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https://www.sueddeutsche.de/sport/spanien-in-die-festspiele-gestolpert-1.2431985
mlsum-de-401
Trotz der Champions-League-Reise nach Paris tritt der FC Barcelona in Sevilla in Bestbesetzung an, erreicht aber nur ein 2:2. Dadurch kommt Real an der Ligaspitze wieder näher.
Es gab Zeiten, da konnten sich Spaniens Großvereine an den Wochenenden in der nationalen Fußball-Liga locker warmlaufen für die wahren und lukrativen Aufgaben, die ihnen unter der Woche bevorstanden - in Europa, in der Königsklasse. So groß war die Diskrepanz zwischen den Protagonisten und den Statisten im heimischen Wettbewerb. Nun aber ist alles etwas anders. Aus dem Duo Barça und Real ist ein Trio mit Atlético Madrid geworden, einem Team mit Niveau, das als amtierender Meister ebenfalls wieder prominent mitspielt in der Champions League. Und in der Primera División gibt es heuer zwei, drei weitere Vereine mit beträchtlichem Störpotenzial, solche, die den Granden volles Engagement abfordern. Einer von diesen Vereinen ist der Tabellenfünfte FC Sevilla. Nach jedem finanziell bedingten Aderlass führt er seinem Kader billigeres Personal zu - und hat doch weiter Erfolg, gibt sich kaum mal eine Blöße, gerade daheim nicht, im Stadion Sánchez Pizjuán. Der FC Barcelona reiste am Samstag daher auch mit der Gala-Elf nach Andalusien. Trainer Luis Enrique gewährte keinem Stammspieler eine Pause, obwohl an diesem Mittwoch das Hinspiel im Viertelfinal der Champions League stattfindet, auswärts bei Paris Saint-Germain. Einem Gegner, der am Samstag bereits einen nationalen Titel gewann: den französischen Liga-Pokal, durch ein 4:0 gegen Bastia, mit je zwei Stürmertoren von Zlatan Ibrahimovic und Edinson Cavani. Die gute Nachricht für Barcelona: Ibrahimovic, der Schrecken aller Verteidiger, ist im Hinspiel gegen seinen früheren Verein rot-gesperrt. In Sevilla gab sich Barça schnell konzentriert, spielfreudig. Nach einer halben Stunde Wirbel führten die Katalanen dank Toren von Lionel Messi und Neymar 2:0 und hätten noch höher führen können, wenn der Dritte der Offensivabteilung, der Uruguayer Luis Suárez, nicht mehrmals am Elementarsten gescheitert wäre: am Einschieben des Spielgeräts. Doch dann erlahmten Sturm und Drang plötzlich, und der FC Sevilla verkürzte, glich aus, war am Ende sogar näher dran am Sieg. Warmlaufen geht anders, bei diesem 2:2 wurde über die Maßen geschwitzt. Für Gesprächsstoff sorgt die Auswechslung Neymars in der 73. Minute. Der Brasilianer war wahrscheinlich der Beste der Seinen gewesen, und so sah er das selbst auch. Nicht zum ersten Mal echauffierte sich der junge Mann über eine Auswechslung. Seinen Unmut offenbarte er mit einer sehr italienischen Handgeste, mit der er dem Trainer bedeutete: Was soll denn das? Er warf auch ein bisschen mit den Fußballschuhen um sich, was man auf der gut situierten Bank des FC Barcelona selten sieht. Als Trainer Enrique nach dem Spiel auf die Episode angesprochen wurde, sagte er: "Das sind Nichtigkeiten, kleine Dummheiten, die euch Reporter interessieren. Mich kümmern sie nicht." Kümmern dürften ihn allerdings die verlorenen Punkte. Sieben Spieltage vor Saisonende beträgt Barcelonas Vorsprung auf Real Madrid, das den baskischen Aufsteiger Eibar ohne Mühe und mit vielen Ersatzspielern 3:0 besiegte, nur noch zwei Punkte. Und zwei Punkte sind in diesem Jahr der vielen Sensationen und dem erfreulich häufigen Favoritengestolper ein bescheidenes Kapital. Die Madrider Sportpresse wähnt die spanische Meisterschaft wieder völlig offen: "Remontada", titelte etwa Marca, als wäre die Aufholjagd bereits vollendet. Real-Torjäger Cristiano Ronaldo traf mal wieder mit einem direkten Freistoß, was ihm davor 57 Mal verwehrt geblieben war. Eine süße Erlösung, wenngleich der Ball auf dem Weg zum Tor von der Mauer abgelenkt wurde und einen ungewollten Richtungswechsel erfuhr. Der Statistik sieht man solche Details ja nicht an. Atlético Madrid hingegen, an diesem Dienstag Gegner Reals im Champions-League-Stadtderby, brauchte alle seine Kräfte und Topspieler, um Málaga, dem Tabellensiebten, wenigstens ein 2:2 abzuringen. Und wieder einmal war der Franzose Antoine Griezmann zuständig für die Treffer. Er hat in dieser Saison bereits 18 Tore erzielt, so viele wie nie zuvor in seiner Karriere. Getroffen hat auch Rückkehrer Fernando Torres, ein Idol des Vereins, der für den verletzten Mario Mandzukic auflief - nur halt ins eigene Tor. Und so mag von den drei spanischen Eliteklubs wohl einzig Real Madrid dem Wochenende Positives abgewinnen. Vielleicht nimmt Real daraus gar einen mentalen Schub für die Champions League mit. Vielleicht.
https://www.sueddeutsche.de/politik/gastkommentar-dummheit-1.3298828
mlsum-de-402
Schon lange gelten in der Öffentlichkeit Bildung und Belesenheit nicht mehr als Vorzug, sondern als Makel, den man möglichst gut verbergen muss.
Manchmal erkennt man erst im Nachhinein, wann eine Epoche zu Ende gegangen ist und was sie ausgemacht hat. Bis 1983 amtierte in Österreich als Bundeskanzler ein Großbürger, der es liebte, die Nation mit seiner Bildung zu beeindrucken. Wann immer der Sozialdemokrat Bruno Kreisky zum Gespräch gebeten wurde, vergatterte er sein verzückt lauschendes Publikum zu gelehrsamen Exkursen, an denen er selbst seine hörbare Freude hatte. Dass er ein Vielleser war, betonte er gerne, und als sein Lieblingsbuch hat er stets Robert Musils "Der Mann ohne Eigenschaften" bezeichnet, ein schwieriges Meisterwerk der modernen Erzählkunst, das auch von Germanisten häufiger gerühmt als gelesen wird. Mich interessiert gar nicht, ob Kreisky seine Freizeit tatsächlich am liebsten damit zubrachte, sich in Musils literarisches Monumentalgemälde zu vertiefen; mich fasziniert vielmehr, dass er dies seine Wähler, zu denen damals nahezu die gesamte Arbeiterschaft gehörte, immerhin glauben machen wollte. Nichts spricht übrigens dafür, an seinem Bekenntnis zur Literatur im Allgemeinen und zu Musil im Besonderen zu zweifeln, aber selbst wenn er sich einer nur vorgetäuschten Belesenheit gerühmt hätte, wäre der Sachverhalt bemerkenswert gewesen: dass einer, der als Politiker populär war wie kein zweiter, von der Bevölkerung als Bücherleser, als Intellektueller, als Mann von Bildung und Kultur identifiziert und geachtet werden wollte. Ein paar Jahre später stieg ein anderer Typus zum mächtigsten konservativen Politiker Österreichs auf, der seither manchen Parteiobmann der Österreichischen Volkspartei gekürt und wieder zum Rücktritt gezwungen hat und der als einziger der Landeshauptmänner (Ministerpräsidenten) seiner Partei noch zuverlässig absolute Mehrheiten sichert: der Niederösterreicher Erwin Pröll, ein machtbewusster Mann, gleichermaßen bewundert wie gefürchtet. Was für Kreisky Robert Musil, das war für Pröll Karl May, hat er doch mit geradezu auftrumpfendem Trotz behauptet, dass "Der Schatz im Silbersee" nicht nur sein Lieblingsbuch sei, sondern dass es auch das einzige wäre, das er je zu Ende gelesen habe. Auch bei Pröll ist nicht wichtig, ob das, was er von seiner literarischen Vorliebe öffentlich machte, stimmt oder nicht. Ich bin mir sicher, dass er den Einbuchleser nur spielt und in Wahrheit ein belesener Mensch ist, aber er hält das für einen Makel, den es vor der Wählerschaft besser zu verbergen gilt. Auf der einen Seite der imaginären Grenze, die durch die österreichische Seelengeschichte schneidet, sehen wir einen Sozialisten, der sich den Arbeitern erfolgreich als Bildungsbürger empfiehlt; auf der anderen einen Konservativen, der erfolgreich als volksverbundener Haudegen auftritt, der seine Zeit nie mit so lächerlichem Zeugs wie der Lektüre von Büchern vergeudet haben mag. Beim einen gilt Bildung noch als ein Gut, mit dem man renommieren kann, beim anderen für eine Anmaßung, über die sich trefflich spotten lässt. Der Rückgriff auf Begriffe wie "Populismus" dient oft nur dazu, sich als die Besseren zu fühlen Ich kann mich noch an Diskussionsrunden im Fernsehen erinnern, bei denen die Teilnehmer sich wacker bemühten, einen möglichst gebildeten Eindruck zu hinterlassen, selbst wenn sie sich dafür als Blender und Aufschneider bewähren mussten. Wer heute in eine Talkshow gerät, bekommt es hingegen mit Leuten zu tun, die sich beflissen anstrengen, nur ja nicht als Klugscheißer dazustehen. "Das ist mir zu hoch", bekennen sie pflichteilig, kaum dass jemand sie mit einem Gedanken behelligt hat, und damit meinen sie jenen fürchterlich bloßgestellt zu haben, der ihn äußerte, nicht sich selbst, die sie ihn nicht verstehen konnten oder wollten. In den vergangenen Monaten wurde in zahllosen Kommentaren beklagt, dass die politische Debatte verfalle und ihre Sprache verrohe, dass Politiker triumphierten, die auf freche Realitätsverweigerung setzten und gerade deswegen gewählt werden, weil sie methodisch gegen zivilisatorische Normen und Traditionen, gegen alles verstießen, was bisher Anstand, Respekt, Übereinkunft geboten. Als wären Vernunft und Bildung eine Last, die den Menschen ungerechterweise aufgebürdet wurde und die abzustreifen geradezu ein urdemokratisches Anliegen wäre, beherrschen nun politische Abenteurer die mediale Welt und die digitalen Netzwerke, die in aller Öffentlichkeit lügen und gar nicht verbergen, es zu tun, und die deshalb von ihren Anhängern als vermeintliche Rebellen wider die unerträglichen Zwangsregeln des "Systems" verehrt werden. Das Entsetzen ist groß und die Ratlosigkeit nicht minder. Die Schuld wird einem Popanz namens Populismus gegeben, der in der kritischen Analyse als eine Art von rhetorischer Müllkippe fungiert, in die man werfen kann, was immer (einem) stinkt. Dort rottet es dahin, und jeder kann seinen Ekel über die Pestilenz ausdrücken, die da hochsteigt. Doch warum so viele süchtig sind nach dem Gestank, ist damit nicht zu verstehen. Die Begriffe, ob Faschismus oder Populismus, die wir angewidert ins Treffen führen, scheitern an der Aufgabe, die sie haben, die Realität nämlich zu fassen und uns damit ein Instrument in die Hand zu geben, auf diese angemessen zu reagieren. So wie wir sie verwenden, dienen sie aber nicht der Erkenntnis, sondern der Selbstentlastung. Wir sprechen von faschistoiden Tendenzen, nicht weil das, was sich heute ereignet, mit dem Rückgriff auf den historischen Faschismus besser zu begreifen wäre, sondern weil wir unsere Sorge, mehr aber noch unsere Abscheu kundtun wollen. Da geht es weniger darum zu erkennen, was sich tut, als sich zum Besseren und, mitunter, auch als die Besseren zu bekennen. Ist alles wirklich so überraschend? Herrschte, da jetzt das postfaktische Zeitalter angebrochen ist, vorher allenthalben die aufgeklärte Bereitschaft, sich frei von eigenen Interessen und Absichten mit den Fakten auseinanderzusetzen? Seit Jahrzehnten wird medial auf allen Kanälen die Dummheit propagiert. Jetzt ist der Jammer groß, dass so viele Leute, gewohnheitsmäßig unterfordert, sich nicht mehr mit der fröhlichen Dummheit der Shows zufriedengeben, sondern der bellenden des politischen Kampfes verfallen. Karl-Markus Gauß, 62, ist Schriftsteller, Essayist und Kritiker und gibt die Zeitschrift Literatur und Kritik heraus. Er lebt in Salzburg.
https://www.sueddeutsche.de/stil/modezirkus-zu-wintermaenteln-im-bademantel-durchs-leben-1.2194690
mlsum-de-403
Eigentlich ist der Bademantel keine Straßenkleidung, in dieser Saison wird man ihn trotzdem außer Haus sehen. Welche Mantel-Varianten es in diesem Winter gibt und warum das Ei auch außerhalb der Pfanne wichtig wird.
Kann ich das tragen? Wie kombiniert man Animal Print? Und was bedeutet eigentlich Ethno-Look? Im Modezirkus, der Stil-Kolumne auf Süddeutsche.de, greifen wir aktuelle Trends und klassische Fragen zur richtigen Kleiderwahl auf und erklären gemeinsam mit unseren Stilexperten, worauf zu achten und was zu vermeiden ist. Was haben Hugh Hefner, Udo Jürgens und der Dude gemeinsam? Diese drei Herren tragen bevorzugt Bademantel - ob auf dem roten Teppich, am Flügel oder im Supermarkt. Der Dude kaufte die Milch für seinen White Russian in der Coen-Brüder-Komödie "The Big Lebowski" in einem undefinierbar braunen Modell, Playboy-Gründer Hugh Hefner trägt bevorzugt einen Bademantel aus bourdeauxfarbenen Satin mit schwarzem Revers und Udo Jürgens gibt Zugaben im flauschigen weißen Modell. Der Bademantel ist das intimste aller Kleidungsstücke. Nicht mal sein kleiner Bruder, die Jogginghose, kann ihm das streitig machen. Der Bademantel ist eigentlich nie Straßenkleidung, er lässt sich nur in geschützten Räumen - wie den eigenen vier Wänden oder im Spa - tragen. Mit dem Moment des Zuknotens des Mantelgürtels beginnt ein Höchstmaß an Privatheit und Komfort. Das Kleidungsstück ist eine Mischung aus Handtuch und Decke zum Anziehen, eine Schutzmauer aus Frottee gegen die kalte Welt. Anschmiegsam, wärmend, kuschelig, bequem - allerdings nie modisch oder besonders kleidsam. Und doch wird man in in diesem Winter auf Deutschlands Straßen sehen. Nicht, weil die Bundesregierung im November zur großen "The Big Lebowski-Party" lädt und allen Bademantelträgern einen Gratis-White-Russian verspricht. Nein, die Modedesigner und Trendforscher möchten es so. Fünf Mänteltrends der Saison 2014/2015 Dafür haben sie dem Bademantel ein Facelift verpasst und ihn von einem Frottee-Monster in einen Woll-Traum verwandelt. Doch seine inneren Werte sind geblieben: Er hat weder Zipper, Knöpfe oder sonstige Reißverschlüsse. Um ihn zuzubinden, behilft sich die Trägerin wie beim Urmodell mit einem Band oder einem Gürtel in Taillenhöhe. Der darf dann auch gerne aus Wildleder sein. Aber aufpassen: Wird der Mantel zu nachlässig geknotet, trägt der Stoff schnell auf. Detailansicht öffnen Aaaa, nicht Umkippen. Auch wenn dieser A-linienförmige Kurzmantel mit Lederapplikationen hinreißend ist. (Mantel: Sandro Paris) (Foto: Daniel Hofer) Aus dem Ei gepellt Wem ein Mantel in Bademantel-Form zu gewagt ist, der kann sich vielleicht besser mit einem in Egg-Shape anfreunden. Der Designer Cristobal Balenciaga entwarf den Schnitt in den Sechzigerjahren - mehr als 50 Jahre später erlebt er in dieser Saison ein Revival. Weil das Kleidungsstück für reichlich Volumen sorgt, sollte die Trägerin den eiförmigen Mantel mit engangliegender Kleidung kombinieren, das können Skinny-Jeans, Leggings, schmale Röcke und Kleider sein - ansonsten droht schnell Verwechslungsgefahr mit einem überdimensionierten Überraschungsei. Der Schnitt des Mantels - die weiteste Stelle ist hier an der Hüfte, am Hals und an den Beinen läuft der Mantel schmal zu - schmeichelt übrigens jeder Figur. Der Mantel steht als Oversize-Modell ganz im Zeichen der Rückbesinnung auf Ursprüngliches und Traditionen. Die Welt wird immer unstruktierter, es fehlt ein geregelter Tagesablauf, genau darum sehnen sich die Menschen in der Mode schon lange nach Ritualen, nach Berechenbarkeit, nach Schutz. Und wie lässt sich diese Sehnsucht besser stillen, als mit einem Mantel in Ei-Form, dem Ursprung des Lebens? Detailansicht öffnen Tut einiges für eine schöne Silhouette: Blazermantel in Camel. (Mantel: Karen Millen) (Foto: Daniel Hofer) Der Blazer geht in die Verlängerung Weil er schon seit Jahrzehnten der Allrounder im Kleiderschrank ist und sich sowohl klassisch elegant als auch sportlich lässig kombinieren lässt, gibt es den Blazer jetzt auch als Mantel. Er wurde verlängert und bekam warmes Innenfutter, Abnäher in der Taille und ein breiteres Revers verpasst. So schützt er jetzt vor Wind und Wetter. Besonders gut steht diese Mantelform großen Frauen mit einer Sanduhr-Figur. "Kleine, zierliche Frauen können durch große Kragen, Bindegürtel, Muster und extravagante Sixites-Schnitte ein paar Zentimeter dazumogeln", sagt Stilexpertin Janine Katharina Pötsch. Perfekt eignen sich für diese Frauen hingegen kurze Mäntel, zum Beispiel Dufflecoats. Größeren Frauen, deren Figur eher einem Apfel gleicht (breites Becken, schmaler Oberkörper) sollten hingegen zu einem A-Linien-förmigen Mantel greifen, rät die Stilberaterin. Detailansicht öffnen Da wird nicht nur der Hase in der Grube verrückt: Stepp-Jacke mit Schalkragen in Quietschfarbe (Jacke: Colmar) (Foto: Daniel Hofer) Stepp ins Glück Aufgeplusterte Daunenjacken, am schlimmsten noch in glänzendem Lack sind passé. Der Stepp in dieser Saison ist kleiner und feiner geworden. Die kurzen Jacken mit Abnäher in der Taille und auffälligem Schalkragen sind in allen Knallfarben des Regenbogens zu haben. Anders als die Mäntel, die in diesem Jahr in gedeckten Tönen an den Kleiderstangen hängen. Außerhalb der gesteppten Mäntel und Jacken dominieren Rotnuancen, Grau - und Cameltöne. "Die Farbe Camel ist jedoch nicht ganz unproblematisch", sagt die Stilberaterin. Sie stehe den meisten nicht, sondern lasse sie unvorteilhaft blass aussehen. Doppelt hält besser Zweireiher lösen in dieser Saison den klassischen Einreiher ab. Die Doppelreiher-Mäntel gibt es aus Wolle und Kaschmir. Wer den strengen Military-Look mag, der kauft sich ein Modell, das zusätzlich zur doppelten Leiste aus halbkugelförmigen Knöpfen noch Schulterklappen und Taillengürtel hat. Bodenlange Gemütlichkeit Mit den Mänteln ist es in dieser Saison ein bisschen wie mit den Dirndln, sowohl von den Farben als auch von den Längen. Viele Frauen entschieden sich in diesem Jahr für knöchellange Dirndl in gedeckten Farben. Es war eine Wiesn-Saison, die ganz im Zeichen von Werteverbundenheit und Tradition stand. Exakt das lässt sich auch über die Mäntel sagen und so kommen knöchellange Exemplare zurück, die nicht nur schön wärmen, sondern auch ordentlich was her machen - solange die Trägerin größer als 1,70 Meter ist. Aus weichen Materialien bieten sie ausreichend Schutz - vor Nässe und (menschlicher) Kälte. Die Stilberaterin Janine Katharina Pötsch, 35, berät ihre Kunden in Stil- und Kniggefragen. Im "Modezirkus" gibt sie Tipps für die perfekte Kleiderwahl.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/usa-doppelmord-vor-der-kamera-1.2622619
mlsum-de-404
Eine Reporterin und ihr Mitarbeiter werden während eines Live-Interviews im US-Fernsehen erschossen - offenbar ein persönlicher Rachefeldzug eines früheren Mitarbeiters.
Es beginnt mit einer leichten Plauderei, wie man sie im amerikanischen Frühstücksfernsehen so oft sieht, Journalisten nennen es einen "fluff shot", also ruhige Bilder zu einem weichen Thema. Alison Parker, die Reporterin des lokalen Fernsehsenders, interviewt live eine Frau, sie stehen entspannt am Bridgewater Plaza, einem Touristenziel im US-Staat Virginia. Es ist etwa 6.45 Uhr. Die interviewte Frau spricht gerade über Tourismus und sagt: "Wir wollen, dass die Leute kommen." In diesem Augenblick hört man Schüsse, in kurzer Folge hintereinander abgefeuert. Die Reporterin blickt entsetzt in die Kamera und schreit, während der Kameramann die Kontrolle über sein Gerät verliert, es gleitet ihm offenbar aus den Händen und filmt dann am Boden weiter, während man von der Reporterin oder ihrer Gesprächspartnerin noch die Worte "Oh mein Gott" vernimmt. Als die Regie wieder die Moderatorin Kimberly McBroom im Studio zeigt, blickt die entgeistert in die Kamera und sagt: "Okay, wir sind nicht sicher, was da passiert ist. Wir sagen Ihnen Bescheid, wenn wir wissen, woher diese Geräusche kamen." Wie sich später herausstellt, hat ein ehemaliger Mitarbeiter des Senders die Reporterin Alison Parker, 24, und Kameramann Adam Ward, 27, erschossen, mitten in einem Live-Interview. Die erschreckende Aufzeichnung des Lokalsenders WDBJ7 dokumentiert, wie das Grauen völlig unvermittelt in die frühmorgendliche Idylle eindringt. Schlimmer noch: Kurz darauf taucht im Internet ein Video auf, das den Vorfall aus anderer Perspektive, womöglich der einer Helmkamera, zeigt. Der Filmer nähert sich den beiden Frauen, dann fallen Schüsse. In dem kleinen Lokalsender WDBJ7 ging es sehr familiär zu, alle Angestellten kannten einander. Adam Ward, der Kameramann, war mit einer Redakteurin des Frühstücksfernsehens verlobt, die in der Redaktion live mitverfolgt haben dürfte, wie Ward den Schüssen zum Opfer fiel. Auch die Reporterin war mit einem Mitarbeiter des Senders liiert, dem Anchorman Chris Hurst, der Stunden nach der Tat auf Twitter schrieb: "Wir wollten heiraten." Mehrere Stunden nach der Tat erklärte der Gouverneur von Virginia, Terry McAuliffe, bei dem Tatverdächtigen handle es sich um einen früheren Mitarbeiter des Senders WDBJ7, offenbar war er Nachrichtenredakteur. Jeff Marks, Geschäftsführer des Senders, bestätigt bei "Fox News", der Mann sei "für viele ein sehr schwieriger Mitarbeiter" gewesen, es habe Streitereien zwischen dem mutmaßlichen Täter und den Opfern gegeben. Die Polizei berichtete später, der 41-jährige Vester F. habe nach einer Autoverfolgungsjagd eine Straßensperre durchbrochen und sei von der Straße abgekommen. Mit einer Waffe nahm er sich selbst das Leben, er starb im Krankenhaus an den Schussverletzungen. Zuvor schickte er offenbar noch eine Art Manifest an den Fernsehsender ABC, das dieser nach eigenen Angaben per Fax fast zwei Stunden nach der Schießerei erhielt. Darin beschreibe der Autor, dass er als Schwarzer und Homosexueller "Diskriminierung, sexuelle Belästigung und Schikane bei der Arbeit" habe erleiden müssen.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/pferdesport-sonne-rekorde-und-ein-schock-1.2984472
mlsum-de-405
70 000 Zuschauer verfolgen die Pferd International, die kurz vor Schluss von einem Sturz überschattet wird
Vier Tage traumhaftes Wetter, Zuschauerrekord und viele siegreiche deutsche Reiter: Die diesjährige Pferd International hatte das Zeug, die erfolgreichste aller 33. Auflagen zu werden. Ein verhängnisvoller Zwischenfall am Sonntagnachmittag legte jedoch kurz vor Ende einen Schatten über die Veranstaltung und sorgte kurzzeitig für Schockstarre auf der Münchner Olympia-Reitanlage. Der irische Springreiter Eoin McMahon war beim Großen Preis von Bayern mit seinem Pferd Questfinder derart heftig gestürzt, dass der Wettkampf abgebrochen sowie die letzte Springprüfung des Tages auf Wunsch der übrigen Reiter abgesagt wurde. Am Wassergraben, der laut Parcoursbauer Werner Deeg "zu 100 Prozent" den Standards des Weltverbandes FEI entsprach, war das Pferd umgeknickt, überschlug sich in der Folge und landete auf dem Reiter. McMahon musste mit dem Rettungshubschrauber abtransportiert, das Pferd wegen gebrochener Vorderbeine eingeschläfert werden. Veranstaltungsleiter Jürgen Blum gab zwar schon wenig später Entwarnung ("Dem Reiter geht es gut, er ist außer Lebensgefahr."), der Zwischenfall war dennoch dramatisch. "Der Verlust des Pferdes ist sehr bedauerlich, ein bisschen trübt der Unfall die gesamte Situation", sagte Blum, bei dem nach den vier "tollen Tagen" mit all den Teilnehmern und vielen Besuchern jedoch die Freude überwog. Das fantastische Wetter bescherte den Veranstaltern quasi im Alleingang den neuen Zuschauerrekord. Bis Sonntagabend strömten 70 000 Menschen - und damit 10 000 mehr als im bisherigen Rekordjahr 2014 - auf die Riemer Anlage. "Es war noch nie so schön wie dieses Mal", schwärmte Cheforganisator Blum. Schwärmen durften auch die Dressur-Fans. Vor den Augen von Bundestrainerin Monica Theodorescu waren in Isabell Werth, Fabienne Lütkemeier, Dorothee Schneider und Jessica von Bredow-Werndl gleich vier Reiterinnen der deutschen Elite nach München gekommen. Vor allem Schneider begeisterte mit ihren Siegen im Grand Prix am Freitag sowie am Sonntag in der Fünf-Sterne-Kür, dem Höhepunkt der Dressurreiter. In der Dressur-Arena, dort wo am Samstag noch Isabell Werth mit Emilio den Grand Prix Special für sich entschieden hatte, zog Schneider auf Showtime 59 die Zuschauer in ihren Bann. Die 47-jährige Mainzerin verwies mit einer grandiosen Leistung und starken 84,3 Prozent von Bredow-Werndl (77,75 Prozent) aus Aubenhausen und Jan-Dirk Gießelmann (75,15) auf die Plätze. "Ich bin sehr überwältigt von meinem Pferd, er hat hier eine grandiose Leistung gebracht", sagte Schneider über den ersten Kür-Auftritt des Hannoveraners. Für Bredow-Werndl waren die vier Tage trotz des verpassten Sieges in der Kür ebenfalls äußerst erfolgreich. Bei ihrem Lieblingsturnier, wie sie es selbst nennt, nahm die 30-Jährige insgesamt an sieben Prüfungen teil und verließ das Dressur-Viereck gleich fünf Mal als Siegerin. Eine außergewöhnliche Leistung, die speziell im Olympiajahr sehr hoch einzuschätzen ist. Auch die deutschen Reiter der Working Equitation, einer Vielseitigkeitsdisziplin, in der in vier Teilbereichen die Fähigkeiten von Pferd und Reiter geprüft werden, hatten Grund zur Freude. Bei der erstmals im Rahmen der Pferd International ausgetragenen Europameisterschaft wurde die deutsche Equipe letztlich starker Zweiter, knapp hinter Portugal und vor dem Team aus Frankreich. Das sportlich hochwertige Programm wurde abgerundet durch diverse Showeinlagen im großen Reitstadion und zahlreiche, auf dem gesamten Gelände verteilte Messestände. Dort konnten die Besucher neben Sattel, Peitsche und Reiterkleidung selbst Pferdeanhänger erwerben. "Wir versuchen das Event jedes Jahr weiter auszubauen und auf gesunde Beine zu stellen", sagte Organisator Jürgen Blum abschließend: "Es gibt keine Diskussion, ob, sondern nur wann und wie die Pferd International wieder stattfinden wird." Die Veranstalter hoffen im nächsten Jahr vor allem auf möglichst sturz- und verletzungsfreie Wettkämpfe.
https://www.sueddeutsche.de/politik/kz-stutthof-prozess-ausgesetzt-1.4251829
mlsum-de-406
Weil der Angeklagte schwer erkrankt ist, hat das Landgericht Münster das Verfahren ausgesetzt. Wie es weitergeht, hängt von der Genesung des 95-Jährigen ab.
Im Konzentrationslager Stutthof in der Nähe von Danzig ermordeten die Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs Zehntausende. Der Prozess gegen einen ehemaligen SS-Wachmann im Konzentrationslager Stutthof ist vorerst geplatzt. Das Landgericht Münster setzte das Verfahren am Donnerstag wegen einer schweren Herz- und Nierenerkrankung des Angeklagten aus. Am bisher letzten Prozesstag mit dem Angeklagten am 22. November hatte dessen Aufmerksamkeit deutlich nachgelassen, die Verhandlung wurde daraufhin abgebrochen. Der 95-Jährige ist seitdem verhandlungsunfähig und liegt im Krankenhaus. Sein Verteidiger sagte einem Bericht der Westfälischen Nachrichten zufolge, dass sein Mandant versucht habe, durchzuhalten: "Er ist aber an seine körperlichen Grenzen gestoßen." Ein medizinischer Gutachter soll den Mann im Januar erneut untersuchen. Dann will der Vorsitzende Richter Rainer Brackhane entscheiden, ob das Verfahren mit neuen Terminen wieder beginnen muss. Nach einer Verhandlungspause von drei Wochen sieht die Strafprozessordnung diesen Schritt vor. Eine Genesung ist möglich, aber nicht wahrscheinlich Der vom Gericht bestellte medizinische Gutachter hatte am 8. Verhandlungstag den Gesundheitszustand des Angeklagten geschildert, der sich in den vergangenen Wochen verschlechtert hatte. Es sei zwar möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich, dass sich der Mann wieder erhole, sagte der Mediziner. Die Anklage wirft dem Mann aus dem Kreis Borken hundertfache Beihilfe zum Mord in dem deutschen KZ bei Danzig von 1942 bis 1944 vor. Im Konzentrationslager war er 1943 zum SS-Sturmmann - das entspricht einem Gefreiten der Wehrmacht - befördert worden, er überwachte in dieser Funktion Arbeitskommandos und tat Dienst auf Wachtürmen. Er hat nie bestritten, in Stutthof gearbeitet zu haben, will aber von den systematischen Tötungen nichts mitbekommen haben. Jahrzehntelang wurden am Holocaust Beteiligte nicht zur Verantwortung gezogen, wenn nicht nachgewiesen werden konnte, dass sie selbst getötet hatten. Eine Wende leitete erst 2011 das Urteil gegen den früheren Aufseher im Vernichtungslager Sobibor, John Demjanjuk, ein. Dieses Urteil wurde jedoch nie rechtskräftig, weil Demjanjuk während des Revisionsverfahrens starb. Erst Ende 2016 bestätigte der Bundesgerichtshof im Fall des Auschwitz-Wachmanns Oskar Gröning höchstrichterlich die Linie, wonach Wachmänner in Todeslagern zum Funktionieren der NS-Tötungsmaschinerie beitrugen. Diese Klarstellung löste neue Ermittlungen aus, der Fall Stutthof ist wohl einer der allerletzten NS-Prozesse. Nach Angaben der für die Aufklärung von NS-Verbrechen zuständigen Zentralen Stelle in Ludwigsburg starben bis Kriegsende 65 000 Menschen in Stutthof und seinen Nebenlagern sowie auf den sogenannten Todesmärschen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/bayern-duesseldorf-3-3-kovac-lukebakio-1.4225464
mlsum-de-407
Das Team von Niko Kovac verspielt auf groteske Art und Weise in der Nachspielzeit einen Heimsieg gegen den Aufsteiger. Dodi Lukebakio schießt drei Tore, die eine Spitzenmannschaft so nicht kassieren darf.
Niko Kovac bewegte keinen einzigen Gesichtsmuskel, Uli Hoeneß auch nicht. Die Kamera zeigte den Bayern-Trainer und den Bayern-Präsidenten in Nahaufnahme, als der Düsseldorfer Dodi Lukebakio in der Nachspielzeit gerade das 3:3 für den Aufsteiger geschossen hatte. Der FC Bayern war weit aufgerückt, ein einziger Steilpass genügte, um das ganze Defensivkonzept auszuhebeln. Lukebakio rannte einfach auf Manuel Neuer zu und traf den FC Bayern ins Herz. Es war ein einfaches Tor, ein Gegentor, das eine Spitzenmannschaft nicht fangen darf, schon gar nicht zu Hause. Schon gar nicht bei einer knappen Führung. Schon gar nicht gegen einen Aufsteiger. Schon gar nicht in der Nachspielzeit. Und schon gar nicht, wenn der gleiche Spieler schon ein einfaches erstes Tor und ein einfaches zweites Tor geschossen hatte. Der FC Bayern hat ein Spiel, das eigentlich in Richtung "Arbeitssieg" plätscherte, auf absurde Art und Weise aus der Hand gegeben. Niko Kovac verließ nach Schlusspfiff sofort das Spielfeld. Weil Dortmund in Mainz gewann, beträgt der Rückstand auf die Tabellenspitze nun neun Punkte. "Ich bin alles andere als glücklich. Wir haben in der Abwehr zu viele Fehler gemacht. So darf man in der Bundesliga nicht verteidigen", sagte Kovac nach dem Spiel. Eigentlich sollte ab der 20. Minute an diesem Nieselregen-Tag von München die Welt für den FC Bayern wieder ein bisschen normaler werden. Jérôme Boateng, der schwere Wochen hinter sich hat, spielte einen langen Ball auf Thomas Müller, der schwere Wochen hinter sich hat. Müller nahm diesen Ball mit der Fußspitze auf Stirnhöhe an und mit einer dieser Müller-Bewegungen, bei denen man sich nie ganz sicher ist, ob es nun Absicht oder Zufall ist, spitzelte er die Kugel an Fortuna-Torwart Michael Rensing zum 2:0 vorbei. Sogar die Sonne kam da kurz raus. Doch in das Spiel der Kovac-Bayern mischten sich da schon unerklärliche Aktionen wie beim ersten Gegentor, Minuten vor der Pause. Nach einem langen Ball hinter die Abwehr versuchte Jean Zimmer erst, die Kugel mit der Hacke mitzunehmen - das misslang ihm. Also drehte er sich mit dem Rücken zum Tor und fallrückzieherte den Ball gegen den herbeigeeilten Jérôme Boateng. Die Kugel sprang zurück und auf dem Boden und liegend stocherte Zimmer den Ball zu Lukebakio. Der schoss zum Anschlusstreffer ein. Beide Innenverteidiger - Boateng und Niklas Süle - wirkten in dieser Situation so, als wären sie mit dem Kopf schon in der Kabine. Und auch beim zweiten Gegentor in der 77. Minute: Ein Steilpass auf Lukebakio reichte aus, um das komplette Defensiv-System auszuhebeln und weil Manuel Neuer die kurze Ecke aufmachte, stand es plötzlich 2:3. Der Schiedsrichter-Assistent hob zunächst die Fahne, doch nach einer schnellen Intervention des Videoschiedsrichters, zählte das Tor. Fortuna-Trainer Friedhelm Funkel sagte vor dem Spiel, dass man gegen den FC Bayern schnell sein müsse und Düsseldorf brauchte keine Minute, um den ersten Konter zu fahren. Ribéry verlor den Ball, Martinez den ersten Zweikampf und schon ging es wieder schnell gegen den FC Bayern. Dann kam der Ex-Bayern-Leihspieler Takashi Usami frei zum Abschluss und zack, hatte die Fortuna nach zwei Minuten zwei halbwegs stramme Torschüsse auf das Tor von Manuel Neuer in der Statistik. In den ersten 15 Minuten sah es dann aber wieder so aus, wie es beim FC Bayern oft in jüngerer Vergangenheit aussah: Düsseldorf stand solide und ohne große Raffinesse mit zwei Verteidigungsketten tief - und der FC Bayern hatte damit so seine Probleme. Entweder schlug Boateng den Ball lang oder jemand spielte den Ball auf den Flügel, von dort kam eine Flanke, die wurde abgewehrt. Der schnelle Serge Gnabry fehlte mit einer Adduktorenverletzung. Es brauchte dann eine Standardsituation. Nach einem Eckball von Renato Sanches wehrte Lukebakio den Ball unklug in die Füße von Süle ab - der drehte sich mit der fließenden Bewegung eines Tänzers um sich selbst und schloss extrem reaktionsschnell zum 1:0 in der 17. Minute ab. Ein Stürmer-Tor eines Verteidigers. Nach der Pause hatte der FC Bayern oft den Ball, aber auch wieder die bekannten Probleme mit der wirklich nicht sehr ausgefeilten Fortuna-Verteidigung. Doch dann hatte Robert Lewandowski eine Idee. Nach einem Kimmich-Querpass blockte er Gegenspieler Robin Bormuth energisch weg, legte dem anlaufenden Thomas Müller den Ball auf, der präzise mit der Innenseite zum 3:1 ins lange Eck schob. Aber es gehört zu den Phänomenen dieser Saison, dass selbst ein Aufsteiger in München bei einem Zwei-Tore-Rückstand das Spiel nicht aufgibt. Düsseldorf hat ja gesehen, wie einfach man im Zweifel gegen diese Bayern treffen kann. In der 65. Minute kam Oliver Fink zu einem gefährlichen Flugkopfball, der an Manuel Neuers Tor vorbeiflog. Dann fiel das 2:3 und Funkel wechselte Stürmer Rouven Hennings ein - weil er das Remis wollte. Er bekam es. Der FC Bayern spielt am kommenden Dienstag gegen Benfica in der Champions League, danach muss das Team von Niko Kovac zum SV Werder Bremen. In den nächsten Tagen wird sich entscheiden, ob es dann weiterhin das Team von Niko Kovac sein wird.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/alligator-in-new-york-see-you-later-alligator-1.2582242
mlsum-de-408
Ein Taxi hat er nicht bekommen, wie die New Yorker Polizei feststellte - also ging der Alligator zu Fuß durch Manhattan. Bis sein Spaziergang eine tragische Wendung nahm.
Alligator spaziert durch Manhattan Gerüchte um eine Alligatorenpopulation in der New Yorker Unterwelt - eine Spezies auch bekannt als "Kanalligator" - sind wohl nicht mehr als eine urban legend, ein Großstadtmythos. Insofern ist es folgerichtig, dass ein verwandtes Exemplar nicht im Abwassersystem der Metropole, sondern mitten in Manhattan gesichtet wurde. Das Tier überquerte an einem warmen Sommerabend zunächst unbehelligt die Ninth Avenue. So this alligator was crossing 9th Ave in #Inwood...no, really. At 205 Str. Cops took him to Animal Control #whatnext pic.twitter.com/EG5Z3bkQPl — NYPD 34th Precinct (@NYPD34Pct) July 23, 2015 Abtransport ins Tierheim Die New Yorker Polizei war am Donnerstag allerdings rasch zur Stelle und umstellte das als "ziemlich angriffslustig" charakterisierte Reptil, bis Spezialisten eintrafen. Witze über die bevorzugten Aufenthaltsorte von Alligatoren beziehungsweise Krokodilen und deren Möglichkeiten, ein Taxi zu ergattern, blieben ob der ungewöhnlichen Begegnung nicht aus. Zumal der Alligator mit nur einem Meter Körperlänge auch nicht allzu furchteinflößend gewesen sein dürfte. .@lizzieohreally Oh, ok. Then it makes much more sense that he'd be on 9th. That's more of a crocodile hangout than an alligator spot...thx — NYPD 34th Precinct (@NYPD34Pct) 23. Juli 2015 .@yaelbt I heard he couldn't get a cab. And he wasn't thrilled with Uber either... — NYPD 34th Precinct (@NYPD34Pct) 23. Juli 2015 Mitarbeiter eines Tierheims transportierten den Alligator schließlich ab. Vom Tierheim aus sollte er an einem geeigneten Ort, mutmaßlich in sonnigeren und weniger dicht bebauten Gefilden, wieder ausgesetzt werden. CockadoodleQ stirbt aus ungeklärter Ursache Am Freitag allerdings nahm der Ausflug des Tiers eine tragische Wendung: Der Alligator, den Mitarbeiter bereits liebevoll "CockadoodleQ" getauft hatten, wie die New York Times berichtet, starb im Tierheim. Die Todesursache ist ebenso unklar wie die Herkunft des Reptils, das womöglich illegal als Haustier gehalten wurde.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/benzinpreise-2014-sprit-so-billig-wie-seit-jahren-nicht-1.2289944
mlsum-de-409
Autofahrer haben in den vergangenen Monaten ziemlich günstig getankt: Das Benzin war so preiswert wie zuletzt vor vier Jahren.
Sieben Cent billiger als im Vorjahr Dank kräftig gefallener Ölpreise konnten Autofahrer im abgelaufenen Jahr ihr Portemonnaie schonen. Sprit war dem ADAC zufolge so günstig zu haben wie seit vier Jahren nicht mehr. Demnach fiel der Preis für einen Liter Super im vergangenen Jahr knapp unter die Marke von 1,50 Euro. Für Diesel musste man im Jahresschnitt 1,35 Euro bezahlen. Damit blieb der Preis für den Kraftstoff um genau sieben Cent unter dem Wert des Vorjahrs. Preiswerter als 2014 war Tanken zuletzt im Jahr 2010, als die Autofahrer für einen Liter Benzin im Schnitt 1,405 Euro und für den Liter Diesel 1,214 Euro bezahlen mussten. Nun war der Auslöser der Preisrückgang für Rohöl: Während im Juni 2014 der Preis für ein Barrel Rohöl der Nordseesorte Brent noch bei etwa 115 US-Dollar lag, ist er binnen eines halben Jahres um die Hälfte abgesackt, auf etwa 57 US-Dollar. Fünf Milliarden gespart Wenn nicht gleichzeitig der Euro gegenüber dem Dollar deutlich an Wert eingebüßt hätte, wären die Preise an den Zapfsäulen sogar noch stärker gefallen. Wie die ADAC-Auswertung weiter zeigt, erwies sich der Dezember als günstigster Monat für die Autofahrer. Ein Liter Super kostete im Monatsmittel 1,317 Euro, ein Liter Diesel 1,203 Euro. Nach früheren Angaben des Mineralölwirtschaftsverbands (MVV) haben die sinkenden Öl- und Benzinpreise den Autofahrern 2014 insgesamt etwa fünf Milliarden Euro auf der Tankrechnung erspart.
https://www.sueddeutsche.de/sport/basketball-traurig-in-venedig-1.3751545
mlsum-de-410
Am sechsten Spieltag hat Medi Bayreuth seine dritte Niederlage hinnehmen müssen. Diesmal gegen den italienischen Meister Umana Reyer Venezia - durch einen Dreier in der letzten Sekunde.
Am sechsten Spieltag in der Basketball-Champions-League hat Medi Bayreuth seine dritte Niederlage hinnehmen müssen. Beim italienischen Meister Umana Reyer Venezia unterlagen die Oberfranken durch einen Dreier der Gastgeber kurz vor Schluss 67:70 (30:41). Nach einer missglückten Anfangsphase drehten die Bayreuther auf, Robin Amaize (22 Punkte) war von der italienischen Abwehr kaum zu kontrollieren. Punkt um Punkt kämpfte Medi sich zurück und konnte die Partie tatsächlich kurz vor Ende nochmals ausgleichen - letztlich vergeblich. "Es ist sehr ärgerlich, dass wir das Spiel nicht gewonnen haben und das wird sicherlich auch noch ein bisschen weh tun", sagte Amaize. "Wenn man morgen mit etwas Abstand noch einmal über das Spiel nachdenkt, dann wird man erkennen, dass wir das Spiel nicht wegen des letzten Wurfs verloren haben." Bayreuths Trainer Raoul Korner meinte: "Wir haben nachlässig begonnen und waren zunächst nicht richtig auf dem Feld. Die zweite Fünf hat von der Bank kommend einen großartigen Job gemacht, sie haben den Energielevel nach oben gebracht und alle aufgeweckt." Venedig habe über die gesamte Spielzeit gesehen verdient gewonnen, "aber wir wissen nun, wie wir antworten müssen". Vor der Länderspielpause geht es für die Bayreuther in der Bundesliga noch einmal um zwei Punkte: Am Sonntag, 19. November (15 Uhr), treten sie bei den Telekom Baskets Bonn an, die derzeit auf Platz acht liegen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/abgasaffaere-staatsanwaltschaft-weitet-ermittlungen-gegen-winterkorn-aus-1.3352456
mlsum-de-411
Im Abgasskandal gerät der ehemalige VW-Chef weiter unter Druck. Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ermittelt wegen möglichen Betrugs.
In der VW-Abgasaffäre hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig bei einer Razzia zahlreiche Wohnungen und Büros durchsucht und ihre Ermittlungen wegen Manipulation von Schadstoff-Messungen deutlich ausgeweitet. Jetzt steht auch der frühere Vorstandschef Martin Winterkorn unter Verdacht, an diesem Betrug mitgewirkt zu haben. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass Winterkorn früher als von ihm öffentlich behauptet von der Manipulations-Software gewusst haben könnte, erklärten die Ermittler. Das habe sich aus Vernehmungen von Zeugen und durch die Auswertung beschlagnahmter Dateien ergeben. Die Staatsanwaltschaft verdächtigt inzwischen 37 Personen des Betruges von Autokäufern. Bei den meisten von ihnen dürfte es sich um heutige oder ehemalige Mitarbeiter und Manager von VW handeln. Der Autokonzern hatte über Jahre hinweg weltweit die Schadstoffwerte von mehr als elf Millionen Diesel-Fahrzeugen manipuliert, um die Grenzwerte für gesundheitsschädliche Stickoxide bei den offiziellen Messungen im Labor einzuhalten. Auf der Straße hingegen wurden weit mehr Schadstoffe in die Luft geblasen, als gesetzlich erlaubt. Winterkorn beteuert seine Unschuld Um zu klären, wer für den Betrug verantwortlich ist oder zumindest davon gewusst hat, durchsuchte die Staatsanwaltschaft Braunschweig diese Woche 28 Büros und Wohnungen. Ein Ende der Ermittlungen ist derzeit noch nicht absehbar. Gegen Winterkorn hatte die Braunschweiger Staatsanwaltschaft bereits Mitte 2016 ein erstes Verfahren eingeleitet. Hintergrund war ein Anfangsverdacht auf Marktmanipulation bei Volkswagen-Aktien. Der Konzern habe die Anleger möglicherweise zu spät über drohende finanzielle Folgen der Abgas-Manipulationen Diesel-Pkw informiert. Winterkorn hatte vor einer Woche bei einer Zeugenaussage im Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages seine Unschuld beteuert. Der ehemalige VW-Chef bleibt bei seiner Darstellung, bis zum Bekanntwerden des Diesel-Skandals im September 2015 von illegalen Abgas-Manipulationen nichts gewusst zu haben. Er habe die Einleitung eines weiteren Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen ihn "zur Kenntnis genommen", erklärten seine Anwälte am Freitag. Er werde sich bei den Ermittlungsbehörden äußern, sobald er die ihn "angeblich belastenden Umstände", also die betreffenden Aussagen und Dokumente, genauer kenne.
https://www.sueddeutsche.de/politik/us-vorwahlen-trump-siegt-in-south-carolina-bush-steigt-aus-1.2872897
mlsum-de-412
Der Immobilien-Milliardär gewinnt die Vorwahlen der Republikaner im Süden klar, Jeb Bush schneidet schlecht ab und beendet seine Kandidatur. Hillary Clinton setzt sich bei den Demokraten in Nevada durch.
Donald Trump hat die Vorwahl der Republikaner in South Carolina für sich entschieden und kann damit nach New Hampshire den zweiten US-Bundesstaat für sich verbuchen. Prognosen von NBC, AP und Fox zufolge liegt der Immobilien-Milliardär mit etwa 32 Prozent der Stimmen uneinholbar etwa zehn Prozentpunkte vor Ted Cruz und Marco Rubio. Cruz und Rubio - wer wird Zweiter? Die beiden Senatoren Cruz und Rubio kämpfen noch um Platz 2, derzeit liegt Rubio knapp vorne - es ist aber ein sehr enges Rennen. Der Präsidenten-Verwandte Jeb Bush, Ohios Gouverneur John Kasich und der Neurochirurg Ben Carson erzielten nur einstellige Ergebnisse. Jeb Bush steigt aus Kurz nach seinem schlechten Abschneiden in South Carolina erklärte Bush, seine Kandidatur zu beenden. Er hatte sehr viel Energie in den Staat investiert und auch seinen Bruder George W. aktiviert. Der Schritt könnte Marco Rubio zugute kommen, der ebenfalls aus Florida kommt und nun Bushs finanzkräftige Spender umwerben dürfte. Auch der als moderat geltende John Kasich hat nun einen Rivalen weniger. Sorry Mom — Jeb Bush (@JebBush) 17. September 2015 Warum South Carolina so wichtig ist Wer republikanischer Präsidentschaftskandidat werden will, muss South Carolina gewinnen. Diese Faustregel gilt seit 1980 und wurde nur 2012 gebrochen, als der spätere Kandidat Mitt Romney hinter Newt Gingrich landete. Mit 29 Delegierten für den Sieger sowie 21 weiteren Stimmen für die Sieger in den einzelnen Wahl-Bezirken gibt es zudem viel zu gewinnen. 73 Prozent der republikanischen Wähler bezeichneten sich in Umfragen als evangelikale oder wiedergeborene Christen. Reaktionen der Republikaner: Donald Trump: "Lass uns den Sack zumachen und Amerika wieder großartig machen." "Lass uns den Sack zumachen und Amerika wieder großartig machen." Jeb Bush: "Ich bin stolz auf unsere Kampagne. Aber die Bürger von Iowa, New Hampshire und South Carolina haben gesprochen und ich respektiere ihre Entscheidung. (...) Egal, was Ihr gehört habt - Ideen zählen, politische Grundsätze zählen." "Ich bin stolz auf unsere Kampagne. Aber die Bürger von Iowa, New Hampshire und South Carolina haben gesprochen und ich respektiere ihre Entscheidung. (...) Egal, was Ihr gehört habt - Ideen zählen, politische Grundsätze zählen." Marco Rubio: "Wenn es Gottes Wille ist, dass ich als 45. Präsident diene, wenn es Gottes Wille ist, dass ich die Wahl gewinne, dann wird die Geschichte einmal sagen, dass wir heute Abend in South Carolina die ersten Schritte in ein neues amerikanisches Jahrhundert gemacht haben." "Wenn es Gottes Wille ist, dass ich als 45. Präsident diene, wenn es Gottes Wille ist, dass ich die Wahl gewinne, dann wird die Geschichte einmal sagen, dass wir heute Abend in South Carolina die ersten Schritte in ein neues amerikanisches Jahrhundert gemacht haben." Ted Cruz: "Die Schreie, die Ihr gerade von der anderen Seite des Potomac-Flusses hört, kommen vom Washington-Kartell, voller Furcht, dass die konservative Graswurzel-Bewegung eine Stimme gefunden hat. "Die Schreie, die Ihr gerade von der anderen Seite des Potomac-Flusses hört, kommen vom Washington-Kartell, voller Furcht, dass die konservative Graswurzel-Bewegung eine Stimme gefunden hat. Ben Carson: "Ich werde nicht verschwinden." Clinton gewinnt in Nevada Hillary Clinton hat die Vorwahl der Demokraten in Nevada für sich entschieden. Im Bundesstaat, in dem 40 Prozent der Bevölkerung nicht weiß sind, gewann die 68-Jährige gegen. Clinton lag bei 52,1 Prozent, ihr Rivale Bernie Sanders kam auf 47,8 Prozent. Nach Auszählung von 89 Prozent der Stimmbezirke lag Clinton bei 52,6 Prozent, ihr Rivale Bernie Sanders kam auf 47,4 Prozent. Sanders überzeugt Latinos, Clinton Afroamerikaner In Nevada stimmen traditionell viele Gewerkschaftler, aber auch Latinos und Afroamerikaner ab. Der Staat galt deshalb auch als Test, wie die Kandidaten bei Minderheiten ankommen - gerade Sanders galt bislang als Kandidat des jungen, weißen Amerika. Sanders gewann (noch mit Vorsicht zu genießenden) Umfragen zufolge die Latino-Mehrheit (53 zu 45 Prozent), allerdings entschieden sich 76 Prozent der Afroamerikaner für Clinton. Schwarze Wähler spielen in der nächsten Vorwahl der Demokraten in South Carolina eine zentrale Rolle. Reaktionen der beiden demokratischen Kandidaten Clinton: "Dieser Wahlkampf ist dafür da, jede Hürde niederzureißen, die euch zurückhält. Amerikaner haben Recht, verärgert zu sein, aber wir sind auch hungrig nach echten Lösungen. Wir sind kein Land, das nur ein einziges Thema kennt." "Dieser Wahlkampf ist dafür da, jede Hürde niederzureißen, die euch zurückhält. Amerikaner haben Recht, verärgert zu sein, aber wir sind auch hungrig nach echten Lösungen. Wir sind kein Land, das nur ein einziges Thema kennt." Sanders: "Vor fünf Wochen waren wir noch 25 Prozent zurück. Wir haben Rückenwind. Ich glaube, dass wir am Super Tuesday viele der elf Staaten gewinnen können." So geht es weiter Die nächsten Vorwahlen der Demokraten finden am kommenden Samstag in South Carolina statt, bereits am Dienstag entscheiden die Republikaner in Nevada. Am 1. März findet dann der Super Tuesday statt, in dem elf (Demokraten) beziehungsweise zwölf Staaten (Republikaner) über die Kandidaten abstimmen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/tiger-woods-bei-us-open-kommt-ein-schlaeger-geflogen-1.2529047
mlsum-de-413
"Es war wirklich ein harter, ein sehr harter Tag": Das einstige Golf-Idol Tiger Woods erlebt auf der ersten Runde der US Open ein Desaster. Nur zwei von 156 Spielern sind schlechter, einmal verliert er sogar sein Spielgerät.
