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Im Jahr 2008 starb Reina Beckers Mann. Danach musste sie jährlich Tausende Euro mehr an den Staat zahlen. Nun kämpft sie vor Gericht.
Als sie das Ergebnis sah, war ihr klar, dass etwas nicht stimmen konnte; vermutlich war sie in der Zeile verrutscht. Reina Becker tippte die Zahlen also noch einmal ein: ihr Gehalt, die Anzahl der Kinder. Enter. Wieder stand da, dass sie 7300 Euro mehr an Steuern bezahlen sollte als im vergangenen Jahr, als ihr Mann noch lebte. Vielleicht ein Systemfehler? Nein. Reina Becker wunderte sich erst über die "Ungerechtigkeiten" des Ehegattensplittings, wie sie sagt. Dann zog sie dagegen vor Gericht. Reina Becker arbeitet als Steuerberaterin im niedersächsischen Westerstede, ihr Büro ist im Haus, zehn Mitarbeiter. Alles war gut. Bis im Jahr 2006 ihr Mann starb. Becker war plötzlich allein, mit dem Steuerbüro und den Kindern, die schon mittags aus der Schule kamen, die ein warmes Essen brauchten und jemanden, der ihnen bei den Matheaufgaben hilft. Sie arbeitete also, wenn Lara und Helen schliefen. An einem solchen Abend saß die 53-Jährige ausnahmsweise einmal nicht an der Steuererklärung von Unternehmern oder Ärzten aus dem Ort, sondern an ihrer eigenen. Das war der Abend, an dem sie dachte, dass irgend etwas nicht stimmt. Plötzlich sollte sie den Spitzensteuersatz zahlen Bislang hatte ihr das Ehegattensplitting genutzt. Auf ihr Gehalt und die deutlich niedrigere Rente ihres Mannes zahlten die beiden 35 Prozent Steuern - dank des Ehegattensplittings. Als seine Rente wegfiel, sollte sie, Witwe und alleinerziehende Mutter, plötzlich 42 Prozent Steuern zahlen. Spitzensteuersatz. Für Becker stand fest: Das ist ein Unding. Nicht, weil sie es sich nicht hätte leisten können. Sondern weil sie es als ungerecht empfand. Das Ehegattensplitting gibt es seit dem Jahr 1958, seit 2013 gilt die steuerliche Regelung auch für gleichgeschlechtliche Paare. Die Partner addieren ihre Einkünfte und teilen sie durch zwei. Wenn also eine Frau 5000 Euro monatlich verdient und ihr Ehemann 2000 Euro, werden beide so besteuert, als nähme jeder von ihnen 3500 Euro ein. Das Paar gilt als Wirtschaftsgemeinschaft; mein Geld und dein Geld werden zu unserem Geld. Und das kann dann auch gleich besteuert werden, so die Theorie. "Dass Paare alles teilen, ist doch eine Fiktion", sagt Becker. Bei ihr hätten schon Frauen gesessen, die hätten nicht nur nichts von der Geliebten des Mannes gewusst, sondern auch nichts von seiner Immobilie oder der Altersvorsorge. Die Kritik: Das Ehegattensplitting unterstützt vor allem wohlhabende Paare Tatsächlich ist das Ehegattensplitting umstritten. Die Kritik: Der Staat unterstütze damit wohlhabende Ehepaare, bei denen einer von beiden deutlich weniger verdient oder gar nicht arbeitet. "Die Paare, die die Vorteile bräuchten, können es sich überhaupt nicht leisten, dass klassischerweise die Frau zu Hause bleibt", sagt Becker. Das schrieb sie dann auch in E-Mails, sie schrieb an befreundete Kollegen und fremde Anwälte. Die Antworten waren oft enttäuschend, ein achselzuckendes "Ist halt so". Aber wer Becker reden hört, der weiß, dass hier eine Frau spricht, die sich damit nicht zufrieden gibt. Schon als Jugendliche engagierte sie sich in der Schülervertretung, ihre Lehrer am Gymnasium beschrieben sie als "aufmüpfig". Ihre Diplomarbeit schrieb sie dann darüber, wie unterschiedlich Männer und Frauen entlohnt werden, auch wenn sie die gleiche Arbeit tun. Natürlich wird sich so eine Frau im Zweifel auch gegen den Staat wehren. Im Jahr 2009 klagte sie vor dem Niedersächsischen Finanzgericht. 2013 wies das Gericht ihre Klage zurück. Becker ging in Revision, sie verbrachte Abende vor dem Computer und Wochenenden über Fachzeitschriften. Sie legte mehr als 60 Seiten vor, auf denen sie das Ehegattensplitting in seiner derzeitigen Form kritisierte. Das Gericht ließ ihre Revision zu. Nun wartet sie wieder auf Antwort - diesmal vom Bundesfinanzhof in München.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nahaufnahme-diese-frau-will-das-ehegattensplitting-kippen-1.2974950
mlsum-de-301
Nach 13 Jahren Rechtsstreit ist noch immer nicht geklärt, ob der Staat dem Maut-Betreiber Toll Collect Milliarden schuldet oder umgekehrt. Jetzt explodieren die Kosten.
Seit Jahren gilt der Fall als brisantes Staatsgeheimnis. Die Bundesregierung und das Maut-Konsortium Toll Collect streiten sich nun schon seit 2004 vor einem Schiedsgericht um Milliardensummen. Der Grund: Der verpatzte Start der Lkw-Maut vor mehr als einer Dekade. Schließlich sollte die Abgabe eigentlich bereits 2003 erhoben werden. Doch das Konsortium brachte die Maut erst Anfang 2005 auf die Straße. Worüber genau vor Gericht gerungen wird, ist Verschlusssache - die Verhandlungen finden hinter verschlossenen Türen statt. Doch nun sickert durch: Die Kosten des Streits explodieren. Bislang haben die beiden Verfahren für den Bund bereits Kosten von knapp einer viertel Milliarde Euro verursacht. Das Bundesverkehrsministerium räumte gegenüber Parlamentariern nun ein, dass der Rechtsstreit dem Staat und damit den Steuerzahlern bislang Kosten von 244,6 Millionen Euro eingebrockt hat - vor allem für Anwälte. "Die Kosten entfallen überwiegend auf die Vergütung der Prozessvertreter des Bundes", heißt es in einer Antwort an den Linken-Haushaltspolitiker Victor Perli, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Auch die genauen Ausmaße des Verfahrens gehen aus dem Papier hervor. Der Bund fordert demnach in zwei Schiedsverfahren insgesamt inzwischen rund 9,5 Milliarden Euro von Toll Collect. Das Unternehmen wiederum fordert den Angaben zufolge seinerseits in den beiden Verfahren 4,9 Milliarden Euro vom Bund. In den Beträgen sind auch die inzwischen aufgelaufenen Zinsen enthalten. Für die Regierung dürfte es eines der teuersten Verfahren aller Zeiten sein. Die Opposition fordert, bei der Vergabe des Maut-Betriebs angesichts des undurchsichtigen Milliardenstreits nun umzusteuern. "Allein knapp 250 Millionen Euro für die anwaltliche Vertretung - schon das zeigt den Irrsinn des Toll-Collect-Desasters", sagt der Linken-Haushaltsexperte Victor Perli. "Auch nach dreizehn Jahren Rechtsstreit ist noch immer nicht geklärt, ob der Bund den Betreibern mehrere Milliarden schuldet oder umgekehrt. Den Steuerzahlern droht ein Milliardenschaden." Die Privatisierung des Maut-Betriebs habe sich als teure Scheinlösung erwiesen, warnt Perli. Toll Collect solle künftig in Bundeshand betrieben werden. Der Vertrag mit dem aktuellen Toll-Collect-Betreiberkonsortium, dem die Deutsche Telekom, Daimler und die französische Gesellschaft Cofiroute angehören, läuft im August aus. Derzeit plant der Bund dem Papier zufolge, die Gesellschaft dann tatsächlich zu verstaatlichen - allerdings nur vorübergehend. "Der Bund wird die Geschäftsanteile an der Betreibergesellschaft zum 1. 9. 2018 übernehmen und für eine Interimsphase von sechs Monaten selbst halten", heißt es. In diesem halben Jahr würde die Gesellschaft nach Angaben aus Regierungskreisen dann umgebaut und rechtlich von den Risiken des Rechtsstreits befreit. Erst dann könne sie an neue Betreiber übergeben werden, heißt es weiter. Außerdem ermögliche eine vorübergehende Verstaatlichung, Einblick in die Kalkulation zu bekommen. Wer die Anteile danach übernehmen darf, ist noch offen. Derzeit läuft ein Vergabeverfahren für den Betrieb über zwölf Jahre. Nach bisherigen Plänen will der Bund Mitte des Jahres über ein neues Konsortium entscheiden. Die Übertragung der Geschäftsanteile an den Erwerber sei zum 1. März 2019 vorgesehen, heißt es weiter. Ein Ende des teuren Rechtsstreits ist offenbar nicht in Sicht In den vergangenen Monaten war das aktuelle Betreiberkonsortium auch durch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Berlin in die Schlagzeilen geraten. Im Mai 2017 durchsuchten Ermittler die Firmenzentrale des Betreibers. Es geht um den Verdacht des Betrugs gegen mehrere Verantwortliche des Unternehmens bei der Ausweitung der Maut auf Teile des Bundesstraßennetzes seit 2012. Dabei sollen dem Bund Betriebskosten in Rechnung gestellt worden sein, die gar nicht angefallen seien. Trotz der diversen Vorwürfe ist über den Inhalt des Rechtsstreits zwischen Bund und Toll Collect bislang wenig bekannt. Denn das private Schiedsgericht schließt die Öffentlichkeit aus. Ein Ende des teuren Rechtsstreits ist Beobachtern zufolge nicht in Sicht. Toll Collect treibt mit seinen 600 Mitarbeitern mit Abrechnung per Funk und Satellit die Lkw-Maut für den Bund ein. Das spült jährlich rund fünf Milliarden Euro in die Kasse des Bundes.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/maut-streit-bund-toll-collect-1.3923056
mlsum-de-302
Im zweiten Jahr bei Ferrari will Sebastian Vettel um den Weltmeister-Titel mitfahren. Er muss sogar: Der Rennserie droht sonst ein weiteres Jahr Mercedes-Dominanz.
Sebastian Vettel ist in Erklärungsnot. Inzwischen ist es schon eine kleine Tradition geworden, dass er seinem Rennwagen einen Spitznamen gibt. Seit seiner ersten vollen Formel-1-Saison 2008, damals noch im unterlegenen Toro Rosso, ist eine hübsche Sammlung zusammengekommen. Vettels Gespielinnen hießen mal wie Porno-Sternchen ("Luscious Liz", "Randy Mandy"/20 10) oder untergewichtige Top-Models ("Hungry Heidi"/2013), sie kamen als Geschwister daher ("Kate" und "Kate's Dirty Sister"/2009) oder trugen schlichte, kurze Frauennamen ("Julia"/2008, "Suzie"/2014, "Eva"/2015). Nach einer Pizza aber war noch keine benannt. "Margherita": Wie in aller Welt er denn darauf gekommen sei, den exklusivsten Ferrari schlechthin nach dem dürftigsten Teigteppich überhaupt zu benennen, muss Vettel sich beim öffentlichen Auftritt mit fünf seiner Formel-1-Rivalen vor dem Großen Preis von Australien (Start Sonntag 6 Uhr deutscher Zeit) fragen lassen. Woraufhin sich sein einstiger Red-Bull-Rivale Daniel Ricciardo direkt neben ihm das Lachen nicht verkneifen kann und prustend hervorstößt: "Na eben - wegen der Pizza!" Nein, nein versichert Vettel ernsthaft. Es gebe da doch auch noch einen Drink, der so heiße. Und überhaupt: Erst einmal sei Margherita ja ein Name. Die letzte italienische Königin beispielsweise habe so geheißen. Und die habe eine Krone getragen, was irgendwie passe, weil auch er den Ferrari, der offiziell nur das Kürzel "SF16-H" führt, am Ende des Jahres mit goldenem Schmuck krönen wolle. Vettel hat schon überzeugendere Vorträge gehalten. Wie sehen die Kräfteverhältnisse 2016 aus? Mit dem Gastspiel in Melbourne an diesem Wochenende beginnt die längste Saison, die die Formel 1 je erlebt hat. 21 Rennen sind bis zum Finale Ende November in Abu Dhabi geplant. Für Vettel ist es das zweite Jahr in Rot. Die Premierensaison mit Ferrari lief besser als gedacht. Drei Siege: Vettel war der einzige, dem es 2015 glückte, den Triumphzug der Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton und Nico Rosberg zu stören. Was er sich für dieses Jahr vorgenommen hat? Den Titel, antwortet Vettel ohne zu zögern, "nur Mitrollen finde ich ein bisschen fad". Die Frage bekommt er zurzeit öfter gestellt. Gelegentlich variierte er seine Replik ein wenig. Eine Alternative lautet: "Wir wollen nicht länger die Jäger sein, sondern die Gejagten." Dass der Wagen mit der Startnummer fünf direkt zum Überholen ansetzt, gilt allerdings als eher unwahrscheinlich. Dafür war der Rückstand im vergangenen Jahr zu groß. Und das erste Rennen gilt auch nur bedingt als Maßstab. Weil der Grand Prix im Albert Park auf Straßen ausgetragen wird, auf denen sonst der normale Verkehr rollt, ist die Herausforderung eine besondere. Im ersten Training rollte Vettel auf Platz drei ein - hinter Rosberg und Hamilton. Auch der Daimler-Chef wünscht sich einen starken Vettel Ein klares Bild der Kräfteverhältnisse wird sich wohl erst bieten, wenn die Formel 1 auch in Bahrain (3. April) und Schanghai (17. April) ihre Runden gedreht hat. Aber die allgemeine Erwartung ist, dass es enger wird. "Wir werden uns mit Ferrari eine echte Schlacht liefern", prophezeit Titelverteidiger Lewis Hamilton, 31, und sein zweitplatzierter Teamkollege Nico Rosberg, 30, hat bei den Testfahrten gespürt: "Ferrari ist sehr nahe gerückt." Vettel, 28, spricht allgemein von einem "guten Gefühl" und verspricht im Speziellen: "Vor allem in den Rennen sollten wir deutlich näher dran sein." Vier Titel hat Vettel gesammelt: 2010, 2011, 2012, 2013. Er hat immer noch einen mehr als Hamilton. Das Trophäenkabinett erfüllt Vettel nicht nur mit Stolz, es verleiht ihm auch einen besonderen Status. Er ist derjenige, auf den sich zum Auftakt besonders viele Blicke richten - weil er als einziger angesehen wird, der das Mercedes-Duell sprengen und den Sport wieder in einen echten Wettbewerb verwandeln könnte. Selbst Daimler-Chef Dieter Zetsche träumt davon: "Ein Kampf zwischen unseren Marken wäre für die Formel 1 ideal", sagt er. Vettel gegen Mercedes: Das würde das ganze Fahrgeschäft beleben.
https://www.sueddeutsche.de/sport/formel-1-start-in-australien-vettel-der-schnellste-pizza-bote-1.2914280
mlsum-de-303
Die seit Tagen verschwundene Miss Honduras ist ermordet worden. Polizisten haben die Leiche von María José Alvardo und ihrer Schwester am Ufer eines Flusses gefunden. Sie nahmen den Freund der Schwester fest.
María José Alvarado und ihre Schwester sind tot Die seit Tagen verschwundene Miss Honduras, María José Alvarado, ist ermordet aufgefunden worden. Wie die Polizei des zentralamerikanischen Landes mitteilte, wurden die Leichen der Schönheitskönigin und ihrer Schwester am Ufer eines Flusses im Norden des Landes gefunden. An der Identität der beiden hegt der Chef der Kriminalpolizei, Leandro Osorio, keinen Zweifel: "Wir können zu hundert Prozent bestätigen, dass sie es sind", sagte er. Die Polizei verdächtigt den Verlobten der Schwester, die jungen Frauen ermordet zu haben und hat ihn bereits festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, die Schwestern bereits am Abend ihres Verschwindens getötet zu haben. Die beiden Frauen waren am Donnerstag nach einer Geburtstagsparty nahe der Stadt Santa Barbara, 200 Kilometer nördlich der Hauptstadt Tegucigalpa, verschwunden. Am vergangen Samstag meldete die Mutter ihre Töchter bei der Polizei als vermisst. Polizeichef ist überzeugt, den Mörder gefasst zu haben Polizeichef Osorio ist sich zwar sicher, dass der Freund der Schwester hinter der Tat steckt. Vermutlich habe er aber Komplizen gehabt, die ihm geholfen hätten, den Tatort zu reinigen. Die Tatwaffe und das Auto, in dem die Leichen transportiert wurden, seien gefunden worden. Honduras ist das Land mit der höchsten Mordrate weltweit. Im Jahr 2012 kamen auf 100.000 Einwohner 90 Morde. Zum Vergleich: In Deutschland lag die Mordrate im Jahr 2011 bei 0,8. Die 19-jährige Miss Honduras hätte am Mittwoch für die Teilnahme am Miss-World-Wettbewerb nach London fliegen sollen. Im vergangenen April hatte sich Alvarado gegen 18 Konkurrentinnen im landesweiten Schönheitswettbewerb in Honduras durchgesetzt. Auf dem Profil der Kandidatin auf der offiziellen Miss-World-Webseite heißt es, Alvarado wolle Diplomatin werden. Dort beschreibt sie sich als "hingebungsvolle Repräsentantin", die in ihrer Freizeit Fußball und Volleyball spielt.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/schoenheitskoenigin-leiche-von-miss-honduras-gefunden-1.2228316
mlsum-de-304
Der Fußball-Zweitligist siegt beim 1. FC Nürnberg - und schafft damit den Anschluss an die Spitzenplätze.
Fußball-Zweitligist 1860 München hat seinen zweiten Saisonsieg eingefahren und den Anschluss an die Spitzenplätze der 2. Fußball-Bundesliga geschafft. Die Löwen gewannen am Montagabend zum Abschluss des vierten Spieltages 2:1 (1:1) beim 1. FC Nürnberg und stehen mit nun sieben Punkten auf Rang sechs. Sascha Mölders (11.) und Michael Liendl (79.) trafen für München, Nürnberg kam durch Tim Matavz (17.) nur zum zwischenzeitlichen Ausgleich. Der Club steht mit nur zwei Zählern auf dem vorletzten Platz. Die Partie entwickelte sich schnell zu einem Schlagabtausch, was vor allem individuellen Fehlern geschuldet war. Mölders, der zuletzt wegen seiner Trainertätigkeit beim Landesligisten SV Mering in der Kritik gestanden hatte, brachte die Gäste nach Vorarbeit des ehemaligen Bayern-Stürmers Ivica Olic in Führung. Nur sechs Minuten später glich der vom FC Augsburg ausgeliehene Matavz in seinem ersten Spiel für den Club aus. Nach rund einer halben Stunde hatte Edgar Salli sogar die Nürnberger Führung auf dem Fuß, traf jedoch nur den Pfosten. Die zweite Hälfte war über weite Strecken nicht hochklassig, beide Teams machten weiter zu viele Fehler im Spielaufbau. Nürnberg musste die letzten 20 Minuten allerdings auf Stürmer Guido Burgstaller verzichten, der die Gelb-Rote Karte sah (73.). Auch aufgrund der Überzahl drückte 1860 in der Schlussphase mehr auf den Sieg und wurde durch Liendls sehenswerten Treffer mit dem ersten Sieg in Nürnberg seit Mai 2003 belohnt.
https://www.sueddeutsche.de/sport/2-bundesliga-1860-muenchen-gewinnt-derby-in-nuernberg-1.3159499
mlsum-de-305
Der britische Bestsellerautor Robert Harris rechnet in einem Roman mit seinem früheren Intimus Blair ab. Von Claudia Fromme
Ungefähr dort muss Jane Austen gesessen haben. Neben den Rosenbüschen auf der Anhöhe mit Blick auf den Kennet-Avon-Kanal. Der Verlobte ihrer Schwester Cassandra wohnte hier, ein Pfarrer, und Jane Austen war oft zu Gast in Kintbury in West Berkshire. Detailansicht öffnen Tony Blair zu Harris' Roman: "Ich weiß nicht, was Robert sich dabei gedacht hat." (Foto: Foto: AP) Teile ihrer Romane sollen hier entstanden sein, und vergisst man den Heizpilz und den Vertikutierer, dann sieht man förmlich, wie Galane mit wippenden Rockschößen vor dem Pfarrhaus flanieren, buhlend um die Gunst von Frauen in Empirekleidern, die männliche Eitelkeiten sehr milde belächeln. Drinnen ist Krieg. Gleich hinter dem Fenster zum Garten. Stalin, Lenin und Hitler umzingeln Robert Harris, 50, von drei Seiten. Fünf Regalmeter hoch, fünfzehn Meter breit, nur Bücher über Diktatoren und Politiker. Die Luft ist stickig, der Ofen bullert. Harris sitzt am Schreibtisch. Sein Hemd ist drei Knopf weit geöffnet und gibt die behaarte Brust frei. Er wirkt müde, aber zufrieden, wie ein Feldherr nach siegreicher Schlacht. Vor ihm liegt, gerade mit dem Kurier aus der Druckerei gekommen, sein neuer Roman "Ghost", in dem es um einen absurd eitlen britischen Ex-Premier namens Adam Lang und dessen Ghostwriter geht. Die Sunday Times vermerkte unlängst, dass Harris damit die originellste Blair-Biographie des Herbstes verfasst habe. "Adam Lang hat nichts mit Tony Blair zu tun", sagt Robert Harris. Auch wenn man ihm das beim Lesen des Buches nicht so recht abnehmen möchte: Lang wird 1975 Mitglied seiner Partei, Blair tritt im selben Jahr Labour bei. Lang ist während des Studiums in Oxford passionierter Schauspieler. Blair ist während des Studiums in Oxford Schauspieler und entflammter Rockmusiker. Affentanz aus rechtlichen Gründen Lang heiratet Ruth, eine Karrieristin, die als junge Frau eine Vorliebe für unförmige Strickpullis hat und auch mal "Scheiße" sagt. Blair heiratet Cherie, eine Karrieristin, die eine Vorliebe für unförmige Strickpullis hat und auch mal "Wichser" sagt. Langs Gesichtsausdruck ähnelt dem der Grinsekatze aus "Alice im Wunderland", seine ausgestreckte Hand trägt er vor sich her wie ein Maschinengewehr. Dito Blair. Lang ist blindlings mit den USA in den Irakkrieg gezogen und hat CIA-Flüge gebilligt, bei denen Terrorverdächtige zur Folter aus Pakistan ausgeflogen wurden. Die Vorwürfe an Blair klingen ähnlich. "Lang ist nicht Blair, aber es steht jedem frei, in seine Person hineinzuinterpretieren, was man will", sagt Harris und knipst ein verständnisvolles Gesicht an, das er für Interviews in dieser Angelegenheit offenbar reserviert hat. "Natürlich gibt es Parallelen", räumt er ein. Aber ein Politthriller, der im Jetzt spiele, verkaufe sich nur, wenn er nah an der Realität sei. Es sind rechtliche Gründe, die Harris diesen Affentanz aufführen lassen, mutmaßt der Observer. Harris nippt am Tee und sagt gedehnt: "Man muss Lang als Sinnbild für den Fluch der Macht sehen." Harris ist selbst ein Machtmensch. Ein Mensch, der von der Macht und ihren Vertretern lebt. Als politischer Kommentator, erst bei der BBC, dann beim Observer und der Sunday Times, als Sachbuchautor, als Chronist in seinen Romanen. Antike Wasserleitungen als Thrillerstoff Hitler hat ihm gewissermaßen das Pfarrhaus eine Zugstunde von London entfernt bezahlt, in dem Harris mit seinen vier Kindern und seiner Frau Gill, der Schwester von Nick Hornby, lebt. Die Beschäftigung mit der Frage "Was wäre, wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte?" in seinem Debüt "Vaterland" hat Harris zum Millionär gemacht. Darum geht es in der Anti-Utopie, die 1992 erschienen ist, in Deutschland erst Skandal war, dann Bestseller und weltweit fünf Millionen Mal verkauft wurde. In "Aurora" taucht Stalins Sohn auf, in "Enigma" eine Dechiffriermaschine im deutsch-britischen U-Boot-Krieg, in "Pompeji" geht selbige Stadt nach historischem Vorbild unter, und in "Imperium" steigt Cicero ebenso glorreich auf. Harris liefert vor allem Herrenschmöker. Waffen, Verschwörung, Männerbünde. Echte Kerle. Die Daily Mail nahm ein Foto von Robert Harris mit mediterran geöffnetem Hemd zum Anlass, eine Debatte darüber zu führen, wie viel Brusthaar ein Mann im Alltag zeigen sollte. Harris mag ein wenig wie ein Macho erscheinen, vor allem aber ist er Gentleman. Er trägt Gästen selbstverständlich die Tasche und fragt, ob der Tee auch angenehm heiß ist. Für jedes seiner Bücher hat Harris, der in Cambridge Geschichte studierte, zwei Jahre recherchiert. Er konsultierte Militärhistoriker und Antikenforscher, durchforstete Archive und seine Privatbibliothek, die sich wie ein Lindwurm geordnet nach Genre und Alphabet durch sein Haus zieht. Er ist detailverliebt, kennt die Zeiten aller Züge in Kintbury und dazu die Geschichte der First Great Western, einer der ältesten Bahnlinien der Welt, die vor seinem Haus entlangführt. "Unfassbar", ruft er - und erzählt von Zügen. Er schafft es, selbst ein so dröges Thema zu beleben. Er weiß natürlich, wie man eine Geschichte erzählt. In seinen Romanen macht er antike Wasserleitungen oder römisches Wahlrecht zum Thrillerstoff. Erstaunliche Parallelen Für "Ghost" hat Harris nur eine Woche recherchiert. Auf der amerikanischen Ferieninsel Martha's Vineyard. Dort spielt der Roman, in dem ein Ghostwriter, der sonst das Leben abgehalfterter Rockstars zu Bestsellern macht, beim Memoirenschreiben in die Abgründe des Premiers und seiner Gattin blickt und auf einen explosiven Sumpf aus Eitelkeit und Wahn stößt. Die 70 Zentimeter Blair im Regal zwischen Bismarck und Ex-Innenminister Blunkett musste Harris nicht konsultieren. Er musste sich nur erinnern. Als Tony Blair mit dem höchsten Wahlsieg in der Geschichte seiner Partei an die Macht kam, in der Nacht zum 2. Mai 1997, saß Robert Harris mit ihm vor dem Fernseher. Es gab Häppchen und Wein, und Blair brüllte bei jeder neuen Hochrechung "Das ist ja alles total verrückt!" John Major war am Telefon, Bill Clinton. "Das war ein sehr besonderer Moment für mich, ein Privileg", sagt Harris weihevoll. Sein verständnisvolles Gesicht hat er nun gegen das staatsmännische eingetauscht, man merkt, wie sehr er es genossen hat, in der Nacht genau dort zu sein. Blair hatte ihn als einzigen Journalisten eingeladen, ihn die letzten Wochen vor der Wahl zu begleiten. Harris unterstützte New Labour, in der Sunday Times schrieb er Lobeshymnen auf Blair. "Ich habe Tony bewundert, er war so charismatisch, so komplett unideologisch", sagt Harris. Er sagt "Tony", wenn er von damals spricht, und "Blair", wenn er sich auf heute bezieht. Wie der Ghostwriter im Flugzeug neben Lang sitzt, so saß Harris neben Blair. Der Bestsellerautor und der dynamische Premier. Blair hatte ihn dazu eingeladen, weil er ihn mochte. Einfach so. Das war Cool Britannia. Dann kam der Krieg, und Harris startete seinen eigenen Feldzug dagegen. Mit dem Einmarsch britischer Truppen in den Irak 2003 verschärfte sich der Ton in seinen Kommentaren, der Kontakt riss ab.
https://www.sueddeutsche.de/politik/neuveroeffentlichung-die-originellste-blair-biographie-des-herbstes-1.888004
mlsum-de-306
Baden-Württembergs Innenminister stellt sich hinter die Städte, die die Auftritte türkischer Minister in Deutschland abgesagt haben. Die diplomatische Krise spitzt sich weiter zu.
So sah es in Oberhausen aus, bevor der türkische Ministerpräsident Yıldırım vor wenigen Wochen auftrat. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl stellt sich hinter die Entscheidungen zweier Städte, die geplanten Wahlkampfauftritte türkischer Minister in Deutschland abzusagen. Dass die badische Stadt Gaggenau diesen Schritt gegangen sei, sei "nachvollziehbar", sagte er in Stuttgart. Der Heilbronner Stimme und dem Mannheimer Morgen sagte er zudem: "Wer Wahlkampf für türkische Angelegenheiten machen möchte, möge das bitte in der Türkei tun." Die Stadt Gaggenau in Baden-Württemberg hatte die Veranstaltung mit dem türkischen Justizminister Bekir Bozdağ mit der Begründung untersagt, die Parkplätze und die Zufahrten reichten für den erwarteten Besucherandrang nicht aus. Die Stadt Köln teilte mit, sie werde einen Saal nicht zur Verfügung stellen, in dem am Sonntag der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekçi für das geplante Präsidialsystem werben wollte. Die Regierung in Ankara bestellte daraufhin den deutschen Botschafter Martin Erdmann ein. Diesem sei am Abend im Außenministerium das "Unbehagen" der Türkei "über diese Entwicklungen" vermittelt worden, sagte ein türkischer Beamter. So reagierten türkische Politiker Hinter der Absage in Gaggenau vermutet der türkische Justizminister Bozdağ politische Motive. Er sprach von einer "Skandal-Entscheidung", die "gegen diplomatische Höflichkeit verstößt". Zudem sagte Bozdağ ein mit dem deutschen Justizminister Heiko Maas (SPD) geplantes Treffen ab, bei dem es ursprünglich um die Inhaftierung des Welt-Korrespondenten Deniz Yücel gehen sollte. "Was ist das für eine Demokratie?", sagte Bozdağ zudem. Die Türkei könne diese "antidemokratische Auffassung" nicht akzeptieren. "Das kann man mit Demokratie und Meinungsfreiheit nicht erklären. Schon gar nicht schickt es sich für einen Rechtsstaat." Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu warf Deutschland Doppelmoral vor. Wenn Deutschland die Beziehungen zur Türkei aufrechterhalten wolle, müsse es "lernen, sich zu benehmen". Zuvor hatte sich auch der stellvertretende türkische Regierungschef Numan Kurtulmuş in die Debatte eingeschaltet. Die geplanten Versammlungen in Gaggenau und Köln wirkten sich in keiner Weise auf die deutsche Innenpolitik aus, sagte er. "Wenn ein demokratisches Land solche Verbote ausspricht, ist das keinesfalls zu akzeptieren." Die türkischen Staatsbürger müssten informiert werden können, sagte Kurtulmuş. Auch die türkische Opposition kritisierte die Entscheidung. "Das ist ganz und gar nicht in Ordnung", sagte CHP-Chef und Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu nach Angaben der Nachrichtenagentur DHA am Freitag in Istanbul. "Diese Entscheidung hilft am Ende Präsident Erdoğan" Mustafa Yeneroğlu, AKP-Abgeordneter im türkischen Parlament, nannte die Absage einen "Skandal". Sie stelle "die deutsch-türkischen Verhältnisse auf eine weitere harte Belastungsprobe und ist durch und durch von Populismus geprägt", sagte er. Die Türkische Gemeinde in Deutschland kritisierte die Entscheidung ebenfalls. Die Stadt hätte mit den Veranstaltern darüber sprechen müssen, wie die Sicherheit gewährleistet werden könne, sagte der Vorsitzende Göky Sofuoğlu der Rheinischen Post. "Diese Entscheidung hilft am Ende Präsident Erdoğan." Damit werde sein Anliegen der Verfassungsänderung nur aufgewertet, sagte Sofuoğlu, der Mitglied in der SPD ist. Deutsche Politiker hingegen begrüßten die Absagen. "Die Bundesregierung darf sich nicht länger vor einer politischen Entscheidung drücken", sagte Sevim Dağdelen, Sprecherin für internationale Politik der Linksfraktion. Den Werbefeldzug Erdoğans und seiner Minister in Deutschland für Diktatur und Todesstrafe in der Türkei müsse man unterbinden. Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf sagte dem Mannheimer Morgen: "Wenn der türkische Justizminister sich Zeit für einen Termin in Deutschland nimmt, dann wäre es sinnvoller gewesen, statt innertürkischen Wahlkampf zu machen, sich mit uns über Grundrechte und Rechtstaatlichkeit zu unterhalten."
https://www.sueddeutsche.de/politik/reaktion-auf-abgesagte-auftritte-wahlkampf-fuer-tuerkische-angelegenheiten-bitte-in-der-tuerkei-1.3403187
mlsum-de-307
"Es wäre besser, alle Behinderten verschwänden", soll der 26-jährige Täter gesagt haben. Er arbeitete früher selbst in dem Heim, in dem er nun seinen Angriff verübte.
Ein 26-jähriger Japaner hat in der Nacht auf Dienstag in einem Behindertenheim in Tsukui 19 Menschen erstochen, etwa 25 wurden verletzt, 20 von ihnen schwer. Er hatte die Opfer gegen 2:30 Uhr im Schlaf überrascht. Anschließend stellte er sich in einem nahen Posten der Polizei. Er gibt die Bluttat zu. Nach Angaben des japanischen Fernsehens arbeitete der Mörder bis vor Kurzem vier Jahre selber in dem Behindertenheim, einer großzügigen Anlage in einem Park am Rande von Sagamihara, einer industrialisierten Vorstadt von Tokio. Das Städtchen Tsukui, in den Bergen und an einem See gelegen, wurde vor neun Jahren nach Sagamihara eingemeindet. Bei seiner Verhaftung soll der Täter gesagt haben: "Es wäre besser, alle Behinderten verschwänden." Er hatte seine Stelle im Februar verloren und war für einige Wochen in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden, nachdem er in einem Brief gedroht hatte, er könnte "470 Schwerbehinderte ausmerzen", wie japanische Medien berichten. Er wäre in der Lage in einer einzigen Nachtschicht in Tsukui und einem zweiten Heim 260 Menschen zu töten, die Angestellten würde er verschonen. "Mein Ziel ist eine Welt, in der Schwerbehinderte mit der Zustimmung ihres Vormunds euthanasiert werden können, wenn sie nicht zuhause wohnen und am Gesellschaftsleben teilnehmen können", schrieb er. Die Anlage Tsukui Yamayuri-en bietet 160 Patienten Platz, im April war sie zu mehr als 90 Prozent belegt. Wie die Nachrichtenagentur Kyodo meldet, waren die Ermordeten zwischen 19 und 70 Jahre alt. Zehn von ihnen waren Frauen. Yuji Kuroiwa, der Gouverneur der Präfektur Kanagawa, in der Tsukui liegt, sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus und entschuldigte sich für ihr Leid. Die Präfektur überwacht das Heim, führt es aber nicht. Japans Alten- und Behindertenpflege steckt in einer tiefen Krise, es fehlt an Personal, und die Löhne sind schlecht. Viele Pfleger sind gestresst. Das Gesundheitsministerium registriert regelmäßig Gewalt von Pflegern gegen greise Patienten, 2014 waren es mehr als 300 schwere Fälle. In einem Altenheim in Kawasaki, einer Großstadt westlich von Tokio, die ebenfalls zu Kanagawa gehört, stieß voriges Jahr ein junger Pfleger drei greise Patienten von einem Balkon. Der Polizei sagte er, die Alten seien ihm auf die Nerven gegangen. Japan reagierte geschockt auf die Bluttat, Gewaltverbrechen sind hier selten. In Japan geschehen dreimal weniger Morde pro Kopf der Bevölkerung als in Deutschland. 2001 erstach ein Mann in einer Schule in Osaka acht Kinder und verletzte 15. 2008 raste ein damals 25-jähriger Mann mit einem geliehenen Lkw in eine Menschenmenge in Tokios Elektronikbezirk Akihabara; dann sprang er aus dem Laster, erstach einen Passanten und verletzte sieben mit einem Messer. Er sagte der Polizei, er habe einfach jemanden töten wollen. 2009 wurde er zum Tode verurteilt, das Urteil wurde 2013 vollstreckt. Selbst die Mafia schreckt vor Schusswaffen zurück Japans Waffengesetze sind so streng, dass selbst die Yakuza, das organisierte Verbrechen, sich scheut, Schusswaffen zu tragen. Vor allem die seltenen Mehrfachmorde geschehen deshalb meist mit Messern. Allerdings ist auch der Besitz von Schwertern und Dolchen seit 2009 strafbar. Behinderte fehlten bis vor wenigen Jahren im Straßenbild Japans völlig. U- und S-Bahnen bauten erst in den letzten Jahren Einrichtungen für Rollstuhlfahrer. Dabei sind nach einer Regierungsstatistik 3,5 Millionen Japaner körperlich und 500 000 geistig behindert. Die Familien verstecken ihre behinderten Angehörigen, sie schämten sich für ihr etwas anderes Familienmitglied. Bis vor wenigen Jahren hat das Erziehungsministerium behinderte Kinder vom Besuch normaler Schulen ausgeschlossen. Es war der Meinung, es sei für beide Seiten besser, wenn sie getrennt von der übrigen Gesellschaft lebten. Obwohl schon seit 30 Jahren ein Gesetz die Gleichbehandlung Behinderter vorschreibt, werden diese auch bei der Stellensuche benachteiligt. Sich seiner Gruppe anzupassen und nicht aufzufallen ist in Japan das oberste soziale Gebot, Behinderte jedoch sind zwangsläufig anders. Diese Haltung verändert sich seit wenigen Jahren langsam, nicht zuletzt unter dem Druck des Auslands. Aber ganz ist der böse Gedanke vom "unwerten Leben" aus der japanischen Gesellschaft noch nicht verschwunden.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/gewalt-messerattacke-bei-tokio-der-boese-gedanke-vom-unwerten-leben-1.3095031
mlsum-de-308
Das Final-Four-Turnier um den deutschen Basketball-Pokal findet 2016 in München statt. Die Mannschaft des FC Bayern München hofft dabei als Gastgeber auf einen kleinen Heimvorteil - und will die Trophäe.
Stefan Holz, Geschäftsführer der Basketball-Bundesliga (BBL), war eigens nach München gereist, um die Nachricht offiziell zu verkünden: 2016 wird das Final Four, das Turnier um den BBL-Pokal, wie erwartet in München ausgetragen. Wobei man bei der Wortwahl höllisch aufpassen muss. "Es ist ja nicht ein Turnier, sondern ein Event", sagte Marko Pesic, Geschäftsführer der Basketballer des FC Bayern. Der Klub sei "von den Strukturen und der Erfahrung her" nun so weit, ein derartiges Ereignis so auszutragen, dass es nicht nur eine Sportwettbewerb ist: "Wir wollen ein Event bieten, das eine Benchmark setzt. Das ist unser Anspruch als FC Bayern." Holz vernahm es gerne, schließlich redete der BBL-Geschäftsführer nicht lange um den heißen Brei herum, worum es bei der Pokalshow geht. Für ihn ist sie nicht bloß ein Event, sondern gar ein "Leuchtturmevent". Dass die Auswahl auf München fiel, begründete er mit zwei Kriterien: "Wir machen das, um Geld zu verdienen. Und um Reichwerte und Aufmerksamkeit zu generieren", sagte Holz. "Da geht es um das Vertrauen, was der Partner leisten kann. Ticketing und Sponsoring wird hier gut funktionieren, und am Medienstandort München werden wir eine hohe Reichweite erzielen." Irgendwie geht es allerdings - von Benchmarks und Reichweiten mal abgesehen - auch darum, wer die Sache gewinnt. Da sieht Marko Pesic in diesem Jahr gute Chancen für seine Bayern. Zum einen sind sie als Ausrichter automatisch qualifiziert und sparen sich das so genannte Viertelfinale im Januar, in dem die zu diesem Zeitpunkt bestplatzierten sechs Mannschaften der BBL die drei übrigen Teilnehmer ausspielen. Zum anderen setzen die Münchner selbstredend auf den Heimvorteil, "die Spieler brennen jetzt schon darauf", sagte Pesic. Und drittens handelt es sich für ihn, wie er es gerne formuliert, um den "ehrlichsten Pokal seit Jahren". Das Final Four ist 2016 so angesetzt (20./21. Februar), dass rundherum keine Euroleague-Spiele liegen. "Ich will nicht sagen, dass andere zuletzt einen Wettbewerbsvorteil hatten", meinte Pesic, "aber wir hatten einen Wettbewerbsnachteil."
https://www.sueddeutsche.de/sport/basketball-leuchtturm-im-sueden-1.2720624
mlsum-de-309
Die USA mobilisieren Spezialeinheiten, in Europa gibt es vielerorts wieder Grenzkontrollen - und auch zur Fußball-EM 2016 in Frankreich stellen sich neue Fragen. Ein Überblick.
Frankreich Frankreich sieht sich nach den verheerenden Pariser Anschlägen mit mindestens 128 Toten im Krieg gegen den Islamismus. Präsident Francois Hollande verhängte erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs den nationalen Notstand und zog große Kontingente der Armee zu Sicherungsaufgaben ein. An den Landesgrenzen wurden mit sofortiger Wirkung die Grenzkontrollen wieder eingeführt. Diese Kontrollen betreffen Grenzübergänge per Straße und Eisenbahn ebenso wie Flughäfen und Häfen, so das Außenministerium. Flug- und Eisenbahnverbindungen nach Frankreich und zurück werden dennoch aufrechterhalten. Zudem hat Paris für die nächsten Tage alle Demonstrationen verboten und lokale Ausgangssperren verhängt. Dies teilte Innenminister Bernard Cazeneuve am Samstag in einer Fernsehansprache mit. Er legte die zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen dar, darunter die Mobilisierung weiterer Polizeikräfte. Bestimmte öffentliche Gebäude sollen unter besonderen Schutz gestellt werden. Das Demonstrationsverbot gilt zunächst bis Donnerstag. Französische Einrichtungen im Ausland werden künftig auch noch besser geschützt. Er habe Maßnahmen zum Schutz von Botschaften, Konsulaten, Auslandsschulen und kulturellen Einrichtungen eingeleitet, sagte Außenminister Laurent Fabius. In Berlin wurden als sichtbares Zeichen des erhöhten Schutzes Absperrgitter vor der französischen Botschaft aufgestellt Der Weltklima-Gipfel, der am 30. November in Paris beginnen soll, wird voraussichtlich wie geplant stattfinden. Allerdings würden die Sicherheitsmaßnahmen verschärft, hieß es in Diplomatenkreisen. Zu der Klimakonferenz werden Delegationen aus fast 200 Ländern erwartet. Deutschland Die Bundespolizei hat an der Grenze zu Frankreich wieder selektive Grenzkontrollen eingeführt. Zudem sind nach Polizeiangaben die Kontrollen auf den deutschen Flughäfen und in internationalen Zugverbindungen verstärkt worden. Dies sei mit den französischen Kollegen abgestimmt. Bei diesen drei verschärften Sicherheitsmaßnahmen werde es vorerst bleiben, sagte der Sprecher weiter. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer ist das nicht genug. Er sagte, es sei zu überlegen, wieder durchgehende Kontrollen an den deutschen Grenzen einzuführen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/nach-anschlaegen-so-wappnen-sich-staaten-weltweit-gegen-die-terrorgefahr-1.2737477
mlsum-de-310
Vier große europäische Hersteller müssen zusammen fast drei Milliarden Euro zahlen. Die Münchner VW-Tochter MAN bleibt straffrei - sie profitiert von einer Kronzeugenregelung.
Wegen Preisabsprachen hat die EU-Kommission gegen die vier großen europäischen Lastwagen-Hersteller Daimler, Iveco, Volvo/Renault und DAF eine Rekord-Kartellstrafe in Höhe von 2,93 Milliarden Euro ausgesprochen. Allein Daimler muss eine Milliarde zahlen, während die Münchner VW-Tochter MAN, die das Kartell aufgedeckt hat, straffrei blieb. Das Verfahren gegen einen weiteren Beteiligten, die schwedische VW-Tochter Scania, ist noch nicht abgeschlossen. Von 1997 bis 2011 sollen die Unternehmen regelmäßig ihre Werkspreise abgesprochen haben, sagte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Außerdem hätten sie sich auf einen Zeitplan zur Einführung abgasärmerer Motoren verständigt sowie auf die Kosten, die sie dafür an die Verbraucher weiterreichten. Mit der Strafe habe man ein "Ausrufezeichen" setzen wollen, so Vestager. "Unsere Botschaft ist klar: Kartelle haben in Europa keinen Platz." Durch die langjährigen Absprachen sei ein hoher wirtschaftlicher Schaden entstanden. Die Betroffenen produzieren etwa 90 Prozent der 30 Millionen mittelschweren und schweren Lastwagen auf europäischen Straßen. Die Höhe der Strafen errechnet die Kommission aus dem weltweiten Umsatz der Unternehmen, der Dauer des Kartells und der Größe des betroffenen Marktes; eines der Unternehmen stieß erst vier Jahre nach der Gründung zu dem Kartell. Die Geldbuße ist doppelt so hoch wie eine 2012 verhängte EU-Kartellstrafe gegen Hersteller von Bildröhren für Fernseher und Computerbildschirme. Strafmindernd wirkte sich für alle Hersteller aus, dass sie mit der Kommission kooperierten. Davon profitierte vor allem MAN, das laut Vestager einer Strafe von 1,2 Milliarden Euro entging. Volvo muss 40 Prozent weniger zahlen, Daimler 30 und Iveco zehn Prozent, weil sie bei den Ermittlungen halfen. Um weitere zehn Prozent wurde die Strafe gesenkt, weil die Unternehmen ihr Fehlverhalten eingeräumt und einem Vergleich zugestimmt hatten. Allerdings sind noch Schadenersatzklagen vor nationalen Gerichten möglich. "Daimler bedauert diese Vorfälle und hat schon vor längerer Zeit die Konsequenzen daraus gezogen", betonte das Stuttgarter Unternehmen. Interne Kontrollen seien gestärkt worden, zudem würden Mitarbeiter "verstärkt regelmäßig und umfassend" zu Kartell- und Wettbewerbsfragen geschult. Zur Begleichung des Bußgelds hat das Unternehmen Rückstellungen gebildet. Das Geld fließt in den Haushalt der EU, sodass die Mitgliedstaaten weniger einzahlen müssen. MAN bestätigte, dass es die Kommission über das Kartell "in Kenntnis gesetzt hatte". Unlautere Geschäftspraktiken sowie gesetzes- oder regelwidriges Verhalten würden in der Firma nicht geduldet.
https://www.sueddeutsche.de/politik/wirtschaft-eu-verhaengt-rekordstrafe-gegen-lastwagen-kartell-1.3084960
mlsum-de-311
Schon acht Tage nach dem Giftangriff auf den russischen Ex-Doppelagenten Skripal und dessen Tochter beschuldigten die Briten den Kreml. Doch ihre Argumentation hat Schwächen.
Kriminalistische Untersuchungen gehören oft zu den schwierigsten und langwierigsten Unterfangen überhaupt. Beweise müssen gesichert und analysiert, Zeugen befragt, Widersprüche aufgeklärt werden. Am Ende steht, mühsam zusammengetragen, das Ergebnis. Die Ermittlung wegen versuchten Mordes an dem früheren Oberst des russischen Militärgeheimdienstes GRU, Sergej Skripal, und seiner Tochter Julia, folgte allerdings einem anderen Muster. Am 4. März wurden die beiden bewusstlos auf einer Parkbank im britischen Salisbury entdeckt und in ein Krankenhaus gebracht. Die medizinische Ursache ihrer Vergiftung ließ sich schnell klären. Experten der nahe Salisbury gelegenen staatlichen britischen Forschungsstätte für Kampfstoffe in Porton Down stellten fest, dass die beiden einem einst in der Sowjetunion entwickelten Kampfstoff aus einer Gruppe namens "Nowitschok" ausgesetzt waren. Die Forscher in Porton Down gehören zu den besten der Welt, seit dem Ersten Weltkrieg wird dort an Kampfstoffen geforscht. Gerade mal acht Tage nach der Tat schien dann bereits der Urheber des Anschlags festzustehen, die britische Regierungschefin Theresa May beschuldigte Russland der Tat. Ihr Außenminister Boris Johnson schärfte noch nach, "höchstwahrscheinlich" habe Russlands Präsident Wladimir Putin persönlich den ersten Einsatz einer Massenvernichtungswaffe auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg angeordnet, sagte er. Und auf dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU Ende März in Brüssel überzeugte May mit einem langen Vortrag die meisten ihrer Kollegen, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es folgten Massenausweisungen von Diplomaten und wütende Dementis des Kreml. Chemische Analysen sind schwer Ausgerechnet aus Porton Down kam an diesem Dienstag ein bemerkenswertes Eingeständnis: Deren Chef, Gary Aitkenhead, sagte, man sei gar nicht in der Lage nachzuweisen, dass das Gift tatsächlich in Russland hergestellt worden sei. Solche chemischen Analysen sind schwer, vor allem, wenn es keine Vergleichsproben gibt. Außenminister Boris Johnson aber hatte zuvor in einem Interview mit der Deutschen Welle behauptet, die Experten in Porton Down hätten "keinen Zweifel" an der Herkunft, das hätten sie ihm selbst versichert. Nun stellt sich die Frage neu: Wie belastbar sind die Belege, die London vorgelegt hat? Haben die britische Regierung und ihre Verbündeten zu schnell auf Russland als einzig möglichen Urheber der Attacke geschlossen? Seit Wochen bemühen sich britische Diplomaten und Geheimdienstler darum, ihre amerikanischen und europäischen Kollegen von der russischen Urheberschaft zu überzeugen. Ihre Argumentation ähnelt jener von Premierministerin May beim Brüsseler Treffen; dort präsentierte sie sogenannte Plausibilitäts-Ketten, wonach es gar keine "andere überzeugende Erklärung" geben könne. Die Sowjetunion, so die britische Argumentation, habe den Kampfstoff entwickelt, nur professionelle und im Umgang mit Kampfstoffen geschulte Täter seien in der Lage, die Chemikalie nach Großbritannien zu schmuggeln und am Türknopf von Skripals Haus zu platzieren. Kriminelle schieden damit weitgehend aus. Auch das Motiv sei klar: eine Warnung an alle Überläufer, dass ihnen der Tod drohe. Deshalb habe sich Russland entschieden, Nowitschok einzusetzen und die Urheberschaft erst gar nicht zu verschleiern. Skripal sei das perfekte Ziel: Ein ehemaliger Offizier, der später als Angehöriger des sogenannten Ersten Direktorats des GRU - zuständig für Europa - russische Agenten an den britischen Geheimdienst verraten habe.
https://www.sueddeutsche.de/politik/russlands-rolle-im-fall-skripal-london-unter-zugzwang-1.3930919
mlsum-de-312
Snapchat ist nicht wie andere Tech-Firmen. Deshalb sitzt das Unternehmen auch nicht im Silicon Valley, sondern in der Hipster-Hochburg Venice Beach. Mit dem Börsengang könnte sich aber vieles ändern.
Wer einmal an einem Samstagabend durch Venice Beach spaziert ist, das hippe Strandviertel von Los Angeles, der weiß, warum der Schriftsteller Hank Moody aus der Fernsehserie "Californication" nur hier leben kann. Auf der Abbot Kinney Road gibt es einen Laden, der heißt "Kreation Juice" und verspricht für 57 Dollar "Bikini Kleanse", eine Saftkur für die Strandfigur. Gleich nebenan kann man auf einer Vernissage die Installation eines jungen Künstlers betrachten mit Ästen, an die Dollarscheine geheftet sind. Das soll wohl ausdrücken, dass Geld doch auf Bäumen wächst. Auf den Brücken, die über künstlich angelegte Kanäle führen, fotografieren sich Paare beim Knutschen. Fast jeder präsentiert den korrekten Sitz sämtlicher Körperteile, was herrlich falsch und genau deshalb schon wieder echt wirkt. Und natürlich gibt es diesen wunderbaren Rastafari-Laden auf dem Gehsteig am Strand. Es riecht nach Hanf und ein bisschen nach Urin, weil die Obdachlosen einfach auf den Gehsteig pinkeln. Das ist Venice, das Stadtviertel der Künstler und Freaks, der Hipster und Hippies, der Skater und Surfer. Hier darf jeder so sein, wie er ist - und wer das nicht kann, der wird auch nie "californicated", also ein Teil davon. Was sie hier nicht wollen: langweilige Menschen in Anzug, Hemd, Krawatte, der Uniform von Corporate America - oder eine Firma, die durch ihren Börsengang an diesem Donnerstag mit 24 Milliarden Dollar bewertet werden könnte. Gemeint ist Snap, der Konzern mit der Millennial-App Snapchat, der seit vier Jahren in Venice Beach beheimatet ist. Viele hier aber wissen nicht so recht, was sie von dieser Firma halten sollen. Detailansicht öffnen Bodybuilderin Urey Mathieu wärmt sich vor ihrem Auftritt beim Muscle Beach Championship in Venice auf. (Foto: Mark Ralston/Afp) Welches Unternehmen würde offen sagen, dass es eine "diffuse Struktur" hat? Das Unternehmen rühmt sich damit, anders zu sein als andere Technologiefirmen. Das komplizierte Design der App ist der geheime Handschlag für alle, die cool genug sind, Snapchat cool zu finden. Der Reiz liegt darin, dass Inhalte direkt nach dem Ansehen gelöscht werden, es gibt Hochkant-Videos in einer Querformat-Welt, nun gilt das Unternehmen mit einer Kamerabrille als äußerst innovativ im Virtual-Reality-Bereich. Gründer Evan Spiegel hat sein Unternehmen bewusst nicht im Silicon Valley angesiedelt, sondern ein Strandhaus in Venice Beach gemietet. Snap ist rebellisch. Ein Unternehmen, das bei der Suche nach Investoren angibt, dass es keine Firmenzentrale gibt. Die Snap-Büros sind quer über Venice Beach, Santa Monica und Marina del Rey verteilt, die Mitarbeiter gelangen zu Fuß, auf dem Fahrrad oder mit firmeneigenen Shuttles zu Meetings in anderen Gebäuden, Spiegel lässt sich in einem Geländewagen transportieren. "Diese diffuse Struktur könnte uns daran hindern, die Moral der Mitarbeiter zu fördern und für eine konstruktive Kommunikation zwischen den einzelnen Firmenbereichen zu sorgen", heißt es im Börsenprospekt. "Noch schlimmer: Wir könnten nicht in der Lage sein, unsere Angestellten und Unternehmensbereiche adäquat zu überprüfen." Das klingt nicht nach Silicon-Valley-Effizienz, sondern nach Venice-Beach-Lockerheit - es sendet eine freche Botschaft an mögliche Investoren: Wir wissen schon, was wir tun. Wenn ihr das nicht cool findet, dann lasst mal lieber die Finger von unseren Aktien. Im Antrag klingt das so: "Wenn wir diese und andere Probleme mit dieser Bürostruktur nicht kompensieren können, dann könnten wir Mitarbeiter verlieren, was unserem Geschäft ernsthaft schaden könnte." Snap schickt seine Mitarbeiter hinaus in die Welt, anstatt sie im Büro zu halten Das Unternehmen verteilt seine mittlerweile knapp 2000 Mitarbeiter auf Büros in einstigen Wohnhäusern. Als Lockmittel für talentierte Programmierer dienen nicht etwa - wie bei den Konkurrenten aus dem Silicon Valley - Gratis-Hubschrauberflüge, Yogakurse bei Sonnenaufgang oder private Assistenten, die sich um die Kinder kümmern, sondern das Leben und Arbeiten am Strand. Denn die Kehrseite von Yogakursen bei Sonnenaufgang oder privaten Assistenten ist: Dadurch sollen die Mitarbeiter möglichst lange auf dem Campus gehalten werden, um zu arbeiten - am besten rund um die Uhr. Detailansicht öffnen Dort sieht auch der Sitz eines Unternehmens wie Snapchat aus wie ein Strandcafé (Archivbild von 2013, mittlerweile ist Snap hier ausgezogen) (Foto: Patrick T. Fallon/Bloomberg) Snap ist anders. Es schickt seine Mitarbeiter hinaus in die Welt, sie bekommen etwa Coupons für die Geschäfte in Venice Beach. "Es ist ein völlig neuer Ansatz, der aufgrund veränderter Erwartungen an einen Arbeitsplatz möglich wird", sagt Jennifer Magnolfi, die mit ihrem Unternehmen Programmable Habitats die Arbeitsumgebung von Tech-Unternehmen analysiert. Die Snap-Mitarbeiter, die wie der erst 26 Jahre alte Gründer Spiegel in der digitalisierten Welt aufgewachsen sind, bräuchten keinen physischen Arbeitsplatz mehr: "Es vermischt Unternehmen, Privatleben und Öffentlichkeit - und spiegelt damit unsere Erfahrungen im digitalen Raum wider." Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Vorteil: Wer nicht weiß, wo die anderen Mitarbeiter arbeiten, der weiß auch nicht, woran sie arbeiten. Nicht umsonst gilt Snap als eines der verschwiegensten Unternehmen, auch den eigenen Angestellten gegenüber. Der Besitzer des Rastafari-Ladens ist kein Freund von Snapchat Venice Beach wird gerade, wenn man so will, "snapificated" - durch den Börsengang an diesem Donnerstag dürften sehr viele Bewohner sehr reich werden. Es gibt noch andere erfolgreiche Start-ups aus Los Angeles wie etwa Dollar Shave Club (kürzlich für eine Milliarde Dollar von Unilever gekauft) oder Maker Studios (für 500 Millionen Dollar von Disney übernommen), doch der Börsengang von Snap gilt als Beweis dafür, dass die Gegend ihren Spitznamen "Silicon Beach" durchaus zu Recht trägt. Spannung an der Wall Street Es ist einer der größten Börsengänge des Jahres: An diesem Donnerstag startet Snap - so heißt seit kurzem das Unternehmen hinter dem Foto-Messaging-Dienst Snapchat - an der New Yorker Wallstreet. Der Ausgabepreis der Aktie wurde von Snap auf 17 Dollar festgelegt, Analysten erwarteten einen Preis zwischen 14 und 16 Dollar. Damit wird Snap an der Börse mit etwa 24 Milliarden Dollar bewertet. Nicht schlecht für ein Unternehmen, das erst 2011 gegründet wurde und im vergangenen Jahr noch einen Verlust von 515 Millionen Dollar einfuhr - mehr als es überhaupt umsetzte, nämlich 405 Millionen Dollar. Der Aktienkauf ist also eine Wette auf die Zukunft. 200 Millionen Papiere werden angeboten, damit dürfte das Volumen des Börsengangs eta 3,4 Milliarden Dollar betragen. SZ Das freilich gefällt nicht jedem - nicht nur deshalb, weil die Immobilienpreise alleine im vergangenen Jahr um 13 Prozent gestiegen sind. Don Salmon etwa gehört der Rastafari-Laden am Strand. Seine Umsätze sind im vergangenen Jahr um 30 Prozent gesunken: "Das liegt an Snapchat!", sagt er. Den kleinen Burgerladen hinter seinem Shop gibt es nicht mehr, in diesem Haus sind nun Snap-Büros. Das Café daneben ist inzwischen eine private Snap-Cafeteria, Snap-Sicherheitsleute patrouillieren vor Salmons Laden und verscheuchen mögliche Kunden. "Es zerstört die Seele von Venice Beach", sagt Salmon: "Die Leute kommen hierher, weil sie Verschiedenartigkeit erleben möchten und keine Bürogebäude." Snap will sich auf Anfrage, wie eigentlich immer, nicht zu seinen Plänen in Venice Beach und an den anderen Strandstandorten äußern. Wenn Firmenchef Spiegel in den vergangenen Jahren eines bewiesen hat - vom Ablehnen eines Drei-Milliarden-Übernahmeangebots von Facebook über das ziemlich kaltherzige Abservieren von Mitgründer Reggie Brown bis hin zu der Ankündigung, beim Börsengang nur Aktien ohne Stimmrecht auszugeben -, dann die Eigenschaft, sich ziemlich wenig darum zu scheren, was andere Menschen von ihm halten. Er ist so, wie er ist. Das macht ihn freilich zum perfekten Einwohner von Venice Beach.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/boersengang-von-snap-wie-die-rebellen-von-snapchat-venice-beach-umkrempeln-1.3400456
mlsum-de-313
Felix Magath bringt sich für eine Führungsposition beim HSV ins Gespräch. Der FC Augsburg verlängert mit Trainer Markus Weinzierl. Martin Schmitt springt bei der Vierschanzentournee mit, Carina Vogt springt in Hinterzarten aufs Podest.
