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Jedermann hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung innerhalb der Schranken des Gesetzes und der Sittlichkeit seine Meinung frei zu äussern und seine Gedanken mitzuteilen; eine Zensur darf nur öffentlichen Aufführungen und Schaustellungen gegenüber stattfinden. All persons shall have the right to freely express their opinion and to communicate their ideas verbally, in writing, in print or with images, within the limits of the law and morality; censorship may only be exercised in respect of public performances and exhibitions. Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeines und EntstehungsgeschichteSchon die konstitutionelle Verfassung von 1862 erwähnte in § 8 KonV die Pressefreiheit; allerdings faktisch nur als Gesetzgebungsauftrag, welcher nie realisiert wurde („Die Freiheit der Gedankenmittheilungen durch das Mittel der Presse wird durch ein besonderes Gesetz normirt.“). Im Gegenteil bestand teilweise eine Pressezensur.[2] Wenn dagegen im BuA Nr. 82/2004 betreffend die Schaffung eines Mediengesetzes[3], [4] von der „Gewährleistung der Meinungsfreiheit in der Verfassung von 1862“ die Rede ist, so entbehrt dies der Grundlage. In der Verfassung von 1921 wurde die Meinungsfreiheit insgesamt als verfassungsmässiges Recht geschützt, wobei für die Presse ein ausdrückliches Zensurverbot normiert wurde.[5] Art. 40 LV ist bis heute unverändert geblieben („Jedermann hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung innerhalb der Schranken des Gesetzes und der Sittlichkeit seine Meinung frei zu äussern und seine Gedanken mitzuteilen; eine Zensur darf nur öffentlichen Aufführungen und Schaustellungen gegenüber stattfinden.“). Auch bei der Schaffung des Mediengesetzes im Jahre 2005 wurde bei Art. 40 LV ausdrücklich kein Handlungsbedarf gesehen.[6]Trotz der für die damalige Zeit ungewöhnlich weitreichenden Normierung des Schutzes der Meinungsfreiheit in der Verfassung 1921 dauerte es weit über ein halbes Jahrhundert, bis dieses verfassungsmässige Recht vom Staatsgerichtshof wirklich zur Kenntnis genommen und aus seinem „Dornröschenschlaf“ geweckt wurde. Nach einer Formulierung von Höfling gehört zu den „erstaunlichsten Resultaten der systematischen Analyse der Grundrechtsjudikatur des Staatsgerichtshofs […] zweifelsohne die Erkenntnis, dass das Grundrecht der Meinungs- und Gedankenfreiheit (Art. 40 LV) bis in die 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts nahezu bedeutungslos geblieben ist. Die ältere Judikatur des Staatsgerichtshofes liess in den wenigen einschlägigen Konstellationen jede Problemsensibilität vermissen.“ Höfling verweist hierzu auf die StGH 1965/001 (= ELG 1962–1966, 225 f. [226]), wo der Beschwerdeführer von der Regierung unter anderem unter Berufung auf die Pressefreiheit verlangte, dass die von ihm herausgegebene Zeitung wie die beiden etablierten Tageszeitungen als amtliches Publikationsorgan zugelassen werde. Der Staatsgerichtshof erachtete die Beschwerde als „unzulässig“, da kein entsprechender Anspruch bestehe, „ebenso wenig wie jemand einen Anspruch darauf hat, dass ihm die Lieferung von Büromaterial für die öffentlichen Ämter oder die Ausführung einer vom Lande zu vergebenden Arbeit übertragen (wird)“. Höfling kritisiert zu Recht, dass der Staatsgerichtshof damit „die politisch-kommunikative Dimension des Falles und somit auch die Doppelfunktion der Meinungsgrundrechte völlig (verkannte)“.[7]Zur Grundrechtssensibilisierung insbesondere auch hinsichtlich der Meinungsfreiheit trug dann entscheidend das Inkrafttreten der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) für Liechtenstein im Jahre 1982 bei.[8] Art. 10 EMRK („Freiheit der Meinungsäusserung“) sieht – wie auch bei anderen EMRK-Grundrechten – materielle Eingriffsschranken vor, was den Staatsgerichtshof zu einer gegenüber seiner bisherigen Praxis wesentlich differenzierteren Prüfung der Zulässigkeit von Grundrechtseingriffen veranlasste.[9] Im „Heinzel“-Fall, dem leading case für die neuere Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes zur Meinungsfreiheit,[10] stützte sich der Staatsgerichtshof dann auch primär auf die etablierte Strassburger Rechtsprechung. Dieser Fall betraf einen Journalisten, der am liechtensteinischen Gesellschaftswesen äusserst polemisch Kritik geübt und Liechtenstein unter anderem als „durch und durch verkommenes und verbrecherisches Staatsgebilde“ bezeichnet hatte. Er war deshalb wegen Verletzung von § 248 Abs. 1 StGB[11] („Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole“) verurteilt worden. Der Staatsgerichtshof erachtete dies als unverhältnismässigen Eingriff in die Meinungs- bzw. Pressefreiheit. Die Strafnorm selbst hob er jedoch nicht auf, da sie in einem verfassungskonformen Sinne restriktiv ausgelegt werden könne.[12]Letztlich ist aus der neueren Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes kein inhaltlicher Unterschied zwischen der Gewährleistung der Meinungsäusserung gemäss EMRK und gemäss Landesverfassung ersichtlich.[13] Anders als die EMRK blieb der in Liechtenstein im Jahre 1999 in Kraft getretene Internationale Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte (UNO-Pakt II)[14] ohne Relevanz für die Rechtsprechung.[15] Dasselbe trifft – im Hinblick auf die Meinungsfreiheit – auf das in Liechtenstein 2000 in Kraft getretene Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung[16] zu.[17]II. Bedeutung der MeinungsfreiheitDie Meinungsfreiheit „ist in gewissem Sinne die Grundlage jeder Freiheit überhaupt“.[18] Deren zentrale Bedeutung im Rahmen des Grundrechtskatalogs wird mit Metaphern wie „Spitze des Grundrechtssystems“,[19]„Magna Charta der geistigen Freiheit“,[20] „Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft“[21] illustriert. Schon daran zeigt sich der Doppelcharakter dieses Grundrechts: Einerseits garantiert die Meinungsfreiheit einen zentralen Aspekt der menschlichen Selbstentfaltung und -verwirklichung, andererseits sind „die ideellen Grundrechte wie die Meinungs- und Pressefreiheit […] als Informations- und Kontrollrechte die Grundlagen eines freien und demokratischen Entscheidungsprozesses und stellen Mittel des Minderheitenschutzes bzw. Begrenzungen des Mehrheitswillens zugunsten der Ideen unpopulärer Minderheiten dar“.[22] Insofern stellt die Meinungsfreiheit die Grundlage der demokratischen Partizipation und des demokratischen Austausches dar. Einerseits können sich so alle Personen mit ihren eigenen Ansichten einbringen; andererseits bietet sie eine Sicherheit im täglichen Umgang mit MitbürgerInnen, um sich mit diesen gefahrlos auszutauschen, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Der Staatsgerichtshof betont die besondere Bedeutung der Meinungsfreiheit für Liechtenstein, wenn er ausführt, dass die „ungehemmte Information und die freie öffentliche Auseinandersetzung (…) gerade im Kleinstaat, dessen Verfassung den politischen Rechten der Bürger eine zentrale Rolle zuerkennt, zum ‚Salz’ der Politik (gehören).“ [23]Noch nicht abschliessend geklärt ist indessen, inwieweit die Meinungsfreiheit über ihren Charakter als klassisches Abwehrrecht hinaus auch eine institutionelle Garantie darstellt, d.h. eine Gewährleistung bestimmter Einrichtungen wie der Presse und des Rundfunks.[24] Den Doppelcharakter der Medienfreiheit als Teilgehalt der Meinungsfreiheit benennt beispielsweise Art. 3 Abs. 1 MedienG: „Die Medien sind frei. Sie dienen der freiheitlich-demokratischen Ordnung.“III. GeltungsbereichA. Sachlicher GeltungsbereichDie Meinungsfreiheit umfasst positive als auch negative Freiheiten. Ganz grundsätzlich beinhaltet dies die Freiheit, eine Meinung zu haben, als auch die Freiheit, eben keine Meinung zu haben. Weiter betrifft dies die Freiheit, eine Meinung zu äussern, als auch die Freiheit, keine Meinung zu äussern. Man kann somit eine Meinung haben als auch diese äussern, muss dies aber nicht.[25] Über den Verfassungswortlaut hinaus schützt die Meinungsfreiheit somit die Freiheit zur „Nicht-Kommunikation“, d.h. die Freiheit, sich bewusst einer Meinungsäusserung zu enthalten.[26]Das Wort „Meinung“ ist dabei nicht in einem engen Wortsinn zu verstehen. Darunter fallen jegliche Äusserungen einer Person. Schon nach dem weiten Wortlaut („[…] Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung […]“) beinhaltet Art. 40 LV einen umfassenden Schutz der verschiedensten, auch nicht-verbalen Kommunikationsformen und -mittel.[27] Damit umfasst Art. 40 LV – ebenso wie Art. 10 EMRK – neben der Pressefreiheit ohne weiteres auch die Rundfunk- und Filmfreiheit[28], die Kunstfreiheit[29] und die Wissenschaftsfreiheit[30]. Darin enthalten sind nicht nur eigentliche Meinungen, sondern auch jegliche Art von Mitteilungen bzw. jegliche Art des Ausdruckes, seien dies Radiosendungen, Printerzeugnisse, Filme;[31] aber auch jegliche Art von Kunstwerken oder auch nur eine bestimmte – oder gar keine[32] – Kleidung. Somit schützt die Meinungsfreiheit nicht nur den Inhalt an sich, sondern auch die Art und Weise, in welcher dieser Inhalt vermittelt wird.[33] Zudem umfasst die Meinungsfreiheit nebst rationalen Mitteilungen auch den Ausdruck von Gefühlen und dementsprechend sowohl Tatsachendarstellungen als auch persönliche Ideen und Werturteile.[34] Im Weiteren gewährleistet dieses Grundrecht sowohl die freie Bildung einer eigenen Meinung als auch deren Äusserung und Verbreitung.[35] Nachstehend wird sowohl auf die Meinungsäusserung im Sinne von Art. 40 LV wie auch von Art. 10 EMRK eingegangen, da die EMRK hierbei – wie auch bei anderen Grundrechten – als Auslegungsleitlinie dient.[36]Eine Meinung kann sowohl beschreibender als auch bewertender Natur sein. Wenn Meinungen Ausdruck eines Werturteils sind, so sind sie nicht direkt einem Wahrheitsbeweis zugänglich, sondern stellen eine persönliche Interpretation von Fakten dar. Sowohl beschreibende als auch bewertende Aussagen sind nicht absolut geschützt, sondern unterliegen Einschränkungen.[37]Gemäss dem EGMR fallen bestimmte Arten von Meinungen per se nicht unter die Meinungsfreiheit. Er stützt sich dabei auf Art. 17 EMRK, dem Verbot des Missbrauchs der EMRK-Rechte. Dies umfasst die Anstiftung zu Gewalt, so z.B. der Aufruf zur gewalttätigen Zerstörung eines Staates,[38] der Anstiftung zu Hass gegen Roma und Homosexuelle[39] als auch die Bereitstellung einer unterstützenden Plattform für einen Holocaustleugner in Form einer satirischen Show.[40] Unter Umständen zieht der EGMR den Art. 17 EMRK für die Interpretation von Art. 10 EMRK heran.[41] Auch erörtert er gelegentlich Überschneidungen mit Verpflichtungen aus anderen internationalen Instrumenten wie dem Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung der UN und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte.[42] Dagegen hat sich der Staatsgerichtshof bisher nicht zur Frage geäussert, ob bestimmte Meinungen vom Schutz der Meinungsfreiheit ausgenommen sind.Als Voraussetzung für die Bildung einer eigenen Meinung umfasst die Meinungsfreiheit zudem die Informationsfreiheit. Diese beinhaltet den ungehinderten Empfang von insbesondere elektronisch übermittelten Informationen,[43] aber auch das Recht zur Beschaffung von öffentlich zugänglichen Informationen etwa im Rahmen von journalistischen Recherchen.[44] Über das Redaktionsgeheimnis schützt die Informationsfreiheit Journalisten und deren Informanten aber auch bei der Beschaffung vertraulicher Informationen.[45]Im Übrigen beinhaltet die Meinungsfreiheit kein Grundrecht auf Information über die Tätigkeit der Verwaltung. Ein solches Informationsrecht im engeren Sinn besteht nur im Rahmen des Informationsgesetzes.[46] Unabhängig hiervon erfolgte aber mit dem Informationsgesetz von 1999 ein eigentlicher Paradigmenwechsel hin zum Grundsatz der Öffentlichkeit staatlichen Handelns.[47]Von der Meinungsfreiheit ebenfalls erfasst wird die Werbung,[48] wobei sich Abgrenzungsfragen gegenüber der Handels- und Gewerbefreiheit gem. Art. 36 LV stellen. Während das schweizerische Bundesgericht die Zulässigkeit von Werbung im Lichte der Handels- und Gewerbefreiheit, die Strassburger Rechtsprechung dagegen in Bezug auf Art. 10 EMRK prüft,[49] scheint der Staatsgerichtshof eine vermittelnde Position einzunehmen: So hat er in einer Entscheidung aus dem Jahre 1988 ausgeführt, dass ein Fall unter Umständen nicht einem einzigen Freiheitsrecht zugeordnet werden könne, so „wenn ein Film verboten würde, der zur Verbreitung einer politischen Auffassung, aber doch gegen Entgelt gespielt wird“. Hier würde nämlich „die grundrechtliche Problematik verkürzt, wenn der Film wie irgendein kommerzielles Erzeugnis behandelt würde, aber auch, wenn die gewerbliche Komponente ausgeblendet würde“.[50] Hingegen prüfte der Staatsgerichtshof in der Entscheidung zu StGH 1994/018 (= LES 1995, 122), die Verfassungsmässigkeit einer Disziplinarmassnahme gegen einen Rechtsanwalt wegen dessen kritischen Äusserungen gegenüber dem Gericht nur im Lichte von Art. 40 LV. Eine Verletzung von Art. 36 LV war allerdings gar nicht gerügt worden.[51] Letztlich braucht die Zuordnung zum einen oder anderen Grundrecht aber nicht zwangsläufig zu unterschiedlichen Resultaten zu führen. Zwar sind für die Einschränkung eines ideellen Grundrechts wie der Meinungsfreiheit in der Regel höhere Anforderungen zu stellen als bei der Handels- und Gewerbefreiheit. Allerdings stellt die Strassburger Praxis unter der Meinungsfreiheit an den Nachweis des öffentlichen Interesses zur Einschränkung rein kommerzieller Äusserungen geringere Anforderungen als etwa bei Auseinandersetzungen um gesellschaftlich relevante Fragen.[52] Selbst in den für ihre weite Auslegung der Meinungsfreiheit bekannten USA können Firmen gezwungen werden, bestimmte Aussagen auf ihren Produkten zu machen, z.B. Gesundheitswarnungen auf Alkohol- und Tabakprodukten.[53] Im Endeffekt resultiert somit nicht notwendigerweise eine strengere Praxis daraus, dass die Rechtsfrage unter der Meinungsfreiheit anstatt der Handels- und Gewerbefreiheit geprüft wird. Überschneidungen der sachlichen Schutzbereiche gibt es auch zwischen der Meinungsfreiheit und der Wahl- und Abstimmungsfreiheit als Teilgehalt des Stimm- und Wahlrechts gemäss Art. 29 Abs. 2 LV; dies in Bezug auf den Schutz der sachlichen und unverfälschten Meinungsbildung im Vorfeld von Urnengängen.[54] Gemäss dem EGMR umfasst dies beispielsweise die Freiheit, die Regierung zu kritisieren.[55] Der Staatsgerichtshof sah „eine Verletzung der im Abstimmungskampf gebotenen behördlichen Fairness“ darin, dass auf dem Landeskanal, welcher zum damaligen Zeitpunkt eine Monopolstellung mit grosser Wirkkraft hatte, im unmittelbarem Vorfeld vor der EWR-Abstimmung der Landesfürst und der Regierungschef in jeweils 15-minütigen Statements entschieden für die Annahme des EWR-Abkommens eintraten, wobei Gegner der Vorlage von der Teilnahme an der Sendung ausgeschlossen wurden.[56] Demgegenüber wird das Stimm- und Wahlrecht an sich nicht von Art. 10 EMRK geschützt.[57]Weiter besteht eine Überschneidung zwischen der Vereins- als auch Versammlungsfreiheit und der Meinungsfreiheit. Während die Meinungsfreiheit individuelle Meinungsäusserungen schützt, garantieren die Vereins- und Versammlungsfreiheit die kollektive Meinungsäusserung, wie z. B. Demonstrationen.[58]B. Persönlicher GeltungsbereichNach einer jahrzehntelangen Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes war der Grundrechtsschutz im Wesentlichen auf InländerInnen beschränkt. Ausnahmen bestanden gemäss Art. 31 Abs. 3 (früher Abs. 2) LV nur auf der Grundlage von Staatsverträgen sowie des Gegenrechts.[59] So wurden AusländerInnen auch noch im Jahre 1981, somit kurz vor dem Inkrafttreten der EMRK, vom persönlichen Geltungsbereich der Meinungsfreiheit ausgenommen.[60] Nach Inkrafttreten der EMRK im Jahre 1982 wurden alle EMRK-Grundrechte, somit auch die Meinungsfreiheit, gestützt auf den universellen persönlichen Geltungsanspruch gemäss Art. 1 EMRK konsequent auch auf AusländerInnen angewandt.[61] Auch Minderjährige können sich auf die Meinungsfreiheit berufen;[62] ganz grundsätzlich kann dies jede natürliche Person. Nach der ständigen Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes gilt die Meinungsfreiheit auch für juristische Personen des Privatrechts,[63] in der Regel aber nicht für öffentlich-rechtliche juristische Personen. So sind juristische Personen des öffentlichen Rechts – abgesehen von Gemeinden in Bezug auf die Gemeindeautonomie – nur insoweit Grundrechtsträger, als sie von einem Grundrechtseingriff wie ein Privater betroffen sind.[64]C. Räumlicher GeltungsbereichIn der deutschsprachigen Grundrechtsdoktrin ist ein bedingter Anspruch auf die Ausübung von Grundrechten und insbesondere der Meinungsfreiheit auf öffentlichem Grund anerkannt[65]. Gleiches muss auch für Liechtenstein gelten,[66] auch wenn es diesbezüglich noch keine Rechtsprechung gibt. Dabei stellt jede Einschränkung der Ausübung der Meinungsfreiheit auf öffentlichem Grund, auch eine blosse Meldepflicht, im Grundsatz einen rechtfertigungsbedürftigen Grundrechtseingriff dar.[67] Entsprechend ist jedenfalls für eine Bewilligungspflicht eine genügende formell-gesetzliche Grundlage zu verlangen.[68] Diesen Anforderungen kann etwa die undifferenzierte Verordnungskompetenz von Landes- und Gemeindebehörden gemäss Art. 35 Abs. 3 BauG nicht genügen („Die Gemeinden und Landesbehörden können nähere Bestimmungen über die Benützung des öffentlichen Grundes erlassen, insbesondere hinsichtlich Abschrankungen, Signalisation und Beleuchtung der Baustelle.“).[69]Im Zusammenhang mit Onlinemedien ist bisher noch offen, inwiefern Beiträge von im Ausland ansässigen Anbietern, welche in Liechtenstein abrufbar sind, von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Der EGMR hat diese Frage bisher dahingehend beantwortet, dass zumindest die Meinungsfreiheit der Benutzer jener Portale betroffen ist, welche signifikant für die Ausübung dieses Grundrechts sind. Dies ist etwa der Fall bei der Sperrung von Beiträgen von Rechtsprofessoren durch YouTube[70] oder einer Website durch Google, wenn die Inhalte nicht auf andere Art einfach zugänglich sind.[71]IV. GrundrechtseingriffeA. AllgemeinesWie viele andere Grundrechte gilt auch die Meinungsfreiheit nicht absolut. Gemäss Art. 40 zweiter Halbsatz LV gilt diese „innerhalb der Schranken des Gesetzes und der Sittlichkeit“. Schranken der Meinungsfreiheit sind zudem andere Grundrechte, welche mit der Meinungsfreiheit in Konflikt geraten können. Ein solcher Grundrechtskonflikt ist unter angemessener Berücksichtigung der einander gegenüberstehenden Grundrechtsinteressen in einem umsichtigen Abwägungsprozess zu lösen („praktische Konkordanz“).[72] Dies ist Aufgabe sowohl des Gesetzgebers als auch der Rechtsprechung.[73] Ein Grundrechtskonflikt besteht insbesondere hinsichtlich der gemäss Art. 32 Abs. 1 LV geschützten Privat- und Geheimsphäre Dritter als auch des allgemeinen Persönlichkeitsschutzes.[74] Für die Lösung dieses Grundrechtskonflikts wendet der EGMR die folgenden Kriterien an: Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse, Bekanntheitsgrad der betroffenen Personen, Gegenstand der Äusserung, Inhalt, Form und Folgen der Veröffentlichung und die Schwere der Sanktion.[75] Schliesslich enthält Art. 40 Abs. 2 LV wiederum eine Einschränkung des Gesetzesvorbehaltes in Form des Zensurverbots, soweit nicht „öffentliche Aufführungen und Schaustellungen“ betroffen sind.[76]Unabhängig hiervon gelten nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes für Grundrechte mit einem klar abgrenzbaren sachlichen Geltungsbereich, wie eben auch die Meinungsfreiheit, in jedem Fall die allgemeinen Grundrechtseingriffskriterien – auch dann, wenn eine Grundrechtsnorm der Landesverfassung keinen expliziten Gesetzesvorbehalt enthält. Nach dieser Schrankendoktrin kann jedes Grundrecht durch den Gesetzgeber eingeschränkt werden, doch nur unter Beachtung des öffentlichen Interesses, der Verhältnismässigkeit und der Kerngehaltsgarantie.[77] Diese Grundrechtseingriffskriterien entsprechen weitgehend denjenigen von Art. 10 Abs. 2 EMRK.[78]B. Arten von EingriffenNach den genannten Kriterien rechtfertigungsbedürftige Eingriffe in die Meinungsfreiheit können verschiedenste Massnahmen sein, mit welchen die freie Meinungsäusserung direkt oder indirekt beeinträchtigt wird. Davon ist nicht nur die direkte Unterbindung bzw. das Verbot der Meinungsäusserung erfasst, wie durch ein Unterlassungsurteil, die Beschlagnahmung von Druckerzeugnissen und die mangelnde Zurverfügungstellung von Kommunikationsmitteln mit der Aussenwelt für Gefängnisinsassen. Darunter fällt auch die Androhung und die Verhängung von Sanktionen im Zusammenhang mit der Ausübung dieses Grundrechts.[79] Solche Sanktionen sind neben Entschädigungszahlungen für die Folgen einer Meinungsäusserung auch deren straf-[80] oder disziplinarrechtliche[81] Ahndung oder auch die Ankündigung des Landesfürsten gegenüber dem damaligen VBI-Präsidenten, diesen im Gefolge einer bei einem Vortrag geäusserten Rechtsauffassung nicht mehr für dieses Richteramt zu ernennen.[82] Keine Sanktion und somit auch kein Eingriff in die Meinungsfreiheit sind hingegen pflegschaftsgerichtliche Massnahmen aufgrund von Äusserungen, welche die mangelnde Urteilsfähigkeit des Betroffenen indizieren.[83]Die Strassburger Rechtsprechung erachtet schliesslich auch die Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK[84] als Beschränkung der Meinungsfreiheit, während die deutschsprachigen Länder darin eine blosse Konkretisierung dieses Grundrechts sehen. Beide dogmatischen Ansätze führen letztlich allerdings zum gleichen Ergebnis, da solche gesetzlichen Rahmenbedingungen jedenfalls der Freiheit und Vielfalt der Meinungsäusserung im Medienbereich dienen sollen.[85]C. Gesetzliche GrundlageGesetzliche Einschränkungen von Grundrechten, insbesondere der Meinungsfreiheit, dürfen nicht zu vage formuliert sein. Anderenfalls kann eine Rechtsunsicherheit die Folge sein, welche die Ausübung dieses Grundrechts unzulässig beeinträchtigt (sogenannter chilling effect).[86] Ein möglicher chilling effect ist besonders zu beachten bei politischen Äusserungen und Debatten von öffentlichem Interesse.[87] Aus dem gleichen Grund sind gesetzliche Schranken der Meinungsfreiheit im Lichte dieses Grundrechts nicht extensiv auszulegen.[88] Dies gilt besonders für zivil- und strafrechtliche Normen zum Schutz der Ehre, da gerade der gezielte Einsatz von Beleidigungsverfahren die freie politische Auseinandersetzung gefährden kann.[89]Nach einem heute überholten Rechtsverständnis waren im Rahmen von sogenannten besonderen Rechtsverhältnissen Grundrechtseingriffe ohne gesetzliche Grundlage möglich.[90] Solche Rechtsverhältnisse betrafen Personen, die in einem engen Verhältnis zum Staat oder zu einer öffentlichen Anstalt standen; so öffentliche Bedienstete, Schüler, Strafgefangene, aber auch etwa Rechtsanwälte. Heutzutage kann ein solcher Sonderstatus allenfalls eine gewisse Lockerung der Anforderungen an die gesetzliche Grundlage für Grundrechtseingriffe rechtfertigen[91] und auch bei der Prüfung der weiteren Grundrechtseingriffskriterien des öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit kann dies angemessen berücksichtigt werden.[92] Faktisch wurde die Rechtsfigur des besonderen Rechtsverhältnisses bei der Prüfung von Grundrechtseingriffen weitgehend aufgegeben zugunsten der lückenlosen Anwendung der erwähnten allgemeinen Prüfungskriterien.[93] In diesem Kontext ist auch auf Art. 10 Abs. 2 EMRK zu verweisen, wonach „die Ausübung dieser Freiheiten Pflichten und Verantwortung mit sich bringt“. Der EGMR interpretiert dies nämlich mehrheitlich so, dass Staatsangestellte bei der Ausübung ihrer Meinungsfreiheit gewisse Loyalitätspflichten zu beachten haben;[94] m.a.W. können sie die Meinungsfreiheit eben nicht im gleichen Ausmass beanspruchen wie ein Privater.D. Öffentliches InteresseBei der Beurteilung des für einen Eingriff in die Meinungsfreiheit erforderlichen öffentlichen Interesses ist zu berücksichtigen, dass häufig auch elementare private, dem öffentlichen Interesse gleichwertige Rechte Dritter, so insbesondere deren Persönlichkeitsrechte, diesem Grundrecht entgegenstehen.[95] Art. 10 Abs. 2 EMRK listet denn auch eine breite Palette legitimer privater und öffentlicher Interessen auf („Nationale bzw. öffentliche Sicherheit, territoriale Unversehrtheit, Aufrechterhaltung der Ordnung, Verhütung von Straftaten, Schutz der Gesundheit oder der Moral, des guten Rufes oder der Rechte anderer, Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen, Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung“).[96] Von vornherein kein legitimes öffentliches Interesse ist jedoch der Schutz der Mehrheit gegen Minderheitsmeinungen. Die Meinungsfreiheit dient gerade auch dazu, einer Tyrannei der Mehrheit über die Minderheit entgegenzuwirken.[97] Geschützt sind deshalb selbst solche Minderheitsmeinungen, die den Staat oder einen Bevölkerungsteil verletzen, schockieren oder beunruhigen.[98] Insofern problematisch ist Art. 7 MedienG („Journalistische Sorgfalt“), worin ein enges Korsett für „richtiges“ journalistisches Arbeiten vorgegeben wird. Diese Norm wäre verfassungswidrig, wenn ihr nicht primär Appellcharakter zukäme. Eine Ausnahme aufgrund ihrer besonderen Gefahr für den öffentlichen Frieden bilden rassistische Meinungsäusserungen, deren Unterbindung vor der Meinungsfreiheit standhält.[99] So werden von Staaten gemäss dem Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung[100] sogar positive Massnahmen verlangt, um entsprechende Meinungsäusserungen zu unterbinden. Dort heisst es in Art. 4: „Die Vertragsstaaten […] verpflichten sich, unmittelbare und positive Massnahmen zu treffen, um jedes Aufreizen zur Rassendiskriminierung und alle rassisch diskriminierenden Handlungen auszumerzen“. Gleiches müsste wohl aber auch für Äusserungen gelten, welche bestimmte Gruppen aufgrund eines anderen unveränderlichen Merkmals herabsetzen, z.B. frauenfeindliche oder homophobe Äusserungen, sofern diese bereits deshalb nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, da sie einen Missbrauch der Meinungsfreiheit darstellen.[101] Dementsprechend ist in Liechtenstein der öffentliche Aufruf zu Hass oder Diskriminierung sowohl in Bezug auf die Rasse als auch auf Sprache, Nationalität, Ethnie, Religion oder Weltanschauung, Geschlecht, Behinderung, Alter und sexuelle Ausrichtung strafbar.[102] Auch Embleme, welche jene Gruppen in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzen oder diskriminieren, und die Leugnung bzw. Rechtfertigung von Völkermord sind verboten.[103] Ein verstärktes öffentliches Interesse an der Beschränkung der Meinungsfreiheit kann schliesslich bei Grundrechtsträgern mit einem Nahverhältnis zum Staat bestehen.[104]Weiter stellt sich die Frage, inwiefern die in Art. 40 LV explizit genannte Sittlichkeit für die Beschränkung der Meinungsfreiheit herangezogen werden kann. In der langjährigen Rechtsprechungspraxis kommt ihr zwar keine eigene Bedeutung zu bzw. sie geht im Grundrechtseinschränkungskriterium des öffentlichen Interesses auf.[105] Immerhin besteht aber eine gewisse Gefahr, dass gestützt auf die Sittlichkeit ein Mehrheitsempfinden – ohne dass die Rechte dieser Mehrheit wesentlich eingeschränkt werden – dazu benutzt wird, Meinungsäusserungen von Minderheiten zu verbieten. Fragen der Sittlichkeit tangierende Fälle erfordern mitunter diffizile Abwägungen zwischen dem angemessenen Respekt vor vorherrschenden Moralvorstellungen einerseits und der Belassung von genügend Spielraum zu deren Infragestellung andererseits.[106] Ist eine Peep-Show beispielsweise dadurch sittenwidrig, weil die Menschen in der Show zu blossen Objekten einer voyeurhaften Schaulust von anonymen Betrachtern verkommen, oder wird durch diese anonyme Distanz ohne einen Blickkontakt zwischen den beiden gerade die Würde jener Menschen gewahrt?[107]E. VerhältnismässigkeitDer Verhältnismässigkeitsgrundsatz ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Eingriffen in die Meinungsfreiheit von besonderer Bedeutung.[108] Der EGMR lässt Einschränkungen der Meinungsfreiheit nur in sehr engen Grenzen zu. Es muss ein „zwingendes soziales Bedürfnis“ vorliegen, welches überzeugend darzulegen ist.[109] Inhaltsbezogene Restriktionen lässt er im Licht von Art. 17 EMRK zu, sofern die Meinungen inkompatibel mit den Werten der EMRK sind, so z.B. die Verneinung des Holocausts, die Rechtfertigung des Nationalsozialismus, die Verbindung von allen Muslimen mit schwerwiegenden Terrorakten oder die Darstellung von Juden als die Quelle des Bösen in Russland.[110] Hierbei ist zu betonen, dass der Ansatz des EGMR sehr fallspezifisch ist, so dass die Leugnung des Holocausts in Deutschland strafbar sein darf, die Leugnung des türkischen Genozids an den Armeniern in der Schweiz aufgrund der schwächeren historischen Verbindung jedoch nicht.[111] Davon abgesehen schützt der EGMR auch extreme Meinungen. Dementsprechend ist es nicht zulässig, bestimmte Inhalte – von Ausnahmen wie den oben genannten abgesehen – bereits von vornherein zu verbieten.Bei der Verhältnismässigkeitsprüfung fällt stark ins Gewicht, ob eine Meinungsäusserung Teil des politischen Diskurses oder primär von privatem Interesse ist, sowie wer die Meinung äussert und gegen wen sie allenfalls zielt. Aufgrund der schon mehrfach erwähnten Bedeutung der Meinungsfreiheit für die freiheitlich-demokratische Staatsordnung soll die politische Auseinandersetzung in grösstmöglicher Freiheit erfolgen. Hierbei kommt der Presse als „public watchdog“[112] eine besondere Rolle zu, sodass an Einschränkungen der Pressefreiheit, wie z.B. auch die Offenlegung von Informationsquellen,[113] strenge Anforderungen gestellt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die Kritik gegen den Staat oder staatliche Institutionen und nicht gegen Individuen richtet.[114] Ist dagegen der gute Ruf von Personen betroffen, so sind deren Persönlichkeitsrechte angemessen zu berücksichtigen. Dabei müssen sich Personen des öffentlichen Interesses härtere Kritik gefallen lassen als nicht im Rampenlicht stehende Privatpersonen. Beispielsweise war es zulässig, dass dem französischen Staatspräsidenten Sarkozy ein Schild mit der Aufschrift „casse toi pov’con“ („verzieh dich, armer Idiot“) entgegengehalten wurde. Dieses Schild war als Satire zu sehen, nachdem Sarkozy selbst den gleichen Satz kurz zuvor an einer Veranstaltung benutzt hatte und dessen Äusserung in den französischen Medien breit diskutiert worden war.[115] Der EGMR betont dabei, dass Satire – sei es in Form von schriftlichen Aussagen, Bildern oder Auftritten – naturgemäss provozieren und agitieren will, weswegen diesbezügliche Einschränkungen mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Entscheidend ist, wie stark die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen gewichtet werden.[116] Auch durfte Jörg Haider im Titel eines Artikels als „Trottel“ bezeichnet werden, nachdem dieser die Generation der Soldaten während des Zweiten Weltkriegs glorifiziert hatte.[117]Als Personen des öffentlichen Interesses haben neben Politikern auch Journalisten zu gelten, deren Medienbeiträge einer – auch durchaus harten – Kritik unterzogen werden dürfen. Dabei ist irrelevant, ob sich der betroffene Journalist persönlich betroffen fühlt, solange die Kritik primär auf den Medienbeitrag und nicht auf dessen Autor zielt und nicht als blosse persönliche Diffamierung zu qualifizieren ist.[118] Ein strengerer Massstab gilt auch etwa für einen Privaten, der auf einer Website scharfe Kritik an staatlichen Behörden übt.[119] Doch auch Personen des öffentlichen Interesses müssen sich Eingriffe in ihr Privatleben, welche nur die Sensationslust befriedigen, nicht gefallen lassen.[120]Anders als bei blossen Werturteilen ist es im Lichte der Meinungsfreiheit zulässig, die Straffreiheit von Tatsachenbehauptungen, welche den guten Ruf eines Dritten beeinträchtigen, vom Wahrheitsbeweis abhängig zu machen.[121] Demgegenüber ist die Anforderung, die Wahrheit eines Werturteils zu beweisen, unmöglich zu erfüllen und verletzt als solche die Meinungsfreiheit.[122] Nichtsdestotrotz kann dort, wo eine Aussage auf ein Werturteil hinausläuft, die Verhältnismässigkeit eines Eingriffes davon abhängen, ob eine ausreichende faktische Grundlage für die bestrittene Aussage vorlag.[123]Im Weiteren sind Meinungsäusserungen nach dem „Günstigkeitsprinzip“ auszulegen; d.h. von mehreren möglichen Auslegungsvarianten ist im Zweifel die für den Grundrechtsträger günstigste der Eingriffsprüfung zugrunde zu legen.[124] Denn auch insoweit könnte sich – wie bei einer zu vagen gesetzlichen Grundlage[125] – ein chilling effect einstellen.[126] In diesem Sinne entschied der Staatsgerichtshof, dass Kritik eines Rechtsanwalts am Gericht im Lichte der Meinungsfreiheit im Zweifel „standesregelkonform“ auszulegen sei.[127] Der Rechtsanwalt hatte zur Verweigerung der Akteneinsicht in einer Rechtshilfesache im Rechtsmittelverfahren ausgeführt, dass dies „Aussenstehende zum Schluss kommen lassen könnte, dass hier das Rechtshilfegericht unter Umständen irgendwelche Mängel des ausländischen Rechtshilfeersuchens nicht offenkundig werden lassen möchte“. Der Staatsgerichtshof interpretierte diese Aussage dahingehend, dass sich daraus nicht zwingend auch ein persönlicher Vorwurf des Rechtsanwalts gegen das Gericht herauslesen lasse. Der Staatsgerichtshof nahm dabei ausdrücklich auf die Bundesgerichtspraxis Bezug, wonach die „Pflicht und das Recht, Missstände aufzuzeigen und Mängel des Verfahrens zu rügen“, zur Vermeidung eines chilling effects weit auszulegen sind. „Wenn dem Anwalt unbegründete Kritik verboten ist, so kann er auch eine allenfalls begründete nicht mehr gefahrlos vorbringen“.[128]Zu differenzieren ist aber nicht nur danach, wen eine Meinungsäusserung trifft, sondern auch danach, wer die Meinung äussert: Wie schon erwähnt, darf die Meinungsfreiheit von Personen, welche in einem engen Bezug zum Staat oder zu einer öffentlichen Anstalt stehen, im Grundsatz stärker eingeschränkt werden als bei anderen Grundrechtsträgern.[129] Insbesondere dürfen hier verpönte Meinungsäusserungen auch disziplinarisch geahndet werden. Doch kann auch in solchen Sonderstatusverhältnissen auf eine differenzierte Verhältnismässigkeitsprüfung nicht verzichtet werden.[130] Unverhältnismässig ist etwa die Streuung abschätziger Kritik an Vorgesetzten bei sämtlichen Mitarbeitern der Landespolizei, anstatt die Kritik zunächst gegenüber diesen Vorgesetzten oder noch höheren Instanzen vorzubringen.[131]Auch Behördenmitglieder müssen sich besondere Einschränkungen der Meinungsfreiheit gefallen lassen, soweit deren Äusserungen nicht einfach als privat qualifiziert werden können. Allerdings fällt die Differenzierung, ob ein Behördenmitglied in Behördenfunktion oder privat auftritt, häufig nicht leicht. Behördenmitglieder sind aufgrund ihres politischen Führungsauftrages zwar nicht auf Neutralität, jedoch auf Sachlichkeit verpflichtet.[132] Diese Sachlichkeit liess der Landesfürst im Vorfeld der Abstimmung über die Verfassungsrevision von 2003 teilweise vermissen,[133] zumal gerade das Staatsoberhaupt über der Tagespolitik stehen und bei politischen Aussagen entsprechende Zurückhaltung wahren sollte.[134]Noch ungeklärt vom Staatsgerichtshof ist die Frage, ob auch nach der Form die Meinungsäusserung zu differenzieren ist. Bietet beispielsweise die Kunstfreiheit einen erhöhten Schutz, wenn herabsetzende Äusserungen in Form eines Raps anstatt in Form eines Facebook-Posts getätigt werden?[135] Gemäss dem US Supreme Court ist die Kunstfreiheit wohl als Teilaspekt der Meinungsfreiheit zu sehen, ohne einen darüber hinausgehenden Schutz zu gewährleisten.[136] Die EMRK erwähnt die Kunstfreiheit nicht explizit, schützt sie aber als Teil der Meinungsfreiheit.[137] Ein spezieller Schutz im Vergleich zur Meinungsfreiheit kommt der Kunstfreiheit vor dem EGMR nicht zu.[138]Unverhältnismässig ist schliesslich wohl das in Liechtenstein geltende faktische Bettelverbot, wonach die „Sammlung milder Gaben“ eine Bewilligung der Regierung erfordert.[139] Der EGMR liess in einem Fall gegen die Schweiz offen, ob ein Bettelverbot unter die Meinungsfreiheit fällt;[140] der österreichische Verfassungsgerichtshof hob absolute Bettelverbote bereits 2012 als EMRK-widrig auf. So greife ein solches Verbot in die Kommunikationsfreiheit derjenigen ein, die an öffentlichen Orten anderen Menschen ihre Bitte unterbreiten wollen. Betteln an öffentlichen Orten ausnahmslos zu verbieten, sei in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig (anders als bei qualifizierten Formen des Bettelns, auch wenn sie mit kommunikativem Verhalten verbunden seien).[141]F. KerngehaltsgarantieSowohl nach der Strassburger Rechtsprechung als auch in der deutschsprachigen Grundrechtsdoktrin ist eine vorgängige, allgemeine Inhaltskontrolle unter keinen Umständen zulässig.[142] Eine solche Vorzensur verstösst gegen den Kerngehalt der Meinungsfreiheit.[143] So heisst es in Art. 5 des deutschen Grundgesetzes „Eine Zensur findet nicht statt.“ bzw. in Art. 17 Abs. 2 der schweizerischen Bundesverfassung „Zensur ist verboten.“ Im österreichischen Staatsgrundgesetz besagt Art. 13 StGG: „Die Presse darf weder unter Censur gestellt, noch durch das Concessions-System beschränkt werden.“ Nun enthält zwar Art. 40 zweiter Satz LV im Ergebnis ein Zensurverbot für Massenmedien,[144] da nach dieser Verfassungsbestimmung eine (Vor-)Zensur nur für „öffentliche Aufführungen und Schaustellungen“ zulässig ist. Wie ausgeführt, ist aber eine allgemeine Vorzensur für sämtliche Meinungsäusserungen verpönt, sodass auch eine solchermassen eingeschränkte Zensurbestimmung jedenfalls gegen Art. 10 EMRK verstösst.[145] Allerdings ist diese anachronistische Regelung insofern totes Recht, als es in Liechtenstein auch für Film- und Theateraufführungen keine Zensur mehr gibt.[146] Die staatliche Filmzensur, welche ab den frühen 1950er Jahren in den Händen von katholischen Geistlichen lag, wurde 1970 abgeschafft;[147] eine Kontrolle erfolgte allerdings weiterhin auf Basis des bis 2009 geltenden Jugendgesetzes von 1979.[148] Nicht gegen die Kerngehaltsgarantie der Meinungsfreiheit verstösst hingegen eine punktuelle Vorzensur, wie dies etwa bei einem gerichtlichen Veröffentlichungsverbot wegen drohender Persönlichkeitsverletzung der Fall ist. Doch auch eine solche einzelfallbezogene Vorzensur ist im Lichte der Meinungsäusserungsfreiheit mit grosser Zurückhaltung zu handhaben.[149] Dementsprechend dient die punktuelle Zensur im heutigen Sinne dem Schutz von Grundrechten – etwa bei rassistischen, menschenverachtenden, gewalt- bzw. kriegsverherrlichenden und vulgären Äusserungen – als auch dem Jugendschutz.[150]V. Jenseits einer blossen Abwehrfunktion der MeinungsfreiheitA. Besondere Stellung der MedienfreiheitWie erwähnt, hat die Meinungsfreiheit schon in ihrer klassischen Funktion als Abwehrrecht gegenüber dem Staat eine Doppelfunktion als Schutznorm für einen zentralen Aspekt der Persönlichkeitsentfaltung als auch als Grundpfeiler einer freien, pluralistischen Gesellschaft.[151] Allerdings weist die letztgenannte Funktion der Meinungsfreiheit über den blossen Abwehrcharakter dieses Grundrechts hinaus und legt auch staatliche Massnahmen zur Gewährleistung und Förderung insbesondere der Medienfreiheit nahe. Ganz allgemein spricht denn auch der EGMR davon, dass die effektive Ausübung der Meinungsfreiheit nicht die Absenz von staatlichen Eingriffen, sondern unter Umständen auch die Präsenz von positiven Massnahmen (Schutzpflichten) des Staates bedingt. Wenn beispielsweise zielgerichtete Angriffe auf Mitarbeiter einer Zeitung vorzuliegen scheinen, dann obliegt es dem Staat, adäquate Massnahmen zu deren Schutz zu ergreifen.[152]In Liechtenstein trägt der Staat der besonderen Bedeutung der Meinungsfreiheit durch eine weitreichende Medienförderung Rechnung.[153] Indessen hat der Staatsgerichtshof bisher offengelassen, ob insbesondere die Pressefreiheit darüber hinaus „eine institutionelle Garantie darstellt“.[154] Danach umfasst diese Garantie einerseits die privatwirtschaftliche Struktur der Presseunternehmen, beinhaltet aber andererseits auch eine staatliche Verpflichtung, die Gefahr von durch Pressekonzentration entstehenden Meinungs- und Informationsmonopolen abzuwehren. Festgehalten hat der Staatsgerichtshof jedoch, dass sich „aus dem institutionellen Charakter der Freiheitsrechte keine Ansprüche auf Subventionen ableiten (lassen)“.[155] Wenn allerdings staatliche Subventionen gewährt werden, müssen diese wettbewerbsneutral[156] und auch sonst rechtsgleich[157] erfolgen. Gemäss dem Staatsgerichtshof kommt es dabei zu einer Ungleichbehandlung, wenn TV-Medien zum Nachweis ihrer Verbreitung eine repräsentative Umfrage einzureichen haben, während bei Printmedien keine wissenschaftlichen Standards verlangt werden.[158] Darüber hinaus sei eine repräsentative Umfrage als einziger möglicher Nachweis für die Wesentlichkeit für die öffentliche Meinungsbildung als überspitzt formalistisch einzustufen.[159]Eine besondere Problematik ergibt sich bei der staatlichen Ausgestaltung des öffentlichen Rundfunks. Wie schon erwähnt, fragt es sich, ob diese überhaupt einen Grundrechtseingriff darstellt. Jedenfalls sollen entsprechende staatliche Massnahmen der Meinungsvielfalt dienen. Vor diesem Hintergrund ist die derzeitige gesetzliche Regelung des öffentlichen Rundfunks kritisch zu sehen. Während die Programmanforderungen gemäss Rundfunkgesetz (LRFG)[160] der Grundrechtsgewährleistung der Rundfunkfreiheit zweifellos förderlich sind, erweist sich die organisatorische Unabhängigkeit des einzigen, öffentlich-rechtlichen organisierten liechtensteinischen Radiosenders vom Staat im Lichte der Rundfunkfreiheit – selbst bei Berücksichtigung der besonderen kleinstaatlichen Verhältnisse Liechtensteins – als ungenügend. So erscheint es als nicht verfassungskonform, dass gemäss Art. 25 LRFG drei Mitglieder des siebenköpfigen Verwaltungsrats von Radio Liechtenstein vom Landtag und zwei von der Regierung gewählt werden.[161] Im Lichte der Meinungsfreiheit ebenfalls nicht unproblematisch ist zudem der staatliche Fernsehkanal („Landeskanal“), jedenfalls soweit dort nicht nur Landtagssitzungen und behördliche Verlautbarungen, sondern auch Wahl- und Abstimmungssendungen übertragen werden.[162]B. DrittwirkungEbenfalls über die klassische Abwehrfunktion der Grundrechte gegenüber dem Staat hinaus weist die Drittwirkungsthematik, also die Frage, ob Grundrechte auch direkt oder zumindest indirekt zwischen Privaten gelten.[163] Während der EGMR auch eine direkte Drittwirkung im Bereich der Meinungsfreiheit jedenfalls nicht auszuschliessen scheint,[164] hat sich in der deutschsprachigen Grundrechtsdogmatik nach langjähriger kontroverser Debatte die Auffassung durchgesetzt, dass Grundrechte im Privatrecht nur indirekt über Gesetzesnormen und dabei insbesondere über unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln gelten.[165]Auch bei der indirekten Drittwirkung spielt wiederum der Medienbereich eine wichtige Rolle. Das Mediengesetz sieht verschiedene Eingriffe in die Privatautonomie der Medienbetriebe vor, um insbesondere die Unabhängigkeit einzelner Medien bzw. Journalisten zu gewährleisten. So sind die Standesgerichtsbarkeit und die Zwangsmitgliedschaft in Medienorganisationen verboten.[166] Auch sieht das Mediengesetz Massnahmen zur Sicherung der Meinungs- und Angebotsfreiheit in Ergänzung zum allgemeinen Wettbewerbsrecht vor.[167] Schliesslich können Medienschaffende auch nicht verpflichtet werden, gegen ihre Überzeugung an Medienbeiträgen mitzuwirken oder wesentliche Änderungen von ihnen namentlich gezeichneter Beiträge zu akzeptieren.[168] Schliesslich regelt das Mediengesetz auch das Gegendarstellungsrecht Privater.[169] Keine Erwähnung finden im Gesetz hingegen die für die öffentliche Meinungsbildung im kleinräumigen Liechtenstein besonders wichtigen Leserbriefe. Ohne eine gesetzliche Grundlage für eine entsprechende indirekte Drittwirkung der Meinungsfreiheit von Leserbriefschreibern besteht jedenfalls kein Anspruch auf die Publikation von Leserbriefen, zumal dies umgekehrt in die Pressefreiheit der betroffenen Medien eingreifen würde. Zudem kann sich ein Medium durch die Veröffentlichung von anstössigen Leserbriefen auch einer eigenen zivil- oder gar strafrechtlichen Haftung aussetzen. Ähnlich wie bei Leserbriefen stellt sich eine Problematik der indirekten Drittwirkung im Zusammenhang mit der Frage, inwiefern soziale Medien dazu verpflichtet sind, dass bestimmte Äusserungen auf diesen Plattformen (nicht) getätigt werden können. Dies beinhaltet sowohl, bestimmte Äusserungen aufgrund ihres Inhalts zu löschen bzw. diese gerade wegen ihres Inhalts auf der Plattform zu belassen und nicht zu löschen. Gemäss bereits ständiger Rechtsprechung des EGMR ist der Staat dazu verpflichtet, strafrechtliche Sanktionen gegen Online-Äusserungen vorzusehen, welche zu Gewalt auffordern, beleidigend sind oder physische Drohungen darstellen.[170] Weiter, sieht der EGMR eine Verpflichtung für Inhalte bereitstellende Onlinemedien darin, besonders verwerfliche Kommentare des Hasses und der Androhung von Gewalt umgehend zu löschen, sofern diese klar rechtswidrig sind. Nachdem solche Kommentare, wie oben ausgeführt, nicht unter die Meinungsfreiheit fallen, werden Onlinemedien als Ausfluss des Persönlichkeitsschutzes zu Recht entsprechende Verpflichtungen auferlegt, um entsprechende Äusserungen zeitnah zu unterbinden und diesen keine Plattform zu geben. Bei nicht klar rechtswidrigen Kommentaren genügt es grundsätzlich, Kommentare umgehend zu löschen, sobald die Onlinemedien darauf aufmerksam gemacht werden. Hierzu muss ein entsprechendes Verfahren auf der Website vorgesehen sein.[171] Über soziale Medien äusserte sich der EGMR in diesem Zusammenhang noch nicht. Hier liegen die Hemmschwellen für Äusserungen online – gerade aufgrund der physischen Distanz und der möglichen Anonymität – tiefer. Entsprechend sollten im Gegensatz zu reinen Offlineforen besondere Schutzmechanismen vorgesehen werden, um Personen und Gruppen vor bestimmten Äusserungen zu schützen. Soziale Medien sind dabei denselben Verpflichtungen wie Onlinemedien zu unterstellen, sofern sie gewinnorientiert sind.Generell ist die indirekte Drittwirkung für die Meinungsfreiheit auch im Arbeitsverhältnis von Bedeutung. So ist gemäss § 1173a Art. 46 Abs. 1 Bst. b ABGB eine Kündigung wegen der Ausübung verfassungsmässiger Rechte wie der Meinungsfreiheit in der Regel missbräuchlich.[172] Die Grenzen der Meinungsfreiheit im Arbeitsverhältnis zeigen sich allerdings bei sogenannten „Tendenzbetrieben“, wie kirchlichen und Parteieinrichtungen oder eben Medienbetrieben. Dort kann die Glaub- und Vertrauenswürdigkeit bei der Berufsausübung durch bestimmte Meinungsäusserungen unterminiert werden, sodass Einschränkungen dieses Grundrechts im persönlichkeitsrechtlich zulässigen Rahmen hinzunehmen sind.[173] Der EGMR vermeinte dazu, es sei „nicht unvernünftig seitens einer Kirche oder Religionsgemeinschaft, von Religionslehrern besondere Loyalität zu erwarten, als diese als ihre Repräsentanten angesehen werden können“.[174]In diesem Zusammenhang speziell geschützt sind Whistleblower, welche auf Missstände des Arbeitgebers aufmerksam machen.[175] Hierbei hielt der Staatsgerichtshof fest, dass sich der Arbeitnehmer aufgrund seiner Loyalitäts- und Verschwiegenheitspflicht mit der Meldung von Missständen und Fehlerverhalten zunächst an seine Vorgesetzten bzw. andere intern zuständige Stellen zu wenden hat.[176] In jenem Fall eines Whistleblowers im Landesspital kam der Staatsgerichtshof zum Schluss, dass „[g]erade angesichts der Schwere der erhobenen Vorwürfe und der Konsequenzen für alle Beteiligten im Falle eines öffentlichen Bekanntwerdens“ höchste Ansprüche an das Vorgehen des Whistleblowers zu stellen gewesen seien.[177] Der EGMR zieht dabei folgende Kriterien für die Beurteilung der Verhältnismässigkeit heran: Das öffentliche Interesse an den Informationen, das Vorhandensein von alternativen Kommunikationskanälen, die Glaubwürdigkeit der Informationen, ob der Whistleblower gutgläubig handelte, die Nachteile für den Arbeitgeber und die Schwere der Sanktion.[178]
Das freie Vereins- und Versammlungsrecht ist innerhalb der gesetzlichen Schranken gewährleistet. The right of free association and assembly shall be guaranteed withinthe limits prescribed by law.
Das Petitionsrecht an den Landtag und den Landesausschuss ist gewährleistet und es steht nicht nur einzelnen in ihren Rechten oder Interessen Betroffenen, sondern auch Gemeinden und Korporationen zu, ihre Wünsche und Bitten durch ein Mitglied des Landtages daselbst vorbringen zu lassen. The right to petition Parliament and the National Committee shall be guaranteed; not only individuals whose rights or interests are affected but also municipalities and bodies shall be entitled to have their wishes and requests brought before Parliament by a Member of Parliament. Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteDas Petitionsrecht ist eines der ältesten politischen Rechte. Es wurde in der Zeit des Vormärz in verschiedenen Staaten verboten. So erklärte beispielsweise der Deutsche Bundestag 1831 das Sammeln von Unterschriften für Petitionen und deren Überreichung in den Ländern des Bundes (also auch in Liechtenstein) für unstatthaft.[1] In den Revolutionsbewegungen von 1848 kam den Bittschriften in Form der sogenannten „Sturmpetitionen“ besondere Bedeutung zu. Mit diesen wurden Forderungen nach Gewährung demokratischer Mitbestimmung und verfassungsmässigen Garantien von Grundrechten an die Regierungen herangetragen.[2] Die darauf folgenden expliziten Garantien des Petitionsrechts sind als eine Reaktion auf diese Vorgänge zu verstehen.Der enge Konnex der Petition mit politischen Forderungen ist wohl der Grund, weshalb die Ausübung des Petitionsrechts gelegentlich auch als Instrument der politischen Kontrolle betrachtet wird.[3]Art. 47 der alten Schweizerischen Bundesverfassung von 1848 bestimmte: „Das Petitionsrecht ist gewährleistet.“[4]In diesem Sinne bestimmte in Österreich der heute noch in Kraft befindliche Art. 11 Abs. 1 StGG[5] der Dezemberverfassung 1867, dass das Petitionsrecht jedermann zusteht.[6]Die „Gewährleistung des Petitionsrechts“ beinhaltete, dass Einbringer bzw. Unterzeichner einer Petition einerseits keine Nachteile durch staatliche Repression zu befürchten haben durften bzw. andererseits die staatlichen Organe die Petition zumindest annehmen mussten.[7]Während der Verfassungsentwurf des Verfassungsrats 1848 trotz seiner sonst sehr fortschrittlichen Inhalte das Petitionsrecht nicht erwähnte, wurde es 1862 in § 20 KonV verankert und lautete wie folgt:Das Petitionsrecht weist eine gewisse Ähnlichkeit mit den damals gebräuchlichen „Immediateingaben“ des Landtages an den Landesfürsten auf,[8] mit der Abweichung, dass im Falle des Petitionsrechtes eben der Landtag Adressat der Eingabe war.In der Verfassungsdiskussion nach 1918 sah der Entwurf des Prinzen Karl in § 22 eine wörtliche Übernahme der Regelung des § 20 KonV vor.Auch Art. 24 des Verfassungsentwurfs Wilhelm Becks orientierte sich im Wesentlichen an § 20 KonV mit dem Unterschied, dass auch das Petitionsrecht an „sonstige Behörden“ gewährleistet war.Die Regierungsvorlage Josef Peers sah Art. 42 LV in der schliesslich beschlossenen und heute noch geltenden Formulierung vor. Sie unterscheidet sich von der Regelung § 20 KonV lediglich darin, dass sie den normativ überflüssigen Bezug auf die „Landesangehörigen“ entfallen liess sowie auch den Landesausschuss als Adressaten des Petitionsrechtes erwähnt. Die Bestimmung ist seit ihrer Inkraftsetzung 1921 unverändert geblieben.II. Das Petitionsrecht in LiechtensteinA. InhaltDie „Gewährleistung des Petitionsrechts“ an den Landtag bzw. den Landesausschuss bedeutet zunächst, dass es den Berechtigten möglich sein muss, eine solche Petition einzubringen und dass ihnen daraus kein Nachteil erwächst.[9] Ein Anspruch auf eine konkrete Behandlung bzw. ein konkretes Resultat ist damit allerdings nicht verbunden. Die Adressaten, das sind der Landtag bzw. der Landesausschuss, sind allerdings verfassungsrechtlich verpflichtet, die Petition zumindest zur Kenntnis zu nehmen.[10]Gegenstand einer Petition kann schlechthin jedes Anliegen sein.[11] Die Petition unterscheidet sich von der inhaltlich vergleichbaren Volksinitiative (Art. 64 Abs. 1 lit. c LV) durch ihre weitaus geringere Formalisierung und den Umstand, dass sich die Initiative ausschliesslich auf die Erlassung, Abänderung oder Aufhebung eines Gesetzes bezieht (Art. 64 Abs. 2 LV).[12] Erfüllt eine Petition auch die Voraussetzungen einer Initiative, so wird sie dennoch als Petition zu behandeln sein, wenn dies dem Wunsch der Proponenten entspricht. Dem Gesetzgeber bzw. der Geschäftsordnung des Landtages bleibt es unbenommen, das Petitionsrecht näher auszugestalten und an die Einhaltung eines bestimmten Verfahrens zu binden, sofern das Recht dadurch keine übermässige Einschränkung erfährt (siehe dazu näher unter Kapitel D.).[13] Dies bedeutet aber auch, dass Petitionen, welche gegen gesetzliche Vorschriften verstossen, indem sie etwa ehrenbeleidigende Äusserungen oder gar Verhetzungen beinhalten[14] sowie Forderungen erheben, die mit den Grundwerten einer rechtsstaatlichen und demokratischen Ordnung nicht vereinbar sind, nicht zugelassen werden dürfen.[15] Insoweit ist auch die Meinungsfreiheit, die mit dem Petitionsrecht in einem gewissen Konnex steht,[16] nicht negativ berührt.[17]Inwieweit natürliche oder juristische Personen in Schriftstücken an die Regierung oder an Ämter ihre Anliegen anderweitig herantragen und wie diese Eingaben behandelt werden, ist keine Frage der Ausübung des Petitionsrechtes im Sinne des Art. 42 LV, das anders als etwa gemäss Art. 33 BV ein Recht gegenüber dem Landtag und nicht gegenüber den Behörden im Allgemeinen ist.B. BerechtigteDas Petitionsrecht steht nach dem Wortlaut der Verfassung „einzelnen, in ihren Rechten und Interessen Betroffenen“ sowie Gemeinden und Korporationen zu. In historischer Sicht meinte der Begriff der „Corporation“ im Kontext der ländlich strukturierten Gesellschaft vor allem land- und forstwirtschaftliche Nutzungsgenossenschaften. Eine solche einengende Interpretation ist heute im Zusammenhang mit dem Petitionsrecht gerade auch im Rechtsvergleich unangebracht. Vielmehr ist das Petitionsrecht extensiv zu verstehen. Es umfasst daher alle natürlichen oder juristischen Personen des öffentlichen (Gemeinden und Korporationen) und privaten Rechts. Sie können unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, ihrem Wohnsitz oder ihrem Sitz von diesem Recht Gebrauch machen. Massgebliches Kriterium nach dem Wortlaut der Verfassung ist allein die Betroffenheit in Rechten oder Interessen.[18]C. AdressatenDie Adressaten der Petition sind der Landtag oder der Landesausschuss.[19] Die Verfassung wollte es offenbar nicht, dass eine Petition auch an eine Behörde gerichtet werden konnte, wie das noch im Verfassungsentwurf Wilhelm Becks der Fall war. Es soll der Landtag bzw. der Landesausschuss sein, der über die weitere Vorgehensweise entscheidet. Darin unterscheidet sich die Verfassungsrechtslage in Liechtenstein auch wesentlich von jener in Österreich und der Schweiz. Während Art. 11 StGG konkrete Adressaten nicht erwähnt, aber nach völlig herrschender Lehre Organe der Gesetzgebung wie der Vollziehung als solche verstanden werden,[20] werden in Art. 33 Abs. 1 BV „die Behörden“ als Adressaten einer Petition verstanden.[21]Auf Grund des Umstandes, dass die tagungsfreie Zeit des Landtages wesentlich reduziert ist, kommt dem Landesausschuss bei der Behandlung von Petitionen keine bedeutsame Rolle mehr zu.D. AusgestaltungDie nähere Ausgestaltung des Petitionsrechts obliegt dem Gesetzgeber bzw. der Geschäftsordnung des Landtages, welche die entsprechenden Regelungen enthält. Gemäss Art. 30 lit. d GOLT bilden Petitionen Beratungsgegenstände des Landtags. Art. 50 Abs. 1 GOLT sieht dafür die Schriftlichkeit vor. Mangels einer Klarstellung, dass auch Eingaben via E-Mail, die etwa gescannte Unterschriften tragen, zulässig sind, wird man davon auszugehen haben, dass die Petition auf herkömmliche Weise postalisch und mit Unterschriften versehen einzureichen ist.Der Landtagspräsident hat eingelangte Petitionen auf die Tagesordnung der nächsten Landtagssitzung zu setzen. Eine weitere Behandlung findet nur statt, wenn ein Mitglied des Landtags diese Petition vorbringt (Art. 50 Abs. 2 GOLT). Dies ergibt sich auch unmittelbar aus der Verfassung, da Art. 42 LV davon spricht, dass die Petition „durch ein Mitglied des Landtags“ vorzubringen ist.[22]Es steht den Petenten völlig frei, ob sie sich an bestimmte Abgeordnete wenden oder die Petition allgemein an den Landtag adressieren, in der Erwartung, dass diese von einem der Abgeordneten aufgegriffen wird. Es stellt sich allerdings die Frage, ob ein konkret angerufener Abgeordneter verpflichtet ist, gleichsam als Vermittler dieser Petition aufzutreten und sie vor den Landtag bzw. Landesausschuss zu bringen. Immerhin kann die Petition den politischen Zielsetzungen des betreffenden Abgeordneten entgegenstehen. Allgäuer hält fest, dass der Abgeordnete „wohl nur zur Kenntnisnahme“, nicht allerdings zur tatsächlichen Einbringung in den Landtag verpflichtet sei.[23] Markus Wille vertritt die Auffassung, dass sich die Rolle des einzelnen Abgeordneten „wohl eher auf eine Überbringerfunktion beschränkt.“[24] Wie Markus Wille jedoch selbst unter Verweis auf Art. 42 GOLT hinweist, wird angeordnet, dass die Petition von einem Abgeordneten „vorgebracht“ wird.[25] Diese Formulierung ist im Übrigen ident mit dem Verfassungswortlaut, der eben von einem Vorbringen durch einen Landtagsabgeordneten spricht. Dies bedeutet, dass der Landtag sich nur dann mit einer Petition zu befassen hat, wenn ein Abgeordneter diese auch tatsächlich vorbringt.[26]Die Praxis wird dem verfassungsrechtlichen Petitionsanspruch jedenfalls dann gerecht, wenn die Petition in den Materialien allen Abgeordneten zur Kenntnis gelangt. Dem wird durch Art. 50 Abs. 2 GOLT dadurch entsprochen, dass sie vom Präsidenten auf die Tagesordnung der nächsten Landtagssitzung gesetzt wird.[27] Ob sie tatsächlich im Landtag beraten wird, hängt, wie dies die Verfassung in Art. 42 LV will, dann davon ab, ob ein Abgeordneter diese Petition „vorbringt“. Eine Verpflichtung eines konkreten Abgeordneten, sich für die Petition einzusetzen besteht im Lichte des freien Mandats (Art. 57 LV) nicht.[28]Der Landtag kann gemäss Art. 50 Abs. 3 GOLT aber auch Petitionen an Kommissionen oder zur geeigneten Verfügung an die Regierung überweisen[29] oder andere geeignete Massnahmen beschliessen. Worin solche geeigneten Massnahmen bestehen könnten, darüber schweigt die GOLT. Es kann sich aber nur um prozedurale Entscheidungen handeln. Ob der Landtag auf Grund einer Petition ein Gesetz beschliesst, ein Gesetz ändert oder der Regierung einen Auftrag durch Motion oder Postulat erteilt, ist in den entsprechenden Verfahren zu klären. Da dem Landtag keine Vollziehungsgewalt zukommt, kann er auch keine individuellen Verfügungen treffen oder Behörden Weisungen erteilen.Entscheidet sich der Landtag zur Überweisung einer an ihn gerichteten Petition an die Regierung, so entscheidet diese selbständig über deren Behandlung (Art. 12 GVVKG). Eine solche Überweisung ist dann zweckmässig, wenn die Petition ausschliesslich eine Frage der Vollziehung betrifft.Der Erstunterzeichner einer Petition ist über die Behandlung im Landtag zu informieren (Art. 50 Abs. 4 GOLT). Über die Zurückziehung einer Petition, weil dem Anliegen etwa mittlerweile entsprochen wurde oder weil die Petenten ihr Ziel nicht weiterverfolgen, macht die GOLT keine Aussage. Man wird davon ausgehen können, dass dies solange möglich ist, als die Petition noch nicht Gegenstand der Tagesordnung der Landtagssitzung ist.[30]III. Aktuelle Fragen des PetitionsrechtsDas Petitionsrecht ist keineswegs ein überholtes, zur Durchsetzung des geltend gemachten Begehrens auf Grund seiner Unverbindlichkeit wenig hilfreiches Instrument. In der politischen Praxis des Landtages spielt es immerhin eine nennenswerte Rolle. So wurden von Jänner 2010 bis Dezember 2018 insgesamt 14 Petitionen in den Landtag eingebracht.[31] Petitionen stellen ein wichtiges Instrument der Bürgerinnen und Bürger dar, dem Landtag Denkanstösse zu liefern und ihn auf Probleme hinzuweisen, die ihm bisher unbekannt waren.[32] Es stellt auch eine niederschwellige Beteiligungsmöglichkeit von Personen ohne Wahl- und Stimmrecht dar. In der Praxis lässt sich jedoch auch beobachten, dass das Petitionsrecht von Verbänden zur Artikulation bestimmter Interessen eingesetzt wird.[33]Im internationalen Vergleich ist zu beobachten, dass Petitionen auf Grund ihrer geringen Formalisierung und der Möglichkeit der Unterstützung auf elektronischem Wege durchaus an Popularität gewinnen.[34] Zahlreiche Parlamente bieten mittlerweile ein „Online-Petitioning“ an.[35]Dies wirft in der Praxis jedoch vielfältige Fragen der Zurechenbarkeit und Sicherheit der gewählten technischen Systeme auf, die nicht deshalb vernachlässigt werden können, weil das Petitionsrecht ohnehin jedermann zusteht, sodass es etwa gleichgültig wäre, wer eine Petition unterstützt. Da Online-Petitionen davon leben, von besonders vielen Menschen getragen zu werden,[36] ist die Verlässlichkeit des technischen Systems, dass eine Petition nicht mehrfach unterstützt werden kann, wichtig. Freilich kann sich dieses Problem auch bei der herkömmlichen Schriftlichkeit der Petition stellen: Die von den Petenten vorlegten Unterschriften sind in aller Regel von keiner staatlichen Stelle auf ihre Richtigkeit geprüft.Dies führt zum Schluss, dass die Formlosigkeit der Petition nicht nur ihr Vorteil, sondern, was die Verlässlichkeit und Sicherheit betrifft, auch ihr Nachteil ist. Weder die Verfassung noch die einfachgesetzliche Ausgestaltung treffen Regeln zum Schutz vor Missbrauch. Es ist daher, soweit nicht Manipulation augenfällig ist, weitgehend der Eigenverantwortung der Proponenten überlassen, eine solche nach Möglichkeit auszuschliessen.
Das Recht der Beschwerdeführung ist gewährleistet. Jeder Landesangehörige ist berechtigt, über das seine Rechte oder Interessen benachteiligende verfassungs-, gesetz- oder verordnungswidrige Benehmen oder Verfahren einer Behörde bei der ihr unmittelbar vorgesetzten Stelle Beschwerde zu erheben und dies nötigenfalls bis zur höchsten Stelle zu verfolgen, soweit nicht eine gesetzliche Beschränkung des Rechtsmittelzuges entgegensteht. Wird die eingebrachte Beschwerde von der vorgesetzten Stelle verworfen, so ist diese verpflichtet, dem Beschwerdeführer die Gründe ihrer Entscheidung zu eröffnen. The right of complaint shall be guaranteed. Every Liechtenstein citizen shall be entitled to lodge a complaint regarding any action or procedure on the part of a public authority that is contrary to the Constitution, the law, or ordinances and that is detrimental to his rights or interests. Such complaint may be addressed to the immediately superior authority and may, if necessary, be pursued to the highest authority, to the extent that the stages of recourse are not limited by law. If a complaint thus submitted is rejected by the superior authority, the superior authority shall be required to disclose to the complainant the reasons for its decision.
1) Jeder Waffenfähige ist bis zum zurückgelegten 60. Lebensjahre im Falle der Not zur Verteidigung des Vaterlandes verpflichtet.
1) Der Landtag ist das gesetzmässige Organ der Gesamtheit der Landesangehörigen und als solches berufen, nach den Bestimmungen dieser Verfassung die Rechte und Interessen des Volkes im Verhältnis zur Regierung wahrzunehmen und geltend zu machen und das Wohl des Fürstlichen Hauses und des Landes mit treuer Anhänglichkeit an die in dieser Verfassung niedergelegten Grundsätze möglichst zu fördern.Entstehung und MaterialienLiteraturI. EntstehungsgeschichteArt. 45 LV kann hinsichtlich Abs. 1 nahezu wortident auf die Bestimmungen des § 39 bzw. hinsichtlich Abs. 2 auf § 96 KonV zurückgeführt werden. Diese wiederum wurden aus den §§ 65 und 117 der Verfassung des Fürstentums Sigmaringen-Hohenzollern aus dem Jahre 1833 rezipiert. Dementsprechend ist die Formulierung vom Verständnis des frühen Konstitutionalismus geprägt, wenn dem Landtag auferlegt wird, das „Wohl des Fürstlichen Hauses“ (in der Formulierung des § 39 KonV allerdings noch: „Wohl des Fürsten“) zu fördern und ihm eine „treue Anhänglichkeit an die in dieser Verfassung niedergelegten Grundsätze“ aufgetragen wird. Mit dieser Formulierung sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass das Repräsentationsrecht des Landtages nicht gegen den Fürsten ausgeübt, sondern dass ein gemeinschaftliches Interesse verfolgt und die Rechte und das Wohl des Regenten nicht weniger als diejenigen des Volkes geachtet werden sollten.[1]Regelungen wie die vorliegende trugen auch dem Umstand Rechnung, dass, während in der absoluten Monarchie der Monarch noch allein Staat und Nation repräsentiert hatte, in der konstitutionellen Monarchie das Parlament als Vertretungsorgan hinzugetreten war.[2] In der Entwicklung politischer Repräsentativsysteme ging es zunächst um die Zustimmung, dann auch um die Mitwirkung der Beherrschten zu und an der Herrschaftsausübung des Monarchen.[3] Die hier angeführten Bestimmungen sind dieser zweiten Stufe in der Entwicklung zuzuordnen, wird doch dem Landtag aufgetragen, die Ausübung seiner Rechte namens des Volkes im Einklang mit dem Wohl des Staatsganzen vorzunehmen. Bemerkenswerterweise enthielt der Entwurf des Verfassungsrates vom 1. Oktober 1848 keine vergleichbaren Regelungen. § 65 des Verfassungsentwurfes formulierte vielmehr nüchtern: „Der Landrath übt seinen Antheil an der Gesetzgebung im Nahmen und in Vertretung des Volkes aus. Dieser besteht aus vierundzwanzig Mitgliedern und acht Ersatzmännern, welche frei durch das Volk gewählt werden.“ Die Konstitutionelle Verfassung orientierte sich indessen wie dargestellt an der damals bereits fast 30 Jahre alten Verfassung des Fürstentums Sigmaringen-Hohenzollern.Der Verfassungsentwurf Wilhelm Becks 1920 führte die Inhalte von § 39 in einem neuen Art. 35 zusammen und entkleidete ihn des Beiwerks der konstitutionellen Monarchie. Die vorgeschlagene Bestimmung lautete wie folgt:Die Formulierung des bisherigen § 96 KonV wurde im Entwurf Beck in Art. 41 Abs. 1 LV übernommen.Die Regierungsvorlage Peer orientierte sich nur insoweit am Entwurf Becks, als sie die programmatische Aussage über die Funktion des Landtages (§ 39 KonV und Art. 35 Abs. 1 Entwurf Beck) mit der Vorgabe, dass der Landtag seine Tätigkeit lediglich im Rahmen seiner Sitzung auf Grund Einberufung entfalten kann (§ 96 KonV und Art. 35 Abs. 2 Entwurf Beck), in einem Artikel (§ 44 in der ersten Fassung, § 45 in der zweiten Fassung) zusammenführte.[5] In der Formulierung kehrte die RV wieder zur KonV zurück, was im weiteren Verlauf des Prozesses der Verfassungsgebung unbeanstandet blieb, was insoweit bemerkenswert war, als die Regelungen doch in einem gewissen Spannungsverhältnis zur „demokratischen und parlamentarischen Grundlage“ der konstitutionellen Erbmonarchie (Art. 2 LV) stehen.Die Bestimmung des Art. 45 LV ist seither unverändert geblieben.II. Kurzer Abriss der Geschichte des liechtensteinischen LandtagesArt. 45 LV als erste Norm des mit „Vom Landtage“ bezeichneten V. Hauptstücks der Verfassung etabliert den Landtag als Repräsentativorgan der liechtensteinischen Bevölkerung. An dieser Stelle sei daher die Geschichte des liechtensteinischen Landtags kurz dargestellt, wobei das Schwergewicht auf die Entwicklung bis 1921 gelegt wird.A. Von den Landständen zum StändelandtagAls Landstände wurden die seit dem späten Mittelalter entstandenen, ständisch gegliederten Vertretungen der im jeweiligen Land ansässigen lokalen Herrschaftsträger gegenüber dem jeweiligen Landesherrn bezeichnet.[6] Regelmässig waren neben der Geistlichkeit auch der lokale Adel und die Ritterschaft vertreten, zuweilen auch die landesfürstlichen Städte und die bäuerlichen Gerichtsgemeinden.[7] Letzteres war auch in den Landschaften Vaduz und Schellenberg der Fall, wo es bis zur Aufhebung der sogenannten Landammannverfassung 1809 eine gewisse Mitsprache der Untertanen gab.[8] Diese äusserte sich etwa in der Wahl des Landammanns.[9] Der Einfluss der alten landständischen Ordnung mit der Wahl der Landammänner wurde jedoch nach der Übernahme der Herrschaft durch die Fürsten von Liechtenstein deutlich zurückgedrängt.[10] Die Fürsten, die bekanntlich nicht selbst im Land residierten, setzten eine eigene Behörde, das Oberamt, ein, an dessen Spitze der Landvogt stand und das der Hofkanzlei in Wien unterstand.[11] Die Staatsgewalt konsolidierte sich wie in anderen Staaten auch in Liechtenstein gegenüber dem Volk, das im Zuge des Niedergangs der alten landständischen Ordnung keine Vertretung mehr hatte.Die alte Landammannverfassung[12] wurde im Gefolge des 1806 erfolgten Beitritts Liechtensteins zum Rheinbund 1809 beseitigt. Der Fürst regierte absolutistisch, ohne dass freilich eine geschriebene Verfassung vorgelegen hätte.[13] Eine gewisse Rechtsgrundlage für die Behörden bildete die Dienstinstruktion des Landesfürsten von 1808.[14]B. Der Ständelandtag 1818–1848Die deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815 sah in ihrem Art. 13 vor, dass in allen Bundesstaaten eine Landständische Verfassung einzuführen sei.[15] Weitere Vorgaben, welche Inhalte eine solche Verfassung aufweisen sollte, machte die Bundesakte nicht.[16] Die Landständische Verfassung 1818 sah in ihrem § 2 vor, dass die Landstände aus der Geistlichkeit und der Landmannschaft bestehen sollten. Die Landmannschaft wurde gemäss § 4 durch die Vorsteher oder Richter und durch die Altgeschwornen oder Säckelmeister einer jeden Gemeinde repräsentiert. Das Recht der Landstandschaft sollten nach dieser Bestimmung aber auch alle anderen (männlichen) Staatsangehörigen geniessen, die einen Steuersatz von 2.000 Gulden auswiesen, „30 Jahre alt, vom unbescholtenen und uneigennützigen Rufe, und verträglicher Gemüthsart sind.“[17]Als ein demokratisches Repräsentativorgan kann man den Landtag unter diesen Vorzeichen nicht bezeichnen.[18]Vorgesehen war die Einberufung eines Landtages durch den Landesfürsten zur Versammlung der Stände, wobei der Landvogt den Vorsitz zu führen und die Geschäfte zu leiten, die Sitzung zu eröffnen und zu schliessen hatte (§ 9). Der Landesfürst konnte auch zu ausserordentlichen Sitzungen einladen. Ein Zusammentreten aus eigener Initiative blieb den Ständen verwehrt (§ 10).[19]Rechte besass der Landtag praktisch ausschliesslich hinsichtlich der jährlichen Beschlussfassung über die umzulegende Steuer (§ 11).[20] Anders als etwa in Vorarlberg, wo die vom Kaiser in Kraft gesetzte Landständische Verfassung de facto zu einer völligen Untätigkeit der Landstände führte,[21] tagte der Ständelandtag regelmässig, selbst wenn auch hier die praktischen Auswirkungen sehr gering waren.[22] Trotzdem kann man beim Ständelandtag noch nicht von einem Parlamentarismus sprechen, da er weder durch Wahlen besetzt war noch über eine angemessene Kompetenzausstattung verfügte.[23]C. Das Revolutionsjahr 1848 und der nachfolgende NeoabsolutismusIm Laufe des Jahres 1848 entstanden in Liechtenstein verschiedene Formen von Volksvertretungen.[24] Im Juni und Juli 1848 wurde im Wege von Wahlmännern ein mit sieben Personen besetzter Verfassungsrat gewählt, der mit der Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs begann. Am 1. Oktober 1848 lag ein Verfassungsentwurf vor, der dem Fürsten zur Sanktion übermittelt wurde.[25] Dieser setzte, weil er die weitere österreichische und deutsche Verfassungsentwicklung abwarten wollte, aber lediglich jene Teile des Verfassungsentwurfes, der die Volksvertretung und die Wahlordnung betraf, provisorisch in Kraft.[26]Im Mai 1849 wählten die Liechtensteiner in der Erwartung der definitiven Verfassung einen Landrat für die Dauer eines Jahres, bestehend aus 24 Abgeordneten, der zum letzten Mal im Februar 1850 tagte. Danach war das kurzfristige Intermezzo einer konstitutionellen Verfassung für Liechtenstein vorbei. Am 20. Juli 1852 wurden die provisorischen Bestimmungen der Verfassung von 1848 wieder ausser Kraft gesetzt. Nachdem in Österreich und Preussen der Neoabsolutismus gesiegt hatte, musste sich auch Liechtenstein dem Druck des Deutschen Bundes beugen und das allgemeine Wahlrecht ohne Zensus und ständische Gliederung eliminieren.[27]Allerdings blieb die Idee der Schaffung eines allgemeinen Vertretungskörpers erhalten, wie verschiedene Resolutionen des 1857 wieder eingesetzten alten Ständelandtags unterstrichen.[28]D. Der Landtag während der Konstitutionellen Verfassung 1862–1921Nach einer langwierigen Verfassungsdiskussion[29] zwischen Fürst und Ständen nahm der landständische Landtag am 2. September 1862 die Konstitutionelle Verfassung an. Nunmehr vertrat ein Landtag bestehend aus 15 Mitgliedern das Volk gegenüber der Regierung (§ 39 KonV). Drei der 15 Abgeordneten wurden vom Fürsten aus der im Land wahlberechtigten männlichen Bevölkerung ernannt, der Rest von Wahlmännern gewählt (§ 55 KonV).[30] Für jeweils 100 Einwohner einer Gemeinde sollten zwei Wahlmänner gewählt werden (§ 56 KonV). Aktiv und passiv wahlberechtigt war die männliche Bevölkerung ab dem 24. Lebensjahr, die „einen Beruf für sich auf eigene Rechnung“ betrieben und im Land wohnhaft waren. Damit war auch noch kein allgemeines Wahlrecht der Männer verankert.[31] Die Einschränkung des „Berufs auf eigene Rechnung“ fiel erst, aber immerhin, 1878 weg.[32]Zunächst bildete das gesamte Land einen einzigen Wahlkreis, erst 1878 wurden nach einem heftigen Streit zwischen Ober- und Unterländern, über die Einführung der Goldwährung an Stelle der Silberwährung, zwei Wahlkreise geschaffen und die Abgeordneten im Verhältnis von neun (Oberland) zu sechs (Unterland) gewählt.[33] Die Einführung der beiden Wahlkreise diente als Minderheitenschutz zugunsten des Unterlands.[34]Der Landtag tagte in Sessionen, wobei er zu Beginn seiner Tätigkeit in den Jahren 1862 bis 1864 besonders häufig (bis zu 14-mal!) zusammentrat, in späteren Jahren tagte der Landtag drei- bis viermal jährlich, ab etwa 1900 fünf- bis sechsmal pro Jahr, während des Ersten Weltkriegs wiederum deutlich häufiger.[35]Die Aufgaben des Landtages wurden gegenüber dem Ständelandtag markant erweitert: Ohne Mitwirkung des Landtages durfte kein Gesetz gegeben, aufgehoben oder authentisch erklärt werden (§ 24 KonV). Bestimmte Staatsverträge waren genehmigungspflichtig (§ 23 KonV). Der Landtag besass weiters die Finanzhoheit (§§ 30, 31 KonV).[36]Zu Beginn des Jahres 1918 wurde das Wahlmänner-System abgeschafft. Die Wahlberechtigten wählten nun die Abgeordneten direkt mittels Stimmzettel und Urnengang.[37] Die folgende Umbruchszeit nach dem Ersten Weltkrieg wurde von den Diskussionen um eine neue Verfassung Liechtensteins dominiert, die am 24. September 1921 vom Landtag angenommen und am 5. Oktober 1921 von Prinz Karl als fürstlichem Bevollmächtigtem unterzeichnet wurde.Die Abgeordneten des Landtages genossen parlamentarische Immunität und konnten aus ihrer Funktion auch nicht abberufen werden.[38]E. Der Landtag seit 1921Dem Landtag gehörten auf der Grundlage der Verfassung von 1921 weiterhin 15 Abgeordnete an, die ausschliesslich vom Volk gewählt wurden.[39] Diese Zahl wurde erst 1988 auf 25 erhöht.Zwischen 1919 und 1939 galt in Liechtenstein das Majorzwahlrecht, seither besteht ein Proporzwahlsystem mit zunächst einer hohen Sperrklausel von 18%, seit 1973 von 8%, die ursprünglich gegen den Einzug einer nationalsozialistisch orientierten Partei in den Landtag gerichtet gewesen war.[40] Der Staatsgerichtshof hatte die nicht in der Verfassung, sondern in Art. 22 Abs. 3 des Proporzgesetzes von 1939 angesiedelte Sperrklausel 1962 als verfassungswidrig aufgehoben.[41] 1973 wurde die auf 8% herabgesetzte Sperrklausel in der Verfassung (Art. 46 Abs. 3 LV) verankert.[42]Das Frauenwahlrecht wurde nach verschiedenen Anläufen erst 1984 eingeführt, die erste Frau zog 1986 in den Landtag ein. Erst seit dieser Zeit kann der Landtag als Repräsentativorgan der gesamten liechtensteinischen Bevölkerung betrachtet werden.Der Landtag ist auf der Grundlage der Verfassung von 1921 Gesetzgeber gemeinsam mit dem Landesfürsten, dem gemäss Art. 9 LV das Sanktionsrecht der vom Landtag beschlossenen Gesetze zukommt. Die Gesetzgebungshoheit kommt daneben aber auch dem Volk im Wege des Initiativrechtes zu, dessen Gesetzesbeschlüsse allerdings ebenfalls dem Sanktionsrecht des Landesfürsten unterliegen.[43]Der Landtag genehmigt nach Massgabe des Art. 8 LV die Staatsverträge und besitzt die Finanzhoheit. Die Mitglieder des Landtages geniessen die parlamentarische Immunität (Art. 57 Abs. 1 zweiter Satz LV). Sie stimmen einzig nach ihrem Eid und ihrer Überzeugung (Art. 57 Abs. 1 erster Satz LV), was unterstreicht, dass sie an keinen Auftrag gebunden sind.[44]III. Der Landtag als RepräsentativorganA. Programmatische BedeutungArt. 45 Abs. 1 LV hat programmatische Bedeutung. Die Norm erklärt den Landtag zum Repräsentativorgan der „Gesamtheit der Landesangehörigen“, welches die Rechte und Interessen im Verhältnis zur Regierung wahrnehmen soll.[45] Die Betonung des Verhältnisses zur Regierung, die ein Exekutivorgan ist, entspricht noch dem Geist der Konstitutionellen Verfassung, als dem Landtag die ausschliesslich vom Landesfürsten ernannte Regierung in der Person des Landesverwesers gegenüberstand.[46] Die Regierung wurde in diesem Verständnis weitgehend mit dem Fürsten identifiziert.[47]Der Landtag wird als ein sekundäres Staatsorgan bezeichnet, das selbst in einem Organverhältnis zu einem anderen, primären Organ steht, dem Volk.[48] Die allgemeine Beauftragung des Landtages, die Rechte und Interessen der Landesangehörigen wahrzunehmen und geltend zu machen, trägt ihm auf, als „Ombudsman“ des Volkes (Batliner) tätig zu sein und die Anliegen des Volkes zu vertreten.[49]Mit der Gesamtheit der Landesangehörigen sind ohne Unterscheid des Geschlechts und unabhängig vom Alter alle jene Personen gemeint, die im Besitze des liechtensteinischen Landesbürgerrechts sind.[50] Dies bedeutet, dass der Landtag auch das Vertretungsorgan der liechtensteinischen Staatsbürger mit Wohnsitz im Ausland ist. Diese sind allerdings vermöge der Verfassungsbestimmung des Art. 29 Abs. 2 LV nicht wahlberechtigt, da diese Bestimmung an den ordentlichen Wohnsitz im Land anknüpft.[51] Der Landtag repräsentiert somit nicht nur das Wahlvolk.Welches die konkreten Aufgaben und Funktionen des Landtages sind, ergibt sich nicht aus Art. 45 LV, sondern aus den nachfolgenden Bestimmungen des V. Hauptstückes.Dies gilt auch hinsichtlich der dem Landtag aufgetragenen Förderung des Wohls des Fürstlichen Hauses und des Landes. Die Bestimmung verlangt vom Landtag nicht, konkrete Massnahmen zu ergreifen, die etwa dem Landesfürsten dienlich wären. Es geht der Verfassung vielmehr darum, dass der Landtag das Wohl und das Ansehen des Staatsganzen, das auch die dynastische Ordnung beinhaltet, im Auge behalten soll.Die Bestimmung verpflichtet den Landtag weiters allgemein zur Loyalität gegenüber der Verfassung, was mit der „treuen Anhänglichkeit an die in dieser Verfassung niedergelegten Grundsätze“ gemeint ist. Art. 45 Abs. 1 LV appelliert daher allgemein an den Landtag, sich in der einfachen Gesetzgebung strikt an die Verfassung zu halten, allgemein aber den Geist der Verfassung und der Prinzipien, auf denen sie ruht, den Dualismus von Fürst und Volk zu respektieren und das Wohl des Landes vor Augen zu haben. Eine darüber hinaus gehende normative Bedeutung hat diese Bestimmung nicht. Sie ist insoweit nicht justiziabel als kein Gesetz dahingehend überprüft werden kann, ob es dem Wohl des fürstlichen Hauses oder des Landes widerspricht, wohl aber unterliegen die vom Landtag beschlossenen und vom Landesfürsten sanktionierten (Art. 9 LV) Gesetze der Normenkontrolle durch den Staatsgerichtshof.B. Das Parlament als Exponent der indirekten DemokratieArt. 2 LV bestimmt, dass Liechtenstein eine konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage ist. Die Verfassung enthält damit auch das Strukturprinzip der „demokratischen und parlamentarischen Grundlage“.[52]Die parlamentarische Grundlage des Fürstentums stellt der Landtag dar. Er ist Exponent der indirekten Demokratie, die von der unmittelbaren Wahrnehmung demokratischer Rechte durch das Volk selbst zu unterscheiden ist.[53] Der Landtag repräsentiert das gesamte Volk, also nicht nur die Stimmberechtigten.[54] Die Abgeordneten repräsentieren auch nicht nur diejenigen stimmberechtigten Personen oder Wählergruppen, die sie zur Wahl vorgeschlagen haben.[55] Das Volk überträgt seine Macht durch die Verfassung dem Parlament mit dem Anspruch, dass dieses für das Gesamtwohl tätig werde.[56]Das moderne Verständnis von Repräsentativsystemen unterscheidet sich allerdings wesentlich von jenem, das noch der Konstitutionellen Verfassung und erst recht seiner Rezeptionsgrundlage, der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen aus dem Jahre 1833, zugrunde lag. Ein Parlament im heutigen Verständnis setzt seine Kreation durch eine allgemeine Volkswahl voraus.[57] Nur unter dieser Voraussetzung ist ein Parlament ein Repräsentativorgan.Parlamentarismus bedeutet auch, dass das Parlament für die Gesetzgebung und die Kontrolle der Vollziehung zuständig ist. Es obliegt der jeweiligen Verfassung eines Staates wie sie das Verhältnis des Parlaments zu den Volksrechten gestaltet. Im Falle Liechtensteins kann das Volk im Wege der direkten Demokratie auch gegen den erklärten Willen des Landtages gesetzgeberisch tätig sein (jedoch nicht gegen den erklärten Willen des Landesfürsten, vgl. Art. 9 LV).Darüber hinaus ist der einzelne Abgeordnete im modernen Repräsentativsystem an keinen Wählerauftrag gebunden. Er entscheidet unabhängig von seinen Wählern.[58]C. Die Rolle des Landtags im politischen System LiechtensteinsIm Konzept der liechtensteinischen Verfassung sind Landtag und Volk jeweils gemeinsam mit dem Landesfürsten Träger der Gesetzgebungshoheit.[59] Die vollziehende Gewalt ist der Gesetzgebung untergeordnet.Die politische Realität entspricht dem idealtypischen Modell nicht. In der politischen Praxis ist in Liechtenstein – wie freilich wohl in den meisten parlamentarischen Demokratien auch[60] – die Regierung „zum aktiven und dynamischen Hauptträger der Entscheidungsmacht geworden, und der Landtag als Milizparlament ist mit seiner bescheidenen Infrastruktur hinsichtlich der Regierungskontrolle schlicht überfordert.“[61] Der 1989 gemachte Befund Allgäuers,[62] dass die Regierung „durch ihr weitgehendes Informationsmonopol, ihr Sachwissen, ihre Professionalität und Infrastruktur die Legiferierung des Parlaments“ lenkt und steuert, trifft nicht nur für die Vergangenheit zu, er gilt heute wohl mindestens im selben Ausmass wie zu früheren Zeiten.[63] Dies zeigt sich auch daran, dass die Regierungsmitglieder ihre Funktionen nunmehr vollamtlich ausüben und über einen entsprechenden administrativen Unterbau verfügen, während der Landtag nach wie vor als Milizparlament organisiert ist, das über einen nur sehr schmalen Apparat verfügt.[64]Darüber, ob der Landtag als ein solches Milizparlament oder ein sogenanntes Arbeitsparlament einzurichten ist, trifft die Verfassung keine Aussage, sie überlässt diese Frage der Organisationsautonomie des Landtages selbst.IV. Die Aufgaben und Funktionen des LandtagesWie dargestellt, sind die konkreten Aufgaben des Landtages den jeweiligen Bestimmungen der Verfassung zu entnehmen.[65] Sie werden nachstehend systematisiert.A. GesetzgebungDie Verfassung überträgt dem Landtag die Aufgabe der Mitwirkung an der Gesetzgebung durch den Erlass von Gesetzen (Art. 62 lit. a i.V.m. Art. 64, 65 und Art. 9 LV) einschliesslich von Verfassungsänderungen (Art. 112 LV) oder der Schaffung einer neuen Verfassung (Art. 113 LV). Der Gesetzgebung zuzuordnen ist darüber hinaus die Mitwirkung beim Abschluss von Staatsverträgen (Art. 62 lit. b i.V.m. Art. 8 LV). Der Vollzug der Gesetze obliegt der Regierung (Art. 92 Abs. 1 LV).B. Mitwirkung an der Bildung der Regierung sowie Kontrolle der VollziehungDer Landtag schlägt dem Landesfürsten die Mitglieder der Kollegialregierung vor (Art. 79 Abs. 2 LV). Die Mitglieder werden einvernehmlich vom Landesfürsten mit dem Landtag ernannt.Der Kontrolle der Vollziehung zuzuordnen sind dieDer Regierung obliegt weiters der Vollzug der rechtlich zulässigen Aufträge des Landtages (Art. 92 Abs. 1 LV).C. FinanzfragenDazu zählen die Budgethoheit und die Beschlussfassung über Finanzfragen (Art. 62 lit. c LV i.V.m. Art. 68 bis 70 LV) einschliesslich der Bestellung einer Finanzkommission (Art. 63ter LV).D. Sonstige AufgabenArt. 62 LV zählt die Aufgaben des Landtages nicht abschliessend auf. Die Verfassung, aber auch die einfachen Gesetze übertragen dem Landtag zahlreiche weitere Aufgaben. Dazu auf Verfassungsebene:In Zusammenhang mit der Hoheit des Landtages zur Entscheidung in Finanzfragen (Art. 62 Abs. 1 lit. c LV) steht die in verschiedenen Gesetzen verankerte Genehmigung bestimmter Sonderausgaben, wie beispielsweise Dazu kommen zahlreiche weitere Aufgaben, die dem Landtag auf Grund einfachgesetzlicher Bestimmungen übertragen werden:Der Landtag wählt beispielsweise die Mitglieder verschiedener Kommissionen und anderer öffentlicher Einrichtungen (zuweilen gepaart mit einem Abberufungsrecht) wie derEine weitere Aufgabenkategorie bildet die Zurkenntnisnahme von Berichten oder Strategien wie beispielsweiseSchliesslich kann der Landtag auchDie Übertragung von Aufgaben auf den Landtag, die in der Verfassung nicht angeführt sind, scheint nicht unproblematisch, trägt doch gerade Art. 45 LV dem Landtag auf, „nach den Bestimmungen dieser Verfassung“ die Rechte und Interessen des Volkes im Verhältnis zur Regierung wahrzunehmen und sich „an die in dieser Verfassung niedergelegten Grundsätze“ zu halten. Andererseits ist die Aufzählung in Art. 62 LV („Zur Wirksamkeit des Landtages gehören vorzugsweise folgende Gegenstände“) keine abschliessende.Daraus ergibt sich, dass die Verfassung es wohl zulässt, dem Landtag weitere Aufgaben zu übertragen soweit dadurch nicht andere Bestimmungen der Verfassung oder Grundsätze wie das Prinzip der Gewaltenteilung verletzt werden.Auch wenn die liechtensteinische Verfassung keine so strenge Gewaltenteilung wie etwa das österreichische B-VG kennt,[78] schiene die Übertragung von gewichtigen Aufgaben in der Vollziehung an die Legislative kritisch.So wird man auch davon ausgehen können, dass die Bestellung von Organen in Kommissionen oder Unternehmungen, an welchen das Land beteiligt ist, durch den Landtag als Ausdruck des demokratischen Prinzips nicht zu beanstanden ist. Auch der Staatsgerichtshof hat bisher an diesen Kompetenzen keinen Anstoss genommen.[79] Dies schliesst andererseits aber auch nicht aus, dass die Bestellung durch Gesetz der Regierung überantwortet wird, wie dies in Art. 4 Öffentliche-Unternehmen-Steuerungs-Gesetz erfolgt.E. Funktionen des LandtagesDie dargestellten, in der Rechtsordnung verankerten Aufgaben können in verschiedene Funktionen des Landtages zusammengefasst werden:Diese sich aus den expliziten Vorschriften der Verfassung und einfacher Gesetze ergebende Kategorisierung wird durch weitere Funktionen ergänzt.Dazu zählt die Repräsentationsfunktion, wie sie in Art. 45 LV angesprochen wird, wenn der Landtag als Vertretungsorgan der Gesamtheit der Landesangehörigen verankert wird.[80] Eine solche Repräsentationsfunktion setzt nach heutigem Verständnis voraus, dass der Landtag alle Bevölkerungsgruppen der Landesangehörigen angemessen repräsentiert und alle Bevölkerungsgruppen, von der sachlich begründeten Beschränkung des passiven und aktiven Wahlrechtes abgesehen, auch Zugang zum Landtag haben. Freilich sind damit nicht alle Bewohner und erst recht nicht alle Personen umfasst, die sich im Land aufhalten.[81]Eine weitere Funktion ist die Artikulations- und Kommunikationsfunktion, die den Landtag nicht nur zum Sprachrohr der Bevölkerung macht, sondern die öffentliche Auseinandersetzung aller politischen Angelegenheiten ermöglicht.[82] Diese Funktion kann ein Parlament nur erfüllen, wenn seine Sitzungen grundsätzlich öffentlich und die darin getroffenen Aussagen protokolliert sind.[83] Über die Öffentlichkeit des Landtages trifft die Verfassung keine ausdrücklichen Regelungen. Man wird aber davon auszugehen haben, dass die Verfassung von 1921 kein clandestines Parlament wollte, auch wenn die Möglichkeit, Sitzungen auch nicht öffentlich abzuhalten, nicht von vornherein ausgeschlossen sein sollte. In diesem Sinne ordnet Art. 26 GOLT[84] die grundsätzliche Öffentlichkeit der Landtagssitzungen an. Die Möglichkeit, die Öffentlichkeit auszuschliessen (Art. 27 GOLT) und Nichtöffentlichkeit zu beschliessen, in welcher Vertraulichkeit der Beratungen gilt (Art. 28 GOLT) sind daher restriktiv und als Ausnahmefall zu interpretieren.Schliesslich wird auch die Rekrutierungsfunktion angesprochen, wonach das Parlament die Funktion hat, für eine Auslese politischer Talente zu sorgen, die schliesslich Regierungsämter übernehmen können.[85]V. Die Organisation des LandtagesParlamente werden allgemein in Berufsparlamente und Milizparlamente unterschieden. In ersterem Fall üben die Parlamentarier diese Tätigkeit hauptamtlich als Beruf aus, im zweiten Fall tritt die Ausübung der politischen Funktion gegenüber dem Hauptberuf in den Hintergrund.[86]Die Verfassung überlässt diese Organisationsfrage im Wesentlichen dem Landtag selbst. Sie schweigt sich über die Besoldung der Abgeordneten ebenso aus wie über die Finanzierung der Landtagsfraktionen[87] oder die administrative Erledigung der Aufgaben des Landtags. Der Landtag regelt somit die wichtigen Fragen seiner Organisation und seines Verfahrens im Rahmen seiner Organisationsautonomie in der Geschäftsordnung des Landtages.[88]Der liechtensteinische Landtag ist, was angesichts der Kleinstaatlichkeit nicht überrascht, ein klassisches Milizparlament.[89] Dies äussert sich auch darin, dass es von Verfassungs wegen praktisch keine Unvereinbarkeiten (mit Ausnahme der Übernahme einer Regierungsfunktion oder die Tätigkeit in den Gerichten, vgl. Art. 46 Abs. 4 LV)[90] gibt.Aus Art. 45 LV in Verbindung mit den Bestimmungen über die Zusammensetzung und Wahl des Landtages in Art. 46 LV ergibt sich, dass die Verfassung ein Einkammersystem vorschreibt.[91]In administrativer Hinsicht wird der Landtag durch das Landtagssekretariat, den Parlamentsdienst, unterstützt.[92] Dabei handelt es sich im Vergleich zu den Regierungsstellen um eine sehr schmale Organisation. Das bedeutet, dass die Abgeordneten bzw. die Landtagsfraktionen in der inhaltlichen Bearbeitung der Agenden weitgehend auf sich allein gestellt sind. Dies ist typisch für ein Milizparlament, während gerade ein Berufsparlament zur Erfüllung seiner Aufgaben mit einer entsprechend professionalisierten Infrastruktur ausgestattet wird.[93]Der Landtag wird durch den Landtagspräsidenten nach aussen repräsentiert. Der Landtagspräsident wird in der Verfassung selbst nur dahingehend erwähnt, dass der Landtag in seiner ersten gesetzmässig einberufenen Sitzung für das laufende Jahr einen Präsidenten und einen Stellvertreter wählt (Art. 52 LV) und dem Präsidenten aufgetragen wird, innerhalb des Jahres die Sitzungen anzuordnen (Art. 49 Abs. 2 LV). Ausserdem hat der Präsident den Stichentscheid (Dirimierungsrecht), das bedeutet, bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende, bei Wahlen jedoch erst nach dreimaliger Abstimmung (Art. 58 Abs. 2 LV).Nicht in der Verfassung erwähnt ist das Landtagspräsidium (Art. 10 GOLT), das aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten[94] und den Fraktionssprechern besteht. Der Landtagssekretär gehört ihm mit beratender Stimme an.[95]Das Landtagspräsidium verfügt über verschiedene Zuständigkeiten im Bereich der Organisation des Landtages, insbesondere der Erstellung der Tagesordnung für die Landtagssitzungen (vgl. Art. 10 Abs. 2 GOLT). Zur Unterstützung des Landtags und seiner Organe ist der Parlamentsdienst unter der Leitung des Landtagssekretärs bzw. dessen Stellvertreters eingesetzt (Art. 16 und 17 GOLT).Der Landtag wählt verschiedene Kommissionen, von denen die Finanzkommission (Art. 63ter LV), die Geschäftsprüfungskommission und die Aussenpolitische Kommission ständige Kommissionen sind (vgl. Art. 64 GOLT).Die Verfassung erwähnt weder Parteien[96] noch die Fraktionen, in welchen die auf der jeweiligen Parteiliste in den Landtag gewählten Mandatare vertreten sind, wobei letztere im Rahmen der Geschäftsordnung des Landtages geregelt sind (vgl. Art. 14 GOLT).VI. Die Ausübung der Rechte des LandtagesA. VersammlungsortArt. 45 Abs. 2 LV bestimmt, dass die dem Landtag zukommenden Rechte nur in der gesetzlich konstituierten Versammlung desselben ausgeübt werden können. Dies bedeutet, dass der Landtag nur dann verfassungskonform agiert, wenn er zuvor auf die verfassungsrechtlich vorgesehene Weise einberufen wurde (Art. 48, 49 LV) und an seinem Sitz (Art. 1 Abs. 2 LV)[97] tagt. Es gibt also keine Beschlüsse des Landtags, die im Umlaufwege, durch informelle Zusammenkunft des Landtags oder an einem anderen Ort als in Vaduz gefasst werden dürfen. An welchem konkreten Ort in Vaduz der Landtag tagt, ist den bestehenden Rechtsvorschriften nicht zu entnehmen, insbesondere schweigt sich die Geschäftsordnung des Landtags darüber aus.Auch die landesfürstliche Verordnung über die Einberufung des Landtages erwähnt nur Vaduz als Versammlungsort.[98] Man wird davon auszugehen haben, dass die Fürstliche Verordnung damit an den üblichen, vom Landtag bestimmten Tagungsort in Vaduz anknüpft. In den Einladungen des Landtagspräsidenten, der gemäss Art. 49 Abs. 2 LV den Landtag zu den Sitzungen innerhalb des Jahres einzuberufen hat, wird hingegen regelmässig der „Landtagssaal“ in Vaduz erwähnt. Wenn es einen solchen regelmässigen, faktischen Tagungsort des Landtags gibt, muss daher auch, bei sonstiger Verfassungswidrigkeit, die Einladung an diesen Ort erfolgen. Dies schliesst nicht aus, dass der Landtag, etwa im Fall einer vorübergehenden Unbenützbarkeit des Landtagssaals an einem anderen Ort in Vaduz einberufen wird. In der Geschichte des Landtags hat dieser seinen Standort in Vaduz wiederholt gewechselt.[99] Er befand sich von 1905 bis 2008 – von Unterbrechungen 1969/70 und 1989 bis 1996 abgesehen – im Regierungsgebäude in Vaduz[100] und verfügt seit 2008 über ein eigenes Gebäude mit Landtagssaal.B. Handlungsformen1. Beschlüsse des LandtagesDer Landtag in seiner Gesamtheit handelt in Form von Beschlüssen, für welche Art. 58 Abs. 1 LV grundsätzlich die absolute Stimmenmehrheit unter den anwesenden Mitgliedern verlangt sowie eine Anwesenheit von wenigstens zwei Dritteln der Mitglieder des Landtags.[101] Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende, bei Wahlen jedoch erst nach dreimaliger Abstimmung (Art. 58 Abs. 2 LV).Die Beschlüsse des Landtags können in verschiedene Kategorien unterteilt werden:2. Handlungsformen einzelner oder mehrerer Abgeordneter sowie von FraktionenVon den Beschlüsse des Landtages sind jene Handlungsformen zu unterscheiden, die einzelnen oder mehreren Abgeordneten sowie den Fraktionen zustehen. Sie können darauf abzielen, dass der Landtag einen Beschluss fasst, wie etwa bei der Einbringung von Initiativen. Sie können aber auch nur auf die Diskussion einer Angelegenheit, wie etwa bei der Einbringung einer Interpellation, abzielen:[103]
1) Der Landtag besteht aus 25 Abgeordneten, die vom Volke im Wege des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Stimmrechtes nach dem Verhältniswahlsystem gewählt werden. Das Oberland und Unterland bilden je einen Wahlbezirk. Von den 25 Abgeordneten entfallen 15 auf das Oberland und 10 auf das Unterland.Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteKeine Bestimmung der Verfassung Liechtensteins war so häufig Gegenstand von Novellierungen und von Diskussionen wie Art. 46 LV.[1] Dies verwundert insoweit nicht, als das Wahlsystem und das Wahlrecht eine der grundlegenden Fragen jeder modernen Staatsverfassung darstellen und es sich bei dieser Bestimmung um die zentrale Vorschrift der Verfassung zum Wahlrecht handelt.[2]A. Entwicklung bis 1939§ 55 KonV bestimmte, dass dem Landtag 15 Mitglieder angehörten.[3] Drei Abgeordnete wurden vom Fürsten aus dem Kreis der wahlberechtigten Bevölkerung ernannt, 12 Abgeordnete wurden im Rahmen indirekter Wahl durch Wahlmänner gewählt. 1878 erfolgte die Ergänzung, dass sieben Abgeordnete durch Wahlmänner des Oberlandes, fünf durch Wahlmänner des Unterlandes gewählt werden sollten.[4] Damit wurde die noch heute bestehende Einteilung in die Wahlkreise Oberland und Unterland grundgelegt.Die Wahlmänner wurden gemäss § 56 KonV ihrerseits in den einzelnen Gemeinden gewählt, sodass auf je 100 Einwohner zwei Wahlmänner aufzustellen waren. Ab einer Zahl, die 50 überstieg, wurde aufgerundet. Dieses Wahlrecht wurde Anfang des Jahres 1918 durch ein direktes Wahlrecht der 12 Abgeordneten (drei wurden weiterhin vom Landesfürsten ernannt) ersetzt.[5]Das aktive und passive Wahlrecht kam gemäss § 57 KonV allen Landesangehörigen männlichen Geschlechtes zu, welche im Vollgenusse bürgerlicher Rechte standen, das 24. Lebensjahr erreicht hatten, einen Beruf für sich auf eigene Rechnung betrieben und in Liechtenstein wohnhaft waren. Die Einschränkung auf den auf eigene Rechnung geführten Beruf entfiel 1878.[6]Im Zuge der Diskussion im Vorfeld der Verfassung von 1921 bildete das Wahlrecht einen besonders umstrittenen Punkt: Der Entwurf Wilhelm Becks hatte einen zwanzigköpfigen Landtag vorgesehen, wobei drei Mitglieder auf Vorschlag der Regierung zu ernennen gewesen wären und im Oberland zehn Abgeordnete und drei Ersatzmänner, im Unterland sieben Abgeordnete und zwei Ersatzmänner gewählt worden wären (Art. 36 Entwurf Beck). Über den Wahlmodus schwieg sich der Entwurf ebenso aus wie der Verfassungsentwurf Prinz Karls, der lediglich vorsah, dass der Landtag fünfzehn Abgeordnete aufweisen sollte, und die weiteren Fragen an die Wahlordnung delegierte (§ 36).Die Regierungsvorlage Peer sah den Grundsatz des „Proportionalwahlrechtes“ vor, das auf einfachgesetzlicher Ebene zu konkretisieren gewesen wäre. Weiterhin sollte es je einen Wahlkreis Oberland und Unterland geben. Bemerkenswerterweise wäre die Zahl der Landtagsabgeordneten nicht konkretisiert worden, sondern lediglich die unbestimmte Vorgabe enthalten gewesen, dass diese im Verhältnis zur Bevölkerungszahl festzusetzen wäre.Im Bericht der Verfassungskommission[7] wird ausgeführt, dass „§ 46 in der jetzigen Fassung abgelehnt“ werde. Stattdessen wurde eine Volksabstimmung vorgeschlagen, wonach die Stimmberechtigten darüber entscheiden sollten, ob Zu einer solchen Volksabstimmung oder Volksbefragung kam es jedoch nicht. Vielmehr einigte man sich am 2. August 1921 in einer Unterredung der (meisten) Landtagsabgeordneten mit Prinz Franz darauf, dass die fünfzehn Mitglieder des Landtages in den beiden Wahlkreisen Oberland (neun Abgeordnete) und Unterland (sechs Abgeordnete) zu wählen seien. Jede Gemeinde mit mindestens 300 Einwohnern sollte im Landtag durch einen Abgeordneten vertreten sein.[8]Die am 24. August 1921 im Landtag schliesslich beschlossene Regelung sah in Art. 46 LV vor, dass der Landtag aus fünfzehn Abgeordneten bestehen sollte, die im Wege des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Stimmrechtes zu wählen sind. Das Oberland und Unterland bildeten je einen Wahlbezirk, wobei neun Abgeordnete auf das Oberland und sechs auf das Unterland zu entfallen hatten. Das Gesetz, das die näheren Bestimmungen über die Durchführung dieses Artikels zu enthalten hatte, musste dafür Sorge tragen, dass jede Gemeinde mit wenigstens 300 Einwohnern durch einen ihrer Bürger im Landtag vertreten war.[9] Damit war im Grunde ein Mehrheitswahlsystem durch die Verfassung vorgegeben, nachdem bereits am 11. und 18. März 1918 Wahlen nach einem neuen, direkten Wahlrecht stattgefunden hatten.[10]Dieses führte in den kommenden Wahlen auch zu relativ klaren Mehrheitsverhältnissen, nämlich 1922 zu einem Verhältnis von elf (Volkspartei) zu vier (Bürgerpartei),[11] 1926 zum Verhältnis neun (Volkspartei) zu sechs (Bürgerpartei), wobei in diesem Fall erstere alle Mandate im Oberland, letztere alle Mandate im Unterland errang.[12]1928 gab es vorzeitige Neuwahlen, bei welchen die Bürgerpartei 11, die Volkspartei lediglich noch vier Mandate errang.[13] Im Zuge einer Auseinandersetzung zwischen Bürgerpartei und Volkspartei über das Erfordernis von Neuwahlen im Jahre 1930 boykottierten Vertreter der Volkspartei den Landtag, sodass bis 1932 ein Einparteien-Landtag herrschte.[14]1932 wurde Art. 46 LV erstmals geändert: Jede Gemeinde des Landes mit wenigstens 300 Einwohnern hatte einen Abgeordneten zu wählen. Die restlichen Abgeordneten sollten von der Gesamtheit der Stimmberechtigten gewählt werden, wobei auf das Oberland neun, auf das Unterland sechs Abgeordnete zu entfallen hatten. Das Nähere hatte ein besonderes Gesetz zu regeln.[15]1939 erfolgte bereits die nächste Änderung und zwar dahingehend, dass nunmehr das Verhältniswahlsystem eingeführt und der Anspruch jeder Gemeinde mit über 300 Einwohnern, einen Abgeordneten zu stellen, beseitigt wurde.[16] Eingeführt wurde damals in Art. 22 Abs. 3 des Proporzgesetzes auch eine Sperrklausel in der Höhe von achtzehn Prozent (siehe dazu Kapitel I.B.). Dazu kam die Regelung in Art. 46 Abs. 1 LV, dass mit den fünfzehn Abgeordneten auch stellvertretende Abgeordnete in jedem Wahlbezirk gewählt werden sollten. Die Gesamtzahl der stellvertretenden Abgeordneten in einem Wahlkreis durfte die Zahl der Abgeordneten desselben nicht übersteigen. Die stellvertretenden Abgeordneten waren darüber hinaus nach dem Stärkeverhältnis der Parteien zuzuteilen.B. SperrklauselDie Frage einer Sperrklausel stellte sich auf der Grundlage des zwischen 1921 und 1939 geltenden Mehrheitswahlrechtes nicht. Vor dem Hintergrund drohender Infiltration des Landtages durch nationalsozialistisch orientierte Parteien wurde in Art. 22 Abs. 3 des Gesetzes vom 18. Januar 1939 über die Einführung des Verhältniswahlrechtes (Proporzgesetz) eine Sperrklausel von 18% im jeweiligen Wahlkreis festgelegt, die auch nach 1945 beibehalten wurde.[17]Mit StGH 1962/1 wurde Art. 22 Abs. 3 des Proporzgesetzes als verfassungswidrig aufgehoben, das Erfordernis eines Grundmandates (Art. 22 Abs. 4 und 7 Proporzgesetz), also die Erreichung der für die Zuteilung zumindest eines Mandates erforderlichen Wahlzahl, blieb dadurch jedoch erhalten, was in der Praxis ebenfalls eine erhebliche Sperrwirkung entfaltete.[18]1973 wurde die noch heute geltende Sperrklausel, die bis dahin nicht in der Verfassung geregelt war, in Art. 46 Abs. 3 LV verankert:[19] Die Mandatszuteilung erfolgt demnach unter Wählergruppen, die wenigstens acht Prozent der im ganzen Land abgegebenen gültigen Stimmen erreicht haben.[20]C. Frauenstimmrecht§ 57 KonV behielt das aktive und passive Wahlrecht den Liechtensteinischen Landesangehörigen männlichen Geschlechtes vor. Hingegen regelte die Verfassung von 1921 das aktive und passive Wahlrecht gar nicht, sondern verwies in Art. 46 Abs. 3 LV hinsichtlich der näheren Bestimmungen über die Durchführung der Wahlen auf ein einfaches Gesetz.[21]Erstmals im Jahre 1976 wurde die Verfassung durch den damaligen Art. 110bis LV dahingehend ergänzt, dass die Gemeinden durch Gemeindeversammlungsbeschlüsse Frauen das Wahl- und Stimmrecht auf Gemeindeebene zuerkennen konnten.[22]Auf Landesebene blieb bis zur Einführung des Frauenstimmrechts im Jahr 1984 das Wahlrecht ein solches der Männer.[23] Der Staatsgerichtshof judizierte dazu in StGH 1982/1-25,[24] dass die Einführung des Frauenstimmrechtes auf der Landesebene einer Verfassungsänderung bedürfte und berief sich dabei auch auf die Novellierung des Art. 110bis LV im Jahr 1976, woraus sich für den StGH ergab, dass von der Verfassung das Männerstimmrecht vorausgesetzt war.[25]Im Jahr 1984 wurde in einer Volksabstimmung der neue Art. 29 Abs. 2 LV angenommen, mit dem verankert wurde, dass in Landesangelegenheiten die politischen Rechte allen Landesangehörigen zustehen, die das 20. Lebensjahr vollendet, im Lande ordentlichen Wohnsitz haben und nicht im Wahl- und Stimmrecht eingestellt sind.[26]D. Weitere Änderungen1988 erfolgte die Erhöhung der Mandatszahl von fünfzehn auf 25.[27] Die Regelung über die stellvertretenden Abgeordneten wurde dahingehend geändert, dass jeder Wählergruppe auf jeweils drei Abgeordnete in einem Wahlbezirk ein stellvertretender Abgeordneter zusteht.Das Jahr 1994 brachte die Änderung, dass nunmehr Art. 46 Abs. 2 LV bestimmte, dass mit den 25 Abgeordneten in jedem Wahlbezirk auch stellvertretende Abgeordnete gewählt werden. Auf jeweils drei Abgeordnete in einem Wahlbezirk steht jeder Wählergruppe ein stellvertretender Abgeordneter zu, jedoch mindestens einer, wenn eine Wählergruppe in einem Wahlkreis ein Mandat erreicht.[28]1997 wurde die Unvereinbarkeitsbestimmung des Art. 46 Abs. 4 LV eingeführt, wonach die Mitglieder der Regierung und der Gerichte nicht gleichzeitig Mitglieder des Landtages sein können. Weiters erhielt die Verweisungsnorm des Art. 46 Abs. 5 LV ihre heutige Formulierung.[29]E. StimmpflichtDie derzeit in Art. 3 VRG verankerte Stimmpflicht war wohl in Art. 64 KonV, ist seit 1921 jedoch nicht mehr auf verfassungsrechtlicher Ebene geregelt. Die früher durch eine wenngleich in der Praxis kaum angewendete Strafbestimmung sanktionierte Verpflichtung zur Teilnahme an der Wahl ist in ihrem Verhältnis zum Prinzip der freien Wahl schon hinterfragt worden.[30] Heute fehlt im VRG die Rechtsgrundlage zur Verhängung von Bussen.[31]Auf Grund des Umstandes, dass das zeitnah zur Verfassung 1921 erlassene Gesetz betreffend die Ausübung der politischen Volksrechte in Landesangelegenheiten[32] in seinem Art. 4 eine solche Stimmpflicht ebenfalls vorsah, wird man davon ausgehen können, dass die Verfassung diese Verpflichtung vorgefunden und als eine – gewisse – Einschränkung der Wahlfreiheit auch akzeptiert hat. Dies gilt umso mehr, als auch während der Zeit der Konstitutionellen Verfassung Wahlpflicht geherrscht hatte.[33]Eine Verletzung des Art. 3 1. ZP EMRK, der die Freiheit der Wahl garantiert, wird in der Wahlpflicht nicht erblickt, zumal es die Möglichkeit gibt, sich der Wahl durch Abgabe eines ungültigen Stimmzettels zu enthalten.[34]II. Zusammensetzung des Landtages und WahlsystemA. Zahl der Abgeordneten und rechtliche StellungArt. 46 Abs. 1 LV legt die Zahl der Abgeordneten mit 25 fest. Es ist dem einfachen Gesetzgeber daher untersagt, diese Zahl zu über- oder unterschreiten. Eine Zusammensetzung des Landtages, die nicht aus 25 Abgeordneten bestünde, wäre verfassungswidrig.Aus Art. 46 Abs. 1 LV ergibt sich damit, dass der Gesetzgeber dafür Sorge tragen muss, dass im Falle der Vakanz eines Landtagsmandates während der Legislaturperiode, etwa durch Verzicht oder Tod eines Abgeordneten, ein neuer Abgeordneter berufen wird. Diesem Gebot trägt Art. 63 Abs. 2 VRG Rechnung, der für den Fall eines Rücktritts oder Mandatsverlusts bestimmt, dass das frei gewordene Mandat jener Person zufällt, die auf der jeweiligen Wahlliste unter den nicht gewählten Kandidaten am meisten Stimmen erhalten hat. Sind auf der betreffenden Liste keine nicht gewählten Kandidaten mehr vorhanden, so hat die Regierung Ergänzungswahlen anzuordnen (Art. 63 Abs. 4 VRG i.V.m. Art. 53 LV).[35]Mit dieser Festlegung wird allerdings nicht bestimmt, dass der Landtag nur dann beschlussfähig ist, wenn alle 25 Abgeordneten (gegebenenfalls unter Hinzurechnung der Ersatzmitglieder) anwesend wären. Gemäss Art. 58 LV ist nämlich für einen gültigen Beschluss des Landtages die Anwesenheit von mindestens zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten erforderlich, somit von siebzehn Abgeordneten. Gemäss Art. 49 Abs. 4 LV hat ein stellvertretender Abgeordneter bei Behinderung eines Abgeordneten seiner Wählergruppe an einzelnen oder mehreren aufeinanderfolgenden Sitzungen in Stellvertretung des verhinderten Abgeordneten mit Sitz und Stimme teilzunehmen. Gemäss Art. 53 LV hat ein Abgeordneter, wenn er bei der Landtagssitzung verhindert ist, unter Angabe des Hinderungsgrundes rechtzeitig darüber Anzeige zu erstatten.[36]Die Verfassung geht somit davon aus, dass Gründe vorliegen können, die verhindern, dass ein Abgeordneter an der Sitzung des Landtages teilnimmt. In diesem Sinne normiert Art. 22 der Geschäftsordnung des Landtags (GOLT) eine grundsätzliche Verpflichtung, an den Sitzungen des Landtags teilzunehmen. Vorbehalten bleibt eine Teilnahmeverhinderung aus wichtigem Grund. Als ein solcher gilt insbesondere die Abwesenheit auf Grund Krankheit oder eines anderen unvorhergesehenen und unabwendbaren Ereignisses.Die Abgeordneten des Landtages geniessen während der Dauer der Sitzungsperiode Immunität gemäss Art. 56 LV[37] und haben Anspruch auf Entschädigungen und Reisevergütungen gemäss Art. 61 LV.[38] Sie sind bei Abstimmungen an keinen Auftrag gebunden (Art. 57 Abs. 1 erster Satz LV) und für ihre Abstimmungen nicht verantwortlich, für die in den Sitzungen des Landtages und seiner Kommissionen gemachten Äusserungen sind nur gegenüber dem Landtag verantwortlich (Art. 57 Abs. 1 zweiter Satz LV).[39]Ausser durch Tod oder Rücktritt können Abgeordnete ihr Mandat während der Legislaturperiode aus folgenden Gründen verlieren:B. Verhältniswahlsystem1. Begriff und EntwicklungArt. 46 Abs. 1 LV verwendet den Begriff des „Verhältniswahlsystems“. Darunter wird allgemein ein Wahlsystem verstanden, das im Parlament den Anteil der Parteien an der Gesamtstimmenzahl repräsentativ abbildet.[40] Den Gegensatz zum Verhältniswahlsystem bildet die Mehrheitswahl, in welchem das Mandat in einem Wahlkreis jenem Abgeordneten zufällt, der die meisten Stimmen erzielt hat.[41]Der Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers ist auf Grund der geringen Determinierung durch die Verfassung beträchtlich: Er ist frei, „jene Art des Verhältnis-Wahlrechtssystems zu wählen und für die Zuteilung der Mandate jene Berechnungsmodalitäten festzulegen, die ihm als den Bedürfnissen und Gegebenheiten des Landes am besten entsprechend erscheint.“[42]Um einer Zersplitterung der parlamentarischen Vertretung durch Kleinparteien entgegen zu wirken, wird in vielen Verhältniswahlsystemen eine Zugangshürde (Sperrklausel) oder der Grundsatz, dass eine Partei in einem Wahlkreis zumindest ein Grundmandat erringen muss, verankert.[43]Wie sich aus der Darlegung unter Kapitel I. ergibt, herrschte in Liechtenstein zwischen 1921 und 1939 ein Mehrheitswahlrecht, das seither durch das Verhältniswahlrecht abgelöst ist. Zwischen 1939 und 1962 war dieses Verhältniswahlrecht durch eine auf einfachgesetzlicher Ebene in Art. 22 Abs. 3 des Proporzgesetzes fixierte hohe Sperrklausel von 18 Prozent der Stimmberechtigten (also nicht „nur“ der abgegebenen Stimmen) in seiner Wirkung erheblich eingeschränkt, sodass das Wahlrecht gegenüber dem Eintritt neuer Parteien extrem prohibitiv wirkte.Der Staatsgerichtshof anerkannte in StGH 1962/1,[44] dass die Vermeidung der Bildung von Splitterparteien ein Grundsatz ist, der beim Verhältniswahlrecht zu beachten sei. Er verwies darauf, dass dadurch, dass in einem Wahlkreis ein Grundmandat erreicht werden musste, um eine Vertretung im Landtag zu erlangen, und diesem Grundmandat durch die Wahlzahl (Division der in einem Wahlkreis abgegebenen gültigen Listenstimmen durch die Zahl der Abgeordneten erhöht um eins) nach dem damaligen Art. 22 des Proporzgesetzes bereits zufolge der Verfassung eine Sperrklausel innewohnte (im Oberland 10 Prozent und im Unterland 14,3 Prozent). Der Staatsgerichtshof erblickte keinen sachlichen Grund, über diese von der Verfassung vorgesehene Einschränkung des Verhältniswahlsystems hinauszugehen und hob den damaligen Art. 22 Abs. 3 des Proporzgesetzes auf.Die auf der Grundlage des geltenden Art. 46 Abs. 1 LV zu ermittelnde Wahlzahl liegt auf Grund der gegenüber 1962 deutlich erhöhten Zahl der Abgeordneten in den beiden Wahlkreisen von fünfzehn im Oberland und zehn im Unterland in ersterem Wahlkreis mit ca. 6,25% unter der heute geltenden Sperrklausel von (landesweit) acht Prozent in Art. 46 Abs. 3 LV, in letzterem Wahlkreis mit ca. 9% nominell darüber.[45] Da diese Sperrklausel in Verfassungsrang steht, stellt sich die Frage der Konformität mit dem Verhältniswahlsystem nicht.2. Gegenwärtige AusprägungDas in Art. 46 Abs. 1 LV verankerte Verhältniswahlsystem erfährt mehrere Einschränkungen und Modifikationen:Die konkrete Zuteilung der Mandate an die Wählergruppen erfolgt gemäss Art. 55 VRG zunächst dadurch, dass von der Gesamtzahl aller in einem Wahlkreis gültig abgegebenen Kandidaten- und Zusatzstimmen jene Stimmen abgezogen werden, die auf Wählergruppen entfallen sind, welche die acht Prozent-Hürde nicht erreicht haben. Die verbleibende Stimmenzahl wird sodann durch die um eins vermehrte Zahl der in diesem Wahlkreis zu wählenden Abgeordneten geteilt. Die auf die nächstfolgende ganze Zahl erhöhte Zahl ist die Wahlzahl.[48]Jeder Wahlliste werden so viele Mandate zugeteilt, als die Wahlzahl in der Zahl der für diese Wahlliste abgegebenen Kandidaten- und Zusatzstimmen enthalten ist (Grundmandatsverteilung).[49]Wenn sich aus dieser Berechnung nicht so viele Mandate ergeben, als Abgeordnete zu wählen sind, erfolgt unter den Wählergruppen, die die Sperrklausel überschritten haben, eine Restmandatsverteilung nach den Bestimmungen des Art. 56 VRG. Diese Zuteilung erfolgt nach dem sogenannten d‘Hondt’schen Wahlverfahren, in welchem die Reststimmen der jeweiligen Wählergruppen nebeneinander geschrieben werden, unter jede Reststimmenzahl die Hälfte, darunter ihr Drittel, ihr Viertel und nach Bedarf die weiterfolgende Zahl. Wird nur ein Restmandat vergeben, ist die Wahlzahl die grösste, bei zweien die zweitgrösste, bei drei zu vergebenden Restmandaten die drittgrösste Zahl der so angeschriebenen Zahlen. Jede Wählergruppe erhält so viele Restmandate, als die Wahlzahl in ihrer Reststimmenzahl enthalten ist. Wenn nach dieser Berechnung zwei Wählergruppen auf ein Restmandat den gleichen Anspruch haben, so hat jene Wählergruppe den Vorzug, bei welcher der nach Art. 57 VRG in Betracht kommende Kandidat die grössere Stimmenzahl aufweist. Bei gleicher Stimmenzahl entscheidet das Los.[50]Gemäss Art. 57 VRG sind nun von jeder Wahlliste so viele als gewählt zu erklären, als ihr Mandate zugeteilt worden sind, konkret jene Kandidaten, die am meisten Stimmen erhalten haben. Bei gleicher Stimmenzahl entscheidet die Reihung auf der Wahlliste. Die Wähler können dabei auf den amtlichen Stimmzetteln Streichungen oder Änderungen vornehmen (Art. 49a Abs. 1 VRG). Die Stimme kann aber nur für solche Kandidaten abgegeben werden, welche auf einem gültigen Wahlvorschlag (Wahlliste) stehen (Art. 49a Abs. 2 VRG). Dieses sogenannte Panaschieren ermöglicht es somit, Stimmen für Kandidaten anderer Wahllisten abzugeben.[51] Es gibt in Liechtenstein somit auch keine starren Wahllisten.Die Auswertung der Stimmzettel erfolgt entsprechend den Vorgaben des Art. 51 VRG. Demgemäss können pro Wahlzettel so viele Kandidatenstimmen abgegeben werden als Landtagsabgeordnete in dem betreffenden Wahlkreis zu wählen sind. Enthält ein Wahlzettel weniger gültige Kandidatenstimmen, als Landtagsabgeordnete im entsprechenden Wahlkreis zu wählen sind, gelten die fehlenden Stimmen als Zusatzstimmen für diejenige Wählergruppe, deren Bezeichnung auf dem Wahlzettel gedruckt ist.Diese nähere Ausgestaltung des Verhältniswahlsystems ist verfassungskonform: Wie der Staatsgerichtshof judiziert, regelt die Verfassung das Verhältniswahlsystem lediglich als Wahlmodus im Grundsatz und es ist dem Gesetzgeber überlassen, das Nähere festzulegen. Der Gesetzgeber ist demnach frei, „jene Art des Verhältniswahlrechtssystems zu wählen und für die Zuteilung der Mandate jene Berechnungsmodalitäten festzulegen, die ihm als den Bedürfnissen und Gegebenheiten des Landes am besten entsprechend erscheinen.“[52]3. WahlkreiseGemäss Art. 46 Abs. 1 LV zweiter Satz bilden das Oberland und das Unterland je einen Wahlbezirk. Diese Einteilung des Landes in zwei Wahlkreise, die eine gewisse föderale Komponente aufweist,[53] verdankt sich der historischen Entwicklung der beiden Landschaften Vaduz und Schellenberg.[54]Die Zuteilung der Mandate erfolgt gesondert und ausschliesslich in den beiden Wahlkreisen (Art. 56 VRG). Es gibt also kein Reststimmenverfahren auf Landesebene, in welchem Mandate, die in den beiden Wahlkreisen im Verfahren gemäss Art. 55 VRG nicht vergeben werden können, zur Verteilung gelangen.Art. 46 Abs. 1 zweiter Satz LV würde ein solches landesweites Reststimmenverfahren an sich wohl noch nicht ausschliessen. Das landesweite Reststimmenverfahren könnte aber nicht dafür Sorge tragen, dass das Oberland 15 Abgeordnete und das Unterland 10 Abgeordnete stellt, wie dies von Art. 46 Abs. 1 dritter Satz LV angeordnet wird, weil dabei die Reststimmen in den beiden Wahlkreisen (vgl. Art. 56 Abs. 2 VRG) landesweit zusammengezählt würden. Aus diesem Grund judizierte der Staatsgerichtshof denn auch, dass nicht nur die Bildung eines einheitlichen Wahlbezirkes für das ganze Land ausgeschlossen sei, sondern auch jegliche gegenseitige Rücksichtnahme auf die Ermittlung der Mandatsverteilung, z.B. in einem zweiten Ermittlungsverfahren.[55]Der Umstand, dass im Oberland ca. 65% der liechtensteinischen Bevölkerung, im Unterland ca. 35% leben, jedoch das Unterland 40% Anteil an den Landtagsmandaten hat, führt nicht nur zu einer Privilegierung des Unterlandes, was das Repräsentationsverhältnis betrifft,[56] sondern kann dazu führen, dass eine Partei trotz niedrigerem Anteil an der Gesamtstimmenzahl als eine andere Partei im Landtag eine Mehrheit an Abgeordneten erlangt, was demokratiepolitisch kritisch ist.[57]III. WahlrechtsgrundsätzeA. Allgemeine BemerkungenArt. 46 Abs. 1 erster Satz LV formuliert die Wahlrechtsgrundsätze des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Stimmrechtes.[58] Ihre Verankerung in der Verfassung ist eine wichtige Garantie freier Wahlen nach demokratischen Grundsätzen. Die Wahlrechtsgrundsätze stehen in einem engen Zusammenhang mit den politischen Rechten, die Art. 29 LV gewährleistet, aber auch mit dem Gleichheitsgrundsatz.[59] Hinsichtlich der politischen Rechte ist somit auf die Kommentierung zu dieser Bestimmung zu verweisen.Allerdings ist es erforderlich, die internationalen Garantien betreffend das demokratische System zu behandeln:Art. 3 1. ZP EMRK enthält mit seiner Formulierung, wonach sich die Vertragsparteien verpflichten, in angemessenen Zeitabständen freie und geheime Wahlen unter Bedingungen abzuhalten, die die freie Äusserung der Meinung des Volkes bei der Wahl der gesetzgebenden Organe gewährleisten, nach heutigem Verständnis die Kerngarantie eines demokratischen Systems.[60] Es handelt sich dabei, obwohl dem Wortlaut zufolge eine ausschliessliche Staatenverpflichtung, um ein individuelles Recht des Einzelnen auch hinsichtlich der Einrichtung demokratischer Strukturen.[61] Der Umstand, dass die EMRK freie Wahlen zu den gesetzgebenden Körperschaften garantiert, beinhaltet auch, dass ein System, in dem der Regierungschef die Möglichkeit hat, durch Verordnungen ohne parlamentarische Zustimmung zu regieren, ausgeschlossen ist.[62] Die Tatsache, dass das Staatsoberhaupt, wie dies in einer Monarchie der Fall ist, nicht gewählt wird, wird hingegen nicht als mit Art. 3 1. ZP EMRK unvereinbar betrachtet.[63]Ähnliche Garantien enthalten Art. 21 der Allgemeinen Menschenrechtserklärung und Art. 25 UNO-Pakt II.[64] Sie sind vermöge Art. 15 Abs. 2 StGHG ebenfalls als individuelle Rechte „einklagbar“. Allerdings verlangt auch Art. 25 UNO-Pakt II kein spezifisches Demokratiemodell. So stellt es keine Verletzung von Art. 25 lit. a UNO-Pakt II dar, wenn das Staatsoberhaupt durch monarchische Erbfolge bestimmt wird.[65]Der Gesetzgeber kann die Einzelheiten der Ausübung des Wahlrechtes regeln, muss dabei aber sachlich vorgehen. Dies gilt insbesondere, wenn Altersgrenzen für das Wahlrecht oder bestimmte Regelungen betreffend die Wahlunfähigkeit erlassen werden.[66]B. Allgemeines WahlrechtUnter einem allgemeinen Wahlrecht ist ein solches zu verstehen, das den Zugang zum aktiven und passiven Wahlrecht unabhängig von Geschlecht und wirtschaftlicher Position gewährleistet. Es verhindert, dass bestimmte Gruppen der Bevölkerung im Wahlrecht eingeschränkt bzw. vom aktiven und passiven Wahlrecht ausgeschlossen werden.[67] Objektive Zugangsbeschränkungen wie der Vorbehalt für liechtensteinische Staatsangehörige, ein bestimmtes Wahlalter, die Anknüpfung an einen Wohnsitz im Lande oder die gerichtliche Anordnung der Einstellung im Stimmrecht wegen Urteilsunfähigkeit sind damit allerdings vereinbar.[68] Unzulässig wäre allerdings ein Wahlrechtsausschluss aus Gründen der Rasse, der Sprache, des Berufes, der Konfession oder der politischen Überzeugung.[69] Eine Anknüpfung des VRG an die Ausübung eines Berufes, wie dies noch § 57 KonV angeordnet hatte, wäre verfassungswidrig.[70]Gemäss Art. 1 Abs. 1 VRG sind in Landesangelegenheiten[71] aktiv und passiv wahl- und stimmberechtigt alle Landesangehörigen, die das 18. Lebensjahr vollendet und seit einem Monat vor der Wahl oder Abstimmung im Lande ordentlichen Wohnsitz haben.[72] Gemäss Abs. 2 behalten Personen, die sich zum Besuch einer Lehranstalt oder zu zeitweiliger Arbeit wie Saisonarbeit im Ausland aufhalten oder vorübergehend in einer ausländischen Heilanstalt untergebracht sind, wenn sie die übrigen Voraussetzungen erfüllen, ihr Stimmrecht bei. Die Einschränkung des aktiven und passiven Wahlrechts auf die Vollendung des 18. Lebensjahres sowie auf die liechtensteinische Staatsangehörigkeit ist zweifellos verfassungskonform und steht auch mit Art. 3 1. ZP EMRK in keinem Spannungsverhältnis.[73] Eine andere Frage ist, ob dies auch hinsichtlich des Erfordernisses eines ordentlichen Wohnsitzes[74] im Land gilt, wodurch Personen mit liechtensteinischer Staatsangehörigkeit, die im Ausland leben, generell vom Wahlrecht ausgeschlossen sind.[75] Die Verfassungskonformität ist schon deshalb zu bejahen, weil diese Rechtslage von der Verfassung 1921 vorgefunden wurde und weil Art. 29 LV die politischen Rechte mit einem ordentlichen Wohnsitz im Land verknüpft.[76]Der EGMR hat mehrfach, auch in einem Liechtenstein betreffenden Fall,[77] allerdings den Mitgliedstaaten der Konvention einen grossen Ermessensspielraum bei der Ausgestaltung des aktiven und passiven Wahlrechts zugestanden und fordert im Hinblick auf Art. 3 1. ZP EMRK nach wie vor kein Wahlrecht jener Staatsangehörigen, die im Ausland wohnen.[78]Art. 2 Abs. 1 VRG regelt auf einfachgesetzlicher Ebene den Ausschluss vom Wahlrecht und damit auch im Gegenzug die konkrete Ausgestaltung des allgemeinen Wahlrechts.[79]Vom Stimmrecht ist demnach ausgeschlossen, wer: a) kraft Gesetzes im Stimmrecht eingestellt ist; b) in Bezug auf Wahlen und Abstimmungen urteilsunfähig ist, soweit der Ausschluss vom Stimmrecht gerichtlich angeordnet ist (Art. 131a ff. AussStrG)[80]; c) durch ein inländisches Gericht unter Zugrundelegung der Umstände des Einzelfalls rechtskräftig verurteilt wird: 1. zu einer nicht bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer strafbaren Handlung: aa) nach dem 14., 15., 16., 17., 18., 24. oder 25. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches; bb) nach den §§ 278a bis 278d des Strafgesetzbuches; cc) in Zusammenhang mit einer Wahl oder Abstimmung nach dem 22. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches; oder 2. zu einer nicht bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren wegen einer sonstigen mit Vorsatz begangenen strafbaren Handlung.Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des EGMR[81] ist eine generelle und undifferenzierte Verweigerung des Wahlrechts für Strafgefangene nicht mit der Bedeutung der politischen Rechte zu vereinbaren Art. 2 Abs. 1 lit. c VRG dürfte der EMRK allerdings deshalb nicht widersprechen, weil das Gericht nur unter Zugrundelegung des Einzelfalls einen Ausschluss vornehmen kann.[82]C. Gleiches WahlrechtDieser Wahlrechtsgrundsatz beinhaltet, dass jede Stimme grundsätzlich gleich zählt und alle Stimmberechtigten ihr Wahlrecht in gleicher Weise ausüben dürfen.[83] Das Prinzip der Wahlgleichheit umfasst sowohl das aktive als auch das passive Wahlrecht.[84]Dem gleichen Stimmrecht steht nicht entgegen, dass sich auf Grund der Wahlarithmetik Unterschiede in der Auswirkung einer Stimmabgabe für die eine oder andere Partei ergeben können. Die Aufteilung der Mandate auf die beiden Wahlkreise Oberland und Unterland mit der damit verbundenen Privilegierung des Unterlandes, die, wie dargelegt, dazu führt, dass das Repräsentationsverhältnis im Oberland ein ungünstigeres ist,[85] ist verfassungsrechtlich vorgegeben.[86] Es wäre ansonsten wohl nicht mit dem gleichen Wahlrecht vereinbar.[87]Die sogenannte Wahlberechtigungsgleichheit kann auch als Ausprägung des allgemeinen Wahlrechts verstanden werden, wird aber verschiedentlich als Teil des gleichen Wahlrechtes betrachtet.[88] So judizierte auch der Staatsgerichtshof, dass nach allgemein anerkannter Lehre und Praxis unter gleichem Stimmrecht in erster Linie zu verstehen sei, dass jedem zur Wahl zugelassenen Aktivbürger ohne Rücksicht auf Rasse, Religionszugehörigkeit, Beruf, Vermögen, Ausbildung oder politischer Einstellung das Stimmrecht zustehe, sodass ein Aktivbürger aus diesen Gründen nicht von der Wahl ausgeschlossen sei.[89]Ein sogenanntes Familienwahlrecht, das es den Wahlberechtigten erlauben würde, das Stimmrecht auch ihrer noch nicht stimmberechtigten Kinder gleichsam treuhänderisch auszuüben, wäre mit dem gleichen Stimmrecht nicht vereinbar und bedürfte einer verfassungsrechtlichen Verankerung.[90]D. Das Prinzip der geheimen WahlNach dem Prinzip der geheimen Wahl hat der Bürger die Garantie, dass seine Wahlentscheidung geheim bleibt.[91] Dadurch sollen auch mögliche Benachteiligungen, die er durch Bekanntwerden seiner Wahlentscheidung erfahren könnte, ausgeschlossen werden.[92]Das Prinzip der geheimen Wahl erstreckt sich auch auf die Wahlvorbereitungen sowie auf die Zeit nach den Wahlen und bezieht sich damit nicht nur auf den Wahlakt.[93] Verletzungen des Wahl- oder Abstimmungsgeheimnisses sind gemäss § 268 StGB gerichtlich strafbar.Aus der Garantie der geheimen Wahl ergibt sich eine Verpflichtung des Staates, für geheime Wahlen zu sorgen. Dementsprechend sieht Art. 49 Abs. 2 VRG vor, dass im Wahllokal Wahlkabinen aufzustellen sind, die dem Stimmbürger ermöglichen, den Stimmzettel unbeaufsichtigt auszufüllen. In den Wahlkabinen sind genügend amtliche Stimmzettel aufzulegen (Art. 49 Abs. 3 VRG).Die Abgabe eines Stimmzettels an der Wahlurne, der nicht in einem Kuvert eingelegt ist, ist zurückzuweisen (Art. 49 Abs. 1 VRG). Stimmzettel, die Zeichen zum offenkundigen Zweck einer Kontrolle enthalten, sind zurückzuweisen (Art. 52 lit. d VRG).[94]Allerdings erfährt das Prinzip der geheimen Wahl Einschränkungen, deren Verfassungskonformität bisher wenig diskutiert wurde:Das Erfordernis von Unterstützungserklärungen und damit verbunden die Prüfung der Echtheit von Unterschriften ist zweifellos eine sachlich begründete Einschränkung des geheimen Wahlrechts. Fraglich ist allerdings, ob es geboten ist, dass die Unterstützungserklärungen einem Einsichtsrecht unterliegen.[95]Eine gewichtigere Einschränkung erfährt die geheime Wahl durch die briefliche Stimmabgabe (Art. 5, 8 und 8a VRG). Dadurch, dass den Stimmberechtigten ermöglicht wird, den Stimmzettel ausserhalb der Wahlkabine auszufüllen, wird die Garantie des geheimen Wahlrechts vom Staat auf die Privatperson übertragen. Sie ist somit beim Ausfüllen des Stimmzettels selbst für die Einhaltung des Wahlgeheimnisses verantwortlich, kann aber verschiedenen familiären oder politisch bedingten Einflussnahmen ausgesetzt sein. Aus diesem Grund hat der österreichische Verfassungsgerichtshof die Briefwahl vor ihrer bundesverfassungsrechtlichen Verankerung als verfassungswidrig betrachtet.[96] Hingegen beurteilte das deutsche Bundesverfassungsgericht die Briefwahl – freilich keineswegs vorbehaltlos – als verfassungskonform.[97]Der BuA Nr. 50/1996 setzte sich anlässlich der Einführung der Briefwahl in Liechtenstein[98] damit auseinander:[99] Er verwies auf die einschlägige Judikatur des österreichischen Verfassungsgerichtshofes wie auf jene des Bundesverfassungsgerichts und gelangte zur zutreffenden Auffassung, dass es letztlich darum gehe, „inwieweit der Staat dem Wähler die Verantwortung für die Vorsorge für die Geheimhaltung seiner Stimmabgabe übertragen kann.“[100] Eine überzeugende Argumentation, weshalb die Regierung diese Frage bejahte, blieb der BuA allerdings schuldig. Affirmativ wird angefügt, dass auf Grund der nach der damaligen Rechtslage vorgesehenen Einschränkung der Ausübung des Briefwahlrechtes auf (freilich nicht näher präzisierte) Gründe,[101] die im schriftlichen Gesuch an die Gemeinde, brieflich abzustimmen zu dürfen, anzugeben waren, „der Anteil derjenigen, die brieflich abstimmen können, gering gehalten“ werde.[102]Diese Einschränkung der Briefwahl wurde indessen mit LGBl. 2004 Nr. 235 aufgehoben. Seither steht es den Stimmberechtigten völlig frei, ob sie von ihrem Wahlrecht an der Urne oder durch Briefwahl Gebrauch machen wollen. Dieser Änderung war ein Postulat vom 20. Oktober 1999 vorangegangen, in welchem die Regierung aufgefordert worden war, die Öffnung des Briefwahlrechtes zu prüfen und dem Landtag gegebenenfalls einen Vorschlag für eine Gesetzesnovellierung vorzulegen.In ihrer Postulatsbeantwortung[103] setzte sich die Regierung nochmals mit der Judikatur des österreichischen Verfassungsgerichtshofes auseinander. Sie argumentierte zutreffend, dass der Begriff der „geheimen Wahl“ unabhängig vom Verständnis, das ihm im österreichischen Recht zukomme, zu interpretieren sei. Die Postulationsbeantwortung führt im Weiteren aus, dass der Wortlaut von Art. 46 LV und der Wahlrechtsgrundsätze in Österreich (Art. 26 B-VG) lediglich ähnlich und nicht identisch sei und beruft sich etwas unpräzise[104] auf die in Österreich gängige Interpretationsmethode der Versteinerungstheorie, die auf den Entstehungszeitpunkt einer verfassungsrechtlichen Norm abstelle, während das „liechtensteinische Prinzip (…) eine harmonische Auslegung der einzelnen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter im Gesamtkontext der übrigen Verfassungsnormen“ verlange.[105] Schliesslich argumentierte die Postulatsbeantwortung mit der Offenheit der Verfassung und dass es Sache des Gesetzgebers sei, sich von gewandelten Rechtsanschauungen und Bedürfnissen leiten zu lassen.[106] Der Schutz des Stimmberechtigten gegenüber der Einflussname sei auch dadurch abgesichert, dass die Ausübung von Druck durch Gewalt oder gefährliche Drohung den Tatbestand der Nötigung erfülle.[107]Der Argumentation der Regierung kann grundsätzlich gefolgt werden: Bei den Wahlrechtsgrundsätzen des Art. 46 LV handelt es sich trotz gewisser Ähnlichkeiten um keine aus dem österreichischen Recht rezipierten Vorschriften, die an das in Österreich vorherrschende Begriffsverständnis anknüpfen würden. Der Gesetzgeber hat bei der Frage, welche Garantenpflichten den Staat für die Gewährleistung der geheimen Wahl treffen, einen Gestaltungsspielraum. Er kann dabei auch die Tatsache berücksichtigen, dass in einem modernen Staat mit gefestigter demokratischer Ordnung den Stimmberechtigten ein gewisses Mass an Eigenverantwortung hinsichtlich der Einhaltung des Wahlgeheimnisses übertragen werden kann.[108] Unter diesen Erwägungen und angesichts der Tatsache, dass Art. 8 und 8a VRG Schutzvorkehrungen treffen, sodass keine Rückschlüsse auf das individuelle Stimmverhalten möglich sind, erweist sich die Briefwahl als verfassungskonform.[109] Dies gilt wohl auch für die elektronische Stimmabgabe, sofern die Kontrolle der Stimmberechtigung, das Stimm- und Wahlgeheimnis sowie die Erfassung aller Stimmen gewährleistet und Missbräuche ausgeschlossen bleiben, wie dies § 8b Abs. 2 VRG als gesetzliche Voraussetzung für die Genehmigung von Versuchen zur elektronischen Stimmabgabe verankert.[110]E. Direktes StimmrechtMit dem direkten Stimmrecht wird angeordnet, dass die Wahl der Landtagsabgeordneten unmittelbar durch das Volk und nicht über Wahlmänner wie in der Zeit der KonV zu erfolgen hat.[111] Unvereinbar mit dem Prinzip der direkten Wahl ist auch die sogenannte „stille Wahl“, die nach dem früheren Proporzgesetz[112] möglich war, wonach unter der Voraussetzung, dass nur ein Wahlvorschlag eingereicht war und die Zahl der vorgeschlagenen Kandidaten die Zahl der zu Wählenden nicht um mehr als sechs im Unterland bzw. um acht im Oberland überschritt, die Regierung die vorgeschlagenen Kandidaten der Reihe nach als gewählt erklären konnte.[113] In einem solchen Fall findet nämlich keine unmittelbare Wahl durch die Wähler statt.Dem Prinzip des direkten Stimmrechts wird durch die Bestimmungen der Art. 50 ff. VRG über die Ermittlung des Wahlergebnisses entsprochen.F. Die freie WahlNicht ausdrücklich positiviert, aber in den Wahlrechtsgrundsätzen[114] ebenso wie in Art. 29 LV, der die Ausübung der politischen Rechte garantiert,[115] impliziert ist das Prinzip der freien Wahl, wonach der Wahlberechtigte sein Wahlrecht frei, ohne Zwang oder Beeinflussung von aussen, ausüben können soll.[116] Auf internationaler Ebene ist die Freiheit der Wahl durch Art. 25 UNO-Pakt II sowie Art. 3 1. ZP EMRK garantiert.[117]Der Grundsatz der Freiheit der Wahl garantiert aber nicht nur eine Wahlrechtsausübung ohne Zwang oder sonstige unzulässige Beeinflussung, der Wähler muss bei der Ausübung seines Stimmrechtes auch zwischen echten Alternativen entscheiden können (Auswahlfreiheit).[118] Im Zusammenhang mit der Freiheit der Wahl steht auch das Neutralitätsgebot des Staates, also aller staatlichen Organe, bei Wahlen, was insbesondere für staatliche Informationskanäle gilt.[119]Die freie Wahl beinhaltet nicht nur, dass die Stimmberechtigten ihr Stimmrecht frei ausüben dürfen, sondern schützt auch die Wahlbewerber.[120] Freiheit der Wahl bedeutet auch Freiheit in der Erstellung einer Wahlliste. Unter diesem Aspekt wäre etwa die Verpflichtung einer Quotenregelung durch den einfachen Gesetzgeber wohl verfassungswidrig.[121] Zur Freiheit der Wahl gehört auch der Schutz der Parteibezeichnung, um Verwechslungen wahlwerbender Gruppen nach Möglichkeit auszuschliessen.[122] Weiters gehört zur Freiheit der Wahl die Chancengleichheit für einzelne Kandidaten wie auch für Parteien bei der Wahl.[123] Wahlen sollen nämlich „auch neuen Wählergruppierungen und Aussenseitern echte Chancen“ einräumen.[124] Das Element der Chancengleichheit ist allerdings durch die in Verfassungsrang stehende, im internationalen Vergleich hohe Sperrklausel (siehe dazu näher die Ausführungen unter Kapitel VI.) eingeschränkt. Zur Freiheit der Wahl gehört schliesslich, dass niemand gegen seinen Willen in einen Wahlvorschlag aufgenommen werden darf.[125] In diesem Sinne ist gemäss Art. 43 Abs. 1 VRG gemeinsam mit der Einreichung der Wahlvorschläge der Regierung eine Annahmeerklärung der Kandidaten vorzulegen, in der sie festhalten, die Kandidatur anzunehmen.[126]Die Bestimmungen des VRG über die Zusammensetzung der Wahl- oder Abstimmungskommissionen auf Gemeinde- und auf Landesebene mit ihrer paritätischen Besetzung[127] sowie die Sicherungsmassnahmen[128] dienen der Absicherung der freien Wahl ebenso wie das Rechtsschutzsystem (dazu näher unter Kapitel IV. C.).[129] Gemäss Art. 88 und 89 VRG werden zudem bestimmte Verhaltensweisen wie „Abstimmungsagitation“ (Art. 89) oder die Störung von Versammlungen (vgl. Art. 88 Abs. 2 lit. k) unter Strafandrohung gestellt.Die Freiheit der Wahl wird auch durch das Strafrecht geschützt.[130] Unter Strafe gestellt sind demnach bei einer Wahl oder Abstimmung die Wahlbehinderung (§ 262 StGB), die Täuschung (§ 263 StGB), das Verbreiten falscher Nachrichten (§ 264 StGB), die Bestechung (§ 265 StGB), die Fälschung (§ 266 StGB), die Verhinderung einer Wahl oder Abstimmung (§ 267 StGB) sowie die Verletzung des Wahl- oder Abstimmungsgeheimnisses.IV. Das WahlverfahrenA. Verfahren der ListenerstellungGemäss Art. 36 Abs. 1 VRG hat die Regierung gleichzeitig mit der Festsetzung des Wahltermins durch öffentliche Kundmachung zur Einreichung von Wahlvorschlägen für den jeweiligen Wahlkreis aufzufordern. Die Einreichung der Wahlvorschläge hat binnen 14 Tagen schriftlich zu erfolgen. Jeder Wahlvorschlag darf nur Kandidaten eines Wahlkreises enthalten und muss von wenigstens 30 Stimmberechtigten desselben Wahlkreises eigenhändig unterschrieben sein (Art. 37 Abs. 1 und 2 VRG).[131] Wie die Kandidaten nominiert werden und ob dabei bestimmte Grundsätze (z.B. Geschlechter- und Altersrepräsentation) eingehalten werden müssen, darüber macht die Rechtsordnung keine Vorschriften.[132]Jeder Wahlvorschlag muss als Überschrift die Bezeichnung der Wählergruppe tragen (Art. 40 Abs. 1 VRG).[133] Für den Fall, dass mehrere Wahlvorschläge mit der gleichen Bezeichnung oder Wahlvorschläge ohne Bezeichnung eingegeben werden, hat die Regierung den Bevollmächtigten der Unterzeichner einzuladen, innerhalb von zwei Tagen bei sonstiger Ungültigkeit des Wahlvorschlags für leicht unterscheidbare Bezeichnungen der Wahlvorschläge Sorge zu tragen. Parteibezeichnungen bereits bestehender Parteien dürfen für neue Wählergruppen nicht verwendet werden. Im Streitfall hat die Regierung zu entscheiden (Art. 40 Abs. 2 VRG).Diese Bestimmungen sind für die Freiheit der Wahl von zentraler Bedeutung.[134] Geschützt werden bestehende Parteien vor einer Verwendung ihres Parteinamens durch eine neue Gruppierung. Andererseits dürfen neue Gruppierungen grundsätzlich unter jedem beliebigen Parteinamen antreten, sofern nicht Wahlvorschläge mit gleicher Bezeichnung vorliegen. Aus der Formulierung des Art. 40 Abs. 2 erster Satz VRG, wonach die Regierung für leicht unterscheidbare Bezeichnungen der Wahlvorschläge Sorge zu tragen hat, wird man ableiten können, dass die Regierung auch bei Vorliegen zwar nicht identischer, aber weitgehend ähnlicher Bezeichnungen einzuschreiten hat.Ein nach den Bestimmungen der Art. 42 bis 46 VRG erstellter Wahlvorschlag, der u.a. die Bezeichnung aller Kandidaten zu enthalten hat, heisst Wahlliste. An dieser darf nichts mehr geändert werden (Art. 47 Abs. 1 VRG).B. WahlverfahrenZur Vornahme der Wahl dürfen nur amtliche Stimmzettel Verwendung finden. Nicht amtlich vorgedruckte Stimmzettel sind ungültig (Art. 48 Abs. 1 VRG). Amtliche Stimmzettel müssen auch in den Wahlkabinen für jede Wahlliste in ausreichender Zahl aufliegen (Art. 48 Abs. 2 VRG), wodurch der geheimen Wahl Rechnung getragen wird, weil es dadurch den Stimmberechtigten jedenfalls möglich ist, an Stelle des postalisch übermittelten Stimmzettels in der Wahlkabine den dort aufliegenden Stimmzettel auszufüllen.Der Wahlvorgang kann sowohl an der Urne (Art. 49 VRG) als auch mittels Briefwahl (Art. 8a VRG) erfolgen.Die Stimmberechtigten können an den amtlichen Stimmzetteln Streichungen oder Änderungen vornehmen (siehe auch die Ausführungen unter II. B. 2), die Stimme kann jedoch nur für solche Kandidaten abgegeben werden, welche auf einem gültigen Wahlvorschlag stehen (Art. 49a Abs. 2 VRG).Die Stimmberechtigten können so viele Kandidatenstimmen vergeben wie im betreffenden Wahlkreis zu wählen sind.[135] Enthält ein Wahlzettel weniger gültige Kandidatenstimmen als Landtagsabgeordnete in diesem Wahlkreis zu wählen sind, so gelten die fehlenden Stimmen als Zusatzstimmen für diejenige Wählergruppe, deren Bezeichnung auf dem Wahlzettel gedruckt ist.[136] Enthält der Stimmzettel dagegen mehr Namen als Wahlen zu treffen sind, so sind die überzähligen Namen von unten nach oben zu streichen (Art. 51 Abs. 2 und 3 VRG).[137] Die Gültigkeit der Stimmabgabe bzw. des Stimmzettels wird in verschiedenen weiteren Bestimmungen des VRG geregelt (siehe Art. 8a Abs. 3 VRG hinsichtlich der brieflichen Stimmabgabe, Art. 48 Abs. 1 VRG hinsichtlich der Verwendung nicht amtlich vorgedruckter Stimmzettel) sowie in Art. 51 VRG hinsichtlich der Prüfung der Stimmzettel. In letzterem Fall gilt als Grundsatz, dass die Stimmgebung als gültig zu betrachten ist, wenn über den Inhalt derselben keine begründeten Zweifel walten können.Die Zuteilung der Mandate an die Wählergruppen erfolgt in der Weise, dass von der Gesamtzahl aller in einem Wahlkreis gültig abgegebenen Kandidaten- und Zusatzstimmen vorerst jene Stimmen abgezogen werden, die auf Wählergruppen entfallen sind, welche nicht 8% der im ganzen Land abgegebenen gültigen Stimmen erreicht haben. Die verbleibende Stimmenzahl wird sodann durch die um eins vermehrte Zahl der zu wählenden Abgeordneten mit Ausschluss der stellvertretenden Abgeordneten geteilt und das Teilungsergebnis in jedem Fall auf die nächstfolgende ganze Zahl erhöht. Die so ermittelte Zahl bildet die Wahlzahl (Art. 55 Abs. 1 und 2 VRG).[138]Jeder Wahlliste, die die Sperrklausel überschritten hat, wird so viel mal ein Abgeordneter zugeteilt, als die Wahlzahl in der Zahl der für diese Wahlliste abgegebenen Kandidaten- und Zusatzstimmen enthalten ist (Grundmandatsverteilung, Art. 55 Abs. 3 VRG).Werden auf diesem Wege nicht alle Mandate, die im jeweiligen Wahlkreis zu vergeben sind, verteilt, erfolgt die Zuteilung der Reststimmen (Art. 56 VRG) nach dem sogenannten d‘Hondt’schen Wahlverfahren.Die Mandate erringen jene Kandidaten, die die meisten Stimmen erhalten haben (Art. 57 Abs. 1 VRG).C. RechtsschutzEs gibt verschiedene Möglichkeiten, dass im Wahlverfahren Unstimmigkeiten auftreten: etwa indem ein an sich Stimmberechtigter nicht im Stimmregister aufscheint oder dass es im Ablauf der Wahl oder bei der Auszählung zu Rechtswidrigkeiten kommt. Für diese Fälle stehen unterschiedliche Rechtsschutzinstrumente bereit.1. StimmrechtsbeschwerdeGemäss Art. 9 VRG hat jede Gemeinde ein Stimmregister als Verzeichnis der Stimmberechtigten zu führen. Dieses ist spätestens vier Wochen vor der Wahl oder Abstimmung während drei Tagen öffentlich zur Einsicht aufzulegen. Innerhalb der Auflagefrist kann ein Stimmberechtigter wegen Nichtaufnahme oder wegen Aufnahme von vermeintlich Nicht-Stimmberechtigten bei der Gemeindevorstehung schriftlich oder mündlich Einsprache erheben. Die Gemeindevorstehung hat darüber unverzüglich zu entscheiden (Art. 11 VRG).Diese Entscheidungen können wiederum binnen drei Tagen bei der Regierung angefochten werden, die ebenfalls unverzüglich zu entscheiden hat (Art. 12 VRG). Dagegen kann innerhalb von drei Tagen nach Zustellung Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof geführt werden, der seine Entscheidung noch vor Beginn der Stimmabgabe zu fällen hat (Art. 13 VRG).[139] Wegen Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten könnte dagegen wiederum Beschwerde an den Staatsgerichtshof erhoben werden.[140]2. WahlanfechtungArt. 64 VRG regelt die Wahlanfechtung (vgl. Art. 104 Abs. 2 letzter Satz LV).[141] Demnach ist gegen die Wahlen in einem Wahlkreis oder im ganzen Land oder gegen die Wahl eines oder mehrerer Abgeordneter oder stellvertretender Abgeordneter die Wahlbeschwerde bei der Regierung einzubringen. Diese ist von einer Wählergruppe durch ihren Bevollmächtigten einzubringen. Daraus ergibt sich, dass eine Wahlanfechtung durch andere Personen als durch eine Wählergruppe nicht möglich ist. Die Wahlbeschwerde ist binnen drei Tagen nach der Wahl bei der Regierung anzumelden, wobei der Wahltag bei der Fristberechnung nicht zählt (Art. 64 Abs. 5 VRG).[142]Anfechtungsgründe sind:a) zwingende Gesetzesvorschriften nicht eingehalten wurden oderb) gesetzeswidrige Einwirkungen oderc) strafbare Umtriebe oderd) grobe Unregelmässigkeiten stattgefunden haben, vorausgesetzt, dass diese Tatbestände auf das Wahlergebnis einen erheblichen Einfluss gehabt haben oder haben konnten (Art. 64 Abs. 3 VRG).Haben ein oder mehrere Nicht-Stimmberechtigte als Wähler teilgenommen oder wurden mehrere Stimmberechtigte von der Teilnahme an der Wahl rechtswidrig ausgeschlossen, so bleibt die Wahl gültig, wenn die dadurch entstehende Differenz in der Stimmenzahl keinen Einfluss auf das Wahlergebnis hat; ist dieses aber der Fall, so ist die Wahl nichtig (Art. 64 Abs. 4 VRG).Die Regierung hat die Beschwerdeschrift mit den vorliegenden Wahlakten unverzüglich dem Staatsgerichtshof zu übermitteln (Art. 64 Abs. 6 VRG).[143] Das Verfahren vor dem Staatsgerichtshof richtet sich nach den Bestimmungen des StGHG.Eine Wahlanfechtung mittels Individualbeschwerde gemäss Art. 15 Abs. 1 StGHG ist hingegen nicht zulässig, da kein an eine Einzelperson gerichteter Akt vorliegt.[144] Ehrenzeller/Brägger thematisieren die Vereinbarkeit dieser Rechtslage mit Art. 13 EMRK i.V.m. Art. 3 1. ZP EMRK freilich als zweifelhaft.[145] Gemäss Art. 13 EMRK hat nämlich jede Person, die in ihren in dieser Konvention anerkannten Rechten verletzt ist, das Recht, bei einer innerstaatlichen Instanz eine wirksame Beschwerde zu erheben. Während ältere Meinungen aus Art. 3 1. ZP EMRK kein Recht auf eine individuelle Wahlbeschwerde ableiteten,[146] folgert der EGMR aus dem Recht auf freie Wahlen jedenfalls die Pflicht, auf substantiierten Antrag Einzelner hin die Einhaltung des aktiven und passiven Wahlrechts bei einer konkreten Wahl zu überprüfen.[147] Ob sich daraus allerdings die Notwendigkeit ergibt, eine generelle Wahlanfechtung durch Einzelpersonen zu ermöglichen, muss als zweifelhaft gelten.[148]3. Einsprache gegen die Unterzeichner eines WahlvorschlagsEin Rechtsschutzinstrument stellt im Übrigen die Möglichkeit der Einsprache gegen die Stimmberechtigung von Unterzeichnern eines Wahlvorschlags gemäss Art. 39 Abs. 2 VRG dar. Solche Einsprachen sind spätestens zwei Tage nach Ablauf der Auflagefrist der Wahlvorschläge bei der Regierung schriftlich einzureichen. Wenn sich aus den mit der Einsprache eingereichten Belegen mit Sicherheit hervorgeht oder wenn der Regierung bekannt ist, dass ein oder mehrere Unterzeichner nicht stimmberechtigt sind, oder wenn nachgewiesen ist, dass eine oder mehrere Unterschriften nicht echt sind, so hat die Regierung die Namen der betreffenden Unterzeichner zu streichen (Art. 39 Abs. 3 VRG).Die Regierung entscheidet endgültig (Art. 39 Abs. 7 VRG). Gegen diese Entscheidung kann der Rechtszug an den Verwaltungsgerichtshof beschritten werden.V. Das Rechtsinstitut des stellvertretenden AbgeordnetenIm internationalen Vergleich eher ungewöhnlich ist die Regelung des Art. 46 Abs. 2 LV, wonach die Stimmberechtigten auch stellvertretende Abgeordnete wählen. Auf jeweils drei gewählte Abgeordnete in einem Wahlbezirk steht jeder Wählergruppe ein stellvertretender Abgeordneter zu, jedoch mindestens einer, wenn eine Wählergruppe in einem Wahlkreis ein Mandat erreicht.[149]Wie der stellvertretende Abgeordnete bestimmt wird, darüber schweigt sich die Verfassung aus. Da der stellvertretende Abgeordnete offenkundig im Landtag tätig sein soll, muss er ebenso demokratisch legitimiert sein wie die übrigen Abgeordneten. Art. 60 Abs. 2 VRG bestimmt, dass als stellvertretende Abgeordnete diejenigen Kandidaten zu erklären sind, die auf der Wahlliste der betreffenden Wählergruppe unter den nicht gewählten Kandidaten die meisten Stimmen erhalten haben. Damit ist die erforderliche demokratische Legitimation hergestellt.[150]Die stellvertretenden Abgeordneten haben gemäss Art. 49 Abs. 4 LV bei Behinderung eines Abgeordneten ihrer Wählergruppe an einzelnen oder mehreren aufeinanderfolgenden Sitzungen in Stellvertretung des verhinderten Abgeordneten mit Sitz und Stimme teilzunehmen. Da die stellvertretenden Abgeordneten damit den eigentlich gewählten Abgeordneten ersetzen, ist das Kriterium der „Behinderung“ eng auszulegen.[151]Rechtspolitisch ist die Stellvertretung nicht unkritisch zu betrachten, da sie die Zusammensetzung des Landtags ad hoc verändern kann und auch im Hinblick auf das freie Mandat (des Stellvertreters, der dem rückkehrenden Abgeordneten weichen muss) in einem Spannungsverhältnis steht.[152] Dazu kommt, dass das Rechtsinstitut missbraucht werden kann, wenn nämlich gar kein physischer Hinderungsgrund vorliegt, sondern ein Abgeordneter sich einer unangenehmen Diskussion oder Abstimmung entziehen will.[153] Unter diesem Aspekt wäre eine Beseitigung dieser Möglichkeit rechtspolitisch durchaus in Erwägung zu ziehen.[154] Andererseits ermöglicht gerade die Stellvertretung etwa einen „Mutterschaftsurlaub“ von Abgeordneten oder eine Abwesenheit für Betreuungszwecke, für welche es in anderen Rechtsordnungen vereinzelt Regelungen gibt.[155] Gerade für Parlamente mit einer kleinen Mitgliederzahl bietet sich das Rechtsinstitut der Stellvertretung an, da es ansonsten auf Grund von Zufälligkeiten viel leichter geschehen kann, dass sich Mehrheitsverhältnisse verändern, was nicht im Interesse der Repräsentationsfunktion des Landtages liegt.[156]VI. Rechtsfragen zur SperrklauselGemäss Art. 46 Abs. 3 LV erfolgt die Mandatszuteilung unter denjenigen Wählergruppen, die wenigstens acht Prozent der im ganzen Land abgegebenen gültigen Stimmen erreicht haben (zur historischen Entwicklung der Regelung siehe die Ausführungen unter Kapitel I. und II. B. 1).Da die Sperrklausel Verfassungsrang geniesst, stellt sich die Frage der Konformität einer Regelung, die so hohe Hürden für den Einzug in den Landtag aufstellt, mit dem Verhältniswahlsystem nicht. Sie scheint zunächst auch im Hinblick auf Art. 3 1. ZP EMRK unbedenklich, da er den Staaten nicht vorgibt, welches Wahlsystem sie einzuführen haben und auch ein Mehrheitswahlsystem mit dieser Bestimmung konform ist.[157] Allerdings hat der EGMR bereits verschiedene Sperrklauseln in Verhältniswahlsystemen geprüft.[158] Im Fall Yumak und Sadak v. Türkei[159] erachtete der EGMR eine Sperrklausel von 10 Prozent der Stimmen, wie sie in der Türkei vorgesehen ist, als grundsätzlich unverhältnismässige Beschränkung, hat diese allerdings in casu in Anbetracht der konkreten Situation (Erdbeben, Wirtschaftskrise) als gerechtfertigt betrachtet. Erwähnenswert ist, dass der EGMR in diesem Urteil die Sperrklausel in Liechtenstein – abgesehen von der Türkei – explizit im Kontext der Sperrklauseln in der Russischen Föderation und Georgien (jeweils 7 Prozent) erwähnte und ausführte, dass lediglich diese vier Staaten[160] eine Sperrklausel höher als fünf Prozent vorsehen.[161] Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass keine spezifischen Umstände ersichtlich sind, die gerade in Liechtenstein eine hohe Sperrklausel erforderten, erweist sich die EMRK-Konformität der Sperrklausel von acht Prozent als keineswegs gesichert, wenngleich der EGMR eine Sperrklausel von sechs Prozent bereits akzeptiert hat.[162]Die Sperrklausel stellt auf die im „ganzen Land abgegebenen gültigen Stimmen“ ab. Dies bedeutet, dass es nicht erforderlich ist, in beiden Wahlkreisen jeweils mindestens acht Prozent zu erreichen, sondern, dass es auf die Gesamtzahl der landesweiten Stimmen ankommt (siehe auch die Ausführungen in Kapitel II. B. 2.).Zu beachten ist, dass auch das Erfordernis des Erreichens eines Grundmandats eine Hürde darstellt, die über dem Niveau der Sperrklausel liegt. Die Sperrklausel bewirkt jedoch, dass beispielsweise eine Partei, die in einem Wahlkreis ein Grundmandat erlangen würde, jedoch auf Grund schwachen Abschneidens im anderen Wahlkreis insgesamt weniger als acht Prozent der gültig abgegebenen Stimmen erzielt, nicht in den Landtag einziehen kann. Die Regelung schwächt im Ergebnis auch partikularistische Tendenzen.VII. UnvereinbarkeitenA. AllgemeinesArt. 46 Abs. 4 LV regelt zwei Unvereinbarkeiten, nämlich die der Mitgliedschaft in Regierung und im Landtag sowie die Mitgliedschaft in einem Gericht und im Landtag. Die Bestimmung trägt damit dem Prinzip der Gewaltenteilung Rechnung, das auch der liechtensteinischen Verfassung inhärent ist.[163]Die Verfassung knüpft daran an, dass die unvereinbaren Funktionen nicht gleichzeitig ausgeübt werden dürfen. Zulässig ist es demnach, die betreffenden Funktionen nach dem Ausscheiden aus der jeweils anderen Funktion auszuüben und für zwei unvereinbare Ämter zu kandidieren.Die Verfassung trifft keine explizite Regelung hinsichtlich der Rechtsfolge, falls entgegen den Unvereinbarkeitsbestimmungen die jeweiligen Funktionen doch ausgeübt werden. Fest steht, dass in diesem Fall die beiden betroffenen Organe (Landtag, Regierung, Gericht) nicht verfassungskonform besetzt sind, was bedeutet, dass auch die von ihnen ergangenen Akte nicht verfassungskonform gesetzt wurden und gegebenenfalls im Instanzenzug oder vom Staatsgerichtshof aufzuheben wären oder, falls kein Rechtszug möglich ist, nichtige Staatsakte wären.Die in Art. 46 Abs. 4 LV festgelegten Unvereinbarkeitsregelungen schliessen vom Gesetzgeber statuierte weitere Unvereinbarkeiten von bestimmten Funktionen mit der Mitgliedschaft im Landtag nicht aus. In diesem Sinne dürfen beispielsweise Mitglieder des Landtages nicht der FMA-Beschwerdekommission angehören,[164] ebenso dürfen Mitglieder des Landtages wie solche der Regierung gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. a Öffentliche-Unternehmen-Steuerungs-Gesetz nicht der strategischen oder der operativen Führungsebene eines öffentlichen Unternehmens angehören.[165]Die Verfassung sieht daher auch keine Unvereinbarkeit der Ausübung eines Landtagsmandates mit einer Funktion auf Gemeindeebene, etwa als Gemeindevorsteher oder Mitglied des Gemeinderates vor.B. Unvereinbarkeit von Mitgliedschaft in der Regierung mit einem LandtagsmandatDie Anordnung, dass Mitglieder der Regierung nicht gleichzeitig Mitglieder des Landtages sein können, bedeutet zunächst im Umkehrschluss, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass Abgeordnete nur dann zu Mitgliedern der Regierung ernannt werden dürfen, wenn sie zuvor oder zeitgleich ihr Abgeordnetenmandat zurückgelegt haben und dass frühere Regierungsmitglieder ohne rechtliche Schranken in den Landtag gewählt werden können. Die Bestimmung untersagt lediglich die gleichzeitige Mitgliedschaft in beiden Staatsorganen. Im internationalen Vergleich ist es nicht zwingend, dass Regierungsmitglieder nicht der Legislative angehören dürfen.[166] Sowohl in Deutschland als auch in Österreich ist dies durch das GG bzw. das B-VG nicht untersagt, wenngleich in Österreich nicht üblich. In der Schweiz statuiert Art. 144 BV ein Verbot. Die Landesverfassungen in Deutschland und Österreich treffen mitunter davon abweichende Regelungen.C. Unvereinbarkeit von Mitgliedschaft in einem Gericht mit einem LandtagsmandatDiese Unvereinbarkeitsbestimmung wirft die Frage auf, was unter einem „Gericht“ zu verstehen ist. Dabei ist an das VIII. Hauptstück der Verfassung („Von den Gerichten“) anzuknüpfen. Es versteht unter den Gerichten die ordentlichen Gerichte (Landgericht, Obergericht, Oberster Gerichtshof), den Verwaltungsgerichtshof und den Staatsgerichtshof.Keine Gerichte sind demnach die verschiedenen Beschwerdekommissionen in der Verwaltung (Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten, Beschwerdekommission FMA u.a.). Die Ausübung eines Landtagsmandats und solcher Tätigkeiten ist zumindest durch die Verfassung nicht verwehrt, was nicht ausschliesst, dass, wie im Falle der Beschwerdekommission FMA (siehe oben unter Kapitel VII.A.), der einfache Gesetzgeber eine solche Unvereinbarkeit vorsieht.Art. 24 Abs. 2 des Richterdienstgesetzes[167] bestimmt, dass Richter weder dem Landtag noch der Regierung angehören dürfen und im Übrigen weder die Funktion eines Gemeindevorstehers oder eines Gemeinderates einer liechtensteinischen Gemeinde ausüben dürfen. Mit dieser Bestimmung ist es wohl auch unvereinbar, wenn beispielsweise ein Richter für die Dauer seiner Funktion im Landtag beurlaubt würde, da der Richter weiter in seiner Funktion verbliebe.
