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https://www.sueddeutsche.de/stil/make-up-fehler-apfelbaeckchen-und-koalabaer-blick-1.2281720
mlsum-de-9501
Zur Silvesterparty möchte jede Frau gut aussehen, und doch passieren immer wieder dieselben Make-up-Fehler. Die häufigsten Missgeschicke vor dem Spiegel - und wie sie sich vermeiden lassen.
Der falsche Concealer Als Concealer bezeichnet man hautfarbene Abdeckcreme mit einem besonders hohen Anteil an Farbpigmenten. Er ist der Liebling aller Visagisten, und kein Model, Schauspieler oder Politiker tritt vor eine Kamera, ohne das Wunderpräparat vorher benutzt zu haben. Richtig eingesetzt, deckt der Concealer dunkle Schatten unter den Augen ab, kleine Rötungen und Unebenheiten der Haut scheint er geradezu auszulöschen wie früher Tipp-Ex die Fehler auf einer Schreibmaschinenseite. Und wie bei Tipp-Ex gilt: sparsam verwenden. Greift man zu tief in den Tiegel, setzt sich die Creme in den feinen Linien der Haut ab. Wichtig ist auch, den Concealer richtig einzuarbeiten - sonst reflektieren die Farbpigmente im Foto-Blitzlicht. Und statt zu strahlen, erinnert man später auf den Bildern an einen Koalabären. Am besten zuerst eine Augencreme auftragen und wenig Concealer mit dem Finger sanft in die Haut einklopfen. Die Konsistenz muss auf den Hauttyp abgestimmt sein: Bei trockener Haut, die schon ein paar Fältchen zeigt, lässt man am besten die Finger von pudrigen Produkten, sie verstärken die Falten nur noch. Stattdessen leichte Concealer verwenden, die auch Feuchtigkeit spenden. Soll die Deckkraft stark ausfallen, aber das Ergebnis trotzdem natürlich aussehen, sind Produkte auf Creme-Basis ideal. Und wenn die Falten nun einmal da sind, empfiehlt sich ein Concealer, der das Licht reflektiert und wie ein Weichzeichner wirkt. Sorgfältig eingeklopft, vermeidet man damit auch das Koalaproblem.
https://www.sueddeutsche.de/bildung/germanistik-raus-aus-der-misere-1.3667721
mlsum-de-9502
Verschwurbelt, unbedeutend, zu viele Studenten - die Germanistik kaut an immer denselben Vorwürfen. Die Disziplin muss endlich ihre Probleme analysieren.
Um die Aktualität Friedrich Schillers, hier eine Inszenierung seines Dramas "Maria Stuart", muss man sich wohl keine Sorgen machen. Die Wissenschaft, die sich um ihn und seinesgleichen dreht, steht jedoch in der Kritik. Es sollte um "Europa im Übergang" gehen, um Flüchtlingsromane und transnationales Theater, 180 Germanisten aus der ganzen Welt waren nach Flensburg gekommen. Tagung der Gesellschaft für interkulturelle Germanistik (GiG). Dann ging es doch auch um die Krise, in der das Fach angeblich gerade steckt. Beziehungsweise um das, was von dem Krisengerede zu halten ist. Die Diskussion hatte Anfang des Jahres der Spiegel-Autor Martin Doerry mit seinem Artikel "Schiller war Komponist" angestoßen. Seine Kritik: Die Germanistik könne keine relevanten Intellektuellen mehr vorweisen, ihre Forschung zerfasere, ihre Lehre leide unter einer Überzahl von Studenten. Nach wie vor gelte, "wer nicht so recht weiß, was er mal werden soll, studiert eben gern mal Germanistik". Doerry, das nur am Rande, hat selbst Germanistik studiert. Es ist also auch eine Kritik an seinem Fach. Die Widerrede kam reflexhaft. Germanisten meldeten sich zu Wort, um zu sagen, dass sie sich sehr wohl zu Wort melden. Dass sie wissenschaftliche Texte nicht verschwurbelt schreiben würden, sondern in einer Wissenschaftssprache - wie auch Juristen, Mediziner, Physiker. Und dass die Germanistik natürlich einen Wert für die Gesellschaft habe. Wieso solle sich ein Fach, bei dem der Mensch im Zentrum steht, wenn auch als literarische Figur, überhaupt rechtfertigen? Dieter Heimböckel, 56, ist stellvertretender Vorsitzender der GiG, er hat in Flensburg den Vortrag gehalten, der im Programmheft auffiel: "Krisenrhetorik und Legitimationsritual", er redet auch ein paar Tage später noch darüber. Er redet über die "sogenannte Krise" und seine Wortwahl zeigt, was er davon hält. Die Germanistik löste im 19. Jahrhundert Latein ab als Fach, an dem die Nation sich bildete. Sie wurde ideologisiert in den 1930er Jahren, in den 1960er Jahren arbeitete sie sich an dieser Ideologisierung ab. Im April 1971 titelte die Zeit "Das Fach in Dauerkrise". Auch als Heimböckel sich an der Universität Duisburg einschrieb, gab es Kritik: Die FAZ klagte im März 1987 über "Das Elend des Krisengeredes". Zum Verstummen kam das Gerede nicht. "Sind Germanistik und Krise nicht ein und dasselbe?" fragte im März 1997 die Zeit. Das Fach ist damit beschäftigt, sich selbst zu legitimieren Heimböckel wurde mit einer Arbeit über Walter Rathenau promoviert, habilitierte sich zur Sprachkritik bei Heinrich von Kleist, lehrte in Duisburg und Regensburg. Derzeit unterrichtet er Literatur und Interkulturalität an der Universität in Luxemburg. Die Kritik an seinem Fach hört Heimböckel noch immer. "Die Germanistik steckt in einer Legitimationsspirale", sagt er, "die wirklich wichtigen Themen werden dabei nicht angesprochen." Nicht von außen. Aber auch nicht von innen. Das Fach ist damit beschäftigt, sich selbst zu legitimieren. Dabei gebe es Redebedarf.
https://www.sueddeutsche.de/politik/tuerkei-ein-land-demonstriert-einigkeit-1.3111139
mlsum-de-9503
Der Tag des Putschversuches habe "das Tor zur Aussöhnung" geöffnet, sagt der Anführer der größten Oppositionspartei. Noch vor wenigen Wochen hatten sich die Parteiführer von AKP und CHP gegenseitig mit Beleidigungsklagen überzogen.
Der Putschversuch vom 15. Juli führt in der Türkei zur ersten Annäherung zwischen Regierung und Opposition seit Jahren. Zwei der drei im Parlament vertretenen Oppositionsparteien nahmen am Sonntagabend an einer vom Präsidentenpalast initiierten Großkundgebung in Istanbul teil. Etwa eine Million Menschen versammelte sich. Die Türkei wolle den abgewehrten Militärputsch feiern und ein überparteiliches Zeichen für die Demokratie setzen, sagte Premier Binali Yıldırım. Das Land werde in "einer Stimme, einem Atem und einem Herzen" vereint sein. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan erklärte, der 15. Juli habe einen "Geist der Einheit und Gemeinsamkeit" geschaffen, man solle ihn jetzt bestens nutzen. Neben Erdoğan sprachen Kemal Kılıcdaroğlu, Vorsitzender der größten Oppositionspartei, der säkularen CHP, und der Chef der ultranationalistischen Partei MHP, Devlet Bahçeli. Kılıcdaroğlu sagte, der Tag des Putschversuches habe "das Tor zur Aussöhnung" geöffnet. MHP-Chef Bahçeli erklärte, man müsse aufhören, "virtuellen" Streit zu führen. Die prokurdische Partei HDP, war nicht zur Kundgebung eingeladen. Die Regierung wirft ihr eine Nähe zur kurdischen Terrororganisation PKK vor. Der Auftritt zeigt das Bemühen der Parteien, Spannungen abzubauen. Zuletzt gab es kaum mehr Anliegen, über die zwischen Regierung und Opposition noch ein Konsens erzielt werden konnte. Die Parteiführer hatte sich mit Beleidigungsklagen überzogen, die nun aber teilweise zurückgenommen werden sollen. CDU-Politiker Elmar Brok warnt vor Kurzschlussreaktionen Zahlreiche Politiker stellten sich der österreichischen Forderung entgegen, die Beitrittsgespräche mit der Türkei abzubrechen. Das Vorgehen der Regierung gegen mutmaßliche Putschisten und ihre angeblichen Unterstützer hatte den Westen schockiert. Zehntausende Beamte waren suspendiert worden, es kam zu Tausenden Verhaftungen. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) sagte im ARD-Sommerinterview: "In der Lage, in der wir jetzt sind, müssen wir eigentlich jeden Gesprächskanal zur Türkei suchen". Er glaube aber nicht, "dass die Türkei in absehbarer Zeit" die Chance habe, der EU beizutreten. Er rede dabei von "zehn, 20 Jahren". Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im EU-Parlament, Rebecca Harms, sagte der Welt am Sonntag, es sei "verantwortungslos, wenn wir in dieser akuten Situation die bisherigen Beziehungen zur Türkei komplett aufgeben würden". Auch der CDU-Politiker Elmar Brok warnte vor Kurzschlussreaktionen. Im Streit um die Visumsfreiheit will EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker der Türkei nicht entgegenkommen. Zugleich bekräftigte er die Notwendigkeit, an der Flüchtlingsvereinbarung mit Ankara festzuhalten. Österreichs Außenminister Sebastian Kurz sagte dem Magazin Focus mit Blick auf ein mögliches Platzen des Flüchtlingsdeals, wenn die EU über einen starken Grenzschutz verfüge, erübrige sich ein solches Abkommen. Die Türkei nimmt seit April auf den griechischen Inseln ankommende Flüchtlinge zurück. Die Flüchtlingszahlen in Europa sind gesunken.
https://www.sueddeutsche.de/sport/interview-mit-karl-heinz-rummenigge-ich-wuensche-mir-dass-pep-bleibt-1.2481231
mlsum-de-9504
Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge verteidigt im SZ-Interview Pep Guardiola gegen aufkommende Kritik und würde den Vertrag mit dem Trainer gerne verlängern. Zudem gibt er Einblicke in die Kaderplanung.
Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hat seinen Trainer Pep Guardiola offensiv gegen aufkommende Kritik verteidigt. Er registriere in der Öffentlichkeit "im Moment einen gewissen Anti-Guardiola-Trend, mit der Stimmung in unserem Verein hat das aber rein gar nichts zu tun", sagt Rummenigge im Interview mit der Süddeutschen Zeitung (Wochenend-Ausgabe). Nach dem Ausscheiden in der Champions League gegen den FC Barcelona versucht der Klub, die Deutungshoheit über die Saison und den Trainer zurückzugewinnen. "Ich bin mit dem Verlauf der Saison sehr zufrieden", sagt Rummenigge und wehrt sich dagegen, dass das Umfeld den Klub "neuerdings nur noch am Triple von 2013 misst. Das haben wir in 115 Jahren erst ein einziges Mal gewonnen, das vergessen einige". Seinem Trainer signalisiert der Vorstandschef, dass er ihn gerne über das Vertragsende im Juni 2016 hinaus behalten würde. Man habe im Januar vereinbart, "dass wir in der zweiten Jahreshälfte 2015 über Peps Zukunft sprechen", sagt Rummenigge, "und meine Meinung kennt er: Ich wünsche mir, dass er bleibt". Guardiola erfülle "alle Kriterien, die wir an einen guten Trainer richten", so Rummenigge, "auch die Mannschaft ist sehr glücklich mit ihm". Dass Guardiolas taktische Winkelzüge in der Öffentlichkeit mitunter auf Unverständnis stoßen, schiebt Bayerns Vereinschef auf einen kulturellen Unterschied zwischen den Ländern. In Deutschland werde das Coaching "oft etwas eindimensional gesehen", sagt Rummenigge, "in anderen Ländern wird das Spiel vielleicht etwas strategischer betrachtet. Da begreift man es als Stärke, wenn ein Trainer mit einem Eingriff das Spiel verändert". Im sogenannten Ärztestreit mit dem ehemaligen Teamarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt ergreift der Vereinschef erneut Partei für den Trainer. "Wenn Sie die Details unserer Verletztenakten kennen würden, dann würden Sie auch die Gedanken- und Emotionswelt des Trainers besser verstehen. Er musste gegen Barcelona einen hohen Preis bezahlen." In die Planung des neuen Kaders sei Guardiola "natürlich eingebunden", sagt Rummenigge, denn "eine seriöse Kaderplanung macht man für eine Saison, nicht für drei und nicht für fünf Spielzeiten". Er könne aber "alle beruhigen, die meinen, dass der Verein den Hausschlüssel aus der Hand gibt und sich nur nach den Ideen von Guardiola richtet". Im Übrigen deutet der Vereinschef an, dass Gespräche mit einigen Ü30-Spielern wie Dante, Xabi Alonso oder auch Bastian Schweinsteiger bevorstehen könnten. Jeder wisse, "was die genannten Spieler für Bayern geleistet haben", sagt Rummenigge, "trotzdem machen wir uns Gedanken". Auf die Frage, ob man den vertraglich noch gebundenen Spieler vielleicht beibringen müsse, dass sie künftig etwas weniger spielen, sagt Rummenigge, man werde "mit der notwendigen Sensibilität Entscheidungen treffen". Außerdem fordert Rummenigge den deutschen Fußball und indirekt die Deutsche Fußball Liga (DFL) auf, die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesliga weiter zu erhöhen. Die Bundesliga müsse "aufpassen, dass sie nicht unter die Transferräder Englands gerät", meint Rummenigge und sagt ein "großes internationales Comeback" der Engländer voraus. Der Pay-TV-Markt in Deutschland werde "de facto von einem Monopol beherrscht", so Rummenigge, "und meine Sorge ist: Wenn es uns allen nicht gelingt, dieses Monopol aufzulösen, werden wir uns weiterhin unter Wert verkaufen." Rummenigge fordert neue Anbieter neben dem bisherigen Partner Sky: "Nur der Konkurrenzkampf treibt den Preis", sagt der Münchner Vereinschef, "deshalb wäre ich sehr dafür, unterschiedliche Pakete für unterschiedliche Anbieter zu schnüren." Man dürfe sich "nicht dauerhaft von einem Monopolisten abhängig machen".
https://www.sueddeutsche.de/politik/trump-brexit-interview-fake-news-1.4054008
mlsum-de-9505
Nach harscher Kritik an Mays Plänen gibt sich der US-Präsident beim gemeinsamen Auftritt handzahm: Der Brexit gehe ihn nichts an. Die britische Premierministerin kündigt ein Handelsabkommen an.
Zuerst teilt er in einem Presseinterview aus, nach einem Gespräch auf dem Landsitz Chequers bei London hingegen gibt sich der US-Präsident wieder zahm. Donald Trump bedankt sich bei der britischen Premierministerin Theresa May für die Gastfreundschaft. Die Bande zwischen Großbritannien und den USA seien besonders eng, die gemeinsamen Werte würden für immer verbinden, so Trump. In der Sun hatte der US-Präsident ein Handelsabkommen der beiden Länder in Zweifel gezogen. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Die USA und Großbritannien streben nach den Worten Mays weiterhin ein "ambitioniertes" Handelsabkommen an. "Donald und ich haben uns auf einen anspruchsvollen Vertrag geeinigt." Der Brexit sei nicht seine Sache, betont Trump. Er sei "einverstanden" mit Mays Strategie. Zuvor hatte er sie deutlich für ihre Brexit-Pläne kritisiert - was er beim gemeinsamen Auftritt nun verneint. "Ich habe die Premierministerin nicht kritisiert", sagt Trump. Das Interview sei "Fake News" gewesen. In dem am Donnerstagabend veröffentlichten Gespräch mit der Sun drohte er der angeschlagenen Premierministerin mit dem Scheitern eines möglichen Handelsabkommens, sollte Großbritannien nach dem Brexit zu enge Anbindungen an die EU behalten. Außerdem lobte er ihren Rivalen Boris Johnson. Davon hat die Boulevardzeitung auch Audiomaterial veröffentlicht. Nun betont Trump hingegen in Richtung May: "Was auch immer Sie machen, ist für mich in Ordnung. Stellen Sie nur sicher, dass wir zusammen Handel treiben können." Trump lobt Großbritannien außerdem dafür, zu der "Handvoll" Länder zu gehören, die das Nato-Ziel bei den Militärausgaben erreichen. Trump nennt als Ziel "ein Minimum von zwei Prozent" der Wirtschaftsleistung. Auch in Sicherheitsfragen wollen beide ihre Kooperation vertiefen. Trump: Deutschland stark von Merkel geprägt Der US-Präsident nennt die Einwanderung in Europa zudem "sehr negativ". "Die Einwanderung ändert die Kultur Europas." Der Kontinent solle besser auf sich aufpassen. "Schaut euch an, was mit den Ländern passiert." Er habe eine großartige Beziehung zu Kanzlerin Angela Merkel, aber das aktuelle Deutschland sei sehr stark von ihr geprägt, sagt Trump.
https://www.sueddeutsche.de/politik/bundesparteitag-der-gruenen-gruene-fluechten-in-die-steuer-nostalgie-1.3246850
mlsum-de-9506
Der Parteitag beschließt die Vermögensteuer. Er befriedigt damit die Sehnsucht nach einer lauten Botschaft - und nach Selbstvergewisserung.
Nein, knapp ist da nichts mehr geworden. Vermögensteuer, wir kommen! - diese Botschaft wollten die meisten Delegierten in Münster auf keinen Fall gefährden. Zu attraktiv ist die Idee, endlich die Reichen, nein, die Superreichen zur Kasse zu bitten. Deshalb haben alle Versuche, den Beschluss noch zu verhindern, in Münster keine Chance mehr. Es klingt ja auch zu verlockend, mit einer Vermögensteuer endlich mehr Gerechtigkeit zu erzielen. Viele Umfragen bestätigen, dass diese Steuer bei den Menschen sehr beliebt ist. Wer wären die Grünen, wenn sie das nicht als Basis für den Beschluss genutzt hätten? Zwei kleine Haken gibt es freilich: Wo Kompromiss draufsteht, ist gar kein Kompromiss drin. Außerdem ist vollkommen unsicher, ob die Steuer je Gesetz wird. Stören mag sich daran aber niemand, erst recht nicht bei den Siegern. Sie wollten endlich den Konflikt beenden, der sich seit Jahren mit dieser Frage verbindet. Also haben sie über ihren Vorschlag Kompromiss geschrieben, auch wenn das in Wahrheit gar kein Kompromiss ist. Dass die Steuer etwas kleiner ausfallen könnte, weil nur noch die ,,Superreichen'' zur Kasse gebeten werden sollen, ist kein Mittelweg zwischen den beiden Fronten. ,,Wir Grünen beschließen eine Vermögensteuer'' - das bleibt die Botschaft. Für Winfried Kretschmann ist das eine schwere Niederlage. Der Ministerpräsident kämpfte dagegen; er argumentierte mit der Unsicherheit und den Belastungen für den Mittelstand; er verwies auf die Gefahren, die sich durch den aufkeimenden Nationalismus für die Wirtschaft ergeben. Geholfen hat das nichts. Wie vor der letzten Bundestagswahl hat er in einer zentralen Frage verloren. Ob er das einfach hinnehmen wird? Oder doch als Ministerpräsident weiter dagegen kämpfen wird? Niemand sollte glauben, dass die Debatte wirklich auf Dauer vorbei ist. Trösten kann er sich allenfalls mit der Vorhersage, dass keiner sagen kann, ob tatsächlich eine Vermögensteuer kommen wird. Das liegt nicht nur daran, dass die Grünen Koalitionspartner für ihre Idee brauchen werden. Noch wichtiger und für alle, die ehrlich sind, auch problematischer ist die Frage, ob die Steuer aus technischen und verfassungsrechtlichen Gründen je umgesetzt werden kann. Darauf nämlich hat niemand der Verfechter eine abschließende Antwort. Im Gegenteil: Sie alle wissen, dass das Verfassungsgericht diese Steuer einst kippte. Doch statt auf die Entscheidung der Richter eine überzeugende Antwort zu geben, heißt es nur, man werde eine "verfassungsfeste, ergiebige und umsetzbare Vermögensteuer für Superreiche" entwickeln. Die Botschaft lautet: Alles, was später kommt, kommt später. Und das passt zur allgemeinen Stimmung von Münster. Spätestens seit der Wahl von Donald Trump wächst auch bei den Grünen die Verunsicherung - und die Sehnsucht nach Selbstvergewisserung. Das gelingt mit besonders entschlossenen Botschaften fürs Erste besser als mit der Frage, ob mit Trumps Erfolg auch die Grünen ihre eigenen Gewissheiten, ihre Rhetorik, ihr Auftreten überprüfen müssten. Ein paar wenige haben das versucht; sie wollten fragen, ob auch die Grünen Verantwortung tragen. Die große Mehrheit aber wollte sich darauf nicht wirklich einlassen. Ihr war es lieber, frische Zuversicht in einer alten Idee zu suchen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-fuers-vaterland-1.3663234
mlsum-de-9507
Wenig verbindet den General John Kelly mit dem narzisstischen US-Präsidenten Donald Trump. Trotzdem arbeitet er für ihn - und macht aus dem Weißen Haus erstmals eine halbwegs funktionierende Regierungszentrale.
Vor einigen Jahren hielt John Kelly eine Trauerrede. Das war 2010, und Kelly war damals noch Soldat, General der Marineinfanterie. In der Rede gedachte er zweier Marines, die im Irak gefallen waren. Sie hatten eine Straßensperre bewacht und waren bei der Explosion eines mit Sprengstoff beladenen Lasters getötet worden. Eine Videokamera hatte den Vorfall aufgezeichnet. Kelly erzählte in seiner Rede von den letzten sechs Sekunden im Leben dieser Soldaten. Wie der Laster auf sie zuraste. Wie sie zu schießen begannen. Wie sie feuerten und feuerten und der Laster trotzdem weiterfuhr. Wie sie in einem Feuerball starben. "Sechs Sekunden - genug Zeit für zwei mutige junge Männer, ihre Pflicht zu tun", sagte Kelly damals. Man hört die Geschichte von dieser Rede zuweilen in Washington, wenn darüber gerätselt wird, warum ein Mann wie John Kelly eigentlich für einen Mann wie Donald Trump arbeitet. Kelly - seit Juli Stabschef im Weißen Haus - hat den größten Teil seines Lebens in der Marineinfanterie verbracht. Er hat im Golf- und im Irakkrieg gekämpft, sein eigener Sohn ist 2010 in Afghanistan gefallen. Begriffe wie Ehre, Dienst, Pflicht und Opferbereitschaft sind für ihn keine leere Phrasen. Trump hingegen hat es vor allem dadurch zu Ruhm gebracht, dass er Frauen und Geld hintergejagt ist. Er hat sich um den Wehrdienst in Vietnam gedrückt, weil es daheim mehr Bier und Mädchen gab. Im Wahlkampf hat er einmal behauptet, er habe auch viel geopfert, weil er ja so reich geworden sei. Was ihr bisheriges Leben angeht und vor allem die Werte, an die sie glauben, gibt es kaum etwas, was den narzisstischen Hallodri Trump und den hoch dekorierten Offizier Kelly verbindet. Kelly wacht eisern darüber, was der Präsident zu sehen oder zu hören bekommt Trotzdem ist Kelly in den vergangenen Monaten zu Trumps wohl wichtigstem Mitarbeiter geworden. Bevor der frühere General sein Amt antrat, war das Weiße Haus chaotisch, voller Intrigen und Machtkämpfe. Jeder misstraute jedem, jeder machte seine eigene Politik, aber niemand war verantwortlich, wenn etwas schief ging. "Man sagt hier nicht ,Yes, Sir', sondern ,Fuck you'", beschrieb ein Regierungsbeamter damals die Stimmung. Kelly hat das Präsidialamt seitdem zu einer einigermaßen funktionierenden Regierungszentrale umgebaut. Er weiß, dass er den Präsidenten selbst nicht wirklich zügeln kann, weder dessen maßlosen Fernsehkonsum noch dessen Twitterei. Und er versucht auch gar nicht, Trump persönlich zu kontrollieren. Aber er wacht eisern darüber, was der leicht beeinflussbare Trump zu lesen bekommt und mit wem er spricht. Die Zeiten, in denen Mitarbeiter dem Präsidenten heimlich ungeprüfte Artikel von rechten Internetseiten auf den Tisch legen konnten, sind vorbei; ebenso die Zeiten, in denen alte Kumpels den Präsidenten einfach anrufen oder besuchen konnten. Inzwischen müssen Gesprächswünsche angemeldet werden, sie werden geprüft, oft lehnt Kelly ab, oder er hört zumindest mit. Der republikanische Außenpolitiker John Bolton zum Beispiel, ein bedingungsloser Hardliner und Unilateralist, beschwerte sich jüngst, dass er wegen Kelly keinen Termin mehr bei Trump bekomme. "Trump unter Hausarrest", plärrte daraufhin das rechtslastige Internet. Unter Trumps einflussreichsten Beratern sind nun bizarrerweise etliche liberale Demokraten Auch die seltsame Praxis, dass Mitarbeiter im Weißen Haus ohne Termin ins Oval Office marschieren oder uneingeladen an Sitzungen teilnehmen konnten, hat Kelly beendet. Eine Frau, die das mit Vorliebe tat, war der Fernsehstar Omarosa Manigault, die Trump trotz mangelnder Qualifikation für seine Öffentlichkeitsarbeit angeheuert hatte. Berichten zufolge hat Kelly inzwischen befohlen, dass Manigault bei "wichtigen" Treffen draußen bleiben muss. Die fest geplante Anstellung des kaum weniger schillernden Sheriffs David Clarke im Weißen Haus verhinderte Kelly. Selbst Ivanka Trump, die älteste Tochter des Präsidenten, die als Beraterin im Weißen Haus arbeitet, darf angeblich nur noch dann unangemeldet ins Büro ihres Vaters, wenn es Privates zu besprechen gibt. Zudem hat Kelly einige weitere Personalentscheidungen getroffen, welche die Arbeit im Weißen Haus deutlich professioneller gemacht haben. Die wichtigste: Chefstratege Stephen Bannon, der selbsternannte Revolutionär und Bürokratiezerstörer, musste gehen. Bannon war der Fackelträger der harten, populistischen Rechten im Weißen Haus, er wachte über ihre Dogmen und lieferte sich bei Themen wie Klimaschutz, Handel, Einwanderung oder dem Antiterrorkrieg ständig Gefechte mit den "Globalisten", also jenen Beratern, die Trump zu einer gemäßigteren, internationaleren, traditionelleren Politik überreden wollen. Zusammen mit Bannon wurde einigen weiteren "Nationalisten" gekündigt, die Kelly und seine Verbündeten - darunter Sicherheitsberater H.R. McMaster, ein General des Heeres - für zu verschwörerisch und engstirnig hielten. Das führte zu der bizarren Situation, dass unter den einflussreichsten Mitarbeitern des republikanischen US-Präsidenten Trump nun etliche liberale Demokraten sind, allen voran Wirtschaftsberater Gary Cohn und Schwiegersohn Jared Kushner. Diese Personalien haben Folgen für den politischen Kurs - vielleicht nicht immer oder grundsätzlich, aber doch im Detail. Trump gilt als Mensch, der nicht selten die Meinung vertritt, die er zuletzt gehört hat. Als er zum Beispiel vor einigen Tagen das Programm beendete, das jene illegalen Einwanderer vor Abschiebung schützte, die als Kinder in die USA gekommen waren, gab er dem Kongress sechs Monate Zeit, diesen Schutz per Gesetz wieder einzuführen. Für die "Nationalisten" war das ein sentimentales Zugeständnis an die Linken. Aber als die Entscheidung im Weißen Haus fiel, fehlte eben Stephen Bannon in der Runde. Stattdessen saß da John Kelly, der dafür war, den jungen Migranten eine Gnadenfrist und dem Parlament eine Chance zu geben, ein Bleiberecht zu beschließen. Die Frage, warum sich Kelly für Trump abmüht, ist damit freilich noch nicht beantwortet. Manche Leute sagen, es habe vor allem mit jenem Wort zu tun, das Kelly vor sieben Jahren am Ende seiner Trauerrede für die toten Marines erwähnte: Pflicht. Kelly sei ein Patriot und ein Soldat, sagt ein Beobachter, der ganz gut weiß, was im Weißen Haus passiert. "Und wenn er für einen unfähigen Oberbefehlshaber den Laden schmeißen muss, dann macht er das."
https://www.sueddeutsche.de/politik/asylbewerber-schulungen-fuer-afghanen-1.3573145
mlsum-de-9508
Nahles will Asylbewerbern mit guter Bleibeperspektive schneller helfen - mit Deutschkursen und Hilfen bei der Jobsuche.
Asylsuchende aus Afghanistan, die noch auf ihren Asylbescheid warten, können von sofort an berufsbezogene Sprachkurse belegen, sich bei der Jobsuche fördern lassen oder Hilfen für eine künftige Ausbildung bekommen. Das hat Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) nach Informationen der Süddeutschen Zeitung entschieden. Vorausgegangen war ein Streit mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) über die Frage, von wann an für die afghanischen Asylbewerber Integrationskurse und Hilfen von der Bundesagentur für Arbeit (BA) offenstehen sollen. Eigentlich war sich die Bundesregierung einig: Von Maßnahmen zur Integration sollen auch Asylsuchende profitieren, bei denen "ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist". Diese sogenannte gute Bleibeperspektive wird aber erst zugebilligt, wenn bereits mehr als 50 Prozent der Asylentscheide für Geflüchtete aus dem Herkunftsland positiv ausgefallen sind. Für Afghanistan traf dies im maßgebenden zweiten Halbjahr 2016 zu; die Schutzquote lag bei 57 Prozent. Dennoch wollte das Innenministerium afghanischen Asylbewerbern keine gute Bleibeperspektive attestieren. Der Grund: Die Quote sei nur so positiv, weil darin viele Altverfahren mit einer besonders hohen Schutzquote enthalten seien. Diese bildeten nicht den Querschnitt der Antragsteller ab. Im Arbeitsministerium wird darauf verwiesen, dass es nicht nur für Asylsuchende, sondern auch für die Bürger problematisch sei, wenn Menschen hier leben, "ohne sich richtig verständigen zu können und soziale Teilhabe zu genießen". Ohne Angebote zum Spracherwerb, zur Integration, zur täglichen Arbeit und einer Perspektive, für sich selbst sorgen zu können, bestehe die Gefahr, dass sich "Parallelstrukturen bilden und die Betroffenen im schlimmsten Fall in die Kriminalität abgleiten". Im Übrigen sei davon auszugehen, dass die Afghanen wegen des Abschiebestopps ohnehin länger in Deutschland bleiben. Es geht dabei um derzeit 30 000 Asylsuchende aus Afghanistan. In einem Schreiben an de Maizière hat Nahles nun angekündigt, "nicht länger wertvolle Zeit ungenutzt" verstreichen lassen zu wollen. Die Ministerin hat deshalb veranlasst, dass zumindest in ihrem Zuständigkeitsbereich afghanische Asylbewerber im zweiten Halbjahr 2017 von Integrationsmaßnahmen profitieren können.
https://www.sueddeutsche.de/politik/gesetz-auf-dem-weg-milliarden-fuer-bessere-kitas-1.4248729
mlsum-de-9509
Vor allem die Qualität der Betreuung der Kinder soll steigen, aber die Eltern sollen auch finanziell entlastet werden.
Es ist eine Einigung auf den allerletzten Drücker: In dieser Woche tagt der Bundestag zum letzten Mal in diesem Jahr, auch der Bundesrat kommt am Freitag zu seiner letzten Sitzung des Jahres zusammen - und es sieht ganz danach aus, als hätte es das Gute-Kita-Gesetz von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) doch noch auf die Tagesordnungen geschafft. Am Dienstag war zu hören, der Bundestag werde das Gesetz wohl am Freitag verabschieden, der Bundesrat soll sich dann direkt im Anschluss damit befassen. Das Gesetz sieht vor, dass der Bund den Ländern in den kommenden Jahren insgesamt 5,5 Milliarden Euro zukommen lässt - für bessere Kitas und zur finanziellen Entlastung der Eltern bei den Gebühren. Zuletzt hatte es noch schlecht gestanden um das erste Gesetz, das Giffey als Ministerin auf den Weg gebracht hat. In der Expertenanhörung lehnten beinahe alle Fachleute ihren Entwurf ab, auch aus der Unionsfraktion und aus den Ländern kam Kritik. Die Union wollte verhindern, dass die Länder im Zweifelsfall das gesamte Geld in die Abschaffung der Kita-Gebühren stecken dürfen. Im Mittelpunkt sollte ihrer Meinung nach stattdessen die Qualitätsverbesserung stehen. Ein Beispiel für den Qualitätsaspekt ist die Zahl der Kinder, für die eine Erzieherin zuständig ist. In allen Bundesländern ist diese derzeit nach Meinung von Fachleuten zu hoch, auch wenn die Unterschiede groß sind. Gebühren werden künftig gestaffelt, wobei die Länder die Kriterien wählen können Den Ländern wiederum ging es vor allem darum, eine langfristige Finanzierung für den geplanten Qualitätsausbau zu bekommen. Außerdem fanden sie, der Bund mache ihnen zu detailreiche Vorschriften, wie das Geld zu verwenden sei. Nun aber haben sich zumindest schon mal Union und SPD auf Änderungen geeinigt, so dass der Weg frei ist für einen Bundestagsbeschluss. In der veränderten Version des Entwurfs wird deutlicher als zuvor, dass die Entlastung der Eltern bei den Gebühren "zusätzlich" zu den aufgelisteten Qualitätskriterien förderfähig ist. Auch die zwingende Staffelung der Gebühren nach dem Einkommen der Eltern, die Giffey geplant hat und die den Ländern zu weit ging, wurde abgeschwächt. Es bleibt zwar bei einer bundesweiten Pflicht, die Elternbeiträge zu staffeln. Anders als im ursprünglichen Gesetzentwurf aber müssen die Länder nun nicht mehr alle drei Kriterien - Elterneinkommen, Zahl der betreuten Kinder und Betreuungszeit - berücksichtigen, sondern können wählen. Giffey zeigte sich angesichts der Entwicklungen erleichtert. Auf ihrer Facebook-Seite nannte sie die Fortschritte eine gute Entwicklung und schrieb: "Ich hoffe sehr, dass es in dieser Woche gelingt, das Gesetz im Bundestag und im Bundesrat zu verabschieden."
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/milchwirtschaft-wettbewerb-gestoert-1.3417217
mlsum-de-9510
Das Kartellamt hält die Verträge zwischen Bauern und Molkereien für unfair. Oft werden die Preise erst nach der Auslieferung festgelegt.
Detailansicht öffnen Milchkühe in Thüringen: Bauern haben im Wettbewerb wenig zu sagen. (Foto: dpa) Das Urteil des Bundeskartellamts ist ein harter Schlag für die Molkereien. In ihrer Branchenanalyse kommt die Behörde zu dem Schluss, dass der Wettbewerb in der Milchbranche nicht richtig funktioniert. Schuld daran seien auch die restriktiven Verträge, die Molkereien mit Landwirten abschließen. Obwohl sich das Kartellamt nicht ausdrücklich zur jüngsten Milchkrise äußert, die Botschaft ist klar: Die unfairen Lieferbeziehungen dürften zur prekären Lage beigetragen, in der viele Tierhalter bis heute stecken. Seit den Tiefständen der vergangenen zwei Jahren sind die Milchpreise zwar leicht gestiegen, doch vielen Erzeugern reicht das nach wie vor nicht, um ihre Kosten zu decken oder gar Gewinne zu erzielen. Die Reaktion des Milchindustrie-Verbands auf die Einschätzung fällt entsprechend harsch aus: "Der Vorstoß des Bundeskartellamts ist weltfremd und demonstriert, dass die Behörde nicht erfasst, wie der Milchmarkt funktioniert." Ganz so einfach ist es aber nicht. Die Analyse ist umfassend. Seit April 2016 hat das Amt 89 private und genossenschaftliche Molkereien befragt und so deren Beziehungen zu den Lieferanten durchleuchtet. Insgesamt verarbeiten die Betriebe fast 100 Prozent der Milchmenge in Deutschland. Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamts formuliert das grundlegende Problem so: "Es gibt so gut wie keine Wechsel der Molkerei." Milchbauern sind also in der Regel auf ihre Abnehmer festgelegt. Ursache dafür seien Verträge mit langen Kündigungsfristen und Laufzeiten. Auch bei der Preisbildung sieht die Behörde Defizite. Oft werden die Preise für Milch erst nach der Auslieferung festgelegt, heißt es. Für die Bauern bedeutet das wenig Planungssicherheit. Konkrete Folgen hat das sogenannte Sachstandspapier des Kartellamts erst einmal nicht. Nun sollen Gespräche folgen. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) sieht die Befunde als "Diskussionsgrundlage", sagt eine Sprecherin. Ende März will er einen "Branchendialog" mit den Wirtschaftsbeteiligten führen: "Gesetzliche Änderungen sind derzeit nicht geplant." Auch das Kartellamt will Gespräche "intensivieren", sagt Mundt. Der Milchindustrie-Verband befürchtet bereits schwerwiegende Nachteile durch ein mögliches Eingreifen der Behörde. Die seit Jahrzehnten gelebte marktwirtschaftliche Vertragsfreiheit solle "durch ein restriktives System und Verbote ersetzt werden", glaubt Verbandsgeschäftsführer Eckhard Heuser. Mundt will sein Papier dagegen "als Anregung" verstanden wissen. Erste entscheidende Signale könnten jedoch ein derzeit laufendes Musterverfahren liefern, in dem das Bundeskartellamt das Geschäftsmodell des Deutschen Milchkontors - das ist die größte inländische Molkerei - genau prüft. Dieses Verfahren könnte auf weitere Molkereien ausgeweitet werden, heißt es beim Kartellamt. Eine Aussage, die einige Molkereien durchaus als Kampfansage verstehen könnten.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/fc-bayern-muenchen-crunchtime-kompetenz-1.3889664
mlsum-de-9511
Nach dem Pokalsieg bricht für die Basketballer des FCB die entscheidende Phase in Liga und Eurocup an. Ludwigsburg dürfte ein echter Härtetest für ihre Belastungsfähigkeit werden.
Nachdem Vladimir Lucic den Schülern fast jeden Wurf, jedes Dribbling und jede Finte näher gebracht hatte, folgte am Ende noch die Königsdisziplin: das Pokal-in-die-Höhe-Recken. Mit dieser Übung könne man nicht früh genug beginnen, merkte der Profi-Basketballer vom FC Bayern mit einem Lächeln an. Also zeigte er auch das, mit einer echten Trophäe sogar. Die Kinder waren mit großem Enthusiasmus dabei. Die Schüler der Grundschule im Münchner Stadtteil Haidhausen durften am Mittwoch die silberne Auszeichnung stemmen, die Lucic, 28, mit seinen Mitspielern vor zwei Wochen mit einem Finalsieg gegen Alba Berlin errungen hatte. "Der Pokal war sicher der schwerste Titel für uns", sagte Lucic, "die Mannschaft hat einen enormen Druck gehabt, weil wir diesen Wettbewerb eigentlich gewinnen mussten." Die Bayern waren favorisiert, alle anderen hatten nichts zu verlieren, auch die Spieler selbst erwarteten den Titel von sich. "Dass wir das geschafft haben, kann uns weit bringen", glaubt Lucic. Von Druck erzählte der Serbe bei seinem Besuch in der Grundschule an der Flurstraße nichts. Der Spaß und das Spielerische steht bei dem Schulprogramm des FC Bayern im Vordergrund, 30 Arbeitsgemeinschaften fördert der Klub an Grundschulen in München und Erding. Lucic war nicht der einzige, der den Schülern seinen Sport nahe brachte. "Das Spiel kommt für uns zu keinem guten Zeitpunkt nach der langen Pause." Für die Profis war das Training mit Kindern eine willkommene Abwechslung vor den viel beachteten Spielen an diesem Samstag beim Tabellendritten Riesen Ludwigsburg und am Dienstag im Eurocup in eigener Halle gegen Unics Kazan. National und international beginnen nun die entscheidenden Wochen für den FC Bayern. Cheftrainer Aleksandar Djordjevic hätte sich nach der Länderspielpause und vor dem ersten von maximal drei Viertelfinalduellen gegen den russischen Spitzenklub einen leichteren Gegner in der Bundesliga gewünscht. "Das Spiel kommt für uns zu keinem guten Zeitpunkt nach der langen Pause", sagte Djordjevic am Donnerstag, Ludwigsburg hat erst am Mittwoch Ulm mühelos geschlagen. "Das ist natürlich ein Vorteil", sagte der Serbe. Aber auch seine Basketballer dürften in ansprechender Form sein. Danilo Barthel und Maik Zirbes waren nach dem Pokalsieg mit der Nationalmannschaft unterwegs. Und Djordjevic konnte sich mit eigenen Augen überzeugen, dass sie ganz gut drauf sind. Sie fügten ihrem Trainer eine empfindliche Niederlage in der Qualifikation für die WM 2019 in China zu. Djordjevic betreut im Nebenberuf die serbische Auswahl, und der Olympia-Zweite hatte gegen Deutschland überraschend mit 74:79 das Nachsehen. Niederlagen mit dem FC Bayern musste der ehemalige Spielmacher schon länger nicht mehr moderieren, in der Bundesliga sind die Münchner seit 17 Spielen unbesiegt. Das soll so bleiben, auch wenn Djordjevic vor der Mannschaft aus Württemberg warnt: "Ludwigsburg spielt einen typischen John-Patrick-Basketball." Der Stil des Ludwigsburger Cheftrainers kann für Teams mitunter sehr anstrengend sein, weil er die Kontrahenten permanent stresst, sie solange piesackt, bis sie Fehler machen. "Auf diese Intensität müssen wir uns einstellen", findet Djordjevic: "Im ersten Spiel ist uns das gut gelungen, auch wenn wir nicht gut begonnen haben." Bis auf den Langzeitverletzten Milan Macvan (Kreuzbandriss) kann er alle Spieler aufbieten, einzig Point Guard Stefan Jovic plagte sich mit einer im Pokalfinale erlittenen Fußverletzung herum und war deswegen ein paar Tage vom Sport befreit. Obwohl sein Landsmann schon des Öfteren wegen körperlicher Beschwerden pausieren musste, gehört er zu den rentablen Zugängen, die in dieser Saison ein Spiel prägen können und es auf ein höheres Niveau gehoben haben - vor allem in der Crunchtime, jener Phase, in der sich Spiele entscheiden. Djordjevic zählt noch Braydon Hobbs dazu, natürlich auch Jared Cunningham, der in der Verteidigung immer besser werde. "Wir haben gerade bei den Guards mehr Zentimeter, das macht enorm viel aus", sagt Djordjevic. Auffällig ist vor allem, dass seine Spieler in kritischen Phasen in dieser Saison immer noch zulegen, Rückstände wie gegen Berlin im Pokalfinale aufholen können, um am Ende als Sieger das Parkett zu verlassen. "Wir haben die passenden Spieler dazu geholt und sind im Kern zusammengeblieben, das sind alles Dinge, die wir vorher nicht hatten." Die Absenz des Flügelspielers Macvan gleicht der formstarke Barthel aus. Auch Lucic mag die Position vier unter dem Korb, wo sich die großen, schweren Jungs gegenseitig auf den Füßen stehen. Eigentlich ist seine Position die drei, also weiter weg vom Korb. "Aber ich habe das bei Partizan schon gemacht. Ich fühle mich da wohl und spiele es gerne", sagte Lucic bei seinem Schulbesuch am Mittwoch. Mit 2,04 Metern war er da auch mit Abstand der Längste.
https://www.sueddeutsche.de/politik/profil-hamza-bin-laden-1.3130125
mlsum-de-9512
Er galt als Lieblingssohn Osama bin Ladens und wurde auch im Kampf geschult. Nun soll Hamza bin Laden neuer Chef der Terrororganisation al-Qaida werden.
Es klang wie eine Nachricht aus der Vergangenheit: "Al-Qaida: Bin Laden ruft zum Sturz des saudischen Königshauses auf", hieß es Ende vergangener Woche in Berichten. Doch der Mann, der die saudische Jugend aufforderte, sich zunächst der al-Qaida-Filiale im Nachbarland Jemen anzuschließen, um dort "die nötige Erfahrung in der Kampfführung" für den Umsturz in der Heimat zu sammeln, war natürlich nicht Osama bin Laden selbst; diesen erschossen amerikanische Spezialkräfte im Jahr 2011 in Pakistan. Stattdessen durfte sein Sohn Hamza schon dritten Mal in diesem Jahr eine Botschaft im Namen von al-Qaida verbreiten. Hamza ist, je nach Quelle, entweder 24 oder 25 Jahre alt, es existieren von ihm nur Fotos, die ihn als Kind oder Jugendlichen zeigen. Doch er wird mittlerweile als "Kronprinz" tituliert, als möglicher Nachfolger seines Vaters, den man einst "Terrorfürst" nannte. Dass die Terrororganisation Hamza auf den Schild hebt, kann man als Zeichen ihrer Schwäche deuten: Al-Qaida hat an Bedeutung verloren, seit der Anführer des "Islamischen Staats", Abu Bakr al-Baghdadi, in Syrien und Irak das Kalifat ausgerufen hat. Der IS hat das geschaffen, was einst auch al-Qaida als fernes Ziel anstrebte: einen eigenen Staat auf Basis der Scharia, aus dem der Dschihad in die Welt getragen wird - diese Realität erscheint jungen Radikalen interessanter als die Utopie der alten Herren von al-Qaida, die sich mit ihren grauen Bärten im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet verstecken. Mit Hamza will al-Qaida nun einen Nachfolger für Aiman al-Zawahiri aufbauen, der Osama bin Laden nach dessen Tötung 2011 an der Spitze gefolgt war. Einerseits ist das nicht überraschend, der Name bin Laden hat immer noch große Anziehungskraft, auch die mit al-Qaida verfeindeten IS-Anhänger verehren den Urheber der Anschläge des 11. September. Andererseits verträgt sich ein dynastisches Prinzip nur schwer mit dem radikalen Islam. Ein Grund für dessen Erfolg war immer seine egalitäre Haltung. Alle "Brüder" zählten gleich, egal aus welcher Familie sie stammten, ein attraktives Versprechen in Ländern, wo Beziehungen und Herkunft maßgeblich den Lebensweg bestimmen. Hamza bin Ladens Biografie schien immer auf eine Spitzenposition im Dschihad hinauszulaufen. Er galt als Lieblingssohn Osamas, sollte nach dessen Willen in Katar den Koran studieren, um al-Qaida einmal in theologischen Fragen leiten zu können. Hamza wurde auch im Kampf geschult; als US-Spezialkräfte das Versteck seines Vaters in Pakistan angriffen, soll er sich in einem Ausbildungslager befunden haben. Schon als Kind hatte er Auftritte in Propaganda-Videos, aus einem solchen stammt auch das letzte bekannte Bild vom Hamza. Seine Wortmeldung vergangene Woche erfolgte, wie schon bei den beiden Mal zuvor, über eine 20 Minuten lange Audio-Botschaft. Der mögliche neue Anführer von al-Qaida ist also bislang ein Anführer ohne Gesicht.
https://www.sueddeutsche.de/sport/serie-a-hoewedes-erste-minuten-bei-juve-1.3767436
mlsum-de-9513
Beim 3:0-Erfolg von Juve kehrt der Verteidiger nach monatelanger Verletzung zurück. Die AC Mailand entlässt den Trainer, Gattuso übernimmt. Frankreich gewinnt den Tennis-Davis-Cup.
Fußball, Juventus Turin: Wochenlang hat er darauf gewartet, dann war es endlich soweit: Der deutsche Fußball-Nationalspieler Benedikt Höwedes hat sein Debüt bei Italiens Rekordmeister Juventus Turin in der Serie A gegeben. "Ich bin wirklich glücklich, dass ich nach meiner Verletzung auf das Feld zurückgekehrt bin und dass ich meine erste Partie mit Juventus gespielt habe", sagte der Verteidiger laut Mitteilung. Noch wichtiger sei aber gewesen, die Mannschaft am Sonntagabend unterstützt zu haben, drei Punkte gegen Außenseiter Crotone Calcio zu holen. Die Partie ging 3:0 (0:0) aus. Vor dem Spiel hatte Juve-Coach Massimiliano Allegri gesagt, Höwedes habe gut trainiert und könne eine "Lösung" für das Spiel sein. Höwedes stand bis zur 68. Minute auf dem Platz. Von Crotone-Spieler Ante Budimir bekam er eins auf die Nase. "Die Nase ist nicht gebrochen", versicherte Höwedes. Der 29-Jährige war im Sommer auf Leihbasis vom FC Schalke 04 zu Juventus gewechselt. Nachdem er eine Zerrung am linken Oberschenkel auskuriert hatte, verletzte er sich im September im Training am Muskel. Fußball, AC Mailand: Der italienische Erstligist AC Mailand hat sich von Trainer Vincenzo Montella getrennt. Nach dem torlosen Remis gegen den FC Turin am Wochenende wird künftig Gennaro Gattuso die Mannschaft trainieren, teilte der Traditionsclub am Montag mit. Der Ex-Club des früheren Premierministers Silvio Berlusconi hatte im Sommer elf neue Spieler verpflichtet und mehr als 200 Millionen Euro investiert. Die üppige Einkaufstour der neuen Eigentümer aus China brachte bisher nicht den gewünschten Erfolg: Aktuell steht Milan auf Platz sieben der Tabelle - mit 18 Punkten Rückstand auf Spitzenreiter Neapel. Gattuso wurde 2006 mit Italien Fußball-Weltmeister und spielte selbst bei Milan. Bislang trainierte der 39-Jährige die Junioren-Mannschaft Primavera Wintersport, Biathlon: Die deutschen Biathleten sind mit zwei Podestplätzen in den Olympia-Winter gestartet. Beim Weltcup-Auftakt im schwedischen Östersund liefen Franziska Preuß, Maren Hammerschmidt, Benedikt Doll und Arnd Peiffer am Sonntag in der Mixed-Staffel auf Rang drei. Das Quartett hatte nach zehn Nachladern 6,4 Sekunden Rückstand auf die siegreichen Norweger, die sogar 13 Extrapatronen brauchten. Rang zwei sicherte sich trotz einer Strafrunde und sechs Nachladern Italien. Zuvor waren Vanessa Hinz und Erik Lesser in der Single-Mixed-Staffel hinter Österreich Zweite geworden. Ursprünglich wollte die siebenmalige Weltmeisterin Laura Dahlmeier in der Single-Mixed-Staffel laufen. Aber die Weltcup-Gesamtsiegerin lässt den Auftakt wegen einer Erkältung aus. Massenstart-Weltmeister Simon Schempp und Staffel-Weltmeisterin Franziska Hildebrand wurden geschont und sollen erst in den ab Mittwoch beginnenden Einzelrennen zum Einsatz kommen. Wintersport, Nordische Kombiation: Der erste Sieg der deutschen nordischen Skisportler in der Olympia-Saison ist perfekt. Am dritten Wettkampftag der Nordischen Kombinierer im finnischen Kuusamo schaffte am Sonntag Vierfach-Weltmeister Johannes Rydzek den Erfolg. Nach einem Sprung und dem Zehn-Kilometer-Lauf verwies Rydzek in 26:21,4 Minuten den Olympiasieger Eric Frenzel um 0,6 Sekunden auf Rang zwei und schaffte damit die Olympia-Norm. Dritter wurde der Finne Eero Hirvonen. Björn Kircheisen belegte Platz zwölf. Tennis, Davis Cup: Frankreich hat zum zehnten Mal den Davis Cup gewonnen. Im Finale gegen Belgien in Lille sicherte Lucas Pouille den Gastgebern im Entscheidungseinzel gegen Steve Darcis mit einem souveränen 6:3, 6:1, 6:0 den Siegpunkt zum 3:2 und den ersten Triumph seit 16 Jahren. Mit ihrem zehnten Triumph zogen die Franzosen mit Großbritannien gleich. Mehr Siege haben nur Rekordsieger USA (32) und Australien (28) auf dem Konto. Belgien hingegen verpasste seinen ersten Titel in der Geschichte des traditionsreichen Mannschaftswettbewerbs. Zuvor hatte David Goffin für die Gäste im Spitzenspiel gegen Jo-Wilfried Tsonga durch ein 7:6 (7:5), 6:3, 6:2 zum 2:2 noch ausgeglichen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/european-championships-im-fernsehen-gemeinsam-gegen-die-uebermacht-des-fussballs-1.4088900
mlsum-de-9514
Die Multi-Sport-Europameisterschaften in Glasgow und in Berlin erzielen starke TV-Quoten. Sportverbände haben begriffen, dass man die Kräfte bündeln muss, um Zuschauer zu begeistern.
Vor ein paar Wochen, es war ein Samstag, sah man an zwei Zahlen die Kräfteverhältnisse im deutschen Sport. Es lief die Fußball-Weltmeisterschaft, die deutsche Nationalmannschaft war schon lange ausgeschieden, und die ARD sendete das Spiel um Platz drei, England gegen Belgien. Das Spiel um Platz drei wollen meist die Spieler selbst gar nicht mehr spielen. Aber zuschauen, das wollten viele Deutsche trotzdem. Es schalteten mehr als acht Millionen ein, so viele wie bei einem guten Tatort. Zur gleichen Zeit sendete das ZDF das Wimbledon-Finale mit Angelique Kerber, die als erste deutsche Tennis-Spielerin seit Steffi Graf 1996 das Rasenturnier gewann. Das wollten im Schnitt zwei, in der Spitze drei Millionen sehen. Auch bei bestem Badesee-Wetter reichte die Quote an die des Wintersports heran Auch wenn es ein paar mildernde Umstände gibt (Wimbledon lief bis zum Finale nur auf dem Pay-TV-Sender Sky) sind diese beiden Zahlen nahezu erschütternd. Und das ist nur ein Beispiel für die erdrückende Dominanz des Giganten Fußball in der Zuschauergunst. Seit Jahren sind Fußballübertragungen die meistgesehenen Sendungen in Deutschland, 27 Millionen Menschen, also 32 Prozent der deutschen Bevölkerung, sahen das WM-Vorrundenspiel Deutschland gegen Schweden, das WM-Finale zwischen Frankreich und Kroatien mehr als 20 Millionen, Spartensender übertragen auch noch die vierte Liga live, selbst im vergangenen Jahr war das Endspiel des sogenannten Confederations Cup zwischen Deutschland und Chile die meistgesehene Fernsehsendung der Republik. Gibt es für andere Sportarten überhaupt noch Hoffnung? In diesen Tagen jedenfalls funktioniert ein neues Konzept für die olympischen Sportarten aus Fernsehsicht geradezu herausragend gut. Zwischen dem 2. und dem 12. August finden in Glasgow und in Berlin die European Championships statt, manche nennen sie Mini-Olympia, und eigentlich trifft es das ganz gut. Es sind die Europameisterschaften der Sportarten Schwimmen, Radfahren, Turnen, Golf, Leichtathletik, Triathlon und Rudern, die in Berlin (Leichtathletik) und in Glasgow (alle anderen Sportarten) stattfinden. Der Brite Paul Bristow und der Schweizer Marc Jörg hatten das Projekt als Gründer der veranstaltenden Organisation 2011 angeschoben mit dem Gedanken, dass einzelne Sportarten zusammen mehr Interesse erzeugen als jede Sportart für sich. In diesem Jahr also wurde diese Idee mit den gebündelten European Championships erstmals umgesetzt. Früher veranstaltete jede einzelne dieser Sportarten ihre eigene Europameisterschaft zu dem Zeitpunkt, an dem es dem jeweiligen Verband am besten passte - und die Zuschauer bekamen es nicht mit oder schalteten weg. Als 2014 die Schwimm-EM in Berlin stattfand, fuhr die ARD unterdurchschnittliche Quoten ein - die Sportart drohte aus dem Programm zu fliegen. Und wenn eine Sportart nicht mehr im Fernsehen übertragen wird, springen Sponsoren ab, dann wiederum gibt es weniger Geld, dann wiederum werden die Leistungen schlechter und so weiter. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in Europa (European Broadcasting Union, kurz EBU) haben ein Interesse daran, dass sich die einzelnen Sportverbände so koordinieren, dass man Langzeit-Sendestrecken daraus machen kann. Sprich: Erst Schwimmen zeigen, dann Turnen, dann Radfahren, dann Rudern, dann wieder Schwimmen. Und fertig ist der Binge-watching-Tag, der bislang kalte Wintersonntage auszeichnete.
https://www.sueddeutsche.de/politik/festnahmen-in-deutschland-fahndung-nach-zweitem-attentaeter-1.2741192
mlsum-de-9515
Erfolgloser Einsatz: Bei einer Polizeiaktion in Aachen wurden sieben Verdächtige verhaftet und am Abend wieder freigelassen. Ein Hauptverdächtiger ist weiter auf der Flucht.