Bundesliga, HSV: Felix Magath hat sich für eine Führungsposition beim Fußball-Bundesligisten Hamburger SV angeboten. "Ich bin gesund, ich bin guter Dinge. Ich bin überzeugt, dass ich viel Know-how mitbringe, dass ich Vereinen in der Bundesliga helfen kann", sagte der arbeitslose Trainer am Sonntag in der TV-Sendung "Doppelpass" von Sport1 und grenzte ein: "Der HSV ist der Verein, der mir am nächsten steht. Mit ihm bin ich am meisten emotional verbunden." Der 60 Jahre alte gebürtige Franke war bei den Hamburgern sowohl Profi, Trainer als auch Manager. Magath schwebt allerdings nicht der Trainerposten beim HSV vor. "Ich ziehe mich langsam aus der Trainerposition zurück", betonte er. Er möchte künftig einen Verein "mehr aus dem Büro heraus" leiten. "Für mich ist das eine Möglichkeit, mich noch mal zu verändern und in einer anderen Funktion als Trainer tätig zu sein." Magath benannte die Position nicht. Dennoch ist klar: Beim HSV, der gegenwärtig um eine neuen Struktur streitet, käme das Amt des Präsidenten oder des Sportdirektors infrage. Beide Posten sind jedoch über die laufende Saison hinaus vergeben. Präsident Carl Jarchow amtiert bis Saisonende 2015, Oliver Kreuzer leitet die sportlichen Geschäfte bis Saisonende 2016. Bundesliga, FC Augsburg: Fußball-Bundesligist FC Augsburg hat seinen Erfolgscoach Markus Weinzierl langfristig an sich gebunden. Der Vertrag mit dem Coach sei vorzeitig um zwei weitere Jahre bis Mitte 2017 verlängert, teilten die Schwaben am Sonntag mit. "Das Jahr 2013 war das erfolgreichste Jahr in der Vereinsgeschichte des FC Augsburg. Wir haben gemeinsam viele wunderbare Stunden erlebt und freuen uns daher, dass wir durch die Vertragsverlängerung mit unserem Trainer diese erfolgreiche Zusammenarbeit langfristig fortsetzen können", erklärte Vereinspräsident Walther Seinsch. Weinzierl hatte das Amt bei den Schwaben Mitte 2012 übernommen. Skispringen, Martin Schmitt: Martin Schmitt ist von Bundestrainer Werner Schuster für die Vierschanzentournee nominiert worden. Der 35 Jahre alte Schmitt erhält für die deutschen Stationen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen einen Startplatz in der nationalen Gruppe. "Die Fans werden Martin bei der Tournee definitiv springen sehen. Er wird dabei sein", bestätigte Schuster am Rande des Weltcups in Engelberg. Schmitt hatte sich durch ordentliche Leistungen im zweitklassigen Continentalcup für seine 18. Tournee-Teilnahme empfohlen. Skispringen, Hinterzarten: Skispringerin Carina Vogt ist beim Heim-Weltcup in Hinterzarten erstmals im Olympia-Winter auf das Podest geflogen. Die 21-Jährige musste sich nach Flügen auf 95,0 und 96,5 Meter mit 224,7 Punkten nur Seriensiegerin Sara Takanashi aus Japan (239,9) und der Russin Irina Awwakumowa (227,9) geschlagen geben. "Ich freue mich sehr über den dritten Platz. Jetzt werde ich an Weihnachten Kraft für die nächsten Aufgaben tanken", sagte Vogt nach dem zweiten Weltcup-Podest ihrer Karriere. Auch im Gesamtweltcup liegt die Deutsche, am Samstag schon gute Siebte, auf Rang vier glänzend im Rennen. "Sie springt auf konstant hohem Niveau. Das ist ein toller Saisonstart für sie", sagte Bundestrainer Andreas Bauer. Zweitbeste Deutsche am Sonntag war die erst 14 Jahre alte Gianina Ernst (215,2). Die Oberstdorferin, die bei ihrem Debüt in Lillehammer überraschend Zweite geworden war, landete einen Tag nach ihrem 29. Rang auf dem siebten Platz. Im ersten Durchgang gelang Ernst mit 102,5 Metern sogar der weiteste Sprung des Tages, anschließend reicht es jedoch "nur" zu 94 Metern. Die halbe Norm für Olympia schaffte Anna Häfele (Willingen/199,4) auf dem 15. Platz. Ramona Straub (Langenordnach/198,7), Ulrike Gräßler (Klingenthal/185,5) und Katharina Althaus (Oberstdorf/163,8) landeten auf den Plätzen 17, 23 und 30 ebenfalls in den Punkten. Ski Nordisch, Schonach: Kombinierer Johannes Rydzek hat den ersten deutschen Erfolg in Schonach seit 1987 haarscharf verpasst. Der nach dem Springen von Rang elf in den 10-km-Langlauf gestartete Oberstdorfer belegte beim letzten Weltcup des Jahres mit 0,7 Sekunden Rückstand hinter Jason Lamy Chappuis (Frankreich) Rang zwei. Der letzte deutsche Erfolg beim Schwarzwaldpokal war Hubert Schwarz gelungen. Weltmeister Eric Frenzel (Oberwiesenthal/+13,4) kam nur auf Rang acht, bleibt jedoch im Gesamtweltcup an der Spitze vor dem Japaner Akito Watabe, der am Sonntag Dritter wurde (+1,1). Am Vortag hatte Frenzel, der drei Saisonsiege nach sechs Rennen auf dem Konto hat, bereits nur Rang fünf belegt. Björn Kircheisen (Johanngeorgenstadt) machte als Siebter (+13,2) das starke deutsche Mannschaftsergebnis perfekt - zudem löste der 30-Jährige damit das Ticket für die Olympischen Spiele in Sotschi. Langlauf, Asiago: Das Duo Katrin Zeller/Denise Herrmann hat beim Klassik-Team-Sprint der Langläufer im italienischen Asiago Platz drei belegt. Die beiden Athletinnen aus Oberstdorf und Oberwiesenthal mussten sich am Sonntag lediglich Finnland mit Aino Kaisa Saarinen und Anne Kyllönen sowie Norwegen I mit Ingvild Östberg und Maiken Caspersen Falla geschlagen geben. Dabei war es Herrmann, die immer wieder die Lücken schloss und im Zielsprint Platz zwei nur um 0,4 Sekunden verfehlte. Auf Sieger Finnland hatten die Deutschen zehn Sekunden Rückstand. Snowboard, Copper Mountain: Die amerikanischen Snowboarder haben den dritten Halfpipe-Contest in Copper Mountain dominiert. Die sechs Podestplätze bei den Damen und Herren-Wettkämpfen gingen alle an die gastgebende Nation. Bei den Damen löste Kelly Clark mit ihrem achten Weltcupsieg das Ticket für die Olympischen Winterspiele in Russland. Platz zwei und drei in Colorado gingen an Weltmeisterin Arielle Gold und Gretchen Bleiler. Bei den Männern überraschte Taylor Gold mit seinem ersten Weltcupsieg. Seine Teamkollegen Gregory Bretz und Ben Ferguson rundeten das Podium als Zweiter und Dritter ab. Der einzige deutsche Teilnehmer Johannes Höpfl hatte den Einzug in das Finale der besten 16 mit Platz 47 klar verpasst. Die noch fehlende halbe nationale Qualifikationsnorm für Sotschi will der 18-Jährige nun beim letzten Halfpipe-Weltcup Mitte Januar im kanadischen Stoneham erfüllen. Bundesliga, Schiedsrichter: Schiedsrichter-Chef Herbert Fandel hat nach der Vorrunde in der Fußball-Bundesliga eine selbstkritische Bilanz gezogen. "Eine detaillierte Analyse werden wir erst im Wintertrainingslager der Bundesliga-Schiedsrichter im Januar auf Mallorca vornehmen. Aber man kann sicher vorab sagen, dass wir mit dem Verlauf der Hinrunde insgesamt nicht rundum zufrieden sein können", sagte der Vorsitzende der Schiedsrichter-Kommission beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) der Nachrichtenagentur dpa und räumte ein: "Es stimmt, dass es gerade zum Ende der Hinserie überraschend deutliche Fehler in Abseitsbewertungen gab." Snowboardcross: Konstatin Schad aus Miesbach hat seinen ersten Weltcupsieg im Snowboardcross knapp verpasst. Platz zwei in Lake Louise/Kanada war jedoch nicht nur Schads beste Platzierung seiner Karriere, er erfüllte auch souverän die Olympianorm für Sotschi. Für den 26-Jährigen wären es die zweiten Winterspiele nach Vancouver 2010. Groß war der Jubel im Hause Berg in Konstanz. Paul Berg (22) darf nach Platz fünf für Sotschi planen. Bei den Frauen qualifizierte sich seine jüngere Schwester Luca (20) als Achte ebenfalls für Olympia. "Natürlich überwiegt die Freude, auch wenn der Sieg drin gewesen wäre. Ich habe den ganzen Tag nur einen Fehler gehabt, der mich aber letztlich Platz eins gekostet hat", sagte Schad, der sich nur dem Australier Jarryd Hughes geschlagen geben musste: "Aber der zweite Rang ist auch nicht schlecht. Zumal ich das Olympiaticket gelöst habe." Dies gelang mit der Halbfinal-Teilnahme auch Luca Berg, die beim ersten Weltcup der Saison nur 24. geworden war. Der Sieg ging an die dreimalige Weltmeisterin Lindsey Jacobellis (USA), die bei Olympia 2006 in Turin Silber gewonnen hatte. Basketball, NBA: Dirk Nowitzki hat mit den Dallas Mavericks die zweite Niederlage nacheinander in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA kassiert. Der Ex-Meister verlor am Samstag (Ortszeit) mit 108:123 bei den Phoenix Suns. Nowitzki war mit 21 Punkten bester Werfer der Gäste. Bei den Suns kamen in Eric Bledsoe (25) und Gerald Green (22) aber allein zwei Spieler auf mehr Zähler. Tags zuvor hatte Dallas gegen Toronto mit 108:109 nach Verlängerung verloren. Auch Chris Kaman musste eine Niederlage hinnehmen. Mit den Los Angeles Lakers war für ihn mit einem 83:102 bei den Golden State Warriors nichts zu holen. Fußball, Klub-WM: In der Nachspielzeit hat Stürmer Luan dem Südamerika- Champion Atlético Mineiro bei der Fußball-Club-WM nach dem Halbfinalaus zumindest noch den dritten Platz gesichert. Der 23-Jährige erzielte beim 3:2 (2:2) gegen den chinesischen Club Guangzhou Evergrande am Samstag in Marrakesch den entscheidenden Treffer (90.+1) für den brasilianischen Erstligisten. Diego Tardelli brachte Mineiro früh in Führung (2.), Muriqui (9.) und Dario Conca (15./Foulelfmeter) drehten die Partie zunächst. Der frühere Weltfußballer Ronaldinho (45.) traf mit einem sehenswerten Freistoß zum zwischenzeitlichen 2:2, musste aber nach einer Tätlichkeit mit einer Roten Karte (87.) vom Platz. Basketball, Bundesliga: Pokalsieger Alba Berlin hat seinen Aufwärtstrend in der Basketball-Bundesliga fortgesetzt. Der ehemalige Serienmeister gewann am 14. Spieltag gegen Aufsteiger Rasta Vechta mit 88:73 (52:36) und bleibt in der Tabelle Siebter, Vechta rutscht auf den 17. Rang ab und ist weiter abstiegsgefährdet. Die Telekom Baskets Bonn setzten sich derweil bei den MHP Riesen Ludwigsburg 79:73 (36:36) durch und festigten den dritten Tabellenplatz. Verfolger ratiopharm Ulm musste sich nach zuletzt vier Liga-Siegen gegen die Frankfurt Skyliners 102:108 (33:38) nach Verlängerung geschlagen geben. Die EWE Baskets Oldenburg festigten durch den 70:66 (35:42)-Erfolg gegen die Phantoms Braunschweig Rang fünf hinter Ulm. Im Kellerduell musste sich das neue Schlusslicht Walter Tigers Tübingen nach einem schwachen Anfangsviertel mit nur neun Punkten am Ende mit 65:82 (27:35) den s.Oliver Baskets Würzburg geschlagen geben, die auf Platz 14 klettern. Zudem kam der Mitteldeutsche BC zu einem 89:83 (45:37)-Heimsieg gegen die Eisbären Bremerhaven. Handball, Bundesliga: Der THW Kiel feiert Weihnachten als Tabellenführer der Handball-Bundesliga. Vor allem dank der zwölf Tore von Rückraumspieler Marko Vujin kam der Titelverteidiger am Samstag gegen Schlusslicht TV Emsdetten zu einem mühevollen 35:28 (18:15)-Erfolg. Mit dem 17. Sieg am 19. Spieltag verteidigte der Rekordmeister Platz eins vor der SG Flensburg-Handewitt und dem HSV Hamburg. Für einen Überraschungssieg hat derweil der ThSV Eisenach gesorgt. Der Neuling und bislang Tabellenvorletzte bezwang in eigener Halle die Füchse Berlin mit 23:22 (10:11). Durch die Niederlage verpassten die Berliner die Rückkehr auf den dritten Platz. Der EHF-Cup-Teilnehmer bekam die achtfachen Torschützen Aivis Jurdzs und Faruk Vrazalic nicht in den Griff. Bester Berliner war Konstantin Igropulo mit neun Treffern. MT Melsungen erhielt für seine Europacup-Ambitionen durch das 28:28 (14:15) vor heimischer Kulissen gegen den TuS N-Lübbecke einen Dämpfer. Im Kampf um den Klassenverbleib hat der TSV GWD Minden einen wichtigen Sieg gefeiert. Die Ostwestfalen gewannen gegen Europacup-Starter TSV Hannover-Burgdorf mit 29:25 (14:11). Der VfL Gummersbach erkämpfte sich gegen den lange führenden TBV Lemgo einen 33:32 (17:17)-Erfolg. Den entscheidenden Treffer markierte Barna Putics eine Minute vor Schluss. Schwimmen, deutscher Rekord: Der EM-Zweite Marco Koch hat beim "Duell im Pool" zwischen einer Europa-Auswahl und dem Team der USA einen deutschen Rekord aufgestellt. Über 100 Meter Brust verbesserte der 23 Jahre alte Schwimmer auf der Kurzbahn in Glasgow seine eigene Bestmarke auf 57,05 Sekunden. Damit belegte der Darmstädter hinter Kevin Cordes aus den USA (56,88) Rang zwei. Der vorherige Rekord war Koch erst vor einer Woche bei der Kurzbahn-EM im dänischen Herning gelungen (57,14). Am Freitag hatte er in 2:01,90 Minuten über 200 Meter Brust einen zweiten Platz belegt. Slopestyle, Weltcup: Die 17 Jahre alte Ski-Freestylerin Lisa Zimmermann hat beim Slopestyle-Weltcup in Copper Mountain den fünften Platz belegt. Die Oberaudorferin, die bereits für die Olympischen Winterspiele in Sotschi qualifiziert ist, bekam im zweiten Final-Durchgang von der Jury durschnittlich 78,20 Punkte und landete deutlich hinter Siegerin Dara Howell (USA/85,40). Bei den Männern siegte der Norweger Andreas Haatveit mit starken 92,80 Punkten. Bene Mayr (Unterhaching) und Florian Preuss (Sprockhövel) hatten den Einzug ins 16er-Finale verpasst, Mayr hat sein Ticket für Sotschi bereits sicher.
https://www.sueddeutsche.de/sport/magath-bietet-sich-beim-hsv-an-ich-bin-ueberzeugt-dass-ich-helfen-kann-1.1849564
mlsum-de-314
Brüssel will die digitale Wirtschaft in Europa gegenüber den USA stärken. Ein freier Verkehr von Daten in Europa und gemeinsame Datenzentren könnten größeren Firmen rund 30 Prozent Kosten sparen, glaubt die EU-Kommission.
Das Gute an dieser nicht gerade krisenarmen Zeit ist, dass sie die EU daran erinnert, was sie ausmacht. In Brüssel ist jedenfalls wieder öfter von den vier Freiheiten die Rede. Freiheiten, die sich die Gemeinschaft nicht nehmen lassen will. Der freie Verkehr von Waren, Kapital und Dienstleistungen sowie die Freizügigkeit von Personen gehören zu den Grundpfeilern der Europäischen Union. Sie bilden das Fundament für den gemeinsamen Binnenmarkt, der die Gemeinschaft noch immer am stärksten zusammenhält. Wie stark die Kräfte noch sind, werden die Verhandlungen über einen EU-Austritt Großbritanniens zeigen. Die Europäische Kommission möchte derweil eine weitere Freiheit garantieren: die der Daten. Nächste Woche will die Brüsseler Behörde einen Vorschlag für einen möglichst freien, also grenzenlosen Fluss des Datenverkehrs zwischen den EU-Staaten präsentieren. Dieser soll vor allem Kosten für Unternehmen senken. Der Titel des Plans verspricht nicht weniger als den "Aufbau einer europäischen Data Economy". Aus Sicht der Kommission wäre dies dringend nötig, denn im Vergleich zu den USA hinkt die europäische Digitalwirtschaft deutlich hinterher. Welche Bedeutung die Ökonomie der Daten hat, beschreibt die Kommission im Entwurf des Vorschlags. So machte der Wert der digitalen EU-Wirtschaft im vergangenen Jahr 272 Milliarden Euro aus. Dieser könnte nach Ansicht der Brüsseler Behörde bis 2020 auf 643 Milliarden Euro steigen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten sich die Mitgliedsstaaten von einem Prinzip leiten lassen: der Freizügigkeit der Daten innerhalb der EU. Bei Cyberattacken oder Naturkatastrophen könnte ein Land dem anderen helfen Bislang gibt es in Europa nur Vorschriften, wie Staaten und Unternehmen personenbezogene Daten zu schützen haben. Es gibt aber auch andere Daten, die Konzerne interessieren; zum Beispiel die Werte digitaler Thermometer oder von Futtersensoren in modernen Bauernhöfen, die das Fressverhalten von Tieren aufzeichnen. Für all diese Daten gibt es bislang keine EU-weit einheitlichen Vorgaben. Genau das will die Kommission nun ändern. Sie will einen digitalen Binnenmarkt, der den Umgang mit nicht personenbezogenen Daten regelt und den grenzenlosen Fluss von Daten garantiert. Das Ganze hat auch einen Sicherheitsaspekt: Werden die Datenzentren eines EU-Landes etwa von einer Cyberattacke heimgesucht, könnte das Datenzentrum eines anderen EU-Landes helfen. Aus Sicht von Unternehmen ist eines besonders interessant: Kosten könnten sinken. Laut Kommission führen Datenzentren oder sogenannte Clouds zu vielerlei Einsparungen. Eine Firma spart sich nicht nur Platz und damit Mietausgaben, sondern auch Energie. Ein kleines Unternehmen könnte nach Berechnungen der EU-Kommission seine Kohlenstoff-Emissionen um mehr als 90 Prozent senken, wenn es auf cloudbasierte Dienste setzt statt auf die eigene Infrastruktur. Für größere Firmen liegt dieser Einsparungswert laut Kommission bei etwa 30 Prozent. In der Schönfärbersprache der neuen Digitalwelt heißt das dann "Global Green Data Centre Market" - globaler grüner Datenzentrumsmarkt. Dazu gehört auch das Thema Portabilität, also die Frage, wie viele Daten man wohin mitnehmen darf und was man dort mit ihnen anfangen kann. Bislang gibt es laut EU-Kommission "keine Verpflichtung, auch nur eine minimale Datenübertragbarkeit zu gewährleisten". Das soll sich nach dem Willen der Brüsseler Behörde ändern, so dass der Weg zu einem digitalen Binnenmarkt weiter beschritten werden kann. Frei und irgendwann vielleicht sogar grenzenlos.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/europapolitik-mehr-freiheit-fuer-daten-1.3319548
mlsum-de-315
Die Geschäfte im ukrainischen Bergbau haben im Krieg arg gelitten. Durch die brachliegenden Kohlebergwerke droht nun auch noch eine Umweltkatastrophe.
Dmitrij Sacharuk ist ungehalten. "Wollen wir miteinander Handel treiben, oder wollen wir gegeneinander Krieg führen", fragt er und lässt keinen Zweifel daran, dass er für Handel ist. Sacharuk, Top-Manager im Kohle- und Stahl-Imperium des ukrainischen Oligarchen Rinat Achmetow, stellt damit die zentrale Frage im Krieg gegen die von Russland gestützten Separatisten: umarmen oder abschotten? Es gibt darauf mehrere Antworten: eine ideologische, eine diplomatische und eine pragmatische. Der Manager in seinem Hochhausbüro weit oben über den Dächern von Kiew, Geschäftsführer bei DTEK-Energie, nennt die Frontlinie eine "chinesische Mauer". Bis zu zwei Tage, manchmal mehr, brauche man an den Checkpoints, um auf die andere Seite zu kommen; die Eisenbahn sei aufgrund einer Streikwelle wochenlang nicht gefahren, Geldtransfers in die von Separatisten kontrollierten Gebiete seien nicht mehr möglich - und all das aufgrund des "fehlenden politischen Willens, die Probleme zu lösen, vor die dieser Krieg das Land gestellt hat". Offiziell spricht die Regierung nicht mit den Regimes in Donezk und Luhansk. Gleichzeitig gilt der unter Moskaus Einfluss stehende Teil des Donbass aber bis heute als ukrainisches Territorium und läuft unter "nicht regierungskontrolliertes Gebiet". Allerdings verhandelt die Regierung in Kiew durchaus mit den Separatisten - etwa in der Arbeitsgruppe "Wirtschaft und Energie" unter dem Dach der Minsker Trilateralen Kontaktgruppe. Der Ausfall der Kohle wurde vor allem durch Kernkraft kompensiert Und gehandelt wird mit ihnen auch. Diplomaten verweisen darauf, dass das "statusneutral" geschehe, also keine Annäherung oder gar Anerkennung bedeute - nach dem Vorbild des innerdeutschen Handels zwischen DDR und BRD. Nur spricht man nicht laut darüber. Das kann im Zweifel kleine Erfolgsgeschichten über eine stille Verständigung jenseits der politischen Propaganda bewirken, macht die Sache aber je nach Standpunkt komplex, oder verlogen. Am besten lässt sich dies am Beispiel eines für die Ukraine lebenswichtigen Produkts erklären: Kohle. Die meisten Kohlebergwerke der Ukraine, sowohl staatliche als auch private, liegen auf den Gebieten der sogenannten Volksrepubliken. Alle zusammen produzieren heute ein Drittel weniger, als sie könnten, und durchschnittlich 50 Prozent (die staatlichen sogar 80 Prozent) weniger als vor fünf Jahren. Das besagt eine Statistik des ukrainischen Energieministeriums. Kompensiert wurde der Ausfall vorwiegend durch Kernkraft; Experten warnen aber davor, dass die permanente Überlastung der Atomkraftwerke in der Ukraine jederzeit zu einer Katastrophe führen könne. Aber das ist nur einer der vielen wenig beachteten Aspekte in diesem ökonomischen und ökologischen Krimi. Die Gründe dafür, dass weniger Kohle gefördert wird, sind politische Korruption und fehlende Investitionen vor dem Krieg, der Krieg selbst, die Rezession, die Zerstörung: Viele Bergwerke sind geflutet, gesprengt oder vermint, dienen als Lagerstätten für Waffen oder werden illegal betrieben. Hinzu kommen enorme Umweltschäden und Gefahren, von denen noch zu sprechen sein wird. Rolf Petry könnte die Kohleförderung in der Ukraine wieder voranbringen Die Kohle ist also ein Sinnbild für den Konflikt: Wem gehört sie? Wer fördert sie? Wer transportiert sie, wer bezahlt sie, und wie wird sie bezahlt? Wer profitiert, wer leidet, wer hat einen Plan für die Zukunft? Zumindest über den Status quo kann Rolf Petry Auskunft geben, Kohle-Experte und Ex-Manager der Ruhrkohle AG. Er hat im vergangenen Jahr, finanziert vom deutschen Außenministerium, unterstützt von Kiew und interessanterweise auch von Moskau und den Separatisten, einen Bericht über diesen Status quo erstellt. "Gutachten zur Wiederaufnahme der Kohleförderung in der Ukraine" lautet der sperrige Titel, dessen Ergebnisse und Folgen nun, im besten Falle, im Rahmen der Minsker Gespräche zu einer erweiterten Kooperation aller Beteiligten führen könnten. Denn die Separatisten sitzen auf Kohle, und die Ukraine braucht Kohle. Die Importe, mit denen sich Kiew eine Weile über die Lieferengpässe aus dem Donbass gerettet hatte, sind viel teurer als Kohle aus heimischer Förderung. Und Überflutungen und Sprengungen stellen alle Parteien vor enorme Herausforderungen. Auch Moskau. Denn bekanntlich enden die Flöze von Bergwerken nicht direkt an Staatsgrenzen, und das in hundert Jahren gewachsene Geflecht unter Tage, das bis nach Russland hineinreicht, stellt ein Spiegelbild der Lage über Tage dar. Rolf Petry hat insgesamt 85 Bergwerke besucht, davon 56 im Konfliktgebiet. Dabei haben ihn häufig Trupps der OSZE-Mission begleitet - aus Sicherheitsgründen. Einige Bergwerke konnte er nicht besichtigen, weil es zu gefährlich war, oder weil die Manager der Staatsbetriebe sich nicht in die Karten schauen lassen wollten; überhaupt hat er auf beiden Seiten der Front vor allem privat geführte Bergwerke, unter anderem die der DTEK, in einem guten Zustand vorgefunden.
https://www.sueddeutsche.de/politik/ukraine-schwarze-seiten-der-kohle-1.3085551
mlsum-de-316
Immer mehr Kommunen bieten im Zentrum günstige Übernachtungsplätze für Wohnmobil-Fahrer an. Die Investition lohnt sich für beide Seiten.
Im Stau vor Hannover. Das Bild am Heck des Wohnmobils ist bunt und lustig, die Aufschrift ist es auch: "Wir verjubeln das Erbe unserer Kinder!" Der Rentner hat ja längst den Zauber des Dauerreisens entdeckt. Und er steigt immer öfter in ein Gefährt, das groß ist wie ein mittlerer Reisebus und bei dessen Anschaffung man schnell im sechsstelligen Bereich liegt. Wer mit dem "Womo" reist, hat Geld - und er gibt es gern in Städten aus: 40 Euro pro Person und Tag lassen Wohnmobilbesitzer laut einer Studie des Deutschen Tourismusverbandes (DTV) in der besuchten Stadt. Deutschlands Kommunen haben deshalb begonnen, die Klientel zu umwerben: mit Wohnmobilstellplätzen mitten in der Stadt. Mittlerweile gibt es bundesweit mehr als 3000 solcher Parkplätze, Tendenz: stark steigend. Die meisten innerstädtischen Wohnmobilstellplätze bieten oft nur den Minimalservice: "Landstromanschluss" zum Laden der Batterien und für den 220-Volt-Betrieb, eine Entsorgungsstelle für Schmutz-und Toilettenwasser und eine Versorgungsstelle für Trinkwasser, in Fachkreisen kurz E+V-Station genannt. Die hören dann auf so poetische Namen wie Hygienja, Holiday Clean oder Sani-Station. Für einen Euro, der in einen Schlitz geworfen wird, bekommt man Trinkwasser. Die Entsorgung ist meist kostenfrei, das heißt in der Übernachtungsgebühr enthalten, die irgendwo zwischen fünf und 15 Euro liegt und damit sehr viel günstiger ist als der gute alte Campingplatz, auf dem man in der Regel gut 30 Euro pro Nacht für zwei Personen plus Auto bezahlt, Hund extra. Der Wohnmobilist aber braucht ja keine Dusche, keine Toilette, kein Abspülbecken am Platz, er hat alles dabei. Vorzug Nummer zwei: die Fußläufigkeit zum Zentrum. Die Campingplätze liegen meist kilometerweit außerhalb der Stadt. Nehmen wir zum Beispiel Göttingen. Dort hat man in den vergangenen Jahren neben dem riesigen Schwimmbadgelände einen großzügigen Wohnmobilstellplatz eingerichtet. Wer abends beim Bullerjahn im Ratskeller speisen möchte, erreicht ihn zu Fuß in zehn Minuten. Oder Wismar: Die Hansestadt an der Ostsee ist nicht nur fantastisch saniert und renoviert worden seit der Wende, sondern hat unweit der Altstadt einen großen runden Wohnmobilstellplatz errichtet, in dem es sogar Frühstücksbrötchen-Service gibt. Da bleibt man dann gerne etwas länger, zumal es sich lohnt, die Gegend zu erforschen. Anders ist die Strategie derer, die in Oranienburg nördlich von Berlin landen. Die fahren von hier aus mit der S-Bahn in die nahe Hauptstadt und können abends wieder ins eher Kleinstädtische entfliehen. Die Gäste lernen zudem einen echten Hafenmeister mit Hanseatenbart und -mütze kennen, der hier und im benachbarten Hafen für Ordnung und den richtigen Gebrauch der Bezahlkarte sorgt. Von der Schlossgaststätte "Lieschen & Louise" rät er ab, weil er die nicht mag. Eine Nicht-Empfehlung, die man ignorieren sollte. Von hier aus lässt es sich dann prächtig in die Mecklenburgische Seenplatte gondeln. Wobei man bei einem ernsthaften Nachteil des innerstädtischen Stellplatzes angelangt wäre: die Beschränkung auf gewisse Fahrzeug-Typen. Im regelwütigen Deutschland nämlich ist es so, dass eigentlich nur der, dessen Urlaubsgefährt das Schlüsselkriterium "selbstangetriebenes Freizeitfahrzeug" erfüllt, auf einen Womo-Stellplatz darf. Also kein normal gezogener Camper. Das hat zum einen hygienische Gründe, normale Wohnwagen sind nicht immer mit einer richtigen Toilette ausgestattet. Eine größere Rolle jedoch spielt der Neid der Campingplatzbetreiber, denen diese Klientel abhandenkommt - was auch daran liegt, dass die dicken Wohnbusse bei ihnen oft keinen Platz finden. Es soll sogar Campingplatzbetreiber geben, die mit der Kamera auf die Pirsch zum Stellplatz gehen und schauen, ob da nicht verbotenerweise ein nicht selbstangetriebenes Freizeitfahrzeug herumsteht. In Freyburg an der Unstrut hat die Winzervereinigung Platz für Wohnmobile. Wie praktisch Erlaubt ist indes eine wunderbare Womo-Idee aus den USA: der Fifth Wheeler. Das ist ein Anhänger, dessen Kupplung auf der Ladefläche eines Pick-ups montiert ist. Das Gefährt hat zwei Vorteile: Der Sattelauflieger ist mindestens so groß und so perfekt ausgestattet wie ein Wohnmobil. Und der Pick-up ist in fünf Minuten abgehängt, somit bereit für Rundfahrten ohne Gehänge. Er hat allerdings auch zwei Nachteile: Während des Fahrens darf und kann man als Beifahrer nicht in die Kabine. Und der TÜV Süd und viele Dependancen des TÜV Nord lehnen eine Abnahme solch eines Gespanns ab. Hauptgrund: Dieser Anhänger hat eine eigene, vom Zugfahrzeug gesteuerte elektrische Bremsanlage. Gingen die Bremsen während der Fahrt kaputt, schöbe der tonnenschwere Anhänger das Gespann ungebremst in die Katastrophe. Wer dann aber den TÜV-Wahnsinn durchlaufen hat und mit dem Gespann unterwegs und zum Beispiel in Wismar gelandet ist, kann mit dem Pick-up die Gegend erkunden und muss nicht abspülen vor jedem Kurztrip. "Ihr müsst unbedingt zur Insel Poel", sagt der freundliche Nachbar, angereist aus Rostock. Sollte sich eine Kommune für einen Stellplatz entscheiden, gibt der Tourismusverband mit seiner Abteilung Caravaning zahlreiche Empfehlungen, was zu beachten ist - angefangen bei der Zufahrt, die 24 Stunden gewährleistet sein sollte, über die erwünschte gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel bis hin zur Gestaltung der Beschilderung. Ausgewiesen werden soll der Stellplatz demnach mit dem Parkplatzzeichen 314 der StVO in Verbindung mit dem Straßenverkehrszusatzzeichen 1048/17: ein blaues Schild mit weißem P und ein Schild mit dem Wohnmobilsignet darauf. Doch auch in Deutschland gibt es Wohnmobilstellplätze, die DIN DIN sein lassen und stattdessen mit anderen Annehmlichkeiten aufwarten. Wen es zum Beispiel in den Burgenlandkreis verschlägt, also ins schönste Sachsen-Anhalt, der findet sich vielleicht in Freyburg an der Unstrut wieder. Und fährt, den Anweisungen des Womo-Stellplatzführers "Landvergnügen - Der andere Stellplatzführer" folgend, durch die Stadt ans westliche Ende und findet dort die ortsansässige Winzervereinigung. Die bietet einen kleinen, kostenfreien Stellplatz ohne irgendwelche Einrichtungen, dafür kann man einkaufen, köstlichste Ergebnisse der Rebenbearbeitung, vom Silvaner über den Kerner bis zum Traminer. Und man kann das alles gefahrlos verkosten. Muss ja nicht mehr fahren. Und München? Hat keinen richtigen Wohnmobilstellplatz. Sicher, am Stadionparkplatz in Fröttmaning gibt es ein paar, aber die dürfen an Spieltagen nicht benützt werden. Und die draußen auf dem Messegelände? Die gelten nur zur Wiesnzeit, und das ist dann kein Spaß. München hat es offenbar nicht nötig, das Geld der Wohnmobiltouristen.
https://www.sueddeutsche.de/reise/trend-ab-in-die-stadt-1.2638107
mlsum-de-317
Alexander Zverev holt Ivan Lendl als zweiten Trainer in sein Team. Das ist als Ansage zu deuten.
Die Nachricht, die am Dienstag so viele Spekulationen und Schlagzeilen ins Rollen brachte, wurde mit einem Foto übermittelt. Und einem winzigen Kommentar darunter. Fünf Männer stehen in einer Reihe und lächeln in die Kamera. Im Hintergrund: die größte Tennisarena der Welt, das Arthur Ashe Stadium. Zu sehen: Physiotherapeut Hugo Gravil. Fitnesscoach Jez Green. Alexander Zverev senior. Alexander Zverev junior. Und: Ivan Lendl. "Welcome to the team Ivan Lendl", stand darunter, geschrieben von dem Internetnutzer "alexzverev123". Detailansicht öffnen Neues Paar: Alexander Zverev (Mitte) lässt sich in New York mit dem früheren Weltklassespieler Lendl (2. v. r.) ablichten. (Foto: Instagram) Das ist der beste deutsche Tennisprofi höchstselbst. Aufgenommen wurde die Szene nach einer Trainingseinheit bei den US Open in New York, die am Montag beginnen. Zverev, 21, an Nummer vier gesetzt und bei manchem Anbieter mit einer Wettquote von 8:1 hoch auf seinen ersten Grand-Slam-Sieg gehandelt, wird also doch enger mit einem der bekanntesten Darsteller der Tennisgeschichte zusammenarbeiten, als es in den vergangenen Wochen schien; da hatten die beiden schon mal trainiert, etwa in Florida. Beim Münchner Turnier im Mai, bei dem Zverev seinen Titel verteidigte, meinte der junge Aufsteiger der Szene noch: Als zweiter Trainer neben seinem Vater, der ihn zeit seines Lebens betreute und betreuen wird, käme nur der frühere Weltranglisten-Erste Boris Becker in Frage - oder der ebenfalls frühere Weltranglisten-Erste Lendl, den die Familie Zverev gut kennt; die Kontakte waren über Green zustande gekommen, der einst Andy Murray zugearbeitet hatte - damals war Lendl Murrays Coach und formte diesen zum Champion. Detailansicht öffnen Die Arbeit mit Ivan Lendl (rechts, in Monte Carlo 2013) führte Andy Murray auf Platz eins der Weltrangliste. (Foto: Clive Brunskill/Getty Images) Das Interesse, auf das das neue Spieler-Trainer-Duo auch in internationalen Medien sofort stieß, hat zum einen damit zu tun, dass Zverev ein bedeutsamer Profi geworden ist. Zum anderen ist Lendl, der siebenmalige Grand-Slam-Sieger, aus seiner selbst verordneten Auszeit als Trainer zurückgekehrt. Und weil der heute 59 Jahre alte Amerikaner, in der Tschechoslowakei geboren, auch als einer der gewieftesten und geheimnisvollsten Protagonisten gilt, strahlt diese Kombination etwas sehr, sehr Spannendes aus: Das Supertalent und der Supercoach, wie beide mal genannt wurden, wagen tatsächlich das gemeinsame Projekt; das Ziel: die Gipfelerklimmung.
https://www.sueddeutsche.de/sport/ivan-lendl-als-trainer-ein-stueck-tennisgeschichte-an-zverevs-seite-1.4100761
mlsum-de-318
Elian Preuhs und Theresa Sommerkamp aus Oberpframmern sind Europa- und Weltmeister im Boogie Woogie - und nun auch Talentiade-Preisträger.
Natürlich freut sich Elian Preuhs riesig über den Talentiade-Preis, mit dem er und seine Boogie-Woogie-Tanzpartnerin Theresa Sommerkamp am Mittwochabend im SZ-Hochhaus in München ausgezeichnet worden sind. Doch das Fest für den sportlichen Nachwuchs in München und den Landkreisen hatte für den 16-Jährigen noch einen weiteren Höhepunkt. "Ich konnte mich kurz mit Matthias Sammer unterhalten und hab auch ein Foto mit ihm gemacht", sagt der bekennende Bayern-Fan und strahlt, bevor er sich am Barbecue-Buffet mit Grillfleisch, Lachssteaks, Antipasti und feinsten Salaten bedient. Sammer, Ex-Fußballprofi und Ex-Sportdirektor des FC Bayern, war einer der Stargäste des Abends, der als Pate für die Preisträger fungierte - und ungewöhnlich plauderfreundlich aus seinem neuen Leben ohne den Sport berichtetet. Das ist für Elian Preuhs und Theresa Sommerkamp sicher noch lange kein Thema. Glücklicherweise, möchte man spätestens seit ihrem Auftritt während der festlichen Preisverleihung sagen. Denn die beiden Oberpframmerner, die für den Verein "Boogie Magics" in Hohenbrunn antreten, unterstrichen mit einem schwungvollen Tanz zu Lou Begas "Mambo No.5", warum sie zurecht mit dem Förderpreis der SZ ausgezeichnet wurden. Elian und Theresa beherrschen nicht nur den rhythmischen Swing-Tanz, der in den 1920-Jahren in den USA entstanden ist. Sie bringen auch eine große Portion schauspielerische Spielfreude mit, die den dynamischen Darbietungen erst den gut gelaunten Ausdruck verleiht. Wobei Elian und Theresa, die beide die zehnte Klasse des Kirchseeoner Gymnasium besuchen, am Mittwoch ohnehin beste Laune ins SZ-Hochhaus brachten, kamen sie doch gerade aus Rimini zurück, wo sie bei einem Weltcup-Turnier den ersten Platz belegt haben. Vermutlich ist es die Vertrautheit von richtig guten Freunden, die neben großem Tanztalent auch einen Teil zum Erfolg auf dem nationalen und internationalen Parkett beiträgt. Elian und Theresa kennen sich schon aus dem Kindergarten, wo Elians Mutter Doris, einst selbst Boogie Woogie-Weltmeisterin, eine Kindertanzgruppe ins Leben rief. Da waren die Talentiade-Preisträger gerade einmal fünf Jahre alt. Mit sieben folgte der erste Auftritt. Seitdem reiht sich ein Erfolg an den nächsten. Aktuell sind Elian und Theresa Europa- und sogar Weltmeister in der Jugendklasse. Diesen Titel möchten sie dieses Jahr in Marseille verteidigen, bevor sie dann in der Erwachsenenklasse mittanzen. Praktisch ist, dass Elians Mutter und sein Vater Johann Preuhs die beiden trainieren. Dennoch betont Elian im Interview auf der Talentiade-Bühne mit SZ-Redakteur Andreas Liebmann, dass er keineswegs von den Eltern zum Tanzen gedrängt wurde. Im Gegenteil hätte seine Mutter durchaus versucht, ihn auch für andere Sportarten zu begeistern. Reiten und Fußball zum Beispiel. "Aber ich wollte dann doch eben das Tanzen ausprobieren", sagt Elian. Und nein, man geht sich deshalb nicht auf die Nerven, beteuert Theresa - auch, wenn beide dieselbe Schule und dieselbe Klasse besuchen, abends im heimischen Kellerstudio in Oberpframmern trainieren und an den Wochenenden auf Turnieren unterwegs sind. "Aber ich geh auch mal gerne ohne ihn aus", räumt Theresa ein und lacht. Johann Preuhs, der seine Schützlinge zum SZ-Fest begleitete, ist es wichtig, sich auch bei der Schule der beiden zu bedanken. Das Kirchseeoner Gymnasium sei sehr großzügig und verständnisvoll, wenn Elian und Theresa wieder einmal eine Befreiung vom Unterricht bräuchten, um auf ein Turnier zu fahren. "Das ist nicht selbstverständlich", sagt Preuhs. Allerdings sei das auch ein Geben und Nehmen, schließlich seien Elian und Theresa durchaus gute Schüler. Dass sie dieselbe Klasse besuchten, mache die Koordination zwischen Lernen und Tanzen leichter. Elian und Theresa sind in ihrer Sportart inzwischen so professionell unterwegs, dass sie ahnen, dass es mit der Leichtigkeit bald vorbei sein könne, mit der sie in ihrer Disziplin die Spitzenstellung einnehmen. Spätestens mit dem Wechsel in die Erwachsenenklasse werden sich die Anforderungen ändern. Hinzu kommt das langsame Tanzen, bei dem die Posen länger gehalten werden müssen. Geht was daneben oder gerät eine Figur etwas wackelig, fällt das natürlich schneller auf. Aber zuvor gilt es noch einmal, den Boogie-Woogie-Olymp im Oktober in Marseille zu erklimmen. "Sie wären dann das erste Paar in ihrer Altersklasse, das das geschafft hat", sagt Elians Vater Johann Preuhs.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/hohenbrunn-oberpframmern-komm-tanz-mit-mir-1.3586718
mlsum-de-319
Roms Alessandro Florenzi schießt gegen Barcelona ein Tor aus 55,5 Metern. Ist da Torwart Marc-André ter Stegen schuld? Es ist schon sein zweiter Gegentreffer dieser Art binnen vier Partien.
Ja gut, hat Thomas Müller irgendwann zugegeben, sein Schuss sollte eigentlich eine Flanke sein. Der Ball verrutschte ihm jedoch, er flog nicht auf den Kopf von Robert Lewandowski, er flog einfach ins Tor. Müller lachte mehr als dass er jubelte, vielleicht glaubte er, beim 3:0 des FC Bayern gegen Olympiakos Piräus den verrücktesten Treffer des ersten Champions-League-Spieltags gemüllert zu haben. Aber da hatte er noch nichts von Alessandro Florenzi gehört. 55,5 Meter - aus dieser Entfernung schoss Florenzi, Außenstürmer des AS Rom, das 1:1 gegen den FC Barcelona. Er war die Seitenlinie entlanggelaufen, hatte mit Verve geschossen, der Ball wurde immer länger, senkte sich im richtigen Moment - und sprang vom Pfosten ins Netz. "Das Tor wird in Erinnerung bleiben", sagte Florenzi später angemessen euphorisch. Doch sein Satz galt nicht nur für den Torschützen des AS Rom, er galt auch für den leidtragenden Torhüter des FC Barcelona: Marc-André ter Stegen. Ter Stegen als Prototyp des Torhüters der Gegenwart "Natürlich ist das ein eindeutiger Torwartfehler", hat Franz Beckenbauer später bei Sky geurteilt, und seine Worte hatten, wie so oft, etwas Letztinstanzliches. Beckenbauer wies nicht darauf hin, dass ter Stegen schon Mitte August im Ligapokal einen Weitschuss nicht hatte halten können, gegen Bilbao, damals aus 47 Metern. Er hielt seine These auch so für hinreichend begründet: "Wenn du aus 60 Metern ein Gegentor kassierst, wer soll dann schuld sein - der lieber Gott?" Allerdings kamen manche Menschen, die nicht Franz Beckenbauer heißen, zu einem anderen Schluss: ter Stegen hatte keinen Fehler gemacht. Er war ein Opfer seiner eigenen Klasse geworden. "In der heutigen Zeit ist das kein Torwartfehler" - diesen Satz hat Oliver Kahn im ZDF gesagt. Kahn arbeitet dort als Fußball-Experte, und in der Diskussion um ter Stegen bringt er eine gewisse Autorität mit. Er war früher selbst Torhüter, genau genommen war er einst der beste Torhüter der Welt. Als Kahn noch im Tor stand, hatte ein Torhüter präzise eine Aufgabe: Bälle halten. Er musste die Linie bewachen und manchmal den Strafraum, das war's. Kahn konnte das besser als andere, er ist der Prototyp des Torhüters der Vergangenheit.
https://www.sueddeutsche.de/sport/ter-stegens-gegentor-aus-55-5-metern-opfer-des-eigenen-spiels-1.2651928
mlsum-de-320
Vizekanzler Sigmar Gabriel warnt davor, den neuen US-Präsidenten zu unterschätzen, Kanzlerin Merkel pocht auf Regeln: Politiker in Deutschland und der Welt äußern sich zu Donald Trumps Amtsantritt. Die Reaktionen im Überblick.
Die Antrittsrede des neuen US-Präsidenten Donald Trump löst in Deutschland und der ganzen Welt Reaktionen aus. Trump kündigte einschneidende Veränderungen an und grenzte sich massiv von der Politik seines Vorgängers Barack Obama ab. Der 70-Jährige wörtlich: "Von jetzt an wird eine neue Vision dieses Land regieren. Von diesem Tag an heißt es: Amerika zuerst." Vor diesem Hintergrund wachsen international die Sorgen vor einem US-Protektionismus mit neuen Handelsbarrieren und Schwierigkeiten in den internationalen Beziehungen. Die ersten Äußerungen deutscher und internationaler Politiker im Überblick. Bundeskanzlerin Angela Merkel pocht auf die Einhaltung internationaler Regeln und einen respektvollen Umgang miteinander. Am besten sei es für alle, wenn es ein "regelbasiertes, auf gemeinsamen Werten beruhendes, gemeinsames Agieren" gebe, sagte Merkel am Samstag nach einer Klausurtagung der baden-württembergischen CDU im Kloster Schöntal. Dies gelte etwa für die internationale Wirtschafts- und Handelsordnung. Auch im Bereich der Verteidigung müssten im Rahmen bestehender Bündnisse Beiträge geleistet werden. Darüber hinaus betonte Merkel, das transatlantische Verhältnis werde in den nächsten Jahren nicht weniger wichtig. "Selbst wenn es unterschiedliche Meinungen gibt, sind Kompromisse, sind Möglichkeiten immer dann am besten zu finden, wenn man eben in Respekt miteinander sich austauscht." Deutschland werde versuchen, im Rahmen seiner G20-Präsidentschaft dazu einen Beitrag zu leisten. Detailansicht öffnen Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) spricht im Willy Brandt Haus zu Medienvertretern. Thema war unter anderem die Amtseinführung des neuen US-Präsidenten. (Foto: dpa) Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte am Freitagabend im ZDF, die Lehre aus Trumps Erfolg für Europa laute, mehr zusammenzuhalten. Er warnte davor, Trump zu unterschätzen. "Das waren heute hoch nationalistische Töne", sagte er. Man müsse davon ausgehen, dass Trump es "wirklich ernst" meine: "Wir müssen uns warm anziehen." Zugleich warb Gabriel für eine neue Wirtschaftsstrategie mit Asien: "Wenn die USA mit China und ganz Asien einen Handelskrieg beginnen, dann sind wir ein fairer Partner" Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen reagierte mit Enttäuschung auf Trumps Antrittsworte: "Dies war eine Rede, die das Land weiter und tiefer spalten wird", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages der Rheinischen Post . Der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU), sagte dem selben Blatt: "Sollte er mit dem Slogan 'America first' mit einem neuen amerikanischen Egoismus und Protektionismus ernst machen, dann müssen wir dem ein 'Europe first' entgegensetzen". Dies bedeute dann aber nicht Isolation, sondern beispielsweise die gezielte Suche nach neuen Partnern: "Dann muss die EU beispielsweise zügig auf Kanada, Mexiko oder Japan zugehen." Der frühere EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sprach, ebenfalls in der Rheinischen Post, von einer "neuen Regierung, mit der wir gut, professionell und unaufgeregt zusammenarbeiten werden". Schulz wird als Nachfolger von Frank-Walter Steinmeier im Amt des Bundesaußenministers gehandelt. Der Koordinator für transatlantische Beziehungen im Auswärtigen Amt, Jürgen Hardt (CDU), warnte vor einer Abschottung der USA. "Er geht mit diesem Kurs ein großes Wagnis ein", sagte der Politiker der Welt. Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin sagte der Welt, Trump wolle Amerika offenbar einmauern. "Er macht Amerika nicht groß, sondern klein. Protektionismus wird Programm." Angesichts dieses Rückzuges der Amerikaner müsse Europa zusammenstehen. Dem Sender n-tv sagte Trittin: "Wir steuern auf eine Situation zu, wo es einen potenziellen Handelskrieg zwischen den USA und Europa geben kann." Auch international äußerten sich viele Politiker, die sich künftig mit Trump auseinandersetzen müssen. Frankreichs Präsident François Hollande sagte in Hinblick auf dessen Ankündigungen: "Wir sind in einer globalen und offenen Wirtschaft." Es sei "nicht möglich, und es ist auch nicht wünschenswert, sich von der Weltwirtschaft isolieren zu wollen". Die britische Premierministerin Theresa May geht nach eigener Aussage davon aus, dass Trump trotz seiner kritischen Äußerungen die Zusammenarbeit in der Nato pflegen wird. Er "erkennt die Wichtigkeit und die Bedeutung der Nato an", sagte May in einem vor der Inauguration veröffentlichten Interview mit der Financial Times. Sie sei außerdem "zuversichtlich, dass die USA die Bedeutung der Zusammenarbeit anerkennen werden, die wir in Europa haben, um unsere kollektive Verteidigung und kollektive Sicherheit sicherzustellen", fügte die konservative Premierministerin hinzu. May will Trump nach Angaben ihres Sprechers im Frühjahr einen Besuch abstatten. Laut Financial Times könnte sie schon nächsten Monat nach Washington reisen. Kurz nach der Vereidigungszeremonie betonte Kanadas Premierminister Justin Trudeau die starken Wirtschaftsbeziehungen der beiden Nachbarländer. Die USA und Kanada hätten "solide Handels- und Investitionsbeziehungen und integrierte Wirtschaften, die Millionen kanadischer und amerikanischer Jobs unterstützen", teilte Trudeau mit. Der linksliberale Trudeau, der sich für globalen Handel stark macht, spielt damit offenbar auf eine mögliche Auseinandersetzung um das Nafta-Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko an. Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, Nafta neu verhandeln oder sogar aufkündigen zu wollen. Der mexikanische Präsident Enrique Peña Nieto will mit seinem US-Kollegen respektvoll zusammenarbeiten. "Ich gratuliere Präsident Trump zu seinem Amtsantritt", schrieb der Staatschef auf Twitter. "Mit gemeinsamer Verantwortung werden wir zusammenarbeiten, um unsere Beziehung zu stärken." Trump hatte Mexikaner im Wahlkampf als Vergewaltiger und Drogenhändler diffamiert. An der Grenze zu Mexiko will er eine Mauer errichten, um die illegale Einwanderung zu stoppen. "Wir werden in einen respektvollen Dialog mit der Regierung von Präsident Trump treten, zum Wohle Mexikos", schrieb hingegen Peña Nieto. "Die Souveränität, das nationale Interesse und der Schutz der Mexikaner werden die Beziehungen zu der neuen US-Regierung bestimmen." Papst Franziskus gratulierte Donald Trump zum Amtsantritt und forderte den neuen US-Präsidenten zugleich auf, sich auch um die Armen zu kümmern. Franziskus erklärte in einer Botschaft an Trump, er bete dafür, dass dieser sein Amt mit "Weisheit und Stärke" ausführen werde. In einer Zeit "schlimmer humanitärer Krisen" hoffe er zugleich, dass Trumps Entscheidungen "von den spirituellen und ethischen Werten" geleitet würden, die die US-Geschichte geformt hätten. Die Vereinigten Staaten würden unter Trumps Führung weiterhin an der Sorge für "die Armen, die Zurückgewiesenen und die Notleidenden" gemessen werden, betonte der Papst.
https://www.sueddeutsche.de/politik/reaktionen-auf-amtseinfuehrung-von-trump-wir-muessen-uns-warm-anziehen-1.3343368
mlsum-de-321
Die schwarz-rote Koalition legt ihren Streit über die Frauenquote bei: Für große, börsennotierte Unternehmen soll die 30-Prozent-Regel gelten - ohne Ausnahmen.
Koalition beendet den Streit um die Frauenquote Die schwarz-rote Koalition hat ihren monatelangen Streit über die Frauenquote in großen Unternehmen beigelegt. Die Spitzen von Union und SPD einigten sich bei ihrem Treffen im Kanzleramt in Berlin auf eine 30-Prozent-Quote für etwa 100 börsennotierte und mitbestimmungspflichtige Unternehmen ohne Ausnahmen. Das Gesetz soll von 2016 an gelten. Sanktionen bleiben im Gesetz enthalten Es bleibt demnach auch bei den von Frauenministerin Manuela Schwesig und ihrem Justizkollegen Heiko Maas (beide SPD) vorgesehenen Sanktionen gegen Unternehmen, die die Quote unterschreiten. Sollten die Firmen die Aufsichtsratsposten nicht ausreichend mit Frauen besetzen, bleiben diese Stühle künftig leer. Die Frauenquote gilt nach der schwarz-roten Koalitionsvereinbarung künftig auch für Unternehmen des öffentlichen Bereichs. Gerungen wurde bis zuletzt vor allem um technische Details und Forderungen aus CSU und CDU nach Ausnahmen für Härtefälle unter den Unternehmen. Querelen zwischen Kauder und Schwesig Zuvor hatte ein "Heulsusen"-Streit das Koalitionsklima belastet. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) hatte Schwesig in ihrem Einsatz für die Frauenquote Weinerlichkeit vorgeworfen. "Die Frau Familienministerin soll nicht so weinerlich sein, sondern sie soll den Koalitionsvertrag umsetzen, dann ist alles in Ordnung", hatte er im ZDF-"Morgenmagazin" gesagt. CSU und CDU hatten seit Wochen vor zu viel Bürokratie für Unternehmen und Quoten durch die Hintertür für weitere Firmen gewarnt. SPD-Chef Sigmar Gabriel unterstellte Kauder wegen seines Vorwurfs indirekt ein Frauen-Problem: "Wenn Männer das als nervig empfinden, zeigt das eher, dass Männer ein Problem haben." Und SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte der Nordwest-Zeitung: "Ich finde, das war ein unsäglicher Macho-Spruch." Das zeuge von Überheblichkeit und "schlechter Kinderstube", meinte Fahimi. Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer, Gabriel und die Fraktionschefs wollten bei ihrem Treffen knapp ein Jahr nach dem Start der großen Koalition daher ein Signal der Handlungsfähigkeit senden. Weitere Beschlüsse des Koalitionsausschusses
https://www.sueddeutsche.de/politik/koalitionstreffen-bundesregierung-legt-streit-ueber-frauenquote-bei-1.2238602
mlsum-de-322
Weil er mit der Arbeit seines Verteidigers offenbar unzufrieden war, hat der norwegische Massenmörder Anders Breivik einen neuen Anwalt beauftragt.
Der norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik trennt sich nach einem Medienbericht von seinem langjährigen Rechtsanwalt Geir Lippestad. "Ich kann bestätigen, dass ein Verteidigertausch stattgefunden hat", zitierte die Zeitung Verdens Gang Breiviks neuen Anwalt Øystein Storrvik. Angeblich waren der Massenmörder und sein Verteidiger bei einem Versuch aneinandergeraten, Breivik aus der Isolationshaft zu bekommen. Breivik ist der Meinung, dass die Bedingungen in der Isolationshaft gegen Menschenrechte verstoßen. Der Attentäter sitzt seit mehr als 40 Monaten in Isolationshaft. Für ihn gilt eine besondere Hochsicherheitsstufe, die in Norwegen derzeit nur für ihn verwendet wird. Er hat keinerlei Kontakt zu anderen Gefangenen. Norwegens Gefängnisse mussten dafür extra umbauen, zwei können ihn nun beherbergen: Skien und Ila bei Oslo. Er ist mehrfach zwischen diesen beiden aus Sicherheitsgründen verlegt worden. Jeden Tag beschäftigt Breivik mindestens 20 Gefängnismitarbeiter, sein Aufenthalt kostet den Staat etwa 3500 Euro täglich. Allein der enorme Schriftverkehr des Häftlings ist eine Last, denn jeder Brief muss von einem Mitarbeiter kontrolliert werden. Immer wieder Beschwerden Seit dem Antreten seiner Haftstrafe hatte Breivik immer wieder mit seinen zahlreichen Beschwerden für Schlagzeilen gesorgt. Er beschwerte er sich über die veraltete Playstation in seiner Zelle, den kalten Kaffee, den Mangel an Butter auf seinem Brot. Zuletzt beklagte er sich über die Isolationshaft, "in der ich mich langweile", dass er keinen Computer benutzen dürfe und Briefe abgefangen würden. Im Herbst 2013 hatte Breivik angekündigt, ein Fernstudium in Politikwissenschaften beginnen zu wollen. Dafür war er wegen mangelnder Eignung erst abgelehnt worden, durfte dann aber doch einige Module dieses Studiengangs im Fernstudium absolvieren. Im Herbst 2014 verkündete er, eine Partei zu gründen. Die Terroranschläge im Juli 2011 Für die Terroranschläge im Juli 2011 in Oslo und auf der Insel Utøya sitzt der 36-jährige Attentäter eine Gefängnisstrafe von 21 Jahren ab. Damals hatte er 77 Menschen erschossen und etwa 90 verletzt. Unter seinen Opfern waren viele Kinder und Jugendliche, die ein Ferienlager der Arbeiterpartei auf der Insel besuchten.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/streit-um-isolationshaft-massenmoerder-breivik-wechselt-verteidiger-1.2369218
mlsum-de-323
Vier Jahre lang streiten Behörden und Gerichte über die Abschiebung des Ex-Leibwächters von bin Laden. Dann findet sie statt - trotz Verbots. "Grob rechtswidrig", erklärt ein Gericht.
Detailansicht öffnen Sami A. soll der Leibgarde von Osama bin Laden angehört haben. (Foto: Action Press) Der am Freitagmorgen nach Tunesien abgeschobene mutmaßliche frühere Leibwächter des getöteten Al-Qaida-Chefs Osama bin Laden muss zurück nach Deutschland geholt werden. Dies hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am Freitagabend entschieden. Die Abschiebung sei "grob rechtswidrig" und verletzte grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien, erklärte das Gericht. Sami A. müsse "unverzüglich auf Kosten der Ausländerbehörde" zurückgeholt werden. Das Flüchtlingsministerium Nordrhein-Westfalens kündigte an, zusammen mit der Ausländerbehörde Bochum Beschwerde gegen den Beschluss einzulegen. Das Gericht hatte bereits am Donnerstagabend entschieden, dass A. nicht abgeschoben werden dürfe, weil ihm in seinem Heimatland Folter drohe. Eine verbindliche Zusicherung der tunesischen Regierung, dass dem nicht so sei, liege nicht vor. Der Beschluss wurde aber erst am Freitagmorgen veröffentlicht, als sich A. bereits auf dem Flug befand. Laut Gericht war zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beschlusses die Abschiebung noch nicht abgeschlossen und wäre abzubrechen gewesen. Sie sei aber "sehenden Auges" vollzogen worden. Dass der Gerichtsbeschluss über das Fortbestehen des Abschiebungsverbots den Behörden erst bekanntgegeben worden sei, als die Abschiebung bereits lief, sei laut Gericht die Schuld der Behörden. Diese hätten trotz mehrfacher Anfragen den Zeitpunkt der Abschiebung nicht mitgeteilt. Das Asylbundesamt habe im Gegenteil vor wenigen Tagen auf Anfrage mitgeteilt, dass ein ursprünglich für den 12. Juli geplanter Abschiebeflug wieder storniert worden sei, kritisierte Richter Wolfgang Thewes. Zugleich sei dem Gericht nicht mitgeteilt worden, dass am 13. Juli ein neuer Flug geplant war. "Hätten wir das gewusst, wäre der Beschluss selbstverständlich viel früher rausgegangen oder die Kammer hätte einen Zwischenbeschluss oder einen Stoppbeschluss erlassen", sagte er. Am Vormittag hatte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums die Übergabe von A. an die tunesischen Behörden bestätigt. Zuständig für alle Entscheidungen sei NRW, es habe aber engen Kontakt zwischen Bund und NRW gegeben. Innenminister Horst Seehofer (CSU), der sich regelmäßig über den Fall habe unterrichten lassen, sei nach der Übergabe des Mannes über die Rückführung informiert worden. Seehofer hatte öffentlich erklärt, er wolle sich persönlich um den Fall kümmern. Das NRW-Flüchtlingsministerium teilte mit, am 11. Juli 2018 habe die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen die Abschiebungsandrohung für rechtmäßig erachtet. Auf dieser Basis sei die Rückführung erfolgt. "Ein anderslautender Beschluss lag dem Ministerium zu diesem Zeitpunkt nicht vor." Die Anwältinnen von A. haben die deutlichen Worte des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen begrüßt. "Wenn Behörden sich über gerichtliche Entscheidungen hinwegsetzen, ist die Rechtssicherheit gefährdet", sagte eine der Juristinnen, Seda Basay-Yildiz. Dies "kennt man sonst nur aus Staaten, in denen der Rechtsstaat noch nicht so gefestigt ist". Sami A. lebte mit Frau und Kindern in Bochum. Von den Behörden ist der 1976 geborene Mann als sogenannter Gefährder eingestuft. Ihm wird vorgeworfen, im Jahr 2000 eine militärische und ideologische Ausbildung in einem Lager der al-Qaida in Afghanistan absolviert und zeitweise zur Leibgarde von Bin Laden gehört zu haben. Anschließend soll er sich in Deutschland als salafistischer Prediger betätigt haben. Sami A. hat die Vorwürfe bestritten.
https://www.sueddeutsche.de/politik/abschiebungen-zurueck-nach-deutschland-1.4054594
mlsum-de-324
Die Polizei ermittelt nach den tödlichen Schüssen auf einen 36-Jährigen wegen Mordes. Vor dem Krankenhaus, in dem das Opfer seinen Verletzungen erlag, kommt es zu Ausschreitungen.
Am frühen Sonntagabend fallen am Tempelhofer Feld mehrere Schüsse. Ein 36-Jähriger wird schwer verletzt. Stunden später erliegt der Mann im Krankenhaus seinen Verletzungen. Der Polizei zufolge ereignete sich die Tat am frühen Abend in der Oderstraße im Bezirk Neukölln. Vier Menschen kamen auf den 36-Jährigen zu, der gerade mit seiner Familie unterwegs war. Mehrere Schüsse fielen, anschließend flüchtete die Gruppe mit einem Auto. Das Opfer wird übereinstimmenden Medienberichten zufolge dem kriminellen Berliner Clan-Milieu zugerechnet. Entgegen ersten Informationen gab es bis zum frühen Montagmorgen keine Festnahme. Die Polizei hatte zuvor getwittert, dass ein Tatverdächtiger festgenommen worden sei. Es habe einen Verdacht gegen einen Mann gegeben, dieser habe sich aber nicht erhärtet, hieß es später. Die Beamten waren am Abend mit einem Großaufgebot vor dem Benjamin-Franklin-Klinikum, um das Gebäude zu bewachen. Rund 150 Menschen hatten sich nach Polizeiangaben vor dem Krankenhaus versammelt, nachdem der 36-Jährige eingeliefert worden war. Wie RBB24 berichtet, blockierten sie die Notaufnahme und randalierten. Ein RBB-Kamerateam sei bedroht worden. Die Polizei dementierte jedoch einen Bericht des Senders, nach dem es zu Sachbeschädigungen gekommen sei. Die Polizei informierte via Twitter über den Tod des Mannes und bat darum, nicht zur Klinik zu kommen. "Es darf heute Nacht niemand zu ihm." Im Laufe der Nacht habe sich die Menschenmenge aufgelöst und die Polizei den Großeinsatz beendet. Nach dem Tod des Opfers wurde der Leichnam in die Gerichtsmedizin gebracht, erklärte ein Polizeisprecher in der Nacht. Die Menschenmenge habe sich am späten Abend aufgelöst, der Einsatz sei beendet worden. Eine Mordkommission ermittelt nun zu den Hintergründen der Tat. Nach unbestätigten Informationen mehrerer Medien soll es sich bei dem Opfer um ein polizeibekanntes Mitglied einer arabischstämmigen Großfamilie handeln. Die Polizei wollte sich nicht zur Person äußern.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/berlin-clan-mord-1.4123270
mlsum-de-325
Der fünffache Weltmeister unterliegt im WM-Viertelfinale seinem Landsmann Stuart Bingham. Die deutschen Handballer besiegen überraschend Spanien. Real Madrid schafft einen Pflichtsieg gegen UD Almería.
Fußball in Spanien: Real Madrid hat den Rückstand auf Spitzenreiter FC Barcelona wieder auf zwei Punkte verkürzt. Die Königlichen gewannen am Mittwoch in der spanischen Fußball-Meisterschaft gegen UD Almería mit 3:0 (1:0). Kolumbiens WM-Held James Rodriguez (45. Minute), Mauro dos Santos per Eigentor (49.) und Alvaro Arbeloa (84.) erzielten die Treffer für die Königlichen mit dem deutschen Weltmeister Toni Kroos. In der Tabelle führt Barcelona mit 84 Punkten weiter vor Real (82). Die Katalanen hatten tags zuvor den FC Getafe mit 6:0 deklassiert. In der Champions League trifft Barça am kommenden Mittwoch auf den FC Bayern München. Am Dienstag spielt Real gegen Juventus Turin. Fußball in Italien: Miroslav Klose hat mit Lazio Rom den zweiten Rang in der Serie A gefestigt und die vorzeitige Meisterfeier von Juventus Turin verschoben. Lazio gewann am Mittwochabend auch dank des zwölften Saisontores von Klose 4:0 (3:0) gegen Schlusslicht FC Parma und ist fünf Spieltage vor Ende der italienischen Fußball-Meisterschaft Zweiter, 14 Zähler hinter Tabellenführer Juve. Die Bianconeri drehten ein 0:1 gegen Mario Gomez und den AC Florenz zu einem 3:2-Sieg. Juve könnte damit am Samstag bei Sampdoria Genua zum 31. Mal Meister werden, Florenz rutschte nach der vierten Liga-Niederlage in Serie auf Tabellenrang sieben ab. Der Dritte AS Rom feierte nach zuletzt drei sieglosen Spielen mit 3:0 (2:0) bei Sassuolo Calcio einen wichtigen Erfolg im Rennen um die Champions-League-Ränge. Snooker, WM: Ronnie O'Sullivan ist bei der WM in Sheffield überraschend im Viertelfinale gescheitert und hat damit die Chance auf seinen sechsten WM-Titel verpasst. Der 39 Jahre alte Engländer musste sich im Crucible Theatre seinem Landsmann Stuart Bingham mit 9:13 Frames geschlagen geben. Der 38 Jahre alte Bingham erreichte zum ersten Mal in seiner Karriere ein Halbfinale bei der WM. Der dritte und letzte Teil des Viertelfinals, das nach dem Modus "best of 25" ausgespielt wird, war am Mittwoch beim Stand von 8:8 gestartet. Bingham, der bis dato eine Bilanz von 2:11 gegen O'Sullivan hatte, zog jedoch schnell auf 12:9 davon und sicherte sich das Match nach über fünf Stunden Spielzeit. Sein bisher bestes Ergebnis war der Viertelfinaleinzug 2013, damals hatte er gegen O'Sullivan mit 4:13 verloren. O'Sullivan hat die Snookerweltmeisterschaft bisher 2001, 2004, 2008, 2012 und 2013 gewonnen. Handball, EM-Qualifikation: Die deutschen Handballer haben Ex-Weltmeister Spanien entzaubert und einen großen Schritt in Richtung EM 2016 in Polen gemacht. Das Team von Bundestrainer Dagur Sigurdsson bleibt nach einem 29:28 (17:15) im Gipfeltreffen gegen die favorisierten Iberer in der Qualifikations-Gruppe 7 weiter ohne Verlustpunkt und übernahm mit 6:0 Zählern die Tabellenspitze vor dem ewigen Rivalen (4:2). Der Siegtreffer gelang Patrick Wienczek (Kiel) 90 Sekunden vor dem Ende. Kapitän Uwe Gensheimer (8/5/Rhein-Neckar Löwen) und Niclas Pieczkowski (6/Nettelstedt-Lübbecke) besiegelten als beste Werfer der Gastgeber den Prestigeerfolg, den 11.189 Zuschauern in der Mannheimer Arena frenetisch bejubelten. Bereits am Sonntag (17.00 Uhr) steht in Leon das Rückspiel an. "Heute haben wir einen großen Schritt gemacht in Richtung Europameisterschaft gemacht. Am Ende hatten wir auch ein bisschen Glück", sagte Steffen Weinhold in der ARD. Eishockey: Die deutsche Eishockey-Auswahl hat der Absagenflut getrotzt und reist mit dem Selbstbewusstsein aus einem Sieg im letzten WM-Test nach Tschechien. Drei Tage vor ihrem ersten WM-Auftritt gegen Frankreich gewann das stark ersatzgeschwächte deutsche Team in Berlin 4:3 (0:1, 2:1, 1:1) nach Penaltyschießen gegen Slowenien um den NHL-Superstar Anze Kopitar. Die Vorbereitung beendete die Mannschaft von Bundestrainer Pat Cortina damit mit vier Siegen aus neun Partien. Kai Hospelt verwandelte am Mittwochabend den entscheidenden Penalty vor 4060 Zuschauern. Zuvor hatten Michael Wolf (30. Minute), Yasin Ehliz (32.) und Patrick Hager (44.) getroffen. Die Treffer von Klemen Pretnar (12.), dem zweifachen Stanley-Cup-Sieger Kopitar (37.) und Ziga Pance (56.) reichten Slowenien am Ende nicht. Am Donnerstag macht sich der DEB-Tross auf den Weg nach Prag, wo zwei Tage später der WM-Auftakt gegen Frankreich ansteht. Tennis, deutsches Duell: Deutschlands bester Tennisprofi Philipp Kohlschreiber hat auch in seinem zweiten Spiel des ATP-Turniers von München eine souveräne Vorstellung gezeigt und damit das Viertelfinale erreicht. Im Generationen-Duell mit dem 13 Jahre jüngeren Alexander Zverev aus Hamburg setzte sich der Routinier in knapp 63 Minuten mit 6:2, 6:4 durch. "Das war schon ein Prestigematch, wo man sich selber zeigen will, dass man mit der Erfahrung doch noch eine gute Klasse hat", sagte Kohlschreiber, der sich "gar nicht mit der absoluten Power, aber der Raffinesse" seiner inzwischen 31 Jahre durchgesetzt habe. Gegen den talentierten Tennis-Youngster, der mit dem Halbfinal-Einzug 2014 am Hamburger Rothenbaum für Furore gesorgt hatte und dank einer Wildcard in München starten durfte, reichte Kohlschreiber ein solider Nachmittag ohne größere Patzer. "Ich habe fast jeden Ballwechsel bestimmt", erinnerte sich der Augsburger. Zverev unterliefen indes etliche unerzwungene Fehler, die den 18-Jährigen im Laufe der Partie aus dem Konzept brachten. Als er im zweiten Satz sein insgesamt drittes Break der Partie zum 1:2 hinnehmen musste, haute er auf dem Weg zur Bank dreimal wütend den Schläger auf den Boden des Centre Courts. Das Racket aber blieb heil - nicht einmal das klappte bei ihm. "Ich kann das nachvollziehen", sagte Kohlschreiber, "er hat sich sicherlich viel vorgenommen. Aber wenn er weiter so geil auf Tennis ist, wird er seinen Weg gehen." In der Runde der besten acht Spieler am Aumeisterweg trifft Kohlschreiber auf den an Nummer vier gesetzten Belgier David Goffin, der gegen Simone Bolelli aus Italien 7:6 (7:5), 6:7 (4:7), 6:1 siegte. Neben Kohlschreiber ist Alexander Zverevs älterer Bruder Mischa der einzig noch verbliebene Deutsche von ursprünglich sieben Startern im Hauptfeld. Der 27-Jährige steht allerdings vor der wohl größten Hürde im Turnier, nämlich dem topgesetzten Andy Murray. Der Olympiasieger und Weltranglisten-Dritte aus Schottland hatte in der ersten Runde ein Freilos. Einen starken Start in das Turnier erwischte der nach Murray am höchsten eingestufte Spanier Roberto Bautista Agut, der Radek Stepanek aus Tschechien 6:0, 6:3 abfertigte. Bundesliga, Mainz: Der FSV Mainz 05 hat den Vertrag mit Joo-Ho Park bis Juni 2017 verlängert. Das teilte der Fußball-Bundesligist am Mittwoch mit. Der 28 Jahre alte südkoreanische Nationalspieler war 2013 vom FC Basel nach Mainz gekommen und hat bislang 42 Erstliga-Spiele für die 05er bestritten. "Joo-Ho Park hat sich bei uns als Leistungsträger und verlässliche Größe in der Mannschaft etabliert", sagte FSV-Manager Christian Heidel. Auch Nachwuchstorwart Robin Zentner bleibt beim FSV. Der 20 Jahre alte Stammtorwart der Drittliga-Reserve unterschrieb ebenfalls bis Juni 2017. Tischtennis, WM: Deutschlands bester Tischtennisspieler Dimitrij Ovtcharov ist bei der WM im chinesischen Suzhou überraschend in der zweiten Runde ausgeschieden. Der Weltranglistensechste vom russischen Spitzenklub Fakel Orenburg unterlag dem Südkoreaner Lee Sangsu 3:4 und verpasste den Sprung unter die besten 32. Damit ist die nächste Medaillenchance für den Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB) geplatzt. Bereits am Dienstag hatte Timo Boll (Düsseldorf) im Doppel an der Seite des Weltranglistenersten Ma Long (China) in der zweiten Runde verloren. Im Einzel ist der Routinier allerdings noch im Rennen: Gegen den Polen Jakub Dyjas mühte sich Boll zum 4:2. Ebenfalls in der dritten Runde steht Bolls Vereinskollege Patrick Franziska, der sich im deutschen Duell gegen Steffen Mengel (Bergneustadt) mit 4:1 durchsetzte.
https://www.sueddeutsche.de/sport/snooker-wm-o-sullivan-scheitert-ueberraschend-im-viertelfinale-1.2459739
mlsum-de-326
Drastisch stellten die Spanier die biblische Geschichte dar. Die Werke sollten im Sinne des Konzils von Trient der Glaubensvermittlung dienen. Die Spanier gaben noch Theatralik dazu.