1) Die Mandatsdauer zum Landtag beträgt vier Jahre mit der Massgabe, dass die ordentlichen Landtagswahlen jeweils im Februar oder März jenes Kalenderjahres stattfinden, in welchen das Ende des vierten Jahres fällt. Wiederwahl ist zulässig. Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteIn der zeitlich limitierten Mandatsdauer der einzelnen Abgeordneten und der Totalerneuerung des Parlaments nach dieser Periode manifestiert sich ein Kernelement des demokratischen Prinzips. Nur dann, wenn sich die Mitglieder des Parlaments in periodischen, nicht allzu lange Zeiträume umfassenden Abständen einer Wahl stellen müssen, kann man von einem demokratischen System sprechen (vgl. auch Art. 3 1. ZP EMRK).[1]Die Bestimmung des Art. 47 LV legt diese elementare Regelung fest, indem sie die Mandatsdauer zum Landtag mit vier Jahren festsetzt und die ordentlichen Landtagswahlen auf Februar oder März jenes Kalenderjahres legt, in welches das Ende der Landtagsperiode fällt.Es verwundert nicht, dass es unter der Landständischen Verfassung eine zeitlich limitierte Landtagsperiode nicht gab, erfolgte die Repräsentation des Volkes in dieser Zeit doch gemäss § 4 der Landständischen Verfassung im Wesentlichen durch die „Vorsteher oder Richter, und durch die Altgeschwornen oder Säckelmeister einer jeden Gemeinde.“In der Zeit der Konstitutionellen Verfassung wurden die Abgeordneten gemäss [www.e-archiv.li/D42357 § 98 KonV] zunächst zwar jeweils auf sechs Jahre gewählt. Die Hälfte dieser Abgeordneten wurde jedoch nach jeweils drei Jahren durch neugewählte Abgeordnete ersetzt. Dadurch gab es eine ständige partielle Erneuerung des Landtages.[2] Die Mandatsdauer wurde 1878 auf vier Jahre herabgesetzt[3] und ist seither unverändert.Das neue Wahlrecht von 1918, mit dem die Direktwahl und das Majorzwahlrecht eingeführt wurden, brachte eine Neuwahl des gesamten Landtages. [www.e-archiv.li/D42357 § 98 KonV] blieb jedoch zunächst unverändert.In der Diskussion im Vorfeld der neuen Verfassung von 1921 war rasch klar, dass eine fixe Landtagsperiode mit einer Gesamterneuerung des Landtages eingeführt würde. Sowohl die Verfassungsentwürfe des Prinzen Karl sowie von Wilhelm Beck sahen dementsprechend eine Legislaturperiode des gesamten Landtags von vier Jahren vor.[4]In der Regierungsvorlage Peer wurden schliesslich in Art. 47 eine Mandatsdauer von vier Jahren festlegt und die Wiederwahl der Abgeordneten ausdrücklich für zulässig erklärt. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Verfassung von 1921 die Amtsdauer des Regierungschefs und seines Stellvertreters gemäss dem damaligen Art. 79 Abs. 4 LV mit sechs Jahren festlegte, während jene der Regierungsräte und ihrer Stellvertreter mit der Funktionsdauer des Landtages zusammenfiel. Diese eigentümliche Regelung wurde erst 1965 geändert.[5]1929 kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung („Verfassungsstreit“), als sich die Abgeordneten der Volkspartei auf den Standpunkt stellten, die auf Grund einer Auflösung des Landtages durch den Landesfürsten erfolgten vorzeitigen Landtagswahlen vom Sommer 1928 seien nur für den Rest der 1926 begründeten, vierjährigen Mandatsperiode erfolgt, sodass der Landtag Anfang 1930 wieder zu wählen sei.[6] Der Landtag, in welchem die Bürgerpartei mit elf von 15 Mandaten über eine deutliche Mehrheit verfügte, interpretierte in authentischer Auslegung gemäss dem damaligen Art. 112 LV[7] Art. 48 Abs. 1 LV dahin, dass im Falle der Auflösung des Landtages durch den Fürsten (die Neuwahlen 1928 waren genau aus diesem Grund zustande gekommen) eine vierjährige Mandatsdauer des aus den Neuwahlen hervorgegangenen Landtages beginnt.[8]Während sich die Bürgerpartei und damit die Regierungsseite auf ein Gutachten des Innsbrucker Professors für Staatsrecht Max Kulisch berief,[9] bestätigte ein Gutachten des Wiener Professors Hans Kelsen den Standpunkt der Volkspartei (dazu näher unter Kapitel II.C). Die Regierung holte schliesslich ein Gutachten des Münchner Professors für Staatsrecht Anton Dyroff ein, der im Ergebnis den Standpunkt Kulischs bestätigte. Letzteres Gutachten wurde jedoch offenbar nicht mehr öffentlich diskutiert.[10]Die Volkspartei boykottierte im Weiteren den Landtag, was zur Folge hatte, dass dieser von 1930 bis 1932 ausschliesslich durch Vertreter der Bürgerpartei besetzt war.[11]Art. 47 erhielt mit der aus Anlass der Einführung des Verhältniswahlrechtes erforderlichen Verfassungsänderung per 18. Januar 1939 folgende Formulierung:[12]Damit ergab sich die mit dem demokratischen Prinzip und der Garantie des passiven Wahlrechtes gemäss Art. 3 1. ZP EMRK schwer vereinbare Neuerung,[13] dass die Wählergruppe, der ein Abgeordneter angehörte, diesen aus „wichtigen Gründen“ aus dem Landtag abberufen konnte.[14] Damit wurde auch der in Art. 57 LV verankerte Grundsatz des freien Mandates unterlaufen.[15] Diese Regelung blieb bis 1997 erhalten. Eine Novellierung im Jahre 1958[16] teilte Art. 47 in zwei Absätze, deren erster wie folgt lautete:Den zweiten Absatz bildete seit 1958 der bisherige Art. 47 dritter Satz LV über das Abberufungsrecht von Abgeordneten durch die Versammlung ihrer Wählergruppe. Mit LGBl. 1997 Nr. 46 wurde dieser Absatz wie erwähnt aufgehoben. Der erste Absatz blieb unverändert bestehen.[17]II. Mandatsdauer zum LandtagA. AllgemeinesDer Kerngehalt des Art. 47 besteht in der Festlegung der Mandatsperiode der Landtagsabgeordneten und damit der sogenannten Legislaturperiode des Landtages auf vier Jahre.[18] Die Abhaltung periodischer Wahlen ist nicht nur Bestandteil des demokratischen Prinzips der Verfassung, sondern darüber hinaus in Art. 3 1. ZP EMRK durch die Verpflichtung der Vertragsstaaten, in angemessenen Zeitabständen freie und geheime Wahlen unter Bedingungen abzuhalten, welche die freie Äusserung der Meinung des Volkes bei der Wahl der gesetzgebunden Organe gewährleisten, garantiert.[19]Die Staaten haben einen gewissen Spielraum, was die konkrete Festlegung der „angemessenen Abstände“ betrifft. Die vierjährige Legislaturperiode in Liechtenstein bewegt sich im üblichen Zeitabstand, aber auch Abstände von bis zu sechs Jahren werden akzeptiert.[20] Sehr kurze Perioden können unangemessen sein, weil sie keine ordnungsgemässe demokratische Willensbildung ermöglichen.[21] Erwähenswert ist, dass in der überwiegenden Zahl der Schweizer Kantone (noch immer) eine vierjährige Legislaturperiode gilt, in den österreichischen Ländern dagegen mit Ausnahme Oberösterreichs (dort gilt sogar eine sechsjährige Legislaturperiode) eine solche von fünf Jahren besteht.Die Periodizität muss nicht immer erfüllt sein, das heisst, es sind auch vorzeitige Neuwahlen wegen Auflösung des Parlaments zulässig, ohne dass dadurch gegen Art. 3 1. ZP EMRK verstossen wird.[22]Gemäss Art. 25 lit. b UNO-Pakt II hat jeder Staatsbürger u.a. das Recht, bei wiederkehrenden Wahlen zu wählen und gewählt zu werden. Diese Garantie geht inhaltlich nicht über jene des Art. 3 1. ZP EMRK hinaus, was bedeutet, dass an die „wiederkehrenden Wahlen“ dieselben Kriterien anzulegen sind.[23]In politischer Hinsicht ist eine Legislaturperiode von vier Jahren in Anbetracht der für den Wahlkampf aufgewendeten Zeit und der erforderlichen Zeit der Regierungsbildung insgesamt relativ kurz. Eine Verlängerung der Mandatsperiode wurde im Jahr 2012 in einem Vernehmlassungsbericht der Regierung zur Diskussion gestellt. Das Thema wurde jedoch bislang nicht weiterverfolgt.[24]B. Ordentliche LandtagswahlenArt. 47 postuliert, dass die Landtagsperiode grundsätzlich vier Jahre zu währen hat, sofern der Landtag nicht nach Art. 48 LV vorzeitig aufgelöst wird[25]. Im internationalen Vergleich ungewöhnlich ist, dass die ordentlichen Landtagswahlen kalendermässig insoweit bereits in der Verfassung festgelegt sind, als diese jeweils im Februar oder März jenes Kalenderjahres stattfinden, in welches das Ende des vierten Jahres fällt.[26]Dies bedeutet, dass eine ordentliche Landtagswahl ausserhalb dieses Zeitraumes verfassungswidrig wäre. C. Ausserordentliche LandtagswahlenSolche finden auf Grund des Vorliegens einer der Auflösungstatbestände des Art. 48 LV statt (Auflösung durch den Landesfürsten aus erheblichen Gründen gemäss Abs. 1 sowie nach Annahme des Verlangens auf Auflösung des Landtages durch 1.500 wahlberechtigte Landesbürger oder vier Gemeinden durch Gemeindeversammlungsbeschlüsse gemäss Abs. 3). In einem solchen Fall muss binnen sechs Wochen eine neue Wahl angeordnet werden (Art. 50 LV).Im Falle einer vorzeitigen Auflösung des Landtages stellt sich die Frage, ob der nun neugewählte Landtag für die Dauer einer weiteren vollen Periode oder lediglich bis zur Beendigung der ursprünglichen, nach dem Zeitpunkt der letzten ordentlichen Landtagswahl zu bemessenden Legislaturperiode bestellt wird. Diese Frage lag auch dem erwähnten Verfassungsstreit 1929/1930 zugrunde, weshalb im Folgenden darauf näher eingegangen werden soll:Kelsen argumentierte, dass im Falle einer Ersatzwahl gemäss Art. 18 des damals geltenden Gesetzes betreffend die Ausübung der politischen Volksrechte in Landesangelegenheiten[27] der an Stelle des ausgeschiedenen Abgeordneten gewählte Mandatar nach völlig unstrittiger Auffassung das Mandat nur bis zum Ende der Legislaturperiode des Landtages inne haben konnte.[28] Art. 47 LV bestimme, dass die Legislaturperiode vier Jahre betrage. Es sei in der Verfassung keine positive Bestimmung vorhanden, die anordne, dass zwischen der Ersatzwahl und der Wahl auf Grund einer Auflösung des Landtages durch einen der in Art. 48 LV angeführten Gründe ein Unterschied bestehen solle. Die Legislaturperiode des Landtages „beträgt jedoch immer und ausnahmslos vier Jahre, so wie es Art. 47 der Verfassung – richtig verstanden – ausspricht.“[29]Die Argumentation Kelsens, soweit sie auf die Ersatzwahl eines ausgeschiedenen Abgeordneten abstellt, ist nicht überzeugend. Gerade eine Ersatzwahl kann sich der Natur der Sache nach wohl nur auf den Rest der Legislaturperiode beziehen, wäre die Konsequenz sonst doch ein kaum mehr überschaubares Nebeneinander von „Landtagsperioden“ einzelner Abgeordneter. Eine Schwäche in der Argumentation Kelsens liegt auch darin, die Verfassung auf der Grundlage einer Bestimmung zu interpretieren, die nicht selbst Verfassungsrecht, sondern nur einfaches Gesetz war.Auf einfaches Recht stellte freilich auch Kelsens Gegenüber im Verfassungsstreit, Kulisch, ab. Letzterer erblickte – ohne Bezugnahme auf die Ersatzwahl – in dem Umstand, dass im Falle der Auflösung des Landtages im Gefolge einer Volksabstimmung (Art. 48 Abs. 3 LV)[30] gemäss Art. 41 Abs. 5 des erwähnten damaligen Volksrechtegesetzes Neuwahlen explizit (nur) für den Rest der Amtsdauer stattzufinden hatten, eine Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz, wonach die Legislaturperiode vier Jahre zu betragen habe (Art. 47 LV).[31] Kelsen wiederum konnte Art. 41 Abs. 5 des Volksrechtegesetzes als weiteres Argument für seine Position gelten lassen.[32] Dyroff seinerseits erachtete Art. 41 Abs. 5 des Volksrechtegesetzes wegen Widerspruchs zu Art. 47 LV und der darin festgelegten Mandatsperiode von vier Jahren für verfassungswidrig.[33]Bemerkenswert ist, dass das geltende VRG indessen in Art. 86 Abs. 5 VRG lediglich noch „im Sinne der Verfassung Neuwahlen“ vorsieht.[34]Vor dem Hintergrund der historischen Rechtslage sprechen zweifellos die vorgetragenen Argumente zugunsten der jeweiligen Standpunkte. Im Hinblick auf die geltende Rechtslage ist festzuhalten:Kelsen bezweifelte die Zulässigkeit dieser Vorgehensweise auf der Grundlage des damaligen Art. 112 LV mit dem Argument, dass es sich bei der Kundmachung der Regierung um eine verfassungsändernde Verordnung handle, was verfassungswidrig gewesen wäre.[37]Art. 112 LV lautete: Tatsächlich legte Art. 112 LV das Schwergewicht auf die Entscheidungsbefugnis des Staatsgerichtshofes zur Klärung von Streitigkeiten zwischen der Regierung und dem Landtag. Dieser wurde im damaligen Fall aber nicht angerufen, sondern vielmehr eine „Übereinkunft zwischen der Regierung und dem Landtag“ getroffen, auf die sich die Regierung in der Kundmachung berief.Dabei war zu berücksichtigen, dass Art. 65 LV damals wie heute bestimmte, dass ohne Mitwirkung des Landtages kein Gesetz gegeben, abgeändert oder authentisch erklärt werden durfte. Das Instrument der authentischen Interpretation war damals freilich nicht nur für die einfache Gesetzgebung vorgesehen, sondern auch für Verfassungsgesetze, bestimmte doch der damalige Art. 111 Abs. 2 LV, dass Abänderungen oder Erläuterungen der Verfassung auf Seite des Landtages Stimmeneinhelligkeit seiner anwesenden Mitglieder erfordern oder Stimmenmehrheit von drei Vierteln bei zwei aufeinander folgenden Landtagssitzungen (heute Art. 112 Abs. 2 LV). Damit war der Landtag grundsätzlich befugt, mit entsprechender Verfassungsmehrheit die Verfassung zu interpretieren.[38]Kelsen bezweifelte die Verfassungsmässigkeit des Vorgehens des Landtages, da dieser eben nicht das Verfahren gemäss Art. 111 Abs. 2 LV gewählt hatte, sondern sich auf eine Übereinkunft mit der Regierung auf der Grundlage des Art. 112 LV berufen hatte, für welche lediglich eine einfache Mehrheit erforderlich war.[39] Kulisch hielt entgegen, dass sich aus der Tatsache, dass der Staatsgerichtshof nur dann entscheidungsbefugt war, wenn Regierung und Landtag nicht zu einer Übereinkunft gelangten, ergebe, dass dieser Übereinkunft derselbe Rang eingeräumt werden müsse.[40]Kelsen ist m.E. Recht zu geben, dass eine authentische Verfassungsinterpretation unter Berufung auf Art. 112 LV nicht zulässig war. Dies gilt umso mehr, als der Landtagsbeschluss nicht einhellig, ja nicht einmal mit der für Verfassungsmehrheiten (zweimal!) erforderlichen Mehrheit zustande gekommen war, da das Mehrheitsverhältnis im Landtag 11:4 betrug. Ansonsten hätte es die Regierungspartei im Landtag in der Hand gehabt, die Verfassung beliebig zu interpretieren und das erschwerte Zustandekommen der authentischen Interpretation gemäss Art. 111 LV zu umgehen.[41]Für die Frage, wie lange die Legislaturperiode des Landtages im Falle seiner vorzeitigen Auflösung aus den in Art. 48 LV vorgesehenen Gründen dauert, bedeutet dies: Die Kundmachung LGBl. 1929 Nr. 5 entfaltet grundsätzlich keine Verbindlichkeit.[42]Allerdings führt eine Interpretation des Art. 47 LV auch ohne Berücksichtigung der Kundmachung zum selben Ergebnis: Nachdem seit der Aufhebung des Art. 41 Abs. 5 des damaligen Volksrechtegesetzes nicht mehr zwischen den Auflösungsgründen (Auflösung durch den Fürsten, Volksabstimmung über Auflösung des Landtages) differenziert wird und die Aufhebung jener Regelung als verfassungswidrig erfolgte, welche eine Neuwahl lediglich für den Rest der Legislaturperiode vorgesehen hatte, ist es offenkundig, dass eine Neuwahl „im Sinne der Verfassung“ für die volle Mandatsperiode von vier Jahren zu erfolgen hat. Es wäre nicht nur höchst unpraktisch, eine solche Auflösung vorzunehmen, den Landtag neu zu wählen und dann mitunter innerhalb sehr kurzer Zeit wieder zu einer Neuwahl zu schreiten,[43] auch die Staatspraxis der Entstehungszeit der Norm widerspricht einem solchen Resultat.[44]Es entfaltet daher jede Auflösung des Landtages die Wirkung, dass Neuwahlen stattzufinden haben mit der Konsequenz, dass damit eine neue Legislaturperiode in der Dauer von vier Jahren eingeleitet wird, wobei die nächsten ordentlichen Landtagswahlen wiederum im Februar oder März des Kalenderjahres stattfinden, in welches das Ende des vierten Jahres fällt.[45] Davon geht die Verfassung implizit aus. Das einfache Gesetz widerspricht dieser Interpretation im Gegensatz zur Rechtslage, wie sie der Verfassungsstreit von 1929 vorgefunden hatte, nicht mehr.III. WiederwahlArt. 47 zweiter Satz LV erklärt die Wiederwahl für zulässig. Dies bedeutet, dass es keine Beschränkung dahingehend, wie oft eine Person in den Landtag gewählt wird, geben darf. Ein Abgeordneter kann sich daher, sofern er die allgemeinen Kriterien der Wählbarkeit weiterhin erfüllt, weiterhin der Wiederwahl stellen und zwar nicht nur einer (arg. „die Wiederwahl“), sondern einer theoretisch unbegrenzten Zahl von Wiederwahlen.IV. Rechtswirkungen der Landtagsperiode und Arbeitsweise des LandtagesEine der massgeblichen Rechtswirkungen des Endes und des Beginns einer neuen Landtagsperiode ist die sogenannte Diskontinuität. Man kann zwischen personeller Diskontinuität, Organ-Diskontinuität und sachlicher Diskontinuität unterscheiden.[46]Die personelle Diskontinuität besteht darin, dass Mandatare mit Ablauf der Mandatsdauer ihre Repräsentationsbefugnis verlieren.[47] Sie geniessen dann definitiv keine weitere Immunität (Art. 56 LV)[48] und haben auch keinen Anspruch mehr auf Entschädigung (Art. 61 LV). Die Unvereinbarkeiten (Art. 46 Abs. 4 LV) entfallen ebenfalls mit dem Ablauf der Mandatsdauer.Eine Organ-Diskontinuität liegt insoweit vor, als Organe des Parlaments (der Präsident, die Kommissionen) neu zu wählen sind. Im liechtensteinischen Landtag kommt die Besonderheit hinzu, dass sogar innerhalb einer Legislaturperiode Diskontinuität in dem Sinne herrscht, dass es jeweils eigene Sitzungsperioden gibt.[49] Diese Sitzungsperioden wurden in der Zeit der konstitutionellen Monarchie noch als Sessionen bezeichnet.[50] Sie erstreckten sich damals allerdings im Vergleich zu heute nicht über den grössten Teil des Jahres, sondern nur auf eine relativ kurze Zeitspanne von wenigen Wochen.[51]Der Landtag wird nämlich zu Anfang eines Jahres mittels landesfürstlicher Verordnung einberufen (Art. 49 Abs. 1 LV) und nach Ende der Sitzungsperiode vom Fürsten geschlossen (Art. 55 LV). Die Sitzungsperiode begann nach der Eröffnungssitzung (Art. 54 LV) in der Praxis Ende März/Anfang April und endete in der Regel im Dezember.[52] In der seit 2013 bestehenden Legislaturperiode beginnt die erste Arbeitssitzung regelmässig bereits Anfang März, die Eröffnungssitzung findet noch im Januar statt. Innerhalb der Sitzungsperiode tritt der Landtag zu etwa acht bis zehn Sitzungen zusammen, die vom Präsidenten angeordnet werden (Art. 49 Abs. 2 LV).[53] Eine Sitzung dauert üblicherweise zwischen einem und drei Tagen.[54]Für die Zeit zwischen einer Vertagung, Schliessung oder Auflösung des Landtages und seinem Wiederzusammentreten übt der Landesausschuss dessen Funktionen aus (Art. 71 LV).[55] Diese Diskontinuität stösst in der Wissenschaft auf Kritik, da sie für den effizienten Arbeitsablaufs eines modernen Parlaments hinderlich ist und eine längere Zeitspanne (von Dezember bis Februar eines jeden Jahres) nach sich zieht, in welcher der Landtag als solcher gleichsam handlungsunfähig ist.[56] Dessen ungeachtet wurde sie bisher beibehalten. Gemäss Art. 52 LV wählt der Landtag den Präsidenten und seinen Stellvertreter jeweils für das laufende Jahr. Auch diesbezüglich herrscht rechtlich personelle Diskontinuität ebenso wie hinsichtlich der ständigen Kommissionen, die jährlich neu bestellt werden, auch wenn in der Praxis die betreffenden Akteure während der Legislaturperioden zumeist wiedergewählt werden.[57] Dagegen versteht man unter sachlicher Diskontinuität, dass die nicht erledigten Geschäftsgegenstände des Parlaments mit Ablauf der Legislaturperiode verfallen und danach neu eingebracht werden müssen.[58] Dies ist allerdings nicht durchgehend üblich, insbesondere auch nicht in Liechtenstein.[59]
1) Der Landesfürst hat, mit der im folgenden Absatze normierten Ausnahme, das Recht, den Landtag einzuberufen, zu schliessen und aus erheblichen Gründen, die der Versammlung jedesmal mitzuteilen sind, auf drei Monate zu vertagen oder ihn aufzulösen. Eine Vertagung, Schliessung oder Auflösung kann nur vor dem versammelten Landtage ausgesprochen werden.Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteArt. 48 LV regelt die Frage, wer den Landtag einberufen, schliessen, vertagen und auflösen kann und behält diese Kompetenz dem Landesfürsten vor (Abs. 1), mit der Ausnahme, dass auch das Volk unter bestimmten Voraussetzungen den Landtag einberufen (Abs. 2) oder abberufen kann (Abs. 3).Auch diese Norm der liechtensteinischen Verfassung wurzelt erkennbar im Zeitalter des Konstitutionalismus. So bestimmte § 90 KonV, dass der Landesfürst allein das Recht hatte, „den ordentlichen sowohl als den ausserordentlichen Landtag zu berufen, solchen zu schliessen und aus erheblichen, der Versammlung jedesmal mitzutheilenden Gründen auf drei Monate zu vertagen[1] oder aufzulösen.“Rezeptionsvorlage der Regelung bildete § 111 der Verfassung des Herzogtums Hohenzollern-Sigmaringen aus dem Jahre 1833. Auch sie behielt die „gesetzmässige vorangegangene Einberufung“ des Landtages dem Fürsten vor.[2] Bereits damals wurde ein Selbstversammlungsrecht der Abgeordneten diskutiert. Dem Selbstversammlungsrecht wurde zum einen entgegengehalten, dass auch in anderen deutschen Verfassungen ein solches nicht vorgesehen sei, zum anderen, dass durch das Steuerbewilligungsrecht des Landtages und durch die Verantwortlichkeit der Staatsdiener bereits „die beste Garantie für die regelmässige Einhaltung der Landtagsperioden“ gegeben sei.[3] Letztlich scheiterte ein solches Selbstversammlungsrecht lediglich am Widerstand des dortigen Fürsten.[4]In Liechtenstein war anlässlich der Schaffung der Konstitutionellen Verfassung die Frage, wer den Landtag einberufen darf, offenbar kein umstrittenes Thema.[5] Dies, obwohl der Entwurf des Verfassungsrates 1848 in seinem § 70 noch vorgesehen hatte, dass neben dem Landesfürsten der Landrath (Landtag) selbst oder sein Präsident einberufen konnten.Bemerkenswerterweise sah der Entwurf des Prinzen Karl aus dem Jahre 1920 für die neue Verfassung in § 40 vor, dass der Landtag nicht nur durch den Landesfürsten einzuberufen war, sondern auch dann, wenn es ein Drittel der Mitglieder des Landtages verlangte. Im Entwurf Wilhelm Becks wiederum war vorgesehen, dass der Landesfürst gemäss Art. 38 „durch die Regierung“ den Landtag einberufen sollte. Dieses Recht sollte aber auch wenigstens fünf Abgeordneten oder 400 Bürgern zukommen.In der Regierungsvorlage Peer war die Möglichkeit, dass eine bestimmte Zahl von Abgeordneten den Landtag einberufen konnte, nicht mehr vorgesehen. Hingegen erhielt der Landesfürst „allein“ das Recht den Landtag einzuberufen, ihn zu schliessen, zu vertagen oder aufzulösen mit der Ausnahme, dass 300 wahlberechtigte Landesbürger oder drei Gemeinden auf Grund von Gemeindeversammlungsbeschlüssen dies vornehmen konnten (§ 47 in der ersten bzw. § 48 in der zweiten Fassung).Die Verfassungskommission beschloss, dem ersten Absatz der Regierungsvorlage Peers den Satz anzufügen: „Eine Vertagung, Schliessung oder Auflösung kann nur vor dem versammelten Landtage ausgesprochen werden.“ Ausserdem sollte im zweiten Absatz die Zahl der für eine Einberufung des Landtages erforderlichen 300 wahlberechtigten Landesbürger auf 400 erhöht werden.[6]Damit war der endgültige Text des Art. 48 LV jedoch noch immer nicht gefunden. Der Landtag änderte den Artikel in seiner Sitzung über die von der Verfassungskommission vorgeschlagenen Änderungen hinaus dahingehend ab, dass mit dem neuen Abs. 3 nun auch das Abberufungsrecht des Landtages durch das Volk verankert wurde, wobei 600 wahlberechtigte Landesbürger oder vier Gemeinden durch Gemeindeversammlungsbeschlüsse eine derartige Volksabstimmung fordern konnten.[7]Bemerkenswert ist, dass auf der Basis der bestehenden Quellenlage das Schicksal des Wortes „allein“ vor der Wortfolge „das Recht“ in Abs. 1 nicht geklärt werden kann. Die Regierungsvorlage Peer hatte dem Landesfürsten noch ausdrücklich mit der im folgenden Absatz normierten Ausnahme „allein“ das Recht eingeräumt, den Landtag einzuberufen, zu schliessen, zu vertagen oder aufzulösen. Weder dem Bericht der Verfassungskommission noch dem Landtagsprotokoll vom 21. August 1921 kann entnommen werden, dass der Begriff entfallen sollte. Indessen fehlt das Wort in der mit LGBl. 1921 Nr. 15 kundgemachten Verfassung. Wann und unter welchen Umständen es entfallen ist, lässt sich nicht eruieren. In den Bemerkungen von Regierungschef Ospelt „zu den wichtigeren (sic!), in der Verfassung gegenüber dem mit der Höchsten Vorsanktion versehenen Entwurfe vom Landtage beschlossenen Änderungen“, in welchem der Regierungschef den Landesfürsten über die Verabschiedung der Verfassung durch den Landtag informierte, scheint der Entfall des Wortes ebenfalls nicht auf.Die Vermutung liegt nahe, dass der Entfall des Wortes, welches das – nur von den Abs. 2 und 3 durchbrochene – Monopol des Fürsten zur Einberufung, Schliessung, Vertagung und Auflösung des Landtages bekräftigte, vom Regierungschef zu den weniger wichtigen Änderungen gezählt wurde, weil es den Inhalt der Norm nicht veränderte. Dass der Regierungschef den Landesfürsten bewusst falsch informierte, ist kaum anzunehmen, viel eher wurde das Wort „allein“ vom Landtag als unnötige Bekräftigung des Rechts des Landesfürsten gemäss Abs. 1, das sich auch aus dem verbleibenden Text ergab,[8] empfunden, und deshalb gestrichen.1929 erfolgte die in den Ausführungen zu Art. 47 LV[9] näher dargestellte authentische Interpretation des Landtages, wonach Art. 48 Abs. 1 LV dahin auszulegen ist, dass im Falle der Auflösung des Landtages durch den Fürsten eine vierjährige Mandatsdauer des aus den Neuwahlen hervorgegangenen Landtages beginnt.Art. 48 LV wurde in der Zwischenzeit freilich noch mehrfach geändert, indem das in den Abs. 2 und 3 verankerte Recht einer bestimmten Zahl von wahlberechtigten Landesbürgern, eine Einberufung des Landtages bzw. eine Volksabstimmung über die Auflösung des Landtages zu fordern von ursprünglich 400 bzw. 600 im Jahre 1947 zunächst auf 600 bzw. 900[10] und im Jahre 1984 auf die noch heute geltenden Werte 1.000 bzw. 1.500 erhöht wurde.[11]II. Das Recht des Landesfürsten zur Einberufung, Schliessung, Vertagung und Auflösung des LandtagesA. AllgemeinesDas in Art. 48 Abs. 1 LV verankerte Recht des Landesfürsten ist ein ausschliessliches. Es wird lediglich durch Abs. 2 und 3 eingeschränkt. Die Formulierung des Abs. 1, die lediglich den folgenden, also zweiten Absatz, als Einschränkung dieses Rechtes sieht, beruht auf einer mangelhaften Legistik. Sie ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass Abs. 3 erst in der letzten Sitzung des Landtages anlässlich der Beschlussfassung der Verfassung angefügt wurde und es versäumt wurde, den Text in Abs. 1 zu korrigieren. Inhaltlich ist nämlich das Recht, gemäss Abs. 3 eine Volksabstimmung über die Auflösung des Landtages zu fordern, nichts anderes als die Anordnung, dass der Landtag eben nicht nur durch den Landesfürsten, sondern auch durch das Volk in einer Volksabstimmung aufgelöst werden kann. Das 1922 beschlossene damalige Volksrechtegesetz[12] regelte dies auch genau so. Der Redaktionsfehler schadet nicht, da der Wortlaut des Abs. 3 eindeutig ist.Aus dem nur durch die Abs. 2 und 3 eingeschränkten Monopol des Landesfürsten auf Einberufung, Schliessung, Vertagung und Auflösung des Landtages ergibt sich allerdings auch, dass eine Regelung auf einfacher Gesetzesstufe, die diese Rechte etwa einer bestimmten Zahl von Abgeordneten oder dem Landtagspräsidenten einräumen würde, verfassungswidrig wäre.Die Rechtsfolgen der Inanspruchnahme der Instrumente des Art. 48 Abs. 1 LV durch den Landesfürsten sind unterschiedliche, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt.B. Einberufung des LandtagesArt. 48 Abs. 1 LV muss in Verbindung mit den weiteren Bestimmungen der Verfassung gesehen werden, insbesondere Art. 49 Abs. 1 und 2 LV, der in Einklang mit Art. 48 Abs. 1 LV zunächst anordnet, dass die regelmässige Einberufung des Landtages zu Anfang eines jeden Jahres durch landesfürstliche Verordnung stattfindet, jedoch in Abs. 2 bestimmt, dass innerhalb des Jahres der Präsident die Sitzungen anordnet.[13] Diese Form der Einberufung durch den Landesfürsten wird in der Staatspraxis als „Ordentliche Einberufung“ im Gegensatz zur „Ausserordentlichen Einberufung“ auf Grund eines Begehrens des Volkes gemäss Art. 48 Abs. 2 LV bezeichnet.[14]Das Einberufungsrecht des Landesfürsten ist daher dahingehend eingeschränkt, als dieser den Landtag eben zu Beginn eines Jahres einzuberufen hat,[15] die Einberufung des Landtages während dieser „Session“, die regelmässig von Februar bis Dezember eines jeden Jahres dauert,[16] jedoch dem Präsidenten obliegt.[17] Es ist somit der Landesfürst, der den Landtag gleichsam „eröffnet“. Die Sitzungen während des Jahres, insbesondere auch die Sitzungskadenzen, legt der Präsident fest.C. SchliessungDas Recht des Landesfürsten zur Schliessung des Landtages bezieht sich nicht etwa auf eine einzelne Sitzung, sondern auf die Schliessung der Sitzungsperiode, die in der Praxis nach der letzten Sitzung im Kalenderjahr erfolgt.[18] Dies ergibt sich daraus, dass Art. 55 LV, der die Schliessung des Landtages regelt, im System der Verfassung im Zusammenhang mit den Regelungen über die Eröffnung zu Beginn eines Jahres (Art. 54 LV) und der für die Dauer der Sitzungsperiode geltenden Regelungen der Immunität (Art. 56 LV) erfolgt und nicht etwa im Rahmen des Art. 49 LV, der unter anderem bestimmt, dass innerhalb eines Jahres der Präsident die Sitzungen anordnet. Es wäre widersinnig, die Anordnung der Sitzung während des Jahres dem Präsidenten zu überlassen, die Schliessung dieser Sitzung aber dem Landesfürsten vorzubehalten.Auch eine rechtshistorische Betrachtung unterstützt diesen Befund: In der Konstitutionellen Monarchie diente das Recht der Schliessung des Landtages am Ende einer Landtagsperiode, nicht einer einzelnen Sitzung dazu, „den zu langen Landtagen, wozu deutsche Landstände besonders geneigt scheinen und die mit grossen Kosten für das Land verknüpft sind, Maas und Ziel“ zu setzen.[19] Es ging um eine Begrenzung der Landtagssessionen.[20] In diesem Sinne bestimmt Art. 6 GOLT, dass die Sitzungsperiode mit der Schliessung des Landtages gemäss Art. 55 der Verfassung endet. Die Schliessung ist vor dem versammelten Landtag vorzunehmen (Art. 55 LV).[21]D. VertagungArt. 48 Abs. 1 LV spricht davon, dass der Landesfürst aus Gründen, die der Versammlung jedes Mal mitzuteilen sind, die nächste Landtagssitzung auf drei Monate vertagen kann. Die Vertagung kann, wie die Schliessung oder Auflösung, nur vor dem versammelten Landtag ausgesprochen werden. Der Begriff des „versammelten Landtages“ ist dabei nicht so zu interpretieren, dass alle Mitglieder des Landtages anwesend sein müssen. Demgemäss kann auch das Verlassen oder das Nichterscheinen einzelner Mitglieder die Auflösung des Landtages nicht verhindern.Mit dem Begriff „Vertagung“ ist gemeint, dass die gesamte Sitzung des Landtages auf einen Zeitpunkt in drei Monaten angesetzt wird. Die Sitzungsperiode wird damit unterbrochen, nicht aber beendet[22]Nicht gemeint ist die Vertagung einzelner Beratungsgegenstände des Landtages auf einen anderen Zeitpunkt. Letztere Entscheidung obliegt dem Landtag und wird in der GOLT als „Verschiebung“ bezeichnet.[23]Die Frist in Art. 48 Abs. 1 LV ist eine absolute. Sie darf ihrem Wortlaut zufolge nicht kürzer und nicht länger sein. Der Sinn dieser Frist liegt darin, ihren Missbrauch zu verhindern. Eine kurze Vertagungsfrist könnte dazu verleiten, das Instrument zu häufig einzusetzen, eine lange Vertagungsfrist würde die Paralysierung des Landtages ermöglichen. Ist die Frist abgelaufen, hat der Landesfüst innerhalb eines Monats den Landtag wieder einzuberufen.[24]Die Gründe, die die Vertagung rechtfertigen, müssen nach der Verfassung „erhebliche“ sein. Weitere Aussagen dazu trifft die Verfassung nicht.[25] Es ergibt sich jedoch aus dem Wortlaut immerhin, dass es sich um sachliche Gründe handeln muss, die sich auf die Landtagsarbeit beziehen.[26] Der Umstand, dass es zwischen dem Landtag und dem Landesfürsten unterschiedliche Auffassung in bestimmten Fragen gibt, kann nicht hinreichen: Dem Landesfürsten steht nämlich dann, wenn er Einwände gegen einen Gesetzesbeschluss des Landtages hat, das Sanktionsrecht zur Verfügung. Entsprechend kann er dem Gesetz die Sanktion verweigern. Dabei hat er sein Recht nach Massgabe der Verfassung (Art. 9 LV) auszuüben.[27]Es müssen somit Umstände vorliegen, die eine gedeihliche Zusammenarbeit im Landtag verhindern. Solche können in schwerwiegenden politischen Auseinandersetzungen liegen, die offenkundig nur dadurch überbrückbar sind, dass die Vertagungszeit für eine Abkühlungsphase genützt wird. Die Regelung, dass der Landesfürst mit seiner Erklärung entweder persönlich vor den Landtag treten und ihm die Gründe vortragen muss, die eine Vertagung rechtfertigen, oder dies durch einen Bevollmächtigten geschehen kann,[28] dient dem Zweck, allen Beteiligten die Tragweite der Entscheidung bewusst zu machen. In der Staatspraxis ist soweit ersichtlich eine Vertagung durch den Landesfürsten noch nicht vorgekommen.[29]E. AuflösungDie Auflösung des Landtages durch den Landesfürsten ist wie die Vertagung an das Vorliegen „erheblicher Gründe“ gebunden. Allerdings ist die Massnahme, den gewählten Landtag aufzulösen und damit Neuwahlen zu veranlassen, die weitaus gravierendere als die Vertagung des Landtages. Es müssen daher auch an das Vorliegen der erheblichen Gründe besonders strenge Massstäbe angelegt werden.[30] Wiederum bildet der Umstand, dass der Landesfürst den Aktivitäten des Landtages kritisch gegenüber steht, keinen Auflösungsgrund. Vielmehr muss sich der Landtag in einer Situation befinden, die einer politischen Krise gleichkommt und die nur durch Neuwahlen zu lösen ist. Im Vordergrund muss daher die Prognose stehen, ob die Neuwahl des Landtages die Krise beheben kann.Eine Debatte über die Frage, ob „erhebliche Gründe“ vorlagen, wurde im Landtag am 14. September 1993 anlässlich des Misstrauensvotums der FBP-Fraktion gegenüber dem von ihr gestellten, damaligen Regierungschef Büchel geführt. Der Landesfürst hatte dem Landtagspräsidenten in einem Schreiben vom 7. September 1993 mitgeteilt, dass er für den Fall, dass dem Regierungschef durch den Landtag das Vertrauen entzogen wird, Neuwahlen für unvermeidlich halte.[31] Der Fraktionssprecher der FBP, Guido Meier, vertrat die Auffassung, dass keine erheblichen Gründe vorliegen würden, weil in der bisherigen Verfassungspraxis Funktionsunfähigkeit und Selbstblockierung als solche gehandhabt worden seien.[32] Seitens der Fraktion der VU vertrat deren Sprecher Peter Wolff die Auffassung, dass die Auflösung des Landtages im Ermessen des Landesfürsten liege, „soweit es sich nicht um Willkür handelt (…), da es in seinem Ermessensbereich liegt, etwas für erheblich oder für unerheblich zu halten.“[33] Tatsächlich ist, wie das Beispiel zeigt, der Ermessensspielraum des Landesfürsten erheblich, es müssen jedoch schwerwiegende sachliche Gründe für die Auflösung des Landtages sprechen.[34]Auch für die Auflösung gilt, dass sie nur vor dem versammelten Landtag ausgesprochen werden kann. Die Verfassung geht somit davon aus, dass der Landtag Gelegenheit haben soll, über die Absicht des Landesfürsten, den Landtag aufzulösen, zu diskutieren.[35] Dies ergibt sich auch aus Art. 72 Abs. 2 LV, der bestimmt, dass „unter allen Umständen“ (!) noch in jener Sitzung des Landtages, in der seine Vertagung, Schliessung oder Auflösung ausgesprochen wird, Gelegenheit zur Wahl des Landesausschusses zu geben ist.[36]Gemäss Art. 55 LV wird der Landtag vom Fürsten in eigener Person oder durch einen Bevollmächtigten geschlossen. Man wird annehmen müssen, dass auch die Vertagung und Auflösung durch den Bevollmächtigten erfolgen kann.Eine Kundmachung der Auflösung ist nicht vorgesehen. Im Gegensatz zur Eröffnung des Landtages erfolgen die Auflösung und die Vertagung nicht durch landesfürstliche Verordnung. Dies ist deshalb nicht erforderlich, weil der Akt der Auflösung durch die Erklärung des Landesfürsten bzw. des Bevollmächtigten vor dem versammelten Landtag ausgesprochen wird.Die Frage, ob die Auflösung des Landtages gegenzeichnungspflichtig ist, wird kontrovers diskutiert. Die überwiegende Lehre verlangt eine Gegenzeichnung.[37] Begründet wird dies damit, dass die Auflösung des Landtages durch den Landesfürsten ein hoheitlicher Akt von erheblichen Konsequenzen sei. Eine Ausnahme von der generellen Verpflichtung zur Gegenzeichnung sei nicht erkennbar.[38]Allerdings ist die Auflösung des Landtages durch den Landesfürsten nach der Verfassung grundsätzlich als eine Erklärung des Landesfürsten vor dem versammelten Landtag vorgesehen. Eine Erklärung kann aber nach der Natur der Sache nicht gegenzeichnungspflichtig sein.[39] Dies ist erst recht nicht der Fall, wenn dem Landtag – wie angeführt – Gelegenheit gegeben werden muss, zur beabsichtigten Auflösung durch den Landesfürsten Stellung zu nehmen, damit sich der Fürst im Zuge der Diskussion eine abschliessende Meinung bilden kann.Dasselbe muss dann aber konsequenterweise auch gelten, wenn ein Bevollmächtigter des Landesfürsten die Erklärung ausspricht.[40] Sie erlangt erst mit der Verlesung vor dem versammelten Landtag Rechtswirksamkeit. Wenn der Regierungschef als Bevollmächtigter auftritt, wirkt er zudem ohnehin an der Auflösung des Landtages mit.In der Staatspraxis kam es relativ häufig zur Auflösung des Landtages:[41]1877 wurde im Zusammenhang mit der geplanten Einführung der Goldwährung nach Mandatsniederlegung der Unterländer Abgeordneten und 1878 nach der Forderung der Unterländer nach zwei Wahlkreisen und Abänderung der Verfassung der Landtag aufgelöst.1926 kam es nach den Landtagswahlen vom Januar 1926 zu einer Regierungskrise, da es im Landtag nicht gelang, eine Regierung zu bilden. Fürst Johann II. löste den Landtag in der Folge auf Ersuchen des Regierungschefs, der nach damaliger Rechtslage nicht neu gewählt werden musste (Er war 1922 auf sechs Jahre gewählt worden.) auf.[42] Das Auflösungsdekret wurde vom Regierungschef im Landtag vorgelesen.[43]1928 löste Fürst Johann II. den Landtag im Gefolge des sogenannten „Sparkassaskandals“, der wesentlich die Volkspartei belastet hatte, auf. Der Landesfürst kam dabei auch einem Initiativbegehren zuvor, das von der Bürgerpartei lanciert worden war.[44] Weitere Auflösungen des Landtages erfolgten 1939 nach Erlassung des Proporzgesetzes und 1953 nach Weigerung der Fraktion der VU, im Landtag weiter mitzuarbeiten, nachdem ihr die Mehrheit samt Präsidium im Verwaltungsrat der AHV durch die FBP-Fraktion versagt blieb.[45] 1957 erfolgte eine Landtagsauflösung, nachdem die VU die Weiterarbeit verweigerte, weil im Wahlkreis Unterland liechtensteinische Bürger wählen durften, die ihren Wohnsitz im Fürstentum seit längerer Zeit aufgegeben hatten.[46]Ein weiteres Mal wurde der Landtag am 23. Januar 1989 vom Erbprinzen aufgelöst, nachdem der Landtag im Zusammenhang mit der „Staatsgerichtshofaffäre“ beschlussunfähig geworden war.[47] Zu guter Letzt erfolgte am 15. September 1993 eine Auflösung des Landtages, nachdem er einen Tag zuvor dem Regierungschef das Vertrauen entzogen hatte.[48]Eine Kundmachung der Erklärung des Landesfürsten erfolgte in sämtlichen Fällen nicht, diese hatte ja mit der Verlesung vor dem versammelten Landtag stattgefunden. Eine Gegenzeichnung der Landtagsauflösung erfolgte offenbar nur in einem einzigen Fall: am 15. September 1993 wurde das Dekret der Landtagsauflösung durch den damaligen Regierungschef Büchel im Landtag vor den Abgeordneten gegengezeichnet.[49] In allen anderen Fällen erfolgte die Landtagsauflösung durch den bevollmächtigten Regierungschef, ohne dass eine Gegenzeichnung eines Dokuments erfolgt wäre.[50]Das Beispiel der Auflösung im Jahre 1928 demonstriert die Problematik einer Auflösung durch den Landesfürsten: Es kann nicht bezweifelt werden, dass der Sparkassaskandal für das Land eine wirtschaftliche Katastrophe war und eine politische Krise bewirkte. Es stellt sich aber auch die Frage, ob Neuwahlen des Landtages, die auf Grund des Umstandes, dass der Skandal praktisch ausschliesslich einer Partei zugeschrieben werden konnte, die richtige Lösung waren. Andererseits kam der Fürst ohnehin nur einer erfolgreichen Initiative des Volkes gemäss Art. 48 Abs. 3 LV zuvor.Auch die Auflösungserklärung im Jahre 1928[51] wurde vom greisen Landesfürsten nicht selbst vor dem versammelten Landtag vortragen.Wie bereits zu Art. 47 LV[52] ausgeführt, bewirkt die Auflösung des Landtages durch den Landesfürsten, dass der Landtag für eine volle Legislaturperiode von vier Jahren neu zu wählen ist.III. Einberufung des Landtages durch das VolkWie oben dargestellt, kann sich der Landtag (sei es auf Anordnung des Präsidenten oder auf Antrag mehrerer Abgeordneter) nicht selbst einberufen. Das einzige Gegengewicht zum Recht des Fürsten, den Landtag einzuberufen, zu vertagen oder aufzulösen, bildet das in Art. 48 Abs. 2 LV verankerte Recht des Volkes auf Einberufung des Landtages. Das Instrument kann sich aber auch gegen den Landtag bzw. seinen Präsidenten richten, wenn das Volk während des Jahres ein Zusammentreten des Landtages verlangt.Die Verfassung fordert für die Initiative ein begründetes, schriftliches Verlangen von wenigstens 1000 wahlberechtigten Landesbürgern oder das Vorliegen von Gemeindeversammlungsbeschlüssen von mindestens drei Gemeinden.[53]Das Verfahren richtet sich nach dem VRG. Gemäss Art. 87 Abs. 2 VRG finden auf das Zustandekommen eines solchen Begehrens die Bestimmungen über Initiativbegehren ergänzende Anwendung. Das Begehren ist von der Regierung dem Präsidenten des Landtages zum Vollzug zu übermitteln. Dieser hat nun gemäss Art. 4 GOLT den Landtag einzuberufen. Dieser Vorgang wird als „Ausserordentliche Einberufung“ bezeichnet.Für den Fall, dass der Landtag aufgelöst wird, ist unverzüglich auf eine Neuwahl zu dringen und der Landtag sodann einzuberufen (Art. 87 Abs. 4 VRG). Ist der Landtag dagegen vertagt oder geschlossen, so ist er vom Präsidenten beziehungsweise von der Regierung ebenfalls sofort einzuberufen (Art. 87 Abs. 5 VRG).[54]Letztere Bestimmung hat bisher keine praktische Bedeutung erlangt. Sie könnte lediglich dann Wirkung entfalten, wenn sich der Landesfürst weigern würde, den Landtag einzuberufen oder wenn der Landesfürst den Landtag vertagt hätte oder trotz Auflösung noch keine Neuwahlen angesetzt wären. Der Grund, weshalb Art. 87 Abs. 5 VRG die Regierung mit der Kompetenz betraut, den Landtag einzuberufen, besteht darin, dass während der Schliessung des Landtages der nur für die Dauer der Sitzungsperiode gewählte Landtagspräsident seine Funktion verloren hat. Aus diesem Grund überträgt das Gesetz der Regierung die Aufgabe, den Landtag in dieser Zeit einzuberufen. Hingegen ist der Landtag im Fall seiner Vertagung vom Präsidenten einzuberufen, da dieser auch während einer Vertagung in seinem Amt bleibt.[55]Eine weitere Frage ist, was erfolgt, wenn der Landtag aufgelöst ist und keine Neuwahlen angesetzt sind. Hier trägt Art. 87 Abs. 4 VRG lediglich auf, dass „im Sinne der Verfassung“ auf eine Neuwahl zu dringen ist. Es stellt sich die Frage, ob es ein Organ des Landtages gibt, das auf eine solche Neuwahl zu dringen hat, denn schliesslich ist der Landtag zu diesem Zeitpunkt ja aufgelöst. Dies wird wohl Aufgabe des Landesausschusses, der ja gemäss Art. 71 LV an die Stelle des Landtages zur Besorgung der seiner Mitwirkung oder jener seiner Kommissionen bedürftigen Geschäfte tritt. Dies ist insoweit der Fall, als die Vertretungsaufgabe des Landtages sonst dem Präsidenten, also einem Organ des Landtages, obliegen würde. Die Anberaumung der Neuwahlen ist und bleibt jedoch Aufgabe der Regierung. Der Landtagspräsident kann, wie das Gesetz ihm aufträgt, lediglich auf die Anberaumung der Neuwahlen „dringen“.Anzumerken ist weiters, dass der von der Verfassung verwendete Begriff des schriftlichen Begehrens es wohl offen liesse, in der Ausführung durch das VRG auch elektronische Einbringungsformen zuzulassen („e-Voting“ oder „e-Participation“). Bislang wurden jedoch keine gesetzgeberischen Massnahmen gesetzt.[56]IV. Abberufung des LandtagesZum Auflösungsrecht des Landesfürsten gemäss Abs. 1 tritt das Abberufungsrecht gemäss Art. 48 Abs. 3 LV hinzu. Da der Landtag selbst keine Möglichkeit hat, sich aufzulösen, bietet der Weg der Volksinitiative einer Fraktion im Landtag die einzige Möglichkeit, gegen den Widerstand des Landesfürsten eine Auflösung des Landtages herbeizuführen.Das Verfahren wird in Art. 86 VRG näher geregelt. Wenn diese Initiativen gültig zustande gekommen sind, hat auf Anordnung der Regierung eine Volksabstimmung stattzufinden (Art. 86 Abs. 1 VRG). Art. 86 Abs. 2 VRG stellt zutreffend klar, dass das Abberufungsrecht nur gegen den Landtag als solchen, nicht gegen einzelne Mitglieder geltend gemacht werden kann.Etwas unklar ist die Formulierung des Art. 86 Abs. 3 VRG, wonach auf dieses „Volksbegehren (Einreichung, Unterschriftensammlung, Fassung von Gemeindeversammlungsbeschlüssen, Anordnung der Volksabstimmung usw.) (…) die Bestimmungen dieses Abschnittes sinngemäss ergänzende Anwendung finden.“ Gemeint kann wohl nur sein, dass auf das Begehren auf Abberufung des Landtages die in der Sache vergleichbaren Regelungen für das Referendum (IV. Titel VRG) zur Anwendung gelangen. Wie zu Art. 47 LV dargelegt, hat die Abberufung des Landtages durch das Volk zur Konsequenz, dass die Neuwahlen eine neue Legislaturperiode von wiederum vier Jahren eröffnen. In diesem Sinne ist die Wendung „ordnet sofort im Sinne der Verfassung Neuwahlen an“ (Art. 86 Abs. 5 VRG) zu interpretieren.
1) Die regelmässige Einberufung des Landtages findet zu Anfang eines jeden Jahres mittelst landesfürstlicher Verordnung unter Bezeichnung von Ort, Tag und Stunde der Versammlung statt.Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteIn der Zeit der Konstitutionellen Verfassung oblag es ausschliesslich dem Landesfürsten, den Landtag zu seinen ordentlichen und ausserordentlichen Versammlungen einzuberufen (§ 90 KonV). Der Fürst war jedoch verpflichtet, den Landtag einmal im Jahr, und zwar zwischen dem 15. und dem 31. Mai, einzuberufen (§ 92 KonV). Ansonsten konnte der Landesfürst die Zusammenkunft des Landtages „verordnen, so oft er solches zur Erledigung wichtiger und dringender Landesangelegenheiten nöthig erachtet(e)“ (§ 91 KonV).Dieses System der einmaligen, einen bestimmten Zeitraum umfassenden Zusammenkunft des Landtages während des Jahres und allfälliger weiterer Versammlungen zur Erledigung dringender Geschäfte, hatte sich nach dem Ende des Ersten Weltkrieges überholt.Am Recht des Landesfürsten, den Landtag einzuberufen, wollten auch die Verfassungsentwürfe nach 1918 grundsätzlich nichts ändern: Der Verfassungsentwurf Prinz Karls (§ 39) sah eine zweimalige Einberufung durch den Landesfürsten vor, nämlich im Frühling und im Herbst. Der Landesfürst sollte ihn aber auch, wenn er es für notwendig erachtete, ebenso einberufen können wie zwei Drittel der Mitglieder des Landtages (§ 40).Im Entwurf Wilhelm Becks war demgegenüber vorgesehen, dass die Einberufung des Landtages am Anfang eines jeden Jahres durch eine landesfürstliche Verordnung unter Bezeichnung des Tages, der Stunde und des Ortes der Versammlung zu geschehen habe. Während des Jahres sollte die Regierung den Landtag nach Bedarf, mindestens aber zu einer „Frühlings- und Herbstsaison“ einberufen (Art. 39).Den Grundgedanken, dass der Landesfürst den Landtag lediglich zu Beginn des Jahres einzuberufen hatte, weitere Sitzungen aber nicht mehr von der landesfürstlichen Verordnung abhängig sein sollten, griff die Regierungsvorlage Peers auf (§ 48 erster Entwurf, § 49 zweiter Entwurf). Die Bestimmung des Art. 49 LV erhielt in den Abs. 1 bis 3 bereits ihre heutige Fassung, wonach der Landesfürst mittels landesfürstlicher Verordnung zu Beginn des Jahres den Landtag einberuft, innerhalb des Jahres aber der Präsident die Sitzungen einberuft. Weiters wurde in Abs. 3 eine Regelung für den Fall getroffen, dass der Landesfürst eine Vertagung angeordnet hatte und der Landtag nach der Vertagungsfrist wieder einzuberufen war. Die nachfolgenden Landtagsdiskussionen änderten daran inhaltlich nichts mehr. In der mit LGBl. 1921 Nr. 15 kundgemachten Verfassung findet sich lediglich die redaktionelle Änderung, dass dem Wort „mittels“ (landesfürstlicher Verordnung) ein „t“ angehängt wurde.Bereits die Konstitutionelle Verfassung (§ 102 KonV) kannte das Rechtsinstitut der Stellvertretung im Landtag. Die Verfassung von 1921 übernahm die parlamentarische Stellvertretung vorerst nicht.[1] Erst mit der Einführung des Proporzgesetzes im Jahr 1939 und dem Rechtsinstitut des stellvertretenden Abgeordneten wurde die Regelung des Abs. 4 über die Voraussetzungen für die Teilnahme der stellvertretenden Abgeordneten an den Landtagssitzungen getroffen.[2] Seither ist Art. 49 LV unverändert.II. Die Einberufung des Landtages durch den LandesfürstenA. SessionensystemDie Tatsache, dass der Landtag grundsätzlich (vom Fall des Art. 48 Abs. 2 LV abgesehen) nur durch den Landesfürsten einberufen werden kann, entspricht noch ganz dem Sessionensystem[3] der Konstitutionellen Verfassung, gemäss welchem der Landtag vom Landesfürsten für eine bestimmte Zeit im Jahr einberufen wurde (vgl. § 92 KonV und die Ausführungen unter I.) und ausserhalb welcher der Landtag funktionsunfähig war, soweit der Landtag nicht doch zu einzelnen Sitzungen einberufen wurde. Dieses Sessionensystem ist mittlerweile dadurch abgeschwächt, dass die Sitzungen während des Jahres vom Präsidenten des Landtages angeordnet werden und die tagungsfreie Zeit gegenüber jener der Konstitutionellen Verfassung dadurch wesentlich reduziert ist.Dennoch ist die Sinnhaftigkeit einer solchen tagungsfreien Zeit, die durch das Rechtsinstitut des Landesausschusses überbrückt werden muss, zu hinterfragen.[4]B. Die landesfürstliche Verordnung zur Einberufung des LandtagesAus Art. 49 Abs. 1 LV ergibt sich, dass eine andere Form der Einberufung des Landtages, vom Ausnahmefall des Art. 48 Abs. 2 LV (Einberufung über Verlangen von wenigstens 1.000 wahlberechtigten Landesbürgern oder über Gemeindeversammlungsbeschlüsse von mindestens drei Gemeinden) abgesehen, als durch landesfürstliche Verordnung unzulässig ist.[5] Die in Art. 49 Abs. 1 LV erwähnte landesfürstliche Verordnung ist eine verfassungsunmittelbare Verordnung.[6] Sie benötigt die Gegenzeichnung des Regierungschefs.[7]Als ein Rechtsakt mit Aussenwirksamkeit bedarf die Einberufung der ordentlichen Kundmachung gemäss Art. 3 lit. g des Kundmachungsgesetzes.[8] Sie ist vom Landesfürsten bzw. gegebenenfalls von seinem Stellvertreter gemäss Art. 13bis LV zu erlassen, eine Delegierung beispielsweise an die Regierung ist unzulässig.Art. 49 Abs. 1 LV statuiert darüber hinaus eine Verpflichtung des Landesfürsten, den Landtag einzuberufen. Diese ist verfassungsrechtlich freilich nicht durchsetzbar, allerdings könnte eine Einberufung auch gemäss Art. 48 Abs. 2 LV durch das Volk im Wege eines qualifizierten Verlangens erfolgen. Wenn allerdings keine entsprechende Unterstützung des Landtages durch das Volk vorhanden wäre, gäbe es keine Möglichkeiten, gegen den Willen des Landesfürsten ein Zusammentreten des Parlaments herbeizuführen, auch nicht durch den Landtag selbst.Der Zeitpunkt des erstmaligen Zusammentretens des Landtages im Jahr hat sich in einem Zeitraum „zu Anfang eines Jahres“ zu bewegen. Als „Anfang eines Jahres“ wird man den Januar sowie den Februar qualifizieren können. Dies entspricht auch der schon länger geübten Staatspraxis.[9]Eine Frist zwischen Erlassung der landesfürstlichen Verordnung und dem Versammlungstermin ist verfassungsrechtlich nicht positiviert. Man wird jedoch davon ausgehen müssen, dass die Frist nicht so kurzfristig sein darf, dass sich die Abgeordneten nicht angemessen auf die Sitzung vorbereiten können oder gar verhindert sind. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass in der Eröffnungssitzung nach bestehender Praxis in erster Linie Formalia, wie die Wahlen in das Präsidium des Landtages und die Kommissionen stattfinden. In der Staatspraxis liegt zwischen der Kundmachung der Verordnung und dem Versammlungstag des Landtages regelmässig etwa eine Woche.Die Verfassung verlangt ausdrücklich die Angabe von Ort, Tag und Stunde. Hinsichtlich des Ortes begnügt sich die Staatspraxis mit der Ortsangabe „Vaduz“. Diese vergleichsweise unbestimmte Formulierung ist schon deshalb ausreichend, weil Art. 53 erster Satz LV die Abgeordneten verpflichtet, „auf die ergangene Einberufung persönlich am Sitze der Regierung zu erscheinen.“ Letztere Bestimmung ist zwar nicht an die Tatsache angepasst, dass der Landtag mittlerweile neben dem eigentlichen Regierungsgebäude über ein eigenes Landtagsgebäude verfügt, aber es ist doch offensichtlich und notorisch, wo der Landtag zusammentritt.[10]Darüber hinaus bestimmt bereits Art. 1 Abs. 2 LV, dass der Sitz des Landtages in Vaduz ist.[11] Eine Einberufung an einen anderen Ort wäre daher verfassungswidrig, es sei denn, es läge ein Notstand im Sinne des Art. 10 Abs. 2 LV vor.[12]C. WiedereinberufungArt. 49 Abs. 3 LV, der ebenfalls eine Einberufung des Landtages mittels landesfürstlicher Verordnung vorsieht, hängt mit Art. 48 Abs. 1 LV zusammen, wo das Recht des Landesfürsten verankert ist, u.a. den Landtag aus erheblichen Gründen auf drei Monate zu vertagen.[13] Art. 49 Abs. 3 LV sieht nun vor, dass ein neuerlicher Zusammentritt des Landtages ebenfalls von einer landesfürstlichen Verordnung abhängig gemacht wird. Dies bedeutet, dass im Falle einer erfolgten Vertagung die Sitzungsplanung des Landtagspräsidenten (Art. 49 Abs. 2 LV) gegenüber der landesfürstlichen Verordnung ihre rechtliche Relevanz solange verliert, als nicht mit landesfürstlicher Verordnung der Landtag wieder einberufen wird. Freilich können auch in diesem Fall Initiativen gemäss Art. 48 Abs. 2 LV zu einer Einberufung des Landtages führen.III. Die Anberaumung von Sitzungen des Landtages durch den PräsidentenArt. 49 Abs. 2 LV überträgt die Aufgabe der Anberaumung der Sitzungen des Landtages innerhalb des Jahres dem Landtagspräsidenten. Mit der Wendung „innerhalb des Jahres“ macht die Verfassung deutlich, dass sie grundsätzlich von einer den grössten Teil des Jahres umspannenden Landtagsarbeit ausgeht. Dem entspricht die Praxis, wenn beispielsweise im Dezember die letzten Sitzungen des Landtages stattfinden und auf Ende Jänner des Folgejahres die Wiedereröffnung des Landtages im Wege der Einberufung des Landtages durch den Landesfürsten erfolgt.Wie in Abs. 1 des Art. 49 LV überträgt die Verfassung in Abs. 2 dem zuständigen Organ ein Monopol: Genau so wenig wie bei der erstmaligen Einberufung des Landtages zu Anfang des Jahres der Landesfürst bzw. sein Stellvertreter gemäss Art. 13bis LV durch ein anderes Organ substituiert werden können, darf ein anderes Organ bei der Anberaumung der Sitzungen während des Jahres an die Stelle des Landtagspräsidenten treten.Ist der Landtagspräsident verhindert, so ist nach Art. 13 GOLT der Vizepräsident für die Sitzungsanordnung zuständig. Obgleich die rechtswirksame Anberaumung der Landtagssitzungen, sowohl hinsichtlich ihrer Zahl als auch ihrer Häufigkeit, von der Verfassung ausschliesslich in die Verantwortung des Präsidenten gelegt ist, obliegt diese Entscheidung im Innenverhältnis keineswegs seinem alleinigen Ermessen. Art. 10 Abs. 2 lit. b) GOLT bestimmt nämlich, dass die Festlegung der Sitzungstermine des Landtages auf wenigstens ein Jahr Aufgabe des Landtagspräsidiums ist, das aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und den Fraktionssprechern besteht. Der Landtagssekretär gehört dem Landtagspräsidium mit beratender Stimme an.Dies bedeutet, dass der Präsident die Arbeitsplanung des Landtages im Landtagspräsidium abzustimmen hat. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Abwicklung der Landtagsgeschäfte im Einvernehmen zwischen den Parteien erfolgt.In der Staatspraxis sind mittlerweile acht Arbeitssitzungen in der Dauer von einem bis drei Sitzungstagen üblich geworden. Die Frequenzen lagen in früheren Jahrzehnten, bedingt durch den geringeren Arbeitsanfall, deutlich niedriger.Im Gegensatz zur Einberufung durch den Landesfürsten verlangt die Verfassung für die Anordnung der Sitzungen während des Jahres keinen aussenwirksamen Rechtsakt. Der Landtagspräsident kann auch von einer einmal beschlossenen Sitzungsanordnung abweichen, den Zeitpunkt verlegen, Sitzungen absagen oder auch zusätzliche Sitzungen bei Bedarf anordnen. Er muss jedoch gemäss Art. 10 Abs. 2 lit. b) GOLT das Einvernehmen im Landtagspräsidium herstellen.Gerade weil der Parlamentarismus davon abhängig ist, dass der Präsident durch die Anberaumung der Sitzungen eine Landtagsarbeit überhaupt erst ermöglicht, impliziert die Verfassung, dass er sein Ermessen pflichtgemäss einsetzt und ausschliesslich sachlich begründete Entscheidungen trifft. Diese Verantwortung ist zudem deshalb gross, weil der Landtag selbst keine Möglichkeit hat, die Anberaumung einer Sitzung zu erzwingen und dies auch dem Landesfürsten verwehrt ist. Gegen die Säumigkeit des Präsidenten stünde nur der Weg des Art. 48 Abs. 2 LV offen. Selbst in diesem Fall wäre es jedoch Aufgabe des Präsidenten, dem Verlangen der Initiative bzw. dem Ergebnis der Volksabstimmung durch die Setzung des konkreten Einberufungsaktes zum Durchbruch zu verhelfen.[14]IV. Die stellvertretenden AbgeordnetenA. Kriterien der Teilnahme stellvertretender Abgeordneten an den LandtagssitzungenDie Teilnahme eines stellvertretenden Abgeordneten an einer Landtagsitzung setzt eine „Behinderung“ eines Abgeordneten seiner Wählergruppe voraus, an einzelnen oder mehreren aufeinanderfolgenden Sitzung des Landtages teilzunehmen.Der Begriff der „Behinderung“ ist, gerade weil das Rechtsinstitut des stellvertretenden Abgeordneten im Hinblick auf eine ad hoc mögliche Veränderung in der Zusammensetzung des Landtages nicht unkritisch ist, eng auszulegen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es gemäss Art. 23 Abs. 2 GOLT der Fraktion, welcher der verhinderte Abgeordnete angehört, obliegt, den konkreten Stellvertreter zu bezeichnen. Es ist davon auszugehen, dass es nicht dem Sinn und Zweck von Verfassung und Geschäftsordnung entspricht, dass eine Fraktion die Stellvertretung orientiert an Traktandenliste und Präferenzen, ausrichtet.[15] Es muss daher immer zuerst der Stellvertreter mit den meisten Wählerstimmen aufgeboten werden.[16]Anzuknüpfen ist an der Regelung der Anwesenheitspflicht in Art. 22 GOLT: Gemäss Abs. 1 dieser Bestimmung ist jedes Mitglied des Landtages verpflichtet, an den Sitzungen teilzunehmen. Vorbehalten bleibt eine Teilnahmeverhinderung aus wichtigem Grund. Als wichtiger Grund gilt insbesondere die Abwesenheit wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung oder eines anderen unvorhergesehenen und unabwendbaren Ereignisses.[17]Zweifellos ist Krankheit ein Hinderungsgrund des gewählten Abgeordneten, an der Sitzung teilzunehmen.[18] Ein blosser Arzttermin ist dies nur, wenn er wegen einer akuten Erkrankung erforderlich ist. Ansonsten wäre es dem Abgeordneten nämlich ohne Weiteres zuzumuten gewesen, einen Termin zu vereinbaren, der mit seinen politischen Verpflichtungen nicht in Konflikt steht.Ein weiterer Hinderungsgrund ist eine Landesabwesenheit, die dem Abgeordneten nicht selbst zuzurechnen ist, etwa weil die Rückkehr aus dem Urlaub oder einer Dienstreise wegen höherer Gewalt nicht rechtzeitig stattfinden konnte. Ein Hinderungsgrund liegt wohl auch bei Todesfall und schwerer Erkrankung naher Angehöriger vor.Demgegenüber werden andere private oder berufliche Verpflichtungen in den Hintergrund treten müssen: Dem einzelnen Abgeordnete musste es bei seiner Kandidatur klar sein, dass die Übernahme eines Abgeordnetenmandats mit der grundsätzlichen Verpflichtung verbunden ist, an den Landtagssitzungen teilzunehmen. Dies unterstreicht auch Art. 23 Abs. 3 GOLT, der davon spricht, dass eine Stellvertretung nur bei Vorliegen eines „effektiven Hinderungsgrundes“ zulässig sein soll.Diesen Argumenten kann freilich entgegen gehalten werden, dass der Landtag als Milizparlament konzipiert ist. Die Abgeordneten erhalten lediglich eine vergleichsweise bescheidene Pauschale sowie Sitzungsgelder[19] und sind deshalb darauf angewiesen, ihren angestammten Beruf weiterzuführen. Ihre Arbeit als Abgeordnete ist nicht als eine hauptberufliche konzipiert. Wenn qualifiziertes politisches Personal rekrutiert werden soll, werden gewisse Konzessionen an unabweisliche berufliche Notwendigkeiten gemacht werden müssen. Auch für solche Fälle, so kann argumentiert werden, ist das Rechtsinstitut des stellvertretenden Abgeordneten vorgesehen. In historischer Betrachtung sollte das Institut des stellvertretenden Abgeordneten vorrangig verhindern, dass Mehrheitsverhältnisse allzu leicht durch Abwesenheiten verzerrt werden. Bei einem Landtag von ursprünglich lediglich 15 Mitgliedern war dies relativ leicht möglich.Die Grenze der Zulässigkeit der Stellvertretung im Landtag ist daher nicht leicht zu ziehen. Sie ist aber dann klar überschritten, wo sich ein Abgeordneter einer unangenehmen Abstimmung oder Beratung entziehen will oder von seiner Partei gedrängt wird, einer Sitzung unter Berufung auf eine Verhinderung fernzubleiben.[20]In der Literatur wurde diskutiert, ob eine „Behinderung“ auch dann vorliegt, wenn bei einem Abgeordneten eine Interessenkollision vorliegt oder er sich befangen fühlt.[21] Tatsächlich würde es – gerade angesichts der Kleinheit des Landes und der vielen Nahebeziehungen zwischen Funktionsträgern – naheliegen, dies als hinreichenden Grund für die Wahrnehmung des Mandats durch den stellvertretenden Abgeordneten anzuerkennen. Die GOLT kennt allerdings die Möglichkeit, sich wegen Befangenheit der Stimme zu enthalten, nicht.[22] Eine solche Regelung wäre jedoch erforderlich, um Anhaltspunkte zu gewinnen, unter welchen Voraussetzungen ein Abgeordneter der Sitzung fernzubleiben hätte. Aus der unterschiedlichen Terminologie des Abs. 4, der zunächst von „Behinderung“ und anschliessend vom „verhinderten“ Abgeordneten spricht, ist für die rechtliche Bewertung wenig zu gewinnen.[23] Es ist offensichtlich, dass, würde die Verfassung das Wort „Behinderung“ auch im zweiten Fall verwenden, nicht nur eine Wortwiederholung eintreten würde, sondern vor allem die missverständliche Interpretation naheliegen würde, dass mit „Behinderung“ eine Art Invalidität gemeint wäre. Ausserdem wird das Wort „Verhinderung“ in Art. 53 LV offenbar synonym verwendet.[24] Zu guter Letzt knüpft auch Art. 23 GOLT, der die Stellvertretung im Landtag regelt, an den Begriff der „Verhinderung“ an.Allerdings macht der Terminus „Behinderung“ klar, dass nicht schlechthin jede im normalen Sprachgebrauch als solche bezeichnete „Verhinderung“ es rechtfertigt, dass der stellvertretende Abgeordnete an der Sitzung teilnimmt.Die Teilnahme kann sich auf einzelne oder mehrere aufeinanderfolgende Sitzungen beziehen. Daraus ergibt sich zunächst, dass eine Stellvertretung nur für einzelne Stunden oder gar nur für eine bestimmte Abstimmung verfassungswidrig wäre.[25]Der Wortlaut des Art. 49 Abs. 4 LV würde es wohl zulassen, dass der stellvertretende Abgeordnete den beispielsweise durch eine schwere Krankheit „behinderten“ Abgeordneten während des gesamten Rests der Legislaturperiode vertritt. Art. 53 letzter Satz LV spricht allerdings davon, dass, wenn es sich um ein bleibendes „Hindernis“ handelt, eine Ergänzungswahl stattzufinden hat, falls nach dem Nachrückungssystem kein Ersatz geschaffen werden kann. Ergänzend dazu postuliert Art. 63 VRG für den Fall „dauernder Verhinderung in der Ausübung des Mandates“ die Möglichkeit des Mandatsverlusts. Der Mandatsverlust wäre von der Regierung auszusprechen. Ihre Entscheidung wäre vom betroffenen Abgeordneten beim Verwaltungsgerichtshof und schliesslich beim Staatsgerichtshof bekämpfbar. Dies spricht jedenfalls gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Stellvertretung auf Dauer.[26]Solange ein solcher Mandatsverlust jedoch nicht ausgesprochen ist und der betreffende Abgeordnete tatsächlich seine Funktion nicht wahrnehmen kann, wird man daher auch eine länger dauernde Stellvertretung gemäss Art. 49 Abs. 3 LV für zulässig betrachten müssen. Sie soll ja auch sicherstellen, dass der Landtag das tatsächliche politische Kräfteverhältnis wiederspiegelt und die Mehrheiten im Parlament nicht von zufälligen Ereignissen wie Krankheiten und Ähnlichem bestimmt sind. Es ist allerdings zu beachten, dass auch die Möglichkeiten der Stellvertretung dadurch, dass in der Praxis den Parteien in jedem Wahlkreis zumeist nicht mehr als ein Stellvertreter zur Verfügung steht (siehe Art. 46 Abs. 2 LV) letztlich begrenzt sind.Die parlamentarische Praxis zeigt, dass in den Jahren 2007 und 2008 an jeder Landtagssitzung durchschnittlich 1,5 stellvertretende Abgeordnete teilgenommen haben, zwischen 1978 und 1980 jedoch sogar 2,3. Dabei gilt es aber noch zu berücksichtigen, dass in der Zwischenzeit die Abgeordnetenzahl von 15 auf 25 erhöht wurde.[27]B. Rechtsstellung des stellvertretenden AbgeordnetenTritt der Verhinderungsfall ein, so hat nach der rechtzeitigen Bekanntgabe der Verhinderung des Abgeordneten durch diesen selbst gemäss Art. 53 LV und Art. 23 Abs. 1 GOLT seine Fraktion einen Stellvertreter zu benennen (Art. 23 Abs. 2 GOLT). Das Aufbieten eines stellvertretenden Abgeordneten steht somit nicht im Belieben des Verhinderten.[28] Die Lehre fordert allerdings, dass zuerst immer jener Stellvertreter mit den meisten Wählerstimmen aufgeboten werden sollte.[29] Tatsächlich spricht die Überlegung, dass die Zusammensetzung des Parlaments nicht willkürlich verändert werden darf, dagegen, dass es vom Gutdünken der jeweiligen Fraktion abhängen soll, welchen Stellvertreter sie nominiert.[30]Gemäss Art. 49 Abs. 4 LV nimmt der stellvertretende Abgeordnete mit Sitz und Stimme am Landtag teil, was bedeutet, dass er gleichsam in alle Rechte des Abgeordneten einrückt, den er vertritt. Der stellvertretende Abgeordnete geniesst die Immunität (Art. 56 LV) und das freie Mandat (Art. 57 LV).[31]In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass der Einsatz von stellvertretenden Abgeordneten in Landtagskommissionen ausgeschlossen sei.[32] Begründet wird diese Meinung zum einen mit dem Wortlaut der Verfassung, die in Art. 49 Abs. 4 LV von Sitz und Stimme in den „Sitzungen“ des Landtags spricht.[33] Auch die korrespondierende Regelung des Art. 53 LV, die im „Hinderungsfall“ den Abgeordneten verpflichtet, sein Nichterscheinen bei der Landtagssitzung dem Präsidenten bekannt zu geben, spricht dafür, dass für eine Stellvertretung überhaupt nur die Landtagssitzung in Betracht kommt. Andererseits legt ein Grössenschluss nahe, dass, wenn ein stellvertretender Abgeordneter an den Sitzungen des Landtages stimmberechtigt teilnehmen darf, er dies grundsätzlich auch in den Kommissionen des Landtages tun können muss. Art. 71 Abs. 2 GOLT bestimmt denn auch, dass sich die Kommissionen des Landtages mehrheitlich aus ordentlichen Abgeordneten zusammensetzen müssen und ausschliesslich diese den Vorsitz in einer Kommission führen dürfen.[34] Wenn damit pauschal eine Vertretung ermöglicht werden soll, ohne dass eine Verhinderung vorliegt, bestehen an der Verfassungskonformität der Bestimmung Zweifel.[35] Der Stellvertreter dürfte demnach nicht schon von vornherein als Mitglied in eine Kommission gewählt werden, sondern wie bei den Landtagssitzungen nur dann zum Einsatz kommen, wenn eine Verhinderung eines Abgeordneten vorliegt. Andererseits besteht ein erhebliches praktisches Bedürfnis, dass in den Kommissionen stellvertretende Abgeordnete unter erleichterten Voraussetzungen tätig werden dürfen als im Plenum. In diesen Fällen ist auch das demokratische Problem, dass ein gewählter Abgeordneter durch einen Stellvertreter ersetzt wird, weniger virulent. Es wäre zu empfehlen, die bestehende Praxis verfassungsrechtlich eindeutig zu legitimieren.Weiters bestimmt Art. 61 GOLT, dass sich die ständigen Delegationen des Landtages in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, jener der OSZE, der Internationalen Parlamentarier Union und den Parlamentarierkomitees der EFTA- bzw. der EWR-Staaten aus zwei Mitgliedern des Landtages und deren Ersatzmitgliedern zusammensetzen (Art. 61 Abs. 2 GOLT). Diese Regelung dürfte hingegen verfassungskonform sein, da die Ersatzmitglieder nur bei Verhinderung der ordentlichen Mitglieder zum Einsatz gelangen.[36]Der Sitz und die Stimme des stellvertretenden Abgeordneten im Landtag sind allerdings bloss auf Zeit verliehen und davon abhängig, wann die „Behinderung“ des Abgeordneten vorbei ist. Diese Entscheidung fällt der vertretene Abgeordnete. Sie kann von niemand anderem an seiner Stelle getroffen werden.Der stellvertretende Abgeordnete hat Anspruch auf eine halbe Pauschale der ordentlichen Abgeordneten sowie Sitzungsgelder für jene Sitzungen, an denen er teilgenommen hat.[37]
Das Staatswappen ist das des Fürstenhauses Liechtenstein; die Landesfarben sind blau-rot. The coat of arms of the State shall be that of the Princely House of Liechtenstein; the national colours shall be blue and red. Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeines und EntstehungsgeschichteDie Konstitutionelle Verfassung enthielt keine Regelung über die Staatssymbole.Art. 2 des Verfassungsentwurfes Beck sah jedoch bereits die Bestimmung vor, wonach das Staatswappen das des fürstlichen Hauses Liechtenstein ist und die Landesfarben blau und rot sind.§ 5 der Regierungsvorlage Peer übernahm diese Bestimmung mit geringfügigen Abweichungen fast wörtlich. Art. 5 LV blieb seither unverändert. Während die Schweizerische Bundesverfassung in ihrer Fassung von 1874 wie übrigens auch nach ihrer Totalrevision 1999 keine Regelungen über die Staatssymbole beinhaltete[1], stand das österreichische Gesetz vom 8. Mai 1919 über das Staatswappen und das Staatssiegel der Republik Österreich, StGBl. 1919/257, abgeändert durch das Gesetz vom 21. Oktober 1919 über die Staatsform, StGBl. 1919/484], durch Art. 149 Abs. 1 B-VG in Verfassungsrang.[2] Seit 1981[3] weist das B-VG selbst in Art. 8a B-VG Regelungen über die Staatssymbole auf. Die Weimarer Verfassung sah in ihrem Art. 3 die Regelung der Reichsfarben und der Handelsflagge vor. Insoweit gab es, was die Verankerung von Staatssymbolen in der Verfassung betraf, mit Österreich und Deutschland gewisse Vorbildregelungen. Auch die Vorarlberger Landesverfassung 1923 sah in ihrem Art. 6 eine Bestimmung über die Landessymbole (Landeswappen und Landesfarben) vor.[4]Während die Staatenpraxis, was die Regelung ihrer Staatssymbole auf der höchsten Ebene der Rechtsordnung, in der Verfassung, betrifft, uneinheitlich ist, fanden und finden sich auf einfachgesetzlicher Ebene hingegen jeweils relativ umfangreiche Regelungen über die Staatssymbole. Typischerweise wurden solche Bestimmungen immer wieder im Zusammenhang mit Staatsgründungen oder Änderungen der Staatsform relevant als es darum ging, neue Identifikationsobjekte des Staates zu schaffen.[5]Vielleicht gerade deshalb, weil es in Liechtenstein seit der Erlangung seiner Souveränität 1806 keine vergleichbaren Diskontinuitäten gab, wurden erst mit dem Gesetz vom 4. Juni 1957 betreffend Wappen und Flaggen des Fürstentums Liechtenstein[6] Regelungen auf einfachgesetzlicher Ebene erlassen. Diese sind gegenwärtig im Gesetz vom 30. Juni 1982 über Wappen, Farben, Siegel und Embleme des Fürstentums Liechtenstein (Wappengesetz) zusammengefasst.[7]II. Die Staatssymbole und ihre BedeutungEin Staat ohne Symbole ist nicht als solcher identifizierbar. Hoheitliches Handeln als Ausdruck der Souveränität eines Staates bedarf eines Rückgriffs auf ein sichtbares und gegebenenfalls auch hörbares Merkmal dieses Staates.[8] Die staatlichen Symbole entfalten daher Integrations- und Identifikationswirkung und machen den Staat sinnlich erfassbar.[9] Nicht von ungefähr war daher bereits in Art. 4 des Zollvertrags mit Österreich aus dem Jahre 1852 vorgesehen, dass die Zoll- und Steuerämter in Liechtenstein „als kaiserlich-österreichische und fürstlich liechtensteinsch’sche bezeichnet und mit beiden Wappen versehen werden sollen. Die Zoll- und sonstigen Tafeln, Schlagbäume u.s.w. sind mit den liechtensteinischen Landesfarben zu bezeichnen.“[10] Vergleichbare Bestimmungen enthalten neben Art. 13 des Zollvertrags mit der Schweiz von 1923 eine Vielzahl weiterer internationaler Abkommen.[11]Zu den staatlichen Symbolen werden üblicherweise die Staatsfarben, die Staatsflagge, das Staatswappen, das Staatssiegel und die Staatshymne (auch als National- oder Bundeshymne bezeichnet) gezählt.[12] Wie bereits unter Kapitel I. ausgeführt, gehen die Staatsverfassungen, was die Regelungen dieser Symbole betrifft, durchaus uneinheitlich vor. Während die Schweiz auf Bundesebene keine verfassungsrechtlichen Regelungen kennt,[13] das Grundgesetz lediglich die Bundesflagge regelt (Art. 22 Abs. 2 GG), erwähnt Art. 8a B-VG die Farben, die Flagge, das Wappen und das Siegel.Art. 5 LV regelt hingegen das Staatswappen und die Landesfarben. Flagge, Siegel und andere Embleme werden lediglich im Wappengesetz geregelt. Die Staatshymne ist in keiner gesetzlichen Regelung festgelegt.Die Staatssymbole tragen zur Stärkung des Staatsbewusstseins und des Staatsgefühls bei. Aus diesem Grund sind sie auch in besonderer Weise gegen eine unbefugte Verwendung und gegen eine Herabwürdigung geschützt (dazu näher unter Kapitel VI.).[14]Nicht gesondert erwähnt sind in der Verfassung die Gemeindesymbole, die gemäss Art. 20 Abs. 1 Wappengesetz den Gemeinden durch den Landesfürsten verliehen werden. Art. 20 Abs. 2 Wappengesetz überträgt den Gemeinden das Recht, für Gemeindewappen und Gemeindeflaggen nähere Bestimmungen zur Führung und Verwendung zu erlassen.III. Das StaatswappenArt. 5 erster Halbsatz LV bestimmt als Staatswappen „das des Fürstenhauses Liechtenstein“, also das Wappen des Fürstenhauses. Damit stellt sich in normativer Hinsicht die Frage, ob damit auch die inhaltliche Gestaltung an das Fürstenhaus delegiert wird. Dies ist zu verneinen: Art. 5 erster Halbsatz LV knüpft an das 1921 vorgefundene Wappen des Fürstenhauses an. Die nähere Ausführung ist dem einfachen Gesetzgeber überlassen, wobei neben der historischen Überlieferung zweckmässigerweise auch die Grundsätze der Heraldik eine Rolle spielen.Das Stammwappen des Fürstenhauses besteht aus einem von Gold und Rot geteilten Schild, das seit dem 13. Jahrhundert nachgewiesen ist. Eine erste farbige Darstellung ist im Arlberger Bruderschaftsbuch 1409 überliefert.[15] Diese Form wurde im Verlauf der Jahrhunderte allerdings stark verändert. In seiner heutigen und Art. 5 LV zugrunde liegenden Darstellung wurde das Wappen ab ca. 1623 von der Gundakerischen Linie geführt.[16] Entsprechend dem Art. 5 LV zugrunde liegenden Verständnis, wonach das Staatswappen durch staatliches Gesetz näher umschrieben wird, verweist auch das Hausgesetz in seinem Art. 2 Abs. 5 hinsichtlich des Familienwappens auf die Abbildung und Beschreibung im Wappengesetz.Das Wappengesetz umschreibt das Wappen verbal im Detail und unterscheidet dabei zwischen dem grossen Staatswappen (Art. 1) und dem kleinen Staatswappen (Art. 2).[17] Abbildungen sind jeweils im Anhang des Gesetzes dargestellt. Die Urschilder, die für die heraldische Darstellung massgebend sind, werden im Liechtensteinischen Landesarchiv und in der Kabinettskanzlei verwahrt (Art. 3).IV. Die LandesfarbenArt. 5 zweiter Halbsatz LV bestimmt als Landesfarben blau-rot. Die Landesfarben finden Anwendung in Flaggen, Fahnen, Bannern, Wimpeln und Standarten (vgl. Art. 4 Wappengesetz).Die Landesfarben wurden vermutlich von Livreefarben des Fürstenhauses hergeleitet und erschienen erstmals 1793 auf einem Standartenentwurf. Die Farben wurden seit dem beginnenden 19. Jahrhundert mit dem Fürstentum Liechtenstein in Verbindung gebracht.[18] Seit 1937[19] befindet sich im blauen Streifen ein goldener Fürstenhut. Anlass dafür bildete die Unterscheidung von der Flagge Haitis.[20] Damit wird auch die konstitutionelle Monarchie und damit ein Stück Verfassung zum Ausdruck gebracht.[21] Auch die Landesfarben sind in ihrer Ausprägung als Fahne, Flagge, Banner und Wimpel im Anhang des Wappengesetzes bildlich dargestellt.Die Landesfarben sind von den Farben des Fürstenhauses (gold-rot; vgl. Art. 11 Wappengesetz) zu unterscheiden. Letztere sind auch nicht verfassungsrechtlich geregelt.V. Ausserhalb der Verfassung geregelte StaatssymboleDer Umstand, dass in der Verfassung lediglich das Staatswappen und die Landesfarben Erwähnung finden, bedeutet nicht, dass der Gesetzgeber nicht befugt wäre, weitere Staatssymbole festzulegen. Im Wappengesetz werden daher auch die Flagge (Art. 5), Fahne (Art. 6), Banner (Art. 7) und Wimpel (Art. 8), die Standarte des Landesfürsten (Art. 9) und die Farben des Fürstenhauses Liechtenstein mit ihren Ausprägungen als Flagge, Fahne, Banner und Wimpel (Art. 11 ff.) geregelt. Das einzige Staatssymbol, welches keine unmittelbare gesetzliche Regelung[22] erfahren hat, ist die Landeshymne. Die Landeshymne, deren Melodie auf der englischen Nationalhymne „God Save the Queen“ beruht, wurde in ihrer geltenden Textierung mit Beschluss des Landtages vom 18. Dezember 1963 festgelegt.[23] Sie war allerdings bereits im 19. Jahrhundert gebräuchlich als die Melodie in zahlreichen Ländern der jeweiligen Hymne zugrunde gelegt wurde. Der Text dürfte aus den 1850er-Jahren stammen und enthielt, da Liechtenstein damals Mitglied des Deutschen Bundes war, verschiedene Bezüge auf Deutschland, wie etwa den „deutschen Rhein“. Der Text, der dem Landtagsbeschluss vom 18. Dezember 1963 zugrunde lag, ist gegenüber dem ursprünglichen Wortlaut verkürzt und die Bezüge auf den Deutschen Bund entfallen.[24]VI. Schutz der StaatssymboleAus der Rolle der Staatssymbole als Identifikationsobjekte des Staates und der staatlichen Organe ergibt sich, dass sie in verschiedener Hinsicht gegenüber Missbrauch und Herabwürdigung geschützt werden müssen.So sind die Führung und das Verwenden der im Wappengesetz geregelten Symbole bestimmten Schranken unterworfen, wobei zwischen „Führung“ und „Verwendung“ unterschieden wird. Gemäss Art. 16 Abs. 2 Wappengesetz ist unter „Führung“ der Gebrauch im persönlichen, beruflichen oder amtlichen Verkehr, insbesondere als Aufdruck auf Schildern, Schriften und Drucksorten zu verstehen. „Verwendung“ ist nach dieser Bestimmung der Gebrauch auf Gegenständen aller Art, insbesondere auf gewerblichen Artikeln oder Abzeichen.Die Führung und Verwendung ist demnach grundsätzlich staatlichen Organen oder Einrichtungen vorbehalten, während in einem gewissen Rahmen eine Verwendung zu geschäftlichen Zwecken durch Private bewilligt werden kann (Art. 21 Wappengesetz). Diese einschränkenden Regelungen verfolgen einerseits den Zweck zu vermeiden, dass Privatpersonen den Eindruck erwecken, als staatliche Organe zu handeln, andererseits, dass durch die Verwendung der Staatssymbole der Staat in irgendeiner Form herabgewürdigt wird. Ein Verstoss gegen die Bestimmungen des Wappengesetzes ist strafrechtlich sanktioniert (Art. 23) und kann mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten und einer Busse bis zu 100‘000 Fr. geahndet werden. Dieser Bestimmung hat der Staatsgerichtshof in StGH 2006/18 Verfassungskonformität im Hinblick auf das strafrechtliche Legalitätsprinzip (Art. 33 Abs. 2 LV und Art. 7 EMRK) attestiert, da aus dem gesamten Wappengesetz für jedermann ersichtlich sei, welches die Merkmale des strafbaren Verhaltens sind und der Normunterworfene sowohl die Folgen eines Verstosses gegen diese Bestimmungen mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit wie auch den daraus sich ergebenden Freiheitsspielraum erkennen und auch ausnutzen könne. Die zwar nicht in einer einzigen Bestimmung verankerten Straftatbestände im Wappengesetz seien daher als noch genügend bestimmt einzustufen.[25]Gemäss § 248 StGB stehen darüber hinaus die Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole unter Strafdrohung. Gemäss Abs. 1 dieser Bestimmung ist, wer auf eine Art, dass die Tat einer breiten Öffentlichkeit bekannt wird, in gehässiger Weise das Fürstentum Liechtenstein beschimpft oder verächtlich macht, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen. Nach § 248 Abs. 2 StGB ist, wer in der im Abs. 1 bezeichneten Art in gehässiger Weise eine aus einem öffentlichen Anlass oder bei einer allgemein zugänglichen Veranstaltung gezeigte Landesflagge oder Landesfahne, ein von einer liechtensteinischen Behörde angebrachtes Hoheitszeichen oder die Landeshymne beschimpft, verächtlich macht oder sonst herabwürdigt, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.[26]Obgleich Textierung und Melodie der Landeshymne niemals im Landesgesetzblatt publiziert wurden, ist davon auszugehen, dass auf Grund des kontinuierlichen Gebrauchs der Hymne in ihrer vom Landtag festgelegten Form[27] das Tatobjekt „Landeshymne“ in § 248 Abs. 2 StGB in hinreichend bestimmter Weise festgelegt ist.[28]Hinsichtlich der praktischen Handhabung der Strafbestimmungen im Wappengesetz und im Strafgesetzbuch ist wenig bekannt.[29] Auch wenn in der Beurteilung der Frage, welcher Gebrauch von Staatssymbolen als Missbrauch oder gar Herabwürdigung zu qualifizieren ist, gerade im Hinblick auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 40 LV; Art. 10 EMRK), Zurückhaltung angebracht ist[30], ist es gerechtfertigt, grobe Verstösse gegen die Staatssymbole, die letztlich auch gegen die verfassungsmässige Ordnung zielen, zu ahnden.
Wird der Landtag aufgelöst, so muss binnen sechs Wochen eine neue Wahl angeordnet werden. Die neugewählten Abgeordneten sind sodann binnen 14 Tagen einzuberufen. Should Parliament be dissolved, new elections must be ordered within six weeks. The newly elected Members of Parliament shall then be convened within 14 days.Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und Entstehungsgeschichte§ 93 KonV sah vor, dass nach erfolgter Auflösung des Landtages binnen vier Monaten eine neue Wahl anzuordnen und die „neuerwählten Landtagsmitglieder“ einzuberufen waren. Innerhalb von vier Monaten hatte auch die Wiedereinberufung eines vertagten Landtages zu erfolgen.In der Rezeptionsvorlage, der Verfassung des Herzogtums Hohenzollern-Sigmaringen, war in § 113 noch verankert gewesen, dass, wenn nach einer Auflösung des Landtages nicht innerhalb von drei Monaten Neuwahlen angeordnet wurden, der alte Landtag gleichsam wieder auflebte. Die Wiedereinberufung nach erfolgter Wahl hatte nach viereinhalb Monaten zu erfolgen.Die Konstitutionelle Verfassung vereinfachte somit die Regelung der Rezeptionsvorlage, knüpfte allerdings an das Unterlassen der Anordnung der Neuwahl des Landtages keine Rechtsfolgen.Der Verfassungsentwurf Prinz Karls übernahm in § 41 die Regelung des § 93 KonV unverändert. Im Entwurf Wilhelm Becks war indessen mit Art. 39 Abs. 2 eine ebenfalls ähnliche Bestimmung, jedoch mit deutlich kürzeren Fristen, vorgesehen: Die Anordnung der Neuwahl hatte innerhalb eines Monats zu erfolgen, die Wiedereinberufung des Landtages innerhalb von zwei Monaten. Damit wäre klargestellt gewesen, dass spätestens zwei Monate nach Auflösung des Landtages die Wiedereinberufung des neugewählten Landtages stattzufinden hatte. Eine im Grundsatz ähnliche Regelung war wie dargestellt in § 93 KonV verankert gewesen.Die Regierungsvorlage Peers enthielt bereits im Wesentlichen die heutige Formulierung. Peer folgte in Art. 50 erster Satz LV dem Entwurf Becks, sah jedoch eine Frist von drei Monaten zur Anordnung der Neuwahl vor. Die Wiedereinberufung hatte innerhalb von einem Monat nach der Wahl zu erfolgen und knüpfte nicht mehr an den Zeitpunkt der Auflösung des Landtages an. Umstritten blieben in der folgenden Diskussion[1] lediglich die Fristen: Es ging offenkundig darum, die kritische Zeit nach einer Auflösung des Landtages, in welcher das Land über kein arbeitsfähiges Parlament verfügt, möglichst kurz zu halten, andererseits sollte aber auch eine geordnete Neuwahl und Neukonstituierung des Landtages ermöglicht werden. Letzteres sprach dafür, die massgeblichen Fristen nicht zu kurz anzusetzen.Die Verfassungskommission verkürzte die in der Regierungsvorlage vorgeschlagenen Fristen letztlich auf sechs Wochen bzw. 14 Tage.[2] Mit dieser Änderung wurde Art. 50 LV im Landtag beschlossen und kundgemacht. Seither ist die Bestimmung unverändert geblieben.II. Auflösung des Landtages und NeuwahlenArt. 50 LV knüpft daran an, dass der Landtag aus einem der in Art. 48 Abs. 1 oder 3 LV genannten Gründen aufgelöst ist, also entweder vom Landesfürsten oder auf Grund einer Volksabstimmung auf Abberufung des Landtages aufgelöst wurde. Ab der Auflösung existiert kein arbeitsfähiges Parlament mehr, lediglich der Landesausschuss (vgl. Art. 71 LV) tagt. Aus diesem Grund ist es geboten, dass der Zeitraum zwischen Auflösung und Wiedereinberufung des Landtages möglichst kurz ist (siehe die Ausführungen unter Kapitel I.).Art. 50 LV trägt diesem Anliegen insofern Rechnung, als die „Anordnung“ der Neuwahl innerhalb von sechs Wochen erfolgen muss. Die Bestimmung wirft die Frage auf, ob auch die Neuwahl innerhalb der Frist von sechs Wochen stattzufinden hat oder ob lediglich innerhalb dieser Frist der Termin für Neuwahlen anzusetzen ist.Das Organ, das die Neuwahlen im Sinne des Art. 50 LV anzuordnen hat, ist die Regierung. Sie ist auch sonst mit der Durchführung der Wahlen betraut. Deshalb ist zunächst ein Vergleich mit den gesetzlichen Rechtsgrundlagen anzustellen:Eine Angabe, wie lange die Frist höchstens dauern darf, ergibt sich aus dem VRG nicht. Sie ist für die ordentlichen Landtagswahlen auch insoweit nicht zwingend erforderlich, als sich aus Art. 47 LV ergibt, dass diese ordentlicherweise im Februar oder März stattzufinden haben.[3] Damit stellt sich die Frage, ob hier eine Regelungslücke vorliegt.Gerade der Umstand, dass die Vakanz zwischen der Landtagsauflösung und seiner Wiedereinberufung möglichst kurz sein sollte, spricht dafür, dass innerhalb der von Art. 50 LV bestimmten Frist eben nicht nur die Ansetzung, sondern auch die tatsächliche Durchführung der Neuwahl liegt.[4] Auch ein Vergleich mit § 93 KonV bestätigt diese Meinung: Nach dieser Bestimmung war die Wahl innerhalb von vier Monaten anzuordnen und der Landtag innerhalb derselben Frist auch wieder einzuberufen. Es ist nicht anzunehmen, dass der Verfassungsgeber von 1921 hinter den erreichten Standard, nämlich eine fixierte Frist, innerhalb welcher der Landtag nach einer Landtagsauflösung wieder einzuberufen war, zurücktreten wollte. Die Änderungen der Verfassungskommission an der Regierungsvorlage, die zu einer Fristverkürzung führten, belegen ja, dass es dem Landtag ein Anliegen war, das neuerliche Zusammentreten des Landtages nach einer Auflösung möglichst kurzfristig erfolgen zu lassen. Fraglich ist, was gilt, wenn die Frist von sechs Wochen nicht eingehalten wird.[5] Zweifellos verstösst ein Zuwarten der Regierung mit der Anordnung von Neuwahlen über die Frist von sechs Wochen hinaus gegen die Verfassung. Eine Verfassungswidrigkeit einer dann doch abgehaltenen Wahl des Landtags und eine sich daraus ergebende verfassungswidrige Zusammensetzung des Landtags kann jedoch nicht argumentiert werden: Dies würde die Situation, nämlich die Vakanz eines arbeitsfähigen Parlaments, noch verschärfen. Das verfassungswidrige Handeln der Regierung würde aber jedenfalls die Frage der Verantwortlichkeit gemäss Art. 28 StGHG (Ministeranklage) aufwerfen.[6]Als Beispiele aus der Staatspraxis sind zu nennen, dass nach der Landtagsauflösung am 16. Juni 1928 Neuwahlen am 15. und 29. Juli 1928 abgehalten wurden.[7] Bei den Landtagsauflösungen 1957, 1989 („Staatsgerichtshofaffäre“) und 1993 (nach dem Misstrauensvotum des Landtages gegenüber Regierungschef Büchel) lagen zwischen der Landtagsauflösung und dem Zusammentreten des neu gewählten Landtages jeweils knapp weniger als zwei Monate.[8]III. Einberufung des neugewählten LandtagesArt. 50 LV trifft keine Aussagen darüber, wer den neugewählten Landtag einzuberufen hat. Es gelten daher die allgemeinen Vorschriften des Art. 48 und 49 LV, die diese Aufgabe dem Landesfürsten übertragen. Er hat dafür eine landesfürstliche Verordnung zu erlassen, die wiederum der Gegenzeichnung des Regierungschefs unterliegt.[9]Gegen die Unterlassung der Einberufung des neugewählten Landtages durch den Landesfürsten steht lediglich das Instrument des Art. 48 Abs. 2 LV (qualifiziert unterstütztes Verlangen des Volkes zur Einberufung des Landtages) zur Abhilfe zur Verfügung.
1) Im Thronfolgefall ist der Landtag innerhalb 30 Tagen zu einer ausserordentlichen Sitzung zwecks Entgegennahme der im Art. 13 vorgesehenen Erklärung des Landesfürsten und Leistung der Erbhuldigung einzuberufen.2) Ist eine Auflösung vorhergegangen, so sind die Neuwahlen so zu beschleunigen, dass die Einberufung spätestens auf den vierzigsten Tag nach der eingetretenen Thronfolge erfolgen kann. 1) In the case of succession to the throne, Parliament shall be convened to an extraordinary meeting within 30 days to receive the declaration of the Reigning Prince as provided for in article 13 and to take the oath of allegiance. Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteDie Bestimmung des Art. 51 LV enthält begleitende Regelungen zu Art. 13 LV, der den Thronfolgefall mit der dort vorgesehenen Erklärung des Thronfolgers regelt. Gemäss Art. 13 LV muss der Thronfolger vor Empfangnahme der Erbhuldigung erklären, dass er das Fürstentum Liechtenstein in Gemässheit der Verfassung und der übrigen Gesetze regieren, seine Integrität erhalten und die landesfürstlichen Rechte unzertrennlich und in gleicher Weise beobachten wird. Es kann daher im Wesentlichen auf die Kommentierung zu Art. 13 LV verwiesen werden.Es verwundert daher auch nicht, wenn Art. 51 LV seine Wurzeln ebenso wie Art. 13 LV bereits in der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen findet.Deren § 115 sah vor, dass ein ausserordentlicher Landtag „jedesmal nöthig (ist) bei einem Regierungswechsel dergestalt, dass die Mitglieder der Ständeversammlung dreissig Tage nach eingetretener Regierungsveränderung eingerufen werden sollen.Ist eine Auflösung vorhergegangen und noch keine neu gewählte Versammlung vorhanden, so sind die Wahlen so zu beschleunigen, dass die Einberufung längstens auf den sechzigsten Tag nach eingetretener Regierungsveränderung zu erfolgen hat.“[1]Diese Bestimmung übernahm § 94 KonV – von einigen sprachlichen Anpassungen abgesehen – inhaltlich unverändert. Sie lautete:Der Vorlage des § 94 KonV folgte wiederum im Zuge der Verfassungsdiskussion vor 1921 der Entwurf Prinz Karls, während der Entwurf Wilhelms Becks diesbezüglich keine Regelung enthielt.Die Regierungsvorlage Peer übernahm Art. 50 LV (später Art. 51) wiederum mit einigen sprachlichen Anpassungen inhaltlich unverändert aus § 94 KonV. Die Bestimmung stiess jedoch in den Beratungen der Verfassungskommission offenbar auf Widerstand. Eine Begründung findet sich im Bericht allerdings nicht. Inhaltlich war vermutlich die lange Frist von 60 Tagen auf Kritik gestossen. Darüber hinaus stellte die nunmehrige Formulierung auch klar, weshalb der Landtag einzuberufen war, nämlich zur Empfangnahme der Erklärung des Landesfürsten gemäss Art. 13 LV und zur Leistung der Erbhuldigung, was sich in dieser Form aus der früheren Formulierung der KonV nicht erschloss.Die Verfassungskommission schlug eine wesentlich klarere Formulierung des Art. 51 LV vor, die dann vom Landtag letztlich auch beschlossen und in der Verfassung 1921 schliesslich kundgemacht wurde. Die Bestimmung lautete wie folgt:Ist eine Auflösung vorhergegangen, so sind die Neuwahlen so zu beschleunigen, dass die Einberufung spätestens auf den vierzigsten Tag nach eingetretener Regierungsveränderung erfolgen kann.“Die bisher einzige Änderung erfuhr Art. 51 LV im Zuge der Verfassungsrevision 2003. Die Wendung „(im) Falle eines Regierungswechsels“ wurde durch „(im) Thronfolgefall“, der Begriff „Regierungsnachfolger“ durch „Landesfürsten“ ersetzt und die Wortfolge „eingetretener Regierungsveränderung“ durch die Wortfolge „der eingetretenen Thronfolge“. Die Materialien begründeten die vorgenommenen Änderungen hinsichtlich der Ersetzung des Begriffs „Thronwechsel“ durch „Thronfolgefall“ damit, dass „in einer Erbmonarchie die Krone und damit auch der Thron immer gleich bleiben und ein Wechsel im Thronfolgefall nur in der Person jenes Organträgers eintritt, für den Krone und Thron Sinnbilder sind.Die anderen Umformulierungen folgen dem generellen Bestreben dieser Verfassungsrevision, den Begriff „Regierung“ nur im Zusammenhang mit der Regierung im eigentlichen Sinne zu verwenden und nicht für die Person des Fürsten.“[2]Diese Novellierung mit LGBl. 2003 Nr. 186 brachte zweifellos terminologische Verbesserungen, da der Thronfolgefall eben keinen „Regierungswechsel“ darstellt.II. Entgegennahme der Erklärung des Landesfürsten und Leistung der Erbhuldigung im Falle der ThronfolgeA. Einberufung der ausserordentlichen SitzungArt. 51 Abs. 2 LV bestimmt, dass im Thronfolgefall der Landtag innerhalb 30 Tagen zu einer ausserordentlichen Sitzung einzuberufen ist.Die Frist beginnt mit dem Thronfolgefall zu laufen.[3] Das ist der Zeitpunkt, in welchem entwedera) der Landesfürst verstorben ist, b) der Landesfürst seinen Amtsverzicht nach den Bestimmungen des Hausgesetzes (Art. 13 Hausgesetz) bekannt gibt,c) der Familienrat den Landesfürsten als Disziplinarmassnahme absetzt (Art. 14 Abs. 2 lit. c Hausgesetz),d) der Landesfürst gemäss Art. 15 Hausgesetz auf Grund der Unfähigkeit zur Amtsausübung wegen eines schweren körperlichen oder seelischen Leidens oder wegen des Auftretens von Umständen nach Art. 9 Abs. 3 lit. a oder b Hausgesetz durch den Familienrat seines Amtes enthoben wird, oder e) eine Absetzung oder Amtsenthebung gemäss Art. 16 Hausgesetz durch die Mitglieder des Fürstenhauses auf Grund eines Misstrauensantrages des Volkes erfolgt.Die Einberufung hat, sofern der Landtag nicht geschlossen ist, der Landtagspräsident, bei dessen Verhinderung der Vizepräsident als dessen Stellvertreter, vorzunehmen.[4] Wann die betreffende Person vom Thronfolgefall Kenntnis erlangt hat, ist rechtlich unerheblich.[5] In der tagungsfreien Zeit, die allerdings mittlerweile in der Staatspraxis sehr kurz geworden ist und sich von etwa Mitte Dezember auf Ende Januar erstreckt, sind Landtagspräsident und Vizepräsident allerdings nicht in ihrer Funktion. Gemäss Art. 71 LV ist jedoch der Landesausschuss lediglich „unbeschadet der Bestimmungen der Art. 48 bis 51 LV über die Fristen zur Wiedereinberufung bzw. Neuwahl“ an Stelle des Landtages in seiner Funktion. Dies bedeutet, dass dem Landesausschuss bei der Einberufung des Landtages gemäss Art. 51 LV keine Funktion zukommen kann. Wie bei der Einberufung des Landtages durch das Volk gemäss Art. 48 Abs. 2 LV wird daher während der tagungsfreien Zeit die Einberufung durch die Regierung vorzunehmen sein.[6]Die ausserordentliche Sitzung des Landtages beschränkt sich auf die Entgegennahme der Erklärung des Landesfürsten gemäss Art. 13 LV und die Erbhuldigung.[7] Dies ergibt sich aus der Anordnung des Art. 51 Abs. 1 LV, wonach der Landtag zu einer ausserordentlichen Sitzung „zwecks“ Entgegennahme der Erklärung des Landesfürsten und Leistung der Erbhuldigung einzuberufen ist.Wie in den Ausführungen zu Art. 13 LV dargelegt, ist die Leistung der Erklärung des Landesfürsten konstitutiv, und zwar bereits im Zeitpunkt ihrer Abgabe. Das ist in der Staatspraxis regelmässig unmittelbar nach Eintritt des Thronfolgefalls. Dies ergibt sich auch aus der Wortwahl des Art. 51 Abs. 1 LV, der eben vom Landesfürsten und nicht etwa vom „Erbprinzen“ oder „Thronfolger“ spricht. Dies bedeutet, dass der Thronfolger im Zeitpunkt, in dem sich der Landtag versammelt, bereits Landesfürst ist. Der altertümliche Ausdruck „Erbhuldigung“ bedeutet den korrespondierenden Akt zum (schriftlich vorgelegten) Ausspruch des Landesfürsten gemäss Art. 13 LV i.V.m. Art. 51 LV. Wie in den Ausführungen zu Art. 13 LV dargestellt, beinhaltete er in rechtshistorischer Hinsicht die Erklärung des Volkes, dem Herrscher gehorsam zu sein. Im modernen staatsrechtlichen Kontext stellt sich der Vorgang als eine Erklärung desjenigen staatlichen Organes, welches das Volk repräsentiert, im Thronfolger das neue Staatsoberhaupt zu sehen, dar.Die Erbhuldigung erfolgt im Rahmen einer Erklärung des Landtages.[8] Der Landtagspräsident erklärt dabei im Namen des Landtages, dass die Volksvertretung ihre Aufgaben auf Grund des auf die Verfassung geleisteten Eides und zum Wohle des Fürstenhauses wahrnehmen werde.[9] Die Anwesenheit des Landesfürsten wird als nicht erforderlich betrachtet.[10]Eine verfassungsrechtliche Relevanz weist die Erbhuldigung nicht auf.[11] Der Landesfürst, der den Ausspruch gemäss Art. 13 LV geleistet hat, wird dadurch zum Staatsoberhaupt. Das Unterlassen einer Erbhuldigung wäre ohne rechtliche Konsequenzen. In politischer Hinsicht wird durch den Akt der Erbhuldigung nach aussen sichtbar verdeutlicht, dass der Landesfürst legitimes Staatsoberhaupt Liechtensteins ist. Sie ist somit auch von identitätsstiftender Bedeutung.B. AblaufDie GOLT sieht keine näheren Bestimmungen für den Fall vor, wie der Landtag zu einer Sitzung gemäss Art. 51 LV einzuberufen ist. Dies bedeutet, dass die für die Anberaumung von Landtagssitzungen allgemein geltenden Regelungen anzuwenden sind, soweit aus Art. 51 LV nichts anderes hervorgeht.Gemäss Art. 18 Abs. 1 GOLT werden die Sitzungen innerhalb der Sitzungsperiode vom Landtagspräsidenten in Absprache mit dem Landtagspräsidium angeordnet. Dies bedeutet, dass der Landtagspräsident auch im Thronfolgefall die Absprache mit dem Landtagspräsidium herstellen muss. Für die Einladung zur Sitzung gilt Art. 19 Abs. 1 GOLT, wonach jede Einladung in der Regel drei Wochen vor der Landtagssitzung zu erlassen ist und in dringenden Fällen die Frist abgekürzt werden kann.Hinsichtlich des weiteren Ablaufs ergibt sich aus der Verfassung lediglich, dass der Landesfürst nach der Eröffnung der Landtagssitzung die im Art. 13 LV vorgesehene und im Regelfall bereits schriftlich abgegebene Erklärung mündlich wiederholt und anschliessend die Erbhuldigung stattfindet. Diese erfolgt in der Staatspraxis durch eine Erklärung des Landtagspräsidenten namens des versammelten Landtages.Die Verfassung würde es nicht ausschliessen, dass im Anschluss an die Erbhuldigung eine Diskussion stattfindet, was jedoch in der Staatspraxis nicht der Fall ist und auch mit der Feierlichkeit eines solchen Aktes kaum vereinbar wäre.Zu erwähnen ist, dass es in Liechtenstein keinen verfassungsrechtlich vorgesehenen Akt einer Krönung des neuen Staatsoberhauptes oder einer vergleichbaren Handlung gibt.III. Beschleunigte Abhaltung von NeuwahlenIst der Landtag (im Gegensatz zu einer Vertagung oder Schliessung) aufgelöst, so kann er auch nicht zu einer Sitzung einberufen werden. Deshalb muss die Verfassung eine Regelung treffen, wenn sie vermeiden will, dass sich die Erbhuldigung und damit die nach aussen sichtbare Amtseinführung des neuen Staatsoberhauptes ungebührlich verzögert. Diese Vorkehrungen trifft Art. 51 Abs. 2 LV, wonach im Falle einer Landtagsauflösung die Neuwahlen so anzuordnen („beschleunigen“) sind, dass die Einberufung spätestens auf den 40. Tag nach der eingetretenen Thronfolge erfolgen kann.Diese Frist ist im Grunde sehr knapp und erklärt sich aus der Bedeutung, die der Einsetzung des neuen Staatsoberhauptes zukommt. In einem solchen Fall haben abweichend von Art. 50 LV Neuwahlen nicht nur innerhalb von 40 Tagen stattzufinden (gemäss Art. 50 LV wären dies sechs Wochen), sondern es hat auch der Zusammentritt des Landtages innerhalb dieses Zeitraumes zu erfolgen.Tritt der Thronfolgefall knapp nach der Auflösung des Landtages ein, ist es denkbar, dass die Frist von 40 Tagen nicht eingehalten werden kann, wenn die Wahlen beispielsweise erst sechs Wochen (das sind 42 Tage) nach Auflösung stattfinden. Die „beschleunigte“ Neuwahl ist dann leicht zu realisieren, wenn die Wahlen noch nicht gemäss Art. 25 VRG angeordnet sind. Problematischer ist die Situation, wenn Neuwahlen nach dieser Bestimmung bereits angeordnet sind, wobei gemäss Art. 25 Abs. 2 VRG die öffentliche Kundmachung der Anordnung der Wahl mindestens vier Wochen vor ihrer Abhaltung zu erfolgen hat. Mitunter kann also die Frist von 40 Tagen nur durch Vorverlegung von Wahlen erreicht werden, wofür allerdings das VRG keinen Tatbestand vorsieht. Man wird wohl davon ausgehen müssen, dass die Regierung in einem solchen Fall unmittelbar auf der Grundlage der Verfassung die Landtagswahl vorgeben und gegebenenfalls den Wahltermin neu festsetzen muss.
Der Landtag wählt in seiner ersten gesetzmässig einberufenen Sitzung unter Leitung eines Altersvorsitzenden für das laufende Jahr zur Leitung der Geschäfte aus seiner Mitte einen Präsidenten und einen Stellvertreter desselben. At its first meeting convened by law, Parliament shall, under the chairmanship of its oldest member, elect a President and a Vice-President from its ranks to direct its affairs for the current year. Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteArt. 52 LV regelt die Wahl des Landtagspräsidenten. Die Funktionen dieses Organs behandelt die Verfassung in verstreuten Bestimmungen (Art. 49 Abs. 2, Art. 53, Art. 54 Abs. 2, Art. 58 Abs. 2, Art. 72 Abs. 1, Art. 76 LV) nicht abschliessend, sondern die ergeben sich weitgehend aus anderen Rechtsvorschriften[1] sowie einer seit Jahrzehnten eingeübten Staatspraxis.Art. 52 LV ist identisch mit Art. 52 Abs. 1 LV des Jahres 1921. Art. 52 LV enthielt damals allerdings noch einen Abs. 2, der wie folgt lautete: „Die Sitzungsprotokolle werden über Beschluss des Landtages entweder durch zwei aus seiner Mitte gewählte Schriftführer oder durch einen Regierungsbeamten geführt.“Letztere Bestimmung war im Grunde keine Regelung, die ihrer Natur nach auf Verfassungsebene verankert sein musste. Zum anderen bedeutete die Führung der Sitzungsprotokolle des Landtages durch einen Regierungsbeamten einen Eingriff in die Organisationsautonomie des Parlaments. Es war daher folgerichtig, dass die Bestimmung 1989, als der Landtag zur Besorgung seiner Aufgaben ein von der Regierung unabhängiges Landtagssekretariat einrichtete, aufgehoben wurde.[2] In diesem Sinne schlug der BuA vor, den Art. 52 Abs. 2 LV, da eine verfassungsrechtliche Regelung über die Führung der Sitzungsprotokolle nicht erforderlich sei, ersatzlos aufzuheben.[3]Zur Entstehungsgeschichte gilt es zu bemerken, dass § 137 der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen die Bestellung eines „Landtagsdirektors“[4] und eines Stellvertreters durch den Landesfürsten unter drei Kandidaten, die ihm vom Landtag vorgeschlagen worden waren, vorsah. § 97 KonV bestimmte dann, dass der Landtag bei seinem Zusammentritt unter dem Vorsitze seines Alterspräsidenten[5] für die Leitung seiner Geschäfte einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter wählte. Beide Wahlen bedurften der nachträglichen Bestätigung des Landesfürsten. Diese Regelung war typisch für die konstitutionellen Verfassungen.[6] Von der angeführten Norm der Rezeptionsvorlage unterschied sie sich somit dadurch, dass der Landesfürst über ein Vetorecht gegenüber der vom Landtag gewählten Person verfügte, nicht mehr aber über ein Auswahlrecht.Die Entwürfe im Vorfeld der Verfassung 1921 sahen eine Regelung über die Wahl des Vorsitzenden entweder gar nicht mehr vor (so der Entwurf des Prinzen Karl) oder adaptierten wie der Entwurf Wilhelm Becks (Art. 41 Abs. 2) die Regelung des § 97 KonV. Wilhelm Beck sah in seinem Entwurf allerdings noch Regelungen über die Schriftführung im Landtag (Art. 41 Abs. 3 und 4) vor. Die Regierungsvorlage Peer folgte diesen Vorschlägen in Art. 52 Abs. 1 LV weitgehend, übernahm allerdings aus § 97 KonV das Vetorecht des Landesfürsten gegenüber der vom Landtag gewählten Person des Landtagspräsidenten bzw. dessen Stellvertreters.In Art. 52 Abs. 2 und 3 blieb die Protokollführung noch vollständig dem Landtag überantwortet. Demnach sollten die Schriftführer vom Landtag gewählt werden und gemäss Abs. 3 bis zu dieser Wahl das jüngste Mitglied des Landtages diese Funktion ausüben.Die Verfassungskommission griff in den Vorschlag Peers massiv ein, strich den letzten Satz des Art. 52 Abs. 1 LV über das Erfordernis der Bestätigung der Wahl des Landtagspräsidenten und des Vizepräsidenten durch den Landesfürsten und formulierte Art. 52 Abs. 2 LV in der oben angeführten Fassung. Abs. 3 wurde ersatzlos gestrichen.[7] Begründet wurde von der Verfassungskommission lediglich die Streichung des Art. 52 Abs. 1 letzter Satz LV, und zwar damit, dass diese „aus demokratischen Gründen“ erfolgt sei. Ausserdem sei in den letzten Jahren „der österr.-ungar. Monarchie die kaiserliche Bestätigung für das Abgeordnetenhaus nicht mehr erforderlich“ gewesen.[8]II. Die Wahl des Landtagspräsidenten und seines StellvertretersA. Zeitpunkt der Wahl und AmtsdauerNach der Anordnung des Art. 52 LV wählt der Landtag in seiner ersten gesetzmässig einberufenen Sitzung für das laufende Jahr den Präsidenten und dessen Stellvertreter. Damit wird einerseits bestimmt, dass die Wahl in der gemäss Art. 49 Abs. 1 LV mittels landesfürstlicher Verordnung einberufenen Sitzung des Landtages stattzufinden hat, und andererseits, dass die Amtsdauer der gewählten Organe sich lediglich auf das laufende Jahr erstreckt.[9] Mit der Schliessung des Landtages gemäss Art. 55 LV erlischt die Funktion des Landtagspräsidenten.Dasselbe gilt aber auch im Falle der Auflösung des Landtages gemäss Art. 50 LV sowie einer Vertagung gemäss Art. 49 Abs. 3 LV. Folgerichtig spricht daher Art. 72 Abs. 1 LV hinsichtlich der Zusammensetzung des Landesausschusses vom „bisherigen Landtagspräsidenten“, weil sich dieser in der Zeit zwischen einer Vertagung, Schliessung oder Auflösung des Landtages eben nicht mehr in seiner Funktion befindet.In der Staatspraxis findet in der Eröffnungssitzung des Landtages nicht nur die Wahl des Landtagspräsidenten und seines Stellvertreters statt, sondern auch die Wahl der Schriftführer, der Aussenpolitischen Kommission, der Finanzkommission und der Geschäftsprüfungskommission. Dies ergibt sich daraus, dass diese Kommissionen mit der Schliessung des Landtages ausser Funktion treten und daher wieder neu gewählt werden müssen.[10] Darüber hinaus entspricht es der – nicht ganz einheitlichen – Praxis, dass ein Landtagspräsident innerhalb der Legislaturperiode des Landtages jeweils wiederum zur Wahl vorgeschlagen wird.[11]B. VorsitzDen Vorsitz in der Eröffnungssitzung führt bis zur erfolgten Wahl des Landtagspräsidenten der von der Verfassung so bezeichnete „Altersvorsitzende“. Er substituiert damit die bis zu diesem Zeitpunkt vakante Position des Landtagspräsidenten. Ohne diese Regelung des Art. 52 LV wäre der Landtag in der Eröffnungssitzung nicht handlungsfähig, da keine Person ermächtigt wäre, bis zur Wahl des Landtagspräsidenten den Vorsitz zu führen.Die Übertragung des Vorsitzes an den entweder an Lebensjahren ältesten Abgeordneten oder den Abgeordneten, der die längste Mandatszeit aufweist, entspricht allgemeiner parlamentarischer Praxis,[12] die sich, wie dargestellt, in den Konstitutionalismus zurückverfolgen lässt.Freilich ist der Begriff „Altersvorsitzender“ in Art. 52 LV mehrdeutig und lässt eine Interpretation zugunsten beider Varianten zu. Auch der Rückgriff auf § 97 KonV, der vom „Alterspräsidenten“ sprach, hilft hier zunächst nicht weiter. Bedenkt man allerdings, dass es zum Zeitpunkt des erstmaligen Zusammentretens des Landtages auf der Grundlage der KonV 1862 mangels einer vorangegangenen, vergleichbar gewählten Versammlung gar kein „dienstältestes“ Mitglied des Landtages geben konnte, ist klar, dass mit „Alterspräsident“ nur der an Lebensjahren älteste Abgeordnete gemeint sein konnte. Nicht anders ist daher auch der Begriff des Altersvorsitzenden zu verstehen. Dem entspricht auch die Staatspraxis.[13]C. WahlArt. 52 LV sieht lediglich eine Wahl des Landtagspräsidenten und seines Stellvertreters durch den Landtag vor und statuiert für den Wahlvorgang keine gesonderten Regelungen. Es gelten daher die allgemeinen Bestimmungen des Art. 58 Abs. 1 zweiter Satz LV, wonach für Wahlen dieselben Voraussetzungen gelten wie für das Zustandekommen eines gültigen Beschlusses im Sinne des Art. 58 Abs. 1 erster Satz LV. Das bedeutet also, dass für die Wahl des Landtagspräsidenten und seines Stellvertreters die Anwesenheit von zwei Dritteln der Abgeordneten und die absolute Stimmenmehrheit unter den anwesenden Mitgliedern erforderlich ist, wobei allerdings gemäss Art. 58 Abs. 2 LV bei Stimmengleichheit der Vorsitzende entscheidet und zwar bei Wahlen nach dreimaliger Abstimmung.Ein Vorschlagsrecht in dem Sinne, dass etwa nur die mandatsstärkste Fraktion einen Vorschlag für die Wahl des Präsidenten einbringen darf, sieht die LV wie die Verfassungen Deutschlands, Österreichs oder der Schweiz,[14] jedoch im Gegensatz zu anderen Verfassungen,[15] nicht vor. Dennoch entspricht es der – allerdings nicht ganz einheitlichen – Staatspraxis, dass die mandatsstärkste Fraktion einen Vorschlag für die Wahl des Landtagspräsidenten macht.[16] Umgekehrt wird der Stellvertreter als Vizepräsident in der Praxis von der zweitgrössten Fraktion gestellt.III. Die Funktion des LandtagspräsidentenA. Die Rolle des Landtagspräsidenten im politischen SystemDie Landesverfassung und weitere Rechtsvorschriften formulieren eine Reihe von Aufgaben des Landtagspräsidenten (siehe dazu näher unter Kapitel B.), die aber die Bedeutung dieses Organs nicht abschliessend beschreiben. Dem Präsidenten eines Parlaments kommt nämlich im politischen System regelmässig eine besondere Rolle zu, was auch für Liechtenstein zutrifft.Vom Parlamentspräsidenten wird erwartet, trotz der Bindung an seine Partei, in der Amtsführung unparteilich zu agieren, eine moralische Autorität zu verkörpern und im Antagonismus der politischen Kräfte verbindend zu wirken. Diese Rollen sind nicht in Rechtsvorschriften verankert und hängen stark von der jeweils gelebten Staatspraxis ab.Dazu kommt, dass der Parlamentspräsident im protokollarischen Rang jeweils eine hohe Stellung einnimmt. In der liechtensteinischen Staatspraxis rangiert der Landtagspräsident im Protokoll hinter dem Landesfürsten und dem Erbprinzen an dritter Stelle. Sind jedoch bei einem Anlass weder der Landesfürst noch der Erbprinz anwesend, rangiert dem Protokollreglement der Regierung zufolge der Regierungschef vor dem Landtagspräsidenten.[17] Der Landtagspräsident führt wie der Landesfürst und der Regierungschef bei offiziellen Anlässen an seinem Dienstwagen eine Standarte.[18]Die zwar nicht ausdrücklich positivierte,[19] aber aus seiner Funktion in der Vorsitzführung des Landtages zum Ausdruck gelangende pflichtgemässe Neutralität in der Amtsführung des Landtagspräsidenten findet dort ihre Grenzen, wo der Landtagspräsident als Teil seiner Fraktion im Parlament agiert: Die Verfassung geht, da sie keine explizite anderweitige Regelung trifft, davon aus, dass er an den Abstimmungen wie jeder andere Abgeordnete teilnimmt. Dem entspricht Art. 54 Abs. 1 GOLT, wonach der Präsident bei Abstimmungen sein Stimmrecht wie die übrigen Mitglieder des Landtages ausübt. Darüber hinaus bestimmt Art. 58 Abs. 2 LV explizit, dass der Präsident, wenn bei einer Abstimmung oder Wahl Stimmengleichheit eintritt, den Stichentscheid hat (siehe auch Art. 54 Abs. 2 und 59 GOLT).Die Verfassung entbindet den Landtagspräsidenten auch nicht von der Möglichkeit, sich für oder gegen einen Antrag öffentlich auszusprechen. Wenn er sich jedoch in seiner Funktion als Abgeordneter zu Wort meldet, sollte er dies mit einer gewissen Zurückhaltung tun. Dem entspricht im Wesentlichen auch die Staatspraxis.Der Präsident vertritt den Landtag auch nach aussen. Diese Funktion ist nicht ausdrücklich in der Verfassung verankert,[20] ergibt sich jedoch implizit aus seiner Rolle in der Vorsitzführung des Landtages und entspricht der traditionellen Stellung von Parlamentspräsidenten. Diese Vertretungsakte sind allerdings primär repräsentativer Natur, etwa wenn der Landtagspräsident den liechtensteinischen Landtag in internationalen Gesprächsrunden vertritt oder ausländische Delegationen empfängt.Eine eigene Rechtspersönlichkeit kommt dem Landtag allerdings nicht zu. Er ist ein Staatsorgan des Landes Liechtenstein.[21] Damit ist auch klar, dass der Landtagspräsident keine rechtserheblichen Akte für eine – ja nicht existente – juristische Person „Landtag“ setzen kann. Anders ist der Fall zu sehen, dass der Landtagspräsident von der Rechtsordnung ermächtigt wird, in einem gewissen Rahmen für die Administration des Landtages Rechtsakte zu setzen, also Verträge zu schliessen (z.B. für die Bewirtung bei repräsentativen Anlässen). In diesem Fall agiert der Landtagspräsident jedoch als Organ des Rechtsträgers Land Liechtenstein.Der Landtagspräsident hat Anspruch auf die Jahrespauschale von 20‘000 Fr., welche allen Abgeordneten zusteht (Art. 3 Abs. 1 Gesetz über die Bezüge der Mitglieder des Landtages und von Beiträgen an die im Landtag vertretenen Wählergruppen)[22], sowie eine Zulage für Repräsentationsauslagen zur Deckung der aus dem Amt erwachsenden persönlichen Auslagen in der Höhe von weiteren 20‘000 Fr. (Art. 3 Abs. 2). Der Landtagsvizepräsident hat nach dieser Bestimmung Anspruch auf eine Zulage von 10‘000 Fr.B. AufgabenArt. 52 LV beruft den Landtagspräsidenten allgemein „zur Leitung der Geschäfte“ des Landtages. Gemeint ist damit die Anordnung und Vorbereitung der Sitzungen, die Vorsitzführung, einschliesslich Eröffnung und Schliessung der Sitzungen sowie Herstellung von Ruhe und Ordnung in den Sitzungen, die administrative Leitung des Landtages im Wege des Parlamentsdienstes[23] und die Vertretung des Landtages nach aussen (konkretisiert in Art. 12, Art. 25, Art. 26, Art. 31, Art. 48, Art. 49 Abs. 3, Art. 51, Art. 56 und Art. 60 GOLT). Die Rechtsordnung trägt dem Landtagspräsidenten darüber hinaus explizit zahlreiche weitere Aufgaben auf, die diesen Bereichen zugeordnet werden können:Anordnung und Vorbereitung der SitzungenVorsitz in den Sitzungen des Landtages, von Kommissionen und des LandesausschussesLeitung des ParlamentsdienstesMitwirkung an der GesetzgebungDiese Aufgabenfülle darf nicht den Blick darauf verstellen, dass der Landtagspräsident abseits der ihm konkret übertragenen Aufgaben den Abgeordneten und Fraktionen gegenüber nicht übergeordnet ist. Er ist, von seiner Disziplinargewalt im Rahmen der Sitzungspolizei abgesehen,[28] nicht berechtigt, ihnen Weisungen oder Aufträge irgendwelcher Art zu erteilen.[29]C. Unterstützende Organe und Einrichtungen1. LandtagspräsidiumDem Landtagspräsidenten stehen in seiner Amtsführung das Landtagspräsidium[30] als beratendes Organ des Landtages sowie der Parlamentsdienst als administrative Einrichtung zur Verfügung. Weder das Landtagspräsidium (Art. 10 GOLT) noch der Parlamentsdienst (Art. 16 GOLT) sind in der Verfassung erwähnt. Dies könnte hinsichtlich des Landtagspräsidiums insoweit als problematisch betrachtet werden, als die Geschäftsordnung des Landtages zahlreiche Aufgaben des Landtagspräsidenten an die Absprache, also an das Vorgehen im Einvernehmen mit dem Landtagspräsidium bindet (siehe oben unter B.). Indessen wird man davon ausgehen können, dass die Verfassung keine autokratische Amtsführung des Landtagspräsidenten wünscht und eine Rückbindung seiner Entscheidungen an den Konsens der Fraktionen im Landtag daher von der Verfassung gewollt ist. Dies entspricht im Übrigen im internationalen Vergleich dem allgemeinen parlamentarischen Gebrauch.Das Landtagspräsidium besteht aus dem Landtagspräsidenten als Vorsitzendem, dem Vizepräsidenten und den Fraktionssprechern. Der Landtagssekretär als Leiter des Parlamentsdienstes (Art. 16 Abs. 2 GOLT) nimmt an den Sitzungen mit beratender Stimme teil (Art. 10 Abs. 1 GOLT).Die Geschäftsordnung enthält keine Regelungen über die Entscheidungsfindung des Landtagspräsidiums. Dies ist insoweit relevant, als das Gesetz dem Landtagspräsidium nicht nur beratende Aufgaben, sondern auch hoheitliche Entscheidungskompetenzen (dazu im Folgenden) überträgt. Man wird daher davon ausgehen müssen, dass Entscheidungen nur dann zustande kommen, wenn sie vom Einvernehmen der Beteiligten getragen sind bzw. zumindest kein ausdrücklich artikulierter Widerspruch vorliegt. Dem Landtagspräsidium sind per Gesetz folgende Aufgaben übertragen:Aufgaben betreffend den ParlamentsdienstVorbereitung von LandtagssitzungenSonstiges2. ParlamentsdienstDer Parlamentsdienst ist im Gegensatz zum Landtagspräsidium eine ausschliesslich administrative Einrichtung, die unter der Leitung des Landtagssekretärs steht (Art. 16 Abs. 1 GOLT). Dieser wiederum ist gemäss Art. 16 Abs. 1 GOLT an die Weisungen des Landtags gebunden. Diese Bestimmung kann freilich nicht so interpretiert werden, als sei jeder einzelne Abgeordnete berechtigt, dem Landtagssekretär Weisungen zu erteilen. Vielmehr wird die Gesamtheit des Landtags durch den Landtagspräsidenten vertreten, der sich gegebenenfalls mit dem Landtagspräsidium abstimmen muss (vgl. Art. 12 Abs. 3 und 4 GOLT).Die Existenz einer von der Regierung unabhängigen Einrichtung zur Erledigung der administrativen Geschäfte des Landtages ist ein gewisses Element der Gewaltenteilung und soll zur Unabhängigkeit der Legislative von der Exekutive beitragen. Es darf allerdings nicht übersehen werden, dass eine so kleine Einrichtung wie der Parlamentsdienst lediglich in der Lage ist, administrative Basisdienste zu leisten, wie etwa die Protokollierung der Landtagssitzungen, die Weiterleitung und Archivierung von Dokumenten, die Beantwortung von Rechtsfragen, die sich im Hinblick auf die Handhabung der Geschäftsordnung stellen, oder die Wahrnehmung der Aussenkommunikation des Landtages. Ein echtes Gegengewicht zum Fachwissen der Exekutive, was sich etwa darin äussern würde, dass das Landtagssekretariat den Landtag mit Expertise zu den Vorlagen der Regierung versorgt, kann das Landtagssekretariat auf Grund des geringen Personalstandes nicht bilden.[36] Der Parlamentsdienst ist von seiner Position als ein Organ, das dem gesamten Landtag zuarbeitet (und daher selbst auch keine politischen Positionen beziehen kann) her und wegen seiner bescheidenen Ausstattung nicht in der Lage, diejenige inhaltliche Arbeit zu leisten, die in anderen Staaten die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Abgeordneten erledigen. Über solche wissenschaftlichen Mitarbeiter verfügen die Abgeordneten des liechtensteinischen Landtages allerdings nicht.D. VerantwortlichkeitDer Landtagspräsident kann aus seiner Funktion, die allerdings, wie dargestellt, verfassungsrechtlich auf das jeweilige „laufende Jahr“ limitiert ist, nicht abberufen werden.[37] Er kann auch für die politische Tätigkeit nicht vor einem anderen Organ, etwa dem Staatsgerichtshof, verantwortlich gemacht werden. Auch besteht keine wie immer geartete disziplinäre Verantwortlichkeit gegenüber dem Landtag.[38] In Betracht kommen könnte allerdings eine Amtshaftung bei rechtswidrigem Verhalten, das bei Dritten oder beim Land Liechtenstein zu einem Schaden führt nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Amtshaftung[39] kommen.Aus dieser Rechtslage, die als einzige wirksame Sanktion gegen ein Fehlverhalten des Landtagspräsidenten in der Amtsführung die Unterlassung der Wiederwahl vorsieht, ergibt sich ein besonderes Mass an Verantwortung, die dem Landtagspräsidenten übertragen ist und daher auch an die Persönlichkeit entsprechende Anforderungen stellt.[40]Allerdings ist damit nicht gesagt, dass das Handeln des Landtagspräsidenten überhaupt keiner rechtlichen Kontrolle unterliegt:Der Landtagspräsident ist wie jeder andere Abgeordnete an die Rechtsordnung gebunden. Der Geltendmachung strafrechtlicher Verantwortlichkeit steht lediglich die Immunitätsregelung des Art. 56 LV insoweit entgegen, als er wie jeder andere Abgeordnete einen gewissen Schutz gegenüber Verhaftungen geniesst.Unterlaufen ihm in der Handhabung der Geschäftsordnung des Landtages Fehler, so können die davon betroffenen Akte, etwa Gesetze oder sonstige Landtagsbeschlüsse, rechtswidrig oder gar nichtig sein, sodass die Staatsorgane im letzteren Fall den betreffenden Akt nicht zu beachten haben. Ein unter Verstoss gegen die Geschäftsordnung des Landtages beschlossenes und letztlich kundgemachtes Gesetz könnte vom Staatsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben werden.[41]E. UnvereinbarkeitenDie Verfassung statuiert keine expliziten, nur für den Präsidenten geltenden Unvereinbarkeiten. Wie für alle anderen Mitglieder des Landtages gilt auch für ihn, dass der Präsident nicht der Regierung und keinem Gericht angehören darf (Art. 46 Abs. 4 LV).IV. Die Stellvertretung des LandtagspräsidentenDer Stellvertreter des Landtagspräsidenten wird in der GOLT und der Praxis als Vizepräsident bezeichnet. Dies entspricht auch dem allgemeinen parlamentarischen Sprachgebrauch. Auch wenn die Verfassung in Art. 52 LV den Begriff des Stellvertreters verwendet, ist die an die Staatspraxis angelehnte Bezeichnung Vizepräsident in anderen Rechtsvorschriften zweifellos zulässig.Die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Stellvertretungsfall vorliegt, wird in der Verfassung nicht geregelt: Die in Art. 49 Abs. 4 LV hinsichtlich der stellvertretenden Abgeordneten erwähnte „Behinderung“ bzw. „Verhinderung“ im Falle des Art. 53 LV können, da sie auf die Institution des stellvertretenden Abgeordneten abstellen, nicht ohne Weiteres als Massstäbe herangezogen werden. Dessen ungeachtet spricht Art. 13 GOLT davon, dass der Vizepräsident die Aufgaben des Präsidenten übernimmt, „wenn dieser verhindert ist“.[42]Verhindert ist der Landtagspräsident in erster Linie aus gesundheitlichen Gründen und bei zwingenden privaten Gründen. Berufliche Gründe werden noch kritischer zu sehen sein als bei den anderen Abgeordneten: Schliesslich musste dem Landtagspräsidenten, als er sich der Wahl stellte, klar sein, dass dieses Amt mit einer erheblich grösseren Belastung verbunden sein würde als eine sonstige Abgeordnetentätigkeit.Im Falle der Stellvertretung rückt der Vizepräsident in alle Rechte und Pflichten des Landtagspräsidenten ein. In der politischen Praxis kommt diese Stellvertretung nur selten zum Tragen, sodass sich die Rolle des Vizepräsidenten, etwa in seinen Wortmeldungen, kaum von der anderer Abgeordneter unterscheidet.Die Geschäftsordnung des Landtages enthält im Übrigen keine Regelung, wonach sich Präsident und Vizepräsident in der Vorsitzführung des Landtages abwechseln.[43] Dies bedeutet, dass der Vorsitz ebenfalls nur im Falle einer Verhinderung zu übergeben ist. Eine solche liegt jedenfalls auch dann vor, wenn sich der Landtagspräsident in einer Angelegenheit persönlich zu Wort melden will, sodass er zuvor den Vorsitz übergeben muss.