Titelverteidiger Martin Kaymer ist auf dem schwierigen Dünenplatz der US Open glimpflich davongekommen, mit Tiger Woods hatten die Zuschauer nur noch Mitleid. Während der 30-Jährige aus Mettmann am Donnerstag (Ortszeit) in Chambers Bay bei Seattle mit 72 Schlägen und zwei über Platzstandard auf Rang 52 lag, spielte der dreimalige Sieger (2000, 2002 2008) mit 80 Versuchen seine schlechteste Runde bei dem Prestige-Turnier. "Tiger Woods zerfällt" - lautete die Schlagzeile von USA Today. So reagiert Woods "Ich bin definitiv nicht zufrieden. Es war wirklich ein harter, ein sehr harter Tag", sagte der auf Weltranglistenposition 195 abgedriftete Kalifornier: "Ich habe schwach angefangen und es auch nicht retten können." Nur zwei Kollegen im Feld der 156 Spieler waren schlechter. Den Humor verlor er dennoch nicht: "Wenigstens habe ich Rickie in den Arsch getreten", sagte Woods. Rickie Fowler, der im vergangenen Jahr alle vier Majors unter den besten fünf beendet hatte, war einer der beiden Schlechteren und benötigte 81 Schläge. Die Miene des einstigen Idols verfinsterte sich schon zu Beginn auf dem Küstenplatz direkt am Pazifik, als sein zweiter Schlag tief im Dünendickicht landete. Nach sechs Bahnen auf dem einstigen Industriegelände lag er bereits 4 über Par. Auf den zweiten neun Löchern kassierte Woods nach drei Bogeys sogar ein Triplebogey (drei über Par). Schläger fliegt über die Schulter Hunderte Fans litten mit, als ihm an der achten Bahn beim Befreiungsversuch aus dem dichten Dünengras der Schläger aus den Händen glitt und in hohem Bogen über die Schulter flog. In den sozialen Medien war die Szene der Renner. Besonders krass spielte Woods das Schlussloch, als er wie ein Hobbygolfer sein Holz drei toppte und der Ball über die Landschaft in den Sandbunker schoss. Die US-Presse hatte Woods' Ankündigung, nach erneuter Schwungumstellung mit neuem Coach fast schon wieder der Alte zu sein, schon vorher stark angezweifelt. "Ich muss mich da durcharbeiten", sagte der Amerikaner nun: "Ich arbeite so hart, wie ich kann, aber aus irgendeinem Grund fehlt mir die Konstanz." Kaum einer glaubt noch, dass der 14-malige Majorsieger sie je wiederfindet. Ihm ist die Leichtigkeit abhandengekommen. Und im Dezember wird Woods 40. Kaymer mit sieben Schlägen Rückstand Auch für Kaymer ist die Titelverteidigung in weite Ferne gerückt. "Am Anfang bin ich nicht so richtig ins Spiel gekommen, habe nacheinander Bogey, Eagle und Doppel-Bogey gespielt. Ich denke, die Runde ist dennoch akzeptabel", sagte Kaymer der dpa. Auf die Führenden Dustin Johnson (USA) und Henrik Stenson (Schweden) hat er sieben Schläge Rückstand. Der aktuelle Branchenprimus, Rory McIlroy, der mit Kaymer in einer Gruppe spielte, kam ebenfalls mit zwei Schlägen über Standard ins Clubhaus zurück. "Der Platz ist anstrengend, vor allem vom mentalen Aspekt", sagte der Nordire. An den steilen Hängen rutschten zwei Caddies mit ihren schweren Taschen aus, einer verletzte sich dabei am Knöchel. Der Ratinger Marcel Siem verbuchte eine 73er Runde, der Münchner Stephan Jäger beendete den ersten Tag seines Debüts beim zweiten Major mit vier über Par. Er lag auf dem geteilten 98. Platz. Sowohl Siem als auch der 26-jährige Jäger hatten sich durch die Qualifikation gespielt.
https://www.sueddeutsche.de/sport/europa-league-dortmund-will-raus-aus-der-klopp-starre-1.2948065
mlsum-de-414
Wird das Rückspiel endlich ein normales Fußballspiel? Der BVB hofft, dass sich seine Spieler ungehemmt ins Duell mit Ex-Trainer Jürgen Klopp stürzen.
Der Einreisebeamte am John-Lennon-Flughafen in Liverpool gab sein Bestes. Pierre-Emerick Aubameyang hatte seinen Reisepass vorgezeigt, musste aber noch die Baseball-Kappe absetzen; der Beamte prüfte gewissenhaft, ob das Foto im Pass mit dem Gesicht des Mannes vor ihm übereinstimmte. Nach einigen Blicken durfte Borussia Dortmunds Torjäger passieren: Sein Einsatz in der Europa League beim FC Liverpool ist also gesichert. Der Rummel vor dem Viertelfinal-Rückspiel am Donnerstag (21.05 Uhr/Sport 1) hat sich gelegt im Vergleich zum Hinspiel, bei dem man den Eindruck hatte, als gehe es in erster Linie um die Rückkehr von Jürgen Klopp an dessen alte Wirkungsstätte. Wenn sie am Zoll "Afrikas Fußballer des Jahres" schon nicht mehr erkennen, scheint sich ja manches normalisiert zu haben. Watzke: "Unsere Spieler alle bei 120 Prozent" Dortmunds Boss Hans-Joachim Watzke war jedenfalls heilfroh, dass "die ganze Wiedersehens-Arie jetzt mal ein Ende hat". Im Hinspiel (1:1) vor einer Woche schienen einige Dortmunder Profis in Ehrfurcht vor ihrem alten Trainer Klopp erstarrt zu sein. Andere, die sich bei Klopp eher missverstanden fühlten, hatten wohl etwas zu viel beweisen wollen. Watzke sagte auf dem Flug nach Liverpool, dass "dieses Mal unsere Spieler alle bei 120 Prozent" sein würden. Die Europa League werde von allen sehr ernst genommen, die Total-Rotation, die Trainer Thomas Tuchel am Sonntag beim 2:2 bei Schalke 04 vorgenommen hatte, beweise das. Rausrotierte Stammspieler wie Marcel Schmelzer lobten Tuchel ausdrücklich dafür, trotz des prestigeträchtigen Bundesliga-Spiels auf Erholung gesetzt zu haben. "Trotzdem lache ich mich tot," sagte Watzke, "wenn ich höre, wir hätten bei diesem Spiel in Liverpool besonderen Druck. Das ist Quatsch. Wir sind schon für die Champions League im nächsten Jahr qualifiziert." Liverpool dagegen hat nur noch die Chance, die Europa League zu gewinnen, um nächste Saison in der Champions League dabei zu sein - für diese qualifiziert sich der Sieger der Europa League. Ihre Leistung im Hinspiel hatten viele Dortmunder selbstkritisch beurteilt. Ob die verkrampfte Spielweise gegen eine nicht gerade überragende Mannschaft an der Gegenwart des langjährigen BVB-Trainers Klopp lag, wollte aber keiner zugeben.
https://www.sueddeutsche.de/sport/atp-turnier-in-doha-mayer-und-brands-ueberraschen-1.1854158
mlsum-de-415
Deutsche Tennisprofis besiegen Murray und Ferrer, Tobias Kamke steht sogar knapp vor einer noch größeren Sensation. Eishockey-Erstligist Adler Mannheim holt Hans Zach als neuen Trainer. Langläufer Hannes Dotzler überrascht als Zweiter in Lenzerheide.
Tennis, ATP-Turnier in Doha: Florian Mayer ist beim ATP-Tennisturnier in Doha eine Überraschung geglückt. Gegen den britischen Wimbledonsieger Andy Murray setzte sich der Bayreuther am Mittwoch mit 3:6, 6:4, 6:2 durch und erreichte damit die Runde der letzten Acht. Für den 30-jährigen war es der erste Sieg gegen den Weltranglistenvierten. Dabei hatte Mayer im zweiten Satz bereits 0:3 in Rückstand gelegen. "Ich weiß gar nicht, wie ich zurückgekommen bin", sagte Mayer: "Ich habe fantastisch gespielt, ich war aggressiv und habe einfach alles versucht. Ich hatte ja nichts mehr zu verlieren." Der Augsburger Philipp Kohlschreiber verlor in Doha dagegen das deutsche Duell gegen Peter Gojowczyk 6:7 (4:7), 6:7 (7:9). Der Münchner zog zum ersten Mal auf der ATP-Tour in ein Viertelfinale ein, der Weltranglisten-162. hatte sich erst über die Qualifikation in das Hauptfeld gekämpft. In der Runde der besten Acht trifft Gojowczyk nun auf Dustin Brown. Der Tennisprofi aus Winsen/Aller bezwang ebenfalls überraschend den Kroaten Ivo Karlovic mit 3:6, 7:6 (15:13), 6:4. Die deutsche Erfolgsgeschichte am Neujahrstag wurde am Abend sogar noch um ein Kapitel erweitert, als der Deggendorfer Daniel Brands den Weltranglistendritten David Ferrer (Spanien) 6:4, 7:5 schlug und als vierter deutsche Profi das Viertelfinale erreichte. An einer Sensation schnupperte Tobias Kamke gegen Rafael Nadal. Der Lübecker zwang den Branchenführer aus Spanien in den entscheidenden Satz, unterlag jedoch nach 2:25 Stunden und einer beherzten Vorstellung 3:6, 7:6 (7:3), 3:6. Letztlich scheiterte Kamke an sich selbst, bei all seinen drei Aufschlagverlusten servierte der 27-Jährige einen Doppelfehler im entscheidenden Moment. Ausgeschieden ist auch Benjamin Becker (32) beim ATP-Turnier im indischen Chennai. Der Routinier aus Orscholz unterlag dem topgesetzten Schweizer Stanislas Wawrinka 3:6, 1:6. Eishockey, DEL: Hans Zach ist neuer Trainer der Adler Mannheim. Der Klub der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) gab die Verpflichtung des ehemaligen Nationaltrainers am Neujahrstag bekannt. Nur einen Tag zuvor hatte sich Mannheim von seinem bisherigen Headcoach Harold Kreis getrennt. Zach wird bereits am Donnerstagvormittag das Training leiten und am Freitag in Krefeld sein neues Team betreuen. Er unterschrieb bei den Nordbadenern einen Vertrag bis zum Saisonende am 30. April. Markus Berwanger ist sein Assistent. Fußball, FC Bayern München: Nach einem Jahr der Superlative peilt Philipp Lahm mit dem FC Bayern München auch im Jahr 2014 reichlich Titel an. "Natürlich ist es eigentlich fast unmöglich, das alles zu wiederholen - vor allem direkt im Jahr darauf. Aber wir streben danach. Wir wollen wieder da hin, wo wir waren. Wir wollen wieder in die Finals, wir wollen wieder Trophäen! Das wird eine große Herausforderung", sagte der Kapitän des deutschen Fußball-Rekordmeisters in einem Interview auf der Internetseite des Vereins. Nach dem Triple aus Meisterschaft, Pokal und Champions League hatte der FC Bayern im Jahr 2013 noch den europäischen Supercup und kurz vor Weihnachten die Club-WM gewonnen. Langlauf, Tour de Ski: Skilangläufer Hannes Dotzler ist beim ersten Distanzrennen der Tour de Ski überraschend auf das Podest gestürmt. Der 23 Jahre alte Sonthofener wurde über 15 Kilometer im klassischen Stil in Lenzerheide/Schweiz Zweiter und musste sich nur nur dem Kasachen Alexej Poltoranin geschlagen geben und verbuchte das beste Weltcup-Ergebnis seiner Karriere. Dotzler sicherte sich damit auch die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Sotschi. Bei einem erstaunlich starken Rennen der deutschen Langläufer kamen auch Thomas Bing (Dermbach) als Vierter und Routinier Jens Filbrich (Frankenhein) als Siebter unter die besten Zehn. Tim Tscharnke (Biberau) wurde Zwölfter. Enttäuschend verlief die Etappe für die deutschen Routiniers. Der zweimalige Weltmeister Axel Teichmann (Bad Lobenstein wurde 36., der frühere Gesamtweltcup-Sieger Tobias Angerer (Vachendorf) kam sogar nur auf Platz 65 ins Ziel. Mit Platz 14 übernahm der Norweger Martin Sundby die Führung im Gesamtklassement der Tour. Nach einem Ruhetag am Donnerstag wird die Tour de Ski am Freitag mit dem Männer 35 Kilometer langen Marathon von Cortina nach Toblach in den Dolomiten fortgesetzt. Die deutschen Skilangläuferinnen um Aufsteigerin Denise Herrmann haben beim ersten Distanzrennen der Tour de Ski dagegen die Spitzenplätze deutlich verpasst. Beste Deutsche beim Sieg der Finnin Kerttu Niskanen im Massenstart von Lenzerheide über zehn Kilometer im klassischen Stil war Stefanie Böhler (Ibach) auf Platz 19. Herrmann (Oberwiesenthal) wurde 20. und verlor damit auch ihren dritten Platz in der Tour-Wertung. Allerdings stieg die 25-Jährige, die auf den ersten drei Etappen die Plätze vier, zwei und drei belegt hatte, auch wie geplant nach dem Rennen in der Schweiz aus der Etappen-Veranstaltung aus. Olympische Winterspiele, Thomas Bach: Nach den verheerenden Terroranschlägen in Wolgograd plädiert IOC-Präsident Thomas Bach für unpolitische Winterspiele im Februar. Die Olympischen Spiele sollten "keine Plattform für Politik oder Spaltung" sein, sagte der Chef des Internationalen Olympischen Komitees in einer Neujahrsbotschaft. Die Wettbewerbe "sollten eine Demonstration für die Einheit in der Vielfalt und für bemerkenswerte sportliche Leistungen sein". Die Anschläge vom Sonntag und Montag verurteilte Bach als "feige Terrorattacken". In der rund 700 Kilometer von Sotschi entfernten Stadt waren mehr als 30 Menschen ums Leben gekommen. Trotzdem rechnet er mit sicheren Winterspielen, bestätigte Bach erneut. Der Terrorismus dürfe "niemals triumphieren". "Wir vertrauen darauf, dass die russischen Verantwortlichen für sichere Olympische Winterspiele für alle Athleten und Teilnehmer sorgen werden", bekräftigte Bach. Russland steht international wegen eines harten Anti-Homosexuellen-Gesetzes und wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik. Die Winterspiele an der russischen Schwarzmeerküste laufen vom 7. bis 23. Februar. Tennis, WTA-Tour: Angelique Kerber und Annika Beck haben bei den WTA-Turnieren in Brisbane/Australien und Shenzhen/China das Viertelfinale erreicht. Dagegen sind Sabine Lisicki und Julia Görges nicht mehr dabei. In Brisbane profitierte die 25-jährige Kerber, an Nummer fünf gesetzt, unter anderem von der verletzungsbedingten Aufgabe ihrer russischen Achtelfinal-Gegnerin Anastasia Pawljutschenkowa, die beim Stand von 6:3, 4:3 für die Kielerin nicht weiterspielen konnte. Kerber trifft nun auf die frühere Weltranglistenerste Jelena Jankovic (Serbien/Nr. 4). In Shenzhen gewann Annika Beck gegen Viktorija Golubic aus der Schweiz mit 6:3, 5:7, 6:3. Nächste Gegnerin der an Nummer acht gesetzten Bonnerin ist die Österreicherin Patricia Mayr-Achleitner. Nicht mehr dabei sind Kerbers Fed-Cup-Kolleginnen Sabine Lisicki (Berlin) und Julia Görges (Bad Oldesloe). Wimbledonfinalistin Lisicki trat in Brisbane wegen einer akuten Magen-Darm-Erkrankung nicht zum Achtelfinale gegen die Schweizerin Stefanie Vögele an. Görges verlor im neuseeländischen Auckland in der Runde der letzten 16 gegen die Japanerin Sachie Ishizu mit 2:6, 6:3, 5:7. Basketball, NBA: Am Ruhetag für Dirk Nowitzki und seine Dallas Mavericks ist der Kehraus 2013 für die Klubs der deutschen Profis in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga durchwachsen verlaufen. Die Atlanta Hawks siegten mit Nationalspieler Dennis Schröder bei Rekordmeister Boston Celtic knapp 92:91, während die Los Angeles Lakers ohne Chris Kaman beim 79:94 gegen die Milwaukee Bucks ihre sechste Niederlage in Serie hinnehmen mussten. Nowitzki und die Mavericks hatten bereits am Montag ihr letztes Spiel vor dem Jahreswechsel 100:98 bei den Minnesota Timberwolves gewonnen. Bei Atlantas Sieg in Boston wurde Schröder, der zwischenzeitlich zum Farmteam Bakersfield Jam abgeschoben worden war, zum vierten Mal nach seiner Rückkehr zu den Hawks eingesetzt. Der 20 Jahre alte Braunschweiger erhielt beim Ost-Dritten 6:01 Minuten Spielzeit, allerdings blieb der Braunschweiger während seines Einsatzes ohne Punkt. Gar keine Gelegenheit zu punkten bekam Kaman bei den Lakers. Trainer Mike D'Antoni verzichtete auf seinen deutschen Star, doch brachte die Personalentscheidung für die Kalifornier auch nicht die erhoffte Trendwende. Die Lakers liegen im Westen mit einer Erfolgsquote von knapp 40 Prozent derzeit nur auf dem 13. und drittletzten Tabellenplatz.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-politik-dfb-praesident-kritisiert-platinis-auftritt-vor-uefa-kongress-1.3158596
mlsum-de-416
Ursprünglich hatte die Ethikkommission der Fifa eine Rede des gesperrten Uefa-Präsidenten untersagt. Luca Caldirola wird Werder Bremen monatelang fehlen.
Fußball-Politik: DFB-Präsident Reinhard Grindel hat den Auftritt Michel Platinis beim Kongress der Europäischen Fußball-Union kritisiert. "Ich hätte mir gewünscht, dass Michel Platini auf einen Auftritt verzichtet. Dieser Kongress muss in die Zukunft und nicht in die Vergangenheit gerichtet sein. Der Uefa-Kongress muss geprägt sein vom Programm des neuen Präsidenten und nicht von den Fehlern seines Vorgängers", sagte Grindel. Der gesperrte Uefa-Präsident Platini darf bei dem Kongress in Athen als Redner auftreten. Die Ethikkommission des Weltverbands Fifa habe dem Franzosen die Erlaubnis gewährt, teilte die Uefa mit. In Athen wird am Mittwoch der Nachfolger des 61-Jährigen gewählt. Platini hatte wegen seiner Ethiksperre sein Amt niedergelegt. Er war für eine dubiose Zahlung in Höhe von zwei Millionen Schweizer Franken von der Ethikkommission des Weltverbandes für acht Jahre gesperrt worden. Die Strafe wurde letztlich vom Internationalen Sportgerichtshof Cas auf vier Jahre reduziert. Um die Nachfolge Platinis im höchsten Uefa-Amt bewerben sich der favorisierte slowenische Verbandschef Aleksander Ceferin und der Niederländer Michael van Praag. Olympia: Der im Zuge des olympischen Ticketskandals in Rio verhaftete und mittlerweile wieder auf freien Fuß gesetzte IOC-Funktionär Patrick Hickey hat in einer persönlichen Erklärung sämtliche Vorwürfe zurückgewiesen. "Ich bin absolut unschuldig", versicherte der Präsident des irischen NOK wörtlich: "Ich werde mich gegen jede einzelne Anschuldigung zur Wehr setzen und sie alle entkräften." Er habe Vertrauen in die brasilianische Justiz und sei sehr zuversichtlich, "im Zuge der Ermittlungen vollständig rehabilitiert zu werden". Zu den "Vorwürfen gegen meine Person werde ich mich vor Abschluss der Ermittlungen nicht mehr äußern". Hickey war am 17. August in seinem Hotel in Rio verhaftet worden. Der 71-Jährige steht im Verdacht, Olympia-Eintrittskarten aus dem Kontingent des irischen NOK zu überteuerten Preisen an die Ticket- und Hospitality-Firma THG weitergegeben und sich damit bereichert zu haben. Im Zuge ihrer Ermittlungen wollen die brasilianischen Behörden auch IOC-Präsident Thomas Bach zu der Angelegenheit befragen. Die Fahnder in Brasilien interessieren sich für Hintergründe einer E-Mail-Korrespondenz zwischen Hickey und Bach über Kartenwünsche des Iren für die Olympia-Wettkämpfe. Werder Bremen: Abwehrspieler Luca Caldirola wird seiner Mannschaft mehrere Monate fehlen. Der italienische Fußballprofi hat sich im Bundesligaspiel gegen den FC Augsburg eine Verletzung des Sprunggelenkes zugezogen. Caldirola ist bereits operiert worden, sagte Werder-Trainer Viktor Skripnik am Montag in Bremen. Der aus Darmstadt zurückgekommene Caldirola stand in den beiden bisherigen Punktspielen in der Startelf. Unterdessen hat Werder-Trainer Viktor Skripnik auf den schlechten Saisonstart reagiert und den trainingsfreien Dienstag gestrichen. "Wir haben uns den freien Tag nicht verdient. Ich will die Mannschaft in dieser Woche jeden Tag sehen", sagte der Coach des Tabellenletzten der Bundesliga. FC Bayern: Die Rückkehr von Fußball-Weltmeister Jérôme Boateng und Außenstürmer Arjen Robben in den Spielbetrieb wird es beim FC Bayern frühestens in der Englischen Woche der Bundesliga geben. Beide Profis bräuchten nach ihren Muskelverletzungen noch individuelles Training, sagte Trainer Carlo Ancelotti. Sie sollen in der kommenden Woche ihr Comeback feiern, frühestens also am 21. September im Bundesliga-Heimspiel des deutschen Meisters gegen Hertha BSC. Drei Tage darauf gastiert der Tabellenführer beim Hamburger SV. Der französische Nationalspieler Kingsley Coman soll nach einer Sprunggelenksblessur dagegen schon am Wochenende im bayerischen Derby gegen den FC Ingolstadt wieder auflaufen. "Ihn bereiten wir für Samstag vor", berichtete Ancelotti. Darmstadt 98: Ein beim Hessen-Derby gegen Eintracht Frankfurt kollabierter "Lilien"-Fan ist am Sonntag gestorben. Dies teilte der Fußball-Bundesligist mit. Man habe die traurige Nachricht mit "großer Bestürzung" aufgenommen, hieß es in einer Mitteilung der Darmstädter. Der Anhänger war während der Partie am Samstag auf der Haupttribüne "ohne Fremdeinwirkung" zusammengebrochen und zur weiteren medizinischen Behandlung in ein Krankenhaus gebracht worden. Basketball: Der deutsche Nationalspieler Tibor Pleiß wechselt nach dem jähen Ende seiner NBA-Träume zu Galatasaray Istanbul. "Ich freue mich sehr auf die neue Herausforderung, den türkischen Topclub in Liga und Euroleague vertreten zu dürfen", sagte der 26 Jahre alte Center, der zunächst für ein Jahr unterschrieb: "Galatasaray ist eine der Topadressen im europäischen Basketball, und ich bin froh, nun Teil dieses Traditionsvereins zu sein." Anfang September hatten sich die Philadelphia 76ers aus der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA von dem 2,18-Meter-Mann getrennt, der nach einer mäßigen Rookie-Saison erst eine Woche zuvor als Teil eines größeren Trades von den Utah Jazz an die Ostküste gewechselt war. Seine offene Zukunft veranlasste Pleiß, am vergangenen Donnerstag die deutsche Nationalmannschaft nach der Niederlage in der EM-Qualifikation gegen die Niederlande zu verlassen. Eishockey: Der deutsche Meister EHC München hat für das Sechzehntelfinale der Champions Hockey League in den Växjö Lakers eine schwierige Aufgabe erwischt. Am 4. und 11. Oktober spielt das Team von Trainer Don Jackson gegen den schwedischen Meister von 2015 um den Einzug in das Achtelfinale. Die Grizzlys Wolfsburg bekommen es mit dem achtmaligen Schweizer Champion ZSC Lions aus Zürich zu tun. DEL-Rekordmeister Eisbären Berlin tritt gegen den EV Zug und damit ebenfalls gegen einen Schweizer Verein an. Als jeweils Zweiter ihrer Gruppen müssen sich alle drei deutschen Clubs mit einem Vorrundensieger auseinandersetzen. Ryan Lochte: Der US-Schwimmstar will nach Ablauf seiner Wettkampfsperre wieder voll im Schwimmsport angreifen. "Wenn ich zurückkomme, werde ich ein besserer Mensch sein - und ein besserer Schwimmer", sagte der Olympiasieger in der "Ellen DeGeneres Show". Er werde seine Fehler nicht wiederholen. Er habe noch viel vor im Schwimmsport und wolle "definitiv nach Tokio", kündigte der 32-Jährige an. In der japanischen Hauptstadt finden 2020 die nächsten Olympischen Spiele statt. Der US-Schwimmverband hatte am Donnerstag bekanntgegeben, dass der Athlet bis Ende 2017 suspendiert und von Wettkämpfen ausgeschlossen wird. Er hatte am Rande der Olympischen Spiele in Rio behauptet, zusammen mit drei Teamkollegen ausgeraubt worden zu sein. Bilder von Überwachungskameras belegten, dass er gelogen hatte.
https://www.sueddeutsche.de/sport/basketball-spitzenspiel-maestro-bezwungen-1.3736503
mlsum-de-417
Bayerns Basketballer besiegen den Tabellenführer Alba Berlin deutlich mit 80:70. Trainer Djordjevic entzaubert auch seinen ehemaligen Lehrer - Erfolgscoach Aito Reneses.
Es gibt kleine Details, die Einiges über Spielverläufe erklären. Manchmal ist es auch die Art der Garderobe. Bei einer seiner letzten Visiten in Berlin hatte der Trainer des FC Bayern, Sasa Djordjevic, noch sein Jackett ausgezogen, weil ihm in der Hitze des Gefechts der Schweiß ausbrach, weil er seiner Mannschaft zeigen wollte, dass auch er die Ärmel hochkrempelt. Am Sonntag behielt er das Sakko an, er ließ nur zwei Knöpfe offen und lockerte etwas die Krawatte. Denn seine Bayern eroberten auf abgeklärte Weise die Tabellenführung in der Basketball-Bundesliga. Beim bisherigen Top-Klub Alba Berlin kamen sie zu einem unangefochtenen 80:70. Albas Topspieler Siva prägt das Spiel nur eine Halbzeit lang - dann übernehmen die Bayern Damit erzielten die Münchner einen Erfolg in einem Spiel, das für beide Mannschaften als Gradmesser gegolten hatte. Das runderneuerte Alba hatte vor der Partie sieben, die Bayern sechs Siege zu Buche stehen; beide Teams mussten in dieser Saison jeweils eine Niederlage hinnehmen. Alba hatte überdies in der Vorwoche mit einem Sieg bei Meister Bamberg für Furore gesorgt. Doch es war eben nicht nur eine Reifeprüfung - sondern auch die erste Begegnung auf deutschem Boden zwischen Aíto García Reneses, dem neuen Trainer von Alba Berlin, und Djordjevic. Die beiden sind alte Bekannte aus den Tagen, da sie in Spanien wirkten. Es gab auch eine denkwürdige Begegnung zwischen ihnen, im Jahr 2000, und sie tat Aíto richtig weh. Djordjevic war ein Jahr zuvor nach Madrid gewechselt, vom FC Barcelona, wo Aíto Trainer war. Im fünften Spiel des Best-of-Five-Finales der spanischen Meisterschaft trafen sie in Barcelonas Palau Blaugrana aufeinander: hier der legendäre Trainer, da sein ehemals privilegierter Point Guard. Djordjevic machte ein grandioses Spiel, besiegte Aítos Barça quasi im Alleingang. Doch nicht das machte ihn zum Helden Madrids - vor allem, dass er im Palau den Titel so demonstrativ feierte, dass ein Barcelona-Spieler ihn in den Kabinentunnel stieß, während Djordjevic Arme und Zeigefinger gen Himmel streckte, um zu zeigen, wer die Nummer eins war. Solche Emotionen waren am Sonntag in Berlin nicht zu sehen - im Gegenteil. Djordjevic ging nach der Partie gemächlich auf Aíto zu und gab ihm respektvoll die Hand. Dem Mann, den er vor der Partie schlichtweg einen "Maestro" genannt hatte, der den Grund für den guten Saisonstart der Berliner darstelle. Was Djordjevics Erfolg dann umso süßer machte: "Jeder Sieg ist wichtig, aber dies war ein Top-Sieg", sagte er, "wir haben gegen ein Team gewonnen, das Qualitäts-Basketball spielt und eine Menge Talent aufs Parkett bringt." Das mit der Berliner Talent-Menge sah Renesis hernach allerdings anders: "Die Bayern haben Spieler, die wissen, wie man Basketball spielt", sagte er, sein Team müsse noch lernen. Doch die Qualität des Alba-Spiels hat sich tatsächlich verbessert. Zuletzt standen sich Alba und Bayern sieben Mal in Pflichtspielen gegenüber, Djordjevics Münchner siegten sechsmal. So gesehen war es eine der wichtigsten Aufgaben des FCB-Trainers, bei seinen Spielern jede Erinnerung an damals zu löschen. Zumal sich Alba gut verstärkt hat. Er nannte an erster Stelle Luke Sikma, aber auch Peyton Siva, der "jetzt wieder der richtige Siva" sei, "er dominiert ihr Spiel". Auch gegen die Bayern traf das zu, allerdings nur eine Halbzeit lang. Da hielt er die Berliner mit Dreipunktewürfen im Spiel, als die Bayern davonzugaloppieren drohten. Bei fünf Versuchen kam er auf vier Treffer aus der Distanz. Sivas Leistung war in dieser Phase umso kapitaler, als die Bayern vor 13 556 Zuschauern den besseren Start erwischt hatten. Sie wirkten nervenstärker, dank der Coolness von Milan Macvan und Nihad Djedovic, den die Anfeindungen der Alba-Fans, die ihm seinen Wechsel zu Bayern noch immer nicht verzeihen, offenbar antrieben. Zu Beginn des zweiten Viertels hatten die Bayern einen Zehn-Punkte-Vorsprung herausgeworfen; auch dank einer grandiosen, aber extrem kräftezehrenden defensiven Leistung und zwölf Punkten von Jared Cunningham. Doch bis zur Halbzeit schaffte es Alba, das Blatt zu wenden - und erzielte eine knappe Führung (45:43). Zu Beginn der zweiten Halbzeit erlangten die Bayern die defensive Intensität zurück. Es spielte ihnen aber auch eine äußerst umstrittene Entscheidung der Schiedsrichter in die Hände. Nach einem Dreier von Siva pfiffen sie ein Offensiv-Foul. Albas Euphorie über die ausgebaute Führung wich der Konsternation. Und Bayern legte einen 12:0-Zwischensprint hin, von dem sich Alba nicht mehr erholte. Siva ließ nach, andere Schultern für die Last der Partie fand Alba nicht mehr. Ins letzte Viertel gingen die Bayern mit einem Neun-Punkte-Vorsprung, den sie mit großer Ruhe ausbauten. Fünf Minuten vor Ende der Partie lagen sie mit 16 Punkten vorne (76:60) - und das ohne den am Fuß verletzten Forward Vladimir Lucic. Die Bayern konnten sich in der Schlussphase darauf konzentrieren, den Vorsprung gegen die junge Alba-Mannschaft über die Zeit zu tragen. "Es war sehr wichtig, hier zu bestehen und die Tabellenführung zu erobern", sagte Bayerns Nationalspieler Anton Gavel. Sie taten es mit solcher Abgeklärtheit, dass man am Ende meinte, die Bayern würden schon an die nächste Bewährungsprobe denken: Am 19. November empfangen sie Bamberg.
https://www.sueddeutsche.de/politik/csu-seehofer-wahlkampf-1.4080231
mlsum-de-418
Er klagt, peitscht und schnurrt: Bei seinem ersten Wahlkampfauftritt seit der Regierungskrise zieht der Bundesinnenminister alle Register. Markus Söder darf beunruhigt sein.
Kurz bevor Horst Seehofer die hölzerne Bierhalle betritt, platzt es aus ihm heraus. Gerade ist dem Bundesinnenminister der hiesige katholische Pfarrer vorgestellt worden. Seehofer ist sichtlich froh darüber, dass der Gottesmann gekommen ist, schließlich liegen die Kirchen und die CSU derzeit im Clinch. Ja, die Stimmung ist nicht gut, das räumt Seehofer ein. "Ich kann die Menschen schon verstehen", die nach dem unionsinternen Streit über die Asylpolitik ein negatives Bild von ihm hätten. Das sei die Folge einer "Kampagne der Medien", sagt Seehofer. Nun stehe er bei einem Teil der Bevölkerung als der böse Seehofer da. "Als was wurde ich alles bezeichnet: Nazi, Mörder, Terrorist, Rassist." Seehofers Empörung ist die Ouvertüre zu seinem bemerkenswerten Auftritt im oberbayerischen Töging am Inn. Hier, auf dem halben Weg zwischen München und Passau, demonstriert der 69-Jährige, dass er keineswegs politikmüde ist. 41 Minuten dauert Seehofers Rede im voll besetzten Stadel des örtlichen Volksfestes. Das ist nicht lange, aber ausreichend, denn Seehofer springt durchaus virtuos zwischen Empörung, Rechtfertigung, Eigenlob und - natürlich - der Huldigung Bayerns. In der Quintessenz sind es 41 Minuten Machtanspruch. Alle Register zieht Seehofer bei diesem ersten derartigen Auftritt seit der Regierungskrise um die Asylpolitik. Mal peitscht er, mal schnurrt er, oder er klagt. Immer selbstbewusst, so, als ob da kein Zweifel in ihm wohnen würde. Inhaltlich redet Seehofer vor allem über den Minister Seehofer, über das, was mit Seehofer und Bayern und Seehofer und der CSU zu tun hat. Andere Parteien und deren Vertreter erwähnt er kaum. Stattdessen richtet sich sein Zorn vor allem gegen die Medien, denen er die Schuld an seinem schlechten Image gibt. "Jetzt steht also der böse Seehofer vor Ihnen", so beginnt seine Suada gegen die Presse, die ihn seiner Meinung nach diffamiert. Man habe ihn "überschüttet" mit "Worten und Eigenschaften, die weit unter der Gürtellinie liegen", klagt Seehofer und wiederholt damit das, was er schon gegenüber dem Pfarrer gesagt hatte. Seehofer nennt als Beispiel den Vergleich der Ankerzentren für Asylsuchende mit "Konzentrationslagern". Besonders wütend macht ihn das Gerücht, er habe einen Schlaganfall erlitten. Dieser falschen Behauptung sei ein bekanntes Medium nachgegangen, sagte Seehofer. Als Reaktion habe er dem Chefredakteur als SMS den Satz geschickt: "Das stimmt nicht, ich bin bereits tot." Seehofer behauptet, jeden Tag müsse er solchen "Fake News" entgegentreten. Und das werde er von Ende August an mit einem eigenen Twitter-Account. "Meine Kritik ist nicht pauschal" Seehofer präzisiert anschließend, nach der Veranstaltung, gegenüber der Süddeutschen Zeitung seine Vorwürfe. Er werfe nicht wie US-Präsident Donald Trump allen Medien vor, ein Zerrbild von ihm zu zeichnen. "Meine Kritik ist nicht pauschal." Er wende sich "nicht allgemein gegen Medien, sondern ganz gezielt" nur gegen solche, die ihn diffamierten. Den Streit um Zurückweisungen von bereits in anderen EU-Ländern registrierten Flüchtlingen an der deutschen Grenze erklärt Seehofer in seiner Rede noch einmal genauer, über Kanzlerin Angela Merkel verliert er kein kritisches Wort. Über Minuten schildert der Innenminister, wie die umstrittene Abschiebung der Afghanen abgelaufen und was für ein immenser Personalaufwand damit verbunden gewesen sei. Auch in diesem Fall fühlt sich Seehofer von Kritikern ungerecht behandelt, ebenso beim Thema Gefährder. "Wenn was passiert, krieg ich von Medien die Frage gestellt: Warum sind die noch da?" Mit Skepsis spricht er über die Verhandlungen mit Italien und Griechenland über die Rücknahme von zurückgewiesenen Flüchtlingen. Die Gesprächsatmosphäre sei gut, doch sowohl Rom als auch Athen wollten Gegenleistungen: andere Flüchtlinge an Deutschland abgeben. Dass Seehofers Leute in Italien mit rechten Nationalisten verhandeln und in Athen mit einer skurril anmutenden Koalition aus Linkspopulisten und Rechtspopulisten zu tun haben, erwähnt er nicht. Allerdings grenzt Seehofer sich und die CSU von deutschen "Rechtsradikalen" ab.
https://www.sueddeutsche.de/politik/streit-um-verfassungsgericht-bruessel-der-rechtsstaat-in-polen-ist-gefaehrdet-1.3096787
mlsum-de-419
Erstmals droht die EU-Kommission mit dem Entzug der Mitgliedsrechte. Warschau bleiben drei Monate, um einzulenken.
Die EU-Kommission sieht im Mitgliedsland Polen den Rechtsstaat "systemisch" in Gefahr und hat der nationalkonservativen Regierung deshalb ein Ultimatum gestellt. "Dringend" empfahl sie den polnischen Behörden, die Arbeitsfähigkeit des Verfassungsgerichts innerhalb von drei Monaten wiederherzustellen. Andernfalls droht Polen ein Verfahren, das mit dem Verlust von Mitgliedsrechten enden könnte. Das ist in der Geschichte der EU noch nie vorgekommen. "Unsere Hoffnung und unser Ziel ist, dass die Probleme schnell und effektiv gelöst werden, damit die Rechtsstaatlichkeit in Polen erhalten bleibt", sagte der Erste Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, am Mittwoch in Brüssel. Polens Innenminister Mariusz Błaszczak zeigte sich in Krakau "erstaunt", da doch die Aufgabe der Kommission die Unterstützung der Mitgliedstaaten sei. Er fügte hinzu, die Kommission habe "offenbar die Lehren aus dem Brexit nicht gezogen". Konkret ist Polen nun aufgefordert, drei vom vorangegangenen Parlament gewählten Verfassungsrichtern den Amtsantritt zu ermöglichen. Außerdem soll die Regierung ihre Praxis beenden, Urteile des Verfassungsgerichts zu sabotieren, indem sie die Veröffentlichung verweigert. Die EU-Kommission besteht darauf, dass jede Reform des Verfassungsgerichts im Einklang mit bisher von der Regierung ignorierten Urteilen des Gerichts vorgenommen wird. Die nationalkonservative Pis-Partei hatte nach ihrem Wahlsieg 2015 mit einem Umbau des Staates begonnen. Im Mittelpunkt stand dabei das Verfassungsgericht, dessen Zusammensetzung von der vorherigen liberal-konservativen Parlamentsmehrheit geprägt war. Neben der EU-Kommission sieht auch die zuständige Venedig-Kommission des Europarates die Rechtsstaatlichkeit in Gefahr. Aus Sicht der polnischen Regierung sind die Bedenken durch ein am 22. Juli verabschiedetes Gesetz über das Verfassungsgericht ausgeräumt worden. "Dieses Gesetz beseitigt die Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit in Polen nicht ", stellte Timmermans indes klar. Einige Änderungen gingen "in die richtige Richtung", etwa dass nun doch keine Zweidrittelmehrheit für Entscheidungen des Verfassungsgerichts nötig sein soll. Nach wie vor seien aber "Integrität, Stabilität und ordnungsgemäßes Funktionieren des Verfassungsgerichts beeinträchtigt". Sorgen um Demokratie und Recht in einem Mitgliedstaat der EU hat es auch in der Vergangenheit schon gegeben. Spektakulär war 2000 die Entscheidung, Österreich wegen des Eintritts der Rechtspopulisten unter Jörg Haider in die Regierung diplomatisch zu isolieren. Auch mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán gab es wiederholt Konflikte um Justiz und Medienfreiheit. Im Falle Polens kommt aber erstmals ein 2014 eingeführter dreistufiger Mechanismus zur Anwendung. Mit ihrem Ultimatum hat die Kommission die zweite Stufe aktiviert. In der dritten Stufe kann sie ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrages einleiten. Mit qualifizierter Mehrheit könnten die EU-Staaten dann Mitgliedsrechte Polens außer Kraft setzen, auch das Stimmrecht.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/griechenland-lieber-mehr-geld-fuer-athen-als-schuldenerleichterungen-1.4011824
mlsum-de-420
Berlin drängt auf neue Lösungen, damit Griechenland seine Kredite in den kommenden Jahren bedienen kann. Die Bundesregierung fürchtet, dass Schuldenerleichterungen auf großen Widerstand im Bundestag stoßen.
Die Bundesregierung will umfassende Schuldenerleichterungen für Griechenland verhindern und erwägt, Athen stattdessen mit einem zusätzlichen Milliardenpolster unterstützen. Das geht aus Verhandlungspapieren der europäischen Unterhändler hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Konkret heißt es darin, "wenn ein solcher Cash-Puffer (von Athen) dazu genutzt wird, die finanziellen Verpflichtungen von 2019 an zu begleichen, können die geplanten Schuldenerleichterungen reduziert werden". In den Dokumenten findet sich eine einfache Rechnung: Für jede fünf Milliarden Euro, die zusätzlich ausgezahlt werden, könnten anvisierte Schuldenerleichterungen - wie etwa die Streckung von Krediten - um zwei Jahre verringert werden. Im Gespräch ist, Athen finanziell so auszustatten, dass das Geldpolster mindestens bis 2022 ausreicht, um alle Kreditraten an die Euro-Staaten und den Internationalen Währungsfonds (IWF) bedienen zu können. Dieses Datum liegt nach der nächsten regulären Bundestagswahl. Deutschland ist fest entschlossen, so wenig Schuldenerleichterungen wie möglich zu vereinbaren. Hintergrund ist die Sorge, dass es im Bundestag bei einem entsprechenden Beschluss großen Widerstand geben könnte, sowohl in der Unionsfraktion als auch von Seiten der FDP und der AfD. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte sich zu seiner Verhandlungslinie bisher bedeckt gehalten und lediglich erklärt, er wolle eine Lösung, die keine neuen Schlagzeilen produziere und für alle Seiten gut sei. IWF soll nicht mehr beim nächsten Programm mitmachen Tatsächlich wäre es relativ einfach, aus dem noch bis August laufenden Kreditprogramm mehr Geld auszuzahlen als bisher geplant. Von dem bis zu 86 Milliarden Euro umfassenden Topf hat Griechenland bislang 45,9 Milliarden Euro erhalten. Die EU-Kommission hat bereits ein zusätzliches Finanzpolster von elf Milliarden Euro vorgeschlagen. Dieses müsse allerdings aufgestockt werden, wenn Deutschland auf so wenig Schuldenerleichterungen wie möglich beharre, verlautete aus EU-Kreisen. In Berlin hieß es, dass der Cash-Puffer eine von mehreren Lösungen sei, um ein glaubwürdiges Gesamtpaket zu erreichen. Eine weitere Option wäre es, dass die Europäer die an Griechenland vergebenen IWF-Kredite zurückkaufen. Frankreich dringt zudem auf einen Mechanismus, der Schuldenerleichterungen an das künftige Wirtschaftswachstum des Landes koppelt. Beides lehnt Berlin ab. Während die Bundesregierung die Laufzeiten der laufenden Kredite gar nicht verlängern will, fordert Frankreich 15 Jahre. Der Cash-Puffer wäre eine Möglichkeit, sich anzunähern. Eine Einigung soll es kommende Woche beim Treffen der Euro-Finanzminister geben. EU-Diplomaten zufolge hat man sich intern darauf geeinigt, von einer finanziellen Beteiligung des IWF am dritten Griechenland-Programm abzusehen. Diese war ursprünglich von der Union zur Bedingung dafür gemacht worden, dass man überhaupt weiteren Krediten für Athen zugestimmt hatte. Angesichts der IWF-Forderung nach Schuldenerleichterungen ist die Unionsfraktion davon abgekommen. Vor dem geplanten Abschluss des dritten Hilfsprogramms im August legte die griechische Regierung dem Parlament in Athen vergangene Woche noch einmal ein Reform- und Sparprogramm vor. Bis 2022 sollen fünf Milliarden Euro eingespart werden - etwa durch Rentenkürzungen, höhere Rentenbeiträge und die Senkung des Steuerfreibetrags.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/grossauftrag-in-den-usa-trumps-mauer-als-kunstprojekt-1.3443090
mlsum-de-421
Ein deutscher Baukonzern und ein Architekturbüro sorgen für Diskussionen, weil sie Interesse an der Mauer zwischen den USA und Mexiko zeigten.
Der vom neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump geplante Bau einer Mauer zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko löst in der deutschen Wirtschaft Verunsicherung aus. Der Bericht der Süddeutschen Zeitung darüber, dass der Schrobenhausener Baukonzern Bauer AG und das Münchner Architekturbüro Leupold Brown Goldbach auf einer Liste des US-Heimatschutzministeriums stehen, das den Bau des Milliardenprojekts ausschreibt, zog am Donnerstag Kreise. Firmenchef Thomas Bauer, der Multifunktionär in diversen Verbänden der deutschen Wirtschaft und Schatzmeister der CSU ist, entschied sich für klare Worte: Sein Unternehmen werde sich auf keinen Fall am Bau der von Trump im Wahlkampf versprochenen und jetzt konkret geplanten Mauer an der Grenze zu Mexiko beteiligen, teilte am Donnerstag ein Firmen-Sprecher mit. "Das ist nicht unser Plan." "Unerträglich und falsch" Am Mittwoch hatte das Unternehmen auf Anfrage der SZ darauf hingewiesen, es handele sich nur "um eine Liste der Interessenten, nicht der Bewerber". Am Donnerstag erklärte Firmenchef Bauer der SZ, ein amerikanischer Mitarbeiter habe die Firma auf die Liste gesetzt, aber ohne Abstimmung mit der deutschen Zentrale. Der Firmenchef distanziert sich von dem Bauprojekt. Trumps Rhetorik sei "unerträglich und falsch", sagt er. Auch das Münchner Architekturbüro Leupold Brown Goldbach ist vom Echo überrascht, das es dadurch ausgelöst hat, dass es auf dieser Liste des US-Heimatschutzministeriums steht. Gerade hagelt es bei ihnen Anfragen von Journalisten, die wissen wollen, ob die Architekten diese Mauer bauen wollen. Das Gegenteil sei der Fall, sagen sie. Das hätten sie auf ihrem Facebook-Account seit fünf Wochen erklärt. Für sie sei das Mauerprojekt eine Art Kunstaktion gegen den Mauerbau. Sie hätten von Architekten und Künstlern aus aller Welt Entwürfe gesammelt, die Trumps Wunschmauer ganz bewusst unterlaufen. Das hatten die Architekten der Süddeutschen Zeitung am Mittwoch allerdings nicht erzählt. Warum sich die Architekten aber auf die heikle Liste setzen lassen? Um, wie sie erst jetzt eingestehen, ihr Projekt weiterzutreiben. Denn die beiden Münchner Architekten würden "so eine echte Mauer zwischen Ländern ganz bestimmt nicht bauen". Die Architekten fühlen sich "humanistischen Idealen verpflichtet". Eine Mauer zwischen Mexiko und den USA wird aber vermutlich nicht ins Werkverzeichnis der Münchner Architekten finden.
https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-abstiegskampf-ist-die-neue-meisterschaft-1.3505097
mlsum-de-422
Das dürfte nächste Saison mehr denn je die Logik der Liga sein, denn: Wer oben landet, ist eh längst klar.
Es gibt im Abstiegskampf nicht viele Gewissheiten, außer einer: Es steigen niemals die ab, die man vor der Saison als Absteiger tippt. Manchmal erwischt es mal einen der Kandidaten, aber niemals alle zwei oder drei, und nicht selten landet einer der sogenannten Abstiegsfavoriten am Ende in der Europa League - um dann im nächsten Jahr, wenn alle ihn auf Platz sechs tippen, abzusteigen. Auf dieses Muster sollte sich aber wiederum auch keiner verlassen, das sei dem Trainer Streich zum Trost gesagt, in dem bauartbedingt die Emotionen wieder bühnenreife Duelle austragen. Einerseits ist es ja scho' au schön, dass seine Freiburger sich wohl für Europa qualifizieren; andererseits haben sie so eine Qualifikation schon mal mit dem Abstieg bezahlt. Christian Streich wird am besten wissen, dass es einen Abstiegskampf wie in diesem Jahr in der nächsten Saison kaum geben wird. Die aktuelle Saison hat ja die einzige Gewissheit (siehe oben) widerlegt: Gehen müssen Darmstadt und Ingolstadt - also tatsächlich jene beiden Teams, die vor der Saison bereits als natürliche Abstiegskandidaten galten. So bleibt es eine Erkenntnis der Saison, dass die kleineren Standorte dringend ihre ortsspezifischen Sondereffekte brauchen, um den größeren lästig werden zu können. Darmstadt 98 hatte vorige Saison seine Sandro-Wagner-Tore, der FC Ingolstadt hatte seine Standardsituationen, und wie der FC Augsburg, so hatten alle ihre prägenden Trainerfiguren, auf die sämtliches Tun & Lassen ausgerichtet war: Aber als Dirk Schuster, Ralph Hasenhüttl und Markus Weinzierl Darmstadt, Ingolstadt und Augsburg verließen, haben sie irgendetwas Kostbares unwiederbringlich mitgenommen. So drängt sich bereits am vorletzten Spieltag der aktuellen Saison ein Blick in die neue Saison auf: Statt Darmstadt 98 und dem FC Ingolstadt werden nun mit hoher Wahrscheinlichkeit der VfB Stuttgart und Hannover 96 in die Liga zurückkehren, klassische Erstliga-Klubs, die vor fünf Jahren noch im Europacup spielten. Wer um Christian Streichs willen sollen in der nächsten Saison also die natürlichen Abstiegskandidaten sein? Der Abstiegskampf als Surrogat für einen ausgefallenen Titelkampf: Das dürfte nächste Saison mehr denn je die Logik der Liga sein, in der es so hin und her gehen könnte wie in den Emotionen von Christian Streich. Wie verkraften Leipzig und Hoffenheim die Doppelbelastung? Bleiben Hertha, Freiburg und Köln da oben, oder holen sich Gladbach, Schalke und Leverkusen ihre rechtmäßigen Plätze zurück? Und beginnt der Abstiegskampf schon bei Platz sieben oder doch erst ab Platz acht? Weitere Gewissheiten sind bedroht - außer natürlich jener, dass der FC Bayern Meister und der HSV selbstverständlich Sechzehnter wird.
https://www.sueddeutsche.de/politik/linke-in-der-widerspenstigen-nische-1.3681544
mlsum-de-423
Die Linke hat besonders um junge Wähler geworben - mit mäßigem Erfolg. Sie ist deutlich unter zehn Prozent hinter AfD und FDP abgeschlagen, fast gleichauf mit Grünen.
Ein einstelliges Ergebnis, abgehängt von AfD und FDP und nahezu gleichauf mit den Grünen, die im Wahlkampf lange eine unglückliche Figur gemacht hatten - für die Linkspartei brachte der Wahlabend Katerstimmung. Bei Redaktionsschluss lag sie bei neun Prozent. Bliebe es dabei, wäre das zwar eine minimale Verbesserung im Vergleich zu 2013. Damals holte sie 8,6 Prozent. Ihre Rolle als Oppositionsführerin aber ist dahin. Das Ergebnis der AfD löste Buhrufe und Entsetzen bei den Parteigängern der Linken aus. "Das ist ein wahnsinniger Rechtsruck. Da darf man sich nichts vormachen", sagte Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht, die als erste vor ihre Anhänger in Berlin trat. Das zweistellige Ergebnis für die AfD zeige, dass viele Menschen "komplett allein gelassen worden" seien. Damit sich der Rechtsruck bei der nächsten Wahl nicht fortsetze, werde die Linke nun noch entschlossener für soziale Gerechtigkeit kämpfen. Wagenknecht machte insbesondere die SPD für den Wahlerfolg der AfD verantwortlich. Die Sozialdemokraten würden nun "hoffentlich erkennen, dass sie nicht permanent seit Gerhard Schröder Politik gegen die eigenen Wähler machen kann". Detailansicht öffnen Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht kritisierte über Monate hinweg die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Parteifreunde warfen ihr vor, bald selbst wie die AfD zu klingen. Zuletzt änderte sie ihren Kurs ein wenig. (Foto: BABANI/EPA-EFE/REX/Shutterstock) Spitzenkandidat Dietmar Bartsch betonte, die Linkspartei habe "das zweitbeste Ergebnis" bei Bundestagswahlen erzielt. Er sei optimistisch, dass sie im Bundestag nicht die kleinste Fraktion stellen werde. "Wer da alles in den Bundestag einzieht, ist ein Skandal. Das sind Rassisten. Das sind Fremdenfeinde", sagte Bartsch mit Blick auf die AfD. Die große Koalition habe den Rechten den Weg gebahnt. Trotz aller Worte der Selbstermunterung könnte der Linken jetzt ein Grundsatzstreit ins Haus stehen. Es stellt sich nämlich die Frage, wie von nun an mit der SPD umzugehen ist. Manche Reformer in der Linken sehen die Zeit gekommen, die alten Feindseligkeiten mit der Sozialdemokratie beizulegen und in der Opposition gemeinsam gegen die AfD vorzugehen, in Anlehnung an antifaschistische Traditionen sozusagen. "Diese Runde ging an die AfD. Die nächste Runde beginnt am Montag", sagte die Parteivorsitzende Katja Kipping. "Das fortschrittliche Lager wird sich neu aufstellen müssen." Wichtig sei vor allem, dass in Deutschland "nie wieder Faschismus" möglich werde. Zehn Prozent plus x und drittstärkste Kraft im Bundestag, mit diesem Ziel war die Linke in den Wahlkampf gezogen. Mit Blick auf die Ergebnisse der AfD allerdings hatten sich die Parteioberen lange vor der Wahl auf einen eher ungemütlichen Wahlabend eingestellt. In Berlin traf man sich am Wahlabend im Festsaal Kreuzberg, einem ehemaligen Autohaus, das neben alten Fabriken und selbstgezimmerten Klubs an der Spree steht. Früher stand an dieser Nahtstelle zwischen Kreuzberg und dem Ostbezirk Treptow die Mauer, heute blüht hier eine unfrisierte, ziemlich hippe Freizeitlandschaft. Alt und Jung, Ost und West gemeinsam in einer widerspenstigen Nische - so oder so ähnlich sollte man die Botschaft des Ortes verstehen, den die Linke sich für ihre Wahlparty ausgesucht hatte. Oder anders ausgedrückt: Die Linke wildert gern in fremden Jagdgründen, hier am Rand der Grünen-Hochburg Kreuzberg. Neue Anhänger kommen oft aus Bewegungen wie Blockupy oder aus Antifa-Gruppen Es kam anders. Die Grünen lagen zunächst - anders als prognostiziert - nicht hinter der Linken, sondern knapp vor ihr. Und auch, wenn die beiden Parteien sich im Laufe des Abends annäherten: Die Linke hatte sich mehr erhofft. Vor allem hatte sie auf junge Wähler gesetzt, denn viele ostdeutsche Stammwähler kommen ihr aus Altersgründen abhanden. 2017 seien mehr als 1000 neue Parteimitglieder eingetreten, netto, also unter Abzug der Abgänge und Todesfälle, hieß es vor der Wahl. Die meisten Neuen seien jünger als 35 Jahre und stammten aus Bewegungen wie Blockupy, Antifa-Gruppen oder aus dem Umfeld der Piraten, deren digitale Agenda sich die Linke einverleibt hat. Zudem, so hoffte man, würde die Aussicht auf ein Jamaika-Bündnis viele grüne Wähler zur Linken treiben. Klar war aber auch schon vor der Wahl, dass die Linke Wähler an die AfD verlieren würde. Bei den Landtagswahlen im Osten hatte sie hier erheblich Federn gelassen, übertroffen nur von der CDU. Bundesweit wechselten nun ungefähr 500 000 Wähler von der Linken zur AfD. Gerade Menschen mit Abstiegserfahrungen und -ängsten nehmen die Linkspartei offenbar immer weniger als eine Protestpartei wahr. Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht suchte der Misere im Wahlkampf mit scharfer Kritik an der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin zu begegnen. Sie klinge bald wie die AfD, warfen Parteikollegen ihr daraufhin vor. Der Ärger war groß. Zuletzt korrigierte Wagenknecht ihren Kurs etwas, wohl auch, um Grünen-Anhängern den Wechsel zur Linken zu erleichtern. Umstritten war in der Linkspartei aber auch, wie stark man sich von der SPD abgrenzen sollte. Die Parteichefs Bernd Riexinger und Katja Kipping rieten hier zur Vorsicht. Denn bei aller Konkurrenz um soziale Themen wie Rente, Löhne oder Pflege: Im Dauerclinch mit der SPD habe auch die Linke wenig Perspektive. Wagenknecht sah das anders. Der Disput könnte nun neue Fahrt aufnehmen. Es darf gestritten werden bei der Linken, auch nach der Wahl.
https://www.sueddeutsche.de/politik/china-geschoente-co-statistik-1.2722850
mlsum-de-424
China hat offenbar seinen Kohleverbrauch über Jahre falsch angegeben: Die Zahlen wurden rückwirkend bis zum Jahr 2000 angehoben.