Grimmig blickend zerrt der Knecht an dem Strick, der Jesus um den Hals gelegt ist. Diese lebensgroße Skulpturengruppe beeindruckt bei der Schau in der Kunsthalle, doch sie ist mehr als ein Ausstellungsstück. Pünktlich zur Karwoche muss sie zurück sein in der spanischen Stadt Valladolid. Auch 400 Jahre nach ihrer Entstehung wird sie dort Jahr für Jahr in einer der stundenlangen, die ganze Stadt in Bann haltenden Prozessionen von der Bruderschaft der Sagrada Pasión de Cristo durch die Straßen getragen und damit zu einer sichtbaren und nachfühlbaren Erzählung des Leidens Christi. Genau das war schon im 17. Jahrhundert der Zweck solcher Skulpturen. Es war die spanische Antwort auf die Reformation. Der deutsche Theologe Martin Luther hatte 1517 mit seinem Ruf nach einer Neuausrichtung der katholischen Kirche einen Sturm entfesselt. In seinen 95 Thesen hatte er den exzessiven Ablasshandel, teure Kirchenbauten und den Lebenswandel des Klerus kritisiert und damit viele Anhänger gefunden. In der Folge war die protestantische Bewegung nicht mehr aufzuhalten, Fürstentümer und Geistliche spalteten sich von der katholischen Kirche ab, während diese versuchte, ihren Stand zu wahren. Im Konzil von Trient (1545-1563) rang sich die Kirche über zwei Jahrzehnte hinweg einen neuen Kanon, neue Glaubenssätze, ab. Unter anderem erhielt die Bilder- und Reliquienverehrung eine klare Rolle. Denn dass Luther die Bibel in die Volkssprache übersetzte, lehnte die katholische Kirche ab. "Das Argument gegen die Übersetzung war, dass die Bibel für die Gläubigen ein Buch mit sieben Siegeln und deshalb viel zu schwer zu deuten sei", sagt Mariano Delgado, Direktor des Instituts für das Studium der Religionen und den interreligiösen Dialog an der Theologischen Fakultät an der Universität Freiburg in der Schweiz. Der Klerus wollte sich die Deutungshoheit reservieren und in Predigten und in Bildern dem Volk die Lehre von Christus nahebringen. So wurde festgelegt, dass die Reliquien- und Bilderverehrung in der Verbreitung der kirchlichen Lehre weiter einen festen Platz haben sollten. Das Verbot der Bibelübersetzung aber setzte die Kirche erbarmungslos um. Wer anderer Meinung war, musste mit der Inquisition rechnen. Bartolomé de Carranza, Erzbischof von Toledo und Teilnehmer des Konzils von Trient, hatte versucht, sich für die Übersetzung der vier Evangelien und der Briefe des Apostels Paulus in die Volkssprache einzusetzen. Das rief die Inquisition auf den Plan, die ihn protestantischer Umtriebe verdächtigte. 18 lange Jahre verbrachte Carranza in Gefangenschaft, 1576 starb er in Rom, nur wenige Tage nach seiner Freilassung. Währenddessen fand die Kirche in Spanien zu ihrer ganz eigenen Form der Bildersprache. "Der spanische Katholizismus war im Zeitalter der Reformation anders orientiert", sagt Mariano Delgado. Zwar hätten die Spanier das aufgegriffen, was das Konzil von Trient verfügt hatte: Die Reliquien- und Bilderverehrung sollte die kirchliche Verkündigung unterstützen. Vorausgesetzt, die Darstellungen hielten sich an die Worte der Bibel und zeigten nichts Profanes oder Unsittliches. Doch die Spanier kombinierten das mit einer Theatralik, die bereits in den Jahrzehnten vorher in der Glaubensvermittlung eine wichtige Rolle gespielt hatte. Die Kultur des katholischen Barocks ist "offen geblieben für das Himmlische", sagt Delgado. Prozessionen und Mysterienverehrung, unterstützt von Schriften wie der Mystikerin Teresa von Ávila, die schon vor der Reformation einen großen Anklang gefunden hatte, erhielten nach dem Konzil neuen Aufschwung. Malerei und Bildhauerei sollten das Ihre dazu beitragen, das Himmlische sichtbar zu machen und das Wort Gottes zu verkündigen. Einfach gestaltete sich die Zusammenarbeit zwischen Malern - die die Skulpturen fassen, also bemalen durften - und Bildhauern allerdings nicht. Wem gebührte die Ehre für das Werk? Wer hatte größeren Anteil daran und somit das Anrecht auf das größere Honorar? Gerade die selbstbewussten Bildhauer in Sevilla und Valladolid forderten dabei die Maler oft heraus, erzählt Delgado. Doch für beide Gattungen galt dieselbe Maxime: "Die Werke sollten im Sinne des Konzils von Trient so produziert werden, dass sie zur Andacht führten, und sie mussten den biblischen Inhalt darstellen", sagt Delgado. Dabei flehten die Künstler bei der Arbeit auch um göttlichen Beistand - damit ihre Werke auch wirklich der Andacht würdig seien, wie Manuel Arias Martínez in seinem Beitrag im Ausstellungskatalog berichtet. Es veränderten sich auch die Darstellungen der Geburt Jesu. In der Zeit vor dem Konzil etwa zierte allerlei Zubehör die Krippe. In den Werken von Bartolomé Esteban Murillo, Diego Velásquez oder Francisco de Zurbarán hingegen geht alles Licht vom Kind aus. "Der Rest wird dann darum komponiert. Vom Glanz des Kindes profitieren alle, die sich zu ihm hinbeugen, am meisten Maria", sagt Delgado. Das ist die schöne Seite des Lebens Jesu, das sind die schönen, leicht zugänglichen Bilder. Lebensecht wirken die Wunden, im Gesicht glitzern Glasperlen wie echte Tränen Drastisch hingegen sind die Darstellungen vom Leiden Jesu - in der Kreuzweggruppe aus Valladolid ebenso wie in anderen Skulpturen und Gemälden. Jesus am Kreuz erhält lebensecht wirkende Wunden, das Blut quillt aus den Wunden, die Tränen werden oft mit Glasperlen dargestellt, die im Gesicht glitzern wie echte Tränen. Teils verwendeten die Künstler echtes Haar, um den Grad des Realismus zu steigern. Die Malerei stand der Bildhauerei in puncto Realismus nicht nach. "Der heilige Franziskus von Assisi nach der Vision von Papst Nikolaus V." von Zurbarán wirkt fast wie eine Fotografie. Die Augen nach oben gerichtet, die Hände in den Ärmeln verborgen, wirkt Franziskus völlig entrückt. Die schlichte Kutte, das Spiel mit Licht und Schatten vor einem vollständig dunklem Hintergrund faszinieren mit einer gewissen Strenge. Die Knoten der Schnur weisen auf die Gelübde des Mönches hin. Kein weiterer Mensch, kein weiteres Objekt stört Franziskus. Es scheint, als hätte Franziskus just in diesem Moment seine Erleuchtung. Wie sehr die Malerei mit Plastizität arbeitete, zeigt auch ein Bild von Jesus am Kreuz, das Velásquez gemalt hat und das dreidimensional wirkt. Das Ziel, realitätsnahe Bilder zu schaffen, war somit durchaus erfüllt. "Die Bilder sind ein Instrument", sagt Delgado. "Man meinte damit das Volk besser evangelisieren zu können." Wesentlich besser, als mit einer Übersetzung der Bibel in die Volkssprache. So blieb die katholische Kultur gerade in Spanien eine "Kultur des Sehens" wie es Delgado ausdrückt. Das sinnliche Erleben der Bibelgeschichten wurde in drastischen Darstellungen zelebriert. Und das führte zu einer kirchlich geförderten Blüte der Kunst, die Betrachter heute noch in den Bann zieht. Mariano Delgado, "Das Spanische Jahrhundert (1492-1659), WBG, Darmstadt 2016; Michael Eissenhauer, Bernd Wolfgang Lindemann und Roger Diederen (Hg.), "Spaniens Goldene Zeit. Die Ära Velásquez in Malerei und Skulptur", Hirmer, München 2016
https://www.sueddeutsche.de/reise/religioese-bilderverehrung-blut-traenen-leid-1.3274996
mlsum-de-327
Genderqueer, XY-Frau, Trans* Mensch: Facebook bietet neue Möglichkeiten für Menschen, die sich zum Beispiel nicht eindeutig ihrem biologischen Geschlecht zugehörig fühlen.
Facebook bietet künftig auch in der deutschsprachigen Version mehr als 60 Auswahlmöglichkeiten fürs Geschlecht an. Verband der Schwulen- und Lesben sieht in sensiblerer Sprache ein Zeichen des Respekts. Facebook erweitert Auswahloptionen beim Geschlecht Facebook erweitert nun auch für Nutzer in Deutschland seine Geschlechtseinstellungen über die traditionellen Kategorien "weiblich" und "männlich" hinaus. Damit will das Online-Netzwerk es zum Beispiel Lesben, Schwulen oder Transsexuellen einfacher machen, ihre Geschlechtsidentität auszudrücken. "Allein die Gender-Kategorien Frau und Mann genügen oft nicht, um auszudrücken, wie man sich selbst fühlt und wahrnimmt", sagte eine Facebook-Sprecherin. Das Unternehmen hatte eine entsprechende Änderung in der englischsprachigen Version bereits im Februar eingeführt. Für deutschsprachige Nutzer soll die neue Funktion im Tagesverlauf verfügbar sein. Änderungen mit Lesben- und Schwulenverband beraten Die neue Option mit der Bezeichnung "benutzerdefiniert" soll 60 Auswahlmöglichkeiten bieten, die Facebook gemeinsam mit dem Lesben- und Schwulenverband ausgearbeitet hat. Dazu zählen "androgyn", "intersexuell" oder "Femme" sowie "Trans* Mann" oder "Trans* Frau". Für manche sei es ausreichend, "Frau" oder "Mann" anzukreuzen, erklärte Verbandssprecher Axel Hochrein. Andere empfänden diese beiden Möglichkeiten allein als Einengung. Eine sensiblere Sprache sei "ein Zeichen des Respekts gegenüber Verschiedenheiten". Die Nutzer können zudem festlegen, ob Facebook sie gegenüber ihren Freunden mit "er", "sie" oder neutral im Plural bezeichnen soll. In dieser Form schreibt der Facebook-Algorithmus zum Beispiel bei Hinweisen auf Geburtstage über die Person. Die Nutzer bestimmen zudem, ob ihre Geschlechtsbezeichnung öffentlich, nur für ihre Facebook-Kontakte oder nur für einen kleinen Kreis dieser Kontakte angezeigt wird. Diese Geschlechtsoptionen gibt es künftig bei Facebook androgyner Mensch, androgyn, bigender, weiblich, Frau zu Mann (FzM), gender variabel, genderqueer, intersexuell (auch inter*), männlich, Mann zu Frau (MzF), weder noch, geschlechtslos, nicht-binär, weitere, Pangender, Pangeschlecht, trans, transweiblich, transmännlich, Transmann, Transmensch, Transfrau, trans*, trans* weiblich, trans* männlich, Trans* Mann, Trans* Mensch, Trans* Frau, transfeminin, Transgender, transgender weiblich, transgender männlich, Transgender Mann, Transgender Mensch, Transgender Frau, transmaskulin, transsexuell, weiblich-transsexuell, männlich-transsexuell, transsexueller Mann, transsexuelle Person, transsexuelle Frau, Inter*, Inter* weiblich, Inter* männlich, Inter* Mann, Inter* Frau, Inter* Mensch, intergender, intergeschlechtlich, zweigeschlechtlich, Zwitter, Hermaphrodit, Two Spirit drittes Geschlecht, Viertes Geschlecht, XY-Frau, Butch, Femme, Drag, Transvestit, Cross-Gender
https://www.sueddeutsche.de/digital/neue-funktion-in-deutschland-facebook-laesst-nutzer-aus-60-geschlechtsidentitaeten-waehlen-1.2116073
mlsum-de-328
Marathon-Golf findet immer mehr Anhänger. Meditativ wird der Sport erst ab 54 Loch pro Tag.
Die stärksten Szenen spielen sich nachher in der Dusche ab. Nach 15 Stunden leichtem Nieselregen haben auch die meisten wasserdichten Schuhe längst aufgegeben und so schälen sich aus durchnässten Socken überall seltsam weiße und grotesk verschrumpelte Klumpen heraus. "Sagte man sonst nicht Füße dazu?" fragt einer. Ein anderer weiß: "So was kennt man sonst nur aus dem Leichenschauhaus im Tatort." Detailansicht öffnen (Foto: Foto: Hansmann PR) 41 Mann und keine Frau waren morgens ab 5 Uhr 30 im Golfresort Bitburger Land zum 7. Eifel Iron Man gestartet. Drei Plätze an einem Tag, 54 Loch, vorgabewirksam. Vorher hatten sie ihre Startzeiten erfragt mit Anrufen wie "Guten Tag, ich bin einer der Verrückten für Samstag" oder "Wann geht es los für die Golfkranken?" Neu waren im Dämmerlicht die guten Wünsche im Plural:"Na denn: Schöne Spiele!" Mitspieler Christoph, als Volksbanker berufsbedingt ein Mann der Zahlen, hat nach Verlassen des ersten Grüns schon ausgerechnet: "Übrigens, nur noch 53 Loch." Achim blickt mitten in der zweiten Runde sinnend Richtung Flight vor uns:"Da geht der Erste aber auch schon ziemlich unrund." Dann chipt der 22-Handicaper zwei Mal nacheinander aus großer Distanz zum Birdie ein. "Ich fass es nicht", sagt er. Klarer Fall von strategischem Spiel: Der Verzicht auf den Putter spart Kraft. In Bitburg haben die Bahnen hübsche Namen wie "Stoßgebet" oder "Lieber nicht im Wasser als zu tief im Sand". Der GC Baustert ist sehr kurz - gut so, denn das macht einen Kilometer weniger Fußmarsch. Auf dem schönen Platz Kyllburger Waldeifel in Burbach hört der Regen nach zehn Stunden erstmals für eine volle halbe Stunde auf. Dann kommt er als Schauerwetter zurück. Wir spielen, spielen, spielen. Es wird zu Trance in Konzentration. Halt, waren wir hier nicht schon mal? Nein, das Grün ist nur so ähnlich grün wie die 5 in Bitburg. Bitburg? Ewigkeiten her! Am schönsten war Loch 10 in Kyllbach zu Burbach. Oder war es doch die 11 in Baustertburgbach? Kyll that golf! Es geht sogar noch marathonesker als in der Eifel: In Bad Saarow bei Berlin spielen sie ein Mal im Jahr 63 Loch, in Davos und St. Gallen sogar 72. Auf dem Rasmushof bei Kitzbühel geht es beim "100-Loch-Marathon" über elf Runden auf der Neun- Loch-Anlage (inklusive eigener Turnierärztin); hinzu kommt das finale Einlochen an Loch 100, welches "traditionsgemäß die Clubbar darstellt".
https://www.sueddeutsche.de/sport/golf-spielen-schmerzen-hier-aua-da-1.729408
mlsum-de-329
Ohne den erkrankten Lukas Podolski und den verletzten Mesut Özil spielt Arsenal nur unentschieden gegen Hull City. Chelsea festigt die Tabellenführung und Sergio Agüero trifft viermal für ManCity. Real Madrid gelingt der nächste deutliche Erfolg.
Arsenal verhindert Niederlage in der Nachspielszeit Der ehemalige englische Fußball-Meister FC Chelsea hat seine Tabellenführung in der Premier League gefestigt. Die Mannschaft von Teammanager José Mourinho gewann bei Crystal Palace 2:1 (1:0) und hat nach acht Spielen 22 Punkte auf dem Konto. Für Chelsea trafen Oscar (6.) und Cesc Fàbregas (51.), der Anschlusstreffer von Fraizer Campbell (90.) kam für Crystal Palace zu spät. Beide Teams beendeten die Begegnung mit zehn Mann. Bei Chelsea sah Cesar Azpilicueta (40.) die Rote Karte, bei den Gastgebern bekam Damien Delaney (43.) Gelb-Rot. Ohne den erkrankten Lukas Podolski und den verletzten Mesut Özil musste der FC Arsenal (11 Zähler) beim 2:2 (1:1) gegen Hull City einen weiteren Rückschlag hinnehmen. Die Gastgeber gingen nach Vorarbeit von Weltmeister Per Mertesacker durch Alexis Sanchez zwar in Führung (13.), doch Mohamed Diame (17.) und Abel Hernandez (46.) drehten mit ihren Treffern die Begegnung. Danny Welbeck (90.+1) rettete dem FA-Cup-Sieger immerhin noch einen Punkt. Sergio Agüero trifft viermal Titelverteidiger Manchester City (17) hält unterdessen dank einer Gala-Vorstellung von Sergio Agüero Kontakt zur Spitze. Der argentinische Nationalspieler erzielte beim 4:1 (2:1) gegen Tottenham Hotspur alle vier Treffer der Gastgeber (13., 20., Foulelfmeter, 68., Foulelfmeter, 75.) und ist mit nun 61 Toren der erfolgreichste Schütze von City in der Liga. Agüero scheiterte zudem mit einem weiteren Foulelfmeter am französischen Nationaltorhüter Hugo Lloris (32.). Tottenham (11) kam durch Christian Eriksen (15.) zum zwischenzeitlichen Ausgleich. Die Chance zum 2:2 vergab Roberto Soldado (62.), seinen Foulelfmeter parierte der englische Nationaltorhüter Joe Hart. Bei den Gästen sah zudem Federico Fazio (67.) vor dem Elfmeter zum 1:3 die Rote Karte. Der FC Sunderland ging derweil mit 0:8 (0:3) beim Tabellendritten FC Southampton (16) unter. Der FC Everton bezwang Aston Villa 3:0 (2:0). Die Partie Newcastle United gegen Leicester City begann mit einer Stunde Verspätung, nachdem eine große Leinwand durch den starken Wind aus der Verankerung gerissen wurde. Real trifft fünfmal Real Madrid hat den nächsten Kantersieg in der spanischen Fußball-Meisterschaft gefeiert. Die Mannschaft von Trainer Carlo Ancelotti schlug am Samstag UD Levante auswärts mit 5:0 (2:0). Eine Woche vor dem Clásico in der Primera Division gegen den FC Barcelona brachte Cristiano Ronaldo die Königlichen in der 13. Minute per Foulelfmeter in Führung. Nach einem Treffer von Javier Hernandez (38.) erhöhte Ronaldo (61.) mit seinem 15. Ligator. James Rodríguez (66.) und Isco (82.) machten den Fünferpack perfekt. Real schraubte damit sein Torkonto nach acht Spieltagen auf 30 Treffer hoch. In der Tabelle schob sich Real, bei dem Toni Kroos in der 68. Minute ausgewechselt wurde, mit 18 Punkten zunächst auf den zweiten Platz hinter dem FC Barcelona. Pariser Cavani "schießt" auf den Schiedsrichter Paris Saint-Germains Stürmer Edinson Cavani ist nach einem fragwürdigem Torjubel vom Spielfeld geschickt worden. Aus Freude über einen verwandelten Elfmeter in der Auswärtspartie beim RC Lens machte der Fußballer aus Uruguay am Freitagabend mit seinen Händen ein zielendes Gewehr nach. Schiedsrichter Nicolas Rainville war von der Geste des 27-Jährigen offensichtlich wenig begeistert und zeigte dem Revolverhelden die gelbe Karte. Als Cavani den Schiedsrichter daraufhin am Arm fasste, musste er vom Platz. Saint-Germans Präsident Nasser Al-Khelaifi kritisierte die Entscheidung. "Er verdient diese rote Karte nicht. Warum hat er vorher die gelbe Karte bekommen? Er feiert immer auf diese Weise", beschwerte sich Al-Khelaifi auf "Canal Plus". Paris Saint-Germain gewann die Partie gegen Lens mit 3:1.
https://www.sueddeutsche.de/sport/internationaler-fussball-welbeck-rettet-arsenal-einen-punkt-1.2180210
mlsum-de-330
Das Beispiel des 24-jährigen Freiburgers Roman Rees zeigt, dass die deutschen Biathleten hinter ihrem Spitzenquartett doch Alternativen entwickeln.
Solide, das war am Mittwoch beim Weltcup in Ruhpolding das meistgebrauchte Wort der deutschen Biathleten. Arnd Peiffer verwendete es, als er über seine Trefferquote beim Einzelrennen über 20 Kilometer sprach (90 Prozent); Simon Schempp beschrieb so seine Gesamtleistung (Rang 13, zwei Plätze hinter Peiffer); Bundestrainer Mark Kirchner charakterisierte damit Roman Rees, seinen besten Mann an diesem Tag: "Einer, der solide arbeitet." Nachdem Roman Rees eine Nacht darüber geschlafen hatte, kam er indes zu dem Schluss, "das war schon was Außergewöhnliches". Und er erklärte auch warum: "Bis dahin hatte ich es noch nicht geschafft, viermal Null zu schießen in einem offiziellen Wettkampf." Am Mittwoch war das auch nur noch drei anderen der 107 Starter gelungen, Rees bescherte seine Fehlerfrei-Premiere letztlich Platz vier und eine Fülle neuer Eindrücke: das beste Resultat seiner Karriere, die Qualifikation für die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang/Südkorea (9. bis 25. Februar) sowie eine Einladung zur Siegerehrung. Bei der stand er dann neben dem Seriengewinner Martin Fourcade (Frankreich), dem zweitplatzierten Tschechen Ondrej Moravec, dem Norweger Johannes Thingnes Bö - "den Dominatoren der Saison", wie Rees sie ehrfürchtig nannte: "Das war außergewöhnlich, da dabei zu sein." Wobei: "Den Bö habe ich ja schon in der Jugend ein paar Mal getroffen." Genau das ist ein Kernproblem der Biathlon-Abteilung männlich im Deutschen Skiverband (DSV). Während der 24 Jahre alte Bö bei den Erwachsenen schon neun WM-Medaillen und 13 Weltcup-Rennen gewonnen hat, zählt der gleichaltrige Rees hierzulande noch zum Nachwuchs, zur zweiten Reihe hinter den "Großen Vier" - den ehemaligen oder aktuellen Weltmeistern Peiffer, 30, Schempp, 29, Erik Lesser, 29, und Benedikt Doll, 27. Die werden am Freitag (14.30 Uhr/ZDF und Eurosport) in Ruhpolding auch die Staffel über 4 mal 7,5 Kilometer zusammen laufen. Für Bundestrainer Kirchner ist es ja die letzte Gelegenheit vor Olympia, sein bestes Quartett noch mal zu testen, nachdem der am Rücken verletzte Schempp und der erkältete Lesser vorige Woche in Oberhof nicht zur Verfügung standen. Roman Rees bekommt trotzdem noch einen Einsatz in Ruhpolding: Mit seinem vierten Platz im Einzelrennen hat er sich für den Massenstart am Sonntag (12.15 Uhr) qualifiziert. Beim Duell Mann gegen Mann will er "wieder übers Schießen ins Rennen kommen, so weit wie möglich mitschwimmen, und meine Position dann verteidigen". Roman Rees ist keiner, der jetzt große Ansprüche stellen würde, weil er die Kollegen einmal hinter sich gelassen hat. Er weiß, dass bei Olympia immer nur höchstens vier Athleten eines Landes pro Rennen antreten dürfen, und über mögliche Einsätze ist verständlicherweise noch nicht gesprochen worden. Er weiß auch, dass man jetzt von ihm "keine Riesensprünge erwarten kann. Man muss sich Schritt für Schritt ranarbeiten". Der Abstand zu den Großen Vier mag kleiner geworden sein, aber er ist immer noch da, zumindest im Empfinden des Athleten. "Man muss schauen, dass man sich stabilisiert", sagt Rees, "dann ist es auch möglich, sich dazwischenzuschieben." Im Moment ist er bloß der fünfte Mann im Olympia-Wagen der DSV-Biathleten. Im Sommer durfte Roman Rees mit den Besten trainieren - das zahlt sich nun aus In den vergangenen Jahren hat Bundestrainer Mark Kirchner die Weltcup-Startplätze hinter seinem führenden Quartett immer mal wieder mit diversen jüngeren Athleten aufgefüllt, Roman Rees erhielt seine erste Chance im Dezember 2016, der Kollege Johannes Kühn vom WSV Reit im Winkl hatte bereits vor fünf Jahren debütiert. Kühn könnte als nächster den Sprung ins Olympia-Team schaffen, er war in dieser Saison schon einmal Neunter (beim Sprint in Östersund) und am Mittwoch 16.; damit hat er die direkte Qualifikation nur um ein paar Sekunden verpasst (einmal unter den ersten Acht) und die zweite Möglichkeit ebenfalls (zweimal unter den besten 15). Kühn mag aus deutscher Sicht noch zum Nachwuchs zählen, tatsächlich ist er mit seinen 26 Jahren auch nicht mehr der Jüngste. Dass er so schnell den Anschluss geschafft hat, führt Roman Rees darauf zurück, dass er im vergangenen Sommer mehrmals mit der stärksten Leistungsgruppe trainieren durfte, "die Umfänge wurden höher und auch intensiver", spürte er. Das zahlt sich nun aus. Bei den vergangenen IBU-Cups, der zweitrangigen Wettkampfserie, war der Mann vom SV Schauinsland, wie der Verein vom Freiburger Hausberg heißt, stets der beste Deutsche gewesen. "Ich habe gemerkt, dass die Laufform immer besser wurde", erzählte er; und nach seiner Beförderung ins Weltcup-Team sei in Oberhof "auch das Schießen wieder stabiler gewesen". So wie am Ende der vergangenen Weltcup-Saison, als er sich schon dreimal unter den Top 15 platzierte. Deswegen habe ihn das Thema Olympia den ganzen Winter über begleitet, "das war nicht ganz aus der Luft gegriffen", findet der in Ruhpolding stationierte Zollbeamte. Andererseits sei es auch "keine Pflichtaufgabe für mich gewesen, Olympia zu erreichen". Wenn man es also richtig versteht, war seine Leistung irgendwo zwischen solide und außergewöhnlich.
https://www.sueddeutsche.de/sport/deutsche-biathleten-schiessen-und-schwimmen-1.3821486
mlsum-de-331
Präsident Correa verlangt die Veröffentlichung aller Panama Papers - nun taucht er selber dort auf.
Raffael Correa , 53, regiert seit 2007 als Präsident in Ecuador, davor war er zwei Jahre Wirtschafts- und Finanzminister. Der Ökonom studierte und lehrte als Professor an Universitäten in seinem Heimatland und in den USA. Ecuadors Präsident Rafael Correa hat bisher stets betont, er habe gar nichts gegen die Enthüllungen der Panama Papers, sie gingen ihm nur nicht weit genug: Correa forderte daher forsch, das komplette Datenpaket offenzulegen, nicht nur eine Auswahl der 11,5 Millionen Dokumente, wie es die SZ und die an der Recherche teilnehmenden Medien bislang getan haben. "Da werden Wunder zutage treten", twitterte Correa und verbreitete zugleich, seine Regierung sei sauber. Möglich, dass er sich nun selber wundert, denn Correas Name taucht in den Daten auf. Ein Rechercheteam der US-amerikanischen Zeitungsgruppe McClatchy, zu der unter anderem der Charlotte Observer und der Miami Herald gehören, stieß auf eine E-Mail der Kanzlei Mossack Fonseca, in der Ecuadors Präsident vorkommt: Eine Anwältin von Mossfon schrieb im Mai 2012 an eine Kanzlei in der ecuadorianischen Stadt Guayaquil und unterrichtete diese von Untersuchungen panamaischer Korruptionsermittler, in denen von Rafael Correa und seinem Bruder Fabricio die Rede sei. Dabei gehe es um Veruntreuung zulasten des ecuadorianischen Staates. Diese Untersuchungen drehten sich laut der E-Mail um eine panamaische Firma namens Orlion Group S.A., die 2006 an die Kanzlei in Guayaquil verkauft worden sei. Die panamaischen Ermittlungsbehörden hätten nun Auskunft über die Eigentümer der Orlion Group verlangt. Die Frage, die dahinter stand: könnte Correa damit zu tun haben? Deshalb, schrieb die Mossfon-Anwältin an die Kanzlei in Guayaquil, bitte sie um entsprechende Informationen. Sie erhielt jedoch keine Antwort. Da das nicht der erste gescheiterte Versuch von Mossack Fonseca war, Auskunft über Orlion zu erhalten, empfahl die Compliance-Beauftragte wenige Tage später, man solle die Geschäftsbeziehungen beenden - was kurz darauf tatsächlich geschah. Eine Compliance-Beauftragte ist in einem Unternehmen dafür zuständig, die Einhaltung gesetzlicher Normen und Regeln zu überwachen. Worin es bei den panamaischen Ermittlungen im Zusammenhang mit Orlion genau ging, wird aus der Mail nicht deutlich. Mitarbeiter von Mossack Fonseca schrieben in anderen E-Mails, sie hätten keine Verbindung zwischen Orlion und den Correas feststellen können. Auf eine Anfrage der McClatchy-Zeitungsgruppe hin teilte die panamaische Antikorruptions-Einheit nun mit, dass es unter der vorherigen Regierung in der Tat Ermittlungen in Sachen Orlion gegeben habe und dass es um Unterschlagung gegangen sei. 2014 jedoch gab es einen Regierungswechsel in Panama, das scheint die Ermittlungen in Sachen Orlion zumindest unterbrochen zu haben. Ein Berater des seit 2007 amtierenden ecuadorianischen Präsidenten teilte auf Anfrage des Rechercheteams mit, Rafael Correa habe keinerlei Beziehungen zu Offshore-Firmen, weder direkte noch indirekte. Fabricio Correa, der Bruder des Präsidenten, antwortete auf eine Anfrage mit den Worten, alle Korruptionsvorwürfe gegen ihn hätten sich in der Vergangenheit als gegenstandslos erwiesen. Das Verhältnis der Correa-Brüder ist nicht das beste. Fabricio Correa ist Geschäftsmann, er soll sich nach dem Wahlsieg seines Bruders ohne dessen Wissen um Staatsaufträge bemüht haben. Daraufhin kam es zum Zerwürfnis, das darin gipfelte, dass Fabricio Correa 2013 gegen seinen eigenen Bruder als Präsidentschaftskandidat antreten wollte. Jedoch bekam er nicht die erforderliche Anzahl von Unterschriften zusammen. Derzeit hat Rafael Correa jedoch andere Sorgen als die Manöver seines Bruders. Seit dem Erdbeben mit mehr als 650 Toten ist der Präsident unaufhörlich im Land unterwegs und plant Wiederaufbauarbeiten - die mit Steuererhöhungen finanziert werden sollen. Dafür will der eher linke Präsident vor allem die Reichen des Landes zur Kassen bitten. Vor dem Beben hatten die Zeitungen El Universo und El Comercio über die Panama Papers berichtet und drei prominente Ecuadorianer als Inhaber von Offshore-Firmen genannt: Generalstaatsanwalt Galo Chiriboga, den früheren Zentralbankchef Pedro Delgado, der ein Verwandter des Präsidenten ist, und Javier Molina, Ex-Geheimdienstler. Präsident Correa hatte dabei erzürnt, dass die Zeitungen sich auf Personen eingeschossen hätten, die der Regierung nahestehen. Dieser Zorn steckt letztlich hinter seiner Forderung, alle Namen in den Panama Papers offenzulegen. Correa liegt in Dauerfehde mit den Traditionsblättern des Landes. Diese gehören reichen Geschäftsleuten und Correa-Gegnern, die seine Regierung gewöhnlich hart angreifen. Der Präsident schießt auf seine Weise zurück. Kürzlich veröffentlichte er die Namen der an den Recherchen beteiligten Journalisten - wohl, um diese der Kritik in sozialen Netzwerken auszusetzen und zur Freigabe der Panama Papers zu nötigen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/ecuador-es-werden-wunder-zu-tage-treten-1.2967612
mlsum-de-332
Die Deutschen lieben ihre Weihnachtsbäume. Aber hat der heiße Sommer den Tannen und Fichten geschadet?
Der Weihnachtsbaum vor dem Reichstag ist eine Fichte aus der Nähe von Altenau im Harz. 62 Jahre alt, fünf Tonnen schwer, 24 Meter hoch. Sie wurzelte ihr Leben lang geschützt im Kellwassertal und überstand auch die Krisen dieses Jahres gut. Weder der Januarsturm Friederike noch die Sommerdürre beschädigten ihre Schönheit. Als die Mitarbeiter des Forstamts Clausthal die Fichte fällten, hielt sie ein Autokran und legte sie später behutsam auf einem Tieflader ab. Und nun steht sie also im Lichterschmuck vor dem Berliner Parlament und kündet von der Kraft der Christfest-Kultur. Der Weihnachtsbaum ist eine deutsche Erfindung. Vom 16. Jahrhundert an verbreitete er sich von den Zunfthäusern aus über städtische Familien in der ganzen Welt. Heute kann man darüber streiten, ob der Weihnachtsbaum eher ein Symbol des Adventskommerzes oder der besinnlichen Weihnachtsfeiertage ist. Aber beliebt ist er, das ist klar, vor allem in Deutschland. Nirgends ist der Pro-Kopf-Weihnachtsbaum-Verbrauch so hoch wie hier. Nach Angaben des Bundesverbandes der Weihnachtsbaum- und Schnittgrünerzeuger setzt die Branche zwischen 23 und 25 Millionen Bäume pro Jahr ab. Und Geschäftsführer Martin Rometsch meldet, das Angebot an Nordmanntannen und anderen beliebten Zimmernadelhölzern sei auch dieses Jahr wieder üppig: "Es gibt keine Knappheit." Das Land protzt fast mit seinen Weihnachtsbäumen. In vielen Städten stehen geschmückte Riesenbäume wie Botschafter ihrer Herkunftswälder. Thüringens Forstministerin Birgit Keller (Linke) freute sich vergangene Woche ganz offiziell darüber, dass eine etwa 80-jährige Fichte aus Floh-Seligenthal im Kreis Schmalkalden-Meiningen den begehrten Platz vor dem Brandenburger Tor besetzen darf. Es ist, als wäre die Trockenheit dieses Sommers an der Branche folgenlos vorübergegangen. Rometsch sagt sogar, der heiße Sommer habe manchen Bäumen in den 2500 Anbaubetrieben gutgetan, weil weniger Feuchtigkeit auch weniger Pilzbefall bedeute. "Die Insekten waren auch zurückhaltend." Dürre als Erfolgsfaktor? Natürlich nicht. Die Betriebe mussten mehr wässern, vor allem die kleineren Jungpflanzen aus der Baumschule mit ihren dünnen Wurzeln. Wer das nicht tat, hatte schwere Ausfälle. "Die Setzlinge sind in einzelnen Betrieben zu bis zu 100 Prozent vertrocknet", sagt Rometsch. Detailansicht öffnen Die Fichte aus dem Kellwassertal steht jetzt vor dem Reichstag in Berlin. (Foto: dpa) In den niedersächsischen Landesforsten, der Heimat der Reichstagsfichte, gibt es hingegen keine Klagen wegen der Dürre - zumindest nicht, wenn es ums Weihnachtsgeschäft geht. "Für uns sind Weihnachtsbäume Nischenprodukte", erklärt Sprecher Mathias Aßmann. Die Förster sind vor allem mit der Holzproduktion beschäftigt. Sie lassen Nadelbäume lange Zeit dicht nebeneinander wachsen, damit diese im Schatten ihrer Kronen die unteren Äste abwerfen. So entsteht astreines Holz. Hübsche Christbäume sind im Wald meist junge Zufallsgewächse, die ohnehin wegmüssten. Oder alte Bäume, die immer viel Licht hatten und deshalb ihr volles Nadelkleid behielten. Wie die Reichstagsfichte aus dem Kellwassertal, die über Jahrzehnte still gedieh, bis das Weihnachtsgeschäft sie rief.
https://www.sueddeutsche.de/stil/weihnachten-sommer-klimawandel-1.4233779
mlsum-de-333
Sebastian Vettel bindet sich bis 2020 an Ferrari und schickt eine Liebeserklärung an den Rennstall in Maranello. Die Einigung kam offenbar schneller zustande, als alle glaubten.
Sollte es die Absicht von Ferrari gewesen sein, der Vertragsverlängerung mit Sebastian Vettel maximal wenig Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, so hätte man den Zeitpunkt der Bekanntgabe nicht besser wählen können. Ferrari und Vettel wählten ausgerechnet den 26. August 2017. Und damit jenen Tag, an dem Lewis Hamilton in seinem 200. Grand Prix wenig überraschend Michael Schumachers eigentlich für die Ewigkeit konzipierten Rekord von 68 Pole-Positions egalisierte. Allerdings gibt es keinerlei Belege dafür, dass die Scuderia in diesen Tagen vor dem Rennen in Spa außergewöhnlich planmäßig vorgegangen wäre. Und ein Motiv, die Geschichte der Vertragsverlängerung Vettels möglichst klein zu halten, dürfte sie natürlich auch nicht haben. Am Donnerstag noch hatte der viermalige Weltmeister gesagt, in den kommenden 14 Tagen sei mit "keinen News" zu dem Thema zu rechnen. Nur 48 Stunden später gab es dann aber doch News. Neuigkeiten, die im Detail überraschten: Vettel hatte sich drei weitere Jahre an den Rennstall aus Maranello gebunden - bis Ende 2020. Die Pressemeldung war außergewöhnlich dürr. Sie bestand nur aus fünf Zeilen und enthielt kein einziges Zitat. Eine Unterhaltung mit Mercedes, mehr nicht Er habe gedacht, es sei noch nicht der richtige Zeitpunkt gewesen, sagte Vettel am Samstag in der Pressekonferenz nach dem Qualifying, in der die längste Zeit über Hamiltons Rekord und die große Karriere von Michael Schumacher geredet wurde, der vor 25 Jahren in Spa sein erstes Formel-1-Rennen gewonnen hatte. "Aber dann sind wir ziemlich schnell zusammengekommen." So schnell waren sie plötzlich zusammengekommen, dass offenbar niemand mehr das Rennen in Monza in der kommenden Woche abwarten wollte, das ja traditionell die perfekte Kulisse für Vertragsverlängerungen bei Ferrari bietet. Bis zuletzt hatte Vettel offensichtlich noch über Details verhandelt, vor allem über die konkreten Vereinbarungen zur Laufzeit wurde spekuliert. Vettels öffentliche Bitte um zeitlichen Aufschub der Unterschriftsleistung hatte dann vor allem in italienischen Medien für Irritationen gesorgt. Und plötzlich ging alles ganz schnell. In der Theorie wäre 2019 ein optimales Jahr für Vettel gewesen, um wieder vertragsfrei zu sein, was für einen Einjahresvertrag gesprochen hätte. Weil dann auch die Anstellungsverhältnisse der Red-Bull-Piloten Max Verstappen und Daniel Ricciardo sowie das von Lewis Hamilton bei Mercedes auslaufen wird. Offenbar ist Vettels Vertrauen in Ferrari doch sehr groß. "Ich liebe das Team, ich liebe diese große Marke. Ferrari ist einzigartig. Ferrari hat etwas, das andere Teams nicht haben", sagte Vettel. Die Vertragsverlängerung sei eigentlich ein "no brainer" gewesen, ein Kinderspiel. Mercedes-Teamaufsichtsrat Niki Lauda erzählte in Spa, dass Mercedes bis vor "einigen Monaten" mit Vettel über eine mögliche Anstellung geredet habe. "Das war nur eine Unterhaltung, keine Verhandlung", relativierte allerdings Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. Familie Schumacher gratuliert Hamilton zum Rekord Lewis Hamiltons Geschichte wurde von all dem mitnichten überstrahlt. Noch auf dem Asphalt der Zielgeraden gratulierte ihm Ross Brawn, der Grüße der Familie Schumacher überbrachte. "Ich habe eine besondere Nachricht von Corinna und der Schumacher-Familie. Michael hat immer gesagt, dass Rekorde dafür da sind, um gebrochen zu werden. Vielen Dank", sagte Brawn, der als Ingenieur an allen sieben WM-Titeln Schumachers beteiligt war und inzwischen Geschäftsführer beim neuen Formel-1-Inhaber Liberty Media ist. "Diese Zahl war einmal so weit weg", erwiderte Hamilton: "1996 habe ich Michael hier zum Sieg fahren sehen. Er ist eine solche Legende. Es ist unglaublich, diese Marke erreicht zu haben." Etwas weniger unglaublich, dennoch beeindruckend, war die überlegene Weise, auf die Hamilton seine 68. Pole herausgefahren hatte. Am Ende lag Vettel über zwei Zehntelsekunden zurück, Dritter wurde Hamiltons Teamkollege Valtteri Bottas, Vierter Kimi Räikkönen im zweiten Ferrari. Vettel hatte auch noch Glück. Er profitierte von einem Fehler von Räikkönen, der bis zum Ende des Qualifyings klar schneller gewesen war und Vettel im letzten Drittel von dessen schnellster Runde noch ein bisschen Windschatten gönnte. "Ich hatte heute einen Freund", sagte Vettel. "Kimi hat seine letzte Runde abgebrochen und mich im letzten Sektor gezogen. Das war im Kampf um Platz zwei wahrscheinlich entscheidend, weil es zwei Zehntel gebracht hat."
https://www.sueddeutsche.de/sport/ferrari-zukunft-in-rot-1.3641757
mlsum-de-334
Nach einer verschleppten ersten Halbzeit schafft die DFB-Elf doch noch die perfekte WM-Qualifikation. Nur Joachim Löw wirkt zwischenzeitlich verstört.
Vorher viel Pomp und viel Andrang auf dem Rasen: Fahnen mit Nationalfarben (für die beiden Teams), Fahnen mit Sternen (für die vier WM-Titel), eine Fahne mit Stern (für den Hauptsponsor), Fanfarenklänge und eine Big Band der Bundeswehr - das Gepränge könnte beim Staatsfeiertag mit Präsident und Kanzlerin nicht größer sein. Aber zumindest während der ersten Halbzeit gab eine chaotisch agierende deutsche (B-)Mannschaft keinen Anlass für feierliche Gefühle. Erst die viertelstündige Beruhigungspause versetzte den Gastgeber in die Lage, die bisher makellose WM-Qualifikation standesgemäß zu Ende zu bringen. Der 5:1-Sieg gegen Aserbaidschan markiert den zehnten Sieg im zehnten Spiel, besser geht's nicht. Wie angekündigt, hatte der Bundestrainer erheblich umgebaut in seiner Elf. Aus der Mannschaft, die 3:1 in Belfast gewonnen hatte, blieben nur Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Thomas Müller und Sandro Wagner übrig. Auf eine klassische Abwehrreihe verzichtete Löw. Niklas Süle und Shkodran Mustafi sollten es allein richten, Kimmich unterstützte von der rechten Seite aus, von der erneuten Aufstellung des Linksverteidigers Marvin Plattenhardt sah der Bundestrainer (ausdrücklich?) ab. Die Linie bediente stattdessen der Angreifer Leroy Sané. Viele hatten ein langweiliges Spiel erwartet, die Erfüllung einer Pflichtaufgabe. Aber die erste Halbzeit war äußerst abwechslungsreich, von deutscher Seite allerdings vorwiegend unfreiwillig. Das erste Alarmzeichen setzte Süle mit einem Stockfehler, bei dem er sich obendrein den Muskel zerrte, er spielte aber zunächst weiter. Dann folgte das 1:0, ein Tor der Sonderklasse: Goretzka traf mit einem aufgesetzten Hackentrick fast in den Torwinkel (9. Minute). Jubelstimmung kam auf, man erwartete ein lustiges Torfestival. Stattdessen häuften sich die Momente, in denen Jogi Löw seinen Unterstand verließ, um an der Seitenlinie seinen Ärger loszuwerden. Wie ein Lehrer schwenkte er den Zeigefinger, eher drohend als bloß mahnend, aber Ruhe und Disziplin wollten sich deshalb nicht einstellen im konfusen, hochnervösen deutschen Spiel. Professionelle Ordnungshüter wie Toni Kroos und Sebastian Rudy wurden schmerzlich vermisst. Vor allem die Hinterleute Süle und Mustafi sowie ihr Verbindungsmann Emre Can formierten sich zum Panikorchester, Torwart Bernd Leno machte fleißig mit. Einheimische, die eine Pause von den Untaten ihres FCK erhofft hatten, stöhnten auf. Auch das Wiedersehen mit Angreifer Wagner, der einst in der Pfalz nicht glücklich wurde, fiel erst mal zwiespältig aus: Nach einem tollen Doppelpass zwischen Stindl und Müller traf der Mittelstürmer erst den Pfosten des leeren Tores und setzte dann auch den Abpraller daneben. Der angeschlagene Süle hatte inzwischen das Feld geräumt, aber sein Nachfolger Antonio Rüdiger machte dort weiter, wo sein Vorgänger aufgehört hatte. Mit Folgen: Im Zweikampf mit Aserbaidschans Linksaußen Ramil Sheydaev hatte Rüdiger mehrere Male das Nachsehen, und schließlich lag der Ball im Netz, weil Leno dabei denkbar schlecht aussah. Zu allem Überfluss verletzte sich Mustafi; Matthias Ginter ersetzte ihn. Es war die Pointe einer denkwürdigen, aber aus deutscher Sicht unerwünschten ersten Halbzeit. Jogi Löw wirkt zwischenzeitlich verstört Mangel an gutem Willen brauchte der Bundestrainer nicht beklagen, daran hatte es nicht gelegen; bei einigen Spielern, Sané zum Beispiel, artete es vielmehr in Übereifer aus. Die schnellen Sololäufe des Linksaußen zeigten auf Dauer immerhin zermürbende Wirkung beim Gegner, und mit etwas Anlauf setzte sich nun auch die Klasse der deutschen Spieler durch. Nach ein paar vergebenen Chancen gelang Wagner mit einem Kopfball die erneute Führung (55.), Rüdiger legte nach Kimmichs Eckstoß ebenfalls per Kopf nach (64.), Goretzka erhöhte auf 4:1 (66.). Zwischendurch ein technisch anspruchsvoller Schuss gegen den Pfosten von Stindl (60.) - die Deutschen hatten jetzt nicht nur Kontrolle über den Gegner, sondern auch über sich selbst. Kapitän Müller, verbessert gegenüber dem unglücklichen Auftritt in Nordirland, durfte Feierabend machen, als Nachfolger setzte er Kimmich ein. Emre Cans Gewaltschuss zum 5:1 - es war sein erstes Tor für die DFB-Elf - ließ dann sogar den zwischenzeitlich verstörten Bundestrainer wieder lachen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/wm-qualifikation-zehn-von-zehn-besser-geht-s-nicht-1.3700354
mlsum-de-335
Mehr Demenzkranke, mehr Menschen mit chronischen Schmerzen: In der Pflege steigt die Belastung. Das führt zu einigen Mängeln in der Patientenversorgung.
Mehr Demenzkranke, mehr Menschen, die unter chronischen Schmerzen leiden oder es nicht mehr zur Toilette schaffen - die Situation in den Pflegeheimen hat sich in den vergangenen Jahren noch einmal verschärft. Das zeigt der neue Pflege-Qualitätsbericht der Medizinischen Dienste der Krankenkassen, die mehr als 13 000 Heime und fast genauso viele ambulante Pflegedienste in Deutschland besucht haben. Der Bericht bezieht sich auf das Jahr 2016, zuletzt hatten die Prüfer von den Pflegebedingungen im Jahr 2013 berichtet. Eine Entlastung der Pfleger zeigt sich nur an wenigen Stellen. So ist etwa die Zahl der Heimbewohner, die künstlich ernährt werden, von rund fünf auf knapp zwei Prozent zurückgegangen. Einige Mängel gibt es in der Versorgung der Pflegebedürftigen. Nur 75,6 Prozent der Bewohner, die sich wund gelegen oder eine andere chronische Verletzung hatten, wurden dem Medizinischen Dienst zufolge "nach aktuellem Stand des Wissens" versorgt. 2013 hatten Pflegeheime noch 79 Prozent der Betroffenen richtig geholfen. Es gebe eine "Fehlentwicklung in der Qualität", sagt Gernot Kiefer, Vorstand des Spitzenverbandes der Krankenkassen. Die Belastungen in der Pflege steigen auch, weil mehr Patienten Hilfe benötigen. "Wir haben eine zunehmende Zahl von Demenzkranken und Bewohnern, die an mehreren Krankheiten leiden", sagt Peter Pick, Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen. So waren zuletzt 70,7 Prozent der Bewohner von Pflegeheimen durch Demenz oder ähnliche Krankheiten in ihrer Alltagskompetenz eingeschränkt. 2013 lag diese Zahl noch bei 63,8 Prozent - ein deutlicher Anstieg. Mehr als 90 Prozent der Heimbewohner benötigten Hilfe dabei, ihre Medikamente einzunehmen. Dabei gab es nur in knapp 13 Prozent der überprüften Fälle Schwierigkeiten. Im Vergleich zu 2013 verbesserten sich die Heime hier, genauso wie bei der "systematischen Schmerzeinschätzung", die rund 37 Prozent der Bewohner benötigten. Bei weniger Menschen als zuvor mussten "freiheitsentziehende Maßnahmen" angewendet werden, etwa Bettgitter oder Bauchgurte, die Bewohner an ihr Bett fesselten. 2016 nutzen Pfleger solche Maßnahmen bei etwa neun Prozent der Pflegebedürftigen, 2013 waren es noch mehr als zwölf Prozent. Erstmals werteten die Medizinischen Dienste der Krankenkassen auch die Abrechnungen der ambulanten Pflegedienste aus. Bei rund einem Drittel der Unternehmen zeigten sich hier Auffälligkeiten. Die Prüfer waren den Fragen nachgegangen, ob die Dienste die in Rechnung gestellten Leistungen auch wirklich erbracht haben - und ob es ausgebildete Pflegefachkräfte waren, die den Menschen halfen. Ähnlich wie im stationären Bereich steigt auch in der ambulanten Pflege der Bedarf nach Hilfe. 43,5 Prozent der Pflegebedürftigen litten 2016 unter chronischen Schmerzen, 2013 waren es noch 38,8 Prozent. Auch sind mehr Pflegebedürftige in ihrer Alttagskompetenz eingeschränkt, ihr Anteil stieg von 29,9 auf 31,2 Prozent. Union und SPD wollen nachbessern Die steigende Zahl von Pflegebedürftigen in Deutschland beschäftigt auch die Politik. Erst gestern hatten sich CDU/CSU und SPD in ihren Koalitionsverhandlungen grundsätzlich auf eine gemeinsame Pflegepolitik geeinigt. Demnach sollen kurzfristig 8000 zusätzliche Fachkräfte eingestellt werden. Woher das Geld für die Maßnahme kommen soll, ist noch offen. Die Mehrkosten sollen allerdings "nicht zu Lasten der Pflegebedürftigen gehen", sagte SPD-Vizechefin Malu Dreyer. Ändern wollen Union und SPD auch die Entlohnung von Pflegern. Der geschäftsführende Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) bemängelt, dass Pfleger in verschiedenen Regionen Deutschlands Löhne mit bis zu 1000 Euro Unterschied bekämen. Hier sollen flächendeckende Tarifverträge Abhilfe schaffen. Angehörige, die zu Hause pflegen, können zudem auf eine bessere Unterstützung hoffen als bislang. Sie sollen unkompliziert ein jährliches Budget bekommen, von dem sie eine Auszeit und Reha-Leistungen bezahlen können.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/pflege-situation-verschaerft-sich-1.3849496
mlsum-de-336
Die Wettbewerbsbehörde soll künftig nicht nur gegen unlauteren Wettbewerb, sondern im Auftrag der Verbraucher auch gegen Internetfirmen ermitteln.
Bislang war das Bundeskartellamt in Bonn kein Haus, in dem man einfach anrufen konnte. In dieser Behörde prüfen Beamte, ob sich deutsche Unternehmen unfair verhalten. Indem sie beispielsweise ihre Macht nutzen, um Konkurrenten auszustechen, oder indem sie sich zu einem Monopol zusammenschließen. In Zukunft aber könnte das Amt gezwungen sein, eine Telefon-Hotline einzurichten. Abgeordnete aus CDU und SPD haben vorgeschlagen, das Kartellamt zu einer Verbraucherbehörde auszubauen. In "bedeutsamen Fällen", so schlägt es der SPD-Abgeordnete Marcus Held vor, soll sich das Bundeskartellamt künftig auch um Verbraucherinteressen kümmern. In einem Papier empfiehlt er, die Behörde auf systematische Rechtsverstöße im Internet anzusetzen. So sollen Beamte ermitteln, wenn unseriöse Anbieter ihre Identität verschleiern, wenn sie Briefkastenfirmen oder falsche Telefonnummern angeben, um Kunden hinters Licht zu führen. "Die Digitalisierung eröffnet unseriösen Unternehmen einen erheblichen Spielraum für kaum zu durchschauende Manipulationen", schreibt Held. Deshalb sollten Bürger die Möglichkeit bekommen, das Kartellamt auf Betrügereien hinzuweisen. Auch wenn einzelne Abgeordnete nun diesen Vorschlag einbringen - im Grunde stammt er aus dem Bundesjustizministerium. Bereits im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD eine "Prüfpflicht" des Kartellamts für Verbraucherrechte vereinbart. Nun habe Justizminister Heiko Maas (SPD) an einer "möglichst konkreten Umsetzung mitgearbeitet", sagt sein Sprecher, und diese Idee dann an den Abgeordneten Held weitergereicht. Zuletzt war Maas mit seiner Idee einer Sammelklage für Verbraucher in der Union auf erhebliche Widerstände gestoßen. Diesmal unterstützt allerdings auch der CDU-Abgeordnete Matthias Heider die Initiative. "Schwerwiegende Verstöße von Unternehmen, die ihre Nutzer mit undurchsichtigen Regelungen in die Irre führen, wollen wir wirkungsvoll verfolgen können", sagt er. Die Union wolle dabei aber nicht zu weit gehen: Das neue Gesetz dürfe keinesfalls zu einem "Einfallstor für Sammelklagen nach amerikanischem Muster werden", sagt er. Das Kartellamt dürfe sich nur mit den ganz großen Fällen beschäftigen und nicht mit jeder systematischen Trickserei, so wie es die SPD fordert. Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der die neuen Aufgaben für die Bonner Beamten schließlich im aktuellen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ergänzen soll, "begrüßt" die Idee, sagt sein Sprecher. Im März hatte das Kartellamt bereits ein Verfahren gegen das soziale Netzwerk Facebook eröffnet. Das Unternehmen habe gegen Datenschutzvorschriften verstoßen, so der Verdacht. Um gegen Facebook zu ermitteln, musste die Behörde allerdings einen Haken schlagen: Nicht der Datenschutz, sondern der Missbrauch der "Marktmacht" musste bei dem Verfahren im Mittelpunkt stehen. Noch ist das Kartellamt schließlich Wettbewerbshüter. In Zukunft könnte es auch ohne diesen Umweg gegen Digitalkonzerne wie Google ermitteln, zum Beispiel, um diskriminierende Algorithmen in Vergleichsportalen oder Suchmaschinen aufzuspüren. "Wir kennen die digitalen Märkte und könnten auf unserem vorhandenen juristischen und ökonomischen Know-how aufbauen", sagt der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt. Auch der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller, lobt die angekündigte Verbraucherbehörde. "Wir freuen uns", sagt er. Das Kartellamt könne etwa Fake-Onlineshops bestrafen, die Geld nehmen, aber nichts liefern. Bisher müssen betrogene Kunden im Alleingang Zivilprozesse auf sich nehmen. Ein Aufwand, den viele scheuen. Die wettbewerbspolitische Sprecherin der Grünen, Katharina Dröge, geht der Vorschlag der großen Koalition jedoch nicht weit genug. Sie findet es "unverständlich", dass sich die Verbraucherbehörde lediglich um Internetfirmen und nicht um alle Unternehmen kümmern soll.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/neue-ausrichtung-mehr-arbeit-fuers-kartellamt-1.3259182
mlsum-de-337
Der Uefa-Chef Michel Platini strebt offenbar einen Strategiewechsel an, um noch ein Kandidat der Fifa-Präsidentenwahl zu werden.
Sepp Blatter hat sich zu Wort gemeldet, kürzlich gab er ein recht klägliches Bild ab in der Rundschau des Schweizer Fernsehens. Zittrig und fahrig wehrte er allerlei Vorwürfe ab, die Weltentrücktheit des suspendierten Fußballchefs gipfelte in einer neuen Jobbeschreibung: Er, Blatter, sei ja gar "nicht Funktionär der Fifa, ich bin der vom Kongress gewählte Präsident". Woraus er folgerte, über dem Ethik-Recht zu stehen: Ihn könne nur der Kongress absetzen, "der mich gewählt hat". Die originelle Compliance-Interpretation des Nicht-Fifa-Funktionärs Blatter, der den Weltverband 34 Jahre lang in Spitzenämtern geführt hat, entlarvt die Denkart des 79-Jährigen: Was auch passiert, den Daumen über ihn senken können nur die 209 Mitgliedsverbände - deren Mehrheit er qua Amt allzeit im Griff hätte. Relevante Fußballnationen wie Deutschland, Spanien oder Frankreich haben selbst zu viele einschlägige Probleme, als dass sie den Finger auf ihn richten könnten. Und die zahllosen Klein- und Kleinstverbände von Guam über Vanuatu bis Guinea wollen wohl kaum ganz genau wissen, in welcher Klemme der Fifa-Boss steckt. Der Mann, dessen Fifa sie stets so großzügig zu versorgen pflegte, ohne allzu akribisch zu prüfen, wo die Fördergelder hinwanderten. Blatter wähnt sich über den Statuten, das ist die Verteidigungslinie im Hinblick auf den anstehenden Prozess vor der Spruchkammer des Ethikkomitees. Dieses lastet ihm und seinem Ex-Getreuen Michel Platini eine Zahlung von zwei Millionen Schweizer Franken an. Platini will das Geld im Februar 2011 als Nachzahlung für seine Tätigkeit als Fifa-Berater von 1998 bis 2002 erhalten haben. Der Betrag taucht aber nirgendwo in den Fifa-Bilanzen auf, auch liegt kein Vertrag vor. Was den Verdacht nährt, dass der Millionentransfer - neun Jahre nach Fälligkeit - aus anderem Grund erfolgt sein könnte. 2011 war ein heißes Wahljahr in der Fifa, weshalb die Ethik-Ermittler der Korruptionsfrage nachgingen. Konkret, ob Blatter mit dem Geld die Hilfe Platinis und von dessen Uefa erwarb. Damals stand er gegen Mohamed Bin Hammam im Ring; der Katarer war Chef des 50 Voten starken Asien-Verbands AFC und hatte beste Drähte ins Lager Afrikas. Vor einer Woche erhielten die Beschuldigten die Klageschrift Blatter und Platini bestreiten jedes Fehlverhalten. Den Ethikern reichte nun aber schon ein Interessenskonflikt aus - der liegt offenkundig vor. Anders als bei Korruption, wo es des Leistungsnachweises bedarf, braucht es hier nur eine anrüchige Situation: den Gefallen einerseits, die Position mit Einfluss andererseits. Den Musterfall gibt die Sieben-Jahre-Sperre für Harold Mayne-Nicholls vor: Der Chilene war Chef des Prüferstabes, der die WM-Bewerber 2018/22 abcheckte, als er in Katar nach Trainingsmöglichkeiten für Verwandte anfragte. Der Interessenskonflikt war gegeben und wurde glashart geahndet, obwohl es zu gar keiner Leistung gekommen war. Umso gravierender stufen die Ethiker die Causa Blattini ein: Hier flossen zwei Millionen Franken an Platini, kurz vor Blatters Wiederwahl. Zudem hatte der Franzose erst selbst die Kandidatur erwogen, und Wochen nach der Zahlung seine Uefa auf Pro-Blatter-Kurs bei der Präsidentenwahl eingeschworen. Blatter behauptet nun zum angeblichen Handschlagvertrag mit Platini, alles sei "in unseren Büchern"; er sei aber "nicht der Buchhalter der Fifa". Die Taktik, Verantwortung auf andere zu schieben, hat bei Blatter Tradition. So oder so, in den Büchern wurde nichts gefunden. Vor einer Woche wurde den Beschuldigten die Klageschrift zugestellt, seitdem ist unklar, ob sie überhaupt noch auf einen raschen Prozess bauen wollen. Platinis Ziel ist ja trotz seiner Suspendierung noch immer, bei der Neuwahl des Fifa-Präsidenten am 26. Februar als Kandidat im Ring zu stehen. Dafür aber müsste er spätestens Ende Januar frei sein, wenn die Traktandenliste für den Sonderkongress erstellt wird - als Suspendierter kann er da gar nicht auftauchen. Insofern schließen Beobachter nicht aus, dass Platini wegen der Aussichtslosigkeit seiner Lage im Ethikverfahren vor Eckerts Kammer auf Zeit spielen könnte - und lieber auf eine vorläufige Aufhebung seiner Suspendierung setzt, die er parallel beim Sportgerichtshof Cas betreibt. Ob dies funktionieren würde, ist indes fraglich: Die Anhörung bei Eckert gilt als Angebot, Anspruch darauf kann nicht erhoben werden. Also könnte der Kammerchef auch auf Basis der Anklage entscheiden. Das ist nicht der einzige Unterschied des Ethikverfahrens zum Strafrecht. Mancher Verteidiger, so hat es den Anschein, tut sich schwer damit.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-weltverband-cas-statt-ethikkammer-1.2759850
mlsum-de-338
Heimatverbunden, konservativ, rassistisch: Die Russlanddeutschen gelten als begeisterte Unterstützer der AfD. Zwei Forscher legen nun Zahlen vor, die ein anderes Bild zeichnen.