Nach den schweren Terroranschlägen von Paris fahndet die französische Polizei nun auch nach einem zweiten Verdächtigen, der direkt in die Gewaltwelle involviert gewesen sein soll. Die Person sei noch nicht identifiziert worden, berichtete die Nachrichtenagentur AP am Dienstag unter Berufung auf drei französische Insider. Demnach hat eine Analyse der Anschlagsserie ergeben, dass eine Person noch fehlt. Der andere Hauptverdächtige, der in Brüssel geborene Franzose Salah Abdeslam, ist immer noch flüchtig. Wie am Dienstag bekannt wurde, hatte sich der 26-Jährige, dessen Bruder Ibrahim sich in Paris in die Luft gesprengt hatte und der zwei Wagen für die Anschläge angemietet haben soll, im September in Deutschland aufgehalten. Er sei am 9. September aus Deutschland kommend mit zwei Begleitern nach Österreich gereist, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Wien. Der Verdächtige sei über den Grenzübergang Suben bei Passau eingereist. Bei einer routinemäßigen Verkehrskontrolle in Aistersheim, etwa 50 Kilometer nach der Grenze, seien er und seine Begleiter überprüft worden. Dabei habe Abdeslam gesagt, er wolle in Österreich Urlaub machen. Zum damaligen Zeitpunkt habe es keinerlei Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund gegeben. Nähere Erkenntnisse über die anderen Autoinsassen lägen nicht vor, hieß es. Ein weiterer Bruder des möglichen Attentäters, Mohammed Abdeslam, meldete sich im belgischen Fernsehen zu Wort und forderte seinen Bruder auf, sich zu stellen. Mohammed Abdeslam sagte, sein Bruder sei fromm, habe aber keine Anzeichen dafür gezeigt, ein radikaler Islamist zu sein. Die Polizei in Paris entdeckte am Dienstag den zweiten Wagen, den Abdeslam angemietet haben soll, einen schwarzen Renault Clio. Er war im 18. Arrondissement auf einem Zebrastreifen geparkt. Eine Polizeiaktion in Alsdorf nördlich von Aachen, nicht weit entfernt von der belgischen Grenze, hat nicht den erhofften Fahndungserfolg gebracht: Die Polizei nahm zwar sieben Verdächtige fest. Erste Vermutungen, unter ihnen könnte sich der gesuchte Attentäter von Paris, Salah Abdeslam, befinden, bewahrheiteten sich nicht: Der Ermittlern sei "kein dicker Fisch" ins Netz gegangen, teilte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Dienstagabend mit: "Leider ist es nicht der, auf den wir alle gehofft haben, der es sein könnte." Die Sicherheitsbehörden in NRW hatten zuvor auf Hinweise aus der Bevölkerung reagiert und am Vormittag einen Wagen an einem Jobcenter in Alsdorf nördlich von Aachen gestoppt. Zwei Frauen und ein Mann wurden festgenommen. Es soll sich um ausländische Staatsbürger handeln. Später folgte in der Umgebung ein Zugriff auf vier weitere Männer. Einer der Männer sollte einem der gesuchten Attentäter von Paris ähneln, hieß es zunächst. Am Abend wurden die sieben Personen wieder freigelassen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/kolumne-aleppo-1.3118837
mlsum-de-9516
Der Krieg in Syrien und der Zynismus angesichts des Leids dort zeigen: Es gibt keine Moral, die der Globalisierung der Welt entsprechen würde.
Die ungeheure Erweiterung der Handlungsräume ließ die Frage aufkommen, ob die Moral mit dem Fortschritt der kommerziellen Gesellschaft Schritt halten könnte." So formulierte es der Publizist Henning Ritter in seinem Essay "Nahes und Fernes Unglück. Versuch über das Mitleid". Diese Zeilen galten zwar den Entwicklungen im 18. Jahrhundert, man könnte jedoch glauben, sie bezögen sich auf die ethisch-existenziellen Fragen der Gegenwart: Ob in der globalisierten Welt mit ihrer ungeheuren Erweiterung der Handlungsräume die Moral auch dem Fortschritt der digitalisierten Gesellschaft Schritt halten kann? Ob aus der Tatsache, dass Raum und Zeit sich verdichtet haben, wie das immer behauptet wird, auch irgendetwas folgt? Ob sich mit dem Wissen über die Ereignisse an anderen Orten der Welt, das uns heutzutage digital schneller erreicht als früher, auch das Mitleid erweitert hat? Und ob das Mitleid dann auch tatsächlich zum Handeln mobilisiert? Oder, so beschrieb Henning Ritter die trostlose Alternative, ob die Gesellschaft "sich spalten könnte in ein Ethos der Nähe und der Ferne". Bei einem Blick auf die furchtbare Schlacht um Aleppo, die wir, zeitgleich, tatenlos miterleben, zeigt sich: Die Moral hat nicht Schritt gehalten. Der ungeheuren Erweiterung der Handlungsräume entspricht keine Erweiterung des Mitleids. Es gibt stattdessen wohl doch nur ein Ethos der Nähe und der Ferne. Auch wenn die Bilder von sterbenden, verhungernden, verwundeten Kindern uns erreichen, so erreichen sie uns doch anscheinend nicht genug. Auch wenn die Hilferufe der letzten verbliebenen Ärzte aus Aleppo uns nahe rücken, so bleiben sie doch zu fern. Jeden Tag dringen schreckliche Nachrichten und Bilder zu uns; die Menschen aus Syrien, die hier Zuflucht gefunden haben, erzählen von Eltern, Geschwistern, Freunden, die allein ausharren in den Wirren des Krieges, Woche für Woche, Monat für Monat - und kein Frieden nirgends. Es gibt keine Erweiterung des Mitleids, sondern nur einen Ethos der Nähe und der Ferne Es ist alles bekannt. Selbst die inszenierten, manipulierten Bilder von angeblichen Hilfslieferungen werden als inszenierte, manipulierte Bilder entlarvt. Es gibt genügend mutige syrische Aktivistinnen und Aktivisten, die ihr Leben riskieren, damit die Welt erfährt von Folter und Verschleppung, von misshandelten Frauen und Bombardements mit Fassbomben, womöglich versetzt mit Chlorgas. Sie dokumentieren die Verbrechen des Assad-Regimes, so präzise und so genau, wie es geht, damit sich eines fernen Tages ein internationaler Gerichtshof damit befasst - und niemand dann leugnen kann, dass geschehen ist, was geschehen ist. Es ist bekannt, welche Verbrechen in den Gegenden begangen werden, in denen der IS herrscht. Dazu sind noch nicht einmal kritische Beobachter nötig. Das dokumentiert und veröffentlicht die Medienabteilung des IS selbst. Es ist auch bekannt, wer in diesem Stellvertreterkrieg um Aleppo kämpft: Da ist im Westteil der Stadt die syrische Armee, mit ihren verbündeten Milizionären der Hisbollah und Kämpfern aus Afghanistan und dem Irak - und vor allem der massiven Unterstützung durch das russische Militär. Und da sind die von den Vereinigten Staaten und Saudi-Arabien unterstützten Rebellen im Osten der Stadt, darunter auch die extrem gut organisierten Kämpfer von al-Nusra. Sie heißen inzwischen Fatah al-Scham und haben sich offiziell von al-Qaida distanziert - aber wie sich das auswirken wird, ist noch nicht abzusehen. Beide Seiten behaupten, die eigene Gewalt sei die legitime. Für die Zivilgesellschaft spielt das kaum eine Rolle. Die Menschen können sich nicht aussuchen, in welchem Viertel sie in wessen Einflusszone geraten oder durch welchen Frontverlauf sie beschossen oder ausgehungert werden. Die Behauptung des Assad-Regimes und Russlands, ihre Angriffe richteten sich allein gegen Terroristen, erleben sie jeden Tag als bittere Farce. Anfang Juni hatte die syrische Armee, unterstützt durch die russische Luftwaffe einen Belagerungsring um den Osten Aleppos gezogen. Seither sind 250 000 bis 300 000 Zivilisten von der Außenwelt und humanitärer Hilfe abgeschnitten. Allein im Monat Juli wurden zehn Angriffe auf Gesundheits-Einrichtungen und Kliniken registriert. Clarissa Ward, internationale Reporterin von CNN, sagte dem russischen Gesandten bei den UN, aus ihrer Erfahrung vor Ort müsse sie feststellen, dass "das Bombardieren von Krankenhäusern, Gerichten, Bäckereien und Obstmärkten den Terrorismus nicht stoppt". Vergangene Woche ist die internationale Diplomatie mit dem Versuch gescheitert, eine Waffenruhe herbeizuführen; es wurden keine Hilfskorridore durchgesetzt, durch die wenigstens Lebensmittel und Wasser in die Hölle hätte geliefert werden können - von einer Flugverbotszone, die der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschließen müsste, einmal ganz abgesehen. Nein, es war die Allianz der Rebellen, die in einer Gegenoffensive die Belagerung durchbrochen hat, und die einen schmalen, fragilen Korridor erkämpfte, über den die Zivilbevölkerung im Osten Aleppos nun endlich wieder versorgt werden kann. Das Vertrauen in internationale Hilfe wurde so nicht gerade gestärkt. Inzwischen klingen nicht einmal mehr die Diplomaten diplomatisch, wenn es um die Aussichten für Syrien geht. "Wir sind im Rückwärtsgang", so lakonisch wie hoffnungslos beschrieb diese Woche die amerikanische Botschafterin bei den UN, Samantha Powers, das Bemühen um Friedensgespräche. Als Bedingung für die Wiederaufnahme der Verhandlungen waren eine Waffenpause und ein Zugang für Hilfslieferungen festgelegt worden - momentan scheint die umgekehrte Reihenfolge realistischer zu sein: Verhandlungen, damit endlich eine Waffenpause und humanitäre Hilfe durchgesetzt werden könnten. Von einem Nachkriegs-Syrien oder dem Wiederaufbau in der fernen Zukunft zu fantasieren, ist fast zynisch angesichts des Sterbens in der nahen Gegenwart. Mit diesem Beitrag verabschiedet sich Carolin Emcke in eine längere Pause. Die nächste Kolumne von ihr wird im Herbst erscheinen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/gesundheitspolitik-medikamente-immer-teurer-1.3693998
mlsum-de-9517
Bundesärztekammer und AOK fordern Gesetze gegen die hohen Preise. Viele Arzneimittel seien teurer als in anderen Ländern.
Die Kosten für Medikamente, die gesetzliche Krankenkassen übernehmen, sind im vergangenen Jahr erneut gestiegen. Mit 38,5 Milliarden Euro gaben die Kassen knapp vier Prozent mehr aus als noch 2015. Das zeigt der aktuelle Arzneiverordnungsreport des Wissenschaftlichen Instituts der AOK-Versicherungen. Grund für die steigenden Preise seien Lücken im deutschen Arzneimittelgesetz, kritisiert der Heidelberger Pharmakologie-Professor Ulrich Schwabe, einer der Herausgeber des Reports. Während in anderen europäischen Ländern neue Medikamente nur unter Auflagen von Ärzten verordnet und von Versicherungen erstattet würden, können Pharmaunternehmen in Deutschland ein Jahr lang so viel Geld verlangen, wie sie möchten. Erst dann tritt ein von Krankenkassen und Ärztevertretern ausgehandelter Packungspreis in Kraft. Auch wegen dieser Gesetzeslage seien patentgeschützte Medikamente auf dem deutschen Markt teurer als in allen anderen EU-Ländern. In wirtschaftlich vergleichbaren Ländern wie Österreich seien die Listenpreise etwa 20 Prozent niedriger als hier. So koste etwa ein bestimmtes Medikament zur Behandlung von Multipler Sklerose in Deutschland 80 Prozent mehr als im Nachbarland Niederlande. "Das liegt schon an der Grenze zum Wucherpreis", sagt Schwabe. Besonders teuer sei eine neue Generation von Arzneimitteln, die mit Hilfe von Gentechnik hergestellt werden, sogenannte Biologika. Sie werden etwa zur Behandlung von Rheumapatienten eingesetzt und gelten als sehr wirkungsvoll. Wenn ein Arzt ein Biologikum verordnet, koste es fast neunmal so viel wie herkömmliche Medikamente. Dabei lägen die Herstellungskosten nur bei einem Viertel dieses Preises. Fast jedes dritte neue Arzneimittel wird beschleunigt eingeführt Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Bundesärztekammer, Wolf-Dieter Ludwig, macht zudem auf die steigende Zahl eilig eingeführter Medikamente aufmerksam. "In Deutschland kam im Jahr 2016 bereits fast jedes dritte neue Arzneimittel über beschleunigte Zulassungsverfahren", sagt er. Denn gerade bei Krebsmedikamenten erklärten Pharmaunternehmen der Europäischen Arzneimittel-Agentur häufig, dass ihre Produkte der Behandlung seltener Krankheiten dienten. Auf diese Weise könnten sie die Medikamentenstudien verkürzen. Deren Ergebnisse reichten dann jedoch meist nicht aus, "um Wirksamkeit und Sicherheit endgültig zu beurteilen", sagt Ludwig. Solche schnell eingeführten Medikamente sollten in Deutschland ausschließlich in spezialisierten Kliniken oder Zentren zum Einsatz kommen, fordert Ludwig. Außerdem sollte jedes dieser Medikamente noch einmal einen regulären Zulassungsprozess in Deutschland durchlaufen. Die Herausgeber des Reports empfehlen auch, dass Pharmaunternehmen das Geld zurückzahlen, das sie im ersten Jahr zu viel verdient haben.
https://www.sueddeutsche.de/digital/oeffentlicher-nahverkehr-bahn-will-kostenloses-wlan-in-regionalzuegen-1.3257496
mlsum-de-9518
Im Januar bekommen alle ICE Internet. Als nächstes soll der Nahverkehr ausgerüstet werden. Bezahlen will das die Bahn allerdings nicht.
Nach der Ausrüstung aller ICEs bis zum Jahreswechsel sollen auch die Regionalzüge Wlan bekommen. "Die Deutsche Bahn startet jetzt eine Initiative für Wlan im Regionalverkehr", sagte der Vorstandsvorsitzende der DB Regio AG der Welt. Ende Juli hatte das Unternehmen die Messung der Mobilfunkversorgung auf einem Drittel seiner Strecken, etwa 21 000 Kilometer Streckennetz, abgeschlossen. Die technische Bestandsaufnahme zeigte: Es besteht eine Netzabdeckung entlang 87 Prozent der Schienenwege. Allerdings nur, wenn die drei großen Mobilfunkanbieter Telekom, Vodafone und Telefónica gebündelt werden. Dafür hat die Bahn ein neues System mit dem Namen "Multi-Provider-System" entwickelt, das bereits einsatzfähig sein soll. Darüber hinaus rüstet sie bis Ende 2017 die meisten Züge mit neuen Repeatern aus, die Mobilfunksignale verstärken. Die aktuell eingesetzte Repeater-Generation ist für den veralteten Mobilfunkstandard GSM ausgelegt. Die neuen Geräte sollen auch UMTS- und LTE-Signale übertragen. Damit könnte in Zukunft der Großteil der Bahnreisenden - immerhin 5,2 Millionen Reisende im Nahverkehr täglich - während der Fahrt kostenlos im Internet surfen. Dafür stellt das Unternehmen den Passagieren pro Tag und Nutzer ein gewisses Datenkontingent zur Verfügung. Eine Angabe über das konkrete Volumen macht die Bahn aber nicht. Auf der Website des Unternehmens heißt es, dass das Volumen "bei normalem Surfverhalten für mindesten eine halbe Stunde" reichen solle. Registriert sich der Nutzer, steht ihm demnach das dreifache Datenvolumen zur Verfügung. Ist dieses aufgebraucht, wird die Geschwindigkeit gedrosselt und er muss zahlen. Zusätzlich will die Bahn ihren Fahrgästen ein bestehendes Informations- und Unterhaltungsangebot in den Zügen anbieten, das über fest installierte Festplatten eingespeist wird. So sollen die Passagiere etwa ab Februar im ICE auf Angebote von Maxdome zugreifen können. Geplant ist weiterhin, dass zum Beispiel Reiseinformationen oder Onlineshopping auch bei schlechtem Netz verfügbar sind. Finanzierung des Konzepts noch unklar "Ich gehe davon aus, dass die Fahrgäste nicht für die Wlan-Nutzung bezahlen wollen und das auch nicht tun müssen", sagte Bahn-Manager Sandvoß der Welt am Sonntag. Die Kostenübernahme liege "in erster Linie in der Verantwortung der Aufgabenträger." Gemeint sind die Bundesländer und regionalen Verkehrsverbünde. Der Präsident der Dachorganisation der Aufgabenträger BAG-SPNV, Thomas Geyer, bestätigt die Notwendigkeit von zuverlässigem Wlan im Bahnverkehr: "Schnelles Surfen im Internet ist ein Qualitätsmerkmal, das dem Schienenverkehr hilft, sich gegenüber den Bussen zu behaupten. Es ist sinnvoll, dass im Anschluss an die ICEs auch die Nahverkehrszüge nachziehen." Doch auch in den Bussen will DB Regio nachziehen. In einem Pilotprojekt in den Landkreisen Traunstein, Konstanz und Pforzheim werden Regionalbusse mit Wlan-Hot-Spot getestet. Zwei Jahre lang können die Fahrgäste in bestimmten Bussen ohne Anmeldung die Internetverbindung an Bord nutzen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/banken-der-hoellenhund-eilt-zur-hilfe-1.4048167
mlsum-de-9519
Ausgerechnet der New Yorker Finanzinvestor Cerberus berät nun den Vorstand der Deutschen Bank. Dabei ist die Firma auch viertgrößter Einzelaktionär des darbenden Geldhauses aus Frankfurt.
Über die Ziele des New Yorker Finanzinvestors Cerberus im ertragsschwachen deutschen Bankensektor kursieren verschiedene Theorien, von denen keine so richtig überzeugend ist. Die einfachste lautet: Cerberus glaubt daran, dass mit Beteiligungen an Geldinstituten hierzulande noch richtig viel Geld zu verdienen ist. Bislang lässt das auf sich warten. Im vergangenen Sommer war die nach dem Höllenhund aus der griechischen Mythologie benannte Firma mit etwas mehr als fünf Prozent bei der Commerzbank eingestiegen, bald wird ihr die HSH Nordbank zum Teil gehören, seit Herbst ist sie mit knapp über drei Prozent zum viertgrößten Einzelaktionär der Deutschen Bank. Künftig kann Cerberus auch selbst beeinflussen, inwiefern sich die Beteiligung an Deutschlands größtem Geldinstitut auszahlt. Die Bank bestätigte am Dienstag einen Bericht des Wall Street Journals, wonach eine Tochterfirma von Cerberus den Vorstand um Christian Sewing bei der Umsetzung der Strategie berät. Den Vertrag hatte noch dessen Vorgänger John Cryan ausgehandelt. Er musste im April seinen Posten räumen, nachdem er mehrfach Kosten- und Ertragsziele verfehlt und der Aufsichtsrat die Geduld mit ihm verloren hatte. Letzteres soll Sewing nicht mehr passieren, er nahm die Vorbereitungen dankend an und holte den Großinvestor als Berater ins Haus. Kopf des Beraterteams ist Matt Zames, bis Sommer 2017 im Vorstand der größten Wall-Street-Bank JP Morgan und seit Juni in Diensten von Cerberus. Die offizielle Stellungnahme der Deutschen Bank beschränkte sich auf einen Satz: "Die anerkannte Expertise der Cerberus Operations Advisory Company wird uns auf dem Weg unterstützen, wieder attraktive Renditen für unsere Aktionäre und Investoren zu schaffen." Cerberus soll ausschließlich auf Vorstandsebene beraten und dort über die geplanten Einsparungen wachen. Im Vergleich zur Konkurrenz liegen die Kosten bei der Deutschen Bank mit mehr als 90 Cent pro einem Euro Ertrag deutlich zu hoch. Zugleich sanken die Einnahmen der Bank zuletzt immer weiter, wobei sich beides gegenseitig bedingt. Sewing hat die Aktionäre schon auf schwache Erträge im zweiten Quartal vorbereitet. Cerberus war seinerzeit bei einem Aktienkurs von etwa 15 Euro eingestiegen, mittlerweile notieren die Papiere der Deutschen Bank unter 10 Euro. Für die Zeit des Beratungsmandats darf Cerberus nicht mit der Aktie handeln.
https://www.sueddeutsche.de/sport/2-fussball-bundesliga-1860-muenchen-feiert-ersten-sieg-unter-pereira-1.3353989
mlsum-de-9520
Der neue Trainer sieht einen fehlerhaften Beginn gegen Greuther Fürth - doch kurz vor Schluss schießt Michael Liendl den TSV 1860 München zum Sieg.
Gelungener Einstand für Trainer Vitor Pereira bei 1860 München: Beim Debüt des Portugiesen kamen die Löwen zum Rückrundenstart in der 2. Fußball-Bundesliga gegen die SpVgg Greuther Fürth in Überzahl zu einem 2:1 (1:1)-Erfolg und verbesserten sich vorerst auf Rang 13. Nach dem Rückstand durch Serdar Dursun (13.) traf Routinier Ivica Olic mit einem verwandelten Foulelfmeter zum Ausgleich (43.). Der Siegtreffer gelang dem eingewechselten Michael Liendl (86.), als Fürth nach Gelb-Rot gegen Stephen Sama (49./wiederholtes Foulspiel) in Unterzahl agierte. "Es war sehr schwer. Wir sind nicht gut ins Spiel gekommen. Nach dem Platzverweis hatten wir einen Vorteil, den wir irgendwie genutzt haben", sagte Olic bei Sky, während Pereira mit der Einstellung zufrieden war: "Das Spiel hat denkbar schlecht begonnen. Die Mannschaft hat gut gekämpft. Wir haben noch viel Arbeit, wichtig waren die drei Punkte." Vor 15.800 Zuschauern taten sich die Löwen, die kurz vor Spielbeginn die Verpflichtung des dänischen Nationalstürmers Christian Gytkjaer (Vertrag bis 2019) verkündet hatten, zunächst schwer. Nach einem schlimmen Missverständnis zwischen Jan Mauersberger und Torhüter Stefan Ortega brachte Dursun die Gäste in Führung. Olic scheiterte bei der ersten Chance an Torhüter Balázs Megyeri (31.), ehe der 37-Jährige mit etwas Glück beim Elfmeter zum Ausgleich traf. Kurz nach dem Wechsel gerieten die Gäste in Unterzahl, 1860 erhöhte den Druck. Liendl belohnte die Bemühungen. Siege für Union Berlin und Sandhausen Union Berlin ist indes zum Rückrundenauftakt knapp einer bitteren Niederlage entgangen. Gegen den Tabellenelften VfL Bochum siegte das Team von Trainer Jens Keller nach 0:1-Rückstand mit 2:1 (0:1). Debütant Sebastian Polter (67.) und Steven Skrzybski (80.) drehten die Partie, nachdem Tim Hoogland (40.) die Gäste im ersten Durchgang in Führung gebracht hatte.Durch den Sieg rückt Union mit 31 Punkten vorerst auf dem vierten Rang vor. Der SV Sandhausen gewann 3:0 (1:0) bei Fortuna Düsseldorf und kletterte nach ihrem vierten Spiel in Serie ohne Niederlage auf Platz sechs. Die Düsseldorfer blieben ihrerseits zum fünften Mal hintereinander ohne Dreier und müssen ihre vage Hoffnung auf den Aufstieg frühzeitig begraben. Die Treffer für Sandhausen erzielten Lucas Höler in der 14., Thomas Pledl in der 75. und Tim Knipping in der 86. Minute.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/autoindustrie-opels-gewinn-bezahlen-die-mitarbeiter-1.4067319
mlsum-de-9521
Zum ersten Mal nach 20 Jahren schreibt der Autohersteller wieder schwarze Zahlen. Doch der Grund ist vor allem ein hartes Sparprogramm mit Lohnverzicht und Stellenstreichungen.
Carlos Tavares will erst gar keine Euphorie aufkommen lassen. "Wir müssen sicherstellen, dass sich keine Selbstgefälligkeit breitmacht", sagt der Chef des Opel-Mutterkonzerns PSA am Dienstag. Das ist jetzt seine Sorge. Andere an seiner Stelle würden feiern, Tavares warnt, dass sich im Unternehmen und speziell bei der deutschen Traditionsmarke zu schnell zu viel Zufriedenheit einstellen könnte - weil Opel zum ersten Mal seit fast 20 Jahren wieder Gewinn schreibt. "Wir haben noch viel Arbeit", sagt Tavares, nichts sei gewonnen. Immer noch mehr zu fordern, das ist die Grundhaltung des PSA-Chefs. Auch wenn das manchmal zu scharfem Streit mit den Arbeitnehmervertretern bei Opel führt. Die Wende, die Tavares mit seinem unerbittlichen Leistungsdruck herbeigeführt hat, ist allerdings spektakulär. Weniger als ein Jahr nach der Übernahme des deutschen Herstellers ist dem Peugeot-Konzern mit Opels Rückkehr in die Gewinnzone das gelungen, woran der US-Vorbesitzer General Motors (GM) jahrzehntelang grandios scheiterte: Das Betriebsergebnis, das Opel im ersten Halbjahr erwirtschaftet hat, beträgt 502 Millionen Euro. Die Gewinnmarge erreicht den respektablen Wert von fünf Prozent. Einen Seitenhieb auf GM und die alte Opel-Führung kann sich Tavares am Dienstag daher nicht verkneifen: "Das Problem war das Management", sagt er, "nicht die Opel-Belegschaft." Die aber dürfe sich keinesfalls ausruhen. Der Strategieplan für das Unternehmen sehe ja eine Rendite von sechs Prozent vor. Dass dieses Ziel laut Plan erst 2026 erreicht werden muss, erwähnt Tavares in diesem Moment nicht. Der Portugiese an der PSA-Spitze hat es bei Opel genauso angestellt wie bei dem französischen Autobauer, den er nach einer Beinahepleite übernahm: Er hat Opel aus den Verlusten herausgespart - und dabei einen Vertrauensschwund in der Belegschaft, heftige Spannungen mit der IG Metall und mit Politikern in Kauf genommen. Selbst Kanzlerin Angela Merkel sah sich im Frühjahr genötigt, bei Tavares die Einhaltung von Jobgarantien anzumahnen. Denn es sind mehr die Einsparungen in der Produktion als großartige Absatzerfolge, die den Halbjahresgewinn erklären. Und die Mitarbeiter müssen Entbehrungen hinnehmen: Mithilfe von Opel-Chef Michael Lohscheller setzte Tavares einen Lohnverzicht sowie einen Stellenabbau über ein Abfindungsprogramm und Altersteilzeit durch. 3700 der 19 000 Opel-Mitarbeiter in Deutschland sollen gehen. Denen, die bleiben, kommen dafür Standortzusagen bis 2023 zugute. Der Anteil der Lohnkosten am Umsatz wurde schon von 15,2 auf 13,5 Prozent gesenkt. Doch Tavares will diese Quote weiter drücken, auf zehn Prozent. Und weil das alles immer noch nicht reicht, prüft er sogar den Teilverkauf des Opel-Entwicklungszentrums in Rüsselsheim. Der Betriebsrat droht deshalb mit massivem Widerstand. Tavares' Kritiker sagen, mit dem Verkauf würde Opel das Herz herausgerissen, zumal die Arbeit der Ingenieure die deutsche Markenidentität ausmache. "Ich verstehe den Ärger", beteuert der PSA-Chef und zeigt sich doch wenig beeindruckt. Er verweist darauf, dass vielen im Entwicklungszentrum in den nächsten Jahren die Arbeit ausgehe, weil die Aufträge von Alteigner GM ausliefen. "Meine Verantwortung ist es, nach Lösungen zu suchen, anstatt Probleme unter den Teppich zu kehren", sagt Tavares. Da sei "eine Partnerschaft" mit einem Käufer eine bessere Idee. Um die deutsche Markenidentität müsse man sich nicht sorgen. Auch künftig würden alle Opel-Modelle in Rüsselsheim entwickelt. Nicht etwa in Frankreich. Auch Opel wird verdächtigt, Abgaswerte manipuliert zu haben Eine andere Frage ist, wie stabil die Ergebniswende ist: Tavares weicht der Frage aus, ob sich der Erfolg aus dem ersten Halbjahr im zweiten wiederholen kann. Klar ist, dass Opel genau wie Peugeot und Citroën von der guten Autokonjunktur in Europa profitiert. Um alle wirtschaftlichen Ziele zu erreichen, muss die Marke mit dem Blitz aber auch ihren Marktanteil steigern. Und womöglich droht Opel ein Diesel-Ungemach: Das Kraftfahrtbundesamt hegt den Verdacht, dass wie bei VW in manchen Modellen eine sogenannte Abschalteinrichtung eingebaut ist. Damit hält sich Tavares am Dienstag nicht lang auf. Ein bisschen zufrieden darf er an diesem für sein Unternehmen historischen Tag dann schon sein. Immerhin hat der gesamte PSA-Konzern trotz anhaltender Schwäche in China und einem von den USA erzwungenen Rückzug aus Iran im ersten Halbjahr die Rekordrendite von 8,5 Prozent erzielt. So viel schaffen sonst nur Premiumhersteller wie Daimler und Audi. Bei einem Umsatz von 38,6 Milliarden Euro erreichte PSA ein Betriebsergebnis von drei Milliarden Euro. Nun hat der Konzern mehr als acht Milliarden Euro in der Kasse, die Tavares investieren will: Der PSA-Chef schließt nach der Opel-Übernahme weitere Zukäufe nicht aus. Ein Teil des Geldes könnte aber auch in Werke der deutschen Tochter fließen, sagt er. Vorausgesetzt, Opel schreibe weiter Gewinne. "Wir wollen dem größten Teil der Opel-Beschäftigten eine gute Zukunft geben", sagt Tavares. Die PSA-Aktionäre dürfen sich aber auch freuen: Deren Anteilsscheine gewannen am Dienstag um bis zu 15 Prozent an Wert. Auch das ist spektakulär.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/berlin-biesdorf-raeuber-attackieren-vier-menschen-in-einer-nacht-1.2208890
mlsum-de-9522
Vier Angriffe, drei Schwerverletzte, einer davon in Lebensgefahr - das ist die Bilanz einer Nacht in Berlin-Biesdorf. Innerhalb weniger Stunden verübten Unbekannte dort mehrere Gewalttaten. Die Polizei prüft einen Zusammenhang.
Im Berliner Ortsteil Biesdorf sind mehrere Menschen kurz nacheinander von Unbekannten angegriffen und massiv verletzt worden. Zwei Männer erlitten schwere Kopfverletzungen, ein 30-Jähriger kam mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus, teilte die Polizei mit. Die Taten ereigneten sich demnach bereits in der Nacht zum Mittwoch, die Polizei prüft nun einen Zusammenhang. Zunächst stieß ein Unbekannter gegen 2.30 Uhr nachts eine 25 Jahre alte Frau von ihrem Fahrrad, sie konnte den Angreifer aber mit lautem Geschrei vertreiben. Der Mann habe sich daraufhin zu einer Personengruppe gesellt, die in der Nähe herumstand, berichtet die Berliner Zeitung in ihrer Online-Ausgabe. Etwa 100 Meter weiter fand die Radfahrerin dann einen lebensgefährlich verletzten 30-Jährigen. Die Täter hatten ihm offenbar gegen den Kopf getreten und sein Handy gestohlen. Der Mann wurde ins Krankenhaus gebracht. Angegriffen, verletzt, beraubt In derselben Straße wurde fast zur gleichen Zeit ein 61-Jähriger angegriffen. Er erlitt Platzwunden und einen Jochbeinbruch, gestohlen wurden etwas Geld und Pfandflaschen. Der Mann muss laut Berliner Zeitung durch die Verletzungen mit einer Einschränkung seines Sehvermögens rechnen. Mehrere Straßen entfernt kam es wenige Stunden später zu einem weiteren Überfall: Dort wurde ein 28-Jähriger von einer Gruppe Jugendlicher angegriffen, verletzt und beraubt. Eine Nachbarin fand den jungen Mann am frühen Morgen vor der Eingangstür ihres Hauses.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/frankreich-macron-protest-gilets-jaunes-1.4214095
mlsum-de-9523
Wütende Franzosen blockieren an diesem Samstag überall im Land Straßen. Ihr Zorn richtet sich gegen die steigende Sprit-Steuer. Für Präsident Macron ist das die bislang größte Machtprobe.
Die neongelbe Warnweste liegt hinter der Windschutzscheibe, von außen gut sichtbar. Darauf kommt es an. Cyrille Dhui parkt ihren Renault Kangoo auf dem zentralen Platz von La Tour du Pin. In vielen der Autos, die hier abgestellt sind, liegt auch, gut erkennbar, eine Warnweste. Und das ist in der Tat eine Warnung. Nicht vor einem Unfall oder einer Panne. Die hässlichen Sicherheitskittel, die seit ein paar Jahren in jedem Auto mitgeführt werden müssen, sind eine Warnung an Emmanuel Macron, Frankreichs Präsidenten. Binnen weniger Wochen sind sie zum Erkennungszeichen wütender Bürger im ganzen Land geworden. In La Tour du Pin sind offensichtlich ziemlich viele ziemlich wütend auf Macron und seine Wirtschaftspolitik. "Die neue Umweltsteuer hat das Fass zum Überlaufen gebracht", sagt Dhui. Ab Januar wird in Frankreich pro Liter Diesel, wie ihn ihr Renault braucht, eine CO2-Steuer in Höhe von 6,5 Cent fällig; für Benzin beträgt sie 2,9 Cent. Dhui, 47, geschieden, zwei Kinder - fährt für ihren Job als Sozialarbeiterin täglich 60 Kilometer. Schon jetzt zahlt sie für Treibstoff wegen des gestiegenen Ölpreises 80 Euro mehr pro Monat als vor einem Jahr. "Die abgehobenen Politiker in Paris haben keine Ahnung, was das heißt, 80 Euro weniger im Portemonnaie zu haben", schimpft sie. "Es geht uns aber nicht bloß um die Umweltsteuer. Wir werden ausgequetscht wie Zitronen." An diesem Samstag trägt Dhui mit einer Demo ihren Zorn und den vieler anderer in La Tour du Pin auf die Straße - so wie es überall in Frankreich Proteste der in kürzester Zeit entstandenen Bewegung der "Gelben Westen" gibt. Dhuis Facebook-Gruppe der Gelben Westen in La Tour du Pin zählte im Nu 700 Mitglieder. Das 8000-Einwohner-Städtchen in den französischen Voralpen war einst ein Zentrum der Textilindustrie. Wer heute noch Arbeit hat, muss dafür pendeln. Etwa ins 60 Kilometer westlich gelegene Lyon. Bloquons tout!, lautet die Parole der Gelbwesten an diesem Wochenende. Lasst uns alles lahmlegen. An mindestens 600 Orten im Land wollen Bürger aus Protest gegen hohe Lebenshaltungskosten und Steuern Straßen, Kreisverkehre oder Autobahn-Mautstellen versperren. Mancherorts stellen Betriebe vorsichtshalber die Produktion ein, zum Beispiel ein Toyota-Werk in Nordfrankreich. Innenminister Christophe Castaner sprach am Samstag von mehr als 1000 Protestaktionen mit rund 50 000 Teilnehmern. "Vielen Arbeitnehmern und Rentnern reicht das Geld zum Leben nicht" Der Ärger richtet sich gegen den vermeintlich gierigen Staat im Allgemeinen und gegen Macron, den vermeintlichen Präsidenten der Reichen, im Besonderen. Den meisten Franzosen hat seine Politik bisher keine spürbaren Verbesserungen gebracht. "Vielen Arbeitnehmern und Rentnern reicht das Geld zum Leben nicht mehr", sagt Dhui. "Dies ist ein Aufstand gegen die Ungerechtigkeit!" Es grummelt gewaltig in Frankreich. Wenn das Volk dort grummelt, haben die Machthaber Grund zur Sorge. Zur Zeit der Revolution entzündete sich die Wut am Brotpreis. "Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen", soll Königin Marie-Antoinette dem notleidenden Volk einst geraten haben. Heute befeuern Spritkosten den Zorn - und Macron rät den Pendlern, sich doch lieber saubere E-Autos zuzulegen. Dafür bietet er den Allerärmsten, die sich gar kein neues Auto leisten können, eine verdoppelte Kaufprämie. Cyrille Dhui kommt das wie Hohn vor. Der Aufstand, von dem sie spricht, ist ein Aufstand des sogenannten peripheren Frankreich, die Rebellion einer Mittelschicht, die sich sozial und geografisch an den Rand gedrückt fühlt von den Gut- und Bestverdienern in den Großstädten. Die Blockadeaktionen sind auch Ausdruck einer Spaltung des Landes, die sich seit der Finanzkrise vor zehn Jahren verstärkt.
https://www.sueddeutsche.de/bildung/schule-die-ideen-gegen-lehrermangel-zeugen-von-verzweiflung-1.4090066
mlsum-de-9524
Pensionäre werden zurückgeholt, Quereinsteiger eingestellt und nun auch DDR-Erzieherinnen angefragt. Am Grundproblem ändert all das nichts.
Deutschland ist Lehrermangelland. Die Warnungen vor einem Notstand in den Klassenzimmern sind zur traurigen Sommertradition geworden, seit Jahren begleiten sie den Beginn jedes neuen Schuljahres. Berlin meldete bereits im Juni 1250 unbesetzte Stellen - das gab es noch nie. Die Hauptstadt ist damit Spitze, aber keineswegs einsam. Lücken klaffen überall, die größten in den ostdeutschen Bundesländern und in Nordrhein-Westfalen. Und das Problem wird sich weiter vergrößern: Die Schülerzahlen steigen, die im europäischen Vergleich sehr alten Lehrer werden nicht jünger. Um die Löcher zu stopfen, überbieten sich die Länder mit Ideen, die sie selbst als kreativ preisen, die aber vor allem von Verzweiflung zeugen. Pensionäre werden zurückgeholt, Gehälter angehoben, Seiteneinsteiger in großer Zahl eingestellt - Studienabgänger also, die im Schnellverfahren zu Pädagogen umgeschult werden sollen. Berlin lockt Studenten mit dem Programm "Unterrichten statt Kellnern" an die Schulen; Thüringen hat bei Erzieherinnen nachgefragt, die noch in der DDR ausgebildet wurden, ob sie nicht an Grundschulen aushelfen können. Ebenfalls aus Thüringen kommt nun ein Vorschlag, der gegenüber den vielen Notmaßnahmen einen entscheidenden Vorteil besitzt: Statt panisch an den Symptomen herumzudoktern, sucht er nach der Wurzel des Problems. Thüringens Bildungsminister Helmut Holter, als erster Politiker der Linkspartei derzeit Vorsitzender der Kultusministerkonferenz (KMK), regt an, das Studium zu reformieren. Statt Grund-, Real-, und Gymnasialschullehrer getrennt auszubilden, soll nach Altersstufen unterschieden werden: ein Lehrer für die Mittelstufe etwa, egal an welcher Schule. Die Idee ist nicht neu, hat aber Charme - weil Lehrer kaum an Gymnasien fehlen, an Grund- und Förderschulen dafür umso mehr. Der Lehrermangel ist ein Problem, das vor allem da auftritt, wo es an vielem mangelt, aber nicht an Problemen. Beim der Ausbildung von Lehrern fehlt es an Weitblick Warum Holters Vorschlag trotzdem keine Lösung ist? Weil er das Grundproblem nicht behebt: Es gibt zu wenig Lehrer. Statt das Studium umzubauen, muss es ausgebaut werden - in vielen Bundesländern geschieht das bereits. Gerade im Osten Deutschlands sind nach der Wende die Studienplätze massiv eingekürzt worden - in der festen Erwartung, die damals rückläufigen Schülerzahlen würden auf ewig weitersinken. Diesem folgenreichen Trugschluss saßen auch die anderen Bundesländer auf. Und an dieser Fehleinschätzung hielten sie in einer Mischung aus Geiz und Trägheit viel zu lange fest. Dieser Rückblick zeigt auch, woran es in Deutschland vor allem fehlt: an seriöser und koordinierter Planung mit Weitblick. Der Lehrerbedarf hängt maßgeblich von den Schülerzahlen und den Pensionierungen ab - zwei Größen, die sich anhand der Geburtenzahlen und der Altersstruktur der Lehrer mit einigen Jahren Vorlauf prognostizieren lassen. Was sich nicht vorhersagen ließ, war die Ankunft vieler Tausend Flüchtlingskinder seit 2015. Für das Planungsversagen der Länder sind das aber nur mildernde Umstände. Wer vom Lehrermangel überrascht wird, ist selber schuld. Deshalb lohnt ein Blick nach Baden-Württemberg, wo soeben ein kleiner, aber wichtiger Schritt beschlossen wurde. Dort soll künftig genau erhoben werden, wie viel Unterricht tatsächlich ausfällt. Eine entscheidende Frage, zu der es bislang, man ahnt es, keine Statistik gibt.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/neuruppin-hautfarbe-roetlich-rosa-1.2971591
mlsum-de-9525
Vor 41 Jahren soll Erna F. ihren achtjährigen Sohn getötet haben. Der Notarzt wundert sich noch heute über die Begegnung mit der Frau.
Die Staatsanwältin am Landgericht in Neuruppin hat an diesem Donnerstag, wie es ihre Angewohnheit ist, alle Fenster im Saal 2 aufgerissen. Es ist der zweite Verhandlungstag im Prozess gegen Erna F., die vor 41 Jahren ihren damals acht Jahre alten Sohn in ihrer Schwedter Plattenbauwohnung vergast haben soll. Eiskalte Frühlingsluft erfüllt den Raum. Die Angeklagte hustet und räuspert sich. Sie trägt ein sonnenblumengelbes Jackett, dazu eine hellbraune Hose. Sie wirkt müde. Sie hat sich zum Schweigen entschlossen, was wohl viel Kraft kostet. In ihrer Wohnung in Schwedt, wo Mario in der Nacht vom 4. auf den 5. November 1974 tot aufgefunden wurde, haben die Fenster nie offen gestanden. Das hat der ermittelnde Polizeibeamte berichtet, der die Tochter von Erna F. vernommen hat. Es galt damals, so die Tochter, Heizkosten zu sparen. Nie hätten sie und ihre Schwester und ihr Bruder Mario Fenster öffnen dürfen. In der Tatnacht allerdings habe es die Ausnahme gegeben: Sie und ihre jüngere Schwester schliefen auf Anweisung im Schlafzimmer der Mutter, sie sollten das Fenster darin gekippt lassen, die ganze Nacht. Novemberkälte habe den Raum erfüllt. Das, so die Tochter, "war sehr ungewöhnlich". Sie sei froh, dass jetzt gegen ihre Mutter ermittelt werde. Der Todesfall ihres Bruders sei ja bis heute ein Mysterium. Es gab nicht einmal eine Todesanzeige für das Kind Von auffälligen Ungereimtheiten berichtete auch der Zeuge Peter Friedrichs am Donnerstag vor dem Landgericht. Friedrichs, der bis 2010 am Krankenhaus Schwedt als Arzt angestellt war, ist 1974 in der Tatnacht als diensthabender Notarzt in die Wohnung von Familie F. gerufen worden. Dort hatte Erna F. nach der Scheidung von ihrem zweiten Ehemann alleine mit ihren drei Kindern gewohnt. Der heute 71 Jahre alte Arzt kann sich noch gut an jenen Morgen gegen sechs Uhr erinnern, an dem er den toten Mario in seinem geblümten Pyjama zugedeckt im Bett untersucht hat. "Ich habe sofort gesehen", sagte er, "dass es sich hier um eine Gasvergiftung handeln muss." Indiz sei vor allem die rosa-rötliche Hautfarbe des Jungen gewesen, auch die Leichenflecken, die nicht lila gewesen seien, sondern ebenfalls rötlich-rosa. Der Junge habe auch Erbrochenes eingeatmet und sei daran erstickt, dies habe er zwar als Todesursache eingetragen, dennoch habe er den Staatsanwalt damals darauf hingewiesen, dass die eigentliche Todesursache wohl eine Kohlenmonoxidvergiftung sei. Marios Leichnam wurde daraufhin in der Berliner Charité obduziert. Bei dieser Untersuchung wurde tatsächlich ein tödlich hoher CO-Wert von 73 Prozent im Blut von Mario nachgewiesen. Und obwohl unmittelbar danach die Gasleitungen und der Gasherd in der Wohnung von Erna F. untersucht und keinerlei Defekte festgestellt wurden, wie auch ein Sachverständiger der DDR-Stadtgaswerke am Donnerstag bestätigte, wurde der unnatürliche Tod von Mario nie weiter untersucht. Nicht mal eine Todesanzeige wurde veröffentlicht. Erst jetzt, 41 Jahre später, steht Erna F. vor Gericht. Ein anonymer Briefeschreiber hatte sich 2009 bei der Staatsanwaltschaft Hannover beschwert, weshalb wegen Marios Tod nie ermittelt worden sei. Mario habe Erna F., "die geldgierig war und auch anschaffen ging", im Weg gestanden. Der damalige Notarzt wundert sich noch heute über seine Begegnung mit Erna F. "Marios Mutter war ungewöhnlich gefasst", sagte er im Gerichtssaal. "Sie hat keinerlei emotionale Entladung gezeigt, wie es wohl beim Tod des eigenen Sohnes üblich gewesen wäre." Und dann sei da noch eine Sache, die er bis heute nicht vergessen könne: "Dass es keinerlei Gasgeruch in der Wohnung gegeben hat und sowohl die Mutter als auch ihre beiden Töchter völlig gesund geblieben sind, obwohl sie ja auch in der Tatnacht in der Wohnung geschlafen haben." Der Prozess wird am 10. Mai fortgesetzt.
https://www.sueddeutsche.de/politik/baden-wuerttemberg-fuers-gymnasium-gegen-die-sperrstunde-1.2780940
mlsum-de-9526
Für eine offene Gesellschaft und eine innovative Wirtschaft: Die Grünen haben ihr Programm für die Landtagswahl beschlossen.
Drei Monate vor der Landtagswahl haben die Südwest-Grünen ihren Kurs festgelegt und empfehlen sich als "neue Baden-Württemberg-Partei". Zwar habe sich die CDU mit klugen Köpfen wie seinen Vorgängern Lothar Späth und Erwin Teufel in den vergangenen Jahrzehnten um das Land verdient gemacht, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei einem Parteitag am Wochenende in Reutlingen. Doch ihre Zeit sei vorbei. Als selbstzufriedene "Dagegenpartei" gehöre die CDU weiter auf die Oppositionsbank. Der Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 13. März 2016 betonte: "Der Wettstreit um die besseren Ideen, Konzepte und Köpfe für die nächsten fünf Jahre ist heute eröffnet." Der Parteitag verabschiedete am Sonntag einstimmig das Wahlprogramm mit dem Titel "Grün aus Verantwortung". Schwerpunkte sind innovative Wirtschaft, gesunde Natur, starke Familien und eine offene Bürgergesellschaft. Die mehr als 200 Grünen-Delegierten beschlossen unter anderem den Erhalt des achtjährigen Gymnasiums im Zwei-Säulen-Modell mit Real- und Gemeinschaftsschule. Sie setzten die Direktwahl der Landräte, eine Wahlrechtsänderung für mehr Frauen im Parlament sowie die anonymisierte Kennzeichnungspflicht für Polizisten bei Großeinsätzen erneut auf die Agenda. Durch eine Mobilitätsgarantie sollen alle Orte an Wochentagen von 5 bis 24 Uhr mindestens stündlich an den öffentlichen Verkehr angebunden sein - sei es mit Bus, Bahn oder Ruftaxi. In ein Lobbyregister sollen Interessenvertreter aufgenommen werden, die sich im Landtag und in der Regierung Gehör verschaffen wollen. Die AfD müsse ins politische Abseits gestellt werden, fordert der Parteitag Die Grüne Jugend brachte den Wegfall der landesweiten Sperrstunde durch. Die Kommunen sollen aber eigene Regeln erlassen dürfen. Nicht erfolgreich war der Jugendverband mit seinem Plädoyer, langfristig das Gymnasium abzuschaffen, um die Gemeinschaftsschule als wirkliche Schule für alle durchzusetzen. Die große Mehrheit folgte der Linie Kretschmanns. Dieser hatte das Gymnasium verteidigt und dessen Rolle für den Zusammenhalt in der Gesellschaft herausgestrichen. Der Ministerpräsident nannte als wichtigste Erfolge seiner Regierungszeit 3800 neue Hochschulstellen, 26 000 neue Kita-Plätze, fast 300 Gemeinschaftsschulen und 45 000 Erstaufnahmeplätze für Flüchtlinge. Die Grünen verstehen die Wahl auch als Zeichen gegen "populistische und polarisierende Stimmungen" in der Flüchtlingskrise. Die Freiburger Bundestagsabgeordnete Kerstin Andreae sagte, es gehe auch darum, die AfD ins politische Abseits zu bringen. Auch die CDU müsse sich diese Haltung zu eigen machen. Nach der jüngsten Umfrage liegen die grün-rote Regierung und die schwarz-gelbe Opposition nahezu gleichauf. Laut Infratest dimap erhalten Grüne (25 Prozent) und SPD (18 Prozent) zusammen 43 Prozent. CDU (37 Prozent) und FDP (5 Prozent) stehen bei 42 Prozent. Die Alternative für Deutschland (AfD) würde mit acht Prozent erstmals in den Landtag einziehen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/curling-dosb-verteidigt-streichung-von-foerdergeldern-1.2184177
mlsum-de-9527
DOSB-Präsident Alfons Hörmann begründet den Schritt, Curling die öffentlichen Fördergelder zu entziehen. Felix Neureuther verpasst Auftakt der alpinen Skisaison in Sölden. Borussia Dortmund muss im Champions-League-Spiel gegen Galatasaray Istanbul auf Erik Durm verzichten.
