position zum Einsatz kommen. Blessig wird als eines der größten deutschen Talente auf der Aufbauposition gehandelt. Der EHC München hat seine Kaderplanung für die neue Saison in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) abgeschlossen. Wie der Verein am Montag mitteilte, wurde der Kanadier Bryan Adams verpflichtet. Der ehemalige Stürmer der Kölner Haie unterschrieb bei den Münchnern einen Einjahresvertrag. "Jetzt ist unser Team komplett und unsere sportlichen Planungen für die kommende Saison sind vorerst beendet", sagte Manager Christian Winkler.
https://www.sueddeutsche.de/politik/bahn-unfall-bad-aibling-zu-fuss-zur-katastrophe-1.2856383
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Klettern, sägen, bergen - warum der Einsatz am Unfallort bei Bad Aibling für die Retter besonders schwierig ist.
Vor dem Alpenpanorama knattern Rettungshubschrauber in der Luft. Schon Kilometer vor dem Unfallort Schlangen von roten Rettungswagen, Polizeiautos, Trauben von Hunderten Sanitätern in roter Montur. Am Unfallort rattern die Generatoren der Feuerwehr. Mehrere Dutzend Rettungskräfte stehen am Bahndamm und bilden eine lange Reihe. Ihre Gesichter sind zu den Gleisen gewandt. Dort kämpfen sich ihre Kameraden mit Sägen durch verformte Trümmer, die mal zwei Züge waren, auf der Suche nach Überlebenden, nach Toten. An der Stelle, wo sie sich ineinanderbohrten, sieht es so aus, als habe jemand zwei Waggons an der Dachkante aufgeschlitzt. Der Triebwagen des einen Zuges ist aus den Schienen gesprungen und um etwa 45 Grad nach rechts gekippt. Auf einer Fläche von mehreren Quadratmetern quillen große, zerquetschte Metall- und Plastikteile aus dem Wrack. Schwer vorzustellen, dass jemand, der sich zum Zeitpunkt des Unglückes dort befand, überlebt hat. Mindestens zehn Menschen haben es nicht überlebt. Das Bahnunglück in Oberbayern ist eines der bundesweit schlimmsten der vergangenen Jahrzehnte. Am Nachmittag zählt die Polizei neben den zehn Toten 18 schwer und 63 leicht Verletzte. Sie saßen im Zug von Holzkirchen nach Rosenheim, der etwa um 6.40 Uhr auf der eingleisigen Strecke mit einem anderen Zug zusammenprallte. Zum Zusammenstoß kam es in einer Kurve, die Lokführer wurden wahrscheinlich beide von dem jeweils entgegenrasenden Zug überrascht. Auf die Bremse traten sie deshalb wohl nicht. Es wird angenommen, dass die Züge sich mit einer Geschwindigkeit von 100 Stundenkilometer ineinander verkeilten. In kürzester Zeit wurde alles an Rettungskräften mobilisiert, was die Region hergibt: Feuerwehr, Polizei, Bergwacht, Wasserwacht, das Rote Kreuz, auch Retter aus dem nahen Österreich, aus Tirol, waren im Einsatz. Insgesamt sind es mehr als 700 Helfer. Ein vergleichbares Großaufgebot gab es zuletzt bei der Bergung des Forschers Johann Westhauser aus der Riesendinghöhle. Nur drei Minuten nachdem die Katastrophenmeldung bei der Feuerwehr eingegangen war, sind sie am Unglücksort. "Es war alles still", sagt Kreisbrandrat Richard Schrank aus Rosenheim. Kaum Hilferufe, alles stand unter Schock. Auch die acht bis zehn Fahrgäste, die sich selbst aus den Trümmern befreien konnten. Selbst Schrank, der schon seit 33 Jahren dabei ist, hat so etwas noch nicht gesehen. Viele der etwa 150 Fahrgäste sind eingeklemmt. Beim Aufprall der Züge sind sie mit einer brutalen Wucht gegen die Wand, gegen Fahrgäste gegenüber oder auf den Boden geschleudert worden. Die Notärzte berichten später von Schnittwunden, schwersten Splitterknochenbrüchen, Schleudertraumata und Quetschungen. "Wir schaffen das. Wir müssen das schaffen", das dachte sich Kreisbrandinspektor Klaus Hengersberger, als er die Katastrophe sah. ‹ › Der Ort des Zugunglücks nahe dem bayerischen Bad Aibling im Kreis Rosenheim. Bild: Uwe Lein/dpa ‹ › Um kurz vor sieben Uhr morgens waren hier zwei Züge frontal zusammengestoßen. Bild: Michael Dalder/Reuters ‹ › Retter versorgen vor Ort Verletzte. Bild: Matthias Schrader/AP ‹ › Nach derzeitigem Stand gab es zehn Tote sowie 63 Leicht- und 18 Schwerverletzte. Bild: Uwe Lein/AFP ‹ › Die Arbeit gestaltet sich schwierig: Die Unfallstelle befindet sich zwischen dem Fluss und einem bewaldeten Hang und ist schwer zugänglich. Bild: Alexander Hassenstein/Getty Images ‹ › Die Unfallstelle liegt in einer Kurve, die Züge waren in entgegengesetzter Richtung auf der eingleisigen Strecke Rosenheim - Holzkirchen unterwegs. Bild: Peter Kneffel/AFP ‹ › Insgesamt sind rund 500 Rettungs- und Sicherheitskräfte vor Ort. Bild: Uwe Lein/AP ‹ › 15 Hubschrauber sind im Einsatz, um Verletzte abzutransportieren. Bild: Sven Hoppe/dpa ‹ › Zum Teil werden die Opfer auch in Bergungssäcken von den Hubschraubern hochgezogen und an das andere Ufer geflogen. Bild: Sven Hoppe/dpa Wird geladen ... Die mittelschwer, leicht oder gar nicht Verletzten können schnell in Sicherheit gebracht werden. Die Krankenhäuser in der Umgebung hatten schon am Morgen die Nachricht bekommen, all ihre Operationsräume frei zu halten. Zu denen, die eingeklemmt sind, müssen sich die Feuerwehrleute Stück für Stück vorarbeiten. Das Material der Züge ist sehr viel schwerer aufzuschneiden als etwa bei Lastwagen. "Man muss ganz ruhig bleiben", sagt Schrank. Bei einem Fahrgast dauert es fast zweieinhalb Stunden, bis sie ihn freibekommen. Die Feuerwehrleute fräsen und schneiden, die Sanitäter versorgen ihn mit Sauerstoff und Schmerzmitteln. Die Zusammenarbeit zwischen Sanitätern, Notärzten und Feuerwehrleuten funktioniert optimal, betont jeder, der dabei war - trotz der ungünstigen Bedingungen am Unfallort: auf der einen Seite bewaldete Hügel, auf der anderen der Kanal der Mangfall. Die Verletzten werden mit Seilwinden hochgezogen und mit Hubschraubern in die Kliniken geflogen oder per Boot weggebracht. Die Einsatzkräfte müssen auf einem kleinen, schlammigen Weg am Kanal entlang zur Unfallstelle fahren oder laufen und den Hügel hochsteigen. Weil Faschingsferien sind, saßen keine Schüler im Unglückszug Etwa kurz nach elf Uhr vormittags schleppen sich dort zwei Feuerwehrmänner entlang. Ihre neongelben Uniformen sind voller Dreck, hinter dem Ohr des einen klemmt eine gelbe Taschenlampe. Sie tragen eine Leiter. Damit kämpften sie sich vor ins Zuginnere zu den Verletzten, den Toten. Wie geht es ihnen? "Das kommt immer erst nachher", sagt der eine. Etwas weiter warten ihre Kameraden vor ihrem Feuerwehrauto, um sie abzulösen. "Übel", sagt einer und schüttelt den Kopf. Vor allem für die vielen jungen Kameraden, die dabei sind. Marcel Kreidl ist 18 Jahre alt. Er war drüben am Zug. Er müsse jetzt helfen, hieß es. Kreidl, der Anlagemechaniker, hat die Verletzten auf einer Trage nach draußen gebracht. Ein Mann, den er gerade in den Hubschrauber getragen