Die Leute vom "Verein zur Integration von russlanddeutschen Aussiedlern" sind wütend. "Wir sind nicht die AfD, nicht die CDU, nicht die fünfte Kolonne Putins! Wir sind genauso individuell wie alle andere Bürgerinnen und Bürger unseres Landes", schreiben sie in einem offenen Brief. Sie fühlen sich kurz vor der Bundestagswahl diffamiert durch Medienberichte, die in etwa folgenden Tenor haben: Die AfD ist die Partei der Russlanddeutschen. Sie tragen Titel wie "Alternative für Russlanddeutschland " oder behaupten: "Unter Russlanddeutschen ist die AfD die beliebteste Partei." Allein: Bisher fehlten zum Thema belastbare Zahlen. Jannis Panagiotidis von der Universität Osnabrück und Peter Doerschler von der Bloomsburg University in Pennsylvania haben nun erstmals bundesweit Zahlen ermittelt, die Rückschlüsse auf die Wahlabsichten von Zuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion erlauben. Es gibt den Forschern zufolge etwa 1,9 Millionen wahlberechtigte Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, die meisten davon sind Russlanddeutsche oder andere Spätaussiedler. Die Forscher verglichen für eine noch laufende Studie Daten der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (Allbus) aus den Jahren 2014 und 2016, also der Hochphase der sogenannten Flüchtlingskrise. 2016 gaben 14 Prozent an, eine rechte Partei zu unterstützen Im Jahr 2014 gaben demnach etwa zehn Prozent der Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion an, die AfD oder eine andere rechte Partei zu unterstützen. Im Jahr 2016 waren es 14 Prozent. "Keine Frage: Das ist eine hohe Zahl. Aber die AfD ist trotzdem bei weitem nicht die beliebteste Partei unter den Russlanddeutschen", sagt Panagiotidis. Das sei nach wie vor die Union, wenngleich sie Einbußen hinnehmen musste. 2014 gaben noch 45 Prozent der besagten Gruppe an, sie zu unterstützen, die Russlanddeutschen galten lange als sichere Bank für CDU und CSU. 2016 waren es nicht mehr ganz 35 Prozent. "Dafür wuchs aber nicht nur die Unterstützung für die AfD", sagt Panagiotidis, "es ist zum Beispiel auch der Zuspruch zur Linkspartei sehr hoch." Interessant findet der Forscher den Vergleich zur deutschen Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Hier gaben 2014 etwa sieben Prozent der Befragten an, rechte Parteien zu unterstützen, 2016 waren es zehn Prozent. Die Russlanddeutschen seien also Teil einer allgemeinen Rechtstendenz innerhalb der Bevölkerung rund um die Ereignisse der Jahre 2015/2016. "Der Wert der Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion liegt etwas höher als in der Gesamtbevölkerung. Aber lange nicht in dem Ausmaß, das die Medienberichte zum Thema suggerieren", sagt Panagiotidis. Woher kommt dann der Eindruck von der AfD als Partei der Russlanddeutschen? Eine große Rolle spielte dabei der "Fall Lisa". Im Januar 2016 hatte ein Mädchen, das die Medien "Lisa" tauften, seinen Eltern erzählt, sie sei auf dem Schulweg von drei Flüchtlingen entführt und stundenlang vergewaltigt worden. Russische Medien griffen den Fall schnell auf, warfen der Bundesregierung Versagen in der Flüchtlingspolitik vor. "Der Fall Lisa" als Startpunkt Am darauf folgenden Wochenende gingen deutschlandweit einige Tausend Menschen auf die Straße, viele davon Russlanddeutsche. Sie protestierten teilweise gemeinsam mit rechten Parteien gegen die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel. "Seitdem hat sich dieses Narrativ festgesetzt", sagt Panagiotidis. In der Tat waren die Demonstrationen bemerkenswert. Bis dato war den Russlanddeutschen nicht daran gelegen, politisch als Russlanddeutsche in Erscheinung zu treten. Sie galten gerade deshalb als besonders gut integrierte Migrantengruppe, weil sie in der Öffentlichkeit kaum in Erscheinung traten. Seitdem sei das allerdings nie wieder geschehen, betont Panagiotidis: "Heute hat man eher den Eindruck: Der Fall Lisa ist vielen Russlanddeutschen unangenehm." Die AfD bedient das Narrativ von der Russlanddeutschen-Partei trotzdem weiterhin gern. Sie stellt bewusst die Russlanddeutschen in ihren Reihen heraus, veranstaltet "Russland-Kongresse", schaltet Wahlwerbung im russischen Fernsehen. Dazu kamen Wahlergebnisse aus einzelnen Gegenden, in denen besonders viele Russlanddeutsche leben und in denen die AfD besonders gut abschnitt wie zum Beispiel Pforzheim-Haidach oder Berlin-Marzahn. "Diese Zahlen aber sind per se noch kein Nachweis, dass es auch wirklich die Russlanddeutschen der jeweiligen Viertel waren, die AfD gewählt haben", sagt Panagiotidis. Und selbst, wenn es so wäre, könne man von diesen Werten nicht auf die Gesamtgruppe der Russlanddeutschen schließen. "Sie sind in ihrer Einkommensstruktur und ihren Lebenslagen genauso differenziert wie die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund", sagt Panagiotidis. Er hat noch eine andere Erklärung dafür, warum das Narrativ der rechten Russlanddeutschen so beliebt ist in der deutschen Mehrheitsgesellschaft: "Es verfängt auch so sehr, weil das deutsche Bürgertum so das Problem mit der AfD ein stückweit externalisieren kann." Die Rechten sind halt immer die anderen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/bundestagswahl-2017-die-afd-partei-der-russlanddeutschen-1.3676846
mlsum-de-339
Konrad Zuse leistete in den Jahren 1935 bis 1945 Pionierarbeit bei der Entwicklung von Computern. Eine Austellung in Heidelberg würdigt die Leistung des Ingenieurs.
Konrad Zuse in den späten 1980er Jahren vor einem Nachbau seiner Z1. Seine kreativste Phase hatte der Bauingenieur in den Jahren 1935 bis 1945. Die statischen Berechnungen per Hand langweilten Konrad Zuse. Konnte man diese mühsame Prozedur nicht automatisieren? Eine gute Idee. So machte sich der junge Bauingenieur im Berlin der 1930er-Jahre daran, eine Maschine zu bauen, die diese Routinearbeiten erledigen konnte, die noch mechanisch arbeitende Z 1, Vorläuferin des Computers. Eine raumgreifende Maschine mit Drähten und zahllosen Relais, ein Monstrum mit minimaler Leistung im Vergleich zu heutigen Laptops oder Smartphones. Jedoch nicht zur damaligen Zeit. Zehn Jahre lang, von 1935 bis 1945, gehörte Zuse mit seinen Maschinen weltweit zu den Vordenkern - wie Alan Turing in Großbritannien oder John Atanasoff und Howard Aiken in den USA. Was Konrad Zuse (1910 - 1995) wie und unter welchen Bedingungen entwickelte, das ist Gegenstand einer Ausstellung, die der Informatikprofessor Raúl Rojas eigens zum Heidelberg Laureate Forum konzipiert hat. "Es gibt nicht den einen Erfinder des Computers. Es gibt nur viele Erfinder des Computers." Eines gleich vorneweg: Auf die gerne geführte Diskussion, wer denn nun den allerersten, wirklich allerersten Computer erfunden hat, lässt sich Rojas gar nicht ein. "Es gibt nicht den einen Erfinder, es gibt nur viele Erfinder des Computers", sagt der gebürtige Mexikaner, der an der Freien Universität Berlin lehrt und dessen Fachgebiet künstliche Intelligenz ist. Neben dem Projekt des selbstfahrenden Autos gehört zu Rojas' Arbeit auch die Betreuung des Studententeams, das fußballspielende Roboter entwickelt. Die "FUmanoids" errangen mehrmals den ersten Platz beim Robo Cup. Rojas wurde vergangenes Jahr vom Deutschen Hochschulverband zum Hochschullehrer des Jahres gewählt. Für die Geschichte der Informatik interessiert sich der Wissenschaftler schon lange. "Ich habe mich aus historischem Interesse schon früh mit Zuse auseinandergesetzt, weil es immer wieder hieß, er sei der Vater des Computers. Aber ich habe damals nichts dazu gefunden", erläutert Rojas. Also hat er sich auf die Suche gemacht. Interessant ist aus Sicht des Professors, dass weltweit zur gleichen Zeit, also in den späten 1930er- und frühen 1940er-Jahren, verschiedene Wissenschaftler unabhängig voneinander an ähnlichen Systemen gearbeitet haben. Innerhalb nur weniger Jahre entstanden der Atanasoff-Berry-Computer, Mark I von IBM und Harvard, Colossus in Großbritannien oder die Maschine ENIAC für die US-Armee - und alles während des Zweiten Weltkriegs.
https://www.sueddeutsche.de/digital/ausstellung-computer-pionier-konrad-zuse-seiner-zeit-voraus-1.3168630
mlsum-de-340
Johannes Trefz und Christina Hering von der LG Stadtwerke München laufen bei der Team-EM in Lille langsamer als geplant. Hering kämpft weiter um die WM-Norm.
Immerhin ein Erfolgserlebnis nimmt Christina Hering mit von der Team-EM der Leichtathleten in Lille: "Ich habe die Weltmeisterin von 2015 geschlagen." Nämlich die Weißrussin Marina Arzamsowa, die sich an diesem Samstagnachmittag im 800-Meter-Lauf brav in der Mitte einordnete, als Siebte von elf Starterinnen. Hering, die 22-Jährige von der LG Stadtwerke München, war als Fünfte ins Ziel gekommen, nach 2:04,19 Minuten, nur knapp eine Sekunde hinter der Siegerin Olga Lyakowa aus der Ukraine (2:03,09). "Der Platz war schon okay", fand Hering; schließlich geht es für die Individualsportler bei diesem Wettbewerb darum, möglichst viele Punkte zum Erfolg ihres Teams beizutragen, und da hatte sie sich nichts vorzuwerfen. Dennoch haderte sie: "Ich war nicht zufrieden mit dem Rennverlauf." Christina Hering war ja auch mit einem persönlichen Ziel zu diesem internationalen Kräftemessen nach Nordfrankreich gekommen: die WM-Norm zu erfüllen. Die hat der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) in dieser Saison auf 2:01,00 Minuten festgesetzt, der deutschen Meisterin fehlen noch 35 Hundertstelsekunden, um sie zu unterbieten. "Ich hatte gehofft, dass ich auf die Norm gehen kann", gab sie zu: "Ich dachte, ein schnelles Rennen wäre im Interesse aller Läuferinnen." Das war es offensichtlich nicht, denn nachdem das wegen der dopingbedingten Suspendierung des russischen Verbandes nur elf statt zwölf Teilnehmerinnen umfassende Feld sich sortiert hatte, "haben sie nach 200 Metern voll die Bremse reingehauen. Da gab's dann viel zu viel Gerempel zwischen 200 und 400 Metern", schilderte Hering das Geschehen. Sie hielt sich zwar raus aus den Rangeleien, aber das Tempo war halt erst mal weg, die Chance auf die Norm dahin. Zwei Gelegenheiten bieten sich Hering noch, die WM-Norm zu erfüllen - sonst bleibt die Staffel Zwei Gelegenheiten bleiben der WM- und Olympia-Teilnehmerin der vergangenen beiden Jahre noch, sich in ihrer Spezialdisziplin erneut für die globalen Titelkämpfe zu qualifizieren: Schon am Donnerstag probiert sie es bei einem Meeting in der schwedischen Stadt Sollentuna, danach bleiben noch die deutschen Meisterschaften in Erfurt (8./9. Juli), auch so eine Veranstaltung, wo das Interesse der meisten Teilnehmerinnen erfahrungsgemäß eher bei einer guten Platzierung liegt als auf einer guten Zeit. Notfalls muss die Mittelstrecklerin Christina Hering damit zufrieden sein, als Kurzstrecklerin zur WM Anfang August nach London zu reisen, als Mitglied der deutschen 4×400-Meter-Staffel. In dieser kam sie am Sonntag in Lille nicht zum Einsatz. Das Quartett muss sich ebenfalls erst noch qualifizieren: Eine exakte Zeitvorgabe für die WM-Teilnahme gibt es nicht, der Weltverband IAAF lässt lediglich die 16 besten Staffeln zu. Auch für Herings Klubkameraden Johannes Trefz bietet die 4×400-Meter-Staffel die beste Gelegenheit für eine WM-Teilnahme, ein Einzelstart "wird schwierig", weiß der Biologie-Student. Der DLV verlangt für eine Nominierung 45,40 Sekunden, davon ist er fast eine Sekunde entfernt mit seiner Saisonbestzeit von 46,35. Und der Vorgabe des Verbandes ist er in Lille nicht näher gekommen. Beim Sieg des Briten Dwayne Cowan (45,46 Sekunden) wurde Trefz am Samstag Siebter in 46,54 Sekunden. "Ich hatte mir schon vorgenommen, mindestens Saisonbestzeit zu laufen", erzählte Trefz, "das ist gar nicht geglückt. Aber mehr war nicht drin." Wie Hering hatte sich auch der 25-Jährige wenig vorzuwerfen, er war als Neuntbester des Elferfeldes angetreten, und in den erstmals bei der Team-EM in den Sprintbewerben ausgetragenen Vorläufen am Freitag hatte er sich immerhin fürs Finale der besten Acht qualifiziert, in 46,96 Sekunden. "Damit kann ich erst mal zufrieden sein", fand er. Im Endlauf musste der Münchner dann auf Bahn 1 starten, ganz innen. Das ist wegen des engen Radius die ungünstigste Bahn für einen Mann seiner Größe (2,00 Meter). Den Ukrainer Witali Butrim auf der Bahn vor ihm hatte Trefz zwar "relativ schnell unter Kontrolle", berichtete er, "aber der hatte auch schon eine Lücke zu den Läufern davor, und ich hab's nicht mehr geschafft, an die ranzulaufen". Wegen des Vorlaufes am Freitagabend und der Staffel am Sonntag, in der die Deutschen in 3:04,64 Minuten Sechste wurden, musste Trefz drei 400-Meter-Rennen an drei Tagen bewältigen. "Das ist natürlich ein brutaler Härtetest", räumt er ein. Andererseits sei die Team-EM "einfach ein schönes Miteinander, gerade mit der Staffel", findet er: "Bei den deutschen Meisterschaften ist dann jeder wieder für sich, aber hier kämpfen wir miteinander, das ist eine schöne Abwechslung."
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/leichtathletik-auf-der-bremse-1.3559985
mlsum-de-341
Der Argentinier führt sein Team in der Nachspielzeit zum 3:2-Erfolg gegen Real Madrid. Damit ist das Rennen um die spanische Meisterschaft wieder offen.
Dank des 500. Pflichtspieltores von Superstar Lionel Messi hat der FC Barcelona seinen Erzrivalen Real Madrid im Clásico niedergerungen und sich im Rennen um die spanische Fußball-Meisterschaft zurückgemeldet. In der spanischen Hauptstadt gewann das Team des scheidenden Trainers Luis Enrique 3:2 (1:1). Erst in der vierten Minute der Nachspielzeit erzielte Messi den Siegtreffer. Durch den Auswärtserfolg verdrängte Barca die punktgleichen Königlichen (75 Zähler) vorerst von der Tabellenspitze. Jedoch hat Real bislang ein Spiel weniger absolviert. "Er ist für mich der beste Spieler der Geschichte, und ich habe viel Fußball gesehen", sagte Enrique über Messi: "Im modernen Fußball, wo alles physisch und taktisch besser ist, macht er immer noch den Unterschied." Fünf Minuten später glich Messi für Barcelona aus Mittelfeldmotor Casemiro (28.) hatte Madrid in Führung gebracht, fünf Minuten später glich Messi für Barcelona aus. Nach einem Traumtor des Ex-Schalkers Ivan Rakitić (73.) aus etwa 18 Metern erzielte James Rodríguez (85.) drei Minuten nach seiner Einwechslung erneut ein Ausgleichstor. Zuvor hatte Madrids Kapitän Sergio Ramos (77.) nach einem groben Einsteigen gegen Messi die Rote Karte gesehen. "Beim Stand von 2:2 hätten wir unsere Köpfe benutzen müssen", sagte Real-Coach Zinedine Zidane: "Wir denken immer positiv und waren der Meinung, wir können das dritte Tor schießen, aber haben dann unsere Positionen verlassen. Und man sieht ja, was passiert ist." Nach dem Halbfinal-Einzug in der Champions League muss Real nun wieder darum bangen, das Double aus Meisterschaft und dem wichtigsten europäischen Wettbewerb zu gewinnen. Dies war den Königlichen zuletzt 1958 gelungen. Bei sieben verbleibenden Ligaspielen sehnt sich der Verein nach dem ersten Meistertitel seit 2012. Bei Barcelona fehlte Neymar aufgrund einer Rotsperre Real konnte für die Startelf wieder auf Flügelstürmer Gareth Bale zurückgreifen, der sich im Hinspiel des Champions-League-Viertelfinals bei Bayern München (2:1) eine Wadenblessur zugezogen und beim 4:2-Triumph im Rückspiel am vergangenen Dienstag gefehlt hatte. Bei Barcelona fehlte Neymar aufgrund einer Rotsperre, gegen die der Verein vor dem spanischen Sportgericht TAD Protest eingelegt hatte. Da kurzfristig keine Gerichtsentscheidung gefallen war, konnte Enrique im Duell mit Real nicht auf den brasilianischen Ausnahmespieler zurückgreifen. Für den besonderen Glamour-Faktor im ausverkauften Santiago Bernabeu sorgte Golf-Star und Masters-Sieger Sergio Garcia, der im "Green Jacket" den symbolischen Anstoß ausführte. Real erwischte vor 81 044 Zuschauern den besseren Start und kam des Öfteren über Barcas linke Abwehrseite in die Gefahrenzone. Vor Casemiros Treffer, bei dem Nationaltorwart Marc-André ter Stegen unglücklich agierte, kam lediglich der erstaunlich blasse Superstar Cristiano Ronaldo (8.) mit einem Linksschuss gefährlich vor das Tor. Im Laufe des Spiels schöpften die Gäste Mut und gewannen an Sicherheit im Offensivspiel. Zuerst zielte Luis Suarez (11.) noch knapp am linken Pfosten vorbei, ehe Messi nach herrlicher Kombination mit Ivan Rakitić und Suárez den Ausgleich schoss. Im zweiten Durchgang begannen die Gastgeber erneut stärker. Einen Kopfball von Karim Benzema (54.) konnte ter Stegen nur mit Mühe klären, doch Barca steigerte sich analog zum ersten Abschnitt und kam zu Chancen. Paco Alcácer (56.) und Gerard Piqué (59.) per Kopf scheiterten jedoch an Keylor Navas. Nach der Führung erspielte sich Barcelona weiter gute Möglichkeiten. Piqué (80.) verpasste in dieser Phase frei vor Navas die Entscheidung, die in der turbulenten Schlussphase letztlich Messi herbeiführte.
https://www.sueddeutsche.de/sport/primera-division-messi-schiesst-barcelona-zum-sieg-im-clasico-1.3475754
mlsum-de-342
Die letzten Terroristen der RAF sind Rentner mit Geldsorgen, für die Menschenleben keine Rolle spielen.
"Es wächst sich besser unbeobachtet", schrieb die Schriftstellerin Terézia Mora in ihren Frankfurter Poetik-Vorlesungen, die unter dem Titel "Nicht sterben" veröffentlicht wurden. Es wächst sich besser, so ließe sich auch sagen, ohne unerwünschtes Publikum, ohne kommentiert oder korrigiert zu werden. Allerdings gilt der andere Fall noch mehr: Es stagniert sich besser unbeobachtet. Dabei betrachtet oder begleitet zu werden, wie man so bleibt wie eh und je, nicht wächst, nichts verändert, nichts lernt, wie das eigene Denken und Leben bloß in einer zähen Zeitschleife verfangen bleibt, das ist definitiv noch unangenehmer. Diese Woche veröffentlichte die Staatsanwaltschaft Verden neue Fahndungsfotos der früheren RAF-Terroristen Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub. Gegen sie wird ermittelt wegen des Verdachts auf versuchten Mord und versuchten schweren Raub: Sie sollen gemeinsam mit der dritten Gesuchten, Daniela Klette, am 6. Juni 2015 versucht haben, mit zwei Kalaschnikows und einer Panzerfaust auf dem Parkplatz eines Real-Einkaufsmarkts in Stuhr in Niedersachsen einen Geldtransporter zu überfallen. Der Raubzug misslang, weil die Insassen des Transporters die Türen verriegelten und sich weigerten auszusteigen. Drei Schüsse wurden abgegeben: eine Kugel traf den Reifen des Fahrzeugs, zwei durchschlugen das Sicherheitsglas und die Panzerung - aber die Menschen im Wagen blieben glücklicherweise unverletzt. Im Fluchtfahrzeug der gescheiterten Täter, das später in einem Waldstück gefunden wurde, entdeckte die Polizei genetisches Material von Garweg, Klette und Staub. Im Januar diesen Jahres wurde die Öffentlichkeit informiert: Nach Jahrzehnten führt erstmals eine Spur zu den abgetauchten Ex-Terroristen. Nicht einmal die Generalbundesanwaltschaft sah in diesem erfolglosen Raubüberfall noch Hinweise auf terroristische Absichten. Das Geld, das nicht erbeutet wurde, sollte nicht der Planung neuer Anschläge dienen, die Aktion war wohl reine Beschaffungskriminalität, die den Lebensunterhalt im Untergrund finanzieren sollte. Das letzte Mal, dass das Trio überhaupt in Erscheinung getreten war und sich mit Geld ausgestattet hatte, ist lange her. Im Jahr 1999 hatten Garweg, Klette und Staub bei einem Überfall in Duisburg eine Million Mark geraubt - das Geld, so vermuten Ermittler, ist inzwischen schlicht verbraucht. Für die Insassen des Geldtransporters in Stuhr, die eher durch Zufall als durch Rücksicht der Täter überlebten, spielt es allerdings keine Rolle, ob jene, die auf sie schossen, sich selbst als Revolutionäre oder als Rentner mit Geldsorgen begriffen. Entscheidend ist für die Opfer nur, dass sie als Menschen nichts zählten. Auch wenn nun aktuelle Bilder die bisherigen schwarz-weißen Fahndungsfotos mit ihrer Achtziger-Jahre-Ästhetik ablösen, befreien sie die Geschichte der Suche nach Garweg, Klette und Staub doch nicht von dieser beklemmend-trostlosen Antiquiertheit. Man weiß wenig über diese drei, wie überhaupt über die dritte Generation der Rote Armee Fraktion: An welchen Anschlägen und Morden sie tatsächlich beteiligt waren, darüber gibt es mehr Spekulationen und Indizien als gesicherte Fakten. Die drei sollen gemeinsam mit Birgit Hogefeld und Wolfgang Grams im Jahr 1993 am Sprengstoff-Anschlag auf das Gefängnis in Weiterstadt beteiligt gewesen sein. Daniela Klette wird zudem wegen eines versuchten Anschlags mit einer 45-Kilo-Autobombe auf ein Gebäude der Deutschen Bank in Eschborn gesucht. Dass damals keine Menschen verletzt oder getötet wurden, lag wohl lediglich an einem Defekt des Zünders. Aber dass sie den Ausstieg aus dem Leben in der Illegalität verpasst haben, dass sie auch mehr als 16 Jahre nach Auflösung der Rote Armee Fraktion noch im Untergrund ausharren, das ist sicher. Dass sie mittlerweile nur noch propagandalos Straftaten begehen und für ihre Gewalt eine politisch-utopische Rechtfertigung nicht einmal mehr behaupten, das ist sicher. Sie scheinen nur noch als unzeitgemäße Gespenster ihrer eigenen Vergangenheit aufzutauchen in einer Gegenwart, in der sie keinen Resonanzraum mehr finden. Ob sie überhaupt noch an ihrer früheren Ideologie festhalten oder ob ihnen in den Jahren seither Zweifel gekommen sind, das lässt sich nicht sagen. Ob sie noch von Sympathie-Resten zehren, die es ihnen ermöglichen, immer wieder neue Unterkünfte zu finden, ist nicht bekannt. Aber dass sie aus der Spirale des Untergrunds, aus dem kollektiven Schweigen der RAF bis heute nicht aussteigen wollen, das ist sicher. Es ist gut, dass der Prozess der voreiligen Historisierung der RAF unterbrochen wird So irrlichtern sie weiter durch eine Gesellschaft, die sich für sie längst nicht mehr interessiert. Bis auf die Angehörigen der letzten Opfer der RAF, die noch immer nicht wissen, wer für die schrecklichen Taten verantwortlich ist, und für die diese Vergangenheit nicht vergehen kann ohne Aufklärung. Noch immer sind die Morde an Ernst Zimmermann (1985), Karl-Heinz Beckurts und Eckart Groppler (1986), Gerold von Braunmühl (1986), Alfred Herrhausen (1989) und Detlev Karsten Rohwedder (1991) nicht aufgeklärt. Noch immer treiben die Angehörigen Fragen um, die niemand beantworten möchte: Wer hat ihre geliebten Ehemänner, Väter oder Söhne getötet? Welche logistische oder technische Unterstützung hatten die Täter von Diensten oder Organisationen aus dem In- oder Ausland dabei? Welche Rolle hat die Stasi bei den letzten Attentaten gespielt? Vielleicht ist das die einzige positive Wirkung dieser neuen Fahndungsfotos: dass der Prozess der voreiligen Historisierung der RAF unterbrochen wird. Die Geschichte, die viele gern vergessen oder verdrängen wollen, ist so wenig vorbei wie der Schmerz um den Verlust derer, die der Gewalt der RAF zum Opfer fielen. Sie dauert, solange es keine Aufklärung und keine Wahrheit gibt. Die Autorin war Patenkind des von der RAF ermordeten Vorstandssprechers der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen. Über ihre Erfahrungen hat sie das Buch "Stumme Gewalt - Nachdenken über die RAF" geschrieben.
https://www.sueddeutsche.de/politik/kolumne-gespenster-1.3000127
mlsum-de-343
Die Verhandlungen um den Brexit sollten ohne Emotionen geführt werden. Deutschland hat viel zu verlieren.
Für viele Europäer war die Entscheidung der Briten für den Brexit ein Akt kollektiver Dummheit, erklärbar nur aus bornierter Inselmentalität. Die beleidigte Reaktion aufrechter Europäer darauf ist, ihnen den Austritt so schmerzhaft wie möglich zu machen. Außenminister Boris Johnsons markige Sprüche ("We want to have the cake and eat it") und die unbekümmerte Planlosigkeit der Westminster-Regierung vor der offiziellen Austrittserklärung sorgten dafür, dass der Grad der Empörung hoch blieb. So weit, so schlecht. Wenn man sich in Berlin, Brüssel und London umhört, bekommt man den Eindruck, als rasten zwei führerlose Hochgeschwindigkeitszüge ungebremst aufeinander zu - mit dem Risiko eines Frontalzusammenstoßes unterm Ärmelkanal, der für die Briten mit einem Totalschaden enden und die EU 27 zumindest lädiert zurücklassen würde. Die Gefahr ist, dass sich aus gegenseitigem Unverständnis alternative Realitäten bilden, die einen vernünftigen Deal im beiderseitigen Interesse politisch unmöglich machen. Die unbestritten größte Herausforderung wird die Rechnung für den Brexit sein, nach der Großbritannien der EU etwa 60 Milliarden Euro schuldet. Es ist nicht auszuschließen, dass die Scheidungsverhandlungen schon am lieben Geld scheitern, bevor sie überhaupt richtig begonnen haben. Daher ist es höchste Zeit, die Emotionen herunterzukühlen, sich auf gemeinsame Interessen zu besinnen und die Öffentlichkeit auf beiden Seiten auf einen Deal vorzubereiten, der zwangsweise Kompromisse beinhalten muss. Es geht schließlich darum, die Briten als europäische Nuklearmacht mit ständigem Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als unerlässlichen Partner für unsere innere und äußere Sicherheit möglichst nah an der Brust zu halten und den Schaden eines Austritts für unsere eng verflochtenen Volkswirtschaften gering zu halten. Klar ist, dass die britische Wirtschaft deutlich stärker auf den EU-Binnenmarkt angewiesen ist als umgekehrt. Gut 44 Prozent der britischen Exporte gehen in die EU, nur 6,5 Prozent der EU-Exporte gehen nach Großbritannien. Jedoch ist Großbritannien gerade für Deutschland als Handelspartner wichtig. Es ist unser drittgrößter Markt weltweit mit einem Exportvolumen von fast 90 Milliarden Euro, das sind über sieben Prozent der deutschen Exporte. Großbritannien liegt bei den deutschen Importen auf dem neunten Platz mit 38 Milliarden Euro, was vier Prozent der deutschen Importe entspricht. Deutschlands Handelsüberschuss mit Großbritannien war 2016 mit mehr als 50 Milliarden Euro der zweithöchste nach dem mit den Vereinigten Staaten. Es wird oft unterschätzt, dass die deutsche Wirtschaft aufgrund ihres hohen Exportüberschusses von den Folgen eines Brexit stärker betroffen sein wird als andere EU-Mitgliedsstaaten. Deutsche Unternehmen von Weltrang forschen, produzieren und verkaufen Teil- oder Endprodukte in Großbritannien. Der deutsche Mittelstand bildet ein starkes und wichtiges Glied in der Wertschöpfungskette aus und nach Großbritannien. Oft werden Einzelteile dieser hochgradig vernetzten Produktionsketten mehrfach zwischen Standorten in Großbritannien und Kontinentaleuropa hin und her gesandt. Deutsche Unternehmen sollten sich in den Brexit-Prozess einmischen - im eigenen Interesse Was sollte die deutsche Wirtschaft demnach tun? Auch wenn die Zeit drängt, sollte jede Firma mit Geschäftsbeziehungen zum Vereinigten Königreich drei Dinge tun: Erstens nüchtern analysieren, wie sich der britische EU-Austritt auf das eigene Geschäft auswirken könnte. Zweitens nicht zu lange warten und der Vernunft eine Stimme geben, um diejenigen in der Politik zu stärken, die pragmatische Lösungen über emotionalen Revanchismus stellen. Und drittens, sich strategisch in den Brexit-Prozess einbringen. Dieser Prozess wird gespickt sein mit vielen politischen, ökonomischen und technischen Finessen. Vielfach bewegt man sich da auf neuem Terrain - die Ermittlung der Anzahl der Europäer und Briten im Unternehmen oder auch die Bestimmung der Transportrouten verschiedener Produkte, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Die Regierungen werden dankbare Abnehmer für praxisbezogene Einschätzungen sein. Eines ist klar. Der Brexit wird die Handelsbedingungen zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich massiv verändern. Es liegt im Interesse der Wirtschaft diesseits und jenseits des Kanals, Handelsbeschränkungen jeder Art so klein wie möglich zu halten. Diese würden deutsche Firmen unverhältnismäßig stark treffen. Bisher scheint sich die heimische Wirtschaft der höchst komplexen Wirkungsanalyse des Brexit noch nicht ausreichend angenommen zu haben. Zölle, wie hoch auch immer, sind nur ein kleiner Teil des Problems. Nichttarifäre Handelshemmnisse, unterschiedliche Standards im Bereich des Umwelt- und Verbraucherschutzes, Grenzkontrollen und Zollformalitäten können in Zukunft für deutsche Firmen zu einem erheblichen Kostenfaktor werden. Das Argument, dass die Briten der Scheidungskrieg mit der EU viel stärker treffen würde, ist zwar richtig. Für manche im EU-Binnenmarkt tätige Firma könnte die firmeneigene Brexit-Rechnung dennoch überraschend hoch ausfallen, wenn die komplexe europäische Wertschöpfungskette zu reißen beginnt. Nach der Ankündigung von Premierministerin Theresa May am 17. Januar dieses Jahres hat sich der Nebel etwas gelegt. Während das Vereinigte Königreich eine Zollunion abzulehnen scheint, sträubt sich der Rest Europas gegen sektorale Verträge zugunsten einzelner Industrien. "Rosinenpicken", also die selektive Auswahl von Handelsregeln, die vorteilhaft für das Vereinigte Königreich wären, wird der Rest der EU nicht akzeptieren. Ein Freihandelsabkommen scheint am wahrscheinlichsten. Aber wie weit dieses gehen wird, welche Sektoren es beinhalten wird und zu welchen Bedingungen, ist umstritten und noch völlig unklar. Ein nachhaltiges Engagement deutscher Unternehmen im Brexit-Prozess ist nicht nur im Interesse der deutschen Wirtschaft. Es würde auch eine der größten Kritikerinnen der EU, die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher, Lügen strafen. Diese behauptete einst vollmundig, dass zwar die meisten Probleme, welche die Welt während ihrer Lebenszeit beschäftigten, von Kontinentaleuropa ausgegangen seien, jedoch fast immer von außerhalb Kontinentaleuropas gelöst werden mussten. Der Brexit jedoch, wenn auch als britisches Problem begonnen, ist ein europäisches, und Lösungen können nur durch Kompromisse und Zusammenarbeit der Partner gefunden werden.
https://www.sueddeutsche.de/politik/aussenansicht-beleidigt-sein-hilft-nicht-1.3443194
mlsum-de-344
Mehr als einen Monat nach dem Giftanschlag auf den Ex-Spion erholt sich dieser, sagen seine Ärzte. Seine Tochter hat sich bereits am Donnerstag zu Wort gemeldet.
Mehr als einen Monat nach dem Giftanschlag geht es dem ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal deutlich besser. Das berichteten seine Ärzte am Freitag in der südenglischen Kleinstadt Salisbury. Er sei nicht mehr in kritischem Zustand. "Er spricht gut auf die Behandlung an, seine Gesundheit verbessert sich schnell, und er ist nicht mehr in kritischem Zustand", teilten die Mediziner mit. In Russland wird unterdessen nach Angaben des britischen Botschafters in Berlin, Sebastian Wood, entgegen der offiziellen Darstellung weiterhin mit dem Nervengift Nowitschok experimentiert. Wood deutete zudem an, Belege dafür zu haben, dass Russland für den Anschlag auf Sergej und Julia Skripal verantwortlich sei. Wenn Russland sage, dass alle Kampfgifte aus Sowjetzeiten unter Aufsicht internationaler Beobachter vernichtet worden seien, so sei das aus britischer Sicht "falsch, völlig falsch", sagte Wood im Deutschlandfunk. "Unsere Nachrichtendienste wissen, dass es dieses Geheimprogramm zum Nowitschok-Giftstoff gibt, das die russische Regierung nie offengelegt hat." Der Diplomat forderte Russland auf, als ersten Schritt diese Offenlegung nun nachzuholen. Es gehe um einen Verstoß gegen die Chemiewaffen-Konvention. Die Belege, dass Russland hinter dem Anschlag auf den Ex-Agenten Skripal und seine Tochter stecke, seien "klar genug". Russland hat die Vorwürfe zurückgewiesen und Beweise sowie eine Einbeziehung in die Ermittlungen gefordert. Hochrangige russische Amtsträger beschuldigten den Westen, einen neuen Kalten Krieg zu schüren. Russland versuche, andere Länder zu destabilisieren Der Botschafter Wood sagte nun, es sei bekannt, dass der russische Staat Menschen wie Skripal als Anschlagsziel betrachte. "Wir haben eine starke Einschätzung, dass es höchstwahrscheinlich ein Anschlag des russischen Staates war, und deshalb mussten wir alle gemeinsam reagieren." Es gebe genug Belege für Russlands Verantwortung im Fall Skripal, und die habe Großbritannien mit seinen Verbündeten geteilt, die diese überzeugend fänden.Abgesehen vom Einzelfall, gehe es um ein russisches Verhaltensmuster, mit dem das Land versuche, andere Länder zu destabilisieren. Der 66-jährige ehemalige Doppelagent Skripal und seine 33-jährige Tochter waren am 4. März bewusstlos auf einer Parkbank im englischen Salisbury gefunden worden. Der Polizei zufolge wurden sie direkt an ihrer Haustür vergiftet. Julia Skripals Zustand verbessert sich ebenfalls, sie hat sich bereits am Donnerstag zu Wort gemeldet. Die britische Regierung beschuldigt Russland, die Skripals mit dem in der Sowjetunion entwickelten Nervengift Nowitschok vergiftet zu haben, was Moskau bestreitet. Britische Experten haben Medienberichten zufolge inzwischen das russische Labor identifiziert, aus dem das Nervengift für den Anschlag stammen soll. Das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen ist auf dem bislang tiefsten Stand seit dem Ende des Kalten Kriegs. Es hatte sich bereits verschlechtert, nachdem Russland 2014 die Halbinsel Krim annektiert hatte und Separatisten in der Ostukraine unterstützte. Das Attentat auf die Skripals hat die Beziehungen nun weiter belastet und zur Ausweisung von Hunderten russischen Diplomaten durch andere Länder geführt, auf die Moskau seinerseits mit der Ausweisung von Diplomaten reagiert hat.
https://www.sueddeutsche.de/politik/vergifteter-ex-agent-sergej-skripal-geht-es-deutlich-besser-1.3933723
mlsum-de-345
Dieter Zetsche bleibt Vorstandsvorsitzender von Daimler: Für drei Jahre. Normal wären fünf Jahre gewesen. Die eingeschränkte Vertragsverlängerung zeigt, dass der einst allmächtige Firmenchef angeschlagen ist.
Zuletzt war er kurzzeitig zu einem Mann des Boulevards geworden. Daimler-Chef Dieter Zetsche, der Mann, den sie in seiner USA-Zeit bei Chrysler "Dr. Z" nannten, und die Schauspielerin Désirée Nosbusch - der Automanager und die Schöne, sie waren ein Paar. Die Sache war gerade publik, da begann das übliche Ritual: Bilder von einem gemeinsamen Restaurantbesuch, gemeinsamen Bühnenauftritten, Spekulationen über den neuen Alltag des Paares. Möglich, dass Zetsche die privaten Geschichten gar nicht so ungelegen kamen. Denn hinter den Kulissen gab es in jenen Tagen noch ganz andere Dinge. Unangenehme Themen wie die Frage, wie der Traditionsautobauer, der seit längerem hinter den Rivalen Audi und BMW liegt, wieder aufholen kann. Oder die Sache mit Zetsches milliardenschwerem Sparprogramm, das konzernintern unter dem Namen "Fit for Leadership" läuft. Und die Frage, wie es mit Dr. Z bei Daimler weitergehen würde. Einige glaubten an einen Neuanfang. Andere waren sicher, dass der Aufsichtsrat an diesem Donnerstag seinen Vertrag um weitere fünf Jahre verlängern würde. Dies wäre business as usual gewesen. Dass man seinen Vertrag um drei Jahre verlängert, dies hat dann alle überrascht - wohl auch Zetsche selbst. Nach der Sitzung am Nachmittag dann: Erklärungsversuche. Ein Konzernsprecher wiegelt ab: Alles normal, man habe "aus Gründen der guten Unternehmensführung" entschlossen, "Vorstandsverträge bei Wiederbestellungen nur noch um drei Jahre zu verlängern, wenn die Vorstände 60 Jahre alt sind oder dieses Alter während der Laufzeit des Vertrages erreichen". Das klingt plausibel, denn Zetsche wird im Mai 60. Machtverlust für Zetsche Nun gibt es aber auch eine andere, weniger diplomatische Erklärung für den seltsamen Vertrag: Schon vorher hatten einige wichtige Daimler-Aktionäre gefordert, Zetsche nur noch für weitere drei Jahre an Daimler zu binden. Die alte Marke mit dem Stern brauche einen Neuanfang. Etwas Neues, Frisches, mehr Dynamik. Am Ende dann sollen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat darauf gedrängt haben, es bei drei Jahren zu belassen. So sei die Sache zumindest einstimmig - und gesichtswahrend - durch den 20-köpfigen Aufsichtsrat gegangen. In diesem Fall wäre die Personalie vor allem eines: ein Kompromiss, mit dem alle zufrieden sein können. Alle, bis auf einen: Dr. Z selbst. Denn ein Manager, der von seinen Kontrolleuren fünf weitere Jahre bekommen kann, tatsächlich aber nur drei bekommt, bleibt zwar im Amt - möglicherweise aber ist er nun geschwächt. Für Zetsche, der seit Anfang 2006 Chef des Stuttgarter Konzerns ist und seit 2005 auch die Stamm-Marke Mercedes-Benz führt, ist das eine neue Situation. Bisher war er mächtig wie sein Markenzeichen, der große Walross-Schnurrbart. Jetzt ist er der Drei-Jahres-Chef. Damit steigt der Druck: Er hat nun zwei Jahre weniger Zeit, um seine Strategien und Pläne umzusetzen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/daimler-chef-zetsche-vertragsverlaengerung-unter-vorbehalt-1.1606595
mlsum-de-346
Die Kombination steht bei Olympia auf der Kippe. Die meisten Verbände haben sich längst einen pragmatischen Umgang mit dem Nischen-Wettbewerb angewöhnt.
Doch, ihm gehe es bestens, versicherte Thomas Dreßen. Gut, der 24 Jahre alte Mittenwalder machte keinen sonderlich kränklichen Eindruck, als er am Dienstag im Zielraum stand; Atmung, Gesichtsfarbe und Pupillenreflex wirkten einwandfrei. Aber der Abfahrer Dreßen stellte zur Sicherheit noch mal klar: Er habe die zackige Hatz über den Slalomhang wirklich genossen, die manch alpiner Schnellfahrer ja so sehr schätzt wie Fußpilz. "Es sah vielleicht nicht so aus, aber ich hatte Spaß", sagte Dreßen. Auch wenn die Slalomfahrer den zweiten Teil der olympischen Kombination am Dienstag in Pyeongchang freilich graziler absolviert hatten. Dreßen hielt bei der Gelegenheit eine kleine Laudatio auf die alpine Kombination, "eine coole Disziplin". Auch seine Vorfahren wie Bode Miller und Ivica Kostelic waren noch Freunde der These, dass der kompletteste Skifahrer am Samstag in der Abfahrt reüssierte und am Sonntag im Slalom. Doch mittlerweile ist die traditionsreiche Übung ein Auslaufmodell. 2019 werden in Åre WM-Medaillen verteilt, dann ist wohl Schluss, auch bei Olympia. Der Weltverband Fis bietet im aktuellen Winter nur je zwei Weltcups für Frauen und Männer an. Beim zweiten Termin der Männer überließen die derzeit Besten, Olympiasieger Marcel Hirscher und Alexis Pinturault (am Dienstag Zweiter), der Konkurrenz das Feld. Er könne im Weltcup nicht starten, sagte Hirscher, "selbst wenn ich wollte. Ich muss unter der Woche für die technischen Disziplinen trainieren." Damit spricht der Österreicher ein Kernproblem an: die Spezialisierung im Weltcup. Das Niveau in technischen Disziplinen ist in den vergangenen Jahren massiv gestiegen, viele Abfahrer haben den Anschluss verpasst. Und der Termindruck und die Belastungen sind in ihren Disziplinen ohnehin groß. Wurde früher der kompletteste Skifahrer in der Kombination ermittelt, gewinnt heute meist der Slalomfahrer, der die Abfahrt am besten übersteht. Begeisterung und Attraktivität halten sich da in Grenzen - und die Bereitschaft vieler Orte, einen Weltcup zu beherbergen. Eine Ausnahme: die Schweizer. Der Weltverband Fis gewährte der Disziplin auch deshalb eine Gnadenzeit. Bei der WM vor einem Jahr gewannen Schweizer vier von sechs Kombinationsmedaillen. Die meisten Verbände haben sich derweil längst einen pragmatischen Umgang angewöhnt, wie der Deutsche Skiverband. Sie fördern aufgeschlossene Athleten wie Dreßen, aber kein professionelles Kombinationsteam. Dafür müssten sie ihre Reisegruppen für die Abfahrtscamps regelmäßig um diverse Techniker erweitern, um diese für die Abfahrten zu schulen. Aber für zwei Weltcups im Winter? Der Weltverband bevorzugt Parallelevents und Sprint-Rennen Ganz kampflos gaben sich die Fahrer in Pyeongchang noch nicht geschlagen. In der Kombination werde noch immer "der perfekte Skifahrer bestimmt", sagte der Franzose Victor Muffat-Jeandet, Dritter am Dienstag (und nach dieser Rechnung drittperfektester Skifahrer der Spiele). Pinturault befand gar, dass die Fis einen prosperierenden Wettkampf beerdige, weil "Slalomfahrer wie Abfahrer sich gerade immer mehr in der jeweils anderen Disziplin verbessern". Eine absolute Mehrheit würde er für diese These vermutlich nicht finden. Der Weltverband bevorzugt längst Sprint-Abfahrten in zwei Durchgängen und Parallelrennen. Letztere sind kürzer und telegener als die Kombination, in Pyeongchang ist der Teamevent im Parallelformat erstmals olympisch. Hirscher wird wohl fehlen. Vier Tage nach dem Event steht der nächste Weltcup-Riesenslalom im Programm.
https://www.sueddeutsche.de/sport/ski-alpin-auslaufmodell-1.3866064
mlsum-de-347
Das Nationalteam muss in die Playoffs und droht die Fußball-WM zu verpassen, weil es erneut in einem wichtigen Moment patzt. Dafür gibt es viele Gründe.
Es sah aus, als wäre alles bereit, als bräuchten die Schweizer nur noch den Schlüssel im Schloss zu drehen, um an den Champagner heranzukommen und die Qualifikation für die Fußball-WM 2018 zu feiern. Am Ende aber ließen sie viele Fragen zurück, vor allem eine: Warum wurden sie beim 0:2 in Portugal, im entscheidenden Moment des "Endspiels" um den Gruppensieg, schon wieder Opfer eines Systemausfalls? Zum x-ten Male seit 2006? "Wir haben zu wenig gespielt", sagte Trainer Vladimir Petkovic, "wir waren zu passiv, wir hätten läuferisch mehr machen müssen. Vielleicht fehlte der Mut." Der Nationalcoach wirkte gefasst, als er seine erste Analyse machte. Was er sagte, war nicht falsch, aber es kratzt nur an der Oberfläche, es beschreibt nicht die eigentliche Ursache, die tiefer liegt: Wieso waren die Spieler mental nicht bereit? Wieso brachen sie nach dem 0:1 zusammen? Wieso waren sie zu keiner Reaktion fähig? Um das zu beantworten, muss man ein wenig ausholen. Die Schweiz ist im Fußball in den vergangenen Jahren weit gekommen, sie hat sich zwar nicht ins Establishment hochgespielt, aber seit 2004 ist sie regelmäßig bei EM- und WM-Turnieren dabei gewesen, abgesehen von 2012. Diese Bilanz ist hervorragend und steht für die Arbeit, die der Verband leistet und die die Vereine leisten. Die Talent-Ausbildung in der Schweiz ist erstklassig. Die verwöhnte Schweiz Davon profitiert die Nationalelf, und sie profitiert von Spieler-Generationen, die mit einem gestärkten Selbstbewusstsein heranwuchsen: zuerst von den Frei, Vogel und Yakin - aktuell von Leistungsträgern wie Torwart Yann Sommer, Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri. Es sind Spieler mit unterschiedlichen Veranlagungen und teilweise eigenwilligem Charakter - und es sind Spieler, die nicht mehr das Gefühl haben, so klein zu sein wie das Land, das sie vertreten. Eine Qualifikation für die großen Turniere wird inzwischen als Pflicht angesehen, in dieser Hinsicht wurden die Schweizer Fans zuletzt verwöhnt. Und die Spieler selbst denken schon an den nächsten Schritt, reden darüber, sich endlich einmal für ein EM- oder WM-Viertelfinale zu qualifizieren. Daran werden sie nun gemessen, sie beklagen sich nicht darüber, aber sie müssen mit Kritik leben, wenn sie so scheitern und chancenlos sind wie jetzt beim 0:2 in Lissabon. Wenn sie nicht Wort halten, wenn sie nicht mutig sind. Wenn sie zu spüren bekommen, wie deutlich eben doch der Unterschied ist zwischen Cristiano Ronaldo und Shaqiri. Weil der eine eine ganze Mannschaft eine Nummer größer macht und der andere am Abend der Entscheidung nur seinen Fehlpässen hinterherschaut. Die Frage ist nun: Sind die Schweizer so gut, wie es ihre neun Siege in den ersten neun WM-Qualifikationsspielen suggerierten und wie sie es selbst denken? Oder nicht? Bis zum Portugal-Spiel erfüllten sie die Pflicht mit Überzeugung und Stil. Das 5:2 am vergangenen Samstag gegen Ungarn war der jüngste Beleg dafür, wie souverän sich die Schweizer inzwischen gegen Teams dieser Kategorie durchsetzen können. Aber Ungarn ist nicht Portugal.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-wm-es-ist-kein-zufall-dass-die-schweiz-verzagt-wenn-es-drauf-ankommt-1.3705375
mlsum-de-348
Mit dem Transport von Zutaten oder fertigen Speisen werden in Amerika schon Milliarden umgesetzt. Bei den Kunden kommt das gut an.
Die Pizza ist kalt, der Salat durchweicht. Es scheint, als hätte der junge Mann vom Lieferservice auf dem Weg von der Pizzeria noch kurz seine Freundin besucht oder in der Kneipe ein Bier getrunken. Wer dann in dieses labbrige Stück Teig mit kalter Tomatensoße beißt, schwört, dort nie wieder Essen zu bestellen. Und überlegt, ob dieses Liefern nicht ein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit ist. Wäre es nicht viel schöner, wenn die ohnehin überall herumfliegenden Drohnen nicht nur Kinder erheiterten oder Imagefilme für Kleinstädte produzierten, sondern - und genau das wurde bei der Präsentation der fliegenden Nervensägen versprochen - auch das Abendessen bringen könnten? Wenn sich der Behälter mit frischem Essen nach Bezahlung per Handy öffnen ließe? Es wäre schneller, umweltfreundlicher und ökonomisch sinnvoller. "Kunden berichten regelmäßig, dass wir ihr Leben verändert haben." Glaubt man den Investoren im Silicon Valley, dann ist der Transport von Essen tatsächlich eine gewaltige Wachstumsbranche. Mit 5,7 Milliarden Dollar haben sie im vergangenen Jahr Liefer-Start-ups wie Door Dash, Postmates oder Caviar gefördert. Vorbild dieser Unternehmen ist GrubHub, das seit zwei Jahren börsennotiert ist und mittlerweile knapp 230 000 Bestellungen pro Tag vermittelt. Erfolgsrezept ist die Erweiterung des traditionellen Geschäftsmodells: Da bringt einem jemand Essen, und zwar auch aus Gaststätten, die keinen eigenen Lieferservice anbieten, oder auch aus Fast-Food-Filialen wie der Burgerkette In-n-Out. Das kommt an, sorgt aber nicht für jene "Disruption", der sie im Silicon Valley immer hinterherhecheln. Die umschreibt den Bruch mit der Vergangenheit und jenen Moment, in dem die neue Technologie die veraltete Branche zur Seite drängt, alles andere ist im Gründerjargon Kinderkram. Für eine Disruption braucht es also gewaltigere Ideen als die des erweiterten Lieferservices - vor allem braucht es die Partizipation einiger etablierter Platzhirsche. Genau dies passiert gerade. Und dann entdeckt man voll Neid und Bewunderung, was der eigentlich stets gestresste Kollege gezaubert hat: ein kreatives und gesundes Abendessen für sich und seine Partnerin. Wie macht der das nur? Nun, es könnte sein, dass er eine App wie Hello Fresh (im Herbst mit 2,9 Milliarden Dollar bewertet), Plated (zwei Milliarden) oder Blue Apron (zwei Milliarden) verwendet. Die Firmen sind darauf spezialisiert, Zutaten und Rezepte zu liefern. Die Besteller bereiten daheim dann eine mit Mozzarella und Pesto gefüllte Hähnchenbrust zu und dürfen sich als Sternekoch feiern lassen. "Kunden berichten regelmäßig, dass wir ihr Leben verändert oder ihre Ehe gerettet haben", sagt Blue-Apron-Chef Matt Salzberg selbstbewusst: "Eine bestellte Pizza ist doch wirklich kein emotionales Erlebnis, ein daheim gekochtes Abendessen jedoch schon." Der Kunde wählt aus sechs vorgegebenen Vorschlägen drei aus und bezahlt für die drei Zwei-Personen-Menüs 60 Dollar. Vier Abendessen für einen Vier-Personen-Haushalt kosten 140 Dollar. Uber nutzt das große Taxi-Netz. Die Fahrer bringen die Ware bis zur Bordsteinkante Wer nicht selbst kochen will, kann auf Start-ups wie Munchery oder Sprig setzen, die den Kunden das Gefühl vermitteln wollen, dass das gelieferte Essen auch von Muttern sein könnte. Nate Keller, Gründer und Chefkoch bei Sprig, war einst bei Google für die Menüs verantwortlich. Nun will er mit gesunden Zutaten und Detox-Drinks in die hochpreisige Nische vordringen. Munchery dagegen, derzeit mit 300 Millionen Dollar bewertet, verfolgt eine andere Strategie. "Wir wollen den Leuten keine ausgefallenen Menüs präsentieren, sondern etwas, das sie auch selbst kochen könnten", sagt Munchery-Manager Caesar Chu. "Wir haben es zu Beginn mit exklusiveren Desserts versucht, die man sonst nur in edlen Restaurants findet - doch die Kunden haben Schokoladenkekse bestellt." Ein Abendessen für vier Erwachsene kostet 38 Dollar: "Wir wollen nicht, dass sich nur ein Prozent der Menschheit regelmäßig unser Angebot leisten kann. Wir wollen die anderen 99 Prozent für uns gewinnen." Der Liefermarkt boomt, mittlerweile werden die schwächeren Start-ups aussortiert. Good Eggs etwa musste zahlreiche Mitarbeiter entlassen, Spoon Rocket gar den Betrieb einstellen. Das liegt auch daran, dass sich nun Silicon-Valley-Platzhirsche für diesen Markt interessieren und die kleineren Unternehmen vom Markt drängen wollen. Uber etwa, verantwortlich für die Disruption der Taxibranche, hat vor zwei Wochen in zahlreichen Städten den Dienst Uber Eats eingeführt: Für fünf Dollar bringt einem der Fahrer das Essen bis zur Bordsteinkante. Aufgrund des gewaltigen Netzwerks aus mehr als 400 000 Fahrern in den USA soll das sehr schnell gehen und deutlich weniger kosten als bei den Konkurrenten DoorDash oder GrubHub. Amazon, der Alles-und-Immer-Lieferant, hat in einigen amerikanischen Städten nicht nur den Lieferservice Amazon Restaurant eingeführt, sondern auch den Lebensmittel-Bringdienst Amazon Fresh. Selbst für etablierte Start-ups wie Grub Hub könnte das gefährlich werden, der Aktienkurs brach in den vergangenen Wochen um mehr als 30 Prozent ein. Ach ja: Amazon plant ja auch, möglichst bald Dinge über Drohnen zu versenden. Prime Air heißt dieses Projekt und wird in einem Video als "kurze Geschichte aus der nahen Zukunft" vorgestellt. Eine Mutter bestellt ein paar Fußballschuhe für die Tochter, die in spätestens 30 Minuten per Drohne in den Garten geliefert werden. Natürlich könnten das bald auch die Zutaten für ein Menü inklusive Rezept sein. Oder eine frische und tatsächlich heiße Pizza.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/usa-essen-auf-raedern-1.2932343
mlsum-de-349
Geht es dir gut? Das fragte Facebook seine Nutzer nach dem gestrigen Terroranschlag in Pakistan - auch solche, die Tausende Kilometer entfernt waren.
Mindestens 65 Menschen kamen gestern bei einem Selbstmordanschlag der Taliban in der pakistanischen Stadt Lahore ums Leben. Das soziale Netzwerk Facebook reagierte und startete - wie schon nach den Anschlägen in Brüssel - eine sogenannte Sicherheitsabfrage. "Geht es dir gut?" Das sollten die Nutzer, die sich in der Nähe eines Anschlagsortes befanden, mitteilen. Das sollte ihnen die Möglichkeit geben, ihre Facebook-Freunde schnell darüber zu informieren, ob sie vom Anschlag betroffen sind. Doch bei dem Sicherheits-Check gab es gestern eine Panne. Die Abfrage ging nicht nur an Menschen, die sich in der Umgebung der Stadt Lahore aufhielten, sondern an Nutzer auf der ganzen Welt. So wurden Menschen in den USA, Großbritannien und auch in Deutschland gefragt, ob sie in Sicherheit sind. Dabei befanden sie sich Tausende Kilometer vom Ort des Anschlags entfernt. Die Abfrage gab es bereits zum achten Mal Facebook räumte den Fehler ein. "Wir entschuldigen uns bei jedem, der fälschlicherweise außerhalb von Pakistan eine Benachrichtigung bekommen hat", teilte das Unternehmen mit. Man arbeite an einer Lösung des Problems. Facebook nutzte die Funktion gestern bereits zum achten Mal. Die erste Sicherheitsabfrage gab es nach dem verheerenden Erdbeeben in Nepal im vergangenen Jahr. Auch nach den Terroranschlägen in Paris fragte Facebook seine Nutzer, ob sie in Sicherheit sind. Wieviele der insgesamt 1,6 Milliarden Facebook-Nutzer nun fälschlicherweise eine Sicherheits-Frage gestellt bekamen ist nicht bekannt.
https://www.sueddeutsche.de/digital/terroranschlag-in-pakistan-facebook-panne-bei-sicherheits-check-1.2923794
mlsum-de-350
Chinas Medien haben sich in den vergangenen Jahren Freiräume erkämpft. Damit ist es vorbei: Staatschef Xi Jinping schaltet sie wieder gleich.
Jetzt ist die Presse dran. Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping hat eine Kampagne losgetreten, deren erklärtes Ziel die Gleichschaltung der Medien ist. Chinas Medien hatten sich in den letzten Jahren kleine Freiräume erkämpft, die der Parteiführung nun offenbar ein Dorn im Auge sind. Alle Medienorgane müssten von nun an "mit Familiennamen 'Partei' heißen", sagte Xi Jinping dem Parteiblatt Volkszeitung zufolge. Sämtliche Redaktionen im Land müssten sich ausnahmslos "am Willen, an den Ansichten, an der Autorität und an der Einheit der Kommunistischen Partei" ausrichten. Startschuss der Kampagne war eine Inspektionstour von Parteichef Xi bei den Redaktionen der größten Parteimedien in Peking am Freitag. "Die Öffentlichkeit zu lenken ist eine große Tradition unserer Partei", hieß es hernach in einem Kommentar der Nachrichtenagentur Xinhua, der auf ein berühmtes Zitat von Mao Zedong anspielte: "In der einen Hand halten wir die Gewehre, in der anderen unsere Stifte." Chinas Medien waren seit der Gründung der Volksrepublik 1949 offiziell stets angehalten, "Kehle und Zunge", also Sprachrohr der Partei zu sein. Bis heute gibt es keine Zeitung, keine Webseite und keine Rundfunkanstalt, die nicht offiziell einer Parteiorganisation unterstellt ist. Zensur und Propaganda machten nie Pause, Pekings Zensurbehörden verschicken täglich Direktiven mit Themen, die tabu sind. Dennoch machte die Medienlandschaft in den vergangenen drei Jahrzehnten der Reform- und Öffnungspolitik einen Wandel durch. Auch in China nämlich sollte sich der Journalismus mit einem Mal selbst finanzieren. Die Blätter wurden kommerzieller und professioneller, einige wagten erstaunlich unabhängige Berichterstattung. Schon seit Xi Jinpings Amtsantritt als Parteichef im November 2012 war das Klima für solchen Journalismus jedoch merklich kühler geworden, die Freiräume schon kleiner. Allzu eigensinnige Chefredakteure und Reporter wurden gefeuert, heute sitzen nirgendwo auf der Welt so viele Journalisten im Gefängnis wie in China. "Das Jahr 2015 könnte das Ende einer Ära im chinesischen Journalismus markiert haben", schrieb Sarah Cook, die China-Expertin der Denkfabrik Freedom House. Der Präsident versuche die "allumfassende Kontrolle", warnen kritische Beobachter Die Kampagne kommt zu einer Zeit, da sich die Parteiführung großen sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen gegenübersieht. "Die Medien müssen das Vertrauen des Volkes in die Partei wiederherstellen", heißt es in der China Daily. Besonders jetzt, da "die Wirtschaft langsamer wächst". Den Hauptgrund, dessentwegen die Parteiführung sich offenbar zum Handeln gezwungen sah, benennen die Parteiblätter offen: Es herrscht bei vielen Chinesen großes Misstrauen gegenüber der KP und ihrer Propaganda. Das liege auch an den sozialen Medien, schreibt die Volkszeitung, da habe sich eine wachsende Kluft aufgetan: "Und wenn diese Kluft bestehen bleibt, dann wird sie die Legitimität der Parteiherrschaft untergraben." Nun wäre eine mögliche Lösung, die Parteimedien volksnäher zu machen. Parteichef Xi aber hat sich für die andere Variante entschieden: Die Parteimedien sollen das entfremdete Volk wieder hin zur Partei tragen. Dazu müssten sich Medien "in eine Linie einreihen" und "einen hohen Grad an Einheitlichkeit mit der Ideologie und der Politik der Partei" anstreben. Xi machte klar, das müsse für Onlineportale und Boulevardblätter ebenso gelten wie für die klassischen Propagandagazetten. Die "korrekte Ausrichtung" müsse dabei auch Unterhaltung und Werbung durchdringen. Parteichef Xi hat Chinas soziale Medien schon auf Linie gebracht. Er kämpft weit repressiver als seine Vorgänger gegen westliche Einflüsse in China. Vor allem im vergangenen Jahr ging Chinas Sicherheitsapparat hart gegen unabhängige Denker, Bürgerrechtsanwälte, aber auch Vertreter der Zivilgesellschaft vor. Im Herbst 2015 verbot die KP auch ihren eigenen Kadern "unangemessene" politische Diskussionen. Die Parteimedien begleiten Xis Medienoffensive nun seit Tagen mit einer Flut von Loyalitätsbekundungen. Am Wochenende machte ein hymnisches Gedicht eines Xinhua-Redakteurs auf den großen Führer die Runde ("Generalsekretär, in Ihrem Rücken / die bewundernden Blicke von mir und meinen Kollegen"). Das Pekinger Parteiblatt Global Times schrieb am Montag, die neuen Vorgaben der KP hätten mit Zensur nichts zu tun, sie seien vielmehr "Anleitung und Ermutigung zur Kreativität". David Bandurski von der Hongkonger Forschungsgruppe China Media Project hingegen beschreibt Xis neueste Offensive als "kompromisslos". Anders als seine Vorgänger versuche Xi nun die "allumfassende Kontrolle" über jede Nische von Chinas Medienwelt zu erlangen. All die Hinweise auf die vorsichtigen Medienreformen der letzten Jahrzehnte, auf die schrittweise Kommerzialisierung und Professionalisierung des chinesischen Journalismus seien nun, so Bandurskis Urteil, "komplett verschwunden".
https://www.sueddeutsche.de/politik/china-zunge-der-partei-1.2874715
mlsum-de-351
EU-Staaten und Europaparlament haben sich nicht fristgerecht auf einen Haushalt für das kommende Jahr einigen können. Im schlimmsten Fall muss die EU mit Notbudgets arbeiten.
Haushaltsverhandlungen sind gescheitert Die Europäische Union hat immer noch keinen Haushalt für das kommende Jahr. Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments scheiterten in der Nacht zum Dienstag mit dem Vorhaben, sich fristgerecht auf einen Kompromiss zum Milliarden-Budget zu einigen. Das berichtete das Europaparlament nach rund siebenstündigen Verhandlungen in Brüssel. Die Frist war Montagabend um Mitternacht abgelaufen. Aus dem Haushalt werden unter anderem Hilfen für Landwirte oder arme Regionen in der Union gezahlt. Nun muss die EU-Kommission einen neuen Entwurf für den Haushalt 2015 machen. Die Behörde hatte im Juni vorgeschlagen, die Ausgaben um knapp 5 Prozent auf 142 Milliarden Euro zu steigern. Die Europaabgeordneten fordern deutlich mehr Geld für das Budget, als die Staaten geben wollen. Die Positionen lagen um rund sechs Milliarden Euro auseinander. Heftig umstritten sind auch 4,7 Milliarden Euro zusätzlich für das laufende Jahr, um offene Rechnungen zu begleichen. "Wir müssen eine konkrete Antwort haben auf das untragbare Problem, dass sich unbezahlte Rechnungen auf den Schreibtischen der Kommission stapeln", sagte der Verhandlungsführer der Volksvertretung, Jean Arthuis von den Liberalen. Schon am vergangenen Freitag waren Budgetverhandlungen fehlgeschlagen. Notfallplan tritt am 1. Januar in Kraft "Wir haben heute den Wettlauf mit der Uhr verloren", resümierte der italienische Wirtschafts-Staatssekretär Enrico Zanetti, der für die Mitgliedstaaten die Verhandlungen führte. Die Meinungsverschiedenheiten hätten sich jedoch vermindert; die Verhandlungen sollten auf der Basis des neuen Kommissionsvorschlags fortgesetzt werden. Falls bis zum 1. Januar kein Kompromiss zu dem neuen Budgetvorschlag der Kommission gelingt, muss die EU 2015 mit Notbudgets arbeiten. Pro Monat stünde dann ein Zwölftel des Haushalts vom Vorjahr zur Verfügung. Für die Planung länger laufender Vorhaben seien solche Notbudgets wenig hilfreich, sagten Diplomaten.
https://www.sueddeutsche.de/politik/budgetstreit-kompromiss-zum-eu-haushalt-gescheitert-1.2225596
mlsum-de-352
Lange hat die DFB-Elf das Halbfinale gegen dem EM-Gastgeber im Griff. Dann trifft Antoine Griezmann doppelt - begünstigt durch zwei Abwehrfehler der DFB-Elf.