Sportförderung, Curling: Der Deutsche Olympische Sport-Bund (DOSB) hat die Streichung der Fördergelder für den Deutschen Curling-Verband verteidigt. "Es ist schmerzvoll und unerfreulich, wenn eine olympische Sportart wegen mangelnder Finanzierung vor dem leistungssportlichen Aus steht", sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa. Diese Entwicklung verdeutliche, dass "der Leistungssport in Deutschland am Scheideweg steht", so Hörmann. Zu der vom DOSB gefällten Entscheidung habe es jedoch keine Alternative gegeben, erläuterte Hörmann, da es vom Bundesministerium des Innern keine zusätzlichen Mittel gebe. "Wir standen vor der Frage, ob wir im Gießkannenprinzip bei allen Verbänden kürzen oder nur bei einem", sagte Hörmann. In den Zielvereinbarungsgesprächen hätten die Curler betont, dass eine leistungssportliche Weiterentwicklung der Sportart nur möglich wäre, wenn dafür mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stünden. Da dies nicht gewährleistet werden konnte, fiel die Entscheidung gegen die Curler. "Für die anderen Verbände können wir 2015 den Status quo beibehalten", sagte Hörmann. Der Deutsche Curling-Verband befürchtet angesichts des bevorstehenden Fördergelder-Stopps durch das Bundesinnenministerium einen "Rückfall in die Steinzeit". Der deutsche Curling-Leistungssport sei dadurch "am Ende und hat so wahrscheinlich für lange Zeit keine Chance mehr zurückzukommen", erklärte DCV-Chef Dieter Kolb am Dienstag auf der Verbandshomepage Ski Alpin, Felix Neureuther: Skirennfahrer Felix Neureuther verzichtet wegen seiner Rückenprobleme auf das Auftaktrennen in den WM-Winter am Sonntag. "Es gibt eine gute und schlechte Nachricht. Die schlechte ist: Ich muss den Riesenslalom in Sölden leider absagen", schrieb der 30-Jährige am Dienstag auf seiner Facebook-Seite. "Die Gute ist: Meinem Rücken geht es besser. Im Slalom funktioniert es schon ganz gut. Getting ready for Levi!" Neureuther hat seit Jahren immer wieder Probleme mit dem Rücken. Momentan plagen ihn die Folgen einer Entzündung am Lendenwirbel. Der Slalom im finnischen Levi steht am 16. November im Rennkalender. Cheftrainer Mathias Berthold bescheinigte Neureuther, nach der Aufnahme des Schneetrainings in der vergangenen Woche "gute Fortschritte" gemacht zu haben. Ein Start in Sölden käme jedoch zu früh. "Noch fehlt Felix die Sicherheit, um mit letzter Konsequenz ein Weltcup-Rennen zu bestreiten. Wir haben daher gemeinsam entschieden, auf dieses Rennen zu verzichten und stattdessen das Training weiter zu intensivieren", sagte Berthold. Borussia Dortmund, Champions League: Borussia Dortmund muss im Champions-League-Spiel bei Galatasaray Istanbul am Mittwoch ohne Nationalspieler Erik Durm auskommen. Der Linksverteidiger trat nach Angaben des Fußball-Bundesligisten vom Dienstag die Reise an den Bosporus nicht mit an. Durm war bereits beim 1:2 am vergangenen Samstag beim 1. FC Köln ausgefallen, weil er über Oberschenkelprobleme geklagt hatte. Fußball, 2. Bundesliga: Fortuna Düsseldorf ist in der 2. Fußball-Bundesliga auf den zweiten Tabellenplatz geklettert. Die Mannschaft von Ex-Profi Oliver Reck setzte sich am Montagabend zum Abschluss des zehnten Spieltags verdient mit 1:0 (1:0) gegen den FC St. Pauli durch. Den einzigen Treffer der Partie vor 36 255 Zuschauern im Düsseldorfer Stadion erzielte Michael Liendl in der 32. Minute. Für die Düsseldorfer war es das siebte Spiel in Serie ohne Niederlage. St. Pauli verpasste die Chance, sich weiter von der Abstiegszone abzusetzen. "St. Pauli hätte auch in Führung gehen können", sagte Düsseldorfs Trainer Oliver Reck: "Aber wir haben immer mehr ins Spiel gefunden. Dann haben wir als erster eine Chance genutzt, das hat uns Sicherheit gegeben." St.-Pauli-Trainer Thomas Meggle ärgerte sich: "Wir haben nicht präzise genug gespielt. Wenn du auswärts hundertprozentige Chancen hast, dann musst du die auch nutzen." Die besten Düsseldorfer waren Liendl und der frühere Pauli-Profi Christopher Avevor. St. Pauli, für das Fortuna-Sportchef Helmut Schulte jahrelang als Trainer und Sportdirektor tätig war, hatte in Christopher Nöthe den auffälligsten Akteur. Eishockey, NHL: Eishockey-Talent Leon Draisaitl hat mit den Edmonton Oilers im sechsten Spiel in der Nordamerikanischen Profi-Liga NHL den ersten Sieg geschafft. Beim 3:2-Heimerfolg der Oilers am Montag über Tampa Bay Lightning stand der 18-Jährige gebürtige Kölner 14:04 Minuten auf dem Eis. Der Siegtreffer gelang seinem Teamkollegen Ryan Nugent-Hopkins in der Schlussphase der spannenden Begegnung. Die Gäste warten damit weiter auf den ersten Sieg in Edmonton seit März 2007. Die Oilers waren bis zuletzt die letzte sieglose Mannschaft in der Western Conference der NHL gewesen. Fußball, VfL Bochum: Nach scharfen Protesten hat der Fußball-Zweitligist VfL Bochum die Schließung seiner Frauen-Abteilung zurückgenommen. Auf der Jahreshauptversammlung erhielt am Montagabend ein Antrag von ehemaligen Aufsichtsratsmitgliedern auf Weiterführung der Frauen-Teams eine Mehrheit von 270 zu 203 Stimmen. Man arbeite ab sofort an "einer neuen, gesellschaftspolitischen Lösung", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Peter Villis. Die betroffenen Spielerinnen hatten die bevorstehende Schließung ihrer Abteilung heftig kritisiert und dabei Zuspruch aus der Politik erhalten. Unter anderem äußerte sich Bundestagspräsident Norbert Lammert, ein gebürtiger Bochumer, kritisch. Auch Steffi Jones, die Direktorin für Frauen-Fußball im Deutschen Fußball-Bund (DFB), sagte ihre Unterstützung zu. "Wir haben die öffentliche Resonanz, die mit dieser Entscheidung einhergegangen ist, unterschätzt", sagte Villis während der Jahreshauptversammlung im Audimax der Ruhr-Universität. Die Einsparung der Frauen-Sparte (drei Damen-, drei Mädchenmannschaften), die mit etwa 150 000 Euro pro Saison veranschlagt ist, sollte ursprünglich zur finanziellen Entlastung des Vereins beitragen. Die erste Frauen-Mannschaft spielt wie die der Männer in der 2. Liga. Fußball, Premier League: Manchester United bleibt in der Premier League dank eines späten Tores von Daley Blind im dritten Spiel nacheinander ungeschlagen. Die Mannschaft des ehemaligen Bayern-Coaches Louis van Gaal konnte am Montagabend bei West Bromwich Albion mit Mühe eine Niederlage abwenden und rettete durch ein 2:2 (0:1) noch einen Punkt. Nach nur acht Minuten lagen die Gäste aus Manchester mit 0:1 durch den Treffer von Stephane Sessegnon hinten. Nach dem Seitenwechsel gelang dem belgischen Fußball-Nationalspieler Marouane Fellaini der Ausgleich (48.). Saido Berahino sorgte aber in der 66. Minute für die erneute Führung der Gastgeber. In der 87. Minute erzielte Blind dann den Ausgleich. In der Tabelle verpasste Manchester United dennoch den Sprung auf Platz vier am 8. Spieltag der englischen Meisterschaft. Mit zwölf Punkten ist van Gaals Mannschaft Tabellensechster. West Bromwich belegt mit neun Zählern Rang 14. Tennis, WTA-Finals: Titelverteidigerin Serena Williams ist erfolgreich in die WTA-Finals der besten acht Tennis-Damen gestartet. Die Amerikanerin gewann am Montag 6:4, 6:4 gegen die ehemalige Weltranglisten-Erste Ana Ivanovic aus Serbien. Im zweiten Spiel der Roten Gruppe gewann die Rumänien Simona Halep das Auftaktmatch der Turnier-Debütantinnen gegen Eugenie Bouchard aus Kanada mit 6:2, 6:3. Serena Williams war in beiden Sätzen in den entscheidenden Momenten die bessere und nervenstärkere Spielerin und feierte beim traditionellen Saisonabschluss schon ihren 16. Sieg in Serie und den achten über Ivanovic im neunten Vergleich. Mit 5:4-Führungen im Rücken schaffte die Weltranglisten-Erste jeweils Breaks. Im ersten Durchgang half Ivanovic mit einem Doppelfehler, im zweiten mit zwei verschlagenen Vorhänden. Nach 78 Minuten war die Partie gelaufen. "Ana hat wirklich gut gespielt, ich musste so hart kämpfen, wie ich konnte", sagte Williams, "ich habe fast keine Stimme mehr, weil ich so oft 'Come on' gerufen habe." Haleps Sieg stand anschließend schon nach 69 Minuten fest. Die French-Open-Finalistin profitierte von den zahlreichen leichten Fehlern der Wimbledon-Finalistin Bouchard, die das Match mit einem Doppelfehler beschloss. In der Weißen Gruppe spielt an diesem Dienstag French-Open-Siegerin Maria Scharapowa aus Russland gegen die Dänin Caroline Wozniacki, danach tritt Wimbledonsiegerin Petra Kvitova aus Tschechien gegen die Polin Agnieszka Radwanska an. Die Kielerin Angelique Kerber ist als erste Ersatzspielerin in Singapur vorerst nur Zuschauerin.
https://www.sueddeutsche.de/digital/microsoft-und-amazon-im-dienst-der-nation-1.4022591
mlsum-de-9528
Microsoft liefert Software für die umstrittene US-Einwanderungsbehörde, Amazon verkauft Technologie zur Gesichtserkennung an die Polizei. Doch jetzt machen Mitarbeiter, Aktionäre und Bürgerrechtler Druck auf die IT-Konzerne.
Die große Aufregung entzündete sich vor allem an einem Wort: "stolz". "Die Behörde führt gerade bahnbrechende Technologien für den Heimatschutz und die öffentliche Sicherheit ein", schrieb Tom Keane, der bei Microsoft für das Geschäft mit externen Datenspeichern zuständig ist, der so genannten Cloud. "Wir sind stolz darauf, diese Arbeit mit unserer missionskritischen Cloud zu unterstützen." Die meisten Amerikaner denken bei der Behörde ICE allerdings nicht an Hightech und an Stolz, sondern an weinende Kinder, die von ihren Eltern getrennt in Käfigen an der Grenze zu Mexiko festgehalten werden. Immigration and Customs Enforcement (ICE) heißt die US-Behörde, die illegale Einwanderer aufspürt und abschiebt und derzeit weltweit in der Kritik steht für die Politik, Immigrantenfamilien auseinander zu reißen. In einer Zeit, in der viele amerikanische Unternehmen zunehmend politisch aktiv werden, verlangen Mitarbeiter, Aktionäre und Bürgerrechtsgruppen gleichzeitig größere Distanz zum Staat. Die Silicon-Valley-Firmen protestieren öffentlich gegen den Einreisebann für Menschen aus mehrheitlich muslimischen Ländern, der Gründer der Taxi-App Uber Travis Kalanick äußerte sich zur Religionsfreiheit und Merck-Chef Kenneth Frazier zu Rassismus. Nach der Schießerei an einer Highschool in Florida distanzierten sich viele Firmen von der Waffenlobby NRA und forderten neue Waffengesetze. Unternehmen werden mehr und mehr zu politischen Aktivisten, während der eigentliche, demokratisch legitimierte Staat kaum Gesetzesänderungen durchsetzt. Doch direkt mit dem Staat zusammen zu arbeiten, ist zunehmend verpönt, das gilt besonders für die IT-Konzerne und vor allem dann, wenn sie Militär und Polizei mit Hightech unterstützen. Mitarbeiter kündigen und machen dies per Twitter publik Nachdem Microsofts Zusammenarbeit mit ICE bekannt wurde, gab es heftige Kritik in sozialen Medien. Ein externer IT-Berater verkündete per Twitter, er habe seinen Beratervertrag mit Microsoft aufgelöst und werde das Honorar einer Flüchtlingsorganisation spenden. Larry Osterman, ein Ingenieur des Konzerns, fragte den Microsoft-Topmanager Brad Smith bei Twitter, wie die Arbeit für ICE mit "unseren ethischen Positionen" zusammenpasse. "Nicht cool", schrieb er. Die Tech Workers Coalition, eine Gruppe, die sich für Rechte und den Zusammenhalt der IT-Arbeiter einsetzt, forderte Microsoft-Mitarbeiter dazu auf, sich nicht mitschuldig zu machen. Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge ist Microsofts Vertrag mit ICE 19 Millionen Dollar wert. Microsoft-Chef Satya Nadella forderte nach der Kritik, dass ICE mit den Familientrennungen aufhört und der Kongress entsprechende Gesetze erlässt. "Wir als Microsoft sind schockiert von der gewaltsamen Trennung von Kindern von ihren Familien beim Grenzübergang", sagte der Sohn indischer Einwanderer. Microsoft stellte klar, dass die Zusammenarbeit mit ICE nichts mit den von ihren Eltern getrennten Kindern zu tun habe. Microsofts Clouddienst Azure, genauer gesagt "Azure Government", hilft der Einwanderungsbehörde allerdings bei der Speicherung von Daten und bei deren Analyse. Dazu verwendet Microsoft auch künstliche Intelligenz, zum Beispiel, um die Identität von Menschen in Echtzeit festzustellen. Auch Amazon bekommt zunehmend Probleme. 19 verschiedene Aktionärsgruppen haben den Internethändler per Brief aufgefordert, die Gesichtserkennungstechnologie Rekognition nicht mehr an die Polizei zu verkaufen. Rekognition ist eine künstliche Intelligenz, die laut Amazon "alle unangemessenen Inhalte" in Videoaufnahmen erkennt. Die Aktionäre befürchten, dass Amazon hilft, einen Überwachungsstaat aufzubauen. Rekognition hat laut Schätzungen Zugang zu Bildern von jedem zweiten amerikanischen Erwachsenen - also nicht nur zu jenen von Straftätern. Die Polizei in Orlando in Florida prüft, ob die Software verwendet werden kann, um "Personen von Interesse" in öffentlichen Plätzen zu erkennen und Beamte in Echtzeit auf sie hinzuweisen. Das Programm könnte auch Zugang zu den Kameras an den Uniformen der Polizisten und Drohnenbildern bekommen. "Auch wenn Rekognition dazu bestimmt sein mag, die Strafverfolgung zu verbessern, sind wir zutiefst besorgt, dass es die Bürger- und Menschenrechte verletzen könnte", schrieben die Amazon-Aktionäre, darunter Sustainvest Asset Management, die Social Equity Group sowie andere Gruppen, die sich für ethische Investitionen einsetzen. Der nächste Auftrag des Pentagon soll zehn Milliarden Dollar schwer sein Dies könnte dem Aktienkurs schaden, wie es bei der Facebook-Aktie nach dem jüngsten Daten-Skandal passierte. Doch die Aktionäre halten nur einen kleinen Teil der Amazon-Aktien, nicht genug, um eine Änderung der Geschäftspolitik zu erzwingen. Größter Amazon-Aktionär ist Jeff Bezos selbst, der Gründer und Chef. "Wir halten es für den falschen Ansatz, vielversprechende neue Technologien zu verbieten, weil sie in Zukunft von schlechten Akteuren für schändliche Zwecke genutzt werden könnten", verteidigte Matt Wood, bei Amazon für künstliche Intelligenz zuständig, die Strategie des Unternehmens. Bei Google hat sich eine Gruppe Mitarbeiter vor Kurzem erfolgreich gegen eine Regierungszusammenarbeit gewehrt. Der Internetkonzern will das "Projekt Maven" mit dem Verteidigungsministerium beenden. Google hilft dem Pentagon, Menschen, Fahrzeuge, Waffenlager oder Gebäude auf Drohnenvideos mit Hilfe von künstlicher Intelligenz besser zu erkennen. Einige Mitarbeiter hatten den Konzern aus Empörung darüber verlassen, Tausende unterzeichneten eine Petition, in der es hieß, Google habe im "Business des Krieges" nichts verloren. Nun soll der Vertrag nicht verlängert werden. Die großen IT-Unternehmen arbeiten seit langem mit dem Militär zusammen. Gerade ringen sie um einen sehr lukrativen Auftrag des Pentagons namens Jedi (Joint Enterprise Defense Infrastructure). Jedi ist ein Projekt für ein riesiges Cloud-System samt Datenanalyse mit künstlicher Intelligenz. Der Auftrag soll bis zu zehn Milliarden Dollar wert sein. Erwartet wird, dass sich unter anderem Google, Amazon, Microsoft, IBM und Oracle um Jedi bewerben.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/thomas-middelhoff-ein-mann-fuer-hass-und-haeme-1.2424325
mlsum-de-9529
Thomas Middelhoff ist für viele die Inkarnation eines arroganten Geldsacks. Warum hat er das selbst nie verstanden?
Im Katalog des zehnbändigen "Handwörterbuchs des deutschen Aberglaubens" (1927-1942) findet sich eine Aufzählung der damals verrufenen Berufe: Marktschreier, Scharfrichter, Abdecker, Dirnen oder auch Quacksalber. Sonderbare Leute waren auch Taschen- und Hütchenspieler sowie Spielleute und Possenreißer. Banker, Finanzleute kamen in der Auflistung der geschmähten Berufe nicht vor. Das hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Banker werden Bangster genannt. Aber kein Vergleich zu Thomas Middelhoff. Zwar sauste lange vor der Finanzkrise das Image der Deutschen Bank und ihres damaligen Chefs Hilmar Kopper in die Tiefe, als er 1994 im Fall des Immobilien-Pleitiers Jürgen Schneider unbezahlte Handwerkerrechnungen in Höhe von umgerechnet 25 Millionen Euro als "Peanuts" bezeichnete. Als Kleinkram, den das Geldhaus nun übernehmen müsse. Koppers Foto wurde zum Steckbrief. Auch Josef Ackermann, der mit dem Victory-Zeichen im Gerichtssaal, zog sich den Volkszorn zu. Aber selbst der kleine Mann, der von Boulevardzeitungen bei solchen Anlässen gern in Stellung gebracht wird, kann sich kaum an Kopper oder den anderen erinnern. Dass beide Ex-Chefs der Deutschen Bank auch große Verdienste haben, wird von den Kundigen anerkannt. Im Fall Middelhoff scheint es kein Licht zu geben. Keiner der Größeren der Wirtschaftswelt ist so gepfählt worden wie er. Middelhoff scheint für viele die Inkarnation eines arroganten Geldsacks zu sein, gierig, dreckig. Der Spiegel etwa verfolgt ihn mit einer Inbrunst, als wäre er ein Gegner wie einst Franz Josef Strauß. Warum zieht einer all den Hass, die Häme auf sich? Warum spucken selbst Unternehmer, die normalerweise gern über Neid und Linkssein an sich referieren, seinen Namen aus, als sei Middelhoff ein Prolet? Als es ihm schon schlecht, aber noch weit besser als heute ging, hat der einstige Top-Manager darüber nachgedacht. 2012 bei einem Abendessen in einem Hamburger Restaurant sagte Middelhoff: Er repräsentiere nun mal "den erfolgreichen Manager, der sehr international, mehrsprachig ist und sehr viel Geld gemacht hat. Ich bin damit ein Vorbild für alles das, was man hier nicht haben will, weil es nicht dem gesellschaftlichen Idealbild" in Deutschland entspreche. Zwei Jahre später, 2014, sagte er: "Mein Bild in der Öffentlichkeit ist so schlecht, dass ich es kaum noch verändern oder damit vernünftig umgehen kann. Ich bin für viele Deutsche der Idealtyp des gierigen Managers, der verantwortungslos um den Globus irrlichtert." All die Zeit sah er sich als Medienopfer. In den Augen der Gegner ist er ein Verlierer, der gleichzeitig auch noch Raffke ist. Die "öffentliche Wahrnehmung meiner Person ist das eine. Die tatsächlichen Gegebenheiten sind etwas völlig anderes", hat Middelhoff auch gesagt. "Vorbildpreis" für unternehmerischen Mut Er war einst Chef des damaligen Weltunternehmens Bertelsmann und holte durch den Verkauf von AOL-Anteilen etliche Milliarden Euro rein. Knapp ein Prozent vom Gewinn der Transaktion bekam er als Bonus: 40 Millionen Euro. Dann ging er als Partner eines Private-Equity-Unternehmens nach England und verdiente viel Geld. 2007 verlieh ihm die Uni Bayreuth den "Vorbildpreis". Er habe immer wieder Mut gezeigt, Risiken einzugehen, und durch vorausschauende Entscheidungen Unternehmenserfolge gesichert, lautete die Begründung. "Ich war bei mehreren Wellen" vorneweg, resümierte Middelhoff. Als er dann Karstadt/Quelle übernahm hat er sich übernommen. Ob die Insolvenz des Unternehmens ihm wirklich zuzuschreiben ist oder seinen Nachfolgern, steht nicht fest. Für fast alle ist er der Schuldige, der viele Arbeitsplätze auf dem Gewissen hat. Dazu passte, dass er zuvor sein Geld in steuermindernden Immobilienfonds platziert hat, von denen einige mit Karstadt/Quelle zu tun hatten. Erst hat man kein Glück, dann hat man Pech - das gibt es auch bei anderen, aber bei Middelhoff ist es nur Schuld. Dass er die Hubschrauberflüge von Karstadt in Essen nach Bielefeld normal fand, weil die A1 am Kamener Kreuz so oft verstopft war, festigte das Bild vom frechen Raffke. Und sein Fehler war auch, dass er nie verstanden hat, was die anderen an ihm auszusetzen hatten. Seine Ungenauigkeiten, seine eigenen Schwindeleien hat er sich, so scheint es, immer verziehen. Er ist, nach allem, was man weiß, ein liebevoller Vater, ein guter Sohn, und es ärgerte ihn, dass das niemand sehen will. Vermutlich will er auch dem Bild entsprechen, das die Familie von ihm hat. In den Medien war er nur der Mann mit der Villa in Südfrankreich, dem Boot und dem riesigen Anwesen in Ostwestfalen. Vor Kurzem hat er beim Amtsgericht Bielefeld Privatinsolvenz angemeldet. Er wird gejagt von Gläubigern, gedemütigt von der Öffentlichkeit und steht doch wieder im Verdacht, versucht zu haben, Vermögen dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen. Der ewige Schurke.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/indonesien-neues-trauma-1.3284495
mlsum-de-9530
Zwölf Jahre nach dem Tsunami wird Indonesien wieder von einer Naturkatastrophe erschüttert: Ein Erdbeben kostet fast hundert Menschen das Leben.
Mit Hochdruck wird an der Rettung der Verschütteten gearbeitet. Doch schweres Gerät muss erst noch an die am stärksten Betroffenen Gemeinden gebracht werden. Said Mulaydi fuhr sofort ins Krankenhaus, der Landrat ahnte, dass die Klinik viel zu klein sein würde für all die Verletzten. "Wir müssen die schweren Fälle verlegen", sagte er schon wenige Stunden nach dem Beben der Stärke 6,5, das am frühen Mittwochmorgen die Nordspitze der Insel Sumatra erschütterte. Ärzte und Pfleger fehlen jetzt überall, um die Überlebenden zu versorgen. Besonders stark hat es das Gebiet Pidie Jaya an der nördlichen Ostküste Sumatras getroffen, etwa 110 Kilometer von der Provinzhauptstadt Banda Aceh entfernt. Zwölf Jahre nach dem verheerenden Tsunami ist das Grauen nach Aceh zurückgekehrt. Die Erde bebte um fünf Uhr morgens, als viele noch schliefen. Einigen gelang es gerade noch rechtzeitig, aus ihren Häusern zu springen, aber für viele wurden die Trümmer zum Grab. Mulaydi vermutete am Mittwoch, dass die Opferzahlen immer noch stark ansteigen dürften. Bis Mittwochabend waren es nach Angaben des indonesischen Militärs bereits fast 100 Tote. Mehrere Hundert Gebäude stürzten ein, darunter zahlreiche Moscheen, ein Krankenhaus und eine Schule. Jene, die schon Freunde und Verwandte durch den Tsunami verloren, durchleben das Trauma jetzt noch einmal. Zwar gab es dieses Mal keine zerstörerische Welle und das Ausmaß der Schäden durch die Erschütterungen ist weitaus geringer als im Jahr 2004, als allein auf der Insel Sumatra mehr als 120 000 Menschen starben. Aber der mentale Stress und die Verunsicherung ist auch für katastrophenerprobte Indonesier eine enorme Belastung. Fitri Abidin, die nahe am Strand wohnt, erzählte, der Schock sei so groß für sie gewesen, dass sie gar nicht mehr wusste, wie sie laufen und atmen sollte. Schließlich schaffte sie es mit ihrem Mann doch noch hinauf auf einen nahe gelegenen Hügel, wo die beiden stundenlang ausharrten. "Ich dachte, ein Tsunami kann uns jederzeit treffen." Indonesiens Präsident Joko Widodo wies alle Behörden umgehend an, mit Hochdruck an der Rettung der Verschütteten zu arbeiten, Tausende Helfer waren im Einsatz. Schweres Gerät ist auf der Insel zwar vorhanden, doch müssen weitere Bagger und Kräne erst noch in die am stärksten betroffenen Gemeinden an der Ostseite Acehs verlegt werden. Mehr als die Hälfte der 250 Millionen Indonesier lebt in gefährdeten Gebieten Im Fernsehen des Inselstaates wurde indessen diskutiert, weshalb nicht mehr Familien und Gemeinden erdbebensicher bauen. Katastrophenminister Sutopo Wurwo Nugroho glaubt, dass die Bürger mehr Subventionen des Staates dafür brauchen, damit sie geeignete Baustoffe und Techniken einsetzen. Die Kosten dafür lägen bis zur Hälfte höher als für ein gewöhnliches Haus, was sich viele Menschen nicht leisten könnten. Allerdings würden solche Finanzhilfen dem Staat angesichts der Dimensionen sehr viel abverlangen. Wie der Minister erklärte, leben weit mehr als die Hälfte der 250 Millionen Indonesier in durch Erdbeben gefährdeten Gebieten. Den Rettungskräften war es im Laufe des Tages allerdings gelungen, immerhin vier Menschen noch lebend aus den Trümmern zu bergen, wie das Militär erklärte. Und sie haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben.
https://www.sueddeutsche.de/geld/klagen-wegen-irrefuehrung-energy-drinks-und-die-sache-mit-den-fluegeln-1.2165922
mlsum-de-9531
Ist der Name "Energy & Vodka" auf einem Getränk irreführend? Der Bundesgerichtshof sagt: nein. Ganz anders geht ein ähnlicher Fall in den USA aus: Dort muss Red Bull seinen Käufern Millionen erstatten.
"Energy & Vodka" darf seinen Namen behalten Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass das alkoholische Koffein-Mixgetränk "Energy & Vodka" unter diesem Namen vertrieben werden darf - und den Verbraucher nicht täuscht. Der BGH hat damit ein Berufungsurteil aufgehoben und die Entscheidung des Landgerichts bestätigt, das die Klage bereits abgewiesen hatte. Kläger: Irreführung des Verbrauchers Der Schutzverband der Spirituosenindustrie hatte geklagt. Er sagte, dass die Bezeichnung Verbraucher in die Irre führen könnte: Der Aufdruck "Energy" vermittle unzulässigerweise, dass das Getränk eine anregende, stimulierende Wirkung habe. Der Verband sieht einen Verstoß gegen die europäische Health-Claim-Verordnung. Diese regelt zum Schutz der Verbraucher, was auf Verpackungen von Lebensmitteln stehen darf und was nicht. In dem Verband sind Spirituosenhersteller vertreten. Gericht: "Energy" suggeriert keine spezifische, anregende Wirkung Der BGH ist der Meinung, dass der Name des Mischgetränks nicht gegen die Verordnung verstößt: Die Bezeichnung "Energy" drücke nicht aus, dass das Getränk eine besondere Eigenschaft besitzt. Außerdem könne der Verbraucher aus den Angaben auf der Dose entnehmen, dass es sich um einen Mischung aus etwa einem Drittel Wodka und etwa zwei Dritteln koffeinhaltigem Erfrischungsgetränk handle. Der Fall Red-Bull Völlig anders fiel kürzlich eine Sammelklage in den USA aus: Ein Kunde, der die anderen Kläger repräsentiert, einigte sich mit dem Konzern auf einen Vergleich in Höhe von 13 Millionen Dollar. Die Zahlung gehe an alle, die geklagt und nachweislich das Getränk in den vergangenen zehn Jahren gekauft haben. Diese erhalten nun entweder eine Einmalzahlung von zehn Dollar oder zwei Red-Bull-Produkte. Beworben wird das Getränk mit "Red-Bull verleiht Flügel". Das aber sei ja gar nicht so, klagte der Kunde. Der Konzern vermittle dem Konsumenten, das Produkt steigere die Leistungs-, Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit enorm, obwohl es nachweislich nicht stärker wirke als eine Tasse Kaffee. Die Werbung sei also irreführend. Red Bull hingegen behauptet, die Werbung sei immer wahrheitsgetreu gewesen. Wenn das Unternehmen aber künftig die Vorteile seines Produkts bewerbe, werde es diese auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/landesverrat-affaere-justizminister-maas-feuert-generalbundesanwalt-range-1.2595895
mlsum-de-9532
Range wirft dem Justizminister einen "Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz" vor - und wird entlassen. Form und Inhalt seines Auftritts verärgern Maas.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat Generalbundesanwalt Harald Range am Dienstagabend in den Ruhestand versetzen lassen. Maas reagierte damit auf einen Auftritt Ranges am Morgen, bei dem der Generalbundesanwalt das Justizministerium scharf angegriffen hatte. Maas sagte, dadurch sei sein Vertrauen in die Amtsführung Ranges "nachhaltig gestört" worden. Bei dem Streit geht es um das Landesverratsverfahren gegen zwei Blogger. Der Generalbundesanwalt hatte gesagt, er habe im Juni ein externes Gutachten zu dem Fall in Auftrag gegeben. Am Montag habe ihm der Sachverständige mitgeteilt, dass es sich "nach seiner vorläufigen Bewertung" bei den vom Blog Netzpolitik.org veröffentlichten Dokumenten um ein Staatsgeheimnis handele. Diese Bewertung habe er dem Justizministerium "unverzüglich mitgeteilt". Ihm sei dann aber "die Weisung erteilt" worden, das Gutachten sofort zu stoppen und den Gutachtenauftrag zurückzuziehen. Dann griff der Generalbundesanwalt den Minister an. Range sagte: "Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erscheint, ist ein unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz." Das Bundesjustizministerium hatte am Dienstagmorgen erst durch den Anruf eines Journalisten davon erfahren, dass der 67 Jahre alte Generalbundesanwalt ein Pressestatement plant. Range hatte Maas nicht informiert, obwohl der Justizminister die Dienstaufsicht über den Generalbundesanwalt hat. Das Ministerium versuchte daraufhin, Range zu erreichen oder wenigstens zu erfahren, was der Generalbundesanwalt mitteilen will. Doch Range stellte sich taub. Um 9.30 Uhr gab der Generalbundesanwalt dann in Karlsruhe sein Statement ab. Range habe eine falsche Auskunft gegeben Die Erklärung wurde im Justizministerium als Kampfansage an Heiko Maas gewertet. Dort war man nicht nur über die Form der Kritik verärgert, sondern auch über deren Inhalt. Das Justizministerium ist der Auffassung, Range gar keine Weisung erteilt zu haben. Es erklärte, Range habe sich am Montag bei der Staatssekretärin gemeldet und überraschend mitgeteilt, ihm liege jetzt das vorläufige Gutachten vor. Das Ministerium habe ihn dann darauf hingewiesen, dass man am vergangenen Freitag doch gemeinsam vereinbart habe, den Auftrag zu diesem Gutachten zurückzunehmen. Range habe daraufhin erneut zugesagt, das Gutachten zurückzuziehen. Entgegen seiner Darstellung habe das Ministerium ihm keine Weisung dazu erteilt. Range habe deshalb in seinem Statement eine unzutreffende Auskunft gegeben. Maas hatte wegen des Auftritts des Generalbundesanwalts seinen Urlaub unterbrochen. Er kam um 12 Uhr in sein Ministerium, um über Konsequenzen zu beraten. Dazu musste er unter anderem mit der Kanzlerin und dem Bundespräsidenten sprechen. Weil viele Gesprächspartner wegen der Sommerferien schwer zu erreichen waren, verzögerte sich die Entscheidung. Um 18.15 Uhr gab Maas dann den Rauswurf Ranges bekannt. Nachfolger soll der Münchner Generalstaatsanwalt Peter Frank werden.
https://www.sueddeutsche.de/sport/kommentar-kontrast-in-der-heimat-1.2828910
mlsum-de-9533
Der forsche Auftritt der Deutschen bei der Handball-EM wird getrübt vom Skandal zu Hause. Der Imageschaden durch den HSV wiegt schwer.
Die Funktionäre der Handball-Bundesliga (HBL), die in diesen Tagen bei der Europameisterschaft in Polen vorbeischauen, können gar nicht so richtig genießen, was die junge Nationalmannschaft mit ihrem erfolgreichen Auftreten für das Ansehen dieses Sports in Deutschland tut. Denn so weit die Auswahl den Handball auch voranbringt in der öffentlichen Wahrnehmung - daheim in Deutschland wirft die Insolvenz des Bundesligisten HSV Hamburg alles wieder zurück. Die HBL hat dem ehemaligen deutschen Meister und Champions-League-Gewinner am Mittwoch zwar die Lizenz entzogen, wegen "gravierender Verstöße gegen zwingend einzuhaltende Verpflichtungen", wie das unseriöse Geschäftsgebaren der HSV-Verantwortlichen umschrieben wird. Damit ist der Fall aber nicht erledigt. Nach den HBL-Statuten gilt der HSV Hamburg als erster Absteiger dieser Saison, darf sie aber noch zu Ende spielen, um Wettbewerbsverzerrung und finanziellen Schaden für die anderen 17 Erstligisten zu vermeiden. Aber das ist schon nicht mehr zu verhindern: Etliche HSV-Profis haben sich bereits neue Arbeitgeber gesucht, der Klub kann jetzt allenfalls noch Nachwuchsspieler aufbieten, die aber wohl kaum jemand sehen will in der höchsten Liga. Der Konkurrenz entgehen dadurch eingeplante Einnahmen aus dem Eintrittskartenverkauf. Es ist zudem gut möglich, dass der Insolvenzverwalter den HSV Hamburg auch sofort abmeldet, weil sich der Spielbetrieb nicht bis zum Saisonende finanzieren lässt. Wer steckt denn jetzt noch Geld in ein Unternehmen, das gerade zum Scheitern verurteilt worden ist? Da sich die HSV-Verantwortlichen die Lizenz für dieses Jahr allem Anschein nach auf betrügerische Weise erschlichen haben, weil der Liga beim Lizenzantrag nicht alle Verträge und Vereinbarungen mit dem Hauptgeldgeber vorgelegt wurden, werden die Klubs und die Liga auch sorgfältig prüfen, ob sie Regressansprüche haben - und an wen die zu richten sind. Die HBL wollte dem seit längerem klammen HSV Hamburg schon im vorigen Sommer keine Spielberechtigung mehr erteilen, musste es aber auf Geheiß seiner Schiedskommission doch tun. Die Lücken in den Regularien, auf denen dieses Urteil beruhte, sind inzwischen repariert, heißt es aus der HBL. Den Scherbenhaufen zusammenzukehren, den der HSV Hamburg nun hinterlässt, wird längere Zeit dauern. Um den Imageschaden der Liga auszugleichen, muss die Nationalmannschaft wohl noch einige erfolgreiche Turniere spielen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/technologie-apple-chef-riesige-ueberreaktion-der-wall-street-1.2978073
mlsum-de-9534
Die Aktie des iPhone-Herstellers fiel zuletzt acht Tage in Folge. Das hat es seit 18 Jahren nicht gegeben. Doch Tim Cook gibt sich trotzig - und verteidigt die Apple-Watch.
Was ist Trotz? "Widerstand gegen eine Autorität aus dem Gefühl heraus, im Recht zu sein", steht im Duden. Die Autorität, gegen die Tim Cook, Chef des Technologiekonzerns Apple aufbegehrt, ist der größte Handelsplatz der Welt: die Wall Street. Der Apple-Chef hat derzeit die Märkte gegen sich. An acht Handelstagen in Folge ist die Aktie des iPhone-Herstellers nun gefallen - das hatte es seit rund 18 Jahren nicht gegeben. In einem Fernsehinterview sagte Cook nun, was er davon hält: "Ich denke, es ist eine riesige Überreaktion." Die zehn Milliarden Dollar Gewinn, die Apple nach wie vor im Quartal erzielt, seien schließlich "mehr als jedes andere Unternehmen macht". Kein Grund zur Sorge also? Nun ja. Apple ist nach wie vor erfolgreich, keine Frage. Doch der erste Umsatzrückgang seit dem Jahr 2003, den Apple kürzlich bekannt geben musste, lässt sich auch anders deuten. Womöglich ist der Markt für teure Smartphones inzwischen gesättigt, im Vergleich zum vorherigen Quartal verkaufte das Unternehmen immerhin 16 Prozent weniger Smartphones. Er verteidigt die Apple Watch Cook will jedoch die Vermutungen zerstreuen, wonach der Markt für teure Smartphone-Modelle in Zukunft kein Wachstum mehr hergeben wird. Zwar räumte er ein, dass Kunden inzwischen langsamer auf neue iPhone-Modelle umsteigen als beim Start der deutlich größeren Geräte vor einem Jahr. Doch gebe es in jedem Land eine Schicht, die Apple ansprechen könne, sagte Cook. So werde etwa die chinesische Mittelschicht in fünf Jahren auf 500 Millionen Menschen anwachsen. Außerdem seien dort zuletzt 40 Prozent der iPhones als Ersatz für Smartphones mit dem Google-System Android gekauft worden. "Der Markt muss nicht gewaltig wachsen, damit Apple wächst", sagt Cook. Er verteidigte auch die Computer-Uhr Apple Watch, das jüngste Produkt des Technologiekonzerns, das bislang weit hinter den Erwartungen zurückbleibt. Apple befinde sich noch im "Lernmodus". Doch das werde sich bald ändern: "In einigen Jahren werden die Leute sagen: Wie konnte ich diese Uhr nicht tragen wollen?" Ein Satz, der nach dem alten Apple klingt, nach Visionen. Seit Cook an der Spitze des Konzerns steht, vermissen Beobachter diese Denkweise. Der 55-Jährige, der zuvor als "Chief Operating Officer" eher für harte Zahlen denn für kühne Ideen stand, hat den Konzern zwar bis zum jüngsten Gewinnrückgang erfolgreich gelenkt. Doch die Popularität seines verstorbenen Vorgängers, Steve Jobs, konnte er bislang nicht erreichen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/studie-trauen-sie-nie-einem-finnen-wenn-es-um-alkohol-geht-1.4007988
mlsum-de-9535
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Fehlzeiten am Arbeitsplatz? Finnische Forscher wollten das herausfinden - doch machten einen entscheidenden Fehler.
"Kein Bier vor vier" ist so ziemlich der wichtigste Leitspruch deutscher Trinkkultur. Er sorgt für Abstinenz am Arbeitsplatz, strukturiert den Tag im Dienst (vor vier) und Vergnügen (nach vier) und steckt ein nicht allzu ehrgeiziges Feierabendziel. Sicher, bei manchen mag übermäßiger Genuss dazu führen, dass sich am nächsten Tag vor vier gar nichts mehr abspielt. Doch in Zeiten, in denen ein furchtbar gesunder und achtsamer Lebensstil als Religionsersatz dient, sollte man meinen, dass Menschen, die nicht nur clean essen, sondern auch nach 16 Uhr clean bleiben, solche Ausfälle ihrer Kollegen ausgleichen. Dass das ein Trugschluss ist, haben nun Forscher herausgefunden. Sie haben die Daten von 47 520 Menschen ausgewertet und kommen zu dem Ergebnis: Abstinenzler und Vieltrinker melden sich gleich häufig krank - und zwar häufiger als moderate Trinker. Die Wissenschaftler vom Finnish Institute of Occupational Health wollten herausfinden, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen Alkoholkonsum und Fehlzeiten am Arbeitsplatz. Sie fragten also die Probanden über Jahrzehnte hinweg danach, wie viel sie wann trinken und verglichen die Angaben mit den Krankmeldungen. Es stellte sich heraus, dass Menschen, die entweder keinen oder regelmäßig viel Alkohol trinken, mit einer 44-prozentigen Wahrscheinlichkeit häufiger ausfallen als solche, die moderat trinken. Folgerichtig leiden die Vieltrinker vor allem an Verletzungen oder Vergiftungen. Die Abstinenzler dagegen melden sich vor allem wegen chronischer, psychischer oder muskulärer Erkrankungen bei der Arbeit ab. Wirklich bemerkenswert ist aber, wie die Forscher "moderates Trinken" definieren. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht dabei von einem täglichen Glas Bier oder Wein bei Frauen und der doppelten Menge bei Männern aus. In der Studie dagegen sind für Frauen wöchentlich eine bis elf Einheiten Alkohol, für Männer eine bis 23 Einheiten moderat. Eine Einheit entspricht etwa 0,33 Liter Bier oder rund 150 Milliliter Wein. Ein Mann, der sich pro Woche 23 Bier, also drei Bier am Tag hinter den Knorpel gießt, trinkt also maßvoll. Und dass jemand, der mehr als das trinkt, häufiger bei der Arbeit ausfällt, dafür braucht man eigentlich keinen Forscher. Diese interessante Definition vom gemäßigten Trinken lässt sich aber an der Herkunft von Wissenschaftlern und Probanden erklären: Finnen untersuchten den Konsum der eigenen Landsleute sowie den von Briten und Franzosen. Und keine dieser Nationen steht im Verdacht, bei Wein und Spirituosen übermäßig zurückhaltend zu sein. So gesehen ist weder die Studie noch ihr Ergebnis eine wirkliche Überraschung. Extremismus ist eben in jeder Form schlecht.
https://www.sueddeutsche.de/sport/ehemaliger-nationalspieler-trochowski-erhaelt-chance-bei-augsburg-1.2575413
mlsum-de-9536
Piotr Trochowski hat ein Jahr lang kein Spiel mehr absolviert, weil er einen bizarren Rechtsstreit mit Sevilla führte. Nun kehrt der ehemalige Nationalspieler in die Bundesliga zurück.
Bundesligist FC Augsburg hat wie erwartet den früheren Nationalspieler Piotr Trochowski als ersten echten Neuzugang für die kommende Saison verpflichtet. Der 31-Jährige erhält beim Europa-League-Teilnehmer einen Einjahresvertrag bis 2016 mit Option auf ein weiteres Jahr. Das gab der FCA am Rande des Trainingslagers in Walchsee in Österreich bekannt. Trochowski reiste nach erfolgreichem Medizincheck am Montagabend ins Quartier des FCA nach und nahm dort am Dienstvormittag bereits am Training mit seinen neuen Kollegen teil. Zuvor hatte der 35-malige Nationalspieler, der zuletzt für den FC Sevilla aktiv war, als Gastspieler zwei Tage im Training und beim Test am vergangenen Freitag gegen eine Schwabenauswahl (11:1) sogar als Torschütze überzeugt. "Mit Piotr stellen wir unseren Kader nicht nur breiter auf, sondern bekommen zusätzliche Qualitäten ins Team, die die Mannschaft weiterbringen werden", sagte Trainer Markus Weinzierl über den früheren Profi von Bayern München und dem Hamburger SV. Trochowski habe nicht nur auf dem Platz einen "sehr guten Eindruck hinterlassen, sondern auch in den Gesprächen deutlich gemacht, dass er heiß darauf ist, mit dem FC Augsburg die Herausforderungen der kommenden Saison anzunehmen", ergänzte Manager Stefan Reuter. Trochowski selbst meinte, die beiden Tage mit dem FCA zum Ende der vergangenen Woche seien "äußerst positiv" verlaufen und hätten "meinen Wunsch, zum FCA zu wechseln, noch bekräftigt. Daher freue ich mich, dass es geklappt hat und ich beim FCA die Chance erhalte, in die Bundesliga zurückzukehren." Das war das erklärte Ziel des Vize-Europameisters von 2008 und WM-Dritten von 2010, der zuletzt am 18. Mai 2014 ein Pflichtspiel (für Sevilla in der Primera División) bestritten hat. Danach warfen ihn Knieprobleme und ein Vertragsstreit mit Sevilla zurück.
https://www.sueddeutsche.de/sport/deutschland-bei-der-handball-wm-ploetzlich-im-achtelfinale-1.2317552
mlsum-de-9537
Wenig wurde ihnen vor der WM zugetraut, nun stehen die deutschen Handballer schon im Achtelfinale: Gegen Argentinien gelingt ein 28:23, bei dem Torwart Carsten Lichtlein große Momente liefert.
So verlief das Spiel Mit einem erkämpften Sieg sind die deutschen Handballer bei der Weltmeisterschaft in Katar ungeschlagen ins Achtelfinale gestürmt. Einen Spieltag vor Abschluss der Vorrunde schaffte das Team von Bundestrainer Dagur Sigurdsson am Donnerstag in Doha gegen Argentinien einen 28:23 (13:14)-Sieg. Vor rund 3750 Zuschauern in der Multipurpose Hall warf Patrick Groetzki sieben Tore für die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) und wurde anschließend als "Man of the Match ausgezeichnet". Probleme in Angriff und Abwehr Mit einem Erfolg im abschließenden Vorrundenspiel am Samstag gegen Außenseiter Saudi-Arabien würde der Nachrücker als Gruppensieger in die K.o.-Runde der Weltmeisterschaft einziehen. Gegen Argentinien machte sich die deutsche Mannschaft zunächst selbst das Leben schwer. Im vierten Turnierspiel verlor sie erstmals ihre bisher erfolgreiche spielerische Linie. Im Angriff lief vieles ungeordnet. In der Abwehr hatten die Spieler um Kapitän Uwe Gensheimer große Probleme mit den wendigen und kompromisslosen Argentiniern, die immer wieder versuchten, Fouls zu provozieren. So war Steffen Weinhold bereits nach 14 Minuten mit zwei Zeitstrafen belastet. Dem Kieler drohte daher die Disqualifikation und wurde nur noch im Angriff angesetzt. Lichtlein mit tollen Paraden Dennoch kam fast kein flüssiges Kombinationsspiel zustande. Zwar führte die deutsche Mannschaft auch dank toller Paraden von Torhüter Carsten Lichtlein mit 7:5 (12.), kassierte aber drei Gegentore hintereinander zum 7:8 (17.). Die anschließende 10:8-Führung (22.) brachte auch nicht die gewünschte Sicherheit. Im Gegenteil: In der wechselhaften Partie geriet die DHB-Auswahl kurz vor der Pause mit 12:14 (27.) ins Hintertreffen, ehe Weinhold zum 13:14-Pausenstand traf. Kapitän Uwe Gensheimer verließ nach der Pausensirene im Laufschritt das Spielfeld Richtung Kabine. Spannend bis zum Schluss Das Bild änderte sich auch nicht sofort nach der Pause. Die deutsche Mannschaft erkämpfte sich ein 17:15-Führung (36.), verlor sie aber auch umgehend wieder. Dann aber fand die DHB-Auswahl in der Abwehr die geeigneten Mittel gegen den Panamerikameister, setzte sich auf 22:19 (46.) ab, konnte sich aber gegen die nie aufgebenden Argentinier bis zum Schlusspfiff keine Verschnaufpause gönnen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-maas-irak-1.4258106
mlsum-de-9538
Bei einem Besuch in Bagdad sagt der Außenminister, die Sicherheitslage habe sich verbessert, das gelte für "weite Teile dieses Landes". Flüchtlingsorganisationen halten Rückkehrprogramme in das Land für "absurd".
Bundesaußenminister Heiko Maas sieht eine Grundlage für die Rückkehr von Flüchtlingen in den Irak. "Wir stellen hier fest, dass sich die Sicherheitslage eindeutig verbessert hat", sagte Maas bei einem Besuch in der irakischen Hauptstadt Bagdad. "Das gilt hier für Bagdad, aber auch für weite Teile dieses Landes." Vor etwa einem Jahr war die Terrororganisation "Islamischer Staat" im Irak militärisch besiegt worden. Es gebe zwar noch einiges zu tun, sagte Maas. "Aber ich glaube die Sicherheitslage ist tatsächlich so, dass man sagen kann, es besteht auch die Basis dafür, (...) dass Menschen eine Perspektive haben, hier zu bleiben, aber auch wieder hierher zurückzukommen", sagte der Außenminister. Zuvor hatte der irakische Außenminister Mohammed Ali al-Hakim seine Landsleute im Ausland nach einem Treffen mit Maas zur Rückkehr aufgerufen. Er bezeichnete die Sicherheitslage im Irak als "exzellent". Im Zuge des Bürgerkriegs in ihrer Heimat sind Hunderttausende Iraker nach Deutschland geflüchtet. Ende September waren nach Angaben der Bundesregierung 245 000 Menschen registriert. Der IS hatte 2014 große Teile des Landes unter seine Kontrolle gebracht. Die Gegenoffensive führte im vergangenen Jahr zur Befreiung der nordirakischen Millionenstadt Mossul. Für weite Teile des Landes gilt bisher ein Abschiebestopp Am 10. Dezember 2017 erklärte der Irak zwar den militärischen Sieg über den IS. Vor allem im Norden des Landes um Mossul herum sind aber noch immer IS-Zellen aktiv. Dort kommt es auch immer wieder zu Anschlägen der Terrormiliz. Flüchtlingsorganisationen in Deutschland sehen Rückkehrprogramme kritisch. Pro Asyl etwa bezeichnete sie in der Vergangenheit als "absurd". Der Irak sei ein "in vielerlei Hinsicht gescheiterter Staat". Niemand könne sagen, "wie eine halbwegs stabile politische Ordnung aussehen könnte, in der Menschen nicht damit rechnen müssen, erneut verfolgt und vertrieben zu werden", teilte die Organisation mit. Die Bundesregierung unterhält etwa das Programm "Perspektive Heimat", mit dem bis zu 10 000 Iraker in den Irak zurückkehren sollen. Bisher gilt für weite Teile des Landes ein Abschiebestopp, lediglich in den Norden können Straftäter zurückgeführt werden.
https://www.sueddeutsche.de/digital/computerspiel-sid-meier-s-starships-raumschiffe-versenken-1.2390874
mlsum-de-9539
Großproduktionen wie "Civilization: Beyond Earth" leiht Spieleentwickler Sid Meier nur noch seinen Namen. Für "Starships" setzt der Altmeister auf wohl dosierten Taktik-Spaß.
"Starships" ist ein kleines Spiel. Doch wer davor sitzt, soll sich wie der Admiral einer Raumflotte fühlen. Nach dieser Vision hat Designer Sid Meier es gestaltet. Nur selten zeigt ein Titel aus einem großen Entwicklerhaus so deutlich die Handschrift eines Autors. Das Computer- und iPad-Spiel sieht altmodisch aus, wie zwei nüchterne Brettspiele im schnellen Wechsel. Auf der Sternenkarte geben die Spieler Ressourcen aus. Sie bauen neue Schiffe, oder rüsten die vorhandenen auf. Sie errichten Städte, Sprungtore und Verteidigungsanlagen auf den Planeten ihres Weltraumreiches. Und sie erforschen neue Technologien, um die Kampffähigkeiten der Flotte zu steigern. Dieser strategische Teil bleibt allerdings das Vorgeplänkel für den Kern des Spiels: Weltraumschlachten auf einem Wabenraster. Hier flankieren die Schiffe einander, feuern Torpedos ab, verschanzen sich hinter Asteroiden. "Starships" bleibt auch hier schlank; die Regeln versteht man in Minuten. Es wirkt damit wie die Gegenreaktion auf ein unübersichtlich gewordenes Handwerk. Je größer ein Spiel, desto größer das Team der Entwickler. Ganz normal ist es inzwischen, dass mehrere hundert Menschen einen einzigen Titel erschaffen. Auch, wenn eine einzige Person die kreative Verantwortung übernimmt - sie kann kaum den Überblick behalten. Das gilt leider auch für "Civilization: Beyond Earth", den letzten Titel aus Meiers Studio. Kein Wunder, allein die Position des Designers war mit fünf Personen besetzt, und Meier war selbst nicht darunter. Das komplexe Strategiespiel trug sichtbar schwer an der langen Tradition einer Erfolgsserie. Es wurde zum Remix seiner Vorgänger, ohne eine klare neue Vision. "Starships" dagegen hat nur einen Designer - Sid Meier. Und als der in den frühen Achtziger Jahren anfing, Spiele zu entwickeln, war das selbstverständlich eine Aufgabe für Einzelkünstler. Meiers Werken sah man an, von wem sie stammten. Er prägte die Definition von einem Spiel als einer Reihe interessanter Entscheidungen. Daraus ergab sich ein gesunder Minimalismus. Spiele müssen für Meier ein klares Zentrum haben. Was nicht der Kernidee dient, kann weg. Detailansicht öffnen Obwohl "Starships" eher ein unkompliziertes Spiel ist, kann es auch hier unübersichtlich werden. (Foto: Screenshot: 2K Games / PR) Kurzausflug in einen Kindheitstraum Wer sich wie ein Admiral fühlen soll, muss den Überblick und die Kontrolle behalten. So wurden die ursprünglich dreidimensionalen Raumschlachten auf ein flaches Spielbrett verlagert. Die Eigenschaften der Schiffe wurden auf wenige Parameter reduziert, als würden Spieler Schachfiguren gestalten: Soll das Schiff stärker schießen? Soll es sich schneller bewegen? Oder soll es sich vor dem Gegner tarnen können? Realismus ist Meier weniger wichtig, als die Befriedigung des Spielers. So ist "Starships" keine besonders ernste Science Fiction, sondern orientiert sich an Seeschlachten, an Brettspielen und an Raumschiff Enterprise. Jede Partie ist reiner Eskapismus, ein Kurzausflug in einen Kindheitstraum: Raumschiffe kommandieren. Das ist Sid Meiers Handschrift. In solchen kleinen, eher unspektakulären Titeln werden Autoren wieder sichtbar. Das ist für Entwickler attraktiv. Viele junge Talente veröffentlichen lieber kleine Spiele in Eigenregie, statt den Anschluss an große Studios zu suchen. Und Veteranen verlassen häufig die vom Erfolg aufgeblähten Produktionsstätten auf der Suche nach neuen Nischen. Sie veröffentlichen Spiele auf Handys und Tablets, entwickeln öffentlich geförderte Lernspiele, oder lassen altmodische Spielideen von übrig gebliebenen Fans finanzieren. Große Aufmerksamkeit finden sie damit nicht. Aber sie hinterlassen wieder sichtbare Spuren.
https://www.sueddeutsche.de/digital/computeranimation-im-film-wie-zu-viel-botox-1.1085067
mlsum-de-9540
Dank besser werdender Computeranimation gleichen künstliche Figuren in Kinofilmen immer mehr den realen Vorbildern. Doch das wird zum Problem: Zu real wirkt plötzlich falsch.
Computeranimation hat der Filmindustrie in den vergangenen Jahren ungeahnte Möglichkeiten eröffnet. Künstliche Figuren gleichen immer mehr den echten, auch die simulierten Landschaften werden immer realer. Doch allmählich zeigt sich, dass genau das für die Branche zum Problem werden könnte. Denn wenn die animierten Darsteller gar zu menschlich wirken, fühlt sich der Zuschauer offenbar unwohl. Wenn es zu real wird, sieht er nicht mehr die Ähnlichkeiten, sondern vor allem die Abweichungen. Den Effekt bezeichnen Experten als "Uncanny Valley" (deutsch: unheimliches Tal). Detailansicht öffnen Zu real? Szene aus dem Kinofilm "Mars Needs Moms". (Foto: AP) Der Theorie nach fühlen wir uns zu künstlichen Figuren hingezogen, wenn sie uns entfernt ähneln. Ein Teddy oder eine Puppe gilt als "niedlich". Und die Zuneigung steigert sich, je menschlicher das Objekt aussieht - oder eben die animierte Kinofigur. Doch irgendwo scheint es eine Grenze zu geben. Wenn es allzu menschlich erscheint, stößt es uns ab. Animierte Filme wie "Toy Story", "Shrek" und "Ratatouille" erzielten große Erfolge und waren längst nicht nur beim jüngeren Publikum beliebt. Der Streifen "Avatar - Aufbruch nach Pandora", für den die Macher computeranimierte Szenen mit real gedrehtem Material vermengten, wurde gar zum großen Kassenschlager. Mit dem 3D-Film "Mars Needs Moms", der in Deutschland unter dem Titel "Milo und Mars" Ende April in die Kinos kommen soll, gingen die Walt-Disney-Studios technisch noch einen Schritt weiter. Der große Erfolg ist zumindest bisher allerdings ausgeblieben. Bei einem Produktionsbudget von 150 Millionen Dollar (104 Millionen Euro) hat der Film seit der Premiere in den USA am 11. März erst 34 Millionen (23 Millionen) eingespielt. Dass "Mars Needs Moms" vom Publikum weniger gut angenommen wurde als andere animierte Filme, mag viele Gründe haben - das Timing, die Konkurrenz, der 3D-Zuschlag an der Kinokasse und nicht zuletzt der Inhalt. Nach der Uncanny-Valley-Theorie könnte der ausgebliebene Erfolg aber auch damit zu tun haben, dass den Machern die Animation schon etwas zu gut gelungen ist. Die Gesichtszüge der Hauptfiguren hätten "ganz einfach unecht gewirkt", sagt der 41-jährige Doug McGoldrick aus Chicago, der sich den Film mit seinen beiden Töchtern angesehen hat. Leblos und wie aus Plastik seien ihm die Charaktere erschienen, sagt er, "als hätten sie viel zu viel Botox verwendet oder so etwas".
https://www.sueddeutsche.de/sport/olympia-ihre-chatgruppe-heisst-mission-gold-1.3880987
mlsum-de-9541
Nach dem sensationellen 4:3-Sieg gegen Kanada kann das deutsche Eishockey-Team erstmals Olympiasieger werden. Im Finale ist der Gegner der Favorit - doch die Mannschaft von Marco Sturm glaubt an sich.