China hat seinen Kohleverbrauch über Jahre hinweg deutlich zu niedrig angegeben. Die chinesische Statistikbehörde habe die Angaben nun für mehrere Jahre um bis zu 17 Prozent angehoben, berichtete die New York Times am Mittwoch. Allein für 2012 sei die Angabe für den Kohleverbrauch um 600 Millionen Tonnen angehoben worden - mehr als 70 Prozent des US-Jahresverbrauchs. Die Korrekturen wurden wenige Wochen vor der UN-Klimakonferenz in Paris öffentlich, bei der insbesondere von China als dem größten Verursacher von klimaschädlichen Gasen Zusagen für eine Begrenzung des Kohlendioxid-Ausstoßes erwartet werden. Chinas Kohlendioxid-Ausstoß lag laut der nun veränderten Statistik um einen kompletten Jahreswert Deutschlands über den bisherigen Angaben. Ein Vergleich verschiedener Ausgaben des chinesischen Statistischen Jahrbuchs ergab, dass Zahlen bis zum Jahr 2000 rückwirkend verändert wurden. Die chinesische Statistikbehörde wollte dafür zunächst keine Erklärung abgeben. Die neuen Werte seien "sicherlich zuverlässiger" als die vorherigen, sagte Song Guojun, Professor für Umweltökonomie an der Renmin-Universität in Peking. Kohle als Energieträger sei in China sehr verbreitet, der Verbrauch im nicht-staatlichen Bereich sei teilweise nicht in die Statistik eingegangen. Erst am Montag hatten Chinas Staatschef Xi Jinping und der französische Präsident François Hollande in Peking vereinbart, sich bei der UN-Klimakonferenz in Paris für "ein ehrgeiziges und rechtlich bindendes Abkommen" einzusetzen. Von den Zusagen Chinas hängt bei der UN-Klimakonferenz in Paris auch das Verhalten vieler anderer Regierungen ab. Die Überarbeitung der Statistiken müsse die Verhandlungen in Paris nicht unbedingt negativ beeinflussen, sagte der Klimawandel-Experte Yang Fuqiang von der Umweltschutzorganisation NRDC. Peking strebe ohnehin keine Festlegung auf einen absoluten Höchstwert an CO₂-Emissionen an, sondern lediglich darauf, wann dieser Höchstwert eintrete. Bislang peilt China das Jahr 2030 für den Höchststand an. Nach Einschätzung des Klimawandel-Experten Yang könnte der Höchststand aber schon vor 2020 erreicht werden, da das chinesische Wirtschaftswachstum sich verlangsamt hat und die Bedeutung der Schwerindustrie nachlässt.
https://www.sueddeutsche.de/politik/bundeshaushalt-schwarze-null-wankt-1.2752268
mlsum-de-425
Selbst Finanzminister Schäuble hat die Folgen der Flüchtlingskrise offenbar unterschätzt. Mittlerweile kann der sparsame Minister ein Defizit im Etat 2016 nicht mehr ausschließen - wegen möglicher EU-Forderungen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat eingeräumt, dass es schwer werden wird, 2016 im Bundeshaushalt ohne neue Schulden auszukommen. Wenn es ohne Defizit zu schaffen sei, dann nur, weil die Überschüsse aus dem Haushalt 2015 in das kommende Jahr mitgenommen würden, sagte er zum Auftakt der Haushaltsdebatte am Dienstag im Bundestag. Schäuble ließ keinen Zweifel daran, dass selbst die 6,1 Milliarden Euro als Puffer für Flüchtlingskosten nicht ausreichen könnten. Nicht absehbar seien auch die zusätzlichen Kosten, die wegen europäischer Vereinbarungen auf den Bundeshaushalt zukommen. Wenn die EU Hilfen bei der Sicherung der Außengrenzen, zur Finanzierung von UN-Flüchtlingslagern oder die Aufnahme von Flüchtlingskontingenten aus Drittstaaten vereinbare, "kann es bedeuten, dass das der EU-Haushalt nicht alles schafft und wir weitere Mittel in den Bundeshaushalt einstellen müssen". Er betonte, dass die Versorgung der Flüchtlinge und der Kampf gegen den Terror Priorität habe. Erst danach komme die Schwarze Null im Bundeshaushalt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat eingeräumt, dass es schwer werden wird, kommendes Jahr im Bundeshaushalt ohne neue Schulden auszukommen. Wenn es überhaupt ohne Defizit zu schaffen sei, dann nur, weil die Überschüsse aus dem Haushalt 2015 in das kommende Jahr mitgenommen würden, sagte Schäuble zum Auftakt der Haushaltsdebatte am Dienstag im Bundestag. Schäuble ließ keinen Zweifel daran, dass selbst die 6,1 Milliarden Euro als Puffer für Flüchtlingskosten im kommenden Jahr nicht ausreichen könnten. "Wir wissen nicht, wie viel Zugänge wir haben. Unsere Kalkulationen hängen auch an einer definierten Verfahrensdauer", sagte Schäuble. Nicht absehbar seien die zusätzlichen Kosten, die wegen europäischer Vereinbarungen auf den Bundeshaushalt zukommen werden. Wenn die EU gemeinsame Hilfen bei der Sicherung der Außengrenzen, zur Finanzierung von UN-Flüchtlingslagern oder die Aufnahme von Flüchtlingskontingenten aus Drittstaaten vereinbare, "kann es bedeuten, dass das der EU-Haushalt nicht alles schafft und wir weitere Mittel in den Bundeshaushalt einstellen müssen". Schäuble betonte, dass die Versorgung der ankommenden Flüchtlinge und der Kampf gegen den Terror "erste Priorität" habe. Erst danach komme die Schwarze Null im Bundeshaushalt. Was wiederum bedeute, dass an anderer Stelle auch gekürzt werden könnte. "Wir können uns nicht alles leisten", sagte Wolfgang Schäuble. Der Bundesfinanzminister vermied es, auf die inzwischen auch in der CDU geführte Debatte um eine Begrenzung des Flüchtlings-Zuzugs und die Einführung von genau definierten Obergrenzen einzugehen. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, hatte am Dienstag in einem Interview mit dem Handelsblatt gefordert, jedes Bundesland solle seine maximale Aufnahmezahl nennen. Sachsen-Anhalt könne jährlich maximal 12 000 Menschen aufnehmen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière forderte im Bundestag eine europäische Kontingent-Lösung. "Europa sollte großzügige Flüchtlingskontingente aushandeln und diese in den Ländern aufteilen", sagte der CDU-Politiker. Ein solches Kontingent stelle "zugleich eine Begrenzung" des Zuzugs dar. Die Beratungen des Bundeshaushaltes 2016 im Bundestag sollen noch bis Freitag andauern.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/fussball-landesliga-suedost-eher-heynckes-als-lauth-1.3776063
mlsum-de-426
Der TSV Grünwald ist auf Trainersuche. Andreas Koch, der den Klub nach mehreren vergeblichen Anläufen zur Meisterschaft und zum Aufstieg führte, musste gehen.
Zehn lange Jahre hatten sie sich in Grünwald nach Landesligafußball gesehnt. Doch immer wieder prallte der Turn- und Sportverein aus dem Isartal an einer unsichtbaren Mauer ab. Dreimal in Folge wurde der TSV Zweiter der Bezirksliga Süd, jedes Mal scheiterte er danach in der Relegation. 2014/15 belegte das Team Rang drei, wieder blieb der Traum von der sechsthöchsten Liga unerfüllt. Es folgte die enttäuschende Saison 2015/16 - und im vergangenen Sommer endlich der große Wurf: Mit sieben Punkten Vorsprung schaffte der TSV den Aufstieg. Meistermacher war der ehemalige Coach des SV Aubing, Andreas Koch. Ein halbes Jahr nach der rauschenden Party ist Katerstimmung eingekehrt: Nach einer steilen Talfahrt im Herbst mit nur einem Sieg aus neun Partien trennten sich die Grün-Weißen vor einer Woche von Koch. Vorübergehend übernahm der Sportliche Leiter Michael Vötter den Posten, unter seiner Regie schlug das Team in der finalen Partie des Jahres den VfB Hallbergmoos 1:0 und überwintert auf Rang zwölf, drei Punkte vor der Abstiegszone. 2008 habe man die Reißleine zu spät gezogen, sagt Abteilungsleiter Seidl Abteilungsleiter Paul Seidl fällt es nicht ganz leicht, die Ablösung des Übungsleiters zu thematisieren: "Keine Trainerentlassung ist populär, schon gar nicht, wenn derjenige einen Aufstieg hinbekommen hat. Und noch unpopulärer ist sie, wenn man das vor dem letzten Spiel vor Weihnachten durchzieht", sagt der 58 Jahre alte Spartenchef. Dennoch habe es aus seiner Sicht keine Alternative gegeben: "Bei unserem Abstieg aus der Bezirksoberliga 2008 haben wir sehr lange an Trainer Sigi Niggl festgehalten", erklärt Seidl. Das sei im Nachhinein ein Fehler gewesen: "Als wir die Reißleine kurz vor Saisonschluss gezogen haben, war es bereits zu spät." Im Vorstand sei man sich einig gewesen, so Seidl, "dass in der jetzigen Konstellation die Formkurve dramatisch nach unten gezeigt" habe. Auch wenn man nicht auf einem Abstiegsplatz stehe, habe man "den Trend im Auge" gehabt. "Die Landesliga Südost ist so eng, da rutschst du mit zwei Niederlagen ganz schnell mal auf einen Abstiegsplatz und kannst andererseits mit einer kleinen Serie schnell nach vorne kommen." Deshalb habe nun die konzentrierte Suche nach einem Koch-Nachfolger höchste Priorität. "Idealerweise haben wir unter dem Christbaum einen neuen Coach." Es gebe den ein oder anderen Kontakt, auch ein "gewisses Anforderungsprofil" habe Seidl im Kopf. "Newcomer sind ja derzeit sehr in, bis hinauf in die Bundesliga. In unserer Lage würde ich jedoch eher auf einen Mann setzen, der gewisse Erfahrungswerte mitbringt", sagt der Abteilungsleiter. Übersetzt heißt das, der TSV Grünwald sucht eher einen Heynckes als einen Nagelsmann. Michel Vötter ist mit seinen 39 Jahren zwar keineswegs ein Heynckes, aber aufgrund langjähriger Erfahrung im Amateurfußball eben auch kein Frischling mehr, dennoch sieht ihn Seidl trotz des Sieges gegen Hallbergmoos nicht als Trainer. Er kehrt wieder auf seinen Posten als Sportlicher Leiter zurück. "Ich kann ja nicht ein Loch zumachen und dabei ein anderes öffnen. Ich brauche den Michi dringend an anderer Stelle." Und auch der ehemalige Nationalspieler Benjamin Lauth, dessen Sohn in Grünwald spielt und der Vötter zuletzt im Training assistierte, ist als dauerhafte Lösung nicht vorgesehen. Eines sei nicht unwichtig: Der neue Coach soll möglichst nicht am anderen Ende der Stadt wohnen, wie Andreas Koch. "Er musste jeden Tag im Berufsverkehr aus dem Norden in den Süden hetzen, das war sicher nicht ideal", sagt Seidl. Und dann gibt es da noch die Gerüchte, der Geschasste sei wie einst Ancelotti über seine unpopulären Personalentscheidungen gestolpert: Beim letzten Spiel vor der Entlassung gegen den SB DJK Rosenheim (0:0) hatte er Stammtorwart Patrick Nothhaft und die Bakovic-Brüder Ivan und Tomislav auf die Bank gesetzt. "Daran mache ich die Trennung nicht fest", sagt Seidl. "Andi Koch hat immer einen Plan verfolgt und konnte solche Entscheidungen stets erklären."
https://www.sueddeutsche.de/politik/spd-gabriel-spielt-fuer-schulz-den-ausputzer-1.3443860
mlsum-de-427
Der Koalitionsausschuss lässt eine Arbeitsteilung in der SPD erahnen: Der Ex-Parteichef muss die mageren Erfolge verkaufen, der Kanzlerkandidat fährt frühzeitig ab.
Am Morgen danach war Martin Schulz schon nicht mehr dabei. Als sich die Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion wenige Stunden nach dem Ende des Koalitionsausschusses am Donnerstag in aller Frühe zur Sondersitzung trafen, da fehlte der Kanzlerkandidat und Parteichef. Stattdessen informierten Thomas Oppermann und Sigmar Gabriel die Abgeordneten über die Ergebnisse, also der Fraktionschef und der ehemalige Parteivorsitzende. Schulz hingegen verließ Berlin am Donnerstagmorgen - was zur Vorgeschichte dieses Koalitionsausschusses passte. Zur Erinnerung: Erst hatte Schulz erklärt, er könne wegen eines Fests der SPD-Fraktion nicht teilnehmen. Die Union allerdings haute ihm das als recht plumpen Versuch um die Ohren, weiterhin möglichst auf Abstand zum Regierungshandeln zu bleiben. Daraufhin nahm Schulz dann doch teil - wofür eigens der Beginn des Treffens nach hinten verlegt wurde. Im Koalitionsausschuss selbst soll Schulz dann gemeinsam mit Gabriel und Oppermann durchaus konstruktiv für die SPD verhandelt haben. Dass er aber am Morgen danach nicht vor die Fraktion trat, verfestigte nochmals den Eindruck, dass er um keinen Preis mit der großen Koalition in Verbindung gebracht werden will. Ärger bei der SPD: bei wichtigen Themen keine Fortschritte gemacht Tatsächlich war es kein angenehmer Auftritt, den an seiner Stelle Gabriel und Oppermann zu bewältigen hatten. Die Enttäuschung über die Ergebnisse brachte der Abgeordnete Hans-Joachim Schabedoth sinngemäß so auf den Punkt: Wenn man sich die Liste der Themen ansehe, dann sei das ja ungefähr so, als käme ein Schüler mit seinem Zeugnis nach Hause und habe in Sport, Religion und Kunst eine Eins - in Mathe, Deutsch und Latein aber leider eine Sechs. Was er meinte: dass es bei den für die SPD wichtigen Themen keine Fortschritte gegeben habe. Zu allem Überfluss, so schloss der Abgeordnete aus Hessen laut Teilnehmern, habe er dann gleich am Donnerstagmorgen auch noch Kanzleramtschef Peter Altmaier im Radio gehört - der die Erfolge der CDU ausbreitete - und sich prompt beim Rasieren geschnitten. Bei den aus sozialdemokratischer Sicht bedeutsamen Themen handelte es sich vor allem um die Begrenzung von Managergehältern, das Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit, die Solidarrente für langjährige Geringverdiener und die Ehe für alle. Bei diesem Thema machte der Abgeordnete Johannes Kahrs, der sich im Gegensatz zu manch anderem Genossen seit langer Zeit dafür einsetzt, seinem Ärger Luft und brachte einen Gruppenantrag als Option ins Spiel - also das Szenario, jenseits der Koalitionsdisziplin über Fraktionsgrenzen hinweg abzustimmen. Auf Unionsseite wurde indes genüsslich verbreitet, dass die SPD-Unterhändler sich nicht mehr groß verkämpft hätten, weil klar war, dass es keine Einigung mehr geben würde. Zudem dürfte sämtlichen SPD-Abgeordneten klar sein, dass sich jene Themen, bei denen es keine Einigung gab, zum Teil bestens für den Wahlkampf eignen. Das gilt etwa für die Begrenzung der Managergehälter. Die Union ahnt die Gefahr und signalisiert, das letzte Wort sei noch nicht gesprochen. Streitpunkt ist, ob man die steuerliche Absetzbarkeit von Boni und Abfindungen begrenzt. Die SPD will das unbedingt, die Union verweist darauf, dass deren Effekt in anderen Ländern gering sei. Weitere Gespräche soll es auch beim geplanten Verbot des Versandhandels mit Arzneien geben. Hier verlaufen die Fronten zwischen den Fraktionen, aber auch quer durch die Parteien. Niemand will an einer schlechteren Arznei-Versorgung auf dem Land schuld sein. Auch ein Gesetz für ein Rückkehrrecht aus Teilzeit auf eine vorherige Vollzeitarbeitsstelle scheiterte vorerst. Noch ist aber nicht ausgeschlossen, dass weiter verhandelt wird - und am Ende ein weiterer Koalitionsausschuss entscheiden soll. Ganz abschreiben muss SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks das Vorhaben eines neuen "Gebäudeenergiegesetzes". Es sollte verschiedene Gesetze rund um die Energieeinsparung in Häusern zusammenfassen, eine EU-Richtlinie umsetzen - und die "Vorbildfunktion der öffentlichen Hand" festschreiben. Genau auf diesen Passus aber konnte sich die Koalition nicht einigen. Unter anderem das Finanzministerium fürchtete unnötige Mehrkosten bei Bau und Sanierung öffentlicher Gebäude. Hendricks sprach von einem "Armutszeugnis". Schuld sei die "Blockadepolitik der Unionsfraktion". Die CDU keilte zurück: "Besser kein Gesetz als ein schlechtes Gesetz", sagte Energiepolitiker Thomas Bareiß. "Wir wollen kein Gesetz, welches das Gebot der Wirtschaftlichkeit verletzt." Und so fängt nun der Wahlkampf an - zu dessen Beginn sich auf Seiten der SPD mehr und mehr das Bild einer Arbeitsteilung zwischen Schulz und Gabriel abzeichnet. Schon in der turnusmäßigen Sitzung der SPD-Fraktion am Dienstagnachmittag hatte sich der gerade erst abgetretene Gabriel derart häufig und ausgedehnt zu Wort gemeldet, dass manche Teilnehmer ihn hinterher spöttisch als "geschäftsführenden Vorsitzenden" bezeichneten. Schulz allerdings scheint es gar nicht unrecht zu sein, dass ihm andere den Rücken freihalten.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/was-kommt-querdenker-1.3557712
mlsum-de-428
Ohne Gustav Schmoller hätte sich die Ökonomie hierzulande anders entwickelt. Am Dienstag vor 100 Jahren ist der Wissenschaftler gestorben.
Jan Michael Mrosik ist Chef der Division "Digitale Fabrik" von Siemens. Im Montagsinterview erzählt er von den digitalen Aufgaben, die mit dem traditionellen Siemens-Geschäft zusammengeführt werden müssen und den Chancen und Herausforderungen, die sich daraus ergeben. Er spricht vom Vernetzen, der Notwendigkeit der Technik und von Dingen, die nur analog funktionieren. Gutes Essen zum Beispiel. Gustav Schmoller ist ein Name, der den meisten Deutschen wenig sagt. Und doch: Ohne ihn hätte sich die Ökonomie hierzulande in eine andere Richtung entwickelt. Der Mann, der am Dienstag vor 100 Jahren gestorben ist, versuchte nicht bloß den Markt zu sehen, hielt nichts von der wertfreien Wissenschaft, wie sie etwa Max Weber forderte, sondern sah es als vorderste Aufgabe der (Wirtschafts-)Wissenschaftler an, Werturteile zu treffen und politisch und gesellschaftlich Position zu beziehen. Nils Goldschmidt, Professor an der Universität Siegen und Vorsitzender der "Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft", würdigt Schmoller in einem Porträt als den "Hans-Werner Sinn des späten 19. Jahrhunderts". Kann sich heute noch jemand eine Welt ohne iPhones vorstellen? Zehn Jahre ist es erst her, dass Apple das erste Modell auf den Markt brachte, an diesem Donnerstag jährt sich der Tag, an dem das neue Smartphone in den USA in den Handel kam. Steve Jobs, der geniale Firmengründer, hatte das Gerät knapp sechs Monate zuvor, Anfang 2007, in einer legendären Keynote angekündigt. "Heute erfindet Apple das Telefon neu", sagte er damals. Manche empfanden das vor zehn Jahren als großkotzig. Heute weiß man: Jobs hat eher untertrieben. Was noch? An diesem Montag jährt sich zum 60. Mal der Todestag des Psychiaters und Schriftstellers Alfred Döblin ("Berlin Alexanderplatz"). Von ihm stammt die tiefsinnige Erkenntnis: "Geist tritt mit Vorliebe in der Form des Schwachsinns auf."
https://www.sueddeutsche.de/politik/alarmstarts-der-nato-nato-fliegt-so-viele-alarmstarts-wie-zuletzt-im-kalten-krieg-1.3474025
mlsum-de-429
Die Kampfjets des Bündnisses mussten im vergangenen Jahr fast 800 Mal in die Luft - meistens, um russische Flugzeuge zu identifizieren.
Die deutschen Eurofighter waren gerade erst an ihrem neuen Einsatzort im estnischen Ämari angekommen, als sie schon zu ihrem ersten Alarmstart in die Luft mussten. Eine russische Maschine war ohne eingeschalteten Transponder in den internationalen Luftraum geflogen. Die deutschen Abfangjäger stiegen zum Himmel auf, um es zu identifizieren. Es handelte sich bloß um ein Zivilflugzeug, den deutschen Eurofightern kamen allerdings auch zwei russische Kampfjets vom Typ Su-27 entgegen. Die deutschen Jets identifizierten die drei Flugzeuge und begleiteten sie durch den internationalen Luftraum, bis die Kollegen aus Schweden übernahmen. Der Vorfall ging glimpflich aus. Doch die Nato ist durch das angespannte Verhältnis zu Russland in erhöhter Alarmbereitschaft. Die Kampfflugzeuge des transatlantischen Bündnisses haben 2016 so viele Alarmstarts geflogen wie zuletzt im Kalten Krieg. Rund 780 Einsätze zur Identifizierung und Überwachung russischer Flugzeuge gab es im vergangenen Jahr von europäischen Militärbasen aus, sagte ein Sprecher des zuständigen Bündnisstützpunktes in Ramstein der Deutschen Presse-Agentur. Das sind doppelt so viele im Vergleich zum Vorjahr, als Nato-Jets zu 410 Alarmstarts in die Luft stiegen. Bei den Alarmstarts müssen die Piloten mit ihren Jagdflugzeugen innerhalb weniger Minuten in der Luft sein. Sie stellen dann fest, ob von einem verdächtigen Flugzeug eine Gefahr ausgeht, etwa mithilfe von Sichtkontakt. Notfalls können sie die Flugzeuge mit Gewalt aufhalten. In der Regel gehen diese Vorfälle allerdings glimpflich aus. Oft handelt es sich um zivile Flugzeuge, die aber zunächst als solche identifiziert werden müssen. Russische Jets sind nach Angaben der Bundeswehr häufig ohne aktive Transponder im internationalen Luftraum unterwegs. Laut Flugsicherungsexperten sind viele der russischen Manöver aber legal und verstoßen nicht gegen internationale Regeln. Seit der Annektierung der Krim durch Russland hat sich auch die militärische Lage im Baltikum verändert. Das sogenannte Air Policing der Nato soll den Luftraum über den drei Nato-Mitgliedsstaaten Estland, Litauen und Lettland sichern. Das Air Policing gibt es bereits seit 13 Jahren. Im Frühjahr 2014 verstärkte es die Nato als Reaktion auf den Ukraine-Konflikt. Zuletzt gab es allerdings wieder mehr Gespräche zwischen Nato und Russland. Bei einem Treffen des Nato-Russland-Rates Ende März hatten beide Seiten Informationen über jeweilige Truppenverstärkungen ausgetauscht. Die russische Seite informierte über drei neuen Divisionen im westlichen Militärdistrikt, die Nato über die Stationierung von vier Bataillonen im Osten. Alarmstarts, die nichts mit russischen Flugzeugen zu tun haben, sind in Europa vergleichsweise selten. Im Vorjahr wurden nur etwa 90 Einsätze wegen Militärflugzeugen anderer Staaten oder nicht sofort identifizierbarer Passagier- oder Frachtmaschinen geflogen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/kolumbien-alle-hinter-james-1.4015351
mlsum-de-430
"Er kann eine gute Flanke schlagen, Tore erzielen, überraschende Vorstöße starten": Dank der starken Form des Bayern-Mittelfeldspielers Rodriguez hofft Kolumbien auf eine ähnliche Überraschung wie 2014.
Seine wilde Haarpracht ist Carlos Valderrama heilig, aber im Falle einer Sensation würde er die Schere an sich heranlassen. "Wenn Kolumbien Weltmeister wird, schneide ich mir die Mähne ab", sagte Valderrama vor der WM. Nun ist es natürlich unwahrscheinlich, dass der 56-Jährige, der als bester kolumbianischer Fußballer der Geschichte gilt, tatsächlich seine Locken verliert. Aber allein die Tatsache, dass er sie verwettet, zeugt vom neuen Selbstbewusstsein der Kolumbianer. Und das liegt vor allem an einem: James. Auf dem Mittelfelfspieler von Bayern München liegen nach einer für viele überraschend starken Saison die Hoffnungen der Nation, wenn es darum geht, nun noch einmal das Ergebnis von Brasilien 2014 zu toppen - da war erst im Viertelfinale gegen den Gastgeber Endstation. Rene Higuita, der exzentrische frühere Torwart, hofft, dass die Konkurrenz in Gruppe H mit Robert Lewandowskis Polen, dem Senegal und Japan "auf ein monströses Kolumbien" trifft, angeführt, na klar, von James. "Er ist die geborene Führungspersönlichkeit. Daher ist er heute auch das absolute Aushängeschild unserer Nationalmannschaft und unseres Landes. Dafür schätzen wir ihn sehr", sagte Higuita: "Er hat das alles mit Talent, Bescheidenheit und harter Arbeit erreicht." James, Torschützenkönig der WM 2014, sei mittlerweile ein "kompletter Spieler" mit unschätzbaren Wert für Kolumbien, sagte Higuita: "Er deckt seine Gegenspieler, ist technisch sehr versiert und mannschaftsdienlich. Er kann eine gute Flanke schlagen, Tore erzielen, überraschende Vorstöße starten. Jedes Team der Welt will einen solchen Spieler haben." Und tatsächlich: James war es zu verdanken, dass sein Team ohne den Umweg über die Play-offs das Ticket für Russland löste. Der Offensivspieler der Bayern traf in der Qualifikation in 13 Partien sechsmal, das wichtigste Tor gelang ihm dabei am letzten Spieltag in Peru. Durch das 1:1 sicherte James seinen Kolumbianern den vierten Platz ab - und verschaffte sich persönlich damit die Möglichkeit, wie in Brasilien wieder auf der ganz großen Fußball-Bühne leuchten zu können. James ist in einem Team mit einigen interessanten Akteuren mit Sicherheit die prägendste Figur. Aber die Kolumbianer profitieren insgesamt von einer Achse mit talentierten Spielern. Den Rückhalt bildet Keeper David Ospina, 29 Jahre alt und seit 2014 in Diensten des englischen Top-Klubs FC Arsenal. Trotz seiner erst 21 Jahre hält davor Innenverteidiger Davinson Sanchez, der nach einem herausragenden Jahr bei Ajax Amsterdam im Sommer 207 zu Tottenham Hotspur gewechselt war und sich dort gleich einen Stammplatz erspielte, die Abwehr zusammen. Offensiv sind die Kolumbianer nicht minder gut besetzt - James profitiert dabei auch von der Qualität seiner Mitspieler wie Juan Cuadrado (Juventus Turin) und Altmeister Radamel Falcao (AS Monaco). Valderrama, der Kolumbien als Kapitän zu den Turnieren 1990, 1994, und 998 führte, hofft, dass seine nachfolger in Russland für Furore sorgen. "Nicht immer schaffen wir es, bei einer WM dabei zu sein", sagt er. "Deshalb müssen wir bei dieser Gelegenheit alles geben."
https://www.sueddeutsche.de/sport/2-bundesliga-auch-im-19-auswaertsspiel-ungeschlagen-1.2200246
mlsum-de-431
Unentschieden im Spitzenspiel der zweiten Bundesliga: Fortuna Düsseldorf und der FC Ingolstadt trennen sich 0:0, die Gäste bleiben im 19. Auswärtsspiel in Serie ungeschlagen. Greuther Fürth befreit sich mit einem Sieg bei Union Berlin aus seiner Misere.
Unentschieden im Spitzenspiel Der FC Ingolstadt hält in der 2. Fußball-Bundesliga die Konkurrenz weiter auf Distanz. Im Auswärtsspiel beim ärgsten Verfolger Fortuna Düsseldorf erkämpfte sich das Team von Trainer Raplh Hasenhüttl am Freitagabend ein 0:0. Nach dem fünften Remis der Saison verteidigte der weiterhin ungeschlagene Tabellenführer (26 Punkte) Ingolstadt immerhin seinen Fünf-Punkte-Vorsprung auf den Tabellenzweiten Düsseldorf (21). Der FCI blieb zudem im 19. Auswärtsspiel in Serie ohne Niederlage. Das Spitzenspiel konnte die Erwartungen der 33 878 Zuschauer nicht erfüllen. In der ersten Hälfte sorgten nur die Chancen von Fortunas Sergio da Silva Pinto (2.) und FC-Stürmer Lukas Hinterseer (20.) kurzzeitig für Aufregung. Hinzu kamen zwei frühe Wechsel, da sich Lukas Schmitz und Danny da Costa bei einem Zusammenprall verletzten. Da Costa traf es schwer: Er fällt mit einem offenen Schienbeinbruch mehrere Monate aus. "Das ist für uns ganz bitter", sagte Trainer Ralph Hasenhüttl. Spannender wurde es nach der Pause: Erst klärte Pinto (60. Minute) den Kopfball von Moritz Hartmann auf der Linie und Marvin Matip traf im Nachsetzen nur den Pfosten. Auf der Gegenseite blockte Benjamin Hübner (70.) in höchster Not den Schuss von Ben Halloran ab, Ramazan Özcan parierte einen Freistoß von Michael Liendl (72.). Fürth gewinnt wieder Die SpVgg Greuther Fürth gewinnt nach zuletzt nur einem Sieg aus fünf Spielen 1:0 (1:0) bei Union Berlin und stellt so den Anschluss zu den Aufstiegsrängen wieder her. Fürth ist nach dem Auftakt des 12. Spieltags mit 18 Punkten Sechster, die Berliner (13) sind weiterhin Elfter. Kacper Przybylko (3.) sorgte vor 18 702 Zuschauern kurz nach dem Anpfiff für die Entscheidung. Nach der bitteren Heimpleite gegen den FSV Frankfurt (2:5) und dem Pokalaus bei Ligakonkurrent 1. FC Kaiserslautern (0:2) erwischte das Kleeblatt in der Alten Försterei einen perfekten Start. Ein Freistoß von Marco Stiepermann kam über Benedikt Röcker zu Przybylko, der im Fünfmeterraum unbedrängt einköpfte. Torhüter Mohamed Amsif hatte keine Abwehrchance. Im ausgeglichenen ersten Durchgang lieferten sich die Mannschaften viele harte Zweikämfe, die besseren Gelegenheiten hatten die Eisernen. Union stemmte sich gegen die Niederlage. Das Team von Trainer Norbert Düwel fand aber keine Mittel und ging nach zwei Dreiern in Serie bereits zum fünften Mal in dieser Saison leer aus. Zudem sah Union-Angreifer Sören Brandy in der Nachspielzeit die Rote Karte (90.+4). Karslruhe kann Sandhausen nicht knacken Karlsruhe hat das blamable Pokal-Aus beim Viertligisten Kickers Offenbach noch nicht verarbeitet. Der KSC kam in einem erst in der zweiten Halbzeit unterhaltsamen Baden-Derby gegen den abstiegsbedrohten SV Sandhausen nicht über ein 1:1 (0:0) hinaus. Während der KSC die Chance verpasste, sich in der Tabelle wieder nach oben zu orientieren, blieb Sandhausen vor 13 203 Zuschauern im Wildparkstadion zum fünften Mal hintereinander ohne Sieg. Der eingewechselte Manuel Torres hatte Karlsruhe in Führung gebracht (65.), Manuel Stiefler glich für Sandhausen aus (73.). Zwar versuchte Karlsruhe zunächst, die ersatzgeschwächten Gäste unter Druck zu setzen, die Anfangsoffensive verpuffte aber schnell. Danach entwickelte sich ein Spiel mit nur wenigen Torchancen. Die Gastgeber fanden kein Mittel, die sichere Defensive Sandhausens auszuhebeln. Erst nach der Pause nahm die Begegnung Fahrt auf. Stiefler nutzte beim Ausgleich ein Chaos in der KSC-Abwehr zum gerechten Punktgewinn für die Gäste.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tabakkonzern-philip-morris-verliert-schiedsverfahren-gegen-australien-1.2794967
mlsum-de-432
Der Tabakkonzern forderte Schadenersatz, weil Markenlogos auf Zigarettenschachteln in Australien verboten sind. TTIP-Kritiker hatten diesen Fall besonders beobachtet.
Der Tabakkonzern Philip Morris hat einen langwierigen juristischen Kampf gegen Australien verloren. In der Auseinandersetzung ging es um ein Gesetz, das in Australien seit 2011 vorschreibt, dass Zigaretten in neutralen Verpackungen ohne Markenlogos verkauft werden müssen. Der Konzern hatte auf Grundlage eines Handelsabkommens zwischen Hongkong und Australien dagegen geklagt und unter anderem argumentiert, das Gesetz verletze seine Markenrechte. Ein Schiedsgericht lehnte die Klage nun mit der Begründung ab, dass es für den Fall nicht zuständig sei. Vertreter der australischen Regierung begrüßten die Entscheidung. "Rauchen schadet zahllosen Australiern und verursacht Todesfälle durch Krebs, Lungen- und Herzerkrankung", sagte die stellvertretende Gesundheitsministerin Fiona Nash in einer Mitteilung. Kritiker des transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP hatten die Auseinandersetzung zwischen Australien und dem Tabakkonzern häufig als Beispiel für die Gefahren von TTIP angeführt. Kern ihrer Kritik ist, dass geheim tagende Schiedsgerichte demokratisch beschlossene Gesetze etwa zum Umweltschutz aushebeln könnten. Anti-Tabak-Gesetze haben in vielen Ländern Konjunktur Es gebe Anzeichen, dass Schiedsgerichtsverfahren zunehmend zweckentfremdet werden, indem sie als Grundlage für Schadenersatzprozesse herhalten müssen, schrieb etwa Henning Klodt vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) zuletzt in einem Gastbeitrag für die SZ: "Eine unmittelbare Klage des Marlboro-Herstellers war nicht möglich, da es kein entsprechendes Schutzabkommen zwischen den USA und Australien gibt." Klodt zufolge gründete Philip Morris deshalb eine Niederlassung in Hongkong und unterstellte ihr das Geschäft in Australien. Mit Hongkong besteht ein Schutzabkommen - darum klagte Philip Morris dann von Hongkong aus gegen das australische Gesetz. Genau dieser Umweg aber bewog nun offenbar das Schiedsgericht, die Klage abzulehnen. Demnach habe die Philip-Morris-Niederlassung in Hongkong die Kontrolle über das Geschäft in Australien erst dann übernommen, als bereits klar war, dass die australische Regierung die Tabakgesetzgebung verschärfen würde. Bestrebungen, die Gefahren des Tabakkonsums hervorzuheben, haben in vielen Ländern Konjunktur: So hatte das britische Parlament zuletzt entschieden, ab März 2016 neutrale Verpackungen einzuführen. Eine EU-Richtlinie für Tabakprodukte aus dem Jahr 2014 sieht vor, dass EU-Staaten künftig neutrale Verpackungen, aufklärende Texte und Warnbilder vorschreiben. In Deutschland soll ein entsprechendes Gesetz ab dem Frühjahr 2016 gelten. Gegen diesen Trend macht die Tabakindustrie weltweit mobil. Neben der nun gescheiterten Klage gegen Australien haben Philip Morris und andere Tabakunternehmen auch beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) Klage gegen die EU-Tabakrichtlinie eingereicht. Noch vor Weihnachten will der Generalanwalt seine Einschätzung zur Klage der Konzerne vorlegen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ende-des-bahnstreiks-gdl-chef-weselsky-verkuendet-zugestaendnisse-der-bahn-1.2488344
mlsum-de-433
Unterschiedliche Tarifabschlüsse seien möglich, sagt GDL-Chef Claus Weselsky. Das habe ihm die Bahn schriftlich gegeben. Dabei lehnt sie unterschiedliche Verträge für gleiche Berufsgruppen eigentlich ab.
Die Gewerkschaft GDL mit ihrem Chef Claus Weselsky und die Bahn haben sich auf ein Schlichtungsverfahren in dem seit Monaten festgefahrenen Tarifkonflikt verständigt. Weselsky hält unterschiedliche Tarifverträge für möglich Der Streik der Lokführergewerkschaft GDL wird beendet. Bahn und GDL einigten sich in der Nacht auf eine Gesamtschlichtung in dem festgefahrenen Tarifkonflikt. Dies sei das Ergebnis von zweitägigen Gesprächen, die der frühere Vorsitzende Richter am Bundesarbeitsgericht, Klaus Bepler, geleitet hatte. Mit der Einigung auf eine Schlichtung sind nach Interpretation der GDL nun unterschiedliche Tarifabschlüsse bei den konkurrierenden Bahn-Gewerkschaften möglich. Die Deutsche Bahn habe zugesagt, dass die von der GDL vertretenen Mitglieder auch dann Tarifverträge bekämen, wenn es keine Tarifeinheit gebe, sagte GDL-Chef Claus Weselsky in Berlin. Das sei schriftlich festgehalten worden. Auch die EVG will Tarifabschluss Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber kündigte dagegen an, die Bahn werde dafür sorgen, in entscheidenden Punkten kollidierende Regelungen zu vermeiden. Die Bahn lehnt grundsätzlich unterschiedliche Verträge für gleiche Berufsgruppen ab. Sie verhandelt auch mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Die EVG hat bislang nicht gestreikt, droht aber damit, falls es am Donnerstag keine Einigung gebe. Keine Streiks in den drei Wochen der Schlichtung Nach der Verständigung auf eine Schlichtung zeigten sich beide Seiten erleichtert: "Unsere Kunden und Mitarbeiter können aufatmen", erklärte Bahn-Personalvorstand Weber. GDL-Chef Claus Weselksy sprach davon, dass der "gordische Knoten zerschlagen" sei. Die Schlichtung soll am kommenden Mittwoch, den 27. Mai, beginnnen und bis zum 17. Juni dauern. Für diese drei Wochen gilt Friedenspflicht. Die Bahn hat den ehemaligen Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, Matthias Platzeck (SPD), als Schlichter benannt, die GDL den thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke). Detailansicht öffnen Ramelow bezeichnet Bahn als "unprofessionell" Ramelow war in den 1990er Jahren thüringischer Landesvorsitzender der HBV, der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen. Der ehemalige Berufsgewerkschafter kritisiert im RBB-Inforadio die Deutsche Bahn und die Bundesregierung heftig. Die Regierung habe als Eigentümer nicht die Tarifverhandlungen favorisiert, sondern sich einen Vorteil verschaffen wollen, indem man die freien Verhandlungen gesetzlich reglementiert. "Man kann Gewerkschaften per Gesetz nicht die freien Verhandlungen verbieten." Die Bahn habe zudem nie über Entlastungen für die Lokführer verhandelt, beklagte Ramelow. "Ich habe in meinem Leben viele Tarife verhandelt, ein derart unprofessionelles Vorgehen habe ich noch nicht erlebt." Platzeck dagegen will sich zunächst nicht zu seiner Rolle als Schlichter äußern. "Schlichten und Schweigen ist das Gebot", sagte sein Referent in Potsdam. Der frühere Bundesverkehrsministers Wolfgang Tiefensee (SPD) hält Ramelow und Platzeck für eine Schlichtung gut geeignet: "Ich denke, die beiden können sich gut zusammensetzen. Sie sind moderat", sagte er im Deutschlandfunk. Tiefensee hatte 2007 selbst zwischen Bahn und GDL vermittelt. Nahverkehr ab Freitag wieder regulär, der Fernverkehr ab Samstag Der Streik der Lokführergewerkschaft GDL wird beendet. Bahn und GDL einigten sich in der Nacht auf eine Gesamtschlichtung in dem festgefahrenen Tarifkonflikt. Dies sei das Ergebnis von zweitägigen Gesprächen, die der frühere Vorsitzende Richter am Bundesarbeitsgericht, Klaus Bepler, geleitet hatte. Im Nahverkehr könne am Freitag wieder nach Plan gefahren werden, im Fernverkehr am Samstag. Für ICEs und Intercitys gelte bis dahin weiter der Ersatzfahrplan. Die notwendigen Maßnahmen, um wieder auf regulären Betrieb umzustellen, sind bei der Bahn am Donnerstagmorgen um sieben Uhr angelaufen. Nach Angaben der GDL ist der Streik aber offiziell erst am Donnerstagabend um 19 Uhr beendet.
https://www.sueddeutsche.de/digital/neue-sicherheitsluecke-im-netz-internet-sicherheitsfirma-betreibt-selbst-schadsoftware-1.2363390
mlsum-de-434
Eine der zentralen Instanzen für sicheres Surfen im Netz betreibt Software, mit der Nutzer ausspioniert werden können. Firmen wie Comodo sollen eigentlich die Sicherheit im Netz gewährleisten. Doch ihre Software Privdog untergräbt die HTTPS-Verschlüsselung.
Mit Privdog können Nutzer problemlos ausspioniert werden Eine der zentralen Instanzen für sicheres Surfen im Netz betreibt Software, mit der Nutzer problemlos ausspioniert werden können. Die Software heißt Privdog und ist anscheinend dazu in der Lage, sich bei vermeintlich sicheren Verbindungen dazwischenzuschalten und den Internet-Verkehr auszuwerten. Ziel des Programms ist es eigentlich, den Nutzern Werbung von "vertrauenswürdigen Quellen" anzuzeigen. Der Journalist und IT-Experte Hanno Böck hat in einem Blogbeitrag geschildert, wie Privdog genau vorgeht. Zusammen mit weiteren IT-Forschern ist Böck auf die Software aufmerksam geworden. Comodo bürgt mit seinem Namen für Sicherheit Privdog gehört zur Comodo Group, der weltweit größte Zertifizierungsstelle für die Verschlüsselung von Internetverbindungen. Wenn Nutzer beispielsweise die Seite ihrer Bank aufrufen, wird die Verbindung verschlüsselt, damit niemand die Passwörter mitlesen kann. Die Bank lässt sich dieses Verschlüsselungszertifikat von Comodo digital unterschreiben. Erst dann geben Internet-Browser an, dass die Kommunikation abgesichert ist. Comodo bürgt also mit Firmennamen und -wissen dafür, dass tatsächlich die gewünschte Bank dieses Zertifikat ausgestellt hat - und nicht etwa Hacker. Nutzern wird suggeriert, sicher im Netz zu surfen Ist Privdog installiert, passiert hingegen Folgendes: Die Software akzeptiert jede HTTPS-Verbindung und ersetzt sie durch ein eigenes Zertifikat. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um die Seite einer Bank handelt (www.ihrebank.de) oder zum Beispiel um eine Seite, die vorgibt, diese Bank zu sein (www.ihre-bank.de). Speziell Phishing-Seiten operieren mit einer Webseite, die sich nur minimal vom Original unterscheidet, um so an Passwörter zu kommen. Privdog ersetzt den Forschern zufolge beide Verbindungen - und lässt Nutzer gleichzeitig in dem Glauben, sicher im Netz unterwegs zu sein. Jürgen Geuter ist Diplom-Informatiker an der Universität Oldenburg. Ihm zufolge braucht man Zertifizierungsstellen wie Comodo, um Vertrauen im Netz herzustellen: "Aber Comodo hat durch ihre Aktivitäten jegliche Vertrauensbasis nachhaltig zerstört", sagt Geuter. Parallelen zur Superfish-Sicherheitslücke von Lenovo Der Comodo-Fall erinnert an die vorinstallierte Sicherheitslücke auf Lenovo-Computern, die in der vergangenen Woche bekannt geworden war. Eine Software namens "Superfish" öffnete Hackern diverse Angriffsmöglichkeiten. Sicherheitsexperten sprachen von einem "Alptraum". Privdog sei schlimmer als Superfish, schreibt Hanno Böck. Was Nutzer tun können Im Gegensatz zum Vorfall bei Lenovo ist die Software von Comodo nicht vorinstalliert. Das heißt, Nutzer sollten zunächst überprüfen, ob sie diese Software verwenden. Falls das der Fall ist, sollte sie deinstalliert werden.
https://www.sueddeutsche.de/politik/us-praesident-obama-nicht-ohne-die-golfstaaten-1.2481387
mlsum-de-435
Der amerikanische Präsident Barack Obama glaubt nicht an ein schnelles Ende des Syrien-Konflikts. Eine Mitschuld der USA für den Bürgerkrieg weist er zurück: Die Menschen im Nahen Osten würden die Verantwortung zu oft auf Washington schieben.
Kooperation mit den Ländern in der Region nötig US-Präsident Barack Obama glaubt nicht an eine Lösung des Syrien-Konflikts vor dem Ende seiner Amtszeit. "Die Situation in Syrien ist herzzerreißend, aber sie ist extrem komplex", sagte er dem arabischen Nachrichtensender Al-Arabiya. Auf die Frage, ob er ein Ende des Bürgerkriegs vor seinem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt im Januar 2017 erwarte, sagte er: "Wahrscheinlich nicht." Er betonte erneut, dass es keine "militärische Lösung" des Konflikts gebe könne, der bislang mehr als 220 000 Menschen das Leben gekostet hat. Zur Lösung des Konflikts sei eine Kooperation mit den Golfstaaten, der Türkei und anderen Ländern der Region nötig, sagte Obama. Eine Verantwortung für den Konflikt wies er zurück. "Sie haben einen Bürgerkrieg in einem Land, der aus langwährenden Missständen herrührt", sagte der Präsident. "Das ist nichts, was von den USA ausgelöst wurde, und nichts, was von den USA hätte gestoppt werden können." Die Menschen im Nahen Osten würden allzu oft alle Verantwortung auf Washington schieben, kritisierte Obama. USA griffen erst ein, als der IS mitmischte Die USA hatten nach dem Beginn des Konflikts im März 2011 lange gezögert, sich militärisch in die Auseinandersetzung zwischen Präsident Baschar al-Assad und den Rebellen einzumischen. Erst als die Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) im vergangenen Sommer weite Gebiete im Osten und Norden des Landes in ihre Gewalt brachte, startete Washington mit einer Reihe arabischer Verbündeter Luftangriffe auf die Extremisten. Zudem bildet die US-Armee seit Anfang Mai in Jordanien eine Gruppe moderater Rebellen für den Kampf gegen die IS-Miliz aus. Terrormiliz erobert Regierungssitz in Ramadi Nach eintägiger Offensive hat die Terrorgruppe IS den Regierungssitz der umkämpften westirakischen Stadt Ramadi erobert. Nach Angaben eines Polizeioffiziers übernahmen die IS-Kämpfer die Kontrolle über das Regierungsgebäude und hissten dort ihre schwarze Flagge. Damit beherrscht die Miliz die Hauptstadt der Provinz Anbar nun nahezu komplett. In Syrien verstärkte die Armee wegen des Vormarschs der Islamisten ihre Präsenz in der antiken Stadt Palmyra. Die Soldaten würden Luftangriffe gegen die Extremisten fliegen, die nur noch einen Kilometer von der weltberühmten Oasenstadt entfernt stünden, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Der Provinzgouverneur versicherte aber, die Lage in Palmyra sei "unter Kontrolle".
https://www.sueddeutsche.de/sport/basketball-bamberg-deklassiert-bayern-und-zieht-ins-finale-ein-1.3011291
mlsum-de-436
Mit einer 95:65-Packung haben die Brose Baskets Bamberg den FC Bayern München geschlagen und können nun ihren deutschen Meistertitel verteidigen.
Die Brose Baskets Bamberg haben sich mit einem deutlichen Ausrufezeichen die sechste Finalteilnahme in sieben Jahren in der Basketball-Bundesliga gesichert. Der Titelverteidiger gewann am Sonntagabend das dritte Playoff-Halbfinale gegen den FC Bayern München deutlich mit 96:65 (49:20) und entschied die Best-of-five-Serie mit 3:0 für sich. Vor 6800 Zuschauern, darunter auch NBA-Profi Dennis Schröder, war Nationalspieler Daniel Theis mit zwölf Zählern der beste Werfer der Oberfranken. Für die Münchner punktete Anton Gavel (13) am erfolgreichsten. Im anderen Halbfinale führt ratiopharm Ulm mit 2:1 gegen die Frankfurt Skyliners. Die Finalserie beginnt am kommenden Sonntag in Bamberg. Im der Neuauflage des Vorjahresfinals ließ der siebenmalige deutsche Meister aus Bamberg keinerlei Zweifel an seiner Vormachtstellung aufkommen. Das Team von Trainer Andrea Trinchieri gewann alle drei Partien mit zweistelligem Abstand und wahrte damit nach dem 3:0 gegen Würzburg seine perfekte Bilanz in den laufenden Playoffs. Wie schon im ersten Spiel führten die Münchner, denen die Rückkehr von Deon Thompson nichts half, am Sonntag nicht einmal. Bereits vor der Halbzeit lagen die Oberfranken mit über 30 Zählern Differenz in Führung. Während das Dauerduell zwischen Bamberg und München in den Playoffs 2013 und 2015 jeweils über fünf Spiele begeisterte, ließ das selbstbewusste Team des Italieners Trinchieri diesmal überhaupt keine Spannung mehr aufkommen. Bayerns Trainer Svetislav Pesic korrigierte überraschend bereits vor dem Spiel seinen Rücktritt "zu 99 Prozent", den er im Frühling angekündigt hatte. "Die Prozentquote ist jetzt 99 Prozent, dass ich weiter noch mindestens ein Jahr meinen Job bei Bayern mache", erklärte Pesic bei "Telekom Basketball". Der an der Seitenlinie sonst so aktive Serbe schien nach dem deutlichen Rückstand in Halbzeit eins allerdings frühzeitig zu resignieren. Weit vor Spielschluss verlor der 66 Jahre alte Pesic, der als Trainer Weltmeister und Euroleague-Sieger wurde, die Hoffnung gegen einen übermächtigen Gegner. Seine Mannschaft präsentierte sich nach dem Wechsel zwar besser, konnte den entstandenen Schaden aber nicht mehr reparieren. Seit dem Aufstieg 2011 war es die deutlichste Playoff-Pleite der Münchner. In der zweiten Halbfinalserie hatten die Frankfurt Skyliners am Samstag zum 1:2 verkürzt. Die Hessen gewannen gegen ratiopharm Ulm vor eigenem Publikum deutlich mit 85:54 und verkürzten in der Best-of-five-Serie auf 1:2. Im zweiten (sechs Zähler) und dritten Viertel (neun) kamen die Ulmer nicht einmal auf eine zweistellige Punktausbeute. Spiel vier in dieser Serie findet am Dienstag (19.30 Uhr) in Ulm statt.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/abschied-aus-dem-rathaus-haken-bei-90-prozent-1.4242935
mlsum-de-437
Günter Schwarz, 64, wollte stets den Sport in München voranbringen. Eine Bilanz nach fast 50 Jahren im Dienst der Stadt.
Wenn Günter Schwarz an diesem Freitag ein letztes Mal aus dem Fenster seines Büros an der Münchner Bayerstraße auf den Hauptbahnhof blickt, sieht er sie wieder, die qualmende Dampflok. Sie ist ein Teil seines Arbeitsalltags im dritten Stock des Referats für Bildung und Sport an der Bayerstraße geworden. Im vergangenen Sommer, erzählt Schwarz, konnte er das Fenster kaum öffnen, weil ständig der Dampf hochstieg. Und bei geschlossenem Fenster bekam er Schweißausbrüche. Ansonsten liebt Schwarz aber sein Büro, die Arbeit. Er wollte immer eines: den Sport voranbringen in München. Schwarz arbeitete fast 50 Jahre bei der Stadt. Eigentlich sollte er Leiter eines der fünf Standesämter werden, doch dann wechselte er 1990 ins Sportamt, in den letzten zweieinhalb Jahren führte er dort 200 Mitarbeiter. Am Freitag geht er - glücklich - in Ruhestand. "Bei 90 Prozent von dem, was ich mir vorgenommen habe, kann ich einen Haken machen." Der Leiter des Münchner Sportamtes hat inzwischen mehr als 700 Vereine und rund eine Million Sporttreibende in München unter seiner Obhut, er muss um Sportflächen in der am dichtesten besiedelten Großstadt Deutschlands kämpfen, Bezirkssportanlagen erneuern, Hallen sanieren, Initiativen für den Breiten- und Freizeitsport auf den Weg bringen. Er ist involviert in die Planungen zur neuen SAP-Arena im Olympiapark oder zur Sanierung der Ruderregattastrecke in Oberschleißheim. Man kann sagen: Neben der Sportbürgermeisterin Christine Strobl (SPD), Referatsleiterin Beatrix Zurek und Olympiapark-Chefin Marion Schöne ist Schwarz der wichtigste Manager des Münchner Sports. "Am Ende müssen Sie ein Ergebnis erzielen, das der Stadtrat absegnet - die große Kunst", sagt Schwarz, der seine Mitarbeiter "lauter Sportverrückte" nennt. An die 60-Stunden-Woche hat er sich längst gewöhnt, er besuchte Vereine, Festivals im Olympiapark oder auf dem Königsplatz, traf sich mit Verbänden oder der Deutschen Olympischen Gesellschaft. Mit dem damaligen Oberbürgermeister Christian Ude startete Schwarz in Kiew die Städtepartnerschaft, er war Delegationsleiter in Münchens japanischer Partnerstadt Sapporo. "Das erlebst du als Verwaltungsbeamter normalerweise nicht", sagt Schwarz. Seine Frau fragte ihn zugleich mal, ob es denn möglich sei, dass er wenigstens an einem Tag pro Woche vor 20 Uhr nach Hause komme. 2015 kam der Zusammenbruch. In einer Zeit, in der sein Vorgänger Thomas Urban erst kündigte, kurz darauf wiederkam, um doch wieder zu gehen. Schwarz war zeitweise Sportamtsleiter, Stellvertreter und Geschäftsstellenleiter in einem. "Der Aktenberg wurde immer größer, und du siehst irgendwann nicht mehr darüber", erzählt Schwarz. Er pausierte, erholte sich, bald wurde er zum Sportamtsleiter befördert. "Es waren die besten Jahre meines Berufslebens." Schwarz geht nun in einer Zeit der Großbaustellen und -projekte. Die Stadt gibt viele Millionen für die Sanierung ihrer Bezirkssportanlagen und den Bau neuer Kunstrasenplätze aus. Ein neues Actionsportzentrum ist geplant, das Dantestadion wird renoviert, im Olympiapark wird von Mitte 2019 an die SAP-Arena für Basketball und Eishockey gebaut und die Olympia-Regattaanlage soll endlich saniert werden. Das wird Schwarz von Gilching aus verfolgen, wo er mit seiner Familie und dem Hund wohnt. Im Winter möchte er Langlaufen, im Sommer Rennrad oder Mountainbike fahren. Sein Nachfolger? Stellvertreter Jürgen Sonneck leitet kommissarisch die Geschäfte, 80 Bewerbungen gibt es schon für Schwarz' Stelle. "Vielleicht wird es ja eine Frau", sagt Schwarz. Der Teamplayer hat einen Rat: "Der Typ Sonnenkönig scheitert hier."
https://www.sueddeutsche.de/politik/schutzsuchende-ungarn-setzt-referendum-ueber-eu-fluechtlingsquote-an-1.3063814
mlsum-de-438
Soll die EU Ungarn auch ohne Zustimmung des Parlaments verpflichten können, Flüchtlinge aufzunehmen? Die Haltung des Regierungschefs ist klar.
