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https://www.sueddeutsche.de/politik/ruecktritt-cdu-generalsekretaer-tauber-kuendigt-rueckzug-an-1.3873160
mlsum-de-9701
Mit dem Schritt will er so schnell wie möglich den Weg für einen Nachfolger frei machen. Tauber ist in der CDU umstritten. Auch eine schwere Krankheit macht ihm zu schaffen.
CDU-Generalsekretär Peter Tauber will sich von seinem Amt zurückziehen. Der 43-Jährige wolle seinen Rückzug bereits an diesem Montag in den CDU-Spitzengremien erklären und damit ermöglichen, dass schon auf dem Parteitag am 26. Februar ein Nachfolger gewählt werden könne, hieß es am Sonntag aus Parteikreisen weiter. Tauber werde für die Verkündung seines Entschlusses am Montag seine Reha wegen einer Darmerkrankung unterbrechen. Es habe für ihn seit langem festgestanden, diesen Schritt im Zusammenhang mit einer Regierungsbildung zu vollziehen, hieß es weiter. Tauber war seit Dezember 2013 Parteimanager, eigentlich ist er bis Dezember gewählt. Es wurde erwartet, dass CDU-Chefin Angela Merkel Taubers Nachfolger ebenfalls an diesem Montag in den Sitzungen von Präsidium und Vorstand benennt. Wen die Kanzlerin als Nachfolger vorschlagen wird, blieb zunächst offen. Wann ein neuer Generalsekretär sein Amt antreten würde, war zunächst ebenfalls unklar. Auf dem Parteitag am Montag in einer Woche sollen 1001 Delegierte nach dem Willen Merkels dem Koalitionsvertrag mit der SPD zustimmen. Tauber ist in der CDU seit Längerem umstritten Die Entscheidung Merkels zur raschen Wahl eines Nachfolgers von Tauber wurde in der CDU auch als Zeichen an ihre parteiinternen Kritiker gewertet. Sie verlangen seit dem schlechten Abschneiden der Partei bei der Bundestagswahl im September 2017 eine personelle Erneuerung in Partei und Regierung. Tauber ist in der CDU seit Längerem umstritten. Kritiker werfen ihm unter anderem Fehler im Wahlkampf vor. CDU-Politiker, die sich als besonders konservativ präsentieren, konnten sich zudem nie mit seinem Einsatz für ein Einwanderungsgesetz und für die Ehe für alle anfreunden. In der CDU hieß es nun, Tauber habe Merkel bereits vor der Bundestagswahl angekündigt, er wolle die Aufgabe des Generalsekretärs nach einer Regierungsbildung abgeben. Nach der Bundestagswahl musste Tauber wegen einer schweren Darmerkrankung eine längere Zwangspause einlegen. Bei der Regierungsbildung war er beispielsweise nur zu Beginn der gescheiterten Jamaika-Sondierungen dabei. Dann musste er ins Krankenhaus, Komplikationen machten eine Not-OP nötig. Seit Anfang Februar ist er zur Reha in der Nähe seines hessischen Heimatorts Gelnhausen. Die Ablösung Taubers ist nur ein Puzzlestein Ob Tauber künftig als einfacher Bundestagsabgeordneter arbeitet oder ein Amt in einer künftigen Merkel-Regierung übernehmen soll, blieb zunächst ebenfalls offen. Die Ablösung Taubers ist nur ein Puzzlestein in der von Merkel angepeilten Erneuerung des CDU-Spitzenpersonals. Sie hat angekündigt, die Namen der sechs CDU-Minister in einem möglichen neuen schwarz-roten Kabinett bis zum Parteitag am 26. Februar bekanntzugeben. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wurde nicht erwartet, dass sie die Namen der Minister bereits an diesem Montag in den Sitzungen von Präsidium und Vorstand bekanntgeben wird. Wichtigste Punkte auf dem Parteitag sind die Rede Merkels zu dem Koalitionsvertrag mit den Sozialdemokraten sowie die anschließende Aussprache darüber. Mit Spannung wird dabei die Reaktion der Delegierten auf die Personalentscheidungen der CDU-Vorsitzenden zur Verjüngung in Partei und Regierung erwartet. Die endgültige Entscheidung über eine Neuauflage der großen Koalition aus CDU, CSU und SPD liegt in der Hand der SPD-Mitglieder. Das Ergebnis des Mitgliederentscheids der Sozialdemokraten über den Koalitionsvertrag soll am 4. März bekannt gegeben werden.
https://www.sueddeutsche.de/politik/syrischer-fluechtling-in-deutschland-gewinne-die-herzen-der-deutschen-ueber-die-ihrer-hunde-1.2640110
mlsum-de-9702
In Syrien haben Hunde keine Namen. In Deutschland kaufen ihnen ihre Besitzer edles Futter und schicke Hüte. Über die manchmal wunderliche Liebe zwischen Mensch und Tier.
Ich hasse Hunde nicht. Ich mag sie aber auch nicht besonders. Doch seit ich nach Deutschland kam, stellt sich diese Frage nicht mehr - meine Beziehung zu Hunden besteht nun aus einer Mischung von Neugier und Eifersucht. Besonders spüre ich das, wenn Hunde mich, auf einer schönen Felldecke liegend, aus einem warmen Auto heraus betrachten, wenn mir mal wieder viel zu kalt ist. Denn obwohl meine deutschen Freunde mir immer sagen, dass ich ständig den Wetterbericht lesen soll, lasse ich mich manchmal von der Morgensonne zu leichter Kleidung verführen. Abends erinnere ich mich dann immer daran, dass mir diese Freunde als erstes Geschenk in der neuen Heimat einen Regenschirm überreichten - mit den Worten, ihn immer bei mir zu führen. Diese geliebten Hunde, denen oft wärmer als mir ist, sie gibt es überall: auf den Straßen, in den Parks, in vielen Autos und manchmal sogar in Büros. Yahya Alaous arbeitete in Syrien als politischer Korrespondent einer großen Tageszeitung. Wegen seiner kritischen Berichterstattung saß der heute 42-Jährige von 2002 bis 2004 im Gefängnis, sein Ausweis wurde eingezogen, ihm wurde Berufsverbot erteilt. Nach der Entlassung wechselte er zu einer Untergrund-Webseite, die nach acht Jahren vom Regime geschlossen wurde. Während des Arabischen Frühlings schrieb er unter Pseudonym für eine Oppositions-Zeitung. Als es in Syrien zu gefährlich wurde, flüchtete er mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern nach Deutschland. Seit Sommer 2015 lebt die Familie in Berlin. In der SZ schreibt Yahya Alaous regelmäßig über "Mein Leben in Deutschland". Wenn man den Hund bewundernd anschaut und sanft seinen Nacken streichelt, bedeutet das für Deutsche, dass man eine zivilisierte Person ist. Gleichzeitig zollt man dem Besitzer Respekt für die gute Erziehung des Hundes. Schon kann man mit dem Besitzer sprechen, auch wenn es ein fremder Mensch ist. Anstatt über das Wetter zu sprechen, sagt man nun: "Was für ein schöner Hund" oder "Oh, der Hund hat so schöne Vorderläufe", und anstatt belanglos über das Wetter zu plaudern, gewinnt man vielleicht so - auf der liebevollen, tiefen emotional-animalistischen Ebene - einen neuen Menschenfreund. Wenn ich jetzt "Hundebesitzer" sage, verletze ich dann eigentlich die Gefühle, die Rechte der Hunde? "Wir können keinen Hund haben, kauft mir wenigstens dieses Hunde-Müsli!" Im Supermarkt überraschen mich auch nach fünf Monaten in Deutschland besonders die Hundeabteilungen. Qualität wird hier großgeschrieben - beim Hundefutter, beim Spielzeug für die Hunde und bei wirklich allem, was so ein Hund sonst noch so aus dem Supermarkt benötigen könnte. Als ich unlängst einkaufen war, sah ich eine non Deutsch family, die alle Mühe hatte, ihr Kind davon abzubringen, dem Familienbudget tränenreich eine Riesenbox Hundetrockenfutter abzupressen. Die Box war so schön gestaltet, voller sanftgezeichneter Fotos von wunderschön im Abendlicht strahlenden Hunden. Das kleine Mädchen weinte: "Wir können doch keinen Hund haben, also kauft mir wenigstens dieses Hunde-Müsli, mit Milch und Schockopulver ist das bestimmt ganz lecker!" Dabei drückte die Kleine das Hundetrockenfutter sehr fest an ihre Brust und gab sich allergrößte Mühe, mit Inbrunst Vierjährigen-Krokodilstränen zu produzieren. Als ich vor Kurzem in einem Berliner Park war und mich einfach nur über die liebevolle Kunst der Deutschen freute, wunderschöne Gartenlandschaften anzulegen und zu pflegen, sah ich eine deutsche Tierliebhaberfamilie. Ein Mann, eine Frau, ein Hund. Die Ehefrau widmete sich voller Liebe - dem Hund. Sie rief ihn "mein Schätzchen", klatschte immerzu in die Hände, um ihn springen zu lassen, und gab ihm großherzig und ständig Küsschen. Ihr teilnahmsloser Ehemann saß auf der Parkbank neben ihr. Audruckslos schien er hinzunehmen, dass er niemals auch nur annähernd so viel Aufmerksamkeit wie der Hund von seiner Frau empfangen würde. Arbeitet sein Magen, sein Darm gut, ist der Kleine auch wirklich ganz gesund? Auch ist mir schon aufgefallen, dass die deutschen Damen ihre Hunde sehr kreativ verwöhnen. Ihre Hunde tragen T-Shirts, Hütchen oder Handschuhe, um auf dem täglichen Spaziergang gut und passend zur Besitzerin auszusehen. Manche ignorieren mit verklärt-debilem Gesichtsausdruck, wenn ihr Tierchen an Elektrizitätskästen oder an Ecken pisst, während andere aufmerksam jeden Köttel, den das Tier zu produzieren gedenkt, bei seinem Ausscheiden verfolgen. Geht es dem Hundi gut? Arbeitet sein Magen, sein Darm gut, ist der Kleine auch wirklich ganz gesund? Die meisten der besorgten Besitzer lassen dann, erleichtert, dass das Tier funktioniert, den Schmutz liegen, statt ihn, wie vom Gesetzgeber aufgetragen, säuberlich zu entsorgen. Die Gegend in Berlin, in der ich wohne, ist strikt unter rund 150 Hunden aufgeteilt. Direkt vor meinem Fenster heben verschiedene Hunde ihre Beinchen. Im Fünf-Minuten-Takt. Für mich heißt das einfach nur: Den Berliner Hunden geht es gut. Sie haben den ganzen lieben langen Tag lang nichts zu tun, außer zu essen und zu trinken, damit sie (also zumindest die 150 Hunde meiner neuen Berliner Heimatecke) genau den Platz unter meinem Fenster dann als den "ihren" markieren können.
https://www.sueddeutsche.de/politik/studie-ueber-landesverbaende-das-ost-west-gefaelle-1.2867824
mlsum-de-9703
Eine Studie offenbart die Doppelstrategie der AfD: Im Westen tritt sie bürgerlich-gemäßigt auf, im Osten unverhohlen rechtspopulistisch.
Die Partei zeigt zwei Gesichter, und beide zusammen scheinen für die Alternative für Deutschland (AfD) derzeit zum Erfolg zu führen. Das ist der Befund einer umfangreichen Studie der Otto-Brenner-Stiftung über die AfD in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Vor den Landtagswahlen im Südwesten Deutschlands gebe sich die AfD betont moderat und sehe sich als bürgerlich-konservativ. Zugleich aber setze sie etwa in der Flüchtlingspolitik auf extreme Töne, im Hintergrund würden Hardliner mit Radikalisierungspotenzial das Wort führen. Die Otto-Brenner-Stiftung spricht von einer "Doppelstrategie". Kurz vor den Landtagswahlen am 13. März kann die AfD auf Rekordergebnisse hoffen. Laut einer Umfrage von infratest dimap im Auftrag des Mitteldeutschen Rundfunks läge die AfD in Sachsen-Anhalt bei 17 Prozent, nur einen Prozentpunkt hinter der SPD und drei hinter der Linken, die beide mit Verlusten rechnen müssten. Die CDU, die in Reiner Haseloff den Ministerpräsidenten stellt, käme auf 32 Prozent. Für die Studie haben die Autoren vom Göttinger Institut für Demokratieforschung die drei Landesverbände, deren Ausrichtung und Programme analysiert und Gespräche mit Akteuren geführt. Dabei fällt der Unterschied zwischen dem Südwesten und dem Osten auf, wo die AfD eher als "Bewegungspartei" auftrete, die teils völkisch-nationalistisch mobilisiere und provoziere. Die AfD kann in Sachsen-Anhalt, wie zuvor in Brandenburg, Sachsen und Thüringen, mit einem besonders guten Ergebnis rechnen. Sie habe dort vergleichsweise wenig Mitglieder. Unter dem Landesvorsitzenden André Poggenburg sei der Landesverband deutlich nach rechts gerückt. Poggenburg gilt als Vertrauter des Thüringer AfD-Landeschefs Björn Höcke. Das Wahlprogramm werde im "Wesentlichen von völkischen, nationalistisch-identitären und rechtspopulistischen Inhalten" getragen, heißt es in der Studie. Hochgebildete und Gutsituierte dominieren in Baden-Württemberg In Baden-Württemberg bemühe die Partei sich dagegen unter dem Landesvorsitzenden Jörg Meuthen um ein gemäßigtes Erscheinungsbild. Zugleich seien dort mit der "Patriotischen Plattform" und dem "Pforzheimer Kreis" zwei Formationen des äußersten rechten Randes der AfD besonders stark. Das Spitzenpersonal spiegele das Profil als Professorenpartei wider, wie es noch zu Gründungszeiten als typisch für die AfD galt. Der Landesvorstand "wird von Hochgebildeten und Gutsituierten dominiert", so die Studie. Fünf der 14 Mitglieder hätten promoviert, zwei zudem eine Habilitation vorzuweisen, fast alle ein abgeschlossenes Hochschulstudium. Nach der Spaltung der AfD im vergangenen Sommer hatten mit dem Parteigründer Bernd Lucke gerade auch in Baden-Württemberg viele Wirtschaftsliberale die Partei verlassen. Nun kann der Studie zufolge das moderate Profil der Spitze nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch im Südwesten der Exodus der Liberalen Folgen zeitigte. Die Studie verweist etwa auf eine für "schrille Töne und rabiate Positionen" bekannte stellvertretende Landessprecherin, die bei ihrer Bewerbungsrede vor einer "immer stärkeren Zurückdrängung des deutschen Bevölkerungsanteils" und einem "schleichenden Genozid" an den Deutschen gewarnt habe. Bei der AfD in Rheinland-Pfalz ist der Tonfall ihres Wahlprogramms "weithin unaufgeregt und sachlich" gehalten. Der Landesvorsitzende Uwe Junge bemühe sich "um Seriosität, vermeidet provozierende Vokabeln". Je nach Publikum verstehe Junge es aber, "souverän zwischen verschiedenen Tonlagen zu changieren". Der Landesvorsitzende spreche unter medialer Beobachtung moderat und zurückgenommen, wisse jedoch auch polemisch-aggressive und unverhohlen rechtspopulistische Töne anzuschlagen. Dabei würden die bürgerlich-gemäßigte Selbstdarstellung und das betont zurückhaltende Wahlprogramm der Partei im Wahlkampf von zunehmend schrofferen Abgrenzungen und einer schärferen Rhetorik, besonders in Fragen der Asyl- und Zuwanderungspolitik, konterkariert.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/em-2016-so-teuer-ist-das-volle-panini-album-1.3008284
mlsum-de-9704
Drei Geschwister haben für "Jugend forscht" die optimale Strategie fürs Sticker-Sammeln errechnet - und dabei eine alte Fan-Theorie widerlegt.
95,20 Euro: So viel würde es kosten, das neue EM-Sammelalbum zu füllen - wenn man jedes Bild nur einmal kaufen müsste. Im Grunde ist Deutschland bereits Europameister: Nirgendwo sonst verkauft der italienische Panini-Verlag mehr Fußball-Sticker als in Deutschland. Das Album zur Fußball-Europameisterschaft mit seinen 680 Spielern komplett zu machen, ist allerdings ein teures Vergnügen, auch weil die Sticker nicht einzeln erhältlich sind. Drei Geschwister aus Braunschweig wollten wissen, wie sie ihr Album möglichst kostengünstig füllen und haben dafür eine Formel aufgestellt, mit der sie jetzt beim Bundesfinale von "Jugend forscht" antreten. "Angefangen hat alles auf einer langen Autofahrt, als uns langweilig war", sagt die 15-jährige Sonja Braband. Gemeinsam mit ihrem 14-jährigen Bruder Niklas hat sie überlegt, ob die Doppelungen beim Panini-Bilder-Sammeln wirklich zufällig sind. Panini zufolge gibt es keine besonders seltenen Bilder. Dass man bereits dreimal den Nationalspieler Hummels, aber noch keinen einzigen Podolski habe, dies sei reiner Zufall. Sonja, Niklas und ihr älterer Bruder Malte Braband wollten das testen und haben dafür mehr als 6000 Bilder am Küchentisch ausgepackt. Das Ergebnis: Die Bilder kamen zwar alle gleich häufig vor, zufällig gemischt sind sie aber nicht. Stattdessen entstehen bei der Verpackung Muster, die sich positiv auf den Sammelerfolg auswirken, wenn man viele nacheinander produzierte Päckchen kauft. Deshalb raten die drei zum Kauf eines ganzen Displays, das 100 Päckchen à 70 Cent mit insgesamt 500 Bildern enthält. "Danach ist es wichtig, andere Panini-Fans zu finden und zu tauschen, bis einem weniger als 50 Sticker fehlen" sagt Sonja. Die können dann nämlich beim Hersteller nachbestellt werden. Günstig wird es aber auch mit der Formel nicht: 255 Euro zahle man im Durchschnitt für ein volles EM-Album, haben die drei errechnet. Wer mit zwei Leuten tauscht, kommt auf 154 Euro. Die Geschwister sind nicht die ersten, die sich mathematisch mit dem "Sammelbilderproblem" beschäftigten. Ihre Formel lässt sich aber auf verschiedene Albengrößen übertragen und berücksichtigt mehrere Effekte. Eingeklebt haben sie die Bilder übrigens nicht. Die meisten der von Panini gesponserten Bildchen haben sie verschenkt.
https://www.sueddeutsche.de/politik/bundestagswahl-seehofer-die-union-muss-im-bund-40-prozent-holen-1.3340398
mlsum-de-9705
Der CSU-Chef gibt der Kanzlerin ein Ziel für die Wahl vor. Eine Versöhnung mit Merkel wird wahrscheinlicher - trotz der Uneinigkeit beim Thema Zuwanderung.
Trotz der Differenzen mit der CDU in der Flüchtlingspolitik geht CSU-Chef Horst Seehofer mit einer gesteigerten Erwartungshaltung in den Bundestagswahlkampf. "Für uns gemeinsam habe ich das Ziel ausgegeben, dass wir 40 Prozent erreichen sollten", sagte Seehofer bei der Klausur der CSU-Landtagsfraktion im oberfränkischen Kloster Banz über das von ihm angepeilte Ergebnis der Union. Bisher hatte der CSU-Vorsitzende nur davon gesprochen, dass seine Partei und die CDU zusammen eher bei 40 als bei 30 Prozent liegen sollten. Er gehe "mit großer Zuversicht" in die kommenden acht Monate, sagte der CSU-Chef. Seine Partei befinde sich in einer so starken Verfassung, "dass wir uns nur selber schlagen können", sagte Seehofer. Dies gelte auch für das Miteinander von CSU und CDU auf Bundesebene. Zuletzt hatte die Union in Umfragen bis zu 38 Prozent erreicht. Die CDU-Vorsitzende, Kanzlerin Angela Merkel, hat bislang keine Zahl als Wahlziel genannt, sondern lediglich, dass gegen die Union keine Regierung gebildet werden kann. Seehofer zeigte sich auch optimistischer als noch vor zwei Wochen, dass die gemeinsame Präsidiumssitzung von CSU und CDU Anfang Februar in München stattfinden wird - der Termin wird allgemein als Versöhnungstreffen betrachtet. Anders als bei der Klausur der CSU-Landesgruppe Anfang Januar im Kloster Seeon sagte Seehofer: "Wir sind auf einem guten Weg." Die CSU wolle ein Höchstmaß an Einigkeit, wenn auch nicht um jeden Preis. Das Treffen sei daher geplant, aber noch nicht endgültig festgelegt. Die Generalsekretäre Peter Tauber (CDU) und Andreas Scheuer (CSU) werden sich kommende Woche zu weiteren Gesprächen treffen. Bei der Zuwanderung werde eine Verständigung nicht möglich sein Seehofer beharrt auf einer Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen, die Deutschland im Jahr aufnimmt. Ohne diese Festlegung werde er in keine Koalition gehen, hat der CSU-Chef gesagt. Die CDU lehnt jedoch die Obergrenze ab. Dennoch wolle er einen geschlossenen Wahlkampf mit der CDU, sagte Seehofer nun. "Dass bei der Zuwanderung eine Verständigung nicht möglich sein wird, ist bekannt"; dies müsse aber kein Hindernis sein. Vor der Landtagsfraktion sagte er nach Angaben von Teilnehmern, wenn die Regierung unter Merkels Führung abgewählt würde, erschütterte dies "die Union ins Mark." Er wolle deshalb "keine Koalitionsdiskussion". Verläuft die Friedensklausur erfolgreich, soll Merkel zur gemeinsamen Kanzlerkandidatin ausgerufen werden. Er wolle Merkel unterstützen, wurde Seehofer zitiert. Allerdings sei inhaltliche Klarheit wichtiger als Harmonie um des Friedens willen. Er wolle "mit der CDU Lösungen, nicht Losungen". Eine Absage erteilte Seehofer einer Koalition mit den Grünen, trotz der Wahl der Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir, die als offen für ein Bündnis mit der Union gelten. Es gebe "praktisch kaum mehr Gemeinsamkeiten" mit den Grünen. Als weiteres Ziel nannte Seehofer den Kampf gegen die AfD. Er wolle, dass diese Partei "überflüssig" werde.
https://www.sueddeutsche.de/politik/judenverfolgung-nie-vom-holocaust-gehoert-1.4231485
mlsum-de-9706
In einer Studie geben 40 Prozent der jungen deutschen Teilnehmer an, wenig oder gar nichts über die Vernichtung der Juden im Zweiten Weltkrieg zu wissen. Es ist nicht die erste Erhebung, die Anlass zur Sorge gibt.
Schüler nehmen am Holocaust-Mahnmal in Berlin an einer Gedenkveranstaltung zu den November-Progromen teil. Einer Studie zufolge schwindet das Wissen über die Judenvernichtung unter jungen Deutschen. "Wieviel, würdest du sagen, weißt du über den Holocaust?" So lautete die Frage, deren Beantwortung nun für Unruhe sorgt. Das Marktforschungsinstitut ComRes hat im Auftrag des US-Fernsehsenders CNN eine repräsentative Umfrage unter Tausenden jungen Europäern gemacht. Demnach schwindet das Bewusstsein für den Holocaust in zahlreichen Ländern - auch in Deutschland. 40 Prozent der befragten Deutschen im Alter von 18 und 34 Jahren antworteten, sie wüssten "wenig" oder "gar nichts" über die Judenvernichtung unter den Nazis im Zweiten Weltkrieg. Unter allen europäischen Befragten liegt der Wert bei 33 Prozent. Die Teilnehmer stammen neben Deutschland aus Österreich, Frankreich, Großbritannien, Ungarn, Polen und Schweden. Etwa fünf Prozent der Europäer gab an, sie hätten "nie vom Holocaust gehört". Die Befragten äußerten sich unterschiedlich über Israel. Eine Mehrheit von 54 Prozent ist der Ansicht, dass Israel das Recht hat, als jüdischer Staat zu existieren. Ein Drittel glaubt, Kritik an dem Land sei meist durch Antisemitismus motiviert. Ein Drittel sagt allerdings auch, Israel nutze den Holocaust als Rechtfertigung für seine Handlungen. Alte Vorurteile sind offenbar weiterhin sehr präsent. Mehr als ein Viertel der Befragten ist der Meinung, Juden hätten zu viel Einfluss auf die Geschäfts- und Finanzwelt, teilte CNN mit. Nimmt Antisemitismus in Deutschland zu? Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, äußerte sich besorgt. Die Ergebnisse seien "erschreckend", wenn auch nicht überraschend. Ähnliche Reaktionen kommen von der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem sowie vom Internationalen Auschwitz-Komitee (IAK). "Die europäischen Gesellschaften sollten das Alarmsignal, das die Umfrage aussendet, sehr ernst nehmen", sagte IAK-Vizepräsident Christoph Heubner. "Offensichtlich erodiert das Wissen über den Holocaust in dem Moment, in dem in vielen dieser Gesellschaften antisemitischer Hass und rechtsextreme Wutgesänge vermehrt aufflammen." Die in Jerusalem ansässige Gedenkstätte Yad Vashem teilte mit: "Die Umfrage unterstreicht die beunruhigende Tatsache, dass viele fest verwurzelte, hasserfüllte antisemitische Einstellungen in der europäischen Zivilisation bestehen bleiben." Die CNN-Studie ist nicht die erste Untersuchung, die darauf hindeutet, dass sich der Umgang mit Antisemitismus und die Holocaust-Erinnerungskultur in Deutschland wandeln. So verweist eine Studie der Universität Bielefeld darauf, dass es in den 73 Jahren seit Ende des Zweiten Weltkriegs zu Verzerrungen gekommen ist. 18 Prozent der Befragten gaben an, ihre Vorfahren hätten im Nationalsozialismus Opfern geholfen. Die tatsächliche Zahl deutscher Helfer hat den Autoren zufolge aber um ein Tausendfaches niedriger gelegen. Angesichts solcher Befunde sprechen sie von "Erinnerungslücken". Seit Längerem wird auch darüber diskutiert, ob antisemitische Einstellungen in Deutschland zunehmen. Der Polizeistatistik zufolge haben antisemitische Straftaten in den vergangenen Jahren nicht zugenommen, Anfang der 2000er-Jahre lag die Zahl der Delikte etwas höher als zuletzt. Experten vermuten allerdings, dass die Dunkelziffer hoch sein könnte. Es gibt aber auch Zahlen, die darauf hindeuten, dass Probleme mit Antisemitismus zunehmen. So ergab eine Studie der FU Berlin, dass es im Internet immer häufiger zu judenfeindlichen Äußerungen kommt. Die Autoren der Studie um die Kognitionswissenschaftlerin Monika Schwarz-Friesel haben dafür etwa eine Viertelmillion User-Kommentare ausgewertet. Wiesen 2007 noch 7,5 Prozent der Kommentare antisemitische Stereotype auf, war der Anteil bis 2014 auf das etwa Fünffache gewachsen. Zudem gab es zuletzt mehrere Fälle antisemitischer Übergriffe oder Ausfälle. Die Sichtbarkeit der Anfeindungen, so könnte man es zusammenfassen, hat also sehr wohl zuletzt zugenommen. Das kommt auch bei den in Deutschland lebenden Juden an. Eine Umfrage unter etwa 500 Juden ergab, dass 78 Prozent von ihnen eine Zunahme antisemitischer Übergriffe wahrnehme. 29 Prozent gaben an, selbst beleidigt oder belästigt worden zu sein. Immer wieder wird auch über Antisemitismus bei in Deutschland lebenden Muslimen debattiert. Einige Studien kommen zu dem Schluss, dass Vorurteile gegenüber Juden in dieser Gruppe stärker verbreitet sind als im Rest der Bevölkerung.
https://www.sueddeutsche.de/politik/nach-zwei-jahren-verhandlungen-heimkinder-koennen-auf-entschaedigung-hoffen-1.1034971
mlsum-de-9707
120 Millionen Euro für traumatisierte Heimkinder: Während die Betroffenen die Kirchen für ihr Verhalten loben, wächst die Kritik an Unions-geführten Ländern: Sie sind in der Entschädigungsfrage unentschlossen.
Sie waren fest entschlossen zu gehen und alles platzen zu lassen, nach zwei Jahren Beratungen. Die Summe des Fonds, aus dem künftig ehemalige Heimkinder entschädigt werden sollen, erschien ihnen viel zu niedrig, die Hürden, um an Geld zu kommen, zu hoch, und der Abschlussbericht nannte aus ihrer Sicht nicht so recht beim Namen, was den Kindern in den 50er und 60er Jahren in den Heimen widerfuhr; das Wort vom "System Heimerziehung", das sich noch im Zwischenbericht fand, fehlte diesmal. "Wir kamen uns wieder einmal vor wie die Bettler", sagt Sonja Djurovic, eine der Vertreterinnen der Heimkinder. Detailansicht öffnen Ehemalige Heimkinder, die von Misshandlungen traumatisiert wurden, sollen schnell und unbürokratisch Hilfe bekommen. (Foto: ag.dpa) Also blieben sie draußen vor der Tür, und erst als Antje Vollmer, die Moderatorin des "Runden Tisches Heimerziehung", ihnen ins Gewissen redete, sie dürften doch nicht am vorletzten Tag der Beratungen alles kaputt machen, da setzten sie sich doch zu den anderen, zu den Vertretern des Bundes, der Länder, der Kirchen und der Wissenschaft. "Mit sehr gemischten Gefühlen", wie Sonja Djurovic sagt, "aber es ist besser, ein bisschen zu erreichen, als gar nichts zu erreichen". Am Montag kann Antje Vollmer nun den einstimmig beschlossenen Abschlussbericht vor der Bundespressekonferenz vorstellen. "Ein einstimmiger Bericht ist immer gut", sagt sie erleichtert am Ende der Beratungen in Berlin. Ein bisschen haben die Heimkinder auch noch erreicht, in diesen letzten beiden Verhandlungstagen in Berlin, die am Donnerstag bis um 21 Uhr und am Freitag bis um 16 Uhr gingen. Bund, Länder und Kirchen wollen nun zu gleichen Teilen insgesamt 120 Millionen Euro in einen Fonds zahlen; die Summe kann aufgestockt werden, wenn das Geld nicht reicht, um alle berechtigten Ansprüche von Heimkindern zu befriedigen. Und die Hürden für die Antragsteller werden wohl vergleichsweise niedrig sein - es soll genügen, dass sie glaubhaft machen, dass sie bleibende seelische oder körperliche Schäden durch Schläge, Demütigungen oder sexuelle Gewalt im Heim davongetragen haben, dass ihnen Lohn oder Rentenzahlungen vorenthalten wurden. Ein Nachweis, der oft schwer zu beschaffen ist, ist damit nicht nötig, vielen Traumatisierten soll so eine erneute Traumatisierung erspart bleiben. Andere Regelungen bleiben allerdings aus Sicht der Heimkinder unbefriedigend. Es wird keine pauschale Entschädigung geben, sondern Einzelfall-Hilfen; wie viele Heimkinder auf sie Anspruch haben oder sie in Anspruch nehmen werden, steht in den Sternen. 30000 bis 50000 der bis zu 700000 Kinder und Jugendlichen, die zwischen dem Kriegsende und den siebziger Jahren im Heim waren, haben bleibende Schäden davongetragen, schätzt man am runden Tisch. Und immer noch steht die offizielle Zustimmung des Bundes und der Länder zur Zahlung in der Fonds aus - einzig die evangelische und die katholische Kirche haben fest zugesagt, ihren Anteil zu zahlen. Vor allem die unionsgeführten Länder bleiben unsichere Kandidaten. Bayern hat erklärt, man werde erst entscheiden, wenn der Bundestag entschieden habe. "Die Länder müssen sich einen Ruck geben", sagt Djurovic, "viele Geschädigte warten auf das Geld, die Hilfe." Der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Johannes Stücker-Brüning, spricht dagegen von einem "guten gemeinsamen Ergebnis", das die 22 Mitglieder des runden Tisches erzielt hätten. Die Kirchen, am Anfang der Beratungen als potentielle Verweigerer unter Verdacht, ernten am Ende Lob von den Heimkindern: "Da hat sich etwas bewegt", sagt Djurovic. Am Freitag gegen Mittag erstarren alle Mitglieder am runden Tisch: Eine Frau überwindet die Sicherheitsvorkehrungen, steht auf einmal da, weint, will ihre Geschichte erzählen, wie sie litt, seit sie als Baby in ein Säuglingsheim kam. Ein Realitätsschock für ein paar Minuten. Dann wird die Frau sanft nach draußen begleitet.
https://www.sueddeutsche.de/politik/kurdische-pkk-sie-bewegt-sich-doch-1.2429459
mlsum-de-9708
Die frühere Terrororganisation scheint auf dem Weg zu einer friedlichen Partei zu sein. Falls sie den Kurs konsequent hält, kann das Verbot in Deutschland fallen.
Die PKK vollzieht einen verblüffenden Wandel. Dieser wirkt umso erstaunlicher, wenn man sich vergegenwärtigt, womit die kurdische Untergrundorganisation lange aufgefallen war: mit Attentaten, Morden, Selbstverbrennungen, Erpressungen, Drogenhandel sowie einer autoritär-mafiösen Struktur. Die EU stuft die PKK noch als Terrororganisation ein, in Deutschland ist sie seit 1993 verboten. Zu groß war angesichts von 800 000 hier lebenden Kurden die Angst, sich den blutigen innertürkischen Konflikt ins Haus zu holen. Noch 2013 hieß es in einem Verfassungsschutzbericht, Gewalt bleibe für die PKK ein "strategisches Element". Nur: Die PKK versucht sich seither an einem rasanten Imagewechsel, der ernst genommen werden sollte und große Folgen haben könnte - bis hin zur Aufhebung des Verbots. In Deutschland war es vor allem der Vormarsch der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) und der Kampf um die türkisch-syrische Grenzstadt Kobanê, der eine Reihe von Politikern umdenken ließ, quer durch das Parteienspektrum. Zum einen gab es da wohl angesichts der grausamen Tötungsvideos und Massenverschleppungen des IS den Reflex, die PKK für das kleinere Übel zu halten. Zum anderen waren es auch PKK-Kämpfer, die sich dem IS entgegenstellten. Als die Bundesregierung beschloss, die irakisch-kurdischen Peschmerga mit Waffen auszurüsten, war auch die Debatte um die PKK eröffnet. Diese Woche erhielt sie neue Nahrung: Da entschuldigte sich die PKK bei den Deutschen für die Gewalttaten der Organisation in den Neunzigerjahren. Sie kündigte außerdem an, nicht mehr gegen die Türkei kämpfen zu wollen. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die PKK sich wirklich ändern will - weil die Aussicht, aus der Terrorecke herauszukommen und irgendwann als legale Organisation Einfluss zu nehmen, inzwischen realistisch erscheint. Tatsächlich hat die PKK schon einen weiten Weg zurückgelegt, und die Richtung lässt hoffen. Stand früher der bewaffnete Kampf für einen eigenen Staat im Vordergrund, strebt die Organisation heute nach regionaler Autonomie. Die Annäherung in der Türkei ist spätestens seit 2011 im Gange. Damals begannen die Geheimgespräche zwischen Vertretern der PKK und der Regierung. Ende 2012 suchte die türkische Regierung erstmals direkten Kontakt zum inhaftierten Chef der PKK, Abdullah Öcalan. Die Untergrundorganisation könnte endlich auf dem Weg zur friedlichen Partei sein Jetzt, kurz vor der Parlamentswahl am 7. Juni, ist das Land einer Lösung so nah wie nie zuvor. Doch mit Rückschlägen muss gerechnet werden, und der Aussöhnungsprozess kann auch scheitern. Zuletzt fiel Präsident Recep Tayyip Erdoğan, für den die Lösung des Konflikts immer Chefsache war, Premier Ahmet Davutoğlu in den Rücken, als dieser Öcalans Friedensbotschaften begrüßte. All das ändert aber nichts daran, dass sich für die PKK ein historisches Fenster geöffnet hat. Es gibt Beispiele für bewaffnete Bewegungen, deren Eingliederung in den politischen Prozess gelungen ist: etwa die irische IRA. Zunächst muss es nun der Türkei gelingen, die PKK als politische Kraft zu integrieren, als Partei oder in anderer Form. Zugleich muss die PKK-Führung einen Gewaltverzicht in den eigenen Reihen durchsetzen und einhalten. Wenn das geschafft ist, könnte auch das deutsche Verbot fallen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-bayern-muller-si-1.3181354
mlsum-de-9709
Carlo Ancelotti respektiert das FC-Bayern-Gesetz, dass Thomas Müller immer spielen muss. Dabei hat der Klub unter dieser Folklore zuletzt auch gelitten.
"Muskelverletzung im Oberschenkel", so lautet die offizielle Diagnose. Douglas Costa war am Dienstagmorgen einer der wenigen Bayern-Spieler, die sich nicht an Bord der Sondermaschine LH 2570 auf den Weg nach Madrid machten, zum Champions-League-Gruppenspiel am Mittwochabend bei Atlético. Die berühmte Augenbraue des Trainers Carlo Ancelotti hing deshalb aber nicht sorgenvoller in der Landschaft als sonst. Die Saison ist noch jung, und sollte es überhaupt etwas geben, was den Gemütsmenschen Ancelotti derzeit Sorgen bereitet - Verletzungen sind es nicht. Auf Costas Position dürfte nun eben Thomas Müller spielen. Non c'è problema! Wobei Thomas Müller das natürlich umgekehrt sehen würde. Nämlich so, dass Thomas Müller am Mittwoch selbstverständlich auf Thomas Müllers Position spielen wird, rechts vorne, wo Müller bekanntlich alle Laufwege kennt, selbst jene, die es eigentlich gar nicht gibt. "Müller spielt immer" lautet ein zentraler Artikel des Klubgrundgesetzes, der auf die Zeit des Trainers Louis van Gaal zurückgeht. Nur an diesem Abend Ende April, als die Bayern ebenfalls im Estadio Vicente Calderón zu Gast waren - da saß dieser Müller halt bloß auf der Bank. Der Trainer Pep Guardiola hatte damals eine detaillierte taktische Prioritätenliste erarbeitet, er wollte einen Linksfuß links vorne, einen Rechtsfuß rechts vorne, außerdem Überzahl in der Zentrale. Für den stets torgefährlichen Müller war schließlich kein Platz mehr in diesem kühlen strategischen Konstrukt. Das war - jedenfalls wenn man der herrschenden Münchner Lehrmeinung folgt - eine Todsünde, quasi. Man erinnert sich jetzt wieder an diese Halbfinalserie der vergangenen Saison, Anlass ist die Rückkehr der Bayern an jenen Ort, an dem sich damals abzeichnete, dass Guardiola München ohne Champions-League-Pokal verlassen würde. Dem 0:1 im Hinspiel von Madrid folgte zunächst eine Woche voller Thomas-Müller-Fachdebatten, deren Essenz sich so zusammenfassen lässt: Klar darfst du als Trainer einen Müller draußen lassen! Aber halt nur, wenn du dann auch gewinnst! Dann folgte ein 2:1-Sieg der Bayern in einem Rückspiel, das die Zuschauer fesselte und begeisterte, und das noch mal zur Schau stellte, auf welches Niveau der Trainer Guardiola diese Elf gehoben hatte. Zugegeben, mit einem Schönheitsfehler: Der Sieg fiel um ein Tor zu niedrig aus, um sich für das Finale zu qualifizieren.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-bundesliga-liverpool-ist-laengst-weit-weg-1.3459306
mlsum-de-9710
Der Abstiegskampf als bayerisches Kontrastprogramm: Während Ingolstadt aus einer plötzlichen Siegesserie Energie zieht, fahndet Augsburg nach verlorener Zweikampf-Stärke.
Der FC Augsburg sollte im Frühjahr 2017 strahlen. Stolz hatte der Klub im Herbst den Bau einer neuen Stadionfassade verkündet, eine, die in den Vereinsfarben leuchtet. Doch weil es im Winter zu kalt war, verzögerte sich die Arbeit, gerade wird erst der Beton gestrichen. In Augsburg leuchtet also nichts. Es würde auch nicht passen zu einem Bundesligisten auf Rang 16, dem der Abstieg droht. Der Augsburger Manuel Baum, 37, ist einer der jüngsten Trainer der Bundesliga, doch in Berlin sah er am Sonntagabend nicht gerade jugendlich frisch aus, als er das 0:2 gegen Hertha BSC zu erklären versuchte, Augsburgs 13. Saisonniederlage und die bereits sechste in der Rückrunde. Während des Spiels hatte er wild fuchtelnd versucht, seine Spieler anzutreiben. Doch gegen Ende saß er still auf der Bank; es sah so aus, als würde er auf den Fingernägeln kauen. Seine Spieler wollten keine Zweikämpfe bestreiten, was im Fußball nun mal elementar wichtig ist. Sie verloren verdient und gaben das auch zu. "Du musst den Willen haben, das besser zu machen", sagte Mittelfeldspieler Daniel Baier, "den haben wir nicht". Normalerweise geben sich Fußballer mehr Mühe, nicht resignativ zu klingen. Doch die Mängel sind offensichtlich, es ist müßig, sie zu verschleiern. Am Montag wurde in Augsburg nicht trainiert, sondern nur hinter verschlossenen Türen gesprochen. Alles wie immer, hieß es dazu aus dem Verein, doch natürlich sind sie sich beim FCA inzwischen der Situation bewusst. Manager Stefan Reuter sagte am Sonntag, er gehe davon aus, dass Baum auch am Samstag gegen Köln Augsburgs Trainer sei. Er werde klare Forderungen an die Spieler formulieren, erklärte er. Wer verstehen will, was in Augsburg gerade schiefläuft, findet Antworten dort, wo zurzeit überraschend viel funktioniert. Während die Augsburger die vergangenen drei Spiele verloren, gewann der FC Ingolstadt dreimal. Die Oberbayern, im Kampf um den Klassenverbleib bereits abgeschrieben gewesen, sind bis auf einen Punkt an den FCA herangerückt. Ihr Trainer, der Westfale Maik Walpurgis, hat kürzlich jede Partie zum Endspiel erklärt und seine Spieler derart motiviert, dass sie wieder rennen wie in der erfolgreichen Vorsaison. Dazu lässt er simplen Fußball spielen, viele Tore fallen nach Standards, beim 3:2 gegen Darmstadt am Sonntag traf Verteidiger Markus Suttner bereits zum vierten Mal mit einem direkten Freistoß. Folgt das Team den Ideen von Trainer Baum? Manager Reuter sagt: "Er macht die Spieler heiß." Was Baums Plan ist, das war an der Umsetzung in Berlin indes nicht zu erkennen. Der Realschullehrer ist ein versierter Fußballfachmann, der das schöne Spiel verehrt und mit modernen Interpretationen kokettiert. In Unterhaching, wo seine Trainerkarriere begann, erklärte er Spielzüge gerne während der Partie mit einem Tablet und hielt Power-Point-Vorträge über Spielkonzepte. Er wurde Chef des Nachwuchsleistungszentrums in Augsburg und arbeitete als Taktik-Experte für Sky. Als Reuter im Dezember Dirk Schuster entließ, fiel seine Wahl auch deshalb auf Baum, weil sich der Manager einen radikalen Gegenentwurf zu Schusters hauruckartigem Defensivfußball wünschte. Detailansicht öffnen Verstecken hilft nicht: Christoph Janker und der FC Augsburg müssen in den verbleibenden sechs Bundesligaspielen gegen den Abstieg kämpfen. (Foto: Sven Simon) Die Ergebniskrise sei keine Frage der Taktik, hat Baum am Sonntag gesagt, nachdem er die mit 26 Gegentoren schwächste Abwehr der Rückrunde von einer Dreier- zur Viererkette ummodelliert hatte. Er verwies auf Verletzungspech, den kurzfristigen Ausfall von Raúl Bobadilla zum Beispiel, sicher eine Erklärung für die harmlose Offensive. Vor allem sagte Baum sichtlich verärgert, er werde an elementaren Dingen arbeiten, am Zweikampfverhalten. Doch er gab zu, dass er dies bereits in den vergangenen Tagen angesprochen hatte. Augenscheinlich ergebnislos. Es gehört auch zum Lebenslauf des Trainers Baum, dass ihn in Unterhaching Spieler nicht verstanden und er gehen musste, bevor der Klub in die vierte Liga abstieg. Reuter musste deshalb beantworten, ob Baum das Team motivieren könne. Er sagte: "Der Trainer macht die Spieler heiß." Am Sonntag hat sich auch der Mann zur Situation geäußert, der von seinem Arbeitsplatz aus die beste Sicht auf Augsburgs Probleme hat, der Torhüter Marwin Hitz. "Alles, was wir versucht haben, hat nicht annähernd Früchte getragen", sagte er und sprach von einem "kompletten Neustart", der nun nötig sei, was er auf Nachfrage nicht auf den Trainer bezogen wissen wollte. "Es zählt nicht mehr, wer 200 Bundesligaspiele für Augsburg hat", sagte Hitz. Und fügte noch etwas Interessantes hinzu: "Es kommt jetzt alles zurück, was wir in den letzten Jahren verschlendert haben." Sie waren beim FC Augsburg in den vergangen Jahren sehr, sehr zufrieden mit sich. Zu Recht: Die Qualifikation für den Europapokal 2015 war der größte Erfolg der Vereinsgeschichte. Doch seitdem ist der Kader nicht besser geworden, Erfolgstrainer Markus Weinzierl ging, die Rolle verdienter Spieler wurde kaum hinterfragt, neue haben es selten geschafft, sich unverzichtbar zu machen. Eine Ausnahme ist der isländische Stürmer Alfred Finnbogason, der aber gerade seine Form sucht. Detailansicht öffnen Rettung in Sicht: Der FC Ingolstadt galt schon als abgestiegen, jetzt fehlt nur noch ein Punkt zum Relegationsplatz - auch dank der Tore von Almog Cohen. (Foto: Stefan Bösl/imago) Es ist nicht viel mehr als ein Jahr her, dass sich die Fans des FC Augsburg in Europa bekannt machten, weil sie zu Tausenden in Liverpool feierten, wo ihr Team aus der Europa League ausschied. Dort hatte der FCA teils begeisternd gespielt, er wurde von Belgrad bis Bilbao gelobt. Inzwischen flüchten sich die Fans in Sarkasmus, der auch Trainer Baum trifft. Auf Twitter kursiert eine von FCA-Fans bearbeitete Version des Covers einer Fußball-Manager-Simulation. Die beworbenen Optionen: "Aufstellung zufällig" und "Leidenschaft deaktivieren". Als im Herbst die neue grün und rot leuchtende Stadionfassade vorgestellt wurde, sagte der Präsident Klaus Hofmann, Augsburgs Stadion sei künftig schöner als das des FC Bayern. Es würde den Klub hart treffen, wenn er dort bald gegen Sandhausen oder Heidenheim spielen müsste.
https://www.sueddeutsche.de/digital/internet-kolumne-netznachrichten-1.3364363
mlsum-de-9711
Der "Friends Day" von Facebook war eine Charme-Offensive zum passenden Zeitpunkt: Denn das Netzwerk hat einmal mehr mit Gegenwind zu kämpfen. Diesmal stammt er von der Datenwissenschaftlerin Vicki Boykis.
Es gibt eine Szene in der bekanntermaßen sehr hellsichtigen Fernsehserie "Die Simpsons", in der eine Bande Marketing-Fuzzis einen neuen Feiertag erfindet, den Love Day. Alles natürlich, um der leicht verführbaren Kundschaft noch mehr Geld aus der Tasche zu ziehen. Beinahe ebenso innovativ wie der Liebestag in der Zeichentrickserie war das Ereignis, das am vergangenen Freitag Abermillionen von Facebook-Nutzern an oberster Stelle in ihrer Timeline zu Gesicht bekamen. Der "Friends Day" - ein von dem sozialen Netzwerk erdachtes Fest der Freundschaft. Zur Feier des Tages wurde auch für jeden Nutzer ein personalisiertes Video angefertigt. Ein anthropomorphes Gebilde aus Like- und Smiley-Icons vermengt mit der Masse an Profilbildern der eigenen Freunde tanzte da durchs Bild. Es ist eine seltsame Polonaise, bestehend aus ehemaligen Chefs, lang vergessenen Affären und all den anderen vermeintlichen Kontakten, wie man das heute nennt, die sich im Laufe einer Nutzerkarriere eben so aufhäufen. Aber weil die Verhaltenspsychologen von Facebook mal wieder ganze Arbeit geleistet haben und man halt doch nicht so abgebrüht ist, wie man vielleicht denkt, entfährt einem ein sentimentaler Seufzer, wenn dann doch mal ein echt lieb gewonnener Mensch an prominenter Stelle auftaucht. Facebook speichert 600 Terabyte Nutzerdaten - am Tag Banal oder nicht, die Charme-Offensive kommt jedenfalls zum richtigen Zeitpunkt. Schließlich hat das Netzwerk einmal mehr mit gehörigem Gegenwind zu kämpfen. Diesmal stammt er von Seiten der Datenwissenschaftlerin Vicki Boykis, die in einer ausholenden, 5000 Wörter umfassenden Abrechnung mit dem Titel "Was man bedenken sollte, wenn man Facebook nutzt" so dermaßen vom Leder zieht, dass der Artikel selbst beim hartgesottenen Publikum des Insiderportals Hacker News für Wirbel sorgte. Manches von dem, was Boykis aufzählt, ist bereits bekannt. Etwa die enormen Datenmengen, mehr als 600 Terabyte, die Facebook täglich über das Verhalten seiner Mitglieder speichert. Manches scheint aber in den zahlreichen Datenschutzaufschreien der letzten Jahre untergegangen zu sein. Zum Beispiel, dass Facebook nicht nur abgeschickte Posts registriert, sondern auch die Tastaturanschläge von Entwürfen, die niemals veröffentlicht werden. Das weltweit größte soziale Netzwerk hat damit die gleiche Funktionalität wie jene bösartige Art von Software, die man Keylogger nennt und vor der sich Internetnutzer weltweit zu Recht fürchten. Ein Teil der Empörung lässt sich offenbar auch auf den Zeitgeist dieser Tage zurückführen. Facebook, führt Boykis auf, analysiert neben dem Sozialgefüge von Migrantengemeinden in den USA auch das Outingverhalten von homosexuellen Nutzern und unterhält dank seiner Deep-Face-Technologie die wohl mit Abstand größte Datenbank von biometrischen Gesichtsmarkern, die es gibt. Genau solche Informationen also, die man im Amerika von Donald Trump nicht in an einer Stelle konzentriert sehen will.
https://www.sueddeutsche.de/politik/bundestagswahl-spd-linke-wollen-grosse-koalition-verhindern-1.3823236
mlsum-de-9712
Der Parteivorstand ist für weitere Verhandlungen mit der Union, doch auch die Gegner formieren sich. Ein Bundestagsabgeordneter spricht von einem "beschämenden Ergebnis" der Sondierungen.
Das Sondierungsergebnis steht, und schon beginnt es in der SPD zu rumoren. Am nächsten Wochenende wollen die Sozialdemokraten auf einem Parteitag in Bonn darüber abstimmen, ob sie mit CDU und CSU über eine Neuauflage der großen Koalition verhandeln. Die Parteispitze um Martin Schulz wirbt vehement dafür. Dass er den Vorstand zumindest vorerst auf seiner Seite hat, zeigte sich bei einem Treffen des Gremiums am Freitag. Nach kontroverser Diskussion über die mit CDU und CSU ausgehandelten Sondierungsergebnisse stimmten von den mehr als 40 Vorstandsmitgliedern nur sechs gegen formelle Verhandlungen, berichtet die dpa. Ergebnisse der Sondierungsgespräche von Union und SPD "Wir wollen eine stabile und handlungsfähige Regierung bilden, die das Richtige tut" schreiben die Sondierer in ihrem Abschlusspapier. Lesen Sie das 28-seitige Dokument hier. Der Parteitag in Bonn am 21. Januar könnte aber trotzdem turbulent werden. Denn im linken Flügel der Partei formiert sich Widerstand gegen die Führung. Die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis etwa hat angekündigt, eine Neuauflage der großen Koalition verhindern zu wollen. Durch Kampagnen und Argumente wolle man die Delegierten vor dem SPD-Parteitag am 21. Januar davon überzeugen, gegen die Aufnahme der Verhandlungen mit der Union zu stimmen. "Die Stimmung unter den Delegierten ist weiterhin sehr fragil", so die Abgeordnete. Auch aus konservativen SPD-Reihen gebe es Skepsis. In einem solchen Bündnis sei "keine klare sozialdemokratische Politik möglich". Ins gleiche Horn bläst der Bundestagsabgeordnete Marco Bülow. Er hat von einem "beschämenden Ergebnis" gesprochen und kommentiert, die große Koalition sei "nicht mal mehr ein Witz und gar nicht mein Humor". Juso-Chef vergleicht Sondierungen mit Blinddärmen Unterstützung dafür kommt auch von den Jusos. Der Bundesvorsitzende Kevin Kühnert sagte, einige "Kernkriterien" für eine Zusammenarbeit mit der Union, die die SPD beim Parteitag im Dezember beschlossen habe, seien "deutlich gerissen worden". Neben der Sozial- und Steuerpolitik kritisierte er die Tatsache, dass mit einer großen Koalition die Oppositionsführerschaft im Bundestag an die AfD gehen werde. Außerdem habe man bereits in der vergangenen Legislaturperiode schlechte Erfahrungen mit der Union gemacht. Die Jusos hatten schon vor Beginn der Sondierungen gegen eine weitere Zusammenarbeit ihrer Partei mit der Union protestiert. Auf Twitter verglich Kühnert Sondierungen mit Blinddärmen. Durchbrüche seien bei beiden nicht wünschenswert. Unterdessen versucht die Parteiprominenz, Zuversicht zu verbreiten. "Ich glaube, dass wir hervorragende Ergebnisse erzielt haben", sagt SPD-Chef Schulz. Fraktionschefin Andrea Nahles sagt später, unter den Bundestagsabgeordneten gebe es "breite Unterstützung für das Sondierungsergebnis". Und Michael Groschek, Chef des mächtigen nordrhein-westfälischen Landesverbands, will nach eigenen Worten uneingeschränkt für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen werben. Obwohl die SPD bei der Bundestagswahl nur 20 Prozent der Stimmen errungen habe, habe sie bei den Sondierungen 80 Prozent ihrer Ziele erreichen können, sagte Groschek der Nachrichtenagentur dpa. Er sei zuversichtlich, viele von der Qualität der Sondierungsergebnisse überzeugen zu können. Was der Parteiführung in die Karten spielen könnte, ist, dass der linke Parteiflügel keineswegs geschlossen agiert. Matthias Miersch etwa, Sprecher der Parteilinken in der Bundestagsfraktion, sprach sich für Koalitionsverhandlungen aus. "Wir sollten nun in konkrete Verhandlungen einsteigen. Eine endgültige Entscheidung läge dann bei allen SPD-Mitgliedern." Parteichef Schulz hat angekündigt, dass die SPD-Basis die endgültige Entscheidung über einen Koalitionsvertrag treffen solle. Eine wichtige Unterstützerin hat Schulz auch in der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer. "Ich glaube, dass wir ein sehr, sehr gutes Sondierungsergebnis haben und dass wir davon auch unsere Partei überzeugen können", sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin am Freitag der dpa. Sie nannte den Einstieg in gebührenfreie Kitas sowie höheres Kindergeld, höheres Bafög und ein stabiles Rentenniveau als Beispiele für gute Ergebnisse. Dreyer hatte sich zuvor skeptisch gezeigt und betont, dass die Gespräche ergebnisoffen geführt würden. Sie hatte bis dahin eine Minderheitsregierung von CDU/CSU favorisiert, will aber nun dem Parteitag empfehlen, dass die SPD Koalitionsverhandlungen mit der Union aufnimmt.
https://www.sueddeutsche.de/sport/die-clippers-in-der-nba-haeuptlinge-und-helferlein-1.2470909
mlsum-de-9713
Die Rückkehr von Chris Paul gegen Houston zeigt: Die Teams in den Playoffs sind fragile Gebilde.