Die Abgeordneten haben auf die ergangene Einberufung persönlich am Sitze der Regierung zu erscheinen. Ist ein Abgeordneter am Erscheinen verhindert, so hat er unter Angabe des Hinderungsgrundes rechtzeitig die Anzeige bei der ersten Einberufung an die Regierung und hernach an den Präsidenten zu erstatten. Ist das Hindernis bleibend, so hat eine Ergänzungswahl stattzufinden, falls nach dem Nachrückungssystem kein Ersatz geschaffen werden kann. When a call to convene is issued, the Members of Parliament shall appear in person at the seat of the Government. If a Member is unable to appear, he must, on receiving the first call to convene, notify the Government and subsequently the President in a timely manner, stating the reason he is unable to appear. Should his inability to appear be permanent, a by-election shall be held if no replacement is available pursuant to the successor system. Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteDie Bestimmung des Art. 53 LV ist seit 1921 mit der Ausnahme einer im Jahr 1939 erfolgten Ergänzung unverändert. Das neue Verhältniswahlsystem machte es nämlich erforderlich, den Halbsatz „falls nach dem Nachrückungssystem kein Ersatz geschaffen werden kann“, anzufügen.[1] Art. 53 LV in der Fassung von 1921 war wiederum weitgehend an § 102 KonV angelehnt, der wie folgt lautete:Diese Bestimmung war ihrerseits dem § 122 der Rezeptionsvorlage, d.h. der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen, entnommen. Die darin zum Ausdruck gebrachte Verpflichtung der Abgeordneten zur Teilnahme am Landtag war bereits damals üblich, wenngleich nicht überall ausdrücklich geregelt.[2]Der Verfassungsentwurf Wilhelm Becks sah in Art. 42 ebenfalls eine Regelung vor, die sich weitgehend an der Konstitutionellen Verfassung orientierte. Lediglich die Bestimmung des seinerzeitigen § 102 KonV über das Verbot der Stimmrechtsübertragung war obsolet geworden.Die Bestimmung des Art. 53 erster Satz LV ist überarbeitungsbedürftig. Der Landtag verfügt mittlerweile über ein eigenes Landtagsgebäude. Zwar kann „Sitz der Regierung“ im Sinne des Art. 1 Abs. 2 LV interpretiert werden und meint damit nicht etwa nur das Regierungsgebäude, sondern den Hauptort Vaduz.[3] Der Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der Legislative wird jedoch eine Formulierung, die den Abgeordneten ein Erscheinen am Sitz der Regierung aufträgt, nicht gerecht. Dasselbe gilt für die Anordnung, dass ein Abgeordneter den Hinderungsgrund seines Erscheinens im Falle der ersten Einberufung des Landtages (Art. 49 Abs. 1 LV) der Regierung und erst bei anderen Sitzungen dem Präsidenten mitzuteilen hat. Dies ist zwar insoweit konsequent, als es bei der Eröffnungssitzung des Landtages keinen Präsidenten gibt, nachdem jedoch mit dem Parlamentsdienst ein permanenter Verwaltungsapparat des Landtages existiert, wäre es praktisch naheliegender, wenn dieser für die Entgegennahme zuständig erklärt würde.II. Die Anwesenheit der Abgeordneten im LandtagArt. 53 erster Satz LV bestimmt zunächst, dass die Abgeordneten auf die ergangene Einberufung persönlich am Sitz der Regierung zu erscheinen haben. Die Bestimmung bezieht sich auf alle Einberufungen, sei es die erste im laufenden Jahr durch landesfürstliche Verordnung (Art. 49 Abs. 1 LV) oder die folgenden, die vom Präsidenten einberufen werden.Gemäss Art. 61 VRG stellt die Regierung den gewählten Abgeordneten eine Wahlurkunde aus. In der Staatspraxis wird diese jedoch erst nach der Leistung des Gelöbnisses gemäss Art. 54 LV ausgehändigt.[4] Pflichtgemäss wird der Parlamentsdienst, sofern ihm die Abgeordneten nicht persönlich bekannt sind, eine Prüfung der Identität vorzunehmen haben.Wie unter Kapitel I. angeführt, ist als „Sitz der Regierung“ der Ort Vaduz und das Landtagsgebäude zu verstehen.Die zentrale Anordnung des Art. 53 LV ist die im ersten und zweiten Satz zum Ausdruck gebrachte Anwesenheitspflicht der Abgeordneten. Die Verpflichtung, persönlich auf die ergangene Einberufung hin zu erscheinen, ist nur im Falle eines Hinderungsgrundes durchbrochen. Die Norm ist in engem Zusammenhang mit Art. 49 Abs. 4 LV zu sehen, wonach die stellvertretenden Abgeordneten bei „Behinderung“ eines Abgeordneten ihrer Wählergruppe an einzelnen oder mehreren aufeinanderfolgenden Sitzungen in Stellvertretung des verhinderten Abgeordneten teilzunehmen haben. Die Verpflichtung der Abgeordneten zur persönlichen Teilnahme wird ausdrücklich betont, die Teilnahme eines Stellvertreters auf besondere Fälle eingeschränkt.Die unterschiedliche Wortwahl zwischen Art. 49 Abs. 4 LV („Behinderung“) und Art. 53 LV („Verhinderung“) hat in der Vergangenheit zu Diskussionen geführt.[5] Versteht man die beiden Termini nicht als Synonyme, hätte dies zur Konsequenz, dass der stellvertretende Abgeordnete nur im Falle der „Behinderung“ an der Sitzung teilnehmen dürfte, im Übrigen jedoch nicht. Wie zu Art. 49 Abs. 4 LV ausgeführt,[6] besteht jedoch keine Veranlassung, die beiden Begriffe nicht synonym zu verstehen.Aus der unterschiedlichen Terminologie des Art. 49 Abs. 4 LV, der zunächst von „Behinderung“ spricht und anschliessend wie eben auch in Art. 53 LV vom „verhinderten“ Abgeordneten, ist für die rechtliche Bewertung wenig zu gewinnen.[7] Die Verfassung vermeidet in Art. 53 zweiter Satz LV mit der gewählten Formulierung die missverständliche Interpretation, dass mit „Behinderung“ eine Art Invalidität gemeint wäre. Ausserdem wird das Wort „Verhinderung“ in Art. 53 LV offenbar synonym verwendet.[8] Zu guter Letzt knüpft auch Art. 23 GOLT, der die Stellvertretung im Landtag regelt, an den Begriff der „Verhinderung“ an.Allerdings macht der Terminus „Behinderung“ klar, dass nicht schlechthin jede im normalen Sprachgebrauch als solche bezeichnete „Verhinderung“ es rechtfertigt, dass der stellvertretende Abgeordnete teilnimmt.Die aus Art. 53 LV hervorleuchtende Anwesenheitspflicht der Abgeordneten ist in Art. 22 GOLT näher ausgeführt: Gemäss Abs. 1 dieser Bestimmung ist jedes Mitglied des Landtages verpflichtet, an den Sitzungen teilzunehmen. Vorbehalten bleibt eine Teilnahmeverhinderung aus wichtigem Grund. Als wichtiger Grund gilt insbesondere die Abwesenheit auf Grund eines gesundheitlichen Aspektes oder eines anderen unvorhergesehenen und unabwendbaren Ereignisses.[9]Krankheit ist zweifellos ein Hinderungsgrund des gewählten Abgeordneten, an der Sitzung teilzunehmen.[10] Ein blosser Arzttermin ist dies nur, wenn es sich um einen akuten Fall handelt. Ansonsten wäre es dem Abgeordneten nämlich ohne Weiteres zuzumuten gewesen, einen solchen Termin zu vereinbaren, der mit seinen Pflichten als Abgeordneter nicht in Konflikt steht.Ein weiterer Hinderungsgrund ist eine Landesabwesenheit, die vom Abgeordneten nicht zu vertreten ist, etwa weil die Rückreise aus dem Urlaub wegen höherer Gewalt nicht rechtzeitig stattfinden konnte. Ein Hinderungsgrund liegt wohl auch bei Todesfall und schwerer Erkrankung naher Angehöriger vor.Demgegenüber werden andere private oder berufliche Verpflichtungen in den Hintergrund treten müssen: Dem einzelnen Abgeordnete musste es bei seiner Kandidatur klar sein, dass die Übernahme eines Abgeordnetenmandats mit der grundsätzlichen Verpflichtung verbunden ist, an den Landtagssitzungen teilzunehmen. Dies unterstreicht auch Art. 23 Abs. 3 GOLT, der davon spricht, dass eine Stellvertretung nur bei Vorliegen eines „effektiven Hinderungsgrundes“ zulässig sein soll.Hinsichtlich der Form der Bekanntgabe der Verhinderung macht die Verfassung keine ausdrücklichen Vorgaben. Art. 23 Abs. 1 GOLT präzisiert dies dahingehend, dass er dem Abgeordneten aufträgt, rechtzeitig „Anzeige“ zu erstatten, worunter wohl nur eine schriftliche Erklärung verstanden werden kann.Wie schon unter Kapitel I. erwähnt, hat der Abgeordnete eine allfällige Verhinderung bei der ersten Sitzung im laufenden Jahr gegenüber der Regierung bekannt zu geben, bei allen anderen Sitzungen gegenüber dem Präsidenten. Da die Regierung mit ihrem administrativen Apparat eine vergleichsweise grosse Einrichtung ist, stellt sich die Frage, ob der betreffende Abgeordnete eine bestimmte Stelle konkret adressieren muss. Das ist nicht der Fall: Er hat vielmehr die Anzeige an „die Regierung“ zu adressieren und nicht etwa an eine bestimmte Person oder Einrichtung. Es ist dann Sache der Regierung bzw. des Landtagspräsidenten, die betreffende Fraktion über die Verhinderung in Kenntnis zu setzen, die im Regelfall allerdings bereits vom Abgeordneten vorinformiert sein dürfte.Tritt die Verhinderung völlig unerwartet ein, sei es, dass der Abgeordnete auf dem Weg zum Landtag durch ein unvorhergesehenes Ereignis aufgehalten wird oder plötzlich auftretende gesundheitliche Probleme ein Erscheinen verunmöglichen, wird auch eine mündliche Verständigung, soweit sie dem Abgeordneten überhaupt noch zumutbar ist, ausreichen. In solchen Fällen wird man auch eine Information durch die Angehörigen in Vertretung des Abgeordneten für zulässig erachten müssen.Sanktionen sind mit einem Verstoss gegen die Anwesenheitspflicht grundsätzlich nicht verbunden. Der Abgeordnete hat sein Verhalten gegenüber den Wählern und seiner Fraktion zu verantworten. Allerdings sieht Art. 63 Abs. 4 VRG im Falle dauernder Verhinderung den Mandatsverlust vor. Eine Handhabe gegen einen Abgeordneten, der von Fall zu Fall unentschuldigt oder mit nicht nachvollziehbaren Entschuldigungen fernbleibt, bietet diese Bestimmung allerdings nicht.III. Nachrückung und ErgänzungswahlA. NachrückungArt. 53 LV sieht vor, dass für den Fall einer bleibenden Verhinderung eines Abgeordneten eine Ergänzungswahl stattzufinden hat, „falls nach dem Nachrückungssystem kein Ersatz geschaffen werden kann.“Damit wird postuliert, dass, den Fall einer bleibenden Verhinderung eines Abgeordneten vorausgesetzt, zunächst eine Nachrückung jener Person auf das freigewordene Mandat erfolgt, die auf der jeweiligen Wahlliste unter den nicht gewählten Kandidaten am meisten Stimmen erhalten hat (Art. 63 Abs. 2 VRG). Bei gleicher Stimmenzahl erhält das Mandat der auf der Liste in der Reihenfolge früher genannte Kandidat (Art. 63 Abs. 3 VRG).Die schwierige Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Abgeordneter als bleibend verhindert angesehen werden kann, hat gemäss Art. 63 Abs. 2 VRG der Landtag zu entscheiden. Er hat nämlich festzustellen, ob ein Mandat frei geworden ist.Man wird davon ausgehen können, dass Abgeordnete, die sich insbesondere auf Grund von Krankheit nicht mehr in der Lage sehen, ihr Mandat auszuüben, dieses durch ihren Rücktritt frei werden lassen. Die Bestimmung wird daher auf solche Fälle Anwendung finden, in welchen die Abgeordneten gar nicht mehr in der Lage sind, frei zu entscheiden. Ab welchem Zeitpunkt man von einer dauernden Verhinderung sprechen kann, lässt sich nicht genau abschätzen. Da in den meisten Fällen gesundheitliche Gründe eine solche Verhinderung bedeuten, werden entsprechende ärztliche Gutachten einzuholen sein. Darauf wird nur in völlig offenkundigen Fällen verzichtet werden können.Denkbar sind aber auch Konstellationen, in welchen ein Abgeordneter nicht mehr auffindbar ist, wobei die verschiedensten Gründe, wie etwa Suizid oder das „Untertauchen“ wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten, in Betracht kommen. In solchen Fällen wird eine Nachrückung auf das Mandat dieses Abgeordneten nur dann in Betracht kommen, wenn überzeugende Gründe dafür vorliegen, dass der Abgeordnete seine Tätigkeit nicht wieder aufnehmen kann oder wird.Keine Handhabe besteht, wenn sich ein Abgeordneter schlicht der Landtagsarbeit entzieht und nicht zu den Sitzungen erscheint, obwohl er gesundheitlich dazu in der Lage ist. Der betreffende Abgeordnete kommt seinen ihm von der Verfassung aufgetragenen Verpflichtungen nicht nach und handelt zweifellos gegen das von ihm geleistete Gelöbnis (Art. 54 LV). Sein Handeln kann jedoch mangels einer diesen Fall regelnden Form des positiven Rechts nicht sanktioniert werden.[11]B. ErgänzungswahlDie in Art. 53 LV vorgesehene Ergänzungswahl findet nur statt, wenn die Voraussetzungen für die Nachrückung zwar gegeben sind, aber auf der betreffenden Liste keine nicht gewählten Kandidaten mehr vorhanden sind. Für diese Ergänzungswahlen sind die für Landtagswahlen geltenden Vorschriften anzuwenden (Art. 63 Abs. 4 VRG).[12]Die Bestimmung ist wohl so zu interpretieren, dass sich der Ergänzungswahl nicht nur die Wahlliste, dem der ausgeschiedene Abgeordnete angehört hat stellen kann, sondern dass sämtliche Parteien um das freigewordene Mandat konkurrieren können.[13] Es ist ja auch der Fall denkbar, dass sich die Partei in der Zwischenzeit aufgelöst oder aufgesplittert hat. Die Verfassung verwendet bewusst den Begriff der „Wahl“, der eine Auswahl zwischen mehreren Alternativen impliziert. Resultat einer Ergänzungswahl können demnach auch Mandatsverschiebungen im Landtag sein.
1) Der Landtag wird vom Landesfürsten in eigener Person oder durch einen Bevollmächtigten mit angemessener Feierlichkeit eröffnet. Sämtliche neu eingetretene Mitglieder legen folgenden Eid in die Hände des Fürsten oder seines Bevollmächtigten ab: Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteArt. 54 LV ist eine Verfassungsbestimmung, die noch im frühen Konstitutionalismus wurzelt, also inhaltlich fast 200 Jahre weit zurückgreift. § 123 der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen sah bereits eine teilweise wortgleiche Regelung vor, die sich wiederum an der Verfassung Württembergs aus dem Jahre 1819 orientierte.[1] § 123 der Verfassung von Hohenzollern-Sigmaringen trug den Abgeordneten allerdings noch auf auch das „unzertrennliche Wohl des Landesfürsten und des Vaterlandes“ zu beobachten. Diese Bezugnahme auf das Wohl des Landesfürsten entfiel in § 103 der Konstitutionellen Verfassung, die 1862 formulierte:Art. 43 Abs. 1 bis 3 des Entwurfs Wilhelm Becks (Abs. 4 enthielt die Regelung über die Schliessung des Landtages, die heute in Art. 55 LV verankert ist) nahm weder an der Eidesformel noch am Inhalt dieser Bestimmung wesentliche Änderungen vor. Ausserdem sah Art. 43 des Entwurfs Becks abweichend von § 103 KonV vor, dass sich die gewählten Abgeordneten durch Wahlurkunden zu legitimieren hatten, eine Bestimmung, die heute nicht auf Verfassungsstufe geregelt ist.[2]Die Regierungsvorlage Peer orientierte sich ausschliesslich an § 103 KonV. Auch die Verfassungskommission nahm daran keine Änderungen vor. Die mit LGBl. 1921 Nr. 15 kundgemachte Verfassung enthielt allerdings in Art. 54 LV die Abweichung von der Regierungsvorlage, dass in der Eidesformel die Wortfolge „nach meiner eigenen Überzeugung zu beobachten“ durch „nach meinem besten Wissen und Gewissen zu fördern“[3] ersetzt wurde. Diese Änderung wurde im Landtag offenbar nach der Erstattung des Berichts der Verfassungskommission vorgenommen. Über das Motiv der Änderung, die dem Eid ein gewisses Pathos unterlegt, geben die Materialien keine Auskunft.II. Die Eröffnung des Landtages durch den LandesfürstenGemäss Art. 49 Abs. 1 LV findet die regelmässige Einberufung des Landtages zu Anfang eines jeden Jahres mittelst landesfürstlicher Verordnung statt. Art. 54 Abs. 1 erster Satz LV sieht nun vor, dass die Eröffnung dieses Landtages (und nicht etwa auch der Sitzungen während des Jahres) vom Landesfürsten in eigener Person oder durch einen Bevollmächtigten erfolgt. Die Eröffnung des Landtages durch den Landesfürsten erfolgt als faktische Amtshandlung, die keiner Gegenzeichnung unterliegt.[4]Die Verfassung stellt es in das Ermessen des Landesfürsten, ob er die Eröffnung selbst vornimmt oder nicht[5] und wer als Bevollmächtigter auftreten könnte. Im Regelfall wird es jedoch der Regierungschef sein.[6]Sofern die Landtagseröffnung zu den Angelegenheiten zählt, die dem Erbprinzen übertragen sind (Art. 13bis LV), eröffnet dieser als Stellvertreter und nicht als Bevollmächtigter den Landtag.[7] Er hat dann auch darüber zu entscheiden, wen er bevollmächtigt, falls er selbst die Eröffnung nicht vornehmen kann oder will.[8]Auf Grund der Bedeutung des Aktes wird eine schriftliche Vollmacht zu verlangen sein.[9] Ihr Inhalt muss dem versammelten Landtag zur Kenntnis gebracht werden.[10] Die Erteilung der Vollmacht an den Regierungschef unterliegt nicht der Gegenzeichnung durch den Regierungschef, da es sich in diesem Fall nicht um einen „Erlass“ handelt, sondern einen Auftrag an den Regierungschef im Sinne des Art. 85 LV.[11] Eine andere Beurteilung ergibt sich dann, wenn die Bevollmächtigung an eine dritte Person erteilt werden soll. Dies wäre nach der hier vertretenen Auffassung sehr wohl als ein Erlass zu qualifizieren.[12]Die „angemessene Feierlichkeit“, die Art. 54 Abs. 1 erster Satz LV verlangt, soll den Abgeordneten und Besuchern die Bedeutung des erstmaligen Zusammentritts des Parlaments im laufenden Jahr verdeutlichen, eine normative Bedeutung kommt ihr nicht zu. In der Praxis eröffnet der Landesfürst bzw. der Erbprinz den Landtag mit einer sogenannten Thronrede. Da der Landesfürst als Staatsoberhaupt kein Teil der Regierung ist,[13] handelt es sich daher auch nicht um eine Regierungserklärung. Der Landesfürst bzw. der Erbprinz nützen allerdings die Gelegenheit der Thronrede, um aus ihrer Sicht wichtige Themen dem Landtag und der Öffentlichkeit zu vermitteln.[14]Die Eröffnung des Landtages durch den Landesfürsten gemäss Art. 54 Abs. 1 LV ist Voraussetzung dafür, dass der Landtag in der Folge seine Arbeit aufnehmen kann. Ohne sie wäre nämlich weder eine Eidesleistung der Abgeordneten zulässig noch könnte der Landtag in die Behandlung der Tagesordnung eintreten.III. Die Eidesleistung der AbgeordnetenA. ZeitpunktArt. 54 Abs. 1 zweiter Satz LV sieht eine Eidesleistung sämtlicher neu eingetretenen Mitglieder, das sind die Abgeordneten und ihre Stellvertreter, in der Eröffnungssitzung des Landtages vor. Dies bedeutet, dass in der ersten Sitzung nach stattgefundenen Landtagswahlen sämtliche Abgeordneten ihren Eid zu leisten haben, weil sie alle „neu eingetreten“ sind. Ein in der vorangegangenen Legislaturperiode geleisteter Eid reicht nicht hin. Dieser bezieht sich nämlich auf den Auftrag, den der Abgeordnete mit seiner auf eine Dauer von vier Jahren begrenzten Wahl in den Landtag erhalten hat.[15] Diese Auffassung wird auch durch Art. 9 GOLT gestützt, wonach nach der Eröffnung des Landtages die Mitglieder, deren Wahl gültig erklärt worden ist, in die Hände des Landesfürsten oder seines Bevollmächtigten den in Art. 54 Abs. 1 LV vorgeschriebenen Eid abzulegen haben. Diese Formulierung deutet nicht darauf hin, dass Abgeordnete, die in früheren Landtagsperioden einen Eid geleistet hätten, von der neuerlichen Eidesleistung befreit wären. Dieser Auffassung folgt auch die Staatspraxis.[16]Andererseits sind in der Eröffnungssitzung der folgenden Jahre derselben Legislaturperiode nur jene Abgeordneten anzugeloben, die zum ersten Mal seit ihrem Nachrücken oder ihrer Wahl anwesend sind. Tritt ein Abgeordneter während des laufenden Jahres in den Landtag ein, hat der Landtagspräsident die Vereidigung vorzunehmen. Die Verfassung vermeidet es somit, dass ein Abgeordneter im Landtag tätig wird, bevor eine Vereidigung erfolgt ist.Die Eidesleistung erfolgt gemäss Art. 54 LV vor dem Fürsten oder seinem Bevollmächtigten bzw. bei nachfolgenden Sitzungen vor dem Präsidenten und wird durch einen Handschlag beendet. Ein Eid darf nicht zurückgewiesen werden.In der Praxis erfolgt die Vereidigung in der Eröffnungssitzung dadurch, dass die Eidesformel verlesen und die Abgeordneten in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen werden, die Hand zum Schwur heben und die Worte sprechen: „Ich gelobe, so wahr mir Gott helfe“ oder lediglich „Ich gelobe.“ Anschliessend reichen sie dem Landesfürsten oder seinem Bevollmächtigten die Hand. In der Folge unterzeichnen die Abgeordneten das Vereidigungsprotokoll und nehmen dann ihre Wahlurkunde entgegen[17].[18]B. Die EidesformelDie Eidesformel verpflichtet die Abgeordneten zunächst auf die Einhaltung der Rechtsordnung, nämlich die Verfassung und die bestehenden Gesetze. Dies inkludiert auch alle für die Abgeordneten relevanten Rechtsakte unterhalb der Gesetzesstufe.[19] Die Verpflichtung auf das Recht ist der erste Inhalt des Schwurs. Innerhalb ihrer Bindung an die Rechtsordnung haben die Abgeordneten in ihrer politischen Tätigkeit („in dem Landtage“) das Wohl des Vaterlandes ohne Nebenrücksichten zu fördern.[20] Sie verpflichten sich damit, das allgemeine Beste im Auge zu behalten.Diese Verpflichtung kann freilich in der Praxis mit Parteirücksichten oder persönlichen Interessen konfligieren, wenn dem Abgeordneten bewusst ist, dass der Standpunkt seiner Fraktion eben nicht dem öffentlichen Wohl dient. Der Inhalt des vom Abgeordneten geleisteten Schwurs ist allerdings unmissverständlich.Im letzten Halbsatz der Eidesformel erfolgt die Beschwörung Gottes (mit der Formel „so wahr mir Gott helfe“), was die Frage aufwirft, ob diese Regelung für einen modernen Staat angemessen und mit der von ihm gemäss Art. 8 EMRK geforderten Achtung auch der negativen Freiheit, eine Religion nicht auszuüben, vereinbar ist.[21] Darüber hinaus statuiert Art. 39 LV, dass der Genuss der staatsbürgerlichen und politischen Rechte vom Religionsbekenntnis unabhängig ist, woraus sich ein Benachteiligungsverbot unabhängig von der religiösen oder nichtreligiösen Überzeugung ergibt.[22] Allerdings ist die Gelöbnisformel des Art. 54 LV verfassungsrechtlich verankert und steht damit auf gleicher Stufe wie Art. 39 LV. Sie ist damit als eine von der Verfassung so gewollte religiöse Orientierung zu qualifizieren, die auch einem nichtreligiösen Menschen zugemutet wird, wenn er das Amt des Abgeordneten ausüben will.Freilich: Die Religionsfreiheit ist nicht nur durch die Verfassung gewährleistet, sondern auch durch Art. 9 EMRK. Nach der Rechtsprechung des EGMR kann ein von Abgeordneten eines Parlaments geforderter religiöser Eid eine Verletzung von Art. 9 EMRK darstellen.[23] Demnach darf ein Abgeordneter jedenfalls nicht auf die Ablegung eines Eids gezwungen werden, der die Unterwerfung unter eine bestimmte Religion zur Folge hat. Nach Auffassung des EGMR wäre es „zudem widersprüchlich, die Ausübung eines Abgeordnetenmandats – das die Vertretung unterschiedlicher gesellschaftlicher Ansichten und Meinungen im Parlament voraussetzt – von einer vorherigen Erklärung zur Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion abhängig zu machen.“[24] Nun könnte argumentiert werden, dass Art. 54 LV ja nicht den Schwur auf den einen, christlichen Gott erforderlich macht, sondern schlicht auf eine beliebige als Gott bezeichnete personale Gottheit oder höhere Macht, doch überzeugt dies nicht: Ein nichtreligiöser Mensch wird auch eine allgemeine Anrufung Gottes in einem von ihm verlangten Eid als Eingriff in seine von der Verfassung geschützte Überzeugung, an keine wie auch immer gestaltete Gottheit oder höhere Macht glauben zu müssen, empfinden.[25] Wenn vom Abgeordneten zu Recht verlangt werden kann, sich in seinem politischen Handeln stets seines Eides bewusst zu sein, kann die Eidesformel auch nicht als blosse Phrase ohne Inhalt abgetan werden.[26] Insofern würde es nicht angehen zu behaupten, die in Art. 54 LV genannte Formel enthalte keine religiöse Komponente.Art. 54 LV wird daher EMRK-konform dahingehend auszulegen sein, dass es einem Abgeordneten erlaubt sein muss, die Formel „so wahr mir Gott helfe“ wegzulassen.[27] Dies umso mehr, als die Verweigerung der Eidesleistung mit rechtlichen Konsequenzen verbunden ist (siehe näher unter Kapitel C.).Das Gelöbnis muss in deutscher Sprache geleistet werden. Dies ergibt sich aus Art. 54 LV sowie aus dem Umstand, dass Deutsch gemäss Art. 6 LV die Staats- und Amtssprache ist.C. Der rechtliche Gehalt der EidesleistungDer Abgeordnete hat mit der Ausstellung der Wahlurkunde (Art. 61 VRG) das Recht auf Sitz und Stimme im Landtag. Dies bedeutet aber nicht, dass die Eidesleistung ohne rechtlichen Gehalt wäre, was auch dadurch unterstrichen wird, dass es Art. 54 LV durch die Übertragung der Vereidigungskompetenz auf den Landtagspräsidenten vermeidet, dass ein während des Jahres eintretender Abgeordneter an einer Sitzung teilnehmen kann, ohne zuvor vereidigt zu werden. Mangels einer ausdrücklichen positiven Regelung ist mit der Verweigerung des Eides zwar nicht der automatische Verlust des Amtes verbunden,[28] in der Praxis erfolgt die Aushändigung der Wahlurkunde jedoch erst nach erfolgter Eidesleistung.[29] Ein Abgeordneter, der über keine Wahlurkunde verfügt, weil er den Eid verweigert hat, darf daher auch nicht an den Sitzungen des Landtages teilnehmen. Die Verweigerung der Eidesleistung müsste im Weiteren als „anderweitige dauernde Verhinderung“ i.S. des Art. 63 Abs. 2 VRG qualifiziert werden, was zur Folge hätte, dass der Landtag denjenigen für gewählt zu erklären hätte, der auf der betreffenden Wahlliste unter den nicht gewählten Kandidaten am meisten Stimmen erhalten hat.[30] Falls auf der Wahlliste keine weiteren Kandidaten vorhanden wären, wären Ergänzungswahlen abzuhalten (Art. 63 Abs. 4 VRG).Hingegen kann der Abgeordnete nicht zur rechtlichen Verantwortung gezogen werden, wenn er gegen den von ihm geschworenen Eid verstösst, selbst dann nicht, wenn es geradezu offenkundig ist. Es verbleibt lediglich die Verantwortung gegenüber dem Volk, das seine Auffassung über das Verhalten des Abgeordneten bei den Wahlen zum Ausdruck bringen kann und das Wissen des Abgeordneten, mit der Missachtung des Eides gegen eine religiöse Norm verstossen zu haben.
Der Landtag wird vom Fürsten in eigener Person oder durch einen Bevollmächtigten geschlossen Parliament shall be prorogued by the Reigning Prince in person or by his plenipotentiary. Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteWie Art. 54 LV stellt auch Art. 55 LV eine Bestimmung dar, die praktisch unverändert aus dem Zeitalter des Konstitutionalismus stammt. Dies zeigt sich an der Rezeptionsvorlage der KonV: § 125 der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen enthielt folgende Bestimmung: „Der Landtag wird von dem Landesfürsten in eigener Person oder durch einen landesherrlichen Commissär auf eine feierliche Weise geschlossen.“ § 105 KonV nahm daran nur unwesentliche Änderungen vor, verzichtete auf die Feierlichkeit und schob vor dem Wort „landesherrlichen“ das Wort „eigenen“ ein.Auch der Verfassungsentwurf Wilhelm Becks sah eine Schliessung des Landtages durch den Landesfürsten entweder in eigener Person oder aber durch ein „Regierungsmitglied“ vor. Die Regierungsvorlage Josef Peers ersetzte das Wort „Regierungsmitglied“ durch „Bevollmächtigten“. In den nachfolgenden Landtagsdiskussionen war die Bestimmung offenbar kein Thema mehr. Art. 55 LV wurde in der heute geltenden Fassung mit LGBl. 1921 Nr. 15 kundgemacht.Die Bestimmung bildet das Pendant zur Eröffnung des Landtages gemäss Art. 54 LV. Sie ist noch ganz dem Sessionensystem der Konstitutionellen Monarchie verpflichtet, indem es der Landesfürst ist, der den Landtag eröffnet und schliesst.[1]II. Schliessung des LandtagesA. Rechtliche BedeutungDie Schliessung des Landtages wird vor dem versammelten Landtag ausgesprochen.[2] Sie hat gemäss Art. 55 LV beachtliche rechtliche Konsequenzen: Sie beendet die Sitzungsperiode.[3] Ein neuerliches Zusammentreten des Landtages ist nur durch Einberufung des Landesfürsten mittels landesfürstlicher Verordnung oder über begründetes, schriftliches Verlangen von wenigstens 1.000 wahlberechtigten Landesbürgern oder über Gemeindeversammlungsbeschlüsse von wenigstens drei Gemeinden (Art. 48 Abs. 1 und 2 LV) möglich.[4] Die Organe des Landtages (Präsident, Vizepräsident, Landtagspräsidium) verlieren ihre Funktionen ebenso wie die Kommissionen des Landtages.[5] Der Landtag ist damit handlungsunfähig.[6]Mit der Schliessung des Landtages herrscht nun tagungsfreie Zeit, in welcher lediglich der Landesausschuss (vgl. Art. 71 LV) in Funktion tritt.[7] Der Umstand, dass besondere Kommissionen des Landtages und Untersuchungskommissionen (Art. 69 und 70 GOLT) auch dann tagen können, wenn der Landtag geschlossen ist (Art. 78 Abs. 2 GOLT), ist daher verfassungsrechtlich fragwürdig.[8] Demgegenüber kann bei den in Art. 61 GOLT erwähnten ständigen Delegationen bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und der OSZE, der Internationalen Parlamentarier Union, der Parlamentarierkonferenz Bodensee und der EFTA- bzw. EWR-Staaten, argumentiert werden, dass diese Delegationen in Art. 71 LV zumindest nicht ausdrücklich erwähnt sind.[9] Da die Terminplanung der betreffenden Sitzungen ohne Rücksichtnahme auf die Tagungszeit des Landtages erfolgt, wäre es im Übrigen äusserst unpraktisch und würde die Mitwirkung des Landtages in diesen Gremien geradezu verunmöglichen, wenn die jeweilige Delegation nur innerhalb der Sitzungsperiode des Landtages tätig werden dürfte.B. Person des SchliessendenDie Verfassung überlässt es dem Landesfürsten, den Landtag in eigener Person oder durch einen Bevollmächtigten, im Regelfall den Regierungschef,[10] zu schliessen. Es gilt dasselbe, was zu Art. 54 LV gesagt wurde: Die Schliessung des Landtages durch den Landesfürsten als faktische Amtshandlung unterliegt wie die Eröffnung keiner Gegenzeichnung.[11]Sofern die Landtagsschliessung zu den Angelegenheiten zählt, die dem Erbprinzen übertragen sind (Art. 13bis LV), schliesst dieser als Stellvertreter und nicht als Bevollmächtigter den Landtag.[12] Er hat auch darüber zu entscheiden, wen er bevollmächtigt, falls er selbst die Schliessung nicht vornehmen kann oder will.[13]Wie bei Art. 54 LV wird eine schriftliche Vollmacht zu verlangen sein.[14] Ihr Inhalt muss dem versammelten Landtag zur Kenntnis gebracht werden.[15] Die Erteilung der Vollmacht an den Regierungschef unterliegt nicht der Gegenzeichnung durch den Regierungschef, da es sich in diesem Fall nicht um einen „Erlass“ handelt, sondern um einen Auftrag an den Regierungschef im Sinne des Art. 85 LV.[16] Eine andere Beurteilung ergibt sich dann, wenn die Bevollmächtigung an eine dritte Person erteilt werden soll. Dies wäre nach der hier vertretenen Auffassung sehr wohl als ein Erlass zu qualifizieren.[17]
1) Kein Abgeordneter darf während der Dauer der Sitzungsperiode ohne Einwilligung des Landtages verhaftet werden, den Fall der Ergreifung auf frischer Tat ausgenommen.Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteArt. 56 LV regelt einen Aspekt der Immunität von Abgeordneten, nämlich den Schutz vor willkürlicher Verhaftung. Er steht in engem Zusammenhang mit Art. 57 LV, der die Immunität des Abgeordneten hinsichtlich der im Landtag und seinen Kommissionen gemachten Äusserungen regelt.Die Immunität der Abgeordneten hat eine lange Tradition. In rechtshistorischer Betrachtung zählt der Schutz von Parlamentsabgeordneten vor willkürlicher Verhaftung durch Polizeiorgane und vor staatlichen Verfolgungshandlungen zu den ältesten parlamentarischen Rechten. Sie wurden im deutschsprachigen Raum zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus England und Frankreich rezipiert, wo sich dieses Instrument zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Parlaments im 16. und 17. Jahrhundert herausgebildet hatte.[1] Der Genehmigungsvorbehalt des Parlaments bei Strafverfolgung von Abgeordneten soll in England sogar bis etwa 1400 zurückreichen.[2]§ 107 KonV sah vor, dass kein Mitglied des Landtages während der Dauer der Sitzung ohne Einwilligung des Landtages verhaftet werden konnte, die Ergreifung auf frischer Tat ausgenommen. In einem solchen Fall war der Landtag unter Angabe des Grundes von der geschehenen Verhaftung unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Gemäss § 108 war, wenn ein Landtagsmitglied die letzten 6 Wochen vor Eröffnung des Landtages verhaftet worden war, der Ausschuss mit Angabe des Grundes ungesäumt in Kenntnis zu setzen.Die beiden Bestimmungen fanden ihre Rezeptionsvorlage in § 127 der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen. Demnach durfte „kein Mitglied der Ständeversammlung während der Dauer des Landtages ohne Einwilligung der Ständeversammlung verhaftet werden, den Fall der Ergreifung auf frischer That wegen eines peinlichen Verbrechens ausgenommen. In lezterm Falle ist aber die Ständeversammlung mit Angabe des Grundes von der geschehenen Verhaftung unverzüglich in Kenntniß zu sezen.“ Die Bestimmung sah weiters vor, dass, wenn ein Abgeordneter während sechs Wochen vor Eröffnung des Landtags verhaftet wurde, dem Ausschuss mit Angabe des Grundes ungesäumt davon Kenntnis zu geben war.[3] Untypisch für die damaligen Verfassungen war, dass die Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen den Schutz vor Verhaftung von Abgeordneten und ihren Schutz hinsichtlich der im Landtag getätigten Äusserungen in getrennten Bestimmungen regelte.[4] Die KonV übernahm dies und die Verfassung von 1921 behielt die Aufteilung auf zwei Verfassungsbestimmungen bei.Art. 44 des Verfassungsentwurfs Wilhelm Becks orientierte sich an der von der KonV vorgegebenen Rechtslage: Kein Abgeordneter sollte während der Dauer der Landtagssitzung ohne Einwilligung des Landtages verhaftet werden dürfen, den Fall der Ergreifung auf frischer Tat ausgenommen. In letzterem Falle sollte dem Landtag unter Angabe des Grundes von der geschehenen Verhaftung unverzüglich Kenntnis gegeben werden. Er sollte über die Aufrechterhaltung der Haft entscheiden. Wenn ein Landtagsmitglied die letzten sechs Wochen vor der Eröffnung des Landtages in Haft genommen wurde, so war dem Landesausschuss unter Angabe des Grundes ungesäumt Kenntnis zu geben.Diese offenbar wenig umstrittenen, den Regelungen der Konstitutionellen Verfassung folgenden Bestimmungen waren auch in der Regierungsvorlage Peer so vorgesehen. Der Landtag nahm daran allerdings eine wichtige Änderung vor: Die Verfassungskommission ersetzte „Sitzung“ durch „Sitzungsperiode“,[5] was klarstellte, dass sich der Schutz der Abgeordneten auf die gesamte Sitzungsperiode und eben nicht nur auf die einzelne Sitzung bezog.[6]II. Bedeutung und Formen der Immunität von AbgeordnetenDie allgemeine parlamentarische Praxis unterscheidet mehrere Formen der Immunität der Abgeordneten, die in Österreich als berufliche und ausserberufliche Immunität[7] bezeichnet werden, in der Schweiz als absolute und relative Immunität[8], in Deutschland dagegen als Indemnität und Immunität.[9]Die jeweils erste der beiden Formen bezeichnet das im Einzelnen unterschiedlich formulierte Recht der Abgeordneten, für ihre Äusserungen im Parlament nur vor diesem und nicht vor Gerichten verantwortlich gemacht werden zu können (in Liechtenstein Art. 57 LV, in Österreich Art. 57 Abs. 1 B-VG, in der Schweiz Art. 162 Abs. 1 BV, in Deutschland Art. 46 Abs. 1 GG).Die zweite Form der Immunität erfasst jene Regelungen, die Gegenstand von Art. 56 LV sind (in Österreich Art. 57 Abs. 2 bis 6 B-VG, in der Schweiz Art. 162 Abs. 2 BV, in Deutschland Art. 46 Abs. 2 bis 4 GG). Diesen Bestimmungen ist gemein, dass sie bestimmte behördliche Verfolgungsmassnahmen gegenüber Abgeordneten an die Zustimmung des Parlaments bzw. der betreffenden Parlamentskammer binden.Da die Form der Immunität, wie sie in Art. 56 LV geregelt ist, insoweit relativ ist, als sie mit Zustimmung des Landtags überwunden werden kann, während die Immunität gemäss Art. 57 LV absolut gilt, liegt es nahe, die schweizerische Terminologie, die zwischen absoluter und relativer Immunität unterscheidet, zu übernehmen. Die österreichische Begriffsbildung, die zwischen beruflicher und ausserberuflicher Immunität unterscheidet, ist demgegenüber missverständlich, da sie den Eindruck erweckt, die ausserberufliche Immunität des Abgeordneten habe nichts mit seinem „Beruf“ als Politiker zu tun, was unrichtig ist. Ausserdem wirkt die Unterscheidung zwischen beruflicher und ausserberuflicher Immunität bei einem Milizparlament wie dem Landtag von Liechtenstein missverständlich.Die Lehre in Liechtenstein zu den Terminologien ist uneinheitlich. Während sich Allgäuer[10] an der österreichischen Unterscheidung zwischen beruflicher und ausserberuflicher Immunität orientiert, verwendet Batliner[11] im Sinne deutschen Verständnisses die Begriffe Indemnität und Immunität. Wille[12] wiederum spricht von absoluter und eingeschränkter Immunität und orientiert sich damit an der schweizerischen Lehre.Die Sinnhaftigkeit der Immunitätsregelungen, die, wie oben dargestellt, im deutschsprachigen Raum das Relikt des Frühkonstitutionalismus in seinem Kampf gegen den Polizeistaat des Vormärz darstellen, in einer modernen Demokratie wird heute immer wieder in Zweifel gezogen. Der Begriff der Immunität wird häufig mit einer ungerechtfertigten Privilegierung der Parlamentarier verbunden, nicht selten deshalb, weil ihr Inhalte unterstellt werden, die ihr gar nicht zukommen.Eine Beurteilung der Sinnhaftigkeit der Immunitätsregelungen muss zwischen der absoluten (Art. 57 LV) und der relativen Immunität unterscheiden.[13] Während die freie Rede im Parlament ein unentbehrliches Gut des Parlamentarismus darstellt und daher grundsätzlich auch zu schützen ist, können willkürliche, gegen Parlamentarier persönlich gerichtete Verfolgungshandlungen des Staates heute auch mit anderen, rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werden.[14] Es kann daher hinterfragt werden, ob es tatsächlich sinnvoll ist, dass der Landtag einen Abgeordneten der Verhaftung durch Staatsorgane entziehen kann. Dem steht gegenüber, wie noch zu zeigen sein wird (siehe nachstehend Kapitel III. A.), dass die relative Immunität der Abgeordneten in Liechtenstein ohnehin eine äusserst eingeschränkte, eben auf den Schutz vor Verhaftung bezogene, ist.III. Relative ImmunitätA. SchutzinhaltArt. 56 Abs. 1 LV schützt den Abgeordneten während der Dauer der Sitzungsperiode (dazu näher unter B.) vor Verhaftung, ausgenommen die Ergreifung auf frischer Tat. Der Schutz vor Verhaftung ist damit auch der einzige Inhalt der relativen Immunität der Abgeordneten in Liechtenstein.Immunitätsregelungen anderer Staaten gehen demgegenüber deutlich weiter: Art. 57 Abs. 2 B-VG schützt die Abgeordneten ähnlich wie Art. 56 Abs. 1 LV vor Verhaftung. Darüber hinaus dürfen die Mitglieder des österreichischen Nationalrates jedoch gemäss Art. 57 Abs. 3 B-VG ohne Zustimmung des Nationalrates wegen einer strafbaren Handlung nur dann behördlich verfolgt werden, wenn diese offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit des betreffenden Abgeordneten steht. Wenn der betreffende Abgeordnete oder ein Drittel der Mitglieder des Nationalrates dies verlangen, hat der Nationalrat darüber zu entscheiden, ob ein derartiger Zusammenhang gegeben ist.[15]Art. 17 Parlamentsgesetz, welches in der Schweiz kraft der Verweisungsnorm des Art. 162 Abs. 2 BV die relative Immunität regelt, bestimmt, dass gegen ein Mitglied des National- oder Ständerates ein Strafverfahren wegen einer strafbaren Handlung, die in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner amtlichen Stellung oder Tätigkeit steht, nur mit der Ermächtigung der zuständigen Kommissionen beider Räte eingeleitet werden kann.[16]Art. 46 Abs. 2 GG bestimmt, dass wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung ein Abgeordneter nur mit Genehmigung des Bundestages zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden darf, es sei denn, dass er bei Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen wird. Gemäss Art. 46 Abs. 3 GG ist die Genehmigung des Bundestages ferner bei jeder anderen Beschränkung der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten erforderlich.[17]Im Vergleich mit den Verfassungsordnungen Österreichs, der Schweiz und Deutschlands weist damit Liechtenstein den deutlich geringsten Schutz der relativen Immunität auf. Die Abgeordneten sind lediglich gegenüber Verhaftungen, nicht aber vor anderen behördlichen Verfolgungen geschützt. Eine extensive Auslegung verbietet sich angesichts des klaren Wortlauts. Die relative Immunität schützt den Abgeordneten daher weder vor einer Hausdurchsuchung, vor Beschlagnahmung von Unterlagen und Gegenständen noch vor einer Anklageerhebung oder der Verhängung von Geldstrafen. Er ist auch nicht vor der Verhängung einer Freiheitsstrafe geschützt, da die Verurteilung als solche noch keine Verhaftung darstellt. Die Immunität ist somit kein Verfolgungshindernis.[18]Der Terminus „Verhaftung“ ist im Übrigen in der liechtensteinischen Rechtsordnung nicht definiert, er wird jedoch in zahlreichen Rechtsvorschriften, insbesondere der Strafprozessordnung,[19] verwendet[20] und bezeichnet regelmässig den Freiheitsentzug einer Person durch Polizeiorgane.Zur Interpretation des Begriffes ist es jedoch zweckmässig, an die Garantie des Rechts auf Freiheit und Sicherheit in Art. 5 EMRK[21] anzuknüpfen.[22] Darin werden jene Gründe angeführt, in welchen die Freiheit eines Menschen in der gesetzlich vorgesehenen Weise entzogen werden darf:a) wenn er rechtmässig nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht in Haft gehalten wird;b) wenn er rechtmässig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird wegen Nichtbefolgung eines rechtmässigen Gerichtsbeschlusses oder zur Erzwingung der Erfüllung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung;c) wenn er rechtmässig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird zum Zwecke seiner Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, sofern hinreichender Verdacht dafür besteht, dass der Betreffende eine strafbare Handlung begangen hat, oder begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, den Betreffenden an der Begehung einer strafbaren Handlung oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;d) wenn es sich um die rechtmässige Haft eines Minderjährigen handelt, die zum Zwecke überwachter Erziehung angeordnet ist, oder um die rechtmäßige Haft eines solchen, die zum Zwecke seiner Vorführung vor die zuständige Behörde verhängt ist;e) wenn er sich in rechtmässiger Haft befindet, weil er eine Gefahrenquelle für die Ausbreitung ansteckender Krankheiten bildet, oder weil er geisteskrank, Alkoholiker, rauschgiftsüchtig oder Landstreicher ist;f) wenn er rechtmässig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.Die EMRK versteht somit auch die Freiheitsentziehung auf Grund psychischer Gründe, also ohne dass der Betreffende eine Straftat begangen hat, als „Verhaftung“.[23] Dies bedeutet, dass auch die zwangsweise Einweisung einer Person in eine psychiatrische Klinik vom Schutzinhalt des Art. 56 LV erfasst ist und dieser damit jegliche Art zwangsweiser Freiheitsentziehung durch staatliche Organe meint. Anders als Art. 57 B-VG stellt Art. 56 LV nämlich nicht auf eine Verhaftung wegen eines Verbrechens ab. In diesem Sinne liegt also eine Verhaftung vor, „wenn durch (behördlichen) physischen Zwang persönliche Ortsveränderungen entweder überhaupt unterbunden oder auf bestimmte, nach allen Seiten hin begrenzte Örtlichkeiten oder Gebiete eingeschränkt werden.“[24]Der Begriff der Ergreifung auf frischer Tat knüpft an die Verwendung des Begriffes „frischer Tat“ in den §§ 131 und 140 StGB, §§ 92 Abs. 2, 126 Abs. 2, 127 Abs. 1 und 217 Abs. 2 StPO an. Im Sinne der österreichischen Rechtsprechung und Lehre zum Haftgrund der Betretung der frischer Tat (§ 170 Z. 1 öStPO entspricht § 127 Abs. 1 Z. 1 StPO) ist zu fordern, dass die Tatbegehung unmittelbar von den Sicherheitsorganen selbst wahrgenommen wird oder dass der Beschuldigte unmittelbar nach der Tat glaubwürdig der Täterschaft bezichtigt wird und die Sicherheitsorgane in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zur Tat einschreiten.[25] Demnach ist der Haftgrund schon nach Ablauf mehrerer Stunden nach der Tat entfallen.[26]B. Beginn und Ende der ImmunitätArt. 56 Abs. 1 LV knüpft an die Sitzungsperiode des Landtages an. Dies bedeutet, dass die Bestimmung keine Anwendung findet, wenn der Abgeordnete nach Schliessung des Landtages und vor der Eröffnung, also in der Zeitspanne von ungefähr Mitte Dezember bis Ende Januar oder nach einer Auflösung des Landtages verhaftet wird. Daraus ergibt sich aber auch, dass nach Beendigung des Mandats des Abgeordneten, sei es wegen nicht erfolgter Wiederwahl oder aber beispielsweise durch Verzicht oder Mandatsverlust ebenfalls keine Immunität mehr besteht. Diese besteht selbst dann nicht, wenn das dem Abgeordneten zur Last gelegte Delikt während seiner Mandatszeit begangen wurde.Da die Vertagung des Landtages die Sitzungsperiode nicht beendet, sondern lediglich unterbricht und der Landtag damit konstituiert bleibt,[27] besteht die Immunität auch während einer allfälligen Vertagung weiter.Der Wortlaut des Art. 56 Abs. 1 LV spricht scheinbar dafür, dass selbst dann, wenn der Abgeordnete ausserhalb der Sitzungsperiode verhaftet wurde und die Haft sich auch auf die Zeit des neuerlichen Zusammentretens des Landtages erstreckt, keine Zustimmung des Landtages erforderlich ist, weil die Verhaftung ja ausserhalb der Sitzungsperiode erfolgt war und während dieser Zeit die Zustimmung des Landtages nicht benötigt wird. Dies wäre jedoch aus folgenden Gründen zu kurz gedacht: Ausserhalb der Sitzungsperiode gibt es keinen funktionsfähigen Landtag. Deshalb sieht Art. 56 Abs. 3 LV (lediglich) die Information des Landesausschusses vor. Daher hat der Landtag nach seinem Zusammentreten über die Frage der Zustimmung zur Aufrechterhaltung der Haft über den betreffenden Abgeordneten zu entscheiden (siehe näher die Ausführungen unter C.). C. Die Rolle des LandtagesArt. 56 Abs. 2 LV bestimmt, dass im Falle der Ergreifung auf frischer Tat der Vorgang dem Landtag unverzüglich zur Kenntnis zu bringen ist und dieser über die Aufrechterhaltung der Haft entscheidet. In der Zusammenschau mit Abs. 1, wonach die Verhaftung eines Abgeordneten grundsätzlich nur mit Zustimmung des Landtages zulässig ist, ergibt sich, dass die Behörden, soweit es sich nicht um die Ergreifung auf frischer Tat handelt, vor der beabsichtigten Verhaftung den Landtag um die Zustimmung (sog. „Auslieferung“) zu ersuchen haben. Bis zum Vorliegen der Zustimmung hat jede Einschränkung der Bewegungs- und Reisefreiheit des Abgeordneten zu unterbleiben. Daran können weder ein dringender Tatverdacht noch Fluchtgefahr, ja nicht einmal die Gefahr, dass der Betreffende weitere strafbare Handlungen begehen könnte, etwas ändern.Eine allfällige Zustimmung des betreffenden Abgeordneten selbst gegen den Akt der Freiheitsentziehung ist rechtlich unerheblich.[28] Die Verhaftung hat zu unterbleiben, solange der Landtag seine Entscheidung nicht getroffen hat. Der Landtag kann in diesem Zusammenhang auch von der Behörde die Akten anfordern. Im Falle einer solchen Anforderung sind diese vollständig und unverzüglich dem Landtag vorzulegen. Angesichts der Tatsache, dass die Mitglieder des Landtages an keine Amtsverschwiegenheit gebunden sind, wird die Behörde jedoch auf allfällige berührte Persönlichkeitsrechte dritter Personen (Art. 8 EMRK) Rücksicht nehmen müssen. Sie wird daher in der Übermittlung von Akten an den Landtag auf allenfalls berührte, sensible Daten hinweisen müssen. Im Extremfall kann es sich sogar als notwendig erweisen, etwa die Namen von Zeugen zu anonymisieren.Die Verfassung enthält keine besonderen Vorgaben über das weitere Verfahren und überlässt damit die Festlegung des Vorgehens der Organisationsautonomie des Landtages. Freilich enthält auch die GOLT keine spezifischen Regelungen.[29] Es können daher lediglich einige allgemeine Grundsätze formuliert werden, die vom Landtag jedenfalls einzuhalten sind:Der Landtag erteilt seine Zustimmung oder verweigert sie mit Beschluss im Sinne des Art. 58 LV.[30] Der Landtag hat seine Entscheidung, die auf Zustimmung oder Nicht-Zustimmung lautet, nicht weiter zu begründen. Es ist dem Landtag nicht gestattet, die Zustimmung oder die Verweigerung der Zustimmung an Bedingungen zu knüpfen.Die ersuchende Behörde hat ihren Antrag auf Aufhebung der Immunität an den Landtag zu richten. Die administrative Behandlung obliegt dem Landtagspräsidenten bzw. dem unter seiner Weisungsbefugnis tätigen Landtagssekretariat.[31] Es obliegt der Verantwortung des Landtagspräsidenten, ob er die Angelegenheit auf die Agenda der nächsten terminisierten Landtagssitzung setzt oder eine gesonderte Landtagssitzung einberuft.[32] Dasselbe gilt hinsichtlich der Frage, ob die Entscheidung in öffentlicher oder nichtöffentlicher Landtagssitzung erfolgt. Ob der betreffende Abgeordneten einen eigenständigen Antrag auf Aufhebung der Immunität einbringen kann, muss bezweifelt werden.[33] Das mögliche Argument, dass durch einen eigenständigen Antrag des Abgeordneten und die anschliessende Beschlussfassung des Landtages das Verfahren beschleunigt wird, ist wenig überzeugend. Schliesslich bedarf ja als einzige Verfolgungshandlung der Behörden lediglich die Verhaftung des Abgeordneten der Zustimmung des Landtages. Die behördlichen Verfahren können unabhängig davon fortgesetzt werden und sind, was die Dauer betrifft, in erster Linie von der guten Kooperation des Abgeordneten als Beschuldigten abhängig. Mit dem Vorliegen des Antrags des Gerichtes auf Aufhebung der Immunität liegt bereits ein Antrag vor, über den zu entscheiden ist. Der betroffene Abgeordnete kann freilich das Plenum ersuchen, dem Antrag zuzustimmen.Die Immunität des Abgeordneten ist mit der Zustimmung des Landtages aufgehoben, dies bedeutet, sobald die Entscheidung gefasst ist. Eine Kundmachung dieses Beschlusses ist nicht erforderlich. Es wird jedoch zweckmässig sein, dass der Landtagspräsident die ersuchende Behörde über die Entscheidung informiert.Die erteilte Zustimmung ist unwiderruflich und kann daher vom Landtag nicht zurückgenommen werden. Auch spätere Erkenntnisse des Landtags, dass die Motive der Behörde unsachlicher Natur waren, vermögen daran nichts zu ändern.Hingegen kann es nicht angehen, dass ein einmal gefasster Beschluss des Landtages, die Aufhebung der Immunität zu verweigern, den betreffenden Abgeordneten für alle Zeiten vor einer Verhaftung schützt. Die Behörde kann daher den Landtag auch neuerlich ersuchen, die Immunität des betreffenden Abgeordneten aufzuheben, was insbesondere dann der Fall sein könnte, wenn neue Verdachtsmomente aufgetreten ist oder sich sonst neue Erkenntnisse ergeben haben. Liegt ein Fall vor, dass der Abgeordnete bereits in Haft ist, weil er entweder auf frischer Tat betreten wurde oder weil die Verhaftung in der tagungsfreien Zeit erfolgt ist, entscheidet der Landtag über die Aufrechterhaltung der Haft. Es gelten dieselben Grundsätze wie zur Zustimmung oder Verweigerung der Zustimmung der Verhaftung. D. Die Aufgaben des LandesausschussesAus Art. 56 Abs. 1 LV lässt sich entnehmen, dass die relative Immunität des Abgeordneten nur während der Dauer der Sitzungsperiode gilt. Art. 56 Abs. 3 LV lässt schliesslich darüber keine Zweifel aufkommen: Erfolgt die Verhaftung eines Abgeordneten zu einer Zeit, während welcher der Landtag nicht versammelt ist, so ist hievon ungesäumt dem Landesausschuss mit Angabe des Grundes Mitteilung zu machen. Die Verfassung geht daher davon aus, dass die Behörde während der tagungsfreien Zeit des Landtages den Abgeordneten – entsprechende Haftgründe nach der Rechtsordnung vorausgesetzt – sofort in Haft nehmen kann, aber den Landesausschuss unverzüglich davon in Kenntnis zu setzen hat.Dem Landesausschuss obliegen jedoch keine inhaltlichen Kompetenzen. Insbesondere kann er sich nicht an die Stelle des Landtages setzen und selbst über die Aufrechterhaltung der Haft entscheiden. Ansonsten hätte ihn die Verfassung ausdrücklich in die Lage versetzen müssen, vor der Verhaftung die Zustimmung zu erteilen oder zu verweigern. Auch aus rechtshistorischer Sicht ist klar, dass die Rezeptionsvorlage, die Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen, das Informationsrecht des Ausschusses keinesfalls als Zustimmungsrecht an Stelle des Landtages verstand.[34]Das Informationsrecht des Landesausschusses kann somit lediglich vom (bisherigen) Landtagspräsidenten dazu verwendet werden, beim Landesfürsten auf eine rasche Einberufung des Landtages zu dringen, der dann über die Aufrechterhaltung der Haft zu entscheiden hätte.IV. ResümeeArt. 56 LV erreicht die Ziele nur ungenügend: Einerseits ist der Schutzinhalt gering, da die Bestimmung die Abgeordneten nur vor Verhaftung, nicht aber vor anderen staatlichen Verfolgungshandlungen schützt. Dies wird noch dadurch verschärft, dass eine Verhaftung ausserhalb der Sitzungsperiode des Landtages zulässig ist.Andererseits kann argumentiert werden, dass ein ausgebauter Rechtsstaat überhaupt keinen Bedarf an einer relativen Immunität mehr hat, weil den Betroffenen wie anderen Bürgern auch entsprechende Rechtsmittel gegen eine Verhaftung zur Verfügung stehen. Sofern nicht eine Ausweitung der Immunität der Abgeordneten auf andere Verfolgungshandlungen in Erwägung gezogen wird, stellt sich die grundsätzliche rechtspolitische Frage, ob Art. 56 nicht ersatzlos aufgehoben werden soll.
1) Die Mitglieder des Landtages stimmen einzig nach ihrem Eid und ihrer Überzeugung. Sie sind für ihre Abstimmungen niemals, für ihre in den Sitzungen des Landtages oder seiner Kommissionen gemachten Äusserungen aber nur dem Landtage verantwortlich und können hiefür niemals gerichtlich belangt werden.Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteArt. 57 LV enthält zwei Regelungsinhalte: Zum einen den Grundsatz des freien Mandats (Art. 57 Abs. 1 erster Satz LV), zum anderen die absolute Immunität der Abgeordneten[1] für die im Landtag gemachten Äusserungen bzw. deren Unterwerfung unter die Disziplinargewalt (Art. 57 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 LV).Art. 57 LV regelt damit Belange, die von der KonV entweder gar nicht oder im Rahmen der Geschäftsordnung des Landtages normiert worden waren. § 27 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Landtages aus dem Jahre 1863[2] enthielt die Vorschrift, dass „die Mitglieder (…) sich sowohl in Reden als in sonstigen Äusserungen und Vorträgen aller persönlichen Ungehörigkeiten, aller ungeziemenden und beleidigenden Ausdrücke, aller Schmähungen ohne Ausnahme, sowie aller Abschweifungen vom Verhandlungsgegenstand zu enthalten [haben], widrigenfalls sie vom Präsidenten zur Ordnung gewiesen würden, und bei Wiederholung selbst zu gewärtigen hätten, mit der Entziehung des Wortes bestraft zu werden.“ Für den Fall, dass sich ein Abgeordneter der Disziplinargewalt des Präsidenten widersetzte, sollte er allein dem Landtag verantwortlich sein, „Privat-Ehrenverletzungen ausgenommen, welche vor Gericht gezogen werden können.“§ 27 Abs. 2 der Geschäftsordnung bestimmte, dass der Landtag „vorher auf Antrag des Präsidenten oder eines Mitglieds oder auf die Beschwerde des Beteiligten nach Ermessen auf Rüge und Missbilligung, die mit der Eintragung ins Protokoll verschärft werden kann, und auf Widerruf erkennen“ sollte. Sofern der Betroffene keine Genugtuung erhielt, stand ihm die Klage vor Gericht zu. Im Wiederholungsfall konnte der Landtag „mit einer Mehrheit von 2/3 das schuldige Mitglied mit dem Ausschluss aus der Versammlung auf die Dauer des Landtages bestrafen.“Die Gewährleistung der freien Rede im Parlament wurde somit von der KonV als Teil der Sitzungspolizei betrachtet und damit in Abweichung von der Rezeptionsvorlage, dem § 163 der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen,[3] gar nicht im Verfassungstext selbst, sondern lediglich in der Geschäftsordnung des Landtages geregelt. Bemerkenswert vor dem Hintergrund der heute geltenden Rechtslage ist, dass somit zivilrechtliche Ehrenbeleidigungsklagen gegen Abgeordnete ausdrücklich zugelassen waren und ausserdem der Landtag einem Abgeordneten letztlich sogar das Mandat entziehen konnte. Die absolute Immunität bezog sich nach damaligem Verständnis somit lediglich auf die strafrechtliche Verantwortung.Der Verfassungsentwurf des Prinzen Karl folgte inhaltlich dem Gedanken, dass die Abgeordneten von strafrechtlicher Verantwortung frei bleiben sollten. Im ersten Absatz des § 50 war zudem die bisher nicht verankerte Bestimmung enthalten, dass die Mitglieder des Landtages einzig nach freier Überzeugung abstimmen. Im zweiten Absatz war vorgesehen, dass die Abgeordneten wegen der in Ausübung ihres Berufes[4] geschehenen Abstimmungen niemals von einer Strafbehörde zur Verantwortung gezogen werden dürfen, für Äusserungen im Landtage und Landesausschusse nur mit Zustimmung dieser Vertretungskörper. Art. 44 Abs. 4 des Verfassungsentwurfs Wilhelm Becks formulierte im ersten Halbsatz: „Die Mitglieder des Landtages stimmen einzig nach ihrem Eide und ihrer Überzeugung.“ Die absolute Immunität wurde im Entwurf Becks ausserdem, erstmals auf eine Freiheit gegenüber jeglicher gerichtlicher Verantwortlichkeit ausgedehnt.Die Regierungsvorlage Josef Peers folgte in wesentlichen Teilen dem Vorschlag Wilhelm Becks, nahm jedoch die wesentliche Ergänzung auf, dass die Abgeordneten für ihre Abstimmungen niemals verantwortlich sind. Es ist anzunehmen, dass sich Peer in der Formulierung auch an Art. 57 B-VG orientierte, ordnete doch Abs. 1 dieser Bestimmung an, dass die Mitglieder des Nationalrates „wegen der in Ausübung dieses Berufes geschehenen Abstimmung niemals, wegen der in diesem Beruf gemachten Äusserungen nur vom Nationalrat verantwortlich gemacht werden“ können.Die Verfassungskommission des Landtages ergänzte Art. 57 LV um einen Absatz, wonach die Regelung der Disziplinargewalt des Landtages der zu erlassenden Geschäftsordnung vorbehalten bleiben sollte.[5] Begründet wurde die Änderung damit, dass der „Immunitätsparagraph“ durch den Zusatz mehr an Klarheit gewinne, da nun deutlicher ersichtlich sein, „dass die Ehre eines zu Unrecht Beleidigten durch das Eingreifen des Landtages geschützt ist.“[6] Offenbar war der Landtag bemüht, den Umstand, dass die Abgeordneten nunmehr auch vor zivilrechtlichen Klagen geschützt waren, mit dem Hinweis zu beschwichtigen, dass die Disziplinargewalt des Landtages (bzw. des Landtagspräsidenten) für einen ausreichenden Schutz Sorge tragen würde.In dieser Form wurde Art. 57 LV auch vom Landtag beschlossen. Die Bestimmung blieb seither unverändert.II. Das freie Mandat der AbgeordnetenA. InhaltDie Formulierung des Art. 57 Abs. 1 erster Satz LV geht, wie gezeigt wurde, auf den Verfassungsentwurf des Prinzen Karl zurück. Sie war in der Folge inhaltlich wenig umstritten. Wie der Bericht der Verfassungskommission zeigt, wurde Art. 57 LV als „Immunitätsparagraph“ betrachtet, was insoweit nicht zutreffend war, als auch Art. 56 LV Immunitätsfragen, nämlich die relative Immunität, regelte und eben Art. 57 Abs. 1 erster Satz LV nicht die Immunität, sondern das freie Mandat des Abgeordneten garantiert.[7]Demgegenüber ist die in einem ähnlichen zeithistorischen Kontext entstandene Bestimmung des Art. 56 B-VG wesentlich nüchterner: Die Abgeordneten sind bei der Ausübung ihres Berufes „an keinen Auftrag gebunden.“ Art. 161 Abs. 1 BV wiederum bestimmt, dass die Mitglieder der Bundesversammlung ohne Weisungen abstimmen.[8] Gemäss Art. 38 Abs. 1 zweiter Satz GG sind die Abgeordneten des Bundestages an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.Art. 57 Abs. 1 erster Satz LV stellt einerseits normativ klar, dass die Abgeordneten keinen Weisungen oder Aufträgen von ausserhalb unterliegen.[9] Andererseits appelliert die Bestimmung mit dem Hinweis auf den von den Abgeordneten geleisteten Eid und ihre Überzeugung an diese Personen, sich bei ihrer Tätigkeit im Landtag an ihrer Einschätzung des allgemeinen Besten für das Land zu orientieren und nicht an blossen Parteirücksichten.[10]Man wird davon ausgehen können, dass beispielsweise privatrechtliche Vereinbarungen zwischen Fraktionen und ihren Abgeordneten über ein bestimmtes Abstimmungsverhalten rechtswidrig und damit nichtig sind.[11] Insbesondere kann eine allfällige Vereinbarung eines Abgeordneten mit seiner Fraktion, im Falle des Abweichens von der Fraktionsdisziplin sein Mandat zur Verfügung zu stellen, auf Grund der Nichtigkeit dieser Abmachung nicht durchgesetzt werden. Andererseits wird man Bestimmungen in Parteistatuten und Fraktionsreglementen, die Parlamentarier insoweit dem Fraktionszwang unterwerfen, als sie sonst die Sanktion des Ausschlusses aus der Fraktion gewärtigen müssen, als zulässig betrachten müssen.[12] Der Abgeordnete behält nämlich sein Mandat, andererseits besteht ein Selbstorganisationsrecht der Parlamentsfraktionen, auf dessen Grundlage sie die Zusammenarbeit ihrer Abgeordneten im Landtag regeln.[13] Für die Mehrheit der Fraktionsmitglieder ist es jedenfalls nicht zumutbar, dass sie sich dauerhaft die Meinung eines einzelnen „Abweichenden“ zurechnen lassen müssen.[14]Verfassungswidrig wäre allerdings eine gesetzliche Regelung, die das Ausscheiden eines Abgeordneten aus seiner Fraktion oder seiner politischen Partei mit einem Mandatsverlust verknüpfen würde.[15]Es darf dennoch nicht übersehen werden, dass das freie Mandat der Abgeordneten in einem gewissen Spannungsfeld zur Verfassungsrealität steht, die davon geprägt ist, dass die Abgeordneten ihr Abstimmungsverhalten zumindest in wichtigen Angelegenheiten innerhalb ihrer Fraktionen koordinieren.[16] Eine solche informelle Festlegung des Abstimmungsverhaltens ist nicht verfassungswidrig, da sie die Entscheidungsfreiheit des Abgeordneten rechtlich nicht tangiert. Insbesondere stehen den Landtagsfraktionen wie dargestellt keine rechtlichen Instrumente zur Verfügung, ein bestimmtes Abstimmungsverhalten eines Abgeordneten durchzusetzen. Der politische Druck, der auf einem Abgeordneten lastet, der sich der Parteilinie widersetzt, und die Auswirkungen (gehäuft) abweichenden Verhaltens auf die politische Karriere des Betreffenden sind rechtlich nicht fassbar, können jedoch in der Praxis bewirken, dass das freie Mandat weitgehend von Parteirücksichten unterlaufen wird.Im internationalen Vergleich ist allerdings anzumerken, dass die Abgeordneten in Liechtenstein deutlich häufiger ein von der Parteilinie abweichendes Stimmverhalten ausüben, als dies aus anderen Staaten bekannt ist.[17] Gründe gibt es dafür mehrere: Zum einen gibt es unterschiedliche politische Kulturen.[18] Zum anderen ist aber das Druckmittel der Parteiführung, einen abweichenden Abgeordneten bei der nächsten Wahl nicht auf die Parteiliste zu setzen, bei einem so persönlichkeitsorientierten Wahlrecht wie in Liechtenstein, das jedermann ermöglicht, sich selbst zur Wahl vorzuschlagen[19] und den Wählern gute Möglichkeiten in der Reihung der Kandidaten gibt, nicht so wirksam wie in anderen Staaten. Zu guter Letzt vermittelt die vergleichsweise bescheidene Entschädigung im Milizparlament keine übermässigen Anreize, in einer politischen Funktion zu verharren.B. UmfangDie Formulierung des Art. 57 Abs. 1 erster Satz LV bezieht sich dem Wortlaut zufolge auf „Abstimmungen“. Dies bedarf in mehrfacher Hinsicht einer Präzisierung. Der Abgeordnete ist auch in seinen Wortmeldungen, also nicht nur dann, wenn er sich an einer Abstimmung beteiligt, frei. Er unterliegt keinen Aufträgen, was den Inhalt und die Zahl seiner Wortmeldungen betrifft, ebenso entscheidet er frei, ob er an den Sitzungen des Landtages oder seiner Kommissionen teilnimmt oder nicht. Auch in seinen schriftlichen Äusserungen, etwa in Anfragen und Anträgen, ist der Abgeordnete frei.Das freie Mandat erstreckt sich nicht nur auf das Plenum. Auch die Tätigkeit eines Abgeordneten in den Kommissionen, in Delegationen und auch im Landesausschuss bleibt davon umfasst.Dies schliesst wiederum nicht aus, dass sich der Abgeordnete an die Geschäftsordnung wie auch an andere Rechtsvorschriften zu halten hat.III. Die absolute ImmunitätA. SchutzinhaltDie absolute Immunität (Indemnität)[20]bezieht sich zum einen auf die von den Abgeordneten getätigten Abstimmungen und zum anderen auf die Äusserungen im Landtag und seinen Kommissionen.1. AbstimmungenDie Abstimmungen der Parlamentarier sind von jeder rechtlichen Verantwortlichkeit frei. Dies gilt für zivilrechtliche Schadenersatzklagen von Betroffenen, selbst dann, wenn sich etwa ein Gesetz in einem Verfahren vor dem Staatsgerichtshof als verfassungswidrig erwiesen hat. Dementsprechend sieht auch das Gesetz über die Amtshaftung[21] keine Haftung für legislatives Unrecht vor.[22]Haftung wegen legislativem Unrecht kann sich freilich aus dem EWR-Recht bei dessen mangelhafter Umsetzung ergeben.[23] In einem solchen Fall wäre Liechtenstein EWR-rechtlich verpflichtet, einen Rechtsweg über eine allfällige Staatshaftungsklage zu eröffnen, die sich auch darauf stützen könnte, dass der Landtag als Gesetzgeber EWR-Recht nicht oder nur mangelhaft umgesetzt hat und dadurch einem Betroffenen einen Schaden verursacht hat.[24] Dem Land Liechtenstein wäre allerdings durch Art. 57 LV ein allfälliger Regress auf die Abgeordneten versagt.Geschützt sind alle Abstimmungen der Abgeordneten, also solche im Plenum wie auch in den Kommissionen. Ebenso wird man eine Immunität hinsichtlich der Abstimmungen im Landesausschuss sowie in Delegationen des Landtages annehmen müssen.Der Schutz besteht selbst dann, wenn das Abstimmungsverhalten des Abgeordneten durch Bestechung zustande gekommen ist.[25]2. ÄusserungenDie absolute Immunität schützt die Abgeordneten vor jeglicher strafrechtlicher und zivilrechtlicher Haftung hinsichtlich ihrer Äusserungen im Landtag und in den Kommissionen.[26] Dieser Regelungsinhalt von Art. 57 LV ist angesichts seiner Entstehungsgeschichte, in der bewusst eine Abkehr von der während der KonV geltenden Geschäftsordnung des Landtages mit der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit der Abgeordneten gesucht wurde, unzweifelhaft. Unter Äusserungen sind sowohl Wortmeldungen als auch schriftliche Eingaben (Anfragen, Anträge u.dgl.) zu verstehen.[27]Anders als hinsichtlich der Abstimmungen ist aber bei Äusserungen im Landtag oder in den Kommissionen zumindest insoweit eine Verantwortlichkeit gegeben, als die Abgeordneten vor dem Landtag für ihre gemachten Äusserungen zur Verantwortung gezogen werden können. Gemeint ist damit die Disziplinargewalt des Landtagspräsidenten, der im Wege der Sitzungspolizei Ordnungsrufe erteilen kann. Gravierendere Sanktionen sieht die GOLT nicht vor (siehe dazu unter Kapitel C.). Ausserdem finden diese Instrumente nur auf mündliche Äusserungen von Abgeordneten Anwendung.[28]Ein von einer Äusserung eines Abgeordneten Betroffener kann daher weder eine Schadenersatzklage noch eine Unterlassungsklage (Klage auf Unterlassung weiterer rufschädigender Äusserungen) einbringen. Eine allfällige Klage wäre wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen.[29] Daran würde auch nichts ändern, wenn sich der Abgeordnete selbst „ausliefern“ bzw. in den Prozess einlassen würde.Diese absolute Freistellung der Abgeordneten von praktisch jeglicher Verantwortung für ihre Äusserungen ist im Hinblick auf Art. 6 EMRK nicht unproblematisch. Durch die Immunität wird nämlich dem von einer beispielsweise rufschädigenden Äusserung eines Abgeordneten Betroffenen die Möglichkeit genommen, vor Gericht sein Recht durchzusetzen.[30] Eine Verletzung des gesetzlichen Richters gemäss Art. 33 Abs. 1 LV kommt dagegen deshalb nicht in Betracht, weil die Immunität gemäss Art. 57 LV auf gleicher verfassungsrechtlicher Stufe steht.Der EGMR bejaht indessen die Vereinbarkeit der Immunität mit Art. 6 EMRK, da diese die freie Rede der Abgeordneten im Parlament und die Gewaltenteilung schützen soll.[31] Allerdings nimmt der EGMR eine Verhältnismässigkeitsprüfung vor.[32] Je weiter die Immunität reicht, desto zwingender müssen die Gründe für ihre Rechtfertigung sein.[33]Dies bedeutet, dass bei einer extensiven Auslegung des Art. 57 Abs. 1 zweiter Satz LV Zurückhaltung geboten ist: Geschützt sind nach dem Wortlaut der Verfassung (mündliche wie schriftliche) Äusserungen im Plenum des Landtages und seinen Kommissionen, jeweils im Rahmen der Verhandlungen dieser Organe.[34] Die Bestimmung ist damit wesentlich präziser und weniger auslegungsbedürftig als etwa Art. 57 B-VG, der wie dargestellt von Äusserungen „in diesem Beruf“ spricht. Äusserungen in einer Pressekonferenz oder in einem Interview sind damit wie in Österreich nicht geschützt.[35]Unter Heranziehung österreichischer Lehre und Rechtsprechung würde dies selbst dann gelten, wenn lediglich eine im Landtag oder seinen Kommissionen getätigte Aussage wiederholt wird.[36] Letzterer Fall wirft allerdings Abgrenzungsfragen auf: Das blosse Vorlesen eines Abschnitts aus dem Landtagsprotokoll kann die Immunität jedenfalls noch nicht aufheben.[37] Wenn das Gesetz betreffend Straffreiheit von Mitteilungen und Berichterstattungen jemanden, der wahrheitsgetreu mündlich oder schriftlich über eine Landtagssitzung berichtet, von „jeder Verantwortlichkeit“ freistellt, muss dies wohl auch für den betreffenden Abgeordneten gelten, wenn er seine getätigte Aussage sinngemäss und unter Hinweis, dass sie im Landtag gemacht wurde, wiederholt.[38] Auch in der Schweiz wird davon ausgegangen, dass sich die absolute Immunität auch auf die Wiederholung von Ausführungen von Äusserungen erstreckt, die in den Räten und in deren Organen getätigt wurden.[39] Die absolute Immunität soll dort selbst dann bestehen, wenn ein in einer Kommissionssitzung geäussertes Votum nachträglich in schriftlicher Form an die Presse verteilt wird.[40]Vergegenwärtigt man sich den Sinn und Zweck der Immunität, die freie Rede im Parlament und seinen Ausschüssen zu gewährleisten, kann diese für Äusserungen, die zwar im Landtagsgebäude, jedoch ausserhalb von Sitzungen, etwa in der Mittagspause oder bei informellen Unterredungen fallen, nicht bestehen.[41]Keine Immunität bestünde nach dem Wortlaut der Verfassung für Äusserungen im Landesausschuss oder in einer parlamentarischen Delegation, ebenso für Äusserungen in den Fraktionssitzungen.[42] In Deutschland, wo in Art. 46 GG auf Äusserungen im Bundestag und seinen Ausschüssen Bezug genommen wird, soll hingegen die Gesamtheit der Erscheinungsformen parlamentarischer Selbstorganisation erfasst sein, also auch Präsidialsitzungen und Fraktionssitzungen.[43] Man wird dies entsprechend dem Sinn und Zweck von Art. 57 Abs. 1 zweiter Satz LV auch für Liechtenstein annehmen müssen.B. Beginn und Ende der absoluten ImmunitätDie absolute Immunität beginnt wie die relative Immunität mit der Angelobung als Abgeordneter, das ist in der Regel der Zeitpunkt der Konstituierung des neugewählten Landtages.[44] Sie erstreckt sich auch auf die stellvertretenden Abgeordneten. Die absolute Immunität endet mit dem Ausscheiden als Abgeordneter. Da jedoch für Abstimmungen und Äusserungen in keinerlei Hinsicht eine zivil- oder strafrechtliche Verantwortung besteht, bedeutet dies, dass auch nach dem Ende des Mandats der Abgeordnete wegen seiner während der Amtsdauer vorgenommenen Abstimmungen und Äusserungen im Plenum und den Kommissionen nicht belangt werden kann.[45] Insoweit überdauert die Immunität also das Abgeordnetenmandat. C. Die Disziplinargewalt des LandtagesArt. 57 Abs. 2 LV bestimmt, dass die Disziplinargewalt in der Geschäftsordnung des Landtages geregelt wird.Art. 25 GOLT trifft unter dem Titel „Disziplinargewalt“ folgende Regelung: ,,1) Entfernt sich ein Redner zu weit von dem in Beratung stehenden Gegenstand, so ermahnt ihn der Landtagspräsident, bei der Sache zu bleiben. 2) Verletzt ein Redner den parlamentarischen Anstand, namentlich durch beleidigende Äusserungen, so ruft ihn der Präsident zur Ordnung. 3) Missachtet ein Redner die wiederholten Mahnungen des Präsidenten, so entzieht ihm der Präsident längstens für die laufende Sitzung das Wort. Das Stimmrecht kann jedoch niemals entzogen werden.“Diese Bestimmungen regeln die Disziplinargewalt in zurückhaltender Weise. Sanktion für beleidigende oder verleumderische Aussagen von Abgeordneten bildet lediglich der Ordnungsruf, im Extremfall droht der Entzug des Wortes für die laufende Sitzung. Der Entzug des Wortes durch den Präsidenten setzt voraus, dass der Redner „die wiederholten Mahnungen“ des Präsidenten missachtet hat. Es müssen also zumindest zwei Ordnungsrufe erteilt worden sein. Nicht erforderlich ist es, dass die Ordnungsrufe während derselben Wortmeldung des Abgeordneten erteilt wurden. Aus dem Gesamtzusammenhang des Art. 25 GOLT ist aber klar, dass es sich um Ordnungsrufe während der laufenden Sitzung gehandelt haben muss.Eine darüber hinausgehende Sanktion, etwa in Form einer Geldbusse oder des Verweises aus dem Sitzungssaal gibt es nicht. Letzteres findet auch dann nicht statt, wenn der Abgeordnete nach dem Wortentzug etwa durch Zwischenrufe die Sitzung massiv stören würde.In der parlamentarischen Praxis in Liechtenstein sind förmliche Ordnungsrufe äusserst selten. Zuweilen ersucht der Präsident einen Abgeordneten auch um mässigende Wortwahl, ohne dass er dieses Ersuchen als Ordnungsruf tituliert. Dies liegt in der allgemeinen Kompetenz des Präsidenten zur Sitzungsleitung.
1) Zu einem gültigen Beschluss des Landtages ist die Anwesenheit von wenigstens zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten und die absolute Stimmenmehrheit unter den anwesenden Mitgliedern erforderlich, soweit in dieser Verfassung oder in der Geschäftsordnung nicht etwas anderes bestimmt wird. Das gleiche gilt für Wahlen, die der Landtag vorzunehmen hat.2) Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende, und zwar bei Wahlen nach dreimaliger, in allen anderen Angelegenheiten nach einmaliger Abstimmung. 1) A valid decision of Parliament shall require the presence of at least two thirds of the legally stipulated number of Members of Parliament and the absolute majority of the Members present, unless otherwise provided in this Constitution or in the rules of procedure. The same shall apply to elections to be undertaken by Parliament.Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteArt. 58 LV regelt, wie gültige Beschlüsse des Landtages zustande kommen. Dabei handelt es sich um eine der zentralen Verfahrensfragen eines jeden Parlaments. Art. 58 LV stellt dabei klar, dass die Bestimmung sowohl auf Beschlüsse wie auf Wahlen zur Anwendung gelangt und regelt zwei Aspekte der Beschlussfassung: das Anwesenheitserfordernis (Anwesenheitsquorum) und das Mehrheitserfordernis (Abstimmungsquorum). Dieses in Art. 58 LV zum Ausdruck gebrachte Mehrheitsprinzip ist eines der grundlegenden Elemente der Demokratie.[1]Die Bestimmung lässt sich in ihren Grundzügen bis zur Rezeptionsvorlage der KonV, der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen, zurückverfolgen. Diese sah in ihrem § 132 vor, dass zur Gültigkeit der Landtagsverhandlungen die Anwesenheit von wenigstens zwei Dritteln der Ständemitglieder erforderlich war. § 172 bestimmte im Weiteren, dass zur gültigen Abstimmung die Gegenwart von zwei Dritteln der gesetzlichen Anzahl der Ständeversammlung nach § 132 und zu gültigen Beschlüssen die absolute Stimmenmehrheit unter den anwesenden Mitgliedern erforderlich sein sollte, mit Ausnahme der besonders angeführten einzelnen Fälle.[2] Im Falle von Stimmengleichheit trotz dreimaliger Abstimmung innerhalb zweier Tage sollte ausnahmsweise die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag geben.[3] Die abweichende Meinung sollte in diesem Fall der Regierung angezeigt werden.Die KonV verzichtete auf Regelungen zu den Beschlusserfordernissen im Landtag und überliess solche dessen Geschäftsordnung. Deren § 33 bestimmte in den Abs. 1 und 2 (Abs. 3, der die Protokollführung regelte, ist im gegebenen Zusammenhang nicht relevant): ,,1) Zur gültigen Abstimmung wird die Gegenwart von zwei Dritteilen der gesetzlichen Anzahl der Abgeordneten und zu gültigen Beschlüssen die absolute Stimmenmehrheit unter den anwesenden Mitgliedern erfordert, mit Ausnahme der besonders angeführten Fälle. 2) Tritt Stimmengleichheit ein, und wird diese nach einer dreimaligen Abstimmung beibehalten, so gibt ausnahmsweise die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.“§ 49 des Verfassungsentwurfes des Prinzen Karl sah demgegenüber vor, dass zu einem gültigen Beschluss des Landtages die Anwesenheit von acht Mitgliedern desselben (also der Mehrheit) und die absolute Stimmenmehrheit der Anwesenden erforderlich sein sollte. Der Vorsitzende sollte sein Stimmrecht wie jeder andere Abgeordnete ausüben, bei Stimmengleichheit wäre ein Antrag abgelehnt gewesen.Art. 45 des Verfassungsentwurfs Wilhelm Becks kehrte dagegen inhaltlich mit einigen sprachlichen Abweichungen wieder zu § 33 der Geschäftsordnung des Landtags zurück. Die Regierungsvorlage Josef Peers enthielt in Abs. 1 bereits die heute in Kraft stehende Formulierung. Hingegen war in Abs. 2 lediglich vorgesehen, dass bei Stimmengleichheit nach dreimaliger Abstimmung der Vorsitzende zu entscheiden hatte. Diese Regelung, die in allen Fällen von Stimmengleichheit vorgesehen hätte, dass das Entscheidungsrecht des Vorsitzenden allgemein erst nach dreimaliger Abstimmung zur Anwendung gelangt wäre, wurde von der Verfassungskommission offenbar als überflüssig betrachtet: Diese setzte nämlich nach dem letzten Satz des ersten Absatzes an Stelle des Punktes einen Beistrich und fügte folgenden Halbsatz an: „jedoch entscheidet hier bei Stimmengleichheit der Vorsitzende.“ Der zweite Absatz sollte entfallen. Mit dieser Änderung der Verfassungskommission wurde das dreimalige Abstimmen bei Stimmengleichheit auf Wahlen eingeschränkt.In der Endredaktion der Verfassung wurde dieser Änderungsvorschlag der Verfassungskommission inhaltlich zwar aufgegriffen, legistisch jedoch dahingehend umgesetzt, dass Abs. 1 des Art. 58 gegenüber der Regierungsvorlage unverändert blieb und der zweite Absatz die heute geltende Formulierung erhielt: „Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende, und zwar bei Wahlen nach dreimaliger, in allen anderen Angelegenheiten nach einmaliger Abstimmung.“[4]II. Die Beschlussfassungsregeln des LandtagesA. AnwendungsbereichArt. 58 LV bezieht sich auf sämtliche Beschlüsse des Landtages einschliesslich Wahlen. Somit sind alle förmlichen Erledigungen des Landtages gemeint.[5] Die Bestimmung findet daher Anwendung auf B. Was ist ein „gültiger“ Beschluss?Art. 58 LV sieht die Beschlussfassungserfordernisse ausdrücklich für das Zustandekommen eines „gültigen Beschlusses“ des Landtages vor. „Ungültige“ Beschlüsse wären demnach alle Akte, die diesen Kriterien nicht entsprechen. Kein gültiger Beschluss des Landtages liegt also vor, wenn ein Antrag keine Mehrheit gefunden hat. Dies wirft die Frage auf, wie ein Akt, der als Beschluss bezeichnet wird, in Wahrheit aber entgegen der Vorschrift des Art. 58 LV zustande gekommen ist und allenfalls auch publiziert (beispielsweise im Landesgesetzblatt kundgemacht) wurde, rechtlich zu qualifizieren ist. Dabei wird zwischen Rechtsakten, deren Rechtmässigkeit vom Staatsgerichtshof geprüft werden kann, und solchen, bei welchen kein unmittelbarer Zugang an den Staatsgerichtshof besteht, zu differenzieren sein.Einem ordnungsgemäss kundgemachten Gesetz oder Staatsvertrag kommt nämlich solange Rechtsverbindlichkeit zu, als der Staatsgerichtshof ein allfälliges verfassungswidriges Zustandekommen nicht aufgegriffen hat. Zwar enthält die Verfassung keine dem Art. 89 B-VG vergleichbare Norm, wonach die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Verordnungen, Kundmachungen über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes, Gesetzen und Staatsverträgen den ordentlichen Gerichten nicht zukommt, allerdings sind verschiedene andere Normen zu beachten. So wird die Staatsgewalt von Fürst und Volk nach den Bestimmungen der Verfassung ausgeübt (Art. 2 LV). Der Landesfürst übt gemäss Art. 7 Abs. 1 LV sein Recht an der Staatsgewalt in Gemässheit der Bestimmungen dieser Verfassung und der übrigen Gesetze aus. Art. 92 Abs. 4 LV ordnet schliesslich an, dass sich die gesamte Landesverwaltung innerhalb der Schranken der Verfassung, der Gesetze und staatsvertraglichen Regelungen zu bewegen hat.Diese Bestimmungen können nicht anders als eine Bindung der Staatsorgane an die nach den Bestimmungen des Kundmachungsgesetzes kundgemachten Gesetze und Staatsverträge interpretiert werden, unabhängig davon, ob diese materiell verfassungswidrig sind oder verfassungswidrig zustande gekommen sind, solange der Staatsgerichtshof (Art. 104 Abs. 2 LV) eine solche Norm nicht aufgehoben hat. Der Staatsgerichtshof hat im Rahmen einer bei ihm anhängigen Gesetzesprüfung[6] oder Staatsvertragsprüfung[7] ein Gesetz oder einen Staatsvertrag auch auf sein verfassungsmässiges Zustandekommen zu prüfen.[8] Dies bedeutet: Ein unter Verstoss gegen die Beschlussfassungserfordernisse des Art. 58 LV zustande gekommenes Gesetz oder ein Staatsvertrag bleiben solange in Kraft, als der Staatsgerichtshof sie nicht aufgehoben hat. Jede andere Vorgangsweise würde auch zu einer unerträglichen Rechtsunsicherheit führen. Der Begriff der (fehlenden) „Gültigkeit“ meint in diesen Fällen somit „Aufhebbarkeit“ oder „Vernichtbarkeit“ durch den Staatsgerichtshof.Gegenstand der Prüfung des verfassungsmässigen Zustandekommens des Gesetzes bzw. der Genehmigung des Staatsvertrages ist freilich nicht nur Art. 58 LV. Eine solche Prüfung muss auch die Frage einbeziehen, ob der entsprechende Beschluss nach Massgabe der tragenden Rechtsvorschriften der GOLT zustande gekommen ist.[9] Im Sinne der Rechtsprechung des VfGH wird dabei zwischen jenen Bestimmungen der GOLT, die sichern sollen, dass in den Gesetzesbeschlüssen die wahre Meinung der Mehrheit des Landtages zum Ausdruck gelangt und deren Verletzung zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzesbeschlusses führt, und blossen Ordnungsvorschriften zu unterscheiden sein, deren Verletzung nicht zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzesbeschlusses führt.[10] Die Verletzung der Vorschriften der GOLT über die Vornahme der Abstimmungen (Art. 52 GOLT) dürften dabei als derartige tragende Normen zu qualifizieren sein.Anderes muss jedoch bei Beschlüssen des Landtages gelten, deren verfassungsmässiges Zustandekommen nicht vom Staatsgerichtshof geprüft werden kann, wie beispielsweise eine Abstimmung über einen Finanzbeschluss oder eine Motion oder ein Postulat. In diesen Fällen ist am Wortlaut der Verfassung anzuknüpfen, die eben von „Gültigkeit“ spricht, woraus sich ergibt, dass ein unter Verstoss gegen Art. 58 LV zustande gekommener „Beschluss“ eben kein solcher ist, sondern von vornherein nichtig und damit rechtsunwirksam ist. Zwar hat der Staatsgerichtshof in seiner älteren Rechtsprechung verschiedentlich auch Landtagsbeschlüsse auf ihre Verfassungsmässigkeit geprüft.[11] Er hat sich dabei auf einen Grössenschluss a maiore ad minus berufen, wonach er dann, wenn er schon Gesetze prüfen darf, dies auch hinsichtlich Landtagsbeschlüssen tun kann.[12] Allerdings wird im Regelfall keine Rechtsschutzmöglichkeit gegen einen derartigen Beschluss bestehen, von Ausnahmen abgesehen, wie etwa dann, wenn der Landtag einen individuellen Akt der Ausübung hoheitlicher Gewalt i.S. des Art. 15 Abs. 1 StGHG setzt.[13] Soweit staatliche Akte auf der Grundlage beispielsweise eines nichtigen Finanzbeschlusses gesetzt wurden, etwa die Vergabe eines Bauauftrags, bleiben diese im Aussenverhältnis wirksam; schliesslich hat die Regierung als das vertretungsbefugte Organ des Landes gehandelt. Dies ändert aber nichts daran, dass die Regierung in einem solchen Fall Verpflichtungen eingegangen ist, für welche nach der Verfassung keine Ermächtigung vorhanden war.C. Das AnwesenheitsquorumArt. 58 LV verlangt für das gültige Zustandekommen eines Beschlusses des Landtages die Anwesenheit von mindestens zwei Dritteln seiner Mitglieder. Es müssen somit 17 der 25 Abgeordneten des Landtages bei der Abstimmung anwesend sein.[14] Dabei ist es unerheblich, ob unter den Anwesenden auch stellvertretende Abgeordnete sind. Liegt nämlich ein Stellvertretungsfall vor, treten diese mit Sitz und Stimme an die Stelle der ordentlichen Mitglieder. Dieses relativ hohe Anwesenheitsquorum,[15] das eine entsprechend hohe Präsenz bei Landtagssitzungen sicherstellen soll, kann freilich auch dazu verleiten, dass eine zahlenmässig starke Gruppe durch Fernbleiben oder Verlassen einer Sitzung die parlamentarische Arbeit lähmt, also Obstruktion betreibt.[16] Die Bestimmung stellt somit gewisse Anforderungen an die parlamentarische Kultur. Für die Zeit der KonV wird attestiert, dass das damals auf der Grundlage von § 33 der Geschäftsordnung des Landtages festgelegte Anwesenheitsquorum „mässigend“ gewirkt habe (also die zahlenmässig stärkeren Oberländer Abgeordneten von einer Majorisierung des Unterlandes abhielt).[17]Hingegen kam es nach der Verfassung von 1921 verschiedene Male zu Blockierungen des Landtages, die zur Auflösung des Landtages durch den Landesfürsten führten.[18]Der Umstand, dass diejenige Partei, die in der Vergangenheit solcherart den Landtag „gesprengt“ hatte, bei den jeweils vorgezogenen Neuwahlen regelmässig ein schlechtes Resultat erzielte, lässt ein solches Verhalten politisch nur in Extremfällen als geraten erscheinen.[19]Verfassungsrechtlich sind derartige Verhaltensweisen von Abgeordneten bedenklich. Zwar sind keine Sanktionen vorgesehen, doch trifft die Abgeordneten schon auf Grund der Verfassung (Art. 53 LV)[20] eine Anwesenheits- und Mitarbeitspflicht. Sie wird auch in Art. 22 GOLT explizit normiert, wenn davon gesprochen wird, dass jedes Mitglied des Landtages verpflichtet ist, an den Sitzungen teilzunehmen.[21]Auch der von den Abgeordneten gemäss Art. 54 LV geleistete Eid verpflichtet sie zur konstruktiven Arbeit im Parlament.[22]Das Anwesenheitsquorum muss zum Zeitpunkt der Abstimmung erfüllt sein. Es ist verfassungsrechtlich unerheblich, ob es während der Debatten über den Gegenstand erfüllt war oder nicht.[23] Eine Mindestanwesenheit, wie sie § 132 der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen für die Landtagsdebatten vorsah, besteht nicht. Eine solche war auch in der KonV nicht enthalten.In diesem Sinne präzisiert Art. 29 Abs. 2 GOLT konsequent, dass die Anwesenheit der zu einem gültigen Beschluss des Landtages notwendigen Anzahl von Mitgliedern „nur“ bei Abstimmungen und Wahlen erforderlich ist. Ist das Quorum nicht erfüllt, sieht Art. 29 Abs. 3 GOLT vor, dass der Landtagspräsident die Sitzung unterbricht oder sie auf bestimmte Zeit schliesst. Diese Regelung ist als verfassungskonform zu beurteilen. Da in der Praxis des liechtensteinischen Landtages die Abstimmungen auf elektronische Weise erfolgen, indem die Abgeordneten eine Abstimmungsanlage bei ihren Sitzplätzen betätigen, stellt sich im Übrigen die Frage nicht, ob ein Abgeordneter, der sich zwar im Sitzungssaal, nicht aber auf seinem Sitzplatz befindet, zu den Anwesenden zählt. Nur derjenige Abgeordnete, der in der Lage ist, sich im Zeitpunkt der Abstimmung an dieser zu beteiligen, zählt zu den Anwesenden.D. Das Abstimmungs(Beschlussfassungs)quorumVorbehaltlich der Ausnahmen (siehe näher unter Kapitel III.) ist für das Zustandekommen eines gültigen Beschlusses die absolute Stimmenmehrheit unter den Anwesenden erforderlich. Mit der Verwendung des Begriffs „absolute“ Mehrheit unterstreicht die Verfassung, dass eine relative Mehrheit, die dann vorliegen könnte, wenn sich ein Teil der Abgeordneten der Stimme enthält,[24] nicht ausreicht. Dies bedeutet, dass bei geringst zulässiger Anwesenheit von 17 Abgeordneten die Mehrheit bei neun, bei Anwesenheit aller Abgeordneter die Mehrheit bei 13 Abgeordneten liegt. Es ist Aufgabe des Präsidenten, zu beurteilen, welche Zahl für die Erreichung der Mehrheit im konkreten Fall erforderlich ist.Wiederum gilt, dass das geforderte Quorum im Zeitpunkt der Abstimmung, also regelmässig bei der Aufforderung zur Betätigung der elektronischen Abstimmungsanlage, erfüllt sein muss.Die Abgeordneten müssen ihr Stimmrecht persönlich ausüben. Eine Übertragung auf eine andere Person ist unzulässig.[25]E. Stichentscheid des VorsitzendenGemäss Art. 58 Abs. 2 LV entscheidet bei Stimmengleichheit der Vorsitzende.[26] Dieser Stichentscheid (in österreichischer Rechtsterminologie: Dirimierungsrecht) setzt nicht voraus, dass der Präsident seine Stimme als letzter abgibt.[27] Ist nämlich die Gesamtzahl der Abstimmenden ungerade, kann ohnehin kein Stimmengleichstand eintreten. Ist die Gesamtzahl der Abstimmenden gerade, kommt der Beschluss erst dann gültig zustande, wenn sich der Präsident ausdrücklich auf den Stichentscheid beruft.[28] Dies impliziert, dass der Präsident beim Stichentscheid von einem vorhergegangenen Abstimmungsverhalten rechtlich auch abweichen kann.Dies bedeutet, dass im Falle einer geheimen Wahl bei Stimmengleichheit der Präsident sein Stimmverhalten offenlegen muss.[29]F. Das Abstimmungsverfahren im LandtagDie Verfassung erlaubt dem Abgeordneten nur, den gestellten Antrag zu befürworten oder abzulehnen. Eine bedingte Zustimmung oder Ablehnung ist unzulässig. Es gibt nur ein „Ja“ oder „Nein“.[30]Die GOLT regelt in ihrem XI. Abschnitt die Abstimmungen im Landtag.[31]Gemäss Art. 51 GOLT gibt der Präsident vor jeder Abstimmung eine Übersicht über die vorliegenden Anträge und teilt mit, in welcher Reihenfolge er sie zur Abstimmung zu bringen gedenkt. Wird eine andere Reihenfolge vorgeschlagen und ist der Präsident damit nicht einverstanden, entscheidet der Landtag. Der Landtag kann auch über die einzelnen Punkte getrennt abstimmen (Art. 51 Abs. 2 GOLT).[32]Gemäss Art. 52 Abs. 1 LV wird in der Regel zunächst über allfällige Unterabänderungsanträge (also Abänderungsanträge von Abänderungsanträgen), dann über Abänderungsanträge und schliesslich über Hauptanträge abgestimmt.[33] Damit soll gewährleistet werden, dass jeweils die Haltung der Mehrheit des Landtags zum Ausdruck gelangt.[34] Würde nämlich zuerst über den Hauptantrag abgestimmt, müsste er konsequenterweise von allen Abgeordneten abgelehnt werden, die einen Abänderungsantrag unterstützen, weil der Hauptantrag ihren Wünschen nicht gerecht wird. Dadurch, dass zuerst über die Abänderungsanträge abgestimmt wird, wissen die Abgeordneten, ob der Antrag abgeändert wird oder nicht, bevor über den Hauptantrag abgestimmt wird. Sie können dann entscheiden, ob sie den Hauptantrag unterstützen, auch wenn die von ihnen unterstützten Abänderungsanträge nicht die Mehrheit gefunden haben.Art. 52 Abs. 2 GOLT zufolge kommen von mehreren Anträgen gleicher Art zunächst jene der einzelnen Landtagsmitglieder, dann jene der Regierung, schliesslich allenfalls jene einer Kommissionsminderheit und jene der Kommissionsmehrheit zur Abstimmung, indem jeweils die nachfolgenden Anträge dem Ergebnis der vorangegangenen Abstimmung gegenübergestellt werden.[35]Während Art. 53 GOLT inhaltlich nichts anderes als Art. 58 Abs. 1 LV anordnet, bestimmt Art. 54 Abs. 1 GOLT, dass der Präsident bei Abstimmungen sein Stimmrecht wie die übrigen Mitglieder ausübt. Tritt bei einer Abstimmung Stimmengleichheit ein, so hat der Präsident den Stichentscheid (Art. 54 Abs. 2 GOLT).Art. 55 GOLT bestimmt im Rahmen der Geschäftsordnungsautonomie des Landtages, dass die Abstimmungen in der Regel mit Hilfe einer elektronischen Abstimmungsanlage stattfinden.[36] Die Stimmabgabe hat persönlich zu erfolgen.Wenn bei der Abstimmungsanlage technische Probleme auftreten, findet die Abstimmung offen, durch Erheben der Hand, statt (Art. 55 Abs. 2 GOLT).[37] Daneben kennt Art. 55 Abs. 3 GOLT, ebenfalls im Einklang mit der Verfassung, eine Abstimmung durch Namensaufruf, die entweder auf Anordnung des Präsidenten nach seinem Ermessen stattfindet oder wenn sie von mindestens zwei Abgeordneten verlangt wird.[38]Gemäss Art. 56 Abs. 1 GOLT wird bei der elektronischen Abstimmung das Abstimmungsergebnis und das Abstimmungsverhalten der einzelnen Abgeordneten auf einer Anzeigetafel für alle im Landtag Anwesenden ersichtlich gemacht.[39]Der Präsident stellt die Zahl der Zustimmenden fest und gibt diese bekannt. Wird ein Antrag mit weniger als 13 Stimmen angenommen, teilt er auch die Zahl der anwesenden Abgeordneten mit (Art. 56 Abs. 2 GOLT). Das Abstimmungsverhalten der einzelnen Abgeordneten bei den Schlussabstimmungen ist im Protokoll zu vermerken (Art. 56 Abs. 3 GOLT).Diese Regelungen klären freilich nicht alle in der Praxis vorkommenden Fallkonstellationen:Zunächst stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit einer Stimmenthaltung. Die Verfassung sieht eine solche nicht vor, die GOLT ebenfalls nicht. Man wird davon ausgehen müssen, dass Stimmenthaltung nicht zulässig ist, nachdem die Abstimmungsfrage ausschliesslich auf Zustimmung oder Ablehnung des Antrags lautet.[40] Zu klären ist, was passiert, wenn sich ein Abgeordneter doch der Stimme enthält: Vergegenwärtigt man sich, dass die ursprüngliche Stimmabgabe durch die Erhebung der Hand erfolgte, zeigt sich, dass eine Stimmenthaltung im Ergebnis eine Ablehnung des gestellten Antrags darstellt. Nicht anders ist die Unterlassung der Teilnahme an der elektronischen Abstimmung zu qualifizieren: Wer den gestellten Antrag nicht unterstützt, lehnt ihn ab.[41]Entzieht sich ein Abgeordneter einer ihm unangenehmen Abstimmung durch kurzfristiges Entfernen vom Sitzplatz, zählt er nicht mehr zu den Anwesenden. Er verstösst damit gegen Art. 53 LV und Art. 22 GOLT, welches Verhalten jedoch unter keiner Sanktion steht.Willensmängel und Versehen sind irreversibel. Der Abgeordnete, welcher irrtümlich einen Antrag durch Handzeichen unterstützt hat, kann dies ebenso wenig rückgängig machen wie ein Abgeordneter, der via elektronischer Abstimmung einen Antrag unterstützt hat. Daraus ergibt sich auch, dass die vom Landtag getroffene Entscheidung grundsätzlich unwiederholbar ist.Die Wiederholung eines Abstimmungsvorgangs kann daher nur dann zulässig sein, wenn der Präsident, sei dies aus technischen Gründen[42] oder etwa bei Stimmabgabe per Handzeichen auf Grund unklaren Verhaltens der Abgeordneten, die vom Landtag getroffene Entscheidung nicht feststellen kann oder wenn dem Vorsitzenden bei der Abstimmung über einen Antrag ein so schwerwiegender Fehler unterlaufen ist, dass der Landtag förmlich in die Irre geführt wurde. Aber selbst dann ist die Wiederholung der Abstimmung nur zulässig, wenn nicht bereits zum nächsten Tagesordnungspunkt übergegangen wurde. Danach ist nämlich der Tagesordnungspunkt erledigt und kann nicht wieder aufgegriffen werden. Kein rechtliches Problem stellt hingegen das in der in der Praxis im Landtag häufig gehandhabte Rückkommen auf die Abstimmung einzelner Artikel eines zu behandelnden Gesetzes dar, weil in diesem Fall der Tagesordnungspunkt noch nicht erledigt ist.[43]G. WahlenNach der ausdrücklichen Anordnung des Art. 58 Abs. 1 letzter Satz LV gelten die Bestimmungen über die Beschlusserfordernisse des Landtages auch für Wahlen. Art. 58 Abs. 2 LV trifft nur insoweit eine Sonderregelung, als der Vorsitzende Wahlen bei Stimmengleichheit zweimal zu wiederholen hat. Ergibt auch die dritte Abstimmung eine Stimmengleichheit, hat der Vorsitzende den Stichentscheid.[44] Es gibt somit maximal drei Wahlgänge.[45]Hinsichtlich der Durchführung von Wahlen trifft die GOLT im Rahmen ihrer Organisationsautonomie folgende besondere Regelungen:a) der Präsident, der Vizepräsident und die Schriftführer des Landtages;b) die Kommissionen und Delegationen des Landtages;c) der Landesausschuss.Allerdings findet gemäss Art. 57 Abs. 2 GOLT eine geheime Wahl statt, sofern dies auch nur ein einziger Abgeordneter beantragt. Alle übrigen Wahlen, also die Wahlen der Regierung und der Richter, erfolgen geheim, soweit nicht der Landtag einstimmig die Vornahme einer offenen Wahl beschliesst.[47]Wahlen erfolgen mit Stimmzettel, wie sich aus Art. 57 Abs. 4 GOLT ergibt, wonach bei Wahlen für jeden Wahlgang Stimmzettel bereitzuhalten sind. Dies wirft die Frage auf, wie die Abgabe eines ungültigen Stimmzettels rechtlich zu bewerten ist. Die ungültige Stimme spricht sich weder für noch gegen den Vorschlag aus. Sie ist als keine abgegebene Stimme zu werten. Dies bedeutet, dass bei der Frage, ob im Wahlgang das erforderliche Unterstützungsquorum erreicht wurde, ungültige Stimmen nicht einzurechnen sind.[48] Art. 58 GOLT bestimmt im Weiteren, dass im ersten und zweiten Wahlgang die absolute Stimmenmehrheit unter den bei der Wahl anwesenden Mitgliedern und beim dritten Wahlgang die relative Mehrheit erforderlich ist.[49]Art. 58 GOLT beseitigt dadurch das Problem, dass das Erfordernis der absoluten Mehrheit dazu führen kann, dass eine Wahl auf der Grundlage von Art. 58 LV auch nach mehreren Wahlgängen zu keinem Ergebnis führt, weil kein Kandidat die erforderliche absolute Mehrheit erhält. Ein Blick in die Geschäftsordnung des Landtages von 1863, welche im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Art. 58 LV in Kraft war, zeigt, dass diese in ihrem § 8 bei den Wahlen des Präsidenten und des Vizepräsidenten[50] in einem allfälligen fünften Wahlgang eine Abkehr vom Erfordernis der absoluten Mehrheit zugelassen hatte. Diese Regelung wurde von der Verfassung 1921 vorgefunden, und ist wohl auch gemeint, wenn Art. 58 LV anordnet, dass die Geschäftsordnung etwas anderes über die erforderliche Mehrheit bestimmen kann.Art. 59 GOLT ordnet wie bei Abstimmungen an, dass der Präsident sein Stimmrecht wie die übrigen Mitglieder ausübt und ihm in der dritten Abstimmung der Stichentscheid zukommt. Schliesslich bestimmt Art. 60 GOLT, dass der Präsident dem Landtag die Zahl der Anwesenden und das Ergebnis jeder Wahl eröffnet.[51]Wie die Beschlüsse des Landtages sind auch die Wahlen grundsätzlich nicht wiederholbar bzw. nur dann, wenn das Abstimmungsresultat unklar ist oder es offensichtlich ist, dass der soeben vorgenommenen Wahl grundlegende Mängel anhaften.[52] Aber auch in diesem Fall gilt: Wenn zum nächsten Tagesordnungspunkt der Agenda übergegangen wurde, kann der Akt nicht mehr rückgängig gemacht werden.III. AusnahmenA. AllgemeinesArt. 58 LV sieht zwei Ausnahmefälle vom ordentlichen Beschlussfassungserfordernis vor, nämlich soweit in der Verfassung oder in der Geschäftsordnung des Landtages nichts anderes bestimmt ist. Man wird davon ausgehen müssen, dass das in Art. 58 LV zugrunde gelegte Beschlussfassungserfordernis der einfachen Mehrheit den Regelfall markieren soll. Der Geschäftsordnung des Landtages ist es erlaubt, Ausnahmen festzulegen, nicht aber, den von der Verfassung gewollten Regelfall seinerseits wieder in eine Ausnahme zu verkehren.Die tatsächlich existierenden nur wenigen Ausnahmetatbestände vom Prinzip der einfachen Mehrheit werden nachstehend näher ausgeführt.Die Verfassung lässt Ausnahmen vom Prinzip der einfachen Mehrheit lediglich in der Verfassung selbst sowie in der GOLT zu. Dem einfachen Gesetzgeber ist es damit verwehrt, in irgendeiner Angelegenheit davon abweichende Beschlussfassungserfordernisse vorzusehen. Dies gilt nicht nur hinsichtlich des Abstimmungsquorums, sondern auch hinsichtlich des Anwesenheitsquorums.B. VerfassungDie in praktisch jeder Verfassung bestehende Ausnahme vom einfachen Mehrheitsprinzip bildet die Verfassungsrevision. Auch Liechtenstein macht davon keine Ausnahme, postuliert Art. 112 Abs. 2 LV doch, dass Verfassungsänderungen Stimmeneinhelligkeit der anwesenden Mitglieder oder eine Dreiviertelmehrheit in zwei aufeinander folgenden Landtagssitzungen erfordern. Die Verfassung legt damit lediglich ein besonderes Abstimmungsquorum, nicht aber ein besonderes Anwesenheitsquorum fest.[53] Weitere Ausnahmen enthält die Verfassung nicht.Insbesondere bildet auch Art. 63bis LV, wonach der Landtag eine Untersuchungskommission zu bestellen hat, wenn wenigstens ein Viertel der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten es beantragt, keine solche Ausnahme. Diese Regelung konstituiert zwar ein Minderheitenrecht auf Bestellung einer derartigen Kommission, dessen ungeachtet bedarf ihre Einrichtung eines mit Mehrheit gefassten Beschlusses des Landtages gemäss Art. 58 LV. Freilich würde sich die Landtagsmehrheit verfassungswidrig verhalten, wenn sie dem ausreichend unterstützten Begehren auf Einsetzung der Untersuchungskommission nicht Rechnung tragen würde.C. Geschäftsordnung des LandtagesDie GOLT sieht folgende Ausnahmetatbestände vom einfachen Mehrheitsprinzip vor:
1) Über Wahlbeschwerden entscheidet der Staatsgerichtshof.2) Der Landtag prüft die Gültigkeit der Wahl seiner Mitglieder und der Wahl als solcher auf Grund der Wahlprotokolle und auf Grund etwaiger Entscheidung des Staatsgerichtshofes (Validierung). 1) The Constitutional Court shall decide on election complaints.Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteArt. 59 LV regelt einerseits die Zuständigkeit des Staatsgerichtshofes zur Entscheidung über Wahlbeschwerden (Abs. 1), andererseits die als Validierung bezeichnete Prüfungsbefugnis des Landtages hinsichtlich der Gültigkeit von Wahlen (Abs. 2).§ 106 Abs. 3 der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen sah vor, dass der Ständeversammlung, also dem Landtag, „das Erkenntniß über die Gültigkeit und Ungültigkeit der Wahlen zukommt“. Sie konnte nötigenfalls eine Untersuchung durch die ordentlichen Gerichte veranlassen. Dieses Recht hatte auch die Regierung und stand auch „jedem Betheiligten“ offen. § 107 sah im Weiteren vor, dass die Regierung eine Neuwahl anzuordnen hatte, wenn die abgehaltenen Wahlen an offenbaren Formfehlern litten, „welche ihre Nichtigkeit unzweifelhaft machen“ oder wenn der Gewählte selbst erklärte, dass er die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erbracht hatte.[1] In rechtshistorischer Sicht bildete die Wahlprüfung durch den Landtag eine Errungenschaft gegenüber der herrschaftlichen Regierung, welche die Entscheidung über die Gültigkeit einer Wahl bei sich monopolisiert wissen wollte.[2]Diesen Regelungen folgte auch die KonV, die in § 88 Abs. 2 anordnete, dass der Landtag, „welchem das Erkenntniss über die Giltigkeit oder Ungiltigkeit der Wahlen zukommt, (…) nöthigenfalls, soferne gesetzwidrige Einwirkungen Statt gefunden haben, durch die geeigneten Anträge bei der Regierung eine Untersuchung durch die ordentlichen Gerichte (veranlasst).“Der Verfassungsentwurf Wilhelm Becks sah in seinem Art. 46 Abs. 1 dagegen nur noch vor, dass der Landtag über „die Giltigkeit der Wahlen seiner Mitglieder“ entscheiden sollte. Die Regierungsvorlage Josef Peers übernahm diesen Vorschlag wörtlich als § 59. Dieser fand, abgesehen von der redaktionellen Änderung, mit der das Wort „Giltigkeit“ durch „Gültigkeit“ ersetzt wurde, als Art. 59 unverändert Eingang in die Verfassung.Die Bestimmung erfuhr im Jahre 1958[3] eine wesentliche Änderung dadurch, dass in Abs. 1 die Kompetenz des Staatsgerichtshofes zur Entscheidung über Wahlbeschwerden verankert wurde und in Abs. 2 die Prüfungskompetenz des Landtages hinsichtlich der Wahlen seiner Mitglieder präzisiert wurde. Über die Motive der Änderung schweigen sich die Materialien indessen aus.[4] In der Landtagsdebatte der Verfassungsnovelle[5] wurde die Neuerung in keiner Wortmeldung diskutiert. Das Wahlprüfungsrecht des Landtages war freilich schon auf der Grundlage der Verfassung von 1921 umstritten gewesen, weil damit dem Landtag, wie Marxer schrieb, „eine Funktion der öffentlichen Gerichtsbarkeit übertragen“ war.[6] „Denn wie soll ein Kollegium, in dem die Parteizugehörigkeit der Mitglieder eine so grosse Rolle spielt, ein unparteiisches Urteil fällen in einer Frage, die die Stärke und den Bestand der Parteien berührt?“[7] Marxer schlug daher u.a. vor, sich am österreichischen Verfassungsgerichtshof und dessen Kompetenz zur Wahlprüfung zu orientieren.[8]Inwieweit sich der Landtag 1958 auch von Marxer zu dieser Änderung inspirieren liess, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Das primäre Motiv für die Änderung lag jedenfalls darin, dass die Vaterländische Union und einige Bürger aus dem Unterland im September 1957 eine Wahlbeschwerde an den Landtag eingebracht hatten, die von der Fortschrittlichen Bürgerpartei in der Mehrheit anlässlich der Landtagssitzung vom 30. September 1957 abgewiesen wurde.[9] Auf dringendes Anraten des Landesfürsten, der versuchte, den aufkommenden Streit zu schlichten, einigten sich die Parteien auf eine Wahlrechtsänderung, nach welcher nunmehr der Staatsgerichtshof an Stelle des Landtages über Wahlbeschwerden zu entscheiden hatte.[10] Die Wahlprüfungsbefugnis des Landtages wurde jedoch nicht völlig beseitigt, er ist weiterhin zu der so bezeichneten „Validierung“ zuständig. Seit der Verfassungsnovelle LGBl. 1958 Nr. 1 ist Art. 59 LV unverändert geblieben.II. Die WahlbeschwerdeA. AnwendungsbereichDie Wahlprüfungskompetenz des Staatsgerichtshofes ist ausser in Art. 59 Abs. 1 LV auch noch in Art. 104 Abs. 2 LV verankert, wonach dieser auch als „Wahlgerichtshof“ fungiert.[11] Letztere Regelung gründet sich auf die Novelle LGBl. 1964 Nr. 10. Dem BuA vom 8. November 1963 zufolge diente die Ergänzung des Art. 104 LV der Klarstellung. Der Staatsgerichtshof ist, wie sich aus der Zusammenschau dieser Regelungen ergibt, somit erste und einzige Instanz in Wahlprüfungsangelegenheiten.[12]Aus Art. 59 Abs. 1 LV ergibt sich sowohl aus dem systematischen Kontext der Bestimmungen im Rahmen des V. Hauptstückes über den Landtag als auch durch historische Interpretation, dass einzig Wahlbeschwerden betreffend die Landtagswahlen zulässig sind. Gemeindewahlen sind von Art. 59 Abs. 1 LV nicht erfasst. Da Art. 27 StGHG Wahlbeschwerden lediglich gegen solche in einem Wahlkreis oder im ganzen Land oder gegen die Wahl eines oder mehrerer Abgeordneter oder stellvertretender Abgeordneter, soweit dies gesetzlich bestimmt ist, zulässt, ist eine Wahlbeschwerde bei Gemeindewahlen an den Staatsgerichtshof nicht zulässig, ungeachtet der Frage, ob Art. 104 Abs. 2 LV dies grundsätzlich ermöglichen würde.[13]Art. 27 StGHG deckt sich, was den Anfechtungsgegenstand betrifft, mit Art. 64 Abs. 1 VRG. Hinsichtlich der Anfechtungslegitimation besagt Art. 27 StGHG nichts, sondern verweist („soweit dies gesetzlich bestimmt ist“) im Ergebnis auf Art. 64 Abs. 1 VRG. In dieser Bestimmung ist verankert, dass die Wahlbeschwerde von einer Wählergruppe, die Wahlvorschläge für die angefochtene Wahl rechtzeitig eingereicht hat, aus den in Art. 64 Abs. 2 und 3 VRG angeführten Nichtigkeitsgründen, eingebracht werden kann. Dies bedeutet, dass der einzelne Stimmberechtigte ebenso wenig wie ein einzelner Kandidat eine Wahlbeschwerde einbringen kann.[14]In der Praxis wurden bisher mehrere Wahlbeschwerden an den Staatsgerichtshof erhoben.[15] Eine Wahlbeschwerde betraf die damalige Christlich-Soziale Partei, die erfolgreich die Aufhebung der seinerzeitigen Sperrklausel von 18% als verfassungswidrig erwirkte.[16] Der Staatsgerichtshof orientierte sich in seiner Entscheidung wesentlich an der Judikatur des österreichischen Verfassungsgerichtshofes zum Begriff der Verhältniswahl und hielt fest, dass die Sperrklausel von 18% dem Gleichheitssatz der Verfassung und dem in Art. 46 LV verankerten gleichen Stimmrecht widerspreche.[17]Zwei weitere waren gegen die Landtagswahl vom 4. und 6. Februar 1966 gerichtet. Der Staatsgerichtshof wies die beiden Wahlbeschwerden in seinen Urteilen StGH 1966/2 (= ELG 1962-1966, 230) und 1966/3 (=ELG 1962-1966, 236 ff.) ab.[18] Eine Wahlbeschwerde (der FBP und der damaligen Christlich-Sozialen Partei Liechtensteins) richtete sich gegen die gesetzwidrige Zuteilung der Mandate an die Wählergruppe durch die Regierung, die andere begehrte die Nichtigerklärung der Wahl.[19] In StGH 1966/2 wurde die Wahlbeschwerde gegen die Zuteilung der Mandate abgewiesen und bekräftigt, dass auch nach der Aufhebung der 18%-Sperrklausel mit StGH 1962/3 das Erfordernis eines Grundmandates in einem Wahlkreis erhalten geblieben war, damit eine Wahlpartei am Reststimmenverfahren partizipieren konnte. In StGH 1966/3 ging es hingegen um behauptete Rechtswidrigkeiten bei der Zustellung von Stimmzetteln sowie darum, dass die Landtagswahlen an einem Freitag und einem Sonntag abgehalten wurden. Das damalige VRG sah in seinem Art. 7 Abs. 2 aber vor, dass Wahlen und Abstimmungen „in der Regel“ an einem Sonn- oder Feiertag stattzufinden haben. Der Staatsgerichtshof erblickte auf Grund dieser Formulierung keine Rechtswidrigkeit, dass auch am Freitag gewählt werden konnte. Was die behaupteten Rechtswidrigkeiten in der Zustellung von Stimmzetteln betraf, war der Staatsgerichtshof der Auffassung, „dass auch dieser Tatbestand keinen erheblichen Einfluss auf die Wahl gehabt hat oder haben konnte.“Zu unterscheiden ist die Wahlbeschwerde gemäss Art. 59 Abs. 1 LV von der Abstimmungsbeschwerde gemäss Art. 74 VRG, die jedem Stimmberechtigten zusteht.[20] Letztere bezieht sich lediglich auf Abstimmungen, also nicht auf Wahlen.B. Rolle des StaatsgerichtshofesGegenstand der Entscheidung des Staatsgerichtshofes kann gemäss Art. 66 VRG sein:[21]Haben Nichtstimmberechtigte gewählt oder sind Stimmberechtigte von einer Wahl rechtswidrig ausgeschlossen worden, ist die Wahl nur nichtig, wenn die dadurch entstandene Differenz in der Stimmenzahl das Wahlergebnis beeinflusst (Art. 64 Abs. 4 VRG).[22] Ansonsten reicht es bei Vorliegen eines der in Art. 66 Abs. 3 VRG genannten Tatbestandsvoraussetzungen aus, dass die Gesetzesverstösse oder „groben Unregelmässigkeiten“, dass diese auf das Wahlergebnis einen „erheblichen Einfluss gehabt haben oder haben konnten.“[23]Aus der Formulierung der Art. 64 Abs. 3 und Art. 66 VRG ergibt sich, dass reine Feststellungsanträge unzulässig sind, die Wahlbeschwerde muss eines der oben angeführten Begehren enthalten.[24]Wenn der Staatsgerichtshof die Wahl eines Abgeordneten als nichtig erklärt, hat er in sinngemässer Anwendung des Art. 64 VRG den nächstfolgenden Kandidaten der Wahlliste als gewählt zu erklären (Art. 66 Abs. 1 VRG). Erklärt der Staatsgerichtshof die Wahl für den betreffenden Wahlkreis als nichtig, hat die Regierung unverzüglich eine neue Wahl anzuordnen (Art. 66 Abs. 3 VRG).Die Bestimmung des Art. 66 Abs. 4 VRG, wonach gegen die Entscheidung des Staatsgerichtshofes über eine Wahlbeschwerde „nur das Rechtsmittel der Erläuterung zulässig“ sein soll, ist durch das StGHG materiell derogiert. Dieses sieht kein Rechtsmittel innerhalb des Staatsgerichtshofes vor. Der Staatsgerichtshof hat seine Entscheidung in jedem Fall zu begründen, weshalb eine zusätzliche „Erläuterung“ ohnehin entbehrlich ist.Klarzustellen ist, dass eine Wahlanfechtung für sich noch keine rechtliche Hürde für das Zusammentreten des neu gewählten Landtages darstellt. Allerdings können die für die Wahlanfechtung vorgebrachten Gründe dazu führen, dass der Landtag zu keiner Validierung gemäss Art. 59 Abs. 2 LV gelangt.C. Verfahren1. BeschwerdeverfahrenDie Anfechtungslegitimation steht nur einer Wählergruppe, die Wahlvorschläge für die angefochtene Wahl rechtzeitig eingereicht hat, zu. Sie hat die Anfechtung durch ihren Bevollmächtigten innerhalb von drei Tagen nach der Wahl bei der Regierung anzumelden (Art. 64 Abs. 5 erster Satz VRG). Der Wahltag zählt bei der Fristberechnung nicht (Art. 64 Abs. 5 zweiter Satz VRG). Die Beschwerdeschrift ist binnen weiterer fünf Tage bei der Regierung einzureichen. Sie hat die bestimmten Anträge zu enthalten und die Tatsachen anzugeben, auf welche sich die Beschwerde gründet, sowie die Beweismittel zu bezeichnen, welche dem Nachweis der Tatsachen dienen sollen (Art. 64 Abs. 5 VRG). Die Regierung hat hierauf unverzüglich die Beschwerdeschrift mit den Wahlakten dem Staatsgerichtshof vorzulegen (Art. 64 Abs. 6 erster Satz VRG).Diese extrem kurzen Fristen sollen die staatspolitisch kritische Zeit einer möglichen Wahlanfechtung möglichst kurz halten und eine rasche Entscheidung ermöglichen.Partei im Verfahren ist die anfechtende Wählergruppe sowie die Regierung als belangte Behörde.[25] Das Gesetz sieht für den Staatsgerichtshof zwar keine Entscheidungsfrist vor, er wird in Wahrnehmung seiner Verantwortung für das Staatsganze jedoch eine möglichst rasche Entscheidung anstreben.Andere Wählergruppen als die anfechtende Wählergruppe sind dem Verfahren als Beschwerdegegner beizuziehen, da sie ein rechtliches Interesse am Ausgang des Verfahrens haben.[26] Sie können daher zur Beschwerde eine Gegenäusserung erstatten und sind vom Staatsgerichtshof als Partei wie die beschwerdeführende Wählergruppe zu behandeln.2. Amtswegige PrüfungWenn die Regierung auf Grund der Wahlprotokolle oder auf andere Weise feststellt, dass die Wahlen an einem Nichtigkeitsgrund leiden, so hat sie innerhalb von acht Tagen, den Wahltag nicht mitgerechnet, beim Staatsgerichtshof Anzeige zu erstatten, der in diesem Falle von Amts wegen über die Gültigkeit der Wahl entscheidet (Art. 65 VRG).Die Feststellung der Regierung ergeht ohne vorangegangene förmliche Entscheidung. Sie hat lediglich ihre Auffassung über das Vorliegen von Nichtigkeitsgründen dem Staatsgerichtshof darzutun. In diesem amtswegigen Verfahren werden jedoch sämtliche Wählergruppen als Verfahrensbeteiligte zu werten sein.III. Die Validierung der Wahl durch den LandtagDie in Art. 59 Abs. 2 LV verankerte Wahlprüfungsbefugnis des Landtages wird in den Art. 7 und 8 GOLT präzisiert.[27] Demnach prüft der Landtag in der ersten Sitzung unter der Leitung des Altersvorsitzenden (in der Praxis unmittelbar nach der Thronrede des Erbprinzen, aber vor der Vereidigung und vor der Wahl des Landtagspräsidenten und dessen Stellvertreters) die Gültigkeit der Wahl seiner Mitglieder und der Wahl als solcher. Die Prüfung erfolgt nach der Anordnung des Art. 59 Abs. 2 LV, dem Art. 7 Abs. 2 GOLT diesbezüglich gleichlautend entspricht, auf Grund der von der Regierung überreichten Wahlprotokolle und etwaiger Entscheidungen des Staatsgerichtshofes.Die angesprochenen Entscheidungen des Staatsgerichtshofes sind solche auf der Grundlage des Art. 59 Abs. 1 LV, in welchen der Staatsgerichtshof die Wahl eines oder mehrerer Abgeordneter für nichtig erklärt hat, worauf die jeweils nächstfolgenden Kandidaten der Wahlliste von ihm für gewählt erklärt wurden. Denkbar wäre auch, dass der Staatsgerichtshof die Wahl in einem Wahlkreis für nichtig erklärt. In diesem Fall müsste der Landtag prüfen, ob die von der Regierung auszuschreibende Neuwahl stattgefunden und welches Ergebnis sie erbracht hat.Aus den von der Regierung überreichten Wahlprotokollen muss hervorgehen, welche Abgeordneten gewählt wurden. Ausserdem wird der Landtag die Übereinstimmung dieser Ergebnisse mit den von der Regierung den Gewählten ausgestellten Wahlurkunden zu prüfen haben (Art. 61 VRG).Hinsichtlich des Verfahrens ordnet Art. 8 Abs. 1 GOLT an, dass über die Gültigkeit der Wahl der Mitglieder und der Wahl als solcher nach erfolgter Berichterstattung der Wahlprüfungskommission abzustimmen ist. Die Gültigkeit der Wahlergebnisse des Unterlandes wird von zwei Vertretern des Oberländer Wahlkreises, diejenige des Oberlandes von zwei Vertretern des Unterländer Wahlkreises geprüft (Art. 8 Abs. 2 GOLT).In der Praxis wird in der Eröffnungssitzung des Landtages nach Neuwahlen nach der Thronrede die in Art. 8 Abs. 1 GOLT erwähnte Wahlprüfungskommission gewählt, der die angeführten insgesamt vier Mitglieder angehören. Diese begeben sich in ein Sitzungszimmer zur Prüfung der Wahlakten, worauf die Eröffnungssitzung für den entsprechenden Zeitraum, im Regelfall 15 bis 20 Minuten, unterbrochen wird.Nach Rückkehr der Wahlprüfungskommission in den Landtag berichtet jeweils ein Abgeordneter über das Ergebnis der Prüfung in den beiden Wahlkreisen. Sofern keine Anstände vorliegen, beantragen sie die Feststellung des Landtages, dass die Wahl der Mitglieder und die Landtagswahlen als solche für den jeweiligen Wahlkreis gültig sind.Über diese Anträge stimmt der Landtag in der Praxis gesamthaft ab. Freilich müsste in dem Fall, dass die Anträge nicht übereinstimmend auf Feststellung der Gültigkeit lauten, getrennt abgestimmt werden. Dies gilt auch dann, wenn sich Mitglieder der Wahlprüfungskommission hinsichtlich eines Wahlkreises oder gar beider Wahlkreise nicht auf einen gemeinsamen Antrag an den Landtag verständigen können. In diesem Fall müsste jedes der beiden für einen Wahlkreis gewählten Mitglieder einen entsprechenden Antrag stellen können. Weder die Verfassung noch die GOLT oder das VRG treffen eine Regelung, was zu geschehen hätte, wenn der Landtag zur Meinung gelangte, dass keine „gültige“ Wahl vorliegt. Da der Landtag die Validierung auf Grund der Wahlprotokolle vornimmt, ist ein solcher Fall in der Praxis allerdings auch kaum denkbar.Nach Sinn und Zweck von Art. 59 Abs. 2 LV und Art. 7 und 8 GOLT könnte jedenfalls das weitere Verfahren des Landtages in der Eröffnungssitzung nach einer Neuwahl mit der Vereidigung der Abgeordneten nicht fortgesetzt werden. Der Landtag wäre paralysiert.In einem solchen Fall stünde keine andere rechtliche Alternative offen, als die Anordnung einer Neuwahl in dem betroffenen Wahlkreis oder gar beiden Wahlkreisen durch die Regierung in analoger Anwendung des Art. 66 Abs. 3 VRG. Eine Wahlbeschwerde an den Staatsgerichtshof wäre nämlich schon wegen Fristverstreichung (Art. 64 Abs. 5 VRG) unzulässig.Diese Wahlprüfungskompetenz des Landtages führt zu einer problematischen Doppelgleisigkeit zur Wahlbeschwerde an den Staatsgerichtshof gemäss Art. 59 Abs. 1 LV. Sie würde es dem Landtag sogar ermöglichen, die Entscheidung des Staatsgerichtshofes, wenn er beispielsweise keine Nichtigkeit der Wahl erblickt hat, zu unterlaufen, indem er die Wahl dennoch nicht validiert. Diese Möglichkeit hat der Landtag im Falle der Nichtigerklärung der Fall freilich nicht, da der Staatsgerichtshof in diesem Fall entweder die gewählten Kandidaten bestimmt (Art. 66 Abs. 1 VRG) oder die Wahl für den betreffenden Wahlkreis als nichtig erklärt, worauf die Regierung unverzüglich eine neue Wahl anzuordnen hat (Art. 66 Abs. 3 VRG). Die Regelung über die Wahlprüfungskompetenz des Landtages ist ausserdem unpraktisch: Innerhalb der kurzen Zeit, die der Wahlprüfungskommission im Rahmen der Eröffnungssitzung zur Verfügung steht, kann die Prüfung der Wahlakten der Regierung über eine formale Kontrolle nicht hinaus gehen. Im Falle gröberer Unstimmigkeiten müsste die Sitzung wohl für einen längeren Zeitraum unterbrochen, wenn nicht vertagt werden.Der Umstand, dass die Anwendung des Art. 59 Abs. 2 LV in der bisherigen Praxis offenbar zu keinen Problemen geführt hat, bezeugt (wie im Übrigen auch die geringe Zahl von Wahlbeschwerden gemäss Art. 59 Abs. 1 LV an den Staatsgerichtshof) nur, dass die Wahlen in Liechtenstein regelmässig anstandsfrei abgewickelt werden, nicht aber die Praktikabilität des Art. 59 Abs. 2 LV. Die Kritik Marxers aus dem Jahre 1924 an einer Regelung, die die Entscheidung über die Gültigkeit von Wahlen einem parteipolitisch zusammengesetzten Gremium überlässt, hat auch nach der Verfassungsnovelle von 1958 nichts von ihrer Richtigkeit verloren.[28]
Die deutsche Sprache ist die Staats- und Amtssprache. Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeines und EntstehungsgeschichteDie Konstitutionelle Verfassung traf noch keine Regelung über die Staats- und Amtssprache. Hingegen war im Verfassungsentwurf Beck in Art. 2 Abs. 2 die Formulierung enthalten: „Die Staatssprache ist die deutsche“. Die Bestimmung des gegenwärtigen Art. 6 LV findet sich bereits unverändert in § 6 der Regierungsvorlage Peer. Eine weitere Diskussion darüber fand im Landtag offenbar nicht statt. Die Festlegung einer bestimmten Sprache, in der der Staat mit den Bürgern kommuniziert, ist zum einen verwaltungsökonomisch geboten. Zum anderen wirkt sie integrativ, indem sie für jene Bürger, die in dieser Sprache kommunizieren, identitätsbildend wird und andere zwingt, diese Sprache zu erlernen. Sie wirkt aber auch ausschliessend, indem sie Angehörige von Minderheitensprachen tendenziell benachteiligt. Aus diesem Grund kommt der Festlegung der Staatssprache besonders in mehrsprachigen Staaten eine besondere verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Nicht von ungefähr wies schon die schweizerische Bundesverfassung von 1848 eine Regelung über die Landessprachen[1] (Art. 109), wie auch jene von 1874 (Art. 116) und die gegenwärtige (Art. 4 BV), auf.[2] Darüber hinaus bestimmt nunmehr Art. 70 BV als Amtssprachen des Bundes Deutsch, Französisch und Italienisch. Im Verkehr mit Personen rätoromanischer Sprache ist auch das Rätoromanische Amtssprache. Das österreichische B-VG enthielt bereits in seiner Fassung vom 1. Oktober 1920 in Art. 8 Abs. 1 B-VG die Regelung, dass die deutsche Sprache, unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten[3] bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, die Staatssprache der Republik ist. Hingegen sieht das deutsche Grundgesetz keine Regelung über die Staats- oder Amtssprache vor. II. Die Funktion der Staats- und AmtsspracheIn einem modernen Staat, der, wie Liechtenstein, von starker Migration geprägt ist, kommt der integrativen Funktion der Sprache eine zunehmend grössere Bedeutung zu. Die verwaltungsökonomische Funktion der Staats- und Amtssprache ist ohnehin kaum zu unterschätzen. Sie tritt jedoch, wie noch näher zu zeigen sein wird (siehe III.C), auch in ein Spannungsverhältnis zu den Anforderungen an eine moderne Verwaltung, die immer wieder auch in anderen Sprachen kommunizieren muss. Weitere Anforderungen an die Kommunikation des Staates mit den Bürgern ergeben sich aus den Bestrebungen der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung durch Anerkennung der Gebärdensprache, sowie der Einführung der sogenannten Barrierefreiheit des Internet-Auftritts staatlicher Institutionen.III. Normativer InhaltA. Die Unterscheidung von Staats- und Amtssprache und die Pflichten der StaatsorganeDie Verwendung des Doppelbegriffs „Staats- und Amtssprache“ in Art. 6 LV wirft die Frage auf, ob es sich dabei um Synonyme oder unterschiedliche Begriffsinhalte handelt. Was den Begriff der „Staatssprache“ betrifft, ist es sinnvoll, einen Blick auf den im ähnlichen zeitgenössischen Zusammenhang entstandenen Art. 8 Abs. 1 B-VG zu werfen, wo dieser Terminus ebenfalls verwendet wird. Nach dem seinerzeitigen Kommentar von Kelsen/Froehlich/Merkl (1922) ist „unter ‚Staatssprache‘ (…) diejenige Sprache zu verstehen, deren sich die Organe des Staates sowohl im Verkehr miteinander als auch im Verkehr mit den Parteien zu bedienen haben. (…)“[4] Der österreichische Verfassungsgerichtshof versteht darunter die offizielle Sprache, in der die Anordnungen der Staatsorgane ergehen müssen, und in der alle Staatsorgane mit den Parteien und untereinander zu verkehren haben.“[5] Die Staatssprache räumt einer bestimmten Sprache gegenüber anderen Sprachen daher eine Vorrangstellung ein.[6] Sie bindet auch den Gesetzgeber, etwa in der Schulgesetzgebung.[7]Die „Amtssprache“ bezieht sich hingegen auf die Vollziehung.[8] Daraus ergibt sich, dass der Begriff der „Staatssprache“ der weitere ist und jenen der Amtssprache mitumfasst. Rechtlich ist die von Art. 6 LV vorgenommene Differenzierung daher nicht weiter relevant. Art. 6 LV verpflichtet die Organe der Vollziehung grundsätzlich, die deutsche Sprache zu gebrauchen.[9] Es bedarf daher keiner weiteren gesetzlichen Anordnung, etwa in den Verfahrensrechten oder im Kundmachungsgesetz, wo die Erlasse der Staatsorgane publiziert werden. Die Staatsorgane sind daher auch durch die Verfassung verpflichtet, Eingaben in deutscher Sprache anzunehmen.[10] Umgekehrt resultiert aus Art. 6 LV aber auch die grundsätzliche Verpflichtung des Einzelnen, sich im Verkehr mit Staatsorganen der deutschen Sprache zu bedienen. Es kann sich daher, von bestimmten, im Folgenden noch darzulegenden Ausnahmen abgesehen, niemand mit Erfolg darauf berufen, dass er die deutsche Sprache nicht beherrscht.[11]B. Der Begriff der deutschen SpracheDie Verfassung knüpft in Art. 6 LV augenscheinlich an den Begriff der deutschen Sprache an, ohne ihn näher zu definieren. Dies wäre auch nicht sinnvoll, da sich jede lebende Sprache weiterentwickelt.[12] Die Verfassung gibt daher auch nicht vor, inwieweit Gesetzgebung und Vollziehung einen bestimmten Standard der deutschen Sprache, etwa vor oder nach einer Rechtschreibreform, einhalten müssen.[13] Allerdings sind die Staatsorgane auch verfassungsrechtlich gehalten, in ihren Erlassen und sonstigen Kundmachungen die Schriftsprache zu verwenden. Diese Praxis hat die Verfassung von 1921 ebenso vorgefunden wie die Praxis, dass Staatsorgane im mündlichen Verkehr untereinander oder mit den Bürgern den (landläufigen) Dialekt verwenden. Dies widerspricht jedenfalls dann nicht der Verfassung, wenn der Bürger keine Probleme hat, dieser Form der Kommunikation zu folgen.[14]Hinsichtlich der Verwendung der Schrift geht die Verfassung davon aus, dass die deutsche Sprache in der Lateinschrift geschrieben wird. Dies schliesst nicht aus, dass die typischerweise verwendeten Schriftarten divergieren und weiterentwickelt werden.C. Die Staats- und Amtssprache und das internationale RechtObgleich es jedem Staat grundsätzlich freigestellt ist, ob und welche Sprache er zu seiner Staats-, Amts- oder Landessprache macht, sind verschiedene Bestimmungen des internationalen Rechts zu beachten.Abgesehen von Staatsverträgen, die etwa Garantien für Minderheitensprachen vorsehen (dazu siehe unten), sind insbesondere die Bestimmungen der EMRK relevant: Gemäss Art. 6 Abs. 3 lit. a) EMRK hat jede angeklagte Person das Recht, innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden.[15] Dies erfordert nach der Rechtsprechung des EGMR die Übersetzung wenigstens der offiziellen Mitteilung über die Einleitung des Strafverfahrens und gegebenenfalls auch des Haftbefehls.[16] Hingegen besteht kein Anspruch auf Übersetzung der gesamten Gerichtsakte. In Ausnahmefällen, wenn bei einem rechtlich und tatsächlich einfachen Sachverhalt feststeht, dass der Beschuldigte bereits vom Gegenstand der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen in vollem Umfang zuverlässig unterrichtet wurde, kann sogar auf die Übersetzung der Anklageschrift verzichtet werden.[17] Darüber hinaus besteht gemäss Art. 6 Abs. 3 lit. e) EMRK das Recht auf unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers, wenn der Angeklagte die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder sich nicht darin ausdrücken kann.[18]Gemäss Art. 2 1. ZP EMRK darf das Recht auf Bildung niemandem verwehrt werden.[19] Auch im Zusammenhang mit Art. 14 EMRK, der ein Verbot der Benachteiligung u.a. auf Grund der Sprache statuiert, bedeutet dies in den Worten des EGMR nicht, „dass den Kindern oder ihren Eltern das Recht auf Unterrichtung in der Sprache ihrer Wahl garantiert wird.“[20]Allerdings ergibt sich daraus, dass der einzelne Bürger Anspruch darauf hat, die deutsche Sprache lernen zu können und sich auf diese Weise Zugang zu Bildung zu verschaffen, andererseits aber ein Recht darauf hat, dass im Unterricht grundsätzlich, vom Fremdsprachenunterricht abgesehen, die deutsche Sprache verwendet wird.[21] Im Übrigen haben die Staaten in der Ausgestaltung ihres Bildungswesens einen weiten Gestaltungsspielraum.[22]Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen[23] sieht im weiteren Regelungen über die Verwendung dieser Sprachen und ihre Anerkennung im Rechtsleben der Vertragsstaaten vor. Liechtenstein hat dazu die Erklärung abgegeben, dass es in Liechtenstein zum Zeitpunkt der Ratifikation keine Regional- oder Minderheitensprachen im Sinne der Charta gab. Dies trifft zu, da die Begriffsbestimmung in Art. 1 lit. a ii) die Dialekte der Amtssprache und die Sprache von Zuwanderern ausdrücklich nicht als Regional- oder Minderheitensprachen versteht. Zahlreiche weitere Abkommen berühren Fragen der in einem Land vorherrschenden Sprache bzw. die Achtung von Minderheitensprachen wie etwa auch Art. 29 und 30 der Kinderrechtskonvention[24] oder verbieten eine Diskriminierung aus Gründen der Sprache, Art. 2 Abs. 2 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UNO-Pakt I).[25] Art. 2 Abs. 1 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II)[26] wiederum verpflichtet die Vertragsstaaten, die in diesem Pakt anerkannten Rechte den seiner Herrschaftsgewalt unterstehenden Personen ohne Unterschied u.a. ihrer Sprache zu gewährleisten.[27]Derartige völkerrechtliche Vorgaben stellen keinen Widerspruch zu Art. 6 LV dar, da die Verankerung einer bestimmten Staats- und Amtssprache in einem ethnisch homogenen Staat keine Diskriminierung darstellt.[28] Die Frage ist allerdings, ob Art. 29 Abs. 1 lit. c Kinderrechtskonvention, wonach dem Kind u.a. Achtung vor der kulturellen Identität gegebenenfalls auch des Landes, aus welchem es stammt, zu vermitteln ist, einen Anspruch darauf verleiht, im Aufenthaltsland (auch) in seiner Muttersprache unterrichtet zu werden. Die neuere Praxis in Deutschland scheint dies zu bejahen.[29] Einen Vorbehalt oder eine Erklärung hat Liechtenstein zu dieser Bestimmung nicht abgegeben. Berührungspunkte zu Art. 6 LV ergeben sich auch dann, wenn völkerrechtliche Verträge in mehreren Sprachen als authentisch bezeichnet werden und daher in mehreren Sprachen gleichermassen verbindlich sind. Ihre Kundmachung (auch) in den für authentisch erklärten Sprachfassungen im Landesgesetzblatt würde, wenngleich nicht praktiziert, ebenfalls keinen Widerspruch zu Art. 6 LV darstellen.[30]Schliesslich kann auch anzuwendendes EWR-Recht oder Schengen-/Dublin-Recht erfordern, dass staatliche Einrichtungen in ihrem Geschäftsverkehr eine bestimmte Sprache verwenden oder den Gebrauch einer bestimmten Sprache zulassen.[31] In solchen Fällen wird Art. 6 LV von dem anzuwendenden EWR- oder Schengen-/Dublin-Recht überlagert, ähnlich wie dies bei vergleichbaren völkerrechtlichen Abkommen der Fall ist.D. Recht auf Verwendung einer bestimmten Sprache in der Kommunikation mit staatlichen Organen?Abseits des mit dem Recht auf Bildung vermittelten Anspruchs auf Zugang zu den Bildungseinrichtungen und dem Erlernen der deutschen Sprache (siehe oben C.) besteht in der Kommunikation mit staatlichen Organen, von nachstehenden Ausnahmen abgesehen, kein Recht auf Verwendung einer anderen Sprache als Deutsch. Rechte fremdsprachiger Personen in gerichtlichen Verfahren sind allerdings nicht nur durch Art. 6 Abs. 3 lit. a) und e) EMRK gewährleistet. Das Recht auf Verteidigung gemäss Art. 33 Abs. 3 LV ist nämlich nach Auffassung des Staatsgerichtshofes nur dann gewahrt, „wenn ein nicht der deutschen Sprache ausreichend mächtiger Beschuldigter die Möglichkeit hat, sich im Strafverfahren eines Dolmetschers bedienen zu können, bzw. die für seine Verteidigung relevanten Schriftstücke übersetzt zu erhalten.“[32] Der Staatsgerichtshof misst dabei die Reichweite dieses Rechts an den Vorgaben der EMRK, woraus sich ergibt, dass insoweit ein Recht auf kostenlose Beiziehung eines Dolmetschers besteht.[33]Wenn, wie oben (III.A.) dargestellt, die Vollziehung grundsätzlich die Verpflichtung trifft, in der deutschen Sprache zu kommunizieren, stellt sich allerdings auch die Frage, ob damit ein Grundrecht des Einzelnen auf Gebrauch der deutschen Sprache in der Kommunikation mit staatlichen Organen korrespondiert. Aus der unter E. näher dargestellten Judikatur des Staatsgerichtshofes ergibt sich, dass dieser dem Verständnis, dass Art. 6 LV ein eigenständiges Grundrecht auf Verwendung der deutschen Sprache vermittelt, ablehnend gegenüber steht.[34] Allerdings hat die Verwendung einer bestimmten Sprache insoweit grundrechtliche Relevanz als eine Urteilsbegründung in nicht deutscher Sprache die Begründungspflicht (Art. 43 LV) verletzen könnte,[35] ebenso wie die Übermittlung nicht deutschsprachiger Unterlagen in einem Verfahren an eine Partei ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 6 EMRK, Art. 31 Abs. 1 LV, Art. 33 Abs. 3 LV)[36] verletzen kann, wenn sie dieser Sprache nicht mächtig ist.[37] Mitunter kann sogar ein absolut nichtiger Rechtsakt vorliegen.[38]Art. 6 LV gewährt nach dieser Rechtsprechung daher dem Einzelnen keinen über die Verfahrensgrundrechte (Recht der Verteidigung gemäss Art. 33 Abs. 3 LV, rechtliches Gehör gemäss Art. 31 Abs. 1 LV, Begründungspflicht gemäss Art. 43 LV) sowie das Willkürverbot und die einfachgesetzlich verankerten Verfahrensrechte hinausgehenden subjektiven Anspruch auf die Verwendung der deutschen Sprache durch die Behörden.[39] Der abstrakte Verstoss eines staatlichen Organs gegen Art. 6 LV, ohne dass sich dieses auf eine gesetzliche Grundlage berufen kann, stellt eine Rechtswidrigkeit des Vollziehungshandelns dar, bedeutet für sich alleine jedoch noch keine Grundrechtsverletzung.[40]Selbst dann, wenn dem Art. 6 LV Grundrechtscharakter unterstellt würde, könnte dieses Recht freilich durch den einfachen Gesetzgeber eingeschränkt werden.[41] Der Staatsgerichtshof wendet nämlich auch bei Grundrechten, die keine ausdrückliche gesetzliche Grundrechtsschranken aufweisen, die in den Art. 8 bis 11 EMRK materiellen Kriterien für die Zulässigkeit der Einschränkung von Grundrechten an.[42] Demnach müssen eine genügende gesetzliche Grundlage und ein öffentliches Interesse am Eingriff vorliegen sowie dessen Verhältnismässigkeit und die Wahrung des Kerngehalts des Grundrechts erfüllt sein.[43]E. Umsetzung und praktische Handhabung1. Regelungen auf gesetzlicher Ebene oder auf VerordnungsstufeVerschiedene gesetzliche Regelungen tragen dem Umstand Rechnung, dass die deutsche Sprache Staats- und Amtssprache ist. Lediglich beispielhaft erwähnt seien:Andere Rechtsvorschriften nehmen hingegen darauf Rücksicht, dass bestimmte Personen nicht der Staats- und Amtssprache mächtig sind und statuieren damit Ausnahmen vom Grundsatz des Art. 6 LV. Solche, nachstehend beispielhaft aufgezählte Gesetze verstossen nicht gegen Art. 6 LV, sofern sie sachlich gerechtfertigt sind.Andere, insbesondere verfahrensrechtliche Regelungen sollen eine Kommunikation fremdsprachiger Personen mit den Behörden und Gerichten ermöglichen und sind teilweise auch aus verfassungsrechtlichen Gründen bzw. durch internationales Recht geboten (siehe oben C.), wie etwa: 2. Implizite SchrankenBereits aus den oben dargestellten Beispielen geht hervor, dass Art. 6 LV keine schrankenlose Gültigkeit beanspruchen kann. Es wäre geradezu weltfremd und den öffentlichen Interessen schädlich, anzunehmen, Art. 6 LV verlange, dass in allen Formen staatlicher Kommunikation nur die deutsche Sprache verwendet werden dürfte. Es kann der Verfassung nicht unterstellt werden, den Staatsinteressen zuwiderlaufende Anordnungen zu treffen. Art. 6 LV steht daher beispielsweise nicht entgegen, dassKeinen Verstoss gegen Art. 6 LV stellt es auch dar, dass Verkehrszeichen, die im rechtlichen Sinne Verordnungen sind, ihre Anordnungen in Form grafischer Darstellungen treffen. Dies deshalb nicht, da diesen Verkehrszeichen in der Strassensignalisationsverordnung (SSV)[56] der entsprechende Norminhalt zugeordnet wird. Kritisch wäre es hingegen zu sehen, wenn ohne gesetzliche Grundlage Eingaben in deutscher Sprache nicht akzeptiert würden oder die Eingabe in einer weiteren Sprache, etwa Englisch gefordert würde, wie dies beispielsweise bei Ansuchen um Gewährung von staatlicher Förderungen für bestimmte Projekte vorkommen könnte.[57]3. Die Verwendung anderer Sprachen in behördlichen und gerichtlichen VerfahrenAus dem Umstand, dass aufgrund der vielfältigen wirtschaftlichen Verflechtungen in behördlichen und gerichtlichen Verfahren häufig fremdsprachige Dokumente verhandelt werden, hat sich eine mittlerweile reichhaltige Rechtsprechung ergeben: Im Hinblick auf Art. 6 LV erachtete es der Staatsgerichtshof weiters als grundsätzlich unzulässig, dass in einem Gerichtsentscheid der Inhalt fremdsprachiger Urkunden ganz oder teilweise ohne Übersetzung wiedergegeben und zudem für die Entscheidungsbegründung herangezogen wird.[59] Dies führt allerdings nicht zwingend zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, da von einer Verletzung in der Begründungspflicht (Art. 43 LV) deshalb nicht gesprochen werden konnte, weil nicht dargelegt wurde, dass das englischsprachige Zitat weder vom Rechtsvertreter noch den Organen der Beschwerdeführerin verstanden wurde. Die Folgejudikatur hat diese Rechtsprechung bestätigt.[60] Ein Betroffener könnte demnach den Anspruch auf rechtsgenügliche Begründung (Art. 43 LV) wie auch des rechtlichen Gehörs (Art. 31 und 33 LV) geltend machen, jedoch nur dann, wenn die fremdsprachigen Schriftstücke für ihn unverständlich blieben. Die Erfordernisse für Liechtenstein, sich im Amts- und Rechtshilfeverkehr kooperativ zu zeigen, führten zu einer weiteren Abschwächung des Grundsatzes der Verwendung der Amtssprache: In StGH 2008/85[61] hielt der Staatsgerichtshof fest, dass in Strafrechtshilfesachen ein striktes Übersetzungserfordernis jedenfalls von englischsprachigen Urkunden nicht praktikabel sei, auch wenn Deutsch in Liechtenstein gemäss Art. 6 LV Amtssprache sei. Die dogmatische Begründung lässt der Staatsgerichtshof indessen offen und verweist lediglich auf das Urteil des OGH vom 19. Juli 2005, 9 CG.2000.137,[62] worin dieser unter Hinweis auf einen Literaturnachweis in der Schweiz[63] ausführt, dass Englisch im schweizerischen Recht Züge einer Amtssprache angenommen habe und oft nicht nur akzeptiert, sondern auch unerlässlich sei. Ähnliches sei für das Fürstentum Liechtenstein zu konstatieren. Diese aus der praktischen Notwendigkeit heraus gegebene Begründung vermag dogmatisch nicht völlig zu überzeugen. Man wird jedoch davon auszugehen haben, dass in Fällen, die den in III.E.2. genannten Konstellationen vergleichbar sind, ausnahmsweise auf nicht deutschsprachige Schriftstücke zurückgegriffen werden darf, sofern diese für alle Prozessbeteiligten verständlich bleiben.Umgekehrt kann sich eine der Amtssprache nicht mächtige Person nicht einfach darauf berufen, die zugestellten Schriftstücke in deutscher Sprache nicht verstanden zu haben. Es ist zumutbar, sich nach Erhalt eines behördlichen Schriftstückes Rat zu holen und gegebenenfalls einen Rechtsvertreter zu konsultieren.[64]Verwenden die Parteien in ihren Eingaben eine Fremdsprache, so handelt es sich um ein Formgebrechen, das nach den massgeblichen verfahrensrechtlichen Vorschriften zu behandeln ist.[65] Insoweit lässt sich auch davon sprechen, dass mit der Pflicht der Staatsorgane, Deutsch zu verwenden, die grundsätzliche Verpflichtung der Bürger korrespondiert, ebenfalls die deutsche Sprache zu gebrauchen. Welche Sprache die Bürger im privaten Bereich verwenden, bleibt ihnen durch Art. 6 LV selbstverständlich unbenommen. Der Oberste Gerichtshof bezieht dies auch auf Vereinsstatuten, da diese zur privatautonomen Betätigung der Vereinsproponenten bzw. der Vereinsmitglieder gehörten und ein amtswegiges Zulassungsverfahren nach Art. 246 ff. PGR nicht vorgesehen sei.[66] Diese Auffassung des Obersten Gerichtshofes ist in dieser Pauschalität allerdings zu hinterfragen: Immerhin ist der Verein befugt, mitunter sogar verpflichtet (Art. 247 PGR), sich ins Handelsregister eintragen zu lassen. Der Anmeldung sind auch die Statuten beizufügen (Art. 247 Abs. 3). Die staatliche Behörde Handelsregister ist jedenfalls nicht verpflichtet, Statuten zu akzeptieren, die nicht in deutscher Sprache abgefasst sind.4. Nichtige RechtsakteAus dem Umstand, dass Art. 6 LV nicht schrankenlos gilt und auch keinen Grundrechtscharakter aufweist, darf nicht abgeleitet werden, dass die Bestimmung etwa wirkungslos wäre. Im Gegenteil: Eine behördliche Entscheidung oder ein Urteil, das nicht in deutscher Sprache abgefasst ist, wäre (im Gegensatz zu den Eingaben der Parteien!) als absolut nichtig und nicht dem Rechtsbestand angehörend zu betrachten.[67] Davon ist der Fall zu unterscheiden, dass, wie oben dargestellt (E.3.) das Dokument fremdsprachige Texte zitiert, jedoch im Gesamtzusammenhang noch immer als deutschsprachiges Dokument zu betrachten ist.