Die rechtskonservative Regierung Ungarns hat nicht nur Zäune gebaut, um das Land von Flüchtlingen abzuschirmen. Sie will zudem die von der EU beschlossene Verteilung von Schutzsuchenden auf die Mitgliedsstaaten nicht akzeptieren und hat dazu eine Volksbefragung angesetzt. Wie Präsident János Áder am Dienstag in Budapest bekanntgab, soll das Referendum am 2. Oktober stattfinden. Die Frage, die Regierungschef Viktor Orbán seinen Landsleuten vorlegen will, lautet: "Wollen Sie, dass die Europäische Union auch ohne Zustimmung des (ungarischen) Parlaments die Einwanderung nichtungarischer Staatsbürger nach Ungarn vorschreiben kann?" Die Bürger können darauf dann mit "Ja" oder "Nein" antworten. Orbán lehnt Zuwanderung strikt ab und wirbt offen für ein Nein als Zeichen für "Ungarns Unabhängigkeit". Nach der Slowakei hatte im Dezember auch Ungarn eine Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht. Dem EU-Beschluss zufolge sollen innerhalb von zwei Jahren 160 000 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien auf die EU-Staaten verteilt werden. Die Opposition hat bereits zuvor einen Boykott eines möglichen Referendums angekündigt. Budapest will Flüchtlinge offenbar ohne Verfahren abschieben Die Abschottungspolitik des Landes gegenüber Flüchtlingen zeigt sich aktuell auch an anderer Stelle. Ungarn will offenbar Flüchtlinge, die auf der Balkanroute ins Land kommen, ohne Verfahren zurück nach Serbien oder Kroatien bringen. Das berichtet die Nachrichtenagentur dpa. Schon von Dienstag an sollten Menschen, die nach einem unerlaubten Grenzübertritt innerhalb von acht Kilometern hinter der Grenze in Ungarn aufgegriffen werden, zur Grenze zurückgebracht werden. Dort solle ihnen der Weg zur nächsten "Transitzone" gezeigt werden, sagte György Bakondi, Sicherheitsberater des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Das ungarische Parlament habe dieses Vorgehen genehmigt. Die "Transitzonen" liegen jenseits der ungarischen Grenzzäune und damit nach ungarischer Auffassung nicht auf ungarischem Staatsgebiet. Dort können Flüchtlinge Asylanträge stellen. Werden ohne Erlaubnis eingereiste Flüchtlinge aufgegriffen, müssten sie nach dem seit Sommer 2015 geltenden Gesetz in Ungarn wegen Grenzverletzung vor Gericht kommen. Bisher geschah dies nach Angaben von Bakondi in 4942 Fällen. In der Regel werden sie zur Abschiebung nach Serbien oder Kroatien verurteilt. Dies wird jedoch kaum umgesetzt, weil diese Nachbarländer die Flüchtlinge fast nie zurücknehmen. Seit Anfang dieses Jahres habe Ungarn 17 351 illegal eingereiste Menschen aufgegriffen, sagte Bakondi. Im gesamten Jahr 2015 seien es etwa 391 000 gewesen. 330 Flüchtlinge befänden sich in Haft. Von insgesamt etwa 199 000 Asylanträgen habe Ungarn 264 genehmigt. Zahl der in Deutschland Angekommenen liegt bei weniger als 5000 Die Zahl der in Deutschland ankommenden Migranten hat sich im Juni mit etwa 4900 auf ähnlichem Niveau wie in den Vormonaten bewegt. Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es unter Bezug auf einen Bericht der "Rheinischen Post", die Zahl der in Deutschland ankommenden Migranten sei von Mai auf Juni stark gesunken. Dies hat sich inzwischen als falsch herausgestellt, die Zahl ist konstant.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/rene-lezard-blankgezogen-1.3410094
mlsum-de-439
Der Schein ist zwar schön, aber das reale Sein ist hart: Mit der Marke René Lezard ist ein weiteres deutsches Modeunternehmen pleitegegangen.
In keiner anderen Industrie klaffen Schein und Sein stärker auseinander als in der Mode, weil sie mehr als andere Industrien vom schönen Schein lebt. Das Sein ist härter. Seit Monaten kämpft das fränkische Label René Lezard, Anbieter von Damen und Herrenmode, ums Überleben. Vergeblich. Am Dienstagabend musste die französisch klingende Marke aus der deutschen Provinz Insolvenz anmelden. Die Liste gefallener Unternehmen ist um eine Zeile länger. Auf ihr stehen früher klangvolle Namen wir Laurèl, Strenesse oder Rena Lange. Ihnen allen ist gemein: Für ihre kühnen Pläne - eigene Läden, teure Kampagnen, große Laufstege - emittierten die Mode-Mittelständler hochverzinsliche Anleihen, die sie am Ende nicht bedienen konnten. Die Geschichten ähneln sich mal mehr, mal weniger. 7,5 Prozent versprach die René Lezard Mode GmbH 2012 den Zeichnern ihrer Anleihe im Volumen von 15 Millionen Euro, die Laufzeit endet im kommenden November. Schon von Anfang an war die Hälfte der Einnahmen dafür vorgesehen, alte Schulden abzulösen. Für das Geschäftsjahr per Ende März 2015 wies der Konzern Erlöse in Höhe von 47 Millionen Euro aus, schon vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen machte René Lezard 800 000 Euro Verlust. Es war der letzte testierte Abschluss. Nach vorläufigen Angaben für das Jahr 2015/16 sanken die Erlöse weiter auf knapp 45 Millionen Euro, statt eines Verlusts gab es einen operativen Gewinn vor Abschreibungen von 400 000 Euro. Im November kündigte der Konzern dann eine "Neuordnung der gesamten Finanzverbindlichkeiten an". Die Anleihegläubiger sollten auf 40 Prozent ihrer Forderungen und Zinsen verzichten, die Banken einen Sanierungsbeitrag leisten und ein Finanzinvestor die besicherten Bankverbindlichkeiten kaufen. Man befinde sich in "fortgeschrittenen Verhandlungen mit dem Investor", hieß es im November. Daraus ist nun wohl nichts geworden. Der Kurs der Anleihe stürzte am Mittwoch weiter auf 8,75 Prozent ab. Richtig gut lief das Papier, das bei der Platzierung in dem für Mittelstandsanleihen fulminanten Jahr 2012 sogar überzeichnet war, noch nie. Um Gründe für ihre Schieflage sind die Unternehmen nie verlegen: Mal ist es der Winter, der zu mild ist, mal der Sommer, der zu kalt ist. Dann sind es die Kunden, die wegbleiben, weil ihnen das Geld fehlt oder sie nicht in Konsumlaune sind. Einkaufsfreudige Touristen aus Russland oder China bleiben fern, mal wegen der Krise im eigenen Land, mal weil ihnen die Angst vor Terroranschlägen die Reiselust vermiest. Klassische Einzelhändler gibt es immer weniger. Dass die Hersteller selbst ein Stück dazu beigetragen haben, in dem sie mit eigenen Läden den alteingesessenen Händlern Konkurrenz machten, Mindestmengen verordneten oder ihren Abnehmern am liebsten vorschreiben würden, was der sich in seinen Laden hängt, wird dabei gerne verschwiegen. Und es gibt neue mächtige Konkurrenten - Online-Konzerne wie Amazon oder Zalando. Selbst große Händler und Hersteller wie Gerry Weber kämpfen. Der durch die Digitalisierung ausgelöste Strukturwandel im Geschäft mit Mode wirkt so gewaltig wie jener in den 60er-Jahren, als die deutsche Textilindustrie begann, wegen der hohen Personalkosten Produktion ins Ausland zu verlagern. Produziert wird in Deutschland kaum noch. Zu den wenigen Ausnahmen gehört Trigema, dessen Eigentümer Wolfgang Grupp nie müde wird, darüber zu reden. Ein anderes Beispiel liefert Marc Cain, die Firma wurde 1973 von Helmut Schlotterer gegründet. Er lässt zumindest einen Teil der Kollektion am Firmensitz in Bodelshausen fertigen. Das Unternehmen setzt rund 260 Millionen Euro um, der Jahresüberschuss nach Steuern liegt bei 18 Millionen Euro. "Bedarf ist keiner da, die Kleiderschränke sind voll", sagt Schlotterer auf der Internetseite der Firma. "Es geht also darum, Begehrlichkeiten zu wecken." Das heißt auch nichts anderes, als einen schönen Schein zu kreieren. Der Strukturwandel ist so gewaltig wie in den Sechzigerjahren Zu den Einflüssen von außen kommen hausgemachte Probleme, für Mittelständler kann schon eine Kollektion, die nicht läuft, zum Problem werden. René Lezard kam der Großaktionär abhanden. 2010 erklärte ein Gericht die Holding des italienischen Modekonzerns Mariella Burani, zu dem neben René Lezard auch Marken wie Coccinelle und Mandarina Duck gehörten, für insolvent. Den 50-prozentigen Anteil der Italiener an René Lezard übernahmen zwei Jahre später Heinz Hackl, Sprecher der Geschäftsführung, und Thomas Schäfer, der René Lezard 1978 gegründet hatte und dessen Beteiligung am Kapital damit auf 75 Prozent stieg. René Lezard will sich über ein Schutzschirmverfahren selbst sanieren. Einen Sachwalter hatte das Gericht bis zum Mittwochabend noch nicht bestellt.
https://www.sueddeutsche.de/sport/vfb-stuttgart-reschke-bezeichnet-kritiker-als-vollidioten-1.3655214
mlsum-de-440
Der neue Sportvorstand beim VfB Stuttgart hat die Transfers von Dennis Aogo und Andreas Beck verteidigt und Uli Hoeneß in der Causa Dembélé widersprochen.
Fußball, VfB Stuttgart: Sportvorstand Michael Reschke von Fußball-Bundesligist VfB Stuttgart hat die jüngste Kritik an der Verpflichtung der ehemaligen Nationalspieler Dennis Aogo und Andreas Beck brüskiert zurückgewiesen. Wer behaupte, die Schwaben hätten sich an der "Resterampe" bedient, sei "ein absoluter Vollidiot, der sich nicht auskennt", sagte Reschke der Sport Bild. Aogo und Beck seien "zwei sehr gute Spieler, die für den VfB noch extrem wichtig werden", ergänzte der neue starke Mann beim VfB: "Bei ihnen von 'Resterampe' zu sprechen ist eine absolute Unverschämtheit."Aogo war von Schalke 04 gekommen, Beck (beide 30) von Besiktas Istanbul zu seinem Heimatklub zurückgekehrt. In Ron-Robert Zieler und Holger Badstuber (beide 28) hatte der VfB bereits zuvor zwei frühere Auswahlspieler geholt. Reschke, ehemaliger Kaderplaner von Bayern München, widersprach außerdem dem Münchner Klubpräsidenten Uli Hoeneß, der zuletzt gesagt hatte, der Rekordmeister sei für eine Verpflichtung von Ousmane Dembélé zu spät dran gewesen. Hoeneß sei in die Causa nicht involviert gewesen und könne diese daher nicht beurteilen. Dembélé habe 2016 nur zu Borussia Dortmund wechseln wollen, weil er sich einen Wechsel zum FC Bayern oder FC Barcelona, wo er inzwischen gelandet ist, nicht zugetraut habe, sagte Reschke. Tennis, US Open: Die 37-jährige Venus Williams steht erstmals seit sieben Jahren wieder im Halbfinale der US Open und darf weiter von ihrem dritten Flushing-Meadows-Titel nach 2000 und 2001 träumen. Die an Position neun gesetzte Amerikanerin besiegte in einem mitreißenden Viertelfinale die zweimalige Wimbledonsiegerin Petra Kvitova (Nr. 13) mit 6:3, 3:6, 7:6 (7:2). Bei ihrem zweiten Matchball profitierte die ältere Williams-Schwester nach 2:34 Stunden vom insgesamt 45. unerzwungenen Fehler der Tschechin. "Ich habe jeden einzelnen Zuschauer gespürt. Es fühlt sich so gut an, wenn 23.000 Leute hinter einem stehen. Ich wollte sie nicht enttäuschen", sagte Williams nach der Night Sessin in der größten Tennis-Arena der Welt. Die diesjährige Melbourne- und Wimbledonfinalistin lag in allen drei Sätzen mit einem Break im Rückstand, kämpfte sich aber zurück. Im zweiten Satz musste wegen Regens das Dach des Arthur-Ashe-Stadiums geschlossen werden. Im Semifinale am Donnerstag trifft Williams, die 2008 in Wimbledon den vorerst letzten ihrer sieben Major-Titel geholt hatte, auf ihre ungesetzte Landsfrau Sloane Stephens. Die Bezwingerin von Julia Görges hatte sich in einem ebenfalls engen Viertelfinale mit 6:3, 3:6, 7:6 (4:7) gegen Anastasija Sevastova aus Lettland (Nr. 16) behauptet. Venus Williams ist mit 37 Jahren und 85 Tagen die viertälteste Spielerin in der Open Era (seit 1968), die die Vorschlussrunde eines Grand-Slam-Events erreichte. Hier hält Billie Jean King (USA) mit 39 Jahren und 223 Tagen (1983 in Wimbledon) den Rekord. Bundesliga, Werder Bremen: Claudio Pizarro ist auch zwei Monate nach seinem Aus beim Fußball-Bundesligisten Werder Bremen enttäuscht. "Es war schwierig. Es war nicht einfach, natürlich", sagte 39 Jahre alte Stürmer dem Sender Radio Bremen. "Ich habe etwas anderes erwartet, aber es war eine Entscheidung, die hat der Verein getroffen und der Trainer natürlich auch. Das muss ich akzeptieren."Er hatte nach eigener Aussage "vielleicht" einen neuen Vertrag erwartet "oder dass die Sachen nicht so gelaufen wären". Das sei so nicht richtig gewesen. "Aber es ist so passiert. Es ist schon vergessen", meinte der erfolgreiche Bundesliga-Torschütze der Bremer. "Ich werde nicht mehr bei Werder spielen. Das war's." In 206 Bundesligaspielen für die Bremer erzielte der Peruaner 104 Treffer. Insgesamt kam er für Bayern München und die Hanseaten auf 191 Tore in 430 Erstliga-Spielen und ist damit auch der Rekordtorschütze unter den ausländischen Bundesliga-Spielern.Der ehemalige Nationalspieler war 2015 von Bayern München noch einmal zu Werder zurückgekehrt. In der vergangenen Saison spielte er bei Trainer Alexander Nouri aber keine große Rolle mehr und kam nur noch auf einen Treffer. Pizarro lebt mit seiner Familie wieder in München und hat noch keinen neuen Verein.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/fussball-bayernliga-mit-blauem-herzen-1.3951170
mlsum-de-441
Heimstetten setzt sich durch einen 2:1-Sieg gegen Traunstein an der Tabellenspitze ab. Wolfratshausen macht im Abstiegskampf Boden gut.
Kurz vor Saisonende spitzt sich auch in der Fußball-Bayernliga Süd oben wie unten der Kampf um die Plätze zu. Irgendwie hängt dann das eine mit dem anderen zusammen, weshalb sich Heimstettens Torjäger Orhan Akkurt am Mittwochabend als Löwen-Fan outete: "Säääächzig", postete er bei Facebook, versehen mit einem blauen Herz. Grund für die Liebesbezeugung: Die U 21 des TSV 1860 hatte Heimstettens hartnäckigstem Verfolger ein Bein gestellt - 2:1 hieß es für die Wörns-Elf gegen den TSV Rain. Beim BCF Wolfratshausen hatten sie dagegen doppelt Grund zur Freude: einerseits über den eigenen 4:2-Erfolg im Kellerduell mit dem TSV Landsberg, andererseits über die Niederlage des Tabellenvorletzten Traunstein. Diese kassierte der SB Chiemgau ausgerechnet gegen Orhan Akkurts Heimstettner. Allerdings war Christoph Schmitt nach dem 2:1-Arbeitssieg ein wenig nachdenklich: "Wir kriegen es zurzeit nicht auf den Platz, die spielerische Leichtigkeit fehlt. Wir müssen uns alles mehr erarbeiten, als das sonst der Fall ist", sagte der Trainer des SV Heimstetten. Für Schmitt ist diese Entwicklung nachvollziehbar: "Den Jungs wird seit Monaten erzählt, wie gut sie sind, sie haben sich selbst schon in der Regionalliga gesehen." So sei in den letzten Wochen auch im Training eine gewisse Bequemlichkeit zu spüren gewesen. Gegen Traunstein geriet der Tabellenführer durch Maximilian Probst in Rückstand, nachdem er einen Eckball nicht vernünftig hatte klären können (24.). Dann traf Lukas Riglewski mit einem seiner gefürchteten Freistöße (39.), noch vor der Pause veredelte Sebastiano Nappo eine Riglewski-Flanke per Kopf zum 2:1 - das Spiel war gedreht. Nach dem Wechsel blieb die Abwehr der Gäste stabil, die größte Ausgleichschance vergab Traunsteins Alexander Köberich, der einen Elfmeter an die Latte setzte (57.). Fest steht jetzt, dass Heimstetten mit zwei Siegen aus den letzten vier Spielen definitiv aufsteigt. Eine Tatsache, die nicht zuletzt dem TSV 1860 München II zuzuschreiben ist. Den knappen Erfolg gegen den ambitionierten Tabellenzweiten TSV Rain fixierte Lukas Aigner erst in der vorletzten Minute nach einem Eckball von Ugur Türk, den Lucas Cyriacus weitergeleitet hatte. Nach einer taktisch geprägten ersten Halbzeit waren die Gäste vom Lech, die zuletzt fünf Siege in Serie eingefahren hatten, durch Julian Brandt in Führung gegangen (51.). Der Ausgleich gelang Felix Bachschmid nach Zuspiel von Türk aus sechs Metern (79.). "Die Jungs haben sich den Sieg verdient", fand Löwen-Trainer Christian Wörns, der lobte, dass sein Team versucht habe, "Spielkultur reinzubringen". Die körperlich robusten Gäste hätten dagegen "im Aufbau nur lange Bälle gespielt", so der Coach, der vor dem Spiel an das Engagement seiner Spieler appelliert hatte: "Jetzt müssen wir Flagge zeigen, wenn wir die Liga halten wollen", hatte Wörns nach dem Abrutschen auf einen Relegationsplatz gesagt. Prompt kletterte Sechzig wieder auf Rang 13. Ebenfalls einen Rang machte der BCF Wolfratshausen durch den 4:2 (2:1)-Sieg gegen den TSV Landsberg gut. "Drei Punkte, den direkten Vergleich gewonnen, was will man mehr", bilanzierte Fußball-Abteilungsleiter Manfred Fleischer, der weiterhin optimistisch ist, dass sein Klub auch in der neuen Saison in der Bayernliga spielen wird: "Wir haben noch fünf Endspiele, ich gehe davon aus, dass der 14. Platz reichen wird, um die Relegation zu vermeiden." Das hängt davon ab, ob der 14. der Nord- oder Süd-Staffel am Saisonende mehr Punkte hat, derzeit hat der Süden die Nase vorn. Marian Knecht traf zum 1:0 für den BCF, der Ball rutschte durch ein Loch im Netz hindurch. Die Landsberger sprachen von einem "Phantomtor", doch die Kugel hatte laut Schiedsrichtergespann die Pfosten durchquert (18.). Einem Handspiel von Landsbergs Sebastian Nichelmann auf der Linie folgten die rote Karte und der Elfmeter von Angelo Hauk zum 2:0 (27.). Dann drehte der TSV auf, Dominik Schön (39.) und Alexander Buschel (65.) stellten auf 2:2. Hauk mit dem zweiten Strafstoß (69.) und Vincenzo Potenza (78.) schossen schließlich den Sieg der Farcheter heraus, am Ende gab es zwei weitere Platzverweise gegen die Gäste.
https://www.sueddeutsche.de/sport/viktoria-asarenka-vollbremsung-fuer-die-beruehmteste-mama-im-tennis-1.3632506
mlsum-de-442
Viktoria Asarenka kehrte nach der Geburt ihres Sohnes schnell auf den Tennisplatz zurück. Doch ein Sorgerechtsstreit gefährdet nun ihre Karriere.
Tennisprofi Viktoria Asarenka, 30, hat einen emotionalen Brief veröffentlicht. "So wie es derzeit aussieht, werde ich nur an den US Open teilnehmen können, wenn ich Leo zurück in Kalifornien lasse - dazu bin ich jedoch nicht bereit", schreibt sie. Leo ist ihr acht Monate alter Sohn: "Es ist für Eltern nicht leicht, Karriere und Kinder zu vereinen, doch es ist eine Herausforderung, die ich annehme und der ich mich stelle. Ich unterstütze jeden, der weiß, dass es in Ordnung ist, eine berufstätige Mutter oder ein berufstätiger Vater zu sein. Niemand sollte sich zwischen Karriere und Kind entscheiden müssen. Wir sind stark genug, beides zu schaffen." Asarenka ist die zurzeit berühmteste Tennismama; die schwangere Serena Williams dürfte sie demnächst mit diesem Titel ablösen. Bevor Leo geboren wurde, gewann Asarenka zweimal die Australian Open, die zu den vier Grand Slams zählen. 2012 war die Weißrussin die Nummer eins in der Weltrangliste. Asarenka ist eine charismatische Person, eloquent, unterhaltsam, tiefgründig. Daher hatte die Branche sie vermisst, als sie sich im vergangenen Jahr schwanger zurückgezogen hatte. Umso größer war die Freude, als sie diesen Sommer, nur ein halbes Jahr nach der Niederkunft, beim Turnier in Mallorca zurückkehrte. Sie spielte noch nicht ganz überzeugend, aber sie war zurück. Das Kind darf Kalifornien nicht verlassen Und nun hat diese umjubelte Frau eine überraschende, komplizierte Hürde zu meistern. Ihre Karriere legt gerade eine Vollbremsung hin. Es geht um das Sorgerecht. Da ist oft vieles kompliziert. Auch für eine Tennisgröße, die reich ist. Viktoria Asarenka und Billy McKeague, der Vater des Kindes, haben sich nach Wimbledon, wo Asarenka im Achtelfinale ausgeschieden war, getrennt. Seitdem streiten sie darum, wer sich um den Sohn kümmern darf. Asarenka hatte zuletzt ihre Absagen an die Turniere in Stanford und Cincinnati mit einer Viruserkrankung und vage mit privaten Problemen begründet - und damit für Spekulationen gesorgt. Nun ist klar: Es geht um Leo. McKeague, 27, hatte während der Schwangerschaft seine Anstellung als Golflehrer auf Hawaii aufgegeben und war nach der Geburt des Kindes in Asarenkas Haus in Manhattan Beach gezogen. Er kam im April mit ins Trainingslager nach Minsk. Asarenka sagte dort der New York Times: "Er liebt Leo sehr und ist sehr warmherzig. Er kapiert, was ich gerade machen will. Er ist bereit, in den nächsten fünf, sechs Jahren seine Zeit für mich zu opfern, bis ich das Kapitel als Tennisspielerin beendet haben werde." Nun hält sie McKeague für unfähig, sich ums Kind allein zu kümmern und will es keinesfalls während der US Open bei ihm lassen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/england-der-trend-zum-zweitabo-1.2927105
mlsum-de-443
Wer in England alle Spiele sehen will, muss für Verträge bei mehreren Anbietern bezahlen. Trotzdem gibt es zwölf Millionen Kunden.
Die Herausforderer arbeiten in einem grauen Klotz, aber dafür in sehr schöner Umgebung. Der britische Telekom-Konzern BT hat Räume im ehemaligen Pressezentrum der Olympischen Spiele 2012 in London gemietet. In diesem Bürogebäude im Olympiapark, neben Stadien und Schwimmhalle, produziert das börsennotierte Unternehmen seit drei Jahren sein eigenes Sportprogramm. Das heißt BT Sport, und mit ihm macht die Firma dem Bezahl-Fernsehsender Sky im Königreich Konkurrenz. Dieser Wettkampf wird vor allem bei Fußball-Übertragungen ausgefochten - zur Freude der englischen Klubs, die Rekordeinnahmen aus TV-Rechten kassieren. Für die drei Spielzeiten von 2016 bis 2019 zahlen Sky und BT Sport zusammen umgerechnet 6,5 Milliarden Euro an die 20 Vereine in der Premier League, der ersten Liga. Das ist weit mehr, als andere Ligen in Europa erlösen. Kunden müssen nun zwei Sender abonnieren - das geht ins Geld Sky wirbt für sich als "the home of live sport", die Heimat von Live-Sport. Für den Pay-TV-Sender, der zum Reich des Medienmilliardärs Rupert Murdoch gehört, sind die Übertragungen ein wichtiges Lockmittel für neue Kunden. Inzwischen hat der Londoner Konzern zwölf Millionen Abonnenten in Großbritannien und Irland, fast die Hälfte von ihnen hat Skys Sportsender gebucht. Doch bietet Sky auch schnelle Internet- sowie Telefonverbindungen an. Damit macht die Firma dem früheren Staatsmonopolisten BT direkt Konkurrenz. Sky und Kabelfernseh-Firmen nahmen BT - einem Unternehmen, bei dem die Deutsche Telekom Großaktionär ist - reihenweise Internetkunden ab. BT-Chef Gavin Patterson ging darum zum Gegenangriff über und gründete eigene Sportsender. Die sind kostenlos für die Internetnutzer des Konzerns. Damit gelang es Patterson, den steten Kundenschwund zu stoppen. Seine Sportsender buchten bislang 5,2 Millionen Haushalte. Solche Sender brauchen attraktive Angebote - wie Fußball. Deswegen konkurrierten Sky und BT im Sommer 2012 erstmals bei der Auktion von Live-Übertragungsrechten der Premier League. Es ging um die drei Spielzeiten von Sommer 2013 bis Sommer 2016. Sky darf demnach 116 Spiele live zeigen, BT 38. Dafür zahlten beide Konzerne umgerechnet fast vier Milliarden Euro, eine Steigerung um 70 Prozent im Vergleich zum Vorgängervertrag. Im Februar 2015 boten die Firmen für die kommenden drei Spielzeiten - und der Preis legte noch einmal um 70 Prozent zu. Sky wird von Sommer an 126 Spiele übertragen, BT 42. Daneben zeigt BT live die europäischen Wettbewerbe Champions League und Europa League. Bei der Auktion dafür stach der Telekom-Konzern Ende 2013 den Rivalen Sky aus. Wollen Fans sämtliche Spiele live schauen, müssen sie sowohl Sky als auch BT Sport abonnieren. Sie brauchen sich dafür allerdings nicht zwei verschiedene Boxen auf ihren Fernseher zu stellen. Denn Sky verbreitet BT Sport, und BT bringt Sky-Programme in die Wohnzimmer der Kunden. Sky-Nutzer können also problemlos als Ergänzung ein BT-Sport-Abonnement abschließen - und umgekehrt. Das Fußball-vergnügen auf der Couch wird dadurch jedoch teurer. Ist aber immer noch billiger als die astronomischen Ticketpreise in den Stadien, die sich kaum ein Fan mehr leisten kann.
https://www.sueddeutsche.de/politik/anschlaege-auf-fluechtlingsheime-feuer-aus-der-mitte-der-gesellschaft-1.2652425
mlsum-de-444
Allein seit Juli wurden bundesweit 37 Brandanschläge auf Flüchtlingsheime verübt. Nur selten findet die Polizei die Täter. Die rechtsextreme Szene schlachtet die Attacken propagandistisch aus.
Als es mitten in der Nacht brannte, habe sie sehr laut geschrien, sagt die Tschetschenin Malina T. Unter ihrem Fensterbrett war ein Molotowcocktail zerschellt, dadurch war sie wach geworden. Mit den beiden Söhnen sei sie aus dem Haus gerannt, erzählt sie, während ihr Mann Ismail schnell die anderen Bewohner alarmierte. Niemand wurde verletzt beim Brandanschlag auf das Asylbewerberheim in Groß Lüsewitz bei Rostock am 12. Oktober 2014. Lange waren die beiden mit Benzin gefüllten Bierflaschen, Marke Hasseröder, die einzige Spur. Erst nach mehr als zehn Monaten ermittelte die Polizei Rostock zwei Tatverdächtige. Die Männer, 25 und 26 Jahre alt, sitzen seit Ende August wegen des Verdachts auf versuchten Mord in Untersuchungshaft. Aufklärungsquote bleibt niedrig Ein seltener Ermittlungserfolg. Denn während die Zahl der Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in den letzten Monaten dramatisch angestiegen ist, bleibt die Aufklärungsquote der Taten niedrig. Mindestens 61 Brandstiftungen mit einem möglichen fremdenfeindlichen Hintergrund hat es in diesem Jahr nach Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung gegeben, allein 37 seit Mitte Juli. Doch nur in zehn Fällen wurden bislang Tatverdächtige ermittelt. Das Bundeskriminalamt (BKA) wertet Straftaten auf Asylbewerberunterkünfte zwar aus, zählt dabei Brandanschläge aber nicht separat. Eine bundesweite Umfrage bei den zuständigen Ermittlungsbehörden gibt aber Aufschluss darüber, bei welchen Fällen Polizei und Staatsanwaltschaft von einer Brandstiftung ausgehen und fremdenfeindliche Motive in Betracht ziehen. In 40 Fällen handelt es sich um Anschläge auf bewohnte Häuser, 21 richteten sich gegen geplante Unterkünfte. Die meisten Brandstiftungen hat es in Sachsen gegeben. 15 Mal versuchten dort Täter, Flüchtlingsunterkünfte in Brand zu stecken, in drei Fällen ermittelten die sächsischen Behörden Verdächtige. Bundesweite Anschläge Erst am Montag schleuderten Unbekannte in Nordrhein-Westfalen einen Brandsatz gegen ein Haus in Porta Westfalica, in dem 37 Asylbewerber leben. In der Woche zuvor brannten Häuser in Thüringen und Baden-Württemberg, in Berlin warfen Unbekannte bengalisches Feuer auf das Gelände einer Unterkunft, in Dortmund wurden Molotowcocktails in eine ehemalige Schule geschleudert, die als Heim genutzt werden sollte. Sind die Taten Ausdruck eines rechten Terrors? Eine organisierte Struktur hinter den Angriffen ist für die Ermittler bislang nicht zu erkennen. Zwar hat der Generalbundesanwalt nach den Ausschreitungen von Heidenau damit begonnen, seine Zuständigkeit zu prüfen, die Anschläge scheinen den Ermittlungsbehörden aber Schwierigkeiten zu bereiten. In einem vertraulichen Papier analysiert das BKA: "Konkrete Hinweise auf organisationsgesteuerte Gewaltstraftaten" lägen nicht vor. Allerdings schlachte die rechte Szene die Anschläge propagandistisch aus. Das BKA spricht von einer "hetzerischen Aufbereitung" und sagt, dass Taten "emotionalisierter Einzeltäter, die keinerlei ideologische Anbindung an rechte Strukturen haben, zumindest einzukalkulieren" seien.
https://www.sueddeutsche.de/sport/robert-lewandowskis-fuenferpack-der-ein-mann-tornado-1.2660110
mlsum-de-445
Fünf Tore in nicht mal neun Minuten: Robert Lewandowski kommt zur Pause - und trifft gegen Wolfsburg wie er will. Dabei hatte der Rekordmeister anfangs große Mühe.
Robert Lewandowski schießt gegen Wolfsburg fünf Tore in weniger als neun Minuten. Da kann man schon mal durcheinanderkommen. Hier gibt's alle Treffer in der Rückschau. Es war 21.22 Uhr, als dann das irgendwie fast schon Unvorstellbare doch passierte. Robert Lewandowski kam im Strafraum an den Ball, seine Schussbahn war frei, er schaufelte den Ball im hohen Bogen durch den Strafraum, und so musste notiert werden: Lewandowski hatte eine Torchance vergeben. Lewandowski ist Fußball-Stürmer, und Fußball-Stürmer vergeben Torchancen, das gehört zu ihrem Fußball-Stürmer- Dasein. Nicht aber bei dem Robert Lewandowski zwischen 21.01 Uhr und 21.22 Uhr. Der Angreifer des FC Bayern war in der Bundesliga-Partie gegen den VfL Wolfsburg nach der Pause eingewechselt worden, nach Sprunggelenksproblemen saß er zunächst auf der Ersatzbank; von dort sah er, wie seine Mannschaft mit einem 0:1-Rückstand die erste Halbzeit beendete. Dann also wurde Lewandowski eingewechselt. Nur sechs Minuten später erzielte er den Ausgleich, aber das war erst der Anfang. Weitere drei Minuten und 22 Sekunden später hatte er den schnellsten Hattrick der Bundesliga-Geschichte erzielt. Bis dahin hatte Michael Tönnies als Schnellster drei Tore nacheinander in einer Halbzeit erzielt, im August 1991 brauchte er beim 6:2 des MSV Duisburg gegen den Karlsruher SC mit einem gewissen Oliver Kahn im Tor fünf Minuten für drei Tore. "24 Jahre hab' ich diesen Rekord gehabt. Dass er jetzt weg ist, ist natürlich ein bisschen schade. Aber was Robert Lewandowski da hingezaubert hat, war einfach sensationell", schrieb Tönnies auf der Facebookseite des MSV: "Das haste dir verdient, Robert! Herzlichen Glückwunsch!" Weitere zwei Minuten und 20 Sekunden später hatte Lewandowski den schnellsten Viererpack der Bundesliga-Geschichte erzielt. Weitere drei Minuten und 17 Sekunden später hatte er den schnellsten Fünferpack der Bundesliga-Geschichte erzielt - als erster Einwechselspieler überhaupt traf er in einem Spiel fünfmal. Acht Minuten und 59 Sekunden "Ich bin sehr zufrieden", sagte Lewandowski später, "das war Wahnsinn. Ein unglaublicher Abend für mich." Auch Trainer Pep Guardiola war sich der Einmaligkeit des Augenblicks bewusst. "Das habe ich noch nie erlebt. Und ich denke, das werde ich auch nicht noch einmal erleben", sagte der 44-Jährige, der in seiner Laufbahn ja schon so einiges erlebt hat: "Fußball ist manchmal verrückt." Karl-Heinz Rummenigge lobte Lewandowski: "Mit ihm kam richtig Schwung rein." So viel Schwung, dass der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern zum größt- möglichen Kompliment griff, das sich ein Torjäger beim Rekordmeister verdienen kann: "Wie Gerd Müller früher war er immer zur rechten Zeit am rechten Ort", befand Rummenigge zu Lewandowskis Gala. "Unglaublich", meinte Philipp Lahm - und frotzelte: "Aber er hätte ja sogar noch zwei Tore mehr machen müssen." Fünf Tore von Robert Lewandowski in acht Minuten und 59 Sekunden (51., 52., 55., 57., 60.), ein eleganter Schuss aus der Drehung, dreimal kühler Torjägerinstinkt, dazu ein Seitfallzieher - mehr brauchte es an diesem Dienstagabend nicht, um das Spiel des FC Bayern zusammenzufassen. 5:1 (0:1) besiegte der Meister den Pokalsieger, mit seinen Toren verbarg Lewandowski die kleineren Ungereimtheiten im Spiel des Gastgebers des FC Bayern. Vor allem aber beendete er mit seinen Treffern eine kleine Negativserie: Erstmals besiegte der FC Bayern in diesem Jahr den VfL Wolfsburg. Detailansicht öffnen Kommt ein Lewandowski geflogen: Sein schönstes Tor erzielte der Pole zum 5:1-Endstand. Gegenspieler Naldo (links) hält sich fast ehrfürchtig zurück. (Foto: Boris Streubel) Im Kalenderjahr 2015 war Wolfsburg zuvor für den FC Bayern nur mit unangenehmen Erinnerungen verbunden. Zum Start der Rückrunde wurde die Konteranfälligkeit der Mannschaft von Trainer Pep Guardiola durch Wolfsburg eiskalt ausgenutzt - der VfL gewann 4:1. Im ersten Pflichtspiel dieser Saison, dem Supercup, unterlag der FCB im Elfmeterschießen.
https://www.sueddeutsche.de/geld/skandalbank-ikb-bilanztrickser-machten-alles-schoen-1.585407
mlsum-de-446
Massive Vorwürfe: Die Mittelstandsbank IKB soll schon lange vor Ausbruch der Finanzkrise das schlechte Kerngeschäft durch bilanzielle Tricks geschönt haben.
Die IKB vergibt traditionell Kredite für mittelständische Unternehmen und für Immobilien. Das Geschäft in diesem Bereich sei schon im Jahr 2005 - also zwei Jahre vor dem Zusammenbruch der Düsseldorfer Bank - deutlich schlechter gelaufen, als es den Finanzmärkten kommuniziert wurde, sagte ein IKB-Insider der Süddeutschen Zeitung. "Das ist aber in der Bilanz durch verdeckte Quersubventionen sehr gut kaschiert worden", erklärte der Experte. Das Institut wollte zu den Vorwürfen keinen Kommentar abgeben. Detailansicht öffnen Die IKB ist durch die US-Finanzmarktkrise in die Schieflage geraten. (Foto: Foto: dpa) Die IKB habe in ihrer Bilanz nicht ausgewiesen, wie wenig profitabel die Geschäftsfelder gewesen seien, sagt der Insider. So habe die Bank beispielsweise bilanziell einen Großteil der Risikokosten von 237 Millionen Euro nicht wie üblich den jeweiligen Sparten zugeordnet, also den Bereichen Firmenkunden, Immobilienkunden, strukturierte Finanzierung und Verbriefung. Stattdessen wurden die Risikokosten für das Kreditgeschäft fast ganz der Konzernzentrale zugeschlagen. Dies geht aus einer Tabelle auf Seite 186 des Konzerngeschäftsberichts 2005/2006 hervor. Kerngeschäft nur wenig rentabel Eine solche Maßnahme ist ungewöhnlich, denn die Konzernzentrale hat keine operativen Funktionen. Die Risiken für das Geschäft liegen normalerweise in den Geschäftsbereichen. Hätten die Bereiche ihre Risikokosten selbst voll getragen, wären sie ins Minus gerutscht. Angesichts des schlechten Kerngeschäfts habe sich die IKB entschieden, in den Handel mit riskanten amerikanischen Immobilienkrediten einzusteigen. "Das ist der Grund, dass die US-Spekulationen diese gewaltige Dimension bekommen haben", berichtet der IKB-Insider. In einem Analystenbericht der Investmentbank Dresdner Kleinwort kam die Analystin Susanne Knips im August 2005 zu einem ähnlichen Ergebnis. "Das Kerngeschäft war wenig profitabel, doch das war damals eine absolute Minderheitsmeinung", sagt Knips, die heute bei der Dresdner Bank im Privatkundengeschäft arbeitet. Die IKB konnte am 30.Juli 2007 nur durch milliardenschwere Kreditzusagen anderer Banken vor der Pleite gerettet werden. Die Rettungsaktion wurde unter der Obhut des Bundesfinanzministeriums, der Bundesbank und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) organisiert. Der damalige IKB-Vorstand trat bald darauf zurück, die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt seitdem gegen alle damaligen Mitglieder mit dem Verdacht auf Untreue und Verstoß gegen das Aktiengesetz. Die Ermittlungen sind schwierig, heißt es bei den Fahndern, weil Vorsatz nachgewiesen werden muss. Der damalige IKB-Vorstand und auch der Aufsichtsrat haben immer wieder betont, dass die Finanzkrise so nicht vorhersehbar war. Am 19. April 2007 - knapp vier Monate vor seinem Abgang - trat der damalige IKB-Finanzvorstand Volker Doberanzke noch als Redner auf der Risk07 in Frankfurt auf, einer öffentlichen Fachveranstaltung zum Thema Risikomanagement. Doberanzke erläuterte in einer Präsentation, die der SZ vorliegt, wie die Mittelstandsbank unter anderem dank ihres Limitsystems alles im Griff habe. Bei Limitsystemen handelt es sich um Computerprogramme, die sicherstellen sollen, dass die Bank auch schlimmste Marktverwerfungen überlebt und in ihrer Existenz nicht gefährdet wird. "Doch eine Limitierung der eingegangenen Risiken hat in der Praxis nicht stattgefunden, weil die IKB sonst nicht in diese Schieflage gekommen wäre", sagt Frank Romeike, Vorstand der Risk Management Association, einem Berufsverband der professionellen Risikomanager. Limitsysteme reagieren, wenn Risiken sich bei einer Bank häufen, wenn also zu viel Geld in einem einzigen Land, einer bestimmten Branche oder eben wie bei der IKB in bestimmten Wertpapieren investiert worden ist. Die Computerprogramme funktionieren wie eine Ampel. "Wenn zu viel Geld in schlechten US-Häuserkrediten steckt, blinkt es gelb und dann rot", erklärt Romeike, "die IKB hat das Limitsystem entweder ignoriert oder es nur für die Finanzaufsicht pro forma installiert", so der Experte. Der damalige IKB-Finanzvorstand Doberanzke kam einer Bitte um Stellungnahme nicht nach.
https://www.sueddeutsche.de/politik/attentat-in-israel-zwei-tote-bei-angriff-an-busbahnhof-1.2698278
mlsum-de-447
Die Serie palästinensischer Attacken auf Israelis reißt nicht ab. Jetzt wollen die USA bei der Suche nach einem Weg aus dem Konflikt helfen.
Bei einem Angriff am Busbahnhof der südisraelischen Stadt Berscheba wurden am Sonntag zwei Menschen getötet - der Attentäter und ein Soldat. Mindestens sieben Menschen seinen verletzt worden, darunter Polizisten und Zivilisten, meldete der TV-Sender Channel 10 am Abend. Ein zunächst als zweiter Attentäter verdächtiger Mann aus Eritrea schwebe in Lebensgefahr, nachdem er von einem Wachmann angeschossen wurde, teilte die israelische Polizei mit. Der bewaffnete Attentäter habe sich trotz verschärfter Überwachung Zugang zu dem Busbahnhof verschafft und dort das Gewehr eines Soldaten an sich gerissen, so die Schilderung der Polizei. Nach einem Feuergefecht mit Sicherheitskräften sei er bei der Flucht erschossen worden. Messerattacken auch schon am Samstag Zuvor waren am Samstag bei einer neuen Serie von Messerangriffen auf Israelis in Jerusalem und in Hebron im Westjordanland vier Palästinenser getötet und ein weiterer schwer verletzt worden. Zwei Soldaten erlitten leichte Verletzungen. Nach Angaben des israelischen Rundfunks waren die Angreifer im Alter von 16 bis 18 Jahren. Unter den Tätern war auch eine Frau, die eine israelische Polizistin mit einem Messer angriff und sie leicht verletzte. Die Beamtin erschoss die 17-jährige Angreiferin mit ihrer Waffe. Seit Monatsbeginn fielen der Gewalt sieben Israelis und rund 40 Palästinenser zum Opfer. Etwa die Hälfte der getöteten Palästinenser waren Attentäter, die im Zuge ihrer Anschläge erschossen wurden. Die anderen starben bei Zusammenstößen mit dem israelischen Militär. Der Streit um die Juden wie Muslimen heilige Stätte am Tempelberg gilt mit als Auslöser für die jüngste Serie der Gewalt. Ungeachtet der andauernden Spannungen lehnt Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine internationale Aufsicht des Plateaus in Jerusalem ab. Frankreich fordert internationale Beobachter am Tempelberg Der Tempelberg liegt in Jerusalems Altstadt, die Israel 1967 erobert und später annektiert hatte. Die Verwaltung der Stätte untersteht Jordanien und der islamischen Wakf-Stiftung. Grundsätzlich dürfen nur Muslime auf dem Tempelberg beten, der aber auch Juden heilig ist. Die Palästinenser befürchten, dass Israel immer mehr Juden eine Sondergenehmigung für Besuche auf dem Areal erteilt und damit die Kontrolle der Muslime über die drittheiligste Stätte im Islam aushebelt. Israel bestreitet dies. Ein Entwurf Frankreichs für eine Resolution des UN-Sicherheitsrats sieht nach Medienberichten vor, internationale Beobachter auf den Tempelberg (Al-Haram al-Scharif) zu entsenden. Diese sollten nach möglichen Verstößen gegen den Status quo Ausschau halten. Israels Regierungschef Netanjahu lehnt den Plan kategorisch ab. Israel sei auf dem Tempelberg "nicht das Problem, sondern die Lösung", argumentierte er. US-Außenminister John Kerry will mit Netanjahu voraussichtlich bei einem Treffen in Berlin nach einem Weg aus dem Konflikt suchen. US-Präsident Barack Obama zeigte sich äußerst besorgt über die jüngste Gewalt in der Region. Zuletzt hatte es erhebliche Spannungen zwischen Washington und Jerusalem über das Vorgehen der Israelis gegen Palästinenser gegeben. Das US-Außenministerium sprach von "exzessiver Gewaltanwendung" und warf beiden Seiten Terrorakte vor. Das Verhältnis von Obama und Netanjahu gilt seit langer Zeit als belastet.
https://www.sueddeutsche.de/digital/klage-gegen-raubkopien-bayerische-firma-will-600-millionen-dollar-von-der-us-marine-1.3090442
mlsum-de-448
Ist die Navy ein Software-Pirat? Angeblich machte sie ohne Erlaubnis Hunderttausende Kopien eines Spezialprogramms. Die Firma dahinter klagt nun auf Schadenersatz.
Der Flugzeugträger USS Harry S. Truman auf dem Atlantik - gerade nicht auf Piratenjagd Einmal im Jahr gibt der Handelsbeauftragte der USA eine Liste heraus. Sie brandmarkt Länder, die aus Sicht der Vereinigten Staaten zu wenig gegen Urheberrechtsverletzungen machen. China, Indien und Russland wird in dem Report vorgeworfen, geistiges Eigentum nicht ausreichend zu schützen. Damit werden "amerikanische Erfinder abgezockt", sagt der Handelsbeauftragte Michael Froman bei der Vorstellung der Sünder-Liste im April. Für den nächsten Bericht kann Froman ein neues Land auf die Liste der Copyright-Piraten schreiben: sein eigenes. Zumindest wenn es richtig ist, was die Software-Firma Bitmanagement aus dem oberbayerischen Landkreis Starnberg der amerikanischen Regierung vorwirft: Urheberrechtsverletzung in mehr als einer halben Million Fälle. Bitmanagement Software GmbH gegen Vereinigte Staaten von Amerika steht auf einer Klageschrift, die das IT-Unternehmen nun in den USA eingereicht hat. Darin wirft Bitmanagement der US-Navy vor, eine von der Firma entwickelte 3-D-Software hunderttausendfach kopiert und verwendet zu haben - ohne Erlaubnis. Pro Lizenz fordert Bitmanagement 1067,76 Dollar. Macht insgesamt gut 596 Millionen Dollar, die die US-Marine nachzahlen soll. Das Unternehmen lieferte extra ohne Kopierschutz Es geht um das Programm BS Contact Geo, das geografische Daten visualisieren kann. Laut Firmenwebsite kann die Anwendung genutzt werden, um Kartenmaterial dreidimensional darzustellen oder räumliche, interaktive Animationen zu erzeugen. Auch auf wenig leistungsfähigen Computern könnten mehrere Nutzer auf einer virtuellen Plattform zusammenarbeiten, heißt es in der Klageschrift. Das US-Militär interessierte sich offenbar für diese Technik. Laut Klage habe die Firma der US-Marine in den Jahren 2011 und 2012 Lizenzen für 38 Kopien der Software ausgestellt, da die Navy das Programm testen wollte. Damit das Programm ins System der Marine integriert werden konnte, sei der Kopierschutz deaktiviert worden. Nach der Darstellung in der Klageschrift erfolgte dieser Schritt nur, weil die Navy signalisiert hatte, anschließend Lizenzen für den großflächigen Einsatz kaufen zu wollen. Die Militäreinheit habe sogar schriftlich eingeräumt, dass dafür weitere Lizenzen nötig seien. Durch "weitergeleitete Mails" habe Bitmanagement im Herbst 2013 mitbekommen, dass die US-Navy begonnen hatte, Kopien des Programms auf weiteren Rechnern zu installieren, obwohl die Verhandlungen über den Kauf weiterer Lizenzen noch liefen. Bitmanagement habe daraufhin erfolglos Nachzahlungen für die bereits eingesetzten Softwarekopien gefordert. Die US-Navy lehnte am Freitag eine Stellungnahme ab, weil es sich um ein laufendes Verfahren handele. Der Handelsbeauftragte Froman fordert in seinem Bericht Regierungen weltweit übrigens dazu auf, als Vorbild zu dienen und nur lizenzierte Software zu verwenden. Stimmen die Vorwürfe von Bitmanagement, könnte Froman seinem Kabinettskollegen Ashton Carter, dem US-Verteidigungsminister, wohl ein paar Tipps geben.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/versorgungsfonds-arbeitsagentur-setzt-mehr-auf-aktien-1.3352522
mlsum-de-449
Weil die Zinsen so niedrig sind, will der Versorgungsfonds für Beamte auf riskantere Anlageformen setzen.
Als die Bundesagentur für Arbeit (BA) noch Bundesanstalt für Arbeit hieß, arbeiteten dort viele Beamte. Heute wird dort praktisch niemand mehr als Beamter neu eingestellt. Die Beamten aber gibt es immer noch: Derzeit stehen nach Angaben der BA 16 100 Staatsdiener im Dienst der Behörde, bei insgesamt 110 000 Mitarbeitern. Und Pensionäre sind auch noch zu versorgen: Immerhin knapp 11 800 BA-Beamten zahlt die Bundesagentur ein Ruhegehalt. Dafür gibt es einen eigenen Versorgungsfonds. Doch auch der leidet unter den extrem niedrigen Zinsen. Deshalb wird der Fonds jetzt stärker in Aktienanlagen investieren. Dies geht aus einem internen Bericht der Bundesagentur hervor. Demnach stecken in dem 2008 gegründeten Versorgungsfonds derzeit etwa 5,6 Milliarden Euro. 90 Prozent des Kapitals waren bislang in Anleihen und festverzinsliche Wertpapiere angelegt. Der Aktienanteil war auf zehn Prozent beschränkt. Nun ist vorgesehen, den Aktienanteil "schrittweise auf 20 Prozent anzuheben", heißt es in dem Bericht. Rendite könnte um "ein paar Zehntel Prozentpunkte" höher ausfallen Dies ist aufgrund einer Gesetzesänderung nun möglich. "Wir gehen davon, aus, dass wir dadurch die Rendite des Fonds um ein paar Zehntel Prozentpunkte erhöhen können", sagt Peter Clever, Vorsitzender des Verwaltungsrats, der sich mit dem Bericht am Donnerstag beschäftigte. Angelegt wird das Milliarden-Kapital des Fonds von der Deutschen Bundesbank. Clever, der die Arbeitgeberverbände in dem Gremium vertritt, hält die höhere Aktienquote für eine gute Idee. "Mit dem Geld wird nicht gezockt. Es werden keine einzelnen Aktien von Unternehmen gekauft", sagt er. Vielmehr investiere die Bundesbank nun regelmäßig in Indexfonds, die zum Beispiel den europäischen Aktienindex Euro-Stoxx 50 abbilden. Sei durch den Wertzuwachs die Obergrenze von 20 Prozent des Kapitals überschritten, werde die Bundesbank wieder Anteile verkaufen. Die Verzinsung des Versorgungsfonds war zuletzt deutlich gesunken. Kalkuliert wurde 2014 mit einem Zinssatz von 4,5 Prozent. Tatsächlich ist die Rendite nicht zuletzt wegen der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank viel geringer ausgefallen. 2015 lag sie dem Bericht zufolge nur noch bei 1,27 Prozent. 2016 waren es 2,40 Prozent. Zum Vergleich: 2012 betrug die Rendite noch 9,33 Prozent, und 2014 warf der Fonds immerhin noch 5,90 Prozent ab. In dem Bericht heißt es dazu: "Aufgrund der ungünstigen Renditeentwicklung lag der Marktwert des Versorgungsfonds Ende 2016 um 465 Millionen Euro unter dem Planwert". 2017 werde sich diese Deckungslücke sogar bis Jahresende "auf rund 700 Millionen Euro erhöhen". Dieses Geld will die BA aus ihrem Haushalt nun freiwillig zusätzlich in den Fonds stecken, um die Unterfinanzierung auszugleichen. Ohnehin hat die Nürnberger Bundesagentur seit 2009 jährlich durchschnittlich um die 200 Millionen Euro in den Fonds eingezahlt, um die Auszahlungen an die Pensionäre zu gewährleisten. Erst 2090 wird der Fonds aufgelöst. Dann seien keine Beamten mehr zu versorgen. "Die Bundesagentur handelt hier wirklich vorbildlich. Wir sorgen vor und lasten unsere Pensionszahlungen nicht einseitig der nächsten Generation auf", sagt Clever.
https://www.sueddeutsche.de/politik/lettland-exoten-im-baltikum-1.2892334
mlsum-de-450
So viele Menschen will die lettische Regierung in den kommenden zwei Jahren aufnehmen. Ein Großteil der zwei Millionen Einwohner ist dagegen - wegen der Kosten.
Es war ihre zweite Flucht, und wie Anusch Bulgadarian vom Irak diesmal an die Ostsee gekommen ist, kann sie selber nicht genau sagen. Das letzte Land, an das sie sich erinnern kann, ist die Türkei. Von dort ging es nur noch nachts weiter, zusammen mit ihrem Mann und sechs Kindern. Auf Schiffen, auf Lastwagen, ohne ein Fenster, aus dem sie schauen konnten. Am liebsten wollten sie nach Deutschland, dahin waren sie schon einmal geflüchtet, im Jahr 2001. Zehn Jahre lebten sie in Westfalen, sie waren geduldet, dann dachten sie, nun, da Saddam gestürzt ist, wäre es an der Zeit zurückzukehren. Aber im Irak wurde es noch schlimmer für die Christin und ihren muslimischen Mann. Vor ein paar Monaten flüchteten sie erneut. Eines Nachts setzte sie der Fahrer in einem Waldstück aus und sagte, "da lang", zehn Minuten, höchstens 20. Es wurden sechs Stunden. Anusch Bulgadarian schleppte die zwei Jahre alte Tochter im Tuch vor der Brust, die anderen Kinder knatschten vor Erschöpfung. Um sieben Uhr früh traf die Familie auf einen Pilzsammler. Der rief die Polizei, und von ihr erfuhren sie, wo sie überhaupt waren. Lettland war nicht der Name des Landes, mit dem sie und ihr Mann gerechnet hatten. Bulgadarian aber sagte, "na gut, ist ja auch Europa". 120 Euro pro Woche für acht Menschen Statt wieder Deutsch lernt sie nun eben Lettisch. Der Sprachunterricht, der Asylantrag, das Warten auf eine Entscheidung der Behörden, manches ähnelt sich ja doch. Im Vergleich zu Deutschland ist das Geld allerdings sehr knapp: 120 Euro pro Woche, das muss für alle acht Familienmitglieder reichen. Pampers werden erst später gewechselt, Cornflakes zum Frühstück, wie sie es aus Deutschland kannten, sind gestrichen. Vor allem aber: Die Bulgadarians sind Exoten im Baltenstaat. Das Flüchtlingsheim in Mucenieki ist das einzige im ganzen Land. Etwa hundert Asylsuchende leben in dem Gebäude einer Plattensiedlung, wo die Sowjetarmee einst eine Militärbasis hatte, eine Stunde Busfahrt von Riga entfernt. Es gibt einen Fußballplatz, einen kleinen Spielplatz, einen Tante-Emma-Laden, sehr viele Bäume. Und Misstrauen. Ein in Folie gestecktes DIN-A-4-Blatt, das jemand in Sichtweite des Heims angepappt hat, macht offen Stimmung gegen Flüchtlinge. Die Debatte über Europas Krise, über Grenzschließungen, Lasten, Kapazitäten, all das kreist um Griechenland und die Türkei, Deutschland, Österreich, die Balkanstaaten - aber in Lettland, das ein einziges Flüchtlingsheim hat, wird sie auch geführt. Die Regierung in Riga will innerhalb der nächsten zwei Jahre insgesamt 776 Flüchtlinge aufnehmen. Vor ein paar Wochen sind zwei Familien nach Lettland gekommen: eine aus Syrien, eine aus Eritrea. Sie leben nun in Mucenieki. Ob Griechenland damit entlastet wird, ist für Riga nicht ganz so vorrangig wie die Frage, wo Lettlands eigene Grenzen liegen. Eine verbindliche Quote kommt für die Regierung jedenfalls nicht infrage. "Es ist alles auch eine Frage des Geldes" Ilze Pētersone-Godmane ist Staatssekretärin im Innenministerium, und sie sagt: "776 sind in absoluten Zahlen vielleicht nicht so viel, aber in Prozenten schon. Das sind mehr als seit Beginn unserer EU-Mitgliedschaft zusammen." Die Regierung, überhaupt die meisten Letten finden, dass diese Zahl hoch genug sei für ihr Land, das zwei Millionen Einwohner hat, während der Sowjetherrschaft jahrzehntelang fremdbestimmt war und jetzt zwar den Euro hat und Wachstum, aber noch immer nicht das Lebensniveau anderer EU-Staaten. "Es ist alles auch eine Frage des Geldes", sagt Pētersone-Godmane. Für sie ist klar, Lettland will kein Risiko eingehen, indem es mehr Menschen aufnimmt. "Wir wollen erst wissen, ob unser Integrationsweg erfolgreich ist." Andere formulieren es drastischer. Augusts Brigmanis, Fraktionschef des mitregierenden Bündnisses der Grünen und Bauern, sagte nach einem Bericht der Baltic Times über Flüchtlinge, "ich persönlich möchte sie hier nicht sehen". Wüssten sie "von der Haltung der Bevölkerung und vom Umfang der Sozialleistungen in Lettland, würden die meisten gar nicht zu uns kommen". 70 Prozent der lettischen Bevölkerung würden Flüchtlinge nicht willkommen heißen, sagte Brigmanis. Nach Angaben der Regierung kommt kein anderes Land in der EU auf einen solchen Wert. Detailansicht öffnen Freundschaftsmatch: Lettische Politiker spielen gegen Bewohner des Flüchtlingsheims in Mucenieki Fußball. (Foto: Valda Kalnina/dpa) Veronika Krasnowa ist sich sicher, dass es in Mucenieki zumindest "mehr als 50 Prozent sind". Sie ist eine von ihnen, eine ältere, elegante Dame mit feinem Lidstrich, die gerade vom Einkauf kommt. Sie sagt, was viele sagen: dass Lettland Flüchtlinge einfach nicht gewöhnt, das Land arm sei und die Rentner selbst kaum genug zum Leben hätten. Und dass die Männer unter den Flüchtlingen ja gar nicht arbeiten wollten. Sie kennt allerdings keinen von ihnen. Einmal, erzählt sie, saß sie im Bus mit männlichen Flüchtlingen. Alles war okay, "aber wer weiß, wenn ich noch jung wäre und ich ihnen gefallen hätte", sagt sie. "Wäre ich an ihrer Stelle, ich würde in meiner Heimat kämpfen."
https://www.sueddeutsche.de/sport/paralympics-rehm-springt-mit-rekord-zu-gold-1.3166972
mlsum-de-451
Auch Felix Streng gewinnt überraschend eine Medaille. Das deutsche Davis-Cup-Team verliert das Doppel gegen Polen. Die Beachvolleyballerinnen Ludwig/Walkenhorst stehen im Welttour-Finale.