hat, sei noch bei Bewusstsein gewesen. "Ich kann so etwas schnell verkraften", sagt er. Kreidl ist einer der wenigen, die an diesem Dienstag darüber sprechen, was sie am Gleis gesehen haben. Gegen Nachmittag werden die beiden letzten Toten geborgen, von den Hubschraubern ist jetzt nichts mehr zu hören. Die, die bis zum Schluss draußen warten, haben blasse Gesichter, leere Augen, ein kurzes Kopfschütteln. Bitte jetzt nicht ansprechen. Auf sie warten Kollegen in grellen Westen mit dem Schriftzug: "Krisenintervention". Sie sind da für die Einsatzkräfte, aber auch für die Angehörigen. Detailansicht öffnen SZ-Karte Langsam breitet sich bei den Bad Aiblingern das Entsetzen aus, was manchen ihrer Nachbarn, ihrer Freunde passiert ist. "Ich wollte heute Mittag mit dem Zug fahren", sagt ein Mann am Marktplatz. Und: "Gott sei Dank sind Faschingsferien". Sonst wäre der Zug vollgepackt gewesen mit Schülern, sagt er und schaut all die Journalisten an, die sich vor dem Rathaus versammeln. Innen drin findet gerade eine Pressekonferenz zu dem Unglück statt. Eigentlich sollte an diesem Faschingsdienstag das Prinzenpaar im Rathaus tanzen, Bürgermeister Felix Schwaller hatte Geschenke für die Faschingsdamen. Jetzt sind alle Feierlichkeiten abgesagt. Nicht nur in Bad Aibling und Rosenheim. Auch der Politische Aschermittwoch findet nicht statt. "Die ganze Region ist betroffen", sagt Landrat Wolfgang Berthaler. Und nicht nur die, neben Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer sprach auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ihr Beileid aus. Das ganze Land treibt die eine Frage um, die sich auch Berthaler in diesem Moment stellt: "Wie konnte das passieren?" Eine halbe Stunde später erklärt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, dass er nichts erklären kann. Die Strecke sei gesichert durch ein automatisches Zugsicherungssystem. Befinde sich ein Zug auf einem Gleis, wo er nicht sein dürfte, würde es automatisch eine Notbremsung durchführen. Warum das nicht passiert ist, weiß er nicht. Die Technik sei noch vergangene Woche überprüft worden, sagt ein Sprecher der Bahn. Man müsse jetzt auf die Auswertung der drei Blackboxes warten. "Es muss alles dafür getan werden, um die Ursache restlos aufzuklären", sagt der bayerische Innenminister Joachim Herrmann. Und fügt hinzu: "Eine 100-prozentige Sicherheit aber kann es nie geben."
https://www.sueddeutsche.de/service/06-juni-2009-treibstoff-fuer-eine-generation-1.450285
mlsum-de-9996
Benno Ohnesorgs Tod führte zur Radikalisierung der 68er-Bewegung. Wie entscheidend ist da die Stasi-Rolle von Kurras? SZ-Leser diskutieren.
Zu Berichten und Kommentaren über die Stasi-Rolle des Westberliner Polizisten Karl-Heinz Kurras, der 1967 den Studenten Benno Ohnesorg erschoss: Detailansicht öffnen Der Tod von Benno Ohnesorg war "Empörungsmaterial und Treibstoff für die Motivation einer ganzen Generation". Muss die Geschichte wegen Kurras und der Stasi umgeschrieben werden? (Foto: Foto: ap) "Auch wenn man die Stasi-Rolle von Kurras wegdenkt, bleibt noch viel zu denken. Ja, es geht um die Deutungshoheit über die Bewegung seit 1967. Und dabei war der Ohnesorg-Mord immer der entscheidende Fixpunkt der Argumentationen. Und zwar nicht nur im RAF-Bereich und bei den Sympathisantenprozessen, sondern überall, wo uns die Deutungshoheit abgenommen wurde von chaotisch wirkenden dialektischen Empörungslenkern, die, wie wir heute viel zu spät merken, schärfstens organisiert waren. Was ist aus dem großen Verdienst der Ulrike Meinhof in der Aufdeckung der bösen Missstände in den Erziehungsheimen geworden? Aus einer vernünftigen Reformarbeit hat sich die 'Bewegung' dadurch verabschiedet, dass sie jeden Zögling nur dadurch therapieren wollten, dass sie ihn zum Molotowcocktail gegen das System ausbildete. Argumentativer Fixpunkt: Ohnesorg-Mord. Was ist aus der Aufklärungsarbeit über die Verstrickung vieler Gesellschaftsschichten in die Nazi-Deutungshoheiten und mörderischen Praktiken geworden? Antifa-Arbeit hieß das und wurde von hocheffizienten, hermetisch abgeschirmten Kollektiven in der ganzen Republik abgeschöpft. Nicht, um die Wahrheit über den Faschismus ans Licht zu bringen, sondern, um Empörungspotentiale zu schüren und zu sammeln, und in den Aktionseinheiten gegen Rechts die dialektischen Widersprüche links auszublenden. Fanalmodell auch dafür: der Ohnesorg-Mord. Ob die Stasi Kurras beauftragt hat, oder nicht, ist weniger relevant. Fest steht, dass sie das Ergebnis reif gepflückt hat: Eine Menge Empörungsmaterial und Treibstoff für die Motivation einer ganzen Generation. Nicht nur für die Molotowcocktails, sondern für die mentale Ablenkung vom realen Sozialismus hin zu einem Träumersozialismus. Geschichte muss nicht umgeschrieben werden. Aber es muss erst einmal richtig daran gearbeitet werden im Lichte dieser Stasi-Arbeit. Das hat auch mit Verschwörungstheorien nichts zu tun, sondern mit harten Fakten." Albert Dexelmann Runkel Was vor 1967 geschah "Die neusten Informationen über den Polizisten a. D Kurras sind interessant, vielleicht auch mehr. Aber bedeuten sie, dass 'der Gründungsmythos der 68er wackelt'? Solche Argumentation verkennt die lange Geschichte, die differenzierten Themen und Richtungen von APO und Studentenbewegungen. Schon 1962 zur Spiegel-Affäre kam es zu massiven Demonstrationen. Ende 1965 begannen Proteste gegen den Vietnam-Krieg, auch seit 1965 formierte sich der außerparlamentarische Widerstand gegen die Notstandsgesetze, und längst liefen die studentischen Aktionen zu Bildungs- und Hochschulreform und das bisherige Verschweigen und Vertuschen der Naziverbrechen und der Täter. Benno Ohnesorg wurde im Sommer 1967 erschossen, Radikalisierung der Öffentlichen Protestbewegung, löste eher das Attentat auf Rudi Dutschke am 11. April 1968 aus. Die K-Gruppen waren schon eher eine Zerfallserscheinung der Protestbewegung, ebenso wie die Fundamental-Körndlfresser, die Alternativen und Esoteriker. Die große Mehrzahl derer, die in der APO/Studentenbewegung aktiv geworden waren, begeistere sich für die Reformpolitik der 70er Jahre. Was soll sich jetzt wirklich an den Wertungen des Todes von Benno Ohnesorg ändern? War Kurras nicht, ob Stasi, SED oder nicht, ein Typ, der in das Repressionsklima in Berlin und anderswo passte?" Konrad Kittl München Proteste gegen den Bildungsnotstand "Prantl irrt, wenn er die Ohnesorg-Nacht vom 2. Juni 1967 zum 'Alpha' der Studentenbewegung macht. Die begann viel früher, nämlich am 17. März 1965. An diesem Tag rief die Vollversammlung des Verbandes Deutscher Studentenschaften (VDS) in Mainz für den 1. Juli 1965 die Studenten aller Hochschulen zu Protesten gegen den vom