Hoch flog der erste Schläger in die Luft, und viele andere Gegenstände folgten ihm. Überall auf dem Eis lag die Ausrüstung der deutschen Mannschaft zerstreut, Handschuhe, Helme, Schläger, weg damit, wer braucht so etwas schon, wenn er hemmungslos jubeln kann? In einer Ecke des Eises versammelten sich die Spieler der deutschen Eishockey-Mannschaft. Sie hüpften und tanzten und schrien, und wenn es nicht zu den Gepflogenheiten des Sports zählen würde, irgendwann zum Händeschütteln mit dem Gegner in der Mitte des Feldes zu erscheinen, dann hätten sie wahrscheinlich noch eine ganze Weile so weitergemacht. Es war nun wirklich ein sporthistorischer Moment, den das Team des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) dort zelebrierte. Mit 4:3 (1:0, 3:1, 0:2) hatte es in einem phänomenalen Spiel den Rekord-Olympiasieger Kanada bezwungen und sich damit für das Finale des Turniers gegen die Olympischen Athleten aus Russland (5.10 Uhr MEZ) qualifiziert. Zum ersten Mal überhaupt kann eine deutsche Mannschaft Olympiasieger werden, es ist der größte Erfolg in der Geschichte des deutschen Eishockeys. "Verrückt, ne, verrückt, verrückte Welt", sagte Bundestrainer Marco Sturm: "Das ist einmalig." Ein ohnehin schon irres Turnier kulminiert in diesem 4:3 im Halbfinale Ja, einmalig war es in der Tat, was seine Mannschaft da geleistete hatte. Und es war interessant mitzuerleben, wie nach dem Spiel ein Akteur nach dem anderen in die Kabine trottete und sich unterwegs kurz den Journalisten stellte. Da war etwa der Torwart Danny aus den Birken, der völlig ausgelaugt war. Oder Defensivspieler Moritz Müller, der seine Tränen kaum halten konnte. Oder die NHL-gestählten Routiniers Christian Erhoff und Marcel Goc, die schon so viel erlebt haben, aber so etwas wie an diesem Abend dann doch noch nicht. Keiner hatte schon so recht begriffen, was da geschehen war, und keiner wollte zu großen sportfachlichen Analysen ansetzen, als es um die Gründe für den Erfolg ging. Ein jeder sagte nur: Team. Mannschaft. Teamgeist. Mannschaftsgeist. Diese Wörter fallen oft im Sport, aber soweit sich das von außen beurteilen lässt, trifft das bei den Eishockey-Spielern tatsächlich zu. Sturm hat in den drei Jahren eine bemerkenswerte Mannschaft geformt, die ohnehin ein irres Turnier spielt. Das knappe 0:1 gegen Schweden in der Vorrunde, der Penalty-Sieg über Norwegen, der Erfolg nach Verlängerung gegen die Schweiz, das denkwürdige 4:3 gegen Schweden im Viertelfinale. Aber all das kulminierte jetzt in diesem 4:3 gegen Kanada im Halbfinale. In einem "Jahrhundertspiel", wie Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, nicht ganz zu Unrecht schwärmte.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tsipras-in-berlin-weder-sind-die-griechen-faulenzer-noch-sind-die-deutschen-schuld-1.2407551
mlsum-de-9542
Wochenlang haben sich die griechische und die Bundesregierung verbal beharkt, jetzt treffen sich die beiden Chefs in Berlin. Während Kanzlerin Merkel zurückhaltend bleibt, gibt sich Premier Tsipras betont versöhnlich.
Werben beim Antrittsbesuch Bei seinem ersten Besuch als Regierungschef in Deutschland hat der griechische Premier Alexis Tsipras der Bundesregierung eine neue Form der Zusammenarbeit angeboten. "Wir müssen uns besser verstehen", sagte Tsipras am Montag bei einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel. "Es gibt keinen anderen Weg als den des Dialogs, um bestehende Schwierigkeiten zu überwinden." Zugleich warnte er beide Seiten vor weiteren gegenseitigen Schuldzuweisungen. "Weder sind die Griechen Faulenzer, noch sind die Deutschen schuld an den Übeln und den Missständen in Griechenland. Wir müssen hart daran arbeiten, diese schrecklichen Stereotypen zu überwinden." Zugleich versprach Tsipras auch "umfangreiche Strukturreformen". Griechenland sei es in den vergangenen fünf Jahren nicht gelungen, seine eigenen Probleme zu lösen. "Es gibt auch interne Ursachen für die enorme Krise in Griechenland. Wir müssen einen neuen politischen Mix erreichen, um diese Übel zu beseitigen." Detailansicht öffnen Merkel und Tsipras bei einer gemeinsamen Pressekonferenz im Bundeskanzleramt. (Foto: dpa) Es sei daher Zeit für eine große Strukturreform in Griechenland, um Steuervermeidung und Korruption zu bekämpfen, so Tsipras weiter. Griechenland wolle seinen Verpflichtungen nachkommen. Damit wolle er auch eine Spaltung der Euro-Zone verhindern, so der griechische Ministerpräsident. "Wir sind entschlossen, eine gemeinsame Lösung zu finden." Das Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel sei dazu wichtig gewesen. Beruhigung im Streit um historische Schuld und Schulden Auch in die Debatte um Reparationszahlungen und einen Zwangskredit aus der Zeit des Dritten Reichs versuchte der griechische Regierungschef etwas Ruhe zu bringen. Es handele sich "um keine materielle Forderung in erster Linie" gegenüber Deutschland mehr, sagte Tsipras. In dem Zusammenhang stehe auch eine Schließung des deutschen Goethe-Instituts in Athen nicht zur Debatte. "Das können Sie vergessen, das gilt einfach nicht", sagte er zu entsprechenden Erwägungen im griechischen Parlament und im Kabinett. Tsipras machte auch deutlich, dass die Debatte um Reparationen ein "rein bilaterales Thema" sei, in dem es um eine "ethische Bewertung" gehe. Mit der gegenwärtigen Schuldenkrise und der Suche nach Lösungen auf EU-Ebene hänge es "nicht zusammen". Das demokratische Deutschland von heute habe "nichts zu tun mit dem Deutschland des Dritten Reichs, das so viel Blutzoll gekostet hat", hob er hervor. Grundsätzliche Unterstützung - aber keine Zusagen Die Kanzlerin signalisierte im Gegenzug ihre Bereitschaft zum Aufbau einer Entwicklungsbank zur Unterstützung Griechenlands. Wenn Hilfe gewünscht werde, könne man darüber reden, sagte Merkel nach dem Treffen. Konkrete Zusagen könne sie aber nicht machen. Merkel beteuerte, ihr sei an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem neuen griechischen Ministerpräsidenten gelegen. Mit Blick auf die anstehenden Auszahlungen weiterer Mittel an Griechenland erneuerte sie ihre Haltung, wonach die entsprechenden Entscheidungen in den zuständigen europäischen Gremien wie der Eurogruppe fallen müssten. "Ich kann Griechenland nichts in Aussicht stellen oder zusagen", sagte Merkel.
https://www.sueddeutsche.de/politik/allianz-montenegro-wird-29-mitglied-der-nato-1.2998726
mlsum-de-9543
Der Neuzugang stößt in Russland auf Kritik. Die Allianz sucht zudem ihre Rolle im Nahen Osten und in Nordafrika.
Die Nato steht vor ihrer nächsten Erweiterung. Die Außenminister der Nato-Staaten unterzeichneten am Donnerstag das Beitrittsprotokoll mit Montenegro. Sobald dieses von allen Staaten ratifiziert ist, wird das kleine Land 29. Mitglied der Nato. Schon von sofort an habe Montenegro einen "Platz am Tisch der Nato", betonte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Es kann ohne Stimmrecht an allen Sitzungen teilnehmen. Der "historische Schritt" trage zur Stabilität auf dem westlichen Balkan bei und sei auch wichtig für das Bündnis, sagte Stoltenberg. Für Montenegro markiere er "den Beginn eines neuen, sicheren Kapitels" seiner Geschichte. "Die Zukunft hat begonnen", sagte der montenegrinische Ministerpräsident Milo Đukanović. Es zeige sich, dass sein Land seit Erlangung der Unabhängigkeit vor genau zehn Jahren den richtigen Weg eingeschlagen habe. Es sehe sich in der Nato nicht nur als Empfänger von Sicherheit, sondern wolle auch einen Beitrag leisten. Schon jetzt nimmt Montenegro, das etwas mehr als 600 000 Einwohner hat, an Nato-Missionen etwa in Afghanistan teil. Die Entscheidung, ob in Montenegro ein Referendum über die Nato-Mitgliedschaft stattfinden werde, liege beim Parlament, sagte Đukanović. Kritik kam aus Russland. "Wir reagierten immer negativ auf die Erweiterung der Nato, zumal wenn sie die Splitter des ehemaligen Jugoslawiens verschlingt", sagte der Sprecher des russischen Präsidenten, Dmitrij Peskow. "Die andauernde Expansion der Militärinfrastruktur der Nato nach Osten kann zu Gegenmaßnahmen führen", warnte er. Die Nato verwies auf die freie Bündniswahl souveräner Staaten. Die Unterzeichnung des Beitrittsprotokolls mit Montenegro sende "ein sehr klares Signal und zeigt, dass die Tür der Nato offen bleibt", betonte Generalsekretär Stoltenberg. Innerhalb der Allianz stößt diese Politik allerdings an Grenzen. Besonders umstritten ist die Frage einer Aufnahme Georgiens. Dem Land war beim Nato-Gipfel in Bukarest zwar eine Aufnahme in Aussicht gestellt, konkrete Schritte dahin aber nicht zuletzt auf Betreiben Deutschlands verweigert worden. Der Frage nach einem Beitritt Georgiens wich Stoltenberg nun aus. "Wir werden weiterhin eng mit Georgien zusammenarbeiten", sagte er. So werde die Nato auch künftig die Modernisierung der georgischen Streitkräfte unterstützen. Er sei "sicher, dass die Staats- und Regierungschefs beim Gipfeltreffen in Warschau die Fortschritte Georgiens anerkennen werden und weitere Unterstützung beschließen". Das Verhältnis der Nato zum Süden sei "von höchster Relevanz", sagte Steinmeier Thema des letzten Treffens der Außenminister vor dem Gipfel im Juli in Warschau war auch das Verhältnis zu Russland. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier verwies auf die Sitzung des Nato-Russland-Rates auf Botschafterebene im April. "Es war die erwartete kontroverse Diskussion, aber aus meiner Sicht auch gerade deshalb wichtige Diskussion", sagte er. Steinmeier plädierte für eine weitere Sitzung vor dem Nato-Gipfel. Zur Vorbereitung des Gipfels berieten die Außenminister auch über Möglichkeiten, die Krisenregionen im Nahen Osten und in Nordafrika zu stabilisierten. Das Verhältnis der Nato zum Süden sei "von höchster Relevanz", sagte Steinmeier. Man müsse "von Fall zu Fall kalibrieren, wo Nato-Kapazitäten behilflich sein können zur Lösung dieser Krisen". Die Nato sei nicht "immer die richtige Antwort". Die Außenminister verständigten sich auf die Entsendung einer Erkundungsmission in den Irak. Sie soll prüfen, ob einer Bitte aus Bagdad nach Ausbildungshilfe direkt im Irak entsprochen werden kann. Bislang werden irakische Offiziere in Jordanien ausgebildet. Die von den USA erwünschte Bereitstellung von Awacs-Aufklärungsflugzeugen für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat wird weiter geprüft. Die Nato tue bereits einiges für seine südlichen Partner, sagte Stoltenberg. "Aber wir können und sollten mehr tun", forderte er.
https://www.sueddeutsche.de/politik/feierstunde-zum-mauerfall-biermann-nennt-linke-elenden-rest-der-drachenbrut-1.2209549
mlsum-de-9544
Mit Gitarre und spitzer Zunge: Der Liedermacher Wolf Biermann singt in einer Feierstunde des Bundestags ein Lied "aus den Gefängnissen der DDR". Davor attackiert er die Linken-Abgeordneten mit heftigen Worten.
Attacke bei Gedenkstunde Der 1976 aus der DDR ausgebürgerte Liedermacher Wolf Biermann hat in der Gedenkstunde des Bundestages die Linke scharf attackiert. Die Abgeordneten der Linkspartei seien "der elende Rest dessen, was zum Glück überwunden wurde", sagte der 77-Jährige bei seinem Auftritt (Link zum Video hier). Mit Verweis auf seine Bezeichnung als "Drachentöter" sagte der Liedermacher, er könne "nicht die Reste der Drachenbrut" niederschlagen, "die sind geschlagen". Es sei "Strafe genug" für die Linken, "dass sie hier sitzen müssen und sich das anhören müssen". Lammert sagte zu Biermanns ungewöhnlichem Auftritt mit einem Hinweis auf die Geschäftsordnung: "Sobald Sie für den Bundestag kandidieren und gewählt werden, können Sie auch reden. Jetzt sind Sie hier, um zu singen." Biermann entgegnete: "Das Reden habe ich mir in der DDR nicht abgewöhnt und werde das hier schon gar nicht tun." Schlagabtausch mit der Linken Auf Einwurf aus der Linksfraktion, sie seien gewählt, erwiderte Biermann, eine Wahl sei doch "kein Gottesurteil". Die Linke sei in Wahrheit "reaktionär". "Ihr seid dazu verurteilt, das hier zu ertragen. Ich gönne es Euch." Im Anschluss an den Schlagabtausch trug Biermann sein Lied "Ermutigung" vor, das vor allem bei den Oppositionellen in der damaligen DDR populär war. Biermann selbst nannte es "ein Stück Seelenbrot" insbesondere für die Insassen der DDR-Gefängnisse. Linke fühlt sich übergangen Biermanns Auftritt hatte schon vorher für Ärger gesorgt, weil sich die Linke als SED-Nachfolgepartei immer wieder von Biermann kritisiert und bei der Festlegung des Programms für die Gedenkstunde übergangen fühlt. Sie verlangte, dass er seinen Auftritt nicht für Parteienkritik nutzt.
https://www.sueddeutsche.de/politik/atomkonflikt-nord-und-suedkorea-verstaendigen-sich-auf-militaergespraeche-1.3817868
mlsum-de-9545
Nach dem ersten Treffen seit mehr als zwei Jahren zeigen sich die Nachbarländer in einer gemeinsamen Mitteilung versöhnlich. Die militärische Telefon-Hotline hat Nordkorea bereits wieder geöffnet.
Beim ersten Treffen seit mehr als zwei Jahren haben Süd- und Nordkorea sich auf weitreichende Maßnahmen zur Verbesserung ihrer angespannten Beziehungen geeinigt. Beide Seiten wollen unter anderem ihre hochrangigen Gespräche fortsetzen und auch militärische Gespräche über Entspannungsmaßnahmen führen. Der Norden hat den Chef des sogenannten Komitees für die friedliche Wiedervereinigung des Vaterlandes, Ri Son-gwong, zu dem Treffen entsandt. Der Süden wird von Wiedervereinigungsminister Cho Myoung-gyon vertreten. In einer gemeinsamen Mitteilung erklärten sie nach dem Treffen, sie wollten die "aktuellen militärischen Spannungen entschärfen" und dazu Militärgespräche führen. Während der Gespräche habe der Norden mitgeteilt, dass eine im westlichen Teil der Grenze liegende militärische Telefonhotline wieder freigeschaltet worden sei. Das sagte ein südkoreanischer Regierungsvertreter zu Journalisten in Seoul. Die südkoreanische Seite habe entsprechend angekündigt, die militärische Telefonverbindung ab Mittwochmorgen wieder zu nutzen. Nordkorea hat außerdem angekündigt, zu den Olympischen Winterspielen im Februar eine hochrangige Delegation mit staatlichen Vertretern und Sportlern zu schicken. Die Spiele finden im südkoreanischen Pyeongchang statt. Nordkorea habe vorgeschlagen, eine Fan-Gruppe für die Wettkämpfe, eine Künstlergruppe sowie ein Taekwondo-Showteam zu entsenden. Um die Teilnahme dieser Delegation zu ermöglichen, erwägt Südkorea, in Abstimmung mit dem UN-Sicherheitsrat die Sanktionen gegen den kommunistischen Norden zeitweise auszusetzen. Das sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Seoul. Außerdem soll es im Februar zu einer Wiedervereinigung von Familien kommen, die durch den Koreakrieg getrennt worden waren. Die Delegationen aus Nordkorea und Südkorea trafen sich am Dienstag im Grenzort Panmunjom, wo 1953 das Ende des Koreakrieges mit einem Waffenstillstandsabkommen besiegelt wurde. Wegen des Atomkonfliktes mit der Regierung in Pjöngjang wird das Ereignis weltweit aufmerksam verfolgt. In den vergangenen Monaten hatten die Spannungen wegen der Raketen- und Atomtests des Nordens zugenommen. So überzogen sich Machthaber Kim Jong-un und US-Präsident Donald Trump mit Drohungen. Die USA sind Schutzmacht Südkoreas und haben dort 28 500 Soldaten stationiert. In seiner Neujahrsbotschaft erklärte Kim dann überraschend, dass sich die Beziehung zwischen Nord- und Südkorea wieder verbessern müsse. Es folgte eine Gesprächseinladung aus dem Süden, die der Norden annahm. Experten befürchten jedoch, dass die Spannungen nach den Olympischen Winterspielen wieder zunehmen werden, da Nordkorea sein Atom- und Raketenprogramm nicht aufgeben will.
https://www.sueddeutsche.de/sport/tour-de-france-basso-steigt-nach-krebsdiagnose-aus-1.2564346
mlsum-de-9546
Schock für Ivan Basso: Während der Tour de France wird bei dem italienischen Radprofi Hodenkrebs diagnostiziert. Er reist sofort in seine Heimat.
Ivan Basso erhält Krebsdiagnose Der italienische Radprofi Ivan Basso (37) ist an Hodenkrebs erkrankt. Das teilte der Fahrer des Teams Tinkoff-Saxo am ersten Ruhetag der 102. Tour de France am Montag in Pau mit. Zur zehnten Etappe am Dienstag nach La Pierre-Saint-Martin tritt der zweimalige Sieger des Giro d'Italia nicht mehr an. Stattdessen begibt sich Basso umgehend nach Italien und beginnt dort eine medizinische Behandlung. "Ich habe leider schlechte Nachrichten. Ich habe Krebs im linken Hoden, wir haben es erst vor zwei Stunden erfahren", sagte Basso bei einer um 14.30 Uhr angesetzten Pressekonferenz. Basso, der zum neunten Mal an der Großen Schleife teilnahm, hatte sich bei einem Sturz auf der fünften Etappe nach Amiens eine Verletzung am Hoden zugezogen. Auch Contador ist geschockt Bei anschließenden Untersuchungen waren von Teamärzten Veränderungen im Gewebe festgestellt worden. Ein Echogramm am Sonntagabend sowie weitere Untersuchungen am Montag in einem Krankenhaus in Pau bestätigten erste Befürchtungen. Basso war als einer wichtigsten Helfer für Tour-Titelanwärter Alberto Contador (Spanien) in den bevorstehenden Bergetappen eingeplant. Der Tinkoff-Kapitän war sichtlich mitgenommen. "Das ist ein ziemlich schwerer Schlag für das ganze Team. Einen solchen Tag haben wir uns in unseren schlimmsten Albträumen nicht ausmalen können", sagte Contador: "Ivan und ich haben 120 der vergangenen 180 Tage zusammen verbracht. Ich bin sicher, dass wir zusammen in Paris feiern werden." Die Tour de France endet am 26. Juli in der französischen Hauptstadt.
https://www.sueddeutsche.de/politik/chemiewaffen-experten-sollen-giftgas-angriffe-in-syrien-pruefen-1.2625575
mlsum-de-9547
In Syrien gibt es neue Hinweise, dass mit Chemiewaffen gekämpft wird. Die UN wollen jetzt drei Fachleute in das Bürgerkriegsland schicken.
Mögliche Giftgas-Angriffe: Fachleute sollen Verantwortliche finden UN-Generalsekretär Ban Ki Moon will die Verantwortlichen für Chemiewaffenangriffe in Syrien von einem dreiköpfigen unabhängigen Expertengremium ermitteln lassen. Dieses solle freien Zugang zu allen Gebieten in Syrien bekommen und müsse von allen Bürgerkriegsparteien unterstützt werden, schrieb Ban in einem Brief an den UN-Sicherheitsrat, der der Nachrichtenagentur AP vorlag. Zuvor hatte der Sicherheitsrat eine Resolution verabschiedet, die eine Bestrafung der Urheber von Giftgaseinsätzen verlangt. Die syrische Opposition und der Westen werfen den Truppen von Syriens Staatschef Baschar al-Assad vor, Giftgas einzusetzen. Syriens Führung weist den Vorwurf zurück. Die Dschihadisten-Miliz Islamischer Staat (IS) steht ebenfalls im Verdacht, solche Waffen zu nutzen. Zivilisten mit Vergiftungs-Erscheinungen in Lazarett Der Aktivist und Journalist Mamun al-Chatib hatte der Nachrichtenagentur AFP zufolge am Dienstag berichtet, dass mehr als 50 Artilleriegeschosse in Marea in der Provinz Aleppo eingeschlagen seien und einen "furchtbaren Gestank" verbreitet hätten. Er machte die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) verantwortlich, die seit Monaten versucht, die Stadt einzunehmen. Mehrere Hilfsorganisationen berichteten demnach ebenfalls von einem Chemiewaffen-Angriff. So seien in einem Feldlazarett in Marea 50 Patienten mit Symptomen wie Blasen auf der Haut behandelt worden. Die syrische Regierung hat seit 2013 unter internationalem Druck nach eigenen Angaben ihre gesamten Chemiewaffenbestände vernichtet, darunter auch mehr als 19 Tonnen Senfgas, dessen Einsatz seit 1993 international verboten ist. In dem Land bekriegen sich seit mehr als vier Jahren die Regierung von Präsident Baschar al-Assad, die gemäßigte und die radikalislamische Opposition. In dem Konflikt wurden der UN zufolge mindestens 250 000 Menschen getötet.
https://www.sueddeutsche.de/digital/zukunft-der-datenbrillen-reale-traeume-von-der-virtuellen-welt-1.2380700
mlsum-de-9548
Der Markt für Datenbrillen ist heiß umkämpft. Die virtuelle Realität ist täuschend echt, die Hersteller versprechen sich ein Milliardengeschäft. Doch den großen Gewinnen stehen noch technische Hürden im Weg.
Viele, die zum ersten Mal eine Datenbrille wie die Oculus Rift aufsetzen, sind von der virtuellen Realität überwältigt. Was zwischen den Gipfeln der Zukunft und den Niederungen der Gegenwart liegt, misst John Carmack in knappen Sätzen aus. "Ich kann mir eine Welt vorstellen, in der eine Milliarde Menschen Virtual-Reality-Helme nutzen", beginnt der Oculus-Technikchef seinen Auftritt auf der Game Developers Conference (GDC) in San Francisco. Eine Weile später allerdings wundert er sich, "dass es nicht mehr Youtube-Videos gibt, auf denen Menschen mit Samsung Gear beim Kotzen zu sehen sind." Dass manchem der Sprung in die virtuelle Realität (VR) körperlich übel bekommt, ist nicht alleine das Problem der durch Oculus angetriebenen Samsung-Brille Gear VR. Und es ist nicht das einzige Problem, dass die Branche bei der Erschaffung einer komplett digitalen Umgebung zu bewältigen hat. Detailansicht öffnen John Carmack, Technikchef von Oculus, spricht auf der Game Developers Conference in San Francisco über seine Datenbrille. (Foto: AFP) Eine existenzielle Frage für Spiele-Entwickler Die Spiele-Entwickler aus aller Welt, die in dieser Woche auf der GDC zusammenkamen, stehen derzeit vor einer existentiellen Frage: Für welches System sollen sie ihre Programme entwickeln? Das inzwischen zu Facebook gehörende Oculus galt lange als Platzhirsch. Doch weil die angekündigte PC-Brille Oculus Rift - offiziell dem Perfektionismus der Entwickler geschuldet - noch nicht in Sicht ist, wittert die Konkurrenz ihre Chance. Der taumelnde Smartphone-Hersteller HTC kündigte in dieser Woche seine eigene Datenbrille (Vive) für Ende des Jahres an. Dafür tut sich das verzweifelt nach neuen Märkten suchende Unternehmen mit dem einflussreichen Spiele-Entwickler Valve zusammen, der auch andere Hersteller bedienen möchte. Sony wiederum erklärte, im ersten Halbjahr 2016 das VR-Set Morpheus für die Playstation zu veröffentlichen. Für Googles Billiglösung, den Smartphone-Pappkarton Cardboard, finden sich inzwischen schon 250 Mini-Apps im Android Store. Der kalifornische Software-Hersteller Razer will mit OSVR eine Open-Source-Plattform anbieten. Und selbst Carl Zeiss bietet ein VR-Headset für Smartphones an. Eine schlechte VR-Brille könnte die Branche zurück in die Neunziger katapultieren Die Aufspaltung des Marktes ist theoretisch eine gute Nachricht für Konsumenten, allerdings steigt das Risiko, dass die hohen Erwartungen durch unfertige Systeme enttäuscht werden. "Wir haben Angst, dass ein wirklich schlechtes VR-Produkt erscheint und die Branche zurück in die Neunziger katapultiert", warnte Carmack, der als Entwickler von Klassikern wie Doom, Quake und Wolfenstein einen legendären Status genießt. Die Euphorie auf der GDC war dennoch deutlich spürbar, Branchenvertreter vergleichen die Gegenwart immer wieder mit den Anfangszeiten des iPhones. Die VR-Technik hat in den vergangenen zwölf Monaten große Fortschritte gemacht, wie die Demo-Anwendungen zeigen: Nutzer können unter dem Datenhelm nun ein Basketball-Spiel der NBA am Spielfeldrand verfolgen, am Strand sitzen und den Wellen zuhören oder sich von einem Dinosaurier erschrecken lassen - und das so realitätsnah, dass reale und virtuelle Welt auf den ersten Blick kaum auseinanderzuhalten sind. Die wenige Minuten langen Ausschnitte sagen allerdings noch nichts darüber aus, wie komplex die digitalen Umgebungen der ersten Generation wirklich sein werden. Um einen dreidimensionalen Raum zu erschaffen, muss ein Computer für jedes Auge ein eigenes Bild berechnen. Je detaillierter die digitale Umwelt und je stärker der Datenbrillen-Träger den Kopf bewegt, desto höher der Rechenaufwand und die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Verzögerungen kommt - jenes Phänomen, das Nutzer buchstäblich zum Kotzen finden. Gerade die Smartphone-Anwendungen dürften deshalb weniger opulent daherkommen, und dennoch viel Rechenkraft benötigen, sodass Handy-Batterien in Rekordzeit ausgesaugt werden. Virtual Reality vs. Augmented Reality Während die "Virtual Reality" das komplette Abtauchen in eine digitale Umgebung bedeutet, verschmelzen in der "Augmented Reality" physische und digitale Welt miteinander durch dreidimensionale Einblendungen. Entsprechende Smartphone-Anwendungen existieren, konnten sich aber nicht durchsetzen; Googles Datenbrille Glass floppte. Microsoft stellte mit Hololens jüngst eine eigene Datenbrille vor, ist aber nur einer von vielen Akteuren. Die Faustregel: Während Virtual Reality für den Unterhaltungssektor ist, findet Augmented Reality in der Geschäftswelt Anwendung - zum Beispiel können sie Ärzte bei Operationen unterstützen oder Entwicklungsteams im Büro 3-D-Modelle von Prototypen vor Augen führen. Unterhalb des Halses lauert ein Problem Ein anderes ungelöstes Problem in der VR-Welt liegt unterhalb des Halses - denn bislang gibt es noch kein Patentrezept, um Körperbewegungen dort abzubilden. In einigen Prototypen-Anwendungen bewegt sich der Nutzer noch per Konsolen-Controller, ein ziemlich altbackenes Rezept für die neuen Wunderwelten. Die Alternativen sind vielfältig und haben neue Hardware-Hersteller auf den Plan gerufen: Eine Firma mit dem Namen Optitrack bietet Tausende Dollar teure Kamera-Systeme an, die Nutzer-Bewegungen minutiös verfolgen, aber viel Platz brauchen. Das Hongkonger Startup Perception Neuron verkauft eine Art Sensoren-Überwurf inklusive Datenhandschuh, der die Bewegungen überträgt. Virtuix Omni sieht wie ein Fitnessgerät aus, es umschließt die Hüften des Spielers lässt ihn auf der Stelle laufen, damit er in der virtuellen Welt vom Fleck kommt. Und HTC-Partner Valve hat mit Lighthouse ein System angekündigt, das die Bewegungen von Datenhelm-Trägern per Laser vermisst. Keine Technologie nur für Gamer Womöglich aber spielt der Bewegungs-Faktor in der virtuellen Welt eine weniger große Rolle, als viele derzeit glauben. "Gamer müssen endlich aufhören zu glauben, dass das ihre Technologie ist", sagt der Spielkultur-Experte Jamin Warren, der die Seite Kill Screen betreibt. "Womöglich werden die Menschen in der virtuellen Realität ästhetisch anspruchsvolle Rückzugsorte suchen." Statt durch 3-D-Umgebungen zu hetzen, könnten Menschen die Technologie für Sport-Übertragungen, den Besuch virtueller Reiseziele oder dreidimensionale Videochats nutzen. Und auch die von Oculus-Technikchef Carmack beschriebene weltweite Verbreitung der Datenbrillen hängt von Gerätepreisen, Breitband-Durchdringung der Entwicklung unverzichtbarer Anwendungen und nicht zuletzt einer weniger klobigen Form der Datenbrillen ab. Entsprechend liegen die Marktprognosen für das Jahr 2018 je nach Optimismus weit auseinander - die Schätzungen gehen von einer bis zu sieben Milliarden US-Dollar.
https://www.sueddeutsche.de/auto/subaru-legacy-limousine-outback-die-verschmaehte-schwester-1.560050
mlsum-de-9549
Das Stufenheck soll das Publikum überzeugen, daß nicht nur der Kombi ein gutes Auto ist
(SZ vom 07.04.1999) Neun wählen den Kombi, nur einer die Limousine. So entscheiden sich die deutschen Autofahrer, die sich einen Legacy von Subaru anschaffen. Gerade einmal 900 Exemplare der Stufenheck-Version verließen im vergangenen Jahr die Schauräume der Subaru-Händler, wo die Limousine wie die verschmähte Schwester mit einem Platz in der Ecke Vorlieb nehmen muß. Doch dieses Verhältnis soll sich ändern, wenn jetzt die neueste Generation der Legacy-Limousine auf den deutschen Markt kommt. Ein etwas frischeres Design soll die zumeist gesetztere Kundschaft nicht vertreiben und gleichzeitig neue Käuferschichten anlocken, ohne dabei die Stückzahlen des Kombis zu gefährden. In der Tat hat die neue Limousine einen frischeren Teint als ihr Vorgänger - als "Gesicht in der Menge" kann man sie aber dennoch nicht bezeichnen. Eine rundliche Formensprache herrscht vor, bis zur B-Säule ist die Karosserie mit dem Station identisch. Die Frontpartie wirkt ausladend-wuchtig, ein Anspruch, den das Heck nicht einlöst. Dafür ist mit 455 Liter Fassungsvermögen ein ordentliches Gepäckabteil herausgekommen. Zuerst Kombi, dann Limousine Bei der Konstruktion des neuen Legacy haben die Japaner die Verkaufsanalysen berücksichtigt: Anders, als sonst üblich, hat man zuerst den Kombi konstruiert und davon die Limousine abgeleitet. Das muß kein Nachteil sein, wie eine erste, kurze Begegnung bewies. Man findet sich auf Anhieb in der Limousine zurecht, wohnliche Behaglichkeit will sich aber nicht einstellen. Die Japaner haben mehr auf Funktionalität geachtet, und so ist auch auf den Rücksitzen die Kopffreiheit gut. Erstmals sind hier serienmäßig drei Kopfstützen und vollwertige Sicherheitsgurte zu finden. Schade nur, daß man die früher serienmäßige Scheinwerfer-Reinigungsanlage eingespart hat. Unter der Motorhaube arbeiten alte Bekannte: wahlweise ein 2,0- oder ein 2,5-Liter-Vierzylindermotor. In der Limousine scheinen sie wegen der anderen Akustikverhältnisse sonorer zu klingen als im Station, ohne aber aufdringlich zu werden. Das kleinere Aggregat leistet 92 kW (125 PS), macht die Limousine 195 km/h schnell und spurtet in 10,7 Sekunden von Null auf 100 km/h. Der Verbrauch beträgt durchschnittlich 9,0 Liter je 100 Liter. Der große Bruder, die 2,5-Liter-Maschine, kann natürlich alles einen Tick besser: Sie läßt die Limousine 208 km/h schnell laufen, bewältigt in 9,0 Sekunden den Standardsprint, konsumiert aber im Schnitt 9,3 Liter Super. Subaru hat in Deutschland von je her nur Autos mit Allradantrieb verkauft - daran ändert sich auch bei der neuen Limousine nichts. Man hat nun sogar im Heimatland Japan die Firmenstrategie verändert: Dort und auf anderen, einzelnen Märkten wurden noch etwa zehn Prozent aller Subaru-Modelle mit Vorderradantrieb verkauft - nun bietet man die gesamte Modellflotte nur noch mit AWD (All wheel drive, bisher hieß es 4WD) an. Das ist bei schlechten Straßen- oder Wetterbedingungen ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Was die Käufer sicher zu schätzen wissen, ist die Tatsache, daß Subaru den Preis für das Einstiegsmodell um 600 Mark gesenkt hat: 40 390 Mark kostet nun die Legacy-Limousine mit 2,0-Liter-Motor in der GL-Ausstattung, der Zuschlag für ein Automatikgetriebe beträgt 2000 Mark. Wer den 115 kW (156 PS) starken 2,5-Liter bevorzugt, muß mit 53 440 Mark tiefer in die Tasche greifen. Dafür gibt es die besser ausgestattete GX-Version, die unter anderem über Leichtmetallräder, Klimaautomatik, Tempomat, beheizbare Vordersitze und eine Teillederausstattung verfügt. Zuverlässig und solide - diesen Eindruck hinterläßt auch der Legacy Kombi. Er ist kein Lifestyle-Laster, den man sich ohne Lederausstattung gar nicht zu bestellen traut, sondern ein funktionell ausgestatteter Kombi - was nicht heißt, daß in dem Auto keine Wohlfühlatmosphäre aufkommen könnte. Das gilt auch für den Legacy Outback, der rustikalen Variante, bei der die Bodenfreiheit auf 19 Zentimeter erhöht wurde. Was das Fahren angenehm macht Für 59 990 Mark darf man schließlich schon etwas erwarten: Ein bißchen Alcantara und Leder werten das Interieur auf, elektrische Fensterheber rundum, ein elektrisch bedienbares Hub- und Schiebedach aus Glas, Tempomat, beheizbare Vordersitze und eine Klimaautomatik gehören zu den Dingen, die die Fahrt auf Autobahnen und Landstraße angenehmer machen. Sicherheitstechnisch gibt es am Outback nichts auszusetzen: Fahrer-, Beifahrer- und Seitenairbags sind ebenso serienmäßig an Bord wie ABS, Servolenkung und eine automatische Niveauregulierung an der Hinterachse. Und der permanente Allradantrieb bietet auch beim Kombi zusätzliche Sicherheit. Angetrieben wird der Outback von dem gleichen 2,5-Liter-Boxermotor mit vier Zylindern wie die Limousine. Dieses Aggregat erweist sich als Antriebsquelle, die gut mit dem Outback harmoniert. Kräftig im Antritt, kernig im Geräusch, gehört es nicht zu den Leisetretern, aber auch nicht zu den Kostverächtern: Zwar ist schon klar, daß bei einer Leistung von 115 kW (156 PS), der möglichen Höchstgeschwindigkeit von 197 km/h und der erzielbaren Beschleunigung in 9,5 Sekunden von Null auf 100 km/h kein Durchschnittsverbrauch von fünf Litern Super auf 100 Kilometer erreicht werden kann, aber die knapp zwölf Liter, mit denen wir unterwegs waren, sind etwas zu viel. Hier ist noch Optimierungspotential für die Ingenieure. Wer auf vier Zentimeter Karosserielänge, Zweifarben-Lackierung, Frontschürze, Seitenschweller, breitere Reifen und ein verchromtes Auspuff-Endrohr verzichten kann, dem bietet Subaru die normale Version des Legacy Kombi an. Mit der gleichen Motorisierung kostet der Legacy Kombi 2. 5 GX 8000 Mark weniger als der Outback, nämlich 51 990 Mark. Auch für diesen Preis sind die meisten Annehmlichkeiten an Bord, nur auf Leder, Klimaautomatik und unverständlicherweise die für die Sicherheit wichtigen Seitenairbags muß man verzichten. Von Otto Fritscher
https://www.sueddeutsche.de/politik/frankreich-gelbe-westen-1.4237255
mlsum-de-9550
Die "Gilets jaunes" haben kein politisches Programm. Das Gefühl, missachtet zu werden, bringt das Volk gegen die Regierenden auf.
Egal wie man die Bewegung der "Gilets jaunes" (Gelbe Westen) politisch einordnet, kommt man nicht umhin, sie als Teil der langen Tradition von Volksbewegungen zu sehen, die die französische Geschichte nicht erst seit der Revolution von 1789 prägten. Eine 2002 veröffentlichte Studie von Jean Nicolas über die Zeit zwischen 1661 und 1789 fand heraus dass die Probleme, die das vorrevolutionäre Frankreich kurz- und langfristig beschäftigten, hauptsächlich den Widerstand gegen das Finanzsystem und die Staatsgewalt nach sich zogen. Sie führten dann bald zu einer Reform- und Modernisierungsbewegung. Diese Modernisierungen brachten wiederum einen Teil der Gesellschaft aus dem Gleichgewicht; die betroffenen Gruppen reagierten mit heftigem Widerstand auf die schnellen Veränderungen. Einen Teil dieser Unzufriedenheit finden wir heute, einige Jahrhunderte später, bei den "Gilets jaunes" wieder. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich dieser Verbindung bewusst sind oder dieses Erbe der Auflehnung gegen die Staatsgewalt explizit für sich beanspruchen. Eine Erkenntnis ist jedoch besorgniserregend: Seit Jahrhunderten, von der Monarchie bis zur gegenwärtigen Republik, besteht ein Konflikt, bei dem auf der einen Seite die Bürgerpflicht steht, Steuern zu zahlen, und auf der anderen Seite die Rolle des Staates in der Wirtschaft. Die Erhöhung der Steuern auf Kraftstoff sind der Tropfen, der für viele Franzosen das Fass zum Überlaufen brachte - auch wenn der wahre Grund für diese Wut die Höhe der Steuern allgemein ist, die für niedrige und mittlere Einkommen einfach nicht mehr zu bezahlen sind. Aber die Franzosen, die diesen alles verschlingenden Staat nicht mehr wollen, sind keine Libertären. Sie wollen gerade nicht, dass das Sicherheitsnetz des Sozialstaates für die noch Ärmeren verschwindet. Detailansicht öffnen Der Politikwissenschaftler Jean-Yves Camus, 60, ist einer der bekanntesten französischen Extremismusforscher. Übersetzung: Katharina Drobinski (Foto: oh) Sie fordern die Beibehaltung des öffentlichen, staatlich finanzierten Sektors. Das scheint den Forderungen der "Gilets jaunes" zu widersprechen, fordern sie doch weniger Steuern, auch wenn das Auswirkungen auf den gesamten vom Staat finanzierten Bereich hätte. Dieser Widerspruch ist nicht immer so offensichtlich. Die Demonstranten wissen, dass sie Steuern zahlen müssen, wenn sie nicht wollen, dass ihre Rentenansprüche sinken, dass Ämter in ihrer Nähe schließen und die Kaufkraft immer weiter sinkt. Macrons Reform der Vermögensteuer war ein großer psychologischer Fehler. Sie wird hauptsächlich als Mittel der Unterdrückung wahrgenommen, obwohl sie eine Erhöhung des Hebesatzes für die reichsten Haushalte vorsieht und die Abwanderung von Unternehmern verhindern soll. Der Präsident hat es jedoch nicht geschafft, diesen Sachverhalt ausreichend zu erklären. Und so ist der Eindruck entstanden, er sei ein Präsident der Reichen. Alle Argumente, die er jetzt für die Notwendigkeit der Treibstoffsteuer und für die Energiewende insgesamt vorbringt, sind wirkungslos - Grund dafür sind die schweren taktischen Fehler bei der Einführung der Vermögensteuer. Macron muss nun dringend sein Verhalten ändern Emmanuel Macron wurde gewählt, weil er versprochen hatte, die Blockaden in der französischen Gesellschaft aufzulösen und die alte Art, Politik zu machen, zu verändern. Der Widerstand gegen die Veränderungen war unvermeidlich, besonders unter denen, die von den Veränderungen im Zuge der Energiewende betroffen sind. Der Fehler, den der Präsident gemacht hat, besteht aber darin: Es reicht nicht zu sagen, dass man das Ganze modernisieren und die Lebensweisen aller verändern muss, während nur die Mobilsten mit Mühe auf dem Arbeitsmarkt überleben. Das war schon im 17. Jahrhundert so. Der sich entwickelnde Zentralstaat bevorzugte die Herausbildung einer Handwerksgesellschaft. Dieser Fortschritt verursachte allerdings auch viele Probleme, da die agrarische Ordnung, die die Menschen bis dahin gewohnt waren, einfach "von oben" außer Kraft gesetzt wurde. Bedeutet das also, gestern wie heute, dass das Volk sich am liebsten gar nicht weiterentwickeln möchte? Sicher nicht. Es ist das Gefühl, missachtet und ungerecht behandelt zu werden, das zu allen Zeiten das Volk gegen seine Regierenden aufgebracht hat. So lautete schon im Jahr 1529 der Wahlspruch des großen Aufstandes der Armen von Lyon: "Seht die Gemeinde, die sich gegen die Bestimmer wehrt." Jeder Vergleich ist begrenzt - die Salzsteuer etwa ist längst abgeschafft, das "Ancien Régime" Geschichte. Doch die Demonstranten der "Gelben Westen" haben eine Funktion übernommen: Sie sind zur modernen Version des dritten Standes geworden. Ihr Feind ist nicht mehr der geborene Adel, sondern der politische Adel, der das Grundgerüst der politischen Landschaft bildet. Sie kritisieren die Gleichgültigkeit gegenüber ihren Sorgen, den mangelnden Patriotismus, die geringschätzige Haltung gegenüber den Schwachen, den Verlierern der Globalisierung und den weniger Gebildeten. Kurz gesagt, sie wehren sich gegen die, die sie aufgrund ihrer Klasse verachten. Besorgniserregend ist dabei die Menge der Verschwörungstheoretiker und Ultrarechten in den Reihen der "Gilets jaunes" - und, das hat das vergangene Wochenende gezeigt, auch der Gewalttäter. Doch kann man es nicht einfach ignorieren, wenn die Demonstranten anprangern, dass da aus ihrer Sicht eine "Kaste" entstanden ist, deren Angehörige handeln, als hätten sie vergessen, dass sie nur deshalb an dieser Stelle stehen, weil das Volk es gewollt hat. Sie prangern eine Kaste an, die so tut, als stünde sie für das, was gerade wichtig ist, nämlich Nachhaltigkeit und Wettbewerb, die sich aber weigert, sich tatsächlich für diese Dinge einzusetzen. Macron muss nun dringend sein Verhalten ändern, damit er nicht komplett und auf Dauer jene Beliebtheit verliert, die er während des Wahlkampfes gewonnen hat. Er muss alles tun, um den Dialog mit den Franzosen wiederaufnehmen zu können. Wenn nun 60 Prozent dieser Franzosen mit der"Gelbe Westen"-Bewegung sympathisieren, liegt das nicht an einem überzeugenden politischen Programm, sondern daran, dass diese 60 Prozent den großen Widerstand symbolisieren, der sich gegenüber der Elite gebildet hat. Macron muss wieder den Dialog mit dem Volk suchen, denn ohne diesen Dialog wird sein - völlig legitimes - Ziel, dass sich die fortschrittlichen Kräfte gegen die europäischen Populisten vereinigen, bei den Europawahlen 2019 eine deutliche Abfuhr erhalten. Es wäre eine Niederlage, die den Weg für einen Sieg der Ultrarechten bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2022 bereiten könnte.
https://www.sueddeutsche.de/sport/tennis-angelique-kerber-erkaempft-sich-ersten-sieg-bei-wta-finals-1.4184264
mlsum-de-9551
Sie schlägt dafür die US-Open-Gewinnerin Naomi Osaka in einer engen Partie. Felix Neureuther plagen vor dem Weltcupauftakt in Österreich noch Rückenschmerzen. Drei deutsche Eishockeyprofis brillieren in der NHL.
WTA-Finals, Angelique Kerber: Wimbledonsiegerin Angelique Kerber hat beim WTA-Finale in Singapur ihre Halbfinalchance gewahrt. Die topgesetzte Kielerin gewann ihr zweites Match in der Roten Gruppe gegen US-Open-Siegerin Naomi Osaka (Japan/Nr. 3) mit 6:4, 5:7, 6:4 und trifft zum Abschluss der Gruppenphase am Freitag auf French-Open-Finalistin Sloane Stephens (USA/Nr. 5). Kerber nimmt zum fünften Mal am Abschlussturnier der acht besten Spielerinnen der Saison teil, dreimal war sie in der Gruppenphase gescheitert, 2016 stand sie im Finale. Am Montag hatte die 30-Jährige ihr Auftaktmatch gegen die Niederländerin Kiki Bertens überraschend in drei Sätzen verloren. Das Turnier der besten acht Spielerinnen der Saison findet in diesem Jahr zum letzten Mal in Singapur statt, ehe es ab 2019 für zehn Jahre im chinesischen Shenzhen ausgetragen wird. Insgesamt gibt es sieben Millionen Dollar zu gewinnen, ab dem kommenden Jahr soll das Preisgeld auf 14 Millionen Dollar steigen. Letzte deutsche Siegerin war Steffi Graf vor 22 Jahren im Madison Square Garden in New York. Ski alpin, Weltcup: Felix Neureuther ist zwar nominiert, doch ob Deutschlands bester Ski-Rennläufer zum Auftakt des WM-Winters auch an den Start gehen wird, ist noch ungewiss. Er werde "alles daran setzen", beim Weltcup-Riesenslalom am Sonntag (10.00/13.00 Uhr) in Sölden/Österreich dabeizusein, sagte der 34-Jährige: "Die Entscheidung, ob es Sinn macht, kann ich allerdings erst kurz vorher treffen." Nach einem Kreuzbandriss im vergangenen November hatte Neureuther zuletzt Trainingstage wegen seines schmerzenden Rückens verloren. "Mein Knie ist in Ordnung", versicherte er vor dem traditionellen Weltcup-Start auf dem Rettenbachferner. Bei den Frauen, die ihr Rennen am Samstag (10.00/13.00 Uhr) austragen, wird das Aufgebot angeführt von Viktoria Rebensburg (Kreuth). Die 29-Jährige hatte im vergangenen Winter den Weltcup im Riesenslalom gewonnen. Eishockey, NHL: Eishockey-Nationalspieler Leon Draisaitl konnte trotz seiner zwei Tore die nächste Niederlage der Edmonton Oilers in der nordamerikanischen Profi-Liga NHL nicht verhindern. Die Kanadier unterlagen in eigener Halle gegen die Pittsburgh Penguins mit 5:6 (0:1, 3:3, 2:1, 0:1) nach Verlängerung. Der 22-jährige Draisaitl traf in der 22. und 45. Minute. Nationalmannschafts-Kollege Tobias Rieder verbuchte seinen ersten Scorer-Punkt im Trikot der Oilers. Der 25-jährige Landshuter gab die Torvorlage zum zwischenzeitliche 3:3 durch Alex Chiasson (36.). Den Siegtreffer in der Overtime erzielte Penguins-Kapitän Sidney Crosby. Dominik Kahun feierte mit den Chicago Blackhawks hingegen einen 3:1 (1:0, 0:1, 2:0)-Heimerfolg gegen die Anaheim Ducks. Mit seinem fünften Assist der laufenden Spielzeit bereitete der 23-jährige Kahun das 1:0 durch Brandon Saad (6.) vor. Blackhawks-Profi Patrick Kane (48.) sorgte mit seinem Treffer zum 2:1 für die Vorentscheidung im Spiel. Heike Drechsler, Stasi-Vorwürfe: Der Stasi-Forscher Helmut Müller-Enbergs hat die zweimalige Weitsprung-Olympiasiegerin Heike Drechsler von Stasi-Vorwürfen entlastet. "Frau Heike Drechsler war zu keinem Zeitpunkt (...) als IM 'Jump' beim MfS erfasst gewesen", sagte Müller-Enbergs nach einem Bericht des Bayerischen Rundfunks. Der Wissenschaftler hat im Auftrag der früheren Leichtathletin ein 31-seitiges Gutachten verfasst. Nach den Maßstäben des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) beziehungsweise des Stasi-Unterlagen-Gesetzes sei Drechsler nicht als Inoffizielle Mitarbeiterin zu bewerten, sagte Müller-Enbergs. "Das Ergebnis bedeutet, dass ich recht hatte, dass ich nie IM gewesen bin. Dafür gibt es jetzt eine wissenschaftliche Grundlage", sagte Drechsler der Deutschen Presse-Agentur, nachdem sie die Aufarbeitung ihrer DDR-Vergangenheit in den vergangenen zwei Jahren selbst vorangetrieben hat. Öffentliche Anschuldigungen, sie habe der Stasi zugearbeitet und Kollegen bespitzelt, hat es immer wieder gegeben. Drechsler war einst ein Aushängeschild des DDR-Sports und Mitglied in der SED und Abgeordnete der Volkskammer.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/pharma-aufruhr-im-pillenladen-1.3107625
mlsum-de-9552
Der Generikahersteller Stada steht unter Druck: Mächtige Investoren kritisieren Aufsichtsrat und Vorstand - und einer fordert gar den Verkauf der Firma.
Matthias Wiedenfels liebt den Superlativ. Das Ergebnis im ersten Halbjahr sei "bärenstark" gewesen, sagte der Vorstandsvorsitzende des Arzneimittelherstellers Stada am Donnerstag in Frankfurt. "Wir haben ein hoch motiviertes Managementteam" und er arbeite für ein "wunderbares Unternehmen". Am häufigsten gebrauchte Wiedenfels das Wort "hervorragend". So oft, dass es auffiel. Vermutlich aber tat Wiedenfels das nicht unabsichtlich. Denn es gibt zumindest zwei Investoren, die Zweifel daran haben, dass Stada gut dasteht. Der eine ist der US-Investor Guy Wyser-Pratte, der schon bei den Maschinenbaukonzernen Kuka, Rheinmetall und Vossloh engagiert war. Der andere heißt Active Ownership Capital (AOC), sitzt in Luxemburg und wurde vor zwei Jahren von Florian Schuhbauer und Klaus Röhrig gegründet. Geldgeber sind vermögende Familien. AOC hält nach eigenen Angaben "mehr als fünf Prozent und weniger als zehn Prozent" an Stada. Das Unternehmen entstand als Genossenschaft, noch immer sind Apotheker beteiligt AOC kann an dem Konzern nichts Gutes finden. Einer der Vorwürfe: Stada habe in den vergangenen zehn Jahren 2,3 Milliarden Euro investiert, ohne sonderlichen Nutzen für die Aktionäre. Der Börsenwert sei zwischen April 2006 und 2016 "nur" um 239 Millionen Euro gestiegen. Konkurrenten wie Teva, Mylan, oder Perrigo schlugen sich besser. Vorstand und Aufsichtsrat von Stada hält AOC deshalb für völlig ungeeignet. Erst forderten die Aktivisten, in der ursprünglich für den 9. Juni geplanten Hauptversammlung fünf der sechs Kontrolleure, die die Kapitalseite vertreten, auszutauschen. Nach Darstellung von AOC einigte man sich mit dem Aufsichtsrat auf den Kompromiss, zunächst nur drei Kontrolleure zu wechseln. Die Einigung sei von Stada aber gebrochen worden. Ende Mai verschob der Konzern das Aktionärstreffen auf den 26. August, um Zeit für die eigene Suche nach neuen Kontrolleuren zu gewinnen. Anfang Juni kündigte der langjährige Vorstandschef Hartmut Retzlaff an, sein Amt wegen "einer schweren, voraussichtlich länger andauernden Krankheit" ruhen zu lassen. Wiedenfels übernahm. Anfang Juli präsentierte der Aufsichtsrat dann seine Kandidaten. Mit zwei der Vorschläge ist AOC einverstanden, zu zwei Personalien wurden Gegenanträge eingereicht. Außerdem schlägt der Investor vor, auch Aufsichtsratschef Martin Abend und seinen Stellvertreter Carl Ferdinand Oetker zu ersetzen. Wenn sich dafür Mehrheiten finden, wird also Ende August die komplette Kapitalseite ausgetauscht. AOC hät Aufsichtsräte, die mehr als zwölf Jahre im Aufsichtsrat desselben Unternehmens seien, für nicht mehr unabhängig. Das treffe auf fünf der sechs Aufsichtsräte zu. Im Fall Abend, einem Rechtsanwalt, komme "erschwerend hinzu, dass bei einer Vergütung von rund 280 000 Euro pro Jahr auch seine finanzielle Unabhängigkeit von dem Mandat in Frage steht." Den Angriff gegen Stada organisiert die Beteiligungsfirma über die Internetseite saz-governance.de. Ein Treffen mit AOC-Vertretern am Mittwoch verlief nach Darstellung von Stada-Vorstand Wiedenfels in feindseliger Atmosphäre. Dabei sei man doch in den Themen gar nicht so weit voneinander entfernt. Laut Wiedenfels beweisen die Zahlen, dass er und Finanzvorstand Helmut Kraft ihr Handwerk verstünden. Im ersten Halbjahr stiegen die Erlöse um ein Prozent auf gut eine Milliarde Euro. Davon entfallen 604 Millionen Euro auf Generika, also Nachahmerpräparate von Arzneien, deren Patente abgelaufen sind, und 407 Millionen Euro auf Markenprodukte wie Grippostad, Mobilat oder Claire Fischer. Das operative Ergebnis stieg um 22 Prozent auf 136,3 Millionen Euro. Seine Wachstumsziele für 2019 hatte der Konzern schon Mitte Juli veröffentlicht. Danach soll der um Sondereffekte bereinigte Konzernumsatz auf 2,6 Milliarden Euro steigen (2015 lag er bei 2,1 Milliarden Euro) und der Konzerngewinn auf 250 Millionen Euro. Im Geschäftsjahr 2015 lag er bei 166 Millionen Euro. "Akquisitionen können on top kommen", sagte Kraft. Wiedenfels ergänzte: "Wir kennen attraktive Targets. Wir haben 250 bis 300 Millionen Euro Firing-Power in der Kasse. Aber wir sind nicht getrieben." Zwar beteuert der Vorstandschef, dass er an Generika glaube. Sie blieben das solide Fundament des Geschäfts. Stärker will er aber in Markenprodukte investieren, weil die Margen da um einige Prozentpunkte höher seien als im Geschäft mit Generika. Stada ist in Deutschland der drittgrößte Anbieter nach Sandoz und Teva. Die Konkurrenz ist im vergangenen Jahrzehnt durch Übernahmen gewachsen. 2005 hatten die Gründer Andreas und Thomas Strüngmann ihr Unternehmen Hexal für sechs Milliarden Euro an den Schweizer Pharmakonzern Novartis verkauft, zu dessen Generikasparte Sandoz Hexal gehört. Zwei Jahre später gab der Darmstädter Pharmakonzern Merck seine Nachahmerpräparate für knapp fünf Milliarden Euro an den US-Konzern Mylan Laboratories ab. 2010 leistete sich der israelische Konzern Teva, nach eigenen Angaben größter Generika-Hersteller der Welt, das Ulmer Unternehmen Ratiopharm für 3,6 Milliarden Euro. Stada entstand 1895 in Dresden, wo sich Apotheker zur Genossenschaft "Standardpräparate Deutscher Apotheker" (Stada) zusammenschlossen, um gemeinsam Arzneien herzustellen. Noch heute sind Wiedenfels zufolge viele Apotheker unter den Aktionären von Stada. Es gibt keinen Ankeraktionär mit einem bedeutenden Anteil. Mit fünf bis zehn Prozent zählt AOC schon zu den größten. Wie hoch der Anteil von Investor Wyser-Pratte ist, weiß nur er selbst, er muss unter der Meldeschwelle von drei Prozent liegen. Das hält Wyser-Pratte aber nicht von Wortmeldungen ab. Er fordert den Verkauf von Stada an die Beteiligungsgesellschaft CVC. Diese könne "leicht" 65 Euro je Aktie zahlen, sagte der Investor der Nachrichtenagentur Reuters. Am Donnerstag kostete das Papier knapp 50 Euro.
https://www.sueddeutsche.de/politik/aufstand-gegen-hitler-vor-70-jahren-wert-der-zivilcourage-1.2052896
mlsum-de-9553
Mahnung, Lehre und Appell des 20. Juli 1944: Ziviler Ungehorsam kann auch 70 Jahre nach Stauffenbergs Hitler-Attentat geboten sein. Widerstand in der Demokratie heißt aufrechter Gang. Er heißt Amnesty, Greenpeace, Pro Asyl und Edward Snowden.