Paralympics: Markus Rehm hat bei den Paralympics in Rio de Janeiro seine zweite Goldmedaille gewonnen. Der Weltrekordhalter und Titelverteidiger gewann am Samstagabend (Ortszeit) den Weitsprung mit dem paralympischen Rekord von 8,21 Metern vor dem Niederländer Ronald Hertog (7,29). Rehms Staffelkollege Felix Streng wurde mit der persönlichen Bestleistung von 7,13 Metern überraschend Dritter. Beide hatten am Montag bereits Gold mit der deutschen 4 x 100 Meter-Staffel geholt. Weitsprung ist jedoch die Spezialdisziplin des 28 Jahre alten Rehm. Dort hatte der mit einer Unterschenkelprothese springende Athlet auch die Weltmeister-Titel 2011, 2013 und 2015 gewonnen. Maike Naomi Schnittger hat den deutschen Schwimmern an ihrem letzten Wettkampftag noch eine dritte Medaille beschert. Die 22 Jahre alte Potsdamerin holte über 50 m Freistil Silber. Zuvor hatten Denise Grahl ebenfalls über 50 Freistil Silber und Torben Schmidtke über 100 m Brust Bronze gewonnen. Bei Olympia waren die Schwimmer komplett ohne Medaille geblieben. Schnittger musste sich in 28,38 Sekunden nur der Britin Hannah Russel (27,53) geschlagen geben. Emely Telle (Berlin) wurde in 30,87 Sekunden dagegen Letzte des Finals. Paralympics: Weltrekordhalter Heinrich Popow gewann bei seinen letzten Paralympics zum ersten Mal Gold im Weitsprung. Die 35 Jahre alte Birgit Kober siegte mit paralympischem Rekord im Kugelstoßen. Vor allem aber ging eine stolze und erfolgreiche Karriere am Samstag mit der insgesamt 14. paralympischen Medaille zu Ende: Die querschnittsgelähmte Marianne Buggenhagen wurde mit 63 Jahren noch einmal Zweite im Diskuswerfen ihrer Startklasse."Ich bin stolz auf diesen Sieg. Jetzt kann ich die paralympische Bühne mit erhobenem Haupt verlassen", sagte Popow. "Wir hatten noch nie so ein tolles Team wie diesmal. So viele junge Leute, so viele Talente. Ich will hier all meine Erfahrungen weitergeben." Nachdem Sebastian Dietz bereits in der Nacht zu Samstag Gold im Kugelstoßen geholt hatte und die Rollstuhl-Basketballerinnen sowie das Tischtennis-Team der Männer trotz ihrer Final-Niederlagen Silber umgehängt bekamen, kann die deutsche Mannschaft bei der Abschlussfeier am Sonntag sehr zufrieden ins Maracana-Stadion einziehen. Nach 475 von 521 Entscheidungen war sie mit 17 Gold-, 22 Silber- und 13 Bronzemedaillen Sechster der Nationenwertung. China (98/75/49) und Großbritannien (60/34/38) sind dort weit enteilt. Popow sprang im Olympiastadion von Rio bereits im ersten Versuch paralympischen Rekord von 6,70 Meter. "Heute war ich wieder der abgewichste Heinrich", meinte er dazu. Seinen eigenen Weltrekord aus dem August verpasste der 33-Jährige nur um sieben Zentimeter. Davis Cup: Das deutsche Davis-Cup-Team hat im Relegationsspiel gegen Polen eine vorzeitige Entscheidung verpasst und muss weiter um den Verbleib in der Weltgruppe bangen. Im Doppel unterlagen Daniel Brands (Deggendorf) und Daniel Masur (München) gegen Marcin Matkowski und Lukasz Kubot nach 2:0-Satzführung noch 7:6 (7:5), 6:4, 3:6, 4:6, 2:6. Vor den beiden abschließenden Einzeln am Sonntag verkürzte Polen auf 1:2. Der Mannschaft des Deutschen Tennis-Bunds (DTB) um Teamchef Michael Kohlmann droht weiterhin der erste Abstieg seit 13 Jahren. Im Steffi-Graf-Stadion in Berlin hatten Jan-Lennard Struff (Warstein) und Florian Mayer (Bayreuth) am Freitag ihre Einzel gewonnen. Dabei hatten die favorisierten Deutschen gegen ihre deutlich jüngeren polnischen Gegner jedoch mehr Mühe als erwartet. Davis-Cup-Debütant Masur (21) und Brands (29) starteten am Samstag zwar verheißungsvoll und brachten das abgeklärte polnische Duo vor 2500 Zuschauern immer wieder zur Verzweiflung. Ab dem dritten Satz schlichen sich jedoch viele Fehler ein, die die Gäste eiskalt ausnutzen und das Spiel, das wegen Regens mehr als eine Stunde später begann, noch zu ihren Gunsten drehten. "Wir haben ab dem dritten Satz zu viele Aufschlagspiele verloren, und sie haben die Bälle besser zurückgebracht. Wenn so etwas passiert, läuft so ein Spiel auch ganz schnell in die andere Richtung", sagte Brands, der seinem Partner Masur zumindest zu einem gelungenen Debüt gratulierte: "Es war richtig schwer heute. Das hat er gut gemacht." Beachvolleyball: Die Olympiasiegerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst haben beim Welttour-Finale der Beachvolleyballer das Finale erreicht und eine Medaille sicher. Die Hamburgerinnen besiegten am Samstag in der Neuauflage des Rio-Halbfinals die Brasilianerinnen Larissa und Talita mit 2:0 (21:19, 21:19). Am Sonntag (18.15 MESZ) trifft das deutsche Erfolgsduo im Finale in Toronto auf das Schweizer Team Nadine Zumkehr und Joana Heidrich, die ihr Seminfinale mit 2:1 gegen das andere Schweizer Duo Isabelle Forrer/Anouk Vergé-Dépré gewonnen hatten."Wir haben schon in Klagenfurt gegen sie gespielt. Wir wissen, was auf uns zukommt", sagte Laura Ludwig beim TV-Sender Eurosport mit Blick auf das Endspiel gegen die Schweizerinnen. Bundesliga: Uli Hoeneß erwartet im Bundesliga-Titelrennen von Rivale Borussia Dortmund trotz der namhaften Abgänge noch viel Gegenwehr. "Dortmund wird sich bis zum Ende der Saison sehr stark entwickeln. Ich habe sie gegen Warschau gesehen. Eine sehr junge Mannschaft, aber unheimlich entwicklungsfähig. Von Dortmund können wir einiges erwarten", sagte der designierte Präsident des FC Bayern München der Bild-Zeitung.Der BVB musste in der Sommerpause die Abgänge von Mats Hummels (FC Bayern), Ilkay Gündogan (Manchester City) und Henrich Mchitarjan (Manchester United) verkraften, dafür holten die Westfalen die beiden Weltmeister Mario Götze und André Schürrle sowie eine Reihe junger, hoffnungsvoller Spieler. Hoeneß betonte, dass er sich auf die Duelle freue, "denn wir alle wollen auch eine spannende Bundesliga haben und ich glaube, die Spannung wird früher kommen, als wir gerade denken". Lobende Worte fand der 64-Jährige, der im November für das Amt des Bayern-Präsidenten kandidieren wird, für Rückkehrer Hummels. "Wir haben ja das Gefühl: Mats war nie weg. Der hat sich sofort nahtlos eingefügt. Er gefällt mir sehr gut", ergänzte Hoeneß. Ähnlich überzeugt ist er vom neuen Coach Carlo Ancelotti. Der Italiener sei ein "grandioser Trainer" und ein "grandioser Mensch".Zur Präsidenten-Wahl wollte sich Hoeneß ebenso wenig wie zum Fall Beckenbauer äußern. Der Weltmeister von 1974 war bereits von 2009 bis 2014 Bayern-Präsident, ehe er das Amt wegen seiner Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung niedergelegt hatte. FC Bayern: Karl-Heinz Rummenigge sieht für Bayern in der umstrittenen Reform der Champions League mit deutlich höheren Einnahmen die Möglichkeit, im Kampf um internationale Topstars auch in Zukunft mithalten zu können. "So können wir nicht nur unseren deutschen, sondern auch den ausländischen Spielern ein Gesamtpaket anbieten, das sie zufriedenstellt", sagte der Vorstandsvorsitzende des deutschen Fußball-Rekordmeisters im Spiegel. Rummenigge äußerte sich in dem Interview "optimistisch", dass unter den veränderten Voraussetzungen auch Topstürmer Robert Lewandowski "noch lange beim FC Bayern seine Tore schießen" werde. Der 28 Jahre alte Pole steht noch bis 30. Juni 2019 in München unter Vertrag. Der Torjäger aus Polen wird immer wieder mit Real Madrid in Verbindung gebracht. Nach der 2018 greifenden Champions-League-Reform sollen sich die Einnahmen im wichtigsten Vereinswettbewerb für alle Teilnehmer stark erhöhen. Der FC Bayern könnte künftig über 100 Millionen Euro pro Saison in der Königsklasse einnehmen. Als Vorsitzender der Europäischen Club-Vereinigung (ECA) verteidigt Rummenigge die Reform.Eine Superliga der Topvereine sei so verhindert worden. Dazu konnte die wirtschaftliche Übermacht der englischen Vereine durch eine Reform des sogenannten Marktpools eingegrenzt werden. "Die Champions League wäre, salopp formuliert, in die Luft geflogen", behauptete Rummenigge. Die englische Premier League erdrücke alle anderen Ligen und Vereine mit ihren 3,3 Milliarden Euro an TV-Einnahmen pro Saison.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/china-strafzoll-mit-hintergedanken-1.3928035
mlsum-de-452
Die Pekinger Handelshemmnisse für amerikanische Produkte sind ein Sammelsurium an Winzigkeiten. China reagiert zögerlich auf die US-Strafen. Noch.
Schweinefleisch, Sekt und Walnüsse, Mandeln, Äpfel, dazu Stahlrohre: So sieht sie aus, die chinesische Antwort auf Donald Trumps Strafzölle. Auf insgesamt 128 US-Produkte erhebt China nun eine erhöhte Pflichtabgabe. Was eindrucksvoll klingt, ist aber nur ein Sammelsurium an Winzigkeiten. Die Handelshemmnisse fallen bewusst moderat aus, sie treffen vor allem Branchen, die ohnehin kaum nach China exportieren. Das lässt Raum für Verhandlungen. Darauf hofft die Führung in Peking. Noch. Denn auch in China werden längst die Stimmen lauter, die nach Vergeltung rufen: "Wäre ich in der Regierung, würde ich zuerst auf die Sojabohnen zielen," tönt etwa Ex-Finanzminister Lou Jiwei. Mehr als ein Drittel der Sojabohnen, die die Volksrepublik importiert, wachsen in den USA, das ist ein 14-Milliarden-Dollar-Geschäft. Strafzölle träfen vor allem die Landwirte in jenen Bundesstaaten, in denen Trump bei der Wahl 2016 triumphierte. Und im Herbst stehen wieder Wahlen an: Das Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats werden neu besetzt. Eine Bohnensteuer wäre aber nicht ohne Risiko für Peking. Die Pflanze ist omnipräsent im Land: Sojasoße, Sojamilch, Tofu, Schrot als Tierfutter. Die Folge der Strafsteuer wären steigende Kosten für Millionen Chinesen und vorerst kein Schaden in den USA. Derzeit bezieht China seine Soja-Lieferungen vor allem aus Brasilien und Argentinien - auf der Nordhalbkugel wird erst in einem halben Jahr wieder geerntet.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/job-warum-maenner-die-finanzkrise-ausgeloest-haben-1.4175523
mlsum-de-453
... und Frauen häufiger soziale Berufe ergreifen. Eine Studie erklärt, weshalb sich die Geschlechter im Berufsleben so verhalten, wie sie sich verhalten.
Spekulanten agieren oft wie Haie, die jede Menge Beute im Wasser sehen. Gewinnen sie ein paar Mal größere Summen, greifen sie hochriskant an, bis sie am Ende riesige Summen verlieren - auf Kosten der Gesellschaft. Wird derzeit im zehnten Jahr über die Finanzkrise 2008 diskutiert, taucht John Coates' Haifisch-Theorie wieder auf. Der britische Forscher maß, dass bei erfolgreichen Spekulanten das Testosteron so ansteigt wie bei Haien im Blutrausch. Nun beeinflusst die Risikoneigung, wie sich ein Mensch entscheidet. Im Beruf, im Alltag, in der Lebensplanung. Geduld, Vertrauen oder die Frage, wie stark der eigene Egoismus ausgeprägt ist, prägen die Entscheidung ebenfalls. Diese Präferenzen haben jetzt Forscher untersucht - mit erstaunlichen Ergebnissen. Wissenschaftler um den Bonner Ökonomen Armin Falk befragten weltweit 80 000 Menschen in fast 80 Ländern, die 90 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren. Eines der wichtigsten Ergebnisse: Durchschnittsmänner sind länderübergreifend risikobereiter als Frauen. Was erklären hilft, warum sie häufiger die berufliche Selbständigkeit wählen. Und warum ihr Geschlecht durch die übertriebene Form der Risikoneigung die Finanzkrise verursachte (Frauen haben nur ein Zehntel so viel Testosteron, sagt John Coates). Männer sind nach Falks Daten aber auch geduldiger. Sie verzichten öfter mal auf Konsum und investieren das Ersparte: in Bildung, ein Geschäft oder eine Geldanlage. Diese Geduld verspricht ihnen mehr wirtschaftlichen Erfolg als Frauen. Durchschnittsfrauen dagegen denken selbstloser. Das könnte erklären, warum sie sich stärker für andere Menschen engagieren. Und öfter soziale Berufe ergreifen - von der Erzieherin bis zur Krankenschwester. Durchschnittsfrauen äußern auch ihre Meinung ehrlicher, selbst wenn solche Offenheit in ihrer Firma ungern gesehen wird. Und sie belohnen positives Verhalten stärker, weshalb sie als Vorgesetzte besser motivieren können. Männer dagegen bestrafen negatives Verhalten stärker. Aus diesen Erkenntnissen lässt sich zum Beispiel folgern, dass gemischte Teams erfolgreicher sind. Weil sie von weiblichem Sozialverhalten genauso profitieren wie von männlicher Geduld und Risikobereitschaft. Am besten vielleicht mit einer Chefin, weil die motivieren kann. Unterschiede vergrößern sich in reichen Ländern Aber sollten solche Unterschiede nicht in reicheren Ländern verschwinden, wenn die Geschlechter gleichgestellt werden, ohne dass der Kampf ums eigene Überleben das Handeln diktiert? Das würde man vermuten. Aber es ist genau andersherum, fanden Falk und Johannes Hermle von der US-Universität Berkeley heraus: Je größer Einkommen und Gleichstellung, desto mehr unterscheiden sich die Einstellungen der Geschlechter, heißt es in ihrer Studie im Magazin Science. Nur, warum werden die Unterschiede größer? Ein möglicher Grund: Wem Hunger droht, der muss Risiken eingehen, hat wenig zu teilen und vertraut anderen eher wenig. Wenn dagegen die materielle Not beseitigt ist, können Frauen ihre Neigung mehr ausleben, sich sozial zu verhalten, erst recht in einer eher gleichgestellten Gesellschaft. Aber was verbirgt sich dahinter, dass Durchschnittsmänner häufig weniger selbstlos sind und dafür manchmal risikofreudiger? Ist es nicht negativ, dass sich die Geschlechterunterschiede in reicheren Ländern sogar vergrößern? Falk rät dazu, Einstellungen nicht als unverrückbar zu sehen, egal ob bei Mann oder Frau. Der Leiter des Briq-Instituts für Verhalten und Ungleichheit hat in Feldstudien erkundet, wie sich Präferenzen ändern lassen. So fehlt es Kindern aus bildungsfernen Schichten häufiger an Geschick im Umgang mit anderen, was sie beruflich hemmt. Mentoren könnten ihr soziales Verhalten fördern. Unternehmen könnten den Hang zur offenen Meinungsäußerung positiv verstärken, weil die ganze Firma profitiert, wenn jemand Probleme anspricht. Und die Gesellschaft könnte allzu Risikowütige bremsen, indem sie Spekulanten nicht so ungeschoren davonkommen lässt wie die Haie im Blutrausch, die die Finanzkrise 2008 verursachten.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schuldenkrise-so-leiden-griechen-unter-dem-sparkurs-1.2401037
mlsum-de-454
Die Schuldenkrise verwüstet Griechenland. Eine Studie zeigt jetzt, wie dramatisch die Einkommen gesunken sind. Die Bilanz: Die Ärmsten verlieren am meisten.
Griechenland und die Krise: Ein Obdachloser bettelt im Jahr 2012 auf den Straßen von Athen. Dramatischer Einkommensschwund Die Einkommen griechischer Bürger sind einer Studie zufolge zwischen 2008 und 2012 dramatisch geschrumpft. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung im Auftrag des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) (die Studie hier als PDF). Die nominalen Bruttoeinkommen sanken demnach im Durchschnitt um ein knappes Viertel. Besonders stark waren Haushalte mit mittlerem und niedrigem Einkommen betroffen. Grundlage der Studie Basis der Untersuchung waren Steuerdaten von etwa 260 000 griechischen Haushalten aus den Jahren 2008 bis 2012. Auf Grundlage dieser repräsentativen Stichprobe analysierten die Forscher, inwieweit sich die Einkommen über die Jahre veränderten. Die Autoren der Studie sind zwei griechische Wirtschaftswissenschaftler. Auftraggeber der Untersuchung ist das IMK, das der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung angehört. Die Gründe des Einkommensrückgangs Besonders dramatisch war der Studie zufolge der Rückgang der Löhne in der Privatwirtschaft. Das Lohnniveau sank binnen vier Jahren um fast ein Fünftel. Als auffällig stellten die Autoren heraus, dass die Löhne von Beschäftigten im öffentlichten Dienst mit etwa acht Prozent deutlich weniger sanken. Ein Grund für den Einkommensrückgang war der Studie zufolge die Senkung des Mindestlohns und die Schwächung von Tarifverträgen. Lohnkürzungen verursachten der Studie zufolge etwa die Hälfte des gesamten Einkommensrückgangs. verursachten der Studie zufolge etwa die Hälfte des gesamten Einkommensrückgangs. Auch Arbeitslosigkeit und zahllose Unternehmenspleiten trugen demnach zum Einkommensrückgang bei. Waren Mitte 2008 noch etwa 7,3 Prozent der Griechen ohne Job, waren es Mitte 2014 schon 26,6 Prozent. und zahllose Unternehmenspleiten trugen demnach zum Einkommensrückgang bei. Waren Mitte 2008 noch etwa 7,3 Prozent der Griechen ohne Job, waren es Mitte 2014 schon 26,6 Prozent. Weiter ließen neue Steuerbelastungen die Einkommen schmelzen. Direkte Steuern - wie etwa die Einkommensteuer - stiegen den Wissenschaftlern zufolge seit Beginn der Krise um mehr als die Hälfte. Die Belastung durch indirekte Steuern wie etwa die Umsatzsteuer stieg demnach um mehr als ein Fünftel. Den Forschern zufolge litten darunter besonders die armen Bürger: Haushalte mit mittlerem oder niedrigem Einkommen wurden durch die neuen Steuerbelastungen härter belastet als Besserverdiener. Appell der Forscher Die Schlussfolgerungen der Autoren sind drastisch: Die Einkommen wurden seit Beginn der Krise um ein Viertel abgeschmolzen, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) fiel um fast ein Viertel, eine Million Menschen wurden arbeitslos, zusätzliche 42 Milliarden Euro Schulden wurden angehäuft. "Die nüchternen Zahlen zeigen, wie Millionen Menschen in Griechenland durch eine überharte und sozial völlig unausgewogene Austeritätspolitik wirtschaftlich abgestürzt sind", sagt Gustav A. Horn, der wissenschaftliche Direktor des IMK. Horn fordert daher nicht nur ein konsequentes Vorgehen gegen Steuerflucht und Steuerhinterziehung. Zugleich müsse die Politik zur Bewältigung der Krise mehr auf Wachstum und Investitionen zielen als bisher.
https://www.sueddeutsche.de/reise/essen-im-flugzeug-wer-die-wahl-hat-1.1818166
mlsum-de-455
Flugreisende sind den oft unzumutbaren Speisen an Bord hilflos ausgeliefert. Dabei wollen Passagiere selbst bestimmen, was sie essen. Erste Airlines reagieren.
Viele Fluggesellschaften bieten lediglich Snacks an, ein richtiges Menü muss der Passagier selbst zahlen. Dazu wären allerdings viele bereit. Hühnchen oder Pasta? Die Auswahl zwischen zwei matschigen Fertigmenüs in Plastikschalen war lange Zeit trauriger Standard beim Flugzeugessen. Auf Internetseiten wie airlinemeals.net klagen Passagiere über unzumutbare Speisen; unter den Fotos, die sie dort hochladen, stehen nicht selten Kommentare wie: "Ich glaube, das war Lachs, hoffentlich." Viele, die mit dem Flugzeug verreisen, essen sich da schon lieber vorher satt oder nehmen sich belegte Semmeln im Handgepäck von zu Hause mit. Das Menü im Flugzeug ist besonders deshalb ein wichtiges Thema, weil man ihm meist hilflos ausgeliefert ist. Dabei achten die Deutschen sehr wohl darauf, was sie essen: Einer Studie der Techniker Krankenkasse zufolge wählen 35 Prozent der Deutschen ihre Kost maßgeblich danach aus, dass sie gesund ist - und 45 Prozent danach, dass es gut schmeckt. Beide Kriterien sind beim Flugzeugessen in der Regel selten erfüllt. Laut einer Umfrage der Flugsuchmaschine skyscanner.de wünschen sich 63,7 Prozent aller Passagiere gesundes Essen an Bord - also Salat, Gemüse oder Suppen. In der Realität sieht das oft anders aus: Die Pasta ist sowieso weg, bis man drankommt. Und ob man statt der Kartoffelpampe zum Hühnchen eine frische Gemüsebeilage bekommen könnte? Eine unerfüllbare Anfrage. "Dabei ist so ein Service in Restaurants doch schon seit Jahrzehnten normal", sagt Janis Vanags, Pressesprecher von Air Baltic. Dass eine individuelle Zusammenstellung des Essens auch im Flugzeug möglich ist, will die lettische Fluggesellschaft nun beweisen. Seit Oktober bietet Air Baltic ein neues Catering-System an. Es ermöglicht dem Reisegast, bis zu 48 Stunden vor dem Abflug im Internet ein Essen vorzubestellen. Reservierungen von Menüs sind bei Billigfliegern längst verbreitet. Neu hingegen ist die Vielfalt, die Air Baltic bei der Zusammenstellung des Essens bietet. Dem Kunden stehen 70 verschiedene Hauptgerichte, Beilagen und Nachspeisen zur Auswahl, zum Beispiel Pfannkuchen mit frischen Früchten, gegrillte Riesengarnelen mit Linguine oder Sushi-Röllchen mit Lachs. Diese werden auf appetitlich aussehenden Fotos präsentiert, die der Fluggast per Mausklick auf dem digitalen Tablett anordnen und kombinieren kann. Man wolle, sagt Vanags, den Kunden "humaneres Essen" auch in der Luft anbieten. Das Essen müssen die Passagiere zusätzlich zum Flugticket bezahlen, die Preise liegen zwischen acht und 25 Euro. Für Low-Budget-Airlines wie Air Baltic sind solche zusätzlichen Einnahmen wichtig, um die Ticketpreise niedrig halten zu können. Die Kunden scheinen sich über die Auswahl zu freuen, die Nachfrage nach Essen auf den Flügen ist Vanags zufolge angestiegen. Allerdings bleibt der Gast in der Regel noch beim Vertrauten: Lachs und Huhn. So viel Auswahl wie bei den Letten gibt es bei der deutschen Konkurrenz nicht. Josefine Corsten, Sprecherin der LSG Sky Chefs, des größten Cateringanbieters für Fluggesellschaften, glaubt aber, dass das Beispiel Schule machen könnte. Die LSG versorgt mehr als 300 Airlines auf der ganzen Welt mit Flugzeugmahlzeiten, die meisten davon bieten bisher nur festgelegte Standardmenüs an. "Durch die Internationalisierung des Flugmarktes sind die Ansprüche der Reisenden gestiegen", sagt Corsten. Dadurch habe auch das Essen für die Airlines wieder eine größere Bedeutung erlangt, "als Differenzierungsmerkmal, das von der Konkurrenz abhebt". Nach dem 11. September 2001 hatte die ganze Branche mit Umsatzeinbrüchen zu kämpfen. Nicht selten führte der Kostendruck dazu, dass beim Catering gespart wurde. "In den vergangenen fünf bis zehn Jahren ist die Qualität der Menüs aber wieder gestiegen", sagt Josefine Corsten. Allerdings bedeutet das nicht, dass die Fluggesellschaften deswegen viel mehr für das Essen ausgeben. Die Budgets, mit denen die LSG Sky Chefs arbeiten, seien in etwa gleich geblieben. Was die Herstellung eines Flugzeugessens tatsächlich kostet, will keine Airline verraten. Einschätzungen von Experten besagen, dass auf Langstreckenflügen großer Airlines Essen und Getränke in der First Class mehr als 100 Euro kosten, in der Business-Class um die 30 Euro und in der Economy-Class weniger als zehn Euro.
https://www.sueddeutsche.de/politik/krieg-in-syrien-erdogan-droht-us-truppen-mit-osmanischer-ohrfeige-1.3865959
mlsum-de-456
Der türkische Präsident warnt die USA davor, sich in Syrien zwischen seine Truppen und die kurdischen Volksverteidigungseinheiten der YPG zu stellen. Die Drohung überschattet den bevorstehenden Besuch des US-Außenministers in Ankara.
Vor dem Besuch von US-Außenminister Rex Tillerson in der Türkei verschärfen sich die Spannungen zwischen Ankara und Washington. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan warnte die US-Truppen in Manbidsch davor, einem möglichen türkischen Angriff auf die kurdischen Volksverteidigungseinheiten der YPG in der nordsyrischen Stadt im Wege zu stehen. In einer Ansprache am Dienstag vor der Fraktion seiner Partei AKP in Ankara drohte er den amerikanischen Soldaten für diesen Fall mit einer "osmanischen Ohrfeige". "Natürlich werden wir nicht absichtlich auf sie zielen", sagte Erdoğan unter Applaus. "Aber wir verkünden jetzt schon, dass wir jeden Terroristen, den wir sehen, vernichten und ausmerzen werden - angefangen mit denen, die direkt neben ihnen stehen. Eben dann werden sie einsehen, dass es für sie besser wäre, wenn sie sich nicht neben den Terroristen aufhielten, denen sie auf die Schulter klopfen." Erdoğan kritisiert, dass die USA die YPG unterstützen Die New York Times hatte vergangene Woche US-General Paul Funk bei einem Besuch in Manbidsch zitiert, der nach Angaben der Zeitung mit Blick auf die Türkei gesagt hatte: "Wenn ihr uns angreift, werden wir hart reagieren. Wir werden uns verteidigen." Erdoğan sagte in seiner Rede dazu: "Es ist ganz klar, dass diejenigen, die sagen 'Wir reagieren hart, wenn sie uns angreifen', in ihrem Leben noch keine osmanische Ohrfeige verpasst bekommen haben." Die "osmanische Ohrfeige" ist ein stehender Begriff mit historischem Hintergrund. Soldaten des Osmanischen Reichs (1299 bis 1922) sollen eine Kampftechnik beherrscht haben, um Pferde und Reiter an der Front des feindlichen Heeres mit einem einzigen Hieb unschädlich zu machen. Die türkische Armee hat am 20. Januar eine Offensive gegen die YPG in der nordsyrischen Region Afrin begonnen. Erdoğan hat mehrfach damit gedroht, danach die YPG in Manbidsch anzugreifen. 2016 hatte eine von den YPG geführte und von den USA unterstützte Koalition Manbidsch von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) befreit. Erdoğan kritisiert, dass die USA die Volksverteidigungseinheiten der YPG unterstützen und im Kampf gegen den IS eng mit der Kurdenmiliz zusammenarbeiten. Ankara stuft die YPG als Terrororganisation ein. Die Kurdenmiliz unterhält enge Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, die auch in den USA auf der Liste der Terrororganisationen steht. Tillerson wird am Donnerstag in Ankara erwartet.
https://www.sueddeutsche.de/politik/praesidentenwahl-in-tunesien-beji-caid-essebsi-wird-neuer-staatschef-1.2278915
mlsum-de-457
Die Tunesier haben über ihren künftigen Staatschef abgestimmt. Mit mehr als 55 Prozent der Stimmen setzt sich der neoliberale Kandidat Béji Caïd Essebsi gegen seinen Konkurrenten durch - Hunderte junge Menschen demonstrieren dagegen.
Kandidat Essebsi gewinnt die Stichwahl Der anti-islamistische Politikveteran Béji Caïd Essebsi ist Sieger der Präsidentschaftswahl in Tunesien. Wie die Wahlleitung bekannt gab, erhielt der 88-Jährige im zweiten Wahlgang am Sonntag 55,68 Prozent der Stimmen, sein Herausforderer Moncef Marzouki kam auf 44,3 Prozent. Der 88-jährige Essebsi verkündete bereits unmittelbar nach Schließung der Wahllokale vor 2000 Anhängern in der Hauptstadt Tunis, er habe die Stichwahl für sich entscheiden. Er dankte seinen Wählern und würdigte seinen Gegner Marzouki. "Tunesien braucht alle seine Kinder", sagte er. Marzouki sagte, er werde Essebsis Äußerungen nicht kommentieren. Essebsi hatte seinen Konkurrenten bereits im ersten Wahlgang vor einem Monat auf den zweiten Platz verwiesen, ohne dabei aber die nötige absolute Mehrheit zu erreichen. Protest gegen den angeblichen Sieg Essebsis In der südtunesischen Stadt Hamma sind am Montag Hunderte Jugendliche aus Protest gegen den Sieg des langjährigen Regierungspolitikers Essebsi auf die Straße gegangen. Nach Angaben von Einwohnern setzten die Demonstranten Reifen in Brand und blockierten Straßen. Einen Sturm auf eine Polizeistation hätten Sicherheitskräfte mit Tränengas abgewehrt. Alle Geschäfte in der Stadt seien geschlossen. Die Jugendlichen skandierten nach Angaben der Zeugen: "Nein zum alten Regime." Essebsi gegen Marzouki: die beiden Kandidaten Essebsi gehört der antiislamistischen und neoliberal ausgerichteten Partei Nidaa Tounès an, die als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl im Oktober hervorging. Sie gilt als Sammelbecken der alten Staatselite um Ben Ali. Der 69 Jahre alte Marzouki ist der Kandidat des sozialdemokratischen Kongresses für die Republik (CPR). Der Bürgerrechtler war Anfang 2012 mit Unterstützung der islamistischen Partei Ennahda zum Übergangspräsidenten gewählt worden. Marzouki hatte sich im Wahlkampf als Verteidiger der "Revolution" vom Frühjahr 2011 präsentiert. Essebsi warf er vor, das alte Regime wiederherstellen zu wollen. Zudem kritisierte er das hohe Alter seines Kontrahenten, der bereits unter Staatsgründer Habib Bourguiba diente. Essebsi wiederum beschuldigte Marzouki, ein "Extremist" und Vertreter der Islamisten zu sein, die das Land seit 2011 heruntergewirtschaftet hätten. Erste freie Präsidentenwahl in der Geschichte des Landes Es war die erste freie Wahl eines Staatschefs seit der Unabhängigkeit Tunesiens von Frankreich im Jahr 1956. Sie soll den demokratischen Übergangsprozess in dem nordafrikanischen Land vollenden. In Tunesien hatte im Dezember 2010 der Arabische Frühling seinen Anfang genommen. Der Volksaufstand führte im Januar 2011 zum Sturz von Ben Ali. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius würdigte die Präsidentschaftswahl am Montag als "Meilenstein". Der erfolgreiche Ablauf der Wahl bestätige Tunesiens "historische Rolle". Zu der Abstimmung waren 5,3 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen. Die Beteiligung lag nach Angaben der Wahlkommission bei 59 Prozent. Zehntausende Soldaten und Polizisten waren im Einsatz, um die Wahl abzusichern, nachdem Dschihadisten mit Anschlägen gedroht hatten. In der Region von Kairouan gab es in der Nacht zum Sonntag einen Angriff auf eine Schule, in der Wahlunterlagen gelagert wurden. Dabei wurden dem Verteidigungsministerium zufolge ein Angreifer getötet und drei Männer festgenommen. Das Ministerium ging aber nicht von einem dschihadistischen Hintergrund aus.
https://www.sueddeutsche.de/politik/china-ende-des-goldrauschs-1.2603755
mlsum-de-458
Falls die Wirtschaft trotz der Abwertung des Yuan abstürzt, muss die Regierung in Peking um ihren Rückhalt im Volk bangen.
Als Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping im vergangenen November die Phase zu erklären versuchte, in die Chinas Wirtschaft gerade eintritt, da prägte er den Begriff von der "neuen Normalität". Neue Normalität klingt besser als "neue Nervosität". Dabei sind alle nervös: die Welt, China, die Investoren, die Partei. Die Goldgräbertage sind vorbei, ungewisse Zeiten stehen bevor. Klar war, dass irgendwann der Zeitpunkt kommen musste, nach drei Jahrzehnten oft zweistelligen Wachstums. Und doch scheint der Schreck nun groß zu sein. Weil noch gar nicht so klar ist, wie es weitergeht. Ob die Parteispitze wirklich Fortschritte macht auf dem Weg zu einer reformierten, nachhaltigen Wirtschaft, die von Innovation und Dienstleistungen angetrieben werden soll, einer Wirtschaft, die den Konsum als Treibstoff nimmt statt wie bislang die oft exzessiven Investitionen des Staates. Peking versucht, Zuversicht zu verbreiten, es kann aber nicht verhindern, dass es zunehmend erscheint wie der einsame Rufer im Walde, der selbst erschrickt ob der Blitze, die um ihn herum zucken. So werden die Fragezeichen auch im Rest der Welt mit jeder neuen Überraschung aus Peking immer größer, egal ob die Staatsführung angesichts des Absturzes der Börse auf alle Regeln des freien Marktes pfeift, oder ob sie, wie nun geschehen, den Yuan abwertet nur kurz nach dem überraschend hohen Einbruch der Exporte. Falls die Wirtschaft einbricht, droht eine nationalistische Welle Egal ob die abrupte Yuan-Abwertung nun als Intervention zugunsten seiner Exportfirmen gedacht ist oder aber als Schritt hin zur Liberalisierung der Währung - der Schritt wird als weiteres Zeichen gesehen, dass Peking sich ernsthafte Sorgen um sein Wachstumsziel von sieben Prozent macht. Die KP braucht Wachstum. Für sie ist es ein großer Teil der Legitimierung ihrer Macht beim Volk. Längst fordert die Nervosität ihren Preis: Xi Jinping ahnte früh, dass turbulente Jahre bevorstehen, auch deshalb haben unter ihm Repression und Zensur noch einmal kräftig zugelegt. Die KP hatte einen Deal mit der neuen Mittelschicht: Ihr haltet den Mund, dafür werdet Ihr wohlhabend. Jahrzehntelang erkaufte sie sich Schweigen und Duldung, mehr und mehr erzwingt sie nun beides wieder. Die Partei beugt vor. Mittlerweile sind die Ansprüche der Menschen gewachsen, wenn gleichzeitig die Wirtschaft zu stottern beginnt, ist das eine gefährliche Mischung. Und die Partei weiß um die gewaltigen Risiken, die in ihrer Volkswirtschaft noch schlummern. Bei brummenden Geschäften ließen die sich noch zukleistern, im Krisenfalle aber werden sie umso akuter: die enorme Verschuldung von Provinzen, Städten und Kommunen, der drohende Kapitalabfluss. Auch im Westen werden sie nun wieder ein Stück nervöser, die VWs, BMWs und Apples, die sich mit Haut und Haar dem chinesischen Markt verschrieben haben. Mit gutem Grund. Nicht nur sie, sondern alle tun gut daran, genau darauf zu schauen, was sich in China tut. Die Partei hat sich nämlich neben der Wirtschaft noch ein zweites Standbein der Legitimation zugelegt: den Nationalismus. Auch mit der Vision von der Wiedergeburt eines starken, mächtigen Chinas spielt Xi Jinping virtuos, am 3. September wird die Welt einen Geschmack davon bekommen, wenn Xi in Peking eine große Militärparade abnimmt, die die neue militärische Stärke Chinas demonstrieren soll. Nein, noch lange ist nicht ausgemacht, dass Chinas Wirtschaft ernsthaft abstürzt. Wachstumspotenzial gibt es zuhauf, Chancen auf Reformen viele. Sollte die Partei sie aber nicht nutzen, sollte der Absturz tatsächlich kommen, dürfen sich die Region und die Welt auf ein nationalistischeres und kampfeslustigeres Peking einstellen: Für die Partei ist das der Rettungsring.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-vidal-spitzelt-sich-in-guardiolas-herz-1.2912271
mlsum-de-459
Mit rustikalen Aufräumern kann der Bayern-Trainer eigentlich wenig anfangen - doch mit seinen Auftritten gegen Juve beweist Arturo Vidal seinen Wert für den FC Bayern.
Das Leben des Arturo Vidal bietet genug Stoff für eine völlig überfrachtete Seifenoper. Die eine oder andere Alkoholtour wäre dabei, ein Ferrari in den Leitplanken, Rennpferde sowie ein Vater mit 124 Kokainbriefchen im Gepäck. Sollte dieses wilde Leben einmal verfilmt werden, und sie könnten sich beim FC Bayern München eine Szene wünschen, dann die mit einer kleinen Grätsche. Mittwochabend, die Arena in München-Fröttmaning, der FC Bayern steht gegen Juventus Turin kurz vor dem Ausscheiden im Achtelfinale der Champions League, es läuft die erste Minute der Nachspielzeit. Dann streckt Arturo Vidal am gegnerischen Strafraum das Bein heraus, der Ball kommt zurück zum FC Bayern. Ein paar Ballberührungen später gleicht Thomas Müller aus, es geht in die Verlängerung, der FC Bayern gewinnt 4:2. Der Vater säuft, also muss Arturo helfen Manchmal entscheidet im Fußball ein einziger Ballkontakt über den Ausgang des ganzen Spiels, so einer war auch diese Grätsche am Mittwochabend. Doch mit seiner herausgestreckten Fußspitze hat Vidal mehr verändert. Mit dieser Aktion hat er endgültig gerechtfertigt, warum der Verein für ihn im Sommer mehr als 30 Millionen Euro ausgegeben hat, gegen den Rat all derer, die ihn für untauglich hielten in diesem Team der Balletttänzer, aus sportlichen und aus charakterlichen Gründen. Arturo Erasmo Vidal Pardo, geboren 1987 in San Joaquín in der Nähe von Santiago de Chile, entwickelt früh einen ganz eigenen Entwurf des Lebens. Der Vater säuft, also muss Arturo schon als Kind helfen, die Familie zu ernähren. Er verdient ein paar Pesos als Stallbursche, träumt davon, einmal Jockey zu werden. Doch er ist zu groß. Erst seit ein paar Wochen setzt Guardiola verstärkt auf Vidal Er wird Fußballer, so verdient er schließlich genug, um die Familie zu ernähren - es sei denn, er gibt all das Geld für Pferdewetten aus. In diesen Jahren wird Vidal zum Oberhaupt seiner Familie, mit dem Vater versöhnt er sich nach all dessen Alkohol- und Drogen-Eskapaden erst spät; dann aber gibt er ihm gleich einen Job in seinem Stall "Alvidal", mit mehr als hundert Rennpferden. Was Arturo Vidal will, bekommt er auch, das ist sein Entwurf vom Leben, aufhalten lässt er sich nicht. Im vergangenen Sommer zum Beispiel fährt er während der Copa América betrunken mit seinem Ferrari, baut einen Unfall, muss die Nacht auf dem Polizeirevier verbringen. Ein paar Tage später gewinnt er dennoch den Titel, der erste große für die Nationalmannschaft Chiles. Weil Vidal auch auf dem Rasen eher der rustikale Aufräumer ist, sehen im Sommer 2015 einige den Wechsel von Juventus Turin zum FC Bayern skeptisch, auch Trainer Pep Guardiola. Er fragt sich lange, was er mit diesem fußballerischen Anarchisten anfangen soll, er ist ihm zu unberechenbar im Passspiel. Erst seit wenigen Wochen setzt er verstärkt auf Vidal und dessen Körperlichkeit. Nun ist der Chilene der Anführer des FC Bayern und hat sich auf seinem Weg nicht einmal von den taktischen Vorstellungen eines Pep Guardiola aufhalten lassen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/leichtathletik-dm-rund-mit-ecken-1.976613
mlsum-de-460
Im Jahr nach der Heim-WM in Berlin zeigt die deutsche Leichtathletik-Elite bei den nationalen Meisterschaften nur vereinzelte Symptome eines vollzogenen Aufbruchs.
Die beste Nachricht gab's gleich am Anfang der nationalen Titelkämpfe in Braunschweig. Da verkündete der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV), dass er den Vertrag mit seinem Hauptsponsor Nike verlängert hat - um zehn Jahre, bis nach Olympia 2020. Wegen der "großartigen Resonanz auf die WM 2009 in Berlin", wie Ulrike Köhler im Namen des amerikanischen Sportartikelherstellers erklärte; weil es hierzulande eine Menge "neuer Gesichter gibt, die der Leichtathletik ein positives Image geben können", wie Frank Lebert hinzufügte, der Geschäftsführer der für Promotion zuständigen DLV-Tochter DLP. Detailansicht öffnen Neuerdings Medaillenhoffnung für die EM in Barcelona: Hürdensprinterin Carolin Nytra (vorne) auf dem Weg zum deutschen Meistertitel. (Foto: dpa) Aufbruchstimmung war also angesagt in Braunschweig, aber an den beiden Wettkampftagen im Eintracht-Stadion war dann wenig zu spüren von einem Schub durch die Heim-WM und wenig zu sehen von neuen Gesichtern. Als der für die Laufdisziplinen zuständige DLV-Cheftrainer Rüdiger Harksen von einer "neu erschlossenen Leistungsdimension" sprach, meinte er nur die 100-Meter-Hürdenmeisterin Carolin Nytra (Bremer LT), die sich unlängst auf 12,57 Sekunden und an die Spitze der europäischen Rangliste verbessert hatte. In Braunschweig lief sie 12,71, angesichts eines Gegenwindes von fast einem Meter pro Sekunde eine beachtliche Leistung, die man auf eine gute 12,60er-Zeit bei Windstille herunterrechnen kann. "Das war wichtig, dass sie gezeigt hat, dass die 12,57 kein Ausrutscher waren", sagte ihr Trainer Jens Ellrott. Die Athletin fand ihren Lauf "insgesamt rund, aber nicht perfekt. Ich bin froh, dass ich weiß: Das war noch nicht ausgereizt". Sprünge und Hüpferchen In knapp zwei Wochen muss sie bei den Europameisterschaften in Barcelona antreten, dort gehört sie nun zu den Medaillenkandidatinnen im vermutlich 70 Starter umfassenden DLV-Aufgebot. Das können nicht viele Athleten von sich behaupten, die nicht schon im vorigen Jahr zu den Medaillenaspiranten bei der WM in Berlin gehört haben. Die Diskuswerferin Nadine Müller (Halle) ist eins der neuen Gesichter dieses Sommers, die Weltjahresbeste mit 67,78 Meter und deutsche Meisterin mit 63,07, oder der Weitsprung-Titelträger Christian Reif (Ludwigshafen), der mit seinen 8,18 Meter von Braunschweig nur neun Zentimeter unter seiner Saisonbestleistung blieb, mit der er wie Nytra den Spitzenplatz in Europa einnimmt. "Das Ziel bei der EM muss jetzt eine Medaille sein", sagte Reif. Nytra, Müller, Reif - das sind die drei DLV-Athleten, die in diesem Sommer einen großen Sprung nach vorne gemacht haben. Ansonsten blieb es bei Hüpferchen wie den Fortschritten der Stabhochsprung-Gruppe um Titelverteidigerin Silke Spiegelburg (Leverkusen/4,65 Meter) oder der Dreisprung-Meisterin Katja Demut (Jena/14,15), die sich ein paar Zentimeterchen vorwärts bewegt haben. Überbewerten darf man das freilich nicht: "Mit 14,15 kann man bei der EM durch die Qualifikation kommen", sagt Demut.
https://www.sueddeutsche.de/sport/maradona-kreislaufzusammenbruch-fussball-wm-argentinien-1.4031879
mlsum-de-461
Der 2:1-Sieg der Argentinier hinterlässt beim Fußball-Idol Spuren. Erst reckt Diego Maradona beide Mittelfinger Richtung Spielfeld - dann muss er sich von Sanitätern behandeln lassen.
Argentiniens Fußball-Idol Diego Maradona hat nach seinen Kreislaufproblemen beim 2:1-Sieg von Vize-Weltmeister Argentinien im WM-Vorrundenspiel gegen Nigeria Entwarnung gegeben. "Ich möchte euch sagen, dass es mir gut geht", schrieb Maradona bei Instagram. Die dramatischen 90 Minuten waren nicht spurlos an Maradona vorübergegangen. Der 57-Jährige musste gestützt werden, als er die Tribüne verließ. Dies offenbarte ein Online-Video. In der Halbzeit habe ihn der Nacken stark geschmerzt und er habe einen Kreislaufzusammenbruch erlitten, daher habe er sich von einen Arzt durchchecken lassen. "Er empfahl mir, vor der zweiten Halbzeit nach Hause zu gehen, aber ich wollte bleiben", so Maradona. Er hätte aber nie eingeliefert werden müssen. Medien hatten zuvor berichtet, dass Maradona im Spielort Sankt Petersburg kurzzeitig ein Krankenhaus aufsuchen musste. Maradona zeigt den doppelten Mittelfinger Der einstige Weltstar hatte die argentinische Elf zuvor hochemotional auf der Tribüne angefeuert. Während sich Maradona nach dem 1:0-Führungstor durch Lionel Messi total euphorisch gab, war er nach dem Ausgleich sehr niedergeschlagen. Später, beim 2:1 durch Marcos Rojo, drehte sich seine Stimmung wieder. Bisweilen schien es, als sei er die Hauptperson des Abends - und nicht die Akteure auf dem Platz. Vor dem Anpfiff sorgte Maradona durch einen spontanen Tribünen-Tanz mit einer Nigerianerin für großen Jubel und einen Hit in den sozialen Medien. Nach dem Schlusspfiff dann für einen kleinen Skandal, als er beide Mittelfinger von der Tribüne reckte. Detailansicht öffnen Unfeine Jubelpose: Diego Maradona nach dem 2:1. (Foto: Getty Images) Am Ende war das nervenaufreibende Spiel aber zu viel für den 57-Jährigen. Bilder zeigten einen völlig erschöpften Maradona auf einem Sessel in der VIP-Loge mit Sanitätern. Einer der Helfer fühlt Maradona den Puls.
https://www.sueddeutsche.de/reise/kalifornien-kolumne-wo-die-milliardaere-hausen-1.2740121
mlsum-de-462
Mark Zuckerberg erzürnt seine Nachbarn in San Francisco - allerdings wohnt er nicht in der aberwitzig teuren Billionaire's Row.
Gucken kann man, aber nur ganz kurz. Eine Hecke verhüllt die wahre Größe des Anwesens. Auf seiner Facebook-Seite gibt Mark Zuckerberg den lockeren Typ von nebenan. Doch wenn es um seine neue Luxus-Villa in San Francisco geht, versteht der Facebook-CEO und Tech-Milliardär gar keinen Spaß. Der Ärger fing vor zwei Jahren an, als "Zuck" das Anwesen im Viertel Dolores Heights für zehn Millionen Dollar erwarb. Nicht dass es seine erste Wohnimmobilie wäre, in Palo Alto besitzt er gleich vier benachbarte Grundstücke mit genügend Abstand zu den anderen Anwohnern im Viertel - er will schließlich nicht gestört werden. Dass er andere stört, scheint ihn weniger zu interessieren. In San Francisco jedenfalls war es nach dem Kauf mit der Ruhe vorbei: Die neuen Nachbarn beschwerten sich über Lärm, den 50 Arbeiter täglich bis spät nachts machten. Und über Baustellenfahrzeuge, die die gesamte Straße zu parkten. Über den permanenten Dreck im gesamten Block sowieso. Der Ärger endete nicht, als Zuckerberg und seine Frau Priscilla im Sommer dieses Jahres ihr neues Häuschen bezogen. Der abschreckende Zaun, den das Haus umgibt, ist dem Facebook-Chef nicht sicher genug. Zusätzlich hat er ein 15-köpfiges Security-Team zur 24-Stunden-Überwachung engagiert. Als neulich ein offenbar betrunkener älterer Obdachloser die Straße entlang streunte und die Tag und Nacht vor dem Haus patrouillierenden Sicherheitskräfte laut und unflätig beschimpfte, ließen sie ihn kurzerhand verhaften. Wegen des Lärms. Und: Der Mann hätte ja gefährlich sein können. Man kann nicht behaupten, dass die Zuckerberg-Bewacher da die Ruhe weg haben. Neugierig geworden, habe ich mir das Haus von "Zuck" angeschaut, so unauffällig und leise wie möglich. Die Nachbarschaft ist hip, die Lage zentral in der Nähe des beliebten Dolores Parks. Nur von dem Haus selbst bin ich etwas enttäuscht - zumindest von dem Teil, den ich im Vorbeigehen erspähen konnte. Es sieht mitnichten aus wie eine Luxusvilla, eher schlicht und unauffällig. Die Millionen stecken wohl im Detail. Stehenzubleiben oder gar Fotos zu machen, habe ich mich nicht getraut. Die Sicherheitsleute saßen lauernd in ihren SUVs, bereit, sofort herauszuspringen und ihres Amtes zu walten. Sie durften sitzenbleiben. Ruhestörende Ausrufe des Entzückens hört man hier nicht. Viel prächtigere Häuser findet man in San Francisco in der "Billionaire's Row", der Milliardärs-Zeile im Stadtteil Pacific Heights.
https://www.sueddeutsche.de/politik/brexit-abkommen-1.4066196
mlsum-de-463
Die Briten würden nicht blinzeln, sagt Jeremy Hunt bei seinem Besuch beim deutschen Außenminister Heiko Maas. Der spricht diplomatisch von "ungeklärten Fragen".
Der neue britische Außenminister Jeremy Hunt warnt vor einem Scheitern der Verhandlungen über einen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union. "Es gibt jetzt ein sehr echtes Risiko, dass es aus Versehen zu einem Brexit ohne Abkommen kommt", sagte Hunt auf einer Pressekonferenz mit seinem deutschen Amtskollegen Heiko Maas in Berlin. "Denn ich glaube, viele Menschen in der EU denken, wenn sie nur lange genug warten, werde Großbritannien blinzeln, aber das wird nicht passieren." Die EU müsse daher ihren Verhandlungsansatz ändern, um den "No Deal"-Brexit zu verhindern. Maas nannte das kürzlich von den Briten vorgelegte Weißbuch, das die Vorstellungen Londons in den Verhandlungen umfasst, einen wichtigen Beitrag, um "Schritt für Schritt zu einem geordneten Brexit zu kommen". Man sei aber noch nicht in allen Punkten zu einem Ergebnis gekommen. Es bestünden noch Probleme und ungeklärte Fragen, weshalb es weitere Gespräche geben müsse. Zwischen der EU und Großbritannien gibt es große Differenzen über die Bedingungen einer neuen Handelsvereinbarung und bei der Frage, wie die Grenze zwischen dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Nordirland und der Republik Irland, einem EU-Mitglied, reguliert werden solle. Beide Politiker betonten, dass ihnen auch nach einem Brexit an einer engen und freundschaftlichen Partnerschaft gelegen sei. Die Beziehungen könnten jedoch einen Riss bekommen, sollte der Brexit ungeordnet verlaufen, warnte Hunt. In Großbritannien würde sich die Einstellung einer ganzen Generation gegenüber der EU ändern, was der Partnerschaft schaden würde. Es war Hunts erster Besuch bei einem anderen Außenminister. Er wurde vergangene Woche zum Nachfolger Boris Johnsons ernannt, der im Streit über die Brexit-Strategie von Premierministerin Theresa May zurückgetreten war. Hunt ist ein Brexit-Befürworter. Die Strategie der EU gegenüber seinem Land hatte er kürzlich als "arrogant" kritisiert.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/britisches-pfund-wie-der-brexit-den-englischen-fussball-bedroht-1.4107582
mlsum-de-464
Das britische Pfund verliert an Wert - daher sind die Gehälter internationaler Fußballspieler in der Premier League umgerechnet weniger wert. Sie wagen nun einen ungewöhnlichen Schritt.
Wenn Medien über den Brexit berichten, sind Fußballmetaphern nicht weit. Da ist vom "Endspiel" um den Brexit die Rede, von "Eigentoren", die Minister schießen. Und von einem Brexitdeal, der "in die Verlängerung" gehen könnte. Doch immer deutlicher zeigt sich dieser Tage: Die Verbindungen zwischen einem Brexit und dem britischen Fußball sind keineswegs nur metaphorisch, sondern ganz konkret. Der Verfall der britischen Währung könnte zur ernsthaften Gefahr für den dortigen Fußball werden. Nach dem Brexitvotum bangen internationale Top-Fußballer in Großbritannien um den Gegenwert ihres Gehalts. Denn seit dem Entscheid im Juni 2016 hat das britische Pfund gegenüber dem Euro um etwa 16 Prozent nachgegeben. Bekam man für ein Pfund damals noch 1,31 Euro, sind es nun nur noch 1,10 Euro. "Das schwächere Pfund erschwert es den Vereinen bereits jetzt, Spieler unter Vertrag zu nehmen", sagte kürzlich der Vorsitzende des FC Burnley. Bei Manchester United wollten manche Spieler lieber in Euro bezahlt werden, was der Verein jedoch ablehnte. Viele Spieler sichern sich am Finanzmarkt ab Doch Sportler posieren nicht nur in Werbespots für Finanzunternehmen, sie scheinen sich tatsächlich auszukennen: Die Sportprofis in Großbritannien lassen ihr Vermögen zunehmend gegen Währungsschwankungen absichern, wie eine Stellungnahme des Devisenhändlers Argentex zeigt. Die Firma bietet spezielle Verträge an, mit denen sich der aktuelle Wechselkurs für mehrere Monate festschreiben lässt - im Gegenzug kassiert das Unternehmen einen Teil der abgesicherten Summe gewissermaßen als Versicherungsprämie. In der Fachsprache heißt das "hedgen", also Währungsrisiken absichern. Seit dem Brexitvotum seien die von Sportlern abgesicherten Beträge um 43 Prozent gestiegen, berichtet das Unternehmen der Financial Times. Summen im Wert von mehr als 100 Millionen Dollar habe man seitdem bereits für Kunden abgesichert. Der Grund dafür: Viele Spieler verdienen so viel Geld, dass sie längst nicht alles davon in Großbritannien ausgeben können. Viele bringen einen guten Teil ihrer Gehälter außer Landes und investieren jenseits der Insel. "In der Premier League machen ausländische Spieler mehr als 70 Prozent aus", sagt John Goss von Argentex. Der FC Burnley möchte ein zweites Referendum Trotz möglicher Absicherungen wird es für die Vereine nicht einfacher. Inzwischen gilt es als unwahrscheinlich, dass sich Briten und EU in Sachen Brexit bis Oktober einigen können - oder überhaupt einen Konsens finden. "Dies lastet seit langem auf dem Pfund", sagt Devisenexperte Ulrich Wortberg von der Landesbank Hessen-Thüringen. Der FC Burnley macht sich daher inzwischen für einen neuen Brexitentscheid stark. Ein schwieriges Unterfangen, waren die Menschen in Burnley 2016 doch eiserne Brexitverfechter. Das könnte sich vielleicht ändern: Der FC Burnley spielt nun zum ersten Mal seit langem wieder in der Europa League. Ausgerechnet.
https://www.sueddeutsche.de/politik/chinas-im-sinne-der-partei-1.3421505
mlsum-de-465
Chinas KP will ein Bürgerliches Gesetzbuch auf den Weg bringen. Kritiker sehen in der Maßnahme allerdings eine Fortsetzung der Willkür.