dem Heidelberger Philosophen Georg Picht festgestellten Bildungsnotstand auf. Der 1. Juli konnte nur gelingen, wenn die Studenten über den Bildungsnotstand und die Hochschulreform informiert und für die Kundgebungen motiviert waren. Diesem Ziel sollte eine Schrift dienen, die an allen deutschen Hochschulen kostenlos verteilt werden sollte. Der AStA Freiburg erhielt in Mainz den Auftrag, diese Zeitung in einer Auflage von 250 000 Exemplaren herzustellen. Die Freiburger Studentenzeitung, die damals von Reiner Geulen und mir geleitet wurde, hat diese Schrift dann auf der Rotation der Badischen Zeitung produziert und an etwa 60 Hochschulen in der ganzen Republik - von der Tabakakademie in Bergedorf bis zur Uni München - verteilt. Der 1. Juli 1965 wurde ein überwältigender Erfolg, weil er das ganze Spektrum der bürgerlichen Studenten erfasste. Allein in Münster gingen 12 000 auf die Straße. Demonstrationen dieser Größenordnung hat es nach meiner Kenntnis an den Hochschulen seitdem nicht mehr gegeben. Von Anfang an waren die Proteste gegen den Bildungsnotstand von dem schwelenden Konflikt um die nie eingestandene Schuld der Väter in der NS-Zeit grundiert. Das mag der Grund dafür sein, weshalb die Muff-und-Mief-Republik mit so brutaler Härte gegen ihre studierenden Kinder losschlug. So musste es fast zwangsläufig zu einer Situation kommen, in der sich die Totschlagswünsche der Vätergeneration real manifestierten. Das geschah dann in der Ohnsorg-Nacht. Das war aber nicht der Urknall der Studentenbewegung, sondern nur eine Metamorphose, der Start in den respondierenden Vernichtungswahn. Da saßen die bürgerlichen Studenten, auch ich, längst wieder in den Seminaren." Dr. Thomas Bütow Hamburg Von zwei Seiten aufgehetzt "Die Geschichte der Studentenrebellion muss nicht umgeschrieben werden, da gebe ich Heribert Prantl recht. Seine weiteren Schlüsse kann ich als einer, der 1967 anfing zu studieren, nicht nachvollziehen. Die Studentenschaft der damaligen Zeit stand mit wenigen Ausnahmen linken Ideen und antiamerikanischen Ressentiments in überwältigter Mehrheit nahe und hatte deshalb eine wenig kritische Meinung zum System der DDR. Wäre herausgekommen und gerichtlich abgeurteilt worden, dass Benno Ohnesorg von einem Doppelagenten von MfS und Berliner Polizei erschossen wurde, wären viele Studenten sowohl auf Distanz zur Springer-Presse als auch zur DDR-Führung gegangen und hätten sich nicht von diesen beiden Gegenparts aufhetzen lassen." Dr. Hans Baiker Detmold Unsichtbare Strippenzieher "Wir kamen 1959 nach Westberlin. Wie genossen wir die heiß ersehnte Meinungs- und Pressefreiheit. Niederschmetternd an der DDR war ihre Fortsetzung faschistischer Methoden unter anderen Prämissen. Gewiss, sie war kein Massenmörder-Staat, aber sonst passte alles. Klassenhass statt Rassenhass. Gleichgeschaltete Presse. Ideologische Aufpasser. Spitzel. Verhaftung Andersdenkender. Wahlen, bei denen es nichts zu wählen gab. DGB-Heime statt Kraft durch Freude, Junge Pioniere statt HJ. Aus dieser Sicht war mir die Studentenrevolte, die auch sozialistische Ideen aufgriff, unverständlich. Bei Fanatikern galt schon als rechtsradikal, wer Stalin nicht für einen guten Opa hielt. Verstehen konnte ich jedoch den Widerstand gegen einen all zu milden Umgang mit ehemaligen, aktiven Nazis, wobei ich freilich wusste, dass die SED Wendehälse recht gern in ihre Reihen aufnahm und ähnliches im Westen nach der Methode haltet den Dieb geißelte. Unsere jungen Revolutionäre ahnten nicht, wo ihre Strippenzieher hocken." Günther Hultsch Oberschleißheim Das Versagen der Eliten "Noch schlimmer für die auf den Todesschuss folgende Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland ist das totale Versagen der damaligen staatlichen und politischen Elite in Berlin und Bonn. Am 2. Juni 1987 erklärte der Politikwissenschaftler, Professor Iring Fetscher, in der letzten Stunde seiner letzten Vorlesungsreihe an der Universität in Frankfurt am Main seinen Studenten, dass er noch am selben Abend, dem 2. Juni 1967, als er von der unsinnigen Behauptung des damals regierenden Bürgermeisters von Berlin, Albertz, gehört hatte, dass der Polizist Kurras in Notwehr gehandelt hätte, alle Top-Verantwortlichen in Politik und Regierung angerufen hatte, um sie flehentlich zu bitten, einer solchen Aussage entgegenzutreten. Aber alle Verantwortlichen in Bonn und Berlin zeigten ihm die kalte Schulter, obwohl er sie eindringlich auf die möglichen fatalen Folgen der dummen Behauptung Albertz' hingewiesen hatte. Dass Albertz sich später entschuldigte, ehrt ihn, kam aber viel zu spät." Klaus Friedrich München Es gibt nichts zu revidieren "Warum soll ich etwas an meinem damaligen Tun und Denken bereuen, nur weil jetzt herauskommt, dass der Schütze ein doppelter Drecksack ist? Die Prügel, die ich als Heimkind von 'Tanten und Onkeln' bekommen habe, sind bis heute echt und nicht vergessen. Ebenso prügelnde Lehrer. Als junger Mensch erlebte ich einen Obrigkeitsstaat mit vielen untertänigen Mitbürgern. Das waren für mich viele Gründe, mich aufzulehnen und mich aus der kleinbürgerlichen Enge zu befreien. Da habe ich überhaupt nichts zu revidieren!" Günter Frech Berlin Den Glauben an Gerechtigkeit zerstört "Der damalige Verdacht vieler Menschen meiner '68er Generation', die eine voreingenommene Klassenjustiz in der BRD vermuteten, bestand offenkundig zu Recht. Entlarvend sind vor allem heutige Aussagen, dass der Todesschütze Kurras - wäre seine SED-Mitgliedschaft bekannt gewesen - verurteilt worden wäre. Und die Kenntnis seiner Stasi-Tätigkeit hätte zu einem Prozess wegen Verrats geführt, erweitert um den Vorwurf 'Auftragsmord'! Dass die Gerichte in beiden mit Freispruch endenden Prozessen gegen Kurras Zeugenaussagen unterdrückten und so Rechtsbeugung begingen, sollte nun endlich zu Sanktionen gegenüber den damaligen parteiischen Richtern führen. Auch jene Polizisten, die aus falsch verstandener Kameradschaft als Zeugen vor Gericht die Unwahrheit schworen, sollten heute öffentlich genannt und belangt werden. Es darf nicht vergessen werden: Die Umstände dieser Prozesse und die unverständlichen Freisprüche haben den Glauben vieler Menschen an staatliche Gerechtigkeit zerstört und in erheblichem Maße zum Entstehen der danach aufziehenden Gewalt beigetragen." Rolf Erdmann Hannover
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-bundesliga-vfb-siegt-in-unterzahl-1.2270909
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Trotz einer roten Karte für Verteidiger Niedermeier verteidigt Stuttgart den Sieg in Hamburg und löst sich vom Tabellenende der Fußball-Bundesliga. Augsburg verliert abermals, Köln kann zu Hause nicht gewinnen.