Noch am Abend des 20. Juli wurden Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Mitverschwörer Friedrich Olbricht, Albrecht Ritter Merz von Quirnheim und Werner von Haeften im Hof des Bendlerblocks in Berlin erschossen. Viele der anderen Widerstandskämpfer gegen Hitler hat dann Roland Freisler, der tobende Präsident des "Volksgerichtshofs", in Schau- und Schreiprozessen zum Tode verurteilt. Diese Widerstandskämpfer waren überwiegend keine Demokraten; nicht wenige von ihnen hatten zuvor dem NS-Regime gedient, waren selbst in unterschiedlichem Maß schuldig geworden. Sie hatten aber, mit sich ringend, den Weg zum Widerstand gefunden - und boten nun dem Totalitätsanspruch des NS-Staates mit kühner Widerspenstigkeit die Stirn. Vor dem Unrechtsrichter Freisler stand ein anderes, ein besseres Deutschland. Mit bemerkenswerter Unerschrockenheit traten sie dem Henker entgegen. Das ist jetzt siebzig Jahre her. Ihre zweihundert Namen müssten eigentlich als Überschrift und Präambel über dem Grundgesetzartikel 20 Absatz 4 stehen; und neben ihren, meist aristokratisch-konservativen Namen müssten die Namen der linken Widerständler stehen, von denen so viele in den Konzentrationslagern elendig umkamen. Dazu die Namen der Mitglieder der Weißen Rose und der von Georg Elser, der schon 1939 im Münchner Bürgerbräukeller eine Bombe gegen Hitler zündete. Dieser Artikel 20 Absatz 4 ist ihr Artikel: "Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist". Appell an die Courage der Demokraten Dieser Satz des Grundgesetzes ist eine Lehre aus verbrecherischer Zeit, er ist Mahnung, er ist Appell - und er ist auch Aufforderung, nicht so lange zu warten, bis "andere Abhilfe nicht mehr möglich ist", also nicht erst dann aufzustehen, wenn es zu spät ist. Der Widerstands-Artikel appelliert an die Courage der Demokraten, es nicht so weit kommen zu lassen, dass man den großen Widerstand braucht. Dieser Artikel ist auch eine Werbung für den kleinen, für den gewaltlosen Widerstand. Man sollte die Widerständler vom 20. Juli nicht zu Märtyrern der bundesdeutschen Demokratie machen, die sie nicht sind; und nicht für Werte in Anspruch nehmen, die sie zu ihren Lebzeiten nicht unbedingt geteilt haben. Man darf sie als Vorläufer der neuen Ordnung sehen. Wenn man den Artikel 20 Absatz 4 das Vermächtnis des 20. Juli und des gesamten Widerstands gegen Hitler nennt, dann erinnert man damit an die große Schwäche des Bürgertums im Nazi-Reich: Es gab keinen Widerstand aus der politischen Mitte. Deshalb beschreibt der Widerstandsartikel des Grundgesetzes die Ultima-Ratio-Verteidigung für die Demokratie, den Sozialstaat und die Bindung an Recht und Gesetz.
https://www.sueddeutsche.de/politik/nsu-prozess-bundesanwaltschaft-sieht-zschaepe-als-nsu-mittaeterin-ueberfuehrt-1.3602591
mlsum-de-9554
Die Vorwürfe gegen Beate Zschäpe hätten sich in allen wesentlichen Punkten bestätigt, sagt Bundesanwalt Diemer in seinem Plädoyer. Motiv für die Terrorserie des NSU sei die "rechtsextreme Ideologie" gewesen.
Die Anklage hält ihre Mittäterschaft für erwiesen: Beate Zschäpe im Gerichtssaal neben ihrem Anwalt Mathias Grasel. Nach mehr als vier Jahren ist am 375. Tag des Münchner NSU-Prozesses mit den Plädoyers begonnen worden. Den Anfang macht die Bundesanwaltschaft. Sie fordert eine Verurteilung der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe als Mittäterin an allen Verbrechen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU). Bundesanwalt Herbert Diemer sagte, die Anklagevorwürfe gegen Zschäpe und die vier Mitangeklagten hätten sich in allen wesentlichen Punkten bestätigt. Zschäpe sei Mittäterin bei den zehn Morden, zwei Bombenanschlägen und den schweren Raubüberfällen des NSU. Sollte das Oberlandesgericht in seinem Urteil dieser Argumentation folgen, droht Zschäpe lebenslange Haft wegen Mordes. Die Anklage argumentierte, Zschäpe sei entgegen ihrer eigenen Aussage gleichberechtigtes Mitglied des NSU gewesen und in die Logistik der Taten arbeitsteilig eingebunden. "Die Täter, Hoher Senat, waren Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe", sagte Diemer. Obwohl die Morde von Zschäpes mittlerweile verstorbenen Gefährten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begangen worden seien, habe die Angeklagte eine wesentliche Rolle im Hintergrund gespielt, sagte Diemers Kollegin, Oberstaatsanwältin Anette Greger. "Die Angeklagte war der entscheidende Stabilitätsfaktor der Gruppe", sagte Greger. Sie habe an den Planungen mitgewirkt und sich um Geld und Alibis gekümmert. Den Ermittlungen zufolge ermordete der NSU binnen zehn Jahren neun Männer türkischer und griechischer Abstammung sowie eine Polizistin. "Motiv für all diese Verbrechen war rechtsextreme Ideologie" Die Bundesanwaltschaft gab diese Einschätzung zu Beginn ihres Plädoyers, das über 22 Stunden an mehreren Prozesstagen gehalten werden soll. Eine Aussage zu den geforderten Strafen wird erst am Ende des Plädoyers an einem der kommenden Verhandlungstage erwartet. Dann kommt die Verteidigung zum Zuge. Das Urteil dürfte erst nach der Sommerpause fallen. Die Verbrechen des NSU seien die "heftigsten und infamsten" Terroranschläge seit der linksextremen Rote Armee Fraktion (RAF) gewesen, sagte Diemer. "Motiv für all diese Verbrechen war rechtsextreme Ideologie." Das Ziel sei ein "ausländerfreies" Land gewesen. Die Bundesrepublik habe in ihren Grundfesten erschüttert werden sollen. Der NSU habe versucht, einem "widerwärtigen Naziregime den Boden zu bereiten". Die Opfer seien nur wegen ihrer ausländischen Herkunft hingerichtet worden, weil sie in den Augen Zschäpes und ihrer beiden Komplizen in Deutschland nichts zu suchen gehabt hätten. Sämtliche Opfer seien "willkürlich herausgegriffen" worden. Der NSU-Prozess zählt zu den umfangreichsten Gerichtsverfahren in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Diemer ging zu Beginn auch auf Kritik am Prozess ein. Es sei "unzutreffend, wenn immer noch kolportiert wird, der NSU-Prozess habe seine Aufgaben nur unzureichend erfüllt". Mögliche Fehler staatlicher Behörden aufzuklären, sei eine Aufgabe politischer Gremien. Anhaltspunkte für eine strafrechtliche Verstrickung staatlicher Stellen seien im Ermittlungsverfahren nicht aufgetreten. "Anderes zu behaupten verunsichert die Opfer, verunsichert die Bevölkerung", sagte Diemer zu anhaltenden Spekulationen über ein über das NSU-Trio hinausgehendes rechtsextremes Netzwerk.
https://www.sueddeutsche.de/geld/wohnen-in-muenchen-ramersdorf-perlach-1.568354
mlsum-de-9555
Altperlach hat sich sein Gesicht bewahrt. Neuperlach fügt dem moderne Züge hinzu - mit all ihren Vor- und Nachteilen.
Wo Münchner heiraten Zum Heiraten begeben sich die Münchner gerne in die Wallfahrtskirche Maria Ramersdorf. Idyllisch liegt sie in einem schönen Kirchhof in einem kleinen alten Dorfkern. Und der Kuchen im Café nebenan schmeckt wie früher bei Oma, sagt meine Freundin Vroni. Doch weit in Ruhe spazieren gehen kann man hier nicht, daran hindern der Innsbrucker Ring auf der einen und die sechsspurige Rosenheimer Straße auf der anderen Seite: Ramersdorf ist zerstückelt, zerschnitten. Wie Inseln liegen jetzt die Sozialwohnungsviertel im ehemaligen "Glasscherbenviertel" neben der hübschen alten "Mustersiedlung" oder dem Wohngebiet jenseits des Rings. Zu diesem Stadtteil, der insgesamt mit über 100.000 Einwohnern Großstadtgröße hat, gehören aber weitere, höchst ungleiche Teile: Alt-und Neuperlach. Altperlach mit der Kirche St. Michael, dem Hachinger-Bach, dem Geschichtsbrunnen auf dem Pfanzeltplatz und der Heimatbühne im Gasthaus zur Post ist irgendwie intakt geblieben. Ganz anders war es anfangs in der so genannten "Entlastungsstadt" Neuperlach. 1967 wurde der Grundstein gelegt. Fast 30.000 Wohnungen für 55.000 Menschen wurden hochgezogen. Infrastruktur, Läden, öffentliche Verkehrsmittel: all dies kam erst mit Verzögerung dazu. Außenstehende können nicht immer verstehen, wie man sich hier wohlfühlt, doch die echten Neuperlacher lassen nichts kommen auf ihre Hochhausheimat mit all den Gruppen und Initiativen. Zahlreiche Versicherungen und die Denkfabrik des großen Elektrokonzerns mit "S" bieten qualifizierte Arbeitsplätze. Mit dem Pep hat man in Perlach ein gut funktionierendes Einkaufszentrum, zu dem nun endlich, als Krönung, ein Bürgerzentrum dazukommt. Immobilien in Ramersdorf kaufen Immobilien in Ramersdorf mieten Immobilien in Perlach kaufen Immobilien in Perlach mieten Neubauprojekte in München und Umgebung
https://www.sueddeutsche.de/politik/jesidinnen-in-der-gewalt-des-is-verschleppt-vergewaltigt-entehrt-1.2253799
mlsum-de-9556
Die 17-jährige Salma konnte dem "Islamischen Staat" entkommen. Sie berichtet vom grausamen Schicksal, das Tausende Jesidinnen in der Gewalt der Dschihadisten erleiden. Selbst in Freiheit ist ihre Qual nicht vorbei.
Ein paar Stunden, und sie hätte es geschafft. Auch ihr Bruder, ihre Schwägerin, die ganze Familie. Ein paar Stunden, und sie hat ihr Leben verloren. Sie gibt ein Interview in Bagdad, ihr erstes, manchmal lächelt sie. Danach erlischt sie: "Für mich ist immer Mitternacht." Sie ist zu klein für eine 17-jährige, eigentlich winzig. Sie nennt sich Salma. Ihren richtigen Namen sagt sie nicht, weil andere Verwandte - irakische Jesiden wie sie - in der Gewalt des Islamischen Staates sind. So wie Salma es mehr als einen Monat war. Dann entkam sie. Es war um neun Uhr an einem Sonntag im August, als ihre Familie auf der Straße zusammenlief, um zu fliehen. Die Dschihadisten standen vor den Toren von Tell Asiar am Fuße des Sindschar-Massivs. Aber sie warteten zu lang, die Bewaffneten donnerten heran, ermordeten Salmas Bruder, ihre Cousins, verschleppten Salma, ihre Schwägerin und sieben andere Frauen ihrer Familie. "Sie sammelten Frauen aus vielen Orten ein, brachten uns von einem Dorf zum anderen und schließlich nach Mossul", sagt Salma. Frauen wurden gezwungen, zu konvertieren Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak, hatten die Dschihadisten im Juni überrannt. Nun pferchten sie die Frauen in einem Haus zusammen, Stockwerke voller Entführungsopfer. "Nach zehn Tagen zwangen sie uns zu konvertieren", sagt Salma: "Sie gaben uns kaum noch zu essen und zu trinken." Nach 20 Tagen kam einer ihrer Anführer, griff sich eine der Frauen und lud seine Getreuen ein, dasselbe zu tun. "Sie verteilten Frauen auf andere Orte im Irak, auch nach Syrien" und, so glaubt Salma gehört zu haben, sogar nach Saudi-Arabien. Detailansicht öffnen Flüchtlinge der jesidischen Minderheit machen im französischen Angers auf das Schicksal ihrer Angehörigen im Irak aufmerksam. (Foto: Jean-Francois Monier/AFP) Salma und ihre Freundin landeten in Falludscha, im sunnitischen Herzland des Irak. Hier hatten sich die Dschihadisten lange vorher eingerichtet. Viele Sunniten betrachteten sie als Schutz vor den Repressionen der schiitisch dominierten Regierung in Bagdad. In Falludscha gerieten die beiden Teenager in die Hände zweier irakischer Dschihadisten, Abu Hassan und Abu Dschaafari. Salma spricht nur Kurdisch, kein Arabisch, ihre Stimme ist leise, aber fest, selbst an dieser Stelle: "Wir wurden getrennt. Sie vergewaltigten uns. Fünf Tage lang." Als sie ihre Freundin wieder sah, war diese schwer krank. Salma aber fand ein Mobiltelefon und rief Verwandte in Bagdad an: "Holt mich raus." Eine der schlimmsten Erfahrungen für Iraks Minderheiten waren oft die eigenen Nachbarn. Jesidische oder christliche Flüchtlinge berichteten, dass sunnitische Freunde, Kollegen, Bekannte über sie hergefallen waren - gemeinsam mit dem Islamischen Staat. Nun aber gibt es auch andere Geschichten: Gerade sunnitische Nachbarn helfen, die Jesiden zu befreien. Salmas Verwandte in Bagdad wandten sich an sunnitische Freunde in Falludscha. Diese warteten auf einen Moment, in dem die Männer das Haus verließen, brachen die Tür auf und befreiten die Mädchen. Arabische Sunniten helfen Jesiden bei der Flucht 400 Jesiden - Männer, Frauen und Kinder - konnten inzwischen entkommen, die Hälfte durch arabische Helfer, sagt der jesidische Journalist Chider Domle. Er bemüht sich mit einer Handvoll Freiwilliger um die Freilassung der Entführten, oft mit Hilfe sunnitischer Bekannter. Manchmal fließt Geld, aber nicht immer. Kodscho beispielsweise, ein Dorf in der Nähe des Sindschar-Berges, verwandelten die IS-Kämpfer in ein einziges Gefängnis, aber arabische Sunniten halfen vielen Jesiden zu entkommen. Komplizierter liegt der Fall in Mossul: "Dort sind die Frauen in der Stadt, sie kennen sich nicht aus. Manchmal gelingt es ihnen, in ein anderes Haus zu flüchten. Ob sie auf Araber treffen, die ihnen helfen oder sie zurückbringen, wissen sie nicht. Die Chancen liegen 50 zu 50." Detailansicht öffnen Eine Jesidin hat bei der kurdischen Stadt Dohuk mit ihrem Kind Unterschlupf gefunden, nachdem ihr Heimatort von der Terrormiliz attackiert worden war. (Foto: Ahmad al-Rubaye/AFP) 4000 Männer, Frauen und Kinder sind nach seiner Einschätzung noch in der Gewalt des Islamischen Staates, darunter 400 Kinder. Woher er das alles weiß? Nun, er spricht täglich mit den entführten Frauen, manchmal stundenlang, oft nachts. "Wir reden darüber, ob sie zu essen haben oder ihre Schwester gesehen haben." Nie, niemals fragt er nach Vergewaltigungen. Aber manchmal bricht es aus ihnen heraus. Vor zehn Tagen erhielt er eine SMS aus Tel Afar: "Sie wollen mich einem Kämpfer zum Geschenk geben. Ich ertrage es nicht", schrieb eine Frau verzweifelt: "Er ist ein Barbar, ich kann ihm nicht mal ins Gesicht sehen." Am furchtbarsten benehmen sich die arabischen Kämpfer - aus Saudi-Arabien, Tunesien, Jemen. Eine Frau beschrieb Domle nach ihrer Flucht: "Sie sind Wilde, sie wollen nur Sex."
https://www.sueddeutsche.de/politik/ostdeutschland-fremdenhass-und-zivilcourage-1.2627350
mlsum-de-9557
Ministerpräsidenten warnen davor, rechtsextreme Gewalt nur als ostdeutsches Phänomen zu betrachten. Tatsächlich kann der Osten auch anders.
Es ist ein Appell, der sich auf einem schmalen Grat bewegt. Nichts soll verharmlost werden, das betonen die Regierungschefs. Aber die Ministerpräsidenten der ostdeutschen Länder wollen offenbar einer Stigmatisierung der neuen Länder entgegentreten, die im Kampf gegen den derzeit aufflammenden Fremdenhass in Deutschland nicht helfen wird. So warnte Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) in der Welt am Sonntag davor, "vorschnell von einem ostdeutschen Phänomen zu sprechen". Zwar nehme er die Zahlen zu fremdenfeindlichen Übergriffen "sehr ernst", sagte Woidke. Es handele sich aber um eine deutschlandweite Entwicklung, wie Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte etwa in Bayern und Baden-Württemberg zeigten. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) sprach von einem "gesamtdeutschen Problem, das wir gesamtdeutsch bekämpfen müssen". Es "brennen bundesweit Nacht für Nacht Flüchtlingsunterkünfte. Und die Hotspots der braunen Gewalt liegen in alle Himmelsrichtungen verteilt." Zu dem Festival gegen Rechtsextremismus kommen Die Toten Hosen Auch Erwin Sellering (SPD) aus Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff und der sächsische Regierungschef Stanislaw Tillich (beide CDU) mahnten am Wochenende, dass Ost-West-Debatten in dieser Frage nicht weiterhelfen würden. Die Deutschen stünden "in Ost und West gleichermaßen vor der Aufgabe, rechtsextremes Gedankengut entschieden zurückzuweisen und rechtsextreme Straftaten konsequent zu verfolgen", sagte Sellering. Ministerpräsident Tillich wies darauf hin, dass es sich nicht um das Problem eines einzelnen Bundeslandes, sondern um "eine Herausforderung für das ganze Land und die Gesellschaft" handele. Er räumte aber ein, dass es in Sachsen eine nicht zu unterschätzende rechtsextremistische Szene gibt. Er und seine CDU waren zuletzt kritisiert worden, weil sie ausländerfeindliche Tendenzen kleingeredet hätten. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) wurde bei einem "Willkommensfest" in Heidenau bei Dresden eine Woche nach den rechtsextremen Krawallen dort von linken Demonstranten und Flüchtlingen ausgebuht und bedrängt. Er verließ das Fest vorzeitig. Am Samstag demonstrierten in Heidenau mehrere Hundert Menschen gegen Fremdenfeindlichkeit. Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht das umstrittene, vom Landkreis verhängte Versammlungsverbot für die sächsische Kleinstadt aufgehoben. Das Verbot war vom Landkreis mit einem polizeilichen Notstand begründet worden. Er hatte alle Versammlungen bis zum Montag untersagt, weil die Polizei nicht in der Lage sei, die Sicherheit zu garantieren. Die Karlsruher Richter betonten dagegen in ihrer Entscheidung den besonderen Wert der durch das Grundgesetz geschützten Versammlungsfreiheit. Den Bürgern müsse die Möglichkeit gegeben werden, "sich am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung durch ein 'Sich-Versammeln' zu beteiligen". Der Stadt Heidenau komme "für das derzeit politisch intensiv diskutierte Thema des Umgangs mit Flüchtlingen in Deutschland und Europa besondere Bedeutung zu". Detailansicht öffnen Tanz gegen den rechtsextremen Mob: Gemeinsam mit Demonstranten feiern Flüchtlinge am Samstag vor ihrer Unterkunft in Heidenau. (Foto: Jens Meyer/AP) In Dresden folgten am Samstag circa 5000 Menschen dem Aufruf zu einer Demonstration für den Schutz von Flüchtlingen und gegen die Asylpolitik in Deutschland. Begleitet von zahlreichen Polizisten, zogen sie durch die Stadt. In Mecklenburg-Vorpommern kamen im Dorf Jamel bei Wismar mehr als 1200 Menschen zu einem Musikfestival gegen Rechtsextremismus. Dort trotzt ein Ehepaar seit Jahren massiven Anfeindungen in einer von Rechtsextremen geprägten Nachbarschaft. Mitte August wurde die Scheune auf seinem Hof angezündet und brannte vollständig nieder. Die Tätersuche verlief ohne Erfolg, es wird ein rechtsextremer Hintergrund vermutet. Seit 2007 lädt das Künstlerpaar Birgit und Horst Lohmeyer Unterstützer jedes Jahr zu einem Festival nach Jamel ein. Diesmal traten überraschend Die Toten Hosen auf, der Auftritt wurde kurzfristig verabredet, es kamen so viele Besucher wie nie zuvor. Campino, der Sänger der Band, sagte in Jamel, der Auftritt sei "eine Geste der Hochachtung für das, was das Ehepaar Lohmeyer leistet und für alle anderen, die sich nicht wegdrehen, wenn die Nazis Plätze für sich reklamieren". Zur Eröffnung war auch Ministerpräsident Sellering gekommen. Es sei wichtig, auch mit solchen Veranstaltungen Flagge zu zeigen und so gemeinsam Zeichen für Demokratie und Weltoffenheit zu setzen, sagte Sellering. Dies gelte gerade auch für Orte wie Jamel, "wo Nazis ihre menschenverachtende Gesinnung durchzusetzen versuchen".
https://www.sueddeutsche.de/politik/kampf-gegen-den-islamischen-staat-australischer-politiker-zieht-heimlich-in-den-krieg-1.2322914
mlsum-de-9558
Als Präsident der Labor Party im australischen Northern Territory galt er als "klarer Kopf". Nun ist Matthew Gardiner heimlich in den Kampf gegen den IS in Syrien gezogen. Bei seiner Rückkehr drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.
Die kurdischen Peschmerga, die die Terrormilizen des "Islamischen Staates" bekämpfen, finden im Westen viel Unterstützung. Doch dem australischen Labor-Politiker Matthew Gardiner reicht das nicht. Er hat offenbar beschlossen, persönlich in den Krieg gegen die islamistischen Fundamentalisten zu ziehen. Das berichten australische Medien wie die Australian Broadcast Corporation (ABC). Gardiner ist nicht irgendwer. Er war bis zum Sonntag Präsident von Northern Territory Labor (NT Labor), einer Art Landesverband der Arbeiterpartei Australiens. Außerdem hatte er das Amt des Geschäftsführers der Vertretung der Gewerkschaft United Voice im Bundesterritorium Northern Territory inne. Seit etwa zwei Wochen ist der ehemalige Soldat der australischen Armee, der Anfang der neunziger Jahren in Somalia im Einsatz war, allerdings verschwunden. Sein Telefon ist abgeschaltet, auf Facebook hat er den Kontakt zu den meisten seiner "Freunde" gekappt, schreibt der Sydney Morning Herald. Die genauen Umstände seines Verschwindens werden nun von der australischen Bundespolizei AFP untersucht, wie unter anderem der Guardian Australia berichtet. NT Labor hat Gardiner inzwischen von seinem Amt als Präsident entbunden und seine Parteimitgliedschaft aufgehoben, sagte Parteigeschäftsführer Kent Rowe. Bereits vor seinem Verschwinden war er außerdem von seinem Amt bei der United Voice zurückgetreten, berichtet ABC. Auf der Homepage der Gewerkschaft wurde er bis gestern allerdings noch als solcher aufgeführt. Parteifreunde völlig überrascht Unter seinen Parteikollegen hat seine Entscheidung unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Die Oppositionsführerin der Arbeiterpartei im Northern Territory, Delia Lawrie, die über Jahre mit Gardiner zusammengearbeitet hat, sagte dem Guardian: "Wir hoffen ehrlich, dass das nicht stimmt." Auch Luke Whitington, der ABC zufolge ebenfalls mit Gardiner zusammengearbeitet hat, zeigte sich überrascht, aber auch verständnisvoll. Es habe keine Anzeichen für sein Vorhaben gegeben, sagte er dem Sender. Vor allem sei Gardiner zwar für seine Leidenschaftlichkeit bekannt gewesen, aber auch für seinen klaren Kopf. Er empfinde jedoch durchaus Bewunderung dafür, dass jemand sich so konsequent dafür einsetzen wolle, den IS aufzuhalten. Der Chef der Labor Party und Oppositionsführer im australischen Parlament, Bill Shorten, sagte Fairfax Radio dagegen, es sei der falsche Weg, nach Syrien zu gehen, um dort eigenmächtig gegen den IS zu kämpfen. "Was immer seine Motivation war, dorthin zu gehen, ist keine Lösung." Das Wichtigste sei nun, herauszufinden, ob es Gardiner gutgehe und ihn nach Hause zu holen. Der Politiker hat in Australien seine Frau und drei Kinder zurückgelassen. Sollte Gardiner allerdings gegen den IS gekämpft haben, erwartet ihn in seiner Heimat ein Gerichtsprozess. Im vergangenen Jahr hat die australische Regierung ein Gesetz erlassen, dass Australier daran hindern soll, in bestimmten Regionen im Ausland zu kämpfen. Zu diesen "No-go-Zonen" gehört etwa die Provinz Raqqa im Norden Syriens, wo intensive Gefechte zwischen den Kurden und den Kämpfern des IS stattfinden. Wer gegen das neue Gesetz verstößt, muss mit einer Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren rechnen. Eigentlich richtete sich das Gesetz vornehmlich gegen australische Anhänger des Islamischen Staates, von denen sich Schätzungen zufolge 90 dem IS und anderen islamistischen Terrormilizen angeschlossen haben. Mit Gardiner ist nun zum ersten Mal jemand namentlich bekannt, der mit dem gegenteiligen Motiv ausgereist ist. Bestrafung für den Kampf "Wir wissen, dass es einige Australier gibt, die denken, sie hätten mit ihrer Beteiligung an den Konflikten im Ausland die richtige Wahl getroffen", sagte ein Sprecher des Bundesstaatsanwalts George Brandis dem Guardian. "Aber diese Wahl vermehrt nur das Leiden in Syrien und Irak und setzt diese Australier und andere tödlicher Gefahr aus." Gardiners Parteifreund Luke Whitington hält es allerdings für aberwitzig, dass diesem für seinen Einsatz gegen den IS nun Haft droht. Denn "Australien ist in einer Koalition, die diese Kerle im Irak bekämpft, und wir sind offensichtlich verbündet mit allen Ländern, die in Syrien gegen sie kämpfen", sagte er ABC. "Wenn er losgezogen ist, um die Kurden in Syrien zu unterstützen, kämpft er gemeinsam mit den Amerikanern und anderen mit uns Verbündeten." Die USA, Frankreich aber auch Australien haben die fundamentalislamischen Milizen von der Luft aus angegriffen. Deutschland hat sich bislang darauf beschränkt, den Kurden Waffen zu liefern. Anti-Terror-Gesetz gegen Anti-Terror-Kämpfer Das australische Gesetz, das Gardiner zu einem Straftäter macht, geht in die gleiche Richtung wie die Resolution gegen ausländische Kämpfer, die der UN-Sicherheitsrat im September 2014 angenommen hat. Allerdings verpflichtet die Resolution alle Länder zu schärferen Gesetzen, die das Reisen zu "terroristischen" Zwecken verhindern sollen. Dabei wurde an Dschihadisten wie Anhänger des Islamischen Staates gedacht. Auch in Deutschland hat die Bundesregierung ein neues Gesetzespaket vorgestellt, das schon die Reisepläne in Richtung terroristische Ausbildungslager unter Strafe stellen soll. Außerdem hat das Kabinett beschlossen, dass radikalislamischen Verdächtigen nicht nur der Reisepass, sondern auch der Personalausweis vorrübergehend entzogen werden kann. Für eine Reise mit dem Ziel, gegen die Terroristen zu kämpfen, gibt es dagegen in Deutschland keine speziellen Gesetze. Hier müssen die Strafverfolgungsbehörden im Einzelfall prüfen, ob gegen nationale oder internationale Gesetze verstoßen wurde, heißt es aus dem Justizministerium. Auch die Mitglieder einer Rockerbande aus Köln und eines niederländischen Motorradclubs, die angeblich gegen den IS gekämpft haben, müssen wohl keine juristischen Folgen befürchten - außer es ergäben sich etwa Hinweise auf Verstöße gegen das Völkerrecht. Im Ausland für seine persönlichen Ideale zu kämpfen, hat übrigens eine lange Tradition. So hatten sich in den 30er Jahren Tausende Menschen aus aller Welt in den Internationalen Brigaden der Spanischen Republik zusammengefunden, um im Bürgerkrieg gegen die Truppen des Putschisten General Franco zu kämpfen - darunter auch George Orwell, der Autor von "Animal Farm" und "1984". Auch Rebellengruppen wie die Farc in Kolumbien haben im bewaffneten Kampf immer wieder Unterstützung durch Europäer erhalten.
https://www.sueddeutsche.de/digital/neue-nutzungsbedingungen-verbraucherzentralen-mahnen-facebook-ab-1.2368373
mlsum-de-9559
Für den Nutzer erschließe sich nicht auf den ersten Blick, was mit seinen Daten geschehe, heißt es in der Abmahnung der Verbraucherzentralen. Sie kritisieren bei Facebook insbesondere die Auswertung von Nutzerdaten für Werbung.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat das Online-Netzwerk Facebook abgemahnt. Nach Auffassung der Verbraucherschützer verstoßen 19 Klauseln aus den Nutzungsbedingungen und der Datenschutzrichtlinie von Facebook gegen geltendes Recht. Der Verband kritisiert insbesondere die Auswertung von Nutzerdaten zur Verknüpfung mit Werbung. "Für den Verbraucher erschließt sich nicht auf den ersten Blick, wann welche Daten für welche Zwecke verwendet werden", erklärte der Verband. Nach deutschem Recht dürfen Unternehmen persönliche Daten nur verwerten, wenn die Nutzer dem zustimmen. Diese Einwilligung fehle bei Facebook. Die Verbraucherschützer werfen Facebook außerdem vor, das eigene Geschäftsmodell zu verharmlosen. "Facebook ist und bleibt kostenlos", heißt es auf der Anmelde-Seite des Netzwerks. "Nutzerinnen und Nutzer zahlen zwar kein Geld für die Benutzung von Facebook. Dafür nutzt Facebook sämtliche Daten der Nutzer und verkauft diese in Form von personalisierten Werbeplätzen an werbetreibende Unternehmen", erklärte der Bundesverband der Verbraucherzentralen. Die Informationen über die Nutzer seien für Facebook "bares Geld" wert. Facebook hat die Beschwerden zurückgewiesen. "Wir sind sicher, dass die Updates (der Nutzerregelungen) den Gesetzen entsprechen", erklärte das Online-Netzwerk. Die Verbraucherzentralen selbst hätten gelobt, dass die Ende Januar in Kraft getretenen Bedingungen einfacher zu verstehen seien. Man sei überrascht, dass sich der Verband auf Bedingungen und Funktionen von Facebook und anderen Online-Diensten fokussiere, die schon zehn Jahre lang gültig seien, etwa die Klarnamenpflicht. Anlass der Abmahnung war die neue Datenschutzrichtlinie, die Facebook zum 31. Januar eingeführt hatte. Datenschützer und Politiker hatten die neuen Regeln deutlich kritisiert.
https://www.sueddeutsche.de/politik/un-konferenz-zur-bekaempfung-von-armut-milleniumsziele-in-weiter-ferne-1.1001636
mlsum-de-9560
Vor zehn Jahren verabschiedeten die UN ein ambitioniertes Programm zur Armutsbekämpfung, das bis 2015 umgesetzt werden soll. Bis dato fällt der Erfolg bescheiden aus. Ein Faktencheck in Bildern.
"Wir müssen jetzt schon darüber nachdenken, was die Internationale Gemeinschaft nach 2015 besser machen sollte", sagt Peter Runge, Experte für Entwicklungspolitik bei der Hilfsorganisation Care. Eine "ehrliche Bilanz" hätte er sich gewünscht, wenn von diesem Montag bis Mittwoch 150 Staats- und Regierungschefs in New York über die Armut in der Welt diskutieren. Herausgekommen seien in dem vorläufigen Abschlussdokument des UN-Gipfels aber nur "schöne Worte", urteilen fast alle Hilfsorganisationen. Runge vermisst "einen verbindlichen Aktionsplan, wie die Millenniumsziele noch zu erreichen sind". Diese Ziele hatte die Vollversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 2000 verabschiedet. 189 Staaten verpflichteten sich damals, den Menschen in armen Ländern bis 2015 ein besseres Leben zu ermöglichen, als sie es im Jahr 1990 führen konnten. Zehn Jahre nach dem Bekenntnis zu den acht Millenniumszielen fällt der Erfolg bescheiden aus. Extreme Armut und Hunger beseitigen: Von 1990 bis 2005 sank die Zahl jener, die von weniger als 1,25 Dollar, also unter der UN-Armutsgrenze, leben mussten von 1,8 Milliarden Menschen auf 1,4 Milliarden. Dazu trug vor allem der wirtschaftliche Aufstieg Chinas bei. In Afrika südlich der Sahara lebt aber nach wie vor gut die Hälfte der Bevölkerung von Mini-Einkommen. Die Zahl der Hungernden stieg vor einem Jahr weltweit auf mehr als eine Milliarde, weil die Lebensmittel so teuer geworden waren, dass die Armen sie sich nicht mehr leisten konnten. In diesem Jahr hungern 925 Millionen Menschen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/grafiken-fleischland-deutschland-1.2459911
mlsum-de-9561
Sogar Wurst gibt es jetzt schon fleischlos. Werden wir zu einer vegetarischen Nation? Wohl kaum. Im vergangenen Jahr wurde so viel geschlachtet wie noch nie.
Wohin man auch blickt, überall wird es zelebriert, das fleischlose Leben. Keine Großstadt-Buchhandlung kommt mittlerweile mehr ohne vegane Kochbücher aus. Kein Kühlregal ohne Tofu oder sogar - das größte Paradoxon der Fleischindustrie - vegetarische "Wurst". In den Innenstädten eröffnen vegane Supermärkte, Dönerläden und Restaurants. Selbst traditionelle Gasthäuser, auf deren Speisekarte man lange Zeit nur ein vegetarisches Gericht fand, bieten oftmals noch eine vegane Alternative an. Es tut sich was. Oder zumindest scheint es so. Denn wie so oft bei neuen Gesellschaftsbewegungen scheint wohl auch diese größer als sie es in Wirklichkeit ist. Laut einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung verzichtet zwar jeder zehnte Haushalt in Deutschland gelegentlich bewusst auf Fleisch. Aber eben nur jeder zehnte. Und nur gelegentlich. Der Fleischverzehr pro Kopf ist in Deutschland in den vergangenen Jahren immerhin leicht zurückgegangen, aber nur um etwa ein Kilogramm. Im Jahr 2013 aber betrug er noch immer stattliche 60 Kilogramm - pro Jahr, pro Kopf. Detailansicht öffnen (Foto: Grafik: Yinfinity) Weltweit betrachtet liegt der geschätzte Fleischkonsum den Vereinten Nationen zufolge bei etwa 43 Kilogramm im Jahr - wobei die Nachfrage in den Industrieländern mit etwa 76 Kilogramm immer noch mehr als doppelt so hoch ist wie in den Entwicklungsländern mit fast 34 Kilogramm. Letztere fragen allerdings zunehmend Fleisch nach. Regionen in Lateinamerika, in der Karibik und Asien sind hauptsächlich dafür verantwortlich, dass der globale Konsum immer weiter ansteigt. Diesen Hunger auf Fleisch sättigen unter anderem Schlachthöfe aus Deutschland. Hierzulande werden nach wie vor Unmengen an Fleisch hergestellt. Den Zahlen des Statistischen Bundesamtes zufolge, die sich auf die gewerblichen Schlachtungen beziehen, sind im vergangenen Jahr 8,2 Millionen Tonnen Fleisch produziert worden - so viel wie noch nie. Detailansicht öffnen (Foto: Grafik: Yinfinity) Schweine Den größten Anteil haben dabei die Schweine, fast 59 Millionen Tiere wurden zuletzt geschlachtet. Das entspricht etwa 5,5 Millionen Tonnen Fleisch. Am meisten wurde in Schlachthöfen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen produziert. Geflügel Danach folgt Geflügel mit insgesamt 1,5 Millionen Tonnen und mehr als 720 Millionen Tieren. Darunter fallen Jungmasthühner, Enten und Truthühner. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die erzeugte Menge an Geflügelfleisch um fast fünf Prozent. Rinder Die Zahl der Rinder ging 2014 eigentlich stetig zurück, nun aber wurden fast zwei Prozent mehr geschlachtet als noch im Vorjahr. Insgesamt waren es damit etwa 3,5 Millionen Tiere, also etwa eine Million Tonnen Fleisch. Verarbeitet wurden am häufigsten Ochsen und Bullen. Schafe Schafe, Lämmer oder Ziegen machen in Deutschland den geringsten Anteil der Fleischproduktion aus, insgesamt waren es 2014 fast 20 000 Tonnen Fleisch. Auch Pferde werden in die Statistik mit einberechnet, hier waren es etwa 8000 Tiere.
https://www.sueddeutsche.de/sport/zehn-punkte-plan-des-dfb-praesidenten-wie-niersbach-die-fifa-veraendern-will-1.2514673
mlsum-de-9562
Während die Fifa das Vergabeverfahren für die WM 2026 verschiebt, stellt DFB-Präsident Niersbach einen Zehn-Punkte-Plan zur Reform des Fußball-Weltverbandes vor. Er liest sich wie ein Wahlprogramm.
In einem offenen Brief an die 26 000 Vereine des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat Verbandschef Wolfgang Niersbach umfassende Reformen der Fifa angemahnt. In zehn Punkten skizzierte Niersbach am Mittwoch seine Ideen zur Rückgewinnung der Glaubwürdigkeit des Weltverbandes, darunter eine Amtszeitbeschränkung für Fifa-Funktionäre und neue Standards bei der Vergabe von WM-Turnieren. "Fußball ist ein wichtiger Teil unseres Lebens. Fußball ist Lebensfreude, Freundschaft, Gemeinschaft und Gesellschaft. All das dürfen und werden wir uns nicht kaputt machen lassen", schrieb Niersbach, der seit Ende Mai Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees ist. Niersbach betonte, dass der angekündigte Wechsel an der Spitze des Fußball-Weltverbandes schnellstmöglich im Rahmen der Statuten vollzogen werden müsse. Der scheidende Chef Sepp Blatter dürfe aber nicht die Kontrolle über die anstehenden Reformen haben. Der kommende Fifa-Präsident müsse vom Kongress mit einer Agenda betraut werden. Ausdrücklich verwehrte Niersbach sich gegen jeden Korruptionsverdacht rund um die WM-Vergabe 2006 nach Deutschland. Es sei traurig zu sehen, "wie Gier und fehlende Moral einiger Weniger den gesamten Fußball unter einen Generalverdacht stellen, bis hin zu unserem wunderbaren 'Sommermärchen', für das sich so viele Menschen mit großem Idealismus eingesetzt haben." Im Roulette um einen Nachfolger von Blatter als Fifa-Chef wird auch der Name Niersbach genannt. Der Zehn-Punkte-Plan wäre diesbezüglich ein ordentliches Wahlprogramm. Doch Niersbach hat zuletzt eine Ambition auf den Fifa-Thron stets bestritten, derart detaillierte Absichten hat aber bisher keiner der potenziellen Anwärter auf das Blatter-Erbe vorgelegt. "Es ist längst überfällig, all diejenigen ins Abseits zu stellen, die sich nicht an die Spielregeln halten. Die Fifa braucht nicht nur einen schnellen personellen Wechsel an der Spitze. Sie braucht mehr Kontrolle, mehr Transparenz. Sie braucht Verlässlichkeit, Seriosität und Verbindlichkeit", teilt Niersbach mit. Vor dem Länderspiel gegen die USA am Mittwochabend erklärte indes Bundestrainer Joachim Löw, dass er nicht von einem Wechsel Niersbachs in den Weltverband ausgehe. "Er ist der beste Präsident, den wir uns vorstellen können", sagte Löw am Dienstag in Köln: "Wir können uns nur wünschen, dass er bleibt und ich gehe auch davon aus, weil es noch viele Aufgaben beim DFB gibt." Niersbach habe ihm "bei der letzten Vertragsverlängerung in der die Hand versprochen, dass er bleibt. Wolfgang steht immer auf unserer Seite. Er hat auch über unsere Grenzen hinaus eine sehr hohe Reputation."
https://www.sueddeutsche.de/panorama/usa-ex-basketballstar-odom-bewusstlos-im-bordell-aufgefunden-1.2691413
mlsum-de-9563
Tagelang soll Lamar Odom in einem Bordell gefeiert haben. Nun wird der Ex-Basketballer und Ex-Mann von Khloé Kardashian auf der Intensivstation behandelt.
Bewusstlos auf der "Love Ranch" Der frühere US-Basketballprofi und Ex-Ehemann von Khloé Kardashian, Lamar Odom, ist bewusstlos in einem Bordell aufgefunden worden. Am Dienstagnachmittag (Ortszeit) wurde die Polizei zur "Love Ranch" in dem Ort Crystal im US-Staat Nevada gerufen. Und zwar wegen eines Mannes, der nicht ansprechbar war und einen Rettungswagen benötigte. Bei dem Betroffenen handelte es sich dem Polizeibericht zufolge um den früheren NBA-Star Odom. Wie das Büro des Sheriffs in Nye County mitteilte, wurde der 35-Jährige von der "Love Ranch" nordwestlich von Las Vegas zunächst in ein nahe gelegenes Krankenhaus gebracht. Von dort sollte er dann in ein anderes Hospital in Las Vegas geflogen werden. Der 2,08 Meter große Basketballer habe wegen seiner Größe aber nicht in den Rettungshubschrauber gepasst, daher sei ein Krankenwagen eingesetzt worden. Nach Berichten der Promi-Webseite TMZ mussten Ärzte Odom wiederbeleben. Er werde zurzeit auf der Intensivstation behandelt und soll sich in einem kritischem Zustand befinden. Cocktail aus pflanzlichem Viagra und Cognac Der Besitzer der "Love Ranch", Dennis Hof, sagte, seine Mitarbeiter hätten Odom am Samstag von einem Haus in Las Vegas abgeholt. "Er wollte einfach wegkommen, eine gute Zeit haben und sich entspannen", sagte Hof. Odom sei glücklich gewesen, "er schlief jede Nacht" während seines Besuchs. Zwei Frauen hätten am Dienstagnachmittag nach dem Ex-NBA-Star gesehen und hätten den 35-Jährigen mit dem Gesicht nach unten und bewusstlos aufgefunden. Hof sagte, Odom habe ein pflanzliches Mittel, das wie Viagra wirke, eingenommen und seit seiner Ankunft aus einer Flasche Cognac getrunken. Hochzeit nach vier Wochen Beziehung Odom hatte im Jahr 2013 seine NBA-Karriere beendet, nachdem er mit den Los Angeles Lakers zwei Mal die Meisterschaft gewonnen hatte und auch bei den Dallas Mavericks an der Seite von Dirk Nowitzki aufgelaufen war. Einem eher sportfernen Publikum wurde er durch seine Ehe mit Khloé Kardashian, der jüngeren Schwester von Reality-Sternchen Kim Kardashian, bekannt, mit der er unter anderem in der Reality-Fernsehserie "Khloé & Lamar" zu sehen war. Nach nur vier Wochen Beziehung heiratete das Paar Ende 2009. Kardashian reichte 2013 die Scheidung ein.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/hockey-sie-haben-da-mal-was-vorbereitet-1.3494324
mlsum-de-9564
Die Hockey-Männer des Münchner SC liegen nach zwei Erfolgen an diesem Wochenende klar auf Erstliga-Kurs. Die Frauen proben vor allem für ihren Auftritt als Gastgeber der Euro-Club-Trophy.
Freude? Klar - aber nur kurz. Kapitän Felix Greffenius leitet mit dem Treffer zum 2:0 den wichtigen Sieg seines MSC gegen Blau-Weiss Berlin ein, erinnert dann aber gleich an die nächsten schwierigen Aufgaben. Frank Ommert stand der Schweiß auf der Stirn, in der linken Hand hielt er ein rostiges, frisch ausgegrabenes Hufeisen. "Das haben wir eben in der Baugrube für die neue Anzeigentafel gefunden", sagte er; wenn das kein gutes Zeichen sei. Der Hockey-Abteilungsleiter des Münchner Sportclubs nimmt gute Zeichen gerne an, der Klub hat in diesem Frühling einiges vor. Am ersten Juni-Wochenende spielen die Erstliga-Frauen vor heimischer Kulisse zum ersten Mal um einen europäischen Titel, und die Männer haben seit vergangenem Wochenende beste Aussichten auf den Wiederaufstieg ins Oberhaus. In puncto Infrastruktur ist der MSC in Vorleistung gegangen. Die neue Anzeigentafel stellt eine erhebliche Investition dar, für die eigens ein Sponsor gefunden wurde, die neuen Trainerbänke sind montiert und die Heimspiele beider Bundesliga-Teams im Internetstream abrufbar. Für die Euro-Club-Trophy werde von Verbandsseite eine Übertragung "empfohlen", sagt Ommert, der es schade fände, "wenn das nicht im Internet zu sehen wäre", und froh ist, "dass wir das schon seit ein paar Wochen üben". Im Stream nicht zu hören war am Doppelspieltag der MSC-Teams das sehr ausdauernde sonore Brummen, mit dem sich ein Bagger um die Neugestaltung der Klubhausterrasse verdient machte. Der Vorsprung auf die Berliner beträgt fünf Partien vor dem Saisonende bereits acht Punkte Nicht nur optisch sah es nach Aufbruch aus, auch sportlich schufen zumindest die Männer klare Verhältnisse, indem sie ihre Tabellenführung deutlich ausbauten. Am Samstag empfingen sie den zum damaligen Zeitpunkt mit drei Punkten Rückstand Tabellenzweiten Blau-Weiss Berlin. Sebastian Kirschbaum gelang der einzige Treffer der ersten Hälfte (23.), die der MSC auch spielerisch bestimmte. Zu Beginn der zweiten Halbzeit taten sich die Münchner schwer und schafften es kaum, sich aus dem eigenen Kreis zu befreien. "Da kann das Spiel kippen, weil wir keine Entlastungsangriffe hinbekommen haben", sagte Kapitän Felix Greffenius. Umso schöner sei es, "dass wir es in dieser Phase schaffen, kein Gegentor zu kassieren". Im Gegenteil: In der 40. Minute traf Greffenius per Siebenmeter; erneut Kirschbaum (57.) und Michael Hummel (63.) erhöhten auf 4:0. Obwohl Blau-Weiss in der Schlussphase (65., 68., 70.) bis auf 4:3 herankam, war der Erfolg nicht mehr in Gefahr. Auf große Euphorie warteten die Zuschauer allerdings vergeblich, Greffenius und seine Mitstreiter klatschten lediglich ein paar Freunde ab. Er lachte befreit dazu, doch dann verschwand er wieder auf dem Rasen. "Ich muss erst mal auslaufen, ich hab ja morgen noch was vor", sagte er. Sein ehemaliger Coach und jetziger Bundestrainer Stefan Kermas beobachtete diese Einstellung mit Wohlwollen. "Die freuen sich nicht übermäßig, das ist immer ein gutes Zeichen dafür, dass sie fokussiert sind", sagte er. Der Sonntagsgegner Mariendorf bekam die Münchner Fokussierung schmerzhaft zu spüren. 10:2 fertigte der MSC den neuen Tabellenletzten ab. Weil Blau-Weiss in Limburg kurz darauf nur remis spielte, beträgt der Vorsprung auf die Berliner fünf Spiele vor Saisonende acht Punkte. "Wir haben noch fünf schwierige Aufgaben vor uns", sagte Greffenius, "aber das war ein Riesenschritt, die Ausgangssituation ist jetzt sehr komfortabel." Nicht nur der Tabellenstand ist für die MSC-Männer erfreulich, sondern auch die Entwicklung der Jüngsten. Sollte der Aufstieg zum Saisonende gelingen, hätte der Kader nach Greffenius' Einschätzung "eine ideale Altersstruktur". Auch die Frauen integrieren derzeit viele Junge ins Team, haben sich für den Europapokal aber auch die Erfahrung von Nina Hasselmann gesichert, die im Sommer zurückgetreten war, am Wochenende aber auf dem Feld stand und ihr ehemaliges Team im Juni unterstützen soll. Mit den vier Punkten gegen den Club an der Alster (2:2) und Harvestehude (2:1) festigte der MSC seinen Mittelfeldplatz. Vor allem aber tat das Team, was derzeit alle im Klub tun: den nächsten Schritt vorbereiten.
https://www.sueddeutsche.de/sport/sportpolitik-ein-geloeschter-satz-1.2969789
mlsum-de-9565
Ein geänderter Report des Deutschen Olympischen Sportbundes wirft Fragen auf: Wurde im Verband möglicherweise gegen die Verhaltensregeln verstoßen?
Es gab viele wichtige Themen, als die Delegierten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) am 5. Dezember in Hannover zu ihrer jährlichen Mitgliederversammlung zusammenkamen. Die gescheiterte Olympia-Bewerbung von Hamburg, die Zukunft des Spitzensports. Keine große Rolle spielte damals der Tagesordnungspunkt 9.3. - das dürfte sich allerdings noch ändern. Hinter Punkt 9.3. verbirgt sich der Bericht zum Thema "Good Governance", und dazu stellen sich inzwischen Fragen. Wenige Wochen vor dem Treffen in Hannover verschickte die DOSB-Zentrale mit ihren Tagungsunterlagen auch den Report ihres Good-Governance-Beauftragten Jürgen Thumann. Darin schrieb der frühere Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) unter dem Datum vom 16. Oktober unter anderem den Satz: "Auch Verstöße gegen die Good Governance-Regeln des DOSB sind mir nicht angezeigt oder sonstwie bekannt geworden." Welcher Verstoß war das genau? Eine klare Aussage. Doch es drängt sich der Verdacht auf, dass sie in dieser Form nicht korrekt gewesen sein könnte. Denn wer sich Thumanns Bericht heute auf der DOSB-Internetseite liest, findet dort eine an mehreren Punkten aktualisierte Version. Datiert ist sie auf den 3. Dezember, also zwei Tage vor der Mitgliederversammlung - und darin fehlt dieser oben zitierte Satz über keine Verstöße plötzlich. Für die Diskrepanz zwischen altem und aktualisiertem Bericht an dieser Stelle erscheint eigentlich nur ein Erklärungsansatz plausibel: Dass eben doch ein Verstoß gegen die Verhaltensregeln des DOSB angezeigt wurde oder sonstwie bekannt geworden ist. Und natürlich wüsste man jetzt gerne: Welcher Verstoß war das genau? Die Verhaltensregeln des DOSB sind in verschiedenen Dokumenten niedergeschrieben. 2008 beschloss der Sportdachverband einen Corporate-Governance- Kodex, 2013 folgte ein Ethik-Code und im vergangenen Oktober ein Good-Governance-Konzept. Benannt werden viele verschiedene Punkte, von der angemessenen Reaktion bei Interessenskonflikten bis zur Mahnung, man möge zwischenmenschlich respektvoll miteinander umgehen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/frankreich-wie-macron-gegen-den-terror-vorgehen-will-1.3714215
mlsum-de-9566
Der französische Präsident führt eine neue Task Force im Kampf gegen den Terrorismus ein - und Ausnahmeregeln werden nun Gesetz.