Nein, es gab keinen Willis-Reed-Moment an diesem Freitagabend im Staples Center von Los Angeles. Trotz Verletzung war Reed im Mai 1970 im entscheidenden Spiel der Finalserie der NBA für die New York Knicks aufgelaufen, er erzielte humpelnd die ersten beiden Körbe und verhalf seiner Auswahl zum ersten Titelgewinn. Der Augenblick, als Willis alleine aus den Katakomben durch die Massen aufs Spielfeld marschierte, gilt bis heute als einer der größten Gänsehaut-Momente in der Geschichte des an Gänsehaut-Momenten wahrlich nicht armen Madison Square Garden. Chris Paul kam am Freitagabend nicht alleine aufs Spielfeld, er wurde begleitet von seinen Kameraden der Los Angeles Clippers. Es gab kein Raunen, keinen Jubelschrei, Pauls Einsatz nach einer Zerrung im Oberschenkel war schon am Nachmittag bestätigt worden. Paul spielte nicht einmal besonders spektakulär, am Ende standen zwölf Punkte und sieben Zuspiele in seiner Statistik. "Aber natürlich sind wir eine andere Mannschaft, wenn er auf dem Parkett steht", sagte Trainer Doc Rivers nach der Partie. Paul führte seine Mannschaft umsichtig, und die Los Angeles Clippers gewannen gegen die Houston Rockets 124:99. Die Clippers führen in der Best-of-seven-Serie im Halbfinale der Western Conference nun 2:1. "Ich habe mich gut gefühlt und so viele Minuten gespielt, wie ich konnte", sagte Paul, der die ersten beiden Partien verpasst hatte: "Die anderen Jungs haben heute großartig gespielt." Blake Griffin kam auf 22 Punkte und 14 Rebounds, der ansonsten häufig unauffällig agierende J.J. Reddick steuerte 31 Punkte bei. "Er macht Dinge, die ich nicht kann" Natürlich ist Paul der prägende Akteur der Clippers, schon die entscheidende Partie der ersten Playoff-Runde gegen die San Antonio Spurs entschied er mit einer akrobatischen Aktion wenige Sekunden vor dem Ende. Sein verletzungsbedingtes Fehlen wirkt natürlich schwerer, als würde ein Ergänzungsspieler ausfallen. Sein 22 Jahre alter Ersatzmann Austin Rivers sagt: "Er macht Dinge, die ich nicht kann. Es ist seine Mannschaft, die nur er so dirigieren kann." Rivers, übrigens der Sohn des Trainers, schaffte am Freitag als Pauls Ersatzmann immerhin formidable 25 Punkte und wurde am Ende vom ansonsten zurückhaltenden Publikum in LA mit Sprechchören und Ovationen gefeiert. Die Verletzung von Paul indes zeigt auch, welch fragile Gebilde die Kader vieler NBA-Vereine sind. Diese Struktur ist meist leicht an der Gehaltstabelle abzulesen. Freilich gibt es Ausnahmen wie die Atlanta Hawks, die San Antonio Spurs oder die Milwaukee Bucks, doch die Los Angeles Clippers stehen symbolisch dafür, wie zahlreiche Manager unter Berücksichtigung der Gehaltsobergrenze ihre Kader basteln. Es gibt die Häuptlinge, die in der NBA gemeinhin mit dem Begriff Superstar umschrieben werden, bei den Clippers sind das Chris Paul (20 Millionen Dollar Jahresgehalt) und Blake Griffin (17,6 Millionen). Daneben spielt ein Hilfssheriff - das ist entweder ein talentierter Akteur auf dem Weg zum Superstar-Status, ein verdienter Veteran oder ein herausragender Spieler, der bereit ist, auf ein bisschen Gehalt zu verzichten. In Los Angeles ist das der 26 Jahre alte Center DeAndre Jordan (11,4 Millionen), der in der Sommerpause zum Free Agent wird und dann durchaus auf einen Vertrag mit üppigem Gehalt spekulieren darf. Bei guter Führung dürfen die Helfer auch mal punkten Die anderen beiden Startspieler - bei den Clippers J.J. Reddick (6,8 Millionen Salär) und Matt Barnes (3,4 Millionen) - sollen verteidigen, Blöcke stellen, bei guter Führung dürfen sie auch den Ball in den Korb werfen. Sie sind Helferlein wie auch die Ersatzspieler Spencer Hawes (5,3 Millionen), Austin Rivers (2,4 Millionen), Glen Davis (1,2 Millionen) und Hidayet Turkoglu (1,4 Millionen). Bestenfalls gibt es noch einen herausragenden so genannten sechsten Mann, der hin und wieder eine Partie prägt, so wie Jamal Crawford (5,5 Millionen). Zahlreiche Kader sind in der NBA auf ähnliche Weise komponiert, das Big-Three-Konzept war in den vergangenen Jahren einfach zu erfolgreich - es kann jedoch zu Problemen führen, wenn sich einer der Häuptlinge verletzt. Die Los Angeles Lakers (Kobe Bryant), die Indiana Pacers (Paul George) und die Oklahoma City Thunder (Kevin Durant) etwa erreichten aufgrund der jeweils langfristigen Verletzung eines prägenden Akteurs nicht einmal die Ausscheidungsrunde. In der ersten Playoff-Runde verletzte sich Kevin Love von den Cleveland Cavaliers schwer an der Schulter und kann den anderen beiden Häuptlingen LeBron James und Kyrie Irving nicht beim Duell gegen die Chicago Bulls helfen. Die Cavaliers verloren am Freitagabend die Partie in letzter Sekunde und liegen nun im Halbfinale der Eastern Conference 1:2 zurück. Der entscheidende Wurf gelang übrigens Derrick Rose - die Führungskraft der Bulls hatte in 31 Partien der regulären Saison gefehlt und war erst kurz vor Beginn der Playoffs in den Kader zurückgekehrt. LeBron James hat sich derweil für die Playoffs ein Handy- und Social-Media-Verbot auferlegt, das er bislang nur einmal brach - um seinem Freund Chris Paul zu gratulieren: "Ich habe das Telefon meiner Frau benutzt und ihm gesagt, wie großartig er spielt. Dann habe ich einfach aufgelegt." James wünscht sich eine Finalserie zwischen den Clippers und seinen Cavaliers, mit einem gesunden Kevin Love an seiner Seite wäre das deutlich wahrscheinlicher. Doch auch in Cleveland dürfte es keinen Willis-Reed-Moment geben. Love wird mehrere Monate lang ausfallen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tarifstreit-bahn-gibt-lokfuehrern-nach-1.2216223
mlsum-de-9714
Erfolg für die GDL: Die Bahn erklärt sich bereit, mit Vertretern der beiden rivalisierenden Gewerkschaften GDL und EVG parallel zu verhandeln. GDL-Chef Weselsky beklagt eine "Pogromstimmung" gegen die Gewerkschaft.
Bahn lädt GDL und EVG zu parallelen Tarifverhandlungen ein Die Deutsche Bahn ist nun doch bereit, mit den Gewerkschaften EVG und GDL ohne Vorbedingungen zu verhandeln - und hat beide Arbeitnehmervertretungen zu parallelen Tarifverhandlungen am 21. November nach Frankfurt (Main) eingeladen. Damit erkläre sich das Unternehmen mit der GDL-Forderung einverstanden, Tarifverhandlungen mit mehreren Gewerkschaften am gleichen Ort zur gleichen Zeit mit dem selben Arbeitgeber zu führen, teilte die Bahn am Dienstag mit. Ein solches Verfahren war zwischen Bahn und GDL bereits vor dem Lokführerstreik der vergangenen Woche besprochen worden. Es scheiterte aber daran, dass die Bahn auf Regelungen für den Fall bestand, dass sie sich nur mit der EVG einigen würde, aber nicht mit der GDL. Diese Bedingung hat die Bahn nun fallen lassen. Bewährte Verhandlungsform Im öffentlichen Dienst habe sich diese Verhandlungsform bewährt und zu einvernehmlichen Ergebnissen geführt, erklärte die Bahn. Man wolle weiterhin verschiedene Regelungen für eine Berufsgruppe vermeiden. Dem diene das vorgeschlagene Verfahren. Die GDL will für das gesamte Zugpersonal verhandeln, nicht nur für die Lokführer. Für Zugbegleiter verhandelt aber schon die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Über diesen Punkt waren die Verhandlungen mit der GDL bislang nie hinausgekommen. Die Gewerkschaft der Lokführer bestätigte am Dienstag den Eingang der Einladung. Sie werde nun vom Vorstand geprüft, voraussichtlich am Mittwoch werde es eine Reaktion darauf geben, sagte eine Sprecherin. EVG stellt Bedingungen Die EVG zeigte sich zur Teilnahme an dem Gespräch bereit. Sie knüpfte daran allerdings die Bedingung, das Thema müsse ein einheitlicher Tarifvertrag sein. "Wir erwarten, dass alle Parteien dort eine verbindliche Erklärung zur Vermeidung von Tarifkonkurrenz abgeben", sagte EVG-Chef Alexander Kirchner. Die EVG lehne alle Regelungen ab, die eine Spaltung der Beschäftigten in den Betrieben oder Unternehmen förderten. Sie sei bereit, "dafür auch zu kämpfen". GDL-Chef Weselsky hatte zuvor seine Kompromissbereitschaft bekräftigt - wenn auch nicht im zentralen Streitpunkt des Verhandlungsmandats. "Wenn wir für alle unsere Mitglieder verhandeln, sind Kompromisse nicht nur möglich, sondern definitiv erreichbar", sagte er der Passauer Neuen Presse (Dienstag). "Wenn wir über die Inhalte sprechen, also über Arbeitszeitreduzierung und Entgelterhöhung, können wir das in einer angemessenen Zeit leisten." Weselsky beklagt "Pogromstimmung" gegen die GDL In einem Interview mit dem Kölner Express sorgte Weselsky mit einem drastischen Vergleich für Aufsehen. Darin beklagte er die öffentliche Diskussion und sprach von einer "Pogromstimmung" gegen die GDL. "In der Öffentlichkeit wurde gezielt von interessierter Seite eine Pogromstimmung gegen die GDL und ihre Mitglieder erzeugt", sagte er. "Ich wusste zuvor, dass dies eine harte Auseinandersetzung wird." Das Ausmaß der Angriffe habe er jedoch nicht erahnt. Im August hatte der GDL-Chef mit einem Behinderten-Vergleich für Empörung gesorgt.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/abgas-skandal-franzoesische-justiz-ermittelt-gegen-vw-1.2675417
mlsum-de-9715
Volkswagen gerät Medienberichten zufolge jetzt auch in Frankreich stärker unter Druck. In den USA stagniert der Absatz des Konzerns.
Ermittlungen in Frankreich Die französische Justiz hat im Abgas-Skandal erste Ermittlungen gegen den Autobauer Volkswagen eingeleitet. Das berichten Le Monde und die Nachrichtenagentur AFP übereinstimmend. Die Pariser Staatsanwaltschaft gehe demnach dem Vorwurf des schweren Betrugs nach, wie am Freitag aus Justizkreisen in der französischen Hauptstadt verlautete. Zuvor hatte der Vizepräsident der Region Île-de-France, die dem Großraum Paris entspricht, Anzeige gegen Volkswagen erstattet. Volkswagen hatte einräumen müssen, Millionen Dieselfahrzeuge mit einer Software ausgestattet zu haben, die Abgaswerte manipulieren kann. VW-Absatz in den USA stagniert Während andere Autohersteller im September in den USA teils deutlich mehr Autos verkaufen konnten als im Vorjahresmonat, stagnierte der VW-Absatz. Der Wolfsburger Konzern verkaufte von seiner Kernmarke VW in den USA im September etwa 26 000 Fahrzeuge. Die Verkaufszahlen liegen damit nur knapp über dem Vorjahresmonat. Die Manipulation von Abgaswerten bei Dieselfahrzeugen hatte das US-Umweltamt EPA am 18. September öffentlich bekannt gemacht. VW hatte dann den Verkauf der betroffenen Modelle gestoppt. Wegen der Affäre rechnen Analysten bei VW mit einem Absatzeinbruch am US-Markt. US-Absatzplus bei der Konkurrenz Der Absatz besonders der amerikanischen Konkurrenz legte in dem Monat dagegen zum Teil deutlich zu. Bei den großen US-Konzernen verzeichnete General Motors ein Plus von 12,5 Prozent, Ford von 23 Prozent und Fiat Chrysler von 13,6 Prozent. Auch Toyota Motor verkaufte im September 16,2 Prozent mehr Autos. Experten begründen die gestiegene Nachfrage in den USA mit den niedrigen Benzinpreisen und Kreditzinsen. Anders als VW verzeichnete die VW-Tochter Audi einen starken Monat September. Mit einem Plus von 16,2 Prozent auf 17 340 Autos schlossen die Ingolstädter nach eigenen Angaben den 57. Rekordmonat in Folge ab. Auch andere deutsche Hersteller gaben in den USA und Nordamerika Zugewinne bekannt. Mercedes USA verkaufte sechs Prozent mehr Fahrzeuge, BMW etwa vier Prozent mehr und Porsche sogar 22,7 Prozent.
https://www.sueddeutsche.de/stil/diaeten-eine-beere-aufgebunden-1.2798520
mlsum-de-9716
"Pilz der Unsterblichkeit" oder der Ananas-Hamburger: Neue Ernährungstrends führen zu skurrilen Gerichten. Der Geschmack: zweitrangig.
Der Drang, sich gesund ernähren zu wollen, treibt oft seltsame Blüten. Die meisten davon wachsen in den USA, wo Models, Hollywoodstars und Talkmaster neben ihrer normalen Tätigkeit anscheinend regelmäßig der Ernährungsberatung nachgehen. Der Superfood-Trend wurde jedenfalls maßgeblich befeuert von Oprah Winfrey, das australische Supermodel Miranda Kerr packt angeblich gleich neun sogenannte Superfoods ins Frühstücksmüsli, um faltenfrei und fit zu bleiben. Alles nur eine Frage des Geldes. Der normale Verbraucher hübscht gelegentlich herkömmliche Gerichte mit etwas Quinoa oder Goji-Beeren auf. Rezepte speziell für Superfood gibt es nämlich nicht sehr viele - meistens dienen Körner, Samen und Beeren nur als alternative Zutaten für Alltagsspeisen oder für Smoothies und nähren so die Hoffnung, damit etwas für die Gesundheit getan zu haben. Man kann auch weiter gehen. Der amerikanische Rohkost-Guru David "Avocado" Wolfe hat bereits 2009 auf dem Berliner "Wurzelkongress" sein "Supergetränk aus den Superfoods der Hochkulturen" vorgestellt: Der Saft wird aus Goji-Beeren, Maca-Knollen, Aloe vera und Kakao hergestellt. Ersatzweise schwört Wolfe auf Chlorophyll-Grassaft sowie - vergleichsweise günstig - auf frisches Wasser. "Quellwasser hat viel Energie und ein gutes Bewusstsein", wird er von den Veranstaltern des Rohkost-Treffens zitiert, "es wurde durch den Erdkörper gefiltert." Wolfe betreibt in den USA einen Superfood-Onlinehandel, in dem es zum Beispiel 24 verschiedene, gemahlene Pilze aus aller Welt zu 222,97 Dollar für 750 Gramm gibt. Das ist nur unwesentlich günstiger als der chinesische Baumpilz Reishi, auch "Pilz der Unsterblichkeit" genannt, der in Puderform auf 74,97 Dollar pro halbes Pfund kommt. Die Steinzeit-Diät wird plötzlich wieder modern Man muss es nicht ganz so weit treiben, wenn man sich kompliziert ernähren will. Der neue Trend am Horizont für Otto Normalverbraucher ist sowieso die paleo-vegane Ernährung. Das ist eine Kreuzung aus Steinzeit-Diät und Veganismus, was gar nicht so einfach ist, weil Paleo-Diät auf Fleisch als Eiweißträger setzt und Getreide ablehnt, was aber wiederum gar nicht zur veganen Ernährung passt, die nichts akzeptiert, was mit Tieren zu tun hat. Das Vertrackte bei beiden Ernährungsweisen ist: Man muss jene Zutaten, die nach der jeweils herrschenden Ernährungsideologie als "bäh" gelten, durch andere ersetzen. Das kann mitunter schwierig bis grotesk werden, wenn der Koch nämlich versucht, bekannte Alltagsgerichte mit unzureichenden Mitteln nachzubauen. So findet sich in Nico Richters Kochbuch "Paleo - Power for life" zum Beispiel ein Hamburger, bei dem die üblichen Wattesemmeln ganz einfach durch zwei Scheiben Ananas ersetzt werden, zwischen denen ein Fleischklops klemmt. Das sieht ein bisschen skurril aus, aber noch halbwegs appetitlich. Anders verhält es sich mit der "Rohkostbeerentorte", von der die Website "paleo360.de" schwärmt. Bei ihr wird der Teig aus Mandeln, Datteln und Walnüssen hergestellt, darauf kommt eine Füllung aus Kokosfett, Cashewnüssen, Bananen, Honig, Johannis- und Blaubeeren. Das alles wandert nicht in den Ofen, sondern ein paar Stunden ins Gefrierfach. Von der Optik her reizt das Ergebnis nicht unbedingt zum Verzehr, es soll aber schmecken.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/gaza-streifen-pfeifen-auf-die-emanzipation-1.977006
mlsum-de-9717
Die radikal-islamische Hamas verbietet den Frauen des Gaza-Streifens das Rauchen von Wasserpfeifen. Um gesundheitliche Gründe geht es den Sittenwächtern dabei nicht.
Meinte einer es gut mit der Hamas, könnte er das Wasserpfeifen-Verbot als gesundheitspolitischen Schritt gegen den Tabakgenuss sehen: Frauen im Gaza-Streifen dürfen in der Öffentlichkeit nicht mehr an der Shisha ziehen. Werden die Frauen, dank der Islamisten, so zur Avantgarde der guten Sache? Die Wahrheit sieht anders aus: Erstens haben die den Gaza-Streifen beherrschenden Hamas-Politiker die Frauen nicht gefragt, ob sie die Vorhut spielen wollen im Kampf gegen den Tabak. Und zweitens qualmen die Männer von Gaza-Stadt bis Rafah ungestört weiter. Die Kaffeehaus-Besitzer hingegen rauchen vor Zorn: Der Umsatz fällt. Detailansicht öffnen Bald verboten in Hamastan: Wasserpfeifen für Frauen. (Foto: ap) Frauen waren gute Kundinnen. Die Pfeifenfüllungen - Apfel, Banane oder andere süßliche Geschmacksrichtungen - sind teuer. Manche Raucherin ließ zwei-, dreimal nachfüllen. Das Rauchverbot ist ein neuer Versuch der radikalen Hamas, eine angeblich islamische Lebensform durchzusetzen. Die Shisha ist aber auch Teil der arabischen Lebensform. Ob Kairo, Beirut oder Dschiddah: Die vor sich hinblubbernde Pfeife wird morgens angezündet und geht erst spät in der Nacht aus. Zunehmend rauchen in Cafés in Kairo oder im saudischen Dschiddah auch Mädchen: Je konservativer das Land, desto weiter ziehen sie sich dabei in Hinterzimmer oder Frauenetagen zurück. Die Pfeife ist auch ein Mittel, in der Öffentlichkeit einen Platz zu beanspruchen und mehr Spaß zu haben als nur zu Hause Kinder oder Geschwister zu hüten. Es ist eines der wenigen Ausgehvergnügen an Orten, an denen Alkohol streng verboten ist. Animiert das Mundstück der Pfeife zu sexuellen Gedankenspielen ? Hamas aber meint: Frauen, die im Café oder am Strand rauchen, verstoßen gegen Tradition und Geschmack der islamisch-arabischen Gesellschaft. Das Verbot reiht sich in ähnliche Regierungserlasse: Mädchen werden in der Schule angehalten, den Schleier und lange Gewänder zu tragen. Sie dürfen nicht auf dem Motorroller mitfahren. Sie sollen als Anwältinnen mit Schleier vor Gericht auftreten. Männer sollen am Badestrand T-Shirts anziehen, kurze Hosen auf der Straße gelten als dekadent. Und Paare werden auf der Straße befragt, ob sie verheiratet seien. Ein Teil der Edikte wurde nie umgesetzt - es gab zu viel Widerstand. Bei der Shisha scheint Hamas aber ernst zu machen. Seit dem Wochenende sind Frauen an dem schlauchartigen Mundstück nur noch in teuren, auch von westlichen Reisenden besuchten Hotels zu sehen. Einiges spricht dafür, dass die Islamisten den Gaza-Streifen langfristig in ein Gemeinwesen staatlich verordneter Gottesfurcht umwandeln könnten. Das ist in Gaza einfach: Die meisten Menschen sind konservativ, die Traditionen streng. Gleichberechtigung der Frau im westlichen Sinne ist fürs Erste so unwahrscheinlich wie die Aufhebung der israelischen Blockade gegen Gaza. Wie in anderen arabischen Gesellschaften sind es die eisernen Traditionen, auf die sich Islamisten berufen, um ihre so kruden wie populären Ideen umzusetzen. Ein palästinensischer Anthropologe attestierte ihnen: Die Wasserpfeife mit ihrem Mundstück drohe männliche Beobachter in sexuelle Gedankenspiele abschweifen zu lassen. Das passt nicht zur Gaza-Realität: Durch die Schmugglertunnel an der ägyptischen Grenze kommen neben Raketen, Granaten und Lebensmitteln auch große Mengen Viagra-Pillen ins Land: Diese stützen weniger den rechten Glauben als die Männlichkeit. Etwas Moderne soll dann eben doch sein in Gaza.
https://www.sueddeutsche.de/sport/atp-finals-grischo-der-erste-1.3758310
mlsum-de-9718
Tennisprofi Grigor Dimitrov galt lange als einer, dem die Triumphe mit Leichtigkeit zufliegen müssten. Mit 26 Jahren ist der Bulgare nun im Kreis der Champions angelangt.
Grigor Dimitrov wusste sofort, wen er grüßen wollte. "Ich danke einer Person hier, meiner Freundin Nicole, sie hält sich irgendwo versteckt", sagte er, "diese zwei Wochen waren mit die besten jemals." Gemeint war Nicole Scherzinger, Popsängerin und Fernsehschaffende. So klar hatte Dimitrov noch nie öffentlich seine Liebe erklärt, und dass er dies nun tat, freudestrahlend bei der Siegerehrung in der Arena in London, verdeutlichte: Da ist einer angekommen - privat offensichtlich mit der Amerikanerin aus Honolulu. Aber auch sportlich bedeutete der Sonntagabend eine Zäsur: Der Bulgare Dimitrov, einst Nummer eins der Junioren, einer, dem viel früher ein großer Titel zugetraut wurde, der in der Schublade des Sunnyboys oft steckt - er darf sich als Champion fühlen. 2017 war sein Jahr. Er holte vier Titel, das Fünf-Satz-Halbfinale gegen Rafael Nadal bei den Australian Open gilt als eines der besten Duelle dieser Saison. Bei den ATP Finals, an dem nur die besten acht Tennisprofis einer Saison mitwirken, scheiterte er diesmal aber nicht kurz vor dem Pokal - er reüssierte im Endspiel 7:5, 4:6, 6:3 gegen David Goffin; zuvor hatte er den Belgier schon in der Gruppenphase bezwungen und auch die drei Matches gegen die Top-Ten-Kollegen Dominic Thiem, Jack Sock und Pablo Carreño Busta für sich entschieden. Seit Montag ist er die Nummer drei der Welt, hinter Nadal, der in London nach der Auftaktniederlage gegen Goffin verletzt ausstieg. Und hinter Federer, der im Halbfinale Goffin unterlag. Die Erfolgsgeschichte Dimitrovs ist insofern eine faszinierende, weil es lange so wirkte, als flögen dem auch schon 26-Jährigen nicht nur automatisch die Herzen zu, sondern auch die Erfolge. Dabei ist er vermutlich einer der härtesten Arbeiter, der viele Widerstände zu überwinden hatte und Tiefs erlebte. Er, Sohn eines Tennislehrers und einer Lehrerin, musste es aus "einer harten Gegend" in Haskovo schaffen, wie er dem Telegraph erzählte; in der Stadt östlich von Sofia wuchs er auf, ehe er mit 15 zur Sanchez-Casal-Akademie nach Barcelona geschickt wurde. Anfangs kopierte er vieles von Federer, die Bewegungen, die selben Marken trug er, das gleiche Racket spielte er. Baby-Fed, den Rufnamen wurde er lange nicht los, in London musste er noch mal seine Emanzipation erläutern. Als Dimitrov 2014 das Halbfinale von Wimbledon erreichte sowie die Top Ten, nebenbei bulgarischer Sportler des Jahres wurde, schien er sich behauptet zu haben. "Da kamen Momente, in denen ich mich nicht richtig zusammenriss", bekannte er. Vor drei Jahren war er erster Ersatzspieler in London gewesen, trainierte, hielt sich bereit - und doch fiel keiner aus. "Das war hart", gab er zu. Danach musste er lernen, dass es auch wieder rückwärts gehen kann. Er setzte irgendwann neu an, auf der Suche nach Grigor Dimitrov, dem Original. Und dieses kehrte nach London zurück, als Grischo, so rufen ihn seine Fans. "Er ist reifer geworden", sagt Dani Vallverdu. Der 31-Jährige ist sein Trainer und hat "großen Anteil" an seinem Erfolg, wie Dimitrov betonte. Der Venezolaner stieg früh nach einer mäßigen Profikarriere im Team von Andy Murray ein und erwarb sich dort als Analytiker einen guten Ruf. Vallverdu legt aber auch Wert auf Disziplin, so penibel, wie seine Haare gekämmt sind. Beide Eigenschaften kamen Dimitrov zugute, sie verwandelten das unstrukturierte Talent in einen strukturierten, zielorientierteren Profi. "Dinge zu vereinfachen", darum ging es Dimitrov, der seinen Weg gefunden hat. Er wisse, wie er arbeiten müsse. Dass nichts gegeben sei. Noch im Zuge des Triumphes von London verriet er, wie sehr er einen Grand-Slam-Titel ersehne. Dimitrov ist im Grunde ein ehrgeiziger, hungriger Pedant, nur in der Hülle des smarten, "süßen Jungen", wie Scherzinger mal über ihn sagte. Dimitrov war zuvor übrigens mit Maria Scharapowa liiert. In Bulgarien ist er längst ein Volksheld. In Haskovo gab es ihm zu Ehren ein Fest. Und Rumen Radev gratulierte im Internet so: "Ein Bulgare hat gezeigt, wie mit viel Arbeit, Zähheit, Geist und Glaube der Sieg erzielt wird." Auch wenn es wie Trittbrettfahren klang: Bulgariens Staatspräsident hatte recht.
https://www.sueddeutsche.de/politik/autoindustrie-trumps-jobverluste-1.4228653
mlsum-de-9719
Die Entlassungen bei GM schaden dem Image des Präsidenten massiv. Er hat von Wirtschaft keine Ahnung.
In Donald Trumps Welt passieren oft Dinge, die andernorts nicht möglich wären. Da wird mal ein Auge zugedrückt, wenn ein arabischer Herrscher einen Regimegegner umbringen lässt, und schon senkt der dankbare Despot den Ölpreis. Oder man verteilt Steuergeschenke an die Wirtschaft, die im Gegenzug Jobs schafft, mit denen man sich als Präsident dann brüsten kann. Dass ein Konzern wie der Autobauer General Motors (GM) jedoch ankündigt, Tausende Stellen abzubauen, ist in dieser so simplen Gedankenwelt nicht vorgesehen. Kein Wunder, dass Trump schäumt. Der Präsident beharrt darauf, der GM-Plan habe nichts mit jenen Zöllen zu tun, die er der Welt aufgezwungen hat, doch das ist Unfug: Allein die Abgaben auf die Einfuhr von Stahl und Aluminium treiben die Rohstoffkosten bei General Motors in diesem Jahr um rund eine Milliarde Dollar in die Höhe. Hinzu kommt, dass Trumps Konflikt mit China das Geschäft des Autobauers in der Volksrepublik behindert, Investoren verunsichert und die Weltkonjunktur belastet. Selbst wenn die Zölle nicht der Hauptgrund für die Stellenstreichungen sein sollten, sondern die Umbrüche innerhalb der Branche, so waren sie offenkundig der Anlass, den notwendigen Umbau des Unternehmens jetzt nicht weiter aufzuschieben. Die Werksschließungen treffen das Image des Präsidenten im Kern, denn Leidtragende sind ausgerechnet jene Regionen, in denen die Menschen schon seit Jahrzehnten mit einer schrumpfenden Industrie klarkommen müssen. Viele von ihnen hatten bei der Wahl 2016 ihre Hoffnungen auf Trump und dessen vollmundige Versprechen gesetzt. Dass der Präsident sie nun enttäuscht, ist seine eigene Schuld: Er hat seit seinem Amtsantritt keine Gelegenheit ausgelassen, jeden zusätzlichen Arbeitsplatz als sein Verdienst zu feiern. Entsprechend werden ihm nun auch Jobverluste angekreidet. Bleibt die Frage, ob es nicht zynisch ist, wenn ein profitabler, erst vor einigen Jahren mit Steuergeld vor der Pleite geretteter Konzern Tausende Stellen abbaut. Die Empörung ist nachvollziehbar, im Grunde aber tut GM-Chefin Mary Barra das, was man von einer Vorstandsvorsitzenden erwarten darf: Sie sorgt in guten Zeiten für schlechte vor. Das ist vernünftig - gerade wenn die letzte Nahtoderfahrung nur ein Jahrzehnt zurückliegt und es um eine Branche geht, die vor den größten Umwälzungen ihrer Geschichte steht. Die Wette, die Barra eingeht, ist allerdings riskant: Sie setzt alles auf die in den USA so beliebten Sportgeländewagen - in der Hoffnung, dass sie die Dickschiffe mit Elektro- statt mit Verbrennungsmotor wird anbieten können, wenn der Benzinpreis einmal wieder in die Höhe schnellt. Sollte dieser Preisanstieg früher kommen als erwartet, könnten Amerikas Autokonzerne rasch vor dem Aus stehen. Das Gleiche gilt für Trump, der Milliarden ins marode Bildungssystem des Landes investieren müsste, um die Arbeiter fit für die Nach-Öl-Ära zu machen. Stattdessen belässt er es dabei, sich für den billigen Sprit zu loben. Wie so oft versteht der Präsident die Zusammenhänge nicht: Öl und Benzin sind nicht deshalb günstig, weil er mit arabischen Potentaten kuschelt, sondern weil viele Anleger einen Absturz der Weltkonjunktur befürchten. Sollte dieser Absturz Realität werden, könnte der Protektionist Donald Trump tatsächlich einmal zu Recht die politische Urheberschaft für sich reklamieren.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/sexuelle-gewalt-fall-kesha-wer-glaubt-wem-1.2883220
mlsum-de-9720
Wird jemandem sexuelle Gewalt vorgeworfen, dreht sich die Debatte oft nur um die Glaubwürdigkeit des Opfers. Gerade ändert sich das.
Bei sexueller Gewalt geht es selten um die Frage "Wer war es?", sondern meistens um die Frage: "Wer glaubt wem?" Beweise fehlen fast immer, Zeugen gibt es so gut wie nie, meistens steht Aussage gegen Aussage. Gerichte und Öffentlichkeit müssen sich entscheiden, wem sie glauben. Das war bei den Vorwürfen gegen Bill Cosby so, wo den mutmaßlichen Opfern lange vorgeworfen wurde, sie wollten sich auf Kosten des beliebten Schauspielers profilieren. Erst seit die Zahl der Frauen auf mehr als 50 angewachsen ist, denken die meisten Beobachter anders. Das war im Fall Stoya gegen James Deen so, in dem sich das mutmaßliche Opfer erstmal gegen das Vorurteil zur Wehr setzen musste, als Pornodarstellerin könne sie gar nicht sexuell genötigt werden, das gehöre zum Job. Und auch im Fall Kesha gegen Dr. Luke war es zunächst so (die Historie der Auseinandersetzung ist bei Buzzfeed nachzulesen). Die Sängerin sagt, sie sei zehn Jahre lang von ihrem Produzenten Lukasz Gottwald sexuell bedrängt und psychisch terrorisiert worden. Einmal soll er sie mit K.-o.-Tropfen bewusstlos gemacht und vergewaltigt haben, in einem anderen Fall soll er sie im Flugzeug unter Drogen sexuell bedrängt haben. Zudem habe der Produzent immer wieder angedroht, Keshas Karriere, Familie und ihr ganzes Privatleben zu zerstören, wenn die Sache ans Licht kommt. Gottwald, im Musikbusiness als Dr. Luke bekannt, bestreitet alle Vorwürfe, wirft der Künsterin Rufschädigung vor und behauptet, sie habe ihm schon vor Jahren damit gedroht, mit falschen Anschuldigen an die Öffentlichkeit zu gehen, wenn ihre Karriere nicht zu ihrer Zufriedenheit laufe. Kesha sei unzufrieden und wolle sich mithilfe der Vergewaltigungsgerüchte aus dem Vertrag lösen, demzufolge sie noch vier weitere Alben unter Gottwalds Label Kemosabe (derzeit unter dem Dach von Sony Music) aufnehmen muss. Mehrere Gerichtsprozesse laufen parallel Um all das aufzuklären, laufen derzeit mehrere Gerichtsprozesse. Zum einen geht es um die Frage, ob sich die Popsängerin im Lichte der Vorwürfe von ihrem Label lösen darf. In dieser Sache hatte Kesha am vergangenen Samstag eine vorläufige Niederlage erlitten. Die Richterin will auf den Ausgang des anderen Verfahren warten, in dem es um die Vorwürfe der sexuellen und psychischen Gewalt geht. Hier steht das Urteil noch aus. Auch über Gottwalds Gegenklage wegen Vertragsbruch und Verleumdung hat noch kein Gericht entschieden. Die Beteiligten tragen ihren Konflikt derweil in der Öffentlichkeit aus. Die Musikerin nutzte vor einigen Tagen Facebook, um sich bei ihren Fans zu bedanken. "Ich kann nicht glauben, dass sich so viele Leute weltweit die Zeit genommen haben, mir Liebe und Rückhalt zu geben. Anderen Entertainern, die bewusst ihre Karriere aufs Spiel gesetzt haben, indem sie mich unterstützen, bin ich für immer dankbar", schrieb sie. Gottwald reagierte auf Twitter und wies alles von sich. "Ich habe Kesha nie vergewaltigt und ich hatte auch nie Sex mit ihr. Wir waren jahrelang befreundet und sie war wie eine kleine Schwester für mich", schrieb er. Er fügte hinzu, dass er Kinder, Schwestern und eine feministische Mutter habe, die ihn richtig erzogen habe - vermutlich der Versuch zu sagen: Jemand, der so ist wie ich, kann kein Vergewaltiger sein. Damit begibt sich Dr. Luke auf das Terrain, das oft die größte Rolle bei der Debatte um sexuelle Gewalt spielt: die Glaubwürdigkeit. Hier sehen große Teile der Öffentlichkeit und des Showbusiness derzeit aber Kesha vorne. Mehrere millionenschwere Popstars haben ihre Solidarität mit der Sängerin verkündet, darunter Lady Gaga, Adele und Lorde. Taylor Swift hat sogar 250.000 Dollar überwiesen. Auf Twitter (#freekesha) und Facebook haben Hunderttausende per Mausklick versichert, der 28-Jährigen zu glauben, auch Online-Petitionen laufen bereits. Solidarität ist inzwischen erlaubt Schauspielerin Lena Dunham schrieb in ihrem Newsletter Lenny: "Der öffentliche Aufschrei zu Keshas Fall macht Mut, die Erschütterung und Empörung von Fans und Künstlern. Es ist noch nicht lange her, dass Frauen in der Öffentlichkeit es nicht wagen konnten, sich gegenseitig zu unterstützen, weil sie Angst haben mussten, darüber selbst alles zu verlieren. Stattdessen saßen sie schweigend vor dem Fernseher und hofften, selbst nicht als Nächste dran zu sein. Diese Zeiten sind vorbei." Glücklicherweise sind weder Lena Dunham noch Twitter dafür zuständig, Gerichtsurteile zu sprechen und dass Kesha derzeit öffentlichen Zuspruch erfährt, ist schön für sie - aber kein Beweis dafür, dass der Missbrauch so stattgefunden hat wie sie es beschreibt. Doch ihr Fall zeigt gerade, dass einer Frau, die über erlittene sexuelle Gewalt spricht, nicht ausschließlich Unglauben und Unverständnis entgegen schlagen muss, sondern dass ein Teil der Öffentlichkeit inzwischen sagen darf: Ich glaube dir. Dass Gerichte "im Zweifel für den Angeklagten" entscheiden, ist einer der wichtigsten Grundsätze der Justiz. Das muss aber im Umkehrschluss auch "im Zweifel für die Beschuldigte" bedeuten. Wenn ein Gericht den mutmaßlichen Täter aus Mangel an Beweisen frei spricht, bedeutet es nicht automatisch, dass das mutmaßliche Opfer sich der Verleumdung schuldig gemacht hat. Meistens heißt es einfach nur, dass außer den Beteiligten keiner jemals wissen wird, was genau passiert ist. Oder auch nicht passiert ist.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/immobilien-keine-immobilien-mehr-an-auslaender-so-einfach-ist-das-nicht-1.4106226
mlsum-de-9721
Berlin erwägt, Spekulanten aus dem Ausland vom Wohnungsmarkt auszusperren. Allerdings fehlen Zahlen, um den Vorstoß zu begründen. Und er ist praktisch kaum umsetzbar.
Keine Immobilien mehr an Ausländer? So einfach ist das nicht In den vergangenen zehn Jahren haben die Immobilien-Preise in Berlin Mitte um mehr als 100 Prozent anzogen Neuseelands Ministerpräsidentin Jacinda Ardern ist erst seit knapp einem Jahr im Amt, doch sie hat schon weltweit für Aufmerksamkeit gesorgt: Ausländern ist es künftig verboten, bestehende Immobilien in Neuseeland zu kaufen. Ardern will damit ein großes Problem in den Griff bekommen: Immobilien werden in ihrem Land immer knapper; die Mieten steigen immer weiter. Offenbar hat sich das Beispiel Neuseelands bis Berlin herumgesprochen. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) zeigt jedenfalls Sympathie für den Vorstoß. "Wir überlegen das auch", sagte er der FAZ. "Der Finanzsenator erarbeitet gerade Vorschläge, wie man Spekulation mit Wohnraum verhindern kann." Der Bürgermeister traf damit einen wunden Punkt, schließlich haben in seiner Stadt die Preise für Immobilien seit 2008 um 104 Prozent angezogen. "Berlin ist heute doppelt so teuer wie vor zehn Jahren", meldet das Internetportal Immowelt.de. In keiner deutschen Stadt gab es einen solchen Immobilienboom, mit schwerwiegenden Folgen für die Einwohner: Wohneigentum können sich inzwischen nur noch sehr Reiche leisten, und für Durchschnittsverdiener steigen die Mieten in grenzwertige Höhen. Warum den Spekulanten also nicht die Grenzen aufzeigen und eine Art neue Berliner Mauer errichten? "Die Unterscheidung, wer gut ist und wer böse, ist unglaublich schwierig" Wenn es nur so einfach wäre. Müller erntete für seine zwei knappen Sätze am Montag jedenfalls viel Kopfschütteln und Ablehnung von fast allen Seiten. Für seinen Vorstoß fehlt nämlich zum einen jede statistische Grundlage, obendrein ließe er sich praktisch nicht durchsetzen. "Das Thema kommt weitgehend aus dem luftleeren Raum", sagt Claus Michelsen, Immobilienexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Es gebe keine Statistik, wie der Immobilienbesitz in Deutschland zwischen In- und Ausländern verteilt ist. Man wisse nichts über die Nationalität der Käufer und vor allem nicht, wo sie wohnen. Das bestätigen auch Nachfragen beim Immobilienverband Deutschland, beim Statistischen Bundesamt, beim Amt für Statistik Berlin-Brandenburg und bei der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. Nirgendwo gibt es entsprechende Daten. "Das Thema hat daher nur anekdotische oder gefühlte Evidenz", sagt Michelsen. Doch selbst wenn die Daten vorhanden wären, ließe sich der Vorstoß nicht umsetzen. "Es geht ja in erster Linie darum, was ein Investor mit seinem Eigentum tut", sagt Michelsen. Es gebe durchaus große Investoren aus dem Ausland, die ihr Geld auf dem deutschen Immobilienmarkt anlegen wollen und nicht vor allem auf Rendite oder Mieterhöhungen aus sind. "Die Unterscheidung, wer gut ist und wer böse", sei "unglaublich schwierig." Ein anderes Problem: Die größten Wohnungskonzerne in Deutschland, Vonovia und Deutsche Wohnen, sind an der Börse notiert. Immer wieder sichern sich Hedgefonds größere Aktienpakete. Um dies zu verhindern, müsste also auch der Aktienbesitz dieser Konzerne kontrolliert werden.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/umstrittenes-tarifeinheitsgesetz-arbeitgeber-bleiben-gelassen-1.2592054
mlsum-de-9722
GDL und andere Gewerkschaften gehen juristisch gegen das umstrittene Gesetz zur Tarifeinheit vor. Die Arbeitgeberverbände halten die Klagen für unzulässig.
Die Arbeitgeber sehen der juristischen Auseinandersetzung über das Tarifeinheitsgesetz gelassen entgegen. Obwohl immer mehr Spartengewerkschaften vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, bleibt die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) entspannt. In einem internen Schreiben an die Mitglieder des Ausschusses für Arbeitsrecht zeigt sich der BDA sogar sehr zuversichtlich, dass es gar nicht erst zu einer Verhandlung in Karlsruhe kommen wird. "Wir halten diese Anträge bereits für unzulässig", heißt es in dem der Süddeutschen Zeitung vorliegenden Schreiben. Nach Meinung der BDA-Juristen könne zwar im Einzelfall Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen eine gesetzliche Regelung eingelegt werden. "Das setzt allerdings voraus, dass dem Beschwerdeführer nicht zugemutet werden kann, fachgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen", urteilen sie. Im Fall des Tarifeinheitsgesetzes könne davon jedoch nicht die Rede sein. Den betroffenen Einzelgewerkschaften sei es in allen denkbaren Sachverhalten möglich, fachgerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen. Offenkundig "versuchen die Beschwerdeführer, die Verfassungsbeschwerde an Stelle des ordentlichen Rechtswegs zu instrumentalisieren", schreiben die Juristen des BDA weiter. Mit dem Tarifeinheitsgesetz will die große Koalition verhindern, dass es zu immer mehr Streiks von mächtigen Einzelgewerkschaften kommt, wie zum Beispiel der Pilotenvereinigung Cockpit, der Ärztegewerkschaft Marburger Bund oder der Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL). Die GDL hatte zuletzt in einer monatelangen Tarifauseinandersetzung mit der Bahn neunmal gestreikt. Dabei legten sie weite Teile des öffentlichen Nahverkehrs lahm und verursachten einen Schaden von einer halben Milliarde Euro alleine bei der Bahn. Seit dem 10. Juli gilt deshalb immer nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft, die in einem Betrieb die meisten Mitglieder auf sich vereinigen kann. Damit soll es wieder dazu kommen, dass primär ein einheitlicher Tarifvertrag in einem Unternehmen gilt. Streiks von kleineren Gewerkschaften könnten dadurch als unverhältnismäßig untersagt werden. Das Gesetz war von den Arbeitgebern und von den großen Gewerkschaften lange gefordert worden. Bereits bei Inkrafttreten der Regelung hatten der Marburger Bund, Cockpit und der Journalistenverband Verfassungsbeschwerde eingereicht. Die Einlassung des BDA ist eine der Stellungnahmen, die vom Ersten Senat des Gerichts in der Sache angefordert wurden. Nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hat sich nun auch die GDL den Klägern angeschlossen. In der Klageschrift machten die Gewerkschaft sowie insgesamt neun Bahn-Mitarbeiter eine Verletzung ihrer Grundrechte geltend. Sie beriefen sich auf das Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit und die Koalitionsfreiheit. Das neue Gesetz mache es den kleinen Gewerkschaften unmöglich, einen Tarifvertrag abzuschließen. Ohne diesen sei eine Gewerkschaft aber funktions- und sinnlos, sie verkomme zur Vereinsmeierei. Wenn das Grundgesetz jedoch die Gewerkschaften schütze, müsse es daher auch den Abschluss von Tarifverträgen schützen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/spanische-volkspartei-pablo-casado-zum-neuen-chef-der-spanischen-konservativen-gewaehlt-1.4064432
mlsum-de-9723
Der 37-Jährige gewinnt bei der Abstimmung auf einem außerordentlichen Parteitag knapp gegen seine parteiinterne Gegnerin. Der Nachfolger von Mariano Rajoy präsentiert sich als "Kandidat der Erneuerung".
Pablo Casado ist als Nachfolger von Mariano Rajoy zum neuen Präsidenten der konservativen spanischen Volkspartei (PP) gewählt worden. Bei der Abstimmung auf einem außerordentlichen Parteitag erhielt der frühere Regierungssprecher am Samstag in Madrid gut 57 Prozent der Stimmen, wie die PP-Politikerin und Parlamentspräsidentin Ana Pastor mitteilte. Die zweite zur Wahl stehende Kandidatin, die frühere stellvertretende Regierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría bekam rund 42 Prozent. Casado und Sáenz de Santamaría hatten sich Anfang des Monats bei einer landesweiten Abstimmung der Parteibasis durchgesetzt. Am Samstag entschieden dann knapp 3200 Wahlmänner und -Frauen über den neuen Parteivorsitzenden. Der 37 Jahre alte Casado hatte sich als "Kandidat der Erneuerung" präsentiert. Der gelernte Ökonom und Anwalt hatte sich jüngst gegen Medienberichte über Unregelmäßigkeiten beim Erwerb eines Masterabschlusses verteidigen müssen. Der bisherige Parteichef Rajoy war zunächst am 1. Juni von Sozialistenführer Pedro Sánchez durch ein Misstrauensvotum im Parlament als spanischer Regierungschef zu Fall gebracht worden. Nur vier Tage nach seiner Abwahl trat Rajoy als Parteichef zurück. Der 63-Jährige war seit Oktober 2004 PP-Vorsitzender und seit 2011 Ministerpräsident. "Das ist das Beste für die PP, für Spanien und für mich", hatte Rajoy am 5. Juni in einer emotionalen Rücktrittsrede vor der Parteiführung gesagt. Am ersten Tag des außerordentlichen Parteitags der PP erklärte er am Freitag, seine Regierung habe "ein besseres Spanien hinterlassen", als das, was es vor sieben Jahren geerbet habe.
https://www.sueddeutsche.de/digital/it-sicherheit-massiver-hacker-angriff-zwingt-populaere-webseiten-in-die-knie-1.3217490
mlsum-de-9724
Der Angriff dauerte mehrere Stunden. Betroffen waren Webseiten wie Twitter, Spotify und Netflix. Das US-Heimatschutzministerium ermittelt.
Hacker haben es geschafft, den Zugang zu zahlreichen beliebten Webseiten lahmzulegen. Teilweise waren die Seiten gar nicht zu erreichen, teilweise haben sie sich sehr langsam aufgebaut. Betroffen waren Seiten, deren Nutzerzahlen zum Teil im dreistelligen Millionenbereich liegen, darunter Twitter, Spotify, Reddit, Github, Netflix, Paypal und Soundcloud. Auch die Webseite des britischen Guardian und von CNN wurden angegriffen. Nach mehreren Stunden waren die betroffenen Seiten spät am Abend wieder erreichbar. Der Angriff trifft vor allem Nutzer, die an der Ostküste der USA leben. Einiges deutet aber darauf hin, dass sich die Angriffe auch in andere Teile des Landes ausbreiteten. In Deutschland gibt es keine Ausfälle dieser Größenordnung. Ein derart großangelegter Angriff ist möglich, weil die Hacker das DNS-System (Domain Name System) ins Visier genommen haben, eine wichtige Schnittstelle des Internet-Aufbaus. Wenn Nutzer zum Beispiel die Webseite der Süddeutschen Zeitung besuchen wollen, tippen sie sz.de in den Browser ein. Der Computer kennt die Webseite aber nur als IP-Adresse, im Fall von sz.de ist es 52.58.25.19. Das DNS-System verknüpft Name und IP-Adresse und wird deshalb oft als "Telefonbuch des Internets" bezeichnet. Die Angriffe dauern an Einer der größten DNS-Dienstleister ist DynDNS. Am frühen Morgen (Ortszeit) bestätigte die Firma, dass die Infrastruktur angegriffen worden sei. Zweieinhalb Stunden später meldete die Firma, dass die Angriffe abgewehrt seien. Kurz darauf schlugen die Angreifer wieder zu. Momentan dauern sie noch an. Die Methode, die die Angreifer benutzen, ist ein sogenannter "DDoS"-Angriff. Dabei werden Webseiten mit so vielen Anfragen überhäuft, dass sie diese nicht mehr verarbeiten können. Bisher ist unklar, wer dahinter steckt. Das US-Heimatschutzministerium will den Vorfall nun genauer untersuchen. Bereits seit Monaten warnen IT-Sicherheitsforscher, dass es für Angreifer leichter wird, Angriffe dieser Art durchzuführen. Bruce Schneier, renommierter Professor für Kryptographie und IT-Sicherheit, schrieb Ende September in einem Blogbeitrag, dass "jemand lernt", wie man das Internet herunterfahren kann. Schneier sprach davon, dass die DDoS-Angriffe an Intensität zunehmen. Was er beschreibt, klingt nach Test-Angriffen. Sie dauern länger und scheinen koordinierter zu sein. Ein Beispiel: In der ersten Woche steigen die Angriffe bis zu einer gewissen Datenmenge an und hören abrupt auf. In der nächsten Woche fangen sie direkt bei der Datenmenge aus der Vorwoche an. Ziel der Angreifer sei es, mutmaßte Schneier, die Verteidigungsmechanismen der Firmen herauszufinden. Liegen diese offen, können Angreifer nach Fehlern suchen und diese bei dem tatsächlichen Angriff ausnutzen. "Ich kann keine Details nennen", schrieb Schneier und verwies auf Experten, von denen er die Infomationen bekommen habe unter der Bedingung, dass diese anonym bleiben. Der Schutz einer Webseite gegen die Angriffe kann extrem teuer werden Auch Brian Krebs warnte vor DDoS-Angriffen. Die Webseite des Journalisten wurde nach einem kritischen Bericht über Dienste, die gezielte DDoS-Angriffe anbieten, mit derart vielen Angriffen überladen, dass sein Anbieter ihm kündigen musste. Wie Krebs in einem Blogbeitrag schrieb, hätte es bis zu 200 000 US-Dollar jährlich gekostet, seine Seite vor Angriffen dieses Ausmaßes zu schützen. Der Angriff auf die Webseite von Krebs war vor allem deshalb möglich, weil die Hacker eine Software geschrieben haben, die gezielt nach schlecht abgesicherten Geräten sucht, die mit dem Internet verbunden sind. Internetfähige Geräte können von den Angreifern zusammengeschaltet und gesteuert werden. IoT Coffee Maker Box: - Makes 5-cups - WiFi controllable - All metal construction - Contributes to DDoS Attacks - Removable filter basket — Paradox Wolf (@ctcwired) October 21, 2016 Die Software, die dafür eingesetzt wird, nennt sich Mirai und ist mittlerweile im Netz verfügbar. Von versierten Hackern kann sie schnell eingesetzt werden. Nach Angaben der Tech-Seite Ars Technica, soll die Mirai-Software zumindest für Teile des Angriffs eingesetzt worden sein. Viele Firmen haben längst damit begonnen, ihre Geräte mit einem Zugang zum Netz auszustatten, von Sicherheitskameras bis internetfähigen Kühlschränken. Man spricht dann vom "Internet of Things". Gefährlich daran ist, dass die Geräte bei falscher Konfiguration auch auf Anfragen aus dem Netz reagieren können. Ein gängiger Vorwurf lautet, dass solche Geräte nur sehr schlecht vor Zugriffen geschützt sind - für Hacker wird es somit einfacher, die Schlagkraft ihres Angriffes zu erhöhen. Schneier fordert deshalb: "Wir müssen das Internet vor dem Internet of Things schützen." *Anmerkung der Redaktion: Die Überschrift des Artikels wurde geändert, "Hacker-Angriff" wurde durch "DDoS-Angriff" ersetzt.
https://www.sueddeutsche.de/geld/stadtteile-hadern-1.554602
mlsum-de-9725
Hadern ist weniger ein Stadtteil als ein eingemeindetes Bauerndorf, das sich sein Traditionsbewusstsein erhalten hat.
Ein Stadtteil ohne Stadt Ganz im Südwesten der Stadt steht ein kleines Dorf. Dort wohnen keine Münchner, sondern Haderner. Das alte Bauerndorf wurde zwar 1938 eingegliedert, doch das Lebensgefühl und der Stolz auf die Tradition blieb. Der 20. Stadtbezirk hat einen eigenen Maibaum, einen eigenen Christkindlmarkt und einen eigenen Bundesligisten. Zwar nicht im Fußball, aber im Judo, immerhin. Die Vereine sorgen - wie auf dem Land - dafür, dass im Viertel immer etwas los ist. Die Sportler, die Trachtler, die Siedler, die Nachbarschaftshilfe und die Kulturfreunde, alle sind sie organisiert. Detailansicht öffnen (Foto: Grafik: SZ) Der dörfliche Charakter macht sich neben dem Lebensgefühl auch beim Wohnen bemerkbar. Viele Ein- und Zweifamilienhäuser gibt es, die meisten erbaut in der Zwischenkriegszeit mit großzügigen Gärten. Ein schönes Beispiel dafür ist die Villenkolonie zwischen dem alten Dorfkern und dem Waldfriedhof. An den Randlagen wie in der Blumenau und Kleinhadern baute die Stadt bis in die 80-er Jahre viele große Wohnanlagen. Dort sind die Mieten für München auf einem noch erträglichen Niveau. Und mit dem Fahrrad ist man in einer Viertelstunde im Grünen. In Großhadern gibt sich das alte Bauerndorf modern. Neben dem Klinikum haben sich in den letzten Jahren das Genzentrum und die Universität angesiedelt. Die vielen Familien finden eine intakte Infrastruktur im Viertel vor. Einkaufen, Schule, Sport, alles um die Ecke. Für die Anbindung an die Innenstadt ist jedoch die U6 nahezu allein verantwortlich. Die Blumenau und Kleinhadern sind eher mäßig angeschlossen. Doch so schlimm ist das auch wieder nicht. Wer will denn nach München, wenn er in Hadern wohnt? Immobilien in Hadern mieten Immobilien in Hadern kaufen Neubauprojekte in München und Umgebung
https://www.sueddeutsche.de/panorama/spanien-dali-muss-zum-vaterschaftstest-1.3562161
mlsum-de-9726
Die Leiche des Künstlers wird exhumiert - eine Kartenleserin aus Girona möchte als Tochter anerkannt werden. Hat sie recht, wäre ein Mythos der Kunstgeschichte zertrümmert.