Hamburger SV - VfB Stuttgart 0:1 Der VfB Stuttgart hat das Kellerduell der Fußball-Bundesliga beim Hamburger SV mit 1:0 (1:0). Nach zuletzt drei Heimniederlagen in Serie sicherte sich Aufsteiger 1. FC Köln beim 0:0 gegen Mainz 05 zumindest einen Punkt. Hannover 96 hat nach dem 2:0 (1:0) gegen den FC Augsburg die Europacup-Plätze wieder im Blick. Die weiteren fünf Partien des 16. Spieltages werden am Mittwoch ausgetragen. Huub Stevens knackte die Heimserie des Hamburger SV und landete mit dem VfB Stuttgart wieder einen Auswärtscoup im Kampf um den Klassenerhalt. Die Mannschaft des früheren HSV-Trainers erkämpfte sich am 16. Spieltag der Fußball-Bundesliga einen verdienten 1:0 (1:0)-Sieg in der Hansestadt und verließ damit den 18. Tabellenplatz. Gleichzeitig stoppten die Schwaben den Aufwärtstrend der Hamburger. Nach zuletzt drei Heimsiegen in Serie verpassten es die völlig enttäuschenden Gastgeber vor 48.223 Zuschauern, sich ein Polster auf die Abstiegsplätze zuzulegen. Florian Klein brachte den VfB kurz vor dem Halbzeitpfiff in Führung (42.). HSV-Kapitän Rafael van der Vaart hatte den Ball zuvor im Mittelfeld leichtfertig vertändelt, Stuttgarts Angreifer Alexandru Maxim bediente den Österreicher mit viel Übersicht. Nach dem Wechsel sah Gäste-Verteidiger Georg Niedermeier die rote Karte für eine Notbremse an Artjoms Rudnevs (53.), doch der HSV konnte auch aus der Überzahl kein Kapital schlagen. "Die erste Viertelstunde war super, und dann brechen wir wieder ein", sagte van der Vaart bei Sky und entschuldigte seinen Fehler vor dem Gegentor: "Ich versuche, in die Tiefe zu passen, dann spielt Stuttgart den Konter. Das passiert im Fußball." Selbstbewusst, motiviert, aber völlig ideenlos: Der HSV legte mit breiter Brust los und suchte schnurstracks den Weg in Richtung des Stuttgarter Strafraums. Doch das Mittelfeld um van der Vaart fand im ersten Durchgang keine Lücke in der gut organisierten Gäste-Defensive. Pierre-Michel Lasogga, der schon kurz vor dem Wechsel verletzungsbedingt raus musste, und Rudnevs hingen zumeist in der Luft. Der VfB zog sich zunächst weit zurück. Stevens, der von 2007 bis 2008 an der Elbe gearbeitet hatte, konnte beobachten, wie seine Elf bei gelegentlichen Gegenstößen sofort gefährlich wurde. Martin Harnik verzog nach einer Ecke (15.) und einer gelungener Kombination jedoch jeweils deutlich (32.). Auch Niedermeier scheiterte noch per Kopf, Lewis Holtby klärte auf der Linie (35.). Stuttgart drängte nun auf die Führung und wurde belohnt. Nach dem Platzverweis für Niedermeier hätte es beinahe sofort den nächsten Schock für die Schwaben gesetzt. Van der Vaart schoss den fälligen Freistoß aber nur an die Latte (55.). Danach verfiel der HSV wieder in den Trott der ersten Hälfte, ehe erneut der niederländische Nationalspieler die Gelegenheit zum Ausgleich besaß. Doch Ulreich entschärfte den Rechtsschuss ohne Mühe (69.). 1. FC Köln - FSV Mainz 05 Der 1. FC Köln und Mainz 05 treten auf der Stelle. Das 0:0 im Duell der Tabellennachbarn nutzte keinem der beiden Clubs so richtig, um sich von der unteren Tabellenregion abzusetzen. Die Kölner warten weiter auf ihren zweiten Heimerfolg, die Mainzer blieben auch im achten Spiel in Serie ohne Sieg. Die 42 900 Zuschauer sahen über weite Strecken ein zähes Geduldspiel. "Es war ein intensives Spiel in der Englischen Woche. Am Ende war das Unentschieden leistungsgerecht. Es war wichtig, dass wir am Ende zu Null gespielt haben", analysierte Kölns Sportdirektor Jörg Schmadtke. Drei Tage nach dem überraschenden 2:1 bei Schalke 04 wollten die Kölner endlich ihre Heimallergie loswerden. Erst ein Dreier zuhause und mit fünf Zählern die zweitschwächste Bilanz aller Bundesligisten im eigenen Stadion. Kölns Trainer Peter Stöger forderte ein Signal. Innenverteidigung Dominic Maroh sorgte für den ersten Aufreger. Nach einem Eckball von Matthias Lehmann traf Maroh zur vermeintlichen Führung (8.), doch das Tor wurde wegen angeblicher Abseitsstellung des Abwehrspielers nicht gegeben. Selbst die Zeitlupe gab keinen Aufschluss. Die Gäste stellten geschickt die Räume zu und zwangen die Kölner immer wieder zu langen Bällen, die meist ungefährlich, weil unpräzise verpufften. Es entwickelte sich das erwartete Geduldspiel. Beide Teams standen gut, hatten aber Mühe, aus dem Mittelfeld heraus etwas Konstruktives zustande zu bringen. So wurden die Kölner Probleme, zuhause gegen ein defensiv gut organisiertes Team das Spiel machen zu müssen, einmal mehr deutlich. Die FC-Profis hielten sich an die Safety-First-Variante, die Partie blieb dementsprechend niveauarm. Viele Abspielfehler, wenig Torraumszenen - Fußball zum Gähnen. Umso bemerkenswerter die nimmermüden Anfeuerungsrufe der FC-Fans, die das Bemühen ihrer Lieblinge honorierten, aber lange warten mussten, ehe Anthony Ujah mal wieder ein offensives Lebenszeichen setzte. Nach Vorarbeit des eingewechselten Daniel Halfar wurde der Schuss des Nigerianers abgeblockt (72.). Erst in der Schlussphase hatte diese Partie Erstliganiveau. In der 76. Minute vergab der Mainzer Japaner Shinji Okazaki die größte Chance des Spiels und hämmerte den Ball an die Latte. Sieben Minuten später zwang Lehmann mit einem sehenswerten 20-Meter-Kracher den Mainzer Keeper Loris Karius zu einer Glanzparade. Hannover 96 - FC Augsburg 2:0 Der FC Augsburg bleibt der Lieblingsgegner von Hannover 96. Die Niedersachsen blieben mit dem 2:0 (1:0)-Sieg auch im siebten Aufeinandertreffen der beiden Teams ungeschlagen. Hannover rückte durch den Sieg in der Tabelle auf einen Punkt an den FCA heran, der nach dem 0:4 gegen Bayern München die zweite Niederlage nacheinander kassierte. Hannover kam vor 30 800 Zuschauern dank der Treffer von Salif Sané (20.) und Joselu (55./Foulelfmeter) zum ersten Erfolg nach zuletzt vier sieglosen Partien. "Das war kein Elfmeter", klagte Ragnar Klavan nach der Partie. Der FCA-Innenverteidiger wusste aber auch, dass sein Team keine Punkte verdient hatte: "Wir können das besser, auch wenn es keine Katastrophe war." Die Gastgeber zeigten trotz des am Ende ungefährdeten Erfolges keinen überzeugenden Auftritt. Das Aufbauspiel war von vielen schlechten Pässen geprägt. Gegen die früh störenden Augsburger taten sich die Hannoveraner bei ihren Offensivbemühungen lange schwer und konnten erst nach dem zweiten Treffer einige gelungene Offensivaktionen zeigen. "Dieser Sieg tut uns gut", sagte Torhüter Ron-Robert Zieler, der eine starke Partie zeigte und einige Male eingreifen musste. "Ich freue mich auch, dass wir nach den vielen Gegentoren zuletzt mal wieder zu null gespielt haben." Hannover hatte zuvor 13 Gegentreffer in vier Spielen kassiert. Den gepflegteren Ball spielten zunächst die später einbrechenden Gäste. Vor allem der laufstarke Halil Altintop brachte die 96-Defensive durch schöne Pässe einige Male in Verlegenheit. Der Routinier bereitete auch die beste Möglichkeit der ersten Halbzeit vor, als Alexander Esswein (13.) an Torhüter Ron-Robert Zieler scheiterte. Der Nationalkeeper rettete auch in der zweiten Halbzeit, als Raul Bobadilla die einzige Chance zum Anschlusstreffer vergab (74.). Im Sturmzentrum ließen die Augsburger jedoch die Durchschlagskraft vermissen. Hannover entwickelte Gefahr in erster Linie durch Standardsituationen. So war es kein Wunder, dass die 96-Führung im Anschluss an eine Ecke fiel. Den von Hiroshi Kiyotake hereingeschlagenen Ball verlängerte Lars Stindl, ehe Sané eher unabsichtlich mit dem Hinterkopf traf. Stindl war auch am zweiten Treffer beteiligt. Der Kapitän holte den Strafstoß heraus, den Joselu sicher verwandelte. Für Sané war der Führungstreffer ein schöner Einstand, denn der 24 Jahre alten Verteidiger absolvierte nach dem Ende seiner Verbannung in die zweite Mannschaft den ersten Einsatz in der Startelf der Profis. In der zuletzt extrem anfälligen 96-Defensive spielte Sané für den am Rücken verletzten und zuletzt in Bremen schwachen Christian Schulz. Er zeigte dabei eine gute Leistung. Einige 96-Fans vertrieben sich die Zeit in der an Höhepunkten armen Partie damit, gegen den Clubchef zu wettern. "Kind muss weg!", riefen sie. Diese Minderheit, der Martin Kinds Vereinspolitik missfällt, wurde jedoch bei jedem der Störversuche ausgepfiffen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/brasilianer-von-hannover-96-franca-an-tuberkulose-erkrankt-1.1607817
mlsum-de-9998
Alba Berlin scheitert in der Euroleague knapp beim Favoriten Real Madrid. Brasilianer Franca leidet an Tuberkulose und wird Hannover 96 lange fehlen. Hertha BSC zeigt Interesse an Dortmunds Moritz Leitner. Maximilian Levy holt Silber bei der Bahnrad-WM.