Aus der Traum! Kurz vor dem großen Ziel Paris sind die deutschen Weltmeister bei der EM gescheitert. Nach einem Handspiel des zuvor starken Bastian Schweinsteiger und einem groben Abwehrfehler verlor die deutsche Mannschaft ein packendes Halbfinale gegen den Gastgeber Frankreich mit 0:2 (0:1). Antoine Griezmann (45.+2 und 72.) verwandelte vor 64 078 Zuschauern in Marseille zunächst den von Schweinsteiger verursachten Handelfmeter. Dann machte er der Hoffnung auf das zweite deutsche Double aus WM und EM nach 1974 mit seinem zweiten Tor ein Ende. In dieser Szene patzten Benedikt Höwedes, Joshua Kimmich, Shkodran Mustafi und am Ende sogar Torhüter Manuel Neuer. Frankreich erwartet in seinem dritten EM-Finale nach 1984 und 2000 am Sonntagabend (21 Uhr) Portugal - die Franzosen haben noch kein Endspiel verloren. 1984 (EM) und 1998 (WM) gewann sie ihre Heimturniere. Die DFB-Auswahl verlor erstmals seit 50 Jahren gegen einen Turniergastgeber. Deutschland startet souverän Bis Schweinsteiger im Kopfballduell mit Patrice Evra seinen rechten Arm hochriss und den Ball blockte, hatte die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw das Spiel im Griff. Nach anfänglichen Problemen waren die Räume eng, der Ball lief gut, es gab mehrere Chancen - und Schweinsteiger war der stärkste Mann auf dem Platz. Der berechtigte Elfmeter, pikanterweise nach dem italienischen EM-Aus gegen Deutschland im Viertelfinale vom Italiener Nicola Rizzoli gepfiffen, war ein Schock. Er zwang die Deutschen in die Offensive, Löw zeterte an der Seitenlinie. In der 61. Minute musste auch noch Abwehrchef Jérôme Boateng verletzt raus. Beim Versuch, einen langen Pass zu schlagen, schmerzte sein rechter Oberschenkel. Nur kurz geriet die deutsche Defensive anfangs ins Schwimmen. In den ersten Minuten übten die Franzosen enormen Druck aus, die deutsche Mannschaft wirkte überrascht. Neuer vereitelte einen Rückstand, indem er einen Schuss Griezmanns parierte, der Franzose war zuvor an Mesut Özil und Höwedes vorbeigestürmt (7.). Erst nach dieser Szene gelang es der deutschen Mannschaft, das Spiel zu beruhigen. Prompt ergaben sich gute Gelegenheiten: Nach Vorlage Cans verpasste Thomas Müller knapp den Ball (13.), kurz darauf war es der französische Torhüter Hugo Lloris, der einen Linksschuss von Can nach Vorlage von Özil glänzend parierte. Mario Gomez (Muskelfaserriss) fehlte im Sturmzentrum schmerzlich. Kimmich trifft nur das Lattenkreuz Aber, keine Frage, die deutsche Mannschaft war jetzt im Spiel. Can und Kimmich bildeten auf der rechten Seite lange ein ordentliches Tandem, auch wenn es bei Kontern der Franzosen stets etwas unsicher wirkte. Der Chef auf dem Spielfeld war jetzt Schweinsteiger, und er prüfte zwischendurch in der 25. Minute Lloris mit einem Schlenzer. Die beste Chance ergab sich dann aber doch für die Franzosen: Olivier Giroud gewann auf Höhe der Mittellinie ein Kopfballduell mit Boateng und lief auf und davon, verfolgt allein von Höwedes - im letzten Moment klärte der Schalker im Strafraum mit einer herausragenden Grätsche (42.). Löw hoffte dann, dass sich Geschichte wiederholt - er brachte den WM-Helden Mario Götze für Can. Die deutsche Mannschaft mühte sich, aber eine Fehlerkette nach der Auswechslung von Boateng machte alles zunichte. Mustafi ließ sich von Paul Pogba austanzen, die folgende Flanke erreichte Neuer nur mit den Fingerspitzen, der Ball fiel Griezmann vor die Füße - 0:2. Kurz drauf traf Kimmich mit einem Schlenzer das Lattenkreuz (74.). Fünf Minuten später hatte der eingewechselte EM-Debütant Leroy Sané das 1:2 auf dem Fuß. Das Aufbäumen kam spät. Zu spät.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-em-deutschland-scheidet-im-halbfinale-aus-0-2-gegen-frankreich-1.3069226
mlsum-de-353
Vorzeigeprojekte machen deutlich, was der Baustoff bei Büros leisten kann. Kritiker weisen hier oft auf das Brandrisiko hin, doch Experten sehen keine erhöhte Gefahr.
Architekten und Projektentwickler überbieten sich gerade gegenseitig. Sie fangen an, mit Holz in die Höhe zu bauen. Einzelne Entwürfe liegen vor und die Fachwelt wartet, ob die ambitionierten Projekte tatsächlich realisiert werden. Darunter ein 35-stöckiger Wolkenkratzer für Paris, den der kanadische Architekt Michael Green mit französischen Partnern geplant hat. Würde das Gebäude in Paris tatsächlich gebaut, wäre es das höchste Holzhaus der Welt, heißt es. Für die Stadt Wien gibt es ein ähnlich ehrgeiziges Projekt: ein Haus mit 24 Stockwerken und einer Höhe von 86 Metern, das Büros, Wohnungen und ein Hotel beherbergen soll. "Da tut sich was", bestätigt Armin Seidel vom Informationsdienst Holz mit Blick auf die Architektenszene und deren Pläne. "Allerdings besteht die Gefahr, dass solche enthusiastischen Entwürfe für derartige Hochhäuser aus Holz Entwürfe bleiben", meint er. Die Initiatoren müssten ihre Versprechen einlösen und die Pläne in die Realität umsetzen. Der Fertighaushersteller Kampa hat das getan. Seit einigen Monaten residiert die Firma im K8, einem neuen Verwaltungs- und Informationsgebäude aus Holz. Der Bau hat acht Geschosse und erreicht damit knapp die Hochhausgrenze. Es ist das einzige Bürohochhaus in Deutschland. Das Gebäude besteht fast komplett aus Holz, insgesamt wurden 1350 Kubikmeter Holz verarbeitet. Nicht ganz so hoch, dafür aber größer ist die Firmenzentrale der Lübecker Stadtwerke ausgefallen. Fast 14 000 Quadratmeter umfasst der Holzbau mit Büros, Konferenz- und Seminarräumen, Service-Center und einem Restaurant. Die Firma Alnatura ließ sich ein Hochregallager aus Holz bauen. 31 000 Palettenplätze verteilt auf acht Ebenen und 9000 Quadratmetern Grundfläche. Nach Angaben des Unternehmens handelt es sich um das weltweit größte Regallager dieser Art aus Holz. "Wir haben uns ganz bewusst für Holz als Baumaterial entschieden", erklärte damals der Geschäftsführer des Unternehmens, das Bio-Produkte entwickelt und Bio-Supermärkte betreibt. Holz sei ein nachwachsender Rohstoff und damit eines der nachhaltigsten Baumaterialien. Diese Vorzeigeprojekte stellen allerdings noch Ausnahmen dar, denn bisher spielt das Material Holz im Bereich der Gewerbeimmobilien keine sehr große Rolle. Dabei bietet es nach Ansicht von Experten durchaus Vorteile. "Holz ist ein hervorragender Baustoff für besonders energieeffiziente Gebäude, da Holz gute Wärmedämmeigenschaften aufweist und der konstruktive Mehraufwand etwa für den Passivhausstandard sehr gering ist", erklärt Wolfgang Huß, Koordinator von TUM.wood, eine Kooperation von sieben Professuren der Technischen Universität München. Josef Haas, Geschäftsführer der Firma Kampa, schwört auf Holz als Baustoff. "Wir haben die einzelnen Elemente in einer Halle vorgefertigt", sagt er. Das habe die Bauzeit sehr reduziert. So feierte Kampa am 10. November 2014 das Rohbaufest, knapp sechs Wochen später zogen die Mitarbeiter ein. Die Bauleute seien nicht Wind und Wetter ausgesetzt gewesen, die Arbeit dadurch reibungsloser abgelaufen. Kritiker weisen gerne auf die erhöhte Brandgefahr von Holz hin. "Das Risiko einer Brandentstehung ist in einem Gebäude in Holzbauweise nicht größer als bei anderen Konstruktionen", schreibt die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. auf ihrer Internetseite. Holz brenne, aber berechenbar, heißt es. "Bereits in den ersten Entwurfsgedanken ist der Brandschutz ein wichtiger Bestandteil", betont Huß. Möglichkeiten gebe es viele. Kurze Fluchtwege, zusätzliche Fluchtbalkone, kleine Brand- oder Rauchabschnitte. "Die Behörden schauen bei den Holzbauten sehr genau hin." Das K8 konnte nur verwirklicht werden, weil Baden-Württemberg zuvor in einer novellierten Landesbauordnung günstigere Rahmenbedingungen für den Baustoff schuf. Andere Länder ziehen nach. "In Nordrhein-Westfalen liegt bereits ein Entwurf vor", berichtet Seidel. Ein genehmigtes Holzhochhaus ist quasi ein Hochsicherheitsgebäude", urteilt Huß. Es sei auf keinen Fall gefährdeter im Brandfall als ein herkömmlicher Bau. "Im Gegenteil. Die Behörden schauen bei den Holzbauten sehr genau hin", sagt der Wissenschaftler. Die Holzbranche besteht vor allem aus kleinen und mittelständischen Firmen. Deswegen hat sie vermutlich auch keine so große Lobby wie etwa die Beton- und Zementindustrie, die überwiegend aus größeren Konzernen besteht. Dort regt sich allerdings bereits vereinzelt Interesse am Holzbau - etwa beim Betonhersteller Ed. Züblin. "Wir sind in den Holzingenieurbau eingestiegen, weil wir von der Zukunftsfähigkeit und Vielseitigkeit des Baustoffs Holz überzeugt sind", sagt Christian Dehlinger, technischer Direktionsleiter Werke der Ed. Züblin AG. Vorteile sieht man bei Züblin vor allem auch bei Aufstockungen und Anbauten von Bestandsgebäuden sowie dem mehrgeschossigen Holzbau. Bisher kostet ein Holzbau nach Angaben der Fachleute noch etwas mehr als ein herkömmlicher Bau. "Nach weniger als zehn Jahren haben wir das wieder rausgeholt, denn beim laufenden Betrieb fallen keine Energiekosten an", rechnet Haas die Vorteile seines Innovationszentrums vor. Der größte Vorteil des K8 sei jedoch, dass sich die Mitarbeiter dort so wohlfühlen würden, meint er.
https://www.sueddeutsche.de/geld/wohnen-und-arbeiten-wohlfuehlen-mit-holz-1.2669850
mlsum-de-354
Liechtenstein tut viel, um vom Image als Steueroase wegzukommen. Doch die Treuhänder in der Alpenmonarchie helfen Steuerbetrügern weiterhin.
Seine Spur verliert sich im Sommer 2011. Damals lebte Heinrich Kieber, Spitzname "Henry", in Gold Coast, einer Halbmillionenstadt an der australischen Ostküste. Er gab sich als Daniel Wolf aus und behauptete, ein reicher Privatier aus Österreich zu sein. Als die Tarnung aufflog, floh Kieber Hals über Kopf. Seither ist er untergetaucht. Kommenden Montag wird der gebürtige Liechtensteiner 50 Jahre alt. Wo immer er seinen Geburtstag feiern wird - er tut dies als reicher Mann und mit falscher Identität. Als Mitarbeiter in der Treuhandsparte der Liechtensteiner Fürstenbank LGT hatte Kieber die Daten Tausender Kunden aus 13 Ländern geklaut, die Schwarzgeld in der Alpenmonarchie versteckt hatten. Das Material über 4000 Stiftungen und ähnlich undurchsichtige Finanzkonstrukte verkaufte er für mehrere Millionen Euro und mindestens einen neuen Pass an die Heimatländer der Steuerbetrüger. Deutschland soll ihm 4,6 Millionen Euro für jene CD bezahlt haben, auf der die Schwarzgeldverstecke Hunderter Deutscher registriert waren. Prominentester war der damalige Deutsche-Post-Chef Klaus Zumwinkel. Viele Anleger haben ihre unversteuerten Milliarden abgezogen Es war der Anfang vom Ende der Steueroase Liechtenstein. Sieben Jahre später ist dort nichts mehr wie zuvor. Anleger, vor allem die Besitzer von Schwarzgeld, zogen seither Milliarden ab. Das Geschäft mit neuen Kunden brach ein; vor allem die früher besonders zahlreichen Deutschen bleiben weg. "Es ist generell anspruchsvoller geworden, in den traditionellen Märkten wie Deutschland neue Kunden zu akquirieren", sagt Simon Tribelhorn, Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands. "Der Großteil der Zuflüsse kommt eher aus den Wachstumsregionen wie Asien sowie dem Nahen Osten." Unter dem Druck vor allem der USA und der EU hat Liechtenstein sein kompromissloses Bankgeheimnis längst aufgeweicht. Ab 1. Januar 2016 könnte es endgültig Geschichte sein. Dann beteiligt sich das Fürstentum am grenzübergreifenden Automatischen Informationsaustausch (AIA), den mehr als 50 Länder nach einem Standard der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, vereinbart haben. Fortan wird auch Liechtenstein die Kontodaten ausländischer Kunden automatisch an die Finanzbehörden ihrer Heimatländer übermitteln. Unklar ist noch, inwieweit die Finanzbehörden auch über zurückliegende Geldanlagen Informationen erhalten. Ob dies nur in begründeten Einzelfällen, oder aber auch über Gruppen- und Sammelanfragen möglich sein wird. Im Vorgriff auf den Informationsaustausch ziehen gerade die 15 Liechtensteiner Banken die Zügel an. Sie verlangen von Kunden aus am AIA beteiligten Staaten inzwischen Nachweise dafür, dass sie ihre Einlagen zu Hause ordnungsgemäß versteuert haben. Wer sein Schwarzgeld im letzten Moment in eine andere, am AIA nicht beteiligte Steueroase überweisen will, hat Pech. Seit 1. Februar verweigern die Liechtensteiner Banken solche Transfers ebenso wie Barauszahlungen von mehr als 100 000 Schweizer Franken. All dies zeige, wie ernst Liechtenstein es mit seiner "Weißgeldstrategie" meine, sagen Offizielle aus Politik und Banken in Vaduz. In der Tat tut das Fürstentum viel, um den Ruf loszuwerden, dass jeder Despot, Gangster und Ganove willkommen sei, wenn er nur viel Geld mitbringe. Andererseits haben die Geschäfte in der Vergangenheit gehörig dazu beigetragen, den nur 36 000 Einwohner kleinen Staat zu einem der wohlhabendsten Länder der Erde zu machen. Die Fürstenfamilie stieg gar zum reichsten Monarchen-Clan Europas auf. Große Nutznießer des alten Systems waren vor allem die etwa 250 Liechtensteiner Treuhandfirmen. Sie verwalteten für erkleckliche Gebühren die anonymen Stiftungen ausländischer Steuerbetrüger und anderer Ganoven. "Treuhänder waren für unser Land das, was in Frankreich die Fremdenlegionäre sind", sagte einmal der Liechtensteiner Schriftsteller Stefan Sprenger. "Sie erledigten ein Geschäft, über das die Mehrheit der Bevölkerung am liebsten nichts wissen wollte." Einige Treuhänder haben sich mit den neuen Zeiten arrangiert und suchen neue, seriöse Geschäftsmodelle. Die meisten jedoch sind Bremser im Reformprozess. Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen mit den Reformkräften im Land. Bisweilen sollen bei vertraulichen Gesprächen mit Regierungs- oder Bankenvertretern die Fetzen geflogen sein. "Es gab und gibt zum Teil sehr aufreibende Diskussionen über die generelle Umsetzung der Weißgeldstrategie", sagt ein an den Gesprächen Beteiligter. "Die Kritik seitens der Treuhandbranche bezog sich vor allem auf die Wettbewerbssituation", meint hingegen Ivo Elkuch von der Liechtensteinischen Treuhandkammer und warnt "vor einer diskriminierenden Behandlung liechtensteinischer Gesellschaften". Im Stiftungsrat sitzen formal Menschen, die selbst nichts davon wissen Tatsächlich aber fürchten die Treuhänder um ihr Milliardengeschäft. Sie fühlen sich als die großen Verlierer der Weißgeldstrategie. Immerhin ist die Zahl der treuhänderisch verwalteten Privatstiftungen seit dem Fall Kieber/Zumwinkel von mehr als 50 000 auf weniger als 20 000 gesunken. Allein im vergangenen Jahr wurden etwa 4000 Stiftungen gelöscht und nur 100 neue gegründet. "Damit ist der Tiefpunkt längst noch nicht erreicht", prophezeit ein Finanzexperte in der Hauptstadt Vaduz. Also orientieren sich viele Treuhänder um - und unterlaufen dabei ganz bewusst den offiziell propagierten Reformkurs ihres Landes. Ihr gelobtes Land heißt Panama, jener mittelamerikanische Staat, der längst ein Wallfahrtsort für Steuerbetrüger aus der ganzen Welt ist. Dort sind Stiftungen mindestens so gute Schwarzgeldverstecke wie bis 2008 jene in Liechtenstein. Die Gründung von Briefkastenfirmen, Trusts oder anderen anonymen Finanzkonstrukten war dort ohnehin schon immer sehr simpel und diskret. Das wissen auch die Liechtensteiner, die zu Hunderten an panamaischen Gesellschaften beteiligt oder dort aktiv sind, wie ein Blick in die amtlichen Verzeichnisse belegt. Selbst viele Mitglieder des Liechtensteiner Fürstenhauses wissen die Steueroase Panama zu schätzen. Diese erlebt seit geraumer Zeit einen Boom. Bereits 2010 registrierte die Finanzmarktaufsicht (FMA) in Vaduz, vier von fünf Treuhändern im Fürstentum würden ihren Kunden Dienstleistungen in Panama anbieten. Damals war von mehreren Hundert Millionen Euro die Rede, die über solche Kanäle im Nachgang zu Kieber und Zumwinkel dorthin abgeflossen seien. Inzwischen schätzen Experten wie Herbert Notz, dass "allein in den vergangenen fünf Jahren ein dreistelliger Milliardenbetrag aus Liechtenstein in panamaische Gesellschaften verschoben wurde." Auch das Netzwerk Steuergerechtigkeit hat entsprechende Verschiebungen registriert. Der bevorstehende automatische Informationsaustausch werde so "systematisch und im großen Stil unterlaufen", sagt Notz, der von Zürich aus internationale Vermögensrecherche betreibt. Es ist ein raffiniertes System, mit dem Liechtensteiner Treuhänder und ihre panamaischen Helfershelfer Beihilfe zum Steuerbetrug leisten. Meist wird als Erstes die Stiftung des Kunden aufgelöst, die zwar in Vaduz registriert ist, deren Kapital jedoch in der Regel bei Schweizer Großbanken liegt. Parallel dazu aktiviert der zuständige Liechtensteiner Treuhänder in Panama eine seiner Vorratsgesellschaften. Anschließend wird das Geld der alten Stiftung von der Schweizer Großbank zu deren Tochter nach Singapur transferiert. Damit bleibt es im eigenen Haus, wird aber in Singapur verwaltet, wo das Bankgeheimnis noch strenger ist als vormals in der Schweiz. Als Kontoinhaber fungiert fortan die neue Stiftung oder die Briefkastenfirma in Panama. Nicht selten kommt es vor, dass ein ganzes System ineinander verschachtelter Gesellschaften aufgebaut wird, um den wahren Eigentümer des Vermögens zu verschleiern. Im Stiftungsrat sitzen nicht selten unbeteiligte Dritte, Strohleute, die teilweise selbst davon nichts wissen. Häufig kommt es vor, dass die Namen alle paar Monate ausgetauscht werden. Dreh- und Angelpunkt des Systems ist nach wie vor der jeweils zuständige Treuhänder mit Sitz in Liechtenstein. Er ist die Spinne im Netz, der Einzige, der über alles den Über- und den Durchblick hat. Doch Anfragen dort werden auch in Zeiten des automatischen Informationsaustauschs sinnlos sein. Auch "für Steuerfahnder in anderen Ländern ist dieses System mit normalen Mitteln nicht zu knacken und für Erben oder Gläubiger der Betroffenen ist es ein Albtraum", sagt Experte Notz. Es sei denn, irgendwann kopiert auch in Panama oder Singapur ein Heinrich Kieber heimlich Daten und verkauft sie. Australische Medien übrigens glauben, dass der echte Kieber sich nach wie vor auf dem Kontinent aufhält. Unter falschem Namen, denn Liechtenstein sucht den Mann, der die Steueroase austrocknete, mit internationalem Haftbefehl.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/liechtenstein-panama-gelobtes-land-1.2409709
mlsum-de-355
Besonders in den neuen Bundesländern fehlen Lehrkräfte, mancherorts müssen bereits Eltern den Unterricht übernehmen. Wie das passieren konnte.
Die 90. Grundschule im Dresdner Süden hat es dieser Tage zu einiger Bekanntheit gebracht, Direktor Jörg Zanger hätte darauf allerdings gern verzichtet. Weil fünf Lehrkräfte fehlen, übernimmt Zanger seit einer Weile nach Möglichkeit selbst Unterricht, etwa in Mathe, Deutsch und Sport. Weil das manchmal immer noch nicht reicht, stellten sich Ende vergangener Woche an zwei Tagen zwei Mütter kurzerhand vor eine Klasse und unterrichteten. "Ich bin froh, dass sich die Eltern engagieren", sagte Zanger der Sächsischen Zeitung. Erlaubt sei das eigentlich nicht, sagte eine Sprecherin der Sächsischen Bildungsagentur. Und das klang so, als gehe die Notversorgung uneigentlich selbst aus Sicht der Behörde irgendwie klar. Eltern, die gegen alle Regeln als Lehrer einspringen, das ist die neueste Spezialausprägung einer Not, die fast alle Bundesländer zu Beginn dieses Schuljahres arg beschäftigt. In Berlin will Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) dem Lehrermangel mit einem verstärkten Werben um Pensionäre begegnen, in Bayern setzt das Kultusministerium Frühpensionierungen aus, in Niedersachsen wurden Gymnasiallehrer an Grundschulen abgeordnet. Besonders dramatisch ist die Entwicklung im Freistaat Sachsen, der über Jahre damit positiv aufgefallen war, in den Pisa-Vergleichsstudien und sonstigen Bildungsmonitoren vordere Plätze zu belegen. In Sachsen wird gerade ein Effekt wirksam, der strukturell alle Bundesländer des Ostens betrifft: Wegen deutlicher Geburtenrückgänge wurde die Lehrerausbildung in den Neunzigern zurückgefahren - nun, da die Schülerzahlen wieder steigen, kann die gegenwärtige Pensionierungswelle nicht durch planvoll ausgebildete junge Kollegen hinreichend ausgeglichen werden. Sachsens Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU), die die Versäumnisse ihrer Partei in den vergangenen Jahren nun schnell bewältigen soll, entschuldigte sich zu Beginn des Schuljahres gleich mal prophylaktisch für den Notstand. Von 1400 freien Lehrerstellen konnte mehr als die Hälfte nur mit Seiteneinsteigern besetzt werden, die nun blitzausgebildet werden. In einigen Gegenden machen die Neulinge gar drei Viertel der neuen Lehrer an Grundschulen aus. Schwierigstes Schuljahr seit 1990 Zwar hat Sachsen die Zahl der Studienplätze für Lehramtsanwärter inzwischen auf 2000 verdoppelt, bis diese Maßnahme aber an den Schulen wirksam wird, werden Jahre vergehen. In der kurzen Frist hingegen gilt, dass dem Freistaat laut Kurth das schwierigste Schuljahr seit 1990 bevorstehe. Wie groß die Not auch wegen der Konkurrenz unter den Bundesländern ist, lässt sich an den Kriterien ablesen, die das Kultusministerium für sein "Programm Unterrichtsversorgung" zusammengestellt hat. Damit sollen akute Notlagen wie jene an der eingangs genannten Grundschule in Dresden abgemildert werden. Gesucht werden dafür nun auch Bewerber "ohne Lehrbefähigung mit einem anderen geeigneten Hochschulabschluss". Lehrermangelwirtschaft und die Fahndung nach neuen Kräften erinnern manchen indes an jene DDR-Zeiten, die im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig mit einem Plakat gut dokumentiert sind. Darauf steht: "Auch Du kannst Lehrer werden - Werktätige, meldet Euch".
https://www.sueddeutsche.de/bildung/neue-bundeslaender-erdkunde-bei-mama-1.3653583
mlsum-de-356
Nach zwei überführten Dopingsündern steht ein dritter Fahrer des kasachischen Astana-Teams unter Verdacht. Arsenal-Coach Arsène Wenger weist die Schuld an Mesut Özils Verletzung von sich. Nigerias Fußballverband trennt sich von Nationaltrainer Keshi.
Radsport, Doping: Nach den überführten Iglinskiy-Brüdern steht mit Ilja Dawidenok ein dritter Profi des kasachischen Astana-Teams unter Dopingverdacht. Eine bei der Tour de l'Avenir Ende August genommene Probe des Kasachen habe einen überhöhten Wert für anabole Steroide ergeben, teilte der Radsport-Weltverband UCI am Donnerstag mit. Der Fahrer ist vorläufig suspendiert und hat nun noch das Recht, die Analyse der B-Probe zu verlangen. Da bereits zuvor Maxim und Valentin Iglinskiy positiv getestet worden waren, erklärte die UCI, dass ihre Lizenzierungskommission nun das Management und die Anti-Doping-Bemühungen des Astana-Teams untersuchen werde. Weltverbands-Chef Brian Cookson hatte einen möglichen Ausschluss des Astana-Rennstalls für 2015 bereits angedeutet. Fußball, FC Arsenal: Die Knieverletzung von Fußball-Weltmeister Mesut Özil sorgt beim englischen FA-Cup-Sieger FC Arsenal weiter für erhitzte Gemüter. Am Donnerstag wies Teammanager Arsène Wenger Vorwürfe zurück, nach denen er entgegen vermeintlicher Warnungen des Spielers und der medizinischen Abteilung im Londoner Stadtderby am 5. Oktober beim FC Chelsea (0:2) auf einen Einsatz Özils bestand. "In der Halbzeit kam der Physio zu mir und sagte, dass Özil leichte Schmerzen im Knie hat. Es sei aber nicht schlimm", sagte Wenger. Daraufhin habe er Özil eine Auswechslung angeboten, die dieser jedoch ablehnte: "Er hat das während des gesamten Spiels nicht gesagt, dass es nicht weiter geht." Beim 26-Jährigen war im Vorfeld des EM-Qualifikationsspiels in Polen (0:2) eine Teilruptur des Außenbandes des linken Kniegelenks diagnostiziert worden, Özil fällt wohl bis Jahresende aus. In der Folge hatte Wenger dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) vorgeworfen, Özils Gesundheitszustand zunächst falsch eingeschätzt zu haben. Fußball, Nigeria: Der nigerianische Fußball-Verband hat sich trotz eines Sieges in der Afrika-Cup-Qualifikation von Nationaltrainer Stephen Keshi getrennt. Keshi wurde nach Verbandsangaben durch Shaibu Amodu ersetzt, der vom Verband am Donnerstag als Interimslösung vorgestellt wurde. Der WM-Achtelfinalist Nigeria hatte am Mittwochabend sein Qualifikationsspiel gegen den Sudan mit 3:1 gewonnen. Trotzdem liegen die Super Eagles mit vier Punkten in ihrer Gruppe nur auf Platz drei hinter Südafrika (8 Punkte) und dem Kongo (7). Für die Endrunde in Marokko (17. Januar bis 7. Februar) qualifizieren sich jeweils die ersten beiden Teams der sieben Gruppen sowie der beste Gruppendritte. Der Afrika-Cup-Titelverteidiger hatte zu Beginn der Qualifikation zu Hause gegen den Kongo verloren. Es war die erste Heimpleite der Super Eagles in einem Pflichtspiel seit 33 Jahren. Fußball, Hamburger SV: Trainer Joe Zinnbauer (44) von Fußball-Bundesligist Hamburger SV hat den Einsatz von Kapitän Rafael van der Vaart (31) gegen 1899 Hoffenheim offen gelassen. Die Einsatzchancen des wieder fitten Spielmachers "sind genau so hoch wie bei jedem anderen Spieler", sagte Zinnbauer vor der Partie gegen den Tabellenzweiten (Sonntag, 15.30 Uhr/Sky), betonte aber die "brutale Qualität" des Niederländers im Spiel nach vorne. Van der Vaart hatte sich am zweiten Spieltag an der Wade verletzt. Bereits vor der Partie bei Borussia Dortmund war der Kapitän wieder an Bord, wurde beim ersten Saisonsieg (1:0) der Hanseaten aber nicht eingesetzt und vom starken Lewis Holtby ersetzt. Seitdem wird in Hamburg über van der Vaarts Rolle im Team diskutiert. "Ich habe diese Woche gut trainiert, ich bin fit", sagte er selber und drängt auf sein Comeback. Mit einem Sieg gegen Hoffenheim wollen die Hamburger einen weiteren Schritt aus dem Tabellenkeller machen. "Das ist ein steiniger Weg", sagte Zinnbauer, der sein Team vor den konterstarken Kraichgauern warnte: "Wir müssen höllisch aufpassen und eine Schippe drauflegen." Zwei Siege in Folge gelangen dem aktuell Tabellenvorletzten zuletzt vor über 500 Tagen. Nach einem 2:1 bei Mainz 05 gewannen die Hanseaten am 20. April 2013 ebenfalls 2:1 gegen Fortuna Düsseldorf. "Wir dürfen nicht zu viel nachdenken, müssen Spaß haben und nicht überlegen was passiert, wenn wir verlieren", sagte Valon Behrami, dessen Einsatz am Sonntag nach einer Knieblessur nicht gefährdet ist. Tennis, ATP-Turnier in Wien: Benjamin Becker hat beim ATP-Turnier in Wien seine Erfolgsserie fortgesetzt und feiert in der österreichischen Hauptstadt nun eine Premiere. Nach dem mühelosen 6:3, 6:3 am Donnerstag im Achtelfinale gegen den Niederländer Robin Haase trifft der 33-Jährige aus Orscholz am Freitag in der Runde der letzten Acht erstmals auf der ATP-Tour auf Philipp Kohlschreiber. Tennis, WTA-Turnier in Luxemburg: Annika Beck und Mona Barthel stehen nach souveränen Auftritten im Halbfinale des WTA-Turniers in Luxemburg. Die 20-jährige Bonnerin Beck setzte sich am Donnerstag in 63 Minuten mit 6:2, 6:2 gegen Patricia Mayr-Achleitner aus Österreich durch. In der Vorschlussrunde des mit 250.000 Dollar dotierten Hallenturniers trifft sie nun auf Denisa Allertova (Tschechien) oder Varvara Lepchenko (USA). Für Beck bleibt Luxemburg ein gutes Pflaster. Im Vorjahr hatte sie dort ihr bislang einziges Finale auf der Tour erreicht. Die 24 Jahre alte Mona Barthel aus Neumünster hatte beim 6:3, 6:0 keine Probleme mit der Niederländerin Kiki Bertens. Im Halbfinale wartet nun die Siegerin des Spiels Johanna Larsson (Schweden) gegen Barbora Zahlavova-Strycova (Tschechien). Tennis, Nikolai Dawydenko: Der ehemalige Weltranglistendritte Nikolai Dawydenko hat am Donnerstag am Rande des ATP-Turniers in Moskau seine Tennis-Karriere offiziell beendet. "Ich bin jetzt 33 Jahre alt", sagte der Russe auf einer Pressekonferenz, "ich habe 21 Turniere gewonnen, darunter drei Masters-Turniere und das ATP-Tourfinale. Ich bedauere es nicht, dass ich keinen Grand Slam gewonnen habe oder die Nummer eins der Welt war. Ich war viele Jahre in den Top 10." Wegen anhaltender Rückenprobleme hat Dawydenko in diesem Jahr nur sechs Spiele auf der Tour bestreiten können. "Ich hatte in den letzten Jahren mit vielen Verletzungen zu kämpfen. Es ist schwer für mich, darüber zu sprechen", sagte Dawydenko. Er habe lange über seinen Rücktritt nachgedacht, "nun ist der Zeitpunkt gekommen", fuhr er fort. Basketball, NBA: Basketball-Profi Dirk Nowitzki hat sich für eine Verkürzung der NBA-Saison ausgesprochen. "Ich glaube, dass wir keine 82 Spiele benötigen, um die besten acht Teams der Conferences zu ermitten", sagte der Würzburger dem Internetportal des US-Fernsehsenders ESPN. Er wisse aber auch, dass "jede Partie weniger auch weniger Geld für Spieler, Liga und Besitzer bedeutet": "Deswegen glaube ich nicht, dass es sich schnell ändern wird." Der 36-Jährige kann sich eine Hauptrunde mit rund 60 Spielen vorstellen, gerade wenn dann die "back-to-back-games" wegfallen würden, also zwei Partien an aufeinanderfolgenden Tagen: "Die habe ich als 20-Jähriger schon nicht gemocht." Am Sonntag testet die NBA bei einem Testspiel zwischen den Brooklyn Nets und den Boston Celtics eine verkürzte Spieldauer von 44 statt 48 Minuten. Erik Spoelstra, Coach der Miami Heat, hatte bereits angedeutet, dass dieser Schritt nicht weit genug ginge: "Es ist keine Frage der Spielzeit, sondern der zu vielen Spiele." Der gleichen Meinung ist auch LeBron James von den Cleveland Cavaliers. "Minuten bedeuten gar nichts. Wenn wir müssten, könnten wir 50 Minuten spielen", sagte der viermalige MVP. Weniger Begegnungen würden zwar geringere Einnahmen bedeuten, am Ende würden jedoch die Spieler den Preis dafür zahlen.
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Der neue Stürmer von Bayer Leverkusen ist entscheidend am Sieg gegen den Hamburger SV beteiligt. Der 1. FC Köln entgeht einem historischen Fehlstart.
Dank seines 39-Millionen-Sturmduos hat Bayer Leverkusen den Sprung ins Tabellen-Mittelfeld geschafft, der Hamburger SV rauscht nach einem Traumstart mit zwischenzeitlicher Tabellenführung dagegen ungebremst in den Keller. Der im Vorjahr 20 Millionen Euro teure Kevin Volland mit seinem dritten und vierten Saisontor (20./83. Minute) und der für 19 Millionen verpflichtete Argentinier Lucas Alario bei seinem Bundesliga-Debüt (23.) schossen die Rheinländer zum 3:0 (2:0) gegen den HSV. Flügelspieler Leon Bailey bereitete zwei Treffer vor, Alario gab die Vorlage zum 3:0. "Heute haben wir es über 90 Minuten gut gemacht, jetzt müssen wir schauen, dass wir auch mal auswärts punkten", sagte Doppeltorschütze Volland nach dem zweiten Leverkusener Saisonsieg. Die Rheinländer verbesserten sich zum Abschluss des sechsten Spieltags mit sieben Punkten auf Rang zehn. Mit zwölf Treffern haben sie nach Tabellenführer Dortmund (19) und dem FC Bayern (14) die meisten Tore erzielt. "Das war eine geschlossene Leistung, die vor allem über die Mentalität kam", sagte Mittelfeldspieler Julian Baumgartlinger. Der mit zwei Siegen gestartete HSV rangiert nach der vierten Niederlage in Serie als 15. direkt vor den Abstiegsrängen. "Wir waren von Anfang an nicht da", gab Abwehrspieler Dennis Diekmeier zu. Sportdirektor Jens Todt urteilte: "Alle haben sich bemüht, trotzdem waren wir heute deutlich unterlegen und haben verdient verloren." Während HSV-Coach Markus Gisdol auch mangels Alternativen angesichts von sechs Verletzten dieselbe Startelf wie beim 0:3 gegen Dortmund aufbot, änderte Herrlich seine gegenüber dem 1:2 in Berlin auf sechs Positionen. Kapitän Lars Bender stand nach zwei Einsätzen in der Englischen Woche und vorheriger Verletzungspause gar nicht im Kader. Fifa entscheidet zugunsten von Leverkusen Dass Alario, für den erst am Donnerstag nach einer wochenlangen Hängepartie die Freigabe kam, direkt in der Startelf steht, war für Herrlich aber schnell klar. Der Weltverband Fifa hatte unter der Woche das von Bayer beantragte Eilverfahren zugunsten von Leverkusen entschieden. Demnach sei die Verweigerung der Spielberechtigung für den 24 Jahre alten Stürmer durch dessen früheren Club River Plate Buenos Aires und den argentinischen Verband AFA nicht rechtens gewesen. "Es hat Spaß gemacht mit Lucas heute vorne", sagte Volland. Die Gastgeber waren wie erwartet dominant, agierten aber in der Anfangsphase viel zu sehr mit hohen Bällen, die vor allem der Ex-Leverkusener Kyrgiakos Papadopoulos meist aus der Gefahrenzone köpfte. Die erste Großchance hatte dann plötzlich der HSV, als ein Schuss von Sejad Salihovic aus 30 Metern nur knapp das Ziel verfehlte (16.). Doch dann schlug Bayer eiskalt zu: Erst nutzte Volland eine Vorlage des Jamaikaners Baileys, der erstmals in einem Heimspiel in der Startelf stand, dann Alario. Mehmedi vergab nach einer weiteren schönen Einzelleistung Baileys die Chance zum 3:0 kläglich (36.). Der HSV erholte sich vom Doppelschlag lange nicht. Zur Pause brachte Gisdol in Vorjahres-Retter Luca Waldschmidt und Bakery Jatta frische Spieler für die Offensive und stellte von 4-3-3 auf 4-2-3-1 um. Das zeigte zumindest etwas Wirkung. Der HSV war nun etwas besser im Spiel, ohne wirklich gefährlich zu werden, ehe Volland mit seinem zweiten Treffer für die endgültige Entscheidung sorgte.
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mlsum-de-358
Härter als bisher - da ist sich die Koalition einig. Doch was der Innen- und der Justizminister nun planen, hat auch seine Grenzen.
Die Debatte über Konsequenzen aus dem Terroranschlag vom 19. Dezember, als auf einem Berliner Weihnachtsmarkt zwölf Menschen starben, schlägt hohe Wellen. Der mutmaßliche Täter, der Tunesier Anis Amri, wurde von den Sicherheitsbehörden als sogenannter islamistischer Gefährder beobachtet, konnte aber trotz eines abgelehnten Asylantrags nicht abgeschoben werden. Mehr als 200 ausländische Gefährder sind dem Bundeskriminalamt bekannt. Auf diese, beziehungsweise auf die Frage, wie man sie los wird, konzentriert sich die Sicherheitsdebatte nun. Eine noch etwas höhere Zahl von Gefährdern hat allerdings deutsche Papiere. Wie sinnvoll ist welche der jetzt diskutierten Aktionen? Elektronische Fußfessel: Die elektronische Fußfessel ist genau das nicht, was ihr Name eigentlich verspricht: eine Fessel. Das Gerät, am Fußgelenk eines Menschen montiert, meldet dessen Standort; es hält ihn nicht fest. Zur Kontrolle von Bewährungsauflagen, bei denen ein Haftentlassener etwa sein Haus oder seine Stadt nicht verlassen darf, werden solche Systeme mit Erfolg eingesetzt. Verlässt ein Verurteilter den Bereich seiner Bewegungsfreiheit oder entfernt er das Gerät gewaltsam, löst dies bei den Behörden Alarm aus. Technisch auszutricksen ist das Gerät kaum. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) hatten sich schon 2016 geeinigt, die Fußfessel für Straftäter zuzulassen, wenn diese wegen terroristischer Straftaten verurteilt wurden und ihre Haftstrafe verbüßt haben. So behält der Staat diese Klientel im Blick. Ob die elektronische Fußfessel aber bei islamistischen Gefährdern, die noch nichts verbrochen haben, viel ausrichten würde, ist bei Fachleuten umstritten. Einerseits würde sie der Polizei die Observation des Betreffenden erleichtern und ihm Treffen mit Kontaktleuten stark erschweren. Mehr aber auch nicht: Wer wirklich einen Selbstmordanschlag begehen will, wird sich von der Fußfessel kaum davon abbringen lassen, sondern diese eher entfernen und vorerst abtauchen. Abschiebehaft: Ausländische Gefährder, die sich eigentlich gar nicht mehr im Land aufhalten dürften, sollen in Abschiebehaft bleiben. Die Union will hier den zusätzlichen Haftgrund der "Gefährdung der öffentlichen Sicherheit" einführen. Wie bei der Fußfessel erscheint eine Einigung in der Koalition recht leicht. Außerdem solle, so de Maizière am Wochenende, "Abschiebehaft künftig für Gefährder auch dann verhängt werden dürfen, wenn die Herkunftsstaaten bei der Rückführung nicht kooperieren". Dies wäre eine direkte Konsequenz aus dem Berliner Terrorangriff. Anis Amri war ausreisepflichtig. Die deutschen Behörden durften ihn aber nicht abschieben, weil Tunesien, sein Heimatland, ihm keine Papiere ausstellte; das Land ist wenig geneigt, Extremisten wieder in Empfang zu nehmen. Bislang ist laut Maas Abschiebehaft, die bis zu 18 Monate dauern kann, nur möglich, wenn die Abschiebung als innerhalb von drei Monaten möglich erscheint - was im Fall Anis Amri wegen der fehlenden Papiere angeblich nicht der Fall war. Diese Version der Rechtslage ist aber umstritten. Sanktionen gegen Herkunftsländer: Diese Idee ist ebenfalls in Union und SPD verbreitet und sieht ökonomischen Druck auf Länder wie Tunesien vor, die sich weigern, eigene Staatsbürger zurückzunehmen, wenn diese aus Deutschland abgeschoben werden sollen, oder die Sache wie in Amris Fall lange verzögern. Dafür spricht, dass Entwicklungsstaaten schon in Angelegenheiten von größerer Bedeutung solche Sanktionen gescheut haben. Tunesiens Regierung müsste sich entscheiden, welcher Schaden größer wäre: der finanzielle, wenn es tunesische Gefährder aus Deutschland nicht zurücknimmt; oder der innenpolitische, wenn es den Deutschen nachgeben würde - im Land gibt es Demonstrationen gegen die Rückkehr islamistischer Extremisten. Das hat damit zu tun, dass Tunesien der einzige Vorzeigestaat des Arabischen Frühlings ist. Deshalb warnt Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) vor solchen Sanktionen: Würde die Entwicklungshilfe für Ausbildungsprogramme reduziert, wachse der Druck auf junge Menschen mit schlechter Perspektive, ihr Land zu verlassen. Hinzu kommt, dass derlei Sanktionen gerade in Staaten am wenigsten greifen, aus denen die meisten Menschen fliehen, etwa Syrien. Dort regieren Krieg, Chaos und Willkür, was eine Abschiebung dorthin juristisch erschwert oder unmöglich macht. Sichere Herkunftsstaaten: Hier geht es nicht nur, aber auch um "Gefährder". Von der Einstufung der nordafrikanischen Staaten Marokko, Algerien und Tunesien erhofft sich besonders die Union, dass Asylbewerber leichter abgelehnt und schneller abgeschoben werden können. Inzwischen spricht sich auch Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann dafür aus, das vom Bundestag bereits beschlossene Gesetz im Bundesrat durchgehen zu lassen. Seine Partei lehnt dies aber ab, und in der Länderkammer hat das Gesetz keine Mehrheit, denn in elf von 16 Bundesländern sind die Grünen an der Regierung beteiligt. Selbst wenn sie nachgeben sollten, bliebe die Frage, ob höchste Gerichte die drei Maghreb-Staaten wirklich als sicher anerkennen würden. Nach dem Sturz der tunesischen Diktatur 2011 und dem Ende des algerischen Bürgerkrieges 2002 hat sich die Situation in diesen Staaten deutlich verbessert; die Frage ist jedoch, ob dies ausreicht. Amnesty International lehnt das Gesetz ab wegen anhaltender Verstöße gegen die Menschenrechte: "Wenn die deutsche Politik Länder wie Marokko, Tunesien und Algerien für 'sicher' erklärt, verschließt sie die Augen vor der tatsächlichen Situation."
https://www.sueddeutsche.de/politik/terrorgefahr-ueberwachen-und-abschieben-1.3325934
mlsum-de-359
Erdoğan ärgert sich über eine NDR-Satire - so wie Kasachstan einst über "Borat" oder China über Martin Sonneborn. Und wie war das nochmal mit Rudi Carrell und Iran?
Verschleierte Iranerinnen werfen Schlüpfer auf den Ayatollah - total witzig! Das dachte jedenfalls der Entertainer Rudi Carrell im Jahr 1987. Lange vor der "heute show" brachte der Holländer mit seiner satirischen "Tagesshow" die Zuschauer zum Lachen. Im Fall der schlüpferwerfenden Iranerinnen allerdings nicht alle. In Iran, wo gerade der achte Jahrestag der islamischen Revolution gefeiert wurde, fand man die 14 Sekunden-Bildmontage nämlich gar nicht lustig. Im Vergleich zu der diplomatischen Krise, die auf die "Tagesshow"-Sendung folgte, dürfte der jüngste Ärger der Türkei über den NDR-Spottsong auf Präsident Recep Tayyip Erdoğan kaum mehr als eine kleine Verstimmung sein. Iran verlangte nämlich 1987 eine offizielle Entschuldigung der Bundesregierung, zog seinen Botschafter aus Deutschland ab und verwies deutsche Diplomaten des Landes. Das Goethe-Institut in Teheran musste seine Arbeit einstellen, wütende Iraner protestierten auf den Straßen der Hauptstadt gegen Deutschland, die Fluggesellschaft Iran Air stellte ihre Flüge nach Deutschland ein. Carrell erhielt Morddrohungen, entschuldigte sich beim iranischen Volk - und konnte die nächste Sendung nur unter starken Sicherheitsvorkehrungen aufzeichnen. Die Schlüpfer-Folge, die die Krise ausgelöst hatte, hält das verantwortliche Radio Bremen bis heute unter Verschluss. Deutsch-polnische Satire-Streitigkeiten Weniger dramatisch, aber dafür deutlich langlebiger sind die satirischen Kabbeleien zwischen Deutschland und seinem Nachbarland Polen. Von den hierzulande beliebten Polen-Witzen ("Kommen Sie nach Polen - Ihr Auto ist schon da!") sind die Nachbarn naturgemäß wenig begeistert. In den Nullerjahren gab es eine Reihe von Humor-Attacken beider Seiten, die nicht alle lustig fanden. 2003 zeigte das polnische Nachrichtenmagazin Wprost die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, als Domina, die in SS-Uniform triumphierend lächelnd auf dem Rücken des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder reitet. Hintergrund war der umstrittene Vorschlag Steinbachs, in Berlin ein Vertriebenen-Zentrum einzurichten. Die CDU, für die Steinbach im Bundestag sitzt, forderte Bundeskanzler Schröder auf, die Polen zur Mäßigung anzuhalten. Detailansicht öffnen Erika Steinbach als SS-Domina auf dem Rücken des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder: Titelbild des Wochenblattes "Wprost" von 2003. Für die Vollansicht auf die Lupe klicken (Foto: Foto: AP) Doch auch die Polen mussten in der Vergangenheit immer wieder einiges einstecken. Der polnische Botschafter in Berlin beschwerte sich zum Beispiel im Jahr 2006 offiziell über einen Artikel in der Welt. Unter dem Titel "So haben uns die Polen garantiert wieder lieb" schlug die Zeitung unter anderem vor, Autos in Deutschland offen stehen zu lassen. Auch eine Glosse der taz mit dem Titel "Polens neue Kartoffel", in dem der polnische Präsident Lech Kaczynski als "Schurke, der die Welt beherrschen will" veralbert wurde, sorgte für Verärgerung im Nachbarland. Seitdem gab es immer wieder kleinere Karikaturen-Streitigkeiten - doch wenigstens musste keine Botschaft schließen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/tuerkei-wenn-satire-diplomatische-krisen-ausloest-1.2925569
mlsum-de-360
Brasilien hat nie gelernt, in Würde zu verlieren. Bislang galt die Regel: Wer ohne Pokal nach Hause kommt, ist ein Versager. Das Viertelfinal-Aus arbeitet das Land aber ungewohnt souverän auf.
Deutlich früher als geplant ist die brasilianische Seleção am Sonntagmorgen am Flughafen Galeão von Rio gelandet. Jenes kleine Grüppchen jedenfalls, das sich überhaupt zur Heimreise entschlossen hatte. Am Gepäckband wurden neben Trainer Tite und seinem Stab die Spieler Casemiro, Douglas Costa, Gabriel Jesus, Geromel, Philippe Coutinho und Taison gesichtet, der Rest blieb in Europa, wo in Kürze schon wieder die Saisonvorbereitung beginnt. Irgendwo in dieser Maschine, die mit ihren traurigen Passagieren im russischen Kasan abhob, soll sich laut Medienberichten auch Neymar befunden haben. Entweder kennt er einen geheimen Hinterausgang an diesem Flughafen oder er sitzt noch auf dem Rollfeld und pflegt seinen Instagram-Account. Es hätte seine WM werden sollen, sein Aufstieg zum anerkannt besten Spieler der Welt. In Erinnerung wird nun vor allem die Show eines Fallsüchtigen bleiben - und vielleicht noch jenes melancholische und durchaus bezeichnend individualistische Fazit, das Neymar in sein Telefon tippte: "Der traurigste Moment meiner Karriere." Vielleicht hätte es ihn schon ein bisschen getröstet, wenn er gemeinsam mit seinen sechs Mitspielern den Terminal 2 von Rio verlassen hätte. Dort wartete im Morgengrauen nämlich eine erstaunlich große Gruppe von brasilianischen Frühaufstehern - Fans, die den geschlagenen Heimkehrern Applaus spendeten. Es wurden Fotos geschossen und Autogramme geschrieben. Der sichtlich ergriffene Trainer Tite sagte: "Danke! Es macht mich stolz, dass wir etwas Positives bewirkt haben." So unerwartet, wie dieses 1:2 gegen Belgien die brasilianischen Titelträume beendete, so außergewöhnlich war dieses Empfangskomitee. Bislang galt im Land des Rekordweltmeister die eiserne Regel: Wer ohne Pokal nach Hause kommt, ist ein Versager. Und nach einem vorzeitigen Aus, zumal im Viertelfinale, haben Köpfe zu rollen. So war es immer, zuletzt als 2010 eine Maschine aus Südafrika am Flughafen Galeão landete. Damals, nach einer Viertelfinal-Niederlage gegen die Niederlande, wurden die Heimkehrer übel beschimpft und Trainer Dunga war praktisch schon entlassen, bevor am Gepäckband sein Koffer um die Ecke bog. Diesmal ist alles anders, und das hat wohl zwei Gründe: der Gesamteindruck, den die Mannschaft in Russland hinterließ, und die traumatische Erinnerung an die Heim-WM 2014. Die Seleção ist ausgeschieden, aber sie hat sich nicht blamiert Diesmal war es eben kein 1:7, sondern ein 1:2, ein ganz normales Fußballergebnis. Brasilien hat 2018 nicht gegen sich selbst verloren, sondern gegen einen ziemlich guten Gegner. Das kann mal vorkommen - hört man jetzt allenthalben. Es ist, als ob jene sieben deutschen Treffer, die sich für immer ins kollektive Gedächtnis eingebrannt haben, diesmal den Schmerz betäubten. Die Seleção ist ausgeschieden, aber sie hat sich nicht blamiert. Sie ist auf die Füße gefallen. Oder wie der ehemalige Topstürmer und heutige TV-Guru Ronaldo unmittelbar nach dem Schlusspfiff in Kasan bekanntgab: "Er war kein Desaster." Aus seinen Worten klang neben aller Enttäuschung auch Erleichterung heraus. Den gefühlten Weltuntergang hat diese stolze Fußballnation bereits hinter sich und das hilft ihr er jetzt offenbar, um die jüngste Niederlage mit bislang unbekannter Souveränität aufzuarbeiten. Fast schon schwärmerisch klang das Turnierfazit bei Brasiliens meinungsführendem Fernseh- und Zeitungsimperium Globo. Dort war allenthalben von einer "großen Chance" die Rede. Von der Chance, jetzt nicht alles in die Tonne zu treten. So wie sonst üblich: "Es war eine Niederlage, die bestätigt, dass Brasilien auf dem richtigen Weg ist", stand da Schwarz auf Weiß. Und damit war auch die Kampagne eröffnet, der sich bald alle führenden Fußballexperten des Landes anschlossen: Tite muss weitermachen!
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-wm-der-brasilianische-weltuntergang-faellt-aus-1.4046177
mlsum-de-361
Noch neun Tage bis Weihnachten - und das Konto ist leer? Geschenke, die von Herzen kommen, müssen nicht teuer sein. Tipps für Menschen mit kleinem Budget.
Nur noch eineinhalb Woche bis Weihnachten. Und wie jedes Jahr stellt sich die Frage: Was schenken? Wir stellen jede Woche Geschenktipps vor - in Folge 1 für Kreative , in Folge 2 für Menschen, die schon alles haben und kurz vor Heiligabend Geschenke auf den letzten Drücker. In Folge 3 haben wir Ideen für Menschen mit kleinem Budget gesammelt. Widersetzt euch dem Konsum! Statt schon wieder Geschenke zu kaufen, die keiner braucht, gebt doch lieber euer Lieblingsshirt. Oder euer Lieblingsbuch. Das predigt der Yogalehrer Jahr für Jahr. Keine schlechte Idee, denkt man beim Blick auf das Girokonto und die lange Liste an Geschenken, die es noch zu Besorgen gilt. Immerhin kommt so etwas wirklich von Herzen - wer trennt sich schon gerne von seinen Lieblingssachen? Aber ob Oma den ausgewaschenen Stofffetzen zu würdigen weiß? Oder der kleine Bruder den Liebesroman mit den Eselsohren? Dann vielleicht doch lieber die eigene Arbeitszeit verschenken. Fällt auch schwer, und ist umsonst. Und vielleicht kann der Beschenkte damit ein wenig mehr anfangen. Hilfreiches Talent "Das schönste Geschenk für mich wäre, wenn jemand meine Steuererklärung erledigt", sagte ein Kollege neulich. Umsonst natürlich. Zustimmendes Nicken beim Mittagessen. Manche Dinge machen einfach keinen Spaß - es sei denn, man ist der geborene Steuerberater und läuft erst mit zahlreichen Belegen und dem Taschenrechner in der Hand zu Hochform auf. Das sind Sie? Herzlichen Glückwunsch, über Weihnachtsgeschenke müssen Sie sich von nun an keine Gedanken mehr machen! Für alle anderen gilt: Keine falsche Scheu, irgendein Talent hat jeder. Und manchmal reicht auch schon ein wenig Zeit. Zeit um Dinge zu erledigen, die unangenehm sind - und dem Beschenkten ein wenig mehr Freizeit und Entspannung verschaffen, schöne Dinge zu tun. Sie könnten zum Beispiel das Auto der Eltern in die Reparatur fahren und von außen und innen gründlich waschen und - falls Sie über das nötige Know-how verfügen - die Reifen wechseln. Oder für die Großeltern den Garten in Ordnung bringen. Der Schwester einen Abend die schreienden Kinder abnehmen, damit sie endlich mal wieder tanzen gehen kann. Oder die Freundin, die einfach nicht das Passende zum Anziehen findet, beim Einkaufen beraten. Und wann haben Sie Ihren Liebste(n) das letzte Mal richtig lecker bekocht? Mehr Ideen für immaterielle Freuden finden Sie hier.
https://www.sueddeutsche.de/stil/geschenke-zu-weihnachten-folge-3-schenken-fuer-schnaeppchenjaeger-1.2261667
mlsum-de-362
Russen und Deutsche hätten gern bessere Beziehungen, aber die Politik kann diese nicht bieten. Beide Länder haben derzeit ein grundsätzlich anderes Verständnis von Politik und Gesellschaft.
Schwer zu sagen, wann sich die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland erschöpft haben. So viele fruchtlose Telefonate gab es, so viele ernüchternde Treffen von Kanzlerin, Präsident und Außenministern, dass sich das Verhältnis irgendwann eben eingependelt hat, auf niedrigem Niveau. Syrien, die Ukraine und Menschenrechte sind nur drei der Felder, auf denen sich Berlin und Moskau seit Langem diplomatisch abarbeiten, ohne sich nennenswert und dauerhaft einigen zu können. Das normale Verhältnis ist seit Jahren ein schlechtes Verhältnis. Immerhin: So gering sind die Hoffnungen für Angela Merkels Reise in das subtropische Sotschi gewesen, dass sie nicht mehr weiter enttäuscht werden konnten. Es ist ja seltsam: Bei all den Kalamitäten auf höchster Ebene gibt es kaum ein anderes Land, zu dem sich derart weite Teile der deutschen Gesellschaft endlich bessere Beziehungen herbeisehnen. Groß ist das Verlangen nach Aufbruch und Austausch, nach Annäherung und Freundschaft; nach einer Rückkehr zu lässiger Vertrautheit in Sauna- und Strickjackenambiente wie einst bei Michail Gorbatschow und Helmut Kohl. Eine solch wundersame Versöhnung zwischen den einstigen Kriegsgegnern, so viele Trinksprüche auf die deutsch-sowjetisch-russische Freundschaft gab es in den Achtzigern und Neunzigern, als sich alte Ängste in Erleichterung auflösten. Jetzt fürchten sich viele offenbar vor einer neuen feindseligen Stimmung. Viele Deutsche wollen Russland lieber zum gutmütigen Partner haben als zum grollenden Rivalen. Unternehmen drängeln schon lange, sie wollen ein Ende der Sanktionen, freie Bahn für neue Geschäfte. Und Oppositionspolitiker rufen zum Dialog auf, als gäbe es seit Jahren lediglich Schweigen. Sehnsucht nach einem gutmütigen Partner Angela Merkel und Wladimir Putin, Sergej Lawrow und Frank-Walter Steinmeier, respektive Sigmar Gabriel reden sogar sehr oft miteinander. Aber der Kern des Missmuts ist doch deutlich sichtbar und trennt derzeit die politischen Lager in Ost und West: Denn nach dem annus horribilis samt Brexit, Trump-Wahl und dem Auftrumpfen autoritärer Populisten nun auch in Europa gehört Merkel zu den mächtigsten Hütern westlicher Werte. Putin hingegen ist offenbar die große Inspiration der Orbáns, Le Pens und Erdoğans. Der russische Präsident hat die schnurgerade Machtpolitik zulasten parlamentarischer Stärke und kritischer Opposition zu einem Instrument erhoben, von dem sich Viktor Orbán (NGO-Gesetz) oder auch Jarosław Kaczyński (Kampf gegen kritisches Fernsehen) gern etwas abschauen. Dass Merkel die Krim-Annexion und die Destabilisierung der Ostukraine als besonders belastende Reizthemen sieht, ist deshalb nur ein Teil des großen Ganzen. Es geht auch um ein grundlegend anderes Verständnis von Politik und Gesellschaft. Merkel vertraut auf die Kraft des Konsenses, darauf, dass an einem Strauß von Meinungen so lange herumgeschnippelt und gezupft wird, bis alle ihn einigermaßen ansehnlich finden. Das hat sie mit den allermeisten Politikern in Deutschland und den Staaten der Europäischen Union gemeinsam. In Moskau hingegen werden wichtige Gesetze oft im Schnellverfahren durch die Duma gebracht; im Zweifelsfall wagt hinterher kaum jemand, dagegen noch zu protestieren. Diese Art der unmittelbaren politischen Durchsetzungskraft ohne Gegenwehr unterscheidet im Übrigen das Putin'sche Russland vom Trump'schen Amerika, wo die etablierten "Checks and Balances" offensichtlich noch funktionieren. Will die Kanzlerin aber die in Mode gekommene Neigung zu einem ruppigen, autoritären Führungsstil in Europa bekämpfen, kann sie den russischen Präsidenten schwer allzu freundlich umgarnen. Merkel wird dabei für ihre kritische Haltung zu Russland oft von Oppositionspolitikern wie Dietmar Bartsch, Sahra Wagenknecht oder Frauke Petry gerüffelt. Sie vergessen allerdings manchmal, dass sie ihre stark regierungskritischen Positionen in Russland vermutlich in den staatlichen Fernsehsendern nicht äußern könnten. Der Riss muss nicht noch tiefer gehen, in beiden Zivilgesellschaften gibt es trotz allem viel Verständnis für das jeweils andere Land. Russische Kultur ist schon durch die große Zahl der Russlandstämmigen in Deutschland gesellschaftlich verankert. Politisch aber ist zwischen Berlin und Moskau vorerst kaum eine bessere Beziehung in Aussicht. Allein der Wahlkampf in beiden Staaten dürfte verhindern, dass sie sich spürbar annähern. Putin wird die Zügel in Russland schon deshalb nicht lockern, um keinen Spielraum für Großproteste zu schaffen. Und Merkel oder Schulz müssen um Europa und um seine Werte kämpfen - mehr denn je.
https://www.sueddeutsche.de/politik/deutschland-russland-grenzen-der-zuneigung-1.3486729
mlsum-de-363
Die christliche Sozialethik hat eine unvergleichliche Stärke: Sie kann der globalisierten Wirtschaft eine globale Ethik zur Seite stellen
Die Welt schien aus den Fugen geraten zu sein. Millionen Menschen verließen ihre Dörfer. Sie zogen in die Städte, dorthin, wo die großen Fabriken standen, wo Kohlegruben sich in die Erde fraßen und das Meer der Mietskasernen das Ackerland überflutete. Sie arbeiteten am Tag und in der Nacht, sie atmeten Staub, bis sie Blut spuckten, in Lärm und Hitze. Der Lohn der Proles war gering, die Nachkommen waren das einzige Kapital dieser neuen Stadtmenschen, viele Kinder in zu engen Wohnungen, wo die Erwachsenen den Schmerz und die Monotonie des Tages mit Alkohol betäubten und die Gewalt am Küchentisch saß. Immer mehr Arbeiter glaubten, erst der Umsturz und die Enteignung der Fabrikanten würden ein neues Leben in Gerechtigkeit schaffen. Konnte dies Gottes Wille sein? Es konnte Gottes Wille nicht sein, davon war Papst Leo XIII. überzeugt. Die Menschen sollten ihren natürlichen Platz im Leben haben. Sie sollten in ihren Familien leben, geleitet von der Lehre der katholischen Kirche - und nicht entwurzelt in der Anonymität der sittenlosen Großstadt. Sie sollten Wert und Würde aus einer Arbeit ziehen, die sie nicht krank macht, sollten für gute Arbeit fairen Lohn erhalten. Aber sich auch nicht auflehnen gegen die Obrigkeit. Und schon gar keinen Sozialismus wollen. Ein antimodernes Weltbild leitete Papst Leo, als er 1891 das Rundschreiben "Rerum Novarum" verfasste, die erste katholische Sozialenzyklika. Damit die Schöpfung nicht aus den Fugen gerät, trat er für einen Ausgleich zwischen Arbeit und Kapital ein - und für die Würde des Arbeiters und seiner Arbeit. Es gehe nicht an, schrieb der Papst, dass hartherzige Arbeitgeber die Menschen "nicht wie Menschen, sondern als Sachen behandeln". Die Arbeit ist für Papst Leo mehr als Gelderwerb. Sie ist Teil des Menschseins. Aus dem gleichen Grund hatte schon ein halbes Jahrhundert zuvor der evangelische Sozialreformer Johann Hinrich Wichern den Wert der Arbeit in seinem "Rauhen Haus" gepriesen: Sie "wurde der erste Ableiter der rohen Kräfte und führte bei den meisten dahin, dass die rohen verwüstenden Kräfte in heilsame verwandelt wurden." Die Arbeit erhebt den Menschen über das Tier. Von Beginn an hatte im Christentum die Arbeit auch eine religiöse Dimension (obwohl Jesus den Berichten der Evangelisten zufolge keiner geregelten Erwerbsarbeit nachgegangen war). Die Arbeit erinnerte daran, dass das Paradies verloren war und der Schweiß im Angesicht zum Los des Menschen gehört. Sie verband die Gemeinschaft der aus dem Paradies Vertriebenen: "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen", heißt es beim Apostel Paulus, und es ist kein Zufall, dass der gleiche Satz auch bei Karl Marx steht: Arbeit ordnet ein in die Gemeinschaft, sie ist notwendig, um ins himmlische oder irdische Paradies zu gelangen. Faulheitsbewegungen waren den Christen wie den Sozialisten von jeher fremd. Ora et labora! Bete und arbeite! Das schrieb Benedikt von Nursia in die Regel seines Ordens - betend und arbeitend machten die Benediktiner Europa nach der Völkerwanderung wieder urbar. Im 16. Jahrhundert predigte der Reformator Johannes Calvin: Im Erfolg zeigt sich, ob jemand Gnade vor Gott gefunden hat. Er begründete jene calvinistische Arbeitsethik, in der Max Weber, der Soziologe, den Ursprung des Kapitalismus sah.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/zukunft-der-arbeit-mehr-mensch-1.1105828
mlsum-de-364
Konkurrent Real Madrid strauchelt beim Tabellenletzten, Bayern-Gegner Inter Mailand immer stärker, guter Auftakt der deutschen Tennis-Profis bei Australian Open. Sport kompakt.