Der Landtag setzt beschlussweise unter Beobachtung der Bestimmungen dieser Verfassung seine Geschäftsordnung fest. Parliament shall by resolution lay down its rules of procedure in accordance with the provisions of this Constitution. Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteArt. 60 LV regelt eine der Grundlagen des modernen Parlamentarismus, nämlich die Parlamentsautonomie, die institutionelle Unabhängigkeit des Parlaments von der Exekutive und seine Eigenverantwortlichkeit in der Regelung innerer Angelegenheiten.[1] Dieses Selbstbestimmungsrecht des Parlaments beinhaltet zwei Komponenten, nämlich die Befugnis, seine innere Organisation und seinen Geschäftsgang eigenverantwortlich zu regeln.[2] Man spricht in diesem Zusammenhang von Organisationsautonomie und Geschäftsordnungsautonomie, wobei erstere ihre Grundlage im Recht des Parlaments findet, sich selbst eine Geschäftsordnung zu geben.[3]Wie sich am Beispiel der Rezeptionsgrundlage der KonV, der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen von 1833, verfolgen lässt, war es in der Frühzeit des Konstitutionalismus keinesfalls selbstverständlich, dass ein Parlament selbst über seine Geschäftsordnung bestimmen konnte.[4] Diese Verfassung enthielt nämlich in ihrem X. Titel „Geschäftsordnung für die Landtage“ sämtliche Organisations- und Geschäftsbehandlungsregeln des Landtages. Damit war sichergestellt, dass die Abänderung dieser Geschäftsordnungsbestimmungen bzw. die Schaffung neuer nicht ohne Sanktion des Fürsten erfolgen konnte. Allerdings war die Ausgliederung der Geschäftsordnungsbestimmungen in den zeitgenössischen Verfassungen damals schon keineswegs unüblich, was nicht ausschloss, dass sie dennoch der Zustimmung der landesherrlichen Regierung bedurften.[5] In der Literatur wurde indessen überwiegend die Auffassung vertreten, die Geschäftsordnung aus der Verfassung auszuklammern, um diese nicht zu überladen.[6]Der Verfassungsentwurf des Verfassungsrates 1848 sah dementsprechend in seinem § 77 vor, dass sich der Landrat (Landtag) eine Geschäftsordnung geben sollte. Im Übrigen enthielt der Entwurf nur einige wenige, fundamentale Bestimmungen über den Geschäftsgang im Landtag.Auch der Kremsierer Reichstag hatte am 19. Dezember 1848 eine eigene Geschäftsordnung erlassen, die bis zu seiner Auflösung im März 1849 in Geltung blieb.[7] Als 1861 im österreichischen Reichsrat erstmals ein Abgeordnetenhaus eingerichtet wurde, erliess Kaiser Franz Joseph I. begleitend eine sogenannte „oktroyierte Geschäftsordnung“. Der Reichsrat beschloss aber schon bald sein erstes Geschäftsordnungsgesetz, das mit 31. Juli 1861 in Kraft trat, und die erste autonome Geschäftsordnung, die mit 12. August 1861 in Wirksamkeit trat.[8]Die KonV wählte in der Alternative zwischen einer oktroyierten Geschäftsordnung und der Geschäftsordnungsautonomie des Landtags einen Kompromiss: Sie verzichtete im Gegensatz zur Rezeptionsvorlage auf einen Abschnitt über die Geschäftsordnung des Landtages und beliess es bei grundlegenden Bestimmungen über die Abläufe im Landtag. Andererseits erwähnte sie auch eine Geschäftsordnung des Landtages mit keinem Wort.Die kurze Zeit nach Erlassung der KonV geschaffene erste Geschäftsordnung des Liechtensteinischen Landtages[9] war allerdings ein mit der Sanktion des Landesfürsten versehenes Dokument.[10] Dies unterstreicht einerseits, dass sich das Parlament noch nicht von der Regierung emanzipiert hatte, andererseits aber auch die Bedeutung der Geschäftsordnung des Landtages als rechtliche Grundlage seines Handelns.[11]Es ist daher nicht verwunderlich, dass, während im Verfassungsentwurf des Prinzen Karl wie in der KonV von einer Geschäftsordnung des Landtages nicht die Rede war, Art. 46 Abs. 3 des Verfassungsentwurfs Wilhelm Becks vorsah, dass sich der Landtag „unter Rücksicht auf die Bestimmungen dieser Verfassung für die Behandlung der Gegenstände die Geschäftsordnung selbst (gibt)“.Die Regierungsvorlage Josef Peers griff Elemente des Vorschlags Wilhelm Becks auf und sah in § 60 vor, dass der Landtag beschlussweise unter Beobachtung der Be-stimmungen dieser Verfassung seine Geschäftsordnung festsetzen sollte. Die Verfassungskommission fügte dem § 60 die rückschrittliche Regelung hinzu: „Dieselbe (gemeint: die Geschäftsordnung, Anm.d.A.) unterliegt der landesherrlichen Genehmigung.“[12] Dies überrascht, waren doch die Eingriffe der Verfassungskommission in die Regierungsvorlage weitgehend vom Gedanken getragen, die Stellung des Landtages gegenüber der Regierung zu stärken.[13] Ob die Formulierung gleichsam Kompensation dafür sein sollte, dass in Art. 52 LV nach den Intentionen der Verfassungskommission die noch von der Regierungsvorlage geforderte landesfürstliche Bestätigung der Wahl des Landtagspräsidenten und des Vizepräsidenten entfallen sollte, kann nur vermutet werden. Indessen sind derartige Spekulationen unerheblich, da dieser Satz in den weiteren Beratungen des Landtages wieder entfiel. Art. 60 LV wurde in der Fassung des ursprünglichen Vorschlags der Regierungsvorlage kundgemacht und ist seither unverändert geblieben.Die Geschäftsordnung des Landtages aus dem Jahre 1863 blieb über 100 Jahre in Kraft[14] und wurde erst 1969 von einer neuen Geschäftsordnung abgelöst.[15] In den Folgejahren wurden allerdings in vergleichsweise rascher Folge Novellierungen[16] oder Neuerlassungen[17] von Geschäftsordnungen vorgenommen. Die gegenwärtige Geschäftsordnung für den Landtag des Fürstentums Liechtenstein (GOLT) stammt aus dem Jahr 2013.[18]II. Die Geschäftsordnung und die Autonomie des LandtagesA. Die Bedeutung der GeschäftsordnungDas mit Art. 60 LV garantierte Recht des Landtages, die wichtigen Fragen seiner Organisation und seines Verfahrens durch die Geschäftsordnung selbst zu regeln (Geschäftsordnungsautonomie)[19] bildet wie dargestellt die Grundlage der Organisationsautonomie des Landtages. Zu letzterer gehört auch die Frage der Personalhoheit über den Parlamentsdienst und die Hoheit über die dem Landtag zukommenden finanziellen Mittel.Ohne Geschäftsordnung könnte der Landtag die ihm zukommenden Aufgaben nicht erfüllen. Sie regelt die Verfahrensabläufe, das Hausrecht und die Disziplinargewalt des Präsidenten, präzisiert die Rechte der Abgeordneten und die Stellung der Fraktionen. In der Handhabung der Geschäftsordnung kommt dem Landtagspräsidenten eine wichtige Rolle zu.Die Bedeutung der Geschäftsordnung wird daran sichtbar, dass schwerwiegende Verstösse gegen die Geschäftsordnung Auswirkungen auf die Rechtskonformität der so erzeugten Beschlüsse des Landtages haben. Wie zu Art. 58 LV dargestellt, können etwa Gesetzesbeschlüsse, die unter Verstoss gegen grundlegende Vorschriften der Geschäftsordnung zustande gekommen sind, vom Staatsgerichtshof wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben werden. Andererseits können Verstösse gegen die Geschäftsordnung in rechtlicher Hinsicht aber auch völlig sanktionsfrei sein. In diesen Fällen obliegt es dem Landtag selbst, ob und wie er auf die Verletzung der Geschäftsordnung reagiert. So hängt es beispielsweise von der jeweiligen Vorsitzführung ab, wie der Präsident auf die Verletzung des parlamentarischen Anstands durch den Redner (Art. 26 Abs. 2 GOLT) reagiert. Auch wenn es Aufgabe des Präsidenten ist, die Sitzung unparteiisch zu leiten, so gibt es gegen die ungerechtfertigte Erteilung oder Nichterteilung von Ordnungsrufen keine rechtliche Handhabe. Ähnliches gilt für die Bestimmungen über die Diskussionsführung (Art. 31 GOLT). Auch das Tolerieren einer Stellvertretung, obwohl kein „effektiver Hinderungsgrund“ des Vertretenen (Art. 23 Abs. 3 GOLT) vorliegt, kann letztlich nicht sanktioniert werden. Ähnliches gilt, wenn Abgeordnete ohne Genehmigung des Präsidenten (vgl. Art. 22 Abs. 2 GOLT) die Sitzung vorzeitig verlassen: Es gibt keine Sanktion eines solchen Verhaltens, die Abgeordneten haben dieses vielmehr vor ihrer Wählerschaft zu verantworten.B. RechtsnaturGemäss Art. 60 LV gibt sich der Landtag seine Geschäftsordnung in Form eines Beschlusses, der, da es sich nicht um ein Gesetz handelt, nicht der Sanktion des Landesfürsten gemäss Art. 9 LV bedarf.[20] Dadurch wird die Geschäftsordnungsautonomie des Landtages hervorgehoben. Dem Landtag in Liechtenstein wäre es durch Art. 60 LV versagt, die Form des Gesetzesbeschlusses zu wählen. Angesichts der besonderen Verfassungsrechtslage in Liechtenstein mit dem Sanktionsrecht des Landesfürsten gemäss Art. 9 LV wäre eine Geschäftsordnung des Landtages in Gesetzesform ein Rückschritt gegenüber der 1921 erreichten (und wie gezeigt wurde, auch damals nicht völlig unumstrittenen) Emanzipation des Parlaments von der Regierung. Die Geschäftsordnung wird jedoch im Landesgesetzblatt publiziert, was schon deshalb wichtig ist, weil die verfahrensmässigen Abläufe und die Organisation des Landtages von allgemeinem Interesse sind.[21]Auf den Beschluss des Landtages über die Geschäftsordnung sind die Bestimmungen des Art. 58 LV anzuwenden, was bedeutet, dass die Geschäftsordnung bzw. Änderungen derselben mit absoluter Mehrheit der abgegebenen Stimmen und einer Anwesenheit von mindestens zwei Drittel der Abgeordneten beschlossen werden. Es entspricht jedoch allgemein parlamentarischer Kultur, die Novellierung einer Geschäftsordnung auf eine möglichst breite Mehrheit abzustützen. Die aus Art. 60 LV i.V.m. Art. 58 LV resultierende einfache Abänderbarkeit der Geschäftsordnung ist rechtspolitisch problematisch, weil sie der Landtagsmehrheit erlaubt, Regelungen, die dem Schutz der parlamentarischen Minderheit dienen, relativ leicht abzuändern.[22]Mangels verfassungsrechtlicher Grundlage wäre es daher wohl unzulässig, in der – mit den einfachen Beschlussfassungserfordernissen des Art. 58 LV erlassenen – Geschäftsordnung eine Regelung aufzunehmen, wonach diese nur mit einer qualifizierten Mehrheit abgeändert werden dürfte.[23] Dies deshalb, weil damit für die Abänderung eines Landtagsbeschlusses schwerere Erzeugungsbedingungen vorgesehen würden als für die Erlassung dieses Beschlusses ursprünglich gegolten haben. Der Landtagsbeschluss würde sich daher gegen seine eigene Abänderung immunisieren, ohne dazu von der Verfassung ermächtigt worden zu sein. Anders als in Deutschland, wo die Geschäftsordnung zu Beginn jeder Legislaturperiode förmlich neu beschlossen wird (auch wenn im Regelfall die bestehende übernommen wird),[24] unterliegt die Geschäftsordnung in Liechtenstein nicht der Diskontinuität. Diese Praxis war schon vom Verfassungsgeber 1921 vorgefunden worden. Der Umstand, dass die Geschäftsordnung keinen formellen Gesetzesrang hat, bedeutet nicht, dass sie keine rechtliche Relevanz hätte. Die österreichische Verfassungsrechtslehre betrachtet die Geschäftsordnung eines Parlaments ungeachtet ihres formellen Rangs im Stufenbau der Rechtsordnung sogar als sogenanntes materielles Verfassungsrecht.[25] Darunter wird jenes Recht verstanden, das Verfassungsrecht unmittelbar ausführt und für die Funktionsfähigkeit eines Verfassungsorgans von grundsätzlicher Bedeutung ist.[26] Angesichts ihrer rechtlichen Natur als blosser Parlamentsbeschluss darf sie jedoch keine Aussenwirksamkeit in dem Sinne entfalten, dass sie über die Bindung der Fraktionen und Abgeordneten hinausgeht und Dritten Rechte einräumt oder Verpflichtungen auferlegt.In Österreich[27] und der Schweiz[28] wird die Geschäftsordnung des Parlaments weitgehend auf der Grundlage verfassungsrechtlicher Ermächtigungen durch Gesetz geregelt.In Deutschland bildet sie dagegen einen Beschluss des Bundestags auf der Grundlage von Art. 40 GG.[29] Nach letzterer Bestimmung gibt sich der Bundestag eine Geschäftsordnung. Es gibt allerdings auch in Deutschland eine Reihe gesetzlicher Bestimmungen, die Aspekte des Parlamentsrechts regeln.[30]C. GegenstandArt. 60 LV trägt dem Landtag bei Erlassung der Geschäftsordnung die „Beobachtung der Bestimmungen dieser Verfassung“ auf, was bedeutet, dass die Geschäftsordnung die Bestimmungen der Verfassung zwar präzisieren, aber keine Regelungen treffen darf, die der Verfassung widersprechen.[31] Die Geschäftsordnungsautonomie des Landtages ist somit eine relative.Verfassungsrechtliche Determinanten bilden insbesondere die Regelungen des V. Hauptstückes („Vom Landtage“) über die Zusammensetzung des Landtages, seine Einberufung, Auflösung, Vertagung und Schliessung sowie der Erbhuldigung (Art. 45 bis 51 und Art. 55 LV). Massgeblich sind weiters die Bestimmungen über die Wahl des Landtagspräsidenten (Art. 52 LV), die Erscheinungspflicht der Abgeordneten (Art. 53 LV), die Eröffnung (Art. 54 LV), die Immunität der Abgeordneten (Art. 56 LV) und ihr freies Mandat (Art. 57 LV), die Regelungen über das Zustandekommen von Beschlüssen (Art. 58 LV), die Validierung (Art. 59 Abs. 2 LV) und die Entschädigungen der Abgeordneten (Art. 61 LV). Schliesslich sind noch die Regelungen über die Aufgaben des Landtages (Art. 62 bis 70 LV) massgeblich. Den Regelungsgegenstand der Geschäftsordnung umschreibt die Verfassung nicht näher. Es kann aber kein Zweifel bestehen, dass die Verfassung zunächst jene Fragen vor Augen hatte, die bereits in der Geschäftsordnung 1863 geregelt waren. Die Geschäftsordnung ist jedoch nicht darauf eingegrenzt. Sie kann alle Belange der Abläufe eines modernen Parlaments regeln, wie etwa die Rechtsstellung der Landtagsfraktionen oder den Parlamentsdienst. Auch Aspekte der Aussenkommunikation, wie Internetauftritt oder Live-Übertragungen von Landtagssitzungen, können zulässige Gegenstände der Geschäftsordnung bilden.[32]Die Geschäftsordnung hat sich jedoch darauf zu beschränken, die Organisation und die Abläufe des Landtages zu regeln. Sie darf keine Aussenwirkung für Personen ausserhalb des Landtages entfalten, weder subjektive Rechte begründen noch in solche eingreifen. Ansonsten würde nämlich in die Kompetenz des Gesetzgebers eingegriffen. Wenn daher beispielsweise Art. 16 Abs. 3 GOLT anordnet, dass auf das Dienstverhältnis des Landtagssekretärs, seines Stellvertreters und des übrigen Personals des Parlamentsdienstes die Bestimmungen des Staatspersonalgesetzes sinngemäss Anwendung finden, ist dies nur deshalb verfassungskonform, weil dies gesetzlich und zwar in Art. 4 Abs. 1 Geschäftsverkehrs- und Verwaltungskontrollgesetz (GVVKG)[33] angeordnet wird.[34] Die vorgeschriebene „sinngemässe Anwendung“ kann im Übrigen nichts anderes bedeuten, als dass, der Natur der Parlamentsautonomie entsprechend, der Landtagspräsident an die Stelle der sonst zuständigen Dienstbehörde tritt. Der Staatsgerichtshof hätte in einem Fall des Verstosses der Geschäftsordnung gegen die Verfassung bzw. des Überschreitens ihrer Regelungskompetenz die Geschäftsordnung wie ein nicht gehörig kundgemachtes Gesetz zu behandeln und gegebenenfalls als verfassungswidrig aufzuheben, bzw. den bei ihm angefochtenen Hoheitsakt unmittelbar am Gesetz zu messen und ihn gegebenenfalls mangels gesetzlicher Grundlage aufzuheben.[35]D. Verhältnis zum Geschäftsverkehrs- und VerwaltungskontrollgesetzDie Geschäftsordnung ist nicht die einzige für den Geschäftsgang des Landtages massgebliche Rechtsvorschrift unterhalb der Verfassung. Das GVVKG regelt zufolge Art. 1 den Geschäftsverkehr des Landtages und der Landtagskommissionen mit der Regierung und legt den gesetzlichen Rahmen für die Ausübung der Kontrolle der Staatsverwaltung durch den Landtag fest.Das GVVKG trifft verschiedene Regelungen, die Aussenwirkung entfalten, insbesondere etwa, weil sie die Regierung binden und deshalb die Regelungskompetenz der GOLT überschreiten würden. Dies gilt etwa für die Bestimmungen über die Parlamentarischen Eingänge (Abschnitt III.), in welchen die parlamentarischen Instrumente Motion (Art. 6 und 6a), Postulat (Art. 7), Interpellation (Art. 8), Kleine Anfragen (Art. 9), Aktuelle Stunde (Art. 11b), Steuerung und Überwachung öffentlicher Unternehmen (Art. 11c) geregelt werden. Ähnliches gilt für die Regelungen über die Kontrolle der Staatsverwaltung (Abschnitt VII.), insbesondere die Bestimmungen über Untersuchungskommissionen (Art. 30 ff.).III. Inhalte der GeschäftsordnungGemäss Art. 1 GOLT regelt die Geschäftsordnunga) die Rechte und Pflichten der Mitglieder des Landtages;b) die Aufgaben und Organisation des Landtages;c) das Verfahren im Landtag.Wesentliche Regelungsbereiche sind demnach die Sitzungsperiode (II.), die Validierung und Vereidigung (III.), das Landtagspräsidium (IV.), der Parlamentsdienst (V.), die Sitzungen (VI.), die Beratungen (VII.), Sitzungsprotokolle (VIII.), Gesetzesredaktion (IX.), Parlamentarische Eingänge, weitere parlamentarische Mittel und Petition (X.), Abstimmungen (XI.), Wahlen (XII.) sowie Delegationen und Kommissionen (XIII.). Da, wie dargestellt, die GOLT der Verfassung nicht widersprechen darf, werden im Folgenden einige Fragen, die sich bei Anwendung der GOLT stellen, diskutiert:Die Bestimmung des Art. 23 Abs. 3 GOLT, wonach eine Stellvertretung nur bei Vorliegen eines „effektiven Hinderungsgrundes“ zulässig ist, stellt eine Präzisierung von Art. 49 Abs. 4 LV und 53 LV dar, welche Bestimmungen, wie dargelegt, an das Vorliegen einer Verhinderung, die den Eintritt des stellvertretenden Abgeordneten erlauben, strenge Voraussetzungen aufstellen. Die Bestimmung ist somit verfassungskonform. Vor dem Hintergrund, dass die Verfassung grundsätzlich eine Verpflichtung der Abgeordneten zur Sitzungsteilnahme statuiert, ist es auch verfassungskonform, wenn das vorzeitige Verlassen der Sitzung zum einen von der Genehmigung des Präsidenten, zum anderen vom Vorliegen eines wichtigen Grundes abhängig gemacht wird.Verfassungskonform sind auch die Bestimmungen über den Ausschluss der Öffentlichkeit (Art. 27 GOLT) und die Nichtöffentlichkeit (Art. 28 GOLT) der Landtagsberatungen, zumal vergleichbare Bestimmungen von der Verfassung 1921 mit der damals geltenden Geschäftsordnung des Landtags bereits vorgefunden wurden.[36] Allerdings wird man die Bestimmungen so zu interpretieren haben, dass von diesen Instrumenten nur ausnahmsweise Gebrauch gemacht werden darf, da sie sonst die von der Verfassung vorausgesetzte Artikulations- und Kommunikationsfunktion des Landtages unterlaufen.[37] Dies gilt umso mehr, als nach der zum Zeitpunkt der Erlassung der Verfassung 1921 geltenden Geschäftsordnung „nur ausnahmsweise (…) die Sitzung bei verschlossenen Türen stattfinden“ durfte. [38] Es ist nicht anzunehmen, dass die Verfassung hinter den damals bestehenden Standard zurückgehen wollte.Vor dem Hintergrund, dass Art. 49 Abs. 2 LV statuiert, dass innerhalb des Jahres der Präsident die Sitzungen des Landtages anordnet, ist es diskussionswürdig, ob die Verpflichtung des Präsidenten gemäss Art. 18 Abs. 3 GOLT, auf das Verlangen von fünf Abgeordneten den Landtag innert drei Wochen zu einer Sitzung einzuberufen, verfassungskonform ist. Die Verfassungskonformität lässt sich damit begründen, dass dadurch nicht in die ausschliessliche Kompetenz des Präsidenten, innerhalb des Jahres die Sitzungen anzuordnen (Art. 49 Abs. 2 LV), eingegriffen wird. Er wird nur verpflichtet, einem Verlangen einer Minderheit des Parlaments zu entsprechen. Dies kann im Rahmen der Organisationsautonomie des Landtages wohl erfolgen.Kritischer ist es zu sehen, wenn Art. 71 Abs. 2 GOLT bestimmt, dass sich Kommissionen mehrheitlich aus ordentlichen Mitgliedern zusammensetzen müssen und damit von vornherein zulässt, dass Landtagsabgeordnete in Kommissionen unabhängig davon, ob tatsächlich ein Vertretungsfall vorliegt (Art. 53 LV), tätig sein können.Hingegen ist es vor dem Hintergrund, dass parlamentarische Instrumente wie Motionen, Postulate und Interpellationen im GVVKG geregelt sind, unproblematisch, dass die GOLT über die Behandlung dieser Instrumente im Landtag ergänzende Bestimmungen erlässt (Art. 37 ff. GOLT).
Die Abgeordneten erhalten aus der Landeskasse die durch das Gesetz zu bestimmenden Entschädigungen und Reisevergütungen. Members of Parliament shall receive from the national treasury remuneration and travel expenses as determined by law. Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteArt. 61 LV schafft eine verfassungsrechtliche Grundlage für die Entschädigung der Abgeordneten für ihre Tätigkeit.[1] In jedem politischen System ist die Besoldung der politischen Funktionsträger eine sensible Angelegenheit. Sie tangiert Fragen der Unabhängigkeit der Mandatare,[2] der Einflussnahmen von aussen auf die politische Willensbildung und der Transparenz öffentlicher Einkommen sowie der Rekrutierungsmöglichkeit politischen Personals.Den Themenstellungen Transparenz der Politikfinanzierung und Unabhängigkeit von Parlamentariern sind in den letzten Jahren auch auf internationaler Ebene verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt worden, wie sich allgemein am Beispiel der Berichte von GRECO[3] zeigt. Freilich stellte die Frage der Entlohnung von politischen Funktionsträgern auch in der weiter zurückliegenden Vergangenheit ein zuweilen intensiv diskutiertes Thema dar: Bereits die Rezeptionsvorlage der KonV, die Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen, gewährte in ihrem § 128 den Abgeordneten „neben Erstattung billiger Reisekosten während der Dauer des Landtags angemessene Diäten nach der Bestimmung des § 177“. Letztere Regelung der Geschäftsordnung des Landtages präzisierte diesen Grundsatz einigermassen detailverliebt. Die Abgeordneten erhielten demnach eine tägliche Diät von drei Gulden, die Sekretäre von vier Gulden und der Landtagsdirektor (Landtagspräsident) fünf Gulden. Die am Ort der Versammlung wohnhaften Mitglieder bezogen jedoch jeweils einen Gulden weniger. Darüber hinaus wurden die „Reisekosten nach einem billigen Ansaze“ ersetzt.Wie von Kirchherr[4] gezeigt, wurden im Vorfeld der Erarbeitung dieser Bestimmungen intensive Diskussionen geführt, in welchen manche auch heute noch gültige Argumente zur Sprache kamen. Insbesondere wurde befürchtet, dass eine zu geringe finanzielle Entschädigung dazu führen könnte, dass bestimmte Personen davon ausgeschlossen würden, ihre Wahl anzunehmen, weil sie sich die Übernahme der Funktion finanziell nicht leisten könnten.[5]Auch lag der Rezeptionsvorlage die Auffassung zugrunde, dass die Diäten nicht als Bezahlung, sondern als Entschädigung für die Auslagen zu betrachten seien.[6]1848 sprach der Verfassungsentwurf des Verfassungsrates in seinem § 92 davon, dass die Taggelder für die Mitglieder des Landrates von diesem festgesetzt und aus der Landeskasse bestritten werden sollten. Auch dieser Entwurf ging somit davon aus, dass die Abgeordneten für den Zeitaufwand, den die Teilnahme am Landtag verursachte, entschädigt werden sollten.§ 109 KonV bestimmte, dass die Abgeordneten aus der Landeskasse während der Dauer des Landtages „angemessene Diäten“ erhalten sollten, womit auf eine Formulierung des § 128 der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen zurückgegriffen wurde. In § 38 der Geschäftsordnung des Landtages[7] wurde wiederum in Anlehnung an die Rezeptionsvorlage konkretisiert, dass die Landtagsmitglieder für die Teilnahme an den allgemeinen Sitzungen und Kommissionssitzungen eine Taggebühr von 2 Gulden österreichischer Währung der Landeskasse erhalten sollten. Der Präsident sollte 4 Gulden, die Sekretäre 3 Gulden beziehen.[8]Im Verfassungsentwurf Wilhelm Becks wurde in Art. 47 die Festlegung der für die Teilnahme der Abgeordneten in Landtags- und Kommissionssitzungen anfallenden Taggelder dem Gesetz überantwortet. Die Regierungsvorlage Josef Peers, inhaltlich vom Vorschlag Becks wenig abweichend, sah vor, dass die Abgeordneten aus der Landeskassa für ihre Teilnahme an den Sitzungen und Kommissionen die durch das Gesetz zu bestimmenden Taggelder und Reisevergütungen erhalten sollten. Diese Regelung fand schliesslich als Art. 61 auch Eingang in die Verfassung.Art. 61 LV wurde mit LGBl. 1982 Nr. 13 novelliert und ist seither unverändert. Die entsprechende Verfassungsänderung wurde am 17. Dezember 1981 zeitgleich mit dem Gesetz über die Bezüge der Mitglieder des Landtages[9] beschlossen. Da der Gesetzesvorschlag nicht näher erläutert wurde, kann hinsichtlich der Motivenlage des Verfassungsgebers lediglich auf die Landtagsdiskussionen zurückgegriffen werden. Demzufolge war am 15. November 1978 eine Landtagskommission zur Ausarbeitung von Vorschlägen bezüglich der Neufestsetzung der Taggelder für die Abgeordneten sowie der damit in Zusammenhang stehenden Fragen eingesetzt worden.[10] Das hierauf ausgearbeitete Gesetz über die Bezüge der Mitglieder des Landtages sah neben einem Sitzungsgeld auch eine Entschädigung in Form einer Jahrespauschale vor. Eine solche Jahrespauschale wäre wohl in Konflikt mit dem in Art. 61 der damals geltenden LV verwendeten Begriff des „Taggeldes“ gestanden, weshalb davon auszugehen ist, dass mit dem neuen Art. 61 LV eine unstrittige verfassungsrechtliche Grundlage für das neue Gesetz geschaffen werden sollte.II. Die Entlohnung der Parlamentarier in LiechtensteinA. AllgemeinesGemäss Art. 61 LV besteht die Entlohnung der Parlamentarier aus zwei Komponenten, nämlich Entschädigungen und Reisevergütungen. Die Einzelheiten sind durch Gesetz festzulegen.Die Delegation an den einfachen Gesetzgeber bedeutet nicht, dass dieser in der Gestaltung völlig freie Hand hätte. Zunächst darf das Gesetz den Abgeordneten keine anderen finanziellen Leistungen gewähren als eben Entschädigungen und Reisevergütungen. Damit stellt sich die Frage, ob etwa gesonderte Leistungen für eine Pensionskasse unzulässig wären. Grundsätzlich spricht wohl nichts gegen die Zulässigkeit, wenn ein Teil der Entschädigung in eine Pensionskasse fliessen würde.Zu prüfen bleibt weiters, ob dem Begriff der „Entschädigung“ innewohnt, dass diese eben kein Gehalt auf Basis einer Vollzeitbeschäftigung darstellen soll, sondern den Abgeordneten lediglich für seine Zeitversäumnis und die mit seiner Tätigkeit notwendigerweise verbundenen Auslagen (erhöhte Kosten für Telefonate, Büroausstattung u.dgl.) kompensieren soll. Der Verfassungsgeber von 1981 wollte das damals bestehende System der Taggelder nur insoweit ergänzen, als auch Entschädigungspauschalen ermöglicht werden sollten. Im Rahmen einer historischen Interpretation lässt sich feststellen, dass der Gesetzgeber, jedenfalls, solange der Landtag als Milizparlament tätig ist, nicht verpflichtet ist, die Abgeordneten so vollständig zu alimentieren, dass er während der Dauer des Mandats eine ausreichende wirtschaftliche Lebensgrundlage hat.[11] Andererseits könnte der Gesetzgeber aber auch in einem gewissen Ausmass dem „Beschäftigungsgrad“ angemessene Sozialleistungen gewähren.Der Gesetzgeber hat sich bei der Bemessung der Abgeordnetenentschädigung an den tatsächlichen Verhältnissen des Milizparlaments zu orientieren. Auch wenn ihm dabei ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen ist, so hat sich das Ausmass der Entschädigung doch am durchschnittlichen Zeit- und Kostenaufwand der Abgeordneten zu orientieren und darf diesen nicht willkürlich über- oder unterschreiten.Damit stellt sich die Frage, ob eine Umgestaltung des gegenwärtigen Milizparlamentes in ein Berufsparlament einer Änderung des Art. 61 LV bedürfen würde, da diese Bestimmung einer berufsmässigen Entlohnung entgegenstehen könnte. Dies ist zu verneinen: Sofern von den Abgeordneten ein Engagement zu erwarten wäre, das mit einer beruflichen Vollzeitbeschäftigung gleichzusetzen wäre, müsste und könnte auch die „Entschädigung“ diesem Erfordernis angepasst werden. Unzulässig wäre es dagegen, die Höhe der Entschädigung vom sonstigen Einkommen des Abgeordneten abhängig zu machen bzw. die Entschädigung ab einer bestimmten Höhe dieses Einkommens oder bei Zusammentreffen mit mehreren staatlichen Einkommen gänzlich entfallen zu lassen.[12] Dies wäre nämlich als unsachliche Benachteiligung Besserverdienender zu qualifizieren.[13]Nicht zwingend ist es, dass der Gesetzgeber, wie derzeit, auch Pauschalregelungen wählt: Der Gesetzgeber könnte verfassungskonform auch eine – zweifellos aufwändigere – Vergütung durch Abrechnung im Einzelfall regeln. Den Staatsangestellten gewährt Art. 23 lit. a) Abs. 1 Staatspersonalverordnung[14] für die Ausübung der Funktion als Landtagsabgeordneter jährlich sechs Arbeitstage bezahlten Urlaub. Die vorangegangene Rechtslage ging noch weiter und gewährte den Staatsangestellten für alle Sitzungstage des Landtages den vollen Lohn.[15] Unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes wurden gegen derartige finanzielle Begünstigungen einzelner Kategorien von Erwerbstätigen verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht.[16] Andererseits kann argumentiert werden, dass die Tätigkeit der Abgeordneten im öffentlichen Interesse gelegen ist und die Freistellung öffentlich Bediensteter auch eine Vorbildwirkung haben soll.Wenn Abgeordnete einen Teil ihrer Entschädigung auf Grund einer Vereinbarung mit ihrer Fraktion oder auf Grund ihrer Mitgliedschaft in der Partei an diese abgeben („Mandatssteuer“),[17] wie dies in verschiedenen Staaten der Fall ist,[18] ist dies nicht verfassungswidrig, obgleich die Entschädigung nicht der Fraktionsfinanzierung dient.[19] Rechtsgrundlage ist die (freiwillig abgeschlossene) Vereinbarung bzw. die Statuten, die der Abgeordnete durch Eintritt in seine Partei bzw. durch Verbleib in derselben akzeptiert.[20] Es bleibt nämlich dem Abgeordneten überlassen, wie er seine Entschädigung verwendet. Anders wäre hingegen eine gesetzliche Regelung zu beurteilen, da eine solche Weiterleitung nichts mit der Entschädigung der Abgeordneten zu tun hat.[21]Wenn der Abgeordnete über seine Entschädigung frei verfügen kann, kann er auch auf die Inanspruchnahme gänzlich oder teilweise verzichten. Dies ist rechtspolitisch fragwürdig. Schliesslich wird es vermögenden Abgeordneten leichter fallen, auf ihre Entschädigung zu verzichten, als Abgeordneten, die für ihre politische Tätigkeit ihren Erwerb in der Privatwirtschaft reduzieren müssen. Ausserdem kann dadurch auch ein populistischer Wettbewerb provoziert werden.[22] Verfassungsrechtlich kann jedoch ein Verzichtsverbot auf der bestehenden Rechtsgrundlage nicht begründet werden.Auf Grund des Schweigens der Verfassung lässt sich ein verfassungsrechtliches Hindernis dagegen, dass Abgeordnete über die vom Gesetz gewährten Entschädigungen hinaus von ihrer Partei oder ihrer Fraktion finanziell unterstützt werden, kaum argumentieren. Allerdings bestimmt Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Bezüge der Mitglieder des Landtages von Beiträgen an die im Landtag vertretenen Wählergruppen[23] (im Folgenden Bezügegesetz), dass die im Landtag vertretenen Wählergruppen zur Deckung des Aufwandes ihrer Tätigkeit im Landtag einen Grundbeitrag sowie einen Beitrag pro ordentlichen Abgeordneten erhalten.[24] Damit sind jedoch Aufwände wie Sekretariatsaufwände und Aufwände für sonstige Unterstützungsleistungen und nicht eine „Querfinanzierung“ von Abgeordneten gemeint.[25] Eine Finanzierung der Abgeordneten aus den Beiträgen für die Fraktionen wäre zwar nicht verfassungs-, wohl aber gesetzwidrig.Schliesslich bleibt noch zu diskutieren, ob Abgeordnete für ihre Tätigkeit im Landtag von dritter Seite finanziert werden dürfen. Wie dargelegt, erscheint es im Hinblick auf den Gleichheitssatz problematisch, wenn eine staatliche Regelung das Staatspersonal durch bezahlte Freistellung in der Wahrnehmung eines Landtagsmandats begünstigt. Hingegen wäre es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn eine Partei ihren Mandataren besondere Unterstützungen gewähren würde. Sie hätte dies vor ihren Mitgliedern zu rechtfertigen.In gleicher Weise obliegt es beispielswese der Privatautonomie eines Unternehmens, wenn es einem Abgeordneten für die Wahrnehmung seiner Abgeordnetentätigkeit bezahlten Urlaub gewährt. Anders als auf eine staatliche Regelung ist auf eine solche privatrechtlich begründete Handlung der Gleichheitssatz nicht anzuwenden. Die Grenze ist aber überschritten, wenn die Leistung dazu dient, ein ausschliesslich im Interesse des Dritten gelegenes Verhalten des Abgeordneten zu bewirken. Ein solches Verhalten ist nämlich von der Verfassung, die dem Abgeordneten vielmehr zur Pflicht macht, das Wohl des Staatsganzen im Auge zu behalten (vgl. Art. 54 LV), nicht gewollt und kann auch gerichtlich strafbar sein (vgl. § 308 StGB – verbotene Intervention).Während Entschädigungen und Reisevergütungen für Abgeordnete in Art. 61 LV eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Grundlage erfahren haben, besteht keine solche für die finanziellen Mittel, mit welcher der Staat politische Parteien fördert. Dies ist auch nicht erforderlich: Es steht dem Gesetzgeber frei, eine solche zu beschliessen, im Gegensatz zu den Entschädigungen und Reisevergütungen für Abgeordnete gibt es allerdings keinen verfassungsrechtlichen Auftrag. Der Staat regelt die Parteienförderung rudimentär im Gesetz über die Ausrichtung von Beiträgen an die politischen Parteien.[26] Gemäss Art. 3 Abs. 1 dieses Gesetzes wird der Beitrag für die politischen Parteien auf 710.000 Franken pro Jahr insgesamt festgesetzt. Er wird auf die Parteien nach Massgabe der jeweils bei den letzten Landtagswahlen erzielten Anteile an den Wählerstimmen zugeteilt (Abs. 2). Zusätzlich wird jeder der im Landtag vertretenen politischen Parteien ein pauschaler Beitrag von jährlich 55.000 Franken ausgerichtet (Abs. 3).B. Entschädigungen der Mitglieder des Landtages im Einzelnen1. SitzungsgelderGemäss Art. 2 Abs. 1 des Bezügegesetzes erhalten die Abgeordneten für die Teilnahme an Landtags- und Landtagskommissionssitzungen und der Ausschüsse ein Sitzungsgeld von 300 Franken für einen ganzen Tag und von 200 Franken für einen halben Tag. Der halbe Tag wird bis zu vier Stunden, der ganze Tag bis zu acht Stunden gerechnet (Art. 2 Abs. 3). Dauert eine Landtagsitzung daher beispielsweise neun Stunden, gebühren den Abgeordneten 500 Franken.[27]Für Vorbereitungsarbeiten beziehen die Landtagsabgeordneten eine Entschädigung in gleicher Höhe wie das Sitzungsgeld (Art. 2 Abs. 3). Nimmt der Abgeordnete an der Sitzung nicht teil, entfallen der Anspruch auf das Sitzungsgeld wie auch die Vorbereitungsentschädigung (Art. 2 Abs. 4).[28]2. PauschalentschädigungAls Repräsentationsauslagen sowie als Ersatz für allgemeine Unkosten und Spesen, soweit diese im Inland entstanden sind, gebührt eine Jahrespauschale von 20.000 Franken (Stand: Mai 2016), stellvertretende Abgeordnete erhalten eine solche von 10.000 Franken (Art. 3 Abs. 1 Bezügegesetz). Besondere Regelungen gelten für den Landtagspräsidenten (er erhält gemäss Art. 3 Abs. 2 eine jährliche Zulage von 20.000 Franken, der Landtagsvizepräsident eine solche von 10.000 Franken).[29]Die Mitglieder der Landtagskommissionen beziehen zur Abgeltung weiterer Aufwände zusätzlich eine Jahrespauschale von 3.000 Franken, die Präsidenten der Kommissionen erhalten eine weitere Pauschale von zusätzlichen 2.000 Franken (Art. 3 Abs. 5 Bezügegesetz).Die Kommissionsmitglieder erhalten für die Erledigung der ihnen von der Kommission delegierten Sonderaufgaben eine Entschädigung von 100 Franken pro Stunde.[30]Für die Tätigkeit von Mitgliedern des Landtages im Ausland gelten Sonderregelungen, die hinsichtlich des Sitzungsgeldes den Regelungen für die Tätigkeit im Inland weitgehend nachgebildet sind (vgl. Art. 5 Bezügegesetz). Entschädigt werden ausserdem Kosten für Mahlzeiten und Übernachtungen (Art. 6 und 7) sowie Spesen (Art. 8).Mitglieder parlamentarischer Delegationen erhalten zusätzlich zu den Sitzungsgeldern und Vorbereitungsentschädigungen als Ersatz für allgemeine Unkosten eine Jahrespauschale von 3.000 Franken (Art. 10 Bezügegesetz).[31]3. ReisekostenReisekosten werden lediglich für Auslandsreisen vergütet (Art. 9 Bezügegesetz).Grundsätzlich wird von der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausgegangen (vgl. Art. 9 Abs. 1, 3 und 4 Bezügegesetz). Wenn die Inanspruchnahme eines anderen Verkehrsmittels mit einem unverhältnismässigen zeitlichen Aufwand verbunden wäre, werden auch Flugkosten (Business-Klasse) vergütet (Art. 9 Abs. 2 Bezügegesetz).Diese Einschränkung der Reisekostenvergütung auf Auslandsreisen steht zum einen im Ermessensspielraum des einfachen Gesetzgebers, zum anderen ist der Aufwand, der im Inland durch Reisetätigkeit entsteht, durch die Abgeordnetenpauschale abgedeckt.III. BewertungDie Entschädigung der liechtensteinischen Parlamentarier bewegt sich angesichts der Tatsache, dass dem Landtag insbesondere die Gesetzgebungsaufgaben eines souveränen Staates zukommen, auf einem im internationalen Vergleich[32] gesehen eher niedrigen Niveau.[33] Der Landtag ist nicht nur formal als Milizparlament konzipiert, sondern auch seine Kosten entsprechen einem Organ, dessen Mitglieder diese Tätigkeit nicht berufsmässig ausüben.Diesem aus Sicht der Landesfinanzen vorteilhaften Zustand steht gegenüber, dass dieses System wenig Anreize schafft, politische Aufgaben zu übernehmen.[34] Das Argument des Zusatzeinkommens mag zuweilen Personen, die nicht zu den Besserverdienenden zählen, als potenzielle Kandidaten anziehen,[35] insbesondere die aufwändige Arbeit des Fraktionsvorsitzenden wird jedoch nicht gesondert abgegolten. Andererseits ist zuzugestehen, dass die Entschädigungsregelung durchaus gewährleistet, dass keine Person aus finanziellen Gründen auf die Kandidatur verzichten muss, weil sonst ihre wirtschaftliche Existenz nicht garantiert wäre.[36] Ausserdem wird es nicht begünstigt, dass eine Person aus rein wirtschaftlichen Gründen eine Wiederwahl anstrebt.Die Entschädigung der Abgeordneten ist allerdings unübersichtlich und verursacht durch die Zersplitterung der verschiedenen, wenngleich niedrigen, Aufwandsätze wohl eine nicht unbeträchtliche administrative Belastung.Rechtspolitisch wäre zu erwägen, die Sitzungsgelder und Vorbereitungsentschädigungen gänzlich abzuschaffen und stattdessen die Pauschalen entsprechend zu erhöhen.[37] Hinsichtlich der zweckmässigen absoluten Höhe der Bezüge gibt es kein verbindliches Richtmass, sie sollte sich aber, bezogen auf den durchschnittlichen Zeitaufwand eines Abgeordneten, an qualifizierten Funktionen der Privatwirtschaft orientieren.[38]
Zur Wirksamkeit des Landtages gehören vorzugsweise folgende Gegenstände:Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteArt. 62 LV umschreibt demonstrativ („vorzugsweise“)[1] die wichtigsten Aufgaben („Wirksamkeit“) des Landtages, die zumeist an anderer Stelle der Verfassung näher geregelt sind. Auf die Kommentierungen zu diesen Bestimmungen wird verwiesen. Die in dieser Bestimmung aufgelisteten Aufgaben des Landtages lassen sich systematisch folgenden Parlamentsfunktionen zuordnen:Unerwähnt bleiben in Art. 62 LV demnach die Wahlfunktion des Landtages bei der Ernennung der Regierung (Art. 79 Abs. 2 LV) und von Richtern (Art. 96), die Repräsentationsfunktion, die in Art. 45 LV verankert ist, sowie die in der Verfassung nicht weiter angesprochene Artikulations- und Kommunikationsfunktion sowie die Rekrutierungsfunktion.[4]Diese Lückenhaftigkeit ist aus der Orientierung an der KonV zu erklären, die in ihrem § 40 die Aufgaben des Landtages in ähnlicher Wortwahl („Die Wirksamkeit des Landtages hat sich vorzugsweise auf folgende Gegenstände zu erstrecken (…)“) aufzählte.[5] Diese folgte wiederum der Rezeptionsvorlage, der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen von 1833, die in § 66 im Wesentlichen dieselbe Regelung traf.[6]Die Aufgaben des Landtages bezogen sich nach dieser Bestimmung„a) auf die verfassungsmäßige Mitwirkung zur Gesezgebung,b) auf die Steuerbewilligung,c) auf die Mitwirkung bei der Militairaushebung (Tit. V. § 62),d) auf die Mitwirkung bei der Landesfinanzverwaltung,e) auf das Recht der Beschwerden und Anträge in Beziehung auf Staatsverwaltung überhaupt und im Einzelnen und auf das Recht der Anklage wegen Verfassungsverlezungen.“Inhaltlich unterschied sich § 40 KonV von der Rezeptionsvorlage in erster Linie dadurch, dass sie dem Landtag das Recht „auf die Mitwirkung bei der Landesfinanzverwaltung“ nicht übertrug. Dieser Unterschied war allerdings vernachlässigbar: § 45 KonV sah nämlich sehr wohl eine Beteiligung des Landtages an der Finanzverwaltung des Landes im Wege der Prüfung des Rechnungsabschlusses vor. Wenn die KonV auf die Übernahme des § 66 lit. d der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen verzichtete, dann offenbar deshalb, weil „die Mitwirkung bei der Landesfinanzverwaltung“ schon damals als untrennbarer Bestandteil des Steuerbewilligungsrechtes des Landtages betrachtet worden war.[7]In der Verfassungsdiskussion nach dem Ersten Weltkrieg ergänzte der Entwurf Wilhelm Becks in seinem Art. 48 den Katalog des § 40 KonV um die Zuständigkeit des Landtages zum Abschluss von Verträgen mit fremden Staaten und kirchlichen Behörden (lit. b) und erweiterte das Recht der Steuerbewilligung auf die „Bestimmung des jährlichen Voranschlages und auf die Bewilligung von Steuern und anderen Abgaben“ (lit. c). In lit. d wurde die „Beschlussfassung über Kredite, Bürgschaften und Anleihen im Namen des Landes, und über den Verkauf von Staatsgütern“ verankert, in lit. e) der Rechenschaftsbericht erwähnt und in lit. f „das Recht der Anträge und Beschwerden bezüglich der Staatsverwaltung überhaupt sowie auf einzelne Zweige; endlich auf das Recht des Antrages auf Anklage wegen Verfassungs- und Gesetzesverletzung der verantwortlichen Staatsdiener vor dem Staatsgerichtshof“ aufgenommen.Die Regierungsvorlage Josef Peers nahm daran nur noch wenige Änderungen vor. In den lit. a bis g wurden folgende Zuständigkeiten des Landtages erwähnt:„a) die verfassungsmässige Mitwirkung an der Gesetzgebung;b) die Abschliessung von Staatsverträgen (Art. 8);c) die Festsetzung des jährlichen Voranschlags und die Bewilligung von Steuern und anderen öffentlichen Abgaben;d) die Beschlussfassung über Kredite, Bürgschaften und Anleihen zu Lasten des Landes, sowie über den An- und Verkauf von Staatsgütern;e) die Beschlussfassung über den alljährlich von der Regierung über die gesamte Staatsverwaltung zu erstattenden Rechenschaftsbericht;f) die Antragstellung und Beschwerdeführung bezüglich der Staatsverwaltung überhaupt, sowie einzelner Zweige derselben;g) die Erhebung der Anklage gegen Mitglieder der Regierung wegen Verletzung der Verfassung oder sonstiger Gesetze vor dem Staatsgerichtshof.“Die Verfassungskommission des Landtages nahm an der Regierungsvorlage in Art. 62 LV noch eine geringfügige Änderung vor, sodass lit. b nunmehr lautete: „die Mitwirkung bei Abschliessung von Staatsverträgen (§ 8).“[8]Art. 62 LV blieb in der Folge bis zur Verfassungsrevision 2003 unverändert. In deren Rahmen erhielt die lit. f ihre heutige Fassung, indem auch die Kontrolle der Staatsverwaltung explizit als Aufgabe des Landtages verankert wurde.[9] Ausserdem wurde eine neue lit. h angefügt, die wie folgt lautete:„h) die Beschlussfassung über ein Misstrauensvotum gegen die Regierung oder eines ihrer Mitglieder.“[10]II. Die Aufgaben des Landtages gemäss Art. 62 LVA. Gesetzgebung (Art. 62 lit. a LV)Die Verfassung beruft den Landtag nicht zum alleinigen Gesetzgeber. „Einerseits wirkt der Landtag gemeinsam mit dem Landesfürsten (Art. 64 Abs.1 lit. a und Art. 9 LV, Art. 65 Abs. 1 LV) an der Gesetzgebung mit, andererseits tritt das Volk als Initiant (Art. 64 Abs. 1 lit. c LV) und als Urheber eines Referendums (Art. 66 Abs. 1 und Abs. 2 LV) als Gesetzgeber.[11] Dies bringt Art. 62 lit. a LV zum Ausdruck, wenn die Bestimmung davon spricht, dass zur „Wirksamkeit des Landtages (…) die verfassungsmässige Mitwirkung an der Gesetzgebung“ gehört.Indem die Verfassung die Gesetzgebung an erster Stelle nennt, bringt sie jedoch den Rang zum Ausdruck, der der Gesetzgebung in dem vom „rule of law“ geprägten Rechtsstaat zukommt. Zweifellos ist die Gesetzgebung die vornehmlichste Aufgabe eines Parlaments.[12] Unter Gesetzgebung versteht die Verfassung die Erlassung jener genereller Normen, die im Wege des Verfahrens gemäss Art. 64 bis 66 LV zustande kommen.[13]B. Abschluss von Staatsverträgen (Art. 62 lit. b LV)Die Verfassung meint damit die Aufgabe des Landtages, die in Art. 8 Abs. 2 LV angeführten Staatsverträge zu genehmigen. Das sind solche, durch die Staatsgebiet abgetreten oder Staatseigentum veräussert, über Staatshoheitsrechte oder Staatsregale verfügt, eine neue Last auf das Fürstentum oder seine Angehörigen übernommen oder eine Verpflichtung, durch die den Rechten der Landesangehörigen Eintrag getan würde, eingegangen wird.[14]Die Unterzeichnung des Staatsvertrages erfolgt jedoch nicht durch den Landtag, sondern den Landesfürsten bzw. einen von ihm Bevollmächtigten (Art. 8 Abs. 1 LV). Der Landtag kann den Staatsvertrag nur genehmigen oder ablehnen, er kann keine Änderungen vornehmen.[15]C. Budgethoheit und Besteuerung (Art. 62 lit. c LV)Der dritte Tatbestand des Art. 62 LV befasst sich mit der „Festsetzung des jährlichen Voranschlages“, also der Budgethoheit des Landtages und der „Bewilligung von Steuern und anderen öffentlichen Abgaben“. Das Verfahren der Festsetzung des Voranschlages[16] ist in Art. 69 LV näher geregelt.[17] Hinsichtlich des Steuerbewilligungsrechtes des Landtages enthält Art. 68 LV eine Spezialnorm. Zu beachten ist allerdings, dass die Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes verlangt, dass öffentliche Abgaben über eine gesetzliche Grundlage verfügen.[18] Dies bedeutet, dass das in Art. 62 lit. c LV i.V.m. Art. 68 LV zum Ausdruck gelangende Steuerbewilligungsrecht des Landtages insoweit anachronistisch ist, als der Landtag selbst die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen für die Steuereinhebung schaffen muss. Der Landesvoranschlag, der als Anlage des Finanzgesetzes vom Landtag bewilligt wird, steht zwar im Rang eines formellen Gesetzes, reicht aber wegen mangelnder Bestimmtheit als Rechtsgrundlage für die Einhebung von Abgaben nicht aus.[19]D. Genehmigung von Krediten, der Haftungsübernahme und bestimmter Vermögenstransaktionen (Art. 62 lit. d)Zur Budgethoheit des Parlaments zählt auch, dass Belastungen des Landes durch Darlehensaufnahmen oder Haftungen ebenso wie die Disposition über Staatsvermögen an die Zustimmung des Parlaments geknüpft werden.[20] Art. 62 lit. d LV bestimmt daher, dass zum Aufgabenbereich des Landtages auch die Beschlussfassung über Kredite, Bürgschaften und Anleihen zu Lasten des Landes sowie über den An- und Verkauf von Staatsgütern zählt. Es handelt sich dabei um Finanzbeschlüsse im Sinne des Art. 66 Abs. 1 LV. Dies ist freilich nicht die einzig zulässige Form von Finanzbeschlüssen.[21]Diese Zuständigkeit des Landtages ist im Gegensatz zu den vorangegangenen Tatbeständen weder in der Verfassung noch in anderen Rechtsvorschriften näher ausgeführt.[22] Dies bedeutet, dass die Beschlussfassung des Landtages unmittelbar auf der Grundlage des Art. 62 lit. d LV zu erfolgen hat. Dem Landtag ist daher ausnahmslos jede Kreditaufnahme oder Haftungsübernahme des Landes von der Regierung zur Genehmigung vorzulegen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass das liechtensteinische Haushaltsrecht den Begriff des Kredites nicht im Zusammenhang mit der Darlehensaufnahme etwa bei Banken versteht.[23] Als Kredit wird grundsätzlich die Ermächtigung verstanden, für einen bestimmten Zweck bis zu einer bestimmten Höhe Verpflichtungen einzugehen.[24] Dies schliesst es allerdings nicht aus, auch klassische Darlehensaufnahmen als vom Tatbestand des Art. 62 lit. d LV erfasst zu betrachten, da solche systematisch auch zu den übrigen in Art. 62 lit. d verwendeten Begriffen wie „Bürgschaften und Anleihen zu Lasten des Landes“ passen.Dasselbe gilt für jede Aufnahme einer Anleihe. Von Art. 62 lit. d LV sind auch Haftungserklärungen erfasst, die das Land für im Landeseigentum stehende öffentliche Unternehmen ausspricht. Ist eine Kreditaufnahme im Landesvoranschlag vorgesehen, so wird keine gesonderte Beschlussfassung gemäss Art. 62 lit. d LV erforderlich sein. Dasselbe gilt, wenn die von Art. 62 lit. d LV erfassten Vorgänge in Gesetzesform beschlossen werden.[25]Als Staatsgut wird man jeglichen Vermögenswert im Eigentum des Landes zu betrachten haben. Diesbezüglich sieht Art. 70 LV vor, dass die Regierung das Finanzvermögen des Landes nach Grundsätzen, die sie im Einvernehmen mit dem Landtag festzulegen hat, verwaltet. Da es sich bei den Beschlüssen gemäss Art. 62 lit. d LV um keine Gesetze handelt, unterliegen sie nicht der Sanktion des Landesfürsten gemäss Art. 9 LV.Nicht erfasst von Art. 62 lit. d LV sind Vermögenswerte, die sich im Eigentum eines öffentlichen Unternehmens befinden. Sie sind aber nach Massgabe des Art. 70 LV zu verwalten.Art. 63ter LV sieht ausserdem vor, dass der Landtag eine Finanzkommission bestellt, der durch Gesetz auch die Beschlussfassung über den Erwerb und die Veräusserung von Grundstücken des Verwaltungs- und des Finanzvermögens sowie die Mitwirkung bei der Verwaltung des Finanzvermögens übertragen werden können.E. Beschlussfassung über den Rechenschaftsbericht (Art. 62 lit. e)Der Rechenschaftsbericht ist in Art. 69 Abs. 2 LV näher geregelt.[26] Demnach hat die Regierung für jedes abgelaufene Verwaltungsjahr in der ersten Hälfte des folgenden Verwaltungsjahres dem Landtag eine genaue Nachweisung über die nach Massgabe des Voranschlages geschehene Verwendung der bewilligten und erhobenen Einnahmen mitzuteilen, vorbehaltlich der Genehmigung von gerechtfertigten und der Verantwortlichkeit der Regierung bei nicht gerechtfertigten Überschreitungen.[27] Im Rahmen der Diskussion des Rechenschaftsberichtes wird von den Abgeordneten gegenüber der Regierung regelmässig auch Auskunft zu verschiedenen Aspekten der Verwaltung verlangt. Damit ist der Rechenschaftsbericht auch ein Instrument der Kontrolle.F. Kontrolle der VerwaltungGemäss Art. 63 LV steht dem Landtag das Recht der Kontrolle über die gesamte Staatsverwaltung unter Einschluss der Justizverwaltung zu.[28] Der Landtag übt dieses Recht unter anderem durch die Geschäftsprüfungskommission aus. Als Instrumente der Kontrolle nennt Art. 63 LV die Vorstellung oder Beschwerde direkt zur Kenntnis des Landesfürsten oder der Regierung und den Antrag auf „Abstellung“ der Unzukömmlichkeiten. Art. 62 lit. f verweist lediglich auf Art. 63 LV. Zu den Kontrollrechten des Landtages gehört freilich auch das Recht, Untersuchungskommissionen einzusetzen (Art. 63bis LV). Die Kontrollrechte werden im Einzelnen durch das in Art. 63 Abs. 4 erwähnte Interpellationsrecht der Abgeordneten sowie die lediglich in der GOLT sowie dem GVVKG verankerten Instrumente der Motion[29] und des Postulates,[30] der Kleinen Anfrage[31] und der Aktuellen Stunde[32] ausgeformt.G. „Ministeranklage“ vor dem StaatsgerichtshofDie Anklage von Regierungsmitgliedern durch den Landtag wegen Verletzung der Verfassung oder sonstiger Gesetze vor dem Staatsgerichtshof (im Sinne österreichischer Verfassungsterminologie sowie des StGHG: „Ministeranklage“) ist ein Instrument der rechtlichen Kontrolle, weil sie das Handeln der angeklagten Personen nicht im Hinblick auf ihre politische Verantwortung, sondern ausschliesslich hinsichtlich der rechtlichen Verantwortung untersucht. Sie ist nicht identisch mit der in Art. 104 Abs. 1 LV erwähnten Disziplinargerichtsbarkeit des Staatsgerichtshofes gegenüber der Regierung.[33] Zu letzterer gibt es keine ausführenden Regelungen im StGHG.[34]Gemäss Art. 28 Abs. 1 StGHG entscheidet der Staatsgerichtshof über Anklagen, wenn die Verletzung in Ausübung der Amtstätigkeit absichtlich oder grob fahrlässig erfolgt ist. Der Landtag muss binnen einem Jahr ab Kenntnis des zugrunde liegenden Sachverhaltes Anklage beim Präsidenten des Staatsgerichtshofes erheben.[35]H. Misstrauensvotum gegenüber der Regierung bzw. einzelnen ihrer Mitglieder (Art. 62 lit. h)Das Misstrauensrecht zählt zu den Instrumenten der politischen Kontrolle. Es bringt die Abhängigkeit der Regierung (auch) von der Landtagsmehrheit zum Ausdruck. Freilich erlischt gemäss Art. 80 Abs. 1 LV die Befugnis der Regierung zur Ausübung des Amtes nicht nur durch Beschluss des Landtages, sondern auch wenn sie das Vertrauen des Landesfürsten verliert. Ist dies bei einem einzelnen Regierungsmitglied der Fall, dann wird die Entscheidung über den Verlust der Befugnis zur Ausübung seines Amtes zwischen Landesfürst und Landtag einvernehmlich getroffen (Art. 80 Abs. 2 LV).III. Nicht in Art. 62 erwähnte Aufgaben des LandtagesVerschiedene in der Verfassung verankerte Aufgaben des Landtages sind in Art. 62 LV nicht erwähnt,[36] wieAuf einfachgesetzlicher Ebene sind zahlreiche weitere Aufgaben verankert.[43] Da die Aufzählung des Art. 62 LV keine abschliessende ist, ist es auch grundsätzlich zulässig, wenn das Gesetz dem Landtag weitere Aufgaben überträgt, solange sie nicht gegen Vorschriften der Verfassung oder Grundsätze wie das Prinzip der Gewaltenteilung verstösst.[44] Neben den in der Kommentierung zu Art. 45 LV angeführten Aufgaben des Landtages[45] sind noch folgende weitere Zuständigkeiten zu erwähnen, die als Mitwirkung des Landtages an der Vollziehung qualifiziert werden können:
1) Dem Landtag steht das Recht der Kontrolle über die gesamte Staatsverwaltung unter Einschluss der Justizverwaltung zu. Der Landtag übt dieses Recht unter anderem durch eine von ihm zu wählende Geschäftsprüfungskommission aus. Das Kontrollrecht des Landtages erstreckt sich weder auf die Rechtsprechung der Gerichte noch auf die dem Landesfürsten zugewiesenen Tätigkeiten.Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteArt. 63 LV überträgt dem Landtag die Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle gegenüber der Staatsverwaltung, womit die Regierung gemeint ist. Abgesehen von der Bestimmung des Abs. 2 werden keine spezifischen Kontrollinstrumente erwähnt. Diese ergeben sich entweder aus anderen Bestimmungen der Verfassung (etwa Art. 63bis LV über das Recht, Untersuchungskommissionen einzusetzen, oder dem Misstrauensrecht gegenüber der Regierung gemäss Art. 80 Abs. 1 LV) oder der GOLT bzw. dem GVVKG.Die Bestimmung des Art. 63 LV wurde in der Vergangenheit mehrfach geändert. Sie wurzelt nur in Teilen in der KonV (§ 42) bzw. ihrer Rezeptionsvorlage, der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen (§ 70). Dies veranschaulicht die evolutive Entwicklung der parlamentarischen Kontrolle seit dem Konstitutionalismus:§ 70 Abs. 1 der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen bestimmte, dass die Stände (also der Landtag) berechtigt waren „in Beziehung auf Mängel und Missbräuche, die sich in der Landesverwaltung oder Rechtspflege ergeben, in Folge Beschlusses Vorstellungen und Beschwerden dem Landesfürsten vorzulegen und auf deren Abstellung anzutragen. Die in solchen Fällen verlangten aktenmässigen Aufschlüsse werden niemals verweigert werden.“ Die weiteren Absätze enthielten im gegebenen Zusammenhang weniger bedeutsame Detailregelungen über die Weiterleitung von Beschwerden und Vorstellungen an den Landesfürsten, die Beschlussfassung der Ständeversammlung über Beschwerden (eine Art von Petitionsrecht) und die Weiterleitung von Anzeigen.§ 42 KonV fasste diese Regelungen zusammen. Im ersten hier relevanten Satz wird bestimmt, dass es dem Landtage jederzeit unbenommen bleibt, „in Beziehung auf Mängel und Missbräuche, die sich in der Landesverwaltung oder Rechtspflege ergeben, oder die aus an ihn gerichteten Vorstellungen, Petitionen und Beschwerden von Einzelnen oder Corporationen hervorgehen, Vorstellungen und Beschwerden direct an den Landesfürsten zu bringen und auf deren Abstellung anzufragen.“Diese Form der „parlamentarischen Kontrolle“ beschränkte sich demnach noch darauf, dass der Landtag sich beim Landesfürsten um die Abstellung von Missständen einsetzte. Weitergehende Kontrollrechte, abgesehen von dem zu Art. 62 LV behandelten Steuerbewilligungsrecht, gab es nicht.Der Verfassungsentwurf Wilhelm Becks ging über diese bescheidene parlamentarische Kontrolle weit hinaus und sah in seinem Art. 49 Abs. 1 vor, dass der Landtag die Befugnis hat, „behufs Information, Kommissionen zur Untersuchung von Tatsachen, zu bestellen.“Gemäss Abs. 2 sollte dem Landtag ein auf das „ganze Gebiet der Verwaltung sich erstreckendes Kontrollrecht“ zustehen. Ausserdem wurde ihm das Recht, Untersuchungskommissionen einzusetzen, eingeräumt. Er konnte ausserdem „Petitionen oder Beschwerden an den Landesfürsten richten“.In Abs. 3 wurde den Abgeordneten ein Interpellationsrecht an die Regierungsvertreter eingeräumt und diesen eine Antwortpflicht aufgetragen. Schliesslich wurde in Abs. 4 ein Resolutionsrecht gegenüber der Regierung verankert sowie die Befugnis des Landtages, an den Landesfürsten „Adressen“ zu richten.Die Regierungsvorlage Peer übernahm den Vorschlag Becks insoweit, als in § 63 Abs. 1 RV dem Landtag das Recht der Kontrolle über die gesamte Staatsverwaltung übertragen wurde. Ausserdem wurde bestimmt: „er (der Landtag) übt dieses Recht durch eine von ihm zu wählende Geschäftsprüfungskommission aus.“In § 63 Abs. 2 RV wurde im Wesentlichen der Inhalt des bisherigen § 42 erster Satz KonV übernommen. Allerdings erhielt die Bestimmung die wesentliche Ergänzung, dass „das Ergebnis der hierüber einzuleitenden Untersuchung und die auf Grund derselben getroffene Verfügung (…) dem Landtage zu eröffnen (ist)“.Eine ausdrückliche Befugnis zur Einsetzung von Untersuchungskommissionen, wie dies noch im Entwurf Becks vorgesehen war, enthielt die Regierungsvorlage nicht mehr. Allerdings hatte der Landtag das Recht (Abs. 3), „zur Feststellung von Tatsachen Kommissionen“ zu bestellen, worunter auch Untersuchungskommissionen verstanden werden konnten. Schliesslich wurde in Abs. 4 mit der Verpflichtung der Regierungsvertreter, Interpellationen der Abgeordneten zu beantworten, das Recht der Interpellation verankert.Offenkundig, um zu vermeiden, dass der Eindruck erweckt würde, dass der Landtag sein Kontrollrecht (nur) über die Geschäftsprüfungskommission ausüben dürfe, änderte die Verfassungskommission den zweiten Halbsatz in Art. 63 dahingehend, dass er nun zu lauten hatte: „er kann dieses Recht auch durch eine von ihm zu wählende Geschäftsprüfungskommission ausüben.“[1]Umso erstaunlicher ist es, dass der Landtag bei Art. 63 Abs. 1 LV dann doch unter Ausserachtlassung dieser Änderung durch die Verfassungskommission zu der von der Regierungsvorlage ursprünglich vorgeschlagenen Fassung zurückkehrte. Dagegen beschloss der Landtag offenbar,[2] dass in Art. 63 Abs. 3 der Regierungsvertreter nicht nur verpflichtet ist, Interpellationen der Abgeordneten zu beantworten, sondern auch gehört werden muss.[3] Jedenfalls wurde Art. 63 mit dieser Abänderung in LGBl. 1921 Nr. 15 kundgemacht. Die Bestimmung blieb in der Folge während fast sieben Jahrzehnten unverändert. 1989 wurde im Zusammenhang mit der Einführung des Art. 63bis über das Recht des Landtages, Untersuchungskommissionen einzusetzen, der bisherige Art. 63 Abs. 3 LV, aus dem dieses Recht abgeleitet werden konnte, entbehrlich und daher aufgehoben.[4] Praktisch gleichzeitig wurde in Art. 63 Abs. 1 LV durch den Einschub „unter Einschluss der Justizverwaltung“ eine Präzisierung des Kontrollrechtes des Landtages vorgenommen.[5] Die historischen Begleitumstände dieser beiden Novellierungen lagen im sogenannten „Kunsthaus-Fall“, auch als „Staatgerichtshofaffäre“ bezeichnet, in welchem es letztlich um das Verhalten des damaligen Präsidenten des Staatsgerichtshofes im Zusammenhang mit einer Initiative ging, die gegen den Bau des Kunsthauses opponierte und deren Urheber Beschwerde an den Staatsgerichtshof eingelegt hatten.[6]Im Zuge der Verfassungsrevision 2003 wurde Art. 63 Abs. 1 LV neuerlich geändert: Nach dem ersten Halbsatz wurde ein Punkt gesetzt und der bisherige zweite Halbsatz wie folgt formuliert: „Der Landtag übt dieses Recht unter anderem durch eine von ihm zu wählende Geschäftsprüfungskommission aus.“ Damit wurde die Klarstellung getroffen, die offenbar bereits der Verfassungskommission von 1921 ein Anliegen gewesen war, nämlich dass der Landtag seine Kontrollrechte eben nicht nur durch die Geschäftsprüfungskommission ausübt.[7]Die gewichtigere Änderung, die die Verfassungsrevision an Art. 63 Abs. 1 LV vornahm, bestand allerdings darin, dass der Bestimmung folgender Satz angefügt wurde: „Das Kontrollrecht des Landtages erstreckt sich weder auf die Rechtsprechung der Gerichte noch auf die dem Landesfürsten zugewiesenen Tätigkeiten." Die Erläuterungen der Initiative führen dazu aus, dass es zur Klarstellung der Reichweite der Kontrollbefugnis des Landtages im Sinne des in der Landesverfassung verankerten Konzeptes der Gewaltenteilung sinnvoll erscheine, die von der Kontrolle des Landtages ausgenommenen Staatstätigkeiten der Gerichte und des Landesfürsten ausdrücklich zu erwähnen.Art. 63 Abs. 2 LV wurde im Zuge der Verfassungsrevision ausserdem dahingehend geändert, dass der Landtag seine „Vorstellung oder Beschwerde“ nicht nur wie bisher „direkt zur Kenntnis des Landesfürsten“, sondern auch zur Kenntnis der Regierung bringen konnte. Die Erläuterungen der Verfassungsinitiative des Fürstenhauses begründen die Änderung damit, dass diese Ergänzung den Gegebenheiten besser entspreche und vor allem auch im Zusammenhang mit dem in derselben Initiative vorgesehenen Verzicht des Fürsten auf die Beamtenernennungen[8] sinnvoll sei.Seit der Verfassungsrevision 2003 ist die Bestimmung unverändert geblieben.II. Die Kontrollrechte des LandtagesA. Zum Begriff der parlamentarischen KontrolleArt. 63 Abs. 1 erster Satz LV formuliert eine umfassende Kontrollbefugnis des Landtages über die gesamte Staatsverwaltung einschliesslich der Justizverwaltung.[9] Die Ausnahme der Rechtsprechung und der Tätigkeit des Landesfürsten von der parlamentarischen Kontrolle wird in Kapitel C. behandelt.Diese Bestimmung ist eine unter anderen,[10] die die Unterordnung der Vollziehung unter die Legislative zum Ausdruck bringen. Die umfassende Kontrollbefugnis des Landtages bedeutet, dass es, von den verfassungsrechtlich vorgesehenen Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich keine Vollziehung geben darf, die ausserhalb der parlamentarischen Kontrolle steht. Allerdings gibt es, wie noch zu zeigen sein wird, einige wesentliche Einschränkungen dieses Grundsatzes, die daraus resultieren, dass parlamentarische Kontrolle dazu dient, die Verantwortlichkeit der Regierung geltend zu machen.Zudem gilt es, den Grundsatz der Gewaltenteilung zu beachten.[11] Parlamentarische Kontrolle darf nicht dahingehend ausufern, dass sie eine gleichsam laufende verwaltungsinterne Aufsicht darstellt oder in eine gerichtsförmige Kontrolle der Verwaltung mündet.[12]Eine Frage, die sich in diesem Zusammenhang ebenfalls stellt, ist, ob es Geheimnisvorbehalte gegenüber der parlamentarischen Kontrolle geben darf. Augenfällig ist das Spannungsverhältnis zwischen parlamentarischer Kontrolle und verfassungsrechtlichen Garantien wie dem Datenschutz.Die Verfassung Liechtensteins sieht anders als Art. 20 Abs. 3 B-VG keine verfassungsrechtliche Verankerung der Amtsverschwiegenheit vor. Während sich in Österreich die Bundesregierung gemäss Art. 20 Abs. 3 B-VG gegenüber dem Nationalrat auch im Rahmen der parlamentarischen Kontrolle auf die Amtsverschwiegenheit berufen kann, sofern die entsprechenden Voraussetzungen dafür vorliegen[13], sieht die Verfassung Liechtensteins dies nicht vor. Allerdings enthält die Verfassung auch keine ausdrückliche Verpflichtung zur Auskunftserteilung[14], wie überhaupt Fragen des Geheimnisschutzes im Verhältnis von Regierung und Landtag durch die liechtensteinische Rechtsordnung nur rudimentär geregelt werden. Daraus ist nicht von vornherein auf ein umfassendes Informationsrecht des Landtages zu schliessen: Gemäss Art. 17 Abs. 2 GVVKG (ebenso Art. 77 Abs. 2 GOLT) bedarf der Beizug und die Befragung von Staatsangestellten durch Landtagskommissionen der Zustimmung der Regierung, die diese Personen nötigenfalls von der Amtsverschwiegenheit entbindet. Art. 36 GVVKG trifft eine Regelung für die von Staatsangestellten gegenüber einer Untersuchungskommission gemachten Äusserungen, die der Amtsverschwiegenheit unterliegen. Art. 38 Staatspersonalgesetz[15] regelt das Amtsgeheimnis der Staatsangestellten über dienstliche Angelegenheiten, die nach ihrer Natur oder gemäss besonderer Vorschrift geheim zu halten sind.Daraus ergibt sich, dass Äusserungen von Staatsangestellten gegenüber dem Landtag in welcher Form und vor welchen Organen des Landtages auch immer der vorgängigen Entbindung von der Amtsverschwiegenheit dieser Personen bedürfen. Dasselbe gilt gemäss Art. 23 Öffentliche-Unternehmen-Steuerungs-Gesetz (ÖUSG)[16] für die Organe öffentlicher Unternehmen. Für die Regierung selbst bestehen dagegen keine ausdrücklichen Verschwiegenheitspflichten. Der Begriff des Amtsgeheimnisses, dessen Verletzung auch durch Regierungsmitglieder unter gerichtlicher Strafandrohung steht,[17] ist nicht näher definiert.[18] Dies bedeutet freilich nicht, dass die Regierung gegenüber dem Landtag wie auch im Übrigen gegenüber der Öffentlichkeit an keine Geheimhaltungspflichten gebunden wäre.[19] Das aus Art. 8 EMRK fliessende Recht auf Datenschutz, aber auch der Schutz der Geheim- und Privatsphäre gemäss Art. 32 Abs. 1 LV[20] können es erfordern, dass die Regierung personenbezogene Daten auch gegenüber dem Landtag geheim hält.[21] Nach der in StGH 2013/11 bekräftigten Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes zur Rechtshilfe gegenüber Behörden ausländischer Staaten wären etwa auch die Herausgabe von Unterlagen wie beispielsweise Bankunterlagen als ein Eingriff in die Geheim- und Privatsphäre gemäss Art. 32 Abs. 1 LV zu qualifizieren.[22]Dies bedeutet umgekehrt aber auch nicht, dass die Weitergabe sensibler Informationen durch die Regierung in allen Fällen unzulässig wäre. Eingriffe in verfassungsrechtlich geschützte Geheimnissphären bedürfen aber einer gesetzlichen Grundlage, eines öffentlichen Interesses und müssen verhältnismässig sein.[23]Art. 63 Abs. 1 erster Satz LV wird man mangels Konkretisierung nicht als eine derartige, Eingriffe legitimierende gesetzliche Grundlage betrachten können. Die Regierung wird daher im Rahmen der parlamentarischen Kontrolle, etwa bei der Beantwortung von Interpellationen oder Kleinen Anfragen, sorgfältig abwägen müssen, ob sie die begehrten Informationen im Hinblick auf allfällige verfassungsrechtlich geschützte Geheimnissphären Dritter geben kann.[24] In vielen Fällen wird die Lösung darin bestehen, dass personenbezogene Daten oder solche, die eine Rückführung auf eine konkrete Person ermöglichen, nicht bekannt gegeben werden.[25] Im Rahmen der Interessenabwägung kann es auch eine Rolle spielen, ob die Auskunft in öffentlicher oder nichtöffentlicher Sitzung des Landtages bzw. in einer Kommission behandelt wird.[26]In der Schweiz ist in Art. 169 Abs. 2 BV ausdrücklich statuiert, dass den vom Gesetz vorgesehenen besonderen Delegationen von Aufsichtskommissionen keine Geheimhaltungspflichten entgegen gehalten werden können.[27] Ausserdem stehen gemäss Art. 153 Abs. 4 BV den Kommissionen zur Erfüllung ihrer Aufgaben Auskunftsrechte, Einsichtsrechte und Untersuchungsbefugnisse zu, deren Umfang durch Gesetz geregelt wird.[28]Diese Lückenhaftigkeit der liechtensteinischen Verfassung im Vergleich zu den Regelungen in Österreich und der Schweiz ist problematisch, wenngleich sie in der Literatur bisher nicht thematisiert wurde.Über die Instrumente der parlamentarischen Kontrolle enthält die Verfassung verschiedene Bestimmungen, auf die unter Kapitel D. eingegangen wird. Dasselbe gilt für jene Instrumente, die in der Verfassung nicht ausdrücklich erwähnt werden.Die parlamentarische Kontrolle ist entweder eine rechtliche oder eine politische. Die rechtliche Kontrolle findet durch eine „Ministeranklage“ von Mitgliedern beim Staatsgerichtshof gemäss Art. 104 LV statt. In einem solchen Fall spricht der Staatsgerichtshof mit seinem Urteil eine rechtliche Sanktion für rechtlich zu beurteilendes Fehlverhalten von Regierungsmitgliedern aus.Alle anderen Instrumente sind solche der politischen Kontrolle. Dies bedeutet, dass das Verhalten der Regierung im Hinblick auf ihre politische Verantwortlichkeit geprüft wird. Das Verhalten der Regierung unterliegt keinen unmittelbaren rechtlichen Sanktionen, es ist Aufgabe des Landtages, gegebenenfalls durch ein Misstrauensvotum oder die Verschärfung gesetzlicher Regelungen die Konsequenzen aus Missständen in der Verwaltung zu ziehen.B. Adressat und Gegenstand der Kontrolle des LandtagesUnmittelbarer Adressat der parlamentarischen Kontrolle des Landtages ist die Regierung.[29] Ihre Verantwortlichkeit für die Vorgänge in der Staatsverwaltung wird geprüft.[30] Wenn in Art. 63 LV von der gesamten Staatsverwaltung unter Einschluss der Justizverwaltung die Rede ist, ist damit jener Rechtsbereich gemeint, welcher der Staatsfunktion Verwaltung zuzuordnen ist und der auch von der Regierung verantwortet wird.[31] Dies ist sowohl die Hoheitsverwaltung, in welcher der Staat mit den Instrumenten der Hoheitsgewalt agiert, als auch jene Verwaltung, in welcher er als Träger von Privatrechten (sogenannte Privatwirtschaftsverwaltung) handelt.[32] Der Begriff der Staatsverwaltung ist prinzipiell weit zu verstehen,[33] muss aber stets vor dem Hintergrund der Verantwortlichkeit der Regierung gesehen werden.[34]Zur Staatsverwaltung zählt demnach das Verhalten der Regierung und der ihr nachgelagerten Ämter, unabhängig davon, ob sie etwa mit Verfügungen, Verordnungen operieren, durch Realakte (z.B. Polizeigewalt)[35] vorgehen oder ob sie am Privatrechtsverkehr teilnehmen, etwa dadurch, dass die Regierung Aufträge vergibt oder Staatseigentum veräussert oder Vermögenswerte erwirbt.Staatsverwaltung liegt auch vor, wenn eine mit Hoheitsgewalt beliehene Person des privaten Rechts diese ausübt.[36] Ein solches beliehenes Unternehmen ist beispielsweise die Liechtensteinische Post AG, die als Aktiengesellschaft und damit als ein Rechtsträger privaten Rechts konstituiert ist,[37] und dabei auch hoheitliche Dienste, wie etwa die Zustellung behördlicher Schriftstücke, erfüllt.[38]Keine Staatsverwaltung liegt in der Dogmatik österreichischen Verwaltungsrechts demgegenüber in der Geschäftsgebarung öffentlicher Unternehmen vor, also solchen, an denen der Staat beteiligt ist, solange dabei keine Hoheitsgewalt ausgeübt wird.[39] In diesem Sinne hat der österreichische VfGH ausgesprochen:In der Schweiz gelten auch öffentliche Unternehmen als Träger der dezentralen Verwaltung, soweit sie ausdrücklich mit der unmittelbaren Erfüllung von Verwaltungsaufgaben betraut sind.[41]In Liechtenstein gilt es Art. 78 Abs. 4 LV zu beachten, wonach zur Besorgung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Aufgaben durch Gesetz besondere Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts errichtet werden können, die unter der Oberaufsicht der Regierung stehen. Daraus ist abzuleiten, dass solche durch Gesetz eingerichtete juristische Personen, denen bestimmte öffentliche Aufgaben übertragen sind, insoweit der Kontrolle des Landtages unterliegen, als es um die Frage der Wahrnehmung der Oberaufsicht durch die Regierung geht. Da die parlamentarische Kontrolle der Klärung der Verantwortlichkeit der Regierung dient, muss sie allerdings dort ihre Grenzen finden, wo die Regierung keine Eingriffsmöglichkeiten hat. Staatsverwaltung ist daher die Ausübung von Eigentümerfunktionen durch die Regierung, welche vom Landtag zu kontrollieren ist. Das selbständige und frei von Weisungen staatlicher Organe erfolgende Handeln des Rechtsträgers ist nicht mehr Staatsverwaltung. Der Abschluss eines Stromlieferungsvertrages der Liechtensteinischen Kraftwerke mit einem Kunden ist keine Staatsverwaltung,[42] mag es sich beim Rechtsträger auch um eine selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts handeln.[43]In diesem Sinne bestimmt das Öffentliche-Unternehmen-Steuerungs-Gesetz (ÖUSG)[44] in seinem Art. 16 Abs. 2, dass die Regierung dem Landtag die festgelegten oder abgeänderten Eigner- oder Beteiligungsstrategien zur Kenntnisnahme vorlegt. Der Landtag kann gemäss Art. 16 Abs. 2b ÖUSG die Regierung auch beauftragen, eine Eigner- oder Beteiligungsstrategie festzulegen oder abzuändern.[45]Allerdings unterliegt die Regierung auch hinsichtlich anderer Bestimmungen des ÖUSG, soweit es um die Wahrnehmung der ihr durch das Gesetz gegenüber dem öffentlichen Unternehmen eingeräumten Befugnisse geht,[46] der parlamentarischen Kontrolle. Wenn darüber hinaus das beispielsweise Gesetz über die Liechtensteinischen Kraftwerke[47] das Unternehmen der Oberaufsicht der Regierung unterstellt (z.B. Wahl des Präsidenten und der weiteren Mitglieder des Verwaltungsrates oder Genehmigung der Statuten),[48] besteht auch insoweit eine Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Landtag.Zur Staatsfunktion Verwaltung zählt grundsätzlich auch die Tätigkeit jener Kommissionen,[49] die gemäss Art. 78 Abs. 3 LV durch Gesetz zur Entscheidung über Beschwerden an Stelle der Kollegialregierung eingesetzt werden. Dafür spricht, dass die Kommissionen im Rahmen des VII. Hauptstückes „Von der Regierung“ erwähnt werden. Allerdings arbeiten diese Kommissionen nach herrschender Praxis weisungsfrei und unabhängig.[50] Dies ist auch der Sinn der Einsetzung einer solchen Kommission, die an Stelle der Regierung entscheidet.Dies bedeutet aber auch gleichzeitig, dass die Regierung für die inhaltliche Tätigkeit der Kommission nicht verantwortlich ist. Somit können, mangels einer Verantwortlichkeit der Regierung, die Entscheidungen der Kommissionen selbst, wie bei den Gerichten, kein Gegenstand der parlamentarischen Kontrolle durch den Landtag sein. Da die Mitglieder der Kommission vom Landtag jeweils für eine Dauer von vier[51] oder fünf[52] Jahren gewählt werden, kann der Landtag freilich von einer Wiederwahl von Kommissionsmitgliedern absehen. Verantwortlich ist die Regierung allerdings beispielsweise hinsichtlich einer angemessenen Sachmittelausstattung dieser Behörden und unterliegt insoweit auch der parlamentarischen Kontrolle. Daran ändert auch nichts, dass der Voranschlag (Art. 69 LV) vom Landtag bestimmt wird, weil es die Regierung ist, die auf Grund ihrer spezifischen Kenntnisse über die Staatsverwaltung dem Landtag den Voranschlag übergeben hat.Es gibt freilich auch andere Fälle weisungsfreier Verwaltung, zu welcher vor allem die Tätigkeit unabhängiger Regulierungsbehörden zählt.[53]Auch bezüglich dieser Typen weisungsfreier Verwaltung gilt: Die Regierung als Adressat der parlamentarischen Kontrolle ist nicht verantwortlich für die inhaltliche Tätigkeit dieser Behörden und kann daher vom Landtag auch nicht hinsichtlich der Entscheidungen von Regulierungsbehörden kontrolliert werden. Einer allfälligen unmittelbaren parlamentarischen Kontrolle steht die Unabhängigkeit dieser Behörden entgegen. Die Datenschutzstelle hingegen ist organisatorisch dem Landtag zugeordnet und bei der Erfüllung der ihr zugewiesenen Aufgaben unabhängig und an keine Weisungen gebunden.[54] Auf Grund der organisatorischen Zuordnung zum Landtag ist in diesem Fall, obgleich die Datenschutzstelle funktionell im Bereich der Staatsverwaltung agiert, überhaupt kein Anknüpfungspunkt einer Verantwortung der Regierung zu erblicken.Ähnliche Erwägungen gelten, wenn gefragt wird, ob die Verwaltung der Gemeinden der parlamentarischen Kontrolle des Landtages unterliegt. Staatsverwaltung liegt nur vor, soweit die Regierung auf das Handeln der Gemeinde Einfluss nehmen kann. Da im übertragenen Wirkungskreis die Gemeinden weisungsgebunden sind und die Ausführung nicht nur auf Gesetzmässigkeit wie im eigenen Wirkungskreis, sondern auch auf Zweckmässigkeit geprüft wird,[55] unterliegt das Handeln der Gemeinden im übertragenen Wirkungskreis einer weiter gehenden parlamentarischen Kontrolle als im eigenen Wirkungskreis. In letzterem Fall muss sich die parlamentarische Kontrolle auf das Handeln der Regierung als Aufsichtsbehörde gegenüber der Gemeindeverwaltung[56] beschränken.C. Rechtsprechung und Landesfürst als AusnahmenGemäss Art. 63 Abs. 1 dritter Satz LV erstreckt sich das Kontrollrecht des Landtages weder auf die Rechtsprechung der Gerichte noch auf die dem Landesfürsten zugewiesenen Tätigkeiten.1. Rechtsprechung und JustizverwaltungArt. 63 Abs. 1 erster Satz LV bezieht die Justizverwaltung in das Kontrollrecht des Landtages ein, während Art. 63 Abs. 1 dritter Satz LV die Rechtsprechung von der parlamentarischen Kontrolle ausnimmt. Es sind somit die beiden Funktionen abzugrenzen.Zur Rechtsprechung der Gerichte zählt die Vollziehung der Gesetze durch weisungsfreie Richter und ihre Hilfsorgane, nämlich der im VIII. Hauptstück der Verfassung („Von den Gerichten“) erwähnten Behörden, nämlich: das Fürstliche Landgericht, das Fürstliche Obergericht, der Fürstliche Oberste Gerichtshofs (Art. 97 Abs. 1 LV), der Verwaltungsgerichtshof (Art. 102 LV) und der Staatsgerichtshof (Art. 104 LV), aber eben mit Ausnahme der Justizverwaltung.[57] Die weiter oben erwähnten Kommissionen und andere unabhängigen Behörden sind keine Gerichte und zählen daher auch nicht zur Rechtsprechung, mögen sie auch, was ihre inhaltliche Arbeit betrifft, aus den dort angeführten Gründen von der parlamentarischen Kontrolle ausgenommen sein.Justizverwaltung bedeutet die Ausübung von Verwaltungstätigkeit durch gerichtliche Organe.[58] Auch wenn es zutreffen mag, dass der Begriff der Justizverwaltung materiell „schwer zu umgrenzen“ ist,[59] so lässt er sich doch präzisieren: Justizverwaltung ist demnach die Vorsorge für die sachlichen und persönlichen Bedürfnisse der Rechtsprechung.[60] Dazu werden üblicherweise die Personalverwaltung, die Sachmittelausstattung und die Gebäudeverwaltung gezählt.[61]Soweit Dienstgerichte[62] über die disziplinäre Verantwortlichkeit von Richtern entscheiden, handelt es sich zwar um einen Akt der Personalverwaltung, also funktioniell einen Akt der Justizverwaltung, der jedoch inhaltlich der Gerichtsbarkeit zuzurechnen ist, weil es sich um eine weisungsfreie Tätigkeit von Richtern handelt.[63] Das Kontrollrecht des Landtages erstreckt sich daher nicht auf diese Belange.Auch die Tätigkeit der Rechtspfleger, das sind nichtrichterliche Beamte, die unter der Weisungsbefugnis des Landrichters[64] hoheitliche Akte im Rahmen der Gerichtsbarkeit setzen, zählt zur Rechtsprechung und unterliegt ebenfalls nicht der Kontrolle des Landtages.[65]Inwieweit die Justizverwaltung der Kontrolle des Landtages untersteht, bemisst sich danach, ob das zuständige Regierungsmitglied durch Weisung oder sonstige Anordnung auf die Abläufe Einfluss nehmen kann.[66] Soweit etwa disziplinäre Massnahmen gegenüber nichtrichterlichem Personal gesetzt werden, unterliegen diese Akte dem Kontrollrecht des Landtages, da gegen Entscheidungen in dienstrechtlichen Angelegenheiten dieser Personen Beschwerde an die Regierung erhoben werden kann, also eine Zuständigkeit der Regierung besteht (Art. 45 Abs. 1 i.V.m. Art. 42 Abs. 3 GOG). Aufgaben der Justizverwaltung sind einfachgesetzlich im III. Abschnitt des GOG geregelt. Gemäss Art. 27 Abs. 4 GOG üben die Regierung und der Landtag die Aufsicht über die Justizverwaltung nach Massgabe der Landesverfassung aus.2. Tätigkeit des LandesfürstenArt. 63 Abs. 1 dritter Satz LV nimmt die dem Landesfürsten zugewiesenen Tätigkeiten von der Kontrolle des Landtages aus und meint damit die vom Landesfürsten verfassungsgemäss wahrzunehmenden Aufgaben. Die Bestimmung steht auch im Zusammenhang mit der Immunität des Landesfürsten gemäss Art. 7 Abs. 2 LV. Die Ausnahme des Landesfürsten von der parlamentarischen Kontrolle bezieht sich grundsätzlich nur auf ihn selbst. Soweit Aufgaben „durch die Regierung“ ausgeführt werden (vgl. Art. 10 Abs. 1 LV), unterliegt das Handeln der Regierung sehr wohl der parlamentarischen Kontrolle. Dies gilt auch für die Akte der Gegenzeichnung durch den Regierungschef.[67]Ist der Thronfolger als Stellvertreter des Landesfürsten mit der Ausübung ihm zustehender Hoheitsrechte betraut (Art. 13bis LV),[68] so sind allerdings auch dessen Tätigkeiten trotz der unklaren Formulierung des Art. 63 Abs. 1 LV von der parlamentarischen Kontrolle ausgenommen. Die Errichtung der Stellvertretung bewirkt nämlich, dass der Landesfürst die von der Stellvertretung erfassten Handlungen nicht mehr ausüben darf.[69] Der Erbprinz tritt in diesem Fall an die Stelle des Landesfürsten, wie dies auch in Art. 7 Abs. 2 LV hinsichtlich der Immunität angeordnet ist.[70]Ausserhalb der parlamentarischen Kontrolle liegt auch die Ausübung des Sanktionsrechtes durch den Landesfürsten (Art. 9 LV), dies allerdings schon deshalb, da es sich dabei um einen Akt der Gesetzgebung und nicht der Verwaltung handelt. Der Abschluss von Staatsverträgen (Art. 8 Abs. 1 LV) unterliegt ebenfalls nicht der Kontrolle des Landtages, ausgenommen das Handeln von Bevollmächtigten des Landesfürsten. Davon abgesehen unterliegen Staatsverträge im Rahmen des Art. 8 Abs. 2 LV ohnehin der Zustimmung des Landtages.Ebenso sind allgemeine Vertretungsakte des Landesfürsten als Staatsoberhaupt (Art. 7 LV) von der parlamentarischen Kontrolle ausgenommen, auch Begnadigungen und Abolitionen (Art. 12 LV).[71]Ausserhalb der parlamentarischen Kontrolle stehen auch die Tätigkeiten des Landesfürsten im Rahmen der Vollziehung des Hausgesetzes.[72]D. Die Instrumente der parlamentarischen Kontrolle im Überblick1. AllgemeinesDie Verfassung regelt die Instrumente der parlamentarischen Kontrolle nicht abschliessend. Abgesehen von den gesondert behandelten Instrumenten der finanziellen Kontrolle,[73] sieht die Verfassung lediglich die „Vorstellung oder Beschwerde direkt zur Kenntnis des Landesfürsten oder der Regierung“ (Art. 63 Abs. 2 LV), die Beantwortung von Interpellationen (Art. 63 Abs. 4 LV), die Einsetzung von Untersuchungskommissionen (Art. 63bis LV), das Misstrauensvotum gegenüber der Regierung (Art. 80 LV) sowie die Ministeranklage (Art. 104 LV) vor.[74]Es bleibt der Gesetzgebung und der Geschäftsordnung des Landtages unbenommen, weitere Instrumente parlamentarischer Kontrolle vorzusehen. Diese dürfen allerdings das Prinzip der Gewaltenteilung nicht verletzen, also nicht zu einer Übernahme von Verwaltungstätigkeit (oder Rechtsprechung) durch den Landtag führen und die in der Verfassung vorgezeichneten Verantwortlichkeiten und Aufgabenzuordnungen unterlaufen.Als bei sämtlichen Akten der parlamentarischen Kontrolle zu beachtenden Grundsatz sieht Art. 63 Abs. 4 LV die Anhörung des Regierungsvertreters vor. Damit ist nicht zwangsläufig der Regierungschef gemeint, sondern der zuständige Ressortinhaber (vgl. auch Art. 83 LV).[75] Die Verfassung steht allerdings einer Vertretung durch leitende Beamte wohl nicht entgegen. Systematisch gesehen, wäre Abs. 4 besser unmittelbar nach Abs. 1 angesiedelt worden, mit welcher Bestimmung die Regelung in unmittelbarem Zusammenhang steht.Die Handhabung der Instrumente kann von der Mehrheit des Landtages abhängig, aber auch als Minderheitenrecht ausgestaltet sein. Die Wahrnehmung parlamentarischer Kontrolle durch eine Mehrheit im jeweiligen Parlament wird in der Wissenschaft häufig kritisch gesehen, weil das Interesse der Landtagsmehrheit, die von ihr getragene Regierung durch Kontrolle in Schwierigkeiten zu bringen, regelmässig gering ist.[76] Dessen ungeachtet sind Instrumente wie das Misstrauensvotum (Art. 80 LV) oder die Ministeranklage (Art. 104 LV) gewöhnlich der Handhabung durch die Landtagsmehrheit übertragen, nicht zuletzt deshalb, weil die Verfassung das Kontrollinteresse auch gegen das Interesse des Staates an einer stabilen Regierung abzuwägen hat.Art. 63 LV überlässt dies der konkreten verfassungsrechtlichen Ausformung in den weiteren Artikeln, wo diese Instrumente näher geregelt sind. 2. Der Sinngehalt des Art. 63 Abs. 2 LV und die sich daraus ergebenden InstrumenteArt. 63 LV erwähnt zunächst selbst zwei Instrumente parlamentarischer Kontrolle, nämlich die „Vorstellung und Beschwerde direkt an den Landesfürsten oder die Regierung“ einschliesslich einer „hierüber einzuleitenden Untersuchung“ (Abs. 2) sowie die Interpellation (Abs. 4). Mit der zuerst genannten Wendung wird auf das in den konstitutionellen Verfassungen des 19. Jahrhunderts verankerte Recht des Parlaments, seine Wünsche über die Vollziehung an den Landesfürsten bzw. die Regierung heranzutragen,[77] verwiesen. Der moderne Sinngehalt dieser Regelung ist nicht leicht zu ermitteln.[78] Weder das GVVKG noch die GOLT enthalten Regelungen, die als „Vorstellung“ oder „Beschwerde“ an den Landesfürsten oder an die Regierung bezeichnet werden.[79]Die in der KonV wurzelnde Regelung, wonach der Landtag seine „Vorstellung oder Beschwerde“ direkt zur Kenntnis des Landesfürsten zu bringen hat, war im Grunde bereits mit dem System der Verfassung 1921 obsolet, denn der Landesfürst selbst ist nicht Regierungsorgan.[80] Die Bestimmung drückt in diesem Punkt lediglich noch aus, dass es in der Autonomie des Landtages gelegen ist, wenn er beispielsweise eine Erklärung formulieren würde, die an den Landesfürsten adressiert ist.[81] Er kann sich dabei auch beim Landesfürsten über das Verhalten der Regierung beschweren, was freilich insoweit inkonsequent wäre, als der Landtag selbst die Möglichkeit hat, der Regierung das Vertrauen zu entziehen. Immerhin könnte der Landesfürst seine Autorität zur Streitschlichtung und Vermittlung nutzen.Dessen ungeachtet kann aber aus Art. 63 Abs. 2 LV im Sinne eines modernen Verständnisses grundsätzlich abgeleitet werden, dass dem Landtag Instrumente in Form von Aufträgen an die Regierung zur Verfügung stehen müssen, mit denen er etwa auf die Abstellung von Missständen in der Verwaltung hinwirken kann.[82]Am ehesten lassen sich das in der Terminologie des österreichischen Verfassungsrechts als Entschliessungs- oder Resolutionsrecht bezeichnete Recht des Parlaments, seine Wünsche über die Vollziehung an die Regierung heranzutragen,[83] bzw. die in der Terminologie der BV (Art. 171 BV) als Aufträge an den Bundesrat[84] bezeichneten Instrumente der in Art. 63 Abs. 2 LV formulierten parlamentarischen Kontrolle zuordnen. Tatsächlich kennen das GVVKG sowie die GOLT die Instrumente des Postulates[85] und der Motion, die auch im schweizerischen Parlamentsrecht gebräuchlich sind.[86]Die Verfassung macht für die konkrete Ausformung lediglich die Vorgaben, dass das Ergebnis der Untersuchung und die auf Grund derselben getroffene Verfügung dem Landtage zu eröffnen ist. Mit dem Begriff „Verfügung“ wird nicht etwa an einen individuellen Verwaltungsakt angeknüpft, sondern er meint allgemein die Entscheidung über die weitere Vorgangsweise. Mit dem sogenannten Postulat (Art. 7 GVVKG) wird die Regierung eingeladen, einen bestimmten Gegenstand zu überprüfen oder ein bestimmtes Vorgehen zu wählen.[87] Die Regierung hat das Postulat schriftlich bis spätestens zur vierten Landtagssitzung nach der Überweisung zu beantworten. Kann die Beantwortung eines Postulates nicht fristgerecht erfolgen, so informiert die Regierung den Landtag rechtzeitig über den Grund der Verzögerung und den voraussichtlichen Termin der Beantwortung.Die von Art. 63 Abs. 2 zweiter Satz LV verlangte Reaktionspflicht der Regierung auf das Anliegen des Landtages wird durch diese Regelung umgesetzt.Das GVVKG sieht in Art. 6 das Instrument der Motion vor, das die Regierung verpflichtet, den Erlass, die Abänderung oder die Aufhebung eines Verfassungsgesetzes, eines Gesetzes, eines Finanzbeschlusses oder eines anderen Landtagsbeschlusses zu erarbeiten und dem Landtag vorzulegen.[88] Die Motion trägt damit den besonderen Rahmenbedingungen des Milizparlamentes Rechnung, das mangels Expertise und mangels Zugang zu den personellen und administrativen Ressourcen der Regierung nicht in der Lage ist, komplexe Gesetze selbst zu formulieren. Die Motion versetzt das Parlament immerhin in die Lage, von der Regierung die Vorlage eines Gesetzes mit spezifischem Inhalt einzufordern.[89]Art. 63 Abs. 2 LV steht darüber hinaus auch in einem Zusammenhang mit dem in Art. 42 LV verankerten Petitionsrecht an den Landtag. Demgemäss können sowohl jeder einzelne als auch Gemeinden und Korporationen Wünsche und Bitten durch ein Mitglied des Landtages daselbst vorbringen lassen.[90] Weitere ausführende Regelungen zum Petitionsrecht sind in Art. 12 GVVKG (Überweisung der Petition durch den Landtag an die Regierung) und Art. 50 GOLT (Behandlung im Landtag) enthalten.3. Die parlamentarische Interpellation und die Kleine AnfrageDas in Art. 63 Abs. 4 LV erwähnte Recht der Interpellation ist ein klassisches Instrument des Parlamentarismus.[91] Sie wird in Art. 8 GVVKG näher geregelt. Im Rahmen einer Interpellation wird demnach die Regierung angehalten, über einen bestimmten Gegenstand der Landesverwaltung Auskunft zu erteilen (Art. 8 Abs. 1 GVVKG).[92] Die Interpellation ist durch die Regierung schriftlich bis zur dritten Landtagssitzung nach der Überweisung der Interpellation zu beantworten.[93] Ist schon anlässlich der Überweisung der Interpellation unter Berücksichtigung ihres Umfanges und Schwierigkeitsgrades sowie unter Berücksichtigung der anstehenden Geschäfte ersichtlich, dass mehr Zeit benötigt wird, so kann der Landtag auf Antrag der Regierung einen späteren Erledigungstermin festlegen (Art. 8 Abs. 2 GVVKG). Allerdings kann der Landtag eine Interpellation auch für dringlich erklären, in welchem Fall die Beantwortung durch die Regierung bis zur nächsten Landtagssitzung zu erfolgen hat. Diese Dringlicherklärung erfordert einen Landtagsbeschluss, stellt somit eine Mehrheitsentscheidung dar.[94] Sie ermöglicht es, auf aktuelle Vorkommnisse rasch zu reagieren. Gleichzeitig schwächt der Umstand, dass die Dringlicherklärung von der Landtagsmehrheit unterstützt sein muss, ihre Wirkung.[95]Die Verfassung macht keine Vorgaben, welches Ausmass an Unterstützung für eine zulässige Interpellation erforderlich ist. Da gemäss Art. 38 Abs. 1 GOLT Interpellationen zu den „parlamentarischen Eingängen“ zählen und solche gemäss Abs. 2 von lediglich einem Mitglied des Landtages unterschrieben werden müssen, kann die Interpellation demnach bereits von einem Mitglied eingebracht werden.[96] Eine Abstimmung über die Interpellation hat nicht zu erfolgen.Das GVVKG und die GOLT unterscheiden allerdings zwischen der Interpellation und der Kleinen Anfrage. Bei letzterer handelt es sich gemäss Art. 9 GVVKG um eine von Mitgliedern des Landtages bei einer Sitzung an die Regierung gerichteten kurzen mündlichen Frage, die sich auf einen konkret umschriebenen Vorgang bezieht.[97] Sie wird von der Regierung am Schluss dieser Sitzung mündlich beantwortet, andernfalls sind dem Landtag die Gründe für die Verschiebung oder Ablehnung der Beantwortung bekannt zu geben.Gemäss Art. 63 Abs. 4 LV ist der „Regierungsvertreter“ verpflichtet, die Interpellation zu beantworten.[98] In der parlamentarischen Praxis in Liechtenstein werden die Interpellationen entsprechend Art. 8 GVVKG an die „Regierung“ gerichtet. Es ist daher dann Sache der Regierung, die Beantwortung durch die zuständigen Regierungsmitglieder zu koordinieren. Verfassungsrechtlich zulässig wäre aber auch eine Regelung, die eine Adressierung an einzelne, zuständige Regierungsmitglieder vorsehen würde.Art. 63 Abs. 4 LV verpflichtet zu einer inhaltlichen Beantwortung, eine bloss formale Antwort wird dem Verfassungsauftrag nicht gerecht.[99] Wie eingehend das Regierungsmitglied die Anfrage beantwortet, kann durch die Verfassung oder die weiteren anzuwendenden Rechtsvorschriften nicht festgelegt werden; dies ist auch eine Frage der parlamentarischen Kultur. Andererseits ist es Sache des Landtages, auf Grund einer Nichtbeantwortung oder mangelhaften Beantwortung entsprechende Schritte zu setzen. Die Regierung kann sich nicht von vornherein auf eine Amtsverschwiegenheit berufen. Allerdings muss sie die aus der informationellen Selbstbestimmung erfliessenden Rechte Dritter, wie den Datenschutz, wahren.[100] Dies kann mitunter zu einem schwierigen Abwägungsprozess führen. Ein absoluter Vorrang der parlamentarischen Kontrolle gegenüber grundrechtlich geschützten Interessen Dritter besteht aber jedenfalls nicht. Auf grundrechtlich geschützte Positionen können sich grundsätzlich auch öffentliche Unternehmen berufen, soweit nicht die Auskunftsrechte der Regierung gemäss Art. 17 ÖUSG greifen. In der parlamentarischen Praxis werden die Interpellationen an kein konkretes Regierungsmitglied adressiert. Sie werden regelmässig auch von einer Mehrzahl an Interpellanten eingebracht, während Kleine Anfragen lediglich von einer Person eingebracht werden. Kleine Anfragen werden im Gegensatz zu Interpellationen auch an konkrete Regierungsmitglieder adressiert. Sie sind im Falle der Unzuständigkeit des angefragten Regierungsmitgliedes nicht zu beantworten. Quantitativ ist ein deutlicher Unterschied zwischen Interpellationen und Kleinen Anfragen festzustellen: Zwischen 2000 und 2009 kam es zu insgesamt 45 Interpellationen.[101] Demgegenüber wurden allein 2009 130 Kleine Anfragen gestellt.[102]4. Nicht in der Verfassung erwähnte KontrollinstrumenteWie dargestellt, regelt die Verfassung die Kontrollinstrumente des Landtages nicht abschliessend. So werden etwa in zahlreichen Rechtsvorschriften Berichtspflichten an den Landtag vorgesehen.[103]Ein Instrument der parlamentarischen Kontrolle in einem weiteren Sinne ist auch die Aktuelle Stunde im Landtag, in der gemäss Art. 49 Abs. 1 GOLT ein Thema von landespolitischer Bedeutung behandelt wird. Allerdings können gemäss Art. 49 Abs. 5 in der Aktuellen Stunde keine Anträge zur Sache gestellt und keine Beschlüsse getroffen werden.III. Die Rolle der GeschäftsprüfungskommissionA. AufgabenArt. 63 Abs. 1 zweiter Satz LV bestimmt, dass der Landtag sein Recht der Kontrolle unter anderem durch eine von ihm zu wählende Geschäftsprüfungskommission ausübt.[104] Die Geschäftsprüfungskommission zählt damit neben der Untersuchungskommission (Art. 63bis LV) und der Finanzkommission (Art. 63ter LV) zu den wenigen unmittelbar in der Verfassung verankerten Landtagskommissionen. Sie ist ein Hilfsorgan des Landtages.[105]Die Formulierung des Art. 63 Abs. 1 zweiter Satz LV stellt unmissverständlich klar, dass die parlamentarische Kontrolle nicht bei der Geschäftsprüfungskommission monopolisiert ist. Welche Aufgaben der Geschäftsprüfungskommission im Einzelnen übertragen werden, regelt die Verfassung nicht. Aus ihrer ausdrücklichen Einsetzung ist jedoch abzuleiten, dass sowohl der Gesetzgeber (GVVKG) als auch der Landtag (GOLT) gehalten sind, der Geschäftsprüfungskommission auch tatsächlich nennenswerte Aufgaben zu übertragen.Gemäss Art. 23 Abs. 1 GVVKG nimmt die Geschäftsprüfungskommission allgemein die Oberaufsicht über die Geschäftsführung von Regierung und Verwaltung unter Einschluss der Justizverwaltung wahr.[106]Konkret sind der Geschäftsprüfungskommission folgende Aufgaben übertragen:Im Rahmen der Kontrolle der Tätigkeit der Regierung bei der Steuerung öffentlicher Unternehmen:Im Rahmen des Datenschutzes:B. BefugnisseGemäss Art. 25 Abs. 1 GVVGK hat die Geschäftsprüfungskommission das Recht[111] , von allen Behörden, Amtsstellen und Kommissionen der Staatsverwaltung, von den vom Land getragenen Schulen sowie von Organen öffentlicher Unternehmen Auskünfte einzuholen. Sie ist gemäss Abs. 2 berechtigt, von der Regierung alle Akten der Verwaltung zur Einsicht zu verlangen.Die Regierung hat der Geschäftsprüfungskommission alle relevanten Dokumente (insbesondere Berichte, Abklärungen, Gutachten), auf welche sich ein Entscheid massgeblich abstützt, bekannt zu geben (Abs. 3). Soweit die Geschäftsprüfungskommission zur Beurteilung bestimmter Vorgänge spezifische Sachkenntnisse benötigt, ist sie entsprechend Art. 77 Abs. 3 GOLT wie die anderen Kommissionen befugt, Sachverständige beizuziehen.Soweit es zur Wahrung eines Amtsgeheimnisses, zur Wahrung schutzwürdiger persönlicher Interessen oder aus Rücksicht auf ein noch nicht abgeschlossenes Verfahren unerlässlich ist, kann die Regierung anstelle der Herausgabe von Akten einen besonderen Bericht erstatten. Genügt dieser Bericht der Geschäftsprüfungskommission nicht, hört sie die Regierung an (Abs. 3).C. OrganisationDie Geschäftsprüfungskommission wird nach den Bestimmungen der GOLT gewählt (Art. 22 Abs. 1 GVVKG). Sie kann Subkommissionen von mindestens zwei Mitgliedern bilden, denen im Rahmen ihrer Aufträge die gleichen Befugnisse zustehen wie der Gesamtkommission (Art. 22 Abs. 2 GVVKG).Gemäss dem allgemein für die Besetzung der Kommissionen geltenden Art. 71 Abs. 1 GOLT bestehen die Landtagskommissionen aus drei oder fünf Mitgliedern, hinsichtlich der Geschäftsprüfungskommission kann diese Zahl auf sieben erhöht werden.[112] Die Geschäftsprüfungskommission muss sich mehrheitlich aus ordentlichen Abgeordneten zusammensetzen, nur ordentliche Abgeordnete können den Vorsitz in einer Kommission führen (Art. 71 Abs. 2 und 3 GOLT).[113]Es herrscht der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit: Die Sitzungen sind nicht nur nicht öffentlich (Art. 73 As. 1 GOLT), über die Verhandlungen ist ausserdem Stillschweigen zu bewahren.[114] Ausgenommen sind lediglich Äusserungen gegenüber Landtagsabgeordneten und Regierungsmitgliedern sowie Berichterstattungen gemäss Art. 74 Abs. 1 und Art. 75 GOLT (Art. 73 Abs. 2 GOLT).D. BewertungDie Eignung der Geschäftsprüfungskommission, ihre Aufgaben ordnungsgemäss zu erfüllen, wird in der Literatur kritisch beurteilt.[115] Tatsächlich wird man vor allem das Potenzial, in der Ämterprüfung Missstände aufzudecken, als nicht allzu hoch einschätzen dürfen. Die Geschäftsprüfungskommission bedürfte wohl eines Apparates mit Fachexpertise, der ihr zuarbeitet, um diese Aufgabe effektiv wahrnehmen zu können.IV. Sanktionierung von MissständenDie Instrumente der parlamentarischen Kontrolle sind solche der politischen Kontrolle. Lediglich bei der „Ministeranklage“ an den Staatsgerichtshof tritt mit der Entscheidung des Staatsgerichtshofes ein rechtliches Element hinzu. Dies bedeutet, dass vom Landtag wahrgenommene Missstände nicht unmittelbar mit rechtlichen Wirkungen verbunden sind.[116] Es ist Sache des Landtages, ob die Regierung bzw. das jeweilige Regierungsmitglied weiterhin sein Vertrauen geniesst. Auch die Nichtbeachtung parlamentarischer Kontrolle durch Regierungsmitglieder, etwa die Nichtbeantwortung einer Interpellation oder die Erteilung falscher Informationen, ist per se folgenlos; es ist der Landtag, der weitere Konsequenzen ziehen müsste.