Fast drei Jahrzehnte nach dem Tod des spanischen Künstlers Salvador Dalí sollen für einen Vaterschaftstest die sterblichen Überreste exhumiert werden. Eine Richterin in Madrid ordnete am Montag die Exhumierung an. Es soll überprüft werden, ob der weltbekannte Künstler (1904-1989) der biologische Vater einer Frau aus Katalonien ist. Pilar Abel, eine Kartenleserin aus Girona, möchte als Tochter anerkannt werden, was bedeutet, dass ihr ein Teil des Erbes zufallen könnte, das der Künstler dem spanischen Staat vermacht hat. Experten schätzen, dass der Nachlass mehr als 300 Millionen Euro wert sein könnte. Die Vaterschaftsklage hatte schon dazu geführt, dass Haare, die in der Totenmaske Dalís aus Gips festklebten, auf DNA untersucht wurden. Ein Gericht in Madrid hielt offensichtlich die Anfangsbeweise für ausreichend, um den Verdacht weiter zu verfolgen. Dazu gehören vor allem die Versicherungen der Mutter der Wahrsagerin, in den Fünfzigerjahren ein heimliches Liebesverhältnis mit dem Künstler unterhalten zu haben, als sie als Kindermädchen in der Nähe seines Hauses in Portilligat arbeitete. Sie habe dann - bereits schwanger - einen anderen Mann geheiratet und die Tochter zur Welt gebracht. Sollte sich die Vaterschaft bestätigen, wäre ein Mythos der Kunstgeschichte zertrümmert. Nämlich die Geschichte der lebenslangen Obsession des Malers, die sein Werk unauflöslich mit seiner Muse Gala verbindet. Der Künstler hatte seine Frau, die russische Emigrantin Helene, genannt Gala, nach dem Umzug nach Paris kennengelernt, wo er sich den Surrealisten anschloß. Seine Liebe für die zehn Jahre ältere Frau seines Künstlerkollegen Paul Eluard lebte er laut aus, die beiden heirateten direkt nach der Scheidung im Jahr 1934, die kirchliche Trauung fand aber erst im Jahr 1958 statt, nach dem Tod Eluards. Das Paar inszenierte die leidenschaftliche, gegenseitige Verstrickung in der Öffentlichkeit. Gala war für Dalí Muse und Modell, wurde von ihm als Madonna und Venus gemalt, denn der Künstler beutete seine sexuellen Begierden für seine Bilder aus. Darauf, dass ihm Gala Freunde und Familie ersetzte, wies Dalí selbst häufig hin, wie er auch betonte, dass er eigentlich impotent und sexuell unerfahren sei. Besuchen durfte der Künstler seine Frau in ihrem Schloss allerdings nur, wenn sie ihn schriftlich dazu einlud. Um heiraten zu dürfen, kämpfte Dalí sogar beim Vatikan Wenn es wirklich eine leidenschaftliche Affäre zwischen Antonia Martínez de Haro, der Mutter der Klägerin, und Dalí gegeben haben sollte, dann ist die Zeugung des unehelichen Kindes ausgerechnet in die Zeit der Vorbereitung der kirchlichen Trauung gefallen, um die Dalí sogar beim Vatikan gekämpft hatte. Pilar Abel sagt, sie habe zunächst von ihrer Großmutter erfahren, wer ihr wirklicher Vater sei. Erst vor wenigen Jahren konfrontierte sie die Mutter. Sollte sie mit ihrer Klage Erfolg haben, wird ihr nicht nur ein Teil des Erbes zugesprochen, sie hätte dann auch Anspruch auf die Copyright-Rechte, die im Fall des populären Künstlers enorm sind, und darauf, den Namen Dalí zu tragen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/vfb-stuttgart-markus-weinzierl-1.4162729
mlsum-de-9727
Der ehemalige Schalke-Coach tritt die Nachfolge von Tayfun Korkut an. Er übernimmt den VfB auf dem letzten Tabellenplatz.
Markus Weinzierl ist neuer Trainer beim Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart. Weinzierl tritt bei den Schwaben die Nachfolge des am Sonntag entlassenen Tayfun Korkut an und erhält einen Vertrag bis 2020. Das teilte der Verein am Dienstag mit. Am Mittwoch soll Weinzierl erstmals das Training leiten. "Ich freue mich sehr auf die Aufgabe. Der VfB ist ein großer Verein, der sich momentan in einer sportlich schwierigen Situation befindet. Dennoch bin ich vom Potenzial der Mannschaft und des Vereins überzeugt. Ich habe die Bundesliga in den vergangenen Monaten intensiv beobachtet und brenne darauf, die Arbeit mit meiner neuen Mannschaft zu beginnen", sagte Weinzierl in einem offiziellen Statement. Auch VfB-Sportvorstand Michael Reschke äußerte sich optimistisch: "Mit Markus Weinzierl haben wir einen absolut erfolgshungrigen Trainer verpflichtet, der die Bundesliga genau kennt und weiß, auf was es in unserer Situation ankommt." Weinzierl ist beim VfB der elfte Trainer in fünf Jahren Weinzierl war zuletzt mehr als ein Jahr ohne Job, nachdem er zuvor beim FC Schalke 04 nach nur einer Saison freigestellt worden war. Seine erfolgreichste Zeit hatte der ehemalige Bayern-Profi als Trainer des FC Augsburg, für den er vier Jahre arbeitete und den er in die Europa League führte. Zuvor war er bei Jahn Regensburg tätig. Beim VfB Stuttgart ist Weinzierl bereits der elfte Trainer in fünf Jahren. Und er dürfte für Manager Reschke zum Gradmesser werden. Geht auch das Experiment mit Weinzierl schief, würde der Sportchef in die Kritik geraten. Korkut hatte er noch wenige Stunden vor dessen Beurlaubung öffentlich das Vertrauen ausgesprochen. Für Weinzierl wird es in erster Linie darum gehen, der Mannschaft einen mutigeren Spielstil zu verpassen. Das Potenzial ist nicht nur dank der vielversprechenden Sommer-Transfers vorhanden. Dennoch hatte der VfB zuletzt unter Korkut in der Offensive kaum stattgefunden und Torgefahr vermissen lassen. Der biedere Spielstil mündete in einer sportlichen Krise, die mit dem letzten Tabellenplatz ihren bisherigen Tiefpunkt in dieser noch jungen Spielzeit erreichte.
https://www.sueddeutsche.de/politik/urteil-in-karlsruhe-kammerspiel-1.3613758
mlsum-de-9728
Einige Unternehmen sind nicht glücklich mit dem System der Industrie- und Handelskammern. Sie wollen selbst entscheiden, wie sie sich organisieren.
Zwangsabgaben, Demokratiedefizit, überhöhte Bezüge der Geschäftsführer - seit Jahren schwelt die Kritik an den Industrie- und Handelskammern (IHK). Nun hat das Bundesverfassungsgericht in einer Grundsatzentscheidung dem Kammerwesen sein Plazet erteilt. Die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern, verbunden mit einer Beitragspflicht, ist mit dem Grundgesetz vereinbar, heißt es in einem an diesem Mittwoch veröffentlichten Beschluss. Hauptargument des Ersten Senats: Nur eine Pflichtmitgliedschaft stellt sicher, dass alle Unternehmen im Boot sind und somit ihre Interessen einbringen können. (Az: 1 BvR 2222/12 ua) Geklagt hatten eine Firma für den Vertrieb von Sonderaufbauten für Nutzfahrzeuge aus dem Bezirk der IHK Schwaben sowie ein Reisebüro aus Kassel. Im Einklang mit Gegnern der Kammern monieren sie, das Kammersystem sei angesichts der Globalisierung der Märkte und die Auflösung regionaler Wirtschaftsräume überholt und leide an Akzeptanzverlust. Zudem seien die IHK nicht nach demokratischen Grundsätzen organisiert. Das Verfassungsgericht hat den Beschwerden zwar keine seiner eher seltenen mündlichen Verhandlungen gewidmet, aber zur Vorbereitung der Entscheidung in großem Umfang Stellungnahmen von Politik und Verbänden eingeholt. Der Erste Senat betont zwar, der Gesetzgeber habe in Fragen der Selbstverwaltung des Unternehmertums ein "weites Ermessen". Bundestag und Bundesrat könnten theoretisch sogar "die Pflichtmitgliedschaft in der Kammer durch ein Konzept freiwilliger Mitgliedschaft bei Erhalt der Kammern im Übrigen ersetzen" - was im Ergebnis den Forderungen der Kritiker entspräche. Die Richter ermutigen die Kritiker, Konflikte innerhalb des Systems auszufechten Zugleich aber lässt das Gericht wenig Zweifel daran, dass es das existierende System aus 79 öffentlich-rechtlichen Kammern für die bessere Lösung hält. Jedenfalls sei die Annahme des Gesetzgebers "plausibel", dass private Verbände mit freiwilliger Mitgliedschaft weniger geeignet seien für eine Interessenvertretung. Denn der Wert der Kammern beruhe darauf, dass sie vollständig über die Verhältnisse in ihren Bezirken informiert sind. Nur so ließen sich alle Interessen berücksichtigen. "In einer allgemeinen Mitgliedschaft zeigt sich der Unterschied zwischen selektiver Interessenvertretung und Wahrnehmung des Gesamtinteresses", heißt es in der Entscheidung. Die Beitragslast sei nicht so erheblich und sogar gesunken; bei der IHK Schwaben liege sie im Schnitt bei gut 400 Euro jährlich, bei der IHK Kassel-Marburg bei mehr als 500 Euro. An mehreren Stellen gehen die Richter allerdings auf die Vorbehalte der Kammerkritiker ein - und ermutigen diese, die Konflikte innerhalb des bestehenden Systems auszufechten. Die Pflichtmitgliedschaft zwinge nicht dazu, "es hinnehmen zu müssen, wenn der Pflichtverband und seine Organe die ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben überschreiten". Ausdrücklich verweisen die Verfassungsrichter auf den Rechtsweg. In der Vergangenheit hatten Unternehmen gegen einseitiges politisches Engagement ihrer Kammer geklagt - zum Beispiel gegen das Ja der IHK Ulm zum Bahnprojekt Stuttgart 21 oder gegen das politische Engagement der IHK Hamburg, die den Rückkauf der Energieversorgungsnetze durch die Stadt ablehnte. Außerdem mahnen die Richter, dass unter dem wirtschaftlichen "Gesamtinteresse" eines Bezirks eben nicht eine vom Kammervorstand formulierte einheitliche Meinung zu verstehen ist. "Die gebotene Wahrnehmung des Gesamtinteresses gelingt nur, wenn abweichende Interessen einzelner Mitglieder oder grundlegende Interessenkonflikte, die für einzelne Mitglieder von erheblicher Bedeutung sind, berücksichtigt werden." Soll heißen: Auch abweichende Meinungen von Mitgliedern müssen von den Kammern kommuniziert werden - möglicherweise sogar als "echtes Minderheitenvotum". Nur in dieser Lesart sei Unternehmen, die Minderheitspositionen vertreten, die Mitgliedschaft in einer IHK zumutbar.
https://www.sueddeutsche.de/sport/gladbach-pleite-gegen-mainz-ploetzlich-tabellenletzter-1.2619022
mlsum-de-9729
So hatte sich die Borussia das nicht vorgestellt: Auch beim 1:2 gegen Mainz offenbart Lucien Favres Team gravierende Schwächen - die Gäste spielen clever.
Der FSV Mainz 05 hat Lucien Favre sein Bundesliga-Jubiläum gründlich verdorben und Borussia Mönchengladbach den schlechtesten Saisonstart seit sieben Jahren beschert. Mit dem 1:2 (0:1) gegen die konterstarken Rheinhessen rutschte der Champions-League-Starter am Sonntag zum Abschluss des zweiten Spieltags sogar ans Tabellenende. Im Schweizer-Trainerduell sorgte Christian Clemens (79. Minute) für den Sieg von FSV-Coach Martin Schmidt über Favre, der zum 150. Mal im deutschen Fußball-Oberhaus auf der Gladbacher Bank saß. Zuvor hatte Patrick Herrmann (54.) vor 50 172 Zuschauer die erste Mainzer Führung durch Jairo (42.) ausgeglichen. Gegen die Gäste, die ihre ersten Punkte der Saison feierten, erwachte die Borussia erst in den zweiten 45 Minuten aus ihrer Lethargie. Dennoch stellte sie erneut nicht die erhoffte Qualität für die Königsklasse unter Beweis. Nach dem missglückten Versuch mit den jungen Innenverteidiger Marvin Schulz (20 Jahre) und Andreas Christensen (19) beim 0:4 gegen Dortmund wollte Favre seine Defensive mit Tony Jantschke zentral stabilisieren, Julian Korb rückte auf rechts. Doch wie zum Auftakt präsentierte sich Gladbach ohne Abwehrchef Martin Stranzl zunächst alles andere als sicher. Bei der gefährlichsten Aktion der Anfangsphase traf der Ex-Borusse Yunus Malli nur den linken Pfosten (13.), wenig später musste Keeper Yann Sommer mit dem Fuß klären. Auf der anderen Seite bemühte sich vor allem Ibrahima Traoré um Schwung, blieb mit zwei Schussversuchen aber harmlos (7./10.). In einer zähen Partie zog sich Mainz weit zurück und setzte aufs Kontern, Gladbach präsentierte sich ideenlos. Erst nach einer halben Stunde wurde die Borussia druckvoller, zeigte jedoch keine zwingenden Aktionen. Stattdessen hatten die Gäste erneut Pech, als Fabian Frei aus 14 Metern nur die Unterkante der Latte traf (35.). Das Hawk-Eye bewies, was die Zuschauer bereits erkannt hatten: Kein Tor! Die Mainzer blieben ihrem schnellen Umschaltspiel treu - und wurden belohnt. Der starke Malli bediente Clemens auf dem rechten Flügel, dessen maßgenaue Hereingabe verwertete Jairo im Zentrum ohne Probleme. Nach eigenem Ballverlust tief in der gegnerischen Hälfte orientierte sich Gladbach ungenügend zurück und gewährte deutlich zu viel Platz. Kurz vor der Pause vergab Thorgan Hazard aus zwei Metern für die Favre-Elf den prompten Ausgleich. Erst in der zweiten Halbzeit bewies Gladbach die nötige Konsequenz. Auf Pass von Neuzugang Lars Stindl verschaffte sich Herrmann mit einer Körperdrehung Platz für den strammen Flachschuss zum 1:1. Favre nahm den ersten Saisontreffer noch ohne großen Jubel zur Kenntnis. Aufmunternden Applaus gab es vom Coach für Raffael, der in der 64. Minute frei vor Loris Karius die Führung vergab. Im Minutentakt geriet das Mainzer Tor in Gefahr, doch Herrmann (74.) und Hazard (75.) verzogen knapp. Als alles auf einen Gladbacher Sieg hindeutete, schockte Clemens das Heimteam mit einer Direktabnahme aus kurzer Distanz.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tesla-warum-tesla-mehr-wert-ist-als-ford-1.3450442
mlsum-de-9730
Tesla verkauft knapp 80 000 Autos im Jahr, Ford fast sieben Millionen. Trotzdem ist das Unternehmen von Elon Musk nun teurer. Viele Anleger halten das für Irrsinn.
Elon Musk konnte es dann doch nicht lassen: Noch in der vergangenen Nacht schrieb er auf Twitter einen kurzen Satz, der nur als Provokation gewertet werden kann: "Stormy weather in Shortville". Shortville - damit übergießt der Chef des Elektroauto-Herstellers Tesla jene Anleger mit Häme, die "short" gegangen sind - also an der Börse gegen sein Unternehmen gewettet haben. Kurz zuvor waren die Tesla-Aktien an der Börse um mehr als sieben Prozent auf knapp 300 Dollar gestiegen. Seit der Wahl von Trump summieren sich die Gewinne an der Börse auf rund 60 Prozent. Für die Menschen, die gegen Musks Unternehmen gewettet haben, ist das natürlich eine Katastrophe: Sie hatten zuvor vielleicht Aktien von Tesla verkauft, ohne sie zu besitzen. Irgendwann aber müssen sie die Aktien nachliefern und je höher der Kurs an der Börse steigt, desto teurer wird es für Anleger. Zuletzt hat es sich als Fehler erwiesen, gegen Tesla zu wetten - die Aktie steht so hoch wie nie zuvor. Für den neuen Aufschwung sorgten überraschend gute Zahlen. Im vergangenen Quartal lieferte Tesla etwa 25 000 Elektroautos aus - ein Anstieg von 69 Prozent. Nach dem Kursgewinn am Montag ist Tesla an der Börse nun erstmals mehr wert als Ford. Ford? Genau, das ist der 1903 gegründete Konzern mit gut 200 000 Mitarbeitern, der im vergangenen Jahr 152 Milliarden Dollar Umsatz machte und dem am Jahresende ein Gewinn von vier Milliarden Dollar verblieb. Ein Unternehmen, das 2016 etwa 6,7 Millionen Autos verkauft hat. Zum Vergleich: Tesla verkaufte im vergangenen Jahr nicht einmal 80 000 Fahrzeuge. Das Unternehmen beschäftigt etwa 30 000 Mitarbeiter und macht sieben Milliarden Dollar Umsatz im Jahr. Einen Gewinn gibt es nicht, nur einen Verlust von knapp 700 Millionen Dollar. Neue Zuversicht Trotzdem ist das Unternehmen nun also mehr wert als der zweitgrößte Autohersteller der USA. An der Börse gibt es allerdings sehr viele Leute, die diesen Zahlen nicht trauen wollen. Sie halten den Kurs von Tesla für Irrsinn, die Aktie für viel zu hoch bewertet. Die Anleger, die den Aktienkurs nach oben treiben, wollen sich von solchen Sorgen nicht beeindrucken lassen. Sie glauben offenbar zunehmend daran, dass Musk seine Ankündigungen wahr macht und das für 2018 gesteckte Ziel von einer halben Million ausgelieferten Fahrzeugen tatsächlich erreichen kann. Eine Wette mit Risiko, schließlich gelten die Prognosen von Musk als chronisch unzuverlässig. Dass die Tesla-Aktie so gestiegen ist, ist allerdings nicht nur mit den guten Auslieferungszahlen zu erklären. Eingesetzt hatte der Kursanstieg ja schon nach der Wahl von Trump. Musk gilt als ein Unternehmer ganz nach dem Geschmack des US-Präsidenten: verrückt, risikofreudig, auf Größe und Amerika fixiert. Musk sitzt auch im Rat der Unternehmensführer, die Trump in Wirtschaftsfragen beraten. Und viele Anleger sind offenbar der Ansicht, dass Tesla von der Nähe zum US-Präsidenten profitieren wird - zumal das fortschrittliche Image der Tesla-Fahrzeuge einen Ausgleich zum eher rückwärtsgewandten Wirtschaftskonzept von Trump bildet. Hinzu kommt, dass viele in Musk eine Art Nachfolger von Steve Jobs sehen. Der Kauf von Tesla-Aktien ist derzeit nicht nur eine Wette auf elektrische Fahrzeuge, sondern vor allem eine auf den Unternehmer Musk und seine Ideen. Eine solche Wette schloss nun auch der chinesische Internetkonzern Tencent ab, der vergangene Woche mitteilte, dass er mittlerweile rund fünf Prozent der Tesla-Aktien hält. Das sorgte an der Börse ebenfalls für einen Kursschub. Musk selbst findet es ganz normal, dass die Tesla-Papiere derart steigen. Von einem Tweet des bekannten Ex-Kolumnisten vom Wall Street Journal, Walter Mossberg, ließ er sich zumindest nicht beeindrucken. Dieser schrieb, dass Tesla wieder einmal ein Beispiel dafür sei, dass Bewertungen an den Aktienmärkten nicht die Realität widerspiegelten. Musk antwortete: "Genau. Tesla ist absurd überbewertet, wenn es an der Vergangenheit gemessen wird. Doch das ist irrelevant." Ein Aktienpreis repräsentiere vielmehr die künftigen Geldflüsse. Die Gemeinde der Aktienanalysten, die mit solchen Feinheiten durchaus vertraut ist, bleibt indes vorsichtig: Gemäß einer Aufstellung der Nachrichtenagentur Bloomberg empfehlen acht der Wertpapierexperten einen Kauf von Tesla-Aktien, sechs von ihnen raten inzwischen zum Verkauf der Papiere. Die Mehrheit empfiehlt, die Papiere einfach nur zu halten. Steigt die Tesla-Aktie so weiter wie zuletzt, dürfte das Unternehmen bald auch BMW überrundet haben: Der Münchner Autohersteller ist derzeit mit 58 Milliarden Dollar noch etwas mehr wert als Tesla. Viel fehlt Elon Musk aber nicht mehr, um BMW abzuhängen. Dann wäre Tesla der fünftteuerste Autohersteller der Welt.
https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-wut-praesident-obama-1.3297961
mlsum-de-9731
Das Weiße Haus kündigt Vergeltung an für die aus Russland vermuteten Hackerangriffe. Wie diese Vergeltung aussehen soll, sagt er nicht.
In einer seiner letzten Pressekonferenzen als US-Präsident hat sich Barack Obama am Freitag zu Cyberangriffen durch Russland geäußert. "Es gab russische Hackerangriffe, was nicht heißt, dass die gesamte Wahl verfälscht wurde." Auf die Frage, ob der russische Präsident Wladimir Putin dahinter stecke, sagte er, es passiere nicht viel in Russland, ohne dass Putin davon wisse. "Wenn eine ausländische Regierung versucht, die Integrität unserer Wahlen anzugreifen, müssen wir handeln", sagte Obama. Er machte aber keine Angaben dazu, wie ein möglicher Vergeltungsakt aussehen könnte. Umso wilder spekulieren die Medien bereits von einem neuerlichen "Kalten Krieg". Obama könnte die Sanktionen gegen Russland verschärfen, heißt es. Gideon Rachman, Chefkommentator der Financial Times, mutmaßt, die US-Regierung könnte durch gezielte Leaks versuchen, Putin zu schwächen, in dem sie "alles über seine Gelder veröffentlicht". Obama aber hielt sich bisher bedeckt. Er achtete auch darauf, seinem designierten Nachfolger Donald Trump keine direkte Beteiligung an den Angriffen zu unterstellen. Der Auslandsgeheimdienst CIA hatte zwar behauptet, die Hackerangriffe seien eingesetzt worden, um Trump zum Wahlsieg zu verhelfen. Obama sagte aber lediglich, dass sie Clinton mehr geschadet hätten als Trump. Über Monate hätten Clintons E-Mails und Gerüchte über die Demokratische Partei im Fokus gestanden. "Trump hat davon profitiert und sich das Ergebnis politisch zunutze gemacht." Detailansicht öffnen "Ich denke, wir müssen handeln": Barack Obama. (Foto: Yuri Gripas/Reuters) Vor Obama hatte sich bereits sein Berater Ben Rhodes zu den Hackerangriffen geäußert und Putin eine Verantwortung zugewiesen. "Nichts von derartiger Tragweite geschieht in der russischen Regierung, ohne dass Putin davon weiß", sagte er. Der US-Sender NBC News ging noch einen Schritt weiter. Putin selbst soll Anweisungen für den Umgang mit den gehackten Clinton-Mails gegeben haben, hieß es unter Berufung auf zwei Geheimdienstverantwortliche. Putin habe "aus Rache" gehandelt, weil Clinton in ihrer Zeit als Außenministerin die Rechtmäßigkeit der russischen Wahlen von 2011 infrage gestellt habe. Zum ersten Mal nach der Wahl äußerte sich am Freitag auch Clinton. Sie sprach von einer "Attacke auf unser Land", angeführt von Putin, der "die Demokratie Amerikas unterhöhlen wollte." Ob Putin tatsächlich hinter den Angriffen steckt, ist unklar. In einem Radio-Interview mit dem Trump-nahen Journalisten Sean Hannity sagte Julian Assange von Wikileaks, auf dessen Plattform die gehackten Mails veröffentlicht wurden, er würde nur in Ausnahmefällen Angaben über die Herkunft seiner Quellen machen. Eines aber könne er sagen: "Die E-Mails kamen nicht von Russland." "Gewisse Kreise" würden Verwirrung stiften wollen, jetzt, da die offizielle Wahl Trumps durch das Electoral College am Montag bevorstehe. Duch die Affäre ist auch die Ernennung Rex Tillersons zum Außenminister gefährdet. Dieser hatte sich als Chef von Exxon Mobil für eine Aufhebung der Sanktionen gegen Russland ausgesprochen. Tillersons Wahl muss vom Kongress bestätigt werden. Eine russland-feindliche Stimmung könnte für Tillerson, dem eine Freundschaft zu Putin nachgesagt wird, schädlich sein. Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow forderte die Vereinigten Staaten auf, endlich Beweise für den Hackervorwurf zu präsentieren oder "den Mund zu halten". Nach wie vor zieht auch Trump die Informationen der US-Geheimdienste, wonach Russland hinter den Angriffen stecke, in Zweifel. Am Freitag schrieb er auf Twitter: "Wenn Russland oder irgendeine andere Einheit gehackt hat, warum hat das Weiße Haus dann so lange gewartet?"
https://www.sueddeutsche.de/sport/suspendierter-uefa-praesident-in-frankreich-ist-em-und-platini-wird-wohl-fehlen-1.2781184
mlsum-de-9732
Bald fällt das Fifa-Ethikkomitee sein Urteil über Michel Platini. Die Lage des suspendierten Uefa-Chefs hat sich dramatisch zugespitzt.
In Paris war EM-Auslosung, und dass er nicht dabei sein durfte, war gewiss niederschmetternd für Michel Platini. Schließlich war er es, der die Fußball-EM 2016 in sein Heimatland gebracht hat, auch deshalb hatte ihn Frankreichs Regierung massiv in seinem Wahlkampf fürs Spitzenamt in der Europa-Union (Uefa) unterstützt. Paris sponserte sogar Flüge, mit denen Platini jene Klientel aufsuchen und bezirzen konnte, die ihn Anfang 2007 tatsächlich (mit knappen 27:23 Voten) auf den Uefa-Thron hievte: Die kleinen Länder an den nord- bis südöstlichen Rändern des Kontinents. Platinis Dank fand doppelten Niederschlag im Turnier 2016: Es findet in seiner Heimat statt - und wurde von 16 auf 24 Teams aufgebläht; halb Europa darf jetzt mitkicken. Nur Platini ist nicht dabei, nach Lage der Dinge wird das auch so sein, wenn nächsten Sommer der Ball rollt. Eine Notiz könnte für Platini zum Problem werden Am Freitag soll Platini vor der Spruchkammer des Fifa-Ethikkomitees noch einmal die zwei Millionen Schweizer Franken rechtfertigen, die im Februar 2011 auf Sepp Blatters Geheiß vom Weltverband an ihn geflossen waren. Der Geldtransfer - den die Funktionäre als mündlich vereinbarte Lohnnachzahlung mit neunjähriger Verspätung erklären - trägt für die Schweizer Bundesanwaltschaft den Ruch untreuer Geschäftsbesorgung, weshalb sie gegen Blatter ermittelt; auch Platini ist nicht aus dem Schneider. Für die Ermittler der Fifa-Ethiker liegt der Fall klar, sie haben lange Sperren für das seit Oktober suspendierte Duo beantragt - oder, sollte der Korruptionsvorwurf bei den Ethikrichtern verfangen, sogar lebenslangen Ausschluss von allen Fußballaktivitäten. Seither kämpft Platini verzweifelt, auch über die Medien. Kürzlich förderte das französische Journal de Dimanche eine Notiz zu einer Uefa-Exekutivsitzung von November 1998 zutage, die Platini für entlastend hält. Flott aktivierte die Uefa ihre Mitarbeiter, um internationale Presseorgane auf die als große Wende verkaufte Story hinzuweisen. Doch Fragen, wie die SZ sie daraufhin einreichte, blieben unbeantwortet; trotz anderslautender Zusagen. Dabei hätte man gern gewusst, wie es kommt, dass ein Pariser Sonntagsblatt ohne bekannte Nähe zur Sportpolitik etwas findet, das Platini und der Uefa, deren Chef er formal noch immer ist, offenbar nicht zugänglich war: eine angeblich entlastende Notiz aus einem Uefa-Vorstandsprotokoll. Oder hat das Papier, das eher wenig zur Sache beiträgt und auf seine Authentizität zu überprüfen wäre, den Weg in die Medienlandschaft doch eher über Platini oder die Uefa gefunden? Dann wäre dies ein Vorgang, der einer Kampagne ähnelt und strafverschärfend wirken könnte. Während im Strafrecht, zu dem im Ethikprozess leichtfertig Vergleiche gezogen werden, Betroffene schweigen, nicht kooperieren und sogar lügen dürfen, ist das im Ethikprozedere völlig anders.
https://www.sueddeutsche.de/politik/linkspartei-demonstration-vor-der-eigenen-haustuer-1.3777665
mlsum-de-9733
Reichlich Ärger im eigenen Laden: Linke Politiker unterstützen Proteste vor der linken Parteizentrale gegen einen linken Senator.
In der Linkspartei kündigt sich die nächste Auseinandersetzung um die Flüchtlingspolitik an. Der Entwurf eines Einwanderungsgesetzes stieß am Sonntag auf Dissens im Bundesvorstand. Zudem gibt es Ärger, weil Linken-Politiker Proteste gegen den Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Linke) unterstützt haben. "Ich finde es völlig absurd, wenn Mitglieder unserer Partei eine Demonstration gegen uns selbst vor der Parteizentrale unterstützen", sagte die Vize-Parteivorsitzende Caren Lay der Süddeutschen Zeitung am Montag. Sie sei froh, dass der Vorstand sich gegen den "Irrsinn" ausgesprochen habe. Im Bundesvorstand der Linken hatten am Sonntag 18 von 30 Anwesenden dem linken Berliner Kultursenator Klaus Lederer ihren Solidarität erklärt. Was unter normalen Umständen nicht der Rede wert wäre, wurde hier zum Politikum. Lederer, der sich stets unmissverständlich von rechten Bewegungen abgegrenzt hat, war im November gegen eine Preisverleihung im senatsgeförderten Berliner Kino Babylon vorgegangen. Geehrt werden sollte der frühere RBB-Radiomoderator Ken Jebsen, dem Kritiker ungebremsten Israel-Hass, Antisemitismus und rechte Verschwörungstheorien vorwerfen. Jebsen hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen - und fand Unterstützung beim Linken-Bundestagsabgeordneten Diether Dehm und seinem Ex-Fraktionskollegen Wolfgang Gehrcke. Nach der Absage des Kinos zeichneten sie den Aufruf "Empört euch!" und forderten "konzentrierte Aktionen gegen den zerstörerischen Ungeist von Stigmatisierungen und Zensur". Über Linken-Senator Lederer ergossen sich Beschimpfungen im Netz. Am 14. Dezember nun wollen die Jebsen-Unterstützer demonstrieren, gleich bei der Linken-Zentrale und gegen Parteifreund Lederer. Auf Antrag der Vize-Bundesvorsitzenden Lay distanzierte sich der Parteivorstand von dem Vorhaben, gegen sieben Nein-Stimmen. Er fordert "klare Kante gegen Querfront", also gegen die Verbrüderung von ganz recht und ganz links. Der Bundestagsabgeordnete Dehm kündigte unterdessen an, der Demonstration fernzubleiben. "Ich hatte nie vor, da hinzugehen", sagte er. Der Antisemitismus-Vorwurf gegen Jebsen sei verfehlt. Gehrcke dagegen will zur Kundgebung. "Ich bin eingeladen, auf der Demo gegen Zensur zu sprechen", sagte er. Parteichefin Katja Kipping betonte, die Linke habe eine klare Haltung gegen Rechts, Dehm und Gehrcke müssten sich nun "erstmal erklären". Fraktionschef Dietmar Bartsch äußerte sich auf Anfrage nicht.
https://www.sueddeutsche.de/politik/tuerkei-in-der-tuerkei-beginnt-der-prozess-gegen-mesale-tolu-1.3702337
mlsum-de-9734
Die deutsche Journalistin sitzt seit April in einem türkischen Gefängnis - mit ihrem zweijährigen Kind und 24 anderen Frauen in einer Zelle. Jetzt beginnt der Prozess gegen sie, der Vorwurf: Terrorpropaganda. Ihr drohen bis zu 15 Jahre Haft.
Der Albtraum beginnt am 30. April gegen 4.30 Uhr morgens. Meşale Tolu und ihr Sohn sind zu Hause, als etwa 20 maskierte und bewaffnete Männer in ihre Istanbuler Wohnung eindringen. Sie drücken die Mutter auf den Boden und fesseln sie mit Handschellen, der Junge, zwei Jahre alt, weint. Da droht ihm ein Polizist: "Wenn du nicht aufhörst, nehmen wir dich auch fest." So erzählt es später Tolus Vater. Ali Rıza Tolu, ehemals Automechaniker in Ulm, nun im Ruhestand, besucht seine Tochter regelmäßig im Gefängnis. Seit jener verhängnisvollen Nacht, als ein Anti-Terror-Kommando Meşale Tolu mitnahm, wohnt der 58-Jährige auf unbestimmte Zeit in Istanbul. Die Polizisten ließen den Jungen damals bei Nachbarn zurück. Der Kleine war schwer traumatisiert, erzählt sein Großvater. Nicht nur die Mutter war weg - auch sein Vater, Suat Çorlu, saß da schon seit einigen Wochen in Untersuchungshaft. Tolu und ihre Familie trafen eine schwere Entscheidung: Der Junge sollte bei der Mutter bleiben, im Istanbuler Frauengefängnis Bakırköy. Alles schien besser zu sein, als ihn von ihr zu trennen. Wenn an diesem Mittwoch und Donnerstag der Prozess gegen Meşale Tolu eröffnet wird, geht es also um viel: Nicht nur darum, ob die 33-Jährige vorläufig auf freien Fuß kommt. Sondern auch darum, ob ihr Sohn bald wieder so etwas wie einen normalen Alltag mit ihr außerhalb einer Gefängniszelle erleben darf. Die Übersetzerin und Journalistin ist eine von 18 Angeklagten, denen wegen Propaganda und Mitgliedschaft einer terroristischen Organisation der Prozess gemacht wird. Die Anklage gegen die Journalistin beruht vor allem auf einer anonymen Aussage Tolu stammt aus einer politisch links stehenden Familie. Ihr Vater bezeichnet sich als Sozialist, ihr Mann engagierte sich für die Sozialistische Partei der Unterdrückten (ESP) und die prokurdische Demokratische Partei der Völker (HDP). Tolu selbst arbeitete für die kleine linke Nachrichtenagentur Etha, die von den Behörden noch nicht geschlossen, deren Website aber gesperrt wurde. Tolus Anwältin Kader Tonç hält die Beweislage gegen ihre Mandatin für dünn. Die Anklage beruht vor allem auf einer anonymen Zeugenaussage. Tolu wird vorgeworfen, an Veranstaltungen teilgenommen zu haben, bei denen für die Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) geworben worden sei. Einmal habe sie ein Banner einer MLKP-Splitterpartei getragen; in ihrer Wohnung sei zudem Propagandamaterial gefunden worden. Die MLKP ist in der Türkei als Terrororganisation verboten, in Deutschland werden ihre Anhänger vom Verfassungsschutz beobachtet. Sollte Tolu verurteilt werden, drohen ihr bis zu 15 Jahre Haft.
https://www.sueddeutsche.de/sport/bayern-gegen-porto-guardiolas-kunst-ein-grosses-spiel-klein-zu-reden-1.2443749
mlsum-de-9735
Pep Guardiola versucht, dem Viertelfinal-Rückspiel der Champions League gegen den FC Porto die Bedeutung zu nehmen. Wie der FC Bayern das 1:3 aufholen will, dazu hat Thomas Müller ein paar Ideen.
Pep Guardiola wählte für seinen öffentlichen Auftritt vor dem Rückspiel gegen Porto ein schwarzes T-Shirt, darauf stand ein Hashtag: #JusticiaParaTopo - Gerechtigkeit für Topo. Der argentinische Journalist Jorge "Topo" López war während der Weltmeisterschaft in Brasilien bei einer Autokollision ums Leben gekommen. Eine Gruppe Krimineller war in einem gestohlenen Wagen vor der Polizei geflüchtet und hatte den Zusammenstoß verursacht. Die Familie von López kämpft darum, dass sein Tod nicht wie bislang als Unfall, sondern als Mord behandelt wird. Da die meisten Anwesenden nicht gleich etwas mit dem Hashtag anfangen konnten, ging es weiter um Fußball. Aber die Botschaft Guardiolas war klar: Es gibt Wichtigeres als ein Champions-League-Viertelfinale. Selbst wenn man das Hinspiel 1:3 verloren hat. Sogar beim FC Bayern. Der Klub steht vor einem Spiel, dass darüber entscheiden könnte, ob diese Saison eine gute oder schlechte war. Meisterschaft? Klar. DFB-Pokal? Schön und gut. Aber ein Aus in der Champions-League gegen den kleinen FC Porto? Im Viertelfinale? "Jeder weiß, was das Spiel auf die nächsten Wochen für Auswirkungen hat, auf die Stimmung. Die wäre natürlich bei einem Halbfinal-Einzug wesentlich besser", erklärte Angreifer Thomas Müller. Und Thomas Müller kennt seinen Verein. Guardiola wählt den Weg, dieses Spiel nur nicht zu groß werden zu lassen. Und er ist gut darin, ein großes Spiel kleinzureden. Am Ende soll das Umfeld eher an die große Tat denken als an das große Versagen. Seine Spieler sollen am Dienstagabend nicht mit einer großen Last auf den Schultern das Spielfeld betreten. Sondern möglichst frei und optimistisch den Portugiesen mindestens drei Tore einschenken. Dabei war das T-Shirt nur eine Geste, eine humane zudem. Nach dem Sieg in Hoffenheim hielt er in der Kabine eine Ansprache an seine Profis. "Ich habe gesagt, wie stolz ich auf sie bin. Egal, was morgen passiert", berichtete Guardiola. Angesichts der vielen Verletzten (Robben, Ribéry, Alaba, Schweinsteiger, Martínez, Benatia) werde er die vergangenen Wochen nie vergessen. "Diese Spieler werden immer meine Helden sein. Für den Rest meines Lebens." Er betonte, dass die Mannschaft bereits am kommenden Samstag im Heimspiel gegen Hertha BSC Deutscher Meister werden kann (sofern Wolfsburg am Sonntag in Gladbach nicht gewinnt) und dass nur noch ein Heimsieg gegen Borussia Dortmund fehlt, um wieder das DFB-Pokal-Finale zu erreichen. Aber er wisse auch, in welchem Verein er sei. Das alles sei nicht genug, "nur das Triple ist genug". Er zuckte dabei mit den Schultern und blickte fast fröhlich in die Runde. Nach dem Motto: Er könne daran auch nichts ändern.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/kita-kinderpornos-entdeckt-1.3838824
mlsum-de-9736
Offenbar hat ein langjähriger Mitarbeiter der Kindertagesstätte in Rheinland-Pfalz den Datenträger dort verloren. Der Mann wurde vom Dienst freigestellt. Derzeit gibt es keine Hinweise, dass die Bilder in der Kita entstanden sind.
In einer Kindertagesstätte in Rheinland-Pfalz ist ein Datenträger mit kinderpornografischen Bildern entdeckt worden. Er sei am Montag von Erziehern gefunden und der Polizei übergeben worden, teilten die Behörden am Mittwoch mit. Ersten Ermittlungen zufolge gehört das Speichermedium einem Mitarbeiter der Kindertagesstätte in Bruchmühlbach-Miesau. Der Mann sei freigestellt worden, heißt es in der Mitteilung weiter. Die Bilder stammten aus dem Internet und seien der Polizei bereits aus anderen Zusammenhängen bekannt, sagte ein Sprecher der Beamten in Kaiserslautern. Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Verdächtigen wurden weitere Datenträger beschlagnahmt. Diese werden derzeit "mit Hochdruck ausgewertet". Weitere Angaben zu dem Mann machten Polizei und Staatsanwaltschaft nicht. Die Ermittlungen dauern an. In dem kleinen Ort im Landkreis Kaiserslautern wollten Einrichtungsleitung, Ortsbürgermeister und Vertreter der Polizei am Mittwoch gemeinsam die Eltern informieren. Es gebe aber "aktuell keinerlei Hinweise auf einen Bezug zu der Kindertagesstätte", betonten die Behörden. Die Bilder auf dem Datenträger mit dem pornografischen Material seien weder dort aufgenommen worden noch zeigten sie Kinder der Einrichtung. Ortsbürgermeister Klaus Neumann sagte der Rheinpfalz, der Mitarbeiter habe den Datenträger in der Kita verloren. Der Mann komme aus dem Ort, habe selbst Familie und sei bereits seit 24 Jahren in der Einrichtung beschäftigt gewesen. "Es gab keinen Anlass, absolut nichts, was in diese Richtung wies", so Neumann. Seine Kolleginnen seien "sehr betroffen".
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/it-messe-cebit-wenn-die-fahrradkette-spricht-1.2393983
mlsum-de-9737
Das "Internet der Dinge" ist ein großes Thema der Cebit. Firmen präsentieren Alltagsgegenstände mit künstlicher Intelligenz. Zur Eröffnung der Technikmesse erteilt Alibaba-Chef Jack Ma eine Lektion in Sachen Zukunft.
Im Kuppelsaal von Hannovers Kongresszentrum steht ein drahtiger Chinese und gibt eine Lektion in Sachen Zukunft. Jack Ma, der Gründer des E-Commerce-Giganten Alibaba, hat die Bühne betreten bei der Eröffnung der Cebit 2015. Mit Spannung hat das Publikum seinen Auftritt erwartet. Spätestens seit Ma im Herbst Alibaba an die New Yorker Börse gebracht hat und zum reichsten Mann Chinas aufgestiegen ist, herrscht reges Interesse an jedem Satz, den er spricht. Zehn Minuten hat Ma Zeit, aber das reicht ihm, um ein Weltbild von morgen zu entwerfen, in dem Daten in Gegenstände fließen und Dinge in intelligente Geschöpfe verzaubern. "Die Maschine muss sprechen", sagt Jack Ma, "die Maschine muss denken." China ist Partner der Cebit, die an diesem Montag beginnt. Und zwar laut Oliver Frese, Vorstand der Deutschen Messe AG, "der stärkste Partner, den wir jemals hatten". Frese sagt: "Die chinesische Industrie wird sich hier als globaler Lösungsanbieter zeigen." Alle können also was von China lernen, was einerseits seltsam klingt, denn Chinas Partei-Regierung zeigt ja auch, dass sie ihre Zensur-Gepflogenheiten an die digitale Welt angepasst hat. Aber wenn man Jack Mas Rede vom Sonntag bedenkt, kann man sich tatsächlich vorstellen, dass viele Ideen für die nächsten hundert Jahre aus China kommen. Die Vision von den sprechenden Maschinen ist jedenfalls in Arbeit. Das "Internet der Dinge" ist ein großes Thema bei der Cebit. Der Mensch feiert sich als Schöpfer einer neuen Welt, in der Alltagsgegenstände durchdrungen sind von künstlicher Intelligenz. Die Telekom hat mit der Rad-Firma Canyon ein Fahrrad gebaut, das den Zustand seiner Einzelteile erfasst und diese per Klick selbständig nachbestellt, wenn sie verschlissen sind. Dieses Rad wird bestimmt eines Tages sprechen. Samsung hat einen Spiegel entwickelt, der nicht nur den zeigt, der in ihn hineinschaut, sondern in lebensechter Farbgebung die neuesten Kollektionen der Mode-Industrie einblendet. Irgendwann wird wohl auch dieser Spiegel sprechen. Märchen werden wahr. Wobei der Text im Konsumzeitalter natürlich anders geht als bei den Brüdern Grimm. "Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?" - "Du bist die Schönste im ganzen Land. Aber mit diesem sündteuren Versace-Strickjäckchen siehst du noch tausendmal schöner aus." Die Cebit ist überschrieben mit dem Motto "d!conomy". Diese Wort-Satzzeichen-Schöpfung zeigt, worum es gerade geht: um die Verschmelzung von digitaler Welt und Wirtschaft. Alles kann auf Dauer Teil eines gigantischen Marktplatzes werden - das Auto, das Fahrrad, der Spiegel an der Wand. Der Handel nach Daten dringt immer tiefer in die Privatsphären ein. Kultur-Pessimisten müssen das nicht schön finden. Aber erstens bringt der digitale Wandel auch viele nützliche Neuerungen; das Telekom-Rad zum Beispiel erkennt Stürze und kann im Notfall Hilfe rufen. Zweitens kann man der Wirtschaft ja kaum verwehren, nach neuen Chancen zu greifen. Das IT-Gewerbe wirkt jedenfalls ziemlich dynamisch. Erstmals seit 2001 ist die Cebit wieder größer als im Vorjahr. "Sie wächst in der Fläche um mehr als fünf Prozent bei stabiler Zahl der Aussteller von 3300 aus 70 Ländern", sagt Frese. Die Messe hat das Angebot für den Mittelstand erweitert. 350 Start-ups stellen sich vor. Zukunftsdenken in den verschiedensten Bereichen bekommt ein Forum, von Stadtplanung bis Landwirtschaft. Und China soll einer der Schrittmacher sein in dieser Ideenfabrik. Jack Ma sagt: "Nicht die Technologie verändert die Welt. Die Träume hinter der Technologie tun es." Und der Telekommunikationsausrüster Huawei aus Shenzhen zeigt, wie er die neuen Wunderwelten denkt. Die Firma stellt ein digitales Informationssystem für Fußballstadien vor, bei dem Fans abgefahrene Video-Einstellungen aus dem Spiel und Fußballer-Daten abrufen können. Und die Vereine können die Stadionbesucher mit den neuesten Trends aus dem Fanartikel-Verkauf versorgen. Borussia Dortmund und Schalke 04 sind schon Huawei-Partner. Diesen Montag soll der nächste Bundesliga-Deal vorgestellt werden. Eines Tages werden wohl auch die Sitze im Stadion zu uns sprechen.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/volleyball-spaete-vorstellung-1.3796914
mlsum-de-9738
Die Alpenvolleys tragen erstmals ein Bundesliga-Heimspiel in Unterhaching aus. Es kommen zwar weniger Zuschauer als erhofft, attraktiven Sport bietet das Team beim 2:3 gegen Frankfurt aber allemal.
Lange war er eher regungslos am Spielfeldrand gesessen, fast versteckt in der zweiten Reihe hinter der Trainerbank. Jetzt stand Mihai Paduretu und klatschte zum Takt der Trommeln in die Hände. "Fast wieder das alte Unterhaching-Gefühl", sagte er - und als der Brasilianer Douglas Duarte da Silva den Ball zum Gewinn des vierten Satzes ins Feld blockte, brach ein lauter Schrei aus ihm heraus. Der Manager weiß: "Natürlich müssen uns die Zuschauer erst noch kennenlernen." "Hier wächst etwas heran", sagte Paduretu. "Ein neues Projekt mit offenem Ausgang." Alpenvolleys nennt sich dieses österreichisch-oberbayerische Volleyballprojekt zwischen Innsbruck und Unterhaching. Seit Oktober mischt die Mannschaft in der deutschen Liga mit. Nun also, kurz vor Weihnachten, das erste Bundesliga-Heimspiel in der Sportarena Unterhaching. Gegen das Spitzenteam United Volleys aus Frankfurt mussten sich die Alpenvolleys zwar letztlich dann doch mit 2:3 (25:16, 22:25, 22:25, 30:28, 8:15) geschlagen geben, boten aber weitestgehend ein Match auf Augenhöhe. Insgesamt sprach Paduretu, der die Hachinger Seite verantwortet, von einem "gelungenen Einstand", auch wenn man sich vom Publikumsinteresse wohl mehr als 700 Zuschauer erwartet hätte. Einen Schwank aus vergangenen Tagen konnte sich Paduretu da nicht verkneifen: "Wir haben hier Champions League und Meisterschaftsfinale gespielt - und keinen hat es interessiert!" Auch in Innsbruck sind die Zuschauerzahlen bislang überschaubar. Immerhin, der "Hachinga Hammerblock" machte Stimmung, und die Spieler auf dem Feld zeigten eine kämpferische Leistung. "Am Ende war die Erfahrung der Frankfurter entscheidend", meinte Angreifer Stefan Chrtiansky, der mit krachenden Schmetterschlägen und einer soliden Annahme einmal mehr bester Akteur seines Teams war. Sportdirektor Paduretu hingegen war nach dem Matchball schnell verschwunden, so blieb mehr das Bild vom Platz in der zweiten Reihe haften. Die Nachbesprechung des Spiels übernahm die österreichische Seite, allen voran Geschäftsführer Hannes Kronthaler, der das Projekt initiiert und beim österreichischen Verband auf dessen Durchsetzung gedrängt hatte: "Die Stimmung war heute schon ganz gut", sagte Kronthaler. "Natürlich müssen uns die Zuschauer erst noch kennenlernen. Das Wichtigste ist, dass wir guten Sport bieten." Das war gelungen. Gut ein Drittel der Saison ist jetzt vorbei. "Wir sind grob im Plan", meinte Kronthaler. Als Saisonziel hat er Platz fünf ausgegeben, dann könnte sein Team im europäischen Wettbewerb antreten. Momentan liegen die Alpenvolleys als Siebter einen Zähler dahinter. Der Dreijahresplan des Vereins sieht vor, dass schon im nächsten Jahr verstärkt deutsche und österreichische Top-Spieler verpflichtet werden sollen. "Im Idealfall auch der ein oder andere Ex-Hachinger", konkretisierte Kronthaler. Ambitionierte Pläne. Zuletzt hatten die Alpenvolleys in Zuspieler Georgi Topalov den letzten verblieben Hachinger aus dem Kader entlassen. Überhaupt bietet die Mannschaft derzeit keinen Lokalkolorit. Der 21-jährige Angreifer Jonas Sagstetter ist der einzige Deutsche im Kader, schaute gegen Frankfurt, wie fast immer in dieser Saison, aber nur zu. Ein ehemaliger Hachinger wurde dagegen auf der anderen Seite zum Matchwinner: Zuspieler Patrick Steuerwald, der im ersten Satz noch pausierte, präsentierte sich nach seiner Einwechslung als emotionaler Leader der Frankfurter. Statt mit Paduretu sah man ihn nach dem Spiel in österreichischer Runde, neben Frankfurts Trainer Michael Warm, der seit diesem Jahr auch die österreichische Nationalmannschaft trainiert und dessen Co-Trainer Steuerwald ist, und dem Ehrenpräsidenten des Österreichischen Volleyballverbandes, Peter Kleinmann. Kleinmann sieht das Projekt Innsbruck/Unterhaching kritisch, "vor allem für den österreichischen Volleyball". Er sah die durchwachsene Premiere der Alpenvolleys auch mit ein wenig Genugtuung: "Sportlich sind sie in der deutschen Liga Mittelmaß - und Zuschauer sind weniger da als vorher." Noch zwei Heimspiele wird es in dieser Saison in Unterhaching geben, im nächsten Jahr soll dann die Hälfte der Spiele hier stattfinden. Wenn alles nach Plan läuft.
https://www.sueddeutsche.de/politik/daenemark-das-meist-missverstandene-gesetz-der-daenischen-geschichte-1.2836074
mlsum-de-9739
Die Regierung hat sich gezielt darum bemüht, dass Dänemark für Hilfesuchende abweisend wirkt. Nun wundert sie sich über die Kritik an den verschärften Asylgesetzen.
Das dänische Parlament hat am Dienstag das "meistmissverstandene Gesetz" der dänischen Geschichte verabschiedet. So bezeichnete Regierungschef Lars Løkke Rasmussen kürzlich die Gesetzesänderung, die die Rechte von Flüchtlingen in Dänemark stark einschränkt und international Empörung hervorruft. Umstritten ist vor allem die Regel, dass Polizisten Gepäck von Flüchtlingen auf Geld und Wertsachen durchsuchen und beides konfiszieren dürfen. Nun hat eine deutliche Mehrheit, darunter Abgeordnete der liberalen Regierungspartei, der Sozialdemokraten und der rechten Dänischen Volkspartei, für dieses Gesetz gestimmt. Dies ist keine Überraschung: Die großen Parteien in Kopenhagen sind sich seit Langem einig, dass sie Flüchtlinge durch strengere Regeln davon abhalten wollen, in Dänemark Hilfe zu suchen. Die dänische Regierung hat sich gezielt um den Ruf eines Landes bemüht, das sich Hilfesuchenden gegenüber abweisend verhält. Umso erstaunlicher ist nun ihre Überraschung darüber, dass sie für ihre Härte kritisiert wird. Premier Rasmussen schickte deshalb seine Minister los, um die Sache aufzuklären. Außenminister Kristian Jensen machte vergangenen Donnerstag vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf den Anfang. Der dänische Wohlfahrtsstaat basiere auf dem "Prinzip, dass er für diejenigen zahlt, die nicht für sich selbst sorgen können, nicht für diejenigen, die es können", erklärte er. Keine Diskriminierung von Flüchtlingen also, sondern Gleichbehandlung, so möchte die dänische Regierung die Gepäckkontrollen verstanden wissen. "Wir werden den Menschen nicht ihren Schmuck wegnehmen" Bargeld über 10 000 Kronen (etwa 1340 Euro) darf die Polizei beschlagnahmen, ebenso Gegenstände, deren Wert 10 000 Kronen übersteigt. Eheringe und andere Dinge von emotionaler Bedeutung sollen davon ausgenommen sein. Das sagte Außenminister Jensen am Montag dann auch noch vor dem EU-Parlament. Jakob Ellemann-Jensen, Sprecher der Liberalen, sollte die Sache zudem in einem CNN-Interview richtigstellen, sorgte aber nur für mehr Verwirrung. "Wir werden den Menschen nicht ihren Schmuck wegnehmen", sagte er. Genau das jedoch erlaubt das Gesetz. Die Gepäckdurchsuchung ist nicht die einzige Neuerung, die Kritik auslöst. Das UN-Flüchtlingshilfswerk und Amnesty International sorgen sich vor allem um die Regelung, vielen Flüchtlingen in Dänemark erst nach drei Jahren zu erlauben, ihre Familien nachzuholen. Die UN-Behörde warnte die dänische Regierung, die Regel sei womöglich nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar. Premier Rasmussen hatte bereits Ende des Jahres in einem Fernsehinterview die UN-Flüchtlingskonvention infrage gestellt. Wenn sich die Flüchtlingskrise weiter verschärfe, müsse man die Spielregeln ändern, sagte er. Außenminister Kristian Jensen versicherte nun vor dem EU-Parlament, Dänemark werde alle internationalen Konventionen einhalten. Das Land hat 2015 etwa 21 000 Menschen aufgenommen, pro Einwohner also weniger als Deutschland und Schweden, aber mehr als die meisten EU-Staaten.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/fuehrungskraefte-beduerfnisse-erspueren-1.2710756
mlsum-de-9740
Für eine bunte Unternehmenskultur braucht es auch ein neues Führungsverständnis. Wenn Firmenchefs den Nährboden schaffen, sodass sich Mitarbeiter entwickeln können, profitieren auch die Betriebe.