Wenn es um innere Sicherheit geht, prägen die Franzosen zwei Traditionen. Zum einen sehen sie ihr Land als Heimat der bürgerlichen Freiheiten, die sie sich nicht nur in der Großen Revolution erkämpft haben. Zum anderen sind sie an einen starken Staat gewöhnt, der 1789 keineswegs abgedankt hat. Von diesem Staat, heute repräsentiert durch den Präsidenten, erwarten sie Schutz. Und da das Land in den vergangenen Jahren vom islamistischen Terror überzogen wurde, die Verwahrlosung vieler Trabantenstädte erlebt und von illegaler Zuwanderung verunsichert ist, stellt der neue Präsident Emmanuel Macron den Schutz der Bürger ins Zentrum seiner Politik. Bei einer Rede vor Ministern, Präfekten, Geheimdienstlern sowie Polizei- und Gendarmerie-Offizieren im Élysée-Palast sagte er am Mittwoch: "Die erste Aufgabe des Staates ist es, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten." Macron erklärte dann in einem weiten Bogen, der von Islamisten bis zu Verkehrssündern reichte, wie er das in den kommenden Jahren angehen möchte. Helfen soll zunächst ein neues Antiterror-Gesetz, das der französische Senat ebenfalls am Mittwoch endgültig verabschiedet hat. Es löst zum 1. November den Ausnahmezustand ab, der 2015 nach einer Attentatsserie eingeführt und seitdem immer wieder verlängert wurde. Etliche Ausnahmeregelungen werden jetzt leicht oder gar nicht verändert in das neue Gesetz übernommen und damit festgeschrieben. Sie weiten der Tendenz nach die Rechte von Polizei und Geheimdiensten gegenüber der Justiz aus. So dürfen die Präfekten - die Vertreter der Regierung in den Departements - bei Terrorgefahr Sicherheitszonen einrichten, an denen jeder durchsucht werden kann, der sie betreten will. Die Präfekten erhalten auch die Befugnis, religiöse Einrichtungen wie zum Beispiel Moscheen zu schließen, wenn dort Terrorpropaganda betrieben wird. Zudem können sie Gefährder dazu verpflichten, das Gebiet ihrer Gemeinde nicht mehr zu verlassen. Eine richterliche Anordnung ist für solche freiheitsbeschränkenden Maßnahmen nicht erforderlich. Menschenrechtsexperten und linke Politiker kritisieren das Gesetz scharf als freiheitsfeindlich und als Schritt in den Überwachungsstaat. Politiker der französischen Rechten finden dagegen, es gehe nicht weit genug. Macron sagte, dank dem Gesetz könne Frankreich nun wirksam auf die Terrorgefahr reagieren, ohne dabei bürgerliche Freiheiten zu verletzen. Der Terrorbekämpfung dient auch eine neue Task Force, die Macron im Élysée eingerichtet hat. Sie soll die diversen Geheimdienste des Landes koordinieren und sicherstellen, dass Informationen untereinander ausgetauscht werden. Wie der Präsident mitteilte, haben die Sicherheitsbehörden seit Jahresanfang bereits 13 Terroranschläge vereitelt. Doppeltes Signal in der Migrationspolitik In der Migrationspolitik sendete der Präsident ein doppeltes Signal aus. Einerseits will er dafür sorgen, dass Asylbewerber und Flüchtlinge in Frankreich nicht länger auf der Straße leben müssen sondern anständig aufgenommen werden. "Ich werde nichts akzeptieren, was das Asylrecht infrage stellt", sagte er. Denn darauf sei die Republik gebaut. Andererseits müssten die Anerkennungsverfahren stark beschleunigt und abgewiesene Bewerber konsequent abgeschoben werden. Hierzu will der Präsident enger mit den Herkunftsländern zusammenarbeiten. Frankreichs Polizisten und Gendarmen, die durch den langen Ausnahmezustand überlastet sind, wird Macron durch 10 000 neue Stellen entlasten. Zugleich möchte er in der täglichen Polizeiarbeit einen neuen Ansatz verfolgen. Bisher sind die französischen Sicherheitskräfte sehr hierarchisch ausgerichtet, alles läuft beim Innenministerium in Paris zusammen, das direkt gegenüber des Élysée-Palastes liegt. Einsatzkräfte, die an Brennpunkte in den Banlieues geschickt werden, kennen die Menschen und die Verhältnisse dort oft nicht. Künftig soll eine ortsnahe Polizei aufgebaut werden, die den Alltag der Bürger kennt und bei Problemen mit Augenmaß reagieren kann. Ähnliche Ansätze hat es in Frankreich allerdings schon in der Vergangenheit gegeben, mit mäßigem Erfolg. Im Umfeld des Präsidenten ist dagegen von einer "kleinen Revolution" die Rede. Womöglich wird Macron bald die Losung der Republik ergänzen in: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Sicherheit.
https://www.sueddeutsche.de/politik/vormarsch-von-huthi-miliz-saudische-luftwaffe-bombardiert-militaerakademie-im-jemen-1.2430987
mlsum-de-9567
Neue Offensive gegen die Huthi-Rebellen: Saudi-Arabien hat einen Luftangriff auf eine Militäreinrichtung in der Hauptstadt Sanaa geflogen. Das Rote Kreuz schickt Medikamente für die Zivilisten.
Bomben auf Sanaa Saudische Kampfflugzeuge haben die Militärakademie in Jemens Hauptstadt Sanaa bombardiert. Augenzeugen sahen am Samstag Rauchsäulen über der Einrichtung hochsteigen. Das Politbüro der schiitischen Huthi-Bewegung erklärte, auch auf ein Wohngebiet und einen Kinderspielplatz seien Bomben niedergegangen, dabei seien auch Zivilisten ums Leben gekommen. Die Huthi-Milizen kämpfen gegen Anhänger des aus dem Land geflohenen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi. Die Rebellen hatten Sanaa im Januar unter ihre Kontrolle gebracht und seither weite Gebiete im Westen und Süden des Landes erobert. Hintergrund Seit mehr als zwei Wochen fliegt ein von Saudi-Arabien geführtes arabisches Militärbündnis Luftangriffe gegen die Huthis und ihre Verbündeten. Zu diesen gehört Hadis Vorgänger, der 2012 als Präsident zurückgetretene Ali Abdullah Salih, dem weite Teile der Armee treu geblieben sind. In der südlichen Hafenmetropole Aden leisten Gegner Salihs und Anhänger der Autonomie-Bewegung Widerstand gegen die vorrückenden Milizen der Huthis und Salih-treue Armeeverbände. Im benachbarten Saudi-Arabien ist man besorgt, dass mit dem Vorrücken der schiitischen Rebellen der Erzrivale Iran seinen Einfluss in der Region ausweitet. Die Islamische Republik weist Vorwürfe Saudi-Arabiens, wonach sie die Huthi militärisch direkt unterstütze, zurück. Rotes Kreuz liefert weitere medizinische Hilfsgüter Wegen der Kämpfe ist die medizinische Versorgung der Bevölkerung immer schwieriger. Sowohl beim medizinischen Personal als auch bei Medikamenten gibt es Engpässe. Teilweise gehen auch Nahrungsmittel, Wasser und Benzin zur Neige. Am Freitag forderten die Vereinten Nationen (UN) daher eine "sofortige humanitäre Kampfpause". Am Samstag ist in Sanaa ein weiteres Flugzeug mit Hilfsgütern des Roten Kreuzes gelandet. Erste Lieferungen mit jeweils 16 Tonnen Medikamenten waren am Freitag eingetroffen. Frankreichs Außenminister reist nach Riad UN-Stellen sprechen von mindestens 600 Toten in den vergangenen 20 Tagen und warnen vor einer humanitären Katastrophe. Am Samstagabend wurde der französische Außenminister Laurent Fabius in Riad erwartet, um über die Lage im Jemen zu sprechen. Vor dem Besuch bekräftigte Fabius die Solidarität Frankreichs mit dem "legitimen Präsidenten" Hadi.
https://www.sueddeutsche.de/sport/stabhochsprung-die-traenen-des-renaud-lavillenie-1.3622796
mlsum-de-9568
Der Stabhochsprung-Weltrekordler wurde bei Olympia in Rio als Zweiter ausgepfiffen. In London bei der WM gewinnt er Bronze und wird gefeiert. Das rührt den Franzosen.
LondonEs war dann doch so, dass Renaud Lavillenie in den Armen seiner Betreuer lag und Tränen über sein Gesicht liefen. Stunden der Anstrengung lagen hinter ihm, es war Dienstagabend bei der Leichtathletik-WM in London, 22 Uhr Ortszeit, seit 19.42 Uhr hatte der Stabhochspringer gegen die Konkurrenz um Medaillen gekämpft. Bronze wurde es schließlich nach einer schwierigen Saison, Lavillenie war erleichtert, also weinte er. Spätestens diese Szene führte den Betrachter zu einem der prägenden Bilder der Olympischen Spiele von Rio zurück: Lavillenie, die Ikone seiner Disziplin, ausgebuht vom brasilianischen Publikum, brach damals bei der Siegerehrung vor Erschütterung in Tränen aus. Ein Jahr liegt nun zwischen den Ereignissen, Rio sei abgehakt für ihn, sagte der Weltrekordhalter nach dem Wettkampf in London. Doch er merkte natürlich, dass die Unterschiede kaum größer hätten sein können zwischen dem, was in Rio passierte, und dem, was er nun erlebte. "Wir haben hier wirklich ein Publikum, das eine Leidenschaft für Leichtathletik hat", sagte der 30-Jährige, der 2012 an gleicher Stelle Olympiasieger geworden war. "Es schreit nicht nur für eine Nation, sondern feuert alle Athleten an." In Brasilien begegnete ihm ein fußballerfahrenes, aber leichtathletikfremdes Publikum, und das kennt die Verhaltensregeln im Sport halt so: Das Heimteam wird angefeuert, der Gegner ausgebuht. Und der Gegner war eben Lavillenie. In Rio war er vor seinem ersten Versuch über 5,98 Meter mit Pfiffen begleitet worden, ebenso bei seinem finalen Versuch über 6,08 Meter, mit dem er dem Brasilianer Thiago Braz da Silva Gold weggeschnappt hätte. Lavillenie scheiterte, die Menge jubelte. "Was da passiert ist, war schlimm", resümierte Lavillenie und war "sehr glücklich", dass er die "tolle Stimmung hier in London erleben durfte. Das ist das, wofür wir trainieren". Sam Kendricks aus den USA nickte zustimmend, er hatte in Rio Bronze gewonnen und die Atmosphäre miterlebt, nun klappte es für ihn mit Gold, vor dem Polen Piotr Lisek. Da Silva war diesmal in London aus Formschwäche nicht angetreten. "Die Menge hat mich heute nach Leibeskräften unterstützt", sagte Kendricks. Was umso imposanter ausfiel, weil das Olympiastadion im Vergleich zu Rio täglich sehr gut gefüllt ist. Bis zu 700 000 verkaufte Tickets erwartet sich der Veranstalter nach den zehn Tagen. Die Begeisterungswelle geht seit dem Eröffnungstag durchs Stadion, als Nationalheld Mo Farah über 10 000 Meter sein bislang sechstes WM-Gold gewann. Die Verehrung war trotz Dopingermittlungen gegen seinen Trainer grenzenlos. Bei US-Sprinter Justin Gatlin nahm es das Publikum damit genauer und buhte, er ist ja auch ein mehrfach überführter Dopingsünder. Ausgepfiffen wurde danach bisher niemand mehr, am Dienstag genossen vor allem die Franzosen die Atmosphäre, 800-Meter-Läufer Pierre-Ambroise Bosse überraschte nicht nur sich selber mit seiner Goldmedaille. Der völlige entrückte 25-Jährige bedankte sich beim Publikum, das erheblich gelärmt hatte auf den letzten Metern. "Heute habe ich mich gefühlt, als wäre ich Brite", sagte Bosse. Gut, kann schon sein, dass die Menge auch deshalb so ausrastete, weil ein paar Meter hinter dem Franzosen noch Kyle Langford aus Watford zum Endspurt ansetzte und mit Rang vier beinahe in die Medaillenränge rannte. Aber so genau muss man jetzt auch wieder nicht sein.
https://www.sueddeutsche.de/politik/antalya-festgenommene-deutsche-in-der-tuerkei-anonymer-tippgeber-informierte-behoerden-1.3653423
mlsum-de-9569
Ende vergangener Woche war im Badeort Antalya ein deutsches Paar festgenommen worden. Der Ehemann soll der Gülen-Bewegung angehören.
Badeort Antalya: Bei der Einreise am Flughafen waren am Donnerstag zwei Deutsche festgenommen worden. Die am Donnerstag in der Türkei festgenommene Deutsche ist wieder in Deutschland eingetroffen. Die Frau aus Rheinland-Pfalz war gemeinsam mit ihrem Ehemann am Flughafen des Badeortes Antalya verhaftet worden. Offenbar war der Auslöser eine anonyme Mail an die türkischen Behörden. Darin behauptet ein nicht bekannter Tippgeber, dass der Ehemann seit vielen Jahren Anhänger der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen sei. Auch der genaue Zeitpunkt der Einreise soll in der Mail angekündigt worden sein. Das ergeben Recherchen von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR. Bei den beiden Deutschen handelt es sich um ein Ehepaar mit türkischen Wurzeln. Sie besitzen nach eigenen Angaben jedoch nur die deutsche Staatsangehörigkeit. Damit widersprechen sie dem türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu - dieser hatte am Samstag in einer polemischen Rede erklärt, dass der Mann auch türkischer Staatsbürger sei. Er sitzt derzeit immer noch in Haft. Offenbar traf die Verhaftung das Paar völlig überraschend. Sie waren in diesem Jahr schon mehrfach ohne Probleme in die Türkei gereist, zuletzt vor wenigen Wochen. Ihre Freilassung, die das Auswärtige Amt am Montagmorgen mit Verweis auf den Anwalt verkündete, geschah "ohne Auflagen". So soll der ermittelnde Staatsanwalt die Vorwürfe gegen die Frau am Sonntag fallengelassen haben. Zudem erhielt sie auch kein Ausreiseverbot. So konnte sie nun bereits am Montagabend nach Deutschland zurückkehren. Das ist ungewöhnlich. In vergleichbaren Fällen hat die türkische Justiz auch aus dem Polizeigewahrsam entlassenen Deutschen nicht gestattet, das Land zu verlassen. So sollen 25 Deutsche derzeit mit einem Ausreiseverbot belegt sein und sich zwangsweise weiter im Land aufhalten. Die Inhaftierung des Ehepaars hatten die Spannungen zwischen der türkischen und der deutschen Regierung weiter verschärft. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erwog eine schärfere Politik gegenüber Ankara und bekräftigte ihre Ankündigung, Verhandlungen über eine Ausweitung der Zollunion zwischen der Europäischen Union und der Türkei zu blockieren. "Sie bauen eine Berliner Mauer mit den Steinen des Populismus" Beim TV-Duell mit Merkel kündigte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz an, im Falle seiner Wahl die EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei beenden zu wollen. Merkel will darüber Gespräche mit den anderen EU-Mitgliedern führen. Ein Sprecher Erdogans bezichtigte die Bundesrepublik daraufhin erneut, türkische Terroristen zu beherbergen. Der türkische Europa-Minister Ömer Celik kritisierte Merkel und Schulz mit scharfen Worten. Die Beitrittsverhandlungen abzubrechen sei ein Angriff auf die Gründungsprinzipien der EU, sagte Celik. "Sie bauen eine Berliner Mauer mit den Steinen des Populismus." Die Türkei werde erhobenen Hauptes als ein europäisches Land und eine europäische Demokratie ihren Weg weitergehen. Die Türkei hat seit dem gescheiterten Putsch im Juli 2016 Zehntausende Personen unter dem Vorwurf der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung inhaftiert. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes befinden sich derzeit 55 deutsche Staatsangehörige in der Türkei in Haft, davon zwölf aus politischen Gründen. Besonders prominent sind die Fälle des deutsch-türkischen Welt-Journalisten Deniz Yücel, der deutsch-türkischen Journalistin Mesale Tolu sowie des Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-verantwortungs-jo-jo-1.2661092
mlsum-de-9570
Dass es beim TSV 1860 weiterhin keine Diskussion über Trainer Fröhling gibt, liegt auch am Machtvakuum im Verein.
Am Mittwoch war kalendarischer Herbstanfang in Deutschland. Astronomen machen den Moment des Sommerendes daran fest, dass Tag und Nacht exakt gleich lang dauern und die Sonne den Äquator überquert, um sich allmählich in Richtung Südhalbkugel aufzumachen. Fußballfreunde erkennen den Herbstbeginn auch daran, dass sich immer mehr Klubs von ihren Trainern trennen, in der Hoffnung, dass sich ihre Mannschaften doch noch irgendwann in Richtung Nordseite der Tabelle aufmachen. In der zweiten Liga entließ Union Berlin schon im Spätsommer Norbert Düwel, pünktlich zum Herbstbeginn verabschiedete sich Kosta Runjaic beim 1. FC Kaiserslautern. Beide Klubs standen in der Tabelle zum jeweiligen Zeitpunkt besser da als der TSV 1860 München, bei dem Torsten Fröhling auch nach dem 1:1 gegen den SV Sandhausen vom Dienstagabend weiterarbeiten darf. "Fröhling ist unser Trainer und kriegt das Maximum an Zeit", sagte Noor Basha nun der Sport-Bild, der ja nach dem Rücktritt des ehemaligen Präsidiums um Gerhard Mayrhofer zum Geschäftsführer ernannt worden war. Und dass es im Bauch des Löwen offenbar nicht einmal eine Trainerdiskussion gibt, ist sogar schlüssig. Denn wer sollte denn Fröhling infrage stellen? Sportdirektor Necat Aygün, der vor wenigen Wochen noch für Fröhling gescoutet hat? Geschäftsführer und Marketingexperte Markus Rejek, der mehrfach betont hat, die Organisation des sportlichen Bereichs gerne anderen zu überlassen? Oder gar Basha, der Cousin von Investor Hasan Ismaik, der nach seiner zumindest für den Rest der Welt überraschenden Beförderung gerade die erste Saison in Verantwortung erlebt? Am Mittwoch sitzt Torsten Fröhling im Pressestüberl an der Grünwalder Straße. Soeben hat er eine Weile über das Unentschieden gegen Sandhausen geredet, als er gefragt wird, wie die Saison wohl gelaufen wäre, hätte die Sportliche Leitung im Sommer auch nur einen einzigen seiner Wunschspieler verpflichtet. Fröhling lacht kurz auf, dann sagt er: "Das kann man nie sagen, wie es dann gelaufen wäre." Immerhin sei es ja so: Milos Degenek habe er auch sehr gerne verpflichten wollen, als sich die Gelegenheit ergab. Und warum, wird Fröhling also weiter gefragt, weist er die Verantwortung für die Zusammenstellung des Kaders im Sommer nicht deutlicher von sich? "Einer muss ja die Verantwortung übernehmen." Dann lacht er wieder. Es ist schon ein beachtliches Machtvakuum, in das sich 1860 nach dem Fastabstieg der Vorsaison manövriert hat. Positiv formuliert ist es ein branchenunüblicher Schulterschluss zwischen Trainer und Vorgesetzten, der sich beobachten lässt. Ein Zusammenrücken des "inneren Kreises", so hat es Fröhling schon vor Wochen genannt. Doch wie lang kann sich Sechzig noch verbarrikadieren vor den Realitäten der zweiten Liga? Im Heimspiel gegen Leipzig droht der Ausfall aller Innenverteidiger Zumal die Probleme zunehmen: Am Mittwoch hat der Trainer die nächsten Nachwuchsspieler aus der U21 zu den Profis geladen. Die Innenverteidiger Felix Weber und Sertan Yegenoglu trainierten am Vormittag mit, beide sind 20. Diesmal allerdings geht es Fröhling nicht um eine Radikalisierung seines Jugendkonzepts; er muss auf die nächsten Verletzungen reagieren; beim Heimspiel gegen Leipzig am Sonntag droht der Ausfall von Sechzigs gesamter Innenverteidigung, auch Stümer Stefan Mugosa ist angeschlagen. Christopher Schindler plagt sich mit einer Dehnung des Innenbands im Knie, Kai Bülow hat bei einem Zusammenprall mit einem Gegenspieler eine leichte Gehirnerschütterung erlitten. Und Mugosa hat sich schon in der ersten Halbzeit den Oberschenkel gezerrt und bis zum Schlusspfiff weitergespielt. "Er hat nichts gespürt, lag wohl am Adrenalin", sagt Fröhling. Es deutet sich also der nächste Einsatz von Innenverteidiger Rodnei an. Der Brasilianer (der genau wie Michael Lindl kein Wunschspieler von Fröhling gewesen sein dürfte) hatte gegen Sandhausen eine Halbzeit als Ersatz für Bülow aufs Feld gedurft. Defensiv hat er sich dabei mit einigen klärenden Kopfbällen hervorgetan, in der Offensivbewegung war er allerdings kaum aufgefallen. Rodnei habe "einen gewissen Fitnesszustand", sagte Fröhling - was sich ja als ein etwas verunglücktes Lob interpretieren lässt. Zumal der Trainer sich die Option offenhalten möchte, auf ein System mit Dreierkette umzustellen. Ein wagemutiges Projekt. Und eine ambitionierte Aufgabe für eine Mannschaft, die sich nach nur vier Punkte in acht Spielen längst im Abstiegskampf befindet. "Wir müssen uns da was überlegen", sagt Fröhling. "Sonst schmeißen wir den Weber rein, wie im letzten Jahr schon die anderen Jungen."
https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-14-spieltag-eine-beleidigung-und-vier-gegentreffer-1.1029160
mlsum-de-9571
Die Borussia festigt ihren Ruf als Titelkandidat Nummer eins, Leverkusen verpasst den Sieg im Verfolgerduell. Ein Platzverweis nach nur 15 Minuten leitet Stuttgarts Niederlage in Hamburg ein.
Diesmal spielten sie nicht brillant, gereicht hat es dennoch: Borussia Dortmund benötigt aus den verbleibenden drei Hinrunden-Spielen nur noch einen Sieg zur Herbstmeisterschaft. Der souveräne Bundesliga-Spitzenreiter setzte seine Erfolgsserie mit einem 4:1 (1:1)-Sieg auch gegen den Tabellenletzten Borussia Mönchengladbach fort und ist seit nunmehr 13 Begegnungen ohne Niederlage, während die Gäste mit einer Ausbeute von bislang nur zehn Punkten weiterhin das Schlusslicht bilden. Detailansicht öffnen Dortmunder Jubel: Torschütze Neven Subotic (rechts) feiert mit Torschütze Lucas Barrios. (Foto: dpa) Nach den Toren von Neven Subotic (45.+1), Shinji Kagawa (52.), des eingewechselte Kevin Großkreutz (76.) und Lucas Barrios (88.) bei einem Gegentreffer des gebürtigen Dortmunders Marco Reus (33.) zur überraschenden 1:0-Führung der Gäste beträgt der Vorsprung des BVB auf Verfolger FSV Mainz 05 weiterhin sieben Zähler. "In der ersten Halbzeit wollten wir es zu schön machen und sind kalt erwischt worden. Danach hat man gesehen, dass die Mannschaft intakt ist und jeder für den anderen da ist. In der zweiten Halbzeit hat man den Charakter der Mannschaft gesehen", sagte BVB-Torwart Roman Weidenfeller. Sein Gladbacher Kollege Christofer Heimeroth haderte dagegen mit seiner Abwehr: "Wir sind einfach nicht in der Lage, hinten kompakt zu stehen und nach einem Führungstor auch mal 1:0 zu gewinnen. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir in einer sehr prekären Situation stecken." Dortmund übernahm von der ersten Minute an das Regiment und setzten die schwächste Abwehr der Liga vor 79.200 Zuschauern unter Dauerdruck. Die durch eine lange Verletztenliste gebeutelten Gladbacher versuchten, ihre Defensive durch gelegentliche, aber zumeist harmlose Angriffsversuche zu entlasten. Auch ohne Kevin Großkreutz, der zunächst auf die Bank musste, kämpfte und kombinierte der BVB gefällig und hatte die erste hochkarätige Möglichkeit durch einen Distanzschuss von Jakub Blaszczykowski (13. ), bevor Heimeroth mit einem sehenswerten Reflex gegen den freistehenden Barrios (19.) klärte. Glück hatten die Gäste auch bei einem Kopfball von Mats Hummels (22.), der nur knapp über das Tor strich. Auch in der Folge spielten sich mitunter turbulente Szenen im Gladbacher Strafraum ab, das Führungstor des BVB lag buchstäblich in der Luft. Nur Heimeroth, der in der 30. Minute mit einer weiteren Glanzparade einen Kopfball von Shinji Kagawa entschärfte, hielt Gladbach zu diesem Zeitpunkt im Spiel. Umso überraschender fiel das 0:1 durch Reus, der den ersten gefährlichen Angriff der Gäste mit einem unhaltbaren Schuss aus 20 Metern abschloss und damit den Spielverlauf auf den Kopf stellte. Subotic korrigierte dies noch vor dem Halbzeitpfiff mit einem Kopfballtor nach einem Eckball von Mario Götze. Der 18-Jährige bereitete zu Beginn der zweiten Halbzeit, in der die Gastgeber ihrer Daueroffensive fortsetzten, mit einem präzisen Steilpass auch das 2:1 durch Kagawa vor. Anschließend versäumte es Dortmund, schon frühzeitig für die Vorentscheidung zu sorgen, zumal sich gegen die um den Ausgleich bemühten Gladbacher größere Räume in der Offensive boten.
https://www.sueddeutsche.de/sport/em-qualifikation-lewandowski-trifft-dreimal-in-vier-minuten-1.2519833
mlsum-de-9572
Polen siegt 4:0 dank drei Toren des Bayern-Stürmers in vier Minuten. Portugal liegt erst gegen Armenien hinten bis Cristiano Ronaldo aufdreht und die Färöer Inseln schlagen erneut Griechenland.
Polen bleibt damit weiter ungeschlagen Tabellenführer Die polnische Fußball-Nationalmannschaft hat dank eines rekordverdächtigen Hattricks von Robert Lewandowski einen großen Schritt zur Europameisterschaft 2016 in Frankreich gemacht. Der Topstürmer von Bayern München steuerte zum 4:0 (0:0) in Warschau gegen Georgien drei Treffer in vier Minuten bei. Die Mannschaft von Trainer Adam Nawalka bleibt dadurch mit nun 14 Punkten ungeschlagener Tabellenführer der deutschen Gruppe D. Irland verpasste es trotz großartiger Atmosphäre in Dublin, den Anschluss an die Tabellenspitze herzustellen und bleibt Tabellenvierter. Gegen Schottland kam das Team von Martin O'Neill nur zu einem 1:1 (1:0) und hat nun neun Punkte. Arkadiusz Milik (62. Minute) erzielte mit einem schönen Fernschuss ins lange Eck die Führung für die Polen, bei denen Borussia Dortmunds Jakub Blaszczykowski nach rund eineinhalb Jahren sein Comeback feierte. Lewandowski (89., 90+1, 90+3) sorgte mit seinen drei Treffern für den Endstand. Georgien hatte zuvor die große Chance zum Ausgleich verpasst - Georgi Navalovski (82.) traf mit seinem Schuss nur das Lattenkreuz. Für die Iren erzielte Jonathan Walters (38.) zunächst die Führung, die sein Teamkollege John O'Shea (47.) kurz nach dem Seitenwechsel mit einem Eigentor zunichtemachte: der Verteidiger fälschte den Ball´ins eigene Netz ab. Armenien führt gegen Portugal - dann dreht Ronaldo auf Weltfußballer Cristiano Ronaldo hat die portugiesische Fußball-Nationalmannschaft im Alleingang zum vierten Sieg in der EM-Qualifikation geschossen. Beim 3:2 (1:1) in Armenien erzielte der 30 Jahre Offensivstar von Real Madrid alle drei Tore (29./FE, 55., 58.) für sein Team. In der Gruppe I bleibt der EM-Finalist von 2004 mit zwölf Punkten Tabellenführer. Bei Armenien, das nach der Gelb-Roten Karte für Tiago ab der 62. Minute in Überzahl spielte, verursachte Borussia Dortmunds Henrich Mchitarjan nach einem Foul an Joao Moutinho den Strafstoß. Die Führung hatte Marcos Pizzelli erzielt (14.), zudem traf Hrajr Mkojan (72.). Im zweiten Spiel der Gruppe setzte sich Dänemark mit 2:0 (1:0) gegen Serbien durch und liegt auf Rang zwei (10 Punkte). Yussuf Poulsen vom Zweitligisten RB Leipzig (13.) traf zur Führung, Jakob Poulsen (87.) erzielte den Endstand. Färöer schlägt Griechenland erneut Eine richtige Sensation hat sich der frühere Fußball-Europameister Griechenland geleistet. Die Hellenen unterlagen am Samstag auf den Färöern mit 1:2 (0:1), schon im November hatte Griechenland das Heimspiel gegen den Fußball-Zwerg 0:1 verloren. Das Team um den Dortmunder Bundesligaprofi Sokratis bleibt Letzter der Gruppe F. Hallur Hansson (32.) und Brandur Olsen (70.) erzielten die Treffer für die Färinger, die erst den sechsten Sieg im 64. EM-Qualifikationsspiel feierten. Sokratis (84.) traf spät zum Anschluss. Zoltan Stieber vom Hamburger SV hat dagegen die ungarische Fußball-Nationalmannschaft im Rennen um einen direkten Startplatz für die Europameisterschaft 2016 gehalten. Der 26-Jährige erzielte beim 1:0 (0:0) in Finnland das späte Tor für das Team von Hertha-Trainer Pal Dardai (82.). In der Gruppe F bleibt Ungarn mit elf Punkten Dritter, erhöhte durch den dritten Sieg aber den Druck auf Rumänien und Nordirland auf den ersten beiden Plätzen. Gastgeber Frankreich hat sich derweil bei einem Testspiel in Albanien blamiert. Die Équipe Tricolore verlor am Samstag 0:1 (0:1). Das Tor des Tages erzielte Ergys Kace in der 43. Minute. Erst am vergangenen Sonntag hatte Frankreich ein Testspiel gegen EM-Mitfavorit Belgien verloren (3:4).
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nachfolge-wenn-der-senior-einfach-weitermacht-1.3690362
mlsum-de-9573
Viele Firmenchefs regeln viel zu spät, wie es nach ihnen mit dem Unternehmen weitergehen soll.
Ein mittelständisches Familienunternehmen, irgendwo in Ostwestfalen, Branche: Maschinenbau. Die Kostenstrukturen stimmen schon lange nicht mehr. Die Produktion müsste dringend gestrafft, möglicherweise sogar an einen preisgünstigeren Standort verlagert werden. Der Firmenchef, 60, weiß um den Ernst der Lage, beteuert aber, ihm seien die Hände gebunden: "Einen so tief greifenden Umbau wird der Alte nie genehmigen." Der Alte - das ist sein Vater, Mitte 80 und immer noch die letzte Instanz in dem Unternehmen, das er einst gegründet hat. Solche Geschichten erzählen Berater, die sich auf die Begleitung des Generationswechsels in Familienunternehmen spezialisiert haben. Die Botschaft: Senior-Chefs tun sich schwer mit der Regelung ihrer Nachfolge. Zur Erläuterung verweisen ergraute Firmenlenker gerne auf die Hektik des Tagesgeschäfts. Sie lasse kaum Raum für ein so komplexes, zeitaufwendiges Thema wie einen Generationswechsel. Tatsächlich regelt sich eine Nachfolge nicht im Handumdrehen. Aber sehr häufig hat der Widerwille, sich damit zu beschäftigen, in erster Linie emotionale Gründe. Die Gründer-Generation (aber auch manch Firmenchef in zweiter oder dritter Generation) mag ungern Abschied nehmen. Aber: Wer gibt auch schon leichten Herzens sein Lebenswerk in andere Hände? Allmählich duldet das Thema jedoch keinen Aufschub mehr - allein aus demografischen Gründen. Nach Zahlen des KfW-Mittelstandspanels, einer jährlichen Analyse der KfW-Bankengruppe zur Struktur und Entwicklung des Mittelstands in Deutschland, ist mehr als ein Drittel aller Firmenlenker älter als 55 Jahre. Die Folge: Der Anteil mittelständischer Unternehmen mit kurzfristig anstehender Nachfolge hat sich zuletzt enorm erhöht. Nach Schätzungen des IfM Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn steht in jedem Jahr in 71 000 Familienunternehmen die Regelung der Nachfolge an, die meisten mit einem Jahresumsatz zwischen 500 000 Euro und zehn Millionen Euro. Die Babyboomer-Generation wird eine große Lücke hinterlassen Das wäre noch nicht weiter besorgniserregend, wenn dem großen Angebot an zu übergebenden Firmen eine ebenso große Nachfrage gegenüberstehen würde. Doch das ist nicht der Fall. Im Gegenteil. Wenn sich die geburtenstarke Baby-Boomer-Generation im Laufe der nächsten 15 Jahre aus dem Erwerbsleben zurückzieht, wird sie auch auf den Chefsesseln im Mittelstand eine große Lücke hinterlassen. Denn die nachfolgenden Generationen sind deutlich kleiner. Im Jahr 2030 werden einer Person zwischen 55 und 70 Jahren nur noch etwa 1,8 jüngere (zwischen 20 und 54 Jahren) gegenüberstehen - im Jahr 2000 waren es noch 2,6 gewesen. Eine gemeinsame Befragung von KfW Research und Creditreform zeigt: Erst bei 42 Prozent der kleinen und mittelgroßen Unternehmen, deren Übergabe in den nächsten drei Jahren stattfinden soll, läuft der Nachfolgeprozess bereits. 22 Prozent befinden sich zumindest in konkreten Planungen. Doch 25 Prozent haben sich bisher lediglich zu dem Thema informiert, und elf Prozent haben sich noch gar nicht mit der Problematik beschäftigt. Damit droht für mehr als ein Drittel der anstehenden Unternehmensnachfolgen die Zeit knapp zu werden. Die Übergabe einer Firma ist ein komplexes und strategisches Projekt, das sorgfältig vorbereitet werden muss. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) rät übergabewilligen Unternehmern, drei bis zehn Jahre vor dem geplanten Datum damit zu beginnen, ihre Firma für die nächste Chef-Generation fit zu machen. Also etwa zu prüfen, wo Investitionsbedarf besteht, ob die Organisation noch passend ist, und ob Zulieferer und Finanzierungspartner stimmen. "Die Braut schmücken", nennen die IHK-Experten diese Phase des Übergangsprozesses. Frühere Untersuchungen von KfW Research haben indes gezeigt, dass Investitionsentscheidungen älterer Unternehmer auf besondere Weise mit Unsicherheiten behaftet sind. Denn die Erträge fließen teilweise erst nach ihrem Rückzug aus dem Unternehmen - an den Nachfolger. Wenn der Verkauf des Unternehmens geplant ist, stellt sich die Frage, ob Kaufinteressenten Investitionsrenditen ähnlich einschätzen, so dass sie sich entsprechend im erzielbaren Kaufpreis niederschlagen. Die Entscheidung kann einem auch der beste Berater nicht abnehmen Unter dem Strich gilt: Spätestens drei Jahre vor der absehbaren Übergabe sollte der Senior mit der konkreten Suche nach einem Nachfolger beginnen. Nur: wo? Und: wie? "Die Suche nach Kaufinteressenten ist in Zeiten des Unternehmermangels eine besondere Herausforderung", sagt Ingo Claus, Spezialist für Firmenkäufe und -verkäufe bei der auf Nachfolgefragen in Familienunternehmen spezialisierten Kern-Gruppe. Manchmal ist die Sache klar: Sohn und/oder Tochter sind ambitioniert und qualifiziert, das elterliche Erbe im Unternehmen anzutreten und die Rollenverteilung lässt sich zur Zufriedenheit aller Beteiligten klären. Doch eine harmonische Übergabe innerhalb der Familie ist selten. Beobachtungen des IfM zufolge gewinnen deshalb familienexterne Nachfolgelösungen zunehmend an Bedeutung. Sie gestalten sich jedoch häufig noch schwieriger als die Übergabe des Zepters an Sohn oder Tochter. Am Anfang steht die Frage: Wo und wie suche ich nach meinem Nachfolger? Die meisten Unternehmer durchforsten zunächst ihr persönliches Netzwerk. Geschäftspartner, befreundete Unternehmer oder auch leitende Mitarbeiter (Stichwort: Management-Buy-out) - manchmal findet sich auf diesem Weg ein geeigneter Kandidat. Erst wenn das zu keinem Erfolg führt, gehen sie in die Öffentlichkeit, indem sie verstärkt Dritte um Unterstützung bitten. Kammern beispielsweise. Oder ihre Hausbank. "Der Weg über die Bank liegt meist nahe, da die Unternehmer ein historisch gewachsenes Vertrauensverhältnis zu ihren Betreuern aufgebaut haben. Gute Banken können auf ein solides Netzwerk zurückgreifen, mit Anwälten für Gesellschafts- und Arbeitsrecht, spezialisierten Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern und auch Beratungsexperten für Unternehmensnachfolge", sagt Andre Achtermeier, Fachmann für Unternehmensnachfolgen und Unternehmensverkäufe bei der auf die Begleitung von Generationswechseln spezialisierten Kern-Gruppe. Er rät, unbedingt externe Berater hinzuzuziehen, die nachweisbar Erfahrung mit diesem Thema besitzen. Eine Entscheidung kann jedoch auch der beste Berater dem Senior-Chef nicht abnehmen: Er muss am Ende Ja sagen zur Nachfolgeregelung und loslassen. Sonst steht er möglicherweise auch nach weit nach seinem 75. Geburtstag auf der Kommandobrücke - mit allen damit verbundenen Risiken.
https://www.sueddeutsche.de/politik/bundeskanzlerin-merkels-nachfolgedebatte-ist-eroeffnet-und-beendet-1.1649760
mlsum-de-9574
Im September will Angela Merkel ein drittes Mal Bundeskanzlerin werden. Und im Jahr 2015 dann von diesem Amt zurücktreten, mutmaßt ein Buchautor. Das Dementi folgt prompt.
Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments und Sozialdemokrat, war erkennbar erbaut. In dem Buch "Die Zauder-Künstlerin" des Bild-Journalisten Nikolaus Blome, das von Angela Merkel handelt und von Schulz am Montag in Berlin vorgestellt wurde, spekuliert der Autor anhand von Indizien und Äußerungen Merkels im kleinen Kreis über einen freiwilligen Abgang der Kanzlerin im Jahr 2015. Da wäre sie dann 60, vom 17. Juli an sogar 61 Jahre alt und seit gut zehn Jahren im Amt - natürlich immer vorausgesetzt, sie wird in diesem Jahr überhaupt noch mal zur Kanzlerin gewählt. Mit solchen Kautelen hielt sich Schulz, der qua Parteizugehörigkeit gar nicht an eine Wiederwahl Merkels glauben dürfte, nicht lange auf: Völlig unabhängig vom Wahlergebnis, so Schulz, sei nun "die Nachfolgedebatte eröffnet". Und die Frage, ob der Kandidat oder die Kandidatin für eine ganze Legislaturperiode zur Verfügung stehe, "gehört selbstverständlich in einen Wahlkampf", dekretierte Schulz, der sich davon offenbar eine Schwächung Merkels erhofft. Merkel zaudert - nicht Schulz hat als Parlamentspräsident immer mal wieder mit Merkel zu tun. Er schätzt an ihr Humor und Verbindlichkeit, wird aber auch nicht müde, ihre Europa-Politik zumindest in Teilen als völlig verkehrt zu geißeln. Man kennt sich jedenfalls von manchem EU-Gipfel und einigen Gesprächen im kleineren Kreis - allerdings nicht gut genug, wie sich am Montag herausstellte. Schulz prophezeite nämlich, dass die Kanzlerin auch bei diesem Thema erst einmal zaudern und erklären lassen werde, die Frage nach einem früheren Ausscheiden stelle sich gar nicht. Erst, wenn die Angelegenheit richtig in Fahrt gekommen sei, werde sie mitteilen, dass sie natürlich vier weitere Jahre im Kanzleramt bleiben wolle. In der Bundespressekonferenz, Luftlinie keine 300 Meter entfernt vom Ort der Buchvorstellung, sagte zur selben Zeit Regierungssprecher Steffen Seibert ohne Zögern: "Die Bundeskanzlerin tritt bei der Bundestagswahl selbstverständlich für eine volle Amtszeit an." Die Auskunft Seiberts deckt sich auch mit Aussagen aus dem Kanzleramt, die von der Journalistin Evelyn Roll bereits zwei Wochen vor der Veröffentlichung von Blomes Theorie in der Süddeutschen Zeitung aufgeschrieben worden waren - denenzufolge Merkel auch nicht nach anderen Ämtern strebe, zum Beispiel in Europa. Das wiederum wird Martin Schulz, der gerne Kommissionspräsident werden möchte, auch gefreut haben.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/iran-tausende-protestieren-gegen-saeureangriffe-auf-frauen-1.2187304
mlsum-de-9575
Mehrere Frauen werden von Motorradfahrern mit Säure überschüttet, jetzt regt sich in Iran Widerstand gegen die Attacken: Tausende gehen für mehr Schutz und Rechte von Frauen auf die Straße. Hintergrund der Angriffe sollen die Kleidungsvorschriften sein.
Iraner protestieren für Frauenrechte Tausende Iraner haben in der Stadt Isfahan gegen Säureangriffe auf Frauen protestiert. Sie gingen mit Plakaten und Transparenten vor dem Justizgebäude der zentraliranischen Großstadt auf die Straße, wie die amtliche Nachrichtenagentur Irna berichtete. "Isfahan ist unsere Stadt, Sicherheit ist unser Recht", rief demnach die Menge und forderte die Behörden auf, gegen die Täter vorzugehen. Auf Plakaten war "Stoppt die Gewalt gegen Frauen" zu lesen. Nach einigen Stunden wurde die Versammlung vor der Justizbehörde von der Polizei aufgelöst. Auch vor dem Parlament in Teheran wurde demonstriert, um ein Gesetz zur weiteren Verschärfung der Kleidungskontrollen zu verhindern. Säureattacken wegen "schlechter" Verschleierung? In der Stadt waren in der vergangenen Woche mindestens acht Frauen von Motorradfahrern mit Säure überschüttet und verletzt worden. Sie waren im Auto mit offenen Fenstern unterwegs. Berichten zufolge wurden sie angegriffen, weil sie "schlecht verschleiert" waren. Von offizieller Seite wird das vehement bestritten. Gesundheitsminister Hassan Haschemi besuchte eine der angegriffenen Frauen, die durch die Attacke auf einem Auge blind geworden ist. "Ich war eine Studentin, ich bin gebildet. Ich war am Steuer meines Wagens und dann nahm der Angreifer mir mein Leben", sagte die Frau. Sie bat den Minister, der selbst gelernter Augenarzt ist, sich für eine Augenoperation einzusetzen. Streit um Kleidungsvorschriften in Iran In Iran sind Frauen seit der Islamischen Revolution 1979 gesetzlich verpflichtet, lange, lockere Kleidung und ein Kopftuch zu tragen, das Haar und Nacken bedeckt. Besonders in den großen Städten tragen viele Frauen jedoch nur noch ein lose um den Kopf geschlungenes Tuch und einen engen Mantel. Isfahan ist eine Touristenhochburg und gilt als besonders liberal. Die Moralpolizei führt immer wieder Kampagnen gegen "schlechte Verschleierung", ohne aber eine grundsätzliche Änderung zu bewirken. Konservative Abgeordnete schrieben kürzlich an Präsident Hassan Rohani, um ihn zur schärferen Durchsetzung der Kleidervorschriften zu drängen. Rohani, ein relativ gemäßigter Politiker, warnte die Bürger aber vor übermäßigem Eifer und sprach sich dagegen aus, sich "zu sehr auf eine Frage wie die schlechte Verschleierung zu fokussieren".
https://www.sueddeutsche.de/sport/tsv-1860-muenchen-mit-konfuzius-gegen-die-ewige-dunkelheit-1.4058791
mlsum-de-9576
Für den 1860-Verwaltungsrat kandidiert eine Opposition. Sie muss sich fragen, ob die schweigende Mehrheit zur Wahl erscheint.
Einen "weißblauen Abend" in der Isarpost Eventlocation hatte die vor Wochen zugestellte Einladung des "Teams Profifußball" versprochen. Und als dann der Moment gekommen war, von dem in der Einladung der am Sonntag für den 1860-Verwaltungsrat kandidierenden Opposition die Rede gewesen war, Dienstagabend "um 18.60 Uhr", da erstrahlten die Wände in dem alten Backsteingebäude unweit des Stachus tatsächlich in weißem und blauem Licht. Karotten-Ingwer-Suppe war vorbereitet, Palmen waren aufgebaut. Wer mochte, konnte das nun als Gegenentwurf zum Schmuddelcharme des Grünwalder Stadions mit seinen Bockwürsten sehen. Aber unerwartet ging es an diesem Abend gar nicht darum zu polarisieren. Sondern, im Gegenteil: zumindest offiziell die Einheit aller Löwen zu betonen. Der weißblaue Abend bot ein weißblaues Socialising unter Gegnern. 300 Gäste hatten Klaus Ruhdorfer und Thomas Hirschberger geladen, zu ihrer Party zum Abschluss des Wahlkampfs vor der Mitgliederversammlung des TSV 1860 München an diesem Sonntag, auf der sie gewählt werden wollen. Sie luden auch das amtierende Präsidium und allerlei amtierende Verwaltungsräte, die freundlich begrüßt wurden. Wer gewählt werden will, da sind sich Hirschberger und Ruhdorfer sicher, der muss die Wahlberechtigten mit Argumenten überzeugen. Vor allem muss er reden dürfen. Nach Lage der Dinge werden Hirschberger und Ruhdorfer am Sonntag auf der Mitgliederversammlung aber keine Rede mehr halten dürfen. Stattdessen hatten der Gastronom Hirschberger und Ruhdorfer, Geschäftsführer einer Beteiligungsgesellschaft, die als Teil des neunköpfigen Blocks "Team Profifußball" kandidieren, in den vergangenen Wochen zwölf Wahlkampfveranstaltungen abgehalten. Sie waren über die bayerischen Dörfer gereist, nach Oberfranken und ins Allgäu, sie hatten geredet und Fragen beantwortet. "Und die häufigste Frage war: Können Sie uns Karten besorgen?", erzählt Ruhdorfer. Hirschberger ergänzt, was am zweitmeisten gesprochen wurde: "Früher konnte man so schön mit dem Bus hinfahren." Er meint: ins Stadion. "Fakt ist, dass der Verein derzeit von einer kleineren Gruppe dominiert wird." Nun allerdings spielt der TSV 1860 nicht mehr in der großen und busfreundlichen Arena, sondern im Stadion an der Grünwalder Straße, dem Sehnsuchtsort der Traditionalisten und Romantiker - und auch der Gruppierungen Pro1860 und "Freunde des Sechzgerstadions", die derzeit den Verwaltungsrat dominieren. Daher findet Ruhdorfer: "Fakt ist, dass der Verein derzeit von einer kleineren Gruppe dominiert wird. Diese Fraktion ist jetzt am Ziel." Es werde allerdings nur selten angesprochen, dass die Spielstätte im Mittelpunkt der Planungen stehe: "Wir fordern mehr Ehrlichkeit, mehr Authentizität. Jeder sollte sich zu seinem obersten Ziel bekennen." Die Menschen auf dem Land, die er auf seinen Wahlkampfveranstaltungen getroffen hat, glaubt Ruhdorfer, seien "die schweigende Mehrheit". Und oberstes Ziel der schweigenden Mehrheit sei neben gemütlicher Busanfahrt und genug Tickets eben auch maximaler sportlicher Erfolg. Die schweigende Mehrheit wäre dann allerdings auch die nicht reisende Mehrheit. Zu den Mitgliederversammlungen erscheinen erfahrungsgemäß eher auf Investor Hasan Ismaik pfeifende Ultras und andere Freunde des Grünwalder Stadions. Weswegen sich das "Team Profifußball", zu dem auch die "Dahoam-is-dahoam"-Schauspielerin Senta Auth und der frühere TSV-1860-Profi Bernhard Winkler gehören, keine so großen Hoffnungen für die Wahl macht wie zu Beginn seiner Kampagne. Pro1860-Befürworter und die unterstützenden Ultras hatten in den vergangenen Jahren stets die deutliche Mehrheit in den Versammlungen. "Wir werden einen langen Atem haben, weil wir nicht erwarten können, dass wir im ersten Anlauf gleich die Wende schaffen", sagt Ruhdorfer. Er redet nun auch gerne mit den Andersdenkenden, denn er sieht das wie Konfuzius, der mal gemeint habe: "Ich entzünde lieber ein Licht, als ewig die Dunkelheit zu verfluchen." Also wolle das Team "die Probleme thematisieren, die auf 1860 unweigerlich zukommen: Die weitere Finanzierung der dritten Liga ist fraglich, das ist nicht gelöst", ergänzt Hirschberger. Irgendwann müsse nämlich doch wieder Ismaik zahlen, von dem die derzeitige Vereinsführung glaube, unabhängig zu sein: "Dieser D-Day wird jedes Jahr wiederkommen." Aus Sicht der Opposition liegt das vor allem am Stadion. "Es geht nicht nur um die Kapazität. Wir haben keine Logen, keine Business Seats, kein Werberecht, aus diesem Bereich keine Einnahmen", sagt Hirschberger. "Wenn man unabhängiger von einem Investor werden will, gerade dann braucht man diese Einnahmen." Dass die amtierende 1860-Verwaltungsrätin Verena Dietl just vor der Wahl mit der SPD-Fraktion im Stadtrat einen Antrag auf Prüfung maximaler Kapazität des Grünwalder Stadions gestellt hat, nimmt dem "Team Profifußball" einen Teil seines zentralen Wahlkampfthemas. Aber Ruhdorfer sieht es so: "Ich sehe, dass wir da Bewegung reingebracht haben, das ist schon mal positiv." Investor Hasan Ismaik hat bislang zumindest angekündigt, zwei Millionen Euro zu geben Etliche andere Themen sind seit Wahlkampfbeginn ebenfalls schon von der Agenda entfernt worden: Mit Trainer Daniel Bierofka wurde verlängert, Ismaik hat zwei Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Oder zumindest angekündigt, zwei Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Und streng genommen ist der TSV 1860 mit dem Drittliga-Aufstieg zurück im Profifußball. Nun bleibt zentral noch das Stadion- und Finanzierungsthema. Das wolle er nur mal gesagt haben, erklärt Ruhdorfer, weil er befürchtet, es auf der Mitgliederversammlung nicht sagen zu dürfen. Vor allem aber fragt er sich, ob die schweigende, nicht reisende Mehrheit zumindest diesmal erscheint.
https://www.sueddeutsche.de/politik/grosse-koalition-streit-um-migration-belastet-koalitionsverhandlungen-1.3844990
mlsum-de-9577
Insbesondere beim Thema Familiennachzug für Flüchtlinge mit geringem Schutzstatus stocken die Verhandlungen. SPD-Vize Dreyer zeigt sich aber zuversichtlich, dass ein schneller Kompromiss möglich ist.
Union und SPD sind gleich zu Beginn der Koalitionsverhandlungen mit dem Versuch gescheitert, sich auf eine Regelung über den Familiennachzug für Flüchtlinge zu einigen. Nach stundenlangen Debatten vertagten die Spitzen der drei Parteien in der Nacht zum Montag eine Entscheidung. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) sprach am frühen Morgen nach dem Treffen der 15 Spitzenvertreter von einem "sehr intensiven Gespräch". Alle Seiten betonten trotz anhaltender Differenzen in Kernthemen ihre Bereitschaft zu Kompromissen. Es werde "intensiv gearbeitet und auch hart um Lösungen gerungen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer (CDU), in einem mit allen Seiten abgestimmten Statement. Man habe sehr intensiv über Arbeitsmarktpolitik, Migrationspolitik, Gesundheitspolitik diskutiert. "Es quietscht", hieß es dagegen aus SPD-Kreisen zu den Verhandlungen. Aus Parteikreisen hieß es, vor allem beim Thema Familiennachzug für Flüchtlinge mit geringem Schutzstatus seien die Verhandler nicht weitergekommen. Die Arbeitsgruppe Migration sei beauftragt worden, im Laufe des Montags Lösungsmodelle zu erarbeiten. Die SPD will bei den Verhandlungen eine weitergehende Härtefallregelung für den Familiennachzug von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus erreichen. Die Partei führe die Verhandlungen auf Grundlage der Sondierungsergebnisse, aber "Koalitionsverhandlungen sind Koalitionsverhandlungen und keine Sondierungen mehr", hieß es aus SPD-Verhandlungskreisen. Ringen um Härtefallregelung Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Malu Dreyer zeigte sich indes zuversichtlich, dass ein schneller Kompromiss beim Familiennachzug möglich sei. Union und SPD seien in dem Punkt in der "Endabstimmungsphase", sagte Dreyer im Deutschlandfunk. "Es gibt den Willen, dass man da heute zu einer Einigung kommt." Unter Druck setzen lasse sich ihre Partei dabei von der Union nicht. "Ich lasse mir da nicht drohen." Auch CDU-Vize Volker Bouffier zeigte sich optimistisch. "Ich habe den Eindruck, dass alle bemüht sind, zu einem Ergebnis zu kommen", sagte er im ZDF-"Morgenmagazin". "Aber wir haben noch keinen Konsens." Spielräume sehe er nur bei den Härtefallregelungen. Bouffier erklärte, grundsätzlich müsse es beim Thema Migration darum gehen, wie viele Menschen auch integriert werden können. Dazu gebe es aus den Sondierungsgesprächen bereits eine Verständigung, fügte er mit Blick auf die vereinbarte Spanne von jährlich 180 000 bis 220 000 Migranten hinzu. "Die Größenordnung, die wir gefunden haben, ist vernünftig." Auch CSU-Unterhändler Joachim Herrmann beharrte auf der Zielmarke von nicht mehr als 220 000 Menschen. Der bayerische Innenminister rief die SPD in der Passauer Neuen Presse dazu auf, "einen Vorschlag zu machen, wie sie sich die konkrete Ausgestaltung beim Thema Familiennachzug vorstellt". Grundsätzlich zeigte er sich wenig kompromissbereit. "Es kann nicht sein, dass jetzt plötzlich die Union einseitig weitere Zugeständnisse machen soll", sagte er. In den Sondierungsgesprächen hatten Union und SPD vereinbart, den Familiennachzug eng zu begrenzen: auf 1000 Menschen pro Monat. Die SPD will eine weitergehende Härtefallregelung erreichen. CDU und CSU lehnen dies ab. An diesem Donnerstag will der Bundestag über eine Verlängerung der inzwischen zweijährigen Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit geringem Schutzstatus entscheiden.
https://www.sueddeutsche.de/politik/ponta-zu-gescheitertem-referendum-in-rumaenien-ich-habe-meine-lektionen-gelernt-1.1426681
mlsum-de-9578
Hasserfüllte Tiraden, Beschimpfungen, keine Aussicht auf Annäherung: So beurteilten Beobachter jüngst die Lage in Rumänien. Nach dem gescheiterten Referendum mahnen EU-Politiker erst recht zur friedlichen Zusammenarbeit. Doch Premier Ponta scheut die Konfrontation.