Basketball, Euroleague: Basketball-Bundesligist Alba Berlin hat in der Top-16-Runde der Euroleague eine Überraschung knapp verpasst. Der frühere deutsche Serienmeister verlor am achten Spieltag beim hohen Favoriten Real Madrid nach starker Leistung 72:77 (33:34). Berlins bester Werfer war Deon Thompson mit 14 Punkten, Topscorer der Partie war Madrids Jaycee Carroll mit 16 Zählern. Alba ist unmittelbar vor Schlusslicht Brose Baskets Bamberg Tabellensiebter der Gruppe E. Seinen bislang einzigen Sieg in der zweiten Gruppenphase fuhr das Team von Trainer Sasa Obradovic, das kommenden Freitag bei ZSKA Moskau antritt, gegen den deutschen Meister aus Bamberg ein. Real führt die Tabelle mit sieben Siegen bei einer Niederlage an. In einer packenden Partie brachte Alba den spanischen Rekordmeister vor 7849 Zuschauern in Madrid immer wieder in Bedrängnis. Nach einem verwandelten Dreier von Sven Schultze erarbeiteten sich die Gäste zu Beginn des dritten Viertels sogar einen Vorsprung von drei Punkten. Erst im Schlussabschnitt setzten sich die Madrilenen, die am Donnerstag Bamberg empfangen, etwas ab und machten den Sieg perfekt. Hannover 96, Franca: Der brasilianische Fußball-Profi Franca von Hannover 96 ist an Tuberkulose erkrankt. Wegen der bakteriellen Infektionskrankheit wird der 21 Jahre alte Winterzugang derzeit auf einer Spezialstation in einem Klinikum in Hannover behandelt. Franca, der noch kein Pflichtspiel für den Bundesliga-Club bestritten hat, wird nach Angaben des Vereins vom Freitag mehrere Monate ausfallen. Die Mannschaft wurde über die Erkrankung ihres Mitspielers informiert. Um eine Verbreitung der ansteckenden Krankheit zu verhindern, ermittelt das Gesundheitsamt nun die engen Kontaktpersonen des 96-Profis. France war am 11. Januar mit dem Flugzeug aus Brasilien nach Deutschland gekommen. Wahrscheinlich hat er sich in seiner Heimat infiziert. Tuberkulose bricht frühestens vier Monate nach der Infektion aus. Hertha BSC, Moritz Leitner: Fußball-Zweitligist Hertha BSC zeigt Interesse an einer Verpflichtung von Borussia Dortmunds Mittelfeldspieler Moritz Leitner. "Er ist ein hochinteressanter Spieler. Ob er für uns machbar ist, weiß ich nicht", sagte Herthas Manager Michael Preetz vor dem Zweitliga-Spitzenspiel am Montag gegen den 1. FC Kaiserslautern (20.15 Uhr). Der U21-Nationalspieler kommt beim Double-Gewinner nicht über die Jokerrolle hinaus. Die Ablösesumme für den 20-Jährigen, der es in der laufenden Saison auf 16 Einsätze gebracht hat, soll bei fünf Millionen Euro liegen. Hertha denkt anscheinend über ein Leihgeschäft nach. Trainer Jos Luhukay kennt den technisch versierten Spieler gut. Der Niederländer hatte Leitner bereits 2011 für ein halbes Jahr zu seinem damaligen Klub FC Augsburg geholt. Bahnrad-WM: Maximilian Levy bleibt im Keirin auf zweite Plätze abonniert. Nach Silber bei der WM 2012 und den Olympischen Spielen in London fuhr der 25-Jährige in Minsk zum dritten Mal in Serie auf den zweiten Rang. Schneller als Levy, der zum Auftakt der WM schon Gold im Teamsprint gewonnen hatte, war wieder nur ein Brite. Musste sich Levy im vergangenen Jahr zweimal dem Briten Chris Hoy beugen, war diesmal Jason Kenny schneller als der Weltmeister des Jahres 2009. Platz drei belegte Matthijs Buchli aus den Niederlanden. "Ich bin stolz, nach einem halben Jahr Pause wieder eine Medaille geholt zu haben. Natürlich schmerzt es, zum dritten Mal in Folge von einem Briten abgefangen zu werden", sagte Levy. "Aber mit Gold und Silber nach zwei Tagen kann ich sehr zufrieden sein." Diesen Samstag startet Levy noch im Sprint-Wettbewerb und gilt auch hier zu den Medaillenanwärtern. "Das Ergebnis ist ein bisschen tragisch", sagte Sprint-Bundestrainer Detlef Uibel. Levy machte in den Vorläufen einen souveränen Eindruck und bestimmte auch das Finale von der Spitze. Erst auf der Zielgeraden zog Sprint-Olympiasieger Kenny an Levy vorbei. "Max ist sehr lang von der Spitze gefahren mit Kenny im Windschatten. Schade", meinte Uibel. Dennoch: Mit bisher zweimal Gold, zweimal Silber und einmal Bronze für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) fällt die Zwischenbilanz sehr positiv aus. Kristina Vogel aus Erfurt steht im Halbfinale des Sprint-Wettbewerbs und kämpft diesen Samstag um eine Medaille. Golf, Matchplay-WM: Deutschlands bester Golfprofi Martin Kaymer (Mettmann) hat bei der Matchplay-WM in Marana/Arizona die zweite Runde erreicht. Der 28-Jährige setzte sich zum Auftakt gegen den Südafrikaner George Coetzee mit 2 und 1 durch. Gegner in der Runde der letzten 32 ist Rafael Cabrera Bello aus Spanien, der überraschend die frühere Nummer eins Lee Westwood (England) ausschaltete. "Ich war ein bisschen nervös heute, die erste Runde ist für mich immer die schwerste. Man weiß noch nicht, wie man drauf ist. Aber wenn man gewinnt, ist man drin im Turnier", sagte Kaymer. Überraschend sind die Favoriten Rory McIlroy (Nordirland) und Tiger Woods (USA) dagegen zum Auftakt ausgeschieden. Der Ire Shane Lowry setzte sich gegen den Weltranglistenersten McIlroy mit 1 auf durch. "Ich habe einfach nicht genügend Birdies geschlagen", sagte McIlroy: "Es hat nicht gereicht." Charles Howell schlug den 14-maligen Major-Gewinner Woods mit 2 und 1. "Das sind die Regeln dieses Formats", sagte Woods: "Man muss seinen Gegner schlagen, das habe ich heute nicht geschafft." Für Marcel Siem ist die mit 8,75 Millionen Dollar (ca. 6,56 Millionen Euro) dotierte Veranstaltung ebenfalls nach der ersten Runde beendet. Der 32-Jährige lieferte sich mit Luke Donald ein enges Duell bis zum 18. Loch, welches der Engländer aber mit 1 auf für sich entschied. Nach erneutem Schneefall am Donnerstag war die Fortsetzung des Turniers um drei Stunden verschoben worden. Schon am Mittwoch hatten Schneeschauer und starke Winde für den Abbruch der ersten Runde gesorgt. Das Turnier in der Nähe von Kaymers Wahlheimat Scottsdale/Arizona wird im Golf Club in Dove Mountain ausgetragen, es gehen die 64 weltbesten Profis an den Start. Eishockey, Bundesliga: Auch drei Tage nach der direkten Qualiikation für die Play-offs sind die Kölner Haie in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) nicht zu stoppen. Der achtmalige deutsche Meister ging nach dem 2:1-Erfolg gegen die Hannover Scorpions auch im rheinischen Derby beim Tabellen-Dritten Krefeld Pinguine mit 