In einer globalisierten Wirtschaftswelt sind Unternehmen im Vorteil, die Mitarbeiter unterschiedlicher Kulturen, Regionen und Religionen vereinen. Denn Menschen mit unterschiedlichen Blickwinkeln erkennen leichter neue Risiken und entwickeln eher ungewöhnliche Konzepte. Auch Studien weisen immer wieder auf die Vorteile von heterogenen Teams hin. So erzielen bunt gemischte Teams die besseren Ergebnisse als homogene. Sie steigern die Innovationsfähigkeit von Unternehmen und erhöhen die Mitarbeiterzufriedenheit. Doch wenn es etwa darum geht, mehr weibliche Fachkräfte in den sogenannten Mint-Berufen (Mathematik, Informatik, Natur- und Ingenieurwissenschaft und Technik) unterzubringen oder mehr Migranten in den Arbeitsalltag zu integrieren, sehen viele Unternehmen noch eine Mammutaufgabe vor sich. Für eine bunte Unternehmenskultur braucht es auch eine neue Führungskultur. Doch wie könnte diese aussehen? "Wenn es dem Chef gut geht, dann geht es auch den Mitarbeitern gut." Laut Patrick Maier ist diese Ansicht gerade im Mittelstand noch weitverbreitet. Der Münchner Unternehmensberater wird meist gerufen, wenn Unternehmen in Schwierigkeiten geraten sind oder bereits Insolvenz anmelden mussten und nun einen Weg aus der Krise suchen. Er trifft dann meist auf Führungskräfte, die es gewohnt waren, ihr Unternehmen zu "managen". Als viele Arbeitsprozesse noch simpel waren, konnten diese noch einfach geregelt und gesteuert werden, meint Maier. Sobald aber innovative Lösungsansätze gefragt seien oder besondere Ideen und Serviceleistungen, brauche es ein anderes Führungsverständnis. Eine E-Mail "bitte machen" sei der falsche Weg. Eine gute Unternehmensführung - für den Unternehmensberater heißt das in erster Linie, die Bedürfnisse der Mitarbeiter zu erspüren. Firmenchefs müssten den Nährboden schaffen, dass sich die Mitarbeiter entwickeln könnten. Zwei Grundannahmen seien dabei wichtig. Zum einen: Menschen seien nicht zu dumm oder zu schlecht für ihre Tätigkeit. Vielmehr sei es die Aufgabe der Führungskraft, Chancen zu geben, sich fachlich weiterzuentwickeln. Zum anderen: Menschen streben generell danach, besser zu werden und sich weiterzuentwickeln. Wie immer ist jedoch die Umsetzung schwieriger als die Theorie. Wie schaffe ich es als Unternehmen anderen einen Sinn zu geben? Oft scheitere es schon an Grundlegendem, meint der Unternehmensexperte. "Was ist unser Ziel, unsere Vision? Mit welchen Werten arbeiten wir zusammen? In den meisten Unternehmen ist das nicht klar", stellt Maier fest. Doch wie soll eine Führungskraft einem Mitarbeiter seine Chancen aufzeigen, wenn er nicht einmal eine Vorstellung für das eigene Unternehmen besitzt? Viele Mittelständler machten intuitiv vieles richtig, meint Maier. Ab einer gewissen Größe sei es aber ratsam, seine Unternehmensvision, Werte und Grundsätze aufzuschreiben. "Flüchtlinge haben wahrscheinlich keinen Marco-Polo-Reiseführer für Deutschland dabei", sagt Maier. Viele haben einen ganz anderen Wertehintergrund. "Wir sollten jedem die Chance geben, sich mit unserem Grundgesetz, unseren Werten, auseinanderzusetzen", meint Maier. Ein Plakat mit dem Aufdruck 'Wir gehen offen miteinander um' an die Wand zu hängen, sei nicht die Lösung. "Gemeinsame Werte müssen gelebt werden - von oben nach unten." In der Chefetage ist dieses Denken schon angekommen: "Gute Unternehmensführung heißt für mich, eine Organisation mit Klarheit und Verlässlichkeit zu führen, das Gute und die Guten zu beschützen und zu stärken, Graubereiche schnell und konsequent anzugehen und selber unter allen Umständen mit gutem Beispiel voranzugehen", sagte der frühere Allianz-Chef, Michael Diekmann, vor wenigen Tagen, als er den Preis der DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz) für gute Unternehmensführung verliehen bekam. Eine gute Unternehmensführung verändert sich auch mit der Kultur der Gesellschaft. Einerseits hat sich die Wirtschaft durch neue Technologien ein Stück weit entmenschlicht. Die moderne Arbeitswelt ist geprägt von einem Anstieg psychischer Erkrankungen. Andererseits ist der jungen Generation der Sinn im Leben oft wichtiger als ein gefülltes Bankkonto. Die Frage, so Berater Maier, müsse daher lauten: Wie schaffe ich es als Unternehmen, meinen Mitarbeitern einen Sinn zu geben? Gemeinsame Werte, ein Verständnis füreinander und ein menschlicher Umgang können helfen. "Würden Sie Ihrem Kind eine E-Mail schreiben, wenn es einen Fehler gemacht hat?", fragt Maier und meint: "Es ist wichtig zu verstehen, dass man den Mitarbeitern, die man führen darf, mit Demut begegnen muss." Normalerweise wird so ein Verständnis vonseiten der Mitarbeiter erwartet. Maier empfiehlt Firmenchefs, die eigenen Bedürfnisse auch mal zurückzustellen für den Erfolg des Teams und der Zufriedenheit der Mitarbeiter. "Wenn der Mitarbeiter merkt, der Chef kämpft für mich, dann haben Sie die loyalsten Mitarbeiter."
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-wm-schweden-besiegt-mexiko-3-0-beide-weiter-1.4033448
mlsum-de-9741
Schweden besiegt eine matte mexikanische Auswahl 3:0 und zieht überraschend ins Achtelfinale ein. Selbst die Verlierer weinen Freudentränen - dank Deutschlands Patzer.
Die schwedische WM-Party in der Arena von Jekaterinburg hatte längst ihren Höhepunkt erreicht, da realisierten langsam auch die geschlagenen Mexikaner ihr großes Glück. Minuten nach dem Schlusspfiff sickerte die Nachricht von der sensationellen deutschen Niederlage im 700 Kilometer entfernten Kasan durch. Eigentorschütze Edson Álvarez heulte im Zwiespalt der Gefühle, seine Teamkollegen blickten sich immer wieder ungläubig an. Konnte es wirklich wahr sein? Es konnte! Trotz der 0:3 (0:0)-Pleite gegen haushoch überlegene Schweden zog auch Mexiko ins WM-Achtelfinale ein. Damit hatte nach der enttäuschenden Vorstellung niemand der El Tri mehr gerechnet. "Es war heute eine sehr wertvolle Lektion für mich", sagte Trainer Juan Carlos Osorio und gab den schlechten Verlierer: "Ich respektiere, wie sie spielen. Aber es ist nicht die Art, wie ich spielen lassen will. Da geht der Ball vom Torwart zu den Stürmern." Den Schweden dürfte es egal sein, sie verdienten sich ihren ersten Einzug in die K.-o.-Runde seit zwölf Jahren mit dem Mut, der ihnen beim unglücklichen 1:2 gegen Deutschland noch gefehlt hatte. Der Bremer Ludwig Augustinsson (50.) und Kapitän Andreas Granqvist (62.) per Foulelfmeter hatten Blågult bereits belohnt, ehe Álvarez (74.) für die Entscheidung sorgte. "Ein Traum ist wahr geworden. Wahnsinn", sagte Augustinsson und richtete sein Wort an die Deutschen: "Sie sind eine fantastische Mannschaft. Aber das ist Fußball. Deutschland hatte seine Chance." Während die Schweden ohne ihren längst zurückgetretenen Superstar Zlatan Ibrahimovic auf einen ähnlichen Lauf wie 1994 in den USA hoffen, der damals auf Platz drei endete, dreht sich für Mexiko alles nur um eine Frage: Wie kann der Achtelfinalfluch endlich gebannt werden? Die Runde der besten 16 Teams hatten die Lateinamerikaner auch bei den vergangenen sechs Weltmeisterschaften erreicht, nie schafften sie den Sprung ins Viertelfinale. Die stolzen Lateinamerikaner zitterten bis zum Schlusspfiff Nach der glücklichen Qualifikation für die K.-o.-Runde wachsen die Zweifel der so stark gestarteten Mexikaner wieder. Die klare Niederlage wird ihre Spuren hinterlassen. Im Achtelfinale bekommen es Schweden und Mexiko mit einem Gegner aus der Gruppe E zu tun. Schweden spielt als Gruppenerster am kommenden Dienstag (16.00 Uhr MESZ) in Sankt Petersburg gegen die Schweiz, Mexiko als Zweiter einen Tag früher (16.00 Uhr MESZ) in Samara gegen Brasilien. Keine leichten Aufgaben, aber zumindest die Schweden glauben an ihre Chance. "Wir haben gezeigt, dass alles möglich ist", sagte Augustinsson. "Wir sind seit dem Spiel gegen Deutschland ein ganzes Stück gewachsen", lobte Trainer Janne Andersson. Schadenfreude nach den Auseinandersetzungen mit den Deutschen nach dem Schlusspfiff in Sotschi kannte er nicht: "So denke ich nicht. Nicht in einer Million Jahre. "Waren die Schweden nach ihrer Führung gegen den Weltmeister verzagt und hatten sich zurückgezogen, spielten sie gegen Mexiko von der ersten Minute an auf Sieg. Alleine der Ex-Hamburger Marcus Berg hatte Chancen für zwei Spiele, auch der Leipziger Emil Forsberg vergab zwei gute Möglichkeiten. Nachdem Augustinsson den Bann gebrochen hatte, holte Berg den Elfmeter heraus, der Mexiko zu Boden drückte. Die stolzen Lateinamerikaner zitterten bis zum Schlusspfiff in Kasan, dann brach auf den Rängen der Jubel unter den Zigtausenden mexikanischen Fans aus. Bis die Nachricht vom deutschen K. o. bei den Spielern und Trainer Osorio angekommen war, dauert es jedoch noch einige bange Minuten.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/gluecksspiel-ruege-aus-bruessel-1.3405525
mlsum-de-9742
Die Bundesländer haben eine Reform der Glücksspielgesetze beschlossen. Die EU-Kommission ist nicht begeistert. Der Vorschlag für Online-Kasinos sei "nicht tragfähig".
Wenn sich die deutschen Ministerpräsidenten in knapp zwei Wochen in Berlin treffen, wollen sie ein lästiges Thema zumindest vorübergehend vom Tisch bekommen: Seit gut zwei Jahren sind die Glücksspielgesetze wieder auf den Agenden der Konferenzen der Länderchefs. Die Bundesländer sind weitgehend zuständig, wenn es darum geht, Lotterien, Sportwetten oder Kasinospiele zu regulieren - eine innenpolitische Dauerbaustelle, die mit jedem neuen Gerichtsurteil komplexer wird. Jetzt sieht es so aus, als müssten sich die Landesregierungen wieder einmal länger mit dem unliebsamen Thema auseinandersetzen, als sie es sich gewünscht hatten. Die EU-Kommission bezeichnet die geplante Reform für Online-Kasinos als nicht tragfähig Denn auch die geplante Reform der Regulierung fällt bei der EU-Kommission durch. Im Oktober hatten die Bundesländer eine Neufassung des Glücksspielstaatsvertrags beschlossen und der Brüsseler Behörde zur Prüfung vorgelegt. Sie soll ab 2018 gelten. In einem vertraulichen Antwortschreiben lässt die Kommission keinen Zweifel daran, dass sie die Gesetzesnovelle für unzureichend hält. In Bezug auf die Sportwetten schreibt die Kommission in dem Brief von "eventuellen Widersprüchen", mit Blick auf illegale Online-Kasinos gar von "keiner tragfähigen Lösung". Damit erneuern die Beamten ihre Kritik an den deutschen Glücksspielregeln. Weil diese aus Brüsseler Sicht gegen Europäisches Recht verstoßen, hat sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik vorbereitet. Bislang ist allerdings offen, ob und wann es eröffnet wird. Für die meisten Glücksspiele gilt in Deutschland nach wie vor ein staatliches Monopol. Lediglich für Sportwettenanbieter sieht das Gesetz in seiner Fassung von 2012 Ausnahmen vor: Ursprünglich sollten 20 von ihnen auf sieben Jahre begrenzte Konzessionen erhalten und damit legal Wetten auf Fußballspiele oder Formel-Eins-Rennen anbieten dürfen. Gegen die willkürlich festgelegte Obergrenze klagten zahlreiche im Vergabeverfahren abgelehnte Anbieter erfolgreich. Im vergangenen Jahr entschied der Europäische Gerichtshof, die Vermittlung von Sportwetten in Deutschland dürfe nicht mehr sanktioniert werden. Wettanbieter wie Tipico, Bet-at-Home oder Bwin bewegen sich trotzdem in einer rechtlichen Grauzone: Von den ursprünglich von 2012 an vorgesehenen Erlaubnissen ist noch keine einzige erteilt - obwohl deutsche Spieler etwa sechs Milliarden Euro pro Jahr auf Sportereignisse verwetten und etwa 80 Anbieter in Deutschland Wettsteuern zahlen. Mit der derzeit geplanten Reform sollen sämtliche Anbieter eine Erlaubnis beantragen können, wobei die 35 Wettfirmen aus dem ersten Vergabeverfahren eine vorläufige Konzession bekämen. Damit wollten die Länder das Sportwetten-Problem aus der Welt schaffen. Die EU-Kommission findet aber auch die neuen Regeln unfair, teilt sie mit: Neue Anbieter müssten bis zu einem Jahr warten, bis sie eine Konzession bekämen, und hätten dadurch Wettbewerbsnachteile zu befürchten, heißt es in dem Schreiben an die Bundesländer. Noch deutlicher formuliert die Kommission ihre Kritik daran, wie die Länder mit dem Schwarzmarkt für Online-Kasinos umgehen, den vor allem ausländische Firmen mit Sitz in Steueroasen wie Malta oder der Isle of Man bedienen. Auch die meisten Wettfirmen bieten zugleich Kasinospiele auf ihren Webseiten an. Um dem Schwarzmarkt Herr zu werden, prüfen die Bundesländer die Einrichtung einer neuen länderübergreifenden Behörde, die illegales Glücksspiel im Internet überwachen soll. Versuche, Ein- und Auszahlungen bei Online-Kasinos zu unterbinden, sind bislang gescheitert. Eine andere Möglichkeit sieht auch das neue Gesetz nicht vor. "Somit scheint es, dass die deutschen Behörden insbesondere für den beträchtlich wachsenden Online-Kasinomarkt (...) keine tragfähige Lösung bieten", schreiben die EU-Beamten - trotz der weit verbreiteten Bedenken "im Hinblick auf den unzureichenden Schutz von Spielern und Minderjährigen". Im Übrigen, halte die Kommission an ihren bisherigen Bemerkungen fest; sie bemängelt seit Jahren, der Staatsvertrag sei in Teilen EU-rechtswidrig. Auf die Ministerpräsidenten kommt also nicht nur mehr unliebsame Arbeit zu, sondern auch neue Klagen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/muenchen-nsu-prozess-wohlleben-will-aus-haft-entlassen-werden-1.2825263
mlsum-de-9743
Seine Verteidigung argumentiert, der Mitangeklagte habe sich vor Gericht umfassend zu den Vorwürfen geäußert. Ein "dringender Tatverdacht" sei nicht mehr zu begründen.
Der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben, der als Unterstützer der Terrorgruppe NSU angeklagt ist, will nach seiner Aussage vor Gericht sofort aus der Haft entlassen werden. Mit einem entsprechenden Antrag wandte sich seine Verteidigung am Montag an das Oberlandesgericht München, wo Wohlleben neben Beate Zschäpe und drei weiteren Angeklagten seit Mai 2013 vor Gericht steht. Der 40-Jährige muss sich dort wegen der Beschaffung der Tatwaffe für neun NSU-Morde verantworten und wird von der Bundesanwaltschaft als "steuernde Zentralfigur" für die Unterstützung der Terrorzelle betrachtet. Wohlleben hatte vergangene Woche zwei Tage lang ausgesagt und allein einen ganzen Tag die Fragen des Richters beantwortet. Dabei ging es vor allem um die Tatwaffe der Marke Ceska, die der NSU für neun der zehn Morde benutzt hatte. Der Mitangeklagte Carsten S. hatte Wohlleben schon zu Beginn des Prozesses schwer belastet und erklärt, Wohlleben habe ihm den Auftrag gegeben, für Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt eine Waffe zu besorgen. Als er die Waffe dann hatte, habe er sie auch Wohlleben gezeigt, der den dazugehörenden Schalldämpfer aufgeschraubt habe. Wohlleben erklärte vor Gericht, er habe keine Waffe besorgt, der Auftrag sei wohl von einem der Uwes direkt an Carsten S. gegangen. Er bestritt aber nicht, eine Waffe in den Händen gehalten zu haben, die Carsten S. besorgt hatte. Den Schalldämpfer habe er aber für ein "Gimmick" gehalten. Außerdem sei er davon ausgegangen, dass Uwe Böhnhardt die Waffe nur dafür wolle, um sich im Fall einer Festnahme durch die Polizei selbst zu töten. Für was er dann aber eine Waffe mit Schalldämpfer brauchte, konnte Wohlleben nicht erklären. Wohlleben versuchte auch Zweifel daran zu säen, dass es sich bei der Waffe, die er in Händen hielt, um die Tatwaffe Ceska gehandelt habe. Denn Mundlos und Böhnhardt hätten sich beschwert, dass die Waffe Schrott sei - so erzählte er es. Er sei davon ausgegangen, dass sie gar nicht funktioniert habe. In weiten Teilen der Befragung blieb der Angeklagte zwar freundlich im Ton, aber recht vage in der Sache. An den entscheidenden Stellen überfiel ihn jedes Mal jähes Vergessen. Zschäpe lässt am Donnerstag Fragen beantworten Wohllebens Verteidigung argumentiert, ihr Mandant habe sich umfassend eingelassen und die Fragen sämtlicher Verfahrensbeteiligter beantwortet. Danach "ist ein dringender Tatverdacht gegen unseren Mandanten nicht mehr zu begründen", heißt es in dem recht knappen Antrag ans Gericht. Auch eine Flucht- oder Verdunkelungsgefahr bestehe nicht. Mehr Gründe führt die Verteidigung nicht auf. Nun muss das Gericht entscheiden. Es hatte einen Antrag Wohllebens auf Freilassung schon einmal vor einem Jahr abgelehnt und war vom Bundesgerichtshof darin bestätigt worden. Auch jetzt ist nicht damit zu rechnen, dass das Gericht dem Antrag Wohllebens entspricht. Am Donnerstag will dann Beate Zschäpe die Fragen des Gerichts beantworten - allerdings nur schriftlich, verlesen von ihrem Anwalt.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/fc-bayern-ii-fuenf-klassen-besser-zwei-tore-schlechter-1.3911060
mlsum-de-9744
Ein Abend voller Widersprüche: Die U23 des FCB verliert das Verfolgerduell gegen Nürnnberg II, Coach Tim Walter reagiert trotzig.
Der Gegner sei doch "teilweise zerlegt worden im Spielaufbau" und habe gar nicht mehr gewusst, wo er hinlaufen soll, fand Tim Walter. "Fußballerisch" bestehe doch überhaupt kein Zweifel, dass seine Mannschaft "fünf Klassen besser war" als der 1. FC Nürnberg II. Trotzdem verlor der FC Bayern München II am Freitagabend gegen Nürnberg 1:3 (0:2). Walter sagte: "Ich bin stolz auf meine Jungs." Niklas Dorsch kam aus der Kabine, in der es nach dem Spiel sehr lange sehr ruhig war, er sah nicht allzu stolz aus. Er suchte nach Fehlern. "Das muss ich mir als Kapitän vielleicht auch ein bisschen ankreiden, dass ich das nicht in die Hand genommen und gesagt habe: ,Weiter so'", analysierte der Mittelfeldspieler. Damit meinte er die zweite Halbzeit. Eigentlich hatten die jungen Bayern da nämlich zu ihrem Spiel gefunden, sie hatten die Partie mit einem Anschlusstreffer auch noch einmal spannend gemacht - immerhin ging es auch darum, gegen den Dritten aus Nürnberg den Anschluss an Spitzenreiter 1860 München zu halten. Doch gegen Ende habe man plötzlich "wieder angefangen, nur noch lange Bälle zu schlagen. Was für mich keine Art ist, noch was zu reißen", sagte der 20-Jährige. Und wohl auch kaum die Art einer Mannschaft, die fünf Klassen besser ist. Das Regionalliga-Team des Rekordmeisters steckt derzeit voller Widersprüche. Zwölf Spiele in Serie war die Mannschaft ungeschlagen geblieben. Und dann verlor sie ausgerechnet gegen einen Gegner, gegen den man sich eigentlich leichter tue, wie Dorsch erklärte. Ein Gegner, der mitspiele, gegen den man nicht Handball spielen müsse, immer nur rum um den gegnerischen Sechzehner, wie im Belagerungszustand. Und in der Tat spielte sich Walters Elf eine Vielzahl an Chancen heraus. Aber meist nicht durch fußballerische Überlegenheit, sondern durch Einzelaktionen, vor allem des mal wieder starken Adrian Fein, oder nach Standards. Trainer Walter ist bei einer Niederlage stolz und spricht von der guten Entwicklung seines Teams. Eine Woche zuvor hatte er nach einem 2:1-Sieg gegen Augsburg erklärt, dass bei einigen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander lägen. Das wiederum sagte er am Freitag nicht über Maxime Awoudja, in vielerlei Beziehung auffälligster Bayern-Akteur an diesem Abend. Schon nach vier Minuten sah Awoudja Gelb und spielte somit als Innenverteidiger fast über die gesamte Spielzeit mit dem Druck, bei jedem Foul vom Platz fliegen zu können. Er schaltete sich in den Angriff ein und vergab mehrere Chancen, in der Offensive seine Defensiv-Fehler wettzumachen. Vor dem 0:1 der Nürnberger hatte er seinen Torwart Leo Weinkauf mit einem schlechten Rückpass unter Druck gesetzt, dieser drosch den Ball dem Nürnberger Simon Rhein direkt in den Fuß, und der konnte aus gut 25 Metern mühelos ins leere Tor schießen (23.). Vor dem 0:2 musste Awoudja einen Steilpass passieren lassen, Erik Engelhardt verwandelte cool (27.). "Der Junge hat überragende Fähigkeiten", sagt Walter über Awoudja, ihm fehle nach einer mehrwöchigen Verletzungspause allein die Spielpraxis. Außerdem habe er sich nach der gelben Karte stabilisiert und nicht mehr in Gefahr gebracht. Und selbst wenn der 20-Jährige die Ampelkarte gesehen hätte, wäre das für Walter "in Ordnung" gewesen. Die Entwicklung der Spieler, darin bleibt sich Walter tatsächlich treu, sei wichtiger als der Erfolg. Allerdings will er umgekehrt nichts mehr vom Aufstieg wissen. Dabei wäre das für einige Spieler die bestmögliche Entwicklung. Wriedt erzielt das 1:2 - für den Angreifer war es seit Oktober das erste Tor aus dem Spiel heraus Am vergangenen Freitag standen sechs Spieler im Kader, davon vier in der Startelf, deren Verträge zum Saisonende auslaufen. Kapitän Dorsch sagt, dass man aktuell in Gesprächen sei. "Mein Ziel ist es, den nächsten Schritt zu gehen. Nächstes Jahr noch einmal in der Regionalliga - das bezweifle ich eher", sagt er. Wohingegen die dritte Liga mit den Bayern für ihn schon "eine Option" wäre. Und er findet übrigens, dass trotz nunmehr neun Punkten Rückstand das letzte Wort darüber womöglich noch nicht gesprochen ist: "Was Sechzig macht, können wir nicht beeinflussen. Aber wir spielen noch gegen Sechzig." Beim 1:3 (90.+3) musste der ebenfalls mit wenig Spielpraxis ausgestattete Torwart Leo Weinkauf einen Flachschuss passieren lassen. Den 1:2-Anschlusstreffer in der starken Phase der Bayern erzielte Kwasi Wriedt nach Dorsch-Zuspiel (53.). Auch der Angreifer ist ein Widerspruch in sich: Nachdem man ihn aus Osnabrück geholt hatte, traf er nach Belieben, während der langen Erfolgsserie allerdings gelang ihm fast nichts. Das Tor gegen den Club war das erste seit Mitte Oktober, das ihm aus dem Spiel heraus gelang, dazwischen verbuchte er nur drei verwandelte Elfmeter. Wriedt gehörte kurz auch dem Profikader an. Aber die Option fehlt ihm nun, weil jetzt Sandro Wagner da ist. Ein Spieler, der sich lange Zeit beim FC Bayern nicht durchsetzen konnte.
https://www.sueddeutsche.de/geld/wissenswertes-zum-nachlass-ernstfall-erbschaft-1.2772958
mlsum-de-9745
Wenn Familien erbittert streiten, geht es oft ums Erbe: die größten Fallstricke - und wie sie sich vermeiden lassen.
Erben kann schön sein, aber oft fangen damit die Probleme erst an. Jeder Fünfte, der in Deutschland geerbt hat, berichtet, dass es dabei Streit um den Nachlass gab. Das zeigt eine Allensbach-Umfrage unter 1651 Bundesbürgern, die die Deutsche Bank in Auftrag gab. Jeder zweite Deutsche hat schon eine Erbschaft gemacht oder erwartet eine. In den nächsten zehn Jahren werden in Deutschland 3,1 Billionen Euro Privatvermögen vererbt (in Zahlen: 3 100 000 000 000), schätzt das Deutsche Institut für Altersvorsorge. Der Streit ums Erbe dürfte eher noch zunehmen, weil immer mehr Immobilien vererbt werden und der Trend zur Patchwork-Familie geht. "Sowohl durch die Bewertung der Immobilien als auch durch die Aufteilung unter mehreren Erben werden Erbschaften komplexer", sagte Mario Fritsch, Vermögensberater der Deutschen Bank, am Dienstag, als er die Studie in München präsentierte. Das sind die größten Fallstricke. Das Problem mit dem Testament Mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, sich ungern mit dem Thema zu befassen. Das ist verständlich, schließlich reden Eltern ungern über den eigenen Tod, und Kinder scheuen erst recht davor zurück, weil sie gierig erscheinen könnten. Nicht immer sei es gut, warnt Fritsch, das Thema offen anzusprechen. "Manchmal brechen dabei Konflikte auf, und man hat nie mehr Ruhe", sagt er. Wichtig sei es aber, ein Testament abzufassen - "spätestens wenn ein Vermögen und Kinder vorhanden sind", sagt der Münchner Rechtsanwalt Wolfram Theiss, der auf Erbrecht spezialisiert ist. Das Testament sollte an unterschiedliche Lebensphasen angepasst werden. Ist kein Testament vorhanden, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Dann erben möglicherweise ungeliebte Verwandte. Das Testament muss handschriftlich abgefasst oder notariell beurkundet sein. Ein unterschriebener Vordruck aus dem Internet ist ungültig. Das Problem mit dem Schenken Die Menschen in Deutschland - und damit auch die Erben - werden immer älter. Viele Kinder treten ihr Erbe mit 50 oder 60 Jahren an, einem Alter, in dem sie das Geld nicht mehr so dringend brauchen wie mit 30 oder 40, wenn die Kinder klein sind. "Eine vorzeitige Übertragung des Erbes, um eine junge Familie zu unterstützen, macht auf jeden Fall Sinn", sagt Fritsch. Der Freibetrag liegt für jedes Kind bei 400 000 Euro; so viel kann jeder Elterteil alle zehn Jahre steuerfrei verschenken. Allerdings raten Experten hier auch zur Vorsicht. "Eltern sollten darauf achten, dass sie nicht alles verschenken", sagt Rechtsanwalt Theiss. Das Haus, in dem sie selbst wohnen, und das Geld, das sie zum Leben und für mögliche Pflegekosten im Alter brauchen, sollten in ihrem Besitz bleiben. Sonst könne es zu Konflikten kommen, wenn die beschenkten Kinder das Geld ausgeben. Das Problem mit der Gerechtigkeit Oft hören Experten bei Erbstreit den Satz: "Wir wollen nur Gerechtigkeit." Doch das Gerechtigkeitsempfinden ist subjektiv. Wenn Eltern sterben, brechen oft Konflikte aus der Vergangenheit auf. "Kinder, die sich herabgewürdigt fühlen, wollen einen Ausgleich gegenüber Geschwistern, die in ihren Augen bevorzugt wurden", sagt Anwalt Theiss. Ist das Testament nicht klar formuliert, birgt dies Zündstoff. Wichtig ist auch zu wissen, dass im Erbrecht Gerechtigkeit nicht im Vordergrund steht. "Eltern dürfen das Erbe ungerecht verteilen", sagt Theiss. Eine Untergrenze gibt es nur durch den Pflichtteil, den das Kind auf jeden Fall bekommen muss, in der Regel die Hälfte des gesetzlichen Anspruchs. Das Problem mit der Liquidität "Eine wichtige Frage ist auch, ob die Erben in der Lage sind, die Kosten zu stemmen", sagt Theiss. Der größte Posten ist meist die Erbschaftsteuer. Vor allem, wenn überwiegend Immobilien vererbt werden, kann es schwierig werden. Beispiel: Der Vater vererbt einem Kind eine Immobilie im Wert von einer Million Euro. Der Freibetrag liegt bei 400 000 Euro, das Kind muss 600 000 Euro zu einem Steuersatz von elf Prozent versteuern, also 66 000 Euro zahlen. Ein anderes Problem ist es, wenn eine Immobilie an mehrere Kinder vererbt wird. Dann muss das Kind, das die Immobilie behalten will, die Geschwister auszahlen. Hat es nicht genug Geld auf der Seite, kann es gezwungen sein, die Immobilie zu verkaufen. "Erblasser und Erbe sollten sich frühzeitig mit dem Thema beschäftigen und möglichst Rücklagen bilden", sagt Theiss. Das Problem mit dem Partner Stirbt ein Ehepartner, erbt der andere die selbstgenutzte Immobilie steuerfrei. Problematisch wird es aber, wenn dieser nicht mehr dort leben will, weil sie ihm zum Beispiel zu groß geworden ist. "Dann klingelt die Steuerglocke", sagt Rechtsanwalt Theiss. Vermeiden lässt sich dies etwa durch eine vorzeitige Schenkung mit sogenanntem Nießbrauchvorbehalt. Das heißt: Die Immobilie gehört dem Beschenkten, der Schenkende darf sie aber sein Leben lang nutzen. Das Problem mit dem Gesetz "Oft herrschen falsche Vorstellungen über die gesetzliche Lage", sagt Fritsch. Viele kinderlose Ehepartner meinten, wenn einer sterbe, erbe der andere alles. Das stimmt nicht, wenn der verstorbene Partner Eltern beziehungsweise Geschwister hinterlässt. Ihnen steht mindestens ein Viertel des Nachlasses zu.
https://www.sueddeutsche.de/sport/5-1-fc-bayern-demuetigt-dortmund-1.2677419
mlsum-de-9746
Eine Halbzeit lang kann der BVB dagegenhalten, dann dreht der FC Bayern auf. Thomas Müller, Robert Lewandowski und Mario Götze erzielen die Treffer zum 5:1-Erfolg.
Bayern siegt verdient gegen Dortmund Der FC Bayern München hat seine Vormachtstellung im deutschen Fußball dank Thomas Müller und Robert Lewandowski mit einem Rekordsieg untermauert. Die entfesselten Bayern besiegten Borussia Dortmund beim 5:1 (2:1) in einem oft hochklassigen Duell deutlich und verdient - und streben dem historischen vierten Titel in Folge entgegen. Nach dem achten Sieg im achten Ligaspiel und der Einstellung des Startrekords von 2012/13 hat das Team von Pep Guardiola bereits sieben (!) Punkte Vorsprung auf den BVB und acht auf Schalke. Es droht schon jetzt Langeweile! Für Dortmund war es nach 14 Pflichtspielen ohne Niederlage unter Trainer Thomas Tuchel der erste herbe Rückschlag der Saison und eine unerwartete Demütigung. Müller trifft doppelt, Lewandowski auch Weltmeister Müller erzielte vor 75.000 Zuschauern in einem sehr intensiven und temporeichen Topspiel in der 26. Minute mit seinem siebten Saisontor nach feinem Pass des starken Jérôme Boateng die wichtige Führung. Anschließend verwandelte er einen Elfmeter sicher (35.), vorausgegangen war ein Foul von Henrich Mchitarjan an Thiago. Doch fast im Gegenzug schlug die Borussia durch Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang zurück, der sein zehntes Saisontor markierte. Der Gabuner hat in bislang jedem Spiel getroffen. 23 Sekunden (!) nach dem Wechsel war dann wieder einmal Lewandowski zur Stelle und legte mit Treffer Nummer elf erneut vor. In der 58. Minute krönte er den starken Bayern-Auftritt nach super Vorarbeit von Mario Götze, dem in der 66. Minute sogar das 5:1 gelang.
https://www.sueddeutsche.de/sport/olympia-dopingforscher-simon-russland-ist-ueberall-1.3087997
mlsum-de-9747
Der Dopingforscher Perikles Simon erklärt, warum in Rio die gedoptesten Olympischen Spiele aller Zeiten bevorstehen. Auch in Deutschland drohten Enthüllungen.
Ein Sportler auf dem Weg zur Dopingkontrolle (Archivbild): "Wir wissen im Grunde, dass Russland überall ist, nur in anderer Form", sagt Sportmediziner Perikles Simon über die Verbreitung von Doping. Der Dopingforscher Perikles Simon, 42, spricht davon, dass die gedoptesten Olympischen Spiele aller Zeiten im August in Rio de Janeiro bevorstehen. Hinweise darauf erkennt er an den Trainingsumfängen der Sportler: "Ich habe kürzlich Trainingspläne gesehen für ein Höhentrainingslager, Mittel- und Langstrecke, da muss ich sagen: Leute, das könnt ihr mit gedopten Athleten machen, aber mit Ungedopten ergibt diese Form des Höhentrainings gar keinen Sinn", sagte er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Er geht im Anschluss näher auf die Pläne ein, spricht über Großbritanniens Leichtathleten. Die, "die jetzt in Kenia waren, um sich dort offenkundig mit Epo versorgen zu lassen, haben Programme trainiert, von denen wir sagen müssen: Das kann nicht sinnvoll sein, das überlebt man sozusagen nicht als sauberer Athlet." Simon ist seit 2009 Leiter der Abteilung für Sportmedizin der Universität Mainz. Natürlich hat er den McLaren-Report über die russischen Dopingpraktiken verfolgt, aber "wir wissen im Grunde, dass Russland überall ist, nur in anderer Form", sagt er - möglicherweise auch in der Bundesrepublik: "In Deutschland können wir aktuell noch gar nicht richtig dahinterblicken. Aber wenn die Aufdeckungen in der Geschwindigkeit weitergehen, sind wir auch bald dran, was natürlich auch im Interesse der sauberen deutschen Athleten sein sollte." Besonders die Forderung von Innenminister Thomas de Maizière, 30 Prozent mehr Medaillen in Rio zu erreichen, gebe ihm zu bedenken: "Solange es da kein plausibles Konzept gibt, wie diese Medaillen entstehen sollen, gehe ich wie etliche meiner Kollegen davon aus, dass wir so etwas eigentlich nur durch Doping erreichen können." Perikles Simon schätzt im Gespräch mit der SZ zudem die aktuelle Tour de France ein und wie schwierig es sei, dort saubere Athleten zu erkennen. Außerdem erläutert er, warum er glaubt, dass das Doping-Testsystem ganz generell "im Prinzip ad absurdum" geführt sei.
https://www.sueddeutsche.de/politik/nba-risse-in-der-mauer-1.3961133
mlsum-de-9748
Die Cleveland Cavaliers und LeBron James drohen in der ersten Playoff-Runde an Außenseiter Indiana zu scheitern.
Der Begriff Ein-Mann-Mauer ist Fußballjargon. Es sei denn, die Rede ist von LeBron James, dann ist er auch im Basketball erlaubt. James, da herrscht unter Fachleuten viel Einigkeit, ist der kompletteste und deswegen beste Basketballspieler der Welt. Er ist extrem robust, von einer quasi monumentalen köperlichen und geistigen Verfasstheit. Wohl deswegen prallt an diesem 2,03 Meter großen, menschgewordenen Hindernis so ziemlich alles ab. Druck, Kritik, Tweets von Donald Trump oder Gegenspieler, die ihn auf dem Weg zum Korb stoppen wollen. Bei der 87:121-Niederlage der Cleveland Cavaliers im sechsten Spiel der Erstrunden-Playoff-Serie gegen Indiana ist auch Pacers-Forward Thaddeus Young an James abgeprallt, genauer an James' linker Augenbraue. Young hatte den wagemutigen Versuch unternommen, sich ihm in der Zone entgegenzustellen. Allerdings hat bei der Aktion Ende des zweiten Viertels auch die Mauer Schaden genommen. James zog sich eine Platzwunde zu. Überdies ging die Partie schon so früh und so deutlich verloren, dass James das letzte Viertel durchgängig auf der Bank verbrachte. Es steht 3:3, am Sonntag steht nun das siebte und entscheidende Spiel der Best-of-seven-Serie an (19 Uhr MEZ). Cleveland, nach dem Ende der regulären Saison nur Vierter der Eastern Conference, genießt Heimrecht. Doch Indiana, Hauptrunden-Fünfter im Osten, spielt eine Saison, die der jungen Mannschaft so kaum jemand zugetraut hätte. Und nun unternimmt Indiana den Versuch, die Mauer zu stürzen. Das hat viel mit Victor Oladipo und Domantas Sabonis zu tun. Nach dem Weggang von Paul George im Sommer nach Oklahoma kamen die beiden nach Indianapolis. Oladipo galt nach durchwachsenen Jahren bei den Orlando Magic und einem eher unglücklichen in Oklahoma als überschätzt und überbezahlt. Mit seinem Triple-Double in Spiel sechs (28 Punkte, 13 Rebounds, 10 Assists) hat der 25-jährige Guard untermauert, dass er zurecht als heißester Kandidat für den Titel des Most Improved Players gehandelt wird, die Auszeichnung für den Spieler mit der größten Leistungssteigerung gegenüber der Vorsaison. Der 21-jährige Sabonis, Sohn der litauischen NBA-Legende Arvydas Sabonis, hat sich zu einer enormen Verstärkung entwickelt und sich in die Starting-Five gespielt. Die Cavaliers haben unter James' Führung die letzten drei Finalserien erreicht Vor allem stimmt bei den Pacers das, was man für gewöhnlich Team-Chemie nennt - und bei den Cavaliers eher nicht. In Cleveland geht es seit der Spielzeit 2014/2015 nicht mehr um das vorsichtige Zusammenmixen unterschiedlicher Zutaten zu einer harmonischen Verschmelzung der Einzelteile. Es geht seit der Rückkehr von LeBron James aus Miami um das System LeBron James. "LeBron is running the show in Cleveland", kritisierte der frühere General Manager der Chicago Bulls, Jerry Krause: James hat das Sagen. Das war 2014, als der verlorene Sohn der Stadt nach Cleveland zurückgelotst wurde. Die Basketball-Instanz Krause mahnte, selbst Michael Jordan habe bei den Bulls nicht solchen Einfluss ausüben dürfen, wie James von da an bei den Cavs. James' Macht reicht weit über das Spielfeld in die Management-Etage hinein, größeren Einfluss auf das Management einer Franchise hatte wohl niemals ein aktiver NBA-Spieler. Der Einfluss hat Früchte getragen: Die Cavaliers haben unter James' Führung die letzten drei Finalserien erreicht und dabei einmal, 2016, den Meistertitel gewonnen. Wer sich dieser Dominanz nicht unterordnen möchte, geht, zum Beispiel All-Star Kyrie Irving vor Saisonbeginn nach Boston. Wer in den Augen von James nicht ausreichend Unterstützung bietet, wird getradet, wie der frühere All-Star Isiah Thomas nach Los Angeles. Für James weist die Statistik 32,7 Punkte pro Spiel in diesen Playoffs aus. Im fünften Spiel der Serie stand es kurz vor Schluss 95:95, James erhielt den letzten Einwurf der Partie in der Hälfte der Pacers, dribbelte, warf einen Dreier, die Zeit lief ab, der Ball flog in den Korb. James hat viele solcher Würfe getroffen, die wahlweise einzelne Spiele oder ganze Playoff-Serien entschieden haben. Doch reicht das auch diesmal? Gefragt nach Forward Kevin Love, der in der Serie gegen Indiana bislang im Schnitt nur elf Punkte erzielt hat, im sechsten Spiel nur sieben Punkte machte und lediglich 37 Prozent seiner Dreier-Versuche traf, sagte James: "Er ist ein riesiger Teil unseres Erfolgs oder unseres Nicht-Erfolgs." Und: "Wir können die Würfe nicht für ihn verwandeln, er muss sich aufraffen und sie selbst rein machen." Für den mächtigsten Spieler der NBA klang das beinahe ein wenig machtlos.
https://www.sueddeutsche.de/sport/wechsel-von-andre-schuerrle-es-geht-um-geld-1.2332230
mlsum-de-9749
André Schürrle steht auf der Transferliste, doch noch immer ist der Wechsel von Chelsea nach Wolfsburg nicht perfekt. VfL-Manager Klaus Allofs gibt zu: Der Deal könnte noch scheitern.
Dieter Hecking sprach erst einmal über die Dinge, die perfekt sind. Die Leistung von Maximilian Arnold beim 4:1-Erfolg gegen den FC Bayern beispielsweise. "Er hat ein Ausrufezeichen gesetzt", lobte der Trainer des VfL Wolfsburg. Über das, was noch nicht perfekt ist, sprach der VfL Wolfsburg bei der Pressekonferenz am Montagmittag dagegen nur ungern. Denn der VfL will Weltmeister André Schürrle vom FC Chelsea verpflichten, doch noch immer ist der Vertrag nicht unterschrieben. Seit Tagen arbeitet der Verein an dem Transfer. VfL-Manager Klaus Allofs saß auf dem Stuhl neben Hecking, er räusperte sich schließlich, dann sagte er: "Mit André ist alles klar. Jetzt gilt es, dass Chelsea eine Unterschrift setzt." Wenige Stunden vor dem Ende der Wechselfrist ist also noch immer keine Einigung im Ablösepoker um die Bundesliga-Rückkehr von Schürrle erzielt worden. Allofs sagte auch, woran dies liegt: "Es geht um Geld." Und er gab zu, der Transfer könne noch scheitern. Dennoch blieb Allofs zuversichtlich: "Ich bin ziemlich entspannt." Immerhin hatte Chelsea wenige Minuten zuvor zugestimmt, dass Schürrle auf die Transferliste gesetzt wurde. Die Aufnahme ist Voraussetzung für einen Last-Minute-Wechsel. Nun pokern beide Klubs weiter um die Ablösesumme. Allofs stellte klar: Es gehe nicht nur um ein paar Euro. Und: "Es gibt eine Grenze, bis hierhin und nicht weiter." Der VfL würde schließlich auch ohne Schürrle ein gutes Team haben. Wolfsburg will Schürrle für angeblich rund 32 Millionen Euro vom FC Chelsea verpflichten. Dies wäre ein Transferrekord für den Bundesligazweiten. Bis 18 Uhr haben die Klubs am Montag noch Zeit, den Wechsel über die Bühne zu bringen. Auch wenn Schürrle noch am Abend in Wolfsburg eintreffen sollte, am Dienstag wird er nicht gegen Eintracht auflaufen. Trainer Hecking sagte: "Da ich noch gar nicht weiß, ob es klappt, spielt er für morgen keine Rolle." Auch das klingt ziemlich entspannt.
https://www.sueddeutsche.de/sport/brasilien-schaedliche-dribblings-1.4024505
mlsum-de-9750
Brasilien diskutiert über Neymar, aber nicht nur wegen seiner möglichen Verletzung: Der Stürmer soll öfter den Ball abspielen und weniger Alleingänge machen.
Fragt man einen Brasilianer, was "fominha" bedeutet, antwortet er: Einer, der dir den Ball nicht abgibt. Der aufs Tor schießt, obwohl alle besser stehen. Eben einer, der im Mannschaftssport Individualist ist. "Neymar, o fominha" - der Ballhungrige, liest, sieht und hört man seit Sonntag, seit dem 1:1 gegen die Schweiz, immer mehr in Brasiliens Medien. Im Auftaktspiel der Selecao bei der WM in Russland war der Stürmer von Paris St. Germain bei 10 der 19 Fouls der Schweizer das Opfer, verbrachte den Tag danach komplett mit den Physiotherapeuten, humpelte im Training nach nur wenigen Minuten vom Platz. Und so bleibt er bis zum Duell am Freitag in St. Petersburg mit Costa Rica das Frage- und Ausrufezeichen Brasiliens. Doch statt lähmenden Entsetzens, wie nach seinem Wirbelbruch bei der WM im eigenen Land 2014, weshalb er das Halbfinale mit dem 1:7-Debakel gegen Deutschland verpasst hatte, macht sich am Zuckerhut eher Unmut breit: "Neymar entzieht sich der Philosophie Tites", klagt das Online-Portal UOL. Die Tageszeitung Zero Hora kommentiert gar: "Brasiliens Star schadet dem Team mit seinen übertriebenen Dribblings." Gegen die Schweiz ging er 28 Mal ins Eins-gegen-eins - mehr als doppelt so oft wie seine Mitspieler Im September vergangenen Jahres, als der Stürmer gerade für 222 Millionen Euro nach Paris gewechselt war, stellte Barcelonas Präsident Josep Maria Bartomeu nüchtern klar: "Natürlich ist es besser, talentierte Spieler im Team zu haben. Für Barca ergibt sich aber nun die Möglichkeit, mit dem Dreigestirn Messi-Suarez-Neymar zu brechen und auf ein mannschaftsdienlicheres Spiel zu setzen." Wie es auch Selecao-Coach Tite nach langen Jahren der "Neymardependencia", der Abhängigkeit von einem durch Werbefilme, Extravaganz und Geschichten wie die Promi-Liebschaft mit dem nationalen Fernsehsternchen Bruna Marquezine aufgebautem Produkt, fordert. Ohne Neymar gewann die Selecao 2018 den schweren Test bei WM-Gastgeber Russland (3:0) und die Revanche gegen Deutschland (1:0), mit Toren von ihm gegen Kroatien (2:0) und Österreich (3:0). Gegen die Schweiz suchte Neymar 28 Mal die Eins-zu-Eins-Situation, mehr als doppelt so viel wie die Nummer zwei in der Statistik, Willian. Die Konzentration der Verteidigung auf ihn schafft theoretisch Lücken, praktisch bleiben aber er, sein Körper und damit auch der Ball zu oft an den gegnerischen Beinen hängen. "Ich denke, er sollte kollektiver spielen", sagte Altstar Careca schon vor dem Turnier Vor der WM äußerte bereits Altstar Careca Unwillen. "Ich denke, er sollte kollektiver spielen, weil es dann auch ihm leichter macht, eine bessere Leistung zu zeigen. Er wird gejagt und muss deshalb die Verantwortung abgeben", sagte der zweimalige WM-Teilnehmer. Aber Neymar verteidigt sich: "Sie treten mich, ich spiele Fußball. Sie provozieren mich, aber das kann ich auch, auf meine Art und Weise, mit dem Ball", äußert der PSG-Superstar eher uneinsichtig. Ob ihn jetzt die Verletzung, als Folge der Operation des gebrochenen rechten Fußes oder nach dem Pressschlag auf den Knöchel des schon lädierten rechten Beines, anders als viele seiner Gegenspieler stoppen kann, werden die nächsten Tage zeigen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/suedafrika-ballast-abwerfen-1.3834761
mlsum-de-9751
Präsident Zuma soll in Würde Abschied nehmen dürfen - aber gehen muss er. Sein designierter Nachfolger wirbt derweil in Davos für ein neues Südafrika.
Am Ende haben ihn selbst seine engsten Unterstützer im Stich gelassen, keiner soll das Wort ergriffen und Jacob Zuma verteidigt haben, den Präsidenten Südafrikas - der nicht mehr lange im Amt bleiben wird, so hat es der ANC am Wochenende beschlossen. Seit Donnerstag saß das 80-köpfige National Executive Committee (NEC) des ANC zusammen, so etwas wie der Parteivorstand der Befreiungsbewegung, und beriet darüber, wie die Zukunft des Präsidenten aussehen soll. Obwohl etwa die Hälfte des NEC als langjährige Unterstützer Zumas gilt, gab es offenbar recht schnell Einigkeit darüber, dass Zuma keinesfalls bis zum offiziellen Ende seiner Amtsperiode Mitte 2019 im Amt bleiben könne, zu groß sind seine Korruptionsskandale und die Gefahr, dass der ANC deshalb die Wahlen verlieren könnte. Zuma ist ein Mann von gestern, nur noch Ballast. Wann er gehen muss ist noch offen, das soll der neue ANC-Chef Cyril Ramaphosa in den kommenden Wochen mit Zuma verhandeln. Offiziell wollte der ANC gar nichts sagen nach dem durchaus historischen Beschluss vom Wochenende, alles wird wie eine interne Angelegenheit behandelt. Ein Parteisprecher sagte lediglich allgemein: "Das NEC ist sich einig, dass der ANC das Band des Vertrauens zwischen dem Volk und der Bewegung und deren moralische Integrität wiederherstellen muss." Zumas Gegner würden ihn am liebsten ganz schnell aus dem Amt haben, dann könnte Ramaphosa als neuer Staatspräsident am 8. Februar die wichtige Rede zur "Lage der Nation" halten, die auch an den internationalen Finanzmärkten viel beachtet wird. Dort hatte das Land zuletzt viel Vertrauen verspielt, die Wirtschaft stagniert, die Währung ist abgestürzt und die Politik durch die immer neuen Korruptionsskandale gelähmt. Ramaphosa zieht aber offenbar für Zuma einen Abschied in Würde der schnellen Lösung vor. "Was immer wir tun, wir müssen in dieser Sache mit großer Reife und Anstand vorgehen, wir dürfen die Nation nicht spalten", sagte Ramaphosa. Vor zwei Wochen trafen sich Zuma und Ramaphosa zu einem Vier-Augen-Treffen in Durban. Die Zusammenkunft muss vor allem für den amtierenden Staatschef überraschend verlaufen sein. "Zuma dachte, dass Ramaphosa ihm sagt, dass er das Amt sofort verlassen sollte, stattdessen entschuldigte sich Ramaphosa", so sagte es ein Zuma-Vertrauter der Zeitung Mail&Guardian. In den vergangenen Monaten war das Verhältnis der beiden abgekühlt, angeblich sprach Zuma kein Wort mehr mit Ramaphosa, der immerhin Vize-Präsident Südafrikas ist. Zuma hatte seine Ex-Frau Nkosazana Dlamini-Zuma ins Rennen um die Präsidentschaft des ANC geschickt, Ramaphosa gewann die Wahl schließlich knapp. Im Wahlkampf hatte er öffentlich gesagt, er glaube einer mittlerweile verstorbenen Frau, die schon vor Jahren Zuma der Vergewaltigung beschuldigt hatte. Dafür entschuldigte sich Ramaphosa nun womöglich, er will offenbar alles daran setzen, den gespaltenen ANC zu vereinen und Zuma nicht zu demütigen. Auch für Zuma scheint das ein gangbarer Weg zu sein, er hat die vergangenen Jahre im Amt hauptsächlich damit verbracht, diejenigen in Polizei und Justiz aus dem Amt zu entfernen, die Ermittlungen gegen ihn führen wollten. Nach Davos fährt ANC-Chef Ramaphosa. Er will dort sein neues Südafrika präsentieren Nun weiß er offenbar selbst, dass es sein einziges Verhandlungskapital ist, für einen frühen Abtritt gute Bedingungen auszuhandeln. Dass er ganz ohne Strafe davonkommt, scheint eher unwahrscheinlich zu sein. Die Strafverfolgung gegen ihn scheint gerade erst richtig zu beginnen. Zum ersten Mal ordnete die Justiz die Beschlagnahmung von Geld an, die Personen aus dem Umfeld von Zuma durch Korruption ergaunert haben sollen. Vize-Präsident Ramaphosa wird in den kommenden Wochen einen neuen Chef der Nationalen Strafverfolgungsbehörde einsetzen, der bisherige Amtsinhaber hatte sich stets geweigert, ernsthaft gegen Zuma zu ermitteln. Nun geraten die Dinge aber in Bewegung, eine staatliche Kommission soll die Korruptionsvorwürfe gegen Zuma und seine Clique untersuchen, 783 Fälle der Korruption gegen den Staatspräsidenten stehen vor der Zulassung vor Gericht. Es sieht schlecht aus für Zuma, der es in seinem Leben aber schon oft geschafft hat, sich aus unangenehmen Situationen zu befreien. Er kann darauf hoffen, dass es selbst bei seinen Gegnern im ANC durchaus die Bereitschaft gibt, zu verzeihen und zu vergessen. Er wäre umgekehrt bereit, schnell zu gehen. Einen großen Teil der Regierungsgeschäfte hat Ramaphosa ohnehin schon an sich gezogen. Er ernannte einen neuen Chef für den staatlichen Energieversorger, der kurz vor dem Kollaps steht, leer geplündert von Zumas Leuten. Zum World Economic Forum in Davos fährt nur Ramaphosa, der dort sein neues Südafrika präsentieren will.
https://www.sueddeutsche.de/sport/motorradsport-das-gefaehrliche-spiel-mit-der-zeit-1.996171
mlsum-de-9752
Die Motorradsport-Welt steht unter Schock: Innerhalb von einer Woche gibt es zwei tödliche Unfälle, nach dem 13-jährigen Peter Lenz stirbt auch der japanische Profi Shoya Tomizawa.