Mit einem Anruf sei es nicht getan, sagt Victor Ponta. Natürlich könnte er als Ministerpräsident Rumäniens nach dieser Abstimmung zum Hörer greifen und sich mit dem Staatspräsidenten Traian Basescu verbinden lassen, seinem ärgsten Feind. Und natürlich könnte man sich nach so vielen heftigen Auseinandersetzungen jetzt für die nächsten Monate auf ein friedliches Zusammenwirken verständigen. "Aber es geht nicht um den Anruf", sagt Ponta entschieden, "es geht um das, was man dann tut." Detailansicht öffnen Victor Ponta bei der Volksabstimmung zur Amtsenthebung des rumänischen Staatspräsidenten Traian Basescu. Nach dem Scheitern des Referendums zieht Ponta Bilanz. (Foto: REUTERS) Es sind harte Zeiten, die der 39-jährige Sozialdemokrat gerade erlebt, und eine gewisse Erschöpfung ist ihm durchaus anzumerken. Wochenlang stand er im Zentrum innenpolitischer Parteienkämpfe, die zu einer dramatischen Konfrontation der Institutionen eskaliert sind. Sie gipfelte darin, dass das Parlament mit seiner neuen sozial-liberalen Mehrheit den konservativen Präsidenten Basescu vor drei Wochen seines Amtes enthob. Am Sonntag hatte nun das Volk in einem Referendum darüber zu befinden, ob dies auf Dauer gelten soll. Doch weil die Wahlbeteiligung mit 46,1 Prozent unter der gesetzlichen Schwelle von 50 Prozent blieb, kann der Präsident wohl in der nächsten Woche die Geschäfte wieder aufnehmen. Der sozialdemokratische Parteichef Ponta und sein liberaler Mitstreiter Crin Antonescu haben ihr Ziel verfehlt und müssen nun weiter mit einem höchst versierten und einfallsreichen politischen Gegner Basescu politisch koexistieren. Wie soll das funktionieren? "Ich werde keine weitere Konfronation mit Herrn Basescu suchen" Basescu ließ noch in der Wahlnacht erkennen, dass ihn die starke Abfuhr der Wahlbeteiligten nicht kalt lässt. Nur 12,4 Prozent wollten ihn bei der Volksabstimmung weiter im Amt sehen, die Quittung für harte Etateinsparungen und einen aggressiven politischen Stil. Nur die Sperrklausel hat ihn vor dem Sturz gerettet. Vor seinen Anhängern erklärte er in der Nacht zum Montag, er wolle sich nun für eine Versöhnung in der Gesellschaft einsetzen. "Mir ist bewusst, dass die Rumänen über die Ereignisse der vergangenen Jahre unglücklich sind", sagte der Präsident. "Die Spaltung der Gesellschaft muss beseitigt werden, weil Rumänien all seine Energie für die Integration in die zivilisierte Welt benötigt." Für seinen Gegenspieler Victor Ponta haben diese Worte offenbar kein großes Gewicht. Jedenfalls geht er an diesem Montag in seinem Amtssitz bei einem Gespräch mit sechs Journalisten aus mehreren europäischen Ländern nur kurz darauf ein. "Ich werde keine weitere Konfrontation mit Herrn Basescu suchen", sagt er. "Aus meiner Sicht ist die politische Krise beendet." Seinen Worten ist zu entnehmen, dass ihm gewisse Attacken des Präsidenten durchaus nahe gehen und dass er weiterhin mit dessen Störmanövern rechnet. "Ich werde das nicht beachten", sagt Ponta. "Ich werde nichts erwidern." Also endgültig Stillstand und totale Blockade? "Nein." Dennoch ist es genau das, was viele politische Beobachter jetzt befürchten und was auch Politiker in anderen EU-Ländern und in Brüssel am Montag veranlasste, die Streithähne in Bukarest zur friedlichen Zusammenarbeit zu mahnen. Ein sportlicher Wettkampf, ein faires Kräftemessen und die Bereitschaft zum demokratischen Kompromiss aber sind weder in Rumänien noch in irgendeinem anderen Land des postkommunistischen Kosmos die übliche Verkehrsform der Politik. Sehr häufig hört man hingegen hasserfüllte Tiraden, in denen der politische Gegner auch als persönlicher Feind gebrandmarkt wird. Nicht selten beschimpfen sich Akteure gegenseitig als korrupt und kriminell, als Mafioso und als Betrüger, der in die Kassen des Staates greift. Gerade auch aus Äußerungen Basescus, Pontas und Antonescus konnte man in jüngerer Zeit den Eindruck gewinnen, dass da alle Tischtücher zerschnitten sind und eine Annäherung vorerst aussichtslos erscheint.
https://www.sueddeutsche.de/politik/nach-der-bundestagswahl-petry-kuendigt-austritt-aus-der-afd-an-1.3683988
mlsum-de-9579
Nach ihrem Rückzug aus der AfD-Bundestagsfraktion will Petry auch die Partei und die Fraktion im Sächsischen Landtag verlassen. Ihr Ehemann Marcus Pretzell, AfD-Fraktionschef in Düsseldorf, wird ihr offenbar folgen.
Die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry will aus ihrer Partei austreten. Das bestätigte ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur der Süddeutschen Zeitung. Auf Nachfrage habe Petry am Rande einer Pressekonferenz in Dresden gesagt: "Klar ist, dass dieser Schritt erfolgen wird." Einen genauen Zeitpunkt habe Petry nicht nennen wollen, da parteiintern vor ihrem Austritt noch einiges zu erledigen sei. Zuvor hatte Petry auf der Pressekonferenz bereits angekündigt, dass sie ihr Amt als Fraktionsvorsitzende im sächsischen Landtag aufgeben werde. Damit verliert Petry auch den Landesvorsitz der Partei in Sachsen und somit ihre politische Machtbasis. Auch der Parlamentarische Geschäftsführer Uwe Wurlitzer und die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Kirsten Muster würden ihre Ämter in der Fraktion "mit Ablauf des heutigen Tages" aufgeben, aber weiter ihre Mandate als Einzelabgeordnete behalten, sagte Petry. Grund seien prinzipielle Meinungsunterschiede mit Teilen der Partei, die ihnen eine Fortführung der Arbeit in der Fraktion unmöglich machten. Offenbar keine weiteren "Abtrünnigen" unter AfD-Parlamentarieren im Bund Die 42-Jährige hatte bei der Bundestagswahl am Sonntag ein Direktmandat gewonnen. Am Montag erklärte sie dann überraschend, dass sie der neuen AfD-Bundestagsfraktion nicht angehören wolle. Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen legte ihr daraufhin den Austritt aus der Partei nahe. Zeitgleich mit Petrys Pressekonferenz in Dresden trat in Berlin die neue AfD-Fraktion zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Aus Teilnehmerkreisen hieß es, bis auf Petry seien alle 93 AfD-Bundestagsabgeordneten erschienen. Auf die Frage, ob er mit weiteren "Abtrünnigen" rechne, sagte Spitzenkandidat Alexander Gauland vor Sitzungsbeginn: "Ich hoffe nicht." Alice Weidel, die im Wahlkampf gemeinsam mit ihm das AfD-Spitzenteam gebildet hatte, sagte, bislang seien keine entsprechenden Tendenzen erkennbar. Pretzell verlässt Landtagsfraktion in NRW In Nordrhein-Westfalen kündigte ein weiterer Politiker seinen Austritt an. Marcus Pretzell, Parteichef der NRW-AfD, wird die Fraktion der Partei im Düsseldorfer Landtag und die Partei selbst verlassen. Pretzell habe diese Schritte für die nächste Sitzung angekündigt, bestätigte Michael Schwarzer, AfD-Fraktionssprecher im nordrhein-westfälischen Landtag. Der Welt sagte Pretzell, er sei mit der Fraktion übereingekommen, dass er "zum kommenden Freitag aus der Landtagsfraktion und auch aus der Partei austrete". Der Entschluss beruhe "ausschließlich" auf seiner "nicht sehr optimistischen Einschätzung der Entwicklung der AfD". Der Schritt habe mit der Landtagsfraktion "überhaupt nichts zu tun". Er habe dieser für die "sehr angenehme Zusammenarbeit" gedankt. Nach Angaben der Zeitung will auch der bisherige Vizefraktionschef Alexander Langguth die Fraktion verlassen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/ueberwachung-datenschutzbeauftragte-wirft-bnd-systematische-gesetzesverstoesse-vor-1.3145616
mlsum-de-9580
Der Geheimdienst habe personenbezogene Daten "ohne Rechtsgrundlage" erhoben, schreibt Andrea Voßhoff in einem geheimen Gutachten - und fordert harte Konsequenzen.
"Der BND hat ohne Rechtsgrundlage personenbezogene Daten erhoben und systematisch weiter verwendet." Mit klaren Worten rechnet die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff mit dem deutschen Auslandsnachrichtendienst ab. Auch eine wirkliche Kontrolle sei nicht möglich gewesen, schreibt Voßhoff in einem geheimen Gutachten, das NDR und WDR einsehen konnten und das die Webseite netzpolitik.org nun in voller Länge öffentlich gemacht hat. Das Schriftstück, das auf den März 2016 datiert ist, listet auf 60 Seiten ausführlich auf, wie der BND nach Ansicht der Datenschutzbeauftragten systematisch und regelmäßig gegen Grundrechte verstößt. Unter anderem erhebe der BND mit Hilfe einer Software des US-Geheimdienstes NSA personenbezogene Daten, die für seine Aufgabenerfüllung nicht erforderlich seien, zitieren NDR und WDR aus dem Bericht. So seien beispielsweise zu einer Zielperson "personenbezogene Daten von fünfzehn unbescholtenen Personen erfasst und gespeichert" worden. "Eine umfassende Kontrolle war mir nicht möglich" Zudem habe der Nachrichtendienst keine richtige Überprüfung zugelassen - wie vom Gesetz vorgesehen. "Der BND hat meine Kontrolle rechtswidrig mehrfach massiv beschränkt. Eine umfassende, effiziente Kontrolle war mir daher nicht möglich", schreibt Voßhoff dem Bericht zufolge. Insbesondere bei der Prüfung der umstrittenen Selektorenlisten habe der BND die Arbeit der Beauftragten blockiert. Selektoren sind etwa Telefonnummern oder E-Mail-Adressen, nach denen in Datenbanken gezielt gesucht wird. Sie sind so umstritten, weil der BND viele Selektorenlisten einfach von der NSA übernommen und somit für einen fremden Geheimdienst spioniert haben soll. Voßhoffs Gutachten zufolge soll der BND Selektoren-Anfragen der NSA in zwei Datenbanken verarbeiten, die nutzlos für die Arbeit des deutschen Nachrichtendienstes seien und die der Dienst offenbar auch nicht weiter überprüfe. Das in sich selbst ist ein Verstoß gegen das BND-Gesetz, argumentiert Voßhoff. In der Summe hält die Datenschutzbeauftragte die Gesetzesverstöße für so schwerwiegend, dass der BND wohl weite Teile seiner Telekommunikations-Überwachung in Bad Aibling einstellen müsste. Als Reaktion auf die NSA/BND-Spähaffäre soll die Rechtsgrundlage geändert werden. Ein Gesetzesentwurf ist bereits in den Bundestag eingebracht worden.
https://www.sueddeutsche.de/politik/frauenwahlrecht-merkel-giffey-1.4207828
mlsum-de-9581
Kanzlerin Merkel erinnert in Berlin mit Familienministerin Giffey an die Einführung des Frauenwahlrechts vor 100 Jahren. Da der Frauenanteil im Bundestag nicht höher sei als der im Sudan, sieht sie noch einiges zu tun.
Das mit den weiblichen Gehirnen bringt Franziska Giffey (SPD) regelmäßig in ihren Reden unter. Am Montag aber passte es besonders gut, dass die Bundesfrauenministerin an männliche Überlegungen vom Anfang des 20. Jahrhunderts erinnerte: Manch einer war damals der Meinung, Frauen hätten zu kleine Gehirne für den Gang zur Wahlurne; sie könnten das alles gar nicht richtig erfassen. Genau vor 100 Jahren, am 12. November 1918, wurde die rechtliche Grundlage für das Frauenwahlrecht in Deutschland geschaffen. Bei einem Festakt im Deutschen Historischen Museum in Berlin würdigten Giffey und Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Errungenschaft. "Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen", hieß es vor hundert Jahren im Aufruf des Rates der Volksbeauftragten, drei Tage, nachdem die Republik ausgerufen worden war. "Wir können stolz darauf sein, auch auf das, was sich Frauen seitdem erkämpft haben", sagte Giffey. Sie betonte aber auch, dass es weiterhin viel zu tun gebe. "Heute geht es um gleichen Lohn für gleiche Arbeit, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um die Aufwertung der sozialen Berufe und um den Schutz vor Gewalt." Kritisch äußerte sie sich auch zu den Frauenanteilen in den Parlamenten des Landes, im Bundestag liegt der Anteil derzeit nur noch bei 30,9 Prozent nach 36,5 Prozent in der Legislaturperiode davor. Vor allem in den Fraktionen von AfD und FDP ist der Frauenanteil besonders gering. Auch die Kanzlerin gab zu, dass bei diesem Thema noch einiges im Argen liege. "Das Ziel muss Parität sein, Parität überall", sagte sie. Der Bundestag sei da mit seinen 30,9 Prozent kein Ruhmesblatt ("Das ist genau der Frauenanteil, den auch der Sudan in seinem Parlament hat"); geradezu "schockiert" sei sie zudem über die geringe Zahl von Oberbürgermeisterinnen. Es müsse nachgedacht werden über politische Formate und darüber, wie Frauen schon ganz früh im Prozess als Kandidatinnen aufgestellt werden könnten. Um Frauen voranzubringen, seien auch die Männer gefragt, sagt Merkel Neben der Politik sei aber auch die Wirtschaft noch weit davon entfernt, die Fähigkeiten und Talente von Frauen richtig zu nutzen, sagte Merkel mit Blick auf den nach wie vor geringen Frauenanteil in den Vorständen des Landes. Ebenfalls dabei beim Festakt war die Richterin und ehemalige Hamburger sowie Berliner Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit. Sie hatte mit der "Lex Peschel" einst dafür gesorgt, dass Beamtinnen und Richterinnen sich aus familiären Gründen beurlauben lassen und in Teilzeit arbeiten können, samt Rückkehrrecht. Nun kritisierte Peschel-Gutzeit, dass es ein echtes Rückkehrrecht für alle bis heute in der freien Wirtschaft nicht gebe - trotz des neuen Brückenteilzeitgesetzes, das im kommenden Jahr in Kraft treten soll. "Ich empfinde das als empörend." Die Kanzlerin äußerte ganz grundsätzlich die Meinung, dass man Frauen heute nur dann weiter voranbringen könne, wenn man auch die Männer in den Blick nehme. Immerhin: Kein Mädchen werde heute mehr ausgelacht, wenn es Ministerin oder gar Bundeskanzlerin werden wolle. Was alle weiteren Fortschritte angeht, so äußerte sie die Hoffnung, dass diese nicht "weitere hundert Jahre" auf sich warten lassen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/kampf-ums-weisse-haus-hillary-clinton-tritt-an-1.2432374
mlsum-de-9582
Die Ex-Außenministerin und frühere First Lady verkündet, dass sie zur Präsidentschaftswahl 2016 kandidieren will. Konkurrenz in der eigenen Partei gibt es noch nicht.
Die ehemalige First Lady und Außenministerin Hillary Clinton versucht aufs Neue, die erste Präsidentin in der Geschichte der USA zu werden. Am Sonntagnachmittag (Ortszeit) verkündete sie über Twitter, dass sie zur Wahl im November 2016 antreten wird. Zugleich zeigte ihre Webseite einen ersten Wahlspot. Aus ihrem Umfeld verlautete, dass sie sich für die Mittelschicht, soziale Gerechtigkeit, Frauen und Minderheiten einsetzen wolle. Sie würde damit maßgebliche Teile der Agenda von Präsident Barack Obama beibehalten. Allerdings dürfte sie auch eigene Akzente setzen: So hat sie bereits angedeutet, dass sie in der Außenpolitik interventionistischer vorgehen würde als der Amtsinhaber. Clinton ist 67 Jahre alt, beim möglichen Amtsantritt wäre sie 69. Sie gehört zu den erfahrensten Politikern in Washington überhaupt. Bereits als Frau des 42. Präsidenten Bill Clinton hatte sie erheblich an dessen Politik mitgewirkt. Unter anderem wollte sie eine Gesundheitsreform durchsetzen, die aber an Widerständen im Kongress scheiterte. In den Nullerjahren war Clinton US-Senatorin für den Staat New York, damals stimmte sie im Sinne des damaligen Präsidenten George W. Bush für die Invasion im Irak, was ihr manche Parteifreunde bis heute übel nehmen. Schon im Jahr 2008 hatte Clinton versucht, als erste Frau das Weiße Haus zu erobern. Damals allerdings scheiterte sie während der Vorwahlen der Demokratischen Partei. Ihr einstiger Rivale, der heutige US-Präsident Obama, verpflichtete sie dann von 2009 bis 2013 als Außenministerin. Diesmal muss Clinton allerdings kaum mit ernstzunehmenden Konkurrenten in der eigenen Partei rechnen. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass die Demokraten Clinton im Sommer 2016 zur Kandidatin bestimmen. Anschließend muss sie sich in der Hauptwahl gegen den Kandidaten der Republikaner durchsetzen. Es ist im Augenblick noch nicht absehbar, wer den Wettbewerb um die republikanische Nominierung gewinnt; es wird mit bis zu einem Dutzend rechter Kandidaten gerechnet. Clinton und ihre Berater sind offenbar entschlossen, aus den Fehlern während der gescheiterten Bewerbung 2008 zu lernen. Damals wirkte sie künstlich und abgehoben. Jetzt will sie sich volksnah geben. Im Wahlvideo liegt ein Fokus auf den Familien: "Wenn die Familien stark sind, ist Amerika stark", sagt Clinton darin. Auf ihre Ankündigung vom Sonntag soll in den kommenden Tagen eine Reise nach Iowa und New Hampshire folgen, dort in der Provinz finden Anfang 2016 die ersten beiden Vorwahlen statt. Wie aus ihrer Wahlkampfzentrale in Brooklyn verlautete, möchte Clinton erst einmal zuhören, bevor sie ein detailliertes Programm vorstellt. Anders als 2007 und 2008 soll ihr Ehemann Bill diesmal mehr im Hintergrund wirken. Republikanische Politiker kritisierten Clinton am Sonntag noch vor der Erklärung zur Kandidatur. Sie habe die Agenda Obamas im Inneren wie im Äußeren unterstützt und damit Staatsschulden angehäuft und Verbündete brüskiert, erklärte Jeb Bush, mutmaßlicher Bewerber für das Weiße Haus. Obama hingegen stellte sich hinter sie und sagte, sie wäre eine "ausgezeichnete Präsidentin".
https://www.sueddeutsche.de/politik/dokumente-die-macht-der-bilder-1.2468122
mlsum-de-9583
Zahlreiche bekannte Fotografen begleiteten auf alliierter Seite die letzten Kriegsmonate: über die Fotos dieser Ausgabe.
Schon früh gab es in den USA und Großbritannien die Überlegung, im Krieg gegen Deutschland auch Fotoreporter an die Front zu schicken, um den Terror und die Zerstörung für immer festzuhalten. Die Bilder in dieser Beilage stammen alle aus dem Jahr 1945 und von Fotografen, die mit ihren vielfach publizierten Aufnahmen berühmt geworden sind. Robert Capa, David E. Scherman, Lee Miller, Margaret Bourke-White oder Henri Cartier-Bresson - sie alle verband das Bewusstsein, dem größten Menschheitsdrama der Geschichte beizuwohnen. Auftraggeber der Fotografen waren oft die großen Publikumsmagazine wie Life, manchmal auch das Militär selbst, und das Ziel war klar: den Menschen auf der ganzen Welt durch die Macht der Bilder die Augen dafür zu öffnen, was Nazi-Deutschland in Europa angerichtet hatte. Das Ausmaß der Tragödie war auch für erfahrene Kriegsreporter wie Robert Capa, der bereits den spanischen Bürgerkrieg miterlebt hatte, nur schwer zu ertragen, die Arbeit war oft lebensgefährlich. Was die Fotografen auf ihren Reisen entlang der Frontlinien sahen, hielten sie in Tausenden Fotos fest: die Befreiung der Konzentrationslager mit den ausgemergelten Überlebenden und den unzähligen Toten; die zerbombten Städte und die verzweifelten Menschen, die alles verloren hatten; die letzten Tage im umkämpften Berlin; die Siegesfeiern in den europäischen Hauptstädten; die Kriegsgefangenen auf dem Weg in die Lager; die Frauen, die in den Trümmern ihre Kinder versorgen; die NS-Kriegsverbrecher bei den Nürnberger Prozessen. Von ihrer großen emotionalen Wucht haben die Bilder des Jahres 1945 auch 70 Jahre nach ihrer Entstehung nichts verloren. "1945. Ikonen eines Jahres"; zusammengestellt von Lothar Schirmer, mit einem Einführungstext von Norbert Frei; Schirmer/Mosel, 2015
https://www.sueddeutsche.de/politik/muslime-tritt-mit-der-schuhsohle-1.3355957
mlsum-de-9584
Der US-Präsident will offensichtlich keine Muslime im Land haben. Islamistische Terroristen hätten sich keine bessere Propaganda ausdenken können.
Als Barack Obama für das Präsidentenamt kandidierte, kündigte er an, die Beziehungen zu muslimisch geprägten Ländern zu verbessern. Die Wahrnehmung der USA in der arabischen Welt war tatsächlich an einem Tiefpunkt angelangt. Der auf Lügen gebaute Krieg im Irak, der Verrat der eigenen Ideale durch den Folterskandal von Abu Ghraib, die tausendfachen Demütigungen, befeuert durch die Kreuzfahrer-Rhetorik mancher Regierungsmitglieder - all das wurde in der Region als kollektive Herabwürdigung der Muslime empfunden. Der Schuhwurf gegen George W. Bush in Bagdad drückte diese Erniedrigung aus. Obama setzte mit seiner Rede in Kairo kurz nach Amtsantritt einen neuen Ton. Er rief zu mehr Verständnis auf, zu mehr Zusammenarbeit beim Kampf gegen Extremismus und Terror. Er zitierte den Koran und listete Errungenschaften der Muslime auf, die auch zur westlichen Kultur beitrugen. Zugleich warb er für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die Gleichstellung von Mann und Frau und die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz. Zumindest öffentlich wollte Obama neu anfangen. Radikale Gruppen wie al-Qaida und auch etliche Islamisten zeigten sich erwartungsgemäß unbeeindruckt, die große Mehrheit der Muslime aber nahm die Botschaft mit Wohlwollen und Erleichterung auf. Donald Trump unternimmt in der ersten Woche seiner Präsidentschaft alles, um die Bemühungen seines Vorgängers zunichte zu machen. Er tut dies nicht aus Inkompetenz oder Ignoranz, er arbeitet gezielt, getrieben von Beratern, die den Islam als Ideologie verunglimpfen und ihre rassistische Klientel bedienen. Rudy Giuliani, bei der Zusammenstellung des Kabinetts durchgefallen, hat in seiner Eitelkeit die wahren Motive offenbart: Trump habe ihn aufgefordert, einen legalen Weg hin zum Bann gegen Muslime zu finden, prahlte er vor laufenden Kameras. Beiden Männern war klar, dass die Idee nicht mit der Verfassung zu vereinbaren ist. Also suchte man nach Möglichkeiten, sie zu umgehen. Da war es nur praktisch, dass die Obama-Regierung eine noch strengere Prüfung der Visa-Bewerbungen aus den sieben betroffenen Ländern angekündigt hatte. Trumps Reise-Verbot ist eine Kampfansage an den Islam In der muslimischen Welt kommt die Botschaft im Original an: Ihr seid nicht erwünscht, egal ob ihr gesetzestreue Bürger seid, ob ihr die Werte und die Verfassung der USA achtet oder nicht. Es ist egal, was ihr für das Land geleistet habt, das in seiner Diversität bisher eine Stärke sah. Es zählt nicht einmal, wenn ihr euer Leben für US-Soldaten im Irak riskiert habt. Das alles hilft Extremisten und Terroristen. Al-Qaida und der "Islamische Staat" prophezeien ja schon länger einen apokalyptischen Kampf zwischen dem Westen und den Muslimen. Sie versuchen, Muslime glauben zu machen, dass sie niemals ein gottgefälliges und gleichberechtigtes Leben in westlichen Gesellschaften werden führen können. Auf ein besseres Geschenk hätten sie nicht hoffen können, ihre Propaganda kommt nun mit Belegen daher. Noch immer ist Obamas Erkenntnis wahr: Nur gemeinsam mit den Muslimen, mit den Arabern, kann es gelingen, dschihadistischem Terrorismus und Extremismus zu beenden. Die übergroße Mehrheit der Muslime stellt sich Terroristen entgegen; es sind vor allem Muslime, die Opfer ihrer Taten werden. Europa muss diesen Menschen zeigen, dass sie nicht wegen ihrer Religion und Herkunft diskriminiert werden. Es sind die Grundsätze der Toleranz und der religiösen wie weltanschaulichen Offenheit, die Amerika bei all seinen Fehlern groß gemacht haben. Nun ist die Gefahr groß, dass Trump nicht nur diese Grundsätze verrät, sondern ganz konkret die Sicherheit der USA schwächt. Daraus erwächst tatsächlich eine Bedrohung für alle westlichen Gesellschaften.
https://www.sueddeutsche.de/reise/sambia-go-hard-or-go-home-1.592686
mlsum-de-9585
Höllenritt auf den Stromschnellen des Sambesi: Unterhalb der Victoriafälle wartet eine der wildesten Rafting-Touren der Welt.
Ein paar hundert Meter flussaufwärts stürzen die Victoriafälle spektakulär über 100 Meter in die Tiefe. Die donnernden Wassermassen tauchen alles im Umfeld in einen feinen Sprühnebel, der schon von weitem als weiße Wolke am Horizont zu erkennen ist. Am Fuß der Wasserwand hat sich im Laufe der Jahrhunderte eine schmale, tiefe Schlucht in den Fels gegraben, durch die der aufgewühlte Sambesi schäumend hindurchbrodelt. White Water Rafting direkt unterhalb der Victoriafälle gilt Adrenalin-Junkies als eines der aufregendsten Afrika-Abenteuer überhaupt. Der Wildwassertrip zählt zu den anspruchsvollsten auch für Amateure zugänglichen Rafting-Touren der Welt - Stufe 5 ("äußerst schwierig") auf der internationalen Skala, die von 1 bis 6 reicht. "Great Adventure" verspricht denn auch Vincent, der Rafting-Guide, der uns abenteuerlustige Touris durch die schäumende Hexenküche manövrieren soll. Ein Versprechen - oder doch eher eine Warnung? Die Stromschnellen jedenfalls haben wenig beruhigende Namen wie "Washing Machine", "Doube Trouble" oder "Commercial Suicide". Und ganz ungefährlich ist das Abenteuer tatsächlich nicht: Immer wieder ertrinken bei den Rafting-Touren auch Menschen. Die Schwimmweste und der Helm, in die wir uns vor dem Start zwängen, geben nur ein mäßiges Gefühl der Sicherheit. Dass das Ganze nichts für Weicheier ist, lässt Rafting-Guide Vincent die Truppe auch gleich von Anfang spüren. Wie ein Drill Instructor der US-Armee scheucht das 100 Kilo-Muskelpaket uns durch das Einweisungstraining, lässt immer wieder die Aktionen wiederholen, die uns später durch die Stromschnellen bringen sollen. Selbst das Kentern wird ausgiebig geübt: Vincents Motto: "Go hard or go home." Wie sinnvoll dieses Training war, zeigt sich schon bei der ersten Stromschnelle. Wie eine Wand kommen die schäumenden Wassermassen auf das Schlauchboot zu und begraben es fast unter sich. "In den Fängen des Flussgottes Njaminjami" nennen die Einheimischen diesen Abschnitt - und man weiß, was gemeint ist. Jetzt heißt es nur noch: Nicht kentern und nicht aus dem Boot fallen! Nach dem zweiten Strudel fehlen dann tatsächlich zwei Mann im Boot, die Wellen haben sie rausgespült. Das Muskelpaket Vincent fischt sie wieder aus dem Fluss. Und schon geht es weiter, Schlag auf Schlag. Insgesamt 18 Stromschnellen müssen auf der 24 Kilometer langen Tagesstrecke bewältigt werden. Und bei der letzten von ihnen - "Oblivion" - passiert es dann doch noch: Eine kräftige Welle lässt das Boot kippen, es schlägt einen Salto und alle Insassen finden sich plötzlich unter dem umgekippten Boot im schäumenden Wasser wieder. Nach der ersten Schrecksekunde und einigen kräftigen Schlucken Wasser in der Lunge läuft das am Morgen eingeübte Programm dann tatsächlich wie am Schnürchen: Innerhalb kürzester Zeit ist das Boot umgedreht und alle Insassen sitzen wieder drin. Für's erste ist das aber dann wirklich genug Abenteuer - zumindest für uns. Das zweite Highlight für Adrenalinjunkies an den Victoriafällen betrachten wir tags darauf nur als Zaungäste: Bungee Jumping von der Eisenbahnbrücke über die Zambezi-Schlucht. Genau 111 Meter kann man sich von der Brücke, die den Grenzübergang von Zimbabwe nach Sambia markiert, am Gummiseil in die Tiefe stürzen. Der zweithöchste Bungee Jump der Welt. Und mit welch einer Aussicht: Unten brodelt die Gischt des "Boiling Pot", gegen den die Raftingboote ankämpfen. Aber dieser Ausblick ist uns auch ohne Sprung in die Tiefe aufregend genug. Rafting-Touren auf dem Sambesi und Bungee Jumping bietet z.B. an Safari Par Excellence Victoria Falls Adventure Centre, Pumula Centre, Parkway, Victoria Falls Telephone: +44 1548 83 00 59, Fax: +44 870 094 18 8, E-mail: [email protected]. Kosten: ca. 110 US$ für eine Rafting-Tagestour, ca. 90 US$ für einen Bungee Jump
https://www.sueddeutsche.de/sport/hsv-sieg-gegen-bvb-superman-zeigt-es-batman-1.2748127
mlsum-de-9586
Pierre-Michel Lasogga und der Hamburger SV zerstören die Hoffnung, dass Dortmund wieder zu einem echten Rivalen für den FC Bayern heranwachsen könnte. Das schlimmste BVB-Missgeschick passiert Mats Hummels.
Die von vielen herbeigewünschte "Normalität" begann um 20.49 Uhr. Da endlich pfiff Schiedsrichter Felix Zwayer die erste Bundesliga-Partie nach dem Pariser Terror-Anschlag zwischen dem Hamburger SV und Borussia Dortmund an. 19 Minuten später als angesetzt, weil wegen der vermehrten Kontrollen noch längst nicht alle der 57 000 Zuschauer ihre Plätze im Volksparkstadion eingenommen hatten. Sogar Uwe Seeler wurde abgetastet. Doch sportlich konnte nach dem Spiel nicht mehr von Normalität gesprochen werden. Denn die Mannschaft des HSV tanzte zusammen mit Maskottchen Hermann, dem Dino, zehn Minuten lang vor der Fantribüne, um ihren 3:1-Sieg gegen Borussia Dortmund zu zelebrieren. Es war, wie Trainer Bruno Labaddia zusammenfasste, "ein Freudentag für den HSV". Und das, obwohl alles mit einer doppelten Schweigeminute für die Opfer von Paris sowie den kürzlich verstorbenen Hanseaten Helmut Schmidt begonnen hatte. Man kennt das ja von Beerdigungen, bei denen nach der Trauer der Frohsinn wieder hochkommt. Was die Hamburger nach düsteren Stunden in Partylaune versetzte, wird den Rest der Bundesliga nicht unbedingt jubeln lassen. Die kleine Hoffnung, dass mit der Borussia doch noch ein echter Rivale für den übermächtigen FC Bayern heranwachsen könnte, wurde am Freitagabend zunächst einmal zerstört. Tuchel hofft: "Vielleicht ist das heilsam." BVB-Coach Thomas Tuchel, der im Sommer fast beim HSV gelandet wäre, ehe das Angebot aus Dortmund kam, war entsetzt über die Vorstellung seines Teams. Schon am Spielfeldrand hatte man seine Verzweiflung sehen können. Immer wieder ruderte er mit seinen Armen, bevor er sich resignativ auf die Bank setzte. Später sagte er: "Wir waren von der ersten Sekunde an nicht bereit, das Spiel zu spielen." Man sei 45 Minuten lang hinter den eigenen Ansprüchen zurückgeblieben. Die kleine Leistungssteigerung nach der Pause habe nichts mehr genützt, weil der HSV längst zu viel Rückenwind hatte und nicht nur Leidenschaft zeigte, sondern mit seinen drei Sechsern Gojko Kacar, Gideon Jung und Lewis Holtby auch meistens eine gute Ordnung hatte, bis Kacar und Holtby mit Krämpfen ausgewechselt wurden. "Vielleicht", sagte der ernüchterte Tuchel, "ist das gut und heilsam." Vielleicht sei es lehrreich, "es sofort zu spüren". Nämlich, was passiere, wenn man nicht alles abrufe. Torwart Roman Bürki hatte etwa "Freude und Mut" vermisst in seinem Team. Und das zog sich vom rechten Verteidiger Matthias Ginter über Kapitän Mats Hummels hin bis zu Shinji Kagawa und den ebenfalls restlos enttäuschenden Marco Reus.
https://www.sueddeutsche.de/sport/olympia-gegner-verzweifeln-an-michael-phelps-1.3118586
mlsum-de-9587
Der große Konkurrent Ryan Lochte scheitert bei dem Versuch, den Überschwimmer zu besiegen. Sogar seine Haare verfärben sich im Wasser.
Michael Phelps litt. Er setzte sich nicht auf die Leine wie bei seinem letzten Olympiasieg vor ein paar Tagen, er versuchte erstmal nur, nicht unterzugehen. Dann ließ er sich rücklings mit den Füßen voran zu den Stufen treiben, und dass er sich tatsächlich noch aus dem Wasser hieven konnte, hätte man ihm fast nicht mehr zugetraut. Er hatte Gold über 200 Meter Lagen gewonnen, aber Michael Phelps war fertig. Richtig kaputt. Die Beine trugen ihn kaum noch, den erfolgreichsten Olympioniken überhaupt, "my body is in pain", sagte er später, ja es tat weh. Dieses Rennen am Donnerstagabend in Rio de Janeiro war ein besonderes in diesen Tagen: Gegen Ryan Lochte, seinen Dauerrivalen über all die Jahre Leistungssport schwamm er nun zum letzten Mal. Gold für Phelps, mal wieder, doch der große Zweikampf war es nicht mehr: Ryan Lochte schwamm nur auf Rang fünf, für Kosuke Hagino aus Japan und Whang Shun aus China gab es Silber und Bronze. Der abgekämpfte Lochte war spürbar enttäuscht. Mit seinen blauen Haaren stand er unten im Bauch des Aquatics Stadion und sah ein bisschen aus wie ein trauriger Besucher einer Technoparade. Wobei nicht so ganz klar war, ob das nun blau oder grün ist auf seinem Kopf, auf jeden Fall hatten seine Haare eine Farbe angenommen, die sie vor seinem ersten Sprung ins olympische Becken noch nicht besaßen. Mit platinblonden bis eisgrauen Haaren war er nach Rio gekommen, er selbst nannte das "light-blue-greyish", frisch zugelegt für die Spiele. Friseure und andere Haarfarbspezialisten wissen natürlich, was das bei blondierten Haaren bedeutet: Im Chlor gibt's eine böse Überraschung. So tauchte Lochte nach seinem Einsatz in der 4x200-Meter-Staffel mit verfärbtem Haupt auf den Siegerfotos auf. Doch der Mann, der sich einst beim Breakdance den Meniskus riss, der sich auch mal den Knöchel verstauchte als er seinem Hund hinterherlief oder beim Griff nach dem Handy an der Leiste verletzte, der kann Häme schon ab. Aber diese Niederlage schmerzte ihn, er litt wie Phelps. Nur viel, viel länger. Das Wichtigste zu Olympia 2016 in Rio "Ich habe mich am Anfang gut gefühlt und mitgehalten", sagte Lochte, aber dann sei es eben immer härter geworden und so traf ihn das, was Schwimmern droht: Er brach ein. Die Kraft verließ ihn, die anderen zogen vorbei. Ob er überrascht sei, dass Michael Phelps noch immer so stark sei, auch nach seinem Comeback? "Bei Michael wundert mich nichts mehr", sagte Lochte, er erkannte die Niederlage schnell an. "Alles, was er im Schwimmen geschafft hat, hat er verdient. Ich weiß, dass er unglaublich hart arbeitet." Seit zwölf Jahren schon schwimmt er gegen Michael Phelps, was ungefähr so aussichtsreich ist wie gegen Usain Bolt auf die Tartanbahn zu gehen. Nur einmal konnte Lochte seinen Teamkollegen bei einem großen Event schlagen: 2011 bei der WM in Shanghai, zwei Jahre zuvor hatte er Phelps' Weltrekord geknackt, Lochtes Bestmarke hat bis heute Bestand. In seinem Sport wäre Lochte heute der Größte, mit zwölf Medaillen, davon sechs goldenen - gäbe es nicht diesen Phelps, mit dem er in Rio sogar ein Appartement teilt. Der hat nun 26 Medaillen, davon 22 goldene. Phelps steigt nochmal ins Wasser "Meine Karriere wäre definitiv eine andere ohne ihn", sagte Lochte noch, er weiß, dass er ohne den Dauerkonkurrenten aus Baltimore der Phelps seines Sports wäre. Gleichzeitig liebt er die Wettkämpfe gegen ihn, "deshalb schwimme ich die Rennen, um mich mit ihm zu messen". Auch Michael Phelps sagt: "Wir treiben uns gegenseitig an." Und als er um 1.00 Uhr Nachts mal wieder auf der Pressekonferenz der Sieger saß, sagte er: "Ryan ist wie ein großer Bruder für mich." Dabei ist der ja gerade mal ein Jahr älter. Eigentlich war Phelps vor vier Jahren zurückgetreten. Doch seine Gegner werden ihn einfach nicht los. Selbst als Michael Phelps im vergangenen Jahr die WM verpasste, weil er wegen Alkohol am Steuer vom Verband gesperrt worden war, schwamm er schneller als der Weltmeister. Der Ungar Lazlo Cseh schnappte sich Gold über 200 Meter Schmetterling, zeitgleich knackte Phelps bei den US-Meisterschaften in San Antonio in 1:52,94 Minuten seine Zeit. Er ist präsent, wenn er gar nicht da ist. Es wäre kein Wunder, wenn er sich nach seiner Karriere noch mit Bestzeit aus dem Pool im eigenen Garten melden würde. Er ist einer, der Unglaubliches tut und so kam es am Donnerstagabend, dass Phelps tatsächlich noch einmal auf den Startblock stieg. Dieser 31-Jährige plumpste danach nicht einfach entkräftet ins Wasser, er wurde insgesamt Fünfter und steht nun im Finale über 100 Meter Schmetterling. Ryan Lochte war zu diesem Zeitpunkt schon längst beim Ausschwimmen. Nach seinem Rennen hatte er Phelps aber noch eine Nachricht aufs Smartphone geschickt, verriet der Sieger weiter. "Da wären mir fast die Tränen gekommen." Die Botschaft verriet er nicht.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/messebranche-einfach-beliebt-1.3290878
mlsum-de-9588
Die Messeunternehmen freuen sich über ein gutes Jahr. Um für Besucher interessant zu bleiben, setzen sie künftig noch stärker auf digitale Themen.
Eine Messe kann für den Besucher ein ganz schöner Schlauch sein. Er muss lange Wege in geschlossenen Hallen ohne frische Luft in Kauf nehmen, möglichst viele Gespräche führen und neue Kontakte knüpfen. Nach dem Essen mit Geschäftspartnern geht es für eine kurze Nacht ins Hotelbett, das während der Messezeit meist teurer als sonst angeboten wird. Aber diese Strapazen scheinen sich für immer mehr Geschäftsleute zu lohnen. Denn zehn Millionen Einkäufer reisten in diesem Jahr zu den deutschen Messeplätzen. Jeder vierte davon kam aus dem Ausland, nahm also eine lange Anreise in Kauf, um Kontakte anzubahnen oder gleich Waren und Maschinen zu bestellen. Die große Zahl der Messebesucher ist einer einmaligen Konstellation und Konzentration von Ausstellungen in Deutschland geschuldet. Auf dem Messegelände in Hannover können so viele Maschinen und Anlagen aufgestellt werden wie sonst nirgendwo. Außerdem wetteifern die Messen in München, Nürnberg, Berlin, Frankfurt, Köln, Düsseldorf und Hannover um die besten Marktplätze. Sie spezialisieren sich von Jahr zu Jahr und stecken viel Geld in den Bau neuer Hallen und neue Technik. In vielen Bereichen und Branchen werden in Deutschland die führenden Messen veranstaltet. Die Veranstalter profitieren nicht nur von der guten Konjunktur in Deutschland, der Exportlastigkeit der hiesigen Wirtschaft und dem immer schnelleren Takt des globalen Handels. Sie zeigen auch ein geschicktes Talent zum Organisieren neuer Treffpunkte. Außerdem spielt ihnen der Niedergang der südeuropäischen Konkurrenz in die Hände. Zum Beispiel finden die größten italienischen Messen, wenn man die Zahl der Aussteller als Maßstab nimmt, in Deutschland statt. "2016 wird das beste Jahr für die deutschen Messen", sagt Roland Fleck, Geschäftsführer der Messe Nürnberg. "Wir spielen in der ersten Liga ganz vorn und haben eine vernünftige Mannschaftsleistung abgeliefert", bestätigt Wolfgang Marzin, Chef der Messe Frankfurt. Kein Wunder, mit einem Umsatz von 648 Millionen Euro im Jahr 2015 rangiert Frankfurt an der Spitze der deutschen Messegesellschaften. Die Mannschaft um Marzin macht mehr als ein Drittel des Geschäfts im Ausland, denn wenn eine Leitmesse in Deutschland gut läuft, lässt sie sich häufig in anderen Ländern kopieren. Weil man im Ausland Hallen und Gelände nur mietet, fällt sogar ein deutlich höherer Gewinn ab. Davon leben auch die Messe-Eigentümer, die Stadt Frankfurt und das Land Hessen, gut, nämlich von einer jährlichen Ausschüttung von 13 Millionen Euro. Die Veranstaltungen im Ausland helfen auch, die Schwankungen des Messegeschäfts auszugleichen, die sich durch den Zyklus von zwei oder drei Jahren für große Ausstellungen wie die IAA ergeben. Nur virtuelle Treffen sind bislang nicht erwünscht Die Messen in München und Düsseldorf wollen in diesem Jahr jeweils mehr als 400 Millionen Euro umsetzen und damit deutlich aufholen. Die meist im Besitz von Stadt und Land liegenden Messegesellschaften müssen ungeachtet der aktuellen Erfolge weiter auf die Tube drücken und sich dem technischen Wandel stellen. Immerhin hat das Internet bisher nicht dazu geführt, dass die Besucher wegbleiben und alles per Computer erledigen. Eine Entwicklung, wie sie die Warenhäuser mit Amazon erleben, eine Abwanderung der Kundschaft ins Netz, ist den Messen erspart geblieben. Noch scheinen rein virtuelle Treffen zwischen Lieferant und Kunde nicht erwünscht zu sein. Gleichwohl müssen sich die Messegesellschaften etwas einfallen lassen, um ihre Aussteller und ihre Kunden auch zufriedenzustellen. Klar ist, dass Aussteller und Besucher ihre Beteiligungen an den Messen schon heute digital buchen, dass immer mehr Daten über Produkte, Marktentwicklungen, Motive, Entscheidungen gesammelt und ausgewertet werden. "Das Thema hält uns auf Trab", meint Uwe Behm, Geschäftsführer der Messe Frankfurt. Außerdem müssen die Messegesellschaften in ihren Hallen mehr Technik bieten, ob mit 3-D-Simulationen, Datenbrillen oder neuen Modellen für Präsentationen. Die Digitalisierung - Stichwort Industrie 4.0 - zieht sich durch alle Messethemen. Die Hannover-Messe hat sich auf die digitale Vernetzung der Produktion konzentriert und damit die Erosion der Industrieschau früherer Jahre aufgehalten. Auch die Druckmaschinenmesse Drupa vollzog den Wandel von der analogen Technik zum Digitalen mit Erfolg. Digitale Inhalte tragen neuerdings auch ganze Messen wie die Computerspielmesse Gamescom in Köln oder eine mögliche Drohnenmesse in Nürnberg. Neben der Digitalisierung findet auch eine Konzentration auf sogenannte Leitmessen statt. Zum Beispiel im Automobilbereich auf die führenden Messen in Frankfurt, Genf, Paris und Detroit. Kleinere Veranstaltungen - im Fachjargon B- und C-Messen genannt - rollen buchstäblich aus den Hallen hinaus. Sie sollen auf Rennstrecken stattfinden. Dort sollen die Autos gefahren und emotional besser vermittelt werden. Bewegung statt Stillstand heißt also das Motto für die deutsche Messewirtschaft, mag sie aktuell auch in hellem Licht erscheinen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/formel-1-zurueck-auf-crashkurs-1.2995469
mlsum-de-9589
Der Nichtangriffspakt zwischen den beiden Mercedes-Fahrern Nico Rosberg und Lewis Hamilton endet mit einem mächtigen Knall, auf den viel Knatsch folgt.
Einem Mercedes-Vorstandsmitglied das Sch-Wort an den Lippen ablesen zu können, das sagt schon einiges aus über das, was da beim Europa-Auftakt der Formel 1 passiert ist. Wenn nach nur drei Kurven in einem 66 Runden langen Grand Prix die beiden Führenden Nico Rosberg und Lewis Hamilton im Kiesbett stehen, weil sie sich gegenseitig aus dem Rennen gekegelt haben, dann lässt sich das aber auch kaum treffender ausdrücken, als es Augenzeuge Thomas Weber, der als Entwicklungschef in Stuttgart-Untertürkheim auch für die Motorsportmannschaft verantwortlich ist, in der Boxengarage tat. Daimler-Boss Dieter Zetsche trat noch vor der Krisensitzung am Circuit de Catalunya die Heimreise an, mit den Worten: "Wir lassen die beiden frei gegeneinander fahren, ein Unfall ist das Einzige, was sie vermeiden müssen - jetzt ist es passiert." Und wie. ‹ › Crash in der ersten Runde: Lewis Hamilton (links) und Nico Rosberg scheiden aus. Bild: imago/LAT Photographic ‹ › Sah schon mal glücklicher aus: Nico Rosberg nach dem Zusammenstoß mit seinem Teamkollegen und Rivalen. Bild: imago/LAT Photographic ‹ › Demoliert: der Mercedes von Lewis Hamilton. Bild: Clive Mason/Getty Images Wird geladen ... Zum zweiten Mal nach Spa im Spätsommer 2014, wo Rosberg der Unfallverursacher war. Seither war das Gentlemen's Agreement, sich unter Teamkollegen nicht über Gebühr zu attackieren, eingehalten worden. Natürlich bröckelte es immer wieder mal, das liegt in der Natur des Motorsports und der beteiligten Charaktere. Meistens hatte Rosberg nachgegeben, zuletzt bei Hamiltons vorzeitigem Titelgewinn im vergangenem Jahr in Austin. Seither hat sich der Wiesbadener verändert, nicht nur, weil er sieben Rennen in Serie gewinnen konnte. Rosberg ist nicht mehr bereit nachzugeben. Deshalb passen die Geschehnisse von Barcelona ins Bild und führen dazu, dass sich beim Weltmeisterrennstall mehr denn je die Vertrauensfrage stellt. Denn Hamilton versucht nach den technischen Problemen in den ersten Rennen jetzt mit der Macht der Verzweiflung, die Chance auf den Titelgewinn aufrechtzuerhalten. Diese Ansichten und Fahrweisen prallten vor Kurve vier aufeinander. 17 Minuten lang, während Max Verstappen auf der Piste schon auf dem Weg zu seinem Triumph war, diskutierten die Fahrer, die Rennstallchefs Toto Wolff und Paddy Lowe, Vorstand Weber und Teamaufsichtsrat Niki Lauda die Video- und Datenaufzeichnungen. Sehr kontrovers offenbar. Passiert war das: Rosberg hatte vor der ersten Kurve den Windschatten Hamiltons perfekt genutzt und war außen in Führung gegangen. Nach der dritten Kurve aber waren beide wieder gleichauf, zwischen den beiden Silberpfeilen herrschte plötzlich ein gewaltiger Geschwindigkeitsunterschied. Der rührte daher, dass sich Rosbergs Motor in einem falschen Modus befand, und deshalb mehr als 100 PS an Leistung verlor. Alles Hantieren am Lenkrad nutzte da nichts, es handelte sich wohl um ein Softwareproblem. Jedenfalls tat sich vor Hamilton eine Lücke auf, in die er von innen stoßen wollte, schon mit zwei Rädern auf dem Grünstreifen. Das verhinderte Rosberg durch einen Schlenker nach innen, im Rennfahrerjargon "Tür zumachen" genannt, worauf Hamilton auf dem Gras die Kontrolle über sein Auto verlor, in Rosbergs Wagen krachte und beide von der Strecke kreiselten. ‹ › Nico Rosberg, 30: "Da Lewis aufschloss, entschied ich mich, so schnell wie möglich deutlich nach rechts zu ziehen. So wollte ich ihm zeigen, dass dies keine Option darstellte. Ich war sehr überrascht, dass Lewis es trotzdem innen versuchte. Im nächsten Moment standen wir im Kiesbett." Bild: L. Gene/AFP ‹ › Lewis Hamilton, 31: "Die Lücke war da. Und als Rennfahrer versucht man dann, sie zu nutzen. Wir haben gesehen, was danach passiert ist. Als ich im Kiesbett stand, hatte ich nur einen Gedanken: Wie leid es mir für das Team tat." Bild: M. Thompson/Getty Images Wird geladen ... Lewis Hamilton, der von Niki Lauda spontan als Übeltäter gegeißelt wurde ("Inakzeptabel, sich von der Strecke zu rammen"), entschuldigte sich umgehend - allerdings nur beim Team, nicht bei Rosberg. Die Streckenkommissare entscheiden später auf einen normalen Renn- zwischenfall. Mit dem salomonischen Spruch kann sich auch Teamchef Toto Wolff anfreunden: "Wir sind in einer schwierigen Situation für das Team, da ist nicht einem die Schuld zuzuschieben." Dennoch will er auch künftig keine Stallorder verhängen: "Es waren unglückliche Umstände. Ich glaube, das ist eine weitere Möglichkeit für uns zu zeigen, dass wir als Team schwierige Situationen hinter uns lassen können." Die britischen Zeitungen brachten das etwas weniger zurückhaltend auf den Punkt: "Es herrscht wieder Krieg", hieß dort der Tenor. Zugeben ist das eine, einsehen das andere. Mimik und Gestik der beiden Gegenspieler weisen schon in Barcelona auf diesen entscheidenden Unterschied hin. Es ist anzunehmen, das vor dem nächsten Rennen am 29. Mai, ausgerechnet im ohnehin unfallträchtigen Monte Carlo, eine weitere Aussprache folgen wird. Schon in der Winterpause hatte Toto Wolff mit personellen Konsequenzen gedroht, falls die schlechte Stimmung zwischen den beiden aufs ganze Team übergreifen und die gemeinsamen Ziele gefährden würde. In Barcelona war die erhöhte Spannung schon samstags zu spüren, als Hamilton die Rennwageneinstellungen von Rosberg übernommen und ihn damit im Kampf um die Poleposition geschlagen hatte. Die Ausgangslage hat sich sogar noch verschärft, denn Rosberg kann mit seinen 43 Punkten Vorsprung den Ausfall tendenziell besser verkraften, auch wenn er am Sonntag befand, dass er sich nach dem Vorfall "zerstört" fühle. Teamchef Toto Wolff will öffentlich nicht beurteilen, ob das generell schwierige Verhältnis zwischen seinen Chauffeuren Crash-entscheidend war: "Im Unterbewusstsein vielleicht. Aber ich bin nicht Dr. Freud." Die Aussagen der beiden zeigen jedoch, wie gewaltig der Haussegen schon wieder schief hängt. Rosberg: "Ich habe Lewis früh genug und klar angedeutet, dass Überholen da keinen Sinn macht." Hamilton: "Zu dem Zeitpunkt gab es kein Zurück mehr für mich."
https://www.sueddeutsche.de/auto/bmw-3er-reihe-der-mut-zur-sanften-veraenderung-1.559136
mlsum-de-9590
Zu Preisen von 45 400 Mark an aufwärts gibt es reichlich neue Technik im bewährten Kleid
(SZ vom 21.02.1998) Den Nachfolger für ein erfolgreiches Auto auf die Räder zu stellen, ist eine der schwierigsten Aufgaben für Ingenieure und Designer. Eine Gratwanderung, auf der sie nicht ausrutschen sollten. Einerseits gilt es die Eigenschaften, die den Vorgänger zu einem millionenfach verkauften Auto gemacht haben, zu bewahren - andererseits geht es hinab ins Tal der Träume, wo technische Neuheiten und stilistische Experimente wahr werden könnten. Wird das neue Auto dem alten zu ähnlich, gibt es wenig Kaufanreize, wird es zu futuristisch, könnte man die angestammte Klientel verprellen. Ein Problem, das BMW auch für die neue 3er-Reihe zu lösen hatte: Herausgekommen ist ein Auto, das auf den ersten Blick keinen Überraschungseffekt erzielt, da es sich vom alten 3er nur wenig unterscheidet. Mit dem idealen Familiengesicht BMW hat den Weg der behutsamen Veränderung aber ganz bewußt eingeschlagen, und man ist sich der Kritik bewußt, die diese sanfte Evolution hevorrufen kann. Für die Macher ist es wichtiger, auch mit neuen Fahrzeugen die Identität zu wahren, nachdem man glaubt, das "ideale Familiengesicht" (Chef-Designer Chris Bangle) gefunden zu haben. Bangle hat die typischen Elemente des 3ers bekräftigt und neu akzentuiert: Die Niere, der gegenläufige Knick in der C-Säule und die L-förmigen Heckleuchten machen sofort klar, daß hier nur ein BMW stehen kann. Neu sind die glasklaren Abdeckungen der Frontscheinwerfer und die Bügelgriffe der Türen. Die neue 3er-Limousine scheint noch kräftiger auf der Straße zu stehen als ihre Vorgänger: Die Räder treten breiter heraus, die Karosserie ist um jeweils vier Zentimeter in der Länge und in der Breite gewachsen, während die Höhe um drei Zentimeter zulegte. Der Kniefreiheit im Fond kommen davon 20 Millimeter zugute, wovon in der Praxis allerdings nicht viel zu merken ist: Die besten Plätze sind nach wie vor in der ersten Reihe. Die Armaturentafel spiegelt sich Das Cockpit ist mehr denn je zum Fahrer hin gewandt, die Anzeigeinstrumente sind in einer Art Kuppel untergebracht. Dabei sind sie sehr gut ablesbar, und auch über die Anordnung der Schalter und Knöpfe braucht man nicht lange zu grübeln. Um so ärgerlicher ist es, daß sich die obere Hälfte der Armaturentafel in der Windschutzscheibe spiegelt. Einzige Abhilfe: die schwarze Ausführung bestellen und auf die optisch schöneren Varianten in helleren Farben verzichten. Ein weiterer Kritikpunkt sind die Windgeräusche im Bereich der A-Säule und der Außenspiegel, die schon beim Vorgänger für Probleme sorgten. Zwar hat BMW - mit einer doppelten Dichtung - kräftig nachgebessert, aber es bleibt noch Raum für Optimierungen. Vorbildlich sind die asphärischen Außenspiegel, die den toten Winkel minimieren. BMW sieht die 3er-Limousine als komplett neues Auto, nur wenige Kleinigkeiten seien vom Vorgänger oder von anderen Modellen übernommen worden. Da haben wohl die Marketingleute das Sagen gehabt, denn auch ein Teil der Motoren ist bereits bekannt, auch wenn sie stark überarbeitet wurden. Drei Aggregate stehen von Mai an zur Auswahl. Hier die wichtigsten Werte: 318i: 1,9-Liter-Vierzylindermotor, 87 kW (118 PS) Leistung, Höchstgeschwindigkeit 206 km/h, Beschleunigung von Null auf 100 km/h in 10,4 Sekunden, Durchschnittsverbrauch nach EU-Zyklus 7,9 Liter, Automatik 9,1 Liter Super bleifrei auf 100 Kilometer. 328i: 2,8-Liter-Sechszylindermotor, 142 kW (193 PS) Leistung, Höchstgeschwindigkeit 240 km/h, Beschleunigung von Null auf 100 km/h in 7,0 Sekunden, Durchschnittsverbrauch 9,1 Liter, Automatik 10,1 Liter, Super bleifrei. 320d: 1,9-Liter-Vierzylinder-Turbodieselmotor mit Direkteinspritzung, 100 kW (136 PS) Leistung, Höchstgeschwindigkeit 207 km/h, Beschleunigung von Null auf 100 km/h in 9,9 Sekunden, Durchschnittsverbrauch 5,7 Liter Diesel auf 100 Kilometer. Vor allem der neue Turbodiesel entpuppte sich bei einer ersten, kurzen Begegnung als ein Motor, der mit dem Vorurteil, ein Selbstzünder passe nicht zu einer betont sportlich ausgelegten Limousine, ein für alle Mal aufräumen dürfte. Er spurtet los wie ein Kater, dem ein großer Hund auf den Fersen ist - und das in nahezu allen Geschwindigkeitsbereichen. Das maximale Drehmoment von 280 Nm liegt bereits bei 1750/min an, und mehr als 240 Nm stehen bis 4000/min permanent bereit. Auf der Straße kommt das Gefühl auf, mit weit mehr als 136 PS motorisiert zu sein. Das Erstaunlichste sind aber die Verbrauchswerte: 5,7 Liter Diesel im Schnitt - ob das in der Praxis zu erzielen sein wird, konnten wir noch nicht feststellen. BMW verzichtet auf Common Rail Auf jeden Fall ist der 320d von den Papierwerten her besser in Form als sein direkter Konkurrent, der C 220 CDI von Mercedes-Benz, der 92 kW (125 PS) leistet und im Durchschnitt 6,1 Liter verbraucht. Dieser kann allerdings mit einem Turbodieseldirekteinspritzer mit Common-Rail-Technik aufwarten. Bei BMW hält man Common Rail allerdings noch nicht für serienreif. Der Sechszylinder im 328i ging mit den für BMW typischen Stärken zu Werke: sahnig, seidenweich, kraftvoll, kultiviert und leise. Er ermöglicht Fahrleistungen, die bis vor wenigen Jahren einen M3 charakterisierten. Auch das Vierzylinder-Basisaggregat ist mit 118 PS nicht untermotorisiert - er klingt etwas kerniger und will öfter geschaltet werden. Das Fahrwerk kommt mit den Motorleistungen gut zurecht - es tendiert in Richtung sportlich, ohne auf schlechten Straßen unkomfortabel zu sein. Die Modellpalette wird im nächsten Jahr durch einen 320i und einen 323i ergänzt werden - vergeblich wird man aber einen stärkeren Diesel mit sechs Zylindern im Programm suchen. Dieses Aggregat, an dem die Techniker momentan arbeiten, wird 2,7 oder 2,8 Liter Hubraum aufweisen - soll aber 5er-Reihe vorbehalten bleiben. Sicherheitstechnisch ist der 3er auf der Höhe der Zeit, und vielleicht sogar ein bißchen weiter: erheblich höhere Energieabsorbtion bei einem Crash, ein verfeinertes ABS, Airbags für Fahrer und Beifahrer sowie Seitenairbags in den vorderen Türen sind serienmäßig - hinzu kommen erstmals bei einem Serienauto Kopfairbags: schlauchförmige Luftsäcke, die im Dachrahmen über den Vordertüren untergebracht sind und sich im Bedarfsfall entfalten. Als Sonderausstattung sind Seitenairbags für die hinteren Türen zu haben - acht Airbags in einem Auto, das ist Weltrekord. Rekordverdächtig liest sich aber auch die Aufpreisliste, denn aus einem ganz normalen 3er läßt sich ohne weiteres eine Luxuslimousine machen. Nahezu alle Extras, die bisher den 5ern und 7ern vorbehalten waren, lassen sich auch für den kleinen BMW ordern: von der Dynamischen Stabilitäts Control DSC III (1800 Mark) über die Park Distance Control (660 Mark) bis zum Multifunktionslenkrad (850 Mark). Keine Frage, es ist nicht preiswert, sich für einen neuen 3er zuentscheiden. Mindestens 45 400 Mark sind für den 318i zu bezahlen, der 320d wirkt sich mit 48 400 Mark auf den Kontostand aus, und für den 328i sind wenigstens 61 700 Mark anzulegen. Die noch nicht erhältlichen 320i und 323i kosten 52 500 und 56 600 Mark. Ausstattungsbereinigt ist das nicht mehr als bei den Vorläufern - und so gehört keine Prophetie dazu, dem kleinsten BMW eine große Karriere vorauszusagen. Von Otto Fritscher
https://www.sueddeutsche.de/politik/eu-gipfel-so-will-die-eu-fluechtlinge-aus-afrika-abschrecken-1.3362926
mlsum-de-9591
Bei ihrem Gipfeltreffen auf Malta entwerfen die EU-Staats- und Regierungschefs eine Nachbarschaftspolitik, die auf harte Grenzen setzt.