4:2 als Sieger vom Eis. Das Team von Trainer Uwe Krupp, das erneut ohne Ex-NHL-Profi Marco Sturm antrat, führt die Tabelle mit 92 Punkten weiterhin vor Vizemeister Adler Mannheim an. Der Tabellenzweite war nach drei Niederlagen in Folge und einem 1:6 bei Tabellenschlusslicht Düsseldorfer EG auf Wiedergutmachung aus und stoppte mit einem 2:1 beim Tabellenzehnten Straubing Tigers seine Pleitenserie. Titelverteidiger Eisbären Berlin nutzte fünf Spieltage vor Ende der Hauptrunde die Niederlage der Pinguine, um sich mit einem 3:0-Sieg beim Tabellenvorletzten Iserlohn Roosters mit 78 Punkten auf Tabellenplatz drei vorzuschieben. Die Hamburg Freezers kassierten auf Platz fünf im Nord-Duell mit den Hannover Scorpions ein 0:1. Im bayrischen Derby besiegte der EHC München den ERC Ingolstadt 2:1, der mit 73 Zählern als Tabellensechster weiter die Direktqualifikation für die Play-offs im Visier hat. Auch der EHC Wolfsburg setzte sich nach einem starken letzten Drittel gegen die Augsburger Panther mit 3:1 durch und behauptete damit Rang sieben. Nach dem überraschenden 6:1-Sieg gegen Mannheim musste sich Düsseldorf den Nürnberg Ice Tigers dagegen deutlich mit 1:7 geschlagen geben und ist weiterhin Schlusslicht. Handball, Bundesliga: TUSEM Essen hat am 22. Spieltag seinen ersten Saisonsieg gefeiert. Der Aufsteiger setzte sich gegen GWD Minden mit 28:22 (11:12) durch, liegt mit 4:40 Punkten aber weiter auf dem letzten Tabellenplatz. Minden steht nach der Niederlage mit 11:31 Zählern nur dank der besseren Tordifferenz vor der TV Neuhausen/Ems. Die Neuhausener belegen als 16. den ersten Abstiegsrang. Dazwischen nimmt der zweimalige Europapokalsieger der Landesmeister TV Großwallstadt (7:35 Punkte) den vorletzten Rang ein. Der Traditionsverein unterlag gegen den TBV Lemgo mit 21:26 (8:14). Der leichte Aufwärtstrend der Großwallstädter ist damit bereits wieder beendet. Vor zwei Wochen hatte der TV durch ein 28:26 gegen die HSG Wetzlar den ersten Sieg nach zuvor sieben Niederlagen gefeiert. Ex-Meister Lemgo (22:22) ist nach dem sechsten Sieg in Serie Zehnter. Basketball, Euroleague: Der deutsche Doublesieger Brose Baskets aus Bamberg bleibt weiter ohne Sieg in der Zwischenrunde. Die Oberfranken verloren am Donnerstagabend daheim gegen die Spanier von Unicaja Malaga mit 65:68 (20:38) und kassierten damit im achten Spiel schon ihre achte Pleite. Der Viertelfinal-Einzug ist selbst bei einer deutlichen Leistungssteigerung in den restlichen sechs Partien kaum noch möglich - dafür müsste das Schlusslicht aus Bamberg in der Achtergruppe E noch unter die besten vier Mannschaften kommen. Erfolgreichster Bamberger Punktesammler war Bostjan Nachbar mit 17 Zählern. Ski Alpin: Kurz vor dem Heim-Weltcup am Wochenende in Garmisch-Partenkirchen müssen die deutschen Skirennläufer zwei Langzeitausfälle verkraften. Slalomspezialist Stefan Luitz (Bolsterlang) und Abfahrer Andreas Sander (Ennepetal) fallen nach Kreuzbandrissen jeweils vorraussichtlich sechs Monate aus, beide Athleten wurden bereits erfolgreich operiert. Das teilte der Deutsche Skiverband (DSV) am Donnerstag mit. "Zwei Ausfälle aus beiden Teams - das ist natürlich bitter", sagte Herren-Bundestrainer Charly Waibel: "Gerade vor dem Hintergrund, dass wir immer wieder mit verletzungsbedingten Ausfällen zu kämpfen haben. Ich bin aber überzeugt, dass Stefan und Andreas nach der Rehabilitation wieder gesund und fit in die Vorbereitungen zur Olympia-Saison einsteigen können." Der 20-jährige Luitz hatte sich am Mittwoch beim Training am Gudiberg in Garmisch-Partenkirchen einen Riss des vorderen Kreuzbandes im linken Knie zugezogen. Sander war vor vier Wochen beim Einfahren zum Weltcup in Kitzbühel gestürzt und hatte sich den Zeigefinger der rechten Hand gebrochen. Nachdem der 23-Jährige das Skitraining wieder aufgenommen hatte, spürte er Schmerzen im linken Knie. Bei der folgenden Untersuchung wurden ein Riss des vorderen Kreuzbandes sowie ein Knorpelschaden diagnostiziert. Basketball, deutsche NBA-Hoffnung: Große Ehre für den Braunschweiger Dennis Schröder. Der 19 Jahre alte Point Guard des Bundesligisten New Yorker Phantoms Braunschweig wurde für die prestigeträchtige Nike Hoop Summit am 20. April in Portland nominiert. Bei der traditionsreichen Veranstaltung treffen jedes Jahr die besten amerikanischen Talente auf die stärksten Nachwuchsspieler aus aller Welt. 1998 trumpfte Dirk Nowitzki in der Begegnung mit 33 Punkten und 14 Rebounds ganz groß auf und wechselte wenig später in die NBA. "Wir freuen uns sehr für Dennis. Er spielt eine herausragende Saison und hat sich diese Einladung absolut verdient", sagte Braunschweigs Sportdirektor Oliver Braun. Allerdings ist noch nicht ganz sicher, ob Schröder tatsächlich nach Portland reisen darf. Nur wenn die Phantoms zu diesem Zeitpunkt den Klassenverbleib bereits sicher haben, würden sie das Ausnahmetalent freigeben. Zuletzt war aus der Bundesliga 2008 Tim Ohlbrecht dabei. Schröder ist der insgesamt siebte Basketballer aus Deutschland, der eine Einladung erhalten hat. Tennis, Frauen: Fed-Cup-Spielerin Sabine Lisicki greift nach ihrem vierten Titel auf der WTA-Tour. Die an Position drei gesetzte Berlinerin bezwang in Memphis/ Tennessee im Halbfinale die vier Positionen schlechter eingestufte Slowakin Magdalena Rybarikova nach 1:49 Stunden mit 7:5, 7:5. Im Endspiel des mit 235.000 Dollar dotierten Hartplatzturniers trifft die 23-Jährige auf Marina Erakovic aus Neuseeland, die sich gegen Stefanie Voegele (Schweiz) durchsetzte. Lisicki erreichte in diesem Jahr zum zweiten Mal ein Endspiel. Anfang Februar hatte sie in Pattaya im Finale nur knapp in drei Sätzen gegen die Russian Maria Kirilenko verloren. Ihren letzten Titel hatte Lisicki im August 2011 in Dallas gewonnen. Tennis, Männer: Der Siegeszug von Qualifikant Julian Reister (26) beim ATP-Turnier in Buenos Aires ist beendet. Der Weltranglisten-246. aus Hamburg scheiterte im Viertelfinale des mit 493.670 Dollar dotierten Sandplatzturniers am früheren Top-10-Spieler Tommy Robredo (Spanien) nach 1:32 Stunden mit 3:6, 2:6. Durch die Niederlage gegen den Weltranglisten-95. verpasste Reister den erstmaligen Einzug in die Vorschlussrunde eines ATP-Turniers. Allerdings stand Reister, der sich mit einem Preisgeld von rund 10.400 Euro trösten darf, auch noch nie zuvor auf der ATP-Tour im Viertelfinale.