Der Misano World Circuit liegt an der Autostrada Adriatica, nicht weit von den Stränden Riminis entfernt. Der Große Preis von San Marino war deshalb ein besonderes Rennen für den neunmaligen Motorrad-Weltmeister Valentino Rossi, das er mit einem besonderen Helmdesign beging: Der Italiener ließ sich einen Wecker auf den Helm malen - in unterschiedlichen Versionen. Auf einer zeigten die Zeiger kurz vor zehn, auf dem Helm, den Rossi in der Qualifikation trug, kurz vor zwei. Die Symbole, die der 31-Jährige wählt, sind nicht immer leicht zu deuten. Der Wecker sollte ein Spaß sein: "Für jedes Training habe ich einen eigenen Helm, der die richtige Zeit zeigt, damit ich nicht zu spät komme", erklärte Rossi. Detailansicht öffnen Shoya Tomizawa während eines Rennens am 11. April. Am Sonntag verstarb der Japaner bei einem Unfall beim Großen Preis von San Marino. (Foto: dpa) So, wie das Wochenende dann aber verlief, ließ sich die Lackierung auch ganz anders deuten: als Sinnbild für die Vergänglichkeit. Das Spiel mit der Zeit, das Um-die-Wette-fahren mit Gegnern - es bleibt gefährlich. Lebensgefährlich. Beim Rennen der Moto2-Kategorie ließ der Japaner Shoya Tomizawa sein Leben. Der 19-Jährige war Vierter, als er in der zwölften von 26 Runden bei hoher Geschwindigkeit die Kontrolle über sein Motorrad verlor und stürzte. Der Brite Scott Redding und Alex de Angelis, der in San Marino wohnt, konnten weder bremsen noch ausweichen. Sie überfuhren Tomizawa, der Frakturen am Oberkörper erlitt und einen Schädelbruch; zudem traten innere Blutungen auf. Kollegen unter Schock Die ersten Nachrichten, die aus dem Streckenhospital drangen, waren noch vorsichtig optimistisch: Nach einem Herzstillstand sei Tomizawa wiederbelebt worden. Er sei in ein künstliches Koma versetzt worden und werde mit einem Krankenwagen ins Krankenhaus nach Riccione verlegt. Auf dem Weg dorthin starb der Motorrad-Profi um 14.20 Uhr, zwanzig Minuten nach dem Start des MotoGP-Rennens, das der Spanier Dani Pedrosa vor Jorge Lorenzo und Valentino Rossi gewann. Die Fahrer wurden im Ziel über den Tod ihres Kollegen informiert. Sie zeigten sich geschockt. "An so einem Tag würde man am liebsten nichts sagen. Tomizawa war ein sehr sympathischer Fahrer. Als ich seinen Sturz gesehen haben, habe ich gehofft, dass er sich nur sehr weh getan hat", sagte Valentino Rossi. Jorge Lorenzo meinte: "Heute ist einfach ein trauriger Tag." Der Spanier bat die TV-Reporter, nicht weiter nachzufragen. Dani Pedrosa zeigte mit dem Finger auf seine in dickes Leder gepackte Brust und sagte: "Ich habe ein Riesenloch hier drin. Zwei Tote in nur einer Woche - ich weiß nicht, was ich fühlen soll." Beim Rennen in Indianapolis hatte es am vergangenen Wochenende ebenfalls einen tödlichen Unfall gegeben, der ähnlich verlaufen war wie der von Tomizawa. In einem Nachwuchsrennen, das im Rahmenprogramm des WM-Laufs stattfand, war der 13 Jahre alte Peter Lenz gestürzt und von einem zwölf Jahre alten Kollegen überfahren worden. Auch Lenz war nach einer Wiederbelebung im Krankenhaus gestorben. Erst am Freitag war er auf dem Friedhof der St.-Josephs-Kirche in seiner Heimatstadt Vancouver im US-Bundesstaat Washington beigesetzt worden. Die Fahrer der Motorrad-WM hatten seiner in Misano mit einer Schweigeminute gedacht. "Das ist, wie wenn ein Familienangehöriger stirbt" Der letzte tödliche Unfall in der Weltmeisterschaft hatte sich zuvor im Jahr 2003 ereignet. Am 20. April jenes Jahres war der Japaner Daijiro Kato, der zwei Jahre zuvor die WM in der Klasse bis 250 Kubikzentimeter Hubraum gewonnen hatte, beim Auftaktrennen in Suzuka in der dritten Runde mit etwa 190 km/h gestürzt und gegen eine nur einen Meter neben der Strecke stehende Mauer geprallt. Kato wurde schwerverletzt geborgen. Er starb 13 Tage später an den Unfallfolgen. Am Donnerstag hatten etliche Fahrer in Misano bei einer Benefiz-Veranstaltung auch seiner gedacht. Shoya Tomizawa fuhr Motorrad-Rennen, seit er drei Jahre alt war. Mit 15 startete er in der japanische Meisterschaft, in der er 2008 in der 250-Kubikzentimeter-Klasse Zweiter wurde. In der WM trat er erstmals 2006 an, als Wildcard-Starter beim Japan-Grand-Prix. Seit 2009 war er permanenter WM-Fahrer in der 250-ccm-Klasse, die in diesem Jahr in der Moto2 aufging. Das erste Rennen der neuen Kategorie im April in Katar gewann Tomizawa, der in Chiba geboren worden war und für das Team Technomag-CIP startete. Der deutsche Moto2-Fahrer Stefan Bradl, der in Misano als Fünfter sein bestes Saisonresultat erreichte, rief seinem Kollegen nach: "Er war ein sehr lustiger und lebensfroher Mensch. Er hat immer viel Spaß gehabt und viel Spaß gemacht. Das ist, wie wenn ein Familienangehöriger stirbt."
https://www.sueddeutsche.de/sport/merkel-ueber-blatter-rueckzug-fuer-milliarden-fans-eine-wichtige-nachricht-1.2505328
mlsum-de-9753
Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßt den angekündigten Rücktritt von Fifa-Boss Blatter. Blatters Mitarbeiter hingegen applaudieren ihm in der Züricher Zentrale.
"Für Milliarden Fans eine wichtige Nachricht" Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Rücktritt von Fifa-Präsident Joseph Blatter begrüßt. "Ich denke, dass es für Milliarden Fans des Fußballs eine wichtige Nachricht ist", sagte sie. Es sei eine Situation geschaffen worden, "dass wir alle (...) sagen können, dass die Organisation, die den Weltfußball vertritt, nicht nach den Maßstäben funktioniert, die wir uns alle wünschen". Durch den Rücktritt seien neue Perspektiven für den Welt-Fußball gegeben: "Ich glaube, dass es jetzt besser möglich sein wird, die Arbeit der Fifa auf eine transparentere Grundlage zu stellen." "Die Arbeit geht normal weiter", heißt es bei der Fifa Bei einem Belegschaftstreffen in der Zentrale des Fußball-Weltverbandes wurde Blatter nach seiner Rücktrittsankündigung von den Mitarbeitern mit freundlichem Applaus bedacht. Die Geschäfte liefen weiter, hieß es aus Zürich. Der Präsident arbeite in seinem Büro. Medienvertreter hatten keinen Zutritt zum Gebäude auf dem Zürichberg. "Die Arbeit geht normal weiter. Die Vorbereitungen für die Frauen-WM und die WM-Auslosung laufen." An Blatters Reiseplänen habe sich nichts geändert, sagte Mediendirektor Walter de Gregorio. Der scheidende Fifa-Chef werde in den kommenden 15 Tagen nicht ins Ausland reisen. Dies war auch schon vor seiner Rücktrittsankündigung am Dienstagabend so geplant. Als Termine stehen für Blatter die Reisen zu den Endspielen der U20-WM in Neuseeland (20. Juni) und der Frauen-WM (5. Juli) in Kanada an. Uefa sagt Sondersitzung ab Die Uefa wird sich nach der Rücktrittsankündigung von Blatter doch nicht zu einer Sondersitzung in Berlin treffen. "Da täglich neue Informationen ans Tageslicht kommen, denke ich, dass es klüger ist, sich Zeit zu nehmen, um die Situation besser einzuschätzen, um dann gemeinsam Position zu beziehen", begründete Uefa-Präsident Michel Platini die Absage. Ursprünglich hatten die Blatter-Gegner in der Europäischen Fußball-Union am Freitag oder Samstag in Berlin ihre Strategie beraten wollen. Unter anderem sollte es dabei um die Frage gehen, ob DFB-Chef Wolfgang Niersbach und andere europäische Funktionäre ihre Sitze im Fifa-Exekutivkomitee einnehmen. Durch den angekündigten Abschied Blatters hat sich die Situation nun massiv geändert. "In den kommenden Wochen wird es weitere Gelegenheiten geben, sich zu treffen - und hoffentlich wird sich die Angelegenheit bis dahin erhellen", sagte Platini. Der Franzose gilt als logischer europäischer Kandidat für die Blatter-Nachfolge. Russische Medien beklagen Blatter-Rücktritt Russische Medien haben die Rücktrittsankündigung von Fifa-Präsident Joseph Blatter als eine "unangenehme Nachricht" für den WM-Gastgeber 2018 gewertet. Russland sei "einer von Blatters treuesten Verbündeten im Kampf um den Präsidentenstuhl" gewesen, schreibt die Zeitung Kommersant. "Der Rücktritt Blatters ist eine Tatsache, die für die russischen Interessen unangenehm und beunruhigend ist", meint Sport Express. Mit "fatalen Folgen" für die WM in drei Jahren rechnet das Blatt allerdings nicht, "da bislang nichts Ernstes (gegen Russland) bekanntgeworden ist". Wegen der WM-Vergaben an Russland und auch Katar 2022 ermittelt die Schweizer Bundesanwaltschaft. Der Verfahren war von der Fifa allerdings selbst initiiert worden. Blatter ist in dem Verfahren kein Beschuldigter. Das hatte die Bundesanwaltschaft am Dienstag in Bern nach der Rücktrittankündigung des 79 Jahren alten Schweizers bekräftigt. Interpol unterstützt US-Justiz Interpol leistet der US-Justiz im Auslieferungsverfahren gegen frühere Fifa-Spitzenfunktionäre Amtshilfe. Das teilte die internationale Polizeibehörde mit. Es geht nach den Angaben um den früheren Fifa-Vize-Präsidenten Jack Warner aus Trinidad und Tobago sowie um den Paraguayer Nicolás Leoz, ehemals Mitglied des Exekutivkomitees und früherer südamerikanischer Verbandschef. Auch vier Geschäftsleute werden genannt. Die Vorwürfe der US-Behörden lauten Korruption, Verschwörung und organisiertes Verbrechen. Interpol bat seine Mitgliedsstaaten mit einer sogenannten roten Ausschreibung um Amtshilfe, die sechs Personen ausfindig zu machen und festzusetzen, damit sie ausgeliefert werden können. Interpol stellte klar, dass das Ersuchen für ein Mitglied nicht verpflichtend sei. Es ist kein internationaler Haftbefehl.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-bahn-geld-finanzierung-1.4251754
mlsum-de-9754
Die Bundesregierung verspricht große Projekte, um die Bahn besser zu machen. Doch nun wird klar: Diese kosten deutlich mehr Geld, als bisher eingeplant ist.
Die Deutsche Bahn soll mit teuren Investitionen besser werden. Doch woher das Geld dafür kommen soll, ist noch unklar. Es ist ein großes Versprechen, das Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vor Kurzem gegeben hat: Wer in Zukunft Bahn fährt, soll nicht nur schneller, pünktlicher und flexibler sein als zurzeit. Auch ein "Wow-Effekt" soll sich unterwegs einstellen. Damit es auch wirklich so kommt, hatte Scheuer Anfang November angekündigt, zahlreiche Strecken in einem Langfristprogramm auszubauen, zu erweitern oder zu erneuern und so Engpässe im Netz zu beseitigen. Insgesamt 29 zusätzliche Projekte sind nun bis 2030 geplant. Sie wurden vom Minister in die wichtigste Stufe des aktuellen Bundesverkehrswegeplans befördert. Und der ist in der Verkehrspolitik das Maß der Dinge. Er legt fest, wo in Zukunft gebaut wird. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen hat die Bundesregierung nun erstmals berechnet, was die groß angelegten Pläne den Bund inklusive der 29 Zusatzprojekte zusammen kosten werden. Es geht demnach um gewaltige Summen. "Der Gesamtbedarf an Bundesmitteln zur Finanzierung des Bedarfsplans Schiene für die Jahre 2019 bis 2030 liegt nach Einschätzung der Bundesregierung bei 32 Milliarden Euro", so der Parlamentarische Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann in einem Schreiben an die Grünen, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Im Bundestag löst diese Zahl allerdings eher Unruhe als Freude aus. Denn sie macht neben dem Ausmaß der zum Erreichen der Koalitionsziele nötigen Finanzspritze auch klar, dass beim Ausbau der Bahn-Infrastruktur eine Milliardenlücke klafft. Ein Großteil der Pläne wäre nach Einschätzung von Opposition und Experten mit dem bisherigen Finanzierungsniveau gar nicht machbar. Gedeckt sind durch den Haushalt nur knapp 20 Milliarden Euro. Und das auch nur, wenn man von gleichbleibenden Mitteln ausgeht. Die Zahlen sind brisant, denn sie zeigen laut Fachleuten, dass die Ziele der großen Koalition in Gefahr sind. Union und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, die Passagierzahlen der Bahn bis 2030 zu verdoppeln, um Mobilität umweltfreundlicher zu machen. Der Berliner Verkehrswissenschaftler Christian Böttger, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft, hält das allerdings für unmöglich. "Die Regierung kann dieses Ziel angesichts der drohenden Milliardenlücke nicht erreichen", warnt Böttger. In der Opposition wächst der Ärger. "Verkehrsminister Scheuer ist Tabellenführer beim Ankündigen, doch beim Umsetzen bewegt er sich in der Abstiegszone", kritisiert der Grünen-Sprecher für Verkehrspolitik, Stephan Kühn. Angesichts der Ausbaupläne seien drei Milliarden Euro pro Jahr nötig. Zur Verfügung stehen im Bundeshaushalt jedoch für 2019 nur 1,65 Milliarden Euro. Zwar kündigt Ferlemann per Schreiben an, dass sich die Bundesregierung für einen weiteren "Hochlauf" der Verkehrsinvestitionen einsetzen werde. Die nötige Verdoppelung gilt im Bundestag jedoch als ausgeschlossen. Finanzprobleme könnten sogar noch größer sein Erst am Mittwoch war bekannt geworden, dass auch dem Konzern Milliarden fehlen, um das eigene Programm für mehr Qualität auf der Schiene umzusetzen. Die Bahn will zusätzlich fünf Milliarden Euro in mehr Züge, Personal und neue Technik stecken. Doch erst eine davon ist durch die eigene Bilanz gedeckt. Bis 2023 muss der Konzern vier Milliarden Euro aufbringen - wahrscheinlich durch den Verkauf von Unternehmensteilen. Verbände fordern ein Umdenken. Für die Verkehrswende bräuchten wir endlich einen großen Wurf, sagt der Geschäftsführer des Bündnisses Allianz Pro Schiene, Dirk Flege. Aber der werde wohl nicht finanziert. Verkehrsforscher Böttger geht sogar von noch größeren Finanzproblemen aus. Er hat ausgerechnet, dass der Bund mit allen Programmen einschließlich den Digitalisierungsplänen des Bahn-Konzerns und der Einführung des sogenannten Deutschland-Taktes, der raschere Verbindungen zwischen Metropolen garantieren soll, sogar mit 80 Milliarden Euro bis 2030 in der Pflicht steht. Böttgers ernüchtertes Fazit: "Die Politik agiert in der Bahnpolitik äußerst lustlos."
https://www.sueddeutsche.de/politik/china-peking-mahnt-zu-besonnenheit-1.3458923
mlsum-de-9755
China fordert, der Atomstreit mit Nordkorea dürfe nicht eskalieren. Auch die USA müssten sich zurückhalten.
Detailansicht öffnen Am Samstag hatten die USA den Flugzeugträger USS Carl Vinson mit diversen Begleitschiffen in Richtung Korea losgeschickt. (Foto: Matt Brown/dpa) Nach der Entsendung von US-Kriegsschiffen zur koreanischen Halbinsel hat China alle beteiligten Seiten zu Zurückhaltung aufgerufen. China beobachte die Situation genau, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums am Montag in Peking. "Alle Parteien sollten Selbstbeherrschung zeigen und nichts unternehmen, was die Situation weiter verschärft." Angesichts wachsender Spannungen nach Raketentests durch Nordkorea hatten die USA am Wochenende den Flugzeugträger USS Carl Vinson sowie Begleitschiffe in Richtung Korea geschickt. China wiederum entsandte seinen Chefunterhändler für den Atomstreit mit Nordkorea zu Beratungen nach Südkorea. Wie das südkoreanische Außenministerium mitteilte, reiste der chinesische Sondergesandte Wu Dawei am Montag nach Seoul, um sich mit seinem dortigen Kollegen zu beraten. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Yonhap will er auch über die Stationierung eines US-Raketenabwehrsystems in Südkorea sprechen. Es ist gegen Nordkorea gerichtet, aber auch China sieht sich in seinen Sicherheitsinteressen bedroht. US-Präsident Trump hatte zuletzt mit einem Alleingang gedroht Nordkorea unterhält trotz Sanktionen seit Jahren ein Atomwaffenprogramm. Seit 2006 hat das Land fünf Atomwaffentests vorgenommen, davon zwei im vergangenen Jahr. Experten gehen anhand von Satellitenaufnahmen davon aus, dass derzeit ein sechster Test vorbereitet werden könnte. Ein möglicher Anlass könnte der 105. Geburtstag des verstorbenen Staatsgründers Kim Il Sung am kommenden Samstag sein. Die Führung in Pjöngjang arbeitet auch an der Entwicklung von Langstreckenraketen, mit denen atomare Sprengköpfe bis in die USA getragen werden könnten. US-Agenten zufolge könnte Pjöngjang in weniger als zwei Jahren einen Atomsprengkopf entwickeln, der Amerika erreicht. US-Präsident Donald Trump hatte zuletzt mit einem Alleingang gegen Nordkorea gedroht, falls China nicht den Druck auf Pjöngjang erhöhe. Bei einem Besuch des chinesischen Staatschefs Xi Jinping vorige Woche in den USA konnten sich die beiden Präsidenten aber nicht auf eine gemeinsame Linie einigen. Angesichts des amerikanischen Angriffs auf eine syrische Luftwaffenbasis am Freitag erscheinen die Drohungen gegen Nordkorea aber zunehmend glaubhafter. Donald Trumps Nationaler Sicherheitsberater Herbert McMaster erklärte am Sonntag im Sender Fox News, auch frühere US-Präsidenten hätten das nordkoreanische Atomprogramm als "inakzeptabel" abgelehnt. Es müsse eine "Denuklearisierung" der koreanischen Halbinsel erreicht werden.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/taifun-hagupit-dieser-sturm-sieht-erstaunlich-gefaehrlich-aus-1.2255575
mlsum-de-9756
Grausiges Deja-vu: Wieder tobt ein Taifun über die Philippinen. Es ist der schlimmste Sturm, den der Inselstaat seit dem Taifun "Haiyan" vor 13 Monaten erlebt. Tausende Menschen hatten damals ihr Leben verloren - nun rüttelt "Hagupit" Traumata wach.
Stürme können im Menschen alles Mögliche wachrütteln: Angst, Verzweiflung, Gottesfurcht, Egoismus, Nächstenliebe. Oder auch blanken Sarkasmus: Es fühle sich an wie im Film "Groundhog Day", hatte der Vize-Bürgermeister von Tacloban in den Stunden vor dem großen Sturm gesagt. "Und täglich grüßt das Murmeltier." Viele kennen die Komödie. Aber zum Lachen war niemandem mehr zumute. Im US-Film soll Fernsehjournalist Phil, gespielt von Bill Murray, über Murmeltiere als glückliche Frühlingsboten berichten. Doch dann erlebt er ein und denselben Tag immer wieder aufs Neue. Auf den Philippinen sind es keine putzigen Nager, die ständig widerkehren. Es sind verheerende Naturgewalten, die Jahr für Jahr über die Menschen hereinbrechen, wie ein grausiges Déjà-vu. Traumata wachgerüttelt Vergangenes Jahr war es Haiyan, nun ist es Hagupit, den sie auf den Philippinen Ruby nennen. Seit Samstagabend, 9.15 Ortszeit, tobt der Taifun über die Inseln. Am Morgen danach versuchen die Behörden, sich einen ersten Überblick über die Zerstörungen zu verschaffen. Dies ist schwierig, weil Telefonnetze im Katastrophengebiet teils zusammen gebrochen sind, vielerorts gibt es keinen Strom. Sicher ist bislang nur, dass Ruby der schlimmste Sturm ist, den die Philippinen seit Haiyan vor 13 Monaten erleben. Das alleine bedeutete schon massive psychische Belastungen für alle, die damals gelitten haben. Der Wind rüttelt Traumata wach, zum Beispiel in Tacloban, der Hafenstadt auf Leyte, die im November 2013 von meterhohen Wellen verschluckt wurde. Noch haben die Menschen die Folgen der Katastrophe gar nicht überwunden, da müssen sie schon mit dem nächsten Desaster kämpfen. Mindestens 7000 Menschen starben damals durch das Wüten des Windes, vier Millionen wurden obdachlos. Der Staat war schlecht gewappnet. Seither leben noch immer Zehntausende in Behelfsunterkünften, die sie jetzt wieder wegen Hagupit hastig verlassen mussten. Der Sturm traft etwas weiter nördlich als Haiyan auf die Küsten. Erste Bilder vom Sonntagmorgen von der betroffenen Insel Samar zeigten Menschen, die durch überflutete Straßen wateten, geknickte Strommasten waren zu sehen, peitschende hohe Wellen und abgedeckte Häuser. Mindestens zwei Menschen starben bisher im Norden Samars. Die Behörden sammeln unterdessen Informationen über massive Schäden der Infrastruktur. Mindestens zehn Millionen Menschen betroffen Nach UN-Angaben sind mindestens zehn Millionen Menschen den Gefahren von Hochwasser und hohen Windgeschwindigkeiten in den betroffenen Gebieten ausgesetzt: Am Montagmorgen soll der Taifun etwa 120 Kilometer südlich der Metropole Manila weiter Richtung Westen durchziehen. Fischer der Inseln Leyte und Samar hatten noch versucht, ihre Boote so gut zu sichern wie möglich. Viele haben gebetet. "Ayaw gad, Ginoo!" Lieber Gott, bitte nicht! Mit diesen Worten flehte auch Elenito Bajas aus Palo zum düsteren Himmel. Der 65-jährige Fischer hatte vergangenes Jahr seine Frau, seinen zweieinhalbjährigen Sohn und seinen Vater durch den Taifun Haiyan verloren. "Nun bitte ich Gott, mich und mein Dorf zu verschonen", sagte der Witwer dem Philippine Enquirer wenige Stunden bevor Hagupit auf die Küsten schlug. Seelischer Beistand kam auch von oben aus dem All. Nasa-Astronaut Terry Virts von der Raumstation ISS twitterte Fotos vom rasenden Wirbelsturm, wie er über die Philippinen zog und schrieb: "Dieser Sturm sieht erstaunlich gefährlich aus. Bete für die Menschen auf den Philippinen." Klügerer Katastrophenschutz Etwa eine Million Menschen waren auf der Flucht, sie suchten in ausgewiesenen Gebäuden oder in Gebieten außerhalb der Gefahrenzone Schutz. Familien öffneten überall ihre Häuser, um Verwandte, Nachbarn, Freunde und manchmal auch Fremde vor dem rasenden Sturm aufzunehmen. In Tacloban zogen sich manche Bewohner in ein Mausoleum auf dem chinesischen Friedhof zurück, weil sie sich dort am sichersten fühlten. Der philippinische Staat, der vergangenes Jahr heftig wegen seines mangelhaften Katastrophenschutzes kritisiert worden war, wollte dieses Mal nichts dem Zufall überlassen. Viele Vorratslager waren angelegt worden, die Armee ist in Alarmbereitschaft versetzt und hat Truppen als Hilfsmannschaften stationiert, aber auch, um mögliche Plünderungen zu verhindern, wie sie 2013 in Tacloban zu beobachten waren. Präsident Benigno Aquino versuchte, mit Drohungen Druck auf seinen Apparat zu machen, keinesfalls werde er hinterher Ausreden akzeptieren, wenn etwas schieflaufe beim Katastrophenmanagement. Er ließ sich schon vor Ankunft des Sturmes fast stündlich über die Vorkehrungen unterrichten. Sein Innenminister war nach Samar gereist, um dort selbst die Arbeit der Behörden zu überwachen. Aquino betonte, dass Fehler dieses Mal unverzeihlich seien.
https://www.sueddeutsche.de/geld/insolvenzen-in-deutschland-deutsche-gehen-seltener-pleite-1.2772755
mlsum-de-9757
Zwar ist die Zahl der Insolvenzen im Jahr 2015 gesunken - aber immer mehr junge Erwachsene sind betroffen.
Es geht meist ein monatelanger Kampf mit zahlreichen Rettungsversuchen und Schlichtungsgesprächen voraus, und trotzdem steht mehrere Tausend Mal im Jahr in Deutschland das eine Wort am möglichen Ende einer Firmengeschichte: Insolvenz. Rund 23 000 Mal war es in Deutschland 2015 der Fall - so wenig wie seit der Einführung der Insolvenzverordnung im Jahr 1999 nicht, wie Daten des Unternehmens Creditreform zeigen. Allerdings hat sich der Rückgang deutlich verlangsamt: In den vergangenen beiden Jahren betrug er noch acht bis neun Prozent, 2015 waren es lediglich 3,3 Prozent. Die größte Pleite war 2015 die des Bautechnik-Konzerns Imtech, 3500 Beschäftigte mussten deswegen zwischenzeitlich um ihren Arbeitsplatz fürchten. Mittlerweile heißt es von Seiten des Insolvenzverwalters, 3000 davon seien gerettet. Auch der Modehändler Strauss meldete in diesem Jahr nach 2014 erneut Insolvenz an, genau wie der Kettler-Konzern, der durch die Herstellung und den Vertrieb von Garten- und Freizeitmöbeln und des Kettcars bekannt ist. Bei beiden Insolvenzen waren rund 1000 Mitarbeiter betroffen. 80 Prozent der insolventen Unternehmen haben nur fünf Mitarbeiter Die überwiegende Mehrheit der Pleiten betrifft in Deutschland jedoch sogenannte Kleinstunternehmen mit maximal fünf beschäftigten Personen. 2015 machten sie 80,4 Prozent aller Insolvenzen in Deutschland aus. Deshalb ist auch die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer gesunken: Geschätzte 225 000 Arbeitsplätze waren 2015 aufgrund einer Insolvenz in Gefahr, 2012 waren es mit 346 000 Beschäftigen noch deutlich mehr. Auch die Schäden durch Unternehmensinsolvenzen sind erneut zurückgegangen. 19,6 Milliarden Euro betrugen 2015 die geschätzten Verluste, wovon rund zwei Drittel auf private Gläubiger entfallen. Grund ist auch hier die vergleichsweise geringe Anzahl von großen Firmeninsolvenzen. Privatpersonen mussten 2015 seltener Insolvenz anmelden als noch im Jahr zuvor. Rund 79 000 Fälle wurden in diesem Jahr gezählt, das sind 8,6 Prozent weniger als noch 2014 - und somit ein Zehnjahrestief. Im Gegensatz zu den absoluten Insolvenzzahlen hat jedoch der Anteil der jungen Erwachsenen, die Insolvenz anmelden mussten, in diesem Jahr leicht zugenommen. 15,4 Prozent aller insolventen Privatpersonen waren 2015 unter 30 Jahre. Das ist ein erheblicher Prozentsatz, schließlich verschulden sich Privatpersonen normalerweise deutlich später, etwa bei großen Investitionen wie einem Immobilienkauf. Aus diesem Grund ist auch mehr als die Hälfte aller insolventen Privatpersonen zwischen 30 und 50 Jahren alt.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/trump-drogendealer-todesstrafe-1.3912393
mlsum-de-9758
60 000 Menschen starben in den USA 2017 durch Drogen. Jetzt hat US-Präsident Donald Trump seine Anti-Drogen-Strategie präsentiert - und die Todesstrafe für Großdealer gefordert.
US-Präsident Donald Trump will die Drogenepidemie in seinem Land unter anderem dadurch eindämmen, dass bestimmte Drogenschmuggler, die besonders große Mengen transportieren, künftig die "ultimative Strafe" bekommen, also mit dem Tod bestraft werden. Nach Angaben des Weißen Hauses sollte dieser Vorschlag Teil eines umfassenderen Plans sein, den Trump am Montag vorgestellt hat. "Es geht nicht mehr darum, nett zu sein", sagte der Präsident bei einem Auftritt in New Hampshire. "Es geht darum, ein sehr, sehr hartnäckiges Problem zu überwinden und wenn wir mit diesen Dealern nicht harsch umspringen, wird das nicht passieren, Leute. Ich will diese Schlacht gewinnen." Neben der härteren Verfolgung und Bestrafung von Drogenhändlern will Trump die Aufklärungsarbeit sowie die Behandlung von Süchtigen verbessern. Zudem will die Regierung die Verschreibung von starken Schmerzmitteln eindämmen, die oft eine Art legale Einstiegsdroge sind. Die USA werden derzeit von der brutalen Drogenepidemie heimgesucht, die voriges Jahr mehr als 60 000 Menschen das Leben kostete. Die meisten von ihnen starben an Überdosen, die durch sogenannte Opioide verursacht wurden. Diese sind zum Beispiel in starken Schmerzmitteln enthalten, aber auch Heroin und künstliche Stoffe wie Fentanyl zählen zu den Opioiden. Die Drogenepidemie trifft vor allem die untere weiße Mittelschicht in ländlichen Gemeinden, sie hat sich inzwischen aber auch in die reicheren Vororte der Großstädte hineingefressen. Trump hat den Kampf gegen die Drogen zu einer seiner Prioritäten erklärt. Bisher hat seine Regierung in der Praxis allerdings nur wenig dagegen unternommen. Der US-Kongress hat sechs Milliarden Dollar freigegeben, die nun zumindest zum Teil in Aufklärungskampagnen und die Behandlung von Süchtigen fließen sollen. Experten bezweifeln, dass diese Summe auch nur annähernd reicht. "Andere Länder spielen keine Spielchen" Trump hat bei Veranstaltungen immer wieder Länder wie Singapur oder die Philippinen als Vorbilder im Umgang mit Drogen genannt. Dort können Dealer mit dem Tod bestraft werden. "Andere Länder spielen keine Spielchen", sagte Trump. In den USA ist die Lage komplizierter: Zum einen ist die Todesstrafe weitgehend Angelegenheit der Bundesstaaten, die Bundesregierung hat da nicht mitzureden. Einige Bundesstaaten, die von der Drogenepidemie extrem hart betroffen sind, etwa West Virginia und New Jersey, haben die Todesstrafe längst abgeschafft. Das gilt auch für New Mexico, einen Staat, durch den viele Drogen aus Südamerika geschmuggelt werden. Allerdings kann auch die Bundesregierung - vertreten durch das Justizministerium - in Prozessen gegen Personen die Todesstrafe beantragen, die in sehr großen Mengen mit Drogen handeln oder die führende Köpfe in einem Drogenkartell sind. So, wie das Weiße Haus es am Wochenende darstellte, zielt Trumps Vorschlag darauf, dass dies künftig öfter geschehen soll. Dazu sollen aber nur die bestehenden Gesetze ausgeschöpft, keine neuen Regelungen verabschiedet werden. Die US-Bundesgesetze sehen die Todesstrafe für etliche Verbrechen vor, in den meisten Fällen aber nur, wenn sie in Verbindung mit einem Mord oder mit Todesfolge verübt wurden. Der Großhandel mit Drogen ist eine Ausnahme, für ein Todesurteil muss kein Mord passiert sein. Deswegen ist allerdings auch unklar, ob das überhaupt verfassungsgemäß ist. Fachleute sind sich ohnehin einig, dass das Drogenproblem mit repressiven Maßnahmen nicht in den Griff zu bekommen ist. Die US-Polizeibehörden führen seit Jahrzehnten im In- und Ausland einen "Krieg gegen die Drogen" - mit sehr mäßigem Erfolg. Sinnvoller wäre es Experten zufolge, die Drogenprävention zu verstärken, vor allem aber die Therapiemöglichkeiten und die Hilfe für die Süchtigen massiv auszubauen. Das ist jedoch gerade in den konservativen Bundesstaaten, in denen die Epidemie besonders heftig wütet, politisch schwierig.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/linksaussen-im-glanz-der-sieger-1.2853362
mlsum-de-9759
Fürstenfeldbrucks Handballer haben diejenigen besiegt, die diejenigen ausgebildet haben, die gerade Europameister geworden sind. Wahnsinn! Allemal ein guter Grund für kuriose Glückwunsch-Communiqués
In jüngerer Vergangenheit, um diese Erkenntnis kommt der sportaffine Mensch nicht umhin, waren die Ergebnisse deutscher Spitzenkräfte in den diversen Ballsportarten von eher überschaubarem Erfolg. An dieser Stelle muss man, wie bei nahezu allen sportlichen Betrachtungen hierzulande, den Fußball ausklammern - dessen Stellenwert kaum größer sein könnte. Wen würde es überraschen, wenn der Weltmeister auch den bevorstehenden kontinentalen Vergleich gewänne, oder wenn der bajuwarische Kraftprotz aus München sich rechtzeitig zum Abschied seines katalanischen Trainer-Feingeistes an Europas Spitze platzieren würde. Erster Profiteur sind die Jugendabteilungen, Erfolg macht sexy. Doch das nur am Rande. Wie wunderbar waren da die vergangenen Wochen, in denen sich gleich zwei deutsche Kernkompetenz-Sportarten ins öffentliche Bewusstsein (zurück)katapultiert haben. Beheimatet Deutschland nicht die stärkste Handballliga der Welt? Und waren die Ergebnisse der deutschen Auswahl nach dem WM-Titel 2007 nicht eher bemitleidenswert? Gab nicht das deutsche Tennis, jahrelang dank Steffi und Bobbele ein weltweit anerkanntes Erfolgsmodell, seither ein erbärmliches Bild ab? Ha, alles vorbei, vergessen: Wir sind Handball-Europameister und Australien-Open-Siegerin, und zwar wir alle! Solche Triumphe strahlen aus, bis nach weit unten. Die Brucker Handballer haben schon ein bisschen Glanz abbekommen: Beim Spiel in Großwallstadt sandte der Traditionsklub noch aufmunternde Grüße gen Polen, speziell an die fünf dort ausgebildeten Nationalspieler - wie Keeper Andreas Wolff, aus Unterfranken in die Welt gezogen und nun bester EM-Torhüter. Und die Brucker? Haben gegen diesen Fünf-EM-Helden-Ausbildungsverein drei von vier möglichen Drittliga-Punkten geholt. Wahnsinn. Die Turnerschaft Jahn München hat blitzartig ein Glückwunsch-Communiqué in die Welt entsandt und DAS Wochenende des Vereinssports ausgerufen. Und schnell an den Ausgangspunkt der Triumphe erinnert: die Vereine. Dort würden motorische Grundlagen, soziale Kompetenzen und nötige Tugenden vermittelt, diese Förderung mache letztlich aus "kleinen Nachwuchssportlern große Nationalhelden". Auch beim Jahn, klar, Sibylle Wiedenmann war vor einem Jahr Ü45-Basketball-Weltmeisterin. Jetzt steht Olympia vor der Tür, mit den Handballern und Angelique Kerber. Gute Aussichten, auf DEN Sommer des Vereinssports.
https://www.sueddeutsche.de/politik/anschlaege-in-paris-ermittlungen-gegen-vermeintlichen-mitwisser-von-arnsberg-1.2746142
mlsum-de-9760
Ein Algerier soll die Attentate von Paris gegenüber Mitbewohnern in einer Flüchtlingsunterkunft angekündigt haben. Jetzt schaltet sich der Generalbundesanwalt ein.
Verdächtiger erklärt, Frankreich zu hassen Der Generalbundesanwalt hat das Verfahren gegen einen 39-jährigen Algerier übernommen, der die Anschläge von Paris mehrere Tage zuvor gegenüber Mitbewohnern in einer Flüchtlingsunterkunft im sauerländischen Arnsberg angekündigt haben soll. Das bestätigte die Behörde auf Nachfrage. Der Algerier soll gegenüber zwei syrischen Flüchtlingen gesagt haben, in Paris werde eine Bombe explodieren, ganz Frankreich werde geschockt sein. Nach den Anschlägen meldeten sich die beiden beim Chef der Flüchtlingsunterkunft, der die Polizei alarmierte. Der Algerier wurde festgenommen und bestritt in einer Vernehmung, etwas über die Terroranschläge zu wissen. Gleichzeitig fiel er durch ein sehr aggressives Verhalten auf und erklärte, Frankreich zu hassen. Eine Verbindung in salafistische oder gar terroristische Kreise ist bisher nicht erkannt, allerdings soll der Mann in Frankreich eine Einreisesperre haben. Richter erlässt Haftbefehl wegen Nichtanzeigen einer Straftat Inzwischen wurde bei einer Durchsuchung seines Zimmers eine hinter einem Schrank versteckte Kladde gefunden, in der sich das Datum der Anschläge ("Ali Baba 4, 13.11.15") mit dem Zusatz "Paris" findet. Ob dies vor oder nach den Anschlägen geschrieben wurde, steht bisher nicht fest. Bisher ermittelte die Staatsanwaltschaft Arnsberg, ein Richter erließ Haftbefehl wegen Nichtanzeige einer Straftat. Der nordrhein-westfälische Innenminister erklärte, man werde genau prüfen, ob es sich bei dem Algerier womöglich um einen Täter oder Mitwisser der Pariser Anschläge handele. Nun übernimmt - weil es sich bei der angeblich nicht angezeigten Straftat um eine terroristische Straftat gehandelt hätte - zuständigkeitshalber der Generalbundesanwalt. Auch in Cuxhaven ermittelt der Generalbundesanwalt in einem ähnlichen Fall: Weil aber kein dringender Tatverdacht besteht, ist der Mann auf freiem Fuß.
https://www.sueddeutsche.de/politik/plan-fuer-den-notfall-hamstern-und-hoffen-1.3134541
mlsum-de-9761
Wehrpflicht, Schutzräume, Zwangsdienst: Wie der Plan für den Notfall der Bundesregierung aussieht und was die Bürger außer Hamstern selbst tun können.
Notfallpläne hat jedes Polizeipräsidium in der Schublade. Notfallpläne für sehr große Katastrophen, die das ganze Land betreffen können, liegen bei der Bundesregierung. Es gibt viele Gründe, weshalb solche Pläne aktualisiert werden müssen: Die Zuständigkeiten des Staates verschwimmen, lebensnotwendige Einrichtungen wie Wasserwerke sind heute oft privatisiert. Auch bei möglichen Gefahren verschwimmen die Grenzen zwischen zivil und militärisch, zumal wenn, wie bei einer Cyber-Attacke üblich, die Identität des Angreifers zunächst im Dunkeln bleibt. Wehrpflicht Die Wehrpflicht in Deutschland ist nicht abgeschafft, sondern nur ausgesetzt. Daran erinnert das am Mittwoch vorgestellte Konzept aus dem Bundesinnenministerium beiläufig, wenn es dort heißt: "Im Falle einer Beendigung der Aussetzung des Vollzugs der Wehrpflicht" würde die Bundeswehr Unterstützung unter anderem beim Kasernenbau benötigen. Und, bezogen nur auf einen theoretisch eintretenden Verteidigungsfall: "Die schnelle und sichere Zustellung von Postsendungen mit besonderer Bedeutung für die Bundeswehr (beispielsweise Einberufungs- und Leistungsbescheide bei Wiederaufleben der Wehrpflicht) wird im Rahmen des Post- und Telekommunikationssicherstellungsgesetzes gewährleistet." In dem Konzept wird aber nirgends gefordert, an der bisherigen Aussetzung etwas zu ändern. Wasser und Nahrung Eine volle Speisekammer ist nie verkehrt, sagt der Präsident des Technischen Hilfswerks (THW), Albrecht Broemme, das hätten die Menschen beim Hurrikan Sandy in New Jersey 2012 erlebt oder beim Oder-Hochwasser 2013. Szenarien, in denen eine Woche lang gar keine Nahrung zu den Menschen gelangt, gab es dort aber nie, "und es ist eigentlich auch schwer sich auszumalen, was dazu an Katastrophen zusammenkommen müsste". 25 Millionen Zigarren hielt die Regierung von Westberlin bis 1990 ständig auf Vorrat, neben 128 000 Tonnen Getreide, 44 000 Tonnen Fleisch und etlichen Millionen Rollen Toilettenpapier. Eine eiserne Reserve, verteilt auf 700 Lager in der ganzen Stadt - das sollte für sechs Monate reichen, und vor allem sollte es den Sowjets nach der Berlin-Blockade 1948/49 das Drohpotenzial nehmen. Heute hält der Bund noch immer Nahrungsmittel vor, wie das neue Zivilschutzkonzept jetzt wieder bekräftigt. Es gibt eine "Zivile Notfallreserve" sowie eine "Bundesreserve Getreide": In mehr als 150 staatlichen Gebäuden im ganzen Land, deren Standort geheim ist, lagern etwa Weizen und getrocknete Erbsen. Gebraucht wurde das alles noch nie. Das Bundeslandwirtschaftsministerium überlegt schon länger, wie sinnvoll solche Reserven noch sind und will demnächst Reformvorschläge vorlegen. Neu ist, dass die Bundesregierung jetzt wieder offiziell eine (unverbindliche) Empfehlung für die Bevölkerung abgibt, selbst Reserven anzulegen. Bisher gab es das nur in Form eines Rats von untergeordneten Stellen wie dem Landwirtschaftsministerium und dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Einkaufslisten gibt die Regierung nicht aus, sondern nur die Daumenregel, dass die privaten Lebensmittelvorräte für zehn und die Wasservorräte für fünf Tage ausreichen sollten. Bei einer vierköpfigen Familie bedeutet das 40 Liter Wasser, was einem kleinen Bierfass entspricht (50 Zentimeter hoch), das in der Wohnung stehen müsste. Schutzräume Bei chemischen, biologischen, radiologischen oder nuklearen Gefahren stehen in jedem Bundesland nur für ein Prozent der Bevölkerung Schutzräume zur Verfügung, darauf haben sich die Landesinnenminister schon auf ihrer Konferenz 2012 geeinigt. Mehr ist nicht realisierbar - das akzeptieren weiter auch alle Experten, sagt die Rechtsethikerin Silja Vöneky, die in Freiburg Katastrophenrecht lehrt. Sie kritisiert aber: In der Nähe von Atomkraftwerken oder chemischen Laboren sollten die Landesregierungen mehr leisten. Zwangsdienste Nur für den sogenannten Spannungs- oder Verteidigungsfall (das heißt die offizielle Feststellung des Bundestages, dass Deutschland gewaltsam angegriffen wird) gibt es bisher Gesetze, wonach Bürger zu bestimmten "lebens- oder verteidigungswichtigen" Aufgaben zwangsverpflichtet werden können. Dies kann zum Beispiel Ärzte oder Ingenieure treffen. Brisant ist, dass die Bundesregierung jetzt andeutet, solche Zwangsmittel könne man auch für Fälle von Naturkatastrophen einführen. Es sei "grundsätzlich zu prüfen, ob eine entsprechende gesetzliche Vorsorge auch für bestimmte Krisenlagen außerhalb eines Spannungs- oder Verteidigungsfalles getroffen werden sollten", heißt es in dem Konzept. Das ist noch sehr vage, es ist eher ein Gedankenanstoß. "Ich persönlich teile diese Auffassung nicht", sagt THW-Präsident Broemme. Bei Hochwässern oder Bränden sei die Bereitschaft, freiwillig zu helfen, stets beeindruckend groß. Energie Die Bundesregierung hält daran fest, dass das Land im Notfall 90 Tage lang ohne Erdölimporte auskommen können muss. Das gilt schon bisher: An 140 geheimen Standorten in Deutschland sind Erdöl-Erzeugnisse wie Benzin, Diesel, Heizöl und Kerosin vorrätig; die Rechnung zahlen alle in Deutschland tätigen Mineralölkonzerne gemeinsam, sie sind gesetzlich Zwangsmitglieder im "Erdölbevorratungsverband". Die Kontrolle hat das Wirtschaftsministerium.
https://www.sueddeutsche.de/politik/meinungsfreiheit-saudische-heuchelei-in-paris-1.2301071
mlsum-de-9762
Erst bestrafen, dann demonstrieren: Zahlreiche Regierungsvertreter haben beim Trauermarsch in Paris ein starkes Zeichen für die Meinungsfreiheit gesetzt. Auch Saudi-Arabien - nachdem es kurz zuvor einen Blogger öffentlich auspeitschen ließ.
Eineinhalb Millionen Menschen setzten am Sonntag in Paris ein Zeichen gegen den islamistischen Terror zu setzen. Unter den Teilnehmern des Trauermarsches war auch eine beeindruckende Zahl internationaler Regierungsvertreter. Und auch mancher Politiker, dessen Teilnahme an einem Marsch zur Verteidigung der Meinungsfreiheit nicht auf den ersten Blick einleuchtet. So kam offenbar auch der saudi-arabische Vize-Außenminister Nizar Madani in die französische Hauptstadt, wie BBC und die Saudi Gazette berichten. Auch Riads Botschafter in Frankreich schloss sich den "Je suis Charlie"-Protesten an. Und das nur zwei Tage, nachdem in Saudi-Arabien ein Blogger öffentlich ausgepeitscht wurde. 50 Hiebe trafen Raif Badawi auf Rücken und Beine, vollzogen wurde die brutale Strafe nach dem Freitagsgebet in der Nähe der Al-Dschafali-Moschee in Dschidda. 950 weitere Hiebe sollen in den kommenden Wochen auf ihn niedergehen, so hatte es ein saudisches Gericht im Mai angeordnet. Ausgeführt wird die Strafe eigentlich mit einem Stock, der allerdings sehr dünn ist. Amnesty spricht hier daher von Peitschenhieben. "Raif hob seinen Kopf in Richtung Himmel, schloss seine Augen und beugte seinen Rücken. Er war still, doch man konnte an seinem Gesicht und seinem Körper sehen, dass er wirklich schlimme Schmerzen hatte", schilderte ein Augenzeuge Amnesty International den Übergriff. Auch auf einem heimlich aufgenommenen Video auf Youtube soll Badawis Auspeitschung zu sehen sein. Auch Badawis Anwalt verurteilt Badawis Vergehen: Auf seiner Webseite "Freie saudische Liberale", mit der er ein Forum für eine öffentliche Debatte schaffen wollte, habe er den Islam beleidigt. Neben den Peitschenhieben verurteilte das Gericht den Aktivisten, der an diesem Dienstag 31 Jahre alt wird, deshalb zu zehn Jahren Haft und einer Geldstrafe von einer Million saudischen Rial (etwa 191 000 Euro). Amnesty zufolge ist Badawi kein Einzelfall. "Wir haben festgestellt, dass in den vergangenen zwei bis drei Jahren in Saudi-Arabien friedliche Aktivisten, Anwälte oder Menschenrechtler, die sich für Reformen in ihrem Land einsetzen und die Einhaltung der Menschenrechte fordern, ganz extrem unter Druck geraten sind", sagte Ruth Jüttner, Expertin für den Mittleren Osten und Nordafrika bei Amnesty Deutschland, zu SZ.de. In dieser Zeit habe es mehr als ein Dutzend ähnlicher Verurteilungen gegeben. So wurde auch der Anwalt Badawis zu einer Gefängnisstrafe von 15 Jahren verurteilt.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-bayern-heynckes-der-bayern-fluesterer-1.3735696
mlsum-de-9763
Jupp Heynckes ruht im Spätherbst seiner Karriere in sich - und lässt nach dem 3:1 gegen Dortmund durchblicken, was er von der Arbeit seines Vorgängers hält.
Was müsste passieren, um diesen Mann aus der Ruhe zu bringen? Wenn Jupp Heynckes dieser Tage das Podium einer Pressekonferenz betritt, könnte nebenan ein Meteoritenschauer runtergehen oder zumindest ein Vulkan ausbrechen. Nein, selbst dann würde Heynckes vermutlich nur den Mundwinkel verziehen und erklären, dass er alles schon mal erlebt habe. Es ist eine Schau, den 72-Jährigen im Spätspätherbst seiner Trainerkarriere zu beobachten, so auch am Samstagabend in den Räumlichkeiten von Borussia Dortmund, nach dem souveränen 3:1 (2:0) im Bundesliga-Spitzenspiel gegen den BVB. Dieser Mann hat, wenn es um Fußball geht, definitiv die Ruhe weg. Überraschen kann diesen Trainer-Haudegen nichts mehr, er hat immer eine passende Antwort parat. Zudem ist Heynckes aus dem Stadium heraus, dass er seine Äußerungen genau abwägen müsste, weil er jemandem zu nahe treten könnte. Zum Beispiel Carlo Ancelotti, einem ebenfalls verdienten und erfahrenen Trainer, der im September bei den Bayern entlassen wurde, woraufhin Heynckes das Amt übernahm. Natürlich ist der stets freundliche Heynckes der Kollegenschelte eher unverdächtig, auch weil es zum guten Ton unter Kollegen gehört, die Arbeit des Vorgängers nicht direkt zu kritisieren. Der Sieg beim BVB veranlasste den 72-Jährigen jedoch dazu, ein paar generelle Bemerkungen über die Konstitution seiner Mannschaft zu machen, was in der Konsequenz eben doch auf Ancelotti zurückfiel. Es sei ja generell nicht einfach, eine Mannschaft mitten in der Saison zu übernehmen. "Das waren wahnsinnig strapaziöse Wochen", sagte Heynckes, seine Spieler hätten aber alles prima mitgemacht: "Wenn ein Trainer nach einem Drittel der Saison kommt, hat er andere Ideen, andere Intensität, anderen Umfang." Daher kämen auch die vielen muskulären Probleme seiner Spieler, nicht zuletzt bei Thomas Müller, der auch beim BVB ausfiel. Auch Jérôme Boateng stand zwar im Kader, fit war er aber nicht. Hummels darf nicht raus Die neue Art des Trainings könne für die Spieler ungewohnt sein, aber sie würden sich daran gewöhnen. "Ich habe eben einen Leistungsanspruch, der sehr hoch ist", fuhr Heynckes kess fort, "und ich bin eigentlich nie zufrieden." Kann er aber eigentlich sein, denn seit Heynckes übernommen hat, hat die Mannschaft sechs Mal in Serie gesiegt, die Tabellenführung übernommen, die beiden Spitzenspiele gegen Leipzig und Dortmund gewonnen. "Das liegt auch daran, dass ich den FC Bayern sehr gut kenne", erklärte Heynckes in aller Gelassenheit. Den Namen Ancelotti erwähnte er nicht, doch es stellte sich die Frage: Passte der Italiener wirklich so schlecht nach München? "Wenn ein Trainerwechsel vorgenommen wird, hat das irgendwelche Gründe", erklärte Heynckes lapidar. Überhaupt lässt der Trainer keinen Zweifel daran aufkommen, dass er über die Erfahrung und das Rüstzeug verfügt, die der FC Bayern in dieser Situation braucht. Die Ergebnisse sprechen für ihn: Binnen weniger Wochen haben die Münchner unter Heynckes einen Fünf-Punkte-Rückstand auf den BVB in einen Sechs-Punkte-Vorsprung verwandelt. Auch in der Champions League steht seine Mannschaft glänzend da. Heynckes glaubt sogar, dass sich die Mannschaft weiterhin steigern kann: "Wenn alle gesund sind, werden wir noch attraktiveren Fußball spielen." Eine kleine Anekdote, was seine Spieler gerade durchmachen müssen, hatte Heynckes noch parat. In der Halbzeit in Dortmund sei Mats Hummels zu ihm gekommen und habe um seine Auswechslung gebeten, ebenfalls wegen muskulärer Probleme. "Das habe ich ihm verweigert", erklärte Heynckes kurzum, der in der Abwehr ja bereits auf Boateng verzichten musste. Also fügte sich Hummels und schleppte sich wieder auf den Platz.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/abgas-skandal-vw-darf-diesel-vergleich-in-den-usa-abschliessen-1.3222459
mlsum-de-9764
Der Autokonzern kann US-Kunden mit Milliarden für manipulierte Diesel-Autos entschädigen. Das zuständige Gericht hat den Kompromiss gebilligt.
Vom Vergleich profitieren nur US-Kunden, ähnliche Entschädigungen für VW-Käufer in Deutschland wird es vorerst nicht geben. Billig wird es nicht - zumindest aber hat Volkswagen nun Klarheit: Der Autokonzern kann den größten Teil der "Dieselgate"-Rechtslasten in den USA mit einem Vergleich für hunderte Zivilklagen aus dem Weg räumen. Dafür gab der zuständige Richter Charles Breyer am Dienstag seine endgültige Zustimmung. Insgesamt könnte das den Wolfsburger Konzern bis zu 16,5 Milliarden Dollar oder umgerechnet 15,2 Milliarden Euro kosten. Der Kompromiss sei "fair, angemessen und adäquat", teilte Breyers Gericht mit. Der Richter hatte schon bei einer Anhörung vor einer Woche signalisiert, dass er grünes Licht für die Einigung geben würde. Bei einer Sitzung vergangene Woche hatte Breyer betont, Volkswagen habe außer den Kunden auch die Umwelt und damit die Allgemeinheit geschädigt. Der Konzern müsse deshalb bestraft werden. Es sei allerdings nicht Aufgabe des Gerichts, "den letzten Cent aus dem Unternehmen herauszuquetschen" und es damit in den Ruin zu treiben. Entschädigungen nur für US-Kunden VW hatte die Entschädigungslösung bereits im Juni mit US-Behörden und zahlreichen Dieselbesitzern ausgehandelt, später einigte man sich auch mit klagenden US-Autohändlern. Breyer hatte den Vergleich im Juli zunächst auf vorläufiger Basis genehmigt, auch bei den US-Kunden war der Kompromiss auf breite Zustimmung getroffen. Die überwiegende Mehrheit hat sich bereits registriert, um das Angebot anzunehmen. Der Kompromiss gilt nun für rund 475 000 VW-Dieselwagen mit 2,0-Liter-Motoren, die mit einer Software zum Austricksen von Abgastests ausgerüstet sind. VW hatte den Schwindel im September 2015 nach Vorwürfen des US-Umweltamts EPA eingeräumt. Bei weiteren etwa 85 000 Fahrzeugen mit 3,0-Liter-Motoren verhandelt der Konzern allerdings weiter mit den Behörden über eine Lösung. In dieser Angelegenheit will Richter Breyer bis zum 3. November detaillierte Vorschläge sehen. Anders als etwa in Europa, wo mehr als acht Millionen Fahrzeuge betroffen sind, hat VW den Kunden in den USA zugesagt, zwischen 5100 und knapp 10 000 Dollar Schadenersatz pro Auto zu zahlen. Der Konzern muss die Pkw zudem reparieren oder zurückzukaufen und 4,7 Milliarden Dollar in zwei Umweltfonds einzahlen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/bvb-sieg-in-stuttgart-laessig-auf-platz-zehn-gespielt-1.2361498
mlsum-de-9765
Borussia Dortmund verabschiedet sich langsam aus dem Abstiegskampf. Das knappe 3:2 in Stuttgart spiegelt die Überlegenheit des Teams nicht wider. Der VfB wirkt hilflos und bleibt Letzter. Für Diskussionen könnte noch das Elfmeter-Foul von Nuri Sahin sorgen.