Die Staats- und Regierungschefs der EU treibt bei ihrem Gipfeltreffen auf Malta an diesem Freitag eine Frage um: Was kostet es uns, dass Flüchtlinge gar nicht erst nach Europa kommen, sondern in ihren Heimatländern bleiben? Unter dem Deckmantel einer neuen Nachbarschafts- und Entwicklungspolitik versuchen die Europäer den Flüchtlingsstrom aus Afrika massiv zu bremsen. In Brüssel sieht man sich jedenfalls auf dem richtigen Weg. Helft ihr uns (beim Aufhalten und bei der Rücknahme von Flüchtlingen), helfen wir euch: Nach diesem Motto richtet die EU ihr Verhältnis zu afrikanischen Herkunfts- und Transitländern aus und verhandelt über entsprechende Abkommen. In Brüssel spricht man zwar von ersten Erfolgen. Doch müsse kurzfristig sehr viel mehr getan werden, sagt die Außenbeauftragte Federica Mogherini, um den wieder wachsenden Zustrom über das zentrale Mittelmeer zu stoppen. Aus den Vorschlägen der Kommission und der maltesischen Ratspräsidentschaft haben es zehn Punkte in die "Erklärung von Malta zu den externen Aspekten der Migration" geschafft, die auf dem Sondergipfel an diesem Freitag verabschiedet werden soll. Im Wesentlichen geht es erstens darum, die schwache libysche Regierung in die Lage zu versetzen, Flüchtlinge möglichst noch im eigenen Hoheitsgebiet aufzugreifen, etwa durch die Ausbildung der Küstenwache. Zum Zweiten sollen die Bedingungen für Migranten in Libyen verbessert werden, zum Dritten will man die Grenzen des Landes besser überwachen und dazu mit allen Nachbarstaaten reden. Ökonomie und Zivilgesellschaft stärken, um "neue Flüchtlingskrisen zu verhindern" Für diese Ziele sollen die "nötigen Ressourcen" bereitgestellt werden, heißt es im Entwurf der Erklärung. Einiges könne man aus bestehenden Töpfen zahlen, begrüße aber, dass die Kommission "in einem ersten Schritt" 200 Millionen Euro zusätzlich mobilisieren wolle. Die Behörde betont, dass die Mitgliedstaaten mindestens dieselbe Summe drauflegen müssten. Kurz- und langfristige Maßnahmen in diesem Bereich werden die Europäer in jedem Fall auf Jahre hinaus Milliarden kosten. Doch immer wenn es ums Geld geht, wird es schwierig. Als die EU-Finanzminister vergangene Woche über die Kosten zur Bewältigung der Flüchtlingskrise diskutierten, wurde deutlich, wie groß der Widerstand in manchen Ländern ist. Zusätzliche sechs Milliarden Euro sollen in den kommenden fünf Jahren dabei helfen, die Fluchtursachen an Ort und Stelle zu bekämpfen. So haben es die Staats- und Regierungschefs vorgesehen. Doch noch immer fehlen 700 Millionen Euro. Woher die Summe kommen soll, ist unklar. Detailansicht öffnen Flüchtlinge vor der libyschen Küste in einem Schlauchboot, bevor sie an Bord der Golfo Azzurro gebracht werden. (Foto: dpa) Mithilfe der Europäischen Investitionsbank (EIB) sollen die sechs Milliarden Euro bis zu 15 Milliarden Euro an neuen Investitionen bringen. Das Geld soll vor allem Investitionen in Jordanien, Libanon, Ägypten und den Maghreb-Staaten befördern. Auch Westbalkanländer wie Serbien und Albanien sollen in hohem Maß davon profitieren. Es geht beispielsweise darum, den Bau von Schulen zu finanzieren, das Gesundheitssystem zu verbessern oder Wasserzugänge zu ermöglichen. Allein in Tunesien sieht die EIB bis 2020 Finanzierungen von bis zu 2,5 Milliarden Euro vor. Die EU ist dabei, ihre Afrika-Politik gerade grundlegend zu ändern. Dass der lange vernachlässigte Kontinent in den Fokus rückt, zeigt sich auch bei den Debatten im Europaparlament. So sieht etwa die Europäische Volkspartei (EVP) die "Stabilisierung unserer südlichen Nachbarschaft" als den bedeutenden Faktor, den Flüchtlingsstrom in den Griff zu bekommen. Im Entwurf des Papiers zum EVP-Kongress Ende März auf Malta heißt es, dass die EU "ihre Afrika-Politik in enger Kooperation mit der Afrikanischen Union stärken muss, um Terrorismus und Instabilität zu bekämpfen". Man müsse die ökonomische und soziale Entwicklung sowie die Zivilgesellschaft stärken. "Dieser Ansatz wird auch dabei helfen, eine neue Flüchtlingskrise zu verhindern", schreiben die beiden Autoren Herman Van Rompuy und Elmar Brok (CDU).
https://www.sueddeutsche.de/karriere/berufspraxis-erste-hilfe-1.2475927
mlsum-de-9592
Echte Mandanten bekommen Jurastudenten meist erst nach dem ersten Staatsexamen zu Gesicht. In Law Clinics beraten sie Hilfsbedürftige schon vorher.
Die türkischen Eheleute waren entsetzt. Mit guten Arbeitsverträgen waren sie nach Deutschland gelockt worden und hatten sich auf Hamburg gefreut. Sogar geheiratet hatten sie noch, um mit dem Brautgeld die ersten Mieten bezahlen zu können. Dass sie kein Deutsch sprachen, machte ihnen keine Sorgen, sie wollten es schnell lernen. Doch in Hamburg setzte ihr neuer Chef sie unter Druck und forderte sie auf, einen geänderten Arbeitsvertrag zu unterschreiben - auf Deutsch. Sie fügten sich und stellten bald fest, dass der Vertrag eine Unverschämtheit war. Sie beschwerten sich und flogen raus. "Wir konnten erreichen, dass die Abänderung unwirksam war und die beiden eine anständige Abfindung bekamen", sagt Flavia Lang, Absolventin der privaten Jura-Hochschule Bucerius Law School in Hamburg. "Das war eine tolle Erfahrung. Im Jurastudium lernt man ja vor allem, das Recht anzuwenden, und fragt sich selten, ob es auch um Gerechtigkeit geht. Hier war klar: Das Recht ist für alle da." Ein Jurastudium gilt nicht gerade als lebensnah. "Trocken" oder "theoretisch" sind noch die freundlicheren Adjektive, mit denen Studenten ihr Fach beschreiben. Seit einigen Jahren ändert sich das. An vielen deutschen Universitäten - beispielsweise in Hamburg, Berlin, Köln, Gießen und München - sind sogenannte "Law Clinics" entstanden, kostenfreie Notfallambulanzen für Menschen, die wegen ihrer finanziellen und persönlichen Situation nur eingeschränkten Zugang zu qualifizierter juristischer Beratung haben. Jurastudenten bieten dort erste Hilfe in Rechtsfragen, supervidiert von Professoren oder Rechtsanwälten. Eine tolle Erfahrung für angehende Juristen, die echte Mandanten sonst erst nach dem Ersten Staatsexamen zu Gesicht bekommen. Auch fachlich sind die Law Clinics eine Herausforderung. Denn in den Beratungen geht es um echte Fälle in Rechtsbereichen, die im Jurastudium eher unterrepräsentiert sind, wie etwa Aufenthaltsrecht oder Sozialrecht. An der Bucerius Law School in Hamburg ist die Law Clinic gar ein erfolgreiches Kooperationsprojekt mit der Diakonie Hamburg. Echte Mandanten bekommen Jurastudenten sonst erst nach dem Examen zu Gesicht Die Politikwissenschaftlerin Anna Barrera Vivero koordiniert die Law Clinic mit einer halben Stelle und findet, dass es gerade einer privaten Hochschule wie der Bucerius Law School gut zu Gesicht steht, sich sozial zu engagieren. "Viele Studierende fühlen sich sehr privilegiert, hier zu studieren", sagt Barrera. "Sie wissen, dass sie gute Berufsaussichten haben. In der Law Clinic können sie etwas zurückgeben und mal über den Tellerrand schauen. Denn wir begegnen hier Menschen mit wirklich schweren Lebensgeschichten." Seit Oktober 2012 bietet die Law Clinic drei bis sechs Beratungen pro Woche, dabei arbeitet ein Anwalt stets im Team mit zwei Studierenden. Oft werden die Beratungsgespräche in anderen Sprachen geführt - etwa Englisch, Französisch, Spanisch, Türkisch, Polnisch oder Arabisch - und fast immer findet sich dafür in der multikulturellen Studentenschaft ein kompetenter Dolmetscher. Bei jedem zweiten Fall reicht schon eine Erstberatung, in den übrigen Fällen übernimmt der Anwalt das Mandat und zieht die Studierenden als Legal Adviser hinzu. Die recherchieren dann für ihn, entwerfen in seinem Auftrag Schriftstücke, begleiten die Ratsuchenden zu Behörden und klären Rückfragen mit den Mandanten. Bisweilen ist das nicht leicht, gerade, wenn die Mandanten traumatisiert sind. "Belastend ist es, wenn man nicht helfen kann", sagt Lang, "wenn zum Beispiel ein Flüchtling vor einem sitzt, der hoffnungsfroh ist, wir aber aufgrund der Gesetzeslage schnell sehen können, dass es zur Abschiebung kommen wird. Damit umzugehen, ist schwer." Lang hat schon eine Menge Erfahrung in der Law Clinic sammeln können, wurde darüber hinaus auch geschult: Alle Legal Adviser nehmen zu Beginn ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit an einem zweitägigen Seminar teil. Auf dem Programm stehen dabei Gesprächsführung, Mandantenbetreuung, Konfliktmanagement und interkultureller Kompetenz. Nicht nur bei den Ratsuchenden, auch bei den Studenten ist deshalb der Andrang groß. Anna Barrera hofft, dass sich bald mehr Förderer finden. Die Hochschule stellt lediglich den Raum und ihre halbe Koordinierungsstelle, alle anderen Kosten müssen durch Drittmittel eingeworben werden. "Es ist nicht einfach", sagt sie, "aber es lohnt sich. Denn es kommen immer mehr Menschen nach Deutschland, die Schutz brauchen vor Krieg und Ausbeutung. Dafür benötigen wir geschulte Anwälte." Wie die 29-jährige Flavia Lang, die sich mittlerweile gut vorstellen kann, nach dem Zweiten Staatsexamen auch weiterhin Flüchtlinge zu beraten.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fifa-boss-sepp-blatter-selfie-gegen-unbequeme-fragen-1.2541753
mlsum-de-9593
Fifa-Chef Blatter gibt sich entspannt und kokettiert mit dem Verbleib im Amt. Doch eine Klage aus Spanien zeigt ihm die harte Realität.
Allmählich kriegen sogar diejenigen kalte Füße, die bisher treu zu Sepp Blatter standen. Sonntagfrüh ließ Domenico Scala ein gepfeffertes Statement los. "Die Zeiten des Kokettierens mit der Macht sind endgültig vorbei", teilte der Compliance-Chef mit und nahm den Fifa-Präsidenten persönlich ins Visier: "Ich fordere alle Beteiligten - auch Herrn Blatter - auf, sich im Interesse der Reformen unmissverständlich hinter die angekündigte Wachablösung an der Spitze der Fifa zu stellen." Nicht nur Scala beschleicht die Befürchtung, dass sich der ewige Fifa-Boss Blatter schon wieder verabschiedet hat von seinem Versprechen, das er dem Fußball am 2. Juni gab: Dass er sein Amt bei einem Sonderkongress abgeben werde. Beharrlich schürt der 79-Jährige Spekulationen über einen Thronverbleib. Obwohl längst Justizbehörden weltweit versuchen, den Korruptionssumpf um den Weltfußballverband trockenzulegen, den Blatter über dreieinhalb Jahrzehnten in Spitzenämtern mitangelegt hat, die letzten 17 Jahre als Präsident. FBI, Schweizer Bundesanwaltschaft sowie rund 30 weitere Instanzen gehen einer filmreif verästelten Finanzverschwörung im Fifa-Reich nach. Nun begehrt erstmals eine der größten Ligen der Welt auf. Spaniens Ligaverband LFP klagt gegen die Winter-WM 2022 in Katar; und damit gegen die Fifa, die das Turnier ja wegen der Sommerhitze im Emirat in den Winter verlegt hat. LFP-Boss Javier Tebas gab bekannt, dass die Anzeige bereits beim obersten Sportgerichtshof Cas in Lausanne eingereicht sei. Die Liga handle "im Interesse der Klubs, die ihren Beitrag fürs Nationalteam leisten", wird Tebas im heimischen Sportblatt As zitiert: Die Verlegung koste den nationalen Fußball "Einnahmen von 65 Millionen Euro". Selfies gegen Rücktrittsfragen Blatter gibt sich tiefenentspannt. Privat posiert er im Freizeitlokal oder im Kreis von Selfies schießenden Bauarbeitern; und er gibt Interviews wie zuletzt seinem Heimatblatt Walliser Bote. Darin erklärt er einen Termin "Anfang 2016" für die Wahl des neuen Fifa-Chefs für wahrscheinlicher als den bisher kursierenden am 16. Dezember. Und erneut vermeidet er eine eindeutige Bestätigung seines bislang als sicher geltenden Rückzugs zu diesem Wahltermin. Vor dem Hintergrund der realen Entwicklungen wirken solche Auftritte eher wie das letzte Zucken eines untergehenden Potentaten, der von der Macht nicht lassen kann. Gerade eingedenk der demonstrativen Gelassenheit fragt sich, warum es dem Fifa-Boss offenbar ja nicht möglich ist, das zweitwichtigste Sportereignis zu besuchen, das seine Fifa veranstaltet - und das gerade stattfindet: die Frauen-WM. Seit Wochen läuft dieses Turnier in Kanada, auf nordamerikanischem Boden. Und es passt auffallend gut es in die aufgewühlte Zeit, dass neben Blatter auch Generalsekretär Jerome Valcke zu tief in der Arbeit steckt, um sich dort einmal kurz blicken zu lassen. Das gab es noch nie - warum gerade jetzt? Seit Monaten kursieren Spekulationen, dass das Duo amerikanisches Terrain wegen der Ermittlungen der US-Bundespolizei meide. Blatter trat diesem Verdacht wiederholt wortreich entgegen. Warum also nicht mit dem allzeit bereitstehenden Privatjet kurz zum Anstandsbesuch bei den weltbesten Frauen düsen? Das würde mehr bezeugen als tausend Dementis. Für Szenekenner steht außer Frage, dass Blatter auf Zeit spielt. Intern dürfte noch eine Menge zu richten sein. Und dann ist da noch die Sache mit dem Nachfolger: Von der Person hängt ab, ob und wie tief in des Vorgängers Schubladen gekramt wird - und auch die Frage nach Blatters weiterer Verwendung. Eine Ernennung zum Fifa-Ehrenpräsidenten etwa, mit Büro in der Zentrale auf dem Zürichberg, wäre dem jähen Rentner-Los womöglich vorzuziehen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-buendnis-fuer-fluechtlinge-1.2623744
mlsum-de-9594
Die Neuankömmlinge könnten für dieses Land eine Bereicherung sein, ein Gewinn. Anders als die Menschen in Heidenau hat die Wirtschaft das erkannt.
Deutschland geht es verdammt gut: Die Wirtschaft brummt, während anderswo schon Krise ist; die Zahl der Arbeitslosen ist niedrig und die der Beschäftigten so hoch wie noch nie; der Export läuft nach wie vor. Deutschland geht es gut, und daran wird sich nichts ändern, auch wenn jetzt Hunderttausende Flüchtlinge ins Land kommen: aus Ländern, in denen der Krieg tobt, aus Gegenden, in denen Menschen andere Menschen meucheln. Der deutschen Wirtschaft, die doch angeblich so konservativ ist, so rückständig (was in Wahrheit nicht stimmt), sind diese Neuankömmlinge hochwillkommen. Die Unternehmen und ihre Lobbyisten treten den Menschen aus Syrien und Mali, aus dem Irak oder Eritrea ganz anders entgegen als die Demonstranten in Heidenau: nicht ablehnend, nicht abwehrend, nicht mit plumpen Parolen - sondern in den allermeisten Fällen offen und hilfsbereit. Die Wirtschaft denkt, anders als auch mancher in der CSU, nicht zuerst ans Abschieben, sondern ans Aufnehmen. Denn diejenigen, die da kommen, können für dieses Land eine Bereicherung sein, ein Gewinn, sie können - wenn man es richtig macht, wenn man sie integriert und vor allem sie arbeiten lässt - ein Mehr an Wohlstand bringen. Und zwar aus einer ganzen Reihe von Gründen. Die Flüchtlinge sollten unkomplizierter arbeiten dürfen Der erste hat mit den Grundregeln der Integration zu tun: Nur wer die Sprache des Landes kann, in dem er lebt, der kann sich in die Gesellschaft integrieren - so lautet der oberste Leitsatz der Integration. Aber das ist nur die eine Hälfte: Denn was nützt es, wenn man zwar die Sprache spricht, aber nicht arbeiten kann, nicht arbeiten darf, obwohl man das will? Es führt bei denen, die hier Asyl suchen, zu Frust, es entwertet, wenn sie jahrelang nicht arbeiten können, ihr Wissen; und es kostet den Staat Geld, während ein Flüchtling, der Arbeit hat, dem Staat Geld bringt. Wer arbeitet, wird schneller integriert. Der zweite Grund: Viele der Neuankömmlinge sind gut ausgebildet. Es machen sich ja (was für die Heimatländer ein gravierendes Problem ist) oft diejenigen auf den Weg, die eine bessere Bildung haben; aus Syrien zum Beispiel kommen überdurchschnittlich viele Akademiker. Und wer nicht so gut ausgebildet ist, der will lernen, damit er mithalten kann am deutschen Arbeitsmarkt. Das aber wird geduldeten Flüchtlingen oft durch die bestehenden Regeln verwehrt. In der Wirtschaft sieht man dieses Problem. Wieso soll zum Beispiel ein Unternehmen jemanden als Auszubildenden einstellen, wenn nicht klar ist, ob er die Lehre überhaupt zu Ende bringen kann - und schon gar nicht, ob er danach nicht wenigstens zwei Jahre mit seinem erlernten Wissen dem Betrieb dienen kann? Deutschland hat von Migration schon immer profitiert Der dritte Grund: Unternehmen funktionieren besser, sind erfolgreicher, wenn ihre Belegschaft möglichst vielfältig ist. Diversity, Diversität ist das wichtigste Argument, wenn hierzulande für eine Frauenquote geworben wird. Diversität ist aber auch darüber hinaus wichtig. Denn je größer die Mischung beim Alter ist, bei den Charakteren und eben auch bei der Nationalität, umso eher werden in einer wissensbasierten Wirtschaft gute Ideen geboren und Dinge weiterentwickelt. Das Silicon Valley mit seinen oft höchst international besetzten Unternehmen ist das beste Beispiel dafür. Und schließlich der vierte Grund: Deutschland ist (auch wenn das viele nicht hören mögen) nun mal ein Einwanderungsland. Nicht erst jetzt, sondern schon seit Jahrhunderten. Man muss dazu nur in die Geschichtsbücher schauen. Oder in die Telefonbücher. Es ziehen seit Langem Menschen hierher: Sie kamen im 17. Jahrhundert, weil sie daheim wegen ihres Glaubens verfolgt wurden (Hugenotten), sie wurden im 19. Jahrhundert im Bergbau gebraucht (Polen), sie kamen im 20. Jahrhundert als Gastarbeiter (Italiener, Portugiesen oder Spanier). Deutschland ist zugleich seit Jahrhunderten ein Auswanderungsland. Beides hat dazu beigetragen, dass auch die deutsche Wirtschaft so international verflochten und im Export erfolgreich ist. Wenn es nun darum geht, die Flüchtlinge zu integrieren, und zwar auch in den Arbeitsmarkt, dann ist eine gemeinsame Kraftanstrengung von Wirtschaft und Politik nötig. Die Wirtschaft muss Jobs anbieten, Ausbildungsplätze, Studienplätze; und die Politik muss die Regeln für den Zugang zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge lockern und die Berufsanerkennungsverfahren für sie beschleunigen. Gerhard Schröder hat, als er Kanzler war und die Arbeitslosigkeit hoch, alle an einen Tisch geholt und ein "Bündnis für Arbeit" initiiert, um die Arbeitslosen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren; heute braucht es ein "Bündnis für Flüchtlinge".
https://www.sueddeutsche.de/politik/nigeria-650-000-menschen-vor-boko-haram-geflohen-1.2296568
mlsum-de-9595
7300 Flüchtlinge in zehn Tagen: Immer mehr Menschen fliehen vor den islamistischen Terroristen der Boko Haram in Nigeria. Das Militär setzt zum Gegenschlag an.
7300 Menschen retten sich in den Tschad Die Gewalt der Terrororganisation Boko Haram in Nigeria treibt immer mehr Menschen in die Flucht. Das UN-Flüchtlingshilfswerk teilte mit, etwa 7300 Flüchtlinge seien allein in den vergangenen zehn Tagen im benachbarten Tschad angekommen, um sich vor den Kämpfen rund um Baga in Sicherheit zu bringen. Im vergangenen August gab das UNHCR die Zahl der Flüchtlinge mit 650 000 an, die wegen des Boko-Haram-Terrors seit Mai 2013 in andere Landesteile geflohen waren. Zehntausende haben im Laufe der vergangenen Monate in Nachbarländern Zuflucht gesucht. Nigerianisches Militär kündigt Gegenoffensive an Die nigerianischen Streitkräfte kündigten unterdessen an, die Ortschaften im Nordosten des Landes zurückerobern zu wollen. Das sagte ein ranghoher Regierungsvertreter örtlichen Medienberichten zufolge. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass bei den Angriffen der Terrororganisation rund um die Stadt Baga im Bundesstaat Borno in den vergangenen Tagen offenbar Hunderte Menschen getötet worden sind. Der Sprecher des nationalen nigerianischen Informationszentrums, Mike Omeri, sagte der Zeitung Premium Times, die Lage in Baga habe sich bereits gebessert. Er weigerte sich aber Einzelheiten zu nennen, da es sich um einen laufenden Militäreinsatz handle. Die Regierung äußerte sich nicht zu möglichen Opferzahlen. Staatschef Goodluck Jonathan befindet sich derzeit in der heißen Phase des Präsidentschaftswahlkampfs vor der Abstimmung am 14. Februar. Widersprüchliche Angaben zu Opferzahlen Boko Haram hatte im Norden Nigerias nach Angaben eines örtlichen Regierungsvertreters eine große Offensive durchgeführt. Dabei seien in dem westafrikanischen Land elf Ortschaften angegriffen worden, sagte der Sicherheitsbeamte des Bundesstaates Borno. Einen Bericht des britischen Senders BBC, wonach es womöglich bis zu 2000 Todesopfer geben solle, wies er entschieden zurück. Der Beamte, der wegen der kritischen Lage nicht namentlich genannt werden wollte, machte jedoch keine Angaben, wie viele Opfer befürchtet würden. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete unter Berufung des Leiters des Bezirks von mehr als 100 Toten. Die BBC hatte zuvor unter Berufung auf einen regionalen Behördenvertreter gemeldet, die militanten Islamisten hätten fast die gesamte Grenzstadt Baga niedergebrannt. Leichen würden die Straßen von Baga pflastern, es gebe Befürchtungen, dass etwa 2000 Menschen getötet worden seien. Berichten von Flüchtenden zufolge sei die Stadt, in der zuvor etwa 10 000 Menschen lebten, nun "praktisch nicht mehr existent". Zweite Angriffswelle in der Region Die Angriffe fanden offenbar bereits am Mittwoch in der Nähe der Stadt Baga statt. Da in der abgelegenen Region Telefone nur noch eingeschränkt funktionieren, dauert es häufig länger, bis es belastbare Nachrichten von dort gibt. Es ist der zweite Angriff von Boko Haram auf die Stadt binnen weniger Tage. Bereits am Samstag waren in Baga stationierte Einheiten der Armeen von Nigeria, dem Tschad und dem Niger vor den Terroristen geflohen und hatten die Bevölkerung schutzlos zurückgelassen. Tausende Bewohner waren daraufhin geflohen. Der BBC zufolge kontrolliert Boko Haram jetzt Baga und 16 benachbarte Dörfer und Städte. Kameruns Präsident fordert Internationale Hilfe Kamerun fordert für den Kampf gegen die islamistische Terrorgruppe die Hilfe der internationalen Gemeinschaft. "Eine weltweite Bedrohung bedarf einer weltweiten Antwort", sagte Präsident Paul Biya. Islamistische Fundamentalisten vom ostafrikanischen Somalia bis nach Westafrika verfolgten die gleichen Ziele, sagte er. Sein Appell kam einen Tag nachdem der Anführer der aus Nigeria stammenden Boko Haram in einer Video-Botschaft mit mehr Angriffen auf Kamerun gedroht hatte. Ziele von Boko Haram Boko Haram will in der Region einen Gottesstaat errichten. Im Norden des ölreichen westafrikanischen Landes Nigeria sind bei Terroranschlägen bereits Tausende ums Leben gekommen. Inzwischen geraten aber auch der angrenzende Tschad und der Norden Kameruns stärker in den Fokus von Boko Haram. Kamerun hat deshalb bereits Tausende zusätzliche Soldaten an die Grenze verlegt.
https://www.sueddeutsche.de/auto/verkehr-und-klimaschutz-ohne-elektroautos-sind-die-klimaschutzziele-in-gefahr-1.3727505
mlsum-de-9596
Schon mit kohlelastigem Strommix sind E-Fahrzeuge deutlich sauberer als Autos mit Verbrennungsmotor. Doch mancher Hersteller wälzt die Verantwortung auf die Kunden ab.
Ein Polizist regelt in Harbin in China den Verkehr. Gegen den Smog in der Luft soll der Mundschutz helfen. Fast alle wollen weg vom Öl. Was auf Klimakonferenzen beschlossen wird, hat mit der Realität aber wenig zu tun. Die Abhängigkeit von der schwarzen Droge ist nicht geringer, sondern eher größer geworden: Massige SUV- und Crossover-Modelle machen mittlerweile 25 Prozent der Neuwagenflotte aus. Wenn Autos immer größer und leistungsstärker werden - wie können sie dann wesentlich sparsamer sein? Ob Diesel oder Benziner: Der Verkehr ist in Deutschland weiterhin zu über 90 Prozent vom Erdöl abhängig. Statt der Energiewende auf der Straße erleben wir eher einen Technologiestau. Ihr Ziel von einer Million Elektroautos bis 2020 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel ohne Aufhebens wieder kassiert. Kein Wunder, dass es seit 1990 keine Fortschritte beim Klimaschutz im Verkehr gibt. Die Treibhausgasemissionen im Automobilsektor sollen bis zum Jahr 2030 um 40 bis 42 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 gemindert werden. Tatsächlich gibt die bisherige Entwicklung aber wenig Grund zur Hoffnung: Zwischen 1990 und 2014 wurden die Treibhausgasemissionen im Verkehr lediglich um zwei Prozent reduziert. Ohne einen signifikanten Umstieg auf Elektrofahrzeuge ist der weitere Stillstand vorprogrammiert. Klar ist aber auch, dass noch immer mehr als die Hälfte des deutschen Stroms aus Kohle und Gas stammt. Gerade die alten Braunkohlekraftwerke sind kein Ruhmesblatt für den Umweltschutz. Sie stehen oft in strukturschwachen Regionen. Aus Angst vor einem Verlust von Arbeitsplätzen wehren sich etliche Landespolitiker vehement gegen einen Ausstieg aus der dreckigen Energie. Das E-Auto hat einen CO₂-Vorteil von 45 Prozent Muss der Technologiewandel im Straßenverkehr also auf ein noch stärkeres Wachstum der erneuerbaren Energien warten? Nein, sagt der Umweltverband Transport & Environment (T&E). Elektroautos würden selbst dann weniger Klimagase ausstoßen, wenn sie mit Kohlestrom angetrieben werden. Über den gesamten Lebenszyklus betrachtet - inklusive der Fahrzeug- und Batterieproduktion - seien die Stromer auch in den Kohleländern Polen und Deutschland umweltfreundlicher als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren unterwegs. Laut T&E liegt der entsprechende Ausstoß von Klimagasen bei einem E-Mobil in Polen um 25 Prozent niedriger. In Deutschland betrage der CO₂-Vorteil sogar 45 Prozent, und in Ländern wie Schweden mit einem hohen Anteil an grünem Strom liege er sogar bei 85 Prozent. Den Berechnungen des Freiburger Öko-Instituts zufolge kommen reine Elektrofahrzeuge beim derzeitigen Energie-Mix in Deutschland auf 85 Gramm CO₂ je Kilometer. Benziner setzen die Forscher mit einem CO₂-Ausstoß von 201 Gramm je Kilometer im Alltagsbetrieb an, bei Dieselmodellen sind es 174 Gramm. Diese Zahlen liegen deutlich über den aktuellen Normwerten. Unstrittig unter Experten ist allerdings, dass Fahrzeuge außerhalb des Testlabors wesentlich mehr Klimagase ausstoßen. Doch selbst bei den Normwerten kommen die Autohersteller nicht vom Fleck.
https://www.sueddeutsche.de/sport/sport-kompakt-gericht-erlaubt-verkauf-des-fc-liverpool-1.1012282
mlsum-de-9597
Nach langer Pause wagt BMW ein Comeback in der DTM, der Verkauf des FC Liverpool für rund 340 Millionen Euro ist perfekt, der FC Chelsea verpflichtet einen 11-Jährigen, Sport kompakt.
BMW kehrt ins Deutsche Tourenwagen Masters (DTM) zurück. Der Autobauer wird von 2012 an in der populären Rennserie starten. Das teilte das Unternehmen am Freitag in München mit. BMW engagiert sich damit als dritter Hersteller neben Mercedes und Audi in der DTM. Nach ihrem Ausstieg aus der Formel 1 Ende der Saison 2009 hatten die Münchner seit längerem über einen Start in der kostengünstigeren Tourenwagen-Serie verhandelt. BMW war bereits von 1984 bis 1992 in der DTM aktiv und holte in dieser Zeit dreimal den Titel. Detailansicht öffnen Der BMW M3 beim Training zur American Le Mans Series im Jahr 2009 - eine Variante des Modells soll von 2012 an in der DTM zu sehen sein. (Foto: AFP) "Das gesamte Team geht mit voller Motivation in dieses spannende Projekt", sagte BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen im Vorfeld des 9. DTM-Laufs am Wochenende in Hockenheim: "Wir haben bereits nach der Absichtserklärung im April die Weichen für die Konzeption eines schlagkräftigen Fahrzeugs für den DTM-Einsatz gestellt. Mit der positiven Entscheidung des BMW-Vorstands können wir nun einen Gang höher schalten und grünes Licht für die Entwicklung geben." Der Beschluss ist das erfolgreiche Ergebnis fortlaufender Verhandlungen zwischen BMW und der DTM-Dachorganisation ITR bei der Entwicklung des neuen Reglements. Unter anderem war die Internationalisierung eine der Prämissen der Münchner - ihr Fahrzeug soll nicht nur in der DTM, sondern weltweit auch in anderen lukrativen Märkten an den Start gehen dürfen. Als Fahrzeugmodell in der populärsten Tourenwagenserie Europas wird der BMW M3 dienen. Der Verkauf des FC Liverpool an das amerikanische Unternehmen New England Sports Ventures (NESV) ist perfekt. NESV-Chef John Henry, dem auch das Baseballteam Boston Red Sox gehört, unterschrieb am Freitagnachmittag in London den Kaufvertrag. Mit dem umgerechnet 340 Millionen Euro schweren Deal wird der angeschlagene englische Fußball-Rekordmeister einen großen Teil seiner Schulden los, die am Freitag fällig waren. Liverpools Vorstand hatte den Verkauf bereits Mittwoch vergangener Woche abgesegnet. Die vorherigen Besitzer Tom Hicks und George Gillett hatten sich aber bis zuletzt mit allen Mitteln und juristischen Tricks gegen den Verkauf gewehrt. Offenbar als Reaktion auf das Phantom-Tor Englands bei der WM gegen Deutschland plant UEFA-Präsident Michel Platini bei der EM 2012 den Einsatz von Torrichtern nach Vorbild der europäischen Klub-Wettbewerbe. "Ich werde nach einer Möglichkeit suchen, einen zusätzlichen Offiziellen in Polen und der Ukraine einzusetzen", sagte Platini bei einer Stadion-Besichtigung in Warschau: "Sie wären in der Lage zu sehen, ob der Ball die Linie überquert hat. In der Champions League und der Europa League sind sie schon im Einsatz, für Länderspiele sind sie aber noch nicht zugelassen." Beim 4:1-Sieg Deutschlands im WM-Achtelfinale von Südafrika war ein klares Tor von Englands Frank Lampard beim Stande von 2:1 nicht anerkannt worden, da Schiedsrichter Jorge Larrionda und sein Assistent den Ball nicht hinter der Linie gesehen hatten. Nach zwei Niederlagen in Folge hat sich der Handball-Bundesligist HSV Hamburg in der Champions League mit einem Sieg zurückgemeldet. Der deutsche Pokalsieger kam am vierten Spieltag bei seinem ersten Heimspiel im laufenden Wettbewerb zu einem 33:24 (16:14)-Erfolg gegen IK Sävehof aus Schweden und damit zum zweiten Sieg. Der HSV hat nun wieder gute Chancen, als einer der vier Gruppenbesten ins Achtelfinale einzuziehen. Beste Werfer des HSV waren Blazenko Lackovic mit sechs und Marcin Lijewski mit fünf Toren. Zuvor hatten die Norddeutschen bei MKB Veszprem in Ungarn und beim dänischen Vertreter KIF Kolding Niederlagen einstecken müssen. "Das war ein wichtiger Sieg für uns. Aber es war nicht einfach, denn Sävehof hat gut gespielt", sagte der schwedische Nationaltorhüter Per Sandström. Hamburgs Nationalspieler Michael Kraus war mit der Leistung seines Teams zufrieden: "Den Grundstein für den Erfolg haben wir in der Abwehr gelegt. Dazu haben wir schnelle und einfache Tore gemacht, dann kommt eben so ein Ergebnis heraus." Der englische Fußball-Meister FC Chelsea hat das 11-jährige "Wunderkind" Michael Gyasi verpflichtet. Für den offenbar hochtalentierten Stürmer überweist der Ex-Klub von Nationalmannschaftskapitän Michael Ballack eine nicht genannte Summe an den Drittligisten Northampton Town. Offenbar handelt es sich zunächst um eine Ausbildungs-Entschädigung, die aber durch verschiedene Klauseln zu einer ordentlichen Summe anwachsen könnte. Der abgebende Klub begrüßt den Wechsel des Jugendlichen. "Michael hat sich bei uns hervorragend entwickelt. Und wenn ein Erstligist wie Chelsea anklopft ist das eine tolle Sache, bei der wir dem Jungen nicht im Weg stehen wollen", sagte Northamptons Generalsekretär Trevor Gould. Nach der Verpflichtung von Mesut Özil und Sami Khedira diesen Sommer will der spanische Fußball-Rekordmeister Real Madrid keine Transfers im Winter tätigen. "Das ist die Mannschaft bis zum Ende der Saison", sagte Coach José Mourinho am Donnerstag: "Ich will keine Spieler vom Transfermarkt im Januar." Diese Devise gelte, außer es passiere "etwas Unnormales". Vor dieser Saison hatte Real 80 Millionen Euro für neue Profis ausgegeben und unter anderem die deutschen Nationalspieler Özil und Khedira erworben. "Real Madrid hat in den jüngsten Jahren und vergangenen Sommer die Investitionen gemacht, die es machen musste", sagte Mourinho. Der Anführer der serbischen Hooligans, die am Dienstagabend in Genua den Abbruch des EM-Qualifikationsspiels zwischen Serbien und Italien provoziert hatten, hat sich für den Gewaltexzess entschuldigt. "Ich entschuldige mich bei Italien und den Italienern", sagte der in italienischer Haft sitzende Ivan B. am Donnerstag nach Angaben seines Anwalts. Es sei "nie geplant" gewesen, Italien Probleme zu bereiten. Vielmehr habe es sich um einen "Protest" gegen den serbischen Fußballverband und Nationaltorwart Vladimir Stojkovic gehandelt - Anhänger des Clubs Roter Stern Belgrad haben Stojkovic dessen Wechsel zum Stadtrivalen Partizan nicht verziehen.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/linksaussen-gesucht-ein-stueck-praerie-1.3237559
mlsum-de-9598
Ein Pferd ist für Außenstehende eine übersichtliche Einrichtung. Vom Pferdesport in München kann man dagegen kaum behaupten, dass es hier unkompliziert zugeht
Ein Pferd ist selbst für Außenstehende eine übersichtliche Einrichtung. Im Idealfall besitzt es vier Beine, die paarweise an beiden Enden des Rumpfes hängen. In der Mitte einen Sattel, der zwar nicht ab Werk verbaut ist, aber viele Funktionen des 1-PS-Antriebs erst komfortabel nutzbar macht. Und wo es wiehert, ist vorne. In den Weiten der Prärie kann man auf Pferden "völlig sinnlos nebeneinander herreiten", wie Häuptling Abahachi und der Ranger im "Schuh des Manitu". Im beengteren München eher nicht. Die Komödie, die hier vor gut 15 Jahren entstand, wurde daher zu großen Teilen in Andalusiens Tabernas-Wüste gedreht. Auf Pferden springt man in der Landeshauptstadt eher im Zickzack über Stangen, wie in einigen Tagen bei den Munich Indoors. Oder die Tiere rennen im Kreis herum, wahlweise auf Gras mit Steuermann (Riem) oder auf Sand mit Gepäckwagen (Daglfing). Pferde in München sind eben manchmal doch komplizierter. Weil Hufe Untergrund benötigen. In Riem ist es nämlich so, dass zwar (wie an Allerheiligen) Tausende zu hochpreisigen Rennen strömen. Die Rennbahn aber macht trotzdem Miese, Jahr für Jahr, sechsstellig. Ställe und Quartiere sind längst maroder als jene Filmkulissen, die teils schon seit den Siebzigern in der Tabernas-Wüste vor sich hin verrotten, für zig Westernproduktionen aus Pappe und Sperrholz hingekleistert und stehen gelassen. Stören ja nicht. Riems alter Vereinsvorstand probierte seinerzeit das Trainingsgelände zu verkaufen, um an Geld zu kommen. Das kostete ihn sein Amt. Während der neue Vorstand, der Riems Defizite Jahr für Jahr aus eigener Tasche ausgleicht, nun viel lieber das Trainingsgelände verkaufen will, um an Geld zu kommen. An einen anderen Investor und zu besseren Konditionen. Noch verwirrender ist, dass nebenan die Daglfinger, die auch ohne prestigeträchtige Renntage Miese machen, ihre ganze Rennbahn verkaufen wollen - weil sie das ja vor Jahren bereits getan haben. Das ist zwei Präsidenten her, das Geld längst aufgebraucht. Grob gesagt wollen sie nun entweder mehr Geld vom alten Käufer haben, oder ihr Gelände für einen neuen Käufer zurückklagen. Wie gesagt, ziemlich kompliziert. Umziehen wird die Rennbahn in jedem Fall. Vielleicht ja ins Innere der Galopprennbahn. Oder irgendwohin, wo es so viel Platz gibt, dass man sogar mal mit lautem Gewieher sinnlos umherreiten kann. Maisach, Fröttmaning, wo auch immer. Die Tabernas-Wüste ist zu weit entfernt.
https://www.sueddeutsche.de/politik/deutschland-spricht-wir-moechten-dass-sie-schoener-streiten-1.4047113
mlsum-de-9599
Sie sind für autofreie Innenstädte und finden, Deutschland braucht striktere Grenzkontrollen? Wir würden Ihnen gern jemanden vorstellen, der das ganz anders sieht.
Soll niemand sagen, es gebe zu wenig Streit in Deutschland. Asyl, Union, Europa: jeden Tag produzieren allein die Auseinandersetzungen in der Politik Nachrichten und Reaktionen in Dauerschleife. Die Google-Suche nach dem Wort Streit ergibt 28 Millionen Treffer und die Duden-Definition: "heftiges Sichauseinandersetzen, Zanken (mit einem persönlichen Gegner) in oft erregten Erörterungen, hitzigen Wortwechseln, oft auch in Handgreiflichkeiten". In Deutschland wird tausendfach Streit gesucht, zumindest auf Google. Wir wollen, dass Sie mitstreiten, aber es geht uns nicht um Handgreiflichkeiten oder Gezänk, sondern um den persönlichen Austausch von Argumenten. Weniger Polarisierung, mehr Diskussion. Keine Fronten, sondern Perspektivwechsel. Dazu möchten wir Menschen zusammenbringen, die in politischen Fragen unterschiedlicher Meinung sind. Bis Ende August werden wir Ihnen sieben Fragen stellen, die Sie mit Ja oder Nein beantworten können. Etwa, ob Sie finden, dass Deutschland wieder strikte Grenzkontrollen einführen sollte oder die Debatte um #metoo etwas Positives bewirkt hat. Geht es den Deutschen heute schlechter als vor zehn Jahren? Können Muslime und Nicht-Muslime in Deutschland gut zusammen leben? Wenn Sie darauf antworten und uns E-Mailadresse und Postleitzahl übermitteln, werden wir jemanden suchen, der in Ihrer Nähe wohnt und ganz andere Ansichten vertritt. Geht unser Plan auf, treffen sich am Nachmittag des 23. September sehr viele diskussionsfreudige Menschen zu Vier-Augen-Gesprächen. Deutschland spricht also - falls Sie mitmachen. Die Aktion wird getragen von elf Medienhäusern, neben der SZ unter anderem Tagesschau, Zeit Online, Spiegel und t-online.de. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier übernimmt die Schirmherrschaft. Im vergangenen Jahr hat Zeit Online mit dieser Aktion 12000 Menschen zum Mitmachen bewegt, am Ende diskutierten 600 Zweierpaare über Flüchtlingspolitik, Russlandsanktionen und die Ehe für alle. Viele berichteten anschließend, ihr Gespräch sei ganz anders verlaufen als erwartet. Weniger konfrontativ als gedacht, oftmals mit überraschenden Einsichten und der Erkenntnis, dass Verständigung möglich ist, wenn es weniger darum geht, Recht zu behalten, sondern vor allem darum, den Anderen besser zu verstehen. Deswegen: Beantworten Sie gerne unsere Fragen, melden Sie sich an und treffen Sie jemanden, der Sie mit Argumenten überrascht. Bei "Deutschland spricht" kommt die Plattform "My Country Talks" zum Einsatz, die von Zeit Online gemeinsam mit internationalen Partnern konzipiert und zusammen mit Google umgesetzt wurde.
https://www.sueddeutsche.de/politik/iran-reformer-triumphieren-in-iran-1.2883558
mlsum-de-9600
Die gemäßigte Partei des Präsidenten ist der klare Wahlsieger. Doch die Macht der Hardliner ist ungebrochen.
Die Iraner haben bei den Wahlen am Wochenende den moderaten Präsidenten Hassan Rohani und seine Regierung mit einem unerwartet deutlichen Votum des Vertrauens gestärkt. Zwar dürften laut den Sonntagnachmittag bekannten vorläufigen Teilergebnissen Konservative und Hardliner gemeinsam die stärkste Kraft im Parlament bleiben, wohl aber zum ersten Mal seit 2004 ihre bislang deutliche Mehrheit in der Madschlis verlieren. Laut der Nachrichtenagentur Reuters kamen sie landesweit auf 109 der 290 Sitze. Reformer und Moderate unter der gemeinsamen Liste "Hoffnung" gewannen dagegen nach Auszählung von etwa 90 Prozent der Stimmen alle 30 Mandate, die in Teheran vergeben wurden. Die Hauptstadt ist das politische Zentrum des Landes, und die Abgeordneten von dort verfügen traditionell über großen Einfluss im Parlament. Die symbolische Bedeutung dieses Sieges ist deswegen groß. Landesweit kamen Moderate und Reformer zunächst auf etwa 80 Sitze. Es zeichnete sich ab, dass keines der politischen Lager eine Mehrheit im Parlament erreichen kann. Etwa 40 Mandate gingen allerdings an unabhängige Kandidaten. Sie könnten Rohani im Machtkampf mit den Konservativen vor allem bei Wirtschaftsfragen von Fall zu Fall zu Mehrheiten in Parlament verhelfen. In 50 Wahlkreisen gibt es Stichwahlen Rohani sagte in einer ersten Reaktion, das Volk "hat erneut seine Macht gezeigt und seiner gewählten Regierung mehr Glaubwürdigkeit und Stärke verliehen". Die Konservativen hatten seine Reformvorhaben im Parlament regelmäßig blockiert. Ihr Spitzenkandidat in Teheran, Gholam Ali Haddad-Adel, lag nur auf Platz 31 und würde damit sein Mandat verlieren. Die endgültigen Ergebnisse wollte das Innenministerium am Dienstag bekanntgeben. In einigen Wahlkreisen, in denen kein Kandidat ein Viertel der Stimmen erzielt hat, gibt es im April Stichwahlen. Bei der Wahl zum 88-köpfigen Expertenrat zeigte sich noch deutlicher Rohanis derzeitige Popularität und die Unterstützung, der sich das moderate Lager im Volk nach dem Atomabkommen mit den USA und anderen Weltmächten erfreut. Rohani tritt für eine weitere Öffnung gegenüber dem Westen ein, will ausländische Direktinvestitionen ins Land holen und hat versprochen, sich für mehr persönliche Freiheiten und eine Verbesserung der Stellung der Frau in der Gesellschaft einzusetzen. Er kam mit diesem Programm auf Platz drei unter 16 Mitgliedern, die in Teheran für das Gremium gewählt wurden. Mehrere prominente Ultrakonservative mussten dagegen um ihre Wiederwahl fürchten. Die Bedeutung des Gremiums, dem ausschließlich Kleriker angehören, liegt darin, einen neuen Obersten Führer zu bestimmen, sollte der auf Lebenszeit gewählte 76 Jahre alte Ali Chamenei in der achtjährigen Amtsperiode des Expertenrates sein Amt aufgeben oder sterben. Die meisten Stimmen erhielt der frühere Präsident Akbar Haschemi Rafsandschani. Er gilt als derzeit einflussreichster Strippenzieher der iranischen Politik und war schon maßgeblich für Rohanis Sieg bei der Präsidentenwahl im Sommer 2013 verantwortlich. Detailansicht öffnen Keineswegs politikverdrossen: Mit Selfies in sozialen Medien ermunterte Teherans Jugend ihre Landsleute, zur Wahl zu gehen. (Foto: Abedin Taherkenareh/dpa) Lange Schlangen vor den Wahllokalen Moderate und Reformer hatten sich auf eine ähnliche Strategie wie damals verständigt, um gegen die Konservativen zu bestehen: Der Wächterrat, ein zur Hälfte vom Obersten Führer eingesetztes und zur Hälfte vom Parlament gewähltes zwölfköpfiges Gremium, hatte von 3000 Reformern nur 30 zur Wahl zugelassen. Sie schlossen sich mit moderaten Unterstützern Rohanis zur Liste "Hoffnung" zusammen. So brachten sie noch etwas mehr als 200 Bewerber auf die Wahllisten. Zugleich riefen sie ihre Anhänger auf, ihre Stimme abzugeben. Von einer hohen Beteiligung profitieren in der Regel Reformer und Moderate. Das Innenministerium verlängerte am Freitag in Teheran die Stimmabgabe um fast sechs Stunden bis kurz vor Mitternacht, nachdem sich lange Schlangen vor den Wahllokalen gebildet hatten; die Beteiligung lag deutlich über 60 Prozent. Viele Menschen fotografierten sich nach der Stimmabgabe mit eingefärbtem Finger und forderten über soziale Netzwerke andere auf, ebenfalls zur Wahl zu gehen. Offenbar gelang es den Konservativen in Teheran nicht, ihre Basis zu mobilisieren, oft Menschen aus ärmeren und konservativ geprägten Schichten aus dem Süden der Stadt - oder diese stimmten aus Enttäuschung über ihre schlechte wirtschaftliche Lage sogar für das Regierungslager. Ein Aufruf an die politischen Gegner Rohani und Rafsandschani wandten sich am Sonntag mit ähnlichen Botschaften an die Bürger. Die Zeit des politischen Wettstreits sei nun vorbei, es breche die Phase der Einheit und Zusammenarbeit an. Durch Konsens und Unterstützung für die Regierung solle das Land nun die Chancen ergreifen, die sich international böten, um "ein neues Kapitel des Wachstums und der Blüte der nationalen Wirtschaft zu öffnen", zitierte die amtliche Nachrichtenagentur Irna Rohani. Es war ein Aufruf an den politischen Gegner, nicht länger seine Agenda zu blockieren. Rafsandschani wurde noch deutlicher: "Niemand kann sich dem Willen der Mehrheit des Volkes widersetzen", sagte er. "Und wen immer das Volk nicht will, der muss zur Seite treten." Den Konservativen bleiben, auch wenn sich ihre Wahlniederlage bestätigt, im komplexen politischen System Irans weiter viele Möglichkeiten, Rohanis Kurs zu hintertreiben. So muss der von Hardlinern kontrollierte Wächterrat jedes vom Parlament verabschiedete Gesetz billigen. In der Außen- und Sicherheitspolitik hat der Oberste Führer Ali Chamenei das letzte Wort, und er hat sich immer wieder strikt gegen eine enger Zusammenarbeit mit dem Westen etwa in Syrien ausgesprochen. Er kontrolliert die mächtigen Revolutionsgarden, die den Einsatz von schiitischen Milizen in Syrien, Libanon und im Irak steuern. Ihm untersteht auch der interne Sicherheitsapparat, der für die weiter scharfe Repression verantwortlich ist. Auch die Justiz ist in der Hand von Konservativen. Die Hardliner sehen in Rohanis Politik eine Bedrohung der Ideale der Revolution von 1979 und des Systems der Islamischen Republik - aber auch ihrer wirtschaftlichen Interessen. Sie hatten sich zur Zeit der Sanktionen viele Pfründe gesichert und fürchten nun ausländische Konkurrenz.