Andrea Petkovic ist erfolgreich in die Australian Open gestartet. Deutschlands derzeit beste Tennisspielerin gewann am Montag in Melbourne ihr Auftaktmatch gegen die Amerikanerin Jill Craybas mühelos mit 6:1 und 6:2 und trifft in der zweiten Runde auf die Siegerin des Qualifikanten-Duells zwischen Arina Rodionowa aus Russland und Anne Keothavong aus England. Die 23 Jahre alte Darmstädterin hatte sich ihrer Pflichtaufgabe nach gerade einmal 62 Minuten entledigt. Philipp Kohlschreiber hat gewann das deutsche Duell mit Senkrechtstarter Tobias Kamke nach 3:51 Stunden mit 1:6, 4:6, 7:6 (8:6), 6:4, 6:4 und zeigte dabei eine kämpferisch überzeugende Leistung. Nachdem die deutsche Nummer eins bereits wie der Verlierer ausgesehen hatte, biss sich Kohlschreiber zurück in die Partie. Gegner in der zweite Runde ist aller Voraussicht nach der an Nummer sechs gesetzte Tscheche Tomas Berdych. Florian Mayer hat für die erste kleine Überraschung gesorgt. Der Tennis-Profi aus Bayreuth gewann gegen den an Nummer 23 gesetzten Russen Nikolai Dawydenko mit 6:3, 4:6, 7:6 (7:4) und 6:4 und zeigte dabei eine ganz starke Leistung. Mayer benötigte etwas mehr als drei Stunden, um den Weltmeister von 2009 niederzuringen. Rückschlag für den spanischen Fußball-Rekordmeister: Real Madrid hat im Kampf um die Meisterschaft in der Primera Division ausgerechnet beim Tabellenletzten UD Almeria Federn gelassen. Die "Königlichen" kamen beim Schlusslicht lediglich zu einem 1:1 (0:0). Esteban Granero (77. ) glich die Führung der Gastgeber durch Leonardo Ulloa (60.) aus. Die große Chance zum Siegtreffer vergab der portugiesische Superstar Cristiano Ronaldo, der in der Nachspielzeit nur die Latte traf (94.). Die Nationalspieler Mesut Özil und Sami Khedira kamen über die gesamte Spieldauer zum Einsatz. Durch das Remis belegt Real mit nunmehr 48 Punkten weiter den zweiten Platz hinter dem FC Barcelona (52). Der Titelverteidiger nahm die Steilvorlage der Königlichen erfolgreich auf und baute durch ein 4:1 (3:0) am späten Sonntagabend gegen den FC Malaga mit dem Ex-Münchner Martin Demichelis die Tabellenführung aus. Für die Katalanen trafen Andres Iniesta (7.), David Villa (17., 73.) und Pedro (35.). Für Malaga erzielte Sergio Duda das zwischenzeitliche 1:3 (67.). WM-Teilnehmer Japan und Jordanien haben sich am Montag für das Viertelfinale des Asien Cups qualifiziert. Zuvor waren bereits Iran, Usbekistan und Gastgeber Katar weitergekommen. Die Japaner mit dem Dortmunder Shinji Kagawa wurden mit einem klaren 5:0 (3:0) über Saudi-Arabien Sieger der Vorrundengruppe B vor den punktgleichen Jordaniern, die Syrien 2:1 (1:1) bezwangen. WM- Achtelfinalist Japan trifft in der Runde der letzten Acht auf Katar, die Jordanier müssen gegen Usbekistan antreten. Das enttäuschende Team aus Saudi-Arabien schied ohne Punktgewinn aus. Über das schwache Abschneiden des dreimaligen Siegers stolperte schon nach dem ersten Spiel Trainer Jose Peseiro, nach der zweiten Niederlage musste zudem die Verbandsspitze gehen. Die Bundesliga darf für die Saison 2011/12 auf einen zusätzlichen Startplatz in der Europa League hoffen. Deutschland hat in der Halbzeit-Tabelle der Fairplay-Wertung der Europäischen Fußball-Union (Uefa) derzeit Platz fünf inne und liegt nur knapp hinter dem dritten Rang, der einen Extraplatz garantieren würde. Zum 31. Dezember 2010 wird das Ranking von Norwegen mit 8,34 Punkten angeführt. England (8,225) ist Zweiter vor Schweden (8,172), Irland (8,15) und Deutschland (8, 148). Die drei nationalen Verbände, die bis zum 30. April die ersten drei Plätze innehaben, dürfen in der darauffolgenden Spielzeit einen Vertreter in die erste Qualifikationsrunde der Europa League entsenden - sofern sie auf einen Wert von über 8,0 Punkte kommen. Ausgewählt wird in der Regel der Klub der ersten Liga, der in der nationalen Fairplay-Wertung am besten platziert und nicht schon für einen internationalen Wettbewerb qualifiziert ist. Der neue Trainer Leonardo führt den Champions-League-Sieger Inter Mailand zu alter Stärke. Im vierten Spiel unter dem brasilianischen Coach feierte der italienische Fußball-Meister am 20. Spieltag in der Serie A den vierten Sieg und setzte seine Aufholjagd fort. Neun Punkte sind es jetzt nur noch bis zum Spitzenreiter und Stadtrivalen AC Mailand (41 Zähler), der am Sonntagabend nicht über ein 1:1 (0:0) bei US Lecce hinauskam. Ruben Olivera (82.) glich die Führung des AC durch Zlatan Ibrahimovic (49.) aus. "Das ist das Grande Inter, das ich immer sehen will", sagte Leonardo, früherer Milan-Trainer, nach dem 4:1 (2:0) gegen den FC Bologna: "Wir haben eine Spielidee und wollen nun unbedingt die Tore machen." Diese gelangen Dejan Stankovic (20.), Diego Milito (30.) und Samuel Eto'o (63./72.). Inter belegt nach dem Erfolg mit zwei Spielen weniger als die Konkurrenz den sechsten Platz. Ebenfalls in der Spitzengruppe bleiben Juventus Turin (34), Lazio (37) und der AS Rom (35) nach mühsamen Pflichtsiegen. Lazio gewann gegen Sampdoria Genua 1:0 (0:0), Stadtrivale AS Roma setzte sich beim AC Cesena ebenfalls 1:0 (0:0) durch. Für die Roma, bei der Klub-Ikone Francesco Totti wieder von Beginn an ran durfte, sorgte ein Eigentor von Maximiliano Pellegrino (89.) für den dritten Auswärtssieg. Für Lazio erzielte Libor Kozak den späten Siegtreffer (84.). Juve beendete eine Negativserie ohne den verletzten Ex-Münchner Luca Toni durch ein umkämpftes 2:1 (1:0) gegen den AS Bari. Zuvor hatte es gegen den FC Parma (1:4) und beim SSC Neapel (0:3) zwei herbe Pleiten gegeben. Alberto Aquilani erzielte in der 79. Minute den Siegtreffer für Juventus Turin. Der 1. FC Köln muss vorerst auf Mittelfeldspieler Petit verzichten. Wie der dreimalige deutsche Meister am Montag bekannt gab, hat sich der Portugiese im Meisterschaftsspiel beim 1. FC Kaiserslautern (1:1) einen Muskelfaserriss im Adduktorenbereich zugezogen. Wie lange Petit pausieren muss, ist noch offen. Der 34-Jährige spielt seit 2008 für Köln, in der laufenden Saison bestritt er 15 Bundesliga-Spiele (kein Tor). Der englische Fußball-Rekordmeister FC Liverpool wartet weiter auf den ersten Sieg unter Teammanager Kenny Dalglish. Im 215. Merseyside-Derby gegen den FC Everton kamen die "Reds" nicht über ein 2:2 (1:0) hinaus, mit 26 Punkten bleibt Liverpool in der Premier-League-Tabelle Dreizehnter. Liverpool, das nach der Amtsübernahme von Klubidol Dalglish aus dem FA-Cup ausgeschieden war und danach in der Liga bei Aufsteiger FC Blackpool verloren hatte, ging durch den Portugiesen Raul Meireles (29.) in Führung. Danach drehte Everton durch Tore von Sylvain Distin (46.) und Jermaine Beckford (52.) das Spiel. Dirk Kuijt (68.) rettete Liverpool mit einem verwandelten Elfmeter zumindest einen Punkt. Manchester United erreichte bei den Tottenham Hotspurs ein 0:0 und überholte damit wieder den Stadtrivalen Manchester City ( am Samstag Wolverhampton mit 4:3). Der FC Arsenal gewann das Londoner Derby bei Schlusslicht West Ham United klar mit 3:0 (2:0). Meister Chelsea unterstrich beim 2:0 (0:0) gegen die Blackburn Rovers den Formanstieg. Branislav Ivanovic (57.) und Nicolas Anelka (76.) trafen für die "Blues". Titelverteidiger Frankreich und Spanien sind bei der Handball-WM in Schweden ebenso wie die deutsche Mannschaft ohne Punktverlust. Allerdings vermied Deutschlands nächster Gegner Spanien nur knapp eine Blamage. Der Weltmeister von 2005 kam am Sonntag vor 1.800 Zuschauern in Lund nur zu einem dürftigen 21:18 (9:7)-Erfolg gegen Tunesien. Noch in der 53. Minute hatte der Afrikameister beim Stand von 16:17 einen Punktgewinn im Visier. Auch Frankreich war beim letztlich souveränen 28:19 (12:8) in Kristianstad gegen Ägypten lange Zeit nicht so souverän wie erwartet. Zum einen fehlte es dem mit zahlreichen Neulingen angetretenen Olympiasieger an der Feinabstimmung. Zum anderen scheiterten die Mannen um die Kieler Thierry Omeyer und Jerome Fernandez häufig am starken ägyptischen Torhüter Mohamed El Nakib. In der Gruppe C kam Serbien am zweiten Spieltag zu seinem ersten Erfolg. Die Mannschaft um den Kieler Rückraumspieler Momir Ilic deklassierte in Malmö wie erwartet Australien mit 35:18 (16:8).
https://www.sueddeutsche.de/sport/sport-kompakt-barcelona-zieht-davon-1.1047415
mlsum-de-365
Der Verteidiger vom FC Barcelona fühlt sich in Spaniens Nationalelf unwillkommen und kündigt seinen Abschied an. Der VfB Stuttgart hat einen neuen Vereinsboss.
Spaniens Nationalelf: Abwehrspieler Gerard Piqué will wegen anhaltender Kritik nach der WM 2018 nicht mehr für Spaniens Fußball-Nationalmannschaft spielen. Der Verteidiger des FC Barcelona verkündete seinen Entschluss am Sonntagabend nach dem 2:0 des Teams in der WM-Qualifikation in Albanien. "Das ist keine spontane Entscheidung. Ich habe darüber schon länger nachgedacht. Ich habe immer alles für Spanien gegeben, aber einige Leute wollen mich nicht im Team", sagte der 29-Jährige. Piqué wurde zuletzt bei Heimspielen der Spanier oft ausgebuht, weil er sich für die Unabhängigkeit Kataloniens einsetzt. Beim Spiel in Albanien wurde er dafür kritisiert, dass er die Ärmel seines Trikots so aufgerollt hatte, dass die spanische Fahne nicht mehr sichtbar war. Piqué versicherte, dies sei unabsichtlich gewesen. "Ich bin all diese Kritik leid. Was heute Abend passiert ist, war nur ein weiteres Beispiel dafür", sagte der Abwehrspieler. Piqué hat 85 Länderspiele bestritten und wurde mit Spanien 2010 Weltmeister und 2012 Europameister. In der Qualifikation für die WM 2018 in Russland führt Spanien die Gruppe G punktgleich mit Italien an. 2. Liga: Wolfgang Dietrich ist neuer Präsident des VfB Stuttgart. Bei der Mitgliederversammlung am Sonntag stimmten 57,2 Prozent der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder für den 68 Jahre alten Unternehmer und ehemaligen Sprecher des Bahnprojekts Stuttgart 21. Dietrich ist beim VfB nun für vier Jahre gewählt und Nachfolger von Bernd Wahler. Wahler war im Mai nach dem Abstieg aus der Bundesliga zurückgetreten. Vorstand und Aufsichtsrat wurden von den Mitgliedern für das Geschäftsjahr 2015 nicht entlastet. Schon im vergangenen Jahr war den Gremien die Entlastung verweigert worden. TSV 1860: Mit Neuzugang Sebastian Boenisch in der Startelf hat 1860 München ein Benefizspiel in der Länderspielpause gewonnen. Die "Löwen" mussten sich am Sonntag vor 1212 Zuschauern in Burghausen gegen eine Regionalauswahl des Bayerischen Fußball-Verbandes allerdings mit einem mageren 1:0 (1:0) begnügen. Das Tor erzielte der eingewechselte Romuald Lacazette in der 51. Spielminute. Der Mittelfeldspieler kam drei Monate nach einem Mittelfußbruch in der zweiten Hälfte erstmals wieder zum Einsatz.Trainer Kosta Runjaic ließ den zuletzt vereinslosen langjährigen Bundesligaprofi Boenisch eine Stunde lang in der Innenverteidigung ran. Der Vertrag des 29-Jährigen beim Bundesligisten Bayer Leverkusen war im Sommer nicht verlängert worden. Länderspiel: WM-Gastgeber Russland hat ein Freundschaftsspiel gegen Costa Rica mit 3:4 (1:3) verloren. Nach einer schwachen ersten Halbzeit im neuen Stadion im südrussischen Krasnodar konnte die Sbornaja am Sonntag zwar in der zweiten Hälfte noch einmal auf 3:3 ausgleichen. Doch ein Foulelfmeter in der Nachspielzeit brachte den WM-Viertelfinalisten von 2014 den Siegtreffer.Die tragische Figur der Partie war Russlands Kapitän Wassili Beresuzki: Ausgerechnet in seinem 100. Länderspiel schoss er ein Eigentor und verursachte am Ende den entscheidenden Elfmeter für Costa Rica.Für die Gastgeber der WM 2018 war es die erste Niederlage unter dem neuen Nationaltrainer Stanislaw Tschertschessow. Zuletzt hatte die Sbornaja unter seiner Führung ein Unentschieden gegen die Türkei und einen Sieg gegen Ghana herausgeholt. Handball: Die SG Flensburg-Handewitt steht wieder an der Tabellenspitze der Handball-Bundesliga. Nach dem 33:29 (19:12)-Auswärtserfolg beim TBV Lemgo haben die Norddeutschen 12:0 Zähler auf ihrem Konto und bleiben das einzige Team der Liga ohne Verlustpunkt. Beste Werfer der Partie waren am Sonntag die Flensburger Henrik Toft Hansen und Anders Eggert mit je sechs Toren sowie Tim Suton, der achtmal für die Gastgeber traf.Der TBV kam nur sehr schwer ins Spiel, das erste Feldtor gelang Rolf Hermann erst in der zehnten Minute. Nach dem Seitenwechsel verloren die zuvor souverän aufgetretenen Flensburger leicht den Faden. In der 42. Minute war der TBV auf 18:20 heran gekommen. Die Mannschaft von SG-Coach Ljubomir Vranjes ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen.Am Mittwoch (19.00 Uhr) haben die Flensburger zu Hause gegen den VfL Gummersbach die Gelegenheit, ihre Tabellenführung auszubauen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/spaniens-nationalelf-pique-einige-leute-wollen-mich-nicht-im-team-1.3198203
mlsum-de-366
Das US-Justizministerium fordert 14 Milliarden Dollar von der Deutschen Bank. Das ist zwar nur die erste Zahl in einer laufenden Verhandlung. Für das Geldinstitut ist die Lage aber brenzlig.
Die Zahl ist jedenfalls mal eine Hausnummer: 14 Milliarden Dollar, umgerechnet knapp 12,5 Milliarden Euro. So viel fordert das US-Justizministerium als Geldbuße für windige Hypotheken-Geschäfte von der Deutschen Bank. Es ist zwar nur eine erste Forderung in den laufenden Verhandlungen um einen Vergleich. Doch die Summe übersteigt alles, womit Beobachter bisher gerechnet haben - und zwar bei weitem. Setzt sich die US-Regierung damit durch, es wäre die höchste jemals von ihr gegen ein ausländisches Kreditinstitut verhängte Geldbuße. Fast noch interessanter als die Summe selbst ist allerdings der Fakt, dass sie schon jetzt, in einem so frühen Stadium der Gespräche, an die Öffentlichkeit gedrungen ist. Der Verdacht drängt sich auf, dass die Quelle wohl in Kreisen der US-Justiz sitzen muss - und dass die Deutsche Bank in eine politische Falle geraten sein könnte. Noch nie sind zuvor ist die Auftakt-Forderung des US-Justizministeriums in solchen Verhandlungen publik geworden. Nun aber ist eine Summe in der Welt - und hinter die, so befürchten einige Beobachter bereits, wird die US-Regierung am Ende nicht mehr allzu weit zurück können. Sonst könnte ihr mitten im Präsidentschaftswahlkampf innenpolitischer Schaden drohen. Schon machen in den sozialen Netzwerken erste Kommentare die Runde, die den Fall Deutsche Bank in Verbindung mit den Steuernachforderungen der EU-Kommission an den Technologie-Konzern Apple bringen. Rivalen mussten deutlich weniger bezahlen Die Vorwürfe der US-Justiz sind keineswegs neu: Wie andere Institute auch soll die Deutsche Bank durch windige Geschäfte mit hypothekenbesicherten Wertpapieren 2008 zum Kollaps des US-Häusermarktes beigetragen haben. Viele Banken hatten dort jahrelang Immobilienhypotheken an eigentlich nicht kreditwürdige Hauskäufer ausgereicht. Die Risiken aus diesen Geschäften wurden dann in hochkomplexen Wertpapieren verbrieft und so über den Finanzmarkt an Investoren verkauft - die den Geldinstituten nochmals hohe Gewinne bescherten. Als der Markt 2007 kollabierte, erwiesen sich diese Bonds genauso wie viele der dahinterstehenden Kredite und Immobilien aber als wertlos. Für die Deutsche Bank spricht dabei, dass ihr amerikanisches Hypotheken-Geschäft vor der Krise nur einen Bruchteil so groß war, wie das der lokalen Bank of America. Auch hatten die Frankfurter deutlich weniger Kredite ausgereicht als die Investmentbank Goldman Sachs. Beide Institute haben ebenfalls bereits Bußen ans Justizministerium bezahlt: Goldman Sachs schloss im Frühjahr einen Vergleich über rund fünf Milliarden Dollar, 2,4 Milliarden davon für Hypotheken-Deals. Die bislang höchste Strafe bekam 2014 die Bank of America 2014 mit 16,65 Milliarden Dollar aufgebrummt. Im Umfeld der Deutschen Bank ist nun zu hören, dass es eigentlich keinen Grund geben könne, warum die Strafe nun höher ausfallen sollte als bei Goldman Sachs, auch weil man die umstrittenen Geschäfte eingestellt habe. Begrenzte Geld-Reserven und Probleme beim Nachschub Auch nach außen hin gibt sich die Deutsche Bank kämpferisch: Man beabsichtige "auf keinen Fall, diese möglichen zivilrechtlichen Ansprüche in einer Höhe zu vergleichen, die auch nur annähernd der genannten Zahl entspricht", heißt es in einer Mitteilung. Dass es Strafen geben wird, nicht nur in diesem Fall sondern auch in anderen, damit rechnet die Bank ohnehin. Insgesamt hatte der Konzern zuletzt 5,5 Milliarden Euro für Rechtsstreitigkeiten zurückgestellt. Allerdings würde das nicht einmal annähernd reichen, um auch nur die Forderung des US-Justizministeriums im Hypotheken-Streit von umgerechnet rund 12,5 Milliarden Euro zu bezahlen. Und das ist nicht die einzige Geldbuße, die dem Frankfurter Geldhaus droht. Neben dem Hypotheken-Streit ist beispielsweise auch der Geldwäsche-Skandal in Russland noch nicht abschließend bezahlt. Es könnte also ungemütlich werden für die Deutsche Bank. Denn frisches Geld bei Investoren und Aktionären zu besorgen, dürfte dem Institut angesichts schwacher Geschäfte und eines übel geschundenen Aktienkurses schwerfallen. Eine weitere Kapitalerhöhung jedenfalls hat der Vorstandsvorsitzende John Cryan mehrfach ausgeschlossen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/finanzmarkt-showdown-in-washington-fuer-die-deutsche-bank-1.3164774
mlsum-de-367
Gäbe es mehr Pilotinnen, wären Tragödien wie die von Flug 4U9525 seltener: Mit dieser These hat ein Artikel in der "Emma" Unmut im Netz erregt. Kritiker werfen dem Magazin vor, eine Feminismus-Kampagne auf dem Rücken der Opfer zu führen.
Fliegen Frauen sicherer? Ekelhaft oder gar peinlich? Das feministische Magazin Emma hat mit einem Artikel über den Absturz der Germanwings-Maschine eine kontroverse Diskussion ausgelöst. In dem Gastbeitrag fordert die Linguistin Luise Pusch eine Frauenquote fürs Cockpit, um das Fliegen wieder sicherer zu machen. Amokläufe, so argumentiert Pusch, sind "Verbrechen, die nahezu ausschließlich von Männern begangen werden". Für Amokflüge gelte dasselbe. liebe #emma, liebe #aliceschwarzer, nur mal so für sie zum mitrechnen: 100% der Menschen in diesem Flieger waren...... Menschen! #4U9525 — Theissl Michaela (@chloegreenleaf) 29. März 2015 @kleinewaeschere @AlexBfromG @luisepusch Aber mal ehrlich: die meisten dieser Taten werden von Maennern begangen. Warum nicht drueber reden — Virginia Glitzerblut (@GinGlitzerblut) 29. März 2015 Pusch zieht daraus einen Schluss: Nicht nur regelmäßige psychologische Tests der Piloten oder die "Vier-Augen-Regel" im Cockpit könnten helfen, solche Tragödien künftig zu verhindern, sondern auch eine veränderte Einstellungspolitik bei den Airlines. Mehr Frauen im Cockpit verringern aus ihrer Sicht das Risiko, dass Piloten oder eben Pilotinnen das Flugzeug für einen Suizid benutzen könnten. "Die Lufthansa mit ihren sechs Prozent Frauen ist ja fast so schlimm wie die katholische Kirche", schreibt Pusch. Eine Frage an #Emma: Wenn Männer öfter suizidal und depressiv sind – wie verträgt sich das mit der These vom herrschenden Geschlecht? — Adrian (@AdrianGayWest) 28. März 2015 "Die Opfer sind überwiegend Frauen, die Täter sind männlich" Die Autorin selbst bezeichnet ihren Text als Glosse, Emma hingegen nennt ihn Kommentar und hat dem Werk gleich noch einen Vorspann darüber platziert: "Die Opfer sind überwiegend Frauen, die Täter sind männlich." Mit diesen Behauptungen hat das Magazin große Debatten im Netz ausgelöst. Leser und Leserinnen stören sich daran, dass die Forderung nach einer Frauenquote in einen Zusammenhang mit dem Absturz von Gemanwings-Flug 4U9525 gestellt wird. Dass Copilot Andreas Lubitz am Dienstag das Flugzeug in den französischen Alpen zerschellen ließ und 149 Menschen mit sich in den Tod riss, sollte nicht als Anlass für feministische Debatten dienen, argumentieren Nutzer, die ihrem Ärger auf Twitter Luft machen. Es sei moralisch fragwürdig, ein so schreckliches Unglück für eigene Zwecke zu instrumentalisieren. Ärgere mich über #emma, weil solche dämlichen Äußerungen dafür sorgen, dass man Feministinnen als verkniffene, männerhassende Frauen sieht. — Ingeborch (@Ingeborch) 29. März 2015 Wir brauchen wirklich keine Männer, #emma schafft es immer noch am besten, dem Feminismus ein Eigentor zu schießen. #emmagate — Bernadette Jochens (@B_Jochens) 29. März 2015 Und alle haben sie kluge feministische Freund_innen, und wenn die EMMA Quatsch schreibt, ist es auf einmal der Feminismus™. — teresa bücker (@fraeulein_tessa) 28. März 2015 Kritisiert wird im Netz, dass der Artikel feministischen Forderungen mehr schade als nutze. Dass Emma einen solchen Text weiterverbreitet, ist für einige Leser unverständlich. Ursprünglich war er auf Puschs Blog "Laut & Luise" veröffentlicht worden. Was die Autorin dazu sagt Pusch engagiert sich seit den Siebzigerjahren für eine geschlechtergerechte Sprache und forderte einst eine "kompensatorische Gerechtigkeit". In den kommenden 2000 Jahren sollten nur mehr weibliche Formen benutzt werden, um die jahrtausendelange Diskriminierung von Frauen auszugleichen, zumindest in der Sprache, fordert sie. Die Autorin scheint die Debatte um ihre Forderung nach einer Frauenquote im Cockpit gelassen zu nehmen. Auf Twitter weist sie lediglich darauf hin, dass der polarisierende Vorspann nicht von ihr stamme, sondern von der Emma-Redaktion hinzugefügt wurde. Zum Vorwurf der Taktlosigkeit hat sie bisher öffentlich nicht Stellung bezogen. Pusch verlinkt aber zu einem Artikel mit der Überschrift "Mehr Pilotinnen könnten mehr Sicherheit bringen", der in der Wochenzeitung Schweiz am Sonntag erschienen ist. Während auf Twitter der Shitstorm gegen mich tobt, melden viele LeserInnen, dass sie die Frauenquote fürs Cockpit gut finden. — Luise F. Pusch (@luisepusch) 29. März 2015 Tatsächlich regt sich kaum jemand über die reinen Fakten in Puschs Text auf, problematisch sind lediglich die Schlussfolgerungen. Offizielle Statistiken geben der Linguistin sogar teilweise recht: Sie besagen, dass sich in Deutschland drei bis vier Mal so viele Männer umbringen als Frauen. Allerdings heißt das im Umkehrschluss nicht, dass sie generell psychisch instabiler sind. Denn Frauen begehen im Schnitt mehr Suizidversuche, was Pusch in ihrem Text unerwähnt lässt. Unterscheide zwischen Männern und Frauen suchen um damit Gleichberechtigung fordern, irgendwie unlogisch? #Emma #Frauenquote — Martin Prikoszovich (@prikoszovich) 29. März 2015 Richtig ist auch, dass der Pilotenberuf fast eine reine Männerdomäne ist. Von 100 Beschäftigten in den Cockpits der Lufthansa-Maschinen sind lediglich sechs weiblich. Dass Frauen aber nur eingestellt werden sollen, weil sie das Sicherheitsrisiko senken könnten, halten viele Leser von Puschs Text für absurd. Ausschlaggebend sollte doch die Qualifikation sein, nicht nur das Geschlecht.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/debatte-um-frauenquote-im-cockpit-so-verstoert-emma-das-netz-1.2414887
mlsum-de-368
Zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten haben sich Kanzlerin Merkel und Russlands Präsident Putin getroffen. Mehr als drei Stunden lang diskutierten sie die Konflikte in Syrien und der Ukraine sowie wirtschaftliche Beziehungen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu einem Arbeitsbesuch empfangen. Auf Schloss Meseberg bei Berlin berieten die beiden mehr als drei Stunden über Lösungswege aus den Kriegen in Syrien und der Ukraine. Angesichts der "vielen auch sehr ernsten Konflikte weltweit" sei die Zusammenarbeit mit Russland unerlässlich, sagte die Kanzlerin zum Auftakt der Begegnung am Samstagabend. "Wir haben Verantwortung, und deshalb sollten wir daran arbeiten, Lösungen zu finden", sagte sie. Putin betonte, dass er der Zusammenarbeit mit Deutschland "große Bedeutung" beimesse. Der Kreml-Chef sieht Deutschland als einen "führenden Partner". Der bilaterale Handel sei vergangenes Jahr um 22 Prozent auf 50 Milliarden US-Dollar (43 Milliarden Euro) gewachsen, sagte Putin. Etwa 5000 deutsche Firmen seien in Russland aktiv und hätten 270 000 Arbeitsplätze geschaffen. Putin sprach auch von einem Ausbau der Parlamentskontakte und von mehr zivilgesellschaftlichen Austausch. Die Bundeskanzlerin machte deutlich, dass sie im festgefahrenen Konflikt zwischen prorussischen Separatisten und Regierungstruppen in der Ostukraine auf Bewegung hofft. Auch der russische Präsident benannte die Ukraine als ein Thema, über das er mit der Kanzlerin sprechen wolle. Eine Lösung komme leider "überhaupt nicht voran", sagte er. Putin schloss eine Fortsetzung des Gas-Transits durch die Ukraine auch nach dem Bau der neuen Ostsee-Pipeline Nordstream 2 nicht aus. Um internationale Kritik an dem Projekt zu entkräften, verlangt Deutschland, dass die Ukraine weiter am Transit verdienen kann. "Ich kenne die Position der deutschen Bundeskanzlerin sehr genau", sagte Putin. Er warb für die neue Leitung: "Nordstream 2 ist ein ausschließlich wirtschaftliches Projekt." Putin rief Europa zur Hilfe beim Wiederaufbau in Syrien auf. "Es ist wichtig, die humanitäre Komponente des syrischen Konflikts auszuweiten, vor allem humanitäre Hilfe für das syrische Volk", sagte Putin. Man müsse den syrischen Regionen helfen, in die Flüchtlinge aus dem Ausland heimkehren könnten. Dabei gehe es nicht nur um Rückkehrer aus Europa, sondern auch um Millionen Flüchtlinge aus den Nachbarländern Jordanien, Libanon und Türkei. Merkel und Putin äußerten sich vor ihrem Gespräch nur kurz vor Journalisten. Fragen der Medienvertreter waren nicht zugelassen. Die Ergebnisse ihrer Beratungen sind nicht öffentlich. Nach ihrem Treffen reiste Putin am Samstagabend zurück nach Russland. Für Putin war es das erste bilaterale Treffen mit Merkel in Deutschland seit der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014. Im vergangenen Jahr war er beim G20-Gipfel in Hamburg, Merkel hatte ihn zuletzt im Mai in Sotschi besucht.
https://www.sueddeutsche.de/politik/putin-bei-merkel-an-einem-tisch-1.4096476
mlsum-de-369
Die USA investieren mehr Geld in ihr Militär: Der neue Verteidigungsetat sieht viele Milliarden Dollar für Auslandseinsätze und den Kampf gegen den "Islamischen Staat" vor. Dennoch dauert das Gezerre um den Staatshaushalt an.
USA investieren weitere Milliarden in Kampf gegen den Terror Der US-Kongress hat den Verteidigungshaushalt für 2015 angenommen, der Ausgaben von gut 584 Milliarden Dollar (knapp 470 Milliarden Euro) vorsieht. Das dafür erforderliche Gesetz erhielt gestern abend im Senat eine Mehrheit von 89 Stimmen bei elf Gegenstimmen. Das Repräsentantenhaus hatte die Vorlage bereits in der vergangenen Woche mit 300 gegen 119 Stimmen gebilligt. Der Rüstungshaushalt sieht unter anderem Milliarden-Ausgaben für den Kampf gegen die Dschihadisten-Miliz Islamischer Staat (IS) vor. 3,4 Milliarden Dollar sind dabei für die Entsendung von US-Streitkräften in die Region um das Einflussgebiet des IS eingeplant, das vor allem große Teile Syriens und des Iraks umfasst. 1,6 Milliarden Dollar sollen zur Verfügung gestellt werden, um die irakischen Kurden für den Kampf gegen den IS auszubilden und auszurüsten. Gezerre um den Etat 2015 Obwohl mit der Verabschiedung der Militärausgaben die erste Hürde genommen ist, ringt der Senat weiter um den Haushalt des Landes. Es geht darum, eine Blockade des Budgets und einen dadurch erzwungenen Verwaltungsstillstand wie im Vorjahr zu vermeiden. Die Senatoren haben für ihre Beratungen offenbar etwas mehr Zeit als zunächst gedacht. Wie die Washington Post berichtete, wurde die Frist am Freitagnachmittag vom Repräsentantenhaus im Stillen bis Mittwoch verlängert. Bis dahin muss der Etat unter Dach und Fach sein - sonst müssen wie im letzten Jahr Hunderttausende Beamte in den Zwangsurlaub geschickt werden. Zunächst hatte es geheißen, bis Mitternacht in der Nacht auf Sonntag muss abgestimmt werden. Insgesamt geht es um einen Etat von 1,1 Billionen Dollar (887 Milliarden Euro). Damit wären die meisten Regierungsausgaben bis zum Ende des Haushaltsjahres im September 2015 finanziert. Das von Republikanern beherrschte Repräsentantenhaus hatte das Budget mit 219 zu 206 Stimmen verabschiedet, nun ist der Senat dran. Selbst aus dem Obama-Lager kommt Widerstand Demokraten und Republikaner stören sich an verschiedenen Teilen des 1600-seitigen Entwurfs. Bereits im Repräsentantenhaus hatten die Demokraten von US-Präsident Barack Obama die Abschwächung des Bankenregulierungsgesetzes Dodd-Frank angeprangert, wonach geplante Beschränkungen im Derivatehandel gestrichen werden sollen. Die demokratische Senatorin Elizabeth Warren beklagte in diesem Zusammenhang einen Einfluss der Großbank Citigroup auf die amerikanische Politik. Ihr republikanischer Kollege Ted Cruz kritisierte Obamas geplante Einwanderungsreform scharf. Viele seiner Parteifreunde wollen den Haushalt nutzen, um diesem Vorhaben die Finanzierung zu entziehen. Warren und Cruz sind beide als Präsidentschaftskandidaten für die Wahl 2016 im Gespräch. In den vergangenen Jahren mussten die US-Bundesbehörden wegen einer Blockade des Haushalts im Kongress mehrfach die Arbeit einschränken oder gar aussetzen. Die Abgeordneten zogen sich damit den Wut der Bevölkerung zu - die Zustimmungswerte des Kongresses liegen je nach Umfrage nur knapp über zehn Prozent. Führende Mitglieder beider Parteien wollen daher einen erneuten "shutdown" unbedingt vermeiden.
https://www.sueddeutsche.de/politik/haushaltsverhandlungen-usa-investieren-milliarden-in-den-kampf-gegen-den-terror-1.2265966
mlsum-de-370
An diesem Spieltag begegnen sich die vier deutschen Champions-League-Starter in direkten Duellen. Es hängt von deren Trainern ab, welche Rolle der deutsche Fußball künftig spielen wird.
Für den sagenumwobenen asiatischen Markt - wenn es ihn wirklich gibt - hat die Bundesliga am 4. Spieltag ein sehr interessantes Angebot. Zur Übertragung bieten sich zwei Spiele an, deren teilnehmende Teams der asiatische Markt (wenn es ihn wirklich gibt) bereits von den Champions-League-Übertragungen unter der Woche kennt: Die vier deutschen Champions-League-Starter begegnen sich am Wochenende in direkten Duellen. Schalke 04 spielt gegen den FC Bayern, die TSG Hoffenheim empfängt Borussia Dortmund - eine erstklassige Möglichkeit für alle in- und ausländische Beobachter, um den deutschen Fußball einem kompakten Qualitätscheck zu unterziehen. Für die Teams geht es dabei nicht nur um Punkte in der Bundesliga, sie testen auch ihre Wettbewerbshärte für die anstehenden europäischen Aufgaben. Zumal die Champions League für die Trainer etwas sehr Spezielles ist: Domenico Tedesco, Niko Kovac und Julian Nagelsmann sind neu auf dieser Bühne, und Lucien Favre hat die Königsklasse vor seinem BVB-Dienstantritt exakt 90 Minuten kennengelernt - in Gladbach, bevor er im Herbst 2015 zurücktrat. Sind diese Trainer gut genug in Form, um dem etwas in Verruf geratenen deutschen Fußball wieder mehr Glanz zu verleihen? Ein Überblick. FC Schalke 04 Über einen von Domenico Tedescos Vorgängern hieß es, dass er mehr Zeit in der Sauna und noch mehr Zeit vor dem Spiegel verbracht hätte als mit den Spielern auf dem Trainingsplatz. Eines Tages beschwerten sich deswegen die Profis beim Manager - sie wollten mehr arbeiten. Über Tedescos Pensum hat sich dagegen noch keiner beklagt, obwohl es schon Zeiten gab, in denen sich die Mitarbeiter größere Sorgen gemacht haben als heute. In jenen Phasen schien der Trainer 24-Stunden-Tage mit Sieben-Tage-Wochen kombinieren zu wollen, und Vertraute fragten sich, wie lange das gut gehen würde. Inzwischen sei es besser geworden, sagt man. Dass Tedesco freie Tage im Büro verbringt, selbstredend auch an seinem 33. Geburtstag in der vorigen Woche, und dass er samstagnachts um zwei den Fernseher einschaltet, um das Testspiel USA gegen Brasilien zu gucken, weil Schalkes Weston McKennie da auf dem Platz steht, das wird für normal gehalten. Ohnehin sind den Vertrauten noch keine Gemüts- oder Wesensänderungen aufgefallen, seit Tedescos Elf nicht mehr knapp gewinnt, sondern vorwiegend knapp verliert. Während draußen im Land mancher Fernseh-Guru nicht ohne Schadenfreude von der Entzauberung des jungen Professors erzählte, gab Tedesco keine Anzeichen von Zweifeln zu erkennen. Das 1:1 gegen den FC Porto in der Champions League diente ihm als Bestätigung, dass sein Team sich wieder in die richtige Richtung entwickele - in die Richtung aus der Vorsaison nämlich, als Schalkes robuster Kampfverband Angst und Schrecken verbreitete. Zwar hatte der Trainer geplant, die Kampfsportquote zugunsten spielerischer Elemente zu senken, doch damit kam seine an markanten Punkten umgebaute Elf nicht zurecht. Nach dem beunruhigenden Auftritt beim 0:2 gegen Hertha rief Tedesco die Spieler zum Strategiegespräch zusammen. Votum der Vollversammlung: Zurück zu den Ursprüngen, zum Prinzip safety first. Doch während gegen Porto die Defensive schon deutlich stabiler stand, fehlt es der Offensive noch an Torgefahr und originären Vorzügen. Gegen den FC Bayern wird niemand ein Schützenfest von Tedescos Schalkern verlangen, in diesem Spiel geht es darum, Haltung zu zeigen. Ab nächster Woche sollte der Trainer aber mit dem Punktesammeln beginnen. Nicht, weil ihn der Vereinsvorstand bereits unter Druck setzt, sondern damit der Vorstand nicht demnächst genötigt ist, den Trainer gegen Druck von außen zu verteidigen. FC Bayern München Viel fehlt nicht, um Niko Kovac die Aura jenes Mannes zu geben, dessen Werk er fortsetzt. Einen Trenchcoat hat Kovac bestimmt im Kleiderschrank, außerdem müsste er sich vielleicht eine singende, weiche Stimmlage antrainieren sowie sein schalkhaftes Grinsen sein lassen. Ansonsten klappt das aber schon ganz gut. Auch ohne Trenchcoat, ohne weiche Stimmlage und dafür mit schalkhaftem Grinsen gleicht Kovac in vielem Ottmar Hitzfeld. Das 2:0 des FC Bayern in Lissabon sei Kovac' erstes Spiel als Trainer in der Champions League gewesen, darauf haben rund um diese Partie viele hingewiesen. Nicht aber Kovac. Er weiß, wie wenig diese Statistik zu erzählen hat. Mit der kroatischen Nationalelf hatte er sich für die WM 2014 qualifiziert, in den Playoffs gegen Island, in zwei Partien, in denen sich mehr Druck aufbaut als in einem ersten Gruppenspiel. Außerdem hat Kovac als Spieler 17 Duelle in der Champions League bestritten, sechs davon für die Bayern, von 2001 bis 2003. Kovac hat damals viel gelernt, nicht nur, weil er auf der größten europäischen Bühne mitwirkte. Eher, weil er seinen Trainer beobachtete. Sein Name: Ottmar Hitzfeld. "Wir Trainer sehen das aktuelle Spiel und müssen das nächste und das übernächste Spiel vorausdenken und planen", sagte Kovac am Freitag; es war ein Satz, wie ihn auch Hitzfeld gerne gesagt hat. In Lissabon hatte Kovac zunächst Thomas Müller geschont, er hatte dafür Renato Sanches (einst bei Benfica) sowie James Rodríguez (einst bei Benficas Rivalen Porto) eingesetzt, beide dankten mit guten Leistungen. Am Samstag auf Schalke wird daher folgerichtig der frühere Schalker Leon Goretzka spielen. "Er wird es sehr gut machen und sich von der Atmosphäre nicht beeindrucken lassen." Rotation, das ist Hitzfelds Königsdisziplin, die auch Kovac schon gut beherrscht. Menschenkenntnis, das ist die andere. Dafür reicht mal ein Smalltalk, in der Kabine, beim Training, er braucht nicht immer den ganz großen Auftritt. Daher hatte er auch einen dezenten Rat für Goretzka: "In der Einfachheit liegt die Schwierigkeit. Er muss keine Überdinge machen, das geht meistens in die Hose." Im Verein beobachten sie das Wirken ihres neuen Trainers ausgesprochen wohlwollend. Kovac mag in manchen Wettbewerben ein Neuling sein, doch seine Arbeitsweise kommt den Bossen sehr bekannt vor.
https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-das-champions-league-wochenende-1.4139500
mlsum-de-371
Bologna, G 8 und die Folgen: Abgestimmte europäische Bildungspolitik sollte mehr bringen als einheitliche Infantilisierung.
Denken ist unablässiges Durchstreichen", schrieb der französische Philosoph und Literat Paul Valéry in einem seiner mehr als 300 Schulhefte, in denen er sich über 50 Jahre hinweg Notizen machte und die als Cahiers berühmt wurden. Denken verlangt demnach, das zuvor Gedachte nicht unangetastet zu lassen, als sei es heilig, sondern es permanent neugierig und skeptisch zu betrachten. Denken als "unablässiges" Durchstreichen verweist also auf die Notwendigkeit, bisher sicher geglaubte Erkenntnisse oder auch lieb gewonnene Gewohnheiten immer wieder zur Disposition zu stellen und, bei Bedarf, zu korrigieren. Das ist keineswegs leicht, weil es dem natürlichen Hang zur Bequemlichkeit widerspricht. Alle, die schreiben, kennen das kindliche Festhalten an eigenen Formulierungen oder mühselig entwickelten Gedanken. Wer will schon gerne durchstreichen und wieder neu nachdenken? Und doch ist es genau das, woraus Denken im Kern besteht. Höchste Zeit, dass G 8 und Bologna-Reform geprüft und korrigiert werden Kurioserweise ist es ausgerechnet die Bildungspolitik, der doch grundsätzlich eine gewisse Affinität zum Lernen zu unterstellen sein sollte, in welcher der Mut zum Denken als unablässigem Durchstreichen zu fehlen scheint. Wie sonst lässt sich erklären, dass die einschneidenden Konzepte der Vergangenheit, ob die Bologna-Reform an den Universitäten oder die G-8-Reform an den Gymnasien - beide haben ernsthaftes Lernen mehr unterwandert als gefördert - nicht skeptisch betrachtet und korrigiert werden? Weil das, was einmal geschrieben wurde, als sakrosankt gilt und nicht wieder durchgestrichen werden darf? Weil es bequemer so ist? Weil man sich scheut, Irrtümer einzugestehen? Ursprünglich sollte die Verkürzung der Gymnasialzeit von neun auf acht Schuljahre das Eintrittsalter in den Arbeitsmarkt verringern, das bis dahin nach internationalen Standards vergleichsweise hoch war. Von qualitativer Verbesserung der Ausbildung an Schulen, neueren didaktischen Methoden im Zeitalter der Digitalisierung, Vertiefung des Wissens oder größerer Weltläufigkeit der Allgemeinbildung war dabei ohnehin nie die Rede. Das Primat der instrumentellen Verwertbarkeit, der nützlichen Marktförmigkeit diktierte die Kriterien, die nun nicht mehr Bildung von Hintergrundwissen und Verstehen, sondern vor allem zweckdienliche Kompetenzen verlangte. Weil die Quantität der Schulstunden nicht reduziert, sondern lediglich auf weniger Klassenstufen verteilt werden sollte, bedeutete die G-8- Reform letztlich vor allem Verdichtung des Stoffes zu geistigem Fingerfood. Eingebaut in diese Logik des Wettbewerbs um möglichst junge Erwerbstätige war eine Beschleunigung der Inhaltszufuhr (Einschulung mit 5, Abitur mit 17, der Bachelor-Studienabschluss mit 20 Jahren), die seither junge Leute vornehmlich in sich selbst disziplinierende Manager der knappen Ressource Zeit verwandelt hat. So sollten nun halb reife Jugendliche, die kaum wissen, wer sie sind, darüber entscheiden, wer sie sein wollen. Über welche handwerklichen oder kreativen oder intellektuellen Neigungen sie verfügen, welche Tätigkeiten oder Themen sie tatsächlich mit Leidenschaft erfüllen oder welche sie langweilen, haben viele in dem engmaschigen Stundenplan nie gelernt. Die klassisch paradoxe Frage, wie Erziehung zur Selbstbestimmung gelingen kann, welche die humanistische Bildungstradition stets umgetrieben hatte, taucht in der gegenwärtigen Verwertungspädagogik nicht einmal mehr auf. "Jede Ausbildung, die (...) ohne eine Methode zur Entfaltung der Kräfte des Individuums auskommen will", bemerkte Paul Valéry in einer seiner Notizen bitter, "züchtet redende Tiere heran." Dabei werden nicht zuletzt jene engagierten Lehrerinnen und Lehrer allein gelassen, die im Korsett der verkürzten Schulzeit an den Gymnasien mit kreativen Methoden versuchen, sich den tatsächlich drängenden Zukunftsfragen der Schulen zu stellen: Wie die systematische Chancenungleichheit, also den Einfluss sozialer Herkunft auf Bildung und Mobilität abfedern, welche die Pisa-Untersuchungen empirisch so gut belegt haben? Wie angewandte interkulturelle Bildung gestalten? Und wie Digitalisierung und soziale Vernetzung nicht als Hindernis, sondern als Instrument humanistischer Bildung begreifen? Schon die Begrifflichkeiten an den ebenfalls standardisierten Studiengängen der Universitäten verraten die intellektuelle Selbstverstümmelung, welche die Bologna-Reform zur offiziellen Norm erhoben hat: Da hetzen Studierende der geisteswissenschaftlichen Fächer von Modul zu Modul, sie apportieren Wissen und liefern es ab wie Gummibälle, damit sie nach drei Jahren schließlich mit dem Bachelor belohnt werden. Nicht mit dem Schmierenkomödianten aus der Reality-Soap, sondern tatsächlich mit einem akademischen Abschluss, der tiefere Bildung nicht einmal mehr behauptet. Es könnte eine grotesk-amüsante Spielshow sein, wenn es nicht trostlose Realität wäre. In der Folge hängen viele Bachelor-Studierende noch einen Master-Studiengang an, womit die ursprüngliche politische Absicht der Verkürzung der Studienzeit wiederum konterkariert wird. Kann es wirklich sein, dass unter einem gemeinsamen Europa, einer abgestimmten europäischen Bildung nichts anderes verstanden wird als einheitliche Infantilisierung? Wäre eine Internationalisierung der Bildungspolitik nicht vor allem daran erkennbar, dass auch das Wissen über Europa, europäische Kulturgeschichte, europäische Literatur, europäischen Film in den Schulen vermittelt würde? Zu einer solchen kanonisierten, europäischen Bildung gehörten selbstverständlich auch die diversen Geschichten der Gewalt, die von europäischen Staaten ausging, die oft beschwiegene Kolonialgeschichte und die Erfahrung des Totalitarismus, letztlich also eine europäische Erinnerungskultur, ohne die ein gemeinsames Europa nicht zu haben sein wird. Wenn dafür eine Entschleunigung der Schul- oder Studienzeit nötig sein sollte, dann sollte das erwogen werden. Denken als unablässiges Durchstreichen kann nicht schaden.
https://www.sueddeutsche.de/politik/kolumne-fingerfood-1.2891936
mlsum-de-372
Iran mischt im syrischen Bürgerkrieg kräftig mit, auch mit Soldaten am Boden. Welche Ziele verfolgt Teheran in dem Land?
Bedauernswert, wer solche Waffenbrüder hat wie Syriens Präsident Baschar al-Assad. Erst sind Iran, die Hisbollah und Schiiten-Milizen aus dem Irak, Afghanistan und Pakistan dem Syrer zu Hilfe geeilt, jetzt mischt auch noch Russland mit. Sie erledigen für Assad einen Teil der militärischen Schmutzarbeit im Bürgerkrieg. Und trotzdem sind sie bereit, ihn jederzeit über die Klinge springen zu lassen. Besonders vorsehen muss sich der Syrer vor seinem wichtigsten Freund: Iran. Assad habe die Russen nicht nur aus Angst vor den Aufständischen um militärisches Eingreifen gebeten, schrieb jüngst der Spiegel unter Berufung auf einen russischen Offizier: "Assad und seine Umgebung haben Angst vor den Iranern." Moskau mag spektakulär durchinszenierte Luftangriffe auf die Rebellengruppen und Terrormilizen fliegen lassen und so die Rückkehr nach Nahost suchen. Aber Teherans Agenda in Syrien reicht weiter. Das weiß auch der amerikanische Außenminister John Kerry, der kürzlich sagte: "Iran ist ein wichtiger Spieler, der sehr unerfreuliche Dinge in Syrien bewegen kann." Neben der militärischen Rettung des Assad-Regimes geht es Teheran um dauerhaften Einfluss über politische, religiöse und wirtschaftliche Hebel. Teheran betreibt umfangreiche "Kulturarbeit" in dem Land Teheran ist mit Syrien seit Beginn der 80er-Jahre verbündet. Es unterstützt Assad militärisch. Auch bei der jetzt offenbar anlaufenden Bodenoffensive gegen die Rebellengruppen in der nordsyrischen Metropole Aleppo dürften Milizionäre der iranischen Revolutionsgarden eine Schlüsselrolle spielen. Es sollen nur einige Hundert Mann sein. Aber sie gehören zur Al-Quds-Eliteeinheit und werden von Generalmajor Kassem Soleimani geführt. Viele halten den "gefährlichsten General Irans" für Teherans Mastermind und damit für denjenigen, der Assads Kopf bisher gerettet hat. Dessen Armee ist nach mehr als vier Jahren Krieg ausgezehrt. Die Iraner hatten schon die schiitische Hisbollah gegen deren Willen zum Eingreifen gebracht. Sie musste folgen, denn sie würde ohne iranische Waffen ihre Bedeutung verlieren im Dauerkonflikt mit Israel. Iran hat zudem arrangiert, dass schiitische Milizen aus dem Irak, Pakistan und Afghanistan in Syrien kämpfen. Hinzu kommt die "Kulturarbeit": Iran betreibt die Schiitisierung Syriens. Die Assad-Familie gehört einer schiitischen Sekte an, den Alawiten, die nicht als echte Schiiten gelten. Durch den Bau klassisch schiitischer Moscheen, Kulturzentren und Schulen sowie den Schutz berühmter Heiligtümer nimmt Iran die Rolle der kulturell-religiösen Schutzmacht an gegenüber den Aufständischen, die der sunnitischen Mehrheit Syriens angehören. Das Ziel: Aus den Alawiten Schiiten machen und den politischen Einfluss der Schiitenvormacht Iran in Syrien dauerhaft absichern. Das folgt dem Vorgehen Teherans in Libanon: Dort wurde nicht nur die Hisbollah als schlagkräftige Miliz und politische Partei gegründet. Gleichzeitig wurden die Schiiten des Landes durch Sozialhilfe, Bildungsarbeit und den Bau von religiös-kulturellen Einrichtungen enger an Iran gebunden. Teheran betreibt also die Fortsetzung seiner Politik mit religiösen Mitteln: Das iranische Regime wünscht sich als Schiitenvormacht einen zusammenhängenden Bogen schiitisch dominierter Staaten: Von Iran über den Irak nach Syrien und Libanon.
https://www.sueddeutsche.de/politik/machtpolitik-vormacht-der-schiiten-1.2700797
mlsum-de-373
Waffen, halbnackte Frauen, absurder Luxus: Die Fotos des Obermachos Dan Bilzerian zeigen immer das Gleiche. Seinen 20 Millionen Instagram-Fans scheint das zu gefallen.
490 000 Likes hat ein Foto, das ihn mit fünf halbnackten Frauen auf einer Yacht zeigt. Ein Bild von einem riesigen Maschinengewehr neben fünf Playstation-Controllern gefällt 320 000 Menschen. Und knapp 630 000 Menschen haben ein Foto gelikt, das zeigt, wie Dan Bilzerian am Pool liegend einer Frau im Bikini in den Schritt fasst und dabei breit grinst. Das Bild ist betitelt mit dem Satz, mit dem der designierte US-Präsident Donald Trump so viel Empörung ausgelöst hat: "When you're famous, they let you do it, you can do anything, just grab 'em by the pussy" - "Wenn du berühmt bist, dann lassen sie dich machen, dann kannst du alles machen, ihnen einfach an die Muschi greifen." Schon im Dezember 2015 hatte der 35-jährige Bilzerian auf Instagram ein Foto hochgeladen, das ihn bei einem privaten Treffen mit Trump zeigt. Voller Bewunderung notierte er damals unter dem Bild: "In an age of pussified political correctness, you have to respect people who remain unfiltered." Wer das Phänomen des ungefilterten Dan Bilzerian verstehen möchte, muss sich mit dem Instagram-Account des bärtigen, breitschultrigen und etwas zu klein geratenen US-Amerikaners beschäftigen, der mit Vorliebe Camouflage-Hosen und hautenge T-Shirts trägt. "Dan Bilzerian erschafft Träume", sagt der Social-Media-Experte Auf Instagram hat er knapp 20 Millionen Fans, auf Facebook sind es mehr als zehn Millionen, er gilt als "Social-Media-Persönlichkeit". Die Fotos, die der Mann aus Tampa/Florida täglich hochlädt, zeigen immer das Gleiche: Luxus-Immobilien, Luxus-Autos, Luxus-Yachten, Waffen und spärlich bekleidete Frauen. Man kann darüber staunen, wie viele Variationen dieser immer gleichen Motive möglich sind - und darüber, wie sehr sie die Massen zu begeistern scheinen. Felix Beilharz, Berater für Online-Marketing in Köln, bezeichnet Bilzerian als das männliche Gegenstück zu dem amerikanischen TV-Star Kim Kardashian: "Bisher war dieses Zur-Schau-Stellen von Schönheit, Sexualität und Reichtum eher den Frauen in den sozialen Netzwerken vorbehalten." Jetzt posieren auch vermehrt Männer und zeigen ihren Lifestyle. Die Dinge, die Bilzerian abbildet - Geld, Macht, enorm viel Freizeit und, glaubt man den Bildern, Erfolg bei schönen Frauen - zeigten genau jene Bereiche, in denen es im Alltag normaler Menschen nicht immer perfekt laufe, sagt der Social-Media-Experte Ibrahim Evsan: "Bei Dan Bilzerian erscheint das Leben immer positiv. Er erschafft Träume." Zumindest bei einer Klientel, die davon träumt, ständig von einem Haufen halbnackter Frauen umgeben zu sein, muss man vielleicht hinzufügen. Bei allen anderen könnte es auch die Lust am Fremdschämen sein, die zu den hohen Zugriffszahlen auf Bilzerians Seiten führt.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/instagram-dan-bilzerian-das-maennliche-gegenstueck-zu-kim-kardashian-1.3256977
mlsum-de-374
Bayerns Klubboss sieht die Vertragsgespräche mit Pep Guardiola gelassen. Nowitzki und Schröder ärgern sich in der NBA.
Bundesliga, FC Bayern: Karl-Heinz Rummenigge hat bekräftigt, dass beim FC Bayern München noch vor dem Jahresende eine Entscheidung über die Zukunft von Trainer Pep Guardiola fallen wird. Eine Änderung des Zeitplans sei "nicht vorgesehen", sagte der Vorstandsvorsitzende des deutschen Fußball-Rekordmeisters nach einem Sponsorentermin am Mittwochabend in München. "Pep Guardiola und ich haben immer gesagt, im Jahr 2015 gibt es eine Entscheidung", erklärte Rummenigge. Das klärende Gespräch werde weiterhin nach dem letzten Bundesligaspiel des FC Bayern am 19. Dezember in Hannover stattfinden. Der Dreijahresvertrag des 44 Jahre alten Guardiola beim deutschen Meister läuft am Ende dieser Saison aus. Der Katalane mag sich zu seiner Zukunft seit einiger zeit nicht mehr öffentlich äußern. Angebote sollen ihm unter anderem von einigen englischen Topclubs vorliegen. Sowohl der Trainer als auch der Verein gingen mit der ungeklärten Situation "sehr seriös" um, sagte Rummenigge. Er sei "völlig entspannt", versicherte der 60 Jahre alte Bayern-Chef. So reagierte er auch auf Fragen nach einer möglichen Suche nach einem Nachfolger für Guardiola. "Es geht immer weiter. Es gibt keinen Menschen auf der Welt, der irgendwann nicht zu ersetzen sein muss. Spieler kommen, Spieler gehen. Dasselbe gilt auch für Trainer. Trainer kommen, Trainer gehen irgendwann auch." Die offene Zukunft von Guardiola habe die Mannschaft in dieser Saison nicht vom Erfolgskurs abgebracht, hob Rummenigge hervor: "Wir haben die Diskussion seit Sommer, und seitdem ist keine Unruhe in den Club gekommen. Ganz im Gegenteil: Ich habe den Eindruck, alle sind noch mehr bemüht, sind noch konzentrierter, um Erfolge zu haben." Basketball, NBA: Dirk Nowitzki und seine Dallas Mavericks haben auch das dritte Spiel auf ihrem Auswärtstrip in der Basketball-Profiliga NBA verloren. Bei den San Antonio Spurs unterlag das Team um den Profi aus Würzburg mit 83:88. Dallas war in den vergangenen beiden Spielzeiten jeweils in der ersten Runde der Play-offs am texanischen Rivalen gescheitert. Auch für Dennis Schröder läuft es derzeit nicht. Mit den Atlanta Hawks kassierte der Braunschweiger bei den Minnesota Timberwolves ein 95:99 und damit die sechste Niederlage aus den vergangenen zehn Spielen. Schröder (22) traf nur einen von acht Würfen aus dem Feld und kam in 14:28 Minuten auf zwei Punkte. Es war die geringste Einsatzzeit für Schröder in dieser Saison. Nowitzki (37) spielte 35:24 Minuten, auch die Trefferquote stimmte. Mit 13 Punkten und starken 14 Rebounds gelang dem ersten deutschen NBA-Champion das dritte Double-Double der aktuellen Spielzeit. Dallas lief lange einem Rückstand hinterher, war 30 Sekunden vor Schluss aber bis auf einen Punkt dran. Auf einen Dreier von Spurs-Forward Kawhi Leonard, mit 26 Punkten bester Werfer des Spiels, hatten die Mavericks aber keine Antwort mehr. Nationalspieler Tibor Pleiß gehörte erneut nicht zum Kader der Utah Jazz, die 102:91 bei den Los Angeles Clippers gewannen. Biathlon, Dopingstrafe: Wegen des Doping-Skandals im vorletzten Winter hat der Biathlon-Weltverband IBU den russischen Verband mit der höchst möglichen Disziplinarstrafe belegt. 100 000 Euro muss die Russische Biathlon-Union (RBU) nach den positiven Dopingproben von Alexander Loginow, Jekaterina Jurjewa und Irina Starych in der Saison 2013/2014 zahlen. "Damit sind nunmehr keine positiven Dopingfälle mehr anhängig in der IBU", teilte Generalsekretärin Nicole Resch auf dpa-Anfrage mit. Die Korrektur der Ergebnislisten sei bereits erfolgt. Die Umverteilung der Preisgelder laufe. Der frühere Junioren-Weltmeister Loginow ist noch bis zum 25. November 2016 gesperrt. Starych, der durch eine Probe vom 23. Dezember 2013 Epo-Doping nachgewiesen wurde, ist im Dezember 2016 wieder startberechtigt. Die ehemalige Weltmeisterin Jurjewa hat als Wiederholungstäterin ihre Karriere beendet. "Für die Zukunft werden wir verstärkt mit den WADA-zertifizierten NADAs zusammenarbeiten, die Anzahl der Tests für Wachstumshormone erhöhen und unsere Intelligenz durch die Zusammenarbeit mit den Blutpass-Experten der WADA noch weiter verbessern", kündigte Resch an. "Ich habe Vertrauen in unsere interne medizinische Intelligenz für die Teststrategie - die Zahlen aus der Vergangenheit sprechen dafür." Basketball, NBA: Die Golden State Warriors haben einen Startrekord in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA aufgestellt. Mit dem 111:77 gegen die Los Angeles Lakers feierte das Team um den überragenden Stephen Curry am Dienstagabend (Ortszeit) im heimischen Oakland seinen 16. Sieg im 16. Saisonspiel. Der NBA-Meister aus Kalifornien verbesserte damit die Bestmarke, die bislang die Washington Capitals (1948/49) und die Houston Rockets (1993/94) hielten. Curry war gegen die Lakers mit 24 Punkten erneut bester Werfer der Warriors. Leichtathletik, Kenia: Kenias Leichtathleten haben ihren knapp zweitägigen Protest in der Zentrale des nationalen Verbandes AK in Nairobi am Dienstagabend beendet. Zuvor hatte das kenianische Sportministerium als Vermittler fungiert und eine Einigung erwirkt. Demnach soll die Satzung des AK geändert werden, um den Athleten mehr Mitspracherecht einzuräumen. Zudem sollen durch Korruptionsvorwürfe belastete Spitzenfunktionäre ihre Posten räumen. "Wir haben die Athletenvereinigung Paak gebeten, ihre Beschwerden über die Verbandsführung detailliert niederzuschreiben und sie uns in der kommenden Woche zu präsentieren", teilte Richard Ekai vom Sportministerium mit. Etwa 60 Athleten waren am Montagmorgen in das Verbandsgebäude eingedrungen und hatten Funktionäre daran gehindert, ihre Büros zu betreten. Mit Gesängen und Plakaten protestierten sie unter anderem gegen David Okeyo, Vize-Präsident des AK und Mitglied des Iaaf-Councils. Okeyo soll mit zwei anderen kenianischen Funktionären, darunter Präsident Isaiah Kiplagat, umgerechnet rund 650.000 Euro veruntreut haben, die von Sponsor Nike an den nationalen Verband AK gezahlt worden waren. Fifa, Michel Platini: Die Untersuchungskammer der Fifa-Ethikkommission fordert offenbar eine lebenslange Sperre gegen den suspendierten Uefa-Präsident Michel Platini. Das sagte Me Thibaud Ales als Anwalt des früheren Ausnahmefußballers der französischen Nachrichtenagentur AFP und sprach von einem "puren Skandal" sowie einer Übertreibung, solch ein Strafmaß zu fordern. Die Untersuchungskammer hatte in der vergangenen Woche ihren Schlussbericht zu Platini und dem ebenfalls suspendierten Fifa-Chef Joseph Blatter fertiggestellt und darin "Anträge für Sanktionen" gestellt. Der Fall liegt nun bei der rechtsprechenden Kammer unter Vorsitz des deutschen Richters Hans-Joachim Eckert. Hintergrund der Affäre ist eine Zahlung von zwei Millionen Schweizer Franken, die Blatter 2011 an Platini geleistet hatte. Beide behaupten, dass das Geld für Beratertätigkeiten angewiesen wurde, die Platini von 1999 bis 2002 für die Fifa geleistet haben soll. Die Ethikkommission der Fifa hatte daraufhin Blatter und Platini am 7. Oktober für 90 Tage von allen Fußball-Aktivitäten ausgeschlossen. Fußball, 2. Liga: Frank Kramer ist nicht mehr Trainer von Fortuna Düsseldorf. Wie der vom Abstieg bedrohte Fußball-Zweitligist am Montag bekannt gab, wurde die Zusammenarbeit mit sofortiger Wirkung beendet. "Die Entscheidung ist uns unheimlich schwer gefallen, aber wir hatten gemeinsam nicht mehr die Hoffnung, mit Frank Kramer die Wende herbeizuführen", sagte der kommissarische Vereinsvorsitzende Paul Jäger. Als Interimscoach wurde der bisherige Co-Trainer Peter Hermann benannt. Kramer hatte die Fortuna im Juli übernommen und rangiert mit den Rheinländern auf dem vorletzten Tabellenplatz. Zuletzt kam Düsseldorf gegen Schlusslicht MSV Duisburg vor heimischer Kulisse nur zu einem 1:1. Die Fortuna hat in 15 Ligaspielen lediglich 13 Punkte geholt und derzeit zwei Zähler Rückstand auf Rang 15, der den Klassenverbleib sichert. Fußball, Hans-Joachim Watzke: Im Kampf gegen Korruption bei künftigen WM-Vergaben plädiert Hans-Joachim Watzke, Klub-Boss von Borussia Dortmund, für einen Losentscheid. Das sei "die einzige Möglichkeit, dass eine Entscheidung über eine WM-Vergabe nicht manipuliert wird", sagte der 56-Jährige im Interview im Kicker. "Ich stelle mir vor, dass Fifa und Uefa einen Ausschuss mit renommierten Experten für Sicherheit und Marketing bilden. Dieser Ausschuss befindet darüber, ob eine Bewerbung zugelassen wird. Unter denen, die final zugelassen werden, wird gelost", erklärte Watzke. Das garantiere eine maximale Sicherheit, dass es keine Korruption gebe. Einhundert Prozent Sauberkeit scheint es auf internationalem Terrain bei der Vergabe von Großereignissen einfach nicht zu geben. Dennoch sei es wichtig, sich darüber Gedanken zu machen, wie man Korruption unwahrscheinlicher machen könne. Darüber hinaus forderte Watzke, Franz Beckenbauer mehr Respekt entgegenzubringen. "Auf der einen Seite alles zu bejubeln, was er macht, und auf der anderen als Öffentlichkeit sofort den Stab zu brechen, obwohl die Aufklärung der Ereignisse noch gar nicht erfolgt ist, finde ich nicht in Ordnung", so Watzke. Gerade Beckenbauer habe über Jahrzehnte hinweg zum Wohl des deutschen Fußballs gearbeitet - und nicht zu seinem persönlichen. "Das ist jedenfalls meine Meinung", so der BVB-Chef. Die Position der Borussia sieht Watzke sportlich und finanziell weiterhin gestärkt. Entspannt werde man künftigen Vertragsverhandlungen entgegensehen. "Wir werden um jeden unserer Stars mit Zähnen und Klauen kämpfen und können das auch wirtschaftlich darstellen." Basketball, NBA: Die Siegesserie der Dallas Mavericks und Dirk Nowitzki in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga ist gerissen. Das Team aus Texas verlor am Sonntagabend bei den Oklahoma City Thunder mit 114:117 und kassierte seine erste Niederlage nach sechs Erfolgen. Mit neun Siegen bei fünf Niederlagen blieb Dallas auf Rang drei der Western Conference. Nowitzki kam lediglich auf elf Punkte. Bester Werfer seiner Mannschaft war Deron Williams mit 20 Zählern. Vor allem die Freiwurf-Schwäche verhinderte einen weiteren Sieg der Mavericks. Entscheidender Mann für Oklahoma war Russel Westbrook mit 31 Punkten. Das überragende Team der bisherigen NBA-Saison bleiben die ungeschlagenen Golden State Warriors. Mit dem 118:105 bei den Denver Nuggets feierte der Titelverteidiger aus Kalifornien den 15. Sieg nacheinander und stellten damit den NBA-Startrekord ein. Bisher teilten sich die Washington Capitols (1948/49) und die Houston Rockets (1993/94) die Bestmarke. Fußball, Roman Neustädter: Der deutsche Fußball-Nationalspieler Roman Neustädter vom Bundesligisten Schalke 04 kann sich durchaus vorstellen, bei der EM 2016 in Frankreich für Russland zu spielen. Zuletzt hatte es Spekulationen gegeben, dass Russland Neustädter zu einem Nationalitätenwechsel bewegen wolle. "Wenn das wirklich stimmt, dass sie auf mich zukommen wollen, würde mich das freuen. Es wäre eine super Chance", sagte der 27-Jährige dem kicker. Neustädters Mutter ist Russin, und obwohl er zwei Länderspiele für die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) bestritten hat, wäre eine Spielerlaubnis für Russland möglich. Neustädter machte aber auch klar: "Mich hat keiner kontaktiert, ich habe selbst auch nur davon gehört." Neustädter ist flexibel einsetzbar, kann im defensiven Mittelfeld, aber auch in der Innenverteidigung spielen. Fußball, Bundesliga: Verteidiger Markus Suttner vom FC Ingolstadt hat sich am Sonntag im Bundesliga-Heimspiel gegen Darmstadt 98 (3:1) einen Mittelfußbruch zugezogen und dürfte einige Monate ausfallen. "Das ist unglaublich bitter, weil er ein ganz wichtiger Spieler ist", sagte Trainer Ralph Hasenhüttl nach dem Spiel. Der Österreicher wurde in der 16. Minute gegen Robert Bauer ausgewechselt, noch während des Spiels wurde im Krankenhaus die schwere Verletzung festgestellt. Fußball, Serie A: Ohne den angeschlagenen Miroslav Klose hat der italienische Erstligist Lazio Rom seine vierte Niederlage in Serie gerade noch vermieden. Zwei Wochen nach dem 0:2 im Derby beim AS Rom rettete Antonio Candreva (70.) den Laziali per Elfmeter einen Punkt beim 1:1 (0:1) gegen US Palermo. Dennoch verliert der Tabellenachte die Europapokalplätze aus den Augen. Der schwach in die Saison gestartete italienische Rekordmeister Juventus Turin findet allmählich seinen Rhythmus. Ohne Sami Khedira, der auch im Champions-League-Spiel gegen Manchester City ausfällt, besiegte Juventus am 13. Spieltag den AC Mailand mit 1:0 (0:0). Dank des Treffers von Paulo Dybala (65.) schob sich Juve nach dem dritten Sieg in Folge mit 21 Punkten an Milan (20) vorbei. Bei Khedira brach laut Juventus nach der Rückkehr von der Nationalelf eine alte Verletzung wieder auf. In einer Woche soll der 28-Jährige laut Trainer Massimiliano Allegri wieder voll belastbar sein. Nach dem 2:2 des AC Florenz gegen den FC Empoli übernahm Inter Mailand (30) die Tabellenführung durch ein 4:0 (1:0) gegen Aufsteiger Frosinone Calcio. Der AS Rom verpasste es dagegen, aus dem Patzer der Fiorentina Kapital zu schlagen. Die Mannschaft von Antonio Rüdiger, der 90 Minuten durchspielte, kam beim FC Bologna über ein 2:2 (0:1) nicht hinaus und ist Vierter (27). Klose (37) hat in seiner fünften Saison für Lazio erst fünf Liga-Spiele bestritten, bis Anfang Oktober war er wegen einer Oberschenkelverletzung ausgefallen. Zuletzt hatten italienische Medien über das Interesse von US-Klubs an Klose berichtet. Der 137-malige Nationalspieler könnte bereits im März in die Major League Soccer wechseln. Fußball, Süper Lig: Mario Gomez hat mit Besiktas Istanbul die Tabellenspitze in der türkischen Süper Lig verteidigt. Der Nationalstürmer traf am Sonntag beim 2:0 im Heimspiel gegen Sivasspor in der 44. Minute per Elfmeter zur Führung, für Gomez war es bereits der neunte Saisontreffer. Den Sieg sicherte Oguzhan Özyakup in der Nachspielzeit. Besiktas liegt nach dem zwölften Spieltag mit zwei Punkten vor Fenerbahce Istanbul. Bereits sieben Zähler zurück ist Meister und Pokalsieger Galatasaray als Tabellendritter. Eisschnellauf, Salt Lake City: US-Eisschnellläuferin Brittany Bowe hat am Sonntag über 1000 Meter für den vierten Weltrekord beim Weltcup in Salt Lake City gesorgt. Sie verbesserte in 1:12,18 Minuten die erst vor einer Woche in Calgary aufgestellte Bestmarke ihrer Teamgefährtin Heather Richardson-Bergsma um 0,33 Sekunden. Richardson hatte im Gegenzug erst am Samstag Bowe als Weltrekordlerin über 1500 Meter entthront. Eine starke Leistung lieferte Gabriele Hirschbichler ab. Die 31 Jahre alte Inzellerin verbesserte ihre persönliche Bestzeit in 1:14,68 Minuten gleich um 0,61 Sekunden und kam als Achte zu ihrer besten Weltcup-Platzierung seit fast fünf Jahren. Auch ihre Vereinsgefährtin Roxanne Dufter stellte in 1:15,45 Minute auf Platz 17 eine neue persönliche Bestleistung auf.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-bayern-rummenigge-trainer-kommen-trainer-gehen-1.2755310
mlsum-de-375
Athens Regierung ist mit Finanzkrise und den Flüchtlingen überfordert. Warum die Geldgeber trotz des Reformstaus gelassen bleiben.