Wer es von den Zuschauern am Freitagabend nicht pünktlich zum Anpfiff in die Stuttgarter Arena geschafft hatte, der verpasste schon mal vier Tore des VfB. Zehn Minuten vor Spielbeginn gegen Borussia Dortmund zeigte die Stadionregie die VfB-Treffer beim 4:4 in Dortmund. Drei Jahre liegt das irrsinnige Spiel schon zurück, vier Stuttgarter Tore in einer einzigen Partie sind so etwas wie ein seltenes Naturphänomen, eine Erscheinung, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Zumindest kamen die Fußballfreunde gegen Dortmund anschließend tatsächlich noch in den Genuss, zwei aktuelle Treffer bejubeln zu dürfen. Florian Klein hatte in der 32. Minute einen Elfmeter verwandelt, Georg Niedermeier in der Nachspielzeit per Kopf getroffen, zum ersten Heimsieg seit September des vergangenen Jahres reichte es dennoch nicht. Der VfB verlor gegen Dortmund am Ende 2:3 (1:2) und wartet jetzt schon seit sechs Spielen auf einen dreifachen Punktgewinn. Während sich der BVB nach drei Siegen in Serie immer mehr vom Tabellenende entfernt, der Klub ist vorerst Zehnter, festigten die Stuttgarter ihren letzten Tabellenplatz. Und nach der schwachen und biederen Darbietung von Freitagabend deutet im Moment auch wenig darauf hin, dass sie diesen in den nächsten Wochen wieder verlassen können. Die Partie hatten beide Trainer zum "Abstiegskampf pur" ausgerufen. Doch nur beim VfB sah es zunächst auch so aus. Die VfB-Verteidiger hauten die Bälle aus dem eigenen Strafraum, als hätte Sportdirektor Robin Dutt eine Extraprämie dafür ausgelobt. Die Zuschauer wähnten sich bei einem Kreisligaspiel, selten hatte man in der Bundesliga eine Mannschaft gesehen, die die Bälle so häufig und gleichzeitig so leidenschaftlich auf die Tribüne gehauen hätte. Beim Blick auf die Auswechselbank sah man, dass VfB-Trainer Huub Stevens auch nicht viel für die Spielkultur getan hatte. Er ließ die technisch guten Spieler auf der Bank, die ihre Stärken im Spiel nach vorne haben, die kombinieren wollen und können. Spieler wie Vedad Ibisevic, Moritz Leitner, Filip Kostic und Alexandru Maxim. Stevens schickte aber Klein und Adam Hlousek auf den Rasen, die in dieser Saison schon des Öfteren als Außenverteidiger spielten. Zusätzlich zu Daniel Schwaab und Gotoku Sakai wohlgemerkt, die in der Viererkette die Außenpositionen besetzten. Davor spielten im defensiven Mittelfeld der wieder genesene Carlos Gruezo und erstmals von Beginn an der Afrikameister Geoffroy Serey Dié. Der 30-Jährige ist ein lästiger Genosse, bissig wie ein Straßenköter, doch fürs Toreschießen hat ihn Dutt nicht vom FC Basel eingekauft. Die ersten Chancen hatten deshalb auch die Dortmunder, die wieder mehr so spielten, wie man es von Dortmund kennt: schnell, kraftvoll, mit Drang zum Tor. Kevin Kampl (10.) und Nuri Sahin (13.) scheiterten jedoch noch an Sven Ulreich. Doch beim Schuss von Pierre-Emerick Aubameyang (25.) brachte er kein Körperteil mehr an den Ball, sodass die Gäste führten. Sieben Minuten später machten es die Stuttgarter Dortmund tatsächlich gleich, nach 587 Minuten ohne Heimtor überwand Klein Roman Weidenfeller - aus elf Metern, ohne dass ein Gegenspieler gestört hätte. Anders als durch einen Elfmeter hätte der VfB wohl kein Ausgleichstor gemacht. Da Sahin ein klare Torchance von Georg Niedermeier zuvor verhinderte, hätte Schiedsrichter Deniz Aytekin Rot zeigen können, wenn nicht sogar müssen. Doch so spielten die Gäste mit zehn Feldspielern weiter und kamen noch vor der Pause zum nächsten Tor. Nachdem Shinji Kagawa elegant per Hacke verlängert hatte, traf Ilkay Gündogan zum 2:1 (39.) - mit der Pieke. Nach dem Seitenwechsel waren die Dortmunder einem dritten Tor näher als Stuttgart dem Ausgleich. Willen und Einsatzfreude konnte man der Heimmannschaft nicht absprechen, Tugenden schießen aber keine Tore. Ulreich parierte noch gegen Kagawa (53.) und Sahin (77.). Die Dortmunder spielten ihre Kontermöglichkeiten fast schon zu lässig aus, mehrmals hatten sie die Chance zu weiteren Toren, doch lieber spielten sie noch einen Querpass als abzuschließen. So stand mehrmals ein Mitspieler im Abseits. In der 89. Minute trafen sie dann doch noch. Reus umkurvte Ulreich gekonnt und schob zum 3:1 ein. Und der VfB? Spielte wie eine Mannschaft, die den Abstieg nicht verhindern kann, weil sie sich zu schwer tut, überhaupt Tore aus dem Spiel zu erzielen. Der Kopfballtreffer Niedermeiers in der Nachspielzeit zum 2:3 war nicht dazu geeignet, diese These zu widerlegen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/paris-roubaix-degenkolb-siegt-in-der-hoelle-des-nordens-1.2432233
mlsum-de-9766
Nach 119 Jahren gewinnt ein Deutscher bei Paris-Roubaix. Ingolstadt gleicht im DEL-Finale gegen Mannheim aus. Oldenburg holt den Basketball-Pokal gegen Bamberg. Paul Biedermann schwimmt Weltjahresbestzeit.
Radsport: Radprofi John Degenkolb hat als erster Deutscher seit 119 Jahren den Frühjahrs-Klassiker Paris-Roubaix gewonnen. Der 26-Jährige aus dem Team Giant-Alpecin triumphierte bei der 113. Ausgabe der sogenannten "Hölle des Nordens" nach 253,5 Kilometern, davon 52,7 über das berüchtigte Kopfsteinpflaster, im Velodrom von Roubaix vor Zdenek Stybar (Tschchien/Etixx-QuickStep) und Greg van Avermaet (Belgien/BMC). Den bislang einzigen deutschen Sieg hatte Josef Fischer 1896 bei der Premiere errungen. "Davon habe ich immer geträumt. Ich musste so hart arbeiten, ich kann es kaum glauben", sagte Degenkolb mit Freudentränen in den Augen und dreckverschmiertem Gesicht. Es war bereits Degenkolbs zweiter Coup in dieser Saison. Vor drei Wochen hatte der gebürtige Thüringer bereits bei Mailand-Sanremo gesiegt. "Es ist lange her, dass diese Kombination jemand geschafft hat", sagte Degenkolb. Er ist erste der dritte Fahrer, der diese beiden Radsport-Monumente innerhalb eines Jahres für sich entschieden hat. Dies war zuvor nur dem Belgier Cyrille Van Hauwaert (1908) und dem Iren Sean Kelly (1986) gelungen. Basketball, Pokal: Völlig unerwartet haben die EWE Baskets Oldenburg ihren Heimvorteil genutzt und zum ersten Mal den Pokal der Basketball Bundesliga (BBL) gewonnen. Im packenden Finale des Top Four feierte der frühere deutsche Meister einen überraschenden 72:70 (34:34)-Sieg über den klaren Favoriten Brose Baskets Bamberg. Oldenburg holte seinen zweiten Titel nach dem Gewinn der Meisterschaft 2009. Oldenburg hat mit dem Erfolg für das Highlight einer bislang enttäuschenden Saison gesorgt. Erst Ende März hatte beim Tabellensiebten Mladen Drijencic den wegen der sportlichen Misere entlassenen Trainer Sebastian Machowski ersetzt. "Das ist unbeschreiblich", sagte Oldenburgs Forward Philip Zwiener: "Das ist unglaublich schön für uns, für die Fans, für Oldenburg." Teamkollege Philipp Neumann meinte: "Wir haben gekämpft, wir haben alles gegeben. Wir sind zurück." Angetrieben von den eigenen Fans gelang den Oldenburgern im Finale ein Traumstart. Im ersten Viertel trafen die Gastgeber fünf von sieben Dreierwürfen und zogen leicht davon. Die Brose Baskets steigerten sich, Mitte des zweiten Spielabschnitts gelang die erstmalige Führung (28:26/17. Minute). Mitte des Schlussviertels erspielte sich Bamberg, das vor allem von Brad Wanamaker (19 Punkte) und Janis Strelnieks (16) geführt wurde, einen Vorsprung (64:56/34.). Er hielt nicht, Oldenburg glich wieder aus (64:64/38.). Die Entscheidung fiel Sekunden vor Schluss, als der Bamberger Dawan Robinson einen Dreierversuch daneben setzte und die Chance auf den Sieg vergab. Bester Werfer der EWE Baskets war Casper Ware (13). Eishockey, DEL: Die beeindruckende Siegesserie der Adler Mannheim ist gerissen, Titelverteidiger ERC Ingolstadt hat sich im Finale der Deutschen Eishockey Liga (DEL) zurückgemeldet. 42 Stunden nach der unglücklichen 1:2-Niederlage nach Verlängerung gewannen die Oberbayern das zweite Play-off-Endspiel mit 5:2 (0:0, 1:0, 4:2) gegen den Vorrundenersten, der zuvor achtmal in Folge in der Meisterrunde triumphiert hatte. Vor dem dritten Finale am Dienstag (19.30 Uhr/ServusTV) in Mannheim ist der Kampf um die 95. deutschen Eishockey-Meisterschaft wieder völlig offen. Nach den Toren von Brandon Buck (21./46.), Jared Ross (49.), Derek Hahn (51.) und Petr Taticek (60.) für Ingolstadt sowie Ronny Arendt (47.) und Robert Raymond (55.) für die Adler steht es in der Best-of-seven-Serie 1:1, vier Siege sind zum Titelgewinn notwendig. Schwimmen, DM: Weltrekordler Paul Biedermann hat zum Abschluss der DM in Berlin in beeindruckender Manier die Zweifel an seiner Form beseitigt. Einen Tag nach seinem wenig überzeugenden Erfolg über 100 m Freistil (49,24) gewann der 28-Jährige über die doppelte Distanz in Weltjahresbestzeit von 1:45,60 Minuten deutlich. Sein vermeintlicher Widersacher Florian Vogel (München), Sieger über 400 und 800 m, wurde Fünfter. "Das Rennen war voll gut, hat viel Spaß gemacht", sagte Biedermann und gab zu: "Ich war ein bisschen geknickt nach dem Rennen über 100." Mit seiner Siegerzeit blieb der Staffel-Europameister auch anders als bei seinem 100-m-Erfolg deutlich unter der Norm für die WM im Sommer in Kasan. Als Mitglied des Eliteteams ist Biedermann aber genau wie Vizeweltmeister Marco Koch und der erkrankte Olympia-Vierte Steffen Deibler für den Saisonhöhepunkt gesetzt. Schon vor der eher schwachen Vorlaufzeit mit Platz vier hatte Biedermann gelassen gesagt: "Wir haben fast noch vier Monate Zeit bis zur Weltmeisterschaft, ich mache mich noch nicht verrückt." Golf, US Masters: Der Weltranglistenerste Rory McIlroy und Superstar Tiger Woods haben sich am dritten Tag des 79. US Masters in Augusta/Georgia gesteigert und im Gleichschritt den Druck auf die Spitzengruppe erhöht. McIlroy spielte eine 68 und damit seine beste Runde des Turniers. Woods blieb auf dem Par-72-Kurs ebenfalls vier Schläge unter dem Platzstandard und hat wie McIlroy 210 Schläge auf dem Konto. Beide liegen auf dem geteilten fünften Platz zehn Schläge hinter dem nach wie vor führenden Amerikaner Jordan Spieth. Der Nordire McIlroy, der sich mit einem Sieg den noch fehlenden Major-Titel sichern kann, leitete den erfolgreichen Tag mit einem Eagle am zweiten Loch (Par 5) ein. Auch in der Folge blieb der 25-Jährige konstant und spielte vier Birdies. Lediglich zwei Bogeys auf den beiden Schlusslöchern verhinderten ein noch besseres Ergebnis. Woods, der bis zum Masters-Start in diesem Jahr unter Wettkampfbedingungen nur 47 Löcher absolviert hatte, ließ die fehlende Spielpraxis kaum erkennen. Der 39-Jährige kam auf sechs Birdies, lediglich am 14. und 18. Loch leistete er sich ein Bogey. Deutschlands Golfstars Martin Kaymer (Mettmann) und Bernhard Langer (Anhausen) waren am Cut gescheitert. Kaymer spielte eine 76 und eine 75 und verpasste mit insgesamt 151 Schlägen ebenso die beiden Schlussrunden wie Langer, der nach einer 73 und einer 74 mit 147 Schlägen nur einen einzigen Schlag zu viel auf der Scorecard hatte. Tennis, WTA-Turnier in Charleston: Angelique Kerber hat das deutsche Halbfinal-Duell beim Tennis-Sandplatz-Turnier von Charleston in South Carolina gegen Andrea Petkovic gewonnen und erstmals in diesem Jahr ein Endspiel erreicht. Die 27-jährige Kielerin besiegte ihre gleichaltrige Fed Cup-Kollegin und Titelverteidigerin am Samstag nach 1:34 Stunde mit 6:4, 6:4. Für Kerber war es im zehnten Aufeinandertreffen mit Petkovic der siebte Erfolg. Deutschlands Nummer eins indes musste nach zuvor elf Siegen erstmals eine Niederlage beim mit 731000 Dollar dotierten Event hinnehmen. Im Finale spielt Kerber gegen die Amerikanerin Madison Keys, die in ihrem Vorschlussrunden-Match die tschechische Qualifikantin Lucie Hradecka mit 6:1, 6:4 besiegte. Von den bisherigen drei Partien gegen die 20-jährige Rechtshänderin aus Illinois hat Kerber zwei gewonnen. Tennis: Die ehemalige Weltranglisten-Erste Martina Hingis hat mit ihrer neuen Doppelpartnerin Sania Mirza beim dritten Turnierstart den dritten Titel gefeiert. In Charleston bezwang das Duo aus der Schweiz und Indien das australisch-kroatische Doppel Casey Dellacqua/Darija Jurak am Sonntag mit 6:0, 6:4. Nach den Erfolgen in Indian Wells und Miami feierte die 34-jährige Hingis im US-Bundesstaat South Carolina ihren 44. Turniersieg im Doppel. Am kommenden Wochenende zählt sie zum Aufgebot des Schweizer Fed-Cup-Teams für das Aufstiegsspiel in die Weltgruppe I in Polen. Tischtennis: Tischtennis-Rekordchampion Borussia Düsseldorf droht das Endspiel um die deutsche Meisterschaft zu verpassen. Das Team um Timo Boll verlor das Halbfinale-Hinspiel beim 1. FC Saarbrücken am Samstagabend völlig unerwartet mit 0:3. Im anderen Duell setzte sich der TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell knapp mit 3:2 gegen den TTC Zugbrücke Grenzau durch. Die Rückspiele sind für nächsten Sonntag angesetzt. "Wir sind total schockiert. Mit so einem Ergebnis haben wir nicht gerechnet", kommentierte Rekord-Europameister Boll die Pleite des Titelverteidigers. Boll verlor zwei Wochen vor Beginn der WM in China sein Einzel gegen den Slowenen Bojan Tokic mit 1:3. Außerdem punkteten der Portugiese Tiago Apolonia gegen Nationalspieler Patrick Franziska sowie der Franzose Adrien Mattenet gegen Panagiotis Gionis für die Saarländer.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/influencer-influencer-die-neue-marketing-macht-1.3658317
mlsum-de-9767
Sie sind das neue Lieblings-Spielzeug der Werbeindustrie. Wie Internetstars die Regeln des Wirtschaftslebens auf den Kopf stellen.
Jörn möchte noch ein bisschen kuscheln. Das ist keine große Sache, schließlich kuschelt sich Jörn ständig an irgendwas: an ein Baby, zum Beispiel. An seine Freundin. In einen Bademantel. Ist ein ziemlich kuscheliger Typ, der Jörn. Wenn er sich an irgendetwas kuschelt, macht Jörn gerne Fotos davon und stellt sie ins Internet. Mehr als 271 000 Menschen wollen das sehen, sie folgen ihm auf der Social-Media-Plattform Instagram. Und wegen dieser 271 000 kuschelt Jörn an diesem Morgen mal mit - einer Flasche Waschmittel. "Coral liebt deine Kleidung", steht als Schlagwort daneben. Jörn Schlönvoigt, 31, gilt als "Influencer", also als jemand, der die Werte und Ziele und damit auch das Kaufverhalten seiner überwiegend jungen Anhängerschaft beeinflussen kann. Influencer zu sein ist längst ein eigener Job geworden. Einige können davon leben, manche sogar sehr gut. Schlönvoigt ist aber auch noch Seifenopern-Darsteller, Schlagersänger und, so steht es in seinem Profil, DJ - und vor allem ist er nicht der Einzige, der eine ungewöhnliche Beziehung zu einem Waschmittel zu pflegen scheint. In den vergangenen Wochen konnte man bei Instagram auch Menschen sehen, die ihr Waschmittel bei einem Fahrradausflug dabei haben, im Park oder bei einem Spaziergang durch München. Für all diese Fotos hat der Waschmittelhersteller eine Menge Geld bezahlt. Ob es gut investiert war? Die Follower, die eigentlich für das Waschmittel begeistert werden sollten, übten sich in Spott und Kritik: "Gab es die Gehirnwäsche bei Coral kostenlos dazu?", steht unter einem der Fotos. ‹ › Sauber Sache? Fiona Erdmann,... ‹ › ...Grace Capristo,... ‹ › ...Lisamarie Schiffner... ‹ › ...und Jörn Schlönvoigt machen auf Instagram Werbung für ein Waschmittel. Fotos: Instagram Wird geladen ... Man könnte diese Geschichte nun hier enden lassen, als lustige kleine Episode einer missglückten Werbeaktion. Aber die Wahrheit ist komplizierter: Denn Influencer-Marketing ist nicht einfach das neue Lieblingsspielzeug der Werbebranche. Der Aufstieg der Influencer verändert die Regeln des Wirtschaftslebens grundlegend - weit über die Werbung hinaus. Ein Unternehmen, das Influencern besonders viel Einfluss zugesteht, ist der bayerische Kosmetikhersteller Schwan. Das Unternehmen fertigt Schminkutensilien im Auftrag vieler großer Marken, von Yves Saint Laurent bis Giorgio Armani soll die Kundenliste reichen - und um sich bei der Entwicklung und Verbesserung der Produkte Rat zu holen, hat der Konzern die Dienste klassischer Unternehmensberater durch den Rat von Bloggern und Influencern ersetzt. "In der Kosmetikbranche ist niemand näher an unserer Zielgruppe als die Influencer", sagt Bernd Preuschoff, Digitalexperte bei Schwan. Das Kosmetikunternehmen erhalte dadurch ein viel lebensnäheres Feedback, als es klassische Consultants je anbieten könnten, findet er. "Unterm Strich ist nicht entscheidend, dass mir jemand erzählt, wo wir in der Produktion einen Cent sparen könnten. Ich will wissen: Was fehlt den Kunden? Bei welchen Produkten ist die Anwendung zu kompliziert? Was können wir verbessern? Ein Berater kann das nur mühsam indirekt erfahren. Eine Youtuberin erlebt es." Influencer beeinflussen bei Schwan die Geschäfte also doppelt: Sie wirken auf die Produktgestaltung. Und sie sorgen dafür, dass diese Produkte am Ende von der Zielgruppe auch gekauft werden. Klaus-Dieter Koch ist Chef der Strategieberatung Brandtrust in Nürnberg, er berät Unternehmen auch im Umgang mit Influencern. Koch sagt, Menschen hätten sich seit jeher Vorbilder gesucht, bloß hätte das Internet den Vorbildern von heute eine völlig neue Reichweite verschafft. "Die Schönste auf dem Schulhof war auch früher das Vorbild für alle anderen, aber ihr Einfluss war auf die Schule beschränkt", sagt Koch. Heute habe "die Schönste" eben zwei Millionen Fans, das verleihe ihr Marktmacht und mache sie für Firmen interessant. Koch nennt die Youtuberin Bianca Heinicke, bekannt als Betreiberin von "Bibis Beautypalace". Als die in Kooperation mit der Drogeriekette dm einen Duschschaum auf den Markt brachte, war das binnen Stunden ausverkauft. "Dagegen sieht Nivea alt aus, obwohl die garantiert auch wissen, wie man Duschgel macht."
https://www.sueddeutsche.de/auto/porsche-teure-symbiose-1.2939503
mlsum-de-9768
In den USA schon länger ein Trend: Moderne Technik in alte Porsches einbauen. Das hat seinen Preis.
Der beste Porsche 911 aller Zeiten? Das ist immer der aktuellste. Wirklich? Es gibt viele Porsche-Fans, die vergöttern vor allem Aussehen, Motorklang und Fahrverhalten der frühen Versionen, die in ihren Augen den idealen Sportwagen verkörperten. Doch immer mehr Liebhaber der Marke möchten das Beste aus zwei Welten. Die Ästhetik des Alten, aber ein bisschen mehr Leistung darf der Elfer schon haben. Und wenn er nicht ganz so altmodisch zu fahren und auch noch ein bisschen sparsamer, sauberer und zuverlässiger ist, umso besser. Sie wollen eines dieser Autos, das man neudeutsch "Modern Classic" nennt, eine Symbiose aus Alt und Neu. Das ist längst ein Trend, wenn auch einer für Gutbetuchte. In den USA sind solche Autos besonders gefragt, denn zwischen Ost- und Westküste schert man sich wenig um Originalität. Anders als in der hiesigen Oldtimer-Szene spielt das Diktat der "Matching Numbers", bei dem Antriebsstrang und Karosserien samt ihrer Identifikationsnummern untrennbar zusammengehören, dort nur eine untergeordnete Rolle. Für die US-Autofans kommt es auf Stil und Coolness an, auf das Auftreten, nicht so sehr auf die Regeln. Wenn moderne Technik das Auto aufregender macht, dann wird sie eben eingebaut. Gute Voraussetzungen, um damit sein Geld zu verdienen. Das hatte Rob Dickinson jedoch noch nicht im Sinn, als er kurz nach der Jahrtausendwende seine mittelmäßig erfolgreiche Musikerkarriere beendete, von England nach Nordamerika auswanderte und sich dort seiner anderen Leidenschaft widmete: den Autos von Porsche. Genug Geld, um sich einen betagten 911 kaufen und komplett umbauen zu können, hatte Dickinson in seiner Rocker-Karriere immerhin verdient. Original war an diesem Auto schließlich kaum noch etwas. Dickinsons Elfer erregte Aufsehen in Los Angeles, manch einer wollte ihn sogar kaufen, dem Vernehmen nach auch der eine oder andere Hollywood-Star. Dickinson merkte, dass die Nachfrage stieg, und gründete 2009 die Firma "Singer Vehicle Design". Seitdem macht Singer nichts anderes, als alte Porsche-911-Karosserien zu restaurieren, an den entscheidenden Stellen zu liften und mit neuem Innenleben zu füllen. Die alte Hülle verbinden Dickinsons Leute mit modernerer Antriebstechnik. Ins Heck zieht der Sechszylinder-Boxer des Nachfolgemodells 993 ein, "der letzte luftgekühlte", wie Porsche-Kenner wissen. Ein Singer-Porsche kostet fast 500 000 US-Dollar - zuzüglich der 964er-Karosserie, die der Kunde mitbringen muss. Kein Wunder, dass aus dem Hobby von einst für Dickinson in nicht einmal sieben Jahren ein sehr einträgliches Geschäft geworden ist. Mit seinem Projekt "Retro" macht Roger Kaege es umgekehrt: Eine Antikkur für das moderne Design Wer aber glaubt, dass solche Autos nur in Amerika gebaut werden, irrt. In Bayern gibt es eine traditionsreiche Firma, die genau solche Porsche 911 schon lange anbietet. Wenn es um originalgetreue Restaurationen oder den Aufbau solcher sogenannter "Modern Classics" ging, galt Ruf Automobile, sonst eher als Porsche-Tuner bekannt, bislang jedoch höchstens als Geheimtipp. Aber auf dem kürzlich zu Ende gegangenen Genfer Autosalon riefen die Allgäuer mit gleich drei Neuerscheinungen in klassischer Optik genau diese Kernkompetenz ins Gedächtnis der Porsche-Enthusiasten zurück. Ruf, Singer, oder auch der rauschebärtige Magnus Walker aus Kalifornien: Das sind inzwischen große Namen im Porsche-Universum. Roger Kaege, Autohändler und Porsche-Tuner aus Rheinland-Pfalz, fehlt dazu noch ein Stück. Vielleicht hilft ja sein aktuelles Projekt, das er schlicht "Retro" nennt, den eigenen Bekanntheitsgrad zu steigern. Inspiriert von Singer, das gibt er unumwunden zu, wollte Kaege jenen Porsche-Geist lebendig werden lassen, nach dem derzeit so viele zahlungskräftige Fans der Marke suchen. Allerdings, das ist ja klar, "wollten wir es besser machen". Also ging Roger Kaege die Sache anders an. Statt den modernen Antrieb mit der alten Karosserie zu verheiraten, gestalten seine Mitarbeiter das 993-Design so lange um, bis das Auto einem Porsche 911 aus den frühen Siebzigern zum Verwechseln ähnlich sieht. "In unserem Auto ist vieles serienmäßig, das Singer erst nachrüsten muss", sagt Roger Kaege, "und jedes Auto ist ein Unikat." Die ausführliche Version unter: sz.de/porscheumbau
https://www.sueddeutsche.de/politik/migration-eu-legt-seenotrettungs-mission-sophia-auf-eis-1.4064359
mlsum-de-9769
EU-Diplomaten weisen Berichte zurück, wonach die Mission gestoppt sei - bestätigen jedoch zugleich, dass die beteiligten Schiffe zunächst in die Häfen zurückgerufen worden sind.
Die deutsche Fregatte "Sachsen". Auch sie war bereits für die Operation "Sophia" im Einsatz. Die EU-Marine-Mission "Sophia" kann vorerst bis Ende August fortgeführt werden. Nach der Drohung Italiens, seine Häfen für Schiffe des EU-Einsatzes mit im Mittelmeer geretteten Flüchtlingen zu schließen, werde der Einsatz beibehalten. Das berichtet die Nachrichtenagentur AFP nach einem Krisentreffen aus EU-Kreisen. Mehrere Diplomaten wiesen Medienberichte zurück, dass die Mission vorerst gestoppt worden sei. Richtig sei aber, dass der Kommandant des Einsatzes die Schiffe nach der ersten EU-Sitzung am Mittwoch zunächst in die Häfen zurückbeordert habe, sagte ein Ländervertreter demnach. Für das deutsche Marineschiff "Mosel" hatte der Befehl zunächst keine Konsequenzen, da es derzeit im Hafen von Souda an der Küste der griechischen Insel Kreta liegt. Binnen fünf Wochen soll nun eine Lösung mit Rom für die Mission gefunden werden, an dem auch die Bundeswehr beteiligt ist. Die EU-Mission "Sophia" war im Juni 2015 wegen der Flüchtlingskrise geschaffen worden und ist in internationalen Gewässern vor Libyen im Einsatz. Die Operation ist nach einem somalischen Mädchen benannt, das am 24. August 2015 an Bord der deutscheh Fregatte "Schleswig-Holstein" zur Welt kam. Die Mission geht gegen Schleuser vor, rettet aber auch Flüchtlinge aus Seenot. In den drei Jahren seit Bestehen wurden durch die "Sophia"-Schiffe, unter denen auch 49.000 Menschen gerettet. Sie wurden bisher in Italien an Land gebracht. Mit ihrer radikalen Positionierung im EU-Libyen-Einsatz setzt die italienische Regierung ihren harten Anti-Migrationskurs unverändert fort. Sie hatte bereits in den vergangenen Wochen mehrfach NGO-Schiffe mit geretteten Migranten an Bord blockiert. So erreichte sie am vergangenen Wochenende, dass noch vor der Anlandung von rund 450 Geflüchteten in Italien EU-Partner wie Deutschland zusagten, einige der Menschen aufzunehmen. Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte hatte bereits am Samstag in einem Brief an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk eine Revision von "Sophia" gefordert. Innenminister Matteo Salvini, der Chef der rechten Lega, forderte schon Anfang Juli, dass nicht mehr alle Schiffe von EU-Missionen wie Themis oder Eunavfor Med Sophia automatisch in Italien einlaufen. Juncker verweist auf "fundamentale Rolle" der "Sophia"-Mission Juncker wies in einem von Politico veröffentlichten Brief an Conte auf die "fundamentale Rolle" der "Sophia"-Mission für die Bekämpfung illegaler Migration hin. "Es ist also in unserem gemeinsamen Interesse, dass jede mögliche Änderung unserer derzeit laufenden Aktivitäten mit maximaler Aufmerksamkeit geprüft wird", schrieb der Kommissionschef. Conte schlug der EU-Kommission vor, dass sie eine Kriseneinheit koordiniert, die Bootsflüchtlinge verteilt. Dem Vorschlag gegenüber zeigte sich Juncker offen. Dies könne aber lediglich eine "Etappe" auf dem Weg zu stabileren Mechanismen sein. Allerdings sei die EU-Kommission nicht befugt, Schiffen einen sicheren Hafen zuzuweisen. Eine Sprecherin kündigte am Freitag in Brüssel an, die EU-Kommission werde in der kommenden Woche Vorschläge vorlegen, wie die Ankünfte von Flüchtlingen über den Sommer organisiert werden könnten. Grundsätzlich ist jeder Staat, der eine Rettungsaktion koordiniert, auch dafür zuständig, einen sicheren Hafen zu bestimmen. Sophia wird zwar von Italien geführt. Das bedeutet der EU-Kommission zufolge aber nicht, dass der sichere Hafen deshalb auch in Italien liegen muss, sondern könnte auch in einem anderen EU-Land sein.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/prozess-in-karlsruhe-mutter-vergiftet-kinder-aus-verzweiflung-mehr-als-drei-jahre-haft-1.3983488
mlsum-de-9770
Offenbar sah die alleinerziehende Frau keinen anderen Ausweg aus ihrer Situation ohne Job und sicheren Wohnsitz. Das berührte auch das Gericht.
"Das fällt uns nicht leicht, aber wir müssen uns an das Gesetz halten", sagte der Vorsitzende Richter als er das Urteil verkündete. Drei Jahre und drei Monate muss eine 27-Jährige ins Gefängnis, weil sie ihre beiden Töchter vergiftet hat. "Was Sie gemacht haben, war ein versuchter Mord." Die alleinerziehende Mutter aus der Gemeinde Marxzell nahe Karlsruhe hatte dem Gericht zufolge im Juni vergangenen Jahres verschiedene Schmerzmittel in die Limonade der zwei und vier Jahre alten Kinder gerührt. Anschließend trank sie selbst auch davon. Alle drei wurden rechtzeitig gerettet, da der getrennt lebende Ehemann aus Sorge die Polizei verständigt hatte. Grund für die Tat war offenbar Verzweiflung. Die Mutter sah keinen Ausweg aus ihrer Lebenssituation: alleinerziehend, ohne Arbeit und ohne sicheren Wohnsitz. Mit seinem Urteil blieb das Gericht nahe an der Forderung der Staatsanwaltschaft, die dreieinhalb Jahre Haft gefordert hatte. Das ist nah an der Mindeststrafe bei versuchtem Mord, die drei Jahre beträgt. Die Verteidigung hatte für eine Freiheitsstrafe plädiert, die auf Bewährung ausgesetzt werden kann - also maximal zwei Jahre. Die Richter sahen jedoch eine klare Tötungsabsicht gegeben, da die Frau geäußert hatte, ihr Leben und das ihrer Kinder beenden zu wollen. Außerdem habe die Mutter das Vertrauen und die Wehrlosigkeit ihrer Töchter ausgenutzt. Einem Gutachter zufolge habe die 27-Jährige keine psychische Störung und sei daher voll schuldfähig.
https://www.sueddeutsche.de/politik/integration-suche-nach-der-perspektive-1.3421692
mlsum-de-9771
Junge Flüchtlinge leiden unter der Trennung von ihrer Familie und den Erfahrungen, die hinter ihnen liegen. Das überfordert in Deutschland viele Betreuer.
Die Zahl minderjähriger Flüchtlinge in Deutschland nimmt ab, von ihren Schwierigkeiten kann man das nicht unbedingt sagen. Es fehlt an Therapieplätzen, Elternnachzug gelingt nur in Ausnahmefällen, und auch Fachkräfte müssen noch besser geschult werden. Das zeigt der erste Bericht zur Situation unbegleiteter ausländischer Kinder und Jugendlicher, der am Mittwoch im Kabinett vorgelegt wurde. Demnach kümmerten sich die Jugendämter Anfang Februar um 43 840 allein geflüchtete Kinder und Jugendliche. Ein Jahr zuvor waren es noch 60 638, also wesentlich mehr. Viele, die minderjährig nach Deutschland kamen, sind inzwischen junge Erwachsene. Hier verdreifachte sich die Zahl zwischen November 2015 und Februar 2017 von knapp 6 400 auf 18 214. "Kinder und Jugendliche, die allein nach Deutschland geflüchtet sind und hier auf sich selbst gestellt sind, gehören zur schutzbedürftigsten Personengruppe überhaupt", sagte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) nach der Vorlage des Berichts. Das 2015 eingeführte Verfahren, wonach unbegleitete junge Flüchtlinge auf alle Bundesländer verteilt werden, funktioniere "im Wesentlichen gut". Trotz großen Engagements der Betreuer aber gebe es "natürlich Probleme". Detailansicht öffnen Die Integration minderjähriger Flüchtlinge kennt nicht nur Erfolgsgeschichten wie hier in Grafrath, wo junge Flüchtlinge Kunst ausstellen durften. (Foto: Johannes Simon) Der Gesundheitszustand Minderjähriger, die allein die Flucht nach Europa angetreten haben, sei durch "fluchtbedingte extreme Belastungen" gekennzeichnet, heißt es in dem Bericht. Gemeint sind da nicht nur Löcher in Zähnen. "Junge Flüchtlinge weisen allgemein eine erhöhte Anfälligkeit für psychische Störungen auf", heißt es. Sie stellten "eine besonders vulnerable Gruppe" dar, weil ihnen der Schutz der Familie fehlte. Das Risiko, sexuell missbraucht oder ausgenutzt zu werden, ist vergleichsweise hoch. Medizinische und psychologische Fachkräfte sowie freiwillige Helfer müssten besser geschult werden, um Probleme erkennen und für Hilfe sorgen zu können, heißt es in dem Bericht. Die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) stellte in ihrem jüngsten Versorgungsbericht fest, dass im Schnitt 21 Prozent der Therapiepatienten in ihren Zentren minderjährig sind. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge machen dort aber nur sieben Prozent der Patienten aus. Trotz erheblicher Belastungen gelingt es ihnen also deutlich seltener, zu einer Therapie zu kommen. Es fehlen Plätze, die Wartezeiten sind lang, sagt Jenny Baron, Psychologin der BAfF. Das staatliche Gesundheitssystem trage auch nur acht Prozent der Therapiekosten für Geflüchtete, ob minderjährig oder nicht. "Da ist noch ein großer Ausbaubedarf." Syrischer Familiennachzug stockt Obwohl in den vergangenen zwei Jahren etwa eine halbe Million Syrer Schutz in Deutschland gesucht haben, hält sich der Nachzug von Angehörigen in Grenzen. 2016 erteilten deutsche Vertretungen in den Nachbarländern Syriens knapp 40 000 Visa, die es Angehörigen von Flüchtlingen erlauben, nach Deutschland nachzukommen. Weitere 26 000 Anträge sind in Bearbeitung. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der linken Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Allerdings hat in 2016 die Zahl der Flüchtlinge, die nur einen sogenannten subsidiären Schutz bekommen, dramatisch zugenommen. Solche Menschen, die vor dem Krieg fliehen, denen aber laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) keine politische Verfolgung droht, müssen zwei Jahre warten, bis ihre direkten Angehörigen den Nachzug beantragen können - so lauten die von der großen Koalition verschärften Regeln. Doch während im Januar und Februar 2016, vor Verabschiedung des Asylpakets II, nur jeweils weniger als zwei Dutzend Syrer den subsidiären Schutz bekamen, ist es mittlerweile die große Mehrheit. Im Dezember 2016 erhielten 6000 Syrer einen uneingeschränkten Schutzstatus, fast doppelt so viele jedoch nur einen subsidiären Schutz. Von den etwa 290 000 Syrern, über die das Bamf in 2016 insgesamt entschied, bekamen 165 000 den vollen Flüchtlingsschutz, 120 000 lediglich den subsidiären. Mit dieser Praxis des Bundesamtes "wurden Zusicherungen im Gesetzgebungsverfahren gegenüber der SPD offenkundig gebrochen", kritisierte Jelpke. Es sei "nun an der SPD, zu ihrem Wort zu stehen und die Diskriminierung der subsidiär Schutzberechtigten schnellstmöglich zu beseitigen". Jan Bielicki Doch auch wer gesund ist, kämpft oft mit Bürokratie. "Es gibt kein bundesweit geregeltes Verfahren, wie die Jugendlichen zu Verwandten in Deutschland kommen", sagt Tobias Klaus vom Bundesfachverband für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF). "In vielen Fällen klappt das zeitnah nicht." Gerade Großstädte wie Berlin oder Hamburg, in die besonders viele junge Flüchtlinge wollen, seien nicht bereit, über die staatliche Quote hinaus noch Jugendliche aufzunehmen, deren Verwandte in der Stadt lebten. Noch schwieriger ist Familiennachzug aus dem Ausland. Viele unbegleitete junge Flüchtlinge wünschen sich Nachzug enger Verwandter. Von 2156 unbegleiteten jungen Syrern, die 2016 hier subsidiären Schutz erhielten, stellten laut Bundesregierung aber nur zehn einen Härtefall-Antrag auf Familiennachzug. Kein einziger Antrag wurde bisher bewilligt. Jugendliche halten die Enttäuschung ihrer Angehörigen oft schlecht aus und kappen den Kontakt zur Familie, berichten Helfer. Oft kämen Schulden bei Schleppern hinzu. "Es ist klar, dass wir den Jugendlichen dringend eine Perspektive im System verschaffen müssen", sagt BumF-Mitarbeiter Klaus. Die Integration solcher Jugendlicher liege im Interesse aller.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/spieler-beim-ft-gern-kleine-riesen-1.957836
mlsum-de-9772
Einst trainierte der Nationalspieler Philipp Lahm bei der FT Gern. In der Jugendmannschaft träumen die meisten vom Leben als Fußballprofi.
Miroslav Klose ist in Bestform, so gut wie heute hat man ihn lange nicht erlebt. Vielleicht weil er sein altes Trikot übergestreift hat, jenes aus dem Sommermärchen von vor vier Jahren, als er noch ein gefährlicher Torjäger war. Plötzlich spurtet der Spanier Fernando Torres die linke Außenbahn entlang, er flankt in die Mitte, wo sich Klose und Robben in die Luft schrauben, Klose legt ab auf Didier Drogba, doch der Ivorer trifft den Ball nicht richtig, der Rest ist Geschichte. Detailansicht öffnen Nationalspieler Philipp Lahm trainirete einst bei der FT Gern. (Foto: Alessandra Schellnegger) In dieser Mannschaft der großen Namen fehlt eigentlich nur der eine Spieler, der an diesem Ort am ehesten zu erwarten wäre. Der kleine Riese des deutschen Fußballs. Jenes Ausnahmetalent, das auf der linken wie auf der rechten Seite aufgestellt wird. Der Mann, der selbst dann nicht schlecht spielt, wenn er einen miesen Tag erwischt. Aber wohin man auch schaut, kein Philipp Lahm in Sicht. Hier, auf dem Naturrasenplatz der Freien Turngemeinschaft Gern, muss niemand Lahms Trikot überziehen. Er ist ohnehin allgegenwärtig, weil er in den Köpfen ist. Es wissen ja alle, dass Lahm hier gespielt hat. Sie haben gehört, dass er schon damals gut war, und dass er hier vieles von dem gelernt hat, was ihn heute so besonders macht. Die Kinder, die gerade auf dem Platz stehen, sind Auserwählte. Es ist das Fördertraining der 15 besten Zwölfjährigen der FT Gern. Hinten im Tor steht ein Junge mit schwarzer Trainingshose, einer der wenigen, der kein Trikot eines Idols trägt. Er schaut konzentriert, ist auffallend still, erst recht für einen Torwart. Daniel Dell'Aversano, Sohn einer schwedischen Mutter und eines fußballverliebten Italieners, spürt, dass der FT Gern seine letzte Chance ist. Daniel will Fußballprofi werden, er weiß das seit seinem vierten Lebensjahr. "Also schon seit Ewigkeiten", sagt der Zwölfjährige. "Eigentlich seit dem Moment, als meine Mutter versucht hat, mir das Schlittschuhlaufen beizubringen. Ich sollte Eishockeyprofi werden, bin aber hingefallen." Philipp Lahm war zwölf, als er von der FT Gern zum FC Bayern wechselte und es heißt, dass ein künftiger Profi bis dahin bei einem großen Verein untergekommen sein muss. Daniel hat das versucht. Er war zum Probetraining bei den Bayern und bei 1860 München. Sie lehnten ihn ab. Die Bayern ließen ihm mitteilen, er solle so weitermachen wie bisher. Immer dranbleiben. Bei 1860 waren sie etwas deutlicher. Sie sagten ihm, er könne die Sache mit dem Profifußball vergessen. Doch Daniel gab nicht auf, seine Eltern gaben nicht auf. Daniel bekam Unterricht an der Deutschen Torwartschule, einer Privatschule, die vom ehemaligen Nationaltorhüter Andreas Köpke betrieben wird. 20 Trainingseinheiten kosten 299 Euro. Daniel sagt: "Ich bin nicht hier wegen Philipp Lahm. Aber wenn er bei Gern war, dann zeigt das doch, dass man es hier schaffen kann, oder nicht?"
https://www.sueddeutsche.de/politik/brandenburg-dauerbaustelle-1.2523911
mlsum-de-9773
In Potsdam soll eine Synagoge gebaut werden - doch das Projekt scheitert am Streit der vier jüdischen Gemeinden. Ein neuer Plan soll den Konflikt nun lösen.
Ein Bauplatz ist längst gefunden. In der Mitte der Stadt Potsdam, gleich beim neuen Landtagsschloss, soll in der Schlossstraße endlich wieder eine Synagoge entstehen, so ist das beschlossen worden, vor Jahren schon. In der Landeshauptstadt Brandenburgs leben inzwischen wieder etwa 800 Juden, sie brauchen ein Gotteshaus. Für den Bau steht auch das nötige Geld schon lange zur Verfügung, die Landesregierung in Brandenburg hat etwa fünf Millionen Euro dafür vorgesehen. Es gibt einen Entwurf für den Bau, vor sechs Jahren gewann das Berliner Architektenbüro Haberland den Wettbewerb. Und doch weist derzeit nur ein Transparent in der Schlossstraße darauf hin, dass hier einmal ein Gotteshaus entstehen soll. Geschehen ist seit Jahren nichts, sieht man von ständigem Streit ab, den erbitterten Fehden der jüdischen Gemeinden in Potsdam. Sie konnten sich nicht einigen, wie das Gotteshaus gestaltet und genutzt werden soll. Jetzt hat Brandenburgs Kulturministerin Sabine Kunst, deren Haus sich seit Jahren um eine Schlichtung bemühte, eine mögliche Lösung präsentiert. Die Zentralwohlfahrtstelle der Juden in Deutschland ZWST soll das Gebäude an der Schlossstraße als Träger führen. Die ZWST ist als Dachverband der Wohlfahrtspflege für etwa 100 jüdische Gemeinden eine angesehene Institution. Bauen wird die Landesregierung. Geplant ist nun ein jüdisches Zentrum mit einer Synagoge als Kern. Es soll den Gemeinden zur Verfügung stehen für Gottesdienste und für Versammlungen, Konzerte oder auch Schulungsveranstaltungen. Die ZWST soll die vier jüdischen Gemeinden in Potsdam zu einem Kompromiss führen. Der Stillstand belastete die Landesregierung seit Langem, bis vor Kurzem war Brandenburg das einzige Bundesland ohne jüdisches Gotteshaus. Inzwischen gibt es zwar eine Synagoge in Cottbus, aber eben keine in der Landeshauptstadt. Nun sagt die parteilose Ministerin Sabine Kunst mit ein wenig Zuversicht: "Ja, wir sehen es so, dass dies das Durchschlagen eines gordischen Knotens ist." Eine jüdische Einrichtung könne den Konflikt offenbar besser lösen als die Landesregierung. Die Einrichtung eines jüdischen Zentrums in der historischen Mitte Potsdams sei dem Land ein "fundamentales Anliegen", sie werde ein Symbol dafür sein, dass jüdisches Leben in Potsdam wieder dort präsent sein kann, "wo es hingehört: im Herzen der Stadt." Freilich lässt sich noch nicht sicher sagen, ob und wie dieser Weg funktionieren wird. Ihre Hoffnung ist, dass die ZWST als Träger des Projekts den Streit der vier Gemeinden auflösen kann, "weil sie genug Abstand hat", so der zuständige Staatssekretär Martin Gorholt. Der Vorsitzende der ZWST und Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Abraham Lehrer, präsentierte das Konzept gemeinsam mit der Ministerin. "Wir sind guten Mutes, dass wir eine Verständigung der Gemeinden erreichen können", sagte Lehrer. Er hoffe, die emotionalen Aspekte an den Rand drängen zu können. Zwei der Gemeinden hätten, so sagt Lehrer, diese Woche nach einem zunächst kontroversen Vorgespräch ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert. Mit ihnen habe er schon länger Arbeitskontakte, mit den beiden anderen Gemeinden werde er erst das Gespräch suchen müssen, um ein Konzept zu entwickeln. Eine von ihnen reagierte am Dienstag aber bereits mit harscher Kritik. Es wird also kein leichter Weg, der Streit der Gemeinden galt zuletzt als unlösbar, bei der Präsentation des neuen Konzepts waren keine Vertreter der Gemeinden dabei. Lehrer verspricht, geduldig zu sein, sich Zeit zu nehmen für die Gespräche über das neue Haus mit den Gemeinden, die wie auch anderswo in Ostdeutschland erst nach der Wiedervereinigung wieder neu gewachsen sind. Keine der vier Gemeinden solle ausgeschlossen werden. Aber wenn eine das Gespräch ablehne, "werden wir uns mit denjenigen einigen, die mitmachen". Auch Ministerin Sabine Kunst sagt: "Es gibt die Errichtung dieses Zentrums, notfalls auch, ohne dass alle Gemeinden mitmachen." Aber noch hat Lehrer Zeit. Es gibt keinen Termin für den Baustart, im Spätherbst 2017, also in mehr als zwei Jahren, soll das Jüdische Zentrum Potsdam in Betrieb gehen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/wettskandal-zocker-gegen-zocker-1.16763
mlsum-de-9774
Im bislang größten europäischen Fußball-Wettskandal erhärtet sich der Verdacht der Bandenkriminalität - die Staatsanwaltschaft plant erste Anklagen.
Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Bochum wird voraussichtlich schon in den nächsten Wochen die erste Anklage im bislang größten europäischen Fußball-Wettskandal erstellen. Eine Reihe von Prozessen mit insgesamt mehr als einem Dutzend Angeklagten steht dann ab Spätsommer an. Den meisten von ihnen wird vermutlich gewerbsmäßiger Bandenbetrug vorgeworfen werden. Die Staatsanwaltschaft peilt angeblich bei zentralen Figuren Strafen zwischen vier und sechs Jahren Haft an. Fünfzehn Verdächtige waren am 19. November 2009 bei einer Groß-Razzia der Bochumer Schwerpunktstaatsanwaltschaft und des örtlichen Kriminal-Kommissariats 21 in Deutschland festgenommen worden. In der Schweiz gab es zwei Festnahmen. Angeblich waren 200 Fußballspiele in neun Ländern manipuliert worden. Zehn der Beschuldigten sitzen noch immer in NRW in Haft. Der Verdacht der Fahnder, die seit Januar 2009 ermitteln, basierte anfangs im Wesentlichen auf abgehörten Telefongesprächen, abgefangenen SMS und der Auswertung von E-Mails; die Lektüre war ein manchmal sehr wüster Stoff voller zum Teil merkwürdiger Geschichten. Inzwischen hat sich die Beweislage, aus Sicht der Strafverfolger zumindest, noch erheblich verbessert und den alten Verdacht bestätigt. Bei etlichen Hausdurchsuchungen wurde belastendes Material gefunden. Mehr als ein halbes Dutzend der Inhaftierten hat zum Teil sehr ausführliche Geständnisse abgelegt. So hat einer der Hauptverdächtigen über einen Zeitraum von sechs Wochen an zehn Vernehmungstagen ausführlich ausgepackt. Er hat, ebenso wie andere Verdächtige, auch über die Szene des VfL Osnabrück geredet. Danach sollen die ehemaligen Spieler Marcel Schuon, Thomas Cichon und Bilal Aziz entweder von Spielmanipulationen gewusst oder sie gefördert oder mit verschobenen Spielen Geld verdient haben. Insbesondere Schuon und Aziz werden in Vernehmungen schwer belastet. Schuon und Cichon haben schon vor Monaten vehement dementiert, auch nur irgendein Spiel verschoben zu haben. Daran hat sich nichts geändert. Ihr früherer Osnabrücker Mitspieler Thomas Reichenberger hingegen, gegen den auch Ermittlungen eingeleitet worden sind, wurde von mehreren Tatverdächtigen entlastet. Von illegalen Kontakten Reichenbergers sei ihm nicht bekannt, sagte ein im Raum Niedersachsen tätiger Zockerkönig. Die meisten der Geständnisse, die insgesamt rund eintausend Seiten umfassen, beziehen sich auf verschobene Spiele in der Türkei. So provinziell die verdächtige deutsche Szene wirkt, so fiebrig ist die türkische Szene. Rund vierzig Verdächtige sitzen derzeit wegen des Wettskandals in Haft. Betroffen sind vor allem Vereine der zweiten und dritten Liga. Türkische Ermittler arbeiten eng mit Bochumer Fahndern zusammen. Die in Deutschland operierende Bande hatte, den Ermittlungen zufolge, keinen engen Zusammenhang. Ihre Zentren waren Berlin, das Ruhrgebiet und Nürnberg. Die beiden Köpfe der Bande sollen der aus Herten stammende Deniz C. und der Berliner Ante Sapina gewesen sein. Sapina, in der Wettszene als "Navigator" bekannt, weil er schon in den ersten Wettskandal im Jahr 2005 verstrickt war, gilt vergleichsweise als sanft. Der Wettpate Deniz C. hingegen wird von Ermittlern eher dem Milieu der Organisierten Kriminalität zugerechnet und er gilt als sehr robust. Sapina und C. sind angeblich nie zusammengetroffen und hatten nicht direkt miteinander zu tun. Die aus dem Ruhrgebiet und die aus Berlin waren über Bekannte im Frankenland miteinander verbunden. Drei gekaufte Spieler pro Partie In ihren Geständnissen beklagen manche der illegalen Zocker den Umstand, sie seien von den anderen reingelegt worden. Beispielsweise seien Wettschulden oft nicht bezahlt worden. So soll Mario C. aus Nürnberg 300 000 Euro Schulden bei Nurettin G. aus Lohne gehabt haben, der sechs Wettbüros besaß. G. wiederum hatte bei Tuna A. sehr viel Geld verloren. Die meisten Akteure agierten wie Zocker, die an der Nadel hängen. Es wurde getrickst und getäuscht. Verbindungsleute im Ausland forderten von deutschen Paten hohe fünfstellige Summen für angeblich gekaufte Spieler. Allerdings wussten die Kicker offenkundig nichts von einer geplanten Manipulation: "Der Penner, der das Spiel verkauft hat, hat drei Tore gemacht", klagte der Zocker Mario C., dessen Telefon abgehört wurde. Das gängige Muster für ein verschobenes Spiel waren drei gekaufte Spieler in einer Mannschaft. "Zwei sind zu wenig", soll der kundige Sapina gesagt haben, der bislang noch nicht ausgepackt hat. Manchmal wurde auch die gesamte Mannschaft gekauft. Auch soll ein Funktionär eines türkischen Vereins der gegnerischen Mannschaft eine Siegprämie versprochen haben, weil er gegen das eigene Team gewettet habe. Weil im Oktober 2009 ein von deutschen Wettpaten angeblich gekauftes Spiel zwischen dem türkischen Erstligisten Kayserispor und Eskisehirspor anders ausging als gewettet, soll ein deutscher Pate zwei Spieler - einer war der Ex-Osnabrücker Bilal Aziz - heftig bedroht haben. Beide beichteten daraufhin dem Vereinsmanager die Geschichte. Aziz wurde im Januar 2010 vom Verein suspendiert, sein Kollege kam im März in Haft. Die Drohung sei nicht ernst gemeint gewesen, sagte einer der Paten in Bochum bei seiner Vernehmung. Ein Kollege, der mit Aziz nach dem Spiel gesprochen hatte, habe maßlos übertrieben. Gewalt lehne er ab.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/segeln-vorteil-nordlichter-1.4067587
mlsum-de-9775
In der Bundesliga bleibt der Bayerische Yacht-Club der einzige Vertreter aus der Region mit Titelchancen. Der Vorjahreszweite Tutzing dagegen kommt der Abstiegszone immer näher.