Zum Abschluss seiner alljährlichen Tagung hat Chinas Parlament am Mittwoch die Grundlinien für ein Bürgerliches Gesetzbuch verabschiedet. Mit dem Gesetzbuch sollen die Rechte und Pflichten von Chinas Bürgern erstmals in einer Zivilgesetzgebung aus einem Guss vereint werden. "1,3 Milliarden Chinesen werden sich damit sicherer fühlen und mehr gleichberechtigte Chancen und Würde genießen", zitierte die Nachrichtenagentur Xinhua einen Abgeordneten des Nationalen Volkskongresses NVK. Besitzrechte und der Schutz von Senioren wird in den Grundlinien ebenso angesprochen wie der Schutz von "guten Samaritern", hilfsbereiten Bürgern, die in der Vergangenheit oft selbst vor Gericht landeten. Parteichef Xi Jinping verspricht seit seinem Amtsantritt einen Ausbau der Gesetzgebung, Kritiker sehen allerdings in der Praxis keine Stärkung der Bürgerrechte, sondern eine Tendenz dazu, Willkürmaßnahmen nun mit Gesetzen zu unterfüttern. Der Organisation Freedom House zufolge war im Jahr 2016 China der schlimmste Internetzensor Als am Sonntag Chinas Oberstes Gericht seinen Arbeitsbericht für vergangenes Jahr veröffentlichte, führte es als seinen größten Erfolg die Inhaftierung von Bürgerrechtsanwälten und -Aktivisten auf: "Wir haben Staatssicherheitsverbrechen scharf bestraft und Fälle von Subversion wie den von Zhou Shifeng abgeurteilt." Rechtsanwalt Zhou war einer der bekanntesten Bürgerrechtsanwälte Chinas. Für seine Arbeit wurde er 2016 zu sieben Jahren Haft verurteilt. Dass die neue Zivilgesetzgebung vor allem den Interessen der Partei zu dienen hat, zeigt sich deutlich: Da fügten die Abgeordneten einen Paragrafen hinzu, der es strafbar machen soll, "den Namen, den Ruf und die Ehre" kommunistischer Helden und Märtyrer zu verleumden oder in Zweifel zu ziehen - ein weiterer Schritt im Kampf der KP gegen jede kritische Aufarbeitung der Vergangenheit. Die Partei nennt das "historischen Nihilismus". Der Nationale Volkskongress hat keine wirkliche Macht, seine Aufgabe ist es vor allem, die Vorgaben der KP in Gesetze umzusetzen. In einem gewissen Rahmen jedoch sind Debatten erlaubt. Einer der überraschendsten Vorschläge kam von Luo Fuhe, dem Vizevorsitzenden der beratenden Konsultativkonferenz. Er verlangte eine Lockerung der Zensur, die aus Chinas Internet zunehmend ein von der Welt abgeschottetes Intranet macht. Luo klagte, sie hemme den wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt im Land. "Die Webseiten mancher ausländischen Universitäten brauchen manchmal eine halbe Stunde, bis sie sich öffnen", sagte Luo. Manche Forscher brauchten selbst für gewöhnliche Recherchen eine Zensurumgehungs-Software. "Das ist nicht normal." Die Reaktion der Behörden: Sie zensierten Luo. Pekings Zensoren verschickten landesweit ein Edikt, wonach jedweder Bericht über Luos Äußerungen zu löschen sei. Einem Bericht der Organisation Freedom House zufolge war im Jahr 2016 China der weltweit schlimmste Internetzensor.
https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-fc-bayern-warmlaufen-mit-83-prozent-ballbesitz-1.2904584
mlsum-de-466
Bremen kann nicht, Bremen will nicht - dem FC Bayern ist's egal. Beim 5:0 gegen Werder treiben die Münchner Spielchen mit dem Gegner. Turin kann kommen.
Auch Thomas Müller amüsierte sich prächtig gegen Bremen - er glänzte in der Disziplin "Abstauber". Viktor Skripnik ruderte mit den Armen, immer wieder rief er Anweisungen hinein, und kaum, dass seine Hände einmal ruhten, begann auch schon die nächste langte Abfolge hektischer Bewegungen in der Coaching Zone. 45 Sekunden lang hatten die Spieler des FC Bayern den Ball im Kombinationsfluss gehalten, der anschließende Bremer Klärungsversuch dauerte nur drei Sekunden, ehe nach weiteren 19 Sekunden Münchner Passzirkulation Kingsley Coman eine Großchance vergab. Das Besondere an diesen Szenen waren jedoch weniger die Bemühungen des Bremer Trainers, seine Mannschaft zu ordnen. Das Besondere war vielmehr der Zeitpunkt seiner umfangreichen Hilfestellung in der Werder-Not. Denn es handelte sich um die ersten 67 Sekunden der Partie. Bremen kommt kaum mit Exemplarisch standen sie dennoch für alles Weitere, was dieses Sonnabendspiel zwischen dem FC Bayern und Werder Bremen bereithalten sollte. Nach einer guten halben Stunde lagen die Ballbesitzwerte der Münchner bei 86 Prozent, was selbst für ihre Verhältnisse außergewöhnlich hoch ist (am Ende waren es 82,8 Prozent). Und da es zu diesem Zeitpunkt bereits 2:0 durch die Tore von Thiago Alcántara (9.) und Thomas Müller (31.) stand, durfte die sogenannte Generalprobe für das Achtelfinal-Rückspiel in der Champions League gegen Juventus Turin am Mittwoch früh als erfolgreich eingestuft werden. Das galt auch nach 90 Minuten, nach diesem klaren wie hochverdienten, aber immer noch ein bisschen zu bescheiden ausgefallenen 5:0 (2:0). Die weiteren Tore hatten erneut Müller (66.), der eingewechselte Robert Lewandowski (86.) und noch einmal Thiago (90.) beigesteuert. Es war ein sehr lässiges Warmlaufen für Turin gewesen. So leicht dürfte es der italienische Rekordmeister und Tabellenführer der Serie A den Münchnern nach dem 2:2 aus dem Hinspiel am Mittwoch allerdings kaum machen. Es war ein Spiel, das vom Ergebnis ziemlich gewöhnlich daherkam, jedenfalls gemessen an den jüngsten Vergleichen der Bayern mit den Bremern in München. Stets hoch gewonnen hatte Guardiolas Mannschaft ja jeweils, zuletzt gar 6:0. Und wie am 18. Oktober 2014 durfte Mario Götze auch diesmal eine nennenswerte Rolle spielen. Damals hatte er zwei Tore erzielt, nun bestand das Nennenswerte für den 23 Jahre alten Weltmeister bereits darin, dass er für die Startelf nominiert worden war, nach zuletzt fünf Mal 90 Minuten auf der Ersatzbank. Und da ihn zuvor ein Adduktorenabriss zum Zuschauen gezwungen hatte, durfte er nun gar erstmals seit dem 4. Oktober 2015 wieder 54 Minuten lang mitkicken. Dafür schonte Guardiola vier Tage vor der Verabredung mit Turin zunächst Lewandowski genauso wie Douglas Costa, Arturo Vidal und Juan Bernat. Arjen Robben stand sogar wie Serdar Tasci überhaupt nicht im Kader.
https://www.sueddeutsche.de/sport/playoffs-zur-u21-em-ukraine-fordert-deutsche-junioren-1.2127239
mlsum-de-467
Die deutsche U21-Nationalelf muss im Oktober nach Osteuropa reisen, der verletzte Robert Harting will um eine Teilnahme an der Leichtathletik-WM 2015 kämpfen. Portugals Nationaltrainer Paulo Bento tritt zurück, Deutschlands Volleyballer sind bei der WM kaum zu schlagen.
U21, EM: Die deutschen U21-Fußballer haben für die Play-off-Spiele zur EM 2015 in Tschechien eine lösbare Aufgabe zugeteilt bekommen. Wie die Auslosung am Freitag in Nyon/Schweiz ergab, trifft die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) auf die Ukraine. Die Mannschaft von Trainer Horst Hrubesch wird am 9./10. Oktober zunächst auswärts antreten und die Osteuropäer dann am 13./14. Oktober zum Heimspiel in Essen empfangen. Ob und wo das Hinspiel in der Ukraine ausgetragen wird, ist angesichts der derzeit unruhigen Lage noch offen. Das DFB-Team hatte sich als Gruppenerster ungeschlagen (acht Siege, zwei Unentschieden) für die Play-offs qualifiziert und war wie sechs weitere Mannschaften gesetzt. Die U21-Auswahl hatte den EM-Titel bislang einmal gewonnen. 2009 gehörten in Schweden unter anderem die aktuellen Weltmeister Manuel Neuer, Jérome Boateng, Sami Khedira, Benedikt Höwedes, Mats Hummels und Mesut Özil zum Kader. Leichtathletik, Diskus: Diskus-Olympiasieger Robert Harting kämpft nach einem Riss des vorderen Kreuzbandes und des Innenbandes im linken Knie um die Teilnahme an der WM 2015 in Peking. "Es wird sehr schwer, aber ich werde nichts unversucht lassen. Spätestens Mitte November fängt eigentlich die Vorbereitung an. Das fehlt mir natürlich. Momentan versuche ich aber erst einmal, einen guten Plan für die Reha zu erarbeiten", sagte Harting im exklusiven Telefon-Interview mit dem Sport-Nachrichtensender Sky Sport News HD: "Ich habe schon zwei Knie-Operationen hinter mir. Die Reha ist sehr wichtig und macht mindestens 50 Prozent des Erfolges aus. Ich muss sehr sorgsam sein, sehr genau arbeiten und brauche ein bisschen Geduld." In der Zwischenzeit wird der 29 Jahre alte Berliner, der am vergangenen Freitag das Diamond-League-Finale in Brüssel gewonnen hatte, sein Studim beenden: "Die Bundeswehr erlaubt mir, dass ich studieren darf. Ich bin in den letzten Zügen und gehe nun in den Endspurt. Am Dienstag werde ich meine Bachelor-Arbeit abgeben und habe dann fünf Jahre Studium hinter mir." Tennis, Davis Cup: Richard Gasquet und Jo-Wilfried Tsonga haben Frankreich im Davis-Cup-Halbfinale gegen Tschechien im Stade Roland Garros in Paris mit 2:0 in Führung gebracht. Der 28-Jährige Gasquet gewann das Auftakteinzel gegen Tomas Berdych mit 6:3, 6:2, 6:3. Tsonga setzte sich anschließend mit 6:2, 6:2, 6:3 gegen Lukas Rosol durch. In Genf gewann Roger Federer für die gastgebende Schweiz das Auftakteinzel gegen den Italiener Simone Bolelli mit 7:6 (7:5), 6:4, 6:4. Nach ihm ging Australian-Open-Sieger Stan Wawrinka auf den Platz, er spielt gegen Fabio Fognini. Gasquet rechtfertigte mit seinem Sieg das Vertrauen von Teamchef Arnaud Clement. Der frühere Tourprofi hatte ihm überraschend den Vorzug vor US-Open-Viertelfinalist Gael Monfils gegeben. Begründet hatte Clement seine Entscheidung damit, dass Gasquet sich bereits seit einiger Zeit auf Sand vorbereitet habe, während Monfils nach seiner Rückkehr aus New York gerade mal zwei Tage mit der Mannschaft trainieren konnte. Portugal, Nationaltrainer: Die Fußball-Nationalelf von Portugal hat vorerst keinen Trainer mehr. Der bisherige Coach Paulo Bento sei nicht mehr im Amt, teilte der portugiesische Nationalverband FPF am Donnerstag in Lissabon mit. Die Entscheidung sei von beiden Seiten "gemeinsam getroffen" worden, hieß es. Zum Nachfolger des 45-Jährigen, der seinen Posten seit fast genau vier Jahren innehatte, wurde vorerst nichts bekannt. Eine "Lösung" solle schon bald bekanntgegeben werden, so der Verband. Am Sonntag hatte Portugal im ersten Spiel der Qualifikation zur EURO 2016 in Aveiro eine 0:1-Heimschlappe gegen Albanien erlitten. Bundesliga, HSV: Der Hamburger SV muss im Spiel bei Hannover 96 am Sonntag auf Kapitän Rafael van der Vaart wegen einer Wadenverletzung verzichten. "Schade, dass er nicht dabei sein kann. Er hat gezeigt, dass er auf einem sehr guten Weg ist", sagte Trainer Mirko Slomka am Freitag. Es handele sich um eine neue Verletzung. Ein Problem an anderer Stelle derselben Wade hatte ihn vor Monaten um einen WM-Einsatz im niederländischen Team gebracht. Wie lange van der Vaart pausieren muss, ist unklar. Zudem klagte Ivo Ilicevic über Probleme. "Das müssen wir genau untersuchen", sagte Slomka, der am Freitag seinen 47. Geburtstag beging. Basketball, WM: Die Titelfavoriten aus den USA haben das Endspiel der Basketball-WM in Spanien erreicht. Die NBA-Spieler bezwangen im ersten Halbfinale Litauen souverän 96:68 (43:35) und treffen nun am Sonntag auf den Sieger der Begegnung zwischen Frankreich und Serbien, die sich am Freitag (22.00 Uhr) in Madrid gegenüberstehen. Die Franzosen hatten in der Runde der letzten Acht Gastgeber Spanien ausgeschaltet. Bester Werfer bei Titelverteidiger USA war Kyrie Irving von den Cleveland Cavaliers mit 18 Punkten, bei den Balten kamen NBA-Legionär Jonas Valanciunas von den Toronto Raptors und Mindaugas Kuzminkas von Unicaja Malaga auf jeweils 15 Zähler. Im Palau Sant Jordi traten sich die Amerikaner zunächst schwer und konnten sich erst spät im ersten Viertel (21:16) etwas absetzen. Auch zur Halbzeit lagen die Litauer, WM-Dritter von 2010, gegen den viermaligen Weltmeister noch in Schlagdistanz und mit acht Punkten zurück. Erst im dritten Viertel machte das US-Team dann ernst, legte einen vorentscheidenden 33:11-Zwischenspurt hin und sorgte damit für klare Verhältnisse. In der Schlussphase konnten die Amerikaner dann einen Gang zurückschalten, verwalteten den Vorsprung aber dennoch souverän. Volleyball, WM: Die deutschen Volleyballer haben bei der WM in Polen einen ganz großen Schritt in Richtung dritter Runde gemacht. Gegen Angstgegner Bulgarien setzte sich die Mannschaft von Bundestrainer Vital Heynen hochverdient mit 3:1 (25:16, 25:15, 23:25, 25:17) durch und feierte in Kattowitz im siebten Spiel der Titelkämpfe bereits den sechsten Sieg. Zur Qualifikation für die Runde der besten Sechs fehlt nun nur noch ein Erfolg. "Unsere Spiele gegen Bulgarien waren immer hart, und wir haben sie meist verloren. Aber heute waren wir einfach die bessere Mannschaft", sagte Georg Grozer, der einmal mehr als erfolgreichster Scorer glänzte: "Wir waren sehr fokussiert und haben sehr stark gespielt. Wir werden jetzt versuchen, uns zu erholen und dann mit Energie an die nächsten Aufgaben zu gehen." Nach zwei Begegnungen in der zweiten Gruppenphase hat die Auswahl des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV) nach einer erneut hochkonzentrierten Vorstellung zwölf Punkte auf dem Konto und kann mit breiter Brust in das Duell mit Olympiasieger und Goldfavorit Russland am Samstag (20.25 Uhr) gehen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/basketball-euroleague-daempfer-in-barcelona-1.4176610
mlsum-de-468
Die Bayern-Basketballer unterliegen 83:73 beim spanischen Pokalsieger FC Barcelona. Der deutsche Meister agiert unter den Körben zu zaghaft und zahlt erneut Lehrgeld in der Euroleague.
Natürlich stand das nackte Ergebnis im Vordergrund, jene vier Zahlen, die den FC Barcelona als Sieger der dritten Runde der Euroleague-Saison auswiesen: Mit 83:73 gewann der spanische Pokalsieger am Donnerstag gegen den FC Bayern München. Die Spanier haben damit ihren ersten Sieg eingefahren, die Münchner nach dem furiosen Sieg gegen Panathinaikos Athen den zweiten Dämpfer kassiert. Doch diese Partie hatte so viel mehr bieten als bloße Zahlen. Zuvorderst natürlich eine Familienzusammenführung, der Vater traf auf den Sohn, wenn schon nicht auf dem Spielfeld, so immerhin in leitender Funktion für den jeweiligen Arbeitgeber. Svetislav Pesic ist Trainer der Katalanen, Sohn Marko Geschäftsführer des FC Bayern. Der 69-Jährige war als ja Coach maßgeblich am rasanten Aufstieg der Bayern beteiligt, dem er erst in schweren Zeiten als Trainer zur Seite gesprungen war (unter Sportdirektor Marko Pesic) und im zweiten Jahr seines Wirkens 2014 den ersten deutschen Meistertitel in der BBL-Geschichte bescherte. Vor gut zwei Jahren hatte Pesic senior aus gesundheitlichen Gründen sein Amt in München niederlegen müssen, im vergangenen Februar tauchte er bei seinem ehemaligen spanischen Klub, mit dem er unter anderem das Triple samt Euroleague-Titel gewonnen hatte, zur nächsten Rettungsaktion auf. Und Pesic korrigierte eine bis dahin verkorkste Saison mit dem Gewinn des Pokals durch einen Finalsieg über den Erzrivalen Real Madrid. Zudem kehrte Bayern-Guard Petteri Koponen an seine die alte Wirkungsstätte zurück, wo er viele bekannte Gesichter traf. Auch spielerisch gab es Vertrautes aus Münchner Sicht: einen Fehlstart. Wie schon vor zwei Tagen beim Sieg gegen Panathinaikos Athen, wirkten die Münchner wieder eigenartig gehemmt. Vielleicht lag es am historischen Gemäuer des Palau Blaugrana, vielleicht am neuen Wettbewerb oder einfach an der Klasse des Gegners, jedenfalls zogen die Katalanen auf 24:8 davon. Angeführt vom enorm treffsicheren Spielmacher Kevin Pangos dominierten die Gastgeber vor allem unter den Brettern. Entweder schnappte sich der hünenhafte 2,17-Meter-Center Ante Tomic den zweiten Ball, oder Kollege Kevin Seraphin, mit 2,08 Metern ebenfalls mit Gardemaß gesegnet, war zur Stelle. Die Bayern agierten unter den Körben erneut zu zaghaft, leisteten sich zudem viele Fehlwürfe und Ballverluste. Dejan Radonjic reagierte mit einer Auszeit, Maodo Lo gab anschließend mit einem erfolgreichen Dreier den Startschuss zur Aufholjagd. Der Guard steigerte sich zu seiner bisher besten Leistung im Trikot des deutschen Meisters, Lo gab feine Pässe, zog mit seinem blitzschnellen ersten Schritt unaufhaltsam zum Korb - und traf aus allen Lagen. Mit einem Dreier zum 17:26 beendete er das erste Viertel, war mit 16 Punkten Topscorer der Bayern. Fortan war es ein Vergleich zweier gleichwertiger Teams. Weil die Bayern ihre unnötige Zurückhaltung unter den Körben ablegten und sich in der Defense steigerten, ging das zweite Viertel mit 19:18 Punkten an die Gäste, Barcelona war wieder in Reichweite. Mit einem krachenden Dunking eröffnete Bayern-Kapitän Danilo Barthel den dritten Durchgang, Booker legte nach und die Bayern waren dran: 40:44. Doch Barça besann sich auf das bewährte Muster und suchte seine Riesen unter dem Korb. Mit Erfolg: Tomic, der erst kürzlich seinen Vertrag bei den Katalanen um zwei Jahre verlängert hat, war nicht nur wegen des Bestwerts von 18 Punkten der Spieler des Abends. Vor dem finalen Viertel lagen die Gastgeber mit 65:54 Punkten wieder komfortabler in Front, die Bayern ließen sich aber nicht abschütteln. Zwei Dreier von Derrick Williams und die Münchner waren wieder dran (60:67, 32. Minute), letztendlich war es aber die hohe Quote an leichten Fehlern und verpassten Chancen, die einen durchaus möglichen Erfolg verhinderten. Die passierten nämlich fast immer in jenen Momenten, wenn die Bayern drauf und dran waren, den Spanier gefährlich nahe zu kommen. Barcelonas Überlegenheit im Reboundspiel war letztlich der Schlüssel zum Sieg, den Münchnern bleibt nur die Erkenntnis, in weiten Phasen mitgehalten zu haben. Angesichts der nackten Zahlen ein schwacher Trost.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-wie-die-auswaertstor-regel-die-branche-aufwuehlt-1.4120063
mlsum-de-469
Thomas Tuchel, José Mourinho und weitere Trainer von Topklubs wollen die Vorschrift abschaffen. Eine Änderung würde das Spiel aber nicht unbedingt fairer machen.
Die Auswärtstor-Regel ist beliebt unter Fußballfans, hat sie sich doch als exzellente Methode erwiesen, gänzlich Unkundigen beim Fernsehschauen mit Fachkompetenz zu imponieren. Zum Beispiel kann man zur Oma sagen: "Die Regel, dass bei unentschiedenem Spielstand in der Addition von Hin- und Rückspiel die Mannschaft die nächste Runde erreicht, die mehr Auswärtstore erzielt hat, wurde erstmals 1965 international angewendet." Nun hatte man gerade mal gut 50 Jahre Zeit, um die Regel lieb zu gewinnen, da kommen plötzlich Trainer daher, die sie abschaffen wollen. Die Übungsleiter mehrerer Topklubs, unter anderen Thomas Tuchel (Paris SG) und José Mourinho (Man United), trafen sich in Nyon und präsentierten diese Idee. Der gemeine Fan ist beim leidenschaftlichen Erklären der Auswärtstorregel immer davon ausgegangen, dass es von Vorteil sei, das Rückspiel zu Hause - und mithin die Entscheidung vor eigenem Publikum und im gewohnten Umfeld - zu haben. Die Spitzentrainer haben Umgekehrtes beobachtet: Es lohne sich, zuerst zu Hause zu spielen. Heimmannschaften würden im Hinspiel oft defensiv agieren, um ein Gegentor zu vermeiden, im Rückspiel als Auswärtsmannschaft dann aber mutig. Ein aktuelles Beispiel ist die Champions-League-Qualifikation: RB Salzburg spielte erst 0:0 in Belgrad, führte dann im Rückspiel 2:0, ehe Roter Stern mit dem Mute der Verzweiflung in der zweiten Hälfte offensiv wurde und noch 2:2 spielte. Nun mag man argumentieren, dass den Salzburgern niemand verboten hat, noch ein drittes Tor zu schießen oder einfach eines weniger zu kassieren. Oder, dass die Pokalwettbewerbe ja ohnehin einem Losverfahren folgen. Möglicherweise wären die Salzburger weitergekommen, wenn das Los ihnen zuerst das Heimspiel beschert hätte. Möglicherweise wären sie aber auch weitergekommen, wenn sie schlicht einen ganz anderen Gegner erwischt hätten. Bei einer Verlängerung in Spielzwei bleiben 30 Minuten mehr Zeit für das Auswärtstor Entgegenhalten lässt sich wiederum, und da wird es schon recht akademisch, dass die Auswärtsmannschaft des zweiten Spiels für ein Auswärtstor im Falle einer Verlängerung 30 Minuten mehr Zeit hat. Doch bei Abschaffung der Auswärtstorregel wäre in der Verlängerung wiederum mutmaßlich die Heimmannschaft des zweiten Spiels bevorteilt, einfach nur, weil sie zu Hause spielt. Die Verlängerungs-Probleme wären allerdings simpel zu lösen: Direkt nach 90 Minuten müsste das Rückspiel ins Elfmeterschießen gehen. Und bevor dieses beginnt, müssten sämtliche Zuschauer das Stadion verlassen, um den Heimvorteil zu vermindern. Am besten wäre es freilich, die beiden Mannschaften würden für das Elfmeterschießen auf einen neutralen Platz gebracht werden. Das alles zu erklären, wäre beim Fußballschauen eine ganz schöne Herausforderung.
https://www.sueddeutsche.de/sport/dfb-team-jogi-schwebt-nicht-mehr-1.4168076
mlsum-de-470
Der neue Vertrag von Bundestrainer Joachim Löw beim Deutschen Fußball-Bund läuft noch bis zur Weltmeisterschaft 2022 - doch nach SZ-Informationen haben beide Partien nach der EM 2020 ein Ausstiegsrecht.
Während der großen Fußballkonferenz des Weltverbandes Fifa am 23. September in London befand sich der deutsche Bundestrainer dort, wo er hingehörte: mittendrin in der Menge, als einer unter vielen. 190 Nationaltrainer nahmen teil, Löw, Vertreter des WM-Verlierers Germany, saß neben den Kollegen aus Georgien und Gibraltar. Auf der Bühne sezierten außer dem Weltmeistercoach Didier Deschamps die Fußball-Legenden und Fifa-Funktionäre Carlos Alberto Parreira, Marco van Basten und Clarence Seedorf das Geschehen beim WM-Turnier, als van Basten plötzlich einen Einfall hatte: "Es wäre jetzt interessant, mit Mister Löw zu sprechen", sagte er, was seinen Landsmann spontan zur Programmänderung veranlasste. "Herr Löw, wo sind Sie?", rief Seedorf in den Saal hinein. Für Löw gab es kein Entkommen, aber augenscheinlich kostete es ihn keine Überwindung, ein Mikrofon zu nehmen und dem Weltkongress zu erklären, warum er mit seiner Mannschaft in Russland gescheitert war. Unter anderem gab er "taktische Fehler" zu, und weil ein Trainerkonvent keine Selbsthilfegruppe ist, sondern eher einer Vollversammlung der Unfehlbaren gleicht, rief er durch seine Selbstbezichtigung großes Aufsehen hervor. Van Basten teilte feierlich mit, er sei "froh und stolz, dass Sie aufgestanden sind und so offen zu uns gesprochen haben, das war sicherlich nicht einfach". Seedorf schwärmte von "wundervollen Einsichten". Für jene 189 Koryphäen, die in London beieinandersaßen, ist die WM Geschichte, analysiert und aufgearbeitet, Jogi Löw aber befindet sich noch mittendrin in der privaten Verlängerung des Turniers. Daran hat ihn während der vergangenen Woche sein ehemaliger Kapitän und spezieller Freund Michael Ballack erinnert, als er der Deutschen Welle erzählte, er sei "wie viele andere Leute überrascht gewesen, dass er seinen Job behalten hat". Die Herren des DFB müssten sich "doch eingestehen, dass die Dinge nicht mehr funktionieren, wenn jemand so lange mit einer Mannschaft zusammenarbeitet wie er". Löws DFB-Vertrag gilt bis 2022, nach der EM 2020 haben beide Parteien ein Ausstiegsrecht Bis zum Abpfiff der Nations-League-Spiele gegen die Niederlande und Frankreich am Samstag und Dienstag steht Ballacks Wort lediglich als einzelne Meinungsäußerung im öffentlichen Raum. Aber den DFB-Verantwortlichen ist bewusst, dass sich das wahrscheinlich ändern wird, falls es auf unschöne Weise schiefgehen sollte in Amsterdam und Paris. Dass es dann in Deutschland eine Bundestrainer-Debatte geben wird, daran hat man in Frankfurt wenig Zweifel. Anders aber, als Ballack das vielleicht glaubt, hatten die Oberen des Verbandes eine solche Debatte selbst bereits auf die imaginäre Tagesordnung gesetzt, nachdem Löw Anfang Juli seine Bereitschaft zum Bleiben erklärte: Im Fall des Abstiegs aus der Eliteklasse der Nations League sei Löw nicht mehr zu halten, dies war der unzweideutige Tenor im DFB-Präsidium. Ob dieser Grundsatz jetzt noch gilt, liegt aber im Ungewissen. Es heißt, dass man für den Fall der Fälle vorbereitet wäre, doch man ist mittlerweile wieder besserer Hoffnung, den sogenannten Plan B nicht aktivieren zu müssen. Oliver Bierhoff wird als zuständiger Manager dem Präsidium bei der nächsten Sitzung am kommenden Freitag Bericht erstatten. Im ärgsten Fall könnte es dann einen Beschluss geben, aber dieser Beschluss könnte auch lauten, dass Löw noch die Chance bekommt, im November beim Heimspiel gegen die Niederlande den zweiten Gruppenplatz zu retten. Derzeit verlangt ja niemand, dass der Bundestrainer seine Mannschaft vor dem Weltmeister Frankreich in die Endrunde der Nations League führt. Die Rückmeldungen, die Bierhoff den Funktionären aus der Mannschaft bisher übermittelt hat, seien positiv. Die Spieler seien sich ihrer eigenen Schuld am WM-Versagen bewusst und wollten unbedingt mit Löw weiterarbeiten, "da wird totale Unterstützung gelebt", heißt es aus Frankfurt. Dies hat sogar Michael Ballack bestätigt, beim 0:0 gegen Frankreich Anfang September habe er "wirklich gute Spieler gesehen, die sich mit den Franzosen messen konnten". Während mancher Kritiker monierte, Löw habe entgegen seinem Vorsatz der "tief greifenden Veränderungen" bloß wieder die alten Gesichter im Nationalteam versammelt, glaubt man beim DFB, dass der Bundestrainer mit Manager Bierhoff die richtigen Lehren gezogen hätte. Die Verringerung des Betreuerstabs um zwölf Mitglieder und die Beförderung von Marcus Sorg zum ersten Assistenten (auf Kosten des ins Scouting versetzten Thomas Schneider) habe "mehr Übersicht und Vertraulichkeit" geschaffen.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/arbeitsmarkt-der-exodus-der-aerzte-1.506757
mlsum-de-471
Drei Mediziner erklären, warum sie Deutschland verlassen haben - und einer, warum er wieder zurückkehrte.
Die deutschen Ärzte leiden - unter langen Arbeitszeiten, ausufernder Bürokratie, herrischen Chefärzten und einer verhältnismäßig schlechten Bezahlung. Die steile Karriere im Krankenhaus oder die gut gehende eigene Praxis scheint für die meisten jungen Mediziner in weite Ferne gerückt zu sein. Detailansicht öffnen Jost Mullenheim (mit seiner Verlobten) in England: "Die Arbeitszeit beträgt etwa 50 Prozent der Arbeitszeit in Deutschland, die Bezahlung ist rund viermal so hoch." (Foto: Foto: privat) Etwa jeder zweite Medizin-Studienanfänger wird später nicht in Deutschland praktizieren. Vor allem im Osten und in ländlichen Regionen bleiben in Krankenhäusern und Praxen immer mehr Stellen unbesetzt. Die gut und teuer ausgebildeten Fachärzte gehen in die Industrie, in die Gesundheitsbürokratie oder sie suchen ihr Glück im Ausland. Mit 2600 deutschen Ärzten gilt Großbritannien laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung als beliebtestes europäisches Asyl unzufriedener Mediziner. Hoch im Kurs liegen aber auch Schweden, Norwegen und die Schweiz. Peter Gaide hat mit drei Aussteigern und einem Heimkehrer gesprochen. Jost Mullenheim, 39, Großbritannien Zehn Jahre als Arzt im deutschen Krankenhaus reichen, um zu der Überzeugung zu kommen, dass es so nicht noch 30 Jahre lang weitergehen kann. Nach meinem Berufsstart vor zehn Jahren folgte die Karriere: Facharztausbildung zum Anästhesisten an einer Uni-Klinik mit Habilitation. Auch als Oberarzt behandelte mich mein Chef weiterhin so despektierlich wie in den Jahren zuvor, die Arbeitszeit wuchs weiter: 80 bis 100 Stunden in der Woche einschließlich Wochenend- und Nachtdiensten. Und die Bezahlung von etwa 2400 Euro netto stand in keinem Verhältnis zu meinen Fähigkeiten und meiner Arbeitsbelastung. Das Kündigungsgespräch war der beste und einzige echte Dialog, den ich mit meinem Chef jemals hatte. Seit mehr als zwei Jahren arbeite ich nun in einer außergewöhnlich freundlichen Atmosphäre am Tyneside Hospital in South Shields bei Newcastle. Als "Consultant" und "Head of Department" bin ich, wenn überhaupt, nur in organisatorischer Sicht führend. Medizinisch sind mir meine sieben Kollegen - darunter fünf Deutsche - gleichgestellt. Wesentliche medizinische und organisatorische Entscheidungen werden gemeinsam diskutiert und von der Mehrheit bestimmt. Die Arbeitszeit beträgt etwa 50 Prozent der Arbeitszeit in Deutschland, die Bezahlung ist rund viermal so hoch mit weiterer vertraglich festgelegter Steigerung in einem auf Expansion ausgelegten Gesundheitssystem. In England ist das soziale Ansehen der Ärzte extrem hoch. Neid wegen des guten Gehalts oder gar Ausländerfeindlichkeit sind mir noch nicht begegnet. Zudem sind englische Patienten nicht gerade verwöhnt, was ihre Versorgung angeht. Leider ist das Knüpfen von engeren sozialen Bindungen wegen der fremden Sprache im Moment noch ein bisschen schwierig. Trotzdem: Eine Rückkehr nach Deutschland kommt für mich und meine Verlobte während des Berufslebens nicht mehr in Frage.
https://www.sueddeutsche.de/politik/russlands-werben-um-serbien-vergebliches-trommeln-gegen-europa-1.2255958
mlsum-de-472
Präsident Putin kommt persönlich nach Serbien, Moskaus Propagandisten warnen das Land vor dem "Joch der EU". Doch Russlands Stimmungsmache fruchtet nicht. Die meisten Serben würden für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union stimmen.
Schlechter Deal mit der South-Stream-Pipeline Zumindest auf den zweiten Blick schien es ein vorteilhaftes Geschäft zu sein, als Serbien die Ölgesellschaft NIS 2008 dem vom Kreml kontrollierten Gazprom-Konzern verkaufte. Gewiss, Gazprom zahlte für die Kontrollmehrheit von 51 Prozent nur 400 Millionen Euro. Das war nicht mal ein Fünftel des Marktwerts. Doch das Geschäft sei ja nur Teil eines Energiepakets, rechtfertigte sich Belgrad. Russland werde dafür die Erdgaspipeline South Stream auch durch Serbien bauen: mit Bauaufträgen im Wert von einer halben Milliarde Euro für serbische Firmen und später jährlichen Transitgebühren von bis zu 300 Millionen Euro. Doch am 1. Dezember verkündete Russlands Präsident Wladimir Putin das Aus für South Stream. Serbien sah nicht nur, dass es vom Kreml nicht konsultiert wurde. Das Land stellte auch ernüchtert fest, dass es versäumt hatte, eine Entschädigung oder Nachzahlung auf den niedrigen Kaufpreis für NIS für den Fall festzulegen, dass South Stream nicht gebaut würde. Auf die Frage, an wen sich Serbien wegen Entschädigung wenden solle, antwortete der russische Botschafter Alexander Tschepurin ebenso kurz wie falsch mit: "an die EU". Tatsächlich hatte die EU mit South Stream nur insofern zu tun, als sie von Russland verlangte, in jedem geplanten Transitland auch Konkurrenzfirmen den Zugang zur künftigen Pipeline zu erlauben - so wie vom EU-Recht vorgeschrieben. Dies aber verweigerte Gazprom bis zur von Putin verkündeten Absage. Mit dem 1. Januar steigt Serbiens Bedeutung für Russland noch Des Botschafters irreführende Antwort ist nur das bisher letzte Manöver, mit dem Russland verstärkt versucht, EU-Kandidat Serbien gegen die EU aufzuwiegeln und stärker dem eigenen Einfluss auszusetzen. Mit dem 1. Januar steigt Serbiens Bedeutung aus Kremlsicht noch: Dann löst Serbien die Schweiz als Vorsitzender der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ab. Die OSZE aber ist eines der zentralen Instrumente, mit dem die internationale Gemeinschaft versucht, Moskaus Stellvertreterkrieg in der Ostukraine unter Kontrolle zu bekommen oder gar zu beenden - bisher erfolglos. Den Anfang der Moskauer Herbstoffensive in Serbien machte der Präsident persönlich. Am 16. Oktober flog Putin ein - offiziell nur, um den 70. Jahrestag der Befreiung Belgrads durch die Rote Armee vom deutschen Besatzungsregime zu feiern. Dann übten Mitte November 200 russische Fallschirmspringer gemeinsam mit serbischen Soldaten in Nikinci, 50 Kilometer von der Grenze des Nato-Mitglieds Kroatien. Nach Belgrad kam zur selben Zeit Patriarch Kirill, das Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche. Der Patriarch feierte nicht nur Gottesdienste mit den Glaubensbrüdern der Serbisch-Orthodoxen Kirche, sondern weihte mit Serbiens Patriarch Irinej auch ein Denkmal für Russlands letzten Zaren Nikolaus II. ein. "Unter dem Joch der EU" Und in der serbischen Wirtschaftskammer berieten serbische und russische Wissenschaftler und Propagandisten über Perspektiven des russisch-serbischen Verhältnisses. Leonid Reschetnikow, Ex-General des russischen Auslandsspionagedienstes SWR und in Belgrad Statthalter des kremlfinanzierten Russischen Instituts für Strategische Studien, geißelte Belgrads Ziel der Aufnahme in die EU. Statt zur EU müsse Serbien zu Russland, Bulgarien und Griechenland halten - schließlich seien sie "eine besondere Zivilisation". Das westliche Modell aber wolle "Serbien vernichten und Griechenland in die Knie zwingen". Jelena Ponomarjowa, Professorin am Moskauer Institut für internationale Studien (MGIMO), der Kaderschmiede der russischen Diplomatie, sekundierte, Serbien werde seine nationale Souveränität verlieren und unter das Joch von EU, Internationalem Währungsfonds und Weltbank, dem "Vierten Reich", kommen. Statt in die EU zu drängen, solle Serbien warten, bis Russland sein Gegenprojekt der Euroasiatischen Union fertig habe, das es dann "auch dem Balkan vorschlagen" werde. Hilfen aus Moskau: Null, Hilfen aus der EU: 4,2 Milliarden Euro Mit dem Trommeln gegen die EU findet Moskau in Serbien allerdings zunehmend weniger Gehör. Zwar glaubt noch ein Fünftel der Serben, dass Russland der finanziell größte Gönner ihres Landes sei. Tatsächlich lagen Moskaus kostenlose Finanzhilfen zwischen 2000 und 2013 bei Null, so das EU-Büro der serbischen Regierung. Die Hilfen von EU und Mitgliedsländern wie Deutschland, Italien oder den Niederlanden dagegen machten in diesem Zeitraum etwa 4,2 Milliarden Euro aus. Außenminister Ivica Dacic sieht Serbiens Vorteil einer EU-Mitgliedschaft vor allem darin, "von der EU nicht zurückzuzahlendes Geld zu erhalten". Die EU hat jedenfalls ihr Image verbessert. Im September 2012 sahen nur 31 Prozent der Serben die EU positiv - im September 2014 waren es bereits 47 Prozent, so Umfragen des Meinungsforschungsinstituts TNS Medium Gallup im Auftrag des Belgrader EU-Büros. Würde Belgrad eine Volksbefragung über den EU-Beitritt abhalten, würden 53 Prozent dafür stimmen, strikt dagegen sind nur 28 Prozent.
https://www.sueddeutsche.de/politik/griechenland-in-der-fluechtlingskrise-kann-europa-garantieren-dass-wir-die-fluechtlinge-in-die-tuerkei-zurueckschicken-koennen-1.2865987
mlsum-de-473
Die EU ist dringend auf Griechenland angewiesen, wenn sie Flüchtlinge fairer verteilen will. Athen zeigt sich willig - sofern die Türkei ihren Verpflichtungen nachkomme.
Vielleicht kann das die Lösung in der Flüchtlingskrise sein: Die Türkei nimmt Griechenland illegal eingereiste Migranten ab. Die Botschaft an die Hilfesuchenden würde lauten: Versucht es gar nicht mehr, hier kommt ihr nicht weiter! Wir schicken euch in die Türkei zurück. Und die Türkei schickt womöglich bald nach einem vereinbarten Schlüssel syrische Flüchtlinge direkt per Flugzeug in EU-Länder, die sich Merkels "Allianz der Willigen" anschließen. Darüber dürfte beim EU-Gipfel und einem Treffen mit dem türkischen Regierungschef Ahmet Davutoğlu am Donnerstag und Freitag in Brüssel verhandelt werden. Fest steht: Dies wird nur gelingen, wenn die Griechen mitspielen. Griechenlands Innenminister Panagiotis Kouroumplis sagte der Süddeutschen Zeitung: "Das kann vielleicht funktionieren." Und auch Regierungssprecherin Olga Gerovasili machte am Dienstag deutlich: An Griechenland werde es nicht liegen, ob der neue Plan gelingt oder nicht. Es gibt ja bereits Vereinbarungen mit der Türkei über die Rücknahme von Flüchtlingen. Aber sie nutzten bislang wenig. "Das Problem liegt auf der türkischen Seite", sagt Kouroumplis. Die Türken hätten bisher nur wenige Migranten akzeptiert, die zurückgeschickt werden sollten. "Ein paar Dutzend, vielleicht 100", so Kouroumplis. Gemessen an der Größe des Problems sei dies "unbedeutend". Es fehlt an Vertrauen der Griechen in die Türkei Überhaupt fehlt es an Vertrauen der Griechen in die Türkei: "Kann Europa dafür garantieren, dass wir die Flüchtlinge in die Türkei zurückschicken können?", fragt Kouroumplis. Noch hätten die versprochenen Anstrengungen der Türkei keine Wirkung gezeigt. Im Gegenteil: In griechischen Häfen lägen zahlreiche Flüchtlingsboote aus der Türkei, die zu groß seien, als dass sie unbemerkt von verlassenen Buchten der türkischen Küste aus hätten starten können. Sie bräuchten die Infrastruktur von Häfen. "Das beweist, dass die Häfen von den Türken nicht kontrolliert werden." Sein Land werde sich keiner Lösung verschließen, sagt Kouroumplis. Griechenland sei dem Wunsch - gerade dem der Deutschen - nachgekommen, die Türkei als sicheres Drittland einzustufen, um die Rückführung von Migranten einfacher zu machen. "Wir sind offen für Vorschläge", sagt der Innenminister. Athen habe auch zugestimmt, dass die Nato in der Ägäis patrouilliert, um die Küstenwachen von Griechenland und der Türkei dabei zu unterstützen, den Menschenhandel auf See zu bekämpfen, obwohl beide Länder zahlreiche offene Streitpunkte im Mittelmeer hätten. Alle fünf Hotspots zur Registrierung der Flüchtlinge sollen nach Angaben von Kouroumplis noch diesen Monat ihren Betrieb aufnehmen. Vier von fünf stünden schon bereit. Lediglich für das Registrierungszentrum auf Kos brauche man noch ein paar Tage. "Wir haben unsere Schwächen. Der Aufbau der Hotspots hat sich verzögert", räumt Kouroumplis ein. Neben den Hotspots sei auch das erste von zwei Umverteilungszentren auf dem griechischen Festland nun fertiggestellt. Die Anlage in Schisto in der Nähe von Athen ist für die Aufnahme von 4000 Menschen ausgelegt. Ein weiteres Zentrum bei Thessaloniki im Norden des Landes soll bis Ende des Monats bereit sein. Niemand dürfe ignorieren, dass Griechenland alles dafür unternehme, an der Lösung des Flüchtlingsproblems mitzuarbeiten, sagt Kouroumplis. EU-Ratspräsident Donald Tusk zeigt sich versöhnlich gegenüber Griechenland Versöhnlich im Ton zeigte sich am Dienstag auch EU-Ratspräsident Donald Tusk bei seinem Besuch in Athen. Er sprach sich klar gegen einen Ausschluss Griechenlands aus dem Schengenraum aus - eine Forderung, die aufgekommen war, um den Druck auf das Land zu erhöhen, seine Grenzen besser zu sichern. "Griechenland hat die Flüchtlingskrise nicht heraufbeschworen", sagte Tusk bei einem Treffen mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Der Schengen-Ausschluss löse kein einziges der mit der Krise verbundenen Probleme. "Er beendet den Krieg in Syrien nicht und ändert nichts an der Tatsache, dass Europa das Ziel der Flüchtlinge ist." Tsipras forderte die EU auf, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Was passiert, wenn alle Balkanländer doch ihre Grenzen dichtmachen? "Das ist eine schwierige Frage", sagt der griechische Innenminister. Er sähe internationales Recht durch einen solchen Schritt verletzt. Es wäre auch kurzsichtig zu glauben, dadurch könne man die Probleme loswerden. "Es ist für mich unvorstellbar, dass Europa ein solches Verbrechen begeht", sagt Kouroumplis. Griechenland fühlt sich wieder von der EU im Stich gelassen. Bis zu einer Milliarde Euro werde die Flüchtlingskrise sein krisengeschütteltes Land kosten - im Jahr. Von der EU habe man in sechs Jahren nicht einmal 500 Millionen Euro als Unterstützung in diesem Bereich bekommen, so Kouroumplis.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/digitalisierung-neue-technologien-sind-keine-gefahr-1.3785743
mlsum-de-474
Forscher untersuchen, wie der Fortschritt breiten Massen helfen kann. Voraussetzung ist, dass die Produktivität weiter steigt. In dem Fall bedroht die Robotisierung keine Arbeitsplätze.
Vor kurzem nährte die Boston Consulting Group Sorgen, die sich viele Deutsche machen. Bis 2025 könnten acht Millionen Arbeitsplätze durch Computer und Roboter ersetzt werden, sagen die Unternehmensberater voraus. Das heiße zwar nicht, dass all diese Arbeitnehmer wirklich ihren Job verlören. Viele bräuchten allerdings Weiterbildung oder andere Beschäftigung. Die Forscher Wim Naudé und Paula Nagler setzen jetzt einen Kontrapunkt zu den Ängsten vor der Digitalisierung: Sie proklamieren, mehr technologische Innovationen könnten zu Wachstum führen, von dem die Masse der Beschäftigten profitiert. Die Wissenschaftler räumen ein, dass die Ungleichheit in der Bundesrepublik wie in vielen Industriestaaten in den vergangenen 30 Jahren zugenommen hat. "Diese Befunde deuten darauf hin, dass das Wirtschaftswachstum der letzten Jahrzehnte - anders als etwa zu Zeiten des Wirtschaftswunders - nicht mehr zu einer Abnahme von Ungleichheit führt." Dafür machten zuletzt Organisationen wie IWF und OECD teilweise den technischen Fortschritt in seiner aktuellen Form verantwortlich. Er habe die oberen Einkommen deutlich stärker steigen lassen als den Verdienst etwa der Mittelschicht. Der US-Ökonom David Autor spricht von der "Polarisierung" des Arbeitsmarkts. Naudé und Nagler argumentieren in einer unveröffentlichten Studie für die Bertelsmann-Stiftung, dass Innovationen im Gegenteil der breiten Masse helfen - jedenfalls dann, wenn sie die Produktivität ihrer Arbeit erhöhen. Die Produktivität steigt zum Beispiel, wenn Arbeiter einer Fabrik durch bessere Maschinen, Qualifizierung oder Organisation der Abläufe mehr Autos herstellen als im Jahr zuvor. Mehr Produktivität führt im Regelfall zu mehr Lohn. Doch die Arbeitsproduktivität habe in Deutschland seit 2004 kaum zugenommen, so Naudé und Nagler, im EU-Vergleich falle das Land zurück. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft spricht in einer aktuellen Studie von einer "ausgeprägten Schwäche" - und das limitiert die Löhne, also das Wohlergehen breiter Massen. Flexibilität und lebenslanges Lernen sind wichtiger als Spezialkenntnisse Naudé und Nagler, die an der Universität Maastricht lehren, nehmen den technischen Fortschritt in Schutz: Hätte er in den vergangenen Dekaden massenhaft Stellen wegrationalisiert, hätte die Produktivität der verbliebenen Jobs zunehmen müssen - doch die stagniere ja. Diese These ist umstritten. Denn die Anpassung verläuft oft anders: Wer wegrationalisiert wird, weicht auf wenig produktive, schlecht bezahlte Dienstleistungsjobs aus. Er wird Paketbote oder geht ins Call Center. Dieser Mechanismus kann beide Phänomene erklären: stagnierende Produktivität und zunehmende Ungleichheit der Einkommen. Es lohnt aber in jedem Fall, die weitere Argumentation der Forscher zu betrachten. Denn sie erklären die stagnierende Produktivität vor allem mit mangelnden Innovationen - und fragen, ob Deutschland den Anschluss verliert. Dafür sehen sie eine ganze Reihe von Anzeichen und Ursachen. Wurde vor 30 Jahren noch jedes zweite angemeldete Patent genehmigt, sei es heute nur noch jedes vierte - Indiz für weniger Originalität. In den USA werde mehr in Risikokapital investiert und der Abstand nehme zu. Zudem sei die Zahl hoch qualifizierter Wissenschaftler in Forschung und Entwicklung in den vergangenen 20 Jahren deutlich schwächer gewachsen als in Skandinavien oder Kanada. Auch wirke der Abgang akademischer Koryphäen in der Nazi-Zeit immer noch nach. Und: Gewerkschaften sorgten dafür, dass Innovationen im ganzen Betrieb verbreitet würden, weil sie die Jobs in allen Betriebsteilen sichern wollen. Die Gewerkschaften seien zuletzt aber geschwächt geworden. Naudé und Nagler machen eine ganze Reihe Vorschläge, wie sich Innovationen und damit Produktivität und Löhne steigern liessen. Deutschland dürfe nicht nur Prozesse verbessern, sondern müsse in neue Ideen in den Schlüsselindustrien investieren. Arbeitnehmer sollten auch durch andere Qualifikation ermutigt werden, in Zukunftsbranchen zu wechseln. Alle Schichten bräuchten Zugang zu besserer Bildung. Und: Die Universitäten seien zu spezialisiert. Für die künftige Arbeitswelt sei es besser, Flexibilität und lebenslanges Lernen zu fördern als sich nur auf die Vermittlung von Spezialkenntnissen zu konzentrieren. Übersetzt heißt das: Deutschland hat tolle Ingenieure. Aber für die digitale Ära reicht das nicht.
https://www.sueddeutsche.de/sport/marco-reus-gott-sei-dank-schmerzfrei-1.3891941
mlsum-de-475
Nach seiner langen Verletzungspause beweist Marco Reus beim BVB, dass er jederzeit das Niveau einer Mannschaft heben kann - wenn er gesund bleibt. Ihn treibt eine große Sehnsucht an.
Als die Arbeit getan war, ging auch Marco Reus mit den Kollegen in die Kurve der Borussen-Fans. Irgendwo in der zweiten Reihe stand er und reckte, nach seiner späten Auswechslung von einer gelbschwarzen Daunenjacke ummantelt, doch noch immer in kurzen Arbeitshosen, die Arme zum Applaus in die Höhe. Auch später, als er in der Leipziger Arena den Gang zur Kabine antrat, hielt er sich zurück. Er ließ die wartenden Journalisten stehen; wer weiß, ob aus Gründen bloßer Indifferenz, oder weil er um seinen Beitrag zu einem Punktgewinn kein Aufheben machen wollte. Der war durchaus beachtlich. Denn dass Borussia Dortmund bei RB Leipzig gespielt und damit den Dreipunkte-Vorsprung auf den Rivalen um die Champions-League-Plätze gewahrt hatte, war vor allem Reus zu verdanken, der mit seinem Ausgleichstor (34. Minute) für etwas gesorgt hatte, was vor allem die erste Halbzeit sehenswert machte: einen Moment der Anmut. Trainer Peter Stöger bezieht Marco Reus bei allen Entscheidungen mit ein Zumindest dann, wenn man in der Intuition Anmut entdecken will. "Das war eine dieser Situationen, die ihn auszeichnen, in denen er mit Tempo in die Tiefe geht und dann die Ruhe hat, am Torwart noch vorbeizugehen", sprach Leipzigs Innenverteidiger und Kapitän Willi Orban, als er nach der Partie bereits bei einem TV-Interview die Aufzeichnung des Treffers sehen durfte: "Das war gut gemacht, das muss man sagen." Zwar beschwerten sich die Leipziger nicht ganz zu Unrecht darüber, dass Reus wohl mit einer Fußspitze - das heißt: mit bloßem Auge kaum erkennbar - im Abseits gestanden hatte, als Mahmoud Dahoud den Ball in den Raum spielte, den Reus erspäht hatte. Doch entscheidend war, dass die Leipziger Hintermannschaft "nicht den Pass antizipiert" hatte, "das hätte man vielleicht ein bisschen vorher lesen können", ärgerte sich Orban. Intuition, sagte einmal der argentinische Fußballweise Jorge Valdano, sei "Intelligenz in Höchstgeschwindigkeit"; und davon hat Reus eine ganze Menge. Es war sein drittes Tor im laufenden Spiel- und Kalenderjahr. Erst sein drittes Tor, könnte man hinzufügen, wenn man nicht wüsste, dass Reus gerade mal vier Spiele bestritten hat und erst vor wenigen Wochen, nach 259 Tagen Verletzungspause, zu der ihn ein Anriss des Kreuzbandes aus dem vergangenen Sommer gezwungen hatte, auf den Rasen zurückgekehrt war. Die Verletzungen und Reus, das ist ja auch so eine Geschichte, seine Krankenakte hat mehr Seiten als manches Werk des russischen Schriftstellers Tolstoi. Das bedeutet aber nicht nur, dass er bekanntlich schon einige Turniere verpasst hat - zuletzt die WM 2014 und die EM 2016 -, sondern auch, dass er einige Comebacks hinter sich hat und sich dann, anders als viele andere Profis, sofort wieder auf dem Rasen zu orientieren wusste. "Das ist seine Qualität. Er ist immer stärker zurückgekommen", sagte Maximilian Philipp, der am Samstag selbst nach 70-tägiger Verletzungspause erstmals wieder mitwirken konnte. "Er ist ein Spieler, der das Niveau jeder Mannschaft hebt. Das war auch heute so", sagte Peter Stöger, der als Trainer von Borussia Dortmund in nun schon zehn Spielen ungeschlagen ist.
https://www.sueddeutsche.de/sport/nach-krebsleiden-ex-hertha-profi-alex-alves-ist-tot-1.1523105
mlsum-de-476
Trauer bei Hertha BSC: Der ehemalige brasilianische Fußballprofi Alex Alves ist gestorben. Im Alter von 37 Jahren erliegt der frühere Stürmer einer Leukämie-Erkrankung. Im Trikot der Berliner schoss Alves einst das "Tor des Jahres".