Der Landtag hat das Recht, Untersuchungskommissionen zu bestellen. Er ist dazu verpflichtet, wenn wenigstens ein Viertel der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten es beantragt. Parliament shall have the right to appoint committees of inquiry. It shall be required to do so when at least one quarter of the legally stipulated number of Members of Parliament so request.Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteDas Untersuchungsrecht zählt zu den klassischen Kontrollinstrumenten des Parlamentarismus und wird häufig als die „schärfste Waffe des Parlaments“ bezeichnet.[1] Dies deshalb, weil eine Untersuchungskommission (oder im deutschsprachigen Raum als Terminus häufiger gebraucht: ein Untersuchungsausschuss)[2] Vorgänge in der Exekutive in gerichtsförmiger Weise prüft, insbesondere durch Zeugeneinvernahmen, Einholung von Akten oder Expertisen von Sachverständigen. Dem abschliessenden Bericht eines Untersuchungsausschusses kommt häufig politische Brisanz zu, auch wenn mit ihm regelmässig keine unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen verbunden sind.[3]Die KonV kannte ein mit der heute geltenden Regelung vergleichbares Untersuchungsrecht des Landtages noch nicht. Im Entwurf Wilhelm Becks war in Art. 49 Abs. 1 allerdings bereits vorgesehen, dass der Landtag die Befugnis haben sollte, „behufs Information, Kommissionen zur Untersuchung von Tatsachen zu bestellen.“Die Regierungsvorlage Josef Peers orientierte sich an diesem Vorschlag und formulierte in § 63 Abs. 3: „Der Landtag hat das Recht, zur Feststellung von Tatsachen Kommissionen zu bestellen.“ Das Wort „Untersuchung“ kam jedoch bemerkenswerterweise nicht vor. In dieser Fassung wurde schliesslich Art. 63 Abs. 3 LV vom Landtag auch beschlossen.Damit war zwar grundsätzlich, wenngleich durch die Formulierung „Feststellung von Tatsachen“ etwas verbrämt, ein Untersuchungsrecht des liechtensteinischen Landtages verankert,[4] allerdings ohne ausführende Regelungen, denn die weiterhin in Kraft stehende Geschäftsordnung des Landtages aus dem Jahre 1863[5] kannte ein derartiges Instrument nicht.Solche Bestimmungen waren freilich auch auf der Basis der Geschäftsordnung von 1969,[6] die jene des Jahres 1863 ablöste,[7] nur rudimentär vorgesehen: Die Bestimmung des § 50, wonach der Landtag zur Feststellung von Tatsachen Untersuchungskommissionen einsetzen konnte, traf mit Ausnahme, dass der Begriff „Untersuchung“ nun erstmals im Zusammenhang mit einer Kommission ausdrücklich erwähnt wurde, keine weitergehenden Regelungen.[8] Für Untersuchungskommissionen galten daher die sonstigen für Kommissionen im X. Abschnitt der Geschäftsordnung vorgesehenen Regelungen. Ergiebiger waren die Regelungen im Gesetz vom 23. Mai 1969 über die Kontrolle der Staatsverwaltung, das in seinem Abschnitt III. eine Reihe von Sonderregelungen über Untersuchungskommissionen enthielt, die weitgehend auch im heute geltenden GVVKG enthalten sind.[9]Das Verfassungsgesetz vom 3. Dezember 1989[10] über die Abänderung der Verfassung, dem eine Volksabstimmung[11] vorausgegangen war, brachte den neuen Art. 63bis LV, der nun klar formulierte, dass der Landtag das Recht hat, Untersuchungskommissionen zu bestellen. Ausserdem kann eine qualifizierte parlamentarische Minderheit, nämlich ein Viertel der Abgeordneten, die Einsetzung einer solchen Untersuchungskommission beantragen. Der bisherige Art. 63 Abs. 3 LV wurde aufgehoben. Die neue Geschäftsordnung des Landtages[12] enthält nunmehr zwar detailliertere Regelungen über die Tätigkeit von Kommissionen, aber weiterhin keine spezifischen Regelungen für Untersuchungskommissionen. Solche sind jedoch, wie noch zu zeigen sein wird, neben dem GVVKG auch in der GOLT vorgesehen.[13]In der Praxis wurden vom liechtensteinischen Landtag bisher sechs Untersuchungskommissionen (zuweilen auch als Parlamentarische Untersuchungskommissionen bezeichnet) eingesetzt.[14] In systematischer Hinsicht handelt es sich dabei um nicht-ständige Kommissionen, die ad hoc zur Untersuchung bestimmter Vorkommnisse eingesetzt werden.[15]II. Das Untersuchungsrecht des LandtagesA. Adressat und Gegenstand des Untersuchungsrechtes1. Tätigkeit der RegierungAdressat des parlamentarischen Untersuchungsrechtes[16] ist, wie die parlamentarische Kontrolle überhaupt,[17] die Regierung. Ihr Verhalten bzw. das ihrer Mitglieder soll im Hinblick auf ihre politische Verantwortlichkeit untersucht werden. Daraus ergibt sich, dass die Regierung nur für solche Vorgänge verantwortlich gemacht werden kann, die sie selbst mit rechtlichen Instrumenten beeinflussen konnte. Das bedeutet: Soweit die Regierung bzw. ihre Mitglieder durch Verordnungen, Weisungen, verbindliche Instruktionen u.dgl. das Verhalten der Organe der Verwaltung steuern kann, soweit können Handlungen und Unterlassungen vom Landtag untersucht werden.Zu dieser, der Kontrolle im Rahmen einer Untersuchungskommission unterworfenen Regierungstätigkeit, zählen:2. Öffentliche Unternehmen als Gegenstand des UntersuchungsrechtesZahlreiche öffentliche Aufgaben werden heute von öffentlichen Unternehmen des privaten Rechts ausgeführt, die gänzlich oder teilweise im Eigentum des Staates stehen. Die Tätigkeit dieser Unternehmen zählt nicht zur Staatsverwaltung und kann nicht zum Gegenstand einer Untersuchung des Landtages gemacht werden, soweit es sich nicht um hoheitliche Tätigkeit handelt oder die Regierung auf die Gestion des Unternehmens keinen Einfluss hat.[18]Derartige öffentliche Unternehmungen können sowohl in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft[19] als auch einer Anstalt[20] oder einer Stiftung auftreten.[21] Öffentliche Unternehmen können allerdings auch als Körperschaften öffentlichen Rechts organisiert sein, wie etwa die Liechtensteinische Alters- und Hinterlassenen-Versicherung (AHV),[22] die Liechtensteinische Invalidenversicherung (IV)[23] oder die Liechtensteinische Alters- und Krankenhilfe (LAK).[24]Die gesetzlichen Regelungen wie das ÖUSG[25] oder Spezialnormen wie das AHVG und IVGerlauben der Regierung höchst unterschiedliche Einflussnahmen auf diese Unternehmungen. Die Regierung kann vom Landtag für die Vornahme oder Unterlassung solcher Einflussnahmen verantwortlich gemacht werden, aber eben nur in dem Rahmen, in welchem eine solche Einflussnahme rechtlich möglich ist. Kein Untersuchungsrecht des Landtages besteht hingegen gegenüber Entscheidungen der AHV und der IV über die Gewährung oder Nichtgewährung einer Leistung im Einzelfall, da die Regierung darauf keine rechtlich zulässige Einflussnahme hat. Ähnliches gilt hinsichtlich der Finanzmarktaufsichtsbehörde, die gemäss Art. 2 FMA-Gesetz[26] als selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit eingerichtet ist und die gemäss Art. 3 in der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig und an keine Weisungen gebunden ist.3. Der UntersuchungsgegenstandDer Untersuchungsgegenstand (in der Terminologie des Art. 31 Abs. 2 GVVKG: der „Auftrag“ an die Untersuchungskommission) ist durch den Landtagsbeschluss über die Einsetzung der Untersuchungskommission genau abzugrenzen.[27] Der präzisen Abgrenzung des Auftrages (in der Praxis handelt es sich jeweils um Fragen, welche die Untersuchungskommission beantworten soll) kommt auch deshalb besondere Bedeutung zu, weil die Verfassung keine Kontrolle hinsichtlich der Zulässigkeit dieses Auftrages an die Untersuchungskommission wie auch der Handlungen der Untersuchungskommission vorsieht.In Österreich wurde vor diesem Hintergrund in der Lehre die völlig übereinstimmende Auffassung vertreten, dass, mangels eines Fehlerkalküls,[28] sämtliche Handlungen eines Untersuchungsausschusses, der die von der Verfassung gesetzten Grenzen des Untersuchungsrechtes des Parlaments überschreitet, absolut nichtig und unbeachtlich sind.[29]Vor diesem Hintergrund lässt sich fragen, ob die Verfassungsrechtslage in Liechtenstein ähnlich zu interpretieren ist. Zwar besteht, wie dargestellt, keine explizite Prüfungsbefugnis des Staatsgerichtshofes von Akten einer Untersuchungskommission, allerdings hat der Staatsgerichtshof auch schon einen blossen Landtagsbeschluss als Akt der öffentlichen Gewalt im Sinne des Art. 15 Abs. 1 StGHG interpretiert und Individualbeschwerden davon betroffener Personen an den Staatsgerichtshof zugelassen.[30]Bestünde tatsächlich ein wirksames Instrument der Abhilfe gegen eventuell rechtswidrige Aufträge an die Untersuchungskommission, wäre die Frage zweifelhaft zu stellen, ob solche tatsächlich von vornherein nichtig sein können. Vielmehr wäre es wohl dem Staatsgerichtshof überantwortet, darüber zu urteilen und den Auftrag gegebenenfalls aufzuheben. Dies hätte freilich massive Konsequenzen für das System der Gewaltenteilung in Liechtenstein. In StGH 2005/97, Erw. 1.1, betont der Staatsgerichtshof denn auch, dass von seiner Kontrolle ausgenommen sind „gerichtsfreie Hoheitsakte, Regierungsakte und politische Akte der obersten Staatsorgane aus Rücksicht auf die Gewaltenteilung und die fehlende Kompetenz des Staatsgerichtshofs, politische Entscheidungen zu fällen.“Es wird daher zu differenzieren sein: Der Staatsgerichtshof hat jedenfalls keine Befugnis, den Beschluss des Landtages über die Einsetzung und den Auftrag an die Untersuchungskommission wie einen Gesetzgebungsakt im Rahmen einer Normenkontrolle zu überprüfen und gegebenenfalls aufzuheben. Ein privater Rechtsträger, der durch irgendeine Handlung der Untersuchungskommission, etwa durch das Verlangen, Akten herauszugeben, oder durch eine Vorladung vor die Kommission, eine Verletzung in seinen verfassungsmässig gewährleisteten Rechten behauptet, kann hingegen gemäss Art. 15 Abs. 1 StGHG Individualbeschwerde vor dem Staatsgerichtshof erheben. Eine solche Verletzung kann etwa dann vorliegen, wenn die Untersuchungskommission die ihr von der Verfassung gezogenen Grenzen ihres Wirkungsbereiches überschreitet, also beispielsweise Vorkommnisse prüft, auf welche die Regierung keine rechtliche Einflussmöglichkeit hat.4. Generelle AusnahmenVom Untersuchungsrecht des Landtages ausgenommen sind entsprechend Art. 63 Abs. 1 dritter Satz LV die Rechtsprechung und die Tätigkeit des Landesfürsten. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Untersuchungsrecht gemäss Art. 63bis LV nicht weiter reichen kann, als die Kontrollrechte des Landtages gehen. Hingegen besteht hinsichtlich der Justizverwaltung, wiederum im Einklang mit Art. 63 Abs. 1 erster Satz LV, sehr wohl ein Untersuchungsrecht des Landtages.[31]Konkret könnte der Landtag daher die Frage der Ausstattung der liechtensteinischen Gerichte mit Personal sowie Sachmitteln, für welche die Regierung die Verantwortung trägt, einer Untersuchung unterziehen, nicht aber das Handeln und Unterlassen der Richter.[32]Aus dem Umstand, dass Rechtsträger mit öffentlicher Beteiligung nur in sehr eingeschränktem Umfang dem Untersuchungsrecht des Landtages unterliegen, folgt, dass das Handeln Privater, wenn keine Verbindung zu staatlichem Handeln besteht, unabhängig davon, ob es sich um natürliche oder juristische Personen handelt, der Kontrolle durch eine Untersuchungskommission generell entzogen bleibt.[33] Dies gilt auch dann, wenn das private Handeln von Regierungsmitgliedern untersucht werden soll, solange kein unmittelbarer Zusammenhang mit ihrer politischen Tätigkeit besteht.[34]B. Das Untersuchungsrecht als Instrument der parlamentarischen MinderheitArt. 63bis LV verankert das Untersuchungsrecht als Minderheitenrecht, indem bereits ein Viertel der Abgeordneten die Einsetzung einer Untersuchungskommission verlangen kann.[35] Der Wortlaut des Art. 63bis zweiter Satz LV ist insoweit völlig eindeutig, als er eine Verpflichtung des Landtages statuiert, auf einen Antrag hin eine Untersuchungskommission einzusetzen.Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass der Antrag der qualifizierten Minderheit von einem Viertel, also mindestens sieben der 25 Abgeordneten, noch nicht auf der Stelle zu einer Einsetzung der Untersuchungskommission führt, sondern dass der Landtag eine solche erst einsetzen muss. In diesem Sinne spricht Art. 30 Abs. 2 GVVKG von einem Einsetzungsbeschluss, den der Landtag zu fassen hat. Die – durch das Vorliegen eines entsprechend unterstützten Antrags gebundene – Entscheidungskompetenz über die Einsetzung verbleibt beim Landtag. Die Landtagsmehrheit könnte sich demnach dadurch, dass sie es unterlässt, dem Verlangen Rechnung zu tragen, die Einsetzung einer Untersuchungskommission verhindern, freilich um den Preis eines gravierenden Verfassungsbruchs.Die Verfassung gibt im Übrigen keine Schranken vor, was die Zahl der möglichen Untersuchungskommissionen betrifft. Der Umstand, dass die administrative Abwicklung einer Untersuchungskommission für ein Milizparlament eine besondere Herausforderung darstellt, darf nicht vernachlässigt werden. Auch wenn es rechtlich möglich wäre, dass sogar mehrere Untersuchungskommissionen gleichzeitig tagen, dürfte es in der Praxis schwierig, wenn nicht unmöglich sein, mehrere Untersuchungskommissionen innerhalb eines Jahres abzuwickeln.Auch inhaltliche Schranken etwa der Art, dass die Vorgänge, die untersucht werden sollen, von grosser Tragweite sein müssen und einer besonderen Klärung bedürfen, bestehen nicht.[36] Es obliegt vielmehr dem politischen Ermessen der qualifizierten Minderheit des Landtages, welche Vorgänge sie untersucht wissen will.In welcher Form die Abgeordneten das Verlangen zu stellen haben, wird weder von der Verfassung noch der GVVKG noch der GOLT näher determiniert. Es gelten daher die allgemeinen für Anträge im Landtag vorgesehenen Bestimmungen. Das Verlangen ist, wenn es für die Landtagsmehrheit bindend sein soll, demnach entsprechend Art. 38 Abs. 1 GOLT schriftlich einzubringen und muss mit den Unterschriften von mindestens sieben Abgeordneten versehen sein. Unterschriften von stellvertretenden Abgeordneten zählen gemäss Art. 38 Abs. 3 GOLT nicht.Wird diese Zahl nicht erreicht, bedeutet dies freilich nicht, dass ein Antrag auf Einsetzung einer Untersuchungskommission im Landtag nicht zu behandeln wäre: Schliesslich müssen parlamentarische Eingänge gemäss Art. 38 Abs. 2 GOLT lediglich von mindestens einem Mitglied des Landtages unterschrieben sein. Rechtsfolge eines Antrages, der nicht von mindestens sieben Abgeordneten unterschrieben ist, ist freilich, dass der Landtag nur dann verpflichtet ist, eine Untersuchungskommission einzusetzen, wenn in der Landtagssitzung zumindest sieben Abgeordnete den Antrag unterstützen.III. Organisation und Verfahren der UntersuchungskommissionA. EinsetzungArt. 30 Abs. 1 GVVKG bestimmt, dass der Landtag zur Feststellung von Tatsachen sowie zur Abklärung von Verantwortlichkeiten Untersuchungskommissionen einsetzen kann.[37]Mit der unklaren und missverständlichen Wendung „Feststellung von Tatsachen sowie zur Abklärung von Verantwortlichkeiten“ wird zum Teil auf die frühere Formulierung des „Untersuchungsrechtes“ in Art. 63 Abs. 1 LV Bezug genommen. Unklar ist die verwendete Begrifflichkeit deshalb, weil es beim Untersuchungsrecht zum einen um die Abklärung von vermuteten Missständen in der Staatsverwaltung geht, zum anderen um die Abklärung von Verantwortlichkeiten der Regierung. Missverständlich ist die Formulierung, weil die Untersuchungskommission kein Gericht ist, welches rechtskräftig Tatsachen feststellen und das Vorliegen einer Verantwortung verbindlich bestätigen kann.[38] Es gibt schliesslich lediglich einen – nicht zwangsläufig von allen Mitgliedern der Kommission getragenen – Bericht der Untersuchungskommission, der im Landtag diskutiert wird. Art. 30 Abs. 1 zweiter Satz GVVKG bestimmt weiter, dass der Regierung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist.[39] Nachdem Art. 37 GVVKG eine Sonderbestimmung für das rechtliche Gehör der Regierung während laufender Untersuchung enthält, kann die Regelung in Art. 30 Abs. 1 zweiter Satz GVVKG nur so verstanden werden, dass diese Gelegenheit zur Stellungnahme vor Fassung des Einsetzungsbeschlusses des Landtages zu gewähren ist. Dies gilt auch dann, wenn der Landtag, weil ein qualifiziertes Verlangen nach Einsetzung einer Untersuchungskommission vorliegt, verpflichtet ist, eine Untersuchungskommission einzusetzen. Die Stellungnahme der Regierung soll es nämlich ermöglichen, den Auftrag der Untersuchungskommission zu präzisieren (Art. 30 Abs. 2 GVVKG).Die Unterlassung der Anhörung der Regierung kann bewirken, dass der Beschluss über die Einsetzung der Untersuchungskommission rechtswidrig zustande gekommen ist.In der Praxis können sich schwierige Fragen stellen, wenn der Auftrag an die Untersuchungskommission im Einsetzungsbeschluss des Landtages nicht der von der qualifizierten Landtagsminderheit beantragten Formulierung entspricht. Der Landtag befindet sich in diesem Fall in einer schwierigen Situation: Er ist einerseits durch die Verfassung verpflichtet, dem Antrag auf Einsetzung einer Untersuchungskommission Rechnung zu tragen, muss andererseits aber auch die verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen des Untersuchungsrechtes, also insbesondere, dass der untersuchte Vorgang dem Bereich der Staatsverwaltung zuzuordnen sein muss, wahren.In einem solchen Fall wird man wohl dem Minderheitenrecht den Vorrang einzuräumen haben: Der Landtag wäre also, sofern sich im Verhandlungsweg mit der Minderheit keine andere Lösung finden lässt, gehalten, den Auftrag an die Untersuchungskommission in der verlangten Formulierung zu beschliessen. Das Resultat wäre freilich nach der weiter oben vertretenen Auffassung (siehe Kapitel II.A.1) die absolute Nichtigkeit des Auftrages, sofern er die verfassungsrechtlichen Grenzen des Untersuchungsrechtes des Landtages überschreitet.Der Einsetzungsbeschluss steckt den Rahmen der weiteren Tätigkeit der Untersuchungskommission ab. Die Kommission selbst darf den Auftrag nicht überschreiten und hat ihn auszuführen. Der Landtag hat allerdings die Möglichkeit, den Beschluss abzuändern.Die Einsetzung einer Untersuchungskommission hindert die Durchführung anderer rechtlicher Verfahren nicht (Art. 40 GVVKG), was bedeutet, dass sowohl Verfahren vor den Zivil-, als auch Strafgerichten sowie den Verwaltungsbehörden eingeleitet und fortgesetzt werden können.[40]B. OrganisationÜber die Zusammensetzung der Untersuchungskommission treffen weder das GVVKG noch die GOLT spezifische Regelungen. Dies bedeutet, dass die allgemeinen Vorschriften des Art. 71 Abs. 1 erster Satz GOLT hinsichtlich der Mitgliederzahl von Kommissionen gelten. Demnach bestehen Kommissionen aus drei oder fünf Mitgliedern. Gemäss Art. 71 Abs. 4 GOLT hat jede in Fraktionsstärke im Landtag vertretene Partei das Recht, in den Kommissionen, also auch in der Untersuchungskommission, vertreten zu sein.Die Wahl des Vorsitzenden erfolgt gemäss Art. 71 Abs. 4 GOLT durch den Landtag. Wird der Landtagspräsident in eine Kommission gewählt, führt er den Vorsitz von Amts wegen.In der allgemeinen parlamentarischen Praxis wird der Vorsitz in einem Untersuchungsausschuss häufig an einen Vertreter einer Oppositionspartei übertragen.[41] Dem ist die Praxis in Liechtenstein bisher nicht gefolgt, da der Vorsitz regelmässig von der Mehrheitsfraktion gestellt wurde.[42]Wenn, wie in der Legislaturperiode 2013 bis 2017, dem Landtag vier Fraktionen angehören, muss eine Untersuchungskommission zwangsläufig aus fünf Mitgliedern bestehen.C. AbläufeDas GVVKG trifft einige Sonderbestimmungen, die das Verfahren der Untersuchungskommission – eher rudimentär – regeln. Demnach kann die Untersuchungskommission Subkommissionen einsetzen, denen im Rahmen ihrer Aufträge die gleichen Befugnisse zustehen wie der Gesamtkommission (Art. 30 Abs. 3 GVVKG).Dies ist bemerkenswert, erwähnt doch die GOLT an keiner Stelle die Möglichkeit, eine Subkommission einzusetzen. Trotz des Umstandes, dass auch die Verfassung über dieses Instrument schweigt, wird man dem Gesetzgeber die Kompetenz, Subkommissionen zu Landtagskommissionen vorzusehen, zugestehen können. Ausser in Art. 30 Abs. 3 GVVKG wird der Begriff der Subkommission noch in Art. 22 Abs. 2 GVVKG verwendet, wonach die Geschäftsprüfungskommission Subkommissionen von mindestens zwei Mitgliedern bilden kann.[43] Die Intention dieser Bestimmungen liegt darin, die Geschäftsprüfungskommission wie die Untersuchungskommission dadurch zu entlasten, dass sie die Möglichkeit haben, aufwändige Untersuchungstätigkeiten an diese Subkommissionen zu delegieren.Auch hinsichtlich der Untersuchungskommission wird man davon auszugehen haben, dass eine Subkommission wie bei der Geschäftsprüfungskommission mindestens zwei Mitglieder aufweisen muss, da eine Kommission begrifflich eine Mehrzahl von Personen voraussetzt.Weiters wird die Subkommission aus Mitgliedern der Untersuchungskommission selbst bestellt sein müssen, wodurch freilich die Entlastungsmöglichkeiten der Kommissionsmitglieder deutlich eingeschränkt sind.Zum Verfahren ist in Art. 32 Abs. 1 GVVKG vorgesehen, dass jede Untersuchungskommission nach Massgabe des Auftrages und des GVVKG die für ihre Ermittlungen erforderlichen verfahrensmässigen Vorkehrungen bestimmt. Es ist damit weitgehend ins Ermessen der Kommission gestellt, wie sie ihre Arbeiten strukturiert und welches Procedere sie festlegt.Hinsichtlich der Befugnisse regelt Art. 32 Abs. 2 GVVKG, dass die Untersuchungskommission befugt ist, Auskunftspersonen zu befragen, Zeugen einzuvernehmen und die Herausgabe von Akten zu verlangen. Ferner ist sie befugt, Sachverständige beizuziehen und Augenscheine vorzunehmen.[44] Soweit in diesem Gesetz keine besonderen Vorschriften für die Beweiserhebungen enthalten sind, finden die einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltungspflege und ergänzend der Zivilprozessordnung sinngemäss Anwendung.[45] Die erforderlichen finanziellen Mittel müssen, sofern der Voranschlag des Landtages dafür keine Vorsorge gemacht hat, vom Landtag zur Verfügung gestellt werden.Gerichte und Verwaltungsbehörden haben den Untersuchungskommissionen Rechts- und Amtshilfe zu leisten (Art. 31 GVVKG). Dies muss auch dann erfolgen, wenn parallel zu den Untersuchungen der Kommission Verfahren der Gerichte oder der Staatsanwaltschaft laufen. Gemäss Art. 33 Abs. 1 GVVKG sind einer Untersuchungskommission auf ihr Begehren alle einschlägigen Akten der Staatsverwaltung herauszugeben. Personen, die ausserhalb der Staatsverwaltung stehen, haben einer Untersuchungskommission die in ihren Händen befindlichen Akten insoweit herauszugeben, als sie gemäss Art. 34 GVVKG der Zeugnisplicht unterliegen (Art. 33 Abs. 2 GVVKG).Die Bestimmungen müssen verfassungskonform interpretiert werden: Akten sind nur soweit herauszugeben, als sie vom Auftrag der Untersuchungskommission erfasst sind und darüber hinaus der Auftrag der Untersuchungskommission seine verfassungsrechtlichen Grenzen nicht überschreitet. Dasselbe gilt für Personen ausserhalb der Staatsverwaltung. Selbst dann, wenn sie als Zeugen geladen sind, haben sie die Akten nur soweit herauszugeben als dies vom Auftrag der Untersuchungskommission gedeckt ist und soweit als der Auftrag die verfassungsrechtlichen Grenzen der Untersuchungskommission nicht überschreitet. Eine solche verfassungskonforme Verpflichtung kann beispielsweise bei ehemaligen Regierungsmitgliedern bestehen, deren Handlungen von der Untersuchungskommission geprüft werden.Für die Zeugenvernehmung und die Einholung von Auskünften (Art. 34 und 35 GVVKG) gilt nichts anderes. Art. 34 Abs. 2 GVVKG erlaubt auch die Vorführung eines Zeugen vor der Untersuchungskommission. Für die Aussage gelten dieselben Regeln wie vor Gericht oder einer Verwaltungsbehörde, nämlich die Wahrheitspflicht (Art. 34 Abs. 3 GVVKG). Die Wahrheitspflicht vor der Untersuchungskommission steht gemäss Art. 39 GVVKG unter gerichtlicher Strafdrohung. Die Strafdrohung erfasst aber auch die Verweigerung der Herausgabe von Akten ohne gesetzlichen Grund (Art. 39 Abs. 2 GVVKG), was die Betroffenen vor mitunter schwierig zu bewältigende Abwägungsfragen stellt.Art. 36 GVVKG statuiert eine allgemeine Geheimhaltungspflicht der Mitglieder, Sekretäre, Protokollführer und Auskunftspersonen sowie Sachverständigen in Bezug auf solche Äusserungen vor der Untersuchungskommission, die der Amtsverschwiegenheit unterliegen.Wiederum gilt, was hinsichtlich von Geheimhaltungspflichten zu Art. 63 LV[46] gesagt wurde: Die Auskunftspflicht gegenüber der Untersuchungskommission entbindet nicht automatisch von entgegenstehenden Verschwiegenheitspflichten etwa auf Grund des Datenschutzes. Der Regierung wird in Art. 37 GVVKG das Recht eingeräumt, durch einen Vertreter den Untersuchungshandlungen beizuwohnen und Ergänzungsfragen an die Zeugen und Auskunftspersonen zu stellen sowie in die herausgegebenen Akten und in die Gutachten, Expertenberichte und Vernehmungsprotokolle Einsicht zu nehmen. Eine Möglichkeit, eine Anwesenheit von Regierungsmitgliedern etwa zu dem Zweck auszuschliessen, um eine unbefangene Vernehmung von Staatsbediensteten herbeizuführen, gibt es nicht.Dieses Mitwirkungsrecht der Regierung ist dahingehend eingeschränkt, als das Schwergewicht der Untersuchungshandlungen bei der Kommission liegen muss. Dies geht schon aus der Verwendung des Begriffs „Ergänzungsfragen“ hervor. Die Regierung soll die Untersuchungskommission weder dominieren noch präjudizieren, sie soll vielmehr, wie auch aus der Überschrift des Art. 37 GVVKG hervorgeht, ihr rechtliches Gehör wahrnehmen können.[47]In gleicher Weise gestattet Art. 38 Abs. 1 GVVKG Personen, die durch die Untersuchung in ihren Interessen unmittelbar betroffen sind, die Wahrnehmung der in Art. 37 Abs. 1 der Regierung zugestandenen Rechte. Solche Personen können etwa Staatsbedienstete sein, denen Verfehlungen angelastet werden. Diesen Betroffenen ist ausserdem nach Abschluss der Ermittlungen und vor der Berichterstattung an den Landtag Gelegenheit zu geben, sich vor der Untersuchungskommission zu äussern.Art. 40 GVVKG stellt schliesslich klar, dass die Einsetzung einer Untersuchungskommission die Durchführung anderer rechtlicher Verfahren nicht hindert, womit insbesondere gerichtliche Untersuchungen gemeint sind. Dass es dadurch zu praktischen Schwierigkeiten, etwa bei der Aktenübermittlung kommen kann, liegt auf der Hand.Die Einhaltung dieser Verfahrensregeln im Zusammenspiel mit dem LVG und der Zivilprozessordnung ist für ein Milizparlament ungemein schwierig. Immerhin lässt sich dem Art. 36 GVVKG, der neben den Mitgliedern der Untersuchungskommission auch von deren Sekretären und Protokollführern spricht, entnehmen, dass sich die Kommission insbesondere durch Beiziehung von „Sekretären“ juristischen Beistand besorgen darf. Ob es sich dabei ausschliesslich um Personen handeln muss, die dem Parlamentsdienst angehören oder ob auch Externe von der Untersuchungskommission mit beratender Stimme beigezogen werden können, lässt das Gesetz offen. Zieht man in Erwägung, dass es der Untersuchungskommission ganz allgemein frei steht, Auskunftspersonen und Sachverständige beizuziehen, wird man davon ausgehen können, dass die Untersuchungskommission auch externe Personen für insbesondere juristische Beratung beiziehen darf.D. BerichterstattungDie Untersuchungen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses münden typischerweise in einen Bericht, mit dem keine unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen verbunden sind. Auch die Rechtslage in Liechtenstein macht davon keine Ausnahme: Gemäss Art. 41 Abs. 1 GVVKG hat die Untersuchungskommission nach Abschluss der Untersuchungen dem Landtag Bericht zu erstatten.[48] Dieser Bericht ist gleichzeitig der Regierung zur Kenntnis zu bringen, woraus zu schliessen ist, dass es sich um einen schriftlichen Bericht handeln muss.Gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung beschliesst die Untersuchungskommission darüber, zu welchem Zeitpunkt ihr Bericht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Wenn die Kommission keinen diesbezüglichen Beschluss fasst, wird der Bericht gleichzeitig mit der Übermittlung an die Regierung öffentlich.Der Bericht der Untersuchungskommission kann von der Mehrheit ihrer Mitglieder beschlossen werden. Das GVVKG enthält keine Bestimmung über ein Sondervotum überstimmter Mitglieder. Dass die Aufnahme eines Sondervotums in den Bericht der Untersuchungskommission unzulässig wäre, dafür gibt es allerdings keine Hinweise. Fraglich ist lediglich, ob die mit ihrer Meinung unterlegenen Mitglieder die Möglichkeit haben, ein solches Sondervotum zu erzwingen. Gerade die Offenheit des Art. 41 GVVKG, der von einem Bericht der Untersuchungskommission spricht, lässt annehmen, dass jedes Mitglied die Möglichkeit haben muss, eine von der Mehrheit abweichende Meinung in einem Sondervotum dem Bericht anzuschliessen.E. DiskontinuitätDie vom Landtag eingesetzte Untersuchungskommission unterliegt der Diskontinuität insofern, als sie kein Mandat hat, nach Ende der Legislaturperiode weiterzuarbeiten. Hingegen schadet das Ende der Sitzungsperiode des Landtages nicht: Die Untersuchungskommission kann gemäss Art. 78 Abs. 2 GOLT weiterarbeiten und bedarf auch keiner neuerlichen Einberufung.[49]Gelingt es der Untersuchungskommission nicht, ihren Bericht innerhalb der Legislaturperiode zum Abschluss zu bringen, werden ihre Arbeiten nur dann in der darauf folgenden Legislaturperiode weiter verfolgt, wenn der Landtag die Einsetzung einer neuerlichen Untersuchungskommission beschliesst. In einem solchen Fall wird die neue Untersuchungskommission auf die Arbeiten der vorangegangenen zurückgreifen können. Nicht ausgeschlossen ist es, dass der Landtag für die neuerliche Untersuchungskommission einen geänderten Untersuchungsgegenstand beschliesst.IV. PraxisbeispieleA. Briefmarken-Affäre und Lawena-Kraftwerk 1921Aus dem Jahre 1921 sind zwei Vorgänge bekannt, die als Untersuchungskommissionen betrachtet werden können:[50]In der sogenannten Briefmarkenfrage[51] wählte der Landtag am 17. September 1921 (also noch vor Inkrafttreten der neuen Verfassung) eine aus zwei Personen bestehende Kommission, die dem Landtag Bericht erstatten sollte.[52] Dieser Bericht erging am 28. Dezember 1921. Er führte letztlich dazu, dass die Regierung die Vertragsverhältnisse mit dem Briefmarkenkonsortium auflöste.Eine weitere, noch gar nicht auf der Grundlage der Verfassung von 1921 eingesetzte „Untersuchungskommission“ bildete die am 30. Juli 1921 auf Antrag des Abg. Wilhelm Beck aus zwei Personen bestehende Kommission, welche die Baukostenüberschreitungen bei dem am 27. Oktober 1919 beschlossenen Lawena-Kraftwerk untersuchen sollte.[53] Die beiden Mitglieder der Kommission legten am 21. September und 4. November 1921 ihren Untersuchungsbericht vor. Der verantwortliche Ingenieur wird als Hauptschuldiger genannt, aber der Landtag und die Lawenawerk-Kommission seien zu gutgläubig und sachlich überfordert gewesen. Als Konsequenz daraus wurde der Vertrag mit dem Ingenieur aufgelöst und eine neue Lawenawerk-Kommission gewählt. Im Jahre 1923 wurde das Vorhaben als Landesunternehmen „Landeswerk Lawena“ auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt.[54]Aus den folgenden Jahrzehnten sind bis in die späteren 1980er Jahre keine weiteren Untersuchungskommissionen mehr bekannt.B. Gescheiterte Untersuchungskommission betreffend Kunsthaus-/Staatsgerichtshofaffäre (1988)Am 15. November 1988 stellte die FPB-Fraktion einen Antrag auf Bestellung einer Untersuchungskommission in der sogenannten Staatsgerichtshofaffäre.[55] Die Fragen lauteten wie folgt: „1. Ist der Bericht des Präsidenten des Staatsgerichtshofes[56] über das Vorstellungsverfahren StGH 1984/2/V (Kunsthaus-Fall) durch den Staatsgerichtshofpräsidenten im Auftrag des Staatsgerichtshofes verfasst und von diesem auch genehmigt worden? 2. Wurde der Bericht auf Staatskosten herausgegeben und wenn ja, unter welchem Budgetposten scheint dies auf? 3. Welches sind die Gründe für den Rücktritt von Prof. Dr. Wildhaber als Mitglied des Staatsgerichtshofes? 4. Welches sind die Gründe, aus denen Prof. Dr. Luzius Wildhaber als Mitglied des Staatsgerichtshofes von der Teilnahme an den Sitzungen des Staatsgerichtshofes ausgeschlossen wurde?“[57]Der FBP-Antrag wurde am 21. Dezember 1988 im Landtag behandelt. Untersuchungskommissionen waren nach Verfassung und Geschäftsordnung des Landtags möglich, bedingten damals allerdings eine mehrheitliche Zustimmung im Landtag. Da eine solche Mehrheit für eine parlamentarische Untersuchungskommission zur Aufklärung des sogenannten Kunsthausfalls und insbesondere das Verhalten des Präsidenten des Staatsgerichtshofes auf Antrag der FBP nicht zustande kam, verliess die FBP am 21. Dezember 1988 den Landtagssaal. Der Landtag wurde beschlussunfähig und am 23. Januar 1989 aufgelöst, sodass es am 3./5. März 1989 zu vorgezogenen Neuwahlen kam.Die VU hatte in der Landtagssitzung – was in der Tat nahelag – angezweifelt, dass die Fragen gemäss FBP-Antrag und damit die Einsetzung einer PUK verfassungskonform seien. Es ging insbesondere um die Frage, inwieweit der Landtag auf diese Weise in die Kompetenzen eines Gerichtes eingreifen würde. Am 30. Januar 1989 ersuchte daher Herbert Batliner (1982 bis 1986 Präsident der FPB) den Salzburger Universitätsprofessor Heinz Schäffer mit einem Gutachten zu dieser Frage. Das Gutachten kam zum Schluss, dass alle von der FBP aufgeworfenen Fragen sowie generell eine Untersuchung zulässig seien, solange die richterliche Unabhängigkeit nicht tangiert ist.[58]Das Scheitern dieses Versuchs führte zu einer Volksinitiative, die die Einsetzung einer Untersuchungskommission zu einem Minderheitenrecht machen wollte und damit erfolgreich war (siehe oben Kapitel I).C. Untersuchungskommission Kunsthaus- und Staatsgerichtshofaffäre (Dezember 1989 bis März 1991)In der Sitzung vom 13./14. Dezember 1989 bestellte der Landtag eine Untersuchungskommission, die von VU und FBP gemeinsam beantragt wurde.[59]Die vier Fragen lauteten: „1. Ist der Bericht des Präsidenten des Staatsgerichtshofes über das Vorstellungsverfahren (Kunsthaus-Fall) durch den Staatsgerichtshof-Präsidenten im Auftrag des Staatsgerichtshofes verfasst und von diesem auch genehmigt worden? 2. Wurde der Bericht auf Staatskosten herausgegeben und wenn ja, unter welchem Budgetposten scheint dies auf? 3. Welches sind die Gründe für den Rücktritt von Prof. Dr. Luzius Wildhaber als Mitglied des Staatsgerichtshofes? 4. Welches sind die Gründe, aus denen Prof. Dr. Luzius Wildhaber als Mitglied des Staatsgerichtshofes von der Teilnahme an den Sitzungen des Staatsgerichtshofes ausgeschlossen wurde?“[60]Ein Zwischenbericht der PUK im Landtag erfolgte am 26. Juni 1990. Der Schlussbericht der PUK[61] wurde in der Sitzung vom 26. März 1991 im Landtag behandelt.[62]D. Wohnbauförderung (August 1996 bis Dezember 1996)Am 18. September 1996[63] wurde eine Untersuchungskommission eingesetzt betreffend die gesetzwidrige Vergabe von Wohnbauförderungsmitteln. Wiederum war der Antrag von allen Fraktionen gemeinsam getragen. Noch im gleichen Jahr wurde der Bericht[64] der Untersuchungskommission am 11. Dezember 1996 im Landtag diskutiert und zur Kenntnis genommen.[65]E. Liechtensteinische Krankenkasse (September 1997 bis März 2000)Am 17. September 1997 stellte die FBP den Antrag zu einer Untersuchungskommission betreffend die Liechtensteinische Krankenkasse. In der gleichen Sitzung musste nämlich über einen Kredit des Landes zur Sanierung der Kasse in der Höhe von 6 Mio. Franken entschieden werden.[66]Nach Ausführung von Landtagspräsident Peter Wolff sollte der Auftrag an die PUK folgende drei Aufgaben umfassen:Die Einsetzung einer PUK wurde mit 21 Stimmen beschlossen.Am 15. März 2000 wurde der Bericht[68] der PUK im Landtag zur Kenntnis genommen. Die PUK hatte neben ihren eigenen Untersuchungen einen externen Experten beigezogen und von diesem ein Gutachten eingeholt (Dr. Ulrich Meyer-Blaser, PD Universität Zürich).F. Landespolizei (Dezember 1999 bis September 2001)Am 17. Dezember 1999 wurde ein Antrag auf Bestellung einer PUK betreffend die Liechtensteinische Landespolizei gestellt.[69] Es ging um jahrelange personelle Querelen im Team und den Führungsgremien der Landespolizei. Die PUK wurde massgeblich von der FBP-Fraktion initiiert – Wortführer im Landtag war Gabriel Marxer (FBP) – und erhielt Unterstützung von der FL mit Wortführer Adolf Ritter (FL).Die PUK wurde mit mehrheitlicher Zustimmung (16 Stimmen) eingesetzt.Am 14. Dezember 2000 folgte ein mündlicher Zwischenbericht der PUK im Landtag.[70]Nach den darauf folgenden Landtagswahlen mussten die Mitglieder der PUK in der Landtagssitzung vom 29. März 2001 neu gewählt werden.[71] Am 12. September 2001 wurde schliesslich der Bericht der PUK „Landespolizei“ im Landtag diskutiert.[72]G. Verwaltungsrat Liechtensteiner RundfunkIn diesem Fall wurde keine Untersuchungskommission eingesetzt: Anlass der Diskussionen war die Abberufung von Norbert Seeger und Alexander Batliner aus dem Verwaltungsrat des Liechtensteiner Rundfunk (LRF) durch den Landtag. Hintergrund waren finanzielle Defizite des Rundfunks. Seeger und Batliner wurden mit 13 Stimmen der VU und der FL[73] abberufen, während die FBP-Abgeordneten dagegen votierten. Der Staatsgerichtshof hatte jedoch in seinem Urteil vom 1. September 2006, StGH 2005/97, dem Landtag aufgetragen, ein förmliches Verfahren über die Abberufung der beiden Verwaltungsräte durchzuführen. In der Landtagssitzung vom 26. Oktober 2006 stellte nun Abg. Doris Beck (VU) – gestützt auf Art. 55 GOLT – den Antrag auf Einsetzung einer besonderen Landtagskommission:In der weiteren Diskussion wurde von FBP-Abgeordneten einschliesslich Landtagspräsident Klaus Wanger kritisiert, dass es sich in diesem Falle eher um eine Untersuchungskommission handle, dies aber im vorliegenden Falle verfassungswidrig wäre. Der Hinweis auf Art. 55 GOLT zeigt indes, dass es sich nicht um eine PUK handeln sollte.Im nachfolgenden Traktandum stimmte der Landtag mit 13 Stimmen der Einsetzung einer Kommission zu. In die Kommission – nicht als Untersuchungskommission deklariert – wurden Doris Beck (Vorsitzende), Heinz Vogt (beide VU) und Paul Vogt (FL) gewählt. Die FBP verzichtete auf Einsitz. Markus Büchel: „Im Namen der Fortschrittlichen Bürgerpartei möchte ich festhalten, dass wir in eine aus unserer Sicht rechtswidrige Kommission keine Mitglieder bestellen werden.“[75]Der Bericht dieser Kommission[76] wurde am 26. April 2007 im Landtag diskutiert.[77] Der Bericht zeigte wohl Probleme und Unzulänglichkeiten auf, enthielt sich aber einer Bewertung, ob es „grobe Pflichtverletzungen“ gewesen seien, die eine Abberufung durch den Landtag rechtfertigten.H. Liechtensteinische Post AGIm November 2015 musste sich der Landtag mit einem Nachtragskredit zur Sanierung der Liechtensteinischen Post AG in der Höhe von 6,12 Mio. Franken befassen. Die DU-Fraktion kündigte im Vorfeld der Landtagsdebatte an, einen Antrag auf Einrichtung einer PUK zu stellen.In der Landtagssitzung vom 4. November 2015 stellte der DU-Abg. Erich Hasler Antrag auf ein Zusatztraktandum 5a: Parlamentarische Untersuchungskommission betreffend Liechtensteinische Post AG. Der Antrag wurde mit 8 Ja- gegen 17 Nein-Stimmen abgelehnt. Neben der geschlossenen DU-Fraktion stimmten je ein Mitglied der FBP- und VU-Fraktion für den Antrag sowie zwei FL-Abgeordnete. Stattdessen wurde dem Antrag der FBP-Fraktionssprecherin Christine Wohlwend gefolgt, das Traktandum als Zusatztraktandum 29a gegen Ende der dreitägigen Landtagssitzung aufzunehmen. Dem Antrag wurde mit 19 Stimmen zugestimmt. Unter den sechs Ablehnenden waren die vier Mitglieder der DU-Fraktion sowie je ein Abgeordneter der VU und der FL.Am 6. November wurde somit über die Bestellung einer PUK betreffend die Liechtensteinische Post AG beraten. FBP-Fraktionssprecherin Christine Wohlwend rügte das Vorgehen der DU-Fraktion, dass erst wenige Stunden vor dem eigentlichen Landtag die Auftragsformulierung an die PUK per E-Mail an die Fraktionen gegangen sei.[78]In der Landtagssitzung rügte Regierungschef-Stellvertreter Thomas Zwiefelhofer, dass der von der DU-Fraktion vorgelegte Fragenkatalog der Regierung nicht vorgelegt worden war: „Dann wurde noch gefragt, ob die Regierung zur Stellungnahme aufgefordert wurde, wie es vorgesehen ist für eine Einsetzung einer PUK. Ich habe meinen Kollegen, den Regierungschef, gefragt und ich weiss es auch von den anderen Kollegen: Die Regierung wurde bis jetzt nicht zur Stellungnahme eingeladen und wir haben diesen Fragenkatalog auch offiziell noch nicht gesehen. Also ich habe ihn heute Abend jetzt hier gehört, aber die Regierung wurde bis jetzt nicht zur Stellungnahme eingeladen.“[79] Auch Regierungschef Adrian Hasler kritisierte diesen Punkt im Verlauf der Debatte. Nach einem Sitzungsunterbruch wurde ein zwischen den Fraktionen besprochener und modifizierter Fragenkatalog vorgebracht.Im Landtag wurde Antrag auf namentliche Abstimmung gestellt. Die Einsetzung der PUK mit fünf Mitgliedern erfolgte schliesslich mit 20 Ja-Stimmen gegen 5 Nein-Stimmen. Die Nein-Stimmen kamen von den VU-Abgeordneten Peter Büchel, Violanda Lanter-Koller, Judith Oehri und Thomas Vogt sowie der FL-Abgeordneten Helen Konzett Bargetze. Der personellen Zusammensetzung wurde mit 23 Stimmen zugestimmt. Gegenstimmen kamen von den beiden VU-Abgeordneten Violanda Lanter-Koller und Thomas Vogt. In die PUK gewählt wurden Erich Hasler (DU, Vorsitz), Helen Konzett Bargetze (FL), Manfred Kaufmann (VU), Norman Marxer (FBP) und Pio Schurti (DU).Der schliesslich beschlossene Fragenkatalog beinhaltete insbesondere folgende Punkte:„1. Das Projekt ‹eSolutions› soll von der Entstehung bis zum heutigen Tag untersucht und dokumentiert werden.2. Die Verantwortlichkeiten für die wesentlichen Entscheidungen, die für die Entscheidungen herangezogenen Grundlagen sowie die Angemessenheit der Vorgehensweisen sollen untersucht und geklärt werden.3. Die Untersuchungskommission soll abklären, ob Regierung und Verwaltungsrat[80] die Vorgaben des Gesetzes über die Steuerung und Überwachung öffentlicher Unternehmen (ÖUSG) und das Postorganisationsgesetz eingehalten haben oder nicht; ob Verwaltungsrat und Geschäftsleitung die Vorgaben der Beteiligungs- und Unternehmensstrategie eingehalten haben oder nicht; ob die Generalversammlung, Verwaltungsrat, Geschäftsleitung, Revision und Berater die Vorgaben des liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrechts (PGR) eingehalten haben oder nicht. 4. Nebst der Übernahme und dazu anfallenden Beraterkosten ist abzuklären, welche weiteren finanziellen Aufwendungen, Vergütungen, Boni, Spesen, VR-Honorare und andere Bezüge im Rahmen des Projekts ‹eSolutions› bei der Post und den involvierten Parteien, sowohl Personen als auch Firmen, angefallen sind.“[81] Am 6. Juni 2016 veröffentlichte die PUK den "Zwischenbericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) in Sachen Liechtensteinische Post AG an den Hohen Landtag".[82] Er wurde in der Landtagssitzung vom 8. Juni 2016 verhandelt und zur Kenntnis genommen.[83] Am 10. November 2016 konnte die PUK den definitiven "Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission Liechtensteinische Post AG" veröffentlichen.[84]
Der Landtag bestellt eine Finanzkommission, der durch Gesetz auch die Beschlussfassung über den Erwerb und die Veräusserung von Grundstücken des Verwaltungs- und des Finanzvermögens sowie die Mitwirkung bei der Verwaltung des Finanzvermögens übertragen werden können. Parliament shall appoint a finance committee to which the passing of resolutions on the acquisition and alienation of landed property belonging to the administrative and financial assets as well as participation in the administration of the financial assets may also be transferred by law. Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteArt. 63ter ist mit LGBl. 1997 Nr. 46 in die Verfassung eingefügt worden. Die Neuerung war von einer im Vorfeld eingesetzten Parlamentsreformkommission vorgeschlagen worden und stand im Kontext einiger weiterer Neuerungen, wie dem Entfall des Abberufungsrechtes von Abgeordneten durch ihre Fraktion im damaligen Art. 47 Abs. 2 LV sowie dem Wegfall der Regelung von Unvereinbarkeiten zwischen Funktionen in der Regierung, den Gerichten und im Landtag (Art. 46 Abs. 4 LV).[1]Den Materialien zufolge sollte mit der Bestimmung des Art. 63ter LV die verfassungsmässige Grundlage für die damals bereits bestehende Praxis bestimmter Kompetenzdelegationen des Landtages auf die Finanzkommission geschaffen werden.[2] Nach damaligem einfachgesetzlichem Recht konnte der Landtag nämlich gemäss Art. 28 Abs. 3 Finanzhaushaltsgesetz die Regierung ermächtigen, Grundstücke mit Genehmigung der Finanzkommission bzw. des Landesausschusses zu erwerben, zu veräussern und zu verpfänden. Diese Ermächtigung erteilte der Landtag regelmässig in Art. 11 des jeweiligen Finanzgesetzes.[3]Die Finanzkommission war schon in § 48 der Geschäftsordnung des Landtages aus dem Jahre 1969[4] explizit erwähnt und – gemeinsam mit der Geschäftsprüfungskommission – für die jeweils laufende Sitzungsperiode zu wählen.Eine solche Delegation von Befugnissen des Landtages auf eine Kommission, ohne dass dies in der Verfassung verankert war, wurde zu Recht als verfassungsrechtlich problematisch betrachtet. Die Parlamentsreformkommission schlug daher, wenngleich nicht einhellig,[5] die Schaffung einer expliziten Rechtsgrundlage vor.Mit LGBl. 2010 Nr. 372 erfolgte eine weitere Änderung. Nunmehr hatte der Landtag eine Finanzkommission zu bestellen, der durch Gesetz auch die Beschlussfassung über den Erwerb und die Veräusserung von Grundstücken des Verwaltungs- und des Finanzvermögens sowie die Mitwirkung bei der Verwaltung des Finanzvermögens übertragen werden können. Diese Mitwirkung bei der Verwaltung des Finanzvermögens bildete die wesentliche Neuerung.II. Stellung und Organisation der FinanzkommissionArt. 63ter LV stellt die einzige Erwähnung der Finanzkommission in der Verfassung dar.[6] Die Bestimmung verpflichtet den Landtag, eine Finanzkommission zu bestellen, die damit zu den ständigen Kommissionen des Landtages zählt.[7]Hinsichtlich der Organisation ist die GOLT in ihrer Gestaltungsmöglichkeit weitgehend frei. Hinsichtlich der Mitgliederzahl gelten die für die Kommission allgemein bestehenden Regelungen des Art. 71 GOLT. Die Finanzkommission hat demnach – wie schon die seinerzeitigen Kommissionen auf der Grundlage der Geschäftsordnung des Landtages aus dem Jahre 1863 – aus drei oder fünf Mitgliedern zu bestehen. Nachdem gemäss Art. 71 Abs. 4 GOLT jede in Fraktionsstärke vertretene Partei das Recht hat, in den Kommissionen vertreten zu sein, kommt praktisch nur eine aus fünf Mitgliedern bestehende Finanzkommission in Betracht. In den letzten Jahrzehnten war die Finanzkommission mit fünf Mitgliedern besetzt.[8] Die Wahl des Kommissionsvorsitzenden erfolgt durch den Landtag (Art. 71 Abs. 5 GOLT).III. Aufgaben der FinanzkommissionA. GrundlagenDie Verfassung bestimmt in Art. 63ter LV, dass die Übertragung der darin bezeichneten Aufgaben des Landtages an die Finanzkommission in das Ermessen des Gesetzgebers gestellt ist. Diese Bindung an eine gesetzliche Grundlage besteht nur insoweit, als der Finanzkommission Aufgaben übertragen werden, die sie an Stelle des Landtages wahrnimmt. Tatsächlich wird man davon ausgehen müssen, dass die Übertragung von Beschlussfassungsaufgaben des Repräsentativorgans an eine Kommission eine entsprechende verfassungsrechtliche Grundlage, wie sie mit Art. 63ter LV geschaffen wurde, bedingt. Die Übertragung von Aufgaben an die Finanzkommission an Stelle des Landtages ist nach dem klaren Wortlaut der Verfassung auf die Beschlussfassung über den Erwerb und die Veräusserung von Grundstücken und die Mitwirkung bei der Verwaltung des Finanzvermögens beschränkt. Im Umkehrschluss ergibt sich, dass Aufgabenübertragungen ausserhalb dieser Agenden, sofern sie die Beschlussfassung durch den Landtag ersetzen sollen, verfassungswidrig sind.Im Übrigen steht es der GOLT bzw. den Gesetzen frei, in welchem Ausmass sie die Finanzkommission mit Aufgaben der Vorberatung der Gegenstände der Landtagssitzung betrauen. Solche Regelungen treffen Art. 65 GOLT und Art. 18 GVVKG.B. Aufgaben im Einzelnen1. Vorberatung von FinanzangelegenheitenArt. 65 GOLT trifft hinsichtlich der Finanzkommission in diesem Sinne die Regelung, dass sie den Voranschlag des Staates zu prüfen hat (Abs. 1). Sie prüft und begutachtet zudem sämtliche von der Regierung zuhanden des Landtages verabschiedeten Vorlagen mit finanziellen Auswirkungen (Abs. 2). Schliesslich obliegt der Finanzkommission die Wahrnehmung von Aufgaben nach der Finanzhaushaltsgesetzgebung.Art. 18 GVVKG bestimmt überdies, dass die Regierung der Finanzkommission sämtliche Vorlagen, für die sie zuständig ist, rechtzeitig zur Überprüfung vorlegt. Die Kommission ihrerseits übermittelt ihre Sitzungsprotokolle, Stellungnahmen, Empfehlungen und Entscheidungen den Mitgliedern des Landtages sowie der Regierung.a) Prüfung des VoranschlagesDabei handelt es sich um eine Beratung im Vorfeld des jährlichen Finanzgesetzes des Landtages. Entscheidung und Ergebnisse der Beratungen der Finanzkommission sind für den Landtag nicht verbindlich. Aufgabe der Finanzkommission ist es, die Entscheidung des Landtages durch ihre Expertise zu erleichtern, was freilich voraussetzt, dass entsprechend qualifizierte Abgeordnete in die Kommission gewählt werden. Diesem Erfordernis zu entsprechen, ist freilich für ein kleines Milizparlament nicht leicht. Der Finanzkommission wurde in der Literatur attestiert, dass es mehr als fraglich erscheine, ob sie ihre Aufgaben erfüllen könne.[9] Allgäuer verwies zudem auf die allgemein kurze Beratungsdauer in der Kommission.[10]Die Tätigkeit der Finanzkommission werde demnach auch von den Abgeordneten selbst kritisch beurteilt.[11] Beck knüpft an diese Kritik an und schlägt vor, die Finanzkommission zu vergrössern und die Unterstützung durch den Parlamentsdienst zu verbessern.[12] Demgegenüber ist festzuhalten, dass die Einrichtung der Finanzkommission es immerhin ermöglicht, dass sich die mit diesen Aufgaben betrauten Abgeordneten spezialisieren können und damit zumindest eine gewisse Kontrolle ausüben können.b) Prüfung und Begutachtung von Vorlagen mit finanziellen AuswirkungenNach Art. 65 Abs. 2 GOLT hat die Finanzkommission anders als bei der Prüfung des Voranschlages nicht nur die Aufgabe der Prüfung, sondern auch der Begutachtung. Die GOLT meint damit wohl, dass es Aufgabe der Finanzkommission ist, die Vorlagen nicht nur zu beraten, sondern auch eine fundierte fachliche Empfehlung abzugeben. Im modernen Gesetzgebungsprozess bedeutet dies jedoch eine Überforderung einer Kommission eines vergleichsweise kleinen Milizparlamentes. Nachdem nahezu jede Staatstätigkeit finanzielle Auswirkungen hat, ist die Aufgabe der Finanzkommission daher eine nahezu unumschränkte. Andererseits fehlten ihr das Expertenwissen über die Bedeutung der Vorlage für die Verwaltung. Sie ist mehr oder weniger auf die Angaben der Regierung im Bericht und Antrag angewiesen. Dort wird im Übrigen auf die finanziellen Auswirkungen rechtsetzender Tätigkeit nur rudimentär eingegangen, was der Finanzkommission eine Auseinandersetzung mit der jeweiligen Thematik zusätzlich erschwert.[13]2. Wahrnehmung der ihr durch Gesetz übertragenen AufgabenHinsichtlich dieser Aufgaben verweist Art. 65 Abs. 3 GOLT auf die „Finanzhaushaltsgesetzgebung“. Damit ist das Finanzhaushaltsgesetz gemeint.[14] Neben verschiedenen Informationspflichten der Regierung gegenüber der Finanzkommission[15] sieht das Gesetz die Genehmigungspflicht bestimmter Finanzgeschäfte der Regierung bei Verwaltungsvermögen, soweit die Geschäfte die in Art. 66 Abs. 1 LV genannten Beträge für ein Finanzreferendum nicht überschreiten, sowie bei Finanzvermögen, soweit die Geschäfte den Betrag von 1 Mio. Franken überschreiten, vor. Hinsichtlich Geschäften betreffend das Verwaltungsvermögen ist die Regierung bis zum Betrag von 30‘000 Fr. uneingeschränkt zuständig.[16]Die Regierung ist gehalten, die zustimmungspflichtigen Geschäfte der Finanzkommission vorzulegen, bevor sie eine Verpflichtung eingeht.[17]Gemäss Art. 33 Abs. 2 Finanzhaushaltsgesetz erlässt die Regierung im Einvernehmen mit der Finanzkommission Richtlinien über die Rahmenziele und Strategien sowie über die Zuständigkeiten und Organisation der Vermögensverwaltung.Diese Einvernehmensbindung der Regierung mit einem parlamentarischen Organ ist im Hinblick auf die Gewaltenteilung ebenfalls nicht unproblematisch. Auch wenn man im Sinne der Judikatur des Staatsgerichtshofes davon ausgeht, dass das Gewaltenteilungsprinzip in Liechtenstein nicht so stark ausgeprägt ist,[18] ist es jedenfalls diskussionswürdig, wenn die Regierung einen Verwaltungsakt, nämlich die Erlassung von Richtlinien, nicht ohne Zustimmung der Finanzkommission setzen kann.Ebenso problematisch im Hinblick auf die Gewaltenteilung ist die Einvernehmensbindung der Regierung an die Zustimmung der Finanzkommission – wenngleich praktisch vermutlich wenig bedeutend – bei der Betrauung von bestimmten Amtspersonen mit der Befugnis zum Erlass von Verwaltungsstrafboten gemäss Art. 147 Abs. 4 LVG.Gemäss Art. 34 des Besoldungsgesetzes[19] setzt der Landtag weiters auf Vorschlag der Finanzkommission den Beschäftigungsgrad für die Regierungsmitglieder fest. Diese Regelung ist verfassungskonform, da die Entscheidungsbefugnis nicht von der Finanzkommission, sondern vom Landtag wahrgenommen wird.Verfassungswidrig ist hingegen die Regelung des Art. 105 Abs. 5 lit. b) Einführungs-Gesetz vom 13. Mai 1924 zum Zollvertrag mit der Schweiz vom 29. März 1923,[20] wonach die Regierung ermächtigt ist mit Regierungen anderer Staaten Verträge oder Übereinkommen über Sachen aus allen Rechtsgebieten im Einvernehmen mit der Finanzkommission bzw. bei wichtigeren Angelegenheiten im Einvernehmen mit dem Landtage abzuschliessen. Die Mitwirkungsbefugnisse des Landtages beim Abschluss von Staatsverträgen ergeben sich nämlich ausschliesslich aus Art. 8 LV. Soweit ein Staatsvertrag demnach genehmigungspflichtig ist, darf die Genehmigung auch nur durch den Landtag erfolgen; ist er nicht genehmigungspflichtig, darf der Gesetzgeber keine Genehmigung durch ein anderes Organ vorsehen.
1) Das Recht der Initiative in der Gesetzgebung, d. h. zur Einbringung von Gesetzesvorschlägen steht zu:Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteDie Geschichte der Bestimmung des Art. 64 LV spiegelt eindrücklich den Wandel in der Rolle von Landesfürst, Landtag und Volk in der Gesetzgebung seit dem Konstitutionalismus wider:Diese Bestimmung monopolisierte demnach das Recht, dem Landtag Gesetze vorzulegen, beim Landesfürsten. Der Landtag hatte lediglich die Möglichkeit der Zustimmung oder Ablehnung, bzw. durfte in Bezug auf deren Erlassung, Abänderung oder Aufhebung vorstellig werden.[1] Dies entsprach im Wesentlichen dem Standard anderer frühkonstitutioneller Verfassungen, während verschiedene fortschrittlichere Staaten den Ständen bereits das Recht der Gesetzesinitiative zusprachen.[2]§ 41 KonV räumte dem Landtag, was die Gesetzgebung betraf, dagegen schon gleiche Rechte wie dem Landesfürsten ein: Die Bestimmung hatte mit der Rezeptionsvorlage noch gemein, dass eine Verweigerung der Zustimmung einer nochmaligen Befassung desselben Landtages mit der Angelegenheit entgegenstand. Nicht eindeutig geht aus der Verfassung hervor, dass der Landtag berechtigt war, einen ihm vorgelegten Gesetzesvorschlag des Landesfürsten abzuändern. In der Staatspraxis kam es jedoch durchaus vor, dass die vorberatenden Kommissionen Abänderungen vorschlugen, denen er dann zustimmte.[3]Im Verfassungsentwurf des Prinzen Karl wurde dieser Praxis dahingehend Rechnung getragen, dass in § 46 vorgesehen war, dass Gesetzesvorschläge vor den Landtag als Vorlagen der Regierung, als Vorlagen von Landtagskommissionen und von einzelnen Mitgliedern des Landtages gelangen sollten. Vor allem aber war in § 34 bereits ein so bezeichnetes Volksbegehren, offenbar in Anlehnung an österreichische Terminologie, vorgesehen, das als eine Art von Initiative bezeichnet werden konnte. Ein von 1’000 stimmberechtigten Wählern unterstütztes Volksbegehren sollte zwingend einer Volksabstimmung unterworfen werden.[4]In den Schlossabmachungen war in Pkt. 7. vereinbart worden: „Die Grundrechte der Bürger sind in der Verfassung eingehend und in zeitgemässer Weise festzulegen. Das Recht des Referendums und der Initiative ist mit Fixierung der Stimmenzahl einzuführen und zu regeln.“[5] Damit wurden zwei Formen direkter Demokratie angesprochen: Das Referendum im Sinne einer Abstimmung über einen gefassten Gesetzesbeschluss des Landtages und die Initiative in Form eines Gesetzesvorschlags des Volkes. In der Modifikation der Schlossabmachungen vom 13. September 1920 wurde hinsichtlich der Initiative ergänzt: „Verfassungsreferendum und Initiative erheischen wenigstens 500 wahlberechtigte Stimmen.“[6]Der Verfassungsentwurf Wilhelm Becks (Art. 50) änderte daran, dass Landtag und Landesfürst in der Einbringung von Gesetzesvorschlägen gleichberechtigt sein sollten, nichts. Allerdings war erstmals – wohl in Orientierung an Schweizer Vorbildern[7] – und im Sinne der Schlossabmachungen vorgesehen, dass auch das Volk, nämlich 400 Bürger, deren Wahlfähigkeit durch die zuständigen Ortsvorstehungen ihres Wohnsitzes bestätigt sein sollte, einen Gesetzesvorschlag im Landtag einzubringen berechtigt war und dass diese Initiative im nächsten Landtag (gemeint: Landtagssitzung) behandelt werden musste. Die näheren Bestimmungen sollten durch Gesetz getroffen werden.Der Wortlaut dieses Initiativrechts im Verfassungsentwurf Becks lässt freilich offen, ob damit lediglich eine Befassung des Landtages, ähnlich wie beim sogenannten Volksbegehren im österreichischen Verfassungsrecht[8] auf Bundes- und Landesebene, durch das Volk ermöglicht werden sollte, oder es auch zulässig sein sollte, dass das Volk im Wege einer Volksgesetzgebung an Stelle des Landtages, aber gemeinsam mit dem Landesfürsten als Gesetzgeber tätig wurde.Die Regierungsvorlage Josef Peers behielt das Initiativrecht im Sinne des Vorschlags Wilhelm Becks bei, es sollte allerdings bereits wenigstens 300 wahlberechtigten Landesbürgern zukommen, alternativ konnten allerdings auch drei Gemeinden in Form übereinstimmender Gemeindeversammlungsbeschlüsse ein solches Begehren unter Vorlage eines ausgearbeiteten Gesetzesentwurfs stellen. Damit ging man deutlich über die Vorgaben der Schlossabmachungen hinaus.Ausserdem wurde in Art. 66 Abs. 4 der Regierungsvorlage die Bestimmung aufgenommen, wonach dann, wenn der Landtag einen ihm im Wege der Volksinitiative zugegangenen Gesetzesentwurf ablehnte, derselbe der Volksabstimmung zu unterziehen war. Die Annahme des Entwurfs durch die wahlberechtigten Landesbürger ersetzte den Gesetzesbeschluss des Landtages.Peer widmete gerade der Frage des Referendums- und Initiativrechts viel Zeit und besprach sich mit dem St. Galler National- und Regierungsrat Emil Grünenfelder über die gesetzliche Regelung der Initiative und des Referendums, wobei er sich auf die „einschlägigen Bestimmungen der schweizerischen Kantonalverfassungen und die […ihm] von Herrn Nationalrat Dr. Grünenfelder gegebenen Winke und Aufklärungen“ stützte.[9] Die Vorschrift, wonach die Initiative in der Form eines ausgearbeiteten Gesetzesentwurfes eingereicht werden müsse, sollte einen Missbrauch des Instruments verhindern.[10] Gemeint war damit wohl, dass die Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfes gewisse juristische Kenntnisse voraussetzte und damit prohibitiv gegenüber allzu leichtfertig eingebrachten Initiativen wirkte.Die Verfassungskommission nahm an diesem Vorschlag gravierende Änderungen vor:[11] Die Zahl der wahlberechtigten Landesbürger, die eine Initiative einbringen konnten, wurde von 300 auf 500, wie dies in den Schlossabmachungen vorgesehen war, hinaufgesetzt, das explizite Erfordernis der Vorlage eines ausgearbeiteten Gesetzesentwurfs entfiel. Darüber hinaus erhielt Art. 64 VK mit Abs. 3 die Ergänzung, dass, wenn das Begehren auf Erlassung eines Gesetzes gerichtet ist, aus dessen Durchführung dem Land entweder eine einmalige im Finanzgesetz nicht schon vorgesehene oder eine länger andauernde Belastung erwächst, das Begehren vom Landtag nur dann in Verhandlung zu ziehen war, wenn es zugleich auch mit einem Bedeckungsvorschlag versehen ist.[12] Damit sollte der einleuchtende Gedanke verwirklicht werden, dass diejenigen, die ein neues, ausgabenwirksames Gesetz verlangten, sich auch Gedanken darüber zu machen hatten, wie diese Kosten finanziert werden sollten.Schliesslich wurde bestimmt, dass ein die Verfassung betreffendes Initiativbegehren nur von wenigstens 700 wahlberechtigten Landesbürgern oder wenigstens vier Gemeinden gestellt werden durfte. Die näheren Bestimmungen über diese Volksinitiative sollten durch Gesetz getroffen werden.[13]Begründend wurde ausgeführt, dass die Erhöhung der Zahl auf 500 bzw. 700 erfolgte, um „oberflächlichen Treibereien, woher sie auch kommen mögen“, eine Schranke zu setzen. Ausserdem erfolgte ein Verweis auf die Rechtslage in der Schweiz, wo nach damals gültigem Recht ein Initiativbegehren 50’000 Unterschriften erforderte. Das Erfordernis eines Bedeckungsvorschlags erfolgte, um „schädlicher Popularitätshascherei entgegenzuwirken.“[14]Die Bestimmung des Art. 64 blieb in der nachfolgenden Diskussion im Landtag jedoch weiterhin umstritten: In der schliesslich beschlossenen Verfassung wurde die Zahl der erforderlichen Unterstützungserklärungen gegenüber dem Vorschlag der Verfassungskommission auf 400 reduziert, bei der Verfassungsinitiative auf 600.[15]Aus diesen intensiven Auseinandersetzungen zum Initiativrecht wird deutlich, dass es nicht lediglich darum gehen konnte, dass der Landtag einen ausreichend unterstützten Gesetzesvorschlag von stimmberechtigten Landesbürgern zu behandeln hatte, sondern auch darum, dass entsprechend den Schweizer Vorbildern impliziert war, dass im Falle der Ablehnung durch den Landtag die Initiative im Wege einer Volksabstimmung zum Gesetz werden konnte, wie dies die einfachgesetzlichen Grundlagen, die in der Folge ausgearbeitet wurden, auch vorsahen:[16] Gemäss Art. 37 Abs. 2 des damaligen Volksrechtegesetzes beauftragte der Landtag, sofern er einem ausgearbeiteten Gesetzesentwurf nicht zustimmte, die Regierung mit der Anordnung einer Volksabstimmung.[17]Die Verfassung überliess die nähere Ausführung zwar dem einfachen Gesetzgeber, ging aber von einem Begriff der Volksinitiative aus, wonach sie eben nicht wie das österreichische Volksbegehren in der blossen Behandlung durch den Landtag ihre Bestimmung finden sollte. Dies entspricht auch der „demokratischen Grundlage“ der konstitutionellen Erbmonarchie (Art. 2 LV), die bewusst neben das parlamentarische Element gesetzt ist.[18]1947 wurden die für die Initiativen massgeblichen Unterstützungen auf 600 bzw. 900 erhöht.[19] 1984 wurde der insbesondere durch die Einführung des Frauenstimmrechts erfolgten Erhöhung der Zahl der Stimmberechtigten Rechnung getragen und diese Werte auf die heute geltenden 1’000 bzw. 1’500 wahlberechtigten Landesbürger erhöht.[20] Zieht man in Betracht, dass die Zahl der (ausschliesslich männlichen) Stimmberechtigten 1919 bei 1’775 lag und bei der Volksabstimmung vom 18. September 2016 über das Familienzulagengesetz 19’765 Personen stimmberechtigt waren, entsprechen die heutigen Schwellwerte nur einem Bruchteil der 1921 nach langem Ringen festgelegten Zahlen.II. Gesetzgebung in LiechtensteinA. AllgemeinesZum Begriff des Gesetzes ist auf die zu Art. 9 LV gemachten Ausführungen zu verweisen.[21] Es handelt sich um generell-abstrakte Normen, die in einem formellen Gesetzgebungsverfahren erlassen werden.[22]Art. 64 LV bildet ein tragendes Element des von der Verfassung vorgezeichneten Gesetzgebungsverfahrens, indem er zum einen bestimmt, wer dem Landtag Gesetzesvorschläge vorlegen darf (Abs. 1),[23] zum anderen, wie das Volk im Wege einer Initiative selbst Gesetzesvorschläge vorlegen darf (Abs. 2 bis 5).Die Bestimmung regelt das Gesetzgebungsverfahren allerdings nicht abschliessend, sondern bezieht sich lediglich auf dessen Einleitung. Die Behandlung der Gesetzesvorschläge im Landtag selbst ist Sache der Geschäftsordnung (vgl. Art. 60 LV), die Beschlussfassung wird im Art. 58 LV geregelt und die Frage eines allfälligen Referendums über diesen Beschluss in Art. 66 LV. Weiters bedürfen alle Gesetze der Sanktion des Landesfürsten (Art. 9 LV)[24] und der anschliessenden Kundmachung (Art. 67 LV).Das Zustandekommen eines Gesetzes durch Volksinitiative ergibt sich ausserdem neben der weiteren Vorschrift des Art. 66 Abs. 6 LV aus den Bestimmungen des VRG, auf welches Art. 64 Abs. 5 LV verweist.B. Einleitung des GesetzgebungsverfahrensArt. 64 Abs. 1 LV unterscheidet drei alternative Formen der Einbringung eines Gesetzesvorschlags, nämlich als:In der Praxis sind die meisten Gesetzesbeschlüsse des Landtages auf Regierungsvorlagen zurückzuführen.[26] Parlamentarische Initiativen oder solche des Volkes treten demgegenüber deutlich zurück. Dies entspricht zwar der Realität in so gut wie allen Parlamenten, in einer kleinen Institution wie dem liechtensteinischen Landtag ist jedoch die Herausforderung für die Abgeordneten bei der Aufgabe, komplexe Gesetze vorzubereiten, besonders gross.[27] Dessen ungeachtet hat der Landtag vermöge des Art. 64 Abs. 1 LV auch die Kompetenz, selbst und ohne Zutun der Regierung Gesetzesvorschläge zu erarbeiten, was ein wichtiger Aspekt der „parlamentarischen Grundlage“ (Art. 2 LV) des Fürstentums ist.1. RegierungsvorlagenArt. 64 Abs. 1 lit. a LV spricht von der Einbringung von Gesetzesvorschlägen durch den Landesfürsten in der Form von Regierungsvorlagen. Damit wird scheinbar das in der Zeit der Konstitutionellen Verfassung bestehende Modell, in welcher der Landesfürst gleichsam an der Spitze der Regierung stand, weitergeführt. In Wahrheit sind jedoch Landesfürst und Regierung auf der Grundlage der Verfassung von 1921 (und in der Verfassungsrevision 2003 akzentuiert) getrennte Staatsorgane.[28]Immerhin geht aus der Bestimmung hervor, dass der Landesfürst selbst keine Regierungsvorlagen einbringen darf, sondern dies nur über die Regierung vornehmen kann.[29] Dessen ungeachtet ist in der Literatur unbestritten, dass der Landesfürst als solcher initiativberechtigt ist und der Regierung entsprechende „Aufträge“ erteilen darf, wie auch die Regierung ihrerseits nicht einen Auftrag des Landesfürsten abwarten muss, um dem Landtag einen Gesetzesvorschlag vorzulegen (vgl. Art. 93 lit. g LV).[30] Aus der Monopolisierung der Einbringung von Gesetzesvorschlägen als Regierungsvorlagen (von den beiden anderen, hier nicht in Betracht kommenden Tatbeständen des Art. 64 Abs. 1 LV abgesehen) ergibt sich allerdings, dass der Landesfürst die Regierung rechtlich nicht zwingen kann, eine Regierungsvorlage in seinem Sinne vorzulegen.[31] Eine andere Frage ist allerdings, ob eine Regierung, die sich einem derartigen Auftrag widersetzt, danach noch das Vertrauen des Landesfürsten geniesst (Art. 80 Abs. 1 LV).Die Verfassung von 1921 wollte wohl nicht ausschliessen, dass die Regierung aus eigener Initiative im Landtag eine Regierungsvorlage einbringt, sie löste sich im Wortlaut des Art. 64 Abs. 1 lit. a LV aber noch nicht ganz vom Modell des Konstitutionalismus, das die Regierung gleichsam als Organ des Landesfürsten betrachtete. Dies bedeutet, dass die Regierung bei der Einbringung der Regierungsvorlage nicht auf ein Einvernehmen mit dem Landesfürsten angewiesen ist.Auf einfachgesetzlicher Ebene bestimmt heute Art. 8 RVOG, dass „unter Vorbehalt des Initiativrechtes des Landesfürsten, des Landtages und des Volkes (…) die Kollegialregierung das Vorverfahren in der Gesetzgebung“ leitet. „Sie unterbreitet dem Landtag Entwürfe zu Gesetzes- und Finanzbeschlüssen sowie Staatsverträge nach Art. 8 Abs. 2 der Verfassung und erlässt die zur Durchführung der Gesetze und der direkt anwendbaren Staatsverträge erforderlichen Verordnungen.“ Freilich bleibt auch dann, wenn der Landesfürst der Regierung den Auftrag zur Erarbeitung einer Regierungsvorlage gibt, diese eine Aufgabe der Kollegialregierung.[33] Hinsichtlich der Art und Weise, wie eine Regierungsvorlage zustande kommt, trifft die Verfassung keine Regelungen. Der Begriff der Regierungsvorlage setzt allerdings voraus, dass die Regierung zuvor einen Beschluss über die Vorlage des Gesetzesvorschlags an den Landtag fasst. In diesem Sinne trifft der oben angeführte Art. 8 RVOG eine Klarstellung, dass die Vorlage von Gesetzesvorschlägen an den Landtag eine Angelegenheit der Kollegialregierung ist und daher auch der kollegialen Beschlussfassung unterliegt (vgl. auch Art. 13 ff. RVOG). Dies bedeutet, dass die Regierung den Inhalt der Regierungsvorlage und nicht etwa nur ihre Weiterleitung an den Landtag beschliesst.[34]Üblicherweise geht einer Regierungsvorlage eine Vernehmlassung[35] voraus, in welcher interessierten Kreisen Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf einer Regierungsvorlage gegeben wird.[36] Wem eine solche Stellungnahme übermittelt wird, ist – anders als in Art. 147 BV[37] – weitgehend nicht durch Rechtsvorschriften bestimmt.[38] Ein allgemeines Vernehmlassungsverfahren, in welchem die Öffentlichkeit Stellungnahme zu Gesetzesvorhaben erstatten kann, ist nicht ausdrücklich vorgeschrieben.[39] Es wird lediglich in verschiedenen Rechtsvorschriften an die Existenz einer solchen Vernehmlassung angeknüpft.[40]Bereits dieser Vernehmlassung ist in aller Regel ein verwaltungsinternes Vorverfahren vorgeschaltet, in welchem der Gesetzesentwurf erarbeitet und innerhalb der berührten Ressorts zirkuliert wird.[41]Art. 14 GVVKG enthält allgemeine Bestimmungen über die Berichte und Anträge zu den Vorlagen der Regierung an den Landtag, welche diese näher erläutern.[42] Üblicherweise enthalten bereits die Begutachtungsentwürfe der Regierung Erläuterungen, welche dann auch die Grundlage für den „Bericht und Antrag“ (BuA), den Begleittext zu den Regierungsvorlagen, darstellen.[43] Die Ausführungen des BuA zählen jedoch nicht zum Gesetz, geben aber Auskunft über die Intentionen des Gesetzgebers, was den BuA für eine historische, aber auch teleologische Interpretation zu einer wichtigen Quelle macht.[44] Ein Vorrang der historischen und teleologischen Interpretation gegenüber anderen Interpretationsmethoden ergibt sich daraus aber nicht.Gemäss Art. 30 lit. a GOLT bilden Vorlagen der Regierung Beratungsgegenstände des Landtages. Weitere Regelungen, etwa in welcher Form Regierungsvorlagen an den Landtag zu gelangen haben, treffen weder die GOLT noch das GVVKG.Man wird davon auszugehen haben, dass die Verfassung unter dem Begriff der Regierungsvorlage einen ausgearbeiteten Gesetzesvorschlag versteht, sie spricht ja in Art. 64 Abs. 1 selbst von einem „Gesetzesvorschlag“.[45] Dokumente, die zwar von der Regierung dem Landtag als Gesetzesvorschlag vorgelegt werden, aber in Wahrheit keinen ausgearbeiteten Gesetzestext enthalten, wären vom Landtag nicht in Behandlung zu ziehen, da es sich nicht um eine Regierungsvorlage im Sinne der Verfassung handelt. Der Umstand, dass das Erfordernis eines ausgearbeiteten Gesetzesvorschlags in der GOLT lediglich im Zusammenhang mit Initiativen aus dem Landtag selbst angesprochen wird (Art. 40 Abs. 2 GOLT), darf nicht zum Umkehrschluss verleiten, dass dieses Erfordernis bei Regierungsvorlagen nicht vorhanden sei. Vielmehr geht die GOLT wie auch die Verfassung davon aus, dass die Regierung mit ihrem für die Erarbeitung von Rechtsvorschriften spezialisierten Apparat dem Landtag selbstverständlich einen ausgearbeiteten Gesetzesvorschlag vorlegt.2. Gesetzesvorschläge des Landtages[46]Art. 30 lit. b GOLT spricht hinsichtlich der Beratungsgegenstände des Landtages von „Anträgen aus der Mitte des Landtages selbst“, ohne die erforderlichen formalen Voraussetzungen zu bestimmen. Art. 37 GOLT, der die Arten parlamentarischer Eingänge aufzählt, erwähnt in Abs. 1 lit. a die „Initiativen“, die in Art. 40 GOLT näher präzisiert werden. Demnach ist jedes Mitglied des Landtages befugt, Vorschläge zum Erlass eines neuen Gesetzes sowie zur Abänderung oder Aufhebung eines bestehenden Gesetzes einzubringen (Abs. 1). Art. 40 Abs. 2 GOLT trifft die Klarstellung, dass Gesetzesvorschläge in Form eines ausgearbeiteten Entwurfes einzureichen sind.[47] Freilich wird dies, wie bei der Regierungsvorlage, wohl bereits von der Verfassung vorausgesetzt.Die Regelung, dass jedes einzelne Mitglied des Landtages einen Gesetzesvorschlag einbringen kann, ist minderheitenfreundlich, trägt aber auch dem Umstand Rechnung, dass der liechtensteinische Landtag ein sehr kleines Parlament ist und die Voraussetzungen zur Einbringung von Vorlagen daher nicht allzu hoch geschraubt sein sollten.Wie bereits erwähnt, ist die Einbringung von Gesetzesinitiativen durch den Landtag eher selten.[48] Empirische Daten liegen allerdings nicht vor: Frommelt hält fest, dass „der Landtag heute die Gesetzgebung meist nur mehr im Sinne einer Richtungskontrolle begleitet und gleichzeitig der politischen Willensbildung die demokratiepolitisch notwendige Öffentlichkeit bietet.“[49]Häufiger ist eine „indirekte Initiative“, indem Abgeordnete eine Motion oder ein Postulat einbringen und die Regierung darin zum Handeln auffordern.[50] Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Milizparlament Landtag im Regelfall selbst nicht über die zur Ausarbeitung eines Gesetzesvorschlags erforderlichen Spezialkenntnisse verfügt. Im Gegensatz zur Motion an die Regierung, in welcher gemäss Art. 42 Abs. 1 lit. a GOLT die Regierung beauftragt wird, dem Landtag einen entsprechenden Gesetzesvorschlag zu unterbreiten, ist das Postulat für die Regierung ergebnisoffen, stellt also eine sanftere Form der Aufforderung zum Handeln dar.[51] Allerdings ergibt sich aus Art. 44 Abs. 2 GOLT, dass das Postulat von der Regierung zumindest zu beantworten ist, was sich nicht in einer blossen formalen Antwort, dass etwa die Regierung das Postulat zur Kenntnis genommen hat, erschöpfen darf.Es kommt freilich auch vor, dass der Landtag eine Kommission einsetzt, eine Vorlage zu einem bestimmten Thema auszuarbeiten.[52]3. Initiativen des Volkes[53]Die dritte Form, wie Gesetzesvorschläge vor den Landtag gelangen können, bildet die Initiative des Volkes. Art. 64 Abs. 1 lit. c LV verweist dazu ausdrücklich auf die nachfolgenden Bestimmungen, gemeint die Abs. 2 bis 5. Die Verfassung überträgt in Art. 64 Abs. 5 LV die nähere Ausführung der Bestimmungen der Abs. 2 bis 4 einem gesonderten Gesetz (Volksrechtegesetz).Grundsätzlich versteht man unter einer Verfassungs- oder Gesetzesinitiative die Befugnis einer bestimmten Anzahl von Stimmberechtigten oder Gemeinden, den Erlass, die Abänderung oder die Aufhebung eines Verfassungsgesetzes oder eines einfachen Gesetzes verlangen zu dürfen (siehe auch Art. 80 Abs. 1 VRG).[54]Die Gesetzesinitiative kann alle jene Gegenstände beziehen, die überhaupt gesetzlich geregelt werden dürfen, aber auch nur diese. Die Initiative kann somit keine Finanzbeschlüsse gesetzlich regeln, weil für diese von der Verfassung die Rechtsform des Beschlusses vorgesehen ist.[55] Es wäre aber auch unzulässig, wenn die Initiative individuell-konkrete Verwaltungsakte oder Gerichtsentscheide in Form von Gesetzesbeschlüssen treffen würde, weil damit der Grundsatz der Gewaltenteilung verletzt würde.[56]Hingegen kann die Gesetzesinitiative durchaus auch solche Regelungen zum Inhalt haben, die sonst Gegenstand von Verordnungen wären. So kann eine Initiative die gesetzliche Grundlage einer Verordnungsermächtigung beseitigen oder einfach anderslautende Regelungen auf Gesetzesstufe vorsehen, sodass bestehende Verordnungen gesetzwidrig werden.[57] Es muss sich aber um ein Gesetz handelt, einen Rechtstext im formellen Kleid einer Verordnung darf die Initiative nicht zum Gegenstand haben.Die Volksinitiative zielt demnach auf eine Fortbildung des Rechts und kann insbesondere von Gruppierungen, die bestehendes Recht ändern wollen, eingesetzt werden, ohne sich an die etablierte Politik wenden zu müssen.[58] Das Instrument kann freilich auch von Parteien genutzt werden, wenn sie mit einem Anliegen im Landtag nicht die erforderliche Mehrheit finden und sich daher direkt an das Volk wenden.Auf diese Form der Gesetzeseinbringung wird unter Kapitel III. noch näher eingegangen.C. Weitere Schritte des Gesetzgebungsverfahrens[59]Über die weiteren Schritte des Gesetzgebungsverfahrens, von der Einbringung (Art. 64 Abs. 1 LV) bis zur Beschlussfassung, die nach den Bestimmungen des Art. 58 LV zu erfolgen hat, besagt die Verfassung nichts.Die Geschäftsordnung ist daher in der Gestaltung dieses Abschnitts weitgehend frei. Art. 34 GOLT unterscheidet zwischen einer1. EintretensdebatteArt. 34 Abs. 1 GOLT bestimmt hinsichtlich der Beratung von Gesetzesvorlagen, dass jede Gesetzesvorlage zuerst der allgemeinen Diskussion über die Frage des Eintretens unterliegt. In dieser können Anträge auf Eintreten, Nichteintreten, Überweisung an eine Kommission oder an die Regierung, Verschiebung oder Rückweisung an die Regierung gestellt werden.[60]Art. 34 Abs. 1 GOLT eröffnet dem Landtag eine Reihe von Alternativen neben dem Eintreten in die Debatte, welche dazu führt, dass der ordentliche Weg des Gesetzgebungsverfahrens fortgesetzt wird.Der Beschluss des Landtages auf ein Nichteintreten hat dagegen die Wirkung, dass das Gesetz vorläufig nicht weiterverfolgt wird. Es ist jedoch rechtlich nicht ausgeschlossen, das Gesetz neuerlich auf die Tagesordnung zu setzen, was dem Landtag erlaubt, eine andere Entscheidung zu treffen.Die Überweisung an eine Kommission ist in Liechtenstein vergleichsweise selten,[61] in anderen Parlamenten dagegen die Regel: Dort erfolgen die intensiven Vorberatungen einer Gesetzesvorlage, über welche dann im Plenum des Parlaments definitiv entschieden wird.Der Landtag kann auch eine Überweisung oder Rückweisung an die Regierung beschliessen. Der Unterschied der beiden Vorgänge besteht darin, dass die Überweisung an die Regierung stattfindet, wenn ein Gesetzesvorschlag aus der Mitte des Landtages erfolgt, eine Rückweisung begrifflich voraussetzt, dass der Gesetzesvorschlag von der Regierung selbst gekommen ist. Hat der Landtag einen entsprechenden Beschluss auf Überweisung oder Rückweisung gefasst, kann er die Beratung der Vorlage nicht einfach wieder aufnehmen. Er muss vielmehr abwarten, was die Regierung vorlegt. Dies schliesst freilich nicht aus, dass einer oder mehrere Abgeordnete den Gesetzesvorschlag neuerlich einbringen.Verschiebung: In diesem Fall wird die Behandlung des Gesetzesvorschlags auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Eine Verschiebung kann auch auf unbestimmte Zeit erfolgen.2. Erste und Zweite LesungIm Falle des Eintretens folgen gemäss Art. 34 Abs. 2 GOLT „in der Regel“ zwei „Lesungen“, bestehend aus einer „Beratung durch Aufruf der einzelnen Artikel“ sowie eine „Schlussabstimmung“ (zu letzterer siehe näher nachfolgend unter Kapitel 3.).Eine Verlesung der Gesetzesvorlage findet statt, wenn zumindest ein Viertel der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Landtages (also nicht nur der Anwesenden!) einem solchen Antrag zustimmt (Art. 34 Abs. 2 zweiter Satz GOLT).Auf Antrag eines Mitglieds des Landtages können auch einzelne Artikel einer Gesetzesvorlage verlesen werden (Art. 34 Abs. 2 dritter Satz GOLT). In der Praxis wird eine derartige Verlesung nicht begehrt. Die Debatte zu den einzelnen Artikeln wird zwar in der parlamentarischen Diskussion gelegentlich als „Aritkelverlesung“ bezeichnet, eine eigentliche Verlesung findet jedoch nicht statt.[62]Eine Gesetzesvorlage kann allerdings auf Antrag mit nachfolgender einhelliger Zustimmung auch lediglich durch Gesetzesaufruf beraten werden, sofern es sich um rein formale, wiederholende oder rein gesetzestechnische Gesetzesvorlagen handelt (Art. 34 Abs. 2 vierter Satz GOLT).Was die Abstimmung über Abänderungsanträge betrifft, gelangen die allgemeinen Vorschriften des Art. 52 GOLT zur Anwendung.[63] Art. 34 Abs. 3 und 4 GOLT enthalten jedoch spezielle Bestimmungen über die Einbringung von Abänderungs-, Zusatz- oder Streichungsanträgen, die bis zur Abstimmung über den jeweiligen Artikel eingebracht werden können. Die terminologische Differenz zwischen Art. 34 Abs. 3 GOLT, der von Abänderungs-, Zusatz- und Streichungsanträgen spricht, und Art. 52 GOLT, der lediglich von Abänderungsanträgen (einschliesslich Unterabänderungsanträgen) spricht, ist bedeutungslos. Auch Zusatz- und Streichungsanträge sind begrifflich Abänderungsanträge.Eine Sonderbestimmung gilt für Abänderungs-, Zusatz- oder Streichungsanträge, die Artikel oder Absätze betreffen, die in der Gesetzesvorlage nicht aufscheinen. Diese müssen nämlich zehn Tage vor Beginn der zweiten Beratung (zweite Lesung) beim Parlamentsdienst eingebracht werden (Art. 34 Abs. 4 erster Satz GOLT). Sinn dieser etwas umständlichen Formulierung ist, dass grössere Neuerungen in den Gesetzestext nicht erst unmittelbar in der Landtagssitzung eingebracht werden können, sondern einer Vorlaufszeit von zehn Tagen bedürfen, in welcher sich die Mitglieder des Landtages eine Meinung bilden können. Dies gilt nicht für bloss redaktionelle Änderungen (Art. 34 Abs. 4 zweiter Satz GOLT).In der zweiten Beratung (zweite Lesung) wird in der Regel artikelweise abgestimmt. Diese Abstimmung ist für die redaktionelle Fassung eines Artikels verbindlich, wenn unmittelbar nach der zweiten Beratung die Schlussabstimmung erfolgt (Art. 34 Abs. 5 GOLT).[64]3. Schlussabstimmung (Dritte Lesung)Diese Schlussabstimmung (Dritte Lesung) unmittelbar nach der zweiten Beratung bildet die übliche Vorgangsweise.Gemäss Art. 34 Abs. 6 GOLT kann der Landtag zusätzliche Beratungen mit artikelweiser Abstimmung beschliessen, vor allem dann, wenn die Behandlung einer Vorlage über die Legislaturperiode hinausgeht. Aus dieser Bestimmung geht zunächst hervor, dass der Landtag vor der Schlussabstimmung eine weitere „Lesung“ beschliessen kann. Dies soll insbesondere dann zur Anwendung gelangen, wenn die Vorlage nicht mehr in derselben Legislaturperiode abgeschlossen werden kann. Der nachfolgende Landtag soll sich nochmals eingehend mit der Angelegenheit befassen können.Daraus geht hervor, dass die GOLT offenbar von keiner automatischen Diskontinuität eingebrachter Gesetzesvorschläge mit Ende der Legislaturperiode ausgeht, sondern diese vom neuen Landtag weiterbehandelt werden können (siehe nachfolgend unter Kapitel 4.).Die Gesetzesvorlage kann bis zur Schlussabstimmung an eine Kommission überwiesen werden (Art. 34 Abs. 7 GOLT). Dies bedeutet, dass auch während zweiter Lesung eine Überweisung an eine Kommission möglich ist.4. Weiteres VorgehenWurde das Gesetz in der Schlussabstimmung angenommen, bestimmt sich der weitere Weg des Gesetzgebungsverfahrens nach Art. 65 LV und Art. 66 LV, was bedeutet, dass das Gesetz einer Referendumsfrist unterliegt, sofern es nicht für dringlich erklärt wird. Wird kein Referendum ergriffen, ist das Gesetz dem Landesfürsten zur Sanktion vorzulegen. Nach der Gegenzeichnung durch den Regierungschef ist es im Landesgesetzblatt kundzumachen.[65]Nach herrschender Praxis unterliegen die Gesetzesvorschläge in Liechtenstein keiner sachlichen Diskontinuität, das heisst, sie müssen im neu gewählten Landtag nicht neuerlich eingebracht werden.[66]III. Die VolksinitiativeA. Das Zustandekommen der InitiativeArt. 64 Abs. 1 lit. c LV verweist hinsichtlich der Voraussetzungen für das Zustandekommen einer Initiative auf die „folgenden Bestimmungen“. Gemäss Art. 64 Abs. 2 LV sind dafür alternativDiese Bestimmungen sind als Regelungen über die formellen Voraussetzungen einer Initiative zu verstehen.[67]1. Die Initiative von LandesbürgernDie Verfassung verlangt mindestens 1’000 wahlberechtigte Landesbürger, die mit ihrer Unterschrift das entsprechende Begehren stellen. Die Stimmberechtigung jedes einzelnen Landesbürgers und dessen Unterschrift müssen von der Gemeindevorstehung seines Wohnsitzes beglaubigt sein.Art. 69 VRG bestimmt dazu unter dem Titel „Sammelbegehren“, dass das Begehren nebst Angabe der Gemeinde von den das Begehren stellenden Stimmberechtigten durch eigenhändig unterzeichnete Eingaben, die mit dem Anfangsdatum der Unterschriftenzeichnung auf jedem Bogen versehen sein müssen, bei der Regierung eingereicht werden müssen (Abs. 1).Aufgabe der Gemeindevorstehung derjenigen Gemeinde, in welcher der Unterzeichner seine politischen Rechte ausübt, ist es, dessen Stimmberechtigung auf der betreffenden Eingabe unter Beifügung des Datums auf Grund des Stimmregisters und der Angaben des Unterschriftensammlers oder des Unterschriebenen zu bescheinigen (Art. 69 Abs. 2 VRG).Gemäss Art. 69 Abs. 3 VRG können die Eingaben einzeln oder zusammen eingereicht werden. In letzterem Falle darf, bei sonstiger Ungültigkeit dieser Unterschriften, eine solche Gesamteingabe nicht Unterschriften von Stimmberechtigten, die in anderen Gemeinden wohnen, enthalten. Die Unterschriften von Stimmberechtigten aus der betreffenden Gemeinde bleiben aber gültig.[68]Verschiedene Begehren können gemäss Art. 69 Abs. 4 LV nicht in einer gemeinsamen Eingabe gestellt werden (es dürfen somit keine Gesetzesbeschlüsse zu verschiedenen Angelegenheiten vermengt werden), ebenso darf aber auch nur ein (also ein einziges) die Gesetzgebung oder die Verfassung betreffendes Initiativbegehren gestellt werden.[69] Das Anbringen eines Referendums- oder Initiativbegehrens in der gleichen Eingabe ist ebenfalls unzulässig.Die Regierung weist Eingaben, die diesen Vorschriften nicht entsprechen, als unzulässig zurück (Art. 69 Abs. 6 VRG). Die Begehren müssen auf allen einzelnen Unterschriftenbogen gleichlautend sein (Art. 69 Abs. 7 VRG).Diese auf die Ermächtigung gemäss Art. 64 Abs. 5 LV gestützten Vorschriften des VRG konkretisieren in zulässiger Weise die verfassungsrechtlichen Grundlagen. Sie stellen nämlich keine übermässigen prozeduralen Hürden auf, die für die Bürger prohibitierend wirken würden, ihre Rechte wahrzunehmen. Andererseits zielen die Vorschriften darauf ab, eine Eindeutigkeit des Begehrens herzustellen und Verunklarungen und Irreführung der Stimmberechtigten (durch Vermengung verschiedener Anliegen) zu vermeiden.2. GemeindebegehrenArt. 64 Abs. 2 LV verlangt das Vorliegen übereinstimmender Beschlüsse von drei Gemeindeversammlungen. Der verfassungsrechtliche Inhalt des Begriffs knüpft an die Erwähnung dieses Organs der Gemeinde im Gemeindegesetz[70] an (Art. 24 ff. GemG).[71] Sie wird aus den in der Gemeinde wohnhaften Stimmberechtigten gebildet und ist das oberste Organ der Gemeinde. Zu beachten ist allerdings, dass Art. 26 GemG in allen Fällen, in welchen dieses oder ein anderes Gesetz die Einberufung oder Abhaltung einer Gemeindeversammlung oder eine Entscheidung der in der Gemeinde wohnhaften Gemeindebürger vorsieht, der Gemeinderat stattdessen eine Urnenabstimmung anordnen kann. Diese die Verfassung präzisierende Bestimmung kann als verfassungskonform betrachtet werden.[72]Art. 64 Abs. 2 LV wird in Art. 68 VRG näher konkretisiert. Hinsichtlich der Anordnung und Abhaltung der Gemeindeversammlung verweist das VRG auf die Bestimmungen des GemG. Diese wird gemäss Art. 27 Abs. 1 GemG über Beschluss des Gemeinderates vom Gemeindevorsteher einberufen. Ein Sechstel der in der Gemeinde wohnhaften Stimmberechtigten hat gemäss Art. 42 Abs. 1 GemG allerdings die Möglichkeit, eine Einberufung der Gemeindeversammlung herbeizuführen, und kann somit auch eine Beschlussfassung über die Vorlage einer Initiative erwirken. Dazu besteht freilich wenig praktischer Bedarf, da die Landesbürger selbst ein solches – ausreichende Unterstützung vorausgesetzt – Begehren vorlegen können, zudem ermuntert das komplizierte Verfahren nicht dazu, Gemeindeversammlungsbeschlüsse herbeizuführen.3. Inhalt der InitiativeArt. 80 Abs. 2 VRG enthält hinsichtlich der Gesetzesinitiative die Regelung, dass ein solches Begehren in der Form einer einfachen Anregung oder eines ausgearbeiteten Entwurfes gestellt und in einem wie im anderen Falle begründet werden kann.[73] Angesichts der Entstehungsgeschichte des Art. 64 LV, in welcher, wie dargestellt (siehe oben Kapitel I.), die Regelung, dass die Initiative mittels eines ausgearbeiteten Gesetzesentwurfes zu erfolgen hat, ausdrücklich verworfen wurde, ist die Offenheit des Art. 80 Abs. 2 VRG als verfassungskonform zu beurteilen.In praktischer Hinsicht gilt es allerdings zu bedenken, dass eine „einfache Anregung“ auch im Falle ihrer Annahme in der Volksabstimmung eine gesetzliche Regelung nicht zu ersetzen vermag und auch für die Behörden keine Grundlage ihres Handelns bilden kann. Der Landtag ist aber in einem solchen Fall verpflichtet, dem Ergebnis der Volksabstimmung durch entsprechende gesetzgeberische Handlungen Rechnung zu tragen.Ob der ausgearbeitete Gesetzesentwurf den legistischen Ansprüchen, die an ein Gesetz zu stellen sind, genügt, ist belanglos. Um als Initiative vor den Landtag zu gelangen, muss der Text lediglich entweder eine „einfache Anregung“ sein oder die Form eines Gesetzesentwurfes aufweisen. Eine Mischung ist allerdings unzulässig.[74] Man spricht in diesem Zusammenhang von der „Einheit der Form“.[75]Gemäss Art. 64 Abs. 3 LV bedarf das Begehren, wenn aus dem zu erlassenden Gesetz entweder eine einmalige, im Finanzgesetz nicht schon vorgesehene oder eine länger andauernde Belastung erwächst, eines Bedeckungsvorschlages, wenn es vom Landtag behandelt werden soll.[76] Dies gilt nur dann nicht, wenn das Begehren auf die Erlassung eines durch die Verfassung bereits vorgesehenen Gesetzes gerichtet ist. Gemeint sind damit jene Rechtsvorschriften, die nähere Bestimmungen zu den in der Verfassung verankerten Vorschriften zu enthalten haben, wie eben auch das VRG, das in Art. 64 Abs. 5 LV bereits vorgesehen ist.Art. 80 Abs. 3 VRG konkretisiert dies insoweit, als es sich um eine im Finanzgesetz nicht vorgesehene einmalige neue Ausgaben von 500’000 Fr. oder eine wiederkehrende jährliche neue Ausgabe von 250’000 Fr. handeln muss. Man wird davon auszugehen haben, dass die verfassungsmässige Vorgabe des Vorliegens eines Bedeckungsvorschlages tatsächlich nicht schon jede geringfügige zusätzliche Ausgabe erfasst, weil die Verfassung in diesem Fall von vornherein anordnen sollte, dass überhaupt jede Initiative einen Bedeckungsvorschlag enthalten muss. Es können daher nur solche Initiativen gemeint sein, die voraussichtlich spürbare Ausgaben nach sich ziehen würden. Insoweit erweist sich die vom einfachen Gesetzgeber getroffene Lösung als grundsätzlich nachvollziehbar.Allerdings ist die Sinnhaftigkeit des Bedeckungsvorschlages, der mitunter auch auf falschen Einschätzungen basieren kann, überhaupt in Zweifel zu ziehen. Während eine Kostenabschätzung für die Information des Landtages und der Stimmberechtigten zweifellos sinnvoll ist, ist es eine Frage des politischen Ermessens, wie zusätzliche Ausgaben abzudecken sind. Eine solche Entscheidung politischen Ermessens kann auch darin bestehen, eine zusätzliche Ausgabe durch Heranziehung der Rücklagen des Staates zu finanzieren. Andererseits spielt der Bedeckungsvorschlag in der Staatspraxis keine grosse Rolle bzw. stellt er offensichtlich keine besondere Hürde dar.[77] Dennoch ist schon deshalb eine weite Auslegung geboten, damit die Bestimmung nicht als Vorwand für die Ablehnung politisch unerwünschter Initiativen missbraucht werden kann.[78]Die Vorschläge der Initianten müssen jedenfalls bezifferbare Auswirkungen haben. Dazu hat die Regierung Stellung zu nehmen.[79]Art. 80 Abs. 4 lit. a VRG bestimmt weiters, dass, wenn von der Initiative Gebrauch gemacht wird, das Sammel- oder Gemeindebegehren bei der Regierung zur Prüfung und Publikation anzumelden ist. Daraufhin hat das Vorprüfungsverfahren (Art. 70b VRG) stattzufinden.Ist die Initiative gültig gestellt und ihr im Vorprüfungsverfahren Verfassungskonformität bescheinigt worden, ist gemäss Art. 80 Abs. 4 lit. b VRG innerhalb einer Frist von sechs Wochen der Regierung zu Handen des Landtages eine von mindestens 1’000 Stimmberechtigten oder von wenigstens drei Gemeinden in Form übereinstimmender Gemeindeversammlungsbeschlüsse unterstützte Eingabe einzureichen, in welcher der Gegenstand des Begehrens bestimmt sein muss.Auch diese Regelung eines Verfahrens zur Prüfung der Initiative ist verfassungskonform, indem die Regierung als Abstimmungsbehörde berufen wird, die Übereinstimmung von Initiativen mit den Rechtsvorschriften zu prüfen.Ob es einen dem Wesen der Initiative innewohnenden Grundsatz der Einheit der Materie gibt, wonach ein innerer, sachlicher Zusammenhang zwischen verschiedenen Abstimmungsfragen vorhanden sein muss, ist in Liechtenstein umstritten.[80] Der Grundsatz soll verhindern, dass in einer einzigen Vorlage über mehrere wichtige Fragen, die ohne inneren Zusammenhang sind, abgestimmt wird.[81] Positiviert ist ein derartiger Grundsatz in der Verfassung nicht, allerdings wird man aus Art. 29 LV ableiten können, dass, wenn in einer Abstimmungsvorlage mehrere Begehren ohne sachlichen Zusammenhang vermengt werden, der Anspruch auf freie und unverfälschte Willenskundgabe der Stimmberechtigten nicht gewahrt ist.[82] In diesem Sinne bestimmt auch Art. 69 Abs. 5 VRG, dass das Anbringen von Begehren ganz verschiedener Art in der gleichen Eingabe unzulässig ist, erwähnt allerdings nur die Verknüpfung von Verfassungs-, Gesetz oder Finanzbeschluss sowie Referendums- und Initiativbegehren.[83] Winkler spricht in diesem Sinne von einem Kumulierungsverbot.[84] Er betont in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung der Klarheit, Bestimmtheit und Überschaubarkeit des Abstimmungsgegenstandes für den Stimmbürger.[85] Daraus ergibt sich aber, dass auch in Art. 69 Abs. 5 VRG nicht ausdrücklich erwähnte Kumulierungen, etwa, wenn zusammenhanglose Gesetzespakete geschnürt würden, unzulässig sind.Eine weitere ungeschriebene Schranke einer Initiative besteht darin, dass sie ungültig ist, wenn ihr Inhalt tatsächlich oder rechtlich nicht durchführbar ist,[86] etwa ein Gesetz angestrebt würde, das über den territorialen Geltungsbereich liechtensteinischen Rechts hinausginge. Andererseits ändern bloss praktische Schwierigkeiten in der Umsetzung der Initiative nichts an deren Zulässigkeit.[87]B. Prüfung durch die RegierungIm Rahmen der Anmeldung einer Initiative bei der Regierung (vgl. Art. 71 Abs. 1 VRG) prüft sie die Einhaltung der formellen und inhaltlichen Voraussetzungen der Initiative.[88]Eingaben, die diesen Voraussetzungen nicht entsprechen, sind gemäss Art. 69 Abs. 6 VRG und Art. 70 Abs. 4 VRG zurückzuweisen.[89] Gegen diese Entscheidung steht die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und anschliessend an den Staatsgerichtshof offen.[90]C. VorprüfungNach der Anmeldung bei der Regierung hat gemäss Art. 70b Abs. 1 VRG eine sogenannte Vorprüfung stattzufinden, in welcher der Landtag über eine allfällige Nichtigkeit der Initiative zu entscheiden hat. In diesem Rahmen ist zu untersuchen, ob das Initiativbegehren mit der Verfassung und den bestehenden Staatsverträgen übereinstimmt.[91] Eine solche Übereinstimmung ist wegen Verletzung von Art. 29 LV im Übrigen auch nicht gegeben, wenn, wie dargestellt, sachlich zusammenhanglose Begehren vermischt werden oder wenn tatsächlich oder rechtlich Unmögliches begehrt würde (siehe oben Kapitel A.).[92]Der Bericht ist dem Landtag samt Eingaben zur Weiterbehandlung zu übermitteln.[93]Indem das Gesetz in Art. 70b Abs. 2 VRG vorsieht, dass der Landtag das Initiativbegehren in seiner nächsten Sitzung in Behandlung zu ziehen hat, wird die der Regierung für die Vornahme der Vorprüfung zur Verfügung stehende Zeit limitiert. Sie ist gehalten, ihren Bericht so rechtzeitig dem Landtag zu übermitteln, dass dieser in der Lage ist, das Ergebnis der Prüfung durch die Regierung bei seiner Entscheidung, ob das Initiativbegehren mit der Verfassung und den bestehenden Staatsverträgen konform ist oder nicht, zu berücksichtigen.Handelt es sich beim Initiativbegehren um eine Verfassungsinitiative, stellt sich die Frage der inhaltlichen Konformität mit der Verfassung grundsätzlich nicht: Die Verfassungsinitiative zielt ja auf eine Abänderung der Verfassung.[94] Auch der Umstand, dass bestimmte Inhalte der Initiative allenfalls mit anderen Vorschriften der Verfassung in Konflikt treten, dass sie Grundrechte einschränken und dergleichen, macht die Verfassungsinitiative nicht unzulässig. Eine allfällige Widerspruchsfreiheit muss im Rahmen der Verfassungsinterpretation hergestellt werden.[95] Dies entbindet die Initiative allerdings nicht davon, dass sie jedenfalls den formellen Voraussetzungen (also etwas Art. 69 VRG), welche die Rechtsordnung aufstellt, entsprechen muss.Anders ist dagegen die Rechtslage bei mangelnder Staatsvertragskonformität: Auch Verfassungsinitiativen können Staatsverträgen widersprechen und wären daher vom Landtag für nichtig zu erklären. Zwingendes Völkerrecht, wie das Verbot der Sklaverei, das Folterverbot oder das Non-Refoulement-Prinzip, nimmt ebenfalls den Rang von „Staatsverträgen“ ein, gegen die eine Verfassungsinitiative nicht verstossen darf.[96] Hingegen soll nach Ehrenzeller/Brägger eine Verfassungsinitiative, die gegen die EMRK verstösst, wegen der formellen Gleichrangigkeit gültig sein.[97] Diese Auffassung ist zu hinterfragen: Art. 70b Abs. 1 VRG will keine Initiativen, seien es Gesetzes- oder Verfassungsinitiativen, die gegen völkerrechtliche Verpflichtungen Liechtensteins verstossen, zulassen.[98] Aus diesem Grund ist jede Staatsvertragswidrigkeit einer Initiative gemäss Art. 70b Abs. 1 VRG von der Regierung aufzuzeigen und die Initiative vom Landtag in der Folge für nichtig zu erklären.[99]Gegen die Entscheidung des Landtages, die ein Mehrheitsbeschluss ist, kann gemäss Art. 70b Abs. 3 VRG Beschwerde an den Staatsgerichtshof erhoben werden.[100] Dazu sind allerdings nur jene Personen legitimiert, welche die Initiative angemeldet haben, da nur sie in ihrer Rechtssphäre betroffen sind.[101]Die Vorprüfung gemäss Art. 70b VRG kann als eine Art präventiver Normenkontrolle gesehen werden.[102] Ihre Existenz vermeidet das Problem, dass eine möglicherweise populistisch motivierte Initiative zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führt.[103] Dem kann freilich entgegen gehalten werden, dass mit dieser Regelung der Landtag gegenüber dem Volk privilegiert wird: Für die Normenkontrolle der vom Landtag beschlossenen Gesetze stehen lediglich die sonstigen von der Verfassung und dem StGHG vorgesehenen Wege an den Staatsgerichtshof offen, während der Landtag eine seiner Ansicht nach verfassungswidrige Initiative von vornherein ablehnen kann und die Initianten angewiesen sind, erst den Weg an den Staatsgerichtshof zu beschreiten.[104] Die Vorprüfung kann aber auch als eine Kontrolle der Ausübung eines politischen Rechts auf seine Verfassungsmässigkeit hin verstanden werden.Sowohl für den Landtag als auch für den Staatsgerichtshof gilt, dass er nur die Initiative als Ganzes für verfassungswidrig erklären kann, auch wenn dies nur einzelne Bestimmungen betrifft. Eine andere Beurteilung würde dazu führen, dass mitunter eine durch Landtag oder Staatsgerichtshof völlig veränderte Initiative der Abstimmung unterzogen würde, womit massiv in die Volksrechte eingegriffen würde, was insbesondere dann der Fall wäre, wenn das Initiativbegehren keine Rückzugsklausel enthielte.Die Verfassungsmässigkeit des Vorprüfungsverfahrens ist freilich umstritten. In der Verfassung ist diese Art präventiver Normenkontrolle nicht verankert, auch im StGHG ist dafür kein Verfahren eröffnet.[105] Der Staatsgerichtshof hat allerdings in seinen bisherigen Entscheidungen über Beschwerden gegen die Nichtigerklärung von Initiativen keinen Anstoss an diesem Verfahren genommen, ohne sich freilich mit der massgeblichen Verfassungsfrage inhaltlich auseinander zu setzen.[106]Grundsätzlich überlässt Art. 64 LV dem Gesetzgeber einen gewissen Spielraum, was die Regelung der Voraussetzungen für eine vom Landtag zu behandelnde Initiative betrifft. Bejaht man die Kompetenz des einfachen Gesetzgebers, ein solches Vorprüfungsverfahren vorzusehen, wird man allerdings nur dann von dessen Zulässigkeit ausgehen können, wenn den Initianten ein Verfahren zur Verfügung steht, mit dem sie sich gegen die Einschränkung ihrer politischen Rechte zur Einbringung einer Initiative zur Wehr setzen können. Vor diesem Hintergrund erscheint es daher verfassungskonform, dass der Staatsgerichtshof, dem gemäss Art. 104 Abs. 1 LV der Schutz der verfassungsmässig gewährleisteten Rechte obliegt, für zuständig erklärt wird, über die Verfassungskonformität der Initiative zu entscheiden.[107] Offen bleibt allerdings, ob es zulässig ist, dass dieses Verfahren ausserhalb des StGHG, das gemäss Art. 104 Abs. 1 jenes „besondere Gesetz“ ist, in dem die Verfahren vor dem Staatsgerichtshof konkretisiert werden, geregelt wird, nämlich im VRG.D. Behandlung im LandtagHat eine Initiative die Verfahrensschritte der Anmeldung und Prüfung durch die Regierung und der Vorprüfung durch den Landtag hinter sich gebracht, hat der Landtag inhaltlich darüber zu entscheiden. Stimmt der Landtag zu, kann die Vorlage unter den Voraussetzungen des Art. 66 LV und der Sanktion des Landesfürsten gemäss Art. 9 LV in Kraft treten. Lehnt der Landtag die Initiative ab, kommt es zur Volksabstimmung.Eine einmal in den Landtag eingebrachte Initiative kann nur dann wieder zurückgezogen werden, wenn sie eine sogenannte Rückzugsklausel enthält.[108] In diesem Fall bedarf es allerdings gemäss Art. 82b Abs. 2 VRG eines einstimmigen Beschlusses aller Mitglieder des Initiativkomitees.[109] Der Begriff des Initiativkomitees wird im VRG nicht näher definiert, es muss sich dabei wohl um jene Personen handeln, die das Begehren bei der Regierung angemeldet haben.Für die Behandlung der Initiative im Landtag ist schon von der Verfassung her ein zügiges Vorgehen gefordert, wird doch in. Art. 64 Abs. 2 LV verlangt, dass das Begehren in der darauffolgenden Sitzung des Landtages in Verhandlung gezogen wird.[110]Die Behandlung der Initiative im Landtag unterscheidet sich prozedural wesentlich von der Vorgangsweise hinsichtlich der Beratung von Gesetzesvorschlägen der Regierung oder von Mitgliedern des Landtags. Art. 34 GOLT unterscheidet zwar nicht zwischen den einzelnen Kategorien von Gesetzesvorschlägen, was annehmen liesse, der Landtag wäre nach Massgabe des Art. 34 Abs. 3 und 4 GOLT befugt, Abänderungen an der Initiative vorzunehmen. Dem steht allerdings die gesetzliche Norm des Art. 82 VRG entgegen, wonach der Landtag ungesäumt Beschluss zu fassen hat, ob er dem Initiativentwurf „so, wie er vorliegt, zustimme oder nicht.“ Dies spricht klar dagegen, dass der Landtag befugt wäre, die Initiative abzuändern.[111] Ein derartiges Abänderungsrecht wäre aber auch deshalb problematisch, weil dann der Landtag in der Lage wäre, das Initiativrecht durch Abänderungsbeschlüsse, die den Inhalt des Begehrens wesentlich abschwächen oder gar in ihr Gegenteil verkehren würden, zu unterlaufen.[112]Wenn mehrere Initiativen vorliegen, die denselben Gegenstand betreffen, hat sie der Landtag in derselben Sitzung in Behandlung zu ziehen (Art. 82a Abs. 1 VRG). Dieser Tatbestand ist gegeben, wenn im Zeitpunkt der Publikation des zuerst zustande gekommen Begehrens die anderen bei der Regierung bereits angemeldet waren (Art. 82a Abs. 2 VRG). Bei der Beurteilung, ob mehrere Initiativen zum selben Gegenstand vorliegen, hat der Landtag einen gewissen Beurteilungsspielraum. Im Zweifel ist es wohl angebracht, vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen auszugehen, um die vom Gesetzgeber offenkundig angestrebte gesamthafte Betrachtung der Initiativen zu ermöglichen.[113] Sofern beide Gesetzesvorschläge vollzogen werden können, ohne dass im Vollzug Widersprüchlichkeiten auftreten, wird man bezweifeln können, ob in einem solchen Fall Initiativen zum selben Gegenstand vorliegen.Stimmt der Landtag der Initiative zu, wird das weitere Gesetzgebungsverfahren (Verfahren gemäss Art. 66 LV, danach Sanktion des Landesfürsten gemäss Art. 9 LV mit anschliessender Kundmachung des Gesetzesbeschlusses) fortgesetzt. Lehnt der Landtag die Initiative ab, so hat er die Regierung mit der Anordnung einer Volksabstimmung zu beauftragen (Art. 82 Abs. 2 VRG).[114]Die Abstimmung im Landtag ist zwingend: Der Landtag darf eine Volksinitiative nicht direkt dem Volk vorlegen, ohne selbst vorgängig darüber abgestimmt zu haben.[115]E. Sonderbestimmungen für VerfassungsinitiativenDie Verfassung setzt in Art. 64 Abs. 4 LV für Verfassungsinitiativen etwas höhere Voraussetzungen, was die Unterstützungsschwelle der Initiative betrifft, indem statt mindestens 1’000 wahlberechtigten Landesbürgern bzw. drei Gemeinden auf Grund von Gemeindeversammlungsbeschlüssen 1’500 Unterstützungen bzw. vier Gemeinden erforderlich gemacht werden. Damit soll die Verfassungsänderung, also die Änderung der grundlegenden Spielregeln des politischen Prozesses, gegenüber der Änderung von Gesetzen erschwert werden.[116]Die praktische Bedeutung dieser eher geringen Unterschiede dürfte bescheiden sein. In der Vergangenheit sind keine Fälle bekannt geworden, die an dieser Hürde gescheitert wären.Systematisch kann eine Verfassungsinitiative (wie im Übrigen auch eine einfache Gesetzesinitiative)[117] als Total- oder Partialrevision gestaltet sein (vgl. Art. 85 VRG).[118] Eine Sonderform einer solchen Totalrevision stellt die Initiative zur Abschaffung der Monarchie gemäss Art. 113 LV dar. Eine rechtliche Konsequenz hat diese Unterscheidung allerdings nicht.[119]Materielle Schranken der Verfassungsrevision gibt es in Liechtenstein nach herrschender Auffassung nicht, daher wäre eine Verfassungsinitiative grundsätzlich nicht dahingehend zu prüfen, ob sie gegen bestimmte Verfassungsprinzipien (etwa den Rechtsstaat oder die Demokratie) verstösst.[120] Da jedoch demokratische und rechtsstaatliche Strukturen auch wesentliche Inhalte der von der EMRK garantierten Grundrechte bilden, würde sich in einem solchen Fall die Frage der Staatsvertragskonformität stellen. Ob zwingendes Völkerrecht eine materielle Schranke der Zulässigkeit einer Verfassungsinitiative darstellt, ist nicht klar, da in Liechtenstein keine dem Art. 139 Abs. 3 BV, der zwingende Bestimmungen des Völkerrechts als Schranken einer Teilrevision der Bundesverfassung durch Volksinitiative aufstellt, existiert.[121]F. Weitere VerfahrensbestimmungenGemäss Art. 71 VRG prüft die Regierung die eingelangten Eingaben der Initianten oder der Gemeinden auf ihre formale Gesetzmässigkeit, insbesondere das Vorliegen der entsprechenden Unterschriften. Die Anordnung der Volksabstimmung hat auf der Grundlage der Bestimmungen des Art. 72 VRG zu erfolgen. Der weitere Verfahrensgang, insbesondere auch was die Möglichkeit des Landtages betrifft, einen Gegenvorschlag einzubringen (Art. 82 Abs. 3 VRG), wird in den Ausführungen zu Art. 66 LV erläutert.
1) Ohne Mitwirkung des Landtages darf kein Gesetz gegeben, abgeändert oder authentisch erklärt werden. Zur Gültigkeit eines jeden Gesetzes ist ausser der Zustimmung des Landtages die Sanktion des Landesfürsten, die Gegenzeichnung des verantwortlichen Regierungschefs oder seines Stellvertreters und die Kundmachung im Landesgesetzblatte erforderlich. Erfolgt die Sanktion des Landesfürsten nicht innerhalb von sechs Monaten, dann gilt sie als verweigert.2) Überdies findet nach Massgabe der Anordnungen des folgenden Artikels eine Volksabstimmung (Referendum) statt. 1) Without the participation of Parliament, no law may be enacted, amended, or declared to be authentic. For any law to attain legal force, it must, in addition to the assent of Parliament, be sanctioned by the Reigning Prince, countersigned by the responsible Prime Minister or the Deputy Prime Minister, and promulgated in the Liechtenstein Legal Gazette (Landesgesetzblatt). If the Reigning Prince does not grant his sanction within six months, it shall be deemed to have been refused.Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteDie Bestimmung des Art. 65 LV findet nur in Ansätzen Anknüpfungspunkte in der KonV. Dort war in § 24 Abs. 1 KonV festgelegt, dass ohne Mitwirkung und Zustimmung des Landtages kein Gesetz gegeben werden, aufgehoben, abgeändert oder authentisch erklärt werden durfte. In § 24 Abs. 2 KonV wurde die Regelung getroffen, dass „der Landesfürst ohne Mitwirkung des Landtages die zur Vollstreckung und Handhabung der Gesetze erforderlichen sowie die aus dem Aufsichts- und Verwaltungsrechte fliessenden Einrichtungen treffen und die einschlägigen Verordnungen erlassen“ wird und „in dringenden Fällen das Nöthige zur Sicherheit und Wohlfahrt des Staates vorkehren“ wird. Diese Bestimmung findet sich heute in Art. 10 Abs. 1 LV.Die Rezeptionsvorlage, die Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen, hatte eine entsprechende Formulierung in ihrem § 54 enthalten, wonach ohne Beistimmung der Stände-Versammlung kein Gesetz gegeben, aufgehoben, abgeändert oder authentisch erklärt werden durfte.[1] Ausserdem berief sie in § 66 lit. a die Stände zur verfassungsmässigen Mitwirkung an der Gesetzgebung.Im Verfassungsentwurf des Prinzen Karl war in § 25 die Bestimmung des § 14 Abs. 1 KonV übernommen worden. Der Verfassungsentwurf Wilhelm Becks sah diese Regelung in seinem § 32 Abs. 1 vor. Ausserdem formulierte Beck in Art. 31 Abs. 3: Die Regierungsvorlage Josef Peers wiederum übernahm in ihrem § 65 Abs. 1 erster Satz die Bestimmung des § 24 Abs. 1 KonV mit Ausnahme der Wortfolge „und Zustimmung“ wörtlich.In § 65 Abs. 1 zweiter Satz orientierte sich die Regierungsvorlage an Art. 31 Abs. 3 des Verfassungsentwurfs Wilhelm Becks und bestimmte, dass zur Gültigkeit eines jeden Gesetzes ausser der Zustimmung des Landtages die Sanktion des Landesfürsten, eines verantwortlichen Regierungsvertreters und die Kundmachung im Landesgesetzblatte erforderlich sei.In Abs. 2 wurde bestimmt, dass nach Massgabe der Anordnungen der folgenden Paragraphen eine Volksabstimmung (Referendum) stattzufinden hatte.Die Verfassungskommission des Landtages nahm im nunmehrigen Art. 65 die Änderung vor, dass an Stelle des „verantwortlichen Regierungsvertreters“ der verantwortliche Regierungschef oder sein Stellvertreter die Gegenzeichnung der Sanktion zu besorgen hatten. In Abs. 2 gab es eine geringfügige, ausschliesslich redaktionell bedingte Änderung, wobei bemerkenswerterweise das Wort „Paragraphen“ beibehalten wurde, obwohl es richtigerweise „Artikel“ hätten lauten sollen.In dieser Fassung wurde Art. 65 vom Landtag beschlossen und blieb bis zur Verfassungsrevision 2003 unverändert. In den Verfassungsvorschlägen des Fürstenhauses (grüne und rote Broschüre) war zunächst lediglich vorgesehen, dass der redaktionelle Fehler in Art. 65 Abs. 2, der, statt von Artikel, vom folgenden Paragraphen sprach, bereinigt werden sollte.In der letztlich zur Abstimmung stehenden Initiative des Fürstenhauses vom 2. August 2002 wurde hingegen dem Art. 65 Abs. 1 der bedeutsame Satz angefügt, wonach, wenn die Sanktion des Landesfürsten nicht innerhalb von sechs Monaten erfolgt, diese als verweigert gilt. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass gemäss dem Vorschlag der Verfassungskommission diese Ergänzung die nicht erfolgte Sanktion durch den Landesfürsten eindeutig regeln sollte.[3]II Zur Rolle von Landtag, Landesfürst und Regierungschef in der GesetzgebungA. Allgemeine BemerkungenArt. 65 LV stellt wesentliche Elemente des Gesetzgebungsverfahrens klar, die weitgehend jedoch bereits an anderer Stelle geregelt sind (die Rolle des Landtages im Gesetzgebungsprozess ergibt sich auch aus Art. 64 und Art. 66 LV, das Sanktionsrecht des Landesfürsten aus Art. 9 LV, die Gegenzeichnung der Sanktion aus Art. 85 LV und die Kundmachung der Gesetze aus Art. 67 LV).[4] Art. 65 Abs. 2 LV ist normativ überhaupt bedeutungslos, da die Bestimmung hinsichtlich der Volksabstimmung lediglich auf Art. 66 LV verweist, sie dient allerdings auch dazu, auf die Rolle des Volkes im Gesetzgebungsprozess zumindest hinzuweisen.Normativ bedeutsam ist dagegen die Regelung über die Fiktion der Verweigerung der Sanktion in Art. 65 Abs. 1 letzter Satz LV.In den folgenden Ausführungen werden die einzelnen Elemente des Gesetzgebungsverfahrens daher nur kurz angesprochen und auf die Kommentierung zu jenen Artikeln verwiesen, wo sie näher ausgeführt werden.Die Wortwahl der Verfassung lässt im Übrigen keinen Zweifel, dass die Beschlussfassung („die Zustimmung“) im Landtag, die Sanktion des Landesfürsten, die Gegenzeichnung und die Kundmachung im Landesgesetzblatt Gültigkeitsvoraussetzungen sind.[5] Fehlt eines dieser Elemente, ist das Gesetz nicht gültig zustande gekommen und auch nicht verbindlich. Der Staatsgerichtshof hat indessen auch ein nicht gültig zustande gekommenes Gesetz im Wege der Normenkontrolle im Interesse der Rechtssicherheit förmlich als nicht verfassungsmässig im Sinne des Art. 104 Abs. 2 LV und Art. 18 Abs. 1 StGHG aufzuheben.[6]Die in Art. 65 Abs. 1 LV im Weiteren verwendete Formulierung der Erklärung eines Gesetzes für „authentisch“ kommt in der Verfassung sonst nicht vor. In Art. 112 Abs. 2 LV wird allerdings von „allgemein verbindlichen Erläuterungen“ der Verfassung gesprochen und, wie noch zu zeigen sein wird, damit dasselbe gemeint.Wie aus den Ausführungen unter Kapitel I. hervorgeht, handelt es sich nämlich bei der „Authentischerklärung“ um einen im Zeitalter des Frühkonstitutionalismus gebräuchlichen Begriff. Gemeint war damit, dass die verbindliche Interpretation eines Gesetzesinhaltes nur durch den Gesetzgeber selbst vorgenommen werden durfte. Die zeitgenössische Literatur betonte, dass die Verbindlichkeit einer bestimmten Auslegung nur von jener Rechtsetzungsautorität festgelegt werden durfte, die auch das Gesetz erlassen hatte.[7]Heute erfolgen „authentische Interpretationen“ des Gesetzgebers in Form von Gesetzesänderungen, in welchen bestimmte Begriffe präzisiert werden. Eine förmliche Erklärung eines Gesetzes oder einer Gesetzesstelle in einer bestimmten Auslegung für authentisch kommt schon seit längerem nicht mehr vor.[8] Klarzustellen ist, dass, wenn der Gesetzgeber eine authentische Interpretation vornimmt, dies in der Form eines Gesetzesbeschlusses zu ergehen hat.[9] Nur so ist auch eine entsprechende Normenkontrolle durch den Staatsgerichtshof möglich (vgl. Art. 104 LV und Art. 18 StGHG).Daraus folgt im Übrigen, dass die Authentischerklärung bzw. authentische Interpretation der Sanktion des Landesfürsten (Art. 9 LV) bedarf.[10]B. Die Mitwirkung des LandtagesArt. 65 Abs. 1 erster Satz LV hat die Funktion einer Klarstellung: Es darf kein Gesetz geben, das am Landtag vorbei erzeugt wird.[11] Eine vom Landtag unabhängige Gesetzgebung des Landesfürsten oder der Regierung wäre verfassungswidrig, bzw. darf nur in dem Rahmen erfolgen, in welchem sie von der Verfassung zugelassen wird (Notverordnungsrecht des Landesfürsten gemäss Art. 10 Abs. 2 LV).[12] Dies gilt auch für die Gesetzgebung durch das Volk, dessen Initiative gemäss Art. 64 Abs. 2 bis 4 LV zunächst dem Landtag vorgelegt werden muss und über welche eine Volksabstimmung lediglich nach Massgabe des Art. 66 Abs. 6 LV, also wenn der Landtag die Annahme des Gesetzesentwurfes abgelehnt hat, zwingend stattfindet.[13]Die Verwendung des Wortes „Zustimmung“ in Art. 65 Abs. 1 zweiter Satz LV, das auf ein blosses, wenngleich absolutes Vetorecht hindeutet und § 24 KonV entnommen ist, ist das Erbe des Parlamentsverständnisses des Konstitutionalismus, war jedoch bereits 1921 nicht mehr zeitgemäss: Der Landtag ist jenes Organ, in welchem die Gesetzesvorschläge beraten werden, auch abgeändert werden können und schliesslich – abgesehen von der Initiative – beschlossen werden.[14] Dies gelangt im Begriff der „Zustimmung“ nicht hinreichend zum Ausdruck.[15] Das zustimmende Organ ist hingegen der Landesfürst gemäss seinem in Art. 9 LV verankerten Sanktionsrecht.[16]Andererseits ist der Landtag neben dem Volk und dem Landesfürsten auch lediglich eines von insgesamt drei zur Gesetzgebung berufenen Organen, weshalb der Begriff „Mitwirkung“ des Landtages durchaus berechtigt ist.[17]Hinsichtlich der in Art. 65 Abs. 1 LV nicht erwähnten Mitwirkung des Volkes ist auf Art. 64 LV zu verweisen, aus dem sich ergibt, dass auch die Volksinitiative dem Landtag vorzulegen ist.[18] Im Übrigen verweist Art. 65 Abs. 2 LV hinsichtlich der Volksabstimmung auf Art. 66 LV und meint sowohl das Referendum über Gesetzesbeschlüsse als auch eine Volksabstimmung über eine vom Landtag abgelehnte Initiative.C. Sanktion des Landesfürsten und GegenzeichnungHinsichtlich dieser Elemente ist auf die Ausführungen zu Art. 9 LV zu verweisen.[19] Dort wird auch auf die Regelung des Art. 65 Abs. 1 letzter Satz LV näher eingegangen, sodass sich an dieser Stelle weitere Ausführungen erübrigen.[20]D. KundmachungMit der Erwähnung der Kundmachung in Art. 65 LV ist klargestellt, dass der Kundmachung von Gesetzen im Rechtsstaat eine zentrale Bedeutung zukommt.[21] Ohne gehörige Kundmachung kann nicht von einem Gesetz gesprochen werden. Ein solcher Rechtsakt wäre absolut nichtig. Die näheren Ausführungen erfolgen zu Art. 67 LV, wo die Kundmachung im Detail geregelt ist.[22]III. Zum Begriff der Volksabstimmung (Referendum)Abs. 2 führt den Betriff der Volksabstimmung bzw. des Referendums ein und verweist hinsichtlich der Ausgestaltung auf die Bestimmungen des folgenden Artikels, somit des Art. 66 LV.Aus dem systematischen Zusammenhang („überdies“) ergibt sich, dass Abs. 2 die Volksabstimmung über Gesetzesbeschlüsse meint und sie alternativ in Einklang mit schweizerischer Terminologie[23] als „Referendum“ bezeichnet.Gemeint ist damit, dass ein Gesetz im Wege der Volksabstimmung bzw. des Referendums der Annahme durch das Volk unterbreitet wird, welches über das Gesetz mit Ja oder Nein abzustimmen hat. Die näheren Ausführungen werden zu Art. 66 LV gemacht.
1) Jedes vom Landtag beschlossene, von ihm nicht als dringlich erklärte Gesetz, ebenso jeder von ihm nicht als dringlich erklärte Finanzbeschluss, sofern er eine einmalige neue Ausgabe von mindestens 500 000 Franken oder eine jährlich wiederkehrende neue Ausgabe von 250 000 Franken verursacht, unterliegt der Volksabstimmung, wenn der Landtag eine solche beschliesst oder wenn innerhalb von 30 Tagen nach amtlicher Verlautbarung des Landtagsbeschlusses wenigstens 1 000 wahlberechtigte Landesbürger oder wenigstens drei Gemeinden in der in Art. 64 vorgesehenen Weise ein darauf gerichtetes Begehren stellen.Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteDie Bestimmung des Art. 66 LV ist eine eigenständige Kreation der Verfassung von 1921, beinhaltet sie doch die Möglichkeit des Referendums über Gesetzesbeschlüsse und andere Entscheidungen des Landtages, ein Instrument, das während der Konstitutionellen Verfassung noch nicht existierte.[1]Für das mit der Verfassung 1921 eingeführte Referendumsrecht dienten Schweizer Kantonsverfassungen als Orientierung, so wie dies beim Initiativrecht ebenfalls der Fall gewesen war.[2]Bereits der Verfassungsentwurf des Prinzen Karl enthielt in seinen §§ 32 und 33 Regelungen, die eine Volksabstimmung über vom Landtag beschlossene Gesetze auf Verlangen von 600 Stimmberechtigten (§ 32) oder auf Anordnung des Landesfürsten, der Regierung oder des Landtages (§ 33) vorsahen.Der Entwurf Wilhelm Becks sah hingegen keine Regelung des Referendumsrechts vor, wohl aber die Regierungsvorlage Josef Peers. Diese enthielt in ihren Grundzügen bereits die heutige Regelung des Art. 66 LV, mit einer bestimmten Zahl von Stimmbürgern (300), die innerhalb von 30 Tagen nach amtlicher Verlautbarung des Landtagsbeschlusses das Referendumsbegehren stellen konnten. Weiters war vorgesehen, dass der Landtag ein solches Referendum durch Dringlicherklärung des Gesetzes abwenden konnte.Für das Verfassungsreferendum war das Verlangen von wenigstens 500 Stimmbürgern oder von wenigstens vier Gemeinden erforderlich. Auch die Regelung, dass eine vom Landtag abgelehnte Volksinitiative der Volksabstimmung unterzogen werden muss, war bereits enthalten.Die Verfassungskommission erhöhte die Zahl der für die Abhaltung des Referendums erforderlichen Zahl der Unterstützungen von 300 auf 500 bzw. für die Verfassungsinitiative von 500 auf 700. Ausserdem wurden für die Referendumsinitiative die Bestimmungen über einen Bedeckungsvorschlag ergänzt.[3]Der Landtag beliess es allerdings nicht bei diesen Änderungen:Hinsichtlich des Art. 66 Abs. 5 LV erfolgte offenbar im Zuge der letzten redaktionellen Bearbeitungen der Verfassung ein Versäumnis, indem der in der Regierungsvorlage enthaltene Teilsatz „nach fruchtlosem Ablauf der für die Stellung des Begehrens“ ungewollt entfiel. Dieser Irrtum wurde von Regierungssekretär Ferdinand Nigg nachträglich handschriftlich bereinigt und die Verfassung so kundgemacht.[6]In den nachfolgenden Jahrzehnten wurden die jeweiligen Unterstützungsschwellen und massgeblichen Geldbeträge jeweils in Gleichklang mit den Vorschriften des Art. 64 LV über die Initiative mehrfach erhöht:II. Das Referendums- und Initiativrecht in LiechtensteinA. Allgemeine BemerkungenArt. 66 LV regelt mehrere Formen von Abstimmungen: Zum einen das Referendum (Volksabstimmung) gemäss Art. 66 Abs. 1 und 2 LV über Beschlüsse des Landtages (diese wiederum unterteilt in Verfassungsgesetze, Gesetzes- und Finanzbeschlüsse), zum anderen die Abstimmung über Gesetzesentwürfe von Volksinitiativen, die vom Landtag abgelehnt wurden (Art 66 Abs. 6 LV).[10] Dazu kommt das in der Praxis wenig bedeutsame Instrument[11] gemäss Art. 66 Abs. 3 LV, eine Volksabstimmung über die Aufnahme einzelner Grundsätze in ein zu erlassendes Gesetz zu veranlassen.Andererseits regelt Art. 66 LV das Referendums- und Initiativrecht nicht abschliessend. Folgende Bestimmungen sehen weitere Volksabstimmungen über verschiedene Angelegenheiten vor:[12]Die Regelungen über Initiative und Referendum stellen ein wesentliches Element der „demokratischen“ Grundlage der konstitutionellen Erbmonarchie (Art. 2 LV) dar, welche von der Verfassung bewusst der „parlamentarischen Grundlage“ gegenübergestellt wird.[13]Das Verlangen einer bestimmten Zahl von Stimmberechtigten bzw. von Gemeinden auf Grund von Gemeindeversammlungsbeschlüssen nach Abhaltung einer Volksabstimmung wird im juristischen Sprachgebrauch als „Ergreifen des Referendums“ bezeichnet.[14] Die Schweizerische Staatsrechtslehre spricht in Zusammenhang mit dem in Art. 141 BV geregelten Referendumsrecht von „fakultativem Referendum“, weil es dem Volk bzw. den Kantonen offen steht, unter den dort geregelten Voraussetzungen eine Volksabstimmung zu verlangen.[15] Diese Wendung wird auch in Art. 75 Abs. 1 VRG hinsichtlich des in Art. 66 Abs. 1 LV genannten Referendums verwendet und auch in der Lehre Liechtensteins gebraucht.[16]Für vergleichbare Konstellationen[17] wird in Österreich hingegen der Begriff des „Veto-Referendums“ verwendet,[18] welcher insoweit treffend ist, als sich durch das Ergreifen des Referendums das Volk gegenüber dem Landtag in einer Vetoposition befindet:[19] Es kann das Wirksamwerden eines Gesetzes- oder Finanzbeschlusses verhindern, jedoch keinen positiven Beschluss herbeiführen (letzteres ist dagegen im Wege der Volksabstimmung über eine Initiative gemäss Art. 66 Abs. 6 LV möglich).[20] Es ist auch nicht möglich, gegen ein bereits bestehendes Gesetz das Referendum zu ergreifen.[21] Trotz Fehlens einer positiven Gestaltungsmöglichkeit beim Referendum beeinflusst das Volk mittelbar bereits das Gesetzgebungsverfahren, indem Regierung und Landtag angehalten werden, bereits im Vorverfahren der Gesetzgebung auf eine möglichst breit konsensfähige Vorlage hinzuarbeiten.[22] Das fakultative Referendum hat im Gegensatz zur Initiative eine bremsende Wirkung.[23]Während das Referendum über den Gesetzesbeschluss der unmittelbaren Mitwirkung des Volkes an der Gesetzgebung dient, besteht der verfassungspolitische Zweck des Finanzreferendums darin, dem Bürger über erhebliche Ausgaben, die ihn als Steuerzahler mittelbar treffen, ein Mitspracherecht zu sichern.[24]Wenn die Voraussetzungen für die Abhaltung eines Referendums vorliegen, also die erforderliche Zahl von Unterschriften stimmberechtigter Landesbürger oder von Gemeindeversammlungsbeschlüssen, ist ein solches zwingend durchzuführen.[25] Ein Gesetzesbeschluss des Landtages darf zuvor weder dem Landesfürsten zur Sanktion vorgelegt (vgl. auch Art. 66 Abs. 5 LV) noch kundgemacht werden. Der Landesfürst dürfte die Sanktion auch nicht im Vorhinein erteilen, weil das Gesetzgebungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Aus diesem Grund ordnet Art. 66 Abs. 5 LV an, dass dem Referendum unterliegende Gesetzesbeschlüsse erst nach „fruchtlosem Ablauf“ der massgeblichen Frist von 30 Tagen dem Landesfürsten zur Sanktion vorgelegt werden.Hebt der Landtag seinen Gesetzes- oder Finanzbeschluss jedoch vor dem Referendum auf, ist dieses obsolet und nicht mehr abzuhalten.Die näheren Bestimmungen werden gemäss Art. 66 Abs. 7 LV durch Gesetz, im konkreten Fall das VRG, getroffen. Auf diese wird in der Behandlung zu den einzelnen Aspekten des Referendums näher eingegangen.Die Ablehnung des Beschlusses durch das Veto des Volkes ist bindend. Dies bedeutet, dass der Beschluss, sofern es sich um einen Gesetzesbeschluss handelt, nicht dem Landesfürsten zur Sanktion vorgelegt werden darf. Ein vom Volk abgelehnter Finanzbeschluss entfaltet keine Wirksamkeit und darf nicht kundgemacht werden.Allerdings ist es dem Landtag nicht verwehrt, denselben Beschluss noch einmal zu fassen.[26] Es ist dann Sache des Volkes, gegebenenfalls neuerlich ein Referendum zu verlangen. Dieses Ergebnis mag zunächst überraschen, eine andere Auffassung würde jedoch bedeuten, dass eine einmal erfolgte Ablehnung für alle Zeiten eine Sperrwirkung für den betreffenden Beschluss entfalten würde. Dies wäre nicht nur unpraktisch, sondern auch mit der demokratischen und parlamentarischen Grundlage der Verfassung (Art. 2 LV) nicht vereinbar: Es muss dem Volk möglich sein, die Verwerfung eines Gesetzes- oder Finanzbeschlusses in der Volksabstimmung durch einen anderslautenden Beschluss wieder rückgängig zu machen. Dies kann dadurch erfolgen, dass das Volk selbst eine Initiative einbringt oder eben, dass der Landtag einen neuerlichen Beschluss fasst, gegen den kein Referendum ergriffen wird oder über den das Volk im Referendum anders abstimmt.Hinsichtlich der praktischen Handhabe der Instrumente nennt Marxer von 1945 bis 2013 51 Volksabstimmungen.[27]Zwischen 1980 und 2003 fanden 39 Volksabstimmungen statt.[28] Nur vier von zehn Vorlagen, die vom Landtag verabschiedet worden waren und gegen welche das Referendum ergriffen wurde, fanden dagegen eine Mehrheit in der Volksabstimmung.[29] Abstimmungen über Volksinitiativen hatten eine Erfolgsquote von rund 31 Prozent.[30]Was die Erfolgsquote betrifft, so weisen jene Abstimmungen, die vom Landtag veranlasst wurden, die besten Aussichten auf: Sieben von zehn solcher Vorlagen waren in der Periode von 1980 bis 2004 erfolgreich.[31]Keine praktische Rolle spielen die sogenannten Gemeindebegehren, also das Verlangen nach einem Referendum auf Grund von Gemeindeversammlungsbeschlüssen.[32] Das Gemeindebegehren bringt eine regionale Komponente ins Spiel, indem es ermöglicht, ein vor allem von den Stimmberechtigten bestimmter Gemeinden getragenes Referendumsbegehren vor das Volk zu bringen. Dafür hat sich offenbar in den vergangenen Jahrzehnten kein Bedarf ergeben.B. Gesetzesbeschlüsse1. Referendum über Begehren des Volkes oder von GemeindenDieses Referendum setzt einen Gesetzesbeschluss des Landtages voraus, der von ihm nicht als dringlich erklärt wurde. Dies bedeutet, dass der Beschluss (sowohl betreffend Verfassungsgesetze als auch einfache Gesetze) das gesamte Verfahren der Gesetzgebung, wie es von der Verfassung bzw. der Geschäftsordnung vorgegeben wird, durchlaufen haben muss. Insbesondere muss die Abstimmung im Landtag in dritter Lesung stattgefunden haben.Die Dringlicherklärung eröffnet dem Landtag die Möglichkeit, das Referendum zu vermeiden. Dies wirft die Frage auf, ob die Dringlicherklärung im freien Ermessen des Landtages steht oder ob materielle Gründe, die für eine „Dringlichkeit“ des Gesetzesbeschlusses sprechen, vorliegen müssen. Dabei spricht der Umstand, dass die Dringlicherklärung dem Landtag die Möglichkeit gibt, die Volksrechte und damit die „demokratische Grundlage“ der konstitutionellen Erbmonarchie (Art. 2 LV) zu umgehen, von vornherein für eine restriktive Auslegung der Bestimmung.Anders als in der der Schweiz (vgl. Art. 165 BV) fehlen in der Verfassung nähere Bestimmungen zur Dringlicherklärung. Gemäss Art. 165 Abs. 1 BV kann ein Bundesgesetz, dessen „Inkrafttreten keinen Aufschub duldet“, für dringlich erklärt und sofort in Kraft gesetzt werden.Nachdem sich das Referendumsrecht der Verfassung von 1921 entstehungsgeschichtlich an der Rechtslage in der Schweiz orientierte, ist zunächst auf die damals in der Schweiz geltenden Bestimmungen zurückzugreifen: Die BV 1874 sah in ihrem Art. 89 Abs. 2 keine Referendumsmöglichkeit gegen dringliche Bundesbeschlüsse vor.[33] Die heute in Art. 165 Abs. 1 BV verankerte materielle Voraussetzung, wonach der Beschluss keinen Aufschub dulden darf, wurde erst 1939 eingeführt.[34] Gemäss Art. 47 Abs. 1 der Verfassung des Kantons St. Gallen von 1890 unterlagen dem Referendum Gesetze sowie diejenigen allgemein verbindlichen Beschlüsse des Grossen Rats, die nicht dringlicher Natur waren. Eine nähere Einschränkung des Begriffs der Dringlichkeit ist dieser Verfassung im Gegensatz zur gegenwärtigen Rechtslage (Art. 68 KV Kanton SG)[35] nicht zu entnehmen. Ganz abgesehen davon unterliegen Bundesbeschlüsse gemäss Art. 141 BV auch im Falle der Dringlichkeit nach spätestens einem Jahr dem Referendum, ähnlich wie dies etwa auch Art. 68 KV Kanton SG bestimmt.Zum Zeitpunkt der Erarbeitung der Verfassung von 1921 bestanden diese die Dringlichkeit eines Gesetzesbeschlusses konkretisierenden Regelungen in der Schweiz somit noch nicht. Wie Marxer in seiner zeitnahen Dissertation von 1924 schreibt,[36] entzog der damalige Landtag in der Folge zahlreiche Gesetzesbeschlüsse durch Dringlicherklärung dem Referendum, was auch Marxer als Ausfluss des politischen Ermessens des Landtages verstand.[37]Somit dürfte das historische Verständnis der Dringlicherklärung ein solches gewesen sein, das dem Landtag weitgehendes Ermessen bei seiner Entscheidung überliess. In der Staatspraxis wird vom Instrument der Dringlichkeit nach wie vor häufig Gebrauch gemacht[38] und offenbar davon ausgegangen, dass die Beurteilung der Dringlichkeit ausschliesslich eine Sache des Landtages ist.Diesem Verständnis folgt die überwiegende Meinung in der Literatur, wonach die Dringlicherklärung weder eine sachliche noch eine zeitliche Dringlichkeit noch eine Befristung voraussetze. Der Landtag entscheide nach eigenem Ermessen.[39] Diese Verfassungsrechtslage wird aber auch kritisch beurteilt, und verschiedene Autoren deuten die rechtspolitische Zweckmässigkeit einer Eingrenzung des Verständnisses an.[40]Tatsächlich sprechen Entstehungsgeschichte und Staatspraxis für einen breiten Ermessensspielraum des Landtages. Auch der Umstand, dass das Volk mit einer Initiative zur Aufhebung des als dringlich erklärten Gesetzes seine Umgehung durch den Landtag bekämpfen kann, spricht für ein solches Ermessen.[41] Allerdings muss beachtet werden, dass die Initiative nur für Gesetzesbeschlüsse, nicht aber für Finanzbeschlüsse zur Verfügung steht. Bei letzterem Instrument hat das Volk keine Möglichkeit, eine Aufhebung des als dringlich erklärten Finanzbeschlusses herbeizuführen.[42]Indessen sprechen sowohl der Wortlaut der Verfassung als auch Sinn und Zweck der Regelung selbst gegen ein schlechthin schrankenloses Ermessen. Der Begriff „dringlich“ schliesst bereits eine zeitliche Komponente mit ein. Sinn und Zweck der Dringlichkeiterklärung liegt offenkundig darin, aus sachlichen Gründen eine staatspolitisch mitunter höchst problematische Legisvakanz zu vermeiden, die sich daraus ergeben kann, dass das Gesetz auf Grund der Ergreifung des Referendums nicht rechtzeitig in Kraft tritt. Auch wenn dem Landtag bei der Einschätzung der Umstände ein breiter Ermessensspielraum zuzugestehen ist: Eine Dringlicherklärung darf nur erfolgen, wenn eine sachlich begründete Notwendigkeit besteht, das Gesetz sofort in Kraft zu setzen. Insoweit wäre es angebracht, die Dringlicherklärung im Landtag (gegebenenfalls auch im BuA) näher zu begründen.Die Dringlicherklärung muss in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Gesetzesbeschluss stehen. Art. 75 Abs. 4 VRG verlangt daher, dass der Entscheid des Landtages, einen Gesetzes-, Finanz- oder Verfassungsbeschluss als dringlich zu erklären, dem jeweiligen Beschluss beizufügen ist.Das Referendum findet grundsätzlich über den gesamten Gesetzesbeschluss statt, mögen die Bedenken derjenigen, die das Referendum ergriffen haben, sich auch nur auf einzelne Bestimmungen beziehen.[43] Es ist dem Volk somit nicht möglich, gezielt einzelne Bestimmungen aus dem Gesetz zu eliminieren. Ein „Teilreferendum“ ist daher ebenso unzulässig wie etwa ein „konstruktives Referendum“ (Referendum mit einem Gegenvorschlag).Hingegen bestimmt Art. 77 Abs. 3 VRG, dass dem Landtag das Recht zusteht, die Abstimmung in der Weise zu beschliessen, dass über einzelne Teile eines Gesetzes oder eines Beschlusses getrennt abgestimmt wird. Für den letzteren Fall ordnet das Gesetz an, dass die entsprechenden Fragen auf dem Abstimmungszettel abgedruckt werden. Diese Regelung erlaubt dem Landtag, dass über bestimmte, in der öffentlichen Diskussion besonders umstrittene Punkte getrennt von anderen, weniger strittigen Inhalten abgestimmt wird. In diesem Fall kann für jene Teile des Gesetzesbeschlusses, welche in der Abstimmung angenommen wurden, das Gesetzgebungsverfahren durch Einholung der Sanktion des Landesfürsten fortgesetzt werden (Art. 78 Abs. 2 VRG).Man wird diese einfachgesetzliche Präzisierung der Verfassung aus folgenden Gründen als verfassungskonform betrachten können: Es bleibt nämlich im Ermessen des Landtages, ob er den von ihm gefassten Gesetzesbeschluss als „teilungsfähig“ betrachtet und ob er ein nur teilweises Inkrafttreten als zweckmässiger erachtet als die mögliche Ablehnung des ganzen Gesetzesbeschlusses. Dies bedeutet aber auch, dass der Landtag bei der Beurteilung, ob er einen Gesetzesbeschluss für dringlich erklärt, die Möglichkeit des Art. 77 Abs. 3 VRG, die Abstimmung zu splitten, zu berücksichtigen hat.Der Umstand, dass Art. 77 Abs. 3 VRG eine getrennte Abstimmung ausschliesslich dem Landtag vorbehält, erscheint aus den angeführten Gründen sachlich gerechtfertigt und stellt keine ungerechtfertigte Privilegierung des Parlaments gegenüber dem Volk dar.Die Frist für das Ergreifen des Referendums beträgt 30 Tage.[44] Sie beginnt gemäss Art. 66 Abs. 1 LV mit dem Tag nach der amtlichen Verlautbarung des Landtagsbeschlusses. Art. 76 Abs. 1 VRG konkretisiert dies dahingehend, dass alle Verfassungs-, Gesetzes- oder Finanzbeschlüsse, welche nicht als dringlich erklärt werden, nach der Annahme im Landtag unter Angabe des Datums, an welchem die Referendumsfrist abläuft, durch die Regierung in den amtlichen Kundmachungsorganen unter Anführung ihres Titels zu veröffentlichen sind.[45]Die Art und Weise dieser Verlautbarung wird im Kundmachungsgesetz[46] geregelt. Dieses kennt zwei Publikationsorgane, nämlich das Landesgesetzblatt und das Amtsblatt. Da das Landesgesetzblatt der Kundmachung von Rechtsvorschriften dient, hat die Verlautbarung über den Gesetzesbeschluss des Landtages, mit welcher der Lauf der Referendumsfrist ausgelöst werden soll, zur Vermeidung von Missverständnissen in einem anderen Organ als dem Landesgesetzblatt zu erfolgen, wofür das Amtsblatt in Frage kommt. Tatsächlich bestimmt Art. 2 lit. a der Amtsblattverordnung,[47] dass im elektronischen Amtsblatt Kundmachungen im Zusammenhang mit Wahlen und Abstimmungen veröffentlicht werden.2. Referendum über Beschluss des LandtagesArt. 66 LV sieht zwei Formen eines über Beschluss des Landtages zustande gekommenen Referendums[48] vor: Zunächst bestimmt Art. 66 Abs. 1 LV, dass über einen Gesetzes- oder Finanzbeschluss auch auf Grund eines Beschlusses des Landtages selbst ein Referendum abgehalten werden kann. Zum zweiten sieht Art. 66 Abs. 3 LV vor, dass der Landtag befugt ist, über die Aufnahme einzelner Grundsätze in ein zu erlassendes Gesetz eine Volksabstimmung abzuhalten.Im ersteren Fall hat der Landtag gleichzeitig mit der Fassung des Beschlusses selbst darüber zu entscheiden, ob der Beschluss einer Volksabstimmung unterzogen wird. Dieses Instrument soll dem Parlament ermöglichen, eine bestimmte Frage von sich aus dem Volk zur endgültigen Entscheidung vorzulegen. Der Landtag kann dadurch auch einem Referendum zuvorkommen.[49] Offenbar besteht auch die Meinung, dass die Stimmberechtigten in einem solchen Fall eher bereit sind, dem vom Landtag beschlossenen Gesetz zuzustimmen.[50] Der Landtag kann einen solchen Beschluss auch dann fassen, wenn er eine Initiative (Art. 64 Abs. 1 lit. c LV) annimmt. Diese Vorgangsweise hätte den Sinn, klarzustellen, dass der Landtag hinter der Initiative steht, aber die Angelegenheit vor das Volk bringen will.Den Zeitpunkt, zu welchem der Beschluss über die Abhaltung eines Referendums gefasst werden muss, regelt die Verfassung nicht näher. Es ist aber klar, dass der Beschluss in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Gesetzesbeschluss gefasst werden muss, weil sonst das weitere Verfahren der Gesetzgebung verzögert bzw. mit Unklarheit belastet würde. Art. 75 Abs. 3 VRG bestimmt daher in Ausübung der Ermächtigung durch Art. 66 Abs. 7 LV verfassungskonform, dass der Antrag auf eine Volksabstimmung im Landtag im Anschluss an die Schlussabstimmung zu stellen ist, worauf der Landtag hierüber zu beschliessen hat. Der Landtag darf somit diesen Beschluss weder vertagen oder noch einer Kommission zuweisen, sondern er hat über den gestellten Antrag zu entscheiden.Die Bestimmung des Art. 66 Abs. 3 LV ist demgegenüber etwas schwieriger zu erschliessen. Das Volk entscheidet in dieser Variante nicht über einen bereits vorliegenden Gesetzesbeschluss, sondern darüber, ob ein vom Landtag noch zu erlassendes Gesetz bestimmte Inhalte aufweisen soll.Dabei handelt es sich nach Wille um eine sogenannte Konsultativabstimmung.[51] Sie entfaltet im Gegensatz zur Volksabstimmung keine rechtliche Bindungswirkung, allerdings würde es dem demokratischen Gedanken widersprechen wenn der Landtag die von ihm selbst beschlossene Konsultativabstimmung ohne zwingenden Grund nicht beachten würde.[52] In diesem Sinne wird diese Abstimmung von Art. 79 VRG als „Volksbefragung“ bezeichnet.[53] Eine derartige Konsultativabstimmung wurde 1968 über die Einführung des Frauenstimmrechts abgehalten.[54]Das Volk hat freilich die Möglichkeit, gegen das vom Landtag schliesslich beschlossene Gesetz das Referendum zu ergreifen und dieses dann abzulehnen.Ausser diesem Fall gibt es keine bekannt gewordenen Anwendungsfälle, obwohl Marxer 1924 eine besondere Bedeutung der Bestimmung konstatierte, weil „bei uns (…) einzelne Teile der Rechtsordnung dermassen veraltet (sind), dass sie unbedingt einer Reform bedürfen (…). Ich denke hier an den konkreten Fall der Ehegesetzgebung(…).“[55]3. Vorlage an den Landesfürsten zur SanktionArt. 66 Abs. 5 LV trifft eine für das Verfahren der Gesetzgebung wichtige Anordnung: Dem Referendum unterliegende Gesetzesbeschlüsse sind erst nach Ablauf der 30-tägigen Frist zur Ergreifung des Referendums bzw., sofern eine ausreichende Zahl von Stimmberechtigten bzw. von Gemeinden auf Grund von Gemeindeversammlungsbeschlüssen die Abhaltung der Volksabstimmung verlangt hat, nach Durchführung dieser Volksabstimmung dem Landesfürsten zur Sanktion gemäss Art. 9 LV vorzulegen. Damit wird eine Art „Stillhaltefrist“ angeordnet, in welcher mit dem weiteren Gesetzgebungsverfahren innezuhalten ist, bis sich nach Ablauf der massgeblichen Frist die weitere Vorgangsweise klärt.Ein Referendum über ein vom Landesfürsten bereits sanktioniertes Gesetz wäre verfassungswidrig: Die Vorgangsweise würde nicht nur dem klaren Wortlaut der Verfassung widersprechen; die Tatsache, dass der Landesfürst das Gesetz bereits sanktioniert hat, kann auch das Stimmverhalten beeinflussen.Hat der Landtag hingegen den Gesetzesbeschluss für dringlich erklärt, hat die Regierung den Beschluss sofort dem Landesfürsten zur Sanktion vorzulegen (Art. 75 Abs. 4 VRG).C. VerfassungsreferendumDas Verfassungsreferendum unterscheidet sich vom Gesetzesreferendum ausschliesslich durch die Zahl der stimmberechtigten Landesbürger (1.500 statt 1.000) bzw. von Gemeinden (vier statt drei) auf Grund von Gemeindeversammlungsbeschlüssen, die für das Ergreifen des Referendums benötigt werden.Der Umstand, dass das Verfassungsreferendum gegenüber anderen Gesetzesbeschlüssen des Landtages nur erschwert ergriffen werden kann, ist nicht konsequent:Diese Inkonsequenz von Art. 66 Abs. 2 LV ist freilich, da es sich um positives Verfassungsrecht handelt, rechtlich folgenlos.Art. 66 Abs. 2 LV knüpft an die in Abs. 1 allgemein geregelten Gesetzesbeschlüsse an. Daraus ergibt sich, dass der Landtag auch in diesem Fall durch Dringlicherklärung das Referendum umgehen kann. Eine solche Ausschaltung des Volkes gerade bei einer Verfassungsänderung bedarf allerdings einer besonders sorgfältigen Prüfung der Umstände durch den Landtag.D. FinanzreferendumDem Referendum nach Art. 66 Abs. 1 LV unterliegen auch die nicht als dringlich erklärten Finanzbeschlüsse. Die Institution des Finanzreferendums gibt es in der Schweiz zwar nicht auf Bundes-, wohl aber auf kantonaler Ebene und spielt dort auch eine praktisch bedeutsame Rolle.[57]Zum Begriff der Dringlichkeit ist dabei auf das zu den Gesetzesbeschlüssen Gesagte zu verweisen. Somit bleibt zu klären, was unter dem Begriff des Finanzbeschlusses verstanden wird. Auch andere Rechtsvorschriften verwenden diesen Begriff, ohne ihn näher zu definieren.[58] Aus dem Wortlaut der Verfassung geht lediglich hervor, dass es sich beim Finanzbeschluss um ein aliud gegenüber einem Gesetz handeln muss.Weiters ist dem Wortlaut des Begriffes „Finanzbeschluss“ zu entnehmen, dass damit Beschlüsse des Landtages gemeint sind, mit denen etwa finanzielle Zuwendungen an bestimmte Institutionen gewährt werden oder die die Finanzierung von öffentlichen Aufgaben oder Infrastrukturen betreffen. In der parlamentarischen Praxis werden Finanzbeschlüsse ausdrücklich als solche bezeichnet, was auch deshalb zweckmässig ist, weil diese im Landesgesetzblatt kundzumachen sind.[59]Dies hilft freilich nicht über die Unschärfen des verfassungsrechtlichen Begriffs hinweg: Nicht völlig klar ist zunächst, ob ein Finanzbeschluss überhaupt jeder Landtagsbeschluss ist, der finanzielle Auswirkungen nach sich zieht. Solche Folgen werden freilich nur solche Beschlüsse des Landtages nach sich ziehen, die unmittelbar rechtsverbindlichen Charakter haben. Damit scheiden Postulate und Motionen als Instrumente des Landtages aus, da sie die Regierung zwar zum Handeln anleiten, die zu treffenden Massnahmen, so sie aber gesetzliche Regelungen betreffen oder eben zu Ausgaben führen, erst noch dem Landtag vorgelegt werden.Es spricht daher viel dafür, als Finanzbeschlüsse nur solche Beschlüsse zu verstehen, die vom Landtag im Rahmen seiner finanziellen Kontrolle der Regierung zu fällen sind. Soweit solche Beschlüsse im Rahmen formeller Gesetze ergehen wie das in Art. 64 Abs. 3 LV erwähnte jährliche Finanzgesetz und der Voranschlag als dessen Beilage, unterliegen sie ohnehin dem Gesetzesreferendum.[60] Da sowohl das Gesetz als auch der Finanzbeschluss dem Referendum unterliegen, ist es daher im Hinblick auf die Volksrechte unbeachtlich, welche Form der Landtag wählt.[61] Unzweifelhaft ist dabei, dass auch Finanzbeschlüsse, die in Gesetzesform beschlossen werden, dem Sanktionsrecht des Landesfürsten gemäss Art. 9 LV unterstehen.Die bestehende Praxis, für sämtliche Finanzbeschlüsse, welche dem Referendum unterliegen können, die Zustimmung des Landesfürsten einzuholen,[62] wurde von Batliner auf die früher bestehende Formulierung des Art. 70 LV, wonach der Landtag in Übereinstimmung mit dem Landesfürsten über die Aktiven der Landeskassa zu verfügen hatte, zurückgeführt.[63] Seit der Verfassungsrevision 2003 ist es aber die Regierung, die das Finanzvermögen des Landes nach Grundsätzen, die sie im Einvernehmen mit dem Landtag festzulegen hat, verwaltet. Davon abgesehen war auch auf der Grundlage der früheren Verfassungsrechtslage zu bezweifeln, ob beispielsweise ein Nachtragskredit eine „Verfügung über die Aktiven der Landeskassa“ darstellen konnte.[64]Dessen ungeachtet knüpfen sowohl Art. 76 Abs. 2 VRG als auch Art. 78 VRG an die frühere Formulierung des Art. 70 LV an, indem sie eine Sanktion jener Finanzbeschlüsse durch den Landesfürsten vorsehen, die sie die „Aktiven der Landeskassa“ betreffen und die Schwelle des Referendums überschreiten.[65]Nachdem das einfache Gesetz eine Sanktionspflicht von Landtagsbeschlüssen, die nicht in Gesetzesform ergehen, nur in Einklang mit der Verfassung vorsehen kann, lässt sich die bestehende Praxis heute allenfalls dadurch rechtfertigen, dass der Finanzbeschluss als eine Abweichung von dem im (sanktionspflichtigen) Finanzgesetz[66] enthaltenen Voranschlag zu qualifizieren ist und insoweit denselben Erzeugungsbedingungen unterliegt. Dies sah auch der Gesetzgeber des seinerzeitigen Volksrechtegesetzes aus dem Jahre 1922 so.Als Finanzbeschlüsse sind zu betrachten:Nicht dem Referendum unterliegen Personalentscheidungen, wie etwa Richterbestellungen des Landtages.[69]Nicht jeder nicht für dringlich erklärte Finanzbeschluss unterliegt dem Referendum, sondern nur jene, die entweder eine „einmalige neue Ausgabe“ von mindestens 500.000 Franken oder eine „jährliche Neuausgabe“ von 250.000 Franken (ebenfalls als Mindestausgabe zu verstehen) verursachen. Dies impliziert, dass aus den parlamentarischen Materialien, im Regelfall dem BuA, nachvollziehbar hervorgehen muss, welche Ausgaben der Beschluss in welcher Höhe nach sich zieht.Ausgaben beziehen sich auf das Verwaltungsvermögen des Staates und nicht auf eine Anlage des Finanzvermögens.[70] Eine einmalige Ausgabe liegt vor, wenn der Gesamtbetrag der Ausgabe von vornherein feststeht. Eine jährlich wiederkehrende Ausgabe ist zumindest insoweit bestimmbar, als die jährliche Höhe bestimmbar ist.[71]Somit bleibt zu klären, welche Ausgaben als „Neuausgaben“ zu betrachten sind. Dabei liegt es nahe, sich an Art. 3 Finanzhaushaltsgesetz[72] zu orientieren.[73] Gemäss Abs. 3 dieser Bestimmung gilt nämlich eine Ausgabe aus neu, wenn sie nicht gebunden ist. Der Begriff der gebundenen Ausgabe wird in Abs. 2 wie folgt definiert: „2) Eine Ausgabe gilt als gebunden, wenn in Bezug auf Umfang, Zeitpunkt oder andere wesentliche Modalitäten kein erheblicher Handlungsspielraum besteht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausgabe: a) aufgrund einer durch einen Rechtssatz erfolgten Finanzkompetenzdelegation durch den Landtag, die Regierung oder eine andere Instanz abschliessend beschlossen werden kann; b) durch einen Rechtssatz, eine völkerrechtliche Verpflichtung oder eine Gerichtsentscheidung grundsätzlich und dem Umfang nach vorgeschrieben ist; c) zur effizienten Erfüllung von gesetzlich vorgeschriebenen Verwaltungsaufgaben zwingend erforderlich ist und namentlich der Beschaffung oder Erneuerung der für die Verwaltungstätigkeit erforderlichen personellen und sachlichen Mittel dient; d) die Planungs- und Projektierungskosten zur Vorbereitung eines Projekts betrifft; e) bei baulichen Massnahmen zur Erhaltung und zweckmässigen Nutzung der vorhandenen Bausubstanz des Werkes erforderlich ist, ohne dass eine wesentliche Zweckänderung erfolgt; f) durch den Abschluss von Mietverträgen entsteht.“Trifft auf den Finanzbeschluss demnach keines der genannten Kriterien zu, gilt die Ausgabe als neu und sie unterliegt, das Überschreiten der massgeblichen Beträge vorausgesetzt, dem Referendum.[74]Der Landtag darf die Referendumsgrenze nicht durch Aufspaltung in einzelne kleinere Kredite umgehen, die entsprechende Judikatur des Bundesgerichts[75] wird man auch auf die Verfassungsrechtslage in Liechtenstein anzuwenden haben.[76]Auch der Landtag kann einen Beschluss über die Abhaltung eines Referendums über einen Finanzbeschluss fassen. Der Beschluss ist gemeinsam mit dem Finanzbeschluss zu fällen.In der Literatur wurde thematisiert, dass im Unterschied zum Gesetzesbeschluss das Volk keine Möglichkeit hat, mittels einer Initiative einen bestehenden Finanzbeschluss zu Fall zu bringen, weil die Initiative nur bei der Gesetzgebung offensteht.[77] Dies kann rechtspolitisch als Mangel betrachtet werden, ändert aber nichts an der Verfassungsrechtslage, die allerdings bis zu einem gewissen Grad auch erlaubt, Finanzbeschlüsse im Kleid formeller Gesetze zu erlassen,[78] die als solche auch dem Initiativrecht unterliegen.E. Das StaatsvertragsreferendumDas Staatsvertragsreferendum wird in Art. 66bis LV näher geregelt, weshalb auf die Kommentierung zu dieser Bestimmung verwiesen wird.F. Die Volksabstimmung über eine InitiativeDie Abstimmung gemäss Art. 66 Abs. 6 LV findet statt, wenn der Landtag eine zugelassene und erfolgreich mittels Unterschriften oder Gemeindeversammlungsbeschlüssen eingereichte Initiative abgelehnt hat. Die Bestimmung verweist abermals auf den gemäss Art. 64 Abs. 3 dann erforderlichen Bedeckungsvorschlag, wenn aus dem Begehren entweder eine einmalige, im Finanzgesetz nicht schon vorgesehene oder eine länger andauernde Belastung erwächst. Auf die Ausführungen zu Art. 64 Abs. 3 LV[79] ist zu verweisen.Die Ablehnung der Initiative durch den Landtag muss – schon aus Publizitätsgründen – kundgemacht werden.[80]Wird die Initiative vom Volk angenommen, so ersetzt diese Annahme die sonst erforderliche Zustimmung des Landtages zu einem Gesetzesbeschluss.III. VerfahrenArt. 66 Abs. 7 LV verweist hinsichtlich der näheren Bestimmungen über das Referendum auf die einfache Gesetzgebung. Diese wird mit dem VRG getroffen, das in seinem IV. Titel Referendum, Initiative und Landtagseinberufung regelt.Das VRG bezeichnet das von Gemeinden auf Grund von Gemeindeversammlungsbeschlüssen gefasste Referendumsbegehren als Gemeindebegehren (Art. 68 VRG), solche durch das Volk als Sammelbegehren (Art. 69 VRG) und Beschlüsse des Landtages auf Abhaltung eines Referendums als Landtagsbegehren (keine spezifische Regelung im VRG, vgl. aber Art. 67 VRG). Die näheren Vorschriften über das Zustandekommen von Referendumsbegehren sind (wie bei Initiativen) diesen Bestimmungen zu entnehmen.Die Regierung hat die eingelangten Eingaben wie beim Initiativbegehren zu prüfen (Art. 71 Abs. 1 VRG). Sie hat die Publikation des Ergebnisses der Prüfung zu veranlassen (Art. 71 Abs. 3 VRG).Gemäss Art. 72 Abs. 1 VRG ist, sofern das Begehren um Volksabstimmung seitens einer genügenden Zahl von Gemeinden oder Stimmberechtigten gestellt worden ist oder wenn der Landtag eine Volksabstimmung beschliesst, innerhalb von 14 Tagen eine Volksabstimmung anzuordnen, die innerhalb von drei Monaten durchzuführen ist.[81]Da das VRG keine konkrete Frist setzt, innerhalb welcher die Regierung die Prüfung des Begehrens abgeschlossen haben muss (vgl. Art. 71 VRG), gibt es einerseits keine konkrete Maximalfrist, innerhalb welcher die Volksabstimmung durchzuführen ist. Klar ist lediglich, dass sie spätestens innerhalb von drei Monaten und 14 Tagen nach Abschluss dieser Prüfung abzuhalten ist. Andererseits ergibt sich wohl unmittelbar aus der Verfassung, dass die Regierung die Prüfung nicht unangemessen lange hinauszögern darf, weil sonst der Gesetzgebungsprozess durch ein Exekutivorgan verzögert würde. Auch wenn das VRG für die Dauer der Prüfung keine konkrete Frist setzt, ist davon auszugehen, dass diese unverzüglich und ohne unnötigen Aufschub vorzunehmen und zum Abschluss zu bringen ist, also mit anderen Worten innerhalb weniger Tage zu erfolgen hat.Der dem Referendum unterzogene Beschluss muss gemäss Art. 78 Abs. 1 VRG von der absoluten Mehrheit der gültig Stimmenden des ganzen Landes angenommen werden.[82] Dies bedeutet, dass die ungültigen Stimmen nicht zählen (also anders als bei Entscheidungen im Landtag, wo eine ungültige Stimmabgabe im Ergebnis als Ablehnung des Antrages zählt).Die Regierung hat gemäss Art. 77 Abs. 4 VRG auf Grund der eingegangenen Abstimmungsprotokolle das Ergebnis der Volksabstimmung zu prüfen und in den amtlichen Kundmachungsorganen zu veröffentlichen. Hinsichtlich der im Referendum angenommenen Gesetzes- und Verfassungsbeschlüsse sieht Art. 78 Abs. 3 VRG detaillierte Regelungen betreffend die Angabe von Stimmberechtigten, abgegebenen Stimmen, der Annahme und ungültigen Stimmen im Zuge der Kundmachung im Landesgesetzblatt vor. Wird die Vorlage verworfen, so erklärt die Regierung gemäss Art. 78 Abs. 4 VRG dem Landtag gegenüber diese als „dahingefallen“. Das Gesetzgebungsverfahren betreffend diesen Beschluss ist damit abgebrochen und darf nicht wieder fortgesetzt werden, was freilich nicht ausschliesst, dass ein neuerliches Gesetzgebungsverfahren mit demselben Inhalt eröffnet wird.