Das Format ist vom Fußball übernommen, auch die Segel-Bundesliga hat Spieltage und kürt am Ende einer langen Saison den deutschen Meister. Es gibt aber einen gravierenden Unterschied zum Lieblingssport der Deutschen: Im Segeln steht Hamburg an der Tabellenspitze, sowohl in der ersten als auch in der zweiten Bundesliga. Am Wochenende fand im Rahmen der Travemünder Woche in der Lübecker Bucht der dritte Spieltag statt, die Athleten fanden angesichts des heißen Sommerwetters weitgehend gute, mitunter karibisch anmutende Bedingungen vor. Was zur Folge hatte, dass in beiden Spielklassen die maximale Anzahl der geplanten Wettfahrten durchgeführt werden konnte - zum ersten Mal in dieser Saison. Die Spieltage auf dem Bodensee und zuletzt auf dem Starnberger See vor Tutzing mussten aufgrund der schwierigen Winde vorzeitig beendet werden. "Wir müssen nicht jedes Jahr auf dem Podium stehen", sagt der DTYC-Vorsitzende Stückl Der Norddeutsche Regatta Verein aus Hamburg, dreimaliger Titelträger in der noch recht jungen Geschichte dieses Segelformats, war im hohen Norden eine Klasse für sich und hatte den Sieg bereits zwei Rennen vor Schluss in der Tasche. Damit stehen die Hamburger wieder an der Spitze des Tableaus, was im Übrigen in der zweiten Liga für den Mühlenberger Segel-Club gilt, der ebenfalls in Hamburg beheimatet ist. Die drei Vertreter aus der Region München immerhin sind allesamt erstklassig. Jene Klubs, deren Revier der Starnberger See ist, werden aber ebenfalls in großer Eintracht mit der Titelvergabe in diesem Jahr nichts zu tun haben. Leuchtendes Beispiel der bajuwarischen Fraktion ist der Bayerische Yacht-Club (BYC), der allerdings vor Travemünde sein bisher schlechtestes Ergebnis einfuhr. Klubmanager Ilja Wolf hat als Saisonziel "Platz eins bis sechs" ausgegeben, diesbezüglich ist sein Team absolut im Soll. Allerdings fällt der BYC nach dem zehnten Platz von Travemünde im Gesamtklassement einen Rang nach hinten und ist nun Fünfter, der Abstand zu den führenden Hamburgern und dem zweitplatzierten Württembergischen Yacht-Club ist mit neun und acht Zählern aber keinesfalls erschreckend. Der Münchner Yacht-Club (MYC) war mit dem Spieltag "sehr zufrieden", wie Sportwart Michael Liebl sagte. Zwar begann er miserabel, "wir waren nach dem ersten Tag Vorletzter", erinnert sich Liebl. Doch dann habe der Wind gedreht. Erst hätte seine Crew mit der Brise vom Meer und den dadurch entstehenden Strömungen zu kämpfen gehabt, "da haben die Nordlichter natürlich einen Vorteil". Am Meer habe man öfter mit solchen Bedingungen zu tun, so Liebl, als aber der Wind drehte und landseitig kam, "sind wir deutlich besser zurecht gekommen". Zwei Siege in den letzten beiden Flights spülten den MYC noch auf Platz neun, er war damit bester Vertreter des bayerischen Trios. In der Gesamtwertung ist der MYC nun Zehnter und damit "ein gutes Stück von den Abstiegsplätzen entfernt", wie Liebl erfreut zur Kenntnis nimmt. Was für die Konkurrenten aus Tutzing nicht gilt: Der zweimalige deutsche Meister und Vorjahreszweite hat eine weitere Enttäuschung hinnehmen müssen. Platz elf in Travemünde bedeutet für den Deutschen Touring Yacht-Club (DTYC) in der Gesamtwertung nun den 13. Rang, der Abstand zur gefährlichen Zone ist auf drei Punkte geschrumpft. Für den DTYC-Vorsitzenden Wolfgang Stückl aber kein Grund zur Panik: "Ich bin da völlig entspannt, wir müssen nicht jedes Jahr auf dem Podium stehen." Die vergangenen vier Jahre "waren der Wahnsinn", so Stückl, womit er neben den zwei deutschen Titeln auch den Triumph in der Champions League meint, jetzt müsse man "halt einen Generationswechsel vollziehen". Vorrangiges Ziel sei der Klassenerhalt, sicherheitshalber wird für die drei letzten Spieltage Bundestrainer Marek Chocian nach Tutzing zurückkehren, der als Jugendtrainer die so erfolgreiche Generation um Julian Stückl, Patrick Follmann, Tobias Bolduan oder Maximilian Weiss hervorgebracht hat - ehe er beim Deutschen Segler-Verband anheuerte. "Er freut sich wahnsinnig, die Jungs wiederzusehen", weiß Vorstand Stückl, der keine Zweifel hat, "dass wir in der Tabelle noch klettern werden". Es sei nun mal eine Umbruchsaison. "Es hilft ja nichts. Da geht es uns wie der Nationalmannschaft", sagt Stückl. Er meint die Fußballer.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/berlin-kein-haus-ist-dein-haus-1.3987577
mlsum-de-9776
In einer konzertierten Aktion besetzen Aktivisten Gebäude in mehreren Bezirken der Hauptstadt, um gegen Wohnungsnot und Gentrifizierung zu protestieren. Unterstützung kommt von unerwarteter Seite.
Außen am Haus hängen Transparente, auf denen "Wohnen ist Menschenrecht", "Alles allen" oder "Die Häuser denen, die sie brauchen" steht. Drinnen dann 56 Leute, die dort gar nicht wohnen, sie haben das Haus besetzt, auf der Straße versammeln sich Dutzende Unterstützer zu einer spontanen Demonstration. Später werden dann Beamte kommen und das Haus räumen, zeitweise ist eine Hundertschaft der Polizei im Einsatz, weil die Eigentümer Räumungsklage beantragt haben. Es wird ein paar leichte Verletzungen und eine heftige Diskussion darüber geben, ob das nun eine Form von Protest ist oder bereits Extremismus. Frühjahr 2018. Berlin ist wieder das, was es früher schon einmal war: die Stadt, die mit Hausbesetzungen im großen Stil von sich reden macht. Die Aktivisten, die am Pfingstwochenende unter dem Slogan "#besetzen" losgezogen sind, drangen gleich in neun Häuser der Hauptstadt ein oder taten zumindest so, als ob und brachten Plakate an den Fassaden an. Bei der Polizei war von acht betroffenen Häusern die Rede, in den meisten Fällen habe es sich um "Scheinbesetzungen" gehandelt, sagte ein Sprecher. In ein Haus in Berlin-Neukölln schleppten die Aktivisten Tische und Stühle, um in 40 Wohnungen "offenen, unkommerziellen Kiezraum" und "selbstverwalteten Wohnraum" zu schaffen, wie sie das nennen. Sie konnten das, weil das Haus seit mehreren Jahren leer steht. Und das, obwohl es einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft gehört und es in Berlin seit 2014 eigentlich verboten ist, Wohnungen mehr als einige Monate lang leer stehen zu lassen, dies regelt das so genannte Zweckentfremdungsgesetz. Es könne schließlich nicht angehen, dass Zehntausende Menschen in der Hauptstadt wohnungslos seien und ein immer größerer Teil der Einkommen für steigende Mieten aufgewendet werden müsse, sagte ein Sprecher der Aktivistengruppe. Angesichts der vorherrschenden Gentrifizierung sei es "illegitim, dass Häuser leer stehen". Jedes Jahr ziehen 50 000 Menschen nach Berlin, und schon jetzt fehlen 130 000 Wohnungen Es ist nicht die erste Aktion dieser Art. Immer wieder wurden in Berlin in den vergangenen Jahren Wohnungen besetzt, die leer standen oder über die Internet-Plattform "Airbnb" an Touristen vermietet werden und damit dem regulären Berliner Wohnungsmarkt entzogen sind. Früher wurden in Berlin Häuser besetzt, um darin zu wohnen, die Hausbesetzer von heute protestieren dagegen, dass niemand darin wohnt. Gegen die Besetzer werde derzeit wegen Hausfriedensbruchs ermittelt, heißt es bei der Berliner Polizei. Die Reaktionen auf die Besetzung sind gespalten. Zuspruch bekommen die Aktivisten ausgerechnet aus der Politik. So findet es der Kreuzberger Kommunalpolitiker Florian Schmidt (Grüne), "gut, dass nun Zeichen gesetzt wurden". Kritiker wiederum werfen dem rot-rot-grünen Berliner Senat vor, die Situation, gegen die nun protestiert wird, selbst verursacht zu haben. Fest steht, dass in Berlin wie in vielen Großstädten der Wohnraum knapp ist. Berechnungen zufolge fehlen in der Hauptstadt mindestens 130 000 Wohnungen, um den Zuzug aufzufangen, jedes Jahr ziehen 50 000 Menschen nach Berlin. Die Mietpreise haben sich seit dem Jahr 2005 von knapp fünf Euro für den Quadratmeter mehr als verdoppelt, und das in einer Stadt, in der die Einkommen nach wie vor niedrig sind und jedes dritte Kind von Hartz IV lebt. Die Zeit der Hausbesetzungen dürfte in Berlin also noch lange nicht zu Ende sein.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/korruption-griechische-geschaefte-1.3073311
mlsum-de-9777
Manfred Bode, Miteigentümer des Panzerbauers Krauss-Maffei Wegmann, droht ein Prozess. Der Vorwurf: Bestechung in Griechenland.
Manfred Bode, ein einflussreicher Rüstungs-Industrieller Mitte siebzig, gibt sich gerne genauso geheimnisvoll wie seine Firma und seine Branche. Öffentliche Auftritte oder gar Interviews? So gut wie nie! Da musste dem einstigen Waldorfschüler, und heutigen Aufsichtsratschef wie Gesellschafter der Panzerschmiede Krauss-Maffei Wegmann (KMW) schon das Bundesverdienstkreuz oder der Bayerische Verdienstorden verliehen werden, um ihn in größerer Runde zu finden. Und selbst dann galt: geschlossene Gesellschaft! Mit verschlossenen Türen hat es auch die Staatsanwaltschaft München I zu tun, die den Mitinhaber von KMW einem interessierten Publikum etwas näher bringen will. Die Ermittler arbeiten an einer Anklage gegen Bode wegen Steuerhinterziehung zugunsten seines Konzerns. Es geht um griechische Geschäfte. Noch im Sommer könnte die Anklageschrift gegen Bode und weitere Beschuldigte fertig werden. Falls es zu einem Prozess käme, müsste der Industrielle vor dem Landgericht München I erscheinen, aber reden müsste er dort nicht. Nach Ansicht der Ermittler könnte Bode eine der Hauptrollen in einem Waffen- und Politkrimi um 24 Panzerhaubitzen der Marke PzH 2000 spielen, die KMW im vergangenen Jahrzehnt für 188 Millionen Euro nach Griechenland verkauft hat. Um den lukrativen Auftrag zu bekommen, soll der weltweit für seine Leopard-Panzer bekannte Rüstungskonzern Schmiergeld in Athen gezahlt haben. Mithilfe von Mittelsleuten einschließlich zwei früheren SPD-Politikern; also mithilfe eines kleinen Kreises von Eingeweihten, einer Art geschlossenen Gesellschaft. Der Tatbestand der Bestechung wäre allerdings verjährt. Übrig bliebe ein Betrug am Staat, weil Schmiergeld-Millionen zu Unrecht als steuermindernde Betriebsausgaben beim Fiskus in München geltend gemacht worden seien, so der Vorwurf der Strafverfolger. Das beträfe Steuererklärungen des in Kassel und München ansässigen Rüstungskonzerns auch aus den Jahren von 2002 bis 2004, die Bode nach Erkenntnissen der Justiz mit unterschrieben hat. Der Mitinhaber von KMW war damals noch Geschäftsführer, ehe er später den Aufsichtsratsvorsitz übernahm. Auch zwei frühere SPD-Politiker sollen auf die Anklagebank Bodes Rechtsanwalt teilt dazu auf SZ-Anfrage mit, sein Mandant weise "nachdrücklich darauf hin, dass der gegen ihn gerichtete Verdacht ohne tatsächliche Grundlage und deshalb unzutreffend ist". Der Rüstungsindustrielle hat, via Anwalt, der Staatsanwaltschaft eine umfangreiche Stellungnahme zukommen lassen. In der weist Bode ebenfalls sämtliche Vorwürfe vehement zurück. Das hält die Ermittler wohl nicht von einer Anklage ab. Neben Bode soll es noch ein oder zwei damalige KMW-Manager treffen, zudem die ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Dagmar Luuk und Heinz-Alfred Steiner. Die beiden hatten, nach ihrer Zeit im Parlament und zusammen mit einem Partner, ein Büro für Südeuropaberatung (BfS) gegründet. Einzige Aufgabe des BfS soll es Justiz-Erkenntnissen zufolge gewesen sein, der Panzerschmiede Krauss-Maffei Wegmann für gut fünf Millionen Euro Honorar zu helfen, die 24 Panzerhaubitzen nach Griechenland zu verkaufen. Dafür habe das BfS seine Beziehungen zum damaligen Verteidigungsminister Akis Tsochatzopoulos spielen lassen, einem der einst führenden Männer in der sozialistischen Pasok in Athen. Heute sitzt Tsochatzopoulus wegen Korruption bei anderen Rüstungs-Geschäften in Athen im Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft betrachtet Luuk, Steiner und Tsochatzopoulos als gemeinsame Akteure bei dem Rüstungsdeal. Das Millionen-Honorar von Krauss-Maffei Wegmann für das Südeuropa-Büro der beiden ehemaligen SPD-Politiker sei Schmiergeld gewesen. Die Ermittler stützen sich bei ihrer geplanten Anklage gegen Bode und weitere KMW-Leute wegen Steuerhinterziehung sowie gegen Luuk und Steiner wegen Beihilfe hierzu auf ein Ende 2015 ergangenes Urteil des Münchner Landgerichts. Das befand einen früheren KMW-Manager, einen Ex-Kollegen von Bode, im Falle der Panzerhaubitze der Steuerhinterziehung und der Beihilfe hierzu für schuldig. Elf Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung lautete das Strafmaß. Das Landgericht kam damals zu dem Ergebnis, das Millionen-Honorar für die früheren SPD-Abgeordneten Luuk und Steiner sei Schmiergeld gewesen und hätte deshalb nicht von der Steuer abgesetzt werden dürfen. In dem Urteil gegen den früheren KMW-Kollegen von Bode stehen auch deutliche Sätze über den Rüstungs-Industriellen selbst. Die damalige Geschäftsführung der Panzerschmiede habe, nach Erkenntnissen des Gerichts, eine (inzwischen verjährte) "strafbare Bestechung begangen"; Bode sei einer der "Täter" bei der späteren Steuerhinterziehung gewesen. Dem Richterspruch lässt sich auch entnehmen, dass der verurteilte KMW-Mann seinem damaligen Chef Bode einst auch von einer vorgesehenen Zahlung an einen griechischen General berichtet habe. Ein Firmenanwalt soll daraufhin betont haben, dies dürfe man "nicht ... in die Akten nehmen". Dieses Urteil ist allerdings wegen Revisionen beim Bundesgerichtshof noch nicht rechtskräftig. Hinzu kommt: Bode stand nicht vor Gericht, er konnte sich folglich auch nicht verteidigen. Bodes Anwalt erklärt, die Passagen über seinen Mandanten in dem Richterspruch seien "unzutreffend" und beruhten alleine auf den Aussagen des verurteilten KMW-Mannes. Dessen Aussagen seien "im hohen Maße frag- und kritikwürdig". Auch die übrigen Beschuldigten, einschließlich der früheren SPD-Politiker Luuk und Steiner, weisen die Vorwürfe zurück. Ob es zum Prozess kommt, oder nicht, bleibt abzuwarten.
https://www.sueddeutsche.de/politik/debatte-um-polizeigewalt-in-usa-und-dann-twittert-trump-das-sind-alles-nur-schlaeger-1.3336148
mlsum-de-9778
Was bedeutet Donald Trump für die "Black Lives Matter"-Bewegung? Autor Wesley Lowery erklärt, warum eine brandgefährliche Situation entstehen könnte.
Am ersten Jahrestag des Todes von Michael Brown protestierten in Ferguson trotz starken Regens viele Menschen gegen Polizeigewalt. Wesley Lowery hat für die Washington Post aus Ferguson und anderen US-Städten über Polizeibrutalität berichtet. Für seine Recherchen erhielt der 26-Jährige 2016 den Pulitzer-Preis. In seinem lesenwerten Buch "They Can't Kill Us All" berichtet er über die "Black Lives Matter"-Bewegung - und warum es so schwer ist, die US-Polizei zu reformieren. SZ: Wieso hat der Tod von Mike Brown im August 2014 in Ferguson eine nationale Debatte ausgelöst? Auch in den Jahren zuvor waren immer wieder Afroamerikaner von Polizisten erschossen worden. Wesley Lowery: Für mich steht Ferguson für die durchschnittliche amerikanische Kleinstadt. Vor August 2014 dachten viele: Brutale Polizisten gibt es nur in Großstädten wie New York, Chicago oder Los Angeles, wo Rodney King brutal verprügelt wurde. In den Metropolen gibt es Korruption, dort leben Verbrecher, da fallen tödliche Schüsse. Als die Proteste in Ferguson begannen, waren alle überrascht und nahmen an: "Das muss ein ultrakonservativer Ort mit extrem rassistischen Polizisten sein." Als ich in Missouri ankam, entdeckte ich eine ganz andere Geschichte. Warum war die Wut in Ferguson so groß? Detailansicht öffnen Wesley Lowery hat für seine Recherchen 2016 den Pulitzer-Preis erhalten. (Foto: privat) In Gesprächen hörte ich, dass die Cops sehr aggressiv waren und Unmengen an Strafzetteln verteilten. Diese Einnahmen waren ein wichtiger Teil des Stadtbudgets und arme Afroamerikaner in alten Autos waren das Ziel. Wer die Strafe für zu schnelles Fahren nicht zahlen konnte, landete im Gefängnis. Als schließlich ein toter Teenager auf der Straße lag und die Leiche vier Stunden lang nicht abgeholt wurde, sagten die Schwarzen: "Es reicht, genug ist genug." Die Demonstrationen wurden auch immer größer, weil Schwarze und Latinos seit Jahrzehnten die gleichen Erfahrungen gemacht haben. Genau, die Probleme von Ferguson sind übertragbar. Ich war die vergangenen Jahre ständig unterwegs, um über "Black Lives Matter" zu berichten und jene Fälle zu recherchieren, die heute die ganze Welt kennt. In Cleveland wurde Tamir Rice erschossen. Freddie Gray starb in Baltimore, Philando Castile nahe Minneapolis. Überall versicherten Bürgermeister: "Wir sind kein zweites Ferguson, bei uns ist es anders." Mittlerweile ist klar, dass sich die Schwarzen diese Geschichten nicht ausdenken. Die Amtszeit von Barack Obama ist zu Ende. Hätte sich der erste schwarze Präsident nicht klarer zu Wort melden müssen? Ich glaube nicht, dass mehr Reden viel gebracht hätten. Gerade für einen schwarzen Präsidenten gilt: Alles, wozu er sich äußert, wird sofort politisiert. Weil Obama oft schwieg, wurde die Debatte nicht noch giftiger. Polizei wird in den USA lokal organisiert in 19 000 verschiedenen police departments, doch das Justizministerium hat viel getan, um Reformen in Baltimore oder Cleveland zu erzwingen. Der Report zu Ferguson dokumentiert "institutionellen Rassimus" und der gerade publizierte Bericht zu Chicago hält fest, dass Polizisten gefoltert haben und schlecht ausgebildet wurden. Solange der Kongress die Gesetze nicht ändert, kann eine Bundesregierung nicht mehr tun. Obama verdient Lob, denn solche Untersuchungen gab es kaum unter Bush oder Clinton. Für Trump, der stets von "beautiful police" spricht, hat das wohl keine Priorität. Donald Trump hat bisher kaum Details genannt. Er betont, dass er für 'Law and Order' steht und findet, dass die Cops zu Unrecht kritisiert werden. Weil die Regierung das nicht tut, sammelt die Washington Post in einer Datenbank alle Fälle, wenn ein Polizist jemanden erschießt. Das hält Trump für überflüssig. Aber ich denke, dass Trump sich anders verhalten wird als Obama, der stets die Proteste verteidigt hat, solange sie friedlich waren. Man kann sich leicht vorstellen, wie sich nach dem Tod eines jungen Schwarzen neue Protestierende versammeln und dann twittert Trump: "Das sind alles nur Schläger." So etwas ist brandgefährlich und kann die Situation eskalieren lassen. "Black Lives Matter" hat keine Anführer, die Gruppen sind dezentral organisiert. Niemand weiß, wie die Leute auf eine solche Aussage Trumps reagieren würden. Mir macht noch etwas Sorge: Was ist das für eine Botschaft aus dem Weißen Haus an die Polizei vor Ort, wenn der Präsident sagt: "Kesselt die Protestierenden ein, die haben das verdient." Wer weiß, in welchem Maß die Meinungsfreiheit und das Demonstrationsrecht unter Trump garantiert werden. Bisher wussten die Aktivisten, dass Obama eine grundsätzliche Sympathie für ihre Proteste hatte und als schwarzer Mann die Diskriminierung im Alltag kennt. Die Kritik der Aktivisten an Obama war harsch, weil sie einen höheren Standard ansetzten: "Du bist einer von uns, du musst das doch verstehen." Die Demonstrationen werden aber weitergehen. Ja, die Aktivisten wollen alles tun, damit sich die Polizeiarbeit verbessert und Reformen umgesetzt werden. Eine Wortführerin, Brittany Packnett, hat mir gesagt: "Unsere Bewegung fordert, dass man aufhört uns zu töten. Solange Schwarze von der Polizei getötet werden, protestieren wir weiter." Wie lässt sich das Verhältnis zwischen Bürgern und Polizei verbessern? Wir müssen ehrlicher sein. Oft heißt es, dass man nur das Vertrauen der Nichtweißen in die Polizei wiederherstellen müsse. Das ist unmöglich, denn Schwarze und Latinos haben den Cops nie vertraut. Hier spielt zum einen die Geschichte eine Rolle: Es waren Polizisten, die entflohene Sklaven einfingen und später die Rassentrennung durchsetzten. Zum anderen ist die heutige Lage eine Folge politischer Entscheidungen. Ein Beispiel ist der Fall von Eric Garner in New York ... ... der Familienvater wurde von einem Polizisten gewürgt, obwohl er "I can't breathe" rief. Zum Gerangel kam es, weil Garner angeblich einzelne Zigaretten verkauft hatte, was verboten ist. Politiker setzen solche Prioritäten in der Strafverfolgung, weil sie an die widerlegte "Theorie der zerbrochenen Fenster" glauben. Jemand wie Garner sollte für die Polizisten eine Informationsquelle sein. Er stand täglich an der Ecke und sah alles. Oder Walter Scott, der in North Charleston erschossen wurde, als er nach einer Verkehrskontrolle weglief. Es war wie in Ferguson: Der Verkehrsstopp geschah rein auf Verdacht, weil Scott ein altes Auto fuhr. Ich finde die Frage legitim: Wenn sich Polizeiarbeit auf Arme und Minderheiten konzentriert, führt das nicht automatisch zu mehreren solchen Situationen?
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/was-kommt-sz-finanztag-1.2881357
mlsum-de-9779
Am Dienstag und Mittwoch treffen sich Akteure der Finanzindustrie in Frankfurt, um den Zustand der Finanzwirtschaft zu vermessen.
Reden wir über Chefs. Für einen angestellten Manager ist die Zeit an der Spitze eines Unternehmens immer endlich. Egal wie (selbst-)herrlich er womöglich regiert hat, früher oder später kommt der Abgang - fragt sich nur: wie? Auf einen sonnenbeschienenen Ausstand darf sich der Holländer Marijn Dekkers, 58, freuen: Dem nach Plan ausscheidenden Vorstandsvorsitzenden des deutschen Traditionskonzerns Bayer, der gerade eine goldene Jahresbilanz vorgelegt hat mit lauter Kurven, die nach oben zeigen, wird allgemein ein hervorragendes Zeugnis ausgestellt. Da kann der Job in den kommenden, letzten Wochen bis Ende April so richtig Spaß machen. Ganz anders läuft es beim langjährigen Chef des börsennotierten Groß-Herrenausstatters Hugo Boss. Claus-Dietrich Lahrs, erst 52 Jahre alt, amtiert formal auch noch in der kommenden Woche, ist aber praktisch bereits raus: Das plötzliche Ende einer rasanten Managerkarriere steht natürlich, auch wenn niemand offiziell darüber redet, im Zusammenhang mit neuerdings deutlich schlechter laufenden Geschäften bei Hugo Boss. Das hatte sich der erfolgsverwöhnte Lahrs klar anders vorgestellt. Mit Krisen hat wiederum Scott Hardy Erfahrung. Hardy ist seit 2004 bei Polaroid, dem traditionsreichen amerikanischen Konzern, dessen Sofortbilder mal ein großer Hit waren, die aber mit der Digitalisierung ratzfatz aus der Mode gekommen sind. Hardy hat eine von zwei Insolvenzen selbst miterlebt. Bevor er ins Führungsamt kam, hatte das Unternehmen in fünf Jahren sechs Chefs. Hardy hält sich seit 2009 an der Spitze. Wie, das erzählt er im kommenden Montagsinterview. Eine Woche später, das sei schon verraten, kommt dort Fritz Joussen zu Wort, der Chef des Tourismuskonzerns Tui. Der wird im Gespräch gerne auch mal persönlich. "Life is not a rehearsal", das Leben ist keine Generalprobe, sagt er und meint: Weil man eben nur diesen einen Versuch habe, müsse man das Leben auskosten, so gut es irgendwie geht. Für ihn selbst habe das zum Beispiel bedeutet, die Idee einer Karriere als Finanzinvestor wieder zu verwerfen. Er wolle lieber mit Menschen arbeiten, sagt Joussen. "Ich bin gern mit Menschen zusammen, das ist auch meine Art, den Job zu machen. Ich funktioniere über die Menschen in meinem Umfeld." An Kontakt zu seinen Mitarbeitern mangelt es ihm nicht, Joussen reist das ganze Jahr über - passt zum Chef eines Reisekonzerns. Was noch? Der SZ-Finanztag natürlich! Am Dienstag und Mittwoch der kommenden Woche treffen sich wichtige Akteure der Finanzindustrie auf Einladung der Süddeutschen Zeitung in Frankfurt am Main, um den Zustand der deutschen und europäischen Finanzwirtschaft zu vermessen. Mit dabei die Chefs der großen Finanzhäuser: beispielsweise John Cryan von der Deutschen Bank mit einem seiner ersten großen Auftritte, und Sergio Ermotti von der Schweizer UBS, der beim "Neuerfinden" schneller vorangekommen ist andere. Die Tagung wird eröffnet vom österreichischen Finanzminister Hans Jörg Schelling. Von ihm, so sind die Zeiten, erhofft man sich auch auf einer Finanztagung Aufklärung über die Flüchtlingskrise.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/angebliche-vergewaltigung-empoerung-ueber-geschmacklose-bratwurst-werbung-von-wiesenhof-1.3051365
mlsum-de-9780
"Danach müssen Gina und Lisa in Traumatherapie", sagt der Komödiant in dem Werbespot. Eine Anspielung auf den Fall Lohfink? Im Netz ist die Empörung groß.
Im Netz brandet Empörung auf gegen den Fleischfabrikanten Wiesenhof und Komödiant Atze Schröder. Der hält in einem Werbespot für das Grillgut des Herstellers grinsend die "größte Wurst des Sommers" in die Kamera und empfiehlt, danach müssten "Gina und Lisa erstmal in die Traumatherapie". Der Clip ist bereits einige Monate alt, erhält aber vor dem Hintergrund der Diskussion um die mutmaßliche Vergewaltigung des Models Gina-Lisa Lohfink neue Brisanz. Am kommenden Montag wird der Prozess gegen Lohfink wegen falscher Verdächtigung fortgesetzt. Kritiker werten Schröders Kommentar als geschmacklose Anspielung auf die Vergewaltigungsvorwürfe des Models gegen zwei Mitarbeiter eines Berliner Clubs. Deutschland 2016: Wurstproduzent setzt auf Verharmlosung und Verhöhnung sexualisierter Gewalt, um eine Welle zu machen. Sprachlos vor Ekel. — Juliane Leopold (@julianeleopold) June 25, 2016 #Wiesenhof und #AtzeSchroeder sind nicht nur unlustig,sondern ekelhaft.Witz auf Kosten von #GinaLisa ist eine Verharmlosung sexueller Gewalt — Niema Movassat (@NiemaMovassat) June 25, 2016 Schröder entschuldigt sich: "Große Dummheit" Wiesenhof hat den Werbespot inzwischen aus seinem Youtube-Kanal entfernt. Der Marketing-Geschäftsführer der Firma sagte der Nachrichtenagentur dpa, der Spot habe nicht veröffentlicht werden dürfen. "Dafür möchten wir uns in aller Form entschuldigen." Schröder veröffentlichte eine Entschuldigung auf Facebook und sprach von einer "großen Dummheit". Er sei "absolut und ausnahmslos gegen jede Form sexueller Gewalt". Der Werbespot sei vor einem Jahr gedreht worden und hätte "niemals veröffentlicht werden" dürfen, "schon gar nicht jetzt, wo er einen Bezug herstellt, der ekelhaft ist und so nie gedacht war." Es tue ihm leid, "dass ich so dämlich war". Er werde 20 000 Euro an die Initiative "Roter Keil" spenden, die sich gegen Kinderprostitution engagiert. Streit um Vergewaltigungsvorwürfe Hintergrund der aktuellen Debatte ist ein vier Jahre altes Video, das die ehemalige Germany's-Next-Topmodel-Kandidatin beim Sex zeigt und das die beiden Männer augenscheinlich gefilmt haben, obwohl Lohfink, wie in dem Video zu hören ist, protestierte. Als die Aufnahme ins Netz gelangte, zeigte Lohfink die beiden Männer an, zunächst wegen der Verbreitung des Videomaterials, dann auch wegen Vergewaltigung. Verurteilt wurden die Männer allerdings lediglich zu Geldstrafen wegen "Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen". Vielmehr wurde Anfang des Jahres gegen Lohfink selbst Strafbefehl wegen falscher Verdächtigung erlassen. Im März veröffentlichte dann Wiesenhof den nun umstrittenen Werbespot. Lohfink muss sich wegen der Anschuldigungen seit Anfang des Monats vor Gericht verantworten. Der Fall erhielt zusätzliche Aufmerksamkeit durch die Diskussion um eine Reform des Sexualstrafrechts unter der Maßgabe "Nein heißt Nein". Lohfink wertet das Verfahren gegen sich als exemplarisch für eine Missachtung von Opfern sexueller Übergriffe.
https://www.sueddeutsche.de/sport/america-s-cup-team-oracle-wehrt-ersten-matchpunkt-ab-1.1775653
mlsum-de-9781
Titelverteidiger USA kann gegen Herausforderer Neuseeland verkürzen, könnte das Duell am Freitag dennoch verlieren. Massimo Moratti, Präsident von Inter Mailand, tritt zurück. Tennisprofi Andy Murray droht das vorzeitige Saisonende.
America's Cup: Verteidiger Oracle Team USA hat im 34. America's Cup vor San Francisco den ersten Matchpunkt für Herausforderer Team New Zealand abgewehrt. Die Amerikaner verkürzten ihren Rückstand im zwölften Rennen auf 2:8 Punkte. Das 13. Rennen musste am neunten Renntag wegen zu starker Winde abgesagt und auf Freitag verschoben werden. Den Neuseeländern bleiben sieben weitere Matchpunkte, um die wichtigste Trophäe des internationalen Segelsports zum dritten Mal nach 1995 und 2000 zu gewinnen. Larry Ellisons Team muss siebenmal in Serie gewinnen, um die Silberkanne doch noch zu verteidigen. Fußball, Italien: Massimo Moratti tritt nach 18 Jahren als Präsident zurück. Nach dem bevorstehenden Verkauf der Mehrheitsanteile des ehemaligen Champions-League-Siegers an den indonesischen Medienmagnaten Erick Thohir werde er die Klubführung abgeben, erklärte Moratti. "Wir haben Spieler, die 100 Millionen Euro kosten. Wir müssen uns rüsten, damit Inter auf einem bestimmten Niveau bleibt", sagte Moratti, ein Mailänder Ölmagnat. Der Deal mit Thohir, der aus einer der reichsten Familien Indonesiens stammt, werde wohl in den kommenden vier Wochen abgeschlossen sein. Nach Medienangaben übernimmt Thohir 70 Prozent der Klub-Anteile. Über den endgültigen Preis ist offiziell bislang nichts bekannt. Von dem Geschft erhofft sich Moratti Geld für den Bau eines neuen Stadions. Durch die neue Arena sollen Inters Einnahmen künftig wieder steigen. Tennis, Andy Murray: Wimbledonsieger Andy Murray (26) droht das vorzeitige Saisonende. Wenige Tage nach dem Sieg im Davis-Cup gegen Kroatien sagte der Brite seine Teilnahme beim in der kommenden Woche anstehenden ATP-Turnier in Thailand ab und wird sich stattdessen einem kleineren Eingriff am Rücken unterziehen. Das teilten die Veranstalter am Donnerstag mit. "Die Operation ist am Montag, ich lasse Euch wissen, wie es verlaufen ist", schrieb Murray via Twitter. Aufgrund anhaltender Probleme am Rücken hatte der Weltranglistendritte bereits seinen French-Open-Start absagen müssen. Durch die bevorstehende Operation erscheint eine Teilnahme Murrays am World-Tour-Finale in London (4. bis 11. November) unwahrscheinlich. Basketball, EM: Kroatien und der dreimalige Champion Litauen komplettieren neben Frankreich und Titelverteidiger Spanien das Halbfinale der Basketball-EM in Slowenien. Kroatien schlug die Ukraine am Donnerstag 84:72 (51:35). Danach zog Litauen in der Stozice Hall von Ljubljana mit einem 81:77 (40:39) gegen Italien in die Vorschlussrunde ein. Durch das Weiterkommen sicherten sich beide Teams zudem das Ticket für die WM 2014 in Spanien. Am Mittwoch hatte Spanien Serbien bereits deklassiert (90:60), die Franzosen um NBA-Star Tony Parker waren mit einem 72:62 gegen den Gastgeber ins Halbfinale eingezogen. Handball, Champions League: Die Rhein-Neckar Löwen haben zum Auftakt der Gruppenphase der Champions League ein Erfolgserlebnis verpasst. Der EHF-Cup-Sieger kam im Heimspiel gegen den ukrainischen Meister HC Motor Saporoschje nicht über ein 31:31 (15:13) hinaus. Der Tabellendritte der Bundesliga musste in der zweiten Hälfte nach fünf Minuten ohne eigenen Treffer einen zwischenzeitlichen Rückstand verkraften und am Spielende in Unterzahl sogar eine Niederlage fürchten. Bester Werfer der Löwen war Patrick Groetzki mit sieben Treffern, für Saporoschje erzielte Sergej Onufrienko ebenfalls sieben Tore. "Wir waren heute nicht gut genug, um in der Champions League zwei Punkte zu holen. Wir hatten trotzdem die Chance, den Sack zuzumachen, haben diese aber nicht genutzt", sagte Löwen-Manager Thorsten Storm.
https://www.sueddeutsche.de/sport/ausleihe-an-inter-mailand-podolski-soll-schon-am-wochenende-wechseln-1.2288992
mlsum-de-9782
Nun könnte es schnell gehen für Lukas Podolski: Laut englischen Medienberichten könnte der FC Arsenal schon am Wochenende einem Leihgeschäft mit Inter Mailand zustimmen. Auch ein permanenter Wechsel ist denkbar.
Schon am Wochenende in Mailand? Der deutsche Fußball-Nationalspieler Lukas Podolski könnte den Premier-League-Club FC Arsenal bereits am Wochenende verlassen. Das berichtete die englische Zeitung Daily Telegraph am Freitag. Demnach sollen die Gunners den wechselwilligen Weltmeister schon innerhalb der nächsten Tage an Inter Mailand ausleihen. Das Leihgeschäft könnte am Saisonende für fünf Millionen Pfund in einen permanenten Wechsel übergehen, berichtete das Blatt. Auch die Gazzetta dello Sport (Freitag) schrieb, dass die Ausleihe kurz vor dem Abschluss stehe. Neues Angebot Arsenal-Trainer Arsène Wenger hat mittlerweile eingeräumt, dass sein Klub mit den Italienern in Verhandlungen über einen Transfer von Podolski steht. Das erste Angebot bezeichnete Wenger noch als Farce. Danach habe es jedoch einen ernsthafteren Vorschlag gegeben. "Wir werden sehen, was passiert", sagte Wenger nach dem 0:2 der Gunners am Donnerstag beim FC Southampton. Laut Gazzetta dello Sport hatten sich beide Klubs zuletzt angenähert, nachdem die Vorstellungen über die Ablösesumme zunächst weit auseinander gelegen hätten. Das Blatt berichtete, der 29-Jährige könne bereits am Freitag nach Mailand reisen und anschließend dort den Medizincheck absolvieren. Das Ziel des lombardischen Traditionsclubs sei es, den Angreifer bereits am kommenden Dienstag in der Partie der Serie A gegen Rekordmeister Juventus Turin einzusetzen. Bloß 12 Einsätze für Arsenal Podolski hatte die Partie des FC Arsenal in Southampton wegen einer Oberschenkelverletzung verpasst. Zuvor hatte sich der ehemalige Kölner via Twitter gegen einen Medienbericht gewehrt, er habe angeblich aus Frust über seine geringen Einsatzchancen den Trainingsplatz verlassen und eine Leistenverletzung als Grund vorgeschoben. Podolski, der bei den Nord-Londoner laut Telegraph 100 000 Pfund pro Woche verdient, kam in dieser Saison für Arsenal bloß zu zwölf Einsätzen, bei denen er drei Treffer erzielte.
https://www.sueddeutsche.de/sport/vierschanzentournee-eisenbichler-das-aergert-mich-extrem-1.3316405
mlsum-de-9783
Ein Wackler bei der Landung kostet dem deutschen Skispringer einen Podestplatz. Sieger beim Auftaktspringen zur Vierschanzentournee in Oberstdorf ist ein Österreicher.
Skispringer Markus Eisenbichler hat zum Auftakt der 65. Vierschanzentournee nur knapp einen Podestplatz verfehlt. Der 25-Jährige flog in Oberstdorf auf 135,0 und 133,5 m und landete mit 293,1 Punkten auf dem guten sechsten Rang. Nach dem ersten Durchgang hatte der Bayer sogar den vierten Platz belegt. Im zweiten Durchgang verwackelte Eisenbichler die Landung und ärgerte sich bereits im Auslauf gestenreich."Die Weite hat nicht gefehlt, ich muss nur normal landen. Das ärgert mich extrem. Ich habe aber bewiesen, dass ich es drauf habe. Ich ärgere mich nur fünf Minuten, und dann ist es vorbei", sagte Eisenbichler im ZDF. Die Punktabzüge kosteten ihn vermutlich einen Platz auf dem Siegerpodest. Der Sieg ging wie schon 2014 an den Österreicher Stefan Kraft (308,0 Punkte) vor Kamil Stoch aus Polen (305,2) und dem Österreicher Michael Hayböck (296,2). Der letztjährige Oberstdorf-Sieger Severin Freund belegte mit 129,9 Punkten nur den 20. Rang und hat schon alle Chancen auf den Gesamtsieg verspielt. Gleiches gilt für den erst 17 Jahre alten Top-Favoriten Domen Prevc aus Slowenien auf dem 26. Platz. "Es hört sich doof an, aber die Gesamtwertung ist für mich nicht das bestimmende Thema. Es war von Anfang an klar, dass die Tournee zu früh kommt", sagte der in der Vorbereitung lange verletzte Freund. Der zuletzt formschwache Tournee-Titelverteidiger Peter Prevc knüpfte als Zehnter zumindest an seine alte Stärke an. Zweitbester DSV-Adler vor 25.500 Zuschauern war Richard Freitag auf dem 14. Platz. Andreas Wellinger und Stephan Leyhe folgten auf den Positionen 15 und 17, Andreas Wank (Hinterzarten) und Karl Geiger (Oberstdorf) belegten die Plätze 20 und 27. Insgesamt sammelten somit sieben der neun DSV-Springer Weltcup-Punkte. Zwei prominente Namen schafften es erst gar nicht in den zweiten Durchgang: Altmeister Noriaki Kasai, 44, aus Japan war auf Rang 31 ebenso vorzeitig raus wie der zweimalige Oberstdorf-Sieger Simon Ammann aus der Schweiz (37.). Aus deutscher Sicht verfehlten Pius Paschke (Kiefersfelden/33.) und Constantin Schmidt (Oberaudorf/47.) die Punkte.Weiter geht es am Samstag (Silvester) mit der Qualifikation für das Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/plagiatsvorwurf-gegen-schavan-gutachten-in-eigener-sache-1.1497330
mlsum-de-9784
Die Vorwürfe gegen Annette Schavan sind hart. Sie soll wissentlich plagiiert haben. Die Bildungsministerin will sich nun umfassend verteidigen.
Kriminalisten kennen das. Wenn es einen Fall aufzuklären gibt, der Jahrzehnte zurückliegt, wird es mühsam: Der Tatort sieht heute ganz anders aus, manches Beweismittel ist aus der Asservatenkammer verschwunden, und die Zeugen quälen Erinnerungslücken. Annette Schavan geht es nun ähnlich, als Ermittlerin in eigener Sache. Sie hat ihre Doktorarbeit zu verteidigen, erstellt vor mehr als 32 Jahren, eingereicht 1980 an der Universität Düsseldorf - im Fach Erziehungswissenschaften, das dort seit zwei Jahren nicht mehr existiert. Den Zettelkasten, in dem sie die Notizen für das Schreiben der Dissertation sammelte, hat sie bereits vor Jahren weggeworfen, "bei einem meiner Umzüge", wie sie sagt. Nur von der verwendeten Literatur hat einiges überlebt. Bücher wirft man eben nicht so leicht weg, auch wenn sie schon 40 oder 50 Jahre alt sind. Die Bundesbildungsministerin will sich mit einer längeren Stellungnahme vor dem zuständigen Promotionsausschuss der Universität verteidigen, etwas entgegensetzen dem Bericht des Prodekans der Philosophischen Fakultät, Stefan Rohrbacher, der am Wochenende bekannt geworden ist. Sie kennt das ja aus dem politischen Geschäft: Wenn es ein unangenehmes Gutachten gibt, dann muss schnellstmöglich ein Gegengutachten her, als Ministerin kann man das in Auftrag geben. Diesmal ist es anders: Schavan muss es selbst schreiben. Das wird nicht einfach sein, denn Rohrbacher hat eine scharfe Analyse der Doktorarbeit vorgelegt. Man kann Rohrbacher nicht vorwerfen, sich oberflächlich mit dem Thema auseinandergesetzt zu haben - oder eine Wischiwaschi-Haltung einzunehmen. Die 75 Seiten Gutachten stecken voller Belege aus Originalquellen und der Dissertation, sie sind gespickt mit Wertungen, inwieweit Schavans Ausführungen den Leser weiterbringen. Oft wenig, findet der Düsseldorfer Professor für Jüdische Studien. Schon das Thema Schavans wirkt sperrig: "Person und Gewissen - Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung", so der Titel. Ganze Passagen hat Schavan einfach übernommen Was wirft Rohrbacher Schavan genau vor? In fast allen Fällen geht es darum, dass Schavan Textpassagen anderer Autoren wörtlich oder etwas abgewandelt in die eigene Doktorarbeit übernommen habe, ohne sie als Zitat zu kennzeichnen. Entsprechende Fußnoten im Text finden sich dem Gutachten zufolge oft erst später. Oder es wurde, wie im oberen Beispiel der Grafik ersichtlich, der Autor Antoni Nowak zwar einmal auf der Seite korrekt zitiert. Im Folgenden aber hat sich Schavan weiterhin in ganzen Passagen bei ihm bedient, zum Teil mit leichten Änderungen (grau unterlegt), ohne dies zu kennzeichnen. Es geht also darum, in welcher Form das sogenannte Paraphrasieren erlaubt ist, bei dem die Texte fremder Autoren sinngemäß wiedergegeben werden. Über die Grenzfälle, was dabei erlaubt ist, streiten die Experten, eine flächendeckende wörtliche Übernahme ohne Verweise auf den Urheber der Formulierung gilt jedoch als Verstoß gegen das wissenschaftliche Handwerk. Rohrbacher bemängelt, der Ausschnitt sei "über mehrere Absätze hinweg und im Umfang einer vollen Seite" weitgehend aus Formulierungen von Nowak "zusammengefügt". Besonders schwerwiegend ist der Vorwurf, dass Schavan sogar bei ihren eigenen Schlussfolgerungen am Ende der Arbeit wörtlich Passagen vom Fremdautor Alfons Auer ohne Verweis übernommen hat, also in einem Teil, der die eigene wissenschaftliche Leistung aufzeigen soll. Die einzige gravierende Stelle, in der Schavan den wirklichen Autor, Ernst Stadter, gar nicht nennt, ist auf den Seiten 75/76 ihrer Arbeit zu finden. "Jeder Verweis auf Stadter unterbleibt; auch im Literaturverzeichnis wird er nicht aufgeführt", schreibt Rohrbacher.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-bayern-robben-faellt-laenger-aus-1.3781852
mlsum-de-9785
Der Zweitligist trennt sich von Olaf Janßen und präsentiert umgehend dessen Nachfolger. Daniel Theiß gewinnt das NBA-Duell gegen Dirk Nowitzki.
Fußball, 2. Bundesliga: Fußball-Zweitligist FC St. Pauli hat sich nach sieben Spielen ohne Sieg von Trainer Olaf Janßen getrennt. Das gab der Tabellen-14. am Donnerstag bekannt und präsentierte Markus Kauczinski als Nachfolger. Der 47-Jährige arbeitete zuletzt in der Bundesliga beim FC Ingolstadt und davor beim Karlsruher SC. Der gebürtige Gelsenkirchener erhält in Hamburg einen Vertrag bis zum 30. Juni 2019. "Mit Markus Kauczinski haben wir einen absoluten Fachmann und Kenner der 2. Bundesliga verpflichten können. Er hat bereits während seiner Zeit in Karlsruhe gezeigt, dass er sich mit schwierigen Situationen auskennt. Wir sind überzeugt davon, mit ihm die Trendwende zu schaffen", erklärte Sportchef Uwe Stöver. "Als die Anfrage kam, musste ich nicht lange überlegen. Der FC St. Pauli ist ein Verein mit toller Perspektive und herausragenden Fans. Trotz der schwierigen Situation bin ich überzeugt, dass die Mannschaft über das Potential verfügt, um erfolgreich mit ihr arbeiten zu können", sagte der neue Cheftrainer. Neben Kauczinski kommt auch Patrick Westermann als Co-Trainer. Beide hatten schon in Karlsruhe und Ingolstadt zusammengearbeitet. Basketball, NBA: Der kurze Höhenflug von Dirk Nowitzki und den Dallas Mavericks in der Basketball-Profiliga NBA ist vorerst gestoppt. Nach zwei Siegen in Folge unterlagen die Texaner trotz einer starken Leistung vor allem von Nationalspieler Maximilian Kleber den Boston Celtics mit Daniel Theis 90:97 (57:47). Nowitzki kam auf 16 Punkte und sechs Rebounds, auf der Gegenseite kam Theis in nur 17 Minuten auf sieben Punkte und elf Rebounds. Mit nur sieben Siegen und 18 Niederlagen ist der Champion von 2011 weiter Schlusslicht im Westen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-bayern-guardiola-goetze-kann-in-allen-systemen-der-welt-spielen-1.2930765
mlsum-de-9786
Der Bayern-Trainer lobhudelt gewohnt überschwänglich - und lässt Mario Götze wohl erneut draußen. Von Gegner Frankfurt kommen forsche Töne.
Die Länderspielwoche geht zu Ende, für Mario Götze bricht wieder der frustrierende Alltag beim FC Bayern an. Eben noch umjubelter Torschütze und Spielgestalter beim 4:1 gegen Italien in der Münchner Arena, jetzt aller Voraussicht nach wieder Reservist beim Tabellenführer der Bundesliga. Oder gibt ihm sein Trainer Pep Guardiola nach dem starken Auftritt in der Nationalmannschaft diesmal eine Chance? Die Antwort lautet wohl nein: "Ich kenne Mario, aber das beeinflusst mich nicht für das nächste Spiel, das ändert meine Meinung über Mario nicht", sagte Guardiola bei der Pressekonferenz vor dem Bundesligaspiel des FC Bayern gegen Eintracht Frankfurt. Er habe "großen, großen Respekt vor Mario, seiner Karriere und seiner Zukunft. Er verdient das Beste", so Guardiola. "Ich habe über Mario nie schlecht gesprochen" Guardiola wies Spekulationen zurück, wonach Götze nicht in sein System passe. "Mario kann in allen Systemen der Welt spielen, natürlich kann er spielen, auch bei Bayern München. Aber ich habe manchmal sieben Stürmer. Ich habe das so entschieden." Nach der Kritik des TV-Experten und früheren Bayern-Spielers Mehmet Scholl an Götze betonte Guardiola: "Ich habe über Mario nie schlecht gesprochen, weil er mir keinen Grund gegeben hat. Er ist einer der besten Profis, da gibt es keinen Zweifel. Er macht alles, um fit zu sein, ist auf und neben dem Platz zu hundert Prozent professionell. Er ist einer der besten Spieler, die ich in meiner Karriere getroffen habe. Er ist ein guter Mensch, ich wünsche ihm das Beste." Über einen Zeitpunkt für die Rückkehr des verletzten Arjen Robben wollte Guardiola keine Angaben machen. "Ich weiß nicht, ich hoffe bald. Das ist eine Frage für die Ärzte", sagte er. Robben leidet an Adduktoren-Problemen. Am Samstag um 15.30 Uhr gegen Frankfurt steht der Niederländer ebenso wenig zur Verfügung wie Medhi Benatia. "Er ist nicht fit", sagte Guardiola über den Marokkaner. So geht die Eintracht in das Spiel am Samstag Die Eintracht will sich beim Tabellenführer derweil nicht verstecken. "Wir werden uns sicherlich nicht im eigenen Strafraum verkriechen und den Mannschaftsbus vor dem Tor parken", sagte Trainer Niko Kovac am Freitag. "Wir wollen auch das Tor der Bayern in Gefahr bringen." Die Eintracht steht in der Tabelle nur auf Platz 17 und hat in den vergangenen sieben Spielen gegen die Bayern kein einziges Tor geschossen. Doch Kovac betonte vor der Abfahrt nach München: "Am Anfang steht es 0:0. Und diesen Punkt, den wir beim Anpfiff haben, müssen wir verteidigen." Als ehemaliger Bayern-Spieler wisse er zwar genau, "dass das ein sehr schwieriges Spiel wird. Aber wir sind alle ehemalige Sportler. Und als Sportler fährt man überall hin, um zu gewinnen oder Punkte zu holen." Verzichten müssen die Frankfurter am Samstag nach wie vor auf ihren verletzten Torjäger Alexander Meier. Verteidiger Marco Russ und Mittelfeldspieler Szabolcs Huszti kehrten dagegen am Freitag nach überstandenen leichten Blessuren ins Training zurück.
https://www.sueddeutsche.de/auto/weltspiegel-31-neue-pioniere-in-den-usa-unabhaengig-vom-oel-1.982747
mlsum-de-9787
Sie fahren Elektroautos, konstruieren Plug-in-Hybride oder betreiben Autos mit altem Frittenfett. Immer mehr Amerikaner wollen mit Eigeninitiative der Abhängigkeit vom Öl entfliehen.
Die Redaktion von sueddeutsche.de sieht sich um - im "Weltspiegel": Welche Autos fahren die anderen? Wie reagieren andere Länder und Hersteller auf den Klimawandel? Wer steigt auf alternativ angetriebene Fahrzeuge um? Marc Gellers Haus sieht genau so aus wie tausend andere in der Altstadt von San Francisco: Ein schmales Holzgebäude, dicht gedrängt neben anderen, an einem steilem Sträßchen mit winzigen Gärten. Jeden Moment könnten Karl Malden und Michael Douglas mit ihrem dicken Ford LTD um die Ecke biegen, um in der Fernsehserie "Die Straßen von San Francisco" Verbrecher zu jagen. Doch das kleine SUV, das da in der engen Auffahrt vor der kleinen Garage steht, ist das Gegenteil des klassischen Ami-Schlittens mit V8-Motor: Der elektrische Toyota RAV4 hängt gerade an der Steckdose. Über eine steile Treppe gelangt man zu Marcs Haustür. Im Erkerfenster hängt ein Plakat mit dem Konterfei von US-Präsident Obama, darunter nur ein Wort: Hoffnung. Marc öffnet die Tür und wedelt mit einem Autoschlüssel in der Hand: "Let's go." Sein Toyota RAV4 EV ist eines von rund 1500 Fahrzeugen, die von 1998 bis 2003 gebaut wurden. Weil sich der Stromer nur 300 Mal pro Jahr verkaufte, wurde er wieder eingestellt. 2012 allerdings will Toyota wieder einen elektrischen RAV4 auf den Markt bringen und hat sich dazu Hilfe bei Tesla geholt. Marc steuert seinen Stromer lautlos durch die Straßen von San Francisco, vorbei an historischen Straßenbahnen. Das Auto hat fast 123.000 Kilometer auf dem Tacho, und das alles mit dem ersten Akkupaket, wie der Berater für Solaranlagen stolz betont. Mit seinen Nickel-Metallhydridbatterien kommt der RAV4 rund 150 Kilometer weit. "Ich fahre selten längere Strecken, daher genügt mir die Reichweite fast immer", sagt Marc. Eine Ladung an der heimischen Steckdose dauert fünf Stunden. Weil der Elektro-Fan aus San Francisco seine eigene Solaranlage auf dem Dach hat, zahlt er beim Tanken nicht einmal die Stromkosten. Während der Wagen durch die steilen Straßen surrt, macht Marc seinen Standpunkt klar: "Im Gegensatz zur Ölindustrie ist die Verteilung von Elektrizität reguliert, sie ist keinen wilden Preisschwankungen unterworfen2, so der Stromer-Pilot. Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko ist für ihn nur das Tüpfelchen auf dem i einer verfehlten Entwicklung. "Für die militärischen und diplomatischen Ressourcen, die man für den Zugang zum Öl braucht, zahlen wir zwar nicht an der Zapfsäule", meint Marc, "doch Öl bestimmt unsere internationalen Beziehungen und die Prioritäten der nationalen Sicherheit. Wir zahlen mit Blut und Steuern."
https://www.sueddeutsche.de/politik/spd-die-wundersame-wandlung-des-sigmar-gabriel-1.3513297
mlsum-de-9788
Als Außenminister hat der SPD-Politiker nach einigen Schwierigkeiten zu neuer Stärke gefunden. Doch kann davon auch seine Partei profitieren?