Er war Berlins launische Diva, kam im weißen Pelzmantel zur Hertha-Weihnachtsfeier und schoss ein unglaubliches "Tor des Jahres": Alex Alves ist am Mittwoch im Alter von nur 37 Jahren an den Folgen einer Leukämie-Erkrankung gestorben, als exzentrischer Angreifer bleibt er auch Fans in Deutschland unvergessen. Zuletzt war es ruhig geworden um Alves, denn nach dem Ende seiner drei Berliner Jahre (2000 bis 2003) ging es für den hoch veranlagten Angreifer sportlich bergab. In den vergangenen vier Jahren musste er gegen den Krebs kämpfen, erst am 7. Oktober war Alves in der Krebsklinik Amaral Carvalho in der brasilianischen Kleinstadt Jau (Bundesland Sao Paulo) operiert worden. Dabei wurde ihm Knochenmark transplantiert. Spender war einer seiner Brüder. Finanzielle Probleme des früheren Profis hatten keinen früheren Eingriff zugelassen, zuletzt halfen Freunde und Bekannte. Acht Monate musste Alves auf eine Operation warten, weil der Eingriff weitgehend über das öffentliche Gesundheitssystem SUS finanziert wird. In dieser Zeit bekam der Ex-Kicker eine Chemotherapie, die aber nicht richtig anschlug. Am Mittwoch bestätigte die Klinik Alves' Tod. Der Boulevard hatte an Alves zu dessen Zeit in Berlin seine Freude, sein Auftritt auf der Weihnachtsfeier 2002 in einem weißen Pelzmantel ist legendär, ebenso wie sein "Tor des Jahres" 2000. Nach einem Gegentreffer im Spiel gegen den 1. FC Köln im September schoss Alves direkt aus dem Mittelkreis aus 52 Metern ins Tor zum zwischenzeitlichen 1:2, Hertha gewann noch 4:2. Alves sagte später: "Das Tor von der Mittellinie gegen Köln war das schönste in meinem Leben. Ich freue mich, dass ich dieses Tor für Hertha geschossen habe." Insgesamt erzielte er in 81 Spielen für die Berliner 25 Tore. Der Angreifer, für den Hertha in Jahr 2000 die Rekordablöse von umgerechnet 7,5 Millionen Euro nach Belo Horizonte überwies, hatte nach seiner Berliner Zeit nicht mehr viel Glück als Profi. In seiner Heimat wechselte er oft den Klub, ohne an frühere Erfolge anknüpfen zu können. Auch die Hertha hatte eine Hilfsaktion für Alves gestartet. Unter dem Motto "Herthaner helfen Alex" sollte die Original-Medaille der ARD-Sportschau für sein "Tor des Monats", das später "Tor des Jahres" wurde, versteigert werden. Alves hatte die Medaille in Berlin gelassen. Die Aktion sollte noch bis zum 22. November dauern. Ob die Aktion nach Alves' Tod fortgesetzt wird, ist noch unklar.
https://www.sueddeutsche.de/sport/aufstieg-bielefeld-und-duisburg-sind-wieder-zweitklassig-1.2481457
mlsum-de-477
Doppelte Freude in Nordrhein-Westfalen: Arminia Bielefeld reicht am vorletzten Spieltag ein 2:2 gegen Regensburg für den Aufstieg in die zweite Bundesliga. Der MSV Duisburg besiegt Holstein Kiel mit 3:1 - die Kieler müssen in die Relegation.
"Das ist sensationell! Der MSV lebt wieder!" Zwei große Namen aus dem Westen sind wieder in der 2. Liga. Arminia Bielefeld brachte die Alm ein Jahr nach dem Relegationsdrama gegen Darmstadt 98 zum Beben, der MSV Duisburg schaffte am Samstag zwei Jahre nach dem Zwangsabstieg die Rückkehr. Den Bielefelder Pokalhelden genügte am 37. Spieltag der 3. Liga ein 2:2 (1:0) gegen den schon feststehenden Absteiger Jahn Regensburg. Der MSV krönte seine Aufholjagd vor ausverkauftem Haus im Endspiel gegen den Tabellendritten Holstein Kiel mit einem 3:1 (3:1), dem sechsten Sieg in Serie. "Das ist sensationell! Der MSV lebt wieder!", sagte Klub-Legende Bernard Dietz. Kiel wird in der Relegation um seine erste Saison in der Zweitklassigkeit seit 1980/81 kämpfen. Im ausverkauften Duisburger Stadion trat Holstein Kiel nach 15 Spielen in Serie ohne Niederlage selbstbewusst auf und ging durch einen direkten Freistoß von Maik Kegel (10.) in Führung. Die Duisburger kamen eindrucksvoll zurück: Enis Hajri (20.) und Michael Gardawski (21./27.) drehten das Spiel, fortan sangen sich die Fans für den stürmisch bejubelten Abpfiff um 15.23 Uhr warm. Platzsturm um 15.21 Uhr In Bielefeld gab es um 15.21 Uhr kein Halten mehr - Trainer Norbert Meier und die Spieler feierten mit 25 000 Fans, die auf den Platz stürmten. Vergessen war in diesem Moment das Drama des Vorjahres, als Darmstadt in der Relegation nach einer 1:3-Hinspielniederlage 4:2 auf der Alm gewonnen hatte - durch ein Tor in der zweiten Minute der Nachspielzeit der Verlängerung. Äußerst spannend ging es aber auch am Samstagnachmittag zu. Torjäger Fabian Klos (28., 23. Saisontreffer) erzielte das 1:0, die Kunde vom Spiel in Duisburg beruhigte etwas die Nerven. Marco Königs (77.) jedoch ließ die Gastgeber zittern, das 1:2 durch Andreas Güntner (80.) hätte den Aufstieg zumindest vertagt. Pascal Testroet (86.) rettete die Arminia mit seinem Tor drei Minuten nach seiner Einwechslung. Dortmund II nur noch viertklassig Auch im Abstiegskampf fiel eine weitere Entscheidung: Borussia Dortmund II ist künftig nur noch viertklassig. Die zweite Mannschaft des deutschen Vize-Meisters verlor 2:3 (1:2) gegen Dynamo Dresden und ist somit nicht mehr zu retten. Für die SpVgg Unterhaching (39 Punkte) wird es eng. Der frühere Bundesligist bezwang zwar Preußen Münster mit 1:0 (1:0), liegt aber ein Spiel vor Saisonende zwei Punkte hinter dem FSV Mainz 05 II, der nach einem 2:1 (0:0) beim Halleschen FC den ersten Nichtabstiegsplatz belegt. Hansa Rostock (ebenfalls 41) erwartet nach einem 0:1 (0:0) gegen Energie Cottbus ein Zitterspiel: Nur ein Sieg in Dresden am kommenden Samstag bringt die sichere Rettung. Die Stuttgarter Kickers verspielten ihre theoretische Chance auf den dritten Platz durch ein 0:0 gegen Rot-Weiß Erfurt. Die weiteren Spiele hatten nur statistischen Wert: Der VfB Stuttgart II trennte sich vom VfL Osnabrück 0:0, der Chemnitzer FC bezwang Sonnenhof Großaspach 2:0 (0:0). Fortuna Köln siegte 2:1 (0:0) gegen den SV Wehen Wiesbaden.
https://www.sueddeutsche.de/politik/europaeische-union-alle-fuer-die-euro-zone-1.3516771
mlsum-de-478
Die Ideen aus Frankreich und Deutschland für eine Reform des gemeinsamen europäischen Währungsraums haben Brüssel aktiviert. Die Vorschläge und Diskussionen sind ambitioniert. Realistisch sind sie allerdings nicht immer.
Der neue deutsch-französische Schwung hat bei den EU-Institutionen offenbar die Sorge ausgelöst, an Einfluss zu verlieren. Beinahe zeitgleich mit der von Paris und Berlin vereinbarten bilateralen Initiative lancierte die EU-Kommission ein Arbeitspapier, in dem es vor allem um die Reform der Euro-Zone geht. Am Montag hatten zunächst Deutschland und Frankreich vereinbart, schon im Juli konkrete Vorschläge vorzulegen, wie beide Staaten verstärkt kooperieren und die Währungsunion weiterentwickeln könnten. Dazu werde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Vorschläge erarbeite, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach dem ersten Treffen mit seinem neuen Amtskollegen Bruno Le Maire in Berlin. Die Vorschläge sollen beim deutsch-französischen Ministerrat im Juli verabschiedet werden. Es sei nötig, schneller und weiter voranzugehen und konkrete Pläne zu machen, sagte Le Maire. Ziel sei "eine Euro-Zone, mit der wir ein großes Gegengewicht schaffen zu China und anderen Regionen der Welt". Schäuble und Le Maire trafen sich eine Woche nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel dem neuen französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron eine enge Zusammenarbeit in Aussicht gestellt hatte. Konkret soll es darum gehen, die Besteuerung von Unternehmen anzugleichen, die Wirtschaftspolitik enger zu koordinieren und die Euro-Zone auszubauen. In Berlin klappte die Koordination schon ziemlich gut. Die Minister redeten - und schwiegen an den passenden Stellen. Le Maire lobte den Vorschlag Schäubles, "deutsch-französische Investitionen zur Stärkung der EuroZone" zu prüfen. Das kommt in beiden Ländern gut an. Paris will investieren; Berlin auch - aber nur dort, wo es nötig ist. Le Maire erklärte zudem, man arbeite an der institutionelle Erweiterung der Währungsunion, also konkret daran, wie ein Euro-Finanzminister, ein Euro-Budget und ein Europäischer Währungsfonds aussehen könnten. Schäuble verzichtete auf die üblichen Hinweise, wonach das ja gute, von ihm selbst geäußerte Ideen seien, derzeit aber nicht umsetzbar wegen der nötigen Änderungen der EU-Verträge. Sein Schweigen dürfte dem Kalkül geschuldet sein, dass Macron Anfang Juni bei den Parlamentswahlen eine Mehrheit bekommen muss. Starke Auftritte seiner neuen Minister sind dabei hilfreich. Le Maire bedankte sich mit der Zusage an das ordnungsliebende deutsche Publikum, dass Paris seine Verpflichtungen einhalten werde, "was das Defizit betrifft". Er kündigte strukturelle Reformen an bei Arbeit und Rente. "Wir machen das, weil es Frankreich nutzt, nicht, weil wir jemandem gefallen wollen". Der Franzose appellierte an alle mitzuarbeiten. "Wir sind zum Erfolg verdammt", sagte er. "Wenn wir es nicht schaffen, werden uns die Extremen nachfolgen." Die EU-Kommission kündigte in Brüssel an, ihr "Reflexionspapier" zur Zukunft der Währungsunion nächste Woche vorzustellen. Es zeichnen sich bereits Konflikte ab. Die Behörde will die Euro-Gruppe, also das Gremium der Euro-Finanzminister, stärker demokratisch kontrollieren lassen, etwa durch das EU-Parlament. Aus Sicht der Hauptstädte wäre das eine Entmachtung. Sie will auch einen Euro-Zonen-Haushalt, eine europäische Arbeitslosenversicherung, die Vollendung der gemeinsamen Einlagensicherung für Sparguthaben durchsetzen sowie einen neuen Investitionsfonds schaffen. Realistisch klingt das nicht.
https://www.sueddeutsche.de/sport/hummels-transfer-vom-bvb-bayern-goennt-sich-die-weltmeister-verteidigung-1.2987979
mlsum-de-479
Der BVB streicht für Mats Hummels eine ungewöhnlich hohe Ablösesumme ein. Die Suche nach einem Nachfolger läuft.
Wenn es nach dem Börsenkurs der Borussia Dortmund KG auf Aktien ginge, ist so gut wie nichts passiert. Die Vollzugsmeldung am Dienstagmittag, wonach Dortmunds Kapitän Mats Hummels beim nationalen Mitbewerber Bayern München einen Vertrag bis 2021 erhält, schien den Aktienkurs ebenso wenig zum Schwingen zu bringen wie der zeitgleich veröffentlichte "Neun-Monats-Bericht", der ungebremste Umsatzsteigerungen meldete und fürs gesamte Geschäftsjahr einen "Jahresüberschuss in zweistelliger Millionenhöhe" prognostizierte. Die Trauer um den Verlust von Hummels war allerorten wohl schon seit Tagen eingepreist. Dass in München, beim ohnehin schon überlegenen Meister, bald in Jérôme Boateng, Mats Hummels und Torwart Manuel Neuer eine echte Weltmeister-Abwehr zusammenarbeiten wird, ist die eine Seite des Wechsels. Wie Dortmund den Verlust ausgleichen wird, ist die andere, vermutlich spannendere Frage. Hummels hatte vor Wochen schon seine Chefs wissen lassen, dass eine Vertragsverlängerung beim BVB nicht sicher sei und seine - zumindest gefühlte - Heimatstadt München rufe. Spätestens da fing Dortmund an, den Markt zu sondieren. Transfers konnten bisher nicht besiegelt werden, denn noch vorige Woche hatte Hummels in Gesprächen mit den BVB-Spitzen und Mitspielern alles als offen dargestellt. Gut möglich, dass er bis zuletzt tatsächlich mit sich gerungen hat - nach achteinhalb Jahren bei Borussia. "Bisher ist es uns noch jedes Mal gelungen, nach solchen Verlusten Lösungen zu finden", sagte Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke am Dienstag, "das wird uns auch in diesem Fall gelingen." Hummels löst Manuel Neuer ab Die 35 Millionen Euro, die der Aufsichtsrat des FC Bayern am Montagabend für den Hummels-Transfer durchgewunken hat, ist die höchste Ablöse, die je für einen deutschen Spieler mit nur noch einjähriger Vertragslaufzeit gezahlt wurde. Bisher lag in dieser Statistik Torwart Manuel Neuer vorne, der vor fünf Jahren für circa 30 Millionen von Schalke 04 ebenfalls zu den Bayern wechselte. Mit diesem Geld kann der BVB vermutlich Ersatz für den Fußballer Hummels finden - nicht unbedingt aber für die Symbolfigur Hummels. Die teuersten Transfers innerhalb der Bundesliga Mats Hummels * 38 Mio. Euro 2015 Borussia Dortmund -> FC Bayern Mario Götze 37 Mio. Euro 2013 Borussia Dortmund -> FC Bayern Julian Draxler 35 Mio. Euro 2015 FC Schalke 04 -> VfL Wolfsburg Mario Gomez 35 Mio. Euro 2009 VfB Stuttgart -> FC Bayern Manuel Neuer 30 Mio. Euro 2011 FC Schalke 04 -> FC Bayern * Ablösesummen teilweise geschätzt Seinen Job als Innenverteidiger hat er stets auch als eine Art zusätzlicher Spielmacher interpretiert, seine Spielweise ist so speziell, dass sie nur schwer eins zu eins zu ersetzen ist. Aber etliche prominente Trainer, von Joachim Löw bis José Mourinho, würden das wohl auch gar nicht wollen. Das Gesamtkunstwerk Hummels, mit Beckenbauer'schem Flair, langen Außenrist-Pässen und ungestümen Ausflügen ins Stürmerland, nimmt man zwar immer mal gerne mit - aber in den modernen, meist offensiven Fußball-Philosophien ist manchen Trainern ein etwas weniger feinsinniger Innenverteidiger eher lieber. Mats Hummels ist als Künstler kaum zu übertreffen, als bloßer Verteidiger aber nicht unumstritten. Von Trainer Thomas Tuchel hat man jedenfalls auffällig wenig gehört, als es in den letzten Tagen darum ging, den Abwehr-Boss zum Bleiben zu überreden. Um einen Spieler wie Henrikh Mkhitaryan bemüht sich Dortmunds Trainer jedenfalls deutlich ausdauernder. Dennoch wird der BVB gerade mit allen möglichen Abwehr-Kandidaten in Verbindung gebracht, die wenigstens halbwegs so ticken wie das Unikat Hummels, über dessen Fähigkeit zum Antizipieren des gegnerischen Spiels man oft nur staunen kann. Ömer Toprak von Bayer Leverkusen wird seit zwei Wochen als möglicher Nachfolger gehandelt, Toprak soll eine Ausstiegsklausel für den Sommer 2017 besitzen, was ihn möglicherweise schon jetzt erschwinglich macht. Der gebürtige Ravensburger spielt für die türkische Nationalelf und hat die Erfahrung von mehr als 30 Europapokal-Spielen. Dieses Plus an Routine macht den 26-Jährigen offenbar zu einem Favoriten. Seine Spielweise ähnelt der von Hummels, allerdings ohne dessen Eleganz.
https://www.sueddeutsche.de/politik/islamische-welt-absurde-effekte-1.3778775
mlsum-de-480
In Iran bewirkt der Druck der USA, was er nicht soll: Er hilft den Hardlinern. Washingtons Politik wird als ungerecht empfunden.
Auf die neueste Entscheidung des Obersten Gerichts in den USA reagierte Iran gar nicht mehr. Der Sprecher des Außenministeriums hatte im Juni schon das damalige Einreiseverbot von US-Präsident Donald Trump gegen Bürger der Islamischen Republik als Anzeichen gewertet "für die Entscheidung der Führer dieses Landes, Muslime zu diskriminieren". Daran hat sich nichts geändert. Auch viele Iraner sehen das so, ebenso wie Bürger der arabisch-muslimisch geprägten Staaten, die ebenfalls betroffen sind: Jemen, Libyen, Somalia und Syrien. Die USA haben überall dort ohnehin einen miserablen Ruf, aber Trumps Verbot entfaltet in keinem Land ähnlich absurde Wirkung wie in Iran. Dort skandieren zwar hart gesottene Anhänger des Regimes bei jedem Freitagsgebet rituell "Tod Amerika! Tod Israel!" Aber jenseits dieser abgenutzten Brachial-Rhetorik ließ sich in den vergangenen Jahren in den großen Städten und unter deren eher liberal gesinnten Bewohnern der Wunsch nach einem besseren Verhältnis zum "großen Satan" feststellen. Niemand verkörperte das mehr als Außenminister Mohammad Javad Zarif, der Jahrzehnte in den USA gelebt hat. Es gibt eine gewisse Bewunderung für Amerika, gespeist auch durch die große iranische Exilgemeinde. Sie wird auf etwa eine Million geschätzt; nirgendwo leben mehr Auslandsiraner als in Amerika. Die Kontakte sind eng; Familien, die in beiden Staaten Angehörige haben, sind besonders betroffen. Oft ist es so, dass die in die USA ausgewanderten Familienmitglieder aus politischen Gründen nicht nach Iran reisen können - die dort lebenden aber in die USA. Das Verbot wird schon deshalb als zynisch empfunden, weil viele dieser Iraner nach der Islamischen Revolution 1979 flohen; sie sind oft regimekritisch. An der Westküste betreiben Iraner eine Reihe teils von der US-Regierung geförderte Exil-Sender, die Teheran ein Dorn im Auge sind. Offiziell begründet Trump die Reisebeschränkungen mit Terrorabwehr; Iran beschuldigt er als führenden Unterstützer terroristischer Organisationen wie der libanesischen Schiiten-Miliz Hisbollah oder der palästinensischen Hamas. In den USA aber waren Iraner in den vergangenen Jahren nicht in Anschläge verwickelt, bis auf einen im Anfangsstadium vereitelten Plot zweier Iraner im Jahr 2011, der angeblich dem damaligen saudischen Botschafter Adel al-Jubeir galt sowie der saudischen und israelischen Botschaft. Im Kern richtet sich der Vorwurf gegen die Revolutionsgarden und deren für Auslandseinsätze zuständigen Quds-Brigaden. Nur reist aus diesem Personenkreis niemand in die USA. Die Revolutionsgarden sind im Land beliebt wie lange nicht mehr Zwar schließen Druck aus den USA und Säbelrasseln in Saudi-Arabien nicht die tiefen politischen Gräben, die es in Iran über gesellschaftspolitische Fragen gibt. Allerdings sind die Garden populär wie lange nicht mehr, insbesondere der charismatische Chef der Quds-Brigaden ist es, General Qassem Soleimani. Ihm schreiben große Teile der Bevölkerung bis weit ins Lager der Reformisten das Verdienst zu, Iran vor den Kriegen und dem Chaos in der Region bewahrt zu haben. Trumps Versuch, das Atomabkommen zu kippen, und seine Verbalattacken auf die Garden spielen den Hardlinern in die Hände. Viele Menschen fragen sich, ob diese nicht doch recht hatten mit ihrem Misstrauen gegenüber den USA.
https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlingsstrom-nach-italien-verzweifelt-an-der-riviera-1.2520200
mlsum-de-481
Frankreich lässt Flüchtlinge nicht einreisen, die Regierung in Rom fühlt sich betrogen. Premier Renzi droht mit einem "Plan B", falls die EU Asylsuchende nicht solidarisch verteilt.
Am anderen Ufer lockt Frankreich, doch Menton ist unerreichbar: Flüchtlinge auf einem Felsen bei Ventimiglia. Die Grenzen im Norden sind blockiert. Und Italien fühlt sich in diesen Tagen wieder isoliert, alleingelassen mit dem Strom der Flüchtlinge aus Afrika und dem Nahen Osten. Frankreich sperrt in Menton, Österreich am Brenner. Eine Zeitung schreibt von "Ohrfeigen", die Italien da von den europäischen Partnern verabreicht erhalte. Es sind Ohrfeigen aus Unverständnis und Egoismus, finden die Italiener. Als wollte der Norden Europas mit dem Drama, das sich im Süden des Kontinents zuträgt, nichts zu tun haben. Italien verwaltet den Notstand so gut, wie es eben geht. Die Auffanglager für Asylsuchende sind voll, überall im Land. Die Behörden richten nun in aller Eile neue Notunterkünfte ein. Am Mailänder Hauptbahnhof zum Beispiel brachten sie Flüchtlinge, die zuvor in den Gängen mit ihren wenigen Habseligkeiten campiert hatten, für einige Tage in leeren Ladenlokalen unter, deren Wände auf allen Seiten aus Glas gefertigt sind. Wie Aquarien für Menschen sehen sie aus, mitten in den Hallen von Milano Centrale. Vor der Stazione Tiburtina in Rom stellte die Armee und das Rote Kreuz am Wochenende ein Zeltlager auf für Migranten, die davor im Bahnhof auf ihre Hoffnungsreise in den Norden gewartet hatten. Bald werden neue Plätze nötig sein. Die letzte Pforte mit Zielsicht Die eindrücklichsten Bilder aber kommen aus Ventimiglia, einer ligurischen Stadt an der Grenze zu Frankreich. Dort versuchen Flüchtlinge aus Eritrea, Syrien und Sudan den Sprung rüber nach Frankreich. Die gefährlichsten Etappen ihrer Reise haben sie hinter sich: die Flucht aus Krieg und Misere, die Durchquerung der Hölle Libyens mit ihren Schleusern und Erpressern, die Überquerung des Mittelmeers zu Hunderten auf viel zu kleinen Schiffen bei Wind und Wetter. Es drängt sie nach Norden, wo manche von ihnen Familie haben - nach Frankreich, Holland, Belgien. Ventimiglia ist für sie wie die letzte Pforte, mit Zielsicht. Doch auf der anderen Seite der Grenze, bei Menton, steht eine Mauer von französischen Gendarmen, die sie zurückdrängt. Immer wieder, tausend allein in den letzten Tagen. Einige Flüchtlinge schaffen es trotzdem. Sie bezahlen ihren Fluchthelfern 50 Euro, damit die sie auf abseitigen Wegen durch die Alpenausläufer fahren, die diesen schmalen Küstenstreifen zerfurchen. Ein Taxidienst gewissermaßen. Sonderregime wegen G-7-Gipfel in Elmau Die meisten aber bleiben hängen. Manche drohen damit, ins Meer zu springen, obschon sie nicht schwimmen können. Andere weisen das Essen zurück, das ihnen die Hilfsorganisationen reichen. Aus Verzweiflung und Protest. Frankreichs Haltung gibt viel zu reden. Verhandelt wird die Frage, ob die Franzosen mit ihrer Grenzblockade tatsächlich mutwillig das Schengener Abkommen verletzen und wider die Genfer Konventionen Kriegsflüchtlingen die Hilfe versagen, wie das die italienischen Medien behaupten. Oder ob sie in diesen Tagen lediglich die temporäre Suspendierung "Schengens" ausnutzen, um einige Hundert Flüchtlinge abzuweisen. Rund um den G-7-Gipfel im bayerischen Elmau waren die Grenzkontrollen im Schengener Raum nämlich aus Sicherheitsgründen wieder eingeführt worden. Das Sonderregime endet am Montag, 15. Juni.
https://www.sueddeutsche.de/politik/eu-gipfel-27-laender-suchen-eine-antwort-auf-den-brexit-1.3053556
mlsum-de-482
Auf dem EU-Gipfel sprechen die Staats- und Regierungschefs erstmals über die Folgen des Referendums. Klar ist: Die anfängliche Wut weicht einem neuen Pragmatismus.
Beim Dinner soll David Cameron endlich sagen, was er nun vorhat - das jedenfalls erwarten von ihm die 27 anderen Staats- und Regierungschefs der EU. Sie alle kommen an diesem Dienstag nach Brüssel und sprechen erstmals gemeinsam über die Folgen des Brexit-Referendums. Gemäß dem Zeitplan soll sich der britische Premierminister während des Abendessens erklären. Niemand rechnet damit, dass Cameron den EU-Austritt seines Landes offiziell beantragen wird. Er will dies seinem Nachfolger überlassen und selber noch bis Oktober im Amt bleiben. In Brüssel wurde Camerons Ankündigung mit Argwohn aufgenommen. Noch ringt die EU der 27 um eine gemeinsame Haltung, wie sie mit der britischen Hinhalte-Taktik umgehen soll. Nur so viel steht fest: So lange kein Austrittsantrag gemäß Artikel 50 des EU-Vertrags vorliegt, soll auch nicht mit Großbritannien verhandelt werden. Im Grunde gibt es zwei Möglichkeiten, auf Camerons Kalkül zu reagieren. Entweder die klare Ansage, dass Großbritannien so schnell wie möglich aus der EU austreten soll (die Bürger haben es ja so entschieden). Das wäre zwar eine eindeutige politische Botschaft, aber eben auch eine äußerst konfrontative. Am Freitag nach dem Referendum war es vor allem EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der diese Haltung vertrat. Nun, ein paar Tage später, zeigt sich, dass die anfängliche Wut auf die Briten vielerorts einem pragmatischen Realismus gewichen ist. Junckers scharfe Reaktion wird zunehmend kritisch gesehen. In den meisten EU-Staaten setzt sich die Erkenntnis durch, dass selbst ein "so schnell wie möglicher" EU-Austritt wahrscheinlich nicht einmal innerhalb von zwei Jahren stattfinden wird. Die zweite Möglichkeit für die EU der 27 wäre, abzuwarten. Denn solange die Regierung in London nicht Artikel 50 löst, passiert aus rechtlicher Perspektive erst einmal gar nichts. Großbritannien ist noch immer EU-Mitglied - mit allen Rechten und Pflichten. Wobei das politisch so nicht zu halten sein wird. Es stellt sich zum Beispiel die Frage, was bei einer Abstimmung passiert, die die Einstimmigkeit aller 28 EU-Staaten erfordert. Wie reagieren die anderen, wenn London dagegen ist? Es ist diese Phase der Unsicherheit, die auf jeden Fall vermieden werden soll. Darum wird es am Mittwochmorgen gehen, wenn sich erstmals alle 27 EU-Staaten ohne Großbritannien treffen. Und das allein ist schon ein starkes Signal Richtung London: "Ihr seid nicht mehr dabei", formuliert es ein EU-Diplomat. Damit beginne ein neuer Abschnitt in der Geschichte der Europäischen Union: das Post-Brexit-Kapitel. Die Frage ist nur, wie dieses inhaltlich gestaltet werden soll. Die Außenminister von Deutschland und Frankreich haben dazu ein zehnseitiges Papier vorgelegt. Die drei Kernpunkte lauten: eine besser abgestimmte Sicherheitspolitik, eine gemeinsame Asyl- und Einwanderungspolitik sowie die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion. Beim Thema Sicherheit gibt es die größten Übereinstimmungen unter den EU-Staaten. Die äußerst heftigen Debatten in der Migrationspolitik haben sich nach dem Abflachen des Flüchtlingsstroms etwas entspannt. Die EU-Staaten haben sie sich sogar auf einen gemeinsamen Küstenschutz geeinigt. Das galt lange Zeit als undenkbar. Beim EU-Gipfel wird es auch um ein anderes Referendum gehen Sehr weit klaffen die Ansichten beim Thema Wirtschaft und Währung auseinander. So fordern etwa Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und sein französischer Kollege Jean-Marc Ayrault einen gemeinsamen Euro-Zonen-Haushalt. Dies sei der "zentrale Baustein aller erfolgreichen Währungsunionen der Welt". Eine solche "Fiskalkapazität" soll bereits 2018 beginnen, "um Investitionen in den von der Krise am stärksten betroffenen Staaten zu fördern". Doch diese Form der Wirtschaftspolitik stößt bereits in der Bundesregierung auf massiven Widerspruch. Die deutschen Sozialdemokraten wollen das Momentum des Brexit trotzdem nutzen und zusammen mit ihren Regierungsgenossen in Paris und Rom eine neue europäische Wirtschaftspolitik vorantreiben. Das wird nicht leicht, denn Euro-Gruppen-Präsident Jeroen Dijsselbloem, ein niederländischer Sozialdemokrat, hat bereits klargestellt, dass er die Vorstellung eines Finanzministers für die Euro-Zone samt Haushalt für Wunschdenken hält. Beim Gipfeltreffen wird es neben der Zukunft der EU nach dem Brexit auch noch um ein anderes Referendum gehen. Der niederländische Ministerpräsident, Mark Rutte, wird erklären, wie er mit dem Willen seines Volkes umzugehen gedenkt. Die Niederländer hatten sich Anfang April gegen das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine ausgesprochen. Das Votum ist zwar rechtlich nicht bindend, doch politisch setzt es die Regierung in Den Haag unter Druck. Rutte hatte das Referendum als "verheerend" bezeichnet. Was er nun damit anfangen will, ist offen. Gut möglich, dass er sein Volk und die EU weiter hinhält. Genauso wie die Regierung in London.
https://www.sueddeutsche.de/sport/basketball-nowitzki-boss-cuban-ist-die-dreipunkte-linie-zu-nah-1.2883156
mlsum-de-483
Der Milliardär will sie nach hinten verschieben. Andrea Petkovic muss aufgeben. Hermann siegt im Skeleton-Gesamtweltcup.
Basketball; NBA: Mark Cuban, Besitzer des Nowitzki-Klubs Dallas Mavericks, hat sich für eine Verschiebung der Dreipunkte-Linie in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA ausgesprochen. "Es ist mittlerweile zu nah", sagte der 57 Jahre alte Milliardär: "Ich denke, es gäbe dann nicht weniger Würfe, aber das Können würde mehr belohnt, und mehr Raum auf dem Feld würde frei." Sechs bis sieben Zoll (15,24 bis 17,78 Zentimeter) würde Cuban die Linie nach hinten versetzen. Momentan verläuft sie in der NBA in 7,24 Meter Entfernung zum Korb, im Bereich der Spielfeld-Ecken sind es 6,70 Meter. In dieser Saison fallen in der besten Liga der Welt mehr Dreier als jemals zuvor. Der Rekord liegt bei 55.137 Dreiern in einer Spielzeit, in dieser Saison könnten es laut einer ESPN-Hochrechnung etwa 58.500 werden. Dirk Nowitzki ist in der Nacht mit den Mavericks derweil ein hartumkämpfter Sieg gelungen. Gegen die Denver Nuggets setzten sich die Texaner nach einer Leistungssteigerung mit 122:116 nach Verlängerung durch und machten damit den 31. Saisonerfolg perfekt. Nowitzki steuerte 20 Punkte und 13 Rebounds bei, Topscorer Chandler Parsons kam auf 27 Punkte. Tennis, Doha: Bitter für Andrea Petkovic: Die Darmstädterin hat das Halbfinale beim WTA-Turnier in Doha gegen Jelena Ostapenko (Lettland) beim Stand von 5:7, 0:1 wegen einer Blessur im linken Oberschenkel aufgegeben. Die Weltranglisten-27. war stark gestartet und hatte mit 5:1 geführt, ehe sie im darauffolgenden Spiel einen Satzball vergab. In der Folge wurden die Beschwerden bei der in den letzten Jahren immer wieder vom Verletzungspech geplagten Petkovic schlimmer. Die 28-Jährige war sichtbar gehandicapt, konnte nicht mehr richtig zu den Bällen laufen und nahm nach dem Verlust von fünf Spielen in Folge eine Behandlungspause. Mit einer Bandage kehrte sie zunächst zurück auf den Court. Doch wenig später gab die Fed-Cup-Spielerin auf. Für Petkovic war es die erste Halbfinal-Teilnahme bei einem WTA-Turnier seit Charleston im April 2015, als sie gegen die spätere Turniersiegerin Angelique Kerber (Kiel) verlor. Petkovic hatte zuletzt im Februar letzten Jahres in Antwerpen im Finale gestanden und dort auch ihren sechsten und bislang letzten Turniersieg gefeiert. Skeleton, Weltcup: Tina Hermann hat ihre beeindruckende Saison mit dem Sieg im Gesamtweltcup abgeschlossen. Eine Woche nach ihrem WM-Triumph in Igls (Österreich) gewann die 23-Jährige das Saisonfinale auf ihrer Hausbahn am Königssee und sicherte sich damit erstmals die Kristallkugel. Bei den acht Weltcups dieses Winters stand Hermann fünfmal ganz oben auf dem Podest. "Es ist einfach Wahnsinn, hier zu gewinnen", sagte Hermann, "und es war eine Hammersaison. Ich hatte gehofft, dass ich meinen ersten Sieg hole. Dass es dann gleich fünf werden, hätte ich niemals gedacht." Jacqueline Lölling (RSG Hochsauerland), die bei den Weltmeisterschaften als Neunte noch enttäuscht hatte, sicherte als Zweite auch Gesamtrang zwei. Ski alpin, Riesenslalom: Die deutschen Ski-Rennläufer haben beim Weltcup-Riesenslalom im österreichischen Hinterstoder knapp das Siegerpodest verpasst. Stefan Luitz und Felix Neureuther belegten beim überlegenen Sieg von Alexis Pinturault (Frankreich) die Plätze fünf und sechs, darüber hinaus überraschte Benedikt Staubitzer mit dem besten Resultat seiner Karriere als Elfter. Pinturault siegte vor Marcel Hirscher (Österreich/+0,79 Sekunden) und seinem Landsmann Thomas Fanara (+0,92). Fritz Dopfer fiel im zweiten Lauf von Rang acht auf Rang 19 zurück. Luitz hatte nach dem ersten Lauf noch auf dem zweiten Platz gelegen. Am Sonntag steht in Hinterstoder noch ein Riesentorlauf an. Fußball, Türkei: Der türkische Fußballverband TFF hat Trabzonspor-Profi Salih Dursun für sein Verhalten in der Ligapartie gegen Galatasaray Istanbul bestraft. Dursun wird laut Verbandsangaben für drei Partien gesperrt und muss eine Geldstrafe von umgerechnet etwa 4000 Euro bezahlen. Der Rechtsverteidiger hatte Schiedsrichter Deniz Ates Bitnel am Sonntag in der Schlussphase die Rote Karte weggeschnappt und sie dem Unparteiischen gezeigt. Dafür wurde er bei der 1:2-Niederlage von Bitnel des Feldes verwiesen. Neben Dursun müssen auch die Trabzon-Spieler Aykut Demir und Luis Cavanda drei beziehungsweise zwei Partien aussetzen. Zudem bekamen der Verein und mehrere Funktionäre Geldstrafen. Die Solidarität mit Dursun in Trabzon ist groß. Am Tag nach der Begegnung versammelten sich um die 300 Anhänger im Zentrum der Stadt und protestierten mit Roten Karten in der Hand gegen die angebliche Benachteiligung ihres Vereins durch den Verband und seine Schiedsrichter. Trabzonspor bietet inzwischen auf der eigenen Webseite T-Shirts an, auf denen die Szene mit Dursun und dem Schiedsrichter zu sehen ist. Der Verein gab per Twitter-Eintrag bekannt, dass er die Einnahmen für die Aus- und Weiterbildung junger türkischer Schiedsrichter im Ausland spenden werde.
https://www.sueddeutsche.de/sport/internationaler-fussball-regionalliga-auswahl-1.2681598
mlsum-de-484
Die Nationalmannschaft Kirgisistans, aktuell die Nummer 146 der Welt, ist auf der Suche nach Spielern in niederen deutschen Ligen fündig geworden.
Sergej Evljuskin weiß, wie es sich anfühlt, ein Länderspiel zu bestreiten. Er ist Jahrgang 1988, wie Boateng, wie Özil, wie Höwedes, und früher galt er beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) als ein so großes Talent, dass er gleich zweimal die Fritz-Walter-Medaille in Gold als bester Nachwuchsspieler seines Jahrgangs erhielt. Evljuskin kam für den DFB in der U16 zum Einsatz, in der U17, der U18, U19 und der U20, aber sein erstes amtliches Länderspiel in einer A-Nationalelf steht ihm erst demnächst bevor: für die Auswahl von Kirgisistan, aktuell 146. der Fifa-Weltrangliste, knapp vor Guinea-Bissau. "Das ist eine große Ehre für mich", sagt Sergej Evljuskin. Als Zweijähriger kam er mit seinen Eltern nach Deutschland, aber geboren wurde er noch zu Sowjet-Zeiten in einem Dörfchen namens Aleksejewka, der Vater Kirgise, die Mutter Kasachin. Das prädestiniert ihn für das Projekt, das sie kürzlich beim kirgisischen Verband begonnen haben. In dem 5,5-Millionen-Einwohner-Land gibt es viel Armut, aber es ist eine demokratische Insel inmitten vieler zentralasiatischer Diktaturen. 2010 kam es zu einem politischen Umsturz, in dessen Folge machte sich die Fußballföderation daran, eine neue A-Mannschaft aufzuziehen. Ein Kirgise aus London war fortan als Teammanager unterwegs, der Russe Alexander Krestinin übernahm das Traineramt. Ihr Auftrag: Akteure zu finden, die für die Nationalelf spielen können. Diese Art von Nationalelf-Scouting ist nicht unüblich im Weltfußball, aber im Falle Kirgisistans ergab sich doch eine beachtliche Häufung. Denn sie vor allem in der vierten deutschen Liga fündig. "Eines Tages rief einfach jemand auf der Geschäftsstelle an", sagt Evljuskin, der seit 2014 für Hessen Kassel in der Regionalliga Südwest spielt. So ähnlich fanden Kirgisistans Vertreter auch Vitalij Lux (1. FC Nürnberg II/Regionalliga Bayern) und Viktor Maier (SV Meppen/Regionalliga Nord) sowie Edgar Bernhardt (früher unter anderem Wuppertaler SV, derzeit Widzew Lodz). Alle haben ähnliche Lebenswege wie Evljuskin, und am liebsten wäre es Kirgisistans Verband, wenn das noch nicht das Ende der Suche wäre. "Die schauen immer noch, ob jemand in Frage kommt", sagt Evljuskin. Er selber hat leider nur einen Cousin, der staatsbürgertechnisch infrage käme, aber dessen fußballerisches Talent reicht leider nicht mal für die Auswahl Kirgisistans. Drei der vier Deutschen waren auch schon dabei, als das Team in der WM-Qualifikation Bangladesch 3:1 schlug, Australien nur knapp 1:2 unterlag und Jordanien ein 0:0 abtrotzte, was das Land jetzt sogar auf den erstmaligen Einzug in die nächste Quali-Runde hoffen lässt. Nur Sergej Evljuskin muss etwas warten mit seinem Debüt: Die Fifa hat ihm noch nicht die offizielle Spielerlaubnis für Kirgisistan erteilt. Weil er damals so oft für die Jugendteams des DFB spielte.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fifa-blatters-brisante-plaudereien-1.3834320
mlsum-de-485
Das Buch der Whistleblowerin Bonita Mersiades bringt Katar und Franz Beckenbauer in Bedrängnis. Anfangs soll die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 noch klar auf die USA zugelaufen sein.
Der frühere US-Präsident Barack Obama wurde angeblich schon vor der Vergabe der WM 2022 informiert, dass die USA die Abstimmung verlieren würden. "Wir haben ihn angerufen und ihm gesagt, dass es sehr schwierig werden wird zu gewinnen", sagte der damalige Fifa-Präsident Sepp Blatter der Whistleblowerin Bonita Mersiades, deren Buch ("Whatever it takes") der SZ vorliegt und aus dem die Mail on Sunday vorab exklusiv berichtete. Laut Blatter soll Obama verstanden haben, was vor sich gehe: "Er hat mir für die Informationen gedankt." Die USA hatten das WM-Rennen um das Turnier 2022 gegen Katar in der vierten Runde mit 8:14 Voten verloren. Getroffen hatte die Entscheidung im Dezember 2010 das Fifa-Exekutivkomitee, dem auch Franz Beckenbauer angehörte. Blatter selbst will nach einem Gespräch mit dem damaligen Uefa-Chef Michel Platini begriffen haben, dass Katar die WM wohl bekommen werde. "Er hat mir gesagt, dass sie sich anders entscheiden werden." Gemeint waren die Vorstandsmitglieder Marios Lefkaritis (Zypern), Michel D'Hooghe (Belgien) und Senes Erzik (Türkei). Bis dahin sei die WM-Vergabe 2022 klar auf die USA zugelaufen. Frühe Hinweise auf einen Sieg Katars, Monate vor der Fifa-Wahl, will auch der US-Tickethändler Benny Alon erhalten haben. Alon, der schon 2015 durch Enthüllungen für die Ablösung des damaligen Fifa-Generalsekretärs Jerome Valcke gesorgt hatte (und nun im Rechtsstreit mit der Fifa liegt), bekräftigt gegenüber der SZ, dass ihm Valcke bereits im April 2010 und erneut im September gesagt habe, die Wahl sei schon zugunsten Katars gelaufen. Für die zweite Aussage Valckes gibt es Zeugen. Im Buch wird erneut dargestellt, dass Blatter ein Treffen Platinis mit Katars späterem Emir Tamim al Thani und Frankreichs damaligem Präsidenten Nicolas Sarkozy kurz vor der Fifa-Kür für entscheidend hält. Danach habe ihm Platini erklärt, er werde für den Golfstaat votieren. Nach SZ-Informationen interessiert sich für besagte Gesprächsrunde bei Sarkozy auch die Pariser Sonderstaatsanwaltschaft PNF. Autorin Mersiades hatte damals für Australiens WM-Bewerber gearbeitet, das Land schied früh mit nur einer Stimme aus. Im Zuge der Ermittlungen um die Vergabe hatte sie erklärt, auch Australien habe zumindest indirekt Geld für Stimmen gezahlt. Enge Verbindung zu Australiens Bewerbern hatten Beckenbauer und dessen Geschäftskollegen Fedor Radmann und Andreas Abold; letztere wurden als Berater mit Millionen honoriert. Blatter, heißt es nun, habe der Autorin bei einem Treffen 2017 erklärt, er bezweifle nicht, "dass Radmann was am Laufen hatte". Er wisse, dass der Beckenbauer-Intimus "eine Menge Geld erhielt und Franz das, was er für Australien getan hat, nicht für nichts getan hätte". Als Fifa-Wahlmann war Beckenbauer eigentlich zur Neutralität verpflichtet. Kurios: Laut Blatter kam die einzige Stimme für Australien von ihm selbst, gar nicht von Beckenbauer. Der legte nie offen, für wen er damals votierte.
https://www.sueddeutsche.de/politik/30-milliarden-euro-entlastung-hoffen-auf-schaeuble-1.3112802
mlsum-de-486
Der Wirtschaftsflügel der Union verlangt eine Steuerreform. FDP und Grüne lästern. Selbst die CDU-Spitze reagiert wenig begeistert - aber es gibt ja noch den Finanzminister.
Carsten Linnemann bemüht sich gar nicht erst, das Problem zu kaschieren. Die Union habe in der Steuerpolitik ein ziemliches Glaubwürdigkeitsproblem, sagt der Chef des Wirtschaftsflügels - und illustriert das gleich mit seinen Erfahrungen. Der Wirtschaftsflügel hat ein Konzept für eine große Steuerreform präsentiert. "Und es gibt zwei Reaktionen", berichtet Linnemann. "Die einen sagen: Endlich wacht die CDU auf und packt dieses Thema an. Die anderen sagen, wir glauben euch sowieso nicht mehr." Das sei auch kein Wunder, findet Linnemann. Denn in der Vergangenheit seien viele Steuerentlastungen angekündigt, aber nicht realisiert worden. Linnemann ist seit drei Jahren Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) von CDU und CSU. Er kam wenige Tage nach der Abwahl der schwarz-gelben Bundesregierung ins Amt. Für die Wirtschaftspolitiker in der Union war das ein schwerer Schlag. Egal ob Mindestlohn, Frauenquote, Mietpreisbremse oder Mütterrente: Die Liberalen hatten in der Koalition immer all das verhindert, was auch dem CDU-Wirtschaftsflügel ein Graus war. Seit die Union mit den Sozialdemokraten regiert, hat der Wirtschaftsflügel im Koalitionspartner keinen natürlichen Verbündeten mehr, sondern einen ziemlich starken Gegner. Und im Bundesrat verfügen die Grünen seit ihrem Siegeszug in den Ländern über eine Vetomacht. Die Aussichten für Steuersenkungen in Milliardenhöhe sind also nicht gut. Angesichts der Rekord-Steuereinnahmen will Linnemann aber erreichen, dass wenigstens die CDU wieder ernsthaft für niedrigere Steuern kämpft. Deshalb präsentierte die MIT am Montag ein Konzept für eine große Reform. In drei Stufen sollen die Bürger bis zum Jahr 2020 um gut 30 Milliarden Euro entlastet werden. Zunächst soll 2018 die Werbungskosten-Pauschale von 1000 auf 2000 Euro erhöht werden. 2019 soll der sogenannte Mittelstandsbauch im Steuertarif abgeflacht werden, dadurch würde die Steuerlast erneut sinken. Außerdem soll der Spitzensteuersatz künftig erst ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 60 000 Euro greifen, bisher liegt die Grenze bei 53 666 Euro. In einem dritten Schritt soll 2020 der Kinderfreibetrag auf den Wert für Erwachsene angehoben werden und das Kindergeld erhöht werden. Das alles soll aus den vorhergesagten Steuermehreinnahmen finanziert werden. Glaubt man den Berechnungen des MIT, reicht ein Drittel dieser Mehreinnahmen aus, um die gesamte Reform zu bezahlen. Die Sozialdemokraten sprechen von einer unsoliden Gegenfinanzierung Wie groß das von Linnemann eingestandene Glaubwürdigkeitsproblem der Union ist, zeigte sich auch in den Reaktionen der politischen Konkurrenz. FDP-Chef Christian Lindner sagte, ein Jahr vor der Bundestagswahl entdecke der Wirtschaftsflügel der Union "mal wieder Steuerentlastungen als Thema". Nach drei Jahren "steuerpolitischer Untätigkeit der Union" im Bundestag sei diese Ankündigung "ein Scherz". Die Grünen sprachen von einer "Luftnummer" der Union. Und die SPD beklagte die ihrer Ansicht nach "unsolide Gegenfinanzierung" des Steuerkonzepts. Noch interessanter waren an diesem Tag aber die Reaktionen aus der CDU-Spitze und dem Finanzministerium von Wolfgang Schäuble (CDU). Schließlich hat die Parteiführung in den vergangenen Monaten nicht gerade den Eindruck erweckt, an einer Steuersenkungsdebatte interessiert zu sein. CDU-Generalsekretär Peter Tauber versicherte denn auch etwas gequält, man freue sich über Vorschläge für das Wahlprogramm. Die CDU sei "die Partei derjenigen, die jeden Tag hart arbeiten und unser Land voranbringen" - und für diese Menschen werde es im Wahlprogramm auch Angebote geben. Aber für die CDU habe in den nächsten Jahren "bei allen Diskussionen das Einhalten der Schuldenbremse und damit eine seriöse Finanzpolitik oberste Priorität". Begeisterung klingt anders. Der Wirtschaftsflügel der Union setzt deshalb auf Wolfgang Schäuble. Ein Sprecher des Finanzministers verwies am Montag auf Äußerungen Schäubles, die man als Unterstützung für eine deutliche Senkung der Steuern interpretieren kann. Der Finanzminister hatte gesagt, sein Ziel sei es, dass die Steuerquote nicht weiter steige. Die Quote gibt an, wie hoch die Steuereinnahmen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt sind - sie wird den Prognosen zufolge zwischen 2016 und 2020 um einen guten halben Prozentpunkt steigen. Eine Reduzierung um einen Zehntelprozentpunkt kostet den Staat etwa drei Milliarden Euro. Schäuble hat die Kalkulation nicht selbst zu Ende geführt, aber man kann den Spielraum leicht ausrechnen, den der Minister offenbar sieht. Es wären etwa 15 Milliarden Euro. Von den gut 30 Milliarden Euro, die der Wirtschaftsflügel jetzt verlangt, ist aber auch das weit entfernt.
https://www.sueddeutsche.de/bildung/auslaendische-studenten-fremd-auf-dem-arbeitsmarkt-1.2513269
mlsum-de-487
Hochschul-Absolventen aus dem Ausland sollten in Zeiten des Fachkräftemangels eigentlich auf dem Arbeitsmarkt begehrt sein - doch sie tun sich laut einer aktuellen Studie schwer bei der Stellensuche.
Sie gelten als ideale Zuwanderer, und Politiker reden seit Jahren davon, sie im Land halten zu wollen: ausländische Absolventen von deutschen Hochschulen. Nach ihrem Abschluss sind sie qualifiziert, sprechen oft gut oder sehr gut Deutsch - und die große Mehrheit will laut Umfragen zumindest vorübergehend bleiben. Doch viele dieser Absolventen scheitern daran, in Deutschland beruflich Fuß zu fassen. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Forschungsbereichs beim Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR), die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Demnach wollen fast 80 Prozent der Master-Studenten mit ausländischem Pass sich im Land niederlassen, tatsächlich aber sind es - je nach Umfrage - nur ein Viertel bis gut die Hälfte. Eigentlich müsste die Gruppe für Unternehmen und Behörden hochinteressant sein: Vielerorts klagen sie über Fachkräftemangel, vor allem bei Akademikern aus technisch-naturwissenschaftlichen Fächern, Mathematikern und Informatikern. Bis zum Jahr 2020 erwarten die SVR-Forscher fast 240 000 internationale Absolventen, mehr als 40 Prozent von ihnen aus eben diesen Fächern. Sie könnten viele absehbare Lücken füllen. Dennoch finden viele der Akademiker aus dem Ausland keine passende Stelle. Erfahrungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt fehlen Laut der Studie liegt dies nicht an den bestehenden Gesetzen, diese seien "großzügig gestaltet". So hätten Absolventen 18 Monate Zeit für die Jobsuche in Deutschland, schreiben die Forscher des unabhängigen Sachverständigenrats. "Die Hürden, an denen internationale Absolventen beim Berufseinstieg scheitern, sind fehlende berufliche Netzwerke und Erfahrungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt, aber auch unzureichende Deutschkenntnisse", sagte die Direktorin des SVR-Forschungsbereichs, Cornelia Schu. Die Studie untersucht die Unterstützungsangebote für Absolventen in Kanada, Schweden, den Niederlanden und Deutschland und leitet daraus Forderungen ab. So müssten Hilfen etwa in sogenannten Career Services der deutschen Hochschulen früher ansetzen. Insbesondere Kleinunternehmen sollten mehr um diese Absolventen werben, denn dies tun sie bislang kaum. Bund und Länder wiederum sollten Hilfsangebote für Studenten aus dem Ausland dauerhaft finanzieren, so wie dies in den anderen drei Ländern geschieht. Bisher existiert diese Hilfe oft nur als befristetes Projekt.
https://www.sueddeutsche.de/politik/terrorismusbekaempfung-gabriel-kritisiert-de-maizieres-vorstoss-zur-terrorabwehr-1.3319618
mlsum-de-488
Bei einer Reform würden sich die Sicherheitsbehörden "ein paar Jahre mit sich selbst beschäftigen", sagt der SPD-Vorsitzende.
In der Debatte um Sicherheit in Deutschland will SPD-Chef Sigmar Gabriel das Augenmerk nicht ausschließlich auf Gesetzesverschärfungen legen. "Man kann nicht nur durch Ausländerrecht den Terrorismus bekämpfen, wir müssen auch kulturell dagegen kämpfen", sagte Gabriel in Goslar. Es gehe darum, mit deutlich mehr Aufklärung und Jugendsozialarbeit "der Propaganda etwas entgegenzusetzen". Die Vorschläge von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zu einer neuen Sicherheitsstruktur kritisierte Gabriel. De Maizière fordert angesichts der Terrorgefahr in Deutschland deutlich mehr Kompetenzen für den Bund in der inneren Sicherheit und erwägt offenbar, die Landesämter für Verfassungsschutz abzuschaffen. "Wir müssen jetzt sagen, was wir tun wollen, und nicht erst große Behördenumstrukturierungen machen", sagte Gabriel. In Transitzonen Terroristen zu finden, sei eine "Illusion", sagt Gabriel Man könne über die Vorschläge des Innenministers diskutieren, sagte Gabriel, aber sie liefen auf eine langwierige Föderalismusreform hinaus. "Außerdem habe ich die große Sorge, wenn wir damit anfangen würden, dann würden sich die Sicherheitsbehörden erst einmal ein paar Jahre mit sich selber beschäftigen, statt Verbrecher und Terroristen zu jagen." Erneut wandte sich Gabriel gegen die CSU-Forderung nach Transitzonen, in denen Asylbewerber an den Grenzen zunächst festgehalten würden. Alle, die bisher einen Anschlag hierzulande verübten, hätten sich ausnahmslos "während des Aufenthalts von ein, zwei Jahren oder länger in Deutschland radikalisiert". Es sei daher eine "Illusion", darauf zu setzen, in diesen Transitzonen Terroristen zu finden, sagte der SPD-Vorsitzende weiter. Gabriel plädiert in einem Papier zum Thema innere Sicherheit, das am Montag bekannt wurde, für mehr Videoüberwachung und Abschiebehaft für ausreisepflichtige sogenannte Gefährder. Zugleich grenzt er sich von einigen Forderungen aus der Union ab und wendet sich gegen "Scheinlösungen".
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/volkswagen-vw-chef-verpatzt-auftritt-in-den-usa-1.2814682
mlsum-de-489
Kurz vor dem Treffen mit der Chefin des US-Umweltamtes gibt Matthias Müller ein fatales Radiointerview.