1) Jeder Landtagsbeschluss, der die Zustimmung zu einem Staatsvertrag (Art. 8) zum Gegenstand hat, unterliegt der Volksabstimmung, wenn der Landtag eine solche beschliesst oder wenn innerhalb von 30 Tagen nach der amtlichen Verlautbarung des Landtagsbeschlusses wenigstens 1 500 wahlberechtigte Landesbürger oder wenigstens vier Gemeinden in der in Art. 64 vorgesehenen Weise ein darauf gerichtetes Begehren stellen.Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteDas Staatsvertragsreferendum wurde erst im Jahre 1992 eingeführt. Der Aufnahme des neuen Art. 66bis LV in die Verfassung war seinerseits ein Referendum vorausgegangen, in welchem sich die deutliche Mehrheit (6‘281 gegen 2‘513 Stimmen) für die Verfassungsänderung ausgesprochen hatte.Anlass der Neuregelung war der damals avisierte Beitritt Liechtensteins zum EWR. Landesfürst Hans-Adam II. hatte in verschiedenen öffentlichen Äusserungen ein Referendum über diesen Beitritt als notwendig bezeichnet. Eine verfassungsrechtliche Grundlage gab es jedoch nicht, wie auch Gutachten von Winkler[1] und Thürer[2] bestätigten. 1989 lancierte die Freie Liste eine Verfassungsinitiative, die jedoch scheiterte.[3] Einer weiteren Initiative der Gewerbe- und Wirtschaftskammer 1991 war hingegen grösserer Erfolg beschieden, sodass die Verfassungsänderung zustande kam.[4] Begründet wurde die Initiative damit, dass es dem demokratischen Empfinden widerspreche, dass ein Mitspracherecht des Volkes wie bei Verfassungsgesetzen und Gesetzen „bei Staatsverträgen, die in zunehmenden Masse in die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Interessen eingreifen, ausgeschlossen ist.“[5] Das Motiv der Gewerbe- und Wirtschaftskammer für die Einführung des Staatsvertragsreferendums lag freilich im Wesentlichen in den befürchteten Auswirkungen des EWR auf die gewerbliche Struktur in Liechtenstein.[6]Die Initiative zur Einführung des Staatsvertragsreferendums war heftig umstritten und wurde im Landtag zunächst auch als „dem Geist der Verfassung widersprechend“ betrachtet[7] und abgelehnt, worauf sie nach den Bestimmungen des Art. 66 Abs. 6 LV einer Volksabstimmung unterzogen wurde. Insbesondere wurde auch eine Schwächung der aussenpolitischen Handlungsfähigkeit und Flexibilität des Landes befürchtet.[8]Die EWR-Abstimmung vom 13. Dezember 1992, die eine Zustimmung von 55,8 Prozent bei einer Stimmbeteiligung von 87 Prozent für den Beitritt Liechtensteins zum EWR erbrachte, erfolgte auf der Grundlage des neuen Art. 66bis LV.[9]II. Besonderheiten des StaatsvertragsreferendumsA. AllgemeinesDas Staatsvertragsreferendum trägt dem Umstand Rechnung, dass angesichts zunehmender völkerrechtlicher Verflechtungen und Integration in das europäische Mehrebenensystem Staatsverträge mitunter eine erhebliche Bindung staatlicher Hoheitsgewalt bedeuten. Gerade die Geschichte Liechtensteins zeigt mit dem Zollvertrag mit Österreich 1852 und dem Zollvertrag 1923 mit der Schweiz, dass im Interesse der Erhaltung der ökonomischen Lebensfähigkeit des Staates Staatsverträge abgeschlossen wurden, die eine massive Beschränkung staatlicher Souveränität bedeuteten.[10] Unter diesem Aspekt ist das fakultative Referendum über Staatsverträge als verfassungspolitisch zweckmässig zu betrachten.[11]In Österreich unterliegen Staatsverträge, ausgenommen solche, die eine Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union darstellen und gleichzeitig eine sogenannte „Gesamtänderung“ bewirken,[12] keinem Referendum. Die Volksabstimmung über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union war verfassungsrechtlich keine solche über den Beitrittsvertrag, sondern über das als Gesamtänderung im Sinne des Art. 44 Abs. 3 B-VG zu betrachtende EU-Beitritts-BVG.[13]In der Schweiz unterliegen völkerrechtliche Verträge, die einen der alternativ zu verstehenden[14] Tatbestände des Art. 141 Abs. 1 lit. d BV[15] erfüllen, dem fakultativen Referendum.[16]Die Verfassungsrechtslage in Liechtenstein ist demnach an jene der Schweiz angenähert. Voraussetzung ist das Vorliegen eines durch den Landtag genehmigungspflichtigen Staatsvertrages gemäss Art. 8 LV (siehe dazu näher im Folgenden). In der Praxis ist das Staatsvertragsreferendum bisher drei Mal, nämlich in der bereits erwähnten EWR-Abstimmung vom 13. Dezember 1992, einer weiteren vom 9. April 1995 betreffend das Anpassungsprotokoll zum EWR-Vertrag sowie einer Abstimmung vom 24. September 2000 betreffend die Leistungsfähige Schwerverkehrsabgabe auf der Grundlage eines Vertrages mit der Schweiz[17] zur Anwendung gelangt.[18] In den ersten beiden Fällen hatte der Landtag die Abhaltung eines Referendums beschlossen, lediglich das zuletzt erwähnte Referendum war auf Grund einer entsprechenden Initiative zustandegekommen.[19]Klarzustellen ist, dass nicht der Staatsvertrag selbst dem Referendum unterliegt, sondern der Genehmigungsbeschluss des Landtages.[20] Dies geht schon aus dem Wortlaut der Verfassung klar hervor.B. Voraussetzungen und Rechtswirkungen des ReferendumsDie Verfassung knüpft an Art. 8 LV an, was bedeutet, dass nicht nur ein Staatsvertrag im Sinne dieser Bestimmung vorliegen, sondern auch eine Genehmigungspflicht durch den Landtag bestehen muss. Da in der Staatspraxis die Genehmigungspflicht von Staatsverträgen extensiv ausgelegt wird, führt dies dazu, dass nahezu jeder Staatsvertrag dem – in der Praxis freilich bisher lediglich einmal ergriffenen[21] – fakultativen Referendum unterliegt.[22]Da lediglich der Genehmigungsbeschluss des Landtages dem Referendum unterliegt und nicht der Staatsvertrag selbst, gibt es kein Referendum für nicht genehmigungspflichtige Staatsverträge bzw. solche, die nicht im Landtag genehmigt wurden.[23] Versagt der Landtag einem Staatsvertrag die Zustimmung, findet daher kein Referendum statt. Da das Volk auch keine Möglichkeit hat, bei Staatsverträgen im Wege einer Initiative ein bestimmtes völkerrechtliches Abkommen herbeizuführen, befindet es sich bei den Staatsverträgen ausschliesslich in einer Vetoposition: Es kann nur einen genehmigten Staatsvertrag ablehnen, aber nicht den Abschluss eines Staatsvertrages bewirken.[24] Kein Anwendungsfall des Art. 66bis LV liegt im Übrigen vor, wenn ein Staatsvertrag, mag ihm das Volk auch in einem Referendum zugestimmt haben, aufgekündigt wird.[25]Die Rechtslage gemäss Art. 66bis LV unterscheidet sich von jener nach Art. 66 LV insoweit, als der Landtag keine Möglichkeit hat, mittels Dringlicherklärung das Referendum zu umgehen.[26] Rechtspolitisch besteht ein solcher Bedarf auch kaum: In zeitlicher Hinsicht wird ein Staatsvertrag wohl nur in den seltensten Fällen dieselbe Dringlichkeit aufweisen wie ein bestimmter Gesetzesbeschluss. In inhaltlicher Hinsicht handelt es sich beim fakultativen Referendum um die praktisch einzige Möglichkeit einer direkten Mitwirkung des Volkes an der Aussenpolitik. Nachdem hier das Instrument der Initiative nicht zur Verfügung steht, ist es verfassungspolitisch sinnvoll, wenn das Volk bei allen Staatsverträgen die Möglichkeit hat, seine Zustimmung oder Ablehnung zum Ausdruck zu bringen.Da lediglich der Genehmigungsbeschluss des Landtages dem Referendum unterzogen wird, ergibt sich, dass das Volk keine Möglichkeit hat, bloss einzelne Teile des Staatsvertrages abzulehnen.Die Voraussetzungen für das Zustandekommen des Referendums sind dieselben wie bei einem fakultativen Referendum über eine Verfassungsänderung,[27] d.h. entweder mussDer Umstand, dass der Staatsvertrag unter denselben Voraussetzungen wie ein Verfassungsgesetz der Volksabstimmung unterliegt, begegnet derselben zu Art. 64 Abs. 4 LV[29] geäusserten Kritik: Es ist inkonsequent, für besonders fundamentale Rechtsakte wie Verfassungsgesetze oder für Rechtsakte, die sich grundsätzlich nicht von anderen Rechtsvorschriften unterscheiden, wie Staatsverträge, gegenüber einfachen Gesetzen erschwerte Voraussetzungen für das Ergreifen des Referendums zu schaffen.[30]Soweit ein Staatsvertrag durch einseitigen Rechtsakt aufgekündigt werden darf, unterliegt dieser Akt, da es sich um keinen Landtagsbeschluss handelt, mit dem ein Staatsvertrag genehmigt wird, nicht dem fakultativen Referendum.[31] Anderes gilt, wenn der Staatsvertrag seinerseits nur durch Staatsvertrag aufgehoben werden kann.[32]Die Rechtswirkung der Zustimmung besteht darin, dass der Staatsvertrag ratifiziert und kundgemacht werden darf. Im Falle der Ablehnung hat die Ratifikation zu unterbleiben, sodass der Staatsvertrag auch nicht kundgemacht werden darf und keine Rechtswirkungen entfaltet.[33]III. VerfahrenArt. 75a Abs. 1 VRG wiederholt die Voraussetzungen für das Staatsvertragsreferendum. In Abs. 2 wird bestimmt, dass, wenn der Landtag eine Volksabstimmung beschliessen soll, der entsprechende Antrag im Anschluss an die Zustimmung des Landtages gestellt werden muss, worüber der Landtag zu beschliessen hat. Wie im Falle des Referendums nach Art. 66 LV gilt, dass über den entsprechenden Antrag inhaltlich zu entscheiden ist, also eine Vertagung oder ein Verweis in eine Kommission nicht in Betracht kommt.Auch hinsichtlich des weiteren Verfahrens unterscheidet sich das Staatsvertragsreferendum nicht von den fakultativen Referenden nach Art. 66 LV.
1) Wenn in einem Gesetze nichts anderes bestimmt ist, tritt es nach Verlauf von acht Tagen nach erfolgter Kundmachung im Landesgesetzblatte in Wirksamkeit.Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteDer ordnungsgemässen Kundmachung von Rechtsvorschriften kommt in einem Rechtsstaat zentrale Bedeutung zu. John Locke schrieb bereits 1689 in seinen „Zwei Abhandlungen über die Regierung“, dass die Legislative verpflichtet sei, „nach öffentlich verkündeten, stehenden Gesetzen und durch anerkannte, autorisierte Richter für Gerechtigkeit zu sorgen.“[1]Die Konstitutionelle Verfassung enthielt noch keine Bestimmungen betreffend die Kundmachung von Gesetzen und anderen Rechtsvorschriften. Allerdings sah § 52 der „Amts-Instruktion für die Staatsbehörden des souveränen Fürstenthums Liechtenstein“ vom 26. September 1862 vor, dass die Regierung für die Herausgabe des Landesgesetzes zu sorgen und auf die genaue Handhabung und Befolgung der Gesetze und Vorschriften zu dringen habe.Vorschriften über die Kundmachung gab es allerdings bereits schon lange vor diesem Zeitpunkt, weil es dem Staat in eigenem Interesse ein Anliegen sein musste, dass die von ihm erlassenen Vorschriften bekannt wurden, damit sie befolgt werden konnten. Genau dies lag offenbar in der frühen Zeit nach der Erlangung der Souveränität des Fürstentums noch im Argen: In der „Hofkanzleiverordnung betr. Publikation von Gesetzen und Verordnungen am Anschlagbrett“ vom 14. September 1808 wird nämlich festgehalten: „Bei Localisirung des Fürstenthumes Lichtenstein ist dem gefertigten Hofrath Hauer[2] nicht entgangen, dass die gesetzlichen Verfügungen der Landesfürstlichen Regierung immer zu spät und nicht in der allgemein hergebrachten Form zur Kundmachung und Verbreitung unter die Unterthanen gelangen und das oft wesentliche, dem Unterthan belehrende und zum Fleiss und Industrie aufmunternde Verfügungen ganz unterdrückt bleiben.“Die Hofkanzlei verfügte daher, dass die „Regierungs-Verfügungen“ künftig „nicht nur durch Umlaufschreiben an die Orts-Gerichten, sondern mittels Affisur beim Oberamt, gleich in den ersten 24 Stunden a praesentato zur Publicitaet gebracht werden sollen, zu welchem Ende ein schwarze Affisur-Tafel bei dem Oberamtshaus auszuhangen und die Publicanda darober zu affigiren seyn werden, wohin dann auch die vom Oberamte in Geschäftenzug erlassende, zur öffentlichen Bekanntmachung geeignete Gegenstände gehören und mit auszuhangen sind.“Ob angesichts dieser vom Geist des Obrigkeitsstaates erfüllten Art der Kundmachung bei der Bevölkerung, die wohl nur selten den Weg zum Oberamtshaus antrat, sofern sie denn überhaupt lesekundig war, der Bekanntheitsgrad der Rechtsnormen verbessert wurde, ist unbekannt. Am ehesten erlangten die Untertanen von der Kundmachung im Wege der Ortsgerichte Kenntnis. Indessen blieb diese Verordnung nahezu für vier Jahrzehnte die Grundlage der Kundmachung von Rechtsvorschriften in Liechtenstein.Die Verordnung über die Kundmachung der Gesetze und Verordnungen vom 31. März 1844 bestimmte in ihrem § 1, dass das Oberamt dafür zu sorgen hatte, „dass jedes allgemein verbindende Gesetz und jede Verordnung an ein und demselben Tage in jeder Ortsgemeinde anlange und sogleich den folgenden Tag kundgemacht werden, zu welchem Ende die erforderliche Anzahl der Exemplarien dem Oberamte zukommen wird.“ § 4 ordnete an, dass am folgenden Tag „nach dem nachmittägigen Gottesdienste, zu welchem sich die Gemeinde ohnehin einfindet, eine Gemeindeversammlung angesagt und abgehalten werden, welcher sofort das Gesetz vollinhaltlich vorzulesen ist.“ Vormittags war das Gesetz öffentlich nach § 3 anzuschlagen, was auch zu gleicher Zeit an der Gerichtstafel des Oberamtes zu geschehen hatte.§ 7 traf die wichtige Anordnung, dass auf solche Art gehörig kundgemachte gesetzliche Bestimmungen vom Tage der ersten Kundmachung in volle Wirksamkeit treten sollten, wenn nicht das Gesetz selbst ausdrücklich den Eintritt seiner Wirksamkeit auf einen späteren Zeitpunkt verordnete. Ausserdem wurde bestimmt: „Da übrigens Unwissenheit nicht entschuldiget, so hat sich Jedermann bei Gemeindeversammlungen, die zur Kundmachung von Gesetzen berufen werden, einzufinden.“Der Verfassungsentwurf des Verfassungsrates 1848 sah wie später die KonV noch keine Bestimmungen über die Kundmachung von Rechtsvorschriften vor, doch ging er offenkundig von einer ordnungsgemässen Kundmachung als einer Selbstverständlichkeit aus, wenn in § 91 bestimmt wurde, dass ohne Zustimmung des Landrathes kein Gesetz kundgemacht werden durfte.Erst mit der Einführung des Publikationsorgans des Landesgesetzblattes im Jahre 1863 wurde die Kundmachung von Rechtsvorschriften auf ein modernes Niveau gehoben: In der Verordnung betreffend die Einführung eines Landesgesetzblattes zur Kundmachung der Gesetze und Verordnungen[3] wurde angeordnet, dass die Kundmachung der Gesetze durch ein Landesgesetzblatt zu geschehen hat. Dieses hatte neben den Gesetzen auch alle „Patente und Verordnungen, welche seit dem 1. Januar 1863 erflossen sind, und fernerhin erscheinen werden“,[4] zu enthalten.Auch wenn das Landesgesetzblatt nur einem kleinen Personenkreis unmittelbar zur Verfügung stand, ermöglichte es, dass sich seine Benützer über die in Kraft stehenden Rechtsvorschriften einigermassen zuverlässig informieren und dieses Wissen auch weitergeben konnten. Für die juristische Tätigkeit war das Landesgesetzblatt unentbehrlich.In der Verfassungsdiskussion nach 1918 sah der Verfassungsentwurf Wilhelm Becks in seinem Art. 31 vor, dass zur Gültigkeit eines Gesetzes ausser der Zustimmung des Landtages die Sanktion des Landesfürsten und die Verkündigung durch die Regierung im Landesgesetzblatt erforderlich war. Sofern nichts anderes im Gesetze selbst angeordnet wurde, sollte es acht Tage nach seiner Verkündigung in Kraft treten.An diesen Vorschlag knüpfte die Regierungsvorlage Josef Peers an, die in ihrem § 67 vorschlug, dass, wenn in einem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, dieses nach Verlauf von acht Tagen nach erfolgter Kundmachung im Landesgesetzblatt in Wirksamkeit treten sollte. In den Beratungen im Landtag blieb dieser Vorschlag unverändert, sodass die Bestimmung als Art. 67 in Kraft trat.Art. 67 LV blieb bis 1985 unverändert. In Zusammenhang mit dem Kundmachungsgesetz[5] aus diesem Jahre, das die Verordnung von 1863 über das Landesgesetzblatt ablöste, wurde Art. 67 LV um einen Abs. 2 ergänzt, wonach die Art und der Umfang der Kundmachung von Gesetzen, Finanzbeschlüssen, Staatsverträgen, Verordnungen, Beschlüssen internationaler Organisationen und des aufgrund völkerrechtlicher Verträge anwendbaren Rechts im Landesgesetzblatt im Wege der Gesetzgebung geregelt wird.[6] Ausschlaggebend für diese Novelle war die Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes, wonach „zur Rechtsgültigkeit eines Gesetzes, und zwar auch eines auf Grund des Zollanschlussvertrages übernommenen Schweizer Gesetzes, die integrale Kundmachung im Landesgesetzblatt gehört und der blosse Verweis auf die schweizerische Amtliche Gesetzessammlung nicht genügt.“[7]Eine weitere Novelle ergänzte im Jahre 1992[8] den Art. 67 LV um einen dritten Absatz, die bestimmte, dass für das aufgrund des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Fürstentum Liechtenstein anwendbare Recht bezüglich seiner Kundmachung an die Stelle des Landesgesetzblattes das Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften trat.Diese Bestimmung wurde 1995 noch vor dem Inkrafttreten des EWRA für Liechtenstein durch einen neuen Abs. 3 ersetzt, der dem heutigen Abs. 3 entspricht.1996 erhielt Abs. 2 einen zweiten Satz, wonach für die im Fürstentum Liechtenstein aufgrund von Staatsverträgen anwendbaren Rechtsvorschriften eine Kundmachung in vereinfachter Form, wie insbesondere eine Verweispublikation auf ausländische Rechtssammlungen, eingerichtet werden kann. Diese Novelle war wiederum durch die strenge Judikatur des Staatsgerichtshofes zur Kundmachungspraxis der im Wege des Zollvertrages anwendbaren schweizerischen Rechtsvorschriften veranlasst worden, die trotz der Verfassungsnovelle des Jahres 1985 aus Sicht des Staatsgerichtshofes nicht verfassungskonform erfolgt war.[9]II. Kundmachung von Rechtsvorschriften in LiechtensteinA. AllgemeinesWie erwähnt, bildet die Kundmachung von Rechtsvorschriften ein zentrales Element der Rechtsstaatlichkeit. Auch wenn im modernen Staat die Annahme, die Kundmachung bewirke, dass den Bürgern das geltende Recht bekannt sei, auf Grund der Komplexität und Quantität der Vorschriften auf einer Fiktion beruht, bildet sie die Voraussetzung, dass die Rechtsunterworfenen überhaupt Kenntnis der sie betreffenden Rechtsvorschriften erlangen können.Die Verfassung regelt Fragen der Kundmachung nur zurückhaltend und delegiert wesentliche Aspekte an die einfache Gesetzgebung. Die nähere Ausführung der massgeblichen Vorschriften erfolgt im Kundmachungsgesetz. Aus Art. 67 Abs. 1 LV ergibt sich, dass die Verfassung die Existenz eines Kundmachungsorgans „Landesgesetzblatt“ verlangt, in dem zumindest alle Gesetze kundzumachen sind.Das Kundmachungsgesetz bestimmt in seinem Art. 1, dass rechtsetzende Vorschriften (Rechtsvorschriften) im Landesgesetzblatt, andere Vorschriften und Anordnungen sowie amtliche Mitteilungen im Amtsblatt kundzumachen sind.[10]Im Gegensatz zum österreichischen Bundesgesetzblatt,[11] das drei Teile enthält, nämlich I (im Wesentlichen Bundesgesetze und Staatsrechtliche Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern), II (im Wesentlichen Verordnungen und vergleichbare Rechtsnormen) und III (im Wesentlichen Staatsverträge), bildet das Landesgesetzblatt ein einheitliches Publikationsorgan. Seit dem 1. Jänner 2013 ist die elektronische Kundmachung die authentische Form.[12]Die Regelung, das Landesgesetzblatt elektronisch herauszugeben, ist verfassungskonform:[13] Die Verfassung verlangt auf Grund ihrer Offenheit nicht, dass für das „Landesgesetzblatt“ nur eine gedruckte Form in Frage kommt, mag auch im Zeitpunkt der Erlassung der Bestimmung des Art. 67 Abs. 1 LV im Jahre 1921 eine andere als eine gedruckte Publikation nicht vorstellbar gewesen sein. Gerade die Delegation des Art. 67 Abs. 2 LV, wonach die Art und der Umfang der Kundmachung von Gesetzen, Finanzbeschlüssen, Staatsverträgen, Verordnungen, Beschlüssen internationaler Organisationen und der auf Grund von Staatsverträgen anwendbaren Rechtsvorschriften im Wege der Gesetzgebung geregelt werden, weist mit ihrer Formulierung „Art und Umfang“ darauf hin, dass auch alternative Formen an Stelle der gedruckten Kundmachung in Frage kommen.[14]Auch unter dem Aspekt der Zugänglichkeit des Rechts ist die authentische Kundmachung im Internet vorteilhafter als die gedruckte Fassung.[15] Darüber hinaus bestimmt Art. 13a Kundmachungsgesetz, dass Kundmachungen im Landesgesetzblatt ohne Identitätsnachweis zugänglich sein müssen und von jedermann unentgeltlich müssen ausgedruckt werden können. Gegen eine von der Regierung mit Verordnung zu bestimmende Gebühr können bei der Regierungskanzlei zudem Ausdrucke der im Landesgesetzblatt kundgemachten Rechtsvorschriften bezogen werden.[16]Die Verfassung kennt keine Wiederverlautbarung von Rechtsvorschriften[17] wie sie aus dem österreichischen B-VG bekannt ist.[18] Dabei handelt es sich um die Herstellung einer konsolidierten Fassung von Gesetzen durch die Regierung, die im Laufe der Zeit durch zahlreiche Rechtsvorschriften unübersichtlich geworden sind. Dabei werden auch unzeitgemässe sprachliche oder grammatikalische Wendungen korrigiert und die Verweisungen richtig gestellt.[19] Da die Wiederverlautbarung eines Gesetzes durch die Exekutive erfolgt, die, wenngleich kleinere, Änderungen an einem Gesetzestext vornimmt, bedürfte sie einer verfassungsrechtlichen Grundlage. Ein Bedarf an einer solchen Wiederverlautbarung besteht in Liechtenstein kaum, seitdem moderne Rechtsinformationssysteme es ermöglichen, das jeweils geltende Recht im Internet in einer konsolidierten Fassung darzustellen.[20]Die Kundmachung ist Aufgabe der Regierung, obgleich die Verfassung sich dazu ausschweigt. Eine Zuordnung zur Legislative wäre deshalb verfehlt, weil sich die Kundmachung ja nicht nur auf Gesetze oder Staatsverträge, sondern auch auf Verordnungen und andere Rechtsvorschriften bezieht. Ausserdem bedürfen Gesetze der Sanktion des Landesfürsten gemäss Art. 9 LV sowie der anschliessenden Gegenzeichnung durch den Regierungschef (Art. 65 Abs. 1 LV),[21] was nahelegt, dass auch die anschliessende Kundmachung durch den Regierungsapparat erfolgt.Über den Zeitraum zwischen dem Abschluss des jeweiligen Rechtserzeugungsverfahrens (bei Gesetzen die erteilte Sanktion durch den Landesfürsten gemäss Art. 9 LV) und der Kundmachung der Rechtsvorschrift, sagt die Verfassung nichts. Es kann jedoch aus demokratischen Gründen kein Zweifel bestehen, dass die Regierung die Kundmachung unverzüglich durchzuführen hat.[22] Sie darf daher nicht zuwarten, bis die Kundmachung zu einem späteren Zeitpunkt aus welchen Gründen auch immer opportuner ist, sondern sich ausschliesslich von sachlichen Vorgaben der elektronischen Kundmachung leiten lassen.Mit der rechtsstaatlichen Bedeutung einer ordnungsgemässen Kundmachung zusammen hängt die Problematik der sogenannten „dynamischen Verweisung“. Bei der sogenannten dynamischen Verweisung geht es darum, dass in einem Erlass auf eine von einer anderen Normsetzungsinstanz geschaffene Norm in der jeweils gültigen Fassung verwiesen wird, sodass diese Verweisung auch zukünftige Änderungen der Zielnorm mitumfasst. Wird nur auf eine externe Norm in einer bestimmten Fassung verwiesen, so handelt es sich um eine sogenannte statische Verweisung.[23] Die dynamische Verweisung wird sowohl vom österreichischen Verfassungsgerichtshof[24] als auch vom schweizerischen Bundesgericht[25] kritisch betrachtet, weil sie es dem Normunterworfenen erschwert, das geltende Recht zu kennen. Der Staatsgerichtshof erblickte in einem Verweis in der Verordnung zum Baugesetz auf Normen der Vereinigung der Schweizerischen Strassenfachleute kein derartiges Problem, „weil die Verweisung die heute geltenden und bestimmbaren VSS-Normen meint“.[26] Was den Verweis im FATCA-Abkommen auf US-amerikanische Gesetzgebung betrifft, judizierte der Staatsgerichthof, dass Änderungen dieser Rechtslage in Liechtenstein nur dann wirksam sind, wenn sie jeweils explizit ins liechtensteinische Recht übernommen werden.[27]Die Frage der Existenz von Gewohnheitsrecht berührt neben dem demokratischen Aspekt der Rechtserzeugung auch den rechtsstaatlichen Aspekt der Kundmachung von Rechtsvorschriften. Die Existenz von gewohnheitsrechtlich entstandenem (und damit nicht kundgemachten) Verfassungsrecht kann wohl verneint werden.[28] Nicht ausgeschlossen ist hingegen, dass die Verfassung von 1921 Gewohnheitsrecht auf einfachgesetzlicher Ebene vorgefunden hat und dieses in Kraft belassen hat. Einen wiederum anderen Aspekt stellt die Tatsache der Existenz und Erzeugung völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts dar, welches unbestritten auch in Liechtenstein eine Rechtsquelle ist.[29]Die hier behandelten Kundmachungsfragen beziehen sich im Übrigen nicht auf die von den Gemeinden erlassenen Rechtsvorschriften.[30]B. Kundmachung von GesetzenDie Kundmachung von Gesetzen ist gemäss Art. 67 Abs. 1 LV im Landesgesetzblatt monopolisiert. Eine andere Kundmachungsform wäre verfassungswidrig.Soweit in einem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, tritt es nach Ablauf von acht Tagen nach erfolgter Kundmachung im Landesgesetzblatt in Kraft. Die Frist beginnt an dem Tag zu laufen, an welchem das Landesgesetzblatt online zugänglich ist. Das Ende der Frist wird, anders als etwa bei Rechtsmittelfristen, nicht aufgeschoben, wenn der letzte Tag auf eine Sonn- oder Feiertag fällt. Dies ist, gerade weil es sich nicht um eine Rechtsmittelfrist, sondern eine materielle Frist handelt, sachlich auch nicht erforderlich.Wenn das Gesetz einen anderen Inkrafttretenszeitpunkt anordnet, muss es dies in einer klaren und unmissverständlichen Weise tun. Ist der Formulierung des Gesetzes kein konkreter Inkrafttretenszeitpunkt zu entnehmen, gilt der Grundsatz des Art. 67 Abs. 1 LV, das heisst, das Gesetz tritt nach acht Tagen nach erfolgter Kundmachung in Kraft.[31] Eine andere Argumentation würde darauf hinauslaufen, dass das Gesetz auf Grund unverständlicher Inkrafttretensregelung[32] überhaupt nicht in Kraft treten könnte, womit der Wille des Gesetzgebers, der ja ein Gesetz in Wirksamkeit treten lassen wollte, völlig unterlaufen würde.Weshalb die Verfassung, mangels anderweitiger Anordnung des Gesetzgebers eine Frist von acht Tagen bis zum Inkrafttreten der Vorschrift vorsieht, lässt sich historisch wohl nur dadurch erklären, dass den Rechtsunterworfenen nicht zugemutet werden sollte, sich täglich über eventuell neu in Kraft getretene Rechtsvorschriften zu informieren.Sieht das Gesetz einen anderen Inkrafttretenszeitpunkt als den in Art. 67 Abs. 1 LV genannten vor, so wird ein in der Zukunft liegendes Wirksamwerden verfassungsrechtlich grundsätzlich unproblematisch sein, während dies bei einer Rückwirkung nicht der Fall ist. Zwar verbietet die Verfassung nicht schlechthin ein rückwirkendes Inkrafttreten, lediglich bei Strafgesetzen ist dies explizit unzulässig.[33] Im Strafrechts- und Amtshilferecht ist nach der neuen Judikatur des Staatsgerichtshofes eine Rückwirkung aber auch schon dann verfassungsrechtlich kritisch, wenn sie sich auf länger zurückliegende Sachverhalte bezieht.[34]Rückwirkungen sind überhaupt unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes und der Sachlichkeit einer Regelung kritisch zu sehen.[35] Dazu existiert bereits eine umfangreiche Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes,[36] die vertieft bei den massgeblichen Grundrechten behandelt wird.Die unterlassene Kundmachung eines Gesetzes bewirkt dessen absolute Nichtigkeit. Die Norm ist niemals in Rechtswirksamkeit getreten und hat niemals irgendeine Verbindlichkeit entfaltet und ist daher von den Behörden und Gerichten nicht anzuwenden.[37]Davon zu unterscheiden ist ein Publikationsmangel, etwa wenn der beschlossene Text unvollständig kundgemacht wird oder das Gesetz eine falsche Bezeichnung erhalten hat. Ein solcher Mangel bewirkt indessen eine Verfassungswidrigkeit,[38] was bedeutet, dass das Gesetz vom Staatsgerichtshof aufzuheben ist.Kundzumachen sind im Übrigen nicht nur die von den Gesetzgebungsorganen beschlossenen Gesetze, sondern auch die vom Staatsgerichtshof aufgehobenen Gesetze bzw. gesetzlichen Bestimmungen.[39] Die Aufhebung wird mit der Kundmachung rechtswirksam, sofern nicht der Staatsgerichtshof eine Frist von längstens einem Jahr bestimmt. Die Regierung hat auch diese Kundmachung unverzüglich vorzunehmen.[40]C. Kundmachung von Staatsverträgen, Beschlüssen internationaler Organisationen und der aufgrund von Staatsverträgen anwendbaren RechtsvorschriftenArt. 67 Abs. 2 LV nennt unter jenen Rechtsvorschriften, deren Art und Umfang der Kundmachung im Wege der Gesetzgebung geregelt werden, auch die Staatsverträge, Beschlüsse internationaler Organisationen und die aufgrund von Staatsverträgen anwendbaren Rechtsvorschriften. Für letztere kann zudem eine Kundmachung in vereinfachter Form, wie insbesondere eine Verweispublikation auf ausländische Rechtssammlungen, eingerichtet werden.Die sachliche Notwendigkeit der Kundmachung dieser Rechtsvorschriften liegt auf der Hand: Mitunter handelt es sich, wie insbesondere bei den auf Grund des Zollvertrages anwendbaren schweizerischen Rechtsvorschriften, um in Liechtenstein unmittelbar anwendbares Recht, in allen anderen Fällen wird zumindest eine völkerrechtliche Bindung des Landes Liechtenstein bewirkt. Demgegenüber würde ihre Kundmachung im Landesgesetzblatt erhebliche Unübersichtlichkeit bewirken. Die Verfassung geht daher einen Mittelweg, indem sie eine vereinfachte Form der Kundmachung von auf Grund von Staatsverträgen anwendbaren Rechtsvorschriften vorsieht.Staatsverträge sind in ihrer ursprünglichen Form und Kennzeichnung kundzumachen.[41] In der Kundmachung sind regelmässig der Zeitpunkt des Abschlusses des Staatsvertrages, die Zustimmung des Landtages und das Inkrafttreten für das Fürstentum Liechtenstein angegeben.[42]Die unterlassene Kundmachung des Staatsvertrages ändert nichts an seiner völkerrechtlichen Verbindlichkeit, bewirkt aber keinerlei Verpflichtungen für Behörden, Gerichte und Rechtsunterworfene.Publikationsmängel könnten, abhängig vom Gewicht des Fehlers, gegebenenfalls zu einer Verfassungswidrigkeit des betreffenden Staatsvertrages führen.[43]Die synallagmatische Bestimmung zu Art. 67 Abs. 2 LV findet sich in Art. 3 Kundmachungsgesetz, worin die im Landesgesetzblatt kundzumachenden Rechtsvorschriften im Einzelnen angeführt sind. Hinsichtlich der aufgrund des Zollvertrages in Liechtenstein anwendbaren Schweizerischen Rechtsvorschriften gibt es ein eigenes Gesetz:Der Umstand, dass in Liechtenstein anwendbare Rechtsvorschriften im Land selbst nicht zugänglich sind, sondern über – freilich auch im Internet enthaltene – Quellen im Ausland erschlossen werden müssen, ist rechtsstaatlich nicht unproblematisch.[46] Die massgebliche gesetzliche Grundlage steht freilich in Verfassungsrang, sodass es keine Bedenken im Hinblick auf die Verfassungskonformität gibt.Nach der vor der Verfassungsrevision 2003 ergangenen Rechtsprechung überprüfte der Staatsgerichtshof das auf Grund staatsvertraglicher Vereinbarung in Liechtenstein anwendbares Schweizerische Recht nicht, ob es im Einklang mit der Landesverfassung steht, sondern lediglich die verfassungskonforme Kundmachung solcher Erlasse in Liechtenstein.[47] In seiner neueren Judikatur betrachtet der Staatsgerichtshof das im Wege des Zollvertrages in Liechtenstein anwendbare Schweizerische Recht als Staatsvertragsrecht, das nunmehr einer Überprüfung zugänglich ist.[48]Nach Auffassung des Staatsgerichtshofes bezieht sich die Ermächtigung zur vereinfachten Kundmachung nach Art. 67 Abs. 2 zweiter Satz LV auch auf solches schweizerisches Recht, das mittlerweile in der Schweiz selbst nicht mehr anwendbar ist.[49]Soweit ein Staatsvertrag oder Teile desselben vom Staatsgerichtshof für nicht anwendbar erklärt wurden, hat die Regierung unverzüglich die entsprechende Kundmachung zu veranlassen.D. Kundmachung von EWR-RechtHinsichtlich des EWR-Rechts existiert mit Art. 67 Abs. 3 LV eine Spezialnorm, die für das EWR-Recht eine Kundmachung in einer EWR-Rechtssammlung vorsieht. Diesbezüglich besteht ebenfalls eine Ermächtigung des einfachen Gesetzgebers, die Art und den Umfang der Kundmachung zu regeln.Das auf der Grundlage des Art. 67 Abs. 3 LV erlassene Gesetz ist das Gesetz über die Umsetzung und Kundmachung der EWR-Rechtsvorschriften.[50]E. Kundmachung weiterer NormenArt. 67 Abs. 2 LV erwähnt als weitere Rechtsvorschriften, für welche die Verfassung eine ordnungsgemässe Kundmachung sicherstellen will, Finanzbeschlüsse und Verordnungen. Aus dem Umstand, dass Art. 67 Abs. 2 zweiter Satz LV die vereinfachte Kundmachung in Form von Verweispublikationen auf ausländische Rechtssammlungen (vom Fall des EWR-Rechts gemäss Art. 67 Abs. 3 LV abgesehen) gestattet, schliesst der Staatsgerichtshof, dass eine solche Kundmachung in anderen Fällen (etwa bei Verordnungen oder Beschlüssen internationaler Organisationen) unzulässig wäre.[51]Hinsichtlich des Begriffs des Finanzbeschlusses ist an Art. 66 LV anzuknüpfen.Verordnungen sind generell-abstrakte Rechtsakte der Regierung (Art. 92 Abs. 2 LV) oder anderer Verwaltungsbehörden auf der Grundlage der Gesetze sowie die Notverordnungen des Landesfürsten (Art. 10 LV).Hinsichtlich dieser Rechtsvorschriften kommt von Verfassungs wegen auch eine Kundmachung ausserhalb des Landesgesetzblattes in Betracht. Das Kundmachungsgesetz sieht denn etwa unter besonderen Verhältnissen auch in Art. 12 ausserordentliche Formen der Kundmachung vor.[52]Daneben gibt es noch weitere Rechtsvorschriften, die eine spezifische Form der Kundmachung von Verordnungen regeln. So bestimmen das Strassenverkehrsgesetz[53] sowie die auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen, wie die Strassensignalisationsverordnung,[54] die Kundmachung von Verordnungen von Rechtsvorschriften im Strassenverkehr.Was das rückwirkende Inkrafttreten von Verordnungen betrifft, so verlangt der Staatsgerichtshof in diesem Fall eine gesetzliche Grundlage,[55] die aber nur dann verfassungskonform ist, wenn es sich um keine Strafbestimmung und auch keinen anderen Fall einer verpönten Rückwirkung handelt.Die Aufhebung von Verordnungen oder einzelner Bestimmungen derselben durch den Staatsgerichtshof hat die Regierung unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.[56]
1) Ohne Bewilligung des Landtages darf keine direkte oder indirekte Steuer, noch irgendeine sonstige Landesabgabe oder allgemeine Leistung, welchen Namen sie haben möge, ausgeschrieben oder erhoben werden. Die erteilte Bewilligung ist bei der Steuerausschreibung ausdrücklich zu erwähnen.Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteIn Art. 68 LV gelangt das Steuerbewilligungsrecht des Landtages zum Ausdruck, das im 19. Jahrhundert eine zentrale Kompetenz eines konstitutionellen Parlamentes bildete. Dabei wurde an überkommene Rechte der Landstände angeknüpft, welche im Zuge des Absolutismus untergegangen waren.[1] In Liechtenstein veranlagten die Landschaften im 17. und 18. Jahrhundert eine „Landsteuer“, die an die Herrschaft entrichtet wurde.[2]Schon die landständische Verfassung von 1818 sah in ihrem § 11 eine Beratung des Steuerpostulats vor und § 12 bestimmte, dass bei der Grundstückssteuer insoweit Gleichheit herrschen sollte, dass „alle liegenden Besitzungen ohne Unterschied des Eigenthümers nach einem gleichen Maassstab in die Steuer gezogen werden sollen, mithin eine vollkommene Gleichheit in Tragung der allgemeinen Lasten einen jeden einzelnen Unterthan vor Überhaltung sichere.“ In der jährlichen Beschlussfassung über die umzulegende Steuer bestand denn auch die wesentliche Tätigkeit des ständischen Landtages zwischen 1818 und 1848.[3]Die Rezeptionsvorlage der KonV von 1862, die Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen, sah in ihrem § 68 Abs. 1 und 2 vor:In § 68 Abs. 5 KonV wurde unter anderem postuliert, dass dieses Recht der Steuerbewilligung „in der Regel von einem ordentlichen Landtage zum andern“ zu geschehen habe.Die Bestimmung regelte ausschliesslich ein Zustimmungsrecht des Landtages, er war nicht berechtigt, von sich aus den Staatshaushalt aufzustellen und die dazu notwendigen Steuern auszuschreiben.[4] Der Begriff der Steuerausschreibung war im Übrigen auch in Liechtenstein gebräuchlich.[5]Auch im Verfassungsentwurf des Verfassungsrates aus dem Jahr 1848 war eine jährliche Genehmigung der Einnahmen wie der Ausgaben des Staates durch den Landrat vorgesehen (§§ 84, 85).§ 43 Abs. 1 und 2 KonV übernahmen § 68 Abs. 1 und 2 der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen mehr oder weniger wörtlich. In Abs. 3 wurde bestimmt, dass Abgaben und Leistungen, welche zur Bestreitung anerkannter und genehmigter Auslagen des Staatshaushaltes und solche, die zur Erfüllung allgemeiner Bundespflichten erforderlich und dabei genüglich ausgewiesen sind, nicht verweigert werden dürfen.[6] § 44 KonV bestimmte, dass die Steuerbewilligung in der Regel von einem ordentlichen Landtage zum andern erfolgt.Nach 1918 blieb das konstitutionalistische Steuerbewilligungsrecht des Landtages offenbar diskussionslos:II. Die Kompetenzen des Landtages in der BesteuerungA. Steuern, Abgaben und LeistungenArt. 68 LV verwendet eine Reihe von Termini, deren Begriffsinhalt vorausgesetzt wird, die aber in ihrer Vielfalt etwas verwirrend sind, nämlich „Steuern“ (direkter oder indirekter Art) in Abs. 1 und Abs. 3, „Abgabe“ („sonstige Landesabgabe“ in Abs. 1, „öffentliche Abgabe“ in Abs. 2 und „Abgaben“ in Abs. 3) sowie „öffentliche Leistungen“ in Abs. 2.Auch wenn man demnach annehmen könnte, dass „Steuern“ und „(sonstige) Abgabe“ etwas Verschiedenes sind, so fasst der Staatsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung unter dem Begriff der „Abgaben“ die Steuern und Kausalabgaben zusammen.[9] Dabei geht der Staatsgerichtshof in Anlehnung an die im schweizerischen Finanzrecht gebräuchlichen Termini[10] von folgender Begrifflichkeit aus:Somit ergibt sich, dass, wenn Art. 68 LV von Steuern und Abgaben spricht, dies so zu interpretieren ist, dass damit Steuern und die sogenannten Kausalabgaben gemeint sind. Sie bilden gemeinsam die öffentlichen Abgaben. Auf die Benennung einer Abgabe kommt es im Übrigen nicht an, was die Verfassung mit der Wendung „welchen Namen sie auch immer haben möge“ zum Ausdruck bringt.[13]Direkte Steuern (vgl. Art. 68 Abs. 1 erster Satz LV) werden bei jenem Subjekt erhoben, das durch die Steuer auch belastet werden soll. Bei der direkten Steuer sind das Steuersubjekt, das ist jene natürliche oder juristische Person, die die Steuer rechtlich schuldet, und Steuerträger, das ist jene Person, die durch die Steuer wirtschaftlich belastet wird, identisch.[14] Indirekte Steuern werden dagegen vom Steuersubjekt auf weitere Personen überwälzt, wie etwa die Mehrwertsteuer oder Zölle.[15] Auch die Zölle sind demnach „Steuern“.[16]Art. 68 Abs. 2 LV spricht schliesslich noch von allen „öffentlichen (…) Leistungen“. Im Kontext des Art. 68 LV können damit nur Verpflichtungen der Bürger zu bestimmten Leistungen im öffentlichen Interesse gemeint sein, die einer Steuer oder Kausalabgabe gleichzusetzen sind.In der Ausgestaltung des Steuersystems ist der Gesetzgeber nicht nur durch die Verfassung, etwa das Legalitätsprinzip im Abgabenrecht (siehe dazu im Folgenden), sondern auch staatsvertragliche Verpflichtungen wie das EWRA[17] den Zollvertrag[18] oder den „Mehrwertsteuervertrag“[19], diverse Doppelbesteuerungsabkommen[20] und internationale Vorgaben, die zwar keine unmittelbare rechtliche Wirkung entfalten, aber teils massiven politischen Druck erzeugen,[21] beschränkt.B. Legalitätsprinzip im Abgabenrecht1. Legalitätsprinzip als GrundrechtArt. 68 Abs. 1 LV knüpft die Einhebung von direkten wie indirekten Steuern an eine Zustimmung des Landtages, die nach den Intentionen von Abs. 3 in der Regel für ein Verwaltungsjahr erfolgen soll. Diese, wie dargestellt, aus dem Konstitutionalismus übernommene Bestimmung ist jedoch durch die Entwicklung zum modernen Rechtsstaat überholt worden:Auf eine solche gesetzliche Grundlage, die hinsichtlich öffentlicher Abgaben den Abgabetatbestand, den Kreis der Abgabepflichtigen und die Bemessung der Abgabe hinreichend bestimmt regelt, haben die Bürger nach dieser Rechtsprechung einen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Anspruch.[24] Damit soll die Vorausberechenbarkeit einer Abgabe gesichert werden.[25]Art. 68 LV verfolgt gegenüber dem in Art. 92 Abs. 2 LV und Art. 78 Abs. 2 LV für die „gesamte Landesverwaltung“ verankerten Legalitätsprinzip, das in der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes zum Abgabenrecht eine Konkretisierung und Umdeutung in ein Grundrecht erfährt, eine andere Zielrichtung: Das Zustimmungsrecht des Landtages dient weniger dem Schutz der Rechtsposition des einzelnen Bürgers und der Vorausberechenbarkeit seiner konkreten steuerlichen Belastung als vielmehr der Eingrenzung des Steuereinhebungsrechtes der Regierung, die keine Steuern ohne die Zustimmung des Repräsentativkörpers erheben soll.[26]Dadurch, dass nunmehr jede Abgabe einem strengen Legalitätsprinzip unterworfen ist und daher eine gesetzliche Grundlage benötigt, die im Landtag beschlossen wird, ist Art. 68 LV in der geltenden Fassung überholt. Dies bezieht sich auf sämtliche Inhalte dieses Artikels, beginnend mit dem Zustimmungsvorbehalt des Landtages für die Einhebung direkter oder indirekter Steuern in Abs. 1 erster Satz, über den Hinweis auf die Steuerausschreibung auf die erteilte Bewilligung des Landtages in Abs. 1 zweiter Satz, den Zustimmungsvorbehalt hinsichtlich Umlegung und Verteilung aller öffentlichen Abgaben in Abs. 2 bis zur Bewilligung von Steuern und Abgaben auf ein Verwaltungsjahr in Abs. 3. Immerhin ergibt sich aber aus den in Abs. 2 und 3 formulierten Grundsätzen, dass jedenfalls diese Belange im formellen Gesetz zu regeln sind, weil sie eben nicht ohne Zustimmung des Landtages beschlossen werden dürfen.Auf einfachgesetzlicher Ebene regelt das Steuergesetz[27] viele wesentlichen Steuerarten, nämlich Vermögens- und Erwerbssteuer, die Steuer nach dem Aufwand, die Grundstücksgewinnsteuer, die Ertragssteuer, die Gründungsabgabe und die Abgabe auf Versicherungsprämien.[28] Dieses Gesetz regelt auch, welcher Gebietskörperschaft, dem Land oder den Gemeinden welche Erträgnisse zufliessen.[29] Weitere Steuern wie die Mehrwertsteuer[30], die Motorfahrzeugsteuer[31] oder die Schwerverkehrsabgabe[32] sind spezialgesetzlich geregelt. Schliesslich werden Aspekte der Doppelbesteuerung[33] sowie der internationalen Vermeidung von Steuerhinterziehung in zahlreichen Abkommen[34] und Ausführungsgesetzen[35] geregelt.Der Gesetzgeber muss sich bei der Ausgestaltung des Steuersystems nicht nur am Legalitätsprinzip im Abgabenrecht, sondern auch an anderen verfassungsrechtlichen Grundsätzen wie Art. 24 Abs.1 LV, wonach der Staat für eine gerechte Besteuerung unter Freilassung eines Existenzminimums und mit stärkerer Heranziehung höherer Vermögen oder Einkommen zu sorgen hat, orientieren. Relevant sind aber auch die Grundrechte wie etwa der Gleichheitssatz (Art. 31 LV) oder die Eigentumsgarantie (Art. 34 Abs. 1 LV).Für die Zuweisung der Erträge von Steuern an das Land oder die Gemeinden wie auch den Finanzausgleich zwischen Land und Gemeinden stellt die Verfassung keine expliziten Grundsätze auf. Gewisse Grundlagen ergeben sich aber aus Art. 110 Abs. 2 lit. b LV, Art. 14 LV und dem in Art. 31 LV verankerten Anspruch auf Gleichbehandlung.[36]2. Differenziertes Legalitätsprinzip bei KausalabgabenWährend bei Steuern nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes das Erfordernis einer formell-gesetzlichen Grundlage uneingeschränkt gilt, sind bei Kausalabgaben in bestimmten Fällen gewisse Lockerungen zulässig.[37] Auf eine formell-gesetzliche Grundlage gänzlich verzichtet werden darf unter Umständen bei Verwaltungsgebühren, wenn sie für einfache Tätigkeiten ohne besonderen Prüfungs- und Kontrollaufwand erhoben werden und sich in der Höhe in einem bescheidenen Rahmen halten.[38]Der Staatsgerichtshof hielt in seiner Entscheidung zu den Aufsichtsabgaben der Finanzmarktaufsicht[39] fest, dass eine Delegationsnorm in einem formellen Gesetz für die Erhebung von Gebühren nicht isoliert interpretiert werden darf, sondern vielmehr im Gesamtkontext des entsprechenden Gesetzes auszulegen ist.[40] Daraus ergibt sich nach Auffassung des Staatsgerichtshofes, dass zumindest die möglichen Abgabesubjekte und die Abgabetatbestände durch die systematische Auslegung des formellen Gesetzes hinreichend bestimmbar sein müssen.[41]Nach ständiger Rechtsprechung[42] dürfen die Anforderungen an die gesetzliche Grundlage hinsichtlich der Normbestimmtheit dort herabgesetzt werden, wo dem Bürger die Überprüfung einer Kausalabgabe auf ihre Rechtmässigkeit anhand von verfassungsrechtlichen Prinzipien, insbesondere des Kostendeckungs- und des Äquivalenzprinzips, ohne Weiteres möglich ist und soweit die Abgabelast in ihrer Höhe für die Betroffenen in genügendem Mass vorausberechenbar ist.[43]Eine Lockerung der Anforderungen an die gesetzliche Grundlage einer Kausalabgabe ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn das Kostendeckungsprinzip und das Äquivalenzprinzip ihre Schutzfunktion im konkreten Fall erfüllen, d. h., insbesondere eine willkürliche Abgabenerhebung wirksam verhindern können. Es darf nicht leichthin angenommen werden, dass die beiden abgaberechtlichen Prinzipien auch tatsächlich in der Lage sind, die Höhe der einzelnen Abgabe zu begrenzen, da sonst der Grundsatz der Gesetzmässigkeit der öffentlichen Abgabe ausgehöhlt werden könnte.[44] Einerseits muss verhindert werden, dass das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage durch eine Lockerung der Anforderungen des Legalitätsprinzips nicht seines Sinnes entleert wird. Andererseits aber dürfen die Anforderungen auch nicht in einer Weise überspannt werden, dass sie mit der Rechtswirklichkeit und den Praktikabilitätserfordernissen in einen unlösbaren Widerspruch geraten.[45] Generell gilt, dass die Anforderungen an die Bestimmtheit der Grundlagen der Abgabenbemessung im formellen Gesetz umso höher liegen, je schwerwiegender die Eingriffe sind, welche mit den in Frage stehenden Abgaben verknüpft sein können.[46]Sodann kann bei der Gebührenerhebung für die freiwillige Inanspruchnahme einer staatlichen Leistung die formell-gesetzliche Norm offener gestaltet sein; umgekehrt sind für die obligatorische und unerlässliche Inanspruchnahme von Dienstleistungen die Anforderungen an die Normbestimmtheit höher anzuschlagen.[47]C. Die Hoheit des Landtages in allen BesteuerungsfragenAus Art. 68 LV erfliesst der Grundsatz der Hoheit des Landtages in allen Besteuerungsfragen. Dies schliesst nicht aus, dass der Landtag als Gesetzgeber Detailregelungen an die Regierung als Verordnungsgeberin delegiert, solange dies mit dem Legalitätsprinzip im Abgabenrecht vereinbar ist.Ebensowenig wird durch Art. 68 Abs. 1 LV ausgeschlossen, dass den Gemeinden durch den Gesetzgeber bestimmte Kompetenzen in der Besteuerung zugewiesen werden (vgl. Art. 75 Steuergesetz hinsichtlich des Gemeindezuschlags zur Vermögens- und Erwerbssteuer). Abgesehen davon, dass eine eigenständige Festlegung und Einhebung von Gemeindesteuern mit dem Legalitätsprinzip im Abgabenrecht nicht vereinbar wäre, bildet die Hoheit des Landtages gemäss Art. 68 Abs. 1 LV aber auch eine Schranke gegenüber einem „Steuererfindungsrecht“ der Gemeinde.In der Praxis erfolgt die Beschlussfassung des jährlichen Finanzgesetzes durch den Landtag unter Berufung auf die Art. 68 und 69 LV.[48] Das Finanzgesetz enthält tatsächlich regelmässig abgabenrechtliche Bestimmungen, wie etwa die Festsetzung des Sollertrages gemäss Art. 5 Steuergesetz, die Festlegung der Höhe der Quellensteuer für österreichische Grenzgänger sowie die Festsetzung der Höhe bestimmter Gebühren. Diese können aber auch, zumindest hinsichtlich des Sollertrages und der Quellensteuer als Ausfluss des Legalitätsprinzips im Abgabenrecht betrachtet werden.III. Die Antiquiertheit des Art. 68 LVWie oben (Kapitel II.B) dargestellt ist durch die Entwicklung von Lehre und Rechtsprechung zum Legalitätsprinzip im Abgabenrecht die Bestimmung des Art. 68 LV ihres Sinnes entleert: Dadurch, dass Steuern und Kausalabgaben über eine hinreichende gesetzliche Grundlage verfügen müssen, ist einerseits dem – von Art. 68 LV nicht intendierten – Schutz des Bürgers gegenüber der Steuereinhebung Rechnung getragen, andererseits der von Art. 68 LV im Grunde bezweckten Kontrolle der Einhebung von Steuern durch die Regierung. Dies gilt auch hinsichtlich des Art. 68 Abs. 2 LV, da die Gesetzgebung bei der Festlegung der Steuern und Kausalabgaben und ihrer Umsetzung und Verteilung nicht nur das Legalitätsprinzip, sondern beispielsweise auch das Sachlichkeitsgebot zu berücksichtigen hat.Die Bestimmungen der Abs. 1 und 3 haben daher keinen eigenständigen Anwendungsbereich mehr. Insbesondere „bewilligt“ der Landtag in der parlamentarischen Praxis keine Steuern und Abgaben mehr und es erfolgt auch keine „Steuerausschreibung“ durch die Regierung. Art. 68 LV ist daher sowohl antiquiert als auch obsolet und wird auch in der Praxis offenkundig nicht mehr angewendet. Die Bestimmung sollte allenfalls dahingehend abgeändert werden, dass sie das Legalitätsprinzip im Abgabenrecht explizit verankert.
1) In Bezug auf die Landesverwaltung ist dem Landtage für das nächstfolgende Verwaltungsjahr von der Regierung ein Voranschlag über sämtliche Ausgaben und Einnahmen zur Prüfung und Beistimmung zu übergeben, womit der Antrag auf die zu erhebenden Abgaben zu verbinden ist.Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteDem frühkonstitutionalistischen Steuerbewilligungsrecht der Landstände, das sich heute in Art. 68 LV wiederfindet, stand eine ursprünglich weitreichende Ausgabenautonomie des Landesherrn gegenüber. So bestimmte § 11 der Landständischen Verfassung:In dieser Bestimmung wurde angeordnet, dass sich die Landstände ausschliesslich mit den Einnahmen (also den Steuern) befassen durften, mit der Begründung, dass die Staatsausgaben ohnehin nur dem Land zugute kamen.[1]Die fortschrittlicheren frühkonstitutionalistischen Verfassungen verknüpften das Steuerbewilligungsrecht der Stände allerdings bereits mit einem Nachweis über die Verwendung der gemachten Ausgaben: Gemäss § 110 der Verfassung Württembergs aus dem Jahre 1819 musste „dem Ansinnen einer Steuer-Verwilligung (…) jedesmal eine genaue Nachweisung über die Nothwendigkeit oder Nützlichkeit der zu machenden Ausgaben, über die Verwendung der früheren Staats-Einnahmen und über die Unzulänglichkeit der Kammer-Einkünfte vorangehen.“ Diese Verknüpfung von Steuerbewilligung und Budgetrecht war nichts anderes als konsequent: Man konnte von den Ständen kaum verlangen, dass sie Steuern bewilligten, ohne zu wissen, welche Ausgaben damit finanziert werden sollten.[2]Gemäss § 111 der Verfassung Württembergs hatte „der Finanzminister den Haupt-Etat den Ständen zur Prüfung vorzulegen. Die einzelnen Minister haben die Ausgaben für ihre Ministerien zu erläutern.“ Dieser von den Ständen anerkannte und angenommene Haupt-Etat war „in der Regel auf drei Jahre gültig“ (§ 112).Die Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen aus dem Jahre 1833 sah in ihrem § 69 eine noch weitergehende Kompetenz der Landstände vor, denen nunmehr neben dem Zustimmungsrecht zum Voranschlag (§ 69 lit. a) auch die Rechnungskontrolle oblag. Hinsichtlich der vergangenen Finanzperiode war nämlich ein genauer Nachweis „über die nach Maßgabe des Voranschlages geschehene Verwendung der bewilligten und erhobenen Abgaben von der Regierung mitzutheilen, vorbehaltlich der nachträglichen Genehmigung von gerechtfertigten und des Rückgriffs gegen die Schuldigen bei nicht gerechtfertigten Ueberschreitungen“, beizulegen.[3] Dies stellte eine selbstverständliche Voraussetzung eines echten Haushaltsrechts dar.[4]§ 49 KonV knüpfte an diese Bestimmungen der Rezeptionsvorlage an und bestimmte Folgendes:Diese Bestimmung enthielt die beiden wesentlichen Elemente des konstitutionalistischen Haushaltsrechts, nämlich die Zustimmungspflichtigkeit des Voranschlages durch den Landtag sowie dessen Recht, von der Regierung einen Rechnungsabschluss zu erhalten, dessen vom Voranschlag abweichende zusätzliche Ausgaben ebenfalls der Genehmigung des Landtages bedurften, wobei auch die Verantwortlichkeit der Regierung betont wurde.[5]Im Rahmen der Verfassungsdiskussion nach 1918 hielt auch der Verfassungsentwurf Wilhelm Becks an diesen Grundsätzen fest: Dem Landtag war gemäss Art. 52 im Herbst eines jeden Jahres ein Voranschlag für das folgende Jahr „zur Prüfung“ (und wohl auch Genehmigung) vorzulegen. Für das abgelaufene Jahr war dem Landtag im Frühjahr eine „gedruckte Rechnung“ vorzulegen. Zusatzausgaben waren zu bewilligen, die Verantwortlichkeit der Regierung wurde aus der KonV übernommen.Die Regierungsvorlage Josef Peers orientierte sich in den Abs. 1 und 2 an den Formulierungen des § 49 KonV. Keine Entsprechung in bereits vorhandenen Rechtsvorschriften hatten dagegen die Abs. 3 und 4, wonach die Regierung unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt ist, in dringlichen Fällen vom Voranschlag abzuweichen (Abs. 3), und wonach eine Umschichtung von Ersparnissen in bestimmten Positionen des Voranschlags zu Mehrausgaben in anderen Positionen unzulässig ist (Abs. 4).Die Verfassungskommission nahm an der Regierungsvorlage lediglich die Korrektur eines offenkundigen Tippfehlers (das Wort „Bestimmung“ wurde in „Beistimmung“ berichtigt) vor.[6] Im Übrigen wurde Art. 69 LV unverändert beschlossen und kundgemacht. Die Bestimmung ist seither unverändert geblieben.II. Die Budgethoheit des LandtagesA. Verfassungsrechtliche Grundlagen des Haushaltsrechts in LiechtensteinArt. 69 LV bildet gemeinsam mit Art. 70 LV die Grundlage der Budgethoheit (auch als Finanzhoheit bezeichnet)[7] des Landtages und des Haushaltsrechts in Liechtenstein. Die Budgethoheit verwirklicht sich zum einen darin, dass sämtliche Ausgaben des Staates in einem Verwaltungsjahr ihre Grundlage in einer vorgängigen (Art. 69 Abs. 1 LV) oder nachträglichen (Abs. 2 und 3) Bewilligung des Landtages haben müssen.[8] Dies ist der sogenannte Landesvoranschlag.[9] Das Budget bildet gleichsam die wirtschaftliche Kehrseite des Regierungsprogrammes.[10] Ihm kommt eine Steuerungsfunktion zu. Da der Landtag die für die Umsetzung des Regierungsprogrammes geforderten Mittel bewilligt oder ablehnt, kontrolliert er ausserdem die Exekutive.[11]Darüber hinaus muss ein Nachweis über getätigte Einnahmen und Ausgaben erfolgen (Abs. 2). Dieser Nachweis wird in Anlehnung an den Schweizer Terminus „Staatsrechnung“[12] als Landesrechnung[13] (in der österreichischen haushaltsrechtlichen Terminologie „Rechnungsabschluss“[14]) bezeichnet, weiters gehört der sogenannte Rechenschaftsbericht dazu (dazu näher unten).Sowohl der Voranschlag als auch die Landesrechnung und der Rechenschaftsbericht beziehen sich auf ein Verwaltungsjahr, was aus dem klaren Wortlaut des Art. 69 Abs. 1 und 2 LV hervorgeht.Art. 69 Abs. 1 LV spricht im Zusammenhang mit der Budgethoheit des Landtages nicht wie bei der Gesetzgebung von einer „Mitwirkung“ des Landtages, sondern von einer „Prüfung und Beistimmung“. Daraus leitet Wille eine alleinige Entscheidungsbefugnis des Landtages, ohne Sanktion des Landesfürsten, ab.[15] Dieser Auffassung könnte dann gefolgt werden, wenn der Voranschlag in Form eines einfachen Landtagsbeschlusses erginge, nicht allein wegen der Formulierung des Art. 69 Abs. 1 LV, sondern weil Art. 9 LV die Sanktion eben nur für Gesetze vorsieht. Dass der Landesvoranschlag selbst in Gesetzesform ergeht, wird von der Verfassung nicht explizit gefordert.[16] Wird allerdings der Voranschlag in Form bzw. als Anlage eines Gesetzes erlassen, wie dies der Staatspraxis entspricht (siehe dazu im Folgenden),[17] bedarf dieses Gesetz der Sanktion des Landesfürsten auf der Grundlage des Art. 9 LV, was auch so gehandhabt wird.[18] Dazu kommt, dass das Finanzgesetz, das in Art. 64 Abs. 3 LV ausdrücklich eine verfassungsrechtliche Verankerung findet, häufig steuerrechtliche Inhalte aufweist, die einer gesetzlichen Grundlage bedürfen.[19]Den rudimentären verfassungsrechtlichen Grundlagen des Haushaltsrechts in Abs. 1 ist zu entnehmen, dass die Regierung dem Landtag für das folgende Verwaltungsjahr einen Voranschlag vorzulegen hat.[20] Dieser hat sämtliche Ausgaben und Einnahmen zu enthalten. Ausserdem ist der Antrag auf die zu erhebenden Abgaben zu verbinden. Damit stellt die Verfassung den Zusammenhang zum Steuerbewilligungsrecht des Landtages gemäss Art. 68 Abs. 1 LV her. Auf Grund des Legalitätsprinzips im Abgabenrecht werden die Steuern allerdings auf gesetzlicher Grundlage entweder im Steuergesetz oder in speziellen Rechtsvorschriften geregelt. Insoweit ist der „Antrag auf die zu erhebenden Abgaben“ funktionslos geworden. Im jeweiligen Finanzgesetz werden auch lediglich einzelne steuerrechtliche Belange geregelt.[21] Man wird Art. 69 Abs. 1 LV wohl so interpretieren müssen, dass sich der Antrag auf die zu erhebenden Abgaben lediglich auf jene zu erstrecken hat, die sich nicht bereits aus anderen Gesetzen ergeben.Der Voranschlag wird im Übrigen seit 1863 in ungebrochener Folge in Form eines Finanzgesetzes beschlossen, dem der eigentliche Voranschlag angeschlossen ist.[22] Die Verfassung von 1921 hat die Bestimmungen des KonV über das Haushaltsrecht in den hier massgeblichen Punkten nahezu unverändert übernommen und ist daher wohl davon ausgegangen, dass der Voranschlag weiterhin als Anlage zu einem Gesetzesbeschluss des Landtages ergeht, welcher der Sanktion des Landesfürsten bedarf. Auch die Materialien der Landtagsdiskussion lassen keine andere Schlussfolgerung zu.Art. 69 Abs. 1 LV trifft daher im Ergebnis eine Sonderregelung für das jährliche Finanzgesetz,[23] indem er vorschreibt, dass dieses einen Voranschlag zu enthalten hat, der als solcher der „Prüfung und Beistimmung“ des Landtages bedarf.Wie der Voranschlag im Einzelnen zu gestalten ist, insbesondere in welche Gruppen die einzelnen Ausgaben und Einnahmen zu gliedern und zusammenzufassen sind, darüber sagt die Verfassung nichts. Nachdem allerdings schon zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verfassung der Voranschlag eine relativ stark ausdifferenzierte Gliederung aufwies, sodass in historischer Interpretation von der Verpflichtung zur Differenzierung ausgegangen werden kann, wäre es schon aus diesem Grund verfassungswidrig, wenn der Voranschlag im Extremfall darin bestünde, dass einer nicht weiter differenzierten Einnahmensumme eine ebensolche Ausgabensumme gegenüber stünde. Dem Landtag wäre es in einem solchen Fall auch gar nicht möglich, den Ausgabenbedarf des Staates annähernd einzuschätzen.Ausserdem spricht auch Art. 69 Abs. 4 LV von den „einzelnen Positionen“ des Voranschlages. Daraus ist abzuleiten, dass der Voranschlag eine gewisse Gliederung aufweisen muss, die es erst erlaubt, dass der Landtag gegenüber der Regierung tatsächlich eine Budgethoheit ausübt.[24]Während somit der Verfassung zu entnehmen ist, dass sie zumindest ein Mindestmass an Transparenz des Voranschlags voraussetzt, erweist sie sich hinsichtlich der Gliederungsdichte des Voranschlags flexibel und überlässt der ausführenden Gesetzgebung beträchtlichen Spielraum (siehe dazu näher unter Kapitel B).Art. 69 Abs. 1 LV verpflichtet die Regierung, mit dem Landesvoranschlag einen „Antrag auf die zu erhebenden Abgaben“ zu verbinden. Auch in dieser Bestimmung gelangt das konstitutionalistische Steuerbewilligungsrecht des Parlaments zum Ausdruck, das auf Grund der Entwicklung des Legalitätsprinzips im Abgabenrecht[25] überholt ist.In der liechtensteinischen Staatspraxis wird dem von Art. 69 Abs. 1 LV geforderten Antrag dadurch entsprochen, dass die Regierung dem Landtag die Erlassung eines Finanzgesetzes vorschlägt, dem der jeweilige Landesvoranschlag als Anlage beigeschlossen ist. In diesem Finanzgesetz werden unter Berufung auf Art. 68 und 69 LV bestimmte abgabenrechtliche Parameter, wie etwa der Sollertrag gemäss Art. 5 des Steuergesetzes oder die Quellensteuer für österreichische Grenzgänger festgesetzt.[26]Das Gegenstück des Voranschlags bildet die Landesrechnung.[27] Diese muss die gleiche Gliederung enthalten wie der Voranschlag, ansonsten wäre die Vergleichbarkeit nicht gegeben. Der Rechnungsabschluss muss zwecks Vergleichbarkeit die veranschlagte Summe und die tatsächlichen Ausgaben enthalten. Es genügt die ziffernmässige Angabe. Eine Begründung ist von der Verfassung zunächst nicht gefordert. Um die Gründe von Mehr- und Minderausgaben zu erfahren, ist die parlamentarische Debatte vorgesehen.Art. 70 LV ist allerdings zu entnehmen, dass die Regierung dem Landtag (auch) einen Rechenschaftsbericht vorzulegen hat, und er verweist diesbezüglich auf Art. 69 Abs. 2 LV. Rechenschaftsbericht und Landesrechnung sind nicht identisch.[28] Der Rechenschaftsbericht wird auch in Art. 62 lit. e LV und Art 93 lit. f LV in nicht ganz einheitlicher Wortwahl erwähnt.[29] Im Landtag genehmigt werden sowohl der Rechenschaftsbericht als auch die Landesrechnung.[30]Mehrausgaben benötigen allerdings, soweit nicht Art. 69 Abs. 3 LV zur Anwendung gelangt, eine vorgängige Zustimmung des Landtages, weil sonst sein Budgetrecht ausgehebelt werden könnte.[31] In diesem Fall ist nämlich ein Nachtragskredit erforderlich.[32] In der Vorlage der Regierung, mit welcher die Zustimmung erbeten wird, ist daher eine Begründung erforderlich.[33]Art. 69 Abs. 4 LV verbietet es ausdrücklich, Ersparnisse in einzelnen Positionen zur Deckung des Mehraufwandes in anderen Positionen zu verwenden. Dies ist insoweit vorteilhaft, als die Transparenz von Einnahmen und Ausgaben des Staates dadurch gewahrt bleibt und die Regierung dadurch generell zu einer sparsamen Ausgabentätigkeit angehalten wird. Dies geht freilich zu Lasten der Flexibilität und erfordert eine häufige Befassung des Landtages mit Nachtragskrediten.B. Die Ausgestaltung des Voranschlages und der LandesrechnungDie dürftigen Regelungen auf Verfassungsebene, was den Voranschlag und den Rechnungsabschluss betrifft, lassen viel Spielraum für die einfache Gesetzgebung in der Ausführung. Das Finanzhaushaltsgesetz (FHG)[34] regelt die Erstellung des Landesvoranschlags und die Erstellung und Abnahme der Landesrechnung sowie des in der Verfassung nicht genannten Finanzplanes und die Steuerung des Finanzhaushaltes (Art. 1).Der Finanzhaushalt ist gemäss Art. 2 FHG nach den Grundsätzen der Gesetzmässigkeit, der Dringlichkeit, der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit zu führen. Als Lenkungsmassnahme ist das Verursacherprinzip zu fördern. Aufwand und Ertrag der Erfolgsrechnung sind mittelfristig im Gleichgewicht zu halten.Gemäss Art. 5 FHG setzt der Landtag nach einem ihm von der Regierung unterbreiteten Entwurf den Voranschlag für das nächstfolgende Verwaltungsjahr fest. Dieses entspricht gemäss Art. 5 Abs. 2 FHG dem Kalenderjahr. Diese gesetzliche Bestimmung präzisiert in zulässiger Weise den bereits in Art. 69 Abs. 1 LV verwendeten Begriff des Verwaltungsjahres.In den weiteren Bestimmungen des FHG wird die äussere Form von Voranschlag und Landesrechnung näher konkretisiert, insbesondere ist der Voranschlag in eine Erfolgsrechnung und eine Investitionsrechnung zu unterteilen, innerhalb deren die einzelnen Positionen institutionell und nach Sachgruppen gegliedert sind.Was die Landesrechnung betrifft, so bestimmt Art. 15 FHG, dass die Regierung dem Landtag in der ersten Hälfte des folgenden Jahres die Landesrechnung für das abgelaufene Verwaltungsjahr zur Genehmigung unterbreitet. Der Landtag beschliesst gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung auf Antrag der Regierung über die Verwendung des Jahresergebnisses. Für die Landesrechnung stellt Art. 17 FHG die Grundsätze der Verständlichkeit, Wesentlichkeit, Zuverlässigkeit, Vergleichbarkeit, Periodengerechtigkeit und Stetigkeit auf.Über die in der Verfassung erwähnten Dokumente des Voranschlags und der Landesrechnung hinaus sieht Art. 25 FHG einen Finanzplan vor, den die Regierung jährlich zuhanden des Landtages erstellt und der einen Zeitraum von vier Jahren, beginnend mit dem kommenden Voranschlagsjahr, umfasst. Mit diesem Finanzplan sollen mittelfristige Ausgaben- und Einnahmenentwicklungen in den Blickpunkt gerückt werden. Der Umstand, dass die Verfassung den Finanzplan nicht erwähnt, steht der Einführung dieses Instruments im Wege der einfachen Gesetzgebung nicht entgegen. Es ist davon auszugehen, dass die Verfassung die Einführung eines zusätzlichen Instruments der Finanzkontrolle zulässt. Im Gegensatz zum Voranschlag und der Landesrechnung handelt es sich allerdings lediglich um eine Information des Landtages, eine Beschlussfassung im Sinne einer Genehmigung erfolgt daher nicht.C. Beschlussfassung des Voranschlags und von Nachtragskrediten1. Vorlage an den LandtagArt. 69 Abs. 1 LV bestimmt, dass der Voranschlag dem Landtag von der Regierung zu übergeben ist. Daraus ergibt sich, dass der Landtag auf ein entsprechendes Handeln der Regierung angewiesen ist. In der Literatur ist bisher nicht thematisiert worden, was zu geschehen hat, wenn die Regierung, aus welchen Gründen auch immer, dem Verfassungsauftrag nicht nachkommt. Allerdings stellt sich die Frage, ob die Regierung in einem solchen Fall noch länger das Vertrauen des Landtages oder des Landesfürsten (vgl. Art. 80 Abs. 1 LV) geniessen könnte.Aus der Formulierung des Art. 69 Abs. 1 LV ist jedoch abzuleiten, dass der Regierung ein Initiativmonopol zukommt und sich der Landtag nicht an die Stelle der Regierung setzen und selbst einen Voranschlag erarbeiten darf.Art. 5 Abs. 1 FHG ordnet entsprechend der verfassungsrechtlichen Vorgabe an, dass der Landtag den Voranschlag nach einem ihm von der Regierung unterbreiteten Entwurf festsetzt. Diese Bestimmung konkretisiert Art. 69 Abs. 1 LV insoweit, als hier ausdrücklich vom Entwurf des Voranschlages die Rede ist.Weitere, konkretisierende Regelungen trifft Art. 16 GVVKG, wonach der Landesvoranschlag (und der Finanzplan) mindestens sechs Wochen vor der Landtagssitzung, an welcher deren Behandlung vorgesehen ist, den Mitgliedern des Landtages übermittelt werden muss.Fehlt für einen notwendigen Aufwand des Staates oder für eine notwendige investive Ausgabe der Kredit oder reicht der im Voranschlag bewilligte Kredit nicht aus, so ist vor Eingehung der neuen Verpflichtung beim Landtag ein Nachtragskredit einzuholen (Art. 10 Abs. 1 FHG).Art. 10 Abs. 2 FHG entbindet in Ausnahmefällen von dieser Verpflichtung, insbesondere bei geringfügigen Kreditüberschreitungen. Diese Regelung steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zu Art. 69 Abs. 4 LV, der einen Abtausch von Ausgabenüberschreitungen in einer Position durch Einsparungen in anderen Positionen ausdrücklich untersagt. Es liesse sich nämlich argumentieren, dass, wenn schon ein derartiger, kostenneutraler Ausgleich untersagt ist, jegliche Kreditüberschreitung einer Genehmigung des Landtages bedürfte.Der Regelung des Art. 10 Abs. 2 FHG ist indessen zugute zu halten, dass eine strikt an Art. 69 Abs. 4 LV orientierte Vorgangsweise extrem unpraktisch wäre und selbst bei minimalen Überschreitungen, die bei gebundenen Ausgaben wie z.B bestimmten sozialen Leistungen mitunter unausweichlich sind, eine Befassung des Landtages erforderlich wäre. Vor diesem Hintergrund wird man Art. 10 Abs. 2 FHG als verfassungskonform betrachten können.In der Praxis wird vom Instrument des Nachtragskredits sehr häufig Gebrauch gemacht.[35] Eine vor der Genehmigung durch den Landtag getätigte Ausgabe macht das dahinter liegende Rechtsgeschäft, etwa einen Grundstückserwerb, oder einen Rechtsakt, etwa eine Sozialleistung, nicht rechtswidrig. Es ist nämlich die Regierung, die als Organ des Staates dazu berufen ist, solche Rechtsgeschäfte zu tätigen oder Hoheitsakte zu setzen. In einem solchen Fall stellt sich aber die Frage der politischen und rechtlichen Verantwortlichkeit.2. Behandlung im LandtagDie Verfassung bestimmt in Art. 69 Abs. 1 LV lediglich, dass der Landtag den Voranschlag zu prüfen hat und ihm gegebenenfalls die Zustimmung (Beistimmung) zu erteilen hat. Diese Zustimmung hat mit Beschluss, also mit einfacher Mehrheit (Art. 58 LV), zu erfolgen.Gemäss Art. 65 Abs. 1 GOLT prüft die Finanzkommission[36] den Voranschlag des Staates. Bei dieser Prüfung handelt es sich lediglich um eine Vorprüfung. Die Finanzkommission trifft keine verbindliche Entscheidung. Eine solche obliegt dem Plenum des Landtages.Eine wichtige Frage, die sich hinsichtlich der Entscheidung des Landtages stellt, ist, ob der Landtag den vorgelegten Voranschlag lediglich genehmigen bzw. ablehnen oder ihn auch abändern kann. Die einfachgesetzliche Formulierung des Art. 5 Abs. 1 FHG, wonach der Landtag den Voranschlag nach einem ihm von der Regierung unterbreiteten Entwurf festsetzt, spricht dafür, dass der Landtag in der Festsetzung des Voranschlags frei ist, solange die Regierung ihm überhaupt einen Entwurf vorgelegt hat. Dass eine solche Interpretation des Art. 5 Abs. 1 FHG verfassungskonform ist, wird durch Art. 69 Abs. 1 LV gestützt, der von einer „Prüfung und Beistimmung“ des Landtages spricht. Der Ausdruck „prüfen“ ist wohl in dem Sinne zu verstehen, dass der Landtag den vorgelegten Voranschlag auch abändern kann. Demgegenüber spricht etwa Art. 8 Abs. 2 LV hinsichtlich der Genehmigung von Staatsverträgen, bei denen der Landtag lediglich zustimmen oder die Zustimmung verweigern kann, ausdrücklich nur von einer „Zustimmung“ des Landtages.[37]Die bisherige Praxis des Landtages, Abänderungen von dem ihm von der Regierung vorgelegten Landesvoranschlag zu beschliessen, ist freilich auch unter dem Aspekt als verfassungskonform zu betrachten, als nur so der Landtag wirksam Kontrolle über die Regierung ausüben und seiner demokratischen Verantwortlichkeit gerecht werden kann.[38] Verfassungskonform wäre es freilich auch, wenn die Regierung, wenn sie erkennt, dass der von ihr vorgelegte Voranschlag keine Zustimmung im Landtag findet, diesem einen neuen, abgeänderten Voranschlag vorlegt, um auf diese Weise doch noch zu einem bewilligten Budget zu gelangen.Für die Bewilligung eines Nachtragskredites (Art. 10 Abs. 1 FHG) gilt nichts anderes: Der Landtag selbst kann keinen Nachtragskredit beantragen, er kann jedoch die von der Regierung vorgeschlagene Summe verringern oder erhöhen, in jedem Fall aber bedarf der Nachtragskredit der Zustimmung des Landtages.3. Folgen einer Nichtgenehmigung des LandesvoranschlagsWird der Landesvoranschlag vom Landtag nicht genehmigt, so verfügt der Staat über keine Rechtsgrundlage, Ausgaben zu tätigen, auch dann nicht, wenn er durch andere gesetzliche Regelungen verpflichtet wird (etwa hinsichtlich der Bezahlung der Gehälter des Staatspersonals). Daran ändert auch nichts, dass Art. 13 Abs. 1 FHG die Regierung ermächtigt, für einen bestimmten Zweck bis zu einer bestimmten Summe über das Jahr des Voranschlages hinaus finanzielle Verpflichtungen einzugehen. Damit ist es der Regierung nämlich nur erlaubt, eine langfristige Verpflichtung einzugehen, was aber nichts an der Notwendigkeit ändert, dass dieser Regierung eines vollständigen Voranschlags bedarf, um in einem Verwaltungsjahr Ausgaben tätigen zu dürfen.[39]Im Gegensatz zu Österreich[40] verfügt Liechtenstein somit über keine expliziten Regelungen betreffend ein Budgetprovisorium.[41] Derartige ausdrückliche Regelungen auf Verfassungsebene existieren auch in der Schweiz nicht.[42] Dort wird jedoch die Auffassung vertreten, dass, wenn der Voranschlag vor Beginn des betreffenden Haushaltsjahres nicht festgesetzt werden kann, die Bundesversammlung verpflichtet ist, den Bundesrat bis zur Verabschiedung des ordentlichen Voranschlages mit Finanzmitteln auszustatten, soweit dadurch der ordentliche Budgetentscheid so weit wie möglich nicht präjudiziert wird.[43]In Liechtenstein sehen auch die einfachgesetzlichen Grundlagen keine Provisorialregelung vor. Art. 69 Abs. 4 LV erlaubt zwar der Regierung, im Voranschlag nicht vorgesehene, dringliche Ausgaben zu machen und dafür die nachträgliche Genehmigung des Landtages einzuholen, doch setzt diese Bestimmung offenkundig die Existenz eines Voranschlages voraus.Die prekäre Situation, dass im Falle eines nicht rechtzeitigen Zustandekommens eines Voranschlags[44] der Staat seine laufenden Ausgaben nicht bedienen könnte, könnte daher auf dem Boden der geltenden Verfassungsrechtslage nur mittels einer Notverordnung des Landesfürsten gemäss Art. 10 Abs. 1 LV rechtskonform gelöst werden.D. Landesrechnung und Rechenschaftsbericht1. Vorlage an den LandtagArt. 15 Abs. 1 FHG wiederholt inhaltlich Art. 69 Abs. 2 erster Satz LV. Demnach unterbreitet die Regierung dem Landtag in der ersten Hälfte des folgenden Jahres die Landesrechnung (Rechnungsabschluss) für das abgelaufene Verwaltungsjahr zur Genehmigung.Den Inhalt der Landesrechnung bestimmt Art. 18 FHG. Demnach enthält die Landesrechnung die Erfolgsrechnung (lit. a), die Investitionsrechnung (lit. b), die Bilanz (lit. c), die Mittelflussrechnung (lit. d), den Anhang (lit. e)[45] und Jahresrechnungen der öffentlichen Unternehmen (lit. f).Diese Inhalte der Landesrechnung finden sich in der Verfassung, die nicht einmal den Begriff Landesrechnung verwendet, sondern von der „genauen Nachweisung über die nach Massgabe des Voranschlages geschehene Verwendung der bewilligten und erhobenen Einnahmen“ spricht, nicht. Auch hier scheint dem einfachen Gesetzgeber ein beträchtlicher Spielraum eingeräumt, welche Unterlagen dem Landtag übermittelt werden müssen. Der Geist der Verfassung erfordert aber, dass sich der Gesetzgeber bei der Festlegung der Inhalte der Landesrechnung an seinem Sinn und Zweck, nämlich dem Landtag eine genaue Information über die Verwendung des Voranschlages zu liefern und ihm moderne Instrumente der Haushaltskontrolle in die Hand zu geben, orientiert.Wie beim Landesvoranschlag gilt, dass die Landesrechnung dem Landtag von der Regierung vorzulegen ist. Der Landtag seinerseits kann keinen eigenen Rechnungsabschluss erarbeiten.Ähnliches gilt für die Vorlage des Rechenschaftsberichtes. Dazu bestimmt Art. 15 GVVKG, dass die Regierung dem Landtag spätestens für die letzte Sitzung vor der Sommerpause den Rechenschaftsbericht und die Landesrechnung für das zurückliegende Jahr zu übermitteln hat. Der Rechenschaftsbericht und die Landesrechnung müssen mindestens sechs Wochen vor der Landtagssitzung, an welcher deren Behandlung vorgesehen ist, den Mitgliedern des Landtages übermittelt worden sein.Das Unterbleiben der Vorlagen von Landesrechnung und Rechenschaftsbericht hat zunächst keine rechtlichen Konsequenzen. Weder das Unterlassen der Vorlage noch das Unterbleiben der Genehmigung durch den Landtag stehen der Genehmigung eines neuerlichen Landesvoranschlags entgegen. Eine allfällige Untätigkeit der Regierung, was die Vorlage dieser Dokumente betrifft, würde aber die Frage der politischen Verantwortlichkeit gegenüber dem Landtag aufwerfen.2. Behandlung im LandtagLandesrechnung und Rechenschaftsbericht werden von der Geschäftsprüfungskommission beraten (Art. 66 Abs. 2 lit. a GOLT), und damit von einer anderen Kommission des Landtages als der Voranschlag.[46] Dies lässt sich damit begründen, dass es insbesondere im Rechenschaftsbericht um die Kontrolle der Regierung hinsichtlich der Mittelverwendung geht, also die Regierungsgeschäfte näher geprüft werden. Wie beim Voranschlag wird in der Geschäftsprüfungskommission keine definitive Entscheidung getroffen, sondern die beiden Dokumente werden lediglich vorberaten. Die Entscheidung über die Genehmigung oder Versagung der Genehmigung von Rechenschaftsbericht und Landesrechnung gemäss Art. 69 Abs. 2 LV fällt das Plenum durch Beschluss (Art. 58 LV).3. Verantwortlichkeit der RegierungArt. 69 Abs. 2 LV unterstreicht die Verantwortlichkeit der Regierung „bei nicht gerechtfertigten Überschreitungen“ des Voranschlags, die wohl eine Verweigerung der Genehmigung von Rechenschaftsbericht und Landesrechnung durch den Landtag nach sich ziehen müsste. Zunächst entfaltet die Verweigerung der Zustimmung durch den Landtag keine rechtlichen Konsequenzen. Weder wird durch die Genehmigung des Voranschlags für das kommende Verwaltungsjahr dessen Vollzug berührt noch wirkt sich die Entscheidung des Landtages auf die rechtliche Position der Regierung aus.Der Hinweis auf die „Verantwortlichkeit der Regierung“ ist daher im Sinne eines Auftrags an den Landtag zu verstehen, im Falle einer nicht gerechtfertigten Überschreitung des Voranschlags die Frage zu prüfen, ob die Regierung oder ein einzelnes Mitglied derselben noch das Vertrauen des Landtages geniessen kann (Art. 80 Abs. 1 und 2 LV) oder eine Ministeranklage gemäss Art. 28 StGHG in Betracht zu ziehen. Ob es tatsächlich zur Geltendmachung einer Verantwortlichkeit[47] kommt, bleibt aber stets einer gesonderten Entscheidung des Landtages überlassen.Die Verfassung legt den Schwerpunkt auf der Kontrolle von Mehrausgaben der Regierung. Die Regierung ist aber auch für Minderausgaben, die daraus resultieren können, dass bestimmte Aufgaben nicht wahrgenommen werden, politisch und rechtlich verantwortlich.E. Ermächtigung der Regierung zu Sonderausgaben1. VoraussetzungenArt. 69 Abs. 3 LV bestimmt, dass die Regierung „unter dem gleichen Vorbehalte“ (gemeint: wie bei Abs. 2, nämlich der Genehmigung durch den Landtag) im Voranschlage nicht vorgesehene, dringliche Ausgaben zu machen berechtigt ist.Die Bestimmung kann nur so verstanden werden, dass sie eine Art Notkompetenz der Regierung bildet, im Dringlichkeitsfall (z.B. Behebung von Schäden nach einer Naturkatastrophe oder auf Grund einer nicht absehbaren Finanzkrise bestimmte Stützungsmassnahmen zu machen) Ausgaben zu tätigen und diese nachträglich vom Landtag genehmigen zu lassen. Dieser hat dann im Sinne der Grundsätze des Art. 69 Abs. 2 LV zu entscheiden, ob die Genehmigung zu versagen ist oder nicht.Wäre die Bestimmung hingegen so zu verstehen, dass die Regierung die Ausgaben erst nach Zustimmung des Landtages tätigen darf, wäre sie überflüssig. In diesem Fall könnte sie ohne weiteres beim Landtag die Bewilligung eines Nachtragskredits beantragen.In diesem Sinne bestimmt Art. 11 Abs. 1 FHG, dass dann, wenn Aufwände oder investive Ausgaben, für die im Voranschlag kein oder kein ausreichender Kredit bewilligt ist, keinen Aufschub „ertragen“, die Regierung sie beschliessen kann. Ein solcher Fall liegt vor, bei2. Information des Landtages und BehandlungGemäss Art. 11 Abs. 2 FHG werden die oben angeführten Kreditüberschreitungen von der Regierung bei nächster Gelegenheit der Finanzkommission des Landtages oder dem Landesausschuss zur Kenntnis gebracht (Art. 11 Abs. 2 FHG).Nach den Intentionen des BuA Nr. 121/2008 soll dies auch bedeuten, dass der Landtag mit der Kreditüberschreitung überhaupt nicht mehr befasst und insbesondere kein Finanzbeschluss gefasst werden muss. Die Regierung geht demnach davon aus, dass es sich um die Übertragung von Aufgaben auf die Finanzkommission gemäss Art. 63ter LV handelt.In der zeitgleich mit dem FHG beschlossenen Änderung des Art. 63ter LV[48] wurde verankert, dass der Finanzkommission durch Gesetz auch die Mitwirkung bei der Verwaltung des Finanzvermögens übertragen werden kann. Daraus ist abzuleiten, dass der Gesetzgeber mit dieser Wendung dem Art. 11 Abs. 2 FHG die entsprechende verfassungsrechtliche Grundlage verschaffen wollte. Tatsächlich wird man die Befassung der Finanzkommission im Zusammenhang mit Kreditüberschreitungen begrifflich durchaus als „Mitwirkung an der Verwaltung des Finanzvermögens“ qualifizieren können.Die Finanzkommission hat den Bericht über die Kreditüberschreitung nicht bloss zur Kenntnis zu nehmen, wie die Formulierung des Art. 11 Abs. 2 FHG indiziert. Wenn ihr, wie dies der Gesetzgeber wollte, Aufgaben an Stelle des Landtages übertragen sind, muss dies für die nachträgliche Genehmigung im Sinne des Art. 69 Abs. 2 LV gelten. Dies bedeutet, dass die Finanzkommission darüber zu entscheiden hat. Eine Rückdelegierung an den Landtag ist ihr jedoch versagt, da es sich um eine durch Gesetz der Finanzkommission übertragene Angelegenheit handelt, deren Erledigung sich die Finanzkommission nicht entziehen kann.Dies bedeutet, dass die Finanzkommission der Kreditüberschreitung die Genehmigung verweigern kann. Daraus die politischen und rechtlichen Konsequenzen zu ziehen, bliebe allerdings dem Landtag vorbehalten.III. Reformbedürftigkeit des Haushaltsrechtes in Liechtenstein?Liechtenstein verfügt auf einfachgesetzlicher Ebene über ein modernes, an schweizerischen Vorschriften orientiertes Haushaltsrecht. Das FHG kennt nicht nur verschiedene, moderne Formen der Budgetierung (z.B. Globalbudget und längerfristige Finanzplanung) und der Rechnung (siehe oben Kapitel II. B), es gibt auch eine externe Finanzkontrolle auf der Grundlage des Finanzkontrollgesetzes.[49]Demgegenüber erweisen sich die verfassungsrechtlichen Grundlagen als rudimentär und teilweise veraltet, wie etwa der Antrag auf die zu erhebenden Abgaben, für welche ohnehin eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist (vgl. Art. 69 Abs. 1 LV). Die Bestimmung des Art. 69 Abs. 1 LV ermöglicht des Weiteren nur einen Landesvoranschlag für das nächstfolgende Jahr, kein mehrjähriges Budget.Auch sieht die Verfassung keine unabhängige Finanzaufsicht im Sinne eines Rechnungshofes vor, wiewohl eine solche einfachgesetzlich und grundsätzlich verfassungskonform eingerichtet ist (Finanzkontrollgesetz).[50]
1) Der Landesfürst ist das Oberhaupt des Staates und übt sein Recht an der Staatsgewalt in Gemässheit der Bestimmungen dieser Verfassung und der übrigen Gesetze aus.Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteDie Bestimmung des Art. 7 LV über das Staatsoberhaupt hat in der Verfassungsgeschichte Liechtensteins verschiedene Metamorphosen erfahren.Entwicklungsgeschichtlich interessant ist die Tatsache, dass bereits § 33 des Verfassungsentwurfes des Verfassungsrates 1848 folgende Formulierung vorgeschlagen hatte:§ 2 KonV beinhaltete ausserdem noch das in den konstitutionellen Monarchien dieser Zeit typische Element der Vereinigung aller Rechte der Staatsgewalt in der Person des Landesfürsten,[4] das mit der Verfassung von 1921 in die Formulierung des Art. 2 LV, wonach die Staatsgewalt im Fürsten und im Volke verankert ist, transformiert wurde.In der Verfassungsdiskussion von 1919 bis 1921 wurde die Erwähnung des Fürsten als Staatsoberhaupt und seine Position gegenüber der Rechtsordnung immer wieder thematisiert. Während der Verfassungsentwurf von Prinz Karl § 2 KonV unverändert übernahm, sah jener Wilhelm Becks in Art. 29 folgende Formulierung vor: Der Landesfürst ist das Staatsoberhaupt und übt sein Recht an der Staatsgewalt gemäss dieser Verfassung und den Gesetzen aus. Seine Person ist unverletzlich.Die Regierungsvorlage Peer übernahm diese Formulierung Becks in ihren Grundzügen, fügte jedoch wieder das Wort „geheiligt“ hinzu. Die von Peer vorgeschlagene Bestimmung wurde vom Landtag unverändert als Art. 7 LV beschlossen und lautete wie folgt: Der Landesfürst ist das Oberhaupt des Staates und übt sein Recht an der Staatsgewalt in Gemässheit der Bestimmungen dieser Verfassung und der übrigen Gesetze aus. Seine Person ist geheiligt und unverletzlich.Mit der Verfassungsrevision 2003 erhielt Art. 7 Abs. 2 die heute gültige Formulierung. Nach den Ausführungen in der Initiative des Fürstenhauses handelte es sich um eine sprachliche Anpassung, die den Materialien (grüne Broschüre) zufolge „den heute üblichen Bestimmungen zur Immunität von Staatsoberhäuptern, wie sie in Monarchien und Republiken die Regel sind, entspricht.“[5] Um eine bloss sprachliche Anpassung handelte es sich freilich deshalb nicht, weil die Immunität des Landesfürstens auch auf den Erbprinzen erstreckt wurde, sofern dieser die Funktion des Staatsoberhauptes ausübt. Damit wurde der Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 2 erweitert.II. Der Landesfürst als StaatsoberhauptA. Aufgaben des StaatsoberhauptesArt. 7 Abs. 1 LV beruft den Landesfürsten als Staatsoberhaupt Liechtensteins. Die Idee des Staatsoberhauptes beruht auf der Überlegung, dass der Staatsverband als juristische Person eines Vertreters bedarf.[6] Welche konkreten Aufgaben mit dieser Funktion allerdings verbunden sind, bestimmt die Verfassung.[7] Diese Hoheit der Verfassung über Aufgaben und Funktionen des Staatsoberhauptes ist dem Verfassungsstaat immanent.[8] Dem Landesfürsten kommen demnach, vorbehaltlich der in den betreffenden Bestimmungen angeführten allfälligen Mitwirkungsrechten anderer Organe, folgende Kompetenzen zu:[9]Es entspricht der liechtensteinischen Staatspraxis, dass die in der Verfassung angeführten Befugnisse des Staatsoberhauptes weitere Rechte implizieren, wie etwa die Vergabe von Orden, Titeln und Ehrungen.[10] Ausserdem ist die Befugnis des Fürsten, den Staat nach aussen zu vertreten, allgemein und unbestimmt gehalten und umschliesst daher eine entsprechend grosse Bandbreite von Tätigkeiten.[11] Zu den Aufgaben des Staatsoberhauptes zählen nach aussen der Empfang und die Absolvierung von Staatsbesuchen sowie sonstige Kontakte mit Vertretern anderer Staaten,[12] nach innen der Austausch mit Vertretern politischer Parteien, der Medien, staatlicher und privater Institutionen und den Bürgern. Freilich sind weder die Anlässe noch die Zeitspannen dieser Handlungen von der Verfassung determiniert bzw. determinierbar.[13]Zur Unterstützung bei der Aufgabenerfüllung bedient sich der Landesfürst in der Staatspraxis eines administrativen Apparates. Die Verfassung trifft dazu keine Aussage, es ist jedoch davon auszugehen, dass das Staatsoberhaupt ermächtigt ist, die für seine Aufgabenerfüllung erforderlichen Einrichtungen zu schaffen.[14]Im Vergleich zu anderen Staatsverfassungen, unabhängig davon, ob sie auf republikanischer oder monarchischer Grundlage beruhen, ist die Position des Landesfürsten als Staatsoberhaupt von einer ungewöhnlichen Machtfülle geprägt, die insbesondere aus seiner Befugnis zur Sanktionierung von Gesetzen und seiner politischen Rolle in der Regierungsbildung und seiner Einbeziehung in die tägliche Arbeit der Regierung resultiert.[15] Man kann daher Liechtenstein in gewisser Hinsicht als semi-präsidentielles System charakterisieren.[16]Die Verfassung formuliert keine expliziten Unvereinbarkeiten der Ausübung der Funktion als Staatsoberhaupt mit anderen öffentlichen Funktionen. Betrachtet man jedoch das System der „checks and balances“, das in Art. 2 LV und Art. 7 LV grundgelegt ist, und das Gefüge der Staatsorgane Fürst, Volk, Landtag, Regierung, Staatsgerichtshof, von dem die liechtensteinische Verfassung geprägt ist, ergibt sich, dass eine Mitgliedschaft des Landesfürsten im Landtag ebenso verfassungswidrig wäre, wie das Innehaben eines Regierungsamtes oder die Ausübung einer richterlichen Funktion.[17]Nicht untersagt sind dem Landesfürsten durch die Verfassung jedoch Aktivitäten im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen, vor allem jener des Fürstenhauses. Bereits die Verfassungen von 1862 und 1921 haben die wirtschaftliche Betätigung der Landesfürsten im Rahmen ihrer Besitztümer in und vor allem ausserhalb Liechtensteins vorgefunden. Der Umgang mit allfälligen Interessenkonflikten liegt in der Verantwortung des Staatsoberhauptes. Unter dem Gesichtspunkt, dass der souveräne Staat Liechtenstein die Funktion des Staatsoberhauptes einer Dynastie anvertraut hat, ist es im Übrigen ausgeschlossen, dass der Landesfürst hoheitliche Funktionen in einem anderen Staat wahrnimmt, insbesondere wäre eine Personalunion unzulässig.[18]B. Amt und StellungAmt und Stellung des Landesfürsten als Staatsoberhaupt werden durch die blosse Zuschreibung rechtlicher Befugnisse nicht hinreichend umschrieben. Wie in anderen Staaten auch kommt der politischen Praxis und dem Amtsverständnis des jeweiligen Staatsoberhauptes eine massgebliche Bedeutung zu.[19]Von einem Staatsoberhaupt, insbesondere einem monarchischen, wird erwartet, über den Parteien zu stehen, bzw. im Parteienstreit ausgleichend und mässigend zu wirken. Das Staatsoberhaupt soll moralische Autorität verkörpern und eine Institution des Vertrauens sein. Die lebenszeitliche Innehabung des Amtes durch den Landesfürsten wirkt durch den Wegfall des Wahlaktes zusätzlich stabilisierend.[20] Damit ist in der Monarchie auch die Funktion der Kontinuitätswahrung von vornherein garantiert, die das republikanische, auf Zeit gewählte Staatsoberhaupt ebenfalls erfüllen soll, indem es für die Kontinuität des Staatsapparates über die Regierungswechsel hinweg sorgt.[21] Aber auch in der parlamentarischen Demokratie steht das Staatsoberhaupt ausserhalb der politischen Kräfte, was dort hin und wieder die Diskussion aufwirft, ob der Staat überhaupt ein präsidentielles Oberhaupt benötigt.[22]Diese Rolle wird allerdings erschwert, wenn die Verfassung, wie in Liechtenstein, dem Staatsoberhaupt Aufgaben zuweist, die es in die Tagespolitik involvieren können und das Staatsoberhaupt in einem solchen Fall keine Zurückhaltung übt. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Vorschriften der Verfassung betreffend das Verhältnis des Landesfürsten zur Regierung zu nennen, die sich in einem Spannungsverhältnis mit der Funktion der Regierung als einem obersten Organ[23] befinden (vgl. etwa Art. 85 und 86 LV). Der Landesfürst läuft ausserdem, wenn er zu häufig zu politischen Fragen Stellung nimmt oder auf die Umsetzung seiner Auffassungen drängt, Gefahr, selbst zu einer Partei im Staat zu werden.[24] Die stabilisierende Wirkung der lebenszeitlichen Innehabung der Funktion des Staatsoberhauptes hängt daher in der Praxis auch vom Amtsverständnis und der Amtsausübung des Landesfürsten ab. Der Staatsgerichtshof hat dies in einer Abstimmungsbeschwerde gegen die Volksabstimmung über den Beitritt Liechtensteins zum EWR thematisiert, in welcher moniert worden war, dass unmittelbar vor der Abstimmung vonseiten der Behörden wie des Landesfürsten irreführende Aussagen gemacht worden seien und dabei dem Landesfürsten Verpflichtungen auferlegt wurden, die genau einer solchen Situation entgegen wirken sollen:Dieses vom Staatsgerichtshof formulierte Verständnis des Amtes des Staatsoberhauptes unterscheidet sich nicht wesentlich von jenem des Bundespräsidenten in einer parlamentarischen Demokratie, von dem Neutralität und Mässigung erwartet wird, ohne dass es dem Bundespräsidenten verwehrt ist, bestimmte Meinungen zu vertreten, die nur von bestimmten Parteien oder von bestimmten Parteien nicht vertreten werden.[26] Das Staatsoberhaupt soll aber keine Gegenregierung bilden; je drängender jedoch eine gesellschaftliche Problemlage oder eine staatsrechtliche Herausforderung ist, desto eher ist das Staatsoberhaupt gefordert, sich zu Wort zu melden.[27]Aus dem Geist der parlamentarischen Gewaltenbalance wird das Erfordernis einer Loyalität gegenüber den politischen Aktivitäten der parlamentarischen Mehrheit und ihrer Regierung abgeleitet.[28] Nun spricht nichts dagegen, eine solche Loyalitätspflicht auch in einer konstitutionellen Erbmonarchie anzunehmen, die nach dem Postulat des Art. 2 LV auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage beruht. Eine solche Loyalitätspflicht bedeutet nicht die Verpflichtung zum unbedingten Verzicht auf eine eigenständige Kritik und Kontrolle der Handlungen des Landtages und der Regierung, „wohl aber die Verpflichtung zur grundsätzlichen Bereitschaft, die Möglichkeiten rechtlicher oder politischer Korrekturen (dieser Akte, Anm.) nur als äusserstes Mittel einer Missbrauchsverhütung oder Konfliktsbereinigung zu gebrauchen.“[29]Einem solchen Verständnis von der Ausübung des Amtes des Staatsoberhauptes steht daher nicht entgegen, dass der Landesfürst als Grundrechtsträger befugt ist, seine verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Meinungsäusserung in Anspruch zu nehmen (Art. 40 LV, Art. 10 EMRK). Dessen ungeachtet zählt es zu seinen ebenfalls aus der Verfassung resultierenden Verpflichtungen, in seinen Äusserungen auch auf seine Funktion als Staatsoberhaupt Bedacht zu nehmen. Der Umstand, dass die Verfassung den Landesfürsten mit vergleichsweise weitgehenden Befugnissen ausstattet, steht einem solchen Verständnis und einer daraus resultierenden Selbstbeschränkung des Monarchen nicht entgegen. Der Landesfürst übt die Funktion des Staatsoberhauptes auf eigenen Wunsch unentgeltlich aus.[30] Darauf wurde in § 30 KonV noch explizit Bezug genommen: „da der Fürst von den Landeseinnahmen nichts für sich behält (…)“.[31] Diese Regelung wurde in die Verfassung von 1921 nicht übernommen, die Praxis der Unentgeltlichkeit aber fortgesetzt. Diese Unentgeltlichkeit erstreckt sich auch auf die Kosten des administrativen Apparates des Landesfürsten, der aus den eigenen Finanzen des Landesfürsten getragen wird. Allerdings ist aus der Nichterwähnung dieser Thematik in der Verfassung auch zu schliessen, dass diese einer anderen gesetzlichen Regelung nicht entgegen stehen würde.C. Das Staatsoberhaupt im Gefüge der StaatsorganisationDer Landesfürst wird in der Literatur als das höchste, verfassungsunmittelbare und vom Willen des Volkes unabhängige Staatsorgan bezeichnet.[32] Dies ist insofern zu präzisieren, als der Landesfürst eines von mehreren obersten Organen ist, dessen Hoheitsakte als „Akte der öffentlichen Gewalt“, wenn sie in verfassungsmässig gewährleistete Rechte oder in durch internationale Abkommen (Art. 15 Abs. 2 StGHG) gewährleistete Rechtspositionen eingreifen, auch unter der Kontrolle des Staatsgerichtshofes stehen (Art. 15 Abs. 1 StGHG).[33] Richtiger ist es daher, mit Winkler von den obersten Organen Staatsoberhaupt, Volk, Landtag, Regierungschef, Regierung und den Höchstgerichten Staatsgerichtshof, Oberster Gerichtshof und Verwaltungsgerichtshof zu sprechen.[34]Während der Bundespräsident in Österreich trotz seiner Mitwirkungsbefugnisse an der Gesetzgebung des Bundes[35] ein oberstes Verwaltungsorgan ist,[36] ist der Landesfürst in Liechtenstein, wie schon in Art. 2 LV zum Ausdruck gelangt, wonach die Staatsgewalt im Fürsten und im Volke verankert ist, ein Organ der Gesetzgebung und der Vollziehung. Er nimmt an beiden Staatsfunktionen teil, steht aber auch nicht über ihnen, sondern ist Teil derselben.[37]Ein Organ der Gesetzgebung ist der Landesfürst nicht nur durch sein Sanktionsrecht gemäss Art. 9 LV, sondern auch durch seine Funktionen bei der Eröffnung, Schliessung und Auflösung des Landtages (Art. 48 LV, Art. 49 LV). Gubernativ ist dagegen seine Funktion im Rahmen der Bestellung und Entlassung der Regierung (Art. 79, 80 LV). Im Wege des Gnadenrechts und des Abolitionsrechtes (Art. 12 LV) kann er zudem in die Gerichtsbarkeit intervenieren. Es wäre jedoch staatsrechtlich unrichtig, den Landesfürsten als Staatsoberhaupt als ein von diesen Staatsfunktionen losgelöstes Organ zu betrachten. Gerade aus seiner Teilhabe an den Staatsfunktionen ergibt sich die Bindung auch dieses Staatsorgans an die Rechtsordnung.D. Die Ehrenrechte des StaatsoberhauptesDer Landesfürst geniesst verschiedene Ehrenrechte, die mit seiner Funktion als Staatsoberhaupt und darüber hinaus der monarchischen Staatsform zusammen hängen. Eine Ausprägung der Funktion des Staatsoberhauptes ist es daher, wenn der Landesfürst mit Porträts in Amtsgebäuden und anderen öffentlichen Einrichtungen sichtbar gemacht wird. Zu den monarchischen Ehrenrechten zählen die Anrede (in der Praxis „Durchlaucht“[38]) und ein bestimmtes Hofzeremoniell.[39] Dieses erstreckt sich nicht nur auf Anlässe wie Geburt, Heirat und Tod, sondern auch auf Besuche des Fürsten in einer Gemeinde oder die Durchführung von Vereidigungen und die Eröffnung und Schliessung des Landtages.[40]III. Die Ausübung der Staatsgewalt durch den LandesfürstenA. Die Rechte des Landesfürsten an der StaatsgewaltArt. 7 Abs. 1 LV spricht ausdrücklich vom Recht des Landesfürsten an der Staatsgewalt. Die Bestimmung steht in einem unauflöslichen Zusammenhang mit Art. 2 LV, wonach die Staatsgewalt im Fürsten und im Volke verankert ist. Art. 7 Abs. 1 LV ist somit eine weitere Ausprägung des dualistischen oder elliptischen Staates und auch eine für den Konstitutionalismus typische Regelung.[41] Dies manifestiert sich darin, wenn von „seinem“ (des Landesfürsten) Recht an der Staatsgewalt gesprochen wird.[42] Die Wendung darf jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass im selben Satz die Bindung des Landesfürsten an die Verfassung und die gesamte Rechtsordnung zum Ausdruck gebracht wird (dazu näher unter B.). Das in Art. 7 Abs. 1 LV verankerte „Recht“ ist somit eine verfassungsrechtliche Ermächtigung, der auch eine Verpflichtung, die verfassungsrechtlichen Schranken dieser Ermächtigung zu beachten, innewohnt.[43]Das „Recht“ des Landesfürsten an der Staatsgewalt ist daher kein undifferenzierter Machtanspruch, sondern resultiert aus den ihm von der Verfassung anvertrauten Befugnissen. In diesem Ausmass ist der Landesfürst ermächtigt und berechtigt, tätig zu sein und hat einen Anspruch auf die Ausübung dieser Rechte. Der Begriff „Staatsgewalt“[44] meint die gesamte staatliche Tätigkeit, die im Rechtsstaat allerdings durch das Recht, insbesondere die Verfassung, gebunden ist. Der Begriff „Staatsgewalt“ impliziert daher keine Tätigkeit des Staates und seiner Organe ausserhalb der Rechtsordnung.B. Die Bindung des Landesfürsten an das RechtArt. 7 Abs. 1 LV spricht davon, dass der Landesfürst sein Recht an der Staatsgewalt in Gemässheit der Bestimmungen dieser Verfassung und der übrigen Gesetze ausübt. Diese Formulierung statuiert eine Bindung des Landesfürsten an die gesamte Rechtsordnung, nicht nur der Verfassung und der einfachen Gesetze, sondern auch der Verordnungen. Dies ergibt sich daraus, dass Verordnungen die Gesetze präzisieren (siehe auch Art. 92 Abs. 2 LV). Die Bindung des Landesfürsten an das Recht ist eine Ausprägung des Legalitätsprinzips, das auch die liechtensteinische Rechtsordnung beherrscht.[46] Alles staatliche Handeln muss sich demnach auf das Gesetz zurückführen lassen.[47]Nicht gefordert ist allerdings, dass das Gesetz das Handeln des Landesfürsten in allen Einzelheiten vorherbestimmt. Gerade das Handeln als Staatsoberhaupt verlangt eine gewisse Flexibilität. Wenn sich der Landesfürst zu grundlegenden innen- oder aussenpolitischen Fragen äussert, ist er dazu durch seine Funktion als Staatsoberhaupt, also unmittelbar durch Art. 7 Abs. 1 LV legitimiert und bedarf keiner weiteren gesetzlichen Grundlage.[48]Im Bereich der Aussenpolitik sind Aspekte wie die Aufnahme oder der Abbruch diplomatischer Beziehungen mit einem anderen Staat, die Teilnahme an Sanktionen und ihre Beendigung, einer gesetzlichen Detailregelung nicht zugänglich, sondern müssen pragmatisch nach allgemeinen politischen und völkerrechtlichen Gesichtspunkten entschieden werden. Soweit das Recht dem Landesfürsten keine spezifischen Vorgaben macht, hat er seine Befugnisse dem System der Verfassung entsprechend, das auf die Herstellung von Einvernehmen ausgerichtet ist und somit auch ein ausgleichendes und mässigendes Verhalten erfordert, nach seinem Ermessen, jedoch in sachlicher Abwägung aller Argumente auszuüben.[49] Dies ergibt sich auch daraus, dass der Landesfürst in allen seinen Handlungen als Staatsorgan auch an die Grundrechte, insbesondere an den Gleichheitssatz (Art. 31 LV) und das Willkürverbot als eigenständiges Grundrecht, gebunden ist.[50] Abseits dieser Leitlinien wird ein bestimmtes Amtsverständnis von der Verfassung hingegen nicht voraus gesetzt. Dem Staatsgerichtshof, der das Prinzip der Gewaltenteilung auch in Art. 7 verortet,[51] ist insoweit zuzustimmen, als sich aus Art. 7 Abs. 1 ergibt, dass in dieser Bestimmung der Anteil des Landesfürsten an der Staatsgewalt zum Ausdruck gelangt. Weitere Aspekte der Gewaltenteilung, wie etwa jener zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung, sind dieser Bestimmung hingegen nicht zu entnehmen.IV. Die Immunität des LandesfürstenA. Allgemeine Bemerkungen zur Immunität von StaatsoberhäupternDie – nach wie vor wichtige – Funktion der so bezeichneten Immunität, der rechtlichen Unangreifbarkeit, eines Staatsoberhauptes besteht darin, das Amt vor Funktionsbeeinträchtigungen durch andere, möglicherweise auch instrumentalisierte Staatsorgane zu schützen, nicht aber, die Person des Amtsinhabers ausserhalb des Rechts zu stellen.[52]Art. 7 Abs. 2 erster Satz LV regelt die Immunität des Landesfürsten. Seine Person untersteht nicht der Gerichtsbarkeit und ist rechtlich nicht verantwortlich. Abs. 2 zweiter Satz erstreckt diese Immunität auf jenes Mitglied des Fürstenhauses, das gemäss Art. 13bis LV für den Fürsten die Funktion des Staatsoberhauptes ausübt. Von vornherein keine Immunität geniessen somit alle weiteren Mitglieder der fürstlichen Familie und zwar auch dann nicht, wenn ihre Handlungen im Zusammenhang mit der Ausübung der Staatsoberhauptsfunktion des Landesfürsten stehen (z.B. Begleitung bei einem Staatsbesuch). Im Verfassungsvorschlag des Fürstenhauses vom 2. August 2002, auf welchen die heute geltende Formulierung zurückgeht, wird ausgeführt, dass „die sprachliche Anpassung (…) den heute üblichen Bestimmungen zur Immunität von Staatsoberhäuptern, wie sie in Monarchien und Republiken die Regel sind (entspricht).“[53] Der Wortlaut der Verfassung spricht dafür, dass eine Erstreckung der Immunität (auch) auf den Stellvertreter übergeht, ohne dass die Immunität des Landesfürsten dadurch eine Einschränkung erfährt.[54]Tatsächlich gilt in den Monarchien Europas durchgehend, dass der Monarch „unverletzlich“ ist und nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.[55] Auf die Staatsoberhäupter von Republiken trifft die Aussage in ihrer Pauschalität hingegen nicht zu: Die Schweizerische Bundesverfassung kennt für den Bundespräsidenten keine spezifischen Immunitätsregelungen.[56] Als Mitglied des Bundesrates geniesst der Bundespräsident die Immunität gemäss Art. 162 BV, wonach die Mitglieder der Bundesversammlung und des Bundesrates für ihre Äusserungen in den Räten und in deren Organen rechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden können. Das Gesetz kann allerdings weitere Arten Immunität vorsehen.[57]In Österreich sieht Art. 63 B-VG vor, dass eine behördliche Verfolgung des Bundespräsidenten nur, aber immerhin, zulässig ist, wenn ihr die Bundesversammlung zugestimmt hat.[58] Darüber hinaus kann die Bundesversammlung gemäss Art. 68 B-VG eine staatsrechtliche Anklage beim Verfassungsgerichtshof erheben. In Deutschland geniesst der Bundespräsident gemäss Art. 60 Abs. 4 GG die Immunität der Abgeordneten zum Bundestag, die unter den Art. 46 Abs. 2 bis 4 GG verankerten Bedingungen aufgehoben werden kann. Ausserdem kann der Bundestag gemäss Art. 61 Abs. 1 GG gegen den Bundespräsidenten wegen vorsätzlicher Verletzung des Grundgesetzes Anklage beim Bundesverfassungsgericht erheben. Diese Beispiele unterstreichen, dass zwar auch republikanische Verfassungen Immunitätsregelungen hinsichtlich ihrer Staatsoberhäupter kennen, diese von anderen Staatsorganen aber auch aufgehoben werden können.[59]Eine unbesehene Gleichstellung der Immunitätsregelungen monarchischer und republikanischer Staatsverfassungen darf daher nicht vorgenommen werden. Dies ergibt sich auch aus der historischen Entwicklung des Immunitätsrechtes des Staatsoberhauptes: Die verfassungsrechtliche Festschreibung der politischen und strafrechtlichen Unverletzlichkeit der regierenden Fürsten und Könige war ein Resultat des Konstitutionalismus. Die Unverletzlichkeit der Fürsten war der Preis für deren Unterstellung unter die Verfassungen.[60] In den republikanischen Verfassungen konnte dafür aus demokratischen wie rechtsstaatlichen Überlegungen kein Platz mehr sein, während die Immunität als Erbe des Konstitutionalismus in den monarchischen Staatsverfassungen erhalten blieb. Eine gewisse Alternative für die in der parlamentarischen Demokratie bestehende Möglichkeit, die rechtliche Verantwortung des Staatsoberhauptes durchzusetzen, bildet in Liechtenstein der begründete Misstrauensantrag von wenigstens 1.500 Landesbürgern gegenüber dem Landesfürsten gemäss Art. 13ter LV, über den vom Landtag eine Volksabstimmung (Art. 66 Abs. 6 LV) anzuordnen ist. Allerdings führt auch der in der Volksabstimmung angenommene Misstrauensantrag nicht zwingend zum Rücktritt des Landesfürsten, was die Wirksamkeit des Instruments schwächt. Vielmehr hat darüber aufgrund der Verweisung in Art. 13ter LV auf das Hausgesetz gemäss dessen Art. 16 Abs. 1 die Gesamtheit der stimmberechtigten Mitglieder des Fürstlichen Hauses zu entscheiden.[61]Zu unterscheiden ist die verfassungsrechtlich verankerte, innerstaatliche Immunität des Landesfürsten von jener, die ihm als Staatsoberhaupt nach Völkerrecht zukommt: Der Landesfürst repräsentiert den Staat Liechtenstein und kann für Handlungen, die während der Amtsausübung begangen wurden, grundsätzlich nicht der Gerichtsbarkeit oder Zwangsgewalt eines anderen Staates unterstellt werden.[62] Diese Immunität von Staatsoberhäuptern wie auch die von Regierungschefs und Aussenministern ist nicht ausdrücklich geregelt, sondern beruht auf Völkergewohnheitsrecht. Sie schützt die Person des Staatsoberhauptes als diejenige eines Teilnehmers am internationalen Rechtsverkehr.[63]B. Keine Immunität von HoheitsaktenGemäss Art. 7 Abs. 2 erster Satz LV untersteht die Person des Landesfürsten nicht der Gerichtsbarkeit und ist rechtlich nicht verantwortlich. Wie sich aus dem Wortlaut erschliesst, ist damit die Person des Landesfürsten gemeint, nicht aber die von ihm erlassenen Hoheitsakte.[64] So unterliegen beispielsweise Verordnungen, insbesondere auch Notverordnungen gemäss Art. 10 Abs. 2 LV, des Landesfürsten der Kontrolle durch den Staatsgerichtshof auf ihre Konformität mit der Verfassung, den Gesetzen oder Staatsverträgen (Art. 1 Abs. 2 lit. b StGHG). Hoheitsakte des Landesfürsten unterliegen, wenn sie als enderledigende letztinstanzliche Entscheidungen oder Verfügungen der öffentlichen Gewalt ergehen (Art. 15 Abs. 1 StGHG), ebenfalls der Kontrolle des Staatsgerichtshofes.[65] Davon waren auch die Gesetzesmaterialien des StGHG ausgegangen, wonach vom Begriff der „öffentlichen Gewalt“ sämtliche Träger von Hoheitsgewalt, somit insbesondere die Gerichte und Verwaltungsbehörden, aber auch der Landesfürst und der Landtag umfasst seien.[66]Die von Batliner/Kley/Wille geäusserte Befürchtung, wonach mit Art. 7 Abs. 2 in der heute geltenden Fassung bewirkt werde, dass der Landesfürst auch für sein hoheitliches Handeln nicht mehr der liechtensteinischen Gerichtsbarkeit unterstehe,[67] ist daher unzutreffend.[68] Davon abgesehen unterliegen auch Hoheitsakte des Landesfürsten dem Amtshaftungsrecht, was bedeutet, dass der Rechtsträger, das Land Liechtenstein, für einen durch einen Hoheitsakt des Landesfürsten zugefügten Schaden unter den Kriterien des Amtshaftungsrechts (Rechtswidrigkeit, Verschulden des Organs) haftet.[69]Allerdings bedeutet Art. 7 Abs. 2 LV, dass der Landesfürst als Person vor jeder Art behördlicher Verfolgung und rechtlicher Verantwortlichkeit frei ist.[70]Inwieweit jedoch die Auffassung Winklers[71] zutrifft, wonach mit der Neuformulierung des Art. 7 Abs. 2 LV im Zuge der Verfassungsrevision 2003 keine inhaltliche Veränderung gegenüber der bisher geltenden Formulierung („Seine Person ist geheiligt und unverletzlich“) vorgenommen wurde, bleibt im Nachfolgenden zu prüfen. Art. 7 Abs. 2 LV, wonach der Landesfürst der Gerichtsbarkeit nicht untersteht und rechtlich nicht verantwortlich ist, beinhaltet nämlich im Vergleich mit der vorangegangenen Rechtslage[72] nicht nur den Verzicht auf den obsoleten Begriff des Gottesgnadentums („geheiligt“),[73] sondern auch eine Ersetzung des bisher verwendeten und auch aus anderen Rechtsordnungen bekannten und eingeführten Begriffs „unverletzlich“ durch diese Wendung. Zu untersuchen bleibt daher der Bedeutungsgehalt von Art. 7 Abs. 2 LV in C. Die Immunität des Landesfürsten gegenüber Gerichten und Verwaltungsbehörden1. Immunität in strafrechtlicher HinsichtDie Immunität in strafrechtlicher Hinsicht bedeutet, dass der Landesfürst für ein bestimmtes Handeln, selbst dann, wenn es sich um einen sonst der Kontrolle durch die Gerichtsbarkeit unterliegenden Hoheitsakt handelt, strafrechtlich persönlich nicht verantwortlich gemacht werden kann. Die Immunität des Landesfürsten schützt ihn nicht nur vor einer strafrechtlichen Verurteilung, sondern auch bereits vor einer Anklage, ja sogar vor gerichtlichen oder behördlichen Vorerhebungen.[74] Sie bildet ein absolutes Strafverfolgungshindernis.[75]Die Immunität schliesst freilich die Strafrechtswidrigkeit eines allfälligen Handelns nicht aus, sondern lediglich die behördliche Verfolgung.[76] Immunität bedeutet somit lediglich, dass der Landesfürst nicht zur Verantwortung gezogen werden darf, nicht aber, dass eine bestimmte Handlung nicht rechtswidrig wäre.[77]Daraus sowie aus dem Umstand, dass die Person des Landesfürsten geschützt werden soll, ergibt sich, dass die Immunität des Landesfürsten zeitlich begrenzt ist, nämlich solange er dieses Amt ausübt. Im Falle eines Thronverzichts (Art. 13 Hausgesetz) oder einer Amtsenthebung (Art. 15 Hausgesetz) endet die Immunität des Landesfürsten. Er kann, wenn ein solcher Fall eingetreten ist, auch für Handlungen belangt werden, die während der Zeit seiner Immunität gesetzt worden waren. Die Zeit, während der die Immunität die Verfolgung hindert, ist in die Verjährungsfrist gemäss § 58 Abs. 3 Ziff. 1 StGB nicht einzurechnen.[78]Die Immunität endet dagegen nicht im Falle einer Entmündigung bzw. Vormundschaft (Art. 15 bzw. 17 Hausgesetz). Übt ein Regent (Art. 17 Abs. 2 Hausgesetz) die Rechte und Pflichten des Landesfürsten aus, so verbleibt der Landesfürst doch in seiner Funktion und damit in der Immunität. Aufgrund der ausdrücklichen Ausdehnung der Immunität (nur) auf jenes Mitglied des Fürstenhauses, welches gemäss Art. 13bis LV für den Fürsten die Funktion des Staatsoberhauptes ausübt, womit lediglich der Fall der Betrauung des nächsterbfolgeberechtigten volljährigen Prinzen mit der Ausübung von Hoheitsrechten erfasst ist, ergibt sich, dass der Regent sich nicht auf die Immunität berufen kann. Kein Fall der Immunität liegt vor, wenn der Landesfürst in einem Verfahren vor Gerichten oder Verwaltungsbehörde als Zeuge geladen wird und eine Aussage tätigt.[79] Im Falle seines Nichterscheinens steht die Immunität allerdings einer zwangsweisen Vorführung als Zeuge entgegen. Der Landesfürst kann sich angesichts des klaren und keine Ausnahmen zulassenden Verfassungswortlauts seiner Immunität, solange er Staatsoberhaupt ist, nicht begeben und sich daher auch nicht freiwillig der Strafgerichtsbarkeit unterwerfen. Darüber hinaus ist es unter dem Gesichtspunkt, dass die Immunität dem Schutz des Amtes des Staatsoberhauptes vor Funktionsbeeinträchtigung dient, konsequent, wenn der Landesfürst auf die Immunität nicht verzichten darf.2. Immunität in zivilrechtlicher HinsichtWährend die Reichweite der strafrechtlichen Immunität des Landesfürsten vor und nach der Verfassungsrevision 2003 als unbestritten gelten kann, ist jene in zivilrechtlicher Hinsicht schwieriger zu klären. Dies bestätigt auch ein rechtshistorischer Blick, war der Monarch in der Praxis deutscher Erbmonarchien doch zivilrechtlich verantwortlich und hatte vor den Gerichten Recht zu nehmen. Er war jedoch von der Zwangsvollstreckung ausgeschlossen.[80]Art. 7 Abs. 2 LV steht mit seinem die Gerichtsbarkeit schlechthin erfassenden Wortlaut auch in einem offenkundigen Spannungsverhältnis zu § 20 ABGB: Demnach sind auch solche Rechtsgeschäfte, die das Oberhaupt des Staates betreffen, aber auf dessen Privateigentum oder auf die in dem bürgerlichen Rechte gegründeten Erwerbungsarten sich beziehen, von den Gerichtsbehörden nach den Gesetzen zu beurteilen.[81] Dies würde die Annahme nahelegen, dass der Landesfürst sowohl vor den Zivilgerichten beklagt werden kann wie auch selbst Kläger oder Antragsteller sein kann.[82]Demgegenüber steht die Meinung, dass der Landesfürst schon aufgrund der vor der Verfassungsrevision 2003 bestehenden Rechtslage zivilrechtlich nicht „verfolgt“ werden konnte.[83] Damit ist aber noch nicht entschieden, ob lediglich eine Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Landesfürsten unzulässig wäre oder bereits eine Klage oder Antragstellung gegen ihn. Auch stellt sich die Frage, ob der Landesfürst schlechthin nicht Partei eines zivilgerichtlichen Verfahrens sein kann, also auch nicht aktiv klags- oder antragslegitimiert wäre. Zu ihrer Beantwortung sind folgende Überlegungen anzustellen: Somit liegt es nahe, an der von der Verfassung aufgestellten Trennung zwischen dem von den fürstlichen Domänenbehörden verwalteten Vermögen, das kein Staatsvermögen darstellt,[87] und der Person des Landesfürsten anzuknüpfen. Gegen den Landesfürsten persönlich kann kein zivilgerichtliches Verfahren angestrengt werden, wohl hingegen gegenüber den fürstlichen Domänenbehörden.[88] Damit bleiben freilich noch zahlreiche Fragen offen: Zum einen ist unklar, ob und wie etwa eine Schadenersatzklage wegen persönlichen Handelns des Landesfürsten gegen die „fürstlichen Domänenbehörden“ zum Erfolg führen könnte, zum anderen stellt sich die Frage, wer die „fürstlichen Domänenbehörden“ i.S. des Art. 99 LV überhaupt sind. Der Begriff „fürstliche Domäne“ kommt im liechtensteinischen Recht ausserhalb von Art. 99 LV in den Abgabenbefreiungen gemäss Art. 4 Abs. 1 Steuergesetz[89] und Art. 1 des Gesetzes über die Befreiung des Landesfürsten und Erbprinzen von der Abgabepflicht[90] vor.[91] In der zuletzt genannten Bestimmung wird formuliert, dass die fürstliche Domäne und die Stiftungen, welche gemäss statutarischer Zweckbestimmung dem Landesfürsten zur Erfüllung seiner Obliegenheiten dienen, keine öffentlichen Abgaben entrichten.[92]Damit ist immer noch nicht klar, welche Rechtsnatur der „fürstlichen Domäne“ bzw. „Domänenbehörde“[93] zukommt. Die fürstliche Domäne unterliegt dem liechtensteinischen Privatrecht und ist Eigentum der Familie des Hauses Liechtenstein.[94] Man wird wohl von einem juristischen Sondervermögen mit Rechtsfähigkeit auszugehen haben, bei dem freilich nach wie vor offen bleibt, auf welche Weise es für die Handlungen des Landesfürsten einzustehen hätte.[95] Auf Privatvermögen des Landesfürsten ausserhalb der Domäne kann jedenfalls straf- und zivilgerichtlich nicht zugegriffen werden. In der Verfassung keine Erwähnung finden dagegen Stiftungen und andere juristische Personen, die wirtschaftlich dem Vermögen des Fürstenhauses zuzurechnen sind.[96] Diese juristischen Personen sind vom Privatvermögen des Landesfürsten zu trennen und sind eigene Träger rechtlicher Ansprüche und Verbindlichkeiten, die uneingeschränkt der Gerichtsbarkeit unterliegen. Hingegen kann der Landesfürst nach Auffassung Batliners seine Rechte auch aktiv vor den gerichtlichen Instanzen verfolgen.[97] Vor diesem Hintergrund ergibt auch die Regelung des § 20 ABGB über die Zuständigkeit der Gerichtsbehörden[98] hinsichtlich Rechtsgeschäfte betreffend des Staatsoberhauptes bzw. dessen Privateigentum sowie die Ausnahme des Landesfürsten und des Erbprinzen von der Entrichtung von Gerichtsgebühren einen Sinn. Die Wendung „untersteht nicht der Gerichtsbarkeit“ wäre, nachdem die Verfassungsrevision 2003 gegenüber der vorangegangenen Rechtslage lediglich eine „sprachliche Anpassung“[99] vornehmen wollte, nach der hier vertretenen Auffassung daher nicht so zu verstehen, dass der Landesfürst die Zivilgerichtsbarkeit nicht selbst in Anspruch nehmen dürfte. Allerdings könnte der Wortlaut von Art. 7 Abs. 2 LV durchaus auch für die Gegenposition herangezogen werden. Was eine allfällige Vormundschaft des Landesfürsten betrifft, so ergibt sich die Exemtion von der Gerichtsbarkeit nicht nur aus Art. 7 Abs. 2 LV, sondern auch aus Art. 3 LV i.V.m. Art. 17 Hausgesetz. Nach dieser Bestimmung ist in den Fällen, in denen für einen liechtensteinischen Staatsangehörigen ein Vormund oder ein Beistand zu bestellen ist, auch für den Fürsten ein Vormund oder ein Beistand zu bestellen, wobei anstelle des Gerichtes der Familienrat entscheidet.3. Sonstige rechtliche ImmunitätAus Art. 7 Abs. 2 LV ergibt sich, dass der Landesfürst auch nicht der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterliegt und für sein Handeln als Person auch nicht vom Staatsgerichtshof verantwortlich gemacht werden kann (siehe jedoch die Ausführungen unter 1.).[100]Aus der Wendung „rechtlich nicht verantwortlich“ ergibt sich ausserdem, dass der Landesfürst für seine Handlungen auch von keiner anderen Behörde persönlich verantwortlich gemacht werden kann. Gegen den Landesfürsten kommt beispielsweise keine Geltendmachung von allfälligen Ersatzansprüchen, die das Land als Rechtsträger wegen Handlungen des Landesfürsten nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Amtshaftung[101] leisten musste, in Betracht.[102]Das Gesagte bedeutet freilich nicht, dass die entsprechenden zivil- und verwaltungsrechtlichen Vorschriften auf den Landesfürsten keine Anwendung finden würden. Beispielsweise wären Grundstücke im Eigentum des Landesfürsten ebenso in das Grundbuch einzutragen wie ein Unternehmen im Handelsregister oder ein Fahrzeug im Eigentum des Landesfürsten im Kraftfahrzeugregister. Allerdings kann gegen den Landesfürsten eine rechtliche Verpflichtung nicht vollstreckt werden. Soweit sich freilich verwaltungsrechtliche Normen und Entscheidungen der Behörden auf das von der fürstlichen Domäne verwaltete Vermögen beziehen ergibt sich kein Unterschied zu anderen natürlichen oder juristischen Personen.D. Andere Formen der Verantwortung des Landesfürsten?Das Postulat des Art. 7 Abs. 2 erster Satz LV, wonach der Landesfürst rechtlich nicht verantwortlich ist, bedeutet ebenfalls, dass nicht nur die Gerichte und Behörden, sondern auch der Landtag eine solche Verantwortlichkeit nicht geltend machen kann. Im Gegensatz dazu kann vom Landtag gegen Mitglieder der Regierung eine Anklage wegen Verletzung der Verfassung oder sonstiger Gesetze vor dem Staatsgerichtshof erhoben werden (Art. 62 lit. g LV).[103] Der Misstrauensantrag gegen den Landesfürsten gemäss Art. 13ter LV schafft ebenfalls keine Verantwortlichkeit, da über einen vom Volk angenommenen Misstrauensantrag die Gesamtheit der Mitglieder des Fürstlichen Hauses entscheidet.[104]Ein Instrument, Verantwortung des Monarchen geltend zu machen, war bereits im Konstitutionalismus das Instrument der Gegenzeichnung.[105] „Über die Bindung der hoheitlichen Akte an die Gegenzeichnung des verantwortlichen Ministers war es möglich geworden, den von der Verfassung exemten Monarchen, der geheiligt und unverletzlich und damit verfassungsrechtlich, weder politisch noch strafrechtlich, verantwortlich war, gleichsam in die Verfassung zu integrieren.“[106]Die liechtensteinische Verfassung sieht eine solche Gegenzeichnung explizit in den Art. 65 Abs. 1 (Gegenzeichnung von Gesetzen durch den Regierungschef), Art. 85 (Gegenzeichnung auch der vom Fürsten oder einer Regentschaft ausgehenden Erlässe und Verordnungen) sowie Art 86 Abs. 2 LV (Ausfertigung der über Antrag des Regierungschef ergehenden landesherrlichen Resolutionen) vor.[107] Nach herrschender Auffassung sind jedoch überhaupt alle hoheitlichen Akte des Landesfürsten mit Ausnahme der Ernennung und Abberufung der Regierung (vgl. Art. 79 und 80 LV), wo eine Gegenzeichnung aus logisch-systematischen Gründen nicht in Betracht kommt, gegenzeichnungspflichtig.[108] Dies bedeutet, dass nicht nur Notverordnungen[109] gemäss Art. 10 LV, sondern wohl auch Richterernennungen (Art. 11 LV)[110] der Gegenzeichnung bedürfen. Hinsichtlich von Begnadigungen (Art. 12 LV) ist die Gegenzeichnungspflicht hingegen umstritten.[111]Nicht-Akte, wie die Verweigerung der Sanktion, bedürfen allerdings keiner Gegenzeichnung.[112] Der Gegenzeichnung unterliegen weiters Staatsverträge gemäss Art. 8 LV, sofern der Landesfürst den Abschluss nicht ohnehin an die Regierung delegiert hat.[113] Keiner Gegenzeichnung unterliegen hingegen nunmehr grundsätzlich Änderungen des Hausgesetzes gemäss Art. 3 LV, da die Kompetenz zur Erlassung des Hausgesetzes nach den Intentionen und der Formulierung der Verfassungsrevision 2003 in die Zuständigkeit des Fürstenhauses fällt.[114] Sofern jedoch staatsrelevante Teile des Hausgesetzes (Thronfolge, Volljährigkeit des Landesfürsten und des Erbprinzen sowie Vormundschaft) weiterhin der Zustimmung des Landtages bedürfen,[115] wäre hinsichtlich solcher Regelungen wohl auch eine Gegenzeichnung erforderlich. Da die Gegenzeichnung die Billigung, also die materielle Identifikation mit dem Akt zum Ausdruck bringt, wird der Akt als solcher ein Gegenstand politischer Verantwortlichkeit.[116] Fehlt die Gegenzeichnung, so ist der betreffende Akt nicht gültig zustande gekommen.[117]Eine gewisse Verantwortlichkeit kann hingegen im Verfahren betreffend den Misstrauensantrag gegen den Landesfürsten (Art. 13ter LV) aufgeworfen, wenngleich nicht durchgesetzt werden (zur politischen Verantwortung der Regierung vgl. Art. 78 Abs. 1 LV).[118]E. Der Schutz des Landesfürsten in der GesetzgebungDer Landesfürst ist in seiner Funktion als Staatsorgan wie auch das Fürstenhaus durch die Gesetzgebung in verschiedener Hinsicht geschützt:[119]Die Ausnahme des Landesfürsten und des Erbprinzen von der Steuerpflicht entspricht einer historischen Praxis und wurde mit übergeordneten staatspolitischen Gründen unter Hinweis auf die verfassungsmässige Organstellung des Landesfürsten als Staatsoberhaupt und die damit verbundenen Aufwendungen gerechtfertigt.[126] Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Landesfürst die Funktion des Staatsoberhauptes nach bestehender Staatspraxis unentgeltlich ausübt und auch für den erforderlichen administrativen Apparat keinen Kostenersatz erhält. Dessen ungeachtet ist die Steuerbefreiung unter verfassungsrechtlichen Aspekten nicht zwingend geboten.F. Die Erstreckung der Immunität auf andere Mitglieder des FürstenhausesGemäss Art. 7 Abs. 2 zweiter Satz LV erstreckt sich die Immunität des Landesfürsten auch auf jenes Mitglied des Fürstenhauses, welches gemäss Art. 13bis LV die Funktion des Staatsoberhauptes ausübt. Gemäss Art. 13bis LV kann der Landesfürst den nächsterbfolgeberechtigten volljährigen Prinzen seines Hauses wegen vorübergehender Verhinderung oder zur Vorbereitung für die Thronfolge als seinen Stellvertreter mit der Ausübung ihm zustehender Hoheitsrechte betrauen.Die ebenfalls auf die Verfassungsrevision 2003 zurückgehende Formulierung ist im Verfassungsvorschlag des Fürstenhauses vom 2. August 2002 nicht weiter kommentiert. Winkler ist der Meinung, dass die Neuregelung keine materielle Änderung der Rechtslage gebracht habe und nur der Klarstellung diene. Die Immunität des Landesfürsten sei demnach bereits nach damals geltendem Verfassungsrecht auch dem Stellvertreter, der die Funktion des Staatsoberhauptes ausübe, zuteil geworden.[127] Aufgrund der nunmehrigen expliziten Regelung ist die Diskussion freilich müssig. Aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 2 zweiter Satz LV geht jedenfalls hervor, dass die Erstreckung der Immunität auf den Thronfolger (Erbprinzen) nur insoweit stattfindet, als dieser die Funktion des Staatsoberhauptes ausübt. Soweit er den Landesfürsten lediglich bei gewissen Tätigkeiten unterstützt, findet keine Erstreckung der Immunität statt. Dies ist auch sinnvoll, da die Immunität ja dem Schutz des Amtes und nicht der Person, die es ausübt, dienen soll.Als „Funktion des Staatsoberhauptes“ dürfte die Verfassung wohl alle Hoheitsrechte des Landesfürsten verstehen, also beispielsweise auch die Mitwirkung im Richterauswahlgremium gemäss Art. 96 LV.Da eine Erstreckung der Immunität nur für den Fall des Art. 13bis LV vorgesehen ist, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass in allen anderen Fällen, in welchen Staatsoberhauptsfunktionen von anderen Personen als vom Landesfürsten ausgeübt werden (in Betracht kommt die Regentschaft im Falle einer Vormundschaft oder einer Absetzung oder Amtsenthebung des Landesfürsten – vgl. die Beispiele in Art. 17 Hausgesetz), diesen Personen keine Immunität zukommt. Dies ist in gewisser Hinsicht inkonsequent, da in diesem Fall die Immunität zum Schutze des Amtes leerläuft.
Die Regierung verwaltet das Finanzvermögen des Landes nach Grundsätzen, die sie im Einvernehmen mit dem Landtag festzulegen hat. Sie berichtet dem Landtag zusammen mit dem Rechenschaftsbericht (Art. 69 Abs. 2). The Government shall administer the financial assets of the State in accordance with principles it shall determine in agreement with Parliament. The Government shall submit a report to Parliament together with the annual accountability report (article 69 paragraph 2). Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und Entstehungsgeschichte§ 69 lit. c der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen aus dem Jahre 1833 sah vor, dass die Stände in Übereinstimmung mit dem Landesfürsten über die Aktiven der Landeskasse zu verfügen hätten. Durch dieses Kontroll- und Mitwirkungsrecht des Landtages bei der Landesfinanzverwaltung sollte verhindert werden, dass der Fürsten gegen den Willen des Landes Ausgaben machen konnte.[1]§ 46 KonV übernahm diese Bestimmung mehr oder weniger wörtlich.In der Verfassungsdiskussion nach 1918 sah der Verfassungsentwurf des Prinzen Karl eine wörtliche Übernahme der Bestimmung vor, während Wilhelm Beck die Regelung in seinem Verfassungsentwurf nicht erwähnte.In der Regierungsvorlage Josef Peers wurde der nunmehrige Art. 70 mit geringfügigen Anpassungen aus der KonV übernommen und vom Landtag unverändert in Kraft gesetzt. Erst die Verfassungsrevision 2003 modernisierte die dem Konstitutionalismus entstammende Bestimmung und verlieh ihr die heutige gültige Formulierung. Nach den Intentionen der Verfassungsrevision sollte die neue von der Verfassungskommission vorgeschlagene Formulierung dieses Artikels „den heutigen Gegebenheiten“ besser entsprechen.[2]Art. 70 LV komplettiert die Bestimmungen über die Finanzhoheit des Landtages gegenüber der Regierung, indem er auch die Verwaltung des Finanzvermögens durch die Regierung an das Einvernehmen mit dem Landtag bindet. In der Wissenschaft ist die Regelung bisher so gut wie nicht kommentiert worden,[3] was nicht bedeutet, dass Art. 70 LV bedeutungslos wäre oder in der Interpretation keine weiteren Fragen aufwerfen würde.II. Die Verwaltung des Finanzvermögens des LandesA. Zum Begriff des FinanzvermögensDer Begriff des Finanzvermögens ist in der Verfassung nicht definiert. Die Verfassung von 1921 verwendete wie dargelegt den Begriff der „Aktiven der Landeskasse“, worunter also das Gegenteil der Verbindlichkeiten des Staates zu verstehen war. Auch die Materialien der Verfassungsrevision schweigen sich zum näheren Begriffsinhalt aus.Das zum Zeitpunkt der Verfassungsrevision 2003 in Geltung gestandene Finanzhaushaltsgesetz aus dem Jahre 1974[4] definierte in Art. 18 Abs. 2 das Finanzvermögen als jene „Aktiven, die ohne Beeinträchtigung einer bestimmten öffentlich-rechtlichen Verpflichtung verwertet werden können und nach kaufmännischen Grundsätzen verwaltet werden. Hiezu gehört auch der vorsorgliche Grundstückserwerb.“Auf einfachgesetzlicher Ebene bestimmt heute Art. 19 Abs. 3 FHG, dass das Finanzvermögen aus jenen Aktiven besteht, die ohne Beeinträchtigung einer bestimmten öffentlich-rechtlichen Verpflichtung verwertet werden können.[5] Dazu zählen Anlagen bei Geldinstituten in Form von Konten, Wertschriften oder Beteiligungen sowie der Erwerb und die Verwaltung von Liegenschaften zu Anlagezwecken.[6] Auch der vorsorgliche Grundstückserwerb für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben zählt zum Finanzvermögen.[7]Dem Finanzvermögen stellt Art. 19 Abs. 4 FHG das Verwaltungsvermögen gegenüber, das aus jenen Aktiven besteht, die der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben dienen oder dauernd an einen öffentlich-rechtlichen Zweck gebunden sind.[8]Das Finanzvermögen i.S. des Art. 19 Abs. 3 FHG besteht somit in jenem Vermögen des Staates, das sich als ein Einnahmenüberschuss darstellt oder in Form von Rücklagen verwertbar ist. Charakteristisch ist, dass es nur mittelbar für die staatliche Aufgabenerfüllung herangezogen wird, und zwar durch seinen Vermögenswert oder seine Erträgnisse und dabei die „Verwirklichung fiskalischer Interessen“ im Auge hat.[9]Das Finanzvermögen ist Eigentum des Staates.[10] Dies bedeutet auch, dass es vom von den fürstlichen Domänenbehörden verwalteten Vermögen, welches kein Staatsvermögen ist,[11] zu unterscheiden ist.B. Grundsätze der VerwaltungDie „Grundsätze“ der Verwaltung des Finanzvermögens, welche die Regierung „im Einvernehmen mit dem Landtag“ festzusetzen hat, finden sich im Finanzhaushaltsgesetz des Staates (FHG).[12] Auch für das Finanzvermögen gelten die Haushaltsgrundsätze des Art. 2 FHG, wonach der Finanzhaushalt nach den Grundsätzen der Gesetzmässigkeit, der Dringlichkeit, der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit zu führen ist. Nähere Bestimmungen enthalten Art. 19 (Finanzvermögen als Teil der Bilanz), der V. Abschnitt (Bilanzierung und Bewertung), der VI. Abschnitt (Finanzplanung und -steuerung) sowie schliesslich Art. 33 (Anlagen des Finanzvermögens).[13] Details werden in der Finanzhaushaltsverordnung[14] geregelt.Mit der Erlassung eines Gesetzes und einer darauf gegründeten Verordnung wird dem Verfassungsauftrag des Art. 70 LV, nämlich einem einvernehmlichen Vorgehen zwischen Landtag und Regierung, wohl entsprochen. Art. 70 LV sieht nicht zwingend eine neue Rechtsquelle vor, indem etwa Regierung und Landtag sich auf „Richtlinien“ oder „Leitlinien“ zu einigen hätten. Die Verfassung verlangt jedenfalls, dass die massgeblichen Grundsätze nicht ohne Zustimmung des Landtages festgelegt werden können. Eine völlige Delegation der Festlegung dieser Grundsätze durch Gesetz an die Regierung als Verordnungsgeberin würde diesem Auftrag daher widersprechen.III. Die Rolle des LandtagesDer Landtag hat gemäss Art. 70 LV die Grundsätze der Verwaltung des Finanzvermögens im Einvernehmen mit der Regierung festzusetzen, was dieser, wie dargestellt mit dem FHG und die Regierung mit der auf dieses Gesetz gegründeten FHV vorgenommen hat.Die Verfassung schreibt darüber hinaus vor, dass der Landtag über die Entwicklung des Finanzvermögens zu informieren ist. Nur so kann die Anordnung verstanden werden, dass die Regierung dem Landtag „zusammen mit dem Rechenschaftsbericht (Art. 69 Abs. 2)“ berichtet. Gemeint ist darüber hinaus, dass die Information des Landtages zeitgleich mit dem Rechenschaftsbericht zu erfolgen hat. Dass die Information im Rahmen des Rechenschaftsberichts erfolgen muss, wird damit nicht vorgegeben, es wäre auch ein getrenntes Dokument denkbar. Dem historischen Willen des Verfassungsgebers dürfte die bestehende Praxis, über die Entwicklung des Finanzvermögens im Rechenschaftsbericht und der diesem angeschlossenen Landesrechnung zu informieren,[15] am ehesten entsprechen.[16]Die weitere Behandlung im Landtag erfolgt nach Massgabe des Art. 69 Abs. 2 LV und der dazu ergangenen ausführenden gesetzlichen Regelung (Art. 15 Abs. 2 FHG). Rechenschaftsbericht und Landesrechnung bedürfen der Genehmigung des Landtages, womit die Regierung entlastet wird.[17] Eine eigenständige Behandlung der Entwicklung des Finanzvermögens erfolgt daher nicht.