Aus Oktober wird März - vielleicht sogar Juli. In Berlin und Brüssel rechnen Unterhändler damit, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis überprüft werden kann, ob Griechenland die Auflagen erfüllt hat, die dem Land gemacht wurden, damit es die nächste Kredittranche erhalten kann. Ursprünglich war die erste Überprüfung bereits für Oktober 2015 vorgesehen gewesen. Anders als in früheren Jahren nehmen die Kreditgeber die Verspätung in Athen jedoch erstaunlich gelassen hin: Der nächste wirklich wichtige Termin sei der 20. Juli, wenn die griechische Regierung einige Milliarden Euro an die EU-Kreditgeber zurückzahlen müsse, sagte ein EU-Diplomat am Mittwoch, einen Tag vor dem Treffen der Euro-Finanzminister. Bis dahin habe die griechische Regierung prinzipiell Zeit, die zugesagten Reformen umzusetzen. Die Modernisierung der griechischen Verwaltung ist trotz vielfältiger Hilfe unter anderem aus deutschen Bundesländern wieder ins Stocken geraten, auch, weil das eigens dafür eingesetzte griechische Führungspersonal inzwischen zuerst den Aufbau der Auffanglager für Flüchtlinge, die sogenannten Hotspots, koordinieren soll. Die Modernisierung des Rentensystems kommt nicht voran. Der Konflikt, dass die Renten zwar vergleichsweise zu hoch, andererseits aber oft wegen eines fehlenden Sozialsystems das einzige Einkommen für ganze Familien sind, erscheint weiterhin unauflösbar. In Griechenland legen Generalstreiks gegen die Rentenreform den Alltag lahm, während die Kreditgeber darauf bestehen, diese durchzuziehen. Die Börse in Athen reagiert seit einigen Tagen stark verunsichert. Kommt der IWF wirklich an Bord? Und was ist eigentlich mit dem Privatisierungsfonds? Nach wochenlangen massiven Protesten in Griechenland rief Ministerpräsident Alexis Tsipras am Mittwoch eindringlich zum Dialog auf. Nur so könne es eine Lösung geben, beschwor er die Demonstranten in einer vom Staatsfernsehen übertragenen Rede. Ausführlich legte Tsipras die aktuellen Schwierigkeiten des Landes dar: von der Flüchtlingskrise über die notwendigen Reformen bis hin zu möglichen Neuwahlen. "Bestimmt gibt es Spielraum für wesentliche Verbesserungen", sagte er an die Landwirte gewandt und fügte hinzu: "Wir sind bereit, mit allen, sowohl Freiberuflern als auch Bauern, zu reden." Tsipras warnte jedoch erneut, dass das Rentensystem zusammenbreche, wenn es nicht reformiert werde. Die griechischen Bauern, aber auch Staatsbedienstete, Seeleute, Rentner und andere protestieren seit Wochen gegen die harten Einschnitte, die durch die Rentenreform und weitere Steuererhöhungen auf sie zukämen. Die Landwirte etwa sollen künftig fast dreimal so hohe Rentenbeiträge zahlen wie bisher. Zudem sollen agrartypische Steuererleichterungen, wie es sie auch in anderen europäischen Ländern üblich sind, gestrichen werden. Angesichts der anhaltenden Finanz- und Flüchtlingskrise sagte ein EU-Diplomat: "Der griechischen Regierung droht die Kontrolle über das Land zu entgleiten." Tsipras müsse weiter reformieren und den Gläubigern zeigen, dass er es ernst meine. Detailansicht öffnen SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg Aus deutscher Sicht besonders heikel ist, dass der von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Tsipras in zähen Verhandlungen vereinbarte Fonds zur Privatisierung griechischer Staatsbetriebe noch nicht einmal auf dem Papier besteht. Der Fonds war in der langen Nacht des 12. auf den 13. Juli, als Griechenland nur um Haaresbreite dem Rauswurf aus der Euro-Zone entging, der entscheidende Punkt gewesen, um die Bundesregierung zur Zustimmung weiterer Milliardenhilfen zu bewegen. Insgesamt 86 Milliarden Euro wurden bewilligt; diese Summe sinkt allerdings auf etwa 66 Milliarden Euro, weil die nicht verbrauchten Kredite zur Rettung griechischer Banken abgelaufen sind und deshalb von der Gesamtsumme abgezogen werden können. Das Konzept für den Fonds hätte jedenfalls bereits im Oktober 2015 stehen sollen, Ende vergangenen Jahres hätte er dann die Arbeit aufnehmen sollen. Die griechische Regierung hatte sich verpflichtet, Staatsbetriebe im Wert von ungefähr 50 Milliarden Euro in den Fonds zu überführen und diese nach und nach zu privatisieren, um mit den Erlösen Schulden zurück zu zahlen und zu investieren. Weil Merkel diesen Fonds persönlich durchgesetzt hat, ist dessen Einrichtung aus deutscher Sicht wiederum nicht verhandelbar. An ihm hängt die Glaubwürdigkeit der Bundeskanzlerin. Und sie hängt auch daran, dass es gelingt, den Internationalen Währungsfonds (IWF) davon zu überzeugen, sich finanziell am dritten Griechenland-Programm zu beteiligen. Die Bundesregierung hat ein Engagement des IWF zur Voraussetzung für jegliche weiteren Kredite an Athen gemacht - bisher allerdings steht die Zusage des Fonds aus Washington noch aus. Der IWF macht sie davon abhängig, dass es der griechischen Regierung gelingt, seine Schulden langfristig tragfähig zu machen. Entweder durch sparen und reformieren - oder durch einen Schuldenschnitt zulasten der Euro-Länder. Weil Berlin aber letzteres ablehnt und ersteres zugleich nicht vorankommt, ist auch weiterhin der IWF nicht an Bord. Ohne den Fonds aber wird sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hüten, das Parlament in Berlin um weitere Kredite für Griechenland zu bitten. Auch daraus erklärt sich die Gelassenheit der Bundesregierung auf die neuerlichen Verzögerungen in Athen: solange die griechische Regierung nicht liefert, muss Schäuble nicht in den Bundestag. So können die Landtagswahlen im März in relativer Ruhe über die Bühne gehen; und danach sind weitere Monate Zeit, um die Entwicklungen abzuwarten. Eines ist sicher: Der Konflikt mit dem IWF wird bleiben. Der Fonds fordert bereits jetzt noch härtere Einsparungen als von den Gläubigern im Sommer beschlossen. Aus Sicht des IWF müsste die Rentenreform zusätzlich neun Milliarden Euro einbringen. Das ginge aber nur, wenn die Regierung all jene Renten kürzt, die ohnehin schon beschnitten wurden.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kredite-gegen-reformen-griechische-wochen-1.2857684
mlsum-de-376
Erstmals zeigt die Notenbank des Landes eine Kanadierin groß auf einem Geldschein. Dieser wurde ein Kinobesuch zum Verhängnis.
Als das schwarze Tuch von der Tafel fiel, gab Wanda Robson einen kurzen Jauchzer von sich: Soeben hatte sie im kanadischen Halifax die neue Zehn-Dollar-Note im Großformat enthüllt. Darauf zu sehen ist fortan ihre 1965 verstorbene Schwester Viola Desmond - Kanadas Vorkämpferin gegen Rassentrennung. Die 91-jährige Robson erzählte später, dass sie "sprachlos" gewesen sei, was bei ihr nur selten vorkomme. Mit der neuen Banknote ehrt Kanada eine Frau mit besonderer Geschichte, die allerdings auch vielen Kanadiern bislang nicht bekannt war. Die 1914 geborene Desmond hatte eine weiße Mutter und einen schwarzen Vater. Früh schon machte sie Bekanntschaft mit den Folgen der Rassentrennung: Desmond, eigentlich Lehrerin, wollte Friseurin und Kosmetikerin werden, konnte aber aufgrund ihrer Hautfarbe in ihrer Geburtsstadt Halifax keine entsprechende Ausbildung machen. Sie zog weg, holte die Ausbildung in Montréal, New York und Atlantic City nach. Später wurde sie eine erfolgreiche Geschäftsfrau - gründete eine Kosmetikschule und vertrieb eigene Schönheitsprodukte. Verhängnisvolle Autopanne Dass sie nun auf dem Geldschein landet, ist Folge einer Autopanne an einem Novemberabend 1946 in New Glasgow. Da sie nicht mehr weiterfahren konnte, ging sie in ein Kino. Desmond kaufte eine Eintrittskarte und wollte im Hauptraum Platz nehmen. Doch ihr wurde gesagt, dass "Leute wie sie" nur auf dem Balkon sitzen dürften. Erst da begriff sie, dass in dem Kino ungeschriebene Gesetze galten und es um ihre Hautfarbe ging. Sie weigerte sich, auf den Balkon zu gehen und setzte sich wie geplant in den unteren Zuschauerraum. Natürlich ging das nicht gut: Die Polizei wurde gerufen, Desmond aus dem Kino gezerrt und am Ende wegen Hinterziehung von Vergnügungssteuer in Höhe von einem Cent verurteilt. Zwölf Stunden saß sie im Gefängnis. Erst posthum, 2010, entschuldigte sich die Regierung. Bei der Gestaltung des Scheins zeigt sich die Notenbank, die Geldscheine mittlerweile aus Plastik herstellt, noch einmal experimentierfreudig: Desmond wird im ungewöhnlichen Hochformat dargestellt und kommt so viel besser zur Geltung. Sie ist übrigens auch die erste Kanadierin allein auf einem Geldschein. Bisher galt die Aufmerksamkeit der Notenbank vor allem Vertreterinnen des britischen Königshauses, das formell noch immer für Kanada zuständig ist.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/geld-warum-kanadas-neue-geldnote-besonders-ist-1.3902548
mlsum-de-377
Eher schmucklos entledigt sich München in der Champions Hockey League des slowakischen Gegners Kosice. Der EHC qualifiziert sich als erstes deutsches Team für die K.o.-Phase des Wettbewerbs.
Die Ehrenrunde war vorbei, die Spieler schon wieder auf dem Weg in die Kabine, da war aus der Nordkurve der Münchner Olympia-Eishalle eine lautstarke Forderung zu vernehmen. "Danny, tanzen" hallte es durch das Stadion - und Danny tat, was die Fans des EHC München von ihm forderten: Er tanzte. Danny aus den Birken hatte am Freitagabend allen Grund dazu. Der neue Münchner Torhüter hatte beim Premieren-Heimspiel des EHC in der Champions Hockey League (CHL) seinen Kasten sauber gehalten und so großen Anteil am 1:0-Erfolg über den slowakischen Rekordmeister HC Kosice, den Mads Christensen mit seinem Treffer in der 52. Spielminute sicherte. Für die Mannschaft von Trainer Don Jackson war es der dritte Sieg im dritten Spiel der Königsklasse. Damit feierte der EHC eine weitere Premiere: Er machte bei seiner ersten CHL-Teilnahme den Einzug in die K.o.-Phase klar - und das als erster deutscher Vertreter überhaupt in diesem Wettbewerb. In der Premierensaison der CHL waren im letzten Jahr alle sechs deutschen Teams bereits in der Gruppenphase, zum Teil sang- und klanglos, ausgeschieden. Die neugegründete Königsklasse war für die deutschen Teilnehmer, von denen fünf Gruppenletzte wurden, nicht mehr als ein Vorbereitungsturnier für die Liga. Die deutschen Klubs finden allmählich Gefallen am Wettbewerb Das scheint sich in dieser Saison geändert zu haben. Der 20-jährige EHC-Angreifer Dominik Kahun sagt frech: "Wir wollen sie gewinnen." Und auch aus Skandinavien gab es dieser Tage Signale in diese Richtung. Dort verlor der ERC Ingolstadt zwar 2:4 gegen die Växjö Lakers, bot dem schwedischen Meister dabei aber einen großen sportlichen Kampf. Erst 23 Sekunden vor Spielende machten die Schweden mit einem Schuss ins leere Tor alles klar, kurz zuvor hatte der ERC in doppelter Überzahl sogar noch auf den Ausgleich gedrängt. "Wahrscheinlich haben die meisten gedacht, dass es ein Schützenfest gegen uns wird", sagte Ingolstadts Verteidiger Benedikt Schopper, "aber das haben wir sehr gut verhindert." Vergangene Saison waren beide CHL-Finalisten und drei der vier Halbfinalisten aus Schweden gekommen. Neben dem EHC München, der nach drei Spieltagen eine von nur vier Mannschaften mit einer makellosen Bilanz ist, führt auch Meister Mannheim seine Vorrundengruppe an. Ingolstadt und Düsseldorf haben auch schon Siege gefeiert und gute Chancen aufs Weiterkommen. München scheint an Torwart Zepp interessiert zu sein Vom Glanz und Glamour der Fußball-Königsklasse hat die CHL trotzdem noch nichts, die Siegprämien bewegen sich im einstelligen Tausender-, nicht im Millionenbereich. Eine Parallele gibt es allerdings: Die Organisatoren brauchen den deutschen Markt. Der Schweizer CHL-Geschäftsführer Martin Baumann betont, dass Deutschland eine "wichtige Rolle im kulturellen Wandel unseres Sportes" spiele. "Das, was Spanien, Deutschland und Italien für die Fußball-Champions-League sind, muss Deutschland auch für die CHL werden", erklärt er. Die deutschen Teilnehmer seien "unerlässlich für den Erfolg dieses Wettbewerbs". Baumann ist vor allem auf gute TV-Zahlen im Kernmarkt Deutschland angewiesen, damit das Produkt CHL im zweiten Jahr auf die Beine kommt. Die erfolgreichen Auftritte des EHC München dürften Baumann also freuen. Und auch die Münchner haben Lust auf mehr bekommen: "Wir haben noch einen langen Weg vor uns", sagt Jackson. Seine Spieler sind darauf eingestellt, dass in der K.o.-Runde, die am 22. September mit dem Hinspiel im Sechzehntelfinale beginnt, "brutale Kaliber" (Uli Maurer) und "Kracher" (aus den Birken) auf sie zukommen werden. Für Aufsehen könnte aber auch der EHC sorgen - und zwar auf dem Transfermarkt. Trotz der starken Leistungen von Danny aus den Birken macht der Name des deutschen Nationaltorhüters Rob Zepp, der vergangenes Jahr noch in der NHL gespielt hat, als möglicher Münchner Zugang weiterhin die Runde. Jackson wollte die Gerüchte am Freitag nicht wirklich kommentieren, sagte aber: "Jeder weiß, dass Rob auf dem Markt ist." Jackson hat in Berlin lange und erfolgreich mit dem 33-jährigen Torwart zusammengearbeitet. Ob bald Zepp in München tanzt?
https://www.sueddeutsche.de/sport/eishockey-nuechterne-premiere-1.2626699
mlsum-de-378
Hamburgs Wissenschaft ist ein heißes Pflaster - 19 Hochschulen auf engstem Raum, riesige Erwartungen. Die grüne Senatorin Katharina Fegebank wählt einen Kurs des Ausgleichs. Zu ausgeglichen?
Den Präsidenten der Universität Hamburg persönlich zu sprechen, ist nicht ganz einfach. Dieter Lenzen beantwortet Pressefragen zur Hochschulpolitik lieber via E-Mail, was an seinem vollen Terminkalender liegen mag - aber vielleicht auch an der Sorge, im Gespräch missverstanden zu werden. Auf die Fragen zum Stil der grünen Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank antwortet Lenzen jedenfalls schriftlich. Und zwar mit einem Text, der in Teilen wie Fegebank-PR klingt. "Die neue Senatorin Fegebank hat einen neuen Politikstil etabliert, der die Zusammenarbeit zwischen der Universität und der Politik ihrer Behörde erleichtert", schreibt Lenzen und lobt die "offene Persönlichkeit der Senatorin" sowie deren "optimistische, nach vorne schauende Politik des Bekräftigens und Anerkennens von Leistungen der Universität". Ist das noch der Lenzen, der im Sommer 2014 vernehmlich über ein Strategiepapier der Wissenschaftsbehörde fluchte ("verdammt noch mal")? Der die Gebäude seiner Uni "Ruinen" nannte und damit die Regierenden im Hamburger Rathaus um Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) empörte? Oder hat Katharina Fegebank als Nachfolgerin der sozialdemokratischen Senatorin Dorothee Stapelfeldt tatsächlich einen neuen Frieden hergestellt zwischen Uni und Behörde? Kann man an der Alster ein gutes Jahr nach der Bürgerschaftswahl, nach der sich die zuvor alleinregierende SPD einen Partner suchen musste, schon die Folgen grüner Wissenschaftspolitik besichtigen? In den Bundesländern zeichnen mittlerweile drei grüne Frauen für Wissenschaft verantwortlich Hamburg ist kein Universitätsstandort wie jeder andere. Hafen und Handel haben die Tradition der Stadt geprägt. Die größte Universität am Ort ist relativ jung, gegründet 1919, und wie viele andere sanierungsbedürftig. Der Allgemeine Studierenden-Ausschuss (Asta) mit seiner kommerzkritischen Einstellung ist hier stark. Insgesamt 19 Hochschulen bringen auf engem Raum ihre Interessen ein. Gleichzeitig gilt die Wissenschaft als Zukunftsmarkt. Unter dem Schlagwort "Innovation" will der Stadtstaat sie als zweite Säule neben dem Hafen etablieren. Ansprüche prallen aufeinander, die man erst mal moderieren muss. Und in dieser Situation scheint es sich auszuzahlen, dass nicht eine Leitfigur aus der eingesessenen Hamburger Sozialdemokratie die Debatten führt. Sondern eine junge Grüne, die Lust aufs Neue hat. Katharina Fegebank, 39, sitzt in ihrem zweckmäßig eingerichteten Büro, das im Gebäude eines riesigen Einkaufszentrums an der Hamburger Straße liegt. Sie umgibt wieder diese seltsame Aura von Staatsfrau und großem Mädchen, wegen der man sie leicht unterschätzt. Katharina Fegebank besitzt die seltene Gabe, jung und gesetzt zugleich zu erscheinen. Bei den Koalitionsverhandlungen im Frühjahr 2015 mit der SPD fanden sie manche Außenstehende noch etwas zu arglos. Aber jetzt, da sie Senatorin und zweite Bürgermeisterin ist, hat es Charme, dass sie nicht als abgebrühte Behörden-Matrone auftritt, sondern interessiert und frisch wirkt. Sie sieht sich als Vertreterin eines grünen Politikstils, der sein Heil im Respekt vor dem anderen sucht. Eine Zwischenbilanz auf Kosten der Vorgängerin ist deshalb von ihr nicht zu erhalten; zumal Dorothee Stapelfeldt Kollegin im rot-grünen Senat ist, zuständig für Stadtentwicklung. "Wir setzen auf viele Initiativen, die schon in der letzten Legislatur begonnen wurden", sagt Fegebank, ehe sie vorsichtig erklärt, wie sie die Stimmung in der Hamburger Wissenschaftswelt veränderte. "Ich bin sehr unvoreingenommen in mein Amt gegangen und habe mich sehr lange mit den Hochschulen und ihren jeweiligen Problemen auseinandergesetzt. Das hat vermutlich dazu geführt, dass die Hochschulen sich ernst genommen gefühlt haben." Asta-Politik und grünes Milieu, da gibt es Überschneidungen. Dennoch: Studierende grummeln Die Wissenschaft gilt nicht unbedingt als grünes Fach. Aber Katharina Fegebank findet, dass es durchaus eines ist. Neben Theresia Bauer (Baden-Württemberg) und Gabriele Heinen-Kljajić (Niedersachsen) ist sie inzwischen eine von drei grünen Ressort-Chefinnen. Sie alle setzen auf produktive Allianzen autonomer Unis als Stützen einer freiheitlichen Gesellschaft. "Wir hören zu", sagt Fegebank, "wir reden. Wir bilden Netzwerke. Wir geben unseren Universitäten und Hochschulen die Freiheit, sich zu entwickeln, und sehen uns verantwortlich dafür, einen geeigneten Rahmen zu setzen." Mit Vertrauen und Kommunikation hat Fegebank Hamburgs Wissenschaft anscheinend auf Linie gebracht. Die Frage ist nur, was daraus erwächst. "Zu den Problemen der Wissenschaft in Hamburg gehören neben der Unterfinanzierung ein misslungenes Hochschulgesetz aus der Vergangenheit und ein kontinuierliches Imageproblem", schreibt Lenzen. Daran kann Fegebank nicht so leicht rütteln. Schon in den Koalitionsverhandlungen hat sie einsehen müssen, dass manche Forderungen aus dem Wahlkampf nicht einzulösen sind. Und nicht jeden überzeugt ihr Kurs des Ausgleichs. Mit Trillerpfeifen und Plakaten ziehen Studierende der Universität vom Bahnhof Dammtor zum Rathaus. Die Studiengänge der Holzwirtschaft sollen weggespart werden - dagegen demonstrieren sie an diesem ersten Dienstag im Mai. Und gegen das Förderprogramm Exzellenzinitiative, weil es die Breitenbildung schwäche. Fegebanks versöhnliche Art kommt hier offenbar nicht an. Franziska Hildebrandt aus dem Asta-Vorstand, die natürlich mitmarschiert, klingt nicht begeistert, wenn sie von der Senatorin spricht. "Da ist keine Agenda, keine Strategiebildung." Viele Grüne sind im Asta. Trotzdem. Hildebrandt verteilt keine Gefälligkeiten. "Dieses Verständnisvolle ist am Anfang ganz gut, aber mal gucken, wie weit es geht", sagt sie. Verbesserungen im Vergleich zur Vorgängerin? "Man konnte sich an Stapelfeldt mehr reiben, weil die eine starke politische Position bezogen hat. Es ist ein bisschen schwierig, sich an Katharina Fegebank zu reiben, weil sie keine Position bezieht, die Konflikte birgt." Die Asta-Vertreterin klingt so, als könne ihr die nette Senatorin Fegebank bisweilen ziemlich auf die Nerven gehen.
https://www.sueddeutsche.de/bildung/hochschulpolitik-halb-staatsfrau-halb-maedchen-1.2978225
mlsum-de-379
Die Bundesregierung warnt: Wer nicht schon jetzt zusätzlich vorsorgt, wird im Alter finanzielle Probleme bekommen.
Wer nicht rechtzeitig vorsorgt, wird im Alter Probleme bekommen, das Rentnerdasein, wie auf diesem Wandbild in Bremen, zu genießen. Viele Bürger werden im Ruhestand nicht ausreichend finanziell abgesichert sein, wenn sie nicht selbst mehr für ihre Altersvorsorge tun. Davor warnt die Bundesregierung in ihrem "Alterssicherungsbericht 2016". Das Versorgungsniveau der zukünftigen Rentner werde "ohne zusätzliche Altersvorsorge in den kommenden Jahren deutlich zurückgehen". Dabei bestehe vor allem für Geringverdiener "ein erhebliches Risiko. Wird in diesem Einkommensbereich nicht zusätzlich für das Alter vorgesorgt, steigt das Risiko der Bedürftigkeit im Alter stark an", heißt es in der neuen Regierungsanalyse, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Der Bericht, den das Bundesarbeitsministerium alle vier Jahre erstellt, dürfte neuen Stoff für die Diskussion um die besten Rezepte im Kampf gegen zukünftige Altersarmut liefern. So geht aus dem 258 Seiten starken Dokument hervor, dass die gesetzliche Rente immer noch die größte Bedeutung für die Versorgung der alten Menschen hat. Anfang 2015 waren etwa 17 Millionen Personen in Deutschland 65 Jahre oder älter. Fast drei Viertel aller an diese Generation gezahlten Altersleistungen stammen aus der Rentenkasse. Viele haben aber Zusatzeinkünfte, knapp ein Drittel zum Beispiel aus der betrieblichen Altersvorsorge. Im Durchschnitt erhalten sie dadurch monatlich brutto 418 Euro. Auf diesem Niveau bewegen sich auch die ausgezahlten Zusatzrenten aus privaten Versicherungen. Am häufigsten verfügen Senioren neben der Rente oder der Pension aber über Zinseinkünfte. Ehepaare kassieren so im Westen immerhin 282 Euro monatlich, Alleinstehende 178 Euro. Deutlich höher sind die weniger verbreiteten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Ehepaare im Rentenalter erzielen damit Einnahmen von 947 Euro pro Monat. In dem Bericht wird hierzu angemerkt: "Personen mit Wohneigentum weisen ein deutlich höheres verfügbares Einkommen auf als Mieter." Männer haben mehr als Frauen - und Beamte am meisten Das Zahlenwerk beruht auf der Erhebung "Alterssicherung in Deutschland", die laut Bundesregierung "umfangreichste repräsentative Datenquelle zur Einkommenssituation der deutschen Bevölkerung im Alter". Dafür hat TNS Infratest Sozialforschung 2015 mehr als 30 000 Bürger befragt und deren Angaben auf die Bevölkerung hochgerechnet. Der Bericht zeichnet das Bild einer Generation, die überwiegend recht gut versorgt erscheint. Auffällig sind jedoch die Einkommensunterschiede. So haben Männer mit einem Alterseinkommen von netto durchschnittlich gut 1700 Euro fast 600 Euro mehr als Frauen. Erwähnt wird ebenfalls das "überdurchschnittliche Alterseinkommen" von Beamten. Deren Pensionen seien mit durchschnittlich netto 2300 Euro höher als die Leistungen anderer Versorgungssysteme. Die Regierungsanalyse weist auch darauf hin, dass die Alterseinkommen bei Selbständigen "deutlich ungleichmäßiger verteilt" seien als bei abhängig Beschäftigten. Fast die Hälfte der ehemals Selbständigen verfüge über ein Nettoeinkommen von weniger als 1000 Euro. Deshalb erwägt Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), eine Vorsorgepflicht für Selbständige einzuführen.
https://www.sueddeutsche.de/geld/alterssicherung-die-rente-allein-wird-oft-nicht-mehr-reichen-1.3221386
mlsum-de-380
Parteichef Martin Schulz zeigt sich nach einer intensiven Debatte mit Delegierten in Düsseldorf ebenfalls leicht hoffnungsvoll - und auch aus Stuttgart kommen positive Signale für Verhandlungen mit der Union.
Die Hamburger SPD hat sich für Gespräche über eine Neuauflage der großen Koalition im Bund ausgesprochen. In einem Beschluss empfiehlt der Landesvorstand "einvernehmlich die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, CDU und CSU". Das teilte Pressesprecher Lars Balcke nach einer Sitzung des Landesvorstands mit. Die Hamburger SPD stellt 15 der insgesamt 600 Delegierten des Sonderparteitags in Bonn. Der soll an diesem Sonntag entscheiden. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, der zugleich stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender ist, hatte sich bereits früh auf die Seite der Befürworter von Koalitionsverhandlungen gestellt. SPD-Chef Martin Schulz war am Dienstagabend in Düsseldorf, um für die Aufnahme der Verhandlungen zu werben. Nach dreieinhalbstündiger Diskussion mit Parteitagsdelegierten zeigte er sich hoffnungsvoll. Die Debatte sei intensiv, emotional und auch kontrovers verlaufen, sagte Schulz. "Ermutigend" sei gewesen, "dass wir durch den Austausch der Argumente mehr zusammenkommen als auseinandergehen". Er habe ähnlich wie in Dortmund am Vortag viel Nachdenklichkeit am Ende der Diskussion gespürt. "Das lässt mich hoffen, dass wir in großer Geschlossenheit auf dem Parteitag mit einem Mandat ausgestattet werden, in diese Koalitionsverhandlungen einzutreten." Vor dem Hotel, in dem sich die Genossen trafen, wurden die Teilnehmer der Diskussion mit Trommeln, Protestrufen und -plakaten der Jusos empfangen, die lautstark gegen eine Neuauflage der großen Koalition protestierten. In Stuttgart beschäftigten sich die baden-württembergischen Sozialdemokraten ebenfalls mit dem Thema. SPD-Landeschefin Leni Breymaier sagte, sie sehe nach einer kontroversen Debatte im Landesparteivorstand eine leichte Tendenz für die Aufnahme der Gespräche. Sie werde Schulz ein Signal geben, das kein schlechtes sei. "Ich habe ein gutes Bauchgefühl", sagte Breymaier, die für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen ist. Die Stimmung in der Vorstandssitzung sei "kritisch-konstruktiv gewesen." Es habe keine Probeabstimmung gegeben. Die Südwest SPD entsendet 47 Delegierte zum Sonderparteitag am Sonntag in Bonn.
https://www.sueddeutsche.de/politik/spd-hamburger-spd-stimmt-fuer-koalitionsverhandlungen-1.3828767
mlsum-de-381
Viele Menschen fürchten um ihren Lebensstandard. Vielleicht wird die Angst davor geringer, wenn man mal eine grundsätzliche Frage stellt.
Wenn man sich aussuchen könnte, wie das Leben im Alter sein soll, wünschte man sich natürlich ein Szenario wie in den Liedern von Udo Jürgens oder in diesen Werbespots für Bausparverträge: Man läuft fit und vital durch den Garten, ständig umgeben von Enkeln und Kuchen und strahlend weißer Wäsche. Man hat sich ein ausgefallenes Verkehrsmittel zugelegt, wahlweise ein Segelboot, ein Cabrio oder eine Harley. Man geht tanzen, schminkt sich die Lippen barbiepink und ist stets in spektakulären Glanz gehüllt, weil man immer all seine Schmuckstücke gleichzeitig trägt. Die Idee von der reduzierten Eleganz hat man längst hinter sich gelassen, überhaupt schert man sich nicht mehr um Konventionen, es gibt keine Grenzen und keine Sorgen, schon gar keine finanziellen. Man kostet das Leben aus, unbeschwert und glücklich. Wäre das nicht super? In der Realität aber macht der Gedanke an das Leben im Alter den meisten Menschen Angst. Sie fürchten, später nicht nur keine Harleys und Cabrios anschaffen zu können - sie haben Angst, ihren Lebensstandard nicht halten zu können. Diese Angst ist die Triebfeder hinter allen Versuchen, für das Alter vorzusorgen. Das ist, um es deutlich zu sagen, absolut nachvollziehbar. Aber wenn man sich Gedanken über Vorsorge macht, ist es vielleicht auch sinnvoll, zunächst ein paar grundsätzlichere Fragen zu stellen: Was macht Lebensqualität eigentlich aus? Oder, noch ein bisschen deutlicher, was brauchen wir eigentlich? Trend zum Weniger In den vergangenen Jahren ist diese Frage in Mode gekommen, und eine häufige Antwort darauf ist Reduktion und Vereinfachung. Besonders unter jüngeren Menschen ist Minimalismus ein großes Thema geworden. Den Trend zum Weniger sieht man in allen Ausprägungen und Dimensionen: Da gibt es Beauty-Bloggerinnen, die sich schon minimalistisch nennen, wenn sie von 30 gleichen roten Lippenstiften nur noch drei behalten. Und es gibt Menschen, die ihren gesamten Besitz auf 100 Gegenstände begrenzt haben. Es gibt Leute, die sich in Konsumverzicht üben und andere, die versuchen, ihr Essen nur noch in einem Topf zu kochen, weil sie keinen zweiten mehr besitzen wollen, was man originell finden kann oder irre. Viel hat mit dem digitalen Fortschritt zu tun. Das Internet hat es möglich gemacht, Dinge in zuvor nicht gekannter Art und Weise zu teilen. Deswegen wollen viele junge Leute kein eigenes Auto mehr besitzen, sondern setzen lieber auf Carsharing-Dienste. Deswegen ist es einfach geworden, selten benutzte Gegenstände, vom Campingkocher bis zur Nähmaschine, einfach auszuleihen, statt damit den eigenen Keller vollzustellen. Interessant ist schon, dass offenbar viele Menschen die Reduktion ihres Besitzes und ihrer Konsumgewohnheiten als erleichternd empfinden. Die Freiheit von zu viel Zeug. Wenn man versucht, ein klares Bild von dem zu bekommen, was man wirklich braucht, wird das Ergebnis, natürlich, für jeden Menschen anders ausfallen. (Kochen mit einem einzigen Topf ist vermutlich nur für eine Minderheit eine interessante Option.) Sich bewusst zu machen, was man eigentlich alles nicht braucht, kann Besitztümer betreffen, genauso wie Konsumgewohnheiten, Rituale, möglicherweise auch Beziehungen zu bestimmten Menschen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/leben-im-alter-was-brauchen-wir-eigentlich-im-alter-1.3128162
mlsum-de-382
Die Google-Tochter Nest kommt in Deutschland mit einem Rauchmelder und zwei Überwachungskameras auf den Markt. Die wichtigste Frage dabei: Was passiert mit den gesammelten Daten?
Die Daten, na klar. Es geht um die Daten. Als das Internetunternehmen Google 2014 die Firma Nest Labs für stolze 3,2 Milliarden Dollar kaufte, da schien vielen klar zu sein, warum: Google verschaffe sich damit auch noch Zugriff auf die Daten aus dem vernetzten Heim. Sehr private Daten also, und so ist der Nest-Mitgründer und Chef der jetzigen Alphabet-Tochter, Matt Rogers, auch nicht überrascht, wenn die erste Frage im Gespräch mit ihm sich darum dreht, ob die denn auch an den Mutterkonzern fließen. "Die Daten werden nicht mit Google geteilt", verspricht Rogers, ohne zu zögern. Doch was, wenn Alphabet/Google sich das anders überlegt, so wie es Facebook mit dem Messenger-Dienst Whatsapp gemacht hat? "Dann würde das opt-in sein", sagt er, die Nutzer müssten dem also explizit zustimmen. Die Frage ist allerdings, ob Nutzer, die einen Rauchmelder für 120 Euro oder eine smarte Überwachungskamera für 200 Euro gekauft haben, diese dann aus Datenschutzgründen nicht mehr benutzen würden - oder bloß offline. Was kaum einen Sinn ergibt, denn die Produkte fürs Heim gelten ja vor allem deshalb als smart, weil man sie von unterwegs aus steuern kann, oder - wie im Fall von Sicherheitskameras - weil man per Smartphone checken kann, was zu Hause einen Alarm ausgelöst hat: War es die Putzhilfe oder doch ein Einbrecher? Nest, mit dem mächtigen Mutterkonzern Alphabet im Rücken, sieht sich als führende Marke für das smarte Heim, "unsere Produkte finden sich bereits in Millionen Wohnungen", sagt Matt Rogers. Wer wollte, konnte sich Nest-Geräte auch bisher schon bestellen. Mit der jetzigen Initiative wird das Unternehmen nun aber auch einen Vertrieb über den stationären Handel und Service aufbauen. Die Konkurrenz auf diesem Markt ist schließlich groß. Groß ist aber auch das Wachstumspotenzial. Sogar in Deutschland, wo es vielfach eine eher kritische Haltung gegen zu viel Technik im Haus gibt, kann sich gut die Hälfte von etwas mehr als 1000 Teilnehmern einer Befragung des Hamburger Marktforschungsinstituts Dr. Grieger vorstellen, einen smarten Assistenten zu Hause zu haben. Besonders Energie-Management und Sicherheit sind dabei wichtig, aber auch Entertainment-Systeme wie etwa vernetzte Lautsprecher. Auch die Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) registriert einen starken Aufwärtstrend in diesem Marktsegment, besonders bei den smarten Sensoren zur Überwachung des Hauses. Kein Wunder, dass mehr und mehr Firmen versuchen, an diesem Boom mitzuverdienen. Wie aber sich abheben von der Masse? Der legendäre Designer des ersten iPods, Tony Fadell, arbeitet zwar nicht mehr bei Nest, das er mitgegründet hat. Doch ein Blick auf die Produkte, mit denen Nest von Februar an den deutschen Markt erobern will, zeigt: Design ist immer noch enorm wichtig bei dieser Firma, schließlich kommt auch ihr jetziger Boss von Apple. Die Geräte, die man bei sich in der Wohnung aufstellt, sollen ja nicht nach Überwachung à la Bahnhofsvorplatz oder Flughafen aussehen. Design, merkt Matt Rogers an, bezieht sich aber nicht bloß auf die Geräte selbst, sondern auch auf die App, mit der man sie auf Smartphone oder Tablet steuert. Auch die sieht, zumindest auf den ersten Blick, sehr aufgeräumt aus und bietet komfortable Möglichkeiten, zum Beispiel durch die gespeicherten Video-Aufnahmen der Kamera zu navigieren. Nest ist es auch gelungen, das Versicherungsunternehmen Cosmos-Direkt, eine Tochter des Generali-Konzerns, als Partner zu gewinnen. Cosmos bietet reduzierte Policen für Versicherte an, die ihr Heim von Nest-Produkten überwachen lassen. Sicherheitsprodukte können selbst zum Risiko werden Produkte aus dem Internet der Dinge wie eben Überwachungskameras und Sensoren können allerdings auch selbst ein Sicherheitsrisiko sein. Die Magdeburger Firma AV-Test, die unter anderem auch Computer-Sicherheitssoftware unter die Lupe nimmt, kam in einer gerade veröffentlichten Untersuchung zu dem Ergebnis, dass von acht geprüften Sicherheitskameras nur drei gut geschützt waren gegen Angriffe über das Internet. Zwei der Geräte aus dem Test konnten leicht manipuliert und dazu benutzt werden, den Besitzer in dessen eigener Wohnung auszuspionieren. Das ist deshalb besonders schlimm, weil die Vorwürfe nicht neu sind - die Hersteller hätten diese Löcher also längst stopfen können. Nest - dessen Produkte in dem Test noch nicht berücksichtigt worden waren - sieht sich hier gut gerüstet. Denn im Mutterkonzern würden einige der besten Sicherheitsforscher arbeiten, "die machen regelmäßig Penetrationstests", sagt Nest-Chef Rogers, "auch unangekündigt". Zusammen würden dann eventuell gefundene Lücken beseitigt. Und dann auch als Update an die bereits im Einsatz befindlichen Geräte ausgeliefert. Auf dem europäischen Markt tritt Nest zunächst nur mit zwei Überwachungskameras, eine für innen, eine für außen, sowie ihrem Rauchmelder an. Die Kameras haben auch einen Lautsprecher, über den sich im Falle des Falles etwa ein Einbrecher abschrecken lasse, wie man bei Nest argumentiert. Per Smartphone kann man diesen Lautsprecher nutzen. Das erste Produkt des Unternehmens, ein Sensor, der die Lebensgewohnheiten seiner Besitzer erlernt und so selbständig die Raumtemperatur regelt, vertreibt Nest hier zumindest zunächst nicht. Dieser Bereich ist in Europa auch schon gut besetzt: Das Münchner Start-up-Unternehmen Tado etwa ist sehr erfolgreich mit seinen smarten Produkten zur Steuerung von Thermostaten und Heizungen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/smart-home-ich-sehe-dich-1.3336549
mlsum-de-383
Die Prognosen sind eindeutig: Bei der vorgezogenen Parlamentswahl in der Ukraine erringt das prowestliche Bündnis von Staatschef Petro Poroschenko einen Sieg, überraschend stark wird die Volksfront von Regierungschef Arseni Jazenjuk. Beide sehen sich in ihrem Europa-Kurs bestätigt.
Ukrainer bestätigen Poroschenkos Europa-Kurs Bei der Parlamentswahl in der Ukraine haben die prowestlichen Parteien am Sonntag laut Prognosen einen deutlichen Sieg errungen. Der Block des proeuropäischen Präsidenten Petro Poroschenko erhielt laut Nachwahlbefragungen 22 Prozent der Stimmen, die rechtsliberale Volksfront von Ministerpräsident Arseni Jazenjuk kam auf 21 Prozent - deutlich mehr als vorausgesagt. Es wird erwartet, dass er Ministerpräsident bleibt. Der Regierungschef kündigte eine Koalition seiner Volksfront mit dem Block von Präsident Poroschenko an. "Wir werden in Kürze eine Koalition bilden", sagte Jazenjuk. Poroschenko zeigte sich bei einer Wahlparty seines Parteibündnisses offen für eine Zusammenarbeit mit Jazenjuk. "Wenn man mich fragt, ob ich die Volksfront als Koalitionspartner sehe, dann sage ich eindeutig ja." Präsident Poroschenko bezeichnete das Ergebnis der Parlamentsneuwahl als Unterstützung seiner Europapolitik. "Drei Viertel der Wähler haben für den Westkurs der Ukraine gestimmt", sagte der Staatschef in Kiew. Das sei ein klarer Auftrag für die künftige Regierung. Zudem habe die Mehrzahl der Wähler für Parteien gestimmt, die seinen Friedensplan im Kampf gegen prorussische Separatisten unterstützen, erklärte Poroschenko. Poroschenko versprach auch die Einführung von EU-Standards und der Ukraine einen würdigen Platz in der Welt zu verschaffen. Bis 2020 wolle die Ukraine ihren EU-Beitrittsantrag einreichen, betonte Poroschenko. Der Staatschef rief die Wähler auf, die große Parteienvielfalt zu nutzen. "Stimmen Sie für die Ukraine - eine freie, einheitliche, unteilbare, europäische!", sagte er. Timoschenkos Vaterlandspartei rutscht ab, Samopomoschtsch überrascht Die prowestliche Vaterlandspartei der ehemaligen Regierungschefin Julia Timoschenko schaffte mit etwa 5,6 Prozent nur knapp den Einzug in die Rada, dem ukrainischen Parlament. Als größte Überraschung werteten Beobachter das Resultat der ebenfalls prowestlichen Partei Samopomoschtsch (Selbsthilfe) - die Liberalen kam laut Prognosen auf 13,2 Prozent der Stimmen - und damit auf Rang drei. Insgesamt kamen die prowestlichen Parteien auf etwa 70 Prozent der Stimmen. Die prorussische Partei des ehemaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch schaffte es den Prognosen zufolge mit fast acht Prozent ebenfalls ins Parlament. "Erstmals verfügen die demokratischen Kräfte in der Obersten Rada über die absolute Mehrheit", sagte der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko. Das offizielle Endergebnis der Wahl wird erst in zehn Tagen erwartet. Poroschenko kündigte bereits an, diese Zeit für Koalitionsverhandlungen nutzen zu wollen. Rechte Kräfte mit schlechtem Ergebnis Unerwartet schlecht schnitt der Rechtspopulist Oleh Ljaschko ab, seine Radikale Partei kommt letzten Prognosen zufolge auf 7,6 Prozent. In Umfragen vor der Wahl hatte er zuletzt an zweiter Stelle gelegen. Unsicher war am Montagmorgen zunächst, ob auch die rechte Partei Swoboda von Oleh Tjahnybok den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schafft. Die am Sonntag nach Schließung der Wahllokale veröffentlichen Prognosen hatten die Partei in der Obersten Rada gesehen, doch es wird knapp. Der als militant geltende Rechte Sektor scheiterte den Prognosen zufolge mit vermutlich weniger als zwei Prozent deutlich an der Fünfprozenthürde. Der radikale Flügel der Winterproteste auf dem Maidan spricht sich etwa für liberale Waffengesetze und ein massives militärisches Vorgehen gegen prorussische Separatisten im Osten des Landes aus. Kandidaten aus dem Präsidentschaftslager mit Steinen beworfen Während der Parlamentswahl sind drei prominente junge Kandidaten des Präsidentschaftslagers angegriffen worden, nachdem sie nach eigenen Angaben Anhänger eines Kandidaten aus dem Lager von Ex-Präsident Viktor Janukowitsch dabei gefilmt hatten, wie diese Wählerstimmten erkaufen wollten. Das Auto, in dem die drei saßen, wurde von sechs Männern mit großen Steinen beworfen, wie eine der Betroffenen, Switlana Salischtschuk, der Nachrichtenagentur AFP am Telefon schilderte. Die Polizei bestätigte die Attacke. Sie leitete Ermittlungen ein. Poroschenko will Konflikt in der Ostukraine friedlich lösen Unbesetzt bleiben die Sitze für die Wahlkreise der von Russland annektierten Halbinsel Krim und den nach Unabhängigkeit strebenden Regionen Donezk und Lugansk. Russland hatte sich im März die zur Ukraine gehörende Schwarzmeerhalbinsel Krim gegen internationalen Protest einverleibt. Die Separatisten planen eigene Wahlen für den 3. November, die von der EU aber nicht anerkannt werden. Am Samstag hatte Poroschenko noch einmal bekräftigt, den Konflikt in der teils von prorussischen Separatisten kontrollierten Ostukraine friedlich zu lösen. Eine "militärische Lösung der Probleme" könne es nicht geben, sagte Poroschenko. Zugleich kündigte er eine Aufrüstung der Armee an. Trotz der seit September in der Ostukraine verhängten Waffenruhe kommt es fast täglich zu blutigen Kämpfen in der Region. Behördenangaben zufolge kam es in Donezk am Samstag erst wieder zu Gefechten. Regierungschef Arseni Jazenjuk machte erneut Moskau für das Blutvergießen und die wirtschaftliche Not im Land verantwortlich. Russlands Präsident Wladimir Putin wolle den proeuropäischen Kurs der Ukraine stoppen, meinte Jazenjuk in Kiew. "An dem Trauma, das Russland verursacht hat, werden wir lange zu leiden haben", sagte er.
https://www.sueddeutsche.de/politik/wahl-in-der-ukraine-prowestliche-kraefte-gewinnen-deutlich-1.2191443
mlsum-de-384
Portugiesischer Linksverteidiger will in Lissabon bleiben, Wolfsburg erreicht das deutsche Eishockey-Finale, Augsburg verpasst Sprung an Zweitliga-Spitze, Stevens und Beiersdorfer entlassen. Sport kompakt
Die Grizzly Adams Wolfsburg haben das Finale der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) erreicht. Der Hauptrundensieger setzte sich in der Halbfinal-Serie gegen die Krefeld Pinguine mit 3:0 durch und spielt damit zum ersten Mal überhaupt um den Meistertitel. Den entscheidenden dritten Sieg errangen die Niedersachsen am Freitag in einem dramatischen Playoff-Fight in heimischer Halle: Die Truppe von Trainer Pavel Gross gewann 2:1 nach Verlängerung. Ken Magowan (7. Minute) und Kai Hospelt (87.) sorgten für den Erfolg der Grizzlys. Roland Verwey hatte den zwischenzeitlichen Ausgleich erzielt (29.). Im Endspiel treffen die Wolfsburger auf Düsseldorf oder Berlin. Der FC Augsburg hat auf dem Weg in die Fußball-Bundesliga den Sprung an die Tabellenspitze verpasst. Im bayerischen Derby am Freitag gegen die SpVgg Greuther Fürth kam die Mannschaft von Trainer Jos Luhukay nicht über ein 0:0 hinaus. Nach neun Spielen ohne Niederlage in der 2. Liga konnten die Schwaben den Abstand auf Spitzenreiter Hertha BSC Berlin auf einen Zähler verkürzen. Die Fürther wahrten mit dem Remis ihre Chance auf den Aufstiegs-Relegationsplatz. Der Rückstand auf den Tabellendritten VfL Bochum beträgt vier Punkte. Vor 30 035 Zuschauern erarbeiteten sich beide Teams nur wenige gute Möglichkeiten. Einfache Ballverluste und Missverständnisse verhinderten immer wieder den Spielaufbau. In einer temporeichen und kampfbetonten Partie scheiterten zunächst die Augsburger Marcel de Jong und Nando Rafael in einer Doppelchance an Fürth-Torhüter Alexander Walke (19.). In der 33. Minute war es dann wieder Stürmer Rafael, der völlig freistehend die Führung vergab. "Wir hätten hier gewinnen müssen", sagte FCA-Torhüter Simon Jentzsch nach dem Schlusspfiff. Auf der Gegenseite konnte Leonhard Haas zwei Kontermöglichkeiten der Fürther (31./55.) nicht nutzen. Für Fürth-Coach Mike Büskens ging das Unentschieden daher in Ordnung, "in der zweiten Halbzeit hatten wir sogar die Chancen, einen Dreier zu landen". Im Tabellenkeller bleibt der VfL Osnabrück nach einer Nullnummer gegen Schlusslicht Arminia Bielefeld weiter auf dem Relegationsplatz. Im bedeutungslosen Mittelfeldduell zwischen dem MSV Duisburg und Alemannia Aachen sammelten die Meidericher mit dem 3:2 (2:2)-Erfolg Selbstvertrauen für das Pokalfinale in sechs Wochen (21. Mai) in Berlin gegen Schalke 04. Der frühere Bundesliga-Coach Huub Stevens und der deutsche Ex-Nationalspieler Dietmar Beiersdorfer sind beim österreichischen Fußball-Meister Red Bull Salzburg entlassen worden. Das teilte der Klub am Freitagnachmittag mit. Salzburg zog mit der Trennung von seinem niederländischen Trainer und seinem Sportdirektor die Konsequenz aus dem enttäuschenden Verlauf der bisherigen Saison. Salzburg liegt neun Spieltage vor dem Saisonende auf dem dritten Platz und hat fünf Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Austria Wien. Damit hat Red Bull nur noch geringe Chancen auf den dritten Titelgewinn nacheinander. "Da gehört auch eine Portion Glück dazu - aber die haben sie ja anscheinend." (Fußball-Nationalspieler Bastian Schweinsteiger am Freitag in München auf die Frage, ob Schalke 04 nach dem 5:2 bei Inter Mailand auch die Champions League gewinnen könne) Weltmeister Sebastian Vettel hat sich nach seiner Gala-Vorstellung vom Saisonauftakt in Melbourne im freien Training von Kuala Lumpur mit Platz vier begnügt. Platz eins ging an Vettels australischen Teamkollegen Mark Webber, der in 1:36, 876 Minuten 214 Tausendstelsekunden schneller war als der 23-jährige Deutsche. Zwischen die beiden "Bullen" schoben sich die britischen McLaren-Piloten Jenson Button, dem nur fünf Tausendstelsekunden auf Webber fehlten, und Lewis Hamilton. Rekordweltmeister Michael Schumacher zeigte im Mercedes als Fünfter deutlich aufsteigende Tendenz, allerdings war er rund eine Sekunde langsamer als Vettel. Schumachers Teamkollege Nico Rosberg landete auf dem siebten Rang unmittelbar vor Nick Heidfeld, der nach einem Brems- und Aufhängungsschaden am Vormittag fast die komplette erste Trainingssitzung verpasst hatte. Adrian Sutil platzierte sich im Force-India-Mercedes auf Position 17, zwei Ränge vor Force-India-Testfahrer Nico Hülkenberg, der am Vormittag im Einsatz war. Timo Glock belegte im Virgin-Cosworth Position 21. Vor dem 2. WM-Lauf am Sonntag (10.00 Uhr MESZ) führt Vettel nach seinem Sieg in Melbourne in der Gesamtwertung mit 25 Punkten vor Hamilton (18). Fabio Coentrao hat dem Fußball-Rekordmeister Bayern München eine klare Absage erteilt. "Ich will nicht kontaktiert werden, will nicht angerufen werden. Ich gehe eh nicht ans Telefon. Ich bin genervt davon, ständig zu wiederholen, dass ich bleiben möchte", sagte der portugiesische Nationalspieler der Sporttageszeitung A Bola. Statt zu den Bayern zu gehen, möchte der 23 Jahre alte Linksverteidiger lieber beim portugiesischen Rekordchampion Benfica Lissabon bleiben. "Ich konzentriere mich auf Benfica, ich bin Spieler bei Benfica, dort habe ich einen Vertrag bis 2016. Ich liebe Benfica und bin glücklich hier", sagte Coentrao weiter, und ergänzte: "Ich kann nicht gehen, es wäre unfair gegenüber Benfica, wo man mir sehr geholfen hat. Ich muss dankbar sein." Coentrao galt beim FC Bayern als Ideallösung für die vakante Position links in der Viererkette. Möglich scheint allerdings auch, dass die Bayern sich für den niederländischen Nationalspieler Gregory van der Wiel von Ajax Amsterdam entscheiden. Der ist zwar Rechtsverteidiger, der auf dieser Position gesetzte Bayern-Kapitän Philipp Lahm könnte sich jedoch einen Wechsel zurück auf die linke Seite vorstellen, wie er in dieser Woche betonte. DFB-Präsident Theo Zwanziger hat in einem Verfahren gegen den früheren Schiedsrichter-Betreuer Manfred Amerell einen Sieg errungen. Das Oberlandesgericht Augsburg sah Äußerungen von Zwanziger gegenüber Amerell durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Der DFB-Präsident hatte die Affäre um Amerell und Schiedsrichter Michael Kempter zuvor in einen Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche gebracht. Gegen die Äußerungen von Zwanziger im Frühjahr 2010 hatte Amerell unter Hinweis auf die Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte geklagt und am 12. April des vergangenen Jahres zunächst eine Einstweilige Verfügung vor der 8. Zivilkammer des Landsgerichts Augsburg erwirkt. Die Richter beurteilten die Bemerkungen des DFB-Präsidenten damals als "unwahre Tatsachenbehauptungen". Juristisches Herzstück der Affäre bleibt allerdings die Auseinandersetzung vor dem Landgericht in Hechingen. Bei diesem Prozess geht es um die zentrale Frage, ob die intimen Kontakte zwischen Amerell und Kempter einvernehmlich waren oder unter Amerells Druck zustande kamen. Der Schwede Staffan Olsson ist als Nachfolger von Handball-Bundestrainer Heiner Brand im Gespräch. Der 47-Jährige könnte nach dem Abschluss der EM-Qualifikation im Juni das Amt von Brand übernehmen. Olsson soll aus dem Kreis der Handball-Bundesliga (HBL) für den Posten vorgeschlagen worden sein. "Es gibt einen Kreis von Kandidaten. Wir geben aber keine Wasserstandsmeldungen ab", sagte HBL-Vizepräsident Bob Hanning dem SID. Hanning gehört der nach dem WM-Debakel gegründeten Arbeitsgruppe Nationalmannschaft ("Task Force") an. Für Brand war sein Rücktritt nach dem elften Platz bei der WM in Schweden eigentlich schon beschlossene Sache. Zuletzt hatte er offen gelassen, ob er seinen bis 2013 laufenden Vertrag beim Deutschen Handball-Bund (DHB) erfüllen oder einen anderen Posten beim Verband übernehmen wird. Olsson hatte gemeinsam mit Ola Lindgren die schwedischen Handballer bei der WM im eigenen Land auf Platz vier geführt. Die Bundesliga hat im Kampf um den zweiten Platz in der Fünf-Jahres-Wertung der Europäischen Fußball-Union (UEFA) weiter Boden auf Spanien eingebüßt. Daran änderte auch das 5:2 von Schalke 04 im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League bei Inter Mailand nichts. Weil auch der FC Barcelona, Real Madrid und der FC Villarreal im Europapokal auftrumpften, baute Spanien (79,757) seinen Vorsprung auf Deutschland (68,936) auf 10,821 Punkte aus. Weil die Spanier im Ranking 2011/12 aus der Saison 2006/07 aber insgesamt 9,500 Punkte mehr als Deutschland verlieren, ist der zweite Platz für die Bundesliga dennoch in greifbarer Nähe. Durch den Triumph der Königsblauen liegt die Bundesliga weiter komfortabel vor Italien (60,552). England (84,642) führt die Wertung unangefochten an. Die deutsche Meisterin Elisabeth Seitz hat sich wenige Stunden vor dem Mehrkampf-Finale der Turn-Europameisterschaften in Berlin den kleinen Finger der linken Hand verletzt. Die 17-jährige Mannheimerin zog sich die Verletzung beim Training am Schwebebalken zu. Der Finger wurde umgehend wieder eingerenkt. Wie Cheftrainerin Ulla Koch mitteilte, sollte Seitz dennoch im Mehrkampf-Finale am Abend an den Start gehen können. In der Qualifikation hatte Seitz als Vierte ihre gute Form unterstrichen. Das Final Four der Handball-Champions-League in Köln ist auch in diesem Jahr ein Zuschauer-Magnet. 50 Tage vor dem Start des Vierer-Turniers in der Kölner Arena wurden bereits 17.500 Tickets verkauft. Die restlichen 2000 Karten können in der Woche nach der Halbfinal-Auslosung am 2. Mai direkt bei den vier besten europäischen Klubs erworben werden, wie die Europäische Handball-Föderation EHF am Freitag mitteilte. Damit ist davon auszugehen, dass die Veranstaltung wie im vergangenen Jahr ausverkauft sein wird. Für den Höhepunkt der "Königsklasse" am 28. und 29. Mai orderten Fans aus mehr als 25 europäischen Staaten Tickets, selbst aus Kanada wollen welche in die Domstadt kommen. Um den Einzug ins Final Four kämpfen mit Titelverteidiger Kiel (gegen den FC Barcelona), Bundesliga-Spitzenreiter HSV Hamburg (Medwedi Tschechow), der SG Flensburg-Handewitt (Ciudad Real) und den Rhein-Neckar Löwen (Montpellier) gleich vier deutsche Klubs. 800-m-Weltmeisterin Caster Semenya greift bei den Olympischen Spielen 2012 zweimal nach Gold. Die Südafrikanerin will in London neben ihrer Paradestrecke auch die 1500 m in Angriff nehmen. Semenya, die wegen ihres hohen Anteils an männlichen Hormonen elf Monate nicht starten durfte, wird schon bei den Weltmeisterschaften im südkoreanischen Daegu (27. August bis 4. September) auf der längeren Distanz starten. "Die Weltmeisterschaften sind mein vorrangiges Ziel in diesem Jahr", sagte Semenya, die 2009 in Berlin WM-Gold über 800 m geholt hatte und ihren Titel in Daegu verteidigen wird. An diesem Wochenende startet die 20-Jährige bei den südafrikanischen Landesmeisterschaften in Durban, bevor sie nach Europa kommt. Semenya war vor zwei Jahren durch ihren Titelgewinn schlagartig in die Weltspitze vorgedrungen, musste anschließend wegen der Zweifel an ihrem Geschlecht aber eine fast einjährige Zwanspause einlegen. Im Juli entschied der Leichtathletik-Weltverband IAAF dann, dass sie weiter als Frau starten darf. Bei Semenya gibt es laut Experten sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsmerkmale. Oliver Kreuzer hat seinen Vertrag als Sportdirektor des österreichischen Fußball-Bundesligisten Sturm Graz um zwei Jahre verlängert. Der gebürtige Mannheimer, ehemals Profi beim Karlsruher SC und beim FC Bayern München, soll die sportliche Verantwortung beim amtierenden Pokalsieger und derzeitigen Tabellenzweiten nun bis 2013 tragen. Der 45 Jahre alte Kreuzer ist seit 2008 Sportdirektor beim zweimaligen österreichischen Meister. Der ehemalige Nationaltorwart Joseph "Peppi" Heiß bleibt auch in der kommenden Saison in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) Co-Trainer beim EHC München. Der Vertrag des 47-Jährigen wurde um ein Jahr verlängert, teilte der Verein am Freitag mit. "Primär wird er sich weiter um die Arbeit mit unseren Torleuten kümmern", sagte Manager Christian Winkler.
https://www.sueddeutsche.de/sport/sport-kompakt-geisterspiel-einspruch-pauli-1.1082999
mlsum-de-385
Staatsanwälte haben die Zentrale der Privatbank M.M. Warburg durchsucht. Es geht um kriminelle Geschäfte in Höhe von mehr als 150 Millionen Euro.