Der VW-Chef war in die USA gekommen, um die Wogen zu glätten. Am Sonntagabend stand Matthias Müller noch vor Journalisten in einer Hamburger-Bar in Detroit und entschuldigte sich für den Dieselskandal. Das tat er nicht zufällig: An diesem Mittwoch findet das für den Konzern so wichtige Treffen mit der Chefin der US-Umweltbehörde EPA, Gina McCarthy, statt, und da ist es besser, man macht einige Dinge schon vorher klar. Dann aber geriet das Drehbuch der VWler kräftig durcheinander. Einen Tag vor dem entscheidenden Treffen lehnten die wichtigen US-Umweltbehörden Carb und Epa den ursprünglichen Rückrufplan der Wolfsburger von Ende 2015 ab. Was sich technisch und bürokratisch liest, darf man durchaus als Affront bewerten: Der Rückrufplan gehe nicht ausreichend auf die "Gesamtauswirkungen für Fahrverhalten, Emissionen und Sicherheit der Autos" ein, kritisierte die kalifornische Behörde Carb. Es gebe nicht "genug Informationen für eine technische Bewertung". Von der nationalen Behörde Epa hieß es anschließend, VW habe "keinen genehmigungsfähigen Rückrufplan" vorgelegt. Das hätten die Amerikaner dem VW-Chef am Mittwoch persönlich sagen können. Dass sie es einen Tag vorher publik machten, zeigt, wie es um die Beziehungen zwischen VW und den US-Behörden bestellt ist. Wenige Stunden bevor diese Absage Wolfsburg erreichte, machte ein Interview Müllers die Runde, das nicht zur Verbesserung der Stimmung beigetragen haben dürfte. Auf die Entschuldigungen Müllers in Detroit folgte eine fatale Kommunikationspanne des Konzernchefs: In einem Interview mit dem US-Sender NPR wird Müller zum Abgasskandal befragt. Er spricht von einem "technischen Problem", von einem "Versäumnis". Man habe die Gesetze in den USA nicht richtig ausgelegt. Wie bitte? Nur ein technisches Problem? Der Reporter hakt nach: Das Thema werde in den USA aber als "ethisches Problem" wahrgenommen. Da will Müller nicht mitgehen. "Ein ethisches Problem? Ich kann nicht verstehen, warum Sie das sagen." In den USA kam das gar nicht gut an. Zur Erinnerung: VW hatte jahrelang eine Software in Dieselmotoren gesteckt, die erkannte, wann Stickoxide auf dem Prüfstand - also offiziell - gemessen wurden und wann das Auto auf der Straße fuhr. Ein schwerer Fall von Manipulation also. Müller aber sagt den amerikanischen Journalisten: "Wir haben nicht gelogen." Bei VW hatten sie die Brisanz des Interviews schnell erkannt. Nachdem das Gespräch in Auszügen bereits gesendet war, bat man um eine Wiederholung der kritischen Passagen. Juristisch womöglich der richtige Weg. Doch da war die Katastrophe da schon passiert. Volkswagen bemühte sich am Dienstag um Schadenbegrenzung: Die Interviewsituation in der Hamburger-Bar "Fishbone's" am Sonntagabend in Detroit sei laut und chaotisch gewesen. Deshalb habe man darum gebeten, einige Punkte des Gesprächs noch einmal zu konkretisieren, um Missverständnisse auszuräumen. Der Interview-Mitschnitt von NPR indes ist im Internet abrufbar. Er ist eindeutig: klare Fragen und Antworten. Wie geht es weiter? Müller wird am Mittwoch in Washington Epa-Chefin McCarthy treffen; VW zufolge habe man in den vergangenen Wochen "konstruktive Diskussionen" mit den Behörden geführt. So viel steht fest: Die Behördenchefin aus Washington und der Manager aus Wolfsburg werden einiges zu besprechen haben. In VW-Kreisen in Deutschland löste Müller misslungenes Radiointerview am Kopfschütteln bis Entsetzen aus. Was der Konzern derzeit am wenigstens brauchen könne, sei der Eindruck, man wolle die Abgas-Affäre herunterspielen. Müllers verharmlosende Aussagen seien ein "Fehler", über den nach seiner Rückkehr geredet werden müsse. Die US-Behörden werfen den Wolfsburgern vor, nicht ausreichend zu kooperieren Auftritte in den USA könnte bei Volkswagen ohnehin bald jener Sonderbeauftragte übernehmen, den die Konzernspitze für die Kontaktpflege in Übersee einsetzen will. Es soll sich um eine angesehene Persönlichkeit mit besten Kontakten zu beiden großen politischen Lagern und zu den Behörden in den USA handeln. Nach Angaben aus Konzernkreisen könnte diese Person bereits nächste Woche engagiert werden. Dann trifft sich offenbar das Präsidium des Aufsichtsrats. Der Sonderbeauftragte wäre dann wohl auch einer der wichtigsten Ansprechpartner bei VW für den früheren Chef der US-Bundespolizei FBI, Robert S. Mueller, den die kalifornische Justiz jetzt mit einer Schlichterfunktion betraute. Mueller soll zwischen dem deutschen Autokonzern und den mehr als 500 Klägern in den USA vermitteln, die wegen der manipulierten Abgaswerte Schadenersatz fordern. Der frühere FBI-Chef werde in diesen "komplexen Angelegenheiten" die Vergleichsgespräche erleichtern, sagte der kalifornische Bezirksrichter Charles Breyer. Es geht um Milliarden von Euro und je nachdem, wie sich die Dinge entwickeln, könnten die Strafen an der Existenz des Konzerns rütteln. Denn nicht nur die Behörden wollen VW bestrafen. Der Konzern sieht sich in den USA etwa 500 Sammelklagen gegenüber. Sie stammen aus allen 50 Bundesstaaten und liegen beim zuständigen Bundesgericht in San Francisco. Richter Charles Breyer wird womöglich noch im Januar entscheiden, welche von ihnen zugelassen werden und welche nicht. Von den etwa 500 Eingaben entfallen 120 auf die Konzerntochter Audi, 22 auf den Sportwagenbauer Porsche und 19 auf den Zulieferer Bosch. Einige der Klagen richten sich persönlich gegen Ex-VW-Konzernboss Martin Winterkorn und den noch amtierenden USA-Chef Michael Horn. Kläger sind zumeist Privatpersonen und Firmen, aber auch Kommunen und Hochschulen. Sie werfen Volkswagen Betrug, Täuschung, Vertragsbruch, Wettbewerbsverstöße und Umweltverschmutzung vor. VW hatte sich ursprünglich darum bemüht, dass der Zivilprozess in Detroit anstatt in San Francisco stattfindet. Kalifornische Richter gelten in den USA gemeinhin als umweltfreundlicher und verbrauchernäher als ihre Kollegen im Auto-Staat Michigan. Ob sich die Hoffnungen der Anwälte auf ein kundenfreundliches Urteil mit der Berufung Breyers erfüllen werden, ist dennoch ungewiss: Der 74-Jährige gilt als unbestechlich. In früheren Wirtschaftsfällen schlug er sich mal auf die Seite der Industrie, mal auf die der Verbraucher. Insofern: Es ist alles offen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/leitwaehrung-ist-der-dollar-wirklich-konkurrenzlos-1.4100543
mlsum-de-490
Er ist die Leitwährung der Welt und Finanzwaffe des Weißen Hauses: Viele stören sich an der enormen Bedeutung des Dollar und wünschen sich eine Alternative.
Es war am 14. Februar 1945, als der Dollar auf einem Schiff endgültig zur wichtigsten Währung der Welt wurde. US-Präsident Roosevelt sparte sich selbst Alkohol und Zigaretten vom Munde ab, um die religiösen Gefühle seines Gesprächspartners nicht zu verletzen: des saudischen Königs Ibn Saud. Denn es ging um viel, der saudische König sollte unterschreiben, saudisches Öl ab jetzt nur noch in Dollar zu handeln. Er unterschrieb. Schon wenige Jahre später handelten fast alle Länder ihr Öl in Dollar. Es war ein Meilenstein in der Aufstiegsgeschichte des Dollar zur Weltleitwährung. Eine Weltleitwährung, die viele nun gerne fallen sehen würden, mehr als 70 Jahre nach der Episode auf dem Schiff. Die Türkei, Russland und Venezuela, sie alle wollen sich unabhängiger machen vom Dollar, mehr Geschäfte in anderen Währungen abwickeln. Verständlich, sagen da viele. Aber die Strategie sei am Ende durchsichtig, es blieben eben: Autokraten. Mit seinem Vorstoß, "von den USA unabhängige Zahlungskanäle einzurichten" und daher eine Alternative zum internationalen Zahlungssystem Swift aufzubauen, stößt nun auch der deutsche Außenminister Heiko Maas ins selbe Horn. Dahinter steckt die Idee, die Macht der Amerikaner im internationalen Zahlungsverkehr zu schwächen. Viele stören sich inzwischen daran, dass der Dollar nicht nur Zahlungsmittel in den USA ist. Die Währung ist inzwischen zur schlagkräftigen Finanzwaffe in den Händen des Weißen Hauses geworden. Die meisten internationalen Zahlungen laufen in Dollar, Rohstoffe handeln Unternehmen fast ausschließlich in Dollar. "Dollar is king", sagt Devisenanalystin Sonja Marten von der DZ Bank. Dieses Drohpotenzial nutzt Trump, wenn er über Sanktionen gegen Iran oder Russland spricht. So könnte er beispielsweise iranische Banken vom internationalen Zahlungsverkehr weitgehend abschneiden, russischen Banken das Handeln in Dollar verbieten. Oder internationalen Banken auch außerhalb der USA hohe Strafen aufbrummen, wenn sie in Dollar handeln und zeitgleich mit Iran Geschäfte machen. Dass das keine leere Drohung ist, musste die Commerzbank 2015 erfahren. Weil sie für Kunden Transaktionen im Iran und Sudan ausgeführt haben soll, musste sie 1,45 Milliarden Dollar Strafe zahlen. Immer wieder diskutieren Experten daher Alternativen zum Dollar: Welche andere Währung könnte ihm den Titel als Weltleitwährung streitig machen? Während aktuell rund 60 Prozent aller Devisenreserven auf Dollar lauten, macht der Euro gute 20 Prozent aus. Während 39 Prozent aller Transaktionen über das internationale Zahlungssystem Swift in Dollar laufen, holt der Euro in den letzten Jahren wieder auf. Er macht nun 34 Prozent aus. Dass der Euro den Dollar bald jedoch vom Währungs-Thron stoßen dürfte, glaubt kaum jemand. Viele Investoren sorgen sich längst wieder, dass der Euro auseinanderbrechen könnte. Erst im Frühjahr hatten Politiker in Italien ein Euro-Aus des Landes ins Spiel gebracht. "Die Italienepisode hat wieder einmal gezeigt, wie anfällig der Euro ist" sagt Thu Lan Nguyen, Devisenexpertin der Commerzbank. Könnte am Ende der chinesische Renminbi das Rennen machen? Auch praktisch müssten Länder mit einem Handelsüberschuss ihr Geld irgendwo anlegen. In Dollar ist das leicht möglich, der Markt für US-Staatsanleihen ist extrem groß und liquide. Einheitliche Eurostaatsanleihen gibt es jedoch nicht und allein der Markt für deutsche Bundesanleihen ist viel zu klein, um einen Schwall an Kapital zu absorbieren. "Das erschwert es enorm, dem Euro zu mehr Gewicht zu verhelfen", sagt Devisenexpertin Marten. Könnte am Ende also der chinesische Renminbi das Rennen machen? Auch daran haben Experten ihre Zweifel. Denn der Renminbi ist noch nicht frei konvertibel, die chinesische Regierung hat Kapitalkontrollen erlassen. Dass sich daran schnell etwas ändert, glaubt am Devisenmarkt niemand. Als die Regierung 2015 versuchte, den Devisenmarkt zu öffnen, floss viel zu schnell viel zu viel Geld ab. "Das war eine regelrechte Kapitalflucht", sagt Devisenexpertin Thu Lan Nguyen. Auch wenn der Dollar schon vielfach totgesagt wurde, am Ende lebt er länger.
https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-bund-soll-abschiebung-von-afghanen-planen-1.2859420
mlsum-de-491
Die Regierung in Kabul wolle Staatsangehörige wieder zurücknehmen, sagt Minister de Maizière. Laut Pro Asyl sollen bald Flüge stattfinden.
Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen plant Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die zügige Rückführung abgelehnter afghanischer Asylbewerber in ihr Heimatland. Noch im Februar wolle de Maizière mit Abschiebeflügen beginnen, sagte der stellvertretende Geschäftsführer von Pro Asyl, Bernd Mesovic, am Donnerstag in Frankfurt. "Monatelang hat der Innenminister afghanische Schutzsuchende in Deutschland verbal verunsichert. Jetzt will er ein Exempel an ihnen statuieren, koste es was es wolle." Der Bayerische Flüchtlingsrat sprach von 7000 Personen, die mit einer Duldung in der Bundesrepublik leben. Viele von ihnen lebten bereits seit Jahren hier und seien gut integriert, so der Flüchtlingsrat in einer Mitteilung. Pro Asyl veröffentlichte zudem ein Schreiben de Maizières vom 5. Februar an den Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, Klaus Bouillon (CDU). Darin schrieb der Minister, er habe zu Monatsbeginn in Afghanistan Gespräche mit dem Ziel der Rückführung abgelehnter afghanischer Asylbewerber geführt. Die afghanische Regierung habe ihre Verpflichtung zur Rücknahme der Staatsangehörigen anerkannt. De Maizière kündigte in dem Schreiben laut Pro Asyl weiter an, dass noch im Februar mindestens ein Flug mit abgelehnten Flüchtlingen nach Afghanistan organisiert werden solle. Die Landesinnenminister sollten daher ausreisepflichtige afghanische Flüchtlinge melden. Pro Asyl verwies auf die unsichere Lage in Afghanistan, weshalb etwa 80 Prozent aller Asylbewerber des Landes im vergangenen Jahr in Deutschland anerkannt worden seien. Die afghanische Regierung betrachte 31 von 34 Regionen des Landes als unsicher. Auch während der jüngsten Reise de Maizières nach Afghanistan seien bei einem Anschlag in Kabul mindestens 20 Menschen ums Leben gekommen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/zweite-liga-feuer-erloschen-1.4229119
mlsum-de-492
Nach nur 63 Tagen muss Trainer Alexander Nouri beim Zweitliga-Letzten Ingolstadt schon wieder gehen. Seine persönliche Serie hat er dort auf 21 Spiele ohne Sieg ausgebaut.
Die Momente, in denen der Fußballtrainer Alexander Nouri ein Spiel ganz still verfolgt, sind selten. Nouri ist ein Antreiber, er klatscht und schreit seinen Spielern hinterher, so als wolle er sie dadurch beschleunigen. Selbst bei Temperaturen um die null Grad steht er daher vorwiegend mit offener Jacke da. In einer Trinkpause mit dem FC Ingolstadt neulich gegen Arminia Bielefeld klatschte er mit allen Spielern ab und umarmte seinen Antreiber auf dem Feld, Almog Cohen, so fest, dass dem Israeli wohl kurz die Luft weggeblieben sein musste. Das ist dieses "Feuer", das der Vorstandsvorsitzende Peter Jackwerth vor zwei Monaten ansprach. Das Feuer, mit dem der 39-jährige Nouri den Ingolstädter Aufsichtsrat überzeugte, Nachfolger des beurlaubten Stefan Leitl zu werden. Womit der FCI vom eigentlichen Vorhaben abrückte, einen erfahrenen Zweitliga-Coach als Nachfolger zu holen. 63 Tage nach dessen Amtsantritt beriet der Aufsichtsrat am Montag nun aber bereits wieder über Nouri. Nach dem 0:2 bei Dynamo Dresden ging es nicht um eine Beförderung beim Tabellenletzten der zweiten Fußball-Bundesliga: Der FC Ingolstadt hat Nouri stattdessen entlassen, er ist jetzt der Trainer mit der kürzesten Amtszeit in der 14-jährigen Geschichte des Vereins (vor Marco Kurz, 92 Tage). Zunächst wird der U19-Coach Roberto Pätzold die Mannschaft interimsweise betreuen. Nouris trainingsfreien Dienstag hat er gestrichen, um 15 Uhr ging es auf den Platz. "Nach den ausbleibenden Erfolgserlebnissen sahen wir uns zum Handeln gezwungen", sagte Geschäftsführer und Interims-Sportdirektor Harald Gärtner. Jens Keller soll schon bei der vergangenen Trainersuche Gärtners Favorit gewesen sein Zum "Wir" gehört seit der vergangenen Woche auch wieder Thomas Linke - als externer sportlicher Berater. Aus persönlichen Gründen zog er sich im Sommer 2017 nach fast sechs Jahren als FCI-Sportdirektor zurück, nun dürfte er den Aufsichtsrat erstmals entscheidend beraten haben. Was er in den nächsten Wochen weiter tun wird. Linke soll gemeinsam mit Gärtner den Kader in der Winterpause umbauen, verriet Jackwerth bei Linkes Vorstellung. Um schnellstmöglich aus der Abstiegszone herauszukommen, wo der Bundesliga-Absteiger von 2017 nicht hingehören sollte. Nouri war der Wunschkandidat von Linkes Nachfolger, des ehemaligen Sportdirektors Angelo Vier. Der musste bereits vor einem Monat gehen, als der FCI begann, sich auf dem letzten Tabellenplatz einzurichten. Die beiden kannten sich noch aus der Zeit, als Vier Spielerberater war. Seine Beraterfirma "Golden Goal Sports & More GmbH" hatte mit Nouri zusammengearbeitet. In Ingolstadt konnten die beiden allerdings keine Wende schaffen. Nouris Anstellung war ja nicht nur aufgrund seiner fehlenden Erfahrung bemerkenswert, sondern auch wegen einer Serie: Er trat sein Traineramt nach 13 nicht gewonnenen Spielen mit Werder Bremen 2017 an. Vereins- und ligaübergreifend hat Nouri diese schwarze Serie nach fünf Niederlagen und drei Remis beim FCI auf 21 Partien hochgeschraubt. Klar, kein FCI-Trainer hat eine so schlechte Bilanz. Die Entlassung war die logische Folge. Auch weil Nouris Art als absoluter Motivator in Ingolstadt nicht half. Schon als er begann, sagte er: "Es geht nicht darum, die Systemfrage zu lösen, sondern darum, dass die Mannschaft bereit ist, das Maximum abzurufen." Er weiß selbst, dass er wohl kein Trainertyp Domenico Tedesco mehr werden wird, der wohl in der Trinkpause gegen Bielefeld eher einen Taktikvortrag gehalten hätte statt abzuklatschen. Vor seinem ersten Training wollte Nouri "ein gemeinsames Commitment aufbauen, um die Mannschaft auf ein Ziel einzuschwören". Doch wenn eben jene Art nicht verfängt, kann der Weg beschwerlich werden. Das musste Nouri in Bremen erfahren, wo sich das Team von ihm abwandte. In den nächsten Tagen arbeitet Gärtner an der Zusammenstellung des neuen Trainerteams, wohl auch gemeinsam mit dem externen Berater Linke. Am Samstag (13.30 Uhr) empfängt der FCI den Tabellenführer Hamburger SV. Aber die FCI-Verantwortlichen werden sich dieses Mal wohl etwas mehr Zeit lassen - Nouri kam zwei Tage nach Leitls Entlassung -, weil sie wissen, dass der nächste Trainer der richtige sein muss. In etwa so wie damals Ralph Hasenhüttl nach der kurzen Ära Kurz: Der kam im Oktober 2013 und führte den FCI vom letzten Tabellenplatz der zweiten Liga später bis in die Bundesliga. Der 51-jährige Österreicher wäre auch aktuell ohne Anstellung. Vielleicht denken Linke und Gärtner also gerade an ihre güldenen Vereinszeiten und fragen mal an. Obwohl sie im Grunde auch wissen, dass ihnen ihr alter Kollege entwachsen zu sein scheint. Schon eher könnte ein bereits vor zwei Monaten gehandelter Kandidat wieder ganz oben auf der Liste stehen: Jens Keller. Dem Vernehmen nach war er schon Gärtners Favorit als Leitl-Nachfolger - und vor Kurzem sah er sich das FCI-Testspiel gegen 1860 München (1:2) an. Und bei den Sechzigern wird aller Voraussicht nach erst einmal kein Platz als Trainer frei.
https://www.sueddeutsche.de/politik/russlandaffaere-trumps-ehemaliger-sicherheitsberater-flynn-wegen-falschaussage-zu-russland-kontakten-angeklagt-1.3774873
mlsum-de-493
Flynn hatte über Gespräche mit dem russischen Botschafter in Washington gelogen. Den Kontakt habe Trumps späterer Sicherheitsberater auf "Anweisung von höherer Stelle" aufgenommen, so Sonderermittler Mueller.
Der ehemalige Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, Michael Flynn, hat in der Russland-Affäre einen engen Mitarbeiter des Präsidenten belastet. Ohne die Person beim Namen zu nennen, erklärte Flynn, ein hochrangiges Mitglied von Trumps Übergangsteam habe seine Kontakte nach Russland gesteuert. Flynn hat heute vor einem US-Bundesgericht ausgesagt und sich schuldig bekannt, das FBI im Zuge der Russland-Affäre belogen zu haben. Flynn habe zum Inhalt seiner Telefonate mit dem damaligen und inzwischen abgelösten russischen Botschafter in Washington wissentlich "falsche, fiktive und betrügerische Erklärungen" abgegeben, heißt es in einem nun veröffentlichten Dokument von Sonderermittler Mueller. Demnach hatte Flynn entgegen den Tatsachen bestritten, dass er die russische Regierung damals gebeten habe, auf die vom scheidenden Präsidenten Barack Obama verhängten Russland-Sanktionen nicht mit harten Gegenmaßnahmen zu antworten. Flynn habe den Kontakt zur russischen Regierung allerdings nicht eigenmächtig, sondern auf Anweisung von höherer Stelle aufgenommen, erklärte Sonderermittlers Mueller. Der General habe im Auftrag eines "sehr hohen Verantwortlichen" des Teams des heutigen Präsidenten Donald Trump gehandelt, als er den russischen Botschafter anrief, teilte Sonderermittler Robert Mueller nun mit. Das Weiße Haus hat auf Flynns Aussage bereits reagiert und dessen Falschaussagen als persönliche Fehlleistung dargestellt. "Nichts in dem Geständnis oder in der Anklage betrifft irgendjemand anderen als Herrn Flynn", heißt es in einer Stellungnahme des Weißen Hauses. Es seien dieselben Aussagen Flynns, die zu dessen Rücktritt im Februar dieses Jahres geführt hätten. Dennoch bringt Flynns Geständnis Trump nun unter Druck. Bei seinem Auftritt vor dem Gericht in Washington gab er an, mit dem Team um Sonderermittler Robert Mueller zu kooperieren. Sein Schuldeingeständnis legt zudem nahe, dass er einen Deal ausgehandelt hat und im Gegenzug für eine milde Strafe Informationen über die Russland-Kontakte des Trump-Teams an Mueller weitergibt. Flynn diente 33 Jahre lang in der US-Armee, bis er 2014 in den Ruhestand ging. Im Militär entwickelte er Anti-Terror-Strategien, um Terrornetzwerke in Afghanistan und Irak zu zerstören. Anschließend gründete er einen Informationsdienst, der Daten für Unternehmen und andere Regierungen, etwa auch die Türkei, sammelte. Flynn gilt als eine der Schlüsselfiguren in der Affäre um die Kontakte des Trump-Teams nach Russland. Wegen seiner Falschangaben zu den Kontakten mit Kisljak war Flynn im Februar nach nur dreieinhalb Wochen im Amt zurückgetreten. In einer Stellungnahme sagte er nun: "Ich übernehme die volle Verantwortung für mein Handeln."
https://www.sueddeutsche.de/politik/bruessel-annaeherung-im-streit-ueber-pkw-maut-1.3234467
mlsum-de-494
Seit Wochen verhandeln der Verkehrsminister und die EU-Kommission über die umstrittene Gebühr für Autobahnen und Bundesstraßen. Brüssel will die Klage zurücknehmen, wenn Dobrindt auch eine Kurzzeit-Vignette einführt.
Die deutsche Pkw-Maut rückt näher. Die Europäische Kommission sei "optimistisch", sich noch im November mit der Bundesregierung auf einen Kompromiss über eine Nutzungsgebühr für deutsche Autobahnen und Bundesstraßen zu einigen, die mit europäischem Recht vereinbar ist. Das sagte eine Sprecherin der Behörde am Abend der Süddeutschen Zeitung. Die Ampel stehe "auf gelb, kurz vor grün", fügte sie hinzu. In den vergangenen Wochen seien in intensiven Verhandlungen zwischen Berlin und Brüssel gute Fortschritte erzielt worden. Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hätten persönlich darüber gesprochen. Die Bild hatte als erste Zeitung über eine bevorstehende Einigung berichtet. Wie aus Verhandlungskreisen zu erfahren war, müssen noch zwei Voraussetzungen erfüllt werden, bis die EU-Kommission bereit ist, die Ampel auf grün zu schalten. Demnach verlangt die Behörde, dass Dobrindt auch Kurzzeit-Vignetten einführt. Diese Vignetten sind üblich, um die Kosten für Autofahrer zu begrenzen, die ein Land nur durchqueren wollen; sie betrifft den Transit-Verkehr. Zudem muss sich Dobrindt von seiner ursprünglichen Idee verabschieden, deutsche Autofahrer genau um den Jahresbetrag der geplanten Pkw-Maut bei der Kfz-Steuer zu entlasten. Die EU-Kommission hatte dieses Konzept wegen der offensichtlichen Benachteiligung ausländischer Autofahrer abgelehnt. Brüssel hatte erst im September entschieden, Deutschland deshalb vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Im Gespräch ist jetzt, dass Dobrindt die Kfz-Steuer etwa für umweltfreundliche Kraftfahrzeuge deutlich stärker senkt, so dass sich Maut und Steuersenkung nicht in jedem Fall und für jeden Autofahrer ausgleichen. Für einige dürfte das Mehrkosten bedeuten. Brüssel ist dann grundsätzlich bereit, die Klage gegen das deutsche Mautgesetz zurückzunehmen. Dobrindt lobte am Donnerstag die engen und vertrauensvollen Gespräche mit Kommissionschef Juncker. Dieser habe sich "persönlich stark engagiert, um eine gemeinsame Lösung zu finden". Er sei "sehr zuversichtlich, dass die Einigung mit der EU-Kommission im November steht". Für den CSU-Minister kommt die Annäherung in einem passenden Augenblick. An diesem Freitag beginnt der CSU-Parteitag; der bisher eher glücklose Dobrindt kann nun mit einem Erfolg aufwarten. Selbst bei einer raschen Einigung von EU-Kommission und Verkehrsministerium ist allerdings offen, ob die Pkw-Maut tatsächlich wie von Dobrindt erhofft, noch vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 eingeführt werden kann. Zwar hat der Bundestag das Mautgesetz bereits beschlossen. Sollte es jedoch gravierend geändert werden, dürfte das Parlament auf eine neue Abstimmung dringen. Und deren Ausgang ist offen. Der Koalitionspartner SPD kündigte am Abend an, keine zusätzliche Belastungen für deutsche Autofahrer zu akzeptieren. "Daran wird nicht gerüttelt", erklärte SPD-Fraktionsvize Sören Bartol. Er betonte, dass dies auch der Koalitionsvertrag so vorschreibe.
https://www.sueddeutsche.de/sport/champions-league-michael-reschke-der-stille-held-des-fc-bayern-1.2912338
mlsum-de-495
Vidal, Costa, Kimmich, Coman: Vier Transfers des Bayern-Kaderplaners entschieden das Duell gegen Turin - nicht von allen war Guardiola anfangs überzeugt.
Das Foto, das viele Monate später auch über den Ausgang dieses Achtelfinals der Champions League entscheiden sollte, zeigt einen schillernden Helden, aber auch einen stillen Helden. Der schillernde Held trägt eine goldene Hose, Sneakers mit goldenen Streifen, um den Hals ein Goldkettchen mit goldenem Kreuz, auch die Haare sind golden getönt. Der stille Held verschwindet fast neben all diesem Glanz, er hat leicht zerwuschelte Haare, aber das passt ja auch wunderbar zu diesen hektischen Tagen, die da Ende August hinter ihm liegen. Für das Team der Zukunft sind noch ein paar Personalien offen Der schillernde Held auf diesem Foto aus einem Münchner Café ist Kingsley Coman, der damals kurz davor war, Juventus Turin zu verlassen und einen Vertrag beim FC Bayern zu unterschreiben. Und der viele Monate später, an einem Mittwochabend im März, mit seinen Dribblings, mit seinen Flanken, mit einer Vorlage und schließlich einem Tor den FC Bayern zu einem 4:2 gegen seinen ehemaligen Klub wirbelte. Kingsley Coman im Münchener Eiscafe getroffen. Swag in den Schuhen! Willkommen in der BuLi! #coman #skybuli pic.twitter.com/iTnExZ218Z — Der Abstauber (@TheAbstauber) August 30, 2015 Der stille Held ist Michael Reschke, der Kaderplaner des FC Bayern, der ganz gerne aus der Öffentlichkeit verschwindet, besonders in einem Monat wie dem August, in dem noch letzte Transfers geplant werden müssen. Das Foto aus dem Café ist daher ein seltenes Bild seiner Arbeit, die sich so schwer abbilden lässt. Es sei denn, man zieht gleich ein ganzes Spiel heran, zum Beispiel das 4:2 gegen Turin. Dass sich der FC Bayern in dieser wilden Partie doch noch für das Viertelfinale der Champions League qualifiziert hat, das war auch ein Erfolg der jüngsten Transferpolitik des Vereins. Ein Erfolg, der zeigt, dass sich eine Mannschaft auf diesem Niveau kaum noch aus dem eigenen Nachwuchs heraus entwickeln lässt. Sondern hauptsächlich durch gezielte Transfers. Dieses 4:2 ist daher auch ein Beleg dafür, wie wichtig ein Mann wie Michael Reschke für den FC Bayern ist. Vier Reschke-Zugänge prägen die Partie gegen Turin Vier Spieler hat der Klub im vergangenen Sommer verpflichtet, und alle vier haben am Mittwoch nachgewiesen, warum. Joshua Kimmich war vielleicht noch der Unauffälligste in diesem Quartett, was in seinem Fall hieß: Er spielte einigermaßen souverän auf einer Position, auf der er vor wenigen Wochen noch völlig fremd war, in der Innenverteidigung.
https://www.sueddeutsche.de/digital/urheberrecht-eu-parlament-stoppt-umstrittene-upload-filter-1.4042029
mlsum-de-496
Mit knapper Mehrheit stimmen die Abgeordneten gegen die Reform des Urheberrechts. Kritiker hatten vor Zensur gewarnt und sahen das freie Netz in Gefahr.
Das Europaparlament hat die umstrittene Reform des Urheberrechts vorerst gestoppt. 318 Abgeordnete stimmten dagegen, 278 dafür, es gab 31 Enthaltungen. Vergangene Woche hatte der Rechtsausschuss des Parlaments den Entwurf gebilligt. Gegner der Reform hatten daraufhin eine Abstimmung im Plenum beantragt. Die Richtlinie sollte europaweit einheitliche Standards schaffen und das veraltete Urheberrecht an die digitale Realität des 21. Jahrhunderts anpassen. Welche Punkte sind besonders umstritten? Die Kritik richtet sich gegen zwei Artikel der Richtlinie. Artikel 11 sieht ein sogenanntes Leistungsschutzrecht für Presseverleger vor. Suchmaschinen wie Google sollen Medienhäuser bezahlen, wenn sie deren Überschriften oder Teaser verwenden. Artikel 13 macht Online-Plattformen direkt für Urheberrechtsverletzungen verantwortlich. Bislang muss etwa Youtube erst dann löschen, wenn Labels oder Künstler auf ein Video hinweisen, das ihre Rechte verletzt. Die Richtlinie sieht vor, dass Plattformen haften, sobald Nutzer Inhalte online gestellt haben. Warum ist Artikel 13 problematisch? Axel Voss, als Verhandlungsführer im Rechtsausschuss einer der maßgeblichen Befürworter der Reform, hat recht: Der Begriff "Upload-Filter" steht nicht in der Richtlinie. De facto bleibt den betroffenen Unternehmen aber nichts anderes übrig, als alle Inhalte zu filtern, bevor diese online gehen. Einige Plattformen wie Wikipedia sollen ausgenommen werden, die Regelung beträfe dennoch große Teile des Netzes, etwa Youtube oder Facebook. Es ist unmöglich, die Millionen Bilder und Videos, die täglich hochgeladen werden, manuell zu prüfen. Dementsprechend wäre Filtersoftware nötig, die automatisch alles scannt. Bestehende Systeme wie Youtubes Content-ID, das Videos mit urheberrechtlich geschützter Musik erkennen soll, machen regelmäßig Fehler und löschen auch legale Inhalte. Auch Facebooks Filter für politische Werbung blockieren mehr als sie sollten. Die neuen Systeme müssten viel umfassender prüfen und wären dementsprechend deutlich komplexer. Schwer vorstellbar, dass sie dann zuverlässiger funktionieren als eine Software mit eng definiertem Funktionsumfang. Das Resultat wären riesige Datenbanken mit Text-, Audio- und Video-Ausschnitten, für die Verwertungsrechte geltend gemacht werden. Kleinere Plattformen wären nicht in der Lage, technische Lösungen zu entwickeln, um alle Inhalte abzugleichen. Sie müssten die Software bei Unternehmen wie Google einkaufen. Das würde aus Sicht der Reform-Gegner den Status der mächtigsten Plattformen untermauern und Abhängigkeiten zu deren Gunsten schaffen. Warum ist Artikel 11 umstritten? Kritiker des Leistungsschutzrechts bezeichnen es auch als "Linksteuer". Die meisten Hyperlinks enthalten den Titel der URL, auf die sie verweisen. Bereits diese kleinen Textausschnitte sollen geschützt werden, sodass Plattformen dafür bezahlen müssten. Das könnte es auch den Nutzern der Plattformen deutlich erschweren, Links zu Online-Medien zu teilen. Zudem ist der wirtschaftliche Nutzen fraglich: In Deutschland gibt es ein ähnliches Recht seit 2013. Es gilt als gescheitert. Als es 2013 in Kraft trat, verzichtete Google darauf, die Teaser der Online-Medien bei Google News anzuzeigen, um keine Vergütung zahlen zu müssen. Das passte den Verlegern aber ebenfalls nicht. Sie versuchten, Google gerichtlich zu zwingen, ihre Inhalte anzuzeigen und gleichzeitig dafür zu zahlen. Die Klagen scheiterten, jedoch wollten die Verlage nicht auf die zusätzlichen Leser verzichten, die Inhalte über Google finden. Also erteilten sie dem Unternehmen eine Gratis-Lizenz: Google darf Inhalte kostenlos nutzen, andere Suchmaschinen müssen zahlen. Das rechnete sich für die Verlage nicht. Im vergangenen Jahr nahmen die Verlage 30 000 Euro ein - und gab mehr als zwei Millionen Euro für Prozesskosten aus. Wie argumentieren die Befürworter? Verlage und Vertreter der Musik- und Filmbranche bezeichnen die Argumente der Kritiker als Panikmache. Sie sehen die Reform als einzige Möglichkeit, Rechteinhaber wirksam und fair für ihre Leistungen zu entlohnen. Im Netz würden Urheberrechte massenhaft verletzt. Während Google Milliarden verdiene, müssten Medien um ihre Existenz bangen. Das Leistungsschutzrecht sei nötig, um unabhängigen Journalismus zu schützen und Verlage an den Einnahmen der Suchmaschinen zu beteiligen. Wie geht es jetzt weiter? Im Falle einer Zustimmung hätten die sogenannten Trilog-Verhandlungen mit Kommission und Rat begonnen, die die Reform bereits gebilligt hatten. Jetzt aber muss sich das Parlament erneut mit der Richtlinie befassen. Im September wird in Straßburg darüber verhandelt. Die Abgeordneten können Änderungen beschließen und etwa Artikel 13 streichen - oder den Entwurf komplett ablehnen. Dann wäre die Reform des Urheberrechts gescheitert.
https://www.sueddeutsche.de/geld/dividendenstarke-aktien-als-geldanlage-was-nach-draghis-zinssenkung-noch-rendite-bringt-1.2116307
mlsum-de-497
Sparkonten, Anleihen oder Lebensversicherungen werfen kaum noch Rendite ab, seit die EZB die Zinsen stark senkt. Letzte Hoffnung könnten Aktien mit hohen Dividenden sein.
Es ist noch nicht lange her, da war endlich mal wieder eine symbolische Marke geknackt. Dax 10 000. Jubelstimmung an den Börsen. Rekord. So hoch stand der Index noch nie, nicht einmal vor der Finanzkrise. Was viele nicht wissen: Eigentlich hat der deutsche Leitindex im Juni keinen neuen Rekord erreicht, zumindest nicht der Kurs allein. Das liegt an der Berechnungsmethode der Kurve, die jeden Abend verlässlich im Fernsehen zu sehen ist. Üblicherweise wird immer der sogenannte "Performance-Dax" gezeigt. Dabei wird so getan, als würden sämtliche Dividendenzahlungen der 30 größten deutschen Börsenunternehmen direkt wieder in neue Aktien gesteckt - regelmäßige Gewinnausschüttungen lassen den Index also zusätzlich steigen. Lässt man die außer Acht, steht der Dax derzeit sogar niedriger als 2007, dem letzten Boom-Jahr vor dem weltweiten Finanzkollaps. Was sofort deutlich macht: Ohne die Gewinnbeteiligung hätten Anleger im vergangenen Jahrzehnt kaum etwas an Aktien verdient. Die Suche nach renditeträchtigen Wertpapieren kann für Privatanleger derzeit ganz schön frustrierend sein - nach der erneuten Zinssenkung der EZB am Donnerstag dürfte es eher noch schlimmer werden. Tages- und Festgeldkonten bringen kaum etwas ein, Lebensversicherungen lohnen sich nur noch bedingt, die Zinsen auf zehnjährige Bundesanleihen fielen zuletzt sogar unter die Ein-Prozent-Marke. Wer dem deutschen Staat für zehn Jahre sein Geld leiht, bekommt also weniger als ein Hundertstel seines Darlehens pro Jahr als Dank. Wer das gleiche Geld in Anteile eines Dax-Unternehmens steckt, kann mit bis zu 4,7 Prozent Rendite pro Jahr rechnen, abgesehen von der Kursentwicklung. Das ist zwar auch die Prämie für das höhere Risiko - die ist momentan aber ungewöhnlich hoch. "Die Differenz zur Verzinsung von Bundesanleihen war seit den Fünfzigerjahren selten so groß", sagt Jan Erhardt, Fondsmanager bei DJE Kapital. Fast alle soliden Wertpapiere mit einer Laufzeit von bis zu zehn Jahren seien inzwischen niedriger verzinst als der Durchschnitt der Aktien. Es kann sich also lohnen, auf Aktien zu setzen, die eine ordentliche Dividendenrendite versprechen. Sie fällt umso höher aus, je niedriger der Kurs und je größer der Anteil des Gewinns ist, den ein Unternehmen an die Aktionäre ausschüttet. "Die Dividendenrendite ist als Auswahlkriterium für Aktien wichtiger geworden", sagt Erhardt. Und obwohl die Aktienmärkte seit einiger Zeit boomen, sank die durchschnittliche Dividendenrendite nur wenig.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/volleyball-sechs-in-der-hand-1.3396163
mlsum-de-498
In drei emotionalen Sätzen gegen Bühl gelingt Herrsching der vorentscheidende Heimsieg zum direkten Einzug in die Playoffs. Vor allem Zuspieler Patrick Steuerwald reißt sein Team mit
Schnell wurde klar, dass dies kein gewöhnlicher Volleyball-Tag war. Schon der erste Satz bot Erzählstoff für mehrere Spiele: Zum Beispiel eine frühe gelbe Karte für Herrsching wegen lautstarker Proteste gegen den Schiedsrichter, Libero Ferdinand Tille boxte wütend den Ball weg und Herrsching schien den Durchgang schon verloren zu haben. Dann aber rettete Kapitän Patrick Steuerwald einen Ball auf der Seite des Gegners, blockte den folgenden Angriff und legte auch noch den Punktgewinn für seine Mannschaft zum 20:20 auf. Ein epischer Ballwechsel mit richtungsweisendem Charakter. Als Steuerwald schließlich nach 30 Minuten und der Abwehr zweier Satzbälle mit der zweiten Berührung den Punkt zum 27:25 verwertete, machte sich die leise Ahnung breit: Herrsching war heute nicht zu schlagen. Und die Fans wurden richtig laut. Eine gute Stunde später hatten Trainer Max Hauser und die 1000 Zuschauer in der Nikolaushalle Gewissheit: Der TSV Herrsching hatte die vorentscheidende Partie um Platz sechs gegen den TV Bühl mit 3:0 (27:25, 25:15, 35:33) gewonnen. Die Spieler machten die La Ola, der Stadionsprecher im Königskostüm jubelte ins Mikrofon und hielt eine übergroße Sechs in die Höhe. Ziel erreicht! "Ein spektakuläres, ein umkämpftes Spiel", fasste Trainer Hauser zusammen. "Wir haben in den engen Phasen fast alles richtig gemacht." Wieder einmal entschied Herrsching zwei knappe Sätze für sich. Das sei kein Zufall, ließ Hauser wissen - und lobte die "mentale Stärke" seiner Mannschaft. Dass Herrsching solche Extremsituationen auch regelmäßig im Training nachstellt, machte sich bezahlt. Dazu bewies der Trainer ein gutes Gespür, als er erst Nicolai Grabmüller und später Benedikt Doranth von der Bank brachte, die mit guten Aktionen das Ergebnis wesentlich beeinflussten. Detailansicht öffnen Närrisches Treiben: Ob Herrschings Libero Ferdinand Tille hier taktische Anweisungen empfängt, ist nicht ganz klar. (Foto: imago/Oryk Haist) Und dann war da ja noch Kapitän und Zuspieler Patrick Steuerwald, der an diesem Tag fast überall zu finden war. Neben seinen gewohnt sicheren Pässen feuerte er die Teamkollegen unaufhörlich an, sorgte im Angriff für die ein oder andere Überraschungsaktion und machte in der Abwehr das Spiel seines Lebens. Vier direkte Blockpunkte erzielte Steuerwald, so viele wie die etatmäßigen Mittelblocker zusammen. "Ich kann mich nicht erinnern, dass mir das schon mal gelungen ist", sagte er. Gefühlt touchierte Steuerwald jeden zweiten Ball, was zu durchaus kuriosen Szenen führte: Wenn der mit 1,80 Meter vergleichsweise kleine Zuspieler zum wiederholten Mal den wuchtigen Angriff eines Zwei-Meter-plus-x-Hünen ins Feld zurückblockte, bot das einen ebenso eindrucksvollen Anblick wie anschließend die fassungslosen Gesichter des Gegners. "Wir waren gut auf ihre Angriffe eingestellt", erklärte Steuerwald, der seine Größe unter Netzhöhe sogar als Vorteil einordnete. "So sieht mich der Gegner im Block erst relativ spät". Steuerwald wurde natürlich zum wertvollsten Spieler (MVP) gewählt, bereits zum elften Mal in der laufenden Saison. Der Zuspieler profitiert davon, dass Trainer Hauser ihm viele Freiheiten auf und abseits des Platzes zugesteht. In der Vergangenheit eckte Steuerwald mit seiner teilweise überehrgeizigen Art bei manchem Trainer und Mitspieler an, in Herrsching überträgt er seine Emotionen nun positiv auf die Mannschaft und ist zum Wortführer aufgestiegen. "Nur manchmal muss ich ihn ein wenig einbremsen", schilderte Hauser. Detailansicht öffnen In der Abwehr zeigte Patrick Steuerwald eine grandiose Leistung. Vier Blockpunkte gelangen dem Zuspieler, der mal wieder Herrschings MVP wurde. (Foto: imago) Stark verbessert zeigten sich die Herrschinger zudem beim Aufschlag, wo ihnen gleich acht Punkte gelangen. Bezeichnend: Tom Strohbach, der Mitte der Woche in Berlin zu viele Fehler beim Service gemacht hatte, beendete die Partie mit einem Ass. Dazu harmoniert Diagonalspieler Matt Tarantino, der in der ersten Saisonhälfte überwiegend verletzt war, immer besser mit seinen Teamkollegen. Mit 18 Punkten und einer Erfolgsquote von 67 Prozent führte er den Herrschinger Angriff an. "Auch er hätte heute den Titel MVP verdient gehabt", meinte Hauser. In der kommenden Woche gilt es nun, die Euphorie ein wenig zu bremsen. Denn Herrsching hat noch eine wichtige Aufgabe vor den Playoffs vor sich: Am Sonntag kommt der Tabellenletzte Solingen an den Ammersee. Nur mit einem weiteren Sieg hat der TSV die direkte Playoff-Qualifikation ganz sicher. Der Gegner im Viertelfinale hieße dann Frankfurt. "Aber davor haben wir noch ein verdammt schweres Spiel", warnt Steuerwald. Die Herrschinger müssen dann zeigen, dass sie auch die gewöhnlichen Tage in der Bundesliga meistern können. Bislang hat das in dieser Saison sehr gut geklappt. Als Favorit war man fast immer erfolgreich. "Die Mannschaft ist intakt, ich habe keine Angst, dass jemand abhebt", sagte Hauser.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schnell-restaurants-mein-kunde-der-tyrann-1.2673981
mlsum-de-499
Sie pöbeln oder werden gewalttätig: Gäste verhalten sich immer respektloser, klagen Mitarbeiter von Fastfood-Ketten. Die Konzerne wiederum wollen vor allem eins - die Kunden nicht verärgern.
Lächeln, freundlich sein - auch wenn es der Gast nicht ist. Was für den Werbeclown Ronald McDonald gilt, sollen die Mitarbeiter auch befolgen. Samstag Nacht, zwei Uhr, eine McDonald's-Filiale in Frankfurt: Der Laden ist voll, die Kunden sind hungrig. Schichtleiter L. zählt im Kühlraum unter Hochdruck die Pommes-Kartons, als er gerufen wird. Ein Kunde fordert sein Geld zurück, weil er auf die Bestellung warten musste. Der Kunde schimpft, er schreit, er nennt eine Mitarbeiterin "Schlampe" und Schlimmeres. Was dann passiert, schildert der Schichtleiter so: Als er dem Kunden seine 5,38 Euro aushändigt, sagt er leise: "Das sind gebildete Menschen, die sich so verhalten." Daraufhin zeigt ihm der Kunde den Mittelfinger, drückt ihn grob ins Gesicht: "Siehst du das? Ich warte draußen auf dich, du Wichser." Und verschwindet. Ein krasser Moment, sagt der Schichtleiter. Aber kein Einzelfall. "Die Gewaltbereitschaft der Gäste steigt. Es kommt drei- bis fünfmal die Woche vor, dass die Kunden einen wegen Kleinigkeiten zur Sau machen." "Willste mich verarschen, du Olle" Andere Fast-Food-Mitarbeiter beschreiben ebenfalls eine Zunahme der Pöbelei. Eine ehemalige Aushilfskraft eines McDonald's-Restaurants in Donauwörth erzählt, wie Kunden ihre Softdrinks über den Tresen verschütten und brüllen, weil sie mitten in der Nacht kein Eis mehr kaufen können. Die Auszubildende einer Berliner Filiale von Burger King berichtet, Gäste in Warteschlangen würden rasch ausfällig: "Willste mich verarschen, du Olle." Besonders häufig pöbelten die Kunden zu Stoßzeiten. Und generell komme das aus allen Schichten. Unabhängig voneinander berichten Mitarbeiter, dass Eltern ihren Kindern vor dem Personal sagten: "Lern in der Schule, dann landest du nicht hier!" Wer sich mit Mitarbeitern aus ganz Deutschland unterhält, stellt fest: Gewalt ist selten, Respektlosigkeit erfahren Beschäftigte inzwischen täglich. Häufig auch Sexismus und Fremdenfeindlichkeit, erzählt Schichtführer L. aus Frankfurt. "Stell Leute ein, die Deutsch können", sagten Kunden wegen einer rumänischen Kollegin, die nur leicht die Artikel verwechsle. Sicher: Auch in Restaurants, die Entrecôte statt Burger servieren, sind Kunden manchmal herablassend. Doch in Fast-Food-Ketten kommen mehrere Faktoren zusammen. Die Filialen stehen oft an Bahnhöfen oder Flughäfen, wo Gäste besonders ungeduldig sind. Außerdem befinden sie sich häufig in der Nähe von Clubs und Fußballstadien, wo Kunden in Gruppen und oft betrunken einfallen. Der Sozialpsychologe Ulrich Wagner hält es auch für problematisch, dass Theken Kunden und Personal trennen. "Die Gäste nehmen sich und die Mitarbeiter als getrennte Gruppen wahr. Unter diesen Bedingungen verschärft sich die Abgrenzung", sagt Wagner, der einen Lehrstuhl an der Uni Marburg hat. "Die Gäste haben den Eindruck, sie seien dem Bedienungspersonal überlegen - vor allem, wenn sie glauben, es handele sich um angelernte Kräfte von geringem Status, vielleicht geringer Bildung." Getaktete Abläufe, kaum Zeit für Gespräche Den Eindruck der Mitarbeiter bestätigt Guido Zeitler, Referatsleiter Gastronomie bei der Gewerkschaft NGG: "Die Kunden verhalten sich gegenüber Fast-Food-Personal immer schlechter." Mitglieder berichten häufiger von Auseinandersetzungen, sagt er. Zeitler macht dafür unter anderem die Art verantwortlich, wie Schnellrestaurants geführt würden. "Die Mitarbeiter sind oft befristet beschäftigt. Nach einer Weile werden sie entlassen und für sie günstigere Kräfte eingestellt. Das Personal ist einfach weniger geübt." Und es steht unter Stress: Die Arbeit im Minutentakt lässt Mitarbeitern kaum Zeit, Missverständnisse etwa bei einer Bestellung in einem freundlichen Gespräch auszuräumen. Eine ehemalige Mitarbeiterin berichtet, unter welchem Druck sie ständig stand, noch schneller zu arbeiten. Zeitler hat festgestellt, wie sehr sich die Gäste verändert haben. "Die Ansprüche sind gestiegen. Seitdem Konsumenten im Internet schnell Dinge bestellen können, möchten sie überhaupt nicht mehr warten." Solche Rückmeldungen bekommt er auch von Bäckern, Metzgern und der Gastronomie. "Die Kunden fühlen sich mächtiger, weil sie ihren Frust im Internet verbreiten können." Schichtleiter L. hält das für einen Trend, der sich in der ganzen Gesellschaft zeigt. "Schauen Sie doch auf Facebook: Die Verrohung schreitet voran." Besondere Brisanz gewinnen die Klagen der Fast-Food-Mitarbeiter, weil sie für die Respektlosigkeit der Kunden die Schnellrestaurants mitverantwortlich machen. Der Vorwurf: McDonald's und Co. sparen am Personal - und schüren so bei den Gästen Frust, den diese immer rüder artikulieren. "Die Fast-Food-Ketten bauen tendenziell Personal ab, um Kosten zu sparen", kritisiert Gewerkschafter Zeitler. "Das führt zu längeren Wartezeiten und darauf reagieren die Gäste ungehalten." Schichtleiter L. hat teils nur noch halb so viel Personal pro Schicht zur Verfügung wie 2012, als er nach anderen Stationen in der Schnellgastronomie bei McDonald's anfing. Besonders eng wird es nach seinen Angaben in Wochen, in denen der Burgerbrater durch Coupon-Aktionen Gäste anlockt. Weil die Preisverbilligungen Geld kosten, werde versucht, dies durch weniger Mitarbeiter auszugleichen. Enge Personalplanung bestätigen auch Kollegen aus anderen Filialen. In Stoßzeiten sei es schwer, dem Ansturm gerecht zu werden. Die Gäste gingen davon aus, dass sie ihr Fast Food nach kurzer Zeit haben sollten. Wenn sie forderten, eine neue Kasse aufzumachen, sei dies oft nicht möglich, weil nur ein Mitarbeiter für die Theke zur Verfügung stehe. "Wenn Kunden zehn bis 20 Minuten warten müssen, verstehe ich ihren Frust", räumt Schichtleiter L. ein. Wie sich Mitarbeiter wehren können McDonald's und Burger King verweisen auf Fragen zu Personalabbau und -planung darauf, die Einteilung der Mitarbeiter richte sich nach Stoßzeiten - und sei zudem den Franchisenehmern überlassen. Beide Konzerne betonen, dass sie rechtliche Vorgaben, etwa Pausen, einhalten. In einigen Fällen lasse sich ein Gästeansturm nicht einplanen. Ausfallendes Verhalten von Gästen sei der Einzelfall, heißt es bei McDonald's. "Sollte es doch einmal zu einem größeren Problem mit einem Gast kommen, können unsere Mitarbeiter den jeweiligen Restaurantleiter oder Schichtführer hinzuziehen, um die Situation in Ruhe zu klären", sagt ein Sprecher. Sollte dies nicht funktionieren, könnten die Mitarbeiter dem Gast ein Hausverbot erteilen und die Polizei rufen. Genauso regelt es nach eigenen Angaben Burger King. Mitarbeiter würden entsprechend geschult. Wenn McDonald's-Mitarbeiter sich bei schwierigen Gästen von Vorgesetzten nicht in Schutz genommen fühlen, können sie sich anonym an eine Vertrauensstelle wenden. Und sie können einen Notruf an die Konzernzentrale absetzen. Dabei wird nicht festgehalten, ob pöbelnde Gäste der Grund waren, daher lässt sich nichts über die Häufigkeit der Vorfälle ableiten. "Mir ist schon bei meiner Ausbildung bei Burger King beigebracht worden, dass man es erträgt, wenn ein Gast herumschreit", sagt Schichtleiter L. "Der Gast gilt als König", sagt Gewerkschafter Zeitler. "Da fällt es den Mitarbeitern schwer, Grenzen zu inakzeptablem Verhalten zu ziehen. Sie werden damit oft alleine gelassen." Fast-Food-Firmen sollten klare Regeln für den Umgang mit Kunden vorgeben, doch die meisten täten sich damit schwer. Schnellrestaurants bieten in Deutschland viele Arbeitsplätze für Bewerber, die nicht so einfach einen Job finden. Für Hauptschüler, für Umsteiger oder Syrer im Exil. Die Auszubildende bei Burger King nennt ihr Team eine kleine Familie. Die Frage sei, wie die Gäste mit diesen Menschen umgehen. "Ich wünsche mir, dass uns die Kunden mehr respektieren", sagt Schichtleiter L. "Wir bekommen oft nur den Mindestlohn, aber wir sind genauso viel wert wie jemand, der 6000 Euro verdient."
https://www.sueddeutsche.de/politik/eu-asylpolitik-in-afrika-de-maiziere-schlaegt-transitzentren-vor-1.2219343
mlsum-de-500
"Wer zurückgeht und wer nach Europa kommt", das soll nach einem Vorschlag von Innenminister de Maizière künftig bereits vor den EU-Grenzen entschieden werden - in "Willkommens- und Ausreisezentren". Pro Asyl hält das für zynisch. Doch die Regierung plant angeblich eine flankierende Neuregelung.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat die Einrichtung sogenannter Willkommens- und Ausreisezentren für Asylbewerber und Flüchtlinge ins Gespräch gebracht. Diese könnten in Transitländern wie Ägypten geschaffen werden, um künftig von dort zu entscheiden, "wer zurückgeht und wer nach Europa kommt". Nach den Vorstellungen de Maizières könnte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR diese Zentren führen. Er sagte im ZDF, angesichts der in den kommenden Jahren zu erwartenden hohen Flüchtlingszahlen strebe er an, die Entscheidungen über die Aufnahme oder die Ablehnung beschleunigen zu wollen. So sollen nach dem Willen des Ministers "die, die Schutz verdienen, schnell aufgenommen werden", um beispielsweise den Kriegsflüchtlingen aus dem Nahen Osten möglichst bald Sicherheit zu geben. Im Gegenzug wolle er Menschen, die aus sogenannten sicheren Drittstaaten kämen, schnell wieder zurückschicken. Die Idee zu solchen Zentren begründete er auch mit der Hoffnung, die Menschen auf diese Weise davon abhalten zu können, sich auf den gefährlichen Weg übers Meer zu machen. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl sprach daraufhin im Tagesspiegel von einem "klaren Signal der Absage an die Lebensrettung". De Maizières Vorschlag sei nichts anderes als ein "zynisches Marketing", um das Ende des italienischen Rettungsprogramms Mare Nostrum für Bootsflüchtlinge auf dem Mittelmeer "human zu verkaufen". EU-Flüchtlingspolitik auf neue Beine stellen? Damit erinnert Pro Asyl an den Versuch des früheren Bundesinnenministers Otto Schily. Er hatte 2004 die Schaffung von Auffanglagern in Nordafrika vorgeschlagen, um die Asylverfahren auf Gebiete jenseits der EU auszulagern, ohne den in Deutschland geltenden Rechtsschutz. Die Idee wurde nie umgesetzt. Allerdings schwebt de Maizière offenbar anderes vor. Seit Wochen gibt es in der Bundesregierung und auf Ebene der EU-Außen-, Justiz- und Innenminister Gespräche, ob man die europäische Flüchtlingspolitik auf neue Beine stellen sollte. Dazu ist in der Bundesregierung ein Staatssekretärsausschuss gebildet worden, dem federführend Vertreter des Auswärtigen Amts und des Innen- wie des Entwicklungsministeriums angehören. Zu den aktuellen Überlegungen gehört auch, vielleicht solche Zentren ins Leben zu rufen. Allerdings nicht, um alle Flüchtlinge von der EU fernzuhalten und die rechtlichen Verfahren zu schleifen. Wie am Donnerstag aus Regierungskreisen zu hören war, geht es darum, die Asylverfahren wie bisher weiter zu führen und möglichen Wirtschaftsflüchtlingen über ein neu zu schaffendes legales Einwanderungsrecht die Möglichkeit zu geben, sich für einen Aufenthalt in der EU zu bewerben. Wohlwollen im Auswärtigen Amt "Ohne ein solches neues Einwanderungsrecht hätten sogenannte Willkommenszentren keinerlei Glaubwürdigkeit", sagte ein hoher Regierungsbeamter der SZ. "Und ohne Glaubwürdigkeit wird es nie gelingen, die Menschen vom gefährlichen Weg über das Meer abzuhalten". Wie es in der Regierung weiter hieß, ist indes noch lange nicht entschieden, ob es in Deutschland und in der EU ein neues Einwanderungsrecht geben wird. Und offen sei auch, ob es gelinge, die Europäische Union auf eine neue, die Lasten besser verteilende Flüchtlingspolitik zu verpflichten. Im Auswärtigen Amt stieß de Maizières Vorschlag auf Wohlwollen. Hintergrund ist, dass das Bundesinnenministerium in den letzten Jahren eine restriktive Linie verfolgt hatte. De Maizières Äußerungen werden deshalb als eine Art Neuausrichtung gelesen.