Für die Zeit zwischen einer Vertagung, Schliessung oder Auflösung des Landtages und seinem Wiederzusammentreten besteht, unbeschadet der Bestimmungen der Art. 48 bis 51 über die Fristen zur Wiedereinberufung bezw. Neuwahl, an Stelle des Landtages zur Besorgung der seiner Mitwirkung oder jener seiner Kommissionen bedürftigen Geschäfte der Landesausschuss. For the period between an adjournment, prorogation, or dissolution of Parliament and the date it is reconvened, without prejudice to the provisions of articles 48 to 51 concerning the time limits for the reconvening or new elections of Parliament, there shall exist a National Committee in place of Parliament to handle affairs requiring the participation of Parliament or of its committees. Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteDie Institution eines „Landesausschusses“ zählt zu den ältesten Elementen konstitutionalistischer Verfassungen:[1] § 187 der Verfassung Württembergs aus dem Jahre 1819 bestimmte bereits, dass, solange die Stände nicht versammelt waren, „als Stellvertreter derselben, ein Ausschuss für diejenigen Geschäfte, deren Besorgung von einem Landtage zum anderen zur ununterbrochenen Wirksamkeit der Repräsentation des Landes nothwendig ist“, bestehen sollte.Die Rezeptionsvorlage der KonV, die Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen von 1833, sah in ihrem XI. Titel „Von dem Landesausschusse“ Bestimmungen vor, die weitgehend von der KonV übernommen wurden. So auch § 180, der wie folgt lautete: „Während des Zeitraums von einem Landtage zum andern besteht ein Ausschuß aus den Ständemitgliedern für diejenigen Geschäfte, deren Besorgung in der Zwischenzeit zur ununterbrochenen Wirksamkeit der Landesvertretung nothwendig ist.“ Die Einrichtung eines derartigen Ausschusses war in der zeitgenössischen Diskussion freilich nicht unumstritten: So wurde befürchtet, dass die Übertragung gewichtiger Rechte den Ausschuss zu einer Konkurrenz für den Landtag mache, die Übertragung nur weniger Aufgaben hingegen den Landtag nicht bedeutsam entlaste.[2] Schliesslich überwog die Auffassung, dass der Landtag einer Vertretung während der tagungsfreien Zeit bedürfe.[3]§ 110 KonV traf gegenüber der Rezeptionsvorlage allerdings eine prägnantere Formulierung: „So lange der Landtag nicht versammelt ist, besteht als Stellvertreter desselben ein Ausschuss für diejenigen Geschäfte, welche der Mitwirkung der Landesvertretung bedürfen.“Damit wurde der Landesausschuss als „Stellvertreter“ des Landtages für den Zeitraum installiert, in welchem der Landtag nicht versammelt war und entsprechend dem Sessionensystem des konstitutionellen Parlaments über keinen funktionsfähigen Landtag verfügte. Die staatliche Herrschaft blieb damit nicht ohne Kontrolle und dem Monarchen stand stets ein Volksvertretungsorgan gegenüber.[4]Während der Verfassungsentwurf des Prinzen Karl die unveränderte Übernahme des bisherigen § 110 KonV vorsah, hatte Wilhelm Beck in seinem Entwurf die Bestimmung um einen weiteren Absatz ergänzt, wonach durch den Bestand des Landesausschusses die Bestimmungen betreffend die Einberufung des Landtages nicht umgangen werden durften.Die Regierungsvorlage Josef Peers sah in ihrem § 71 Bestimmungen vor, die inhaltlich dem heutigen Art. 71 und 72 LV entsprechen. Die Verfassungskommission änderte den Vorschlag Peers insoweit ab, als der damals vorgesehene § 72 Abs. 1 jene Fassung erhielt, die dem heutigen Art. 71 LV entspricht. In den abschliessenden Landtagsberatungen wurde, nachdem der in der Regierungsvorlage ursprünglich vorgesehene Art. 71 ersatzlos entfiel,[5] dieser Vorschlag der Verfassungskommission als Art. 71 in Kraft gesetzt. Die übrigen Absätze des § 72 in der Fassung des Vorschlags der Verfassungskommission wurden als Art. 72 in Kraft gesetzt.[6]Seit der Kundmachung der Verfassung mit LGBl. 1921 Nr. 15 ist die Bestimmung unverändert geblieben, obgleich die Funktion des Landesausschusses in verschiedenen Reformkommissionen immer wieder hinterfragt worden war (zur Kritik siehe näher Kapitel III.C).[7]Schon Marxer wies darauf hin, dass während der Konstitutionellen Verfassung im Landesausschuss „der Schwerpunkt der Arbeit des Landtages“ gelegen sei, da dieser ja stets nur für eine bestimmte Sitzungsperiode versammelt war, während unter der Verfassung von 1921 der Landtag „selbst fast das ganze Jahr“ arbeite.[8] Dementsprechend ist die Bedeutung des Landesauschusses unter den heutigen Verhältnissen eine stark reduzierte.II. Die Diskontinuität des LandtagesA. Zum Begriff der Diskontinuität und der Notwendigkeit des LandesausschussesDiskontinuität ist eine mit dem Parlamentarismus typischerweise verknüpfte Erscheinung: Sie bedeutet in ihrer modernen Ausprägung, dass mit dem Ende einer Legislaturperiode, die vom Parlament nicht mehr behandelten Gegenstände, von verschiedenen Ausnahmen abgesehen, vom neu gewählten Parlament nicht mehr aufgenommen werden und allenfalls neu eingebracht werden müssen. Das „neue“ Parlament soll von den Strukturen und Aufgaben des „alten“ Parlaments entkoppelt werden.[9]Im liechtensteinischen Landtag kommt die Besonderheit hinzu, dass sogar innerhalb einer Legislaturperiode Diskontinuität in dem Sinne herrscht, dass es jeweils eigene Sitzungsperioden gibt.[10] Diese leiten sich aus dem Sessionensystem der konstitutionellen Monarchie her, in welchen sich die Tagungszeiten des Landtages auf eine relativ kurze Zeitpanne von wenigen Wochen reduzierten.[11] Wie schon unter Kapitel I. dargestellt, war es daher in dieser Zeit erforderlich, dass während dieses ursprünglich sehr langen Zeitraumes ein Organ existierte, das bestimmte Landtagsgeschäfte, die keinen Aufschub duldeten, wahrnehmen konnte. Die Notwendigkeit der Existenz eines Landesausschusses besteht, solange am Prinzip der Diskontinuität festgehalten wird, auch weiterhin, weil es einen, wenngleich gegenüber früheren Jahrzehnten deutlich reduzierten, Zeitraum der Handlungsunfähigkeit des Landtages gibt.B. Beginn und Ende der DiskontinuitätDie Sitzungsperiode des Landtages kann aus verschiedenen Gründen enden. Die Verfassung unterscheidet die Tatbestände der „Vertagung, Schliessung und Auflösung des Landtages“. Dabei bildet die „Schliessung“ den Regelfall. Sie erfolgt in der Praxis nach der letzten Sitzung im Kalenderjahr.[12] Die Schliessung erfolgt durch den Landesfürsten oder durch einen Bevollmächtigten nach den Bestimmungen des Art. 55 LV.[13]Auch die Vertagung erfolgt durch den Landesfürsten (Art. 48 Abs. 1 LV), der sie aus erheblichen Gründen, die der Versammlung mitzuteilen sind, auf drei Monate aussprechen kann. Damit wird die gesamte Sitzung des Landtages auf einen Zeitpunkt in genau drei Monaten angesetzt.[14]Die Auflösung des Landtages durch den Landesfürsten ist wie die Vertagung an das Vorliegen „erheblicher Gründe“ gebunden (Art. 48 Abs. 1 LV). Allerdings ist die Massnahme, den gewählten Landtag aufzulösen und damit Neuwahlen zu veranlassen, die weitaus gravierendere als die Vertagung des Landtages. Es müssen daher auch an das Vorliegen der erheblichen Gründe besonders strenge Massstäbe angelegt werden.[15]Die Rechtsfolgen der drei Tatbestände treten noch nicht auf der Stelle ein. Art. 72 Abs. 2 LV bestimmt nämlich, dass zur Wahl des Landesausschusses noch in jener Sitzung, in welcher seine Vertagung, Schliessung oder Auflösung ausgesprochen wird, „unter allen Umständen Gelegenheit zu geben“ ist. Die Sitzungsperiode des Landtages endet daher mit der erfolgten Konstituierung des Landesausschusses.[16]Die Diskontinuität endet gemäss Art. 73 LV demnach auch erst wieder mit dem Zeitpunkt des Zusammentretens des Landtages nach seiner Vertagung, Schliessung oder Auflösung, nicht etwa bereits mit der Einberufung durch landesfürstliche Verordnung gemäss Art. 49 LV.[17]III. Der Landesausschuss als Vertreter des LandtagesA. Aufgaben und FunktionArt. 71 LV beruft den Landesausschuss während der Zeit der Diskontinuität „an Stelle“ des handlungsunfähig gewordenen Landtages zur Besorgung der seiner (also des Landtages!) Mitwirkung oder jener seiner Kommissionen bedürftigen Geschäfte.Die Formulierung des Art. 71 LV erweckt den Eindruck, als trete der Landesausschuss in allen Angelegenheiten, die einer „Mitwirkung des Landtages“ bzw. seiner Kommissionen bedürften, an dessen Stelle und übernehme dessen Aufgaben.[18] Dies wirft die Frage auf, ob der Landesausschuss beispielsweise in der tagungsfreien Zeit die Gesetzgebungsfunktion des Landtages ausüben könnte.Ein Blick auf Art. 74 LV, worin ausgeführt ist, dass der Landesausschuss „insbesondere berechtigt und verpflichtet“ ist, bestimmte Aufgaben zu erledigen, zeigt indessen, dass die Verfassung nicht daran denkt, den Landesausschuss als vollwertigen Ersatz des Landtages einzusetzen, sondern diesen lediglich mit dringlichen Anliegen befassen will und ihn in erster Linie als Organ versteht, das dem Landtag zuarbeiten und die Regierung kontrollieren, aber nicht dessen Aufgaben übernehmen soll.[19] Dieses Ergebnis wird auch dadurch gestützt, dass der Landesausschuss gemäss Art. 75 LV keine bleibende Verbindlichkeit für das Land eingehen kann.Der Landesausschuss ist daher in seiner Funktion auf die Ausübung von Aufgaben beschränkt, wie sie Art. 74 LV demonstrativ aufzählt.[20] Er kann demnach weder die Gesetzgebungsfunktion des Landtages übernehmen noch Finanzbeschlüsse fassen und auch nicht Aufgaben der Aussenpolitik, die über rein repräsentative Funktionen im Inland hinausgehen, oder der Kontrolle der Staatsverwaltung erfüllen.[21] Er ist lediglich ein parlamentarisches Hilfsorgan.[22] Die Aussage von Allgäuer, dass der Landesausschuss nicht in der Lage ist, die Aufgaben des Landtages und seiner Kommissionen angemessen weiterzuführen,[23] ist daher dahingehend zu präzisieren, dass dies auch nicht seine Funktion ist. Der Landesausschuss kann und soll mangels Repräsentativität nicht den Landtag ersetzen,[24] sondern lediglich in der Zeit, in welcher der Landtag rechtlich handlungsunfähig ist, als ein parlamentarisches Organ bestimmte Aufgaben der Kontrolle der Regierung erfüllen.[25]Die Sitzungsprotokolle des Landesausschusses sind im Gegensatz zu den Landtagsprotokollen nicht öffentlich zugänglich und werden lediglich den Landtagsabgeordneten bekannt gegeben. Die Sitzungen, zu welchen der Landtagspräsident bei Bedarf einberuft,[26] sind ebenfalls nicht öffentlich,[27] auch nicht für Mitglieder des Landtages, die dem Landesausschuss nicht angehören. In der Praxis bilden verschiedentliche dringliche Angelegenheiten wie Bestellung von Mitgliedern bestimmter Kommissionen, Kreditüberschreitungen oder Grundstückserwerbe die hauptsächlichen Agenden des Landesausschusses.[28]B. Anderen Organen vorbehaltene AufgabenFür die Zeit während der Diskontinuität behält die Verfassung in Art. 71 LV bestimmte Aufgaben ausdrücklich anderen Organen vor. Die Funktion des Landesausschusses besteht nämlich lediglich „unbeschadet der Bestimmungen der Art. 48 bis 51 über die Fristen zur Wiedereinberufung bezw. Neuwahl.“C.KritikDie Kritik am Landesausschuss richtet sich weniger gegen die Institution als solche als gegen die Tatsache, dass der Landtag innerhalb seiner vierjährigen Legislaturperiode innerhalb bestimmter Zeiträume handlungsunfähig ist.[34] Dies bedeutet auch, dass eine Beseitigung der Institution des Landesausschusses eine Abkehr vom konstitutionellen Sessionensystem des Landtages, wie es in Art. 49 LV[35] mit der regelmässigen Einberufung des Landtages zu Anfang eines jeden Jahres durch landesfürstliche Verordnung zum Ausdruck gelangt, voraussetzen würde.[36] Die blosse Beseitigung des Landesausschusses würde nämlich die Problematik des zwischen Schliessung und Einberufung handlungsunfähigen Landtages verstärken.Für die Fälle der Auflösung und Vertagung des Landtages könnte dem Landesausschuss freilich auch im Falle einer Abkehr vom Sessionensystem eine Funktion zukommen.[37] Als Volksvertretungsorgan, welches über einen längeren Zeitraum hinweg Anstelle des Parlaments fungieren soll, ist der Landesausschuss indessen unzureichend repräsentativ,[38] weil er weder die konkrete Sitzverteilung im Landtag widerspiegelt noch seine Mitglieder vom Wahlvolk in genau dieses Amt gewählt wurden. Er ist aber auch nicht in der Lage, den Landtag tatsächlich zu substituieren, da seine Kompetenzen zu begrenzt sind.Aus diesen Gründen ist die Sinnhaftigkeit des Landesausschusses sowie des Sessionensystems des Landtages zu hinterfragen. Eine Reform müsste daher auch an beiden Institutionen anknüpfen.
1) Der Landesausschuss besteht aus dem bisherigen Landtagspräsidenten, der im Verhinderungsfalle durch seinen Stellvertreter ersetzt wird, und aus vier vom Landtage aus seiner Mitte unter gleichmässiger Berücksichtigung des Ober- und des Unterlandes zu wählenden weiteren Mitgliedern.Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und Entstehungsgeschichte§ 111 KonV bestimmte, dass der Landesausschuss aus dem Präsidenten und zwei anderen Mitgliedern des Landtages bestand. In Verhinderung des Präsidenten sollte der Vizepräsident an dessen Stelle treten, ebenso sollten die beiden Ausschussmitglieder in einem solchen Falle ebenfalls durch Stellvertreter ersetzt werden.Hinsichtlich der Wahl bestimmte § 112 KonV, dass die Ausschussmitglieder und deren Stellvertreter von den Abgeordneten aus ihrer Mitte gewählt wurden.§ 181 der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen von 1833 hatte demgegenüber ähnliche, aber wesentlich komplexere Bestimmungen vorgesehen.[1]Der Verfassungsentwurf des Prinzen Karl übernahm in seinem § 63 weitgehend die Bestimmungen des § 111 KonV sowie in § 64 den § 112 KonV unverändert, sah jedoch die Neuerung vor, dass dem Landesausschuss zwingend ein Abgeordneter des Oberlandes und des Unterlandes anzugehören hatte.Der Verfassungsentwurf Wilhelm Becks entsprach in Art. 54 genau diesem Vorschlag.In der Regierungsvorlage Josef Peers war in § 72 Abs. 2 bestimmt, dass der Landesausschuss aus dem Landtagspräsidenten bestehen sollte, der im Verhinderungsfall durch seinen Stellvertreter ersetzt werden sollte, und aus vom Landtag in seiner ersten Sitzung unter gleichmässiger Berücksichtigung des Oberlandes und des Unterlandes zu wählenden weiteren Mitgliedern samt Stellvertretern für den Verhinderungsfall. Wenn ein gewähltes Mitglied verstarb oder sein Mandat verlor, sollte gemäss § 72 Abs. 3 sofort eine Ersatzwahl erfolgen.Die Verfassungskommission des Landtages sah von der Regelung der Ersatzwahl ab. Der neue § 72 Abs. 3 enthielt vielmehr eine Bestimmung für die Wahl des Landesausschusses selbst: Diese sollte, wie heute in Art. 72 Abs. 2 LV vorgesehen, noch in jener Sitzung, in der die Vertagung, Schliessung oder Auflösung des Landtages ausgesprochen wurde, „unter allen Umständen“ erfolgen.Art. 72 LV erhielt jedoch erst in der nachfolgenden Landtagsdebatte die tatsächlich beschlossene und bis heute unverändert gebliebene Fassung.Weiterhin besteht gemäss dem neuen Art. 72 Abs. 1 LV der Landesausschuss aus dem bisherigen Landtagspräsidenten, der im Verhinderungsfall durch seinen Stellvertreter ersetzt wird. Statt bisher zwei, erhält er jedoch nunmehr vier vom Landtag aus seiner Mitte unter gleichmässiger Berücksichtigung des Ober- und des Unterlandes zu wählende weitere Mitglieder. Stellvertretungsregelungen sind dagegen keine vorgesehen. Regierungschef Ospelt wies in seiner Information gegenüber dem Landesfürsten daher ausdrücklich darauf hin, „dass der Landesausschuss früher dreigliedrig war, und nun fünfgliedrig ist.“[2] In Abs. 2 des Art. 72 LV wurden die von der Verfassungskommission vorgeschlagenen Regelungen über die sofortige Wahl des Landesausschusses bei Vertagung, Schliessung oder Auflösung des Landtages übernommen.II. Organisation des LandesausschussesA. ZusammensetzungDer Landesausschuss besteht aus insgesamt fünf Personen. Die Verfassung macht hinsichtlich der Besetzung zunächst die Vorgabe, dass ihm der bisherige Landtagspräsident anzugehören hat und dieser im Verhinderungsfall durch seinen Stellvertreter (vgl. Art. 52 LV) ersetzt wird.[3]Eine weitere Anordnung besteht darin, dass bei den anderen vier Mitgliedern eine gleichmässige Berücksichtigung des Ober- und des Unterlandes stattzufinden hat, was bedeutet, dass – ohne Anrechnung des Präsidenten – je zwei Mitglieder des Landesausschusses Abgeordnete aus dem Wahlkreis Oberland und dem Unterland sein müssen. Dies stellt neben der Existenz der beiden Wahlkreise und der Anordnung des Art. 79 Abs. 5 LV ein weiteres föderales Element in der einheitsstaatlichen Verfassung[4] dar. Eine andere Zusammensetzung des Landesausschusses wäre verfassungswidrig mit der Konsequenz, dass von diesem Landesausschuss gesetzte Akte wegen dieser Verfassungswidrigkeit sogar von vornherein nichtig sein könnten.Die Verfassung schliesst es einerseits nicht aus, dass der Stellvertreter des Landtagspräsidenten von vornherein dem Landesausschuss angehört, erfordert es aber auch nicht. Gehörte der Stellvertreter bisher nicht diesem Gremium an, wird er unmittelbar Aufgrund der Anordnung des Art. 72 Abs. 1 LV Mitglied des Landesausschusses. War der Vizepräsident bereits bisher Mitglied des Landesausschusses, rückt er lediglich in die Position des Vorsitzenden auf. Da die Verfassung für diesen Fall keine weiteren Anordnungen trifft, bedeutet dies, dass dem Landesausschuss dann lediglich vier Personen angehören.Vorgaben im Hinblick auf eine bestimmte Repräsentation der Parteien macht die Verfassung nicht. In der Praxis wird darauf geachtet, dass alle im Landtag vertretenen Parteien auch im Landesausschuss vertreten sind.[5] Dies wurde auch in der Legislaturperiode 2009 bis 2013, als die Freie Liste mit lediglich einem Abgeordneten im Landtag vertreten war, so praktiziert.[6]Dem Landesausschuss müssen Abgeordnete des Landtages angehören. Stellvertretende Abgeordnete können ihm nicht angehören.B. StellvertretungHinsichtlich des Verhinderungsfalles gelten keine anderen Grundsätze als sie in Art. 52 LV für den Fall der Verhinderung des Landtagspräsidenten bestehen.[7] Verhindert ist der Landtagspräsident in erster Linie aus gesundheitlichen Gründen und bei zwingenden privaten Gründen. Berufliche Gründe werden noch kritischer zu sehen sein als bei den anderen Abgeordneten: Schliesslich musste dem Landtagspräsidenten, als er sich der Wahl stellte, klar sein, dass dieses Amt mit einer erheblich grösseren Belastung verbunden sein würde als eine sonstige Abgeordnetentätigkeit.[8] Eine Verhinderung kann freilich auch dann vorliegen, wenn der bisherige Landtagspräsident im Ausland repräsentativen Verpflichtungen nachkommt.Aus dem Umstand, dass die Verfassung die Vertretung lediglich des Landtagspräsidenten zulässt, ergibt sich, dass eine Vertretung der anderen Mitglieder des Landesausschusses nicht zulässig ist.Dies kann dazu führen, dass der Landesausschuss nicht in der vollen Besetzung zusammentreten kann, was die Verfassung dahingehend berücksichtigt, als sie in Art. 76 Abs. 2 LV ein Anwesenheitsquorum festlegt.[9]C. Beginn und Ende der Mitgliedschaft im LandesausschussDer Landesausschuss wird nach jeder Schliessung des Landtages neu gewählt (siehe dazu unten Kapitel III.A.), zwischen den jeweils gewählten Gremien des Landesausschusses in einer Legislaturperiode des Landtages besteht somit keine rechtliche Kontinuität.Die Mitgliedschaft eines Abgeordneten im Landesausschuss beginnt mit seiner Wahl und endet grundsätzlich mit dem Zusammentreten des neuen Landesausschusses.[10] Ein vorzeitiges Ende der Mitgliedschaft kann ausser durch Tod oder Rücktritt durch Mandatsverlust eintreten.[11]III. Wahl des LandesausschussesA. ZeitpunktDie Verfassung bestimmt in Art. 72 Abs. 2 LV, dass „unter allen Umständen“ zur Wahl des Landesausschusses noch in der Sitzung, in der die Schliessung, Vertagung oder Auflösung des Landtages durch den Landesfürsten ausgesprochen wird, Gelegenheit zu geben ist. Die Verfassung geht daher davon aus, dass die Wahl zwingend in dieser Sitzung zu erfolgen hat. Danach wäre es auch nicht mehr möglich, da es keinen funktionsfähigen Landtag mehr gibt. Zuvor wäre die Wahl des Landesausschusses praktisch nur dann möglich, wenn der Landesfürst seine Absicht, den Landtag zu vertagen oder aufzulösen, kundgetan hätte. Die Schliessung des Landtages ist dagegen absehbar. Dennoch ergibt sich aus dem Wortlaut der Verfassung, dass auch in diesem Fall der Landesausschuss neu zu bestellen ist.Die Verfassung will unter allen Umständen die Existenz eines handlungsfähigen Landesausschusses gewährleisten.[12] Dies ist auch der Sinn der Bestimmung des Art. 72 Abs. 2 LV. Unter diesem Aspekt spricht nichts dagegen, wenn der Landtag den Landesausschuss schon im Hinblick auf eine bevorstehende Schliessung, Vertagung oder Auflösung wählen würde. In der Praxis erfolgt die Wahl des Landesausschusses regelmässig in der letzten Sitzung einer Sitzungsperiode des Landtages, unmittelbar vor der Schliessung des Landtages.Im Falle einer Auflösung des Landtages durch den Landesfürsten erfolgt die Wahl des Landesausschusses als ein weiteres, in der ursprünglichen Sitzungsplanung nicht vorgesehenes Traktandum nach der Erklärung durch den Landesfürsten bzw. seines Bevollmächtigten gemäss Art. 48 Abs. 1 LV.[13]B. AblaufÜber den Ablauf der Wahl des Landesausschusses trifft die Verfassung keine weiteren Vorgaben. Die Wahl bedarf aber gemäss Art. 58 LV einer Zustimmung der Mehrheit der anwesenden Abgeordneten und einer Anwesenheit von mindestens zwei Dritteln der Abgeordneten.[14]Art. 57 Abs. 2 lit. c GOLT bestimmt, dass die Wahl des Landesausschusses in offener Wahl erfolgt, wie jene des Präsidenten, des Vizepräsidenten und der Schriftführer des Landes sowie der Kommissionen und Delegationen des Landtages. Eine geheime Wahl könnte indessen beantragt werden. [15]Gewählt werden die Mitglieder des Landesausschusses mit Ausnahme des Präsidenten. Letzter ist kraft seiner Funktion Aufgrund der Verfassung Mitglied des Landesausschusses.In der Praxis erfolgt die Wahl der Mitglieder in einer jeweils gesonderten Abstimmung über den einzelnen Kandidaten.[16] Aber auch eine andere Vorgangsweise wie eine pauschale Wahl aller vorgeschlagenen Kandidaten wäre zulässig.[17]
Die Mandatsdauer des Landesausschusses erlischt mit dem Wiederzusammentritte des Landtages. The term of office of the National Committee shall expire when Parliament reconvenes. Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteArt. 73 LV regelt die Mandatsdauer des Landesausschusses. Die Rezeptionsvorlage der Konstitutionellen Verfassung, die Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen von 1833, hatte in § 186 Abs. 1 die Regelung getroffen, „die Verrichtungen des Ausschusses hören mit der Eröffnung des neuen Landtages auf und werden nach einer blossen Vertagung desselben oder nach Beendigung einer ausserordentlichen Ständeversammlung wieder fortgesezt.“ Diese Bestimmung wurde in § 117 KonV wörtlich übernommen.Der Verfassungsentwurf des Prinzen Karl übernahm in seinem § 69 diese Bestimmung, während der Entwurf Wilhelm Becks von einer expliziten Regelung der Frage absah und offenbar davon ausging, dass sich die Mandatsdauer des Landesausschusses von vornherein aus der Zeit ergibt, in welcher der Landtag funktionsunfähig ist.Die Regierungsvorlage Josef Peers traf in § 72 die Regelung, dass die Mandatsdauer des Landesausschusses mit jener der Landesvertretung zeitlich zusammenfiel, doch hatte, auch im Falle ihrer Auflösung, der Landesausschuss seine Verrichtungen bis zur ersten Sitzung des neuen Landtages fortzusetzen.Diese umständliche und auch inkonsequente Regelung (die Mandatsdauer des Landesausschusses endete paradoxerweise mit dem Eintritt der Funktionsunfähigkeit des Landtages, er hatte aber seine Tätigkeit bis zum Zusammentritt des neuen Landtages fortzusetzen) wurde in den parlamentarischen Beratungen geändert. Die Verfassungskommission schlug Art. 73 LV in der vom Landtag anschliessend beschlossenen und noch heute unverändert geltenden Formulierung vor.II. Die Mandatsdauer des LandesausschussesA. Zum Begriff der MandatsdauerMit dem Begriff der Mandatsdauer meint die Verfassung jenen Zeitraum, in welchem der Landesausschuss seine Funktion ausübt und daher rechtswirksame Akte setzen kann. Ausserhalb der Mandatsdauer existiert kein Landesausschuss. Der Beginn und das Ende der Mandatsdauer markieren auch die Funktionsdauer des jeweiligen Landesausschusses. Es besteht daher auch innerhalb ein und derselben Legislaturperiode allenfalls eine personelle, nicht aber eine rechtliche Kontinuität des Landesausschusses. Dies ergibt sich auch daraus, dass Art. 72 Abs. 2 LV anordnet, dass zur Wahl des Landesausschusses noch in jener Sitzung, in der seine Vertagung, Schliessung oder Auflösung ausgesprochen wird, unter allen Umständen Gelegenheit zu geben ist.B. BeginnÜber den Beginn der Mandatsdauer schweigt sich Art. 73 LV aus. Aus der Bestimmung des Art. 71 LV ergibt sich aber, dass der Landesausschuss mit dem Zeitpunkt der Schliessung, Auflösung oder Vertagung des Landtages ins Leben tritt.[1] Das ist jener Zeitpunkt, an dem der Landtagspräsident die jeweilige Sitzung schliesst.C. EndeDas Ende der Mandatsdauer bestimmt sich folgerichtig mit dem Zusammentritt des neuen bzw. des nach einer Vertagung fortgesetzten Landtages.[2] Die Existenz des Landesausschusses endet mit dem Zeitpunkt der Eröffnung der jeweiligen Landtagssitzung.
Der Landesausschuss ist insbesonders berechtigt und verpflichtet:Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteArt. 74 LV regelt die Aufgaben des Landesausschusses. Bereits die Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen von 1833 hatte in § 182 einen damals noch abschliessenden Katalog an Aufgaben des Ausschusses vorgesehen, die sich etwa auf die Kontrolle der Landesfinanzen, der Wahrung der Verfassung oder die Beantragung der Einberufung der Ständeversammlung bezogen. Die Konstitutionelle Verfassung übernahm die Bestimmung in ihrem § 113 KonV mit geringfügigen Abweichungen. In der Verfassungsdiskussion nach 1918 orientierten sich sowohl die Verfassungsentwürfe des Prinzen Karl (§ 65) als auch Wilhelm Becks (Art. 56) sowie die Regierungsvorlage Peers am Vorbild der KonV.Die Verfassungskommission nahm gegenüber der Regierungsvorlage keine Änderung vor. In den abschliessenden Landtagsberatungen wurde jedoch lit. f des Art. 74, der dem Landesausschuss die Möglichkeit einräumt, „nach Erfordernis der Umstände die Einberufung eines ausserordentlichen Landtages zu beantragen“, dahingehend abgeändert, dass der noch an § 113 KonV orientierte Halbsatz „die bei nachgewiesener Dringlichkeit nicht verweigert wird“, entfiel. Das Motiv für die Änderung ist nicht völlig eindeutig. Angesichts der Tatsache, dass nunmehr gemäss Art. 49 Abs. 2 LV der Landtagspräsident innerhalb des Jahres die Sitzungen anordnet, war eine Verpflichtung des Landesfürsten, die Einberufung des Landtages im Dringlichkeitsfall nicht zu verweigern, weitgehend obsolet. Im Übrigen ging der Verfassungsgeber wohl davon aus, dass in der Zeit zwischen Schliessung und Eröffnung des Landtages der Landesfürst sich dem Verlangen des Landesausschusses nach Einberufung des Landtages kaum verschliessen würde können.II. Die Aufgaben des LandesausschussesA. Demonstrative Aufzählung der AufgabenDie Verwendung des Wortes „insbesonders“ im einleitenden Satz des Art. 74 LV stellt klar, dass die nachfolgende Aufzählung der Aufgaben des Landesausschusses nur eine demonstrative ist und dass sich aus der Verfassung wie auch aus anderen Rechtsvorschriften, etwa der GOLT, weitere Aufgaben ergeben können.[1] Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass gemäss Art. 71 LV der Landesausschuss an die Stelle des Landtages und seiner Kommissionen zur Besorgung der ihrer Mitwirkung bedürftigen Geschäfte tritt. Wie zu Art. 71 dargestellt, bedeutet dies aber nicht, dass der Landesausschuss vollwertig an die Stelle dieser Organe tritt und ihre Aufgaben und Rechte komplett übernimmt. Vielmehr müssen die Aufgaben des Landesausschusses im Lichte des Kataloges des Art. 74 betrachtet werden.[2] Dies schafft eine gewisse Unklarheit in der Beurteilung von Kompetenzen und Verantwortlichkeit des Landesausschusses,[3] was lediglich durch die in der Praxis der letzten Legislaturperioden erfolgte deutliche Verkürzung der Funktionszeit des Landesausschusses entschärft wird.Die Aufgaben werden hier in den nachstehenden Kategorien im Einzelnen erwähnt.Die Aufgaben des Landesausschusses können wie folgt systematisiert werden: B. Wahrung der Verfassung und der Rechte des LandtagesIn lit. a wird dem Landesausschuss aufgetragen, darauf zu achten, dass die Verfassung aufrechterhalten, die Vollziehung der Landtagserledigungen besorgt und der Landtag bei vorausgegangener Auflösung oder Vertagung rechtzeitig wieder einberufen wird.[4]Die allgemeine Formulierung „die Verfassung aufrechterhalten“ bedeutet keine konkrete Kompetenzzuweisung etwa in dem Sinne, dass der Landesausschuss dazu über besondere Instrumente verfügen würde. Der Landesausschuss kann nicht über mehr Rechte verfügen als der Landtag. Die Bestimmung ist vielmehr so zu verstehen, dass es in der tagungsfreien Zeit dem Landesausschuss auferlegt ist, die Einhaltung der Verfassung zu beobachten. Dasselbe gilt für die Formulierung, die sich auf die Vollziehung der Landtagserledigungen bezieht. Der Landesausschuss hat darauf zu achten, dass auch in der tagungsfreien Zeit, in welcher es keinen Landtagspräsidenten gibt, die Geschäfte des Landtages weitergeführt werden, also beispielsweise Gesetzesmaterialien weitergeleitet werden, Anträge administrativ bearbeitet werden und Ähnliches. In diesem Zusammenhang sind auch die Aufgaben gemäss lit. e zu verstehen, wonach der Landesausschuss in dringenden Fällen Anzeige an den Landesfürsten oder die Regierung zu erstatten hat und bei Bedrohung oder Verletzung verfassungsmässiger Rechte, Vorstellungen, Verwahrungen und Beschwerden zu erheben hat. In dieser Formulierung sind die Möglichkeiten umrissen, über die der Landesausschuss verfügt, wenn ihm Missstände in der Landesvollziehung auffallen: Er kann andere Staatsorgane, wie eben den Landesfürsten oder die Regierung, informieren bzw., wenn diese ein Verhalten setzen, das gegen die Verfassung verstösst, entsprechende Kritik artikulieren und protestieren.Handelt es sich um einen besonders schwerwiegenden Vorfall, wird der Landesausschuss zu erwägen haben, ob er „nach Erfordernis der Umstände die Einberufung des Landtages“ beantragt (lit. f). Aus eigenem Ermessen kann der Landesausschuss den Landtag allerdings nicht einberufen. Diese Aufgabe verbleibt beim Landesfürsten (Art. 49 Abs. 1 LV). Eine Verpflichtung des Landesfürsten, dem Antrag des Landesausschusses generell zu folgen, besteht nicht. Er wird sein Ermessen, ob er dem Antrag Folge leistet oder nicht, jedoch pflichtgemäss ausüben müssen, wobei er darauf Bedacht zu nehmen hat, dass es gerade die Aufgabe des Landesausschusses ist, wenn er dies für angebracht hält, eine Einberufung des Landtages zu fordern. Er wird daher nur in sachlich begründeten Fällen diesen Antrag ablehnen dürfen.Unter den hier angeführten Aufgabenkatalog fällt auch, dass gemäss Art. 42 LV das Petitionsrecht nicht nur gegenüber dem Landtag, sondern auch gegenüber dem Landesausschuss besteht. Der Landesausschuss ist nur dann Adressat der Petition, wenn der Landtag nicht funktionsfähig ist.[5] Der Landesausschuss hat in diesem Fall die Petition zur Kenntnis zu nehmen,[6] und kann auch beispielsweise die Regierung informieren. In jedem Fall hat er aber nur jene Schritte zu setzen, die erforderlich sind, um das Anliegen möglichst ohne Verzug zu behandeln. Eine allfällige weitere inhaltliche Bearbeitung hat durch den Landtag zu erfolgen.Gemäss Art. 56 Abs. 3 LV ist während der Zeit der Funktionsunfähigkeit des Landtages der Landesausschuss über die Verhaftung eines Abgeordneten zu informieren. Dem Landesausschuss obliegen dabei keine inhaltlichen Kompetenzen.[7]Völlig veraltet ist die Bestimmung des Art. 147 Abs. 4 LVG, wonach die Regierung einvernehmlich mit dem Landesausschuss oder der Finanzkommission bestimmte andere Funktionsträger als die Regierung mit dem Erlass von Verwaltungsstrafboten betrauen kann. Dies gilt auch für Art. 152 Abs. 3 und 4 LVG, wonach die Regierung wiederum im Einvernehmen mit dem Landesausschuss oder der Finanzkommission bestimmte andere Funktionsträger als den Regierungschef mit der Vorbereitung eines Verwaltungsstrafverfahrens beauftragen kann.C. Mitwirkung in finanziellen AngelegenheitenGemäss Art. 74 lit. b LV hat der Landesausschuss die Landeskassenrechnung zu prüfen und dieselbe mit seinem Bericht und seinen Anträgen an den Landtag zu leiten. Diese Bestimmung tritt auf den ersten Blick in Konkurrenz mit den Aufgaben der Finanzkommission. Diese ist allerdings während der tagungsfreien Zeit ebenso wie der Landtag und andere Kommissionen ausgeschaltet. Es kann daher nur der Landesausschuss tätig werden.In diesem Sinne bestimmen auch Art. 10 Abs. 1 lit. f und Art. 11 FHG eine Informationspflicht der Finanzkommission oder des Landesausschusses durch die Regierung bei bestimmten Kreditüberschreitungen.[8]Der Landesausschuss hat weiters die auf die Landeskasse unter Bezug auf einen vorausgegangenen Landtagsbeschluss auszustellenden Schuld- und Pfandbeschreibungen mit zu unterzeichnen (Art. 74 lit. c LV). Damit ist ein Minimum an parlamentarischer Kontrolle gewährleistet, sodass das Eingehen von finanziellen Verpflichtungen durch die Regierung nicht lediglich auf der Grundlage eines Landtagsbeschlusses erfolgt. Der Landesausschuss hat zu prüfen, ob eine Kreditaufnahme tatsächlich seine Grundlage in einem Landtagsbeschluss findet. Ist dies nicht der Fall, darf er die Unterzeichnung nicht leisten. Der Landesausschuss selbst kann nämlich keine bleibende Verbindlichkeit für das Land eingehen (vgl. Art. 75 LV).Gemäss Art. 46 Abs. 5 und Art. 47 Abs. 5 Finanzhaushaltsverordnung rückt der Landesausschuss an die Stelle des Landtagspräsidiums bei der Sachmittel- und Informatikbeschaffung für Stellen im Landtag. Gemäss Art. 6 des Statutes vom 20. Mai 1887 des Fürstlichen Landes-Wohltätigkeitsfonds ist die Rechnung dieses Fonds „gleich den Rechnungen der übrigen öffentlichen Fonds alljährlich durch die Regierung dem Landesausschuss beziehungsweise dem Landtage zur Prüfung mitzuteilen“. Die Kenntnisnahme der Rechnung erfolgt mit Landtagsbeschluss.Die in Art. 28 Abs. 3 des früheren FHG[9] bestehende Möglichkeit, wonach der Landtag die Regierung ermächtigen konnte, Grundstücke mit Genehmigung des Landesausschusses zu erwerben, zu veräussern und zu verpfänden, besteht nicht mehr.[10] Diese Ermächtigung war regelmässig im Finanzgesetz erteilt worden.[11]D. Vorbereitung von LandtagssitzungenArt. 74 lit. d LV trägt dem Landesausschuss weiters auf, die vom Landtag erhaltenen besonderen Aufträge zur Vorbereitung künftiger Landtagsverhandlungen zu erfüllen. [12] Die Verfassung denkt hier wohl an Fälle, in welchen der Landesausschuss beauftragt wird, bestimmte Fragen abzuklären oder Vorschläge zur Lösung bestimmter Probleme zu machen, was in einem Bericht an den Landtag dargestellt wird.III. Bemerkungen zur PraxisBatliner berichtet aus der Zeit vor 1981 von bestimmten Beschlüssen des Landesausschusses, deren Verfassungskonformität wohl fraglich war, wenn etwa im Winter 1963 mit dringlich erklärtem Beschluss, der auf die Ausschaltung eines Referendums zielte, ein Nachtragskredit in der Höhe von 150‘000 Fr. als Krisenbeihilfe für die unselbständig Beschäftigten im Baugewerbe genehmigt wurde. Der Landtag erteilte im Nachhinein die Zustimmung.[13]Mit Art. 74 lit. d LV in Einklang war dagegen die vorbereitende Befassung des Landesausschusses mit bestimmten Gesetzesvorlagen über vorgängigen Auftrag des Landtages im Jahre 1973.[14]Kritisch ist dagegen wiederum die Frage der Gehaltsfestsetzung von Landrichtern oder die Bestellung von Delegationen für die Parlamentarische Versammlung des Europarates zu sehen.[15] Wenn hingegen lediglich Vertretungen für bestimmte Konferenzen entsendet werden sollen, spricht nichts dagegen, dies im Landesausschuss festzulegen.[16]Waschkuhn berichtet von einer Befassung des Landesausschusses im Januar 1993 mit Fragen der personellen Besetzung der liechtensteinischen Verhandlungsdelegation betreffend den Zollvertrag mit der Schweiz nach der EWR-Abstimmung in Liechtenstein.[17] Der Landesausschuss wurde dabei Anstelle der Aussenpolitischen Kommission des Landestages und des EWR-Ausschusses tätig,[18] die auf informelle Weise die Mitwirkung des Landtages in diesen Angelegenheiten wahrnahmen. Verfassungsrechtlich war diese Vorgehensweise daher nicht zu beanstanden. Die praktische Bedeutung des Landesausschusses erweist sich gegenwärtig als relativ gering, da die Zeit zwischen Schliessung und Eröffnung des Landtages nur noch wenige Wochen beträgt. Auch die Kompetenzen des Landesausschusses, Aufgrund der Ermächtigung des Landtages Genehmigungen zu Grundstücksgeschäften zu erteilen, wurde beseitigt.[19]
Der Landesausschuss kann keine bleibende Verbindlichkeit für das Land eingehen und ist dem Landtage für seine Geschäftsführung verantwortlich. The National Committee may not enter into any permanent obligation on behalf of the country and shall be responsible to Parliament for the conduct of its business. Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteArt. 75 LV ist unverändert aus § 114 KonV übernommen. Diese Bestimmung war wiederum fast unverändert dem § 184 erster Satz der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen von 1833 entnommen worden. Die einzige Änderung bestand ausser einer grammatikalischen Abweichung darin, dass in letzterer der Ausschuss für seine Geschäftsführung dem „nächsten“ Landtag verantwortlich war. Dieser Begriff entfiel in § 114 KonV und somit auch in Art. 75 LV.In der gesamten Verfassungsdiskussion zwischen 1918 und 1921 war die Formulierung unbestritten. In den Entwürfen des Prinzen Karl und Wilhelm Becks sowie in der Regierungsvorlage Josef Peers war stets an die Formulierung des § 114 KonV angeknüpft worden. Es überrascht daher nicht, dass die Bestimmung auch im Landtag unverändert angenommen wurde. Sie ist auch seither nicht angetastet worden.II. Keine bleibende VerbindlichkeitDie Wendung, wonach der Landesausschuss keine bleibende Verbindlichkeit für das Land eingehen kann, ist für das Verständnis von Funktion und Aufgaben des Landesausschusses von zentraler Bedeutung.Schon die inhaltlich gleichlautende Bestimmung des § 184 erster Satz der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen von 1833 diente der Klarstellung, dass der Ausschuss immer nur vorbereitend tätig werden konnte und der späteren Zustimmung der Ständeversammlung bedurfte, andernfalls waren die von ihm gesetzten Massnahmen hinfällig.[1] Angesichts der Tatsache, dass die Budgethoheit im Frühkonstitutionalismus eines der zentralen Instrumente eines Parlaments gegenüber dem Landesherrn war, überrascht es nicht, dass die Verfassung darauf Wert legte, dass das Parlament gerade in dieser Frage nicht durch ein anderes Gremium präjudiziert wurde.In der Literatur finden sich nur wenige Hinweise, was die Interpretation des Art. 75 LV betrifft.[2] Die gesamte Tätigkeit des Ausschusses, auch hinsichtlich der demonstrativ genannten Aufgaben des Art. 74 LV, ist im Lichte des Art. 75 zu verstehen: Der Landesausschuss darf den Landtag und seine Kommissionen nicht substituieren, sondern er darf lediglich solche Massnahmen setzen, die die verfassungsmässig zuständigen Organe nicht präjudizieren. In diesem Sinne ist der Ausdruck „keine bleibenden Verbindlichkeiten“ zu verstehen.[3] Der Landesausschuss verfügt daher auch über keine Notkompetenzen. Für solche Fälle sieht die Verfassung den Art. 10 LV[4] vor. Art. 75 LV ist daher weit zu interpretieren: Der Landesausschuss darf weder eine Genehmigung zur Aufnahme von Darlehen und vergleichbaren Verbindlichkeiten durch die Regierung erteilen noch die Genehmigung von Ankäufen von Liegenschaften oder die Veräusserung von Verwaltungsvermögen erteilen.III. Die Verantwortlichkeit des LandesausschussesNach der zeitgenössischen Auffassung zu § 184 erster Satz der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen von 1833 sollte die Bestimmung über die Verantwortlichkeit „zugleich Sporn und Zügel für die Tätigkeit des Ausschusses“ sein.[5]Während in der Rezeptionsvorlage freilich noch die Möglichkeit einer Anklage des Ausschusses vor dem obersten Gerichtshof im Falle einer Verfassungsverletzung vorgesehen war,[6] bestand eine solche weder in der KonV noch auf der Grundlage der Verfassung von 1921.Art. 75 LV ist eine Spezialnorm zu Art. 57 LV, der nicht zur Anwendung gelangt, da diese Bestimmung für die Sitzungen des Landtages und seiner Kommissionen gilt, der Landesausschuss aber keine Kommission des Landtages ist. Die Verantwortlichkeit des Landesausschusses gegenüber dem Landtag ist eine ausschliesslich politische, keine rechtliche und bleibt im Übrigen vage.[7]Der Landtag kann lediglich seine Missbilligung des Verhaltens von Mitgliedern des Landesausschusses zum Ausdruck bringen. Man wird ausserdem davon ausgehen können, dass diese „Verantwortlichkeit“ auch von einem neuen Landtag geltend gemacht werden kann, der aus in der Zwischenzeit erfolgten Neuwahlen hervorgegangen ist.Das Handeln der Mitglieder des Landesausschusses ist im Übrigen keine „Vollziehung von Gesetzen“ i.S. des Art. 2 Amtshaftungsgesetz[8], sondern der Staatsfunktion der Legislative zugeordnet und unterliegt damit nicht dem Amtshaftungsrecht. Eine strafrechtliche Haftung kommt grundsätzlich in Betracht. Zu beachten ist allerdings, dass die Mitglieder des Landesausschusses keine „Beamten“ i.S. des § 74 Abs 1 Ziff. 4 StGB sind, sodass sie auch keine Amtspflichtverletzungen i.S. des 22. Abschnitts des StGB (§§ 302 ff.) begehen können.
1) Die Sitzungen des Landesausschusses finden nach Bedarf über Einberufung durch den Präsidenten am Sitze der Regierung statt. Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteDas Zusammentreten des Landesausschusses, das Gegenstand des Art. 76 LV bildet, war in § 115 KonV völlig anders geregelt: Demnach hatte sich der Ausschuss zur Besorgung der ihm obliegenden Geschäfte alljährlich im August am Sitze der Regierung zu versammeln. Die Rezeptionsvorlage, § 185 der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen von 1833, hatte eine fast gleichlautende Regelung getroffen, lediglich mit der Abweichung, dass die Versammlung des Landesausschusses im Dezember stattzufinden hatte.Für ein modernes Parlament konnte eine solche Regelung mit einer einmaligen Versammlung des Landesausschusses nicht zweckmässig sein. Zwar sah der Verfassungsentwurf des Prinzen Karl in seinem § 67 noch die mehr oder weniger unveränderte Übernahme des § 115 KonV vor. Der Entwurf Wilhelm Becks bestimmte aber schon in seinem Art. 57, dass der Ausschuss sich zur Besorgung der ihm obliegenden Geschäfte alljährlich nach Ermessen des Präsidenten am Sitze der Regierung versammelte.Die Regierungsvorlage Josef Peers orientierte sich offenkundig am Entwurf Becks und machte noch deutlicher, dass die Einberufung des Landesausschusses kein einmaliges Ereignis mehr sein sollte. In § 76 Abs. 1 RV wurde bestimmt, dass die Sitzungen des Landesausschusses nach Bedarf über Einberufung durch den Präsidenten am Sitze der Regierung stattfinden sollten. Zur Gültigkeit seiner Beschlüsse war Vollzähligkeit erforderlich.[1]Die Verfassungskommission des Landtages übernahm § 76 Abs. 1 der Regierungsvorlage als Art. 76. In der Endredaktion der neuen Verfassung im Landtag wurden aus den beiden Sätzen des Art. 76 in der Fassung des Vorschlags der Verfassungskommission zwei Absätze gemacht.Inhaltlich waren diese Änderungen allesamt unstrittig. In den Bemerkungen von Regierungschef Ospelt vom 10. September 1921 gegenüber dem Landesfürsten „zu den wichtigeren, in der Verfassung gegenüber den mit der Höchsten Vorsanktion versehenen Entwurfe vom Landtage beschlossenen Änderungen“ wurden sie jedenfalls gar nicht erwähnt.Die Bestimmung ist seither unverändert geblieben.II. SitzungsorganisationArt. 76 Abs. 1 LV regelt rudimentär die Sitzungsorganisation des Landesausschusses. Die Sitzungen werden durch den Präsidenten, also den „bisherigen Landtagspräsidenten“ (Art. 72 Abs. 1 LV) anberaumt, wobei dieser auf den „Bedarf“ Rücksicht zu nehmen hat.[2]Im Falle der Verhinderung des Landtagspräsidenten gilt die Stellvertretungsregelung des Art. 72 Abs. 1 LV. Das bedeutet, dass der Vizepräsident die Einberufung des Landesausschusses vorzunehmen hat.Es bleibt den Mitgliedern des Landesausschusses, ja auch Personen, die ihm gar nicht angehören, unbenommen, die Anberaumung einer Sitzung anzuregen. Eine Verpflichtung des Landtagspräsidenten, eine solche Sitzung dann auch tatsächlich anzuberaumen, besteht nicht.Die Verfassung bestimmt im Übrigen noch, dass die Sitzungen am Sitze der Regierung stattzufinden haben. Diese veraltete Bestimmung nimmt, wie auch Art. 53 LV, noch Bezug darauf, dass der Landtag zum Zeitpunkt der Erlassung der Verfassung im Regierungsgebäude tagte.[3] Die Bestimmung ist daher in Orientierung an Art. 1 Abs. 2 LV zu interpretieren, der vom Hauptort Vaduz als dem Sitz des Landtages und der Regierung spricht.[4] Eine legistische Anpassung wäre jedenfalls sinnvoll.Die Verfassung sieht, was die Sitzungsführung betrifft, keine weiteren Regelungen vor, insbesondere nicht, dass sich der Landesausschuss eine Geschäftsordnung zu geben hat. Es besteht aber kein verfassungsrechtliches Hindernis, dass sich der Landesausschuss eine solche gibt.Die gemäss Art. 60 LV zu erlassende GOLT gilt für den Landtag, nicht aber für den Landesausschuss. Dementsprechend kommt der Landesausschuss auch lediglich in Art. 57 Abs. 2 lit. c GOLT vor, nämlich hinsichtlich seiner Wahl durch den Landtag.Diese Rechtslage ist durchaus unbefriedigend: So ist beispielsweise ungeregelt, ob der Parlamentsdienst den Landesausschuss überhaupt zu unterstützen hat.[5] Gemäss Art. 17 Abs. 1 GOLT unterstützt der Parlamentsdienst den Landtagspräsidenten, das Landtagspräsidium, die Abgeordneten, die Kommissionen und die Delegationen in ihrer parlamentarischen Arbeit. Der Landesausschuss bleibt unerwähnt. Lediglich weil der bisherige Landtagspräsident Vorsitzender des Landesausschusses ist, wird man annehmen können, dass er in der Leitung des Landesausschusses auch rechtlich befugt ist, auf die Unterstützung des Parlamentsdienstes zurückgreifen zu können.Die Sitzungen des Landesausschusses sind in der Praxis nicht öffentlich.[6] Explizite Regelungen in der Verfassung, der GOLT oder einer anderen Rechtsvorschrift existieren freilich nicht.III. BeschlussfassungserfordernisseDie Verfassung regelt in Art. 76 Abs. 2 LV lediglich ein Anwesenheitsquorum. Demnach müssen zur Gültigkeit der Beschlüsse des Landesausschusses mindestens drei Mitglieder anwesend sein.[7] Daraus ergibt sich weiters, dass etwa im Umlaufwege gefasste Beschlüsse unzulässig sind.Mit welcher Mehrheit Beschlüsse gefasst werden bzw. ob sie gar der Einstimmigkeit bedürfen, darüber besagt die Verfassung nichts. Man wird wohl davon auszugehen haben, dass die Verfassung implizit vom Erfordernis der Stimmenmehrheit unter den Anwesenden mit analoger Anwendung der Beschlussfassungserfordernisse im Landtag gemäss Art. 58 LV ausgeht. Dies bedeutet auch, dass dem Landtagspräsidenten gemäss Art. 58 Abs. 2 LV der Stichentscheid zukommt.[8]
Die Mitglieder des Landesausschusses beziehen während ihrer Sitzungen die nämlichen Taggelder und Reisevergütungen wie die Abgeordneten. During their meetings, the members of the National Committee shall receive the same daily allowances and travel expenses as the Members of Parliament. Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteBereits § 118 KonV bestimmte, dass die Mitglieder des Ausschusses „während ihrer Sitzung ohne Unterschied die nämlichen Diäten (beziehen), welche für die Landtags Abgeordneten festgesetzt sind.“ Diese Bestimmung war wiederum in nur wenig veränderter Form aus § 187 der Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen von 1833 übernommen worden. Diese hatte allerdings ausdrücklich einen Reisekostenersatz vorgesehen.Der Verfassungsentwurf Wilhelm Becks sah in seinem Art. 58 Abs. 2 eine ähnliche Formulierung vor: „Die Mitglieder des Ausschusses beziehen für ihre Sitzungen die nämlichen Taggelder wie die Landtagsabgeordneten.“ Ein inhaltlicher Unterschied gegenüber der früheren Verfassungslage bestand nur insoweit, als Beck keine „Reisevergütungen“ vorsah.Die Regierungsvorlage Josef Peers bestimmte in ihrem § 75 Abs. 2 RV wiederum ausdrücklich, dass die Mitglieder des Ausschusses während ihrer Sitzungen ohne Unterschied die nämlichen Taggelder und Reisevergütungen wie die Abgeordneten beziehen sollten.Die Bestimmung wurde von der Verfassungskommission redaktionell dahingehend abgeändert, dass sie letztlich in einem gesonderten Art. 77 aufschien. Nach Beschlussfassung der Verfassung im Landtag ist sie seither unverändert geblieben.II. Die Vergütungen der Mitglieder des LandesausschussesArt. 77 LV bestimmt, dass die Mitglieder des Landesausschusses für die Sitzungen dieselben Taggelder und Reisekostenentschädigungen erhalten wie die Abgeordneten des Landtages.[1] Daraus ergibt sich, dass die Verfassung einer darüber hinausgehenden Vergütung für die Tätigkeit der Mitglieder des Landesausschusses, etwa in Form einer Jahrespauschale oder Spesenentschädigung, entgegensteht.Somit gebührt den Mitgliedern des Landesausschusses das Sitzungsgeld einschliesslich der Entschädigung für die Vorbereitungsarbeiten gemäss Art. 2 des Gesetzes über die Bezüge der Mitglieder des Landtages und von Beiträgen an die im Landtag vertretenen Wählergruppen.[2] Nachdem es eine Fahrkostenentschädigung für Reisen im Inland für die Abgeordneten nicht mehr gibt,[3] entfällt daher ein solcher Anspruch auch für die Mitglieder des Landesausschusses. Eine allfällige Auslandstätigkeit des Landesausschusses, die es in der Praxis soweit ersichtlich allerdings nie gegeben hat, wäre nach den Bestimmungen der Art. 6 bis 9 des Gesetzes über die Bezüge zu entschädigen.
1) Die gesamte Landesverwaltung wird unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen dieses Artikels durch die dem Landesfürsten und dem Landtag verantwortliche Kollegialregierung in Gemässheit der Bestimmungen dieser Verfassung und der übrigen Gesetze besorgt. Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteArt. 78 LV hatte ebenso wie die anderen Bestimmungen über die Regierung keinen Vorläufer in der KonV. In der konstitutionellen Monarchie war der Fürst im eigentlichen Sinn die Regierung. Die als „Regierung“[1] bezeichnete „Verwaltungsbehörde“[2] übte „die in der Hand des Fürsten liegende Regierungsgewalt“ (§ 27 KonV) nur insoweit aus, als der Landesfürst sie damit betraute.[3]Die Organisation dieser „Regierung“ war folglich auch nicht in der KonV geregelt, sondern in § 36 der Amtsinstruktion von 1862, wonach die Regierung aus dem „Landesverweser, zwei Landräthen und einem Secretär“ bestehen sollte.[4]Die Regelung des Art. 78 LV stellte somit eine grösstenteils originäre Kreation der Verfassung von 1921 dar, wobei sie allerdings in den Jahren 1964 und 1972 umfassende Novellierungen erfuhr, welche den ursprünglichen Inhalt weitgehend veränderten. Es handelt sich nunmehr um eine thematisch breite, wenngleich nicht ins Detail gehende Regelung der Organisation der Landesverwaltung.[5]Der Verfassungsentwurf des Prinzen Karl hatte in den §§ 71 ff. erstmals spezifische Regelungen für die Regierung vorgesehen und damit ein vom Landesfürsten verschiedenes, exekutives Staatsorgan kreiert, ohne ihre Stellung im Staatsgefüge klar zu bestimmen. Dies erfolgte im Verfassungsentwurf Wilhelms Becks, der in Art. 59 formulierte, dass die Staatsgewalt gemäss den Bestimmungen dieser Verfassung von der Regierung ausgeübt werde, die dem Landesfürsten und dem Landtag verantwortlich sein sollte.Die Regierungsvorlage Josef Peers sah von einer solchen Zuordnung der Staatsgewalt an die Regierung (vgl. Art. 2 LV) ab und schlug demgegenüber folgende Regelung vor:Somit sollte die Regierung für die Landesverwaltung mit Ausnahme der Schulangelegenheiten zuständig sein. Die Ausnahmeregelung korrespondierte mit Art. 16 Abs. 7 der Regierungsvorlage, wonach der Staat die ihm zustehende oberste Leitung des Erziehungs- und Unterrichtswesens durch den Landesschulrat[6] ausüben sollte. Die Verfassungskommission des Landtages nahm an Peers Formulierung lediglich verschiedene sprachliche Korrekturen vor: Die Landesverwaltung wurde nun „durch die“ Regierung (statt „von der“) und „besorgt“ (statt „ausgeübt“).Die Wendung „durch die Regierung“ kommt auch in Art. 10 Abs. 1 LV vor.[7] Nachdem die Staatsgewalt im Fürsten und im Volke verankert ist (Art. 2 LV), wird diese Staatsgewalt, von welcher die Verwaltung eine Funktion ist, nicht „von der Regierung“ besorgt, sondern eben „durch die Regierung“. Allerdings waren diese semantischen Präzisierungen von keiner besonderen Bedeutung, was sich auch daran zeigt, dass sie im Bericht von Regierungschef Ospelt an den Landesfürsten über die vom Landtag beschlossenen Abänderungen gegenüber der Regierungsvorlage nicht erwähnt wurden.Art. 78 LV lautete daher in der ursprünglichen Fassung wie folgt:Mit dem Verfassungsgesetz vom 28. Dezember 1963[8] wurden Art. 78 LV die heutigen Abs. 2 bis 4 angefügt. Die in Abs. 1 enthaltene Ausnahme der Schulangelegenheiten wurde um einen „Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen dieses Artikels“ ergänzt, womit klargestellt wurde, dass die Abs. 2 bis 4 die Rolle der Regierung präzisierten. Dieser Verfassungsänderung war ein Gutachten des Staatsgerichtshofes vorausgegangen,[9] wonach die Existenz der bereits damals bestehenden Kommissionen gegen den verfassungsmässigen Grundsatz verstiess, dass die gesamte Landesverwaltung nur von einer Kollegialregierung ausgeübt werde.[10] Mit der angesprochenen Novellierung sollte für den damals bestehenden Rechtszustand mit diversen Kollegialbehörden eine verfassungsrechtliche Grundlage geschaffen werden.[11]Das Verfassungsgesetz vom 15. Dezember 1971[12] beseitigte unter anderem die Regelungen über den Landesschulrat in Art. 16 Abs. 7 LV und die Ausnahme der Schulangelegenheiten in Art. 78 Abs. 1 LV.[13]Die Bestimmung ist seither unverändert geblieben.II. Die Regierung als StaatsorganA. AllgemeinesDer moderne Staat ist durch die beiden Staatsfunktionen Gesetzgebung und Vollziehung, deren letztere wiederum in die Verwaltung und Gerichtsbarkeit getrennt ist, geprägt. Die allgemeine Staatslehre bezeichnet dieses System der Gewaltenteilung als horizontale Gewaltenteilung, die in dezentralisierten Staaten durch eine vertikale Gewaltenteilung zwischen der zentralstaatlichen Ebene und territorialen Untergliederungen ergänzt wird.[14] Allerdings ist auch das Verhältnis zwischen Gesetzgebung und Vollziehung insoweit vertikal, als die Gesetzgebung der Vollziehung übergeordnet ist.Die Regierung ist entsprechend der allgemeinen Staatslehre das höchste Organ der Verwaltung, das Regieren bildet aber keine eigenständige Staatsfunktion.[15]Der Regierung kommt im Verfassungsstaat eine Doppelfunktion zu: Sie ist einerseits die politische Führungsspitze des Staates und steuert durch ihre Dynamik die Staatstätigkeit, sie ist aber andererseits auch wie dargestellt in die Gewaltenteilung eingebettet und der Legislative untergeordnet.[16] Sie ist staatsleitende Behörde und gleichzeitig oberste Verwaltungsbehörde.[17] Freilich unterliegen ihre behördlichen Entscheidungen in Liechtenstein der Kontrolle durch den reformatorisch entscheidenden Verwaltungsgerichtshof sowie den Staatsgerichtshof (im Fall einer Ministeranklage, aber auch bei Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch behördliche Entscheidungen).[18] Schliesslich ist auch auf den Landesfürsten, das Staatsoberhaupt, zu verweisen, von dessen Vertrauen die Regierung (Art. 80 LV) abhängig ist.[19]Die Regierung ist in der Praxis der politischen Systeme, auch wenn dies in der Verfassung nicht so deutlich zum Ausdruck gelangt, überhaupt das dynamische Element in der Staatsgewalt,[20] bildet aber keine eigene Staatsfunktion. Pernthaler[21] unterscheidet dabei zwischen verschiedenen Regierungsfunktionen, wie Diese oder ähnliche in der Lehre formulierte Funktionen[22] gelangen in Art. 78 LV nicht explizit zum Ausdruck, sondern finden sich allenfalls in verschiedenen Verfassungsbestimmungen, insbesondere in der demonstrativen Aufzählung der Aufgaben der Regierung in Art. 93 LV.Die Verfassung fasst die gesamte Verwaltungstätigkeit des Staates im VII. Hauptstück unter „Regierung“ zusammen. Terminologisch ist auffallend, dass Art. 78 Abs. 1 bis 3 LV von der „Kollegialregierung“[23] spricht. Dieser Begriff wird in der Verfassung auch an anderen Stellen verwendet,[24] während in Art. 78 Abs. 4 LV wiederum von der „Regierung“ die Rede ist. Die Verfassung unterscheidet zwischen der Kollegialregierung einerseits und den einzelnen Mitgliedern der Regierung, dem Regierungschef, seinem Stellvertreter und den weiteren Regierungsräten andererseits. Zuweilen werden einzelnen Regierungsorganen Kompetenzen zugewiesen, die in ihre ausschliessliche Zuständigkeit fallen.[25] Dies ist bereits aus Art. 83 LV zu erschliessen, wonach die Geschäftsbehandlung durch die Regierung teils eine kollegiale, teils eine ressortmässige ist.[26] Während die Verfassung ursprünglich von einer kollegialen Erledigung der Aufgaben als einzig zulässiger Form der Geschäftsbehandlung ausging,[27] änderte sich dies im Laufe der Jahrzehnte: Seit der Verfassungsreform von 1965 betreffend die Art. 90 und 91 LV, können bestimmte weniger wichtige Geschäfte durch Gesetz den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Regierungsmitgliedern zur selbständigen Erledigung übertragen werden.[28] Damit wurde das Kollegialprinzip zugunsten des Ressortsystems modifiziert.[29]Wenn die Verfassung daher von „Regierung“ spricht, ist nicht zwangsläufig damit verbunden, dass damit ausschliesslich die Kollegialregierung gemeint ist. Es kann sich nämlich auch um eine Angelegenheit handeln, die durch den Gesetzgeber in die Zuständigkeit eines einzelnen Regierungsmitglieds verwiesen ist.Allerdings sprechen historische Erwägungen und auch systematische Gründe dafür, dass die Verfassung vom Grundsatz des Kollegialprinzips, also der Zuständigkeit der Kollegialregierung, ausgeht.[30] Eine Aushöhlung von Zuständigkeiten der Kollegialregierung durch den Gesetzgeber wäre demnach verfassungswidrig. Es müssen die insgesamt überwiegenden und auch inhaltlich gewichtigeren Zuständigkeiten bei der Kollegialregierung verbleiben, wie aus Art. 90 Abs. 1 LV hervorgeht.Ist eine Aufgabe durch Gesetz dem einzelnen Regierungsmitglied übertragen, hat die Kollegialregierung die Zuständigkeit verloren und kann sie, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt, auch nicht an sich ziehen.[31] Die Verfassung schliesst es auch aus, dass der Gesetzgeber eine kleinere Gruppe von Regierungsmitgliedern mit einer gemeinsamen Entscheidung in einer Sache betraut, mit anderen Worten: Es darf kein weiteres Kollegialorgan zwischen der Kollegialregierung und den einzelnen gegebenenfalls zuständigen Regierungsmitgliedern bestehen. Dies wiederum schliesst allerdings Einvernehmensbindungen zwischen bestimmten Organen nicht aus.[32] Dabei agiert der Regierungschef als primus inter pares, er ist gegenüber anderen Regierungsmitgliedern nicht weisungsberechtigt.B. Die Regierung als oberstes Organ der Verwaltung1. Der VerwaltungsbegriffDer Begriff der Verwaltung in Art. 78 Abs. 1 LV wird von der Verfassung vorausgesetzt.[33]Der weitaus überwiegende Teil aller Staatstätigkeit ist, auch in Liechtenstein, der Verwaltung zuzurechnen. Dies äussert sich schon dadurch, dass der Rechtsstoff des Verwaltungsrechts viel umfangreicher ist als die von der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit angewendeten Rechtsvorschriften. Auch in finanzieller Hinsicht fliesst der Staatsaufwand weitgehend in die Verwaltung.[34] Dies hat mit dem modernen Staat der Daseinsvorsorge (auch als Leistungsverwaltung bezeichnet)[35] zu tun, in welchem die Bereiche Gesundheit und Soziales die grössten Ausgabenposten darstellen.Die Tätigkeit der Verwaltung lässt sich nur schwer inhaltlich umschreiben. Bekannt ist folgende Definition in der deutschen Verwaltungsrechtswissenschaft: „Öffentliche Verwaltung im materiellen Sinne ist also die mannigfaltige, konditional oder nur zweckbestimmte, teilweise fremdbestimmte, selbstbeteiligt entscheidend ausführende und im Übrigen steuernde und gestaltende, fremdnützige Wahrnehmung der Angelegenheiten von Gemeinwesen und ihrer Mitglieder durch die dafür bestellten Sachwalter.“[36]Gerade diese sehr weitläufige Begriffsbildung bestätigt den eher resignierenden Befund bei Häfelin/Müller/Uhlmann: „Die positiven Umschreibungen erweisen sich als kompliziert und können trotz Ausführlichkeit nie alle Verwaltungstätigkeiten abschliessend erfassen.“[37]Auch zur Systematisierung der Tätigkeit der Verwaltung gibt es keine einheitliche Terminologie: Sie lässt sich grob in die Sicherheits- und Ordnungsverwaltung, die bereits erwähnte Leistungsverwaltung und die planende Verwaltung gliedern.[38] Zuweilen wird die Verwaltung darüber hinaus in Erfüllungs- und Gewährleistungsverwaltung unterschieden. In ersterem Fall erfüllt der Staat die Aufgaben selbst, indem er Leistungen erbringt und Gesetze vollzieht, in letzterem Fall gewährleistet er lediglich, dass bestimmte öffentliche Aufgaben von Privaten erfüllt werden, wie etwa bei bestimmten Angelegenheiten der Daseinsvorsorge.[39]In negativer Umschreibung umfasst die Gesamtheit der Verwaltungstätigkeiten jede staatliche Tätigkeit, die sich von den Funktionen der Rechtsetzung und Rechtsprechung abgrenzt. Dies wird auch als funktioneller Begriff der Verwaltung bezeichnet.[40]Die Dominanz der Verwaltung, was ihren Anteil am Staatshaushalt und am Rechtsstoff betrifft, ist ein generelles Phänomen des modernen Staates. Die in der Staatstheorie gelegentlich anzutreffende Unterscheidung von Verwaltungsstaat und Justizstaat besagt daher lediglich, dass im „Justizstaat“ die Entscheidungen der Verwaltung praktisch ausschliesslich von Gerichten überprüft werden, während im Verwaltungsstaat eigene gerichtsförmige Kontrollinstanzen bestehen,[41] wodurch den Ermessensspielräumen der Verwaltung grössere Bedeutung zuerkannt wird. Insgesamt ist international ein deutlicher Trend in die Richtung einer stärkeren Justizstaatlichkeit im organisatorischen Sinn zu erkennen. Dies ändert nichts an der Dominanz des Verwaltungsrechts im modernen Staat.In dieser Hinsicht weist Liechtenstein mit seinem verwaltungsinternen Rechtsschutzsystem der verschiedenen Beschwerdekommissionen (dazu näher Kapitel V.C.) und der generellen Bedeutung der Wahrung verwaltungsbehördlicher Ermessensspielräume einerseits Elemente des Verwaltungsstaates, andererseits durch die reformatorische, im Verwaltungsgerichtshof konzentrierte Verwaltungsgerichtsbarkeit, die die Entscheidungen der Verwaltung auch inhaltlich abändert, Elemente der Justizstaatlichkeit auf.[42]Die Verwaltung ist der Gesetzgebung insoweit untergeordnet, als die Gesetze das Verhalten der Verwaltung determinieren und steuern und ihre Akte von den richterlichen Behörden auf die Respektierung der gesetzlichen Vorgaben überprüft werden können. Ausserdem kontrolliert das Parlament als Legislative die Verwaltung mit den Instrumenten der parlamentarischen Kontrolle. Freilich ist gerade das Regierungshandeln nicht vollständig durch Gesetze determinierbar: Welche Initiativen oder aussenpolitischen Prioritäten gesetzt werden und welche Gesetzesvorschläge dem Landtag unterbreitet werden, sind Entscheidungen, die von der Regierung im Rahmen ihrer politischen Wertung getroffen werden.[43] Dessen ungeachtet, besteht zwischen der richtungsweisenden und der ausführenden Tätigkeit der Regierung ein enger innerer Zusammenhang.[44]Der in Art. 78 Abs. 1 LV verwendete Begriff der „Landesverwaltung“ erfasst sowohl die hoheitliche als auch die privatwirtschaftliche Tätigkeit des Staates.[45] Erstere liegt vor, wenn der Staat mit Hoheitsgewalt, also „ius imperii“ gegenüber natürlichen oder juristischen Personen durch Verfügungen, Entscheidungen oder auch durch Realakte[46] in der sogenannten schlichten Hoheitsvewaltung auftritt, letztere, wenn der Staat als Träger von Privatrechten handelt und im Rechtsverkehr, etwa durch Vergabe von Aufträgen, Gewährung von Subventionen und dergleichen wie ein Privater auftritt und dabei ohne die Instrumente der Hoheitsverwaltung (Verfügung) agiert.[47]Verwaltung liegt auch vor, wenn das Land als Träger von Privatrechten auftritt und beispielsweise Liegenschaften erwirbt (Vermögensverwaltung), oder Aufträge, etwa für Infrastrukturbauten wie Strassen oder Schulen, erteilt.[48] Auch in diesen Fällen ist es die Regierung, die in diesen Angelegenheiten führend tätig ist und deren Handeln insoweit einem weniger strikten Legalitätsprinzip unterliegt, als für das Tätigwerden nicht unbedingt eine explizite gesetzliche Grundlage verlangt wird.[49] Allerdings ist eine Bindung des Handelns des Landes als Privatrechtsträger an die bestehenden Gesetze und an die Grundrechte unbestritten.[50]Zur Landesverwaltung zählt die in Art. 63 LV explizit erwähnte Justizverwaltung, soweit das zuständige Regierungsmitglied durch Weisung oder sonstige Anordnung auf die Abläufe in der Justiz Einfluss nehmen kann (etwa hinsichtlich der Vorsorge für die Personal- und Sachmittelausstattung der Gerichte).[51] Soweit etwa disziplinäre Massnahmen gegenüber nichtrichterlichem Personal gesetzt werden, unterliegen diese Akte dem Kontrollrecht des Landtages, da gegen Entscheidungen in dienstrechtlichen Angelegenheiten dieser Personen Beschwerde an die Regierung erhoben werden kann, also eine Zuständigkeit der Regierung besteht (Art. 45 Abs. 1 i.V.m. Art. 42 Abs. 3 GOG).[52]Nicht zur Landesverwaltung zählt der Parlamentsdienst, obwohl es sich um weisungsgebundene Vollziehung handelt. Die Weisungen erteilt nämlich nicht die Regierung, sondern der Landtagspräsident. Der Parlamentsdienst ist der Staatsfunktion Gesetzgebung zuzurechnen.[53]Zur Verwaltung zählt auch die Selbstverwaltung (dazu näher unter Kapitel 4.).2. Die Regierung als oberstes weisungsberechtigtes VerwaltungsorganDie Regierung handelt im Rahmen der Staatsfunktion Verwaltung,[54] auch wenn einzelne ihrer Handlungen bzw. ihrer Mitglieder, etwa die Gegenzeichnung der durch den Landesfürsten erteilten Sanktion von Gesetzesbeschlüssen durch den Regierungschef, der Staatsfunktion Gesetzgebung zuzurechnen sind.[55] Sie ist ein selbständiges Staatsorgan.[56]Der Gesetzesvollzug schliesst alle Bereiche der Staatstätigkeit mit Ausnahme der Rechtsprechung der Gerichte (vgl. VIII. Hauptstück der Verfassung) ein.[57] Der Aufgabenbereich der Regierung beschränkt sich, wie aus den Ausführungen unter Kapitel II.A. hervorgeht, aber nicht auf die blosse Ausführung oder den Vollzug, sondern die Regierung „initiiert Politik, plant, sorgt vor, koordiniert, steuert, gestaltet und unterbreitet dem Landtag (und dem Fürsten) entsprechend Vorlagen über Gesetze, das Äussere, den Finanzhaushalt.“[58]Verwaltung bedeutet im verfassungsrechtlichen Sinn die Vollziehung der Gesetze durch grundsätzlich weisungsabhängige Organe.[59] Dies impliziert, dass es aber auch ein oberstes Organ der Verwaltung gibt, das seinerseits nicht weisungsgebunden ist.[60] Ein solches oberstes Organ der Verwaltung ist die Regierung (dazu im Folgenden). An der Eigenschaft der Regierung als ein oberstes, nicht weisungsunterworfenes Organ ändert nichts, dass der Landtag die Regierung kontrolliert bzw. ihr Aufträge erteilen kann und sie auch verpflichtet ist, dem Ansinnen des Landtages Rechnung zu tragen.[61] Es bleibt immer noch Sache der Regierung, in welcher Weise sie den Wünschen des Landtages entspricht. Der Landtag seinerseits kann lediglich mit einem Vertrauensentzug gemäss Art. 80 Abs. 1 LV oder einer Anklage vor dem Staatsgerichtshof reagieren.Auch der Umstand, dass der Landesfürst „rechtlich zulässige Aufträge“ (Art. 92 LV)[62] an die Regierung richten kann, impliziert keine Weisungsgebundenheit in dem Sinne, dass die Regierung untergeordnetes Organ wäre.[63] Allerdings kann der Landesfürst ebenso wie der Landtag der Regierung das Vertrauen entziehen (Art. 80 Abs. 1 LV), wenn sie seinen Aufträgen nicht nachkommt.[64]Schliesslich wäre es mit der Stellung der Regierung als oberstes Organ unvereinbar, wenn ein anderes Organ, etwa ein Gericht, der Regierung Weisungen erteilen könnte. Allerdings steht die Regierung unter der Kontrolle des Staatsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes. Ersterer entscheidet kassatorisch,[65] letzterer auch reformatorisch.[66]Darüber hinaus ist es auch verfassungskonform, wenn das Verfahrensrecht den Staatsgerichtshof oder den Verwaltungsgerichtshof autorisiert, bei Beschwerden gegen Akte der Regierung, über die sie zu entscheiden haben, aufschiebende Wirkung zu verfügen[67] oder vorsorgliche Massnahmen zu verfügen.[68]Unter dem Begriff der Weisung ist eine Verhaltensanordnung eines übergeordneten Organs gegenüber einem nachgeordneten Organ zu verstehen.[69] Die Weisung kann in Form einer individuellen Anordnung im Einzelfall oder auch in genereller Form ergehen. In letzterem Fall wird sie von der österreichischen Terminologie als Verwaltungsverordnung bezeichnet. Eine Weisung, sei es im Einzelfall oder als Verwaltungsverordnung wirkt aber stets nur verwaltungsintern und entfaltet keine subjektiven Rechte.[70]Die prinzipielle Weisungsgebundenheit der Verwaltung, zu welcher es neben der Regierung noch einige weitere Ausnahmen gibt, wie etwa ausdrücklich für weisungsfrei erklärte Verwaltungsorgane oder verwaltungsinterne Beschwerdeinstanzen, unterscheidet die Verwaltung von der Gerichtsbarkeit. Sie ist in Liechtenstein verfassungsrechtlich nicht explizit angeordnet, ergibt sich aber verfassungsrechtlich schon aus dem Umkehrschluss, dass die Verfassung neben der Regierung auch die Gerichte und deren Unabhängigkeit regelt.[71] Die Weisungsbindung dient der Herstellung demokratischer Legitimation, denn nur, wenn die Regierung die Verwaltung steuern kann, kann sie auch dem Landtag gegenüber Verantwortung tragen.Auf einfachgesetzlicher Ebene regelt Art. 36 RVOG das Weisungsrecht und trifft weitreichende Präzisierungen.[72] Demnach kann das zuständige Regierungsmitglied die erforderlichen Weisungen erteilen, soweit einem Amt nicht einzelne Geschäfte zur selbständigen Erledigung übertragen sind. Wenn nicht besondere Gründe vorliegen, erfolgt die Weisungserteilung über den Amtsleiter (Art. 36 Abs. 1 RVOG).Im Falle der Zuständigkeit der Kollegialregierung kann diese dem Amt Weisung erteilen, wie ein Geschäft im Einzelfall nach Gesetz zu entscheiden ist, sofern die Entscheidung des Amtes nicht dem Rechtszug an die Kollegialregierung unterliegt (Art. 36 Abs. 2 erster Satz RVOG). Wenn die besondere Bedeutung der Komplexität einer Entscheidung es erfordert, hat das Amt diese der Kollegialregierung zur Erteilung einer Weisung zu unterbreiten (Art. 36 Abs. 2 zweiter Satz RVOG). Nach den Intentionen des Gesetzgebers bedeutet dies, dass die Kollegialregierung (nicht aber das einzelne Regierungsmitglied, vgl. Abs. 1!) auch in den Fällen über ein Weisungsrecht verfügt, in welchen Angelegenheiten einem Amt zur selbständigen Erledigung übertragen[73] sind.Im Zusammenhang mit dem ersten Satz des Art. 36 Abs. 2 RVOG ist aber davon auszugehen, dass dieses Weisungsrecht nicht besteht, wenn die Entscheidung des Amtes dem Rechtszug an die Kollegialregierung unterliegt. Dies wird auch durch die Materialien des RVOG gestützt, wonach eine Weisungserteilung im Sinne des Art. 36 Abs. 2 RVOG „immer dann möglich sein (soll), wenn die Entscheidung eines Amtes nicht dem Rechtszug an die Kollegialregierung unterliegt, sie also nicht als Rechtsmittelbehörde korrigierend eingreifen kann.“[74]Die Regelung des Art. 36 RVOG wirft die Frage auf, welchen Anwendungsbereich sie überhaupt haben kann: Gemäss Art. 78 Abs. 2 LV können nämlich durch Gesetz oder kraft gesetzlicher Ermächtigung bestimmte Geschäfte einzelnen Amtspersonen, Amtsstellen oder besonderen Kommissionen, unter Vorbehalt des Rechtszuges an die Kollegialregierung, zur selbständigen Erledigung übertragen werden. Daraus ergibt sich eindeutig, dass eine Übertragung zur selbständigen Erledigung an die Existenz eines Rechtszuges an die Kollegialregierung geknüpft ist.[75] Damit will die Verfassung, im Interesse des Rechtsschutzes und der Steuerung, der Verwaltung ermöglichen, dass die Entscheidung der weisungsfreien Stelle von ihr kontrolliert werden kann. Somit kann auf Basis der Verfassung der von Art. 36 Abs. 2 RVOG avisierte Fall, wonach die Kollegialregierung einem Amt auch in Fällen der Übertragung der Aufgabe zur selbständigen Erledigung Weisungen erteilen kann, gar nicht eintreten, weil die Verfassung anordnet, dass in all diesen Fällen ein Rechtszug an die Kollegialregierung stattzufinden hat. Gerade dieser Fall ist aber wiederum von der Weisungsbefugnis der Kollegialregierung gemäss Art. 36 Abs. 2 RVOG ausgenommen.Selbst wenn man davon ausginge, dass es Art. 78 Abs. 2 LV dem Gesetzgeber ermöglichte, die Übertragung einer Angelegenheit zur selbständigen Erledigung in dem Sinne zu regeln, dass auch die konkrete Ausgestaltung (Weisungsbindung gegenüber der Kollegialregierung, nicht aber gegenüber dem einzelnen Regierungsmitglied) davon erfasst wäre, macht Art. 36 Abs. 2 RVOG vor dem Hintergrund des Wortlautes der Verfassung keinen Sinn.[76] Die Bestimmung des Art. 36 Abs. 2 RVOG hat somit keinen Anwendungsfall.Aus der Stellung der Regierung als oberstes Verwaltungsorgan ergibt sich die Weisungsunterworfenheit des nachgeordneten Verwaltungsapparates. Entsprechend der Organisationsstruktur der Regierung sind somit die jeweils nachgeordneten Verwaltungsorgane weisungsgebunden.Diese Weisungsgebundenheit der nachgeordneten Verwaltungsorgane ist in der Verfassung nicht explizit verankert, ergibt sich jedoch aus ihrem System und ist im Grundkonzept, wenngleich wie dargestellt in Verkennung des Gehalts des Art. 78 Abs. 2 LV, in Art. 36 RVOG näher ausgeführt. Eine Regierung, die nicht in der Lage wäre, die ihr nachgeordneten Verwaltungsorgane zu einem bestimmten Verhalten anzuweisen, könnte vom Landtag auch nicht verantwortlich gemacht werden. Die Regierung kann nur für solche Vorkommnisse verantwortlich sein, die sie auch zu steuern in der Lage ist.[77]Die Missachtung einer Weisung durch ein Verwaltungsorgan ist eine Dienstpflichtverletzung[78] und ist daher disziplinarrechtlich zu verfolgen.[79]Gemäss Art. 1 Abs. 2 LV ist der Sitz der Regierung in Vaduz. Daraus ergibt sich, dass nicht nur die Kollegialregierung, sondern auch ihr administrativer Hilfsapparat, die Ministerien, ihren Sitz in Vaduz haben müssen.[80] Hingegen können einzelne Ämter und juristische Personen des öffentlichen Rechts, die Verwaltungsaufgaben erfüllen, sehr wohl ausserhalb der Gemeinde Vaduz angesiedelt sein.3. Weisungsfreie Verwaltung in LiechtensteinDie Aussage des Art. 78 LV, wonach die gesamte Landesverwaltung durch die Kollegialregierung besorgt wird, ist dahingehend zu präzisieren, dass es zahlreiche Bereiche weisungsfreier Verwaltung gibt. Zum einen ist auf die territoriale Selbstverwaltung (Gemeinden)[81] und nicht-territoriale Selbstverwaltung (Kammern und Einrichtungen der Sozialversicherung, dazu näher Kapitel V.D.) zu verweisen, die, zumindest soweit diese Verwaltungskörper im eigenen Wirkungskreis handeln, nur in einem weiteren Sinn als „Landesverwaltung“ betrachtet werden können. Diese beiden Exemtionen von der „Landesverwaltung“ im engeren Sinn finden ihre verfassungsrechtlichen Grundlagen in unterschiedlichen Normen:Die Verfassung richtet in ihrem X. Hauptstück die Gemeinden ein und unterscheidet, freilich ohne nähere Definition, zwischen einem eigenen und übertragenen Wirkungskreis.[82] Die nicht-territoriale Selbstverwaltung[83] findet dagegen ihre Grundlage in Art. 78 Abs. 4 LV, wonach zur Besorgung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Aufgaben durch Gesetz besondere Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts errichtet werden können, die unter der Oberaufsicht der Regierung stehen.Zum anderen ist auf die weisungsfreie Verwaltung in der Landesverwaltung in engerem Sinn hinzuweisen.Die Verfassung schliesst, gerade weil sie keine weiteren Vorgaben macht, die Existenz einer solchen weisungsfreien Verwaltung nicht aus: Wenn durch Gesetz bestimmte Organe weisungsfrei gestellt werden, ist dies grundsätzlich mit der Verfassung vereinbar, da Art. 78 Abs. 2 LV anordnet, dass Verwaltungsorgane mit der selbständigen Erledigung von Verwaltungsaufgaben betraut werden können. Hinsichtlich der Kommissionen besteht mit Art. 78 Abs. 3 LV eine Sonderregelung.[84]Gerade aber aus der Existenz dieser Sonderregelung ergibt sich, dass die Stellung der Regierung durch den Gesetzgeber, der weisungsfreie Verwaltungsbehörden und -organe einrichtet, nicht ausgehöhlt werden darf. Die Fähigkeit der Regierung zur Steuerung der Verwaltung muss verfassungsrechtlich grundsätzlich erhalten bleiben, weisungsfreie Verwaltung daher die Ausnahme bleiben. Ansonsten wäre die Verantwortlichkeit des Verwaltungshandelns nicht mehr gewahrt und die Verwaltung in Wahrheit unabhängig und damit der Gerichtsbarkeit angenähert. Soweit die weisungsfreie Verwaltung aufgrund EWR-rechtlicher Vorschriften eingerichtet werden muss,[85] ist dies angesichts der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes zum Vorrang des EWR-Rechts verfassungskonform.[86] Würde die Umsetzung EWR-rechtlicher Vorschriften allerdings dazu führen, dass ganze Verwaltungsbereiche nicht mehr weisungsgebunden sind, wäre die Frage zu stellen, ob dies nicht den „Grundprinzipien und Kerngehalten der Grundrechte der Verfassung“ widerspricht, wie dies der StGH judiziert.[87]Die derzeitigen Weisungsfreistellungen sind auf folgende Bereiche beschränkt:4. Grenzen der WeisungsgebundenheitWie die Verfassung die Weisungsgebundenheit der Verwaltung nicht explizit regelt, trifft sie auch keine Regelung dahingehend, ob ein grundsätzlich weisungsgebundenes Verwaltungsorgan eine Weisung ablehnen darf. Dabei ist zu beachten, dass in einer modernen Verwaltung das Weisungsrecht keine kritiklose Unterordnung des angewiesenen Organs bedeuten kann, andererseits aber der ordnungsgemässe Gang der Verwaltung nur gewährleistet ist, wenn sich die Vorgesetzten darauf verlassen können, dass die Mitarbeiter die dienstlichen Anweisungen befolgen.[92]Während etwa Art. 20 Abs. 1 B-VG eine ausdrückliche Regelung trifft,[93] gibt es in Liechtenstein auch auf der einfachgesetzlichen Ebene nur vereinzelte Bestimmungen über die Grenzen der Weisungsbefugnis.[94]Dennoch haben die Verwaltungsorgane nicht schlechthin jede Weisung zu beachten:Auch dann, wenn das angewiesene Organ durch Befolgung der Weisung eine gerichtlich strafbare Handlung beginge, kann keine Verpflichtung zur Befolgung der Weisung bestehen.Bemerkenswerterweise waren genau diese Fragen im früheren Gesetz über die Verwaltungsorganisation des Staates[95] in Anlehnung an Art. 20 Abs. 1 B-VG geregelt.[96] Daraus kann nun aber nicht abgeleitet werden, dass in diesen Fällen Weisungsunterworfenheit besteht. Im Falle der Weisungserteilung durch ein unzuständiges Organ ist die Weisungsfreiheit schon daraus zu erklären, dass ein unzuständiges Organ dem angewiesenen Organ nun einmal nicht übergeordnet ist. Im Falle der Strafgesetzwidrigkeit der Weisungsbefolgung (nicht der Weisung selbst!) ergibt sich die Weisungsfreiheit daraus, dass die Rechtsordnung kein Staatsorgan zwingen darf, sich strafgesetzwidrig zu verhalten.[97]C. Das Verhältnis der Regierung gegenüber anderen Staatsorganen1. LandesfürstDer Landesfürst wirkt gemäss Art. 79 Abs. 2 LV an der Bestellung der Regierung mit. Demnach werden der Regierungschef und die Regierungsräte vom Landesfürsten einvernehmlich mit dem Landtag auf dessen Vorschlag ernannt.Verliert die Regierung das Vertrauen des Landesfürsten, erlischt ihre Befugnis zur Ausübung des Amtes, genauso wie wenn sie das Vertrauen des Landtages verliert (Art. 80 Abs. 1 LV).[98]Auch wenn die Regierung gegenüber dem Landesfürsten nicht weisungsunterworfen ist, kreieren diese beiden Verfassungsbestimmungen eine rechtliche Abhängigkeit der Regierung vom Landesfürsten. Einerseits kann keine Regierungsbildung gegen den Willen des Landesfürsten zustande kommen, andererseits kann der Landesfürst die Regierung jederzeit entlassen.Die Entlassung der Regierung durch das Staatsoberhaupt ist eine typische Ausprägung eines Regierungssystems mit starken präsidialen Elementen[99] sowie der konstitutionellen Monarchie, nicht aber der parlamentarischen Monarchie.[100]Trotz dieser Abhängigkeit der Regierung vom Landesfürsten handelt es sich um zwei selbständige Staatsorgane, was mit der Verfassungsrevision von 2003 auch akzentuiert wurde. Es ist daher unrichtig, von einer „fürstlichen Regierung“ zu sprechen, weil es sich nicht um die Regierung des Landesfürsten handelt.An diesem Befund ändert auch nichts, wenn Art. 64 Abs. 1 LV davon spricht, dass das Initiativrecht zur Gesetzgebung dem „Landesfürsten in der Form von Regierungsvorlagen“ zusteht. Wie gezeigt wurde,[101] ist damit nicht gemeint, dass der Landesfürst einen rechtlich verbindlichen Einfluss auf das Zustandekommen der Regierungsvorlagen hätte.Wenn die Verfassung wiederum in Art. 10 Abs. 1 LV davon spricht, dass der Landesfürst „durch die Regierung“ die zur Vollziehung und Durchführung der Gesetze erforderlichen, sowie die aus dem Verwaltungs- und Aufsichtsrechte fliessenden Einrichtungen trifft und die einschlägigen Verordnungen erlässt (Art. 92 LV), ist damit ebenfalls gemeint, dass es die Regierung ist, die selbständig handelt.[102]Andererseits wird durch die Verfassung nicht ausgeschlossen, dass die Regierung sich über massgebliche politische Fragen mit dem Landesfürsten informell abstimmt. Auch die Ankündigung des Landesfürsten, einem allfälligen Gesetz die Sanktion zu verweigern, kann bewirken, dass die Regierung von einer Vorlage eines entsprechenden Gesetzesentwurfs an den Landtag Abstand nimmt.[103]2. LandtagDie Regierung steht gegenüber dem Landtag insoweit in einem ähnlichen Abhängigkeitsverhältnis wie gegenüber dem Landesfürsten, als sie sowohl in ihrer Kreation von der Zustimmung des Landtages wie auch in ihrem Weiterbestand vom Vertrauen des Landtages abhängig ist (Art. 80 LV).Abgesehen davon, dass der Landtag die von der Regierung zu vollziehenden Gesetze beschliesst, unterliegt die Regierung in ihrem finanziellen Gebaren der Finanzhoheit des Landtages und wird aussenpolitisch durch die Genehmigungspflicht von Staatsverträgen (Art. 8 Abs. 2 LV) der Kontrolle des Landtages unterworfen. Die Verfassung bestimmt ausserdem in Art. 94 LV, dass die Verwaltungsorganisation des Landes mit Gesetz zu regeln ist, und wiederholt dies gleichsam in Art. 107 LV, wonach die Organisation der Behörden im Wege der Gesetzgebung erfolgt.[104] Daraus ergibt sich immerhin, dass die Verwaltungsorganisation nicht auf blosser Verordnungsebene oder gar auf einer Rechtsstufe unterhalb derselben geregelt werden darf, sondern durch das Gesetz in einer dem Legalitätsprinzip gerecht werdenden Weise vorherbestimmt sein muss.[105] Dessen ungeachtet, darf das Gesetz der Regierung in der näheren Ausgestaltung dieser Verwaltungsorganisation Spielräume belassen.[106]Darüber hinaus unterliegt die Regierung der politischen Kontrolle durch den Landtag, wobei den verschiedenen Instrumenten unterschiedliche rechtliche Bindungswirkung zukommt: Während das Misstrauensvotum des Landtages gemäss Art. 80 Abs. 1 LV dazu führt, dass die Befugnis der Regierung zur Ausübung ihre Amtes erlischt, ist die Wirkungsweise bei den anderen Instrumenten unterschiedlich. So versetzt das Instrument der Motion[107] das Parlament in die Lage, von der Regierung die Vorlage eines Gesetzes mit spezifischem Inhalt einzufordern.[108] Hingegen wird die Regierung mit einem Postulat[109] eingeladen, einen bestimmten Gegenstand zu überprüfen oder ein bestimmtes Vorgehen zu wählen.[110] Es handelt sich daher um ein weniger präzises Instrument als die Motion. Hinsichtlich ihrer Verbindlichkeit gegenüber der Regierung bestehen indessen keine Unterschiede.Der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Landtag steht die politische Praxis gegenüber, dass jene Parteien, welche die Regierung tragen, in aller Regel danach trachten, die Regierungspolitik nicht zu verunmöglichen, sondern im Gegenteil ihr im Landtag zum Durchbruch zu verhelfen. Das Verhältnis zwischen Landtag und Regierung ist somit in der Praxis, wie in den meisten parlamentarischen Systemen, sofern keine Minderheitsregierung amtiert, ambivalent: Zum einen hat der Landtag den verfassungsmässigen Auftrag, die Regierung zu kontrollieren, zum anderen dominieren im Landtag die Regierungsparteien.[111]3. StaatsgerichtshofWie bereits dargelegt, ist die Regierung gegenüber dem Staatsgerichtshof kein übergeordnetes Organ. Umgekehrt ermächtigt die Verfassung den Staatsgerichtshof, Akte der Regierung für verfassungswidrig zu erklären und aufzuheben. Die Regierung ist in einem neuerlichen Verfahrensgang an die Rechtsmeinung des Staatsgerichtshofes gebunden. Im Verfahren vor dem Staatsgerichtshof betreffend die Normenkontrolle kommt der Regierung Parteistellung zu (Art. 18 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 StGHG).Die Regierung ist gemäss Art. 19 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 und Art. 23 Abs. 2 StGHG auch verpflichtet, die Aufhebung von Rechtsnormen (Gesetzes- oder Verordnungsbestimmungen) oder die Aufhebung der innerstaatlichen Verbindlichkeit von Staatsverträgen durch den Staatsgerichtshof unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.[112] Eine Bindung der Regierung über die in der Verfassung (Art. 104 LV) und im StGHG geregelten Befugnisse des Staatsgerichtshofes hinaus gibt es jedoch nicht.Der Regierung kommt insoweit ein Mitwirkungsrecht an der Bestellung der Mitglieder des Staatsgerichtshofes zu, als sie ein Mitglied im Richterauswahlgremium (Art. 96 Abs. 1 LV) stellt.III. Die Gesetzesgebundenheit der VerwaltungArt. 78 Abs. 1 LV, wonach die gesamte Landesverwaltung „in Gemässheit der Be¬stimmungen dieser Verfassung der übrigen Gesetze besorgt wird“, ist auch eine Verankerung des Legalitätsprinzips.[113] Die Bestimmung hat daher auch eine wesentliche rechtsstaatliche Bedeutung.[114] Eine noch deutlichere Bindung der Verwaltung an das Gesetz formuliert Art. 92 Abs. 4 LV, wonach die gesamte Landesverwaltung sich innerhalb der Schranken der Verfassung, der Gesetze und staatsvertraglichen Regelungen zu bewegen hat, auch in jenen Angelegenheiten, in welchen das Gesetz der Verwaltung ein freies Ermessen einräumt. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Legalitätsprinzip erfolgt daher in der Kommentierung dieser Bestimmung.[115]IV. Die Verantwortlichkeit der RegierungDie Regierung ist für die gesamte von ihr zu vertretende Vollziehungstätigkeit des Staates rechtlich und politisch verantwortlich. Dies gilt sowohl hinsichtlich eines aktiven Tuns wie auch eines Unterlassens. Die Verantwortlichkeit besteht gemäss Art. 78 Abs. 1 LV sowohl gegenüber dem Landtag als auch dem Landesfürsten.[116] Im Gegensatz zu diesen beiden Staatsorganen[117] hat das Volk gegenüber der Regierung keine unmittelbare Möglichkeit, eine Form der Verantwortlichkeit geltend zu machen.[118]A. Politische VerantwortlichkeitDie politische Verantwortlichkeit der Regierung besteht darin, dass die Regierung auf das Vertrauen des Landtages und des Landesfürsten angewiesen ist.[119] Beide Staatsorgane können die Regierung aus eigenem Antrieb entlassen.Die politische Verantwortlichkeit ist von einem rechtlich zu ahndenden Fehlverhalten unabhängig und stellt die Kehrseite von politischem Vertrauen dar.[120] Die Geltendmachung der politischen Verantwortlichkeit ist damit voraussetzungslos.[121] Art. 80 Abs. 1 LV knüpft allerdings an den Begriff des Vertrauens an. Es kann irgendein Grund sein, der das Vertrauen zerstört.[122] Adressat können die Kollegialregierung wie auch das einzelne Regierungsmitglied sein,[123] wobei allerdings unterschiedliche Verfahrensweisen zu beachten sind: Der Landesfürst und der Landtag können jeweils selbständig die gesamte Regierung entlassen (Art. 80 Abs. 1 LV), ein einzelnes Regierungsmitglied jedoch nur im Einvernehmen (Art. 80 Abs. 2 LV).[124]B. Rechtliche VerantwortlichkeitEine rechtliche Verantwortlichkeit der Regierung besteht in mehrfacher Hinsicht:[125]Die Mitglieder der Regierung unterliegen einer besonderen strafrechtlichen Verantwortung[126] und zivilgerichtlich der Amtshaftung.[127] Da die Regierungsmitglieder gemäss Art. 46 Abs. 4 LV nicht gleichzeitig Mitglieder des Landtages sein dürfen, unterliegen sie auch nicht der Immunität der Abgeordneten (Art. 56 LV).[128]Dabei haftet für das rechtswidrige, schuldhafte Verhalten der Regierung oder eines Regierungsmitglieds in hoheitlicher Vollziehung der Gesetze zunächst der Rechtsträger, im konkreten Fall also das Land Liechtenstein.[129] Auf die Regierungsmitglieder kann allerdings gemäss Art. 6 Amtshaftungsgesetz[130] im Regresswege zurückgegriffen werden. Ausserdem haften die Regierungsmitglieder wie alle anderen Verwaltungsorgane als Organe gemäss Art. 7 Amtshaftungsgesetz für den Schaden, den sie in Vollziehung der Gesetze durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung der Amtspflichten unmittelbar zufügen.Eine weitere rechtliche Verantwortlichkeit besteht in der Anklagemöglichkeit durch den Landtag beim Staatsgerichtshof gemäss Art. 62 lit. h LV.[131] Gemäss Art. 28 Abs. 1 StGHG entscheidet der Staatsgerichtshof über Anklagen, wenn die Verletzung der Verfassung oder sonstiger Gesetze in Ausübung der Amtstätigkeit absichtlich oder grob fahrlässig erfolgt ist. Im Rahmen einer staatsrechtlichen Anklage kann lediglich ein Verstoss gegen Rechtsvorschriften geltend gemacht werden.[132]Der Landtag muss binnen einem Jahr ab Kenntnis des zugrunde liegenden Sachverhaltes Anklage beim Präsidenten des Staatsgerichtshofes erheben. Rechtsfolge ist im Falle einer Verurteilung der Amtsverlust.[133]Ein solcher Fall ist im Jahre 1931 vorgekommen, als gegen Altregierungschef Gustav Schädler wegen des vorgeworfenen Verstosses gegen Aufsichts- und Amtspflichten im Zusammenhang mit der sogenannten Sparkassa-Affäre[134] eine Ministeranklage wegen angeblicher Verletzungen der Aufsichtspflicht an den Staatsgerichtshof erhoben wurde.[135]Eine Disziplinargerichtsbarkeit des Staatsgerichtshofes für die Mitglieder der Regierung, wie sie Art. 104 Abs. 1 LV vorsieht, existiert seit dem StGHG aus dem Jahre 2003[136] auf einfachgesetzlicher Ebene nicht mehr. Damit kann eine disziplinäre Verantwortlichkeit von Regierungsmitgliedern im Gegensatz zur früheren Rechtslage[137] nicht mehr vor dem Staatsgerichtshof aufgegriffen werden.[138]V. Der Verwaltungsaufbau in LiechtensteinA. Die Dienststellen der LandesverwaltungÜber den Aufbau der in Art. 78 Abs. 1 LV erwähnten Landesverwaltung, die durch die Kollegialregierung besorgt wird, trifft die Verfassung keine weitere Regelung. Wie bereits dargelegt, darf es – von den erwähnten Ausnahmen abgesehen – keine Verwaltungseinrichtungen geben, die nicht der Steuerung durch die Regierung unterliegen. Damit wird aber nicht ausgeschlossen, dass der Verwaltungsapparat durch Ämter und andere Dienststellen ausdifferenziert wird, sofern die Regierung weisungsbefugt bleibt.[139]Die Verfassung von 1921 sah mit dem seinerzeitigen Art. 83 LV noch einen äusserst schmalen Verwaltungsaufbau vor, indem der Regierung zur Besorgung ihrer Geschäfte der Regierungssekretär, der Kassenverwalter und der Landestechniker sowie die erforderlichen Kanzleifunktionäre beigegeben und unterstellt wurden.[140] Allerdings bestimmte Art. 108 LV in der damaligen Fassung, dass die Organisation der Behörden im Wege der Gesetzgebung erfolgt und sämtliche Behörden ins Land zu verlegen waren sowie kollegiale Behörden mehrheitlich mit Liechtensteinern zu besetzen seien. Daraus ergibt sich, dass bereits die Verfassung von 1921 dem Gesetzgeber einen Ermessensspielraum bei der Einrichtung von weiteren Behörden überliess.[141] Ganz abgesehen davon, war es auch ausdrückliches Anliegen der „Schlossabmachungen“, alle Behörden im Land anzusiedeln,[142] woraus ebenfalls hervorgeht, dass im Zuge der Erarbeitung der neuen Verfassung klar war, dass die Landesverwaltung eine gewisse Ausdifferenzierung aufweisen würde.Dies wird auch durch Art. 78 Abs. 4 LV deutlich, wonach durch Gesetz besondere Körperschaften, Anstalten und Stiftungen errichtet werden können, die der Oberaufsicht der Regierung unterliegen.[143] Wenn somit sogar derartige, aus dem Verwaltungsapparat ausgegliederte juristische Personen eingerichtet werden dürfen, muss dies erst recht für Behörden, Ämter und Dienststellen gelten, die in der Organisationsstruktur der Landesverwaltung unterhalb der Regierung angesiedelt sind. Die Besorgung der Landesverwaltung ist somit insoweit nicht bei der Regierung monopolisiert, als es zulässig ist, unter ihrer Aufsicht und Steuerung liegende Verwaltungseinrichtungen zu schaffen[144]. Es ist daher unzutreffend, dass die Regierung „die eigentliche und einzige Verwaltungsbehörde des Landes sei.“[145] Allerdings bestimmt Art. 78 Abs. 2 LV, dass die Übertragung von Aufgaben zur selbständigen Erledigung an Amtspersonen, Amtsstellen oder besondere Kommissionen lediglich durch Gesetz oder aufgrund gesetzlicher Ermächtigung erfolgen darf.[146]Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die nachgeordneten Dienststellen auch ohne entsprechende gesetzliche Grundlage mit Erledigungen beauftragt werden können, sofern es sich um keine „selbständigen Erledigungen“ handelt, etwa Aufgaben, die der Kollegialregierung zuzurechnen sind, beispielsweise Sachverhaltsabklärungen.Die Übertragung von Aufgaben zur selbständigen Erledigung ist im Sinne des Art. 36 Abs. 1 RVOG als Übertragung zur grundsätzlich weisungsfreien Entscheidung in individuellen Verwaltungssachen, jedoch unter Vorbehalt des Weisungsrechts der Kollegialregierung gemäss Art. 36 Abs. 2 RVOG, zu qualifizieren.[147]Die Verfassung macht dem Gesetzgeber hinsichtlich des Ausmasses, in welchem er der Regierung nachgeordnete Verwaltungseinrichtungen mit Zuständigkeiten betraut, keine expliziten Vorgaben. Sie behält der Regierung auch keine Entscheidungszuständigkeiten in einzelnen Verwaltungsmaterien vor. Wenn allerdings Art. 90 Abs. 1 LV einen allgemeiner Vorbehalt der Kollegialregierung gegenüber den einzelnen Regierungsmitgliedern zur Entscheidung der wichtigeren Angelegenheiten formuliert, bedeutet dies, dass deren Zuständigkeiten auch nicht durch Zuweisung von Entscheidungsbefugnissen an nachgeordnete Verwaltungsbehörden ausgehöhlt werden dürfen. Die Kollegialregierung ist daher konsequenterweise in zahlreichen Rechtsvorschriften als Verwaltungsbehörde erster Instanz vorgesehen, quantitativ fallen die operativen Zuständigkeiten allerdings weniger ins Gewicht.[148]Der Gesetzgeber hat im Laufe der Jahrzehnte einen ausdifferenzierten Verwaltungsapparat eingerichtet, dessen Grundzüge im Gesetz über die Regierungs- und Verwaltungsorganisation[149] geregelt sind. Gemäss Art. 18 RVOG werden bei der Kollegialregierung insgesamt fünf Ministerien eingerichtet.[150] Die Einrichtung einer solchen Ministerialorganisation steht im Ermessen des einfachen Gesetzgebers, die Verfassung trifft keine näheren Regelungen. Die Ministerien stehen unter der Leitung des zuständigen Regierungsmitglieds (Art. 21 Abs. 1 RVOG). Die Zuweisung der einzelnen Geschäfte an die Ministerien wird in Anhang 1 RVOV geregelt und ist damit sehr flexibel. In der auf der Grundlage des Art. 19 RVOG ergehenden Geschäftsverteilung der Kollegialregierung werden die Ministerien den verschiedenen Regierungsräten zugeordnet, wobei auch hier in der Praxis Flexibilität besteht.[151]Art. 78 Abs. 2 LV erwähnt die Begriffe der „einzelnen Amtspersonen, Amtsstellen oder besonderen Kommissionen“. Angesichts dieser Tatsache dürfte die Auffassung des Staatsgerichtshofes in StGH 1961/2, wonach etwa das Bauamt und andere Verwaltungsstellen, die seinerzeit bestanden, lediglich Hilfsorgane der Regierung seien, obsolet sein.[152]Unter einzelnen Amtspersonen wird man Verwaltungsorgane, unabhängig ihrer Bestellungsform,[153] zu verstehen haben, die mit spezifischen Aufgaben betraut werden.[154] Der Staatsgerichtshof hat in StGH 1996/40 die Auffassung vertreten, dass sich zwischen „Amtsperson“ und „Amtsstelle“ kaum eine trennscharfe Differenzierung vornehmen lasse.[155] Der Begriff des „Amtes“ sei jedenfalls weit zu interpretieren, sodass damit Stellen gemeint seien, welche im Namen eines öffentlichen Rechtsträgers handeln und eine amtliche Tätigkeit ausüben.[156] Zu betonen ist allerdings, dass der angesprochenen Entscheidung des Staatsgerichtshofes eine Konstellation zugrunde lag, in welcher sich die Frage stellte, ob ein „Ressortsekretär“ als ein in die Landesverwaltung eingegliedertes Verwaltungsorgan als „Amtsstelle“ qualifiziert werden konnte, was der Staatsgerichtshof bejahte.[157]Den Begriff der Amtsstelle definiert auf einfachgesetzlicher Ebene nunmehr Art. 25 Abs. 1 RVOG dahingehend, dass dazu zählen Die Ämter erledigen gemäss Art. 34 RVOG die Geschäfte, welche ihnen durch Gesetz, Verordnung, Regierungsbeschluss oder Auftrag des zuständigen Regierungsmitglieds übertragen sind. Damit ist auch der Vorgabe des Art. 78 Abs. 2 LV Rechnung getragen, wonach den Amtsstellen Aufgaben zur selbständigen Besorgung lediglich durch Gesetz bzw. gesetzliche Ermächtigung übertragen werden dürfen. Art. 34 RVOG stellt die geforderte gesetzliche Ermächtigung dar. Art. 34 RVOG delegiert diese Geschäfte daher auch an Rechtsnormen unterhalb der Gesetzesstufe weiter. Dies ist deshalb verfassungskonform, weil Art. 78 Abs. 2 LV ausdrücklich die Wahl zwischen „Gesetz und gesetzlicher Ermächtigung“ aufstellt.Die Amtsstellen und besonderen Kommissionen (Art. 78 Abs. 2 LV), die Verbandspersonen des öffentlichen Rechts sowie sonstige öffentliche Unternehmen (Art. 78 Abs. 4 LV) sind in Anhang 2 RVOV vom 28. März 2013[160] im Einzelnen aufgelistet.Besondere Kommissionen im Sinne des Art. 78 Abs. 2 LV sind weder in der Verfassung noch in den ausführenden Rechtsvorschriften näher definiert. Dem Begriff der Kommission wohnt inne, dass es sich um ein Kollegialorgan handelt. Die „besondere“ Kommission weist darauf hin, dass diese Kollegialorgane für spezifische Zwecke eingerichtet sind. Anhang 2 RVOV listet unter „besonderen Kommissionen“ vornehmlich Organe auf, die inhaltlich mit Prüfungstätigkeiten befasst sind (z.B. Maturakommission) oder als Beiräte (Berufsbildungsbeirat, Schulrat) tituliert werden. In der Regel handelt es sich bei den Mitgliedern der besonderen Kommissionen um Personen mit einem unterschiedlichen beruflichen Hintergrund, damit unterschiedliches Fachwissen, gegenläufige Interessen und dergleichen eingebracht werden können.In der Regel üben die Mitglieder einer solchen Kommission ihre Tätigkeit im Nebenamt aus, gerade damit die Verbindung zu ihren übrigen Engagements aufrechterhalten bleibt.Die Verfassung macht dem Gesetzgeber hinsichtlich dieser internen Ausgestaltung der Organisationsstruktur der Regierung keine weiteren Vorgaben. Allerdings gilt es zu beachten, dass eine Übertragung von Aufgaben zur selbständigen Erledigung nur bei „einzelnen Amtspersonen, Amtsstellen oder besonderen Kommissionen“ erfolgen darf. Verwaltungseinrichtungen, die nicht unter diese drei Kategorien fallen, dürfen demnach nicht mit solchen Aufgaben betraut werden. Wenn daher in der Verwaltungsorganisation der Landesverwaltung auch „Fachstellen“ zu finden sind,[161] so handelt es sich um eine weitere Organisationseinheit, die zu keinen der genannten Kategorien zählt.Wenn beispielsweise Art. 22 des Gesetzes vom 25. Oktober 2006 über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung[162] ein Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen einrichtet, dem beratende und koordinierende Aufgaben zugeordnet werden, handelt der Gesetzgeber in einem durch die Verfassung nicht weiter determinierten Bereich der Organisationsautonomie. Solche Regelungen sind jedenfalls zulässig, solange eine organisatorische Zuordnung zur Landesverwaltung gegeben ist.B. Der Rechtszug an die RegierungDie Übertragung von Aufgaben zur selbständigen Erledigung an Verwaltungsorgane unterhalb der Regierung ist gemäss Art. 78 Abs. 2 LV lediglich unter Vorbehalt des Rechtszuges an die Kollegialregierung zulässig.[163]Dies bedeutet, dass die Verfassung einen administrativen Rechtszug von diesen Einrichtungen an die Regierung in ihrer Gesamtheit, also nicht an das einzelne Regierungsmitglied, verlangt.[164] Die Entscheidung muss daher von einer Partei vollumfänglich (d.h. soweit ihre Rechte reichen) bei der Regierung als Kollegialorgan angefochten werden können. Eine Einschränkung dieses Rechtszuges etwa dahingehend, dass Bagatellfälle ausgeschlossen wären, ist unzulässig.Dieser Vorbehalt des Rechtszuges an die Regierung unterstreicht die Vorgabe der Verfassung, dass es keine Verwaltung geben darf, die nicht der Kontrolle der Regierung unterliegt.C. Der Rechtszug an besondere KommissionenArt. 78 Abs. 3 LV sieht eine Gruppe besonderer Beschwerdekommissionen vor, nämlich solche, die als Rechtsschutzinstanz („für die Entscheidung von Beschwerden“) an Stelle der Kollegialregierung eingesetzt sind. Diese Kommissionen treten somit in den Fällen des Art. 78 Abs. 2 LV an die Stelle der Kollegialregierung als Rechtsmittelinstanz.[165] Aus der Formulierung, wonach die besonderen Kommissionen für die Entscheidung von Beschwerden eingesetzt sind, ergibt sich auch, dass die Kommissionen nicht als erste und gleichzeitig letzte Instanz eingesetzt werden dürfen, denn damit würde die Regierung gleichsam umgangen.Die nähere Ausgestaltung der besonderen Kommissionen obliegt nach Art. 78 Abs. 3 LV dem Gesetzgeber. Die praktisch bedeutsamste ist die Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten, die im Beschwerdekommissionsgesetz vom 25. Oktober 2000[166] geregelt ist. Ihre Zuständigkeit bezieht sich gemäss deren Art. 4 auf Beschwerden gegen Verfügungen und Entscheidungen in den BereichenWeitere Beschwerdekommissionen i.S. des Art. 78 Abs. 3 LV sind eingerichtet in folgenden Rechtsvorschriften:Hat der Gesetzgeber eine derartige Kommission eingesetzt, so findet nach den massgeblichen Rechtsvorschriften kein weiterer Rechtszug an die Regierung statt. Die Entscheidungen der besonderen Kommissionen können hingegen beim Verwaltungsgerichtshof angefochten werden.[170]Aus der systematischen Anordnung des Art. 78 Abs. 3 LV ergibt sich, dass die Verfassung nicht vorsieht, von einer besonderen Kommission einen Rechtszug an die Regierung zuzulassen (vgl. Art. 78 Abs. 2 LV). Es wäre auch widersinnig, eine spezialisierte Behörde als Rechtsmittelinstanz vorzusehen und sie dem Rechtszug an die Regierung unterzuordnen.[171]Die besondere Kommission rückt an die Stelle der Regierung. Dies bedeutet, dass ein weiterer Rechtszug an den Verwaltungsgerichtshof und gegebenenfalls an den Staatsgerichtshof stattfindet.Die besondere Kommission ist lediglich eine Rechtsmittelbehörde, woraus sich auch ergibt, dass die Verfassung von deren Weisungsfreiheit ausgeht.[172] Daraus ergibt sich allerdings auch, dass die Regierung keinerlei Einfluss auf die inhaltliche Entscheidung der Kommission, die eben „an Stelle der Kollegialregierung“ entscheidet, haben darf.[173]Die besondere Kommission verfügt ihrerseits gegenüber der Administrativinstanz über keine Weisungsbefugnis. Allerdings setzt die Verfassung wohl voraus, dass die Verwaltungsbehörde an die Rechtsansicht der Kommission gebunden ist. Durch die Einrichtung der besonderen Kommission als Rechtsmittelbehörde werden daher die Weisungszüge nicht verändert. Die betreffende Kommission agiert daher als eine Art „Spezialverwaltungsgericht“,[174] ist aber staatsrechtlich nicht der Staatsfunktion Gerichtsbarkeit zugeordnet, was auch darin Bestätigung findet, dass sie im VIII. Hauptstück „Von den Gerichten“ nicht vorkommen. Das Ausmass ihrer Unabhängigkeit wird daher auch vom einfachen Gesetzgeber bestimmt.[175]Die offene Formulierung des Art. 78 Abs. 2 LV wirft die Frage auf, ob praktisch alle Zuständigkeiten der Regierung als administrative Rechtsmittelinstanz auf eine besondere Kommission übertragen werden dürfen. Tatsächlich sind die Aufgabenübertragungen vor allem auf die Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten relativ weitläufig, sodass in der Praxis allein die Zahl der Rechtsmittelentscheidungen dieser Kommission ungefähr jener der Regierung entspricht.[176]Weder dem Wortlaut noch dem Sinn des Art. 78 Abs. 3 LV lässt sich entnehmen, dass er eine inhaltliche Schranke gegenüber Aufgabenübertragungen an besondere Kommissionen festlegen wollte. Dies wird auch durch die Überlegung gestützt, dass der Entscheidung über Rechtsmittel für die Steuerung des administrativen Apparates weniger Bedeutung zukommt als die Weisungsbefugnis gegenüber der in erster Instanz entscheidenden Behörde, welche bei der Regierung verbleibt.Verwaltungsökonomisch ist jedoch darauf hinzuweisen, dass ein Auseinanderklaffen von Weisungsbefugnis und der Befugnis zur Entscheidung über Rechtsmittel dazu führen kann, dass nachgeordnete Verwaltungsstellen die Befolgung einer Weisung missachten müssen, weil sie an eine Entscheidung der Rechtsmittelinstanz gebunden sind. In einem solchen Fall wird die Regierung gehalten sein, die Weisung zurückzunehmen oder anzupassen.D. Die Einrichtung und Betrauung von juristischen Personen des öffentlichen RechtsArt. 78 Abs. 4 LV ermächtigt zur Betrauung juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Verwaltungsaufgaben, namentlich von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen. Es handelt sich bei dieser Bestimmung um einen speziellen Teil der in Art. 78 LV vorgenommenen umfassenden Regelung der Organisation der Landesverwaltung.[177] Dies setzt voraus, dass die betreffende juristische Person, die als Körperschaft, Anstalt oder Stiftung tituliert werden kann, durch Gesetz eingerichtet wird. Weiters verlangt die Verfassung die Oberaufsicht der Regierung. Die Abgrenzung der von der Verfassung verwendeten Begriffe der Körperschaft, Anstalt oder Stiftung bereitet Schwierigkeiten.[178] Dies gilt insbesondere hinsichtlich Anstalt und Stiftung, weil die Körperschaft durch ihre Mitglieder getragen ist, während Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts keine Mitglieder aufweisen.[179] Als Unterscheidungsmerkmal zwischen Anstalt und Stiftung lässt sich allenfalls festhalten, dass bei der Anstalt eine unmittelbare Benützung von sachlichen und persönlichen Mitteln vorliegt,[180] während bei der Stiftung die blosse Nutzung von Vermögenserträgnissen besteht.[181] Verfassungsrechtlich ist es indessen unerheblich, ob eine juristische Person des öffentlichen Rechts die Bezeichnung Körperschaft, Anstalt oder Stiftung trägt. Es obliegt dem Gesetzgeber, diese von der Verfassung vorgesehenen Gesellschaftsformen näher zu regeln.[182]Der Begriff der Oberaufsicht impliziert, dass die solcherart beaufsichtigte juristische Person ihre Angelegenheiten grundsätzlich weisungsfrei zu regeln hat und die Regierung lediglich Missbräuche oder Rechtswidrigkeiten ahndet.[183]Da die Oberaufsicht eine abgeschwächte Form der Steuerung darstellt,[184] wird man davon ausgehen müssen, dass die Betrauung solcher Körperschaften mit Verwaltungsaufgaben nur bei Vorliegen sachlicher Gründe erfolgen darf.In der Praxis kommt der Bestimmung grosse Bedeutung zu, da es eine Vielzahl vom Staat getragener Unternehmen gibt, die verschiedene öffentliche Aufgaben erfüllen.[185] Staatsverwaltung ist in dieser Konstellation die Ausübung von Eigentümerfunktionen durch die Regierung, welche vom Landtag zu kontrollieren ist.[186] Das selbständige und frei von Weisungen staatlicher Organe erfolgende Handeln des Rechtsträgers selbst ist nicht mehr Staatsverwaltung. Diese „verselbständigten Teile der Verwaltung“[187] zählen nicht mehr zum verfassungsrechtlichen Begriff der Verwaltung.Dies ist erst recht der Fall, wenn ein Unternehmen privatrechtlich organisiert ist und keine ihm durch Gesetz übertragenen hoheitlichen öffentlichen Aufgaben erfüllt.[188] An diesem Ergebnis ändert auch nichts, dass öffentliche Unternehmen einer Steuerung und Überwachung durch das Land unterliegen.[189] Der Verwaltung zuzurechnen ist jedoch nur das Handeln der Regierung, nicht des Unternehmens.Bereits in den Materialien der Verfassungsrevision von 1963, welche die entsprechende verfassungsrechtliche Grundlage des Art. 78 Abs. 4 LV schuf, waren die Einrichtungen der Sozialversicherung (AHV und IV) erwähnt.[190] Zu den Körperschaften öffentlichen Rechts zählen aber auch die Kammern, die Selbstverwaltungseinrichtungen der freien Berufe sind.[191]Körperschaften öffentlichen Rechts mit der Kompetenz zur Selbstverwaltung sind weiters die Bürgergenossenschaften.[192] Keine Körperschaften öffentlichen Rechts sind dagegen die Alpgenossenschaften.[193] Sie verwalten privatrechtlich das im gemeinsamen Eigentum stehende Gut.Nach der im BuA vom 8. November 1963 zum Ausdruck gebrachten Auffassung bleibt es dem Gesetzgeber „selbstverständlich unbenommen, eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts der Regierung direkt zu unterstellen, wie dies z.B. bei der Landesbibliothek getan wurde (…). Die Oberaufsicht stellt lediglich das Minimum an Einflussnahme durch die Regierung dar.“[194] Diese Auffassung ist auch konsequent: Wenn es die Verfassung zulässt, verselbständigte Teile der Verwaltung einzurichten, dann muss es erst recht zulässig sein, Verwaltungskörper zu schaffen, die unmittelbar der Regierung unterstellt sind.[195]Der Gesetzgeber hat einen weiten Spielraum, inwieweit er von der Ermächtigung des Art. 78 Abs. 4 LV Gebrauch macht.[196] Dies ergibt sich aus StGH 1985/11 betreffend die Einrichtung einer Gewerbe- und Wirtschaftskammer in Liechtenstein. Demnach zeige die Verfassungsbestimmung, dass die Besorgung von Aufgaben im öffentlichen Interesse durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts grundsätzlich in Einklang mit der Verfassung stehe.[197] Auch einer Zwangsmitgliedschaft in einer solchen Kammer stehen keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen.[198]Diese Rechtsansicht des Staatsgerichtshofes zeigt aber auch gleichzeitig die Schranken dieser „dezentralisierten Landesverwaltung“[199] auf: Es muss sich um die Besorgung von Aufgaben im öffentlichen Interesse handeln und gleichzeitig müssen die weiteren Bestimmungen der Verfassung, wie etwa die Grundrechte, Beachtung finden. Insbesondere das dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 31 LV) immanente Sachlichkeitsgebot wird in der Praxis eine massgebliche Schranke bilden.Dies bedeutet auch, dass ein Rechtsschutz gewährleistet sein muss, der aber im Gegensatz zur ausdrücklichen Anordnung in Art. 78 Abs. 2 LV nicht an die Regierung stattfinden muss, sondern auch durch Anrufung der ordentlichen Gerichte[200] oder des Verwaltungsgerichtshofes gewährleistet sein kann.E. Die Betrauung von Privaten mit VerwaltungsaufgabenNachdem wie dargestellt (oben Kapitel D.) der historische Verfassungsgeber davon ausging, dass Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts nur mit Verwaltungsaufgaben betraut werden und entweder (nur) der Oberaufsicht der Regierung oder dieser voll unterstellt werden können, stellt sich die Frage, ob auch private natürliche oder juristische Personen mit der hoheitlichen Erledigung von Verwaltungsaufgaben betraut werden dürfen.Die VBI hat zu einem Vorbringen, wonach die Delegation von hoheitlichen Kompetenzen an private Revisionsgesellschaften verfassungsrechtlich zweifelhaft ist, apodiktisch festgestellt: „Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist gegen die Beleihung von Privaten mit hoheitlichen Aufgaben nichts einzuwenden.“[201] Der Verwaltungsgerichtshof hat an der Übertragung der öffentlichen Aufgabe auf Berufsverbände und Wirtschaftsvereinigungen, einen Vergabevermerk gemäss dem damaligen Art. 46 des Gesetzes über das öffentliche Auftragswesen vom 19. Juni 1998 (ÖAWG)[202] zu publizieren, ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Anstoss genommen.[203]Der Staatsgerichtshof qualifizierte in StGH 1978/12[204] die Übertragung behördlicher Aufgaben auf einen Verein (konkret von Vollziehungsaufgaben des damaligen Sanitätsgesetzes an den damaligen Ärzteverein) als zulässig. Der Staatsgerichtshof zog allerdings eine wichtige Schranke: Diese Übertragung gesetzlicher Ermächtigung dürfe sich nur auf bestimmte Geschäfte beziehen und nicht „ganze Verwaltungsgebiete“ umfassen, sondern eben „nur möglichst scharf umgrenzte Teilbefugnisse“.[205] In StGH 1984/17[206] wurde diese Judikatur bestätigt und die Prüfungskommission der Treuhänder als verfassungskonform anerkannt.[207]Man wird gerade angesichts der Kleinheit des Landes und seines Verwaltungsapparates[208] insgesamt von einer Offenheit der Verfassung von 1921 gegenüber einer durch Gesetz erfolgten Übertragung von Hoheitsrechten auf Private, wodurch diese zu „Amtspersonen“ i.S. des Art. 78 Abs. 2 LV werden, ausgehen können. Allerdings muss diese Übertragung von hoheitlichen Vollziehungsaufgaben, wie sie in der Judikatur des Staatsgerichtshofes behandelt wurden, auf einzelne Fälle beschränkt bleiben und darf nicht zum Regelfall werden, weil sonst die Steuerungsfähigkeit der Regierung unterlaufen wird.[209] Darüber hinaus muss der Rechtsschutz gewährleistet sein. Im Gegensatz zur Judikatur des österreichischen Verfassungsgerichtshofes[210] gibt es in Liechtenstein (noch) keine Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes, ob es Staatsaufgaben gibt, die schlechthin nicht an Private übertragen werden dürfen. In StGH 1978/12 wurden Ermächtigungen zur Verordnungserlassung bzw. zu Allgemeinverfügungen in „seltenen“ Fällen und in „kleinerem Umfang“ zugelassen „als die Befugnis zu streng individuellen Entscheidungen und Verfügungen“.[211]Weitere Ausgliederungsschranken wurden bisher in der Judikatur nicht formuliert. Man wird davon auszugehen haben, dass eine solche Massnahme des Gesetzgebers das Sachlichkeitsgebot nicht verletzen darf, wobei anzunehmen ist, dass der Staatsgerichtshof dem Gesetzgeber einen beträchtlichen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum zubilligt.Eine Art von Heranziehung eines Privaten stellt der Verein für Menschenrechte dar.[212] Er fungiert – wie es die Pariser Prinzipien[213] empfehlen – als unabhängige nationale Menschenrechtsinstitution. Ihm kommen Beratungsaufgaben gegenüber Privaten und Behörden und Informationspflichten gegenüber der Öffentlichkeit zu.[214] Aufgrund seiner durch das Gesetz garantierten Unabhängigkeit unterliegt er keiner Steuerung durch die Regierung, was angesichts der Tatsache, dass er keine hoheitliche Tätigkeit ausübt, hier wenig problematisch ist. Überdies gewährleistet die Unabhängigkeit, dass der Verein für Menschenrechte wie gewünscht als „kritischer Begleiter und aufmerksamer Wächter der Menschenrechtssituation in Liechtenstein“[215] amten kann.
1) Die Kollegialregierung besteht aus dem Regierungschef und vier Regierungsräten.Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteWährend des Konstitutionalismus verkörperte der Landesfürst auch die Regierung. Die Regierungsgewalt wurde in Liechtenstein durch einen vom Landesfürsten ernannten und an seine Aufträge gebundenen Landesverweser ausgeübt. Dieser wurde in der KonV von 1862 zwar nicht explizit mit dieser Bezeichnung erwähnt, aber doch angesprochen, indem § 30 KonV bestimmte, dass der „Chef der Regierung“ dem Landtag bei jeder ordentlichen Sitzung Nachweis über die Einnahmen und Ausgaben des Landes liefern sollte. Damit war der Landesverweser gemeint. In einem gewissen Spannungsverhältnis zu dieser Norm stand § 27 KonV, der die Regierungsgewalt beim Landesfürsten konzentrierte und anordnete, dass die in der Hand des Fürsten liegende Regierungsgewalt nach Massgabe der Bestimmungen dieser Verfassung durch verantwortliche Staatsdiener ausgeübt werden sollte, welche der Landesfürst ernannte. Nach heutiger Auffassung handelte es sich um eine „im Fürsten personifizierte Exekutive“.[1]Gemäss § 90 der Amtsinstruktion von 1862 bestand die Regierung aus „dem Landesverweser, zwei Landräthen und einem Secretär.“[2] Die Praxis entsprach jedoch nur in Ansätzen der Idee einer kollegialen Geschäftsbehandlung, vielmehr verkörperte „ein landesfremder, auf Lebzeiten ernannter Landesverweser in sich die gesamte Verwaltungstätigkeit“.[3] Die nebenamtlichen liechtensteinischen Landräte wurden kaum zur Regierungsarbeit hinzugezogen.[4] In Wahrheit wurden somit die Regierungsgeschäfte von einer einzelnen Person, die vom Landesfürsten im Ergebnis auf unbefristete Zeit ernannt war, von diesem aber auch jeder Zeit abgesetzt werden konnte, geführt.[5]Die Verfassung von 1921 trennte die Funktionen von Landesfürst und Regierung deutlicher. Die organisatorischen Regelungen betreffend die Zusammensetzung und Kreation der nunmehr geschaffenen Kollegialregierung (Art. 78 LV), die eine tatsächliche Neuerung darstellte,[6] wurden im Art. 79 LV angesiedelt. Wie es zu dieser Regelung kam, wird nachstehend dargestellt:Der Verfassungsentwurf des Prinzen Karl knüpfte an die Rechtslage der KonV und der Amtsinstruktion an und sah in § 71 vor, dass die Regierung aus einem vom Landesfürsten ernannten Landesverweser als Vorsitzenden, zwei Regierungsräten und zwei Stellvertretern bestehen sollte. Damit wäre das Modell des Konstitutionalismus im Wesentlichen weitergeführt worden, was sich auch darin zeigte, dass der Landesfürst in der Bestellung des Landesverwesers nur dann das Einvernehmen mit dem Landtag herzustellen gehabt hätte, wenn dieser kein Liechtensteiner gewesen wäre.Im Verfassungsentwurf Wilhelm Becks war dagegen in Art. 60, in Anlehnung an Schweizerische Kantonsverfassungen, bestimmt, dass an der Spitze der Regierung ein „Landammann“ stehen und die Regierung neben dem Landammann aus zwei weiteren Regierungsräten samt Stellvertretern bestehen sollte. Einer der Regierungsräte sollte der Stellvertreter des Landammanns sein. Ausserdem zählte auch ein Landschreiber zur Regierung, womit ein rechtskundiges Organ gemeint war.Der Landammann sollte im Entwurf Becks vom Landesfürsten auf Vorschlag des Landtages ernannt werden, je ein Regierungsrat sowie sein Stellvertreter sollten von Oberland und Unterland direkt gewählt werden. Die liechtensteinische Staatsangehörigkeit bildete Voraussetzung für die Ernennung.Die Amtsdauer war in Art. 61 Abs. 1 Verfassungsentwurf Beck mit vier Jahren festgelegt.Auf der Basis des Entwurfs Becks wurde auch in Pkt. 3. der Schlossverhandlungen vom September 1920 festgehalten, dass die Kollegialregierung dem Fürsten und dem Landtag verantwortlich sein sollte und aus dem Landammann und zwei Regierungsräten zu bestehen hatte. Die Bestellung des Landammanns sollte im Einvernehmen zwischen dem Fürsten und Landtag erfolgen, die Regierungsräte vom Landtag unter Berücksichtigung beider Landschaften gewählt werden.[7] Von einem Landschreiber war nun aber keine Rede mehr.In Art. 79 der Regierungsvorlage Josef Peers wurde das Ergebnis der Schlossabmachungen übernommen.[8] Der Landammann und sein Stellvertreter waren vom Landesfürsten einvernehmlich mit dem Landtag über dessen Vorschlag aus der wahlfähigen Bevölkerung zu ernennen. Die beiden Regierungsräte und ihre Stellvertreter sollten vom Landtag gewählt werden, wobei die beiden Landschaften in der Auswahl dieser Personen gleichmässig berücksichtigt werden sollten. Ihre Wahl unterlag der „Bestätigung durch den Landesfürsten.“ Die Amtsdauer der Regierung wurde mit jener des Landtages (vier Jahre) gekoppelt.In der Diskussion im Landtag zählte Art. 79 RV zu den umstrittensten Bestimmungen. Die Verfassungskommission ersetzte den Begriff des Landammanns durch jenen des „Regierungschefs“,[9] behielt im Übrigen aber die in der Regierungsvorlage Peers vorgesehene Organisation der Regierung mit dem Stellvertreter des Regierungschefs und zwei Regierungsräten mit ebenso vielen Stellvertretern bei. Als Regierungschef sollte im Falle einer Neubesetzung „in erster Linie ein gebürtiger Liechtensteiner in Betracht kommen, der die Fähigkeiten für dieses Amt besitzt und das Vertrauen des Volkes“ genoss.[10] Damit wurde, wohl angesichts der knappen personellen Ressourcen des Kleinstaates für das Amt des Regierungschefs, dieses im Ausnahmefall auch Ausländern zugänglich gemacht.[11]Die Ernennung des Regierungschefs und dessen Stellvertreters erfolgte durch den Landesfürsten im Einvernehmen mit dem Landtag über Vorschlag des Landtages.[12] Die beiden Regierungsräte wurden gemäss Art. 79 Abs. 3 LV durch den Landtag gewählt und vom Landesfürsten bestätigt (Abs. 6). Das Prinzip der gemeinsamen Bestellung der Regierung durch Fürst und Parlament wird indessen als Herzstück der Kompetenzregelung der Verfassung von 1921 und als Ausdruck des damals gefundenen Verfassungskompromisses bezeichnet.[13] Die Regierung nimmt damit eine Art Mittelstellung zwischen Fürst und Volk ein.[14]In der vom Landtag schliesslich beschlossenen Fassung hatte der Regierungschef gebürtiger Liechtensteiner zu sein, es sei denn, der Landtag entschied sich mit einer Stimmenmehrheit von Dreivierteln für einen Ausländer. Hingegen mussten sein Stellvertreter sowie die beiden Regierungsräte und deren Stellvertreter Liechtensteiner sein (Art. 79 Abs. 1 LV).[15] Die beiden Regierungsräte und ihre Stellvertreter sollten „unter gleichmässiger Berücksichtigung beider Landschaften“ gewählt werden (Art. 79 Abs. 2 LV).Eine Neuerung gab es auch hinsichtlich der Amtsdauer: Diese betrug nun hinsichtlich des Regierungschefs und dessen Stellvertreters sechs Jahre, die der Regierungsräte fiel dagegen mit jener des Landtages zusammen (Art. 79 Abs. 4 LV).Die Wiederwahl wurde ausdrücklich für zulässig erklärt (Art. 79 Abs. 6 LV).[16]Art. 79 LV erhielt im Jahre 1965 eine neue Fassung.[17] Die Kollegialregierung besteht seither aus dem Regierungschef und vier Regierungsräten (Art. 79 Abs. 1 LV). Sowohl der Regierungschef als auch die Regierungsräte werden nunmehr vom Landesfürsten einvernehmlich mit dem Landtag ernannt.[18]Weiterhin erhielten sowohl der Regierungschef als auch die Regierungsräte Stellvertreter. Nun wurde jedoch bestimmt, dass einer der Regierungsräte zum Regierungschef-Stellvertreter ernannt werden kann (Art. 79 Abs. 3 LV). Sämtliche Regierungsmitglieder müssen gebürtige Liechtensteiner sein (Art. 79 Abs. 4 LV). Bei der Bestellung der Kollegialregierung ist darauf Rücksicht zu nehmen, dass auf jede der beiden Landschaften wenigstens zwei Mitglieder entfallen. Ihre Stellvertreter sind der gleichen Landschaft zu entnehmen (Art. 79 Abs. 5 LV).Die Amtsdauer der Regierungsmitglieder wurde nun einheitlich auf vier Jahre festgelegt (Art. 79 Abs. 6 LV).Die Verfassungsrevision 2003 änderte den Art. 79 LV dahingehend, dass die Regierungsmitglieder Liechtensteiner und zum Landtag wählbar sein mussten, womit im Gegensatz zur früheren Rechtslage Auslandliechtensteiner kein Regierungsamt antreten dürfen, aber es nicht mehr erforderlich ist, dass die Regierungsmitglieder gebürtige Liechtensteiner sind.[19] Die bisher in Art. 79 Abs. 6 LV enthaltene Regelung, dass die bisherigen Regierungsmitglieder bis zur Ernennung einer neuen Regierung die Geschäfte verantwortlich weiterzuführen haben, wurde um die bedeutsame Wendung eingeschränkt, „es sei denn, Art. 80 kommt zur Anwendung“.[20]II. Die Zusammensetzung der RegierungA. Der RegierungschefDie Verfassung stellt mit der Bezeichnung Regierungschef klar, dass dieser der Vorsitzende der Regierung ist und damit eine Funktion erfüllt, wie sie in anderen politischen Systemen dem Bundeskanzler oder dem Ministerpräsidenten zukommt.Im politischen System Liechtensteins nimmt der Regierungschef eine besondere Stellung ein,[21] weil die Verfassung bestimmte Regierungsfunktionen ausschliesslich ihm vorbehält,[22] nämlich:Dazu kommt, dass der Regierungschef auch in einfachgesetzlichen Rechtsvorschriften immer wieder mit besonderen Funktionen betraut wird.[24] Daraus ergibt sich auch faktisch eine gegenüber den anderen Regierungsmitgliedern herausragende Stellung.Insbesondere die Vorsitzführung in der Regierung und die „Überwachung des Geschäftsganges“ in der Regierung verleihen dem Regierungschef die Funktion des Repräsentanten der Regierung mit besonderer Öffentlichkeitswirkung.[25] Daran ändert nichts, dass dem Regierungschef in der Sitzung der Kollegialregierung dasselbe Stimmengewicht wie den anderen Regierungsmitgliedern zukommt, er also insoweit lediglich „primus inter pares“ ist. Im Übrigen entspricht es der Realität moderner Regierungssysteme, dass der Regierungschef als Vorsitzender des obersten Exekutivorgans eine politisch besonders wichtige Rolle spielt.[26] Dies wird zusätzlich durch die Zuordnung bestimmter Aufgaben an den Regierungschef unterstrichen. Art. 18 Abs. 3 RVOG teilt dem Regierungschef das Ministerium für Präsidiales und Finanzen zu, während die Verteilung der übrigen Ministerien und der Geschäftsbereiche (Art. 18 Abs. 2 RVOG) durch Regierungsbeschluss erfolgt (Art. 18 Abs. 3 RVOG).Es ist dennoch etwas eigenartig, wenn Art. 4 Abs. 3 RVOG ohne nähere Ausführungen deklarativ festhält: „Der Regierungschef hat aufgrund der Verfassung eine besondere Stellung und verfügt über besondere Befugnisse“. Klarzustellen ist, dass sich diese besonderen Befugnisse jedenfalls nur aus der Rechtsordnung ergeben können.Die Zuordnung der einzelnen Geschäfte zum Ministerium für Präsidiales und Finanzen und damit zum Verantwortungsbereich des Regierungschefs erfolgt auf flexible Weise in der RVOV. Deren Anhang 1 bestimmt für das Ministerium und damit den Geschäftsbereich des Regierungschefs folgende Agenden: „A.Präsidiales1.Allgemeine Landespolitik 1.1. Verfassung 1.2. Landtag 1.3. Staat und Kirche2.Allgemeine Regierungspolitik (Strategische Führung und Koordination): 2.1 Führung der Regierung, einschliesslich strategische Ziele der Regierungstätigkeit, Regierungsprogramm und Controlling 2.2 Koordination Regierungspolitik 2.3 Koordination EWR 2.4 Koordination Corporate Governance, einschliesslich Bestellung der strategischen Führungsebene3.Information und Kommunikation der Regierung: 3.1 Information der Öffentlichkeit allgemein 3.2 Information vor Wahlen und Abstimmungen 3.3 Presse-, Radio- und Fernsehinformation 3.4 Landeskanal4. Allgemeine Organisation: 4.1 Regierungs- und Verwaltungsorganisation, einschliesslich Bestellung von Kommissionen und Beiräten 4.2 Personal- und Besoldungsangelegenheiten, einschliesslich Pensionsversicherung 4.3 Informatik 4.4 Registratur 4.5 Protokoll 4.6 Öffentliches Auftragswesen 4.7 E-Government5. Amtliche Kundmachungen, insbesondere Landesgesetzblatt und Amtsblatt6. Allgemeine Angelegenheiten der Rechtsetzung7. StatistikB. Finanzen1. Landesvoranschlag, Landesrechnung, Finanzplanung2. Buchhaltungs- und Zahlungswesen des Landes3. Beteiligung des Landes an Unternehmen4. Aufnahme von langfristigem Fremdkapital5. Steuern, Abgaben und Gebühren6. Zollabgaben7. Finanzausgleich und Steueranteile der Gemeinden8. Finanzielle Überwachung von Fonds und öffentlich-rechtlichen Anstalten und Stiftungen9. Verwaltung des Landesvermögens10. Finanzmarktrecht11.Internationale Finanzplatz- und Steuerangelegenheiten, insbesondere bilaterale und multilaterale Steuerabkommen12. Finanzplatzentwicklung13. Treuhänder, Wirtschaftsprüfer und Patentanwälte.“Aus dem Umstand, dass ein bestimmter Geschäftsbereich dem Regierungschef zugeordnet ist, ergibt sich allerdings noch nicht, dass er die Entscheidungen praktisch als monokratisches Organ, ohne Befassung der Kollegialregierung, treffen darf. Dies ergibt sich auch aus Art. 90 Abs. 1 LV, wonach alle wichtigeren, der Regierung zur Behandlung zugewiesenen Angelegenheiten der Beratung und Beschlussfassung der Kollegialregierung unterliegen und bestimmte, minder wichtige Geschäfte durch Gesetz den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Regierungsmitgliedern zur selbständigen Erledigung übertragen werden dürfen. Diese Agenden werden in den jeweiligen Materiengesetzen geregelt.[27]Die Verfassung überträgt dem Regierungschef im Verhältnis zu den anderen Regierungsmitgliedern weder eine „Richtlinienfunktion“[28] noch etwa ein Weisungsrecht. Er ist somit den anderen Regierungsmitgliedern nicht übergeordnet.[29] Indem jedoch Anhang 1 RVOV dem Regierungschef wichtige Koordinationsaufgaben[30] überträgt (vgl. Pkt. 2.2 bis 2.4), ja sogar von der „Führung der Regierung, einschliesslich strategische Ziele der Regierungstätigkeit“ spricht, wird die politisch dominierende Rolle des Regierungschefs sichtbar.[31] Im Gegensatz zur früheren Praxis, als noch die Aussenpolitik in die Zuständigkeit des Regierungschefs fiel, lässt sich heute allerdings nicht mehr behaupten, dass die „wichtigsten Ressorts beim Regierungschef konzentriert“ sind.[32]B. Die RegierungsräteGemäss Art. 79 Abs. 1 LV besteht die Kollegialregierung neben dem Regierungschef aus vier weiteren Regierungsräten. Damit ist die Zahl der Regierungsmitglieder durch die Verfassung auf insgesamt fünf Personen begrenzt. Diese Zahl ist im internationalen Vergleich ungewöhnlich klein[33], trägt jedoch den knappen Ressourcen des Kleinstaates Rechnung. Ungewöhnlich ist allerdings auch, dass die Zahl der Regierungsmitglieder überhaupt in der Verfassung festgelegt ist.[34]Jeder Regierungsrat ist Leiter eines Ministeriums und trägt gemäss Art. 18 Abs. 4 RVOG die Bezeichnung „Minister“.Die Zuteilung der Ministerien und der in Art. 18 Abs. 2 RVOG genannten Geschäftsbereiche Wirtschaft, Justiz, Bildung, Umwelt, Sport und Kultur an die einzelnen Ministerien erfolgt durch Regierungsbeschluss (Art. 18 Abs. 3 RVOG). Der Umfang der Agenden der Ministerien ergibt sich aus Anhang 1 RVOV.C. Die StellvertretungArt. 79 Abs. 2 LV bestimmt, dass für den Regierungschef und die Regierungsräte je ein Stellvertreter zu ernennen ist, der im Falle der Verhinderung das betreffende Regierungsmitglied in den Sitzungen der Kollegialregierung vertritt.Die Verfassung sieht somit für jedes Regierungsmitglied einen, also insgesamt fünf Stellvertreter vor. Wenn die Verfassung von „je einem“ Stellvertreter pro Regierungsmitglied spricht, verlangt sie, dass keine Person die Stellvertretung für mehrere Regierungsmitglieder zugleich übernimmt. Dem entspricht auch die Praxis. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass die Regierung bei Verhinderung mehrerer Mitglieder nicht mehr vollzählig wäre. Dies wiederum könnte dazu führen, dass die anderen Mitglieder einen Entscheid fällen, der, wenn alle fünf Regierungsmitglieder anwesend wären, sonst nicht zustande käme.[35] Dies kann besonders bei Koalitionsregierungen eine Rolle spielen.Diese Grundentscheidung der Verfassung, die Vollzähligkeit der Regierung sicherzustellen, geht grundsätzlich zulasten der Professionalität,[36] da das stellvertretende Regierungsmitglied in aller Regel nicht besonders stark in die tägliche Regierungsarbeit eingebunden ist und diese Tätigkeit auch nur nebenamtlich ausübt.[37] Die stellvertretenden Regierungsmitglieder sind in der Praxis auch der Öffentlichkeit wenig bekannt.[38] Immerhin erhalten sie die Unterlagen der Regierungssitzungen im selben Umfang wie die ordentlichen Mitglieder, damit sie auch kurzfristig teilnehmen können.[39] Darüber hinaus besteht die Praxis, in Fällen, in welchen Regierungsmitglieder abwesend sind, wichtige politische Fragen nicht zu entscheiden.[40]Die Verfassung sieht allerdings noch weitere Stellvertretungsregelungen betreffend die Regierung vor:Gemäss Art. 79 Abs. 3 LV wird einer der Regierungsräte auf Vorschlag des Landtages vom Landesfürsten zum Regierungschef-Stellvertreter ernannt. Dieser Stellvertreter ist vom stellvertretenden Regierungsmitglied klar zu trennen.Schliesslich gibt es in Art. 91 zweiter Satz LV eine dritte Stellvertretungsregelung, wonach in der Geschäftsverteilung der Regierung für den Fall der Verhinderung eine gegenseitige Vertretung vorzusehen ist.[41] Diese Bestimmung bezieht sich auf die Erledigung jener Geschäfte, die entweder der Vorbereitung einer kollegial zu beschliessenden Angelegenheit dienen oder jener, die vom betreffenden Regierungsmitglied selbständig zu erledigen sind.[42]Die Abgrenzung zwischen dieser Stellvertretung und jener nach Art. 79 Abs. 2 LV ist daher dahingehend zu treffen, dass sich letztere auf die Sitzungen der Kollegialregierung bezieht.[43]In Art. 80 Abs. 2 LV ist bestimmt, dass, wenn ein einzelnes Regierungsmitglied das Vertrauen des Landesfürsten oder des Landtages verliert, der Stellvertreter die Amtsgeschäfte fortzuführen hat. Wie zu dieser Bestimmung näher ausgeführt,[44] ist damit jener Stellvertreter eines Regierungsmitglieds gemeint, der in der Geschäftsverteilung der Regierung (Art. 91 LV) aufscheint. Daraus ist abzuleiten, dass dasselbe zu gelten hat, wenn ein Regierungsmitglied wegen Verzicht, Tod oder auch durch die Erklärung des Staatsgerichtshofes, ein angeklagtes Regierungsmitglied seines Amtes für verlustig zu erklären (Art. 34 Abs. 2 StGHG), aus dem Amt scheidet.[45]III. Die Kreation der RegierungA. Die Rolle von Landesfürst und LandtagGemäss Art. 79 Abs. 2 erster Satz LV sind der Regierungschef und die Regierungsräte vom Landesfürsten einvernehmlich mit dem Landtag auf dessen Vorschlag zu ernennen.[46] Man kann daher von einer „gemeinsamen Bestellung“ sprechen,[47] die Ausdruck eines Bemühens der Verfassung um ein Gleichgewicht zwischen dem monarchischen und dem demokratisch-parlamentarischen Verfassungsprinzip ist[48] und damit den „elliptischen Staatsbau“ reflektiert.[49]Somit setzt die Kreation der Regierung zunächst einen Vorschlag des Landtages voraus, der durch einen Beschluss (Art. 58 Abs. 1 LV) gefasst wird. Es ist folglich der Landtag, der den ersten Schritt machen muss. Ohne seinen Vorschlag darf der Landesfürst keine Regierung ernennen, er darf den Vorgang auch nicht umkehren.[50] Der von Weber[51] verwendete Begriff des umfassenden Prüfungsrechtes des Landesfürsten ist unscharf. Es geht nicht darum, dass der Landesfürst eine Entscheidung des Landtages zu überprüfen hat, vielmehr hat der Landtag ein Vorschlagsrecht und der Landesfürst kann diesen Vorschlag in Ausübung eines pflichtgemässen Ermessens annehmen oder ablehnen.In der politischen Praxis sind bisher kaum Differenzen zwischen Landtag und Landesfürst in der Bestellung der Regierung bekannt geworden.[52] Da die Parteien in den Landtagswahlkämpfen stets ihr voraussichtliches Regierungsteam präsentieren, lässt sich ausserdem die Zusammensetzung der Regierung abhängig vom Wahlresultat bereits im Vorfeld erschliessen.[53]Dennoch ist nicht ausgeschlossen, dass grundsätzlich auch langwierige Verhandlungen im Vorfeld stattfinden können, bis sich abzeichnet, dass Landtag und Landesfürst zu einem Einvernehmen gelangen. Gerade weil es des Einvernehmens der beiden Staatsorgane bedarf, wird man davon ausgehen müssen, dass der Landtag einen einmal gemachten Vorschlag auch wieder zurückziehen kann, wenn er erkennt, dass die von ihm vorgeschlagene Regierung oder einzelne Regierungsmitglieder nicht die Zustimmung des Landesfürsten finden. Die Ernennung durch den Landesfürsten bedarf der zumindest stillschweigend zu erteilenden Zustimmung der gewählten Personen, da es in Liechtenstein keinen Amtszwang gibt.[54]In der Praxis erfolgt die Ernennung durch den Landesfürsten in Form eines Ernennungsdekretes.[55]Die Verfassung trifft keine Regelung, innerhalb welcher Frist die Staatsorgane ihre Entscheidung treffen müssen. Aus der Formulierung des Art. 79 Abs. 2 LV geht lediglich hervor, dass es der Landtag ist, der dem Landesfürsten einen Vorschlag zu unterbreiten hat. Ist ein Landtag, wegen Ablauf der Legislaturperiode oder wegen einer zuvor erfolgten Auflösung durch den Landesfürsten neu gewählt, hat dieser neue Landtag dem Landesfürsten eine neue Regierung vorzuschlagen. Dies entspricht auch Art. 79 Abs. 6 LV, wonach die Amtsperiode vier Jahre beträgt.Die bisherige Regierung bleibt gemäss Art. 79 Abs. 6 LV bis zur Ernennung der neuen Regierung im Amt, was auch deshalb erforderlich ist, weil sonst das Land über einen in seiner Dauer nicht konkret abschätzbaren Zeitraum hinweg keine Regierung hätte. Daraus ergibt sich, dass sich die Funktionsdauer der Regierung und des Landtages grundsätzlich decken. Die Regierung wird auf die Dauer der jeweiligen Legislaturperiode des Landtages ernannt. Auf den Sonderfall des Art. 80 Abs. 1 LV hinsichtlich einer Übergangsregierung nach Entlassung der Regierung wegen Verlusts des Vertrauens des Landesfürsten oder des Landtages ist im Rahmen der Kommentierung dieser Bestimmung näher einzugehen.[56]Wie hinsichtlich anderer Bestimmungen der Verfassung, die auf ein Zusammenwirken verschiedener Staatsorgane abstellen (vgl. Art. 9 LV hinsichtlich der Gesetzgebung durch Landtag und Landesfürsten) gilt auch hier, dass der Geist der Verfassung ein auf Kooperation und Konsens ausgerichtetes Handeln verlangt.[57]B. Die BestellungsvoraussetzungenDie Mitglieder der Regierung dürfen gemäss Art. 46 Abs. 4 LV nicht gleichzeitig Mitglied des Landtags sein. Soll ein Mitglied des Landtages zum Regierungsmitglied bestellt werden, muss dieses daher zuvor auf sein Mandat verzichten. Auch wenn die Verfassung bemerkenswerterweise keine ausdrückliche Regelung über die Unvereinbarkeit zwischen einem Richteramt und einer Regierungstätigkeit vorsieht, so wird man doch aus dem Prinzip der Gewaltenteilung ableiten müssen, dass eine Person, die als Richter in einem ordentlichen Gericht, dem Verwaltungsgerichtshof oder dem Staatsgerichtshof amtiert, schon von Verfassungs wegen zuvor auf ihr Richteramt verzichten muss. Davon abgesehen sehen auch die einfachgesetzlichen Vorschriften entsprechende Regelungen vor.[58]Da die Ernennung der Regierung durch den Landesfürsten erfolgt und die vom Landtag vorgeschlagenen Personen noch nicht der Regierung angehören, muss dieser Verzicht spätestens dann erfolgen, wenn der Vorschlag dem Landesfürsten vorgelegt wird.Gemäss Art. 79 Abs. 4 LV müssen die Regierungsmitglieder Liechtensteiner und zum Landtag wählbar sein. Dies bedeutet, dass Personen, die aufgrund ihres Wohnsitzes im Ausland[59] kein Stimmrecht haben, nicht vom Landesfürsten ernannt werden dürfen. Der Ernennung eines liechtensteinischen Staatsangehörigen, der bisher im Ausland wohnhaft war, jedoch im Zeitpunkt der Ernennung über einen Wohnsitz in Liechtenstein verfügt, steht diese Regelung jedoch nicht entgegen.Der Begriff „Liechtensteiner“ bedeutet, dass die betreffende Person die Staatsangehörigkeit Liechtensteins aufweisen muss. Der Besitz einer weiteren Staatsbürgerschaft ist kein Bestellungshindernis. Im Gegensatz zu der bis zur Verfassungsrevision 2003 geltenden Rechtslage ist es allerdings nicht mehr erforderlich, dass ein Regierungsmitglied als Liechtensteiner geboren wurde.[60]Mit dem Begriff der Wählbarkeit wird auf Art. 29 Abs. 2 LV verwiesen.[61] Demnach muss das 18. Lebensjahr vollendet sein, ein ordentlicher Wohnsitz im Land bestehen und die Person darf nicht im Wahl- und Stimmrecht eingestellt sein. Letzteres Kriterium liegt unter den Bedingungen des Art. 2 VRG, wobei insbesondere der Ausschluss vom Stimmrecht als gerichtliche Anordnung wegen Urteilsunfähigkeit (Art. 2 Abs.1 lit. b VRG) sowie als Rechtsfolge bestimmter strafgerichtlicher Verurteilungen (Art. 2 lit. d VRG) in Betracht kommt.[62]Weitere Qualifikationen verlangt die Verfassung nicht. Abgesehen vom Erfordernis der Berücksichtigung der beiden Landesteile (Art. 79 Abs. 5 LV) macht die Verfassung auch keine Vorgaben, was die Zusammensetzung der Regierung, etwa im Hinblick auf den Geschlechteranteil, betrifft. Eine Einschränkung der Bestellungsvoraussetzungen durch den einfachen Gesetzgeber, etwa auch im Hinblick auf eine allfällige Beschränkung einer Wiederwahl,[63] wäre verfassungswidrig.Dies bedeutet auch, dass die Landtagsmehrheit hinsichtlich der Auswahl der Personen, welche sie dem Landesfürsten zur Ernennung vorschlägt, abgesehen von der Vorgabe, dass die Person wahlberechtigt sein muss, völlige Auswahlfreiheit hat.[64] Weder müssen die vorgeschlagenen Regierungsmitglieder im Wahlkampf in irgendeiner Weise präsent gewesen sein noch besteht irgendeine Verbindlichkeit, eine im Wahlkampf als künftiges Regierungsmitglied beworbene Person auch tatsächlich vorzuschlagen. Die Verfassung lässt damit der Regierungsbildung breiten Spielraum und überlässt es im Übrigen der Regierung bzw. den Parteien, inwieweit sie für die Amtsdauer der Regierung ein förmliches Regierungsübereinkommen oder Koalitionsvereinbarungen schliessen.[65]C .Die Vertretung von Ober- und UnterlandDie Regelung des Art. 79 Abs. 5 erster Satz LV, wonach bei der Bestellung der Kollegialregierung darauf Rücksicht zu nehmen ist, dass auf jede der beiden Landschaften wenigstens zwei Mitglieder entfallen, ist im internationalen Vergleich ungewöhnlich. Es handelt sich hier um ein föderatives Element, das in der Verfassung eines noch dazu sehr kleinen Einheitsstaates überrascht.[66] Zu erklären ist es mit der Entstehung des Fürstentums aus dem Erwerb der Landschaft Schellenberg (heutiges Unterland) und der Grafschaft Vaduz (heutiges Oberland) an der Schwelle und zu Beginn des 18. Jahrhunderts durch die Fürsten von Liechtenstein. Die Formierung des Staates auf den beiden Landesteilen spiegelt sich ausser in Art. 79 Abs. 5 LV vor allem in den beiden Wahlkreisen Ober- und Unterland wider, in welchen der Staatsgerichtshof ebenfalls ein föderatives Element erblickt.[67]Die Verfassung bestimmt in Art. 79 Abs. 5 erster Satz LV, dass unter den fünf Mitgliedern der Regierung jeweils mindestens zwei Mitglieder auf die beiden Landschaften zu entfallen haben. Trotz der etwas unklaren Formulierung („ist darauf Rücksicht zu nehmen“) besteht kein Zweifel, dass es sich um eine zwingende Anordnung handelt. Dies ergibt sich historisch daraus, dass in der Ursprungsfassung des Art. 79 LV in Abs. 2 klar angeordnet war, dass die beiden Regierungsräte und ihre Stellvertreter „unter gleichmässiger Berücksichtigung beider Landschaften gewählt“ werden. Ziel der Neuformulierung des heutigen Art. 79 Abs. 5 LV in der Verfassungsänderung von 1965 war es, die Stellvertretung der Regierungsräte neu zu regeln.[68] Der Bericht der eingesetzten Verfassungskommission führt dazu aus, dass die Landschaften „wie bisher“ bei der Bestellung der Kollegialregierung berücksichtigt werden müssen.[69] Aus der neuen Formulierung kann daher nicht geschlossen werden, dass die verfassungsrechtliche Verpflichtung, wonach beide Landschaften in der Regierung repräsentiert sein müssen, aufgeweicht werden sollte.Nach den Materialien soll hinsichtlich der Frage der Zurechnung einer Person zu den beiden Landschaften der Wohnsitz im Zeitpunkt der Ernennung massgebend sein.[70]Demnach würde ein Wohnsitzwechsel nach Ernennung des jeweiligen Regierungsmitglieds keine rechtlichen Auswirkungen nach sich ziehen.[71] Auch wenn der Wortlaut eine andere Deutungsvariante ebenfalls zuliesse, nämlich, dass ein Verlust der Wählbarkeit einer Person in der betreffenden Landschaft dazu führt, dass die Besetzung der Regierung nicht mehr dem Verfassungsgebot des Art. 79 Abs. 5 LV entspricht, muss auf die historische Interpretation zurückgegriffen werden. Demnach wirkt sich ein Wohnsitzwechsel in eine andere Landschaft während laufender Amtsperiode nicht aus, jedoch steht er einer neuerlichen Ernennung der betreffenden Person als Regierungsmitglied entgegen.Der in den Materialien verwendete Ausdruck „Wohnsitz“ ist allerdings unscharf. Nachdem Art. 79 Abs. 4 LV hinsichtlich der Bestellungsvoraussetzungen als Regierungsmitglied auf die Wählbarkeit abstellt, muss dies hinsichtlich Art. 79 Abs. 5 LV auch gelten: Eine Person ist einer der beiden Landschaften zuzurechnen, wenn sie dort wählbar ist.Für die Stellvertreter der Regierungsmitglieder gelten gemäss Art. 79 Abs. 5 zweiter Satz LV dieselben Regeln.Wird der Vorschrift des Art. 79 Abs. 5 LV nicht entsprochen, dann ist die Kollegialregierung unrichtig zusammengesetzt. Die von ihr erlassenen individuellen Rechtsakte verletzten das Recht der betroffenen Personen auf den gesetzlichen Richter, von ihr erlassene Verordnungen wären verfassungswidrig und müssten vom Staatsgerichtshof aufgehoben werden. Ein Fehler in der Besetzung eines Stellvertreters wirkt sich lediglich bei jenen Sitzungen aus, an welchen dieser mitgewirkt hat.IV. Die Amtsperiode der RegierungGemäss Art. 79 Abs. 6 erster Satz LV beträgt die Amtsperiode der Kollegialregierung vier Jahre. Der Beginn dieser Frist beginnt mit ihrer Ernennung durch den Landesfürsten, was sich daraus ergibt, dass die amtierende Regierung (siehe dazu näher unter Kapitel V.) ihrerseits bis zur Ernennung einer neuen Regierung amtiert.Kommt es aus den in Art. 48 LV genannten Gründen (Auflösung durch den Landesfürsten nach Abs. 1 sowie nach Annahme des Verlangens auf Auflösung des Landtages nach Abs. 3)[72] zu einer vorzeitigen Auflösung des Landtages, wird dadurch die Amtsperiode nach dem Wortlaut des Art. 79 Abs. 6 LV noch nicht unterbrochen. Man wird aber wohl annehmen müssen, dass der im Anschluss neu gewählte Landtag eine neue Regierung zu wählen hat, da sich sonst Amtsdauer der Regierung und Legislaturperiode des Landtages in Zukunft nicht decken würden, ein Ergebnis, das der Verfassungsgesetzgeber mit der Revision des Jahres 1965[73] genau vermeiden wollte.Scheidet ein Mitglied der Regierung während der Amtsdauer aus, tritt aus den oben dargestellten Gründen (Kapitel II.C) der in der Geschäftsverteilung der Regierung (Art. 91 LV) vorgesehene Stellvertreter an dessen Stelle. In den Sitzungen der Kollegialregierung wird das ausgeschiedene Mitglied durch das stellvertretende Regierungsmitglied vertreten. Obgleich die Verfassung die Möglichkeit einer Ergänzungswahl nicht ausdrücklich erwähnt, wird man davon ausgehen müssen, dass in einem solchen Fall Landtag und Landesfürst im Verfahren nach Art. 79 Abs. 2 LV ein neues Regierungsmitglied zu bestellen haben, da die Regierung gemäss Art. 79 Abs. 1 LV aus fünf Regierungsmitgliedern besteht. Der theoretisch denkbare Fall eines geschlossenen Rücktritts der gesamten Regierung würde ebenfalls dazu führen, dass gemäss Art. 79 Abs. 2 LV eine neue Regierung zu bestellen ist.V. Politik als BerufDie Verfassung trifft keine Aussage darüber, ob die Funktion eines Regierungsmitgliedes haupt- oder nebenamtlich ausgeübt werden muss oder soll. Wie dargestellt gibt es auch wenige explizite Unvereinbarkeitsregelungen.In der Praxis waren die Funktion des Regierungschefs und des Regierungschef-Stellvertreters lange Zeit[74] die einzige vollamtlich ausgeübte politische Tätigkeit in Liechtenstein. Nunmehr üben auch die weiteren Regierungsmitglieder diese Aufgabe hauptberuflich aus.Die Verfassung regelt, was im Vergleich zum Landtag (Art. 61 LV) auffällt, auch nicht die Frage der Besoldung der Regierungsmitglieder. Dessen ungeachtet, muss es dem einfachen Gesetzgeber möglich sein, eine solche vorzusehen, da nur auf diese Weise Professionalität der Regierungstätigkeit hergestellt werden kann. Art. 1 Abs. 3 Besoldungsgesetz[75] bezieht daher in grundsätzlich verfassungskonformer Weise die Besoldung der Regierungsmitglieder in jene des gesamten Staatspersonals mit ein. Die Details sind in den Art. 33 und 34 sowie hinsichtlich ehemaliger Regierungsmitglieder in den Art. 39f bis Art. 39k Besoldungsgesetz geregelt.Gemäss Art. 34 Abs. 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 Besoldungsgesetz beträgt die ordentliche Grundbesoldung des Regierungschefs 123%, des Regierungschefs-Stellvertreters 116% und der anderen Regierungsräte 108,5% der maximalen fixen Besoldung der Gehaltsklasse 20 (letztere beträgt laut dem mit LGBl. 2003 Nr. 217 eingefügten Anhang des Besoldungsgesetzes 240.720,00 CHF) zuzüglich des seither erfolgten Teuerungsausgleichs (Art. 27 f. Besoldungsgesetz).Diese dem Aufwand und den Anforderungen für die Ausübung eines Regierungsamtes in einem modernen Staat durchaus angemessene[76] Bezahlung kontrastiert auffallend mit der Entschädigung der Landtagsabgeordneten.[77]VI. Die Weiterführung der RegierungArt. 79 Abs. 6 zweiter Satz LV bestimmt, dass bis zur Ernennung einer neuen Regierung die bisherigen Regierungsmitglieder die Geschäfte verantwortlich weiterzuführen haben, es sei denn, Art. 80 LV gelangt zur Anwendung.[78] Letzteres ist dann der Fall, wenn die (gesamte) Regierung das Vertrauen des Landesfürsten oder des Landtages verliert. In diesem Fall bestellt der Landesfürst unter Anwendung der Bestimmungen des Art. 79 Abs. 1 bis 4 LV eine Übergangsregierung zur interimistischen Besorgung der gesamten Landesverwaltung (Art. 80 Abs. 1 LV).[79]Aus dieser Bestimmung ergibt sich daher, dass die Regierung nicht automatisch mit dem Ende ihrer Amtsdauer aus dem Amt scheidet, sondern im Interesse der Vermeidung eines Zeitraums, in welchem es keine Regierung gibt, übergangsweise ihre Geschäfte bis zur Ernennung einer neuen Regierung weiterzuführen hat.Die Verantwortlichkeit der Regierung besteht gegenüber dem zum jeweiligen Zeitpunkt gerade in Funktion befindlichen Landtag bzw., im wahrscheinlicheren Fall, weil die Legislaturperiode geendet hat, gegenüber dem Landesausschuss.Es darf allerdings nicht übersehen werden, dass gegebenenfalls kein Landtag vorhanden ist, der eine politische Verantwortung dahingehend, dass etwa ein Regierungsmitglied abzuberufen wäre, geltend machen kann. Die praktischen Probleme treten allerdings aufgrund der regelmässig kurzen Fristen, in welchen eine derartige Regierung tätig ist, in den Hintergrund.