Es gibt Banken, die stinken, weil sie dreckige Geschäfte gemacht haben. Und es gibt andere Geldinstitute mit einem anderen Habitus und einem anderem Aroma. Man könnte sagen: Sie riechen gut. Keine großen Skandale, keine negativen Schlagzeilen. Die Hamburger Privatbank M.M. Warburg zum Beispiel. 1798 gegründet. Warburg verwaltet Vermögen wohlhabender Kunden in Höhe von mehr als fünfzig Milliarden Euro. Ein angesehenes Haus mit viel Tradition. Eine geradezu viktorianische Diskretion ist die Regel, und fast weihevoll erklären die hanseatischen Bankiers ihre "Grundsätze": Sie fühlten sich der Gesellschaft "sozial und kulturell verpflichtet" und würden "ungezügelter Gier eine deutliche Grenze" setzen. Mehrere Führungskräfte unter Verdacht Ausgerechnet dieses exquisite Geldhaus soll in mutmaßlich kriminelle Aktiengeschäfte in Höhe von mehr als 150 Millionen Euro verwickelt sein. Nach Informationen von SZ, NDR und WDR hat die Kölner Staatsanwaltschaft vor gut vier Wochen die Hamburger Zentrale von M.M. Warburg durchsucht. Es geht wieder mal um Geschäfte mit dem sonderbaren Titel Cum und Ex. Dabei haben sich die offenbar grenzenlos Gierigen beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer vom Fiskus mehrmals erstatten lassen. Mehrere Führungskräfte der Hamburger Privatbank stehen nun unter Verdacht. Das Verfahren richtet sich gegen fünf Beschuldigte. Darunter Christian Gottfried Olearius, 73, der bei M.M. Warburg eine Legende ist. Fast drei Jahrzehnte hat er die Bank geführt, bevor 2014 sein Sohn Joachim Sprecher der Partner des Bankhauses wurde. Der alte Olearius wurde dann Chef des Aufsichtsrats. Sein Vize im Kontrollgremium ist Max Warburg. Zusammen halten beide 80 Prozent der Anteile. Dass ein deutscher Staatsanwalt mal gegen den alten Olearius wegen des Verdachts des Betruges ermitteln würde, hätte man sich vor Jahren noch nicht vorstellen können. Warburg weist die Anschuldigungen zurück. Scheinrechnungen aus der Schweiz und Geschäfte über Malta Inzwischen weiß die Republik, dass Cum-Ex ein mutmaßlich krimineller Exzess der Finanzindustrie war. Von dieser Woche an wird sich auf Antrag der Grünen und der Linken im Bundestag ein Untersuchungsausschuss des Bundestages mit den dubiosen Aktiendeals beschäftigen. Der Ausschuss soll auch der Frage nachgehen, warum die Bundesregierung mehrere Jahre brauchte, um den Cum-Ex-Spuk 2012 zu beenden. Mehr als hundert Banken und Kapitalanlagefonds aus dem In- und Ausland sollen den deutschen Fiskus über Jahre hinweg um mehr als zehn Milliarden Euro ausgenommen haben. Man könnte zu dem Schluss kommen, dass es fast alle gemacht haben müssen, wenn selbst Warburg dabei gewesen sein soll. Auf eine ausführliche Anfrage mit vielen Details antwortete die Privatbank allgemein: "Im Zuge umfangreicher Ermittlungen nordrhein-westfälischer Behörden" gegen zahlreiche Banken habe "Mitte Januar auch eine Durchsuchung von Geschäftsräumen der Bank in Hamburg stattgefunden". Warburg "unterstützt die Ermittlungen vollumfänglich". Die Strafverfolger aus Köln, erklärte das Geldhaus, gingen dem Anfangsverdacht nach, "dass die Bank Rechnungen akzeptiert und gezahlt habe, ohne dass dafür Leistungen erbracht worden seien. Die Bank hat keine Kenntnisse, die diesen Sachverhalt bestätigen" würden. Die Aktiengeschäfte seien "unter Berücksichtigung der gesetzlichen Anforderungen" erfolgt. Eine "mehrfache Erstattung von Steuern hat die Bank weder erhalten noch beantragt." Die Auskunft von Warburg geht ein wenig an der Sache vorbei. Hätte eine Bank bei ihren Cum-Ex-Deals eine "mehrfache" Erstattung nur einmal gezahlter Steuern beantragt, dann wäre das dem Fiskus natürlich sofort aufgefallen. Die Aktiendeals sind aber nach Erkenntnissen der Ermittler ganz anders abgelaufen. Kompliziert, trickreich, über viele Stationen im In- und Ausland, sodass die Finanzbehörden lange Zeit nicht gemerkt hätten, wie sie von Banken, Fonds und deren Komplizen ausgenommen worden seien. Inzwischen haben Staatsanwälte und Steuerfahnder umfangreiches Belastungsmaterial gesammelt, offenbar auch im Fall Warburg.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/steuerbetrug-grenzen-der-gier-1.2876518
mlsum-de-386
Interne Prüfer enthüllen Versäumnisse bei der Nord-LB und ihren Managern. Ein seltener Einblick in einen Sanierungsfall.
Als Finanzminister beherrscht Reinhold Hilbers die Sprache der Politik. Wenn der CDU-Mann aus Niedersachsen, der im Nebenamt den Aufsichtsrat der Norddeutschen Landesbank leitet, also in bester politischer Rhetorik immer wieder betont, die Bank sei "nicht im Krisenmodus", sollte man das nicht so wörtlich nehmen. Minister brauchen diese Gabe, die Dinge freundlicher darzustellen, als sie wirklich sind - nicht zuletzt, wenn sie mit Staatsbanken zu tun haben. In diesem Fall kann man sich allerdings doch fragen, was denn für Hilbers der "Krisenmodus" wäre. Die Nord-LB ist jedenfalls in einer deutlich schwierigeren Lage, als bislang öffentlich bekannt. Mehr als hundert Seiten an vertraulichen Dokumenten, die NDR und Süddeutscher Zeitung vorliegen, geben detailliert Einblick in den Zustand der Bank: Die bekommt demzufolge seit Jahren ihre Abläufe in etlichen Bereichen nicht in den Griff und überblickt an wichtigen Stellen offenbar ihre Risiken nicht ausreichend. Dabei leidet die Nord-LB ohnehin unter der nicht enden wollenden Schifffahrtskrise, weil sie viel zu viele Schiffe finanziert hat, deren Käufer ihre Kredite teils nicht mehr bedienen. Die Bank braucht daher dringend frisches Kapital. Seit Monaten ringen das Land Niedersachsen und die Sparkassen als Eigentümer darum, wie das gehen könnte, ohne dass die EU das als verbotene Beihilfe wertet. Nicht ausgeschlossen ist, dass die Steuerzahler rund zwei Milliarden Euro in die Bank stecken müssen. Auch der Einstieg privater Investoren wird durchgespielt. Die Berichte lesen sich wie eine Abrechnung mit dem eigenen Management Die nun vorliegenden internen Berichte erlauben zu einem also heiklen Zeitpunkt einen seltenen Einblick in das Innere einer Bank. Und sie lesen sich wie eine Abrechnung mit dem Management. Verfasst wurden die insgesamt acht ausführlichen Papiere zwischen Mai 2016 und Mai 2018 von der internen Revision der Nord-LB - jener Abteilung, die überwacht, dass alle im Hause das tun, was sie sollen. Und die Prüfer fällen ein geradezu vernichtendes Urteil, Tenor: Der Vorstand habe wichtige Themen nicht gut genug im Blick. In keinem der Papiere vergeben die Prüfer eine bessere Note als "ausreichend", einige sind gar mit "mangelhaft" überschrieben. Unter den Gesamtnoten folgen seitenlange Listen von Versäumnissen und Schlampereien, sogar von Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Anforderungen ist die Rede. Einen Fokus legen die Prüfer auf das wichtigste Risiko der Bank, die Schiffsfinanzierungen. Zwei Prüfungen aus den Jahren 2017 und 2018, beide mit Note "mangelhaft", kritisieren unter anderem Versäumnisse bei der Überwachung bestehender Kredite. Derzeit hat das Geldhaus solche Darlehen in Höhe von etwa zwölf Milliarden Euro in der Bilanz und muss stets genau abschätzen, wie viel sie tatsächlich wert sind. Eigentlich rechnen Banken gerade in solchen Bereichen besonders genau, denn je nachdem, ob Kredite zu hoch oder zu niedrig bewertet werden, brauchen sie sofort weniger oder mehr Kapital. "Weiterhin bestehende extrem schwache Datenqualität" Die Prüfer der Nord-LB werfen ihrer Bank aber vor, in neun von 20 überprüften Fällen Kredite nicht ordnungsgemäß überwacht zu haben. Bei zwölf von 20 "relevanten Kreditnehmern" seien Jahresabschlussunterlagen nicht ordnungsgemäß oder zu spät ausgewertet worden. In vier Fällen sei die "Gesundung" von Kreditnehmern festgestellt worden, ohne dass die Voraussetzungen dafür bestanden hätten. An anderer Stelle kritisieren die Prüfer eine "weiterhin bestehende extrem schwache Datenqualität" in bestimmten Kredit-Dokumentationen. In einigen Fällen hätten die Kollegen finanzierte Schiffe zu spät oder überhaupt nicht besichtigt. Dabei hatte eine Prüfung der EZB der Nord-LB bereits 2016 viele Mängel attestiert. Die interne Revision kommt zu dem Schluss, dass zahlreiche dieser Mängel auch Anfang 2018 noch bestanden hätten - und das, obwohl die Bank der europäischen Aufsicht schon im Oktober 2017 mitgeteilt habe, sie habe alle Feststellungen abgearbeitet.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nord-lb-verheerendes-zeugnis-fuer-norddeutsche-landesbank-1.4102033
mlsum-de-387
Nach dem 3:1 in Wolfsburg beschließen die Bayern-Spieler, zum Rundumschlag ihrer Bosse lieber zu schweigen. Nur einer hält sich nicht daran.
"Machen wir es kurz", sagte Mats Hummels, als er lächelnd die Gäste-Kabine in der Wolfsburger Arena verließ. Nein, er würde sich nicht zur groß angelegten Medienkritik der Münchner Chefetage äußern, die seit Freitagmittag das halbe Land beschäftigt. Man hätte Hummels gerne nach seiner Meinung gefragt, zur Berechtigung dieser Schelte und zur Vehemenz der Worte, die Vereinspräsident Uli Hoeneß und Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge gewählt hatten, um sich vor die seit vier Spielen sieglose Münchner Mannschaft zu stellen. Doch Hummels mochte nicht. "Da sag ich nix zu", so sein knapper Kommentar. Wieder lächelte er, kurz darauf war er verschwunden. Am Tag nach dem großen Medientadel hielt sich der Nationalspieler an die Linie, die sich die Mannschaft offenbar auferlegt hatte. Thomas Müller, der den befreienden 3:1-Sieg von der Bank aus betrachtet hatte, plauderte zwar etwas länger, doch auch er sagte quasi nichts. Wie er die Pressekonferenz fand? "Wir haben es verfolgt, aber wir sind für den Platz zuständig", sagte Müller. Ob es in der Mannschaft ein Thema war? "Klar spricht man darüber, aber untereinander." Über die Details lächelte er aber hinweg. Joshua Kimmich hatte von einer Vorgabe offenbar nichts mitbekommen Eine Meinung hat Müller durchaus, das merkte man ihm an. Doch er beließ es bei einer Vertröstung. Für die Spieler sei es "wichtig, dass wir nicht immer unsere Meinung nach außen tragen", so Müller. Mit dem kleinen Zusatz: "Auch wenn wir die haben." Einzig Joshua Kimmich hatte von einer Vorgabe offenbar nichts mitbekommen. Er wurde im Fernsehen nach der aufsehenerregenden Pressekonferenz gefragt, in der Hoeneß und Rummenigge den Umgang einzelner Medien mit dem Verein im Allgemeinen und Spielern wie Neuer, Boateng und Hummels im Speziellen gegeißelt hatten. Es sei ein "Super-Zeichen, dass sich der Verein vor die Spieler stellt und die Spieler schützt", erklärte Kimmich. "Wir halten zusammen", das gebe ihm "ein gutes Gefühl". Von der Chefetage, die am Freitag so einiglich schimpfend auf dem Podium gesessen hatte, äußerte sich in Wolfsburg nur Hasan Salihamidzic. Der Sportdirektor, der am Freitag die mit Abstand geringsten Redeanteile hatte, dachte jedoch nicht im Entferntesten daran, einen Kommentar zur Sache abzugeben. "Lassen Sie uns heute beim Spiel bleiben", so seine Bitte. Er habe ja nicht mal die Nachrichten verfolgt, keine Berichte auf dem Smartphone gelesen. Auf dem Handy sei "nix, nur die Nummer meiner Frau und meiner Kinder". In Richtung Reporter verabschiedete er sich mit dem Gruß: "Ihr werdet schon die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Da bin ich mir sicher." Tags zuvor hatte das alles irgendwie dramatischer und ernster geklungen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-bayern-da-sag-ich-nix-zu-1.4178422
mlsum-de-388
Der reiche Vater sichert lebenslang den Wohlstand der Kinder? Nicht in der Familie des Drogisten Götz Werner. Er hat seine dm-Anteile gestiftet.
Der Gründer der dm-Drogeriemärkte, Götz Werner, hat seine Anteile an dem Unternehmen gestiftet. Damit werden die sieben Kinder nicht Eigner an dem Konzern. "Meine Unternehmensanteile habe ich in eine gemeinnützige Stiftung eingebracht", sagte der Unternehmer der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. In Deutschland hat das Unternehmen mit Sitz in Karlsruhe gut 20 000 Mitarbeiter. Es erzielte im abgelaufenen Geschäftsjahr 2008/2009 (30. September) einen Umsatz von 3,75 Milliarden Euro. Neben dem Heimatmarkt Deutschland ist dm auch in Österreich und neun angrenzenden osteuropäischen Ländern vertreten. Detailansicht öffnen Spricht sich für ein bedingungslosen Grundeinkommens für alle aus: dm-Gründer Götz Werner. (Foto: APN) Werner sieht in der Stiftung seiner Anteile keine Probleme für seinen Nachwuchs. "Meine Kinder leiden deswegen nicht, im Gegenteil, die werden gefördert, indem sie sich selbst beweisen müssen", sagte er. Denn Kinder hätten wohl einen Anspruch auf einen guten Start ins Leben, "aber nicht darauf, dass Eltern für den lebenslangen Wohlstand ihrer Nachkommen sorgen". Er denke in der Frage wie die amerikanischen Pioniere, jede Generation habe sich selbst zu beweisen: "Reich zu werden ist in Amerika keine Schande, reich zu sterben schon." Zugleich bekannte sich Götz Werner zur Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle. "1000 Euro für jeden, das macht die Menschen frei." Die heute geltenden Regeln von "Hartz IV" verglich er mit "offenem Strafvollzug": "'Hartz IV' verstößt gegen mehrere Artikel im Grundgesetz. Die Empfänger verlieren einen Teil der Menschenrechte." Der Kampf um Marktanteile der großen drei Drogerieketten Schlecker, dm und Rossmann gewinnt inzwischen an Schärfe. Die Auseinandersetzung wird inzwischen auch auf juristischem Weg ausgetragen. dm hat in den vergangenen zwölf Monaten neun Abmahnungen an den norddeutschen Konkurrenten Rossmann gesandt. Darüber zeigte sich Firmenchef Dirk Rossmann in der Stuttgarter Zeitung irritiert: "Dass plötzlich Abmahnungen verschickt werden, ist für mich schwer verständlich." dm äußerte sich auf Anfrage der Zeitung nicht dazu.Laut Rossmann werfen die Karlsruher ihrem Konkurrenten unter anderem vor, in Werbeanzeigen keine 100-Milliliter-Preisangaben ausgewiesen zu haben. Ein anderes Mal soll Rossmann einen Kosmetik-Tiegel kopiert haben. Rossmann und dm-Gründer Götz Werner waren früher befreundet. "Unter befreundet verstehe ich, dass man sich häufig sieht, das ist aber jetzt nicht so", sagte Rossmann. Für den häufig kritisierten Drogerieunternehmer Anton Schlecker findet Rossmann dagegen versöhnliche Worte. "Man muss Schlecker verstehen. Seit fünf Jahren steht er wirtschaftlich in der Defensive. Alle anderen wachsen und bei Schlecker gehen die Umsätze zurück. Schlecker steht unter Druck." Die drei großen Drogerieketten blicken laut Erhebungen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im ersten Halbjahr 2010 auf unterschiedliche Entwicklungen zurück. Während Rossmann in Deutschland 8,8 Prozent mehr erlöste, stieg der dm-Umsatz um 1,2 Prozent. Marktführer Schlecker büßte 18 Prozent an Umsatz ein. Bei Schlecker ist unterdessen nach Gewerkschaftsangaben ein Streit um Überstunden entbrannt. Der Marktführer zahle den Beschäftigten seit diesem Monat keine Überstunden mehr aus und verstoße damit gegen den Tarifvertrag, sagte ein Sprecher von Verdi am Samstag. Er bestätigte damit einen entsprechenden Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. In der Schlecker-Konzernzentrale in Ehingen (Alb-Donau-Kreis) war zunächst niemand für eine Stellungnahme erreichbar. Dem Bericht zufolge erfuhren die Beschäftigten auf ihrer Gehaltsabrechnung, dass ihre Überstunden nicht wie sonst ausbezahlt, sondern in ein Mehrarbeits-Depot überführt würden. "Da fast alle Schlecker- Mitarbeiter nur teilzeitbeschäftigt sind, sind sie besonders auf das Geld angewiesen", sagte der Verdi-Unternehmensbeauftragte Achim Neumann. Die Überstunden seien bundesweit und ohne Vorankündigung oder Begründung nicht ausbezahlt worden. "Die Mitarbeiter waren überrascht und empört", berichtete Neumann. Betroffen seien 32 000 Schlecker-Angestellte. Offenbar wolle das Unternehmen Personalkosten einsparen, vermutet Neumann. Dieses Verhalten führe jedoch zu dem neuen Problem, dass durch den Abbau von Überstunden Personal in den Filialen fehle.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/goetz-werner-stiftet-anteile-die-kinder-gehen-leer-aus-1.988427
mlsum-de-389
Einst besiegte der FCS die Bayern mit 6:1, heute träumt der Klub von seinem modernisierten Stadion und Profifußball. Die Relegation an diesem Abend gegen 1860 ist von riesiger Bedeutung.
Die größte Baustelle des saarländischen Fußballs kann man sich nun rund um die Uhr anschauen. Der 1. FC Saarbrücken hat im Ludwigsparkstadion eine Kamera installiert, die ständig sendet. Man sieht: Erdhügel, wo früher die mächtigen Stehplatztribünen standen, diverse Bagger, zwei alte Flutlichtmasten und im Hintergrund die Stadt. Mehr als 35 000 Plätze fasste der alte Ludwigspark, und 1977 schlug der FCS den FC Bayern München hier mit 6:1. Aber das Problem des Stadions bestand irgendwann darin, dass es auch 2016 in großen Teilen noch so aussah wie 1977. Und anstatt gegen Bayern München spielte Saarbrücken irgendwann gegen den TSV Steinbach und Teutonia Watzenborn-Steinberg. Im Februar 2020 soll hier in einem zweitligatauglichen Stadion wieder Fußball gespielt werden. Erst hieß es, Mannschaft und Fans könnten im Februar 2018 schon zurückkehren, aber es dauerte dann länger und es kostete am Ende auch mehr als vorher angekündigt. 28 Millionen Euro statt 16 Millionen Euro, im klammen Saarland ist das noch mehr Geld als im Rest der Republik, und so steht der Umbau des Ludwigsparks gerade für den gesamten Fußball im kleinsten Flächenland: Die Vergangenheit war groß, es folgte der Absturz - und nun arbeitet man an einer besseren Zukunft. Aber: Es verzögert sich alles. 2015 scheiterte Saarbrücken erst im Elfmeterschießen An diesem Donnerstag spielt der 1. FC Saarbrücken in der Relegation um den Aufstieg in die dritte Liga gegen den TSV 1860 München. Zwei Gründungsmitglieder der Bundesliga, die beide Meister ihrer Regionalliga-Staffel wurden und nun hoffen, dass es in der kommenden Saison wenigstens für Drittliga-Fußball reicht. Gespielt wird übrigens im nach dem ehemaligen DFB-Präsidenten benannten Hermann-Neuberger-Stadion in Völklingen. Dorthin weicht Saarbrücken während der Bauarbeiten aus. Die Termine der Relegation Hinspiele am Donnerstag, 24. Mai 1. FC Saarbrücken - 1860 München (17.30 Uhr, live im BR und SR) Weiche Flensburg - Energie Cottbus (19 Uhr) KFC Uerdingen - Waldhof Mannheim (19 Uhr) Rückspiele am Sonntag, 27. Mai (14 Uhr) 1860 München - Saarbrücken (live im BR und SR) Energie Cottbus - Flensburg (live im RBB) Mannheim - Uerdingen (live im SWR/WDR) Alle sechs Spiele auch im Internet-Livestream auf den Seiten der jeweiligen Sender. Denn das Ellenfeld-Stadion von Borussia Neunkirchen (Bundesligist 1965, 1966 und 1968 und derzeit zweiter Platz in der sechsten Liga hinter dem TuS Herrensohr) ist zu marode, und mit dem FC Homburg (Bundesligist 1987, 1988 und 1990, derzeit Tabellenführer in der fünften Liga) und der zweiten ambitionierten Mannschaft im Saarland, der SV Elversberg, ist man sich derart spinnefeind, dass ein Umzug ins Waldstadion oder an die Kaiserlinde nicht möglich war. Bloß 8400 Zuschauer werden sich also eins der zwei saisonentscheidenden Spiele anschauen können, aber: Die Aussichten für Saarbrücken sind trotz der Baustellen-Umstände gar nicht so schlecht. Dirk Lottner sitzt zwei Tage vor dem Spiel im Auto, er ist auf dem Weg zum Familienausflug. Seit Beginn der Saison ist er Trainer in Saarbrücken und er hat die mit Abstand beste Regionalliga-Saison hinter sich, die der Klub seit dem Abstieg aus der dritten Liga (2014) gespielt hat. "Das wird ein Spiel auf Augenhöhe", sagt Lottner und zählt Fakten auf: Saarbrücken hat 82 Punkte geholt, 1860 83 Punkte, die Tordifferenz ist exakt gleich. 1860 habe Spieler mit mehr Erst- und Zweitligaerfahrung im Kader, deswegen könne er nicht ganz verstehen, warum es in München heißt, Saarbrücken sei der Favorit. Aber die Rolle nehme er an.
https://www.sueddeutsche.de/sport/relegation-zur-3-liga-saarbruecken-will-weg-von-watzenborn-1.3990349
mlsum-de-390
Das Start-up Tawny will Maschinen lehren, Gefühle der Nutzer zu erkennen. Gelingt das, könnte das erhebliche Folgen für die Arbeitswelt haben.
Michael Bartl weiß immer, wie es ihm geht. Er kann es nicht nur fühlen, er kann es sogar sehen: Bartl trägt eine Smart Watch, eine mit Sensoren ausgestattete elektronische Armbanduhr. Sie erfasst, wie lange er schläft, wie viele Schritte er geht, wie schnell sein Herz schlägt, wie hoch der Hautwiderstand ist und andere biometrische Daten. Daraus errechnet ein Algorithmus laufend Bartls Wohlbefinden. Er tippt auf sein Smartphone. Auf dem Bildschirm erscheint ein Diagramm mit zwei Koordinaten. Die vertikale Achse zeigt an, ob Bartl gerade aufgeregt oder eher ruhig ist, die waagerechte, ob er positiv oder negativ gestimmt ist. Bartl ist gerade ziemlich entspannt. Bartl, 43, ist Mitgründer des Münchner Start-ups Tawny. Es arbeitet an Algorithmen und einer künstlichen Intelligenz, die Maschinen lehren will, die Gefühle der Menschen zu verstehen. "Bislang wissen Maschinen nicht, wie wir uns fühlen", sagt Bartl: "Wir machen die Maschinen empathisch." Aus den biometrischen Daten errechnet der Algorithmus, den Tawny entwickelt, die Stimmung: Ist der Mensch gerade unterfordert oder überfordert? Ist er angespannt oder nicht? Ist er gerade im richtigen "Flow", damit Mensch und Maschine optimal zusammenarbeiten? Detailansicht öffnen Haus der Innovation, Silicon Munich, Isar Valley Das Unternehmen Hyve in der Schellingstraße 45 in München arbeitet an Software die mit Sensoren am Körper darauf trainiert wird acht unterschiedliche emotionale Stadien beim menschlichen Träger zu erkennen. (Foto: Matthias Ferdinand Döring) Tawny ist eine Gründung des Münchner Inkubators Hyve, an dem Bartl beteiligt ist. "Es gibt keinen Mangel an Ideen", sagt Bartl: "Die Kunst besteht darin, eine Idee zur Marktreife zu bringen." Das will Tawny schaffen. Das Start-up ist gut ein Jahr alt. Der Name und das Logo, eine Eule, sind eine Botschaft: Tawny Owl heißt übersetzt Waldkauz, der Vogel gilt als klug und wachsam. Es gibt noch kein marktreifes Produkt. Aber das Münchner Start-up arbeitet mit einigen Firmen zusammen, um die ersten Versionen seiner Software zu testen. Bartl erzählt von einem Pilotversuch in einem Call-Center, das Handy-Verträge verkauft. Während und nach jedem Anruf seien einige Wochen lang mit Zustimmung der Mitarbeiter einige biometrischen Daten erfasst worden, etwa der Herzschlag. So konnte Twany schon vor dem nächsten Telefonat berechnen, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Mitarbeiter in einem bestimmten mentalen Zustand ein erfolgreiches Verkaufsgespräch führen werde. "Künftig könnte es so sein, dass ein Telefonat an den Mitarbeiter durchgestellt wird, der gerade in der besten Verfassung ist", sagt Bartl: "Das wird im Tagesverlauf nicht immer der gleiche Mitarbeiter sein." Maschinen sollen nicht nur künstlich intelligent werden, sondern auch emotional. Es gibt verschiedene Stufen der emotionalen Intelligenz von Maschinen. Die primitivste war das Tamagotchi, ein in den 90er Jahren beliebtes Elektrospielzeug aus Japan. Ein virtuelles Küken reagierte auf Zuneigung. Blieb sie aus, starb das Küken. Es konnte aber wiederbelebt werden. "Inzwischen sind wir weiter", sagt Bartl. Das virtuelle Küken agierte ohne künstliche Intelligenz, es lernte nicht aus den gewonnenen Daten. "In der letzten Stufe emotionaler Intelligenz könnten Maschinen sogar Gefühle entwickeln. Dieses Niveau könnten wir in drei oder vier Jahrzehnten erreichen", sagt Bartl. Detailansicht öffnen Zum dritten Mal zeichnet der Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung mit dem Start-up-Wettbewerb „Gipfelstürmer“ die besten Gründer aus Deutschland aus. Die Ausschreibung läuft bis zum 31. August. Eine Jury aus Mitgliedern der SZ-Wirtschaftsredaktion wählt aus allen Bewerbern die sechs Finalisten aus. Diese dürfen im November am SZ-Wirtschaftsgipfel in Berlin teilnehmen und dort ihre Firma vorstellen. Die Teilnehmer des Gipfels küren den Sieger. Einzelheiten und Bewerbungen: www.sz-wirtschaftsgipfel.de/gipfelstuermer. SZ Die Daten sollen dann nicht mehr nur sogenannte Wearables liefern, also Sensoren und kleine Rechner, die direkt am Körper oder an der Kleidung getragen werden wie Smart Watches oder Handschuhe, sondern auch Kameras, die Bilder an eine Software zur Gesichtserkennung liefern oder Mikrofone, die die Stimmfrequenz erkennen und interpretieren. "Es gibt jede Menge Daten, schon heute", sagt Bartl. Die Kunst bestehe darin, die Daten und Algorithmen so auszuwählen, dass sie für eine bestimmte Anforderung an Maschine und Mitarbeiter das beste Ergebnis liefern. "Je feinfühliger die Maschine ist, um so besser klappt die Zusammenarbeit mit dem Menschen", glaubt Bartl. Die unternehmerischen Ziele bleiben die alten: Die emotional intelligenten Maschinen sollen Fehler und Unfälle vermeiden und die Produktivität erhöhen. Bartl ist um kein Beispiel verlegen. Erkennt zum Beispiel das Auto, auch nur eine Maschine mit vier Rädern, dass der Fahrer aggressiv ist, passen sich die Assistenzsysteme dem Gemütszustand an. "Im Extremfall übernimmt in einem autonomen Fahrzeug dann der Autopilot das Steuer", sagt Bartl. "Technisch wird das möglich sein", sagt Bartl. Aber ob es kommt? Es klingt nach totaler Überwachung. Das weiß Bartl. "Ob es so weit kommt, darüber entscheiden Menschen", sagt er. Darüber müsse es einen gesellschaftlichen Diskurs geben, der zu Gesetzen und Regeln für eine digitale Arbeitswelt führt. "Es werden neue Geschäftsmodelle entstehen", erwartet Bartl. "Etwa Firmen, die nichts anderes tun, als Daten zu speichern und zu hüten, um sie dann in anonymisierten Kohorten für die Auswertung einzelnen Firmen zur Verfügung zu stellen." Das klingt nach einer Idee für das nächste Start-up.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/gipfelstuermer-die-empfindsamen-1.4024633
mlsum-de-391
Die Kochbücher von Yotam Ottolenghi sind seit Jahren fester Bestandteil in vielen Küchen. Unser Autor war in seinem Londoner Restaurant und hat gekostet.
Der anglophile ist sicher einer der angenehmsten Aggregatszustände des deutschen Touristen: Mit seinem Tweed-Sakko und der ulkigen Schiebermütze, mit Barbourjacke, Cordhosen und Krawattenschal schlendert er stolz wie Earl Bobby durch London. Neben Tower Bridge und dem Nostalgie-Kaufhaus Fortnum & Mason ist Ottolenghi für viele dieser schüchternen Freunde des Empires in den vergangenen Jahren zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt aufgerückt - schon allein, weil es sich daheim so schön sagen lässt: Wir waren bei Ottolenghi! Das hat einen guten Klang, denn der charismatische Koch Yotam Ottolenghi hat mit seinen Kolumnen und Bestseller-Kochbüchern europaweit die levantinische Küche bekannt gemacht. Grob vereinfacht könnte man auch sagen, er hat uns Kichererbsen und Auberginen neu beigebracht. Nicht alle aber, die seine Bücher begeistert verschenken, wissen, dass der nun seit Jahren omnipräsente Koch einmal in London mit kleinen Delis anfing und bis heute fünf solcher Läden bewirtschaftet, die immer ein Zwischending aus Lokal und Mitnahme-Theke sind. Trotz des lockeren To-go-Charakters sollte man rechtzeitig im Voraus reservieren, denn viele Ottolenghi-Fans und auch die Londoner selbst erleben gerne live, wie die Rezepte vom Meister eigentlich gedacht sind. Bei der Ottolenghi-Filiale in Spitalfields, gelegen mitten am noch halbwegs vibrierenden Übergang von Bankenhochhäusern zu pakistanischen Kleidermärkten, sitzt man in einer schlicht schönen Einrichtung aus hellem Holz und kann sehr angenehm das Treiben draußen beobachten. Der professionell relaxte Kellner erläutert das Konzept der Karte. Es handelt sich dabei gänzlich um kleine Gerichte, halb kalt aus der Theke, halb warm aus der Küche. Man bestellt pro Person so zwei bis vier Sachen, jeder Teller kostet zwischen neun und 15 Euro und kommt irgendwann, schließlich wird Essen hier nicht als strenge Abfolge, sondern als lockeres Nebenbei verstanden. 16 Einträge verzeichnet die Karte an diesem Tag, jeden einzelnen will man sofort probieren. Erst mal muss es aber natürlich die Burrata-Kugel mit Rhabarber, Datteln und einem kleinen Hagelschaden aus karamellisiertem Schwarzkümmel sein. Das ist eines der Signature-Gerichte und man versteht schnell warum: Die Burrata hat eine Qualität, die man sonst nur in Süditalien bekommt. Hier aber wird der zerfließende Frischkäseteig von seiner ungewöhnlichen Begleitmannschaft noch perfekt akzentuiert, vor allem der süß-orientalische Schwarzkümmel gibt eine Note dazu, ohne die man fortan keine Burrata mehr essen möchte. Vorzeigegericht ist es auch deshalb, weil dabei Ottolenghis Philosophie so schön sichtbar wird: einfache, aber gewürzeffektive Herzensangelegenheiten. Teller, die das Produkt hochleben lassen und ein Fenster aufmachen, hinter dem der Mittlere Osten mal nicht Konfliktregion, sondern einzig Heimat für eine Allianz aus perfekten Genüssen ist. Einmal alles zum Mitnehmen, bitte! Der zweite Klassiker hier ist die geröstete Aubergine mit Mandeln und Chili. Der gewünscht lockere Plauderton bei Tisch wird von genau diesen Kleinigkeiten torpediert, denn sie reißen bei der ersten Gabel alle Aufmerksamkeit an sich. Die Ottolenghi-Version einer Baba Ghanoush ist jedenfalls meisterhaft ausgewogen, ohne jegliche Bitternis stattdessen genießt man eine übervolle, cremige Frucht, die viel Sonne gesehen hat, abgerundet mit etwas Tahin, kitzelnden Röstnoten und einer mildgrünen Kräutermischung. Ein simpler und dabei wirklich aufsehenerregender Teller. Wer je daran zweifelt, dass sich Vegetarier glücklich essen können, sollte bei Ottolenghi vorbei. Mit solch' pflanzlicher Power kann das dünn und kalt aufgeschnittene English Beef in Folge nicht mithalten, das nur mit süßlichem Dressing aus Senf und Koriander beträufelt ist und keinen großen Eindruck hinterlässt. Als erstes warmes Tellerchen kommen mürbe short ribs vom Rind, die aufreizend langsam in eine Kichererbsen-Curry-Matrix zerfallen, garniert mit Palmkohl und Minze. Das Fleisch ist gut, aber wieder ist es vor allem das Gemüse, das uneitel glänzt. Der empfohlene Dabouki-Weißwein von Cremisan Wine Estate aus Bethlehem ist bis hierher ein sehr guter und politisch spannender Begleiter, das Prinzip der ewig anfliegenden Tellerchen verführerisch, man könnte ewig so weiterordern, schließlich sind die Gerichte leicht bekömmlich und die Portionen nur gerade so groß, dass man einen guten Eindruck bekommt. Also noch den gebratenen Oktopus mit Edamame und Sprossen. Da sind Jod, Umami, Röstaromen und Frühling auf jeder Gabel, ein kräftiges Geschmackskarussell, das sich nur eine Kritik gefallen lassen muss - es war immer noch zu wenig, um Ruhe einkehren zu lassen. Wer bis an diesem Punkt das Gefühl hatte, vielleicht die Gerichte auch zu Hause irgendwann so hinzukriegen, lässt an der Dessert-Theke alle Hoffnung fahren. Herr Ottolenghi war zu Beginn seiner Karriere Patissier und hat aus dieser Zeit eine kapriziöse Auswahl an Küchlein, Törtchen, Pudding hinübergerettet. Einmal alles zum Mitnehmen, bitte! Nur gut, dass eine Barbourjacke so viele Taschen hat.
https://www.sueddeutsche.de/stil/arabische-und-israelische-kueche-halb-kalt-aus-der-theke-halb-warm-aus-der-kueche-1.3461079
mlsum-de-392
Auf einer Synode im Vatikan finden die Bischöfe freundliche Worte für Jugendliche und Frauen. Doch konkrete Reformen gibt es nicht.
Detailansicht öffnen Papst Franziskus zelebriert die Abschlussmesse der Synode. (Foto: Filippo Monteforte/AFP) Viele freundliche Worte gegenüber Jugendlichen, Nachdenkliches zum Thema Frauen, Sexualität und Homosexualität in der katholischen Kirche - aber keine konkreten Änderungen oder Reformen: So endete am Sonntag die Bischofssynode zum Thema Jugend im Vatikan. Papst Franziskus entschuldigte sich im Abschlussgottesdienst im Petersdom bei den Jugendlichen: Die Erwachsenen hätten ihnen "oft kein Gehör geschenkt" und die "Ohren vollgeredet". Er rief die Jugendlichen auf, "die eigenen Kreise zu verlassen, um diejenigen zu umarmen, die nicht zu uns gehören"; in der Begegnung mit den Bedürftigen, müsse sich auch die Kirche "die Hände schmutzig machen". Drei Wochen lang hatten 350 Kardinäle und Bischöfe sowie 50 Berater darüber diskutiert, wie die katholische Kirche weltweit jungen Menschen begegnen soll. Überschattet wurde das Treffen von den Skandalen um die sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, die in vielen Ländern der Welt offenbar geworden sind. Papst Franziskus kritisierte am Samstagabend, dass hier die Anklage "auch zur Verfolgung" werde; die Kirche werden angeprangert, um sie zu "beschmutzen". Im Abschlussdokument, dessen einzelne Teile die Bischöfe jeweils mit Zweidrittelmehrheit beschlossen, heißt es zum Thema Missbrauch, es sei notwendig die Gewalt gegen Kinder und Jugendliche konsequent und von der Wurzel an aufzuarbeiten. Die Bischöfe danken allen, die den Mut hatten, Missbrauch zu benennen und aufzudecken. Einen Schwerpunkt setzen die Bischöfe bei der Migration. Das weltweite Flüchtlingsproblem hatte bei den Beratungen in zahlreichen Wortmeldungen von Vertretern armer Länder eine große Rolle gespielt; die Kirche müsse solidarisch mit den Geflüchteten sein und eine prophetische Rolle spielen, heißt es. Beim Thema Sexualität geben die Synodalen zu, dass vielen Jugendlichen die katholische Morallehre nicht mehr verständlich sei. Niemand dürfe wegen seiner sexuellen Orientierung diskriminiert werden, heißt es im Abschlusstext: "Gott liebt alle Menschen, und so macht es die Kirche." In dem Dokument heißt es zudem, dass Frauen auch auf den Leitungsebenen der katholischen Kirche stärker beteiligt werden sollten; die "Abwesenheit der weiblichen Stimme" lasse "die Debatte über den Weg der Kirche verarmen", heißt es. Diskussionen über Änderungen der katholischen Lehre stellt das Dokument nicht in Aussicht. Die deutschen Synodenteilnehmer äußerten sich zufrieden. Er sei "eigentlich am Ende doch ganz froh", sagte der Münchner Kardinal und Bischofskonferenzvorsitzende Reinhard Marx. Er hatte sich für eine verstärkte Frauenförderung und ein stärkeres Gewicht des Missbrauchsthemas eingesetzt.
https://www.sueddeutsche.de/politik/katholiken-gott-liebt-alle-menschen-1.4188262
mlsum-de-393
Sein Gebimmel ist das Wahrzeichen Großbritanniens. Doch nun hat der Big Ben ein Problem mit dem richtigen Timing. Uhrmacher rätseln.
Der Eiffelturm steht für Frankreich, die Freiheitsstatue für New York, Großbritannien hat dagegen eine Reihe von Tönen als Wahrzeichen: Ding dong ding dong, ding dong ding dong, in gis, fis, e und b. Weltweit bekannt und millionenfach kopiert in unzähligen Weckern und Klingelsignalen auf dem Handy. Doch für alle, die ihre Uhren nach dem echten Big Ben gestellt haben, gibt es nun schlechte Nachrichten: Er hat ein Problem mit dem Timing. Dem Sender BBC Radio 4 zufolge, der mit dem Gebimmel seine Nachrichtensendungen um sechs Uhr und um Mitternacht eröffnet, soll die Uhr ganze zwei Wochen aus dem Takt gewesen sein. Moderator Eddie Mair erklärt, es sei nicht ungewöhnlich, dass die Glocken mal variieren. Aber zuletzt sei der Big Ben unberechenbar gewesen und habe von einem Tag auf den anderen sieben Sekunden früher geläutet. "Sie braucht viel Liebe und Sorgfalt" Mair hat deshalb Steven Jaggs, den Hüter der großen Uhr, und Ian Westworth, einer der drei Uhrmacher des Westminster-Palasts, nach der Störung befragt. "Das ist eine mechanische Uhr", zitiert der Guardian Jaggs. "Sie braucht viel Liebe und Sorgfalt." Uhrmacher würden bereits drei Mal pro Woche die 334 Stufen zum Elizabeth Tower erklimmen, um sie aufzuziehen. Das Timing könne durch das Wetter oder den atmosphärischen Druck beeinflusst werden. Und das obwohl der Minutenzeiger 100, der Stundenzeiger sogar 300 Kilogramm wiegt. Aber auch das Alter könne der Uhr zu schaffen machen: Immerhin zählt der Big Ben schon 156 Lenze. Westworth sagt, er und sein Team hätten "an den meisten Tagen" die Uhr überprüft, seit sie von dem Problem erfahren hätten. Warum die Uhr so aus dem Takt geraten ist, wisse er allerdings auch nicht: "Um die Wahrheit zu sagen, wissen wir derzeit nicht, warum das passiert ist." 1949 - damals verspätete sich die Uhr gleich um mehrere Minuten - waren Vögel die Schuldigen: Damals ließen sich so viele Stare auf einem der Minutenzeiger nieder, dass er nicht mehr vorrücken konnte.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/london-big-ben-aus-dem-takt-1.2620660
mlsum-de-394
Seit Wochen tobt der Streit zwischen Burger King und einem Franchisenehmer, nun zeichnet sich eine Lösung für die geschlossenen 89 Schnellrestaurants ab. Aber unter welcher Führung werden sie stehen?
Das Licht ist angeschaltet, ein Mann putzt mit Nachdruck die gläserne Eingangstür, hinter dem Tresen stehen drei Leute und hantieren an dem Getränkeautomaten. Einer fegt die letzten Pommeskrümmel weg. Wer am Wochenende an der Burger King-Filiale am Münchner Hauptbahnhof vorbeikam, konnte fast denken, dass wieder offen ist. Dass also der Streit beigelegt ist zwischen dem Fast-Food-Konzern und dem Franchisenehmer Yi-Ko-Holding, der seine Läden so schlecht führte, dass er vor kurzem seine 89 Schnellrestaurants zusperren musste. Doch noch ist es nicht soweit, vorerst laufen nur die Vorarbeiten für die Wiedereröffnung. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll es Mitte der Woche soweit sein, womöglich schon an diesem Dienstag. Ein für Montag anberaumter Gerichtstermin am Landgericht München in dieser Sache wurde auf Wunsch der beiden Parteien jedenfalls abgesagt. Die Frage allerdings ist, wer dann die Geschäfte führt. Vor wenigen Tagen hatte Ergün Yildiz seine Anteile an der Yi-Ko-Holding an seinen Partner übertragen, den Russen Alexander Kolobov. Das Management der deutschen Burger King-Zentrale und Gewerkschafter machten vor allem Yildiz selbst dafür verantwortlich, dass die Arbeits- und Hygienebedingungen in den 89 Filialen dauerhaft miserabel waren. Ob Alt-Eigner Kobolov weitermacht, scheint offen Wird der Osteuropäer, der in Russland Lizenzen für etwa 100 Burger-King-Restaurants hat, und bislang nur Geldgeber der Yi-Ko-Holding war, nun als alleiniger Gesellschafter aktiv ins deutsche Bratergeschäft einsteigen? Bislang sah alles so aus, seine Anwälte verschickten zuletzt Mitteilungen, in denen Kolobov eine zentrale, aktive Rolle zugeschrieben war: Er würde mit allen Beteiligten Gespräche führen, auch mit den Vertretern der 3000 Arbeitnehmer, die gerade nicht wissen, ob und wie sie künftig arbeiten werden. Kolobov und seine Leute machten den Arbeitnehmervertretern Zugeständnisse - die allerdings für jeden seriös wirtschafteten Schnellrestaurantbetreiber selbstverständlich sein sollten: Die Gehälter sollen künftig entsprechend dem Branchentarifvertrag gezahlt werden und das neue Yi-Ko-Management werde regelmäßig mit den Arbeitnehmervertretern sprechen. Doch womöglich zieht sich nun auch Kolobov zurück. Dem Vernehmen sieht eine über das Wochenende von Juristen ausgehandelte Vereinigung einen Ausstieg auch von Kolobov vor. Dies würde bedeuten, dass künftig weder Yi - Yildiz - noch Ko - Kolobov - am deutschen Markt aktiv sein würden, dass die Yi-Ko bald Geschichte sein würde. Bestätigt wurde das bis Redaktionsschluss zwar weder von dem Konzern noch von Yi-Ko selbst. Allerdings wäre es konsequent, wenn Burger King Deutschland nach all dem Ärger einen echten Neustart möchte - mit ganz anderen Eigentümern und Geschäftsführern. Möglich wäre, dass andere deutsche Franchisenehmer, die schon lange Burger-King-Filialen betreiben, die Anteile übernehmen. Auch die offizielle Mitteilung des US-Konzerns am Montag deutet auf diese Lösung hin: Man arbeite intensiv "an einer neuen Eigentümer- und Managementstruktur für die bisher von der Yi-Ko betriebenen 89 Restaurants". Von Seiten Yi-Ko erklärte Dominik Ziegenhahn, dessen Kanzlei Graf von Westphalen den Franchisenehmer sowie Kolobov vertritt, man sei "kurz vor einem möglichen guten Ende und einer für beide Seiten positiven Einigung". Burger King möchte die Schwäche des Hauptrivalen ausnutzen Burger King will die Filialen - vor allem die umsatzstarken wie etwa die am Münchner Hauptbahnhof - natürlich schnellstmöglich wieder öffnen: Denn nicht nur der Umsatzausfall schmerzt die Geschäftsführung und letztlich die Aktionäre. Jetzt ist gerade die beste Zeit, um den viel größeren Wettbewerber McDonald's ein wenig anzugreifen. 14 000 Filialen hat der eine, 35 000 der andere, angeblich essen insgesamt 81 Millionen Menschen am Tag bei den beiden Bratereien. Aber es werden weniger, zumindest bei McDonald's: Der amerikanische Fastfood-Riese musste am Montag erklären, dass er die angestrebten Gewinnziele im vierten Quartal nicht erreicht. Im November brachen die Verkäufe im US-Markt um überraschend deutliche 4,6 Prozent zum Vorjahr ein. Weltweit betrug der Rückgang 2,2 Prozent. Neben der Absatzschwäche in den USA, wo vor allem die jüngeren Kunden immer stärker auf Bio-Fastfood der Konkurrenz setzen, kämpft McDonald's mit den Folgen eines Gammelfleisch-Skandals in China. Zuletzt hatte der Konzern seinen Aktionären auch von einer anhaltenden Schwäche des deutschen Marktes berichten müssen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/burger-king-whoppers-rueckkehr-1.2257317
mlsum-de-395
Beim Beachvolleyball-Turnier am Nürnberger Hauptmarkt schwitzen neben den Athleten auch die Zuschauer, während die Favoriten scheitern.
Dieses Sommer-Sonne-Sand-Gerede im Beachvolleyball ist ja immer auch ein Klischee, in Deutschland jedenfalls. Allzu oft stehen sich die eben nicht leicht bekleideten Sandsportler bei der deutschen Serie in schwarzen Thermoshirts, -leggings und -socken gegenüber, in Münster hechten sie Anfang Mai mitunter durch Pfützen, auf Norderney unterspült die Sturmflut manchmal ganze Felder, und Ende Juli in St. Peter Ording kann es schon auch passieren, dass Orkanböen den Ball zum unkontrollierbaren Bumerang machen. Wie vor zwei Jahren, da wurde das Turnier wegen Sturm und Starkregen gleich komplett abgesagt. Die deutschen Meisterschaften in Timmendorfer Strand? Allzu oft ein Glücksspiel, rein wettertechnisch. In Nürnberg aber stimmte das Klischee. Bei rund 30 Grad duellierten sich die Duos am vergangenen Wochenende auf dem Hauptmarkt, der nach einem Jahr Pause eine prächtige Kulisse bot - und natürlich packende Ballwechsel direkt vor der Frauenkirche. Die Zuschauer, die angesichts der Hitze auf den Tribünen bestimmt von Starkregenschauern träumten, erlebten auch einige Überraschungen. Bei den Frauen war das topgesetzte Hamburger Duo Glenzke/Großner noch vor den Halbfinals gescheitert, im Endspiel mussten sich Cinja Tillmann und Katharina Schillerwein (Düsseldorf) dann den an Nummer fünf gesetzten Kim Behrens und Anni Schumacher (Münster/Dresden) 0:2 geschlagen geben. Auch bei den Männern strich das Favoritenduo Matysik/Popp (Berlin/Mainz) früh die Segel. Philipp Arne Bergmann und Yannick Harms (Hameln) gewannen das Finale gegen Paul Becker und Jonas Schröder (Münster) 2:0.
https://www.sueddeutsche.de/sport/beachvolleyball-frostfrei-in-franken-1.3524571
mlsum-de-396
Der Stürmer des FC Barcelona hat nun als einziger Spieler seines Landes Tore bei drei Weltmeisterschaften erzielt. Nach dem 1:0 gegen Saudi-Arabien geht es gegen Russland um den Gruppensieg.
Luis Suárez hat Uruguay in seinem 100. Länderspiel vorzeitig ins WM-Achtelfinale geschossen und auch Gastgeber Russland glücklich gemacht. Mit seinem 52. Treffer für die Nationalmannchaft seines Landes in der 22. Minute besiegelte der Stürmer vom FC Barcelona am Mittwoch in Rostow am Don das mühevolle 1:0 (1:0) gegen Saudi-Arabien, durch das die Südamerikaner und die Sbornaja mit jeweils sechs Punkten schon vor dem direkten Duell um den Gruppensieg am nächsten Montag in der K.o.-Runde stehen. Im Überschwang der Gefühle deutete Suárez beim Torjubel vor 42 678 Zuschauern gestenreich an, dass er demnächst zum dritten Mal Vater wird. Uruguays Trainer Oscar Tabarez wechselte nach dem 1:0-Auftaktsieg gegen Ägypten auf zwei Positionen und beorderte auf den Außenpositionen Carlos Sanchez und Cristian Rodriguez in die Startelf. Damit sollten die beiden gefährlichen Stürmer Suárez und Edinson Cavani unterstützt und mit Vorlagen versorgt werden. Allerdings entwickelte der zweimalige Weltmeister gegen den Außenseiter, der mit einer 0:5-Niederlage gegen Russland ins Turnier gestartet ist, bei Temperaturen von mehr als 30 Grad nur wenig Dynamik und tat sich wie beim ersten Spiel recht schwer. Suárez nutzte dann aber seine zweite Chance im Spiel und traf nach einem Eckball zum 1:0 für den Favoriten - und ist nun der erste Spieler seines Landes, der bei drei Weltmeisterschaften getroffen hat. Die Asiaten zeigten mit einer auf vier Positionen veränderten Mannschaft eine bessere Leistung als im Auftaktspiel und hatten auch Offensivaktionen. In der 26. Minute kam Hattan Bahbir zu einer guten Torgelegenheit, doch Uruguays Torhüter Fernando Muslera, der mit seinem 13. Einsatz bei einer WM-Endrunde Rekordspieler seines Landes wurde und mit dem früheren Nationaltorwart Ladislao Mazurkiewicz gleichzog, konnte den Ball abwehren. Cavani und Sanchez vergeben einen deutlicheren Sieg Ansonsten behielt die von Abwehrchef Diego Godin bestens organisierte Defensive der Südamerikaner die Oberhand gegen die im Angriff doch sehr harmlose Elf von Trainer Juan Antonio Pizzi. Einen deutlicheren Sieg vergaben am Ende zweimal Cavani und Sanchez, der mit einem Flugkopfball knapp scheiterte (62.). Aber im Kampf um den Gruppensieg müssen die Südamerikaner im letzten Spiel gegen Russland ohnehin gewinnen, da die Gastgeber das weitaus bessere Torverhältnis haben.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-wm-suarez-schiesst-uruguay-glanzlos-ins-achtelfinale-1.4025380
mlsum-de-397
Der Sportdirektor von RB Leipzig hat seine Meinung geändert und sich noch einmal zur umstrittenen Aktion von Timo Werner im Spiel gegen Schalke geäußert.
Ralf Rangnick hat in der Debatte um die Schwalbe von RB Leipzigs Stürmer Timo Werner seine Meinung geändert. "Wenn man sich die Szene anschaut, wie man sie jetzt aus verschiedenen Kameraperspektiven gesehen hat, muss man ganz klar sagen: Es war eine Schwalbe", sagte der Sportdirektor des Bundesliga-Tabellenführers. Am Sonntag, zwei Tage nach dem Aufreger des Spieltages, der zum Elfmetertor und zur 1:0-Führung der Sachsen beim 2:1-Sieg über Schalke 04 geführt hatte, sagte Rangnick noch: "Ich bleibe dabei: Es war keine Schwalbe. Ich bin mir sicher, dass es keine Absicht war, dass er keinen Elfmeter schinden wollte." Bezüglich des Strafstoßes blieb Rangnick bei seiner Meinung: "Es war kein Elfmeter." "Er ist wie ein kleiner Ziehson für mich", sagt Rangnick über Werner Der RB-Sportdirektor erklärte seine neue Aussage damit, dass er am Freitag nach dem Spiel ein sehr langes Gespräch mit einem "sehr niedergeschlagenen und bedröppelten" Timo Werner geführt habe. Dabei habe ihm der Stürmer gesagt, dass es ihm sehr leid tue und dass er nichts schinden wollte. "Das war auch der Grund, wieso ich am Sonntagmorgen gesagt habe, dass ich das Wort Schwalbe in diesem Zusammenhang nicht als richtig ansehe", sagte Rangnick. Er erklärte weiter, dass er Werner kenne, seitdem er 16 Jahre alt ist. "Er ist wie ein kleiner Ziehsohn für mich", sagte der 58-Jährige über den Leipziger Torjäger, der in der laufenden Saison bereits achtmal für seinen Klub in der Liga getroffen hat. Deshalb auch habe er es als seine Aufgabe empfunden, ihn in der Öffentlichkeit zu verteidigen. Rangnick sieht sich in seinem Verhalten in der Bundesliga in der besten Tradition. "Ich kenne noch Rudi Assauer aus Schalke in Bestform. Wenn da einem Emile Mpenza oder einem Gerald Asamoah so eine Szene passiert wäre, hätte er sich genauso schützend vor seinen Spieler gestellt", sagte Rangnick und meinte: "Das würden heutzutage ein Acki Watzke, ein Kalle Rummenigge, ein Uli Hoeneß, ein Rudi Völler und auch ein Christian Heidel genauso so machen."
https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-rangnick-es-war-eine-schwalbe-1.3282839
mlsum-de-398
Der Bundestrainer fährt für die Grünen zur Wahl des Bundespräsidenten. Aber was ist eigentlich seine politische Botschaft?
Die Partei der Grünen ist nach wie vor ein sehr buntes Volk, es wird auch am 12. Februar bei der Bundesversammlung wieder Aufsehen erregen. Im Namen der niedersächsischen Grünen zum Beispiel, Heimat von Jürgen Trittin, reist an: Olivia Jones, Dragqueen. Bislang hätten entweder Männer oder Frauen den Bundespräsidenten gewählt, lautet ihre Botschaft, nun wähle eben "auch mal was dazwischen". Sucht man nach dem größtmöglichen Gegensatz zu Niedersachsen und zum linken Wortführer Trittin, landet man in der Regel in Baden-Württemberg, Heimat von Winfried Kretschmann. Auf der Liste der Südwest-Grünen findet sich ebenfalls ein erstaunlicher Promi: Joachim Löw, Fußball-Bundestrainer. Aber was ist eigentlich dessen politische Botschaft? Mehr Espresso, mehr guten Wein, mehr Hautpflege für alle? Wegbegleiter können sich nicht erinnern, dass Löw je zu politischen Fragen Stellung bezogen hätte, auch nach den Kabinenbesuchen der CDU-Kanzlerin Merkel tat er das nicht. Ausdrücklich wurde er zu Beginn seiner Laufbahn von seinem Berater ermahnt, "den grünen Rasen" nicht zu verlassen. Und nun die grüne Partei als Spielfeld. Kretschmann selbst hat ihn geworben für die Bundesversammlung, bei der Bambi-Verleihung im November. Löw wurde in der Kategorie "Integration" ausgezeichnet, die Laudatio hielt sein baden-württembergischer Landsmann. "Er hat Menschen mit Wurzeln aus aller Welt zu einer Mannschaft zusammengeschweißt", lobte Kretschmann. Löw sagte, auf seiner Mannschaft stehe das Etikett "Deutschland", aber drin stecke "Multikulti". Löws Ruf erreicht immer neue Höhen Nun mag man bezweifeln, dass Joachim Löw bewusst eine Multikulti-Mannschaft zum Weltmeister geformt hat, 2004 an der Seite von Jürgen Klinsmann, seit 2006 in voll verantwortlicher Position. Spieler wie Özil, Khedira und Boateng würde er bestimmt auch aufstellen, hießen sie Müller, Meier und Huber. Aber letztlich zählt im Sport, wie in der Politik, das Ergebnis. So gesehen, eignet sich Löw glänzend als Repräsentant der 30-Prozent-Grünen in Baden-Württemberg. Im Laufe der Jahre hat sich der Schwarzwälder zu einem Gesamtkunstwerk entwickelt, das zum Image der Südwest-Grünen zu passen scheint: gutbürgerliches Milieu, das gerne arbeitet, aber sich gerne auch was gönnt - ein "moderner Mann", den Frauen, die sich nicht für Fußball interessieren, zumindest aus der Fernsehwerbung kennen. Trotz gelegentlicher Aussetzer, seinem Griff in die Hose bei der EM 2016 zum Beispiel, erreicht sein Ruf immer neue Höhen. Wird er bei der übernächsten Bundesversammlung gleich selbst für den Job kandidieren? Der Badener Löw kann seinen Dialekt ebenso wenig verleugnen wie der Schwabe Kretschmann, den Löw bestimmt gern zum Bundespräsidenten gewählt hätte. Aber immerhin reist er gerne, anders als Kretschmann. Und eine Wohnung in Berlin hat Joachim Löw, getrennt seit vergangenem Sommer, auch schon.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-und-politik-loews-neues-gruenes-spielfeld-1.3327048
mlsum-de-399
Flüchtlinge drängen ins Land, die Opposition wettert gegen die neue Regierung: Von Januar bis Juli haben mehr Afrikaner spanisches Staatsgebiet erreicht als im ganzen Jahr 2017. Wenige von ihnen haben die Chance, zu bleiben.
"Die meisten von ihnen würden glücklicher, wenn sie zu Hause blieben", sagt eine Helferin der Caritas über die afrikanischen Flüchtlinge, die über die Straße von Gibraltar nach Spanien kommen - hier ein Boot, das im Hafen von Tarifa anlegt. Nebel liegt am Freitagvormittag über der Straße von Gibraltar. Die trutzige Festung über Ceuta, der seit fünf Jahrhunderten zu Spanien gehörenden Handelsstadt in Nordafrika, ist in Wolken gehüllt. Die Sicht beträgt nur wenige Hundert Meter. Eigentlich wären dies ideale Voraussetzungen für die Subsaharianos, die Afrikaner aus den Ländern südlich der Sahara, die mit kleinen Booten von Marokko aus die südspanischen Atlantikstrände nordwestlich von Tarifa erreichen wollen. Weiter östlich ist die Küste zu steil zum Anlegen, das wissen sie. Bei klarer Sicht ist von Ceuta aus der Affenfelsen von Gibraltar gut zu sehen. Es sind ganze 21 Kilometer Luftlinie. "Das Wetter ist tückisch", sagt Adolfo Serrano, Chef der Leitstelle der Seerettung in Tarifa, der südlichsten Stadt Spaniens. Denn es herrscht in diesen Tagen Levante, ein heftiger und heißer Wind von Süden, der das Meer aufwühlt. Hinzu kommt die Strömung vom Mittelmeer in den Atlantik. "Im Nebel verliert hier jeder, der sich nicht mit dem Meer auskennt, leicht die Orientierung", sagt Serrano. Hinzu kommt, dass die Menschen in den kleinen Booten in Gefahr geraten, von großen Schiffen gerammt zu werden. Die Straße von Gibraltar ist eine der am dichtesten befahrenen Seewege der Erde. Bei Nebel können auch die Patrouillenflugzeuge keine Boote ausmachen, die in Seenot geraten sind. Die Opposition wollte den "Angriff auf die Grenze" für sich nutzen Wegen der hohen Wellen in dem Gebiet, in dem die Mittelmeerströmung auf den Atlantik trifft, gilt Tarifa als Surferparadies. Doch in diesen Tagen bläst der Levante so stark, dass sich kaum jemand auf das Meer hinaustraut. Der breite Strand ist menschenleer. Wegen des Levante hat die "afrikanische Welle", wie die spanische Presse es nennt, jetzt erst einmal nachgelassen. Doch der Juli war auch für erfahrene Retter extrem. "Das habe ich noch nie erlebt", sagt Serrano, der hier seit mehr als zwei Jahrzehnten im Einsatz ist. Täglich stachen Dutzende kleine Boote an den marokkanischen Küstenorten um Tanger in See. An manchen Tagen retteten die spanische Küstenwache oder Handelsschiffe mehr als 500 Menschen vor dem Ertrinken. Von Januar bis Ende Juli sind etwa 22 000 "Personen beim illegalen Grenzübertritt", wie es amtlich heißt, registriert worden. Das sind mehr Menschen als im gesamten Jahr 2017. Einem Teil war der "Sprung über den Zaun" gelungen, die Überwindung der sechs Meter hohen Grenzanlagen um Ceuta und Melilla, die 300 Kilometer weiter östlich gelegene zweite spanische Exklave. Zwei spektakuläre Fälle haben Schlagzeilen gemacht und aufregende Fernsehbilder produziert: Ein großes Holzboot fährt, von Schiffen der Küstenwache verfolgt, unweit des berühmten Leuchtturms von Trafalgar etwa 45 Kilometer nordwestlich von Tarifa direkt auf den Strand. Etwa 60 junge Männer springen aus dem Boot und laufen schnell in das angrenzende Wäldchen. Dass sie sich sofort abgesetzt haben und nicht registrieren lassen wollten, ist für die Presse ein Beleg, dass es sich nicht um politisch Verfolgte handelt. Noch größere Emotionen löste der "Angriff auf die Grenze" in Ceuta am letzten Donnerstag im Juli aus; der 24 Kilometer lange Dreifachzaun ist am oberen Ende mit scharfen Klingen bewehrt. Etwa tausend junge Afrikaner haben an einer Ecke, die nicht von den Überwachungskameras erfasst ist, versucht, über die Zäune zu klettern, ausgerüstet mit Steigeisen und Holzbrettern, die über die Klingen gelegt werden sollten. Die Aktion war gut vorbereitet: Als Grenzschützer eintrafen, ging auf sie ein Hagel aus Molotowcocktails und Steinen nieder. Auch hatten mehrere der jungen Afrikaner Flammenwerfer gebastelt. 600 von ihnen gelang es, auf der spanischen Seite abzuspringen, anschließend führten sie Freudentänze auf. Mehr als 100 mussten allerdings mit Schnittwunden in Krankenhäusern behandelt werden. In den folgenden Tagen wurde Ceuta zum beliebten Ziel von Oppositionspolitikern, die bemüht sind, die neue Regierung in der Flüchtlingsfrage schlecht aussehen zu lassen. Erst kam Albert Rivera, der junge, alerte Chef der rechtsliberalen Bürgerpartei (Ciudadanos), und lobte die Grenztruppe für ihren Einsatz bei der Verteidigung des Vaterlands. Unmittelbar darauf folgte Pablo Casado, der ebenfalls junge und alerte neue Chef der konservativen Volkspartei (PP). Er attackierte den sozialistischen Premierminister in Madrid, Pedro Sánchez: "Das ist das Ergebnis des Gutmenschentums." Sánchez hatte eine "humane Flüchtlingspolitik" versprochen. Als Beleg für den neuen Kurs hatte Madrid im Juni dem Seerettungsschiff Aquarius erlaubt, 600 afrikanische Migranten nach Valencia zu bringen, nachdem das Boot zuvor keine Genehmigung für die Häfen Italiens und Maltas bekommen hatte. Zudem kündigte Innenminister Fernando Grande-Marlaska an: "Die Klingen an den Zäunen um Ceuta und Melilla werden abgebaut." "Sie werden unglücklich, sie sind in der Sackgasse." Casado erklärte dazu: "Sánchez und Grande-Marlaska haben für Millionen Afrikaner eine Einladung nach Spanien ausgesprochen." Die beiden Lokalzeitungen jubelten: El Faro berichtete auf den ersten fünf Seiten über den Besuch Casados und druckte dabei elf Fotos ab, die ihn am Grenzzaun und im Gespräch mit Grenzschützern zeigen. Das Konkurrenzblatt El Pueblo de Ceuta brachte auf acht Seiten sogar 13 Casado-Fotos unter. Im Rathaus von Ceuta schaltet und waltet seit anderthalb Jahrzehnten die PP mit absoluter Mehrheit. Auch Algeciras, der große Containerhafen auf der anderen Seite der Meerenge, ist in den Händen der PP. Dort schlägt Oberbürgermeister José Ignacio Landaluce Alarm: "Wenn wir nicht aufpassen, wird unsere Stadt das neue Lampedusa." Die italienische Insel vor der libyschen Küste war in den vergangenen beiden Jahren wichtigster Anlaufpunkt der Migranten aus Afrika. Landaluce ist gelernter Chirurg, er bezeichnet sich als Humanist und sagt: "Wer nehmen jeden auf, der wirklich unsere Hilfe braucht!" Allerdings herrscht unter den großen Parteien in Spanien, von der linksalternativen Gruppierung Podemos abgesehen, Einigkeit darüber, dass es sich bei der überwältigenden Mehrheit der jungen Afrikaner, die über die "Maghreb-Route" kommen, nicht um Menschen in Not handelt. Die Experten der Caritas, die sich um Ankömmlinge kümmern, bestätigen dies. In Ceuta sagt Schwester Teresa, seit drei Jahrzehnten für Hilfesuchende im Einsatz, unverblümt: "Die meisten von ihnen würden glücklicher, wenn sie zu Hause blieben." Die Statistiken der Einwanderungsbehörde belegen: Fast alle der neuen Migranten kommen aus der Mittelschicht, sie träumen von Wohlstand, manche von Karrieren als Musiker oder Fußballer. Sie verehren Kylian Mbappé und Paul Pogba, Stars der französischen Fußballweltmeister, deren Eltern einst aus Afrika eingewandert sind. "Fast alle erleben in Europa einen krassen sozialen Abstieg", sagt Schwester Teresa. "Sie werden unglücklich, sie sind in der Sackgasse."
https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-spanien-tarifa-1.4081149
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