Als der deutsche Außenminister vor dem Weißen Haus auf die Straße tritt, macht er eine Entdeckung. Gerade hat Sigmar Gabriel mit dem Nationalen Sicherheitsberater des amerikanischen Präsidenten gesprochen. Eigentlich will er jetzt kurz über dieses Treffen berichten - da sieht er deutsche Soldaten in der Nähe stehen, hier, in Washington. Also verschiebt er schnell seine Prioritäten. Knapp 20 Bundeswehrsoldaten sind es, abkommandiert zu einem Lehrgang bei der US-Armee, heute steht ein Abstecher in die Hauptstadt an. Gabriel geht auf sie zu und zieht sie innerhalb von Sekunden in ein Gespräch über das Soldatenleben, die Wertschätzung für die Armee in den USA, den Fall Franco A. samt Auswirkungen auf die Truppe. Es geht um das Gefühl der Soldaten, von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zu pauschal kritisiert worden zu sein. Und es geht um Gabriels Aussage, dass man in Sachen Rechtsextremismus natürlich wachsam sein müsse - dass die Bundeswehr aber eine Erfolgsgeschichte sei. Fünf Minuten dauert das Gespräch, am Ende hat Gabriel 20 neue Freunde. Zum Abschied gibt es ein Gruppenfoto. Zur Erinnerung: Bei jenem Mann, dem hier am Donnerstag auf der Pennsylvania Avenue in Washington die Soldatenherzen zufliegen, handelt es sich um denselben Mann, der zu Beginn des Jahres als personifizierter Untergang der Sozialdemokratie galt. Mit der Partei hatte es sich Sigmar Gabriel verscherzt, in der Bevölkerung war er unten durch. Die Aussicht, dass er die Kanzlerkandidatur übernehmen könnte, löste bei manchen Genossen regelrecht Angstzustände aus. Als er zur Seite trat und den Weg für Martin Schulz freimachte, breitete sich in der SPD eine Gefühlslage aus, die an den "Zauberer von Oz" erinnerte: "Ding-Dong, die Hex' ist tot!" Wobei die Hex' ja nicht tot war, sondern als Austragshaus das Auswärtige Amt übernehmen durfte. So zumindest sah es aus. In den knapp vier Monaten danach hat Sigmar Gabriel, 57, mal eben die deutsche Außenpolitik repolitisiert, diverse Kilos abgenommen und, was die Zufriedenheit der Bevölkerung angeht, im Deutschlandtrend der ARD mit der Kanzlerin gleichgezogen. Vor den beiden liegt nur Wolfgang Schäuble. Weit dahinter Martin Schulz. Gabriels Aufstieg, bei dem es sich um eine politische Rehabilitierung handelt, fällt zeitlich damit zusammen, dass der Kanzlerkandidat und Parteichef Schulz nach den ersten Wochen des Rauschs in der demoskopischen wie politischen Realität angekommen ist - genau wie die gesamte Sozialdemokratie. Das mag eine Momentaufnahme sein, und doch ist diese Entwicklung in einer zur Nervosität neigenden Partei wie der SPD nicht ohne Brisanz. Zumal Gabriel seine neue Stärke genießt. Venedig, vergangene Woche, Gabriel ist in die Lagunenstadt gekommen, um auf der Kunstbiennale den deutschen Pavillon zu eröffnen. Mit dem Boot geht es vom Flughafen zu den Giardini, den Gärten, zum Pavillon. Keine Wolke am Himmel. Während das Motorboot seine Spur über das glitzernde Meer zieht, plaudert Gabriel mit Mäzenen, scherzt mit Künstlern. Dunkler Anzug, noch dunklere Sonnenbrille, zwischendurch hält er den Kopf in den Fahrtwind. Das Leben kann schön sein. Detailansicht öffnen Kuwait, Jordanien, Israel, Somalia, Italien, USA, Mexiko: Auszug aus der Reisliste von Außenminister Sigmar Gabriel von Mitte April bis Mitte Mai. (Foto: Maurizio Gambarini/dpa) Ankunft vor dem deutschen Pavillon, wo sich allerdings nicht nur ein paar Dutzend Kunstfreunde versammelt haben. Stattdessen füllen Hunderte den Platz, obwohl die Biennale offiziell noch gar nicht eröffnet wurde. Und Gabriel legt los. Er schwärmt von dem schönen Ort und den schönen Künsten. Kunst müsse provozieren, müsse Stolperstein sein, gerade für Politiker, die sich auf ausgetretenen Pfaden bewegten. Dann kommt er auf die Geschichte zu sprechen. Der deutsche Pavillon könne nicht verheimlichen, dass er "zum Opfer nationalsozialistischer Gestaltungswut" wurde. Heute komme einem das Gebäude nicht besonders bedrohlich vor. Die wuchtige Fassade aber spiegle den Absolutheitsanspruch eines "nationalistischen Kunstverständnisses" wider, "das auf Abgrenzung und Ausgrenzung" setze. "Eines, das Überlegenheit und Arroganz an Stelle von Dialog, Austausch und Kommunikation treten lässt", sagt Gabriel. "Und wir erleben, dass solche Gedanken heute eine Renaissance feiern." Von der Kunst über die Geschichte bis zum schwierigen Heute: Gabriel braucht dafür nur wenige Augenblicke. Am Ende gibt es Applaus. Er nimmt das Kunstpublikum genauso für sich ein wie die Soldaten.
https://www.sueddeutsche.de/politik/hedgefonds-manager-robert-mercer-der-mann-dem-ein-stueck-trump-gehoert-1.3453491
mlsum-de-9789
Robert Mercer hat im Wahlkampf viel Geld in Trump investiert. Der Hedgefonds-Manager gilt als brillanter Kopf, aber auch als Anhänger von Verschwörungstheorien. Seine politische Agenda macht selbst Mitarbeitern Angst.
Als Donald Trump einige Wochen nach seiner Wahl zum US-Präsidenten eine Weihnachtsfeier besuchte, war das Motto der Party: "Heroes and Villains", also "Helden und Schurken". Trump trug bei der Veranstaltung im 1000-Einwohner-Ort Head of the Harbor im US-Bundesstaat New York einen dunklen Anzug und eine Krawatte mit schlichtem Muster. Auf die Frage der anwesenden Reporter, als was er gehe, sagte Trump: "Me." Der 70-Jährige dürfte sich mit dieser knappen Antwort nach eigenem Verständnis wohl in die Helden-Kategorie eingeordnet haben. Robert Mercer, der die besagte Party auf seinem Anwesen "Owl's Nest" ausrichtete, könnte das anders sehen - obwohl er Trumps größter Geldgeber im Wahlkampf war. Es gibt Menschen, die glauben, dass Mercer den Immobilienmilliardär Trump gerade wegen seines Schurkenpotenzials ausgewählt hat. Die glauben, dass Mercer auf die Abschaffung der Regierung hinarbeitet. Und wer wäre besser geeignet, dem amerikanischen Volk vorzuführen, wie nutzlos der ganze Apparat in Washington ist, als ein Präsident wie Trump, der dort für Chaos sorgt? Robert Mercer ist wie Trump 70 Jahre alt und einer der Geschäftsführer von Renaissance Technologies. Dem Investmentmanagement-Unternehmen gehört mit dem "Medallion Fund" einer der profitabelsten - und am besten abgeschotteten - Hedgefonds des Landes. Mit welcher Methode dort Traum-Gewinnraten von im Schnitt 40 Prozent erreicht werden, ist ein streng gehütetes Firmengeheimnis. Bekannt ist "Medallion" als Hedgefonds der Mathe-Genies, weil viele der dort angestellten Finanzspezialisten aus den Naturwissenschaften kommen. Beteiligt sind ausschließlich Mitarbeiter von Renaissance Technologies, 135 Millionen US-Dollar soll Mercer 2015 verdient haben. Mercer soll davon überzeugt sein, dass die Clintons Gegner ermorden ließen Einen Gutteil seines Geldes lässt er seit einigen Jahren in die Politik fließen. Die Mercer Family Foundation unterstützt etablierte konservative Institutionen wie die Heritage Foundation, finanziert aber beispielsweise auch das jährliche Treffen einer Organisation namens "Doctors for Disaster Preparedness". Deren Vorsitzende, die Ärztin Jane Orient, hat der US-Regierung in einem Artikel vorgeworfen, mitschuldig am Terroranschlag von St. Bernardino 2015 zu sein. Und bei der Jahresversammlung der Ärztevereinigung im vergangenen Jahr trat ein pensionierter Herzchirurg auf, der argumentierte, dass der HI-Virus eine Erfindung der Regierung sei, um die Risiken eines homosexuellen Lebensstils zu verschleiern. Robert Mercer hat selbst schon an solchen Treffen teilgenommen, er dürfte also sehr genau wissen, welches Gedankengut dort ausgetauscht wird. Nicht zuletzt soll sein Glaube an eine ganz bestimmte Verschwörungstheorie ein Grund dafür sein, dass Mercer zum Trump-Unterstützer wurde. Jane Mayer, Reporterin beim Magazin New Yorker, hat jüngst ein großes Porträt über den einflussreichen Parteispender geschrieben und mit mehreren Mercer nahestehenden Personen gesprochen, die ihr erzählten: Mercer glaube fest daran, dass die Clintons in kriminelle Machenschaften verwickelt seien, und - schlimmer noch -, politische Gegner ermorden ließen. Gemeinsam mit seiner zweitältesten Tochter Rebekah hat Mercer in der Vergangenheit mindestens 32 Millionen US-Dollar ausgegeben, um konservative Kandidaten in politische Ämter zu bringen. Mit allein elf Millionen Dollar unterstützten die beiden den republikanischen Präsidentschaftsbewerber Ted Cruz, bis dieser im Mai 2016 aus dem Rennen ausschied. Nur wenige Wochen darauf stellten sich Vater und Tochter mit ihrem ganzen finanziellen Gewicht hinter Trump. Sie brachten nicht nur Geld mit, sie nahmen auch direkten Einfluss auf Trumps Wahlkampfpersonal. Die Mercers drängten darauf, dass Trump sein Team um zwei Namen erweiterte, die am Ende maßgeblich zu seinem Erfolg beitrugen: Steve Bannon und Kellyanne Conway. Außerdem stellten Vater und Tochter den Kontakt zum Datenspezialisten Cambridge Analytica her, in den sie fünf Million Dollar investiert hatten. Cambridge Analytica ist eine Tochterfirma des britischen Unternehmens Strategic Communication Laboratories, dessen Geschäftsführer seine Dienstleistung als psychologische Kriegsführung bezeichnet und damit wirbt, dass die Beeinflussung von Wählern nach den gleichen Prinzipien funktioniere, wie einen Teenager in Indonesien davon zu überzeugen, nicht al-Qaida beizutreten. Bei Salat und Sandwiches holte das Ehepaar Trump/Kushner die Mercers ins Boot Zu einem Zeitpunkt, als viele andere Großspender den großmäuligen Immobilientycoon noch geringschätzten - sowohl auf persönlicher Ebene, als auch was seine politischen Chancen anging -, hatten die Mercers keine Berührungsängste. Der Washington Post zufolge soll die Allianz bei einem Mittagessen im Trump Tower angebahnt worden sein: Ivanka Trump und ihr Ehemann Jared Kushner hatten Rebekah Mercer und deren Vertraute Kellyanne Conway eingeladen; es gab Salat und Sandwiches. Trump und Mercer, so heißt es, hätten Erfahrungen ausgetauscht - über Kindererziehung und darüber, wie es ist, Tochter eines fordernden, erfolgreichen Vaters zu sein. Das mag zunächst nicht wie eine klassische, ideologische Grundlage für eine politische Beziehung klingen. Aber es stellte sich als krisensicheres Fundament heraus. Die Mercers veröffentlichten im Trump-Wahlkampf genau zwei Statements. In einem drückten sie ihre Enttäuschung darüber aus, dass ihr einstiger Protegé Cruz dem Kandidaten Trump seine Unterstützung verweigerte. Die zweite öffentliche Einlassung datiert kurz nach Bekanntwerden des "Grab em by the pussy"-Tapes. Darin heißt es: "Wenn Mr. Trump Billy Bush - wer auch immer das ist - (...) gesagt hätte, dass er für offene Grenzen ist, für freien Handel und für staatliche Eingriffe bei der Waffenkontrolle, hätten wir unsere Unterstützung für ihn sicherlich überdacht. Mr. Trumps Locker-Room-Angeberei ist uns dagegen vollkommen gleichgültig."
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/freihandel-abkommen-zwischen-eu-und-japan-ist-laengst-nicht-sicher-1.3576166
mlsum-de-9790
Interne Dokumente zeigen, wie viele in Brüssel über den Freihandelspakt mit Japan wirklich denken. Und verdeutlichen: Er kann immer noch scheitern.
Allein die Begriffe verdeutlichen, dass es längst um mehr geht als um ein Freihandelsabkommen zwischen zwei der größten Wirtschaftsmächte der Erde. Als EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk am Donnerstag den japanischen Premier Shinzō Abe empfingen, sprachen sie nicht mehr von einem Handelsabkommen. Das Ganze heißt, auf Vorschlag der Japaner, jetzt zweigeteilt "Wirtschaftliches Partnerschaftsabkommen". Natürlich geht es dabei klassisch um den Abbau von Handelsschranken. Viel wichtiger aber ist den Beteiligten das Signal, das pünktlich zum G-20-Gipfel von diesem ein Schulterschluss ausgeht: die EU und Japan als Bollwerk gegen Protektionismus. Tusk sagte nach Gesprächen mit Abe: "Diese Einigung betrifft nicht nur den Handel, sondern vor allen Dingen die gemeinsamen Werte unserer Gesellschaften: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte." Japans Premier sagte, man halte gemeinsam "die Fahne des Freihandels hoch". Die politische Einigung auf gute Teile des Abkommens stand zuvor bereits fest, Abes Besuch in Brüssel hatte vor allem symbolischen Charakter. Die Partnerschaft ließe den größten Wirtschaftsraum der Welt entstehen und wäre das bislang größte jemals geschlossene Handelsabkommen. Mehr als vier Jahre haben die Parteien bisher verhandelt. In den letzten Tagen vor dem EU-Japan-Gipfeltreffen räumten sie unter Hochdruck einige strittige Punkte aus dem Weg. So einigten sie sich auf Übergangsfristen für den Abbau von Zöllen, die langfristig für 99 Prozent aller Produkte verschwinden sollen. Japan akzeptiere, dass der Einfuhrzoll auf japanische Fahrzeuge von derzeit zehn Prozent erst nach sieben Jahren komplett wegfällt, hieß es. Die EU-Kommission nehme lange Fristen für den Abbau der japanischen Agrarzölle in Kauf. Bis Ende des Jahres soll das Abkommen fertig sein und im Frühjahr 2019 in Kraft treten. Tatsächlich ist hinter den Kulissen noch vieles offen Doch so sehr die Spitzen beider Seiten ihre Einigkeit beschwören: Diplomatische Korrespondenz, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, verdeutlicht, wie viel hinter den Kulissen tatsächlich noch offen ist. So viel, dass es Zweifel gibt, ob das Abkommen am Ende überhaupt unterzeichnet wird. Ende Juni informierte demnach EU-Chefunterhändler Mauro Petriccione die Mitgliedsstaaten nach Gesprächen in Tokio über den letzten Stand der Verhandlungen. Er kündigte bei einem einstündigen Frühstück das am Donnerstag verkündete Abkommen "im Prinzip" bereits an. Denn Europa und Japan hätten "vor dem Hintergrund der isolationistischen US-Handelspolitik" die Bedeutung eines solchen Signals erkannt. "Der Teufel aber steckt noch im Detail", gaben deutsche Diplomaten nach Berlin weiter. Aus der internen Kommunikation wird klar, wie Brüssel wirklich denkt. Offen sei, ob es der japanischen Regierung gelingen werde, Parlament und Öffentlichkeit vom Nutzen des Abkommens zu überzeugen, "das für einige Sektoren (vor allem Landwirtschaft, Automobile) schmerzhaft sein werde - 'Sabotage' von dieser Seite sei nicht ausgeschlossen, die Situation bleibe fragil". Eine exzessive Liberalisierung, gestand Petriccione ein, könne den Milchsektor Japans "nachhaltig beschädigen". Auch beim Automarkt sei Japan "hochnervös". Von einer Einigung sei man noch weit entfernt. Noch sei offen, ob sich Japan wirklich auf eine Liberalisierung innerhalb von sieben Jahren einlassen werde. Das endgültige Abkommen kann immer noch scheitern Eine grundsätzliche Einigung im Juli bedeute deshalb auch nicht, dass das endgültige Abkommen nicht danach auch noch scheitern könne, heißt es weiter. Die laut Umfragen in den vergangenen Tagen drastisch sinkende Popularität von Japans Premierminister Abe sei ein Grund für die EU, die Verhandlungen so schnell wie möglich, zu einem Abschluss bringen zu wollen. Der rechtlich verbindliche Text des Abkommens solle bis Ende des Jahres fertig sein. Das Bundeswirtschaftsministerium lobte den Vorstoß am Donnerstag. "Ein moderndes Freihandelsabkommen EU-Japan mit hohen Standards würde die Stellung der europäischen Wirtschaft in Ostasien weiter stärken", teilte das Ministerium mit. Die Verhandlungsführung liege zwar bei der EU, hieß es daneben in Kreisen der Bundesregierung. Aber auch in Berlin sei bekannt, dass es noch offene Fragen gebe. "In Japan öffnet sich vieles", sagte dagegen ein EU-Vertreter und betonte, es bewege sich vieles in die richtige Richtung. Die Organisation Lobbycontrol forderte am Donnerstag mehr Transparenz in den Verhandlungen. Die Euphorie der Politiker und Konzernmanager in Europa und Japan verdecke, dass hinter den Kulissen um knallharte wirtschaftliche Interessen gerungen wurde, etwa beim Datenschutz, sagte Max Bank, Handelsexperte der Organisation. Da die Regierungen ähnlich wie bei Ceta und TTIP im geheimen verhandelten, habe die Öffentlichkeit keine Chance, überhaupt darüber zu diskutieren. Die EU-Kommission hat inzwischen die Berichte aus den Verhandlungsrunden sowie Teile der Verhandlungsdokumente veröffentlicht. "Wegen des großen öffentlichen Interesses werden wir besonders transparent sein", hieß es in EU-Kreisen. Zumindest die EU-Positionen werden also bald offiziell nachzulesen sein. Ende Juni hatten Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR Einblick in Hunderte Seiten geheimer Verhandlungstexte erhalten. Die EU-Kommission hatte Zweifel zurückgewiesen, dass Umwelt- und Verbraucherschutz in dem Abkommen ausreichend berücksichtigt seien. "Die Veröffentlichungen haben daran nichts geändert", hieß es nun in Brüssel.
https://www.sueddeutsche.de/politik/tadschikistan-kampf-den-baerten-1.2859550
mlsum-de-9791
Präsident Emomali Rachmon warnt vor islamistischem Radikalismus in Tadschikistan - und schlägt als Gegenmittel vor: mehr Macht für sich selbst.
Im Kampf gegen Islamismus sind dem Präsidenten viele Mittel recht, auch Rasierapparate: Neulich ließ die tadschikische Polizei mehr als 10 000 Männern zwangsweise das Barthaar stutzen. Das nannte sich "Anti-Radikalisierungskampagne". Frauen in dem mittelasiatischen Staat ist das Tragen eines Kopftuches in Schulen und Universitäten verboten, inoffiziell sogar in sämtlichen staatlichen Ämtern. Und schwarze Kleider will Staatschef Emomali Rachmon an Frauen ohnehin nicht sehen. "Tragt Kleidung in traditionellen Farben", forderte er. Das beste Bollwerk gegen den aufkeimenden Radikalismus aber scheint dem Präsidenten er selbst zu sein. Denn das tadschikische Parlament hat jetzt den Weg frei gemacht für ein Referendum, das im Mai zweifellos mit überwältigender Mehrheit angenommen wird und Rachmon die Präsidentschaft auf Lebenszeit garantiert. Seit 1992 herrscht der 63-Jährige in dem Nachbarland Afghanistans, nach der bisherigen Verfassung dürfte er 2020 nicht noch ein weiteres Mal antreten. Das Referendum würde ihm als "Anführer der Nation" erlauben, sich künftig beliebig oft wiederwählen zu lassen. Und selbst wenn irgendetwas dazwischenkommen sollte, hätte er vorgesorgt. Die mit dem Referendum verknüpfte Verfassungsänderung würde das Mindestalter für den Präsidenten von 35 auf 30 herabsetzen und so Rachmons ältestem Sohn Rustam Emomali, derzeit 28, das hohe Amt ermöglichen. Tochter Osoda Rachmon ist seit zwei Wochen übrigens Leiterin des Präsidialamtes. Der Staatschef nutzt mehr und mehr die trauten Familienbande, um seine Macht vor Angriffen von innen und außen zu sichern. Zum größten Gegner hat er den radikalen Islam erklärt, doch wer und was genau dazugehört, wird von der tadschikischen Führung bestimmt. Im Herbst ließ Rachmon die einflussreiche islamische Partei der Wiedergeburt verbieten. Am Dienstag begann vor einem Gericht in der Hauptstadt Duschanbe hinter verschlossenen Türen die erste Anhörung im Prozess gegen 13 Führungsmitglieder der Partei. Sie sollen einen Umsturzversuch geplant haben. Der Menschenrechtsverband für Zentralasien (Achra) hält die Einstufung der Partei als extremistisch und terroristisch dagegen für "politisch motiviert". Tadschikistan, das auf mehr als tausend Kilometern an Afghanistan grenzt, ist ein sunnitisch geprägtes Land. Es betont zugleich seinen säkularen Charakter, der noch aus der Zeit stammt, als Tadschikistan zur Sowjetunion gehörte. Die neu entflammten Kämpfe in Afghanistan und das Erstarken des "Islamischen Staats" (IS) haben dazu geführt, dass die Führung in Duschanbe die Zügel noch enger führt, weil tadschikische Extremisten sich dem Dschihad anschließen könnten. Menschenrechtler meinen dagegen, dass gerade der rigide Kampf gegen Islamismus und die Armut im Land viele in die Arme von Dschihadisten treiben könnten. Tatsächlich nutzt Rachmon den Kampf gegen Extremisten seit Langem, um gegen innenpolitische Gegner vorzugehen. Alexej Malaschenko vom Moskauer Carnegie-Zentrum erklärt: "Sicher gibt es Sorgen vor dem IS, aber die Bedrohung ist nicht so groß, wie die Leute sagen."
https://www.sueddeutsche.de/sport/tsv-1860-muenchen-in-ingolstadt-abhaengig-von-bandowskis-lauf-1.2375272
mlsum-de-9792
Der glückliche Punktgewinn in Ingolstadt täuscht ein wenig darüber hinweg, dass es spielerisch beim TSV 1860 München überhaupt nicht läuft. Bis sich ein 20-Jähriger ein Herz fasst und trifft.
Thorsten Fröhling saß aufrecht, seine Schultern hingen lässig vom Körper herab. Die innere Anspannung sah man dem 48-Jährigen nicht an. Der Frage, ob der Job als Cheftrainer des abstiegsbedrohten Zweitligisten TSV 1860 München nicht ziemlich nervenaufreibend sei, entgegnete Fröhling verschmitzt: "Also wenn wir so punkten, bin ich zwar zehn Jahre älter. Aber das ist dann auch egal." Verdient war das 1:1 seiner Mannschaft beim FC Ingolstadt nicht gerade, doch Fröhling war es schnuppe. Er freue sich über die Effektivität seiner Mannschaft, "schließlich haben wir gegen den Tabellenführer gespielt." Jannik Bandowski war es in der 83. Minute gelungen, den Führungstreffer des Ingolstädters Danilo Soares (41.) auszugleichen. Auf Platz 15 sind die Sechziger vorerst gesprungen, zwar noch nicht frei von Abstiegssorgen, aber immerhin: über dem Strich. Der unerwartete Punkt beim Liga-Primus kann im Abstiegskampf noch wichtig werden. Kritik an Rubin Okotie Zwar resümierte Fröhling, er habe spielerisch eine Steigerung gegenüber dem St.-Pauli-Spiel gesehen: "Heute haben wir uns schon mal zwei Ecken erspielt." Trotzdem war seine Mannschaft zumeist ideenlos und ohne jeglichen Spielwitz über die Grünfläche gerannt. Vor allem die Offensivkräfte wirkten völlig abwesend. "Wir haben es verpasst uns Chancen auszuspielen, weil wir die Bälle nicht effektiv weitergeleitet haben", so der Coach. Damit zielte Fröhling besonders auf Stürmer Rubin Okotie ab, der verletzungsbedingt nur eine Halbzeit mitwirken konnte. Schon in den vergangenen Partien schien es, als fände Okotie nur schwer Zugang zum Spiel. "Hätte Rubin den Ball heute zweimal weitergeleitet, hätten wir mehr Chancen gehabt", bilanzierte Fröhling. Dass der TSV 1860 dem Tabellenführer doch noch einen Punkt abspenstig machen konnte, hatte Fröhling Bandowski zu verdanken. Der Zugang hatte mit einem wuchtigen Schuss von halblinks den überraschenden Ausgleichstreffer erzielt, damit gelang dem 20-Jährigen in seinem vierten Saisonspiel bereits sein zweites Tor. "Der Junge hat einen kleinen Lauf", lobte Sportvorstand Gerhard Poschner seinen Linksverteidiger, "ich hoffe, der geht weiter." Bandowski erklärte seine Tat mit nahezu banalen Worten: "Wenn der Ball einigermaßen gut kommt, dann treffe ich halt." Bandowski spielt gerne in der Offensive Dass er mit Maximilian Wittek eigentlich um einen Stammplatz in der Abwehr buhlen sollte, nun aber mit ihm das offensive Mittelfeld verstärkt, freut Bandowski. Er spiele gerne offensiver, vor allem "wenn die Mitspieler mir so gute Bälle zupassen wie heute. Außerdem finde ich, dass es im Mittelfeld mit Wittek und mir gut harmoniert." Ebenfalls positiv war Bandowski der Rückhalt der mitgereisten 1860-Fans aufgefallen. Mehr als 3000 hatten sich trotz des ungeliebten Montagabendtermins unter die 15.000 Zuschauer in der Ingolstädter Arena gemischt. "Das war heute wie ein Heimspiel mit den Fans", befand Bandowski. Die Leidenschaft der Fans entspannte auch den neuen Cheftrainers. "Auch wenn der Punktgewinn glücklich war, das war Leidenschaft", sagte Fröhling. Er fügte hinzu: "Auch von den Fans."
https://www.sueddeutsche.de/politik/hamburg-beamte-duerfen-wechseln-1.3621014
mlsum-de-9793
Die Staatsbediensteten dürfen sich künftig gegen eine private Krankenversicherung entscheiden. Das Bundesland will Zuschüsse zur gesetzlichen Krankenkasse zahlen.
Hamburg will seinen Beamten ermöglichen, in die gesetzliche Krankenversicherung einzutreten. Die Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) stellte am Dienstag einen Gesetzentwurf vor, nach dem der Stadtstaat in Zukunft die Hälfte der Versicherungsbeiträge übernehmen wird - wenn sich die Beamten gegen eine private Krankenversicherung entscheiden. Bislang müssen sich in Hamburg wie auch in anderen Ländern die Beamten privat versichern und erhalten im Krankheitsfall eine Beihilfe. Die Senatorin will vom 1. August 2018 an die "Wahlmöglichkeit der Beamten stärken", sagte sie. Bereits heute seien in Hamburg geschätzte 2400 Staatsangestellte gesetzlich krankenversichert. Diese übernehmen ihre Beiträge allerdings im Augenblick ganz allein. Vom kommenden Jahr an wird Hamburg für sie zusätzlich 5,8 Millionen Euro ausgeben. Auch die 1500 bis 2000 neuen Beamten, die die Stadt jährlich einstellt, können bald gleich beim Einstieg wählen, wie sie sich versichern wollen. In Berlin trifft der Vorstoß mitten in die Wahlkampf-Debatte über die Bürgerversicherung In Berlin trifft der Vorstoß der SPD-Senatorin mitten in die Wahlkampf-Debatte um eine sogenannte Bürgerversicherung. SPD, Grüne und Linke werben dafür, die Zweiteilung zwischen gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen langfristig abzuschaffen. Ein Großteil der Privatversicherten sind Beamte, deshalb müssten Reformen auch bei ihnen ansetzen. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Karl Lauterbach, nannte den Hamburger Vorstoß deswegen "großartig": Dies sei "ein erster Schritt in Richtung Bürgerversicherung" und bringe für Beamte "große Vorteile", sagte Lauterbach. Gerade diejenigen, die älter und kränker seien, würden in der gesetzlichen Krankenversicherung besser abgesichert. Zudem spare das Bundesland mit der Maßnahme. Die Beihilfe für Beamte könne die Behörden in Einzelfällen zwischen 1000 und 2000 Euro pro Privatversicherten kosten. Für denselben Menschen in einer gesetzlichen Krankenversicherung zahle der Staat nur rund 300 Euro. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Georg Nüßlein, sieht es ganz anders. Für ihn ist die Hamburger Initiative "ein krampfhafter, dem Wahlkampf geschuldeter Schritt". Der Staat habe die Pflicht, seinen Beamten eine Beihilfe zuzusichern. Die Unterstützung für gesetzlich Versicherte, welche die Hamburger Senatorin vorschlägt, sei deshalb "verfassungsrechtlich bedenklich", sagt er. So eine wichtige Entscheidung müsse durch eine bundesweite Wahl getroffen werden und nicht durch ein einzelnes Bundesland. Auch der Deutsche Beamtenbund (DBB), dessen Mitglieder die Hamburger Senatorin unterstützen will, reagiert verärgert auf die neue Wahlfreiheit. Der Vorschlag sei "unausgegoren", sagte DBB-Landeschef Rudolf Klüver. Als Interessenvertreter sei er nicht in diese Entscheidung eingebunden gewesen, kritisiert er. Stattdessen stelle die Stadt Hamburg ihre Beamten bei der Krankenversicherung nun vor eine Wahl mit lebenslangen, unumkehrbaren Konsequenzen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/dienstleistungsabkommen-tisa-bundesregierung-gibt-sich-ahnungslos-1.2017655
mlsum-de-9794
Werden Bildung oder Wasser mit dem Dienstleistungsabkommen Tisa privatisiert? Die Bundesregierung antwortet auf diese Frage desinteressiert und widersprüchlich. Die Linke warnt vor einem "Zwang permanenter Liberalisierung".
Ein neuer Schauplatz: Während Europas Bürger gegen das EU-Handelsabkommen mit den USA protestierten, rückt der Dienstleistungsvertrag Tisa in den Blick. Seit die Süddeutsche Zeitung erstmals Details aus den geheim gehaltenen Verhandlungen veröffentlichte, fragen Skeptiker: Was ist in diesem globalen Vertrag geplant, den 50 Nationen schon seit März 2013 bereden? Die Bundesregierung nimmt jetzt Stellung - und wirft ein paar Nebelkerzen, wie aus der Antwort auf einer Anfrage der Linken hervorgeht, die SZ, NDR und WDR vorliegt. Stichwort Geheimhaltung: Wie die SZ berichtete, drucken die USA auf ihre Dokumente, diese dürften frühestens in fünf Jahren veröffentlicht werden. Die Bundesregierung behauptet nun in ihrer Antwort, ihr sei "eine solche Forderung nicht bekannt", obwohl sie ein paar Absätze vorher zugibt, die Tisa-Dokumente zu kennen. Ähnlich desinteressiert an der Aufklärung der Bürger zeigt sie sich bei der Frage, ob sie sich wie bei Tisa für eine Offenlegung des Verhandlungsrahmens von Tisa einsetzt: So etwas "wurde in den Gremien in Brüssel bisher nicht diskutiert" - mehr als ein Jahr nach dem Start. Bei so viel Geheimnistuerei erhebt sich die Frage, ob Tisa "ein gefährliches Vorhaben ist, das alle möglichen Dienstleistungen unter den Zwang permanenter Liberalisierung stellt und privaten Unternehmen Vorfahrt mit garantierten Profiten gibt", wie der Linken-Abgeordnete Klaus Ernst wettert. Die Regierung erklärt kategorisch, eine Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen wie Bildung oder Wasser sei nicht geplant. Skeptiker zweifeln und fürchten, dass private Firmen auch noch der Weg zu staatlichen Subventionen geebnet werden soll.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/milliardaerin-liliane-bettencourt-madame-spricht-und-schweigt-1.1007439
mlsum-de-9795
L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt, drittreichste Frau der Welt und reichste Frankreichs, redet erstmals offen über ihr Privatleben, verliert aber kein Wort über ihre angeblichen illegalen Parteispenden.
Paris - Erst ging es nur um ihr Geld und ihren Geisteszustand. Dann um ihre Steuermoral. Und schließlich um die Politik und die Zukunft des französischen L`Oréal-Konzerns: Die Affäre um Liliane Bettencourt, die drittreichste Frau der Erde, treibt Frankreich um. Madame aber lebt still und geheimnisumwittert im Auge des Taifuns. Seit Juni, als der Fall Schlagzeilen machte, äußerte sie sich kaum und gewährte keinen Einblick in ihr Reich, eine großbürgerliche Villa in Neuilly bei Paris. Nun erklärt sich die 88 Jahre alte Tochter des L`Oréal-Gründers Eugène Schueller in einem Interview mit dem Paris Match. "Die Wahrheiten der Liliane Bettencourt", titelt das Magazin. Detailansicht öffnen Liliane Bettencourt, drittreichste Frau der Welt und reichste Frankreichs, hat viel Ärger: Ihre Tochter will sie entmündigen lassen. Ihr Günstling, dem sie Geschenke im Wert von einer Milliarde Euro gemacht hat, kriege nicht genug, klagt sie. Und außerdem soll ihre Steuererklärung nicht in Ordnung sein. Aber das bestreitet Madame. (Foto: dpa) Die Bettencourt-Saga ist fast so komplex wie die Fernsehserie Dallas. Da streiten die Mutter Liliane und ihre Tochter Françoise miteinander, Richter streiten mit Staatsanwälten, die Regierung mit der Opposition. Behörden und Justiz führen zahlreiche Ermittlungen. Der L`Oréal-Konzern fürchtet um sein Image. Eine Kommission berät über Interessenkonflikte in der Politik. Arbeitsminister Éric Woerth ist beschädigt, und Präsident Nicolas Sarkozy wird von einer Ex-Buchhalterin der Familie Bettencourt beschuldigt, illegale Parteispenden bekommen zu haben. Daher ist es durchaus von nationalem Interesse, was Liliane Bettencourt zu sagen hat. Die Hauptaktionärin von L`Oréal versucht zunächst, den Vorwurf ihrer Tochter auszuräumen, sie sei nicht mehr bei Trost und gehöre - schon im Interesse des Kosmetikkonzerns - entmündigt. Die Fotos zeigen eine ältere, keineswegs greisenhafte Dame samt Butler, Gärtner und Garderobiere. "Sie ist politisch, neugierig, schelmisch, charmant und manchmal hart, aber immer unterhaltsam", schmachtet Paris Match: "Ihr Körper und ihre Bauchmuskeln lassen ihre Angestellten träumen." Sodann erfährt Frankreich, dass die betagte Dame allmorgendlich eine Stunde schwimmt, jeden Mittag Politiker und Geschäftsleute trifft und ihre Dackel mit Fisch füttert, dem schönen Fell zuliebe. Außerdem soll Mao für Madame geschwärmt haben, "vielleicht zu viel", wie sie findet. Gravierender dürfte sein, dass die Milliardärin in dem Interview mit ihrem langjährigen Günstling, dem Fotografen François-Marie Banier, bricht. Bettencourt hatte dem 25 Jahre jüngeren Lebemann Geld- und Sachgeschenke im Wert von einer Milliarde Euro gemacht. Ihre Tochter hat Banier deshalb wegen "Missbrauchs der psychischen Schwäche" ihrer Mutter verklagt. Sie fürchtete, Banier könne Einfluss auf L`Oréal bekommen. Nun sagt auch die Mutter, Banier sei ein Mensch, der nie genug bekomme. Sie könne in seiner Gegenwart nicht mehr atmen. "Er ist allzu mühsam geworden." Vor kurzem hat Liliane Bettencourt den Dandy bereits als Erben gestrichen. Mit ihrer Tochter aber versöhnt sie sich nicht. Mit Françoise werde es schwierig bleiben, sagt sie. Einen Satz später verspricht sie: "Was L`Oréal anbetrifft, werde ich, solange ich lebe, dafür sorgen, dass die Gruppe französisch bleibt." Das dürfte viele Franzosen beruhigen. Sie fürchten, der Streit im Hause Bettencourt könnte dazu führen, dass der als nationales Prunkstück angesehene Konzern ins Ausland verkauft wird, etwa an Nestlé, das bereits zweitgrößter L`Oréal-Aktionär ist. Sarkozy selbst sagte: "Ich will, dass L`Oréal, 17 Milliarden Euro Umsatz, 64 000 Beschäftigte, nicht ins Ausland abwandert." Auch bei L`Oréal macht man sich Gedanken. Bislang sei der Konzern unbeschädigt durch die Affäre gelangt, versicherte diese Woche Vorstandschef Lindsay Owen-Jones. Allerdings werde im Ausland bereits von einer "Affäre L`Oréal" gesprochen. Daher fordert Owen-Jones: "Es ist wichtig, dass Liliane und Françoise Bettencourt den Weg der Versöhnung finden." Dazu wird es, hört man die Mutter, nicht kommen. Die Familiensaga wird die Politik weiter umtreiben. Allerdings verrät die Milliardärin nichts über ihre Beziehungen zum Regierungslager. Sie räumt nur ein, in der Vergangenheit hätten ihre Verwalter "Dummheiten" gemacht, und meint damit Auslandsanlagen, die der Steuer entzogen wurden. Fragen nach ihrem Verhältnis zum früheren Finanz- und heutigen Arbeitsminister Éric Woerth beantwortet sie nicht. Woerth wird verdächtigt, als Schatzmeister der Regierungspartei UMP von Madame Bettencourt illegale Spenden für den Präsidentschaftswahlkampf Sarkozys angenommen zu haben; als Minister habe er die Milliardärin in Steuerangelegenheiten begünstigt. Woerth bestreitet dies, aber die Affäre belastet die Regierung Sarkozy schwer. Da Bettencourt schweigt, hängt die Aufklärung ganz an der Strafjustiz. Doch die ist zerstritten. Der zuständige Staatsanwalt hat den Ruf, Sarkozy nahezustehen. Die Opposition argwöhnt, er schütze Woerth. Zudem ist der Staatsanwalt an die Weisungen des Justizministeriums gebunden. Der Generalstaatsanwalt am Kassationsgerichtshof - er entspricht dem Bundesgerichtshof - forderte deshalb diese Woche, die Affäre um Bettencourt und Woerth einem unabhängigen Untersuchungsrichter zu überweisen. Der Staatsanwalt von Nanterre aber weigert sich, den Fall aus der Hand zu geben. Die Sozialistin Ségolène Royal findet, die Freiheit der Justiz werde auf schockierende Weise behindert. Es geht also ums Grundsätzliche in der Republik. Um das Verhältnis von Macht und Milliarden, Politik, Wirtschaft und Justiz. "Diese Affäre ist eine sehr große Prüfung", meint Liliane Bettencourt. Doch sie kann der Sache eine gute Seite abgewinnen. Sie bekomme viel Unterstützung, sagt die alte Dame. "Ich habe dabei wunderbare Leute kennengelernt, angefangen bei meinen Rechtsanwälten, die charmant sind!"
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/internationales-netzwerk-raus-in-die-welt-1.3389351
mlsum-de-9796
Die private Business and Information Technology School mit Standorten in Hamburg, Iserlohn und Berlin schickt ihre Studenten für mindestens ein Semester ins Ausland. Diese schätzen die Möglichkeit.
Henry Schulze studiert an der Business and Information Technology School (BITS) in Hamburg Sport und Event Management. Da jeder Studierende an dieser privaten Fachhochschule ein Semester im Ausland absolvieren muss, ist Schulze nun schon seit sechs Wochen an der Stellenbosch University International in Südafrika. Sie ist wie die BITS Teil eines internationalen Netzwerkes von 70 Hochschulen in 25 Ländern, die zum US-Bildungskonzern Laureate International Universities gehören. "Der Vorteil dieses Netzwerkes ist es, dass die BITS bei Fragen zum Beispiel über Kurse die Universität im Ausland direkt kontaktieren und so nach kurzer Zeit Unklarheiten lösen kann", sagt Schulze, der derzeit Kurse in Management und Business Economics besucht. Eigenständiges Lernen hat in Südafrika einen hohen Stellenwert Der 20-Jährige hat bereits deutliche Unterschiede zu seinem Studienalltag in Deutschland festgestellt. An der BITS Hamburg sind maximal 30 Studierende pro Vorlesung üblich, in Stellenbosch besuchen dagegen 150 bis 200 Studierende die Vorlesungen. Weniger direkter Kontakt mit den Dozenten ist so möglich, dafür wird mehr Nacharbeit und ein kontinuierliches Mitlernen erwartet. "Das eigenständige Lernen sowie die Selbständigkeit haben an der Universität in Südafrika einen viel höheren Stellenwert als an unserer Hochschule in Deutschland", erzählt Schulze. Detailansicht öffnen In einem für Hamburg typisch roten Gebäude befindet sich die private Hochschule BITS. Allzusehr an Hamburg hängen sollten die Studenten aber nicht: Sie müssen mindestens für ein Semester ins Ausland gehen. (Foto: Bits/privat) Weniger Studenten und straffer Lehrplan, das sind die klassischen Merkmale privater Hochschulen wie der BITS. Diese bietet nicht nur in Hamburg, sondern auch in Iserlohn und in Berlin unter anderem die Bachelorfächer Wirtschaftspsychologie, Betriebswirtschaftslehre und Kommunikations- und Medienmanagement an. Zudem bietet die BITS sieben Masterstudiengänge an, darunter in Unternehmensführung. Internationalität wird an allen drei Standorten gefördert. Dazu gehört neben dem obligatorischen Auslandssemester auch die Teilnahme an "global classes". Zusammen mit Studierenden einer Partneruniversität aus dem Laureate-Netzwerk wird ein Semester lang ein Thema intensiv behandelt. Dekan Michael Denninghoff liefert ein Beispiel: "Jeweils 20 Studierende aus Iserlohn und Chicago haben sich unter dem Oberthema Nachhaltigkeit mit der VW-Abgas-Dieselaffäre beschäftigt, unter Gesichtspunkten wie Marketing und Ethik. Dabei haben national gemischte Gruppen zusammengearbeitet und am Ende ihre Ergebnisse präsentiert." Der Kontakt lief zum Beispiel über Skype oder E-Mails. Laut Denninghoff war es für beide Seiten sehr spannend, die jeweilige nationale Sichtweise kennenzulernen und zu diskutieren. Er ist überzeugt, dass durch solche Seminare - wie auch durch die von der BITS Berlin angebotene International Summer School - das Verständnis für andere Kulturen wächst und die Eigenständigkeit der Studenten gefördert wird. Selbständigkeit, das ist auch für Andreas Moring ein zentrales Anliegen. Der Fachdozent für Medienmanagement und Hamburger Campus-Leiter erklärt, warum sich die BITS als Unternehmer-Hochschule der Öffentlichkeit präsentiert: "Es gibt viele Kooperationen mit Unternehmen, die uns etwa Praktikumsplätze zur Verfügung stellen. Gleichzeitig erwarten wir unternehmerisches Denken und Handeln von den Studierenden, indem sie eigene Projekte entwickeln und Businesspläne aufstellen." Etwa jeder zehnte Absolvent macht sich später beruflich selbständig. Großes Netzwerk Laureate International Universities ist ein amerikanischer Bildungskonzern, der Ende der 90er Jahre gegründet wurde. Seit 2008 hält der Konzern mit Sitz in Baltimore, Maryland, Anteile an der BITS. Insgesamt 70 Hochschulen und Universitäten mit etwa einer Million Studenten gehören zu dem Netzwerk, das sich über 25 Länder erstreckt. Angeschlossen sind beispielsweise die Design-Hochschule IADE in Portugal, das International Technical Female College in Saudi-Arabien wie auch Institutionen in Brasilien, der Türkei oder Australien. Laureate International ist das größte internationale Hochschul-Netzwerk. Die 19 Jahre alte Sabrina Osterhage hat sich für das Bachelorstudium Journalismus und Unternehmenskommunikation wegen der kleinen Seminare und des engen Austauschs mit den Lehrenden entschieden. Von den zahlreichen nebenberuflichen Dozenten, die in der Wirtschaft arbeiten, erhofft sich die 19-Jährige Kontakte, die sie beruflich nutzen kann. Ihr gefällt auch die Unterstützung durch ihre Hochschule bei der Suche nach einer geeigneten Uni für das Auslandssemester. "Am liebsten würde ich in Kanada studieren. Diese Erfahrung ist für mich superwichtig, denn damit bin ich für die Arbeit später gut aufgestellt." Den Campus in Hamburg wie auch in Berlin und Iserlohn teilt sich die BITS mit der Hochschule für Gestaltung, kurz BTK, die ebenfalls zum Laureate-Netzwerk gehört. Etwa 2700 Studenten zählen beide Einrichtungen. Die BTK bietet Studiengänge wie Illustration oder Film und Motion Design an. Julian Steinkönig kombiniert die Studiengänge Kommunikationsdesign und Fotografie. Er arbeitet freiberuflich als Fotograf und Kommunikationsdesigner, um sein Studium zu finanzieren - im Monat liegen die Gebühren an der BTK bei 665 Euro, an der BITS bei 745 Euro. Bis zum Master kostet das Studium in der Regelstudienzeit mehr als 50 000 Euro. Das ist viel Geld, doch deutlich teurer ist das Studium an einer Netzwerk-Uni in den USA oder in Australien - ein Grund, warum sich Schulze für das Studium im günstigeren Südafrika entschieden hat. Er ist mit seiner Wahl zufrieden, wegen des milden sonnigen Klimas, wegen des Preises und nicht zuletzt wegen der Möglichkeit, eine neue Welt kennenzulernen. "Das ist gut für die Persönlichkeitsentwicklung, eine tolle Erfahrung, und es lässt sich sehr gut im Curriculum Vitae lesen."
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/negativzinsen-im-keller-1.2893471
mlsum-de-9797
Ihr Bargeld bei der EZB abzugeben, wird einigen Sparkassen zu teuer. Also wollen sie es lieber behalten.
Aufs eigene Guthaben noch Zinsen zahlen? Wäre ja noch schöner. Das denken sich offenbar gerade ein paar Sparkassen in Bayern. Da sie bei der Europäischen Zentralbank aber genau das tun müssen - 0,3 Prozent von ihrem Geld dafür bezahlen, dass sie es dort parken dürfen - erinnern sich die Institute eines lang vergessenen Raums: des Tresors. Der Gedanke dahinter ist so simpel wie bestechend: Wenn die EZB das Geld nicht will, behalten wir es eben. Wie das zu bewerkstelligen sei, dazu habe es "vereinzelte Anfragen" gegeben, heißt es vom Bayerischen Sparkassenverband. Deshalb habe man die Infos zum entsprechenden Versicherungsschutz in einem internen Rundschreiben zusammengefasst. Die Barschaft selbst zu lagern und zu versichern, kann durchaus billiger sein, als diese der EZB zu geben. Man habe aber, darauf legt der Verband wert, nicht für solch eine Maßnahme geworben. Auch sei im Freistaat "von keiner Sparkasse bekannt, dass sie so etwas konkret plant", sagte eine Sprecherin. Wäre auch nicht sinnvoll, heißt es vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband, der Dachorganisation der Sparkassen in Deutschland. Zwar sei es "grundsätzlich legitim und zu begrüßen", wenn über Möglichkeiten nachgedacht wird, Kosten zu senken. Allerdings wäre das Bare im Keller aus Sicht des Verbands eben nicht billiger als die EZB. Denn neben den Versicherungsbeiträgen, die sich nach der eingelagerten Summe richten, fallen noch andere Kosten an: Der Tresor muss gesichert werden, und mehr Bares bedeutet auch mehr Geldtransporte. Auch in der Schweiz, wo der Strafzins der Zentralbank mit 0,7 Prozent mehr als doppelt so hoch ist wie in der Euro-Zone, sei der Bargeldumlauf deshalb kaum gestiegen. Trotzdem, ein ebenfalls fast vergessener Berufsstand dürfte sich schon auf die Renaissance im Gefolge des Tresors vorbereiten: die Panzerknacker. Die dürften zwar einigermaßen aus der Übung sein, zuletzt ging ja alles nur noch über den Computer. Aber gelernt ist gelernt. Wäre ja noch schöner.
https://www.sueddeutsche.de/politik/zeitungsbericht-korruptionsvoruefe-gegen-griechischen-vize-minister-1.2404457
mlsum-de-9798
Verwaltungsreform gegen Provision? Eine Athener Zeitung wirft Vize-Innenminister Giorgos Katrougalos vor, sich an der Wiedereinstellung gefeuerter Beamter zu bereichern. Korruptionsbekämpfung gehört zu den erklärten Zielen seiner Regierung.
Korruptionsvorwürfe und Dementi In Griechenland gibt es Korruptionsvorwürfe gegen ein Regierungsmitglied. Nach einem Bericht der Athener Sonntagszeitung To Vima soll die Anwaltskanzlei des Vize-Innenministers Giorgos Katrougalos 300 entlassene Beamte vertreten, die im Rahmen einer Verwaltungsreform wieder eingestellt werden sollen. Der Vize-Minister ist innerhalb der Regierung für die Reform verantwortlich, die insgesamt bis zu 15 000 Ex-Beamte betrifft. Dem Nachrichtenportal Newsbomb zufolge wies Katrougalos die Vorwürfe bei einer einberufenen Pressekonferenz scharf zurück. Seine Partnerschaft in der Kanzlei ruhe seit seiner Wahl für das Europaparlament im Sommer 2014. Neue Verträge am Tag der Ressortübernahme Die Sonntagszeitung veröffentlichte am Samstag in einem Vorbericht Dokumente, aus denen hervorgehen soll, dass die Kanzlei von Katrougalos noch am 27. Januar - dem Tag, an dem er das Ressort für Verwaltungsreform übernahm - solche Verträge unterzeichnete. Als Honorar seien zwölf Prozent des Streitwerts vereinbart worden. Katrougalos sagte dagegen in seiner Pressekonferenz, bei den Dokumenten handele es sich gar nicht um Verträge mit entlassenen Beamten. Vielmehr gehe es darin um Lohndifferenzen. "Wenn das alles stimmen würde, müsste ich nicht nur zurücktreten, sondern das Land verlassen oder mich umbringen", sagte Katrougalos, der auch Universitätsprofessor für Öffentliches Recht ist. Unterstützung von der Regierung Die Veröffentlichung sorgte in Athen für erheblichen Wirbel. Die Opposition forderte den Rücktritt des Vize-Ministers. Die Regierung des linksgerichteten Ministerpräsidenten Alexis Tsipras stellte sich hinter den stellvertretenden Innenminister. Regierungskreise sprachen von Lügen, die die Zeitung verbreite. Die Regierung hat die Bekämpfung der Korruption zu einer ihrer wichtigsten Aufgaben erklärt.
https://www.sueddeutsche.de/reise/staedtetipps-von-insidern-london-lieblingsorte-in-london-1.33220
mlsum-de-9799
Auf einem Pferd durch den Hyde Park, Romantik im Doppeldecker und Londons unbekanntester Aussichtspunkt: Londoner verraten Geheimtipps für ihre Stadt.
In Reiseführern finden Touristen "Städte-Klassiker", doch selten steht darin, wo der beste Platz für ein Picknick ist oder wann außergewöhnliche Clubs öffnen. Der City-Blog "Spotted by Locals" führt deshalb zu den Lieblingsorten lokaler Blogger. Für sueddeutsche.de haben Insider die besten Tipps für zehn Städte zusammengestellt. In dieser Woche verraten Londoner, welche Orte sie in ihrer Stadt lieben. Das Monument - Londons unbekannteste Aussicht "Das Zentrum von London, Jahrhunderte alt und durch den Zweiten Weltkrieg größtenteils plattgemacht, ist nicht übersät mit Wolkenkratzern wie andere europäischen Städten wie Moskau oder Frankfurt. Aber genau aus diesem Grund gibt es einige umwerfende Aussichtsmöglichkeiten über die Stadt, nicht zuletzt vom London Eye und vom Centrepoint. Aber das Eye ist teuer und auf den Centrepoint kommt man meistens nur schwer hoch. Doch es gibt eine Alternative: Versteckt zwischen den steinernen Bankgebäuden befindet sich Christopher Wrens (der von der St. Paul's Cathedral) Monument für das große Feuer in London im Jahr 1666. Die riesige römische Säule mit einer Flamme auf der Spitze ist 202 Fuß hoch und 202 Fuß weit weg von dem Ort in der Pudding Lane, wo das verheerende Feuer angeblich seinen Anfang nahm. Wenn Sie es schaffen, gehen Sie die 311 Stufen hoch - der Blick ist großartig bei gutem Wetter. Und auch der Preis ist gut: Drei Pfund - will jemand rein? Sehr gerne, danke!" The Monument, Monument Street, London-Zentrum. Tel.: 00442076262717. Öffnungszeiten: täglich, 9.30 Uhr bis 17.30 Uhr (letzter Einlass: 17 Uhr) Text: Sean Williams; Foto: AP; spotted by locals
https://www.sueddeutsche.de/sport/taktik-analyse-das-chaos-der-anderen-1.2893890
mlsum-de-9800
Die erste halbe Stunde des Spitzenspiels in der Bundesliga ist avantgardistisches Heavy Metal, die restliche Zeit ein solider Coldplay-Song.
Fußballtaktik wurde ursprünglich erfunden, um Ordnung in das Chaos zu bringen. Thomas Tuchel und Pep Guardiola wollten wieder Chaos, das Chaos des Anderen. Das war die Taktik und der Grund, warum dieses 0:0 in den ersten 30 Minuten das beste Bundesliga-Spiel dieses Jahres wurde. Das Ergebnis dieser gewollten Anarchie war ein irres Tempo, das beide Mannschaften aber nicht länger als eine halbe Stunde durchhielten. Man verwendet ja gerne Zahlenkombinationen, um das System einer Mannschaft auf einen Text zu übertragen. 4-4-2, 4-4-3, 4-1-4-1, solche Dinger. An diesem Samstagabend war das völlig sinnlos, irgendwann um das Jahr 2005 hat man vielleicht so statisch gespielt. Aber nicht Guardiola und Tuchel, bei denen man ja annehmen muss, dass sie zu Hause auch die Formation ihrer Topfpflanzen je nach Sonnenstand in die optimale Position rotieren. Das System beider Mannschaften war fast gleich Taktisch muss man dieses Spiel teilen. Einmal in die ersten 30 Minuten und einmal in den Rest. Die erste halbe Stunde war avantgardistisches Heavy Metal. Die restliche Zeit war ein solider Coldplay-Song. Das System beider Mannschaften war am Anfang jeweils fast gleich. Und weil es sich je nach Spielsituation änderte, erklärt man es am besten an einer solchen: Zum Beispiel bekommt Philipp Lahm auf Rechtsaußen den Ball von David Alaba. Weil Alaba den Ball schon kontrolliert hatte, wird die Abwehr von Borussia Dortmund von einer Dreier- zu einer Fünfer-Kette. Die übrigen fünf "freien" Dortmunder Feldspieler rennen die Bayern an, Marco Reus und Marcel Schmelzer auf Philipp Lahm, der Rest läuft Anspielstationen zu. Bayern und Dortmund verteidigen 40 Meter vor dem eigenen Tor Lahm verliert den Ball wegen des Pressings in der gegnerischen Hälfte. Bayern zieht sich nicht zurück, sondern rückt weiter auf, läuft seinerseits Reus an (in dem Fall kommt Vidal Lahm zu Hilfe) und die Anspielstationen von Reus zu. Hätte Reus den Ball gesichert, etwa durch einen Pass nach hinten, wäre Bayerns Abwehr auch zu einer Fünferkette mit Alonso als zusätzlichem Abwehr-Spieler geworden und die restlichen Fünf hätten Dortmund unter Druck gesetzt. Das führte zu einem Wahnsinns-Tempo in der ersten halben Stunde. Anlaufen. Ball gewinnen. Ball verlieren. Wieder anlaufen. Je nach Situation neu formieren. Immer mit dem Ziel, in dem Chaos aus Hin-und-Her die Lücke beim Gegner zu finden. Beide Abwehrreihen agierten im Schnitt 40 Meter vom eigenen Tor weg. Und beide Mannschaften mussten je nach Spielsituation entscheiden, ob sie nun mit der ganzen Mannschaft ins Pressing gehen oder nur mit den "Freien Fünf".