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Deutschlands Dressur-Reiter haben erstmals seit 2005 wieder Gold bei einer EM geholt. Der Karlsruher SC verlängert mit Trainer Kauczinski. Neymar erzielt beim 1:1 im Supercup-Hinspiel sein erstes Tor für Barcelona
Dressur, EM: Das deutsche Dressur-Team ist erstmals seit 2005 wieder Europameister. Dank Schlussreiterin Helen Langehanenberg siegte die Mannschaft am Donnerstag im dänischen Herning vor den Niederlanden und Großbritannien. Die 31-Jährige aus Billerbeck rettete den Erfolg im Sattel von Damon Hill, nachdem Kristina Sprehe aus Dinklage mit Desperados eine fehlerhafte Vorstellung abgeliefert hatte. Zur Gold-Equipe gehörten außerdem Fabienne Lütkemeier aus Paderborn mit D'Agostino und Isabell Werth aus Rheinberg mit Don Johnson. Knapp hinter Deutschland lagen die Niederlande, Rang drei ging an Großbritannien. "Ich bin fix und fertig. So eine Runde auf den Punkt genau kriegt man nur einmal hin. Das war Spitze", sagte Bundestrainer Monica Theodorescu. Bei einer Serie von 21 EM-Siegen in Folge hatte ein deutsches Dressur-Team zuletzt vor acht Jahren in Hagen bei Osnabrück gewonnen. Das bisher letzte Gold bei einer internationalen Großveranstaltung gab es 2008 bei den Olympischen Spielen in Hongkong. 2. Liga, Karlsruher SC: Fußball-Zweitligist Karlsruher SC plant nach dem vielversprechenden Saisonstart langfristig mit Trainer Markus Kauczinski. Der zum Saisonende auslaufende Vertrag mit dem 43-Jährigen sei bis zum 30. Juni 2016 verlängert worden, teilte der Aufsteiger am Donnerstag mit. Weitere drei Jahre beim KSC bleiben zudem Co-Trainer Argirios Giannikis und Torwarttrainer Kai Rabe. "Markus Kauczinski hat nachgewiesen, dass er mit bescheidenen finanziellen Mitteln eine Mannschaft entwickeln kann. Die Handschrift des Trainerteams ist auf dem Platz erkennbar", sagte Sportdirektor Jens Todt. "Die Mannschaft präsentiert sich als Einheit und ist längst noch nicht am Ende ihrer Entwicklung." Kauczinski übernahm den KSC Ende März 2012. In der vergangenen Saison führte er ihn von der 3. Liga zurück in die 2. Bundesliga. Zuvor war er bereits dreimal Interimstrainer der Karlsruher gewesen, die am Freitag zum badischen Derby beim SV Sandhausen antreten. DFB-Pokal, 2. Runde: Das Gastspiel von Fußball-Bundesligist Schalke 04 bei Drittligist Darmstadt 98 in der 2. Runde des DFB-Pokals wird live im Free-TV zu sehen sein. Die ARD überträgt die Partie am Mittoch, 25. September, ab 20.30 Uhr. Pokalschreck Darmstadt hatte in der ersten Runde den dreimaligen Titelträger Borussia Mönchengladbach im Elfmeterschießen ausgeschaltet. Alle 16 Spiele werden beim Abo-Sender Sky live gezeigt. Den Auftakt auf dem Weg zum Finale in Berlin am 17. Mai 2014 machen am 24. September vier Begegnungen um 19.00 Uhr, darunter das Gastspiel von Borussia Dortmund bei Zweitligist 1860 München. Titelverteidiger Bayern München bestreitet sein Heimspiel gegen Hannover 96 am Mittwoch ab 20.30 Uhr. Die Terminierung der zweiten Hauptrunde im Überblick: Dienstag, 24. September Preußen Münster - FC Augsburg, SC Wiedenbrück - SV Sandhausen, 1860 München - Borussia Dortmund, VfL Wolfsburg - VfR Aalen (alle 19.00), Arminia Bielefeld - Bayer Leverkusen, Hamburger SV - SpVgg Greuther Fürth, 1899 Hoffenheim - Energie Cottbus, FSV Mainz 05 - 1. FC Köln (alle 20.30). Mittwoch, 25. September 1. FC Saarbrücken - SC Paderborn, Eintracht Frankfurt - VfL Bochum, FSV Frankfurt - FC Ingolstadt, 1. FC Kaiserslautern - Hertha BSC Berlin (alle 19.00), VfL Osnabrück - 1. FC Union Berlin, Darmstadt 98 - Schalke 04, Bayern München - Hannover 96, SC Freiburg - VfB Stuttgart (alle 20.30). Radsport: Richard Chassot, Präsident des Schweizer Radsportverbandes, hat sein Amt wegen der Wirren um die mögliche Wiederwahl des umstrittenen UCI-Chefs Pat McQuaid mit sofortiger Wirkung niedergelegt. Ohne Vertrauen und Transparenz mache es keinen Sinn, das Amt fortzuführen, kommentierte Chassot seinen Rücktritt. Offenbar gegen den Willen ihres Präsidenten hatten Präsidiumsmitglieder von Swiss Cycling durchgesetzt, dass der Verband die Nominierung des Iren McQuaid für eine weitere Amtszeit als Boss des Radsport-Weltverbandes (UCI) zurückgezogen hat. Die Kehrtwende des Schweizer Verbandes bringt die erneute Wahl von McQuaid noch mehr in Gefahr. Mitte Mai hatte der Verbandsvorstand noch zugestimmt, den amtierenden UCI-Präsidenten als Kandidaten vorzuschlagen. Am 27. September entscheidet der UCI-Kongress in Florenz, ob McQuaid in seine dritte Amtszeit gehen darf oder ob er von seinem britischen Herausforderer Brian Cookson abgelöst wird. Moderner Fünfkampf, WM: Lena Schöneborn und Annika Schleu haben bei den Weltmeisterschaften im Modernen Fünfkampf in souveräner Manier das Finale erreicht. Peking-Olympiasiegerin Schöneborn trabte als Vierte in ihrer Vorrunden-Gruppe A locker ins Ziel. Die EM-Sechste Schleu gewann am Donnerstag in Kaohsiung mit einer starken Laufleistung die Gruppe B. Die beiden Berlinerinnen zählen im Endkampf der besten 36 an diesem Freitag zum Favoritenkreis. Vom deutschen Herren-Trio qualifizierte sich nur Stefan Köllner aus Potsdam als Vorrunden-Achter für den Endkampf am Samstag. Wegen des stürmischen Wetters in Taiwan entfällt der vorgesehene Ruhetag für die Frauen. Claudia Knack als dritte Berlinerin verpasste auf Rang 24 in der Gruppe B das Finale klar. Damit sind die Chancen auf eine deutsche Team-Medaille erheblich reduziert. Bei den Männern, die in drei Qualifikationsgruppen die Finalisten ermittelten, hatten der Berliner Alexander Nobis als 19. und der WM-Debütant Fabian Liebig aus Potsdam auf Rang 20 das Nachsehen. Nobis konnte trotz eines schnellen Laufes den großen Rückstand nach dem Fechten und Schwimmen nicht ganz