1) Der Landesfürst vertritt, unbeschadet der erforderlichen Mitwirkung der verantwortlichen Regierung, den Staat in allen seinen Verhältnissen gegen auswärtige Staaten.2) Treaties by which territory of the State would be ceded, State property alienated, sovereign rights or prerogatives of the State affected, a new burden imposed on the Principality or its citizens, or an obligation assumed that would limit the rights of the citizens of Liechtenstein shall require the assent of Parliament to attain legal force. Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteDie Bestimmung des Art. 8 LV bildet trotz und gerade wegen ihrer Knappheit und Auslegungsbedürftigkeit eine zentrale Rechtsgrundlage der liechtensteinischen Aussenpolitik. Sie ist seit 1921 unverändert geblieben. Die Norm gehörte in ihrer ursprünglichen Fassung bereits der Konstitutionellen Verfassung an (§ 23). Art. 8 Abs. 1 LV unterscheidet sich vom seinerzeitigen § 23 Abs. 1 KonV dadurch, dass die Wortfolge „unbeschadet der erforderlichen Mitwirkung der verantwortlichen Regierung“ eingefügt wurde.[1] Hingegen unterscheidet sich Art. 8 Abs. 2 von § 23 Abs. 2 KonV nur terminologisch und sprachlich, nicht aber inhaltlich.[2]In den Schlossabmachungen kam der Inhalt des (neuen) Art. 8 nicht explizit zur Sprache, wenngleich sich aus dem Zusammenhang ergibt, dass die Einsetzung einer dem Fürsten und dem Landtage verantwortlichen Regierung“[3] nicht ohne Auswirkungen auf die Vertretungsbefugnis des Fürsten sein konnte. Dessen ungeachtet war Art. 8 Abs. 1 noch in der Regierungsvorlage Peer diesbezüglich gegenüber § 23 KonV unverändert. Art. 8 Abs. 2 enthielt hingegen bereits die heutige Formulierung.[4]In den Beratungen der Verfassungskommission wurde dieses Problem jedoch offenbar erkannt und dort jener Einschub vorgeschlagen, durch welchen nun auch Art. 8 Abs. 1 LV die heute gültige Fassung erhielt.[5]Die Änderung wurde von der Verfassungskommission dahingehend begründet,[6] dass der Einschub aus der Erwägung erfolgte, „dass z.B. der Regierungschef auch Ministerpräsident und Aussenminister in einer Person ist. Wenn also die Gesamtregierung die Trägerin der Verantwortlichkeit ist, so können z.B. die Gesandtschaften bzw. Aussenvertretungen nur in deren Einverständnis handeln.“[7] Diese etwas unklare Formulierung lässt den Schluss zu, dass vor allem massgebend war, den Einfluss der verantwortlichen Kollegialregierung gegenüber dem Regierungschef, von dem man annahm, dass er weiterhin auch Aussenminister sein werde, zu sichern.[8] Die Gesamtregierung als Trägerin der Verantwortung sollte daher sicherstellen können, dass die auswärtigen Angelegenheiten nur im Einverständnis mit ihr gehandhabt werden.[9] Dies war zweifelsfrei das aus Sicht des historischen Gesetzgebers wesentliche Anliegen dieser Änderung. Darüber hinaus wurde dadurch aber auch grundsätzlich klargestellt, dass die Regierung zuständig ist, gegenüber anderen Staaten selbständig aufzutreten und damit eine Aussenpolitik zu führen. Die bemerkenswerte Kontinuität der Bestimmung seit Inkrafttreten der Konstitutionellen Verfassung deutet darauf hin, dass die Kompetenzabgrenzung der Staatsorgane in der Aussenpolitik grundsätzlich funktioniert bzw. die Staatspraxis in der Handhabung der Bestimmung pragmatische Wege gefunden hat. Dies gilt auch angesichts der Tatsache, dass seit 1921 die Regierung an der Aussenpolitik zwingend mitzuwirken hat (Art. 8 Abs. 1 LV).II. Grundsätzliche Bemerkungen zur Aussenpolitik LiechtensteinsLiechtenstein ist als Kleinstaat in besonderem Masse auf eine wirkungsvolle Aussenpolitik angewiesen, um als souveräner Staat anerkannt zu werden. Genau diese Anerkennung stand in der Geschichte des Fürstentums immer wieder infrage, weil es aufgrund seiner Kleinheit für expansionswillige Staaten eine leichte Beute sein konnte oder verschiedentlich auch nicht als Mitglied der Staatengemeinschaft anerkannt wurde.[10] Vorrangiges Ziel der Aussenpolitik Liechtensteins ist es daher, die Wahrnehmung Liechtensteins als souveräner Staat zu garantieren und durch enge Kooperation nicht nur mit den Nachbarstaaten, sondern auch mit der Staatengemeinschaft als gleichberechtigter Staat behandelt zu werden.[11] In diesem Zusammenhang sind Beitritte zu internationalen Organisationen wie zur UNO, zum Europarat und die Mitgliedschaft im EWR von besonderer Bedeutung. Eine offizielle Erklärung Liechtensteins zur Neutralität gibt es nicht. Im Ersten Weltkrieg hat sich Liechtenstein neutral verhalten, jedoch keine Neutralitätserklärung abgegeben, sehr wohl jedoch eine solche zu Beginn des Zweiten Weltkrieges.[12] Die Aussenpolitik ist in den modernen Staaten allgemein von der Regierung dominiert. Die Rolle des Parlaments tritt demgegenüber in den Hintergrund. Es muss sich im Regelfall darauf beschränken, die Regierungstätigkeit zu kontrollieren und massgebliche aussenpolitische Schritte, wie den Abschluss von Staatsverträgen, seiner Genehmigung vorzubehalten. Die rechtliche Durchdringung der Aussenpolitik ist allgemein gering, so auch in Liechtenstein. Die Verfassung enthält vergleichsweise rudimentäre Vorgaben, deren wichtigste Art. 8 LV darstellt.[13] Nähere, insbesondere organisationsrechtliche Regelungen werden auf Ebenen unterhalb der Verfassungsstufe getroffen. Gemäss Art. 18 Abs. 1 lit. b) des Gesetzes über die Regierungs- und Verwaltungsorganisation (RVOG) wird ein Ministerium für Äusseres eingerichtet. Sein Aufgabenbereich ergibt sich aus der gemäss Art. 19 RVOG zu schaffenden Geschäftsverteilung, welche in Anhang 1 P. II. A[14] der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung (RVOV) geregelt ist. Davon abgesehen besteht aber auch eine Zuständigkeit der anderen Regierungsmitglieder gemäss Art. 22 lit. c) RVOG, wonach sie die Kollegialregierung in ihrem Zuständigkeitsbereich im In- und Ausland vertreten, sofern dafür nicht der Landesfürst, der Regierungschef oder das mit den Angelegenheiten für Äusseres betraute Regierungsmitglied zuständig ist. Der Regierungschef wiederum ist für internationale Finanzplatzangelegenheiten sowie die „Koordination EWR“ zuständig.[15]Hinsichtlich des Landtages richtet Art. 19 des Geschäftsverkehrs- und Verwaltungskontrollgesetzes (GVVKG) eine Aussenpolitische Kommission ein, der von der Regierung u.a. die der Zustimmung des Landtages bedürftigen Staatsverträge zur Prüfung und Begutachtung vorgelegt werden (Abs. 1). Ausserdem trifft die Regierung die Verpflichtung, die Aussenpolitische Kommission regelmässig, frühzeitig und umfassend über die Entwicklung der aussenpolitischen Lage sowie über Vorhaben im Rahmen der internationalen Organisationen und Verhandlungen mit auswärtigen Staaten zu informieren. Darüber hinaus ist auf der Grundlage von Art. 69 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Landtags[16] als eine nicht ständige Kommission des Landtags die EWR-Kommission eingerichtet. Sie prüft die Beschlüsse des EWR-Ausschusses auf ihre Zustimmungsbedürftigkeit durch den Landtag.[17]Anzumerken ist, dass auch die elf liechtensteinischen Gemeinden insbesondere im Rahmen grenzüberschreitender Kontakte mit Gemeinden in den Nachbarländern in gewisser Hinsicht „Aussenbeziehungen“ führen.[18]III. Das Vertretungsrecht des Landesfürsten in aussenpolitischen AngelegenheitenGemäss Art. 8 Abs. 1 LV vertritt der Landesfürst den Staat in allen seinen Verhältnissen gegenüber auswärtigen Staaten, unbeschadet der erforderlichen Mitwirkung der Regierung.Der Umstand, dass die Abschlussbefugnis von Staatsverträgen letztlich beim Landesfürsten ruht, bedeutet nicht, dass ihm auch die ausschliessliche Willensbildungsbefugnis in aussenpolitischen Belangen zukäme. Dem steht nicht nur die Verfassungsrealität entgegen, sondern auch der Wortlaut der Verfassung lässt dem Spiel der politischen Kräfte erheblichen Raum. Dass dies auch zu Spannungen führen kann, wenn Regierung und Landesfürst eine „eigene“ Aussenpolitik führen (würden), liegt auf der Hand. Eine solche Situation würde freilich dem Geist der Verfassung widersprechen, die auf eine Symbiose von monarchischem und demokratischem Prinzip hinwirkt.[19] So kann der Fürst auch selbst die Initiative zum Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen ergreifen oder umgekehrt darauf hinwirken, dass derartige Verträge nicht zustande kommen oder die Ratifizierung von Staatsverträgen verweigern.[20] Auf der anderen Seite ist der Fürst auf die Mitwirkung der Regierung angewiesen Dies bedeutet, dass die Akteure der aussenpolitischen Beziehungen in Liechtenstein im Interesse der Sache auf ein gut abgestimmtes Vorgehen dringen müssen.[21]Der Landesfürst vertritt den Staat freilich nicht nur im Rahmen des Abschlusses von Staatsverträgen, sondern auch bei allen anderen völkerrechtlich relevanten Handlungen, insbesondere einseitigen Völkerrechtsgeschäften, wie z.B. die Anerkennung von Staaten. Wie bei den Staatsverträgen (siehe dazu näher unter Kapitel VI.D.2.) ist allerdings eine Bevollmächtigung der Regierung zur Setzung solcher Akte jedenfalls zulässig.[22] Darüber hinaus umfasst das Vertretungsrecht auch Repräsentationsakte, wie etwa den Empfang von Vertretern anderer Staaten. Wiederum gilt, dass damit Repräsentationsbefugnisse anderer Staatsorgane, wie etwa der Mitglieder der Regierung aber auch des Landtagspräsidenten, nicht ausgeschlossen sind. Keine Vertretung gegenüber auswärtigen Staaten liegt vor, wenn es um die innerstaatliche Umsetzung von Rechtsnormen völkerrechtlichen Ursprungs geht oder um die Vorbereitung der Ratifikation eines Staatsvertrags.[23]IV. Die Mitwirkung der RegierungAus Art. 78 Abs. 1 LV ergibt sich, dass die gesamte Landesverwaltung durch die dem Landesfürsten und dem Landtag verantwortliche Regierung ausgeübt wird. Dazu zählen auch die Geschäfte im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten.[24] Die Regierung ist somit in der Aussenpolitik – wie in den anderen Staatsgeschäften auch – nicht nur dem Fürsten, sondern auch dem Landtag gegenüber verantwortlich.[25]Zutreffend führt die Regierung in einer von ihr herausgegebenen Broschüre aus, dass in der „Durchführung der auswärtigen Angelegenheiten nur ein harmonisches Zusammenwirken von Fürst und Regierung erfolgversprechend sein kann, da trotz der Oberaufsicht des Fürsten über die Regierung keines der beiden Organe letztlich dem andern seinen Willen aufzuzwingen vermag.“[26] Die Folge eines fehlenden harmonischen Zusammenwirkens kann daher wie erwähnt eine problematische Pattsituation sein.[27]Die „Mitwirkung der verantwortlichen Regierung“[28] in aussenpolitischen Angelegenheiten stellt sich in der Staatspraxis in der Form dar, dass die Regierung auf der Basis ihres jeweiligen Regierungsprogramms ihre aussenpolitischen Zielsetzungen umzusetzen versucht. Die notwendige Abstimmung mit dem Landesfürsten und dem Landtag – also den Staatsorganen, denen die Regierung verantwortlich ist – ist einer normativen Regelung nur bedingt zugänglich. Ob sie erreicht wird, hängt von der jeweiligen Gesprächskultur ab. Die Verfassung stellt jedoch klar, dass die Mitwirkung der Regierung in aussenpolitischen Angelegenheiten „erforderlich“ ist und diese daher nicht schlechthin übergangen werden darf.[29] So wäre es beispielsweise unzulässig, wenn der Landesfürst einen Staatsvertrag ohne Mitwirkung der Regierung aushandeln und unterzeichnen würde, weil damit nicht nur der Kompetenzbereich der Regierung übergangen würde, sondern auch die Kontrolle der Exekutive durch den Landtag ausgeschaltet würde.[30]V. Die Rolle des Landtages in aussenpolitischen AngelegenheitenDie Bestimmung des Art. 8 Abs. 2 LV sichert dem Landtag einen umfassenden Genehmigungsvorbehalt bei Staatsverträgen, mit welchem das Parlament allerdings lediglich seine Zustimmung oder Ablehnung zum Ausdruck bringen kann (dazu näher unter Kapitel VI.). Abänderungen an den ausgehandelten Texten sind ihm nicht möglich. In vielen Fällen würde allerdings die Ablehnung eines Staatsvertrages, dem mitunter langwierige Verhandlungen auf Regierungsebene voraus gegangen sind, den Staat aussenpolitisch geradezu diskreditieren.[31] Ein Lösungsansatz für diese demokratiepolitisch problematische Präjudizierung des Parlaments durch Regierungshandeln wäre eine möglichst frühzeitige Einbindung des Landtags in die aussenpolitischen Vorhaben der Regierung und des Landesfürsten.[32] Allerdings stösst eine solche Mitwirkung des Parlaments an der Regierungstätigkeit zum einen an die Grenzen der Leistungsfähigkeit eines Milizparlaments[33] und seiner politischen Durchsetzungsfähigkeit, zum anderen würde aber auch das Gewaltenteilungsprinzip tangiert. Immerhin gibt es gewisse Instrumente aussenpolitischer Aktivitäten des Landtags: a) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates; b) der Parlamentarischen Versammlung der OSZE; c) der Internationalen Parlamentarier Union;[34] d) der Parlamentarierkonferenz Bodensee und bei e) den Parlamentarierkomitees der EFTA- bzw. der EWR-Staaten. Zu erwähnen ist, dass der Landtag gemäss Art. 67 GOLT eine Aussenpolitische Kommission (APK) als ständige Kommission eingerichtet hat. Ihre Aufgabe ist es, die der Zustimmung des Landtages bedürfen den Staatsverträge zu begutachten und „in Zusammenarbeit mit der Regierung“ in auswärtigen Angelegenheiten die Interessen des Landes wahrzunehmen.[35]Das Potenzial der Aussenpolitischen Kommission liegt darin, neben der Prüfung und Vorberatung sämtlicher aussenpolitischer Berichte und Anträge der Regierung an den Landtag, vermittelnde und initiierende Einflussnahmen des Landtages auf die Aussenpolitik zu ermöglichen.[36] So wird der Aussenpolitischen Kommission zugebilligt, als Plattform eines institutionalisierten Dialogs zwischen Landtag und Exekutive dienen zu können, sowie kontrollierend, aber auch innovativ gestaltend und neue Perspektiven artikulierend, tätig zu sein.[37]Während frühere Beurteilungen der APK eine „relative Stärke“ zugebilligt hatten,[38] sind neuere Einschätzungen der Praxis eher ernüchternd: So kann man etwa mit Frommelt von einer strukturellen Einschränkung der Informationsverarbeitungskapazität sprechen.[39] Die Aussenpolitische Kommission könne mangels Ressourcen (insbesondere geringe Anzahl Mitglieder, kein eigenes Büro in Brüssel, fehlende Vernetzung mit den für aussenpolitische Belange zuständigen Parlamentariern anderer Staaten) auch bei bedeutsamen Geschäften mit internationalem Bezug kaum wirksam Einfluss nehmen.[40] Dazu kommt der durch die in Art. 102 Abs. 5 EWRA vorgesehene partielle Ausserkraftsetzung jener Teile des EWR, die durch neue Vorschriften, hinsichtlich derer der Gemeinsame EWR-Ausschuss keinen fristgerechten Beschluss[41] gefasst hat, berührt werden, aufgebaute Druck Richtung Zustimmung zu Änderungen des EWR-Abkommens.Die informelle Aussenpolitik des Landtags im Rahmen von Besuchsdelegationen und freundnachbarlichen Treffen dient der Kontaktpflege und der Auslotung der gemeinsamen Interessenlagen.Im regionalen Kontext ist hier vor allem die Parlamentarierkonferenz Bodensee, deren Gründung im Übrigen eine Reaktion auf die Dominanz der Exekutiven im Bereich der Aussenpolitik der beteiligten Staaten und Regionen war,[42] zu erwähnen. Allerdings bildet die Parlamentarierkonferenz in der Praxis eine eher lockere Gesprächsrunde, in der aktuelle politische Fragen, welche die Region unmittelbar betreffen, diskutiert und durch Impulsreferate von Expertinnen und Experten vorbereitet werden.[43]Ein unter dem Blickwinkel der Rolle des Landtages durchaus problematischer Aspekt stellt die Besonderheit dar, dass die Schweiz auf der Grundlage des Zollvertrags Übereinkommen mit anderen Staaten abschliesst und sich ihr territorialer Anwendungsbereich auch auf Liechtenstein erstreckt (dazu näher unter Kapitel VII. mit den dort angeführten Beispielen). Der Landtag hat keine Möglichkeit, in irgendeiner Form Einfluss zu nehmen auf diese Übereinkommen, sie werden ihm vor der Ratifikation durch die Schweiz nicht einmal zur Kenntnis gebracht. Gestützt auf Art. 10 Abs. 1 ZV ist die Regierung zumindest verpflichtet, die in Liechtenstein geltenden schweizerischen Erlasse und die von der Schweiz ausgehandelten Staatsverträge, die auf Liechtenstein Anwendung finden, bekannt zu machen.VI. Die Staatsverträge im BesonderenGemäss Art. 66bis LV unterliegt jeder Landtagsbeschluss, der die Zustimmung zu einem Staatsvertrag zum Gegenstand hat, der Volksabstimmung, wenn der Landtag eine solche beschliesst oder wenn innerhalb von 30 Tagen nach der amtlichen Verlautbarung des Landtagsbeschlusses wenigstens 1.500 wahlberechtige Landesbürger oder wenigstens vier Gemeinden ein darauf gerichtetes Begehren stellen. Dieses „Staatsvertragsreferendum“[44] wurde 1992[45] im Vorfeld des EWR-Beitritts eingeführt. Es ermöglicht eine Mitwirkung des Volkes in aussenpolitischen Angelegenheiten und wurde bisher einmal, nämlich im Jahr 2000 zum Staatsvertrag mit der Schweiz betreffend die leistungsfähige Schwerverkehrsabgabe im Fürstentum Liechtenstein,[46] ergriffen.[47]A. Zum Begriff des StaatsvertragesDer Staatsvertrag ist ein zentrales Element aussenpolitischen Handelns. Aufgrund seiner völkerrechtlichen Bindungswirkung wird er von der Verfassung unter bestimmten Voraussetzungen dem Genehmigungsvorbehalt des Landtages unterworfen. Die LV verwendet seit 1921 den Begriff des „Staatsvertrages“, ohne ihn zu definieren. Die KonV verwendete in § 23 Abs. 2 den Terminus „Verträge mit Auswärtigen“, der noch eine gewisse Personalisierung der auswärtigen Gewalt mit der Funktion des Staatsoberhauptes (und den Staatsoberhäuptern anderer Staaten) anklingen liess. Der Begriff des Staatsvertrages wird damit vorausgesetzt. Durch die Formulierung der Verfassung wird jedoch klargestellt, dass über Hoheitsrechte nicht mehr im Wege von Verträgen von Staatsoberhäuptern disponiert wird, sondern durch Verträge zwischen Staaten. Das Staatsvertragsrecht wird damit depersonalisiert. Es kann kein Zweifel bestehen, dass die Verfassung hinsichtlich des Begriffs des Staatsvertrages an das völkerrechtliche Begriffsverständnis anknüpft.[48] Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die im selben Zeitraum entstandene, nur geringfügig ältere österreichische Bundesverfassung in Art. 50 B-VG ebenso wie bereits die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874 in Art. 8 ebenfalls von „Staatsverträgen“ sprach.[49] Es handelte sich somit um einen zur Zeit der Inkraftsetzung der Regelung eingeführten Begriff, der offenbar wenig Interpretationsfragen offen liess. Der Begriff des Staatsvertrages ist somit in Anlehnung an die Völkerrechtslehre zu ermitteln. Als Staatsverträge sind demnach alle Verträge zwischen Völkerrechtssubjekten zu verstehen, sofern es sich nicht um privatrechtliche Verträge handelt.[50]Privatrechtliche Verträge Liechtensteins unterliegen von vornherein nicht dem Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 2 LV. Ebenso ist eine Vereinbarung einer Gemeinde Liechtensteins mit einer Körperschaft ausserhalb des Landes kein Staatsvertrag. Gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. a) Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) ist ein „internationaler Vertrag“ im Sinne dieses Übereinkommens „eine in Schriftform geschlossene und vom Völkerrecht bestimmte internationale Übereinkunft zwischen Staaten, gleichviel ob sie in einer oder mehreren zusammenhängenden Urkunden enthalten ist und welche besondere Bezeichnung sie hat.“Es muss sich also bei einem Staatsvertrag im Sinne der WVK um eine Willenseinigung im Sinne übereinstimmender, aufeinander bezogener und auf denselben Gegenstand gerichteten Willenserklärungen handeln, die darauf abzielen, bestimmte, wechselseitig bindende Verhaltensregeln zu begründen, zu ändern oder aufzuheben.[51]Einseitige Rechtsgeschäfte,[52] wie zum Beispiel Anerkennung, Protest oder Verzicht, sind damit keine Staatsverträge. Was die Schriftform betrifft, so ist zu beachten, dass die WVK zwar die Schriftlichkeit verlangt, aber die Geltung völkerrechtlicher Verträge ohne Schriftform unberührt lässt. Diese verbleiben ausserhalb des Anwendungsbereiches der Konvention.[53]Hinsichtlich der „Staaten“ als Vertragspartner eines Staatsvertrages ist insoweit eine Einschränkung vorzunehmen, als es das Völkerrecht den Verfassungen der Staaten überlässt,[54] ob sie etwa auch Gliedstaaten eines Bundesstaates mit einer entsprechenden Kompetenz zum Abschluss derartiger Verträge ausstatten.[55]Zu beachten ist, dass, da der Begriff des Staatsvertrages nach dem völkerrechtlichen Begriffsverständnis zu interpretieren ist, auch mündliche Staatsverträge als Staatsverträge im Sinne des Art. 8 Abs. 2 LV zu betrachten sind.[56] Dies ergibt sich aus der Überlegung, dass Art. 8 Abs. 2 LV klar bestrebt ist, jegliche völkerrechtlich relevante Bindung durch einen „Staatsvertrag“ in den in Art. 8 Abs. 2 genannten Angelegenheiten an die Zustimmung des Landtages zu knüpfen. Diese Zustimmungspflicht darf gerade nicht durch einen bloss mündlichen Staatsvertrag unterlaufen werden.[57]Auf die formelle Bezeichnung als „Staatsvertrag“ kommt es nicht an. Im völkerrechtlichen Verkehr sind verschiedene Bezeichnungen (Vertrag, Abkommen, Übereinkommen, Konvention, Protokoll,[58] Pakt u.dgl. mehr) gebräuchlich.[59] Entscheidend für die Beurteilung der Genehmigungspflicht ist daher eine inhaltliche Betrachtungsweise und nicht die Bezeichnung.B. Die Genehmigungspflicht von StaatsverträgenArt. 8 Abs. 2 sieht eine Zustimmungspflicht des Landtages nicht für schlechthin jeden Staatsvertrag vor, sondern nur für solche Verträge durch dieDiese Kriterien der Genehmigungspflicht sind so weit gefasst, dass in der Praxis jeder Staatsvertrag dem Landtag vorgelegt wird.[60] Grundsätzlich unterliegen alle politisch wichtigen, Gesetzesrecht ändernden oder mit grösseren Ausgaben verbundenen Staatsverträge der Genehmigung durch den Landtag.[61]Im Einzelnen ergeben sich folgende Bemerkungen:1. Abtretung von StaatsgebietAuch kleine Grenzbereinigungen bewirken mitunter, dass Staatsgebiet, wenn auch nur in sehr kleinem Umfang und gegen Kompensationen in anderen Bereichen, im Sinne des Art. 8 Abs. 2 „abgetreten“ wird. Eine Mindestgrösse der Fläche, die betroffen sein muss, damit der Landtag zustimmungspflichtig wird, ist der Verfassung jedenfalls nicht zu entnehmen. Aus diesem Grund und aus der Erwägung der besonderen Exponiertheit des Kleinstaates ist dieses Kriterium keineswegs einengend zu interpretieren.[62] Der Tatbestand liegt selbst dann vor, wenn eine allfällige Kompensation das Staatsgebiet deutlich erweitern würde. Eine Abtretung von Staatsgebiet grösseren Umfangs hat 1949 mit dem Staatsvertrag zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der schweizerischen Eidgenossenschaft über eine allgemeine Revision der Landesgrenze im Abschnitt Rhein-Würznerhorn[63] stattgefunden, in dessen Rahmen das sogenannte „Ellhorn“, allerdings mit einem Gebietsausgleich, an die Schweiz abgetreten wurde.[64] Der Landtag hat dafür die Zustimmung am 30. Dezember 1948 erteilt. Eine Zustimmung des Landtages ist auch 1960 erfolgt zum Vertrag zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Republik Österreich zur Feststellung der Staatsgrenze und Erhaltung der Grenzzeichen (Grenzvertrag).[65] Da mit diesem Vertrag lediglich eine Festlegung der Staatsgrenze und keine Abtretung von Land erfolgt ist, ist davon auszugehen, dass auch die Staatspraxis den Tatbestand der Gebietsabtretung weit definiert.[66]2. Veräusserung von StaatseigentumDieser Tatbestand hatte bisher offenbar keine praktische Relevanz.[67] Der Begriff des Staatseigentums ist weit zu verstehen. Er umfasst bewegliches wie unbewegliches Vermögen im Eigentum des Staates, ebenso wie beispielsweise Geldvermögen, Anteilsrechte an Unternehmen und Anleihen. Er käme nur in Betracht, wenn über Vermögenswerte des Staates im Wege eines Staatsvertrages verfügt würde. Aus diesem Grund sind Veräusserungen etwa von Unternehmensbeteiligungen des Landes an einen anderen, gegebenenfalls auch ausländischen staatlichen Rechtsträger nicht gemäss Art. 8 Abs. 2 LV genehmigungspflichtig. Der Begriff „Veräusserung“ ist dabei nicht so zu interpretieren, als gelange er nur im Fall einer entgeltlichen Veräusserung, also eines Verkaufs, von Staatsgut zur Anwendung. Gerade auch die unentgeltliche Veräusserung von Staatsvermögen ist erfasst. Man wird davon auszugehen haben, dass ein ins Gewicht fallender ideeller oder materieller Wert gegeben sein muss, um die Zustimmungsbedürftigkeit des Staatsvertrags auszulösen.[68] Thürer erblickte 1990 eine obere Grenze in den in Art. 66 Abs. 1 LV für das Finanzreferendum vorgesehenen Beträgen von damals 50.000 Fr. bei einmaligen und 20.000 Fr.[69] bei jährlich wiederkehrenden Neuausgaben.[70] Die Anknüpfung an Art. 66 Abs. 1 LV als oberste Grenze ist grundsätzlich insoweit sinnvoll, als sonst durch Staatsvertrag das Finanzreferendum ausgehebelt werden könnte. Andererseits sind die derzeit in Art. 66 Abs. 1 LV vorgesehenen Beträge zu hoch, um als „Bagatelle“ betrachtet werden zu können. Insgesamt scheinen daher die seinerzeit von Thürer vorgeschlagenen Grenzwerte noch immer als Obergrenze sinnvoll. Sofern in der Praxis überhaupt über Staatseigentum disponiert wird, erfolgt dies im Regelfall durch Gesetz oder privatrechtliches Rechtsgeschäft, auf welche Art. 8 Abs. 2 LV angewendet wird.3. Verfügung über Staatshoheitsrechte oder StaatsregaleDieser Tatbestand gelangt wesentlich häufiger zur Anwendung. Er beinhaltet einerseits die Übertragung einzelner Hoheitsrechte des Staates auf andere Staaten oder auf zwischenstaatliche Einrichtungen.[71]Beispiel für ersteres ist der Zollvertrag, wonach etwa schweizerische Organe auf liechtensteinischem Gebiet Hoheitsakte setzen aber auch, wie in Mehrwertsteuerangelegenheiten, ein Rechtszug vom liechtensteinischen Verwaltungsgerichtshof an das Bundesgericht stattfindet.[72]Bei der Verfügung von Hoheitsrechten im Sinne des Art. 8 Abs. 2 LV kann es aber auch darum gehen, Rechtsetzungsbefugnisse auf supranationale Einrichtungen zu übertragen.[73] Solche Rechtsetzungsbefugnisse können genereller Art (Erlassung von allgemein verbindlichen Rechtsvorschriften) wie auch individueller Art (Erlassung von in Liechtenstein unmittelbar wirksamen Entscheidungen im Einzelfall) sein. Die Befugnis zu einer solchen Übertragung ist freilich verfassungsrechtlich nicht unbegrenzt: Insbesondere die in der Landesverfassung anerkannten Grundrechte können sich, zumindest in ihrem Kerngehalt, als Schranken der staatlichen Vertragsschliessungskompetenz erweisen.[74]Gegenstand der Verfügung über Hoheitsrechte im Sinne des Art. 8 Abs. 2 LV kann auch die Ermächtigung eines ausländischen Staates oder einer internationalen Organisation sein, auf liechtensteinischem Staatsgebiet Hoheitsakte zu setzen.[75]Andererseits gibt es aber auch eine Bagatellgrenze: Nicht jede völkerrechtliche Bindung wird als Verfügung über Staatshoheitsrechte zu verstehen sein, da schlechthin jeder Staatsvertrag eine Bindung der Partner und damit eine Einschränkung ihrer Hoheitsbefugnisse bewirkt.[76] Es muss sich somit um eine spürbare Beschränkung staatlicher Souveränität handeln. Enthält ein Staatsvertrag ausschliesslich sogenanntes „soft law“, also im Wesentlichen Absichtserklärungen, auf ein bestimmtes Ziel hinzuwirken und dies in politisch wenig sensiblen Angelegenheiten, gelangt dieser Tatbestand jedenfalls nicht zur Anwendung. Andererseits: Bewirkt der Staatsvertrag eine eindeutige Bindung des Gesetzgebers, wird über das Hoheitsrecht der „Gesetzgebung“ des Staates verfügt. Auf den Umstand, dass aktuell keine Rechtsvorschriften zu ändern sind, kann es dabei nicht ankommen.[77] Es reicht aus, dass der Gesetzgeber die bestehenden Rechtsvorschriften nicht mehr beliebig ändern kann, ohne gegen den Staatsvertrag zu verstossen.[78]Der zweite in diesem Tatbestand genannte Begriff „Staatsregale“, der schon in der KonV verwendet wurde, ist auslegungsbedürftig: Regalien waren nach altdeutschem Recht alle dem Landesherrn (König) im weitesten Sinne zustehenden Hoheitsrechte. Später beschränkte sich der Begriff auf Monopolrechte des Staates bzw. Zollrechte (Nutzungs-, Zoll-, Salz-, Forst- und Bergbauregal).[79]Im liechtensteinischen Besonderen Verwaltungsrecht werden als „Regalsachen“ monopolartige Rechte des Staates betrachtet, nämlich das Jagd- und Fischereiregal, das Bergregal und das Salzmonopol.[80] Der Tatbestand des Art. 8 Abs. 2 LV ist allerdings nicht auf diese aktuellen Regalsachen beschränkt, sondern erfasst alle Gegenstände, welche die Rechtsordnung zu Regalsachen erklärt. Dabei verwendet die Verfassung zuweilen auch den Begriff „Hoheit“, gerade im Zusammenhang mit Jagd, Fischerei und Bergwesen (Art. 22 LV). Sie spricht vom „Hoheitsrecht“ über Gewässer (Art. 21 LV) und der „Regelung des Münzwesens“ (Art. 23 LV) und meint damit Regale.[81]4. Übernahme einer neuen Last auf das Fürstentum oder seine AngehörigenDie weite Formulierung dieses Tatbestandes macht ihn zu einer Art Auffangtatbestand für eine grosse Zahl von Staatsverträgen. Der Terminus „Last“ wird in der Literatur aufgrund des Umstandes, dass andere als „Verpflichtungen“ bezeichnete „Belastungen“ in den weiteren im Art. 8 Abs. 2 LV genannten Tatbeständen zum Ausdruck gelangen, im Sinne finanzieller Belastungen interpretiert,[82] was zweifellos im Vordergrund des Motivs dieser Regelung stehen mag.[83] Wie hoch die finanzielle „Belastung“ sein muss, um eine Genehmigungspflicht des Staatsvertrages durch den Landtag zu bewirken, lässt sich dem Wortlaut der Verfassung nicht entnehmen. Es ist davon auszugehen, dass es sich um eine für das Landesbudget nicht völlig unwesentliche Last handeln muss. Zur Ermittlung einer eindeutigen Grenze knüpft Thürer an Art. 66 Abs. 1 LV an, wonach jeder Finanzbeschluss des Landtages, sofern er eine einmalige neue Ausgabe von mindestens 300.000 Fr. oder eine jährliche Neuausgabe von 150.000 Fr. verursacht, der Volksabstimmung unterliegt.[84] Dieser für das Finanzreferendum massgebliche Schwellwert erscheint tatsächlich als praktikable Handhabe.[85]Freilich wird man auch im Falle der Hinzunahme von Staatsgebiet, die als solche nicht nach den anderen Tatbeständen des Art. 8 Abs. 2 LV genehmigungspflichtig wäre, unter Umständen die Übernahme einer „Last“ erblicken können, wenn sich daraus finanzielle Verpflichtungen ergeben würden.C. Der Zustimmungsakt des LandtagesDie Genehmigungspflicht bedeutet, dass der Vertrag ohne die Zustimmung des Landtages innerstaatlich keine Rechtswirkung entfalten kann.[86] Weder dürfen die Behörden den Staatsvertrag anwenden noch kann er für die Bürger irgendwelche rechtlichen Verpflichtungen oder auch Ansprüche begründen. Davon zu unterscheiden ist die völkerrechtliche Bindungswirkung gemäss Art. 18 lit. a) WVK, die mit der Paraphierung eines Staatsvertrages (unter Vorbehalt der endgültigen Bindungserklärung durch Ratifizierung durch den Landesfürsten nach Zustimmung des Landtages) ausgelöst wird.[87]Der Zustimmungsakt des Landtages muss in förmlicher Weise erfolgen. Eine konkludente Zustimmung oder eine blosse Kenntnisnahme ist nicht ausreichend. Die Gestaltungsmöglichkeiten des Landtages, dem von der Regierung ein genehmigungspflichtiger Staatsvertrag vorgelegt wird, sind allerdings äusserst beschränkt: Der Landtag hat lediglich die Möglichkeit, die Zustimmung zu erteilen oder zu versagen, eine Änderung des Staatsvertrages ist ihm nicht möglich.[88] In diesem Sinne sind auch die Befugnisse der Aussenpolitischen Kommission zu verstehen, die gemäss Art. 67 GOLT die der Zustimmung des Landtages bedürftigen Staatsverträge „prüft und begutachtet“.[89]Die mögliche Verweigerung der Zustimmung des Landtages wird die Regierung jedoch im Regelfall dazu veranlassen, während der Vertragsverhandlungen die Position des Landtages im Blick zu halten. Dies ändert freilich nichts an der Dominanz der Exekutive gegenüber dem Parlament[90] und an einer allfälligen faktischen Übermacht des ausländischen Vertragspartners. Die Verfassung sieht weiters auch nicht das Setzen eines sogenannten Erfüllungsvorbehaltes durch den Landtag vor, wie dies etwa Art. 50 Abs. 2 Z. 3 B-VG ermöglicht.[91] Auch hier gilt: Der Landtag hat ausschliesslich die Alternative zwischen Zustimmung oder Ablehnung des Staatsvertrages. Dies bedeutet, dass die Frage, ob ein Staatsvertrag unmittelbar anwendbar – also self-executing – ist, oder spezieller nationaler Ausführungsvorschriften bedarf, ausschliesslich dem Vertragstext zu entnehmen ist.[92]D. Die Rolle der Regierung und des Staatsoberhauptes beim Zustandekommen und beim Abschluss von Staatsverträgen1. Die RegierungsfunktionenDer Regierung bzw. der ihr unterstellten Verwaltung einschliesslich der Diplomatie, kommt in der Staatspraxis besonders im Vorfeld des Abschlusses von Staatsverträgen in der Regel die massgebliche Rolle zu. Die Vorbereitung des Abschlusses multinationaler Verträge erfolgt nämlich häufig in den Gremien internationaler Organisationen oder auf diplomatischen Konferenzen. Das vorläufige Ergebnis wird durch Paraphierung bestätigt. In einer weiteren Stufe schliesst sich im Regelfall die Unterzeichnung an.[93] Bei bilateralen Verträgen sind die Abläufe im Prinzip ähnlich, freilich auf die jeweiligen Vertragsstaaten beschränkt. Auf die Unterzeichnung folgt im Regelfall das innerstaatliche Zustimmungsverfahren, das mit der Ratifikation, der Abgabe der Erklärung des Staatsoberhauptes gegenüber dem oder den Vertragspartnern, dass der Vertrag völkerrechtlich bindend ist, endet.[94]Aspekte der Vertretungsbefugnis und Bevollmächtigung im Vorfeld und im Rahmen der Unterzeichnung von Staatsverträgen bestimmen sich im Aussenverhältnis, also gegenüber den potenziellen Vertragspartnern, nach Völkerrecht, im Konkreten nach der WVK.[95]Im Regelfall führen die Regierung und ihre Beauftragten die Vertragsverhandlungen und paraphieren und unterzeichnen die Vertragstexte.[96] Abgesehen davon, dass das Vertretungsrecht dem Staatsoberhaupt zukommt, hat der Regierungschef bereits vorher gemäss Art. 86 Abs. 1 LV über die der landesherrlichen Verfügung unterstellten Gegenstände dem Landesfürsten Vortrag zu halten bzw. Bericht zu erstatten. Nähere Bestimmungen über die Regierungsfunktionen im Zusammenhang mit Aussenpolitik im Allgemeinen und dem Abschluss von Staatsverträgen im Besonderen enthält die Verfassung nicht. Die Einrichtung des Ministeriums für Äusseres ergibt sich aus Art. 18 RVOG. Der Geschäftsbereich des Ministeriums ist mit Verordnung zu regeln (Art. 19 RVOG).Die u.a. in Ausführung des Art. 19 RVOG ergangene Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung (RVOV) nimmt in Anhang 1 II. A. die entsprechenden Geschäftszuweisungen an das Ministerium für Äusseres vor.[97] Damit ist die „Mitwirkung der verantwortlichen Regierung“ i.S. des Art. 8 Abs. 1 LV beim Zustandekommen von Staatsverträgen umschrieben: Der Regierung kommt eine zentrale Rolle in der Vorbereitung aller Staatsverträge, aber auch im nachfolgenden Prozess der Umsetzung zu.2. Die Funktionen des Landesfürsten beim Zustandekommen von StaatsverträgenDie Vertretungsbefugnis des Landesfürsten gemäss Art. 8 Abs. 1 LV äussert sich unter anderem darin, dass er die Staatsverträge – jedoch unter Beachtung des Gegenzeichnungsrechts des Regierungschefs gemäss Art. 85 LV[98] und des Vorliegens einer gemäss Art. 8 Abs. 2 LV erforderlichen Genehmigung des Landtages[99] – unterzeichnet. Art. 85 LV erwähnt im Zusammenhang mit dem Gegenzeichnungsrecht indessen nur die „Gesetze sowie die vom Fürsten oder einer Regentschaft ausgehenden Erlässe und Verordnungen“. Die Lehre und die Staatspraxis gehen indessen davon aus, dass auch Staatsverträge dem Gegenzeichnungsrecht unterliegen.[100] Diese Auffassung wird auch durch einen Grössenschluss untermauert: Wenn selbst „Erlässe und Verordnungen“ des Landesfürsten dem Gegenzeichnungsrecht unterliegen, muss dies erst recht für Staatsverträge gelten. Ausserdem geht es auch und gerade bei Staatsverträgen, die mitunter gar nicht vom Landtag zu genehmigen sind, um die Gewährleistung der politischen Verantwortlichkeit.Damit ist allerdings keineswegs gesagt, dass der Abschluss von Staatsverträgen beim Fürsten monopolisiert ist.[101] Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Regelung ist davon auszugehen, dass der Landesfürst auch eine Bevollmächtigung zum Abschluss an andere Organe erteilen kann, wie dies auch in Art. 7 WVK vorgesehen ist.[102] Ausgeschlossen ist allerdings ein selbständiges Tätigwerden eines anderen Staatsorgans beim Abschluss ohne eine solche Bevollmächtigung. Der Umstand, dass die Abschlussbefugnis von Staatsverträgen letztlich beim Landesfürsten ruht, bedeutet nicht, dass ihm auch die ausschliessliche Willensbildungsbefugnis in aussenpolitischen Belangen zukäme. Dem steht nicht nur die Verfassungsrealität gegenüber, sondern auch der Wortlaut der Verfassung lässt dem Spiel der politischen Kräfte erheblichen Raum. So kann der Fürst auch selbst die Initiative zum Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen ergreifen oder umgekehrt darauf hinwirken, dass derartige Verträge nicht zustande kommen.[103] Auf der anderen Seite ist der Fürst auf die Mitwirkung der Regierung angewiesen und umgekehrt die Regierung auf die Ratifikation durch den Landesfürsten. Das Vertretungsrecht des Fürsten beinhaltet nicht nur die Unterzeichnung bzw. die Bevollmächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen und Unterzeichnung, sondern auch, nach erfolgter Genehmigung durch den Landtag, die Ratifikation des Staatsvertrags.[104]Es besteht grundsätzlich keine Pflicht des Fürsten zur Bevollmächtigung, zur Unterzeichnung oder zur Ratifikation.[105] Da den Fürsten jedoch die Verpflichtung trifft, die Staatsgewalt „nach Massgabe der Bestimmungen dieser Verfassung“ auszuüben (Art. 2 LV), wird man von keiner völlig freien Entscheidung des Fürsten ausgehen können. Zwar kann die Ratifikation gegen den Willen des Fürsten nicht erzwungen werden. Die Verfassung verlangt ihrem Geist zufolge jedoch, dass sachliche, gute Gründe vorliegen, wenn beispielsweise die Ratifikation verweigert würde, und dass diese Gründe auch öffentlich gemacht werden.[106]E. Die Stellung von Staatsverträgen im liechtensteinischen RechtDer liechtensteinischen Verfassung wird generell eine völkerrechtsfreundliche Haltung attestiert.[107] Dazu gehört nicht nur, dass das Völkerrecht – im Gegensatz zu den skandinavischen Staaten[108] – nach dem Prinzip des Monismus Bestandteil des Landesrechts ist.[109] Dem Völkerrecht kann darüber hinaus auch – abhängig von der jeweiligen Regelungskonstellation, sei es als Staatsvertrag oder als allgemeiner Rechtsgrundsatz – unmittelbare Anwendbarkeit zukommen.[110] Entsprechend dem Adoptionsprinzip gilt das Völkervertragsrecht als Landesrecht.[111]Art. 104 Abs. 2 LV, der eine Prüfungskompetenz des Staatsgerichtshofes von Staatsverträgen auf ihre Verfassungskonformität vorsieht, kann entnommen werden, dass Staatsverträge in der Normenhierarchie grundsätzlich unterhalb der Verfassungsstufe angesiedelt sind.[112] Aus der Formulierung des Art. 92 Abs. 2 LV, wonach die Regierung die zur Durchführung der Gesetze und der direkt anwendbaren Staatsverträge erforderlichen Verordnungen erlässt, ergibt sich weiters, dass auch ein Staatsvertrag, sofern er direkt anwendbar ist, eine taugliche Rechtsgrundlage für eine Verordnung sein kann.[113]Der Staatsgerichtshof[114] ging vor der durch die Verfassungsrevision 2003 eingeführten Bestimmung des Art. 104 Abs. 2 LV davon aus, dass materiell verfassungsändernde bzw. verfassungsergänzende Staatsverträge zulässig sind.[115] Verfassungsrechtlich unproblematisch ist ein verfassungsändernder bzw. verfassungsergänzender Staatsvertrag, der non-self-executing ist: Der Verfassungsgesetzgeber muss dann eben jene Anpassungen und Umsetzungen treffen, die erforderlich sind, um den völkerrechtlichen Verpflichtungen Liechtensteins gerecht zu werden. Hingegen würde der Landtag durch die Genehmigung eines direkt anwendbaren verfassungsändernden oder verfassungsergänzenden Staatsvertrags den Verfassungsgesetzgeber und damit die für eine Verfassungsrevision erforderlichen Mehrheiten und Verfahren[116] umgehen. Der Staatsgerichtshof hat sich mit diesem Problem jedenfalls noch nicht befasst. Die Lehre scheint zwar anzunehmen, dass die Verfassungsrevision 2003 die Ratifikation derartiger Staatsverträge nicht verunmöglicht,[117] diese Auffassung ist jedoch deshalb kritisch zu sehen, weil damit auch die Prüfungskompetenz des Staatsgerichtshofes unterlaufen würde. Nach welchen Massstäben sollte der Staatsgerichtshof bei der Prüfung eines materiell verfassungsändernden Staatsvertrages vorgehen? Materiell verfassungsändernde Staatsverträge könnten in weiterer Folge auch Grundrechte aushebeln, ohne dass ein Prüfungsinstrument vorhanden wäre, das ein solches Vorgehen unterbinden könnte. Diese Gefahr bestünde besonders bei der Übernahme von neuem EWR-Recht im Wege der Genehmigung des Beschlusses des Gemeinsamen EWR-Ausschusses gemäss Art. 8 Abs. 2 LV. Die analoge Anwendung der Vorschriften der Verfassungsrevision (Art. 112 Abs. 2 LV) auf die Genehmigung solcher Staatsverträge scheitert wohl daran, dass sich diese auf die Verfassung selbst (vgl. die Wortfolge „dieses Grundgesetzes“ in Art. 112 Abs. 2 LV) beziehen. Auf der Basis der bestehenden Verfassungsrechtslage scheinen daher verfassungsändernde oder -ergänzende Staatsverträge, sofern sie unmittelbar anwendbar sind, unzulässig. Falls sie dennoch ratifiziert werden, wäre ihre innerstaatliche Verbindlichkeit gemäss Art. 23 Abs. 1 StGHG vom Staatsgerichtshof wegen Verfassungswidrigkeit des betreffenden Staatsvertrags aufzuheben.[118]Andererseits geht der Staatsgerichtshof nach wie vor nicht nur von einem faktischen Verfassungsrang der EMRK[119] aus, sondern lässt es sogar offen, ob ihr nicht Überverfassungsrang zukommt (siehe auch Kapitel IX.C.).[120] Begründet wird der zumindest faktische Verfassungsrang der EMRK mit dem Hinweis auf die in Art. 15 Abs. 2 StGHG angeführten Übereinkommen, unter ihnen die EMRK, die staatsvertraglich verankerte Individualrechte beinhalten, welche vor dem Staatsgerichtshof gerügt werden können.[121]Im Übrigen bildet das EWR-Recht Prüfungsmassstab für allenfalls entgegenstehendes nationales Recht. Die in der Literatur unter Hinweis auf die Vorrangs- bzw. Verdrängungswirkung vertretene Gegenposition[122] verwarf der Staatsgerichtshof in StGH 2006/94 primär aus Rechtssicherheitserwägungen.[123] Er argumentierte weiters EWR-rechtlich (nicht verfassungsrechtlich!), dass nichts dagegen spreche, eine dem EWR-Recht widersprechende Norm aus dem Rechtsbestand auszuscheiden (siehe auch Kapitel VIII.). Jene Staatsverträge, die nicht dem Regime des EWR entstammen und nicht den Grundrechtskomplex der EMRK betreffen, stehen auf jener Rechtsstufe, der ihnen bei inhaltlicher Betrachtung zukommt. Im Regelfall werden die vom Landtag genehmigten Staatsverträge Gesetzesrang aufweisen, andere Staatsverträge hingegen werden lediglich auf Verordnungsstufe stehen.[124] Dass alle vom Landtag genehmigten Staatsverträge materiellen Verfassungsrang in dem Sinn geniessen sollen, dass sie ähnlich der Verfassung materiell über den Gesetzen, formell aber unter der Landesverfassung stehen, wie dies Winkler[125] annimmt, trifft hingegen nicht zu. Dies würde bedeuten, dass alle Staatsverträge Prüfungsmassstab für das unterhalb der Verfassungsstufe erzeugte Recht bilden müssten. Dies kann der Regelung des Art. 104 Abs. 2 LV, der Gesetze und Staatsverträge erkennbar gleichsetzt, nicht entnommen werden.[126]F. Inkrafttreten und Ausserkrafttreten von StaatsverträgenDie völkerrechtliche Verbindlichkeit eines Staatsvertrages bestimmt sich nach seinen eigenen Vorgaben bzw. den Vorschriften der WVK.[127] Die innerstaatliche Verbindlichkeit für die Behörden und die Bürger bestimmt sich danach, ob der Staatsvertrag self-executing ist oder nicht. In jedem Fall setzt aber die innerstaatliche Wirksamkeit die Kundmachung im Landesgesetzblatt gemäss Art. 67 Abs. 2 LV und nach den Bestimmungen des Kundmachungsgesetzes[128] sowie das Vorliegen einer nach den Bestimmungen des Art. 8 Abs. 2 LV erforderlichen Zustimmung des Landtages voraus.[129] Dieses sieht in Art. 3 lit. c Kundmachungsgesetz] vor, dass im Landesgesetzblatt „Staatsverträge, Beschlüsse internationaler Organisationen sowie Rechtsvorschriften, die aufgrund völkerrechtlicher Verträge anwendbar sind“ kundzumachen sind. Gemäss Art. 7 Abs. 2 Kundmachungsgesetz sind bei Staatsverträgen sowie Beschlüssen internationaler Organisationen die darin als authentisch bezeichneten Texte massgebend. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Staatsvertrags und damit des Beginns seiner völkerrechtlichen Verbindlichkeit ergibt sich allerdings in aller Regel nicht aus dem in Art. 14 Kundmachungsgesetz bestimmten Zeitpunkt (nach Ablauf von acht Tagen, seitdem das eine Rechtsvorschrift enthaltende Landesgesetzblatt herausgegeben worden ist), sondern nach dem im Staatsvertrag selbst festgelegten Zeitpunkt. Ein nicht ordnungsgemäss oder verspätet kundgemachter Staatsvertrag wäre völkerrechtlich zwar verbindlich, innerstaatlich jedoch nicht wirksam. Das Ausserkrafttreten eines Staatsvertrags bestimmt sich grundsätzlich ebenfalls nach den Bestimmungen des Staatsvertrags selbst, subsidiär nach der WVK. Die Staatspraxis nimmt in diesen Fällen auch eine Kundmachung des ausser Kraft getretenen Staatsvertrages vor.[130]Was die Einbeziehung von Staatsorganen in das Ausserkrafttreten eines Staatsvertrags betrifft, sind mehrere Varianten denkbar:Vertragliche BeendigungsgründeEinvernehmliche Vertragsbeendigung, Rücktritt oder SuspendierungDie Setzung der völkerrechtlich wirksamen Akte im Falle einer einvernehmlichen Vertragsbeendigung, bei Rücktritt sowie bei Suspendierung eines Vertrags gegenüber allen oder einzelnen Vertragsparteien, fallen in die Kompetenz des Landesfürsten gemäss Art. 8 Abs. 1 LV bzw. allenfalls dazu bevollmächtigter oder beauftragter Organe. Fraglich scheint zunächst, ob ein solcher Akt bei einem mit Zustimmung des Landtages geschlossenen Vertrag ebenfalls der Zustimmung des Landtages bedarf, bzw. bei einem mittels Referendum gebilligten Staatsvertrag (Art. 66bis LV) eines neuerlichen Referendums. Der Staatsgerichtshof erachtet grundsätzlich die Exekutive als für die Suspendierung (und wohl auch Auflösung) von Staatsverträgen allein zuständig.[132] Dieser Grundsatz kann jedoch keine Gültigkeit schlechthin beanspruchen.[133] Aus Art. 8 Abs. 2 LV ist jedenfalls abzuleiten, dass dem Landtag im Rahmen aussenpolitischer Entscheide von grundlegender Bedeutung eine starke Stellung eingeräumt wird. In Einzelfällen, insbesondere bei einseitiger Aufkündigung des Staatsvertrags, die für die aussenpolitische Stellung des Landes von erheblicher Bedeutung sind, wird man daher annehmen müssen, dass eine solche nur mit Genehmigung des Landtages zulässig ist. Der Tatbestand nach Art. 66bis Abs. 1 LV liegt jedoch auch in seinem solchen Fall klarerweise nicht vor, sodass gegen eine derartige Genehmigung des Landtages das Staatsvertragsreferendum nicht ergriffen werden kann.VII. Die besondere Bedeutung des ZollvertragesDer Zollvertrag aus dem Jahre 1923 (ZV) ist die Grundlage einer engen rechtlichen und wirtschaftlichen Verflechtung Liechtensteins mit der Schweiz. Er bildete die Grundlage eines umfassenden Netzes von Abkommen, mit denen Liechtenstein an den schweizerischen Wirtschaftsraum angeschlossen wurde; ihm folgte der Postvertrag, der Währungsvertrag oder auch der Patentschutzvertrag.[134]Der Zollvertrag war im Zuge seiner Ausarbeitung in den Jahren 1919–1923 gerade aufseiten der schweizerischen Nachbarschaft keineswegs unumstritten. So wurden im grenznahen Gebiet durch die Einbeziehung Liechtensteins in das Zollgebiet der Schweiz wirtschaftliche Nachteile, insbesondere durch Schmuggel und den Zustrom liechtensteinischer Arbeitskräfte befürchtet.[135]Die Zusammenarbeit wurde dessen ungeachtet laufend vertieft und auf weitere Bereiche ausgedehnt, etwa auf dem Gebiet der Fremdenpolizei.[136]Der Zollvertrag bewirkt erhebliche Beschränkungen der inneren und äusseren Souveränität Liechtensteins: Schweizerisches Bundesrecht und von der Schweiz geschlossene völkerrechtliche Abkommen verdrängen innerhalb seines Anwendungsbereiches die liechtensteinische Befugnis zur selbständigen Rechtsgestaltung und zum Vertragsabschluss.[137] Die im Rahmen des Zollvertrags anwendbaren schweizerischen Rechtsvorschriften ergeben sich aus einer Kundmachung der Regierung.[138]Erwähnenswert ist weiters, dass die Schweiz auf der Grundlage des Art. 8 Abs. 2 ZV ermächtigt ist, Liechtenstein bei Verhandlungen über Handels- und Zollverträge mit Drittstaaten zu vertreten und diese Verträge mit Wirksamkeit auch für Liechtenstein abzuschliessen. Auf diese Weise ist Liechtenstein gleichsam mediatisiert und werden Staatsverträge von der Schweiz mit räumlicher Geltungswirkung auch für Liechtenstein abgeschlossen.[139]Trotz formeller Parität der Vertragspartner ist das Regime des Zollvertrags von einer klaren Dominanz der Schweiz geprägt.[140] Dazu kommt eine beachtliche Flexibilität der staatsvertraglichen Regelungen. So sind in Liechtenstein mittlerweile auch schweizerische Rechtsvorschriften, die mit dem Zollwesen gar nichts und mit Wirtschaftsrecht nur mittelbar etwas zu tun haben, wie etwa die schweizerische Lärmschutzverordnung oder das schweizerische Umweltgesetz, zu beachten.[141]Die Kündbarkeit des Zollvertrags (auch) durch Liechtenstein wahrt immerhin die Souveränität des Kleinstaates. Die Teilnahme Liechtensteins am EWR (siehe unten Kapitel IX.) wird durch Art. 8bis ZV ermöglicht, wonach dann, wenn die Schweiz internationalen Übereinkommen oder Internationalen Organisationen nicht angehört, die Mitgliedschaft des Fürstentums Liechtenstein einer besonderen Vereinbarung zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein bedarf.[142]VIII. Der EWRDas EWR-Recht wird als supranationales Recht bezeichnet.[143] Gleichzeitig wird dem EWRA zugebilligt, keine supranationale Gemeinschaft begründet zu haben.[144] Dies ist nur scheinbar ein Widerspruch: Das EWR-Recht geniesst Vorrang vor entgegenstehendem Landesrecht,[145] dies jedoch erst mit seiner Übernahme in dieses nationale Recht auf dem durch das EWRA vorgezeichneten Weg. EWR- oder gar EU-Organen kommt keine autonome Rechtsetzungsbefugnis zu.[146]Das EWRA wird als verfassungsändernder Staatsvertrag betrachtet,[147] das EWR-Recht als materielles Verfassungsrecht, da es liechtensteinischem Recht vorgeht[148] und auch den Prüfungsmassstab für liechtensteinisches Recht bildet.[149] Der Vorrang des EWR-Rechts schränkt weiters die Prüfungsbefugnis des Staatsgerichtshofes hinsichtlich dieses EWR-Rechts ein,[150] soweit das EWR-Recht, wie der Staatsgerichtshof betont, nicht die Grundprinzipien und die Kerngehalte der Grundrechte der Landesverfassung bzw. der EMRK krass missachtet.[151] Der Staatsgerichtshof weist jedoch darauf hin, dass ein solcher Konfliktfall, „nachdem aber auch das Recht der Europäischen Gemeinschaft und somit auch das EWR-Recht die Grundrechte und insbesondere auch die Europäische Menschenrechtskonvention anerkennen (…) in der Praxis kaum einmal auftreten wird.“[152]Seit dem Gutachten des Staatsgerichtshofes StGH 1995/14[153] ist klar, dass die Beschlüsse des Gemeinsamen EWR-Ausschusses auf der Grundlage des Art. 8 Abs. 2 LV unter den dort beschriebenen Voraussetzungen als Staatsverträge dem Landtag zwingend zur Zustimmung zu unterbreiten sind.[154] Für die Beurteilung der Frage, welche Beschlüsse des Gemeinsamen EWR-Ausschusses der parlamentarischen Zustimmung bedürfen und damit auch dem Staatsvertragsreferendum unterliegen, ist somit Art. 8 Abs. 2 LV massgeblich.[155]Der Genehmigung des Landtages unterliegen gemäss StGH 1995/14, Erw. 2.3,[156] jedenfalls[157] folgende Beschlüsse des Gemeinsamen EWR-Ausschusses: Das Kriterium der „Änderung“ liechtensteinischen Gesetzesrechts, von welchem der Staatsgerichtshof spricht, ist allerdings zu restriktiv. Entscheidend muss sein, ob der Rechtsakt eine Bindung des liechtensteinischen Gesetzgebers dahingehend bewirkt, dass er nicht nur gehalten ist, eine bestimmte Rechtslage zu schaffen, sondern auch eine bestimmte Rechtslage aufrecht erhalten muss. Es kommt daher darauf an, auf welcher Stufe eine bestimmte Norm innerstaatlich einzuordnen ist. Keiner Zustimmung durch den Landtag bedürfen nach Auffassung des Staatsgerichtshofes: Die Grundfreiheiten des EWRA verwirklichen nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes verfassungsmässig gewährleistete Rechte, auf die sich der Einzelne berufen kann.[160]Das EWRA hat zu einer deutlichen Europäisierung der liechtensteinischen Rechtsordnung geführt.[161] Auf der anderen Seite ist aber wie oben dargestellt nach wie vor die Anbindung an den Schweizer Wirtschaftsraum, der seinerseits ebenfalls zunehmend europäisiert wird,[162] durch den Zollvertrag zu berücksichtigen. Liechtenstein steht somit vor der Herausforderung, den Anforderungen von zwei verschiedenen Rechtsordnungen (EWR-Recht auf der einen Seite und gestützt auf den Zollvertrag geltendes Schweizer Recht auf der anderen Seite), die es umzusetzen respektive zu respektieren gilt, gerecht zu werden.[163]IX. Sonstiges Europäisches RechtA. Schengen-BesitzstandLiechtenstein gehört wie seine Nachbarstaaten zum Schengen-Raum, weshalb alle seine Landesgrenzen Schengen-Binnengrenzen darstellen und die stationären Grenzkontrollen entfallen. Das für den Schengen-Beitritt Liechtensteins abgeschlossene und am 7. April 2011 in Kraft getretene Protokoll[164] zum Schweizerischen Assoziierungsabkommen[165] ist ein Staatsvertrag, der wie das EWRA als völkerrechtliches Abkommen in Liechtenstein direkte Geltung besitzt. Gemäss seinem Art. 2 werden die in den Anhängen A und B des Assoziierungsabkommens EU – Schweiz bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands enthaltenen Bestimmungen des Schengen-Besitzstands, die für die Mitglieder der Europäischen Union gelten, von Liechtenstein zu den in diesen Anhängen vorgesehenen Bedingungen umgesetzt und angewendet. Weiters sind auch neue Unionsrechtsakte oder Massnahmen der EU nach Massgabe des Art. 5 umzusetzen. Die Mitgliedschaft im Schengenraum bedeutet für Liechtenstein wegen des Wegfalls der systematischen Personenkontrollen eine Erleichterung des Personenverkehrs und den Zugang von Polizei sowie vom Ausländer- und Passamt zu EU-weiten Informationssystemen.B. Dublin-BesitzstandDer Dublin/Eurodac-Besitzstand ist am 1. April 2011 in Liechtenstein in Kraft getreten.[166] Damit findet insbesondere die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 Anwendung, die regelt, welcher EU-Mitgliedstaat (respektive welcher durch Unterzeichnung des Abkommens assoziierte Staat) für die Behandlung eines Asylantrags zuständig ist. Gemäss Art. 2 des betreffenden Protokolls (LGBl. 2011 Nr. 132 LR 0.152.391.001). sind die Bestimmungen der Dublin-Verordnung und der Eurodac-Verordnung einschliesslich ihrer Durchführungsverordnungen von Liechtenstein umzusetzen und im Rahmen seiner Beziehungen zu den Mitgliedstaaten der Europäischen Union anzuwenden. Weiters sind aber auch Unionsrechtsakte oder Massnahmen, die in Änderung oder Ergänzung dieser Bestimmung erlassen wurden, anzuwenden (Art. 5 des Protokolls).C. EMRK und andere EuroparatsabkommenDie EMRK ist in Liechtenstein am 8. September 1982 in Kraft getreten.[167]Die EMRK wirkt insbesondere im Rahmen der Grundrechtsgarantien auf liechtensteinisches Recht ein. Dazu ist auf die Kommentierung der einzelnen Grundrechte zu verweisen. Als Mitglied des Europarats ist Liechtenstein darüber hinaus Vertragspartner verschiedener weiterer Abkommen, wie der Zusatzprotokolle der EMRK,[170] der Übereinkommen über die entsprechenden verfahrensrechtlichen Grundlagen des Menschenrechtsschutzes durch den EGMR[171] sowie weiterer Übereinkommen des Europarates im Menschenrechtsbereich,[172] insbesondere:Überdies ist Liechtenstein seit 2010 – ohne das Strafrechtsübereinkommen und das Zivilrechtsübereinkommen über Korruption ratifiziert zu haben[173] – Mitglied der vom Europarat gegründeten „Staatengruppe gegen Korruption“ (GRECO, Groupe d’Etats contre la Corruption). 2011 wurde Liechtenstein im Rahmen der gemeinsam durchgeführten ersten und zweiten Evaluationsrunde evaluiert, wobei verschiedene Empfehlungen ausgesprochen wurden.[174]X. Die Mitgliedschaft Liechtensteins in der UNODass die Anerkennung eines Kleinstaates als vollwertiges Mitglied der Völkergemeinschaft keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt das Scheitern der Bemühungen Liechtensteins um eine Mitgliedschaft im Völkerbund im Jahre 1920.[175] Mitglied der UNO ist Liechtenstein hingegen seit 1990.[176] Die Aufnahme erfolgte erst, nachdem sich nach Aufnahme zahlreicher Mikrostaaten das Universalitätsprinzip faktisch durchgesetzt hatte.[177] Durch diese Mitgliedschaft manifestiert sich die völkerrechtliche Souveränität des Landes.[178]Auch die Mitgliedschaft in der UNO hat die Übernahme weiterer Abkommen nach sich gezogen,[179] für die der Gesetzgeber in Art. 15 Abs. 2 StGHG teilweise ausdrücklich ein Individualbeschwerderecht vor dem Staatsgerichtshof eingeräumt hat: XI. Sonstiges völkerrechtlich relevantes Handeln von StaatsorganenNeben der ausdrücklichen Regelung des Art. 8 Abs. 2 LV für Staatsverträge und den Funktionen des Landesfürsten als Staatsoberhaupt[184] in der Vertretung des Landes nach aussen gemäss Abs. 1 gibt es noch weiteres völkerrechtlich relevantes Handeln von Staatsorganen. Sowohl die Regierung als auch der Landtag können aussenpolitisch tätig werden, wobei völkerrechtlich relevantes Handeln traditionellerweise in die Domäne der Regierung fällt.[185] Regierungsmitglieder und Botschafter können völkerrechtlich wirksame Akte setzen. Dazu gehören insbesondere die Anerkennung von Regierungen oder die Aufnahme oder Suspendierung diplomatischer Beziehungen mit einem anderen Staat.[186] Auch die Einrichtung diplomatischer Vertretungen Liechtensteins in anderen Staaten ist hier zu erwähnen. Lediglich die Grundsätze über die Errichtung diplomatischer Vertretungen Liechtensteins sind gesetzlich geregelt.[187] Ihre Einrichtung im Einzelfall erfolgt durch den Landesfürsten auf Vorschlag der Regierung.[188]Insoweit die Schweiz die Wahrung der Interessen Liechtensteins und seiner Staatsangehörigen in jenen Staaten übernimmt, in welchen Liechtenstein über keine eigene Vertretung verfügt,[189] handeln Schweizer Organe für Liechtenstein. Dies ändert aber an den innerstaatlichen Verantwortlichkeiten nichts: Für die Aussenpolitik Liechtensteins gegenüber dem Landtag verantwortlich ist ausschliesslich die Regierung.
1) Verliert die Regierung das Vertrauen des Landesfürsten oder des Landtages, dann erlischt ihre Befugnis zur Ausübung des Amtes. Für die Zeit bis zum Antritt der neuen Regierung bestellt der Landesfürst unter Anwendung der Bestimmungen gemäss Art. 79 Abs. 1 und 4 eine Übergangsregierung zur interimistischen Besorgung der gesamten Landesverwaltung (Art. 78 Abs. 1). Der Landesfürst kann auch Mitglieder der alten Regierung in die Übergangsregierung berufen. Vor Ablauf von vier Monaten hat sich die Übergangsregierung im Landtag einer Vertrauensabstimmung zu stellen, sofern nicht vorher vom Landesfürsten einvernehmlich mit dem Landtage auf dessen Vorschlag eine neue Regierung ernannt wurde (Art. 79 Abs. 2).Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteIn der Zeit der KonV gab es keine parlamentarische Verantwortlichkeit der fürstlichen Regierung. Gemäss § 27 KonV ernannte der Landesfürst allein und für die ihm beliebende Dauer die verantwortlichen Staatsdiener, die er allein jederzeit auch entlassen konnte.[1] Erst als die Regierung als ein vom Staatsoberhaupt verschiedenes Staatsorgan verstanden wurde, stellte sich die Frage der Verantwortlichkeit, sowohl gegenüber dem Landtag als auch gegenüber dem Landesfürsten.Es verwundert daher nicht, dass der Verfassungsentwurf des Prinzen Karl, der noch weitgehend in der KonV verfangen war, noch keine Regelungen über die Verantwortlichkeit der und das Vertrauen in die Regierung kannte.Im Verfassungsentwurf Wilhelm Becks war in Art. 62 erstmals eine Regelung über ein Misstrauensrecht des Parlaments vorgesehen:Die Regierungsvorlage Peers sah demgegenüber in § 80 RV vor, dass, wenn ein Mitglied der Regierung durch seine Amtsführung das Vertrauen des Volkes und des Landtages verlor, der Landtag, unbeschadet seines Rechtes auf Erhebung der Klage vor dem Staatsgerichtshofe, beim Landesfürsten die Enthebung des betreffenden Funktionärs beantragen konnte.In dieser Form wurde die Bestimmung als Art. 80 LV beschlossen. Die Enthebung eines Regierungsmitglieds bedurfte daher des für die Verfassung von 1921 typischen einvernehmlichen Vorgehens von Landtag und Landesfürst, wobei freilich unklar blieb, wie sich der Vertrauensverlust des Volkes in der Praxis ausserhalb von Wahlen darstellen sollte.[2] Der Landesfürst konnte nach dem Wortlaut von sich aus nicht tätig werden und war auf die Initiative des Landtages angewiesen.[3] Indessen bezeichnete es Batliner 1981 als „herrschende Meinung, dass der Fürst nach seinem Ermessen einzelne oder alle Regierungsmitglieder ihres Amtes entheben kann, ohne an einen Antrag des Parlaments gebunden zu sein.“[4] Umstritten soll lediglich gewesen sein, ob der Landesfürst verpflichtet war, dem Beschluss des Landtages, mit welchem der Regierung das Misstrauen ausgesprochen wurde, Rechnung zu tragen.[5] Demnach hätte die Verfassung das Recht des Landesfürsten, die Regierung oder einzelne ihrer Mitglieder beliebig abzusetzen, stillschweigend vorausgesetzt.[6] 1994 bezeichnete Batliner die zitierte Auffassung als eine „alte Auslegung (…), die einseitig vom Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts bestimmt ist und im Lichte von Art. 2 i.V.m. 80 der Verfassung 1921 überholt ist.“[7] Auch die Landtagskommission betreffend die Änderung der Art. 79, 81 und 94 der Verfassung schrieb in ihrem Bericht vom 15. Januar 1965, dass „wenn auch nur ein Teil – der Landesfürst oder das Parlament – der Regierung oder einem Regierungsmitglied das Vertrauen entzieht, (…) eine Amtsenthebung stattzufinden (hat). Diese Regelung entspricht der Systematik der Bestellung der Regierung.“[8] Eine solche Auffassung konnte allerdings nicht auf den Wortlaut der Verfassung, sondern allenfalls auf die Annahme gestützt werden, die Verfassung habe das – unbestrittene – Entlassungsrecht des Landesfürsten, welches der KonV zugrunde lag, vorgefunden und lediglich die Frage geklärt, ob auch der Landtag der Regierung das Misstrauen aussprechen konnte.[9]Wohl die stärkste Plausibilität hatte die Auffassung für sich, dass es im System der Verfassung von 1921 jedenfalls nicht möglich war, dass eines der beiden Staatsorgane – Landtag oder Landesfürst – ohne die Zustimmung des jeweils anderen das Staatsorgan Regierung seines Amtes entheben konnte.[10] Der Landtag war gemäss Art. 80 LV in der Fassung von 1921 auf die Zustimmung des Landesfürsten angewiesen, wünschte der Landesfürst die Entlassung der Regierung, bedurfte es eines Amtsenthebungsantrags des Landtages.[11]Art. 80 LV wurde 1965 erstmals novelliert.[12] Der Vertrauensverlust des „Volkes“ wurde nicht mehr erwähnt, sondern klargestellt, dass es der Landtag war, der das Misstrauen gegenüber Regierungsmitgliedern auszusprechen hatte. Damit wurde die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung dem Landtag gegenüber betont, jedoch wie dargestellt in den Materialien an der „alten“ Auslegung festgehalten.Eine weitere und tiefgreifende Änderung erfolgte mit der Verfassungsrevision 2003, womit Art. 80 LV die heute gültige Fassung erhielt. Damit wurde die „Auslegungsunsicherheit“[13] geklärt. Die nunmehr explizit eingefügte Befugnis des Landesfürsten, die Regierung oder einzelne Regierungsmitglieder zu entlassen, war im Vorfeld auf heftige Kritik gestossen.[14] Sie setzte weitere Akzente zur Stärkung des monarchischen Prinzips,[15] da nunmehr die Regierung nicht nur vom Vertrauen des Landtages, sondern auch des Landesfürsten abhängig ist.In historischer Sicht ist zu bemerken, dass es bisher keinen Fall gegeben hat, in welchem ein Regierungsmitglied auf Grund Vertrauensverlustes des Landtages (oder seit 2003 auch des Landesfürsten) sein Amt tatsächlich verloren hat.[16]II. Der Vertrauensverlust der RegierungA. AllgemeinesParlamentarische Systeme sind im internationalen Vergleich unter anderem dadurch geprägt, dass sich die Regierung in einem Abhängigkeitsverhältnis von einer einfachen oder qualifizierten Parlamentsmehrheit befindet.[17] In den meisten Fällen ist das Parlament befugt, durch ein sogenanntes Misstrauensvotum die Regierung zu entlassen.[18] Dieses Misstrauensrecht des Landtages gegenüber der Regierung war eine Errungenschaft der Verfassung von 1921.Im System der Verfassung Liechtensteins seit der Verfassungsrevision 2003 ist die Regierung allerdings nicht nur vom Vertrauen des Landtages abhängig, sondern auch von jenem des Landesfürsten. Eine solche Abhängigkeit der Regierung vom Staatsoberhaupt ist für semipräsidentielle Systeme typisch, in denen der Präsident die Regierung oder einzelne ihrer Mitglieder jederzeit entlassen kann.[19] Gerade auch für die monarchischen Verfassungen Europas ist das Regelungsregime des Art. 80 LV eher untypisch.[20],[21]Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit der Landtag oder der Landesfürst den Vertrauensverlust geltend machen können, stellt die Verfassung nicht auf. Es liegt im Ermessen dieser Staatsorgane, welchen Gründen sie ein derartiges Gewicht einräumen, dass sie von einem Vertrauensverlust ausgehen. Dies geht auch daraus hervor, dass in der Verfassungsrevision 2003 die bisherige Wendung „durch seine Amtsführung“ in Art. 80 LV gestrichen wurde. Die Änderung wurde damit begründet, dass ein Mitglied der Regierung auch dann seines Amtes enthoben werden können sollte, wenn es nicht direkt aufgrund „seiner Amtsführung“ das Vertrauen verloren habe.[22]Die voraussetzungslose Ermächtigung zur Geltendmachung eines Vertrauensverlustes durch Landtag und Landesfürsten bewirkt im liechtensteinischen System eine doppelte Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber den beiden anderen Staatsorganen.[23] Kritisiert wird in der Literatur die sich daraus ergebende Labilität des Regierungssystems, weil die Regierung in eine einseitige Abhängigkeit von Landtag und Landesfürst gerät.[24] Demgegenüber steht die Meinung Winklers, dass mit Art. 80 LV lediglich das seines Erachtens bereits auf der Grundlage der Verfassung 1921 bestehende Recht des Fürsten zur Entlassung der Regierung modifiziert wurde.[25]Die Verfassung spricht in Art. 80 LV mehrfach vom Vertrauen und unterwirft die Übergangsregierung ausdrücklich einer „Vertrauensabstimmung“ (dazu näher unter Kapitel IV.A). Auch in Österreich spricht die Verfassung in Art. 74 Abs. 1 B-VG vom „Vertrauen“, das der Nationalrat der Bundesregierung durch Entschliessung versagen kann, auch wenn dieser Vorgang in der Staatspraxis als „Misstrauensvotum“ bezeichnet wird. In Art. 67 Abs. 1 GG ist dagegen ausdrücklich vom „Misstrauen“ die Rede, das der Bundestag dem Bundeskanzler aussprechen kann. In rechtlicher Hinsicht ist dieser Unterscheidung keine Relevanz beizumessen, sprachlich betont Art. 80 LV mit seiner Wortwahl, dass es für den Fortbestand der Regierung entscheidend ist, dass sie das Vertrauen der beiden Staatsorgane Landesfürst und Landtag geniesst.B. Das Misstrauen des LandtagesDie Verfassung trifft auch hinsichtlich des Verfahrens, in welchem der Landtag der Regierung den Vertrauensverlust, also das Misstrauen, ausspricht, keine explizite Regelung. Da hinsichtlich des erforderlichen Anwesenheits- und Beschlussfassungsquorums nichts Besonderes bestimmt ist, gelangt die allgemeine Beschlussfassungsregelung des Art. 58 LV zur Anwendung: Dies bedeutet, dass das Zustandekommen eines Misstrauensvotums die Anwesenheit von mindestens 17 Abgeordneten und die Mehrheit unter den Anwesenden erfordert.[26] Dies ist in der politischen Praxis Liechtensteins insofern eine hohe Hürde, als eine grosse Partei mitunter durch Abwesenheit das Zustandekommen eines solchen Beschlusses verhindern kann.[27]Darüber hinaus erwähnt die Verfassung in Art. 62 lit. h LV explizit das Misstrauensvotum als eine Aufgabe des Landtages,[28] freilich ohne eine Aussage über das dafür erforderliche Verfahren zu treffen.Auch die Geschäftsordnung des Landtages trifft darüber keine spezifische Regelung, was umso mehr fragen lässt, wie ein Beschluss über den Vertrauensverlust zustande kommen kann.Zunächst kommt dabei eine Initiative aus der Mitte des Landtages (Art. 30 lit. b GOLT) in Betracht. Bemerkenswerterweise reserviert der Wortlaut des Art. 40 Abs. 1 GOLT jedoch den Begriff der Initiative für Vorschläge zum Erlass neuer oder für die Abänderung bestehender Gesetze.Man wird daher annehmen müssen, dass Art. 80 Abs. 1 LV i.V.m. Art. 62 lit. h LV ein eigenständiges Initiativrecht von Mitgliedern des Landtages für ein Misstrauensvotum statuiert, das wie das Gesetzesinitiativrecht wohl auch von einem einzigen Abgeordneten ausgeübt werden kann.[29]Damit stellt sich allerdings die Frage, ob es nicht auch in Zusammenhang mit anderen Beratungsgegenständen zu einem Misstrauensvotum des Landtages gegenüber der Regierung kommen kann. Konkret wäre es denkbar, dass eine Petition (Art. 30 lit. d GOLT) ein Misstrauensvotum fordert. Ebenso wäre es aber auch vorstellbar, dass die Diskussion einer Regierungsvorlage oder eines Kommissionsberichtes (jeweils Art. 30 lit. a GOLT), ja selbst die Beratung einer Volksinitiative (Art. 30 lit. c GOLT) bei Abgeordneten den Wunsch nach einem Misstrauensvotum provoziert.Allerdings kann im Rahmen der parlamentarischen Beratung eines Tagesordnungspunktes kein Beschluss zu einem anderen Thema gefasst werden. Dies legt es nahe, dass ein Misstrauensvotum gegenüber der Regierung in jedem Fall einen entsprechenden Antrag zumindest eines Abgeordneten voraussetzt, der nach den Regelungen des parlamentarischen Geschäftsganges behandelt werden muss.[30]Der Beschluss des Landtages lautet auf die Annahme oder Ablehnung des Antrages. Er wird mit der Entscheidung des Landtages rechtswirksam.Eine Kundmachung im Landesgesetzblatt ist, nachdem der Beschluss von keiner der in Art. 3 Kundmachungsgesetz erwähnten Kategorien erfasst ist, nicht vorgesehen. Allerdings kommt eine Kundmachung im Amtsblatt in Betracht, das gemäss Art. 16 Abs. 2 Kundmachungsgesetz Vorschriften und andere amtliche Mitteilungen enthält, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben oder von öffentlichem Interesse ist. Ein solches öffentliches Interesse wird man im Falle der Annahme des Misstrauensvotums annehmen können, wenngleich die durch diese Kundmachung erfolgte Öffentlichkeitswirkung gegenüber dem durch den Landtagsbeschluss bereits hervorgerufenen öffentlichen Aufsehen deutlich zurücktreten dürfte.Die Rechtswirkung der Annahme des Misstrauensvotums besteht darin, dass mit diesem Zeitpunkt die Befugnis der Regierung zur weiteren Ausübung ihres Amtes erloschen ist. Die solcherart aus dem Amt geschiedene Regierung darf keine Rechtsakte mehr setzen. Dies bedeutet auch, dass bis zur Bestellung einer Übergangsregierung durch den Landesfürsten das Land keine Regierung besitzt, was beispielsweise dazu führt, dass in diesem Zeitpunkt weder Akte des Landesfürsten gegengezeichnet werden können noch etwa Gesetzesbeschlüsse des Landtages kundgemacht werden dürfen. Die nicht mehr existente Regierung kann auch keine Beschlüsse fassen, insbesondere weder generelle noch individuelle Verwaltungsakte setzen. Dies kann dann virulent sein, wenn das Misstrauensvotum überraschend zustande kommt und der Landesfürst erst nach geeigneten Personen, die für die Übergangsregierung in Betracht kommen, suchen muss.Daraus ergibt sich auch, dass eine allfällige Zurücknahme des Misstrauensvotums des Landtages die mittlerweile ihres Amtes enthobene Regierung nicht mehr wiedereinberufen könnte.Im Falle unabweisbarer Dringlichkeit wird der Landesfürst allenfalls Notverordnungen gemäss Art. 10 Abs. 2 LV zu erlassen haben.[31]C. Das Misstrauen des LandesfürstenGemäss Art. 80 Abs. 1 LV erlischt die Befugnis der Regierung zur Ausübung des Amtes auch dann, wenn sie das Vertrauen des Landesfürsten verliert. Während das Misstrauensvotum des Landtages in einem förmlichen, in öffentlicher Sitzung gefassten Beschluss zum Ausdruck gelangt, bedarf es bei der Entscheidung des Landesfürsten eines nach aussen gerichteten Aktes, in welchem er seine Entscheidung der Regierung bekannt gibt.[32] Es handelt sich dabei um einen „Erlass“ i.S. des Art. 85 Abs. 2 LV, der, in der Natur der Sache liegend, nicht der Gegenzeichnung der Regierung bedarf.[33]In welcher äusseren Form dieser Akt ergeht, wird von der Verfassung nicht determiniert. Es muss lediglich klar hervorgehen, dass die Regierung das Vertrauen des Landesfürsten verloren hat.[34] Eine Begründung ist nicht erforderlich.[35]Wie im Falle des Misstrauensvotums des Landtages tritt die Rechtswirkung der Entscheidung des Landesfürsten mit der Bekanntgabe ein. Daraus folgt auch, dass die Amtsenthebung durch den Landesfürsten nicht mehr zurückgenommen werden kann.III. Der Vertrauensverlust einzelner RegierungsmitgliederArt. 80 Abs. 2 LV regelt den Vertrauensverlust eines einzelnen Regierungsmitgliedes. Verliert ein einzelnes Regierungsmitglied das Vertrauen des Landesfürsten oder des Landtages, haben demnach diese beiden Staatsorgane einvernehmlich die Entscheidung über den Verlust der Befugnis zur weiteren Amtsausübung zu treffen.Das geforderte einvernehmliche Vorgehen wirft verfahrensmässig einige Fragen auf. Im Falle des Vertrauensverlustes des Regierungsmitgliedes durch den Landtag (Szenario 1), wird dieser wie beim Misstrauen gegenüber der gesamten Regierung einen förmlichen Beschluss fassen müssen (siehe oben Kapitel II.B.). Verliert das betreffende Regierungsmitglied das Vertrauen des Landesfürsten (Szenario 2), so ist auch in diesem Fall ein nach aussen gerichteter Akt des Landesfürsten, ein „Erlass“ i.S des Art. 85 Abs. 2 LV, erforderlich.[36] Ob in diesem Fall eine Gegenzeichnung erforderlich ist, ist in der Literatur umstritten.[37] Eine Begründung ist in jedem Fall nicht gefordert.[38] Wenn jedoch die Entscheidung über den Vertrauensverlust im freien Ermessen des Landesfürsten steht, ist die Sinnhaftigkeit einer Gegenzeichnung, die ja bezweckt, ein gegenüber dem Landtag verantwortliches Organ zu kreieren, zu beweifeln. Dies umso mehr, als ja das Einvernehmen des Landtages für die Entlassung des Regierungsmitgliedes erforderlich ist.Die Verfassung lässt offen, wie die geforderte einvernehmliche Entscheidung von Landesfürst und Landtag über den Amtsverlust des betroffenen Regierungsmitgliedes zustande kommt. Eine einvernehmliche Entscheidung der beiden Staatsorgane liegt wohl vor, wenn im Szenario 1 der Landesfürst mit einem nach aussen gerichteten „Erlass“ dem Landtagsbeschluss seine Zustimmung erteilt, im Szenario 2, wenn der Landtag nach der Information über den Vertrauensverlust durch den Landesfürsten einen Beschluss fasst, dass der Entscheidung des Landesfürsten zugestimmt wird. Nicht zulässig wäre es dagegen, wenn der Landtagspräsident oder ein anderes Organ des Landtages, etwa der Landesausschuss, anstelle desselben seine Zustimmung erteilen würde. Diesen Organen kommt nämlich keine Zuständigkeit zu, ausserhalb ihrer durch die Verfassung abgesteckten Kompetenzen[39] rechtlich bindende Handlungen für den Landtag zu setzen. Es muss somit das Plenum des Landtages sein, das sein Einverständnis zum Vorschlag des Fürsten ausdrückt.Die Verfassung spricht in Art. 80 Abs. 2 LV von „einzelnen“ Regierungsmitgliedern und hält diesen die „Regierung“ gegenüber, deren Entlassung sich nach Art. 80 Abs. 1 LV bestimmt. Dies wirft die Frage auf, ob Landesfürst und Landtag nur einem einzigen Mitglied der Regierung oder auch mehreren Mitgliedern gleichzeitig (im Ex¬tremfall also vier, denn, wenn alle Mitglieder betroffen sind, handelt es sich um einen Fall nach Abs. 1) das Misstrauen aussprechen können.Die Verfassung spricht von „einzelnen“ Regierungsmitgliedern und nicht von einem einzigen oder einem Regierungsmitglied.[40] Darüber hinaus kann auch eine Interpretation nach Sinn und Zweck zu keinem anderen Ergebnis führen, als dass es Landesfürst und Landtag möglich sein muss, mehr als nur ein Regierungsmitglied im Verfahren nach Art. 80 Abs. 2 LV aus ihrem Amt zu entfernen. Zum einen wäre es absurd, wenn die Verfassung ein Verfahren zur Entlassung der gesamten Regierung oder eines Regierungsmitgliedes, nicht aber mehrerer zur Verfügung stellen würde, zum anderen kann der Verfassung keine Vorschrift entnommen werden, wonach es Landesfürst und Landtag nicht möglich sein soll, in zeitlich kurzer Folge einzelne Regierungsmitglieder abzuberufen. Dies würde es der Landtagsmehrheit auch ermöglichen, einen Koalitionswechsel umzusetzen.Auf diese Weise ist es verfassungsrechtlich sogar zulässig, innerhalb eines mehr oder weniger kurzen Zeitraumes die gesamte Regierung aus ihrem Amt zu entfernen.Verfassungsrechtlich wäre es für beide Staatsorgane hürdenreicher, diesen Weg zu gehen, da das Verfahren gemäss Art. 80 Abs. 2 LV – die staatspolitisch grundsätzlich weniger problematische Entfernung einzelner Regierungsmitglieder – das Einvernehmen zwischen Landesfürst und Landtag erfordert, während es im Verfahren nach Art. 80 Abs. 1 LV den beiden Staatsorganen möglich ist, jeweils ohne die Zustimmung des anderen Organes, die gesamte Regierung abzuberufen.[41]IV. Übergangsregierung und Fortführung der AmtsgeschäfteA. ÜbergangsregierungGemäss Art. 80 Abs. 1 zweiter Satz LV bestellt der Landesfürst im Falle des Vertrauensverlustes der Regierung „bis zum Antritt der neuen Regierung“ eine Übergangsregierung zur interimistischen Besorgung der gesamten Landesverwaltung. Die für die Beendigung der Legislaturperiode geltende Regelung des Art. 79 Abs. 6 LV, wonach die bisherige Regierung bis zur Ernennung einer neuen Regierung die Amtsgeschäfte weiterführt, gelangt nicht zur Anwendung.[42]Diese mit der Verfassungsrevision 2003 eingeführte Regelung ermöglicht es dem Landesfürsten, eine im Verfahren nach Art. 79 Abs. 2 LV kreierte Regierung aus dem Amt zu entfernen und eine ausschliesslich nach seiner Präferenz zusammengesetzte Übergangsregierung an deren Stelle zu setzen.[43] Zu Recht war diese Machtverschiebung zugunsten des Landesfürsten in der Verfassungsrevision von 2003 besonders umstritten.[44]Die Problematik der fehlenden demokratischen Legitimation der Übergangsregierung wird dadurch verschärft, dass sie ihrerseits nicht dem Misstrauensvotum des Landtages unterliegt, sondern sich (erst) vor Ablauf von vier Monaten im Landtag einer Vertrauensabstimmung zu stellen hat. Alternativ ist es allerdings möglich, dass Landesfürst und Landtag im Verfahren nach Art. 79 Abs. 2 LV eine neue Regierung ernennen.Der Landesfürst selbst kann innerhalb von vier Monaten die von ihm ernannte Übergangsregierung nicht abändern. Der Landtag seinerseits kann lediglich der gesamten Übergangsregierung das Vertrauen entziehen. Art. 80 Abs. 1 vierter Satz LV ist als Spezialnorm zu interpretieren.Art. 80 Abs. 1 LV spricht nicht ausdrücklich an, was zu geschehen hat, wenn die vom Landesfürsten eingesetzte Übergangsregierung in der Vertrauensabstimmung scheitert. Nach der ratio legis ist damit der Amtsverlust der Übergangsregierung verbunden, eine neuerliche Übergangsregierung ist mangels expliziter Anordnung der Verfassung nicht möglich. Vielmehr gelangt abermals das Verfahren nach Art. 79 Abs. 2 LV zur Anwendung, in welchem die Bestellung einer neuen Regierung wiederum vom Konsens zwischen Landtag und Landesfürst abhängig ist. In dieser Zeit verfügt das Land über keine Regierung, die vom Landesfürsten zwangsläufig durch Notverordnung substituiert werden muss,[45] was schliesslich die Auflösung des Landtages und Neuwahlen provoziert.[46] Will der Landtag eine solche Situation vermeiden, ist er praktisch genötigt, der vom Landesfürsten eingesetzten Regierung das Vertrauen auszusprechen.[47]Hat die vom Landesfürsten eingesetzte Übergangsregierung die Vertrauensabstimmung bestanden, bleibt sie maximal bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt. Dem Landtag ist es unbenommen, ihr zu einem früheren Zeitpunkt das Vertrauen zu entziehen. Spätestens mit dem Zusammentritt des neuen Landtages ist gemäss Art. 79 Abs. 6 LV eine neue Regierung zu bestellen, wobei die Übergangsregierung solange in ihrem Amt verbleibt, bis sich Landtag und Landesfürst im Verfahren des Art. 79 Abs. 2 LV auf eine neue Regierung einigen.[48]Dem Art. 80 Abs. 1 LV ist zu entnehmen, dass die Übergangsregierung lediglich bis zum Antritt der neuen Regierung in Funktion bleiben soll. Insbesondere aus Art. 80 Abs. 1 letzter Satz geht hervor, dass mit der Bestellung der neuen Regierung auf Vorschlag des Landtages durch den Landesfürsten die Übergangsregierung eo ipso ihre Funktion verliert. Auf diese neue Regierung ist nach herrschender Meinung Art. 79 Abs. 6 LV anzuwenden, das bedeutet, dass sie auf grundsätzlich vier Jahre bestellt wird und damit das Ende ihrer Funktionsdauer nicht (mehr) mit dem Ende der Legislaturperiode des Landtages zusammenfällt.[49] Ein unzweckmässiges Überschneiden von Funktionsperiode der Regierung und Legislaturperiode des Landtages wird im Ergebnis nur durch den Rücktritt der „neuen“ Regierung nach Ende der Legislaturperiode des Landtages vermieden.B. BestellungsvoraussetzungenArt. 80 Abs. 1 zweiter Satz LV verweist hinsichtlich der Bestellung der Übergangsregierung auf die Bestimmungen des Art. 79 Abs. 1 und 4 LV. Es gelten somit die für die Bestellung der Regierung allgemein massgeblichen Bestimmungen, dass die Regierung aus fünf Mitgliedern zu bestehen hat (Art. 79 Abs. 1 LV) und hinsichtlich der Wählbarkeit der Regierungsmitglieder, dass diese Liechtensteiner und in den Landtag wählbar sein müssen (Art. 79 Abs. 4 LV).Keine Rücksicht muss hingegen auf die Vertretung der beiden Landschaften (Art. 79 Abs. 5 LV) genommen werden.Gemäss Art. 80 Abs. 1 dritter Satz LV kann der Landesfürst auch Mitglieder der alten Regierung in die Übergangsregierung berufen. Dies ermöglicht es dem Landesfürsten, eine Regierung, welcher vom Landtag das Misstrauen ausgesprochen wurde, bis zur Vertrauensabstimmung oder der Ernennung einer neuen Regierung, gänzlich oder nur teilweise personell verändert, im Amt zu belassen. An dieser Regelung wurde im Vorfeld der Verfassungsrevision 2003 kritisiert, dass es dem Landesfürsten dadurch politisch erleichtert werde, die schärfste Waffe, nämlich den Vertrauensentzug gegenüber der Gesamtregierung, in Anspruch zu nehmen.[50] Verfassungsrechtlich könnte, was freilich praktisch kaum denkbar wäre, die Übergangsregierung mit der aus ihrem Amt entfernten Regierung personell sogar identisch sein.C. Fortführung der AmtsgeschäfteIm Falle des Vertrauensverlustes einzelner Regierungsmitglieder trifft Art. 80 Abs. 2 zweiter Satz LV die Anordnung, dass bis zur Ernennung des neuen Regierungsmitgliedes der Stellvertreter die Amtsgeschäfte fortzuführen hat.[51] Das neue Regierungsmitglied ist durch Ergänzungswahl des Landtages zu berufen und bedarf der Zustimmung des Landesfürsten.[52]Die Materialien führen dazu aus, dass der „Stellvertreter“ des bisherigen Regierungsmitgliedes das im „Ressortplan bezeichnete Regierungsmitglied“ sein soll.[53] Damit ist nicht das stellvertretende Regierungsmitglied gemäss Art. 79 Abs. 2 LV gemeint, sondern der in der gemäss Art. 91 LV zu erlassenden Geschäftsverteilung erwähnte Stellvertreter.[54] Diese Geschäftsverteilung bildete nach früherer Bezeichnung den „Ressortplan“.[55] Dieses Ergebnis ist allerdings unzweckmässig: Es führt dazu, dass die Regierung nicht mehr vollzählig ist, letztlich sogar handlungsunfähig werden kann, wenn weitere Regierungsmitglieder ihres Amtes enthoben werden und sich über die Ernennung eines neuen Regierungsmitgliedes kein Einvernehmen zwischen Landtag und Landesfürst erzielen lässt.Schiess Rütimann geht davon aus, dass als Stellvertreter nach der Amtsenthebung eines einzelnen Regierungsmitgliedes das stellvertretende Regierungsmitglied gemäss Art. 79 Abs. 2 LV berufen wird.[56] Man wird unterscheiden müssen: In den Regierungssitzungen gelangt die Stellvertretungsregelung des Art. 79 Abs. 2 LV zum Tragen, gegebenenfalls auch jene nach Art. 79 Abs. 3 LV (Stellvertretung des Regierungschefs). Ausserhalb der Regierungssitzungen, dies betrifft die tägliche politische Arbeit, greift die Stellvertretung entsprechend der Geschäftsverteilung gemäss Art. 91 LV.[57]
Zu einem gültigen Beschluss der Kollegialregierung ist die Anwesenheit von wenigstens vier Mitgliedern und die Stimmenmehrheit unter den anwesenden Mitgliedern erforderlich. Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende. Es besteht Stimmzwang. For a decision of the collegial Government to be valid, at least four Ministers must be present and a majority of the Ministers present must vote in favour. In the event of a tie, the chairman shall have the casting vote. Voting shall be compulsory. Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteArt. 81 LV befasst sich mit der für die Entscheidungsfindung in der Regierung überaus wichtigen Frage, wie Beschlüsse der Regierung zustande kommen. Angesichts der Tatsache, dass die Verfassung die Zusammensetzung der Regierung detailliert regelt (Art. 79 LV), überrascht es, dass Regelungen über die Beschlussfassung erst 1965[1] in die Verfassung aufgenommen wurden.[2] Bis zu diesem Zeitpunkt regelte der Art. 81 LV die Bezüge der Regierungsmitglieder. Allerdings war die Beschlussfassung durch Mehrheitsprinzip bereits von Beginn an ständige Praxis.[3]Auch die Verfassungen Österreichs und der Schweiz enthalten nur rudimentäre Vorschriften zur Beschlussfassung in der Regierung: Art. 69 Abs. 3 B-VG regelt lediglich die Mindestanwesenheit für die Beschlussfassung, ein Konsensquorum ist bis heute nicht im B-VG geregelt.[4] In der Schweiz bestimmt Art. 177 Abs. 1 BV, dass der Bundesrat als Kollegium entscheidet. Die Beschlussfähigkeit und das Konsensquorum werden im Art. 19 des schweizerischen RVOG geregelt.[5]Bemerkenswerterweise waren im Entwurf Wilhelm Becks in Art. 63 Abs. 2 bis 4 Regelungen über das Zusammentreten der Regierung sowie das Mehrheitserfordernis enthalten. Die Regierungsvorlage Josef Peers sowie der Landtag griffen diesen Vorschlag nicht auf, sondern sahen in Art. 81 LV vor, dass mit Ausnahme des Regierungschefs den Mitgliedern der Regierung keine festen Bezüge gebühren und diese für ihre amtlichen Funktionen Taggelder und Reisekostenentschädigungen in gleicher Höhe wie die Landtagsabgeordneten erhalten sollten.[6]Art. 81 LV wurde im Jahre 1938 nochmals geändert und erlaubte nun auch eine Bezahlung eines allfällig ständig amtierenden Regierungschef-Stellvertreters.[7]Der Bericht der Verfassungskommission vom 15. Januar 1965 zur Abänderung der Verfassung begründete die Beseitigung des bisherigen Art. 81 LV damit, dass Bestimmungen über die Bezüge der Regierungsmitglieder „nicht in die Verfassung (gehören)“[8] und durch Landtagsbeschluss festzusetzen oder in einem einfachen Gesetz zu regeln seien.[9]Die neue Regelung über die Beschlussfähigkeit der Kollegialregierung wurde dagegen nicht näher erläutert.Art. 81 LV ist seither unverändert geblieben. Die Bestimmung regelt zwar lediglich die Beschlussfassungserfordernisse, geht damit aber offenkundig davon aus, dass die Regierung zu Sitzungen zusammentritt.II. Die Beschlussfassung in der KollegialregierungA. Der Begriff des „Beschlusses“Art. 81 LV setzt den Begriff des „Beschlusses“ voraus, ohne ihn zu präzisieren. Dies gilt auch für die einfachgesetzliche Rechtslage: Das RVOG erwähnt an verschiedenen Stellen den Begriff des „Beschlusses“ oder des „Regierungsbeschlusses“, ohne zu erläutern, was darunter zu verstehen ist.[10]Die Verfassungsänderung des Jahres 1965 knüpfte bei ihrer erstmaligen Regelung über die Beschlussfassungserfordernisse in der Kollegialregierung an bestimmte, auf Gewohnheit beruhende Formen der Entscheidungsfindung an. Zu diesem Zeitpunkt gab es auch auf gesetzlicher Stufe keine Rechtsvorschriften, die sich mit der Beschlussfassung der Kollegialregierung auseinandersetzten.[11] Die Entscheidungsfindung bestand darin, dass über Beratungsgegenstände einer Tagesordnung mittels Regierungsbeschluss entschieden wurde.Ein Beschluss ist somit die Entscheidung über einen Beratungsgegenstand. Diese Entscheidung ist von der äusseren Form, in die sie gekleidet sein kann (z.B. als individuelle Verfügung[12] oder generelle Verordnung), zu unterscheiden. Dies bedeutet auch, dass der Beschluss nicht auf der Stelle rechtswirksam ist, sondern erst, wenn alle Voraussetzungen, welche die Rechtsordnung für das Zustandekommen einer Entscheidung aufstellt (Zustellung an die Parteien, Kundmachung im Landesgesetzblatt oder Amtsblatt), erfüllt sind. Zur Umsetzung der Beschlüsse der Kollegialregierung ist der Regierungschef zuständig (Art. 90 Abs. 3 erster Satz LV). Ist der Regierungschef von der Rechtswidrigkeit eines Beschlusses überzeugt, kann er den Vollzug sogar aussetzen, muss aber Anzeige an den Verwaltungsgerichtshof erstatten, welcher dann über den Vollzug entscheidet.[13]B. AnwesenheitsquorumArt. 81 LV verlangt für das Zustandekommen eines Beschlusses die Anwesenheit von mindestens vier der fünf Regierungsmitglieder. Der Umstand, dass eine Vertretung durch einen Stellvertreter erfolgt, spielt keine Rolle. Auf der Grundlage des Art. 81 LV wäre die Regierung selbst dann beschlussfähig, wenn insgesamt nur vier Stellvertreter anwesend wären. Allerdings ergibt sich aus Art. 88 LV, wonach bei Verhinderung des Regierungschefs der Regierungschef-Stellvertreter in diese Funktionen, bzw. bei dessen Verhinderung der an Jahren älteste Regierungsrat, eintritt, dass zumindest ein ordentliches Regierungsmitglied bei Regierungssitzungen anwesend sein muss.[14]Die Verfassung des Jahres 1921, die, wie dargestellt, noch keine Regelungen über die Beschlussfassung kannte, ging wie die Verfassungsänderung des Jahres 1965 zweifellos von der physischen Anwesenheit der Regierungsmitglieder aus. Die Verordnung über die Geschäftsordnung der Regierung vom 8. Februar 1994 (GOR)[15] regelt diese Frage nicht ausdrücklich, scheint aber ebenfalls von einer physischen Anwesenheit der Regierungsmitglieder auszugehen. Dies bedeutet, dass die Zuschaltung eines Regierungsmitgliedes via Video-, Telefon- oder Skype-Konferenz dieses nicht zu einem anwesenden Regierungsmitglied macht. Die Frage ist allerdings, ob dies bereits durch die Verfassung ausgeschlossen wird.In der Schweiz werden – ohne gesetzliche Grundlage und verfassungsrechtliche Klarstellung – schriftliche Fax- oder Telefonkonferenzen, ja sogar „virtuelle Sitzungen“ für zulässig erachtet.[16] In Österreich vertritt die Lehre die Auffassung, dass nur körperlich anwesende Bundesminister in die Berechnung des Anwesenheitsquorums nach Art. 69 Abs. 3 B-VG einzubeziehen sind.[17]Wie schon hinsichtlich der Landtagsabgeordneten erwähnt,[18] wird es allerdings zulässig sein, dass Regierungsmitglieder kurzfristig die Sitzung verlassen, bei der Beschlussfassung müssen sie allerdings physisch anwesend sein. Es besteht keine Veranlassung, hier eine Differenzierung zwischen Landtagsabgeordneten und Regierungsmitgliedern vorzunehmen.Zur Frage, ob Beschlüsse auch ausserhalb einer Sitzung der Kollegialregierung, im Umlaufwege, zustande kommen können, siehe die Ausführungen unter Kapitel III.D.Nachdem die Verfassung durch die Stellvertretungsregelungen besonderen Wert darauf legt, eine physische Anwesenheit von Regierungsmitgliedern in der Sitzung herzustellen, ist davon auszugehen, dass sie einer Stimmrechtsübertragung, wie dies etwa in Österreich unter bestimmten Voraussetzungen gemäss Art. 73 Abs. 3 B-VG möglich ist,[19] entgegensteht.C. Konsensquorum und StimmzwangArt. 81 LV verlangt für das Zustandekommen eines Beschlusses eine Stimmenmehrheit, also im Regelfall drei von fünf Stimmen. Im Fall der Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden, also des Regierungschefs, den Ausschlag.[20] Dies unterstreicht die prominente Stellung des Regierungschefs in der Kollegialregierung.Die Verfassung geht von einer einfachen Stimmenmehrheit aus. Hätte sie eine andere (etwa das Erfordernis einer Zwei-Drittel-Mehrheit) gewollt, hätte sie das explizit angeordnet. Daraus ist abzuleiten, dass unterhalb der Verfassung stehende Rechtsvorschriften für bestimmte Entscheidungen kein anderes Stimmenverhältnis oder etwa gar Einstimmigkeit anordnen dürfen.Ist der Regierungschef in der Sitzung der Kollegialregierung durch seinen Stellvertreter repräsentiert, wird nicht dieser zum Vorsitzenden, sondern diese Funktion geht an den nach der Geschäftsverteilung der Regierung vorgesehenen Regierungschef-Stellvertreter über.Die Verfassung ordnet in Art. 81 letzter Satz LV Stimmzwang an. Daraus ergibt sich nicht nur die Anwesenheitspflicht der Regierungsmitglieder, sondern auch, dass Stimmenthaltung unzulässig ist. Ein Regierungsmitglied, das sich dennoch der Stimmabgabe entzieht, stimmt daher, wie dies auch bei der Stimmenthaltung eines Abgeordneten im Landtag der Fall ist,[21] gegen den gestellten Antrag.[22]Ein Regierungsmitglied wird sich in aller Regel auch nicht unter Berufung auf die Gewissensfreiheit (Art. 37 LV) einer ihm unangenehmen Abstimmung unterziehen können. Der „Wesensgehalt“ der Gewissensfreiheit als absolute Schranke eines möglichen Eingriffs[23] dürfte in solchen Fällen kaum zum Tragen kommen.III. Die Sitzungen der KollegialregierungA. AllgemeinesArt. 81 LV impliziert, dass sich die Kollegialregierung zu förmlichen Sitzungen trifft. Sonst würde die Regelung über das Anwesenheitserfordernis von vier Regierungsmitgliedern keinen Sinn machen. Über die näheren Umstände trifft die Verfassung keine Regelung. Aus dem Umstand, dass gemäss Art. 1 Abs. 2 LV Vaduz der Sitz der Regierung ist, ist abzuleiten, dass die Willensbildung der Regierung auf dem Gebiet der Gemeinde Vaduz stattfindet.[24] Die Sitzungen der Regierung müssen daher, den Notstandsfall gemäss Art. 10 Abs. 2 LV ausgenommen, in Vaduz stattfinden.[25]Die Sitzungskadenzen und die Dauer der Sitzungen werden nicht von der Verfassung vorgegeben, sondern werden von der GOR geregelt.[26] In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Tradition wöchentlicher, am Dienstag stattfindender Regierungssitzungen entwickelt,[27] die in Art. 14 Abs. 1 GOR festgeschrieben wurde. Längere Unterbrechungen können während des Sommers eintreten. Sie werden von der Kollegialregierung festgelegt (Art. 14 Abs. 1 GOR).[28]Die Verfassung verlangt aber wohl, dass die Kollegialregierung jedenfalls so rechtzeitig zusammentritt, dass kein unnötiger Verzug in einer Sache entsteht. Es obliegt in diesen Fällen gemäss Art. 14 Abs. 2 GOR der Verantwortung des Regierungschefs, eine zeitgerechte Befassung der Regierung mit dringlichen Angelegenheiten herbeizuführen. Allerdings kann eine solche ausserordentliche Regierungssitzung auch von zwei Regierungsmitgliedern verlangt werden.[29]Mit der Funktion des Vorsitzenden in der Kollegialregierung verbindet die Verfassung, dass es der Regierungschef ist, der zu den Regierungssitzungen einlädt. Art. 10 Abs. 1 GOR bestimmt denn auch, dass der Regierungschef die Regierungsmitglieder zur Sitzung einlädt.Die Geschäftsordnung trifft keine explizite Regelung, welche Fristen für die Einladung zu wahren sind. Traktandenschluss ist allerdings gemäss Art. 6 Abs. 2 GOR Freitag, 10.00 Uhr, sodass man davon auszugehen haben wird, dass die Einladung mit der Tagesordnung (Traktandenliste) nach diesem Zeitpunkt versendet wird.[30]Die Sitzungen der Kollegialregierung sind nicht öffentlich (Art. 18 Abs. 1 erster Satz GOR). Einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Teilnahme an den Regierungssitzungen geniessen somit lediglich die Regierungsmitglieder und gemäss Art. 90 Abs. 2 LV der Regierungssekretär. Die Geschäftsordnung kann jedoch zweifellos bestimmen, welche weiteren Personen als Auskunftspersonen beigezogen werden können.Die GOR sieht jedoch nicht nur Nichtöffentlichkeit, sondern sogar Vertraulichkeit der Regierungssitzungen vor (Art. 18). Alle Teilnehmer haben über die ihnen mit der Beratung und Beschlussfassung bekannt gewordenen Angelegenheiten unter Vorbehalt von Art. 26a (Information der Öffentlichkeit) Stillschweigen zu wahren. Diese Regelungen über die Vertraulichkeit können als Teil der Organisationsautonomie der Regierung betrachtet werden.In diesem Sinne bestimmt sie, dass die Regierung Staatsangestellte und verwaltungsexterne Personen zur Beratung in die Regierungssitzung vorladen kann (Art. 19 GOR).[31] Die Protokollführung obliegt dem Regierungssekretär (Art. 90 Abs. 2 LV; Art. 22 Abs. 1 GOR).[32] In der Praxis handelt es sich um ein Beschlussprotokoll,[33] das den Vorgaben des Art. 22 GOR zu entsprechen hat.Aus dem Umstand, dass Art. 85 Abs. 1 erster Satz LV den Regierungschef zum Vorsitzenden der Regierung bestimmt und ihm in Art. 86 LV aufträgt, dem Landesfürsten „Vortrag zu halten“, also aus der Regierungssitzung zu berichten, ist wohl auch abzuleiten, dass der Landesfürst kein Recht zur Teilnahme an der Regierungssitzung hat,[34] ganz abgesehen davon, dass dadurch auch das System der Gewaltenteilung und -balance zwischen den Staatsorganen Landesfürst und Regierung gestört würde.B. Erstellung der TraktandenlisteDie Beschlussfassung in der Kollegialregierung setzt voraus, dass eine Tagesordnung existiert, über deren Beratungspunkte Beschlüsse zu fassen sind. Art. 11 Abs. 1 GOR bestimmt daher, dass gleichzeitig mit der Einladung zur Regierungssitzung eine Traktandenliste zugestellt wird.[35]Gemäss Art. 6 Abs. 1 GOR hat jedes Regierungsmitglied das Recht, einen in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden Beratungsgegenstand auf die Traktandenliste für die Regierungssitzung zu setzen. Dies bedeutet aber auch, dass ein nicht zuständiges Regierungsmitglied seinerseits nicht die Aufnahme eines solchen Tagesordnungspunktes erzwingen kann.Der Regierungschef als Vorsitzender hat keine rechtliche Befugnis, die Aufnahme eines vom zuständigen Regierungsmitglied beantragten Traktandums zu verweigern. Tut er dies dennoch, ohne dass er mit dem zuständigen Regierungsmitglied das Einvernehmen herstellt, könnte er allenfalls vom Landtag durch ein Misstrauensvotum politisch verantwortlich gemacht werden oder vom Staatsgerichtshof auf Anklage des Landtages rechtlich verantwortlich gemacht werden.C. Die Behandlung von TraktandenMit der Aufnahme von Beratungsgegenständen in eine Tagesordnung ist verbunden, dass über sie entschieden wird. Dies meint Art. 81 LV, wenn vom Zustandekommen eines gültigen Beschlusses die Rede ist.Für das Zustandekommen eines Beschlusses ist ein entsprechender Antrag erforderlich. Art. 5 GOR spricht daher auch von „Regierungsanträgen“. Gemäss Art. 5 Abs. 2 GOR entscheidet das zuständige Regierungsmitglied, ob ein Antrag auf die Traktandenliste für die nächste Regierungssitzung gesetzt werden soll.Die Kollegialregierung kann daraufhin mit einfacher Mehrheit (Art. 81 LV) den Antrag annehmen oder ablehnen. Auch wenn dies nicht explizit geregelt ist, wird man davon ausgehen können, dass der Antrag des zuständigen Regierungsmitgliedes auch abgeändert oder vertagt werden kann. Man wird dem Regierungsmitglied auch die Möglichkeit einräumen müssen, einen gestellten Antrag, wenn es erkennt, dass keine Mehrheit zu erreichen ist, wieder zurückzuziehen.Den Abstimmungsmodus regelt Art. 16 GOR näher. Die Abstimmung erfolgt demnach in der Regel durch Umfrage des Vorsitzenden.[36] Wird eine namentliche Abstimmung verlangt, gibt zuerst das zuständige Regierungsmitglied seine Stimme ab, danach die übrigen Regierungsmitglieder nach dem Lebensalter (die älteren vor den jüngeren) und schliesslich der Vorsitzende.[37]Die Verfassung regelt auch nicht, in welchen Fällen sich ein Regierungsmitglied wegen Ausschluss- oder Befangenheitsgründen nicht an der Abstimmung beteiligen darf. In behördlichen Entscheidungen gelten die Bestimmungen der Art. 6 ff. LVG, die Art. 17 GOR im Wesentlichen für alle Beratungsgegenstände übernimmt.[38]Fasst die Regierung einen Beschluss, sei dies auf Annahme oder Ablehnung des gestellten Antrags, so ist damit die Frage nach den Rechtswirkungen verbunden. Eine Entscheidung in einer individuellen, hoheitlichen Verwaltungsangelegenheit erzeugt Rechtswirkungen erst mit der Zustellung der Entscheidung (Art. 84 Abs. 3 LVG).[39] Ein aussenpolitischer Akt wird völkerrechtlich erst mit der Bekanntgabe nach aussen verbindlich.[40]Dasselbe gilt letztlich auch für privatrechtliche Rechtsgeschäfte. Die Entscheidung der Regierung betrifft lediglich die interne Willensbildung.[41]Dies lässt die Annahme zu, dass Regierungsbeschlüsse unter dem Blickwinkel der Verfassung von der Regierung auch wieder aufgehoben oder abgeändert werden können, solange sie noch keine Rechtswirkung entfaltet haben. Sind die Rechtswirkungen aber einmal eingetreten, kann die Regierung nur danach trachten, durch einen neuen Beschluss die Rechtsfolgen aus der Welt zu schaffen (z.B. von einem Vertrag zurückzutreten). Dabei ist sie mitunter mit dem Problem konfrontiert, dass die individuelle behördliche Entscheidung bereits in Rechtskraft erwachsen ist, in welche sie lediglich entsprechend den Bestimmungen der Art. 104 bis 106 LVG oder anderer Rechtsvorschriften eingreifen kann.Abgesehen von diesen Erwägungen besteht keine Bindungswirkung der Regierung an ihre eigenen Entscheidungen.Denkbar sind im Übrigen auch Beratungsgegenstände der Traktandenliste, die keine förmliche Beschlussfassung nach sich ziehen. Informationen des Regierungschefs oder anderer Regierungsmitglieder über aktuelle Vorhaben, über aussenpolitische Ereignisse, Positionierungen oder Besprechungen mit dem Landesfürsten bedürfen keiner förmlichen Beschlussfassung.D. ZirkularbeschlüsseArt. 21 Abs. 1 GOR erlaubt die Fassung von Zirkularbeschlüssen in der Zeit zwischen zwei Regierungssitzungen in ausserordentlichen Fällen. Zirkularbeschlüsse sind nur zulässig, wenn eine Entscheidung nicht bis zur nächsten Regierungssitzung aufgeschoben werden kann.[42]Der Umstand, dass Art. 21 Abs. 1 GOR die Fassung von Beschlüssen der Kollegialregierung ausserhalb von Sitzungen erlaubt, wirft die Frage nach der Verfassungskonformität der Regelung auf.In historischer Sicht enthielt, wie dargelegt, die Verfassung von 1921 gar keine Regelungen über das Zustandekommen von Regierungsbeschlüssen. Da bis zu diesem Zeitpunkt die Regierung des Landes vom Landesverweser als dem vom Landesfürsten bestimmten Stellvertreter gebildet worden war, hatte sich damals die Frage, wie Beschlüsse der Regierung zustande kamen, auch nicht gestellt. Aus dem Umstand, dass die Verfassung von 1921 keine Regelungen über die Beschlussfassung enthielt, wird man daher auch nicht annehmen können, dass sie die Fassung von Zirkularbeschlüssen verboten hatte.Es bleibt demnach zu prüfen, ob die Verfassungsänderung von 1965 intendierte, die Fassung von Zirkularbeschlüssen zu verunmöglichen. Weder die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung des Art. 81 LV in Kraft gestandene Verordnung vom 4. Oktober 1962 über den Geschäftsgang in der Regierung[43] noch die Geschäftsordnung der Fürstlichen Regierung vom 12. Juli 1965[44] sahen indessen die Fassung von Beschlüssen im Umlaufwege vor.[45] Dies wurde erstmals mit Art. 21 GOR ermöglicht. Freilich handelte es sich dabei lediglich um die Festschreibung einer damals bereits bestehenden Praxis.[46]Sowohl in Österreich als auch der Schweiz besteht die Praxis solcher, weder im B-VG noch in der BV geregelten, Beschlussfassungen im Dringlichkeitsfall, wobei die Frage der Verfassungskonformität in Österreich bezweifelt wird.[47]Insgesamt sprechen die wohl überwiegenden Gründe für die Zulässigkeit von Zirkularbeschlüssen. Allerdings wird man davon ausgehen müssen, dass die Fassung von Zirkularbeschlüssen, weil die Verfassung grundsätzlich eine physische Anwesenheit der Regierungsmitglieder verlangt, auf Ausnahmefälle beschränkt sein muss. Verfassungsrechtlich spricht im Übrigen auch nichts gegen die elektronische Unterfertigung solcher verfassungskonform zustande gekommener Beschlüsse.E. Zusammenkünfte der Kollegialregierung ausserhalb von SitzungenDie Kollegialregierung kann auch ausserhalb förmlicher Regierungssitzungen zusammentreten, etwa bei sogenannten Regierungsexkursionen. Dabei werden allerdings keine Beschlüsse gefasst. Beschlussfassungen ausserhalb von Vaduz wären allerdings schon aus den oben dargelegten Gründen (siehe Kapitel III.A.) unzulässig.IV. Die Veröffentlichung der Beschlüsse der KollegialregierungGemäss Art. 24 Abs. 1 GOR hat der Regierungssekretär mit der Abfassung des Protokolls für die Ausfertigung der Regierungsbeschlüsse zu sorgen. Der Vollzug der Beschlüsse obliegt dem Regierungschef gemäss Art. 90 Abs. 3 erster Satz LV.Das weitere rechtliche Schicksal des Regierungsbeschlusses hängt davon ab, um welchen Akt es sich handelt: Verordnungen sind im Landesgesetzblatt kundzumachen, Gesetzesvorschläge dem Landtag vorzulegen, individuelle Hoheitsakte in Verfügungsform zuzustellen und privatrechtliche Rechtsgeschäfte in Form von Verträgen udgl. auszufertigen.[48]Spezifische Regelungen, in welcher Form Regierungsbeschlüsse zu veröffentlichen sind, gibt es darüber hinaus nicht. Auch das Informationsgesetz[49] enthält keine spezifischen Bestimmungen. Die Bekanntgabe etwa des Abstimmungsverhaltens von Regierungsmitgliedern ist durch Art. 18 GOR ausgeschlossen.[50]
Im Wege der Gesetzgebung wird bestimmt, aus welchen Gründen ein Mitglied der Regierung von der Vornahme einer Amtshandlung ausgeschlossen ist oder abgelehnt werden kann. The grounds on which a Minister shall be excluded from the performance of an official act or may be debarred therefrom shall be determined by way of legislation. Entstehung und MaterialienLiteraturI. Allgemeine Bemerkungen und EntstehungsgeschichteRegelungen über den „Ausstand“[1] von Regierungsmitgliedern kamen in der Verfassungsdiskussion vor 1921 im Grunde nicht zur Sprache. § 82 der Regierungsvorlage Josef Peers bestimmte, dass das Amt eines Mitgliedes der Regierung mit der berufsmässigen Führung von Parteienvertretungen nicht vereinbar sein sollte, was keine klassische „Ausstandsregelung“ (siehe dazu näher Kapitel II.A.) darstellte.Möglicherweise war die Regelung gegen Peers Antipoden, den Anführer der Volkspartei Wilhelm Beck, gemünzt, der als Rechtsanwalt tätig war. Dessen Entwurf hatte keine vergleichbare Regelung vorgesehen.Die Verfassungskommission fügte § 82 der Regierungsvorlage einen weiteren Absatz hinzu, der wie folgt lautete:[2] „Ein Staatsangestellter, der das Amt eines Regierungsrates oder Stellvertreters eines solchen annimmt, ist für die Dauer dieses Amtes unter Einstellung seiner Bezüge zu beurlauben.“Erst in den weiteren Landtagsberatungen erhielt der nunmehrige Art. 82 seine heute geltende Fassung. Die Motive der Änderung lassen sich nicht mehr eruieren. Im Schreiben von Regierungschef Ospelt vom 10. September 1921 an den Landesfürsten über die im Landtag vorgenommenen Änderungen der Verfassung wird lediglich der Wortlaut des Beschlusses, deckungsgleich mit der noch heute geltenden Norm, ohne weitere Erläuterungen wiedergegeben.[3]Die Begriffe des „Ausschlusses“ oder der „Ablehnung“ von Amtsorganen waren dem liechtensteinischen Prozessrecht zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt,[4] vor allem aber wurden sie in dem damals noch in Ausarbeitung befindlichen LVG[5] verwendet. Das Gesetz, auf welches Art. 82 LV verweist, ist das LVG,[6] denn dieses regelt, unter welchen Voraussetzungen sich Verwaltungsorgane einer amtlichen Tätigkeit enthalten müssen. II. Der Ausstand von RegierungsmitgliedernA. Abgrenzung zum UnvereinbarkeitsrechtArt. 82 LV delegiert die Regelung des Ausschlusses eines Regierungsmitgliedes von einer Amtshandlung bzw. die Möglichkeit einer Ablehnung eines befangenen Regierungsmitgliedes durch eine Partei an den Gesetzgeber.Von solchen Verfahrensregeln zu unterscheiden sind Unvereinbarkeitsbestimmungen, die festlegen, welche Funktionen von vornherein nicht miteinander vereinbar sind.[7]Eine Unvereinbarkeitsbestimmung stellt Art. 46 Abs. 4 LV[8] dar, der anordnet, dass die Mitglieder der Regierung und der Gerichte nicht gleichzeitig Mitglieder des Landtages sein können.[9] Ein Regierungsmitglied, das Mitglied des Landtages werden soll, muss daher zuvor von seiner Funktion zurücktreten, ebenso muss ein Landtagsabgeordneter, der zum Regierungsmitglied gewählt wird, vor der Annahme der Wahl auf sein Mandat verzichten.[10] Unterhalb der Verfassungsebene bestimmt Art. 4 StGHG, dass die Richter des Staatsgerichtshofes weder dem Landtag, noch der Regierung, noch den Gerichten, noch den Verwaltungsbehörden angehören dürfen. Art. 24 Abs. 2 Richterdienstgesetz bestimmt, dass Richter weder dem Landtag, noch der Regierung angehören, noch die Funktion eines Gemeindevorstehers oder eines Gemeinderates einer liechtensteinischen Gemeinde ausüben dürfen. Hinsichtlich der Mitgliedschaft im Verwaltungsgerichtshof und in der Regierung bestehen keine expliziten Regelungen, der Gewaltenteilungsgrundsatz steht indessen einer solchen doppelten Funktion entgegen.Darüber hinaus trifft Art. 5 RVOG unter dem Titel „Unvereinbarkeit“ weitergehende Regelungen und bestimmt, dass die Regierungsmitglieder weder ein anderes Amt noch einen anderen Beruf oder ein Gewerbe ausüben dürfen.[11] Sie dürfen auch nicht in Körperschaften, Anstalten und Stiftungen mitwirken, die einen Erwerb bezwecken. Damit sind etwa Mitgliedschaften in einem Verwaltungsrat eines öffentlichen Unternehmens mit der Funktion eines Regierungsmitgliedes unvereinbar.[12] Damit soll die Unabhängigkeit der Regierungsmitglieder gewahrt werden, aber wohl auch gesichert werden, dass sie sich voll auf ihre politische Aufgabe konzentrieren.[13]Den Regierungsmitgliedern ist es demgegenüber gemäss Art. 5 Abs. 2 RVOG erlaubt, Mandate in öffentlichen und gemeinnützigen Organisationen anzunehmen, die der Wahrnehmung besonderer öffentlicher Interessen von Land und Gemeinden dienen.Somit ist auf einfachgesetzlicher Ebene klargestellt, dass die Regierungsmitglieder kein anderes Amt übernehmen dürfen und neben ihrer Funktion als Regierungsmitglied lediglich im Rahmen des Art. 5 Abs. 2 RVOG tätig sein dürfen.Da diese Unvereinbarkeitsvorschriften im Gegensatz zu den Ausstandsgründen des Art. 82 LV in der Verfassung nicht ausdrücklich angesprochen werden (bzw. lediglich hinsichtlich des Landtages und der Gerichte), stellt sich die Frage der Verfassungskonformität, zumal das Verbot der Ausübung einer Tätigkeit neben der Regierungsfunktion einen Eingriff in das Grundrecht der Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 36 LV) bewirkt.[14] Ein solcher ist nach der Rechtsprechung des Staatsgerichthofes zulässig, wenn die allgemeinen Voraussetzungen für einen Grundrechtseingriff vorliegen, also eine gesetzliche Grundlage, ein öffentliches Interesse, die Erforderlichkeit und die Wahrung der Verhältnismässigkeit.[15]Alle vier Kriterien wird man angesichts der Entlohnung des Amtes und dem öffentlichen Interesse, gerade im Kleinstaat der Interessenverflechtung entgegen zu wirken und die Konzentration der Person auf die Ausübung des Regierungsamtes zu fördern, bejahen können.Der Umstand, dass die Verfassung anders als bei den Ausschluss- und Ablehnungsgründen keine explizite Grundlage vorsieht, schadet ebenfalls nicht.Wenn Art. 82 LV somit von „Ausschluss- und Ablehnungsgründen“ handelt, wird damit an verfahrensrechtliche Normen angeknüpft, wie sie für die Verwaltung in Art. 6 und 7 LVG zu finden sind. Dies wird auch dadurch gestützt, dass der II. Abschnitt des LVG, in welchem die betreffenden Normen angesiedelt sind, mit der Überschrift „Ausstand (Art. 82 und 103 der Verfassung[16])“ bezeichnet ist. Der Begriffsinhalt ist somit durch Analyse dieser Vorschriften zu ermitteln.B. Die grundrechtliche Relevanz von AusstandsregelungenAusstandsregelungen stehen in einem engen Zusammenhang mit dem durch Art. 33 Abs. 1 LV garantierten Recht auf den ordentlichen Richter.[17] Ein Gericht ist nämlich nach Lehre und Rechtsprechung nicht mehr unabhängig und korrekt zusammengesetzt, wenn ein Richter befangen ist.[18] Damit ist Art. 33 Abs. 1 LV das „grundrechtliche Dach“ (so Kley) der in Art. 82 LV grundgelegten einfachgesetzlichen Ausstandsregelungen für die Regierungsmitglieder,[19] zumal der Staatsgerichtshof die Garantie des Art. 33 Abs. 1 LV auch auf Verwaltungsbehörden bezieht.[20] Der Staatsgerichtshof setzt den Schutzinhalt des Art. 33 Abs. 1 LV im Übrigen mit jenem, der sich hinsichtlich des ordentlichen Richters aus Art. 6 Abs. 1 EMRK ergibt, gleich.[21]Hinsichtlich der näheren Inhalte des Art. 33 Abs. 1 LV wird auf die Kommentierung zu diesem Artikel verwiesen.C. Der Begriff der AmtshandlungDie Verfassung verwendet den Begriff der Amtshandlung, ohne ihn zu definieren. Der Begriff kommt ausser in Art. 82 LV noch in Art. 12 Abs. 2 LV vor, worin das Begnadigungs- oder Strafmilderungsrecht des Landesfürsten dahingehend eingeschränkt ist, dass er dieses zugunsten eines wegen seiner Amtshandlungen verurteilten Mitgliedes der Regierung nur auf Antrag des Landtages ausüben darf.Der Begriff bezeichnet seinem Wortlaut zufolge Handlungen eines Regierungsmitglieds in amtlicher Tätigkeit. Auf diese erstreckt sich auch das Untersuchungsrecht des Landtages gemäss Art. 63bis LV, sodass zu ihrer Präzisierung auch auf die zu diesem Artikel gemachten Ausführungen zurückgegriffen werden kann.[22]Grundsätzlich umfasst amtliche Tätigkeit nicht bloss Akte in konkret anhängigen behördlichen Verfahren, etwa die Erlassung von Verfügungen, oder andere hoheitliche Tätigkeit wie die Erlassung von Verordnungen, sondern auch schlichthoheitliches Verwaltungshandeln wie die Entwerfung von Strategien und Planung, Beratung von Projekten sowie Tätigkeiten in der Privatwirtschaftsverwaltung.[23]Die Amtshandlung eines Regierungsmitglieds ist von seiner privaten Tätigkeit abzugrenzen. Dies ist im modernen politischen Leben und angesichts der Verwendung moderner Kommunikationsmittel, die es leichter als früher erlauben, beispielsweise auch im Urlaub einer amtlichen Tätigkeit nachzugehen, freilich oft schwierig.[24]Keine Amtshandlungen sind Zusammenkünfte aus privatem Anlass, mögen dabei auch andere Amtspersonen zugegen sein und dabei auch Gespräche über politische Fragen geführt werden.Der in § 302 StGB verwendete, ähnlich lautende Begriff des „Amtsgeschäftes“ ist im Übrigen zur Klärung, was unter einer Amtshandlung zu verstehen ist, wenig tauglich, da sich der Missbrauch der Amtsgewalt nach dieser Bestimmung auf Handlungen bezieht, die im Rahmen hoheitlicher Tätigkeit gesetzt wurden („Vollziehung der Gesetze“).[25] Immerhin ergibt sich aus der Judikatur zur Rezeptionsgrundlage, dem § 302 öStGB, dass zu den Amtsgeschäften auch faktische Verrichtungen, also die sogenannte schlichte Hoheitsverwaltung zählt.[26]Dem Umstand, dass der Begriff der Amtshandlung in Art. 82 LV grundsätzlich weit zu verstehen ist, steht gegenüber, dass sich die einfachgesetzlichen Bestimmungen der Art. 6 LVG (Ausschluss in Verwaltungssachen) und Art. 7 LVG (Ablehnung in Verwaltungssachen) auf behördliche und damit hoheitliche Verfahren beziehen. Dazu kommt, dass sich die betreffenden Regelungen nicht unbesehen auf Verhältnisse abseits behördlicher Verfahren übertragen lassen: Es liegt ganz allgemein in der Natur der Politik, dass Regierungsmitglieder mit anderen Vertretern ihrer Partei, dem Koalitionspartner, führenden Persönlichkeiten aus der Wirtschaft und den Verbänden in ständigem, engem Kontakt sind. Für den Kleinstaat gilt dies in besonderem Masse. Freundschaften können auch mit ausländischen Politikern bestehen und im aussenpolitischen Interesse geradezu erwünscht sein. Interessenverflechtungen mögen politikwissenschaftlich kritisch zu beobachtende Phänomene sein. Es wäre jedoch lebensfremd, insbesondere im Kleinstaat an die erforderliche Unbefangenheit zu strenge Massstäbe anzulegen.Diese Tatsachen zwingen zu einer gewissen Differenzierung insbesondere hinsichtlich der Interpretation des Begriffes der Unbefangenheit (dazu näher im Folgenden Kapitel D. und E.) In diesem Sinne werden die Begriffe „zu enge Freundschaft“ oder „zu grosse Feindschaft“ grundsätzlich restriktiv, vor allem aber auf die jeweilige Situation abgestellt, zu interpretieren sein.Prinzipiell ist jedoch darauf hinzuweisen, dass, wie aus der Überschrift des II. Abschnittes des LVG hervorgeht, die Art. 6 ff. LVG als Umsetzung der Ermächtigung des Art. 82 LVG zu verstehen sind und daher im Grundsatz, wenngleich mit den erwähnten Differenzierungen, für alle Amtshandlungen gelten. D. Ausschluss von der AmtsausübungDie Art. 6 und 8 LVG differenzieren zwischen dem Ausschluss in Verwaltungssachen (Art. 6) und jenem in Verwaltungsstrafsachen. Gemäss Art. 6 Abs. 1 LVG ist der Regierungschef, ein Mitglied der Regierung oder der Verwaltungsgerichtshof oder eine sonstige Amtsperson von der Ausübung einer Amtshandlung in einer Verwaltungssache bei sonstiger Nichtigkeit (Art. 106) ausgeschlossen: a) in Sachen, in welchen sie selbst Partei sind oder in Ansehung deren sie zu einer der Parteien in dem Verhältnisse eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Rückgriffspflichtigen stehen; b) in Sachen ihrer Verlobten, ihrer Ehegatten, ihrer eingetragenen Partner, ihrer faktischen Lebenspartner oder solcher Personen, welche mit ihnen in gerader Linie verwandt oder verschwägert sind oder mit welchen sie in der Seitenlinie bis zum vierten Grade verwandt oder im zweiten Grade verschwägert sind; c) in Sachen ihrer Wahl- und Pflegeeltern, ihrer Wahl- oder Pflegekinder, ihrer Mündel oder Pflegebefohlenen; d) in Sachen, in denen sie als Bevollmächtigte, Verwalter oder Geschäftsführer einer Partei oder in ähnlicher Art bestellt waren oder noch sind; e) in Sachen, in welchen sie bei einer untergeordneten Gemeinde- oder Landesverwaltungsbehörde an der Erlassung der angefochtenen Verfügung oder Entscheidung teilgenommen haben oder als Zeuge oder Sachverständiger tätig gewesen sind; f) in Sachen einer Partei, bei der sie sich um eine Stelle beworben haben oder von der sie ein aktuelles Stellenangebot erhalten oder angenommen haben. Das Regierungsmitglied muss bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes in den Ausstand treten. Dies bedeutet, dass es nicht nur keine aussenwirksamen Akte setzen darf, also etwa eine Verfügung unterfertigen, sondern auch sonst nicht auf die inhaltliche Erledigung der Angelegenheit einwirken darf. Auch eine Befassung mit dem Akteninhalt über den Zweck der Abklärung hinaus, ob ein Ausschlussgrund vorliegt, ist unzulässig.Die Ausstandsregelung des Art. 6 Abs. 1 lit. a LVG gilt nach der Rechtsprechung nur dann, wenn das Regierungsmitglied in eigener Sache entscheidet, nicht aber bei „Handeln in eigenem Interesse“ der Regierung.[27] Gemeint ist damit, dass kein Ausschlussgrund vorliegt, wenn die Regierung in einer Angelegenheit behördlich entscheidet, in welcher das Land Liechtenstein Partei ist (denkbar sind vor allem In-frastrukturprojekte).Aus Art. 6 Abs. 2 LVG ergibt sich des Weiteren, dass keine Ausstandspflicht besteht, wenn ein Regierungsmitglied in vorbereitenden Verfahrenshandlungen, etwa im Ermittlungsverfahren, bereits aktiv war.[28]Die Regelung des Art. 8 LVG hinsichtlich Verwaltungsstrafsachen ist noch differenzierter. Unter rechtspolitischer Perspektive sollten die beiden Regelungen zusammengeführt werden. E. Ablehnung von RegierungsmitgliedernGemäss Art. 7 LVG kann eine Ablehnung in Verwaltungssachen erfolgen, wenn einer der nachstehenden Tatbestände erfüllt ist:a) wenn sie im gegebenen Falle nach dem Gesetze von der Ausübung von Amtsgeschäften in Verwaltungssachen ausgeschlossen ist;b) wenn sie selbst oder eine der im Art. 6 Bst. a bezeichneten Personen vom Ausgange der Verwaltungssache einen erheblichen Vorteil oder Nachteil zu erwarten hat;c) wenn sie selbst Mitglied einer Gesellschaft ist oder an einer juristischen Person beteiligt ist, um deren Verwaltungssache es sich handelt;d) wenn sonst ein zureichender Grund vorliegt, ihre Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen, insbesondere, wenn sich die Amtsperson mit einer der Parteien in einem Rechts- oder Verwaltungsstreite oder in zu enger Freundschaft oder zu grosser Feindschaft befindet.Die erfolgreiche Geltendmachung eines Ablehnungsgrundes setzt das Vorliegen einer behördlichen Angelegenheit voraus: Nur in einem solchen Fall verfügt die Person über Parteistellung, die es ihr ermöglicht, die Ablehnung bei Vorliegen eines entsprechenden Grundes im Instanzenzug auch durchzusetzen.Aus Art. 7 LVG resultiert jedoch nicht nur ein Recht einer Partei, sondern auch die Verpflichtung des Regierungsmitgliedes bei Vorliegen einer der in Art. 7 erwähnten Tatbestände sich der Amtsausübung zu enthalten.[29]Bemerkenswerterweise sieht das österreichische AVG, dessen Vorentwurf wie dargestellt die Rezeptionsvorlage des LVG bildete, gerade keine Ablehnungsmöglichkeit im Verwaltungsverfahren vor.[30] Die Mitwirkung eines befangenen Organs kann aber als Verfahrensmangel geltend gemacht werden.[31]Es wäre allerdings auch auf der Basis der liechtensteinischen Rechtslage widersinnig, anzunehmen, ein befangenes Organ dürfe sich ohne Pflichtenverletzung in einem Verwaltungsverfahren betätigen, solange keine Ablehnung geltend gemacht würde. Gemäss Art. 11 Abs. 3 LVG ist jede Amtsperson (also auch ein Regierungsmitglied), sobald ihr ein Ausschliessungs- oder Ablehnungsgrund oder sonstiger Verhinderungsgrund bekannt geworden ist, verpflichtet, dies dem Regierungschef, und wenn es diesen selbst betrifft, dem Regierungschef-Stellvertreter anzuzeigen. Liegt ein Auschliessungsgrund oder ein offensichtlicher Grund zur Ablehnung vor, so ist ohne Weiteres vom Regierungschef der Stellvertreter für das in Ausstand tretende Mitglied der Regierung einzuberufen (Art. 11 Abs. 4 LVG).Umgekehrt darf sich ein Regierungsmitglied einer ihm unangenehmen Entscheidung auch nicht dadurch entziehen, dass es sich für befangen erklärt und in den Ausstand tritt. Die Judikatur des Staatsgerichtshofes zum Ausstand von Richtern ist auch auf die Regierungsmitglieder anwendbar: „Weder soll sich ein Richter unter Berufung auf den Ausstand unbequemer Prozesse entschlagen können noch soll ein Gericht in seiner ordentlichen Besetzung ohne Notwendigkeit von einer Partei in den Ausstand versetzt werden können.“[32]Bei der Frage einer möglichen Befangenheit ist auf die kleinstaatlichen Verhältnisse Liechtensteins Rücksicht zu nehmen. Der Staatsgerichtshof ist in zahlreichen Entscheidungen auf die Problematik des Kleinstaates eingegangen, wenn es etwa um die Unterbringung von verschiedenen gerichtlichen Instanzen in einem Gebäude[33] oder behauptete Naheverhältnisse von Behördenorganen mit Parteien oder ihren Rechtsvertretern ging.[34] Auch der EGMR berücksichtigt in seiner Rechtsprechung die besondere Situation in Kleinstaaten, die dadurch geprägt ist, dass die in einem Verfahren tätigen Personen sich häufig kennen.[35]Ebenso begründet eine sogenannte Vorbefassung noch keine Befangenheit, also wenn beispielsweise die Regierung über den Verfahrenshilfeantrag einer Partei zu entscheiden hatte und anschliessend über die Hauptsache.[36] Dasselbe gilt für die „Mehrfachbefassung“, die vorliegt, wenn ein Behördenorgan, im Kontext des Art. 82 LV die Regierung, in verschiedenen Angelegenheiten bereits mehrfach zum Nachteil einer Verfahrenspartei entschieden hat.[37]Ist das Regierungsmitglied in der Privatwirtschaftsverwaltung tätig, so kann in aller Regel von keiner Partei ein Befangenheitsgrund geltend gemacht werden, solange kein Verfahren anhängig ist. Auch hier muss gelten, dass das Regierungsmitglied jedoch verpflichtet ist, von sich aus die Frage des Vorliegens eines möglichen Ablehnungsgrundes geltend zu machen.F. RechtsfolgenDie Verfassung äussert sich in Art. 82 LV zu den Rechtsfolgen eines Verstosses gegen die Ausschluss- und Ablehnungsregelungen nicht. Wie jedes andere Verhalten der Regierungsmitglieder in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit kann die Amtsausübung trotz Vorliegens eines Ausschluss- oder Ablehnungsgrundes Gegenstand der politischen Verantwortlichkeit sein.Ebenso kann die Frage im Rahmen der rechtlichen Verantwortlichkeit durch eine Ministeranklage vor dem Staatsgerichtshof releviert werden. Wenn das Verhalten ausserhalb eines behördlichen Verfahrens gesetzt wurde, kann dies mitunter sogar das einzige Instrument sein, mit welchem das Verhalten sanktioniert werden kann.Im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens begründet der Verstoss gegen Art. 6 LVG eine Nichtigkeit. Dies stellt allerdings keine absolute Nichtigkeit dar, sondern eine Vernichtbarkeit des betreffenden Aktes durch die Rechtsmittelinstanz. Ausserdem kann die Entscheidung nach Massgabe des Art. 106 LVG vom Verwaltungsgerichtshof für nichtig erklärt werden.Akte der Privatwirtschaftsverwaltung, an denen ein Regierungsmitglied mitgewirkt hat, das im Sinne der Art. 6 und 7 LVG hätte in den Ausstand treten müssen, ist als ein solcher zu qualifizieren, der im Sinne des § 879 Abs. 1 ABGB gegen ein gesetzliches Verbot verstösst und daher nichtig ist.