aufholen. Spanien, Supercup: Neymar hat seinem neuen Arbeitgeber FC Barcelona im Hinspiel des spanischen Supercups mit seinem ersten Pflichtspieltreffer ein 1:1 (0:1) bei Atlético Madrid gerettet. David Villa brachte den Pokalsieger am Mittwochabend (Ortszeit) im Duell gegen seinen Ex-Club bereits in der zwölften Minute in Führung. Der für 57 Millionen Euro verpflichtete Neymar köpfte nur sieben Minuten nach seiner Einwechslung den Ausgleich (66.). Der spanische Meister verschaffte sich damit eine gute Ausgangsposition für das Rückspiel am kommenden Mittwoch. Einziger Wermutstropfen für die Katalanen war die erneute Verletzung von Weltfußballer Lionel Messi, der mit Problemen im linken Oberschenkel zur Pause in der Kabine blieb und durch Cesc Fabregas ersetzt wurde. "Mein erstes Tor ist ein aufregender Moment. Ich bin sehr glücklich. Ich kam rein und konnte meinem Team in einem schweren Moment helfen. Wir haben ein gutes Ergebnis erreicht und müssen es jetzt zu Hause richten", sagte Neymar, der erst in der 59. Minute für Pedro Rodriguez rein durfte. Nach seiner Einwechslung kam sofort mehr Fahrt ins Offensivspiel der Gäste. Der 21-Jährige hatte wegen seiner Anämie Trainingsrückstand. Auch Messi war zuletzt körperlich nicht in Top-Verfassung. Barcas neuer Trainer Gerardo Martino hatte den Argentinier bereits am vergangenen Wochenende beim 7:0-Saisonauftaktsieg gegen UD Levante in der 71. Minute als Vorsichtsmaßnahme vom Platz genommen. Fußball, El Salvador: Der Fußball-Verband von El Salvador FESFUT hat 22 Spieler wegen möglicher Spielmanipulationen provisorisch für 30 Tage suspendiert. "Wie unsere Ermittlungen bis zu diesem Punkt ergeben haben, gibt es schwerwiegende Hinweise darauf, dass solche Vergehen begangen worden sind", heißt es in der Mitteilung der FESFUT von Donnerstag. El Salvador war im Viertelfinale um den Gold Cup, der Meisterschaft von Nord- und Mittelamerika sowie der Karibikstaaten, im Juli mit 1:5 am US-Team von Trainer Jürgen Klinsmann gescheitert. Segeln, America's Cup: Das favorisierte Team New Zealand hat im Herausforderer-Finale des 34. America's Cups seine Führung ausgebaut. Die Kiwis gewannen bei guten Bedingungen in der Bucht von San Francisco das vierte Rennen gegen die Luna Rossa mit 2:18 Minuten Vorsprung und liegen mit 3:1 vorne. Das fünfte Duell stand am Mittwoch (23.10 Uhr) auf dem Programm. Im Finale der Herausforderer-Runde wird der Gegner des Titelverteidigers Oracle (USA) ermittelt. Für den Einzug in die Endrunde werden in der Serie "Best of 13" sieben Siege benötigt. Die Finalregatten werden vom 7. bis zum 21. September ausgesegelt. Tennis, US Open: Maria Scharapowa wird wegen einer Verletzung der rechten Schulter nicht an den am Montag beginnenden US Open teilnehmen. Dies gab Turnier-Chef David Brewer bekannt. "Maria hat uns darüber informiert, dass sie wegen der Blessur nicht starten kann", heißt es in der Mitteilung, "wir wünschen ihr eine schnelle Genesung und eine Rückkehr im nächsten Jahr." Anstelle von Scharapowa wird nun die Polin Agnieszka Radwanska bei den US Open auf Position drei geführt. Scharapowa hatte beim WTA-Turnier in Cincinnati in der Vorwoche ihr erstes Match seit der Zweitrunden-Niederlage in Wimbledon bestritten. In Ohio verlor sie allerdings gleich ihr erstes Spiel gegen die US-Amerikanerin Sloane Stephens. Anschließend beendete sie die Zusammenarbeit mit ihrem neuen Trainer Jimmy Connors. Den früheren Weltranglistenersten aus den USA hatte Scharapowa erst Mitte Juli überraschend als ihren neuen Coach präsentiert. Weltmeisterschaft, Brasilien: Die Eintrittskarten für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien finden reißenden Absatz. Innerhalb der ersten 24 Stunden nach Öffnung der Ticketschalter im Internet gingen beim Weltverband FIFA 2,3 Millionen Anfragen von über 400.000 Bewerbern ein. Für das Eröffnungsspiel am 12. Juni in Sao Paulo trugen sich mehr als 372.000 Personen in die Liste ein, das Finale am 13. Juli im Maracana in Rio de Janeiro wollen bislang über 344.000 Fans im Stadion verfolgen. Die erste Verkaufsphase für die rund drei Millionen zur Verfügung stehenden Karten läuft seit Dienstag, 12.00 Uhr MEZ, auf fifa.com und dauert bis zum 10. Oktober. Übersteigt die Nachfrage das Angebot an Tickets entscheidet das Los. Bereits im Juli hatte der Weltverband FIFA die Preise bekannt gegeben. Die günstigsten Karten für Fans aus dem Ausland kosten umgerechnet gut 67 Euro, für die teuerste Finalkarte müssen die Fans gut 742 Euro hinlegen. Weitere Verkaufsphasen werden am 8. Dezember und 15. April beginnen. Handball, Pokal: Die Handballer des ThSV Eisenach sind überraschend in der ersten Runde des DHB-Pokals ausgeschieden. Der Bundesliga-Aufsteiger verlor am Mittwochabend beim Drittligisten SG Wallau mit 29:32 (11:11). Drei Tage vor ihrem ersten Liga-Punktspiel in heimischer Halle gegen den TSV Hannover-Burgdorf zeigten die Eisenacher in der Ländcheshalle noch keine erstligareife Leistung. Bester Schütze beim ThSV war der vom Zweitligisten Aue verpflichtete Dener Jaanimaa mit sieben Toren. Aivis Jurdzs traf sechsmal, Bjarki Elisson steuerte fünf Treffer bei. Mitte der ersten Halbzeit ging der Favorit zwar mit zwei Toren in Führung, konnte sich aber nicht absetzen. Die kampfstarken Gastgeber bestimmten dann überraschend das Geschehen im zweiten Abschnitt, setzten sich innerhalb von vier Minuten von 21:18 auf 25:19 in der 50. Minute ab und gaben den Vorteil nicht mehr aus der Hand. Bester Schütze bei Wallau, aus der Oberliga in die dritthöchste Spielklasse aufgestiegen, waren Stefan Bonkirch und Philipp Botzenhardt mit sieben Treffern. Auch ein Eisenacher Endspurt in den letzten Minuten mit drei Treffern hintereinander änderte nichts mehr am Pokal-Aus.